Gebaute Entfestigung: Architekturen der Öffnung im Turin des frühen 18. und 19. Jahrhunderts 9783110347692, 9783110347593

How does a city become an open city after a long history of being walled? Turin is notable in this regard for two import

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German Pages 470 [472] Year 2014

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Table of contents :
Vorwort
Einleitung
Gegenstand und Ziele des Buches
Die Fortifikation der frühneuzeitlichen Stadt als Funktion des politischen Raums
Der Forschungsstand zur Entfestigung
Gebaute Räume. Der Ansatz
Zum Begriff des architektonischen Außenraums
Der Aufbau des Buches
»Theatrum Sabaudiae«: Orte machen den Raum
Die Ränder der Stadt ordnen Raum
Befestigung und Territorium
Dynastischer Raumbau: Turin, Territorium und Topographie
Anschauungsräume des Sieges: die Superga
Die Superga besetzt Topographie
›Vermessung‹ der Ebene: die Achse Rivoli – Superga
Der »Wirkungsbezugsraum« der Superga
Der Außenraum der Superga als Forschungsdesiderat
Die Superga: ein »gerichteter Rundbau«
Architektur als »Scheidewand« von Innen und Außen
Superga und Klostertypologie
Die Fassade der Superga als methodisches Problem
Zentralbau und Fassade
Schauseite und architektonische Gliederungen
Die »Raumgestalt« der Superga im Inneren
Der Hauptraum als Schaffung von ›Höhe‹
Rotunde und ›Vierung‹: das Anspruchsniveau des Hauptraums
Die Wand als »Raumschale«
Die Rotunde als »Zeigfeld«
Der »Richtungskontrast« durch den Chor
Die bildartige Struktur des Raumes im Inneren der Superga
Der Außenbau der Superga
Arbeit am Typus: die Doppelturmanlage mit Kuppel
Die Schauseite der Superga als Portikusfassade
Die zwei Seiten der Fassade
Befestigung im Grund: der doppelte ›Sockel‹
Die Prägung des Außenraums durch die Superga
Die dynastische Votivkirche als europäischer »Raumtypus«
Superga und ›Landschaft‹
Die Superga als Architektur der Grenze
Ein savoyischer Aktionsraum: das Ensemble von Piazza Vittorio Emanuele und Gran Madre di Dio
Das architektonische Ensemble von Platz und Kirche
Der ›Eingangsplatz‹: Forschungsaufgabe und Methodik der Untersuchung
Piazza Vittorio Emanuele: eine städtebauliche Anlage der ›Weite‹
Die Architekturtheorie des weiten Platzes
Die architektonische Typologie torinesischer Plätze
Frühneuzeitliche Platzfassaden in Turin: »Resultante« und Formung von Stadt
Die Emblematik der frühneuzeitlichen Portikuszone in Turin
Soziale Stratifikation und Concordia: die ›Turiner Fassade‹ als Modell der Teilhabe
›Uniformität‹ als Kategorie: die Bauten an der Piazza Vittorio Emanuele
Ein Platz der Entfestigung: die Piazza Vittorio Emanuele
Intra muros: die barocke Typologie torinesischer Torplätze
Anstelle des Tors: die Piazza Vittorio Emanuele als Instrument napoleonischer Geopolitik
Dynastische Verengung: der Bau der Piazza Vittorio Emanuele und der Kirche Gran Madre di Dio
Wand als ›Masse‹: der Pantheonsbau Gran Madre di Dio
Die Forschungsproblematik der ›Pantheonskirche‹
Der Begriff der ›Masse‹ in der zeitgenössischen Architekturtheorie
Der Typus des Pantheonsbaues um 1800
Gran Madre di Dio als ›Pantheonsbau‹
Die Piazza Vittorio Emanuele als Wegraum
Der »Raumtypus« des Eingangsplatzes um 1800 und seine chronotopische Struktur
Piazza Vittorio Emanuele und Gran Madre di Dio: eine ›Gegend‹ der offenen Stadt
Resümee
Anmerkungen
Literaturverzeichnis
Farbtafeln
Abbildungsnachweise
Register
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Gebaute Entfestigung: Architekturen der Öffnung im Turin des frühen 18. und 19. Jahrhunderts
 9783110347692, 9783110347593

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Cornelia Jöchner

GEBAUTE ENTFESTIGUNG Architekturen der Öffnung im Turin des frühen 18. und 19. Jahrhunderts

STUDIEN AUS DEM WARBURG-HAUS, BAND 14 Herausgegeben von Uwe Fleckner Margit Kern Birgit Recki Bruno Reudenbach Cornelia Zumbusch

Cornelia Jöchner

GEBAUTE ENTFESTIGUNG Architekturen der Öffnung im Turin des frühen 18. und 19. Jahrhunderts

INHALT

9

Vorwort

11

Einleitung

11 13 15 16 18 20 23 23 28 30 39 39 46 55 57 59

Gegenstand und Ziele des Buches Die Fortifikation der frühneuzeitlichen Stadt als Funktion des politischen Raums Der Forschungsstand zur Entfestigung Gebaute Räume. Der Ansatz Zum Begriff des architektonischen Außenraums Der Aufbau des Buches

»Theatrum Sabaudiae«: Orte machen den Raum Die Ränder der Stadt ordnen Raum Befestigung und Territorium Dynastischer Raumbau: Turin, Territorium und Topographie

Anschauungsräume des Sieges: die Superga Die Superga besetzt Topographie ›Vermessung‹ der Ebene: die Achse Rivoli – Superga Der »Wirkungsbezugsraum« der Superga Der Außenraum der Superga als Forschungsdesiderat Die Superga: ein »gerichteter Rundbau«

Architektur als »Scheidewand« von Innen und Außen Superga und Klostertypologie Die Fassade der Superga als methodisches Problem Zentralbau und Fassade Schauseite und architektonische Gliederungen Die »Raumgestalt« der Superga im Inneren Der Hauptraum als Schaffung von ›Höhe‹ Rotunde und ›Vierung‹: das Anspruchsniveau des Hauptraums Die Wand als »Raumschale« Die Rotunde als »Zeigfeld« Der »Richtungskontrast« durch den Chor Die bildartige Struktur des Raumes im Inneren der Superga Der Außenbau der Superga Arbeit am Typus: die Doppelturmanlage mit Kuppel Die Schauseite der Superga als Portikusfassade Die zwei Seiten der Fassade Befestigung im Grund: der doppelte ›Sockel‹ Die Prägung des Außenraums durch die Superga Die dynastische Votivkirche als europäischer »Raumtypus« Superga und ›Landschaft‹ Die Superga als Architektur der Grenze

59 60 72 75 77 82 88 97 102 106 117 123 131 134 140 157 168 174 174 184 190 195

Ein savoyischer Aktionsraum: das Ensemble von Piazza Vittorio Emanuele und Gran Madre di Dio

195 199 200 207 209 213

Das architektonische Ensemble von Platz und Kirche Der ›Eingangsplatz‹: Forschungsaufgabe und Methodik der Untersuchung Piazza Vittorio Emanuele: eine städtebauliche Anlage der ›Weite‹ Die Architekturtheorie des weiten Platzes Die architektonische Typologie torinesischer Plätze Frühneuzeitliche Platzfassaden in Turin: »Resultante« und Formung von Stadt Die Emblematik der frühneuzeitlichen Portikuszone in Turin Soziale Stratifikation und Concordia: die ›Turiner Fassade‹ als Modell der Teilhabe ›Uniformität‹ als Kategorie: die Bauten an der Piazza Vittorio Emanuele Ein Platz der Entfestigung: die Piazza Vittorio Emanuele Intra muros: die barocke Typologie torinesischer Torplätze Anstelle des Tors: die Piazza Vittorio Emanuele als Instrument napoleonischer Geopolitik

224 234 245 251 257 264

6 | Inhalt

Dynastische Verengung: der Bau der Piazza Vittorio Emanuele und der Kirche Gran Madre di Dio Wand als ›Masse‹: der Pantheonsbau Gran Madre di Dio Die Forschungsproblematik der ›Pantheonskirche‹ Der Begriff der ›Masse‹ in der zeitgenössischen Architekturtheorie Der Typus des Pantheonsbaues um 1800 Gran Madre di Dio als ›Pantheonsbau‹ Die Piazza Vittorio Emanuele als Wegraum Der »Raumtypus« des Eingangsplatzes um 1800 und seine chronotopische Struktur Piazza Vittorio Emanuele und Gran Madre di Dio: eine ›Gegend‹ der offenen Stadt

272 277 282 284 285 289 298 306 316

323

Resümee

325

Anmerkungen

387

Literaturverzeichnis Farbtafeln

431

Abbildungsnachweise

437

Register

7 | Inhalt

VORWORT

Das vorliegende Buch wurde im Mai 2012 als Habilitationsschrift vom Fachbereich Kulturgeschichte und Kulturkunde der Universität Hamburg angenommen. Entstanden ist es im Laufe mehrerer Tätigkeiten an unterschiedlichen Orten, nachdem das Projekt während eines Post-Doc-Stipendiums am Kunstgeschichtlichen Seminar der Universität Hamburg 1996–1999 begonnen worden war. Diese wichtige Anfangsphase war bestimmt durch das Graduiertenkolleg »Politische Ikonographie/Stadt« und seine Mitglieder, von denen ich hier Hermann Hipp, Wolfgang Kemp, Bruno Reudenbach, Monika Wagner und Martin Warnke sehr herzlich für ihr Interesse an meiner Forschung danken möchte. Zu dem prägenden Erlebnis am Hamburger Seminar gehörten die Stipendiatinnen und Stipendiaten des Graduiertenkollegs, mit denen mich nicht nur eine schöne, sehr produktive Zeit, sondern vielfach eine fortdauernde Freundschaft verbindet. Während meiner weiteren Tätigkeiten haben sodann eine ganze Anzahl von Menschen diese Studie befördert, wozu stets die jeweiligen Kolleginnen und Kollegen gehörten, mit denen ich wichtige Diskussionen führen konnte: ihnen allen herzlicher Dank! Persönlich kann ich aus diesen Arbeitsbereichen hier nur die jeweiligen Verantwortlichen nennen: Prof. Dr. Eduard Führ vom Lehrstuhl Architekturtheorie an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus (1999–2004) sowie Prof. Dr. Alessandro Nova vom Kunsthistorischen Institut (Max-Planck-Institut) in Florenz (2007–2011), die mich während meiner jeweiligen Assistententätigkeit in dem Vorhaben bestärkt und es unterstützt haben. Ein dreivierteljähriges Habilitationsstipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) (2006) und ein dreimonatiges Fellowship am Exzellenzcluster »Topoi« der Freien Universität (2010) unter der da-

9 | Vorwort

maligen Veranwortlichen, Frau Prof. Dr. Friederike Fless, boten den nötigen Freiraum in wichtigen Phasen. Entscheidender Mentor und wichtigster Kritiker dieser Forschungsarbeit aber war Prof. Dr. Wolfgang Kemp (Universität Hamburg), der mir während (oder besser: trotz) der langen Entstehungszeit sein Vertrauen geschenkt hat und mir mit wichtigen Anregungen und Rat stets zur Seite stand. Meine Dankbarkeit gilt ausdrücklich auch den Forschungen des Autors Kemp. Schließlich bin ich den Herausgebern der »Studien aus dem WarburgHaus» für die Aufnahme des Buches in diese bedeutende Reihe außerordentlich verbunden, insbesondere Prof. Dr. Uwe Fleckner für sein persönliches Engagement. Die Aby-Warburg-Stiftung und die Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften haben durch beträchtliche Druckkostenzuschüsse die Finanzierung eines reich illustrierten Bandes möglich gemacht. Sophie Huggler (Florenz/Bern) und Stephanie Leisner haben mich bei den Abbildungen unterstützt, Carina Bauriegel (Leipzig/Rom) führte die nötigen Korrekturen am Manuskript durch. Dem Verlag De Gruyter, insbesondere Herrn Martin Steinbrück, Frau Verena Bestle und Kathleen Prüfer, verdanke ich eine sehr professionelle Hilfestellung bei der Publikation des Buches. Doch ohne meinen Mann Uwe Rüdenburg, ohne seine Unterstützung durch die meisten Fotografien der vorliegenden Publikation, wäre die raumbezogene Forschung, auf die ich abzielte, gar nicht zu realisieren gewesen. Seinem Know-how und seiner Geduld ist es gleich in mehrfacher Hinsicht geschuldet, dass das Buch in dieser Form zustande kommt. Ich danke ihm von ganzem Herzen für all die Zeit und Energie, die er dafür aufgewandt hat – nicht nur in Turin. Bochum, Juni 2014

10 | Vorwort

EINLEITUNG

Wand: Der Mörtel und der Leim und dieser Stein tut zeigen, Dass ich bin diese Wand, ich will’s Euch nicht verschweigen. Und dies die Spalte ist, zur Linken und zur Rechten, Wodurch die Buhler zwei sich täten wohl besprechen. William Shakespeare, Ein Sommernachtstraum (1593/94). Übersetzt von August Wilhelm von Schlegel (1843), 5. Aufzug, 1. Szene

GEGENSTAND UND ZIELE DES BUCHES Die folgende Studie handelt über Wände und Mauern – jedoch keineswegs zwangsläufig, wie dies bei jeder kunsthistorischen, sich mit Architektur beschäftigenden Untersuchung der Fall ist: Vielmehr geht es ihr um die elementare raumschaffende Aufgabe der Architektur im konkreten wie im übertragenen Sinn gleichermaßen. Die Entfestigung mitteleuropäischer Städte mit ihrer stärksten Konjunktur im 18. und frühen 19. Jahrhundert war ein Prozess, der nicht nur alte Mauern beseitigte, sondern durch architektonische Mittel auch Neues entstehen ließ. Bekannt sind aus dieser Phase beispielsweise Boulevards, ausgedehnte Residenzanlagen, Parks, Plätze, die ›Ringe‹, die heute noch Kennzeichen unserer Städte sind. Doch ist es ein Anliegen dieser Arbeit zu zeigen, dass dieses bisherige Spektrum künftig weiter angelegt sein muss, will man die Entfestigung als räumlichen Prozess verstehen. Bestimmte Architekturen, so lautet die These, leisteten für den Öffnungsprozess insofern einen aktiven Beitrag, indem sie ›Raum‹ in einer Weise vorbildlich schufen, wie ihn die geschlossene Stadt nicht zuließ. Wie konstituiert sich die offene Stadt als grundlegend neue räumliche Existenz? Greift die Stadt in das Land aus – oder jenes in die Stadt ein? Was bedeuteten die Entfestigungen für das vormals dichotome Verhältnis dieser beiden Größen? Und schließlich: markiert die Stadt auch ohne gebaute Grenze noch einen ›Eigenraum‹ (Waldenfels),1 der ihren Bewohnern Schutz signalisierte? Gab es hierfür eine neue städtebauliche Sprache? Über Jahrhunderte hinweg war die Mauer das signifikante Kennzeichen der Stadt gewesen, das sie nicht nur formal umgab, sondern auch deren Rechtsbezirk absteckte. Deuten

11 | Gegenstand und Ziele des Buches

schon die langen Wellen der Entfestigung darauf hin, welch grundsätzliche Veränderung hier stattfand, so weist der Ablauf einzelner Demolitionen, über die wir inzwischen besser informiert sind, auf die Vorbehalte hin, die es zum Teil gegenüber einer offenen Stadt gab. Offenbar ging es hier nicht nur um die technische Herausforderung, wie mit den Festungswerken umgegangen werden sollte, wie die Straßen- und Wegesysteme aufeinander abzustimmen seien, was mit dem Glacis zu geschehen habe. Es ging beim Verlust der Mauer um das Selbstverständnis der Stadt, das die Mauer verkörpert hatte. Dies zeigt sich, wenn die bisherige Befestigung als Zollgrenze genutzt wurde, mit der gleichzeitig geregelt wurde, wer in die Stadt kam, und wer nicht. Das auf einen ›Eigenraum‹ beharrende Selbstverständnis der Stadt wird deutlich, wenn in Turin während der Entfestigung durch Napoleon darum gebeten wurde, die innere Mauer erhalten zu dürfen. Ähnlich reagierte die Stadt Frankfurt am Main in der napoleonischen Zeit. Zwar wollte man solchen Belagerungen künftig durch Aufgabe der Befestigung entgehen, doch tat sich damit gleichzeitig eine Kluft von Innen und Außen auf, die vor allem die sozialen und gewerblichen Rechtsverhältnisse betraf. Die Stadthistoriographie berichtet hierzu: »Man wollte den Festungswerken den militärischen Werth nehmen, aber sie nicht beseitigen; man wünschte die Vortheile einer offenen Stadt beizubehalten; man wollte jeden schroffen Eingriff in die bestehenden gewerblichen und sozialen Verhältnisse vermeiden; man wollte Napoleon zufriedenstellen oder wenigstens beschwichtigen, aber möglichst geringe Opfer bringen.«2 Gegen solche, offenbar tiefsitzenden Befürchtungen einer offenen Stadt gegenüber, so lautet eine Grundannahme der Arbeit, konnte nur der Aufbau neuer, in einem anderen Sinn Sicherheit versprechenden Räume helfen: es entstanden ›Eigenräume‹ der offenen Stadt, die individuell auf die jeweiligen Verhältnisse zugeschnitten sein mussten.3 Am Beispiel Turins ist zu beobachten, wie durch bestimmte Architekturen eine ›Psychologie der Öffnung‹ wirksam wurde. Die Öffnung der Stadt erschien hier möglich, indem sich diese nach dem Sieg 1706 erstmals als bauliches Gebilde zeigte, das visuell in einen topographischen, und nicht mehr nur idealen Landschaftsraum gestellt war. Genau diese stadtgeographische Partie am Ostrand der Stadt wurde ein Jahrhundert später durch ein Platz-Kirchen-Ensemble gestaltet und der Stadt als neuer Eingang zur Verfügung gestellt, als diese ihren festen Rand, die Fortifikation, auch faktisch aufgab. In einer prekären geopolitischen Situation am Fuße der italienischen Westalpen war die Residenzstadt Turin über drei Jahrhunderte kontinuierlich von der Dynastie der Savoyer beherrscht, welche die Stadt auch baulich dominierte. Die beiden baulichen Ensembles, errichtet zu Beginn des 18. sowie des frühen 19. Jahrhunderts, schufen neue Orte, die durch die Architektur geformt wurden. Sie bildeten den Kern neuartiger, spezifischer Räume der Öffnung, die aufgrund ihrer Entstehungssituation mit der Dynastie verknüpft blieben. Die politischen Siege, durch welche die Bauten jeweils ausgelöst wurden und die Turin beide Male in seiner territorialen Position stärkten, waren somit nicht nur abstrakt wirksam. Architektonische und politische Raumgestaltung waren bei diesen ›Raumtypen‹ miteinan-

12 | Einleitung

der verknüpft: zwei Architekturen von Rang vermittelten hier dynastische Raum-ZeitKonstellationen. Ziel des Buches ist es, die neuartigen Beanspruchungen des Turiner Stadtrands in ihrer jeweiligen Struktur und in ihren urbanistisch-territorialen Konsequenzen als Gestaltung von politischem Raum deutlich zu machen. Hierfür wird eine Analyse vorgeschlagen, die sich aus der jeweiligen Gestalt der Architektur heraus ergibt. Damit ist gesagt, dass es nicht allein um urbanistische Qualitäten der beiden Ensembles geht, sondern dass hier ›Raumbildung‹ auch als ein Prozess verstanden wird, der vom architektonischen Objekt ausgeht. Eine derartige Engführung von Stadt- und Architekturanalyse, die es für die beiden Turiner Ensembles so bisher nicht gab, ermöglicht es, die spezifische Konstitution der jeweiligen Räume festzustellen. Die aus der philosophischen Phänomenologie stammenden Modalitäten des »Anschauungsraums« und des »Aktionsraums« bilden hier einen Rahmen, in dem die Wirkungsweise der beiden Ensembles jeweils untersucht werden kann. Als notwendig hierfür erwies sich die Sichtung von älteren, teilweise verschütteten Ansätzen der formalistischen Kunstwissenschaft, die den architektonischen Raum in seiner medialen Eigenart näher bestimmbar machen. Aus den Theorien dieser Schriften, die auf den Seiten 16–20 der Einführung vorgestellt seien und die in den einzelnen Analysen punktuell vertieft werden, bezieht die Studie ihr kunsthistorisches Instrumentarium. Der architektonische Außenraum tritt aus seinem Schattendasein und wird als ein vielfach kalkuliertes künstlerisches Feld sichtbar, das ebenso auf einen Rezipienten bezogen ist, wie die Architektur selbst. Wenn dies bei ›Stadt‹ generell von Belang ist, so betrifft es auch die Bedingung der geschlossenen Stadt, deren Besonderheit der folgende Abschnitt behandelt.

DIE FORTIFIK ATION DER FRÜHNEUZEITLICHEN STADT ALS FUNKTION DES POLITISCHEN R AUMS Das im letzten Abschnitt angesprochene Problem der Stadtränder ist heute meist negativ konnotiert: als Zersiedelung, »urban sprawl«, zu dem sich inzwischen die »Schrumpfung« als neues Phänomen hinzugesellte.4 Kunstgeschichtliche Forschung kann zeigen, wie eine Identität von ›Stadt‹ durch gebaute Räume entsteht.5 In Bezug auf die frühneuzeitliche Stadt heißt das vor allem über fortifikatorische Grenzen zu sprechen, die mit einem beträchtlichen baulichen und finanziellen Aufwand errichtet wurden.6 Der Soziologe Georg Simmel, der den Raum als eine in der »Wechselwirkung« von Menschen produzierte soziale Tatsache verstand und das gesellschaftliche Tun unter dem Aspekt der »Raumerfüllung« untersuchte, ging dabei auch auf die Konstitution der Grenze ein.7 Er macht deutlich, dass diese bezüglich sozialer Einheiten eine ähnliche Funktion hat wie der Rahmen beim Kunstwerk: zu verkünden, dass sich innerhalb dessen Normen eine ihm eigene Welt befindet, die in die übrige nicht einbezogen ist. Die Grenze bedingt somit ein

13 | Gegenstand und Ziele des Buches

Wechselverhältnis von Innen und Außen, sie wird aber, wie Simmel schreibt, durch die Anschaulichkeit ihres Begriffs »zu einem wie sinnlich empfundenen Bild« und wirkt auf das Bewusstsein der beiden voneinander geschiedenen Parteien.8 Die Funktion der Grenze beschränkt sich also keineswegs auf absperrende, regulierende Werte, sondern beinhaltet auch solche der symbolischen Kommunikation. Dies lässt sich am Wegfall der Befestigungsmauern feststellen, die ein Zeichen der autonomen Stadt im europäischen Mittelalter waren. Wie aber soll sich die Stadt im 18. Jahrhundert ohne gebaute Grenze als distinkte Einheit zu erkennen geben, wie gestaltet sie Differenz nach außen – und gibt es diese dann überhaupt noch? Nicht von ungefähr fragen Zeitgenossen der Demolitionen wie Johann Wolfgang von Goethe oder der Architekturtheoretiker Laugier, ob Städte zu Flecken oder Dörfern werden, wenn sie ihre Wälle abtragen lassen.9 Doch ist, so Wolfgang Kemp, die frühneuzeitliche Fortifikation der Stadt nicht mehr die einfache Grenze zwischen Stadt und Land, wie noch im Mittelalter, sondern vielmehr das Implement des Landesherrn, das nun als ein Drittes zwischen die vormals dichotomische Raumordnung tritt. Die Räumlichkeit des Territoriums darf jedoch keineswegs mit jenem Raum gleichgesetzt werden, den die Nation mit ihren festen Außengrenzen konstituierte. Wenn das territorium clausum im 16. Jahrhundert abstrakt-rechtlich als ein Raum behauptet wurde, entsprach dies keiner exakten geographischen Räumlichkeit. Ein zumindest strategischer Handlungsraum entstand durch die Fortifikationen. Zwar waren sie auf eine bestimmte Stelle gerichtet – eine Stadt, eine besondere geographische Gegebenheit, einen Verkehrsknotenpunkt –, doch gewannen sie als Instrumente des Landesherrn überörtliche Bedeutung: Sie wurden zum »Drehpunkt« (Simmel) in der noch vagen Raumordnung des Territoriums.10 Dies zeigen auch die beiden Ensembles in Turin, deren jeweilige gestaltete Räumlichkeit ihr Pendant in einer neuen territorialpolitischen Konstellation hat. Fortifikationen waren in ihrer Funktion für den politischen Raum der Frühen Neuzeit ambivalent: Einerseits repräsentierten sie die ›Orte‹-Struktur, die der Personenherrschaft des Mittelalters entstammte,11 andererseits schufen sie einen neuartigen Handlungsraum des Landesherrn. Solch ›feste Orte‹ aber wurden in dem Maße überflüssig, in dem der frühmoderne Staat sein Territorium durch kontinuierliche Grenzlinien definierte, einem Merkmal von ›Nation‹.12 Dass die Demolitionen das Verhältnis von Stadt und Territorium neu bestimmten, ist Ausgangspunkt der vorliegenden Studie. Dieses Ordnen von Raum beschränkte sich jedoch nicht auf den Akt der Entfestigung, sondern die Zerstörung von Mauern war begleitet durch den Prozess eines räumlichen Aufbaus. In Turin verantworteten die beiden Ensembles des Barocks und des Klassizismus, dass der Stadt durch die Architektur neue symbolische Grenzen »eingeräumt« wurden.

14 | Einleitung

DER FORSCHUNGSSTAND ZUR ENTFESTIGUNG Das Thema der Entfestigung erhielt ein verstärktes wissenschaftliches Interesse, als der Zusammenbruch der politischen Systeme zu Ende der 1980er Jahre die Anfälligkeit geschlossener Einheiten deutlich machte. Dass Tore als Schnittstellen zwischen Innen und Außen zum städtebaulichen Motiv werden können, wenn die Fortifikation als geschlossener Rand der Stadt abgebaut wird, zeigte eine Untersuchung von Wolfgang Kemp zur Place Stanislas in Nancy.13 In einem Essay mahnte Martin Warnke ein Jahr später die kunstgeschichtliche Beschäftigung mit ›Entfestigung‹ an.14 Genannt werden Beispiele von Gärten, Promenaden und Bildungslandschaften, die an die Stelle der Befestigungen traten. Dabei wird die Frage angeschnitten, wie der Raum konzeptualisiert ist, wenn sich die Stadt als Einheit nicht mehr eingrenzt. Eine typologische Analyse der Stadtgrenzen im 17. und 18. Jahrhundert unternahm Wolfgang Kemp 1997 und stellte deren Erforschung – im Unterschied zur mittelalterlichen Mauer und zur Geschichte der Ringe im 19. Jahrhundert – als wichtigstes Desiderat in diesem Themenbereich dar. Alle drei Aufsätze führen die Notwendigkeit an, das Material der älteren Forschungsliteratur zur Entfestigung auszuweiten.15 Die Gründe für die bisherige kunsthistorische Zurückhaltung diesem Thema gegenüber sucht Warnke in einer Vorliebe des Faches für die Innovation, das stets Neue, während das Abgängige, der Verlust, kaum beachtet werde. Enger fachgeschichtlich hatte Gerhard Eimer bereits zuvor in einem Tagungsband argumentiert: Die Kunstgeschichte, von der Spätromantik beeinflusst, untersuche zwar Burgen und mittelalterliche Stadtmauern, nicht aber frühneuzeitliche Befestigungen, die quasi noch reflexhaft abgelehnt würden.16 Eine solch fachliche Blindheit scheint von der Tatsache gestützt, dass auch in den achtziger Jahren verschiedene stadtgeschichtliche Forschungen die bastionären Fortifikationen17 und teilweise die Entfestigung18 zum Thema gemacht hatten. Die Kunstwissenschaften zogen hieraus zunächst keine Schlüsse. Innerfachlich war vor allem eine Konzentration auf das Einzelwerk zu konstatieren.19 Während die formalistische Kunstgeschichte vor dem Krieg den städtischen Außenraum als Wirkung von Architektur erkannt hatte,20 schien dieser Strang bis zum Beginn der 1980er Jahre im Großen und Ganzen abgerissen. Erst verschiedene Neueditionen von raumbezogenen Schriften früherer Autoren, betrieben vor allem von architekturtheoretischer Seite, machten hier ein neues Interesse sichtbar.21 Das Forschungsfeld, das die zu Beginn genannten Aufsätze der 1990er Jahre umrissen, war also nicht voraussetzungslos, bedurfte aber sowohl weiteren Materials als auch neuer Fragestellungen. In beide Richtungen entstanden zwischenzeitlich Arbeiten; dabei wird erkennbar, dass die Kunstgeschichte auch Ränder und Peripherien der Stadt produktiv bearbeitet, nicht nur deren Zentren.22 Dies zeigen darüber hinaus verschiedene internationale Forschungen, in denen die Bedeutung städtischer Mauern und Grenzen vor allem für Italien berücksichtigt sind.23

15 | Gegenstand und Ziele des Buches

GEBAUTE R ÄUME. DER ANSATZ Für eine kunsthistorische Analyse ist die Stadt vor allem als gebauter Raum wichtig, besser: als Bau von Räumen. Diese wird so als ein Teil menschlicher Umwelt verstanden, mit der methodischen Folge, dass kunstwissenschaftliche und phänomenologische Positionen miteinander zu verknüpfen sind. Angeschlossen werden kann dabei an die formalistische Kunstgeschichte, die erstmals den Raum als Wirkung von Architektur herausstellte. Anders gesagt: Architektur ist nicht Raum, sondern schafft ihn.24 Wie hat man sich das vorzustellen? Raum als »Umschließung eines Subjekts«, so August Schmarsow,25 geht aus von dem »Raumgefühl«, der Erfahrung der menschlichen Körperachsen (Höhe, Mitte, Seiten). Ein derartiges Wissen überträgt sich unwillkürlich auf jede Wahrnehmung von Architektur, umgekehrt wird aber auch das Raumgefühl von der Architektur geprägt: »Schon die sprachlichen Bezeichnungen räumlicher Weite, die wir gebrauchen, wie ›Ausdehnung‹, ›Erstreckung‹, ›Richtung‹ deuten auf die fortwährende Tätigkeit des Subjekts, das sofort sein eigenes Gefühl der Bewegung auf die ruhende Raumform überträgt und ihre Beziehungen zu ihm nicht anders ausdrücken kann, als wenn es sich selbst, die Länge, Breite, Tiefe ermessend, in Bewegung vorstellt, oder den starren Linien, Flächen, Körpern die Bewegung andichtet, die seine Augen, seine Muskelgefühle ihm anzeigen, auch wenn er stillschweigend die Maße absieht.«26 Die Architektur lässt sich somit als ›Raumfinden‹ bezeichnen, sie ist in dem Sinne eine existentielle Orientierung. Der Bildhauer Adolf von Hildebrand formulierte dies in seiner Lehre des künstlerischen Sehens prägnant: »Unser Verhältnis zum Raum findet in der Architektur seinen direkten Ausdruck, indem an Stelle der Vorstellung von bloßer Bewegungsmöglichkeit im Raum ein bestimmtes Raumgefühl geweckt wird, und indem an Stelle der Orientierungsarbeit, welche wir der Natur gegenüber vollziehen[,] ein Raum derart gegliedert wird, dass wir durch den Eindruck auf das Auge dieser Arbeit enthoben sind.«27 Wie die frühe Kunstwissenschaft in ihren Diskussionen herausarbeitete, formt jedoch die Architektur – anders als das Bild – einen realen Raum, der mit dem gesamten menschlichen Körper, nicht nur mit den Augen wahrgenommen wird: »Sicher aber ist der Architektur eigen, dass sie nicht nur ›gesehen‹ wird, sondern in einer ausgeprägten Verbindung mit dem Maßstab des Menschen steht. Denn durch Benutzung erst, durch Eintreten in ein Bauwerk, durch Entlanggehen wird die Architektur für den Menschen wirklich faßbar.«28 Hieraus ist zu folgern und – und angesichts der heutigen Bilddiskussion – methodisch zu berücksichtigen, dass sich der architektonische Raum nicht bereits im Akt des Entwerfens oder Erbauens konstituiert, sondern seine Bedeutung erst in der Rezeption vollständig wird.29 Ist die Bewegung des Körpers für die Wahrnehmung von Architektur entscheidend, erscheint dies umso zwingender für die Stadt als gebauten Raum. In ihrer architektonischen Formung ist sie ein »orientierter Raum« (Oskar Becker), der sich im Unterschied zum euklidischen Raum der Naturwissenschaften auf ein Leibsubjekt bezieht.30 Die Akteure des

16 | Einleitung

städtischen Raums sind keine körperlosen Wesen, sondern in der Rezeption von Architektur sind sie leiblich handelnd. Auf dieser Grundlage kann an die topologische Psychologie angeknüpft werden, welche die Bewegung als räumliches Handeln versteht.31 Der topologische Ansatz von Kurt Lewin erscheint für die Architekturanalyse insofern produktiv, als hier Dinge der Umwelt nach ihrem »Aufforderungswert« (Valenz) beurteilt werden: »Was uns psychologisch als Umwelt gegeben ist, ist nicht eine Summe von optischen, akustischen, taktilen Empfindungen, sondern wir sehen uns Dingen und Ereignissen gegenüber.«32 Den meisten Erscheinungen der Umwelt gegenüber verhalten wir uns als handelnde Wesen gegenüber nicht neutral, sondern »viele Dinge und Ereignisse, denen wir begegnen, zeigen uns gegenüber einen mehr oder weniger bestimmten Willen; sie fordern uns zu bestimmten Handlungen auf. Das schöne Wetter, eine bestimmte Landschaft locken zum Spazierengehen. Eine Treppenstufe reizt das zweijährige Kind zum Hinaufklettern und Herunterspringen; Türen reizen es zum Auf- und Zuschlagen […].«33 Wir erleben, so Lewin, die Dinge der Umwelt so, dass deren »Aufforderungswert« in ihnen selbst zu liegen scheint. Der jeweilige Grad der Aufforderung kann variieren, er reicht von der ›Lockung‹ über die ›Nahelegung‹ bis zum ›Befehl‹. Valenzen gelten aber für alle Mittel der Bedürfnisbefriedigung, zu denen nach Lewin auch raumzeitliche Zweckgebilde wie die Wohnung, die Straße, die Stadt zählen.34 Dass es die Aufgabe der Architektur ist, solche Aufforderungscharaktere zu produzieren, um überhaupt funktional wirksam zu sein, hatten auf einer anderen theoretischen Grundlage auch die frühen kunsthistorischen Theoretiker gesehen. An diese kann hier angeschlossen werden, etwa wenn August Schmarsow schreibt: »Das Raumgebilde ist Menschenwerk und kann dem schaffenden und genießenden Subjekt nicht als kalte Krystallisation gegenüber stehen bleiben.«35 Was hieße es, den Begriff des Aufforderungswerts als Rezeptionsvorgabe oder Rezeptionsangebot in die Analyse des architektonischen Raums zu integrieren?36 Auch hier lohnt es sich, die fachlichen Voraussetzungen zu prüfen. Zu »Mitspielern« des Raums (Dagobert Frey)37 werden wir durch raumbildende Handlungen, welche die Architektur hervorruft. Wahrnehmung ist nicht neutral, sondern vielfach vorgeprägt – ist selbst Handlung.38 Eine Strukturierung des Raumes, wie sie die besondere Körperlichkeit der Architektur hervorbringt, kommt somit nicht ohne raumbildende Handlungen der Rezipienten zustande. Dies gilt selbstverständlich auch für spezielle Innen-/Außenverhältnisse, für die – nicht nur beim Thema der Entfestigung, sondern beispielsweise auch bei jeder Fassadengestaltung –, eine besondere Symbolik berücksichtigt werden muss. Hierzu der Phänomenologe Bernhard Waldenfels: »Eine Wand ist niemals eine bloße Schutzvorrichtung, die reale Einwirkungen abhält, sie ist immer auch eine symbolische Wand, die einen Eigenraum markiert. Nur weil es dieses asymmetrische Verhältnis von Drinnen und Draußen gibt, gibt es so etwas wie Türen und Fenster. Diese Vorrichtungen sind keine bloßen Löcher in der Wand, sondern Ein- und Ausgänge, die der Schritt oder der Blick durchquert. […] Portal und Fenster sind also keine bloßen Teile des Hauses, sie sind Embleme, in denen sich

17 | Gegenstand und Ziele des Buches

eine bestimmte Weise der Behausung bekundet.«39 Wie wichtig solche emblematischen Öffnungen sein können, zeigt sich im Falle Turins vor allem an den architektonisch geprägten Platzwänden. Die Architektur weckt also die Raumvorstellungen ihrer Rezipienten und Nutzer, aktiviert sie und sieht hierfür bestimmte Bewegungen vor. Erst in diesem wechselseitigen Vorgang, der bereits im Entwurf des Architekten reflektiert wird, bildet sich der Raum heraus: »Raumvorstellung und Raumbildung arbeiten sich gleichsam in die Hände, klären, verbessern, befestigen sich gegenseitig.«40 Rechts, links, oben, unten, Seite, Mitte, vorne, hinten etc. sind in Bezug auf Architektur keine Metaphern, deren Bedeutung von vornherein feststeht. Es geht vielmehr um räumliche Markierungen und Koordinaten, die in der Wahrnehmung und Benutzung selbst Bedeutung produzieren: Ferne, Nähe, Richtungen, Orte. Nimmt man Heideggers berühmtes Brückenbeispiel,41 so schafft die Architektur überhaupt erst Orte, indem durch sie Handlungen impliziert werden. Der architektonische Raum, wäre zu folgern, entsteht durch Orte, die Handlungen anziehen, sie ermöglichen (oder konterkarieren). Dies ist besonders wichtig für den »Gemeinschaftsort« Stadt (Waldenfels), dessen Räume eine Vielzahl sozialer Beziehungen kennzeichnen. Die Fragmentierung und Überlagerung der städtischen Räume, auf die schon Simmel hinweist,42 zeigt sich in Bezug auf Architektur vor allem prozessual: gebaute Bezugnahmen, Konflikte, Überschreibungen.

ZUM BEGRIFF DES AR CHITEKTONISCHEN AUSSENR AUMS All dies meint bei der Stadt vor allem den architektonischen Außenraum, der anfangs durch die kunsthistorische Raumtheorie noch wenig begrifflich erfasst war.43 August Schmarsow hatte sich mit seinem Diktum vom Raum als der »Umschließung eines Subjekts« vor allem auf Innenräume bezogen.44 Die Ansätze für einen Begriff vom architektonischen Außenraum gehen erst auf die dritte Generation kunsthistorischer Raumtheoretiker zurück. Mit zunehmendem Interesse der jungen Kunstwissenschaft am Städtebau kam es dann zu einer expliziten Vorstellung vom Außenraum, den Sörgel etwa als »Raum unter freiem Himmel« bezeichnet.45 Für unser Thema ist entscheidend, dass hier die Besonderheit der Architektur als einem raumschaffenden Medium erstmals mit einer Vorstellung von Außenraum herausgearbeitet wurde. Der Außenraum wurde von zwei Autoren fast parallel erörtert. Herman Sörgels Buch Architektur Ästhetik (1921) und Fritz Schumachers Beitrag im Handbuch der Architektur (1926) stellten einen Sachverhalt dar, den sie die »Konkavität von innen und außen« nannten. Das heißt, dass Architektur als eine körperhafte Kunst zu verstehen sei, die im Unterschied zur Plastik nicht nur ein Außen besitzt, sondern auch ein Innen. Fritz Schumacher setzt sich zunächst mit dem Missverständnis auseinander, das Gebäude vor allem von seiner äußeren Erscheinung und damit gewissermaßen skulptural zu verstehen: »So steht die

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äußere Erscheinung des Bauwerks, die man leicht geneigt ist, als den eigentlichen Kern des Kunstwerks mit seinem Begriff zu identifizieren, in Wahrheit zwischen zwei Welten, für deren Aufbau diese äußere Erscheinung nur ein dienendes Glied ist: die Welt der inneren Räume und die Welt des äußeren Raumes. Nur wer diese beiden Raumfunktionen des Kunstwerks als etwas Gleichzeitiges und Einheitliches mit seiner Körperlichkeit zu sehen und zu erkennen versteht, betrachtet architektonische Werke in einer Weise, die ihr Wesen zu enthüllen vermag.«46 Ähnlich hatte Herman Sörgel formuliert, der den nach zwei Seiten räumlich wirksamen Baukörper in seiner Bedeutung für die Stadt deutete: »Wie ist es aber möglich, dass der Rahmen, die Schale sowohl von innen als auch von außen das Wesentliche ist? Können die einschließenden architektonischen Gebilde eines Platzes zugleich raumbildende Elemente für die dahinter liegenden Innenräume, Höfe usw. werden, ohne dass ihnen selbst ein wesentlich künstlerisch-körperlicher Wert – im Sinne der Plastik – zukomme? Dieses Janu sg e sic ht kann und muss allerdings die Stadtbaukunst als höchster Ausdruck der Architektur haben.«47 Zweierlei war hier für die Raumdiskussion neu. Zum einen finden wir nun eine Vorstellung vom Gebäude als Baukörper, zum andern erweitert sich die Idee des Raums als einer vollständigen Umschließung, die noch die erste Generation von kunsthistorischen Raumtheoretikern charakterisiert hatte und durch Camillo Sitte auch auf das Gebilde der Stadt übertragen worden war.48 Wenn Schumacher die beiden Seiten des Baukörpers betont, so zielt er auf »zwei verschiedene künstlerische Raumwelten« ab: die des Innen und Außen.49 Damit argumentiert er von einem phänomenologischen Raumverständnis her, das in den beiden Kategorien zwei grundlegende Qualitäten kultureller Raumbildung erkennt. Doch geht es Schumacher um die konkreten baulichen Erscheinungsformen, wenn er schreibt, »dass die architektonische Körperlichkeit ein doppelter Raumerzeuger« sei. Und er benennt die Spezifika der jeweiligen Raumwelt, die unterschiedlich wirksam sind: »Beim Innenraum bestreitet die Körperhülle des Bauwerks den gesamten räumlichen Abschluss, beim Außenraum ist sie in der Regel nur ein Element dieses Abschlusses, der sich erst durch das Hinzutreten anderer Elemente baulicher oder landschaftlicher Art vervollständigt.«50 Daraus ergibt sich für die Frage nach der Konstitution des architektonisch geprägten Außenraums, dass »der einzelne Baukörper eben nur ein Teil einer Körperfolge ist, die durch die Art ihrer Stellung die konkave Umgrenzung eines übergeordneten Raumes ergibt«.51 In ihrer räumlichen Wirkung ist die Architektur nicht in eine Positiv-Negativ-Form umgießbar und kann auch nicht einfach als dreigliedriges Verhältnis (Innen – Architektur – Aussen) gelten. Ausgehend von der Differenz Innen/Außen und mit Blick aufs Ganze zeigt sich vielmehr das Innere als eingeordneter Raum, das Äußere als übergeordneter Raum. »Wir müssen uns also beim Charakterisieren des Wesens der Architektur bewusst sein, dass es sich um Gestaltung eingeordneter Räume durch Körpergestaltung im Zusammenhang mit übergeordneten Räumen handelt.«52 Dies bedeutet für die beiden Turiner Ensembles, dass sowohl ihr Inneres wie auch ihr Äußeres Bestandteil der Analyse ist.

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Bei der Frage nach dem Baukörper wurde die seit dem späten 18. Jahrhundert wirksame Vorstellung von der Architektur als Körper in ein neues, qualitatives Denken überführt, das vor allem im zweiten Teil der Studie reflektiert wird. Ein weiteres Charakteristikum der Raumtheorie in den 1920er Jahren war es, bei der Vorstellung von Raum von einer geschlossenen Form wegzukommen. »Man muss bei der Konkavität eines Raumes gar nicht immer an eine greifbare Umschließung denken,« schreibt Herman Sörgel, »sondern viel mehr an die ästhetisch künstlerischen Andeutungen und Keime zu solchen Raumgebilden. Der angedeutete, geistige Inhalt, die zugrunde liegende Vision, sind manchmal sogar wichtiger beim Zustandekommen einer Raumvorstellung als das stofflich äußere Rahmenwerk.«53 Damit wird ein relationales Verständnis des architektonischen Raums deutlich, das ganz offenbar von der Einsteinschen Relativitätstheorie geprägt ist. Ein derartiges Raumverständnis zeigte sich in neuer Formulierung in den 1980er Jahren wieder. Tilmann Breuer entwickelte im Rahmen seiner Theorie von der Denkmallandschaft den Begriff vom »Wirkungs(bezugs)raum«.54 Breuer stellt zunächst heraus, dass die Anschaulichkeit des Gebauten nicht unbedingt als ›symbolisches‹ Bild zu verstehen sei. So etwa gebe die Anschaulichkeit der Mauer nicht die mittelalterliche Stadt wieder. Das werde am Beispiel Rothenburg ob der Tauber deutlich: Die Stadt zeige sich eben nicht nur als Wehreinheit, sondern trete durch die Mühlen im Taubertal in ihrer raumgreifenden Struktur auch als Wirtschaftseinheit in Erscheinung.55 Die Breuersche ›Sichtbarkeit‹ ist aber auch nicht mit dem Schema der Gestalttheorie identisch, bei dem durch die leichte Erkennbarkeit verschiedener, zusammen auftretender Elemente ein Sinnzusammenhang entsteht. Vielmehr seien es die körperhaften und richtungsmäßigen Bezüge der Architektur, die im Zusammenhang mit deren ortsfester Position auf ihre Umgebung einwirkten. Ein solcher Raum, schreibt Breuer, indem er auf den Zusammenhang von Platzanlage und Monument verweist, werde »jedem Denkmal bei seiner Setzung mitgegeben.«56 Beispielsweise bildeten die Votivkirche in Wien und das Schottentor einen solchen »Wirkungsbezugsraum«, die Walhalla mit ihrem Bezug zur Stadt Regensburg und zum Dom oder auch die Ausrichtung des Klosters Melk auf die Donauebene. Fasst man zusammen, was die kunsthistorische Raumtheorie der 1920er Jahre und der moderne Denkmaltheorie in Bezug auf den ›Außenraum‹ gemeinsam haben, so ist es der Begriff der Beziehung. Nicht von der Materialität der Architektur her konstituiert sich dieser Raum, sondern ausgehend von den von ihr auf die Umgebung gerichteten Wirkungsimpulsen.

DER AUFBAU DES BUCHES Was außerhalb des befestigten Stadtrands von Turin lag, war keineswegs ›leerer‹ Raum, sondern vielfach strukturiert. Dieser Wahrnehmungsraum wurde durch die beiden Ensembles Superga – Rivoli sowie Piazza Vittorio Emanuele mitsamt der Kirche Gran

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Madre di Dio grundlegend verändert. Die Vorgehensweise, baulichen Ensembles am Rande der Stadt bestimmten Raummodalitäten (»Anschauungsraum«, »Aktionsraum«) zuzuordnen, ermöglicht einen Vergleich dieser Komplexe, der sonst meist aufgrund von Epochengrenzen unterbleibt. Das zweite Kapitel stellt die Ausgangssituation vor: die Geschlossenheit der befestigten Residenzstadt Turin und deren räumliche Position im savoyischen Territorium. Hier tritt, durch das Theatrum Sabaudiae veranschaulicht, eine ›Orte‹Struktur des fürstlichen Territoriums hervor, die sich im frühen 18. Jahrhundert nach einem bedeutenden militärischen Sieg über das französische Königreich zu ändern begann. Diesen räumlichen Prozess verfolgen die beiden Hauptteile der Studie. Durch zwei große Architekturen wurde die Ostseite der Stadt über einen langen Zeitraum hinweg in einen unverwechselbaren »Eigenraum« umgestaltet, der Turin von nun an kennzeichnete. Die Superga-Kirche, die sich mit den damals wichtigsten Sakralbauten in Europa maß, errichtete einen sich auf die symbolische Ordnung des Territoriums beziehenden »Wirkungsbezugsraum« (S. 55–56). Die plastisch betonte Architektur Juvarras strukturierte die notwendigerweise körperbezogene Rezeption von Architektur überwiegend visuell (S. 123–130). Mit diesem Typus der Votivkirche (S. 174–184) erhielt der Sieg über Frankreich 1706 einen komplex situierten Erinnerungsort. In dem von hier ausgehenden »Anschauungsraum« schuf die Architektur mit ihren Mitteln ein nicht mehr rein axial bestimmtes ›Landschaftsbild‹, das sich an die Ostseite der Stadt richtete. Hierauf reagierte das Ensemble von Piazza Vittorio Emanuele und Gran Madre di Dio mit einem weiteren Kuppelbau fast genau hundert Jahre später. Das neue Gefüge von Platz und Kirche gestaltete die soeben entfestigte Stadt durch einen »Aktionsraum«, der hier durch eine Wegstruktur gekennzeichnet ist. Hier übte die von der Stadt ausgehende Axialität der Via Po die entscheidende Richtungsqualität aus: an sie anknüpfend, wird von außen her die an die aus dem Exil zurückkehrende savoyische Dynastie erinnernde Kirche in Beziehung zum ältesten dynastischen Bau der Stadt gesetzt. Dieses klassizistische Gefüge ist im Unterschied zu dem von der Superga ausgehenden Raum nicht symbolisch, sondern als ein auch zeitlich organisierter Erfahrungsraum angelegt.

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»THEATRUM SABAUDIAE«: ORTE MACHEN DEN RAUM

Er wußte, dass er an seinen glänzenden freundschaftlichen Verbindungen die gleiche Stütze außerhalb von seiner eigenen Person besaß wie an seinem schönen Landsitz, dem schönen Silber, den schönen Tafeltüchern, die ihm von den Seinen her überkommen waren. Marcel Proust, Auf der Suche nach der verlorenen Zeit, Bd 3: Die Welt der Guermantes, 1920/21

DIE RÄNDER DER STADT ORDNEN RAUM Der Piemont sei ein fruchtbares Land, besitze aber keine großen Städte: diese Aussage von Giovanni Botero, dem savoyischen Staatstheoretiker des Cinquecento,57 schien durch das Theatrum Sabaudiae (1682) endgültig widerlegt zu sein.58 Der zweibändige Bildatlas zeigt Turin mit allen Insignien einer ausgebauten Residenzstadt – Palast, Zitadelle, Plätze, Straßenachsen, Befestigung, Lustschlösser und Gärten. Bereits der Aufbau des Buches verdeutlicht, dass eine solche Urbanität im dynastischen Territorium wurzelte: Erst nach den Emblemen und Porträts der savoyischen Dynasten sowie einer Karte von deren italienischem Herrschaftsgebiet wird die Stadt Turin präsentiert. Bevor dann eine große Anzahl von Monumenten zu sehen ist, machen drei Gesamtdarstellungen deutlich (Abb. 1–3), dass die Stadt sich strikt nach außen abschließt.59 Auf zwei Vogelperspektiven (Abb. 1–2) schneiden Bastionen und Gräben die Stadt scharf aus einer ländlichen Umgebung heraus, während sie auf der Karte der Belagerung von 1640 (Abb. 3) eine ebenso klar umrissene, jedoch leere Fläche ist. Hier interessiert die Stadt nur mehr als Fortifikation, die das antikrömische Kerngebiet Turins, die neuzeitliche Zitadelle sowie die erste Erweiterung des frühen 17. Jahrhunderts im Süden umgibt. Alle drei Graphiken vermitteln als Merkmal Turins den Abschluss nach außen, jede Ausdehnung, jede Erweiterung wird hier militärisch befestigt: die Fortifikation ist eine Bedingung dieser Stadt. Turin erscheint im Theatrum Sabaudiae als planvoll erweiterte und befestigte Stadt der savoyischen Herrscherdynastie, die ihre Residenz 1563 von Chambéry hierhin verlegt hatte. Wie Martha Pollak feststellt, ging dieser Ausbau der Residenzstadt durch die Savoyer

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1 Giovanni Tommaso Borgonio: Vogelperspektive der Stadt Turin, 1682, kolorierter Kupferstich, aus: Theatrum Sabaudiae

2 Giovanni Tommaso Borgonio: Blick auf die Stadt Turin von Südosten, 1682, kolorierter Kupferstich, aus: Theatrum Sabaudiae

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Plan der Belagerung Turins 1640, kolorierter Kupferstich, aus: Theatrum Sabaudiae, 1682

über zeitgleiche Projekte des französischen Königs Heinrich IV. in Paris oder von Papst Sixtus V. in Rom hinaus.60 Während dort Fassaden, Plätze oder Straßenachsen als einzelne, regelmäßig geformte Elemente entstanden, bestehe die Besonderheit Turins darin, dass diese für Stadterweiterungen und deren systematische Fortifizierung kombiniert wurden. Das Ineinandergreifen von regelmäßigem Stadtausbau und Befestigung deutet die Autorin als »military culture«.61 Doch hat die militärische Rolle der Stadt, auf welche Pollak aufmerksam macht, ihre Ursache in der Raumordnung: Die bastionär gefasste Stadt war die Fortifikation eines landesherrlichen Territoriums, das als politischer Raum nur abstrakt existierte. Das »territorium clausum« der Frühen Neuzeit benötigte die Fortifikation, um durch die Fixierung von »Orten« einen landesherrlichen Aktionsraum zu schaffen. Dabei war der bauliche Körper der Stadt auf die neue polygonale Befestigung zu beziehen.

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4 Plan der Stadt Chambéry, 1682, kolorierter Kupferstich, aus: Theatrum Sabaudiae

Die daraus resultierende Tendenz zur Regularität, die zum Diskurs der Idealstadt zählte,62 findet sich in Turin besonders ausgeprägt. Vergleicht man die alte savoyische Residenzstadt Chambéry, im Theatrum in nur einer Abbildung dargestellt (Abb. 4), mit den beiden Vogelperspektiven von Turin (Abb. 1–2), so wird dieser Anspruch der neuen Stadt deutlich: Chambéry, auf amorphem Grundriss und von Straßen in wenigen Schwüngen erschlossen, besitzt eine dünne mittelalterliche Mauer. Stadt und Land stoßen fast unmittelbar aneinander und sind durch Wege sowie eine Bebauungsstruktur, die sich nach außen fortsetzt, eher miteinander verbunden als getrennt. Derselbe Darstellungstypus zeigt Turin nicht nur mit einer regelmäßigen inneren Struktur, sondern als einen nach außen fast autonomen Stadtkörper – lediglich die axiale Straße zum Schloss Mirafiori erscheint als verbindendes Element. Die Befestigung, nach dem bastionären System Vaubans erneuert, legt sich hier als breiter Rand um die Stadt und verhindert jegliche Bezugnahme: die Stadt ist zu einer Punktbefestigung des Territoriums geworden. Dass die Fortifikation nach dem ersten Drittel des 18. Jahrhunderts ihre repräsentative Funktion verlor und zunehmend als unproduktiver ›Behälter‹ der Stadt verstanden wurde,63 machen zwei Veduten von Bernardo Bellotto von 1745 deutlich (Abb. 5–6).64 Das bastionäre System hatte jegliche Verbindung der Stadt zur Umgebung unterbrochen und aus dieser ein potentielles Schussfeld gemacht. In Turin wurde der Fluss Po zur natürlichen Befestigung, der Eingang in die östliche Vorstadt musste als Vorfeld der strategisch wichtigen Brücke unbebaut bleiben. Bellotto, der in Herzog Carlo Emanuele III. von Savoyen und

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Bernardo Bellotto: Blick auf die Bastione Verde und den Palazzo Reale in Turin, 1745, Ölgemälde

König von Sardinien (1730–1773) seinen ersten königlichen Mäzen fand, zeigt die Stadt in ihrer enceinte, der Ummantelung durch die Festungswerke. Dabei wird nicht mehr – wie im Theatrum Sabaudiae – die steile Perspektive von oben gewählt, sondern ein flacher Winkel, der es ermöglicht, die Stadt als hohen, geschlossenen Körper, aber auch das niedrigere Außenniveau in Blick zu nehmen. Bellotto interessiert sich für genau diesen Zwischenraum, denn hier kann er zeigen, dass die Stadt in die Landschaft gehört – aber auch, wie diese von der dichten Form der Stadt zerschnitten wird. Nähe und Ferne sind von ihm in einer durchgehenden Perspektive erfasst. Diese Spanne – die Kette der Alpen bis hin zu den Details der Architektur – kann Bellotto nur herstellen, indem er zahlreiche Maßstabsfiguren in den breiten Zwischenraum von Stadt und Land einsetzt und sich hier bewegen lässt. Die Nahsicht klärt auch darüber auf, dass dieser Zwischenraum längst nicht mehr so intakt ist, wie ihn noch das Theatrum Sabaudiae im 17. Jahrhundert dargestellt hatte: die Bastione Verde muss von Arbeitern ausgebessert werden (Abb. 5), die Stützmauern der Brücke über den Po sind ruinös (Abb. 6). Dass die Darstellung der Befestigung als einer pittoresken und in ihrem beginnenden Zerfall eher melancholisch stimmenden Einrichtung dem herzoglichen Auftraggeber entging, ist kaum anzunehmen. Die erste Welle von Entfestigungen in Europa um 1740 ermöglichte offenbar einen anderen Blick auf die Stadt,65 der ihren bisherigen ›Behälter‹ sprichwörtlich unter die Lupe nahm.

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6 Bernardo Bellotto: Blick auf die Ponte Po in Turin, 1745, Ölgemälde

BEFESTIGUNG UND TERRITORIUM Als Typus der bastionär befestigten Residenzstadt war Turin kein Ausnahmefall. Wenn Städtebau in der europäischen Frühneuzeit häufig Festungsbau hieß, so begründete sich dies durch die Verankerung der Stadt im Territorium. Anders als im Mittelalter bestimmten sich die »abhängigen Städte« der Neuzeit (Braudel) durch die Präsenz von Fürsten und konnten als Landesfestungen in deren Verteidigung eingebunden sein.66 Ein solches System von ›festen Orten‹ entstand meist über mehrere Herrschergenerationen und strukturierte das Territorium. Dieses war nicht, wie der moderne Flächenstaat, ein geschlossener Raum mit einer kontinuierlichen Grenze. Für einen solchen Raum fehlten, wie Christoph V. Albrecht bezüglich Frankreich ausführt, vor allem die herrschaftsrechtlichen Voraussetzungen: »Zur Zeit Ludwigs XIV. verstand man das Reich als eine Summe von Rechten und Besitztiteln. Es war ein Agglomerat von lokalen oder regionalen Repräsentationen der Souveränität.«67 Hatte die Landesherrschaft überhaupt erstmals eine flächendeckende Hoheitsstruktur geschaffen, so wurde mit einer gewissen Anzahl von Festungen versucht, dieses Gebiet in einen strategischen Raum des Landesherrn zu verwandeln.

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Kennzeichen dieser Fortifikationen war es, einen einzelnen Punkt zu schützen, »eine Kreuzung, einen Engpaß, den Zugang zu einem Tal, den Zusammenlauf von Flüssen zu bewachen«.68 Ausgehend von der italienischen Bastionärbefestigung als einer geschlossenen Manier hatten französische Festungsbauer nach Möglichkeiten gesucht, die Befestigung dem Gelände anzupassen. Dies war der dreifache Festungsgürtel, den Vauban schuf und der bei der Verteidigung von Paris 1870 noch eine Rolle spielte. Durch eine Vielzahl solch einzelner Punkte entstand im Königreich Frankreich eine durchaus dichte Grenzzone.69 Wenn Gaston Zeller hierzu bemerkt, dass es weniger auf die Stellung der Fortifikationen zueinander ankam denn auf ihre große Zahl,70 so wird die Eigenart der Festungen deutlich: Sie waren ein Punkt im Territorium, der dieses als Raum fixieren sollte. Mit dieser raumverankernden Funktion wuchs die fortifizierte Stadt über den Ort hinaus. »Die neuen Festungsstädte«, schreibt Edith Ennen, »haben meistens eine überörtliche, strategische Bedeutung. […] Ihre Standortwahl entspringt den Intentionen des Staates, der seine Hauptstadt, wichtige Stellungen im Lande, seine Grenzen schützen will, der für offensive Kriege Festungen braucht, die eine weitreichende militärische Wirksamkeit gestatten und zur Einnahme ganzer Landesteile dienen sollen; sie bergen die Zeughäuser, gestatten eine Erholung angeschlagener Kampfeinheiten, sie können erhebliche militärische gegnerische Kräfte binden, man möchte ihnen sogar kriegsentscheidende Bedeutung beimessen und investiert enorme Summen dafür.«71 Militärhistoriker kennzeichnen das Kriegswesen des späten 17. und 18. Jahrhunderts daher als eine »interminable succession of sieges«,72 wobei im Laufe des 18. Jahrhunderts offene Schlachten immer mehr vermieden wurden. Festungsstädte73 waren von dieser Entwicklung notwendigerweise besonders betroffen, da sie über ihre militärische Funktion hinaus – wie die großen Städte überhaupt – einen kommunikativen Knotenpunkt im Territorium bildeten und damit ein Angriffsziel boten.74 Die bastionäre Stadt war somit ein »Drehpunkt« (Simmel) in der Raumordnung des Territoriums.75 Dieses geht auf jene Herrschaftsform des Mittelalters zurück, deren Ausdehnung sich über personale Rechtsbeziehungen bestimmte, und nicht primär räumlich definiert war.76 Erst die superioritas territorialis des 17. Jahrhunderts schuf durch ein Bündel von Herrschaftsrechten einen Raumbezug: »Konnte früher etwa die Reichweite der mit einem castrum verbundenen Gerichtsherrlichkeit aus den einzelnen dinglichen und persönlichen Herrschaftsbeziehungen ermittelt werden, so wurde nunmehr mit der abstrakt formulierten Territorialgewalt die Herrschaft über ein ebenso abstrakt definiertes Territorium beansprucht, ohne dass ein vergleichsweise sicheres Kriterium für die Feststellung des räumlichen Geltungsbereiches dieser Hoheitsgewalt genannt werden konnte.«77 Zwar formulierte der Begriff des »territorium clausum« erstmals den staatlichen Anspruch auf territoriale Ausschließlichkeit, doch bedeutete diese, wie Werner Köster ausführt, noch lange keine »geographische Gegebenheit«.78 Die Vorstellung eines geschlossenen politischen Raumes entstand »weder synchron mit der operativen Herstellung staatlicher Territorialität noch mit der Geschichte des Wissens über den Naturraum.«79

29 | Befestigung und Territorium

Techniken wie Landvermessung und Kartographie verstärkten den räumlichen Zugriff.80 Als politischer Raum war das Territorium zwar postuliert, blieb aber hierbei abstrakt, weil das Territorium einerseits keine klaren Grenzen hatte, andererseits durch die Rechtskonkurrenz des Adels oft bis ins 18. Jahrhundert bestritten war.81 Die bastionären Befestigungen der Stadt schützten somit nicht deren Autonomie, sondern waren, wie Wolfgang Kemp schreibt, »das Eigentum, die Machtmittel, die Präsenz des Souveräns«.82 Der kostspielige Bau und Unterhalt einer Festung bündelte die militärische Macht des Landesherrn an einem Ort, um an strategisch wichtiger Stelle die Infanterie des Gegners am Einfall in das Territorium zu hindern bzw. um einen Rückzugsort für die eigenen Truppen zu gewinnen.83 Da der landesherrliche Raum nicht von seinen Grenzen her, sondern in der Ausübung von Hoheitsrechten verstanden wurde, übernahmen die Festungen eine Verteidigungsaufgabe an strategisch wichtigen Orten. Feindliche Truppen, so das Kalkül, sollten sich an befestigten Punkten aufreiben; der geschwächte Feind konnte, wenn die Festung seiner Belagerung standhielt, unter Umständen leichter in einer Schlacht geschlagen werden. Der hohe Einsatz an Truppen und Material führte zum »Ermattungskrieg«,84 wie Militärtheoretiker die Strategie nennen, den Gegner nicht in einer Schlacht, sondern durch das Aufbrauchen seiner Mittel in die Niederlage zu zwingen. Die Aufspaltung in lokale und überregionale Interessen galt somit nicht nur militärisch, sondern auch für die Stadt, die eine landesherrliche Fortifikation war: beispielsweise konzentrierten sich lokale Arbeits- und Wirtschaftskräfte durch den teilweise erzwungenen Dienst bei der Errichtung von Fortifikationen am Ort,85 andererseits waren solche Festungsstädte in ihrer Sonderfunktion extrem von der übergeordneten landesherrlichen Förderung abhängig.86 Die Finanzierung und rechtliche Befehligung durch den Landesherrn war eine Funktion, die aus der Fläche des Territoriums kam, während sich die jeweilige militärische Aufgabe nach wie vor auf den einzelnen Punkt bezog. Festungen zeigen den Versuch, das frühneuzeitliche Territorium vom Ort zum Raum zu orientieren, doch repräsentierten sie ein nach wie vor loses räumliches Gebilde, das insbesondere nach außen nicht abgegrenzt war.87 Die Befestigung der Residenzstadt besaß hier die besondere Funktion,88 das Territorium durch eine symbolische Örtlichkeit zu fixieren.

DYNASTISCHER RAUMBAU: TURIN, TERRITORIUM UND TOPOGRAPHIE Turin war seit der Verlegung des savoyischen Hofes als Folge des Friedens von CateauCambrésis (1559) eine Festungs- und Residenzstadt. Das Haus Savoyen, im frühen Mittelalter aus der Gegend südwestlich von Genf stammend, verlagerte damit seinen vorher nördlich der Alpen gelegenen Schwerpunkt in den südlichen Landesteil Piemont. Gegen eine Lesart aus Gegebenheiten »des Raumes«89 muss entschieden betont werden, dass die stetige Expansion des savoyischen Territoriums (Abb. 7–9) durch politische Handlungen

30 | »Theatrum Sabaudiae«: Orte machen den Raum

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Das savoyische Territorium, 1575

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Das savoyische Territorium, 1690

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Das savoyische Territorium, 1713

31 | Dynastischer Raumbau: Turin, Territorium und Topographie

10 Topographische Karte mit den beiden savoyischen Residenzstädten Turin und Chambéry

11 Chieri, 1682, kolorierter Kupferstich, aus: Theatrum Sabaudiae

32 | »Theatrum Sabaudiae«: Orte machen den Raum

12 Sacra di San Michele, 1682, kolorierter Kupferstich, aus: Theatrum Sabaudiae

zustande kam. Im Mittelalter hatte dieses vor allem durch Wegerechte über wichtige Alpenpässe, die Savoyen mit dem Piemont verbanden, vergrößert werden können (Abb. 10): über den Großen und Kleinen St. Bernhard, den Mont Cenis, die Straßen von Traversette, Maddalena und Tenda.90 Die Privilegien der savoyischen Grafen und späteren Herzöge erlaubten eine Bündnispolitik mit Großmächten, die sich den Zugang nach Italien verschaffen wollten.91 Der savoyische Pufferstaat, wie er in den großen politischen Auseinandersetzungen der Frühen Neuzeit zwischen Habsburg und Frankreich auftrat, definierte sich aufgrund der alten Wegerechte besonders über die Alpen: »Though the mountains divided the state and isolated its component provinces, they gave it a strategic ›raison d’être‹ and formed a structural armature, a spine to hold it together.«92 Das 1682 herausgegebene Theatrum Sabaudiae, das gerade die Orte und Fortifikationen der Berge topographisch präzise erscheinen ließ, repräsentierte diese »underlying geopolitical logic« (Symcox).93 Während etwa die Umgebung der Stadt Chieri in der Ebene östlich von Turin völlig schematisch dargestellt wird (Abb. 11), sind die Landschaftsformationen um die Sacra di San Michele westlich von Turin (Abb. 12) oder die Festung Bard im Aosta-Tal (Abb. 13) in ihren

33 | Dynastischer Raumbau: Turin, Territorium und Topographie

13 Die Festung Bardo, 1682, kolorierter Kupferstich, aus: Theatrum Sabaudiae

14 Turin, Zitadelle, 1682, kolorierter Kupferstich, aus: Theatrum Sabaudiae

34 | »Theatrum Sabaudiae«: Orte machen den Raum

individuellen Eigenarten dargestellt.94 Der Unterschied in der Darstellung lässt sich durch die besondere Aufmerksamkeit für die Alpenfestungen erklären. Dieselben Zeichner, die eine solche Illustration für das Theatrum Sabaudiae anfertigten, waren häufig auch für die Supervision der Anlage in den Alpen verantwortlich und zeichneten die Pläne.95 Der enge Zusammenhang zwischen Festungsbau und Kartographie, wie ihn beispielsweise Martha Pollak feststellt, gewinnt durch die Repräsentation der Alpen im Theatrum Sabaudiae eine besondere Bedeutung.96 Dieses topographisch schwierige Territorium war kein gegebener politischer Raum, wie der Neuaufbau einer militärischen Verteidigung nach dem savoyischen Wiedererhalt des Piemont 1559 zeigt. Herzog Emanuele Filiberto (1553–1580), während des Krieges in französischen Pamphleten »Duc sans Savoie« genannt,97 begann nur ein Jahr nach der Übersiedlung des Hofes (1563) mit dem Bau einer hochmodernen Zitadelle (1564–1566) in Turin (Abb. 14; vgl. auch Abb. 1–3). Sie machte erkennbar, dass er hier ein Fremdling war. Was Francesco Paciotto hier erstmals in Form eines Pentagons realisierte, war die in dieser Zeit bestmögliche Zitadelle in Form eines Pentagons, die wenig später in Europa als vorbildlich galt.98 Sie verdeutlicht die prekäre Situation, in der sich Emanuele Filiberto befand, als er die savoyische Dynastie nach Turin zurückbrachte: zwei der fünf Zitadellenbastionen waren gegen die Stadt gerichtet, drei zur Landseite hin orientiert, d. h. nach Westen und damit in Richtung Frankreich. Die Turiner Zitadelle zeigt damit die in den zeitgenössischen Politiktraktaten diskutierte äußerste Möglichkeit fürstlichen Machterhalts: den Rückzug des Fürsten in seiner eigenen Stadt – und notfalls gegen diese.99 Gleichzeitig formten solche ›piazze forti‹ eine neue Ordnung des Raumes. Moderne bastionäre Systeme, z. T. ebenfalls mit Zitadellen, wurden nicht nur in Turin errichtet, sondern entstanden gegen Ende des 16. Jahrhunderts in Cuneo, Ivrea, Vercelli, Savigliano und Asti.100 Piemont-Savoyen sicherte sich damit nicht nur westlich gegenüber Frankreich ab, sondern auch in östlicher Richtung gegen die Herzogtümer Mailand und Monferrato (vgl. Abb. 7). Diese ›festen Orte‹ bildeten jedoch keine Grenzlinie, sondern ›Richtungen‹, nach denen sich das Land im Hinblick auf andere Territorien hin orientierte. Damit wurde das aus verschiedenen Herrschaftsrechten zusammengestückelte Territorium zu einem strategischen Handlungsraum. Die Festungen repräsentierten die ›Orte‹-Struktur des Territoriums, machten es gleichzeitig durch die landesherrliche Bestimmung zu einem gedachten militärischen Raum. Diese Ambivalenz kennzeichnet das fürstliche Territorium. Was Reinhard Knodt in Bezug auf raumbildende Größen sagt, gilt auch für die Festungen: »Es sind abstrahierende und symbolische Höchstleistungen, die aus Mauern Grenzen und aus Orten der Angst Heiligtümer machen. Durch sie wird allererst eine Welt geschaffen, die Raum bietet für schlichte, produktive Arbeit.«101 Piemont-Savoyen verfügte bis in das späte 17. Jahrhundert nicht über geographisch exakt festgelegte Grenzlinien. Dies veranschaulicht am besten das Theatrum Sabaudiae. Die Grenzen des Landesteils Savoyen sind hier entweder durch fremde wie auch eigene

35 | Dynastischer Raumbau: Turin, Territorium und Topographie

Territorien des Hauses Savoyen beschrieben: »Die Ländereien von Savoyen werden im weiteren Sinn von Piemont begrenzt, vom Aostatal, vom Wallis, von der Schweiz, vom Rhone-Gebiet und von der Dauphiné […]«. (»Le terre della Savoia, intesa in senso lato sono delimitate dal Piemonte, dalla Valle d’Aosta, dal Vallese, dalla Svizzera, dal Rodano e dal Delfinato […].«)102 Ohne Unterschied sind hier äußere, d. h. ›zwischenstaatliche‹ Grenzen, wie jene im Osten zur Schweiz hin zusammen mit den ›innerstaatlichen‹, z. B. zu Piemont, aufgeführt. Leiten moderne Flächenstaaten ihre Hoheit durch das Rechtsinstitut einer realiter wie auch kartographisch klar bezeichneten Grenze her, so galt das nicht für das frühneuzeitliche Territorium. Der Kartographiehistoriker Josef Konvitz bemerkt zu dieser Praxis: »In early modern Europe, borders were often easier to describe verbally than to represent cartographically. Territories were assigned to one state or another because they belonged to a given diocese or customs unit, for example, or according to some other nontopographic criterion that a surveyor could not depict; lawyers and statesmen frequently did not know which state a given village or district belonged to at the time a treaty was made. Jurisdictions frequently overlapped, and nations often possessed enclaves, bits of land surrounded by territory belonging to another power. The appearance of a border as a continious line on a small-scale seventeenth-century map simplified a complex situation. Far from being at all regular or consistent, in many areas the boundary had no clearly defined shape on the ground.«103 Was die Vorstellung vom »politischen Raum« als handelnder Einheit bis heute prägt – die Umgrenzung, aus der die ausschließliche Hoheit der Nation über ein Gebiet resultiert –,104 fehlte also dem fürstlichen Territorium.105 Stattdessen stellte sich seine Einheit symbolisch im Theatrum Sabaudiae her. Dass die Erstellung des Atlanten durch zwei Herrschergenerationen betrieben worden war,106 zeigt das Interesse an dem verbreitungsfähigen Medium der Druckgraphik. War es gebräuchlich geworden, die Ansichten einzelner Städte in Atlanten zusammenzufassen,107 so unterscheidet sich das Theatrum Sabaudiae hiervon: Nicht um Städte geht es, sondern um Orte, die das politische Gebiet des Landesherrn repräsentieren: Städte, Festungen, Schlösser, Gärten, Monumente. Sie sind hier in einzigartiger Detailliertheit bildlich wie textlich dargestellt.108 Dabei unterstreicht die auffällige Repräsentation der Architektur, was Richard Pommer über die savoyischen Fürsten sagt: »It was almost as if the dukes wished to establish their precarious state not only politically but architecturally as well […]«.109 Gleichzeitig aber verdeutlicht der Atlas auch, welch entschiedenes Interesse die savoyischen Fürsten hatten, ihr Gebiet in der Repräsentation des Druckwerkes als zusammengehörig erscheinen zu lassen. Gegenüber Mächten wie dem Königreich Frankreich und dem Habsburgerreich, die Piemont-Savoyen stets als ihr potentielles Einfallstor nach Italien betrachteten, markierte das savoyische Haus hier über die Aufzählung von »Sachen« seinen Einflussbereich (»unser« / »nicht unser«) und zeigte damit eine räumliche Strategie.110 Turin nimmt mit achtundzwanzig Illustrationen im Theatrum Sabaudiae einen besonderen Status ein, wodurch die Residenzstadt als Schwerpunkt des Territoriums vermittelt wird. Über die Bedeutung solcher Mittelpunkte für die Raumbildung schreibt Georg

36 | »Theatrum Sabaudiae«: Orte machen den Raum

Simmel: »Ein geographischer Umfang von so und so vielen Quadratmeilen bildet nicht ein großes Reich, sondern das tun die psychologischen Kräfte, die die Bewohner eines solchen Gebietes von einem herrschenden Mittelpunkt her politisch zusammenhalten.«111 Dass mit dem Wechsel von Chambéry begonnen wurde, Turin als ›Hauptstadt‹ des savoyischen Territoriums auszubauen, ist eine wohlbegründete Meinung der Forschung. Die Hauptstadt ist nach Giulio Carlo Argan eine typisch barocke Erfindung: »[…] in Italien darf Turin, der Mittelpunkt des kleinen, aber modernen Staates Piemont, als das Vorbild einer Hauptstadt angesehen werden; ihre schachbrettartige Anlage mit großen regelmäßigen Plätzen wiederholt den Grundriss des römischen castrum, und darin liegt ihr humanistischer Aspekt, der sich gleichwohl für Paraden und Prozessionen eignet, die dem Volke die Macht des Staates und den Glanz der Kirche zeigen sollten.«112 Diese auf den innerstädtischen Ausbau bezogene Vorstellung von ›Hauptstadt‹ aber änderte sich in Turin mit dem frühen 18. Jahrhundert. Es kommt zu einer Umkehrung der Raumordnung: Hatte Turin sich über anderthalb Jahrhunderte nach innen orientiert, so bilden sich nun hinter der Befestigung neue Räume, welche die Stadt mit dem Territorium verbinden. Sie entstehen durch architektonische Orte, die an die abgeschlossene Stadt eine neue Qualität des Raums herantragen und diese mit dem Territorium verbinden. Was die urbanistische Forschung die ›Verlandschaftung‹ der Stadt nennt,113 begann im Turin des frühen 18. Jahrhunderts mit einem Großbauprojekt außerhalb. Die befestigte Stadt gehörte einer räumlichen Struktur des Territoriums an, die bedingt war durch die strukturell lange wirkende Personenherrschaft, und als ›Orte‹-Raum bezeichnet werden kann.114 Das Druckwerk Theatrum Sabaudiae macht dies in seltener Klarheit deutlich und stellt die Besonderheit des savoyischen Territoriums dar, durch die Alpen in zwei große Herrschaftsgebiete getrennt zu sein. Die Ränder der Stadt, wie sie Gemälde Bellottos als disponibel werdender Raum zeigen, künden von der qualitativen Veränderung des Stadt-Land-Bezugs. Für Turin vollzieht sich dies in mehreren baulichen Etappen, die Gegenstand der folgenden Kapitel sind. Diese architektonischen Unternehmungen greifen in das Verhältnis von Stadt und Territorium ein; sie stellen jeweils neue Raumordnungen her und zeigen dies in symbolischen Räumen. Städtebaulich betrachtet, ist Entfestigung daher nicht nur ein Akt der Zerstörung, sondern muss als kultureller Raumaufbau verstanden werden. Eine neue Qualität, die auf einen veränderten räumlichen Zugriff schließen lässt, ist dabei die Besetzung der Topographie.

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ANSCHAUUNGSRÄUME DES SIEGES: DIE SUPERGA

Vor seinem Fenster wölbte sich die unendliche, tiefblaue, bestirnte Nacht. Flach und weit war das Land. Man hatte ihm gesagt, dass diese Fenster nach dem Nordosten gingen. Man sah also nach Russland hinüber. Aber die Grenze war nicht zu erkennen. Und Kaiser Franz Joseph hätte in diesem Augenblick gern die Grenze seines Reiches gesehen. Sein Reich! Joseph Roth, Radetzkymarsch, 1932

DIE SUPERGA BESETZT TOPOGRAPHIE Die Basilica della Natività di Maria Vergine (historischer Titel: La Reale Chiesa della Nostra Signora di Soperga), östlich von Turin gelegen, ist ein weithin erkennbares Gebäude (Abb. 15–16). Sie verdankt dies ihrer Position auf einem hohen Hügel sowie den architektonischen Formen, die der Architekt Filippo Juvarra verwandte. Dabei war die Superga für den Anblick aus der Umgebung Turins konzipiert, nicht jedoch für das Innere der Stadt. Diese Strategie machen sowohl einzelne Zeichnungen Juvarras (Abb. 150–152) wie auch die heutige Wahrnehmung der Superga aus der Stadt heraus klar: Im Bereich des historischen Turin ist die Kirche nur vom Beginn der Via Pietro Micca (Abb. 17) erkennbar, einer diagonal geführten Verkehrsachse des 19. Jahrhunderts. Die Straßen aus der Zeit vor und während der Erbauung der Superga waren dagegen – mit Ausnahme der Via Po – in einem orthogonalen Raster angelegt, das parallel zu einer Biegung des Flusses Po von Südwesten nach Nordosten verläuft (Abb. 18). Von den Straßen innerhalb der Stadt also konnte die Superga aufgrund des historischen Gitterverlaufs nicht gesehen werden. Doch ein urbanistisch sensibler Architekt wie Juvarra,115 der in Turin großenteils die dritte Stadterweiterung leitete, errichtete nicht zufällig eine Kirche, die an der Stadt vorbeiagierte. Die Differenz, dass die räumliche Wirkung der Superga sich ausschließlich auf das Territorium, nicht aber auf das Innere der Stadt bezieht, ist in ihrer Bedeutung kaum untersucht. Sie lässt sich nicht ausschließlich mit den Entstehungsbedingungen des Kirchenbaus erklären, die von den meisten Forschungen zur Superga herangezogen werden. Die SupergaKirche wurde nach einem militärischen Sieg der Savoyer über das Heer Ludwig XIV. (1706)

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15 Turin, Blick auf die Superga-Kirche von Nordwesten

16 Turin, Blick auf die Superga. Ansicht von Lungo Po, vorne Gran Madre di Dio

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17 Turin, Blick auf die Superga vom Beginn der diagonal geführten Via Pietro Micca

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18 Turin, Markierung des historischen Zentrums, 1965, Luftfotografie

errichtet, der für das Turiner Herrscherhaus 1713 die Königswürde gebracht hatte.116 Als Ausgangspunkt hierfür gilt ein Votum, das Herzog Vittorio Amedeo II. für den Fall der Befreiung Turins vor der verehrten Statue der Beata Vergine delle Grazie (auch Nostra Signora di Soperga) in einer kleinen Pfarrkirche auf dem Superga-Hügel abgelegt haben soll. Diese Begebenheit wurde im 18. Jahrhundert durch Reise- und Gesandtschaftsberichte überliefert, die jedoch samt und sonders bereits aus der Bauzeit der Superga stammen und daher nicht als zeitgenössische Belege des zu dieser Zeit schon weit zurückliegenden Geschehens gelten können.117 Solche fehlen nach übereinstimmender Forschungsmeinung; der Beginn einer konkreten Planungstätigkeit setzte erst neun Jahre nach dem angeblichen Votum und mit dem Eintreffen Juvarras in Turin ein.118 Doch tut das Kirchengebäude einiges, um den Eindruck herzustellen, es handele sich um eine Kirche, die aufgrund eines auf den konkreten Ort bezogenen Gelübdes entstand. Als erstes die Inschrift über dem Portal, die jedoch nur allgemein von den Umständen des Votums während des Krieges spricht sowie von seiner Erfüllung durch den der Maria gewidmeten Bau.119 Besteigt man den Tambour, so findet man auf Höhe der Balustrade einen Stein. Dieser zeigt an, wie hoch der Berg vor den Terrainveränderungen gewesen sein soll, von dem aus Vittorio Amedeo II. im September 1706 die feindlichen Linien beobachtete.120 Ferdinando Rondolino, Autor der ersten historischen Forschung, stellte diese Über-

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lieferungen aus Anlass der zweihundertjährigen Wiederkehr der Befreiung Turins als nachträgliche Legenden des 19. Jahrhunderts heraus.121 Bestritten wird dabei weniger, dass es überhaupt ein Gelübde gegeben haben könnte. Was fehlt, ist vielmehr ein unmittelbarer Nachweis dafür, dass dieses vor dem Gnadenbild der Madonna di Soperga geleistet wurde.122 Die Inschrift über der Tür könnte aufgrund der späten Anbringung im Jahr 1731 auch als eine im Laufe der Bauzeit entstandene Legitimation gewertet werden.123 Alle anderen Hinweise auf das Gelübde datieren jedenfalls aus späterer Zeit, so die vielfach zitierten Reise- und Gesandtschaftsberichte.124 Die Trauerpredigt des Turiner Bischofs Gattinara 1732 für König Vittorio Amedeo II., die das Votum hymnisch preist, verknüpft dieses mit Hinweis auf den neuen Kirchenbau und lässt die nachträgliche Konstruktion für den Anlass der Weihe erahnen.125 Für letzteres spricht auch die Praxis, dass Gelübde im Verständnis der Zeit irgendeine Form der Öffentlichkeit erreichen mussten, um als wirksam zu gelten.126 Tragen die textlichen Hinweise auf ein voto Vittorio Amedeos II. musterhafte Züge,127 die für eine substantielle Begründung des Kirchenbaus kaum ausreichen, so thematisieren jedoch die beiden wichtigsten Elemente der kirchlichen Ausstattung die Abfolge von Gelübde – Sieg – Königswürde. Im Zusammenhang mit der »Raumgestalt« der Superga zeigt sich somit der Sieg vor allem architektonisch, und zwar sowohl im Inneren der Kirche wie auch in deren Außenraum. Erbaut auf einem hohen Hügel, veränderte die SupergaKirche die Ränder der geschlossenen Stadt und band diese erstmals in den topographischen Zusammenhang der Berge ein. Die architektonische Gestaltung des Hügels verknüpfte so die Stadt mit dem politischen Territorium. Als »Randstadt« am Ausgang von Alpenpässen gelegen, zeigt Turin bis ins frühe 19. Jahrhundert eine Siedlungsform der Ebene (Abb. 10), die den gesamten Ausbau der Stadt innerhalb der Fortifikation kennzeichnet (Abb. 19).128 Die Ebene beurteilt die Urbanistik grundsätzlich folgendermaßen: sie bietet die größte Freiheit bei der städtebaulichen Gestaltung, andererseits gilt das gänzliche Fehlen von Einschränkungen als gestalterisch schwieriger denn ein strukturierter Grund.129 Der frühneuzeitliche Städtebau, der sich durch die Fortifizierung auf die Innenstädte konzentrierte und dem es dabei möglichst um geometrische Ordnung ging, bevorzugte diese topographisch indifferente Landschaftsform. Turin wies im 16. und 17. Jahrhundert einen Stadtkörper auf, der aus gleichmäßig geformten Baublöcken und perspektivisch fluchtenden Geschossgesimsen bestand. Die Stadt bestätigt so eine Auffassung der Urbanistik, wonach die gestalterische Reizarmut der Ebene eine Tendenz zur Horizontalität hervorbringt.130 Städtebaulich weist die Besetzung der Höhe mehrere Typologien auf: die AkropolisStadt, deren Bebauung an den Abhängen eines prominenten Hügels oder um einen Felsblock herum liegt; die Bergstadt, die ein flaches Plateau besetzt. Ein Ideal der mittelalterlichen Stadt ist die »Bergstadt als Landschaftskrone«, die nicht nur Verteidigungsfunktionen besitzt, wie dies für alle Höhenstädte in Piemont-Savoyen gilt,131 sondern auch die Vorstellung beinhaltet, »dem Himmel nahe zu sein«.132 Als Kirchenbau in landschaft-

43 | Die Superga besetzt Topographie

19 Turin, die vier Etappen des frühneuzeitlichen Stadtausbaus innerhalb der Fortifikation: 1564, 1619, 1671, 1713

44 | Anschauungsräume des Sieges: die Superga

licher Höhe steht die Superga jedoch in anderen Traditionen, die sich vor allem mit der Errichtung heiliger Orte verbindet: 1.) den Sanktuarien, die seit der Zeit um 1500 in Italien errichtet wurden; 2.) den sacri monti, Stätten der Volksfrömmigkeit, die es im Piemont schon seit dem Mittelalter gab. Die Superga setzte hier an bestehende Typologien an, schuf jedoch Räume, die in ihrer Dimensionierung das Territorium betrafen: Als Solitär an den Rändern der Stadt ausgerichtet, wurde die Stadt durch die Superga neu ausgerichtet. Diese Orientierung bestimmt die Stadt in der Landschaft neu; sie wird nun, um einen Ausdruck von Paul Zucker zu gebrauchen »von der Landschaft her, inmitten ihrer als Ganzes« erfahrbar.133 Außerhalb der befestigten Residenzstadt war jedoch keineswegs »leerer« Raum. Rings um Turin hatte der savoyische Hof eine ›Residenzlandschaft‹ von Lustschlössern und Gärten geschaffen:134 immer ausgedehnter werdende axiale Anlagen, netzartig organisiert. Davon unterschieden sich die Räume, die durch die Superga entstanden: Axialität wurde hier benutzt und gleichzeitig außer Kraft gesetzt.135 Indem sich die Superga mit solch unterschiedlichen Mitteln auf die Ränder der Stadt richtete, wirkte auf Turin, was Paul Zucker die »Formkraft der Landschaft« nannte:136 Die Hügel wurden zu einem Merkmal von Stadt. Die Superga auf einem hohen Hügel östlich der Stadt weitete somit nicht nur deren Wahrnehmungsraum aus, sondern stellte der Stadt die Landschaft als architektonisch verdichteten, als bestimmten Raum gegenüber.137 Turin als geschlossene Stadt war über Orte der Dynastie mit dem Territorium verbunden. Was Juvarra zu Beginn des 18. Jahrhunderts diesem System neu hinzusetzte, war Topographie als Gestaltungsmittel von Raum. Die architektonische Ausgestaltung der Differenz von Ebene und Höhe vollzog sich nicht unabhängig von zeitgenössischen räumlichen Verfahren und Wissensordnungen. Für die frühneuzeitliche Kartographie stellt der Historiker Joseph Konvitz einen bedeutenden Wechsel fest: Waren Berge und Erhebungen in der Neuzeit zunächst schematisch dargestellt worden, so entstanden nach dem ersten Drittel des 18. Jahrhunderts Karten, in denen sich verschiedene Projektionsformen mischten.138 Wie Konvitz zeigt, lag diesen Neuerungen zugrunde, dass nun Festungsbauer und Militärs zunehmend selbst in den Bergen tätig wurden. Sie schufen pragmatische Karten, in denen die Berge als individuelle Gebilde erschienen.139 Dass menschliche Räume durch unterschiedliche kulturelle Praktiken entstehen,140 wird für Piemont-Savoyen nach dem Utrechter Frieden von 1713 deutlich: Die Gipfel der Alpen wurden als Grenze nach Frankreich festgelegt, gleichzeitig besetzte die Superga den höchsten Hügel in der Nähe der Stadt. In jenem Moment, in dem das politische Territorium erstmals eine ›natürliche‹ Grenze erhielt, verwirklichte dies die Architektur in neuen symbolischen Räumen für die Residenzstadt.

45 | Die Superga besetzt Topographie

›VERMESSUNG‹ DER EBENE: DIE ACHSE RIVOLI – SUPERGA Dass die weiträumige Wirkung der Superga durch Nutzung der Topographie zustande kommt, zeigt der Urbanist Leonardo Benevolo in einer Schema-Darstellung (Abb. 20): Das Kirchengebäude ist auf dem Hügel östlich der Stadt so loziert, dass es in einer Sichtachse jene zwölf Kilometer lange, kerzengerade Straße verlängert, die von Rivoli aus nach Turin führt. Während diese Straße von Rivoli nach Turin als Linie dargestellt ist, deutet Benevolo die Verlängerung als Sichtachse durch Punktieren der Strecke Turin – Superga an. Insgesamt ergibt sich so eine Verbindung von knapp zwanzig Kilometern, die erhebliche topographische Unterschiede überwindet (Abb. 21): Das Schloss von Rivoli liegt 354 Meter über dem Meeresspiegel (Abb. 21–23), die Superga in der Gegenrichtung (Abb. 21, 24, 30) bei 675 Meter, während Turin in der Ebene lediglich 248 Meter erreicht (Abb. 25).141 Für Benevolo »die mit Abstand spektakulärste perspektivische Wirkung, die mit Hilfe der Architektur je erzielt worden ist«.142 Die perspektivische Wirkung, von der die Forschung wegen der axialen Ausrichtung der Superga spricht,143 reflektiert einen Tatbestand, der die Konstitution des gebauten Raumes berührt. Dabei geht es um Architektur als Baukörper mit einem Innen und Außen sowie einer konkreten materialen Erscheinung. Architektur unterscheidet sich damit nicht nur von Gegenständen, die auf eine zweidimensionale Fläche projiziert sind, sie wird auch anders wahrgenommen. Da die räumliche Ausdehnung des Baukörpers nur in der Bewegung wahrnehmbar ist, verlangt die Wahrnehmung hier einen komplexeren Rezeptionsvorgang als das Sehen. Carl Linfert schreibt dazu: »Sicher aber ist der Architektur im Grunde eigen, dass sie nicht nur ›gesehen‹ wird, sondern in einer ausgeprägten Verbindung mit dem Maßstab des Menschen steht. Denn durch Benutzung erst, durch Eintreten in ein Bauwerk, durch Entlanggehen wird die Architektur für den Menschen wirklich faßbar.«144 Wenn die Analyse von Architektur nicht auf emblematische Werte verkürzt wird, tritt jene grundlegende Orientierungsfunktion hervor, die dem Bauen als räumlicher Tätigkeit prinzipiell innewohnt. Als gebauter Raum ist die Architektur kein abstrakter Punkt; sie wird vielmehr – wie wir anhand der Superga verfolgen können – durch raumbezogene Handlungen geschaffen und bringt selbst solche hervor. Indem sie Richtungen vorsieht, Zugänge gewährt oder versperrt, entstehen Spielräume für das Tun des Menschen. »Unser Verhältnis zum Raum«, schreibt Adolf von Hildebrand, »findet in der Architektur seinen direkten Ausdruck, indem an Stelle der Vorstellung von bloßer Bewegungsmöglichkeit im Raum ein bestimmtes Raumgefühl geweckt wird, und indem an Stelle der Orientierungsarbeit, welche wir der Natur gegenüber vollziehen[,] ein Raum derart gegliedert wird, dass wir durch den Eindruck auf das Auge dieser Arbeit enthoben sind.«145 Die Superga schuf Räume, indem sie ›Richtungen‹ entwarf. Wenn damit im Äußeren der Stadt ein neuer Wahrnehmungsraum entstand, so gilt, was Herman Sörgel theoretisch folgendermaßen fasst: Architektur bildet »Räume unter freiem Himmel.«146 Entscheidend

46 | Anschauungsräume des Sieges: die Superga

20 System der frühneuzeitlichen Achsen um Turin, Darstellung nach Leonardo Benevolo

hierfür ist zunächst die Straßenachse von Rivoli, in deren Verlängerung die Superga positioniert wird. Damit liegen die architektonischen Endpunkte der Achse auf Hügeln, während Turin in der Ebene tangential berührt wird: Die unterhalb des Schlosshügels von Rivoli ausgehende, zwölf Kilometer lange Straße (Abb. 21) führte in direkter Linie zur

47 | ›Vermessung‹ der Ebene: die Achse Rivoli – Superga

21 Turin, Straßenachse des heutigen Corso di Francia (Strada di Rivoli). Gesehen vom Schloss Rivoli, in Verlängerung der Straßenachse als Blickpunkt auf dem Hügel die Superga

22 Turin, Schloss Rivoli

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23 Turin, Corso di Francia (ehem. Strada di Rivoli). Das Schloss Rivoli in den Hügeln, gesehen aus der Straßenachse

24 Turin, Corso di Francia (ehem. Strada di Rivoli). Die Superga, gesehen aus der Straßenachse

49 | ›Vermessung‹ der Ebene: die Achse Rivoli – Superga

25 Ignazio Sclopis di Borostura: Vedute der Stadt Turin in Richtung Porta Susa mit Strada di Rivoli, um 1777

Porta Susa (Abb. 25), ein durch die dritte Erweiterung neu entstandenes Tor (Abb. 19; vgl. auch Abb. 224). Als Corso Francia erhalten, durchschneidet die Straßenachse heute eine ausufernde Peripherie (Abb. 21). In ihrer Erbauungszeit führte sie durch eine vorwiegend agrarisch geprägte Landschaft. Parallel zu der alten Straße, die das Dorf Collegno mit Turin verband, streifte sie vorhandene Dörfer.147 Dies zeigt ein Gemälde von Ignazio Sclopis (1777), wonach die Straße auf einem erhöhten Damm verlief (Abb. 25).148 Wer die Strada di Rivoli benutzte, fand sich in dieser hervorgehobenen Position zwischen zwei großen savoyischen Bauten: dem Schloss Rivoli, das älteste Schloss der Savoyer in Piemont, der Superga als Erinnerungsbau und Grablege. Die Zuordnung der beiden Bauten zueinander verlangte einen Rezipienten, der vor allem in seiner visuellen Fähigkeit gefordert war. So berichtet der Reiseschriftsteller Georg Keysler über diese Achse, die er mehrfach erwähnt: »Man kann sich keinen angenehmeren Weg einbilden, als dieser letztere ist, wegen seiner geraden Allee, worin sechs Wagen ein ander ausweichen können. Die Bäume von beyden Seiten sind noch jung, weil währender [sic!] letzten Belagerung alle Bäume in dieser Gegend von den Franzosen ausgerottet worden. Zu Anfang der Allee, von Susa her, liegt das Schloß Rivoli auf einer Höhe, und auf der andern Seite endiget sich diese Allee an der Stadt Turin, über deren einem Theile die Linie des Gesichtes gerade auf Superga zugehet. Die Allee von Mecheln nach Löwen hat zwar auch ihre Schönheiten und eine Länge von drey Stunden, allein sie ist viel ungleicher und bergichter als diese Turinische.«149 Sah die Straße nach Rivoli die Bewegung des Körpers vor, so setzte sich ihre strikte Axialität hoch zur Superga nur als Sichtbeziehung fort. Die Raffinesse dieser Beziehung wurde von den Zeitgenossen klar erkannt, so kritisierte Keysler eine Karte von Homann: »Der Weg von Rivoli bis Turin ist auch nicht recht vorgestellet, weil er eine gerade Allee ausmachen muss, die zwar bey Turin sich endet, aber mit dem point de Vüe, von Rivoli aus, auf Superga stösset und etwas weniges von der Stadt Turin (die in Ansehung dieser Aussicht, ersten Theils rechter Hand lieget) berühret; also dass Rivoli, ein kleiner Theil der Stadt und die auf einem hohen Berge liegende Kirche Superga in einer geraden Linie zu stehen kommen, wie übrigens diese Lage in der Carte des Homanns wohl beobachtet ist.«150 Diese Ablösung der Sehfunktion von der Bewegung des Körpers schuf einen Raum, der

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sich aus der axialen Beziehung zwischen den bebauten Hügeln und der in der Ebene liegenden Stadt ergab. Es ist der auf einen bestimmten Standpunkt bezogene Anschauungsraum der Phänomenologie,151 der eine solch spezifische Leistung des Sehens deutlich macht. In der Strada di Rivoli erlebe ich die Hügel, auf denen Schloss Rivoli oder die Superga aufsitzen, wie ferne Wände (Abb. 23–24). Bewegt man sich in die eine oder andere Richtung, konkretisieren sich die obenauf gesetzten Gebäude. Fixiert durch die Achse, erscheint die Superga am Horizont und begrenzt den Wahrnehmungsraum um Turin. Die axiale Beziehung zwischen Rivoli und der Superga legte so eine Linie fest, auf welcher die Bewegung des Körpers die Ferne und den Horizont heranzuholen versprach. Links und Rechts sind auf dieser kerzengeraden Straße bedeutungslos; Orientierung wird allein durch die Perspektivwirkung der Allee erzeugt, die auch ursprünglich dort angepflanzt war (Abb. 25).152 Für den Wahrnehmungsraum um die Stadt war die Achse damit Seh- und Bewegungsschleuse zugleich: das Schloss in Rivoli konnte durch die Straße erreicht werden, während die wesentlich höher gelegene Superga zwar näher rückte, aber letztlich auf direktem Wege unerreichbar blieb. Wird die Bewegung des Subjekts im Anschauungsraum hauptsächlich durch den Sehsinn aktiviert, so kommt es hier zu einer klaren Ausrichtung zur Superga hin. Ihre höher gelegene topographische Position, aber auch die abrupte Beendigung der Straßenachse am Stadttor bestimmt diese Dominanz gegenüber Schloss Rivoli. Das Kirchengebäude bleibt sichtbar, ist jedoch durch den Körper nicht einzuholen. Rudolf Wittkower, der die Superga als »by far the grandest of the great number of Baroque sanctuaries on mountains« bezeichnet,153 sieht die Schaffung einer Silhouette als notwendigen Bestandteil solcher Baukonzeptionen an: »As widely visible symbols, they dominate the landscape: they suggest nature’s infinitude controlled by men in the service of God. The architect’s task was made particularly difficult since he had not only to emulate the grand forms of nature herself by creating a stirring silhouette for the view from afar, but had also to attract those who would ascend the hill of the sanctuary.«154 Denkt man an Klosterkirchen wie Vierzehnheiligen, Banz, Weingarten oder Stift Melk, so unterscheidet sich die Superga jedoch von diesen Beispielen durch ihre Ausrichtung an einer Straßenachse, die an der Fortifikation der Stadt endete. Auf die Topographie der Höhe ist im Kapitel »Superga und ›Landschaft‹ « (S. 184) zurückzukommen. Hier geht es zunächst nur um die Ausrichtung der Superga an der Straße nach Rivoli. Dabei setzt der »VorneRaum«, den die Superga schafft, die Silhouette der Kirche als Zielpunkt der Bewegung ein. Während sich Schloss Rivoli noch gegen eine dahinter ansteigende Kette höherer Hügel abgrenzen muss (Abb. 23), trägt die Superga nur mehr den Himmel über sich und ist dadurch klar erkennbar (Abb. 24). Diese Dominanz der Superga legte die Zielgerichtetheit der Achse fest: das älteste savoyische Schloss im Piemont, die Residenzstadt, dynastische Grablege. ›Richtung‹ ist, wie Rebekka Ladewig schreibt, erlerntes oder kulturelles Wissen.155 Die strukturierte Landschaft wurde hier zur Benutzungsanordnung eines symbolischen Territoriums um die

51 | ›Vermessung‹ der Ebene: die Achse Rivoli – Superga

Stadt. In der Aktivierung von Körper- und Sehbewegung durchmaß die »Strada di Rivoli« diesen Wahrnehmungsraum anhand der dynastischen Orte. Dabei garantierte die Besetzung des Horizonts durch die Superga, dass sich die neu geschaffene Ordnung auf jeden Benutzer der Straße übertragen konnte. Wie die Phänomenologie darlegt, ist der Horizont nichts ›Binnenseelisches‹, Vorgestelltes oder Ideales, sondern bleibt auf den jeweiligen Blick bezogen.156 Er bedeutet eine Grenze des Wahrnehmungsraumes, die in der Bewegung stets mitwandert, ist »unerreichbare Grenze und Raum zum Vordringen« in einem.157 Indem der Kirchenbau auf eine weite Ebene antwortete und dieser eine Richtung gab, zielte er auf eine größtmögliche Rezeption. Gleichzeitig bringt die Superga durch ihre Lage auf einem nicht direkt zugänglichen Hügel die Wirkung des Horizonts in besonderer Weise zur Geltung: Die Verbindung zur Strada di Rivoli verstärkte ihre Anziehungskraft, doch brachte das Ende der Straßenachse am Stadttor auch die Unerfüllbarkeit des Bewegungswunsches. Die Bewegung des Körpers, die fundamental ist für die architektonische Raumbildung, wurde hier beim ›Bau‹ einer Landschaft wirksam. Durchquerte man die Ebene um Turin auf der Strada di Rivoli, so vermittelte diese die Landschaft als ›Tiefe‹ und erschloss damit Raum. Als Koordinate des gebauten Raums ist Tiefe nach Schmarsow »für das anschauende Subjekt das Maß seiner freien Bewegung«; sie erzeugt dessen »Spielraum« und ist durch »Ort und Stellung unserer Augen« die wichtigste Ausdehnung im Raumgebilde.158 Die Strada di Rivoli verband nicht nur Orte miteinander, sondern schuf einen gemeinsamen Raum. Hierfür ist die Superga wesentlich, die für die Umgebung der Residenzstadt eine Tiefenposition schuf. Diese aber wurde durch die Höhe ergänzt, die nun als zusätzliches topographisches Merkmal zur Raumbildung beitrug: In der Fortführung der Straße zieht die Hügelbebauung den Blick nach oben, die Superga deutet so als Silhouette einen Raumabschluss an. Was Herman Sörgel über die Raumbildung von Architektur in der Landschaft sagt, bestätigt die Achse Rivoli – Superga: »Die allgemein geltenden Raumerzeuger: Boden, Wände und Decke können sehr wohl auch in der Natur und Landschaft gebildet oder durch sie zum mindesten sehr in ihrer an sich oft beschränkten Wirkung gesteigert werden.«159 Die 1711–1712 errichtete Straße festigte eine alte Verbindung nach Frankreich.160 Mit der Anbindung der Superga an diese schuf Juvarra die wichtigste (und bis heute bestehende) Raumachse des städtischen Außen um Turin. Erst durch die Markierung des Horizonts entstand die besondere Sogkraft der geraden Straße (Abb. 24): Die Superga machte die Achse zum »Raumbild«161 des durch den Sieg gesicherten dynastischen Territoriums. Dabei übertraf die Straßenachse in ihrer Länge bereits vorhandene axiale Verbindungen, wie jene zwischen der Porta Nuova und der Kirche San Salvario im Süden oder zum Schloss Venaria, die beide seit der Mitte des 17. Jahrhunderts in »retta linea« rings um Turin erbaut wurden. Doch vor allem durch die Isolation der Superga – noch heute kann sie mit dem Auto nur über eine kleine Straße erreicht werden – wandelte Juvarra die bisherige Raumerfahrung ab.162 Während der Architekt für das Schloss in Stupinigi ganz selbstverständlich

52 | Anschauungsräume des Sieges: die Superga

26 Straßenachse von Schloss Stupinigi nach Turin

27 Turin, Schloss Stupinigi

eine Straßenachse errichtete, unterblieb dies bei der Superga (Abb. 26–27). Die Kirche wurde vielmehr zur Basis eines unerfüllbaren Bewegungswunsches. Damit grenzte sich die Superga in der Verbindung zur Straßenachse von den älteren sacri monti ab, volkstümlichen, hoch gelegenen Heiligtümern, die im Piemont seit dem Mittelalter zahlreich entstanden waren (Abb. 12, 28).163 Ein Benutzer der Straße vollzog also eine neue Raumordnung in zweierlei Hinsicht: zum einen gegenüber der mittelalterlichen Besetzung von ›Höhe‹, für

53 | ›Vermessung‹ der Ebene: die Achse Rivoli – Superga

28 Sacra di Michele bei Turin, Fotografie

die eine Straßenplanung nicht konstitutiv war; zum anderen gegenüber dem früheren axialen Straßenbau um Turin, bei dem Seh- und Wegrichtung stets identisch gewesen waren. Die Superga war aber für Juvarra offensichtlich ein anderer Fall als Schloss Stupinigi. Wie vor allem seine Zeichnungen zur landschaftlichen Wirkung dieses Baues zeigen, musste hier ›Höhe‹ als bauliche Determinante einbezogen werden. Wir werden im nächsten Abschnitt sehen, welche architektonischen Mittel aufgeboten wurden, um die Superga zu einem außerordentlichen Anziehungspunkt in der von vielen Achsen durchfurchten Turiner Residenzlandschaft zu machen. Hier geht es zunächst um die Bedeutung der Superga als einem visuellen Ziel der Straße Rivoli – Turin. Mit der kombinierten Blick- und Wegeachse erweiterte Juvarra die bisherige Architekturtypologie von Straßenachsen. Alberti noch kannte die gerade Straße außerhalb der Stadt als Militärweg, die Transport, Geräumigkeit und visuelle Kontrolle bieten sollte. Wegen der erhöhten Führung auf einem Damm garantierte eine solche Straße bei ihm aber auch »die Lieblichkeit der Aussicht«.164 Palladio verstand die axiale Straße außerhalb bereits als Allee, wie wir sie auch bei der Strada di Rivoli in Turin vorfinden.165 Wurde der Ausbau axialer Straßen im savoyischen Territorium gegen Ende des 17. Jahrhunderts mit der Breite der Karossen und besseren Sichtbarkeit begründet,166 so verstärkte Juvarra den visuellen Charakter solcher Straßen, indem er die Superga als Fluchtpunkt der Achse auf dem Hügel gegenüber von Rivoli plazierte: aus der Straße als einem Instrument militärischer

54 | Anschauungsräume des Sieges: die Superga

Raumaneignung wurde mit der Achse Rivoli – Superga die Demonstration eines dynastisch geformten Territoriums. Als Nutzer der Strada di Rivoli kam jedoch nicht nur der Hof in Betracht, wie dies bei den Straßen zu anderen Schlössern der Turiner Umgebung primär der Fall war. Dies begründete sich dadurch, dass die Verlängerung der Strada di Rivoli durch das Tal von Susa und von hier als Alpenpass über den Mont Cenis nach Frankreich führte.167 Die Achse Rivoli – Superga setzte die natürliche Topographie, die unmittelbar mit der savoyischen Geschichte der Wegerechte verknüpft war, in die symbolische Erfahrung von Oben und Unten, Nähe und Ferne um. Sie bildete einen Wegraum um Turin, der keinen Aufenthalt kennt, sondern in der Verbindung zweier dynastischer Orte die konkrete Topographie des Territoriums zur Anschauung brachte. Die Straße Rivoli – Turin schuf durch ihre Axialität einen »Vorne«-Raum. Dies verstärkte die Superga durch ihre unerreichbare Position. Die Straße wurde so zur ›Richtung‹ und orientierte ihre Benutzer. Deren Bewegung ›vermaß‹ das Territorium, das die Stadt durch ihren immer stärker werdenden Rand ausgegrenzt hatte. Das bisherige »Draußen« der Stadt verwandelte sich einen Handlungsraum mit neuartigen Qualitäten.168 Nicht nur, dass sich durch die »Strada di Rivoli« der Handel ins Tal von Susa und mit Frankreich verbesserte.169 Die axiale Gestaltung in Verbindung mit der Topographie brachte Stadt und Territorium erstmals in einen gemeinsamen Wahrnehmungsraum.170 Damit erschloss sich ein bisheriges Draußen, der bisherige »Fremdraum« des Territoriums wurde an die Stadt herangeführt.171 Konstitutives Element dieses neuen Wahrnehmungsraumes war die nun mehr topographisch identifizierbare Ferne. Indem die Superga als Fluchtpunkt der Strada di Rivoli immer ›mitwanderte‹, verwies sie auch auf einen potentiellen Raum der Dynastie ›hinter‹ dem Horizont.

DER »WIRKUNGSBEZUGSRAUM« DER SUPERGA 172 Was die Superga räumlich in Gang setzte, beschränkte sich jedoch nicht auf eine ›Vermessung‹ der Ebene. Die Kirche visierte mit ihrem ›Gesicht‹ die Ostseite der Stadt an und zielte damit auf die Porta Po, die dem Tor des neuen westlichen Erweiterungsviertels geographisch genau gegenüber gesetzt war (Abb. 20). Möglich war dies durch eine Drehung des Klosterkomplexes samt Kirche aus der Fernachse nach Rivoli um etwa 30 Grad. Diese auf Anhieb überraschend willkürlich erscheinende Ausrichtung der Fassade zur östlichen Stadtseite (Abb. 16) erklärt sich aus der Entstehungssituation, die territorial determiniert war. Als Juvarra 1715 mit dem Entwurf des Superga-Komplexes begann, waren dies nicht die ersten Pläne ihrer Art. Der vorherige Primo Architetto Civile e Militare des Turiner Hofes hatte in den Jahren 1710–1713 im Auftrag des Herzogs die Idee für ein Kloster auf dem Supergahügel entwickelt, allerdings in einer Position, die südlicher liegt als der ausgeführte Bau.173 Die planerischen Vorüberlegungen Bertolas blieben ohne weiteren Einfluss auf das spätere Projekt. Wichtiger ist eine andere Baumaßnahme, die zur räumlichen Voraus-

55 | Der »Wirkungsbezugsraum« der Superga

setzung der Superga Juvarras wurde: die zwölf Kilometer lange Straßenachse, die das neu erbaute Turiner Stadttor Porta Susina mit dem Schloss in Rivoli verband und die bereits 1711–1712 von dem Architekten Michele Garove errichtet worden war.174 Diese bereits existierende Beziehung nutzte Juvarra für sein Projekt aus, indem er die Superga in Fortsetzung der Achse Rivoli – Turin platzierte. Allerdings wurde der Bau architektonisch nicht danach ausgerichtet, sondern verfolgte eine eigene Orientierung. Die raffinierte Drehung des gesamten Komplexes aus der Achse heraus, die als territoriale Konzeption der Superga zu verstehen ist, kann man selbst leicht feststellen, begibt man sich in die Front der Vorhalle. Genau im mittleren, geweiteten Intervall der vorderen Säulenreihe liegt dann nicht die »Strada di Rivoli«, sondern die Ostseite der Stadt mit dem Po-Ufer, während die nach Rivoli führende Straße im Blickfeld des Betrachters abgeknickt erscheint. Diese doppelte Verspannung der Kirche im Raum, die Benevolos Darstellung deutlich macht (Abb. 20),175 wurde in die Erforschung der Superga bisher nicht genügend einbezogen. Sie stellt eine räumliche Strategie dar, die den savoyischen Einflussbereich nicht nur in der Erstreckung von weiten Distanzen zeigte, sondern auch in der Gewalt über die Topographie des Geländes. Da Juvarra auch Theaterkulissen erstellte, war ihm die bildmäßige Komposition von Landschaft durchaus vertraut.176 Die Superga ›baut‹ jedoch Räume: Indem Architektur hier einen neuen Ort generiert, wird aus der bis dahin architektonisch weitgehend unbestimmten Landschaft der Hügel ein »verdichteter Raum« (Waldenfels)177, dessen Qualitäten eines symbolischen Territoriums auch die Stadt Turin neu definierten. Ihre solitäre Position auf einem hohen Hügel fern der Stadt macht die Superga zu einem Grenzfall der architektonischen Formung von Raum, da hier die Architektur als einzelner Baukörper wirken muss. Über solche Weisen des architektonischen Einrichtens von Raum führt Herman Sörgel aus: »Wenn die architektonischen Massen so weit vom Beschauer weggerückt sind, dass sie sich mehr und mehr enträumlichen, entkörpern und in einer einzigen Fläche des Sehfeldes zusammengefaßt werden können, dann tritt eine malerische Wirkung in Kraft. Die architektonischen Details eines solchen Bildes entbehren aber auch dann nicht der räumlichen Grundlage. Sie werden – immer natürlich vorausgesetzt, dass sie von künstlerischem Werte sind – vielmehr der Teil eines höheren Ganzen, nämlich des Landschaftsraumes.«178 Was Sörgel in Bezug auf eine weit entfernte Architektur ›malerisch‹ nennt, bedeutet für den Anschauungsraum, den die Superga entwirft, die Dominanz des Visuellen. Als Anschauungsraum wird von der Phänomenologie eine Kategorie des ›orientierten Raums‹ bezeichnet, der als perspektivisch und horizonthaft begrenzter Raum entsteht.179 Bezogen auf die Superga heißt das: bewirkte ihr Bau auf der westlichen Seite der Stadt durch die Anbindung an die Strada di Rivoli eine geometrische Vermessung des Raums, so wurde sie am Ostrand zum Fernbild (Hildebrand) eines ›landschaftlichen‹ Raumes außerhalb der Stadt,180 der pittoreske Züge trägt und die Eigenheiten der Topographie betont.

56 | Anschauungsräume des Sieges: die Superga

DER AUSSENRAUM DER SUPERGA ALS FORSCHUNGSDESIDERAT Doch gerade die Fernwirkung und der Ort des Bauwerks sind ungelöste Probleme in der Erforschung der Superga. Meist rühmt die kunsthistorische Literatur ihre landschaftliche Lage, ohne die spezifische Leistung der Architektur hierfür zu analysieren. Landschaftlich heißt hier schlicht: monumentales Bauen. Als Beispiel sei der Eintrag Rudolf Wittkowers in den Propyläen Kunstgeschichte zitiert: »Von hier aus bietet sich ein unvergleichliches Panorama über die Poebene, die Stadt und die ferne Alpenkette.«181 Anders noch war Albert Erich Brinckmann vorgegangen, der die Idee des »optischen Maßstabs« als »Grundgesetz alter Stadtbaukunst« am Beispiel der Superga erläutert hatte.182 Brinckmann führte die »optische Leitlinie« an, die er für die Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert beobachtete. Gemeint war damit, dass Monumentalbauten durch gesetzte Fluchtlinien und Bezüge innerhalb des Gebäudes, aber auch durch andere Umgebungsbauten in den Raum übertragen werden. Dies leiste für die Superga der rückwärtige Klosterkomplex, dessen Geschossgliederung von Juvarra als Bezugssystem für den Sakralbau genutzt werde.183 Obwohl Brinckmann darauf abzielte, die Verknüpfungen des architektonischen Raumes festzustellen, werden bei ihm die Qualitäten der Ferne für die Beurteilung der Architektur der Superga ausgeblendet. Das Kirchengebäude hat für ihn zwar »die Weite einer fast unendlichen Landschaft auszuhalten«,184 trotzdem lässt er nur die Nähe als Rezeptionsstandpunkt gelten: »Und zu allen architektonischen Schönheiten kommt die unvergleichliche, unvergeßliche Lage der Superga auf einer ringsum stark abfallenden, grasbewachsenen Höhe. Alle Massen sind auf den nahen Standpunkt berechnet und selbst vor der Eingangshalle erscheinen Kuppel und Glockentürme unverschnitten. […] Vor aller fernen Weite der Landschaft, die durch seine Säulenhalle schimmert, steht immer groß der Bau, das geformte Werk herrscht über den unendlichen Raum.«185 Wenn aber die Superga derart über die Ebene herrscht, wie kann sie dann nur für die Nähe konzipiert sein? Dass Architektur die Werte für die Ferne selbst enthalten muss, um hierhinein Wirkung zu entfalten, machte später Erich Hubala mit einigen grundsätzlichen Bemerkungen überaus deutlich: »Wer diese Architektur völlig losgelöst von der örtlichen Situation sehen und genau betrachten könnte, müsste allein aufgrund der Baugestalt das besondere Verhältnis zur Landschaft spüren, ja er könnte bestimmte Merkmale der Situation sogar aus dem Bau ›rekonstruieren‹: die Blickrichtung, die hohe Aufstellung auf einem Berg und vielleicht auch die Weiträumigkeit der Landschaft, die sich aus der Massenverteilung von Kirchenrotunde und Klosterbau erschließen ließe. Kurz, in der Superga ist die örtliche Situation enthalten, das Verhältnis vom Bau zur Landschaft bereits bestimmt und ausgeformt.«186 Die treffgenauen Beobachtungen zur Superga, von Hubala in einem Überblickswerk zur Architektur der Frühen Neuzeit gemacht, wurden in der architekturhistorischen Forschung kaum wahrgenommen. Gerade das am wenigsten bestrittene Motiv der Superga, die Ferne, blieb seltsam unbemerkt und unbeachtet.

57 | Der Außenraum der Superga als Forschungsdesiderat

Während die ältere Literatur die hervorgehobene Lage des Kirchenbaues rühmt, ohne zu erklären, wie dessen Architektur auf diese topographische Situation reagiert, nimmt die neuere Forschung fast die entgegengesetzte, strikt relationale Position ein, ohne allerdings die Architektur zu behandeln.187 Dies geht von der sehr verdienstvollen Turiner Urbanistik aus, welche die axiale Beziehung zwischen der Superga und Schloss Rivoli erstmals herausstellte.188 Inzwischen sind wir so gut informiert über die Struktur der außerhalb liegenden dynastischen Bauten, doch wurden die Ergebnisse dieser weiträumigen Forschung nicht auf die Architekturgestalt der Superga rückbezogen; vielmehr verbleibt diese im Status eines zeichenhaften Emblems.189 Eine Gesamtanalyse der Architektur unternimmt die jüngste Veröffentlichung zur Superga im Rahmen einer Untersuchung zu Kunststiftungen unter König Vittorio Amedeo II.190 Sie versucht den Gehalt der Kirche als Memorialbau zu klären, indem die Architektur auf ein bestimmtes Spektrum von Vorbildern bezogen wird, das die Autorin Elisabeth Wünsche-Werdehausen dann mit dem Programm der Altäre gegenliest und den dynastischen Gehalt der Superga herausstellt. Der Zusammenhang mit Außenbau und Außenraum bleibt hier jedoch weitgehend ausgeklammert. Was für barocke Kircheninnenräume festgestellt wurde, ist bei der Superga vor allem bezüglich des Zusammenhangs von Außenbau und Innenraum noch zu leisten: »In der Tat ist in der kunsthistorischen Praxis der Architekturgeschichte des Barock immer wieder eine scharfe Trennung von ›formaler‹ Analyse und ikonologischer Interpretation zu beobachten. Neben einer Architekturgeschichte, die sich auf baugeschichtliche Fakten, auf Fragen der Zuschreibung, auf motivische Herleitung und stilgeschichtliche Beurteilung konzentriert, steht oft unvermittelt eine Architektur-Ikonologie, die in erster Linie auf die ausdeutbaren Zeichen und Symbole sieht und der Ausstattung in allen Details weit mehr Aufmerksamkeit schenkt als der architektonischen Form.«191 Der außergewöhnliche Bezug der Superga zur Landschaft, den alle Analysen anführen, der aber selbst nie in den Einzelheiten der Architektur näher untersucht wurde, steht im folgenden Kapitel im Mittelpunkt. Damit ist die Frage des Raums gestellt: Die Architektur ›richtet‹ hier eine Räumlichkeit ›ein‹, die den befestigten Rand der Stadt langfristig verändert, indem sie das Territorium als topographisch geordnet erkennbar macht. Dabei muss die Untersuchung eine Prämisse der Forschung erörtern, die bisherige Studien nicht befriedigend lösen konnten: die Frage des Orts. Vor allem durch die Reiseliteratur wurde mit Errichtung des Baus die Legende kolportiert, die Superga markiere den Ort eines herzoglichen Votums für den Fall eines militärischen Sieges über das französische Königreich den Bau einer Kirche (vgl. S. 42–43). Einen Anspruch auf Authentizität des Ortes im Bau selbst, wie beispielsweise bei dem durch Balthasar Neumann zum Mittelpunkt der Kirche gemachten Gnadenaltar in Vierzehnheiligen, erhebt die Superga jedoch nicht.192 Indes scheint der Kirchenbau unweigerlich an den militärischen und in der Folge politischen Sieg über Frankreich gebunden, ist in seinen Lesarten gar nicht davon loszulösen. Die Frage muss daher anders gestellt werden: Gibt es ein Konzept der Architektur, mit dem diese

58 | Anschauungsräume des Sieges: die Superga

selbst den Eindruck der Sieghaftigkeit erweckt? Dies ist nicht oder jedenfalls nicht ausschließlich eine Frage des Zitierens vielfältiger Architekturelemente, jenem Eklektizismus, der Juvarra durch die Architekturhistoriographie zugeschrieben wurde193, sondern auch eine Frage dessen, welche Räume damit entstanden. Wurde das savoyische Territorium mit dem Sieg über Frankreich gesichert und ausgedehnt, so stellte dies die Architektur der Superga mit dem von ihr geschaffenen neuen Wahrnehmungsraum um die Stadt dar.

DIE SUPERGA: EIN »GERICHTETER RUNDBAU« AR CHITEKTUR ALS »SCHEIDEWAND « VON INNEN UND AUSSEN Für das Forschungsproblem der Superga – einem ungenügend ausgewerteten Bezug ihrer Architektur zum Außenraum und damit zur Stadt – gibt es Lösungsansätze, berücksichtigt man die Besonderheit der Architektur als einem raumbildenden Medium. Hierzu stellte die frühe Kunstwissenschaft in der ihr eigenen grundsätzlichen Terminologie heraus, dass die Architektur ihrem »Wesen« nach kein plastisches Werk ist, sondern ein Körper, der in doppelter Weise raumbildend wirkt, nämlich sowohl nach innen wie auch nach außen.194 Die Architektur kann so als »Scheidewand« zwischen »zwei verschiedenen Raumwelten« (Schumacher) verstanden werden, wofür zwei Prämissen entscheidend sind. Einerseits stellt der architektonische Körper kein stereometrisches Objekt dar, das nur nach außen wirksam ist. Dass die Architektur auch durch ein Innen definiert ist, leitet sich jedoch andererseits nicht nur aus dem Unterschied zur Plastik ab, wie von der frühen Kunstwissenschaft postuliert. Auch ist das Innere nicht das »Eigentliche« der Architektur,195 sondern diese stellt eine Wechselbeziehung zwischen Innen und Außen her. Die Architekturphilosophie geht sogar noch darüber hinaus: Innen und Außen werden hier als zwei Einheiten einer einzigen Sache verstanden, die wir nur aufgrund unserer Wahrnehmung in ein Nacheinander bringen: »Diese unerfahrbare Gleichzeitigkeit wird durch unser allein mögliches schrittweise Erfassen in Ungleichzeitigkeit verwandelt, doch nur unseren Blicken ›teilen‹ Körper sich in Inneres ›und‹ Äußeres.«196 Meist aber ist es das Innere, das die Architektur zweckgerichtet macht, und zwar im Sinne von Abschirmung und Öffnung zugleich.197 Die Architektur bildet damit, wie Fritz Neumeyer im Anschluss an August Schmarsow ausführt, nicht nur einen geometrischen Körper im Raum [Hervorhebung d. Verf.], sondern durch ihre Zweckgerichtetheit und besondere Medialität »im gleichen Atemzug auch einen Ort und Gegenstand sozialer Handlung«.198 Insofern vollzieht jede einzelne Architektur einen qualitativen Unterschied von Innen und Außen, über den sich, notwendigerweise auch für die Nutzer, Bedeutungen des Bauwerks konstituieren: »Raum ist in unserem Zusammenhang wohl physikalisch, aber nicht künstlerisch das Gleiche.«199 Diese Unterscheidung in zwei Räume liegt darin begründet, dass der Ausgangspunkt des Bauwerks, wie Fritz Schumacher feststellt, bei der ganz überwiegenden

59 | Die Superga: ein »gerichteter Rundbau«

Mehrzahl der Architekturen nicht in ihrer Außenerscheinung, sondern in einem mehr oder weniger umschlossenen Innenraum liegt: »Architektur ist die Verwirklichung konkaver Absichten durch konvexe Bildung«.200 Wenn in der Regel das Innere der Architektur über ihre Zweckbestimmung entscheidet, so heißt das jedoch keineswegs, dass die Architektur nach außen wirkungslos wäre. Vielmehr wird der Baukörper hier zum Element einer weiter gezogenen Raumgrenze. Nach außen tritt er in Beziehung zu anderen Elementen baulicher und landschaftlicher Art, wird zum Teil einer Körperfolge, »die durch die Art ihrer Stellung die konkave Umgrenzung eines übergeordneten Raumes ergibt«.201 Um die Umweltqualität – so könnte man den »übergeordneten Raum« Schumachers übersetzen – der Superga zu fassen, ist die Architektur dieser Kirche als Herstellung eines gebauten Verhältnisses von Innen und Außen zu analysieren. Was für die mittelalterliche Architektur gesagt wurde, gilt grundsätzlich auch für die neuzeitliche Raumgestaltung: »Bei der Frage nach ihrem spezifischen Raumcharakter wird es wesentlich darauf ankommen, das damalige Bauwerk in seiner künstlerischen Totalität zu erfassen.«202 Das bedeutet, es geht hier nicht nur losgelöst um den Kirchenbau, sondern auch um dessen Verbindung und Zusammenwirken mit dem Kloster. Die Frage nach dem Verhältnis von Innen und Außen ergibt sich jedoch nicht nur aus der beschriebenen Medialität architektonischer Raumbildung, sondern auch aus dem speziellen Fall des christlichen Kultbaus, der zuerst als Haus der Gemeinde und damit als Innenraum verstanden werden muss.203 Diese beiden Pole christlicher Sakralarchitektur – Versammlungsraum und ›Mal‹ zu sein – sind bei der Superga als ein Spannungsverhältnis von Innen und Außen angelegt.204 Denn trotz der klaren Disposition spiegelt der Kirchenbau in seiner äußeren Gestalt nicht einfach das Innere wider. Im Gegenteil, der Außenbau versucht gerade ein Bild vom Gefüge der Superga zu erzeugen, die so im Inneren nicht existiert. Diese Vorstellung einer kongruenten Einheit von Innen und Außen wird durch diejenige Wand hergestellt, mit der sich die Superga der Stadt zuwendet: ihrer ›Schauseite‹.205 Damit ist die Frage aufgeworfen: Kann ein Zentralbau überhaupt eine Fassade haben? Da aber die Superga kein solitärer Bau ist, sondern eine gemeinsame Anlage mit dem dahinter liegenden Kollegialstift bildet, soll diese Verbindung zuerst untersucht werden.

SUPER GA UND KLOSTERT YPOLOGIE Die Superga bildet die Vorderseite eines längsrechteckigen Klostergebildes, das sich um einen Hof mit Kreuzgang organisiert. Gegenstück der Kirche ist ein Wohntrakt auf der gegenüberliegenden Schmalseite, der dem Kloster angehängt ist (Abb. 29–30, 32). Der zentrierte Baukörper der Kirche, überfangen durch eine hohe Tambourkuppel, springt als gestrecktes Halbrund aus dem Geviert des Konvents vor. Diese Bewegung nach vorn verstärkt eine quadratische Vorhalle mit einer Front von vier Säulen, deren mittleres Interkolumnium geweitet ist, analog dazu die Seiten der Vorhalle.

60 | Anschauungsräume des Sieges: die Superga

29 Filippo Juvarra: Superga, Kirche und Stift, Grundriss des Ausführungsprojekts

61 | Die Superga: ein »gerichteter Rundbau«

30 Filippo Juvarra: Superga, Kirche mit anschließendem Stiftskomplex, 1716–1731

Andererseits wird die Kirche, bis über die Hälfte aus dem Klosterkomplex herausragend, durch ihre Choranlage tief in diesem verankert. Die Choranlage stellt das komplementäre innere Gegenstück zur Säulenvorhalle außerhalb dar. Dazwischen liegt der Kuppelraum, entstehend durch acht radial angeordnete Pfeiler, deren kreisförmige Konfiguration in der Art des Pantheons (Abb. 31) ein Griechisches Kreuz aufspreizt. Den einzelnen Pfeilern sind jeweils Säulen vorgestellt, nach innen bildet sich so ein rotundenartiger Binnenraum. Rings um diesen öffnet sich ein Kranz von Kapellen und Öffnungen, der durch die Pfeiler entsteht und eine unregelmäßige oktogonale Anordnung zeigt. Der zentrale Baukörper besitzt so eine doppelte Raumstruktur: den runden Binnenraum mit der großen Tambourkuppel als Zentrum, eine polyedrische äußere Schicht von Kapellen

62 | Anschauungsräume des Sieges: die Superga

31a Pantheon, Rom, Grundriss, Darstellung nach William Mac Donald

32 Turin, Superga, Luftansicht von Norden

63 | Die Superga: ein »gerichteter Rundbau«

31b Pantheon, Rom, Strukturdiagramm, Darstellung nach William Mac Donald

33 El Escorial, 1583–1584, Grundplan

34 Pedro Peret (nach Juan de Herrera): Klosterresidenz El Escorial, 1583–1584, Vogelperspektive

64 | Anschauungsräume des Sieges: die Superga

35

Louis Meunier: Ansicht des Escorial von Südosten, um 1665

und Öffnungen. In der Hauptachse dieses komplexen Bauteils schließt nach Osten der Chor an, gegliedert in einen großen Mönchschor und eine Apsis; seitlich davon sind Sakristei, Capella del voto und weitere Funktionsräume angeordnet. Im Inneren des Klosters liegt damit jener Bereich der Kirche, der den Zugang zum Allerheiligsten und dieses selbst markiert. Außen findet die Verklammerung der Kirche mit dem Kloster anders statt. Den Längsseiten sind als Kopfstücke zwei Glockentürme aufgesetzt, die durch ein zusätzliches Wandstück an den Kuppelbau angeschlossen werden und diesem in Gliederung und Farbigkeit entsprechen. Bezogen auf den Grundriss ist die Achse der Türme die Schnittstelle für die beiden unterschiedlichen Raumordnungen des Inneren und des Äußeren der Kirche. Der Sakralbau als Kopf eines rechteckigen Konvents verweist auf eine italienische Tradition des Klosterbaus. Im Cinquecento entstanden durch die Rekonstruktion antiker Thermen und ähnlich großer Komplexe (Foren, Paläste, Wohnhäuser) bei Serlio und Palladio die Vorbilder für axialsymmetrische Anlagen mit einem betonten Zentrum.206 Auch die anfänglichen und maßgeblichen Planungen für den Escorial (Abb. 33–35) unter Juan Bautista de Toledo (gest. 1567), die erstmals eine absolut regelmäßige und spiegelsymmetrische Struktur vorsahen,207 profitierten von den Entwürfen Baldassare Peruzzis für ein Kloster (Florenz, Uffizien 350A r und 349A r).208 Während die Letzteren die Kirche im Außenbereich des monastischen Gebäudes vorsahen und so deren öffentliche Benutzung signalisierten, wurde beim Escorial das Sakralgebäude zwar auch auf der Mittelachse angesiedelt, aber in das Innere der Anlage verlegt und dort mit den beiden Armen des Königspalasts verknüpft.

65 | Die Superga: ein »gerichteter Rundbau«

36 Antonio da Sangallo d. J.: S. Maria di Monte Moro, Montefiascone, 1530–1538, Grundriss

Diese Interiorisierung des Kirchenbaues in das Kloster bildete ein Modell für zahlreiche Anlagen des 17. Jahrhunderts im Alpengebiet; in Italien dagegen blieb es bei der Praxis, die Kirche von außen begehbar zu machen. Das große Benediktinerkloster in Catania (1558), noch vor dem Escorial erbaut, stellte wie dieser die Kirche in die Mittelachse. Im Unterschied zum Escorial blieb jedoch hier die Kirche im Äußeren positioniert, ihre Säulenfassade ragte aus der Flucht der Klostermauern vor.209 Wortwörtlich weiter war ein Entwurf von Antonio da Sangallo für das Kloster Santa Maria di Monte Moro (U 1275 r) gegangen (1530–1538): Die achteckige Kirche war dem Konvent – ähnlich wie bei der Superga – zu drei Vierteln vorgelagert, durch einen tief liegenden Chor sollte die Verklammerung mit dem Kloster geschaffen werden (Abb. 36).210 Auch Furttenbachs Architectura civilis (1628) weist solche Beispiele auf, ohne allerdings die Raffinesse etwa des letzteren Entwurfs zu zeigen.211 Ebenfalls einen Kopfbau bildete die Kirche St. Ivo für die stadtrömische Universität, den Palazzo della Sapienza. In die geschlossene Vierflügelanlage, die um einen längsrechteckigen Arkadenhof mit zweigeschossigen Portiken organisiert ist, fügte Borromini seinen Zentralbau mit der einzigartigen Grundrissgestalt auf der Basis eines umgekehrten Dreiecks ein. Dieser ragte zwar nicht nach außen vor, wurde aber eigens durch einen Auftrag zum Umbau der Palastfassade sichtbar und zugänglich gemacht (Abb. 37).212

66 | Anschauungsräume des Sieges: die Superga

37

Lieven Cruyl: Piazza S. Eustachio mit Palazzo della Sapienza, Rom, 1664

Andererseits erfüllte die Konventsanlage der Superga aber auch eindeutig Anforderungen aus der besonderen Tradition des Escorials (1563), wonach Kirche, Kloster, Palast und dynastische Grablege ein eng verknüpftes bauliches Ensemble bilden. Von Bedeutung ist vor allem der Wohnbereich, in Turin als Annex an der Schmalseite, die der Kirche gegenüberliegt. Der hier für den savoyischen König vorgesehene Trakt nimmt dieselbe Position ein wie der entsprechende Bauteil im Escorial (vgl. Abb. 33, 35). Bei diesem ragt der hochrechteckige Wohnbereich des Königspaars weit aus der Flucht des Klosterquadrums hervor, ist jedoch – im Unterschied zur Turiner Anlage – an den Chor der Kirche angehängt. Der Sakralbau, beim Escorial erstmals für ein Kloster auf der Mittelachse positioniert, liegt im Inneren und definiert von dort aus alle übrigen Teile. Am Rande des Guadarrama-Gebirges über der weiten Ebene vor Madrid erbaut, kennt der Escorial zwei verschiedene Arten von Außenbeziehung: horizontal durch den Wohntrakt, der – seitlich und nach vorn von Gartenterrassen umgeben – den Chor der Kirche umfängt und der auf der Mittelachse nach außen geschoben wird, vertikal durch die nach oben ragenden Ecktürme des Klosters sowie die Tambourkuppel der Kirche S. Lorenzo. Ähnlich wie beim Palazzo Farnese, Rom (1514 ff.) (Abb. 38, 39), wird die Spiegelachse von der Fassade her aufgebaut und setzt sich im Innern fort: Sie endet in dem nach außen geschobenen Chor und schließlich in dessen Ummantelung durch den Wohntrakt.

67 | Die Superga: ein »gerichteter Rundbau«

38 Rom, Palazzo Farnese, 1514/1546–1549, aus: A. Lafréry: Speculum Romanae Magnificentiae, 1559–1602

39 Rom, Palazzo Farnese, 1514; 1546–1549, Grundriss

68 | Anschauungsräume des Sieges: die Superga

40 Einsiedeln, Abtei und Kirche, nach 1713, Plan

41 Weingarten, Fassade der Abteikirche, 1715–1724, Fotografie

69 | Die Superga: ein »gerichteter Rundbau«

42 Melk, Klosterkomplex, erstes Drittel 18. Jh., Plan

Im Vergleich zum Escorial ist in Turin der Bereich des Klosters auf einen einzigen Hof reduziert; die Mittelachse dient hier nicht nur zur Ausdifferenzierung einer inneren Ordnung, wie dies beim Escorial der Fall ist, sondern sie wird hier vor allem zum Träger der Innen-Außen-Beziehung. Kirchengebäude und herrschaftlicher Wohntrakt bleiben zwar durch die Mittelachse aufeinander orientiert, sind aber an die jeweiligen Endpunkte der Anlage gelegt und damit so weit möglich auseinandergezogen. Ihre Positionen markieren die jeweiligen Endpunkte eines extrovertierten Aufbaus, der die Klosteranlage als Ganzes nach außen vermittelt. Zwei weitere Bauteile vollziehen diesen Vektor zu den beiden Polen in kleinerem Maßstab nach – der zweigliedrige Chor und der quadratische Portikus –, die hierfür ebenfalls auf der Längsachse angebracht sind. Die Mittelachse, die so Innen- und Außenpositionen mehrfach ineinander und gegeneinander verschiebt, ist bei der Superga die Grundlage dafür, dass das Kloster mitsamt seiner Kirche eine starke räumliche Wirkung entfalten kann. Diese Räumlichkeit entsteht vor allem durch die extrovertierte Position des Kirchenbaues, der als annähernd halbrunder, plastischer Zylinder aus dem Kloster ragt. Für die Fernwirkung waren die ungewöhnlichen Proportionen von Tambour und Kuppel konzipiert, die zum Unterbau in einem Verhältnis von 1 :1: 1 stehen. Die Türme bilden hier keine Eckbefestigungen des Klosters wie beim Escorial, sondern markieren aus der Ferne den Querriegel, den die Vorderseite des Klosters im Zusammenhang mit dem Kirchenbau bildet: die Fassade. Diese Einbindung der Superga in den Konvent sei »unitalienisch«, schreibt Rudolf Wittkower: »It is mainly the way in which the monastic buildings have been connected with the church.«213 Die fürstlich geprägten Konvente im 17. Jahrhundert nördlich der Alpen zeigen genau das vom Escorial geprägte Schema, die Anlage in mehrere Höfe aufzuteilen. Im frühen 18. Jahrhundert gab es statt der nach innen gerichteten Anlage des Escorials einen neuartigen Bezug zur Umgebung, der auch die Superga kennzeichnet. Zur prominenten Lage auf einer Anhöhe oder einem Berg kam nun eine architektonische Ausrichtung, die an verschiedenen Elementen wirksam wird. Zum einen durch Fassaden,

70 | Anschauungsräume des Sieges: die Superga

43 Salomon Kleiner: Stift Göttweig, Grundriss des ersten Stockwerkes, 1744, Kupferstich

die – wie im Fall von Einsiedeln (1704–1720) schon angesprochen – konvex aus der Klosterflucht vorsprangen (Abb. 40). Die stärkste Bewegung nach außen zeigt die Klosterkirche von Weingarten (1715–1719) (Abb. 41), deren Schirmfassade dem Langhaus vorgesetzt ist und die ein eigenes Vorjoch hat, um den konvexen Vorsprung zwischen zwei Türmen zu ermöglichen. In anderen Fällen wie Melk (1701) oder Göttweig (1719) (Abb. 42–43) blieb die Kirche im Inneren des Klosters, doch erhöhte sich der Aufwand für die Fassade der äußeren Mauer. Voraussetzung hierfür war die Positionierung des Sakralgebäudes auf der Mittelachse, von deren Belebung in Bezug auf das Kloster vom Escorial die wichtigsten Impulse kamen, die aber auch vom zeitgenössischen Schlossbau profitierte. Von deren Ehrenhöfen her inspiriert, dürfte sich der Vorhof, der schon im Escorial bestand, für den klösterlichen Sakralbau bei Beispielen wie Weingarten, Melk oder Göttweig vergrößert haben. Vorhöfe gehörten zu dem räumlichen Repertoire, das die Klosterarchitektur stärker nach außen orientierte. Bei der Superga, wo der Zentralbau der Kirche ohne separaten Vorbau vor die Klosterflucht tritt, nimmt die podestartige Terrasse, in welche die drei Treppen einschneiden, diese Funktion einer vorgelagerten Ebene ein. Mit ihrer Höhe zentriert die Kuppel der Superga den weiten Raum der unter ihr liegenden Ebene auf sich, nimmt aber in ihrer axialen Disposition – wie im ersten Abschnitt dieses Kapitels zu sehen war – eine Orientierung auf die Stadt ein, die durch den Portikus und die flankierenden Türme verstärkt wird. Die Art und Weise, wie sich die Zentralität der

71 | Die Superga: ein »gerichteter Rundbau«

Kirche hier zum Klosterganzen bezieht, macht sie zu einer Richtungskraft, weshalb die Forschung sie als »Lokomotive« bezeichnet hat.214 In diesem Verhältnis, das die Superga zum Kloster bildet, entsteht dem äußeren Raum ein Anziehungspunkt. Dabei ist die quadratische Säulenvorhalle in Bezug auf ihre räumliche Funktion ähnlich paradox wie die Kuppelrotunde, sie wäre für sich genommen ungerichtet. ›Raum‹ entsteht hier durch ›Richtung‹, aber nicht einzelner Elemente, sondern durch deren Kombination als architektonisches Gefüge. Das Rechteck (7 : 9 Achsen) des Klosters hätte für sich genommen nur eine schwach richtungsgebende Wirkung, ebenso der Portikus, der die vom Chor her aufgebaute Bewegung nach außen überträgt. Für unsere Frage nach dem raumgestalterischen Potential der Superga ist wichtig, dass in der Architektur des Sakralgebäudes zwei an sich gegensätzliche räumliche Momente – Zentralität und Gerichtetheit – zu einem baulichen Gefüge synthetisieren, das in der Lage ist, den schwierigen Landschaftsraum um Turin zu formen. Der äußere Raum ist bei der Superga nicht nur ein Problem von Szenographie, wie die Forschung gerne betont,215 sondern in erster Linie von ›Richtung‹ als einer grundlegenden Kategorie, der die architektonische Disposition, Gruppierung und Gliederung unterliegt.

DIE FASSADE DER SUPER GA ALS METHODISCHES PR OBLEM Dass die Wand eine raumkonstituierende Bedeutung hat, wurde – wie die gesamte Raumfrage – erst im ausgehenden 19. Jahrhundert eine explizit architekturtheoretische Frage. Der erste, der sich dazu äußerte, war Gottfried Semper, allerdings noch mit dem ausschließlichen Blick auf den Innenraum: »Die Wand ist dasjenige bauliche Element [,] das den eingeschlossenen Raum als solchen gleichsam absolute und […] formaliter vergegenwärtigt und äußerlich dem Auge kenntlich macht.«216 Der Begriff der Wand meint hier nicht die konstruktive Beschaffenheit oder technologische Herstellung, sondern deren Gestaltung, die erst durch räumliche Beziehungen hervorgebracht wird: eine gestaltete »Wirkungsform«, um es mit Adolf von Hildebrand zu formulieren.217 Diese architektonische Raumbildung folgt jedoch nicht einem überzeitlichen oder universalen Prinzip, sondern ist historisch und kulturell bedingt. Für die Superga als einer Sakralarchitektur des frühen 18. Jahrhunderts wäre daher zu zeigen, welche Elemente von ›Wand‹ in der »Epoche der Säulenordnungen« (Sedlmayr) raumbildend wirken. Zweifellos gehört die Fassade in den Zusammenhang einer solchermaßen symbolisch gestalteten Wand, ist die »Scheidung zweier Räume« ganz eindeutig ihre Hauptaufgabe (Hans Hildebrandt).218 Ein Rotundenbau wie die Superga macht es einem jedoch nicht leicht, das Äußere, das sich uns als Vorderseite bietet, als eigenständig zu verstehen. Haben wir es denn bei dieser Architektur, die sich in die drei Bauteile Kuppelbau – Portikus – Turmflügel gliedert und dabei klare stereometrische Körper hervorbringt, überhaupt mit einer Fassade zu tun? Da die oberen Teile, Kuppel und Glockentürme, nach allen Seiten

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gleichwertig gestaltet sind, stellt sich auch bezüglich des Unterbaus die Erwartung einer »Allansichtigkeit« ein, der die Bevorzugung einer bestimmten Seite zu widersprechen scheint. Aber gerade hier zeigt sich die Eigenständigkeit der Vorderseite, wird sie zur ›Fassade‹ mit eigener Raumhaltigkeit und einer bestimmten Raumbildung, durch die sich der Bau in seiner Gesamtheit vermittelt. Entscheidend für die Herausbildung einer Fassade bei der Superga sind die Turmflanken, die den Kuppelraum in ihre Mitte nehmen und gleichzeitig als Kopfbauten die Längsseiten des Konvents abschließen. Sie geben dem zylindrischen Mittelbau nicht nur buchstäblich den Rückhalt, den dieser benötigt, um räumlich wirksam werden zu können. Die Einbindung der Kirche in das Kloster, die Wittkower als »unitalienisch« bezeichnete, erinnert an die großen Klosterkirchen nördlich der Alpen: Weingarten, Einsiedeln und Melk (Abb. 40–43).219 Betrachtet man jedoch die Türme, so dienen sie bei der Superga nicht dazu, den Zentralbaukörper zu kaschieren, wie dies bei der als Schirmfassade eingesetzten Giebelwand in Einsiedeln der Fall ist (Abb. 40).220 Vielmehr sind die Turmflanken der Superga – wie auch der Portikus – selbst raumhaltig und bilden damit die Ausgangspunkte einer Fassade. Sie stellen auch keine Zweiturmfront dar, wie etwa S. Agnese in Rom oder die Wiener Karlskirche (Abb. 44–45). Dort verbinden sich die an die Seite gestellten Türme sich mit einem Vorbau, um mit diesem einen eigenständigen, vom eigentlichen Kirchenraum getrennten Bauteil zu bilden. Im Unterschied zu den beiden letzteren Kirchen sind die Turmflanken der Superga soweit wie möglich zurückgezogen, wie zwei nach hinten genommene Arme.221 Die äußere Verbindung der Türme mit dem Kuppelbau, die hier wahrscheinlicher wirkt als bei S. Agnese und der Karlskirche, vollzieht sich jedoch im Inneren nicht. Der Grundriss zeigt, dass die Flanken keinerlei architektonisch-gestalterische Verbindung mit dem Kircheninnenraum besitzen, sondern lediglich durch eine Tür an diesen anschließen. Von hier aus leitet ein Übergangsjoch zum eigentlichen Turm über, der nach außen wiederum durch einen zusätzlichen Rechteckraum abschließt. Indem so die Türme von der Kirche unterschieden sind, bilden sie räumlich völlig eigenständige Bauteile. Außen dienen sie in ihrer exzentrischen Stellung vor allem der Wirkung der Kuppel: Sie geben dieser einen vergleichenden Maßstab und richten den Gesamtkomplex aus. Darüber hinaus aber trägt ihre stark nach hinten gezogene Position dazu bei, dass die verschiedenen Bauteile der Superga – Türme, Kuppelzylinder, Vorhalle – als differenziert gestaltete geometrische Körper erkennbar sind. Die Bauteile wirken in ihrer unterschiedlichen stereometrischen Konstitution regelrecht ausgestellt. Macht aber ein solch stereometrischer Zusammenschluss der Bauteile nicht die Kirche zwangsläufig als Ganzes zur Fassade des Klosters? Für die Analyse des Kirchenbaus würde ein derart erweiterter Fassadenbegriff jedoch nicht weiter helfen, da er nur der allgemeinsten Definition entspräche: »Fassade ist eine Außenseite des Gebäudes, die gegenüber anderen Seiten ausgezeichnet ist. Sie bringt dessen Zweck und Anspruch zur Geltung.«222 Die Frage für die Superga stellt sich vielmehr so, ob die Kirche in ihrer Verknüpfung mit

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44 Rom, S. Agnese in Agone, 1652–1673

45 Wien, Karlskirche, 1716–1739

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46 Rom, S. Pietro in Montorio, 1502

dem Kloster eine Außenseite ausbildet, die solche Anforderungen an eine gestaltete Vorderseite erfüllt. Oder – um die Alternative zu nennen – sind die Stereometrien des zylindrischen Unterbaus und der Kuppel nur jeweils nach außen oder innen gestülpte Formen? Die Beantwortung der hier aufgeworfenen Fragen nach dem Zusammenhang von Zentralbau und Fassade jedoch enthält mehrere wissenschaftshistorische und methodische Probleme, auf die zunächst einzugehen ist. Zentralbau und Fassade »Der Zentralbau kann die Fassade missen, der Langbau bedarf ihrer unbedingt«, unterteilt Heinrich Wölfflin die neuzeitlichen Sakralbautypen.223 Dieses Urteil verschiebt sich bei dem Lemma Fassade im Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte zugunsten des Längsbaus, wenn die Fassade dort generell als die »dem Chor gegenüberliegende Schmalseite« [Hervorhebung d. Verf.] bezeichnet wird.224 Die letztere Sicht unterschlägt den Zentralbau gleich von Beginn an und geht dabei unausgesprochen von jenen Beispielen der Renaissance aus, die den freistehenden und allseitig begehbaren Rundtempel der Antike zum Vorbild haben. Sie zeigt sich idealtypisch in Bramantes Tempietto San Pietro in Montorio, der die Kreuzigungsstätte Petri fasst (ab 1502): ein Peripteros, umgeben von sechzehn dorischen Säulen, ein zylindrisches, von allen Seiten gleichwertiges Monument (Abb. 46). Aber schon Michelangelos Zentralbauprojekt für St. Peter in Rom (1546) weist

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Leonardo da Vinci: Idealentwürfe für Zentralbauten

Überlegungen auf, die über den Portikus als ein Vorbau, der den Eingang rahmt und überfängt, hinausgreift.225 Die St. Peter-Planung ist für die Superga aus zwei Gründen wichtig: zum einen arbeiten sich alle Portiken für Zentralbauten, die im 16. und 17. Jahrhundert entstehen, an dieser Lösung ab; zum andern enthält sie Elemente, die es rechtfertigen, von einer Gestaltung des Äußeren des Zentralbaues als einer ›Fassade‹ zu sprechen.226 Einer solchen Lösung gegenübergesetzt sind die Modelle allseitiger Zentralbauten, wie sie von Leonardo da Vinci und Francesco di Giorgio Martini in mehreren Idealprojekten zeichnerisch reflektiert wurden (Abb. 47),227 während Alberti sie theoretisch zum Vorbild erhob.228 Noch bei Palladio stand Bramantes Tempietto für die »gute und schöne Architektur «, »die seit den Alten bis dahin verborgen geblieben war«.229 Vor allem anhand der durch die Traktatliteratur begründeten und in zeichnerischen Projekten erscheinenden Beispiele entwickelte die kunstgeschichtliche Forschung nach dem Zweiten Weltkrieg die Vorstellung vom Zentralbau als einem monumentalen ›Denkmal‹. Die Gleichwertigkeit nach außen wird als Ausdruck eines auf kosmischen Zahlen- und Maßverhältnissen basierenden neoplatonischen Denkens verstanden, das sich hier mit einem christlichen Humanismus verbindet.230 Neuere Forschungen führen dagegen die bauliche Praxis ins Feld: Die meisten der verwirklichten Zentralbauten der Renaissance entsprächen keineswegs dem beschworenen Ideal der Allansichtigkeit, sondern seien in Konvente eingebunden, oder es wurden zu ihren Seiten Sakristeien und andere Bauten errichtet. Diese

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48 Nach Leon Battista Alberti: Die Schauseite des Rundtempels

49 Nach Leon Battista Alberti: Der Grundriss des Rundtempels

Forschung betont auch, dass nicht nur die neu entdeckten antiken Bauten als Vorbilder zur Verfügung standen, sondern vor allem jene Zentralbauten, die in Gestalt der mittelalterlichen Baptisterien in Mittel- und Norditalien vielfach entstanden waren.231 Schauseite und architektonische Gliederungen Sehen wir uns in der Architekturtheorie zur äußeren Gestaltung des Zentralbaus um, so stoßen wir bei Alberti auf den Begriff der Schauseite: »Rundtempel umgeben wir entweder ganz mit einer Portikus, oder wir führen sie nur an der Schauseite auf. Bei beiden wird die Breite wie bei den viereckigen Tempeln bestimmt. Doch die Portiken, die man vor der Front errichtet, werden immer nur viereckig ausgeführt, ihre Länge nimmt entweder die ganze Breite des Innenraumes ein oder ist um ein Achtel geringer, wird aber nirgends kürzer als um ein Viertel.«232 Die diesbezüglichen Tafeln in Albertis Traktat De re aedificatoria (1485) zeigen zwei antik-römische, geschlossene Rundtempel, die sich aus einem zylindrischen Unterbau mit einer Kuppel auf kreisförmigem Grundriss aufbauen (Abb. 48–49). Die auf einem Sockel ruhende Cella hat jeweils eine rechteckige Vorhalle nach dem Typus der Tempelfront, zu der eine Treppe mit seitlichen Wangen führt. Die Vorhalle öffnet sich nach vorn in vier oder sechs Säulen, bekrönt von einem Dreiecksgiebel. Mehr sagt Alberti über die »Schauseite« ( frontes) hier nicht aus. Im vierten Buch ergänzt er jedoch, dass sie sich idealiter dem »vom Meere, vom Flusse oder von der Militärstraße Herankommenden«

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50 Mantua, S. Sebastiano, 1460

zuwendet. Ihr Sinn liege in der Anlockung des Besuchers an das Heiligtum: »dass es die Abwesenden reizt, es zu sehen, die Anwesenden ergötzt und infolge seiner wunderbaren und seltenen Schönheit hinreißt.«233 Dass »Anlocken«, »Reizen« und »Zuwenden« für den neuzeitlichen »Tempel«, die christliche Kirche, eine Fassade bedeutete, machen Bauten deutlich, die Alberti selbst errichtete. Für den Zentralbau ist seine Geschichte der Fassade vor allem in Bezug auf den Barock noch zu schreiben. Was an den ersten Beispielen dieses Typs jedoch schon deutlich wird, ist das Moment der Gerichtetheit durch den Portikus. Beim antik-römischen Tempel, den Alberti ausschließlich vorstellt, war der Portikus mit übergiebeltem Eingang und Säulenstellungen zum wichtigsten Element der Ausrichtung dieser Architektur auf einen Außenraum geworden.234 Die Gerichtetheit verstärkte sich, als die Tempelfront in eine Fassade einbezogen wurde. Dies zeigt die von Alberti erbaute Kirche S. Sebastiano in Mantua (1460 beg.), die dabei auch deutlich macht, wie wichtig die architektonischen Ordnungen als Gliederungselement für die Gestaltung einer ›Schauseite‹ beim Zentralbau wurden (Abb. 50). Die Chiesa S. Sebastiano, die sich in eine Oberkirche und eine Krypta gliedert, ist im Grundriss als Quadrat gegeben, dessen Ecken zweifach eingeschnitten sind (Abb. 51).235 Drei der vier Seiten enden in halbkreisförmigen Apsiden, der westliche Anraum jedoch wird von Türmen flankiert. An ihn und die beiden Türme schließt sich zusätzlich eine Vorhalle an, welche die Breite des im Inneren eingeschriebenen Quadrats umfasst. Die

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51 Mantua, S. Sebastiano, 1460, Grundriss

Oberkirche besitzt einen überwölbten Hauptraum, die vier kurzen Anräume sind tonnengewölbt.236 Der Portikus (Abb. 50) zeigt sich durch einen dreieckigen Giebel als Tempelfassade und bildet eine durchgehende Front. Ihr heutiges Aussehen erhielt die Kirche S. Sebastiano durch eine Restaurierung in den Jahren 1924/25, die vermutlich der von Alberti geplanten Lösung entspricht.237 Die Forschung nimmt inzwischen an, dass der Portikus bei Alberti nur bis zur Höhe der Kapellenanräume reichte und somit gedrücktere Proportionen besaß.238 Entscheidend für unseren Zusammenhang ist jedoch die Gliederung durch Pilaster, die den Bau einerseits nach außen rahmt und ihn andererseits in der Mitte zu einem auf der Vertikalachse liegenden Bogenfeld abschließt.239 Die antike Tempelfront, die aus freiplastischen Säulen besteht, wird hier in eine »consistant wall architecture« (Wittkower) übertragen. Dies fügt dem hier quadratischen Zentralbau die Dimension der horizontalen Gerichtetheit hinzu, die im Kontrast steht zum Aufbau um eine Mittelachse, wie ihn der Zentralbau besitzt. Dazu Hellmut Lorenz: »Nicht nur die spezielle Form der Fassade, sondern darüber hinaus auch das Faktum, dass S. Sebastiano als einer der frühesten Zentralbauten der Renaissance überhaupt mit einer betonten Schauseite ausgestattet wurde, ist bemerkenswert: während der Innenraum als allseitig symmetrisches und zentriertes Gebilde konzipiert ist, folgt der Außenbau anderen Gesetzen. Alberti verleiht dem Bau eindeutige Ausrichtung, die Kirche erscheint nicht als allseitig umschreitbarer, rundansichtiger Körper, sondern bildet eine isolierte, selbstwertige Frontschauseite als ›Gesicht‹ (›Maske‹ nach Pinder) aus, die mit der Gestaltung des übrigen Außenbaues in nur losem Zusammenhang steht; sie allein ist in betrachterwürdiger Weise ›gestaltet‹.«240

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Mit diesem Portikus (Abb. 50) zeigt sich erstmals die »Autorität« der Richtung (Semper) am neuzeitlichen Zentralbau.241 Darüber hinaus werden an S. Sebastiano in Mantua die Gliederungen für die frühneuzeitliche Architektur deutlich. Über die Bedeutung der Gliederungen sagt Sedlmayr, dass sie am schärfsten hervortrete, »wenn man in einem Gedankenexperiment die Ordnungen weggewischt denkt: damit würde die eigentliche Struktur dieser Bauten vernichtet«.242 Bei S. Sebastiano sind es die Pilaster, die Fenster und Türen des Kirchenbaues in der übergreifenden Ordnung der Tempelfront zu drei aufeinander abgestimmten Einheiten zusammenfassen; der Rundbogen im Giebelfeld, ein der Antike entlehntes Motiv, ist dabei herausgestellt. Durch die Pilaster wird die vertikale Stütze in die Wand eingefügt; die Wand tritt an die Stelle jener Zwischenräume, die bei vollen Säulen die Öffnungen sind. Diese Integration der Säule als Pilaster in die Wand entspricht der Auffassung Albertis von der Säule als eines Bestandteils der Wand: »Bei der Behandlung der Wände will ich mit dem Wichtigsten beginnen. Es ist hier also der Ort, von den Säulen und allem, was sich auf sie bezieht, zu sprechen, da ja die Säulenreihen nichts anderes sind als eine Mauer, die an mehreren Stellen durchbrochen und offen ist. Weil es angezeigt ist, eine Erklärung der Säule zu geben, so nenne ich sie vielleicht nicht unpassend einen festen und ununterbrochenen Teil einer Mauer, der sich lotrecht vom Boden unten in die Höhe erhebt, um die Decke zu tragen.«243 Räumlich gewendet, heißt dies nichts anderes, als dass hier die »Raumbegrenzung der Öffnung voran[geht]« (Neumeyer).244 Die Säulen sind bei Alberti nicht nur der höchste Schmuck des Bauwerks, der ganz bestimmten Gattungen, insbesondere dem Tempel vorbehalten ist. Ihr metrischer Aufbau macht es möglich, dass der Durchmesser der Basis als Modul für die übrigen Elemente der Gliederungen dient. Ausgehend von den verschiedenen Genera der Säulen (Toskanische Ordnung, Dorica, Ionica, Korinthia, Kompositordnung) werden durch dieses System so unterschiedliche Bauteile wie Sockel, Gebälk, die Zwischenräume der Säulen, aber auch Fenster, Türen und Tore mitsamt ihrem Schmuck definiert: »Vor allem aber geht es dabei um die Beziehungen dieser in der Regel verschiedenen Verhältnisse zueinander. Es geht bei den letzteren um Proportion weder im Sinn eines einfachen Zahlenverhältnisses noch im strengen Sinn des mathematischen, schon von Euklid und Eudoxos definierten Begriffs als Gleichheit zweier Verhältnisse. Alberti, der den Terminus überhaupt selten gebraucht, spricht von einer ›Verknüpfung durch Affinität‹ (affinitatis adiunctione).«245 Gemeint sind die sogenannten mittleren Proportionalen, die in der arithmetischen Beziehung zweier Größen zu finden sind – Max Theuer übersetzt diese Stelle mit »Anknüpfen einer Verwandtschaft«.246 Wichtig für unseren Zusammenhang ist, dass die als pseudo-tektonisch verstandene Struktur der Ordnungen (»ornamenti«) die Wand wie einen neutralen Hintergrund benutzt. Dieser wird durch das System der Säulen und »Zulagen« (Pilaster, Halbsäulen) eine eigene, räumlich definierte Schicht vorgeblendet. Wie bei der Superga deutlich wird, entsteht dieses Aufeinanderbezogensein der verschiedenen Teile nicht nur metrisch, sondern

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52 Rom, S. Carlo alle Quattro Fontane, 1638/1665

in einer als sinnvoll erachteten Anordnung von Elementen: »Doch alle diese Dinge mögen sein wie sie wollen, sie werden untauglich sein, wenn man bei deren Zusammensetzung nicht Ordnung und Maß hält. Die einzelnen sind nämlich so der Zahl nach einzuteilen, dass Gleiches Gleichem, Rechtes dem Linken, Oben dem Unten entspricht; nichts ist darunter zu mischen, was die Sache und die Ordnung stört. Alles ist nach bestimmtem Winkel und nach gleicher Richtung abzuwägen.«247 Neben der metrischen Einteilung der Fassade eines Zentralbaus übernehmen die Ordnungen auch komplexe Vermittlungsaufgaben zwischen Innen und Außen. Dies zeigt eine zentral organisierte Kirchenarchitektur, die der Superga zeitlich noch viel näher liegt, als dies bei den Bauten der Renaissance der Fall ist. Die Fassade von S. Carlo alle Quattro Fontane (1638–1665) (Abb. 52) weist einen mehrschichtigen Aufbau, wie zahlreiche »Relieffassaden« in Rom, auf.248 Ihre Elemente beziehen sich über die verschiedenen Einheiten und Geschosse hinweg so aufeinander, dass ein ›bewegt‹ scheinender Tiefenraum entsteht. Dennoch beschränkt sich das Gefüge, aus dem die Fassade besteht, nicht auf den Außenbau. Derselbe dreiteilige Aufbau aus einem weiten und zwei engeren Jochen, der die Vorderseite kennzeichnet, strukturiert auch das scheinbar ›in Bewegung‹ befindliche Innere, das so bereits mit der Fassade eingeleitet wird.249 Man kann dem Tiefenraum dieser Fassade nicht absprechen, dass er ein »eigener […] Bauteil [ist], der in seiner Gänze und unverstellt wahrgenommen werden will« und »als Mittlerin zwischen Innen- und

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Außenbau und zwischen Bau und Umgebung des Baus« fungiert.250 Dies gewährleistet wesentlich die differenzierte Wandgestaltung der Ordnungen. Von dem Tiefenraum der Fassade von S. Carlo unterscheidet sich die Vorderseite der Superga diametral: zum einen durch die klare Kubatur des Baues, zum andern erscheinen die Gliederungen wie aufgelegt. Sie prägen aber auch bei der Superga die Architektur entscheidend, indem sie ein bauliches Gefüge gestalterisch zusammenhalten, dessen einzelne Elemente sehr eigenständig ausgebildet sind. Die wissenschaftlichen Urteile hierüber klingen fast gegensätzlich – sie reichen von »extrication of the parts« (Kaufmann)251 bis zur »Raumverklammerung« (Brinckmann).252 Der »Knotenpunkt« der Ordnungen ist bei der Superga die Säulenhalle. Von ihr leiten sich die dekorativen Balustradenbänder ab, die als Attika und Sockelbekrönung fungieren und die drei Komponenten des Gebäudekomplexes – Vorhalle, Rundbau, Turmflügel – horizontal zusammenbinden. Oben setzt die Balustrade hinter dem Giebeldreieck ein, sie ruht hier auf dem Gebälk auf, unten säumt sie den nach vorne und seitlich vorspringenden Sockel. Das Ergebnis ist jedoch in beiden Fällen dasselbe: Sockel und Gebälk werden durch die plastisch geformte Balustrade überhöht, der Sakralbau insgesamt erhält eine palastartige, herrschaftliche Note. Doch leistet die Säulenhalle noch mehr. Die Anordnung ihrer Säulen, die – wie noch auszuführen sein wird – einen ungewöhnlichen, gleichseitigen Prostylos bildet, ist der Ausgangspunkt für einen Rhythmus, den die vertikalen Glieder den verschiedenen Bauteilen auferlegen und damit ein Gebäudeganzes definieren. Die Weitung des Interkolumniums im mittleren Joch der Säulenfront prägt einen Rhythmus aus (1 : 2 :1), der sich am Unterbau (3 :1 : 3) sowie an den Türmen (1: 2 :1) variiert und fortsetzt. Durch die Ordnungen wirkt der Portikus somit auf die gesamte Vorderseite des Kirchen- und Klosterkomplexes, durchgliedert und formt ihn. Ebenso bestimmen die Ordnungen die Raumgestalt im Inneren, die im folgenden betrachtet werden sollen.

DIE »R AUMGESTALT« DER SUPER GA IM INNEREN Dieses Gliederungssystem der Säulengenera, dessen Fähigkeit zur Komposition wir im letzten Unterkapitel an der Schauseite der Superga beobachteten, schuf vom 15. Jahrhundert an völlig neuartige Architekturen. Der Sakralbau folgte dabei nicht mehr den baulichen »Schemata« wie Basilika, Hallenkirche oder Rotunde, wie Erich Hubala darlegt. Vielmehr wurden die bestehenden Typologien für neue Zwecke genutzt, es kam zur Verbindung, Kreuzung und Ineinanderbildung durch neue »Raumgestalten«, wie Hubala dies nennt. »Die neue Möglichkeit, Raumgestalten zu schaffen, erklärt vieles in unserer Epoche. So z. B. die Bedeutung der Perspektive und des optischen Maßstabs für die Baukunst, die bildmäßige Erscheinung von Außenbau und Innenraum, die nicht dazu verführen sollte, vom Verlust des Architektonischen hier zu sprechen, wo ein neuer Begriff von Architektur vorliegt.«253 Die neuen architektonischen Mittel, die mit der Renaissance

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entstanden, stellen aber auch die Analyse der Bauwerke selbst vor besondere Aufgaben: »Für unsere Epoche hat deshalb nur eine Typologie der Raumgestalten einen Sinn, nicht eine solche nach Bauschemata (Basilika, Hallenkirche, Saalkirche), die sich im 18. Jahrhundert selbst ad absurdum führen.«254 Dabei sind – und das sei ausdrücklich betont – mit »Raumgestalten« nicht universelle Archetypen gemeint, sondern »historisch bedingte Kulturideale der Baukunst«,255 die ganz unterschiedlich eingesetzt sein können: Rotunde, Konche, Kolonnade, Arkatur, Bogentor (Fornix). Für die Analyse der Superga ist an dem Vorschlag Hubalas wichtig, dass es gerade spezifische Formen der Einzelarchitektur sind, die Themen einbinden oder Bedeutungsgehalte verkörpern. Das geschieht im Barock vor allem durch das Mittel des Kontrasts oder der Differenz, was erst den Eindruck einer ›Bewegungsfähigkeit‹ dieser Architektur hervorruft: »Die Barockarchitektur gestaltet mit einzelnen Elementen, die sie als Form-, Charakter- und Richtungsdifferenz wirken lässt und gruppiert, unterwirft sie aber einem übergreifenden ›Thema‹, dessen Vergegenwärtigung ihr Ziel ist. Ein solches Thema wird jedoch […] von uns nur dann aufgefasst, wenn die Illusion von Belebung zustande kommt und das Bauwerk nicht nur als kompositionelle Einheit, die der Verstand nachrechnet, sondern als bildhafte Ganzheit, die unsere Anschauung sofort begreift, gestaltet ist.«256 Der Begriff eines idealen Zentralbaus, vom dem die Forschung zur Superga häufig ausging,257 eröffnete jedoch wenig Möglichkeiten, diese spezifische Ausprägung, ihre »bildhafte Ganzheit« zu fassen. Mehr Potential enthält die Kategorie der Raumgestalt oder des »Raumtypus«, die, wie Ulrich Fürst im Anschluss an Hubala ausführt, »genauer bestimmt und besonders in der räumlichen Erscheinung viel konkreter [ist] als ein Bauschema.«258 Für die Superga lässt sich diesbezüglich die These aufstellen, dass hier die architektonischen Ordnungen eine »Raumgestalt« ausprägen, bei der ›Richtung‹ das Thema der Superga als Votivkirche formt.259 Das Innere der Superga bestimmt hauptsächlich der ins Zentrum der Kirche gesetzte Kuppelraum. Er setzt sich aus den Elementen Unterbau, Tambour und Kuppel zusammen, die im Verhältnis 1: 1: 1 zueinander stehen. Der Grundriss (Abb. 29) entwickelt sich aus einer Kreisform vom Typus des Pantheons mit acht Nischen (Abb. 31a–31b), in die ein Griechisches Kreuz eingefügt ist. Dessen Arme erzeugen eine Streckung auf den vier Hauptachsen, so dass ein Oktaeder entsteht. Dabei sind die acht Pfeiler jeweils paarweise an den Schrägseiten der achteckigen Grundrissfigur zusammengefasst und radial zur Kuppel hin ausgerichtet. In die konkav eingeschnittenen Vorderseiten der Pfeiler finden sich Vollsäulen eingefügt, die als Dreiviertelsäulen nach außen treten und auf gekurvten Postamenten ruhen. Die kreisförmige Aufstellung der acht Säulen ermöglicht es, ohne Zwischenzone (Trompen) von dem polyedrischen Unterbau zur Zylinderform des Tambours überzuleiten. Für den Unterbau können wir also eine zweifache Raumstruktur feststellen: ein von Säulen begrenzter Binnenraum als Zentrum, den ein unregelmäßig achteckiger Kranz von Trabantenräumen umgibt. Über den Kreuzarmen bauen sich Bogenöffnungen auf, die den

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53 Venedig, S. Maria della Salute, 1631–1648, Grundriss

Übergang ins Vestibül der Kirche, in die beiden Querarmkapellen und zum Chor bilden. Auf den Diagonalen sind zwischen den Pfeilern quadratische Kapellen mit halbrunden seitlichen Nischen eingestellt, die Eingänge werden durch Architrave überfangen. Haupt- und Diagonalachsen sind also nicht nur unterschiedlich weit, sondern wechseln auch zwischen einer offenen (Bogen) und einer halb geschlossenen Struktur (Diagonale). Ins Räumliche übersetzt, bedeutet das ein Gebilde, das sowohl durch zentrierende wie auch durch axiale Momente gekennzeichnet ist. Der Kuppelraum der Superga rekurriert im Grundriss auf die Kirche S. Maria della Salute in Venedig (1631–1687), wandelt deren Plan aber in entscheidenden Details ab. Das betrifft vor allem den Binnenraum der venezianischen Kirche, die gänzlich durch das Oktogon als Grundform bestimmt wird. Die geometrische Figur greift hier, im Unterschied zur Superga, auf die gesamte Kirche über. Der regelmäßige achteckige Hauptraum, den Pfeilerarkaden strukturieren, wird von einem ebenso regelmäßigen oktogonalen Kranz von Kapellen und Öffnungen umgeben (Abb. 53). Acht Pfeiler markieren die Eckpunkte des inneren Oktogons, ihnen ist – ähnlich der Superga – eine Säule vorgesetzt. Im Umgang sind jeweils über queroblongem Grundriss sechs Kapellen untergebracht, zwischen denen trapezförmige Zwickel zu dem größeren Achteck des Äußeren vermitteln, und in die Nischen eingefügt sind. Vom Innersten her entstehen so zahllose Perspektiven. Trapezförmig wie die Zwickel sind bereits auch die Pfeiler selbst zugeschnitten, mit ihren Vor-

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54 Filippo Juvarra: Superga, Turin. Rotunde, Blick auf Hauptaltar

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55 Donato Bramante: Projekt für den Neubau von St. Peter, Rom, 1505/1506, Pergamentplan

56 Rom, St. Peter, Entwicklung der Vierungspfeiler nach O. Förster

lagen nach allen Seiten erlauben sie die Bezugnahme zur Rückwand des Umgangs und sogar zur Außenwand der Kirche. Während aus der Stellung der inneren Säulen eine durchgehende Linie zu den Ecken des äußeren Oktogons führt, entspricht den Pfeilervorlagen an der Rückseite des Umgangs innen je eine Vorlage in der Rahmung der Altarhäuschen außen. Bei der Superga dagegen (Abb. 29, 54) bleibt das Oktogon nur in der äußeren Raumstruktur der Kapellen und Öffnungen erhalten, es entsteht so eine latente Spannung zum zylindrischen Binnenraum. Dieser zweischichtige Aufbau ist nur möglich durch Art und Stellung der Pfeiler. Was Hermann Beenken über die Vierungspfeiler der Renaissance schreibt, gilt grundsätzlich auch für die Pfeiler der Superga: »[…] so zeigt der Renaissancepfeiler an jeder seiner Seiten ein Relief, das ihn unauflöslich in größere, unter Umständen über ganze Arkaden hinweggreifende Zusammenhänge, Reliefzusammenhänge von Wandtraveen verbindet.«260 Die Pfeiler der Superga haben keine klare geometrische Form wie jene der »Salute«, die in ihrer Trapezform am Oktogon mitbauen, sondern

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sind stark reduzierte Vierungspfeiler von St. Peter in Rom. Dort war die zangenartig aufgespannte Diagonale aus der Zusammenfassung dreier einzelner Pfeiler entstanden, deren Massiv zur Kuppel hin abgeschrägt wird (Abb. 55, 56).261 Diese dreiseitige, nach allen Seiten ausgehöhlte Figur, die sich bei St. Peter aus der Verknüpfung zu den dahinter liegenden Kapellen herleitet (»Klauenpfeiler«)262, ist bei der Superga an den seitlichen und hinteren Flanken stark verkürzt. Sie verklammert hier lediglich zwei Raumschichten miteinander – den zylindrischen Binnenraum und seine umgebenden, als Oktaeder angeordneten Trabanten. Ausgerichtet sind die seitlichen Pfeilerflanken auf das über ihnen liegende kreisförmige Gebälk, während die hintere Flanke die Kapellen voneinander trennt. Der Schwerpunkt des Pfeilermassivs liegt vorn, wo die Säulen das kreisförmige Gebälk aufnehmen. Nach hinten sind entweder Nischen in die Pfeiler eingeschnitten, die den kleinen Kapellenraum der Diagonalen seitlich rahmen, oder sie geben, mit Pilastern überzogen, die gestalteten Seitenwände der Querhauskapelle ab. Während also bei der »Salute« (Abb. 53) die trapezförmigen Pfeiler das Oktogon vom Zentralraum bis nach außen ›durchbauen‹, beschränkt sich die Aufgabe der Pfeiler bei der Superga lediglich auf die Verbindung des räumlichen Nukleus und seiner Trabanten. Nach außen tritt hier das unregelmäßige Oktogon der Trabanten nicht in Erscheinung, im Gegenteil, die Mauern sind hier, wie an der Umrisslinie im Grundriss erkennbar wird, künstlich gerundet (vgl. Abb. 29). Bedingt durch die Querarmkapellen ragt so ein gestrecktes Halbrund aus dem Klosterbereich hervor. Doch nicht nur hinsichtlich des stereometrischen Körpers der Architektur, auch hinsichtlich der Gliederung ist die Außenwand nicht einfach die Wiedergabe des Inneren (Abb. 30): Nur bis zum zweiten Pfeiler repräsentieren Pilaster die inneren Pfeiler; hier verdoppelt sich die äußere Stütze, ohne dass es eine innere Entsprechung gäbe. Auf diesen Rhythmuswechsel ist beim Außenbau zurückzukommen. Für die Ausprägung des Raumbildes im Inneren der Superga sind indes nicht die Pfeiler, sondern die acht korinthischen Säulen entscheidend, die in die Pfeiler eingeschnitten sind. Indem sie als Vollsäulen zu drei Vierteln aus der gekehlten Pfeilermauer herausragen (»Alveolensäulen«),263 konstituiert sich durch sie die innere Raumgrenze der zentralen Rotunde. Die kannelierten Säulen haben dabei dieselbe Höhe wie die Arkaden in den Kreuzarmen, auf diesen und den Säulenkapitellen liegt kreisförmig das Gebälk auf. Die Arkaden repräsentieren das Kreuz, die konkaven Diagonalen mit den vorgelegten Säulen den Kreis, beide stoßen in den Zwickeln aufeinander. Unterlegt ist die Kleine Ordnung der Pilaster, die, ebenfalls kanneliert, als Kompositordnung erscheint. Ihr ausgeprägtes Gebälk gliedert die Diagonale in zwei Geschosse. Wie die Säulen der Großen Ordnung greift aber auch sie in beide Travéen ein: sie ›trägt‹ einerseits den Bogen ab, andererseits gehört sie den Kapellenöffnungen auf der Diagonalen an. Die dominante Struktur – Arkade mit Großer Ordnung – überträgt einen bewährten frühneuzeitlichen Wandaufbau in die Superga, der im Saalbau wie auch bei Zentralbauten angewandt wurde. Er führt auf die römische Architektur des 17. Jahrhunderts zurück, bekannte Beispiele sind S. Maria dell’Assunzione in Ariccia, S. Maria di Monte Santo sowie S. Andrea al Quirinale. Bei den genannten

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Rotundenbauten unterteilt sie den Hauptraum durch Pilaster einer Großen Ordnung in regelmäßige Intervalle, in welche die Arkaden eingestellt sind. Diese werden getragen von Pilastern einer Kleinen Ordnung, die auch die dahinter liegenden Kapellen gliedern und somit einbinden. Die Arkadenwand mit Großer Ordnung setzt auf diese Weise Hauptraum und Abseiten in Beziehung zueinander.264 Wenn die Superga im Prinzip dieselbe Gliederung aufweist, wie sie für die genannten römischen Bauten gilt, so kommt es hier doch zu einer gänzlich anderen Raumlösung. Bei den genannten Beispielen sind die Pfeiler entweder ganz mit der Außenwand verbunden (S. Maria dell’Assunzione) oder diese bildet zungenartige Gegenstücke zu den Pfeilern (S. Andrea al Quirinale, S. Maria di Monte Santo) aus, die durch die tiefen Kapellen und den Durchgang zwischen diesen möglich werden. Die Pfeiler dieser Kirchen erzeugen so das Raumbild einer wie beim Pantheon massiv erscheinenden Rotunde.265 Fast entgegengesetzt wirkt das Innere der Superga, obwohl für die Kirche dieselbe Struktur des Aufrisses gilt. Hier sind nur die Eingangspfeiler mit der Außenwand verbunden, sie treten aber auch zum Innenraum hin kaum in Erscheinung, da sie auf ein Minimum reduziert sind und ihre ›Wände‹ soweit wie möglich durchbrochen sind. Der Raum weicht hier also von der festen Wand als Begrenzung ab266, die »Raumgestalt« entsteht auf andere Weise. Im Vergleich mit den römischen Rotundenbauten des 17. Jahrhunderts bestätigt sich so an der konkreten Architektur der Superga auch analytisch eine Vorgehensweise,267 die nicht vom baulichen »Schema« (Griechisches Kreuz kombiniert mit Pantheon-Motiv) ausgeht, sondern stattdessen ihre spezifische Räumlichkeit zu erfassen versucht.

DER HAUPTR AUM ALS SCHAFFUNG VON ›HÖHE‹ Was bei der Superga als »Raumvorstellung« (Schmarsow) gelten kann, die hinter dem Entwurf steht,268 zielt auf eine betont vertikale Rotunde ab. Konstitutiv hierfür sind die Säulen und ihr Übergang in die Kuppel. Dies zeigt der Vergleich mit anderen Kirchenbauten, von denen die römische Kirche S. Agnese in Agone am wichtigsten ist. Ihr Grundriss (Abb. 57) basiert auf einem Griechischen Kreuz, das durch Zusammenfassung und Anschrägen der Pfeiler über den Diagonalen zum ungleichseitigen Oktogon wird. Die Diagonalen schließen hier eine halbrunde Altarnische ein. Im Vergleich zur Superga zeigt sich eine starre Vierung, die von der quadratischen Anordnung der Pfeiler rührt. Auch hier sind die Bogenstellungen auf den Armen des Griechischen Kreuzes die Hauptachsen, sie sind überwölbt von tiefen Tonnen, die Querachse endet in halbrunden Apsiden. Der Grundriss war von Girolamo Rainaldi vorgegeben, als Borromini 1653 den Bau von Carlo Rainaldi übernahm.269 Eine der Änderungen Borrominis war es, die zuvor als eingezogen geplanten Säulen zu drei Vierteln freizustellen (Abb. 57).270 Die hohen Bogen mit ihren tiefen Tonnen scheinen so auf Säulen zu ruhen. Indem die Arkaden bis zum Tambour reichen und ihre Säulen den angrenzenden Pilastern der Diagonalen weit vorgestellt sind,

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57 Rom, S. Agnese in Agone, 1652–1672, Grundriss

bilden sie eine Große Ordnung. Weil die Säulen ein Element der Arkade werden, scheinen auf ihnen der Tambour und die Kuppel zu ruhen. Faktisch sind sie den Pfeilern jedoch nur vorgestellt und markieren die Eckpunkte des Oktogons. Die fast freie Aufstellung der Säulen an den Eckpunkten, ihre plastische Erscheinung im Raum lässt auch bei diesem Innenraum den Gedanken an eine Kreisform aufkommen, in der sich vieleckiger Unterbau und Kuppel miteinander verbinden. Martin Raspe beschreibt die ambivalente Stellung der Säulen in S. Agnese folgendermaßen: »Die nun außergewöhnlich selbständigen Säulen, die sich auch durch ihren rotgefleckten Marmor aus dem Zusammenhang herauslösen, verbinden sich – den überweiteten ›Interkolumnien‹ zum Trotz – optisch zu einem scheinbar regelmäßigen Oktogon oder besser: zu einem in die Vierung eingestellten Monopteros […].«271 Solche Potentiale der Säule, in einer entsprechenden Anordnung durch ihre Plastizität die Raumgestalt einer Rotunde zu erzeugen, wie sich dies in S. Agnese zeigte, wurden in der Superga entscheidend gesteigert. Sie bildet hier eine eigene Travée, in deren Große Ordnung die Arkade eingestellt ist (Abb. 54). In S. Agnese stützt die Säule jedoch die Arkade (Abb. 58), bildet mit dieser zusammen die Große Ordnung. Anders als bei der Superga gibt es hier keine unmittelbare Verbindung von Säule und Kuppelzone.272 Martin Raspe spricht

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58 Giovanni Paolo Pannini: Rom, S. Agnese in Agone, Vedute

dennoch vom »Monopteros, dessen Säulenkranz seine zentralisierende […] Wirkung auf den eintretenden Betrachter schon ausübt, wenn dieser noch gar keinen Blick in die bekrönende Kuppel tun kann«.273 Das betrifft jedoch, wie Raspe schreibt, die visuelle Wirkung der Säulen. Als Teil der Arkatur können sie von deren hohen, schluchtartig eintiefenden Bogen nicht losgelöst werden können. Die von Borromini getroffene Lösung betont so die Hauptachsen der ›Vierung‹, freilich durch das rundplastische Mittel der Säule, womit sich S. Agnese von St. Peter absetzt. Gegenüber dieser Lösung entsteht bei der Superga das Raumbild einer konsequent von unten nach oben durchgestalteten Rotunde, ohne dass die ›Vierung‹ massiv in Erscheinung tritt. Zur Ausprägung dieser Rotunde gehört, wie der Wechsel vom Grundriss des polygonalen Unterbaus zum runden Fußring der Kuppel vollzogen wird. Im Unterschied zu S. Agnese, wo gemäß der in das Quadrat eingeschriebenen Kuppel hohe Trompen über den Pfeilern sitzen, fehlen in der Superga solche Gewölbezwickel gerade (Abb. 59): Der Ring des Gebälks liegt hier auf den Kapitellen der monumentalen Säulen und den Bogen zugleich, bekrönt von einer hohen Balustrade, hinter welcher der Tambourring verschwindet (Abb. 60). Indem die Säulen bis zur Höhe der Arkadenscheitel reichen und ihre kreisförmige Konfiguration die Kreuzarme einbezieht, erübrigt sich eine Wechselzone in die Kuppel. In das Feld über dem Gebälk der Kleinen Ordnung, das normalerweise die Wechselzone bildet, findet sich statt ihrer bei der Superga eine Empore eingeschnitten.

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59 Filippo Juvarra: Superga, Turin. Nordöstliche Säulentravée mit Emporenfenster

Der seltene übergangslose Wechsel von polygonalem Unterbau zu kreisförmiger Kuppel, den die Superga vollzieht, beschäftigte die Forschung immer wieder. Rudolf Wittkower (1958) bezeichnete ihn als »boldly conceived«,274 Gil R. Smith als »masterful solution, however unprecedented« (1993).275 Versteht man ihn mit Richard Pommer als »essential to the spatial effect« (1967), dem sich nach Gritella die Effekte des Lichts hinzufügen,276 so sind aus der ungewöhnlichen Lösung in der Superga zwei Konstituenten ihrer Räumlichkeit abzuleiten: a) die Betonung der Vertikalität, b) die raumschaffende Rolle der Gliederungen. Beides wurde in der Forschung erörtert. Der erste, der sich zur Höhe der Superga äußerte, war der frühe Barockforscher und Architekt Cornelius Gurlitt, der die Kirche als einen Schritt zur »klassicistischen Durchbildung« sieht: »Das Innere der Kirche leidet entschieden dadurch, dass ihr die Breitenentwicklung fehlt. Dieser Mangel ist um so bedauerlicher, als er sehr wohl hätte beseitigt werden können. Wie sie ist, wirkt die Superga ganz kalt und unerquicklich. Die riesige Architektur ist dem Beschauer zu nah, man kann zu ihr ohne Halsverdrehen nicht in eine Stellung kommen.«277 Klammert man das persönliche Geschmacksurteil aus, so bleibt die Feststellung einer bewusst hoch gebauten Architektur, deren Wirkung im Innern man sich nicht entziehen könne (Abb. 60). Trotz der »klassicistischen Durchbildung« hebt

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60 Filippo Juvarra: Superga, Turin. Innenansicht der Kuppel

Gurlitt die korinthischen Säulen als konstituierende Momente der »Centralkirche« (sprich: der Rotunde der Superga) hervor: »Diese ist hier als Achteck, nach dem Vorbilde von St. Maria della Salute in Venedig, gebildet. In den Ecken derselben stehen korinthische kannelirte Säulen auf Postamenten. In den Hauptachsen legen sich breitere, übereck kleinere Kapellen und darüber Emporen an, so dass die vor letztere gestellten Säulen je eine Gruppe bilden. Ueber dem Achteck ruht nicht eben glücklich für die Unteransicht, auf die Säulen gestützt, ein unverkröpftes kreisförmiges Gesims, welches nun den Tambour trägt.«278 Der stilistischen Entwicklung des barocken »Systems« widmete sich in besonderer Weise der Architekturhistoriker Emil Kaufmann.279 Die Vielzahl räumlicher Beziehungen, beispielsweise in den Kirchen Palladios, insbesondere San Giorgio Maggiore und Il Redentore, führten, so Kaufmann, aufgrund der Suche nach Einheit zu einer Vereinigung von Räumen. Räumliche Systeme sollten den Eindruck von Unendlichkeit erzeugen, mit der Folge, dass der architektonische Körper an Kompaktheit zu verlieren begann und einzelne Glieder selbständig wurden. Welche Rolle die Ordnungen dabei spielten, wie das Verhältnis von baulicher Masse und Ordnung in dieser Zeit war, wird bei Kaufmann nicht deutlich. So kann die Superga, deren Portikus er als eines der ersten separierten Glieder aufführt, als »the very beginning of neoclassicism« gelten.280

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Angesichts der Reichweite der Argumente, welche die Frage der Epochengrenze betreffen, hilft nur eine Analyse weiter. Diese kann jedoch nicht am einzelnen Bauglied des Portikus erfolgen, sondern nur dort, wo die Ordnungen wirksam sind: am Beispiel des Hauptraums sowie an der ›Fassade‹ (vgl. S. 72–82). Im Innern der Superga entwickeln sich die Gliederungen am Unterbau entlang der acht Pfeiler. Diese verbindet in den Kreuzarmen ein Bogen, in den Diagonalen werden sie durch je zwei Säulen zu einer ›Wand‹ zusammengeschlossen (Abb. 59, 61). Die rhythmische Travée, die sich so im Wechsel aus Säulentravée und Arkatur ergibt, bildet die Große Ordnung. Ihre mächtigen Säulen verspannen den gesamten Unterbau der Kirche im Inneren und schließen mit dem ringförmigen Gebälk ab, das auch auf den Arkaden zu liegen kommt. Die Große Ordnung ist unterlegt von der Kleinen Pilasterordnung. Diese bildet die Eingänge in die Diagonalkapellen, greift aber mit Pilastern und Gebälk auch auf die Arkaden über. Indem der Kämpfer der Arkade gleichzeitig das Gebälkstück der Kleinen Ordnung ist, verschränken sich Arkaden- und Säulentravée. In der Artikulation dieses Gebälks wird für die vorgelegte Säule der Großen Ordnung sogar eine Kolossalordnung angegeben, da sie wie bei einer Hausfassade zwei ›Geschosse‹ übergreift. Über dem Eingang in die Diagonalkapelle schneidet eine Empore in die Wandzone, die ihrerseits reich gegliedert ist (Abb. 59): Der Coretto schließt nach unten mit einer Balustrade, oben durch eine halbrunde Rahmung ab, eine Girlande verknüpft die Kapitelle der beiden Säulen miteinander. Während die Bogenstellungen auf den Hauptachsen frontal zum Raum stehen, ist das kurze Gebälkstück über den Diagonalen konkav geschwungen, ebenso die Wand darüber. Die monumentalen Säulen, in die Vorderseite des Pfeilers halb eingelegt (»Halbaveolensäule«), überspielen optisch den Wechsel von orthogonaler Arkatur und schräg gestellter Säulentravée, oder: von Griechischem Kreuz zum Oktogon. Ihre plastische Gestalt und die Konfiguration als Ganze beschreiben eine Kreisform, die durch das ringförmige Gebälk bestätigt wird. Harmen Thies schreibt über die Superga, »dass das Rund des Säulen-Gebälk-Gestells in das Massiv der bergenden Pfeiler-Bogen-Struktur drängt, dass dort enge Rundnischen für die mächtigen Säulen ausgespart bleiben, um mit deren Integrität die des Gestells herauszustellen, und dass der mächtige Hüllkörper über den Hauptachsen orthogonal und frontal, über den Diagonalachsen aber gerundet, konzentrisch zum Rotunden-Gestell erscheint.«281 All dies findet statt, aber nicht auf der Ebene frei flottierender Elemente: Säulen repräsentieren in der Superga nach wie vor die »affinitatis adiunctione« (Alberti) einer übergreifenden Ordnung, die hier das eigentlich raumbildende Element darstellt. Die korinthischen Säulen der Großen Ordnung sind in der Superga bei weitem nicht das einzige Element von ›Höhe‹ im Hauptraum, sondern hierzu gehört elementar der Übergang zur Kuppel (Abb. 54, 60). Auch bei der römischen Kirche S. Agnese in Agone sind die Eckpunkte des Oktogons mit Säulen besetzt, um bereits beim Betreten der Kirche die Vorstellung einer Rundform zu geben, die auf die Kuppel vorbereitet (Abb. 57–58). Angesichts der hohen Arkaden, die sich zwischen die Säulen schieben, erscheint die Figur

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des Monopteros, mit der Raspe die Kirche vergleicht, jedoch etwas übertrieben. Zu dominant sind die hohen Arkaden auf den Hauptachsen: Sie überspannen eine dicke Wandzone, die durch Trompen gebildet werden. Diese präsentieren sich dem Betrachter als breite, bemalte Zwickelfelder. Durch die bis auf Kämpferhöhe reichenden Säulen verbindet sich in S. Agnese die orthogonal eingestellte Arkade mit der Pfeilerschräge, die ihrerseits eine Pilasterordnung erhält. Korinthische Säulenordnung und korinthische Pilasterordnung sind einander gleichgestellt, sie bilden bezogen auf das sich an den Arkaden stark verkröpfte Gebälk eine gemeinsame Große Ordnung aus. Damit wirkt die Säule hier nicht nur in die Vertikale (Arkade), sondern auch in die Horizontale (Pfeilerschräge), stiftet Stabilität im Unterbau. Entscheidend für die Bedeutung der Arkade in S. Agnese ist jedoch, dass sich hier in aller Klarheit vor dem Betrachter der Übergang zur Kuppel vollzieht. Über dem polygonalen Unterbau sind die Trompen als eigenständige Zone betont, sie werden nicht überspielt. Bei der Superga dagegen erschwert die monumentale Höhe der Säulen eine sofortige Deutung der Zusammenhänge. Indem das Gebälk auf den Scheitelpunkten der Arkade aufsetzt, folgt der Wandaufbau dem Griechischen Kreuz. Nur ist hier die Säulentravée genauso hoch und durch die plastische Gestalt der Säulen übergeordnet, während die Arkade durch den Pilaster der Kleinen Ordnung abgetragen wird. Das Gewicht, das bei S. Agnese auf den Armen des Griechischen Kreuzes liegt, verschiebt sich so bei der Superga zu den Diagonalen, die – vom Oktogon her kommend – durch die Säulen und die konkaven Elemente bereits im Unterbau die Raumgestalt der Rotunde geltend machen. Was die Rotunde in der Superga verstärkt, ist also das Fehlen einer Wechselzone zwischen polygonalem Unterbau und Kuppel, eines Gewölbezwickels. Dieses Feld, in dem üblicherweise die tektonischen Kräfte zum Ausgleich kommen, wird jedoch durch die Empore oberhalb des Kapelleingangs genau bezeichnet (Abb. 61). Die Zone des tektonischen Ausgleichs erfährt hier genau das Gegenteil von tragender Kraft – die bei S. Agnese so deutlich wird –, nämlich den Verlust von Wand: die hineingeschnittene Empore. Gleichzeitig verbindet sich damit eine andere Position der Säule im Wandgebilde. In S. Agnese, wo die Mauersäulen den orthogonal gestellten Arkaden zu drei Vierteln vorgesetzt sind und damit ebenfalls eine Halbaveolensäule bilden,282 sind sie der untere Teil der Arkade, ›tragen‹ ihn ab. In der Superga dagegen bilden die monumentalen Wandsäulen eine eigene Travée, die sich rhythmisch von der Arkade absetzt (Abb. 54). Säulentravée und Arkade tragen gemeinsam das Gebälk, das beiden auferlegt ist. Bedingt durch die kreisförmige Aufstellung der Säulen und deren vorgezogene Position scheinen diese die Last der Kuppel zu tragen (Abb. 61).283 Hinzu kommt die fehlende Vermittlungszone, Pendentif oder Trompen, deren Feld bei dieser Lösung als Interkolumnium zwischen den Säulen liegt und durchbrochen wird. Die monumentalen Säulen stellen damit ›Höhe‹ im Unterbau nicht nur faktisch her, sondern in der Schaffung einer eigenen Travée verweisen sie durch die Einbindung in den Wandzusammenhang auf die Zone, in der normalerweise der Übergang von vieleckigem Unterbau und zylindrischem Kuppelbereich stattfindet.284

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61 Filippo Juvarra: Superga, Turin. Nordwestliche Säulentravée, daneben Kapelle der Verkündigung

Die Vertikalität des Kuppelraums in der Superga, die Gurlitt mit dem Hinweis auf die fehlende Breitenwirkung indirekt anspricht, bestimmt sich also nicht allein durch die Höhe von Unterbau, Tambour und Kuppel, sondern sie wird gestalterisch durch die Gliederungen »übersetzt«. Hierzu sei nochmals an die doppelte Aufgabe der Gliederungen erinnert, die sowohl den Baukörper »vermessen«, diese Aufteilung aber zugleich bildlich übersetzen.285 Das bedeutet einen Aufbau der vertikalen Elemente, die unmittelbar vom Boden her erfolgt. Die mit rotem Marmor eingelegten Postamente, auf denen die korinthischen Säulen zu stehen kommen, übersteigen die Lebensgröße eines Menschen etwa anderthalb mal. Diese Erfahrung von Höhe bestätigt auch der Bericht Keyslers, der in seinem Reisebericht von 1729 über das Innere der zu diesem Zeitpunkt fast fertiggestellten Superga schreibt: »Ueber den 8. gemeldeten hohen Säulen gehet ein Umgang innerhalb der Cuppola herum, welcher 8. Fenster in seiner Rundung hat. Er hält 100. gemeiner Schritte und hat man etliche und achtzig Stuffen hinaus zu steigen, woraus die Höhe der acht Säulen zu ermessen ist.«286 Als unmittelbar erfahrbare Größe sind die Piedestale so das Maß für die Wahrnehmung aller folgenden Abschnitte von ›Höhe‹ in der Superga (Abb. 54). Ihnen folgt jeweils eine Plinthe aus hellem Stein, erst darüber setzt die fein ausgearbeitete Basis ein. Sie geht in den Säulenschaft über, einer stark profilierten Kannelur aus dunkelgrauem Marmor und dem eigentlichen Träger der Vertikale im Unterbau.

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62 Filippo Juvarra: Superga, Turin. Kapelle und Altar der Verkündigung in der nördlichen Querachse

Indem die monumentalen Säulen das Gebälk der Kleinen Pilasterordnung überschneiden (Abb. 62), wird der zweite Parameter geschaffen, der durch das Fehlen einer Wechselzone gleichzeitig ein Moment der Steigerung ist. Erinnern wir uns: Auf Kämpferhöhe der Arkaden enden die Säulen in S. Agnese bereits, in der Superga dagegen stoßen ihre Kapitelle bis an die Höhe der Arkadenscheitel. Wenn hier im Übergang zum Tambour die Wechselzone fehlt, so orientieren die monumentalen Säulen weiter nach oben (Abb. 60). Dieser Zug wird aufgenommen durch die im Tambour einsetzende Ordnung, die auf den vertikalen Gliedern des Unterbaus aufbaut. Über den Diagonalen sitzen hier komposite Alveolensäulen, so dass eine Supraposition entsteht. Sie sind Fenstern mit einem halbrunden Abschluss an die Seite gestellt und bilden damit eine vollwertige Travée. Dagegen werden die Fenster über den Bogenstellungen adäquat von einem gesprengten Giebel überfangen, gestützt auf Bernini-Säulen mit korinthischem Kapitell, die im unteren Drittel gedreht sind. Das Gebälk der Großen Ordnung im Tambour verkröpft sich mit der Kuppelschale, so dass über den Kapitellen der Vollsäulen die Rippen folgerichtig einsetzen. Sie laufen im Sprengring der Kuppel vor dem Opaion zusammen, dieser trägt die Inschrift: »Victorius Amedeus Rex Anno Salutis MDCCXXVI«. Der Schriftzug im Ring um das Opaion (Abb. 60, 81) darf ohne Zweifel als intentionale Bedeutungsschicht des Kuppelraums der Superga verstanden werden. Doch in dessen eigenwilligem Aufbau, der die Forschung schon vielfach beschäftigt hat, ist er ein räum-

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liches Monument von ›Höhe‹. Was hier mit den verfügbaren Mitteln vitruvianischen Bauens verwirklicht wird, ist im Sinne einer räumlichen Analyse Architektur gewordener, körperlicher »Ausdruck« einer Haltung,287 die Auftraggeber und Architekt gleichermaßen als adäquat verstanden haben müssen und die man vielleicht als die unausgesprochene Grundlage dieses Baus annehmen kann. Im Rahmen einer Gesamtinterpretation der Superga verlangt dies nach Erklärung.

R OTUNDE UND ›VIERUNG‹: DAS ANSPRUCHSNIVEAU DES HAUPTR AUMS Stereometrisch lässt sich die Rotunde als stehender Zylinder mit Halbkugel darauf beschreiben, für ihre Ausbildung als architektonischer Raum ist jedoch nicht eine zylindrische Wand entscheidend, sondern die Übereinstimmung von Grundriss und Gewölbefußlinie.288 In dieser Weise wirken Säulenkonfiguration und Gewölbering bei der Superga zusammen, die den Oktaeder des Grundrisses hier eindeutig in eine Rotunde umwandeln. Dabei ist die Aufstellung der Säulen in der Superga mit einem Motiv hinterlegt, das die Rotunde mit Inhalt füllt und zu einem kulturell sehr genau konnotierten Raum macht: die Vierung. Die Superga bezieht sich hierin, wie viele frühneuzeitliche Zentralbauten, auf die Peterskirche in Rom. Was Juvarra übernimmt, betrifft die räumliche Grundstruktur der Vierung in St. Peter: Vier diagonale Pfeilerwände, welche die Ecken des Griechischen Kreuzes bilden, begrenzen das quadratische Schnittfeld von Längs- und Querachsen, das eine hohe Tambourkuppel überwölbt (Abb. 63). Die Vierung von St. Peter wird mit großen Kuppelpfeilern gebildet, deren dreiseitiges Massiv sich aus drei einzelnen Pfeilern zusammensetzt, welches zur Kuppel hin abgeschrägt ist (Abb. 56). Wie bei der mittelalterlichen Architektur bestimmt sich die neuzeitliche Raumgestaltung nicht nur durch bloße Raumquantitäten (Öffnungen, Höhen), sondern auch in der Verzahnung der Baumassen im Ornament.289 Die Innenseite der Vierungspfeiler in St. Peter wird durch eine Pilasterordnung charakterisiert, deren Interkolumnium von zwei übereinander angeordneten Nischen gefüllt ist. Diese Ordnung greift in die angrenzende Arkadenlaibung über, deren Mitte ebenfalls von zwei Nischen mit einem dazwischen liegenden Wandfeld gefüllt ist. Das stark profilierte Gebälk, das an der Innenseite der Pfeiler jeweils einen Schriftzug trägt, verkröpft sich mit den Arkaden der Kreuzarme. Wie für einen überkuppelten Bau auf quadratischer Grundrissform üblich, leitet ein Pendentif oberhalb des Pilasterquadrats in die kreisförmige Fußlinie des hohen Tambours über. Im Unterschied zu den Pfeilerwänden in St. Peter zeigen die Diagonalen im Kuppelraum der Superga jedoch keine massive Wand, sondern sind zweifach durchbrochen (Abb. 54, 59).290 Das entspricht der Tatsache, dass diese ›Wände‹ in der Superga aus zwei vergleichsweise kleinen, isoliert stehenden Pfeilern gebildet werden, während sich die Vierungspfeiler von St. Peter aus drei einzelnen Pfeilern zusammensetzen (Abb. 56). Diese formen schon

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63 Matthäus Greuter (nach Carlo Maderno): St. Peter, Rom, Fassadenprojekt, 1613, Grundriss

64 Rom, St. Peter, Vierungsraum

98 | Anschauungsräume des Sieges: die Superga

65 Paris, Saint-Louis-des-Invalides, 1693–1706, Grundriss mit Teilen des Hospitals

66 Paris, Saint-Louis-des-Invalides, Kuppelraum

allein durch ihre Größe eigene Baukörper aus: »Bramante macht Größe anschaubar in Gestalt seiner Pfeiler und der Pilaster, die diese gliedern.«291 Durch ihre Ausmaße erzeugen die Pfeiler in St. Peter, die mit tiefen Kreuzarmen abwechseln, für sich genommen schon eine Rotunde: »Es gibt nur hochragende Pfeiler und tief in sich zurückweichende Höhlungen; und fast alle Körper sind beides zugleich.«292 Aus der diagonalen Stellung der Pfeiler›wände‹ übernimmt Juvarra das räumliche Potential der Rotunde, zu der auch die Gliederung der Pfeiler gehört. Sowohl in Bezug auf die Diagonalseiten wie auch auf die Kreuzarme werden bei der Superga die Strukturen von St. Peter verwendet: zwei übereinander liegende Öffnungen, gerahmt von Pilastern, die auch auf die Arkaden übergreifen. Doch trotz der prinzipiellen Übereinstimmung mit der Struktur der Diagonalseite in St. Peter ist die »Raumgestalt« der Rotunde in der Superga eine andere. Zum einen zeichnet sich die Superga durch kurze Tonnen in den Kreuzarmen aus, die den Charakter von Abseiten annehmen. Zum andern verbindet sich dies mit den Elementen, welche die Vertikalität des Hauptraums gestalten: Verzicht auf Pendentifs, tatsächlicher Durchbruch der Diagonalwand sowie die Säulen als »Raumschicht«, die in die Höhe weist. Vermieden wird so eine »gravitas romana« der Wand.293 Der ausgeprägte Richtungsbezug, den die Superga nach oben hat, ist dabei genau das Gegenteil zu dem, was die Pendentifs für die Vierung von

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St. Peter leisten (Abb. 64). Dort übertragen sie räumliche Werte der Kuppel auf eine untere, dem Betrachter zugeordnete Ebene (Tondi!). Diejenige Stelle, an der bei einem vieleckigen Unterbau ein Zwickel zum Tambour auf kreisförmiger Fußlinie überleitet, wird jedoch in der Superga durch das Emporenfenster durchbrochen, die ansonsten massive Verdickung an dieser Stelle durch eine Öffnung ersetzt. Mit dem Fehlen eines solchen, in der Regel sehr massig wirkenden Zwickels verliert die Rotunde der Superga die lastende Schwere, die den Vierungsraum von St. Peter trotz seiner Höhe kennzeichnet, und ersetzt sie durch die Qualität der Höhe. Der Verzicht auf die Schwere der Wand in der Superga wird insbesondere im Vergleich mit einem anderen bedeutenden Vorgängerbau deutlich, bei dem ebenfalls korinthische Säulen paarweise vor diagonal angeordneten Pfeilern stehen: dem Invalidendom in Paris. Dieser ist über quadratischem Grundriss errichtet, den die Achsen eines Griechischen Kreuzes gliedern (Abb. 65–66). Die Ecken sind durch runde Kapellen gefüllt, der querovale Chor öffnet sich nach hinten, um den Anschluss für das langgezogene Schiff der Soldatenkirche (um 1676/1677) zu bilden. Im überkuppelten Zentralbau überfangen Arkaden die Hauptachsen, in den kürzeren Diagonalen liegen auch hier Eingänge in die Kapellen. Diese überfängt ein Rundbogen in der Wand, ihnen vorgeschaltet ist jedoch ein freistehendes Säulenpaar, das über einen eigenen, konkaven Architrav verfügt. Er verkröpft sich mit dem Gebälk der Kreuzarme, kragt aber durch die Stellung der Säulen als eigenständiges Gebälkstück weit vor. Darüber erhebt sich ein breites Pendentif, auf ihm und den Arkaden in den Hauptachsen kommt der zylindrische Tambour zu liegen. Indem die korinthischen Säulen aus dem Verbund der Wand gelöst sind, werden sie Elemente, die sich auf die tektonische Funktion des Tragens beschränken. Dies ist vor dem Hintergrund des Architekturwettbewerbs um die Louvre-Fassade zu verstehen, der die Kolonnade zum Thema der Architektur machte. Als kolumnare Architekturteile prägen sie das Raumbild durch ihre freie Stellung sowie durch das konkave Gebälkstück, das – wie Dietrich Erben schreibt – den Betrachter dazu auffordere, »die Kolonnadenabschnitte imaginär über die Durchdringung der Kreuzarme hinweg zu einer Ringhalle zu schließen«.294 Die Säulen bilden auch hier die Grenze des Binnenraums und formen die Rotunde; allerdings erzeugen sie aufgrund der vorkragenden Gebälkstücke und breit lagernden Pendentifs nicht dieselbe steile Vertikalität wie in der Superga. Eher könnte man davon sprechen, dass die darüber liegenden Pendentifs die Wölbung auf die Ebene des Betrachters transponieren – eine Wirkung, die in der Superga gerade vermieden wird. Entscheidend für diese ist, dass die Säule von der Ordnung der Wand abgelöst ist und dieser als freigestelltes Glied vorgesetzt wird. Dass es die acht korinthischen Säulen sind, die über den Binnenraum der Superga als Rotunde entscheiden, macht auch ein Vergleich mit der Kirche Sant’Uberto auf dem savoyischen Jagdsitz in Venaria Reale bei Turin deutlich, 1728 von Filippo Juvarra erbaut. Wie der Invalidendom auf quadratischem Grundriss errichtet, den ein Griechisches Kreuz gliedert, sind die Kuppelpfeiler halbiert (Abb. 65). Die beiden Hälften werden nun als

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67 Filippo Juvarra: Venaria Reale, Turin. Schlosskapelle S. Umberto, Erdgeschoss, Ausführungsprojekt

Vierungswand gestaltet (Abb. 67). Entscheidend hierfür sind die Eckpilaster. Sie rahmen die »Innenseite« der Vierungswand, zirkeln den Raum der Vierung als Innenraum ab. Der Zwischenraum der beiden Pfeilerhälften wird durch eine Ädikula auf Säulen und mit Segmentbogen gefüllt, darüber gibt es wie in der Superga eine Empore mit Balkon. Eine komplexe Schichtung der Diagonalen wie in der Superga unterbleibt jedoch, Säulen sind hier dem Chor vorbehalten, in dem sie eine freitragende Kolonnade bilden. Die Pfeiler erhalten ähnliche Füllungen an allen Seiten, sind aber in der ›Vierung‹ nicht im selben Maß durchbrochen wie in der Superga (Abb. 54). Insbesondere mit der Ädikula täuscht die Füllung an den Diagonalen eine Raumtiefe vor, die sich offensichtlich an der Innenseite der Pfeiler von St. Peter orientiert. In der Superga wird genau das Gegenteil davon gesucht: möglichst viel Durchbruch, möglichst wenig feste ›Wand‹. Feste Wand muss in beiden Fällen wie auch im Invalidendom vorgetäuscht werden, in der Superga aber ist sie durch den Einsatz der acht Vollsäulen am stärksten reduziert. Die Säule repräsentiert hier den einzelnen Pfeiler, den sie in der Doppelstellung zur Pfeilerwand zusammenschließt. Diese ›Wand‹ dient als Markierung des Einganges in die Kapellen, sie setzt die Diagonalen aber auch gegenüber dem Kreuzarm ab und erzielt im Wechsel hierzu einen Rhythmus, der durch die hohen korinthischen Säulen als kreisförmig wahrgenommen werden kann. Für die »Raumgestalt« der Rotunde in der Superga bildet so die Vierung von St. Peter ganz wörtlich eine Unterlage, die durch die

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Säulen neu akzentuiert wird. Das Vierungsmotiv dient zur Markierung eines Raumes, den die Ordnungen als Rotunde ausformulieren. Durch seine Allusionen an St. Peter in Rom wie auch an den Pariser Invalidendom bekundet der Kuppelraum der Superga ein »Anspruchsniveau« (Warnke), das sich an den beiden wichtigsten Zentren europäischer Kunst jener Zeit orientierte.

DIE WAND ALS »R AUMSCHALE« Kreisförmig aufgestellte Säulen haben Tradition in der Architekturgeschichte. Eine »Schicht« von Säulen, wie sie Juvarra eingeschnitten vor die Diagonalen der Superga legt, lässt sich bereits im Zusammenhang der Planungen für die Vierung von St. Peter (Rom) ausfindig machen. In dem Rötelplan Bramantes, der erstmalig die neue Vierung und deren Ausmaße über das alte Querhaus hinaus zeigt (Florenz, Uffizien 20A r), sind vor die zum Längs- und Querschiff eingezogenen Pfeilerschrägen je zwei Säulen gesetzt (Abb. 68).295 Noch weitergehender war der Plan Florenz, Uffizien 7945A r,296 in dem die Säulen durch einen Gebälkring miteinander verbunden werden, so dass sich durch die in den Arkaden aufgestellten Säulen des alten Langhauses eine Kreisform ergeben hätte (Abb. 68). Auf der Grundlage dieser nicht realisierten Zeichnungen, zu denen noch Florenz, Uffizien 7945A v gehört (Abb. 69), hat Harmen Thies seine Theorie der Wölbgestelle begründet.297 Wölbgestelle sind für Thies auf Säulen ruhende Ringbalken, die nicht isoliert stehen, sondern den Pfeilern eines Oktogons vorgestellt sind. Es geht ihm nach eigenen Worten darum, den von Hubala geprägten Begriff der »Raumgestalt« mit den Ordnungen zusammenzubringen. Dabei will er »Ordnungsfiguren« ausfindig machen – beispielsweise das Theaterwandmotiv – die »›weniger‹ als das Ganze einer Architektur bleiben, weniger auch als die Raumgestalten, von denen fornix und Rotunde als wichtige Beispiele zu nennen waren.«298 Dies berührt das Verhältnis der Ordnungen zur baulichen Masse, von Thies als ›Wandung‹ bezeichnet. In Bezug auf die Rotunde sind die Elemente »Vierkant« (Oktogon) und »Zylinder« (kreisförmige Anordnung der Säulen) gegensätzlich, ihre Unvereinbarkeit kann jedoch durch die Kuppel überwunden werden, was Teileinheiten wie Pendentifs bezeugen. Thies argumentiert jedoch, die Wölbgestelle seien – vereinfacht gesagt – als Ausgleich von »›planen‹ Ordnungen in der Auseinandersetzung mit den Massen- und Raumkörpern einer ›kubischen‹ Grundkonzeption zu verstehen.«299 Gegenüber einem solch körperhaften Begriff der Ordnungen ist zu betonen, dass diese stets nur von ihren Einheiten her zu verstehen sind: zwei Stützen, das Intervall dazwischen, das für jedwede Öffnung steht, das Gebälk und alle hierzu gehörigen Elemente. Die bisherige Analyse der Superga hat gezeigt, dass die Arkadenwand mit Großer Ordnung, entstehend durch die in die Pfeiler eingeschnittenen Säulen, angewiesen ist auf die Kleine Ordnung der Pilaster, welche die Abseiten in den Hauptraum einbindet. Die Pilaster derselben Kleinen Ordnung »tragen« die Arkade, sie »stützen« das Gebälk des Kapelleneingangs, und sie binden hieran

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68 Donato Bramante: St. Peter, Rom, Projektvarianten über Bestandsaufnahme

69 Unbekannter Meister, nahe Bramante und Sangallo-Kreis: St. Peter, Rom, Projekt Säulenrotunde in Vierung

auch die Wand der Querhauskapellen an. Die Rotunde, wie sie im Hauptraum durch die Arkadenwand mit Großer Ordnung entsteht, kommt in ihrer Verbindung mit dem übrigen Kirchenraum nicht aus ohne die Kleine Ordnung, die gleichsam als Maßstab fungiert. Diese kommensurable Aufgabe der Gliederungen300 steht auch bei der Superga nach wie vor im Mittelpunkt. Juvarra verstand die Säule noch immer, wie sie schon Alberti beschrieben hatte – als Teil der Wand. Architektur war bei ihm noch kein Körper – eine Vorstellung, die sich erst im späteren 18. Jahrhundert entwickelte –,301 sondern ein »Gliedergestell«. Erst dadurch wurde es ihm möglich, auf eine massive Wand als Raumgrenze zu verzichten und die »Raumgestalt« der Rotunde mit dem noch immer gültigen Mittel der Ordnungen zu schaffen. Harmen Thies hat diese Lösung als »überkuppelte Säulen-Ringbalken-Rotunde« bezeichnet.302 Doch geht es bei der »Raumgestalt«, die in der Superga erzeugt wird, weniger um die Säule als tragendes, eigentlich tektonisches Element. Sondern um das, was das Bildmäßige der Ordnungen genannt wurde.303 Bei der Superga ist es die Säule als innere Begrenzung der Rotunde, die diese als Binnenraum erst herstellt. Die Säulen bilden hier nur vordergründig ein »Gestell«, tatsächlich bleiben sie im Verbund der Wand, die hier den Übergang in die Kuppel des Zentralbaus zum Thema macht. Ähnlich wie die Theorie des »Gestells« ist die des »Gestängebaus«, der mit Hilfe von Wandpfeilern und Freistützen einen Innenraum bilde. Harald Keller sieht bei der Superga

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eine »wie schwerelos gestaltete Wand«, wodurch sich die Herangehensweise Juvarras von Architekten des Cinquecento unterscheide.304 Betrachten wir diese Wand näher, so erweist sich deren filigrane Durchbildung als Oberfläche eines durchgestalteten Hohlkörpers, die Wand ist hier – was auch Keller durch die Verwendung des Begriffs »Raumschale« andeutet – ein geschichtetes Relief. Das dahinter stehende Bauprinzip kennzeichnet Erich Hubala als »Schalenbauweise«, die er von der Wandpfeilerkirche mit einem festen Mauermantel, dem Wechsel von Pfeilern und unfesten Fensterabseiten sowie deren Zusammenfassung im Gewölbe unterscheidet. Die »Schalenbauweise« stamme dagegen aus Italien, sie gehe auf die von Sedlmayr als Reliefarchitektur bezeichnete Bauweise zurück. Was Hubala zur Schalenbauweise schreibt, hätte angesichts der Superga entstanden sein können: »Wand wird als ein uns zugekehrtes, dem Anblick dargebotenes, geschichtetes Relief begriffen, das keine ›Rückseite‹ kennt. Folglich wird der Innenraum als ein Hohlkörper gebildet, dessen Ummantelung auch dann kontinuierlich gedacht wird, wenn sie durch Fenster, durch Kapellen- und Emporenöffnungen faktisch durchbrochen wird. Träger der Raumwirkung bleibt die Raumschale. An ihrer Oberfläche ist die Raumgrenze lokalisierbar, bei zusammengesetzten Raumbildungen dominiert der Hauptraum, er regelt das Verhältnis zu den ›An- und Nebenräumen‹. Die Gliederung ist der Raumschale aufgelegt, ist geschichtet. Da der Innenraum als Raumschale konzipiert ist, die Volumen faßt und darstellt, sind solche Kirchenräume gleichsam ›blind‹ und erst nachträglich beleuchtet. Das Licht ist nicht gleichwertiger Aufbaufaktor wie bei der Wandpfeilerbauweise. Saal und Kuppelrotunde, oft mit Abseiten, die sich deutlich als Nischen oder Konchen zeigen, werden bevorzugt, doch ist die Schalenbauweise nicht an einen bestimmten Bautypus gebunden.«305 In der Superga wird die Raumschale im rhythmischen Wechsel von geöffneten Kreuzarmen und Diagonalkapellen erzeugt. Durch die diagonalen Pfeilerwände und ihre Gliederungen entsteht eine komplexe »Raumgestalt«, die den Polyeder des Grundrisses im Aufriss in eine kreisförmige Rotunde verwandelt. Indem die Säulen in der Superga den konzentrisch geformten Diagonalseiten der Pfeiler zu drei Vierteln vorgelegt sind, bleiben sie ein Teil der Wand. Während Jules HardouinMansart im Invalidendom (Paris) der Wand die gekuppelten Vollsäulen durch ein eigenes Gebälkstück kontrastiv vorsetzt (Félibien: »colonnes isolées«), um sie später in der Hofkapelle von Versailles in völlig freistehende Träger des Gebälks zu verwandeln,306 entspricht die Einbindung der Säulen in der Superga prinzipiell noch immer dem Verständnis einer wandgebundenen Pilasterarchitektur, wie sie Alberti voraussetzte: »[…] da ja die Säulenreihen nichts anderes sind als eine Mauer, die an mehreren Stellen durchbrochen und offen ist«.307 Die Säule als Teil eines dekorativen Systems der Wand, das im Quattrocento als »Flächenwert« (Kauffmann) entstand308, war durch Serlio zu einer Grammatik der Architektur ausgebaut worden. Sie bildete aber auch die Grundlage für deren modulare Gliederung. Dass im Verlauf der Frühen Neuzeit wieder die tektonischen Eigenschaften der Säule interessierten, wie sie vor allem die hellenistische Baukunst entwickelt, hatte schon der Bau der Louvre-Ostfassade (1667) gezeigt. Die mit Pilastern und Halbsäulen aus-

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gezeichnete Fassade Berninis, die dem römischen »Dekorationsstil« zugeordnet werden konnte, war zugunsten des Entwurfes von Claude Perrault mit einer Zone gekuppelter Freisäulen abgelehnt worden.309 Auf das letztere Beispiel verwies denn auch Jean-Louis de Cordemoy in seinem Nouveau Traité de toute l’Architecture (1706), dessen Ideal die freistehende Säule mit geradem Gebälk war. Ein Reflex dieser kolumnaren Ästhetik zeigt sich in Boffrands Schlosskapelle in Lunéville, die beispielsweise auch Balthasar Neumann kannte.310 Die Superga steht jedoch im Gegensatz zu den französischen Beispielen. Hier wurde Gliederung noch immer im Sinne Albertis verstanden, sie bedeutete trotz ihres allseitigen und hochkomplexen Bezugssystems eine Bekleidung der Wandmasse, mit der die in der Architektur ausgetragenen Kräfteverhältnisse zur Darstellung kommen sollten. Als oberste Schicht der »Raumschale« haben die monumentalen Säulen in der Rotunde der Superga eine rein optische Funktion: Sie demonstrieren das Lasten der Kuppel, das vom Tambour über den Kuppelring auf den Unterbau abgetragen wird; faktisch geleistet wird dies von den Pfeilern, in die sie eingestellt sind. Doch indem auf die Kapitelle unmittelbar der Tambourring folgt, täuschen die Dreiviertelsäulen eine tragende Funktion vor. Was also das Verhältnis von Lasten und Tragen zu sein scheint, ist in Wirklichkeit eine Darstellungsform: die Säule übernimmt hier eine rein symbolische Funktion.311 Dies verdichtet sich, wie noch zu sehen sein wird, zu einer bildartigen Struktur. Hier geht es jedoch um den raumbildenden Effekt der Säule als der obersten Schicht der Diagonalen. Säulen erscheinen hier als Teil einer vielfach durchbrochenen ›Wand‹, sind aber im Sinne der barocken »Schalenbauweise« wirksam, indem sie auf die Schaffung eines kreisförmigen Binnenraumes zielen. Die Säule fungiert dabei als Raumgrenze. Letzteres ist auch beim Invalidendom der Fall, doch entsteht in der Superga durch die fehlenden Pendentifs eine völlig andere »Raumgestalt«. Der Zylinder des Tambours ruht direkt auf den Pfeilern auf und wird nicht zusätzlich durch Zwickel abgetragen, so dass in dieser Zone das massive Element der Wand fehlt. Im Wechsel der stark durchbrochenen Pfeilerintervalle und weiten Öffnungen der Kreuzarme sind es Säulen, die als ›tragendes‹ Element erscheinen und dem Binnenraum eine entschieden kreisförmige Gestalt geben. Es entsteht die »Raumgestalt« einer steilen Rotunde, die vertikal nur durch das Gebälk und dessen Balustrade unterbrochen wird, um unmittelbar danach im Tambour fortgeführt zu werden. Vor allem das durchgehende Gebälk mit seinem hell abgesetzten Fries schafft zusammen mit den Säulen ein Raumbild, das den Eindruck vermittelt, als würde die Last der Kuppel durch die auf der obersten Schicht liegenden Elemente abgetragen werden: barocker Illusionismus, performiert über das Mittel der Ordnungen. Der Innenraum der Superga ist nicht das Negativvolumen eines architektonischen Körpers, sondern zeigt sich nach wie vor als Gliederungsbau.

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DIE R OTUNDE ALS »ZEIGFELD « Der Hauptraum der Superga ist also von zwei Momenten wesentlich geprägt: Eine ›Schicht‹ von Säulen schließt die ›Vierung‹, die mit den Diagonalseiten angedeutet wird, zur Rotunde zusammen. Diese erhält jedoch durch eine ungewöhnliche Verbindung von Unterbau mit Tambour und Kuppel sowie mit der vertikalen ›Stapelung‹ von freistehenden Säulen verschiedener Ordnung (Superposition) einen Zug in die Höhe, der die Superga von anderen frühneuzeitlichen Rotunden deutlich unterscheidet und einen eigenen Raumtypus schafft. Zu diesem Spektrum ähnlicher Bauten gehört nicht nur der bereits erwähnte Invalidendom. Eingeschlossen sind hier auch solche Konzeptionen, die durch das Motiv der Säulenrotunde ein Grabmonument andeuten, indem die kreisförmige Aufstellung als Hinweis auf die Anastasis der Grabeskirche zu Jerusalem verstanden werden kann.312 Für die Superga heißt das die Frage zu stellen, ob die Superga als Mausoleum für den neu gekrönten König Vittorio Amedeo II. gedacht war – eine Frage, die aufgrund der strukturellen Ähnlichkeiten der Superga mit dem Invalidendom zunächst auf die geplante Grablege der Bourbonenkönige in St. Denis (Paris) zurückführt (Abb. 70).313 Diese Planung von François Mansart (1665) zeigt einen Kreuzkuppelbau, dessen geweitete Hauptachsen wie bei der Superga den Eingang und weitere Kapellen ausformen. In die Ecken des quadratischen Grundrisses sind Kapellen auf ebenfalls quadratischem Grundriss gesetzt. Der äußerst massive Charakter der Planung wird nach innen durch Freisäulen akzentuiert, mit deren Verwendung François Mansart hier offensichtlich noch experimentierte: In der linken Hälfte des Plans stehen Doppelsäulen vor den Pfeilern, rechts einfache Säulen, wobei die letzteren dann wie bei der Superga zwei Pfeiler zusammengeschlossen hätten (Abb. 70). Diese Planung blieb unausgeführt.314 Ein Teil der Forschung vermutet, dass der Invalidendom Jules Hardouin-Mansarts mit den doppelsäuligen Kolonnadenabschnitten vor den Diagonalen auf die ältere Konzeption der Bourbonenkapelle rekurriert.315 Damit, so Dietrich Erben, suchte König Ludwig XIV. eine dynastische Tradition in neuer Weise fortzuführen und nahm dabei die »Herausforderung eines Austauschprogramms an, das sich seit dem frühen 17. Jahrhundert für das Papsttum als verbindlich etabliert hatte.«316 Ein Mausoleum Ludwig XIV. oder gar der Bourbonen wurde dort nie untergebracht, sondern seit 1861 liegt dort Napoleon begraben. Außer der Tradition des französischen Königshauses ist hier ein Anknüpfen an eine engere Typologie fürstlicher Grabrotunden wahrscheinlich, die zu Beginn der Frühen Neuzeit entstand und sich die in Drucken verbreitete Kenntnis von der Anastasisrotunde der Grabeskirche in Jerusalem nutzbar machte.317 Jedoch fand die Gestalt der Säulenrotunde in der Frühneuzeit auch in erweiterter Form Verwendung, ohne dass explizit ein Grabbau damit verbunden war: die memoria mortis, wie sie noch für das frühe Christentum galt, etwa beim Theoderichsgrab in Ravenna, hatte sich vom konkreten Ort der Bestattung gelöst.318 Für die Umplanung Borrominis von S. Agnese macht Martin Raspe deutlich, dass hierfür wahrscheinlich die sehr verbreiteten Rekonstruktionszeichnungen

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70 François Mansart: Entwurf für das Mausoleum der Bourbonen bei St.-Denis, 1665

angeblich antiker Zentralbauten von Giovanni Battista Montano eine Rolle gespielt haben dürften.319 Auch der Kuppelbau von St. Peter wird so als monumentale Überhöhung des Petersgrabes verstanden.320 So wurde die kreisförmige Aufstellung der Säulen in der Superga mit einem Beispiel Montanos verglichen321, dessen Zeichnungen in der Frühen Neuzeit stark verbreitet waren. Doch ebenso wie beispielsweise die frühchristliche Kirche S. Stefano, Rom, weisen die Rekonstruktionen Montanos eine Geschlossenheit und Schwere der Wölbung auf (Abb. 138), die der Superga fehlen.322 Stattdessen ist hier die Dimension der Höhe ausgeprägt, auf die zielbewusst hingearbeitet wird und die hierin andere frühneuzeitliche Konzeptionen von Rundbau übertrifft. Das gilt auch für das Verhältnis der Superga zum Invalidendom, dessen Tambour mit den hochrechteckigen Fenstern die Konzeption von St. Peter zugleich aufgreift und übertrifft. Einen Übergang ohne Pendentifs, wie ihn die Superga zeigt, hatte es in den Entwürfen von Desgots und D’Aviler für den Concorso der Accademia di San Luca von 1677 gegeben, die eine in Frankreich bevorzugte Kontinuität von Grundriss und Kuppel zeigten (Abb. 71–72).323 In Verbindung mit der Säulentravée wird das fehlende Pendentif jedoch bei der Superga ein entschieden innovatives Element. Dieses gestaltet die Vertikalität der Rotunde, doch wird die Höhe im Kuppelraum noch mit weiteren Mitteln systematisch gesteigert. Säulen in Unterbau und Tambour folgen direkt aufeinander, wobei deren Plastizität und die

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71 Claude Desgots: Längsschnitt für eine überkuppelte Kirche, 3. Preis, Concorsi Accademici, Rom, 1677

72 Augustin-Charles D’Aviler: Längsschnitt für eine überkuppelte Kirche, 2. Preis, Concorsi Accademici, Rom, 1677

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73 Ravenna, S. Vitale, Innenansicht des Oktogons

»Raumschale« jeden Eindruck von Schwere verhindern.324 Die Ausprägung von Höhe bei der Superga beginnt bereits damit, dass die Postamente der Säulen mannshoch sind, bevor diese die Pilasterordnung überlagern und ihr eigenes Gebälk ausbilden. Ebenfalls auf hohen Postamenten, greifen die kompositen Säulen des Tambours, die in Rücklagen eingeschnitten sind, die korinthischen Säulen des Unterbaues auf. Diese Supraposition verbindet den dicht umbauten Binnenraum des Unterbaues mit dem transparent wirkenden Tambour und veranschaulicht so das absolute Verhältnis der beiden Bauteile. Dabei vermitteln sich die unterschiedlich weiten Intervalle des oktogonalen Unterbaues zum Zylinder des Tambours durch ein Motiv der Bewegung, das dem Kirchengebäude ansonsten fehlt. Das geweitete Kreuzarm-Intervall zeigt sich im Tambour, indem die Fenster hier in eine breitlagernde Ädikula mit gesprengtem Giebel eingefügt sind. Diese Öffnung im Giebel folgt dem Segmentbogen, mit dem das Fenster abschließt; sie zeigt sich aber auch an dessen Sockel. Dort sind die auseinanderspringenden Seiten konkav, das Mittelstück weicht zurück. Zusammen mit dem gedrehten unteren Drittel der Säulen entspricht diese aufsteigende Bewegung dem Bogen darunter und verstärkt darin die Dimension der Höhe für denjenigen, der die Kirche betritt. Dieser ungewöhnlich steile Zuschnitt der Rotunde und die ›Stapelung‹ vertikaler Elemente zeigt weniger Parallelen mit antik-römischen Grabbauten denn mit frühchristlichen Bauten Oberitaliens. Unter dem Einfluss der Ostkirche erhielten hier Gedenk-

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74 Ravenna, S. Vitale, Grundriss

kirchen häufiger als in Rom die Gestalt des Zentralbaus.325 Gleichzeitig waren oberitalienische Sakralbauten des frühen Christentums durch eine besondere Höhe gekennzeichnet: »Hier und in den damit zusammenhängenden nördlich der Alpen gelegenen Kunststätten wurde die für den Okzident als typisch angesehene Vertikalität der Architektur am stärksten ausgebildet.«326 Eine Kombination von hohen Arkaden und Säulen als vertikale Gliederung zeigt beispielsweise San Vitale in Ravenna (Abb. 73–74). Ausgehend von den Seiten des inneren Oktogons schließen die von einer Arkade überspannten Apsiden hier in halbrund aufgestellten dreijochigen Säulenarkaden nach hinten ab. Die durchscheinenden rückwärtigen Begrenzungen der Apsiden sind, durch eine Balustrade voneinander getrennt, in zwei Reihen übereinander aufgebaut und vermitteln so die absolute Höhe der jeweiligen monumentalen Arkade in den oktogonalen Binnenraum. Da sich dessen Pfeiler und Arkaden im Tambour durch weitere Säulenelemente und Fenster mit gekuppelten Säulen fortsetzen, entsteht eine durchgehende Vertikalität: »In S. Vitale ist also die Vertikale des Zentrums der klare Gegenpol der in Presbyterium und Apsis endenden Längsachse.«327 Eine solche Staffelung von vertikalen Gliedern, wie sie die frühchristlichen, auf Byzanz zurückgehenden Kirchenbauten zeigen, setzte Bramante beim Dom S. Siro in Pavia (1488) neuzeitlich um (Abb. 75–76). Der oktogonale Zentralraum, an den ein dreischiffiges Langhaus anschließt, wird von hohen Arkadenpfeilern gebildet. Diese teilen auf halber Höhe sowie im Kämpferbereich je zwei Konsolen, die auch die Anräume aufweisen.328 Auch das ursprünglich geplante, kreisförmige Gebälk (Abb. 77) hätte ebenso gegliederten Arkaden aufgelegen und eine betont hohe Rotunde erzeugt.329 Eine solche Veranschaulichung von

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75 Pavia, Dom, Innenansicht, 1488

76 Pavia, Dom, Grundriss

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77 Pavia, Rekonstruktion des Grundrisses nach Bramante (H. Schimmel)

78 Antonio da Sangallo d. J.: Innenraumarkaden von S. Vitale, Ravenna, Zeichnung

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›Höhe‹ geschieht in der Superga jedoch mit den Mitteln der Schalenbauweise. Sie erreicht zunächst, dass die oktogonale Anordnung der Kapellen und Öffnungen zur ›Vierung‹ zusammengeschlossen wird. Erst die oberste »Raumschicht« der acht Säulen erlegt der Vierung die »Raumgestalt« der Rotunde auf, als deren besonderes Merkmal hier die Höhe ausgestaltet ist. Dieser auf den Gliederungen beruhende Höhenzug unterscheidet sich auch von Borrominis »gotischen« Kuppelgestaltungen, mit denen die Gestaltung Juvarras teilweise in Verbindung gebracht wurde. Obwohl die Superga mit den vorgestellten gekuppelten Säulen deutlich an den Pariser Invalidendom anknüpft, bindet sie durch die »Raumgestalt« einer durchgehend vertikalen Rotunde andere, im wörtlichen Sinn ›hohe‹ Bauten der christlichen Sakralkunst ein. Diese in der Renaissance beispielsweise durch die Sangallo wieder entdeckte Raumgestalt von S. Vitale (Abb. 78) wurde von Juvarra durch das Mittel der als Dreiviertelvorlage gestalteten Säule in eine neue Qualität gebracht.330 Dadurch wurde es ihm möglich, die Gliederungen erneut in ihrer syntagmatischen Funktion wirksam werden zu lassen. Dies bedeutet eine klare Anbindung an die Tradition der Renaissance, die in der Superga verwirklichte ›Höhe‹ darf also nicht als Präform des Klassizismus mißverstanden werden. ›Höhe‹ wird durch diese architekturhistorischen Hinweise nicht nur hergestellt, sondern auch dargestellt. Analog zum sprachlichen »Zeigfeld» (Bühler) lädt die Rotunde der Superga die Dimensionen ihrer architektonischen Glieder mit Bedeutung auf.331 Wenn mit der kreisförmigen Aufstellung der Säulen auf den Grab- und Memorialbau angespielt wird, der durch die Planung einer Krypta von Beginn an plausibel wäre, so erhält der Kuppelbau der Superga durch die explizite Gestaltung von ›Höhe‹ eine weitere Bedeutungsschicht. Entscheidend hierfür ist das Aussetzen des Pendentifs sowie die an dessen Stelle durchbrochene Wand: Die Schwere im Kuppelbereich, wie sie Grabmonumenten sonst innewohnt, entfällt, stattdessen erhält die Kirche einen durchgehenden, filigranen Höhenzug. Der »dono« von 1707 wies hier noch ein anderes Schema auf: Die Säulen der Großen Ordnung reichen – wie bei S. Agnese – nur bis zur Kämpferhöhe der Arkaden, »tragen« also diese, nicht aber den Tambourring, wie bei der Superga. Außerdem wird an Stelle der Emporendurchbrüche eine geschlossene Attika gezeigt (Abb. 79).332 Es kann also davon ausgegangen werden, dass Juvarra für den Höhenzug der Superga eine singuläre Lösung schuf. Dieser geht von den monumentalen Säulen im Unterbau aus (Abb. 54), wird über die fehlenden Pendentifs und den Durchbruch der Emporen thematisiert (Abb. 59) und vom Tambour fortgesetzt (Abb. 80). Derart konsequent in sich verflochten, erhält der Höhenzug seine direkte Bestätigung im Schriftzug um das Opäum, auf den die Rippen der Kuppel zulaufen (Abb. 81–82). Alle vertikal gestapelten Glieder werden von der Widmung »Victorius Amedeus Rex Anno Salutis MDCCXXVI« aufgenommen, diese umschließt aber gleichzeitig auch die Öffnung der Laterne. Die ringförmig angeordnete Schrift greift also die Rippen der Kuppel auf, die von den Säulenordnungen her »begründet« sind, über ihr ist nur noch das göttliche Licht. Mit der Inschrift an der höchsten Stelle der Superga wird der einzig konkrete Hinweis auf einen Gehalt der Rotunde gegeben,

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79 Filippo Juvarra: Entwurf für eine Kirche (›Dono Accademico‹), Querschnitt

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80 Filippo Juvarra: Superga, Turin. Tambour, Innenansicht

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81 Filippo Juvarra: Superga, Turin. Schriftzug in der Kuppel

82 Filippo Juvarra: Superga, Turin. Innenansicht der Kuppel

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der alle Glieder bündelt. Dies reflektiert auch der Reisebericht von Keysler, der nach der Erfahrung der hohen Säulen als einziges Element des Inneren noch die Rotunde beschreibt: »Wo das Gewölb eng zusammen gehet, stehen in einem Circul die Worte: […].«333 Ganz wörtlich zeigt sich so der König als Initiator und Vollender dieser extrem vertikalen Raumgestalt, die jedoch erkennbar einem noch Höheren geweiht ist.

DER »RICHTUNGSKONTR AST« DUR CH DEN CHOR Bei meinem Befund einer bewusst gesuchten Vertikalität der Superga-Rotunde habe ich zunächst ausgeklammert, ob und inwieweit deren »Raumgestalt« durch den Chor beeinflusst wird. Doch erst mit Einbeziehung des Chors in die Innenraumanalyse zeigt sich der Gehalt der Superga vollständig. Der Chor, gegliedert in einen Mönchschor und den Hochaltarbereich der Apsis (Abb. 29, 54, 83), setzt der Vertikalität der Rotunde eine ebenso ausgeprägte Tiefendimension entgegen. Indem Höhe und Tiefe als Richtungen betont und in Kontrast zueinander gesetzt werden, ergibt sich für den räumlichen Vollzug dieses Kirchenbaus, was Hubala die »Illusion von Belebung« bei Barockarchitektur nennt.334 Können aber Rotunde und Chor bei der Ausgeprägtheit ihrer jeweiligen Dimension überhaupt eine gemeinsame Raumeinheit bilden? Denn grundsätzlich ist die Rotunde ein auf sich selbst bezogener Bauteil: »Rotunden besitzen zwar das Höchstmaß an konzentrischer Struktur, und sie sind offensichtlich Ur-Bilder von überkuppelten Räumlichkeiten – aber sie können sozusagen nicht von sich aus kommunizieren.«335 Das raumtypologische Problem der Rotunde, wie Erich Hubala es hier beschreibt, kann nur durch ein Aufschneiden ihres Mauermantels gelöst werden. Bei der Superga, wo sich die »Raumgestalt« der Rotunde vor allem über die Binnengrenzen des Unterbaues konstituiert, kommen für diese Kommunikation nur die Arkadenausschnitte der Kreuzarme in Frage. Die drei Kreuzarme im Hauptraum der Superga zeigen die einfachste Möglichkeit eines solchen Anschlusses. Indem die Kreuzarme zu einem Tonnengewölbe verlängert werden, entsteht eine Art Ehrenbogen auf jeweils rechteckigem Grundriss (Abb. 29, 84), der die Kapellen in der Querachse oder das Eingangsjoch bildet. Der Chortrakt, durch ein niedriges Gitter in der Arkade sowie Stufen von der Rotunde getrennt (Abb. 83, 85), ist eine zweigeteilte Anlage, die aus dem Kreuzkuppelbau des Mönchschors und der glatt abschließenden Apsis besteht, letztere etwa der Größe der Diagonalkapellen entsprechend. An diese beiden Teile schließen links und rechts jeweils weitere Bereiche an, darunter nordöstlich der Apsis jene Kapelle (Abb. 29), in der nach dem Abriss der alten Pfarrkirche die wundertätige Madonna di Soperga aufgestellt wurde.336 Wie die Rotunde beruht der Konventsraum auf einem Griechischen Kreuz. Dazu dient die Rückseite der beiden abschließenden Pfeiler des Zentralraums sowie ein zweites Pfeilerpaar dahinter, das ebenfalls ein Bogen überwölbt (Abb. 54, 85). Der hierdurch entstehende quadratische Grundriss ergibt die Fußpunkte für eine Hängekuppel, deren Last durch Pendentifs auf die Pfeiler abgetragen wird. Mit dem

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83 Filippo Juvarra: Superga, Turin. Übergang von der Rotunde in das Presbyterium und den Altarraum

84 Filippo Juvarra: Superga, Turin. Kapelle im südlichen Querarm; Altar mit Mariengeburt

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85 Filippo Juvarra: Superga, Turin. Arkadenöffnung zum Chor

zweiten Pfeilerpaar wiederholt sich also der Bogen des Hauptraumes, jedoch ändert sich die Art des Gewölbes. Eine Verbindung von Hauptraum und Chor erfolgt also nicht allein dadurch, dass die Rotunde durch den Kreuzarm ›aufgeschnitten‹ wird, sondern über zusätzliche Mittel. Wenn die barocke Sakralarchitektur für ihre vielfach neuen räumlichen Verknüpfungsmöglichkeiten bekannt ist, so sind diese Strukturen doch sehr unterschiedlich. Für die Architektur der Superga erkennt Gertraude Huber ein gestalterisches Prinzip, das auch auf das Verhältnis des Chortraktes zur Rotunde angewandt werden kann: »Ein primäres Anliegen des Architekten ist […] nicht das Wirksamwerden eines Raumkörpers, der für die in ihm anwesende Person materiell fassbar, sozusagen haptisch erlebbar ist, sondern die Verwirklichung einer vor den Augen des Betrachters sich erstreckende Abfolge von räumlichen Bezogenheiten, die in eine bestimmte Richtung hin ausgebildet werden.«337 Eine solche Formung von ›Richtung‹ zeigt der Chortrakt, der sich dem in die Höhe gezogenen Raumbild der Rotunde entgegensetzt, und zwar durch architektonische Mittel, die vorwiegend visuell strukturiert sind und rezipiert werden. Das bedeutet, dass sich die Anbindung des Chores an den Hauptraum durch Elemente vollzieht, die allesamt von der Rotunde aus erkennbar sind. Entscheidend für die Gewinnung der Tiefendimension ist dabei die Arkade, die das zweite Pfeilerpaar überwölbt und damit den Übergang vom Stiftsraum in die Apsis bildet. Der Bogen ›baut‹ die Tiefe und führt die vom Portikus her

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86 Filippo Juvarra: Superga, Turin. Hauptaltar

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ausgelöste Hauptachse fort, doch erst durch weitere Elemente gelangen Rotunde und Chor in eine Korrespondenz, die auf gegenseitigen Austausch angelegt ist. Das betrifft die Wiederholung des Bogens im Chorjoch, aber auch die Freisäulen, die den Hochaltar rahmen und damit eine Reihung von Säulen in der Hauptachse bilden, die vom Portikus über die Rotunde geht. Die Wiederholung architektonischer Motive, gestellt in einen eigenständigen räumlichen Zusammenhang, schafft Kommunikation zwischen den Raumpositionen ›vorne‹ und ›hinten‹, aber auch zwischen der Vertikalen der Rotunde und der Horizontalen des Chores. Für die Verbindung dieser Raumstellen und Dimensionen zu einer logischen Anordnung sind die Arkaden und Säulen notwendige »praesentia«, die in Form einer »Anreihungsbeziehung«338 den neuen räumlichen Zusammenhang erst stiften. Die frühe Kunstwissenschaft hätte hier, ausgehend von August Schmarsow, sofort den Begriff des Rhythmus parat gehabt, der die Gewinnung von Tiefe durch Zerlegung des Raumes in mehrere regelmäßige Einheiten meint.339 Auch bei der Superga lassen sich einige Glieder, darunter die Säulen, unter diese Rubrik fassen. Die Art der Choranlage verweigert jedoch eine einseitige Zuweisung zum Begriff des gleichmäßig dahinfließenden Rhythmus. Denn in der Superga wird alles dafür getan, den Altar als räumliche Gegenposition zur Rotunde zu gewinnen. Für die Schaffung des Chortraktes als einem eigenständigen Raumabschnitt ist primär das zweite Pfeilerpaar verantwortlich, das durch einen Bogen verbunden wird. Es organisiert die Erschließung der Tiefe, stellt diese gewonnene Räumlichkeit aber auch dar. Die zweite Arkade öffnet den Blick in die Apsis und gibt deren Halbkuppel im Rippensystem zu erkennen. Sie überfängt die konkav geformten Seiten der Apsis und wölbt den Aufbau eines Hochaltars, der durch eine Ädikula mit seitlichen Säulen und gesprengtem Giebel selbst eine Architektur ist (Abb. 54). Das Altarblatt zeigt eine Reliefdarstellung des von französischen Truppen belagerten Turin sowie die Fürbitte des savoyischen Ahnherrn Beato Amedeo vor der Muttergottes, während über dem gesprengten Giebel und ineinander verschlungenen Initialen »VAM« (Victorius Amedeus Magnus) eine Königskrone schwebt (Abb. 54). Auch im Relief selbst ist das Motiv der Krone enthalten: gehalten von einem Putto am äußeren linken Bildrand, während ein zweiter auf die Schlacht von Turin weist (Abb. 86). Der gesprengte, aber verkröpfte Giebel des Altaraufbaues ist der tiefste Punkt in der Folge von Bögen, die sich vom Eingang her über die Hauptachse aufbaut. Indem die Höhe der Gewölbe variiert und, ausgehend von der Rotunde, immer niedriger wird, entwickelt sich über die Bögen eine Korrespondenz der Tiefe, welche die Vertikalität der Rotunde ›unterspült‹. Die Bögen sind nicht das einzige Element, die eine solch horizontale Position schaffen; hierzu gehören auch die Säulen seitlich des Altars. Sie bilden das Ende einer Aufreihung von Säulen, die der Benutzer vom Portikus über die Rotunde hinweg durchschreitet. Auf der Hauptachse angebracht, sind die Altarsäulen bereits vom Eingang her erkennbar und zeigen sich in der perspektivischen Verkürzung als »praesentia« der Tiefe. Die Ordnungen, hier repräsentiert durch die frei stehenden korinthischen Säulen,

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sind also auch in der Horizontalen des Kirchenbaues für die räumliche Gliederung zuständig. Dass der Chortrakt eine eigenständige räumliche Einheit bildet, macht darüber hinaus die Hängekuppel deutlich, deren andersartige Struktur zur Rotunde hin geradezu präsentiert wird. Die flache Schale berührt den Scheitel der Arkade und wird durch den tief sitzenden Okulus beleuchtet. Dabei erscheinen die Pendentifs, auf die in der Rotunde verzichtet wird, hier als große gerahmte Zwickelfelder. Zu deren Gestaltung gehören die freien Wandfelder unterhalb der Kämpfer, die das neue Gliederungsmotiv der Pendentifs in eine ›flächige‹ Form übertragen. Diesen Wandfeldern ist eine Pilasterrücklage zugeordnet, die nicht den gekoppelten Pilastern der Pfeiler zugehört, sondern der jeweiligen Hauptseite der Chorpfeiler. In dieser vierfachen Anwendung durch die Chorpfeiler werden die Vorlagen, wie Gertraude Huber schreibt, zu einem »räumlichen Impuls«, der die Grenzen des Chorraumes absteckt und diesen durch ein eigenes Motiv darstellt.340 Der Chortrakt wird wie auch die Rotunde durch die Ordnungen gegliedert, doch kommen die Pendentifs sowie die freien Wandfelder an den Pfeilerinnenseiten im Konventsraum hinzu. Dies sind nicht nur zusätzliche Motive, mit denen die Axialität der Raumfolge für den Betrachter gestärkt und der Altarraum als Ort des Sakraments gerahmt wird. Ich möchte sie als echte »Leerstellen« lesen341, die durch ihre Position im Chor auf die wichtigen Partien der Rotunde verweisen: die Emporenzone, an deren Stelle normalerweise Pendentifs angebracht sind, die Überlagerung von Säulen und Pilasterordnung an den Pfeilern. Die leer gelassenen Rahmen sind dabei ein Scharnier, das in beide Richtungen wirksam ist: Das zweite Pfeilerpaar bildet die Kuppeln der Apsis und des Mönchschors aus, die somit distinkte Einheiten werden. Gleichzeitig aber sind diese Räume durch die Konvergenz der Bögen, Pilaster und Säulen visuell mit dem Hauptraum an die Rotunde gebunden. Was hier an ›Tiefe‹ erzeugt wird, ist jedoch weder messbarer Abstand noch Rhythmus als Selbstzweck. Vielmehr bildet der Chortrakt der Superga eine qualitative Entfernung zur Rotunde aus, die den Betrachter, der ja den Chortrakt vom Beginn des Eintretens in das Innere vor Augen hat, in die Position des »Sich-ausrichtens« bringt. Erneut denkt man dabei an die frühe Kunstwissenschaft, die der Tiefendimension in der Architektur zwar nicht die primäre, aber eine ordnende Rolle zuweist. So schreibt August Schmarsow: »Die Tiefendimension repräsentiert also auch im menschlichen Raumgebilde die Lebensachse, um die sich das System von inneren Zwecken herumordnet, das der Bau als Einheit zusammenschließt.«342 Berücksichtigt man den Betrachter als aktive Größe, wird deutlich, dass der Chortrakt der Superga nicht einem formalistischen Zweck unterworfen ist, sondern auf die Herstellung von ›Bedeutung‹ abzielt. Was Schmarsow »die psychologische Wurzel der Architektur« nennt,343 lässt sich für das Verhältnis von Chor und Rotunde in der Superga folgendermaßen sagen: Setzt man für die Gewinnung von ›Tiefe‹ einen Betrachter voraus, so ist die Beziehung von Chor und Rotunde ambivalent, da einerseits räumlich eigenständige Einheiten (neues Pfeilerpaar, andere Gewölbe) gebildet werden, andererseits Rotunde und Chor durch die Wieder-

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holung der Arkatur und in der Anreihung der Säulen visuell miteinander verbunden sind. Auf die Eigenart dieser ›visuellen‹ Architektur der Superga soll im nächsten Abschnitt ausführlich eingegangen werden. Durch die »praesentia« der Arkaden und Säulen hergestellt, handelt es sich jedoch um eine syntagmatische Beziehung, die den Votivgedanken in eine raumlogische Anordnung bringt: Durch die Inschrift in der Kuppel verkörpert die Rotunde die Stiftung selbst, der Chor mit dem Altarbild (die savoyische Befreiung Turins von den französischen Belagerern) dagegen den Stiftungsanlass. Die Architektur der Superga im Innern zerlegt also die Aussage der Votivkirche in zwei semantische Einheiten und lagert sie in den beiden räumlichen Dimensionen ein: In der Höhe der Rotunde die dargebrachte architektonische Stiftung, unterstützt von den Heiligen der Dynastie auf den Altarbildern der Diagonalkapellen, als nicht hintergehbare Tiefe die Darstellung des Gebetes an die Muttergottes für einen günstigen Ausgang des militärischen Schlages gegen die französischen Belagerer. Die »Richtungsdifferenz« (Hubala) der Superga,344 die in der Ausprägung der Dimensionen von Rotunde und Chortrakt entsteht, bindet im räumlichen Vollzug auch das Element der Zeit ein.345 Hierin, in der räumlichen Gestaltung, in dem für die Superga spezifischen Kontrast von Höhe und Tiefe, zeigt sich der Stiftungsanlass als ›Dahinter‹ der Stiftung, der damit als dessen kausale Voraussetzung performiert wird. Der durch die Architektur und die ihr eigenen Mittel geformte Raum schafft so eine klare Syntax, die den Votivgedanken in jede Benutzung der Kirche überträgt und ihn erfahrbar macht.

DIE BILDARTIGE STRUKTUR DES R AUMS IM INNEREN DER SUPER GA Was wir als Beziehung für die beiden Hauptbereiche feststellen können – eine visuelle Verbindung, durch welche die räumliche Anordnung zusätzlich Bedeutung erhält – stellt im Inneren dieses Kirchenbaues keine Ausnahme dar. In der Superga werden Blickpunkte konstruiert, um bestimmte Raumpositionen für das Gesamtgefüge wirksam werden zu lassen. Solche durch Architektur geschaffenen ›Ansichten‹ sind jedoch keine Projektionen räumlicher Tatbestände auf einer zweidimensionalen Fläche,346 sondern »real geformte« Räume, die hier im besonderen Maß auf die Modi visueller Rezeption ausgerichtet sind. Die bisherige Analyse der Superga zeigte, wie sehr der Betrachterstandpunkt für die Konstitution des Innenraumes von Belang ist. Deutlich wurde etwa, dass die Rücklagen der Pfeiler im Chortrakt ihre begrenzende Wirkung nur im Konventsraum selbst oder aus einem diagonalen Blickwinkel heraus entfalten. In der Hauptachse verbindet sich der Chorpfeiler mit dem Rotundenpfeiler zu einer Folge, wobei dessen Pilasterordnung den höheren Rang signalisiert. Dieselben Rücklagen treten dann mit den Pilastern des Rotundenpfeilers in Korrespondenz; sie markieren zwar auch hier die Eigenständigkeit des Konventsraumes, kommunizieren aber mit einem ›Vorne‹, das sie dem Kontext der dorti-

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gen Ordnungen unterstellt. Die durch die Ordnungen geschaffene Begrenzung des Chortrakts zerfällt also, sobald der Benutzer den Standpunkt wechselt. Heißt es aber nicht den strengen Gesetzen der Architektur entgegengerichteten Subjektivität zu verfallen, wenn man den Gesichtspunkt der Betrachterorientierung derart geltend macht? Dagegen wäre einzuwenden, dass wir diesem Aspekt in der Praxis der Architekturbenutzung unbewusst oft Rechnung tragen, ihn aber kaum reflektieren. Was die Orientierung des ›Betrachters‹ bei Architektur heißen könnte, ist nicht sehr häufig als architekturhistorische Aufgabe verstanden worden.347 Die frühe kunsthistorische Raumtheorie liefert hierfür den wichtigen Grundsatz, dass Bauwerke bereits geformter, nicht dargestellter Raum sind und daher »auf das gesamte körperliche und vorstellungsmäßige Sein des Betrachters« wirken.348 Wird durch die Architektur ein bestimmter Anblick hervorgerufen, so kommt dieser Ausschnitt nicht ohne den übrigen räumlichen Zusammenhang zustande: »Architektur als solche ist nicht ›Bild‹. Der Raum in seiner Einheit kann nie durch bloß eine Richtung als ein Bild mit einem Mal gesehen und erfaßt werden, denn er ist ringsum.«349 Wenn ich also in Bezug auf die Superga von einer ›visuell‹ geprägten Architektur spreche, setze ich die Besonderheit des gebauten Raums voraus, die stets auf den Leib und nicht nur auf die Sehorgane bezogen ist. Diese umfassende Rezeption der Architektur wird durch die Dominanz des Sehens nicht aufgehoben, sondern lediglich in einer bestimmten Weise strukturiert – wir haben es mit dem »Anschauungsraum« zu tun, wie der visuell bestimmte Raummodus in der Phänomenologie bezeichnet wird.350 Der »Anschauungsraum« vollzieht sich in der Superga durch Blickachsen, die je über feste Standpunkte aufgebaut sind und ihrem Umfeld gegenüber durch bestimmte Rahmenelemente abgesetzt werden. Diese ›Rahmen‹ sind ganz klar Teile des tektonischen Systems, sie verstärken aber die Anschaulichkeit des Raumes. Das wichtigste Beispiel dafür ist das Beispiel der Rotunde. Diese gliedert sich in Unterbau, Tambour und Kuppel mit den Maßverhältnissen 1:1 :1. Liegt der Blickpunkt für die Kuppel lotrecht im Unterbau der Rotunde, so vollzieht sich der Aufbau von Sockelgeschoss, Tambour und Kuppel von hier aus folgerichtig in die Höhe, indem er durch die übereinander gestellten Ordnungen und vertikalen Glieder sinnfällig gemacht wird. Die Errichtung des Innenraumlotes, für August Schmarsow ein ideeller Raum des Ich,351 bedeutet in der Superga ein in die Höhe schießendes, konzentrisches Rund, dessen Untergeschoss durch die Arkaden der Kreuzarme, aber auch in den Pfeilerdiagonalen weitestgehend geöffnet ist. Die Rotunde wird hier nicht durch feste Wandstrukturen begrenzt, sondern hat eine zentrierte, jedoch nicht klar begrenzte Räumlichkeit, die im Anschluss an Hubala als »Raumschale« zu kennzeichnen ist. Für die »um-hafte« Qualität (Heidegger)352 dieser »Raumgestalt« ist das durch eine Balustrade auf den Säulen des Unterbaus aufruhende und zusätzlich profilierte Gebälk ausschlaggebend. Überall sonst, in dem konkav geschwungenen Gebälk der Diagonalpfeiler oder in der kreisförmigen Aufstellung der Säulen, bleibt die Rotunde als »Raumgestalt« nur angedeutet.

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87 Gianlorenzo Bernini: S. Tomaso di Villanova, Castel Gandolfo, Innenansicht der Kuppel, 1658–1661

Für einen Betrachter aus dem räumlich vagen Unterbau heraus verkörpert vor allem der hell hervorgehobene Fries die Idee des Runden, er rahmt aber auch auf prägnante Weise die Sicht auf die Kuppel (Abb. 82). Indem der Zahnschnitt in der Untersicht erscheint und die dunklere Balustrade darüber die Sicht sukzessive verengt, wird dieses »Bild« der Kuppel zusammengedrängt. Dabei setzt sich der helle Fries, sonst in der frühneuzeitlichen Architektur gerne mit einem Schriftzug versehen (Abb. 87), wirkungsvoll gegen die oberen und unteren Teile des Gebälks ab. Analog zu den freien Wandfeldern im Konventsraum ist auch hier von einer architektonischen »Leerstelle« zu sprechen, die durch ihre zylindrische Form den Unterbau als Rotunde endgültig abschließt, mit dem frei gelassenen, hellen Feld aber auch auf diese Funktion im tektonischen Zusammenhang verweist. Bewegt man sich aus dem Zentrum der Rotunde heraus, wird jedoch derselbe Rahmen, den das Gebälk und die Balustrade für die Kuppel bilden, durch die Archivolten der Kreuzarme oder die Architrave der Diagonalkapellen überschnitten (Abb. 60). In diesen Fällen ist die Kuppelschale bis fast zur Hälfte verdeckt, doch bleibt die Inschrift und damit die Anbindung an die inhaltliche Belegung der Kuppel erhalten. Es sind also genau fixierte und berechnete Raumabschnitte, mit denen wir es hier zu tun haben. Das Beispiel der Pfeilerwände (Abb. 54) zeigt sehr einprägsam, dass in der Superga der Zerfall einer architektonischen ›Ansicht‹ stets den Aufbau einer nächsten bedeutet: Indem man auf die Kapelleneingänge zugeht, lässt man das Höhenlot der Kuppel hinter sich, deren Anblick

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dadurch angeschnitten wird. Gleichzeitig errichten die Diagonalwände ein neues ›Bild‹, das die monumentalen Säulen seitlich rahmen und dessen Grenzen in den Arkaden der Kreuzarme liegt. Der Raum der Superga erschließt sich also nicht mit weiterem Vordringen, sondern er »zerfällt progressiv«.353 Dies begründet der »Weststandpunkt«, der Rotunde und Chor in einem einzigen Punkt zusammenführt (Abb. 54). Der Terminus, den die Forschung für die Deckenausmalung von Rokoko-Kirchen prägte,354 meint die Erschließung der Anlage unmittelbar mit Betreten des Kircheninneren. Architektonisch wird der »Weststandpunkt« bei der Superga durch den Eingangsbogen verantwortet. Dieser unterscheidet sich nicht von den seitlichen Kreuzarmen und ist gleichwertig in die Kuppelkonstruktion einbezogen, bildet also kein Vorjoch aus. Damit ist die Tiefe des Chortraktes gleich zu Beginn wirksam, wobei hier der langgestreckte Portikus als Raumerfahrung einzubeziehen ist. Dieser setzt in der Benutzung der Architektur den Ausgangsimpuls, den dann beim Betreten des Inneren der langgestreckte Chortrakt beantwortet. Im Unterschied zur Tiefenachse wird die Vertikale erst allmählich wirksam: Unter dem Eingangsbogen ist die Inschrift in der Kuppel angeschnitten (Abb. 88); dies ändert sich erst, geht man auf das Zentrum zu. Während der »Weststandpunkt« den Stiftungsanlass in der horizontalen Koordinate gleich mit Betreten des Innenraumes präsentiert, verschränkt sich diese erst in der Bewegung des Betrachters mit der Vertikale. An der Verschränkung der beiden Hauptrichtungen im Zentrum der Rotunde wird deutlich, was Gertraude Huber als »optisches Nachvollziehen« einer Hintereinanderfolge verschiedener Teilräume beschreibt.355 Die Rotunde fungiert dabei als ›Verteiler‹, der die wichtigen Blickachsen des gesamten Kirchenraumes sammelt. In ihr selbst aber bilden die Diagonalen, welche die Pfeiler des Oktogons zusammenfassen und die als Eingang in die dazwischen liegenden Kapellen dienen, Blickbahnen aus. Durch diese entstehen Raumbeziehungen, die sowohl den Unterbau als auch den Kuppelbereich betreffen. Zum Einsatz kommen die Elemente von Wandgestaltung schlechthin – Säulen, Eingang und eine darüber sitzende Öffnung. Diese ›Wände‹ sind nicht nur wichtige Positionen aufgrund der Pfeiler, die sie zusammenschließen und damit kaschieren, sondern auch wegen ihrer Gestaltungsdichte, mit der die Rotunde vom Unterbau aus erfahrbar gemacht wird. Die Emporenfenster (Abb. 59) thematisieren dabei das Sehen selbst. Der Blick wird hier nicht nur in die Höhe geführt wie durch die vertikalen Elemente der Ordnungen, sondern auf der höchsten Ebene des Unterbaues festgepflanzt. Hierfür sorgt die aufwendig herausgearbeitete Öffnung, deren ziselierter Schmuck sich von den Gliederungen unterscheidet: Durch einen seitlich eingeschnittenen Segmentbogen abgeschlossen, ist sie mehrfach profiliert und in ein eigenes Wandfeld eingelassen, das seitlich durch Lisenen und oben durch ein Schmuckfeld gerahmt ist. Über dem Segmentbogen führt ein Keilstein, den Voluten bilden, Girlanden der sich hinter den seitlichen Säulenkapitellen hervorwindenden Akanthusblätter zusammen. Die Öffnung schließt nach unten durch eine aufwendig gestaltete und vorgewölbte Brüstung ab, sie endet in einer figürlich besetzten, liegenden und nach

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88 Filippo Juvarra: Superga, Turin. Innenansicht der Kuppel, Weststandpunkt

innen gerollten Volute. Diese nicht zu übersehende Üppigkeit des Fenstermotivs steht im Kontrast zu dem einfach gestalteten Eingang in die Kapelle, unmittelbar unter dem Fenster durch das Gebälk und die seitlichen Pilaster gebildet. Dennoch stellen das Emporenfenster und der Kapelleneingang durch die beiden korinthischen Säulen eine Einheit dar, sie rahmen die beiden übereinandergestellten Öffnungen, bringen diese in eine ›kolossale‹ Achse. Die Rotunde, zu deren Gestalt die vier Diagonalen im Unterbau entscheidend beitragen, wird so mit dem Emporenfenster und dem Kapelleneingang an zentraler Stelle durchbrochen. Somit bestätigt sich die »Raumschale«, deren reliefartigen Aufbau wir als Merkmal der Rotunde feststellten, am Relief der Diagonalen. Nicht nur, weil diese durch ihren dunklen Kontrast zu den anderen Teilen das Rund des Unterbaues rhythmisieren, sondern vor allem, weil durch die vertikale Stapelung von Fenster und Eingang die Dimension von

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›Oben‹ und ›Unten‹ und damit die wesentliche räumliche Dimension der Rotunde bereits im Unterbau veranschaulicht wird. Ist der kompakt geschnittene Coretto für sich genommen schon eine gestalttheoretisch einprägsame Figur, so nimmt diese als Mitte zwischen den beiden Säulen eine ausgezeichnete Stellung ein. ›Mitte‹ heißt hier das architektonisch gestaltete Privileg, zu sehen und gesehen zu werden. Wir wissen, dass die Empore für Angehörige des Turiner Hofes genutzt wurde, die sich so in zweifacher Hinsicht ins Zentrum der Superga rückten: als Beobachtende aus erhöhter Position, aber auch als Beobachtete von unten. Das Fenster als Kontaktzone zwischen Innen und Außen, das die Möglichkeit visueller Kontrolle beinhaltet,356 wird für diese soziale Schicht gerahmt durch das Ranghöchste, das die vitruvianische Architektur zu bieten hat: zwei korinthische Säulen. Als Würdezeichen rückt das Kapitell an die Seite der Hofloge und verleiht dieser den einzigen Schmuck, den die Architektur zu vergeben hat. Darüber hinaus markiert es auch eine räumliche Position, die hier dazu beiträgt, das Wandfeld zu dem wichtigsten Anziehungspunkt im Zentralraum der Superga zu machen. Die Kapitelle rahmen nicht nur das Fenster und verknüpfen sich mit ihm in der Girlande, sondern das Fenster erhält durch sie eine immanente Verbindung mit dem Betrachter. In der vitruvianischen Architektur sind die Maße der Säule das Analogon zum menschlichen Körper, und die Kapitelle gelten als ›Kopf‹ der Säule.357 So gesehen, wird durch die Kombination von Kapitellzone und Emporenfenster die Höhendimension im Körper- und Raumempfinden des Betrachters direkt angesteuert. Durch die Verbindung des Fensters mit den Säulenkapitellen wird der Bezug zum Betrachter qualitativ verstärkt. Dieser ist nicht nur wegen des Fensters von oben einer potentiellen Sicht ausgesetzt und richtet deswegen den Blick nach oben. Die Emporenfenster lösen so das Sehen als reziproke Handlung aus, sie binden aber durch die seitlich von ihnen angebrachten Kapitelle den Betrachter in einer noch grundsätzlicheren Weise ein: für die Konstitution der ›Höhe‹ als raumbildender Konstituente. Der Betrachter ist hier eine äußerst aktive Figur, im wörtlichen Sinne ›maßgebend‹ für die Architektur. Thematisiert das Emporenfenster (Abb. 54, 59) das Sehen als Rezeptionsmodus, so wird dieses durch die Kopplung des Wandfeldes mit den Kapitellen zu einer umfassenden raumkonstituierenden Handlung. ›Sehen‹ vollzieht sich hier nicht nur zweckgebunden durch das Fenster, sondern wird zusammen mit den Mitteln vitruvianischer Architektur erzeugt. In der Verbindung von Kapitellen und Emporenfenstern sind es auch hier die Ordnungen, die raumkonstituierend wirken. Versteht man die Emporenfenster als besonderen »Aufforderungscharakter« (Lewin) im Inneren der Superga,358 der ›Sehen‹ als bedeutungskonstitutive Handlung hervorruft, so initiiert die Gestaltung des Wandfeldes den unmittelbaren Konnex zum Betrachter. Indem die Kapitelle die Dimension ›Höhe‹ auf den Betrachter beziehen, bleibt diese nicht abstrakt, sondern wird zu einer qualitativen Dimension, die in vielfacher Weise ästhetisch, kulturell und sozial rückgebunden ist. Die Emporenfenster schaffen so eine räumlich äußerst produktive Zone im Unterbau: in der diametralen Verspannung der vier Motive, die schon durch ihre Position auf den

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89 Gianlorenzo Bernini: S. Maria della Vittoria, Rom, Capella Cornaro, Westwand

Binnenraum der Rotunde gerichtet sind; in der umfassenden Übermittlung der Dimension ›Höhe‹ auf den Betrachter. Dass der Metaphorik des ›Oben‹ stets ein körperlich und räumlich empfundenes ›Unten‹ zugrunde liegt,359 macht das Beispiel der Emporenfenster in der Superga mehr als deutlich. Die vertikale Stapelung von Öffnungen an den Diagonalpfeilern der Rotunde hat aber auch eine architekturhistorische Bedeutungsschicht. Wie bereits dargelegt, fehlen in der Superga die Pendentifs, stattdessen ersetzen Logen die bis dahin übliche Überleitung vom polygonalen Unterbau zur zylindrischen Kuppel. Hier wird nicht die antike Vorstellung von Kuppel umgesetzt, die auf einem massiven Zylinder ruht.360 Vielmehr schaffen die bis zum Ansatz des Tambours reichenden Säulen zusammen mit den Pilastern ein ›Gerüst‹, das Tambour und Kuppel unmittelbar trägt. Die Vorstellung eines Gliederbaues, dessen Wand die Schwere entzogen ist, entsteht also nicht nur durch die Säulen im Unterbau, sondern auch durch die Emporenfenster, die den Blick des Betrachters nach oben ziehen. Architekturhistorisch finden wir solche Emporenöffnungen in der römischen Kirche Santa Maria della Vittoria, an den Seitenfenstern von Berninis Cornaro-Kapelle (Abb. 89). In der Superga wiederverwendet, führen sie das Moment des Betrachtens und Betrachtetwerdens in der Loge vor: Nahezu identisch ist der Abschluss mit dem eingeschnittenen Segmentbogen, den ein Keilstein hält – die Profilierung bei der Superga noch verdoppelt –, der Abschluss durch eine Brüstung. War das Motiv der Emporenöffnung in der Cornaro-

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Kapelle ein illusionistisches Seitenbild, das den Gläubigen an die Verzückung der Heiligen Theresa im Altarzentrum heranführte,361 so wird es in der Superga zu einem wirklichen Fenster. Es rückt hier in die dem Betrachter gegenüberliegende Front vor und bringt so die ursprüngliche Funktion solcher Coretti ins Innere der Superga: Räume für eine zurückgezogene, beobachtende Schicht von Personen zu sein.362 Die räumlich dichten Beziehungen, die sich durch die Emporenfenster für den Unterbau ergeben, werden durch die architekturhistorischen Anspielungen semantisch unterfüttert. Dem gebildeten und reisenden Betrachter dürfte das Rom-Zitat kaum entgangen sein, gleichzeitig gibt das Coretto-Motiv dem Inneren der Rotunde einen weltlich-höfischen Charakter. Vom Einzelmotiv der Emporenfenster her bestätigt sich damit die »Raumschale«, die wir bei der Analyse des Grundrisses als raumkonstitutiv festgestellt haben. Das Raumbild der Rotunde bestimmen die Diagonalachsen, die sich dem Betrachter mit Betreten der Kirche entgegenstellen, nicht nur als Träger der acht Säulen, sondern auch durch die Öffnungen, die von diesen kunstvoll gerahmt werden. Insbesondere die Emporenfenster, welche die Wand gerade in der für die Gewölbe bedeutsamen oberen Zone auflösen, steigern die Komplexität dieser Schicht. Als Elemente hintereinandergestaffelt, bilden Säule, Wand und Öffnung eine »Körper-Grund«-Konstellation,363 wobei das Dunkel der Öffnung den Grund abgibt. In der architekturhistorisch anspielungsreichen Gestaltung der Coretti und ihrer Verknüpfung mit den Kapitellen wird aus den Emporen eine räumliche Zone, die den Rezipienten auf eine betrachtende Rolle festlegt. Nicht ›inmitten‹ der Dinge, sondern in »ausschließlicher Gegenüberstellung« ist hier der Betrachter.364 Sein Standpunkt ist die unbestimmte Mitte der Rotunde, die sich im Abschreiten der Diagonalen bzw. dem Zugehen auf ihre Kapelleneingänge ergibt. Da auch die Altäre in der Querachse mit den Darstellungen aus dem Marienleben auf den Hauptaltar bezogen sind und die Reliefs in ihrer Zeitlosigkeit beanspruchenden Gestaltung den Betrachter vorne halten,365 wird dieser in der Rotunde in eine Position gebracht, die ihm verhältnismäßig wenig Bewegung abnötigt. Eine derartig prinzipielle Gegenüberstellung des Betrachters bedeutet durch die bildmäßige Gestaltung ein »polares Spannungsverhältnis« (Ströker) zur Architektur. Diese rezeptionsästhetische Voraussetzung der Architektur der Superga bedingt Innenräume, die das Thema der Votivkirche in der Verschränkung der beiden Hauptachsen ausformen. Hierbei wird der durch die kreisförmige Aufstellung der Säulen anklingende Typus des Grabbaus und Memorials zu einer neuen räumlichen Qualität verwoben. Ist das »Raumbild« der Rotunde bei der Superga als ein bewusst ›hoher‹ Raum gegeben, so präsentiert er sich im räumlichen Vollzug wörtlich als Gegengewicht des in der Tiefe eingelagerten ›historischen‹ Gelübdes.366 Die Räumlichkeit der Superga transportiert somit ›Höhe‹ im anthropologischen Sinn als Dimension des Sieges, integriert ihn jedoch gleichzeitig in die demütig rückgebundene Syntax der Votivkirche.

130 | Anschauungsräume des Sieges: die Superga

DER AUSSENBAU DER SUPERGA Im Rahmen der methodischen Überlegungen zur Schauseite des Zentralbaus (S. 72–75), haben wir die beiden Turmflanken als die wichtigsten Konstituenten einer Fassade der Superga genannt. Streng genommen sind es bei der Superga jedoch nicht Türme, sondern die als dreiachsige Wand gestalteten Seiten des Baues, denen jeweils in der mittleren Travée ein Glockengeschoß aufgesetzt ist. Von diesen Seiten her entsteht die Schauseite, die das Innere der Superga nicht im Sinne eines 1: 1-Abdrucks nach außen bringt, die Hohlform des Zylinders also nicht in eine Positivform ›umstülpt‹, sondern statt dessen Eigenständigkeit für die Prägung des Außenraums beansprucht. Hierbei sind die Turmflanken insofern konstitutiv, als aus deren raumhaltiger Verbindung von Kirche und Kloster eine Fassade hervorgeht, die in der Lage ist, das gesamte Gebäude zu repräsentieren. Wichtigste Aufgabe der Türme für die Prägung des Außenraums ist die Herstellung der Höhendimension, welche die nach allen Seiten gleichmäßig wirkende Kuppel durch eine eigene, richtungsgebende Qualität ergänzt. Welche Rolle die Kategorie der Vertikalität bei der Superga insgesamt spielt, wird deutlich, wenn wir uns nochmals vergegenwärtigen, dass ihr Tambour dieselben Maße besitzt wie die Kuppel und der Unterbau. Dieser Betonung der Höhe verdankt die Superga ihre Wirkung im Wahrnehmungsraum des Territoriums. Die Türme orientieren aus der weiten Ebene um Turin: Sie machen die Vorderseite des großen Komplexes erkennbar, sind dessen Anzeiger und Richtungsgeber und übertragen die Superga vor allem als christlichen Kirchenbau in die Ferne. Dabei unterstützt die parallele, nach hinten gezogene Position der Türme nicht nur die von der gerichteten Rotunde ausgehende Axialität, welche die Superga an die Stadt anbindet. Die Türme sind vielmehr Bestandteil der Fassade, machen diese zu einem »long distance item«.367 Eine solch zusätzliche Ausrichtung von überkuppelten Zentralbauten gegenüber der freien Landschaft durch zwei Vertikalen war zu diesem Zeitpunkt keineswegs neu. Bernini hatte an der rückwärtigen Seite des Rundbaues von S. Maria Assunta in Ariccia offene Glockentürme schräg eingestellt (Abb. 90–91), wodurch die Kirche gegenüber dem abfallenden Gelände zur Stadt hin markant positioniert wurde. Sie erhielt gewissermaßen eine ›Stadtseite‹, während die Eingangsseite mit dem Portikus dem Chigi-Palast gegenübergesetzt ist. Diese Grundkonstellation gibt auch Juvarra in einer Zeichnung wieder, welche die Beziehung von Kirche und Palast vor dem Bau einer die Situation verändernden Brücke im 19. Jahrhundert deutlich macht (Abb. 92). Ebenfalls offene Glockentürme, jedoch vorne aufgesetzt, errichtete Bernini für die heute zerstörte Klosterkirche S. Bonaventura in Monterano (Abb. 93). Als überkuppelter, einem quadratischen Grundriss eingeschriebener Zentralbau, war die Kirche durch ihren Chor in den querrechteckigen Klosterkomplex integriert. Neben den architektonischen Parallelen in der Struktur verbindet sie mit der Superga ihre freie Lage auf einem hoch gelegenen Hügelplateau. Hellmut Hager beschreibt S. Bonaventura treffend »as the culmination of an isolated building complex that terminates the view at the far end of the mountain

131 | Der Außenbau der Superga

90 Gianlorenzo Bernini: S. Maria dell’Assunzione, Ariccia, 1662–1664, Grundriss

91 Gianlorenzo Bernini: S. Maria dell’Assunzione, Ariccia, Ansicht aus Richtung Albano Laziale

132 | Anschauungsräume des Sieges: die Superga

92 Filippo Juvarra: Palazzo Chigi und S. Maria dell’Assunzione, Ariccia, Federzeichnung

93 Gianlorenzo Bernini: Projekt für S. Bonaventura, Monterano, Zeichnung

133 | Der Außenbau der Superga

94 Montepulciano, S. Biagio, 1519–1526, gesehen aus Richtung Norden

plateau.«368 Diese beiden Fälle repräsentierten im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts eine ganze Welle von Entwürfen zu Glockentürmen. Hierzu Hager: »[…] it was just at this time that the motive of the open twin bell towers proportionally related to the drum of the church again became fashionable.« Mit der Planung für S. Biagio in Montepulciano (Abb. 94) von Antonio da Sangallo ließe sich ein frühes Beispiel nennen für eine Konstellation zweier Glockentürme, die eine große Kuppel in ihre Mitte nehmen. Gerade an dem nicht völlig zu Ende ausgeführten Beispiel zeigt sich, wie mit dem an die Seite einer Giebelfront gestellten Turm eine Verbindung von Fläche und Vertikale entstand, die in ihrer Prägnanz die freie Landschaft auf sich beziehen konnte.369 Es wäre jedoch verfehlt, den Typus zweier Türme mit einer mittigen Kuppel auf die Lage in der Landschaft zu beschränken. Verfolgt man diese Typologie, so sind im Gegenteil einige der wichtigsten Beispiele städtisch geprägt.

ARBEIT AM T YPUS: DIE DOPPELTURMANLAGE MIT KUPPEL Die Konstellation zweier Türme mit einer Kuppel in der Mitte entstand als Typus im italienischen Kirchenbau der Frühen Neuzeit. Nördlich der Alpen fand die Zwei-TurmAnlage im Mittelalter eine starke Ausprägung, südlich der Alpen aber bereits in frühchrist-

134 | Anschauungsräume des Sieges: die Superga

95

Anonym: S. Lorenzo, Mailand, Aufriss und Querschnitt, 1573

96 Rom, St. Peter, Caradossa-Medaille

135 | Der Außenbau der Superga

97 Filippo Juvarra: Superga, Turin. Ideenskizze vor Beginn des Projekts

98 Santuario della Beata Vergine, Vicoforte, 1682, kolorierter Kupferstich, aus: Theatrum Sabaudiae

136 | Anschauungsräume des Sieges: die Superga

99 Vicoforte bei Mondovì, Wallfahrtskirche Regina Montis Regalis, 1596; 1729–1731

licher Zeit.370 Das wichtigste frühchristliche Beispiel ist S. Lorenzo Maggiore in Mailand (355–372 n. Chr.): eine Kreuzkuppel-Disposition, deren zentraler Baukörper auf quadratischem Grundriss beruht (Abb. 95). Der hohe Kuppelbau im Zentrum wird von vier zweigeschossigen, ebenfalls überkuppelten Exedren umgeben, in deren Ecken vier Türme gesetzt sind und die mit je zwei Türmen eine Seite bilden.371 Diese Anlage war, wie aus dem Ausführungsplan von Bramante für St. Peter hervorgeht (Florenz, Uffizien 8A), beispielgebend für die christliche Hauptkirche, in deren Ecken Sakristeien vorgesehen waren, darüber sollten Glockentürme aufragen. Hohe Campanili finden sich auch in der Gründungsmedaille von St. Peter (sog. Caradossa-Medaille, Revers, 1506) (Abb. 96).372 Im Prinzip dasselbe Modell zeigt die als »pensiero« bekannte Zeichnung Juvarras, sie repräsentiert ein frühes Planungsstadium zur Superga: Die Türme sind hier sogar, anders als in der Ausführung, noch wesentlich höher als die Kuppel (Abb. 97).373 Die von Ascanio Vitozzi vollendete Wallfahrtskirche Regina Montis Regalis in Vicoforte bei Mondovì, zugleich geplante dynastische Grablege der Savoyer (bis zur Nutzung der 1773–1778 eingerichteten Krypta der Superga), ist nach demselben Muster gestaltet (Abb. 98–99): Vier quadratische Ecktürme, je paarweise in einen Block eingebunden, rahmen hier einen ovalen Kuppelbau.374 Als der bedeutendste christliche Sakralbau zeigte St. Peter in Rom seit seiner neuzeitlichen Umgestaltung, die ständig zwischen Zentralbau und Längsbau hin- und heroszil-

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100 Raffael: Fassade von St. Peter, Rom, nach Modell von 1518–1519 (Rekonstruktion Chr. L. Frommel)

lierte,375 immer wieder Ansätze für den Bau einer Doppelturmanlage. Hierzu gehören Planungen von Bramante und Giuliano da Sangallo, Raffael (Abb. 100), Maderno, Rainaldi, vor allem aber die durch Bernini auf die Enden der Fassade gesetzten Türme.376 Diese von Papst Paul V. initiierte Planung, die bekanntlich fast mit dem Einsturz der Glockentürme Berninis (1646) endete und dem bereits zahlreiche Vorschläge anderer Architekten vorausgingen,377 sind präsent in den Glockentürmen von S. Agnese in Agone. Wie bei den Plänen Berninis für St. Peter, die in Zusammenarbeit mit Carlo Rainaldi entstanden,378 bildet bei S. Agnese ein Portikus mit vier Säulen die vorderste Raumschicht. Eine weitere Ebene, als zweigeschossige Palastwand gegliedert, liegt dahinter. Bei St. Peter war dies die Fassade Madernos, deren übergroße Breite man mit den Türmen zu mindern suchte. In einem gemeinsamen Entwurf Berninis und Rainaldis für St. Peter sollten vor die Maderno-Fassade zwei frei stehende, seitliche Campanili sowie ein zentraler Portikus gestellt werden, so dass die Fassade wie hinter die Türme gezogen gewirkt hätte (Abb. 101). Bei S. Agnese sitzt eine konkave Wandebene in der Travée zwischen dem Portikus und den beiden Türmen (Abb. 44). Diese konkave Travée verbindet die Türme, den Portikus und die Kuppel zur Außenseite hin. Über ihr liegt eine breite Attika, der zusätzlich eine Brüstung aufgesetzt ist. Die Travée ist somit integraler Teil des Vorbaus, hinter dem die Kuppel liegt und der als Narthex die Türme an den übrigen Komplex heranführt.379 Die Turiner Anlage zeichnet sich bei aller Ähnlichkeit der Türme mit S. Agnese – sie sind bei der Superga lediglich auf ein durchbrochenes Glockengeschoss mit freistehenden Säulen reduziert – vor allem durch die nach vorne geschobene Position des Kuppelunterbaus aus (Abb. 102). Dieser Formation fehlt jedoch sowohl die konkav-konvexe ›Bewegt-

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101 Gianlorenzo Bernini: St. Peter, Rom, Projekt zur Neugestaltung der Fassade und der Glockentürme, 1645

102 Filippo Juvarra: Superga, Turin, südlicher Glockenturm

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heit‹ der Fassade, wie sie S. Agnese aufweist und wie er typisch ist für den römischen Kirchenbau des 17. Jahrhunderts. Der zweite wichtige Fassadentypus der Zeit, eine auf die flache Wandscheibe applizierte Fassade, der seit Il Gesù entwickelt wurde,380 konnte für den Zentralbau Superga ebenfalls nicht in Frage kommen. In der Beziehung von Innen und Außen üben die beiden Fassadentypen eine unterschiedliche Funktion aus: Während die Wirkung der erstgenannten Gruppe auf den Straßenraum eine aktive, eigenständig ausgreifende ist, liegt die Leistung der zweiten Gruppe vor allem in der Repräsentation des Inneren nach außen. Die Superga gehört zu keiner der beiden Gruppen, was jedoch keineswegs heißt, dass hier räumliche Absichten durch die Vorderseite aufgegeben wären; vielmehr wechseln diese in einen anderen Modus. ›Fassade‹ entsteht bei der Superga in der Kombination betont eigenständiger baulicher Körper, die jedoch durch die Ordnungen als gemeinsame Einheit strukturiert sind. Dabei bleibt die ausgeprägte Gestaltung der einzelnen Baukörper nicht ohne Folgen für den Typus der Doppelturmanlage: Indem der zylindrische Unterbau hier weit aus der Wand vorspringt, wird das Schema der Doppelturmanlage, wie Gertraude Huber treffend bemerkt, ins Räumliche umgedeutet.381 Diese »Arbeit« am Typus der ›Doppelturmfassade‹382 muss eine Analyse der Fassade sowie der äußeren Gestalt der Superga methodisch einbinden.

DIE SCHAUSEITE DER SUPER GA ALS PORTIKUSFASSADE Bei dem »dono«, einem Entwurf, den Juvarra 1707 als Geschenk an die römische Accademia di San Luca übergab383 und das den wichtigsten Bezugspunkt der Superga im früheren Werk Juvarras darstellte (Abb. 79),384 waren die Glockentürme vom Zentralkörper der Kirche getrennte Rundbauten, deren lose Verbindung zum Kirchenkern ein Säulendurchgang gestaltete. Damit griff Juvarra auf den Entwurf Berninis für die Glockentürme von St. Peter zurück, die hinter den nach vorne gerückten und ausgebauten Portikus zurücktreten sollten (Abb. 101). Im »dono« Juvarras waren die nur lose angehängten Türme durch die Sakristei als seitlichem Abschluss an den Kirchenkern angebunden. Anders bei der Superga: Der Turm wurde hier in einen eigenen Block integriert (Abb. 29–30), Zentralbau und Turm durch ein Joch miteinander verbunden, das einen Durchgang zu den Arkaden im Hof des Stifts bildet. Ein weiteres Joch schließt den Block ab und bildet einen Durchgang in das Kloster. Dieser Block ist nach außen als durchgehende Wand gestaltet (Abb. 32, 107), deren Gliederung eine Palastfassade zu erkennen gibt. Das vermittelt vor allem die Einteilung in zwei Geschosse, wobei das Erdgeschoss mit zwei Türen links und rechts eine Eingangszone bildet, während das erste Geschoss von Fenstern durchzogen ist, die alternierend Dreiecks- und Segmentbogengiebel bekrönen. Die Gliederung erfolgt durch kolossale korinthische Pilaster, auf ihnen ruht ein hohes Gebälk sowie eine als Brüstung ausgebildete Attika, in die das Turmgeschoss eingesetzt ist. Als ›Unter-

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103 Giovanni Maggi (nach Carlo Maderno): St. Peter, Rom, Vedute des Fassadenentwurfs

bau‹ des Turms wird die mittlere Travée hervorgehoben, indem deren Pilaster zu den Außenseiten hin Rücklagen erhalten. Ihnen entsprechen die Pilaster der äußeren Travéen. Die Mitte wird so hervorgehoben, wobei die vorgelegten mittleren Pilaster sich auch mit dem Gebälk verkröpfen, so dass die massiven Turmpfeiler (vgl. Abb. 30) komplett in die Gliederung übertragen werden. Darüber hinaus sind die Pilaster der mittleren Travée nach innen hin von einem durchlaufenden Wandstreifen begleitet, der sich mit der Geschossgliederung verkröpft. Die feine Gliederung der Turmflanke, deren Grundelemente auch die Fassade eines Schlosses oder eines Palais bilden könnten, ist mit einer Travée um die Ecke gezogen. Hier endet der Kirchenbau, was der Vorsprung des Turmtrakts deutlich macht, der in schroffem Kontrast steht zur Ziegelmauerwand des Konvents (Abb. 107). Vor allem diese ›Ecklösung‹ zeigt, dass der eigentliche Inhalt der beiden Flügel, der Turm, durch den Stiftsbau eingebunden wird. In ihren beiden äußeren Travéen kommunizieren die Turmflanken mit dem dahinter liegenden Kloster, indem sie jeweils als Durchgang dienen, wobei gleichzeitig der Restraum zum Kloster und zur Kirche aufgefüllt wird. Die dadurch entstehende durchgehende Front bindet nun mit ihrer palastartigen Gliederung den zylindrischen Unterbau ein. Trotz aller Plastizität des Unterbaus ist die Superga somit typologisch als Block- oder Portikusfassade einzustufen, die von dem räumlich ausgeprägten Baukörper der Turmflanken ausgeht.385 Solche Fassaden verweisen auf frühe Planungen zu St. Peter, wo der seit Michelangelo bestehende Zentralbau ein Mittelportal und eine Benediktionsloggia als Abschluss erhalten sollte und damit eine ›Fassade‹ zur Stadt hin entstand. Was bei Antonio da Sangallo d. Ä. noch einzelne Türme und eine Vorhalle waren,386 fasste Maderno beim

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Bau des Langhauses zu einem Block zusammen (Abb. 103), der dann durch Bernini als Unterbau für seitliche Türme genutzt werden sollte. Bei der Superga nun findet eine extreme räumliche Dehnung dieses Modells durch den fast vollständig als Zylinder exponierten Unterbau sowie die Vorhalle statt. Indem die Türme durch je eine eigene Travée sowohl an das Kloster wie auch an die Kirche angebunden sind und somit der zentrierte Bauteil der Rotunde durch das raumhaltige Element der Seitenflügel eingefasst wird (Abb. 30–32), entsteht die Fassade der Superga. Ihre Bewährungsprobe ist der bis in die letzte Position nach außen gezogene Kuppelbau, von dem nur die jeweils letzte Diagonalkapelle im Klosterkomplex verbleibt. Der ganze übrige Teil des Unterbaus tritt vor die Turmflanken und zeigt sich als plastischer, annähernd rund geformter baulicher Körper, der auf der Längsachse so weit wie möglich herausgeschoben wird. Damit tritt eine Rotunde nach außen, wie sie das Pantheon in Rom aufweist (Abb. 104). Diese Exponiertheit der Superga-Rotunde auf der Längsachse wird durch die als ionischer Tempel errichtete Säulenvorhalle mit vier Stirnsäulen und Giebel verstärkt, in deren Mitte ein geweitetes Interkolumnium den Eingang bezeichnet (Abb. 29). Nach demselben Muster sind auch die Seiten gebildet, die somit ebenfalls als Eingang gelten und eigene Treppenzugänge erhalten (Abb. 105–106). Auf diese Weise entsteht eine ungewöhnliche quadratische Vorhalle, welche die Längsachse, auf der sich der Kirchenbau mit seinen verschiedenen Elementen aus dem Kloster herausschiebt, bis ins letzte Glied in den Außenraum überträgt (Abb. 29, 32). Dass Juvarra mit dieser Anordnung baulicher Glieder und ihrer Zusammenfassung in einer ›Fassade‹ eine möglichst weitgehende Verbindung von Kirchengebäude und Territorium verfolgte, zeigt der Entwurfsprozess, in dessen Verlauf einerseits auf eine größere Höhe des Gebäudes abgezielt wurde. So stand bei dem Holzmodell (Abb. 108), das bereits in die Phase der Realisierung gehörte, der Kirchenbau noch nicht auf einer terrassenartigen Erhöhung wie in der Ausführung; außerdem fehlte dort der Sockel des Tambours. Gegenüber dem Holzmodell wurde – neben Veränderungen, die vor allem den Tambour betrafen – der Portikus in der Ausführung auf drei seitlichen Achsen an der Seite verlängert, während das Modell nur eine seitliche Achse besaß sowie eine Scheinsäule, die zur Rotundenwand vermittelte.387 Wenn die Superga die Dimension der Höhe in besonderem Maße darstellte, so gibt es jedoch eine zweite räumliche Kategorie, die in der diesbezüglichen Forschung bisher so gut wie nicht thematisiert wurde: die Horizontale und damit die Vermittlung des Votivgedankens zur Stadt hin. Der Turiner Bau schließt auch in der Ausprägung dieser räumlichen Kategorie an das Pantheon in Rom an, das sich bereits durch seine Axialität im Inneren auf das Äußere bezieht, und nicht erst durch die Vorhalle.388 Als Doppelturmanlage mit einer hohen Kuppel, der hervortretenden Rotunde und dem weit vorgestreckten Portikus realisierte die Superga, was Palladio die Wächterfunktion des Kirchenbaus nannte: »Man macht die Vorderseiten der Tempel so, dass sie den größten Teil der Stadt überblicken, damit die Religion wie ein Wächter und wie ein Beschützer der Bürger aufge-

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104 Rom, Pantheon. Blick von Nordosten auf die Rotunde

105 Filippo Juvarra: Superga, Turin. Portikus

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106 Filippo Juvarra: Superga, Turin. Portikus, südliche Seite

107 Filippo Juvarra: Superga, Turin. Kirche mit anschließendem Stiftskomplex, 1716–1731

stellt erscheint. Errichtet man jedoch die Tempel außerhalb der Stadt, so wirken ihre Vorderseiten wie Wächter der öffentlichen Straßen und der Flüsse, in deren Nähe sie erbaut sind. So können die Vorübergehenden sie sehen, grüßen und Ehrenbezeigungen vor der Fassade des Tempels erweisen.«389 Zu einem solchen »Wächter« wird die Superga jedoch nicht durch die einzelnen baulichen Körper ihrer Vorderseite, die sie fast stereometrisch rein ausprägt, sondern erst durch deren gestaltetes Zusammenwirken als Fassade. Sie ist das genau austarierte Schnittfeld, in dem die Superga den Raum von Stadt und Territorium auf sich bezieht, während umgekehrt aus dem Raum der Kirche der Votivgedanke nach außen gelangt. Hierfür wird die Tradition der Portikusfassade aufgerufen, die den großen Komplex von Kloster und Kirchenbau strukturell zusammenbringt, aber auch als Ebene von Informationen in das Territorium hineinwirkt. Die von der Forschung immer wieder bemerkte

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Carlo Maria Ugliengo: Holzmodell der Superga, nach dem ersten Projekt von Filippo Juvarra

Aufgliederung der Vorderseite der Superga in verschiedene, stereometrisch klar umrissene Bauteile verteilt sich auf wenige Raumachsen, die entweder nach vorn, in die Horizontale gerichtet sind, oder nach oben, in die Vertikale. Kreuzungspunkt dieser beiden Raumachsen in der Fassade ist die Ansicht über Eck, in der Kuppel, Türme, Unterbau und Portikus in eine Schnittebene gebracht sind. Damit klingt bereits an, dass es neben der zentralen Ausrichtung über die Mittelachse noch einen weiteren bevorzugten Rezeptionsstandpunkt gibt. Bleiben wir beim Portikus selbst, der entscheidend ist, wenn es um ›Richtung‹ beim Zentralbau geht. Letzteres entspricht der generellen Forderung Albertis für die Schauseite des »Rundtempels«. Bei der Superga jedoch entsteht in der Kombination des Portikus mit den übrigen Teilen von deren Vorderseite eine Fassade, die auf den Raum vor sich einwirkt, indem sie den Raum hinter sich reflektiert. In der frühneuzeitlichen Architektur wird der Portikus keineswegs nur dem klassischen Vorbild entsprechend als Säulenhalle vor den Kernbau gesetzt. Im Gegenteil, die Portikusfassaden zeigen häufig eine Tempelfront, die auf eine Wandscheibe aufgeblendet ist. Diese wird mit Öffnungen versehen, die den Portikus ausmachen. »Dadurch ergibt sich«, schreibt Hermann Schlimme, »weder ein vorbildgetreuer Säulenportikus, noch wird ein zweidimensionales Bild der Tempelfront erkennbar, weil hierfür wiederum der Wandrest keinen ausreichenden Hintergrund bildet bzw. weil die Öffnungen der Wand die Gestalt der Interkolumnien und damit die ganze Tempelfront verunklären.«390

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109 Alt-St. Peter, Rom, Rekonstruktion von Richard Krautheimer, 1983

Was das heißt, wurde bereits an der von Alberti selbst errichteten Kirche S. Sebastiano in Mantua deutlich (Abb. 50–51). Während der Pronaos des antiken hellenistischen Tempels mehrere Vollsäulen zu einer Front aneinander reiht und damit eine lichte Zwischenzone schafft, schließt Alberti die als Rechteckkörper gebildete Vorhalle. Diese Art des Vorbaues entspricht dem Beispiel von Alt-St.-Peter in Rom, das einen vermutlich aus mehreren Elementen zusammengesetzten, rechteckigen Portikus mit drei Öffnungen aufwies (Abb. 109).391 Der Pilasterordnung mit drei Feldern, die auf den originalen Bau des 15. Jahrhunderts zurückgeht,392 entsprechen bei S. Sebastiano die drei großen Öffnungen an der Seite und in der Mitte. Wird die Vorhalle durch eine Wand geschlossen und mit Hilfe einer Pilasterordnung gegliedert, wie dies in der Frühen Neuzeit üblich war, so erlaubt dies eine höhere Flexibilität des Baus, wie das Mantuaner Beispiel zeigt. Nach innen ein ungerichteter Zentralbau, kann hier das Kirchengebäude durch den zur Wand umgedeuteten Portikus auf ein äußeres Umfeld bezogen werden und zeigt eine neuartige Eigenständigkeit. Einen aus dieser Anordnung von Zentralbau und Portikus hervorgehenden polyfokalen Bezug zum Außenraum verwirklicht S. Maria della Salute in Venedig (1631–1648) (Abb. 53, 110). Den Seiten des oktogonalen Zentralkörpers sind Ädikulen vorgesetzt. An der Vorderseite ist die Ädikula erhöht und für den Eingang mit einem Triumphbogen durchbrochen, den seitlich je ein Säulenpaar begleitet. Die sich hieraus ergebende additive Struktur gilt dem sich vom Wasser auf die Kirche zu bewegenden Betrachter. Während die seitlichen Ädikulen, die nach innen kastenartige Kapellen bilden, den Bau in eine facettenartige Abwicklung bringen, bildet die große Ädikula mit dem Triumphbogen einen Prospekt, über den sich die Kirche ausrichtet. Im Wechselspiel von Zylinder und Prisma ist bei

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110 Venedig, S. Maria della Salute, 1631–1648

111 Rom, S. Maria della Pace, 1656–1657

147 | Der Außenbau der Superga

112 Gianlorenzo Bernini: S. Maria dell’Assunzione, Ariccia, 1662–1664, Zeichnung

113 Ariccia, S. Maria dell’Assunzione

Santa Maria della Pace (1656–1657) in Rom eine »Schaufront« (Abb. 111) verwirklicht, wo sich über dem halbrunden Portikus eine Giebelwand erhebt. Diese verdeckt den Längsbau und bindet so den Portikus für die Sicht vom Platz her an die Kuppel an.393 Die konkav einschwingende Schauwand von S. Agnese in Agone (Abb. 44), deren Portikus durch vier Halbsäulen gebildet wird, nimmt die Bewegung des querrechteckigen Platzes in sich auf und vermittelt zu dem sich dahinter erhebenden, überkuppelten Zylinder. Die im letzten Abschnitt genannten Bauten reagieren stark auf den Außenraum, indem sie die Wand verformen, was auch für S. Carlo alle Quattro fontane in Rom gilt.394 Im Gegensatz dazu ist bei Berninis Kirche S. Maria dell’Assunzione in Ariccia (1662–1664) der Portikus unmittelbar an den Zentralbau angeheftet (Abb. 90, 92, 113). Die Anleihen

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114 Andrea Palladio: Villa Rotonda bei Vicenza, Entwurf seitliche Öffnung des Portikus, 1566–1569, Zeichnung

beim Pantheon, das Bernini selbst architektonisch untersuchte,395 sind hier unverkennbar. Dennoch gibt es eine Verknüpfung zwischen dem zylindrischen Zentralbau und dem kastenförmigen Portikus, der sich in drei Arkaden öffnet. Die Seite des Portikus, die bei den Ädikulen von S. Maria della Salute auf den geschlossenen Rahmen beschränkt ist, wird hier ebenfalls durch eine Arkade geöffnet (Abb. 113). Dieses Vorgehen Berninis entspricht dem Entwurfsprozeß für die Portiken an Palladios Villa Rotonda (Abb. 114, 125a). Durch helle Lisenen wird das Strukturelement der Arkade von S. Maria dell’Assunzione nun auch auf die Rotunde übertragen, wobei sich der obere Abschnitt des Kreisbogens als Thermenfenster öffnet. Bernini macht diesen Zusammenhang auch in einer Zeichnung deutlich (Abb. 112). In ihrer durch die Rotunde gespreizten Stellung bereiten die Thermenfenster zudem strukturell auf die schräg gestellten Türme an der Rückseite der Kirche vor. Man wird hier von einer ›Schauseite‹ im Sinne Albertis sprechen dürfen, wo der dreiachsige Portikus nicht nur den Eingang der Rotunde markiert, sondern als geöffneter Kasten auch auf die Front des schräg gegenüber liegenden Palastbaus Papst Alexander VII. reagiert. Die Forschung führt den Portikus von S. Maria dell’Assunzione gerne als Beispiel für den Wechsel zu einem neuen, autonomeren Verhältnis einzelner Architekturteile im Gesamtgefüge der Architektur an.396 Wenn bei S. Maria dell’Assunzione der Bezug zum Pantheon unverkennbar ist, so gilt dennoch ein Zusammenhang von Portikus und Kernbau, der durch die Übertragung von Strukturelementen hergestellt wird. Diese Über-

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115 Rom, Piazza del Popolo, S. Maria di Montesanto und S. Maria dei Miracoli, 1664–1681

tragung vollzieht sich – auch wenn die einzelnen Bauelemente stereometrisch stark ausgeprägt sind – nach wie vor unter dem Prinzip der Gliederungen. Noch prägnanter greift der Portikus bei den sogenannten Zwillingskirchen auf der Piazza del Popolo in Rom, S. Maria di Montesanto und S. Maria dei Miracoli (1664–1681), auf den zentralen Baukörper aus und bildet eine Fassade (Abb. 115). Wie bei der Superga besteht der Portikus aus einer Anordnung von vier Säulen in der Front, die entsprechende Rücklagen in der Eingangswand besitzt. Zwei besondere Maßnahmen führen hier zu einer Fassade: Erstens wird die Rückseite des jeweils zweiten Innenpfeilers so verstärkt, dass zu den Straßenachsen hin eine schräge Außenseite entsteht. Zweitens schwingt die Travée zwischen dem Portikus und dem zweiten Pfeiler konkav ein, durch den hier angebrachten Eingang wirkt sie wie ein Seitenflügel. Das Gebälk des giebelbekrönten Portikus verkröpft sich mit diesen kurzen Seiten, die durch eine Dreiviertelsäule eingeleitet sind und mit einer weiteren Dreiviertelsäule abschließen, bevor die Ecklisene der Seitenwand anstößt. »Wie in einem Triumphbogen größere und kleinere Bögen korrespondieren, so schließen sich die Straßenöffnungen mit diesen mittleren Intervallen zu einer rhythmischen Folge zusammen. Die Säulenordnung setzt sich an der Kirchenwand weiter fort und sucht die Verbindung mit den Straßenfluchten durch einen zurückweichenden, konkav geschwungenen, von zwei Säulen flankierten Teil, der als seitliche Türachse verwendet wird.«397 Eberhard Hempel, dem wir diese luzide Analyse verdanken, erklärt die zweistufige Vorderseite der Zwillingskirchen aus der kombinierten Straßen- und Platzsituation,398

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116 Étienne Dupérac: St. Peter, Rom, Michelangelos Projekt in posthumer Redaktion, Grundriss, 1569

welche die Piazza del Popolo kennzeichnet: »Wie vorgestoßen aus der Tiefe sollen die Kirchen vor dem Blick auftauchen.«399 Die »durchsichtige« Gliederung der Untergeschosse, »die etwas mit der Straße verwandtes in sich trägt«, vermeide, so Hempel, geschlossene Wandflächen, die nicht mit dem Tiefenraum der Straßen korrespondiert hätten. Hierfür eignet sich der Säulenportikus, der in der ersten Phase des Barock als »nicht stilgemäß« abgelehnt worden war.400 Wie kein anderer (gebauter) Portikus in der Neuzeit ist die Säulenhalle der Superga in der Tiefe und damit als Körper ausgeprägt. Die Forschung hat diese Verbindung von Vorhalle und zylindrischem Baukörper als Rekurs auf die Antike gewertet, was beispielsweise in der bereits erwähnten Bewertung durch Emil Kaufmann zum Ausdruck kommt, die Superga sei einer der ersten klassizistischen Bauten.401 Juvarra wird damit in eine Tradition von Architekten gestellt, die sich der Antike verpflichtet sahen.402 Mit derselben Anzahl von seitlichen Stützen wie am Pantheon wird hier der Anschluss an die »Cella« vollzogen, jedoch ohne verbindenden Zwischenbau, wie ihn das Pantheon aufweist (Abb. 104). Außerdem werden beim Portikus der Superga die Seiten durch das in der Mitte geweitete Interkolumnium zu einem der Vorderseite ebenbürtigen Eingang (Abb. 105, 106). Dieselbe Anzahl der Stützen an der Seite wie beim Pantheon ist jedoch nicht die einzige Anspielung auf einen berühmten Bau. Mit dem Tetrastylos greift Juvarra auf eine Planung an St. Peter zurück, die durch einen Stich von Dupérac bereits kurz nach Michelangelos Tod diesem zugeschrieben wurde (Abb. 116): Eine Tempelfront zu vier Säulen, hinter der eine

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117 Giuliano da Sangallo: St. Peter, Rom, Grundriss mit vollendeten Teilen beim Tode Bramantes

zweite Reihe von Säulen die gesamte Breite des Zentralbaus abgedeckt hätte.403 Ob dies tatsächlich der Planung Michelangelos für eine Fassade entsprach, die nicht bekannt ist, wird inzwischen von der Forschung als eher unwahrscheinlich beurteilt. Der Portikus zu vier Säulen wurde jedoch zu einer festen Größe in der frühneuzeitlichen Architektur, indem er ein in der Mitte geweitetes Intervall erhielt und so seine Funktion als Eingang hervorgehoben wurde.404 Die bereits angesprochenen Zwillingskirchen mit ihrer viersäuligen Vorhalle an der Piazza del Popolo (Abb. 115) sind hierfür ein Beispiel, aber auch S. Agnese in Agone (Abb. 44), wo der Tetrastylos durch Halbsäulen gebildet wird und in die Wandfläche hineingedrückt ist. Für die Verbreitung dieser Konzeption im 17. Jahrhundert waren auch die Akademien in Rom und Paris ein wichtiger Mechanismus.405 Doch nicht allein die Vorhalle aus vier Säulen entscheidet über die Nähe der Superga zu den frühen Fassadenprojekten für St. Peter, sondern vor allem das Verhältnis von Portikus und baulichem Kern. Bei St. Peter war die Anbringung eines Säulenportikus schon vor Michelangelos Zentralbau, von dem uns Dupérac den Tetrastylos übermittelte, in der Planung. Ein Entwurf, den Giuliano da Sangallo zeichnete, der aber als Konzept Bramantes gilt, stellt den im mittleren Joch geweiteten viersäuligen Portikus vor eine durchgehende Reihe von vierundzwanzig Vollsäulen (Abb. 117).406 Dieser geplante Portikus, der – wie die Superga – drei Joche tief ist und dessen Front ein geweitetes Interkolumnium besitzt, besaß nach Wolff Metternich »eine über das Architektonisch-Dekorative hinausgehende

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118 St. Peter, Rom, Grundrisse der Fassade nach Michelangelo sowie der Zeichnung Uff. 7Ar, nach: Wolff Metternich

Zweckbestimmung«: Er sollte liturgische Aufgaben des alten Atriums übernehmen (gottesdienstliche Funktionen wie die Palmenprozession am Palmsonntag, die Feuerweihe in der Osternacht, die Öffnung der heiligen Pforte in den Jubiläumsjahren).407 Das Neuartige des risalitartig vor eine Reihe von Vollsäulen gestellten, in der Mitte geweiteten Portikus, der in seinen Ausmaßen und seiner Gliederung keine antike Entsprechung hat, ist die Konkordanz, die hier erstmals zwischen Innen- und Außenbau hergestellt werden sollte (Abb. 118). Der Rhythmus dieser in fünf Säulengruppen verdichteten Fassade, die ebenso viele Eingänge schafft, leitet sich von den Längsachsen der Innenräume ab und zeigt damit einen völlig neuartigen Fassadentyp. Auf diese frühere Disposition von zwei Säulenreihen greift der Grundriss zurück, den Dupérac als Fassadenentwurf Michelangelos überlieferte (Abb. 116). Gegenüber einem ebenfalls erhaltenen Aufriss Dupéracs (Abb. 119) wird dabei jedoch eine »Korrektur« vorgenommen, die möglicherweise auf Vignola zurückgeht.408 Mit diesem Tetrastylos am Michelangelobau, der nun statt einer Sechs-Säulen-Vorhalle gewählt und vor eine Zehnsäulen-Reihe gestellt wird, geht die b – a – b-Intervallfolge auch auf die Fassade über. Christof Thoenes leitet diese Anordnung von Vignola her, da beispielsweise die Fassade von S. Maria dell’Orto eine solch rhythmische Travée in einer dreiachsigen Anordnung und damit eine Abschattung des Portikus zu den Seiten hin aufweist (Abb. 120). Aus der früheren Vorhalle der Zeichnung Giuliano da Sangallos war so, wie Thoenes schreibt, eine zweifach gestaffelte Säulenfassade geworden. An der Umdeutung der Vorhalle zum »Fassadenmotiv«, die an dem Grundriss Dupéracs deutlich wird,409 indem der Mittelteil den b – a – b-Intervall des Mauermantels aufnimmt und keine pure Aussendung des Kreuzarms mehr ist, zeigt sich so nicht nur in der rhythmisierten, zweischichtigen Säulenreihe nun mehr ein eigener Bauteil. Dieses Prinzip einer

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119 Étienne Dupérac: St. Peter, Rom. Fassade, Ansicht

120 Rom, S. Maria dell’Orto, Fassade, Ansicht

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121 Filippo Juvarra: Superga, Turin. Außenbau, Zeichnung

vom Portikus ausgehenden, selbständigen Fassade gilt in veränderter Form auch für die Superga. Dass die Ordnungen hier eine zweischichtige Fassade schaffen, macht Juvarra in einer Zeichnung deutlich (Abb. 121): Portikus und Unterbau werden als hintereinander gruppierte Baukörper dargestellt, die durch den Rhythmus der Gliederungen in eine Einheit gebracht werden. Die Turmflanken sind nur durch eine rechteckige Umrisslinie dargestellt, aber mit leichten inneren Markierungen für die Position der Türme. Der dreiachsige Aufbau der Turmflanken ist hier schon ersichtlich, ohne dass er im Detail ausgeführt wäre. Anscheinend benutzte Juvarra dieses Blatt dazu, die Rotunde in eine kohärente Gliederung zu bringen, der dann die Turmflanken in ihrer einfachen Dreiachsigkeit angeschlossen wurden.

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122 Filippo Juvarra: Superga, Turin. Rotunde, Außenbau, rhythmische Travée

156 | Anschauungsräume des Sieges: die Superga

123 Rom, St. Peter. Südapsis und Kuppel

In der Zeichnung wie in der Ausführung sind die Abschnitte des Unterbaus wie zwei Seitenteile des Portikus behandelt, die in die Pilasterordnung übergehen. Vor allem aber entsteht nun ein alternierender Rhythmus zwischen den verschiedenen Teilen. Dabei wandte Juvarra am Kuppelunterbau durch die enge Stellung zweier Pilaster und die Übereinanderstellung von Nischen in deren Zwischenraum dieselbe rhythmische Travée an (Abb. 122, 29–30), wie sie Michelangelo für St. Peter erfand, um die äußere Erscheinung des Zentralbaus zu straffen (Abb. 123).410 In der Diagonalen, die bei der Superga für den Raumvollzug im Inneren so wichtig ist, findet somit der entscheidende Wechsel in den Innen-Außen-Beziehungen statt. Ein mit zwei übereinander liegenden, tief gekehlten Nischen ausgestattetes Intervall gibt es nur hier, wo die beiden Pilaster eng beieinander liegen. Die Pilaster am Außenbau sind demnach nicht ein »Abdruck« der Innenraumpfeiler, sondern folgen einem eigenen Ziel: dem Aufbau einer Fassade durch das Mittel der Gliederungen.

DIE Z WEI SEITEN DER FASSADE Die besondere räumliche Ausprägung der Superga-Fassade zeigt sich darin, dass sie zwei verschiedene Ansichten von sich produziert. Der von der Forschung geäußerte Vorbehalt gegen den Begriff der Schauseite als einer beliebigen Zusammensetzung der

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Fassade im Betrachter, wie er Sedlmayr für die Karlskirche entgegengehalten wird,411 kann in seiner Generalisierung für die Superga nicht gelten, da es für ihre beiden Ansichten jeweils klar festgelegte Standpunkte gibt. Diese beiden Sichten entstehen im Zusammenspiel der drei Bauteile Turmflanken – Unterbau – Portikus sowie den Gliederungen, die diese umfassen. Trotz der stereometrisch klar ausgeformten Körper der drei Bauteile, die auf den einfachen Geometrien von Rechteck, Kreis und Quadrat beruhen, sind die Gliederungen hier nicht einer Wandmasse einfach auferlegt. Vielmehr produzieren Freisäule, Pilaster, Rücklagen und Gebälk, Profile und Gesimse, Fenster- und Türbekrönungen nach wie vor die »abbildhafte Darstellung« (Kauffmann) einer Wand,412 die durch Glieder strukturiert wird und dabei Lasten und Tragen in symbolischer Form anzeigt. In der Hauptachse, aus einer mittleren Entfernung, die für die Umgebung der Stadt Turin gilt, ist der Portikus Teil einer Gesamtkomposition, bei der die Fassade wie bei den von Dupérac übermittelten Entwürfen für St. Peter zweifach gestaffelt ist. Juvarra zeigt dies in der Zeichnung (Abb. 121), in der die Säulenreihe des Portikus eine vordere Schicht bildet. Hinter ihr liegen die Pilaster des Unterbaus, als dritte die der Türme. Die Einteilung in drei Travéen, wovon die Mitte wie beim Portikus geweitet ist, gilt in variierter Form auch für den Unterbau und die Flanken. Die letzteren werden so zu Abschattierungen des Portikus, der sich gegenüber den Seiten nur durch die Vollsäulen hervorhebt. Insbesondere für die Wahrnehmung von dem den colli zugewandten Ostrand der Stadt ergibt sich damit ein Fassadenbild, das die frühen Vorstellungen für die Gestaltung von St. Peter wiederholt. Doch wird diese betont ›römische‹ Fassade, wie sie sich in der Längsachse der Kirche präsentiert, ergänzt und erweitert durch die Eckansicht. Ihre besondere Funktion beschäftigte Juvarra auch in einer Zeichnung, die – noch mit dem kürzeren Portikus – die Plastizität des Unterbaus deutlich macht (Abb. 124). Den Kontrast von Licht und Schatten, den die Forschung hier immer wieder betonte, wird man auch im Verhältnis zum dono von 1707 sehen dürfen (Abb. 79). In den Diagonalen der Rotunde waren hier noch vier halbrunde Apsiden geplant gewesen, die im Wechsel mit einer konkaven Wand zu den Türmen hin standen. Diese noch sehr bewegte Fassade entfiel nun zugunsten einer kompakten Pilastergliederung. Wie schon ausgeführt, tritt der Zylinder des Unterbaus in der Ausführung durch die zurückgezogenen Turmflanken und den tiefen Portikus stereometrisch klar hervor. Dabei wird der Aufriss der beiden Kapellenwände im ersten und letzten Joch, die oben ein Fenster, unten eine Blendnische gliedert, durch das Zwischenjoch komprimiert. Letzteres begründet eine rhythmische Travée, da der äußere Aufriss das geweitete Joch der Kapelle im ›Querarm‹ berücksichtigen musste.413 Diese Querarmkapelle kann wegen der hier folgenden Turmflanke jedoch nicht als Kreisbogensegment, sondern nur rechtwinklig abschließen. Um dennoch einen regelmäßigen Rhythmus der unterschiedlich weiten und verschieden nach außen abschließenden Kapellen zu erhalten – in den auch der Eingang zu integrieren war –, fügte Juvarra das Zwischenjoch in den Außenaufriss ein. Er erreichte damit zweierlei: zum einen ist der Rhythmus, den Portikus und Turmflanken bilden

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124 Filippo Juvarra: Superga, Außenbau, Zeichnung (MCTO, Vol. II, C. 82, n. 165)

(b – a – b), am Zylinder in eine alternierende Reihenfolge (a – b – a) umgewandelt. Zum anderen wird der Unterbau auf einen Standpunkt von schräg vorne orientiert. Für die Herstellung eines Außenraums der Votivkirche erfüllen die beiden Ansichten der Fassade sehr unterschiedliche Aufgaben. Der Portikus aus hellem Stein bildet durch seine weit herausgezogenen Längsseiten einen eigenständigen Baukörper, der den ohnehin weit vorgeschobenen Zentralbau zusätzlich nach vorne orientiert und die durch die ineinander geschobene Bewegung der einzelnen Bauteile im Inneren aufgebaute Längsachse nach außen weitergibt. Der Kontakt mit dem Äußeren ist dabei völlig auf die Situation der Superga als Solitärbau auf einem Hügel in freier Landschaft abgestellt. Anhand der Entwurfsgeschichte lässt sich nachvollziehen, dass Juvarra den Portikus erst in einem zweiten Schritt verlängerte. Im Modell fehlt die dreiachsige Gliederung auf der Seite, auch gibt es keine Treppenaufgänge (Abb. 108). Die Betonung der Längsseiten des Portikus erklärt sich so einerseits aus der klar erkennbaren Absicht, mit Hilfe der Vorhalle eine besondere axiale Energie zu entfalten. Andererseits werden die Seiten des Portikus in ihrer Gleichwertigkeit mit der Front der Säulenhalle ebenfalls zu Eingängen. Diese bestätigen die freie Lage des Kirchengebäudes, das in der Lage ist, die Bewegung von drei Seiten aufzunehmen oder nach dort abzugeben. Die Vorhalle der Superga übernimmt so eine Aufgabe, wie sie Palladio den Portiken der Villa Rotonda gab (Abb. 125a): Ausleger und Ausblicksplattform auf dem höchsten Hügel eines weithin überschaubaren Landes zu sein (Abb. 125b).

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125a Andrea Palladio: Villa Rotonda, Vicenza, 1566–1569

125b Andrea Palladio: Villa Rotonda, Vicenza, 1566–1569, Ansicht von Osten mit umliegender Landschaft

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126 Superga, Turin. Luftaufnahme

In seiner Disposition über einem quadratischen Grundriss geht der Portikus der Superga jedoch über solche Vorbilder an der Renaissance-Villa hinaus, denn die vom Antentempel abgeleitete und von einem Rundbogen durchbrochene Seite der Vorhalle an der Villa Rotonda zeigt nur eine schmale Seite. An und für sich bedeutsam ist bei der Superga jedoch auch nicht die Anzahl der Interkolumnien, die uns nicht nur zu den Vorhallenseiten des Pantheons, sondern etwa auch zur Vorhalle des antiken Romulus-Mausoleums an der Via Appia führt (Abb. 127). Ich meine die Art der Gliederung: Mit dem in der Mitte geweiteten Joch auf allen drei Seiten der Vorhalle stellt diese eine Kommunikation mit dem Äußeren her, für die mir zuvor in der Neuzeit kein anderes Beispiel bekannt ist. Als Quelle für eine solcherart dreiseitige Kommunikation könnten die antiken Formen des Quadrifrons oder Tetrapylons gedient haben. Die Weitung der Mitteljoche ebenso wie die Zugänglichkeit auf allen Seiten verbindet die Vorhalle der Superga mit diesen antiken viertorigen Bogenmonumenten. In Italien gab es in der Frühen Neuzeit mehrere Reste solcher Ehrenbogen, die in der Antike zur Hervorhebung wichtiger Straßenkreuzungen und zur Markierung der Zugänge auf die Stadt dienten und von Architekten wie Serlio, Peruzzi, von Antonio und Giuliano da Sangallo gezeichnet wurden.414

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127 Giovanni Antonio Dosio: Mausoleum bei Tor de’Schiavi nahe Rom, 16. Jh., Rekonstruktionszeichnung

Hierfür ist der ursprünglich suburbane Gavierbogen in Verona ein Beispiel, durch den die gepflasterte Hauptstraße führte und der auf die Stadt ausgerichtet war (Abb. 128). In Mailand auf der suburbanen Säulenstraße außerhalb der Porta Romana fungierte ein solcher Bogen als monumentales Zugangstor (Abb. 129). Ein weiteres bedeutendes Bogenmonument steht in Malborghetto außerhalb von Rom. Es bezeichnet einen konkreten Ort, der sich auf einer Bergkuppe oberhalb der Via Flaminia, an einem Kreuzungspunkt mit untergeordneter Verbindungsstraße von Veji zum Tibertal, befindet. Vermutlich ist dies der Ort, an dem Kaiser Konstantin das letzte Lager vor der Schlacht bei Saxa Rubra gegen Maxentius errichtete und wo er die Kreuzesvision hatte. Von hier aus hat man erstmals die Sicht auf Rom. Für die Tetrapyla in außerstädtischer Lage gilt, dass sie sich häufig an geographisch markanten Orten befanden: in Verona in der Nähe zum Fluss, in Malborghetto auf der Bergkuppe, in Romuliana (ehem. Jugoslawien) auf dem Bergpass zu einem auf der Kuppe liegenden kaiserlichen Mausoleumsbereich. Solche Funktionen der Tetrapyla greift die Vorhalle der Superga als markierende und sammelnde Architektur auf. Dass Juvarra diesen Bautypus kannte, ist durchaus anzunehmen, da er eine Vielzahl von Antiken gezeichnet hat. Darunter befinden sich auch einige Pavillons, die dem Typus des Quadrifrons oder Tetrapylon sehr nahe kommen. Vor allem die Zeichnungen T 70, T 95/96 sowie T 120 enthalten Objekte aus diesem Themenkreis.415 Sie sind von Juvarra, wie alle anderen Objekte auf den genannten Blättern, als Fragmente dargestellt, die losgelöst sind von einem baulichen Kontext und zusammen mit

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128 Verona, Gavierbogen, aus: Sebastiano Serlio: Il terzo libro, 1544

129 Giuliano da Sangallo: Arco, Malborghetto bei Rom

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anderen antiken Objekten auf einem Blatt wiedergegeben werden. Entsprechend ist die planerische Verfügung über diese Objekte, die im architektonischen Entwurfsprozess mit anderen baulichen Elementen kombiniert werden konnten. Wenn die Straßenachse von Rivoli die Kirche als Ganzes anvisiert – wie anfangs gezeigt –, so ist es der Portikus der Superga, der anzeigt, dass vom Kirchengebäude selbst eine andere Beziehung ausgeht: Das in der Mitte der Säulenstellung geweitete Joch macht anschaulich, dass die gesamte Längsachse des Komplexes zur Ostseite der Stadt Turin hin orientiert ist (Abb. 30, 16). Die auf dieselbe Art strukturierten Längsseiten des Portikus rahmen freies Territorium, in das man von hier aus hinunterblickt (Abb. 105–107). In dieser Ausrichtung auf die Stadt und das umgebende Territorium nähert sich die Säulenhalle der antiken Bauform der Tetrapyla an. Indem durch die Rahmung der Säulen von oben Bezug zum Territorium aufgenommen und umgekehrt aus der Ebene auf die Kirche hingeführt wird, dehnt sich der sakrale Raum der Kirche ins Territorium aus, wie auch das Territorium in Kontakt mit dem Kirchengebäude gelangt. Als Kontakt- und Übergangszone ist der Portikus der Superga so weit wie möglich nach außen geschoben und tempelartig ausgebaut. Damit verstärkt die Vorhalle den Aufbau von ›Richtung‹ beim Zentralbau der Superga, der bereits in ihrem Inneren wie auch durch ihre Einfügung in den längsrechteckigen Klosterkomplex vorgenommen wird. In der Benutzung der Kirche, auf dem Weg nach außen, wird so für den Rezipienten die auf der Hauptachse platzierte Erinnerung an die Befreiung Turins im Territorium nach außen gegeben, wie umgekehrt der Portikus die Bewegung aus dem Territorium sammelt. Letzteres betrifft konkret die alljährliche Prozession am 8. September, die an den durch die Muttergottes zustande gekommenen Sieg über Frankreich erinnern soll. Während die Hauptansicht der Superga auf die Ferne ausgerichtet ist, verlangt »der prospetto per angolo« (vgl. Abb. 124), wie die bevorzugte Ansicht über Eck in der zeitgenössischen Vedute genannt wird,416 eine Rezeption aus der Nähe oder eine mittlere Entfernung. Letztere ist aus dem Nordwesten der Ebene sowie von den umliegenden Hügeln her möglich (Abb. 15, 130). Diese Ansicht entsteht durch die starke Hervorkehrung des Unterbaus als Zylinder und den terrassenartig herausgezogenen Sockel mit Balustrade und seinen drei Einschnitten für Treppen (Abb. 30). Der Sockel hält einen Betrachter buchstäblich auf Abstand, wobei die rhythmische Travée mit dem engen Interkolumnium auf einen Standpunkt von schräg vorne orientiert. Von hier aus erscheint der Unterbau als ein kontinuierliches zylindrisches Rund, während er faktisch in der Abfolge unterschiedlich abschließender Kapellenabschlüsse gebildet wird. Die tief ausgehöhlten Nischen der rhythmischen Travée treten zwischen die beiden unterschiedlich abschließenden Kapellenaußenwände und schaffen für den Blick von schräg vorne den Eindruck einer durchgehenden, plastischen Rundung des Unterbaus. Damit ergibt sich eine Parallele zum Inneren: Dort erzeugen die frei stehenden Vollsäulen vor den Pfeilern den Eindruck eines Rundbaus, außen entsteht die Fiktion des vollendeten Rundbaus durch das Zwischenjoch mit den gekehlten Nischen.

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130 Jean Baptiste Stagnon: Vedute der Superga, Turin, 1808, Radierung von Chianale, Amati und Tela nach einer Zeichnung Stagnons

Begründet sich die rhythmische Travée (Abb. 30, 122) durch die Übersetzung unterschiedlicher Kapellen in das äußere Gliederungssystem der Superga, so ist das Zwischenjoch keinesfalls eine formale Größe. Tatsächlich handelt es sich um eine konzeptionelle »Leerstelle«, die das Thema der Votivkirche mit den Möglichkeiten des Außenbaus ins Äußere transponiert. Zum einen wird mit der Doppelstellung der Pilaster das Motiv der paarweise aufgestellten Kolossalsäulen erkennbar, die im Inneren für die über die Ordnungen sich vollziehende Raumbildung entscheiden. Diese schmale Travée ist jedoch in einer räumlichen Position angebracht, die sich allein aus dem Außenbau und dessen Anforderungen ergibt. Juvarra verwendet hierfür dasselbe Motiv, das Michelangelo beim Bau der Südapsis von St. Peter erfand, um dort zwischen den Ecken der Diagonalwände und den halbrunden Apsiswänden zu vermitteln. Es bedeutete hier eine Adaption der Kreuzungspfeiler Bramantes im Inneren. Erinnern schon die Diagonalseiten an die Vierungspfeiler von St. Peter, so gibt es nun schon ein weiteres Mal einen Hinweis auf diesen Bau. Wie bei Michelangelos Südapsis bildet jedoch auch die Verbindung des Zwischenjochs zum Inneren der Superga keine direkte Entsprechung zum inneren Gliederungssystem, sondern einen Verweis darauf: Erst die Säulen vor den Pfeilern bringen das Raumbild der Rotunde hervor (Abb. 54); vermittels der durch sie entstehenden Diagonalachsen werden im räumlichen

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Vollzug die Dimension der Tiefe (Stiftungsanlass) und der Höhe (Stiftung) zu einer Syntax der Votivkirche zusammengebracht. Das Zwischenjoch am Unterbau wird also nicht nur für einen regelmäßigen Rhythmus der unterschiedlich großen und verschieden nach außen abschließenden Kapellen benötigt, sondern verkörpert syntagmatisch die Beziehung nach innen. Es spielt in mehrfacher Hinsicht auf die Säulen vor den Pfeilern an: durch die paarige Anbringung, aber auch durch die übereinander gestellten, vollrunden Nischen, die als Verweis auf die übereinander gesetzten Öffnungen zwischen den Säulen gelesen werden können. Dies bestätigt der architekturhistorische Verweis auf St. Peter, der in sich selbst bereits die Kommunikation zwischen innen und außen thematisiert.417 Die Gestaltung durch tief gekehlte Nischen, die das Rund des Unterbaus plastisch hervorheben, orientiert den Betrachter der Superga schräg vorn, an einem Standort, an dem der Unterbau als kontinuierliches Rund erscheint. Damit wird auch von außen die Diagonale betont, die im Innern der Rotunde für den Vollzug des Baues als Votivkirche entscheidend ist. Dieser Zusammenhang ist in einer Zeichnung Juvarras dargestellt, bei welcher die diagonale Achse des Baus und die Plastizität dieser Partie in den Mittelpunkt gerückt sind (Abb. 124). Im »prospetto per angolo« zeigt sich nun auch für den Außenbau das architektonische Prinzip der Superga, mit Hilfe der Ordnungen mehrere als selbständig auftretende Bauteile durch Festlegung eines genau bestimmten Blickpunkts zusammenzufügen. Indem sie den rhythmischen Zusammenhang für ein definiertes Gesamtgefüge herstellen,418 wirken die Gliederungen in ihrer syntagmatischen Funktion auch nach außen. Die Struktur des Unterbaus ergibt sich jedoch nicht spiegelbildlich aus dem Inneren, da der Außenbau, wie bereits gezeigt wurde, die Turmflanken und damit die Dimension der Breite einschließen musste. Seine äußere Gestaltung ist keine funktionalistische Repräsentation des Inneren oder dessen 1: 1-›Abbildung‹. Vielmehr schafft der Unterbau mit denselben Strukturelementen wie das Innere eine Komposition, die das Thema der Votivkirche auf die Bedürfnisse des Außenraums überträgt. Verknüpfen sich im Innern Stiftungsanlass und Stiftung durch die Diagonalseiten, so überträgt dies die Eckansicht, die durch das Zwischenjoch produziert wird, nach außen: Nur hier verschränken sich für den Betrachter Höhe und Tiefe des Bauwerks miteinander. Das Zwischenjoch markiert den Kreuzungspunkt der beiden Dimensionen, der deutlich wird, da Turmflanken und Portikus bei der Superga signifikant weit auseinander gezogen sind. Diesen Blickpunkt, den das Zwischenjoch schafft, unterstützen in umgekehrter Weise die auf hohen Sockeln stehenden Freisäulenpaare am Tambour – ein Motiv, das Juvarra der Kuppel von St. Peter entlehnt. Die ionischen Säulen führen die Rippen der Kuppel fort, die zunächst noch ein Band von Okuli überblenden. Durch die Freisäulen entsteht ein stark vortretender Gebälkvorsprung, der über den Fenstern zurückweicht und dem Tambour einen stark plastischen Rhythmus gibt, den eine zwischen die Freisäulen gelegte Wandstrebe verstärkt (Abb. 131). Dem Rhythmus der Freisäulen entspricht die enge Travée am Unterbau, die hier das Thema der Plastizität umgekehrt umsetzt und durch die gekehlten

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131 Filippo Juvarra: Superga, Turin. Tambour und Kuppel

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Nischen nach innen wendet. Die Architektur erzeugt so den Raum auf dieselbe Weise wie im Inneren: durch Fixierung eines Betrachterstandpunkts, der die räumliche Abwicklung für die Wahrnehmung in Gang setzt. Innen ›baut‹ das Pfeilerpaar im Chor die Tiefe und stellt diese in der Verdoppelung der Wandgliederung dar, außen ist es die Ansicht über Eck, die auf die Verschränkung der Dimensionen in den Diagonalen des Inneren und damit auf die Syntax des Votivgedankens verweist.

BEFESTIGUNG IM GRUND: DER DOPPELTE ›SOCKEL‹ Zur Fassade der Superga gehört der terrassenartig ausgezogene Sockel der Kirche (Abb. 30). Er ist ebenso wie der Unterbau, die Turmflanken und der Portikus ein nahezu selbständiges Element der auf ›Richtung‹ abzielenden Fassade. Der Sockel umgreift die ganze Vorderseite der Superga, fasst auf der untersten Ebene die drei baulichen Körper der Schauseite zusammen. Dabei wird er geprägt von dem weit herausragenden, quadratischen Portikus, für dessen Eingänge an allen drei Seiten Treppen in ihn hineingeschnitten sind. Ihm sitzt eine ausgeprägte und hohe Balustrade mit dazwischen geschobenen gefüllten Feldern auf. Sie wiederholt sich über dem Gebälk als Attika, wo sie – hinter dem Giebel des Portikus einsetzend – den zentralen Baukörper und die beiden Querbauten vollständig umfasst. Die drei Bauteile der Kirche erhalten damit einen markanten oberen Abschluss, der gleichzeitig die Glockentürme und die Kuppel aneinander bindet. Ein solches Element war S. Agnese in Agone in Rom eingefügt worden (Abb. 44), um den Ansatz des Tambours zu kaschieren und einen fragilen Übergang zwischen den Unterbauten und den oberen Teilen zu schaffen. Auch Fischer von Erlach verwendete bei der Karlskirche in Wien (Abb. 45) die Balustrade als oberen Abschluss der Schauwand. Im Falle der Superga durchbricht das breite horizontale Band der Balustrade die betonte Vertikalität der Kirche. Kuppel und Unterbau werden so als Bauteile voneinander geschieden, wobei die obere Balustrade für den hohen Tambour und die Kuppel den Eindruck eines eigenen Sockels erzeugt. Wie bei der Fassade als Ganzes entstehen zwei verschiedene Wirkungs- oder Rezeptionsweisen: die Nähe, für die der untere, eigentliche Sockel zuständig ist; die Fernsicht, auf die hin die als Balustrade gestaltete Attika konzipiert ist. Auch in dem Detail des auf zwei Ebenen angelegten Sockelmotivs erweist sich so die Superga als eine Architektur des Horizonts,419 deren Qualitäten als »mitwandernder« Bau für die Schaffung eines »Vorne-Raums« als Umgebung der Residenzstadt bereits in der Analyse der Fernachse deutlich wurden (vgl. S. 46–55). Mit der zweifach verwendeten Balustrade und dem damit verbundenen Motiv des Sockels erhält der Kirchenbau jedoch noch eine andere Bedeutung: Indem die Balustrade sowohl als Bekrönung des Sockels wie auch als Attika verwendet wird und dem Betrachter hierfür Rezeptionsangebote aus verschiedenen Distanzen gemacht werden, zeigt die Superga ihre Art der Verankerung im ›Unten‹ als einer besonderen Dimension der Tiefe an. Juvarra verwendet eine Kombination

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132 Andrea Palladio: Villa Piovene, Lonedo di Luogo Vicentino, 1539–1540

von Sockel und Balustrade, die aus dem Villenbau des 16. Jahrhunderts stammt. Wir finden solche Elemente bei Palladios Villa Piovene in Lonedo Lugo Vicentino (Abb. 132), der Villa Arsiera, Vicenza, sowie der Villa Repeta in Campiglia.420 Wie bei der Villa der hohe Sockel das herrschaftliche Haus vom Territorium abgrenzt und einen faktischen Abstand dazu schafft, so kann auch die doppelte Anbringung eines ›Sockels‹ an der Superga als Verweis auf eine besondere Art der Verbindung mit dem Grund verstanden werden. Er ist es aber auch umgekehrt, bei der Beziehung von Kirche und Territorium. Die Balustrade dient dabei als Verkleidung des Umgangs, der im Äußeren bestiegen werden kann. Der Kirchenbau wird so zur Aussichtsarchitektur, die das ›Hier‹ des Betrachters mit dem von hier aus in alle Richtungen einsehbaren savoyischen Territorium verknüpft. Eine solche Konzeption findet sich beispielsweise auch bei der Kirche S. Maria di Carignano in der Nähe von Genua.421 Über die Aussicht von der Superga herab schreibt Keysler: »Der Dom hat aussenher 3. Umgänge über einander; die untersten sind mit steinernen Geländern, das oberste aber mit einem eisernen Gitterwerke versehen. Die Aussicht hievon kann nicht schöner erdacht werden. Das Capuciner-Closter auf dem Berge, Le Valentin, Rivoli mit der dahin gehenden Allee, das Thal nach Suse, die auf solcher Seite befindlichen Schnee=Gebirge, der Lauf des

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133 Filippo Juvarra: Superga, Turin. Sockel

Po, der Doire und Stura, und längst diesen Flüssen die schönsten Ebenen, so weit das menschliche Auge reichen kann, die über Moncalier gelegene Thäler und Ebenen, ferner die ganz in der Nähe befindlichen artigen kleinen Hügel voll Weinberge, Gärten und Lusthäuser, und endlich Turin selbst in einer grossen Ebene, stellen sich dem Auge mit solcher Schönheit vor, dass man diesen angenehmen Platz kaum verlassen kan.« 422 Steht man dem Kirchenbau gegenüber, präsentiert sich der Sockel zunächst als eine Terrasse, die sich uns in mehreren Zacken entgegenstreckt (Abb. 30, 107, 133): Sie vollzieht nicht nur den Umriss der Kirchenvorderseite nach, sondern bildet gleichzeitig auch die Wangen der Treppenaufgänge. Das Kirchengebäude steht wie ein Tempel auf einem Podest, ohne jedoch einen bestimmten zu zitieren. Die Anbindung an das Stift zeigt aber, dass der Sockel nur dem vorderen Teil vorgesetzt ist, während das Gelände auf der südlichen Seite des Klosterteils stark abfällt. Auch die Tatsache, dass der Sockel allein der Kirche vorgesetzt ist, spricht schon dafür, die Vorderseite als eine raumhaltige und zugleich raumbildende Fassade zu verstehen: Der Sockel ist der am weitesten vorgelagerte Teil der Kirche, der diese über ihre eigene Rundung hinaus in den Außenraum schiebt. Damit gibt er sich als äußerster Repräsentant eines Grundrisses zu erkennen, bei dem die Bestandteile des

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134 Agrigent, Concordia-Tempel, Ansicht von Westen

Kirchenbaus vereinzelt sind, um sie umso wirkungsvoller über der Richtungsachse anzuordnen, wo sich die Bewegung von innen nach außen und umgekehrt formiert. Der terrassenartige Vorbau des Sockels ›befestigt‹ die Kirche aber auch tatsächlich. Wir wissen aus den Baurechnungen, dass Juvarra die Bergspitze in beträchtlichem Umfang abflachen ließ. Glaubt man einer Inschrift auf dem Stein auf Höhe der Balustrade, auf dem man stößt, wenn man den Tambour besteigt, so kennzeichnet dies die frühere Höhe des Hügels.423 Jedenfalls finden sich in den Abrechnungen der ersten Bauzeit Jahr für Jahr Formulierungen wie »ribassamento« oder »allargamento del piano«.424 Die Fläche der alten Kirche, welche die Pfarrgemeinde an den Herzog abgetreten hatte, reichte nicht aus, sondern es wurden weitere Grundstücke dazu erworben.425 Mit den hundert Beschäftigten, die allein für 1716 festgestellt werden,426 vergrößerte Juvarra die Fläche für das neue Kirchengebäude, ließ ein Plateau anlegen und positionierte die Kirche für die Fernsicht. Dabei gleicht der hohe Sockel der Superga die im Verhältnis zum Annex des Stifts fehlende Erdgrundlage aus. Juvarra benötigte den gesamten Hügelrücken für den großen rechteckigen Baukörper des Stifts und rückte die Kirche so nahe wie möglich an den vorderen Hügelrand. Der aus der Fassade ausgegliederte und weit nach vorne gezogene Sockel schafft so einen künstlichen Untergrund für die Kirche, die große Erdbewegungen benötigte. Als ein solches Element der Translation ist er dem Sockel des griechischen Tempels vergleichbar, der um das Jahr 1000 v. Chr. als universelles Gebäude entstand. Dieser ersetzte in einer Zeit entstehender Städte entlegene heilige Orte und machte diese in die Polis übertragbar (Abb. 134).427 Der nicht austauschbaren Authentizität des Ortes, wie ihn die alte Pfarrkirche durch ihr Heiligenbild verkörperte, setzte die Superga ein anderes Konzept entgegen: Das Bauwerk soll hier die von einem scheinbar authentischen Ort ausgehende

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135 Filippo Juvarra: Superga. Zweites Projekt, Kellergeschoss Grundriss

136 Gerolamo Alberto Belloni: Superga, Turin. Längsschnitt

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Wirkung erst herstellen. Juvarra nutzte für diese Darstellung nicht nur die beschriebenen Möglichkeiten des Doppelturmmotivs mit Kuppel sowie die Fassade, sondern auch den Sockel. Dieser erscheint durch die zweimalige Verwendung der Balustrade doppelt – einmal als ›Sockel‹ des hohen Tambours und der Kuppel, sodann als Zwischenglied zum eigentlichen Untergrund (Abb. 30). Die im äußeren Aufbau der Superga so betonte Verankerung im ›Unten‹ war jedoch keine reine Formgelegenheit, sondern bedeutungskonstitutiv, indem die Kirche zur dynastischen Grablege des Savoyerhauses wurde. Deren Einrichtung erfolgte erst 1778.428 Ein unterirdischer Bereich, bestehend aus einem Längsarm unterhalb des Chores, findet sich jedoch bereits in den ersten Planungen Juvarras für die Superga (Abb. 135).429 Für 1728 wird von Erdarbeiten im Chor berichtet (»per formar la Capella sotteranea«), die in den kommenden zwei Jahren eine Krypta unter dem Chor und dessen beiden Seitenräumen ergaben, so dass 1731 bereits explizit auf die Funktion als Grabkapelle hingewiesen wird.430 Die Errichtung des Sockels fiel in dieselbe Zeit.431 Folgt man dem Längsschnitt zum Relief der Kirche (Abb. 136), so deckt der Sockel als ein Zwischenglied zum eigentlichen Erdboden dieselbe Tiefe ab, wie sie die Krypta erreicht. Da Portikus und Chor dieselben Maße haben, wird mit dem Sockel auch das innenliegende Verhältnis von Chor und Krypta in den Außenbereich transponiert. Im Übergangsbereich vom profanen zum sakralen Bereich, als deren wichtigstes Element der Portikus gelten muss, ist also der Sockel der Superga keineswegs eine dekorative Zutat. Er gehört nicht nur zu einer in den Außenraum stoßenden und selbst räumlich geformten Fassade, sondern ist ein Äquivalent für die Beziehungen der Kirche zum ›Unten‹ als einer besonderen Dimension der Tiefe. Als äußerster Repräsentant des über der Längsachse angeordneten Grundrisses spricht bereits der Sockel über das Innere der Kirche. Als Ausgleichsprodukt für den vor den Bauarbeiten abgetragenen Berghügel bezeichnet er ganz direkt den neuen Ort, den die Superga bildet, andererseits verweist er auf die Grablege unter dem Chor, die das innerste, maßstabsgetreue Pendant zum Portikus ist. Zwischen dem eigentlichen Gebäude und dem Erdboden gelegen, ist er ein Grenzelement, das den militärischen Sieg von 1706 als neue Grundlage savoyischen Handelns in den Außenraum übertrug. Sei es, dass die Krypta als persönliches Mausoleum für König Vittorio Amedeo II. geplant war, sei es, dass von Beginn an eine dynastische Grablege gebaut werden sollte: Die Verankerung im ›Unten‹, die der Außenbau der Superga zum Ausdruck bringt, zeigt die neue Ausgangsbasis der Dynastie im Sieg von 1706. Diese verlangt nicht nur nach Darstellung in der Höhe, sondern versichert sich auch der entgegengesetzten Dimension. Die effektvolle Übertragung dieser Dimension in den Außenraum macht die wörtliche »Humanisierung« des Territoriums deutlich, die mit der Superga einhergeht. Wenn der Sockel als nach außen gezogene Grablege verstanden werden kann, so wird diese in einem sehr vermittelten Sinn zur Plattform des savoyischen Hauses. Die noch lebenden Mitglieder der Dynastie begraben hier ihre Toten nicht nur, um die durch den Tod geschaffene Trennung zu vollziehen. Bemächtigt sich das fürstliche Mausoleum eine der ältesten

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christlichen Praktiken, so wird hierdurch auf dem Superga-Hügel »geologische Zeit in menschliche Zeit verwandelt.«432 Der Sockel, der die Humanisierung des Bodens durch die Superga-Kirche am deutlichsten, nach außen transportiert, verkörpert insofern auch mehrere Zeitschichten: Die dynastische Zeit verknüpfte sich hier mit der christlichen.

DIE PRÄGUNG DES AUSSENRAUMS DURCH DIE SUPERGA DIE DYNASTISCHE VOTIVKIR CHE ALS EUR OPÄISCHER »R AUMT YPUS« Architekturgeschichtlich ordnet sich die Superga ein in die Suche nach einer definitiven Kirchengestalt, wie sie zwischen 1650–1750 stattfand, wo der Zentralbau vor allem für private Auftraggeber (Palast-, Kloster- und Familienkapellen, Votivkirchen) interessant wurde.433 Der gerichtete Rundbau – diese auf Anhieb paradox wirkende Ausprägung des Zentralbaus, die den Barock interessieren musste –, erhielt bei der Superga-Kirche eine neue Qualität. Sie hat ihren Ausgangspunkt jedoch nicht erst – wie vielfach in der Literatur angedeutet – in dem Portikus, dessen Seitenlänge dem des römischen Pantheon entspricht und bei der Superga mit der Anzahl der Säulen in der Front korreliert. Vielmehr ist die Superga als Ganzes ein auf die Raumkoordinaten bezogener Rundbau, dessen Gerichtetheit sowohl im Inneren wie auch im Äußeren klar hervortritt. Bereits die Art und Weise, in der hier das Schema des Escorial abgewandelt wird, indem die Kirche an die Vorderkante des Stiftskomplexes gesetzt ist, macht die Absicht deutlich, die Superga so weit wie möglich in den Außenraum wirken zu lassen. Der Architekturkörper der Superga bezieht seine Richtungsqualität jedoch entschieden aus dem Inneren. Dieser Impuls wird beginnend mit dem Chor, der tief in der Gesamtanlage liegt und für die Kanoniker des Stifts ein weiträumiges Presbyterium bereithält, aufgebaut. Auf der Außenseite antwortet der Eingang mit denselben Maßen. Dazwischen liegt der Kuppelraum, dessen Vertikalität dem Richtungsimpuls der Tiefe entgegengesetzt ist. Die Aufgabe, diese beiden Dimensionen zusammenzuführen, übernehmen im Aufriss die architektonischen Gliederungen, denen trotz einer Tendenz zur Vereinzelung der Bauteile nach wie vor die Raumbildung obliegt. Dabei geht es nicht nur um die kreisförmige Aufstellung der Säulen. Die »Schalenbauweise«, eine reliefartige Auffassung der Wand, erzeugt hier im Innern die komplexe »Raumgestalt« einer Rotunde. Hinzu kommt der seltene Verzicht auf einen Übergang von Unterbau und Kuppelbereich, der erst eine steile Vertikale ermöglicht, die hier konsequent über die Gliederungen aufgebaut wird. Die Rotunde, die der Rezipient der Kirche vor allem durch die bildartig angeordneten Diagonalseiten erfährt, wird jedoch von der Längsachse »unterlaufen«. Sie kündigt sich mit dem Portikus an, dessen geweitetes Intervall in der Mitte bereits auf den Altarraum hin orientiert. Die Ordnungen, die der »Raumschale« als gliedernde Oberfläche auferlegt sind,434 fassen den »Richtungskontrast« zwischen Chor und Rotunde zusammen.

174 | Anschauungsräume des Sieges: die Superga

137 Superga, Turin. Kapelle der Hll. Ludwig und Remigius

Der Vollzug durch den Rezipienten lässt so eine räumliche Einheit entstehen, mit der die sehr sparsame bildliche Ausstattung der Kirche korreliert. Ihre verschiedenen Positionen zeigen sich dem Besucher, der den Raum aufgrund der Wandgestaltung distanziert erfährt, im Durchschreiten der Rotunde: der Hauptaltar, die beiden Altäre der Querachse und die Inschrift in der Kuppel, die Altäre in den Diagonalkapellen. Im betonten Höhenzug der Rotunde und in der von Beginn an aufgebauten, sich als latente Struktur durchziehenden Tiefenachse verschränken sich die beiden entscheidenden Elemente der Votivkirche, die mit dem Relief des Hauptaltars und in der Kuppelinschrift angebracht sind: der Stiftungsanlass auf dem Hauptaltar, der bereits mit Betreten der Kirche in Bezug zum Rezipienten steht; die Stiftung der Kirche selbst, die mit der Inschrift in der Kuppel thematisiert ist. Die raren inhaltlichen Akzente von Bild und Schrift, die mit der Kuppel und dem Chor jedoch an zentraler Stelle angebracht sind, werden durch die »Schauachsen« (Hager) in eine räumliche Abfolge gebracht: Erst sie bildet das Thema der Votivkirche aus. Das Ereignis der Schlacht von 1706, ein ungewöhnliches Motiv für einen Hauptaltar, ist der Stiftungsanlass, der in der Tiefe einlagert und damit zur unhintergehbaren Voraussetzung der Stiftung wird, als die sich der Kuppelbau mit der Inschrift zeigt. Diese räumliche Fassung einer »Syntax der Votivkirche« unterstützen die Altäre in den Kapellen durch ihr Programm von dynastisch bedeutsamen Heiligen: In der Querachse sind – wie auf dem Hauptaltar als Reliefs gegeben –

175 | Die Prägung des Außenraums durch die Superga

eine Verkündigung sowie die Mariengeburt (Abb. 84), in den Diagonalkapellen gemalte Darstellungen des Hl. Karl Borromäus, Ludwig des Heiligen (Abb. 137), dem Hl. Mauritius und der Seligen Margherita von Savoyen. Zusammen mit dem Fürbitter für den militärischen Sieg auf dem Hauptaltar, dem Sel. Amedeo, sind dies allesamt Heilige, die für die Dynastie wichtig waren. Elisabeth Wünsche-Werdehausen hat in ihrer Studie detailliert begründet, dass die Marienthemen der SS. Annunziata und Immaculata Conceptio in der religiös-politischen Praxis der savoyischen Dynastie verankert waren.435 Dass Ludwig der Hl. dargestellt wird, beansprucht einen königlichen HerrscherHeiligen, mit dessen Dynastie das Savoyerhaus überdies durch Heirat verbunden war. Kardinal Carlo Borromeo zu Ehren war unter Herzog Emanuele Filiberto I. das Grabtuch Christi als wichtigste Reliquie des Savoyerhauses von Chambéry nach Turin überführt worden, der von Mailand barfuß zur Reliquie hinpilgerte.436 Betont wird damit der durch die Gegenreform gestärkte katholische Glauben. Ähnlich wie das Santo Sindone gehörten auch mehrere Reliquien des Märtyrers Mauritius, wie der aus dem Langobardenschatz stammende Ring des Heiligen, zu den staatstragenden religiösen Objekten des Savoyerhauses, die ebenfalls nach Turin überführt wurden.437 Als zu verehrende Repräsentantin aus dem eigenen Herrscherhaus kommt die Sel. Margherita di Savoia hinzu, die mit dem Sel. Amedeo auf dem Hauptaltar zum religiösen Personal der Savoyer zählt. Die räumliche Syntax der Votivkirche bindet so in der bildlichen Ausstattung die Präsentation eines dezidiert katholischen, gestärkten Savoyerhauses ein, das durch sein ausgewähltes Heiligenprogramm eine Legitimation für die hier gewählte ›hohe‹ Architekturform zu geben suchte.438 Das Innere der Kirche wird dabei als neuartiger Denkmalsraum gestaltet (Abb. 54), der nicht ohne weiteres als eine Fortsetzung bekannter Grabbauten gelten kann,439 sondern eine eigene, dem Votivgedanken folgende Ausprägung schafft. Die Rotunde war vor allem für frühneuzeitliche herrschaftliche Mausoleen verwendet worden (kaiserliches Mausoleum in der Chorrotunde der Kathedrale von Granada; Grablege der Medici-Herzöge in der Chorrotunde der SS. Annunziata, Florenz; Cappella dei Principi, S. Lorenzo, Florenz); auch die durch Herzog Carlo Emanuele I. von Savoyen begründete Grablege in Vicoforte bei Mondovì (1596 ff., Ascanio Vitozzi) zeigt einen längsovalen Kuppelraum zwischen vier miteinander verbundenen Ecktürmen (Abb. 98–99).440 Doch von solchen Grabbauten mit einer massiven Einwölbung, wie sie vor allem auch durch die Antikenrekonstruktionen von Giovanni Montano verbreitet wurde (Abb. 138),441 hebt sich die Superga deutlich ab. Ihre Vertikalität wird gerade durch den Verzicht auf massive Einwölbung gewonnen. Auch in den Entwürfen Desgots und D’Avilers für den Concorso an der Accademia di San Luca 1677 wird auf Pendentifs verzichtet (Abb. 71, 139),442 kurz zuvor findet sich dies jedoch schon in der durch Carlo Fontana zu Ende gebauten Kirche S. Maria dei Miracoli (1672–1677) (Abb. 140). Es wäre daher falsch, die Art der Rotunde auf eine ›französische‹ Tradition generell zurückzuführen. Die wichtige Parallele zum Pariser Invalidendom beschränkt sich auf die

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138 Giovanni Battista Montano: Antiker Tempel, Rekonstruktion,1691

140 Rom, S. Maria dei Miracoli, Blick in den Chor, 1664–1681

177 | Die Prägung des Außenraums durch die Superga

139 Augustin-Charles D’Aviler: Längsschnitt für eine überkuppelte Kirche, 2. Preis, Concorsi Accademici, Rom, 1677

oktogonale Anordnung der Kapellen und den Kuppelraum, der auch durch paarweise aufgestellte Säulen herbeigeführt wird. Der Aufriss und das Verständnis von ›Wand‹ sind jedoch grundlegend anders. Während beim Invalidendom die Säulenpaare als frei tragende Elemente präsentiert werden, die in den Raum »hineintreten«, sind sie in der Superga nach wie vor Bestandteile einer »Raumschale«, die vielschichtig durch die Ordnungen gebildet wird. Gleichzeitig wird die Wand hier so weit wie möglich durchbrochen. Diese Wand der Superga, so ließe sich zugespitzt formulieren, zeigt nur mehr die Gliederungen als »Gerüst«.443 Beim Invalidendom dagegen wird die Wandstärke durch die konkav zur Rotunde gestellten Arkaden gezeigt, die bei der Superga orthogonal stehen. Auch die Leibungen der Kapelleneingänge inszenieren dort die Wandstärke. Dem Typus eines königlichen Mausoleums, als welches der Invalidendom mit den in die Rotunde eingestellten Doppelsäulen als Reflex auf den Entwurf Mansarts für eine Grablege der Bourbonen in St.-Denis von der Forschung teilweise und mit Recht verstanden wird,444 nimmt die Superga jedenfalls die Schwere des Gewölbes wie auch der Wand und stärkt stattdessen die Vertikalachse. Anhaltspunkte für eine Interpretation dieser »Raumgestalt« liegen in der Architektur der Superga als Votivkirche. Die Forschung hat dies trotz (oder vielleicht wegen) des ubiquitären Hinweises darauf kaum wirklich genutzt. Hierzu noch einmal die Fakten: Nach allem, was wir wissen, lag die alte, aus dem 15. Jahrhundert stammende Pfarrkirche445 etwa an der Stelle der späteren Superga-Kirche,446 war jedoch wesentlich kleiner.447 Die wundertätige Statue der Hl. Jungfrau,448 die ihre Bezeichnung Madonna di Soperga nach dem Superga-Hügel trug,449 erhielt ihre Aufstellung in einer Kapelle seitlich des Hochaltars der neu erbauten Kirche. Die Forschung führt zeitgenössische Quellen an,450 wonach der Herzog am 2. September 1706 gemeinsam mit dem Heerführer der kaiserlichen Truppen, Prinz Eugen von Savoyen-Carignano, den Hügel der Superga bestiegen habe, um von dort aus die feindlichen Linien zu beobachten.451 Ein Gebet des Herzogs in der Pfarrkirche auf dem Berg oder gar ein Votum bei dieser Gelegenheit ist, wie auf S. 39–43 näher ausgeführt, nicht belegt.452 Der früheste Anhaltspunkt für den Bau einer Kirche ist ein Brief des Beato Sebastiano Valfré, Beichtvater des Herzogs, der fünf Monate nach der Schlacht die Idee einer der Jungfrau Maria dedizierten Kirche enthält: »che si farà nella cittadella, o a Soperga, o in altro luogo«.453 Zur Debatte stand also eine Dankeskirche zu Ehren der Jungfrau Maria an einem noch zu klärenden Ort. Für die Möglichkeit einer spät aufgekommenen Idee, die neue Kirche unmittelbar auf der Spitze des Hügels zu errichten, sprechen auch die Projekte eines Trappistenklosters am Superga-Hügel, auf die Augusta Lange hinweist. Vittorio Amedeo II. beauftragte damit zwischen 1710–1713 den Vorgänger Juvarras, den Architekten Antonio Bertola.454 Dieses Kloster sollte nicht auf der Hügelkuppe, sondern weiter unten am Hügel erbaut werden. Erst nachdem Vittorio Amedeo 1713 infolge des Friedens von Utrecht zum König gekrönt worden war und in dieser Funktion sein neu erworbenes Königreich Sizilien aufsuchte, beauftragte er am 27. Januar 1714 noch von dort aus Anto-

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nio Bertola, Pläne für den Bau eines Klosters »prefisso di fondare sopra il monte di Superga« anzufertigen.455 Die genannten historischen Indizien, aber auch die Parallele mit König Philipp II., der anlässlich der Schlacht von Saint Quentin die Gründung des Escorial gelobte, sprechen für eine nachträgliche herrschaftliche Toposbildung, die den Neubau auf dem Hügel als ›königlichen‹ Bau zusätzlich legitimieren sollte.456 Doch entscheidet sich die Frage, ob die neue Superga-Kirche eine Votivkirche sei, weniger über die in Gang gesetzten ›Bezeugungen‹ des Gelübdes, als vielmehr über die Architektur selbst. Auszugehen ist dabei nicht von einem bestehenden Typus, unter dem die frühere Forschung vor allem auch die Ikonographie der zentralisierten Marienkirche verstand,457 sondern von bestimmten Funktionen, die architektonisch verkörpert und veranschaulicht wurden. Seit Palladios Il Redentore (1577–1592) (Abb. 141–142) und Longhenas S. Maria della Salute in Venedig (1631–1638) (Abb. 143) haben frühneuzeitliche Votivkirchen – bei allen Unterschieden – vor allem große Rotunden erhalten, wie sie beispielsweise auch die Klosterkirche Val-de-Grâce in Paris (1645–1669) (Abb. 144) bis hin zur Wiener Karlskirche (1716–1739) (Abb. 145) zeigen. Wichtigste Aufgabe der Votivkirche ist es, den mit dem Votum verbundenen Dank durch jede Wandlung auf dem Altar zu aktualisieren und damit das Gedenken zu verstetigen. Die religiöse Praxis, das in Erfüllung gegangene Gelübde durch eine Votivgabe sichtbar zu machen und damit den versprochenen Dank abzuleisten, gehörte zu einem neuartigen »Dinggedächtnis« (Lentes) der nachtridentinischen Zeit.458 Der durch ein Votum entstandene Kirchenbau ist damit als Votivgabe anzusehen, genauso wie andere Weihegaben, die der Forschung bislang fast ausschließlich als kleinere Gegenstände bekannt sind. Dass Kirchenbauten auf diese Weise verstanden wurde, zeigen Votivbilder, etwa vom Redentore oder von S. Maria della Salute (Abb. 146–147), wo der fertiggestellte Kirchenbau der durch Fürbitte angerufenen heiligen Person übergeben wird. Bei den oben erwähnten, vier großen europäischen Kirchenbauten ist eine signifikante Kombination von Zentral- und Längsbau festzustellen. Neben einer tiefen, den Altar mit verschiedenen architektonischen Mitteln besonders inszenierenden Choranlage – als Vorbild kann hier der Redentore gelten – sind diese Bauten allesamt durch eine kontrastierend hohe Rotunde mit heller, jedoch diffuser Beleuchtung ausgewiesen. Diese Rotunden dominieren bei Longitudinalbauten (Il Redentore, Val-de-Grâce) das Längshaus und bilden bei Zentralbauten (S. Maria della Salute, Superga, Karlskirche) hohe Kuppelräume aus, die nicht nur von ihrem Äußeren her verstanden werden können. Sie sind auch bedeutsam für das Innere der Kirche, wo sie einen großen, ›leeren‹ Raum begrenzen. In dessen gezielter Überhöhung zeigt sich die von der Gegenreformation geforderte architektonische Sichtbarmachung der Votivkirche: der nach oben gerichtete Kirchenbau als Gabe. Es gibt derzeit noch keine systematische Untersuchung zur Frage frühneuzeitlicher Votivkirchen,459 so dass hier wenige Grundzüge genügen müssen. Die Superga besitzt durch ihre beiden »Schauachsen« genau die Charakteristika der genannten vier Bauten: einerseits den tiefen Chor,460 der architektonisch auf das Altarrelief hinarbeitet, in dem

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141 Andrea Palladio: Il Redentore, Venedig, Langhaus in Richtung Chor, 1577–1592

142 Andrea Palladio: Venedig, Il Redentore, Venedig, Blick in die Kuppel

180 | Anschauungsräume des Sieges: die Superga

143 Baldassare Longhena: S. Maria della Salute, Venedig, Rotunde mit Blick zum Hauptaltar, 1631–1638

144 Paris, Klosterkirche Val-de-Grâce, Langhaus mit Blick zur Kuppel, 1645–1669

181 | Die Prägung des Außenraums durch die Superga

145 Johann Bernhard Fischer von Erlach: Karlskirche, Wien, Innenansicht in Richtung Eingangsportal, 1716–1739

146 Alessandro Varotari (gen. Il Padovanino): Der Doge Alvise I. Mocenigo bringt Christus das Modell der Votivkirche der Kirche Il Redentore dar

182 | Anschauungsräume des Sieges: die Superga

147 Bernardino Prudenti: Votivbild der Kirche S. Maria della Salute, Sakristei, 1631

148 Balthasar Neumann: Vierzehnheiligen, Grundriss, 1743–1772

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Beato Amedeo, historischer Vertreter der savoyischen Dynastie, in typischer FürbitteHaltung die Muttergottes zum Schutz der Residenzstadt anruft; andererseits das sichtbarste Zeichen des Dankes – die überstreckte Rotunde, deren einziger Schmuck auf den in seinem Rang erhöhten Stifter verweist. Damit reiht sich die Superga ein in eine Serie typischer »Raumgestalten« von allesamt herrschaftlichen Votivkirchen der Frühen Neuzeit, die mit architektonischen Mitteln dem nachtridentinischen Gebot auf Sichtbarkeit nachkommen. Die Superga schuf so das Programm einer Votivkirche, ohne dass der Ausgangsort für das Votum in ihr gelegen hätte. Diese »Ortlosigkeit«, die auch für die anderen frühneuzeitlichen, herrschaftlichen Votivkirchen festzustellen ist, unterscheidet sich von frühchristlichen Memorien. Die letzteren galten neben dem Aufbewahren von Reliquien auch dem Ort, mit dem ein Heiliger in Kontakt hatte.461 Sie steht aber auch im Gegensatz zu zeitgenössischen Wallfahrtskirchen wie Vierzehnheiligen, deren Architektur vorgab, den wundertätigen Ort zu umbauen, ihn zu konservieren (Abb. 148). Im Vergleich zu solchen, die Authentizität eines Ortes bestärkenden Bauten erscheint die frühneuzeitliche Votivkirche fast künstlich. Dennoch war ihr Ort keineswegs zufällig. Wie die anderen genannten Beispiele in Venedig, Wien und Paris begründet sich dieser auch bei der Superga vor allem durch eine größtmögliche Außenwirkung. Diese Prägung des Außenraums durch eine herrschaftliche Devotionsarchitektur, so lässt sich mit diesem architekturhistorischen Befund argumentieren, war in der Frühen Neuzeit offenbar wichtiger geworden als die mittelalterliche Authentizität des Orts, die Reliquie wie geheiligte Stätte als gleichwertig behandelt hatte: Der Anschauungsraum war gegenüber dem Ort im Wert gestiegen.462

SUPER GA UND ›LANDSCHAFT‹ Filippo Juvarra nahm bei einigen seiner Projekte, wie dem Palazzo Reale in Messina oder dem Entwurf für die Neusystematisierung des Kapitols, das Gelände auf, bevor er einen Entwurf anfertigte.463 Auch die Zeichnung der Bernini-Kirche S. Maria dell’Assunzione in Ariccia dürfte auf einer solch topographischen Aufnahme beruhen (Abb. 92). Bezüglich der Superga deuten einige der Fantasien oder cappricci 464 darauf hin, dass sie dem Architekten dazu dienten, die Gestaltbeziehungen der Superga zu ihrem räumlichen Umfeld zu klären. Betrachtet man diese Zeichnungen, so wird deutlich, dass Juvarra mit seiner Architektur einen »übergeordneten Raum« (Schumacher) schaffen wollte, der durch die Superga als Bauwerk beherrscht wird. Als »Vorstellungsschema« (Boudon), das den architektonischen Entwurf in die Potentialität eines Projekts überträgt, macht eine solche Zeichnung deutlich, dass die Superga den Raum außerhalb der Stadt auf sich bezog.465 Juvarra kam bei den Zeichnungen zur Umgebung der Superga zustatten, dass er während seiner Zeit in Rom zahlreiche Bühnenbilder mit Landschaftsdarstellungen angefertigt hatte.466 Doch auch die sogenannten Architekturfantasien sind nach übereinstim-

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149 Filippo Juvarra: Szene aus »Ifigenia in Tauri«. Rom, Teatro della Regina di Polonia, 1713, Aquarell

mender Meinung der Forschung nicht strikt von Projektdarstellungen zu trennen: »Often it is impossible to say whether a drawing is a theatre scene, a capriccio, or a real project. By viewing his architecture through the means of depicting it, Juvarra contributed the final touch to the extraordinary streak of the picturesque in his work, with its distraction of strewn accents and slightly ragged outlines, and its charm of offbeat viewpoints and unexpected illuminations.«467 Wie bei Theaterhintergründen (Abb. 149) staffelt sich der Raum auch bei den Turiner Landschaften Juvarras als Folge von Repoussoir, Mittel- und Hintergrund. Die Superga bildet dabei stets den äußersten Pol der Darstellung. Das ist der Fall, wenn zwischen einer Schlachtallegorie und der Superga das Jagdschloss Venaria Reale im Nordwesten von Turin erscheint (Abb. 150), für das Juvarra verschiedene Bauten errichtete.468 Der Kreuzkuppelbau von Sant’Uberto liegt im Bild genau unterhalb der Superga, die mit nur wenigen Strichen angedeutet ist: die nördliche Seite des langgestreckten Konventsgebäudes, die beiden Türme und die Kuppel in seitlicher Projektion. Dass der Vordergrund mit einem Feldlager verstellt ist, vor dem zwei Löwen das savoyische Wappen halten, verweist auf das Kriegsgeschehen von 1706. Das Blatt zielt vermutlich auf Umbauten in Schloss Venaria Reale ab, da es die Kirche Sant’Uberto durch Schraffur hervorhebt. Darüber hinaus aber macht es deutlich, wie die Superga den nun mehr befriedeten Landschaftsraum außerhalb der Stadt höhenmäßig begrenzt.

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150 Filippo Juvarra: Schloss Venaria Reale, Turin, im Hintergrund die Superga, Federzeichnung

151 Filippo Juvarra: S. Maria al Monte dei Cappuccini, im Hintergrund die Superga, Federzeichnung

Für seine Skizzen berühmt,469 könnte Juvarra solche Zeichnungen auch angefertigt haben, um dem savoyischen Herrscher Vittorio Amedeo II. die landschaftliche Wirkung des neuen Kirchenbaues vor Augen zu führen. Diese Option trifft auf ein Blatt zu, das Schloss Valentino am linken Po-Ufer südlich von Turin zeigt, das von ihm umgedeutet wird (Abb. 151). Offene Arkaden sind über Eck ins Bild gestellt und zeigen, dass es hier um den Ausblick auf die Hügel am anderen Po-Ufer geht. Jedenfalls ist nach dieser Logik die Zeichnung aufgebaut: Man erblickt S. Maria al Monte, ebenfalls über Eck gestellt, weit dahinter erscheint die Superga. Juvarra gleicht auf dieser Zeichnung die ältere Kapuzinerkirche an die Architektur der Superga an, indem er ihre Kuppel vergrößert und Türme vorsetzt. Eine durch Arkaden gebildete Rampe, die an die von Palladio zum MarienSanktuarium umgebaute Kirche auf dem Monte Berico bei Vicenza denken lässt, umschließt die Klosteranlage und hebt sie aus der Umgebung des Ufers heraus.

186 | Anschauungsräume des Sieges: die Superga

152 Filippo Juvarra: Hügel um Turin, hinten rechts die Superga, lavierte Zeichnung

Bei der Kirchenarchitektur selbst denkt man an die Vorstudie Juvarras zur Superga, die diese als Kreuzkuppelkirche mit vier Türmen in den Ecken zeigt (Abb. 97). Die zu Füßen des Superga-Hügels liegende Kirche S. Maria al Monte wird auf dieser Zeichnung wie Schloss Valentino selbst verändert, um die Wirkung des Vorhabens auf dem höchsten Hügel zu studieren, wobei die veränderte ältere Kirche als Projektionsfolie für die Superga dient. Dies bestätigt, was Carl Linfert über die Architekturzeichnung generell sagt: sie enthalte stets »Anspielungen auf die unberechenbare Einheit des geplanten Raums, die der fertige Bau wieder verhüllt«.470 Deutlich wird – ähnlich wie bei der vorherigen Zeichnung von Sant’Uberto – die Superga als Verdoppelung bestehender herrschaftlicher Bauten im Raum des herrschaftlichen Territoriums. Was hier zur Anschauung gebracht wird, ist die Kombination von dynastischen Bauten, die innerhalb der gegebenen Landschaft ein neues räumliches Bezugsfeld errichten können. Wie sehr sich die Ostseite der Stadt mit ihren Hügeln für ein solches Bezugsfeld der Superga eignete, zeigt vor allem die sogenannte Veduta fantastica del Po e della collina di Torino con Soperga (Abb. 152).471 Der Standpunkt ist ähnlich gewählt wie auf der vorherigen Abbildung, doch verändert Juvarra hier die Kapuzinerkirche Vitozzis nicht. Aufgebaut wird die Zeichnung nun fast ausschließlich durch Hügel, die architektonisch besetzt sind; der ganze Rest der Landschaft versinkt dagegen im Wasser.472 Dessen unklar begrenzte Fläche, in der auch die Stadt verschwindet, verwischt die tatsächlichen Distanzen des Landschaftsraumes. Dieser ist gänzlich von Wasser bedeckt, nur an den Rändern scheinen einige Hügel auf. Gezeigt wird links der Hügel von Rivoli, am rechten Bildrand die realiter viel weiter entfernte Hügelkette östlich des Po. Die Stadt Turin, die eigentlich dazwischen zu sehen sein müsste, ist vollständig dem Wasser gewichen. Gertraude Huber kam anhand der Zeichnung zu der Annahme, Juvarra könne möglicherweise in der Platzwahl des Projektes durch die Kapuzinerkirche angeregt worden sein.473 Dafür reichen die Anhalts-

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punkte nicht aus, doch wird an der Studie deutlich, wie wichtig Juvarra die Gestaltung der Landschaft durch Architektur war. Elisabeth Kieven kommt in ihrer großen Untersuchung zu den römischen Architekturzeichnungen zu dem Schluss, Juvarra sei ein Architekt, der »den topographischen Zusammenhang [erforsche], als wolle er sich von ihm inspirieren lassen«.474 Solche Perspektiven sind nach Kieven keine Schauzeichnungen für den Auftraggeber, sondern bilden im Gegenteil einen Ausgangspunkt für den Entwurf. Was ein derart enger Zusammenhang mit der Landschaft für die Architektur heißt, formuliert Herman Sörgel: »Wenn jedoch die Bauweise […] im ästhetischen Sinn auf die Natur Rücksicht nimmt, so ist das Ganze im Teil, d. h. die Natur in der Wirkungsform der Architektur mitenthalten und der Gesamtlandschaftsraum wird auch durch nur teilweise Raumandeutungen der Kunst zur untrennbaren Einheit […].«475 Das Verhältnis der topographischen Ebene zur Höhe ist eine Konstituente der Architektur der Superga, sie zeigt sich in deren landschaftlich wirksamer Komposition. Diese wird zum einen durch die Platzierung des Kirchenbaus auf der Straßenachse von Rivoli zu dem kurz zuvor errichteten Stadttor Porta Susina erreicht. Durch ihre Position schließt die Superga an die künstlich angelegte Fernsicht an, die – von Westen an die Stadt heranführend und umgekehrt von dieser wegbringend – als Friedensbeweis der strategisch empfindlichen Verbindung in Richtung Frankreich gelten muss. Wer sich von Frankreich aus über die nahe gelegenen Pässe (Mont Cenis, Mont Genèvre) und über Susa näherte, hatte nun nicht mehr nur eine glänzend geordnete und befestigte Residenzstadt vor sich, sondern eine erschlossene Landschaft, ein »verdichteter Raum« (Waldenfels). Die Veduta fantastica zeigt prägnant, wie nun nach Osten hin die Architektur der Superga alle vorherigen dynastischen Hügelbebauungen überragte. Wenn dabei die Stadt gänzlich im Wasser ›verschwindet‹, dürfte dies dem topographischen Interesse Juvarras geschuldet sein, welches hier die Phantasielandschaft zur Vermittlung der architektonischen Idee einsetzt: Nichts könnte die Landschaft der Ebene besser ersetzen als die glatte Fläche des Wassers. Die Zeichnung macht aber auch deutlich, dass die Kirche mit ihrer Fassade auf die Ostseite der Stadt abzielt, dasjenige Tor, durch das man die Stadt in Richtung Po verließ. Hier zeigt sich, dass die Drehung des Kirchenbaus aus der Achse heraus durch die Überlegung bestimmt war, wie die Kirche in der Landschaft am besten wirkt. Die Drehung der Anlage um 30o aus der Achse nach Rivoli heraus passt Kirche und Stift in den Verlauf des Hügels ein. Verstärkt sich der Superga-Hügel nach Norden hin zu einem Massiv, so fällt er nach Süden in einer Senke ab. In diese Senke hinein, der von der Stadt Turin her Straßen folgten, entfaltet die Superga ihre Wirkung. Der »screen« ihrer in Türmen abschließenden und mit einer hohen Kuppel bekrönten Fassade zeigte sich dabei dem turmlosen Rundbau der Vitozzi-Kirche überlegen und schafft mit dieser Frontalität eine klare Ausrichtung auf sich. Die Topographie der Berge, wie sie auf diesen Zeichnungen deutlich wird, waren für Piemont-Savoyen nach dem Krieg mit Frankreich von grundsätzlicher Bedeutung, da der

188 | Anschauungsräume des Sieges: die Superga

153 Kartographische Darstellung des Alpenreliefs zwischen dem Kleinen St. Bernhard und Nizza, um 1740

189 | Die Prägung des Außenraums durch die Superga

Friedensvertrag von Utrecht (1713) erstmals die Wasserscheide in den Alpen als Grenzlinie zwischen Piemont-Savoyen und dem französischen Königreich festlegte.476 In der Folge wurden die Gipfel der Alpen durch den savoyischen Staat zunehmend kartiert und dabei als freigestellte Kette gezeigt (Abb. 153).477 Es blieb jedoch nicht bei einer solch technischen Bezwingung der Berge. Die Bebauung des heute noch schwer zugänglichen Superga-Hügels machte für die Residenzstadt deutlich, dass die Savoyer nach dem Krieg in der Lage waren, die natürliche Topographie in ihre Repräsentation zu integrieren. Juvarra mit seinen situativen, vom räumlichen Kontext her gedachten Bauten stellte sich hierfür als der richtige Architekt heraus. Die Superga mit ihrer doppelten Verankerung – in die Achse nach Rivoli sowie an den Ostrand der Stadt – ließ Landschaft als »in sich geschlossene Anschauung« (Simmel)478 entstehen. Das über Wegerechte groß gewordene Savoyerhaus zeigte sich nun auch symbolisch als eine Dynastie, die deutlich machte, dass sie flächenmäßig herrschte, indem die Superga die Stadt zwischen sich nahm. Die Superga, zweiter Kuppelbau am Ostrand Turins, baute hier langfristig eine städtebauliche Typologie,479 bei der sich die Dynastie durch die Architektur als kontinuierlich raumbeherrschende Macht zeigte.

DIE SUPER GA ALS AR CHITEKTUR DER GRENZE In der Umgebung der Stadt Turin schuf die Superga einen neuartigen Außenraum, für den das Moment der Grenze konstitutiv war. Dies geht von dem Baukörper des SupergaKomplexes aus, der das Escorialmotiv des Klosters und der Typus der Doppelturmanlage so miteinander verbindet, dass der Kirchenbau zum Träger eines großen Richtungsvektors wird. Keinesfalls entsteht die Bewegungsachse jedoch nur im stereometrischen Zusammenspiel des nach vorne gerückten Zentralbaus und der nach hinten gezogenen Turmflanken. Vielmehr ist die im Innern erzeugte Tiefe entscheidend. Sie wird von den Säulen gestaltet, die – eingebunden in das Bekleidungssystem der Gliederungen – die unterschiedlichen, selbständigen Raumteile Chor, Rotunde und Portikus miteinander verbinden und auf diese Weise eine durchgehende Achse von Innen und Außen bilden. Auch hinsichtlich der Höhe zeigen sich die Gliederungen als entscheidende raumbildende Kraft: Die kreisförmige Aufstellung der Dreiviertelsäulen in den Diagonalen wandelt die oktogonale Anordnung der Kapellen in die »Raumgestalt« einer Rotunde um. Die einzige Ausstattung befindet sich im Altarraum und in der Kuppel, sie bezieht sich jeweils auf die Umstände des Kirchenbaues. Dementsprechend vollzieht der Rezipient hier eine Raumlogik, die im Sinne der katholischen Bildertheologie die »veritas historica« der Votivkirche schafft.480 Die im Kreuzungspunkt der beiden Hauptachsen entstehende räumliche Syntax der Votivkirche erfährt der Rezipient vor allem durch die Diagonalen, die ihn um die Rotunde kreisen lassen. Diese »veritas historica« wird in den »präsentia« der Säulen durch den langgestreckten Portikus nach außen gegeben, der wie ein römischer Quadrifrons als Sammel- und Verteilerstation im Außenraum hineinwirkt.

190 | Anschauungsräume des Sieges: die Superga

Die Fassade folgt dem Impuls, der im Inneren gesetzt wird. Sie kann aber nicht als dessen nach außen gewendete »Haut« verstanden werden, sondern ist eine Schnittfläche verschiedener Kräfte, die von innen wie von außen kommen. Auch im Äußeren schafft die Architektur ganz bestimmte Standpunkte, die den Betrachter jeweils »auf Abstand« halten. Sie geben eine vorwiegend visuelle Rezeption vor, die im Äußeren dem »Anschauungsraum« der Superga entspricht. Dabei ist die Frontalansicht eine ins Räumliche transponierte Portikusfassade des von Dupérac überlieferten, angeblichen Entwurfs für St. Peter von Michelangelo. Die Eckposition, die in der rhythmischen Travée tiefplastische Nischen übereinanderstellt, verweist ebenfalls auf St. Peter, hat jedoch auch das Ziel, den Unterbau als zylindrischen Körper mit angeschlossenem Portikus und somit analog zum Pantheon zu präsentieren. Durch die rhythmische Travée werden die im Inneren entscheidenden Diagonalseiten in veränderter Weise auf das Äußere übertragen, für deren Rezeption das herausgezogene Plateau des Sockels nötig ist. Die im frühen 18. Jahrhundert häufig aufkommende Typologie der Doppelturmanlage mit Kuppel wurde so bei der Superga zu einer räumlichen Fassade gewendet. Gleichzeitig entstand hier ein Innenraum, der die beiden wichtigsten europäischen Rotunden dieser Zeit verarbeitete: den Pariser Invalidendom und St. Peter in Rom. Die Tatsache, dass eine Krypta bereits zu Beginn der Bauarbeiten vorgesehen war, lässt auf die Planung eines Grabes für Vittorio Amedeo II. schließen, zumal für den Herrscher ein Refugium im Stift in Form eines Annexes vorgesehen war, das nie fertiggestellt wurde. Wenn mit der kreisförmigen Aufstellung der Alveolensäulen die Rotunde der Grabeskirche als Ort der Anastasis aufgerufen wird, so ist indes bei der Superga im Gegensatz zu den massiven Memorien der Frühen Neuzeit die Vertikalität betont. Aus der italienischen Tradition der »Raumschale« heraus entwickelt hier Juvarra die eigenständige Form des ›hohen‹ Baus weiter, durch die der Raumtypus der Votivkirche fortgeführt und als Thema des herrschaftlichen Kirchenbaus ausformuliert wird. Dass die Architektur der Superga zwischen Grab- und Votivkirche changiert, soll hier nicht bestritten werden. Doch kommt es zu einer räumlichen Ausprägung, die im Zusammenhang mit der raren Ausstattung den Votivgedanken auf den Rezipienten überträgt. Erst mit diesem nach innen gezogenen ›Denkmalsraum‹ verwirklicht sich die Superga als Votivkirche. Auch im Äußeren der Superga wurde auf diese Weise ein »Eigenraum« geschaffen. Wenn der Kirchenbau am Rande einer weiten Ebene liegt und den höchsten Punkt der Landschaft einnimmt, so hat dies mehrere, sehr bewusste territoriale Entscheidungen zur Grundlage. Die Superga war keine zwangsläufige Folge des Gelübdes, wie es Gesandtenund Reiseberichte glauben machen wollten, um damit einen Topos des savoyischen Herrscherhauses analog zur Gründung des Escorials durch Philipp II. in Spanien zu schaffen. So führte die Positionierung des Superga-Komplexes die von Rivoli nach Turin verlaufende Straßenachse fort, wobei der Gipfel des Superga-Hügels abgeflacht wurde. Dieser erhebliche Eingriff machte den sehr viel größeren Komplex der Superga an Stelle der vorher bestehenden Pfarrkirche mit der Statue der wundertätigen Beata Vergine überhaupt erst

191 | Die Prägung des Außenraums durch die Superga

möglich. An den Ort der alten Pfarrkirche knüpfte die Superga nur bedingt an: Er wurde so verändert, dass das um ein Vielfaches größere und komplexere Bauwerk neu geschaffen werden konnte und die wenige Jahre zuvor entstandene, axiale Straßenverbindung als Fluchtpunkt ergänzte. Die Superga beruht auf einer Anpassung des bestehenden heiligen Ortes an das bestehende axiale System, verlieh diesem jedoch durch die Topographie der Höhe eine neue Qualität. Das Ensemble, das die Superga zusammen mit der Straßenachse und dem alten Schloss in Rivoli bildet, muss somit als Ergebnis eines längeren räumlichen Prozesses verstanden werden. Trotz des geometrischen Konzepts ist es kein Werk aus ›einem Guss‹, sondern räumliches Produkt von longue durée.481 Dieser visuell strukturierte »Anschauungsraum«, den die Superga um Turin schafft, zeigt den militärischen Sieg Piemont-Savoyens über Frankreich als räumlich angeordnete, dynastische Geschichte: Das älteste savoyische Schloss in Piemont, die westliche Stadterweiterung mit der neuen Porta Susina und die Siegeskirche bilden eine gemeinsame Achse, doch ist die Superga hier auf direktem Wege nicht erreichbar. Sie schafft einen »Vorne«-Raum, in dem die herrschaftliche Votivkirche das stetige Ziel bleibt. Das Paradox, dass ein Zentralbau hier ›Richtung‹ ausbildet und zum Wegweiser wird, ergibt sich aus der konkreten historisch-politischen Situation des Savoyerhauses, das den früheren heiligen Ort der Beata Vergine für sich zu beanspruchen suchte, diesen aber in das symbolische System seiner Herrschaft einpassen möchte. Doch auch außerhalb der Achse ›wandert‹ die Superga durch ihre Randlage auf dem Hügel als Architektur des Horizonts stets mit dem Betrachter mit. Ihre Architektur berücksichtigt dies, indem sie um etwa 30o aus der Achse gedreht ist, um sich besser in den hügeligen Ostrand der Stadt einzufügen, wo sie bei Verlassen der Stadt mit dem Kirchenbau S. Maria al Monte eine Einheit bildet. Erst die neuartigen, ›landschaftlichen‹ Beziehungen der Superga, die auf einer verschobenen Axialität des Bauwerks zur Strada Rivoli beruhen, wie sie beispielsweise auch im Verhältnis der römischen Kirche S. Trinità und der Spanischen Treppe zu finden ist, lassen die Hügel als ›natürlichen‹ Rand der Stadt erscheinen. Waren Berge im savoyischen Piemont zuvor nur punktuell und in Folge einer Burgentradition (Abb. 13) bebaut worden, so stiftete das von der Superga ausgehende Ensemble einen geschlossenen Wahrnehmungsraum: In der weiten Ebene Turins wirkten die Hügel nun als ›natürliche‹ Grenze der Stadt. Die Architektur der Superga ermöglichte damit für die unmittelbare Umgebung der Residenzstadt, was auch die räumliche Konstitution des Territoriums durch Techniken der Vermessung und kartographischen Darstellung vollzog: die Einbeziehung der Berge als ›natürliche‹ Grenze. Dem von Frankreich auf der Strada di Rivoli Kommenden präsentierte sich die Superga deutlich als »italienischer« Bau, der zudem die Anleihen beim französischen Memorialbau im Inneren in die eigenständige »Raumgestalt« einer herrschaftlichen Votivkirche verwandelte. Eine solche Eigenständigkeit bei gleichzeitigen Anleihen im europäischen Sakralbau ist hier jedoch nicht als Widerspruch zu verstehen. Die juvarrianische Architektur zeigte sich auf der Höhe ihrer Zeit, konnte aber gleichzeitig einen spezifisch savoyischen Raum

192 | Anschauungsräume des Sieges: die Superga

schaffen. Dass dies in Turin gelang, verdankte sich der Kopplung von Votivkirche und politischem Raum sowie der geschickten Einpassung der Architektur Juvarras in die Morphologie der Landschaft. Als eine auf dem höchsten Hügel ruhende Architektur, die mit dem Horizont stets ›mitwandert‹, machte sie den Rezipienten auch auf den dahinter liegenden Raum aufmerksam. Insbesondere dadurch, da die Superga sowohl im Inneren wie auch im Äußeren das Thema der ›Richtung‹ auf eine sehr ausgeprägte Art und Weise formt. Die historisch-politische Situation einer erfolgreichen Abgrenzung vom nahe gelegenen französischen Königreich und der in den Friedensverhandlungen geäußerte Anspruch auf Mailand, konnten sich so potentiell auf jeden Benutzer dieser Landschaft übertragen. Der räumliche Abschluss, den die Superga für die Umgebung Turins bildete, verwirklichte dabei auch einen neuen Strukturierungsgrad des fürstlichen Herrschaftsgebiets. Turin, das sei an dieser Stelle nochmals ins Gedächtnis gerufen, war bei Fertigstellung der Superga in dem Neuausbau durch die Savoyer noch keine zweihundert Jahre alt. Die doppelte Ausrichtung der sakralen Architektur in das vorhandene System der axialen Verbindungen wie auch in die natürliche Topographie der Hügel reagierte auf diese Situation und sicherte den Kirchenbau im Außenraum gleichsam ab. Ihr »Wirkungsbezug« (Breuer) zur Ostseite der Stadt ließ eine ›natürliche‹ Landschaft entstehen, die dem savoyischen Herrschaftsraum seine künstliche Erscheinung nahm und ihn als Bau einer ›gewachsenen‹ kulturellen Landschaft vermittelte. Die hybride architektonische Gestalt der Superga vermittelte sowohl in ihrem Inneren wie auch im Äußeren die durch den Sieg gestärkte Ambition eines Herrschergeschlechts, das sich aus dem italienischen Teil seines Territoriums nicht mehr verrücken ließ. Dies zeigte auch die Verknüpfung des aktualisierten herrschaftlichen Votivbaus mit der dynastischen Grablege: Sie wurde endgültig von 1728 an eingerichtet und löste damit endgültig die 1596 unter Herzog Carlo Emanuele begonnene, jedoch nie genutzte Grablege in Vicoforte bei Mondovì im Süden des Territoriums ab. Da der Dom zwischenzeitlich als vorläufige Grablege des Savoyerhauses gedient hatte,482 bedeutete die Einrichtung der Superga als Grablege auch eine Neueinrichtung des Territoriums. Der militärische Sieg über Frankreich, so suggeriert der auf einem hohen Sockel präsentierte Bau, war von nun an unverrückbar mit den Geschicken der Dynastie verknüpft. Mit der »Raumgestalt« der herrschaftlichen Votivkirche, die auf mehrere Typologien anspielte, knüpfte das Savoyerhaus an der Tradition derjenigen italienischen wie europäischen Dynastien an,483 für welche die religiöse Präsenz endgültig ein Mittel der Ausübung von Herrschaft geworden war. Die Errungenschaften des militärischen Siegs wie auch damit verbundene künftige politische Potentiale waren durch dieses Bauwerk stets aufs Neue vollziehbar. Wenn dies vor allem in den Modalitäten des Anschauungsraums geschieht, so zeigte die Analyse, dass hierin sowohl der Innen- wie auch der Außenraum der Superga einbezogen war.

193 | Die Prägung des Außenraums durch die Superga

EIN SAVOYISCHER AKTIONSRAUM: DAS ENSEMBLE VON PIAZZA VITTORIO EMANUELE UND GRAN MADRE DI DIO

Das theoretische und praktische Problem der Grenze lautet: zu wem gehört sie? Michel de Certeau, Kunst des Handelns, 1988

DAS ARCHITEKTONISCHE ENSEMBLE VON PLATZ UND KIRCHE Die Piazza Vittorio Emanuele, ein langgezogenes Rechteck, das sich an der Schmalseite zur Stadt in einer Exedra zusammenzieht, ist zur Gegenseite offen (Abb. 154): An den beiden Längsseiten und in der Exedra von hohen Hauswänden eingefasst, führt der Platz mit seiner offenen Seite zum Fluss Po. Er präsentiert so die langsam ansteigende Hügelkette auf der östlichen Flussseite, die eine Brücke über den Po erschließt. Die colli am anderen Ufer sind im unteren Bereich bebaut, im oberen zeigen sie sich auch heute noch bewaldet. Zentrum der Architekturen am Fuße der Hügel ist die Kirche Gran Madre di Dio, die als überkuppelter Zentralbau die Achse der Brücke fortsetzt und von einem kleineren, rechteckigen Freiraum umgeben wird, den Architekturen begrenzen. Von der Kirche aus entsteht über die Brücke hinweg eine wirkungsvolle Verbindung zurück, da die stadtseitige Schmalseite der Piazza Vittorio Emanuele von der Via Po durchschnitten wird, einer diagonal geführten Straße, die auf die Rückseite der antiken Porta Praetoria zuführt. Durch die Straße verbunden, erscheint so hinter den hellen Häusern des Platzes das alte römische Stadttor, das nun im Zentrum der Stadt liegt (Abb. 155). Von 1825 bis 1830 erbaut, unterscheidet sich die Piazza Vittorio Emanuele von den vorherigen Turiner Plätzen durch ihre Öffnung an einer Seite. Die Platzanlage wurde exakt zwischen zwei ehemaligen Bastionen errichtet, die mit der Entfestigung im Jahre 1800 obsolet geworden waren (Abb. 156). Der Platz stellte hier also keinen Raum dar, der von städtischer Dichte frei gemacht werden musste, um zu entstehen, sondern war umgekehrt ein urbanistisches Element, um das herum sich die Stadt erst auffüllen

195 | Das architektonische Ensemble von Platz und Kirche

154 Turin, Piazza Vittorio Emanuele (heute: Piazza Vittorio Veneto), Blick vom Eingang in die Piazza in Richtung Gran Madre di Dio, 1825–1830

sollte.484 Die raumerschließende Aufgabe des Platzes ging von der Entfestigung aus, sie stellte neue Anforderungen an die Gestaltung der Stadtränder. Das lang gezogene Rechteck der Piazza, das von der Bebauungsgrenze hinter der ehemaligen Befestigung bis zum Flussufer reichte, macht den zu bewältigenden Raum deutlich, in den nun auch der Fluss Po erstmals urbanistisch integriert wurde. Dieser Raum zielte durch seine architektonische Gestaltung auf die konkrete Zweckerfüllung der Verbindung von Innen und Außen ab, doch wie bei dem Ensemble Superga – Rivoli zeigen sich auch hier die Merkmale der Axialität und der Verknüpfung von städtebaulich sowie territorial bedeutsamen Bauwerken.485 Wird nun mit den Voraussetzungen der Axialität das Ensemble Piazza Vittorio Emanuele und Gran Madre di Dio durch denselben Raummodus bestimmt wie das barocke Gefüge Superga – Stadttor Porta Susina – Rivoli? Eine Analyse, die diese Frage beantworten soll, ist auch hier darauf angewiesen, den »Wirkungsbezugsraum« (Breuer), den die Architektur schafft, zum Ausgangspunkt zu nehmen.486 Wie häufig für bauliche Strukturen der Stadt und Architektur, zeigt sich beim klassizistischen Gefüge der Piazza Vittorio Emanuele und der Kirche Gran Madre di Dio, dass dieses ein Produkt der longue durée und damit in hohem Maße von den Vorgaben der Örtlichkeit sowie gegebenen baulichen Strukturen abhängig ist. Die Vielzahl der Entwürfe und Planungen, die bereits lange

196 | Ein savoyischer Aktionsraum: das Ensemble von Piazza Vittorio Emanuele und Gran Madre di Dio

155 Turin, Piazza Vittorio Emanuele (heute: Piazza Vittorio Veneto), Ansicht von Gran Madre di Dio in Richtung Stadt, 1825–1830

vor Realisierung der Piazza Vittorio Emanuele eine Platzanlage für das Gebiet der Porta Po vorsahen, deuten darauf hin, dass hier eine grundsätzlichere Ordnungsaufgabe gelöst werden sollte, für die man nach neuen Mitteln suchte. Das Augenmerk der Planer war nun auf den Rand der Stadt gerichtet, der erstmals als urbanistische Aufgabe verstanden wurde.487 In Turin wurde die neuartige Aufgabe des Platzes als Eingang in die Stadt von zwei verschiedenen politischen Regimes betrieben: der napoleonischen Besetzung und der danach aus dem Exil zurückkehrenden savoyischen Dynastie. Dies zeigte sich vor allem in der Räumlichkeit der Anlage, in der die Interessen der jeweiligen Auftraggeber zutage treten. Die Unterschiedlichkeit der Räumlichkeiten, die man mit Georg Simmel als »die klarste Dokumentierung der realen Kräfte« bezeichnen könnte, wurde jedoch bislang nicht ernst genommen, sondern die Forschung konzentrierte sich vor allem auf die Planungen und deren Realisierungsgrad. Wie beim Ensemble der Superga ist dieser architektonisch geschaffene Raum jedoch politisch geprägt. Seine Modalität ist freilich ganz anderer Art.

197 | Das architektonische Ensemble von Platz und Kirche

156 Claude-Joseph-Yves La Ramée Pertinchamp: Plan Général, 1809 (Ausschnitt: Lageplan für einen Platz zwischen den Bastionen als Verlängerung der Via Po)

198 | Ein savoyischer Aktionsraum: das Ensemble von Piazza Vittorio Emanuele und Gran Madre di Dio

DER ›EINGANGSPLATZ‹: FORSCHUNGSAUFGABE UND METHODIK DER UNTERSUCHUNG Methodisch bietet sich für die Analyse des über einen längeren Zeitraum entstehenden Ensembles Piazza Vittorio Emanuele und Gran Madre di Dio ein Zugriff der longue durée an, der die gesamte Entwicklung in Blick nimmt und darauf abzielt, generative Faktoren der Raumbildung festzustellen.488 Ein solches Vorgehen meint nicht bloße Chronologie, sondern setzt an der besonderen Eigenschaft architektonischer und unbeweglicher Artefakte an, sich in Beziehungen von ›Vorher‹ und ›Nachher‹ zu konstituieren.489 Für die Stadt als einem komplexen System sind für die Entstehung langfristiger Formen wichtig: die räumliche Anordnung (beispielsweise durch die Langlebigkeit der Parzellierung), die Konstanz der Lage, aber auch einschneidende Ereignisse.490 Die Dimension Zeit wird so als »Aufbaufaktor« verstanden,491 dabei kommt der Ortsbindung über den spezifischen Gegenstand der Stadt hinaus eine grundlegende analytische Bedeutung zu. Solche Qualitäten der Situierung von Artefakten wurden fachgeschichtlich häufig zugunsten von ›Bereinigungen‹ abgespalten.492 Als bauliche Praxis ist die longue durée der räumlichen Ensembles und Komplexe der Kunstwissenschaft wohl vertraut. Sie gilt es nicht von den Idealfällen von Architektur her zu bewerten, sondern als »fortgesetzte Interpretation der Topologie und der vorgefundenen Bauten« aufzugreifen,493 um so das bedeutungsstiftende Potential der baulichen Struktur zu erforschen. Unter diese Klammer der longue durée fällt für die Piazza Vittorio Emanuele die Frage, ob Platz und Kirche als gemeinsame Anlage zu verstehen sind. Die Forschung versteht die Realisierung dieser Piazza hauptsächlich unter dem Paradigma des Doppelplatzes, den das napoleonische Regime thematisierte. Das letztlich entstandene Ensemble gilt als vermeintliche Nichtrealisierung eines früheren Ideals. Damit aber wird Potential verschenkt, die Piazza als Resultat eines räumlichen Aushandlungsprozesses zu verstehen, der als solcher interpretationswürdig ist.494 Für die Epoche der Öffnung der Stadt, so der im Folgenden zu begründende Vorschlag, ist vom Platz als einem architektonischen Ensemble auszugehen, das einen bedeutend weiteren Bezugsraum absteckt, als dies noch zu Beginn der Frühen Neuzeit der Fall war. Die Piazza Vittorio Emanuele muss unter Einschluss der Kirche Gran Madre di Dio als ein »Raumtypus« verstanden werden, der diesen Veränderungen entspricht. Die Turiner Platzanlage steht hierbei nicht für sich alleine, sondern in einer Reihe mit anderen Anlagen des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts, die sich quer über Europa verteilt finden. Vergleichbare Anlagen, die teilweise berühmte und gut bearbeitete Vorläufer haben,495 sind beispielsweise: Piazza del Popolo (Rom), Place de la Concorde (Paris), Foro Bonaparte (Mailand), Piazza del Plebiscito (Neapel), Königsplatz (München), Gillys Entwurf für den Platz hinter dem Leipziger Tor (Berlin), Platz hinter dem Ettlinger Tor (Karlsruhe) sowie die Anlage des Canale Grande (Triest) mit der Kirche S. Antonio Nuovo. Diese Plätze wurden bislang nicht als zusammengehörige Gruppe betrachtet, wofür vor allem drei Gründe zu nennen sind: Für die frühen Platzhistoriker Camillo Sitte und Albert

199 | Der ›Eingangsplatz‹: Forschungsaufgabe und Methodik der Untersuchung

Erich Brinckmann waren es Anlagen, die sie teilweise nur mit Zögern überhaupt als Plätze akzeptierten.496 Zu eng schienen diese mit der Vergrößerung der Stadt (die nicht gleichbedeutend ist mit deren Öffnung497) verknüpft zu sein, deren negative Auswirkungen beide Autoren erst dazu gebracht hatten, sich für ›Stadt‹ zu engagieren.498 Ein zweiter Hinderungsgrund war, dass die Entfestigung der Stadt bis vor einiger Zeit kaum als kunsthistorisches Thema verstanden wurde und die dazu gehörigen Objekte nicht in ihren größeren räumlichen Kontext eingebettet waren.499 Ein drittes Motiv ist schließlich, dass etliche der genannten Plätze mit landschaftlichen Elementen kombiniert sind, die in die kunsthistorische Analyse nicht immer ausreichend einbezogen wurden. Sittes Schrift Der Städtebau nach seinen künstlerischen Grundsätzen war in der vierten Auflage um den Teil Großstadtgrün ergänzt worden.500 Dieser Aspekt städtebaulicher Gestaltung, für den eine wissenschaftliche Aktualisierung ansteht,501 prägte die Plätze im ausgehenden 18. und frühen 19. Jahrhundert auf ganz unterschiedliche Art. Die Urbanistik wies kürzlich mit neuem Material darauf hin, wie der aus dem Bereich des Landschaftsgartens stammende Begriff des picturesque die Auffassung von Stadt im Laufe des 18. Jahrhunderts veränderte.502 Auch die Gewinnung eines Panoramas der Stadt gehört in diesen Zusammenhang einer bildhaft operierenden Urbanistik.503 Die Piazza Vittorio Emanuele, in den Zusammenhang von Entfestigung und Platztypologie gestellt, ist also sowohl in ihrem Eigenwert als Platz wie auch als Typus neu zu bewerten.

PIAZZA VITTORIO EMANUELE: EINE STÄDTEBAULICHE ANLAGE DER ›WEITE‹ Der eigentliche Platz liegt auf der linken Seite des Po, die vor der Schleifung der Mauern im Jahr 1800 durch die napoleonische Herrschaft als freies Schußfeld außerhalb der Stadt lag. Die Anlage ist geprägt durch eine einheitliche Architektur, die den Platz an drei Seiten begrenzt. Zwei Exedrahälften (Abb. 157), die den Übergang von Via Po und Platz bilden, entstehen durch die hier hindurchführende diagonale Straße. Völlig symmetrisch zeigen sich die Längsseiten der Piazza. Sie sind in drei bauliche Einheiten unterteilt: dreigeschossige Wohnbauten, bei denen sich die Sockelzone in Arkaden mit durchbrochenen Pfeilern und darüber sitzenden Okuli öffnet, Attika und Gauben im flach geneigten Dach schließen das Gebäude ab. Von diesen drei Wohnbauten ist der mittlere betont (Abb. 158–160): Seitlich durch einen jeweils höheren, übergiebelten Risalit gerahmt, öffnet sich das Erdgeschoss als Pfeilerportikus mit geradem Gebälk und unterscheidet sich so vom sonstigen Arkadenschema an der Piazza. Als eigene, vierte Einheit zeigt sich die geteilte Exedra, die als Einmündung in die stadtseitige Via Po fungiert (Abb. 157, 161): Rustizierte Ecklisenen und alternierende Fenstergiebel gliedern das Piano nobile, während bei den Bauten an den Längsseiten die Hauptgeschosse nur knapp angedeutet werden (Abb. 162), indem Fenster mit Konsolen und Gesimsen sowie Türen mit Balkonen einen wechselnden Rhythmus bil-

200 | Ein savoyischer Aktionsraum: das Ensemble von Piazza Vittorio Emanuele und Gran Madre di Dio

157 Turin, Piazza Vittorio Emanuele (heute: Piazza Vittorio Veneto), exedrenartiger Eingang in die Stadt, 1825–1830

158 Giuseppe Frizzi: »Larghezza della Piazza e facciata delle due Isole laterali che guardano il Po. Prospetto di tutta la linea dal Protendimento del Rondò sino al Po«, ohne Datum (ca. Mai 1825)

den. Kurze Querbauten, denen Altane vorgelagert sind, bilden seitliche Übergänge in die Exedren (Abb. 161). In die Längsseiten des Platzes münden jeweils drei Straßen ein (Abb. 163), die durch Pfeilerarkaden mit abschließenden Terrassen überbrückt werden (Abb. 159). Die beschriebene Einheitlichkeit der Architektur verdichtet sich für die Wahrnehmung durch ein Gefälle des Terrains von insgesamt sieben Metern zum Fluss hin (Abb. 164).504 Der junge Tessiner Architekt Giuseppe Frizzi, der nach einer langen Planungsphase im Jahr 1825 mit der Ausführung beauftragt wurde, bewältigte diese schwierige Topographie, indem er die Bauten aufteilte und sie jeweils auf ein bestimmtes Geländelevel bezog. Die

201 | Piazza Vittorio Emanuele: eine städtebauliche Anlage der ›Weite‹

159 Turin, Piazza Vittorio Emanuele (heute: Piazza Vittorio Veneto). Westlicher Risalit der mittleren Längsbauten

160 Giuseppe Frizzi: Mittlere Längsbauten mit Risaliten, Piazza Vittorio Emanuele (heute: Piazza Vittorio Veneto), 1825

202 | Ein savoyischer Aktionsraum: das Ensemble von Piazza Vittorio Emanuele und Gran Madre di Dio

161 Turin, Piazza Vittorio Emanuele (heute: Piazza Vittorio Veneto), Altane vor der Einmündung in die Via Po

162 Giuseppe Frizzi: Obere Längsbauten an der Piazza Vittorio Emanuele (heute: Piazza Vittorio Veneto), Fassaden, 1825

203 | Piazza Vittorio Emanuele: eine städtebauliche Anlage der ›Weite‹

163 Giuseppe Frizzi: »Progetto del protendimento della Contrada di Po«, ohne Datum (ca. Mai 1825)

mittlere Einheit ist dabei durch Risalite hervorgehoben; gleichzeitig durchbrechen die in einer niedrigen Terrasse abschließenden Pfeilerarkaden, welche die drei Straßen überbrücken, die Massivität der Wohnbauten, deren Sockelzone sich an den Seitenstraßen in eine luftige Torarchitektur verwandelt. Durch diese Gestaltung entsteht ein auf die gesamte Länge des Platzes bezogener Rhythmus. Zur Anwendung kommt hier ›Uniformität‹ als ein Prinzip klassizistischen Bauens.505 Statt vielfältiger Unterteilung und allseitigem In-Beziehung-Setzens, welches den vitruvianischen Gliederbau kennzeichnete, wurde die Architektur im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert in ihrer Erscheinung bewusst reduziert, was sich an den Gebäuden des Platzes prägnant zeigt.506 Ein zweites Merkmal der Piazza Vittorio Emanuele ist, dass sich Frizzi auf eine seit dem späten 16. Jahrhundert existierende torinesische Typologie stützte, mit deren Hilfe er die große Fläche der Piazza Vittorio Emanuele in die Gestalt der Stadt integrierte. Für den Platz als Raum kommt drittens das langsame, aber stetige Gefälle hinzu. Betritt man den Platz, so wird wegen der abschüssigen Topographie erst nach etwa gut

204 | Ein savoyischer Aktionsraum: das Ensemble von Piazza Vittorio Emanuele und Gran Madre di Dio

164 Turin, Piazza Vittorio Emanuele (heute Piazza Vittorio Veneto), gesehen aus erhöhter Position

einem Viertel deutlich, dass das Ensemble Platz – Gran Madre di Dio durch den Fluss durchbrochen wird. Vorher täuscht die große Brücke, welche die Achse der Via Po fortsetzt, über die Unterbrechung des Flusses hinweg. Dieses retardierende Moment wurde von der Forschung bisher nicht als konzeptuelles Mittel verstanden, das Ensemble zusammenzubinden.507 Vielmehr galt die Topographie des Platzes als ein rein technisches Hindernis, das Frizzi dadurch behob, indem er vier kürzere statt der vorgesehenen drei langen Gebäudeeinheiten schuf, die mittlere hervorhob und mit einem Absatz versah, wodurch sie sich auf ein bestimmtes Geländeniveau bezog. Frizzi setzte so das Gefälle des Terrains gestalterisch ein. Die als Gesamteinheit verstandene Gestaltung der Bauten an der Längsseite hebt die Mitte der Seiten hervor, was mit der oben beschriebenen Wahrnehmung korreliert, dass ein Benutzer an dieser Stelle bemerkt, dass der Fluss das Ensemble Platz – Gran Madre di Dio durchbricht. Dabei besetzt kein Brunnen, kein Standbild diese große Platzfläche. Ihr einziger Halt ist die Architektur.508 Der Platz, dessen Mittelachse als große Ausfallstraße zur Brücke dient (Abb. 155, 165) und der darüber hinaus drei Querstraßen integriert, wird so zur Raumerfahrung der Weite. Räumliche Weite ist ein Merkmal aller Platzanlagen, die auf irgendeine Art mit der Stadtöffnung in Verbindung stehen. Dabei gilt für die klassizistische Platzgestaltung, dass sie ohne die Festlegung eines bestimmten Betrachterstandpunktes auskommt, wie dies bei

205 | Piazza Vittorio Emanuele: eine städtebauliche Anlage der ›Weite‹

165 Stanislao Stucchi: »Piazza Vittorio Emanuele in costruzione a porta di Po 1827/Place Victor Emanuel en construction a la porte du Po 1817«, Kupferstich 1827

Renaissance-Anlagen der Fall war.509 Die Fläche solcher Anlagen wird kaum durch skulpturale Monumente besetzt, welche die räumlichen Koordinaten in der Vertikale bündeln. Dies steht im Gegensatz zur barocken Platzgestaltung, die sich der Gesetze der Perspektive bedient, um den Platz ins Verhältnis zu seiner Umgebung oder Möblierung zu setzen. So bildet bei Berninis Gestaltung des Petersplatzes (1657) der Obelisk den Standpunkt, von dem aus bei Michelangelos Zentralbau der Kuppeltambour über der Giebelfront sichtbar geworden wäre.510 Noch enger ist der Bezug zwischen Platz und Architektur in Pienza, wo die Piazza (1459–1469) mit der Mündung der zum Markt führenden Straße einen idealen Betrachterstandpunkt anbietet, der auf die Fassade der Kirche und damit auf die reine Platzfläche bezogen ist.511 Die Piazza Vittorio Emanuele setzt dagegen die stete Bewegung des Rezipienten voraus, in der sich der Platz dem Benutzer erschließt. ›Bewegung‹ wird hier bestimmt durch das Monument der Kirche Gran Madre di Dio auf der gegenüber liegenden Flussseite, die zu Beginn der Via Po auftaucht (Abb. 166) und noch bei Eintritt in die Piazza (Abb. 154) in diese eingebunden wirkt.512 Erscheint der Kirchenbau in der Achse der Via Po und damit

206 | Ein savoyischer Aktionsraum: das Ensemble von Piazza Vittorio Emanuele und Gran Madre di Dio

166 Turin, Via Po, im Hintergrund Gran Madre di Dio

bereits auf dem Platz hinter der Porta Praetoria, so löst diese axiale Position in Verbindung mit der Straße einen Bewegungsimpuls aus, der letztlich zum Eintritt in die Platzanlage führt. Kirchenbau und Brücke stellen also den »Aufforderungscharakter« (Lewin) der Piazza her, die mit diesen beiden Elementen eine gemeinsame bedeutungsstiftende Einheit konstituiert.

DIE ARCHITEKTURTHEORIE DES WEITEN PLATZES Die weiträumige Zusammensetzung von Elementen des Platzes zeigt ein neuartiges Prinzip von Komposition, das sich vom früheren Platzbau abhebt. Emil Kaufmann beschreibt dies treffend am Beispiel der von Ledoux entworfenen Planstadt Chaux: »Ihr Zentrum ist nicht raumhaft und nicht bildhaft gedacht, wie es die Plätze der Vorgängerepoche waren. Alle Wirkungen, die dieser so wert schienen, dass sie so manche andere Rücksichten vergaß, haben nun keine Geltung mehr. Die alte Tendenz, durch dekorativ betonte Wände den Raum so zu umfrieden, dass der Platz zum unbedeckten Saale wird, klingt nur ganz leise nach. […] Weder innerhalb der Anlagen noch außerhalb könnte man einen Standpunkt finden, von dem die einzelnen Objekte sich zu einem ›Bild‹ zusammenschließen. Wenn man bedenkt, wie alle barocke Architektur für den Beschauer

207 | Die Architekturtheorie des weiten Platzes

gedacht war, kann man den ungeheuren Abstand der Ziele des alten und des neuen Bauens ermessen. Der neue Architekt schafft nicht im Hinblick auf ein erwartetes Publikum, wie es der barocke Theatraliker tat, sondern in Hinblick auf die zukünftige Benützung. Nicht mehr der Schein gilt, sondern das Sein. Die Mitte der neuen Anlagen ist nicht mehr das Herz des Ganzen, von dem alle Bewegung abströmt und zu dem sie wieder zurückkehrt, sie ist nur ein geometrischer Ort, auf den sich die Teile beziehen. Zusammengesetzt, nicht zusammengewachsen sind die neuen Komplexe.«513 Wenn demnach die klassizistische Platzanlage das theatralische Prinzip aufgibt, so heißt das freilich nicht, dass der Platz keine Adressaten hätte. Doch ändern sich die Mittel, diese zu erreichen. Nach der zeitgenössischen Architekturtheorie war vor allem die Großartigkeit einer Platzanlage hervorzukehren. Dies macht der Architekturtheoretiker Francesco Milizia in seinen Principj di architettura civile (1781) deutlich, die verlangen, dass sich Nützlichkeit mit Großartigkeit (»magnificenza«) vereinen müsse. Die antiken Anlagen müssten gekannt, dürften aber keinesfalls imitiert werden. Portiken und Triumphbögen dürften keine Langeweile erzeugen, sondern sollen mit »varietà« eingesetzt werden: »Questo cenno sulle piazze antiche è per provare soltanto che si può riunire l’utilità alla magnificenza, non già per impegnarci alla imitazione di quelle. Se elleno erano tutte della stessa forma e tutte ugualmente porticate, quella costante ripetizione dovea necessariamente render noiose le più nobili decorazioni. Vi sia varietà di forme, di grandezze, di ornamenti, se si vuole il diletto congiunto coll’utile. Voler portici in ogni piazza sarebbe ridicolo, e più ridicolo sarebbe volere archi trionfali in ogni ingresso di piazza.«514 Milizia verwendet hier den Begriff der »magnificenza«, mit dem sich eine ältere und eine neuere Möglichkeit der Bedeutung verbindet. Der ältere, zentrale Begriff fürstlicher Tugendlehren geht davon aus, dass der Aufwand, den eine öffentliche Person betreibt, ein Werk der »magnificenza« sei. Dieses ist stets auf Öffentlichkeit hin angelegt.515 Da Milizias Schrift sehr stark auf die öffentliche Wirkung der Architektur abzielt, rekurriert auch er noch auf diesen älteren Terminus: »La magnificenza è in generale la spesa di cose che sono di grande utilità al pubblico […].«516 Die zweite, spätere Bedeutung zeigt sich in den Ausschreibungen der römischen Concorsi Clementini im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts. Dort schälte sich ein Architekturtyp heraus, der als »magnificamente« oder »maestoso« galt: das Einzelmonument, eingebunden in einen »großartig gestalteten urbanistischen oder baulichen Gesamtkomplex« (Reudenbach). Beispielsweise war im Concorso Balestra von 1777 die Umgestaltung des Ponte Sant’Angelo in der Weise gefordert, dass eine Triumphbrücke mit einer großen Piazza verbunden worden wäre. Durch eine Poetisierung der Architektur, wie sie Piranesi in seinen Architekturdarstellungen vornimmt, wird der historische Bezug, den François Blondel noch mit »ornement« und »plaisir« gleichgesetzt hatte, zur »magnificence« und damit zu einer Qualität der Architektur.517 Die Piazza Vittorio Emanuele entspricht dem, was für Milizia und seine Lehre vom öffentlichen Raum noch im 19. Jahrhundert interessant war: Der Platz schuf einen weiten

208 | Ein savoyischer Aktionsraum: das Ensemble von Piazza Vittorio Emanuele und Gran Madre di Dio

architektonischen Raum, der Elemente aus dem savoyischen Turin verarbeitete, diese für die geöffnete Stadt reproduzieren. Die Kirche Gran Madre di Dio wurde dabei wie in vielen europäischen Residenzstädten ein Monument, das die Restaurierung der fürstlichen Herrschaft noch einmal hervorhob. Diese Monumentalisierung des Platzes von der anderen Seite des Flusses her wurde in ihrer räumlichen Struktur zur Leseanordnung der geöffneten Stadt. Dabei verknüpfte sich die Visualität dieses Raums mit der Bewegung des Rezipienten, so dass hier von einer anderen räumlichen Modalität ausgegangen werden muss, als dies beim Ensemble der Superga der Fall war: dem Aktionsraum.

DIE ARCHITEKTONISCHE TYPOLOGIE TORINESISCHER PLÄTZE Platzwände mit einer einheitlichen Fassade auszustatten, war ein Konzept, das nach der savoyischen Rückeroberung der Stadt (1559) auf allen Turiner Plätzen angewandt wurde. Bei jeder Stadterweiterung bis ins frühe 19. Jahrhundert stellte hier stets ein Platz den Anschluss an die jeweils ältere Stadt her (Abb. 19). Plätze bildeten so eine Nahtstelle zwischen Alt und Neu, ein urbanistisches Scharnier. Darüber hinaus aber trugen sie durch ihre jeweils einheitliche Fassade zu der besonderen Geschlossenheit des Stadtbildes bei, die für Turin typisch wurde. Dies begann mit der Piazza Castello, einer Fläche, die sich vor dem seit 1584 im Bau befindlichen Schloss (»Palazzo Nuovo«) befand. Wie häufig bei Plätzen, die sehr eigenständig wirken, ist auch die Piazza Castello ein Beispiel für die anfangs beschriebene Prozessualität solcher Anlagen, ihre longue durée. Der Platz, der das Zentrum Turins bilden sollte, entstand aus einer nur annäherungsweise bestimmbaren Aufweitung vor dem Castello d’Acaja, dem im Mittelalter zum Herrschaftssitz umgebauten Torbau der antiken Porta Praetoria.518 Doch schon auf Darstellungen des späten Cinquecento war diese Fläche mehr als nur eine Verkehrseinmündung hinter dem Tor.519 Da sie sich seitlich des eigentlichen Castello erstreckte und zwei Insulae des römischen Castrums einnahm, dürfte sie wohl auch in dieser Zeit bereits zeremoniellen oder festlichen Zwecke gedient haben.520 Der savoyische Ausbau, der die überlieferte Schachbrettstruktur des römischen Augusta Taurinorum zwar übernahm (Abb. 167), aber erheblich vergrößerte, zeigte sich neben der zeitgemäß bastionären Befestigung der Stadt vor allem in der Anlage von Plätzen.521 Die Piazza Castello wurde zum dominanten Knotenpunkt des Stadtausbaus: Nicht nur wegen der freien Fläche, die nun vor dem Castello und dem entstehenden Palazzo Nuovo durch Abreißen der Gießerei und Wache für die Schweizergarde noch vergrößert wurde,522 nicht nur wegen ihrer Einbindung in das regelmäßige Straßennetz der Stadt, sondern vor allem auch, weil die sie begrenzenden Architekturen eine neue Maßstäblichkeit in das Erscheinungsbild der Stadt einführten. Herzog Emanuele Filiberto hatte sich 1563, als er nach Turin zurückkehrte, bewusst nicht in dem alten Torbau der Acaja niedergelassen, der während der drei Jahrzehnte französischer Besatzung als französisches Hauptquartier ge-

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167 Giovanni Caracha: Plan der Stadt Turin, 1572, Holzschnitt

dient hatte.523 Vielmehr bewohnte er den berühmten bischöflichen Palast in der nordöstlichen Ecke des Castrums (»Palazzo Vecchio«) und ließ nördlich des Doms noch zusätzlich den Palazzo S. Giovanni errichten. Von 1584 an wurde der Bischofspalast für das Herrscherhaus teilweise umgebaut (»Palazzo novo grande«), 1586 von Herzog Carlo Emanuele I. ganz übernommen. Mit dem Umbau war der Architekt Ascanio Vitozzi beauftragt worden, der zu Beginn des 17. Jahrhunderts auch die Grundzüge der Piazza Castello festlegte. Platzgestaltung in Turin hieß von nun an hauptsächlich: die Schaffung von limitierenden Architekturen, die nicht von einem inneren Raumkern heraus gebildet wurden,524 sondern durch Ausgrenzen einer Fläche aus dem römischen, später ›savoyischen‹ Raster. Dies macht bereits das erste erhaltene Zeugnis zur Piazza Castello deutlich, die sogenannte Monsa-Zeichnung (1605), angefertigt von dem gleichnamigen Höfling (Abb. 168).525 Die annähernd als quadratisch wiedergegebene Piazza, die sich über eine Straße nach Süden öffnet, zeigt einen fast gänzlich umschlossenen Raum. Dieser wird an zwei Seiten durch die Gebäude der Residenz begrenzt: Palast, Castello und die sie verbindende, ebenso von Vitozzi geschaffene Galerie. Die beiden anderen gegenüberliegenden Seiten sowie den Teil südlich des Castello deutet der Zeichner als offene Arkadenstruktur an. Offenbar hatte man zu einer Zeit, in der es noch keinen einzigen gestalteten Platz in Turin gab, sehr wohl eine Idee davon, wie eine solche Anlage auszusehen habe: Die Gebäude gegenüber der Residenz und dem Castello sollten durchgehend von einer offenen Arkadenzone gekennzeichnet sein, die den Platz vereinheitlicht hätte.

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168 Monsa: Piazza Castello mit Contrada Nuova, 1605, Ausschnitt aus: La cità de Turino e nuova/fabrica (…)

Arkaturen als Platzbegrenzung waren nicht erst eine Erfindung der Renaissance, sondern finden sich bereits in mittelalterlichen Stadtgemeinden Italiens.526 In Bologna entstand der erste geplante nachantike Platz, den die Kommune als Versammlungsort für politische und zeremonielle Zwecke errichtete, von 1199 an.527 Diese vermutlich sukzessive entstandene Piazza Maggiore säumten Arkaden an verschiedenen Stellen.528 In ihren Vorformen aus Holz dienten die Pfosten dieser freien Gänge zunächst dazu, das Gebäude nach vorne aufzustocken. Damit nahm das mittelalterliche Bologna die Tradition des antiken Forum Romanum auf, wo die Basiliken, »die geradezu Brennpunkte des öffentlichen Lebens waren«,529 einen Teil desselben in einen architektonischen Zwischenbereich von Innen und Außen brachten. An der südlichen Längsseite der Basilika Aemilia öffnete sich eine Vorhalle, die von allen Nachfolgerbauten unverändert übernommen wurde,530 zum Platz hin in einer Reihe von zwanzig Pfeilern. Hinter der Vorhalle lagen die Läden. Hier befand sich die öffentliche Wasseruhr, die den Zeitpunkt des Beginns der Gerichtsverhandlungen anzeigte, sowie das Puteal Libonis, ein Brunnen, der auf die Funktion der Tabernen als Verkaufsstätte von Silberwaren hinwies und eng an die legislative und juristische Funktion des Forums gebunden war.531 Ähnlich wie am römischen Forum wurden auch in Bologna die Arkaden mit Funktionen belegt, die sich an die Stadtgemeinschaft richteten. Der Platz war dem Kommunalpalast vorgelagert, dessen Front sich im Erdgeschoss durch einen Arkadengang öffnete, hinter dem die verschiedenen stationes der Notare lagen.

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Ein anderes mittelalterliches Beispiel für eine derart offene Architekturzone stellt Venedig dar, wo die Piazza S. Marco schon im 13. Jahrhundert ringsum von Loggien umgeben war. Dies wird darauf zurückgeführt, dass die Venezianer die antike Form des Forums aus Byzanz kannten.532 Wie verbreitet Portiken im mittelalterlichen Italien waren, zeigt sich an den Vorschriften, die den Bau solcher Vorhallen regelten, um die Breite der Straßen zu erhalten. Die älteste diesbezügliche Verordnung über den Bau von Vorhallen in Italien betrifft Parma im Jahr 1227, wobei schon 1211 der Podestà ein Gesetz über den Bau von Bogenhallen links und rechts der Hauptstraßen erlassen hatte.533 Auf die häufigen Arkaden an den Marktplätzen der gotischen Stadtgründungen Frankreichs weist Albert Erich Brinckmann hin, wobei er das Arkadenmotiv auf die Kreuzgänge der Klöster zurückführt, die ihren Ursprung im antiken Atrium haben sollen.534 Zu einem im Prinzip ähnlichen Schluss, wonach die in der Renaissance neuen Gebäudetypen der Hospitäler und Kollegien aus den Peristylhöfen hervorgingen, kommt Claudia Conforti: »In definitiva la matrice morfologica che sovrintende alla definizione dei nuovi tipi edilizi della città tardorinascimentale sembra scaturire dalla versatilità della corte porticata.«535 Ob nun ehemalige Innenarchitekturen wie der Peristylhof oder Kreuzgang oder tradierte Kenntnisse der Antike die Referenz waren536 – festgestellt werden kann, dass solch öffnende Architekturen den städtischen Außenraum bereits im Mittelalter wieder aufwerteten. In die Typologie der geöffneten Architekturen gehörten jedoch nicht nur den Platz vollständig umschließende Reihen von Portiken, sondern auch Bogenhallen mit wenigen Jochen, die einzeln standen537 oder als kleine Vorhalle des Gebäudes dienten. Schon die Bezeichnung ›Loggia‹, die etymologisch mit »logia«, »lobia« und »laubia« (Laube) verwandt ist, verweist auf die Rechtsakte in mittelalterlichen Gerichtslauben.538 Daneben dienten die Loggien aber ebenso dem Handel oder der Ausübung feierlicher Amtshandlungen – ein Hinweis darauf, was als öffentlich angesehen wurde. Das mittelalterliche Florenz kannte hierfür drei verschiedene Orte: in der »lobia magior« des Bischofspalasts wurde seit dem 10. Jahrhundert durch die langobardischen Herrscher Recht gesprochen, in der von 1285 an errichteten »lobia comunis« von Or San Michele fand Getreidehandel statt, die »Loggia dei Lanzi« diente der Stadtregierung für feierliche Amtshandlungen.539 Das Beispiel zeigt, dass der Typus der Loggia von ganz unterschiedlichen sozialen Gruppen beansprucht wurde, die mit neuen architektonischen Formen noch zunehmen sollten.540 Andreas Tönnesmann schreibt: »Schon das mittelalterliche Florenz muss man sich von Loggien in öffentlicher, halböffentlicher und privater Trägerschaft förmlich übersät vorstellen […].«541 Für all diese Gruppen gab es anscheinend ein Bedürfnis, sich auf diese Weise im Außenraum darzustellen, so dass sich die Frage erhebt, ob der öffentliche Raum in der frühneuzeitlichen Stadt nicht wesentlich durch Architektur geprägt und hergestellt wurde. Es ist vermutlich kein Zufall, dass der neuartige Typus von ›Fassade‹, der erstmals auf die Antike rekurrierte, an einem solchen, sich auf die Öffentlichkeit beziehenden Bau entstand. Die Vorhalle des Ospedale degli Innocenti, die Brunelleschi 1419 entwarf und die auf

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einem Treppenpodest steht, knüpfte an eine seit dem Trecento bestehende Tradition von Loggien an Hospitälern an, doch wurde deren zweigeteilte horizontale Struktur monumentalisiert, indem Säulen analog der antiken Ordnung eingesetzt wurden.542 Damit schuf man erstmals eine »Front«, »die eigenen Gesetzen gehorchte, und an die das Innere des Bauwerks mit seinen Einteilungen nicht heranreichte«.543 Die so geschaffene neuzeitliche Fassade spiegelt eine zweite Loggia auf der gegenüberliegenden Seite, die erst 1516 von Antonio da Sangallo d. Ä. errichtet wurde. An der Schmalseite war der Kirche SS. Annunziata bereits um 1450 ein einjochiger Portikus vorgesetzt worden, den man um 1600 zu einer Kolonnade auf sieben Joche erweiterte. Die Beispiele der frühen Loggien zeigen jedoch auch, dass die sich zu einem Außenraum öffnenden Architekturen nicht einen Begriff von Öffentlichkeit im heutigen Sinn voraussetzten. Denn die geöffneten Architekturen in Bologna bedeuteten sowohl die Schaffung von Zugänglichkeit, wie im Fall der Notare, als auch staatliche Kontrolle. Letzteres galt für die Loggia dei Cavallieri, die der Guelfe Taddeo Pepoli 1339 bauen ließ und die der Bewachung von Platz und Palast diente. Ein über allem stehendes Gemeinwohl, das wie heute in der Institution des Staates verkörpert ist, galt für die mittelalterliche oder frühneuzeitliche Stadt noch nicht.544 Dies setzte erst nach der Aufklärung ein, wie die politische Philosophie gezeigt hat, vorher bedurfte jegliche politische Herrschaft einer »repräsentativen Öffentlichkeit«, die stets deren Darstellung diente.545 Für unsere Thematik ist dabei entscheidend, dass in der Frühen Neuzeit der römischrechtliche Begriff ›publicus‹ nicht das Gemeinwohl meinte, sondern den mit besonderen Rechten ausgestatteten politischen Stand eines Herrschaftsträgers, während mit ›privatus‹ das Recht des Einzelnen gemeint war.546 Über die Entwicklung des Begriffspaars »privat/öffentlich« im 17. Jahrhundert schreibt Peter von Moos: »Der Fürst übernahm allein die friedenssichernde Verantwortung für den Staat gegenüber passiv gehorsamen Untertanen und überließ denselben als Ausgleich dafür das forum internum der politisch irrelevanten Gewissensfreiheit im Privaten.«547 Der Zuwachs an transitorischen Zonen in der Architektur der Frühen Neuzeit – man nehme zwei frühe Beispiele Palladios in Vicenza: die Basilica und den Palazzo Chiericati – wäre unter solchen Rahmensetzungen als Ausgleichsprodukt zu befragen. Für eine solche These würde jedenfalls das Beispiel Turin mit seinen zahlreichen Portiken sprechen, wie der folgende Abschnitt deutlich machen soll.

FRÜHNEUZEITLICHE PLATZFASSADEN IN TURIN: »RESULTANTE« UND FORMUNG VON STADT Zu der noch ungeschriebenen Architekturgeschichte frühneuzeitlicher Öffentlichkeit gehört, dass die Fürsten in den »abhängigen Städte(n) der Neuzeit«, wie Braudel die Residenzstädte nennt,548 sich solcher Öffnungsmotive bemächtigten, die zuvor von politisch autonomen Kommunen, ihren Institutionen (Zünften, Hospitälern) und städtischen

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169 Vigevano, Piazza Ducale, Ansicht der westlichen Platzseite, 1492–1494

170 Vigevano, Piazza Ducale, Ansicht der östlichen Platzseite

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171 Vigevano, Piazza Ducale. Ansicht der südlichen Platzseite, Fotografie nach 1961

172 Arezzo, Piazza Grande, nördlicher Platzbereich. Ansicht von Süden aus Richtung Via Borgunto, im Hintergrund Palazzo delle Logge, 1573

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Familien verwendet worden waren. Frühestes Beispiel hierfür war die Piazza Ducale (1494) im lombardischen Vigevano (Abb. 169–171), etwa einhundert Kilometer von Turin entfernt. Hier vergrößerte eine vorhandene Aufweitung von Straßen den Typus des antik-römischen Forums,549 um eine regelmäßige, durch einheitliche Platzwände strukturierte Piazza zu bilden, die sich auch den Palazzo Comunale einverleibte.550 Unterhalb des mächtigen herzoglichen Kastells entstand ein von Ludovico Sforza zur Verfügung gestellter öffentlicher Raum, der als neuartiges Zentrum sowohl zum Kastell als auch zum Territorium hin gestaltet war und durch seine zentrale Lage tagtäglich angeeignet wurde. Aber auch in bestehende mittelalterliche Platzkörper wurden Loggien implementiert. Dies zeigen nicht nur die Portiken an den Seiten der Uffizien in Florenz,551 sondern auch der große, von Vasari errichtete Loggienbau in Arezzo, der 1573 im Auftrag von Herzog Cosimo I. entstand und in beiden Fällen die fiskalischen Strukturen des neuen Staatswesen als öffentlicher Verwaltungsbau organisierte (Abb. 172–174).552 Eine weitere Variante öffnender Architekturen wurde in Turin durch die Gestaltung der Piazza Castello beim savoyischen Ausbau der Stadt initiiert. Die vorherigen Eingriffe der Savoyer hatten die Fortifikation betroffen,553 nun zielte das Interesse des Herzogs Carlo Emanuele I. darauf ab, ein Zentrum im Norden der Stadt mit folgenden Schwerpunkten zu schaffen: neues Schloss – Platzanlage – Castello d’Acaja. Im Jahr 1606554 rief Herzog Carlo Emanuele I. die Besitzer der Häuser gegenüber dem alten Castello und vor dem neuen Residenzschloss dazu auf,555 ihren bestehenden mittelalterlichen Gebäuden Portiken vorzusetzen, die eine Breite von etwa sieben Meter sowie gleiche Fluchtlinien haben sollte. Der Plan hierfür war von dem aus Orvieto stammenden Architekten Ascanio Vitozzi vorgegeben,556 die Portiken entstanden auf einem Areal, das der Herzog zur Verfügung stellte. Erhielt damit das Privathaus einen vorderen Teil, der öffentlicher Weg wurde, so diente dies einem übergeordneten Ziel – »per abellimento di questa città«, wie es im Edikt des Herzogs heißt.557 Wer dazu nicht bereit war, sollte sein Haus an bauwillige Interessenten überlassen, welche die Idee der Portiken mittragen wollten. Eine weitere Vorstufe für die dreigeschossige Fassade, die Vitozzi für die Piazza schuf, waren ephemere Portiken, auf denen eine Reihe von Säulen stand.558 Diese Konstruktion aus Holz und Marmor, die an Forenarchitektur denken lässt, umschloss die Piazza anlässlich des Karnevals während der dynastisch wichtigen Doppelhochzeit der Infantinnen 1608. In solch ersten Projekten, die immer noch die vorhandenen Bauten verkleideten, kam zum Ausdruck, was die späteren Fassaden an öffentlichen Plätzen und in der Via di Po kennzeichnete: die Idee einer Architektur, die nicht auf das einzelne Gebäude beschränkt war, sondern vielmehr übergreifend auf das Erscheinungsbild der Stadt abzielte.559 Die Piazza Castello war ein neuer Typus von öffentlichem Raum in Turin, dessen Disegno während des gesamten 17. und frühen 18. Jahrhunderts der Observanz des Hofes oblag. Die Bedeutung des Platzes für diese Entwicklung zeigt sich darin, dass die zentrale Institution für alle baulichen Belange in der Stadt parallel zu dieser Piazza entstand: der Magistrato delle Fabbriche (1621), 1638 zum Consiglio delle Fabbriche e Fortificazioni

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173 Arezzo, Piazza Grande, nördlicher Platzbereich. Ansicht von Süden aus Richtung Via Borgunto, im Hintergrund Palazzo delle Logge, 1573

174 Arezzo, Piazza Grande, nördöstlicher Platzbereich. Ansicht von Südwesten aus Richtung Via Pescaia / Vicolo Arco. Im Hintergrund Palazzo delle Logge, 1573 (Foto: Visconti)

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175 Antonio Tempesta: Präsentation der Relique des Hl. Grabtuchs auf dem Eingang in die Piazza Castello, 4. Mai 1613, links die ephemeren Vorbauten

176 Turin, Piazza Castello mit Fassaden von Ascanio Vitozzi, 1612, rechts die Kirche S. Lorenzo

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177 Turin, Piazza Castello. Fassade des 17. Jahrhunderts, Vorkriegsaufnahme

178 Rom, Palazzo Farnese, 1514/1546–1549

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erweitert.560 Was aber bewirkte diese gestalterische Autorität bezüglich der Architektur? Welche Grundsätze wurden hierbei durchgesetzt? Gab es eine spezifische Ästhetik, die der Turiner Hof ausübte?561 Der Gebäudetyp, bei dem sich das Erdgeschoss in Arkaden öffnet, darüber Wohngeschosse mit dicht aneinander gereihten Fensterachsen, wurde – in Varianten – zum Kennzeichen für Turin.562 Hierzu bedurfte es zahlreicher Edikte und Initiativen des erwähnten Magistrato und späteren Consiglio, deren Gegenpart jeweils der Rat der Kommune war. Eine übergreifende Ästhetik, die der städtischen Fassade den Vorrang vor der einzelnen Architektur gab, konnte also nur zentral und sukzessive durchgesetzt werden.563 Für die Frage nach der Herausbildung einer architektonischen Typologie der torinesischen Plätze ist entscheidend, dass der Herzog im Jahr 1612 den Hausbesitzern an der Piazza Castello die Portiken von 1606 übereignete, die bereits 1608 zu verfallen drohten (Abb. 175). Gleichzeitig galt die Auflage, dass darüber zwei Stockwerke nach den Plänen Vitozzis errichtet werden sollten: »[…] sopra li portici due stanze, o siano piani l’uno sopra l’altro […] con le finestre, poggioli et ornamenti che saranno designati et ordinati dall’ingegnere architetto capitano Ascanio Vitozzi«.564 Was Vitozzi als Fassadenstruktur 1612 für die West- und die Südseite des Platzes entwarf – bis zur Po-Erweiterung im späten 17. Jahrhundert bildeten das Castello und die mit ihm sowie mit dem Residenzschloss verbundene Galerie den östlichen Abschluss der Anlage – prägt in ihren Grundzügen bis heute die Piazza Castello.565 Den Häusern wurde großenteils im späten 18. Jahrhundert ein Mezzaningeschoss aufgesetzt, das ihre Proportionen veränderte. Die ursprüngliche Höhe ist aber noch heute am Äußeren desjenigen Blocks zu erkennen, der die Kirche S. Lorenzo in die Platzwände integriert (Abb. 176, vgl. auch die Vorkriegsaufnahme Abb. 177). Auch ohne geöffnete Arkaden, die bei dieser Fassade für den Kirchenbau entfielen, vermittelt der Bau die Struktur von Vitozzis Konzeption, die auf den Gebrauch von Säulen und Pilastern verzichtete und stattdessen auf die Wirkung durch eine horizontal gegliederte Ordnung setzte, geprägt von Fensterädikulen und kleinen verputzten Wandflächen in den Feldern zwischen den Gesimsen.566 Diese einfache Art der Strukturierung mit Mitteln der vitruvianischen Architektur, welche die Maßstäbe für die Frühe Neuzeit abgab, geht auf römische Bauten des Cinquecento zurück. Beim Palazzo Farnese (1513/14–1589) setzte Antonio Sangallo d. J. drei hohe Geschosse aufeinander, die durch rustizierte Lisenen an den Ecken abgeschlossen werden, einfache, konsolengestützte Gesimse trennen Sockelzone und erstes Obergeschoss. Die Öffnungsachsen liegen dicht nebeneinander, in den Obergeschossen alternierend von Dreiecks- und Segmentbogen bekrönt (Abb. 178). Ein ganz ähnlicher Aufbau findet sich beim Lateranspalast von Domenico Fontana (1586), der außerhalb des Portals völlig auf Dekorelemente verzichtete, die varietà des Fensterschmuck reduzierte und die Öffnungen in dem niedrigen Sockel vereinfachte (Abb. 179). Auf diese nüchterne Strömung des römischen Palastbaus greifen die Bauten Vitozzis an der Piazza Castello zurück, prägen jedoch im Unterschied zu den genannten Beispielen keine Mittelachse aus (Abb. 180–181) und geben damit zu erkennen, dass sie von mehre-

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179

Domenico Fontana: Lateranspalast, Rom. Fassadenaufriss und Grundriss, 1590

180 Turin, Piazza Castello, Fassaden von 1612 an, gesehen aus der erhöhten Position des Palazzo Madama mit Blick auf Via Garibaldi (ehemals Contrada di Dora Grossa)

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181 Turin, Piazza Castello, ab 1612, südwestliche Ecke mit Einmündung in die ehemalige Contrada Nuova, 1615 (heute: Via Roma), auf der Ecke Palazzo Francavilla. Fassaden von Ascanio Vitozzi, 1612

182 Unbekannter piemontesischer Zeichner (?): Piazza Castello, Fassaden. Zeichnung, erste Hälfte 18. Jh.

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183 Unbekannter piemontesischer Zeichner (?): Piazza Castello, Fassaden. Zeichnung, erste Hälfte 18. Jh.

ren Parteien bewohnt werden. Auch ein Palast, wie der in der südwestlichen Ecke gelegene Palazzo Francavilla, der im Zuge der Contrada Nuova entstand und dessen Inneres über einen mittig erschlossenen Cortile erreichbar ist (Abb. 181), zeigt seine zentrale Erschließung nicht nach außen. Vitozzi schuf stattdessen eine gleichwertige, betont horizontal organisierte Struktur, für die er alle architektonischen Mittel dieser Gebäude aufwendet: streng parataktisch aneinander gereiht die schlichte Serliana im Sockel, hier vollständig auf eine Pfeilerstruktur übertragen, in den zwei oberen Geschossen die Reihen der hohen Fensterädikulen mit alternierenden Dreiecks- und Segmentbogengiebeln. Pilaster als auf die Wand übersetzte tektonische Glieder fehlen völlig, lediglich die Ecken sind durch Bossen und eine Lisene gerahmt. Profilierte Geschossgesimse und Brüstungsgesimse bilden eine durchgehende horizontale Einheit. In diese sind im zweiten Geschoss Wandfelder eingezogen, die zu den Fenstern durch Faschen hochgezogen werden, während das Piano Nobile hier Balkone enthält. Ein abschließender horizontaler Akzent ist das kräftige Kranzgesims. Diese Betonung der Horizontalen wird in den Mitteln der Dekoration nur durch eine Lisene unterbrochen, welche die Ecken hervorhebt (Abb. 182–183).

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DIE EMBLEMATIK DER FRÜHNEUZEITLICHEN PORTIKUSZONE IN TURIN Trotz seiner horizontalen Prägung enthielt Vitozzis Entwurf in den Öffnungen der Gebäude eine entscheidende Vertikalität, die in der Lage war, die Bauten zu monumentalisieren. Die neuen Gebäudeblöcke erreichten immerhin fast die Höhe des antik-mittelalterlichen Castello und mussten dessen Masse standhalten. Wie es die Theorie der frühneuzeitlichen Architektur vorsah, wurden dieselben Elemente in direkter Achse übereinander gestellt,567 so dass die dicht hintereinander folgenden Öffnungen – Eingänge, Fenster – der horizontalen Gliederung der Häuser entgegengesetzt sind. Diesen Kontrapunkt initiiert das hoch aufragende Sockelgeschoss mit seinen Öffnungsstrukturen. Die Pfeilerarkaden rahmen ein glattes Bossenmauerwerk, wobei die Arkade – wie bei der Serliana üblich – von je einer seitlichen Öffnung begleitet ist, die ein breiterer Pfeiler von der nächsten Einheit trennt (Abb. 182).568 Dabei sind die Felder über dem Architrav von einer rechteckigen Öffnung durchbrochen, denen das untere, langgezogene Öffnungsrechteck antwortet. Die seitlichen Öffnungen werden ebenfalls Ausgangspunkt einer vertikalen Achse, woraus sich die dichte Folge der Fensterachsen am Gebäude ergibt. Die übereinandergestellten Rechteckformen übernehmen vor allem die Aufgabe, die Gebäude für die Wahrnehmung von der Piazza aus in die Höhe zu orientieren. Dies zeigt die obere Rechtecköffnung, die nicht mit dem Arkadenausschnitt selbst abschließt, sondern erst mit dessen Einfassung. Die vollständig in Pfeiler übertragene und durch die seitlichen Rechtecköffnungen vertikalisierte Serliana wird mit dem Rhythmus a–b–b–a zu einer Folge hintereinander gesetzter Triumphbögen (Abb. 180). Die Architekturtheorie der Renaissance hatte die Arkade wieder als Ehrenbogen in Erinnerung gerufen, was sich vor allem am Stadttor zeigt: »Die Tore werden nicht anders ausgestattet als die Triumphbogen […]«, schreibt Alberti,569 der das Bogenmotiv nicht nur erstmals für die Kirchenfassade einsetzte, sondern mit diesem im sakralen Innenraum die für das neuzeitliche Wandsystem wichtige rhythmische Travée schuf. In Turin bedeutete die durchlaufende Arkade, die Vitozzi als wesentlichen Teil seines Fassadensystems einsetzte, zunächst eine Verfestigung der Portiken, die in ephemerer Form für die fürstliche Hochzeit 1608 geschaffen worden waren. Für die Form der flachen, nur leicht gerundeten Gewölbe, wie sie Vitozzi schuf, wird von der Forschung weiterhin auf die Herkunft aus regionalen Traditionen verwiesen, beispielsweise auf Carignano (Abb. 184), Chivasso und Carmagnola; darüber hinaus finden sich solche Beispiele in Caramagna, Mondovì und Saluzzo.570 Aber auch in der alten savoyischen Residenzstadt Chambéry (Abb. 4, 185) finden sich Laubenarchitekturen vermutlich des 15. Jahrhunderts, hier in sehr viel bescheideneren Formen. Mit ihren Portiken, die im Zusammenhang mit den oberen Geschossen auf die Herstellung einer vertikalen Achse abzielen, lässt sich die Fassade Vitozzis an der Piazza Castello am ehesten mit einem Entwurf Serlios zusammenbringen. Das Projekt für einen königlichen Palast aus dem sechsten Buch Serlios (München MS., fol. 70r) zeigt ›Höhe‹ als räumliche Kategorie von Nobilität (Abb. 186). Die Fassade des Hofes weist eine Arkatur

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184 Carignano, 1682, kolorierter Kupferstich, aus: Theatrum Sabaudiae

185 Chambéry, Portiken

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186 Sebastiano Serlio: Palazzo reale, aus: Sesto Libro, 1541–1546

187 Giorgio Vasari Il Giovane: Piazza Principale, aus: Citta ideale, 1598

auf, bei der die rustizierten Bögen in dorischen Pilastern abgetragen werden. Die Pfeiler füllen ovale Nischen, die Zwickel oberhalb der Kämpfer quadratische Felder. Dieser Aufbau zwischen den Arkaden kommt den einfachen Öffnungen des Palladio-Motivs, die für die vertikale Struktur der Turiner Fassaden so wichtig sind, sehr nahe. Er passt sich in dem Entwurf Serlios in eine Gesamtstruktur ein, deren vertikale Tendenzen von der Forschung hervorgehoben werden.571 Geöffnete Erdgeschosszonen sind ein Ort, an dem der Umschlag von innen und außen (Paul Hofer) absichtsvoll ausgedehnt wird, um einen Zwischenraum zu bilden.572 Was in italienischen Städten vielfach als ephemere Einrichtung (banchi) begann,573 bahnen die geöffnete Arkade, der fest installierte Portikus in ihrer festen, gebauten Form planmäßig an: die soziale Interaktion, die typisch ist für ›Stadt‹, eine offene, unkontrollierbare Begegnung, wie sie im Kern jedem Akt des Kaufens/Verkaufens innewohnt.574 Giorgio Vasari il Giovane beschreibt in seiner »Città ideale« (1598) drei Beispiele, an denen ganz verschieden geöffnete Bauten eine solche Interaktion herstellen. Zum einen die Piazza principale, in dessen Mitte – wie in Dürers Entwurf einer fürstlichen Stadt (1527) – der Palast steht (Abb. 187). Die Piazza wird an allen vier Seiten begrenzt durch eine Loggienarchitektur, hinter der – ähnlich Arezzo oder Florenz – öffentliche Funktionen untergebracht sind.575 Zum anderen zeigt er einen Markt, der umgeben ist von »le sue loggie, ò vero portici intor-

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188 Giorgio Vasari Il Giovane: Mercato Longo, aus: Citta ideale, 1598

189 Giorgio Vasari Il Giovane: Loggia für die »Gentilhomini e Mercanti«, aus: Citta ideale, 1598

no«, in denen Schlachter, Bäcker, Fisch-, Gemüse- und Fruchthändler ihre Produkte anbieten (Abb. 188). Ein dritter Entwurf Vasaris präsentiert einen rechteckigen, doppeljochigen Loggienbau, in den sich die »Gentilhomini, e Mercanti, i quali è pur bene come si vede in tutte le Città« für ihre Geschäfte zurückziehen können (Abb. 189).576 Wie jeder Eingang ist der Portikus in seiner Hinführung auf den Innenraum eine bewusst vollzogene Öffnung, die sich in Form des Laubengangs auf die gesamte Breite des Hauses ausdehnt und diese als eine sich besonders öffentlich gebende Zone ausweist. Damit verliert die Außenwand, die niemals nur eine reine Schutzvorrichtung ist, ihre absperrende Funktion und wird ein »emblematischer« Teil des Außenraums.577 Für die Turiner Piazza Castello ist dabei die homogene architektonische Ordnung entscheidend, in der sich ihre durch einen ephemeren Gebrauch gekennzeichneten Entstehungsbedingungen vermitteln. Mit den Worten der anthropologischen Raumtheorie gesprochen, wird hier die »Zustimmung des Bewohners«, der mit Hilfe einer Tür »innere Unabhängigkeit« gewinnt, indem er »sein Haus vor dem andern Menschen verschließen und so für diesen unerreichbar bleiben kann«,578 durch die herzogliche Portikusordnung insofern relativiert, als hier eine ständige potentielle Zone der Begegnung zwischen Innen und Außen geschaffen wird. Wenn kultureller Raum als »Wechselwirkung zwischen Menschen« zu verstehen ist, wie Georg Simmel definiert,579 so wurde er bei den Turiner Palazzi an der Piazza Cas-

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tello zu einer festen Zone des Übergangs von innen und außen, die soziale Interaktion in einer spezifischen Form herstellte und zeigte. Dieser architektonisch gefasste Raum hatte zwei unterschiedliche soziale Akteure: Zum einen die Betreiber der Geschäfte und Handwerksbetriebe hinter den Arkaden, die nun als konstitutiver Bestandteil der Stadt sichtbar wurden, zum andern den Hof, der als Auftraggeber und ideeller Adressat firmierte. Die Zentralisierung von Kommerz und handwerklicher Produktion der Stadt war ein wichtiges Element fürstlicher Politik in der Frühen Neuzeit,580 welche die Ökonomie unter Kontrolle zu bringen suchte. Dazu gehörte auch die Herstellung baulicher Strukturen in der Stadt, deren regelmäßige, auf das Schloss des Herrschers orientierte Baukörper und Fassaden die Neuordnung einer solch zentralen Politik vermittelten581 und diese mit den Places royales auch direkt herzustellen versuchten.582 Wirtschaftliche, politische und ästhetische Ordnung von Stadt überlappten sich dabei und ergänzten einander. Die Tatsache, dass am Turiner Hof ein wichtiger Theoretiker des fürstlichen Merkantilismus beschäftigt wurde, kann als Indiz für den besonderen Bedarf hierfür in der neuen savoyischen Residenzstadt gelten. Giovanni Botero, Staatstheoretiker und Erzieher dreier Söhne von Herzog Carlo Emanuele, verstand die Stadt als wichtigsten Garanten der Produktivität des ganzen Landes und zeigte eine ansonsten kaum anzutreffende, zeitgemäße territoriale Orientierung: Nur eine große Stadt, so Botero, könne Ungleichgewichte in der landwirtschaftlichen Produktion der Territorien kompensieren.583 Die Forschung hat den Ausbau von Turin im 17. Jahrhundert als praktische Anwendung dieser Stadttheorie gesehen,584 deren Vokabular sich in den herzoglichen Edikten vielfach wiederfindet. Botero setzte Bevölkerungswachstum, wirtschaftliche Produktivität und die Vergrößerung der Stadt erstmals in Beziehung zueinander, wobei »piacere« und »utilità« der Stadt zusammengehörten. Die »magnificenza« der Gebäude trage zum allmählichen Wachstum der Stadt bei, unter »piacere« versteht er beispielsweise auch »la bellezza delle piazze«.585 Es sei notwendig, so argumentiert Botero, »per tirar la gente nella nostra città, ch’essa abbia qualche grossa mercatanzia nelle mani«.586 Der Bau von Arkadenreihen, die mit der Serliana und dem verbreiterten Pfeiler dazwischen sowie einer auf ›Höhe‹ abzielenden Proportionalität eine ernste Würde in den städtischen Raum hineintrugen, zeugt davon, dass in Turin handwerkliche und merkantile Aktivität ohne die fürstliche Autorität nicht existierten. Doch war die Schaffung der Piazza Castello keine Maßnahme der »Peuplierung«, wie dies wenig später für die südliche Stadterweiterung galt.587 Schließlich standen die Gebäude an der Piazza Castello bereits, ihre Besitzer sollten sie durch die Fassaden, wie es in den Edikten hieß, verbessern und verschönern. Diese Art der Fassade war raumschaffend im wörtlichen Sinn, wie ein Schnitt durch das Erdgeschoss der Gebäude zeigt (Abb. 190): Im Inneren des Hausblocks erkennen wir heterogene Bauten, die der Riegel der Portiken und der darüber gesetzten Stockwerken nach außen zusammenhält. Ziel der Fassadenkunst, die Vitozzi in Turin einführte, war es, einen bestimmten, betont städtischen Außenraum zu schaffen, wie ihn später das Theatrum Sabaudiae zeigte (Abb. 191).

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190 Piazza Castello, Querschnitt durch die Bebauung auf Erdgeschosshöhe, 1968

191 Giovanni Tommaso Borgonio: Turin, Piazza Castello, 1682, kolorierter Kupferstich, aus: Theatrum Sabaudiae

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Der Atlas ist nicht in allen Details der Architektur eine zuverlässige Quelle – so werden die Arkaden im Bereich der Piazza Castello nicht in der verdoppelten Interkolumnie dargestellt –, doch verdeutlicht er für unsere Zwecke das Projekt einer fürstlichen Stadt in Bezug auf ihre Plätze.588 Die Häuser an der Via Po waren zu diesem Zeitpunkt erst projektiert. Während diese aber in ihrem Inneren fast nur Gärten zeigen, sind die Blöcke an der Piazza Castello in ihrem Inneren relativ dicht gefüllt. Hier überwiegt – im Unterschied zu allen anderen Quartieren – eine heterogene Struktur von quer in den Block ragenden Bauten, die sich abwechseln mit winklig oder einzeln stehenden Gebäuden. Die dichte Struktur verdeutlicht, dass es sich hier um einen Altbestand an vorhandenen Bauten handelt, der durch die neuen Fassaden lediglich eingefasst wird, während die Blöcke in den neuen Stadtteilen noch »leer« und schematisch dargestellt sind. In der zentralen Position der Piazza Castello, wie sie im Theatrum Sabaudiae deutlich wird (Abb. 191), bildeten die Portiken Vitozzis einen Zeichenträger, dessen sachliche Übersetzung des Palladio-Motivs in einfache eckige Öffnungen die merkantile und öffentliche Aufgabe der fürstlichen Residenzstadt architektonisch neu fasste. Die Kunst Vitozzis bestand darin, mit dieser Bauform auch die bestehenden baulichen Elemente dieses Platzes einzubinden. Seit die Architekturgliederung der Spätrenaissance mit ihrem Rückgriff auf antike Bauformen für Stadttore die dorische Ordnung angewandt hatte, zählte zu dieser »männlichen« Ordnung die Rustika.589 Vitozzi bediente sich solcher Formen, die durch die rustizierten Portale im IV. Buch Serlios in Umlauf gebracht worden waren.590 An der Piazza Castello brachte er die Rustika in eine fast neutralisierte Form, die jedoch noch an die frühere martialische Funktion des Castello, auch als römisches Stadttor, erinnerte. Die Darstellung des Turniers anlässlich der Hochzeitsfeierlichkeiten von Herzog Vittorio Amedeo I. und Cristina von Frankreich (1620) (Abb. 192), zeigt die Piazza Castello nicht nur in ihren neuen Abmessungen und Begrenzungen, sondern auch, welche Art von öffentlichem Raum die Piazza für Turin bedeutete. Eine Galerie, hier noch mit einem Aufsatz zu sehen, der später entfernt wurde, teilte den Platz in einen Ehrenhof für den neuen Palazzo Ducale und eine städtische Piazza. Diese Loggia del Paviglione (Abb. 192), wie sie genannt wurde, diente vor allem als Baulichkeit, um die wichtigste Reliquie des Savoyerhauses, das Grabtuch Christi (SS.ma Sindone) an Festtagen zu demonstrieren.591 Die getrennten Sphären, welche die Architektur für die Demonstration des Sindone schuf, waren beide vom Hof bestimmt. Es entstand eine repräsentative Öffentlichkeit auf der Basis zweier, jeweils in sich geschlossener Plätze: die zum neu erbauten Schloss gehörige Cour d’honneur sowie eine von Portiken gerahmte Piazza als Zentrum der sich verändernden Stadt.592 Ein Faktor für die Einrahmung der Pfeilerarkaden mit flachen Bossen dürfte dabei auch die Bildergalerie Zuccaris gewesen sein. Sie verband den Palazzo Ducale mit dem alten Castello und zeigte im rhythmischen Wechsel mit hochrechteckigen, übergiebelten Fenstern eine dorische Pilasterordnung. Hieran angepasst, bildeten Vitozzis Fassaden den Hintergrund für eine städtische Sphäre, die temporär immer wieder von höfi-

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192 Antonio Tempesta: Darstellung des Turniers »Das Urteil des Paris«, Hochzeit von Herzog Vittorio Amedeo I. mit Christina von Frankreich, 1620

schen Veranstaltungen belebt wurde und als pars pro toto der gesamten Stadt galt. Die Gebäude um die Piazza Castello, an deren Fassadenkonzept kontinuierlich festgehalten wurde, waren in ihrem homogenen Aufbau ein Stellvertreter für die gesamte Stadt und lassen sich keinesfalls nur mit beschränkten ökonomischen Möglichkeiten Piemont-Savoyens in der Zeit nach dem Krieg erklären.593 Die Fassaden Vitozzis für die Häuser an der Piazza Castello waren eine »Resultante« mehrerer gesellschaftlicher Anforderungen.594 Dabei beschränkte sich der Adressatenkreis nicht auf die Konkurrenz der Höfe untereinander, etwa durch die stets politisch motivierten Hochzeiten, deren Besuchern die Fassaden das Anspruchsniveau vermittelten, das in Turin angestrebt wurde.595 Die Fassaden verbanden die Stadt auch faktisch. Zum einen setzten die Häuser an der Piazza Castello die im Kern dreigeschossige Struktur des Schlosses fort. Diese bestand im Entwurf Vitozzis bis etwa 1658 und wies hier Diamantquader auf (»a bugna et in tavolato a diamante«).596 Mit ihrer flachen Bossierung an der Außenseite des geöffneten Erdgeschosses können die Fassaden an der Piazza Castello als Reduktion der Gliederung des Palazzo Ducale verstanden werden. Abstufungen im Decorum zwischen

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Herrscherpalast und städtischen Wohngebäuden waren eine gängige Form der Differenzierung. Ein frühes Beispiel hierfür war Carpi in der Nähe von Modena, wo der Herrscherpalast die neuen Formen der Renaissance aufnahm, während die 1505 vom Hof erbauten und gegenüberstehenden Bürgerhäuser in gotischer Architektur errichtet wurden.597 Indem Vitozzi, der auch die Entwürfe für das neue Schloss anfertigte, die Arkaden an der Piazza mit flachen Bossen einfasste, transponierte er die Diamantquaderung des Schlosses für die Häuser der Piazza auf städtische Bedürfnisse:598 Das Schloss wurde zur normgebenden Instanz der Stadt. Die Fassaden an der Piazza Castello stellten damit eine Ordnung der Stadt im Sinne Albertis her, der diese – analog zur Gliederung der Architektur – als deren eigentlichen »Schmuck« versteht: »Doch den hauptsächlichsten Schmuck einer Stadt wird die Lage, der Zug, die Gestalt und Ausdehnung der Straßen, Plätze und schließlich der einzelnen Bauten bilden, so dass zwar dem Bedürfnis, dem Ansehen und der Zweckmäßigkeit nach alles vollkommen angepasst und verteilt erscheint. Denn fehlt die Ordnung, so wird’s füglich nichts geben, das sich als zweckentsprechend, gefällig oder wertvoll erweist.«599 Eine solche, höfisch bestimmte Ordnung, wie sie beispielsweise der Herzogspalast von Urbino (1463/64) durch seine unmittelbar an die Stadt gerichtete Fassade vermittelte, entstand in Turin durch die Häuser der Piazza Castello. Deren Fassaden bildeten einen dem Schloss und den ihnen zugehörigen älteren Gebäuden vorgelagerten Raum aus, nahmen deren Formen auf und stellten so ›Öffentlichkeit‹ im Sinne der feudalen Herrschaft dar: sie repräsentierten diese.600 Die Unterteilung vor dem Ehrenhof des Schlosses, die bis 1807 bestand, stellte die Grenze her, von der an diese durch die Piazza neu ausgeformte Art der Öffentlichkeit galt. Zum anderen verkörperten die Fassaden der Häuser an der Piazza Castello den sozialen Aufbau Turins auch ganz wörtlich. Mit ihrer Gliederung einer Arkadenzone im Erdgeschoss, dem Piano Nobile und einem weiteren Wohngeschoss zeigten sie die soziale Stratifikation der ständischen Gesellschaft, die hier in der vertikalen Schichtung des Hauses aufgeht und sich nach außen in der Fassade abbildet: Handwerker und Ladenbetreiber im Erdgeschoss, Adlige und Bürger darüber.601 Eine systematische Untersuchung der Turiner Palastarchitektur ist leider ein empfindliches Desiderat, wie jüngst noch einmal angemerkt wurde.602 Der Plan von Carlo Morello (1656), der die Erweiterungen des 17. Jahrhunderts zeigt und dabei »palazzi« eigens aufführt (Abb. 193), verzeichnet neunzehn Gebäude dieser Art, von denen fünf dem Souverän und den Prinzen des savoyischen Hauses gehörten. Nur zwei »palazzi« werden hier für die Piazza Castello aufgeführt, ebenfalls zwei für die Piazza Reale. Die durch Kriege politisch und finanziell geschwächten Adelsfamilien waren auf »appartamenti« angewiesen, eine Alternative boten erst die Erweiterungen des 17. Jahrhunderts, indem sie attraktives Bauland auf den ehemaligen Fortifikationen, wie im Süden der Stadt, möglich machten.603 Architektonisch wurde die soziale Ordnung der Stadt, wie sie in zahlreichen Traktaten des 16. und frühen 17. Jahrhunderts im Rückgriff auf antike Autoren erörtert wurde, vor

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193

Carlo Morello: Turin, Plan der Stadterweiterung in Richtung Po, 1656

allem in den Entwürfen Serlios reflektiert.604 Sebastiano Serlio, der erste Architekturtheoretiker, der mit seinem vierten Buch dem privaten Wohnhaus eine systematische Darstellung widmete, veröffentlichte in dem Band über die römische Geschichte einen Plan, der ähnlich wie Dürer die soziale Ordnung einer fürstlichen Stadt visualisierte.605 Seine Vorschläge galten vor allem Haustypen, die adäquate Wohnbauten für die unterschiedlichen sozialen Schichten abgaben. In dieser Hinsicht waren für den Turiner Fassadentyp in seiner einfachen, horizontalen Struktur mit Portiken im Erdgeschoss jene Häuser wichtig, die wenige Jahre zuvor an der Pariser Place Royale (des Vosges) (1605–1612) in Anlehnung an ein Modell Serlios errichtet worden waren.606 Wie an der Piazza Castello in Turin war hier die Fassade detailliert vorgeschrieben, die Grundstücke wurden jedoch vom König an Adlige vergeben, die Häuser errichten sollten, um sie dann an Seidenproduzenten zu vermieten. Serlios Projekt für einen reichen Kaufmann zeigt, was unter dem Decorum eines städtischen Hauses zu verstehen ist: eine durch Gebälke horizontal gegliederte, dreigeschossige Fassade, deren obere Geschosse durch Fenster mit geraden Stürze gegliedert sind, während sich das Erdgeschoss in Säulenarkaden öffnet (Abb. 194). Wie in Turin entfällt die Ausprägung einer Mittelachse zugunsten mehrerer verdeckter Eingänge, durch die gleichwertigen Arkaden sind diese parataktisch angelegt. Die Parallele zu den Turiner Bauten besteht in der normativen Anordnung und Art der Gliederung, nicht jedoch in der Breite der Gebäude. Diese war in Turin dem Raster der römischen Stadt angepasst, hier bestimmte die Stadt-

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194 Paris, Place Royale (heute Place des Vosges), 1605–1612

struktur das Maß des individuellen Hauses. Daher kommt es in Turin nicht mehr zur Ausbildung von einzelnen Dächern, wie dies bei der Place Royale (des Vosges) in Paris ein Kennzeichen der Fassade ist (Abb. 194). Vielmehr umfassen die Dächer immer den gesamten Block und machen so die Einteilung der Stadt als Determinante des einzelnen Hauses deutlich.

SOZIALE STR ATIFIK ATION UND CONCORDIA: DIE ›TURINER FASSADE‹ ALS MODELL DER TEILHABE Mit der homogenen Gestaltung der zum Platz gerichteten Fassade (Filarete: »l’una come l’altra«) entstand für Turin ein neuartiger Typus von Wohngebäuden, der an das Ganze der Stadt adressiert war, wie es die Architekturtheorie der Renaissance wieder in den Blick gerückt hatte.607 Die im Quattrocento neu gewonnene Fassade war dabei das entscheidende bauliche Mittel, diesen Außenraum zu prägen. Über die »Schauseite« des Privatbaues schreibt Alberti: »Es wird deshalb allerdings der[jenige, C. J.] Beifall finden, welcher jene Teile, die hauptsächlich öffentliche sind und vor allem seinem Besuche zu Dank sein sollen, wie die Schauseite des Hauses, die Vorhalle u. dgl., möglichst schicklich gestaltet haben will.«608 Ist hier die Schauseite noch mit ›Eingang‹ identisch, was dann auch in die erste

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Definition der Fassade einging,609 so ist die Fassade in jedem Fall von einer doppelten Bedeutung, da sie – wie Hans Kauffmann treffend bemerkt – sowohl das einzelne Gebäude wie auch den Außenraum betrifft: »Einer Fassade eignet eine Doppelbeziehung: sie gehört dem Gebäude an, dem sie zum Schmucke dient, aber ihre optische Wirkung erstreckt sich auf den Freiraum und erfordert einen Schauplatz.«610 In Turin verblieben die Baublöcke an der Piazza Castello noch in den Rastergrößen der römisch-antiken Stadt,611 doch verliehen sie dem Rechteck des offenen Platzes eine neuzeitliche Architekturstruktur und schufen als Fassaden an der Piazza Castello einen völlig neuartigen Außenraum für Turin. Wie die Verschaltung mit den älteren Bauten genau aussah, kann aufgrund von fehlenden Bauforschungen derzeit leider nicht beantwortet werden. Vertraut man jedoch den Querschnitten durch das Erdgeschoss, so ist von einer Art »Sandwich«-Prinzip auszugehen: der neue Bauteil der Portiken und darüber liegenden Wohnungen wurde den alten Baustrukturen offensichtlich komplett vorgelegt, die dann partiell und bei Bedarf erneuert werden konnten.612 Nicht nur durch die Portiken, sondern auch durch die vertikale Organisation der verschiedenen gesellschaftlichen Stände, waren die Gebäudefassaden an der Piazza Castello selbst raumhaltig. In dieser Gestaltung verschaffte die Fassade den verschiedenen Ständen nach außen Anerkennung, band diese aber auch als Teile eines übergreifenden Ganzen in den Stadtraum ein, wie es das Herrschaftsverständnis des frühneuzeitlichen Staates gegenüber partikularistischen Interessen beanspruchte. Die Fassade Vitozzis, so ist zu vermuten, wurde in Turin deshalb so erfolgreich, weil sie ein geeignetes Modell zur Darstellung von »Teilhabe« entwarf,613 ein kommunikatives Mittel im öffentlichen Raum der jungen, aufstrebenden Residenzstadt, die piemontesische Adelsfamilien verstärkt an den Hof zog. Der Adel repräsentierte sich in Turin nur selten durch singuläre Bauten. Stattdessen beinhalteten die Fassaden, die auf der Grundlage von Vitozzis Bauten an der Piazza Castello später in Turin entstanden, ein Piano Nobile, das den Adel in der horizontalen Orientierung des Gebäudes nach außen repräsentierte, dabei aber gleichzeitig dessen Einbindung in die vom Herzogshaus gegebene Ordnung zeigte. Die raumprägende Wirkung der Fassade in zwei Richtungen – diejenige der Wohnungen und Läden sowie diejenige in den Außenraum – machte Vitozzis Fassade also zu einer Schnittfläche der verschiedenen gesellschaftlichen Anforderungen in der savoyischen Residenzstadt. Wenn die völlig flache Bossenstruktur als eine Reduktion der Diamantquader des Turiner Palazzo Ducale verstanden werden kann, so erweiterten die solchermaßen gestalteten Portiken die Sphäre des Hofes in die Stadt hinein. Der Herzogspalast verstärkte mithin seine Position nicht nur städtebaulich durch axiale Bezüge wie etwa der Contrada Nuova, sondern auch durch eine von hier ausgehende Dissemination der architektonischen Mittel. Die Serliana machte die Portiken zum Schema eines Triumphbogens, der durch die betonte Vertikalität der seitlichen rechteckigen Öffnungen als eine aristokratisch konnotierte Ordnung erschien. Wurde die Rustika, die nichts anderes als eine bossierte

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Bearbeitung von Steinquadern (»bugnato al rustico«) für die Erdgeschosszone war, seit der Renaissance der dorischen Ordnung zugerechnet,614 so passte sich auch noch die flache Erscheinung der Arkadenleibungen an der Turiner Piazza im Decorum an das frühere fortifikatorische Umfeld des Castello, das ehemalige Stadttor an.615 Vitozzi nahm auf diese Weise in seinem Disegno rustizierter Portiken verschiedene Eigenheiten des savoyischen Turin auf. Da die Portiken die einzigen Zugänge in die Häuser bildeten und ihr architektonisches Setting zur tagtäglichen Erfahrung der Bewohner und Stadtbenutzer gehörte, dessen Durchqueren, Hindurchschreiten und Benutzen unumgänglich war, dürfen wir sie für die wiedergewonnene savoyische Residenzstadt als Einübung einer sozialen Praxis werten, die mit der Piazza Castello ihre prominente Ausformung fand. Die Portiken sind so die leibliche Erfahrung einer ästhetischen Ordnung, die, vom Herzog festgesetzt, auch eine politische Ordnung transportierte. Vitozzi, der die vitruvianische Gliederung fast auf die Intervalle von Stütze und Öffnungen zu reduzieren wusste, integrierte dies in einer mehrfach konnotierten architektonischen Ordnung. Sie formte durch den vertikalen Aufbau der Häuser einen neuen sozialen Raum, der sich im Inneren der Gebäude vollzog. Die Fassade transportierte dies jedoch nach außen und errichtete in deren betonter Horizontalität ein neues Beziehungsnetz. Für das Phänomen der Fassade gab es in der Frühen Neuzeit trotz ihrer architektonischen Entfaltung seit dem Quattrocento keine begriffliche Ausprägung,616 sondern sie wurde fallbezogen verhandelt und bis weit ins 18. Jahrhundert als Eingangsseite verstanden, wie das Wörterbuch der Accademia della Crusca vermerkt: »Fassade. Der Teil des Gebäudes, in dem sich meist der Eingang befindet. Lat. Frons, facies. Griechisch: prosopon.«617 In Turin zeigt sich die Besonderheit, dass das von Vitozzi entworfene Prinzip auf eine gesamte Straße übertragen wurde (Abb. 195): die Contrada Nuova, von 1619 an errichtet, um im Süden des bisherigen Castrum einen neuen Stadtteil zu erschließen. Turin erhielt damit als erste Stadt in Europa einheitliche Fassaden in einer Straße,618 wobei die Arkaden, die Vitozzis Entwurf für die Piazza Castello enthielt, hier im Erdgeschoss geschlossen blieben. Das Prinzip aber war gefunden und wurde in veränderter Form auf die Piazza Reale (S. Carlo) übertragen. Für die mit zwei Insulae nach Süden erweiterte Città nuova (Abb. 196) ordnete 1620 Herzog Carlo Emanuele I. einen Platz an, mit dessen Errichtung 1642 nach einem Entwurf von Carlo di Castellamonte (1637) begonnen wurde. Die nach dem Tod ihres Gatten amtierende Regentin Maria Cristina, eine Schwester des französischen Königs Ludwig XIV., die den Ausbau des Platzes zielstrebig und versiert betrieb, verschenkte 25 Grundstücke (1637–1652), verbunden mit der Forderung zu einer Bebauung innerhalb von zwei Jahren. Im Unterschied zur Piazza Castello war die Piazza Reale (S. Carlo) ausschließlich für die soziale Gruppe der Höflinge definiert: Mitglieder des Hofes, Aristokraten sowie mit dem Hof verbundene Zivilpersonen, wie der Bankier Turinetti. Sie mussten sich damit einverstanden erklären, ihre individuellen Häuser am Platz durch eine Fassade zu bauen, die nach dem Plan Castellamontes für die ganze Länge der Piazza eine einzige Einheit bildete.

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195 Anonym: Fassadenaufriss der Contrada Nuova, Turin (heute: Via Roma), Casa Francavilla, 1772, Zeichnung

196 Turin, Piazza Reale (heute: Piazza S. Carlo) Ausschnitt, 1682, kolorierter Kupferstich, aus: Theatrum Sabaudiae

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197 Turin, Piazza Reale (heute:Piazza S. Carlo), 1642; Fassaden 1643–1644, südlicher Platzbereich mit Einmündung der Contrada Nuova (heute: Via Roma) und den Kirchen S. Cristina, 1619 und S. Carlo, 1639

198 Turin, Piazza Reale (heute:Piazza S. Carlo), 1642, nördlicher Platzbereich mit Einmündung der Contrada Nuova (heute: Via Roma), 1615

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Das langgestreckte Rechteck dieser Piazza wird an seinen Schmalseiten axial von der Contrada Nuova zerteilt, die vom Palazzo Reale her an das neue Stadttor, die Porta Nuova, heranführt (Abb. 197–198). Die südlichen Stirnseiten bilden zwei Kirchen, 1619 und 1639 im Zuge der Stadterweiterung entstanden. Castellamontes Fassade (geb. 1643–1644) beinhaltet zwei Vollgeschosse und einen Mezzanin als Abschluss, das Erdgeschoss durch Säulenarkaden geöffnet. Wie bei der Piazza Castello sind die darüber liegenden Geschosse durch dicht aneinander gesetzte Fenster gegliedert, schmale Wandstreifen füllen zusätzlich die Zwischenräume. Dass die Piazza Reale einen hohen Anspruch reklamiert, zeigt vor allem das Erdgeschoss. Wie bei der Piazza Castello wird es durch Arkaden geöffnet, der hohe Bogen traf jedoch auf schlanke dorische Säulen. Die Doppelstellung der seitlichen Säulen bildete hier eine klassische Serliana, deren Zwickelfeld über dem Architrav ursprünglich ein Okulus durchbrach. Über dem Gebälk der Arkaden und den Brüstungsgesimsen der Fenster im Obergeschoss liegt ein breiter Fries, in dem Siegestrophäen und querrechteckige, reliefierte Wandfelder alternieren. Ähnliche reliefartige Elemente finden sich auch unterhalb der Fenster im Mezzanin. Die grazile Konstruktion des Erdgeschosses wurde aus statischen Gründen 1764 zugunsten der heutigen Pfeilerarkaden aufgegeben, doch überliefert eine Zeichnung des französischen Architekten Robert de Cotte die aufwendige Struktur der Fassade an der Piazza Reale (Abb. 199), auch das Theatrum Sabaudiae vermittelt die ursprünglich diaphane Erscheinung des Erdgeschosses (Abb. 200). Diese durchgehende, aufgrund der Reliefs noch stärker als bei der Pizza Castello auf Horizontalität angelegte Fassadenstruktur (Guarini: »fanno all’occhio una vaghissima pompa«619), die an beiden Platzseiten den nach innen individuell geschnittenen Bauten vorgeblendet ist (vgl. Abb. 201), verzichtete auf einzelne Dächer und unterscheidet sich so von den Gebäuden an der Place Royale (des Vosges) in Paris wie auch der Piazza Castello. Im Unterschied zu letzterer aber fasste die einheitlich gestaltete Fassade bei der Piazza Reale (S. Carlo) nun einen vollständig von Wohnarchitekturen umschlossenen Raum ein und bildete so zum ersten Mal in Italien den Mittelpunkt eines Quartiers, das freilich durch die Contrada Nuova (Abb. 195, 198) axial mit der Herrschaftszone verbunden war.620 Während in anderen europäischen Residenzstädten noch versucht wurde, einzelne Häuser durch die Vorgabe von Fluchtlinien zusammenzubinden,621 hatte in Turin die Piazza Castello längst das Modell geprägt, eine einzige Fassadengestaltung für ein ganzes Ensemble geltend zu machen. Dabei bezog das umfassende Verständnis, das die savoyischen Herzöge von Stadtgestaltung hatten, nicht nur Plätze, sondern ganze Straßenzüge ein, wie wir am Beispiel der 1615 begonnenen Contrada Nuova (Abb. 195) sahen. Diese relativ kurze Straße wurde jedoch im späten 17. Jahrhundert von der sieben Hausblöcke umspannenden Contrada di Po übertroffen, die als Diagonale das östliche Erweiterungsviertel in Richtung Po durchschnitt (Abb. 19, 166, 202). Unter Herzog Carlo Emanuele II. 1673 begonnen und mit Hinweis auf das Decorum der Residenzstadt als »Verschönerung« gefordert, betrieb nach dessen Tod (1675) dessen Gattin und regierende Herzogin, Giovanna Battista, das Erweiterungsprojekt weiter.

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199 Robert de Cotte: Prospekt der Fassaden an der Piazza Reale (heute:Piazza S. Carlo) in Turin, 1689

200 Turin, Piazza Reale (heute: Piazza S. Carlo), 1682, kolorierter Kupferstich, aus: Theatrum Sabaudiae

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201 Turin, Piazza Reale (heute: Piazza S. Carlo), Querschnitt durch die Bebauung auf Erdgeschossebene

202 Amedeo di Castellamonte: Fassaden der Contrada di Po (heute: Via Po), 1673

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Was bei der Contrada di Po als Fassade vorgegeben war, nahm bereits die Ausmaße eines eigenen Bauteils an, wie eine schematische Darstellung derjenigen Häuser zeigt, die an der Straße liegen (Abb. 203). Die gesamte Straße wurde in einer einzigen, nur geringfügig modifizierten Art der Fassadengestaltung errichtet. Amedeo di Castellamonte, Sohn des Erbauers der Piazza Reale, griff auf das Muster Vitozzis zurück, das über eine geöffnete Portikuszone zwei Vollgeschosse gesetzt hatte, wobei hier noch ein Mezzanin angebracht ist (Abb. 204). Statt der Säulenarkaden, wie sie für die Piazza Reale verwendet wurden, waren es nun wieder Pfeiler, die einen hohen, leicht gerundeten Bogen abfangen. Dieser ist, wie alle Öffnungen an der Fassade, durch eine einfache, erhabene und gelb verputzte Rahmung eingefasst, am Kämpfer durch ein Querband zusammengehalten. In vertikaler Flucht erheben sich über den Arkaden die Fensteröffnungen, wobei die Vertikalachse hier durch einen breiten, seitlich der Fenster verlaufenden Rahmen betont ist. Die Geschosse sind – wie an der Piazza Castello – durch breite Streifen voneinander getrennt, wobei die Geschoss- und Fenstergesimse im ersten und zweiten Obergeschoss unterschiedlich integriert sind: Der flache Rahmen im Hauptgeschoss wechselt im zweiten Obergeschoss in eine plastische Gestaltung, die auch die Fenstertympana einschließt. Grund für die Ausprägung solch feiner Unterschiede sind die fast unendlich aneinander gereihten Joche, die sich durch die langgestreckten sieben Häuserblöcke in der Contrada di Po (heute: Via Po) ergeben (Abb. 205): Die nach oben hin zunehmende Plastizität ist dem visuellem Motiv geschuldet, damit der Blick in den langen Perspektiven nicht nach oben ›abrutscht‹, sondern in der Straße gehalten wird. Die Elemente der »Turiner Fassade« wurden durch die Häuser an der Contrada di Po verstärkt: erstens die horizontale Orientierung, wie sie die oben besprochenen Gesimse betonen, zweitens die Raumhaltigkeit der Fassade. Das Ziel, die teilweise vorhandenen, teilweise neu errichteten Bauten in der Contrada di Po zur Straße hin einheitlich zu gestalten, schuf hier regelrechte Vorbauten, die hinter der Fassade liegende Gebäude, Höfe oder Gärten verdeckten (Abb. 202, 205). Drittens wurde auch hier ein wichtiges Mittel der Turiner Fassade angewandt, das wir bisher noch nicht thematisiert haben: die farbige Putzstruktur. Der farbige Putz, der die »Turiner Fassade« insgesamt prägt, schafft bei den Gebäuden der Contrada di Po eine neuartige »Feldstruktur«622 (vgl. Abb. 204): Die einfachen, erhaben gestalteten Rahmen, die sich hier um die Bögen im Erdgeschoss legen, füllen breitflächig auch die Seiten der Fenster aus. Alle Öffnungen im Gebäude sind so von einer vertikalen Rahmenstruktur erfasst, die sich plastisch, aber auch farbig von den dazwischen liegenden, kleineren weißen Reliefgründen abhebt.623 Die ockerfarben abgesetzte Reliefstruktur bindet die Ädikulen der Fenster und betont deren horizontale Elemente. Insofern ist hier die vitruvianische Gliederung gewahrt, doch zeigt die Figur-Grund-Komposition des Reliefs bereits eine Tendenz zur Darstellung von ›Wand‹, wie sie später bei den Gebäuden an der Piazza Vittorio Emanuele in Gänze realisiert wird.624 Als vertikale Streifen zählen diese breiten Putzstreifen an der Contrada di Po (Via Po) zur »opera a fascie«, die Guarini Guarino

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203 Turin, Contrada di Po. Längsschnitt mit Aufbau der Portiken

204 Amedeo di Castellamonte: Fassade der Contrada di Po (heute: Via Po)

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205 Turin, Plan, Portiken an der Contrada di Po, um 1800

für die vertikale Gliederung von Bauten propagierte und in Turin mehrfach eingesetzt hat.625 Die einfache Bauweise der Palazzi an den frühneuzeitlichen Plätzen und Straßen Turins, die aus einem tragenden Mauerwerk, aus Backsteingewölben und zumeist Holzkonstruktionen in den oberen Geschossen besteht, übersetzten die Fassaden in farbige Dekorelemente aus Stein, Putz und Stuckmarmor. Fachkräfte aus Lugano und der Lombardei verdingten sich hier im Akkord.626 Ohne die Putzfassaden in hellen Grau-, Blau- und Ockertönen, die bis auf wenige Ausnahmen auf Sgraffiti verzichteten, wäre die Visualisierung der sozialen Stratifikation, welche die Bauten vornehmen, kaum so überzeugend.627 Für das Stadtbild kommt jedoch noch hinzu, dass diese jeweils einheitlich gestalteten und farbig verputzten Bauten im Kontrast zu den herzoglichen Verwaltungsund Militärbauten standen, die ihrerseits in rotbraunem Ziegelmauerwerk aufgeführt waren.628 Der öffentliche Raum, den die Fassaden in unterschiedlicher Weise schufen, trat so auf lange Sicht hin auch in seiner Gesamtheit hervor und zeigte sich als geformter »Raumkörper«. In dieser Summierung der Fassaden zur distinkten Einheit liegt eine weitere Bedeutungsschicht dieser Architekturen: Indem sich die durchweg betonten horizontalen Linien im Stadtbild verbinden, verkörpern die Fassaden eine »concordia«, auf deren Sichtbarmachung die aufstrebende savoyische Residenzstadt offenbar angewiesen war.629

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›UNIFORMITÄT‹ ALS KATEGORIE: DIE BAUTEN AN DER PIAZZA VITTORIO EMANUELE Die ›Turiner Fassade‹, wie man die dreigeschossige, im Erdgeschoss geöffnete, stark horizontal orientierte und durch farbige Putzflächen dekorierte Außenhaut der Gebäude an den frühneuzeitlichen Plätzen und Straßen nennen könnte, war in die Umgebung des Herzogsschlosses eingepasst worden und wirkte von dort aus weiter in die Stadt hinein. Für die relative Einheitlichkeit, die hierdurch entstand, war die Öffnung des Erdgeschosses durch Portiken ein wichtiges Element. Dieses rekurrierte nicht allein auf die Portikusformen früherer piemontesischer Städte, wie die Forschung nahelegt.630 Vielmehr bedeutete in Turin jede Architektur, die nach den frühneuzeitlichen Bauten an der Piazza Castello errichtet und ebenfalls durch Portiken geöffnet war, einen Verweis auf die hier begonnene Tradition und war damit selbstreferentiell. In der steten Fortführung der hohen Öffnungen im Stadtbild entstand eine ganz eigentümliche Monumentalität, die – ähnlich wie beim älteren Bologna – sich genuin mit der savoyischen Residenzstadt verband. Darüber hinaus reflektierte die Verwendung der Dorika im Erdgeschoss (Piazza Reale/S. Carlo) oder der dorischen Ordnung entnommene Elemente (Piazza Castello; Contrada di Po) die starke militärische Ausrichtung der Stadt, während die betont horizontalen Bauten die verschiedenen Schichten der ständischen Gesellschaft im Stadtbild aneinander banden. Turin erschien also durch die Gesamtheit dieser auf die eigene Stadt bezogenen Fassaden als architektonisches Sinnbild einer ›savoyischen‹ Stadt. Die Eigenheiten der frühneuzeitlichen Fassaden Turins, wie sie die vorangegangenen Abschnitten zeigten, waren für eine Rezeption im frühen 19. Jahrhundert wie geschaffen. Basierte die vitruvianische Architektur der Frühen Neuzeit auf den Gliederungen als beziehungsreich geknüpfte, unterschiedliche Grundeinheiten von Säule und Öffnung, so ersetzten diese in der Mitte des 18. Jahrhunderts das Modell der Urhütte. Als Ursache sieht Georg Germann die bekannte Mimesisvorstellung der Künste, unter deren Druck auch die Architektur geriet: »Die einseitige Beschäftigung mit den Säulenordnungen durch viele Theoretiker, aber auch das im 18. Jahrhundert zum Durchbruch gelangende Bestreben, für die bildenden Künste eine übergreifende Theorie zu entwerfen, führte zu einer Verarmung des vitruvianischen Gedankengutes. Architektur, als nachahmende Kunst aufgefasst, verengte sich auf Gestalt und Anwendung der Säulenordnungen, die man in freier Umdeutung verschiedener Vitruvstellen von der gleichsam natürlichen Urhütte ableitete.«631 Carlo Lodoli, ein Franziskanerpater aus Venedig (1690–1761), gewichtete die vitruvianischen Ziele »firmitas«, »utilitas« und »venustas« neu. Solidität und Proportioniertheit rückten an die erste Stelle, Bequemlichkeit und Verzierung wurden nachgeordnet. Der Begriff der Funktion (»funzione«), den Lodoli einführte, sollte Solidität, Proportioniertheit und Bequemlichkeit miteinander versöhnen, allerdings unter der Voraussetzung, dass der Werkstoff richtig angewandt wird. Damit entstand ein frühes Verständnis von Funktionalität, das unter der Perspektive der »firmitas« den Blick erstmals auf das Material rich-

245 | ›Uniformität‹ als Kategorie: die Bauten an der Piazza Vittorio Emanuele

tete. Zum andern war in den 1740er Jahren der Begriff der »simplicité« aufgekommen, mit dem gegen die Architektur des Rokoko argumentiert wurde. Stattdessen wurde »noble simplicité« gefordert, eine einfache und zurückhaltende Formensprache. In der Architektur sollten anstatt Vielfalt und Überraschung nun Einheit und Übersichtlichkeit gelten. Die folgerichtige Empfehlung war daher, Fassaden nicht zu kleinteilig zu gestalten.632 Dies bedeutete zurückhaltende Dekorationen, eine schlichte durchgehende Wandfläche, die in Verbindung mit einfachen, geometrisch klaren Baukörpern als ein völlig neuartiger Reiz verstanden wurde. Eine solche »simplicité« verwirklichten die Fassaden der Mietshäuser, die Giuseppe Frizzi für die Piazza Vittorio Emanuele entwarf. Ohne die Einfassung einer rustizierten Ecklisene, welche die frühneuzeitlichen Fassaden in Turin ohne Ausnahme zeigen, konstituieren sich die Häuser an dieser Piazza vollständig aus ihren jeweiligen stereometrischen Körpern heraus (Abb. 163). Die Struktur ergibt sich bei den beiden äußeren Bauten am Platz aus den vertikalen Achsen der Öffnungen, horizontalen, schmalen Stockwerksgesimsen, den einfachen Fensterbekrönungen sowie den Arkaden im Erdgeschoss. Abgeleitet aus den frühneuzeitlichen torinesischen Fassaden, reduziert sich diese Struktur jedoch, indem all jene aus der Gliederarchitektur stammenden Elemente verschwinden, die innerhalb des Gebäudes auf Zusammenhang abzielen. Stattdessen wird der Eindruck des Ganzen entscheidend, das sich in der übersichtlichen, auf Verzierung bewusst verzichtenden und wandbetonten Gesamtstruktur des Gebäudes mitteilt. Saßen etwa bei den Fassaden an der Piazza Castello die Fenster in Ädikulen und verkröpften sich in den oberen Geschossen durch Konsolsteine und Faszien unterhalb der Fenster mit den Geschossgesimsen (Abb. 176, 180, 182), so wurden die Öffnungen der Häuser an der Piazza Vittorio Emanuele nur noch durch ihre eigene Achse in der Wandfläche gehalten (Abb. 206). Die schmalen Bekrönungen und kleinen Balkone, welche die Fenster zeigen, bleiben auf die jeweilige Öffnung bezogen, die alternierend eingesetzten kleinen Fenster im zweiten Obergeschoss sind von einer großen freien Wandfläche umgeben und stehen isoliert, als »sprechende« Öffnung. Ebenso verschwunden sind auch die horizontal durchgehenden, unterschiedlich dekorierten breiten Felder zwischen den Stockwerken, die einem profilierten, aber sehr feinen Gesims gewichen sind. Waren die Arkadengänge von Amedeo di Castellamonte in der Contrada di Po (Abb. 204) auf einen Grad an Einfachheit gebracht worden, den die vitruvianische Formensprache gerade noch ermöglichte, indem ein flacher, für die Obergeschosse modifizierter Rahmen die geöffnete Arkaden umgibt, so suchen wir solche Elemente bei den Bogenhallen der Piazza Vittorio Emanuele vergebens. Deren Konzept wiederholt die Seicento-Gestaltung der Piazza Reale (S. Carlo) (Abb. 197, 199). Dabei sind die ursprünglich verwendeten Säulenarkaden der Piazza Reale hier in Pfeilerarkaden umgewandelt, die Ende des 18. Jahrhunderts an der dortigen Piazza umgebaut wurden. Die breiten Pfeiler an der Piazza Vittorio Emanuele entsprechen proportional der Länge dieser Bauten und demonstrieren so die elementare Aufgabe des Stützens. Zwischen die einzelnen Pfeiler der Arkade ist jeweils

246 | Ein savoyischer Aktionsraum: das Ensemble von Piazza Vittorio Emanuele und Gran Madre di Dio

206 Giuseppe Frizzi: Fassaden der Längsbauten an der Piazza Vittorio Emanuele (heute: Piazza Vittorio Veneto), 1825

ein Rundbogen gesetzt, ins Zwickelfeld ein Okulus. Diese beiden Öffnungen bedeuten nicht nur eine historische Reminiszenz an das frühere Konzept der Piazza Reale (S. Carlo), sondern machen in der notwendigerweise perspektivischen Wahrnehmung der langen Bauten deutlich (Abb. 163), dass ›Wand‹ eine massive, körperhafte Erscheinung besitzt. Der Akzent dieser Architektur liegt nicht mehr wie in der Frühen Neuzeit auf dem durch das vielfältige Zusammenspiel der Glieder konstituierten Grundmodul von Tragen, Lasten und Öffnung. Die symbolische Gestaltung der Wand zeigt vielmehr, im Unterschied zur spätbarocken Superga, einen grundsätzlich neuen Gedanken: den der Masse. Die Arkaden an den Längsseiten der Piazza Vittorio Emanuele benutzen die Muster des 17. Jahrhunderts an der Piazza Reale (S. Carlo), übersetzen sie aber in die Kategorien von Dimension und Masse. Der Bogengang des frühen 19. Jahrhunderts beschränkt sich darauf, die Funktion von Tragen, Lasten und Öffnung darzustellen, dies wiederholt im Kleinen der absichtsvoll durchbrochene Pfeiler (Abb. 162). Indem die je neun Hauptachsen der Gebäude dieses Prinzip vervielfachen, entsteht gestalterisch das Motiv der Reihung. Eine solche Reihung gehörte architekturtheoretisch zum Prinzip der ›Uniformität‹, deren Hervortreten vor allem durch den Bau der Kirche Sainte-Geneviève (1757) von Jacques-Germain Soufflot in Paris befördert worden war.633 Das Wiederaufgreifen gleicher

247 | ›Uniformität‹ als Kategorie: die Bauten an der Piazza Vittorio Emanuele

207 Ange-Jacques Gabriel: Bebauung an der Place Louis XV (heute: Place de la Concorde), Eckrisalit, 1755

Motive in Grund- und Aufriss, hier vor allem die Tamboursäulen des Sakralgebäudes, wurde als »uniformité« verstanden, die mit »regularité« verbunden war. Der Unterschied zwischen den beiden sehr ähnlich klingenden Kategorien war funktional. Er lag kurz gesagt darin, dass »regularité« die Vermeidung von Uniformität meinte. Michael Häberle resümiert: »Die ›regularité‹, die trotz des repetitiven Musters die ›varieté‹ beachtete, gilt als erstrebenswertes Ideal, wohingegen die ›uniformité‹ als ›beauté froide‹ und langweilig verurteilt wird.«634 Das heißt, man suchte eine regelmäßige Wiederholung gleicher Motive, die jedoch durch Variationen im Detail und rhythmisierende Akzente aufgelockert war. Was eine solche »regularité« hieß, ist an den Fassaden der Place Louis XV (Place de la Concorde) in Paris gut erkennbar (Abb. 207; vgl. auch Abb. 273). Die rustizierten Sockelarkaden und die Reihe der darüber stehenden Kolossalsäulen werden variiert durch die beiden übergiebelten Eckpavillons, welche vier Säulen vorspringen lassen, wobei ihnen in einer Wandrücklage dekorative Nischen und Medaillons an die Seite gestellt sind. Die Architekturen an der Piazza Vittorio Emanuele sind ebenso Längsbauten wie jene an der Pariser Place Louis XV, jedoch sehr viel einfacher. Dies liegt nicht nur an der Tatsache, dass die Bauten an der Piazza Vittorio Emanuele von vorneherein als städtische Wohnbauten auf der Basis eines freien unternehmerischen Projekts geplant waren, während jene an der Pariser Place Louis XV sich zunächst vor allem städtebaulicher Überle-

248 | Ein savoyischer Aktionsraum: das Ensemble von Piazza Vittorio Emanuele und Gran Madre di Dio

gungen verdankten und erst nachträglich Funktionen erhielten, das Gebäude rechts etwa als königliche Gerätekammer. Welch hohe Bedeutung den Architekturen dennoch beigemessen wurde, zeigt sich in der Auszeichnung durch die korinthischen Säulen: Vorbild für Ange-Jacques Gabriel war hier die Ostfassade des Louvre. Dagegen wurden die Bauten an der Piazza Vittorio Emanuele durch die Variation der ›Turiner Fassade‹ zum Bestandteil der restaurativen fürstlichen Stadt. Doch sind die beiden Eckpavillons mit dem Dreiecksgiebel eine deutliche Anleihe bei den berühmten Pariser Bauten, hier auf das Niveau von Wohnbauten reduziert. Die Verwendung der Dorika bei den frei stehenden Säulen in den Eckpavillons zeigt, dass diesen eine wichtige Rolle beigemessen wurde. Dabei springen die beiden Eckpavillons hier ohne Rücklagen vor, deren Stereometrie sich jedoch durch die vorgebauten Pfeilerportiken erhöht. Die klare Geometrie der Risalite unterstützt das gerade Gebälk, das hier zum Einsatz kommt. Sind die durchbrochenen Pfeilerarkaden noch als Reminiszenz an das Turin des 17. Jahrhunderts zu verstehen, so realisieren die Eckrisalite des mittleren Gebäudes einen Paradigmenwechsel. Die Gliederungsarchitektur hatte in der Einheit von Säule – Gebälk – Intervall einen umfassenden Zusammenhang gestaltet, der sämtliche Elemente des Gebäudes proportional miteinander verknüpfte. Dies wurde in der Mitte des 18. Jahrhunderts auf die tektonische Kraft von Tragen und Lasten verkürzt: die frei stehende Säule mit einem gerade verlaufenden Gebälk.635 Die Säule galt nicht mehr als höchste ›Verzierung‹ des Bauwerks, sondern als notwendige Größe, die sich aus der »Natur« der Architektur ergab. So bemerkte der Architekturschriftsteller Francesco Milizia: »Che sorta di ornamenti dunque sono gli ordini architettonici? Comunemente si hanno per semplici ornati, ma in realtà sono l’ossatura della fabbrica e parti esenziali di essa. Si possono dunque definire gli ordini, ornati necessari, prodotti dalla natura stess dell’edificio.«636 Die dorische Säule, wie in den Eckpavillons an der Piazza Vittorio Emanuele angewandt, eignete sich in ihrer massiven, einfachen Gestalt besonders gut für die Darstellung dieser »Notwendigkeit«. Wenn die Säule solchermaßen nur noch als »notwendige« Verzierung galt, konnte das Gebäude aber auch als stereometrischer Körper verstanden werden. Das Primat der Masse wurde entscheidend, die eigentlichen Ordnungen zweitrangig.637 Dies demonstrieren ebenfalls die Eckrisalite der mittleren Gebäude. Eine Rahmung durch rustizierte Lisenen, wie sie die Fassaden an den Gebäuden der Piazza Castello, Piazza Reale (S. Carlo) und in der Contrada Nuova aufweisen, entfällt hier, stattdessen ist die Gebäudekante scharf ausgeprägt (Abb. 159, 162), welche die Gebäude mit ihren flach geneigten Dächern als Kuben gut hervortreten lässt. Die Eckrisalite an den mittleren Gebäuden verstärken deren Stereometrie noch, indem ihr hoher, ungeschmückter Giebel die behäbigen Längsbauten überragt (Abb. 158–160). Da auch der Portikus der Eckrisalite aus der Gebäudeflucht hervortritt (Abb. 154, 155), kommt es, auf die gesamte Länge gesehen, zur Darstellung mehrerer stereometrischer Körper im Platz. Deren rhythmisch angeordnete Reihung betonte gerade die zeitgenössische Grafik, welche die Piazza Vittorio Emanuele am häufigsten aus einer außerhalb der Stadt liegenden Perspektive darstellte (Abb. 165).

249 | ›Uniformität‹ als Kategorie: die Bauten an der Piazza Vittorio Emanuele

208 Amedeo di Castellamonte: Einmündung in die Via Po durch konkav geschwungene Wände

209 Turin, Piazza Vittorio Emanuele (heute: Piazza Vittorio Veneto), Einmündung in die Via Po und Altane

250 | Ein savoyischer Aktionsraum: das Ensemble von Piazza Vittorio Emanuele und Gran Madre di Dio

Doch historisieren nicht nur die Längsbauten mit den Mittelteilen der Pfeilerarkaden die frühneuzeitliche Platz- und Straßenarchitektur Turins, sondern auch die baulichen Elemente, welche die bereits vorhandenen Gebäude in den beiden Exedrahälften ergänzten und die Mündung in die Via Po vervollständigten.638 Bereits der neu gebaute äußere Gebäudeflügel wiederholt die Gliederung der Gebäude in der Via Po, wobei hier die Fenster im ersten Obergeschoss noch eine vereinfachte Rahmung besitzen. Erst der mittlere Gebäudepart wendet die alternierende Folge von Dreiecks- und Segmentbogengiebeln an (Abb. 157, 161). Der ihm vorgeschaltete vierjochige Altan aus geöffneten Arkaden wiederholt die Verbindungselemente zwischen den Längsbauten, mit denen die Straße überbrückt wird, macht aber daraus an dieser Stelle ein festliches Motiv. Als Vorbau werden die Arkaden hier zu einer Art Tribüne, die dem Eingang in die Stadt, aber auch dem Ausblick aus dieser heraus einen performativen Aspekt verleiht (Abb. 208). Vor allem aber bauen sie die Symmetrie von der Via Po her auf, indem sie unmittelbar an die bereits von Amedeo Castellamonte geplante, konkav geschwungene Wand anschließen (Abb. 209).639 Die Übergangsbauten gehören damit ebenso wie die Portiken in den Längsbauten zu dem selbstrefentiellen Historisierungskonzept, das die Piazza Vittorio Emanuele trotz der neuen Formelemente wie Masse und körperhafte Erscheinung auf das Turin des 16. und 17. Jahrhunderts zurückbindet.

EIN PLATZ DER ENTFESTIGUNG: DIE PIAZZA VITTORIO EMANUELE Im späten 18. Jahrhundert bedeutete die Abgrenzung einer Stadt nach außen eine neue Anforderung an deren »grandezza« (Milizia).640 Dieser Anspruch entstand, als die Entfestigungen einen Stadtkörper hinterließen, der ohne seine Mauern nicht mehr ohne weiteres als distinkte Einheit zu erkennen sein sollte. So jedenfalls vermitteln sich uns zeitgenössische Aussagen und Pläne. Johann Wolfgang von Goethe läßt seine Figur Charlotte im 27. Kapitel der Wahlverwandtschaften (1809) feststellen: »Sogar größere Städte tragen jetzt ihre Wälle ab, die Gräben selbst fürstlicher Schlösser werden ausgefüllt, die Städte bilden nur große Flecken […].« Nachdem die Frühe Neuzeit die geschlossene Stadt als geometrische Einheit in Idealmodellen gezeigt hatte, ließen die Demolitionen die Befürchtung entstehen, die Stadt könne zu einer form- und machtlosen Ansiedlung werden. Bereits 1753 hatte Marc-Antoine Laugier in seinem Essai sur l’architecture über die Eingänge des schon im 17. Jahrhundert entfestigten Paris geschrieben: »Nichts ist kümmerlicher und armseliger als diese Zollschranken, die heute die eigentlichen Tore von Paris bilden. […] Nicht im kleinsten Marktflecken des Königreiches findet man so etwas Schäbiges. Fremde, die diese Schranken passieren, fallen aus allen Wolken, wenn man ihnen erklärt, dass sie damit die Hauptstadt Frankreichs betreten haben. Es kostet einige Anstrengung, sie davon zu überzeugen; sie trauen ihren Augen nicht, sie glauben, noch in einem benachbarten Dorf zu sein.«641

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Wie aber sollten die neuen Städte, die sich nun offenbar viel stärker nach außen wandten, aussehen? Laugier verlangt »barrières« – wie sie Ledoux später tatsächlich errichtete – in regelmäßigen Abständen rings um die Stadt, Einfahrten, die den Grundriss von Paris in ein regelmäßiges Polygon verwandelt hätten. Ältere Toranlagen, die der geschlossenen Stadt als regulierter Durchlass des durch die Mauern ausgegrenzten Raums der Stadt gedient hatten, standen mit den Demolitionen zur Disposition. Gleichzeitig aber wurden sie als urbanistisches Mittel zur Strukturierung von Stadt, vor allem in Verbindung mit einem Platz, etwa in Nancy, neu entdeckt.642 Unter diesen Vorzeichen veränderten sich auch die Tore in Städten, die gar keine Festungsstädte waren: »Stadttore waren für die Steuereinnahme auch bei unbefestigten Städten noch notwendig. Die Aufgabe, alte Stadttore den neuen militärischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten anzupassen, musste fast in jeder Stadt gelöst werden. Oft wurden sie zu Triumphbogen umgestaltet.«643 Mauer und Stadttor dienten dann einer zweiten, anders gelagerten Schutzfunktion, die den Wirtschaftsraum Stadt betraf: »Das Stadttor ist für den Staat des 18. Jahrhunderts der ergiebigste Ort und ein Hinweis darauf, wie präzise sich die Ordnung, hier die Finanzordnung lokalisieren läßt, wie stark sie sich noch als Raumordnung darstellt.« Diese sich räumlich verstehende Ordnung fügte dem Stadttor den Platz hinzu. Von Alberti wissen wir, dass eine Kombination von Torarchitektur und Platz bereits in der Antike bekannt war. Er vermerkt dazu: »Doch was Forum und Dreiweg in noch höherem Maße ziert, sind die Bogen, welche bei der Mündung der Straßen aufgestellt werden. Ein solcher Bogen ist nämlich wie ein immer offenstehendes Tor. Erfunden ist der Bogen von jenen, glaube ich, welche das Reich erweiterten. Denn diese, sagt Tacitus, vergrößerten nach alter Sitte auch den Stadtanger […]. Also glaubte man auch nach Vergrößerung der Stadt noch sich der alten Tore aus Zweckmäßigkeitsgründen bedienen zu sollen […].«644 Die Verschiebung von Innen und Außen im großen, landesweiten Maßstab, die schon dem antiken Triumphbogen zugrunde gelegen haben soll, galt auch für die neuen Tor-PlatzGebilde des späten 18. Jahrhunderts, nun allerdings am Stadtrand selbst. In Turin entstanden im Prozess der Entfestigung während der napoleonischen Besetzung der Stadt (1798–1814) zahlreiche Entwürfe, in denen solch neue Platzanlagen auf unterschiedliche Weise erschienen. Plätze bildeten nun nicht mehr das Zentrum einer neuen Erweiterung wie zuvor in Turin, wo der Platz die Fortsetzung der Stadt herstellte, sondern waren Anschlussstellen an ein bisheriges Draußen. Dies wurde bereits in dem ersten Wettbewerb deutlich, den die Exekutivkommission 1802 durchführte. Nach der erfolgreichen Schlacht von Marengo (14. 6.1800) hatte ein Dekret Napoleons (23. 6.1800) die Schleifung der städtischen Fortifikationen von Cuneo, Ceva und Turin, die Zerstörung der Festungen Fenestrelle und Bard sowie der Zitadellen von Ivrea, Serravalle, Arona und Mailand angeordnet.645 Die Stadt Turin versuchte jedoch von Anfang an, eine vollständige Demolition zu verhindern oder zumindest hinauszuzögern. Bereits im Juli 1800 führte die Kommune in einem Brief an die Regierungskommission die Gründe auf, warum die Kurtine als Mauer

252 | Ein savoyischer Aktionsraum: das Ensemble von Piazza Vittorio Emanuele und Gran Madre di Dio

210 Ferdinando Bonsignore, Michelangelo Boyer, Lorenzo Lombardi: »Nouveau Plan demonstratif (…).« Beitrag für den Wettbewerb 1802

253 | Ein Platz der Entfestigung: die Piazza Vittorio Emanuele

211 Ferdinando Bonsignore, Michelangelo Boyer, Lorenzo Lombardi: »Nouveau Plan demonstratif (...)«. Ausschnitt. Beitrag für den Wettbewerb 1802

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212 Giacomo Preliasco: »Plan demonstratif (…)«. Beitrag für den Wettbewerb 1802

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erhalten werden sollte: »La numerosa popolazione, il commercio, le gabelle, la dogana, la sicurezza, e tranquillità degl’abitanti sono chiari argomenti, che questo Comune debba avere un riparo alla licenza di chi si prenderebbe ardire di turbare la tranquillità de’Cittadini, e di defraudare li dovuti necessari diritti.«646 Im Dekret vom 1806 wurde der Stadt die Beibehaltung der Kurtine gewährt, mit Ausnahme der Nordseite, die dem persönlichen Zugriff Napoleons auf die Gärten unterstand.647 Die Arbeiten begannen im Juli 1800, doch erst Ende des Jahres 1802 war die eigentliche Demolition abgeschlossen, die im Bereich der Stadttore begonnen hatte. Was noch ausstand, war nun die Einebnung der Gräben und Erdwerke, auch fehlte eine Verpachtung der Grundstücke.648 Diesen Stand spiegelt der erste Wettbewerb, von dem nur zwei Projekte erhalten sind. Die beiden erhaltenen Entwürfe – das prämierte Projekt von Bonsignore, Boyer und Lombardi auf der einen Seite (Abb. 210–211) und jenes von Giacomo Pregliasco (Abb. 212) auf der anderen – erfüllten die Anforderungen der Kommission:649 möglichst geringe Kosten, eine Verbesserung der Wegeverbindungen, die Umschließung der Stadt durch einen Kanal oder eine Mauer zum Zweck der Zollerhebung sowie die Erhaltung der Bäume auf den ehemaligen Bastionen. Frühere Stadttore, die im Rahmen der Demolition bereits 1801 weitgehend zerstört waren, wurden bei beiden Entwürfen (Abb. 210, 212) durch Platzanlagen ersetzt. Diese nehmen im Projekt Pregliascos die Stelle aller Stadttore ein, bei Bonsignore, Boyer und Lombardi sollten nur zwei von ihnen durch Plätze ersetzt werden. Letzterer sah allerdings eine riesige Piazza d’Armi im Nordosten der Stadt vor (in dem hier abgebildeten Plan als Teil der in Promenaden umgewandelten Befestigung dargestellt: es ist das rechts neben der Zitadelle befindliche ›Horn‹).650 Vor allem im Plan von Pregliasco sind die Platzanlagen wie bei Pierre Patte disponiert, der in seinem Verschönerungsplan für Paris (1765) bei Verkehrsknotenpunkten zahlreiche Plätze vorsah, von denen Straßen ausstrahlen sollten (Abb. 213).651 Der Aspekt der Vernetzung von Plätzen ist bei Bonsignore, Boyer und Lombardi weniger ausgeprägt, zumal ihr Plan die Fortifikation als Bauwerk in eine einzige riesige Parkanlage umwandeln wollte. Der die Stadt einschließende Kranz wäre hier erhalten geblieben, dementsprechend waren die Planungen für die zu ersetzenden Stadttore von vornherein eingeschränkter als bei Pregliasco, der die Fortifikation komplett einebnen wollte und stattdessen einen Kanal vorsah. Dieser war bei Bonsignore, Boyer und Lombardi lediglich im Norden vorgesehen, wo der Fluss Dora aufgestaut werden sollte. Die Plätze der beiden Entwürfe entsprachen neuen Vorstellungen an einen Stadteingang, der nach Francesco Milizia vor allem genügend Raum bieten müsse. Dieser sieht das Eingangstor vor allem mit einem Straßenverlauf verbunden und vermerkt 1785: »il concorso di chi esce e di chi entra è il maggiore«.652 Als Vorbild für einen solchen Hauptweg durch das Tor gilt ihm die Porta del Popolo in Rom sowie die Porta d’Alcala in Madrid mit ihren weiten Plätzen. Über die letztere, eine mit Säulen besetzte, dreijochige Toranlage, schreibt er, dass von ihr die größte Straße ausgehe, die Madrid durchschneidet: »Questo maestoso ingresso è preceduto da uno stradone: introduce ad una piazza destinata per la

256 | Ein savoyischer Aktionsraum: das Ensemble von Piazza Vittorio Emanuele und Gran Madre di Dio

213 Pierre Patte: Stadtplan Paris, mit Eintragungen neuer Platzanlagen, 1765

caccia de’tori, ed infila la famosa strada d’Alcalà la più spaziosa delle strade, che taglia quasi tutto Madrid di mezzo.«653 Das Projekt von Bonsignore, Boyer und Lombardi zeigt am linken Rand drei Torarchitekturen für solche Plätze (Abb. 210–211). Die zweite von oben, bei der eine von Säulen gebildete Triumphbogenarchitektur auf eine Brücke zu vier Pylonen gesetzt ist, war für die Porta Po vorgeschlagen. Diese architektonische Vision macht deutlich, dass die »grandezza«, von der Milizia spricht, nicht nur ein klassisches Repertoire meinte, sondern auch faktische Größe, wie sie hier der ziemlich unwahrscheinliche Brückenaufbau ausdrückt.

INTR A MUROS: DIE BAR OCKE T YPOLOGIE TORINESISCHER TORPLÄTZE Torplätze, wie sie in diesen beiden Entwürfen des Wettbewerbs von 1802 auf unterschiedliche Weise hervortreten, waren für Turin keine völlige Neuerung. Die Kombination von Tor und Platz hatte hier eine Tradition, die bereits auf das letzte Viertel des 17. Jahrhunderts zurückgeht. Für die Geschichte des Platzes setzt in Turin sehr früh eine Entwicklung ein,654 die sich einerseits aus dem schachbrettartigen Grundriss der Stadt ergibt, das aus dem römischen Augusta Taurinorum stammt, andererseits in der gestiegenen Bedeutung des Territoriums für Turin begründet ist.

257 | Ein Platz der Entfestigung: die Piazza Vittorio Emanuele

214 Turin, Porta di Po, 1682, erbaut von Guarino Guarini, kolorierter Kupferstich, aus: Theatrum Sabaudiae

215 Turin, Exedra hinter der Porta Po, 1682, erbaut von Guarino Guarini, kolorierter Kupferstich, aus: Theatrum Sabaudiae

258 | Ein savoyischer Aktionsraum: das Ensemble von Piazza Vittorio Emanuele und Gran Madre di Dio

Der erste Torplatz innerhalb der Mauern, der hier 1680–1684 entstand, war die Anlage hinter der Porta di Po, einer Planung von Guarino Guarini.655 Sie entstand als ein Ergebnis der dritten Stadterweiterung unter Maria Giovanna Battista, die in der Nachfolge ihres Gemahls, des verstorbenen Herzogs Carlo Emanuele II. nach 1675 das vormalige römische Castrum planmäßig an den Fluss Po heranrückte. Die Via Po erschloss als große Diagonale das neue Erweiterungsviertel, dabei kühn das Muster der bisher regelmäßigen Insulae durchbrechend (Abb. 205). Das Theatrum Sabaudiae (1682) zeigt die äußere Toranlage (Abb. 214), die unmittelbar in die Kurtine, die innere Befestigungsmauer eingefügt ist. Sie blieb bis zur Entfestigung im Jahr 1800 bestehen.656 Durch eine einziehbare Holzbrücke wird sie mit dem vorgelagerten Ravelin verbunden, führt über den Wallgraben hinweg zum Fluss Po. Hinter der in fünf Segmente gegliederten, konkav aufgefalteten Toranlage, die durch eingestellte Säulen, Skulpturen und Reliefs trotz der Einbindung in die Fortifikation eine hochwertige militärische Architektur verkörpert, wird der Übergang in die Stadt durch eine Exedra gestaltet.657 Die Toranlage Guarinis – eine weitere Darstellung des Theatrum Sabaudiae mit der eigentlichen Piazza (Abb. 215) zeigt sie – leitet durch einen säulenbestandenen Gang in eine halbrunde Piazza über, welche die Exedrenarchitektur umgreift. Diese ist ein durch ionische Pilaster mit Rücklagen gegliederter Kulissenbau, von dem aus zwei hohe Durchgänge in radial abgehende Straßen führen. Was zunächst nichts anderes erscheint als die Beziehung zwischen einem äußeren und einem inneren Tor, wurde architektonisch zum szenographisch wirksamen Übergang. Zwar zeigt das Theatrum Sabaudiae einmal mehr einen Idealzustand, der so nie erreicht wurde. Dies betrifft vor allem die zweite radiale Straße, die hier zu sehen ist. In einem Plan von 1691 war ein tridente geplant, wie er seit dem späten 16. Jahrhundert an der Piazza del Popolo in Rom existierte. Umgesetzt aber wurde nur die Via Po, die von Amedeo di Castellamonte geplant war. Von ihm stammte auch die Planung für die halbkreisförmige Bebauung (Abb. 215–216).658 Diese wurde schließlich durch Filippo Juvarra fertiggestellt. Im Vordergrund der Zeichnung von Aveline ist noch der zweiteilige Grundriss der Toranlage dargestellt, wie wir ihn aus dem Theatrum kennen (Abb. 217), dahinter aber sehen wir die nun durch die Via Po in zwei Segmente geteilte Exedra, wie sie dann in die Anlage des 19. Jahrhunderts integriert wurde. Diese Konzeption des halbkreisförmigen Platzes entstammt der Pariser Place des Nations, die ebenfalls hinter dem Tor errichtet wurde. Dass sich demgegenüber die Bedeutung der Turiner Tore im frühen 18. Jahrhundert änderte, machen vor allem zwei Torplätze deutlich, die heute noch existieren: die Piazza di Porta Palazzo und die Piazzetta an der Porta Susina. Beide entstanden nach dem Frieden von Utrecht (1713), der dem savoyischen Herzog Vittorio Amedeo II. die Königswürde verschafft hatte. Im ersten Teil dieser Arbeit wurde die Superga-Kirche als ein Ergebnis dieses politischen Sieges ausführlich gewürdigt, doch kam es auch in der Stadt Turin selbst sowie in deren Umland zu großen Bauvorhaben, die anfangs von dem in Turin ansässigen Architekten Michele Garove, von 1714 an aber durch den eigens aus Rom berufenen Filippo Juvarra durchgeführt wurden. Diese Plätze sind das Ergebnis einer weitreichenden

259 | Ein Platz der Entfestigung: die Piazza Vittorio Emanuele

216 Amedeo di Castellamonte: Turin, Contrada di Po und Exedra zur Porta Po, 1673–1683

217 Filippo Juvarra: Einmündung in die Contrada di Po, Turin, 1722, aus: Antoine Aveline, Disegni di fuochi

Umschichtung von Stadt zugunsten des Herrschaftsbereichs. Der ursprüngliche Verlauf des römischen Decumanus als Verbindung zum Tor wurde dabei aufgegeben. Statt dessen führte der Weg als Parallele nördlich davon: über die neu geschaffene Piazza Susina (Abb. 218), vorbei am Palazzo di Città zur Piazza Castello und damit unmittelbar in den Bereich des Palazzo Reale (Abb. 219). Die Piazzetta hinter der Porta Susina, von 1716 an durch den Bau der Quartieri Militari entstanden, zeigt das durch den Architekten Juvarra angewandte Prinzip am besten (Abb. 220).659 Hinter dem Tor, dessen Durchfahrt in eine Straße überleitet, wird links und

260 | Ein savoyischer Aktionsraum: das Ensemble von Piazza Vittorio Emanuele und Gran Madre di Dio

218 Filippo Juvarra: Turin, Piazza Susina (heute: Piazza Savoia), 1729

219 Turin, Stadtgrundriss. Schema der Umschichtung der Stadt durch die westliche Stadterweiterung, 1713

261 | Ein Platz der Entfestigung: die Piazza Vittorio Emanuele

220 Filippo Juvarra: Turin, Quartieri Militari, 1731–1732

221 Filippo Juvarra: Turin, Quartieri Militari, Zeichnung

rechts zu dieser eine identische Bebauung geschaffen. Bei den Quartieri Militari verspannt eine Kolossalordnung die hohen Bogengänge und das darüber sitzende Fenstergeschoss miteinander. Auch die Ecken bzw. Enden der Gebäude sind durch Pilaster hervorgehoben (Abb. 221), so dass die neu geschaffenen Bauten als Einheit deutlich in Erscheinung treten.660 Die kolossalen dorischen Pilaster, in der Straße wirkungsvoll gekuppelt (Abb. 223), verschaffen den Gebäuden im Vergleich zu jenen von Vitozzi an der Piazza Castello oder von Carlo Castellamonte an der Piazza Reale (S. Carlo) einen ernsten, majestätischen

262 | Ein savoyischer Aktionsraum: das Ensemble von Piazza Vittorio Emanuele und Gran Madre di Dio

222 Turin, Quartieri Militari

223 Turin, Quartieri Militari mit Blick zur ehemaligen Porta Susina

224 Filippo Juvarra: Porta Susina, Zeichnung

263 | Ein Platz der Entfestigung: die Piazza Vittorio Emanuele

Charakter. Dies unterstreicht die plastische Gliederung der Quartieri Militari: Die Kämpfer der Arkaden zeigen einen voll ausgebildeten Abakus, die Bögen sind durch einen Einschnitt gerahmt, über ihnen liegen vielfach profilierte Gesimse, auch die Fenster im Obergeschoss sind in eine mehrfach gerahmte Ädikula gestellt (Abb. 222–223). Eine Zeichnung Juvarras, welche in zeittypischer Weise die als Triumphbogen geplante Toranlage zeigt (Abb. 224),661 macht deutlich, dass dieses Tor vor allem als symbolisch angebotener Einlass in die Stadt verstanden wurde: Es war diejenige Toranlage, die an die Straßenachse nach Rivoli anband. Die Befriedung des Territoriums nach dem militärischen Sieg über Frankreich zeigte sich somit nicht nur mit dem Bau der Superga im Territorium, sondern auch in der Stadt selbst mit einem großen Tor in der Art eines Triumphbogens.662 Dabei sind die beiden hakenförmigen Gebäudetrakte der Quartieri Militari seitlich der Via del Carmine so angeordnet, dass sie für den in die Stadt Eintretenden eine Art Ehrenhof bilden – Signal, dass man eine vom Militär geschützte, fürstliche Stadt betrat, die es sich andererseits aber auch leisten konnte, ihre Besucher unmittelbar hinter dem Tor durch eine sich öffnende Platzanlage zu empfangen.

ANSTELLE DES TORS: DIE PIA ZZA VIT TORIO EMANUELE ALS INSTRUMENT NAPOLEONISCHER GEOPOLITIK Gegenüber den barocken Torplätzen innerhalb der Mauern Turins brachten die Planungen, die von 1805 an unter dem französischen Gouvernement erfolgten, einen neuen Typus von Eingangsplatz für diese Stadt hervor. Sie führten die Konzepte aus dem Wettbewerb von 1802 fort, geometrische Platzfiguren an die Stelle der Tore zu setzen, verzichteten jedoch auf die große Toranlage, wie sie der Plan von Bonsignore, Boyer und Lombardi enthielt. Die neuen Entfestigungspläne waren deutlich territorial bestimmt, und nicht mehr isoliert auf das Embellissement der Stadt ausgerichtet. Am weitesten ging hier der Plan de la Ville de Turin (1805), den Joseph-Henri-Christophe Dausse, Chefinspektor der Turiner Abteilung des Corps des Ponts et Chaussées (Abb. 225) vorlegte.663 Was den Dausse-Entwurf von den beiden Plänen des Wettbewerbs 1802 (vgl. S. 256) (Abb. 210, 212) unterschied, war die gegenseitige Durchdringung von Stadt und Land, zwei Größen, die bei Dausse gleichberechtigt miteinander kommunizieren. Turin ist hier – im Unterschied zu der geometrisch klaren Umrissfigur in Pregliascos Projekt (Abb. 212) – nur noch von Straßen umgeben, welche die Stadt nach außen verbinden. Promenaden, wie sie beispielsweise in dem Entwurf von Ferdinando Bonsignore, Michelangelo Boyer und Lorenzo Lombardi (1802) an die Stelle der Fortifikation treten, gibt es – wie auch im Entwurf von Pregliasco – lediglich im Bereich des Schlosses. Das Zentrum der Macht hat sich zur Zitadelle verlagert, die laut Dekret vom 23. 6. 1800 als französische Befestigung bestehen blieb (!) und im Plan des Inspektors klar aus der Textur von Stadt und Land hervorsticht.

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225

[Joseph-Henri-Christophe Dausse:] »Plan de la Ville de Turin (…)«, 1805

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Für die Ränder von Turin projektierte Dausse andere Plätze, als sie bisher geplant waren. Sie ersetzen nicht mehr nur vorherige Stadttore, sondern strahlen weit ins Land hinaus und bilden dort durch lange Straßenachsen selbst wieder Satelliten. Der Sternplatz, der nach Brinckmann »im Stadtplan den Straßen einen Richtungspunkt gibt«, war im Verschönerungsplan für Paris von Pierre Patte (1765) (Abb. 213) noch zur Auflösung dichter städtischer Bereiche vorgesehen.664 Im späten 18. Jahrhundert avancierte er zu einem urbanistisch-territorialen Instrument, einer Gelenkstelle, welche die Verbindung mit dem Land herstellen sollte. Beispielsweise sah die Neapel-Planung von Vincenzo Ruffo, welche die Ränder dieser Stadt 1789 reorganisieren sollte, einen Sternplatz als Verteiler vor.665 Die Plätze, die Ruffo außerhalb von Neapel vorsah, darf man sich nicht durch Gebäude begrenzt vorstellen, sondern sie sollten von Bäumen umgeben sein. Eine für Italien, aber auch Europa insgesamt sehr frühe Form der Verbindung von Tor und Sternplatz außerhalb schuf die lothringische Herrschaft 1738 an der neu gestalteten Porta San Gallo in Florenz. Dort wurden die von Bologna, Mailand und Wien herführenden Straßen in einem großen Triumphbogen zusammengeführt, den eine weite Exedra von Häusern umgibt (Abb. 226–227).666 Das größte Rondell war das Foro Bonaparte, das Napoleon 1806 in Mailand durch Giannantonio Antolini errichten ließ. Trotz seiner Größe war auch dieser Platz als Verbindungsplatz geplant, indem die Platzwände hier an zwei Stellen durchbrochen worden wären: Verbindungen zur Simplonroute einerseits und zur Stadt andererseits mit gleichzeitiger Hervorhebung des alten Palazzo Ducale als Platzzentrum.667 Alle Planungen in Turin während der französischen Herrschaft waren von der Tätigkeit des Corps des Ponts et Chaussées geprägt, der begleitend zu Maßnahmen des Straßen- und Brückenbaus neue Ansichten vom Land schuf, in denen sich geographische Darstellung, Garten- und Stadtpläne miteinander mischten.668 Auch in der Darstellung von Dausse (1805) waren kartographische mit darstellenden Elementen verknüpft (Abb. 225), letztere zeigen sich bezeichnenderweise vor allem bei der Zitadelle. Der Plan von Turin, den Dausse vorschlägt, beinhaltet unterschiedlich geformte Plätze: Ovale, Kreise, Halbkreise, in die sternförmig oder parallel geführte, baumbestandene Straßen bzw. Promenaden einmünden. Eine Begrenzung gibt es nicht mehr; lediglich ein Kanal, der vom Po abzweigt, umgibt Turin im Norden und Nordwesten. Zum ersten Mal nun aber war am Ufer des Po eine Doppelplatzanlage vorgesehen, die sich in zwei hufeisenförmige Plätze diesseits und jenseits des Flusses aufgeteilt hätte. Diese Doppelplatzanlage mit einer neuen Brücke nördlich der bereits bestehenden Holzbrücke sollte in unmittelbarer Nähe zu den königlichen Gärten entstehen, die Turin östlich des Palazzo Reale erhalten sollte. Einen Block tiefer, parallel zu den Gärten, wäre die Straße verlaufen und hätte die Platzanlage an die neue Brücke angebunden. Dabei sah Dausse einen Obelisken auf der Brücke sowie einen weiteren auf dem Sternenplatz der anderen Seite der Stadt vor.669 Plätze wie Obelisken wären Bestandteil einer großen Intervention im Norden der Stadt gewesen, in deren Rahmen eine große Achse von der Porta Susina über die Brücke zur anderen Seite führen sollte. Um die Achse nicht zu unter-

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226 Florenz, Piazza della Libertà, 1738

227 Florenz, Piazza della Libertà. Triumphbogen des Franz Stefan von Lothringen, Feldseite

brechen, schlug Dausse vor, das »Castello« (sprich: Palazzo Madama) abzureißen, um die Fassade des von den Franzosen als defizitär empfundenen Bauwerks in denselben Materialien auf der anderen Seite der Dora-Brücke neu aufzubauen: Der Plan zeigt hier den großen Sternenplatz im Norden der Stadt.

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228 Ferdinando Bonsignore: »Plan demonstratif pour l’applanissement des Terrains/des Fortifications démolies aux alentours de la Ville de Turin«, 1805

Ungeklärt waren jedoch zu diesem Zeitpunkt noch die Grundstücksverhältnisse der Fortifikationen, wie ein weiteres Projekt von Ferdinando Bonsignore (1805) zeigt (Abb. 228).670 Das französische Gouvernement hatte 1804 entschieden, allen entfestigten Städten die »ramparts, murailles, fosses« zur Verfügung zu stellen. Den Kommunen wurde angeboten, das Fortifikationsgelände außerhalb der Städte zu erwerben, um hier öffentliche Promenaden einzurichten.671 Das avisierte Programm zum Embellissement der Stadt gewann auf dem Hintergrund eines Besuches von Napoleon in Turin (1805) eine neue Note, da dieser die Stadt zur »ville de plaisir« machen wollte. Die Stadt ist im Plan Bonsignores vom Gürtel der inneren Befestigung fest umschlossen, der hier lediglich in ein Promenadensystem umgewandelt wird. Entsprechend seinem ersten Vorschlag von 1802 (Abb. 210) sind Plätze an die Stelle der früheren Stadttore gesetzt. Diese sind nicht nur in wesentlich kleineren Dimensionen als bei Dausse dargestellt, sondern werden vor allem nicht von dem Netz von Straßen außerhalb der Stadt her gedacht. Die Platzanlage an der Brücke über den Po, die er vorsieht, ist ein langgezogenes, von Bäumen umgebenes Rechteck, das die Exedra von Castellamonte enthält und in die Via Po überleitet. Erst im Mai 1806 wurde das Gelände der Befestigungsmauer, das zuvor Staatsbesitz war, in 95 Grundstücke aufgeteilt und zum Verkauf freigegeben.672 Diesen Stand gibt der Plan Géneral (1809) wieder, den das Consilio degli edili – eine beigeordnete Institution,

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229 Claude-Joseph-Yves La Ramée Pertinchamp, Lorenzo Lombardi, Carlo Randoni, Ferdinando Bonsignore, Giuseppe Cardone: »Plan Général d’Embellissement pour la Ville de Turin (…)«, 30. 3.1809

bestehend aus den Architekten La Ramée Pertinchamp, Lombardi, Randoni, Monsignore und Cardone – entwarf (Abb. 229).673 Die äußeren Befestigungsanlagen von Glacis, Graben und Wall sind eingeebnet, die innere Kurtine ist durch eine Allee ersetzt, die Bastionen – analog zu früheren Plänen – als bepflanzt ausgewiesen. Wie im Plan von Dausse (Abb. 225) wird die Verbindung zum Fluss Po gesucht: hier jedoch intensiviert durch eine erstmals

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230 Turin, Brücke über den Po, 1809–1814. Blick zur Kirche Gran Madre di Dio und Borgo di Po

halbkreisförmige, an den Rändern ebenfalls bepflanzte große Platzanlage, von der aus ein Straßenfächer mit dem Wegesystem der Stadt vernetzt ist. Der 1809 im Plan Géneral von La Ramée Pertinchamp erscheinende, halbkreisförmige und fächerartig gespreizte Platz (Abb. 229) erinnert in seiner strengen Form und bühnenhaften Gestaltung an das Foro Bonaparte in Mailand. Nach außen von einer Allee von Bäumen begrenzt, durchschneiden ihn Schneisen strahlenförmig. Der Platzfächer bindet an die alte Brücke über den Po an, die seit Juli 1809 erstmals in Stein aufgeführt wurde.674 Nach der Brücke vor Santa Trinita in Florenz aus dem 16. Jahrhundert stellte dies für Italien das zweite große Brückenbauwerk dar, das sich mit fünf Bogen über einen Fluss hinweg spannte.675 Damit wurde die Holzbrücke ersetzt, die hier seit dem Mittelalter über den Po geführt hatte. Nach den technisch fortgeschrittenen Grundsätzen des Corps des Ponts et Chaussées entstand ein steinernes, auf schlanken Pylonen ruhendes Bauwerk, denen halbrunde Rostren vorgelegt sind (vgl. Abb. 230). Sie schließen nach oben halbrund ab, über den Arkaden verläuft ein profiliertes Gesims. Dabei war die Brücke nicht nur auf den Fahrverkehr, sondern durch begleitende Wege auch auf Fußgänger ausgerichtet und gab sich so als urbanes Bauwerk zu erkennen.676 Die große steinerne Brücke über den Po, 1808 begonnen und erst von den zurückkehrenden Savoyern fertiggestellt, ist das einzige Bauwerk in Turin, das die napoleonische Ära hier hinterließ: ein verhältnismäßig kleines Resultat, nimmt man die ungeheure Anzahl an Plänen, die in den vierzehn Jahren der französischen Herrschaft entstanden.677 Der archi-

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tektonische Aufwand, mit dem die Brücke gestaltet ist, signalisiert, wie viel Bedeutung ihr beigemessen wurde. Die Ursache hierfür liegt in dem politischen Territorium, das die napoleonische Herrschaft für Italien begründete. Napoleon besetzte mit Rom, Neapel, Mailand, Turin und Genua wichtige italienische Zentren, für die jeweils urbanistische Pläne zur Verschönerung der Stadt (»piani di abellimento«) erstellt wurden.678 Auf diese Weise sollten Wegenetze, öffentliche Plätze und Parks sowie Alleen entstehen. Zielrichtung der Politik war jedoch das Land als Ganzes, das er explizit zu verändern suchte: »Ce n’est pas de palais ni de bâtiments que l’Empire a besoin, mai bien des canaux et des rivières navigables.«679 Mit diesem modernen territorialen Ansatz stützte sich Napoleon auf die physiokratische Staatstheorie, die Stadt und Land gleichgewichtig nebeneinander sah und letzteres seiner subsidiären Position enthob.680 Die vom Corps des Ponts et Chausées gemachten Entwürfe basierten auf den Überlegungen einer Geopolitik, in die der neue Turiner Platz am Fluß Po ganz praktisch einbezogen war. Die logistischen Verbindungen im gesamten Imperium sollten verbessert werden, wozu neben den Land- und Wasserstraßen auch die telegraphische Übermittlung gehörte. Schon 1802, als der Piemont zunächst französisches Staatsgebiet wurde, war damit begonnen worden, eine topographische Statistik zu etablieren, welche die nötigen Daten für die politischen Steuerungsprozesse liefern sollte. Für das seit 1804 von Napoleon begründete Königreich Italien war ein neues Wegenetz mit verschiedenen Kategorien von Straßen in Arbeit, das die annektierte Halbinsel mit Frankreich verbinden sollte. Von den großen Straßen erster Ordnung führte eine Route über die Alpen hinweg nach Mailand und Rom (Paris – Simplonpaß – Mailand – Rom). Durch die Route zweiter Klasse konnte mittels des seit 1802 verbesserten Passes über den Moncenisio auch Turin (das im Regno d’Italia die Funktion eines Lustortes haben sollte) angeschlossen und mit Neapel, dem südlichsten Stützpunkt napoleonischer Politik in Italien zusammengeführt werden (Paris – Moncenisio – Turin – Alexandria – Parma – Neapel). Dabei konzentrierten sich die Eingriffe ins Wegenetz auf die Zuwege zu den wichtigen Städten. Wasserstraßen waren Teil dieses Programms. Eine bessere Schiffbarkeit der Flüsse durch Regulierung in den Jahren 1805–1806 (Arno, Tiber), die Planung großer Kanäle (vom Po bis zum Mittelmeer über die ligurischen Alpen), Verbindung von Häfen (Livorno, Fiumicino) war insbesondere durch die Vormachtstellung Englands auf dem Meer notwendig. Die Güter sollten so schneller in die Stadt gelangen. Vom Großgrundbesitz wurde die Verbesserung der Landwirtschaft gefordert. Diese galt neben der Architektur zu den »nützlichsten der Künste« (General Toussaint), der Straßenbau, nicht zuletzt die Alpenpässe, erlangten den Rang einer Staatskunst.681 Vor diesem Hintergrund sind die beiden Entwürfe von Dausse und La Ramée Pertinchamp, den beiden Turiner Chefinspektoren des Corps des Ponts et Chaussées zu sehen, die seit 1807 mit einer im Regno d’Italia fest institutionalisierten Organisation arbeiten konnten. Dieses Straßen- und Wasserbauamt fungierte als ein wirksames administratives System, das vor allem die lokalen Autoritäten begrenzte.

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Der Platz, während der gesamten napeolonischen Zeit als Eingang vom Fluß Po her geplant, nahm so am Ostausgang der Stadt eine neue Funktion ein. Als idealer Doppelplatz, wie bei Dausse 1805, war der Fluß Po erstmals in die Mitte genommen worden und damit zum Element urbanistischer Planung geworden. Dies blieb er während der gesamten französischen Besatzung, die den Platz nicht mehr ausschließlich als innerstädtisches Element verstand, sondern ihn – wie La Ramée Pertinchamp im Plan Géneral (1809) sowie in weiteren Detailentwürfen – zum neuen Eingang in die Stadt umfunktionierte. Die Funktion dieser Planungen reichte aber über eine punktuelle Urbanistik weit hinaus. Im neu etablierten Straßennetz des napoleonischen Regno d’Italia wäre der Platz, als von 1808 an die erste steinerne Brücke über den Po entstand, ein wichtiger strategischer Knotenpunkt geworden. In ihm als dem neuen Ostausgang der Stadt hätte die Grande Route de 2e classe no 99 de Turin à Naples par Alexandrie et Parme, die durch die erneuerte Trasse des Passes über den Moncenisio verstärkt worden war, von Turin bis in den Süden des Imperiums geführt. Die Place in ihrer französischen Planung war so ein Teil napoleonischer Geopolitik, sie verkörperte diese ganz praktisch.

DYNASTISCHE VERENGUNG: DER BAU DER PIAZZA VITTORIO EMANUELE UND DER KIRCHE GRAN MADRE DI DIO Diese Idee des Doppelplatzes, den die Pläne des Corps des Ponts et Chaussées favorisierten, zuletzt 1809 in den Projekten ihres Turiner Chefs La Ramée Pertinchamp (vgl. Abb. 229), erfuhr ein jähes Ende mit der Niederlage Napoleons und der Rückkehr der savoyischen Dynastie im Jahr 1814. Die Stadt Turin litt – nachdem sie während der sechzehn Jahren französischer Herrschaft und dem Aufstieg Mailands zur Hauptstadt des Regno d’Italia ihre vorherige zentrale Funktion verloren hatte – unter einer massiven demographischen und wirtschaftlichen Krise. Zu dem Zeitpunkt war die Brücke über den Po bis auf wenige Meter fertiggestellt.682 Als daher das savoyische Herrscherhaus wenige Tage nach der Rückkehr aus dem Exil eine Zollgrenze um die Stadt errichten ließ, geschah dies unter dem Eindruck einer veränderten politischen und ökonomischen Position der zurückgewonnenen Stadt. Gleichzeitig aber äußerte die Stadtregierung Turins den Wunsch, der zurückgekehrten Herrscherdynastie ein Denkmal zu setzen. Neben verschiedenen anderen Standorten wurde ebenfalls 1814 der Bau einer Kirche dekretiert, und zwar von der Stelle, von der aus der zurückgekehrte König Vittorio Emanuele seinen Einzug in die Stadt gehalten hatte: die andere Uferseite des Flusses Po (Abb. 231). Die Zollgrenze war nicht nur dafür vorgesehen, Steuer zu erheben, sie sollte auch Diebstahl und Schmuggel unterbinden. Hierfür war eine Mauer nach Plänen Bonsignores geplant, die im Stil der Revolutionsarchitektur durch Bogen-, Kegel- und Thermenmotive verstärkt sein sollte. Der Entwurf wurde nicht exakt in der vorgesehenen Weise realisiert. Stattdessen erhielt die Stadt eine weite Demarkation, die den Fluss erneut von der Stadt ab-

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Anonym: Einzug von König Vittorio Emanuele, 20. Mai 1814

schnitt. Der Plan von Gaetano Lombardi, 1817 als »Piano regolare« genehmigt (Abb. 232) sah die Vergrößerung der Stadt im Südosten (vgl. das neu eingezeichnete Raster des Plans) vor allem in Richtung Po sowie in dem geographisch entgegengesetzten Bereich der Porta Susina im Westen vor. Wie im Plan von La Ramée Pertinchamp stellte man sich die Piazza, deren Ränder von Bäumen bepflanzt sind, als große Halbkreisform vor. Der Bezug zur anderen Flussseite der Stadt – wie bei Dausse 1805 – ist verschwunden und wurde auch aus dem Plan herausgehalten, der mit Dekret vom 27. 5.1818 in Zusammenhang mit einer Zollmauer genehmigt wurde (Abb. 233). Diese entsprach im Westen dem Verlauf der alten Fortifikation, im Osten jedoch umschloss sie die bei Lombardi eingezeichneten neuen städtischen Bereiche.683 Das Projekt, die Stadt erheblich zu vergrößern, stand unter dem Eindruck des Wiener Kongresses, der die Savoyer in den Stand des Königreiches von Sardinien erhob, wodurch sich das politische Territorium erheblich vergrößerte und nun bis zum Mittelmeer die ehemals genuesischen Gebiete einschloss (Abb. 234). Dies offenbart ein Vorgehen, das aus der römischen Antike bekannt ist, wonach das Gebiet der Stadt nach einem gewonnenen Krieg erweitert werden sollte.684 Quintessenz aller Aktivitäten nach der Rückkehr der savoyischen Dynastie war es, die Stadt Turin nach der durch die Franzosen verordneten Entfestigung als einen Raum zu bezeichnen, der den Fluss klar ausgeschieden hätte.

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232 Gaetano Lombardi: »Piano regolare della Città di Torino, e Sobborghi/per l’ingrandimento (…)«, 1817

Bei dieser erneuten Isolierung der Stadt in den Grenzen der ehemaligen Befestigung erhielt die geplante Piazza am Fluss nicht nur eine andere geometrische Form, sondern wurde auch in ihren Ausmaßen erheblich verengt. Das Vorhaben, zum Po hin einen Platz anzulegen, wurde nicht aufgegeben, doch es veränderte sich. Zwei Gründe gab es hierfür: Zum einen stellte es sich als schwierig heraus, Grundstücke, die von der alten Fortifikation an neue Besitzer übergangen waren, für den vorgesehenen großen Bereich der Piazza zu

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233

Gaetano Lombardi: Plan der Zollmauer, mit königlichem Siegel appropriiert, 27. 3. 1818

234 Italien, politische Gliederung nach dem Wiener Kongress, 1815

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235 »Pianta delle nuove Costruzioni Progettate dalla Commissione del Regio Consiglio degli Edili per l’ampliazione della Città di Torino dalla Porta di Po (…).« Dem Consiglio präsentiert am 7. 8. 1824; 10. 2.1825

enteignen. Zum andern war 1818 der Grundstein für die Kirche Gran Madre di Dio gelegt worden, wobei die Überlegung entstand, von der Stadt aus eine Sichtachse zur Kirche zu errichten. Die erste Änderung im Plan Lombardis war es, den Platz auf eine rechteckige Fläche als Achse zwischen Via Po und der Brücke über den Fluss zu verringern (Abb. 233).685 Diese Maßnahme prägte alle folgenden Schritte, wobei der Platz aber auch mit der neuen Zollmauer in eins gebracht werden musste. Nachdem in zwei Projekten (1817, 1818) die Platzfläche auf ein querstehendes Rechteck verringert worden war,686 das schließlich in der Mitte eine zweireihige Allee in Richtung Po-Brücke geteilt hätte, sollten 1819 Privilegien die Randbebauung des Platzes garantieren (freie Vergabe der Grundstücke, Steuerfreiheit für dreißig Jahre).687 Der darauf folgende Plan sah entsprechend eine Randbebauung vor, die durch Gebäude oder Portiken vorgenommen werden sollte. Das Wagnis, in diesem bisher völlig unbebauten Areal am Fluss Gebäude zu errichten, war jedoch offenbar zu groß. Jedenfalls erweiterte König Carlo Felice die Privilegien am 19. 2. 1819 auch auf die zweite, weniger attraktive Reihe der Häuser am Platz. Aufgrund dieser schlechten Akzeptanz setzte 1824/1825 erneut eine Folge von Entwürfen ein, die der Vicario der Stadt, Della Valle, durch das Consiglio degli Edili initiierte. Eine Kommission des Gremiums, die sich aus den Architekten Bonsignore, Brunati, Lorenzo Lombardi, Michelotti und Randoni zusammensetzte, sah zunächst einen Plan vor, nach

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welchem der vorherige Halbkreis von durchgehenden, langen Gebäudeeinheiten ersetzt worden wäre (Abb. 235). Auch die zweite Variante vom 2. 5.1825, welche diese Blöcke in drei Teile gliederte, wurde nicht akzeptiert. Stattdessen beauftragt der König den ebenfalls beim Consiglio beschäftigten Architekten Giuseppe Frizzi mit einer Planung, die Portiken integrierte und in dieser Form am 13. 5. 1825 akzeptiert wurde. Das Produkt einer solchermaßen erheblich verkleinerten, die Via Po fortführenden und beidseits von Architekturen begrenzten Piazza Vittorio Emanuele hat die Forschung dazu veranlasst, die auf der anderen Seite des Flusses entstehende Anlage der Kirche Gran Madre di Dio mit ihrer Piazzetta als zwei getrennte Ensembles zu verstehen.688 Tatsächlich gab es – im Unterschied zu den Entwürfen der französischen Zeit – keine gemeinsame Planung mehr für eine den Fluss übergreifende Anlage. Die Chronologie der Planungs- und Baugeschichte in der Phase der savoyischen Restauration zeigt vielmehr die Idee einer Kirche auf dem jenseitigen Po-Ufer 1814 als auslösendes Moment, dem erst die Planung der Platzanlage 1817 folgte. Der räumliche Zusammenhang, der zwischen dem großen Platz und dem Kirchenbau besteht, bleibt somit interpretationswürdig, gerade weil er ein Zufallsprodukt ist. Da die axiale Verbindung zwischen Via Po und Piazza Vittorio Emanuele aus dem Turiner Städtebau stammt, entstand hier aus der Kontingenz der Planunterbrechung und der longue durée der Stadt eine ganz eigene Lösung, die als spezifisch savoyischer Aktionsraum zu beschreiben ist.

WAND ALS ›MASSE‹: DER PANTHEONSBAU GR AN MADRE DI DIO Dieser Aktionsraum wird auf der rechten Uferseite dominiert von der punktbezogenen Architektur der Chiesa Gran Madre di Dio, die neben ihrer Funktion als Erinnerungsbau für den Borgo Po als Pfarrkirche dient. Als ein Kirchengebäude, dessen Gestalt an das antikrömische Pantheon anknüpft, kombiniert Gran Madre di Dio durch die Rotunde und ihre Säulenvorhalle das Prinzip der Richtungsindifferenz mit Gerichtetheit. Die räumlichen Gegensätze sind jedoch bei Gran Madre nicht – wie bei der Superga – in der Umbauung einer Klosteranlage aufgehoben, sondern sie werden bei der frei stehenden Kirche inmitten der Piazza geradezu ausgestellt. Damit wird es möglich, einen Aktionsraum ›einzurichten‹, der die Öffnung der Stadt als dynastisch besetzten Prozess erscheinen lässt. Diese Inszenierung der räumlichen Grundmöglichkeiten durch die Kirche wirkt sich über den Borgo di Po auch auf die Platzanlage auf der Stadtseite aus: Der Pantheonsbau ist Anziehungspunkt außerhalb des Stadtkerns, gibt aber in seiner Architektur die durch ihn entstehende Bewegung an diese zurück. Die Reziprozität der räumlichen Verhältnisse, die der Kirchenbau hier schafft, basiert auf dessen Anbindung an das Stadtzentrum. Indem Gran Madre di Dio in der Benutzung der Stadt bereits hinter dem Castello erscheint, wird der neue, klassizistische Kirchenbau zum Gegenstück dieses ebenfalls frei stehenden Bauwerks im Zentrum, das wie kein anderes die verschiedenen Zeitschichten der Stadt in sich vereint und deren

277 | Dynastische Verengung: der Bau der Piazza Vittorio Emanuele und der Kirche Gran Madre di Dio

236 Ferdinando Bonsignore: Turin, Gran Madre di Dio, 1818–1836

237 Ferdinando Bonsignore: Turin, Gran Madre di Dio, Grundriss, um 1825, Stich von A. Biasoli nach Zeichnungen von Bonsignore

278 | Ein savoyischer Aktionsraum: das Ensemble von Piazza Vittorio Emanuele und Gran Madre di Dio

238 Rom, Pantheon, Grundriss

239 Andrea Palladio: S. Sebastiano an der Via Appia, bei Rom, Rekonstruktion

279 | Dynastische Verengung: der Bau der Piazza Vittorio Emanuele und der Kirche Gran Madre di Dio

240 Ferdinando Bonsignore: Turin, Gran Madre di Dio, Aufriss Inneres, um 1825, Stich von A. Biasoli nach Zeichnungen von Bonsignore

241 Ferdinando Bonsignore: Gran Madre di Dio, Querschnitt, aus: 4. Projekt, 1818

280 | Ein savoyischer Aktionsraum: das Ensemble von Piazza Vittorio Emanuele und Gran Madre di Dio

242 Turin, Gran Madre di Dio. Blick auf den Hochaltar, im Vordergrund das Taufbecken

antichità verkörpert. Der solchermaßen über eine sehr lange Distanz und mehrere räumliche Einheiten hergestellte Aktionsraum war vor allem durch die Monumentalität seiner beiden Hauptelemente ein Novum für Turin. Gran Madre di Dio zeigt sich als überkuppelter Zentralbau auf einem kreisförmigen Grundriss. Der Rotunde ist ein sechssäuliger Portikus vorgestellt, der einen Dreiecksgiebel trägt, hinter diesem vermittelt eine Attika zum zylindrischen Tambour. Ein hoher Sockel, der einen breiten Rand um das Gebäude legt, erhebt es podiumsartig. Nach vorn, in Richtung Stadt, wird daraus der Sockel einer Treppenanlage, die hohe, gemauerte Wangen einrahmen (Abb. 236). Im Innern wie im Äußern knüpft die Gestalt der Kirche an das römische Pantheon an, wurde jedoch gegenüber dem antiken Vorbild auch verändert. Dies beginnt mit dem Grundriss der Kirche, der die Anordnung von acht auf vier Pfeiler und entsprechend vier Öffnungen reduziert (Abb. 237). Die Pfeiler bilden flügelartige Schalenstrukturen, wobei die beim Pantheon eingefügten Kammern, die den Pfeiler durch Aushöhlung widerstandsfähiger machen sollten (Abb. 238),689 hier modifiziert sind: Bei Gran Madre di Dio ist der Pfeiler von seiner Bindung an die Rückwand vollständig getrennt und zum Binnenraum so weit vorgezogen, dass zwischen diesem und der Rückwand ein Umgang mit Kapellen entsteht, der sich in den Kapellen durch ein Fenster nach draußen öffnet (Abb. 237, 240–241).

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Diese vier langgezogenen Pfeilerschalen der Diagonalen alternieren auf den Hauptachsen mit halbkreisförmigen Öffnungen, die durch je zwei Säulen vom kreisförmigen Binnenraum abgegrenzt sind. Das letztere, für die Raumgrenze wichtige Motiv der Doppelsäulen ist dem antiken Vorbild entlehnt, doch fehlen die beiden Eckpilaster, welche die frei stehenden Säulen beim Pantheon in den Flächenverband der Wand einbinden. Bei Gran Madre di Dio geschieht genau das Gegenteil: Die Öffnung der Kapellennischen schneidet übergangslos in die Wand ein, die korinthischen Säulen sind isolierte tektonische Elemente (Abb. 242). Durch die verringerte Raumdisposition, fehlende tektonische Gliederung zugunsten einer stärker dekorativen Ausstattung und die Ersetzung der Marmorverkleidung mit einer alles überziehenden Putzhaut fehlt der Kirche im Inneren die Wucht des Pantheons. Aber auch das Äußere der Kirche Gran Madre di Dio ist keine getreue Wiedergabe des antiken Baues: Statt der acht Säulen wie beim Pantheon finden wir in Turin nur sechs an der Front; sie hinterfängt in der zweiten Reihe ein Tetrastylos. Auch die Pilasterordnung an der Wand ist auf diese Weise organisiert, hingegen sind beim Pantheon zwei Reihen frei stehender Säulen hintereinander gesetzt. Die Forschungsproblematik der ›Pantheonskirche‹ Die in der kunstgeschichtlichen Forschung verbreitete Vorstellung, es müsse sich bei Architekturen, die dem römischen Pantheon in irgendeiner Weise folgen, um ›Kopien‹ des antiken Gebäudes handeln, schloss Gran Madre di Dio bisher von einer näheren Interpretation aus. Welche konkrete Bedeutung der Kirchenbau für den Stadtraum Turins hat, ist bis dato unklar. Noch stärker als bei der Superga stellt sich damit bei diesem klassizistischen Bau der Effekt ein, dass der Bau in seiner urbanistischen Funktion erkannt ist, doch wird dies zu wenig mit der Analyse der konkreten Architektur verknüpft. Das hängt auch damit zusammen, dass der italienische Klassizismus nach wie vor wenig untersucht ist.690 Was Gabriele Schickel 1990 schrieb, gilt im Wesentlichen noch heute: »Die Architektur des Klassizismus in Italien ist ein wenig erforschtes Gebiet der Architekturgeschichte.«691 Letzteres bezeichnet nicht nur ein Turiner Problem, sondern ist ein Desiderat in der Erforschung des italienischen Klassizismus generell. Während dessen Anfänge deutlich werden, ist vor allem die Zeit nach Napoleon wenig erforscht.692 Werner Oechslin wies auf die Vorläuferrolle italienischer Entwürfe für die sogenannte Revolutionsarchitektur hin, insbesondere auf die Bedeutung der Entwürfe für ein Monument Napoleons auf dem Gipfel des Mont-Cenis, doch wurde dieser Forschungsstrang nicht aufgenommen.693 Für die Kirche Gran Madre di Dio gibt es erst in jüngerer Zeit wieder Ansätze, die um eine Vertiefung der in den 1980er Jahren geschaffenen Grundlagen bemüht sind.694 Der Turiner Kirchenbau ist in der internationalen Forschungsliteratur zum Klassizismus durchaus präsent,695 doch wird er – ähnlich wie die Superga – fast ausschließlich nach seinem Ereigniswert bewertet, indem der Stiftungsanlass in den Mittelpunkt rückt: die aus dem Exil 1814 zurückgekehrten Savoyer. Das Potential, den Bau in seinen Funktionen, seiner

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baukünstlerischen Identität und, davon ausgehend, in der Konstitution von Räumlichkeiten zu verstehen, blieb bislang weitgehend ungenutzt. Als architektonisches Element, das trotz seiner peripheren Lage in einen Bezug zur Innenstadt rückt, wurde Gran Madre di Dio bisher nur ansatzweise einer Analyse unterzogen.696 Der »Wirkungsbezugsraum«, wie Breuer ihn definiert, kann aber auch hier nur festgestellt werden, indem der Bau nicht ausschließlich als urbanistisches Objekt, sondern in seiner architektonischen Gesamtheit verstanden wird. Dies muss trotz des berühmten Vorbilds gelten, zu dessen Rezeption William Mac Donald, Autor einer der wichtigsten Monographien zum antiken Pantheon, bezüglich der zahlreichen Nachbauten festhält: »[…] each Pantheon-like building is to a greater or lesser degree, a free interpretation of the concepts established in Hadrian’s day.«697 Die sogenannten Nachbauten des Pantheons sind als Weiterentwicklung eines Typus zu verstehen, dies gilt vor allem für die Bauten des 18. und 19. Jahrhunderts, die bereits auf sehr genauen Kenntnissen der Antike basierten.698 Ähnlich spricht sich Carroll Lewis Meeks, der die italienische Architektur dieser Epoche erforschte, dagegen aus, die Begriffe »Kopie« und »Imitation« auf Pantheonsbauten des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts anzuwenden: »The use of ›copy‹ and ›imitation‹ in such observations is perhaps owing to hasty observation and partial comprehension of the aims and spirit of the architects of Neo-classicism.«699 Und auch die Architekten des 19. Jahrhunderts selbst verstanden ihre Tätigkeit so, dass sie nicht das Pantheon »nachbauten«, sondern – in gut historistischer Manier – mit ihren Schöpfungen das Wesentliche des Ursprungsbaus erst herausholten, ihn verbesserten. Georg Moller, der die Ludwigskirche in Darmstadt (1822–1827) als Zentralbau errichtete, schreibt über den diesbezüglichen Entwurfsprozess: »Es entstand nun der Wunsch, bei der zu erbauenden Rotunde alle diejenigen Schönheiten zu vereinigen, welche das Wesentliche des Inneren des Pantheons ausmachen, hingegen dasjenige zu vermeiden, was dort als störend erscheint.«700 Hierfür stellte die zeitgenössische Architekturtheorie um 1800 den Begriff des Typus zur Verfügung, der durch die Postmoderne verstärkt Interesse fand.701 Der Architekturkritiker Quatremère de Quincy definierte: »›Typus‹ bezieht sich weniger auf das Bild einer zu kopierenden oder vollständig nachzuahmenden Sache als auf eine Idee, die dem Modell als Regel dient. […] Das künstlerische Modell dagegen ist ein Objekt, das so wie es ist wiedergegeben werden muss. Im Gegensatz dazu ist der Typus etwas, aufgrund dessen Werke entworfen werden können, die einander überhaupt nicht ähnlich sehen. Beim Modell ist alles präzis vorgegeben, beim Typus bleibt alles mehr oder minder unbestimmt.«702 Übertragen auf die sogenannten »Nachbauten« des Pantheon heißt das: Nicht nur das berühmte antike Bauwerk als solches interessierte, sondern bestimmte Eigenschaften der Architektur, die an diesem Beispiel besonders hervortraten.

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Der Begriff der ›Masse‹ in der zeitgenössischen Architekturtheorie Zum Typus des Pantheons gehörte um 1800 die Vermittlung von Masse, die entscheidend war für das neuartige Verständnis vom Gebäude als einem Körper.703 Die Vorstellung von der Architektur als einer körperlich geformten Masse löste den frühneuzeitlichen Vitruvianismus ab, dessen Gliederungsarchitektur seinen Bezugspunkt in den Maßen des menschlichen Körpers hatte. Eine Relation Architektur – Rezipient musste für die Bauten des späten 18. Jahrhunderts, die auf elementaren Körpern basierte, überhaupt erst definiert werden. War bei der vitruvianischen Gliederungsarchitektur der Rezipient in den Maßverhältnissen der Architektur inhärent, so sollte er hier durch eine ›Wirkung‹ erreicht werden, die vom ›Charakter‹ der Bauwerke ausging: ihrer Größe, dem Licht, das auf ihnen ruht, dem sie umgebenden Raum.704 Durch diese Faktoren entstehen, wie Étienne-Louis Boullée schreibt, »Wirkung, die von einem Objekt ausgeht und auf uns irgendeinen Eindruck macht«.705 Der Architektur fällt es seiner Meinung nach zu, Monumente des öffentlichen Dankes zu errichten, durch die das »das Volk das Leben seiner Wohltäter erhalten und verschönern will«.706 Notwendig hierfür ist ›Ordnung‹, die jedoch anders verstanden wird, als dies zuvor für die vitruvianischen Gliederungssysteme galt. ›Ordnung‹ vermittelt sich nun durch stereometrische Körper, die in ihrer einfachen Struktur die Grundbausteine der Architektur bilden sollen: »Wie stark die Erscheinung eines Gegenstandes auf uns wirkt, hängt aber von seiner klaren Erfassbarkeit ab«, schreibt Boullée.707 Ist die Architektur derart beschaffen, vermag sie »bildliche Eindrücke« im Betrachter zu erzeugen, die aus den Körpern und deren Masse hervorgeht: »Die Wirkung der Körper entsteht aus ihrer Masse; ja es ist ihre Masse, die auf unsere Sinne wirkt. Dieser Aspekt ist es, der uns die Möglichkeit gibt, leichte und angenehme, schwere und massive, edle, majestätische, elegante und schlanke Formen zu unterscheiden. Aus der Wirkung der Massen geht auch die Kunst hervor, jedem beliebigen Bauwerk Charakter zu verleihen.«708 Dieses grundlegend andere Verständnis, das den Schwerpunkt vom architektonischen Objekt auf den Betrachter hin verlagerte,709 leitete den Paradigmenwechsel zur Moderne ein. Hierbei geht es nicht nur um die zunehmende Autonomie einzelner Bauteile, die Emil Kaufmann in seinem Buch Architecture in the Age of Enlightenment (1955) beschreibt,710 sondern um einfachere Architekturformen generell, wie sie in unserem Zusammenhang von Belang sind. Der neu eingeführte Wert der Masse wird signifikant im Wechsel zum Singularbegriff, wenn – wie Michael Häberle in seiner Dissertation feststellt – beispielsweise der Architekt Legrand 1799 nicht mehr von »les masses« spricht, sondern von »la masse«.711 Das Indiz auf sprachlicher Ebene hatte sein Gegenstück in der architektonischen Praxis des ausgehenden 18. Jahrhunderts, die mit nur mehr kurz vorspringenden Risaliten und in einer allgemeinen Reflexion stereometrischer Qualitäten der Baukunst früherer Epochen begann. In dem Rückbezug auf die Antike sieht Fritz Schumacher eine Variante der Suche nach den einfachen Formen der Natur, wie sie für die Aufklärung typisch war: »Der Begriff ›Natur‹ hat in der Baukunst eine eigentümliche Ausdeutung erfahren: die Antike gilt als Naturform der

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Kunst. […] In ihr scheinen die Elemente, mit denen man bauend schafft, am klarsten hervorzutreten, das Rückgreifen auf diese Form des Ausdrucks wird deshalb mit einer Rückkehr zur Natur identifiziert.«712 Eine solche Vorstellung eines Ineinanders von antiker Form und ›natürlicher‹ Einfachheit galt auch für die Rezeption des Pantheons im späten 18. und 19. Jahrhundert. Dessen »Nachbauten« waren nicht nur ein Praxisfeld für die schon seit längerem propagierte Kunst der Einfachheit, sondern ermöglichten im abgesicherten Rahmen der großen architekturhistorischen Überlieferung713 vor allem eine Erprobung von Masse als baulicher Qualität.714 Der Typus des Pantheonsbaues um 1800 Am Außenbau der Kirche Gran Madre di Dio wird der Eindruck von ›Masse‹ durch eine besondere Adaption des ›Typus‹ Pantheon geschaffen. Der Architekt Ferdinando Bonsignore bediente sich hierzu der Rekonstruktion eines Tempels durch Palladio (RomulusTempel), den dieser nahe der Kirche San Sebastiano an der römischen Via Appia aufnahm und in den Quattro libri darstellte (Abb. 239).715 Von dort stammt die sechssäulige Front des Portikus im Unterschied zu acht Säulen am Pantheon – eine Anordnung, die Palladio mehrfach verwendete. Beispiele hierfür sind die Villa Rotonda bei Vicenza sowie der Tempietto der Villa Barbaro in Maser. Beide Bauten Palladios verfügen auch über eine hohe Treppenanlage mit seitlichen Wangen, wie sie Gran Madre di Dio aufweist. Der Bezug zu Palladio entspricht dem, was wir über den Aufenthalt Bonsignores in Rom wissen: Auch hier galt seine Aufmerksamkeit nicht der Antike selbst, sondern den sie rezipierenden Bauten des 16. Jahrhunderts.716 Ein vitruvianischer Eustylos, dessen Höhe zehn Moduln beträgt, bestimmt die äußere wie die innere Disposition der Kirche Gran Madre di Dio. Das weite Interkolumnium der Säulen mit 21/4 Moduln gibt das Grundmaß für die Weite und Höhe des Giebels, die Höhe des Gebälks sowie die Dicke des Zwischenblocks vor.717 Dieser ist in Turin weniger stark ausgeprägt und rückt an die Wand der Rotunde heran, bildet aber auch hier die Rückwand für die Pilaster in der Säulenvorhalle und vermittelt zwischen Giebel und Rotunde (vgl. Abb. 237, 240–241). Die Breite des Portikus ließ er – anders als beim Pantheon – dem Durchmesser der Kuppel entsprechen, wodurch sich Innen und Außen unmittelbar miteinander verklammern, der Außenbau aber auch stärker komprimiert erscheint. Da die Säulenhöhe der Höhe der Kuppel entspricht, ist der Unterbau wegen des Tambours im Verhältnis zur Kuppel höher (Abb. 240–241), was als Defekt der Kirche gegenüber dem antiken Vorbild betrachtet wurde.718 Gran Madre di Dio vertikalisiert die Gestalt des Pantheons im Inneren. Dies verstärkt nach außen der hohe Sockel, der dem Gebäude einen massiven Untergrund verschafft.719 Zu dem Bild einer massiven Architektur trägt nicht zuletzt die helle, durchgehend geschlossene Putzfläche bei, in die Nischen und Fenster ohne Verzierungen halbrund einschneiden. Bereits in der Renaissance hatte es Versuche gegeben, in Rekonstruktionen das Pantheon zu »verbessern«, indem man es den nun mehr erhobenen Gliederungsidealen unter-

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243 Berlin, St. Hedwig, 1737–1774

warf.720 Die Veränderungen, die um 1800 bei »Nachbauten« des berühmten Vorbildes vorgenommen wurden, verfolgten ein anderes Ziel. Hier wurde, mit sehr unterschiedlichen Mitteln versucht, eine Vorstellung von ›Masse‹ zu erzeugen, die das Gebäude als Körper vermittelte. Als ein frühes Beispiel für einen neuen Begriff von ›Masse‹ darf die Berliner St.Hedwigskathedrale (1737–1774) gelten, bei der Knobelsdorff den Portikus verschloss. Wie Palladio bei der Kirche Il Redentore in Venedig füllte er das Interkolumnium mit Wand und legte dem Gebäude glatte ionische Halbsäulen vor (Abb. 243).721 Diese den Raum abschließende Ausprägung der Kirche war durch die Planung des Forum Fridericianum als neuem Stadtzentrum motiviert, das die soeben errichteten königlichen Gebäude vereinen sollte. Der Bau mit mächtiger Kuppel in Halbkugelform, einer neuartigen Holzbohlenkonstruktion, nach vorn nicht durch eine Attika verstellt, sollte in seiner Eckstellung den weiten Platz zusammenschließen (Abb. 244).722 Die Ordnung des neuen Residenzplatzes, in dem die Hedwigskirche eine zentrierende Position gegenüber den anderen Herrschaftsbauten einnahm, zeigt die Bedeutung der katholischen Gemeinde in Berlin, für die König Friedrich II. dieses Kirchengebäude im Anschluß an den Zweiten Schlesischen Krieg erstellen ließ: Raumordnung ist hier Gesellschaftsordnung. Ähnlich wie die Berliner Hedwigskirche war auch die Darmstädter Ludwigskirche (1822–1827) in eine große städtebauliche Initiative des Großherzogs eingebunden

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244 Berlin, Forum Fridericianum, 1741–1748, im Hintergrund St. Hedwig

245 Darmstadt, Ludwigskirche, Fassade, 1822–1827

287 | Dynastische Verengung: der Bau der Piazza Vittorio Emanuele und der Kirche Gran Madre di Dio

246 Darmstadt, Ludwigskirche, Innenraum, 1822–1827

(Abb. 245). Georg Moller, der Architekt der Kirche, schreibt über deren Stellung als point de vue: »Der Platz für die Kirche ist an der Südseite der Stadt, zwischen der Alt- und Neustadt auf dem höchsten Punkt eines sanft ansteigenden Hügels, welcher 52 rheinländische Fuß über dem niedrigsten Theil der Neustadt erhoben ist. Vor der Kirche bleibt ein freier Platz, auf welchem sich fünf Strassen vereinigen und das Portal der Kirche bildet das Ende einer langen Strasse, welche die ganze Stadt von Norden nach Süden durchschneidet.«723 War die Holzkonstruktion der Kuppel von der Hedwigskirche in Berlin inspiriert,724 so verband Moller im Innern die vertikalen Rippen der Kuppel mit Säulen, die den Binnenraum begrenzten. Dieser sollte so »ein grosses zusammenhängendes Ganze [sic!]« bilden, wobei sich Moller an den wahrnehmungstheoretischen Argumenten des Antikenforschers Aloys Hirts orientiert.725 Alles diente jedoch dem Ziel, »mit Weglassung alles Ausserwesentlichen, alle disponiblen Mittel so zu verwenden, dass das ganze Gebäude eine einzige einfache aber grosse und gut proportionierte Hauptmasse bilde«.726 Die nach allen Seiten gleichartige Erscheinung des Pantheons konnte dem aufgeklärten Herrscher, der diesen Pantheonsbau für eine kurz zuvor wieder zugelassene katholische Gemeinde errichtete, eher als ein durch ihn gestiftetes Monument von Religion gelten denn als Kirche, was innen der vereinheitlichende Raum mit der dichten Reihe seiner glatten Säulen unterstützte (Abb. 246). Die betonte Geschlossenheit der beiden Beispiele lassen jedoch vermuten, dass das Sujet der Pantheonskirche ein Modell abgab, um im Schutz einer großen architektonischen Erzählung mit dem neuen architektonischen Paradigma der Masse ungehindert zu experimentieren.

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Mit den Pantheonsbauten ging eine Monumentalisierung des Raums einher, die als besondere Erscheinung des Klassizismus gelten muss.727 Die Vorstellung, Gebäude seien Objekte in leeren Räumen, zeigte sich schon in der Renaissance, beispielsweise in der Ansicht einer Idealstadt (1490) im herzoglichen Palast von Urbino (1490). Das frühe 19. Jahrhundert legte Kirchen als Denkmale frei, um diese durch Plätze besser ansichtig zu machen. Ein Beispiel hierfür ist die romanische Wallfahrtskirche an der Place St. Sernin in Toulouse. Viollet-le-Duc ließ 1815 deren Kreuzgang abreißen, weitere Privathäuser folgten, wobei für die Gestaltung der Platz vor dem Pariser Panthéon vorbildhaft war.728 Gran Madre di Dio als ›Pantheonsbau‹ In Turin diente die Form des Pantheons dazu, die räumlichen Verhältnisse in der bis dahin von der Stadt abgetrennten Flusszone so zu verändern, dass nicht – wie bisher – die Struktur einer Straße das einzelne Gebäude bestimmte, sondern dieses aus sich heraus bestehen konnte. Voraussetzung hierfür war ein Verständnis vom Gebäude als einem stereometrischen Körper, wie dies beispielsweise das Studienblatt von Friedrich Gilly zeigt, bei dem mehrere solch freier Elemente miteinander kombiniert in der Landschaft liegen (Abb. 247). Dergestalt einzelne, frei in die Landschaft gesetzte Baukörper finden sich auf den Plänen Bonsignores für die Entfestigung Turins (vgl. Abb. 211); weitere Projekte des Architekten, wie das Grabmal für Cesare Balbo, zeigen ein ähnliches Vorgehen (Abb. 248). Der überkuppelte Rundbau von Gran Madre di Dio bemüht durch die Antikenrezeption bereits stereometrische Grundformen. Mit dem hohen Sockel, in den die Freitreppe und deren seitliche Wangenmauern einschneiden, wird die Pantheonsform vollends zum solitären Baukörper (Abb. 249). Der Sockel, in seinem Innern kryptenartig ausgebildet (Abb. 240), wurde vor allem nötig, um den Kirchenbau aus der Senke des Po-Ufers zu heben. Die Freitreppe öffnet den Block in Richtung Stadt, wobei ihre Wangen als hohe, rechteckige Quader erscheinen. Zu diesem Bild massiver architektonischer Körper kommen die korinthischen Säulen ohne Entasis, welche die stereometrische Beschaffenheit der Kirchenanlage verstärken. In der Wahrnehmung von der Stadt her, spätestens mit dem Eintritt in die Piazza Vittorio Emanuele, tritt vor allem die Kuppel hervor. Sie gehört zu denjenigen Elementen, mit denen nach Boullée ›Wirkung‹ erzielt werden kann, da sie durch die Art ihres Körpers klar von anderen Objekten unterscheidbar ist.729 Solche Verhältnisse der »Regelmäßigkeit, Symmetrie und Vielfalt« stellten für ihn die Voraussetzung dafür dar, dass »Form und Gestalt« entstehen kann.730 Übertragen auf Gran Madre di Dio heißt dies, dass die Wahrnehmung klarer Formen durch die Maßverhältnisse der Säulen und der ihnen unterworfenen Bauteile möglich ist, wobei der Kuppel als Halbkugel hierbei die größte Bedeutung zukam. Mit den Entwürfen Boullées hatte sich der Kuppelgedanke erstmals nicht mehr auf den Innenraum beschränkt, wie dies beim antiken Pantheon durch die Kuppel der Fall war. Denn Boullées meist utopische Zeichnungen zeigen eine Kugel, die nicht mehr als ›Höhle‹

289 | Dynastische Verengung: der Bau der Piazza Vittorio Emanuele und der Kirche Gran Madre di Dio

247 Friedrich Gilly: Studienblatt, 1798–1799, kolorierte Zeichnung

248 Ferdinando Bonsignore: Entwurf eines Grabmals für Cesare Balbo, ohne Jahr, Aquarell

290 | Ein savoyischer Aktionsraum: das Ensemble von Piazza Vittorio Emanuele und Gran Madre di Dio

249 Ferdinando Bonsignore: Gran Madre di Dio, Turin, 1818–1836

erscheint, sondern ein Körper ist, der auch nach außen wirkte.731 Max Adolf Vogt stellt hierzu fest: »Jetzt wird er Gebilde, volle Form, nämlich Innen- und Außenbau«.732 Als stereometrischer Körper hat die Kugel alle Punkte gleich weit von ihrem Zentrum entfernt. Dieses Privileg macht sie als Objekt für alle Betrachterstandpunkte gleichwertig. Der Kenotaph für Isaac Newton, den Boullée entwarf, artikulierte am stärksten das Interesse des ausgehenden 18. Jahrhunderts an dieser Form: »wohin man auch immer blickt (wie in der Natur), man gewahrt nur eine fortlaufende Oberfläche – ohne Anfang, ohne Ende –, und je mehr man sich in ihr bewegt, desto größer wird sie.«733 Die Unendlichkeit des Raumes sichtbar zu machen, war eines der Ziele, die bei der Gestaltung mit der Kugel im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts galten. Bei Gran Madre di Dio wird die Kugelform vor allem in der Gestaltung über den Fluss hinweg wirksam. Dies betrifft die zuweilen kritisierte versunkene Kontur, welche die Kirche beim Betreten der Platzanlage und in dem durch die offene Situation häufig gegebenen Gegenlicht bietet. Indem sie sich gerade im oberen Teil von der Umgebung der bewachsenen Hügel abhebt, wird die Kuppel als Kugel wahrnehmbar (Abb. 154). In seinem vollen Ausmaß ist der Bau aus dieser Position heraus nicht sichtbar, vor allem nicht mit dem Sockel. Die Absenkung der Piazza zum Fluss hin und dessen Unterbrechung machen das Gebäude in seiner Fundierung unklar. Daraus resultiert ein gewisser schwebender

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250 Pantheon, Rom, Rekonstruktion des Äußeren von William Mac Donald

Charakter, durch den sich Gran Madre di Dio auf diese Entfernung von den anderen Gebäuden der Umgebung unterscheidet. Der Kirchenbau ist so seines räumlichen Kontexts enthoben, wird monumental. Der abstrakten Gestalt der Kugel, die sich aus einer mittleren Entfernung am Beginn des Platzes abzeichnet, entspricht die bauliche Struktur des gesamten Baus. Diese leitet sich aus den Moduln der Säulen ab. Das zum Vorschein kommende vitruvianische Gliederungsprinzip scheint meiner Behauptung zu widersprechen, dass Gran Madre di Dio ein Bau ist, der sich vor allem durch seine Masse vermittelt. Doch sind die Verhältnisse zwischen den einzelnen Bauteilen so etabliert, dass sie die Geschlossenheit des Bauwerks verstärken. Dies ist der Fall, wenn der Abschluss des Portikusgebälks mit dem Kranzgesims der Rotunde konvergiert, was beim Pantheon nur bei dem dahinter liegenden, zweiten Giebel der Fall ist (Abb. 250). Für den Prospekt und die Seitenansicht von Gran Madre di Dio ist wichtig, dass es hier kein zweites, sich auf dem Zwischenblock abzeichnendes Giebelrelief gibt und dieser ohne eine solch ›perspektivische‹ Zwischenschicht an die Rotunde anschließt (Abb. 249). Gerade jene Elemente, die bei Gran Madre di Dio von der Forschung gerne als »akademisch« apostrophiert werden, erhöhen den Eindruck an Geschlossenheit. Auch die Durchgestaltung der Portikuszone nach Moduln (Giebelhöhe: 1; Hälfte der Giebelweite: 3; Höhe Gebälk: 21/2) trägt hierzu bei. Am meisten jedoch verstärkt sich der Effekt von ›Masse‹ durch den hohen vorkragenden Sockel, der die Kirche bereits von der Stadt her wahrnehmbar macht, sowie die mächtigen Wangen der Freitreppe, die diese begleiten (Abb. 249, 251). Auch das mit einem Relief ausgefüllte Tympanon des Giebels sowie die Figurennischen zu beiden Seiten des Portals signalisieren in ihrer hellen Farbigkeit dieselbe Geschlos-

292 | Ein savoyischer Aktionsraum: das Ensemble von Piazza Vittorio Emanuele und Gran Madre di Dio

251 Turin, Brücke über den Po mit Gran Madre di Dio, rechts S. Maria al Monte

252 Turin, Brücke über den Po mit Gran Madre di Dio und Borgo Po

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senheit wie der übrige Bau (Abb. 249, 256). Dessen helle, klare Flächen kehren die Stereometrie des Gebäudes hervor, das sich in seinem oberen Teil, der Kugelform, jeglichem Kontext entzieht. Einer gänzlichen Aufhebung des Gebäudes in der abstrakten Form wirkt jedoch der Portikus entgegen. Er schafft mit seinen weiten Interkolumnien und hohen Säulen einen Prospekt des gesamten Baus, der als durchlässige, sehr lichte Zone einen der gesättigten Geschlossenheit der Rotunde entgegengesetzten Körper bildet (Abb. 251–252).734 Diese Prinzipien von Masse und Körperlichkeit werden im Inneren fortgeführt, wo die Maße und Linien mit dem Äußeren in Übereinstimmung gebracht sind. Die Rotunde ist durchgehend hell verputzt, die Kuppel von achteckigen, von Rosetten besetzten Kassetten bedeckt (Abb. 253–254). Dabei schließt der hier – im Unterschied zum Pantheon, bei dem in dieser Zone Ädikulen und Wandfelder einander abwechseln – mit Girlanden und Kandelabern geschmückte Tambour exakt mit der Tonne des Pronaos ab (Abb. 241–242), so dass nicht nur im Grundriss, sondern auch eine für den Benutzer unmittelbar erlebbare Verbindung zwischen Innen und Außen entsteht. Die kontinuierliche Erfahrung von Höhe, die sich dem Rezipienten so vermittelt, diente dazu, ihn vollends auf das Innere auszurichten. Dort erwartet ihn eine durch vier Pfeilerschalen und Nischen gebildete Rotunde, die jeweils von zwei korinthischen Säulen aus rotem Gneis begrenzt wird (Abb. 242, 254).735 Jedoch gibt es hier nicht »tiefenverändernde Flächen« von Blendfenstern und Ädikulen, wie sie Alois Riegl als signifikant für das antik-römische Pantheon beschrieb.736 Stattdessen herrscht eine geschlossene Putzfläche vor, welche die leichte Ornamentik und figürliche Ausstattung in derselben Farbigkeit unterbricht (Abb. 255): Ein als Relief eingezogenes, mittig ausgerichtetes Band von Girlanden schließt die Pfeilerschalen nach oben ab, in deren Mitte eine Figurennische sitzt. Der Fries oberhalb des dekorativ geschmückten Gebälks zeigt über den Hauptachsen (und damit den Kapellen) ein Relief mit Szenen aus dem Marienleben (Geburt; Präsentation im Tempel; Hochzeit; Krönung), das in den Diagonalen jeweils Girlanden durchbrechen. Während die Kuppelschale, durch ein verglastes Opaion beleuchtet (Abb. 253), eine Bedeckung in lebhaft dekorativen Formen bildet, unterscheidet sich auch der Unterbau von der strengen Tektonik des antik-römischen Vorbilds. Wichtigstes Element ist hier jeweils eine figürliche Darstellung: die Heiligen Mauritius und Johannes, die Seligen Amadeus und Margarete von Savoyen.737 Die Marienthematik, die dem Patronat der Kirche entspricht und vor allem im Tympanon des Giebels am Außenbau sichtbar wird, verknüpft sich mit dem für die Savoyer wichtigen Heiligenpersonal zu einem dynastischen Figurenprogramm. Außen neben dem Eingangsportal sind die Heiligen Karl Borromäus und Markus auf dieselbe Weise wie innen in eine Nische eingefügt. Während Karl Borromäus und Mauritius zwei Heilige sind, die zur politischen Stabilität des Herrschergeschlechts beitrugen, fungiert Johannes der Täufer als Stadtpatron und thematisiert die Stadtbevölkerung als Stifter der Kirche. Die Einfügung einer Figur des Hl. Markus geht möglicherweise darauf zurück, dass eine Vorgängerkirche von Vittone im Borgo di Po ebenfalls diesen Heiligen als Patron hatte.738

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253 Turin, Gran Madre di Dio. Innenansicht der Kuppel

254 Turin, Gran Madre di Dio. Blick zum Hochaltar

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255 Turin, Gran Madre di Dio. Fries mit Relief, Detail des Marienlebens

Damit wiederholt Gran Madre di Dio die Grundzüge eines Figurenprogramms, das schon die Superga aufweist: Die für die Dynastie wichtigen Heiligen werden mit der Muttergottes, hier auf dem Hochaltar in einer Skulptur von Andrea Galassi, in ein Tableau gebracht und durch Stadtheilige ergänzt. Das Tympanon des Giebels, eine Arbeit von Francesco Somaini, zeigt im Zentrum eine stehende Madonna mit Kind. Die Muttergottes nimmt die Huldigungen der Dekurionen entgegen, die ihr einen Plan der Kirche übergeben (Abb. 256). Diese Thematik des Basreliefs, bei der sich römische Motive mit christlichen verbinden, ist auf die Inschrift im Fries bezogen: Ordo Popolusque Taurinus ob Adventum Regis (Der Senat und das Volk von Turin dem König zur Rückkehr). Sie spielt einerseits auf die Stiftungsinschrift am antiken Pantheon an, aktualisiert diese aber, indem hier der torinesische Senat und das Volk als Stifter angegeben werden, die den Kirchenbau zur Erinnerung an die Ankunft des Königs hatten errichten lassen. Die Veränderungen, die Bonsignore bei Gran Madre di Dio gegenüber dem Pantheon vornahm, erhöhten die Konvergenz vor allem hinsichtlich der Verbindung von Pronaos und Rotunde, und zwar im Verhältnis von Innen und Außen wie auch am Außenbau selbst. Daraus resultiert eine Geschlossenheit der architektonischen Erscheinung vor allem in Richtung Stadt, welche die Kirche im gestalttheoretischen Sinn als bildhafte Einheit erscheinen lässt, sie als einzeln stehendes Monument besser von seiner Umgebung unterscheidet. Unterstützt wird dies vom Prospektcharakter des fast die gesamte Breite des Gebäudes einnehmenden Portikus. Die Hinzufügung des Sockels fördert nicht nur die Wahrnehmbarkeit des Bauwerks von der Stadt her, wie die bisherige Forschung betont. Vielmehr trägt er, indem er halbkreisförmig über den Grundriss der Kirche hinausragte, zu

296 | Ein savoyischer Aktionsraum: das Ensemble von Piazza Vittorio Emanuele und Gran Madre di Dio

256 Turin, Gran Madre di Dio. Tympanon

einer besonderen Erscheinung von ›Masse‹ bei. Ähnlich wie bei der Berliner Hedwigskirche, wo für die Eckposition des Friedrichsplatzes eine auf weite Sicht hin füllende und zugleich prägnante Form gefunden werden musste, ging es auch bei Gran Madre di Dio darum, die an sich bekannte Gestalt des antiken Bauwerks für die Sicht von der Stadt her und im Hinblick auf den weiten Raum der Flusssenke zu vermitteln. Die grundsätzliche Frage, welche Werte an die Umwelt, an einen Rezipienten, durch Bauwerke vermittelt werden (caractère), hatte Boullée theoretisch erörtert. Monumente des öffentlichen Dankes, Memorialbauten überhaupt, waren durch ihn und andere Architekten des späten 18. Jahrhunderts ins Interesse gerückt.739 Nun aber ging es nicht mehr um eine Vision solcher Bauten, sondern um ihre Umsetzung in eine konkrete Umgebung. Bonsignores zeichnerisches Werk enthält eine Vielzahl von Projekten, die ein Interesse an Stereometrie und Masse erkennen lassen.740 Was er mit seiner modularen Art der Verknüpfung schuf, war ›Ordnung‹, wie sie Boullée im Sinne einer besseren Erkennbarkeit und durch die Verwendung einfacher stereometrische Körper gefordert hatte. Sie wurde hier jedoch nicht im Material des Werksteins umgesetzt, sondern in einem als zeitlos verstandenen, hellen Putz – eine neu geschaffene Homogenität, die alle Teile, auch die figürlichen Darstellungen, umfasste.

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Der Eindruck von ›Masse‹ entstand hier nicht wie beim antiken Vorbild des Pantheons durch das Gleichmaß von Zylinderdurchmesser und Kuppelhöhe. Bonsignore gestaltete Gran Madre di Dio vor allem für die Wahrnehmung aus der Stadt auf der anderen Flussseite und ließ die Verhältnisse des Gebäudes im Hinblick darauf wirksam werden. Die stärkere Geschlossenheit in der Kontur, die Höhe, die Bonsignore trotz Einhaltung klassischer Maßverhältnisse anstrebte, ließ einen ganzheitlichen Typus, einen »Pantheonskörper« entstehen, wie ihn Moller in Darmstadt mit anderen Mitteln anstrebte.

DIE PIAZZA VITTORIO EMANUELE ALS WEGRAUM Dass die Kirche Gran Madre di Dio ein Gemeinschaftsunternehmen von Stadt und Dynastie war, zeigt nicht nur die Ausstattung mit einem bewährten Heiligentableau der Savoyer, das durch Schutzheilige der Stadt ergänzt wurde. Auch die Baugeschichte der Kirche, die nicht frei von Widersprüchen zwischen den beiden Parteien war, macht dies deutlich. Wenige Wochen nach dem von österreichischen Truppen geschützten, feierlichen Wiedereinzug des Königs in die Stadt prüfte 1814 eine vom Rat eingesetzte Kommission die Möglichkeiten eines öffentlichen Erinnerungsbaus an verschiedenen Orten: die Vollendung des Rathausturmes, die Fassade von S. Carlo, die Errichtung einer Brunnenanlage, einen Triumphbogen, ein Reiterdenkmal.741 Man entschied sich für einen Kirchenbau, um so die Legitimität des rechtmäßigen Herrschers zu demonstrieren. Er sollte auf der anderen Seite der Po-Brücke – »seguendo la direzione della maestosa Contrada di Po« – errichtet werden, und zwar im Schnittpunkt »alle tre visuali delle contrade dell’Accademia, del Po e dell’Ospedale un punto solo di riunione all’estremità opposta del Ponte«.742 Die Unterstützung des Königs sollte dabei auch private Spekulationen auf der anderen Flussseite verhindern. Aus den Projekten von Bonsignore und Lombardi traf ein Gremium aus einheimischen und auswärtigen Experten 1818 die Entscheidung zugunsten der ausgeführten Kirche, deren Grundsteinlegung zwar noch im selben Jahr unter Vittorio Emanuele I. stattfand, die jedoch erst mit finanzieller Hilfe seines Nachfolgers Carlo Felice (1827–1831) erbaut und schließlich 1831 unter König Carlo Alberto I. eingeweiht wurde.743 Die Entscheidung, als Ort der Kirche die andere Uferseite zu wählen, besaß eine hohe Symbolik, da von dort aus der Wiedereinzug des Königs in die Stadt begonnen hatte (Abb. 231). Außerdem bezog sie die vom Corps des Ponts et Chaussées erbaute steinerne Brücke über den Po ein. Dieser fehlten zu dem Zeitpunkt noch wenige Meter zur Fertigstellung, doch diente sie nun nicht mehr der weitreichenden Infrastruktur des Imperators, sondern war auf eine Funktion in einem wiederhergestellten fürstlichen Territorium zurückgeschrumpft. Der Bauplatz im Borgo Po war auch deshalb bedeutsam, weil seit der französischen Besetzung auf der Stadtseite eine große Platzanlage errichtet werden sollte. Für Letztere wurde 1818 ein neuer Plan vom König 1818 genehmigt, die

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Piazza war jedoch schon ein Jahr zuvor in dem Konzept einer Zollgrenze enthalten (Abb. 232). Eine eigene Piazza für Gran Madre di Dio entstand nur rudimentär. Hierfür gibt es seit Bergerons Arbeit zur Turiner Stadtplanung in den ersten zwei Dritteln des 19. Jahrhunderts unterschiedliche Erklärungen. Gegen das Forscherkollektiv, das die dreibändige Ausgabe der Forma urbana (1968) unter der Leitung von Augusto Cavallari Murat erstellte, vertrat Bergeron die Ansicht, der König habe sich der Planung eines Platzes auf der rechten PoSeite von Beginn an widersetzt und musste von der Stadtregierung zu einer solchen Entscheidung gezwungen werden.744 Die Baugeschichte der beiden Plätze und die Analyse der Pläne zur Piazza Gran Madre di Dio, so Bergeron, würden nicht die in Cavallari Murats Forma urbana geäußerte Meinung unterstützen, die Piazza Gran Madre di Dio sei als »conclusione« der Piazza Vittorio Emanuele geplant worden.745 Tatsächlich ist die vom König initiierte Zollmauer ein Indiz dafür, dass dieser wenig Interesse an einer Entwicklung der rechten, vor der napoleonischen Besetzung noch außerhalb der Befestigung liegenden Flussseite hatte (Abb. 233). Innerhalb der sieben Vorschläge Bonsignores gab es nur einen einzigen Plan mit einer Platzgestaltung, alle anderen zeigen die Kirche als völlig isoliertes Objekt. Beim Projekt Nr. 6 wäre die Kirche ein großer Zentralbau auf griechischem Kreuz mit je einem achtsäuligen Portikus an beiden Seiten der Hauptachse gewesen, die halbrunden Apsiden an der Seite hätte ein doppelter Säulengang umgeben. An sie hätte hufeisenförmig eine hohe dreigeschossige Umbauung angeschlossen, deren obere beide Geschosse als Kolossalordnung ausgeprägt gewesen wären, das Erdgeschoss als Portiken, wobei jene im Verbindungstrakt an die Piazza Castello erinnern (Abb. 257). Das vor allem von dem zur Jury hinzugezogenen Mailänder Architekten Luigi Cagnola favorisierte Projekt gab eine eindeutige Erschließung für den Borgo di Po an, dessen monumentale Ausprägung keinen Zweifel an der Zugehörigkeit zur Stadt gelassen hätte. Erst nachdem 1818 die Ausführung der Kirche entsprechend dem vierten Projekt von Bonsignore entschieden war, das gänzlich auf die Darstellung von Umgebung verzichtete (Abb. 258), lieferte der Architekt auch Entwürfe für einen Platz im Borgo Po selbst. Diese fielen im Unterschied zu den vorherigen Plänen, insbesondere Projekt Nr. 6, sehr viel einfacher aus. Die Einteilung des Platzes wurde analog zu den beiden Hauptelementen der Kirche vorgenommen: ein Gebäudetrakt, der in einem langgezogenen rechten Winkel einen Rahmen für die Treppe bildete, während auf der Höhe des Portikus seitlich Straßen abgingen und sich senkrecht dazu eine weitere Gebäudezeile entwickelte, welche die Rotunde seitlich rahmte (Abb. 259). So wenig der Entfestigungsplan von 1802, an dem Bonsignore beteiligt war (Abb. 210), oder jener von 1809 (Abb. 229) die Entwicklung des rechten Po-Ufers beinhaltete, so wenig reflektierten nun seine Pläne für die Piazza Gran Madre di Dio die linke Po-Seite. Die Einbeziehung der Stadtseite zeigte sich nur im Entwurf für die Architektur der Kirche: einerseits mit dem Sockel, vor allem aber durch die Präsentation des Pantheons als einer Zusammensetzung aufeinander bezogener Baukörper.

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257 Ferdinando Bonsignore: Turin, Gran Madre di Dio, 6. Projekt, 1818

258 Ferdinando Bonsignore: Turin, Gran Madre di Dio, 4. Projekt, 1818

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259 Turin, Borgo di Po. Plan der projektierten Gebäude, um 1818

Eine kunsthistorische Methodik, die urbanistische und architektonische Aspekte miteinander verbindet, kann zeigen, dass der hier seit der französischen Okkupation initiierte Öffnungsprozess die Schaffung eines bestimmten Raums, nämlich eines Wegraums verlangte. Als 1825 Giuseppe Frizzi mit der Planung des Platzes beauftragt wurde, war der Grundstein für die Kirche schon lange gelegt, jedoch ruhten die Arbeiten hierfür seit sieben Jahren. Erst ein Element, das auf die Bedingungen des Orts einging, brachte eine Lösung der Platzproblematik. Frizzi, einem Schüler Bonsignores, gelang mit der Unterteilung der Längsbauten, vor allem aber durch die Eckrisalite des mittleren Gebäudes eine Rhythmisierung des abschüssigen Areals. Die Gliederung in drei Längsbauten bei gleichzeitiger Hervorhebung des mittleren Teils ermöglichte es, das abfallende Gelände für eine Platzanlage produktiv zu machen. Indem die rahmenden Risalite mit den Dreiecksgiebeln als zeitgemäße stereometrische Baukörper inszeniert wurden, erhielt die Rahmung des längsoblongen Platzes eine Zäsur zur Mitte hin. Werden die ansonsten uniformen Fassaden nur durch die zwischen dem ersten und zweiten Obergeschoss versetzten Balkone belebt (Abb. 162, 206), so schieben sich die Eckrisalite des Mittelteils körperhaft vor dieses horizontale Muster. Im Verhältnis hierzu tritt auch der Portikus, den die dorischen Säulen

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260 Jean-Louis Tirpienne, Adolphe Bayot: Prospekt der Piazza Vittorio Emanuele Turin, 1845, Farblithographie

und das gerade Gebälk von der Arkatur der sonstigen Bauten abheben, nochmals hervor und verstärkt die Position der Mitte vor allem für die Benutzung des Platzes (Abb. 155, 159–160). Doch diese zentrierende Gestaltung der Seiten dient nur dazu, einen Rezipienten auf den Ausgang des Platzes vorzubereiten: Die Mitte ist beim klassizistischen Platz, wie Kaufmann schreibt, »nicht mehr das Herz des Ganzen«, sondern ein »geometrischer Ort, auf den sich die Teile beziehen«.746 Zwar wird auch bei dieser Art von Platzanlage – wie bei der barocken Contrada di Po – noch immer mit der perspektivischen Wirkung der Fassaden gerechnet. Sie zielt jedoch nicht auf einen Fluchtpunkt, sondern eröffnet im Gegenteil das weite Spektrum der Landschaft und des Borgo, in dem dann Gran Madre den Mittelpunkt bildet. Für den Benutzer des weiten Platzes heißt dies, dass die durch die Dreiecksgiebel der Eckrisalite erhöhten mittleren Bauten sich in ihrer Vertikalität dem stark abfallenden Gelände entgegenstellen, es für den Blick des Betrachters »auffangen« (Abb. 260). Indem die unteren Bauteile das obere Fassadenschema erneut aufgreifen, steigert sich die rhythmische Struktur der Bauten zum Fluss hin. Die Architektur bindet die abfallende Topographie des Platzes aktiv ein, ein Faktum, das vor allem für dessen Benutzung von der Stadt her relevant ist. Da Gran Madre di Dio bereits sichtbar ist, wenn man hinter dem Castello auf die Contrada di Po zusteuert (Abb. 166), fungiert die Kirche auf diesem langen Weg als point de vue. Mit Betreten der Piazza Vittorio

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Emanuele tritt hier allerdings eine Veränderung ein: Die Kirche wird nun nicht mehr durch den engen Ausschnitt der Straße gerahmt, sondern erscheint als Ende der Platzfläche (Abb. 154). Der erweiterte Ausschnitt, den der Platz herstellt, dissoziiert das bisher eng gefasste Bild der Kirche, sie wird Teil der landschaftlich geprägten Umgebung der Stadt. Dass es eine Unterbrechung durch den Fluss gibt, ist beim Betreten des Platzes von der Stadt her kaum wahrnehmbar, zumal die auf Mitte konzipierten, seitlichen Architekturen den Blick beschäftigen und im Platz halten (Abb. 159–160, 260). Erst im allmählichen Beschreiten des Platzes, etwa nach einem Drittel, wenn sich die hohe Kaimauer des Flusses ins Blickfeld schiebt, während am anderen Ufer die kugelförmige Kuppel von Gran Madre di Dio immer größer wird, tritt der Fluss als Unterbrechung des Bezugsfeldes von Platz und Kirche in Erscheinung (Abb. 230). Trotz ihrer Weite ist die Piazza Vittorio Emanuele keineswegs ein monotoner Platz, sondern eine Sequenz einzelner, aufeinander bezogener Raumabschnitte, zu denen auch die andere Flussseite mit der Kirche Gran Madre di Dio gehört. Das Ensemble der Piazza Vittorio Emanuele und der Kirche Gran Madre di Dio bilden so einen hodologischen Raum (griech. hodos = Weg), einen Wegraum, den Ortsveränderung und Bewegung kennzeichnen.747 Dabei ist zu betonen, dass dieser Raum nicht allein durch die langgestreckte Fläche der Piazza gebildet wird, sondern in dem ausgedehnten Bedingungsgefüge entsteht, in das diese gestellt ist: die Anbindung an das Stadtzentrum, die Brücke über den Po, die jenseitige Kirche Gran Madre di Dio. Doch sind es die mittleren Gebäude an der Seite der Piazza Vittorio Emanuele mit ihren in den Platzraum und nach oben plastisch hervortretenden Eckrisaliten, die hier eine elementare Kategorie des architektonischen Wegebaus konstituieren. Sie prägen durch ihre architektonische Rhythmisierung ein »Übergangsmittel« aus, durch welches das abschüssige Terrain der Anlage überwindbar erscheint. Der Platz wird damit zum Weg, der sich nach Gaudenz Domenig vom Architektonischen her als »eine Folge von Übergangszonen, von Unstetigkeitsstellen im physischen Raum« aufbaut, »die als mehr oder weniger stark auftretende Hindernisse zu überwinden oder zu passieren sind: also eine wohlüberlegte und sinnvolle, d. h. auf den Bewegungsablauf ausgerichtete lokale Verbauung oder Untergrabung des physischen Idealraumes, der horizontalen Ebene mit festem Boden«.748 Wir benötigen hier für die weitere Analyse einen Begriff vom Weg: Was heißt im architektonischen Sinn überhaupt ›Weg‹? Die dingliche, in unserem Fall architektonische Konkretion des Weges, welche die Forschung als möglichen ersten Zugang zu diesem Phänomen nennt,749 bedeutet eine Strukturierung des Raums, der so zeitlich erfahrbar ist. Durch bestimmte Handlungen (Bewegung) wird er »gerichtet«, ist »gelebter Raum«.750 Wir erfahren Raum so »als ein Ensemble von Wegen und Richtungen des Hinzu und Vonweg, von Orten und Bereichen, die nach Ferne und Nähe, nach Erreichbarkeit und Unzugänglichkeit für uns und andere artikuliert sind, d. h. aber auf uns als Leibsubjekt bezogen sind«.751 Das bedeutet bei der Piazza Vittorio Emanuele vor allem einen ausgezeichneten Weg, der gegenüber den drei seitlich abzweigenden Straßen (Via Plana, Via della Rocca, Via Bona

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261 Giovanni Battista Falda: Piazza del Popolo, Rom. Blick auf S. Maria di Montesanto und S. Maria dei Miracoli, 1665, Kupferstich

Fous) hervorgehoben wird (Abb. 163).752 Ein solcher ergibt sich jedoch nicht nur durch die axiale Anbindung des Platzes an die Stadt einerseits und die Brücke andererseits.753 Vielmehr liegt dies in der Konzeption der Piazza als einem räumlich erfahrbaren Weg, der sich in eine Sukzession einzelner, miteinander verbundener Abschnitte gliedert. Ist die abschüssige Topographie der Piazza Vittorio Emanuele dasjenige Moment, das die Wahrnehmung der Kirche auf der anderen Flussseite zunächst verhindert, so bauen die mittleren Bauten der Platzseiten an der Stelle, an welcher der Fluss für einen Fußgänger erkennbar wird, eine sich über die ganze Länge dieser Gebäude erstreckende Spannung auf. Mit sehr einfachen Mitteln, welche die Position der Mitte nutzen, »ohne ein Herz des Ganzen« (Kaufmann) zu sein, schafft die Architektur den Umschlagspunkt, an dem die langgestreckte Piazza die nötige Spannung erhält, um zum entgegengesetzten Ufer überzuleiten. Indem sie mit den vorstehenden Kuben der Eckrisalite, glatt abschließenden Portiken und den Tympana, welche die mittleren Gebäude rahmen, eine vertikalisierende Zone errichtet, egalisiert sich optisch das Gefälle (Abb. 154). Dies gilt nicht nur für den Weg über die Piazza aus der Stadt heraus, sondern umgekehrt auch für die Benutzung der Piazza von außen (Abb. 155, 165), wo die hoch aufragenden Dreiecksgiebel der kubisch in den Platzraum ragenden Eckrisalite an den Mittelbauten ein für Turin neuartiges, jedoch signifikantes Bild von Stadt entwerfen. Der beschriebene Umschlagspunkt, den die mittleren Bauten schaffen, kann mit Domenig als »Unstetigkeitsstelle« im architektonisch gestalteten Wegraum bezeichnet werden. Einer solchen Übergangszone (in unserem Fall: das abschüssige Terrain, das an

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einer bestimmten Stelle die Unterbrechung der Blickbahn durch den Fluss erkennen lässt), ist hier ein Überbrückungsmittel zugeordnet, welche die Ankunft auf ein bestimmtes Ziel hin vorbereitet, sie in gewisser Weise psychologisch aufbaut, eine Erwartungshaltung entstehen lässt. Domenig schreibt hierzu: »[…] was ein Wegerlebnis vom Architektonischen her deshalb allein aufbauen kann, ist eine Folge von Übergangszonen, von Unstetigkeitsstellen im physischen Raum, die als mehr oder weniger stark auftretende Hindernisse zu überwinden oder zu passieren sind: also eine wohlüberlegte und sinnvolle, d. h. auf den Bewegungsablauf ausgerichtete lokale Verbauung oder Untergrabung des physischen Idealraums, der horizontalen Ebene mit festem Boden.« 754 In Bezug auf Plätze findet sich eine solche Zone des Übergangs beispielsweise auf der Piazza del Popolo in Rom, wo nicht nur das Tor als eine solche Stelle fungiert, sondern auch der den Platz zentrierende Obelisk die Bewegung eines Rezipienten an den tridente weitergibt und damit wie ein Drehkreuz ins Innere der Stadt wirkt (Abb. 261).755 Bei der Piazza Vittorio Emanuele wird das Überbrückungsmittel durch die Mittelbauten gebildet, die als solche mit Eckrisaliten, Dreiecksgiebeln und architravierten dorischen Portiken hervorgehoben sind (Abb. 154–155, 160). Das Überbrückungsmittel ist in einem Moment wirksam, da ein Platzbenutzer in der ihn nun umfangenden Weite auch mit der plötzlichen Wahrnehmung des Flusses beschäftigt ist. Die mittleren Bauten gleichen durch ihre bipolare Struktur zunächst optisch das topographische Gefälle aus, das den Fluss sichtbar macht. Darüber hinaus markieren vor allem die flankierenden Eckrisaliten zwei der drei seitlich aus dem Platz führenden Straßen und dienen so der Rückstruktur des Platzes. An derjenigen Stelle, da sich in der Weite der Piazza die tatsächlichen räumlichen Zusammenhänge des Platzes mit einem Mal auftun, werden die Eckrisalite und mittleren Bauten der Platzseiten zu Rahmen. Mit dem Fluss kommt ein bis dahin liminales Element in dieses Gefüge. Mehr als zweihundertfünfzig Jahre hatte der Fluss außerhalb Turins gelegen und alle Aktivitäten in östlicher Richtung begrenzt (Abb. 1, 3, 6). Dies verkehrt sich nun ins Gegenteil: Entsteht bei der Piazza Vittorio Emanuele das Erreichen des Platzes und seine Benutzung durch die weiträumige, axiale Einbindung in das Straßennetz noch wie von selbst, so stellt sich nach etwa einem Drittel des Platzes eine Verunsicherung des Benutzers ein. Seitlich zweigen die ersten Straßen ab, durch das Gefälle des Platzes ist der Rezipient aber vor allem von der sich öffnenden Szenerie und der Flusslandschaft gefordert. Die hier sich einstellende Weite der Situation verlangt eine Neuorientierung. Über derlei Überraschungseffekte im architektonischen Wegraum schreibt Domenig: »Wo immer im Raum Unstetigkeitsstellen auftreten und auf ein Ziel hin überschritten werden, muss, wenn auch noch so unmerklich, ein Überraschungseffekt resultieren, mit dem eine ›innere‹ Bewegung, die Erschließung einer anderen Ebene des Erlebens verbunden ist.«756 Überraschungseffekte werden also im architektonischen Wegraum markiert oder, mehr noch, gestaltet und strukturiert, um so auf die Ankunft vorzubereiten. Die Vertikalität und ausgestellte Körperlichkeit der Eckrisalite der bipolar angelegten, langgestreckten mittleren Bauten der Piazza Vittorio Emanuele verlangsamen durch ihre Andersartigkeit die

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Bewegung eines Rezipienten, der durch die Via Po an Gleichmäßigkeit gewöhnt ist; sie beschäftigen ihn. Gleichzeitig aber leiten die mittleren Bauten auch zu den folgenden, die Struktur des ersten Abschnittes wiederaufgreifenden Bauten über. Sie sind so auch ein Übersetzer zu der deutlicher werdenden Brücke, dem ersten Ziel des Platzes. Nach dem Gewahrwerden der abschüssigen Topographie ist die Brücke das zweite Überraschungsmoment im Sinne Domenigs. Sie bestätigt die Unterbrechung der von der Via Po her entstehenden Blickbahn durch den Fluss positiv. In ihrer axialen Position wirkt die Brücke als Verengung der Platzanlage und leitet als faktische Verbindung zur Kirche Gran Madre di Dio hin über, die zuvor aus der Via di Po heraus nur als vage fixierter Blickpunkt fungierte. Da Frizzis Entwurf mit den rhythmisierenden Mittelbauten den durch ähnliche Projekte lange anvisierten Bau der Piazza initiierte, wird auch aus der Baugeschichte heraus die konstitutive Bedeutung der mittigen Gebäude für die Piazza Vittorio Emanuele als Wegraum deutlich.

DER »R AUMT YPUS« DES EINGANGSPLATZES UM 1800 UND SEINE CHR ONOTOPISCHE STRUKTUR Durch den sorgsam aufgebauten, über einen langen Prozess entstandenen Wegraum der Piazza Vittorio Emanuele konstituierte sich ein Übergang, der die vorherige Abgrenzung der Stadt ersetzte. Dieser »dritte Raum« meint jedoch weder die alte Stadt noch das vormalige Land oder die Mischung aus beiden. Vielmehr errichten die selektiv eingesetzten Mittel der Architektur hier einen Aushandlungsort vormals gültiger Ordnungen, der unter neuen räumlichen Gesichtspunkten eingerichtet wird.757 Für die Konstitution des nunmehr offenen Randes der Stadt ist dabei essentiell, dass die an der Piazza Vittorio Emanuele errichteten Mietwohnbauten eine neuartige Architektur der Masse mit historischen Formen der Turiner Platzfassaden kombinierten. Die seitlichen Längsbauten und die halbrunden, den Platzeingang rahmenden Bauten, die noch aus der alten Gestaltung der Via Po stammten, waren die wichtigste architektonische Voraussetzung dafür, dass die Piazza Vittorio Emanuele einen Chronotopos bildete, in dem »räumliche und zeitliche Merkmale zu einem sinnvollen und konkreten Ganzen« verschmelzen.758 Indem sich dieser Platz demonstrativ zur Kirche Gran Madre di Dio im ehemals abgeschnittenen Borgo di Po öffnete und damit einen neuen Handlungsraum schuf, thematisierte er die ehemalige räumliche Grenze der Stadt. Dabei wurde die alte Nahtstelle von Innen und Außen, die zwischen zwei Bastionen liegende Porta Po, konzeptionell umgewandelt. Den ehemaligen Abschluss und regulierten Durchgang verkehrte die neue Platzanlage ins Gegenteil: Ohne Hindernis vermittelte nun die große, langgestreckte Fläche des Platzes zum Fluss, der durch die Fortifikation über Jahrhunderte hinweg aus der Stadt ausgeschlossen war. Im Rahmen der Turiner Plätze stellte eine solche Öffnung durch die »vierte« Platzwand eine grundsätzliche Novität dar. Zwar hatte auch die Piazza Reale

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(S. Carlo) 1619 als Überbrückung zwischen dem alten und dem neuen Stadtteil fungiert, doch war sie an allen Seiten architektonisch gefasst gewesen. Eine axiale Straße durchschneidet ihre Schmalseiten, während an den Längsseiten je zwei Straßen entlanglaufen, so dass die Piazza die mittelalterliche Platzbauform mit der neuzeitlichen kombinierte.759 Durch die offene »vierte« Platzseite der Piazza Vittorio Emanuele im frühen 19. Jahrhundert, auf deren typologische Bedeutung Paul Zucker in einer luziden Analyse hinwies,760 wurde das Schema der »Turiner Fassade« nun erstmals für den Außenraum vor der Stadt wirksam gemacht. Auf diese Weise war die neue Verbindung von Stadt und Land nicht nur infrastruktureller Art, sondern die Stadt Turin öffnete sich hier in einem ihrer genuinsten Bestandteile, der im Stadtkern geprägten Fassadenarchitektur, nach außen. Zu der generellen Bezugnahme der Piazza Vittorio Emanuele auf die Typologie der torinesischen Plätze kam ein geschichtliches Dispositiv: Ihre Arkaden rekurrierten auf jene der Piazza Reale (S. Carlo), die aus dem 17. Jahrhundert stammen. Auch die barockisierenden Altane an der Einmündung in die Via Po gehören in die historisierende Dimension der Piazza. Die Platzseiten und der Wegraum der Piazza Vittorio Emanuele insgesamt verstärken die Historisierung, indem sie über die Brücke hinweg die Chiesa Gran Madre di Dio einbeziehen und damit räumlich wie zeitlich über den eigentlichen Platz hinausweisen. Der Raum wird auf der einen Seite durch das Motiv des Pantheons in die Antike verlängert, auf der anderen Seite der Achse geschieht dies durch die antike Porta Praetoria am Ende der Via Po. Diese Bindung an die Antike zeigt sich in der Gestaltung der Architektur selbst, wenn diese sowohl bei den seitlichen Bauten an der Piazza als auch bei Gran Madre di Dio betont als Masse in Erscheinung tritt. Die baulichen Elemente der neuen Platzanlage wurden von den Zeitgenossen nicht isoliert verstanden, wie eine Druckgraphik deutlich macht, welche die Piazza samt Brücke und Kirche als einen belebten Einheitsraum darstellt (Abb. 260). Der Tiefenraum, den die Piazza Vittorio Emanuele durch Gran Madre di Dio und in der Bindung an das entgegengesetzte alte Castello / Porta Praetoria architektonisch bildete, erhielt durch die Platzfassaden und den Kirchenbau auch eine zeitliche Struktur. Memorie und Wohnarchitektur wirkten zusammen und errichteten einen neuartigen savoyischen Raum, der nicht nur – wie die früheren Turiner Plätze – die bauliche Typologie der öffentlichen Räume der Residenzstadt fortsetzte, sondern die Antike einband. Indem dieser Wegraum durch seine Verbindung ins Territorium zur Bewegung, und nicht mehr allein zur Betrachtung aufforderte – auch wenn durch die axiale Konstruktion der Platzanlage eine visuelle Dimension nach wie vor unterlegt ist –, zeigte sich ein Aktionsraum, der dem Rezipienten eine selbständige Navigation seines Körpers überantwortet. Platztypologisch wird damit ein neues Kapitel aufgeschlagen – jedoch nicht beschränkt auf die Frage des Stils, sondern indem hier der Platz als neue Art des Stadteingangs, ja als Eingang in einen neuen Typus von Stadt konzeptualisiert wird. Diese Art von Eingangsplatz ist keineswegs mit Torplätzen identisch, die um 1900 installiert wurden. Stübben führt sie in einem eigenen Kapitel aus aktuellen Gründen auf: »Wenn wir unter

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262 Friedrich Gilly: Entwurf für ein Denkmal Friedrichs II., 1797, Deckfarbenzeichnung

den Architekturplätzen die ›Stadtthorplätze‹ besonders hervorheben, so liegt der Grund darin, dass bei den heutigen Stadterweiterungen die Aufgabe so oft sich wiederholt, die Anforderungen des vergrößerten Verkehres zu befriedigen, bei gleichzeitiger Erhaltung werthvoller Thorbauten, sei es mittelalterlichen, sei es neueren Ursprunges.«761 Der Typus des Eingangsplatzes meint im Unterschied dazu nicht zwingend die Verbindung von Platz und Tor, sondern vielmehr, dass der Platz zum Eingang in die Stadt gemacht wird. Scheint der Platz im Widerspruch zu den Funktionen von Öffnen und Schließen des Stadttors zu stehen, so formt er in diesen Fällen den Eingang in die nun mehr von fortifikatorischen Funktionen meist befreiten Städte zu einer komplexen zeitlich-räumlichen Schleuse für den Stadtbenutzer um. Sind derlei Anlagen einerseits durch räumliche Weite gekennzeichnet, welche die städtische Randsituation evoziert, so zeigen sie andererseits eine chronotopische Modellierung, die im Folgenden begründet sei. Wir sehen die hier beschriebene Bündelung von Motiven bereits am Ende des 18. Jahrhunderts, wenn Friedrich Gilly 1796 seinen Entwurf für ein Denkmal Friedrich des Großen vorlegt. Dieses Monument, das eine Tempelanlage auf einen zweistufigen Unterbau auftürmen sollte, bildet den Mittelpunkt des von Gilly vorgesehenen weiten oktogonalen Platzes hinter dem Potsdamer Tor in Berlin (Abb. 262). Außerhalb verzweigt sich ein ovaler Platz in mehrere Richtungen, hinter dem Denkmal setzt in Richtung Stadt die breite Achse der Leipziger Straße ein. Der Platz wird an den Längsseiten durch eine halbhohe Mauer gefasst, dahinter bilden Bäume die vertikale Absperrung. Die Schmalseiten sind jeweils durch ein Paar von hohen Obelisken abgesteckt, auch der Eingang in die Leipziger Straße ist auf diese Weise markiert und wird somit als Bewegungsrichtung deutlich. Gegenüber zeigt sich die Toranlage als massive Bogenarchitektur mit pylonenartigen Unterteilen, wie sie auch die Flanken des Unterbaus am Monument aufweisen. Eine zweite Analogie zwischen Toranlage und Denkmal ist die Kombination aus Bollwerk und

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Robert Wallis: Ponte Po, Gran Madre di Dio und S. Maria al Monte, 1838, Stahlstich

Bogenarchitektur: Während die Stadtmauer nach außen eine hohe Zinnenmauer bildet, zeigt sie zur Stadt hin eine hohe Kolonnade. Dasselbe Motiv findet sich an den Seiten des Denkmals, das innen ebenfalls kreuzförmig durch Tonnengewölbe geöffnet wird. Am Schnittpunkt der vier Bögen sollte ein Kenotaph des Königs stehen, die Cella des oben aufsitzenden Tempels sollte an ihrer Stirnseite zum Tor ein Standbild des Königs in einer Nische erhalten, der sich so der Stadt zuwandte. Gillys Entwurf ähnelt dem Ensemble der Piazza Vittorio Emanuele nicht nur, weil es ebenfalls ein kommemoratives Monument enthält, sondern wegen der gesamten Konstitution des Platzes als Wegraum und dessen Bezugssystems zur Stadt und ins Territorium. Gerade diese Absicht brachte Gilly dazu, das Denkmal nicht – wie vorgesehen – auf das im Stadtzentrum gelegene Friedrichsforum zu beziehen. In seinem Geleitwort zum Projekt schreibt der Architekt: »Man hat bei der Ausführung der Idee zu einem Denkmale Friedrichs – eines Tempels mit der Bildsäule des verewigten Königs – zuerst und vornehmlich sein Augenmerk auf einen der völligen Ausführung des Werkes ganz entsprechenden Platz gerichtet. Man glaubt denselben innerhalb der Ringmauern der Stadt nirgends besser gefunden zu haben als im Achteck am Potsdamer Tor, worin sich eine der längsten und schönsten Straßen der Stadt endigt, und welches dem durch das Haupttor eintretenden Fremden, von einer der frequentesten und bequemsten Heerstraßen zwischen den beiden Residenzen, den imposantesten und vorteilhaftesten Eindruck von der Schönheit der Hauptstadt gewährt.«762

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264 Fréderic Salathe: Turin, Ansicht aus südöstlicher Richtung, 1850, Stich nach einer Zeichnung von Carlo Bossoli

Die Forschung hat herausgestellt, wie sich in der Verbindung von Monument und städtebaulicher Dimension, die alle Entwürfe betraf, die historische Person Friedrichs in ein Abstraktum verwandelte.763 Unter den Künstlern des Denkmalwettbewerbs war Gilly der einzige, der damit auch eine Beziehung zu Potsdam herstellte, jener Stadt, die »eben der hier zu verehrende Herrscher mehr als die traditionelle erste Residenz geliebt und bevorzugt hatte«.764 Gillys Konzept des Denkmals als Tempel auf einem zweistufigen Sockel schloss an die Akropolis an, die er vermutlich aus den zeichnerischen Aufnahmen von Stuart und Reverett kannte.765 Der auf dem breiten Sockelbau ruhende Säulentempel erinnert an den Parthenon, der den mauergestützten Burgberg der Akropolis bekrönt. Damit wurde ein neuer, auf den einzelnen Baukörper, und nicht mehr auf ganze Straßen bezogener Maßstab in das Stadtbild eingeführt. In diesem neuartigen Maßstab von Gillys Entwurf für einen Hochtempel sieht die Forschung die Voraussetzungen für Schinkels spätere monumentale Bauten in Berlin.766 Was Fritz Neumeyer über die Transformation der zentrierten barocken Stadtfigur hin zu einer offenen, kubischen Stadtlandschaft schreibt, trifft auch auf Gran Madre di Dio zu: »Die Stadt der geschlossenen Blöcke und Straßenkorridore wurde durch diese Projektion eines ideellen urbanen Monuments in neue räumliche Dimensionen erweitert.«767 Hierfür war der von Gilly projektierte Hochtempel entscheidend, der über den unmittelbaren Horizont des Bauwerks hinaus zu wirken begann und ein weiträumiges Netz von Beziehungen aufspannte. Dieselbe Wirkungsweise gilt für die Kirche Gran Madre di Dio, die im Borgo Po ein solitäres Bauwerk bildet, aber sowohl ins Stadtzentrum wie auch an den weiteren Stadtrand ausstrahlt. Dem frei stehenden Tempel kam hier nicht nur die Bedeutung zu, formal an das berühmte Bauwerk der Antike anzuschließen, sondern er verkörperte darüber hinaus die anti-hierarchische Raumauffassung, wie sie der englische Landschaftsgarten konzeptualisierte. Diese verlangt die Architektur als Plastik, die ihrerseits auf eine panoramische Wirkung hin angelegt sein muss.768 Was in Berlin die Höhe und Allansichtigkeit des Säulentempels ermöglichen sollte, leisteten in Turin die Kuppel von Gran Madre di Dio (Abb. 263) sowie der zylindrische Unterbau, der sich für Ansichten aus ganz unterschiedlichen Richtungen eignete und keineswegs nur die frontale Sicht benötigte (Abb. 264–265).

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Jules Monthelier: Ansicht der Ponte Po mit der Kirche Gran Madre di Dio und S. Maria al Monte, 1845

266 Turin, Piazza Vittorio Emanuele (heute: Piazza Vittorio Veneto). Blick seitlich von Gran Madre di Dio in Richtung Stadt

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267 Anton Pavlovic Ivanov: Rom, Piazza del Popolo, gesehen vom Pincio, 1854, Öl auf Leinwand

Vielmehr präsentierte sich die Architektur hier als autonomer Baukörper, der den Auftakt in die Stadt oder aus dieser heraus markierte. Wie die zerfallenen antiken Rundbauten an der Via Appia vor Rom einen Übergangsraum entstehen ließen, den das frühe 19. Jahrhundert durch das Interesse an diesen Bauten wahrnahm,769 so markierte die Kirche Gran Madre di Dio vor der Brücke über den Po einen solchen in die nun mehr offene Stadt. Die Kirche ist eine Architektur des neu geschaffenen Zwischenraums von Stadt und Land, der mit der Entfestigung im Jahr 1800 entstanden war. Als solche ließ sie den Rezeptionsmodus des Spaziergangs entstehen, der – folgt man Stendhal – erst durch die napoleonische Besetzung in die italienischen Städte kam.770 Dies wird im Falle Turins durch die zahlreichen französischen Entfestigungspläne bestätigt, die auf den S. 264–272 vorgestellt wurden. Doch ist der Spaziergang bei Gran Madre nicht nur wegen der landschaftlichen Umgebung die adäquate Art und Weise der Rezeption, selbst wenn der primäre Zweck des Gebäudes in der Benutzung der Kirche als religiösem Gebäude liegt. Die Architektur selbst evoziert ihn, indem sie die transparente Säulenvorhalle auf dem hohen Sockel in der Gegenüberstellung zur Stadt als Aussichtsplattform bietet. Ähnlich wie beim Friedrichsdenkmal, wo eigens vorgesehene Wege die Aussicht auf die Stadt Berlin ermöglicht hätten (Abb. 262),771 reflektiert auch Gran Madre di Dio als Gegenüber das Panorama der Stadt Turin, das hier durch den tiefen Einschnitt der Piazza Vittorio

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268 Pietro Bianchi: Prospekt von S. Francesco di Paola und der Piazza del Plebiscito, Neapel, 1836

Emanuele gebildet wird (Abb. 266). Die über die große Freitreppe zu erreichende Säulenvorhalle der Kirche Gran Madre di Dio ist somit dasjenige Element, das den neu gebildeten Zwischenraum von Stadt und Land architektonisch verkörpert.772 Der Rezipient dieser Architektur ist nicht nur der Gläubige, sondern mehr noch der Spaziergänger, der die Freitreppe nimmt, um das gegenüberliegende Panorama der Stadt zu betrachten. Eine solche Wahrnehmung des städtischen Panoramas gehörte außer der Planung Gillys für Berlin auch zur Platzkonzeption der Piazza del Popolo in Rom (1816–1824), die auf dem oberhalb liegenden Hügel eine passeggiata, einen Gang mit Blick auf die Stadt einband (Abb. 267).773 Doch ging die Konzeption der Kirche Gran Madre di Dio über den reinen Genuss des städtischen Panoramas hinaus, da ihre dem Pantheon nachgebildete Kuppel den Kontakt mit dem Absoluten materialisierte. Über diese zeittypische von Schelling postulierte, neu gewonnene Einheit zwischen der irdischen und der unendlichen Welt, die sich beim Denkmalsentwurf für Friedrich den Großen in der nach oben offenen Cella findet, schreibt Fritz Neumeyer: »Das ästhetisch-philosophisch begründete neue Raumempfinden, das mit der Denkmalvorliebe des Frühklassizismus verknüpft war, verlangte von der Architektur eine neue Inbeziehungsetzung zum Absoluten, eine neue Intensität in der Beziehung des Bauwerks zu Erde und Himmel.«774 Mit ihren Sockeln aus dunklem Stein und den dazu kontrastierend eingesetzten hellen Gebäuden der Tempel stellen beide Bauwerke eine absichtsvolle Distanz zur Erde her, die ein Besucher in der Bewegung des Spaziergangs jeweils nachvollzieht. Diese Distanz stellt sich bei S. Francesco di Paola auf der Piazza del Plebiscito (Piazza del Palazzo) in Neapel in einem engeren Bezug zum königlichen Palast her (Abb. 268–270). Der Kirchenbau folgt ebenfalls dem Vorbild des Pantheons, doch fasst ihn eine halbelliptische Kolonnade ein, die dem Petersplatz in Rom nachgebildet ist und welche die nach Westen hin ansteigende Piazza begrenzt (Abb. 268). Die Kolonnade mit der Kirche im Scheitelpunkt steht gegenüber dem königlichen Palast (Abb. 270). Diesen größten Baukomplex am Platz hatte Domenico Fontana am Ende des 16. Jahrhunderts im Auftrag des spanischen Vizekönigs erweitert. Die dreigeschossige Fassade besaß durchgehende Pfeiler-

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269 Pietro Bianchi: Projekt für S. Francesco di Paola, 1815

270 Giovanni Carafa, Duca di Noja: Plan der Stadt Neapel (Ausschnitt), 1775

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271 Neapel, Eingriffe in das Wegenetz, vorgesehen von Vincenzo Ruffo, 1789, Rekonstruktion von Giorgio Simoncini

arkaden im Erdgeschoss, in den beiden Obergeschossen eine Pilastergliederung, welche die alternierend mit Segment- und Dreiecksgiebeln bekrönten Fenster rasterartig durchzieht.775 Behördenbauten nach Norden und Süden begrenzen seitlich den rechteckigen Platz vor dem Palast, den zum Wohngebiet des Pizzofalcone hin die Kolonnade erweitert und halbrund abschließt. Die Piazza del Plebiscito öffnete das Areal vor dem königlichen Palast zum Meer hin (Abb. 270) und gehört insofern zum Typus des Eingangsplatzes. Schon im 18. Jahrhundert war in Neapel durch die Promenade der Riviera del Chiaia das Meer in die Gestaltung der Stadt eingebunden worden (Abb. 270). Regelrechte städtische Plätze gab es in Neapel traditionell nicht, erst mit dem Saggio sull’abbellimento di cui è capace la città di Napoli (1789) von Vincenzo Ruffo kam die Idee von Plätzen auf, die nun den Rand des dicht bebauten neapolitanischen Zentrums erstmals auflockern sollten (Abb. 271).776 Der »Largo« gegenüber dem Palazzo war in diese städtebauliche Vision einbezogen, von der 1807 einige Elemente realisiert wurden. Wie in Turin und Rom gingen die ersten Schritte der Planung auch in Neapel von der französischen Besatzung aus. Hier wurde unter Joachim Murat ein foro Gioacchino initiiert: ein weiter Platz, der in einem halbkreisförmigen Portikus gegenüber dem Palast abschließen sollte. An der Südseite des Largo waren zwei Konvente – della Croce und della Trinità – bereits 1775 durch einen Palazzo ersetzt worden, den Königin Maria Carolina für ihren Minister Acton errichtete.777 1806 setzte ein Dekret unter Joseph

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Bonaparte den Abriss zweier weiterer Klöster gegenüber dem Palast durch: der Konvente San Luigi und Santo Spirito.778 Geplant war nicht nur eine Regularisierung des Platzes durch einen nördlichen Pendantbau zu dem im Süden gelegenen Ministerbau, sondern vor allem auch eine Regulierung der in den Platz führenden Straßenzugänge. Erreicht wurde damit eine Verbindung der aus dem Norden kommenden Via Toledo zu der unmittelbar am Ufer entlang führenden Via Santa Lucia.779 Anstelle des Versammlungssaales, den die französische Planung im Scheitel des geplanten Portikushalbkreises vorsah, ließ der 1815 aus dem Exil zurückkehrende bourbonische König Ferdinando IV. zwei Jahre später die Kirche S. Francesco di Paola errichten. Damit wurde der traditionell hier ansässige religiöse Kult re-etabliert, die Freifläche vor dem Palast, die im 17. Jahrhundert vielfach ein Schauplatz höfischer Feste war, erstmals gegen den Pizzofalcone abgeschlossen und als weite, ansteigende Platzanlage gestaltet. Bianchi zeigt in seiner Schauansicht die Wohnhäuser als kantige, unruhige Kuben (Abb. 268), gegen die sich die dorische Kolonnade und der Zylinder der Kirche durch ihre historisch gesättigte Gestaltung absetzen. Die neue architektonische Ordnung fasst die früheren verschiedenen sakralen Orte der Klöster in einer einzigen herrschaftlichen Kirche zusammen, die wie in Turin an die Rückkehr des von Napoleon vertriebenen Bourbonenkönig erinnern soll. Der topographisch ansteigende Platz, vorher Kirchenvorplatz und zeremonielle Anlage in einem, zeigt sich nun als spannungsreicher, monumentaler Distanzraum des Schlosses. Wo der napoleonische Platz in der Architektur des Versammlungssaales eine Verbindung von Regierung und Volk zu demonstrieren suchte, verankert der bourbonische Platz die Tradition. In der an die Rückkehr des Königs erinnernden Kirche bündelt er die früheren sakralen Orte und führt sie in die wiederhergestellte königliche Ordnung über. Erst mit der Restauration der verlorenen Macht wurde der Platz vor dem Palast ein gestaltetes Gegenüber, das nun im großen Bogen die Geschichte für sich reklamiert.

PIA ZZA VIT TORIO EMANUELE UND GR AN MADRE DI DIO: EINE ›GEGEND‹ DER OFFENEN STADT Die beschriebene chronotopische Struktur ist ein Argument dafür, dass Eingangsplätze um 1800 einen neuartigen Typus verkörpern, der sich von vorherigen wie späteren, ebenfalls am Stadttor liegenden Anlagen unterscheidet. Wir kennen aus der früheren Geschichte des Städtebaus andere Fälle, bei denen Platz und Tor miteinander verbunden waren, beispielsweise in Troja. Dort hatte es zwei Plätze gegeben: einen am Haupttor zur Stadt, der gleichzeitig Markt war, während der andere vor dem Palast lag.780 Für die Neuzeit kann als erste Torplatz-Anlage die Puerta del Sol in Madrid gelten, die direkt hinter dem zuvor befestigten Osttor anschloss. Sie entstand infolge der Schleifung der Bastionen 1570 und stellte eine unregelmäßige, nicht durch repräsentative Architektur gefasste Anlage dar, die sich aus zwei Trapezen zusammensetzte, bei denen die kürzeren Seiten aneinander-

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stießen. Da sie einen Verkehrsknotenpunkt bildete, in dem die Landstraßen Spaniens zusammentrafen, war sie viel mehr das eigentliche Stadtzentrum als die im Innern der Stadt liegende Plaza Mayor.781 Derartige Exempel begründen jedoch keine durchgängige Kontinuität der Torplätze. Hatte die geschlossene Stadt des regulierenden Eingangs bedurft, so entfiel dieser mit dem Moment der Öffnung nicht zwangsläufig. Die häufig mit der früheren Stadtmauer zusammenfallende Zollgrenze, wie sie auch in Turin nach der Entfestigung errichtet wurde,782 bedeutete oft eine Weiterverwendung des alten Stadttores als Zollstation, beispielsweise in Potsdam.783 In einigen Anlagen, beispielsweise hinter der Porta del Popolo in Rom, wurden eigens neue Zollhäuser errichtet,784 wie sie Ledoux in Paris als barrières zu einer ganz neuen Bauaufgabe machte.785 Zu solch neuen Architekturtypen kam es in Turin nicht. Eine Erklärung hierfür ist die geplante Zollmauer, die einzelne Zollhäuser überflüssig gemacht hätte, da die Tore selbst als Durchlassstationen hätten benutzt werden können. Außerdem hatte die französische Entfestigung gründlich gewirkt und keine Toranlagen zurückgelassen. Zu vermuten ist daher, dass faktisch Gebäude an den entsprechenden Straßendurchlässen als Zollstation benutzt wurden.786 Trotz der rigiden Zollgrenze von 1818787 knüpfte die Urbanistik in Turin an den Maßnahmen an, welche die napoleonische Besatzung begonnen hatte. Dies betraf vor allem die Anlage von viali, welche die Stadt umgaben und zum Teil schon unter dem französischen Gouvernement als öffentliche Wege begonnen worden waren (Via del Re [= heute: Corso Vittorio Emanuele II], Corso Regina Margherita, Corso San Maurizio, Corso Cairoli). Sie wurden nun mit Privathäusern bebaut, wie insgesamt eine Privatisierung ehemals öffentlicher Gebäude einsetzte.788 Derartige konzeptionelle Änderungen kennzeichnen den Unterschied zwischen der französischen und der re-etablierten savoyischen Urbanistik. Dies zeigte sich auch an den durch den Corps des Ponts et Chaussees geplanten großen Plätzen, die nun die Achsen der dynastischen Stadt fortsetzten und Scharniere zu den neu erschlossenen Gebieten vor der ehemaligen Stadtmauer bildeten. Hierzu gehörten neben der Piazza Vittorio Emanuele (Vittorio Veneto) und der Piazza di Porta Palazzo vor allem die Piazza vor Porta Nova im Süden, die ein neues Gebiet im Südosten erschloss. Das durch die Zollmauer abgesteckte, vergrößerte Stadtgebiet galt jedoch noch für die Erweiterung 1850 als verbindlich, so dass die rudimentär vorhandenen Maßnahmen der französischen Zeit auch hierin erkennbar sind. Die wichtigste Änderung gegenüber den Plänen der napoleonischen Epoche war der Bau von Gran Madre di Dio, die aus dem nun schon lange avisierten stadtseitigen Platz einen dynastisch markierten Aktionsraum machte. Was man hier mit Schumacher die »Geschichte eines architektonischen Gedankens« nennen könnte789 – die Entwicklung einer zum Fluss hin offenen Piazza, in der sich gleichzeitig die Stadt nach außen öffnet – wurde letztlich durch die Schaffung des von der Stadtregierung gewünschten Erinnerungsmals an die Rückkehr der savoyischen Dynastie zu einer singulären Lösung. Dabei ist allerdings die unverkennbare Ähnlichkeit des Ensembles Piazza Vittorio Emanuele und

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Gran Madre di Dio mit der Pariser Place de la Concorde keine automatische Folge der Entwürfe aus der napoleonischen Zeit. Unter dem Chef des Corps des Ponts et Chaussees, Dausse, hatte es den Plan eines den Fluss überspannenden Doppelplatzes gegeben, bei dem sowohl auf der Brücke wie auch auf der anderen Uferseite ein Obelisk vorgesehen war.790 Den Ingenieuren des Corps war die Pariser Concordienbrücke mit Sicherheit bekannt, zumal sie erst 1787–1790 von Perronet erbaut worden war (Abb. 273), der ein Jahr später fast alle seine Werke in einem Kupferstichwerk veröffentlichte.791 Insbesondere die Einbindung der Brücken in der Uferlandschaft, die Perronnets Bauten ausmachte und die das jeweilige Stadtbild prägte,792 dürften eine wichtige Inspiration für den Bau der Turiner Brücke gewesen sein,793 die von demselben Anspruch gekennzeichnet ist. Im direkten Vergleich zeigt sich, dass die Piazza Vittorio Emanuele die Grundelemente der Place de la Concorde weiterverarbeitete. Ihre konkrete Anordnung von Straße – Platz – Brücke – Kirche muss jedoch als Ergebnis eines räumlichen Prozesses gewertet werden, der fast drei Jahrzehnte währte und mit dem Rückgriff auf Turiner Torplätze sowie der Integration der ›Turiner Fassade‹ die örtliche Entwicklung des Platzes einband und dabei einen spezifisch ›savoyischen‹ Aktionsraum erzeugte. Konstitutiv für die Piazza Vittorio Emanuele ist ihre Weite, die einen anderen architektonischen Rahmen als die Place de la Concorde besitzt: Dieser reduziert sich auf eine einzige Platzwand, um so die mittelalterliche und frühneuzeitliche Platzentwicklung in Paris vollständig hinter sich zu lassen.794 Bei dem zwischen dem Tuileriengarten und den Champs Elysées gelegenen Platz, der sich zu Letzterer hin in zwei weiteren Schneisen öffnet (Abb. 272), wurde zur Champs Elysées und zum Fluss hin gänzlich auf vertikale Begrenzungen verzichtet: »[…] perspectives, not edifices, are its boundaries«, beschreibt Paul Zucker die neuartige Konstitution der Place de la Concorde. Damit verband sich eine bestimmte Aufgabe der aufs Äußerste reduzierten Platzwand, die in der ersten Planung (1753) noch mittig konzipiert war: Einem Hauptbau mit zwei Mittelrisaliten waren hier links und rechts zwei, durch Straßen abgetrennte Nebenbauten zugeordnet.795 Der nächste Entwurf zeigte zwei gleich lange Gebäudeflügel, die eine mittlere Straße (Rue Royale) erschließen sollte. In der dritten Planung entfielen deren Mittelrisalite zugunsten zweier Seitenrisalite bei beiden Gebäuden. Sie erhielten so, schreibt Michael Häberle zu Recht, einen völlig anderen Charakter: »Statt der rhythmisierenden Ausrichtung der Komposition auf einen mittleren Höhepunkt werden gleiche Motive wiederholend aneinandergereiht. Mangels eines kompositorischen Zentrums schweift der Blick des Betrachters die Kolonnaden entlang, bis er auf den massiver wirkenden Seitenrisaliten stößt, um von dort aus – wieder über die Kolonnade zurück – zum anderen Risaliten zu gelangen usw. Durch dieses ständige Hin und Her erfährt der Betrachter das Nebeneinander gleichförmiger Motive wesentlich intensiver. Die Länge der Gebäudeflügel wird ihm unmittelbar ›vor Augen geführt‹. Diese Regelmäßigkeit verstärkt sich noch durch die Wiederholung derselben Fassade auf der anderen Seite der Rue Royale. Gabriel setzt damit uniforme Gestaltung und den Wahrnehmungsvorgang des Betrachters dazu ein,

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272 Pierre Patte: Paris, Place Louis XV., 1765

273 Ange-Jacques Gabriel: Place Louis XV, Paris (heute: Place de la Concorde), 1757

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seinen Fassaden diejenige Längenerstreckung zu geben, die für den architektonischen Abschluss eines so großen Platzes erforderlich ist.«796 Die bipolare Anordnung dieser einzigen Architekturseite ist jedoch von der Madeleine-Kirche abhängig, die als ein separater, in die Tiefe verlegter Mittelpunkt der Place de la Concorde gelten kann. Sie prägt die Längsachse aus, auf der auch der Obelisk (1830) und die Brücke (1788–1796) liegen und damit eine der drei Ordnungsprinzipien, die sich im Platz überlagern.797 Zwar verwendet die Piazza Vittorio Emanuele dieselben Elemente wie die Place de la Concorde (Platz – Brücke – Kirche),798 doch diffundiert ihr Wegraum nicht wie jener der Pariser Anlage zu den Seiten. Ihre Platzseiten sind geschlossen, charakteristisch ist für die Piazza Vittorio Emanuele vielmehr eine Bewegung zu den Stirnseiten, die der beschriebenen architektonischen Anordnung dieses Raums entstammt. Durch die mittleren Gebäude an den Seiten, die das Gefälle des Platzes rhythmisieren und auf dieser langen Strecke die topographisch bedingte Unstetigkeitsstelle überbrücken, wird die Achse zwischen Brücke und der Einmündung in die Via Po zu einem »ausgezeichneten Weg« (Lewin), dem die seitlich unter den durch Arkaden durchführenden drei Straßen deutlich untergeordnet sind.799 Die Place de la Concorde, deren Parallelorientierung zum Seine-Ufer durch die Verbindung von Madeleine-Kirche – Rue Royale – Obelisk – Brücke nur überlagert, nicht aber geändert wird, verlangt durch ihre offenen Seiten einen die verschiedenen Anlagen und das SeineUfer in vagierender Bewegung sich selbständig erschließenden Rezipienten. Im Unterschied dazu zeigt sich die Piazza Vittorio Emanuele trotz ihrer Weite als ein zielgerichteter Wegraum. Der »ausgezeichnete Weg«, den der Platz durch diese Hauptachse bildet, wird dabei auch zu einer räumlichen Darstellung dessen, was ›Dynastie‹ zeitlich ausmacht: die Kontinuität einer langen Kette von Einzelgliedern, ein klar hervortretender Anfang, ein scheinbar unbegrenztes Ende. Verkörpern sich die letzteren Merkmale in der Rückseite des innerstädtischen Palazzo Madama / Porta Praetoria (Anfang) und in der Kirche Gran Madre di Dio (Ende), so erfahren wir die charakteristische zeitliche Kontinuität der Dynastie in den Gebäuden zuseiten der Piazza Vittorio Emanuele. Diese modifizieren die ›Turiner Fassade‹, die im Zentrum der Residenzstadt die ständische Hierarchie und Concordia darstellte, indem einerseits die oberen Geschosse der Mietwohnhäuser auf ein Muster purer Nützlichkeit reduziert sind, andererseits das Erdgeschoss historisiert wird. Der innere, halbexedrische Teil der früheren Toranlage wird im oberen Teil der Platzanlage ebenfalls eingebunden und bildet ein weiteres Element dieser Kontinuität, das als eigentliche Mündung in die Stadt dient. Auf seinem Weg ins Äußere der nun mehr offenen Stadt (und umgekehrt von außen nach innen) erlebt der Benutzer so einen räumlich-logischen Spannungsbogen, der die spezifische, scheinbar nicht abreißende Zeitlichkeit der Dynastie wiedergibt: Im Innern der Stadt zeigt sich die Anciennität / Herkunft der Dynastie an der durch seitliche Türme gegliederten, steinsichtigen antiken Toranlage / mittelalterliches Palazzo Castello / frühneuzeitlicher Palazzo Madama. Ihr Gegenstück ist die helle, stereometrische Architektur der

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Kirche Gran Madre di Dio in der Fluss- und Hügellandschaft des Borgo Po. Während die Via Po als Diagonale die ›schnellste‹ Art der Achse verkörpert, die im 17. Jahrhundert das neues Gebiet zum Po hin erschloss, erschließt die langgestreckte Weite der Piazza Vittorio Emanuele komplexe räumliche Beziehungen: die »Unstetigkeitsstelle« des topographischen Gefälles, die scharf geschnittenen Kuben der mittleren Seitengebäude, die in die Stadt abführenden kleinen Straßen, das offene Ende im Uferszenario von Brücke und gegenüberliegender Chiesa. Dieser sich über mehrere Sequenzen vollziehende Wegraum, innerhalb dessen die Piazza den Höhepunkt bildet, erzeugt im Rezipienten, der die nun mehr offene Stadt verlässt oder betritt, die Vorstellung von dynastisch gesicherten Verhältnissen. Erst die beschriebenen einzelnen Sequenzen schaffen die »urbane Komposition« (Delfante) der Piazza Vittorio Emanuele.800 Sie verschachteln sich in der »Unstetigkeitsstelle« der Piazza zu einem savoyischen »Aktionsraum«, den ein Rezipient durch die Bewegung seines eigenen Körpers stets aufs Neue vollzieht. Anders jedoch als das Ensemble von Superga und Strada di Rivoli, das nicht vollständig durch die Bewegung des Körpers, sondern vor allem visuell konzipiert und erfahrbar ist, wird der Zusammenhang von Piazza Vittorio Emanuele und Gran Madre di Dio durch die Wegestruktur zu einem auf Handlung, auf die Bewegung des eigenen Körpers ausgerichteten Raum. Damit ist die wichtigste Anforderung erfüllt, den die Phänomenologie an den »Aktionsraum« stellt und dem sie statt Ausdruckscharakter vor allem Zweckdienlichkeit attestiert, was sich auch in der Handhabung technischer Instrumente zeige: »Hier verschwinden die Ausdruckscharaktere der Dinge in den Eigenschaften, die ihre Dienlichkeit bestimmen. Damit entbehren sie der Physiognomie, die anspricht, sich mitteilt, sie enthüllen jetzt lediglich ihre Tauglichkeit oder Widerstandsfähigkeit im ›Hinblick‹ auf ein Ziel.«801 Ein solcher Aktionsraum entsprach gewiss den französischen Entfestigungsplänen, welche die Stadt in eine durch Schifffahrt und Straßen neuartig konstituierte Infrastruktur bringen sollten, um so ihren »öffentlichen Nutzen« zu mehren. Er zeigt sich aber auch noch in den von Ordnungen ›befreiten‹ Mietbauten an der Piazza Vittorio Emanuel, deren Fassaden die Werte der Regelmäßigkeit, Uniformität und Stereometrie realisieren, entsprechen dieser Definition ebenso wie die Platzgestaltung ohne zentralen Blickpunkt oder Monument oder aber der pure ›Masse‹ und rationales Durchrechnen ausstrahlende Architekturkörper von Gran Madre di Dio. Wenn der Platz hier zum ›Eingang‹ in die Stadt werden konnte, dann vor allem deshalb, weil er systematisch als Weg aufgebaut wurde: Vermittler ins dynastisch kreierte Zentrum, aber auch gleichzeitiger Übergang zur Brücke und dem ins bisherige Außen der Residenzstadt gesetzten Erinnerungsmal. Dieser in der Weite der Piazza »ausgezeichnete Weg« ist zunächst wegen seiner beiden äußeren, dynastisch verankerten Pole als savoyischer Raum markiert. Durch die chronotopische Struktur der historisierenden Platzseiten und dem in die Antike verweisenden Pantheonsbau wird er zu einem geschichtlichen Raum, der die Dynastie einmal mehr als kontinuierlich darstellt. Dies bedurfte zu Beginn des 19. Jahrhunderts keines Monuments mehr auf der Piazza: Der Kuppelbau von Gran Madre

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di Dio, – zwischen die beiden bestehenden Bauten von Superga und S. Maria al Monte gesetzt – vervollständigte die hier im frühen 18. Jahrhundert einsetzende »städtebauliche Typologie« (Rossi) auf ideale Weise.802 Der Ort, der hierdurch entstand, war somit nicht nur aufgrund seiner Ereignisstruktur geschichtsträchtig. Vielmehr war es die architektonische Gestaltung, die gekonnt auf die bestehende Situation reagierte und damit eine singuläre Räumlichkeit schuf. Wenn hierbei die Piazza zum Weg wurde, so kennzeichnet dies die Umkehrung der Verhältnisse, die hier stattfand. Hatte Napoleon für die Entfestigung Turins die Bevölkerung aus allen Teilen des Piemont heranziehen lassen803, so schuf das Erinnerungsmal der Kirche Gran Madre di Dio einen neuen symbolischen Raum der nun geöffneten Stadt: Der Vektor der napoleonischen Brücke ins Territorium wurde dynastisch ›befestigt‹. Die von der napoleonischen Besetzung erzwungene Entfestigung im Osten der Stadt hätte die Einbindung Turins in einen die fürstliche Macht überwindenden, intensiver erschlossenen politischen Raum durch Platz und Brücke herstellen und signifikant machen sollen. Dagegen schuf das letztlich entstandene Ensemble von Piazza Vittorio Emanuele und Gran Madre di Dio eine ›Gegend‹ der Stadt: Die napoleonische Brücke belassend, schlossen Platz und Kirche den früher außerhalb liegenden Borgo Po als eine durch die Dynastie historisch gewordene und damit scheinbar natürliche ›Gegend‹ ein.804 In Turin war man sich über die überregionale Bedeutung dieser Passage sehr bewußt. Denn Cavalier de Rossi, einer der Juroren im Wettbewerb um den Bau von Kirche Gran Madre di Dio, empfahl die Annahme des vierten Projekts, das dem Modell des Pantheons folgte, mit dem Argument, die nach Napoleon immer häufiger werdenden Reisenden mit einer italienischen Architektur zu empfangen: »[…] lo raccomando, giacché sono certo che avranno un tempio che veramente proverrà i viaggiatori in favore della nostra architettura al primo scendere dalle Alpi.«805 In der durch die napoleonischen Kriege veränderten politischen Geographie Europas stand die savoyische Dynastie erneut als Gewinner da: Der schwierig zu verwaltende Landesteil Savoyen nördlich der Alpen war 1792 endgültig an Frankreich gegangen, doch nach dem Wiener Kongress reichte das Territorium bis Genua und schloss bereits seit 1720 die Königskrone Sardiniens ein. Die topographisch bewusste Gestaltung von Piazza Vittorio Emanuele und Gran Madre di Dio zeigte einen ›Wegraum‹, der einer in der geopolitisch brisanten Position am Rande der Alpen, über das Recht an Wegen und Passagen groß gewordenen Dynastie hier nochmals zum ›Eigenraum‹ werden konnte. Wenn hier – wie in Gillys Entwurf für König Friedrich II. – der Fürst zum letzten Mal als Bewahrer von Stadt und Territorium erschien, so zeigt die Konzeptualisierung eines den eigenen Körper bewegenden Rezipienten, dass eine fluchtpunktartige Fokussierung auf den Herrscher hier bereits deutlich bestritten war. Die Tatsache, dass beide Denkmäler und ihre Plätze jeweils den Blick zurück in die Residenzstadt inszenieren, zeigt, dass diese nun selbst bereits zu einem Monument geworden war.

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RESÜMEE

Mit dem Ziel, die Öffnung der Stadt als räumlichen Prozess aufzuzeigen, untersucht das Buch zwei bedeutende Architekturensembles im Turin des frühen 18. und 19. Jahrhunderts. Dies geschieht mit Hilfe von begrifflichen und methodischen Ressourcen der kunsthistorischen Raumtheorie zwischen 1890 und 1930, deren Potential hier in eine umfassende Raumanalyse einging. Deutlich wird sowohl an dem barocken wie auch an dem klassizistischen Ensemble, dass der Außenraum keine Negativ-Form des Bauwerks ist, sondern dieser mit dem Inneren des Gebäudes eng verknüpft bleibt und von der Architektur vielfach determiniert wird. Obwohl es sich bei der Superga und der Kirche Gran Madre di Dio um zwei Zentralbauten handelt, die – in unterschiedlicher Weise – auf das Pantheon rekurrieren, würde eine solch schematische Ableitung nicht weit führen. Im Unterschied dazu schlägt die Untersuchung eine Vorgehensweise vor, welche die Architektur in Anlehnung an Fritz Schumacher als »Scheidewand« von Innen und Außen versteht. Die Studie gewinnt so neu in die kunstwissenschaftliche Diskussion zu bringende ›Raumtypen‹, die durch eine herkömmliche Architekturanalyse nicht gewonnen werden könnten: 1. den der dynastischen Votivkirche, 2. den des Eingangsplatzes um 1800. Was die hier gefundenen ›Raumtypen‹ ausmacht, ist das jeweilige Zusammenwirken von Architektur und der von ihr ausgehenden Rezeptionsangebote. Dies zeigt sich im Fall der spätbarocken Superga-Kirche als »Anschauungsraum«, im Fall des klassizistischen Ensembles von Piazza Vittorio Emanuele und Gran Madre di Dio als »Aktionsraum«. Damit wird deutlich, dass die durch politische Ereignisse initiierten Architekturen am Rande Turins diesen auf ganz bestimmte Art veränderten. Die Analyse zeigt, dass erst in solchen »Verbindungstypen« (Simmel), welche die Ordnung des politischen Raums berücksichtigen, die Öffnung der Stadt greifbar wird.

323 | Resümee

ANMERKUNGEN

Der Begriff des ›Eigenraums‹ zielt ab auf die Besonderheit des Verhältnisses von Innen und Außen; dieses ist nicht gleichbedeutend mit anderen räumlichen Unterscheidungen, wie etwa links und rechts, sondern meint den Prozess einer gleichzeitigen Aus- und Eingrenzung; vgl. Bernhard Waldenfels: Sinnesschwellen. Studien zur Phänomenologie des Fremden, Frankfurt a. M. 1999, Bd. 3, S. 204; vom »abgegrenzten Besitzraum« als dem Eigenraum spricht Otto Friedrich Bollnow: Mensch und Raum, Stuttgart et al., 7. Auflage, 1994, S. 284. 1

Zur Entfestigung Turins durch Napoleon vgl. S. 264–272. Die Vorbehalte gegenüber der Entfestigung aus P. Laband: Denkschrift über die an den ehemaligen Wallgrundstücken in Frankfurt a. M. bestehenden Rechtsverhältnisse (…), Berlin 1890, zit. nach Christoph Böhmer: Von der geschlossenen zur offenen Stadt. Die Befestigungsanlagen in ihrer realen und ideellen Entwicklung, dargestellt an den beiden Städten Frankfurt und Köln (1800–1933) (Diss., Univ. Stuttgart), Walldorf 1994, S. 78; vgl. auch den Fall München, wo 1791 die kurfürstliche Regierung die ersten Anstrengungen für eine Entfestigung unternahm, hierbei aber auf Widerstand stieß und erst nach 1799 die Demolition eingeleitet werden konnte (Hans Lehmbruch: Ein neues München. Stadtplanung und Stadtentwicklung um 1800. Forschungen und Dokumente, hrsg. v. Historischen Verein von Oberbayern, Buchendorf 1987 (Einleitung, S. XIV–XV). Zur Bedeutung der Stadtmauer vgl. Peter Johanek: Die Mauer und die Heiligen. Stadtvorstellungen im Mittelalter, in: Wolfgang Behringer u. Bernd Roeck (Hrsg.): Das Bild der Stadt in der Neuzeit 1400–1800, München 1999, S. 26–38; sowie Cesare de Seta u. Jacques Le Goff, La città e le mura, Rom/Bari 1989.

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3 Die Sicherheitssysteme der Frühen Neuzeit waren nicht nur baulicher Art, zeigten jedoch hierin eine besondere Ausprägung; vgl. dazu die solche Aspekte beleuchtende Tagung an der Universität Marburg »Sicherheit in der Frühen Neuzeit« (Juli 2011). 4 Der postindustrielle Rand der Stadt wird seit zwei Jahrzehnten in Begriffen wie Zwischenstadt und Agglomeration verhandelt oder – bereits seit längerem – als Stadtlandschaft bezeichnet; vgl. Thomas Sieverts: Zwischenstadt. Zwischen Ort und Welt, Raum und Zeit, Gütersloh 1997; Hermann Lübbe: Agglomerationen und Regionen. Über die Zukunft der Stadt-Land-Differenz, in: Vittorio Magnago

325 | Anmerkungen

Lampugnani (Hrsg.): Die Architektur, die Tradition und der Ort. Regionalismen in der europäischen Stadt, München 2000, S. 31–42; dazu weiter Rolf Peter Sieferle: Die totale Landschaft, in: id.: Rückblick auf die Natur, München 1997, S. 205–223; und Fritz Neumeyer: Im Zauberland der Peripherie. Das Verschwinden der Stadt in der Peripherie, in: Westfälischer Kunstverein (Hrsg.): Die verstädterte Landschaft, München 1995, S. 31–45. 5 Die Architektur ist hierbei selbstverständlich nicht das einzige raumbildende Medium, wie die historische und kulturwissenschaftliche Forschung der letzten Jahre betont hat. Dennoch bleibt für die Kunstwissenschaft die Aufgabe, hier die Aufgabe der Architektur zu klären und ihre besondere raumschaffende Rolle deutlich zu machen.

Vgl. hierzu Marion Hilliges: Das Stadt- und Festungstor. Fortezza und sicurezza – zur semantischen Aufrüstung im 16. Jahrhundert (Diss., Humboldt-Univ. Berlin, 2009), Berlin 2011 (Humboldt-Schriften zur Kunst- und Bildgeschichte).

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7 Georg Simmel: Der Raum und die räumlichen Ordnungen der Gesellschaft, in: id., Soziologie. Untersuchungen über die Formen der Vergesellschaftung [1908, Bd. 8], hrsg. v. Otthein Rammstedt, Frankfurt a. M. 1992, Bd. 11, S. 687–790, S. 689. 8

Simmel 1992 [1908], S. 694.

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Vgl. S. 298–322.

10 Vgl. S. 28–30 für den barock erweiterten Raum der Stadt sowie die tatsächliche Entfestigung durch die Piazza Vittorio Emanuele auf S. 298–322. 11 Grundlegend für die frühneuzeitliche Territorialstruktur und ihre Herkunft in der Personenherrschaft des Mittelalters Dietmar Willoweit: Rechtsgrundlagen der Territorialgewalt. Landesobrigkeit, Herrschaftsrechte und Territorium in der Rechtswissenschaft der Neuzeit, Köln/Wien 1975 (Forschungen zur deutschen Rechtsgeschichte, Bd. 11).

Werner Köster: Raum, politischer, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 8: R–Sc, hrsg. v. Joachim Ritter, Basel 1992, Sp. 122–131, Sp. 124.

12

Wolfgang Kemp: Text / Kontext – Grenze / Austausch. Zugleich ein Versuch über Nancy zur Zeit Stanislas Leszczynskis, in: Thomas W. Gaethgens (Hrsg.): Künstlerischer Austausch. Akten des XXVIII. Internationalen Kongresses für Kunstgeschichte (Berlin, 1992), Berlin 1993, S. 653–664.

13

Martin Warnke: Natur nach dem Fall der Mauern, in: Dialektik. Enzyklopädische Zeitschrift für Philosophie und Wissenschaften 2/1994, S. 29–34.

14

15 Aloys Bernatzky: Von der mittelalterlichen Stadtbefestigung zu den Wallgrünflächen von Heute. Ein Beitrag zum Grünflächenproblem, Berlin, Hannover u. Sarstedt 1960; Peter Grobe: Die Entfestigung Münchens (Diss., TU München), München 1970 (Miscellanea Bavarica Monacensis. Neue Schriftenreihe des Stadtarchivs München, Bd. 27). 16 Gerhard Eimer: Die frühneuzeitliche Festungsstadt im Licht der Kunstgeschichte, in: HansWalter Herrmann und Franz Irsigler (Hrsg.): Beiträge zur Geschichte der frühneuzeitlichen Garnisonsund Festungsstadt, Saarbrücken 1983, S. 9–18; das hier erwähnte Desiderat wird für das 16. und frühe 17. Jh. für den Schlossbau gefüllt von Ulrich Schütte: Das Schloss als Wehranlage. Befestigte Schlossbauten der frühen Neuzeit im alten Reich, Darmstadt 1994.

326 | Anmerkungen

17 Hans-Walter Herrmann u. Franz Irsigler (Hrsg.): Beiträge zur Geschichte der frühneuzeitlichen Garnisons- und Festungsstadt, Saarbrücken 1983 (Veröffentlichungen der Kommission für Saarländische Landesgeschichte und Volksforschung, Bd. 13).

Heinz Stoob: Die Stadtbefestigung. Vergleichende Überlegungen zur bürgerlichen Siedlungs- und Baugeschichte, besonders der Frühen Neuzeit, in: Kersten Krüger (Hrsg.): Europäische Städte im Zeitalter des Barock. Gestalt – Kultur – Sozialgefüge, Köln/Wien 1988, S. 25–54. 18

Wolfgang Kemp: Kontexte. Für eine Kunstgeschichte der Komplexität, in: Texte zur Kunst 2/1991, H. 2, S. 89–101.

19

Albert Erich Brinckmann: Platz und Monument. Untersuchungen zur Geschichte und Ästhetik der Stadtbaukunst in neuerer Zeit [1908], mit einem Vorwort von Jochen Meyer, Berlin 2000; Id., Stadtbaukunst. Geschichtliche Querschnitte und neuzeitliche Ziele, Berlin-Neubabelsberg 1920 (Handbuch der Kunstwissenschaft); Herman Sörgel: Architektur Ästhetik. Theorie der Baukunst [1921], mit einem Nachwort zur Neuausgabe von Jochen Meyer, Berlin 1998; Paul Zucker: Entwicklung des Stadtbildes. Die Stadt als Form [1929], mit einem Vorwort von Harold HammerSchenk, Braunschweig/Wiesbaden 1986.

20

Zucker 1986 [1929]; Albert Erich Brinckmann: Deutsche Stadtbaukunst in der Vergangenheit [Nachdruck der 2. erw. Aufl., Frankfurt a. M. u. a. 1921], eingeleitet von Werner Oechslin, Braunschweig 1985; Sörgel [1921] 1998.

21

22 Lehmbruch 1987; Cornelia Jöchner: Dresden, 1719. Planetenfeste, kulturelles Gedächtnis und die Öffnung der Stadt, in: Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft 24/1997, S. 249–279; Stefan Schweizer: Zwischen Repräsentation und Funktion. Die Stadttore der Renaissance in Italien, Göttingen 2002 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts, 184); Katrin Bek: Achse und Monument. Zur Semantik von Sicht- und Blickbeziehungen in fürstlichen Platzkonzeptionen des 16. bis 18. Jahrhunderts, Weimar 2005; Marion Hilliges: Entfestigung. Planungskonzepte zur Urbanisierung der ›Leere‹ im 18. Jahrhundert, in: Die alte Stadt. Vierteljahreszeitschrift für Stadtgeschichte, Stadtsoziologie, Denkmalpflege und Stadtentwicklung 31/2004, H. 3, S. 161–181; Gerhard Vinken: Die neuen Ränder der alten Stadt. Modernisierung und Altstadtkonstruktion im gründerzeitlichen Basel, in: Vittorio Magnago Lampugnani u. Matthias Noell (Hrsg.): Stadtformen. Die Architektur zwischen Imagination und Konstruktion, Zürich 2005, S. 114–124; Costanza Caraffa: Dresden 1738: Brückenschlag nach Rom, in: Stefan Schweizer u. Jörg Stabenow (Hrsg.): Bauen als Kunst und historische Praxis. Architektur und Stadtraum im Gespräch zwischen Kunstgeschichte und Geschichtswissenschaft, Göttingen 2006, S. 385–425; Golo Maurer: Überlegungen zu Michelangelos Porta Pia, in: Römisches Jahrbuch der Bibliotheca Hertziana 37/2006, S. 123–162.

David Friedman: Florentine New Towns. Urban Design in the Late Middle Ages, Cambridge/Mass. 1988; De Seta u. Le Goff 1989; zur Entfestigung italienischer Städte vgl. Giorgio Simoncini: La città nell’età dell’Illuminismo. Le capitali italiane, Florenz 1996.

23

Peter Stephan: Der vergessene Raum. Die dritte Dimension in der Fassadenarchitektur der frühen Neuzeit, Regensburg 2009 (Eikonikà, Bd. 1).

24

25 August Schmarsow: Das Wesen der architektonischen Schöpfung. Antrittsvorlesung gehalten in der Aula der K. Universität Leipzig am 8. November 1893, Leipzig 1894, S. 15. 26

Ibid., S. 19.

Adolf von Hildebrand: Das Problem der Form in der bildenden Kunst, Straßburg, 3. Auflage 1913, S. 93.

27

327 | Anmerkungen

28 Carl Linfert: Die Grundlagen der Architekturzeichnung. Mit einem Versuch über französische Architekturzeichnungen des 18. Jahrhunderts, in: Kunstwissenschaftliche Forschungen 1/1931, S. 133–246. 29 Wolfgang Kemp (Hrsg.): Der Betrachter ist im Bild. Kunstwissenschaft und Rezeptionsästhetik, Berlin, erweiterte und bibliographisch bearbeitete Neuausgabe 1992; vgl. v. a. S. 52, wo erstmals auf Schmarsows Leistung für eine rezipientenbezogene Kunstwissenschaft verwiesen wird. 30 Der Begriff des ›orientierten Raums‹ bezeichnet nach Oskar Becker den »Umweltsraum des einzelnen«. In dessen Zentrum steht ein Leibsubjekt, das den Raum durch Bewegung und Wahrnehmung strukturiert. Oskar Becker: Beiträge zur phänomenologischen Begründung der Geometrie und ihren physikalischen Anwendungen, in: Jahrbuch für Philosophie und phänomenologische Forschung 6/1923, S. 385–560.

»Schon, dass das meiste Handeln Bewegung impliziert, alles Handeln aber Lokomotion ist, stellt Handeln als ein auch räumliches Problem dar.« Lenelis Kruse u. Carl F. Graumann: Sozialpsychologie des Raumes und der Bewegung, in: Kurt Hammerich u. Michael Klein (Hrsg.): Materialien zur Soziologie des Alltags, Opladen 1978 (Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Sonderheft 20/1978), S. 177–219, S. 183. 31

32 Kurt Lewin: Vorsatz, Wille und Bedürfnis. Mit Vorbemerkungen über die psychischen Kräfte und Energien und die Struktur der Seele, in: Psychologische Forschung 7/1926, S. 294–385, S. 59. 33

Ibid., S. 60.

34

Ibid., S. 61.

35

Schmarsow 1894, S. 19.

36 In der Rezeptionsästhetik werden mit diesen beiden Begriffen Aufgaben der inneren Orientierung zusammengefasst; vgl. Wolfgang Kemp: Kunstwerk und Betrachter. Der rezeptionsästhetische Ansatz, in: Hans Belting, Heinrich Dilly, Wolfgang Kemp (Hrsg.): Kunstgeschichte. Eine Einführung, Berlin 1985, S. 203–221, S. 208–211. 37 Dagobert Frey: Wesensbestimmung der Architektur, in: Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft, 19/1925, S. 64–77 [Nachdruck in: Fritz Neumeyer (Hrsg.), unter Mitarb. von Jasper Cepl: Quellentexte zur Architekturtheorie, München et al. 2002, S. 415–427, S. 419]. 38 Der Wahrnehmungsraum wird von Kruse/Graumann mit dem generellen orientierten Raum gleichgesetzt, in der Angabe von räumlichen Verhältnissen enthält er aber auch Überschneidungen mit dem Handlungsraum vgl. Kruse u. Graumann 1978, S. 183. Ähnlich Elisabeth Ströker: Philosophische Untersuchungen zum Raum, Frankfurt a. M. 1965 (Philosophische Abhandlungen, Bd. 25), S. 21. 39

Waldenfels 1999, S. 204.

40 August Schmarsow: Ueber den Werth der Dimensionen im menschlichen Raumgebilde, in: Königlich-Sächsische Gesellschaft der Wissenschaften. Philologisch-Historische Klasse: Berichte über die Verhandlung, 48,4/1896, S. 44–61, S. 46.

Martin Heidegger: Bauen Wohnen Denken, in: id.: Vorträge und Aufsätze, Pfullingen 1954, S. 139–156.

41

42

Simmel 1992 [1908].

328 | Anmerkungen

Vgl. Benedikt Loderer: Stadtwanderers Merkbuch. Begriffsbestimmung »Stadtraum« am Beispiel Fabriano, München 1987.

43

Schmarsow 1894, S. 15. Zwar spricht Schmarsow auch von Plätzen, Straßen und dem Städtebau im Allgemeinen. Doch sind die Beispiele, an denen er aufzeigt, was Raum ist, ausschließlich Innenräume: das Zelt, das Schlupfloch, der Wohnraum.

44

45 »Der Begriff und die Anschauungsform ›Raum‹ bedürfen […] noch mancher Klärung und näheren Auseinandersetzung, so vor allem der ›Raum unter freiem Himmel‹, dann das damit eng verknüpfte, scheinbare Paradoxon, dass die Architektur s o w o h l v o n i n n e n a l s a u c h v o n a u ß e n , also von allen Seiten der möglichen Betrachtung, den Gesetzen des Raummäßigen folgen müsse.« Sörgel 1998 [1921], S. 212.

Fritz Schumacher: Das bauliche Gestalten [Handbuch der Architektur, 4. Teil, 1. Halbbd., Leipzig, 4. Auflage 1926, ], Basel/Berlin/Boston 1991, S. 18.

46

Sörgel 1998, S. 212–213. Sörgel wendet im Grunde die durch den Klassizismus entstandene Baukörpertheorie auf die Komplexität der Stadt an, bringt aber hier den Aspekt von Innen und Außen ein.

47

Vgl. hierzu Adrian Forty: Space, in: id.: Words and Buildings. A Vocabulary of Modern Architecture, London 2000, S. 256–275, S. 258. 48

49

Schumacher [1926] 1991, S. 36.

50

Ibid.

51

Ibid.

52

Ibid., S. 37.

53

Sörgel 1998 [1921], S. 213.

Tilmann Breuer: Denkmallandschaft. Ein Grenzbegriff und seine Grenzen, in: Österreichische Zeitschrift für Kunst und Denkmalpflege 37/1983, H. 3/4, S. 75–82, S. 77. Der Autor gebraucht im Laufe der Zeit beide Begriffe, verwendet jedoch in dem hier zitierten späteren Aufsatz das Wort »Wirkungsbezugsraum«, das für meine Fragestellung aufgrund seiner Präzision zu bevorzugen ist, vgl. Tilmann Breuer: Die Baudenkmäler und ihre Erfassung. Ausführliche Darstellung aus der Sicht des Kunsthistorikers, in: August Gebeßler u. Wolfgang Eberl (Hrsg.): Schutz und Pflege von Baudenkmälern in der Bundesrepublik Deutschland. Ein Handbuch, Köln et al. 1980, S. 22–57. 54

Breuer 1980, S. 37. Breuers Position trifft sich mit jener von Georg Simmel, der »der Anschaulichkeit von ›Wall und Graben‹« ebenfalls keinen Vorrang vor anderen Funktionen des städtischen Raumes in der mittelalterlichen Stadt geben will, vgl. Simmel 1992 [1908], S. 688. 55

56

Breuer 1980, S. 38.

»Perché veggiamo Prouincie abbondantissime non hauere nessuna grossa Città; come per esempio è il Piemonte, del quale non è paese in Italia, doue gia maggior abbondantia di formenti, di carne, e di vini, e di frutti eccelenti di ogni forte.« Giovanni Botero: Della ragion di stato. Con tre libri Delle cause della grandezza della città, due Aggiunte e un Discorso sulla popolazione di Roma [Rom 1589], hrsg. v. Luigi Firpo, Turin 1948 (Classici politici, Bd. 2), S. 336. 57

329 | Anmerkungen

Luigi Firpo et al. (Hrsg.): Theatrum Sabaudiae (Teatro degli stati del Duca di Savoia) [Kommentierter und von Giuseppe Bocchino übersetzter Nachdruck der Ausgabe: Theatrum Statuum Regiae Celsitudinis Sabaudiae Ducis, Pedemontii Principis, Cypri Regis […], 2 Bde., Amsterdam 1682], 2 Bde., Turin 1984; im Folgenden abgekürzt: Theatrum Sabaudiae 1984 [1682].

58

59

Ibid., Bd. 1, Abb. 8–10.

60 Martha Pollak: Torino, da ›castrum‹ a capitale. Piante e studi urbanistici (1615–1673), in: Cesare de Seta und Jacques Le Goff (Hrsg.): La città e le mura, Rom u.Bari 1989, S. 227–244, hier: S. 228.

Martha Pollak: Turin 1564–1680. Urban Design, Military Culture, and the Creation of the Absolutist Capital, Chicago/London 1991.

61

62 Zur Idealstadt grundlegend Helen Rosenau: The Ideal City. Its Architectural Evolution in Europe [London 1959], London 1974; sowie Horst de la Croix: Military Architecture and the Radial City Plan in Sixteenth Century Italy, in: Art Bulletin 42/1960, S. 263–290. Vgl. weiterhin Georg Münter: Idealstädte. Ihre Geschichte vom 15.–17. Jahrhundert, Berlin 1957; Gerhard Eimer: Die Stadtplanung im schwedischen Ostseereich 1600–1715. Mit Beiträgen zur Geschichte der Idealstadt, Stockholm 1961; Hanno-Walter Kruft: Städte in Utopia. Die Idealstadt vom 15. bis zum 18. Jahrhundert, München 1989; Francesco Finotto: La città chiusa. Storia delle teorie urbanistiche dal Medioevo al Settecento, Venedig 1992; Barbara Uppenkamp: Idealstadt Wolfenbüttel, in: Hermann Hipp u. Ernst Seidl (Hrsg.): Architektur als politische Kultur. Philosophia practica, Berlin 1996, S. 115–129; Wolfgang Neuber: Sichtbare Unterwerfung. Zu den herrschaftsstrategischen Raumvorstellungen in frühneuzeitlichen Idealstadtentwürfen und Utopien, in: Cornelia Jöchner (Hrsg.): Politische Räume. Stadt und Land in der Frühneuzeit, Berlin 2008 (Hamburger Forschungen zur Kunstgeschichte. Studien, Theorien, Quellen, 2), S. 1–22. 63

Zum planerischen Begriff der ›Behälterstadt‹ vgl. Böhmer 1994.

Es handelt sich hierbei um Veduta di Torino con il Palazzo Reale, 1745, Öl auf Leinwand, 127 × 164 cm, Inv. 467 der Galleria Sabauda, Turin; sowie Il vecchio ponte sul Po a Torino, 1745, Öl auf Leinwand, 127 × 174 cm, Galleria Sabauda, Turin. Vgl. Bernardo Bellotto, 1722–1780 (hrsg. v. Bozena Anna Kowalczyk u. Monica da Cortà Fumei), Ausstellungskatalog Museum Correr Venedig, Museum of Fine Arts Houston, Tex., Mailand 2001, S. 132–134 (Kat.beitrag Edgar Peters Bowron, m. weiteren Lit.angaben). 64

Die Forschung unterscheidet insgesamt vier große Zeitabschnitte der Umnutzung und Entfestigung städtischer Fortifikationen, 1. vom Mittelalter bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts, wo es vor allem im ersten Drittel zu ersten regelrechten Entfestigungen kam; 2. von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts mit dem Ergebnis des Wallgrüns, 3. vom ersten Drittel des 19. Jahrhunderts bis zur Wende des 20. Jahrhunderts, wo es vor allem zu den Ringstraßen kam; 4. von 1900 bis 1920. Vgl. hierzu Bernatzky 1960.

65

Fernand Braudel: Die Geschichte der Zivilisation. 15. bis 18. Jahrhundert, München 1971, S. 607. Zur mittelalterlichen Stadt vgl. Carl Haase: Die mittelalterliche Stadt als Festung. Wehrpolitischmilitärische Einflussbedingungen im Werdegang der mittelalterlichen Stadt, in: Studium generale. Zeitschrift für die Einheit der Wissenschaften im Zusammenhang ihrer Begriffsbildungen und Forschungsmethoden 16/1963, H. 6, S. 379–390; in Bezug auf das Territorium Francesca Bocchi: La città e l’organizzazione del territorio in età medievale, in: Reinhard Elze u. Gina Fasoli (Hrsg.): La città in Italia e in Germania nel Medioevo. Cultura, istituzioni, vita religiosa, Bologna 1981, S. 51–80. 66

Christoph V. Albrecht: Geopolitik und Geschichtsphilosophie 1748–1798 (Diss., Univ. Bochum, 1994), Berlin 1998, S. 40. Zur Institution der sich herausbildenden ›Landesherrschaft‹ grundlegend Willoweit 1975. 67

330 | Anmerkungen

Gaston Zeller: L’Organisation défensive des Frontières du Nord et de L’Est au XVIIe siècle, Nancy et al. 1928, S. 123; zit. nach Albrecht 1998, S. 41.

68

Zur Entwicklung des Festungsbaues vgl. Glossarium Artis 7: Festungen. Der Wehrbau nach Einführung der Feuerwaffen, hrsg. v. Hellmut Pflüger, Philippe Truttmann, Quentin Hughes, München et al. 1990; zur Vaubanschen Grenzzone vgl. Christopher Duffy: Siege Warfare. Bd. 2: The Fortress in the Age of Vauban and Frederick the Great 1660–1789, London et al. 1985, S. 85–94; sowie Günther Stein: Festungen und befestigte Linien des 17. und 18. Jahrhunderts am Oberrhein, in: Volker Press, Eugen Reinhard und Hansmartin Schwarzmeier (Hrsg.): Barock am Oberrhein, Karlsruhe 1985 (Oberrheinische Studien, Bd. 6), S. 55–106, S. 70–84.

69

70

Zeller 1928.

Edith Ennen: Die Festungsstadt als Forschungsgegenstand – die Herausbildung der Festungs- und Garnisonsstadt als Stadttyp, in: Hans-Walter Herrmann u. Franz Irsigler (Hrsg.): Beiträge zur Geschichte der frühneuzeitlichen Garnisons- und Festungsstadt, Saarbrücken 1983, S. 19–40, S. 25.

71

72 Henry Guerlac: Vauban. The Impact of Science on War, in: Peter Paret (Hrsg.): Makers of Modern Strategy from Machiavelli to the Nuclear Age, Princeton, NJ 1994, S. 64–90, S. 73. 73 Zum Typus der Festungsstadt vgl. Eimer 1961; Herrmann u. Irsigler 1983; Heinz Schilling: Die Stadt in der Frühen Neuzeit, München 1993 (Enzyklopädie deutscher Geschichte, Bd. 24), S. 67; Amelio Fara: Il sistema e la città. Architettura fortificata dell’Europa moderna dai trattati alle realizzazioni 1464–1794, Genf 1989; sowie die zur Idealstadt aufgeführte Literatur (Anm. 62).

Vgl. hierzu Christopher Duffy: Fire and Stone. The Science of Fortress Warfare, 1660–1860 [Newton Abbot 1975], London/Mechanicsburg, PA, 2. Auflage 1996, S. 28.

74

75

Simmel 1992 [1908], S. 708.

Vgl. hierzu Marcus Sandl: Bauernland, Fürstenstaat, Altes Reich. Grundzüge einer Poetologie politischer Räume im 18. Jahrhundert, in: Cornelia Jöchner (Hrsg.): Politische Räume. Stadt und Land in der Frühneuzeit, Berlin 2003 (Hamburger Forschungen zur Kunstgeschichte: Studien, Theorien, Quellen, Bd. 2), S. 145–165. 76

77

Willoweit 1975, S. 275. Vgl. weiterhin: Köster 1992, Sp. 124.

78 Werner Köster: Die Rede über den »Raum«. Zur semantischen Karriere eines deutschen Konzepts, Heidelberg 2002 (Studien zur Wissenschafts- und Universitätsgeschichte, Bd. 1), S. 54. 79

Ibid., S. 54.

80 Zu den Unterschieden zwischen räumlicher Praxis, Repräsentation von Raum und dem Raum der Repräsentation vgl. Henri Lefebvre: Production de l’espace, Paris 1974.

Hinter der Fassade des absolutistischen Verwaltungsapparates, so bemerkt der Staatsrechtshistoriker Dietmar Willoweit, würden die alten Herrschaftsformen der hohen und niederen Gerichtsbarkeit, der Vogteien und lehnsrechtlichen Abhängigkeiten sichtbar: »Und wenden wir unsere Aufmerksamkeit schließlich den täglichen Problemen zu, die den Staatsrechtler des 18. Jahrhunderts beschäftigten, so stoßen wir auf eine unübersehbare Fülle von Prozessen, Händeln und auch gewalttätigen Auseinandersetzungen um die Ausübung territorialer Rechte oder die rechtliche Zuordnung der Landeshoheit selbst.« Willoweit 1975, S. 185. 81

331 | Anmerkungen

Wolfgang Kemp: Die Mauern und Tore von Nancy und Potsdam. Über Stadtgrenzen, vor allem im 17. und 18. Jahrhundert, in: Markus Bauer u. Thomas Rahn (Hrsg.): Die Grenze. Begriff und Inszenierung, Berlin 1997, S. 237–254, S. 241.

82

83

Vgl. Duffy 1996 [1975].

Vgl. hierzu Hans Delbrück: Geschichte der Kriegskunst im Rahmen der politischen Geschichte, 4. Teil: Neuzeit, mit einer Einleitung von Otto Haintz, Berlin 1962, S. 434, 440.

84

Im Festungsbau wurden drei Kategorien von Arbeit unterschieden: bezahlte Truppen, angestellte zivile Arbeiter, Zwangsarbeit. Vgl. Duffy 1996 [1975], S. 40. 85

86

Schilling 1993, S. 21–22.

87

Simmel 1992 [1908], S. 706.

88 Zum Begriff der Fürstenstadt vgl. Max Weber: Die Stadt. Begriff und Kategorien, in: Die Stadt des Mittelalters, Bd. 1: Begriff, Entstehung und Ausbreitung [1921, S. 621ff.], hrsg. v. Carl Haase, 3 Bde., Darmstadt 1969, S. 34–59.

Die nationalsozialistische Geschichtsschreibung interessierte sich für die Genese des politischen Gebildes Piemont-Savoyen, weil dieses durch die Alpen und die dort im frühen 18. Jahrhundert gezogene Grenze die Vorstellung eines ›natürlichen‹ Schutzwalles gegen Frankreich hergab; vgl. hierzu Leo Just: Das Haus Savoyen und der Aufstieg Italiens, Bonn 1940 (Kriegsvorträge der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Bd. 19).

89

90 Vgl. hierzu auch das vielfältige Kartenmaterial in: Atlas historique français. Le territoire de la France et de quelques pays voisins. Savoie, hrsg. v. Jean-Yves Mariotte u. André Perret, Paris 1979. 91 So heißt es im Theatrum Sabaudiae, die Hauptgründe für den Reichtum des Landes, bestehe in dessen Lage: »[…] consiste nella posizione della regione, che consente facile passaggio in Italia, e di questa opportunità si sono serviti molti imperatori, re e principi per condurvi le loro truppe; la seconda è la facilità e intensità dei commerci con le province più ricche d’Europa, per la contiguità con Italia, Francia e Svizzera […].« (Theatrum Sabaudiae 1984 [1682], Bd. 2, S. 144). Zur Landesgeschichte vgl. Romolo Quazzo: La formazione progressiva dello stato sabaudo, Turin 1936; Nino Valeri: L’Italia nell’età dei principati dal 1343 al 1516, Verona 1946 (Storia d’Italia, Bd. 5); Paolo Brezzi: Barbari, Feudatari, communi e signorie fino alla metà del secolo XVI, in: Dino Gribaudi (Hrsg.): Storia del Piemonte, Turin 1960, Bd. 1, S. 75–182. 92 Geoffrey Symcox: Victor Amadeus II. Absolutism in the Savoyard State 1675–1730, London 1983, S. 14. Mit den Alpen als topographischer Hürde zwischen den beiden Gebieten hielten sich die Savoyer, so der Historiograph Cesare Balbo im 19. Jahrhundert, rittlings wie auf einem Pferd (»que’ principi s’eran tenuti come a cavallo dell‘Alpi« (Cesare Balbo: Delle speranze d’Italia, Paris 1844, S. 81). 93

Ibid.

Chieri: Theatrum Sabaudiae 1984 [1682], Bd. 1, Tfl. 52; San Michele: ibid., Tfl. 46; Bard: ibid., Tfl. 27.

94

95

Theatrum Sabaudiae 1984 [1682], S. 183.

96

Pollak 1991, S. 30–34.

332 | Anmerkungen

Paul Guichonnet (Hrsg.): Histoire et Civilisations des Alpes, Bd. 1: Destins historiques, Toulouse/ Lausanne 1980, S. 266.

97

Paciotto wiederholte sie 1567 in derselben Form in Antwerpen. Sie wurde von Piero Cataneo in sein erstes Buch der Architettura (1567) aufgenommen, vgl. Simon Pepper: L’evoluzione dell’architettura militare negli stati italiani, in: Claudia Conforti u. Richard J. Tuttle (Hrsg.): Il secondo Cinquecento, Mailand 2001 (Storia dell’architettura italiana), S. 482–507; vgl. auch Pollak 1991, S. 16. 98

Die Möglichkeit, dass sich der Fürst notfalls gegen das eigene Volk verteidigen können muss, wird in der politischen Literatur der Frühen Neuzeit stets einkalkuliert, jedoch negativ beurteilt: »Der Tyrann aber muss, da ihm die Seinen ebenso Feinde sind wie die Fremden, seinen Staat nach beiden Seiten befestigen, gegen die Fremden und gegen die Seinen, und zwar so befestigen, dass er sich sowohl der Fremden als auch der Seinen gegen die Seinen als Unterstützung zu bedienen vermag.« Leon Battista Alberti: Zehn Bücher über die Baukunst, ins Deutsche übertragen, eingeleitet und mit Anmerkungen und Zeichnungen versehen durch Max Theuer [1912], Darmstadt 1991, S. 220. 99

Micaela Viglino Davico: Fortezze sulle alpi. Difese dei Savoia nella Valle Stura di Demonte, Cuneo 1989, S. 11–12.

100

Reinhard Knodt: Der Nomos der Erde – Eine Betrachtung zum Raumbegriff bei Carl Schmitt, in: Philosophisches Jahrbuch 21/1998, H. 2, S. 321–333, hier: S. 328.

101

102

Theatrum Sabaudiae 1984 [1682], Bd. 2, S. 145.

Josef W. Konvitz: Cartography in France 1660–1848. Science, Engineering, and Statecraft, Chicago u. London 1987, S. 32.

103

»The spatial qualities of the state, understood as a geometric entity with precisely demarcated boundaries, is integral to the notion of sovereignty and to international relations theory.« (Joseph A. Camilleri u. Jim Falk: The End of Sovereignty? The Politics of a Shrinking and Fragmenting World, London 1992, S. 238).

104

Vgl. hierzu auch Peter Sahlins: Boundaries. The Making of France and Spain in the Pyrenees, Berkeley/Los Angeles/Oxford 1989. Das konstitutive Merkmal der Hoheit umgeht Peter Seelmann: »… zu einer Bestendeigen rechten und heytern March gesetzt und benambset …«. Grenzen und Räume in Savoyen-Piemont, in: Martin Peters (Hrsg.), Grenzen des Friedens. Europäische Friedensräume und -orte der Vormoderne, Mainz 2010_07_15 (Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz, Beiheft online 4). URL: http://www.ieg-mainz.de/vieg-online-beihefte/042010html. URN: [letzter Zugriff: 22.11.2010].

105

Das Projekt entstand 1657, als die Erben des Amsterdamer Kartographen Joannes Blaeu das Theatrum civitatum et admirandorum Italiae […], Amsterdam 1663, erstellten. Die Darstellungen piemontesischer Städte trafen hierfür nicht rechtzeitig genug ein. Herzog Carlo Emanuele II. entschied sodann, einen eigenen Bildatlas produzieren zu lassen. 1672 verbrannten die bereits dafür erstellen Druckplatten bei Blaeu. Als Carlo Emanuele 1675 verstarb, wurde das Projekt von dessen Frau Giovanna Battista fortgesetzt. Das Druckwerk erschien schließlich mit Unterstützung des Nachfolgers Vittorio Amedeo II. Vgl. hierzu: Pollak 1991, S. 179–185.

106

107 Zur gedruckten Stadtdarstellung vgl. Wolfgang Behringer u. Bernd Roeck (Hrsg.): Das Bild der Stadt in der Neuzeit 1400–1800, München 1999.

Wenn Territorien dieser Zeit überhaupt derart flächendeckend druckgraphisch dokumentiert wurden, so beschränkte sich die bildliche Darstellung auf eine schematische Vogelperspektive der Städte, die einzelne Monumente nur äußerst selten einbezieht, vgl. hierzu: Novum ac magnum thea-

108

333 | Anmerkungen

trum urbium Belgicae […], 2 Teile, Amsterdam [ca. 1649]. So der Vorgänger des Theatrum Sabaudiae, das Theatrum civitatum et admirandorum Italiae […], Amsterdam 1663. 109 Richard Pommer: Eighteenth-Century Architecture in Piedmont. The Open Structures of Juvarra, Alfieri, and Vittone, New York/London 1967, S. 12.

Zu den Grundsätzen von »human territoriality« vgl. Robert David Sack: Human Territoriality. Its Theory and History, Cambridge u. a. 1986 (Cambridge Studies in Historical Geography, Bd. 7), S. 32.

110

111

Simmel 1992 [1908], S. 688.

112 Giulio Carlo Argan: Das Europa der Hauptstädte 1600–1700, Genf 1964, S. 35. Vgl. auch Marino Berengo: La capitale nell’Europa d’antico regime, in: Cesare da Seta (Hrsg.): La città capitali, Rom/Bari 1985, S. 3–15, S. 4: »[…] Torino assume a poco a poco il volto di una capitale, alternative per la dinastica alla savoiarda Chambéry.« Vor allem aufgegriffen durch Pollak 1991; auch Vera Comoli Mandracci: Torino, Rom/Bari 1983 (Le città nella storia d’Italia), passim.

Zu diesem Begriff vgl. Bernhard Klein: Die physiokratische Verlandschaftung der Stadt um 1800. Städtebau und Stadtauflösung in der Realität von Freiburg i. B. sowie in der Utopie des französischen Revolutionsarchitekten Ledoux (Diss., ETH Zürich, 1991), München 1993.

113

114 Der hier vorgeschlagene Begriff schließt an die Definition de Certeaus an, wonach der Ort – im Unterschied zu substantialistischen Auffassungen – auf der Ebene der Ordnung angesiedelt ist: »Hier gilt das Gesetz des ›Eigenen‹: die einen Elemente werden neben den anderen gesehen, jedes befindet sich in einem ›eigenen‹ und abgetrennten Bereich, den es definiert. Ein Ort ist also eine momentane Konstellation von festen Punkten.« Michel de Certeau: Kunst des Handelns, Berlin 1988 [frz. Original: Paris 1980], S. 218; für eine Philosophiegeschichte des Orts vgl. Edward Casey: Getting back into place. Toward a renewed understanding of the place-world, Bloomington et al., 2. Auflage 2009. 115 Juvarra hatte im Auftrag von Papst Clemens XI. die Gesamtsituation des Kapitols rekonstruiert. Diese großformatige Zeichnung, die 1709 als Geschenk für den dänischen König Friedrich IV. gehen sollte, ist heute leider verloren. Erhalten sind jedoch zwanzig kleinere Blätter, die sich dem Campidoglio widmen, vgl. John Pinto: Filippo Juvarra’s Drawings Depicting the Capitoline Hill, in: The Art Bulletin 62/1980, S. 598–616. Elisabeth Kieven sieht hier den Zeichenstil eines den Entwurfsvorgang aktivierenden Architekten. Von Bernini bis Piranesi. Römische Architekturzeichnungen des Barock (hrsg. v. Elisabeth Kieven), Ausstellungskatalog, Graphische Sammlung Staatsgalerie Stuttgart 1993, S. 189. Vgl. Filippo Juvarra. Architetto e scenografo (hrsg. v. Vittorio Viale), Ausstellungskatalog Universität Messina, Turin 1966, S. 49–50. 116

Zu den Einzelheiten des Krieges und der Friedensverhandlungen Symcox 1983.

117 Nur eine der neun Quellen, die Rondolino aufführt, behandelt das voto. Die Quelle muss jedoch bereits in der Zeit entstanden sein, als das neue Kirchengebäude bereits existierte, da dieses hier beschrieben wird: »Il Duca, ed il Principe Eugenio usciti da Carmagnola il 10 settembre con buona scorta si portarono per Chieri sulla cima della montagna a Superga (ove il Duca per voto ha fatto poi ergere quel gran santuario che ora si vede) da dove esaminarono la situazione del campo nemico e la forza delle loro trinciere al di fuori con le quali volevano differendere il loro campo […]«; vgl. Ferdinando Rondolino: Vita Torinese durante l’assedio (1703–1707), Turin 1907 (Le campagne di guerra in Piemonte 1703–1708 e l’assedio di Torino 1706. Studi – documenti – illustrazioni, Bd. 7, Parte terza: Miscellanea), S. 388–390. 118 Mit kritischem Bezug zur wundersamen Begebenheit vgl. Rondolino, S. 391; Augusto Telluccini: La real chiesa di Soperga. Ricerche storiche e documenti inediti, in: Miscellanea di Storia Italiana, 3/15,

334 | Anmerkungen

1912, S. 15–150, S. 31–32; Nino Carboneri: La reale chiesa di Superga di Filippo Juvarra 1715–1731, Turin 1979 (Corpus juvarrianum, Bd. 4), S. 7; Sabine Felder: Spätbarocke Altarreliefs. Die Bildwerke in Filippo Juvarras Superga bei Turin (Diss., Univ. Zürich, 1998), Emsdetten u. Berlin 2001, S. 151–152; Elisabeth Wünsche-Werdehausen: Turin 1713–1730. Die Kunstpolitik König Vittorio Amedeos II., Petersberg 2009, S. 62; das Eintreten Juvarras als maßgebliches Datum bei Gianfranco Gritella: Juvarra. L’architettura, 2 Bde., Modena 1992, Bd. 1, S. 212–265, S. 212. 119 VIRGINI . GENITRICI / VICTORIVS. AMEDEVS . SARDINIAE . REX / BELLO . GALLICO . VOVIT / PVLSIS . HOSTIBUS . EXTRUXIT . DEDICAVITQVE.

Rondolino 1907, S. 388, mit Verweis auf die Geschichte der Superga bei F. Pastore: Storia della Real Basilica di Soperga, Turin, 5. Auflage 1828; sowie V. J. Lucat: La Royale Basilique de Superga, ses monumens et ses environs, Turin 1851. 120

121 Abgesehen von einem unmittelbar zeitgenössischen Beleg rühren Zweifel in Bezug auf die Echtheit eines Gelübdes an diesem Ort vor allem daher, dass der Baubeginn der Superga erst 1717, also vier Jahre nach Kriegsende erfolgte. Die Forschung hat als einzigen Anhaltspunkt einen Brief des herzoglichen Beichtvaters Sebastiano Valfré an Vittorio Amedeo II., der zwar bereits 1707, also ein Jahr nach dem savoyischen Sieg, die Idee eines Kirchenbaues erörterte, den Ort jedoch völlig offen ließ und nur allgemein von einer der Jungfrau Maria gewidmeten Dankeskirche spricht: »Ho fatto qualche riflesso sopra qua diuotione si potrebbe praticare in ringratiamento di tanti beneficii da Dio riceuuti per intercessione di Ma Ve et hò creduto, che sarebbe bene solennizare fra le sue feste le tre seguenti, cioe: la festa della Natiutità per essersi leuato l’assedio della città nella vigilia, gratia, che si puo dire un gruppo di gratie. La festa dell’Imacolata Concettione per i motiui noti a V. A. R. jauendo tal festa, messa et officio proprio concessco da chiesa santa. Ad honor della Vergine potrebbe dedicare la chiesa, che farà nella Cittadella, ò a Superga, ò in altro lugo, dedianco l’Altar Maggiore all’Immacolata Concettione di M. V. e gli altri due Altari alli altri due misteri.« Zit. nach Rondolino 1907, S. 393; vgl. auch Augusta Lange: I progetti dell’architetto Antonio Bertola per la chiesa di Superga, in: Bollettino della Società Piemontesi di Archeologia e Belle Arti, 16/17/1962/63, S. 104–120. Vgl. auch Carboneri 1979, S. 7; sowie Gertraude Eva Maria Huber, Die Basilica di Superga bei Turin. Untersuchungen zu Filippo Juvarras Sakralarchitektur (Diss.), Wien 1968, S. 15–16. 122

Rondolino 1907, S. 391; vgl. auch Anm. 452 dieser Studie.

Hierfür spricht auch, dass die Inschrift auf dem Grundstein lediglich die Dedikation der Kirche an die Muttergottes erwähnt: SERVATORIS . MATRI . TAVRINORVM . SERVATRICI . VICTORIVS . AMED. REX . SICILAE . HIERVSALEM . ET . CYPRI . A FVNDAMENTIS . EXCITABAT . DIE . 20. JULII . 1717.

123

Keysler in seinem aus dem Dezember 1729 stammenden Bericht merkt an, dass der Ausbau der Schlösser in Rivoli und Venaria Reale stagnierten, da der König alles Geld für die Superga verwende: »Die Haupt=Ursache, warum der Schloß=Bau in Ruhe liegen bleibt, mag wol die Kirche Superga seyn, welche der König als ein Gelübde von der Zeit der letzten Belagerung gerne vor andern zu Stande bringen will. Es liegt solche auf dem höchsten Berge in der ganzen Gegend von Turin, war also der Ort sehr bequem, dass der König von daraus die Franzuösische Armee und die feindliche Tetranchements in Augenschein nahm. « [Joh. Georg Keyslers:] Neueste Reise durch Teutschland, Böhmen, Ungarn, die Schweitz, Italien und Lothringen […], Hannover 1740, S. 274.

124

125 »Ma perché il tempo mi manca, passiamo delle Valli, a quel Monte, in cui la grandezza d’un solo Dono, supera la magnificenza di molti insieme. Qui se il voto del re VITTORIO dissegnò una Chiesa, che fosse alla gran Madre di Dio abitazion di piacere, la sua devozione vi fabbricò una Regia di Maraviglie, che può essere abitazione di Gloria. Emulò VITTORIO in quest’Òpera sola, trionfo della Pietà le più bell’opere de’Cesari, Trionfi dell’ambizione. Oh quanto d’ammirazione Uditori in questo guardo! Ma se il più è quello, che non si vede. Non bastò a VITTORIO l’aver fabbricata una sì gran mole,

335 | Anmerkungen

che fosse l’invidia de’secoli passati, e lo stupore de’secoli avvenire, per consacrarla a Maria, Vi destinò Sacerdoti con tal provvidenza, che il Tempio risuonasse continuamente le Divine Lodi, ed il Popoli circonvicini avessero ad ogni tempo coltivamento di gran salute. Oh Tempio! Oh Voto!« Zit. nach Wünsche-Werdehausen 2009 (wie Anm. 118), Anm. 553. 126 Vgl. die knappe Formulierung »qua diuotione« im Brief des Beichtvaters; sowie S. 174–184 dieser Studie. 127 Zu dieser Feststellung gelangt auch Sabine Felder, die hierfür vor allem auf die Gründung der Kirche S. Maria in Campitelli in Rom durch Papst Alexander VII. sowie die Kapelle S. Gennaro im Dom von Neapel hinweist, vgl. Felder 2001, S. 153.

Wegen der Lage am Rande eines Gebirges wird Turin von Paul Zucker als »Randstadt« bezeichnet – ähnlich wie Basel, München, Verona oder Brescia, Städte, die ebenfalls durch ausströmende Passstraßen bedingt sind Zucker 1986 [1929], S. 59.

128

Tomásˇ Valena: Stadt und Topographie. Die europäische Stadt im topographischen Kontext unter besonderer Berücksichtigung der bayerischen Stadt, Berlin 1990, S. 19.

129

130

Ibid.

131

Vgl. hierzu die dargestellten Städte im Theatrum Sabaudiae 1984 [1682].

Valena 1990, S. 19. Solche Städte sind die von Zucker genannten »Haufenstädte«, in Italien etwa Orvieto, Perugia, Assisi, Siena, Chieti, S. Gimignano, Monreale; vgl. Zucker 1986 [1929], S. 55. 132

133

Siehe Zucker 1986 [1929], S. 67.

134 Zum Begriff der ›Residenzlandschaft‹ vgl. Ennen 1983; sowie Karl-Heinz Ahrens: Herrschaftsvorort – Residenz – Hauptstadt. Zentren der Herrschaftsausübung im Spätmittelalter und früher Neuzeit. Phänomene und Begrifflichkeit, in: Forschungs- und Landesbibliothek Schloss Friedensstein (Hrsg.): Residenzstädte und ihre Bedeutung im Territorialstaat des 17. und 18. Jahrhunderts, Gotha 1991 (Veröffentlichungen der Forschungs- und Landesbibliothek Gotha, 29), S. 43–54. 135 Dies ist für die spätbarocke Architektur und Urbanistik nicht singulär, zu verweisen ist beispielsweise auf die Spanische Treppe in Rom. Vgl. Harald Keller (Hrsg.): Die Kunst des 18. Jahrhunderts, Berlin 1990 (Propyläen Kunstgeschichte, Bd. 10), S. 49. 136

So lautet die Überschrift eines der beiden Hauptkapitel des Buches von Zucker 1986 [1929].

Die Typik einer individuellen Landschaft fasst Bernhard Waldenfels mit dem Begriff des »verdichteten Raumes«, »der Gestalten, Dinge und Personen einander zuordnet in der Einheit einer Physiognomie, der Einheit eines Stils, eines Kräftefeldes oder einer Essenz.« Bernhard Waldenfels: In den Netzen der Lebenswelt, Frankfurt a. M. 1985, S. 185.

137

Dem entspricht, dass im Theatrum Sabaudiae der Große und Kleine St. Bernhard zwar beschrieben, jedoch nicht bildlich dargestellt werden (Theatrum Sabaudiae 1984 [1682], Bd. 2, S. 190–192.

138

139

Konvitz 1987, S. 82–102.

140 Vgl. hierzu Reinhard Knodt: Die Technik und der Raum. Eine Philosophie zur Politik des humanen Fortschritts, in: Nürnberger Blätter. Zeitung für Philosophie und Literatur, 3/1987, H. 5, S. 1 u. 6, 10.

336 | Anmerkungen

141 Die Angaben nach Leonardo Benevolo: Fixierte Unendlichkeit. Die Erfindung der Perspektive in der Architektur, Frankfurt a. M./New York 1993, Tfl. XI. 142

Ibid., S. 63.

143 Auf der Basis von Benevolo argumentiert beispielsweise Vera Comoli Mandracci, die erstmals einen neuartigen Umgang Juvarras mit dem Territorium feststellte, vgl. Vera Comoli Mandracci: La dimensione urbanistica di Juvarra per l’idea delle città-capitali, in: Vera Comoli Mandracchi u. Andreina Griseri (Hrsg.): Filippo Juvarra architetto delle capitali. Da Torino a Madrid 1714–1736, Turin 1995, S. 43–67. Schon Nino Carboneri hatte das Kirchengebäude einen »polo esterno della città« genannt, vgl. Carboneri 1979, S. 7. 144

Linfert 1931, S. 141 (mit grundlegender Literatur zum Thema des gebauten Raumes).

145

Hildebrand 1913 [1893], S. 93.

146

Sörgel 1998 [1921], S. 212.

Geplant und ausgeführt wurde die Straße als Allee bereits vor dem Eintreffen Juvarras in Turin durch den Architekten Michelangelo Garove, der bis seinem Tod 1713 für alle königlichen Projekte zuständig war. Zur Erforschung der Straße Giovanni Fantino: La strada reale di Rivoli nell’ampiamento occidentale di Torino, in: Cronache Economiche, 9–10/1976, S. 3–14. Fortgeführt durch Vera Comoli Mandracci: La proiezione del potere nella costruzione del territorio, in: Andreina Griseri u. Giovanni Romano (Hrsg.): Filippo Juvarra a Torino. Nuovi progetti per la città, Turin 1989, S. 53–74 (Arte in Piemonte, Bd. 4), S. 60–61, wie bei Fantino, der Plan der Straße). Vgl. id.: Le fortificazioni del Duca e i mulini della Città, in: Giuseppe Bracco (Hrsg.): Acque, ruote e mulini a Torino, 2 Bde., Turin 1988, Bd. 1, S. 195–240. 147

148

Vgl. Comoli Mandracci 1989, S. 60–61.

149

Keysler 1740, S. 225–226.

150

Ibid., S. 227.

151 Zu den Modalitäten des phänomenologischen Anschauungsraumes grundlegend Ströker 1965; vgl. dazu die wissenschaftskritische Beurteilung von Alexander Gosztonyi: Der Raum. Geschichte seiner Probleme in Philosophie und Wissenschaften, 2 Bde., Freiburg/München 1976, Bd. 2, S. 938–939. 152

Vgl. hierzu auch Fantino 1976.

153

Rudolf Wittkower: Art and Architecture in Italy 1600 to 1750, London 1958, S. 279.

Ibid., S. 255–256. Vgl. auch Nikolai Nikolajewitsch Baranow: Die Silhouette der Stadt. Städtebau und Denkmalpflege, Berlin 1985.

154

155 Rebekka Ladewig: Richtungen in Bewegung. Überlegungen zu einem vernachlässigten Begriff, in: Wolkenkuckucksheim. Internationale Zeitschrift für Theorie und Praxis der Architektur, 9/2004, H. 1. Online im Internet, auf: www.tu-cottbus.de/BTU/Fak2/TheoArch/wolke/deu/Themen/ 041/Ladewig/ladewig.htm, S. 1–11 [Stand: 2.12.2004]. 156 Hierzu Lenelis Kruse: Räumliche Umwelt. Die Phänomenologie des räumlichen Verhaltens als Beitrag zu einer psychologischen Umwelttheorie, Berlin/New York 1974, S. 117, sowie Carl Friedrich Graumann: Grundlagen einer Phänomenologie und Psychologie der Perspektivität, Berlin 1960.

337 | Anmerkungen

157 Cornelis Anthonie van Peursen, L’horizon, in: Situation I, Utrecht 1954, S. 204–234, hier: S. 208; zitiert nach Bollnow 1994, S. 76. 158

Schmarsow 1894, S. 16.

159

Sörgel 1998 [1921], S. 218.

160 Diese Verkehrsverbindung bestand seit der römischen Antike, reaktiviert mit dem Bau der Zitadelle in Turin (1564). Für die Strada di Rivoli wurde nach Fantino der alte Verlauf aufgegeben, vgl. Fantino 1976, S. 3. 161 »Raumbild« ist ein Schlüsselbegriff des Raumdiskurses in den 1920er und 1930er Jahren. Köster 2002 behandelt ihn nicht. Angesprochen wird damit der in dieser Zeit erstmals erkannte Bezug zwischen Handeln und Raum, beispielsweise bei Carl Schmitt: »Jedesmal wenn durch einen neuen Vorstoß geschichtlicher Kräfte, durch eine Entfesselung neuer Energien, neue Länder und Meere in den Gesichtskreis des menschlichen Gesamtbewußtseins eintreten, ändern sich auch Räume geschichtlicher Existenz. […] Aber schon mit jeder großen geschichtlichen Veränderung ist meistens ein Wandel des Raumbildes verbunden.« Carl Schmitt: Land und Meer. Eine weltgeschichtliche Betrachtung [Leipzig 1942], Köln-Lövenich 1981, S. 56–57; vgl. hierzu Knodt 1998. Siehe etwa auch Siegfried Kracauer: »Jeder typische Raum wird durch typische gesellschaftliche Verhältnisse zustande gebracht, die sich ohne die störende Dazwischenkunft des Bewußtseins in ihm ausdrücken. Alles vom Bewußtsein Verleugnete, alles, was sonst geflissentlich übersehen wird, ist an seinem Aufbau beteiligt. Die Raumbilder sind die Träume der Gesellschaft. Wo immer die Hieroglyphe irgendeines Raumbildes entziffert ist, dort bietet sich der Grund der sozialen Wirklichkeit dar.« Vgl.: Siegfried Kracauer: Aufsätze 1927– 1931, Frankfurt a. M. 1990 (Siegfried Kracauer Schriften, hrsg. v. Inka Mülder-Bach, Bd. 5.2), S. 186. Der Begriff ging teilweise auch in die kunstgeschichtliche Forschungsliteratur ein, gemeint ist hier in etwa das, was Hubala unter »Raumgestalt« versteht (vgl. S. 82–88 dieser Studie); vgl. Wolfgang Lotz: Die ovalen Kirchenräume des Cinquecento, in: Römisches Jahrbuch für Kunstgeschichte 7/1955, S. 7–99, signifikant S. 48: »Alle Einzelformen dienen hier der Verdeutlichung und Hervorhebung des eigentlichen Raumbildes, eben des Ovals, das mehr ist als die Summe der Glieder.«.

Zu den vorherigen Straßensystemen um Turin vgl. Fantino 1976, S. 3–4; zum Ausbleiben einer direkten Verbindung zur Superga bis in das Jahr 1755, als eine kleine Pilgerstraße errichtet wurde, der jedoch die Merkmale einer Verbindung zur Wallfahrtskirche – etwa Unterkünfte für Pilger – vollständig fehlten, vgl. Carboneri 1979, S. 3; anders argumentiert Wünsche-Werdehausen 2009, Anm. 180.

162

Vgl. zuletzt Luigi Zanzi u. Paolo Zanzi (Hrsg.): Atlante dei sacri monti prealpini, Mailand 2002; sowie Enrico Massone: Sacri monti in Piemonte. Itinerari nelle aree protette di Belmonte, Crea, Domodossola, Griffa, Orta, Varallo, Turin 1994; Santino Langé u. Alberto Pensa: Il sacro monte. Esperienza del reale e spazio virtuale nell’iconografia della passione a Varallo, Mailand 1991; Katja Burzer: »Non potest civitas abscondi supra montem posita«. Die geplante Inszenierung Carlo Borromeos auf dem Sacro Monte in Arona (im Druck).

163

Alberti 1991 [1912], S. 199–202, hier: S. 200. Zur Typologie krummer und gerader Straßen, vor allem innerhalb der Stadt Georg Germann: Krumme Straßen. Städtebautheorie der Frühneuzeit, in: Zeitschrift für Stadtgeschichte, Stadtsoziologie und Denkmalpflege 3/1976, S. 10–25. Vgl. dazu für Turin und Italien Martha Pollak: Architecture of Power and Dynastic Edification. Turin’s Contrada di Po as Theatre and Stradone, in: Henry A. Millon und Susan Scott Munshower (Hrsg.): An Architectural Progress in the Renaissance and Baroque. Sojourns In and Out of Italy. Essays in Architectural Historiy Presented to Hellmut Hager on his Sixty-sixth Birthday, University Park, PA 1992, Bd. 2, S. 478–487 (mit weiteren Beispielen für innerstädtische axiale Straßen in Italien: Brescia (1550–1554); die von den Farnese finanzierte stradone in Piacenza (1560) und die Strada Farnese in Parma, die Strada Nuova in Genua (1549) sowie die berühmte Planung von Sixtus V. für Rom (1585). 164

338 | Anmerkungen

»Und wie in den Städten die schönen Bauten der Straße Schönheit verleihen, so werden sie außerhalb der Stadtmauern mit Bäumen geschmückt, die, wenn man sie auf der einen wie auf der anderen Seite der Straße pflanzt, mit ihrem Grün unsere Seele erfreuen und mit ihrem Schatten größte Annehmlichkeit bewirken.« Andrea Palladio: Die vier Bücher zur Architektur [Venedig 1570], aus dem Italienischen übertragen u. hrsg. v. Andreas Beyer u. Ulrich Schütte, Darmstadt, 4. Auflage 1995, S. 209. 165

166

Siehe Fantino 1976, S. 7.

167 Zu den Fernverbindungen über die Alpen Emanuele Kanceff: La strada di Francia. La route de l’Italie, Chambéry 1990 (Cahiers de civilisation alpine/Quaderni di civiltà alpina, Bd. 10). 168 Der auf das Leibsubjekt bezogene Umweltraum wird hier nach Oskar Becker als »orientierter Raum« verstanden, Becker 1923. 169

Fantino 1976, S. 8.

Der phänomenologische Begriff des Wahrnehmungsraumes besagt, dass die Informationsaufnahme nur durch Bildung von Einheiten erfolgt. Dabei zählen zunächst die Wahrnehmungseigenschaften wie Form, Farbe, Größe oder Textur, nicht z. B. der Ausdruck. Wenn der Raum zum Gegenstand ästhetischer Betrachtung wird, spricht die Umweltpsychologie von einem eigenständigen Wahrnehmungsraum, vgl. hierzu Kruse 1974, S. 111.

170

171

Zur phänomenologischen Bedeutung von Drinnen und Draußen vgl. Waldenfels 1999, S. 204.

172

Der Begriff des »Wirkungsbezugsraums« nach Breuer 1983.

Dieses in drei Teilen erhaltene Projekt sah ein Trappistenkloster mit einer einfachen und kleinen, ovalen Kirche in der Nähe einer Kalksteinbruches auf dem Supergahügel vor – ein Ort, der vom Herzog und dem Architekten Antonio Bertola schon vor 1710 ausgesucht worden war, dessen Bebauung dann aber von Juvarra nicht weiter verfolgt wurde; vgl. Lange 1962/63, S. 104–120.

173

174

Fantino 1976, S. 3–14.

175 Vgl. Benevolo 1993, S. 64. Diese Karte findet auch Verwendung bei Comoli-Mandracci 1989, S. 65, jedoch ohne die Darstellung des Bezugs zur südöstlichen Seite der Stadt. Die Ausrichtung der Fassade auf diese Seite der Stadt bestätigt Wünsche-Werdehausen 2009, S. 67, ohne dies zu interpretieren. 176 Vgl. Von Bernini bis Piranesi. Römische Architekturzeichnungen des Barock (hrsg. v. Elisabeth Kieven), Ausstellungskatalog, Graphische Sammlung Staatsgalerie Stuttgart 1993; sowie Mercedes Viale Ferrero: Filippo Juvarra. Scenografo e architetto teatrale, Turin 1970. 177

Bernhard Waldenfels: Gänge durch die Landschaft, in: id. 1985, S. 179–193, S. 185.

178

Sörgel 1998 [1921], S. 221.

179

Ströker 1965.

180 Den Begriff vom Fernbild formuliert Adolf von Hildebrand in seiner Theorie des künstlerischen Sehens. Ein Fernbild entsteht, wenn man von einem Objekt einen zusammenfassenden Eindruck empfängt, so dass alle Punkte des Objekts gleich scharf gesehen werden (Hildebrand 1913 [1893]. Der Zusammenhang dieser Theorie des Sehens mit dem Raum bei Forty 2000, S. 260; sowie Cornelis

339 | Anmerkungen

van de Ven: Space in Architecture. The Evolution of a New Idea in the Theory and History of the modern Movements, Assen (Maastrich), Wolfeboro (New Hampshire), 3. Auflage 1987, S. 84. 181 Rudolf Wittkower: Superga bei Turin, in: Die Kunst des 18. Jahrhunderts, hrsg. v. Harald Keller, Berlin 1990 (Propyläen Kunstgeschichte, Bd. 10), S. 148. 182 Beim Begriff des »optischen Maßstabes« geht Brinckmann auf die Lehre von H. Maertens zurück, wonach Architektur am günstigsten in einem Augenaufschlagswinkel von 27 Grad wahrgenommen wird, macht daraus jedoch eine Idee des künstlerischen Gestaltens im Stadtraum; siehe Brinckmann 1920 (wie Anm. 20), S. 90–103. 183 Über das Kloster schreibt Brinckmann: »Hier erhält er [Juvarra] das Mittel, in der Geschoßteilung dem Auge und unserem Gefühl einen bekannten optischen Maßstab zu geben, mit dem der Monumentalbau, seine gewaltigen Architekturglieder aufgemessen werden können. Sechs Geschosse, darunter einige sehr hohe (Doppelgeschosse), – und doch ist erst die Höhe des Kuppelunterbaus erreicht.« Ibid., S. 91–92. 184

Ibid., S. 91.

Albert Erich Brinckmann: Die Baukunst des 17. und 18. Jahrhunderts, Bd. 1: Baukunst des 17. und 18. Jahrhunderts in den romanischen Ländern, München, 5. Aufl. 1919, S. 118.

185

186 Erich Hubala: Renaissance und Barock, hrsg. v. Harald Busch, Frankfurt a. M. 1968 (Epochen der Architektur), S. 79. 187 Zuletzt Giuseppe Dardanello, der zu dem entgegengesetzten Schluss wie Brinckmann kommt: »[…] i volumi sono rilevati in altezza e distanziati per essere identificati e visti da lontano nel loro carattere simbolico esemplare.« Id., in: Storia dell’architettura italiana. Il Settecento (hrsg. v. Giovanna Curcio u. Elisabeth Kieven), Mailand 2000 (Storia dell’architettura italiana), S. 385; noch deutlicher vgl. Id.: »For its symbolic function as a celebratory monument within the territory, the pictorial view from afar was privileged over a sculptural one from close-up.« Guiseppe Dardanello, The Royal Church of Superga, in: The Triumph of the Baroque. Architecture in Europa 1600–1750 (hrsg. v. Henry A. Millon), Ausstellungskatalog Stupinigi, Museo dell’Arredamento; Montréal, Musée des Beaux-Arts; Washington, DC, National Gallery of Art; Marseille, Musée des Beaux-Arts, Mailand 1999, S. 571.

In knapper Form benannt von Comoli Mandracci 1989. Der Bau der Superga, so Comoli Mandracci, sei keine zwangsläufige Folge des voto. Indem die Achse Rivoli – Turin für den Bau der Superga auf dem Kamm des Hügels genutzt wurde, zeige dies die Entscheidung für eine dauerhafte Beziehung zum regionalen Maßstab, vgl. ibid., S. 69. Vgl. dazu weiter Benevolo 1993, S. 62–64, bes. Tf. XI; sowie Andreina Griseri, Un impegno dinastico. Juvarra e la cappella sotterranea della basilica di Superga, in: Paragone 45/1994, Nr. 47–48, S. 81–94. Benevolo wie Comoli Mandracci übergehen allerdings das für die Konstitution des Territoriums wichtige Faktum, dass die Achse Rivoli – Superga die Stadt als Tangente nur streifte und damit eine Beziehung zur Stadt aufgebaut wurde, in der diese keine aktive Rolle spielen konnte: sie blieb an diese Achse »angehängt«. 188

Dies lösen auch nicht die wenigen wahrnehmungsbezogenen Beobachtungen Dardanellos zur Gestalt der Superga ein, der architektonisch auf die Erkennbarkeit klar unterscheidbarer Teile abhebt, in Bezug auf den Außenraum aber bildmäßig argumentiert, Dardanello 1999. 189

190

Wünsche-Werdehausen 2009, S. 61–100.

Ulrich Fürst: Die lebendige und sichtbahre Histori. Programmatische Themen in der Sakralarchitektur des Barock (Fischer von Erlach, Hildebrandt, Santini), Regensburg 2002 (Studien zur christlichen Kunst, Bd. 4), S. 12.

191

340 | Anmerkungen

Zu Vierzehnheiligen vgl. Peter Ruderich: Die Wallfahrtskirche Maria Himmelfahrt zu Vierzehnheiligen. Eine Baumonographie, Bamberg 2000.

192

193 Die Superga sei ein »brilliant epitome of current ideas« schreibt Wittkower 1958, S. 279; ähnlich die Bezeichnung, sie zeuge von einem »eclectic apetite« bei Gil R. Smith: Architectural Diplomacy. Rome and Paris in the Late Baroque, Cambridge, MA u. London 1993, S. 73. 194 Das heißt jedoch nicht, dass nicht auch die Architektur über plastische Werte verfügt. Als grundsätzliche mediale Prämisse wird die doppelte Raumbildung der Architektur zuerst begründet bei Sörgel 1998 [1921], S. 212, der dies – sicher unter dem Eindruck des Neobarock – als »Konkavität von innen und außen« bezeichnet. Praktisch zeitgleich postuliert von Schumacher 1991 [1926].

Vgl. hierzu die Auseinandersetzung Boudons mit der Definition von Architektur als Innenraum, wie sie Foçillon und Zevi vorgeben, Philippe Boudon: Der architektonische Raum. Über das Verhältnis von Bauen und Erkennen [1971], Basel, Berlin u. Boston 1991, S. 26–31.

195

Wolfgang Büchel: Architektur-Präsenz. Die Prinzipien architektonischer Wirklichkeit, Niederkassel, Bonn 2001, S. 181.

196

197 Hierzu klärt die Systemtheorie: »Architektur ist Formbildung im Medium der Abschirmungen, wobei die Abschirmung immer zweifach zu denken ist: als Schließung und als Öffnung.« Dirk Baecker: Die Dekonstruktion der Schachtel. Innen und Außen in der Architektur, in: Niklas Luhmann (Hrsg.): Unbeobachtbare Welt. Über Kunst und Architektur, Bielefeld 1990, S. 67–104, hier: S. 95.

Fritz Neumeyer: Die öffentliche Seite der Architektur. Wände mit städtischem Bewusstsein, in: Bayerische Akademie der Schönen Künste (Hrsg.): Jahrbuch 11/1997, München 1998, S. 133–156, hier: S. 136.

198

199

Schumacher 1991 [1926], S. 36.

200

Ibid.

201

Ibid., S. 35.

202 Werner Groß: Zur Bedeutung des Räumlichen in der mittelalterlichen Architektur, in: Beiträge zur Kunst des Mittelalters. Vorträge der Ersten Deutschen Kunsthistorikertagung auf Schloß Brühl 1948, Berlin 1950, S. 84–88, hier: S. 85.

Vgl. hierzu Wilhelm Messerer: Sakralbauten, in: Stefan Koja, Christoph Tinze u. Anselm Wagner (Hrsg.): Vom Anschaulichen ausgehen. Schriften zu Grundfragen der Kunstgeschichte, Wien et al. 1992, S. 253–289, S. 257–261.

203

204 Zu den unterschiedlichen Qualitäten, welche die Architektur im Verhältnis von Innen und Außen prägt, vgl. Robert Venturi: Komplexität und Widerspruch in der Architektur [1966], hrsg. v. Heinrich Klotz, Braunschweig 1993. Vgl. auch Wolfgang Kemp: Architektur analysieren. Eine Einführung in acht Kapiteln, München 2009, S. 235–238. 205 Zum Begriff der Schauseite vgl. Hans Sedlmayr: Die Schauseite der Karlskirche in Wien, in: id.: Epochen und Werke. Gesammelte Schriften zur Kunstgeschichte, Wien, München 1960, Bd. 2, S. 174–187.

Vgl. Sebastiano Serlio: I sette libri dell’architettura, Libri I – IV [Venedig 1584], Sala Bolognese 1978, Buch 3, S. 91; sowie Palladio 1995 [1570], S. 147–149. Die entscheidenden Forschungsgrund-

206

341 | Anmerkungen

lagen lieferte Wolfgang Herrmann: Der hochbarocke Klosterbautypus (Diss.), Leipzig 1928; darauf aufbauend Christine Ressmann: Das Benediktinerstift Göttweig und seine Voraussetzungen in der Klosterbaukunst des 17. und 18. Jahrhunderts, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktiner-Ordens und seiner Zweige 90/1979, H. 3–4, S. 214-314. 207 Zur Geschichte des Escorial vgl. George Kubler: Building the Escorial, Princeton 1982; sowie Catherine Wilkinson-Zerner: Juan de Herrera. Architect to Philip II of Spain, New Haven, London 1993, S. 84–115. 208 Heinrich Wurm (Hrsg.): Baldassare Peruzzi. Architekturzeichnungen, Tübingen 1984, Tafelband, S. 243–244.

Das Kloster wurde 1661 bei einem Ausbruch des Ätna vollständig zerstört, vgl. die Rekonstruktion der ursprünglichen Anlage bei Josef Durm: Die Baustile. Historische und technische Entwickelung. Des Handbuches der Architektur zweiter Teil, Bd. 5: Die Baukunst der Renaissance in Italien, Stuttgart 1903, S. 557.

209

210 Vgl. hierzu Christoph L. Frommel u. Nicholas Adams (Hrsg.): The Architectural Drawings of Antonio da Sangallo the Younger and His Circle, Bd. 2: Churches, Villas, the Pantheon, Tombs, and Ancient Inscriptions, Cambridge, Mass. u. London 2000, S. 227 u. 432.

Joseph Furtttenbach: Architectura civilis [Ulm 1628], mit einer Vorbemerkung von Hans Foramitti, Hildesheim/New York 1971 (Documenta Technica, Bd. 2).

211

212 Vgl. Robert Stalla: S. Ivo und der Palazzo della Sapienza , in: Borromini. Architekt im barocken Rom, hrsg. v. Richard Bösel u. Christoph Luitpold Frommel, Ausstellungskatalog Wien, Albertina; Rom, Palazzo delle Esposizioni, Mailand 2000, S. 468–487. 213

Wittkower 1958, S. 281.

214 Hubala 1968, S. 79; vgl. auch Herbert Schindler: Nachwort, in: id. (Hrsg.): Europäische Barockklöster, München 1972. 215 Der Begriff des »Szenographischen« wird für die Architektur Juvarras relativ häufig gebraucht. So führt Gil R. Smith 1993 die nach außen gezogenen Türme und die Portikus der Superga auf »scenographic reasons« zurück. Die vorschnelle Zuweisung zur szenographischen Inszenierung verdeckt aber eher, dass hier tatsächlich räumliche Richtungen geschaffen werden.

Gottfried Semper: Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten, oder Praktische Aesthetik. Ein Handbuch für Techniker, Künstler und Kunstfreunde, Bd. 1: Textile Kunst, Prolegomena, Frankfurt a. M. 1860, S. 227.

216

217

Hildebrand 1913 [1893], S. 94.

218

Hans Hildebrandt: Wandmalerei. Ihr Wesen und ihre Gesetze, Stuttgart/Berlin 1920, S. 85.

«Yet there is something un-Italian about this work. It is mainly the way in which the monastic buildings have been connected with the church.« Rudolf Wittkower 1958, S. 281.

219

220 Vgl. Lemma ›Fassade‹, in: Reallexikon zur deutschen Kunstgeschichte, hrsg. v. Zentralinstitut für Kunstgeschichte München, München 1981, Bd. 8, Sp. 535–690. 221 Diese Formulierung drängt sich unwillkürlich auf, denkt man an die berühmten Worte von Bernini zu den St.-Peter-Kolonnaden als zwei ausgebreiteten Armen.

342 | Anmerkungen

222

Reallexikon 1981.

223 Heinrich Wölfflin, Renaissance und Barock. Eine Untersuchung über Wesen und Entstehung des Barockstils in Italien [1907], bearb. und kommentiert von Hans Rose, München 4. Auflage, 1926, S. 91. 224 »Sie [die Fassade] hängt meist vom Zugang ab, der in der Regel auf die dem Chor gegenüberliegende Schmalseite führt; diese wird infolgedessen üblicherweise zur Fassade.« Reallexikon 1981, Sp. 579. 225 Vgl. hierzu zuletzt Georg Satzinger: Sankt Peter: Zentralbau oder Longitudinalbau – Orientierungsprobleme, in: id. u. Sebastian Schütze: Sankt Peter in Rom 1506–2006. Beiträge der internationalen Tagung vom 22.–25.2.2006 in Bonn, München 2008, S. 127–145.

Für diese Überlegungen entscheidend: Franz Graf von Wolff Metternich: Eine Vorstufe zu Michelangelos Sankt Peter-Fassade, in: Gert von der Osten u. Georg Kauffmann (Hrsg.): Festschrift für Herbert von Einem, Berlin 1965, S. 162–170; sowie Christof Thoenes: Bemerkungen zur St. PeterFassade Michelangelos, in: Tilmann Buddensieg u. Matthias Winner (Hrsg.): Munuscula Discipulorum. Kunsthistorische Studien Hans Kaufmann zum 70. Geburtstag, Berlin 1968, S. 331–341.

226

227 Ludwig H. Heydenreich: Die Sakralbaustudien Leonardo da Vinci’s, München, 2. Auflage 1971; Richard Schofield: Leonardo’s Milanese Architecture. Career, Sources and Graphic Techniques, in: Achademia Leonardi Vinci, 4/1991, S. 11–157.

»Endlich muss die Stelle, auf der man einen Tempel errichtet, feierlich, vornehm und, wie man sagt, prächtig sein; und sie muss von jeder profanen Berührung frei sein. Deshalb wird der Tempel vor seiner Front einen geräumigen und seiner würdigen Platz haben, und von breiten Straßen oder besser würdigen Plätzen umschlossen sein, damit er von allen Seiten einen herrlichen Anblick biete.« Alberti 1991 [1912], S. 352.

228

229

Palladio 1995 [1570], S. 347.

230 Rudolf Wittkower: Grundlagen der Architektur im Zeitalter des Humanismus [1949], München 1990, S. 11; Wolfgang Lotz: Notizen zum kirchlichen Zentralbau der Renaissance, in: Studien zur toskanischen Kunst. Festschrift für Ludwig Heinrich Heydenreich zum 23. März 1963, Wolfgang Lotz u. Lise Lotte Müller (Hrsg.), München 1964, S. 157–165.

Vgl. Georg Satzinger: Antonio da Sangallo der Ältere und die Madonna di San Biagio bei Montepulciano, Tübingen 1991, S. 66–70; vgl. dazu auch Jens Niebaum: Leon Battista Alberti, Begründer einer Theorie des ›Zentralbaus‹ in der Renaissance?, in: Joachim Poeschke u. Candida Syndikus (Hrsg.): Leon Battista Alberti. Humanist – Architekt – Kunsttheoretiker, Münster 2008, S. 243–256; dazu auch die für 2014 angekündigte Dissertation vom selben Autor.

231

232

Alberti 1975 [1912], S. 357 sowie Tfl. III.

233

Ibid., S. 237.

234 Christoph Höcker: Metzler Lexikon antiker Architektur. Sachen und Begriffe, Stuttgart u. Weimar 2004, S. 244. 235 Der Grundriss bildet damit eine Vorstufe zu dem in der Renaissance üblichen Grundrisstyp des Griechischen Kreuzes. 236 Hellmut Lorenz hält einen kuppelüberwölbten Hauptraum für wahrscheinlicher sei als das heutige Kreuzgratgewölbe. Aufgrund dessen, dass auf der Höhe von deren Wölbzone die tonnengewölb-

343 | Anmerkungen

ten Anräume einsetzen, und damit der Zentralkörper von seiner Ummantelung her erfahrbar ist, verwirft Lorenz die Figur des Griechischen Kreuzes für den Grundriss, ich folge hier seiner Lesart; vgl. Hellmut Lorenz: Zur Architektur L. B. Albertis: die Kirchenfassaden, in: Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte, 29/1976, S. 65–100, hier: S. 90–91. 237 Ingomar Lorch: Die Kirchenfassade in Italien von 1450 bis 1527. Die Grundlagen durch Leon Battista Alberti und die Weiterentwicklung des basilikalen Fassadenspiegels bis zum Sacco di Roma (Diss., Univ. München, 1996), Hildesheim, Zürich u. New York 1999 (Studien zur Kunstgeschichte, Bd. 130), S. 73. 238

Lorenz 1976, S. 89, sowie Lorch 1999, S. 73.

Die Anzahl der Travéen im Obergeschoss wurde von Alberti durch eine Planänderung von fünf auf drei reduziert. Vgl. hierzu die Rekonstruktion Wittkowers, die analog zu den Öffnungen sechs Pilaster und eine große Freitreppe vorsah, Wittkower 1969 [1949], S. 47. Sie wird von Lorenz bestätigt, ohne dass dieser deren Vorschlag einer podiumsartigen Freitreppe mit vollzieht, vgl. Lorenz 1976, S. 88; vgl. auch die Zusammenstellung sämtlicher Rekonstruktionen bei Lorch 1999, S. 66–73.

239

240 Diese Art der Innen-Außen-Beziehung durch Errichtung einer »Hauptschauseite« wird hier von Lorenz nochmals als Eigenart albertianischer Architektur bezeichnet, Lorenz 1976, S. 90–91. Die Hervorhebung der Fassade oder ›Schauseite‹ als Merkmal des Zentralbaues grenzt sich von der heutigen Diskussion über den Zentralbau ab, die im wesentlichen von Anbauten oder der Einfügung in größere Komplexe, weniger aber von der Dominanz durch gestaltete Seiten ausgeht. Zu S. Sebastiano vgl. desweiteren Lorch 1999, S. 46–80; sowie Barbara Böckmann: Zahl, Maß und Maßbeziehung in Leon Battista Albertis Kirche San Sebastiano zu Mantua (Diss., Univ. Heidelberg, 2003), Hildesheim, Zürich u. New York 2004 (Studien zur Kunstgeschichte, Bd. 160). Lorenz kommt bezüglich Alberti zu dem Schluss, dass das Verhältnis von Innen und Außen in dessen Oeuvre »von hoher Wertigkeit« sei (S. 66). 241

Semper 1860, S. 37.

242 Hans Sedlmayr: Die Architektur Borrominis [1939], Hildesheim, Zürich u. New York, 2. Nachdruck der 2., vermehrten Auflage, 1986, S. 140. 243 Alberti 1991 [1912], S. 51 (Buch I, Kap. 10). Alberti kannte die Architektur der römischen Kaiserzeit, die als Zwischenstufe von Griechentum und Renaissance anzusehen ist, aber nicht mehr die Säule als das eigentlich formative Element des Bauwerks kennt. »Sie ist wesentlich eine Architektur der Wand mit all den Kompromissen, die sich aus einer Umwandlung der griechischen Säulenordnungen in eine bloße Wanddekoration ergaben; doch bleibt in vielen Fällen die ursprüngliche funktionale Bedeutung der Ordnungen noch erhalten.« Wittkower 1990 [1949], S. 33–34. 244 Fritz Neumeyer (Hrsg.): Quellentexte zur Architekturtheorie, unter Mitarbeit von Jasper Cepl, München et al. 2002, S. 21. 245 Christoph Feldtkeller: Der architektonische Raum: eine Fiktion. Annäherungen an eine funktionale Betrachtung, Braunschweig/Wiesbaden 1989, S. 20. Vgl. hierzu auch Erich Hubala, Architekturgliederung als Veranschaulichung von Proportionen, in: Hans-Caspar von Bothmer et al. (Hrsg.): Festschrift Lorentz Dittmann, Frankfurt a. M. 1994, S. 257–268, S. 262: » Die sichtbare Seite des Bauwerks, außen und innen, wird mit einer plastischen oder gemalten Gliederung geschmückt, deren Formen antike Muster nachbilden, deren Proportionen jetzt aber kommensurabel bestimmt werden. (…) Die Hauptdimensionen von hoch, breit und lang (›tief‹) gelten grundsätzlich als gleichwertig. Bauliche Sachverhalte wie Stockwerke, Türen, Fenster, Decken, Dächer usw. werden der neuen Gliederung unterworfen oder doch merklich angeglichen. (…) Nicht Raster entsteht, wie leider so oft

344 | Anmerkungen

mißverständlich gefabelt wird, sondern einzelne, nach Form und Größe beständige Teile wirken im Anblick zu einem Ganzen zusammen, das als ein Gegliedertes in Analogie zum menschlichen Leib erfahren wird.« 246 Alberti 1975 [1912], S. 502 (XI. Buch, 6. Kap.). In der italienischen Übersetzung wird die Bezeichnung »vincolo di parentela« verwendet, vgl. Alberti 1966, S. 832. 247

Ibid., S. 307 (VI. Buch, 5. Kap.).

Vgl. Hermann Schlimme: Die Kirchenfassade in Rom. »Reliefierte Kirchenfronten« 1475–1765 (Diss., TU Braunschweig, 1998), Petersberg 1999 (Studien zur internationalen Architektur- und Kunstgeschichte, Bd. 5), S. 60.

248

Vgl. hierzu Sedlmayr 1986 [1939]; sowie Joseph Connors: San Carlo alle Quattro Fontane, in: Borromini. Architekt im barocken Rom (hrsg. v. Richard Bösel u. Christoph Luitpold Frommel), Ausstellungskatalog Wien, Albertina; Rom, Palazzo delle Esposizioni, Mailand 2000, S. 324–329; sowie Teuscher, Jana: Römische Kirchenfassaden des 17. Jh.s. Fassadengestaltung im Kontext von Innenund Außenraum, Hildesheim et al. 2012, S. 67–111. 249

250

Kemp 2009, S. 235.

251 Emil Kaufmann: Architecture in the Age of Reason. Baroque and Post-Baroque in England, Italy, and France, Cambridge 1955, S. 87 (mit Verweis auf Gurlitt, Ricci und Brinckmann); zu Kaufmann vgl. die Kritik bezüglich der vom Autor vorgenommenen Abgrenzung zwischen Barock und Klassizismus von Marcus Whiffen, in: Journal of the Society of Architectural Historians, 12/1956, S. 30–31. 252

Brinckmann 1919, S. 73.

Hubala 1968, S. 12. Hubala entwickelt dies prototypisch an Sant’Andrea in Mantua (ibid.) und dann vor allem an Werken von Balthasar Neumann; vgl. für letztere: Balthasar Neumann 1687–1753. Der Barockbaumeister aus Eger (hrsg. v. Erich Hubala), Ausstellungskatalog, Wendlingen am Neckar 1987. Die Tendenz der Barockarchitektur, ein »Thema« zu bilden, wurde durch Ulrich Fürst auf einer neuen Materialgrundlage gezeigt, vgl. Fürst 2002. Zu den »Generalia« der neuzeitlichen Architektur bei Hubala (Gliederung, Säulenordnungen, Proportion) vgl. Fürst 2002, S. 25–27; vgl. dazu auch S. 68.

253

254

Hubala 1968, S. 12.

255 Erich Hubala: Apsidale Barockaltäre, in: Wilhelm Schlinck u. Martin Sperlich (Hrsg.): Forma et subtilitas. Festschrift für Wolfgang Schöne, Berlin u. New York 1986, S. 145–168, S. 146. 256

Erich Hubala: Barock und Rokoko, München 1978 (Belser Stilgeschichte im dtv, Bd. 9), S. 26.

257

Explizit Huber 1968 mit Rückgriff auf Wittkower und Lotz, beispielsweise S. 21 u. S. 61.

258

Fürst 2002, S. 146.

259 Hierin unterscheidet sich meine Analyse von der Studie Elisabeth Wünsche-Werdehausens zur Superga, bei der die Superga auf der Folie von Vorbildern als politische Memorialkirche bezeichnet wird; vgl. Wünsche-Werdehausen 2009, S. 61–100. 260 Hermann Beenken: Die entwicklungsgeschichtliche Stellung der romanischen Baukunst, in: Beiträge zur Kunst des Mittelalters. Vorträge der Ersten Deutschen Kunsthistorikertagung auf Schloß Brühl 1948, Berlin 1950, S. 46–53, hier: S. 49.

345 | Anmerkungen

Vgl. Franz Graf von Wolff Metternich: Der Entwurf Fra Giocondos für Sankt Peter, in: id. (Hrsg.): Bramante und St. Peter, München 1975.

261

Zur räumlichen Position der Kuppelpfeiler Bramantes vgl. Otto H. Förster: Bramante, Wien u. München 1956, S. 222.

262

263 Der Begriff der Alveolensäule bezeichnet die Legierung von Vollsäule und Wand, wobei die Säule zu einem Drittel in einer gemuldeten Mauerhöhlung steht, vgl. Martin Raspe: Das Architektursystem Borrominis, München/Berlin 1994, S. 31; vgl. Schlimme 1999, S. 61–64. 264

Vgl. Fürst 2002, S. 146.

265 An dieser Stelle sei auf den Unterschied zwischen dem Raumbild des Pantheons und dessen eigentlicher Konstruktion hingewiesen. Nicht von ungefähr hatte Alois Riegl davon gesprochen, dass hier im »Beschauer der Begriff des Raumes« entstehe, den Riegl hier mit der Raumgrenze gleichsetzt (Alois Riegl: Spätrömische Kunstindustrie [Wien 1901], Wien, 2. Auflage 1927, S. 44); ähnlich noch Heinz Kähler, Das Pantheon in Rom, in: Meilensteine europäischer Kunst, München 1965, S. 45–75. Die Geschlossenheit bewirkt allein die Konvergenz von Höhe und Durchmesser, wobei Grundriss und Kuppeldurchmesser einander durch die Halbkugelform der Kuppel entsprechen. Dieses Raumbild wird jedoch allein durch die Gestaltung hervorgerufen, da die das ganze Konstrukt tragenden acht Pfeiler von außen her durch Kammern aufgelockert und nach innen trapezoid zugeschnitten sind, so dass sie Halbzylinder bilden (vgl. Abb. 31a sowie Walther Buchowiecki: Handbuch der Kirchen Roms. Der römische Sakralbau in Geschichte und Kunst von der altchristlichen Zeit bis zur Gegenwart, Bd. 2, Wien 1970, S. 654–683, hier S. 661. Der entscheidende Impuls für dieses Raumbild geht von den Nischen und den ihnen vorgestellten Säulen aus: »Die Säulenpaare, die zwischen die nach innen vorgezogenen Eckpilaster der Wandgliederung gestellt sind und so die den großen zylindrischen Raum umschließenden Wand ihre plastische Qualität. Man hat das Empfinden, als sei das Volumen dieser Pilaster und Säulen identisch mit der Stärke der den Raum umhüllenden Wandung. Die Pilaster, Säulenschäfte und der auf ihnen liegende Architrav, in dessen Unterseite der im Raum Stehende hineinblickt, wie er auch im oberen Geschoß in das Gewände der Fenster hineinsieht, offenbaren ihm die in der architektonischen Ordnung greifbare Substanz der Umwandung, die sich so von der hinter ihr liegenden Baumasse ablöst.« Buchowiecki 1970, S. 61. Aufgrund seiner vielfachen Füllmauern möchten die Autoren beim Pantheon sogar am liebsten von einem »Gliederbau« sprechen, der das gotische System vorweggenommen habe; vgl. Abb. 31b dieser Studie; zum Aufbau weiterhin William Lloyd MacDonald: The Pantheon. Design, Meaning, and Progeny, London 1976, S. 33.

Teilweise korrespondiert diese Beobachtung mit dem, was Rirchard Pommer mit dem Begriff der »Open architecture« bezeichnet (Pommer 1967) womit jedoch hauptsächlich Wanddurchbrüche gemeint sind. Meine Argumentation bezüglich der Raumgrenze erfasst jedoch darüber hinaus die Struktur der vorgestellten Säulen sowie die Plastizität der von diesen eingeführten Kreisstruktur in das Oktogon. Ein solches Phänomen wurde erstmals für die Innenarchitektur der gotischen Kathedrale festgestellt, vgl. Hans Jantzen: Über den gotischen Kirchenraum, in: id. (Hrsg.): Über den gotischen Kirchenraum und andere Aufsätze, Berlin 1951, S. 7–20; zur Diskussion der Raumgrenze vgl. auch Kemp 2009, S. 127–133.

266

267 Diese Vorgehensweise wurde beispielhaft durchgeführt bei Fürst 2002, vgl. vor allem dessen Analyse der Peterskirche zu Wien, S. 138–154. 268 Der Begriff der »Raumvorstellung« bezeichnet bei Schmarsow die Produktion der Architektur, vgl. Schmarsow 1894: »Jeder leiseste Versuch des Menschen zur Herstellung einer Raumumschliessung setzt zunächst in dem Subjekt die Vorstellung des gewollten Raumausschnittes voraus (…)« (S. 10).

346 | Anmerkungen

269 Zur Baugeschichte vgl. Gerhard Eimer: La Fabbrica di S. Agnese in Navona. Römische Architekten, Bauherren und Handwerker im Zeitalter des Nepotismus, 2 Bde., Stockholm 1970 (Acta Universitatis Stockholmensis. Stockholm Studies in History of Art, Bd. 18); sowie Raspe 1994. 270 Statt der von ihm geplanten 16 Säulen wurden jedoch nach neuerlicher Übernahme des Baus 1657 durch Carlo Rainaldi schließlich acht Säulen aufgestellt, vgl. Hempel, Eberhard: Francesco Borromini, Wien 1924 (Römische Forschungen des Kunsthistorischen Institutes Graz), S. 138 ff.; Anthony Blunt: Borromini, London 1979; S. 123 f.; sowie Raspe, Martin: S. Agnese in Piazza Navona, in: Borromini. Architekt im barocken Rom (hrsg. v. Richard Bösel u. Christoph Luitpold Frommel), Ausstellungskatalog Wien, Albertina; Rom, Palazzo delle Esposizioni, Mailand 2000, S. 402–409. 271

Raspe 1994, S. 74; vgl. hierzu Wittkower 1958, S. 141.

Wittkower hebt für S. Agnese ebenfalls eine starke Vertikalität hervor, jedoch aufgrund der Verbindung Verbindung von Gebälk und Bogenstellung, vgl. Wittkower 1958: »[…] an intense verticalism is suggested by virtue of the projecting entablature above the columns, unifying the arch with the supporting columns, and the high attic above the entablature, which appears under the crossing like a pedestal to the arch, increases the vertical movement.« (S. 141). 272

273

Raspe 1994, S. 74.

274 »Juvarra has combined in one building the two principal types of the domical structure: the Pantheon type, where the dome rises from the cylindrical body, and the Greek-cross type; and these two different centralized systems remain clearly discernible. The body of the church is octogonal, as it should be in a Greek cross with bevelled pillars; and the transition from the octagon to the circle is boldly conceived.« Wittkower 1958, S. 279. 275

Smith 1993, S. 71.

276 »Le colonne disposte nelle zone angolari […] come mezzo di mediazione tra le figure geometriche […] diventa un mezzo efficace per graduare e intensificare gli effetti luminosi, conferendo allo spazio interno un marcato slancio verticale […].« Gianfranco Gritella: Juvarra. L’architettura, 2 Bde., Modena 1992, Bd. 1, S. 222.

Cornelius Gurlitt: Geschichte des Barockstiles in Italien, Stuttgart 1887 (Geschichte der neueren Baukunst, Bd. 5), S. 514.

277

278

Ibid.

279

Kaufmann 1955.

280

Ibid., S. 87.

281 Harmen Thies: Zu einer Typologie neuzeitlicher Ordnungsfiguren und Wölbgestelle, in: Intuition und Darstellung. Festschrift für Erich Hubala, Frank Büttner u. Christian Lenz (Hrsg.), München 1985, S. 77–86, S. 84. Der Theorie des Wölbgestells wird hier nicht gefolgt, da die Ordnungen hier nicht als ein der Wand und dem Baukörper notwendig zugehöriges System verstanden werden, sondern davon abgetrennt sind. 282

Zum Begriff vgl. Anm. 263.

»[…] and that the columns which, in analogy of S. Agnese, one would expect to support the high arches of the Greek-cross arms, carry instead the uninterrupted ring of the entablature, on which rests the high cylinder of the drum.« Wittkower 1958.

283

347 | Anmerkungen

Über die darstellende Funktion der Bauglieder in den Säulenordnungen, auf die es mir hier ankommt, schreibt Erich Hubala: »Die Bauglieder dienen also der Verkörperung dieser idealtypischen Verhältnisse, wobei die rationale, mathematische Vergleichbarkeit (›Kommensurabilität‹) nur den einen Pol bildet, den anderen aber die Forderung nach Anschaulichkeit.« Hubala 1968, S. 9–10. Zu der wichtigen und selten behandelten Frage des Verweises in der Architektur ähnlich Fürst 2002, S. 175: »Architektur ist hier kein Bedeutungsträger, sondern sie verkörpert Bedeutung, es entsteht eine gebaute Wirklichkeit von eigener Art und neuartigem Sinn, was mehr ist als nur ein inhaltliches Verweisen im Sinne des Zitats.«

284

285 In Bezug auf das Lehrgebäude der Säulenordnungen führt Erich Hubala grundsätzlich aus: »Kommensurabilität und zugleich bildmäßiges Zusammenwirken ist die Regel des Zusammenwirkens aller Bauglieder. Dieser erste Grundsatz erklärt die gleichen oder verwandten Bauglieder dieser Architektur. Denn erst solche erlauben es, Bauwerken ganz verschiedener Größe und Art die kommensurablen und bildmäßigen, weil ja für den Anblick gedachten Verhältnisse in den Hauptdimensionen zu verleihen.« Hubala 1968, S. 9–10. 286

Keysler 1740, S. 274–275.

287 Helmuth Plessner schlägt im Rahmen seiner Anthropologie der Sinne vor, den »Ausdruck« als Kategorie für nichtsprachliche »Dokumente« zu verwenden, vgl. id.: Philosophische Anthropologie. Lachen und Weinen. Das Lächeln. Anthropologie der Sinne, hrsg. v. Günther Dux, Frankfurt a. M. 1970; vgl. auch Dietrich Harth: Kulturanalyse und aufrechter Gang, in: id.: Das Gedächtnis der Kulturwissenschaften, Dresden u. München 1998, S. 13–47.

Stereometrisch lässt sich die Rotunde als stehender Zylinder mit einer darauf sitzenden Halbkugel beschreiben, vgl. Balthasar Neumann 1987, S. 68–70.

288

289 »Dass sie ›gotisch‹ gestuft, gebündelt und rundgliedrig verflüssigt sind, steht mit der verkettenden Wirkung der Ornamentmuster im deutlichen Einklang: es ist offenbar nicht ›Auflockerung‹ (Clasen), sondern die ›Bindung‹ (Kugler), die, seit dem Karolingischen in stetem Wachstum begriffen, mit der gotischen Wandaufgliederung kulminiert. Wird unter diesem Eindruck die ornamentgetränkte Bauform selbst ›ornamental›, ›belebt‹ aufgefasst, und wird sie in ihrem engen Zusammenwirken mit den ebenfalls ›ornamentalen‹ Strukturen der Bauplastik und der Wand- und Glasbilderreihen begriffen, so erweist sich der gotische Bauorganismus keineswegs als starres ›Formengitter‹ und ›Gliederskelett‹. Statt der Verflüchtigung (sprich ›Vergeistigung‹) bewirkt er das Gegenteil, die immer stärkere Erschließung und Belebung der Wandkräfte und Wandvorgänge.« Groß 1950, S. 85–86. 290 Richard Pommer spricht vom »open system«, das Juvarra etabliert habe. Dies bezieht sich jedoch noch nicht auf die Superga als einem Frühwerk, sondern erst auf die Kirche Sant’ Andrea in Chieri, vgl. Pommer 1967, S. 38, bei welcher der Architekt ein leichtes, skelettiertes System entwickelt habe.

Christof Thoenes: Über die Größe der Peterskirche, in: Georg Satzinger u. Sebastian Schütze (Hrsg.): Sankt Peter in Rom 1506–2006. Beiträge der internationalen Tagung vom 22.–25. Februar 2006, München 2008, S. 7–28, S. 12. Vgl. auch Hubertus Günther: Leitende Bautypen in der Planung der Peterskirche, in: Jean Guillaume (Hrsg.): L’Église dans l’architecture de la Renaissance, Paris 1995, S. 41–78; sowie Christoph Luitpold Frommel: St. Peter’s. The Early History, in: The Renaissance from Brunelleschi to Michelangelo. The Representation of Architecture (hrsg. v. Henry A. Millon u. Vittorio Magnago Lampugnani), Ausstellungskatalog Palazzo Grassi Venedig; Washington, DC, National Gallery, London 1994, S. 399–423; vgl. weiter Walther Buchowiecki: Handbuch der Kirchen Roms. Der römische Sakralbau in Geschichte und Kunst von der altchristlichen Zeit bis zur Gegenwart, Wien 1970, Bd. 1, S. 103–213. Die neueste Forschung zur Baugeschichte von St. Peter verarbeitet Georg Satzinger: Die Baugeschichte von Neu-St. Peter, in: Barock im Vatikan. Kunst und Kultur im Rom der Päpste (II). 1572–1676 (hrsg. v. Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland 291

348 | Anmerkungen

Bonn), Ausstellungkatalog, Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Bonn; Martin-Gropius-Bau, /Berlin, Leipzig 2005, S. 45–74. 292 Otto H. Förster: Bramante und der Norden, in: Comitato Nazionale per le Celebrazioni Bramantesche (Hrsg.): Studi Bramanteschi, Rom 1974, S. 35–42, S. 37. 293 Diese Qualität der römischen Antike wird in die Wiener St. Peterskirche überführt; vgl. Fürst 2002, S. 150–154.

Dietrich Erben: Paris und Rom. Die staatlich gelenkten Kunstbeziehungen unter Ludwig XIV., Berlin 2004 (Studien aus dem Warburg-Haus, Bd. 9), S. 347–348.

294

Vgl. Franz Graf von Wolff Metternich: Die Erbauung der Peterskirche zu Rom im 16. Jahrhundert. I. Teil: Die Zeit Julius’ II., Leos X., Hadrians VI. und Clemens’ VII, unter Mitarb. v. Hildegard Giess, Hanna Homa u. Katharina Thiersch, Wien u. München 1972, Fig. 11.

295

Ibid., Fig. 13; vgl. auch Christoph Luitpold Frommel: Der Chor von Sankt Peter im Spannungsfeld von Form, Funktion, Konstruktion und Bedeutung, in: Satzinger u. Schütze 2008, S. 83–110, S. 97.

296

297

Thies 1985.

298

Ibid., S. 78

299

Ibid., S. 83.

»So entstandene Sequenzen von Baugliedern fassen wir ähnlich auf wie Hebung und Senkung, bzw. kurz und lang in der Versifikation von Dichtung, ein wichtiger Umstand, der die Bedeutung der Intervalle (»Pause«) für Gliederung und für rhythmische Phänomene deutlich macht.« Hubala 1994, S. 259.

300

Zu Albertis Verständnis von der Wand als Rest einer durchbrochenen Wand vgl. Anm. 307; sowie Wittkower 1990, S. 33–35.

301

302

Thies 1985.

303 Zur Bildhaftigkeit der Ordnung im Sinne von Darstellen vgl. Hubala 1968; bezüglich der Bildhaftigkeit der durch die Ordnungen strukturierten Fassade vgl. vor allem Hans Kauffmann: Über ›rinascere‹, ›Rinascità‹ und einige Stilmerkmale der Quattrocentobaukunst, in: Concordia Decennalis. Deutsche Italienforschungen. Festschrift der Universität Köln zum zehnjährigen Bestehen des DeutschItalienischen Kulturinstituts Petrarcahaus, Köln 1941, S. 123–146, S. 129.

»Wir stoßen auf ein ›additives‹ Sehen, ein Zusammenfügen von Raumformen der niederen Geometrie, von Kreis, Halbkreis, Quadrat und Rechteck, Formen, die oft erst in der Überarbeitung die moderne Gestalt von Ovalen, bohnenförmigen Räumen o. ä. angenommen haben. Die dazugehörigen Ansichten und Schnitte bestätigen, dass diese Architektur von einfachen Raumvorstellungen ausgeht, die erst die Behandlung der Raumschale zu Beginn des 18. Jahrhunderts gemacht hätte. Von den Entwürfen der Hochrenaissance sind freilich alle Turiner Planungen geschieden durch die Auffassung von der Wand, die bei den Meistern des Cinquecento noch dicke, plastisch zu modellierende Masse ist, während sie bei Juvarra vor allem schwerelos erscheint.« Keller 1990, S. 42.

304

Die Kunst des 17. Jahrhundert, hrsg. v. Erich Hubala, Berlin 1990 (Propyläen Kunstgeschichte, Bd. 9), S. 103. Der Begriff der italienischen »Reliefarchitektur« nach Sedlmayr, ibid., S. 104.

305

349 | Anmerkungen

Zum Invalidendom vgl. Erben 2004, zur Hofkirche vgl. Michael Petzet: Soufflots SainteGeneviève und der französische Kirchenbau des 18. Jahrhunderts, Berlin 1961, S. 80 ff.

306

307 Alberti 1991, S. 51 (1. Buch, 10. Kap.). Vgl. dazu Hanno-Walter Kruft, Geschichte der Architekturtheorie. Von der Antike bis zur Gegenwart, München 1985, S. 49. Dort werden auch Widersprüche der Bezugnahme auf Vitruv und die Absetzung von der Antike verhandelt; vgl. weiterhin Wittkower 1990 [1949], S. 33–36; zum Verhältnis von Ordnungen und Wand vgl. die Darstellung in Schlimme 1999, S. 60–65, aus der hier zitiert sei: »Alberti erklärt die Wand – und nicht die Stütze – zum Grundelement in der Architektur. ›Grundelement‹ ist hier aber im Sinne von ›Ausgangspunkt‹ für Architektur zu verstehen, der selbst noch nicht Architektur ist, sondern ersetzt und modifiziert wird. Die kontinuierliche Oberfläche und die damit verbundene Frontalität der Wand bleiben dabei erhalten. Die tragende Funktion der Wand ist für Alberti entscheidend; so wird sie zum Grundelement. Das wird deutlich, wenn Alberti die Funktion einer Säule von der Wand herleitet: Bei einer Säule handelt es sich um ›einen und ununterbrochenen Teil einer Mauer, der sich lotrecht vom Boden unten in die Höhe erhebt, um die Decke zu tragen.‹ Die undifferenzierte, unbehandelte Wand macht das Tragen nicht sichtbar; dies optisch zu verdeutlichen, ist letztlich das Ziel der Architektur.« (S. 60). 308

Kauffmann 1941, S. 130.

309 Vgl. hierzu Michael Petzet: Claude Perrault und die Architektur des Sonnenkönigs. Der Louvre König Ludwigs XIV. und das Werk Claude Perraults, München 2000. 310 Vgl. hierzu Robin D. Middleton: The Abbé de Cordemoy and the Graeco-gothic Ideal. A Prelude to Romantic Classicism, in: Journal of the Warburg and Courtauld Institutes 25/1962, S. 278–320; 26/1963, S. 90–123.

Ähnliche Verwendungsformen der Säule in der zeitgenössischen italienischen Architektur in etwaiger Abgrenzung zur französischen Praxis wären noch festzustellen.

311

Zur Gestalt der Grabeskirche in Jerusalem vgl. Richard Krautheimer: Introduction to an ›Iconography of Mediaeval Architecture‹, in: Journal of the Warburg and Courtauld Institutes 5/1942, S. 1–33, S. 5. Mit dieser Ableitung mittelalterlicher Mausoleen, für die oft schon die Tatsache reichte, dass sie nicht viereckig waren, begründete Krautheimer seine Architekturikonographie; vgl. dazu die Rezension von Edgar Lehmann, id., in: Zeitschrift für Kunstgeschichte 13/1950, S. 163. Allgemein zum Grabbau siehe auch Marcello Fagiolo: Città e mausolei. I santuari dell’uomo divinizzato, in: Franco Cardini (Hrsg.): La città e il sacro, Mailand 1994, S. 453–492.

312

Vgl. hierzu Allan Braham u. Peter Smith: François Mansart, 2 Bde., London 1973, hier: Textbd., S. 115–117.

313

314

Ibid.

315

Erben 2004, S. 354–358.

316 Erben 2004, S. 348; anders Maren Holst: Zur Ideen- und Baugeschichte des Dôme des Invalides in Paris, in: Architectura 13/1983, S. 41–56.

Dies sind die kaiserliche Chorrotunde des Doms von Granada für Karl V., die Grablege der Medici-Herzöge in der Chorrotunde der SS. Annunziata in Florenz sowie die Cappella dei Principi in S. Lorenzo (ab 1604). Vgl. ibid.

317

318 Klaus Gallwitz: Untersuchungen zum italienischen Grab- und Memorialbau des 15. und 16. Jahrhunderts (Diss.), Göttingen 1956, S. 5.

350 | Anmerkungen

319 Vgl. Martin Raspe: Borromini und Sant’Agnese in Piazza Navona. Von der päpstlichen Grablege zur Residenzkirche der Pamphili, in: Römisches Jahrbuch für der Bibliotheca Hertziana 31/1996, S. 314–368. Als Vorläufer für die Planungen Borrominis für S. Agnese in Rom führt Raspe folgende Grabkapellen und Memorialbauten auf, die als kreuzförmige Kuppelbauten mit abgeschrägten Vierungspfeilern auf Neu-St.-Peter zurückgehen: die Chigi-Kapelle Raffaels in S. Maria del Popolo; die beiden päpstlichen Grabkapellen in S. Maria Maggiore, die Capella del Tesoro di San Gennaro am Dom von Neapel (erb. ab 1605). 320

Lehmann 1950.

In Anlehnung an Ulrich Fürst argumentiert Elisabeth Wünsche-Werdehausen, mit dem Rückgriff auf Montano habe Juvarra eine an Grabrotunden erinnernden Memorialbau schaffen wollen; vgl. Wünsche-Werdehausen 2009, S. 75.

321

322 Dies betrifft nicht nur den Vergleich mit den frühchristlichen Rotunden, die im Unterschied zu den italischen Tumuli schon an Wandmasse verloren haben (vgl. Friedrich Wilhelm Deichmann: Römische Zentralbauten. Vom Zentralraum zum Zentralraum, in: Rom, Ravenna, Konstantinopel, Naher Osten. Gesammelte Studien zur spätantiken Architektur, Kunst und Geschichte, Wiesbaden 1982, S. 51), sondern auch die Vergleiche der Superga mit frühneuzeitlichen Zentralbauten. 323

Vgl. hierzu Smith 1993, S. 44.

324

Vgl. S. 102–104.

»Dagegen scheint man im Osten häufiger den Gedenkkirchen die Gestalt von Zentralbauten gegeben zu haben, wenn auch diese Raumlösungen keineswegs allein für Gedenkkirchen üblich waren, sondern auch im Osten häufiger Basiliken mit oder ohne Querschiff dafür dienten.« Vgl. Friedrich Wilhelm Deichmann: Ravenna, Hauptstadt des spätantiken Abendlandes, Bd. 1: Geschichte und Monumente, Wiesbaden 1969, S. 231. 325

326

Vgl. ibid., S. 52.

327

Vgl. ibid., S. 232.

In der komplexen Form der Pilaster, die wie im gotischen Kirchenbau auch die seitlichen Schiffe erfassen, sieht Frommel das Kennzeichen Bramantes, vgl. Christoph Luitpold Frommel: Lombardia, in: id., Luisa Giordano u. Richard Schofield (Hrsg.): Bramante milanese e l’architettura del Rinascimento lombardo, Venedig 2002, S. 1–31, S. 14.

328

329 In dem hierin enthaltenen Zentralbaumotiv wird nicht nur ein Überbietungsgestus gegenüber antik-römischen Tempeln und der konstantinischen Hagia Sophia, sondern auch der Kuppelkirche von S. Loreto angenommen, dass Vgl. ibid.; sowie Stefano Borsi (Hrsg.): Bramante. Catalogo critico, Mailand 1989, S. 178–185, S. 182. Die Oktogonkirche S. Maria della Salute (Venedig) sowie die aus dem Bramante-Umkreis stammende Klosterkirche S. Maria di Canepanova (1492 beg.) verwirklichen eine gezielte Vertikalität, aufgrund des anderen Grundrisses jedoch ohne Pendentifs, freilich mit jeweils stark durchbrochenen Tambourzonen; vgl. Rudolf Wittkower: Santa Maria della Salute, in: Studies in the Italian Baroque, hrsg. v. Margot Wittkower, London 1975, S. 125–152 [zuerst in: Saggi e memorie di storia dell’arte, III, 1963). 330 Auch in dem Interesse an solchen »Raumgestalten« liegt somit ein Bezug Juvarras zur Renaissance, nicht nur in den einfachen geometrischen Grundrissen, vgl. Anm. 308.

351 | Anmerkungen

Die Sprachtheorie versteht unter einem »Zeigfeld« ein durch den Sprechakt ausgelöstes Feld, in dem hinweisende Geste, das den Gegenstand bezeichnende Wort sowie Demonstrativa in ganz alltäglichen Sprechsituationen zusammenfallen (Bsp: »dér Hut«). Das »Zeigfeld« ist nicht identisch mit dem Symbol, sondern »Zeigwörter sind eine eigene Klasse von Signalen, nämlich Rezeptionssignale (verschieden von den Aktionssignalen, zu denen der Imperativ gehört). Ein dér oder ich löst eine bestimmte Blickwendung u. dgl. und in ihrem Gefolge eine Rezeption aus. Der Imperativ komm dagegen ist berufen, eine bestimmte Aktion im Hörer auszulösen.« Hierzu gehört eine bestimmte Ordnung, ein Koordinationssystem, nach dem die Zeigwörter als Signale fungierten, vgl. Karl Bühler: Sprachtheorie. Die Darstellungsfunktionen der Sprache, Stuttgart u. New York 1982, S. 107. 331

332

Zum »dono« vgl. Gritella 1992, Bd. 1, S. 97–101; sowie Smith 1993, S. 67–70.

333

Keysler 1740, S. 275.

334

Hubala 1978, S. 26.

335

Balthasar Neumann 1987, S. 70.

336

Zur Verlagerung des Gnadenbildes durch Juvarra in die Seitenkapelle, vgl. Felder 2001, S. 165.

337

Huber 1968, S. 33.

338 Diese Anleihe aus der Sprachwissenschaft bietet sich an, weil unter »praesentia« jene sprachlichen Einheiten verstanden werden, die auf präsentative (und nicht assoziative) Weise in Beziehung zu anderen Gliedern gebracht werden; Ferdinand de Saussure: Grundfragen der allgemeinen Sprachwissenschaft [1931], hrsg. v. Charles Bally u. Albert Sechehaye, unter Mitwirkung v. Albert Riedlinger, übers. v. Herman Lommel, mit einem Nachwort v. Peter Ernst, Berlin u. New York, 3. Auflage 2001, S. 148.

Vgl. August Schmarsow: Zur Bedeutung des Tiefenerlebnisses im Raumgebilde, in: Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft 1/1920, S. 104–109; sowie Wilhelm Pinder: Einleitende Voruntersuchung zu einer Rhythmik romanischer Innenräume in der Normandie, Straßburg 1904.

339

340

Huber 1968, S. 38.

341 Leerstellen werden in Bezug auf Bilder als Kommunikationsbedingungen zwischen Werk und Betrachter definiert, die diese in Gang bringen und selbst bis zu einem gewissen Grad regulieren: »Ihre Hauptaufgabe besteht wie die der Rezeptionsvorgaben (Bestimmtheiten) darin, den Betrachter an der innerbildlichen Kommunikation zu beteiligen, die Kommunikation mit dem Bild mit der Kommunikation im Bild zu verschränken.« Kemp 1992, S. 315. 342 In der Auseinandersetzung mit Spengler stellt Schmarsow die Vertikale als primäre Dimension der Baukunst heraus; vgl. Schmarsow 1920, S. 106. 343

Ibid., S. 106.

344 »Die Barockarchitektur gestaltet mit einzelnen Elementen, die sie als Form-, Charakter- und Richtungsdifferenz wirken läßt und gruppiert, unterwirft sie aber einem übergreifenden ›Thema‹, dessen Vergegenwärtigung ihr Ziel ist. Ein solches Thema wird jedoch – das lehrte eben erstmals die Peterskuppel – von uns nur dann aufgefaßt, wenn die Illusion von Belebung zustande kommt und das Bauwerk nicht nur als kompositionelle Einheit, die der Verstand nachrechnet, sondern als bildhafte Ganzheit, die unsere Anschauung sofort begreift, gestaltet ist.« Hubala 1978, S. 26.

352 | Anmerkungen

Zum Thema Architektur und Zeit: Zucker 1986 [1929]; Linfert 1931; Frey 1925, S. 64–77; zur Zeit als Prozessualität der Architektur: Philip Johnson: Texte zur Architektur, Stuttgart 1982, S. 80–83.

345

346

Für diesen Zusammenhang grundlegend Linfert 1931; das folgende Zitat ibid., S. 143.

Die Grundlage hierfür lieferten die Schriften von August Schmarsow und Alois Riegl; vgl. hierzu Kemp 2009, S. 116–133; sowie die Einführung, S. 16–21 dieser Studie; für eine Anwendung vgl. Jeroen Verschragen: Die ›stummen Führer‹ der Spaziergänger. Über die Wege im Landschaftsgarten, Frankfurt a. M. 2000; Bek 2005; vgl. ferner auch Otto Pächt: Methodisches zur kunsthistorischen Praxis, in: ibid.: Methodisches zur kunsthistorischen Praxis. Ausgewählte Schriften, hrsg. v. Jörg Oberhaidacher, Artur Rosenauer u. Gertraut Schikola, München 1977, S. 187–300, insbes. S. 218–226. 347

348

Linfert 1931, S. 144.

349

Ibid.

350

Zum »Anschauungsraum« s. S. 46–55; sowie grundsätzlich Ströker 1965, S. 93–128.

351 In Bezug auf die Architektur als einem menschlichen Raumgebilde versteht Schmarsow die Höhe als wichtigste Dimension und unterscheidet sich damit von Oswald Spengler, mit dessen absoluter Vorrangstellung der Tiefe er sich auseinandersetzt und die er zu korrigieren versucht, siehe Schmarsow 1920, S. 104–109. Im Gegensatz zu Spengler führt Schmarsow aus: »Das Höhenlot ist auch die unvermeidlich vorbestimmte Mittelaxe unserer werdenden Weltanschauung. Wir verlegen in sie unwillkürlich den Schwerpunkt unseres Selbst.« (S. 46) Die Höhe nimmt demnach eine Stellvertreterposition ein: »Der Raumgedanke des einfachsten Gehäuses für den lebendigen Menschen ist unvollkommen verwirklicht solange ein Träger in der Mitte steht; denn der Bewohner selbst ist der Kern des Raumgebildes; und die freie Ortsbewegung ist sein wesentliches Vorrecht, das ihn vom Todten ebenso wie vom Götterbild unterscheidet. […] Die architectonische Schöpfung ist von Anfang an keine Nachahmung des menschlichen Körpers, auch nicht ein Abbild seines Organismus in anderem Maassstab, wie man durch landläufige Vergleiche glauben macht, sondern sie ist ein Correlat des Menschen und zwar seines ganzen Wesens. Das zeigt sich schon im einfachsten Zelte des Nomaden, das wie ein Schirm zusammengeklappt werden kann: die feste Stange in der Mitte der Umwandung verdrängt den Bewohner von der Stelle, die ihm allein gebührt. Erst eine Vorrichtung, die den Mittelplatz frei hält, erfüllt den Anspruch an eine bleibende Umschließung der Person.« Schmarsow 1896, S. 47–48. Diese Position erhärtet sich bis Linfert 1931, S. 145.

Dieser Begriff nach Heidegger, der damit die prinzipielle Räumlichkeit der Umgebung bezeichnet; vgl. Martin Heidegger: Sein und Zeit [1927], Tübingen, 12. Auflage 1972, S. 101.

352

353 Diese verdeutlichen die Fotografien in einem der maßgeblichen Forschungswerke zur Superga, die der grenzüberschreitenden Ästhetik der 1960er Jahre verpflichtet sind: Carboneri 1979, beispielsweise Tfl. 72. 354 Der Begriff des »Weststandpunkts« geht zurück auf: Bernhard Rupprecht: Die bayerische Rokoko-Kirche, Kallmünz 1959 (Münchener Historische Studien, Abteilung Bayerische Geschichte, Bd. 5), S. 44–46. 355

Vgl. hierzu Huber 1968, S. 34.

356 Zur Bedeutung des Fensters in der Position von Innen nach Außen vgl. Bollnow 1963, S. 159– 161; vgl. auch: Gerd Blum: Fenestra prospectiva. Das Fenster als symbolische Form bei Leon Battista Alberti und im Herzogspalast von Urbino, in: Joachim Poeschke u. Candida Syndikus (Hrsg.): Leon Battista Alberti. Humanist – Architekt – Kunsttheoretiker, Münster 2008, S. 77–122.

353 | Anmerkungen

357 Kapitell heißt im Griechischen »kiókranon / kionokranon« (Säulenschädel) oder »kephalís« (Kopf) Das lateinische Wort »capitulum«, das Vitruv verwendet, dürfte eine wörtliche Übersetzung aus dem Griechischen sein. Eine direkte Gleichsetzung von Kapitell und dem menschlichen Kopf erfolgt bei Vitruv IV, 1,7 (S. 171 ), wo die Voluten des Kapitells die Seitenlocken nachahmen, während Kyma und Fruchtschnur der Front das gekräuselte Haupthaar wiedergeben. Mit weiteren Beispielen aus der griechischen Tragödie vgl. Marcus Frings: Mensch und Maß. Anthropomorphe Elemente in der Architekturtheorie des Quattrocento, Weimar 1998 (Diss. TU Darmstadt), S. 41; vgl. dazu im 17. Jahrhundert die Studien Jacques François Blondels, die das Gebälk verschiedener Ordnungen auf ihre physiognomische Stimmigkeit abgleichen, ibid.: Cours d’architecture enseigné dans l’Académie Royale d’Architecture, Reprint 1698, Hildesheim u. New York 1982. 358 Der Begriff des »Aufforderungscharakters« meint, dass wir Dingen oder Ereignissen in unserer Umwelt nicht neutral gegenüber stehen, sondern dass sie uns zu bestimmten Handlungen auffordern. Einer solchen Auffassung von Umwelt ist der Gedanke der Bedürfnisbefriedigung einbeschrieben; vgl. Lewin 1926, S. 59. 359 Vgl. hierzu George Lakoff u. Mark Johnson: Leben in Metaphern. Konstruktion und Gebrauch von Sprachbildern, Heidelberg 1998, S. 22–30. 360 Vgl. Anm. 288; ebenfalls die Definition in Bernhard Schütz: Balthasar Neumann, Freiburg, Basel u. Wien, 3. Auflage 1988, S. 189: »Zentralbau über kreisrundem oder ovalem Grundriß, bestehend aus einem Unterbau in Form einer Kuppel. Zylinder und Kuppel haben gleichen Grundriß, d. h. die Kuppel sitzt schichteinheitlich wie ein passender Deckel auf dem Zylinder.«

Zum Betrachterbezug der Cornaro-Kapelle vgl. Rudolf Preimesberger: Berninis Cappella Cornaro. Eine Bild-Wort-Synthese des siebzehnten Jahrhunderts?, in: Zeitschrift für Kunstgeschichte 49/1986, S. 190–219.

361

Die als Coretti bezeichneten illusionistischen Logen an den Seiten der Cornaro-Kapelle gehen nach Ansicht der Forschung auf die in höfischen Innenräumen angebrachten »semiprivate rooms for musicians and distinguished visitors« zurück, vgl. Tod A. Marder: Bernini and the Art of Architecture, New York, London u. Paris 1998, S. 116.

362

Körper-Grund-Verhältnisse als Voraussetzungen für die Konstitution des architektonischen Raumes beschreibt Jantzen 1951.

363

364

Ströker 1965, S. 104.

365 Für eine Analyse der Superga-Altäre in ihrer Zielrichtung auf den Hochaltar vgl. Margit Kern: Altäre und Altarraumkonzeptionen Filippo Juvarras, in: Römische Historische Mitteilungen 38/1996, S. 307–336, S. 326; zu der das Heilsgeschehen als zeitlos präsentierenden Form des Reliefs vgl. Antje Scherner: Rezension von Sabine Felder: Spätbarocke Altarreliefs. Die Bildwerke von Filippo Juvarras Superga bei Turin, Emsdetten/Berlin 2001, in: sehepunkte 7/8/2003, [15. 07. 2003], URL: .

Zu ›Tiefe‹ im Modus des Anschauungsraumes vgl. Ströker 1965, S. 107; zu Metaphern der Höhe vgl. Lakoff u. Johnson, S. 25.

366

367 Zu den Wurzeln dieser Tradition, die sich im Mittelalter herausbildet: Günther Bandmann: Mittelalterliche Architektur als Bedeutungsträger, Berlin 1951, S. 207–219. Der Begriff »long distance item« aus den kommunikationstheoretischen Ansätzen von Wobst und Hodder, vgl. hierzu Reinhard Bernbeck: Theorien in der Archäologie, Tübingen u. Basel 1997, S. 238–243.

354 | Anmerkungen

Hellmut Hager: Bernini, Mattia de Rossi and the church of S. Bonaventura at Monterano, in: Architectural History 21/1978, S. 68–76, hier: S. 72.

368

369

Vgl. hierzu Satzinger 1991.

Der Kirchenbau übernahm die Türme vermutlich von vorchristlichen Palastbauten; vgl. Günther Bandmann: Mittelalterliche Architektur als Bedeutungsträger, Berlin 1951, S. 216; für die mittelalterliche Tradition vgl. Werner Meyer-Barkhausen: Die frühmittelalterlichen Vorbauten am Atrium von Alt St. Peter in Rom, zweitürmige Atrien, Westwerke und karolingisch-ottonische Königskapellen, in: Wallraf-Richartz-Jahrbuch 20/1958, S. 7–13; sowie Herwin Schaefer, The origin of the two-tower-facade in romanesque architecture, in: The Art Bulletin 2/1945, S. 85–108.

370

371 Giuseppina Mompeglio Mondini: La tradizione intorno agli edifici romani di Milano. Dal sec. V al secolo XVIII, Mailand 1943.

Vgl. Herwin Schaefer: The origin of the two-tower-facade in romanesque architecture, in: The Art Bulletin 2/1945, S. 85–108; Jens Niebaum: Bramante und der Neubau von St. Peter. Die Planungen vor dem »Ausführungsprojekt«, in: Römisches Jahrbuch der Bibliotheca Hertziana 34/2001/02 [2004], S. 87–184; sowie Barock im Vatikan 2005, S. 75–76, Kat.-Nr. 2 (Jens Niebaum).

372

373

Gritella 1992, Bd. 1, S. 214.

374

Vgl. hierzu Lotz 1955, S. 76–84.

375 Für eine Darstellung der Baugeschichte vgl. Satzinger 2008; sowie Barock im Vatikan 2005, S. 100, Kat.-Nr. 33; S. 108–109, Kat.-Nr. 40 (Georg Satzinger).

Vgl. hierzu Sarah McPhee: Bernini and the Bell Towers, New Haven u. London 2002; Barock im Vatikan 2005, S. 100, Kat.-Nr. 33; S. 108–109, Kat. Nr. 40 (Georg Satzinger); sowie Dagobert Frey: Berninis Entwürfe für die Glockentürme von St. Peter in Rom, in: Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien N. F. 12/1938, S. 203–226.

376

Hierzu die Zusammenstellung bei Gerhard Eimer: La Fabbrica di S. Agnese in Navona. Römische Architekten, Bauherren und Handwerker im Zeitalter des Nepotismus, 2 Bde., Stockholm 1970 (Acta Universitatis Stockholmensis. Stockholm Studies in History of Art , Bd. 18), Bd. 1, Abb. 63–84, sowie Barock im Vatikan 2005, S. 103, Kat.-Nr. 33 (Georg Satzinger). 377

378

Vgl. Barock im Vatikan 2005, S. 108–109, Kat.-Nr. 40 (Georg Satzinger).

379

Vgl. Eimer 1970, Bd. 2.

380

Schlimme bezeichnet sie als »reliefierte Kirchenfront« Schlimme 1999.

381

Huber 1968, S. 88.

382

Vgl. Kemp 2009, S. 322.

383

Vgl. hierzu Smith 1993, S. 70.

384

Vgl. hierzu Gritella 1992, Bd. 1, S. 97–101.

385

Vgl. hierzu Schlimme 1999, S. 16.

355 | Anmerkungen

386

Vgl. Barock im Vatikan 2005, S. 79–81, Kat.-Nr. 7A–E (Jens Niebaum).

387

Vgl. hierzu Elisabeth Wünsche-Werdehausen 2009, S. 199.

»Das gerade lehrt das Pantheon […], dass es selbst als Zentralbau gerichtet ist, das heißt, dass es eben durch die Ausrichtung seines Innenraumes auf eine Achse zugleich auf den außerhalb und vor ihm liegenden Raum bezogen ist […].« Vgl. Heinz Kähler: Der römische Tempel, Berlin 1970, S. 31–32. 388

389

Palladio 1995 [1570], S. 272.

390

Schlimme 1999, S. 78.

Vgl. Hugo Brandenburg: Die frühchristlichen Kirchen Roms vom 4. bis zum 7. Jahrhundert. Der Beginn der abendländischen Kirchenbaukunst, Mailand/Regensburg 2004, S. 101; sowie Achim Arbeiter, Alt-St. Peter in Geschichte und Wissenschaft. Abfolge der Bauten – Rekonstruktion – Architekturprogramm, Berlin 1988, Abb. 57, 58.

391

392

Vgl. S. 77–81 dieser Studie.

393

Vgl. hierzu Brinckmann 2000 [1908], S. 60–61.

394

Zu dieser Gruppe von Fassaden vgl. Hubala 1978, S. 16.

395 Vgl. Anm. 216; sowie Silvia Bordini: Bernini e il Pantheon. Note sul classicismo berniniano, in: Quaderni dell’Istituto di Storia dell’Architettura 79/80/1967), S. 53–84; sowie Tod A. Marder: Bernini and Alexander VII. Criticism and Praise of the Pantheon in the Seventeenth Century, in: The Art Bulletin 4/1989, S. 628–645. 396

Kaufmann 1955.

397 Eberhard Hempel: Carlo Rainaldi. Ein Beitrag zur Geschichte des römischen Barocks (Diss., Univ. München, 1916), München 1919, S. 51–52.

Vgl. Cornelia Jöchner: Der Platz hinter dem Tor. Zur Piazza del Popolo in Rom als Wegraum und Chronotopos, in: Alessandro Nova u. Cornelia Jöchner (Hrsg.): Platz und Territorium. Urbane Struktur gestaltet politische Räume, Berlin 2010, S. 139–163. 398

399

Hempel 1919, S. 52.

400

Ibid., S. 50.

401

»This last [Superga] is considered to be the very beginning of neoclassicism.« Kaufmann 1955,

S. 87. 402 Hierzu gehört der Hinweis auf Carlo Fontana, den Lehrer Juvarras, dem Coudenhove-Erthal ein Streben nach »geometrischer Einheitlichkeit« bescheinigt. Fontana war nicht nur führend an den beiden Kirchen auf der Piazza del Popolo beteiligt war, sondern errichtete auch die auf einem achtteiligen Grundriss beruhende Rundkirche der Jesuiten in Loyola S. Ignazio; vgl. hierzu Eduard CoudenhoveErthal: Carlo Fontana und die Architektur des römischen Spätbarocks, Wien 1930, S. 134–138. Außerdem war er mit einem Projekt für die Ausgestaltung des Kolosseums befasst und rekonstruierte die Baugeschichte des Pantheon, deren Konsequenzen sich allerdings Bernini entzog; vgl. Marder 1989; zu den städtebaulichen Veränderungen um das Pantheon, für die ebenfalls hauptsächlich Papst Alexander VII. verantwortlich zu machen sind: id.: Alexander VII, Bernini, and the Urban Setting of

356 | Anmerkungen

the Pantheon in the Seventeenth Century, in: Journal of the Society of Architectural Historians 3/1991, S. 273–292. Vgl. auch Werner Oechslin: Bildungsgut und Antikenrezeption im frühen Settecento in Rom. Studien zum römischen Aufenthalt Bernardo Antonio Vittones, Zürich 1972. 403

Vgl. hierzu Barock im Vatikan 2005, S. 85–87, Kat.-Nr. 13A-C (Georg Satzinger).

Die Säulenstellung des Tetrastylos mit dem in der Mitte geweiteten Interkolumnium geht auf das antike römische Mausoleum Tor de’ Schiavi zurück; zu den Portiken römischer Tempel vgl. Satzinger 1991, S. 16; zur Planung einer Fassade für St. Peter vgl. Christof Thoenes: Madernos St.-Peter-Entwürfe, in: Henry A. Millon u. Susan Scott Munshower (Hrsg.): An Architectural Progress in the Renaissance and Baroque. Sojourns In and Out of Italy. Essays in Architectural History, presented to Hellmut Hager on his Sixty-sixth-Birthday, University Park, Pennslyvania 1992, Bd. 1, S. 171–193; sowie id.: Osservazioni Postscriptum (1997), in: Sostegno e adornamento. Saggi sull’architettura del Rinascimento – disegni, ordini, magnificenza, Mailand 1998, S. 11–47. 404

405

Smith 1993.

406

Wolff Metternich 1965, S. 162–170.

407

Ibid., S. 163.

408

Thoenes 1968, S. 337.

Hierzu Thoenes: »[…] ihre Tiefe erscheint wie in einzelne Flächenschichten zerlegt, und die giebeltragende Vier-Säulen-Gruppe wird nicht mehr als Aussendung des Kreuzbaus aufgefasst, sondern bildet das Mittelteil eines flachen, vom übrigen Baukörper isolierten Fassadenprospekts.« Ibid., S. 338. 409

Tatsächlich liegt von Juvarra eine große Anzahl an Architekturzeichnungen vor, die Werke zwischen Brunelleschi und Andrea Pozzo reflektieren. Carlo Fontana gab Juvarra die Empfehlung, Michelangelo und andere Architekten zu studieren, vgl. Henry A. Millon: Filippo Juvarra e Palladio. Prolusione al 37. corso sull’architettura di Andrea Palladio, Vicenza 1995, S. 5–27, S. 13.

410

Lemma ›Fassade‹, in: Reallexikon 1981, hrsg. v. Zentralinstitut für Kunstgeschichte München, München 1981, Bd. 8, Sp. 535–690.

411

412

Kauffmann 1941, S. 129.

413 Die wechselnden Kapellenabschlüsse erklären sich durch das aus einem Quadrat gewonnene Oktogon, in das ein in seinen Armen geweitetes Griechisches Kreuz eingefügt ist.

Josef Mühlenbrock: Tetrapylon. Zur Geschichte des viertorigen Bogenmonumentes in der römischen Architektur, Paderborn 2003, S. 20–21. Den Hinweis auf die römischen Quadrifrons verdanke ich Ortwin Dally, Rom.

414

415 Henry A. Millon: Juvarra. Drawings from the Roman Period, Bd. 1, Rom 1984. Trotz einiger Vorarbeiten, etwa von Elisabeth Kieven (vgl. Bernini 1993) und Oechslin 1972 gibt es zum fragmentarischen Stil in der Architekturzeichnung des 18. Jahrhunderts keine eingehende Untersuchung.

Huber 1968, S. 134, greift dies für ihre Interpretation auf, der den Bau als szenographisch zeigen soll. Die Aspekte des Außenräumlichen bleiben hier jedoch unterrepräsentiert. 416

357 | Anmerkungen

»Michelangelos Pilaster, sparsam verteilt, bleiben einige Meter darunter [unter dem Kranzgesims von Sangallos Tribuna], sind aber je für sich von kolossalem Format: Es ist das Pathos der großen Tragformen, mit dem auch Bramante schon operiert hatte. Auf Bramante hat Michelangelo, wie bekannt, sich berufen, und in der Tat scheint in seinem Wandsystem die Kerngruppe des Bramantebaus, das kuppelbekrönte Pfeilergerüst, wie nach außen ›durchgewachsen‹.« Thoenes 2008, S. 19; ähnlich Barock im Satzinger 2005 (Baugeschichte), S. 63; sowie James S. Ackerman: The Architecture of Michelangelo, 2 Bde., London 1961–1964, S. 96.

417

418

Zur Bedeutung des durch die Ordnungen entstehenden Rhythmus vgl. Hubala 1994.

419 Als Architektur des Horizonts bezeichnet die phänomenologische Architekturtheorie alle mit einer Ästhetik des Tiefbaus verbundenen Formen der Gebäude; vgl. Heinrich F. Jennes: Architektur des Horizonts. Bericht vom territorialen Entwurf, Berlin 2001, S. 75–84. 420 Vgl. Lionello Puppi: Andrea Palladio. Das Gesamtwerk, Mailand 1973, S. 241–243, 299, 317–320. 421 Christof Thoenes: S. Maria di Carignano e la tradizione della chiesa centrale a cinque cupole, in: Wolfgang Lotz (Hrsg.): Galeazzo Alessi e l’architettura del Cinquecento, Genua 1975, S. 219–325. 422

Keysler 1740, S. 275.

423

Vgl. hierzu S. 42.

424

Carboneri 1979, S. 147.

425

Telluccini 1912, S. 39.

426

Carboneri 1979, S. 7.

427 »Die mit der Städtebildung forcierte Ablösung von der ursprünglichen Stelle war offenbar mit einer enormen repräsentativen Vergrößerung der Bauten verbunden, die umso drastischer das Bedürfnis nach einer nivellierenden Standfläche hervorriefen, nach einer horizontalen, ebenen Abgrenzung vom unregelmäßigen Boden, nach einem Sockel, bzw. nach der Monumentalisierung des einstigen ›soculus‹, des ›kleinen Schutzes‹ vor Regen und Spritzwasser, der eigentlich nur für den Lehm- und Holzbau nötig gewesen war.« Jennes 2001, S. 81. 428

Felder 2001, S. 54.

429 Vgl. den Plan bei Carboneri 1979, Tf. VIIa. Für 1731 wird die Nachricht über ein Disegno di cappella sotteranea con sculture per le tombe, della Reale casa di Savoia a Superga überliefert; ibid., S. 19. Einer der ersten Kunstaufträge, die Carlo Emanuele III. 1731 als Nachfolger seines Vaters König Vittorio Amedeo II. gab, war jedenfalls die Pietà Cornacchinis für die Capella sotteranea; siehe Felder 2001, S. 54. 430 Eine Rekonstruktion der Eingriffe Juvarras in den Jahren 1728–1730 bei Carboneri 1979, S. 132; vgl. dazu auch Wünsche-Werdehausen 2009, S. 64, die Pläne zur Grablege ebenfalls schon für die Anfangsjahre belegt sieht. 431

Carboneri 1979, S. 11.

432 Robert Harrison: Die Herrschaft des Todes, München 2006, S. 20; zur Tradition fürstlicher Mausoleen in italienischen Städten vgl. Marcello Fantoni: Il potere dello spazio. Principi e città nell’Italia dei secoli XV–XVII, Rom 2002, S. 203–214.

358 | Anmerkungen

433

Vgl. Smith 1993, S. 65.

434

Im Unterschied zur hellenistischen Architektur, in der Säulen tatsächlich tragen.

Die SS. Annunziata war Patronin des gleichnamigen geistlichen Ritterorden im Staat, dem der jeweilige Herrscher vorstand; das Fest der Unbefleckten Empfängnis gehörte zu einem der wichtigsten Feiertage in Piemont-Savoyen, was sich auch auf den Altarbildern in S. Filippo Neri und S. Uberto zeigt; vgl. Wünsche-Werdehausen 2009, S. 87.

435

436

Vgl. hierzu Pollak 1991, S. 14.

437 Zur Bedeutung des Hl. Maurizio für die savoyische Dynastie vgl. auch Sergio Mamino: Culto delle reliquie e architettura sacra negli anni di Carlo Emanuele I, in: Andreina Griseri und Rosanna Roccia (Hrsg.): Torino. I percorsi della religiosità, Turin 1998, S. 53–100. 438 Vgl. hierzu die minutiöse Analyse dieses savoyischen Heiligenkults in: Wünsche-Werdehausen 2009, S. 81–99. 439 Anders Wünsche-Werdehausen 2009, die gerade eine Identität mit dem herkömmlichen Memorialbau sieht.

Zur Wallfahrtskirche Madonna di Vico in Vicoforte vgl. Lotz 1955, S. 76–84, die dort als größte Ovalkirche des Abendlands bezeichnet wird.

440

441

Zu Montano vgl. Raspe 1994, S. 56–58; Wünsche-Werdehausen 2009, S. 75.

442

Smith 1993, S. 71.

443 Es sind also die Ordnungen insgesamt, die das Gerüst bilden, nicht etwa die Säulen, wie häufig impliziert. Vgl. hierzu den eher verunklärenden Begriff des »Gestängebaus« bei Keller 1990, S. 42. 444

Erben 2004; sowie Wünsche-Werdehausen 2009, S. 76.

445 Zur Geschichte der Kapelle und späteren Pfarrkirche, die von 1439 an dokumentiert ist und um 1520 von Augustinerbrüdern als Wallfahrtsort ausgebaut werden sollte, vgl. Rondolino 1907, S. 388; sowie Telluccini 1912, S. 32–46. Vgl. auch S. 42–43. 446

Telluccini 1912.

447 Zum Zeitpunkt der Abtragung besaß die kleine Kirche, die an das Haus des Priesters angegliedert und von einigen anderen Häusern umgeben war, einen Turm mit drei Glocken sowie drei Altäre. Der Hauptaltar war der Jungfrau, später der Madonna del Rosario geweiht, die beiden anderen S. Antonio und S. Grato; vgl. Telluccini 1912, S. 37. Der Auftrag an Andrea Sasso und seine Luganer Bauleut lautet 1716: »Demolitione con tutta pontualità e dilligenza della chiesa et fabrica hoggidí esistente sovra detto monte«, vgl. Carboneri 1979, S. 113. 448

Zur Marienstatue Madonna di Soperga vgl. Felder 2001, S. 133.

449 Der Name »Superga« wird mit der keltischen Besiedlung erklärt, die zwischen dem 6.–8. Jahrhundert die Gegend um Turin, Asti und Casale prägte. Der Hügel wurde »Serra perg« oder »perg-serra« genannt, also Berg Serra. Im Mittelalter wurde daraus »saropergia«, später »Soperga« oder »Superga«; vgl. Rondolino 1907, S. 387.

359 | Anmerkungen

450

Telluccini 1912; vgl. auch Symcox 1983.

451

Symcox 1983, S. 151.

Eine solche Begebenheit für diesen Tag verzeichnet auch nicht das Tagebuch der Besetzung von Francesco Ludovico Soleri, in: Dina Rebaudengo: Torino racconta. Diario manoscritto di Francesco Ludovico Soleri dal 22 marzo 1682 al 27 febbraio 1721 e il suo giornale dell’assedio del 1706, Turin 1969, S. 159–160. Die frühesten Nachrichten datieren aus der Zeit, als die Superga fast fertiggestellt war (1726, 1729); vgl. hierzu Wünsche-Werdehausen 2009, Anm. 173. 452

453

Zit. nach Rondolino 1907, S. 393.

454

Ibid.

455

Zit. nach Lange 1962/1963, S. 105.

Musterhafte Züge bei der Kirchengründung der Superga sieht auch Felder 2001, S. 153. Diese Parallele zieht auch der Bericht des französischen Gesandten am savoyischen Hof, Blondel, zit. in Wünsche-Werdehausen 2009, Anm. 213. 456

Diesen Ausgangspunkt für die Superga wählt auch Huber 1968. Die angebliche Ikonographie der zentralisierten Marienkirche geht zurück auf Lotz 1964, der sich gründet auf Richard Krautheimer, Sancta Maria Rotunda, in: Edoardo Arslan (Hrsg.): Arte del primo millennio. Atti del IIo Convegno per lo studio dell’arte dell’alto medio evo, Pavia 1950, Turin 1953. Hier sind nicht nur die bekannten Beispiele der Renaissance und des Barock genannt (S. Maria degli Angeli, Florenz; S. Maria delle Grazie, Prato; S. Maria di Fuori, Empoli; S. Maria dell’Ascensione, Ariccia), sondern auch die frühchristliche Sancta Maria Rotunda/Theoderichsgrab, Ravenna sowie karolingische Beispiele: die Marienkapellen in Centula, Würzburg, Altötting und Ludwigsstadt sowie weitere Beispiele zwischen dem 9.–11. Jh. (Compiègne, Nijmegen, Ottmarsheim, Mettlach), die der Autor als Reflex auf das Pantheon versteht. Weitere zentralisierte Marienkirchen wären: S. Maria della Consolazione, Todi; S. Maria di Canepanova, Pavia, sowie Madonna di Campagna bei Verona und Madonna Incoronata bei Lodi. Zur Kritik einer solchen typisierten Auffassung von Zentralbau vgl. Satzinger 1991. 457

458 Zu dem von einer Person oder Körperschaft gefassten Votum gehörte es, dass dieses auf irgendeine Weise ›öffentlich‹ gemacht wurde. Dabei besaß das Votum rechtsähnliche Gültigkeit und stiftete eine verbindliche Kommunikation zwischen dem Gläubigen und der Überwelt; vgl. hierzu Lexikon für Theologie und Kirche, hrsg. v. Walter Kasper, Bd. 10, Freiburg et al. 2001, S. 907, s. v. »Votive, Votivbilder, Votivtafeln« (Wolfgang Brückner); vgl. auch Theologische Realenzyklopädie, hrsg. v. Gerhard Müller, Bd. 35, Berlin u. New York 2003, S. 235, s. v. »Volksfrömmigkeit« (Andreas Holzem).

Vgl. Cornelia Jöchner: Die Superga als herrschaftliche Votivkirche. Ein ›Raumtypus‹ der Frühen Neuzeit, in: Paolo Cornaglia, Andrea Merlotti, Costanza Roggero (Hrsg.): Filippo Juvarra1678–1736, architetto dei Savoia, architetto in Europa, 2 Bde., Rom 2014, Bd. 1: Architetto dei Savoia, S. 83–98. 459

460 Die tiefe Anlage wird wie bei den anderen vier genannten Kirchen durch das Presbyterium bedingt, das in allen Fällen für die Versorgung der Altardienste durch ein Kloster oder ein Stift notwendig war. 461 »[…] le rapprochement s’était fait autour de la notion de témoignage en faveur du vrai Dieu, apporté soit par les matyrs, soit par les objets et lieux qui avaient ›vu‹ se produire un événemnt de l’histoire sacrée.« André Grabar: Martyrium. Recherches sur le culte des reliques et l’art chrétien antique, Bd. 1: Architecture [1946], London 1972, S. 29 ff.

360 | Anmerkungen

462

Ibid.

463

Oechslin 1972, S. 24; zur Aufnahme des Kapitols vgl. Pinto 1980.

464 Susan Scott Munshower: Filippo Juvarra’s Spatial Concepts and Italian Stage Design. The Consummation of a Renaissance Discovery (Diss., University Park, Pa., Pennsylvania State Univ., 1995), Ann Arbor 1995, S. 14. Zu den sogenannten Architekturfantasien bei Juvarra vgl. Albert Erich Brinckmann: Fantasie monumentali. Architettura urbanistica, in: id., Lorenzo Rovere u. Vittorio Viale (Hrsg.): Filippo Juvarra, Mailand 1937, Bd. 1, S. 147–150; sowie Chiara Passanti: Capriccio e Progettazione in Filippo Juvarra, in: Henry A. Millon u. Susan Scott Munshower (Hrsg.): An Architectural Progress in the Renaissance and Baroque. Sojourns In and Out of Italy. Essays in Architectural Historiy Presented to Hellmut Hager on his Sixty-sixth Birthday, University Park, PA 1992, Bd. 2, S. 610–619. 465 Zur Maßstäblichkeit von Architektur als Positionierung des Projekts siehe Boudon 1991 [1971], S. 54–91, hier: S. 55. 466

Scott Munshower 1995, S. 3; vgl. weiterhin Viale Ferrero 1970.

467

Pommer 1967, S. 24.

Zu den Bauprojekten Juvarras in Venaria Reale vgl. Gritella 1992, Bd. 1, passim; sowie Paolo Cornaglia: Giardini di marmo ritrovati. La geografia del gusto in un secolo di cantiere a Venaria Reale (1699–1798), Turin 1994, S. 53–108.

468

Über die zeichnerische Kompetenz Juvarras schreibt Elisabeth Kieven: »Juvarras zeichnerische Ausdrucksfähigkeit wurde schon zu Lebzeiten zur Legende, seine Blätter wurden bereits von den Zeitgenossen gesammelt.« Bernini 1993, S. 187.

469

470

Linfert 1931, S. 134.

Die Bezeichnung nach Brinckmann, Rovere u. Viale 1937 (Juvarra), Tav. 278, vgl. auch S. 149–150; sowie: Comoli Mandracci 1995, S. 54. 471

472 Brinckmann versteht dies als Zusammenfluss von Dora und Po, vgl. Brinckmann 1937 (Fantasie), S. 150.

Huber 1968, S. 23; vgl. zur Zeichnung auch Nino Carboneri: Ascanio Vitozzi. Un architetto fra Manierismo e Barocco, Rom 1966, S. 36. 473

474

Bernini 1993, S. 189.

475

Sörgel 1998 [1921], S. 221.

Solar de la Marguerite: Traités publics de la Royale Maison de Savoie avec les puissances étrangères depuis la paix de Château-Cambresis jusqu’ à nos jours publiés par ordre du Roi, Turin 1886, S. 281–284. Vgl. auch Konvitz 1987, S. 32, gibt hier fälschlich den Frieden von Ryswick (1697) an.

476

Wie wichtig Karten für die Konstitution des politischen Territoriums in dieser Zeit geworden waren, zeigen ebenfalls die Friedensverhandlungen von Utrecht: Der französische Außenminister Torcy zwang hier seinen englischen Amtskollegen, anhand von Karten die strategische Bedrohung wahrzunehmen, die durch die savoyischen Forderungen entstanden war; vgl. Jeremy Black: Maps and History. Constructing Images of the Past, New Haven u. London 1997, S. 16. 477

361 | Anmerkungen

478 Georg Simmel: Philosophie der Landschaft, in: id.: Brücke und Tür. Essays des Philosophen zur Geschichte, Religion, Kunst und Gesellschaft, hrsg. v. Michael Landmann in Zus.arbeit mit Margarete Susman, Stuttgart 1957, S. 141–152.

Der Begriff der städtebaulichen Typologie nach Aldo Rossi: Die Architektur der Stadt. Skizze zu einer grundlegenden Theorie des Urbanen [1966], Düsseldorf 1973.

479

Christian Hecht: Katholische Bildertheologie im Zeitalter von Gegenreformation und Barock. Studien zu Traktaten von Johannes Molanus, Gabriele Paleotti und anderen Autoren, Berlin 1997, S. 329.

480

Wolfgang Kemp schreibt: »Wenn wir in der Kunstgeschichte von Ortsbindung des Kunstwerks, von Ensembles sprechen, denken wir meist an Komplexe ›aus einem Guss‹, an integrale und intentionale Kontexte. Das ist der Ideal-, aber nicht der Regelfall, vielleicht nicht einmal der interessantere.« Vgl. Kemp 1991, S. 96. Zur longue durée als einem räumlichen Prozess vgl. Jöchner 2010.

481

Zum Dom vgl. Georg Peter Karn: Die Projekte Filippo Juvarras für den Duomo Nuovo in Turin. Dombau im Zeitalter des Absolutismus, Hildesheim, Zürich u. New York 1999, S. 27; zu Mondovì vgl. Lotz 1955, S. 76–84; sowie Paolo Cornaglia: Un mausoleo per Carlo Emanuele I: la Madonna del Mondovì a Vico, in: Micaela Viglino Davico (Hrsg.): Ascanio Vitozzi. Ingegnere militare, urbanista, architetto (1549–615), Città di Castello 2003, S. 173–223. 482

Vgl. dazu die hervorragende Darstellung von Marcello Fantoni: Il potere dello spazio. Principi e città nell’Italia dei secoli XV–XVII, Rom 2002, insbesondere: S. 203–214.

483

Dieselbe Aufgabe nahmen in Turin bereits die Piazza S. Carlo sowie die Piazza Savoia wahr. In der Zeit zwischen dem späten 16. und dem frühen 19. Jahrhundert schufen Plätze in Turin bei Stadterweiterungen stets Verbindungen von Alt und Neu.

484

485

Vgl. S. 55–56.

486

Zum Begriff des »Wirkungsbezugsraum« von Tilmann Breuer vgl. S. 20.

487 Ausführlich widmet sich der Architekturschriftsteller Francesco Milizia im dritten Buch seines Buches über die Zivilarchitektur den Eingängen in die Stadt; vgl. Francesco Milizia: Principi di Architettura civile [Finale 1781], hrsg. u. ill. v. Giovanni Antolini, reproduziert nach der 2. Aufl. Mailand 1847, Mailand 1972, S. 207–208. Bei Alberti waren diese nur als Teil der Befestigung behandelt worden; vgl. Alberti 1991 [1912], S. 198. Zu den neuartigen Eingängen in die Stadt vgl. S. 207. 488 Der Begriff longue durée fasst bei Fernand Braudel räumliche Phänomene der Kulturgeographie, vgl. id.: Die lange Dauer, in: Theodor Schieder (Hrsg.): Theorieprobleme der Geschichtswissenschaft [frz. Orig.: Histoires et sciences sociales. La longue durée, in: Annales 13/1958, S. 725–753], Darmstadt 1977, S. 725–753; hier wird er jedoch spezifiziert, um urbanistische und langfristige architektonische Konfigurationen zu beschreiben; ohne die grundsätzlichen methodischen Implikationen für die Analyse vgl.: Donatella Calabi: The Market and the City. Square, Street and Architecture in Early Modern Europe [ital. Orig. 1993], Aldershot 2004, S. 21–24.

Hierzu grundsätzlich Massimo Birindelli: Die bürgerliche Idee des Kunstwerks, in: Jahrbuch für Architektur, 3/1983, S. 160–173. David Friedman spricht in Bezug auf die Piazza della Signoria etwa vom »squaring«, dem allmählichen »Platz-machen«; vgl. id.: The residence of the Mercanzia and the Piazza della Signoria in Florence, in: Francesca Bocchi (Hrsg.): Imago urbis. L’immagine della città nella storia d’Italia, Rom 2003, S. 371–388, S. 381.

489

362 | Anmerkungen

490 Als Beispiel hierfür kann das römische Amphitheater in Lucca gelten, das während des Mittelalters zerfiel, aus dessen Ruinen jedoch das Innere der vorherigen Form bebaut wurde. Erst als an das Oval später Wohnhäuser angebaut wurden, stand die Innenbebauung wieder zur Disposition und wurde abgerissen. Das einmal geschaffene Oval blieb also trotz eines umfassenden baulichen Wandels erhalten; vgl. J. Alexander Schmidt: Städtebau und evolutiver Struktur- und Gestaltwandel. Überlegungen zur Modellierung von Veränderungsprozessen in der gebauten Umwelt, Frankfurt a. M. u. a. 1990 (Europäische Hochschulschriften, Reihe 37: Architektur, Bd. 7), S. 123; zur methodischen Einbindung der Lagekonstanz in die kunstwissenschaftliche Analyse vgl. Bek 2005. 491

Kemp 1991, S. 98.

Ibid., S. 96. Im Bereich der Platzforschung weist auf den Faktor des Ungeplanten und Unplanbaren Christof Thoenes hin, vgl. id.: Römische Plätze: Planung und Nicht-Planung [OstfildernRuit 1994], in: Opus incertum. Italienische Studien aus drei Jahrzehnten, eingeführt von Andreas Beyer, Horst Bredekamp und Peter Cornelius Claussen, München 2002 (Aachener Bibliothek, Bd. 3), S. 343–379. 492

493

Kemp 2009, S. 412; vgl. dazu auch S. 372.

Claude Bergeron: City Planning in Turin, 1800–1865. From Napoleon I to the First Capital of Italy (Diss.), Princeton 1972.

494

Zu den gut bearbeiteten Vorläufern gehören vor allem die Place Royale in Nancy und der Friedrichsplatz in Kassel; vgl. Bek 2005, S. 99–138; sowie Kemp 1997.

495

496 Wie sehr das Innere der Stadt mit dem Platz identifiziert wurde, zeigt folgendes Zitat bei Sitte: »(…) ist es einleuchtend, dass ein freier Raum im Innern einer Stadt hauptsächlich dadurch ja erst zum Platz wird.« Teilweise gelten große Plätze Sitte jedoch, wie die Piazza del Plebiscito in Neapel, als »Verbessertes modernes System«; vgl. Camillo Sitte: Der Städtebau nach seinen künstlerischen Grundsätzen. Ein Beitrag zur Lösung moderner Fragen der Architektur und monumentalen Plastik unter besonderer Beziehung auf Wien. Vermehrt um »Großstadtgrün« [Reprint nach der 4. Aufl. 1909], Braunschweig u. Wiesbaden 1983, S. 125–158; Brinckmann ist etwa der Friedrichsplatz in Kassel kaum eine Erwähnung wert; vgl. Brinckmann 2000 [1908], S. 149, über die Place de la Concorde schreibt er, sie sei schon jenseits des Stadtplatzes (ibid., S. 114). 497

Vgl. Kemp 1997, S. 243.

Zu den Stadterweiterungen, die eine »rein technische Angelegenheit« seien, vgl. Sitte 1983 [1909], S. 2; bei Brinckmann 2000 [1908], S. 155.

498

499

Vgl. S. 15.

500

Sitte [1909] 1983.

501 Vgl. die Reihe Geschichte des Stadtgrüns, hrsg. v. Dieter Hennebo, Bd. 3–4, Hannover u. Berlin 1977–1979. 502 Vor allem Uvedale Price übertrug Ende des 18. Jahrhunderts die Prinzipien dieses Begriffs auf die Stadt, weitere Theoretiker sind: Jean-Marie Morel, Pierre Patte, Johann Helfenzrieder sowie Quatremère de Quincy, vgl. Katia Frey: Architektur und Monument. Die Stadt als ästhetisches und historisches Artefakt, in: Vittorio Magnago Lampugnani, Katia Frey u. Eliana Perotti (Hrsg.): Anthologie zum Städtebau. Von der Stadt der Aufklärung zur Metropole des industriellen Zeitalters, Berlin 2008, Bd. 1.1, S. 303–316, hier: S. 308–309; sowie id.: Embellissement der europäischen Stadt.

363 | Anmerkungen

Maßnahmen und Instrumente, in: Vittorio Magnago Lampugnani, id. u. Eliana Perotti (Hrsg.): Anthologie zum Städtebau. Von der Stadt der Aufklärung zur Metropole des industriellen Zeitalters, Berlin 2008, Bd. 1.1, S. 425–438, S. 429–431, 435. 503 Vincenzo Fontana: La conquista del panorama, in: Amerigo Restucci (Hrsg.): Storia dell’architettura italiana. L’Ottocento, Mailand 2005, Bd. 2, S. 487–499. 504

Bergeron 1972, S. 167.

505

Ibid., S. 168.

506 Zum Prinzip der Uniformität vgl. Michael Häberle: Pariser Architektur zwischen 1750 und 1800. Die Entstehung des Elementarismus, Berlin 1995, S. 109–110. 507

Hierzu insbesondere Bergeron 1972, S. 169.

35.000 m2 gegenüber 15.000 m2 bei der Piazza S. Carlo. Zu Frizzis Bauten auf der Piazza Vittorio Emanuele vgl. Elena Gianasso: Giuseppe Frizzi di Minusio. Un architetto urbanista della Torino ottocentesca, in: Arte & storia 11/2011, S. 562–569.

508

509 Treffend vermerkt Zucker zur gesamten Abfolge des Ensembles: »The idea of continous motion still exists, in the words of Milizia ›una progressione crescente di bellezza‹, but the moment of surprise and of dramatic movement has completely vanished.« Paul Zucker: Town and Square. From the Agora to the Village Green, New York 1959, S. 164.

Vgl. hierzu zusammenfassend Christof Thoenes: Atrium, Campus, Piazza. Zur Geschichte des römischen Petersplatzes, in: Alessandro Nova u. Cornelia Jöchner (Hrsg.): Platz und Territorium. Urbane Struktur gestaltet politische Räume, Berlin 2010, S. 65–88, hier: S. 73–74; sowie ausführlich id.: Studien zur Geschichte des Petersplatzes, in: Zeitschrift für Kunstgeschichte 26/1963, S. 97–145.

510

511 Seitlich dieser Fläche öffnen sich unterschiedlich gestaltete Wege entlang der Paläste in die Weite der Landschaft. Der enge Bezug zwischen Fassade und Platz zeigt sich v. a. im Steinring auf dem Boden, dessen Außendurchmesser exakt dem Radius der Kirchenfassade entspricht und dessen Mittenabstand zur Schwelle des Hauptportals genau der Höhe des Rundfensters darüber entspricht. Zu den Maßverhältnissen vgl. v. a. Jan Pieper: Pienza. Der Entwurf einer humanistischen Weltsicht, Stuttgart u. London 1997, S. 455–456; zu der Fixierung eines »idealen« Betrachterstandortes, der allerdings auch die ungleichen Abstände zwischen Domfassade und Randbebauung sowie die Verschiedenheit der seitlichen Durchblicke deutlich macht; vgl. Andreas Tönnesmann: Pienza. Städtebau und Humanismus, München 1990 (Veröffentlichungen der Bibliotheca Hertziana [Max-PlanckInstitut] in Rom, Römische Forschungen der Bibliotheca Hertziana, Bd. 26), S. 83–84; vgl. auch Ludwig H. Heydenreich: Italienische Renaissance. Anfänge und Entfaltung in der Zeit von 1400 bis 1460, München 1972, S. 92–93. 512

Dies gilt der Forschung auch als Kritikpunkt an der Anlage, vgl. Bergeron 1972, S. 178.

513 Emil Kaufmann: Von Ledoux bis Le Corbusier. Ursprung und Entwicklung der Autonomen Architektur [1933], Stuttgart 1985, S. 18. 514

Milizia [1781] 1972, S. 325.

Der Begriff der Magnificenza (lat. magnificentia) geht auf den aristotelischen Tugendkanon zurück. Großartigkeit oder Großzügigkeit war eine Tugend des reichen Mannes, vor allem der Fürsten, die sich im Aufwand für ein möglichst vollkommenes Werk zeigte. Es wurde gezeigt, dass dies eine

515

364 | Anmerkungen

primär auf Öffentlichkeit angelegte Kategorie war, vgl. hierzu Kornelia Imesch: Magnificenza als architektonische Kategorie. Individuelle Selbstdarstellung versus ästhetische Verwirklichung von Gemeinschaft in den venezianischen Villen Palladios und Scamozzis (Habilitationsschrift, Universität Zürich, 2002), Oberhausen 2003. Milizia [1781], S. 218. Die Aufmerksamkeit Milizias für das Öffentliche zeigt sich auch darin, dass er die diesbezüglichen Bauaufgaben, wie sie seit Alberti durch die Architekturtheorie aufgezeichnet werden, erweitert und in einer Synopsis klassifiziert: »I. Di sicurezza pubblica, II. Di utilità pubblica, III. Di abbondanza pubblica, V. Per salute e pulizia pubblica, VI. Di magnificenza pubblica (S. 215); vgl. hierzu auch Wolfgang Hermann: »He gave the public a synthesis of classical doctrine, pleasantly written and easily understood.« Wolfgang Herrmann: Laugier and Eigthteenth Century French Theory, London 1962, S. 195. 516

Bruno Reudenbach: G. B. Piranesi – Architektur als Bild. Der Wandel in der Architekturauffassung des achtzehnten Jahrhunderts (Diss., Univ. Köln), München 1979, S. 75–76. In der Wertschätzung der Zweckbauten des antiken Rom schloss Milizia an Piranesi an; vgl. hierzu Lampugnani, Frey u. Perotti 2008, S. 77–78.

517

1260 hatte ihn Guglielmo di Monferrato zum Castello ausbauen lassen; 1415 übernahm ihn Lodovico di Acaja. Die Acaja waren eine in Pinerolo beheimatete savoyische Seitenlinie, die während des Mittelalters die Stadt beherrschte. 518

Ein Knotenpunkt verschiedener Straßen, etwa als Y-förmige Kreuzung an Toren oder Brücken, war bei gewachsenen Stadtanlagen häufig, vgl. Spiro Kostof, Richard Tobias: Das Gesicht der Stadt. Geschichte städtischer Vielfalt, Frankfurt a. M. u. New York 1992, S. 234.

519

Eine Parallele hierzu sind die Turnierplätze in der Nähe von Schlossanlagen, beispielsweise in Berlin, Kassel, zu letzterer vgl. Bek 2005, S. 126; sowie in Mailand am Castello Sforzesca.

520

Die Maße der römischen Insulae betrugen 720 × 670 m (Angaben nach Pierre Lavedan, Jeanne Hugueney u. Philippe Henrat: L’Urbanisme a l’époque moderne. XVIe–XVIIIe siècles, Genf 1982 (Bibliothèque de la société française d’archéologie, Bd. 13), S. 217). Bei der ersten Stadterweiterung nach Süden (1619 ff. wurden die Blöcke gegenüber der città vecchia rechteckig (vgl. Abb. 19), die Straßen erweiterten sich gegenüber den römischen Straßen von sieben Metern Breite auf elf Meter (Enrico Guidoni u. Angela Marino: Storia dell’urbanistica. Il Seicento, Bari 1979, S. 151). Bei der zweiten Stadterweiterung (1671 ff.), welche die Stadt zum Po hin vergrößerte, wurde die Contrada di Po auf achtzehn Meter verbreitert (vgl. Pollak 1991, S. 218). Betont sei in diesem Zusammenhang, dass die regelmäßigen Raster europäischer Städte nicht zwangsläufig mit Befestigung einhergingen, sondern in offener Form auch der Stadterweiterung dienten und hierin als Vorbilder für die Planung neuer Städte in Mexiko gedient haben, vgl. George Kubler: Open-grid Town Plans in Europe and America, in: Richard Schaedel (Hrsg.): Urbanization in the Americas from the Beginnings to the Present, Den Haag u. Paris 1978, S. 327–339. Eines der Beispiele hierfür ist die vom Großkanzler Karls V., Grimaldi, angelegte piemontesische Stadt Gattinara. 521

Die Schaffung der »piazza requadrata« durch Abreißen der alten Gebäudestruktur in der Mitte der Insulae vor dem Palazzo war gleichzeitig auch die Voraussetzung für die neue Achse, die vom Schloss aus in Richtung des Schlosses Mirafiori geschaffen wurde; vgl. Andrea Barghini: Inediti per l’architettura da Ascanio Vitozzi agli architetti del primo Settecento, in: Studi Piemontesi, 19/1990), fasc. 1, S. 57–64, S. 59.

522

523

Zum Castello mit weiterführender Literatur vgl. Pollak 1991, S. 15.

365 | Anmerkungen

524 Allerdings bildet die Piazza Castello, die im späten 17. Jahrhundert östlich des bestehenden Castello verdoppelt wird, in diesem zweiten Schritt die Ausnahme dieser Regel: Das als Monument freigestellte Castello mit dem sie umgebenden Platz kann als ein solcher Raumkern verstanden werden.

Der Name des vermutlich niedrigrangigen Höflings auch unter der Schreibweise »Monza«, vgl. Comoli Mandracci 1983, S. 23–24; zum Monsa-Plan ausführlich vgl. Aurora Scotti: Ascanio Vitozzi. Ingegnere ducale a Torino, Florenz 1969, S. 28.

525

526 Portiken waren im Mittelalter in der Mitte und im Süden Italiens kaum verbreitet, jedoch häufig in Piemont, in Ligurien und der Toskana, im Veneto und in der Lombardei, vgl. Clara Palmas, Sara Inzerra: Strade e piazze porticate del Piemonte, Turin 2002, S. 16–17. 527 Die beträchtlichen Ausmaße von 115 × 63 Metern wurden vermutlich erst nach 1286 erreicht; vgl. hierzu Hans W. Hubert: Stadtgestaltung – Stadtverwüstung. Architektur in Bologna im Spannungsfeld von kommunaler Autonomie und Fremdherrschaft, in: Stephan Albrecht (Hrsg.): Stadtgestalt und Öffentlichkeit. Die Entstehung politischer Räume in der Stadt der Vormoderne, Köln/Weimar/Wien 2010, S. 211–232. 528 So wurde der Palazzo della Biada (1293–1295) mit Arkaden versehen, deren Pfeiler formal an den alten Kommunalpalast anschlossen, dessen Funktionen nun auch von dem zum Regierungssitz der Guelfen avancierten Palazzo della Badia übernommen wurden, vgl. ibid. 529 Klaus Stefan Freyberger: Das Forum Romanum. Spiegel der Stadtgeschichte des antiken Rom, Mainz 2009, S. 38. 530

Ibid., S. 40–41 sowie S. 105.

531 Ibid., S. 47. Die Säulenvorhalle wird bereits deutlich bei Rodolfo Lanciani: Das Forum Romanum, Rom 1910, Tfl. 27; vgl. dazu Franz Alto Bauer: Stadt, Platz und Denkmal in der Spätantike. Untersuchungen zur Austattung des öffentlichen Raums in den spätantiken Städten Rom, Konstantinopel und Ephesos, Mainz 1996, S. 34; zu den Geldgeschäften Ingrun Köb: Rom – ein Stadtzentrum im Wandel. Untersuchungen zur Funktion und Nutzung des Forum Romanum und der Kaiserfora in der Kaiserzeit (Diss., Univ. Köln, 1999), Hamburg 2000, S. 188–190. Der Basilica Aemilia wurde in der Kaiserzeit die Basilica Iulia gegenübergestellt. Auf den Längsseiten standen damit nach hellenistischem Muster Säulenhallen, der Platz bildete »eine große säulenhallengesäumte Allee« (Frank Kolb: Rom. Die Geschichte der Stadt in der Antike, München 1995, S. 208). Zu den hellenistischen Portikusstraßen und seinen römischen und byzantinischen Transformationen vgl. Karl M. Swoboda: Römische und romanische Paläste. Eine architekturgeschichtliche Untersuchung, Wien, 2. Auflage 1924, S. 250–254. Zu unterscheiden sind hiervon einfache kleine Säulenhallen, wie sie beispielsweise neben der Basilika im Eingang zur Stadt standen. Eine solche konnte als »überdachter Bürgersteig dienen, aber auch als Unterstand für Kleinhändler«. Kolb 1995, S. 208. Vgl. hierzu schließlich Vitruv, der die Interkolumnien der Säulen weiter als bei den Griechen angelegt sehen möchte und in den Säulenhallen die Wechslerbuden unterbringen will, in den Stockwerken über ihnen jedoch vorspringende Zuschauerräume (Vitruv: Zehn Bücher über Architektur. De Architectura libri decem [1908], übers. v. Franz Reber, Wiesbaden 2009, S. 217). 532 Wolfgang Lotz: Italienische Plätze des 16. Jahrhunderts, in: Jahrbuch der Max-PlanckGesellschaft zur Förderung der Wissenschaft 1968, S. 41–60, S. 49. 533 Wolfgang Braunfels: Mittelalterliche Stadtbaukunst in der Toskana, Berlin, 5. Auflage 1982, S. 114–115. Den Prozess der Übernahme römischer Portiken in Italien sieht Braunfels (S. 114) in den Statuten des beginnenden Quattrocento für abgeschlossen an; die römischen Portiken führt er auf die Kenntnis der hellenistischen Säulenstraßen zurück (ibid.)

366 | Anmerkungen

Brinckmann 1920, S. 21. Diese Auffassung über die Herkunft des Kreuzganges aus dem antiken Atriumhaus vertritt auch heute ein Teil der Forschung, vgl. hierzu den Beitrag von Werner Jacobsen: Die Anfänge des abendländischen Kreuzgangs, in: Peter K. Klein (Hrsg.): Der mittelalterliche Kreuzgang. The medieval Cloister – Le cloitre au Moyen Age. Architektur, Funktion und Programm, Regensburg 2004, S. 37–57, sowie Jean-Pierre Caillet: Atrium, péristyle et cloitre: des réalités si diverses?, in: ibid., S. 57–65. Ohne eine solch architekturmorphologische Analogie argumentiert die Urbanistik, wenn sie vermutet, dass sich der öffentliche Stadtplatz aus dem Tempelgelände entwickelt haben könnte. Hier wird der städtische Versammlungsort angesetzt, zunächst in sakralen Bauten wie dem Atrium der frühchristlichen Basilika und der »sahn« der islamischen Moschee, vgl. Spiro Kostof: Die Anatomie der Stadt. Geschichte städtischer Strukturen, Frankfurt a. M. u. New York 1993, S. 126–127.

534

535

Claudia Conforti: La città del tardo Rinascimento, Bari 2005, S. 101.

Für italienische Städte geht Braunfels von einer Tradierung der von hellenistischen Säulenstraßen her kommenden Portiken aus: Braunfels 1982, S. 114, während von der Annahme einer bruchlosen Kontinuität aber auch gewarnt wird: Jürgen Paul: Funktion und Gestalt von Plätzen im Mittelalter, in: Gisela Febel u. Gerhart Schröder (Hrsg.): La Piazza. Kunst und öffentlicher Raum. Geschichte – Realitäten – Visionen, Stuttgart 1992, S. 14–29; zu diesem Thema die in Vorbereitung befindliche Habilitationsschrift von Brigitte Sölch: Die frühneuzeitliche Forumsidee und das Ideal der ›res publica‹. Zum Verhältnis zwischen Architektur und Öffentlichkeit im urbanen Raum. Die englischen Architekten Peter und Alison Smithson behandeln solche Vorbauten unter dem Stichwort des Territoriums und deuten damit an, dass dies sozial besetzte Räume sind: Alison und Peter Smithson: Italienische Gedanken. Beobachtungen und Reflexionen zur Architektur, Wiesbaden 1996 (BauweltFundamente, Bd. 111), S. 86. 536

537 Diese eventuell in der Tradition der römischen Quadrifrons stehenden Einzelbauten finden sich vor allem im Cinquecento; vgl. hierzu die Loggia dei Banchi in Genua (Andrea Vannone, gen. Ceresola, 1590) sowie die Loggia des Mercato Nuovo (oder Mercato Porcellino) in Florenz, die Cosimo I. de’ Medici (1547–1551) errichten ließ; vgl. Conforti 2005, S. 100–101. 538

Carl Frey: Die Loggia dei Lanzi zu Florenz. Eine quellenkritische Untersuchung, Berlin 1885.

Sabine Hansen: Die Loggia della Mercanzia in Siena, Worms 1987, S. 103; vgl. dazu als Überblickswerk die Arbeit von Kim Susan Sexton: A history of Renaissance civic loggias in Italy. From the Loggia dei Lanzi to Sansovino’s Loggetta (Diss., Yale Univ.), Ann Arbor 1997.

539

540 Beispielsweise begründete die Loggia in Brescia das neue Stadtzentrum der von Venedig okkupierten Stadt; vgl. Vasco Frati, Ida Gianfranceschi u. Franco Robecchi: La Loggia di Brescia e la sua piazza. Evoluzione di un fulcro urbano nella storia die mezzo millennio, 3 Bde., Brescia 1993.

Andreas Tönnesmann: Idealstadt und Öffentlichkeit. Raumbild und Gesellschaft in Renaissance und Moderne, in: Stephan Albrecht (Hrsg.): Stadtgestalt und Öffentlichkeit. Die Entstehung politischer Räume in der Stadt der Vormoderne, Köln, Weimar u. Wien 2010 (Veröffentlichungen des Zentralinstituts für Kunstgeschichte in München, Bd. 24), S. 311–331; paradigmatisch für eine private Loggia ist die der Familie Rucellai, vgl. Gottlieb Leinz: Die Loggia Rucellai. Ein Beitrag zur Typologie der Familienloggia. Mit einem Katalog Florentiner »Loggienfamilien« (Diss.), Bonn 1977. 541

Heinrich Klotz: Filippo Brunelleschi. Seine Frühwerke und die mittelalterliche Tradition, Stuttgart, 2. Auflage 1990, S. 107–127.

542

543

Kauffmann 1941, S. 131.

367 | Anmerkungen

Erst seit Ende des 17. Jahrhunderts fällt das Attribut ›öffentlich‹ zusammen mit dem lateinischen ›publicus‹, und zwar in der Bedeutung ›staatlich‹; vgl. Historisches Wörterbuch der Philosophie, hrsg. v. JoachimRitter u. Karlfried Gründer, s. v. »Öffentlichkeit« (Lucian Hölscher), Basel u. Stuttgart 1984. Der heutige Begriff Öffentlichkeit schließt dagegen einen Staat ein, der sich der sozialen Gesamtheit des ›Volkes‹ als dem eigentlichen Souverän gegenüber zu legitimieren hat. Vgl. dazu auch Peter von Moos: ›Öffentlich‹ und ›privat‹ im Mittelalter. Zu einem Problem historischer Begriffsbildung, Heidelberg 2004 (Schriften der Philosophisch-historischen Klasse der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Bd. 33).

544

545 Jürgen Habermas: Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie bürgerlicher Gesellschaft, Frankfurt a. M. 1990, S. 60. 546 Lucian Hölscher: Öffentlichkeit und Geheimnis. Eine begriffsgeschichtliche Untersuchung zur Entstehung der Öffentlichkeit in der frühen Neuzeit, Stuttgart 1979, S. 69–70. 547

Moos 2004, S. 46.

548

Braudel 1971, S. 607.

549

Lotz 1968.

Vgl. zuletzt Brigitte Sölch: Zentrum oder Zentralisierung? Mailand und das Forum als Exemplum, in: Alessandro Nova u. Cornelia Jöchner (Hrsg.): Platz und Territorium. Urbane Struktur gestaltet politische Räume, Berlin 2010, S. 113–137. 550

551 Vgl. Matteo Burioni: Vasaris Uffizien. Transformation stadträumlicher Bezüge am Übergang von der Republik zum Prinzipat, in: Bauen als Kunst und historische Praxis. Architektur und Stadtraum im Gespräch zwischen Kunstgeschichte und Geschichtswissenschaft, 2 Bde., Bd. 1, Göttingen 2006, S. 205–247. 552 Zur Loggia in Arezzo vgl. zuletzt: Claudia Conforti: Vasari architetto, Mailand 1993, S. 243–255, zu den Portiken des Uffizienbaus Burioni 2006. 553

Vgl. S. 35, 44.

554 Bereits für 1584 wird berichtet, dass der Herzog von Vitozzi einen Generalplan für die Piazza gegenüber dem Castello erhalten habe, ohne dass dies jedoch durch Quellen belegt wäre, vgl. Camillo Boggio: Gli architetti Carlo ed Amedeo di Castellamonte e lo sviluppo edilizio di Torino nel XVII, in: Atti della Società degli Ingegneri e degli Architetti in Torino 29/1895, S. 27–58, S. 35. 555 Vgl. hierzu Enrico Guidoni u. Marino 1979, S. 150–159.; sowie Comoli Mandracci 1983, S. 25–27; sowie Pollak 1991, S. 44–49.

Zu Vitozzi vgl. Carboneri 1966; sowie Scotti 1969. Zu den in Turin wirkenden, aus Zentralitalien stammenden Architekten vgl. Henry A. Millon: Native Origins of Architects in Turin and the Piedmont, in: Scritti di storia dell’arte in onore di Edoardo Arslan, Mailand 1966, S. 675–678.

556

557 »Desiderando noi per abellimento di questa città, che quelli che hanno case sopra la piazza del castello se le rendano più utili e comode a benefitio loro facciano portigli tirando la facciata di esse case a retta linea, conforme al dissegno che dall’ingegnere Ascanio Vitozzi sarà dato […].« Zit. nach Pollak 1991, S. 46. 558 Vgl. Carboneri 1966, S. 138; sowie Giuseppe Dardanello: La scena urbana, in: Giovanni Romani (Hrsg.): Torino 1675–1699. Strategie e conflitti del Barocco, Turin 1993, S. 15–63, S. 20.

368 | Anmerkungen

559 Die Töchter Carlo Emanuele I., Maria und Isabella, wurden hier mit den Herzögen von Mantua und Modena verheiratet. Die Savoyer verbanden sich hier mit alten Herrscherhäusern und erweiterten damit ihren Einflussbereich in Italien.

Augusto Cavallari Murat u. Pier Giovanni Bardelli: Forma urbana ed architettura nella Torino barocca. Dalle premesse classiche alle conclusioni neoclassiche, Bd. 1,1–1,2: Metodo e testo critico; Bd. 2: Mappe e regolamenti, Turin 1968, Bd. 2, S. 463–487.

560

»Tutti questi progetti comportavano la costruzione di edifici specifici, ciascunao adeguato alla propria particolare funzione in modo da plasmare in forma tangibile l’armonia sociale e l’ordine gerarchico generati da un’amministrazione razionale.« Geoffrey Symcox: La reggenza della seconda madama reale (1675–1684), in: Giuseppe Ricuperati (Hrsg.): Storia di Torino. La città fra crisi e ripresa (1630–1730), Turin 2002, Bd. 4, S. 196–244, S. 226. 561

Die Bedeutung der Fassade für Turin zeigt sich nicht nur in den zahlreichen und von der Forschungsliteratur immer aufs Neue zitierten Reiseberichten, sondern auch in der Tatsache, dass in dem Sonderheft »Fassade« der Architekturzeitschrift Daidalos Turin als einzige Stadt zum Thema gemacht wurde; vgl. Anm. 566. 562

Am detailliertesten mit ausführlichen Quellenzitaten aufgearbeitet bei Pollak 1991, S. 44–49; vgl. auch Dardanello 1993, S. 20–21; Comoli Mandracci 1983, S. 18–21; Guidoni u. Marino 1979, S. 150–163; Scotti 1969; Carboneri 1966.

563

Das Briefpatent gesteht den Besitzern zu, dass die Portiken der Hochzeit 1608 die Sicht auf das Gebäude und seine Belichtung verschlechtert hatten. Die vorgesehene Fassadengestaltung wird als Kompromiss verstanden, der sowohl die Hausbesitzer wie auch den Herzog zufrieden stimme, betont aber das Ergebnis für die Stadt: »il castello et piazza stessa con più ornamento, la città abellita et ampliata d’honorate stanze«. Zit. nach Pollak 1991, S. 47. Giuseppe Dardanello versteht diese Ausführung als reduzierte Version eines Ideals der den ganzen Platz umgreifenden doppelgeschossigen Säulenreihe, vgl. Dardanello 1993, S. 20. Für die dauerhafte Existenz eines solchen Ideals gibt es jedoch m. E. keine eindeutigen Anhaltspunkte.

564

Erst die Bauten auf der nach der Po-Erweiterung hinzugefügten Ostseite der Piazza von Benedetto Alfieri fügten vertikale Elemente wie Lisenen hinzu.

565

566 Hierzu ausführlich Luciano Re u. Maria Grazia Vinardi: Die Fassaden von Turin – ein Stadtgesicht, in: Daidalos, 6/1982, S. 47–61. 567 Francesco di Giorgio Martini: Trattati di architettura, ingegneria e arte militare, hrsg. v. Corrado Maltese u. Livia Maltese Degrassi, Mailand 1967, S. 89, 412. Zum modularen System di Giorgios, das auf der Basis des menschlichen Körpers die Architektur proportioniert und so auch die Fassade einteilt, vgl. Henry A. Millon: The Architectural Theory of Francesco di Giorgio, in: The Art Bulletin 3/1958), S. 257–261.

Das Motiv der Serliana, wie es Palladio am Palazzo Chiericati veränderte, wurde hier in eine Pfeilerstruktur übersetzt.

568

Alberti 1991 [1912], VIII. Buch, 6. Kap., S. 435. Vgl. Candida Syndikus: Porta und arcus – Stadttor und Triumphbogen bei Alberti, in: Joachim Poeschke u. Candida Syndikus (Hrsg.): Leon Battista Alberti. Humanist – Architekt – Kunsttheoretiker, Münster 2008, S. 257–278. 569

570 Die ersteren Beispiele bei Pollak 1991, S. 47: »Vernacular tradition was transformed by the ideological program of the ruling dynasty«. Die neueste Forschung bestätigt diese reiche Tradition bereits mittelalterlicher Portiken im Piemont, vgl. Palmas 2002.

369 | Anmerkungen

571

Sabine Frommel: Sebastiano Serlio architetto Mailand 1998, S. 276–281.

572

Zu dem Begriff des »Umschlags« von Innen und Außen bei Hofer vgl. Loderer 1987, S. 31.

573 Calabi 2004 [1993], S. 22; als Beispiel für einen solchen Umwandlungsvorgang kann die Piazza Banchi in Genua gelten, vgl. Stephanie Hanke, »Più libero di qualsivoglia altro luogo«. Die Piazza Banchi in Genua, in: Alessandro Nova u. Cornelia Jöchner (Hrsg.): Platz und Territorium. Urbane Struktur formt politische Räume, Berlin 2010, S. 197–222. 574 Diese auf Max Weber zurückgehende Definition der Stadt als Markt findet sich ausformuliert bei Hans Paul Bahrdt: Die moderne Großstadt. Soziologische Überlegungen zum Städtebau, Reinbek bei Hamburg 1961, S. 40. 575 »[…] no solo molte sorte di Magistrati, ma ancora farvi dogana, archivio, e quello che bisogna, la loggia sarà d’un gran’ comodo in ogni tempo à tutti quelli, che haranno bisogno cosi del Principe, come de Magistrati, potendo in essa trattenersi p aspettare l’ore covenienti.« Giorgio Vasari il Giovane: La città ideale. Piante di chiese [palazzi e ville] di Toscana e d’Italia, hrsg. v. Virginia Stefanelli, eingeleitet v. Franco Borsi, Rom 1970, S. 98. 576

Ibid., S. 102.

»Eine Wand ist niemals eine bloße Schutzvorrichtung, die reale Einwirkungen abhält, sie ist immer auch eine symbolische Wand, die einen Eigenraum markiert. Nur weil es dieses asymmetrische Verhältnis von Drinnen und Draußen gibt, gibt es so etwas wie Türen und Fenster. Diese Vorrichtungen sind keine bloßen Löcher in der Wand, sondern Ein- und Ausgänge, die der Schritt oder der Blick durchquert. […] Portal und Fenster sind also keine bloßen Teile des Hauses, sie sind Embleme, in denen sich eine bestimmte Weise der Behausung bekundet.« Waldenfels 1999, S. 204.

577

578

Bollnow 1963, S. 155.

579

Simmel 1992 [1908], S. 689.

580 Die Schaffung solch neuer Märkte in fürstlichen Städten ist Teil der frühneuzeitlichen Urbanisierung, durch welche die Einwohnerzahlen in der Stadt stiegen, vgl. David Ringrose: Capital Cities, Urbanization, and Modernization in Early Modern Europe, in: Journal of Urban History, 2/1998), S. 155–183. 581 Beispiele hierfür sind Neustadtgründungen wie Charleville (1606 ff.), Richelieu (1631 ff.) oder die Stadterweiterung in Erlangen, vgl. hierzu Barock und Rokoko, hrsg. v. Frank Büttner et al., München et. al. 2008 (Geschichte der bildenden Kunst in Deutschland, Bd. 5), s. v. Kat.-Nr. 207 »Erlangen« (Cornelia Jöchner) und id.: Raumplanung in territorialen Diensten. Frühneuzeitliche Garten- und Stadtbaukunst, in: ibid., S. 397–401; stärker den abbildenden Aspekt einer Darstellung des frühneuzeitlichen Staates betont Kruft 1989, S. 82–98. Zum Merkantilismus, dessen Wirtschaftsform zunächst unter der Regierung König Heinrich IV. durchgesetzt wurde, vgl. Rainer Gömmel u. Rainer Klump: Merkantilisten und Physiokraten in Frankreich, Darmstadt 1994. 582 Zur Ansiedlung von Seidenindustrie an der Place Royale (des Vosges) in Paris vgl. ausführlich Anm. 606; sowie Hilary Ballon: The Paris of Henri IV. Architecture and Urbanism, Cambridge/ Mass. u. London 1991, S. 92–103; Andreas Köstler: Place Royale. Metamorphosen einer kritischen Form des Absolutismus (Habilitationsschrift, Univ. Hamburg), München 2003, S. 50–53. 583 »E perche [sic!] non ogni terreno ogni cosa produce, tanto un territorio sarà più sufficiente, e più idoneo à far una gran Città, quanto sarà donitioso, e produceuole di più cose […].« Botero 1948 [1589], S. 336. Zur räumlichen Dimension der Stadttheorie Boteros vgl. auch Neuber 2003, S. 10.

370 | Anmerkungen

584

Dies ist die tragende These von Pollak 1991, hier vor allem: S. 36–40.

585

Botero 1948 [1589], S. 381 sowie S. 351. Zum Begriff der »magnificenza« vgl. Kornelia Imesch

2003. 586

Botero 1948 [1589], S. 377.

Peuplierung lautete der zeitgenössische Terminus für eine staatliche Maßnahme, mit der durch fürstliche Privilegien Menschen in die Stadt gezogen werden sollten, um deren wirtschaftliche Produktivität zu erhöhen.

587

588

Zum Theatrum Sabaudiae als Quelle vgl. vor allem Pollak 1991, S. 183; sowie Dardanello 1993,

S. 20. Erik Forssman: Dorisch, jonisch, korinthisch. Studien über den Gebrauch der Säulenordnungen in der Architektur des 16.–18. Jahrhunderts [Stockholm 1961], Braunschweig u. Wiesbaden 1984, S. 58.

589

590 Serlio war durch seine Heimatstadt Bologna bereits mit den dort vielfach vorhandenen Portiken vertraut; zur Herkunft Serlios vgl. Frommel 1998, S. 13–15. 591 Vgl. hierzu John Beldon Scott: Architecture for the Shroud. Relic and Ritual in Turin, Chicago 2003. 592

Diese Galerie, die den Platz teilte, wurde erst unter der französischen Herrschaft 1807 entfernt.

593

Cavallari Murat 1968, Bd. 1, S. 1049–1053.

594 Zur Fassade als einem Phänomen, das vor dem eigentlichen Begriff existierte, vgl. Werner Oechslin: Fassade – ein später Begriff, in: Daidalos 6/1982, S. 33–36. 595 Hierzu trugen auch die vielen Darstellungen der Hoffeste bei; vgl. Kessel 1995. Wenn in solchen Darstellungen die Fassaden um die Piazza Castello auftauchen, bleiben diese dennoch ein Bauteil der Repräsentation und nicht der Information, vgl. Nikolaus Kuhnert u. Philipp Oswald: Medienfassaden: Inside-Out, in: Arch+ 3/1991, S. 76–77. 596 Die Quellen sprechen auch von 16 Pilastern, vgl. Carboneri 1966, S. 119; vgl. auch Vera Comoli Mandracci: Il Palazzo ducale nella costruzione della capitale sabauda, in: Gianfranco Spagnesi (Hrsg.):, L’Architettura a Roma e in Italia (1580–1621), Rom 1988, Bd. 2, S. 75–84; sowie Dardanello 1993. 597 Theoretisch findet sich eine solche Distinktion durch Stile in den Theaterprospekten Serlios, der die Komödie den Privatpersonen zuschreibt und für diese gotische Spitzbögen vorsieht: Sebastiano Serlio: Il secondo libro di perspettiva, Paris 1545, S. 67r–69r.

Die Quellen sprechen von einer Fassade »a bugna et in tavolato a diamante« sowie von 16 Pilastern, vgl. Carboneri 1966, S. 119; vgl. auch Comoli Mandracci 1988 (proiezione).

598

599

Alberti 1991 [1912], VII, 1, S. 344.

600

Vgl. Kuhnert u. Oswald 1991.

601 Dieser Gedanke bei Guidoni u. Marina 1979, S. 159, ohne dass hieraus Schlussfolgerungen für die Konstitution des sozialen Raums der Stadt gezogen worden wären.

371 | Anmerkungen

602

Wünsche-Werdehausen 2009, Anm. 344; ähnlich Dardanello 1993, S. 37.

603 Vgl. hierzu Costanza Roggero Bardelli: Torino. Dal palazzo aristocratico alla casa del reddito nel settecento, in: Giorgio Simoncini (Hrsg.): L’Uso dello spazio privato nell’ età dell’Illuminismo, 2 Bde., Florenz 1995, Bd. 1, S. 67–92. 604 Vgl. hierzu den instruktiven Beitrag von James S. Ackerman u. Myra Nan Rosenfeld: Social Stratification in Renaissance Urban Planning, in: Susan Zimmerman u. Ronald F. E. Weissman (Hrsg.): Urban Life in the Renaissance, Newark, London u. Toronto 1989, S. 21–49. 605 Zur Architekturtheorie Serlios vgl. Hanno-Walter Kruft: Geschichte der Architekturtheorie. Von der Antike bis zur Gegenwart [München 1985], München, 3. Auflage 1991, S. 80–87; sowie Georg Germann: Geschichte der Architekturtheorie, Darmstadt 1980, S. 113–118. 606 Köstler 2003, S. 48–59; Ballon1991, S. 57–113. Für Turin fehlen bislang solch detaillierte soziologische Daten, wie sie vor allem Hilary Ballon für die Pariser Place des Vosges (Royale) zu dem Argument zusammentrug, die 36 Pavillons an der Place des Vosges (Royale) seien erst ganz allmählich zu einem Adelsrevier geworden. In der Folge stellte Andreas Köstler heraus, dass hier die Interessen der Bauunternehmer und des baubesitzenden Adels kongruent waren, die sich der vom König gewünschten Mischung von Manufaktur und Adelsbau erfolgreich entgegensetzten. Köstler 2003, S. 57–58. 607 Eine Aneinanderreihung gleichartiger Häuser formulierte erstmals Filarete: »Tu non vedesti mai niuno dificio, o vuoi dire casa o abitazione, che totalmente fusse l’una come l’altra, né in similitudine, né in forma, né in bellezza […].« Zit. nach Kruft 1991, S. 58, vgl. dazu auch die vielfachen konkreten Beispiele bei Giorgio Simoncini: Città e società nel rinascimento, Turin 1974, Bd. 1. Alberti war der erste, der von der Stadt als Ganzem sprach und hierbei ihre Baulichkeiten in Blick nahm: »Doch den hauptsächlichsten Schmuck einer Stadt wird die Lage, der Zug, die Gestalt und Ausdehnung der Straßen, Plätze und schließlich der einzelnen Bauten bilden, so zwar dass dem Bedürfnis, dem Ansehen und der Zweckmäßigkeit nach alles vollkommen angepasst und verteilt erscheint.« Alberti 1991 [1912], VII, 1 (S. 344). 608

Ibid., IX, 1 (S. 473).

609 So definiert die Accademia della Crusca 1747: »Fassade. Der Teil des Gebäudes, in dem sich meist der Eingang befindet. Lat. Frons, fascies. Griechisch: prosopon.« Zit. nach Oechslin 1982, S. 34. 610

Kauffmann 1941, S. 133.

611

Dieses wurde erst mit der Süderweiterung vergrößert; vgl. Anm. 521.

Dies konnte durchaus einen Neubau nach innen zur Folge haben, was sich in der Schilderung der anfänglichen Prozeduren teilweise andeutet; vgl. Pollak 1993, S. 44–49. Die Verschalung oder Ummantelung älterer Gebäude gehörte zur Geschichte der Profanfassade, wie das Beispiel des Palazzo Guadagni in Florenz (nach 1503) zeigt; vgl. Ludwig H. Heydenreich: Über den Palazzo Guadagni in Florenz, in: id.: Studien zur Architektur der Renaissance. Ausgewählte Aufsätze, München 1981, S. 123–129. Berühmtes Beispiel für die Anwendung des »Sandwich«-Prinzips ist schließlich der Palazzo Madama, das ehemalige Castello, das Filippo Juvarra im frühen 18. Jahrhundert an der westlichen Seite mit einer neuen Fassade umgibt (vgl. Kap. 4.7).

612

613 Über den Weg von gesellschaftlicher »Teilhabe« kann dann auch von einer Darstellung des Staates durch den Städtebau in Turin gesprochen werden. Die Forschungsliteratur versteht den herzoglich gelenkten Städtebau in Turin meist als Repräsentation des Hofes, was die organisatorische Kraft von Architektur und Stadtbaukunst unterschätzt. Zur Darstellung des frühneuzeitlichen Ideal-

372 | Anmerkungen

staats in der Stadt vgl. auch Kruft 1991; zur sozialphilosophischen Dimension des Begriffs der Anerkennung vgl. Axel Honneth: Kampf um Anerkennung, Frankfurt a. M., 2. Auflage 2003. Für Diskussionen dieser Thematik danke ich Hana Gründler, Kunsthistorisches Institut in Florenz (Max-PlanckInstitut). 614 »Mit Rustica bezeichnet man, heute noch, im Ausdruck untereinander sehr verschiedene Weisen der Fassadenbehandlung, von den gröbsten, unbehauenen Bossen bis zu einem nur in Stuck eingeritzten Muster.« Forssman 1984 [1961], S. 52; vgl. dazu auch Ludwig H. Heydenreich: Il bugnato rustico nel ’400 e nel ’500, in: Bollettino del Centro Internazionale di Studi di Architettura Andrea Palladio 2/1960, S. 40–41. 1980 hielt Heinrich Klotz die Entstehung der Rustikawand noch für ungeklärt und sah in ihrer Anwendung unter Friedrich I. die Absicht »imperialer Repräsentationsformen«; vgl. id.: Der Florentiner Stadtpalast. Zum Verständnis einer Repräsentationsform, in: Architektur des Mittelalters. Funktion und Gestalt, hrsg. v. Friedrich Möbius u. Ernst Schubert, Weimar 1983, S. 307–344, hier: S. 334. Georg Germann kommt zu dem Schluss, dass die Rustika trotz früherer Verwendungsweisen »erst in der Renaissance zur dekorativen Form« wurde, vgl. Germann 1980, S. 117. 615 Serlio gab 1537 für das Innere der Festung die gemischte Rustika, die sich mit der dorischen Ordnung verband, als adäquat an. Ein solchermaßen gestaltetes Portal stünde, so Serlio, »auch dem Haus eines Kriegsmannes gut [an], es sei Stadtpalast oder Villa.« Zit. in der Übersetzung von Germann 1980, S. 117.

»Das Prinzip der Fassaden konstituierenden architektonischen Gliederung – im Sinne der vitruvianischen Ordnung – war längst kodifiziert, als man sich noch schwer tat, Fassade überhaupt begrifflich zu fassen.« Oechslin 1982, S. 33. 616

617 Zit. nach der Aufstellung, ibid., S. 34. Diese Bindung an den Eingang gilt bereits bei Alberti. Er spricht von der »Schauseite« des Hauses, die bei ihm immerhin als öffentlich gilt, sich aber vor allem an den Eingang knüpft: »Es wird deshalb allerdings der [gemeint ist »derjenige«, d. Verf.] Beifall finden, welcher jene Teile, die hauptsächlich öffentliche sind und vor allem seinem Besuche zu Dank sein sollen, wie die Schauseite des Hauses, die Vorhalle u. dgl., möglichst schicklich gestaltet haben will.« Alberti 1991 [1912], S. 473.

Vera Comoli Mandracchi, Costanza Roggero Bardelli u. Andrea Barghini: Turin. Die Erfindung einer barocken Hauptstadt des Absolutismus, in: »Klar und lichtvoll wie eine Regel«. Planstädte der Neuzeit, hrsg. von Michael Maaß, Ausstellungskatalog Landesmuseum Karlsruhe 1990, S. 133–142, S. 133.

618

619 Guarino Guarini: Architettura civile (1737), hrsg. v. Nino Carboneri u. Bianca Tavassi La Greca, Mailand 1968, S. 224. 620 Parallelbeispiele sind nicht nicht nur die Place Royale (des Vosges) in Paris, sondern auch der Covent Garden Square in London. 621 Beispielsweise in Dresden, wo mit einer Bauordnung von 1720 die Firsthöhe der Bauten für jede Straße festgelegt wurde. 1709 gab es schon von den Architekten Karcher und Gärtner mit Hinweis auf Blondel eine Initiative für eine einheitliche Bebauung, die auch den Grundriss umschlossen hätte, was aber nach Erfüllung der Forderungen nach gleicher Höhe und gleicher Linienführung der Dächer und Schornsteine aufgegeben wurde; vgl. Fritz Löffler: Das alte Dresden. Geschichte seiner Bauten, Leipzig 1981, S. 282–283.

Die ganz ähnlich gelagerten »Verbindungen der Formen und Felder« an spätmittelalterlichen Fassaden zeigt Groß 1950, S. 259–279 auf; vgl. dazu auch Kemp 2009, S. 249–254.

622

373 | Anmerkungen

623

Zum Feldbegriff vgl. Kemp 2009, S. 250–251.

Diese gefüllten vertikalen Flächen sind der Konterpart für die horizontalen Gesimse der Gebäude an der Contrada di Po, deren lange und einheitliche Erscheinung vor allem französische Reisende in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ob ihrer Uniformität interessierte. La Lande schreibt in Voyage en Italie: »La rue du Po est une des plus belles rues qu’il y ait au monde, elle est droite, large, uniforme, garnie des deux rangs de portiques couverts.« (I, 50). Auch Pierre Patte veröffentlichte Fassadenaufrisse der Contrada di Po (Via Po in seinen Etudes d’architecture d’Italie et de France, Paris 1755.

624

Guarini schreibt in seiner Architettura civile: »L’altro modo d’ornar le facciate è di compartirle in diverse fascie, le quali tirano dall’alto al basso, e siano riquadrate da fascie eguali per traverso, le quali giugnendo così nell’ultima fascia, che al livello corre da un fianco all’altro e sostiene l’ultima cornice sotto il tetto, dividono tutta la facciata in vari campi e corrispondenti […].« Guarini 1737, trattato III, capo XVI, osservazione II (edizione 1968), S. 223–224; vgl. Dardanello 1993, S. 57–63, der die Fassaden Amedeo di Castellamontes hier sonderbarerweise nicht einbezieht.

625

626 Luciano Re u. Maria Grazia Vinardi: Die Fassaden von Turin – ein Stadtgesicht, in: Daidalos 6/1982, S. 47–61.

Zur Problematik der Farbgebung von Turins Fassaden im 19. Jahrhundert, jedoch mit Rückbezügen bis zur Piazza Castello vgl. Giovanni Brino u. Franco Rosso: Colore e città. I colori di Torino 1801–1863, Mailand 1987. 627

628 Zur traditionellen Verwendung von Ziegelsteinen in dynastischen Architekturen in Rom, Parma und Piacenza bereits im 16. Jahrhundert vgl. Pollak 1991, S. 237. Zwischen den Savoyern und den Farnese gibt es hier eine Kongruenz bezüglich militärischer Macht und architektonischer Repräsentation.

Hierin liegt eine Parallele zu den von Monika Wagner untersuchten, sich betont handwerklich gebenden Kachelfassaden an der Stalinallee in Ostberlin vgl. Monika Wagner: Zur Fabrikation »sozialistischer Festräume« in Städten der frühen DDR, in: Cornelia Jöchner (Hrsg.): Räume der Stadt. Von der Antike bis heute, Berlin 2008, S. 165–179.

629

630 Pollak 1991, S. 240, betont mit Bezug auf Mario Passanti den vernakulären Charakter der Portiken an der Contrada di Po. Dieser soll hier keineswegs abgestritten werden, doch die Selbstreferenz späterer Turiner Bauten auf diese Architektur – wie etwa an der Piazza Vittorio Emanuele (die Pollak aufgrund ihrer Themenstellung nicht behandelt –, ist ein ebenso wichtiges Moment der Konstitution einer ›savoyischen‹ Gestalt der Stadt. 631

Germann 1980, S. 216.

632

Häberle 1995, S. 67.

633

Vgl. hierzu die instruktive Analyse der Kirche Sainte-Geneviève in Häberle 1995, S. 56–57.

634

Ibid., S. 109.

635 Für eine konzise Darstellung der Debatte in Frankreich mit Vorbildern u. a. in der italienischen Architektur vgl. Häberle 1995, S. 122–125; 131–134); vgl. auch Antoine Picon: The Freestanding Column in Eighteenth-Century Religious Architecture, in: Lorraine Daston (Hrsg.): Things That Talk. Object Lessons from Art and Science, New York 2004, S. 66–99, hier S. 70: »Eighteenth-century freestanding columns, in contrast to their Greek ancestors, are neither synonymous with an easily

374 | Anmerkungen

identifiable architectural style nor structurally sound, at least by the standards of a contemporary architect or engineer. The lintels they support carry not relatively light wooden beams, as in Greek temples, but massive stone vaults exerting oblique stresses not easily dealt with by slender vertical members.« Eine Bewertung der älteren Forschungsliteratur auch bei Wolfgang Schöller: Das Ende der Ordnung. Ein Kapitel Architekturgeschichte des 18. Jahrhunderts, in: Architectura. Zeitschrift für Geschichte der Baukunst 1/2002, S. 64–72; für Deutschland vgl. Ulrich Schütte: Ordnung und Verzierung. Untersuchungen zur deutschsprachigen Architekturtheorie des 18. Jahrhunderts, Braunschweig u. Wiesbaden 1986, S. 43–58. Milizia 1972 [1781], S. 18. Zu Milizia siehe Eva Brües: Die Schriften des Francesco Milizia (1725–1798), in: Jahrbuch für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft 6/1961, S. 69–113.

636

637 Diese Gewichtung geht bereits auf Blondel zurück; vgl. Richard A. Etlin: Symbolic Space. French Enlightenment Architecture and its Legacy, Chicago u. London 1994, S. 14.

Dies betrifft auch die Farbigkeit der neuen Bauten, für die verordnet wurde: »che la tinta delle case verso la nuova piazza […] debba essere uniforme a quella delle case prospicienti la via del Po, e che nella medesima debbasi attenere a quella data alla facciata della casa Sessant […] conservando egual tinta nei riquadri.« Zit. nach Brino u. Rosso 1987, S. 24.

638

639

Vgl. S. 307.

640 Dies ist der Begriff, den Milizia im Zusammenhang mit der Stadt und den für sie zu fordernden Eingängen verwendet; vgl. Milizia 1972 [1781], S. 207–208. In das Embellissement der Stadt, zu dem die Entfestigungen im frühen 19. Jahrhundert zentral gehören, geht als zentraler Begriff auch »Magnificenz« ein; vgl. Etlin 1994 , S. 2; sowie S. 208 dieses Buches. Das folgende Zitat aus: Johann Wolfgang von Goethe: Die Wahlverwandtschaften. Ein Roman, 2. Teil, 8. Kap., in: Goethes Werke in zehn Bänden, hrsg. v. Ernst Beutler, Stuttgart–Hamburg 1962, Bd. 7, S. 329–330.

Marc-Antoine Laugier: Das Manifest des Klassizismus [franz. Orig.: Essai sur l’architecture, 1753], eingeleitet von Wolfgang Herrmann mit einem Nachwort von Beat Wyss, Zürich u. München 1989, S. 171. Zur Stellung Laugiers in der französischen Architekturtheorie vgl. Herrmann 1962 sowie Anthony Vidler: The Writing of the Walls. Architectural History in the Late Enlightenment, Princeton 1987, S. 17–21; zu Ledoux id.: Claude-Nicolas Ledoux. Architecture and Social Reform at the End of the Ancien Régime, Cambridge/Mass. u. London 1990, S. 209–233.

641

Vgl. Wolfgang Stopfel: Triumphbogen in der Architektur des Barock in Frankreich und Deutschland (Diss.), Freiburg 1964, S. 80–87; sowie Kemp 1997, S. 237–254; hieraus (S. 246) das Zitat am Ende des Absatzes.

642

643

Stopfel 1964, S. 7.

Alberti 1991 [1912], S. 438–439. Diese Erklärung hält die Archäologie auch heute nicht für unwahrscheinlich, vgl. hierzu Stopfel 1964, S. 12.

644

645 Vgl. hierzu Andrea Barghini: La fortificazione in periodo napoleonico. Torino e le piazzeforti della 27a Divisione militare, in: Giuseppe Bracco (Hrsg.): Ville de Turin 1798–1814, Turin 1990, S. 241–274. 646

Zit. nach Barghini 1990 (fortificazione), S. 245.

647 Vera Comoli Mandracci: Progetti, piani, cultura urbanistica tra Rivoluzione e Impero, in: Giuseppe Bracco (Hrsg.): Ville de Turin 1798–1814, Turin 1990, S. 191–240, S. 220.

375 | Anmerkungen

648

Barghini 1990 (fortificazione), S. 255.

649 Vgl. detailliert Vera Comoli Mandracci: Pianificazione urbanistica e costruzione della città in periodo napoleonico a Torino, in: Giorgio Simoncini (Hrsg.): Villes et territoire pendant la période napoléonienne (France et Italie), Rom 1987, S. 296–314; sowie id. 1990, S. 191–240. 650

Als Detail abgebildet in Comoli Mandracci 1990, S. 207.

651 Die städtebaulichen Vorstellungen von Pierre Patte sind in seinen Monumens érigés en France à la gloire de Louis XV, Paris 1765. Vgl. auch Antoine Picon: French architects and engineers in the age of enlightenment, Cambridge 1992, S. 192–210; zu dessen Aufnahme der Gedanken Laugiers vgl. Herrmann 1962, S. 139. 652

Milizia 1972 [1781], S. 207.

653

Ibid., S. 207–208.

654 Zum Thema der Eingangsplätze intra muros Simoncini 1996, S. 45–55; sowie Kostof 1993, S. 132; zu den teilweise damit verbundenen neuartigen Toren Etlin 1994, S. 3. 655

Simoncini 1996, S. 48.

656 Vgl. hierzu die Pianta de’ Ponti Levatori delle / Due Porte di Po’ (nach 1792) (ASCT, Tipi e Disegni, 21.2.2); abgedruckt in: Barghini 1990 (fortificazione), S. 248. 657 Die Exedra ist kein alternativer Entwurf zu dem Tor von Guarini (wie Simoncini 1996, S. 46, vermutet), sondern schließt sich dieser an, wie der Grundriss der Toranlage auf der Darstellung der Exedra beweist. 658

Vgl. Pollak 1991, S. 221–241.

659

Zu den Quartieri Militari vgl. Gritella 1992, Bd. 1, S. 365–377.

660 Auf diesen Effekt der Gebäude an beiden Stadteingängen weist Wünsche-Werdehausen 2009, S. 141 hin. 661 Zum Projekt dieser Toranlage, die niemals in dieser Form verwirklicht wurde, sondern die als einfacher großer Bogen bestehen blieb, vgl. Gritella 1992, Bd. 2, S. 13–14. Zum Tor als Triumphbogen vgl. Stopfel 1964. 662

Vgl. Kap. II. u. III. dieses Buches.

663

Zu Dausse vgl. Comoli Mandracci 1990, S. 216.

664

Brinckmann 2000 [1908], S. 105.

665 Die von Vincenzo Ruffo geforderten städtebaulichen Maßnahmen sind niedergelegt in dessen Saggio sull’abbellimento di cui è capace la città di Napoli, Neapel 1789; vgl. Sergio Villari: La piazza e i mercati. Equipment urbano e spazio pubblico a Napoli nel decennio napoleonico, in: Manfredo Tafuri (Hrsg.): La piazza, la chiesa, Mailand 1991, S. 204–238; sowie Simoncini 1996, S. 42–45 (mit einer Visualisierung der Planungen Ruffos). 666

Ibid., S. 55.

376 | Anmerkungen

Walter Kieß: Urbanismus im Industriezeitalter. Von der klassizistischen Stadt zur Garden City, Berlin 1991, S. 51.

667

668 Bereits 1714 gegründet, erhielt der Corps vor allem durch die Kartierungstätigkeit der École des Ponts et Chaussées (1747) Aufschwung; vgl. Picon 1992. 669 Vgl. Comoli Mandracci 1990, S. 218; sowie Comoli Mandracci 1987; jüngst Elena Dellapiana: Orientamenti e controllo dell’architettura nei piani di Torino tra Consolato e Impero, in: Letizia Tadeschi u. Daniel Rabreau (Hrsg.): L’architecture de l’Empire entre France et Italie. Institutions, pratiques professionelles, questions culturelles et stylistiques, (1795–1815), Mendrisio 2012, S. 157–168. 670

Barghini 1990 (fortificazione), S. 254.

671

Comoli Mandracci 1990, S. 211.

672 Barghini 1990 (fortificazione), S. 255. Die Kommune fühlte sich in diesem Prozess, der das von ihr kontrollierte äußere Gelände dem Projekt königlicher Gärten zuschlug, ausgeschlossen und verlangte mit Bezug auf die frühere Freigabe durch Napoleon eine Einflussnahme hierauf; vgl. auch Comoli Mandracci 1990, S. 223–224. 673 Der definitive Plan wurde bereits am 14.7.1808 von Napoleon beschlossen; als Projekt des Consiglio degli edili wurde er am 30.3.1809 erlassen.

Ein Dekret Napoleons vom 27.12.1807 enthielt mehrere Vorhaben zur Errichtung neuer Brücken über den Po und die Dora; vgl. Luciano Re: La costruzione del ponte napoleonico sul Po a Torino (1808–1814), in: Giorgio Simoncini: Villes et territoires pendant la période napoléonienne (France et Italie), Rom 1987, S. 183–198.

674

Zu den Einzelheiten dieses Bauwerks vgl. auch Luciano Re: L’Opera degli ingegneri del Corps des Ponts et Chaussées a Torino e i progetti per il ponte sulla Dora e la sistemazione degli accessi del ponte sul Po (1813), in: Atti e Rassegna tecnica della Società degli Ingegneri e degli Architetti in Torino n. s. a. 9–10/1981, S. 339–365; zu ähnlichen zeitgleichen Brückenbauten in Neuilly, Bellecour, Fronard, Le Creulx und Carouge, vgl. Re 1987.

675

Vgl. Luciano Re: Torino e il Piemonte, in: Amerigo Restucci (Hrsg.): Storia dell’architettura italiana. L’Ottocento, 2 Bde., Mailand 2005, Bd. 1, S. 20–45.

676

Als Bauwerk des Corps des Ponts et Chaussées ist es sogar das einzige in Italien; vgl. Re 1987, S. 187. 677

678 Vgl. die Beiträge zur napoleonischen Urbanistik in Neapel, Mailand, Turin, Florenz und Rom in Giorgio Simoncini (Hrsg.): Villes et territoire pendant la période napoléonienne (France et Italie), Rom 1987; Cristina Acidini: Arte a Roma dal 1800 al 1870, in: Franco Borsi (Hrsg.): Arte a Roma dal neoclassico als romanticismo, Rom 1979, S. 123–157; sowie Attilio La Padula: Roma e la regione nell’epoca napoleonica. Contributo alla storia urbanistica della città e del territorio, Rom 1969; siehe auch Kieß 1991, S. 49–51.

Zit. nach Giorgio Simoncini: Aspetti della politica napoleonica dei lavori pubblici in Italia, in: id. (Hrsg.): Villes et territoire pendant la période napolénienne (France et Italie), Rom 1987, S. 3–21, hier: S. 10.

679

Folkert Hensmann: Staat und Absolutismus im Denken der Physiokraten. Ein Beitrag zur physiokratischen Staatsauffassung von Quesnay bis Turgot, Frankfurt a. M. 1976. 680

377 | Anmerkungen

Das Zitat von Toussaint sowie die Angaben zu den Straßen- und Wasserverbindungen nach Simoncini 1987, S. 11; zum Ausbau der Paßverbindungen in den Piemont darüber hinaus Volker Hunecke: Napoleon. Das Scheitern eines guten Diktators, Paderborn et al. 2011, S. 359; zu den napoleonischen Straßenverbindungen, die Piazza Vittorio Emanuele betreffend Re 1987, S. 184; sowie zur napoleonischen Verkehrspolitik allgemein Jean-Luc Chappey: Die Beherrschung des Raumes, in: Napoleon und Europa: Traum und Trauma (hrsg. v. Bénédicte Savoy), unter Mitarb. v. Yann Potin, Ausstellungskatalog, Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Bonn, München 2010, S. 77–80. 681

682

Zu den Projekten La Ramée Pertinchamps vgl. Comolo-Mandracci 1983, S. 109–111.

683 Der Plan für die Zollmauer, den ebenfalls Lombardi anfertigte, ist abgebildet in: Comoli Mandracci 1983, Abb. 135. 684 Vgl. Comoli Mandracci 1983, S. 126. Zur antiken Praxis der Stadtvergrößerung nach einem Krieg vgl. Alberti 1991 [1912], S. 439. Das Projekt, die Turiner Stadtgrenze in solchem Umfang auszudehnen, wurde zu diesem Zeitpunkt fallen gelassen, doch bezog sich die spätere Planung um 1853 darauf. 685

Vgl. Comoli Mandracci 1983, S. 121.

Abgedruckt in: Enrico Castelnuovo u. Marco Rosci (Hrsg.): Cultura figurativa e architettonica negli Stati del Re di Sardegna 1773–1861, Ausstellungskatalog Palazzo Reale; Museo Civico d’Arte Antica Palazzo Madama; Società Promotrice delle Belle Arti, Torino, 3 Bde., Turin 1980, Bd. 3, S. 1143, Abb. 3.

686

687

Castelnuovo u. Rosci 1980, Bd. 3, S. 1143.

Bergeron 1972, S. 160–178. Die Turiner Forschung greift Bergerons Deutung der Piazza Vittorio Emanuele als einer Platzplanung der Restauration auf, geht aber nicht näher auf die Frage ein, ob die Planungen auf den beiden Flußseiten als zusammengehörig zu betrachten sind.

688

S. Maria ad Martyres (S. Maria Rotonda, »La Rotonda«, Pantheon), in: Buchowiecki 1970, Bd. 2, S. 654–688, hier: S. 661; vgl. dazu im weiteren Kjeld De Fine Licht: The Rotunda in Rome: A Study of Hadrian’s Pantheon, Copenhagen 1968.

689

690 Dies betrifft den römischen Künstlerkreis im späten 18. Jahrhundert, in dem sich auch Bonsignore zwischen 1783–1798 aufhielt, vgl. Augusto Sistri: Ferdinando Bonsignore. Architetto »neoclassico«, in: Pier Luigi Bassignana (Hrsg.): Di architetti, di chiese, di palazzi, Turin 2003, S. 235–267, hier: S. 238. Zum italienischen Klassizismus allgemein vgl. Renato de Fusco: L’architettura dell’Ottocento, Turin 1980; sowie Amerigo Restucci (Hrsg.): Storia dell’architettura italiana. L’Ottocento, 2 Bde., Mailand 2005 (Storia dell’architettura italiana).

Gabriele Schickel: Italien, in: Revolutionsarchitektur. Ein Aspekt der europäischen Architektur um 1800 (hrsg. v. Winfried Nerdinger), Ausstellungskatalog Deutsches Architekturmuseum Frankfurt a. M.; TU München, 1990, S. 240.

691

692 Vgl. Elisabeth Kieven: Rome in 1732: Alessandro Galilei, Nicola Salvi, Ferdinando Fuga, in: Hellmut Hager u. Susan Scott Munshower (Hrsg.): Light on the Eternal City. Observations and Discoveries in the Art and Architecture of Rome, Harrisburg 1987, S. 255–276.

Werner Oechslin: Pyramide et sphère. Notes sur l’architecture révolutionnaire du XVIIe siècle et ses sources italiennes, in: Gazette des Beaux-Arts 113/1971, S. 201–238. Zu den Tendenzen der

693

378 | Anmerkungen

Revolutionsarchitektur, die auch in Italien sichtbar wurden, zählt der Autor den Kirchenbau Gran Madre di Dio. 694 Sistri 2003; sowie Laura Guardamagna u. Augusto Sistri: Disegni e documenti di Ferdinando Bonsignore all’Archivio Storico di Torino, in: Il disegno di architettura, 21–22/2000), S. 76–80. Die früheren Grundlagen verdanken sich v. a. den verschiedenen Arbeiten von Luciano Tamburini; vgl. id., Il tempio della Gran Madre di Dio, in: Torino 3–4/1969), S. 30–36; sowie Maria Grazia Vinardi u. Luciano Tamburini: Il Tempio della Gran Madre di Dio a Torino. L’idea e l’immagine ovvero »il Pantheon come paradigma«, in: Il tempio della Gran Madre di Dio in Torino (hrsg. v. Città di Torino), Ausstellungskatalog, Turin 1984, S. 93–101.

Henry-Russel Hitchcock: Die Architektur des 19. und 20. Jahrhunderts. Mit einer Einführung von Heinrich Klotz, München 1994, S. 89; Carroll L. V. Meeks: Italian Architecture 1750–1914, New Haven u. London 1966, S. 179, 181.

695

696

Sistri 2003; Tamburini 1969.

697

William Lloyd MacDonald: The Pantheon. Design, Meaning, and Progeny, London 1976, S. 95.

698

Unter Carlo Fea und Giuseppe Valadier fanden 1805–1806 Ausgrabungen um das Pantheon

statt. Carroll L. V. Meeks: Pantheon Paradigm, in: Journal of the Society of Architectural Historians 4/1960), S. 135–144, S. 135.

699

700 Georg Moller: Zur Ludwigskirche, in: Marie Frölich u. Hans-Günther Sperlich: Georg Moller. Baumeister der Romantik, Darmstadt 1959, S. 441–445, S. 443. 701 Anthony Vidler: The Third Typology, in: K. Michael Hays (Hrsg.): Architecture Theory since 1968, Cambridge/Mass. U. London 1998, S. 288–294; vgl. hierzu auch Forty 2000, S. 304–311; sowie Kemp 2009, S. 315–368. 702 Encyclopédie Méthodique (hrsv. v. Quatremère de Quincy u. Antoine Chrysostôme), 3 Bde., Paris u. Liège 1788–1825, Bd. 3 (1825), s. v. »Typus«. 703

Häberle 1995, S. 68.

704 Der Charakterbegriff geht bereits auf das erste Viertel des 18. Jahrhunderts mit Boffrand und Blondel zurück, die den Charakter jedoch an bestimmte Bauaufgaben gebunden sahen und ihn damit noch vitruvianisch verstanden. Dennoch war auch hier bereits eine kommunikationsästhetische Dimension vorhanden, da der Charakter so verstanden wird, dass er unmittelbar auf den Betrachter wirke, vgl. Klaus Jan Philipp, Einführung, in: Revolutionsarchitektur 1990, S. 32. 705 Étienne-Louis Boullée: Architektur. Abhandlung über die Kunst [1793], hrsg. v. Beat Wyss, eingeleitet und kommentiert von Adolf Max Vogt, aus dem Französischen übers. v. Hanna Böck, Zürich u. München 1987, S. 66. 706

Ibid., S. 63.

707

Ibid., S. 56.

708

»Les effets des corps proviennent de leur masses.«, ibid., S. 157.

379 | Anmerkungen

709 Zum Zusammenhang Boullées mit der sensualistischen Ästhetik des 18. Jahrhunderts, insbesondere der Verbindung Boullées mit Condiallac vgl. Monika Steinhauser: Étienne-Louis Boullées ›Architecture. Essai sur l’art‹. Zur theoretischen Begründung einer autonomen Architektur, in: Idea 2/1983, S. 7–47; sowie Martin Bressani: Étienne-Louis Boullée. Empiricism and the Cenotaph for Newton, in: Architectura 1/1993, S. 37–57. 710

Kaufmann 1955.

711

Häberle 1995, S. 68.

Fritz Schumacher: Strömungen in deutscher Baukunst seit 1800, Braunschweig 1982 [Reprint 1935 u. 1955], S. 20.

712

Für die Frühgeschichte der Rezeption des Pantheons vgl. Tilmann Buddensieg: Criticism and praise of the Pantheon in the Middle Ages and the Renaissance, in: Robert R. Bolgar (Hrsg.): Classical Influences on European Culture A. D. 500–150, Cambridge 1971, S. 259–267.

713

714 Ein Reflex ist die Schrift von Aloys Hirt, dessen 1791 in Rom erschienenes Buch Osservazioni istorico-architettoniche sopra il Pantheon die Wirkung des Pantheons untersuchte, vor allem das Verhältnis von Rotunde und Kuppelbau im Äußeren beschäftigte ihn: »Je größer der Umfang eines Rundbaues ist, desto höher verhält sich die Kuppel zu den Wänden; und umgekehrt, je geringer der Umfang, desto höher verhalten sich die Wände zur Rundwölbung.« Am Pantheon seien diese Verhältnisse zu einem idealen Ausgleich gebracht, was der Außenbau durch die Elemente der Tiefe bewerkstellige (Portikus), die den Betrachter nach hinten treten lassen. Klaus Jan Philipp vermerkt dazu: »Mit Hirts Analyse des ›architektonischen Geistes‹ des Pantheons ist für die Architekturgeschichtsschreibung und deren analytische Verfahren ein Punkt erreicht, von dem aus Architektur als Raumkunst, die auf einem sich in Bewegung befindlichen Betrachter abgestimmt sein muss, definiert werden konnte. Anstelle der Modalkategorien der Charakterlehre, die zwar nicht ausgeschlossen, aber nicht mehr an erster Stelle sind, treten Kategorien, die den durch seine Proportionen bestimmten Baukörper und dessen optische Wirkungen zum eigentlichen Gegenstand der Baukunst als schöner Kunst machen.« Klaus Jan Philipp: Um 1800. Architekturtheorie und Architekturkritik in Deutschland zwischen 1790 und 1810, Stuttgart 1997, S. 183. 715

Vgl. Palladio 1995 [1570], S. 392–394.

716 Vgl. hierzu Laura Guardamagna u. Augusto Sistri: Progetti accademici e rilievi romani di Ferdinando Bonsignore, in: Il disegno di architettura 18/1998, S. 50–56. 717 Der rechteckige Zwischenteil ist für das Verhältnis von Innen und Außen beim Pantheon entscheidend: »Zwischen dem Säulenbau der Vorhalle und dem Rund, das die Cella in sich birgt, liegt ein rechteckiger Bauteil. Dieser ist im eigentlichen Sinne das Bindeglied, indem er sowohl von der Gliederung der Rotunde als auch von der der Vorhalle übergriffen wird. In ihm verschränken sich Rundbau und Vorhalle. Die nach außen gewandte Vorhalle stößt nun nicht mehr unvermittelt gegen das in sich verschlossene Massiv des Rundes, sondern dieses selbst kommt ihr entgegen, wächst mit diesem Vorbau in sie hinein.« Kähler 1965, S. 54–55. 718

Sistri 2003, S. 266.

719 Den Vertikalismus der Proportionen bemerkte der in der Auswahljury als Experte hinzugezogene Mailänder Architekt Luigi Cagnola als ein »maestosamente torreggiare« beim Zusammentreffen der Gesimse mit der Form der Rotunde (»castigatezza dei profili delle cornici con quelle sagome ben ripartite e disposte con linee magistrali che via via corrono sempre innanzi intorno al tondo edifizio [sic]«. Zit. nach Re 2005, S. 26.

380 | Anmerkungen

Vor allem Antonio da Sangallo d. J. kritisierte das Pantheon, indem er auf Fehler in der Durchgängigkeit der Gliederung hinwies (Vorhalle: Säulen und Pilasterrücklagen stehen nicht auf einheitlichen Achsen; Inneres: Achsen der Gliederung in der unteren Zone und im Tambour korrespondieren nicht; Tambour: Pilaster werden durch die Arkaden in der Hauptachse unten abgeschnitten); vgl. hierzu Buddensieg 1971, S. 266.

720

Zur Hedwigskirche in Berlin vgl. Hans-Joachim Giersberg: Friedrich als Bauherr. Studien zur Architektur des 18. Jahrhunderts in Berlin und Potsdam, Berlin 1986.

721

722 Martin Engel: Das Forum Fridericianum und die monumentalen Residenzplätze des 18. Jahrhunderts (Diss., FU Berlin), Berlin 2000, S. 123–142. 723

Moller 1959, S. 442.

724 Michael Groblewski: StaatsBauKunst. Gedanken zu den Œuvres von Georg Moller, Karl Friedrich Schinkel und Leo von Klenze, in: Norbert Kartmann (Hrsg.): Georg Moller. Symposium aus Anlass seines 150. Todestages, Wiesbaden 2004, S. 68–97, S. 83. 725

Moller 1959, S. 443; zu Hirt vgl. Anm. 714 der vorliegenden Studie.

726

Moller 1959, S. 443.

Zu den verschiedenen Bauaufgaben, zu denen das Pantheon als Modell herangezogen wurde, vgl. Rainer Norten: Die Pantheonidee um 1800. Untersuchungen über das Auftreten der Rotunde in den alten und neuen Bauaufgaben im Zeitalter des Klassizismus in Deutschland (Diss. TU Berlin), Berlin 1986.

727

728

Kostof 1993, S. 138–139.

729 Boullée 1987 [1793], S. 66; zur Unterscheidung der Wirkungsästhetik Boullées von der Charakterlehre Blondels vgl. Werner Oechslin: Emouvoir – Boullée und Le Corbusier, in: id.: Moderne entwerfen, Köln 1999, S. 192–205 [zuerst Daidalos 1988]. 730

Boullée 1987 [1793], S. 55.

Zur Typologie von Innen und Außen bei den Kugelbau-Entwürfen Boullées vgl. Etlin 1994, S. 108.

731

732

Vgl. dazu Adolf Max Vogt: Der Kugelbau um 1800 und die heutige Architektur, Zürich 1962,

S. 13. Boullée 1987 [1793], S. 133. Diese Gleichheit im stereometrischen Aufbau machte die Kugel brauchbar für Gleichheitsvorstellungen aller Art, so dass sie zur Metapher wurde. Ein französischer Abgeordneter schrieb: »Ich stelle mir das Gesetz als Mittelpunkt einer großen Kugel vor: Alle Bürger ohne Ausnahme befinden sich im gleichen Abstand auf der Oberfläche und nehmen da gleiche Plätze ein. Alle hängen gleichermaßen vom Gesetze ab, alle stellen ihre Freiheit und ihr Eigentum unter seinen Schutz. Das nenne ich die gemeinsamen Rechte der Bürger, durch die sie alle gleich sind.« Zit. nach Susanne von Falkenhausen: KugelbauVisionen. Kulturgeschichte einer Bauform von der Französischen Revolution bis zum Medienzeitalter, Bielefeld 2008, S. 24. 733

Boullée hatte das Fehlen von Portiken an den Pariser Kirchen beklagt: »Unsere Kirchen, weit davon entfernt, von Kolonnaden umgeben zu sein, haben Mauern mit Strebepfeilern, die an Festungsmauern erinnern. Unsere Tempel stehen nicht frei und sind von keiner Umfriedung umgeben 734

381 | Anmerkungen

und, anstatt ihre Einweihung durch die Nähe von privaten Bauten zu verhindern, erlaubt man dem Volk, dort Buden für die übelsten Einrichtungen anzubauen. Der Portikus des Pantheons in Rom gilt als ein Meisterwerk der Kunst. Man bewundert an diesem Bauwerk seine edle architektonische Gestaltung und sein Ebenmaß. Es wird von allen unseren berühmten Schriftstellern erwähnt. Ist es nicht außergewöhnlich, dass ein so viel bewundertes Beispiel noch nicht in unserer Hauptstadt nachgeahmt wurde.« Boullée 1987 [1793], S. 77. Zu den Tempelprospekten des späten 18. und 19. Jahrhunderts vgl. Carroll L. V. Meeks: Temple-fronts in neo-classical Italy, in: Architectural History 4/1961, S. 23–40. Die Errichtung der Kirche stellte in technischer Hinsicht einen Meilenstein für Turin dar: So wurden die zehn Säulen aus rotem Gneis erstmals vollständig auf Dampfmaschinen aus dem Val Chisone transportiert, vgl. Re 2005, S. 26.

735

736

Riegl [1901] 1927.

737 Zur figürlichen Ausstattung der Kirche vgl. Daniele Pescarmona: Sculture della Gran Madre di Dio, in: Il tempio della Gran Madre di Dio in Torino (hrsg. v. Città di Torino), Ausstellungskatalog, Turin 1984, S. 87–92. 738

Vgl. Tamburini 1969, S. 32.

Vgl. hierzu die entsprechenden Abschnitte in Boullée 1987 [1793], S. 63–65 (Monumente des öffentlichen Dankes); sowie S. 124–135 (Grabmonumente oder Kenotaphe; An Newton); sowie Etlin 1994.

739

740 Vgl. Ferdinando Bonsignore. Da Roma a Torino, dall’antico regime alla restaurazione (hrsg. v. Laura Guardamagna), Ausstellungskatalog, Turin 2002. 741

Vgl. Tamburini 1969, S. 32.

742

Diese Zitate nicht im Einzelnen belegt, ibid., S. 32–33.

743 Zur Baugeschichte und den verschiedenen Entwürfen vgl. Cultura figurativa 1980, Bd. 3, S. 1144–1147 sowie Tamburini 1969. 744

Bergeron 1972, S. 395.

745 Allerdings zitiert Tamburini 1969, S. 33, ein königliches Billet vom 7.1.1816, das die Entwicklung eines Platzes »con disegno collegato a quello della chiesa« für unverzichtbar hält. Tamburini macht die wirtschaftlichen Verhältnisse für die schleppende Verwirklichung verantwortlich. 746

Kaufmann 1985 [1933], S. 18.

747 Zum Wegraum grundsätzlich Kurt Lewin: Der Richtungsbegriff in der Psychologie. Der spezielle und allgemeine hodologische Raum, in: Psychologische Forschung. Zeitschrift für Psychologie und ihre Grenzwissenschaften, 19/1934, S. 249–299; zum architektonisch ›gebauten‹ Wegraum vgl. Gaudenz Domenig: Weg – Ort – Raum. Versuch einer Analyse der Bewegung im architektonischen Raum, in: Bauen und Wohnen 9/1968, S. 321–325; als angewandte Studie vgl. Verschragen 2000. 748

Domenig 1968, S. 324.

749

Verschragen 2000, S. 11.

382 | Anmerkungen

750 Als »Richtung« wird die Relation zwischen Raumgebilden verstanden, die durch die einem Ziel zustrebende Handlung entsteht; vgl. Lewin 1934, S. 251–252 sowie S. 264. – Der Begriff des »gelebten Raums« meint nach Karlfried Dürkheim einen konkreten Raum, in dem der Mensch existiert, in dem und aus dessen Innesein heraus er sich als lebendiges Subjekt verhält; vgl. Karlfried Graf von Dürkheim: Untersuchungen zum gelebten Raum. Erlebniswirklichkeit und ihr Verständnis. Systematische Untersuchungen II, in: Neue Psychologische Studien 6/1932, S. 387–480. 751

Kruse u. Graumann 1978, S. 179.

Die Alinari-Aufnahme, die Paul Zucker veröffentlichte, zeigt eine Gliederung der Platzfläche in einzelne Felder durch Bordsteine, die sich auf die Seitenstraßen beziehen und einen Mittelweg entstehen lassen, auf dem die Straßenbahngleise verlaufen; vgl. Zucker 1959, pl. 58, unten. Pläne aus der Entstehungszeit des Platzes und den ersten Jahrzehnten danach geben keine Hinweise auf eine solche Gliederung, auch nicht verschiedene zeitgenössische Darstellungen aus den Jahrzehnten danach, vgl. Ada Peyrot (Hrsg.): Torino nei secoli. Vedute e piante, feste e cerimonie nell’incisione dal Cinquecento all’Ottocento, mit einer Einleitung von Luigi Firpo, 2 Bde., Turin 1965, Bd. 2, bspw. Abb. 414 u. 455. Einzig Abb. 361, ein nach der Lithographie 1836 angefertigter Stich der Piazza (vgl. unsere Abb. 165) zeigt eine Abgrenzung durch Straßenlaternen zu einer auf der Mitte verlaufenden Straße. Es scheint also wahrscheinlich, dass diese Einteilungen erst nach und nach entstanden. 752

753 Die axiale Verbindung zwischen Straße und Kirche und ihre Parallele zur Anordnung der Place de la Concorde betont Paul Zucker: Die Brücke. Typologie und Geschichte ihrer künstlerischen Gestaltung, Berlin 1921, S. 168. 754

Domenig 1968, S. 324.

755

Jöchner 2010, S. 156.

756

Domenig 1968, S. 324.

757 Der Begriff des dritten Raums wird seit einiger Zeit als das Zusammenkommen zweier unterschiedlicher Kulturen verstanden, in dem sich selektiv Bedeutungen anlagern, um Kommunikation zu ermöglichen. Er kann hier auf das Phänomen der Stadt übertragen werden, um einer dichotomischen Gegenüberstellung von Stadt und Land zu entgehen, die um 1800 nicht mehr greifen würde; zum Begriff vgl. Homi Bhaba: Die Verortung der Kultur, Tübingen 2000, S. 5.

Der aus der Literaturwissenschaft stammende Begriff ist hier ohne Weiteres auf den architektonisch gestalteten Raum zu übertragen: »Im künstlerisch-literarischen Chronotopos verschmelzen räumliche und zeitliche Merkmale zu einem sinnvollen und konkreten Ganzen. Die Zeit verdichtet sich hierbei, sie zieht sich zusammen und wird auf künstlerische Weise sichtbar; der Raum gewinnt Intensität, er wird in die Bewegung der Zeit, des Sujets, der Geschichte hineingezogen. Die Merkmale der Zeit offenbaren sich im Raum, und der Raum wird von der Zeit mit Sinn erfüllt und dimensioniert. Diese Überschneidung der Reihen und dieses Verschmelzen der Merkmale sind charakteristisch für den künstlerischen Chronotopos.« Michail Bachtin: Formen der Zeit im Roman. Untersuchungen zur historischen Poetik, Frankfurt a. M. 1989, S. 8. 758

Die an den Seiten des Marktes entlang laufenden Straßen, mit der die rechteckige Form des Blocks bewahrt bleibt, charakterisiert Brinckmann als mittelalterlich, während der neuzeitliche Platz dadurch charakterisiert sei, dass er sich »Einschnitte« gefallen lassen müsse, um dadurch als »Raumkörper« hervorzutreten. Vgl. hierzu Brinckmann 1920, S. 38.

759

760

Zucker 1959, S. 164.

761

Joseph Stübben: Der Städtebau, Braunschweig u. Wiesbaden 1980 [Reprint 1890], S. 181–188.

383 | Anmerkungen

762 Friedrich Gilly: Geleitwort zum Friedrichsdenkmal, in: Friedrich Gilly. Essays zur Architektur 1796–1799 [engl. Orig.: 1994], hrsg. v. Fritz Neumeyer, Berlin 1997, S. 141–151, hier: S. 143. 763 Friedrich Mielke: Das Denkmal in seiner städtebaulichen Bedeutung. Die architektonischen Entwürfe, in: Jutta von Simson (Hrsg.): Das Berliner Denkmal für Friedrich den Großen. Die Entwürfe als Spiegelung des preußischen Selbstverständnisses, Frankfurt a. M., Berlin u. Wien 1976, S. 27–48, hier: S. 28. 764

Ibid., S. 33.

765

Alfred Rietdorf: Gilly. Wiedergeburt der Architektur, Berlin 1940, S. 56.

Fritz Neumeyer: Das Friedrichsdenkmal, in: Friedrich Gilly. Essays zur Architektur 1796–1799 [engl. Orig.: 1994], hrsg. v. Fritz Neumeyer, Berlin 1997, S. 55–64, hier: S. 64.

766

767

Ibid., S. 63.

768

Ibid.

769

Rietdorf 1940, S. 46.

Stendhal führt solch baumbeschattete Spaziergänge in Italien prinzipiell auf die napoleonische Besetzung zurück: »Die Franzosen, die sich in Rom bisweilen Lächerlichkeiten leisten, schufen die prächtigen Rampen, die von der Piazza del Popolo zur Höhe des Pincio hinaufführen. Die Bäume, die Napoleon droben anpflanzen ließ, sind schon groß. Wenn man in Italien eine baumbepflanzte Promenade sieht (wie in Spoleto), so kann man stets sicher sein, dass sie das Werk eines französischen Präfekten sind.« Stendhal [Henri Beyle]: Wanderungen in Rom (hrsg. v. Bernhard Frank), Deutsch auf der Grundlage der Übersetzung von Friedrich von Oppeln-Bronikowski, Berlin 1982, S. 185. Zu bildlichen Darstellungen in diesem Zwischenraum vgl. Wolfgang Kemp: Walkers in Lonely Places. On the Experience of the Uncanny in Nineteenth-Century German Art, in: The during Instant. Time and the Spectator in the Visual Arts, hrsg. v. Antoinette Roesler-Friedenthal, Berlin 2003, S. 103–125. 770

»Der bürgerliche Spaziergang führte üblicherweise vor die Tore der Stadt auf eine Anhöhe mit Aussichtspunkt, welcher einen Blick zurück auf die Stadt erlaubte, aus der man gekommen war. Die Architekturlandschaft von Gillys Denkmalanlage stellte mit künstlichen Mitteln die urbanisierte Variante dieses Spaziergangs dar, denn jetzt wurde ein vergleichbares Erlebnis der Selbstbetrachtung innerhalb der Stadtmauern möglich.« Neumeyer 1997 [1994], S. 61; vgl. auch Fontana 2005.

771

Das offene Hin- und Herwandern zwischen Säulengängen stellte um 1800 den üblichen Habitus des philosophisch gebildeten Menschen dar. Dies verband sich mit architektonischen Zwischenelementen, über die Goethe schreibt: »Stufe, Thor, Eingang, Vorhalle, der Raum zwischen Innern und Äussern, zwischen dem Heiligen und Gemeinen kann nur die Stelle seyn, auf der wir uns mit unsern Freunden aufhalten werden.« Zit. nach Neumeyer 1997 [1994], S. 62.

772

773

Jöchner 2010.

774

Neumeyer 1997 [1994], S. 64.

Von den Pfeilerarkaden im Erdgeschoss wurde nach 1750 jede zweite auf Anraten von Vanvitelli vermauert; vgl. Felice De Felippis: Il Palazzo Reale di Napoli, Neapel 1960.

775

776 Vincenzo Ruffo: Quattro saggi, hrsg. v. Fiammetta Adriani, Neapel 2001; vgl. auch Simoncini 1996, S. 41–45.

384 | Anmerkungen

Sergio Villari: Tra neoclassicismo e restaurazione: La Chiesa di San Francesco di Paola, in: Nicoletta Osssanna Cavadini (Hrsg.): Pietro Bianchi, 1787–1849. Architetto e Archeologo, Ausstellungskatalog, S. 129–139, S. 129.

777

778

Villari 1991, S. 222.

779 Geplant war die Verbindung zwischen der aus dem Platz herausführenden Strada del Gigante und der Piazza dell’Arsenale zwar schon 1808, ausgeführt jedoch 1815, vgl. Villari 1991, S. 223. 780 Kostof 1993, S. 132. Ähnliches gilt für die sumerischen Städte, wo der Platz beim Tor als Ort des Verweilens und der Versammlungen galt, wo rechtliche Streitigkeiten geregelt, Verkäufe getätigt, Verträge geschlossen werden konnten und es spontane Märkte gab. 781

Ibid.

782

Vgl. Abb. 233.

783 Kemp 1997, S. 246. Zu den bildhaften Effekten freigestellter Stadttore am Beispiel von Basel vgl. Gerhard Vinken: Zone Heimat. Altstadt im modernen Städtebau, Berlin 2010, S. 47–52. 784

Dies verzeichnet der Plan von Giuseppe Valadier, 1816; vgl. Jöchner 2010, Abb. 11.

785

Vgl. hierzu Vidler 1990, S. 214–234.

786

Dies lassen die beiden Pläne von Gaetano Lombardi vermuten, vgl. Abb. 232 u. 233.

Die Zollgrenze hatte in der ersten Zeit der Restauration verheerende wirtschaftliche Auswirkungen, vor allem setzten sich niedrige Preise für landwirtschaftliche Produkte fort. Da dies schon während des Krieges galt, kam es in Turin in der Folgezeit zu einem Zuzug aus dem ländlichen Bürgertum. Der Bedarf an Wohnungen war daher groß; vgl. Vera Comoli Mandracci, Urbanistica e architettura, in: Umberto Levra (Hrsg.): Storia di Torino, Bd. 6: La città nel Risorgimento (1798–1864), Turin 2000, S. 377–434, S. 382.

787

788

Ibid., S. 383–384.

Fritz Schumacher: Wie das Kunstwerk Hamburg nach dem großen Brande entstand. Ein Beitrag zur Geschichte des Städtebaus, Hamburg, 2. durchges. Auflage 1969, S. 9. Gemeint ist die »Psychologie des Entstehens wichtiger künstlerischer Anordnungen«, die Schumacher an der Verbindung des Entwurfs von Gottfried Semper für den Rathausplatz in Hamburg (1842) und mit dem Markusplatz in Venedig durch das charakteristische hakenförmige Ineinandergreifen zweier Plätze deutlich macht (S. 35–39).

789

790

Vgl. S. 264–272 dieses Buches.

791

Vgl. hierzu Zucker 1921, S. 32–36. Das Kupferstichwerk Perronets war mir leider nicht zugäng-

lich. 792

Zucker 1921, S. 34.

793 Während die Brücke durch den Corps Ponts et Chaussees zum Zeitpunkt der Wiederkehr der Savoyer bis auf wenige Meter beendet war, wozu auch die unmittelbaren kurzen Befestigungsstücke der Brücke gehörte, gehen die weiteren seitlichen Kaimauern auf die Regierungszeit Carlo Albertos (1831–1849) zurück; vgl. Comoli Mandracci 1983, Abb. 147.

385 | Anmerkungen

Die oktogonale Plattform des Platzes war ursprünglich durch Trockengräben von der Umgebung abgeschieden.

794

795 Zur Planungsgeschichte vgl. De la Place Louis XV à la Place de la Concorde (hrsg. v. Musée Carnavalet) Ausstellungskatalog, Alençon 1982; zur Place de la Concorde auch Richard Cleary: The Place Royale and Urban Design in the Ancien Régime, Cambridge 1999, S. 97–106; vgl. auch Michael Hesse: Aufklärerische Baugedanken in »Aufklärungsarchitektur«, in: Studien zu Renaissance und Barock. Manfred Wundram zum 60. Geburtstag, in: id. u. Max Imdahl (Hrsg.), Frankfurt a. M., Bern u. New York 1986, S. 197–219; sowie Köstler 2003. 796

Häberle 1995, S. 103.

Den Mittelpunkt des Platzes hatte ursprünglich ein Reiterdenkmal eingenommen, das Bouchardon von König Louis XV. geschaffen hatte. Zu dem an seiner Stelle eingesetzten Obelisken, der das Denkmal des guillotinierten Herrschers von 1830 an ersetzte, vgl. Wolfgang Kemp: Der Obelisk auf der Place de la Concorde, in: Kritische Berichte 2–3/1979, S. 19–30. Von verschiedenen Ordnungsprinzipien des Platzes (das große Achsenkreuz, der nach Westen geöffnete Dreistrahl und die achteckige Plattform des Platzes mit den Diagonalwegen) spricht Michael Hesse, die jedoch auch verstanden werden können als unterschiedliche, sich überlagernde Wege; Michael Hesse: Klassische Architektur in Frankreich. Kirchen, Schlösser, Gärten, Städte 1600–1800, Darmstadt 2004, S. 137.

797

Die in der Achse der Rue Royale seit 1782 durch Ludwig XV. vorgesehene Brücke wurde am Vorabend der Revolution, 1786, bei Jean-Rodolphe Perronnet in Auftrag gegeben und erst 1795 vollendet. Die Brücke wurde dann nach Ludwig XVI. benannt; vgl. De la Place 1982, S. 71–74.

798

799 »Der ausgezeichnete Weg mag etwa als der ›billigste‹, der ›am schnellsten zurücklegbare‹, der ›am wenigsten unangenehme‹ oder der ›sicherste‹ Weg interpretiert werden.« Lewin 1934, S. 265. 800 Charles Delfante: Architekturgeschichte der Stadt. Von Babylon bis Brasilia, Darmstadt 1999, S. 187. 801

Zum Aktionsraum vgl. Ströker 1965, S. 54–90, S. 57.

802

Rossi 1973 [1966].

803

Barghini 1990 (fortificazione).

804 Zum Begriff der Gegend vgl. Ströker 1965, S. 58–62. Dieser bezeichnet im phänomenologischen Aktionsraum einen relativ geschlossenen Sinn- oder Funktionszusammenhang, beispielsweise »an der Arbeitsstelle« oder »im Schreibtisch« meint, eignet sich für das Gefüge von Piazza Vittorio Emanuele und Gran Madre di Dio, da auch dieses letztlich nur durch einen topographischen Bezug zustande kam. 805 Zit. nach Guardamagna u. Sistri 2000, S. 80. Nach dem Ausbau der Pässe durch Napoleon war der Reise- und Handelsverkehr von Frankreich in den Piemont erheblich angewachsen, vgl. hierzu Hunecke 2011, S. 358.

386 | Anmerkungen

LITERATURVERZEICHNIS

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387 | Literaturverzeichnis

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429 | Literaturverzeichnis

FARBTAFELN

Tafel 1 Turin, Blick auf die Superga-Kirche von Nordwesten

Tafel 2

Turin, Blick auf die Superga. Ansicht von Lungo Po, vorne Gran Madre di Dio

Tafel 3 Turin, Blick auf die Superga vom Beginn der diagonal geführten Via Pietro Micca

Tafel 4 Turin, Corso di Francia (ehem. Strada di Rivoli). Das Schloss Rivoli in den Hügeln, gesehen aus der Straßenachse

Tafel 5 Turin, Corso di Francia (ehem. Strada di Rivoli). Die Superga, gesehen aus der Straßenachse

Tafel 6 Filippo Juvarra: Superga, Kirche mit anschließendem Stiftskomplex, 1716–1731

Tafel 7 Filippo Juvarra: Superga, Turin. Rotunde, Blick auf Hauptaltar

Tafel 8 Filippo Juvarra: Superga, Turin. Nordöstliche Säulentravée mit Emporenfenster

Tafel 9 Filippo Juvarra: Superga, Turin. Innenansicht der Kuppel

Tafel 10 Filippo Juvarra: Superga, Turin. Tambour, Innenansicht

Tafel 11 Filippo Juvarra: Superga, Turin. Hauptaltar

Tafel 12 Filippo Juvarra: Superga, Turin. Portikus

Tafel 13 Filippo Juvarra: Superga, Turin. Portikus, südliche Seite

Tafel 14 Filippo Juvarra: Superga, Turin. Kirche mit anschließendem Stiftskomplex, 1716–1731

Tafel 15 Filippo Juvarra: Superga, Turin. Rotunde, Außenbau, rhythmische Travée

Tafel 16 Filippo Juvarra: Superga, Turin. Tambour und Kuppel

Tafel 17 Turin, Piazza Vittorio Emanuele (heute: Piazza Vittorio Veneto), Blick vom Eingang in die Piazza in Richtung Gran Madre di Dio, 1825–1830

Tafel 18 Turin, Piazza Vittorio Emanuele (heute: Piazza Vittorio Veneto), Ansicht von Gran Madre di Dio in Richtung Stadt, 1825–1830

Tafel 19 Turin, Piazza Vittorio Emanuele (heute: Piazza Vittorio Veneto), exedrenartiger Eingang in die Stadt, 1825–1830

Tafel 20 Turin, Piazza Vittorio Emanuele (heute: Piazza Vittorio Veneto). Westlicher Risalit der mittleren Längsbauten

Tafel 21 Giuseppe Frizzi: Mittlere Längsbauten mit Risaliten, Piazza Vittorio Emanuele (heute: Piazza Vittorio Veneto), 1825

Tafel 22 Turin, Piazza Vittorio Emanuele (heute: Piazza Vittorio Veneto), Altane vor der Einmündung in die Via Po

Tafel 23 Giuseppe Frizzi: Obere Längsbauten an der Piazza Vittorio Emanuele (heute: Piazza Vittorio Veneto), Fassaden, 1825

Tafel 24 Turin, Via Po, im Hintergrund Gran Madre di Dio

Tafel 25 Turin, Piazza Castello mit Fassaden von Ascanio Vitozzi, 1612, rechts die Kirche S. Lorenzo

Tafel 26 Turin, Piazza Castello, Fassaden von 1612 an, gesehen aus der erhöhten Position des Palazzo Madama mit Blick auf Via Garibaldi (ehemals Contrada di Dora Grossa)

Tafel 27 Turin, Piazza Castello, ab 1612, südwestliche Ecke mit Einmündung in die ehemalige Contrada Nuova, 1615 (heute: Via Roma), auf der Ecke Palazzo Francavilla. Fassaden von Ascanio Vitozzi, 1612

Tafel 28 Giuseppe Frizzi: Fassaden der Längsbauten an der Piazza Vittorio Emanuele (heute: Piazza Vittorio Veneto), 1825

Tafel 29 Turin, Brücke über den Po, 1809–1814. Blick zur Kirche Gran Madre di Dio und Borgo di Po

Tafel 30 Ferdinando Bonsignore: Turin, Gran Madre di Dio, 1818–1836

ABBILDUNGSNACHWEISE

Abb. 1–4; 11–14, 98, 191, 196, 198: Theatrum Sabaudiae: das Theatrum civitatum et admirandorum Italiae […], Amsterdam 1663. Abb. 5–6: Galleria Sabauda, Turin. Abb. 7–9: Romolo Quazzo: La formazione progressiva dello stato sabaudo, Turin 1936. Abb. 10: Diercke Weltatlas, Braunschweig 1957. Abb. 15–17, 21–28, 30, 54, 80, 86, 102, 105–107, 122, 131, 133, 154, 155, 157, 161, 162, 166, 176, 180, 181, 185, 194, 197–198, 206, 208–209, 214–215, 218, 222–223, 230, 236, 243–244, 249, 251–252, 266, 273: Uwe Rüdenburg, Berlin. Abb. 18, 158, 160, 190: Forma urbana ed architettura nella Torino barocca. Dalle premesse classiche alle conclusioni neoclassiche, Bd. 1,1–1,2; Bd. 2: Mappe e regolamenti, bearb. von Augusto Cavallari Murat und Pier Giovanni Bardelli, Turin 1968. Abb. 19, 55, 63, 75, 90, 111–113, 130, 138, 156, 159, 219: Archiv der Autorin. Abb. 20: Leonardo Benevolo: Fixierte Unendlichkeit. Die Erfindung der Perspektive in der Architektur [ital. Orig.: Bari 1991], Frankfurt a. M., New York 1993. Abb. 23: Henry A. Millon (Hrsg.): I trionfi del Barocco. architettura in Europa 1600–1750, Turin 1999, S. 344. Abb. 29, 67, 88, 108, 220, 221, 224: Gianfranco Gritella: Juvarra. l’architettura, 2 Bde., Modena 1992, Bd. 1: Abb. 219, 433, 253. Abb. 31a, 31b, 104, 238, 250: William Lloyd MacDonald: The Pantheon. Design, Meaning, and Progeny, London 1976.

431 | Abbildungsnachweise

Abb. 32, 44, 61, 62, 79, 83, 84, 85, 97, 121, 124, 126, 135, 136, 137, 150: Nino Carboneri (Hrsg.): La Reale Chiesa di Superga di Filippo Juvarra. 1715–1735, Turin 1979 (Corpus Juvarrianum, Accademia delle Scienze di Torino), Tfl. XXVIIIa, Tfl. Ia, XLIX, LXIX, IIIa, XLVIII, XCI, XLVII, XVII, XVI, XXVII, VII, CXIXb, LXXI, S. 3, 4. Abb. 33, 34, 35: George Kubler: Building the Escorial, Princeton 1982, Abb. 1, 7, 9. Abb. 36: Christoph L. Frommel: The architectural drawings of Antonio da Sangallo the Younger and his circle / The Architectural History Foundation, New York 1994, Bd. II, Churches, villas, the Pantheon, tombs, and ancient inscriptions, New York 2000, U1275 A recto. Abb. 37: Richard Bösel/Christoph L. Frommel (Hrsg.): Borromini e l’universo barocco, Katalog, Mailand 2000, S. 255, Abb. XV. Abb. 38–39: Richard J. Tuttle (Hrsg.): Jacopo Barozzi da Vignola, Mailand 2002, S. 196. Abb. 40: Werner Oechslin/Anja Buschow Oechslin (Hrsg.): Die Kunstdenkmäler des Kantons Schwyz, Neue Ausg., Bd. III.I, Der Bezirk Einsiedeln. Das Benediktinerkloster Einsiedeln, Basel 2003, S. 298, Abb. 272. Abb. 41: Bernhard Schütz: Die kirchliche Barockarchitektur in Bayern und Oberschwaben 1580– 1780, München 2000, Tfl. 243. Abb. 42, 45, 52–53, 57, 74, 148: Stephan Hoppe: Was ist Barock? Architektur und Städtebau Europas 1580–1770, Darmstadt 2003, S. 30, Abb. 14, 244, 80, 72, 188, 65, 67. Abb. 43: Stift Göttweig (Hrsg.): Göttweiger Ansichten, Graphik – Gemälde – Kunsthandwerk. Ausstellung des Graphischen Kabinetts & der Kunstsammlungen, des Stiftsarchivs und der Stiftsbibliothek Göttweig, Göttweig 2002, Abb. 105. Abb. 46, 95, 99, 110: Hubertus Günther: Was ist Renaissance? Eine Charakteristik der Architektur zu Beginn der Neuzeit, Darmstadt 2009, S. 105, Abb. 82, 46, 8, 78. Abb. 47, 94: Georg Satzinger: Antonio da Sangallo der Ältere und die Madonna di San Biagio bei Montepulciano, Tübingen 1991, Abb. 204, 12. Abb. 48–49: Leon Battista Alberti: Zehn Bücher über die Baukunst, ins Deutsche übertragen, eingeleitet und mit Anmerkungen und Zeichnungen versehen durch Max Theuer [Nachdruck der ersten deutschsprachigen Aufl.: Wien 1912], Darmstadt 1991. Abb. 50–51: Ingomar Lorch: Die Kirchenfassade in Italien von 1450 bis 1527. Die Grundlagen durch Leon Battista Alberti und die Weiterentwicklung des basilikalen Fassadenspiegels bis zum Sacco di Roma (Diss., Univ. München, 1996), Hildesheim, Zürich u. New York 1999 (Studien zur Kunstgeschichte, Bd. 130), Abb. 3–4. Abb. 56: Otto H. Förster: Bramante, Wien, München, 1956, S. 222. Abb. 58–60: Gerhard Eimer: La fabbrica di S. Agnese in Navona. römische Architekten, Bauherren und Handwerker im Zeitalter des Nepotismus, Stockholm 1971, Bd. 2, Tfl. XXXIII, Abb. 207. Abb. 64, 145, 127: Ulrich Fürst: Die lebendige und sichtbahre Histori. Programmatische Themen in der Sakralarchitektur des Barock (Fischer von Erlach, Hildebrandt, Santini), Regensburg 2002 (Studien zur Christlichen Kunst, Bd. 4), Abb. 26, 34.

432 | Abbildungsnachweise

Abb. 66: Dietrich Erben: Paris und Rom. Die staatlich gelenkten Kunstbeziehungen unter Ludwig XIV., Berlin 2004 (Studien aus dem Warburg-Haus, Bd. 9), Abb. 117. Abb. 68–69: Franz Graf Wolff Metternich: Die Erbauung der Peterskirche zu Rom im 16. Jahrhundert, Wien 1972, Abb. 11, 13. Abb. 70: Allan Braham/Peter Smith: François Mansart, London 1973, Bd. 2, Plates, Abb. 457. Abb. 71–72: Gil R. Smith: Architectural diplomacy. Rome and Paris in the late Baroque, New York 1992, Tfl. 9, 6. Abb. 73: Gianfranco Malafarina (Hrsg.): La Basilica di San Vitale a Ravenna, Modena, 2006, S. 49, Abb. 29. Abb. 74: Matthias Untermann: »opere mirabili constructa«. Die Aachener ›Residenz‹ Karls des Großen, in: 799. Kunst und Kultur der Karolingerzeit. Karl der Große und Papst Leo III. in Paderborn (hrsg. von Christoph Stiegemann/Matthias Wemhoff), Ausst.kat., Mainz 1999, S. 152–164, Abb. 7. Abb. 87, 91: Tod Allan Marder: Bernini and the art of architecture, New York u. a. 1998, Abb. 187, 221. Abb. 89: Irving Lavin: Bernini and the unity of the visual arts, Bd. 2, New York u. a. 1980, Abb. 155. Abb. 92–93: Hellmut Hager: Bernini, Mattia de Rossi and the church of S. Bonaventura at Monterano, in: Architectural History, 21 (1978), S. 68–76. Abb. 96: Georg Satzinger/Sebastian Schütze (Hrsg.): Sankt Peter in Rom 1506–2006. Beiträge der internationalen Tagung vom 22.–25. Februar 2006 in Bonn, München 2008, S. 135. Abb. 100: Christoph Luitpold Frommel: St. Peter’s. The Early History, in: The Renaissance from Brunelleschi to Michelangelo. The Representation of Architecture (bearb. von Henry A. Millon und Vittorio Magnago Lampugnani), Ausst.kat., Venedig, Palazzo Grassi/Washington, DC, National Gallery, London 1994, S. 399–423. Abb. 101, 103: Ausst.kat. Barock im Vatikan. Kunst und Kultur im Rom der Päpste II, 1572–1676, Ausst.kat. (Bonn, Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland/Berlin, MartinGropius-Bau), Leipzig 2005. Abb. 109: Richard Krautheimer: Sancta Maria Rotunda, in: Edoardo Arslan (Hrsg.): Arte del primo millennio. Atti del IIo Convegno per lo studio dell’arte dell’alto medio evo, Pavia 1950, Turin 1953. Abb. 111: Christina Strunck: Rom. Meisterwerke der Baukunst von der Antike bis heute. Festgabe für Elisabeth Kieven, Petersberg 2007, S. 189, Abb. 2. Abb. 114: Camillo Semenzato: La Rotonda di Andrea Palladio, Bd. 1, 1968 (Corpus Palladianum), Vicenza 1968, Tfl. II. Abb. 115: Rolf Toman/Achim Bednorz (Hrsg.): Die Kunst des Barock. Architektur, Skulptur, Malerei, Köln 1998, S. 15. Abb. 116, 117, 118: Franz Graf von Wolff Metternich: Eine Vorstufe zu Michelangelos Sankt PeterFassade, in: Festschrift für Herbert von Einem, hrsg. von Gert von der Osten und Georg Kauffmann, Berlin 1965. Abb. 119, 120: Tilmann Buddensieg/Matthias Winner (Hrsg.): Munuscula discipulorum. Kunsthistorische Studien, Berlin 1968, Abb. 261, 262.

433 | Abbildungsnachweise

Abb. 123: James S. Ackerman: The Architecture of Michelangelo, Bd. 1: Catalogue, Bd. 2: Text and Plates, London 1961–1964. Abb. 125a: Mario Vidor: Le perle del Palladio/Palladio’s jewels, Farra di Soligo 2009, S. 133. Abb. 125b: Centro Internazionale di Studi di Architettura. Andrea Palladio di Vicenza (Hrsg.): La Rotonda, Mailand 1988, S. 35. Abb. 128: Il terzo libro di Sebastiano Serlio bolognese, nel qual si figurano, e descrivano le antiquità di Roma, e le altre che sono in Italia, e fuori de Italia, Venedig 1544. S. CXXXI. Abb. 129: Stefano Borsi: Giuliano da Sangallo, i disegni di architettura e dell’antico, Rom 1985, S. 192. Abb. 132: Lionello Puppi: Andrea Palladio, Mailand 1973, Bd. II, Fig. 280. Abb. 134: Dieter Mertens: Städte und Bauten der Westgriechen. Von der Kolonisationszeit bis zur Krise um 400 vor Christus, München 2006, Abb. 660. Abb. 139: Gil R. Smith: Architectural Diplomacy. Rome and Paris in the Late Baroque, Cambridge, MA, London 1993. Abb. 140: Hellmut Hager: Zur Planungs- und Baugeschichte der Zwillingskirchen auf der Piazza del Popolo. S. Maria di Monte Santo und S. Maria dei Miracoli in Rom, in: Römisches Jahrbuch für Kunstgeschichte, 11 (1967/68), S. 189–306, Abb. 6. Abb. 141–142: Centro Internazionale di Studi di Architettura »A. Palladio« (Hrsg.): Corpus Palladianum, Bd. 3: Wladimir Timofiewitsch: La Chiesa del Redentore, Vicenza 1969, Abb. 22, 143. Abb. 143: Andrew Hopkins: Baldassare Longhena. 1597–1682, Mailand 2006, Abb. 95. Abb. 144: Pierre Lemoine: Parigi/Val-de-Grace, Bologna 1967, S. 267. Abb. 146: Ennio Concina: Kirchen in Venedig, München 1996. Abb. 147: Andrew Hopkins: Santa Maria della Salute, architecture and ceremony in Baroque Venice, Cambridge 2000, Farbtfl. III. Abb. 149: M. Viale Ferrero: Filippo Juvarra: scenografo e architetto teatrale, Turin 1970, Tfl.146. Abb. 152: Turin, Biblioteca Nazionale Universitaria. Abb. 153: Micaela Viglino Davico: Fortezze sulle alpi. Difese dei Savoia nella Valle Stura di Demonte, Cuneo 1989. Abb. 159, 160: Cornelia Jöchner. Abb. 163, 231, 233, 235, 241, 257–259: Cultura figurativa e architettonica negli Stati del Re di Sardegna 1773–1861 (bearb. von Enrico Castelnuovo und Marco Rossi, hrsg. von Regione Piemonte, Provincia Torino), Ausst.kat., Città di Torino, 3 Bde., Turin 1980, Bd. 3. Abb. 164: Paul Zucker: Town and Square. From the Agora to the Village Green, New York 1959. Abb. 165, 260, 263–265: Ada Peyrot: Torino nei secoli. Vedute e piante, feste e cerimonie nell’incisione dal Cinquecento all’Ottocento. Mit einer Einleitung von Luigi Firpo, 2 Bde., Turin 1965.

434 | Abbildungsnachweise

Abb. 167, 168, 193: Vera Comoli Mandracci: Torino, Rom, Bari 1983. Abb. 169: Donatella Calabi (Hrsg.): Fabbriche, piazze, mercati, la città italiana nel Rinascimento, Roma 1997, S. 127. Abb. 170: Luisa Giordano (Hrsg.): Lo »zelantissimo pastore« e la città. Vigevano nell’età del vescovo Caramuel, Pisa 2006, S. 130. Abb. 171: Luisa Giordano/Rosalba Tardito: Piazza Ducale e i suoi restauri. Cinquecento anni di storia, Pisa 2000, S. 190. Abb. 172–174, 226–227: Datenbank »Piazza e monumento«, Berlin 2011, Fotograf: Francesco Arese Visconti Abb. 175, 203, 205, 216, 217: Martha Pollak: Turin 1564–1680. Urban Design, Military Culture, and the Creation of the Absolutist Capital, Chicago, London 1991. Abb. 177, 182–183, 192, 199, 202, 204: Giovanni Romano (Hrsg.): Torino 1675–1699. Strategie e conflitti del barocco, Turin 1993. Abb. 178: Christoph Luitpold Frommel: Die Architektur der Renaissance in Italien, München 2009, Abb. 191. Abb. 179: Domenico Fontana: Della trasportatione dell’obelisco Vaticano, hrsg. von Adriano Carugo, unveränderter Nachdruck der 1. Aufl. Rom 1590, Mailand 1978, Libro primo, S. 65. Abb. 186: Sabine Frommel: Sebastiano Serlio architetto, Mailand 1998, S. 277. Abb. 187–189: Virginia Stefanelli (Hrsg.): La città ideale/Giorgio Vasari il Giovane. Rom 1970, S. 98–102. Abb. 195: Aurora Scotti: Ascanio Vitozzi. Ingegnere ducale a Torino, Florenz 1969. Abb. 201: Vera Comoli Mandracci: Dalle »places royales« allo spazio neoclassico a Torino e in Piemonte, in: Storia della città XV(1993) H. 54 –55–56 ( Le piazze. Lo spazio pubblico dal Medioevo all’età contemporanea), S. 131–152. Abb. 207: Christopher Tadgell: Ange-Jacques Gabriel, London 1978, Abb. 152. Abb. 210–213, 225, 228–229, 232: Vera Comoli Mandracci: Pianificazione urbanistica e costruzione della città in periodo napoleonico a Torino, in: Villes et territoire pendant la période napoléonienne (France et Italie), hrsg. von der Ecole française de Rome, Rom 1987, S. 296–314. Abb. 234: Putzger Historischer Weltatlas, Bielefeld 1965. Abb. 237, 240: Renato de Fusco: L’architettura dell’Ottocento, Turin 1980. Abb. 239: Andrea Palladio: The four books of architecture, New York 1965 (Buch IV, Kap. XXII), Abb. LXI. Abb. 242, 253–255: Enrico Scarsi, Turin, Nr. VA5F6644, Nr. VA5F6673, VA5F6639, VA5F6656.

435 | Abbildungsnachweise

Abb. 245: Gottfried Kiesow/Renate Gruber (Hrsg.): Baukunst in Hessen. Von der Romanik zur Moderne, Darmstadt 2000. Abb. 246: Marie Frölich/Hans-Günther Sperlich: Georg Moller. Baumeister der Romantik, Darmstadt 1959. Abb. 247: Friedrich Gilly: Essays zur Architektur 1796–1799 [engl. Orig.: Santa Monica 1994], hrsg. von Fritz Neumeyer, Berlin 1997. Abb. 248: Laura Guardamagna/Augusto Sistri: Progetti accademici e rilievi romani di Ferdinando Bonsignore, in: Il disegno di architettura. Notizie su studi, ricerche, archive e collezioni pubbliche e private 18 (November 1998), S. 50–56. Abb. 256: Il tempio della Gran Madre di Dio in Torino (hrsg. von der Città di Torino), Ausst.kat., Turin 1984. Abb. 261: Il nuovo teatro delle fabriche … sotto il felice pontificato di N. S. Papa Alessandro VII, Bd. I: Vedute delle fabriche, Tfl. 7. Abb. 262: Berlin, Kupferstichkabinett. Abb. 267: St. Petersburg, Staatl. Russisches Museum, Inv.nr. 3624. Abb. 268–270: Sergio Villari: Tra neoclassicismo e restaurazione. La Chiesa di San Francesco di Paola, in: Pietro Bianchi. 1787–1849. Architetto e Archeologo (bearb. von Nicoletta Osssanna Cavadini, hrsg. vom Kanton Tessin), Ausst.kat., Mailand 1995, S. 129–139. Giorgio Simoncini: La città nell’età dell’illuminismo. Le capitali italiane, Florenz 1997, S. 42, Fig. 2. Abb. 272: Michael Hesse: Klassische Architektur in Frankreich. Kirchen, Schlösser, Gärten, Städte 1600–1800, Darmstadt 2004, Abb. 175.

436 | Abbildungsnachweise

REGISTER

Alberti, Leon Battista 54, 76–80, 93, 103–105, 145–146, 149, 224, 232, 234, 252, 333, 338, 343–345, 349–350, 353, 363, 365, 369, 371–373, 375, 378 Amedeo IX., Herzog von Savoyen (Sel.) 176, 184 Argan, Giulio Carlo 37, 334 Bachtin, Michail 383 Balbo, Cesare 289–290, 332 Bandmann, Günther 354–355 Becker, Oskar 16, 328, 339 Beenken, Hermann 86, 345 Bellotto, Bernardo 26–28, 37, 330 Bernini, Gianlorenzo 96, 105, 125, 129, 131–133, 138–140, 142, 148–149, 206, 334, 339, 343, 354–357, 361 Bertola, Antonio 55, 178–179, 335 Boffrand, Gabriel Germain 379 Bollnow, Otto 325, 338, 353, 370 Borromäus, Karl (Hl.) [Borromeo, Carlo S.] 176, 294, 338 Borromini, Francesco 66, 88, 90, 106, 113, 342, 344–347, 351 Bonaparte, Napoleon (Kaiser Napoleon I.) 12, 106, 197, 199–200, 252, 256, 264, 266, 268, 270–272, 282, 299, 312, 316–318, 322, 325, 363, 375–378, 384, 386 Boudon, Philippe 184, 341, 361 Boullée, Etienne-Louis 284, 289, 291, 297, 379–382

437 | Register

Botero, Giovanni 23, 228–229, 370–371 Bonsignore, Ferdinando 253–254, 256–257, 264–269, 272, 276, 278, 280, 285, 289–291, 296–301, 378–380, 382 Bramante, Donato 75, 76, 99, 102–103, 110, 112, 137–138, 152, 165, 346, 349, 351, 355, 358 Brinckmann, Albert Erich 57, 82, 200, 212, 266, 327, 340, 345, 356, 361, 363, 367, 376, 383 Brunelleschi, Filippo 212, 348, 357, 367 Bühler, Karl 113, 352 Carlo Emanuele I., Herzog von Savoyen 176, 210, 236, 369 Carlo Emanuele II., Herzog von Savoyen 239, 259, 333 Carlo Emanuele III., Herzog von Savoyen 26, 358 Castellamonte, Amedeo 241–243, 246, 250–251, 259–260, 268, 368, 374 Castellamonte, Carlo 236, 239, 262, 368 Certeau, Michel de 195, 334 Dausse, Joseph-Henri-Christophe 272–273, 318, 376 Dürkheim, Karlfried Graf 383

264–269,

Eimer, Gerhard 15, 146, 326, 330–331, 347, 350, 355, 360 Emanuele Filiberto I., Herzog von Savoyen 35, 76, 209

Eugen, Prinz von Savoyen-Carignano Eudoxos von Knidos 80 Euklid von Alexandria 80

178

Fischer von Erlach, Johann Bernhard 168, 182, 340 Fontana, Carlo 176, 356–357 Fontana, Domenico 222–221, 313 Frey, Dagobert 15, 328, 353, 355 Frizzi, Giuseppe 201–205, 246–247, 277, 301, 306, 364 Furttenbach, Joseph 66 Gabriel, Ange-Jacques 248–249 Gilly, Friedrich 199, 289–290, 308–310, 313, 322, 384 Guarini, Guarino 239, 242, 258–259, 373–374, 376 Gurlitt, Cornelius 91, 92, 95, 345, 347 Hadrianus, Publius Aelius (röm. Kaiser) 283, 349, 378 Habermas, Jürgen 368 Hager, Hellmut 131, 134, 175, 338, 355, 357, 361, 378 Hardouin-Mansart, Jules 104, 106 Heidegger, Martin 18, 124, 328, 352 Hempel, Eberhard 150–151, 347, 356 Herrmann, Wolfgang 342, 365, 375, 376 Hildebrand, Adolf von 16, 46, 56, 72, 327, 337, 339, 342 Hirt, Aloys 288, 380–381 Hubala, Erich 57, 82–83, 102, 104, 117, 123, 338, 340, 342, 344–345, 347–349, 352, 356, 358 Jantzen, Hans 346, 354 Juvarra, Filippo 21, 39, 42, 45, 52–54, 57, 59, 61–62, 85, 91–92, 95–97, 99–104, 113–116, 118–120, 127, 131, 136–137, 139–140, 142–145, 151, 155–159, 162, 165–168, 170–173, 178, 184–188, 190–193, 259–264, 334–335, 337, 339–340, 342, 347–349, 351–352, 354, 356–358, 361–362, 372 Kaufmann, Emil 82, 92, 151, 207, 284, 302, 305, 345, 347, 356, 364, 380, 382 Kauffmann, Hans 104, 158, 235, 343, 349–350, 357, 367, 372 Kemp, Wolfgang 14–15, 30, 326–328, 332, 339 Kieven, Elisabeth 188, 334, 339–340, 357, 361, 378 Laugier, Marc-Antoine 375–376

438 | Register

14, 251–252, 365,

Ledoux, Claude-Nicolas 207, 252, 317, 334, 364, 375 Linfert, Carl 46, 187, 328, 337, 353, 361 Lodoli, Carlo 245 Lombardi, Gaetano 273–276, 385 Lombardi, Lorenzo 253–257, 264, 269, 276, 298, 378 Lorenz, Hellmut 79, 343–344 Longhena, Baldassare 179, 181 Ludwig XIV., König von Frankreich 39, 106, 236, 349 Machiavelli, Niccolò 331 Maderno, Carlo 98, 138, 141, 357 Mansart, François 106–107, 178, 350 Margarete, Savoyen von 176, 294 Maria Cristina, Herzogin von Savoyen 230, 236, 238 Michelangelo Buonarroti 75, 141, 151–153, 157, 165, 191, 206, 253–254, 264, 327, 337, 343, 348, 357–358 Milizia, Francesco 208, 249, 251, 256–257, 362, 364–365, 375–376 Moller, Georg 283, 288–298, 379, 381 Neumann, Balthasar 58, 105, 183, 345, 348, 352, 354 Neumeyer, Fritz 59, 80, 310, 313, 326, 328, 341, 344, 384 Oechslin, Werner 378, 381

282, 327, 357, 361, 371, 373,

Palladio, Andrea 54, 65, 76, 92, 141, 149, 159–160, 169, 179–180, 186, 213, 226, 230, 259, 285–286, 339, 341, 343, 356–358, 369, 373, 380 Perrault, Claude 105, 350 Perronet, Jean-Rodolphe 318, 385 Peruzzi, Baldassare 65, 161, 342 Pinder, Wilhelm 79, 352 Piranesi, Giambattista 208, 334, 339, 365 Plessner, Hellmuth 348 Rainaldi, Carlo 88, 138, 347, 356 Raspe, Martin 89, 90, 94, 106, 346–347, 351, 359 Ruffo, Vincenzo 266, 315, 375, 384 Sangallo, Antonio da (d. Ä.) 134, 141, 213, 343 Sangallo, Antonio da (d. J.) 66, 112–113, 220, 342, 381 Sangallo, Giuliano da (d. J.) 66, 103, 138, 152–153, 161, 163

Satzinger, Georg 343, 348, 355, 357–358, 360 Schmarsow, August 16–18, 59, 88, 121–122, 124, 327–329, 338, 346, 352–353 Schumacher, Fritz 18–19, 59–60, 184, 284, 317, 323, 341, 380, 385 Sedlmayr, Hans 72, 80, 104, 158, 341, 344–345, 349 Semper, Gottfried 72, 80, 342, 385 Serlio, Sebastiano 65, 104, 161, 163, 224, 226, 230, 233, 341, 370–373 Simmel, Georg 13, 14, 18, 29, 37, 190, 197, 227, 323, 326, 328–329, 331–332, 334, 362, 370 Sixtus V., Papst 25, 338 Sörgel, Herman 18–20, 46, 52, 56, 188, 327, 329, 337–339, 341, 361 Soufflot, Jacques-Germain 247 Stendhal (Marie-Henri Beyle) 312, 384 Ströker, Elisabeth 130, 328, 337, 339, 353–354, 386 Stübben, Joseph 307, 383 Vauban, Sébastien le Prestre de 26, 29, 331 Vignola, Giacomo Barozzi da (gen.) 153 Vinci, Leonardo da 76, 343 Viollet-le-Duc, Eugène Emmanuel 289

439 | Register

Vittone, Bernardo 294, 334, 347 Vittorio Amedeo I., Herzog von Savoyen 230–231 Vittorio Amedeo II., Herzog von Savoyen (König von Sizilien, 1713–20; König von Sardinien, 1720–30) 42–43, 106, 121, 173, 176, 178, 184, 186, 191, 230–231, 242–243, 259, 333, 335, 358 Vittorio Emanuele I., Herzog von Savoyen 20–21, 195–326, 364, 374, 378 Vitozzi, Ascanio 137, 176, 187–188, 210, 216, 218, 220, 222–224, 228, 230–232, 235–236, 242, 262, 361–362, 365–366, 368 Warnke, Martin 15, 102, 326 Waldenfels, Bernhard 11, 17, 56, 188, 325, 328, 336, 339, 370 Wittkower, Rudolf 51, 57, 70, 73, 79, 91, 337, 340–345, 347, 349–351 Wolff Metternich, Franz Graf von 152–153, 346, 349, 357 Zucker, Paul 45, 307, 318, 327, 336, 353, 364, 383, 385

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Aby-Warburg-Stiftung sowie der Geschwister Boehringer Ingelheim Stiftung für Geisteswissenschaften in Ingelheim am Rhein. Als Habilitationsschrift vom Fachbereich Kulturgeschichte und Kulturkunde der Universität Hamburg 2012 angenommen.

ISBN 978-3-11-034759-3 e-ISBN (PDF) 978-3-11-034769-2 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-038038-5 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2015 Walter De Gruyter GmbH, Berlin/München/Boston Einbandabbildung: Filippo Juvarra: Superga, Turin (Fotografie: Uwe Rüdenburg). Satz: Werksatz Schmidt & Schulz GmbH, Gräfenhainichen Druck und Bindung: Beltz Bad Langensalza GmbH, Bad Langensalza ∞ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany

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