Framing und Rationalität: Die Bedeutung der Informationsdarstellung für das Entscheidungsverhalten
 9783486833263, 9783486566468

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Stocke · Framing und Rationalität

Scientia Nova Herausgegeben von Rainer Hegselmann, Gebhard Kirchgässner, Hans Lenk, Siegwart Lindenberg, Julian Nida-Rümelin, Werner Raub, Thomas Voss

Bisher erschienen u. a.: Robert Axelrod, Die Evolution der Kooperation Karl H. Borch, Wirtschaftliches Verhalten bei Unsicherheit Churchman/Ackoff/Arnoff, Operations Research James S. Coleman, Grundlagen der Sozialtheorie Morton D. Davis, Spieltheorie für Nichtmathematiker Erklären und Verstehen in der Wissenschaft Evolution und Spieltheorie Bruno de Finetti, Wahrscheinlichkeitstheorie Robert Frank, Strategie der Emotionen Green/Shapiro, Rational Choice Peter Kappelhoff, Soziale Tauschsysteme Bernd Lahno, Versprechen. Überlegungen zu einer künstlichen Tilgend Hans Lenk, Das Denken und sein Gehalt Moralische Entscheidungen und rationale Wahl Moral und Interesse Nagel/Newman, Der Gödelsche Beweis John v. Neumann, Die Rechenmaschine und das Gehirn Julian Nida-Rümelin, Kritik des Konsequentialismus Ökonomie und Moral Howard Raiffa, Einführung in die Entscheidungstheorie Erwin Schrödinger, Was ist ein Naturgesetz? Rudolf Schüßler, Kooperation unter Egoisten Geo Siegwart, Vorfragen zur Wahrheit Paul W. Thurner, Wählen als rationale Entscheidung Thomas Voss, Rationale Akteure und soziale Institutionen Hermann Weyl, Philosophie der Mathematik und Naturwissenschaft

Volker Stocke

Framing und Rationalität Die Bedeutung der Informationsdarstellung für das Entscheidungsverhalten

R. Oldenbourg Verlag München 2002

Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft

Die Deutsche Bibliothek - CIP Einheitsaufnahme Stocke, Volker: Framing und Rationalität: die Bedeutung der Informationsdarstellung für das Entscheidungsverhalten / Volker Stocke. - München : Oldenbourg, 2002 (Scientia Nova) Zugl,: Mannheim, Univ., Diss., 2000 ISBN 3-486-56646-6

© 2002 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH, München Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Internet: http://www.oldenbourg-verlag.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen.

Umschlaggestaltung: Dieter Vollendorf Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier (chlorfrei gebleicht). Gesamtherstellung: WB-Druck, Rieden am Forggensee ISBN 3-486-56646-6

Inhalt Vorwort

7

I. Einleitung

9

II. Überblick und Problemstellung 1. Allgemeine Kritik am Rational-Choice Ansatz 2. Framing-Effekte als Anomalie des Rational-Choice Ansatzes 3. Zielsetzung und Plan der Arbeit

13 13 23 32

III. Framing-Theorien: Ein Überblick 1. Informationsmangel als Erklärung für Framing-Effekte 2. Heuristiknutzung als Erklärung für Framing-Effekte 3. Schemaaktivierung als Erklärung für Framing-Effekte 4. Die Prospect-Theory 5. Zusammenfassung und Diskussion

35 37 53 67 87 91

IV. Modellierung der Framing-Typen 1. Ambiguitätsbasierte Framing-Effekte 2. Heuristikbasierte Framing-Effekte 3. Schemabasierte Framing-Effekte

97 98 109 123

V. Das ADP als Prüfstein der Erklärungstypen 1. Die Erklärung im Rahmen der Prospect-Theory 2. Probleme der Erklärung 3. Erklärung als ambiguitäts- und heuristikbasierte Framing-Effekte 4. Zusammenfassung der empirisch testbaren Prognosen

137 138 140 145 158

VI. Die Prospect-Theory, das Ambiguitäts- und Heuristikmodell im empirischen Vergleich 1. Bedeutung der Ergebnisinhalte und der sprachlichen Symbolik 2. Bedeutung der Ergebniserwartungen und des Verarbeitungsmodus 3. Zusammenfassung der Ergebnisse

163 163 176 204

VII. Determinanten schemabasierter Framing-Effekte 1. Framing-Effekte und soziale Normen 2. Prognosen des Modells der Frame-Selektion 3. Empirische Überprüfung der Vorhersagen 4. Zusammenfassung der Ergebnisse

207 208 215 226 247

VIII. Zusammenfassung und Fazit

249

IX. Anhang

259

Literaturverzeichnis

267

Register

291

Vorwort

Die vorliegende Untersuchung konnte nur durch die teilweise intellektuelle, teilweise tatkräftige Unterstützung durch eine Reihe von Personen realisiert werden. Anregend und in vielerlei Hinsicht lehrreich waren der Austausch und die kritische Diskussion mit meinen Kollegen Michael Braun, Stephan Ganter und ganz besonders der Austausch mit Johannes Kopp. Frank Kalter gab mir wertvolle methodische Hinweise. Besonders danken möchte ich auch Thomas Bräuninger, Claudia Diehl und Thomas Schuster für zielsichere Kommentare und die Mühe bei der kritischen Durchsicht einer frühen Version des Manuskriptes. Für stimulierende Diskussionen und die Klärung mancher Verwirrung bin ich auch den Teilnehmern der Konferenz „Decision Making in Theory and Practice" (Oxford 1998), der Tagung „Foundations and Applications of Utility, Risk and Decision Theory (Marrakesch 1999) und der Frühjahrstagung der Sektion „Modellbildung und Simulation" der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (Duisburg 2000) zu großem Dank verpflichtet. Für die engagierte und kompetente Mitarbeit bei den umfangreichen experimentellen Datenerhebungsarbeiten möchte ich Heike Ribke danken. Jens Brucker und vor allem Christian Hunkler haben viele Abbildungen erstellt und das Manuskript mit großer Sorgfalt Korrektur gelesen. Ganz besonders herzlich möchte ich mich bei Hartmut Esser für die Betreuung der vorliegenden Arbeit als Dissertationsprojekt an der Fakultät für Sozialwissenschaften der Universität Mannheim bedanken. Durch seine zielsichere und immer konstruktive Kritik hat er substanziell zu meiner wissenschaftlichen Entfaltung beigetragen. Ohne seine loyale Unterstützung, die Schaffung einer fruchtbaren intellektuellen Atmosphäre und seinen Ansporn wäre die Vollendung der vorliegenden Arbeit schlicht nicht möglich gewesen. Dagmar Stahlberg möchte ich für ihre Mühe bei der Begutachtung meiner Dissertationsarbeit an der sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Mannheim danken, die als überarbeitete Fassung dem vorliegenden Buch zugrunde liegt. Auch den Herausgebern der Reihe „Scientia Nova" und insbesondere Werner Raub gebührt großer Dank für die konkreten Hinweise und kritischen Anmerkungen zum vorliegenden Manuskript. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat durch finanzielle Unterstützung die Drucklegung der vorliegenden Arbeit gefordert. Zum Schluss möchte ich noch Gyöngyi Bugar für ihre außerordentliche Geduld und ihre persönliche Unterstützung während eines substantiellen Teils des Forschungsprojektes danken. Es ist selbstverständlich, dass ich für alle verbliebenen Fehler und Mängel alleine verantwortlich bin.

I. Einleitung Der ökonomische Ansatz zur Erklärung menschlichen Verhaltens kommt in jüngster Zeit verstärkt auch bei der Erklärung sozialer Phänomene außerhalb des klassischen Gegenstandsbereiches der Wirtschaftswissenschaften zur Anwendung. Dabei werden immer mehr Erklärungsgegenstände erfasst, die bisher als typische Anwendungsfelder anderer Sozialwissenschaften betrachtet wurden. Die inzwischen bereits klassische Arbeit von Downs im Bereich der Wahlforschung und die Untersuchung von Olson zum Thema kollektiven Handelns bilden den Ausgangspunkt dieser Ausweitung des Anwendungsfeldes (Downs 1957; Olson 1965). Diese Entwicklung wurde vor allem auch durch die Arbeiten von Gary S. Becker vorangetrieben, in denen das ökonomische Erklärungsmodell in der Familienforschung, bei der Erklärung von Diskriminierungen und im Bereich der Bildungsentscheidungen angewendet wurde (Becker 1993; 1964; 1976). In neueren Arbeiten wird der ökonomische Erklärungsansatz auch bei der Erklärung von Gesetzgebungsprozessen, bei der Prognose kriminellen Verhaltens, sowie bei der Analyse der Entstehungsbedingungen sozialer Bewegungen und räumlicher Wanderungsströme herangezogen (Hellman & Alper 1993; Kalter 1997; König 1992; Opp, Voss & Gern 1995). Weitere wichtige Bereiche in denen der Rational-Choice Ansatz inzwischen zur Anwendung gebracht wird, betreffen das Verhalten von Befragten in demographischen Interviews, die Erklärung von Bildungsentscheidungen und die Frage, unter welchen Bedingungen sich Menschen ökologisch verträglich verhalten (Bamberg & Schmidt 1998; Breen & Goldthorpe 1997; Diekmann 1994; Esser 1993; Lüdemann 1997; Schnell 1997). Auch das Phänomen ehelicher (In-) Stabilität, religiöses Verhalten sowie das „Zähneputzen" werden mittlerweile als rationales Handeln analysiert (Schmidtchen & Mayer 1993; Young 1997). Wie diese Aufzählung der Anwendungen - die sich noch weiter verlängern ließe - zeigt, erhebt der Rational-Choice Ansatz inzwischen einen annähernd globalen Anspruch auf die Erklärung menschlichen Verhaltens. Die hier angesprochene Ausweitung des ökonomischen Erklärungsmodells kann prinzipiell als Fortschritt gewertet werden, da die unverbundene Existenz zum Teil widersprüchlicher Handlungsmodelle in den Sozialwissenschaften als unbefriedigend angesehen werden muss und sich nun die Chance einer einheitlichen Erklärung menschlichen Verhaltens bietet (Fleischmann 1988; Frey 1993; Kirchgässner 1988; Stigler 1984). Die folgenden theoretischen Eigenschaften des ökonomischen Erklärungsmodells lassen sich als Grund dafür anführen, dass gerade diese Theorie für eine solche Integrationsleistung geeignet ist. Mit dem Konzept der Nutzenmaximierung verfügt die Theorie erstens über eine eindeutige Prognoseregel für das Entscheidungsverhalten. Das Handlungsmodell ist zweitens ausgesprochen sparsam, da das Entscheidungsverhalten auf der Basis von nur drei Parameterdimensionen prognostiziert werden kann: Der Bewertung erwarteter Handlungsresultate (Nutzendimension), deren Realisierungserwartung (Wahrscheinlichkeitsdimension), sowie dem jeweils notwendigen Verzicht auf positiv bewertete Ressourcen (Kostendimen-

10

I. Einleitung

sion). Drittens sind die theoretischen Parameter hinreichend abstrakt konzipiert, so dass sehr unterschiedliche Determinanten der Bewertungen und Erwartungen der Akteure berücksichtigt werden können. Die einfache und eindeutige Theoriestruktur macht viertens eine formale und damit exakte Modellierung des Entscheidungsverhaltens möglich. Dabei lassen sich klare und ansonsten oft nur schwer erkennbare Verhaltensprognosen ableiten (Esser 1991; Friedman & Hechter 1990; Lindenberg 1990). Mit der steigenden Bedeutsamkeit des Rational-Choice Ansatzes wächst jedoch auch die Kritik an dessen Eignung als allgemeines Modell menschlichen Verhaltens. Dabei lassen sich zwei Kritikpunkte unterscheiden: Das Gesamtmodell sei erstens theoretisch unvollständig und beruhe zweitens auf einem unrealistischen und damit unangemessenen Menschenbild. Diese Kritik wird in erster Linie von Vertretern benachbarter Sozialwissenschaften, der Soziologie, der politischen Wissenschaft sowie der Kognitions- und Sozialpsychologie vorgebracht (vgl. beispielsweise: Abell 1992; Aretz 1997; Barry 1970; Coleman & Farraro 1992; Engelhardt 1989; Green & Shapiro 1994; Homann & Suchanek 1989; Mansbridge 1990; Turner 1991). Die Kritiker berufen sich dabei auf eine große Anzahl empirisch feststellbarer „Anomalien". Es handelt sich hierbei um solche empirischen Beobachtungen, die sich im Rahmen der Theorie weder erklären noch prognostizieren lassen und somit den theoretischen Annahmen der Theorie widersprechen (vgl. beispielsweise: Baron 1994; Druwe & Kunz 1998; Hogarth & Reder 1986; Kahneman, Slovic & Tversky 1982; Meilers, Schwartz & Cooke 1998; Poulton 1994). Wie im folgenden gezeigt werden soll, lassen sich im wesentlichen drei Klassen von Anomalien ausmachen, denen jeweils unterschiedliche Ursachen zugrunde liegen. Erstens werden bei Erklärungen im Rahmen des Rational-Choice Paradigmas variierende Grade menschlicher Entscheidungsrationalität und die Verwendung suboptimaler Entscheidungsregeln nicht berücksichtigt. Zweitens können Anomalien auf intrinsische Akteursmotive und deren situationale Aktivierung zurückgeführt werden. Vor allem die situational wechselnde Handlungsrelevanz internalisierter Normen und sozialer Werte bleibt im Rahmen der Theorie völlig unberücksichtigt. Diese Beobachtungen sind nicht nur mit dem Eigennutzprinzip, sondern auch mit der Annahme stabiler Präferenzen als Basis des Entscheidungsverhaltens unvereinbar. Drittens können Anomalien ihre Ursache in der unzuverlässigen Informationsbasis der Akteure und der so vorliegenden Ambiguität haben. Auch dies wird in der Basisversion des ökonomischen Erklärungsansatzes nur unzureichend berücksichtigt. Im Mittelpunkt der vorliegenden Untersuchung steht das spezielle Phänomen der Framing-Effekte. Hierbei wird beobachtet, dass oft minimale Veränderungen in der Art der Informationsvermittlung und geringfügige Variationen des Entscheidungskontextes zu oft dramatischen Veränderungen im Entscheidungsverhalten fuhren. Da es sich dabei um instrumenteil scheinbar irrelevante Faktoren handelt, werden Framing-Effekte als schwerwiegende Anomalie des Rational-Choice Ansatzes betrachtet. Die Bedeutsamkeit des FramingPhänomens spiegelt sich auch im starken Anstieg der Forschungsaktivitäten in

I. Einleitung

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diesem Problembereich wider1. Inzwischen liegt eine kaum mehr zu überblickende Zahl an Untersuchungen aus sehr unterschiedlichen Anwendungsfeldern vor, die das angesprochene Phänomen belegen. Dabei beschränken sich allerdings die meisten Beiträge auf eine reine Beschreibung der Effekte. Aus den dennoch vorgeschlagenen Theorien lassen sich sehr verschiedene Entstehungsbedingungen der Einflüsse ableiten. Allen diesen Forschungsbeiträgen ist gemeinsam, dass der Rational-Choice Ansatz wegen seiner fehlenden kognitiven Fundierung und Blindheit gegenüber soziologischen Erklärungsfaktoren kritisiert wird. Die hierbei vorgetragene Kritik sowie die aus ihr abgeleiteten Ergänzungsvorschläge entsprechen weitgehend den oben bereits angesprochenen allgemeinen Einwänden gegenüber dem ökonomischen Erklärungsmodell. Die vorliegende Studie soll einen Beitrag zur Beantwortung der Frage leisten, ob und in welcher Weise der ökonomische Erklärungsansatz modifiziert werden muss, um der Kritik aus dem Bereich der Framing-Forschung gerecht zu werden. Es wird hier die zentrale Hypothese vertreten, dass die Mehrheit der vorliegenden Framing-Effekte erklärt werden kann, indem der Rational-Choice Ansatz durch drei theoretisch allgemeine, aber inhaltlich unterschiedliche „Theorie Module" ergänzt wird. Dabei meint „theoretisch allgemein", dass die hierbei zusätzlich eingeführten Erklärungsfaktoren nicht ausschließlich bei der Erklärung von Framing-Effekten, sondern potentiell auch bei der Erfassung anderer Anomalien des Ansatzes relevant sind. Es sind daher „unterschiedliche" Ergänzungen notwendig, weil es sich beim Erklärungsproblem der Framing-Effekte um ein sehr heterogenes Phänomen handelt. Folglich kann bei deren Erklärung nicht davon ausgegangen werden, dass die Einflüsse stets auf den gleichen Entstehungsprozessen beruhen. Vielmehr muss unserer Ansicht nach zwischen drei Typen von Framing-Effekten unterschieden werden, denen eine jeweils andere Entstehungslogik zugrunde liegt. Die bereits vorgeschlagenen speziellen Framing-Theorien - so die Annahme - lassen sich bezüglich ihrer Erklärungslogik und ihrer Grundargumentation in das hier vorliegende Erklärungsschema einordnen. Das Ziel der folgenden Untersuchung besteht somit darin, den Framing-Begriff einerseits auf einer theoretischen Basis zu differenzieren, und die Erklärung von Framing-Effekten gleichzeitig auf eine allgemeinere theoretische Grundlage zu stellen. Dieses Unterfangen wird gleichzeitig von der Überzeugung getragen, dass eine vollständige und empirisch tragfähige Handlungstheorie einer interdisziplinären Orientierung bedarf, ohne jedoch bei einer rein additiven Verbindung der unterschiedlichen Theorieelemente stehen zu bleiben. Die in unserer Untersuchung vorgeschlagenen Erweiterungen des Rational-Choice Ansatzes sowie die dabei zugrundeliegende Typologie von Framing-Effekten werden anhand von empirischen Untersuchungen beim sogenannten „Asian Disease Problem" (ADP) von Tversky und Kahneman (1981) einem ersten Test unterzogen. 1

Die Eintrage in der Psylit-Datenbank der „American Psychological Association" zeigt einen starken Anstieg der durchschnittliche Veröffentlichungsanzahl zum Thema „Framing" pro Jahr: 1967-1980: 1.9; 1981-1987:16.9; 1988-1992:45.4; 1993-1998: 63.1.

II. Überblick und Problemstellung

Im folgenden Kapitel soll ein Überblick über den inhaltlichen Gegenstandsbereich und die Problemstellung der vorliegenden Arbeit gegeben werden. In Abschnitt 1 sollen zuerst die theoretischen Grundannahmen des RationalChoice Ansatzes und die generellen Einwände gegen deren Gültigkeit skizziert werden. Dabei wird gezeigt, dass die Angemessenheit der Theorie durch eine große Anzahl sehr unterschiedlicher Anomalien in Frage gestellt werden, die sich gemäß ihrer grundlegenden Entstehungsbedingungen zu drei Klassen zusammenfassen lassen. Jede dieser Klassen kann darauf zurückgeführt werden, dass mindestens eine der vorher dargestellten Grundannahmen der Theorie nicht erfüllt ist. In Abschnitt 2 sollen dann die Probleme bei der Erklärung von Framing-Effekten skizziert werden. Es wird argumentiert, dass unter dem Begriff der Framing-Effekte sehr unterschiedliche empirische Phänomene mit heterogenen Entstehungsursachen zusammengefasst werden. Dies trifft auch für die Ebene der theoretischen Erklärungsansätze zu. Die Darstellung soll zeigen, dass sich die empirischen Beobachtungen, ebenso wie die theoretischen Erklärungsansätze, nach den grundlegenden Ursachen für die Entstehung von Framing-Effekten zusammenfassen lassen. Hierbei handelt es sich um die gleichen Bedingungsfaktoren, die auch als Ursache für die Entstehung von Anomalien generell als relevant angesehen werden müssen. Trotz der charakteristischen Pluralität im Bereich der Framing-Forschung hat sich die Prospect-Theory (PT) von Kahneman und Tversky inzwischen zum dominanten Erklärungsansatz entwickelt. Es soll argumentiert werden, dass es sich hierbei um ein weiteres Problem des Forschungsfeldes handelt, da die empirische und theoretische Angemessenheit dieser Theorie zur Erklärung von Framing-Effekten als fragwürdig betrachtet werden muss. Im abschließenden Abschnitt 3 des Kapitels werden dann die konkreten Ziele der vorliegenden Arbeit dargestellt sowie die weitere Vorgehensweise bei deren Realisierung skizziert.

1. Allgemeine Kritik am Rational-Choice Ansatz Im Rahmen des ökonomischen Entscheidungsmodells werden strenge und eindeutige Annahmen über das menschliche Entscheidungsverhalten gemacht. Die Akteure werden dabei als Nutzenmaximierer betrachtet, die ihre normalerweise eigennützigen Ziele auf der Basis korrekter Kognitionen über die Umwelt verfolgen. Durch diese Annahmen werden viele prinzipiell mögliche Arten des Entscheidungsverhaltens auf der theoretischen Ebene ausgeschlossen, so dass die Theorie über eine hohe Prognosekraft verfügt. Abgesehen von dieser wissenschaftstheoretisch wünschenswerten Eigenschaft kann die Theorie je-

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II. Überblick und Problemstellung

doch auf der Basis einer großen Anzahl entscheidungstheoretischer Anomalien kritisiert werden. Diese theoretisch nicht erwarteten Beobachtungen lassen sich auf das restriktive Menschenbild und die bereits erwähnte theoretische Sparsamkeit des Erklärangsansatzes zurückführen. Was den Status und den angemessenen Umgang mit den vorliegenden Anomalien angeht, so werden in der einschlägigen Literatur unterschiedliche Standpunkte vertreten (Frey 1990b; Frey & Eichenberger 1989). Es soll hier argumentiert werden, dass empirische Anomalien als wichtige Indikatoren für die Notwendigkeit und die Richtung theoretischer Modifikationen des Handlungsmodells angesehen werden müssen. Eine derartige Weiterentwicklung darf sich jedoch nicht auf den jeweils zu erklärenden Einzelfall beschränken und muss in jedem Fall systematisch an die Ausgangstheorie anknüpfen. Die Möglichkeit hierzu ergibt sich dann, wenn typische Entstehungsursachen für möglichst viele Anomalien zusammengefasst werden können, die sich dann durch möglichst allgemeine Erweiterungen in das Ausgangsmodell integrieren lassen.

1.1 Kernannahmen des ökonomischen

Handlungsmodells

Das ökonomische Handlungsmodell wird je nach Anwendungsbereich unterschiedlich benannt. Während der ökonomische Erklärungsansatz in den Wirtschaftswissenschaften als „Erwartungsnutzentheorie", in der Psychologie als „Werterwartungsansatz" und in der Politikwissenschaft als „Public Choice Theorie" bezeichnet wird, ist in der Soziologie eher die Bezeichnung „Rational-Choice Theorie" üblich (als Überblick vgl.: Esser 1991; Feather 1982; French 1986; Hargreaves-Heap et al. 1992; Kunz 1997; Mueller 1989). Unabhängig von den unterschiedlichen Benennungen lassen sich grundlegende Gemeinsamkeiten bei den theoretischen Annahmen feststellen. In jedem Fall werden die Ziele, Erwartungen und Knappheiten individueller Akteure immer als zentrale Determinanten jeglicher Art menschlichen Verhaltens angesehen. Der angenommene Entscheidungsprozess kann wie folgt skizziert werden. Die Entscheider wählen aus der Menge möglicher Handlungsalternativen aj jene aus, bei deren Durchführung ein maximales Ausmaß an Zielbefriedigung erwartet werden kann. Zu diesem Zweck bewerten die Akteure die Ergebnisse der Handlungsalternativen im Hinblick auf die Gesamtheit ihrer Ziele Zj. Dabei werden auch potentielle Kosten der Handlung in der Form von negativen Nutzenwerten in der Gesamtkalkulation berücksichtigt. Abgesehen von diesen motivationalen und knappheitsorientierten Aspekten des Handlungsmodells spielen auch die Kognitionen der Akteure über die potentiell möglichen Handlungsergebnisse eine wichtige Rolle. In vielen Handlungssituationen muss die Verbindung zwischen einer bestimmten Handlungsalternative und dem Eintritt zukünftiger Konsequenzen als unsicher und von der Existenz spezifischer Randbedingungen abhängig angesehen werden. Mit welcher Sicherheit ein Akteur annimmt, dass eine bestimmte Handlung i zur Realisierung der unterschiedlichen Nutzenpotentiale U, führt, kann durch das subjektive Wahrscheinlichkeitskonstrukt py in das Erklärungsmodell einbezogen werden. Die Gesamtbewertung einer Handlungsalternative ergibt sich dann aus der Summe der

Allgemeine Kritik am Rational-Choice

Ansatz

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- mit ihren Realisierungswahrscheinlichkeiten gewichteten - Nutzenwerte bezüglich aller Einzelziele. Es wird dann - auf der Grundlage der zentralen Nutzenmaximierungsannahme - die Wahl der Handlungsalternative mit dem höchsten Erwartungsnutzen prognostiziert (vgl. Abb. 2.1 für eine formale Darstellung des skizzierten Entscheidungsprozesses). Abb. 2.1: Matrix nutzentheoretischer Konstrukte und deren Verknüpfung HandlungsAlternativen

Realisierungswahrscheinlichkeiten py der Nutzenbewertung Uj bezüglich der Ziele Zj

Erwartungsnutzen

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Zj

Zn

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.

Drei weitere zentrale Annahmen machen den Kern des ökonomischen Verhaltensmodells aus. Den Akteuren wird dabei insgesamt eine reine Form instrumenteller Rationalität zugeschrieben, so dass immer die optimalen Mittel zur Realisierung vorgegebener Ziele gewählt werden. Dabei bestimmt sich der Wert eingesetzter Ressourcen und der Ergebnispotentiale vor dem Hintergrund der bestehenden Knappheiten der Entscheider. Nutzenmaximierung: Die Rationalität der Akteure findet erstens im Prinzip der Nutzenmaximierung als universale Entscheidungsregel ihren Ausdruck. Dementsprechend wird immer jene Handlungsalternative gewählt, deren Verwendung das höchste Ausmaß an Zielrealisierung verspricht. Der Erwartungsnutzen ergibt sich aus der Bewertung der Ergebnispotentiale im Hinblick auf die Gesamtheit der Ziele der Akteure sowie aus der Erwartung über deren tatsächliche Realisierung. Durch die multiplikative Verknüpfung dieser beiden theoretischen Komponenten wird den Akteuren eine optimale Abwägung zwischen Befriedigungspotential und Realisierungsmöglichkeit zugeschrieben. Bei der Ausbildung der Ergebniserwartungen verwenden die Entscheider alle verfügbaren Informationen über die zu erwartenden Ergebnisse der Entscheidungsaltemativen. Es wird prinzipiell jede Handlungsalternative und Zieldimension berücksichtigt. Eigennützige und stabile Präferenzen: Der Erklärungsansatz nimmt zweitens an, dass die Präferenzen der Akteure auf einer stabilen Zusammensetzung der Akteursziele beruhen. Die Grundlage dieser Präferenzen wird normalerweise im Eigennutzaxiom gesehen (Kirchgässner 1991: 45ff.; Luce 1992). Dieses besagt, dass menschliches Handeln ausschließlich durch die Verbesserung der eigenen Ausstattung mit positiv bewerteten Gütern motiviert wird. Die altruistische Berücksichtigung von Interessen anderer sowie Neid und Missgunst werden als Handlungsmotive ausgeschlossen: Die Entscheider befinden sich in

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II. Überblick und Problemstellung

einer Einstellung „gegenseitig uninteressierter Vernünftigkeit". Das Eigennutzaxiom, zusammen mit der Annahme instrumenteller Rationalität, schließt auch intrinsische Handlungsmotive aus. Intrinsisch orientierte Zielsetzungen, wie beispielsweise die Erfüllung expressiver Bedürfnisse oder das Streben nach der Befolgung internalisierter Normen, werden normalerweise nicht als Nutzenquellen betrachtet. Da allerdings der Inhalt der Handlungsziele prinzipiell für die Grundlogik des Erklärungsansatzes keine Rolle spielt, muss das Eigennutzaxiom als empirische Annahme über die Realität betrachtet werden (Kirchgässner 1988). Weiterhin wird angenommen, dass die Ziele und Bedürfnisse der Akteure als Basis der Präferenzen zeitlich und situational stabil sind. In dieser Aussage steckt die grundlegende Annahme, dass alle Ziele und Bedürfnisse in jeder Handlungssituation vollständig berücksichtigt werden. Geänderte Präferenzen können dann nur auf wechselnde Knappheiten bezüglich hoch bewerteter Güter zurückgeführt werden. Kognitive Rationalität: Die dritte zentrale Annahme des ökonomischen Erklärungsansatzes betrifft die Wahrnehmung entscheidungsrelevanter Merkmale der Handlungsumwelt. Dabei wird angenommen, dass diese Wahrnehmungen die Entscheidungsgrundlage der Akteure und deren Rekonstruktion durch den Forscher die Basis für die Handlungsvorhersage darstellen (Walliser 1989). Die Theorie macht spezifische Annahmen darüber, in welcher Weise sich die Merkmale der objektiven Realität in die mentalen Repräsentationen bei den Akteuren umsetzen. Diese Annahmen beziehen sich beispielsweise auf die Ausprägung der Erfolgswahrscheinlichkeiten für die vorliegenden Handlungsalternativen. In dieser Hinsicht werden zwei Unterscheidungen getroffen. Es ist einerseits wichtig, ob die wahrgenommenen Merkmale der Handlungsumwelt eine exakte Prognose der Handlungsergebnisse durch die Entscheider erlauben. Bei vollständiger Informationsverfügbarkeit sind diese Ergebnisse deterministisch bekannt und es handelt sich um Entscheidungen unter Sicherheit. Beruhen die Wahrnehmungen der Entscheider auf einer unvollständigen Informationsbasis, so können entweder weitere Informationen gesucht werden, oder es erfolgt eine Entscheidung auf der Basis unsicherer Erfolgserwartungen. Da eine Informationssuche kostspielig ist - es werden knappe Ressourcen wie Zeit, Aufmerksamkeit oder finanzielle Mittel verbraucht - werden nur solange Informationen beschafft, wie die erwarteten Verbesserungen des Entscheidungsergebnisses größer als die Suchkosten sind (Arrow 1986; Stigler 1961; als Überblick vgl.: Hirshleifer & Riley 1992). Wird eine Informationssuche als nicht lohnend oder als unmöglich angesehen, dann kann die weitere Entscheidung zwei unterschiedliche Verläufe nehmen: Bei Entscheidungen unter Risiko verfügen die Akteure - trotz beschränkter Kenntnisse der objektiven Handlungsrandbedingungen - über ausreichende Kenntnisse zur Ausbildung klar definierter Erfolgswahrscheinlichkeiten. Es wird angenommen, dass die Wahrnehmungen der Entscheider in diesem Fall die ergebnisbestimmenden Prozesse der Handlungsumwelt perfekt erfassen. Dagegen wird bei Entscheidungen unter Ambiguität davon ausgegangen, dass die verfügbare Evidenz nicht für die Bestimmung klar definierter Erfolgserwartungen ausreicht. Unter dieser Bedingung wird der Inhalt der Erwartungen nicht durch die Ausprägungen der externen Umwelt determiniert. In dieser Situation tritt der „Subjective Expected Utility"-Ansatz (SEU) an die Stelle der „Expected Utility"-Version (EU) der

Allgemeine Kritik am Rational-Choice

Ansatz

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Theorie bei Entscheidungen unter Risiko. Die Wahrscheinlichkeitsschätzungen der Akteure werden bei Entscheidungen unter Ambiguität als streng subjektiv und damit intersubjektiv variabel konzipiert (Edwards 1954; Jungermann, Pfisterer & Fischer 1998). In diesem Fall verzichtet die Theorie auf jegliche Aussagen über den Inhalt der subjektiven Wahrscheinlichkeiten. An deren Stelle tritt die alleinige Relevanz von Anreizunterschieden.

1.2 Zentrale Kritikpunkte am ökonomischen

Handlungsmodell

Der ökonomische Erklärungsansatz und dessen Kernannahmen haben - nicht erst seit seiner Ausweitung auf nicht wirtschaftliche Erklärungsgegenstände viel Kritik auf sich gezogen. Bei den vorgebrachten Kritikpunkten lassen sich drei Dimensionen unterscheiden, die sich auf alle Grundannahmen des Entscheidungsmodells beziehen. Ein erster Kritikpunkt gilt der unzureichenden Berücksichtigung von Informationsmangel und Ambiguität als eigenständige Bestimmungsfaktoren der Handlungswahl. Zweitens wird häufig konstatiert, dass die Annahme optimaler und nutzenmaximierender Handlungswahlen eine unrealistische Prämisse darstellt. Als Begründung wird die kognitive Beschränktheit der Akteure und die vorherrschende Tendenz zum „Satisficing" angeführt (Simon 1954). Dabei meint „Satisficing", dass die Akteure ausreichend gute, nicht aber unbedingt optimale Handlungsergebnisse anstreben. Eine valide Handlungstheorie, so die Kritiker, müsse auch die Verwendung einfacher und unaufwendiger Entscheidungsverfahren berücksichtigen. Auch das Eigennutzprinzip als Grundlage der Nutzenmaximierung durch die Akteure wird in Frage gestellt. In dieser Hinsicht wird vor allem die fehlende Berücksichtigung sozialer Normen und anderer intrinsischer Handlungsmotive kritisiert (Elster 1989; Frey 1998). Drittens wird beanstandet, dass den Ursachen situational wechselnder Präferenzen keine Bedeutung zugemessen wird. Vor allem die fehlende Berücksichtigung schematisch organisierter sowie situational aktivierbarer Wissens- und Bewertungsstrukturen steht hierbei im Mittelpunkt der Kritik. Entsprechend dieser drei Kritikdimensionen können die jeweils vernachlässigten Handlungsdeterminanten als Ursachen der empirisch beobachteten Anomalien der Theorie angesehen werden. Gemäß der zentralen Hypothese der vorliegenden Untersuchung beinhalten diese drei Mängel ebenfalls den Ausgangspunkt für die Entstehung der unterschiedlichen FramingEffekte. Die Relevanz dieser Einflussfaktoren soll daher in den folgenden Abschnitten jeweils kurz belegt und diskutiert werden. 1.2.1 Fehlende Berücksichtigung von Informationsmangel und Ambiguität Je nach Ausmaß der verfügbaren Informationen lassen sich Entscheidungen unter Sicherheit, unter Risiko und unter Ambiguität differenzieren (Yates & Zukowski 1976). Dabei nimmt - ausgehend von Entscheidungen unter Sicherheit - die Verlässlichkeit der entscheidungsrelevanten Parameter und besonders der Erfolgswahrscheinlichkeiten kontinuierlich ab. Obwohl in einer ganzen Reihe von Untersuchungen festgestellt wird, dass sich das Entscheidungsverhalten bei der Vorgabe sicherer und unsicherer Wahrscheinlichkeitsangaben

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II. Überblick und Problemstellung

deutlich unterscheidet, werden diese Entscheidungssituationen im Rahmen des ökonomischen Entscheidungsmodells prinzipiell als äquivalent angesehen (Baron & Frisch 1994; Becker & Brownson 1964; Curley & Yates 1985; Curley, Yates & Abrams 1986; Frisch & Baron 1988; Hogarth & Kunreuther 1985; Kahn & Sarin 1988). Eine der bekanntesten Anomalien in diesem Bereich stellt das sogenannte Ellsberg-Paradox dar. Dabei werden den Akteuren im Rahmen des Zwei-Farben-Problems zwei Urnen mit roten und schwarzen Kugeln präsentiert. Wird aus einer Urne eine rote Kugel gezogen, so gewinnen die Spieler $100. In Urne 1 befinden sich Kugeln beider Farben in unbekannter Zusammensetzung. Dagegen ist bei Urne 2 bekannt, dass sich in dieser 50 rote und 50 schwarze Kugeln befinden. Obwohl gemäß der Logik des ökonomischen Ansatzes bei beiden Urnen eine Wahrscheinlichkeit von p=0.5 fiir die Ziehung einer roten Kugel vorliegt, präferieren die Akteure mehrheitlich eine Ziehung aus Urne 2 (Ellsberg 1961). Das Experiment zeigt, dass die Unsicherheit über die Erfolgswahrscheinlichkeiten einen systematischen Einfluss auf das Entscheidungsverhalten ausübt. Auch bei Untersuchungen aus dem Bereich der Versicherungsnachfrage zeigt sich, dass die mangelnde Verlässlichkeit der Informationsbasis einen Einfluss auf das Entscheidungsverhalten ausübt: Gleich hohe Schadenswahrscheinlichkeiten werden als schwerwiegender betrachtet, wenn sie auf einer unsicheren Informationsbasis beruhen: Für die Beseitigung dieser Risiken wird eine größere Zahlungsbereitschaft beobachtet (Hogarth & Kunreuther 1985). Desgleichen liegen Ergebnisse vor, wonach Handlungsalternativen mit unklaren Erfolgserwartungen prinzipiell als unattraktiver ansehen werden (Becker & Brownson 1964). In anderen Studien zeigen sich Einflüsse auf das Entscheidungsverhalten, wenn der Möglichkeitsraum der Wahrscheinlichkeiten unterschiedlich groß ist, und sich die Entscheidungen auf potentielle Verbesserungen oder Verschlechterungen der Ausgangssituation beziehen (Curley & Yates 1985; Curley & Yates 1989). Insgesamt konnte gezeigt werden, dass die Verwendung des Erwartungsnutzenansatzes bei Entscheidungen unter Ambiguität keine verlässliche Erklärung des beobachteten Verhaltens darstellt (Hogarth & Kunreuther 1995; Schoemaker 1991). Es konnte außerdem gezeigt werden, dass Informationsmangel und die daraus resultierende Ambiguität zu einer verstärkten Nutzung von Heuristiken fuhren. Die Akteure umgehen dabei - beispielsweise im Rahmen der „Representativeness Heuristic" - das Problem fehlender Informationen und greifen dabei auf verfügbare, aber häufig wenig valide Informationsgrundlagen zurück. Hierbei wirkt sich dann die Typikalität eines Ereignisses oder die Übereinstimmung einer Person mit Stereotypen unangemessen stark auf die Erwartungen der Akteure aus (Tversky & Kahneman 1982a). Auch die Nutzung und unzureichende Korrektur von Ankerpunkten bei der Ausbildung von Überzeugungen über die externe Realität kann teilweise als Strategie zur Bewältigung von Ambiguität verstanden werden. Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Akteure bei fehlendem Faktenwissen jede auch noch so stark diskreditierte Information als Grundlage der Urteilsbildung heranziehen (Jacowitz & Kahneman 1995). In diesem Sinne besteht eine gewisse Verbindung zwischen dem hier angesprochenen Problemkomplex der Ambiguitätseinflüsse und der mangelnden Berücksichtigung suboptimaler Entscheidungsprozeduren im ökonomischen Entscheidungsmodell. Allerdings muss in der

Allgemeine Kritik am Rational-Choice

Ansatz

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Existenz von Informationsmangel eine faktische Beschränkung für die Verwendung rationaler Entscheidungsgrundlagen gesehen werden, während die Ursache für die Entstehung von Anomalien bei der Verwendung suboptimaler Entscheidungsregeln im freiwilligen Verzicht auf prinzipiell verfügbare Informationen liegt. 1.2.2 Bedeutung suboptimaler Entscheidungsregeln Die Annahme optimaler und nutzenmaximierender Entscheidungsprozesse wird vor allem durch das Konzept der „Bounded Rationality" in Frage gestellt (Simon 1954; Simon 1976; Simon 1978). Demnach verfügen Menschen selten über ausreichende kognitive Kapazitäten, um perfekt rationale Entscheidungen treffen zu können. Und selbst wenn diese Bedingung ausnahmsweise erfüllt ist, sind die Akteure häufig nicht hinreichend zu einer solch aufwendigen Art der Entscheidungsfindung motiviert. Daher muss immer mit dem „Satisficing" der Akteure gerechnet werden, wobei diese nicht ein optimales, sondern „nur" ein befriedigendes Handlungsergebnis anstreben. Auch die aus einer soziologischen Perspektive vorgebrachten Einwände weisen in diese Richtung. So kann aus der Sicht der Ethnomethodologie eingewendet werden, dass die „wissenschaftliche" Durchdringung von Handlungssituationen im Alltag als Ausnahmefall anzusehen ist (Garfinkel 1960). Im Normalfall vertrauen die Akteure ihrem Regelwissen, folgen bewährten Daumenregeln und den Routinen des Alltags. Schon wegen der unüberwindbaren Unsicherheit über die korrekte Interpretation der äußeren Umwelt - Garfinkel bezeichnet dies als Indexikalität - stellen maximierende Entscheidungen eine große Schwierigkeit dar. Auf der anderen Seite werden die Akteure auch nicht als „kulturelle Deppen" angesehen, die ohne Reflexion den Gewohnheiten des Alltags folgen. Erweisen sich die Daumenregeln beispielsweise nicht als anwendbar, so findet eine Reflexion und die Suche nach neuen Problemlösungen statt (Garfinkel 1967: Iff.). Eine sehr ähnliche Perspektive findet sich im phänomenologischen Ansatz von Alfred Schütz (Schütz 1971). Auch Max Weber sieht neben dem zweckrationalen Handlungstyp des Rational-Choice Ansatzes traditionales Handeln als weiteren wichtigen Typus des sozialen Handelns an (Weber 1980: 12f.). Insgesamt wird in der soziologischen Tradition stark die Bedeutsamkeit von Sitten, Gebräuchen und Routinen betont (Camic 1986). Diese Bedeutsamkeit von „Habits" und Entscheidungsroutinen lässt sich auch durch eine Vielzahl empirischer Studien belegen (Mittal 1988; Verplanken et al. 1994; Verplanken, Aarts & van Knippenberg 1997). Habituelles Verhalten kann dabei als erlernte Standardlösung fur die Bewältigung wiederholter Probleme angesehen werden (Ronis, Yates & Kirscht 1989). Die Kritik an der Annahme maximierender Entscheidungsprozesse basiert auch auf der beobachteten Verwendung von Urteils- und Entscheidungsheuristiken durch die Akteure. So wurde im Rahmen des „Heuristics and Bias"Forschungsprogramms die Verwendung einer großen Anzahl an Urteilsheuristiken beobachtet, die der Annahme nutzenmaximierender Handlungswahlen widersprechen (Arkes & Hammond 1986; Kahneman, Slovic & Tversky 1982; Poulton 1994). Beispielsweise ziehen die Akteure im Rahmen der „Availability Heuristic" die Leichtigkeit, mit der ein Ereignis kognitiv verfügbar ist, als

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II. Überblick und Problemstellung

Information über dessen Wahrscheinlichkeit' heran (Tversky & Kahneman 1973). Dagegen werden bei unterschiedlichen Entscheidungsheuristiken - beispielsweise wenn die „Elimination by Aspects Heuristic" oder die „Satisficing Heuristic" verwendet wird - entweder die Menge der Handlungsalternativen oder die Zahl der Zieldimensionen systematisch reduziert: Entgegen der Annahmen des Rational-Choice Ansatzes erfolgt hierbei keine kompensatorische Abwägung zwischen unterschiedlichen Bewertungsdimensionen. Dies bedeutet, dass negative Aspekte einer Handlungsalternative prinzipiell nicht durch positive Merkmale bei einer anderen Dimension ausgeglichen werden können. Aus diesem Grund können einzelne Merkmale der Handlungsalternativen leicht zum dominanten Entscheidungskriterium werden (Payne, Bettman & Johnson 1990; Thorngate 1980). Auch die Verwendung von sozialen Normen, Einstellungen und Stereotypen als Entscheidungsgrundlage werden oft als Hinweis darauf gedeutet, dass suboptimale Heuristiken zur Vereinfachung der Entscheidungsfindung verwendet werden (Macrae, Milne & Bodenhausen 1994; Messick 1993). Demnach werden moralische Regeln und kategorial organisierte Wissensbestandteile als einfache und unaufwendige Möglichkeiten zur Bewältigung komplexer, und nicht durch Kalkulation beherrschbarer Entscheidungssituationen herangezogen. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn die Handlungsumwelt eine zu geringe Berechenbarkeit aufweist und/oder die Akteure nicht über die kognitiven Kapazitäten für eine perfekt rationale Handlungswahl verfügen (Baron 1993: 119f.; Heiner 1983; Vanberg 1988). Die Nutzenmaximierungsannahme wird auch durch Ergebnisse aus der psychologischen Forschung in Frage gestellt, wobei gezeigt wird, dass die Bewertungen und Handlungswahlen häufig durch automatische, nur bedingt intentionale und kontrollierte Prozesse bestimmt werden (Bargh 1997; Langer 1994). So liegen zahlreiche Belege dafür vor, dass Menschen in vielen Situationen völlig unreflektiert den Implikationen von Einstellungen, Stereotypen oder sozialen Skripten folgen (Bargh 1996; Bargh & Barndollar 1996; Devine 1989; Greenwald & Banaji 1995). 1.2.3 Intrinsische Motive und Instabilität der Präferenzen Die Selektion von Handlungsalternativen wird den Annahmen des RationalChoice Ansatzes zufolge ausschließlich durch stabile und eigennutzbasierte Präferenzen der Akteure und die wahrgenommene Eignung der Handlungsoptionen zur Realisierung dieser Präferenzen bestimmt. Diese Annahme kann auf der Basis theoretischer Überlegungen und empirischer Beobachtungen aus der Soziologie und der „Social Cognition"-Forschung kritisiert werden. Das ökonomische Erklärungsmodell wurde bereits früh durch den soziologischen Strukturfunktionalismus kritisiert (Parsons 1968: 344ff.). Demnach widerspricht die undifferenzierte Verwendung einer zweckrationalen und eigennutzbasierten Erklärungslogik der Eigengesetzlichkeit unterschiedlicher gesellschaftlicher Subsysteme. Die zweckrationale Maximierung individueller Interessen wird demnach nur als spezielle Verhaltensnorm des wirtschaftlichen Teilsystems der Gesellschaft angesehen (Parsons 1951: 137 ff.). Während in jedem Teilbereich der Gesellschaft andere internalisierte Nonnen und gesellschaftlich geteilte Werte als Grandlage der Handlungspräferenzen im Mittel-

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Ansatz

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punkt stehen. Demnach geht jeder Wechsel zwischen diesen Teilbereichen beispielsweise zwischen der wirtschaftlichen Sphäre und dem familiären Handlungskontext - mit der Aktivierung bereichsspezifischer Normen und Situationsdefinitionen einher. In gewisser Hinsicht ähnliche Einwände ergeben sich aus den unterschiedlichen Handlungstypen bei Max Weber (Weber 1980: 12f.). Der zweckrationale Handlungstyp - dieser entspricht weitgehend der Vorstellung des ökonomischen Handlungsmodells - stellt auch hier nur eine unter mehreren möglichen Akteursorientierungen dar. Diesem Rationalitätstyp stellt Weber das Konzept des wertrationalen Handelns gegenüber. Letzteres zeichnet sich dadurch aus, dass die Erfüllung absolut gesetzter moralischer Normen als Selbstzweck angesehen wird. Ein Wechsel zwischen den Handlungstypen impliziert dabei jeweils spezifische Präferenzen der Akteure. Auch im Symbolischen Interaktionismus spielen die wechselnden Orientierungen der Akteure eine große Rolle. Im Rahmen dieses Ansatzes wird davon ausgegangen, dass die aktuell gültigen Normen und Ziele der Interaktionspartner als Resultat eines symbolischen Austausche und der dabei kommunizierten Akteurserwartungen angesehen werden müssen (Blumer 1969). Die potentiell möglichen Präferenzen der Akteure werden dementsprechend erst in der jeweiligen Interaktionssituation aktualisiert und damit handlungsrelevant. Übersituational stabile und ausschließlich egoistisch basierte Präferenzen werden hier nicht als angemessene Erklärungsgrundlage angesehen. Zudem wird das Eigennutzprinzip als einzige Präferenzgrundlage im Rahmen der „Equity Theory" in Frage gestellt, wobei die Gerechtigkeitsvorstellungen der Akteure als bedeutsame Handlungsmotive angesehen werden (vgl. als Überblick: Greenberg & Cohen 1982). Bei der Zuteilung knapper Ressourcen müssen demnach Gleichheitsgrundsätze sowie die Bedürftigkeit und der relative Beitrag der Akteure zur Bereitstellung der zu verteilenden Güter als relevant angesehen werden. Folgen die Akteure derartigen Gerechtigkeitsregeln, so unterscheidet sich das resultierende Verhalten häufig von dem selbstinteressierter und instrumenteil rationaler Akteure (Baron 1993; Elster 1993). Auch im Rahmen der „Impression Management Theory" wird davon ausgegangen, dass zumindest ein Teil der Akteursmotivation auf intrinsische Faktoren zurückgeführt werden muss (vgl. als Überblick: Bromley 1993). Dabei spielt beispielsweise die Erhaltung eines positiven Selbstkonzeptes oder die Erfüllung zentraler Rollenkomponenten eine bedeutsame Rolle (Leary & Kowalski 1990). Außerdem wird kritisiert, dass die Reduktion kognitiver Dissonanz oder die Vermeidung von Gefühlen nachträglichen Bedauerns („Regret") als psychische Nutzenfaktoren im ökonomischen Verhaltensmodell völlig unberücksichtigt bleiben (Bell 1982; Looms & Sugden 1982). Experimentelle Ergebnisse beim sogenannten „Ultimatum Spiel" lassen sich ebenfalls keineswegs ausschließlich mit dem Verweis auf egoistische Motive erklären (Camerer & Thaler 1995; Güth, Schmittberger & Schwarze 1982; Güth & Tietz 1990; Straub & Murnighan 1995; Thaler 1988). Ziel des Spiels ist es, einen bestimmten Betrag zwischen zwei Spielern aufzuteilen. Spieler 1 macht einen Vorschlag für diese Aufteilung und Spieler 2 kann diesen nur akzeptieren oder zurückweisen. Bei Zurückweisung erhalten beide keine Auszahlung. Der reine Rational-Choice Ansatz prognostiziert, dass Spieler 1 den kleinsten positiven Betrag vorschlägt und Spieler 2 diesen Vorschlag akzeptie-

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II. Überblick und Problemstellung

ren wird. Typischerweise wird aber als häufigste Verhaltensweise eine 50:50 Aufteilung des Betrags beobachtet und Vorschläge mit einem geringeren Betrag werden von Spieler 2 häufig abgelehnt. Diese Anomalie des ökonomischen Erklärungsmodells wird oft als Resultat internalisierter Fairness-Normen interpretiert. Auch bei Untersuchungen zur Bereitstellung von Kollektivgütern sowie der Vermeidung des „Commons Dilemmas" wird ein Ausmaß an Kooperation beobachtet, das nicht mit dem Eigennutzaxiom vereinbar ist (Dawes & Thaler 1988; McCusker & Carnevale 1995; Schulz, Albers & Mueller 1994). Beobachtungen außerhalb des Laborkontextes legen ebenfalls die Bedeutung sozialer Handlungsmotive nahe. So kann beispielsweise die verbreitete Teilnahme an politischen Wahlen, die Bereitschaft unentgeltlich an Umfragen teilzunehmen oder Blut zu spenden sowie die finanzielle Unterstützung wohltätiger Organisationen nicht ohne Rückgriff auf intrinsische und normative Handlungsmotive erklärt werden (Brehm 1994; Ferejohn & Fiorina 1974; Knack 1992; Mansbridge 1990; Steward 1992). Auch konnte, neben der Wirksamkeit von Anreizen, die eigenständige Bedeutung der Umweltmoral als Grundlage für umweltschonendes Verhalten nachgewiesen werden (van Vugt, Meertens & van Lange 1995; Vining & Ebreo 1992). Neben der Bedeutsamkeit von Handlungsmotiven, die über das Eigennutzprinzip hinausreichen, liegen auch Hinweise auf die wechselnde Relevanz unterschiedlicher Ziele und die damit einhergehende Instabilität von Akteurspräferenzen vor. Entsprechende Belege ergeben sich bei Studien zur Kollektivgutproblematik und Untersuchungen zur Bedeutsamkeit von Fairness-Kriterien im wirtschaftlichen Bereich (Dawes & Thaler 1988; Kahneman, Rnetsch & Thaler 1986a; Kahnemann, Knetsch & Thaler 1986b; McCusker & Carnevale 1995; Schulz, Albers & Mueller 1994). Hier lässt sich zeigen, dass sich unterschiedliche Merkmale der Interaktionssituation und des Entscheidungskontextes auf die Kooperationswahrscheinlichkeit der Akteure auswirken. Diese wird beispielsweise durch den direkten persönlichen Kontakt zwischen den Spielern und insbesondere durch die Möglichkeit zur Kommunikation beeinflusst. Diese Determinanten einer kooperativen Akteursorientierung lassen sich nicht auf der Grundlage des ökonomischen Erklärungsmodells prognostizieren. Belege für die Instabilität der verhaltensrelevanten Bewertungsgrundlagen ergeben sich auch aus der „Social Cognition"-Forschung und Bereichen der Sozialpsychologie. So lässt sich überzeugend belegen, dass die Präferenzen der Akteure durch schematisch repräsentierte Wissens- und Bewertungsstrukturen wie beispielsweise Einstellungen, Stereotypen oder Vorurteile - beeinflusst werden. Dabei wird das aktuelle Urteilsobjekt oder die zu bewertende Handlung als Einzelfall einer allgemeineren Kategorie angesehen. Schemata beinhalten stets Merkmalsinformationen über ganze Klassen von Objekten, häufig auch Bewertungen und in machen Fällen sogar konkrete Handlungsanweisungen (Augoustinos & Walker 1995: 32ff.; Fiske & Taylor 1991: 96ff.; Schwarz 1985). Dies stellt insofern einen Widerspruch zu den Verhaltensannahmen des Rational-Choice Ansatzes dar, da sich hier die Bewertung der Handlungsalternativen ausschließlich auf der Grundlage aktuell vorliegender Ergebnisinformationen und deren Relevanz bezüglich der Zielerreichung der Akteure ergeben müsste (Hirshleifer & Riley 1992; Tietzel 1985). Vor allem aber erweisen

Allgemeine Kritik am Rational-Choice

Ansatz

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sich die Einflüsse der unterschiedlichen Schemata als hochgradig instabil und von einer Reihe individueller und situationaler Variablen abhängig. So haben beispielsweise soziale Einstellungen nur dann eine Chance entscheidungsrelevant zu werden, wenn diese in der betreffenden Situation durch den Einstellungsgegenstand oder durch dessen symbolische Repräsentation aktiviert werden (Fazio 1990). Entsprechende Belege liegen auch und vor allem bei der Verwendung des Priming-Verfahrens in der „Social Cognition"-Forschung vor (Banaji & Greenwald 1994; Banaji, Blair & Glaser 1997; Bargh 1996; Gaertner & McLaughlin 1983; Perdue et al. 1990). Im Rahmen des Priming-Paradigmas konnte auch die situationale Aktivierung unterschiedlicher Handlungsziele und sozialer Normen nachgewiesen werden (Bargh & Barndollar 1996; Chartrand & Bargh 1996; Devine 1989; Kitayama & Burnstein 1988). Die Präsentation symbolischer Stimuli bewirkt hier den Wechsel der Akteure zwischen spezifischen Zieldimensionen - beispielsweise „Höflichkeit" oder „Leistungsorientierung" - und damit die Verwendung unterschiedlicher Bewertungskriterien. Diese Ergebnisse stellen vor allem das Prinzip der Präferenzstabilität, aber auch das Konzept der Nutzenmaximierung in Frage.

2. Framing-Effekte als Anomalie des Rational-Choice Ansatzes Abgesehen von den in Abschnitt 1 angesprochenen empirischen Anomalien und den dabei skizzierten Kritikdimensionen wird der Rational-Choice Ansatz in starkem Ausmaß durch das spezielle Phänomen der Framing-Effekte in Frage gestellt (Rubinstein 1998: 17). Unter dem Begriff „Framing Effekt" werden insgesamt sehr unterschiedliche Phänomene zusammengefasst, deren gemeinsame Basis durch folgende Definition erfasst werden kann: „One of the most widely replicated and generalized findings of decision making research is the effect of framing: changes in the surface representation of a problem can systematically affect judgments and decisions, even though the underlying structure remains invariant" (Kuhn 1997).

Die angesprochenen Unterschiede in der Oberflächenstruktur der Problempräsentation ergeben sich beispielsweise durch verschiedene sprachliche Informationsdarstellungen oder generell durch wechselnde Merkmale im Entscheidungskontext. Diese Framing-Bedingungen werden entweder durch den Versuchsleiter oder die „natürliche" Umwelt vorgegeben. Von diesen externen Framing-Bedingungen kann deren kognitive Repräsentation - der interne Frame - bei den Akteuren unterschieden werden (Fischer 1997: 81f.). Je nach Ausmaß der resultierenden Unterschiede in der Oberflächenstruktur kann zwischen einem strikten und weniger strikten Framing-Begriff unterschieden werden. Framing Effekte im strikten Sinne liegen dann vor, wenn bei den Framing-

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II. Überblick und Problemstellung

Bedingungen exakt das gleiche Entscheidungsproblem in unterschiedlicher Weise dargestellt wird. Bei einer weniger strikten Definition ist auch dann von Framing-Effekten die Rede, wenn es sich zwar um unterschiedliche Problemstellungen und Entscheidungsinformationen handelt, diese Unterschiede aber aus der Perspektive der ökonomischen Theorie als irrelevant angesehen werden müssen (Frisch 1993). Außerdem muss zwischen „Framing Effects" einerseits und „Reflection Effects" andererseits unterschieden werden (Fagley 1993). Nur bei strikten „Framing Effects" wirken sich reine Unterschiede in der Informationsdarstellung auf das Entscheidungsverhalten aus: Diese Einflüsse werden daher auch als „Wording Effects" bezeichnet. Dagegen handelt es sich bei „Reflection Effects" - diese werden teilweise auch „Domain Effects" genannt um ein weniger striktes Framing-Konzept: Das Entscheidungsverhalten unterscheidet sich bei objektiven Gewinnen von dem bei realen Verlusten. Eine weitere wichtige Unterscheidung besteht darin, dass es sich bei den beobachteten Phänomenen entweder um einen „Choice Shift" oder um ein „Choice Reversal" handeln kann (Levin, Schneider & Gaeth 1998; Wang 1996a). Ein „Choice Reversal" liegt dann vor, wenn sich die Mehrheitspräferenzen der Akteure zwischen den Framing-Bedingungen umkehren. Dagegen werden bei einem „Choice Shift" nur Unterschiede im Entscheidungsverhalten zwischen den Bedingungen beobachtet. Insgesamt werden die angesprochenen Unterscheidungen in der Framing-Forschung wenig berücksichtigt, so dass der kleinste gemeinsame Nenner der so klassifizierten Phänomene in der Verletzung der theoretischen Grundprinzipien des Rational-Choice Ansatzes besteht. Obwohl sich die jeweils untersuchten Einflussfaktoren und konkret herangezogenen Operationalisierungen der Framing-Bedingungen in hohem Ausmaß unterscheiden, werden die beobachteten Ergebnisse und angenommenen Prozesse dennoch undifferenziert unter dem Framing-Begriff zusammengefasst. In der vorliegenden Arbeit wird dagegen ausschließlich die strikte Auslegung des Framing-Konzeptes in der Form von „Wording Effects" zugrunde gelegt. Was die Qualität der beobachteten Unterschiede im Entscheidungsverhalten angeht, so wird das weitere Konzept des „Choice Shifts" herangezogen: Ob die aggregierten Entscheidungsverteilungen beim Wechsel zwischen den FramingBedingungen zufällig die 50 Prozent Marke überschreiten oder nicht, wird dagegen als irrelevant angesehen. Was die theoretische Erklärung der beobachteten Effekte angeht, so liegt eine ähnliche Situation wie bei der Erforschung entscheidungstheoretischer Anomalien allgemein vor. Insgesamt ist das Forschungsfeld gleichermaßen durch einen Mangel und einen Überfluss an theoretischen Erklärungsansätzen charakterisiert. So zeichnet sich einerseits ein bedeutender Anteil der Arbeiten durch eine rein deskriptive Vorgehensweise aus, bei der ausschließlich die Wirksamkeit experimentell variierter Einflussfaktoren überprüft und dokumentiert wird. Es fehlt hierbei eine theoretische Fundierung und damit die Basis für eine Generalisierung der gefundenen Zusammenhänge. Auf der anderen Seite liegen jedoch auch eine Reihe theoretischer Ansätze zur Erklärung von Framing-Effekten vor. Diese Erklärungen stammen primär aus der Psychologie sowie der Soziologie und lassen insgesamt ein hohes Ausmaß an Heterogenität erkennen. Die Unterschiedlichkeit dieser Erklärungen ist derart groß, dass sie alle bislang diskutierten allgemeinen Kritikpunkte am Rational-Choice Ansatz

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umfassen. Außerdem handelt es sich in vielen Fällen um Theorien, die sich speziell auf die Prozesse bei der Entstehung von Framing-Effekten konzentrieren und somit auf einem geringen Abstraktionsniveau formuliert sind. Gleichzeitig führt die Konzentration auf die kognitiven und soziologischen Ursachen der Anomalien in vielen Fällen zu einer Vernachlässigung der unstrittig relevanten Anreizdimension des ökonomischen Ansatzes. Insofern handelt es sich nicht um allgemeine Theorien menschlichen Verhaltens, die zu einer Gesamtprognose der zu erwartenden Entscheidungen in der Lage wären. Außerdem verhindert die Pluralität der Ansätze und die Unterschiedlichkeit der jeweils im Mittelpunkt stehenden konkreten Erklärungsfaktoren die gezielte Modifikation des kritisierten Ausgangsmodells. Neben den großen Erklärungsdifferenzen lassen sich aber auch Ähnlichkeiten in der generellen Erklärungslogik zwischen den Ansätzen beobachten. Dies tritt besonders deutlich dann zu Tage, wenn die Grundargumente auf einem höheren Abstraktionsniveau verglichen werden. Trotz der Vielfalt der Erklärungsansätze im Bereich der Framing-Forschung zeichnet sich eine gewisse Tendenz zur theoretischen Vereinheitlichung des Forschungsfeldes ab. Die PT2 kann inzwischen als das dominante theoretische Paradigma zur Erklärung von Framing-Effekten angesehen werden (Kahneman & Tversky 1984; Tversky & Kahneman 1981; Tversky & Kahneman 1986). Bezüglich der Angemessenheit der hier vorgeschlagenen Erklärung für Framing-Effekte liegen allerdings sowohl theoretische Unklarheiten als auch empirisch begründete Zweifel vor. Die insgesamt angesprochenen Probleme bei der Erklärung von Framing-Effekten werden in den folgenden Abschnitten ausführlicher dargestellt und diskutiert.

2.1 Die Inhomogenität des Framing-Begriffs Es liegen insgesamt sehr unterschiedliche Definitionen des Framing-Begriffs vor, bei denen jeweils verschiedene Einflussfaktoren und damit Entstehungsprozesse im Mittelpunkt stehen. In einer sehr allgemeinen Art und Weise lässt sich das Konzept des Frames wie folgt definieren: „A decision frame is the perspective through which a decision maker views the alternatives in a decision problem" (Marshall, Mowen & Stone 1995).

Die vorliegenden theoretischen Ansätze unterscheiden sich aber deutlich in der Frage, worin diese wechselnden Perspektiven bestehen und wodurch diese bestimmt werden. So wird einerseits das Bestreben der Akteure zur Vereinfachung des jeweiligen Entscheidungsproblems und zur Reduzierung der dabei relevanten Informationen in den Mittelpunkt gestellt. Entsprechend wird der Framing-Begriff wie folgt definiert:

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Hierbei handelt es sich um eine deutlich modifizierte und um psychologische Erklärungsfaktoren ergänzte Version des Erwartungsnutzenansatzes. Der Erklärungsansatz wird in Kapitel III, Abschnitt 4 ausführlich dargestellt.

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II. Überblick und Problemstellung „We call the mental structure people create to simplify and organize the world decision 'frames'. Frames keep complexity within the dimensions our minds can manage" (Russo & Schoemaker 1989: 15).

Dagegen wird in anderen Definitionen die subjektive Perspektive der Entscheider mit dem Problem fehlender Informationen in Zusammenhang gebracht. Unter dieser Bedingung treten dann Diskrepanzen zwischen den objektiv vorliegenden Entscheidungsrandbedingungen und deren subjektiver Repräsentation bei den Entscheidern auf. Ein Frame beinhaltet entsprechend eine spezifische Interpretation der objektiven Handlungsumwelt unter der Bedingung mangelnder Informationsverfügbarkeit: „The framing effect has been interpreted in terms of the perceptual process by which objective levels of the stimuli are transformed into subjective values. It is predicted, therefore, only when information is available for the attribute, because the frame affects the perception of this information" (Johnson 1987).

Bei anderen Interpretationen des Framing-Begriffs steht ebenfalls die Ausbildung von Erwartungen bei den Akteuren im Mittelpunkt. Dabei spielt das Erfahrungswissen der Akteure und dessen Verbindung mit der jeweiligen Handlungssituation eine zentrale Rolle. Für diesen Prozess des „Going Beyond the Information Given" ist damit das Wiedererkennen bereits in der Vergangenheit bewältigter Handlungssituationen von zentraler Bedeutung: „A frame is a mental construct consisting of elements, and the relationships between them, that are associated with a situation of interest to a decisions maker. The elements are the salient current events and associated past events. Relationships define the expected interactions of the elements - violations of these expectations indicate that the frame is not a valid representation of the situation of interest" (Beach 1997: 23f.).

Auch weniger „private" Grundlagen der Akteurserwartungen werden häufig als bedeutsam angesehen. Dabei stehen vor allem sozial geteilte Erwartungsstrukturen, wie Normen und Werte, im Mittelpunkt der Definition. Auch sozial geteilte Wissens- und Bewertungsstrukturen, wie Einstellungen und kognitive Überzeugungen, bilden hier die Basis eines Frames: „The concept of frame of reference has been used to designate the incorporation within the individual of certain social norms, values, beliefs, attitudes, desires, etc., as a result of learning" (Edwards 1941).

Bei anderen Definitionen des Framing-Konzeptes wird vor allem die framespezifische Selektivität der Ziele in den Mittelpunkt gestellt. Die Ursache für die Nutzung von Frames wird auch hier in der Existenz beschränkter kognitiver Fähigkeiten bei den Entscheidern gesehen: „However, unlike SEU theory, the discrimination model assumes that the cognitive limitations (including the limited span of attention) are so severe that human beings will be able to focus only on one main goal at a time. This goal is part of a 'frame' for the situation that steers the selection of alternatives and outcomes per alternative" (Lindenberg 1993: 20).

Framing-Effekte als Anomalie des Rational-Choice-Ansatzes

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Die vorliegenden Definitionen des Framing-Begriffs unterscheiden sich somit deutlich in Hinsicht auf die zugrundeliegenden Annahmen über die Inhalte und die jeweils zu erwartenden Auswirkungen von Frames. Bei den meisten Beiträgen der Framing-Forschung werden jedoch ausschließlich operationale Definitionen des Konzeptes herangezogen, so dass deren Inhalt aus der Art der Operationalisierung indirekt erschlossen werden muss. Dabei kann festgestellt werden, dass sich die Art der Operationalisierung sowie die Qualität der beobachteten Phänomene genauso stark unterscheidet wie die inhaltlichen Anwendungsbereiche der Untersuchungen. In einer Reihe von Framing-Studien wird das Framing-Konzept beispielsweise auf Entscheidungen zwischen Lotterien mit Gewinn- oder Verlustpotentialen angewendet (Kessler, Ford & Bailey 1996; van Schie & van der Pligt 1995). Die Akteure müssen sich unter beiden Framing-Bedingungen zwischen einer sicheren und einer riskanten Alternative entscheiden. Framing-Effekte sind hier dadurch definiert, dass sich das Risikoverhalten bei Lotterien mit reinem Gewinnpotential von dem bei strukturgleichen Lotterien mit ausschließlichem Verlustpotential unterscheidet (als Beispiel vgl. Mano 1994). Eine ähnliche Definition liegt häufig auch bei Framing-Studien aus dem Bereich der Kollektivgutbereitstellung vor (De Dreu, Emans & Van De Vliert 1992; van Dijk & Wilke 1997). Hier wird beispielsweise untersucht, in welcher Weise sich die unterschiedliche Darstellung der Handlungsaltemativen in Situationen vom Typ des Gefangenen-Dilemmas auf die Kooperationsbereitschaft der Akteure auswirkt. Framing-Effekte liegen demzufolge dann vor, wenn sich das Verhalten in sogenannten „Give Some"- und „Take Some"-Situationen unterscheidet. Im ersten Fall ist die Kooperation bei der Bereitstellung des Kollektivguts mit dem Verlust eigener Ressourcen verbunden und stellt damit eine faktische Verschlechterang der eigenen Position dar. Dagegen besteht der individuelle Beitrag in einer „Take Some"-Situation im Verzicht auf die Ausbeutung eines bestehenden kollektiven Ressourcen-Pools und nimmt somit die Form eines objektiv nicht realisierten Gewinns an (Komorita & Carnevale 1992; McCusker & Carnevale 1995). In der Regel hat das Framing einer Entscheidungssituation als „Take Some"-Situation einen größeren Beitrag der Akteure zur Bereitstellung eines Kollektivgutes zur Folge, obwohl in beiden Situationen der Verzicht auf das gleiche Ausmaß an Ressourcen zur Entscheidung steht. Auch hier beinhalten die Framing-Bedingungen objektiv gesehen unterschiedliche Entscheidungssituationen, da es entweder um eine reale Erhöhung oder um eine objektive Reduktion der verfügbaren Mittel im Besitz der Entscheider geht. Auch bei Anwendungen des Framing-Konzeptes im Bereich der internationalen Politik steht die unterschiedliche Bewertung von Verbesserungen und Verschlechterungen im Mittelpunkt des Framing-Konzeptes (Faber 1990; Farnham 1992; Jervis 1992; Mclnerney 1992). Teilweise werden die Framing-Bedingungen auch durch Unterschiede in der Darstellungskomplexität der Entscheidungsprobleme operationalisiert. So werden beispielsweise Unterschiede im Entscheidungsverhalten untersucht, wenn das Dominanzverhältnis zwischen den Handlungsalternativen unterschiedlich leicht erkennbar ist (Tversky & Kahneman 1986). Nur wenn die Unterschiede ohne große kognitive Anstrengungen erkennbar sind, wird mehrheitlich die bessere Option gewählt. Eine ähnliche Definition lässt sich auch in

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II. Überblick und Problemstellung

Framing-Studien aus dem Bereich der Verhandlungsführung ableiten. In diesem inhaltlichen Feld wird beispielsweise untersucht, wie sich die Darstellung der Ergebnisse als Verbesserung oder Verschlechterung des Ausgangszustandes auf die Akzeptanz einer Verhandlungslösung auswirkt (Bottom & Studt 1993; Neale & Bazerman 1985; Neale, Huber & Northcraft 1987; Schurr 1987). Beispielsweise wird beim Gewinn-Frame der Nettoprofit für jede Verhandlungslösung dargestellt, während beim Verlust-Frame die steigende Höhe der Kosten und der resultierende Bruttoertrag angegeben wird. Obwohl die faktischen Resultate der Verhandlungslösungen in beiden Fällen identisch sind, geht die Verwendung eines Gewinn-Frames mit geringeren Ansprüchen der Verhandlungspartner und einem größeren Ausmaß an erfolgreichen Verhandlungslösungen einher (De Dreu et al. 1994). Auch hier bedeutet „Framing", dass die Endresultate der Handlungsoptionen jeweils mit unterschiedlich großem kognitiven Aufwand erschließbar sind. Der Framing-Begriff wird auch zur Erklärung von Entscheidungen im medizinischen Bereich - etwa bei der Wahl unterschiedlicher Behandlungsformen sowie bei der Untersuchung von Verhaltensweisen im Bereich der Gesundheitsvorsorge herangezogen (Bier & Connell 1994; Christensen et al. 1995; Marteau 1989; McNeil et al. 1982; Politser 1989; Rothman et al. 1993). Der Framing Begriff bezieht sich hier häufig darauf, dass die Erfolgs- und Misserfolgswahrscheinlichkeiten für die Behandlungsoptionen bei den FramingBedingungen in unterschiedlicher Weise selektiv dargestellt werden. So soll beispielsweise über die Operation einer tödlich verlaufenden Lebererkrankung entschieden werden (Wilson, Kaplan & Schneiderman 1987). Dabei wird entweder die Überlebens- oder die Todeswahrscheinlichkeit bei der Durchführung der Operation dargestellt. Für die zweite Handlungsoption, die Nichtbehandlung der Krankheit, wird dagegen immer eine Lebenserwartung von einem Jahr und damit eine positive Information bereitgestellt. Zwischen den experimentellen Bedingungen zeigen sich Unterschiede im Entscheidungsverhalten der Akteure, so dass bei dieser operationalen Definitionen des Framing-Konzeptes die Existenz fehlender Informationskomponenten und die darauf beruhende Ambiguität eine zentrale Rolle spielen. Entsprechende Beispiele finden sich auch im Bereich der Medienwirkungsforschung und der Untersuchung von Nachrichtenvermittlungsprozessen (Brosius & Eps 1995; Fine 1992; Kinder & Sanders 1990). Auch im Bereich des Konsumentenverhaltens liegt eine große Anzahl an Framing-Studien vor, bei denen die Selektivität dargestellter Informationen als Operationalisierung der Framing-Bedingungen herangezogen wird (Burton 1989; Ganzach, Weber & Ben Or 1997; Levin 1988; Meyers-Levy & Maheswaran 1990; Puto 1987; Schul & Ganzach 1995; Smith & Nagle 1995; Woodside & Singer 1994). Framing bedeutet in diesem Bereich typischerweise, dass positive oder negative Merkmale bestimmter Konsumgüter in einer selektiven Art und Weise dargestellt werden. In einer Studie von Ganzach und Karsahi wird beispielsweise untersucht, in welcher Weise es sich auf die Nutzung von Kreditkarten auswirkt, wenn entweder deren Vorteile oder die Nachteile bei alternativen Zahlungsmitteln dargestellt werden (Ganzach & Karsahi 1995). Auch bei der Erklärung moralischer Urteile und Fairness-Bewertungen wird der Framing-Begriff angewendet (Brockner, Wiesenfeld & Martin 1995;

Framing-Effekte als Anomalie des Rational-Choice-Ansatzes

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De Dreu 1996; De Dreu, Lualhati & McCusker 1994; Elliott, Hayward & Canon 1998; Fröhlich, Oppenheimer & Eavey 1987; Isaac, Mathieu & Zajac 1991; Kahneman, Knetsch & Thaler 1986a; 1986b). Hier steht der Einfluss symbolisch fundierter und instrumenteil irrelevanter Faktoren auf die resultierenden Gerechtigkeitsurteile der Akteure im Mittelpunkt des Interesses. Eine Operationalisierung der Framing-Bedingungen in diesem Bereich erfolgt beispielsweise dadurch, dass bei Entscheidungen über Leben und Tod entweder die Anzahl der geretteten oder der sterbenden Personen angegeben wird. Ein Framing-Effekt liegt dann vor, wenn sich in Abhängigkeit von den Darstellungsvarianten unterschiedliche, moralisch basierte Handlungsselektionen ergeben (Petrinovich & O'Neill 1996). Diesen Studien liegt eine Definition von Framing-Effekten zugrunde, bei der normative Orientierungen durch die Verwendung einer unterschiedlichen sprachlichen Symbolik aktiviert werden. Eine sehr ähnliche Konzeptionalisierung des Framing-Begriffs liegt auch bei der Erklärung von Kontexteffekten und von Einflüssen der Fragenreihenfolge in Umfragen vor (Arts, Hermkens & van Wijck 1991; Gaskell, Wright & O'Muircheartaigh 1995). Dabei wird angenommen, dass vorangehende Fragen einen Rahmen für die Beantwortung nachfolgender Fragen abgeben, weil diese bestimmte Gedächtnisinhalte aktivieren und damit deren Verfügbarkeit erhöhen. Je nach Qualität der dann stärker verfügbaren Gedächtnisinhalte werden vage Frageformulierungen in unterschiedlicher Weise interpretiert. In der Politikwissenschaft - speziell im Bereich der Erklärung sozialer Bewegungen - wird ein Framing-Konzept herangezogen, bei dem gleichzeitig unterschiedliche Aspekte eine Rolle spielen (Gerhards 1995; Gerhards & Rucht 1992; Snow & Benford 1988; Snow & et al. 1986). Framing bezieht sich hier auf alle Prozesse und Aktivitäten, die bei der Mobilisierung sozialer Bewegungen durch politische Akteure eine Rolle spielen. So zielt eine Reihe von Strategien politischer Kommunikation darauf ab, die Wahrnehmungen der potentiellen Teilnehmer über die Wichtigkeit der definierten Ziele, die Legitimität der propagierten Mittel sowie deren Wirksamkeit für die Bewältigung der jeweils vorliegenden Probleme zu beeinflussen. Der Framing-Begriff bezieht sich hier darauf, dass durch Appelle die erwünschten Zielsetzungen bei den Akteuren aktiviert werden, die Unsicherheit über die Konsequenzen des politischen Handeln durch spezifische Informationen reduziert wird und bestimmte Handlungsalternativen in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt werden. Insofern kann man eine Framing-Definition ableiten, bei der sowohl die selektive Präsentation von Informationen als auch die Aktivierung bestimmter Handlungsziele den Kern des Konzeptes ausmacht. Experimentelle Studien über die Relevanz von Framing-Effekten liegen außerdem im Bereich der Risikowahrnehmung und des Risikoverhaltens, bei der Untersuchung von Zeitpräferenzen sowie bei der Beurteilung von Sekten vor (Clarke 1988; Loewenstein 1988; McDaniels 1992; Pfeifer 1992; Ritov, Baron & Hershey 1993; Shelley 1993; Vaughan & Seifert 1992). Auch bei der Erklärung von Unterschieden im sozialen Klima von Organisationen und dessen Einfluss auf das Handeln ihrer Mitglieder wird das Framing-Konzept herangezogen (Quails & Puto 1989; Shrivastava & Schneider 1984). Bei diesen Untersuchungen werden ebenfalls zum Teil sehr unterschiedliche Operationalisierungen des Framing-Konzeptes herangezogen.

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II. Überblick und Problemstellung

Insgesamt lässt sich also eine große Bandbreite hinsichtlich der Inhalte des Framing-Begriffs und den zentralen Entstehungsbedingungen der FramingEffekte feststellen. Dies trifft sowohl für Nominaldefinitionen des Begriffs als auch für die Ebene konkreter Operationalisierungen in der empirischen Forschung zu (vgl. hierzu auch die Meta-Analyse von Kühberger 1998). Es lassen sich aber dennoch vier Typen von Definitionen identifizieren. Bei der ersten Verwendung des Konzeptes beziehen sich die Unterschiede zwischen den Framing-Bedingungen auf das objektive Ergebnispotential der Handlungsalternativen. Hier werden die Unterschiede im Entscheidungsverhalten im Hinblick auf die mit einer Handlungsalternative einhergehenden Gewinne oder Verluste untersucht. Es handelt sich hierbei also um „Reflection Effects" und nicht um Framing-Einflüsse im engeren Sinne. Im Mittelpunkt der zweiten Art der Definition stehen Komplexitätsunterschiede zwischen den Framing-Bedingungen, so dass die Übereinstimmung der Darstellungsvarianten nur mit unterschiedlich hohem kognitivem Aufwand erkennbar ist. In einer dritten Gruppe von Konzeptualisierungen wird hingegen die selektive Darstellung der Entscheidungsergebnisse als Operationalisierung herangezogen. Bei einer vierten Gruppe von Definitionen wird schließlich die selektive Aktivierung von (normativen) Handlungszielen sowie von Hintergrundwissen als definitorisches Merkmal des Framing-Konzeptes angesehen. Es lässt sich zusammenfassend feststellen, dass die undifferenzierte Bezeichnung der angesprochenen Phänomene als Framing-Effekte eine unangemessene Ähnlichkeit in der Qualität und den Entstehungsbedingungen der jeweiligen Effekte suggeriert. Diese Unschärfe in der Verwendung des Konzeptes erschwert die Suche nach den Entstehungsbedingungen der beobachteten Effekte und die Ausbildung einer zuverlässigen Prognosegrundlage. Jedenfalls verdient die Unterscheidung unterschiedlicher Effekt-Typen und damit eine angemessene Strukturierung der abhängigen Variable im Bereich der Framing-Forschung ein deutlich höheres Ausmaß an Beachtung, als dies derzeit der Fall ist. Wenn sich nämlich die Framing-Bedingungen durch unterschiedliche Prozesse auf das Entscheidungsverhalten auswirken, so müssen theoretische Ansätze zur Erklärung dieser Einflüsse jeweils spezifische Faktoren zu deren Prognose angeben. Im folgenden Abschnitt soll gezeigt werden, dass auch bei den vorliegenden Framing-Theorien eine große Pluralität beobachtet werden kann.

2.2 Die Pluralität der vorliegenden Framing-Theorien Auch bei den vorliegenden Theorien zur Erklärung von Framing-Effekten lassen sich große Unterschiede in den jeweils angenommenen Ursachen des Phänomens feststellen (vgl. hierzu den ausführlichen Überblick in Kapitel III). So wird beispielsweise im Rahmen der PT die Referenzpunktabhängigkeit menschlicher Entscheidungsprozesse postuliert, so dass bei der Bewertung von Gewinnen und Verlusten unterschiedliche Grundlagen erwartet werden (Tversky & Kahneman 1981). Dagegen steht beispielsweise bei der „Fuzzy Trace Theory" die unterschiedliche Elaboriertheit der Informationsverarbeitungsmodi und die Qualität der jeweils dabei herangezogenen Entscheidungs-

Framing-Effekte als Anomalie des Rational-Choice-Ansatzes

31

regeln im Mittelpunkt der Erklärung (Reyna & Brainerd 1991). In anderen Ansätzen, wie beispielsweise dem „Inferred Information Modell", werden Framing-Einflüsse als Ergebnis von Informationsmangel und der Ausbildung subjektiver Erwartungen über unbekannte Aspekte des Entscheidungsproblems erklärt (Levin, Johnson & Davis 1987). Beim „Discrimination Model" und bei anderen Theorien werden dagegen Framing-Effekte auf die situational wechselnde Aktivierung sozial geteilter Schemata wie Normen und Werte zurückgeführt (Lindenberg 1993). Die angesprochenen Beispiele zeigen bereits die große Vielfalt und teilweise Widersprüchlichkeit der theoretisch angenommenen Entstehungsprozesse von Framing-Effekten. Dementsprechend ist die Bezeichnung „Theorien zur Erklärung von Framing-Effekten" eigentlich irreführend. Vielmehr handelt es sich um Theorien zur Erklärung teilweise sehr unterschiedlicher Effekt-Typen. Für alle Ansätze werden - in mehr oder weniger großem Umfang - empirische Belege vorgelegt, so dass diese prinzipiell als relevante Alternativerklärungen angesehen werden müssen. Es stellt sich so die Frage, unter welchen Bedingungen und bei welchen empirischen Phänomenen die unterschiedlichen Theorien anwendbar sind. Ein weiteres Problem kann darin gesehen werden, dass die Erklärung von Framing-Effekten von anderen Erklärungsproblemen isoliert erfolgt. So lassen sich bei den Spezialtheorien im Feld der Framing-Forschung große Ähnlichkeiten zu allgemeineren Erklärungsansätzen feststellen. Beispielsweise kann man beim theoretischen Kern der „Image Theory" sowie der „Frame System Theory" deutliche Parallelen zu bestimmten Versionen der allgemeinen Einstellungstheorie oder dem generellen Schema-Konzept feststellen. Bei allen diesen Ansätzen steht die meist automatische Aktivierung kategorial organisierter Wissens- und Bewertungsstrukturen im Mittelpunkt der theoretischen Erklärung. Da auch andere Framing-Theorien große Ähnlichkeiten mit allgemeinen Erklärungsansätzen aufweisen, liegt es nahe, die dort vorliegenden Erkenntnisse bei der Erklärung von Framing-Effekten fruchtbar zu machen. Insgesamt lässt sich argumentieren, dass der Framing-Begriff der vorliegenden Theorien gleichzeitig zu weit und zu eng definiert ist. Auf der einen Seite werden völlig unterschiedliche theoretische Prozesse und damit variierende empirische Sachverhalte unter diesem Begriff subsumiert. Andererseits ist das Konzept zu eng gefasst, so dass ähnliche theoretische Konzepte außerhalb der Framing-Forschung zu wenig Berücksichtigung finden. Bei vielen Framing-Theorien ist weiterhin nicht klar, wie die jeweils genannten Erklärungsfaktoren in das ökonomische Erklärungsmodell integriert werden können. So wird nicht gezeigt, wie sich die Verwendung heuristischer Entscheidungsregeln, die Bedeutsamkeit von Ambiguitätseinflüssen oder die Verhaltensrelevanz selektiv aktivierter Schemata systematisch mit dem knappheitstheoretischen Kern des ökonomischen Handlungsmodells verbinden lässt.

2.3 Die Angemessenheit der Prospect-Theory Die Prospect-Theory (PT) beinhaltet die derzeit wohl anerkannteste Theorie zur Erklärung von Framing-Effekten (Kahneman & Tversky 1984; Tversky &

32

II. Überblick und Problemstellung

Kahneman 1981). Bei diesem Erklärungsansatz werden Framing-Effekte auf der Basis zusätzlicher psychologischer Annahmen als Spezialfall menschlichen Entscheidungshandelns erklärt (vgl. hierzu noch Kapitel III, Abschnitt 4). Als Belege für die empirische Angemessenheit der Theorie werden insbesondere zwei Befunde herangezogen: Zum einen wird auf ihre Erklärungskraft bei der Analyse von Formulierungseinflüssen beim sogenannten „Asian Disease Problem" (ADP) hingewiesen (Tversky & Kahneman 1981). Bei diesem Standardproblem der Framing-Forschung lassen sich typischerweise Einflüsse der sprachlichen Informationsdarstellung auf das Risikoverhalten der Akteure beobachten. Zum anderen werden die empirischen Ergebnisse über das Framing von Fairness-Normen als weiterer Belege für die Gültigkeit der FramingHypothese herangezogen (Kahneman, Rnetsch & Thaler 1986a; 1986b). Die hierbei vorliegenden Ergebnisse zeigen einerseits die Relevanz internalisierter Normen und andererseits, dass diese Einflüsse abhängig von subtilen Eigenschaften des gesamten Entscheidungskontextes sind. Ob die genannten Framing-Phänomene auf der Grundlage der PT angemessen und auch vollständig erklärt werden können, ist allerdings fraglich. Bei der Erklärung der beim ADP beobachteten Effekte erweist sich die Theorie als zu vage und ihre Angemessenheit wird außerdem durch empirische Ergebnisse in Frage gestellt (vgl. hierzu im Einzelnen Kapitel V, Abschnitt 2). Auch beim Framing von FairnessNormen kann vermutet werden, dass die vorliegende Erklärung der beobachteten Effekte unvollständig und zu speziell ist (vgl. hierzu Kapitel VII, Abschnitt 1.4). Die im folgenden dargestellten Zielsetzungen der vorliegenden Untersuchung knüpfen an die skizzierten Probleme bei der Erklärung von FramingEffekten an, zu deren Lösung ein Beitrag geleistet werden soll.

3. Zielsetzung und Plan der Arbeit Die Zielsetzungen der vorliegenden Untersuchung sind gleichermaßen theoretischer und empirischer Natur: Im theoretischen Teil der Arbeit wird ein Beitrag zur Systematisierung und theoretischen Integration der vorliegenden Ansätze zur Erklärung von Framing-Effekten geleistet. Entsprechend werden in Kapitel III die Unterschiede und Gemeinsamkeiten in der Erklärungslogik vorliegender Framing-Theorien herausgearbeitet. Es wird argumentiert, dass sich die vorliegenden Ansätze zu drei Gruppen mit ähnlicher Erklärungslogik zusammenfassen lassen. Zum Abschluss des theoretischen Teils wird dann in Abschnitt 4 die PT separat dargestellt, da sich deren Annahmen nicht ohne weiteres in die hier angenommene Typologie einordnen lassen. Nach der Darstellung und Rekonstruktion der vorliegenden FramingTheorien wird dann in Kapitel IV eine Modellierung der drei Framing-Typen auf der Grundlage allgemeiner Modifikationen des ökonomischen Handlungsmodells vorgeschlagen. Diese Modifikationen berücksichtigen auch die allgemeinen Kritikpunkte am Rational-Choice Modell. Dabei wird in Abschnitt 1 das Konzept subjektiver Erfolgswahrscheinlichkeiten zur Modellierung ambi-

Zielsetzung und Plan der Arbeit

33

guitätsbasierter Framing-Effekte herangezogen, wobei deren Inhalte auf der Grundlage einer modifizierten Variante des Ambiguitätsmodells von Einhorn und Hogarth sowie dem „Second Order Probability"-Konzeptes erklärt werden (Einhorn & Hogarth 1985; Goldsmith & Sahlin 1983). In Abschnitt 2 wird dagegen die Bedeutung suboptimaler Entscheidungsregeln bei der Entstehung heuristikbasierter Framing-Effekte durch ein Metawahl-Modell des Informationsverarbeitungsmodus in das Knappheitsparadigma integriert. Für die Modellierung schemabasierter Framing-Effekte wird in Abschnitt 3 eine leicht modifizierte und erweiterte Version des Modells der Frame-Selektion herangezogen (Esser 2001: 260ff.). Ob diese drei „Theorie Module" ausreichen, um alle Anomalien des Rational-Choice Ansatzes zu erfassen, soll hier offen gelassen werden. Allerdings wird angenommen, dass sich durch diese Modifikationen ein substantieller Anteil der vorliegenden Framing-Effekte sowie eine große Anzahl anderer Anomalien in den Rational-Choice Ansatz integrieren lassen. Im empirischen Teil der Untersuchung soll dann die Bedeutsamkeit der drei Framing-Typen und die Angemessenheit der damit verbundenen theoretischen Erklärungen untersucht werden. Zu diesem Zweck wird das ADP von Tversky und Kahneman (1981) herangezogen. Dabei wird angenommen, dass die hier typischerweise beobachteten Einflüsse der Informationsdarstellung auf das Entscheidungsverhalten als das kombinierte Ergebnis der hier angenommenen drei Framing-Typen erklärt werden kann. In Kapitel V werden daher für die vorgeschlagenen Framing-Modelle jeweils empirisch testbare Prognosen über die Entstehungsbedingungen der Framing-Effekte abgeleitet und mit jenen der PT verglichen. Die Ergebnisse der empirischen Überprüfung werden in zwei Schritten präsentiert. In Kapitel VI werden im ersten Schritt die Hypothesen der PT sowie die der Modelle ambiguitäts- und heuristikbasierter FramingEffekte empirisch untersucht. Im zweiten Schritt werden dann in Kapitel VII die Vorhersagen des Modells schemabasierter Framing-Effekte ebenfalls im Vergleich mit den Hypothesen der PT empirisch getestet. Durch die Verwendung des ADP bei der Untersuchung von allen hier vorgeschlagenen FramingTheorien lassen sich die jeweils prognostizierten Determinanten der Formulierungseinflüsse gleichzeitig berücksichtigen und somit deren potentielle Eigenständigkeit belegen. Die Ergebnisse einer entsprechenden Analyse werden als Abschluss der Untersuchung in Kapitel VII, Abschnitt 3.5.3 vorgelegt.

III. Framing-Theorien: Ein Überblick

Bei der Erklärung von Framing-Effekten werden Theorien aus unterschiedlichen Bereichen der Sozialwissenschaft herangezogen. Die theoretischen Ansätze stammen beispielsweise aus der Sozialpsychologie, der „Social Cognition"Forschung, der Organisationstheorie sowie aus der Soziologie. Im folgenden theoretischen Überblick soll gezeigt werden, dass die Erklärungslogik zwischen den vorliegenden Framing-Theorien zum Teil sehr ähnlich ist und auch große Übereinstimmungen mit allgemeineren Handlungstheorien aufweist. Auf der anderen Seite liegen aber auch große Unterschiede in den jeweils angenommenen Entstehungsprozessen und Entstehungsbedingungen von Framing-Effekten zwischen diesen Theorien vor. Diese gleichzeitige Diskrepanz und Konvergenz der Framing-Theorien kann dadurch berücksichtigt werden, indem diese - über die Fachgrenzen hinweg - zu drei Gruppen von Erklärungsansätzen zusammengefasst werden. Es handelt sich hierbei erstens um Ansätze, bei denen fehlende Informationen und die daraus resultierende Ambiguität über die Entscheidungsgrundlagen im Mittelpunkt der Erklärung stehen. Framing-Effekte ergeben sich entsprechend dann, wenn sich die Interpretation der fehlenden Informationskomponenten systematisch zwischen den Framing-Bedingungen unterscheidet. Durch welche Faktoren die subjektiven Überzeugungen der Akteure bestimmt werden, muss hier als zentrales Erklärungsproblem angesehen werden. Bei einem zweiten Typ von Theorien werden Framing-Effekte generell darauf zurückgeführt, dass die Akteure leicht zugängliche Oberflächenmerkmale der Handlungsoptionen als Entscheidungskriterium heranziehen. Die FramingBedingungen wirken sich entsprechend dann auf das Entscheidungsverhalten aus, wenn diese heuristische Hinweisreize mit unterschiedlichen Bewertungsimplikationen für die Handlungsoptionen bereitstellen. Als zusätzliche Entstehungsbedingung für Framing-Effekte wird hier die mangelnde Motivation und/oder fehlende Gelegenheit für eine elaborierte Art der Informationsverarbeitung genannt. Bei der dritten Gruppe von Erklärungsansätzen wird die zentrale Ursache von Framing-Effekten in der mehr oder weniger automatischen Aktivierung schematischer Wissens-, Bewertungs- und Handlungsschemata gesehen. Diese Schemavarianten wirken sich durch die Bereitstellung von Zusatzinformationen, vorgefertigten Bewertungen oder durch die Dominanz selektiver Zielsetzungen potentiell auf das Entscheidungsverhalten aus. FramingBedingungen sind dann entscheidungsrelevant, wenn diese in unterschiedlichem Ausmaß zur Aktivierung der betreffenden Schemata in der Lage sind. Allerdings muss auch hier - ähnlich wie beim zweiten Theorie-Typ - die Elaboriertheit der Informationsverarbeitungsprozesse berücksichtigt werden. Die Entscheidungsrelevanz der Framing-Bedingungen lässt sich bei allen vorliegenden Erklärungsansätzen auf das von Herbert Simon eingeführte Konzept der „Bounded Rationality" und das „Satisficing" der Akteure zurückführen (Simon 1978; 1985; 1993). Menschen verfügen demnach in den seltensten

36

III. Framing-Theorien: Ein Überblick

Fällen über ausreichende Informationen, Aufmerksamkeit und Informationsverarbeitungsfähigkeiten, die für eine optimale und vollständig nutzenmaximierende Art der Entscheidungsfindung notwendig wären. Weiterhin ist eine perfekt nutzenmaximierende Art der Handlungsselektion auch nicht mit der Vorstellung eines ökonomischen Umganges mit knappen (kognitiven) Ressourcen vereinbar (Simon 1993). Menschen sind erstens immer mit dem Problem fehlender Informationen und der sich daraus ergebenden Unsicherheit über die gerade gültigen Handlungsrandbedingungen konfrontiert. Unter dieser Bedingung wird die notwendige Antizipation zukünftiger Handlungsfolgen nicht unbedingt durch die objektiven Zustände der Akteursumwelt gesteuert: „Where the facts are clear (to the actor as well as to us), we have some chance, by application of the principle of reason, to calculate what the choice will be. Where evidence is weak or conflicting, a rationality principle has little independent predictive power" (Simon 1985: 302).

Neben der Informationsknappheit stellt weiterhin auch die beschränkte Aufmerksamkeit der Akteure ein Hindernis für optimierende Entscheidungsprozesse dar. Demnach konzentrieren sich die Akteure immer nur auf einzelne Sachverhalte, während andere Informationen unberücksichtigt bleiben. Als Determinante der Aufmerksamkeitslenkung müssen vor allem die jeweils gerade relevanten Zielsetzungen der Akteure berücksichtigt werden (Simon 1994). Schon aus diesem Grund sollte immer mit einer subjektiven Konzeption der Entscheidungssituation und der dabei wahrgenommenen Randbedingungen durch die Akteure gerechnet werden: „But the existence of these narrow span of human attention is the principle reason why we must distinguish between the 'real' situation and the situation perceived by the political actors when we try to apply the rationality principle to make predictions of behavior" (Simon 1985: 302).

Die Komplexität und die damit bestehenden kognitiven Anforderungen einer Entscheidungsaufgabe lassen sich durch die Verwendung einfacher Entscheidungsprozeduren reduzieren: Durch die Nutzung dieser „Daumenregeln" wird allerdings immer nur ein Teil der prinzipiell verfügbaren Informationen bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt. Die Verwendung solcher Heuristiken kann als Ausdruck eines ökonomischen Umgangs mit knappen kognitiven Ressourcen verstanden werden: „Complexity is deep in the nature of things, and discovering tolerable approximation procedures and heuristics that permit huge spaces to be searched very selectively lies at the heart of intelligence, whether human or artificial" (Simon 1978: 12).

Das ökonomische Entscheidungsmodell stellt hohe Anforderungen an die Informationsverarbeitungsfähigkeit der Akteure, wobei große Informationsmengen im Arbeitsgedächtnis bereitgehalten werden müssen. Da hierfür jedoch enge Grenzen gesetzt sind, werden zur Überwindung dieser Beschränkung häufig kategorial organisierte Wissensbestandteile herangezogen. Dieses Wissen bezieht sich immer auf ganze Klassen von Handlungssituationen, wobei der

Informationsmangel als Erklärung für Framing-Ejfekte

37

angemessene Anwendungsfall auf der Grundlage einfacher Merkmale identifiziert wird. Dabei werden die jeweiligen Urteile oder Verhaltensweisen einfach erinnert, so dass diese nicht immer neu generiert werden müssen: „Die Intuitionstheorie, so mein Argument, ist in Wirklichkeit ein Bestandteil der Verhaltenstheorie. Sie hebt die Wiedererkennungsprozesse hervor, die es dem Menschen ermöglichen, bestimmte Fähigkeiten dadurch zu erwerben, dass er Erfahrungen speichert und Situationen wiedererkennt, in denen diese Erfahrungen relevant und anwendbar sind" (Simon 1993: 45).

Simon geht davon aus, dass Akteure nicht optimale, sondern nur befriedigende Problemlösungen anstreben. Dieses „Satisficing"-Prinzip wird einerseits als Lösung für das Problem beschränkter kognitiver Kapazitäten angesehen. Andererseits streben die Akteure immer auch eine Minimierung des Aufwandes für die Entscheidungsfindung an. Welche Entscheidungsergebnisse als befriedigend betrachtet werden, hängt dabei von der Komplexität der Problemstellung und von der Motivation der Entscheider ab (Simon 1954; 1976). Da aus dieser Sichtweise häufig Entscheidungsverhalten prognostiziert wird, welches von jenem bei perfekter Rationalität abweicht, beinhaltet die Berücksichtigung der kognitiven und motivationalen Beschränkungen der Akteure eine zentrale Vorbedingung für eine valide Handlungstheorie (Klopstech & Selten 1984). Alle im folgenden dargestellten theoretischen Ansätze können als mehr oder weniger systematische Umsetzung dieser Forderung verstanden werden.

1. Informationsmangel als Erklärung für Framing-Effekte Bei einer ersten Klasse von Erklärungsansätzen lassen sich Framing-Effekte auf die Existenz von Informationsmangel und die daraus resultierende Ambiguität über die Ausprägung entscheidungsrelevanter Merkmale der Handlungsalternativen sowie des Entscheidungskontextes zurückführen. Ambiguität kann allgemein wie folgt definiert werden: „Ambiguity is uncertainty about probability, created by missing information that is relevant and could be known" (Frisch & Baron 1988).

In der vorliegenden Definition wird deutlich, dass sich Ambiguität primär auf die Eintrittswahrscheinlichkeiten der zukünftig zu erwartenden Handlungsergebnisse bezieht. Während schon im Konzept der Erfolgswahrscheinlichkeit die Ergebnisunsicherheit der Entscheider erfasst wird, werden diese bei Entscheidungen unter Ambiguität selbst als unbestimmt angesehen. In Abgrenzung zum Unsicherheitsbegriff bei Entscheidungen unter Risiko kann Ambiguität somit als Unsicherheit zweiter Ordnung bezeichnet werden. Während bei Entscheidungen unter Risiko angenommen wird, dass die Akteure zu einer Punkt-

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III. Framing-Theorien: Ein Überblick

Schätzung der vorliegenden Chancen und Risiken in der Lage sind, ist dies bei Entscheidungen unter Ambiguität nicht der Fall. Hier sind zwar eventuell die Ergebnispotentiale bekannt, die möglichen Wahrscheinlichkeitsverteilungen müssen allerdings erst durch mehr oder weniger aktive Strategien des Schlussfolgerns zu einer singulären Wahrscheinlichkeitsschätzung verdichtet werden. Da dieser Prozess nicht durch die Ausprägungen der externen Realität determiniert und dabei quasi standardisiert wird, handelt es sich bei den resultierenden „Beliefs" immer um subjektive Wahrscheinlichkeiten. Diese Realisierungswahrscheinlichkeiten können sich - bei ansonsten identischen Randbedingungen - zwischen den Individuen unterscheiden und sind generell leicht beeinflussbar. In dieser Hinsicht handelt es sich bei subjektiven Erfolgswahrscheinlichkeiten um labile mentale Konstrukte der Akteure, die aber dennoch als Grundlage für die Erklärung des Entscheidungsverhaltens angesehen werden müssen. In welcher Weise diese subjektive Wirklichkeitsrepräsentation entsteht, muss als eigenständiges und zentrales Erklärungsproblem bei Entscheidungen unter Ambiguität betrachtet werden. Framing-Effekte vom ambiguitätsbasierten Typ werden generell immer dann erwartet, wenn sich die Framing-Bedingungen negativ auf die wahrgenommene Verlässlichkeit der Ergebnisinformation auswirken. Die dann vorliegende Ambiguität wird jedoch nur dann entscheidungsrelevant, wenn Ergebnisaspekte mit unterschiedlicher Bewertungsqualität betroffen sind und sich die resultierenden subjektiven Erwartungen somit zwischen den Framing-Bedingungen unterscheiden. Entsprechend steht bei den meisten der nachfolgend dargestellten Erklärungsansätzen die Prognose der subjektiven Akteurserwartungen im Mittelpunkt. Im ersten Schritt werden solche Erklärungsansätze skizziert, die ausdrücklich zur Erfassung von Framing-Einflüssen vorgeschlagen werden. Im zweiten Schritt sollen dann auch theoretische Konzepte vorgestellt werden, die sich allgemein auf die Erklärung subjektiver „Beliefs" oder der Modellierung der Entscheidungsparameter unter der Bedingung von Ambiguität beziehen.

1.1 Framing-Theorien des ambiguitätsbasierten

Typus

Im folgenden Abschnitt werden zwei Erklärungsansätze skizziert, bei denen Framing-Effekte als Resultat von Informationsmangel erklärt werden. Bei beiden Theorien stehen jene Vorgehensweisen im Mittelpunkt, durch welche die Akteure zur Bewältigung von Ambiguität und zur Ausbildung subjektiver Erfolgserwartungen in der Lage sind. Bei den beiden Erklärungsansätzen handelt es sich einerseits um das „Inferred Information Model" und andererseits um die Theorie der Konversationsnormen. 1.1.1 Das „Inferred Information Model" Im Rahmen des „Inferred Information Model" wird explizit angenommen, dass sich die Entstehung von Framing-Effekten durch die Existenz von Informationsmangel und Ambiguität erklären lässt (Johnson 1987; Johnson & Levin 1985; Levin et al. 1985; Levin et al. 1986). Die Erklärung ist immer dann anwendbar, wenn für die Entscheider mehr als ein Ergebnisaspekt der

Informationsmangel als Erklärung für Framing-Effekte

39

Handlungsoptionen relevant ist. Weiterhin muss es als notwendig angesehen werden, dass die Ergebnisaspekte der Handlungsalternativen bei einer der Framing-Bedingungen unvollständig dargestellt sind. Folgendes Beispiel soll diesen Sachverhalt verdeutlichen (Levin, Johnson & Davis 1987): Die Akteure sollen bei unterschiedlichen Formulierungsversionen jeweils entscheiden, ob sie eine bestimmte Lotterie akzeptieren wurden. Dabei wird bei der positiven Framing-Bedingung die Gewinnchance der Lotterie dargestellt, während bei der negativen Informationsdarstellung ausschließlich die Wahrscheinlichkeit für den Verlust des Einsatzes genannt wird. Die Handlungsalternativen werden wie folgt beschrieben: Positiver Frame: „ 15% Chance of winning $150. Amount of investment: $20 ". Negativer Frame: „Amount to be won: $150. 85% chance of loosing $20 investment". Als Ergebnis zeigt sich, dass die Lotterie bei selektiver Darstellung der Gewinnchancen deutlich häufiger akzeptiert wird als bei ausschließlicher Benennung der Verlustwahrscheinlichkeit. Bei der Erklärung dieser Framing-Einflüsse wird einerseits angenommen, dass die beiden Komplementärwahrscheinlichkeiten unter der Bedingung selektiver Informationsverfiigbarkeit von den Akteuren als eigenständige Attribute der Handlungsaltemativen angesehen werden. Andererseits wird davon ausgegangen, dass die Entscheider den Inhalt der jeweils ungenannten Eintrittswahrscheinlichkeiten als unsicher ansehen und deren Ausprägung durch aktive Strategien des Schlussfolgere rekonstruieren.

Das Entscheidungsverhalten wird beim „Inferred Information Model" dadurch erklärt, dass Handlungsalternativen oder andere Bewertungsgegenstände auf der Grundlage positiver oder negativer Assoziationen evaluiert werden. Eine solche Bewertung erfolgt potentiell auf der Grundlage aller Merkmale der Optionen, wobei die Einzelurteile aufaddiert werden. Die Akteure schreiben aber nicht jedem Merkmal das gleiche Gewicht zu, sondern diese gehen vielmehr nach ihrer subjektiven Bedeutsamkeit gewichtet in das Gesamturteil ein. Werden beispielsweise zwei Merkmale als relevant angesehen, so lässt sich diese Bewertung durch Formel 3.1 abbilden: J = Wi' ai + w 2 ' a2

(3.1)

Dabei beinhaltet J die Gesamtbewertung der betreffenden Option, während durch die Parameter aj und a2 deren Bewertung bezüglich der beiden Merkmalsdimensionen erfasst wird. Die relative Bedeutsamkeit der beiden Aspekte drückt sich in den Gewichtungsparametern W[ und w 2 aus. Es wird in jedem Fall die Option mit der höchsten Gesamtbewertung J bevorzugt. Wie leicht ersichtlich ist, ähnelt das skizzierte Bewertungsmodell stark einer Erwartungsnutzenmodellierung. Fehlende Merkmalsinformationen und damit Bewertungsimplikation einer Merkmalsdimension werden durch die Akteure ergänzt. Als Grundlage der hierbei notwendigen Schlussfolgerungen ziehen die Akteure ihr Hintergrundwissen über den Zusammenhang zwischen den unbekannten und verfugbaren Merkmalen eines Bewertungsgegenstandes heran (Johnson & Levin 1985). Gehen die Akteure in dieser Hinsicht von der Existenz einer hohen positiven Korrelation zwischen den Merkmalsdimensionen aus, so impliziert eine hohe Merkmalsausprägung auf der bekannten Dimension automatisch entsprechende Werte bezüglich der unbekannten Merkmale. Das Vertrauen in die resultieren-

40

III. Framing-Theorien: Ein Überblick

den subjektiven Erwartungen steigt dabei umso stärker an, je höher die Korrelation zwischen den Merkmalsdimensionen wahrgenommen wird. Berücksichtigt man den hier angenommenen Prozess bei der Ausbildung subjektiver Erwartungen, so ergibt sich bei unbekannter Ausprägung der Merkmalsdimension a2 die Bewertung einer Wahloption gemäß der in Formel 3.2 spezifizierten Zusammenhänge: J = Wi' a! + w 2 ' (m ' a[ + k)

(3.2)

Dabei repräsentiert der Term (ma! + k) die indirekt geschlussfolgerte Ausprägung der fehlenden Merkmalsausprägung a2. Der Parameter m beinhaltet den subjektiv wahrgenommenen Zusammenhang zwischen dem fehlenden Merkmal a2 und der bekannten Informationskomponente ai. Durch die Skalierungskonstante k werden dagegen Unterschiede im absoluten Niveau zwischen den beiden Merkmalsdimensionen in die Modellierung eingeführt. Der Ausdruck (ma, + k) repräsentiert somit die subjektiven Erwartungen der Akteure über den Inhalt der fehlenden Informationskomponente. Dem vorliegenden Modell entsprechend sollten Framing-Effekte vom ambiguitätsbasierten Typ generell dann auftreten, wenn bei den FramingBedingungen unterschiedlich bewertete Merkmale der Wahlalternativen nicht verfügbar sind, so dass diese auf der Basis des Hintergrundwissens der Akteure rekonstruiert werden müssen. Bei diesen Schlussfolgerungen sind die Annahmen der Akteure über den Zusammenhang bekannter und fehlender Merkmalsdimensionen von zentraler Bedeutung: Je stärker diese Annahmen mit der objektiven Realität übereinstimmen, desto geringere Framing-Effekte sind hierbei zu erwarten. Ein spezieller Anwendungsfall der Erklärung liegt dann vor, wenn die jeweiligen Komplementärwerte der Erfolgs- oder Misserfolgswahrscheinlichkeiten einer Handlungsoption bei den Framing-Bedingungen nicht explizit dargestellt werden. Unter dieser Bedingung stimmen die subjektiven Erwartungen der Akteure nur dann vollständig zwischen den FramingBedingungen überein, wenn eine perfekt negative Korrelation zwischen den verfügbaren und fehlenden Wahrscheinlichkeitsangaben angenommen wird. Schon bei einer wahrgenommenen Korrelation, die auch nur minimal unter einem Wert von minus eins liegt, werden Unterschiede in den „Beliefs" der Akteure zwischen den Framing-Bedingungen erwartet: Es muss mit systematischen Bewertungsunterschieden und entsprechenden Framing-Einflüssen gerechnet werden (Levin, Johnson & Faraone 1984; Levin et al. 1985). 1.1.2 Konversationsnormen als Erklärung für Framing-Effekte Beim vorliegenden Erklärungsansatz wird der Austausch von Informationen im Rahmen von Kommunikationsbeziehungen und damit eine soziale Komponente als wichtig erachtet. Jede Kommunikation wird demnach durch vier sozial geteilte und normativ definierte Maximen strukturiert (Grice 1975). Es handelt sich hierbei erstens um die „Maxim of Quantity": Kommunikationsbeiträge sollen so informativ wie nötig und so sparsam wie möglich sein. Die zweite Regel beinhaltet die „Maxim of Quality": alle Kommunikationsbeiträge müssen auf ausreichender Evidenz beruhen, so dass diese von den Akteuren als wahr

Informationsmangel als Erklärung für Framing-Effekte

41

angesehen werden können. Die dritte Konversationsnorm wird in der „Maxim of Relation" gesehen: Demnach sind nur solche Äußerungen zu erwarten, die für das aktuelle Ziel der Kommunikation als relevant angesehen werden können. Die letzte Regel des Informationsaustausches besteht in der „Maxim of Manner": Die Kommunikationspartner sollen ihre Beiträge klar, kurz und geordnet vorbringen. Aus dem sozial geteilten Charakter der Kommunikationsnormen ergibt sich die Annahme, dass diese gleichermaßen das Verhalten der Sender und Empfänger von Informationen bestimmen. Die skizzierten normativen Grundlagen der Informationsvermittlung lassen sich zur Erklärung experimentell beobachteter Urteilsverzerrungen und Anomalien des Entscheidungsverhaltens sowie zur Erfassung von Antwortverzerrungen in Umfragen heranziehen. Dabei wird die Theorie auch beim speziellen Erklärungsproblem der Framing-Effekte angewendet. Im Rahmen des Ansatzes wird angenommen, dass alle Forschungskontakte - dies können entscheidungstheoretische Experimente oder sozialwissenschaftliche Interviews sein von den Teilnehmern grundsätzlich als normale Kommunikationssituationen angesehen werden (Schwarz 1996; 1994; Strack & Schwarz 1992). Auch in diesem Kontext interpretieren die Interaktionspartner alle Kommunikationsbeiträge vor dem Hintergrund der im Alltag gültigen Kommunikationsnormen. Durch die Verwendung dieses Regelwissens bilden sich die Forschungssubjekte Erwartungen über die intendierten Kommunikationsinhalte und Zielsetzungen der Forscher aus. In diesem Sinne gehen die Akteure über die in der Situation aktuell verfügbare Information hinaus, so dass die Bewältigung unterschiedlicher Formen von Informationsmangel und Ambiguität möglich wird. Die erste Form von Unsicherheit im Forschungsprozess kann in der häufig bestehenden Interpretationsbedürftigkeit der Frageformulierungen und experimentellen Vorgaben gesehen werden, wobei den Teilnehmern die von den Forschern angestrebten Antwortinhalte unklar sind. Derartige Verständnisschwierigkeiten ergeben sich einerseits bei unklar formulierten und in dieser Hinsicht mangelhaften Forschungsinstrumenten, andererseits müssen sprachliche Äußerungen prinzipiell immer in gewissem Umfang als auslegungsbedürftig angesehen werden. Diese Eigenschaft der Sprache wird im ethnomethodologischen Forschungsprogramm der Soziologie als „Indexikalität" bezeichnet und auch dort als Erklärung für die verbreitete Verwendung von Regelwissen herangezogen (Garfinkel 1967: 4ff.). Eine zweite und ebenfalls schwerwiegende Form von Unsicherheit liegt dann vor, wenn Einstellungsurteile oder Fakteninformationen abgefragt werden, die nicht im Gedächtnis der Befragten verfügbar sind. Die dann beobachteten Angaben sind ad hoc konstruiert und müssen als Ergebnis unterschiedlicher Strategien der Ambiguitätsreduktion verstanden werden. Der Extremfall einer Antwortselektion unter Ambiguität liegt dann vor, wenn sich eine Fragestellung auf fiktive Themen bezieht und somit „Non Attitudes" in ihrer Reinform abgefragt werden (Bishop, Tuchfarber & Oldendick 1986). Mit einer dritten und verwandten Ambiguitätsform muss dann gerechnet werden, wenn sich die Akteure nicht über die korrekte Lösung einer experimentellen Problemstellung im Klaren sind. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn die Akteure nicht über ausreichende kognitive Fähigkeiten für die angemessene Lösung eines Problems verfügen. Auch bei einer solchen Entscheidungssituation muss mit Verfahren

42

III. Framing-Theorien: Ein Überblick

der Ambiguitätsbewältigung und entsprechenden Einflüssen auf das Antwortverhalten gerechnet werden. Bei der Verwendung von Konversationsnormen als Erklärungsansatz wird angenommen, dass die Teilnehmer an Befragungen und Experimenten normalerweise zur Unterstützung der jeweiligen Forschungsaktivität und daher zu einer angemessenen Bewältigung der vorliegenden Ambiguität motiviert sind. Bei diesem Spezialfall einer Kommunikationssituation werden die im Alltag üblichen Lösungsstrategien häufig ausgeschlossen. So werden beispielsweise Rückfragen nur sehr zurückhaltend oder überhaupt nicht beantwortet. Die Existenz von sozialem Druck bewirkt außerdem in vielen Fällen, dass auch Akteure ohne ausreichend verfügbare „wahre"-Werte eine inhaltliche Antwort oder Lösung eines experimentellen Problems anstreben. Dieses Ziel kann jedoch nur durch unterschiedliche Heuristiken des Schlussfolgerns erreicht werden, wobei die Entscheider alle Merkmale des Untersuchungsinstrumentes und des Forschungskontextes heranziehen. Diese Vorgehensweise fuhrt zwar häufig zu suboptimalen Ergebnissen, muss aber unter der Bedingung der vorliegenden Beschränkungen als rationaler Umgang mit dem Problem fehlender Information angesehen werden. Die von den Forschungssubjekten angenommene Gültigkeit der Kommunikationsnormen spielt eine zentrale Rolle dafür, ob bestimmte Schlussregeln als verlässlich betrachtet werden. Da die Maxime der Relevanz auch bei Forschungskontakten als gültig angesehen wird, sehen die Akteure prinzipiell alle Merkmale des Befragungsinstrumentes, die exakte Formulierung experimenteller Stimuli sowie alle Aspekte der gesamten Forschungssituation als bedeutungsvoll an: Diese Oberflächenphänomene werden der Intentionalität der Forscher zugeschrieben und daher grundsätzlich als informativ für die Ambiguitätsbewältigung angesehen: „As a result, research participants will refer to the conversational maxims in inferring the researcher's intended meaning. Hence, they will assume that every contribution of the researcher is relevant to the aims of the ongoing conversation; that every contribution is informative, truthful, and clear; and they will refer to the context of the conversation to resolve any ambiguities that may arise" (Schwarz 1994: 127).

Die wahrgenommene Gültigkeit der Kommunikationsnormen muss im Kontext von wissenschaftlichen Befragungen und Experimenten allerdings objektiv häufig als Fehlannahme angesehen werden. Beispielsweise werden zur Demonstration menschlicher Irrationalität bei entscheidungstheoretischen Experimenten häufig mit Absicht irrelevante Merkmale eingeführt. So wird die Vernachlässigung von Basiswahrscheinlichkeiten dadurch demonstriert, dass diese Information zusammen mit Angaben über stereotype Merkmale des Beurteilungsgegenstandes präsentiert werden (Kahneman & Tversky 1973). Vor dem Hintergrund der „Maxim of Quantity", wonach die Gesamtheit der Kommunikationsbeiträge als relevant angesehen werden muss, berücksichtigen die Entscheider auch die normativ irrelevanten Einzelfallinformationen. Die Existenz ambiguitätsbasierter Framing-Effekte lässt sich leicht durch die Wirksamkeit von Kommunikationsnormen erklären. Wie bereits angesprochen werden bei den Framing-Bedingungen häufig bestimmte Merkmale oder Ergebnisaspekte der Handlungsalternativen explizit dargestellt, während andere

Informationsmangel als Erklärung für Framing-Effekte

43

ungenannt bleiben. Die (falsche) Annahme über die Einhaltung der Kommunikationsnormen durch die Forscher führt dazu, dass die Tatsache fehlender Informationsbeiträge als bedeutungsvoll und damit als entscheidungsrelevant ansehen wird. Unter dieser Bedingung werden dann Schlussfolgerungen über die Ursachen für die nicht genannten Ergebnisinformationen relevant und die Akteure greifen auf zusätzliches Hintergrundwissen zurück: Die subjektive Problemrepräsentation unterscheidet sich dann zwischen den FramingBedingungen (für eine ähnliche Erklärung vgl.: Bless, Betsch & Franzen 1998; Igou, Bless & Schenck 1999). Die Entstehung von ambiguitätsbasierten Framing-Effekten wäre entsprechend darauf zurückzufuhren, dass noch so irrelevante Aspekte des Entscheidungsproblems als kompetenter Kommunikationsbeitrag aufgefasst werden und somit mit einer Garantie der Entscheidungsrelevanz ausgestattet sind. Framing-Effekte als Ergebnis von Informationsunsicherheit sollten dann nicht mehr auftreten, wenn diese Hintergrundannahme entwertet wird.

1.2 Allgemeine Erklärungen ambiguitätsbasierter

Framing-Effekte

Bei der Basisversion des ökonomischen Erklärungsmodells wird die Unterscheidung zwischen Entscheidungen unter Risiko und Ambiguität nicht als relevant angesehen (vgl. hierzu bereits Kapitel II, Abschnitt 1.2.1). Dieser Annahme widersprechen empirische Untersuchungen, bei denen die eigenständige Bedeutsamkeit von Ambiguität für die Qualität des Entscheidungsverhaltens belegt werden kann (Becker & Brownson 1964; Curley & Yates 1985; Curley, Yates & Abrams 1986; Ellsberg 1961; Hogarth & Kunreuther 1985; 1995; Kahn & Sarin 1988 ). Bei allen diesen Studien wird das Entscheidungsverhalten bei der Vorgabe klar definierter Realisierungswahrscheinlichkeiten mit dem bei nur vage definierten Erfolgschancen der Handlungsoptionen verglichen. Die vorliegenden Untersuchungen belegen einerseits, dass die Informationsunsicherheit über die Erfolgsaussichten einer Handlungsoption generell deren Attraktivität reduziert (Yates, Jagacinski & Faber 1978). In Analogie zum Konzept der Risikoeinstellung kann dies als Ausdruck einer negativen Ambiguitätseinstellung angesehen werden. Die prinzipiell negative Ambiguitätseinstellung der Akteure wird jedoch durch weitere Einflussfaktoren qualifiziert. So kann gezeigt werden, dass die Zahlungsbereitschaft der Entscheider für die Vermeidung von Informationsunsicherheit mit der Breite des Bereichs möglicher Erfolgswahrscheinlichkeiten und der damit verbundenen Ambiguität ansteigt (Becker & Brownson 1964). Außerdem nimmt die Stärke der Ambiguitätsaversion, ausgehend von hohen Erfolgswahrscheinlichkeiten zunehmend ab und bei kleinen Erfolgschancen wird dann sogar eine positive Ambiguitätseinstellung beobachtet (Curley & Yates 1989). Weiterhin liegen Belege dafür vor, dass sich die Ambiguitätsaversion der Akteure über das Wahrscheinlichkeitskontinuum dann in unterschiedlicher Art und Weise verändert, wenn über Verbesserungen oder Verschlechterungen entschieden wird. Während die Ambiguitätsaversion bei Verbesserungspotentialen mit steigender Realisierungswahrscheinlichkeiten beständig ansteigt, zeigt sich bei Ver-

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III. Framing-Theorien: Ein Überblick

schlechterungspotentialen eine umgekehrte Tendenz (Hogarth & Einhorn 1990). Um den vorliegenden Beobachtungen Rechnung zu tragen, wird die eigenständige Bedeutsamkeit von Ambiguität in zunehmendem Ausmaß in das ökonomische Erklärungsmodell integriert (als Überblick vgl.: Camerer & Weber 1992). Dabei wird das Ausgangsmodell durch zusätzliche Erklärungsfaktoren ergänzt, ohne dessen grundlegende Erklärungslogik zu verändern. Es lassen sich grob zwei Modifikationsstrategien unterscheiden. Bei einer ersten Gruppe von Ansätzen werden Ambiguitätseinflüsse durch zusätzliche Nutzenparameter in das Ausgangsmodells integriert. Als inhaltliche Grundlage wird hierbei beispielsweise das „Regret"-Argument herangezogen (Sarin & Winkler 1992; Winkler 1991). Da beim Vorliegen von Ambiguität eine Reihe von Erfolgswahrscheinlichkeiten als möglich angesehen werden, antizipieren die Akteure den Eintritt des ungünstigsten Falls. Das Ausmaß des „Regret" oder Bedauerns in dieser Situation geht entsprechend in die Bewertung der betreffenden Handlungsoption ein. Bei der zweiten Klasse von Modifikationen wird dagegen die Wahrscheinlichkeitskomponente der Theorie modifiziert, wobei beispielsweise angenommen wird, dass die Akteure prinzipiell vom negativsten Fall ausgehen und somit die kleinste der möglichen Erfolgswahrscheinlichkeiten als Entscheidungsgrundlage heranziehen (Ellsberg 1961). Andere Ansätze gehen dagegen davon aus, dass die Akteure ganze Klassen von Wahrscheinlichkeitsverteilungen als bedeutsam betrachten und diese nach ihrer „epistemologischen Reliabilität" gewichten (Gärdenfors & Sahlin 1982; Kahn & Sarin 1988). In dieser Reliabilität drückt sich das Vertrauen der Akteure in die Angemessenheit der betreffenden Wahrscheinlichkeitsverteilung aus. Die Entscheidungsrelevanz von Ambiguität kann auch durch gewichtete Wahrscheinlichkeiten in das Entscheidungsmodell eingeführt werden (als Beispiel vgl.: Hogarth & Einhorn 1990). Bei drei Theorien stehen ausdrücklich jene Prozesse im Mittelpunkt, durch die sich die Akteure subjektive Erwartungen ausbilden. Es handelt sich hierbei um die „Mental Model Theory", das Konzept der „Second Order Probabilities " und das Ambiguitätsmodell von Einhorn und Hogarth. Da diese Ansätze nicht ausschließlich auf empirischen Verallgemeinerungen beruhen und nicht auf die Erklärung von Framing-Effekten beschränkt sind, können sie für eine angemessene Erweiterung des ökonomischen Erklärungsansatzes als besonders bedeutsam angesehen werden. Da das Ambiguitätsmodell und das Konzept der „Second Order Probabilities" als Ausgangspunkt für die Modellierung ambiguitätsbasierter Framing-Effekte herangezogen werden und daher in Kapitel IV ausführlich vorstellt werden, beschränkt sich die Darstellung im folgenden auf die „Mental Model Theory". Außerdem sollen im folgenden einige Weiterentwicklungen der Erwartungsnutzentheorie skizziert werden, die unter dem Begriff „Generalized Expected Utility Theory" (GEUT) zusammengefasst werden. 1.2.1 Die Theorie mentaler Modelle Die Theorie mentaler Modelle kann der umfassenderen Kategorie sogenannter „Reasoning"-Theorien zugerechnet werden, bei denen untersucht wird, in welcher Weise die Akteure zu Schlussfolgerungen über unbekannte Eigenschaften

Informationsmangel als Erklärung fiir Framing-Effekte

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der äußeren Realität in der Lage sind. Dabei wird das Hintergrundwissen der Akteure als Grundlage für die Ausbildung subjektiver Erwartungen und damit als wichtiger Erklärungsfaktor des Entscheidungsverhaltens angesehen. Die Motivation der Akteure bei diesen „Belief'-Bildungsprozess wird in der Zielsetzung einer möglichst weitgehenden Zielrealisierung gesehen: „Human beings have desires and needs, and they use their knowledge to decide what to do and to infer how best to achieve their goals. They reason in order to make decisions and to justify them both to themselves and others; they reason in order to determine the consequences of their beliefs and of their hypothetical actions; they reason to work out plans of actions. They make decisions about what values to treat as paramount; they make decisions about what actions to take; and they make decisions on what information to base their reasoning on. Hence, there is an interdependence between reasoning and decision making" (Johnson-Laird & Shafir 1993: If.).

Aus der Perspektive aller „Reasoning"-Theorien beruht ein bedeutender Teil der Akteursüberzeugungen nicht auf direkt verfügbarer Evidenz. Diese werden vielmehr auf der Grundlage verfügbarer Informationen und unterschiedlicher Regeln des Schlussfolgems indirekt erschlossen. Gemäß der unterschiedlichen Qualität der hierbei relevanten Schlussregeln lassen sich grob drei Gruppen von Theorien unterscheiden. Dabei handelt es sich erstens um Ansätze, bei denen die Schlussfolgerungen der Akteure auf allgemeingültigen Regeln und formaler Logik beruhen (Rips 1983). Dagegen wird bei einer zweiten Erklärungsrichtung angenommen, dass sich die Überzeugungen der Akteure immer nur durch bereichsspezifisch definierte und für bestimmte Inhalte gültige Regeln prognostizieren lassen. Entsprechend werden beispielsweise bei der Theorie der „Pragmatic Reasoning Schemata" für unterschiedliche Situationstypen qualitativ verschiedene Schlussfolgerungen prognostiziert (Cheng & Holyoak 1985). Derartige Situationstypen werden beispielsweise durch soziale Rollen und die dabei resultierenden Erwartungen der Akteure an die soziale Umwelt definiert (Politzer & Nguyen-Xuan 1992). Als dritter Ansatz zur Rekonstruktion subjektiver „Beliefs" kann die Theorie mentaler Modelle („Model Theory") genannt werden. Bei diesem Erklärungsansatz werden die Überzeugungen der Akteure immer auf die „lokalen" Wahrnehmungen und Interpretationen in der aktuellen Situation zurückgeführt: „The mind does not contain any formal rules of inference akin to a system of 'natural deductions'. Instead, people reason from a understanding of a situation, and so their starting point is a set of mental models - often, a single model - constructed from perceiving the world or from comprehending discourse. They formulate a conclusion based on the set of models. And they evaluate the conclusion by searching for alternative models that might refute it" (Legrenzi, Girotto & Johnson-Laird 1993).

Bei den drei angesprochenen „Reasoning"-Theorien nimmt die Prägekraft allgemeingültiger Regeln für die Entstehung subjektiver Erwartungen, ausgehend von der Theorie logikbasierter Schlussfolgerungen bis hin zur Theorie mentaler Modelle, stetig ab. Dagegen nimmt gleichzeitig die Bedeutsamkeit situational bedingter Einflussfaktoren immer stärker zu. Somit wären im Rahmen der „Model Theory" die größten Einflüsse wechselnder Merkmale der Handlungsalternativen sowie des Entscheidungskontextes zu erwarten.

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III Framing-Theorien: Ein Überblick

Bei der Theorie mentaler Modell wird generell angenommen, dass die Urteile und Handlungen der Akteure immer auf einer subjektiven Repräsentation der Entscheidungssituation beruhen. Eine solche kognitive Situationsrepräsentation wird als mentales Modell bezeichnet und enthält Aussagen über die relevanten Elemente der Handlungsumwelt, deren angemessene Interpretation sowie Angaben über die aktuell gültige Struktur kausaler Zusammenhänge: „Stated simply, the model theory maintains that people reason by constructing a representation of model of the state of affairs described in the premises, based on the meanings of the premises and general knowledge; next it is at all possible, they formulate a novel conclusion based on the model, and if there are no alternative models of this premises that refute the conclusion they may draw it as a valid inference" (Eysenck & Keane 1991:440).

Mentale Modelle können gewissermaßen als situational gültige Theorien über die Verhältnisse in der Handlungsumwelt angesehen werden. Auf dieser Grundlage sind die Akteure zu Prognosen über den Inhalt fehlender Informationen und zur Ausbildung aktuell angemessener Erwartungen in der Lage. Mentale Modelle einer Situation sind allerdings aus Gründen der beschränkten Akteursrationalität immer unvollständig und repräsentieren nur selektive und wechselnde Ausschnitte der Entscheidungsrealität. Der potentielle Einfluss unterschiedlicher Framing-Bedingungen kann darin gesehen werden, dass sich die hierbei vorliegende Selektivität in der Informationsdarstellung und die resultierende positive oder negative „Färbung" auf die mentalen Modelle der Akteure auswirken. Eine Revision dieser spontanen Situationsrepräsentation ist dann zu erwarten, wenn die Schlussfolgerungen des dominanten Modells mit den vorliegenden Daten oder alternativen Situationsmodellen in Widerspruch geraten. Unter dieser Bedingung suchen die Akteure dann nach einer angemesseneren und möglicherweise vollständigeren Situationsrepräsentation. Insgesamt handelt es sich bei der „Model Theory" um einen wenig einheitlichen und kohärenten Erklärungsansatz. Dabei werden keine allgemeingültigen Angaben über die Entstehungsprozesse und die zu erwartenden Inhalte der mentalen Repräsentationen gemacht (Oaksford & Chater 1998: 104ff.). Die skizzierte Orientierungshypothese wird vielmehr zur Rekonstruktion sehr unterschiedlicher Phänomene herangezogen, deren grundlegenden Entstehungsbedingungen mit denen der drei hier als relevant angesehenen Framing-Typen in Übereinstimmung stehen. So wird der Inhalt mentaler Modelle einerseits durch solche Oberflächenphänomene des Entscheidungskontextes erklärt, die im Rahmen heuristikbasierter Framing-Effekte als heuristische „Cues" interpretiert werden (vgl. hierzu Abschnitt 2.1.5 in diesem Kapitel). Andererseits wird die spezifische Selektivität der Situationsrepräsentation teilweise auch als Ergebnis von Prozessen der Schemaaktivierung angesehen, wobei die Erklärung mit dem Grundkonzept schemabasierter Framing-Effekte übereinstimmt (vgl. Abschnitt 3.2.4 im vorliegenden Kapitel). In wieder anderen Anwendungen der Theorie steht dagegen die Existenz von Informationsmangel im Mittelpunkt der Erklärung. Demnach müssen die Akteure unter der Bedingung von Ambiguität unvollständig bekannte und entscheidungsrelevante Fakten durch eine aktive Interpretationsleistung erschließen:

Informationsmangel als Erklärung für Framing-Effekte

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„Like most everyday problems that call for reasoning, the explicit premises leave most of the relevant information unstated. Indeed, the real business of reasoning in these cases is to determine the relevant factors and possibilities, and it therefore depends on the knowledge of the specific domain" (Johnson-Laird 1986: 45).

Dabei ist es so, dass durch die Existenz von Informationsmangel erstens die „Freiheitsgrade" für die Konstruktion unterschiedlicher mentaler Modell erhöht wird: Die Chance für Widersprüche zwischen der kognitiven Situationsrepräsentation und den Daten der äußeren Umwelt sinkt. Informationsmangel wirkt sich zweitens auf die Konstruktion mentaler Repräsentationen aus, da dann fehlende Fakten häufig einfach nicht berücksichtigt werden. Drittens ergibt sich unter diesen Umständen die drängende Notwendigkeit für eine aktive Ausbildung von „Beliefs" durch die Akteure. Diese Notwendigkeit ist umso wahrscheinlicher, je zentraler die fehlende Information für die Lösung der jeweiligen Problemstellung angesehen werden muss. Alle drei Gründe bewirken, dass die „Beliefs" der Akteure bei Entscheidungen unter Ambiguität in zunehmendem Ausmaß auf indirekten Schlussfolgerungen beruhen und sich somit immer stärker von den Zuständen der objektiven Realität entfernen. Mit der Theorie „Probabilistischer Mentaler Modelle" (PMM-Theorie) wurde eine relativ exakte und speziell auf das Problem subjektiver Wahrscheinlichkeitsschätzungen bezogene Version der „Model Theory" vorgelegt (Gigerenzer 1998; Gigerenzer, Hoffrage & Kleinbölting 1991). Bei diesem Erklärungsansatz wird angenommen, dass die Wahrscheinlichkeitsurteile der Akteure entweder auf einem „lokalen mentalen Modell" oder auf einem „probabilistischen mentalen Modell" der Problemstellung beruhen. Bei der Ausbildung eines „lokalen mentalen Modells" werden ausschließlich direkt verfügbare Informationen oder Gedächtnisinhalte herangezogen. Wenn eine derartige Informationsgrundlage allerdings nicht verfügbar ist, dann beruhen die subjektiven Erwartungen der Akteure auf einem „probabilistischen mentalen Modell". Die Akteure ziehen hierbei implizite Theorien über die Korrelation zwischen der unbekannten Zielvariable und den bekannten Merkmalsdimensionen des Urteilsgegenstandes als Grundlage der Schlussfolgerungen heran. Allerdings wird das hierbei verwendete Hintergrundwissen immer nur für bestimmte Referenzklassen von Objekten, Ereignissen oder Handlungen als gültig angesehen. Die inhaltlichen Schlussfolgerungen über die Eigenschaften der Handlungsoptionen und die darauf beruhenden Erfolgserwartungen sind daher von der Klassifikation des jeweiligen Urteilsgegenstandes in unterschiedlichen Kategorien abhängig. Außerdem wird eine bestimmte Schlussregel nur dann als anwendbar angesehen, wenn diese zu eindeutigen Ergebnissen führt. Ein Beispiel soll diesen Prozess des Schlussfolgems demonstrieren: Ein Akteur soll bewerten, welche von zwei Städten größer ist: Beispielsweise Köln oder Dresden. Die hierfür notwendige Information über die Zieldimension „Einwohnerzahl" steht dem Akteur nicht zur Verfügung: Die Ausbildung eines „lokalen mentalen Modells" ist somit nicht möglich. Den Akteuren ist aber bekannt, dass in Köln ein Bundesligaverein spielt, während dies in Dresden nicht der Fall ist. Wenn die Akteure weiterhin eine Regel über den Zusammenhang zwischen der Existenz eines Bundesligavereins und der Stadtgröße als gültig ansehen, dann beinhalten die bekannten Merkmale einen „Probability Cue" fur die unbekannte Einwohnerzahl der beiden Städte. Diese Heuristik wäre jedoch nicht anwendbar, wenn sich die Urteilsaufgabe auf

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III. Framing-Theorien: Ein Überblick die Lebensqualität der betreffenden Städte beziehen würde: Hierbei handelt es sich um eine Problemstellung einer nicht passenden Referenzklasse. Die Schlussregel wäre ebenfalls dann nicht anwendbar, wenn die Einwohneranzahl von Heidelberg und Dresden verglichen werden sollte: Keine der beiden Städte hat einen Bundesligaverein. Allerdings könnte hier dann das Merkmal „Landeshauptstadt" und die entsprechende Schlussregel als Grundlage der „Belief'-Bildung herangezogen werden. In diesem Fall würde von den Akteuren angenommen, dass Dresden eine höhere Einwohnerzahl hat. Welche Zuverlässigkeit den jeweiligen Schlussfolgerungen zugeschrieben wird, hängt von der wahrgenommenen Stärke und Gültigkeit der verwendeten Zusammenhänge ab. Wie stark ist der Zusammenhang zwischen der Einwohnerzahl und der Existenz eines Bundesligavereins in der Realität? Mit welcher Wahrscheinlichkeit sind Landeshauptstädte größer als andere Städte?

Im Rahmen der PMM-Theorie wird prinzipiell angenommen, dass die Akteure möglichst zuverlässige und anwendbare „Probability Cues" heranziehen (Gigerenzer, Hoffrage & Kleinbölting 1991). Die mentalen Modelle und die darauf basierenden Schlussfolgerungen der Akteure beruhen somit auf der jeweils besten Heuristik zur Überwindung der bestehenden Informationsknappheit. Dabei steigt die Validität einer Schlussregel dann an, wenn die Entscheider über mehr Erfahrungen und Wissen in einem inhaltlich definierten Anwendungsgebiet verfügen. Dies ist auch dann der Fall, wenn die Regel auf starken Zusammenhängen in der objektiven Realität beruhen: Die subjektiven „Beliefs" bilden dann eine gute Annäherung an die Zustände der externen Realität. Wenn dagegen die Urteilsfähigkeit der Entscheider und die Validität des Regelwissens zunehmend zurückgeht oder keine heuristischen „Cues" als anwendbar angesehen werden, so muss mit stark verzerrten subjektiven Urteilen gerechnet werden. Da sich das Ausmaß des Hintergrundwissens stark zwischen den Akteuren und Anwendungsgebieten unterscheidet, muss mit entsprechenden Unterschieden im Inhalt der jeweils resultierenden mentalen Modelle gerechnet werden. Eine weitere Ursache für die Existenz unterschiedlicher und potentiell verzerrter subjektiver Überzeugungen kann darin gesehen werden, dass sich die Eigenschaften der Handlungsumwelt verändern können (Gigerenzer, Hoffrage & Kleinbölting 1991: 51 Of.). So verliert unter „normalen" Umständen hoch adaptives Erfahrungswissen die Fähigkeit zur Generierung angemessener Erwartungen, wenn neue oder untypische Urteilssituationen vorliegen. Ein besonderer Spezialfall liegt dann vor, wenn die im Experiment präsentierten Urteilsprobleme Eigenschaften besitzen, die für die übliche Umwelt und den Erfahrangshorizont der Akteure nicht repräsentativ sind. Sollen Akteure beispielsweise die Wahrscheinlichkeit für die korrekte Beantwortung von Wissensfragen angeben, so kann die Problemlösung nicht durch direkt verfügbare Informationen generiert werden. Statt dessen ziehen die Akteure ihre Erfahrungen bei der Lösung „durchschnittlich schwerer" Fragestellungen heran. Stimmt nun die Qualität des aktuell vorliegenden Fragesamples nicht mit der Referenzklasse „normal schwerer" Wissensfragen überein, so ergeben sich notwendigerweise verzerrte Einschätzungen der Versuchspersonen. Derartig verzerrende Einflüsse sind immer dann zu erwarten, wenn die Qualität experimentell erzeugter Randbedingungen von den Eigenschaften der Alltagserfahrung der Versuchspersonen abweichen.

Informationsmangel als Erklärung für Framing-Effekte

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Auf der Basis der skizzierten Theorie lassen sich Prognosen darüber treffen, unter welchen Umständen sich verzerrte Schlussfolgerungen über fehlende Informationskomponenten bei Framing-Problemen ergeben und durch welche Einflüsse individuelle Unterschiede in den subjektiven „Beliefs" der Akteure zu erwarten sind. Obwohl die Akteure bei ihren Schlussfolgerungen die verfügbare Evidenz optimal ausnutzen und rational mit dem Problem beschränkter Informationsverfügbarkeit umgehen, wird die fehlende Information dann in unerwartete Art und Weise ergänzt, wenn die Problemstellung durch die Versuchspersonen und die Forscher in verschiedene Referenzgruppen eingeordnet wird: Die jeweiligen Schlussfolgerungen beruhen auf unterschiedlichen mentalen Modellen und damit auf verschiedenen Regeln des Schlussfolgerns. Framing-Effekte sind unter diesen Bedingungen dann zu erwarten, wenn das Entscheidungsverhalten der Akteure auf den resultierenden „Beliefs" basiert. Die Ausbildung subjektiver Erwartungen und damit potentiell die Entstehung von Framing-Effekten, wird im Rahmen der Theorie probabilistischer mentaler Modell implizit durch die Verwendung heuristischer Schlussregeln erklärt. Dennoch unterscheidet sich der Ansatz wesentlich von den, im folgenden Abschnitt 2 in diesem Kapitel dargestellten Theorien zur Erklärung heuristikbasierter Framing-Effekte. Die Heuristiknutzung im Sinne des vorliegenden Erklärungsansatzes fuhrt zwar häufig zu suboptimalen Entscheidungen, muss aber unter der Bedingung beschränkter Informationsverfugbarkeit dennoch als optimale Strategie angesehen werden. Wie noch gezeigt wird, lassen sich dagegen heuristikbasierte Framing-Effekte auf die „freiwillige" Verwendung einfacher Informationsverarbeitungsstrategien und dem damit verbundenen Verzicht auf verfügbare Informationskomponenten zurückführen. 1.2.2 Generalisierte Erwartungsnutzentheorien Unter dem Begriff generalisierte Erwartungsnutzentheorien (GEU-Theorien) werden meist in hohem Ausmaß formalisierte und oft axiomatisierte Modifikationen der (subjektiven) Erwartungsnutzentheorie zusammengefasst (als Überblick vgl.: Camerer 1995; Camerer & Weber 1992; Fishburn 1994; Machina 1989; Starmer 2000). Dabei bezieht sich das Attribut „generalisiert" auf den Versuch eine ganze Reihe von Anomalien der ökonomischen Handlungstheorie zu erklären, und in das Ausgangsmodells zu integrieren. Bei diesen Ansätzen wird beispielsweise versucht das Ellsberg-Paradox als zentrale Anomalie der Erwartungsnutzentheorie zu erklären (Ellsberg 1961; Camerer & Weber 1992; vgl. auch Abschnitt 1.2.1 in Kapitel II oben). Bei dieser Anomalie wird beobachtet, dass sich das Entscheidungs- und speziell das Risikoverhalten der Akteure dann unterscheidet, wenn es sich bei der Unsicherheit über die Handlungskonsequenzen um exakt quantifizierte Wahrscheinlichkeiten oder um Ambiguität handelt. Entsprechend steht hier die Modellierung der Risiko- bzw. Ambiguitätseinstellung der Entscheider im Vordergrund. Dabei werden bei den im folgenden skizzierten GEU-Theorien die axiomatischen Grundlagen der Erwartungsnutzentheorie modifiziert und abgeschwächt 3 . 3

Im Rahmen der Axiome der Nutzentheorie werden jene Anforderungen an das Entscheidungsverhalten der Akteure definiert, die als Anwendungsvorrausetzung für den Erklärungs-

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III. Framing-Theorien: Ein Überblick

Im Rahmen der (subjektiv) gewichteten Nutzentheorien (WEUT) wird angenommen, dass die Ergebnispotentiale abgesehen von der Transformation durch die Nutzenfunktion u(x,) weiterhin durch die Gewichtungsfunktion g(Xi) vermittelt in die Gesamtbewertung eingehen. Da der resultierende Gewichtungsfaktor von der Ausprägung von X; und damit von der Größe der Ergebnispotentiale abhängig ist, werden im Rahmen dieses Ansatzes unterschiedliche Gesamtbewertungen der Wahloptionen prognostiziert, wenn die möglichen Handlungskonsequenzen unterschiedlich attraktiv sind (Chew 1983; Fishburn 1983; Hazen 1987). In Hinblick auf die Gewichtungsfunktion wird eine konkave Form angenommen, so dass die Entscheider zunehmend risikoaverser werden, wenn die zu beurteilenden Lotterien und damit die Ergebnispotentiale vorteilhafter werden („fanning-out"). Dabei wird ein linearer Zusammenhang zwischen der Attraktivität der vorliegenden Ergebnispotentiale und der Risikoeinstellung der Akteure angenommen. Die Gesamtbewertung der Handlungsoptionen lässt sich durch Gleichung 3.3 repräsentieren (Machina 1995: 627): V(q) = [ ΣΡ." g( x i) " u(Xj)]/[ ΣΡί" w( Xi )]

(3.3)

Ambiguitätsbasierte Framing-Effekte beruhen darauf, dass bei den FramingBedingungen Informationen über unterschiedlich attraktive Ergebnisaspekte beispielsweise komplementäre Handlungsresultate - explizit dargestellt werden oder der Ergänzung durch die Entscheider überlassen bleiben. Im Rahmen der WEUT kann entsprechend erwartet werden, dass die unterschiedlich bewerteten Handlungsresultate innerhalb der Framing-Bedingungen durch verschiedene Gewichte versehen in die Gesamtbewertung eingehen. Die bei Framing-Effekten häufig beobachteten Unterschiede in der Risikoeinstellung können so potentiell in die formale Modellierung des Erwartungsnutzenmodells integriert werden. Eine Erklärung der Entstehungsprozesse der FramingEinflüsse bietet eine solche Vorgehensweise aber nicht. Bei anderen Varianten der WEUT - beispielsweise der „Lottery-Dependent Utility Theory" oder der „Quadratic-Utility Theory" - werden im Rahmen der jeweiligen Theorie auch keinerlei Restriktionen für die Form der Gewichtungsfunktionen vorgegeben. Auf der Grundlage dieser Ansätze kann somit zwar ein Maximum an empirischen Beobachtungen „technisch" modelliert werden, der empirische Gehalt

ansatz erfüllt sein müssen (Eisenfiihr & Weber 1994: 203ff.; Fishbum 1994). Die wichtigsten axiomatischen Grundlagen der Erwartungsnutzentheorie lassen sich in einer informellen Art und Weise wie folgt zusammenfassen: Ordnungsaxiom: Hierbei wird erstens angenommen, dass die Akteure die Entscheidungsoptionen zumindest in eine schwache Präferenzordnung bringen können (Vollständigkeit). Zweitens wird ebenfalls angenommen, dass hinsichtlich der Gesamtheit aller paarweißen Präferenzaussagen keine Widersprüche vorliegen (Transitivität). Dominanzaxiom: Optionen deren Realisierungswahrscheinlichkeit bzw. Ergebnispotential - bei ansonsten gleichen Merkmalen - kleiner sind als die der Alternativen, werden nicht gewählt (Wahrscheinlichkeits- bzw. Zielbeitragsdominanz). Stetigkeitsaxiom: Die Wertschätzung von kontinuierlichen Gütern hat keine Sprünge. Die Attraktivität von Optionen entwickelt sich auch über das Wahrscheinlichkeitskontinuum linear (Linearitätsannahme). Unabhängigkeitsaxiom: Die Hinzunahme eines Umweltzustandes mit gleichen Implikationen für alle Handlungsoptionen hat keinen Einfluss auf die Präferenzreihenfolge der Optionen.

Informationsmangel als Erklärung für Framing-Ejfekte

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und die Prognosekraft dieser Ansätze muss jedoch als degeneriert betrachtet werden (Starmer 2000: 345). Bei „Disappointment"- oder „Regret"-Theorien wird angenommen, dass die Bewertung der Ergebnispotentiale einer riskanten Entscheidungsoption von der Qualität der alternativen Handlungsausgänge abhängt (Bell 1985; Looms & Sudgen 1982). Bei diesem Ansatz wird demnach das Unabhängigkeitsaxiom des Ausgangsmodells außer Kraft gesetzt. Angenommen es existieren zwei Lotterien: L,=10.000 DM, 0.99; 0 DM, 0.01 und L 2 =-10.000 DM, 0.99; 0 DM, 0.01. Wenn ein Akteur bei diesen Lotterien jeweils null erhält, so impliziert dies im Rahmen der hier angesprochenen Theorien unterschiedliche emotionale Konsequenzen. Es wird angenommen, dass der Entscheider im ersten Fall enttäuscht ist („Regret") und im zweiten Fall Erleichterung empfinden („Elation") (Eisenfiihr & Weber 1994: 342ff.). „Disappointment"-Theorien gehen davon aus, dass die Akteure diese Gefühle vor der Entscheidung antizipieren und bei ihrer Handlungsselektion einbeziehen. Die hierbei wirksamen positiven oder negativen emotionalen Reaktionen werden durch den kontextspezifischen Zusatznutzenterm D(.) in die Gesamtbewertung der Handlungsoptionen einbezogen (vgl. Formel 3.4). Dabei ziehen die Akteure den Erwartungswert Ü der Konsequenzen Xj einer Lotterie als Referenzpunkt heran. Die bewerteten Abweichungen der einzelnen Konsequenzen von diesem Erwartungswert gehen dann als Zusatznutzen in die Bewertung der Lotterie ein. Da weiterhin angenommen wird, dass die Disappointment-Nutzenfunktion D(.) für positive Werte („Elation") konvex und für negative Abweichungen („Regret") konkav ist, heben sich die resultierenden Zusatznutzenterme in der Summe nicht gegenseitig auf. V(q) = I P i X x O + D M x O - Ü ) ]

(3.4)

Bei „Disappointment"-Theorien wird das Unabhängigkeitsaxiom abgeschwächt oder aufgehoben, so dass das Entscheidungsverhalten der Akteure als kontextabhängig angesehen wird. Diese Ansätze sind dann bei der Erklärung von ambiguitätsbasierten Framing-Effekten relevant, wenn bei der Beschreibung der Handlungsoptionen Konsequenzenpotentiale unvollständig dargestellt werden, so dass sich der Erwartungswert dieser Konsequenzen zwischen den Framing-Bedingungen unterscheidet. Der emotional basierte Zusatznutzen der Optionen aus der antizipierten Enttäuschung oder Freude unterscheidet sich dann zwischen den Framing-Bedingungen, so dass Unterschiede im Entscheidungsverhalten erklärt werden können. Bei anderen Varianten der GEU-Theorie beruhen die Gewichtungsparameter nicht auf einer Transformation der Ergebnispotentiale, sondern die objektiven Eintrittswahrscheinlichkeiten gehen gewichtet in die Gesamtbewertung ein. Dabei hat die Bewertungsgleichung die folgende allgemeine Form: V(q) = Χπ(ρ,) ' u(Xj). Die Wahrscheinlichkeitsgewichtungsfunktion π(.) kann hierbei entweder eine konvexe oder konkave Form annehmen, so dass die Realisierungswahrscheinlichkeiten entweder mit zunehmender Größe über- oder untergewichtet werden. In jedem Fall wird bei diesen Ansätzen die Annahme der Additivität von Wahrscheinlichkeiten zu einem Wert von eins aufgegeben (Schmeidler 1989). Demnach kann die Summe der Erfolgswahrscheinlichkeit ρ

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III. Framing-Theorien:

Ein Überblick

einer bestimmten Handlungsoption und deren Misserfolgswahrscheinlichkeit (1-p) entweder kleiner (Subadditivität) oder größer (Superadditivität) als eins sein. Diese Eigenschaft der Theorie hat zur Folge, dass einerseits das Dominanzaxiom nicht in allen Fällen gültig ist (Starmer 2000: 347). Andererseits muss die Verwendung von Erfolgswahrscheinlichkeiten oder die Orientierung an den komplementären Misserfolgserwartungen nicht immer zum gleichen Ergebnis führen: Die Maximierung von positivem Nutzen und die Minimierung von negativen Konsequenzen unterscheidet sich. In Hinblick auf die Erklärung ambiguitätsbasierter Framing-Effekte bedeutet dies, dass die explizit dargestellten Erfolgs- bzw. komplementären Misserfolgswahrscheinlichkeiten und die fehlenden Informationskomponenten jeweils getrennt gewichtet werden. Je deutlicher diese von der 50 Prozentmarke abweichen, desto größer wird das Gewicht kleiner Eintrittswahrscheinlichkeiten bei einer konkaven und die Bedeutung großer Realisierungschancen bei einer konvexen Gewichtungsfunktion. Zusätzlich kann angenommen werden, dass die explizit verfügbaren objektiven Wahrscheinlichkeitskomponenten mit einem höheren Gewicht in die Gesamtbewertung der Handlungsoptionen eingehen. Auch bei rangplatzabhängigen Nutzentheorien (RDEU) werden die Realisierungswahrscheinlichkeiten durch eine Gewichtungsfunktion π transformiert und gehen erst dann in die Bewertung der Handlungsoptionen ein (Quiggin 1993). Da sich die Gewichtung hier allerdings auf die kumulierte Wahrscheinlichkeitsverteilung bezieht, kann hierbei das Dominanzaxiom weiterhin als gültig betrachtet werden. Die Bewertung der Handlungsoptionen ergibt sich bei dieser Theorie nach der folgenden Gleichung (Camerer 1995): V(q) = Iu(Xi) [π (pj+ ... +p„) - 7i(pJ+l+ ... +p n )]

(3.5)

Die insgesamt resultierenden Wahrscheinlichkeitsgewichte ergeben sich einerseits als Funktion der objektiven Realisierungswahrscheinlichkeiten. Andererseits hängt das Ergebnis des Gewichtungsprozesses von der Attraktivität des jeweiligen Ergebnispotentials ab, auf das sich die betreffende Wahrscheinlichkeit bezieht. Das prognostizierte Entscheidungsverhalten hängt auch bei dieser Theorie in starkem Ausmaß von der angenommenen Form der Gewichtungsfunktion π(.) ab. So wird bei der Gültigkeit einer konkaven Funktion vorhergesagt, dass die Eintrittswahrscheinlichkeiten von weniger wertgeschätzten Ergebnissen über- und die von höher bewerteten Ergebnispotentialen untergewichtet werden. Unter dieser Bedingung ergibt sich die Annahme pessimistischer Entscheider. Wird dagegen bei der Funktion eine konvexe Form angenommen, so liegen umgekehrte Prognosen vor. Da auch bei diesem Ansatz keine theoretisch basierte Annahme über die Form der Gewichtungsfunktion gemacht wird, lassen sich bei geeigneten Annahmen in dieser Hinsicht ambiguitätsbasierte Framing-Effekte prinzipiell erklären. So kann angenommen werden, dass genannte Erfolgs- bzw. komplementäre Misserfolgswahrscheinlichkeiten durch eine konvexe Gewichtungsfunktion über- bzw. unterschätzt werden: Die Entscheider sind prinzipiell optimistisch. Wenn zusätzlich angenommen wird, dass die nicht direkt verfügbaren und somit mit Ambiguität behafteten Komponenten verstärkt in dieser Weise gewichtet werden, so kann

Informationsmangel als Erklärung für Framing-Effekte

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mit entsprechenden Unterschieden in der Bewertung der Handlungsoptionen zwischen den Framing-Bedingungen gerechnet werden. Bei der kumulativen Variante der Prospect-Theorie wird - zusätzlich zu der im folgenden Abschnitt 4 dargestellten s-fÖrmigen Art der Wahrscheinlichkeitsgewichtung und der vorzeichenabhängigen Art der Nutzenfunktion - ebenfalls von einer rangplatzabhängigen Gewichtung der Realisierungswahrscheinlichkeiten ausgegangen (Tversky & Kahneman 1992; Wakker & Tversky 1993). Hier wird in Hinblick auf die Form der Gewichtungsfunktion angenommen, dass weniger vorteilhafte Ereignisse ein größeres Gewicht erhalten, als solche die stärker positiv bewertet werden: Es handelt sich also um pessimistische Akteure. Weiterhin wird davon ausgegangen, dass auch die Form der Gewichtungsfunktion vorzeichenabhängig ist und somit durch die Lage des Referenzpunktes beeinflusst wird. Die angesprochenen GEU-Theorien sind - im Vergleich zu vielen anderen in diesem Kapitel dargestellten Erklärungsansätzen - stark formal modelliert und sind somit prinzipiell in der Lage Zusammenhänge exakt zu prognostizieren. Im Gegensatz zur konventionellen Nutzentheorie ermöglichen die Ansätze außerdem eine Modellierung der Risikoeinstellung der Akteure, die unabhängig von der Annahme abnehmender Grenzeffekte bei der Bewertung von Ergebnispotentialen ist. Abgesehen von diesen Vorteilen muss allerdings festgestellt werden, dass die starke Konzentration der Ansätze auf die Formalisierang und Axiomatisierung der zugrundeliegenden Annahmen zu einer Vernachlässigung inhaltlicher Argumente für die prognostizierten Zusammenhänge führt. Bei den angesprochenen Ansätzen wird vielmehr in hohem Ausmaß darauf vertraut, dass beispielsweise die Randbedingungen für die unterschiedliche Form der Gewichtungsfunktionen auf induktivem Weg empirisch ermittelt werden können. In Hinblick auf die Probleme induktiver Theoriebildung muss diese Vorgehensweise jedoch als eingeschränkt erfolgsversprechend erachtet werden.

2. Heuristiknutzung als Erklärung für Framing-Effekte Bei einer zweiten Gruppe theoretischer Ansätze werden Framing-Effekte mehr oder weniger explizit als das Ergebnis der Nutzung einfacher Heuristiken erklärt. Eine Heuristik lässt sich ganz allgemein wie folgt definieren: „A heuristic is a rule or guideline that is easily applied to make complex tasks more simple. While the heuristics for the most part lead to appropriate judgments, they may not always do so" (Detmer, Fryback & Gassner 1978).

Bei Heuristiken handelt es sich demnach um solche Regeln, durch die eine einfache Lösung der jeweils vorliegenden Entscheidungs- oder Beurteilungsaufgaben möglich wird. So sind die Akteure trotz beschränkter Rationalität und dem Streben nach kognitiver Sparsamkeit immer zu einer Problemlösung in der

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III. Framing-Theorien: Ein Überblick

Lage. Dieser Vorteil muss häufig durch suboptimale Urteile und Entscheidungen „erkauft" werden. Generell lassen sich zwei Typen von Heuristiken unterscheiden. Es handelt sich hierbei erstens um sogenannte Urteilsheuristiken, die bei der Wahrnehmung, kognitiven Verarbeitung von Informationen und damit für die inhaltliche Ausbildung der entscheidungstragenden Parameter bedeutsam sind (Tversky & Kahneman 1982b). So stellt beispielsweise die sogenannte „Representativeness Heuristic" eine vereinfachende Regel der Informationsverarbeitung dar, wobei aus der oberflächlichen Ähnlichkeit zwischen einer Person und dem Prototyp eines Gruppenmitglieds auf die Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe geschlossen wird. Auch die Bedeutsamkeit der „Availability Heuristic" konnte nachgewiesen werden, wobei die Akteure die Leichtigkeit mit der ein Ereignis im Gedächtnis verfügbar ist als Indikator für dessen Wahrscheinlichkeit in der externen Realität heranziehen (Tversky & Kahneman 1973). Weiterhin üben besonders konkrete, eindringliche und leicht sichtbare Informationen einen unangemessen hohen Einfluss auf das Urteilsund Entscheidungsverhalten der Akteure aus (Nisbett & Ross 1980: 43ff.). Auch bei der Verwendung dieser „Vividness Heuristic" werden normativ relevante, aber weniger leicht verfügbare Informationen zu wenig berücksichtigt. Beim zweiten Heuristik-Typ handelt es sich um suboptimale Regeln der Entscheidungsfindung, bei denen nur ein Teil der verfügbaren und relevanten Entscheidungsinformation verwendet wird. Es werden entweder nur Erfolgswahrscheinlichkeiten oder Ergebnispotentiale, manchmal auch ausgewählte Teilmengen der beiden Informationsdimensionen herangezogen. In anderen Fällen beruht die Handlungsselektion nur auf leicht zugänglichen und daher unaufwendig verwendbaren, aber instrumentell wenig validen Oberflächenmerkmalen der Optionen. Bei vielen Heuristiken wird auch die „Trade O f f ' Beziehung zwischen der Wert- und Erwartungsdimension nicht oder nur unzureichend berücksichtigt: Nach dem Rationalitätsstandard des ökonomischen Entscheidungsmodells ergibt sich die Gesamtbewertung einer Wahloption aus der multiplikativen Verknüpfung der Nutzenpotentiale und Realisierungswahrscheinlichkeiten (Payne et al. 1995). Die „Lexicographic Rule" kann als Beispiel für eine solche Heuristik genannt werden. Hierbei bestimmen die Akteure zuerst die wichtigste Ergebnisdimension und wählen dann jene Alternative, die im Hinblick auf dieses Kriterium die besten Ergebnisse erwarten lässt. Die Ergebnisinformationen bei allen anderen Dimensionen bleiben dagegen unberücksichtigt (Payne, Bettman & Johnson 1988). Ebenfalls als sehr einfache Selektionsregeln können die „Expertenheuristik" („Vertraue den Urteilen von Fachleuten"), die „Sympathieheuristik" („Menschen die sich mögen, stimmen in ihren Bewertungen überein") oder die habituelle „Affect Referral Heuristic" („Erinnere dich an frühere Handlungsbewertungen") angesehen werden (Chaiken 1980; Taylor et al. 1979; Wright 1975). Dies gilt auch für die „Salienzheuristik", bei der die relative Sichtbarkeit positiver und negativer Merkmale der Handlungsoptionen als Entscheidungskriterium herangezogen wird („Der erste Eindruck ist der Beste"). Allen Arten von Heuristiken ist gemeinsam, dass entscheidungs- und urteilsrelevante Informationen nicht berücksichtigt werden, obwohl diese prinzipiell zur Verfugung stehen. Statt dessen werden unterschiedliche, in jedem Fall jedoch leicht verfügbare und mit geringem kognitiven Aufwand verwendbare

Heuristiknutzung als Erklärung für Framing-Effekte

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Regeln sowie entsprechende Informationskomponenten herangezogen. Heuristikbasierte Framing-Effekte entstehen immer dann, wenn solche Oberflächenmerkmale der Handlungsoptionen durch Framing-Bedingungen verändert werden. Beispielsweise kann sich durch eine minimale Veränderung der Problemformulierung die Ähnlichkeit einer Handlungsoption mit dem Prototyp einer „guten" Entscheidungsalternative verändern. Ziehen die Akteure gleichzeitig die bereits skizzierte „Representativeness Heuristic" heran, so wirken sich die Framing-Bedingungen auf die Handlungswahlen aus. Das Gleiche kann auch dann eintreten, wenn sich geringfügige Veränderungen im Entscheidungskontext auf die wahrgenommene Expertenschaft und damit Vertrauenswürdigkeit einer Informationsquelle auswirken. Bei der Erklärung von Framing-Effekten kann besonders die Nutzung einer Salienz-Heuristik als bedeutsam angesehen werden. Die Framing-Bedingungen unterscheiden sich häufig in Hinblick darauf, welche Merkmale der Entscheidungsalternativen explizit dargestellt oder ausgelassen werden. Bezieht sich die Auslassung selektiv auf positive oder negative Ergebnisaspekte einer einzelnen Alternative, so wirken sich die Framing-Bedingungen auf die relative Sichtbarkeit der entsprechenden Bewertungsdimension aus. Framing-Effekte sind dann zu erwarten, wenn die Akteure gleichzeitig die relative Salienz der positiven und negativen Ergebnisaspekte als Entscheidungskriterium heranziehen. Bei einer Reihe von „Contingency"-Modellen der Handlungsselektion wird angenommen, dass alle verfügbaren Heuristiken auf einem Kontinuum zunehmender Komplexität und Elaboriertheit verortet werden können (Thorngate 1980). Die Verwendung einer Heuristik von spezifischer Elaboriertheit lässt sich dabei als Ausdruck des jeweils gültigen Informationsverarbeitungsmodus verstehen. Es wird gleichzeitig angenommen, dass die Akteure die unterschiedlich elaborierten Informationsverarbeitungsmodi in einer flexiblen und adaptiven Art und Weise verwenden. Deren Qualität muss daher selbst als erklärungsbedürftiger Sachverhalt angesehen werden. Bei der Erklärung der Verarbeitungsmodi müssen situationale Faktoren und individuelle Merkmale der Entscheider als bedeutsam angesehen werden. Diese Faktoren wirken sich, vermittelt über die Elaboriertheit der Entscheidungs- und Informationsverarbeitungsstrategien, auf die Handlungsrelevanz einfacher Heuristiken aus. In dieser Hinsicht muss die Prognose des Verarbeitungsmodus und die dabei angenommenen Bestimmungsfaktoren als zentraler Beitrag zur Erklärung heuristikbasierter Framing-Effekte angesehen werden. Bei der Abgrenzung zwischen heuristik- und ambiguitätsbasierten FramingEffekten ist das Kriterium der Informationsverfügbarkeit und die unterschiedliche Relevanz des Verarbeitungsmodus von zentraler Bedeutung. Beide Effekt-Typen lassen sich gleichermaßen auf die fehlende Berücksichtigung objektiv entscheidungsrelevanter Informationsbestandteile zurückführen. Beim ambiguitätsbasierten Effekt-Typ ist dies der Fall, da die betreffenden Informationen den Akteuren nicht verfugbar sind. Dagegen werden bei heuristikbasierten Framing-Effekten Informationen in mehr oder weniger großem Umfang ignoriert, obwohl diese prinzipiell bereit stehen. Das Ausmaß der hierbei zu erwartenden Ignoranz und die damit verbundene Stärke von FramingEffekten lassen sich durch die Bestimmungsfaktoren der Informations-

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III. Framing-Theorien: Ein Überblick

Verarbeitungsmodi prognostizieren. Dagegen sollten sich diese Faktoren bei der Erklärung ambiguitätsbasierter Framing-Effekte als irrelevant erweisen.

2.1 Framing-Theorien des heuristikbasierten Typus Bei einer Reihe von Framing-Theorien wird die Entstehungsursache der Effekte mehr oder weniger explizit auf die Verwendung einfacher Urteils- und Entscheidungsheuristiken zurückgeführt. Teilweise wird eine solche Heuristikverwendung allerdings nur bei geringer Motivation und/oder hohen kognitiven Beschränkungen der Akteure und der dann wenig elaborierten Art der Informationsverarbeitung prognostiziert. Eine entsprechende Argumentation findet sich bei der Verwendung der „ Tie Breaker "-Hypothese und beim FramingAnsatz von Takemura. Auch im Rahmen der „Equate to Differentiate Theory" und der „Fuzzy Trace Theory" werden Framing-Effekte dadurch erklärt, dass die Akteure die Entscheidungsprobleme vereinfachen, entscheidungsrelevante Informationen ignorieren und statt dessen Oberflächenmerkmale der Optionen als Entscheidungskriterium heranziehen. Auch die Theorie mentaler Modelle wird bei der Erklärung von empirischen Beobachtungen herangezogen, die als heuristikbasierte Framing-Effekte interpretiert werden können. 2.1.1 Die „Tie Breaker"-Hypothese Mit der „Tie Breakef'-Hypothese wird eine sehr einfache Erklärung von Framing-Effekten vorgeschlagen. Demnach wirken sich die Framing-Bedingungen nur dann auf das Entscheidungsverhalten aus, wenn die Akteure zwischen den Wahloptionen weitgehend indifferent sind. Bei vielen Problemstellungen im Bereich der Framing-Forschung beinhalten die Handlungsoptionen gleiche oder zumindest sehr ähnliche Ergebnisse: Bei der Selektion der „falschen" Option ergeben sich nur geringe Opportunitätskosten für die Akteure. So werden den Akteuren beispielsweise beim „Asian Disease Problem" (ADP) Handlungsoptionen mit gleichen Erwartungswerten und daher ähnlicher Attraktivität vorgegeben: Die Akteure sind daher weitgehend indifferent zwischen den Optionen. Unter dieser Bedingung - so die mehr oder weniger explizite Annahme - werden durch die Framing-Bedingungen heuristische „Cues" bereitgestellt, die als „Tie Breaker" herangezogen werden (Fagley & Miller 1987; Kopp 1995). Im Rahmen dieser Erklärungshypothese wird weiterhin als wichtig erachtet, dass die Akteure trotz fehlender Präferenz zu einer Entscheidung genötigt werden. Da der soziale Druck zu einer inhaltlichen Entscheidung durch die explizite Bereitstellung von „Indifferenz" als Wahloption verringert würde, sollte unter dieser Bedingung die Bedeutung der Framing-Bedingungen als „Tie Breaker"Kriterium und damit die Stärke der Framing-Effekte zurückgehen (Fagley & Miller 1987). Im Rahmen dieser Sichtweise werden Framing-Effekte generell auf den „Low Cost"-Charakter der Entscheidungssituationen zurückgeführt. Bei diesem Typ von Entscheidungen ergeben sich für die Akteure nur in geringem Ausmaß persönlich relevante Konsequenzen, so dass die Motivation für eine elaborierte

Heuristiknutzung als Erklärung für Framing-Effekte

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und aufwendige Art der Entscheidungsfindung weitgehend fehlt (Kirchgässner 1992; Kirchgässner & Pommerehne 1993; Kliemt 1986). Es müssen zwei Varianten der Hypothese unterschieden werden. Das geringe Motivationspotential eines Entscheidungsproblems kann einerseits darauf beruhen, dass sich keine Konsequenzen außerhalb der Logik der Problemstellung ergeben. Andererseits muss auch dann von der Existenz einer „Low Cost"-Situation ausgegangen werden, wenn die fiktiven Ergebnisse der Handlungsoptionen als gleich attraktiv bewertet werden. Im Rahmen der zweiten Interpretation muss den Akteuren allerdings eine intrinsische Motivation für eine korrekte Entscheidung innerhalb der Logik des jeweiligen Entscheidungsproblems zugeschrieben werden. Bei der „Tie Breaker"-Hypothese wird nicht explizit zwischen den beiden Versionen des „Low Cost"-Konzeptes unterschieden. Es wird allerdings implizit angenommen, dass bereits die Einführung fiktiver Ergebnisunterschiede zwischen den Handlungsoptionen die Indifferenz der Akteure, damit die Verwendung heuristischer Strategien der Entscheidungsfindung und somit die Entstehung von Framing-Effekten verringern sollte. Obwohl unter dieser Bedingung die Stärke der beobachteten Framing-Effekte reduziert wird, konnte die vorliegende Prognose empirisch nicht voll bestätigt werden (Kopp 1995). Eine weitere Schwäche der vorliegenden Erklärungsansätze besteht darin, dass die exakte Ursache für die Entstehung von Framing-Effekten ungenannt bleibt: Es wird nicht angegeben, welche Merkmale der Framing-Bedingungen die angenommene „Tie Breaker"-Funktion erfüllen. Obwohl prinzipiell von der Bedeutung intrinsischer Motive der Akteure ausgegangen wird, beschränkt sich die Erklärung ausschließlich auf die Bedeutung ergebnismäßiger Indifferenz. Andere motivationale Aspekte der Entscheidungssituation sowie die Dimension kognitiver Fähigkeiten der Entscheider bleiben dabei unberücksichtigt. 2.1.2 Der Framing-Ansatz von Takemura Beim Erklärungsansatz von Takemura handelt es sich mehr um eine Orientierangshypothese als um eine geschlossene Theorie. Bei diesem Ansatz wird die Elaboriertheit der Informationswahrnehmung und Informationsverarbeitung als grundlegende Entstehungsbedingung von Framing-Effekten angesehen: „The more a decision maker elaborates on a piece of information related to the decision problem (or the more deeply it is processed), the more likely the framing effect may be inhibited" (Takemura 1994).

Aus den empirischen Arbeiten im Rahmen des Ansatzes ergibt sich eine operationale Definition des Begriffs der Elaboriertheit, wonach damit die Tiefe und Aufwendigkeit der Informationswahrnehmung sowie der Informationsverarbeitung gemeint ist. Die Entstehung von Framing-Effekten beruht demnach auf der Verwendung einfacher und wenig elaborierter Heuristiken. Als Umsetzung der Elaboriertheitsdimension wird beim vorliegenden Ansatz beispielsweise eine öffentliche Begründungspflicht der jeweils getroffenen Entscheidung eingeführt (Takemura 1993; 1994). Unter dieser Bedingung erwarten die Akteure eine Bewertung ihres Entscheidungsverhaltens durch die soziale Umwelt, so dass verstärkt Konsequenzen für ihre soziale Anerkennung für möglich

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III. Framing-Theorien: Ein Überblick

gehalten werden und damit die Motivation für eine elaborierte Art der Entscheidungsfindung steigt. Mit dieser Operationalisierung des Elaboriertheitsbegriffs schließt der Autor an eine Reihe von Untersuchungen über den Einfluss bestehender Begründungspflicht auf die Rationalität der Entscheidungsund Urteilsfindung an (Hagafors & Brehmer 1983; McAllister, Mitchell & Beach 1979; Simonson & Nye 1992; Tetlock 1983; Tetlock 1992; Tetlock & Kim 1987). Im Rahmen des Erklärungsansatzes wird außerdem von der Wirksamkeit einer zweiten Determinante der Elaboriertheit und damit der Entstehung von Framing-Effekten ausgegangen. Es handelt sich hierbei um die Bedeutung von Zeitdruck als Operationalisierung für das Ausmaß bestehender kognitiver Beschränkungen (Takemura 1992; 1994). Steht mehr Zeit zur Wahrnehmung und Verarbeitung der entscheidungsrelevanten Informationen zur Verfügung, so steigt die Wahrscheinlichkeit einer elaborierten Informationsverarbeitung und es werden reduzierte Framing-Einflüsse erwartet. Die angesprochenen Erklärungsfaktoren für die Relevanz der FramingBedingungen können als Determinanten des Informationsverarbeitungsmodus interpretiert werden. Diese Perspektive stimmt mit dem Modell heuristikbasierter Framing-Effekte überein. Auch beim vorliegenden Erklärungsansatz wird die Elaboriertheit der Verarbeitungsstrategien durch Faktoren erklärt, die als Operationalisierungen der Motivation und der kognitiven Beschränkungen der Akteure angesehen werden können. Da jedoch kein ausgearbeitetes Handlungsmodell vorgelegt wird, bleibt die Erklärung insgesamt vage. Entsprechend ist unklar, inwieweit die konkret angenommenen Bestimmungsfaktoren der Elaboriertheit als Operationalisierung allgemeiner Erklärungsparameter verstanden werden können. Das Defizit an theoretischer Bestimmtheit bewirkt außerdem, dass das Zusammenspiel der verschiedenen Variablen ungeklärt bleibt. Es wird ebenfalls nicht angegeben, durch welche konkreten Prozesse sich die Framing-Bedingungen auf das Entscheidungsverhalten auswirken und in welcher Hinsicht die Elaboriertheit der Informationsverarbeitung für die Wirksamkeit dieser Einflüsse eine Rolle spielt. Auch beim folgenden theoretischen Ansatz steht die Verwendung von Heuristiken bei der Erklärung von Framing-Effekten im Mittelpunkt. 2.1.3 Die „Equate to Differentiate Theory" Auch bei der „Equate to Differentiate Theory" handelt es sich um einen explizit zur Erklärung von Framing-Effekten vorgeschlagenen Ansatz, wobei von beschränkt rationalem Entscheidungsverhalten ausgegangen wird (Li 1998). Die Theorie bezieht sich auf multiattributive Entscheidungssituationen, bei denen die Akteure gleichzeitig mehr als eine Zielsetzung verfolgen: Für die Anwendbarkeit der Theorie müssen bei der Bewertung der Handlungsoptionen mindestens zwei Dimensionen relevant sein. Als kritische Fälle werden solche Problemstellungen angesehen, bei denen diese Entscheidungskriterien im Widerspruch stehen und daher die Selektion unterschiedlicher Handlungsalternativen implizieren. Im Gegensatz zum ökonomischen Erklärungsmodell wird für solche Konfliktsituationen angenommen, dass die Akteure nicht zu einer Abwägung der Vor- und Nachteile der Alternativen bereit sind. Die Entscheider versuchen vielmehr, durch die Eliminierung von Bewertungs-

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dimensionen zu einer eindeutigen Bewertung der Wahloptionen zu kommen. Dies erfolgt in zwei Schritten. Im ersten Schritt wird jene Zieldimension bestimmt, bei der die Handlungsoptionen am ähnlichsten sind. Das Kriterium der Ähnlichkeit ist hierbei jedoch nicht in einem streng quantitativen und instrumentellen Sinn zu verstehen. Der Vergleich erfolgt vielmehr auf eine intuitive Art und Weise, wobei das resultierende Urteil auf dem ersten Eindruck der Entscheider beruht. Werden die Handlungsalternativen auf dieser Grundlage bezüglich einer Zieldimension als gleichwertig betrachtet, so wird diese wegen mangelnder Diskriminationsfähigkeit zwischen den Wahloptionen eliminiert. Die Akteure schließen solange Bewertungskriterien aus der Betrachtung aus, bis nur noch eine singuläre Dimension als entscheidungsrelevant ansehen wird. In einem zweiten Schritt wird dann jene Alternative gewählt, bei deren Anwendung die Entscheider das beste Ergebnis bezüglich der verbleibenden Zieldimension erwarten. Der skizzierte Entscheidungsprozess hat große Ähnlichkeit mit der sogenannten „Lexicographic Heuristic": Bei beiden Selektionsregeln wird zuerst die wichtigste Zieldimension ausgewählt und diese wird dann als ausschließliches Selektionskriterium herangezogen. Allerdings wählen die Entscheider bei der „Lexicographic Heuristic" die Zieldimensionen nach deren Wichtigkeit aus. Die Vereinfachungsstrategie im Rahmen der „Equate to Differentiate Theory" beruht dagegen primär auf der oberflächlichen Ähnlichkeit der Handlungsoptionen. Beide Selektionsregeln gehen somit zwar gleichermaßen von der beschränkten Rationalität der Akteure aus, die „Equate to Differentiate Theory" beinhaltet in dieser Hinsicht jedoch den radikalerer Ansatz. Framing-Einflüsse werden im Rahmen der „Equate to Differentiate Theory" generell dadurch erklärt, dass sich die Framing-Bedingungen auf die wahrgenommene Ähnlichkeit der Handlungsoptionen auf bestimmten Zieldimensionen auswirken. Mit steigender Ähnlichkeitswahrnehmung wird das betroffene Bewertungskriterium mit immer größerer Wahrscheinlichkeit als Entscheidungskriterium eliminiert (Li 1998). Framing-Effekte lassen sich entsprechend dann prognostizieren, wenn bei den verschiedenen Framing-Bedingungen unterschiedliche Entscheidungskriterien eliminiert werden und sich die Bewertung der Handlungsalternativen bezüglich der jeweils verbleibenden Zieldimension unterscheidet. 2.1.4 Die „Fuzzy Trace Theory" Bei der „Fuzzy Trace Theory" handelt es sich um einen Erklärungsansatz, bei dem die Tendenz der Akteure zum „Satisficing" und damit zur Vereinfachung der Entscheidungsaufgabe im Mittelpunkt steht (Brainerd & Reyna 1990; Reyna & Brainerd 1995). Die Entscheider werden hier als „kognitive Geizkragen" angesehen, deren Informationsverarbeitung auf dem „Least Effort"Prinzip beruht. Bei der Befolgung dieses Prinzips wird der Aufwand für die Entscheidungsfindung durch die Verwendung von Heuristiken oder anderen intuitiven Entscheidungsprozessen auf ein Minimum beschränkt:

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III. Framing-Theorien: Ein Überblick „Within psychology, our position is most akin to modern theories of judgment and decision making, theories which stress heuristics, cognitive economy, and inexact thinking" (Brainerd & Reyna 1990).

Im Rahmen der Theorie wird angenommen, dass die Akteure im Normalfall nicht die Gesamtheit der verfugbaren Information als Entscheidungsgrundlage heranziehen. Vielmehr werden nur sehr reduzierte Kernelemente des verfügbaren Wissens im Kurzzeitgedächtnis bereitgehalten und bei der Problemlösung verwendet: Diese Kernelemente werden als „Gist" bezeichnet. Dagegen fallen alle Detailinformationen den Vereinfachungsstrategien der Akteure zum Opfer und bleiben somit bei der Entscheidungsfindung unberücksichtigt. Dies gilt beispielsweise auch für quantitative Angaben über die zu erwartenden Handlungsergebnisse. Derartige Informationen werden nur in qualitativen und relationalen Kategorien wie „viel", „einige" oder „mehr als" bei der Entscheidung berücksichtigt. Nicht nur die Informationswahrnehmung, sondern auch die Entscheidungsfindung folgt dem Prinzip der kognitiven Sparsamkeit und kann als intuitiv charakterisiert werden. Die Verwendung einer elaborierten und analytischen Art der Informationsverarbeitung wird im vorliegenden Erklärungsansatz dagegen als seltener Spezialfall angesehen. Bei der „Fuzzy Trace Theory" wird außerdem angenommen, dass die Akteure über unterschiedlich weitgehende Vereinfachungsstrategien verfügen („Hierarchy of Gist"). In Übereinstimmung mit dem „Least Effort"-Prinzip wird die Verarbeitungsstrategie mit dem größten Vereinfachungspotential herangezogen, bei der eine befriedigende Zielrealisierung gerade noch garantiert ist. Das Ausmaß der Informationsvernachlässigung wird beispielsweise dadurch beschränkt, dass die Unterscheidbarkeit der Handlungsoptionen und damit die Handlungsfähigkeit der Akteure immer gewährleistet bleiben muss (Brainerd & Reyna 1990). Das Ausmaß der Datenreduktion wird außerdem durch die Höhe der dabei anfallenden Opportunitätskosten begrenzt: Informationen über große Ergebnisunterschiede zwischen den Wahloptionen werden mit hoher Wahrscheinlichkeit berücksichtigt. Diese Bestimmungsfaktoren für die Elaboriertheit der Informationswahrnehmung können als Ausdruck der Entscheidermotivation interpretiert werden. Die Qualität der Informationsnutzung wird weiterhin durch die Komplexität der Problemstellung und damit durch die Minimalanforderungen für eine befriedigende Lösung beeinflusst. So erfordern beispielsweise Urteilsprozesse bezüglich einer kontinuierlichen Bewertungsdimension verglichen mit der Entscheidung zwischen dichotomen Handlungsalternativen generell eine detailliertere Informationsnutzung: Bei gleichen Anforderungen an die Qualität der Problemlösung sind bei dichotomen Entscheidungen deutlich stärkere Vereinfachungsstrategien möglich (Reyna & Brainerd 1994). Im vorliegenden Erklärungsansatz wird allgemein angenommen, dass die Rationalität der normalerweise herangezogenen Strategien der Problemlösung auf die befriedigende Bewältigung von Alltagssituationen zugeschnitten ist (Brainerd & Reyna 1990). Bei Bedarf sind die Akteure jedoch immer auch zur Verwendung von stärker elaborierten Strategien der Informationsverarbeitung in der Lage. Framing-Bedingungen unterscheiden sich häufig in der Qualität und Quantität der sprachlich dargestellten Ergebnisinhalte. So wird beispielsweise beim

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ADP die Aussage „200 von 600 Menschen werden gerettet" durch die Angabe „400 von 600 Menschen werden sterben" ersetzt (Tversky & Kahneman 1981). Im Rahmen der „Fuzzy Trace Theory" wird in diesem Fall angenommen, dass die Entscheider als Vereinfachungsstrategie alle Zahlenangaben eliminieren und von einer rein qualitativen Repräsentation der Ergebnisse ausgehen. Das Entscheidungsverhalten bei den beiden Framing-Bedingungen basiert dann auf einer vereinfachten Informationsbasis: „Einige Menschen werden gerettet" versus „einige Menschen werden sterben". Auf der Grundlage dieser kognitiven Heuristik werden die gleichen Handlungsoptionen bei den Darstellungsvarianten als unterschiedlich attraktiv angesehen (Reyna & Brainerd 1991; Reyna & Ellis 1994). Unterschiede im Entscheidungsverhalten werden demnach immer dann erwartet, wenn bei den Framing-Bedingungen unterschiedliche Informationskomponenten ausdrücklich dargestellt oder ausgelassen werden. Da die Tendenz zur Vereinfachung der Entscheidungsprobleme eine Ergänzung fehlender Informationskomponenten prinzipiell ausschließt, wirken sich geringfügige Änderungen in der Ergebnispräsentation auf die relative Bewertung der Handlungsoptionen aus. Das Ausmaß der Informationsvernachlässigung und die damit verbundene Stärke der Framing-Effekte wird jedoch durch die Diskriminationsfähigkeit zwischen den Alternativen und die Höhe der möglichen Opportunitätskosten beschränkt. 2.1.5 Die Theorie heuristikbasierter mentaler Modelle Wie bereits im Zusammenhang mit der Erklärung ambiguitätsbasierter Framing-Effekte dargestellt wurde, werden bei der Theorie mentaler Modelle die kognitiven Repräsentationen der Akteure als zentraler Erklärungsfaktor angesehen (vgl. Abschnitt 1.2.1 in diesem Kapitel). Da ein solches mentales Modell eine vereinfachte und unvollständige Repräsentation der objektiven Entscheidungssituation darstellt, können die Handlungswahlen der Akteure erst auf der Grundlage dieser subjektiven Realität angemessen erklärt werden: „A model makes explicit those objects, properties, and relations that are relevant to potential actions; that is, it makes them available to inference and decision making without the need for further processing" (Legrenzi, Girotto & Johnson-Laird 1993: 42).

Der Inhalt mentaler Modelle muss im Arbeitsgedächtnis der Akteure mit beschränkter Kapazität bereitgehalten werden, so dass deren Informationsgehalt notwendigerweise beschränkt sein muss. Urteilsverzerrungen und instrumentell irrationales Entscheidungsverhalten lassen sich auf diese Unvollständigkeit sowie die fehlende Berücksichtigung alternativer mentaler Modelle der Entscheidungssituation zurückführen. Welche Informationskomponenten jeweils in einem mentalen Modell repräsentiert sind, wird primär durch das Ausmaß der Informationszugänglichkeit und durch die wechselnde Aufmerksamkeitsfokussierung der Akteure bestimmt. So werden beispielsweise Informationen dann mit größerer Wahrscheinlichkeit im dominanten mentalen Modell berücksichtigt, wenn diese zu einem früheren Zeitpunkt einer Handlungssequenz verfügbar gemacht wurden, wenn die Informationen veränderbare und damit besonders relevante Aspekte

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III. Framing-Theorien: Ein Überblick

der Entscheidungssituation betreffen oder sich auf besonders hervorgehobene Merkmalsdimensionen der Entscheidungsalternativen beziehen. Werden Entscheider beispielsweise danach gefragt, ob sie eine bestimmte Handlungsoption akzeptieren wollen, so werden schwerpunktmäßig nur die Konsequenzen dieser Entscheidungsalternative berücksichtigt, während die Ergebnisse von Inaktivität als alternative Handlungsmöglichkeit bei der Entscheidung nicht einbezogen werden: Alleine die Art, in der die Problemstellung formuliert ist, lenkt die Aufmerksamkeit der Entscheider auf spezifische Informationskomponenten (Legrenzi, Girotto & Johnson-Laird 1993: 60). In gleicher Weise werden zusätzliche Entscheidungsoptionen und deren Ergebnispotentiale häufig nur dann im mentalen Modell der Situation berücksichtigt, wenn diese für die Akteure leicht verfügbar sind. Untersuchungsergebnisse zeigen beispielsweise, dass bei der Entscheidung, einen Kinofilm zu besuchen oder nicht Informationen über andere Handlungsmöglichkeiten nur in geringem Umfang nachgefragt werden. Die Entscheider konzentrieren sich in starkem Ausmaß auf die Bewertung der fokalen Handlungsresultate und vernachlässigen dabei die Opportunitätskosten für den Verzicht auf andere Handlungen. Dies ändert sich jedoch dann, wenn der Wert einer alternativen Zeitverwendung und damit die Kosten der Ignoranz ansteigen. Ein solcher Kostenanstieg liegt beispielsweise dann vor, wenn die Problemstellung in ein Szenario eingebettet wird, in dem die Entscheidung über den Kinobesuch im Kontext eines eintägigen Besuchs in einer Weltstadt stattfindet. Durch die so eingeführte Zeitknappheit wird die Aufmerksamkeit der Akteure auf alternative Aktivitäten ausgeweitet: Die Motivation der Entscheider für die Verwendung eines vollständigeren mentalen Modells steigt an (Legrenzi, Girotto & Johnson-Laird 1993: 53). Im Rahmen der „Mental Model Theory" werden Framing-Effekte durch die relative Salienz oder Sichtbarkeit unterschiedlicher Informationskomponenten und Bewertungsdimensionen erklärt. Da die Handlungsalternativen bei den Framing-Bedingungen häufig unvollständig dargestellt werden, bleiben fehlende Ergebnisinformationen außerhalb des Fokus der Aufmerksamkeit und werden somit nicht im mentalen Modell repräsentiert. Framing-Effekte werden dann erwartet, wenn sich aus den unterschiedlichen kognitiven Repräsentationen entscheidungsrelevante Attraktivitätsunterschiede zwischen den Wahloptionen ergeben (Legrenzi, Girotto & Johnson-Laird 1993: 61). Der Entstehungsprozess von Framing-Einflüssen wird somit auch beim vorliegenden Erklärungsansatz implizit auf die Verwendung einer „Salienz-Heuristik" und die hierbei angestrebte kognitive Ökonomie zurückgeführt. Es muss allerdings auch berücksichtigt werden, dass die Aufmerksamkeit der Akteure durch situationale Faktoren und speziell durch Anreizvariablen auch auf weniger leicht zugängliche Informationsaspekte gelenkt werden kann. 2.2 Allgemeine Erklärungen heuristikbasierter

Framing-Effekte

Es muss generell dann mit der Entstehung heuristikbasierter Framing-Effekte gerechnet werden, wenn durch die Framing-Bedingungen unterschiedliche Oberflächenmerkmale der Handlungsalternativen bereitgestellt werden, die als Selektionskriterien bei der Verwendung heuristischer Entscheidungsregeln geeignet sind. Derartige Einflüsse auf das Entscheidungsverhalten sind aller-

Heuristiknutzung als Erklärung für Framing-Effekte

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dings nur dann zu erwarten, wenn die Akteure gleichzeitig wenig elaborierte Informationsverarbeitungsmodi heranziehen. Bei der Prognose von FramingEinflüssen müssen daher die exakten Bestimmungsfaktoren fur die Qualität des Verarbeitungsmodus sowie deren Zusammenspiel berücksichtigt werden. Bei den bisher skizzierten Framing-Theorien werden in dieser Hinsicht beispielsweise die Existenz von Begründungspflicht oder das Vorliegen von Zeitdruck als relevant angesehen (vgl. Abschnitt 2.1 in diesem Kapitel). In keiner dieser Theorien wird allerdings ein allgemeines und vollständiges Erklärungsmodell für die Qualität des Verarbeitungsmodus vorgelegt. Im folgenden Abschnitt werden daher Theorien außerhalb des Bereichs der Framing-Forschung dargestellt, in deren Rahmen eine deutlich ausgearbeitetere und vollständigere Erklärung des Verarbeitungsmodus vorgeschlagen wird. Alle diese Ansätze können unter der Bezeichnung „Dual Process"-Theorien oder „Contingency"-Ansätze zusammengefasst werden und geben insgesamt sehr ähnliche Bestimmungsfaktoren für die Selektion unterschiedlich elaborierter Verarbeitungsmodi an. Dabei handelt es sich erstens um das „Heuristic Systematic Model" aus dem Bereich der Einstellungstheorie und zweitens um die Theorie adaptiver Informationsselektivität von Heiner. Da das „ Contingency "-Modell der Entscheidungsfindung den Ausgangspunkt der im weiteren Verlauf der Untersuchung vorgeschlagenen Modellierung bildet, soll dieser Ansatz erst in Kapitel IV, Abschnitt 2.2 dargestellt werden. Auch das Modell der Frame-Selektion und andere „Dual Process"-Theorien der Schemanutzung prognostizieren sehr ähnliche Bestimmungsfaktoren für die Elaboriertheit der Informationsverarbeitung. Diese Ansätze werden in einem späteren Teil der vorliegenden Untersuchung bei der Erklärung schemabasierter Framing-Effekte eingeführt. 2.2.1 Das „Heuristic Systematic Model" Im Rahmen des „Heuristic Systematic Model" (HSM) wird angenommen, dass bei der Erklärung von Einstellungswandel und Einstellungsstabilität unterschiedliche Informationsverarbeitungsmodi der Akteure berücksichtigt werden müssen (Chaiken 1980; 1987)4. Dabei werden Persuasionsprozesse und Einstellungswandel implizit als „innere Selektion" zwischen einer bestehenden und einer neuen Einstellung erklärt. Die resultierenden Einstellungen können somit als spezielles Ergebnis allgemeiner Beurteilungs- und Entscheidungsprozesse angesehen werden. Die Selektion einer Einstellungsalternative ergibt sich hierbei entweder auf der Basis einer „heuristischen" oder „systematischen" Art der Informationsverarbeitung. Bei der Verwendung eines systematischen Verarbeitungsmodus handelt es sich um eine kognitiv aufwendige, analytische und durch vollständige Informationsnutzung ausgezeichnete Art der Urteilsfindung: „At the most generic level, we conceive of systematic processing as a comprehensive, analytic orientation in which perceivers access and scrutinize all informational input for

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Eine sehr ähnliche Erklärung für die Verwendung unterschiedlich elaborierter Modi der Informationsverarbeitung wird auch im „Elaboration Likelihood Model" vorgeschlagen (Petty & Cacioppo 1986).

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III. Framing-Theorien: Ein Überblick its relevance and importance to their judgment tasks, and integrate all useful information in forming their judgments" (Chaiken, Liberman & Eagly 1989: 212).

Dagegen beruhen die Entscheidungen bei einer heuristischen Art der Informationsverarbeitung auf einfachen und unaufwendigen Schlussregeln. Die Informationsnutzung beschränkt sich hierbei auf sehr wenige, leicht zugängliche und nach dem Kriterium instrumenteller Rationalität nur bedingt validen Merkmalen der Einstellungsalternativen: „We conceive of heuristic processing as a more limited processing mode that demands much less cognitive effort and capacity than systematic processing. When processing heuristically, people focus on the subset of available information that enables them to use simple inferential rules, schemata, or cognitive heuristics to formulate their judgments and decisions" (Chaiken, Liberman & Eagly 1989: 213).

Beim systematischem Modus werden die Informationsgrundlagen nicht nur vollständig ausgeschöpft, sondern gehen auch gewichtet nach ihrer Verlässlichkeit und Relevanz in die Analyse ein. Außerdem werden neue Informationen systematisch in alte Wissensbestandteile integriert. Heuristische Urteile basieren dagegen auf einfachen Daumenregeln, bei denen leicht zugängliche Merkmale der Informationsquelle, des Beurteilungskontextes oder des gesamten Informationsvermittlungsprozesses als Selektionskriterium herangezogen werden. So können die Expertenheuristik („Expert's statements can be trusted"), die Konsensheuristik („Consensus implies correctness") oder die Sympathieheuristik („People generally agree with people they like") als oberflächliche Entscheidungsregeln fur die Angemessenheit einer bestimmten Einstellung angesehen werden. Die Akteure ziehen dabei formale Merkmale der persuasiven Botschaft, wie beispielsweise deren Länge oder die reine Anzahl der Argumente, als Indikator für deren Angemessenheit heran. In dieser Hinsicht sind auch Aspekte des Informationsvermittlungskontextes, wie zum Beispiel die Reaktion der Rezipienten, von großer Bedeutung (Axom, Chaiken & Yates 1987; Chaiken & Eagly 1983; Chaiken, Liberman & Eagly 1989). Den Akteuren wird bei der vorliegenden Theorie primär das Ziel einer möglichst korrekten Einstellung zugeschrieben („Accuracy Motivation"). Bei der Entscheidung zwischen Einstellungsalternativen werden allerdings weiterhin sozial orientierte Zielsetzungen - beispielsweise die Pflege sozialer Beziehungen oder generell die Realisierung sozialer Anerkennung - als bedeutsam angesehen („Impression Motivation") (Chaiken, Liberman & Eagly 1989: 235ff.). Diese Zielsetzungen bilden nicht nur die Basis für die Einstellungsselektion, sondern auch die Motivationsgrundlage für die Auswahl unterschiedlich elaborierter Verarbeitungsmodi. Es wird angenommen, dass die Akteure in vielen Fällen eine befriedigende, nicht aber eine optimale Einstellungsselektion anstreben (Eagly & Chaiken 1993: 332f.). Diese Tendenz zum Satisficing wird durch das „Sufficiency Principle" in die Theorie eingeführt. Demnach wird jene Art der Informationsverarbeitung herangezogen, bei der die Akteure ein hinreichendes Ausmaß an Urteilssicherheit erwarten. Dabei erfasst das Konzept der Urteilssicherheit die subjektive Wahrscheinlichkeit der Akteure darüber, ob die aktuell akzeptierte Einstellungsalternative zur Realisierung der eigenen Ziele geeignet ist. Aus dem gleichzeitig gültigen „Least Effort

Heuristiknutzung als Erklärung für Framing-Effekte

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Principle" ergibt sich dagegen, dass immer nur das maximal notwendige Ausmaß an kognitivem Aufwand in die jeweils vorliegende Urteils- und Entscheidungsaufgabe investiert wird. Entsprechend schöpfen die Akteure immer zuerst das Sicherheitspotential einer heuristischen Informationsverarbeitung aus und gehen erst dann - falls das Anspruchsniveau dann noch nicht erfüllt ist - zu einem systematischeren Verarbeitungsmodus über (Eagly & Chaiken 1993: 330ff.). Dabei wird angenommen, dass eine systematische Verarbeitung prinzipiell zu verlässlicheren Schlussfolgerungen und damit zu mehr Urteilssicherheit führt. Das Anspruchsniveau der Akteure wird im HSM durch den sogenannten „Sufficiency Threshold" in die Erklärung eingeführt. Je stärker die Akteure zu einer angemessenen Einstellungsselektion motiviert sind, desto mehr Sicherheit wird für ein ausreichend abgesichertes Urteil verlangt und umso wahrscheinlicher wird zur heuristischen zusätzlich eine analytische Art der Informationsverarbeitung als notwendig erachtet. Bei der Prognose der Verarbeitungsmodi muss immer auch das Ausmaß des notwendigen kognitiven Aufwands für die Lösung einer Problemstellung berücksichtigt werden: Kognitive Beschränkungen hemmen immer den Übergang zu einer systematischen und damit aufwendigeren Art der Verarbeitung (Chaiken, Liberman & Eagly 1989: 224). Eine Problemstellung wird beispielsweise dann als komplexer erlebt, wenn die Akteure über geringe kognitive Fähigkeiten verfügen, die Urteile unter Zeitdruck erfolgen oder die Entscheider über ein geringes Ausmaß an Wissen im entsprechenden Urteilsbereich verfügen. Liegen derart beschränkende Bedingungen vor, so werden trotz ausreichender Motivation heuristische Urteilsregeln als Grundlage der Einstellungsselektion herangezogen (Chaiken 1987; Chaiken, Liberman & Eagly 1989). Der vorliegende Erklärungsansatz geht demnach davon aus, dass bei der Prognose des Verarbeitungsmodus immer beide Einflussdimensionen - das Ausmaß der Akteursmotivation und die Stärke der kognitiven Beschränkungen - gleichzeitig berücksichtigt werden müssen. Eine ähnliche Sichtweise ergibt sich auch im Rahmen des folgenden Erklärungsansatzes. 2.2.2 Die Theorie adaptiver Informationsselektivität Auch in der Theorie der adaptiven Informationsselektivität von Heiner wird den Akteuren die Nutzung von Modi der Entscheidungsfindung mit unterschiedlichen Graden instrumenteller Rationalität zugeschrieben (Heiner 1983; 1985; 1988). Bei der ersten Art der Entscheidungsfindung ziehen die Akteure alle verfugbaren und entscheidungsrelevanten Informationen bei der Handlungsselektion heran. In vielen Entscheidungssituationen wird dagegen die Nutzung einfacher und inflexibler Entscheidungsregeln prognostiziert, bei deren Verwendung ein Großteil der aktuell verfügbaren und entscheidungsrelevanten Evidenz ignoriert wird. Eine solche Ignoranz wird im vorliegenden Ansatz unter bestimmten Randbedingungen ausdrücklich als rationale Strategie angesehen. Für die Selektion einer der beiden Verarbeitungsmodi sieht Heiner insgesamt drei Gruppen von Faktoren als relevant an. Demnach muss dann mit der Verwendung starrer Selektionsregeln gerechnet werden, wenn die vorliegenden Entscheidungsinformationen als wenig verlässlich angesehen werden, die An-

66

III. Framing-Theorien: Ein Überblick

forderungen der Entscheidungssituation die kognitiven Fähigkeiten der Akteure übersteigen und wenn die Akteure wenig zu einer maximierenden Art der Entscheidungsfindung motiviert sind5. Wird in einer Handlungssituation von einer heuristischen und damit regelgeleiteten Art der Handlungsselektion zur vollständigen Nutzung der vorliegenden Entscheidungsinformationen gewechselt, so impliziert dies ein Verbesserungspotential vom Ausmaß g(e). Da jedoch die Verwendung von Einzelfallinformationen komplexer und damit fehleranfälliger ist, steigt gleichzeitig die Möglichkeit von Urteilsfehlern an, so dass gleichzeitig mit einem Verschlechterungspotential 1(e) gerechnet werden muss. Generell wird eine analytische Art der Entscheidungsfindung umso wahrscheinlicher, je größer deren Verbesserungspotential und je kleiner die möglichen Schäden sind. Ob die jeweiligen Potentiale allerdings realisiert werden, hängt vor allem von der Verlässlichkeit der Informationsgrundlage und von der Angemessenheit ihrer Nutzung ab. Verfügen die Akteure nicht über ausreichende kognitive Fähigkeiten, so sinkt die Erfolgswahrscheinlichkeit bei der Verwendung elaborierter Verarbeitungsmodi zunehmend. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn die Akteure durch die Existenz von Zeitdruck oder durch eine hohe Komplexität der Problemstellung überfordert sind. Auch individuelle Kompetenzunterschiede spielen in dieser Hinsicht eine Rolle. Durch diese Faktoren bestimmt sich die subjektive Erfolgswahrscheinlichkeit r(U) für eine Verbesserung und w(U) für eine Verschlechterung bei einer analytischen und damit vollständigen Informationsnutzung. Die Akteure kennen und berücksichtigen außerdem die Basis Wahrscheinlichkeit rt(e) für das Auftreten von Entscheidungssituationen, in denen eine analytische Informationsverarbeitung normalerweise das Verbesserungspotential zu realisieren vermag. Es lässt sich prognostizieren, dass bei einem Anstieg der wahrgenommenen Erfolgswahrscheinlichkeiten r(U) und Jt(e) sowie einer Reduktion des Misserfolgsrisikos w(U) zunehmend mit einer Abweichung vom Normalfall einer regelgeleiteten Entscheidungsfindung gerechnet werden muss. Die exakten Randbedingungen für die Verwendung eines analytischen Verarbeitungsmodus lassen sich auf der Grundlage der folgenden Zusammenhänge ableiten (Heiner 1983: 566): r(U)/w(U) > l(e)/g(e)" (1-π(ε))/π(β) r(U) w(U) 1(e) g(e) 7t(e)

(3.6)

Verbesserungswahrscheinlichkeit bei Nutzung des analytischen Modus. Verschlechterungswahrscheinlichkeit bei Nutzung des analytischen Modus. Verschlechterungspotential bei Verwendung eines analytischen Modus. Verbesserungspotential bei Verwendung eines analytischen Modus. Basiswahrscheinlichkeit für die Angemessenheit eines analytischen Modus.

Entsprechend der vorliegenden Ungleichung kann die Verwendung eines analytischen Entscheidungsmodus durch das interaktive Zusammenspiel der Anreizdimension und den Bestimmungsfaktoren der subjektiven Erfolgserwartung der Akteure vorhergesagt werden. 5

Der Faktor der Informationsverlässlichkeit und die daraus resultierende Unsicherheit der Akteure stellt einen Bezug zu den Theorien ambiguitätsbasierter Framing-Effekte her. Allerdings wird im vorliegenden Ansatz das Problem des Informationsmangels nicht als direkt entscheidungsrelevant angesehen, sondern wirkt sich ausschließlich vermittelt über die Selektion unterschiedlicher Verarbeitungsstrategien auf die Entscheidungen aus.

Schemaaktivierung als Erklärung fiir Framing-Effekte

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3. Schemaaktivierung als Erklärung für Framing-Effekte Im folgenden Abschnitt sollen unterschiedliche Theorien skizziert werden, in deren Rahmen sich Framing-Effekte als Ergebnis der Aktivierung kognitiver Schemata erklären lassen. Ein Schema kann wie folgt definiert werden: „A schema is conceptualized as a mental structure which contains general expectations and knowledge of the world. This may include general expectations about people, social roles, events and how to behave in certain situations" (Augoustinos & Walker 1995: 32).

Aus dieser Definition lassen sich die zentralen Eigenschaften eines Schemas ableiten. Bei einem Schema handelt es sich erstens um Wissens- und Erwartungsstrukturen, die im Gedächtnis der Akteure gespeichert sind. Dieses Wissen liegt zweitens in einer generalisierten Art und Weise vor, bezieht sich also auf ganze Klassen von Situationen, Personen oder Handlungen. Schemata haben drittens Regelcharakter, so dass sich aus ihnen Erwartungen über die Zustände der Umwelt ableiten lassen. Wenn diese Erwartungen auf sozialen Rollen oder Normen beruhen, so nehmen diese den Charakter moralischer Verpflichtungen an und beinhalten somit die Grundlage für Bewertungen. Viertens wirken sich Schemata potentiell auf das Verhalten der Akteure aus. Schemata lassen sich - je nach Inhalt und Anwendungsgegenstand - in Ereignisschemata, Personenschemata oder Zielschemata einteilen (Fiske & Taylor 1991: 117ff.). So definieren Ereignisschemata eine typische Abfolge von Handlungen und Ereignissen, die für ganze Klassen von Situationen als gültig betrachtet wird. Dieser Schematyp wird durch das theoretische Konzept sozialer Skripte erfasst. Auf der Basis von Personenschemata werden einer ganzen Personengruppe - unabhängig von individuellen Unterschieden - spezifische Merkmale und Bewertungen zugeschrieben. In diesem Sinne können Stereotypen und Vorurteile als typische Personenschemata betrachtet werden (Hilton & von Hippel 1996). Zielschemata definieren dagegen, welche Ergebnisse von den Akteuren in typischen Handlungssituationen angestrebt werden. Auf dieser Basis bestimmen die Akteure das eigene Verhalten und bilden gleichzeitig Erwartungen über das Handeln der Mitakteure aus. Das theoretische Konzept intemalisierter Normen und sozialer Rollen erfasst genau diesen Schematyp. Alle angesprochenen Schemata können sich im Prinzip in drei verschiedenen Arten auf das Entscheidungsverhalten der Akteure auswirken. Schemata beinhalten erstens immer Zusatzwissen, so dass bei deren Verwendung über die aktuell verfügbaren Informationen hinausgegangen wird (Rumelhart 1984). Durch die Bereitstellung von Zusatzwissen wirken sich Schemata somit auf die Wahrnehmungen und handlungsrelevanten Überzeugungen der Akteure aus. Schemata haben zweitens in vielen Fällen auch eine evaluative Komponente. Diese drückt sich darin aus, dass vorgefertigte Bewertungen des jeweiligen Anwendungsgegenstandes zur Verfügung stehen und daher bestimmte Verhaltensweisen unmittelbar als angemessen angesehen werden (Fiske & Taylor 1991: 132f.). Schemata wirken sich drittens aber auch auf die Zusam-

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III. Framing-Theorien: Ein Überblick

mensetzung jener Ziele aus, deren Realisierung in einer konkreten Handlungssituation angestrebt wird. Durch die resultierende Konzentration der Akteure auf eine Teilmenge der insgesamt relevanten Zielsetzungen und durch deren situationsspezifische Inhalte, wirken sich Schemata auf das Entscheidungsverhalten aus. Schemata sind jedoch nicht unter allen Umständen für das Verhalten der Akteure relevant. Die grundlegende Vorbedingung für Schemaeinflüsse besteht darin, dass die betreffenden kognitiven Strukturen im Gedächtnis der Akteure verankert sein müssen. Je stärker dies der Fall ist, desto leichter sind entsprechende Schemainhalte kognitiv verfügbar und damit spontan aktivierbar. Intensive Lernprozesse und eine wiederholte Verwendung des gleichen Schemas erhöhen somit dessen Handlungsrelevanz (Fiske & Taylor 1991: 169f.). Die zweite zentrale Voraussetzung für schemakonsistentes Verhalten besteht darin, dass die Anwendungsbedingungen der Schemata in der konkreten Situation möglichst vollständig erfüllt sein müssen: Je stärker beispielsweise eine Person dem prototypischen Anwendungsfall eines Stereotyps ähnelt, desto eher werden die entsprechenden im Gedächtnis gespeicherten Wissenselemente aktiviert und erhöhten damit die Verhaltensrelevanz der betreffenden Schemata (Fiske & Taylor 1991: 112ff.). Ein weiterer Bestimmungsfaktor für schemakonsistentes Verhalten kann auf die motivationalen Grundlagen für die Verwendung von Schemata zurückgeführt werden. Entsprechend beinhalten Schemata eine kognitiv sehr sparsame Wissens- und Bewertungsbasis für das Entscheidungsverhalten. Dieser Vorteil der kognitiven Ökonomie wird jedoch durch die begrenzte Validität dieser Urteilsbasis relativiert: Das hohe Abstraktionsniveau schematischer Wissens- und Bewertungsstrukturen führt häufig zu unangemessenen Schlussfolgerungen. Der relative Vorteil der kognitiven Ökonomie geht daher mit zunehmender Wichtigkeit korrekter Entscheidungen zurück, so dass die Akteure immer mehr zur Kontrolle von Schemaeinflüssen motiviert sind. Auch die zunehmende Verfügbarkeit kognitiver Kapazitäten für eine schema-unabhängige und auf Einzelfallevidenz basierte Informationsverarbeitung reduziert die Stärke von Schemaeinflüssen (Brewer 1988; Fiske & Neuberg 1990). Die Erklärung von Framing-Effekten als Ergebnis von Schemaeinflüssen setzt am Kriterium der Schemapassung an. Entsprechend können sich Unterschiede zwischen den Framing-Bedingungen - beispielsweise in Form alternativer Arten der Informationspräsentation - auf die wahrgenommene Anwendbarkeit der Schemata auswirken. Diese Anwendbarkeitswahrnehmung wird nach dem Kriterium der Ähnlichkeit zwischen dem Prototyp einer Anwendungssituation und der aktuell vorliegenden Handlungssituation gesteuert. Daher können geringfügige und vom Standpunkt instrumenteller Rationalität irrelevante Unterschiede zwischen den Framing-Bedingungen zur selektiven Aktivierung sozialer Normen, Einstellungen oder Stereotypen führen. Ob diese dann entscheidungsrelevant werden, kann erst bei Berücksichtigung der angesprochenen Zusatzfaktoren vorhergesagt werden. In den folgenden beiden Abschnitten sollen theoretische Ansätze eingeführt werden, die zur Erklärung schemabasierter Framing-Effekte geeignet sind. Dabei werden im ersten Abschnitt solche Theorien dargestellt, die ausdrücklich zur Erklärung des Framing-Phänomens vorgeschlagen werden und dabei mehr

Schemaaktivierung als Erklärung für Framing-Effekte

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oder weniger explizit der skizzierten Grundargumentation folgen (vgl. Abschnitt 3.1). Da es sich hierbei allerdings „nur" um mehr oder weniger vollständige Anwendungen der generellen Schematheorie auf das spezielle Erklärungsproblem der Framing-Effekte handelt, sollen im zweiten Abschnitt allgemeinere Ansätze zur Erklärung von schemabasiertem Verhalten dargestellt werden (vgl. Abschnitt 3.2). Auf die Darstellung des Modells der FrameSelektion wird an dieser Stelle verzichtet, da diese Theorie als Ausgangspunkt unserer Modellierung schemabasierter Framing-Effekte herangezogen wird und daher ausführlich in Kapitel IV, Abschnitt 3.2 vorgestellt wird.

3.1 Framing-Theorien des schemabasierten

Typus

Im folgenden Abschnitt werden Theorien dargestellt, die ausdrücklich zur Erklärung von Framing-Effekten vorgeschlagen werden. Dabei kann der Erklärungsansatz von Bateson als erste Theorie schemabasierter Framing-Effekte interpretiert werden. Auch im Rahmen der „Frame System Theory" und der Anwendung der „Image Theory" wird eine schemabasierte Erklärung von Framing-Effekten vorgeschlagen: Diese werden als Resultat unterschiedlicher Grade der Passung zwischen den erwarteten Ergebnissen der Entscheidungsoptionen und dem Prototyp eines befriedigenden Verlaufs der Dinge erfasst. Beim „Discrimination Model" steht die situational gesteuerte Aktivierung unterschiedlicher Normen und Zielsetzungen im Mittelpunkt der Erklärung. Bei diesem Ansatz wird vor allem die Bedeutung unterschiedlich starker Anreize für die Entscheidungsrelevanz von Schemata betont, die kognitiven Determinanten treten dagegen stark in den Hintergrund. 3.1.1 Das Framing-Konzept von Bateson Der Begriff „Framing" wird unseres Wissens nach zum erstenmal im 1955 erschienen Essay „A Theory of Play and Fantasy" von Geoffrey Bateson gebraucht (Bateson 1978). Nach Bateson bewirkt ein Frame einerseits, dass die Vorgänge und Objekte einer Situation in einer bestimmten Weise interpretiert werden. Ein Frame bewirkt andererseits eine spezifische Einstellung und damit Handlungsbereitschaft gegenüber diesen Elementen. Bateson stellt sich die Frage, wie Akteure beispielsweise in der Lage sind, kämpferisches Verhalten einmal als „Spiel" und einmal als „Ernst" zu interpretieren. Damit ist das Problem der Koordination menschlichen Verhaltens angesprochen. Generell lassen sich nur dann angemessene Erwartungen über das Verhalten der Mitakteure ausbilden, wenn die Mehrdeutigkeit und Interpretationsbedürftigkeit objektiver Wahrnehmungsdaten überwunden werden kann. Als grundlegende Lösung dieses Koordinationsproblems in sozialen Beziehungen stellt Bateson die Bedeutsamkeit von Metakommunikation und den Austausch von Signalen zwischen den Interaktionspartnern in den Vordergrund. So wird angenommen, dass die Akteure Informationen vom „Frame Setting Type" austauschen und dabei ein jeweils spezifisches Modell der Situation aktivieren. Durch die Kategorisierung der Interaktionssituation vor dem Hintergrund bekannter Situationstypen bilden sich die Mitakteure jeweils angemessene Erwartungen aus. Der

70

III. Framing-Theorien: Ein Überblick

resultierende Frame und dessen Inhalt kann den Beteiligten zwar bewusst sein, meist aber erfolgt die Frame-Setzung auf der Basis reflexhafter Prozesse. Nach der Aktivierung eines Frames - beispielsweise einer Situationsdefinition „Spiel" oder „Ernst" - ist das notwendige Hintergrundwissen über die „richtigen" Zielsetzungen, Erwartungen und das angemessene Skript des Handelns in einer unhinterfragten Art verfügbar (Bateson 1978: 164). Ein psychologischer Frame ist wie ein Bilderrahmen, nur in Abgrenzung von einem Hintergrund und damit zu alternativen Rahmungen denkbar (Bateson 1978: 161). Der Framing-Begriff von Bateson kann leicht in der Begrifflichkeit der modernen Schematheorie reformuliert werden: Durch die Passung der Merkmale einer Handlungssituation mit einem Situationsprototyp wird schematisch organisiertes Erfahrungswissen aktiviert und steuert die Erwartungen, Ziele und Handlungen der Beteiligten. Wenn hierbei eine hohe Passung erreicht wird, liegen keine Zweifel an der Angemessenheit der Situationsdefinition vor, so dass sich eine explizite Verständigung über die jeweils gültigen Regeln erübrigt. Der Ansatz von Bateson bleibt jedoch bezüglich der zugrunde liegenden Prozesse und zusätzlich relevanten Erklärungsfaktoren sehr vage. Weiterhin wird die motivationale Basis der Frame-Verwendung nicht ausreichend berücksichtigt. Zumindest der Kritikpunkt der Unbestimmtheit trifft beim folgenden Erklärungsansatz in deutlich geringerem Ausmaß zu. 3.1.2 Die „Frame System Theory" In der „Frame System Theory" soll erklärt werden, in welcher Weise sich die Organisation des Wissens im Gedächtnis der Akteure auf dessen Verwendung auswirkt (Minsky 1990). Im Zentrum der Theorie steht hierbei die Annahme, dass Erfahrungswissen in der Form von kategorial organisierten Gedächtnisspuren repräsentiert ist. Diese Wissensstrukturen werden als Frames oder Rahmen bezeichnet, wobei folgende Definition zugrunde liegt: „A frame is a data-structure for representing a stereotyped situation like being in a certain kind of living room or going to a child's birthday party. Attached to each frame are several kinds of information. Some of this information is about how to use the frame. Some is about what one can expect to happen next. Some is about what to do if these expectations are not confirmed" (Minsky 1977: 355).

Ein Frame repräsentiert somit Wissen über Regelmäßigkeiten in der Handlungsumwelt der Akteure, aus dem sich Konsequenzen für die Wahrnehmungen, Erwartungen und Handlungen ergeben. Die Akteure verfugen beispielsweise über Erwartungen gegenüber Menschen (Personen-Rahmen), Erwartungen über die Struktur von Situationen (Bild-Rahmen) oder Erwartungen über den typischen Ablauf von Erzählungen (Geschichten-Rahmen) (Minsky 1990: 243ff.). Diese Erwartungen basieren auf schematisch im Gedächtnis gespeicherten Erfahrungen über die typischen Eigenschaften von Personen-Gruppen, über die räumliche Struktur typischer Orte oder über den normalen Ablauf von Handlungen in Interaktionssituationen (Minsky 1990: 263ff.). Diese verschiedenen Frames lassen sich in vielen Fällen zu ganzen Rahmen-Systemen zusammenfassen, die nach inhaltlichen, räumlichen oder zeitlichen Kriterien als zusammengehörig erlebt werden. Während durch die

Schemaaktivierung als Erklärung für Framing-Effekte

71

unterschiedliche Qualität der Einzelrahmen Abgrenzungen geschaffen werden, stiften Rahmen-Systeme Zusammenhänge und Kontinuität zwischen unterschiedlichen Situationen. Durch den häufig sozial geteilten Charakter von Frames kann außerdem die Koordination von Erwartungen zwischen den Akteuren erreicht werden. Ein Beispiel für diese Koordinationsfunktion kann in den Regeln der Sprachverwendung und dem Inhalt sozialer Rollen gesehen werden (Minsky 1990: 264). Die Selektion eines Frames in einer spezifischen Situation wird durch sogenannte „Terminals" gesteuert. Diese Terminals beinhalten Kriterien über die typischen Anwendungsbedingungen der Frames und sind zusammen mit den Frame-Inhalten im Gedächtnis der Akteure gespeichert. Es handelt sich hierbei um eine Art Prüfliste, auf deren Basis die Merkmale typischer Situationen, Personen oder sozialer Beziehungen als angemessene Anwendungsfälle der Frames definiert werden (Minsky 1977). Je mehr von diesen Eigenschaften im konkreten Einzelfall vorgefunden werden, desto eher erfolgt eine FrameAktivierung. Die Inhalte der Terminal-Einträge definieren nicht nur die angemessenen Anwendungsbedingungen der Frames, sondern beinhalten gleichzeitig das Zusatzwissen, welches bei Akzeptanz des Frames in die betreffende Situation eingebracht wird (Minsky 1977). Rahmen haben prinzipiell die Funktion kognitiver Ökonomie und erleichtern durch den Rückgriff auf sozial geteiltes Hintergrundwissen die Koordination in Interaktionssituationen. Wegen der Möglichkeit von Fehlrahmungen handelt es sich bei der Nutzung von Frames allerdings um ein „riskantes" Unterfangen. In diesem Fall beruht das Verhalten der Akteure auf falschen Vorannahmen und unangemessenen Interpretationen der Entscheidungssituation. Die hieraus resultierenden motivationalen Konsequenzen werden im Rahmen der Theorie allerdings nicht weiter berücksichtigt. Schon daran wird deutlich, dass es sich bei der „Frame System Theory" um einen rein kognitiven Ansatz handelt, bei dem die Knappheiten der Akteure - abgesehen vom Kriterium der kognitiven Sparsamkeit - keine Rolle spielen. Auch die Möglichkeit einer rein datenbasierten und damit schema-unabhängigen Informationsverarbeitung liegt außerhalb der Reichweite des Erklärungsansatzes. Diese Rritikpunkte werden im folgenden Erklärungsansatz zumindest ansatzweise berücksichtigt.

3.1.3 Die „Image Theory" Im Rahmen der „Image Theory" soll ausdrücklich die Bedeutsamkeit der beschränkten Akteursrationalität berücksichtigt werden. Zu diesem Zweck wird das theoretische Konzept der „Images" herangezogen, bei denen es sich um schematisch organisiertes Wissen zur Bewertung, Selektion und Überwachung der Leistungsfähigkeit von Handlungsalternativen handelt: „Images are schemata that are specific to decision behavior and represent the decision maker's guiding principles relevant to some sphere of decision making. They also represent the decision maker's goals in that sphere, what he or she is doing to reach those goals, and his or her view of how those efforts are succeeding" (Beach & Mitchell 1987).

72

III. Framing-Theorien: Ein Überblick

Images beinhalten demnach erstens idealisierte und teilweise auch bildhaft repräsentierte Vorstellungen, worin die Akteure ihre obersten Werte sehen („Value Image"). Zweitens wird durch diese definiert, worin eine angemessene Zielsetzung gesehen werden muss („Trajectory Image"). Ein Image gibt drittens an, durch welche Merkmale der Prototyp eines guten und erfolgversprechenden Planes zur Umsetzung dieser Ziele gekennzeichnet ist („Strategie Image"). Der Inhalt der Images ergibt sich - wie bei allen Schemata - als Ergebnis vergangener Erfahrungen und Problemlösungsversuche. Die jeweils konkret vorliegenden Einzelziele oder Planalternativen werden in Hinblick auf die so vordefinierten Idealbilder bewertet (Beach 1990: 23ff.). Dabei ziehen die Akteure zwei Modi der Entscheidungsfindung heran. Im Rahmen des sogenannten „Compatibility Tests" wird die Vereinbarkeit der antizipierten Ergebnisse einer Planalternative mit dem Inhalt der drei Images verglichen. Das dabei wahrgenommene Ausmaß der Kompatibilität beruht nicht auf einer bewussten Abwägung, sondern auf dem Grad der Ähnlichkeit zwischen den vordefinierten Idealbildern und den Merkmalen der fokalen Handlungsalternative. Je mehr Aspekte der Wahlalternative das Idealbild der Images verletzen, desto wahrscheinlicher ist deren Zurückweisung. Wie viele Verletzungen noch als akzeptabel angesehen werden, wird durch das sogenannte „Rejection Threshold" bestimmt: Je wichtiger die betreffende Entscheidung ist, desto höher ist das erforderliche Ausmaß der Schemapassung. Ist diese Passung ausreichend stark und es liegt kein Kandidat mit einer gleich guten Eignung vor, so bleibt es bei dieser automatischen, intuitiven und unreflektierten Art der Entscheidungsfindung (Beach 1990: 7Iff.). Sind jedoch mehrere Alternativen mit den Images der Entscheider vereinbar, so wird zusätzlich der sogenannte „Profitability Test" als Methode der Entscheidungsfindung herangezogen. Bei diesem zweiten Verarbeitungsmodus handelt es sich dann um eine analytische, kompensatorische und nutzenmaximierende Art der Entscheidungsfindung (Beach 1990: 127ff.). Der „Profitability Test" entspricht somit vollständig den Annahmen des ökonomischen Entscheidungsmodells, wobei diese Art der Handlungsselektion auch dann herangezogen wird, wenn bei einem hohen Anspruchsniveau keine der vorliegenden Planalternativen ein ausreichendes Ausmaß an Schemapassung erreicht. Im Rahmen der „Image Theory" wird angenommen, dass sich ein Frame als Ergebnis des Erfahrungs- und Regelwissens der Akteure ergibt. Diese Gedächtnisinhalte werden potentiell durch bestimmte Aspekte der Handlungssituation aktiviert und können sich dann auf das Entscheidungsverhalten auswirken. Das Konzept wird wie folgt definiert: „A frame is that proportion of his or her store of knowledge that the decision maker brings to bear on a particular context in order to endow that context with meaning" (Beach 1990: 51).

Die Frames und das damit verbundene Hintergrundwissen sind auf unterschiedlichen Abstraktionsebenen definiert. Ein genereller Frame liegt entsprechend dann vor, wenn die aktuelle Entscheidungssituation als Mitglied einer allgemeineren Kategorie typischer Handlungssituationen identifiziert werden kann. Eine solche Kategorisierung beruht auf unterschiedlichen, in der

Schemaaktivierung als Erklärung für Framing-Effekte

73

Situation verfügbaren „Features" und „Cues" (Beach & Mitchell 1990). Die Selektion eines generellen Frames entspricht dem Prozess des „Prototype Matching" im Rahmen der allgemeinen Schematheorie. Spezifische Frames enthalten dagegen konkrete Szenarien über den wahrscheinlichen Fortgang der Ereignisse und die dabei zu erwartenden Ergebnisse. Während durch generelle Frames „nur" sozial geteiltes Zusatzwissen bereitgestellt wird, wirken sich spezifische Frames, vermittelt durch die Kompatibilität der Handlungsoptionen mit den Images, direkt auf das Entscheidungsverhalten aus. Obwohl die Akteure den Handlungsoptionen somit in vergleichbaren Situationen einen identischen, sozial geteilten Sinn zuschreiben, ergeben sich auf der Basis der spezifischen Frames dennoch individuell unterschiedliche Verhaltenseinflüsse. Unter bestimmten Umständen ergeben sich diese Einflüsse unmittelbar aus der wahrgenommenen Gültigkeit eines Frames: „For our purposes, a policy is defined as a goal(s) and its attendant plan(s) that is associated with a particular specific frame. That is, it is a preformulated course of action for a particular problem in a specific frame" (Beach et al. 1992: 182).

Eine solche direkte Verknüpfung zwischen der Existenz eines bestimmten Frames und einer spezifischen Handlungsalternative wird demnach als „Policy" bezeichnet. Diese Form der Framing-Einflüsse ist vor allem bei häufig wiederholten Entscheidungssituationen zu erwarten. Das theoretische Konzept der „Policy" hat somit große Ähnlichkeit mit einer Routine, einem Habit oder einem Skript für einen spezifischen Situationstyp. Im Rahmen des vorliegenden Erklärungsansatzes wird generell angenommen, dass sich wechselnde Merkmale der Handlungssituation, vermittelt durch die Aktivierung unterschiedlicher Frames, auf das Entscheidungsverhalten auswirken. Eine solche Aktivierung führt entweder unmittelbar zur Verwendung habitualisierter Problemlösungen oder stellt Zusatzwissen über die Handlungssituation bereit. Die wechselnde Qualität des so verfügbaren Hintergrundwissens beeinflusst die Kompatibilität der Handlungsalternativen mit den jeweils vordefinierten Images einer „guten" Entscheidung. Derartige Einflüsse sind allerdings nur dann zu erwarten, wenn die Handlungswahlen auf einem unaufwendigen und wenig analytischen „Compatibility Test" als Verarbeitungsmodus beruhen. Es kann somit festgestellt werden, dass die skizzierte Theorie zentrale Komponenten zur Erklärung schemabasierter Framing-Effekte enthält: Es werden sowohl die kognitiven Bestimmungsfaktoren der FrameAktivierung wie auch die Qualität des Informationsverarbeitungsmodus als relevant angesehen. Bei der Erklärung liegen allerdings drei Probleme vor. Die Theorie ist erstens kaum formalisiert, so dass die Ableitung exakter Prognosen über das insgesamt zu erwartende Entscheidungsverhalten sehr schwierig ist. Zweitens ist das Zusammenspiel zwischen den Prozessen der FrameAktivierung und der Nutzung unterschiedlich analytischer Entscheidungsmodi theoretisch nicht geklärt. Die Bedeutsamkeit der Frames ist zwar dann relativ klar, wenn die Entscheider den intuitiven „Compatibility Test" heranziehen. Ob deren Auswirkungen auch bei Verwendung eines analytischen „Profitability Tests" bestehen bleiben oder neutralisiert werden, lässt sich aus der Theorie nicht eindeutig ableiten. Drittens werden insgesamt die Ziele der Akteure und

74

III. Framing-Theorien: Ein Überblick

die daraus resultierenden Anreize für bestimmte Arten des Entscheidungsverhalten nicht hinreichend berücksichtigt. Im Gegensatz hierzu stehen beim folgenden Ansatz zur Erklärung von Framing-Effekten die Zielsetzungen und Knappheiten der Akteure stark im Vordergrund. 3.1.4 Das „Discrimination Model" Beim „Discrimination Model" von Lindenberg handelt es sich um eine Modifikation des ökonomischen Erklärungsmodells, bei dem die begrenzte Akteursrationalität und die Handlungsrelevanz sozialer Normen explizit berücksichtigt wird (Lindenberg 1989a; Lindenberg 1989b). In Abgrenzung zum ökonomischen Erklärungsansatz wird angenommen, dass die Handlungsalternativen immer nur im Hinblick auf eine singuläre und situational wechselnde Zielsetzung bewertet werden. Diese Selektivität in der Zielorientierung wird als Frame bezeichnet und auf die beschränkte Akteursrationalität zurückgeführt. Ein besonders interessanter Spezialfall liegt dann vor, wenn ein Frame durch die Zielsetzung der Befolgung sozialer Normen definiert ist. Unabhängig von der dominanten Zielsetzung der Akteure wird angenommen, dass die Anreize für die Erfüllung alternativer und teilweise widersprüchlicher Ziele aktuell immer ausgeblendet werden. Diese Opportunitätskosten wirken sich jedoch negativ auf die Stabilität des aktuell gültigen Frames und der damit verbundenen Zielorientierung aus (Ligthart & Lindenberg 1994). Das Diskriminationsmodell geht insgesamt von einem vierstufigen Entscheidungsprozess aus. Im ersten Schritt erfolgt die spontane Selektion jenes Frames, den die Akteure aktuell als gültig ansehen und zur Vereinfachung der insgesamt vorliegenden Zielstruktur heranziehen. In diesem Stadium des Auswahlprozesses wird angenommen, dass ein bestimmter Frame durch „situationale Cues" aktiviert wird: „It is assumed that at first situational cues make one of these goals the salient frame. For example, if I see my friend arriving, this cue would favor the goal 'to behave as a good friend' (Lindenberg 1993: 22)".

Im zweiten Schritt werden die Handlungsaltemativen im Hinblick auf das als dominant definierte Ziel bewertet. Diese Bewertung folgt dabei prinzipiell der gleichen Logik wie im ökonomischen Ausgangsmodell. Bildet beispielsweise die soziale Zielsetzung, eine Freundschaft zu fordern die Grundlage des aktuellen Frames, so werden die Handlungsalternativen ausschließlich nach der Erfüllung der dann relevanten Zielkriterien beurteilt. Andere Bewertungselemente wie beispielsweise finanzielle Anreize spielen innerhalb dieses Frames keine Rolle (Lindenberg 1993). Die endgültige Entscheidung zwischen den Wahlalternativen erfolgt dann im dritten Schritt. Hier wird ein probabilistischer Entscheidungsprozess angenommen, wobei eine Handlungsalternative umso wahrscheinlicher akzeptiert wird je größer die Nutzendifferenz im Vergleich zum Durchschnitt der anderen Optionen ist. Erzeugen alle Handlungsalternativen das gleiche Ausmaß an Befriedigung der fokalen Zieldimension, so werden alle mit der gleichen Wahrscheinlichkeit gewählt. In einem vierten Schritt - dieser erfolgt genaugenommen simultan zu den anderen Selektionen - wird die Angemessenheit des vorläufig akzeptierten Fra-

Schemaaktivierung als Erklärung fiir Framing-Effekte

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mes und damit eine mögliche Revision der spontan gewählten Zielselektivität überprüft. Eine Zieldimension taugt nur dann als Auswahlkriterium, wenn sich die Attraktivität der Optionen bezüglich dieser Selektionsdimension unterscheidet. Werden dagegen alle Handlungsoptionen als gleichwertig bewertet, so birgt der gesamte Entscheidungsprozess kein Verbesserungspotential und führt ebenso wenig zu der angestrebten Verhaltenssicherheit. Die Diskriminationsfähigkeit eines Frames wird allerdings nicht nur durch das Ausmaß der Ergebnisunterschiede zwischen den Optionen bestimmt, sondern auch durch dessen „situationale Salienz" (Lindenberg 1993). Die Salienz eines Frames ist umso höher je knapper und damit wertvoller das im Rahmen des Frames angestrebte Gut ist. Dagegen geht die Salienz eines Frames immer stärker zurück, wenn in steigendem Ausmaß auf Nutzenaspekte aus alternativen Zielsetzungen verzichtet werden muss. Dieser Einfluss der Opportunitätskosten wird zunehmend stärker, wenn dabei die Realisierung besonders drängender Ziele und damit knappe Ressourcen betroffen sind. Das Entscheidungsmodell kann durch folgende Gleichung zusammengefasst werden (Lindenberg 1993): Pi=ß'(g,-U0)+l/n

Pi gi Uo ß 1/n

(3.7)

Wahlwahrscheinlichkeit von Option i (i=l,2, n). Erwartungsnutzen von Option i bezüglich des aktuell gültigen Frames. Mittlerer Erwartungsnutzen aller Optionen bezüglich des gültigen Frames, Situationale Salienz des Frames. Zufallswahrscheinlichkeit fiir die Selektion von Alternative i.

Framing-Effekte werden im Rahmen des „Discrimination Model" durch die situational wechselnde Selektivität in der Zielorientierung der Entscheider erklärt. Die Qualität der jeweils zu erwartenden Auswahl ergibt sich durch die automatische Aktivierung von Zielschemata einerseits und durch die Wirksamkeit bewusster Korrekturprozesse andererseits. Dabei können die resultierenden Frames durch eigennützige Zielsetzungen oder durch die Orientierung an sozialen Normen und Rollenerwartungen definiert sein (Lindenberg 1993: 11 f.). Die angenommenen Korrekturprozesse bei der Frame-Selektion erfolgen immer vor dem Hintergrund bestehender Knappheiten der Entscheider. In dieser Hinsicht wird die spontan vorliegende Dominanz sozialer Normen in vielen Fällen durch steigende Opportunitätskosten in Frage gestellt und ab einem bestimmten Punkt korrigiert. Die Integration kognitiver und motivationaler Bestimmungsfaktoren der Frame-Selektion sowie die mögliche Berücksichtigung intrinsischer Handlungsmotive stellen einen großen theoretischen Fortschritt des Modells dar. Bei der vorliegenden Erklärung ist allerdings problematisch, dass implizit zwar Prozesse der Schemaaktivierung als erklärungsrelevant angesehen werden, deren Bestimmungsfaktoren werden jedoch nicht in die formale Modellierung integriert. So wird weder die kognitive Verfügbarkeit der Zielschemata bei den Akteuren noch das Ausmaß der Passung zwischen der aktuellen Handlungssituation und dem entsprechenden Schema explizit berücksichtigt. Außerdem wird im Rahmen der Theorie angenommen, dass die Entscheider immer nur singuläre Zielsetzungen berücksichtigen. Dabei wird die Möglichkeit einer vollständig rationalen Art des Entscheidungsverhaltens vernachlässigt. Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die unzureichende Modellierung

76

III. Framing-Theorien: Ein Überblick

des Frame-Wechsels und dessen Determinanten (Lüdemann & Rothgang 1996)6. Diese Möglichkeit wird dagegen beim Modell der Frame-Selektion explizit berücksichtigt (vgl. Kapitel IV, Abschnitt 3.2).

3.2 Allgemeine Erklärungen schemabasierter

Framing-Effekte

In der (Sozial-) Psychologie und Soziologie liegen theoretische Erklärungsansätze vor, bei denen menschliches Entscheidungshandeln in sehr ähnlicher Art und Weise wie bei den gerade skizzierten Framing-Theorien erklärt wird. Dazu zählen zum Beispiel bestimmte Varianten der Einstellungstheorie, Ansätze bei denen die Handlungsrelevanz von Vorurteilen und Stereotypen erfasst werden sowie die Skript Theorie. Auch die Rollen Theorie sowie Ansätze zur Erklärung der Bedeutung sozialer Normen, vor allem aber das Erklärungskonzept der Situationsdefinition in der Soziologie, zeigen große Ähnlichkeiten mit den vorgestellten schemabasierten Framing-Theorien. Auch bei bestimmten Varianten der Theorie mentaler Modelle werden Prozesse der Schemaaktivierung zur Handlungserklärung herangezogen. Die exakten Randbedingungen für die handlungsleitende Kraft aktivierter Schemata lassen sich auch im Rahmen von „Dual Process "-Modellen der Schemanutzung prognostizieren. Es kann argumentiert werden, dass die oben skizzierten speziellen FramingTheorien als Spezialfälle in den folgenden Erklärungsansätzen enthalten sind. 3.2.1 Einstellungen als Frames Einstellungen sind kategorial organisierte Gedächtnisstrukturen mit einer kognitiven, evaluativen und verhaltensmäßigen Komponente (Rosenberg & Hovland 1960). Einstellungen wirken sich demnach durch ihren Informationsgehalt aber auch durch die jeweils transportierten Bewertungen auf das Verhalten der Akteure aus. Häufig wird jedoch - wie schon bei der klassischen Einstellungsdefinition von Allport (1935) - die Bewertungskomponente von Einstellungen stark in den Mittelpunkt gestellt: „Within our model, an attitude is viewed as an association in memory between a given object and a given summary evaluation of the object. Individuals may hold evaluations of a wide variety of potential attitude objects, including social issues, categories of situations, categories of people, and specific individuals, as well as physical objects" (Fazio 1995: 247f.).

Einstellungen können sich auf sehr unterschiedlichen Gegenstände wie abstrakte Ideen, konkrete Objekte oder auch Handlungen beziehen. Bei generali6

In einer Weiterentwicklung und Konkretisierung des „Discrimination Models" von Braun (1997) wird die Diskriminationsfähigkeit unterschiedlicher Frames und somit deren situationale Dominanz durch das Entropie-Konzept explizit in das Modell eingeführt, formalisiert und dabei gleichzeitig endogenisiert. Dabei bleiben allerdings auch bei dieser Reformulierung des Ausgangsmodells die kognitiven Determinanten der Frame-Aktivierung unberücksichtigt. Auch die Möglichkeit vollständig instrumenteil rationaler und über alle Zieldimensionen hinweg maximierender Handlungswahlen wird hierbei nicht in die Modellierung eingeführt.

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sierten Einstellungen handelt es sich um solche kognitiven Strukturen, durch die Bewertungen für ganze Klassen von Anwendungsgegenständen bereitgestellt werden: Diese Art von Einstellungen erfüllen somit in besonderem Ausmaß die Funktion kognitiver Sparsamkeit (Katz 1960). Werden generalisierte Einstellungen auf Personen angewendet, so können diese mit dem Vorurteils· und Stereotypenkonzept gleichgesetzt werden. Insofern kann die Handlungsrelevanz dieser Personenschemata durch die gleichen Prozesse und Bestimmungsfaktoren erklärt werden, wie dies bei anderen Einstellungen der Fall ist. Ob eine Einstellung aktiviert wird und sich dann potentiell auf das Verhalten der Akteure auswirkt, lässt sich durch zwei theoretische Faktoren prognostizieren. Dabei handelt es sich einerseits um die Einstellungsstärke oder Einstellungsverankerung. Diese Dimension lässt sich als Stärke der Verbindung zwischen einem Einstellungsobjekt und den im Gedächtnis der Akteure gespeicherten Urteile und „Beliefs" definieren. Eine Einstellungsaktivierung und die potentiell damit verbundenen Einflüsse auf das Entscheidungsverhalten der Akteure wird immer wahrscheinlicher, wenn die Stärke dieser Verbindung zunimmt (Bassiii 1995; Fazio 1995). Bei „Non Attitudes" fehlt eine solche Verbindung entweder vollständig oder ist so schwach, dass prinzipiell keine Verhaltensrelevanz zu erwarten ist (Converse 1964). Andererseits wird in der Einstellungstheorie außerdem angenommen, dass eine automatische Aktivierung der Wissens- und Bewertungsinhalte umso eher zu erwarten ist, je typischer ein konkret vorliegendes Einstellungsobjekt für die betreffende Kategorie ist (Bargh 1996; Fazio et al. 1986). Auch symbolische Repräsentationen der jeweiligen Objektkategorie oder Personengruppe können zur Aktivierung der betreffenden Einstellungsinhalte führen. So lassen sich beispielsweise Einstellungen gegenüber „Black Americans" alleine durch die Präsentation der Begriffe „Ghetto" oder „Jazz" aktivieren (Devine 1989). Im Rahmen des „MODE-Model" von Fazio wird die Einstellungsaktivierung allerdings nur als notwendige, nicht aber als hinreichende Bedingung für die Handlungsrelevanz von Einstellungen angesehen (Fazio 1986; 1990). In dieser Hinsicht müssen weitere Faktoren berücksichtigt werden, die als Determinanten des Informationsverarbeitungsmodus interpretiert werden können. Demnach weichen Entscheider dann von einer kognitiv sparsamen Verwendung vorgefertigter Einstellungsurteile ab, wenn gleichzeitig ein hohes Ausmaß an Motivation und ausreichend kognitive Ressourcen für eine aufwendige, datenbasierte Art der Handlungsselektion bereitstehen (vgl. hierzu im Einzelnen auch Abschnitt 3.2.5 in diesem Kapitel). Da Einstellungen nur grobe Entscheidungsheuristiken mit hoher Irrtumswahrscheinlichkeit darstellen, wird bei steigender Entscheidungswichtigkeit - beispielsweise bei einer öffentlichen Begründungspflicht der Entscheidung - eine geringere Übereinstimmung zwischen den Einstellungen und dem beobachteten Verhalten erwartet (Schuette & Fazio 1995). Gleichzeitig müssen aber auch die notwendigen kognitiven Kapazitäten für eine aufwendigere Art der Entscheidungsfindung vorliegen. Werden diese beispielsweise durch Zeitdruck oder gleichzeitig zu erledigende Aufgaben reduziert, so ziehen auch hoch motivierte Entscheider weiterhin schematische Entscheidungsgrundlagen heran (Jamieson & Zanna 1989).

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III. Framing-Theorien: Ein Überblick

Die Erklärung von Einstellungseinflüssen und die dabei prognostizierten Entstehungsbedingungen zeigen große Ähnlichkeiten mit den vorgestellten Theorien zur Erklärung schemabasierter Framing-Effekte. Auch Einstellungen können selektiv durch Merkmale der Entscheidungssituation aktiviert werden und wirken sich dann potentiell auf die Handlungswahlen der Akteure aus. Die Framing-Bedingungen bestehen im vorliegenden Fall in der Existenz oder Abwesenheit eines typischen Einstellungsgegenstandes. Es muss auch hier mit dem Einfluss instrumenteil irrelevanter Kontextfaktoren gerechnet werden, wenn es sich hierbei um eine symbolische Repräsentationen des betreffenden Einstellungsgegenstandes handelt. Die häufig beobachtete Verhaltensrelevanz generalisierter Einstellungen - diese beinhaltet selbst eine Anomalie des Rational-Choice Ansatzes - kann somit zur Klasse der schemabasierten FramingEffekte gezählt werden. 3.2.2 Skripte als Frames Auch die Verhaltensrelevanz situational aktivierter Skripte kann als schemabasierter Framing-Effekt interpretiert werden. Auf der Grundlage sozialer Skripte bilden sich die Akteure Erwartungen über eine zusammenhängende Sequenz von Ereignissen in typischen Situationen aus (Abelson 1976: 33). Gleichzeitig repräsentieren Skripte Erfahrungswissen über das angemessene Verhalten in ganzen Klassen von Handlungssituationen. Skripte oder Ereignisschemata werden auf der Basis typischer Situationsmerkmale aktiviert, stellen Zusatzwissen zur Verfügung und steuern potentiell ohne bewusste Überlegungen das Verhalten der Akteure (Schänk & Abelson 1977). In dieser Hinsicht können soziale Skripte der Kategorie schematischer Wissens- und Bewertungsstrukturen zugerechnet werden. Die situationale Anwendbarkeit eines Skriptes ergibt sich auf der Basis spezifischer Merkmalsdimensionen, die als „Slots" bezeichnet werden. Diese „Slots" beinhalten Informationen über die typischerweise zu erwartenden Personen, Objekte oder Ereignisse in einem bestimmten Situationstyp. Diese Informationen sind zusammen mit dem eigentlichen Ablaufschema im Gedächtnis der Akteure gespeichert und steuern die Identifikation der passenden Anwendungssituationen eines bestimmten Skriptes: Je stärker die Merkmale der aktuellen Handlungssituation mit den Anwendungsbedingungen des jeweiligen Skriptes übereinstimmen, desto wahrscheinlicher erfolgt eine Aktivierung des Ereignisschemas. Die Einträge in den Leerstellen der „Slots" dienen nicht nur der Identifikation des passenden Schemas, sondern stellen gleichzeitig Zusatzwissen für die Akteure bereit (als Überblick vgl. Schwarz 1985; Tomkins 1992). Skriptbasiertes Verhalten ähnelt in vieler Hinsicht der Wirksamkeit von Habits oder Handlungsroutinen. In beiden Fällen werden Entscheidungsprobleme auf immer gleiche und bewährte Art gelöst, so dass eine unaufwendige Art der Handlungsselektion möglich ist. Bei dieser Verwendung von typisiertem Erfahrungswissen wird häufig auch lokal verfügbare und entscheidungsrelevante Information ignoriert. Der Unterschied zwischen beiden Konzepten besteht darin, dass Skripte nicht nur in identisch wiederkehrenden sondern prinzipiell auch für die Bewältigung neuer Handlungssituationen verwendet werden können. Allerdings wirken sich Skripte nicht unter allen Umständen auf das Entscheidungsverhalten der Akteure aus. Ob

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dies der Fall ist, muss auch hier - wie bei allen Arten von Schemata - auf der Grundlage der bestehenden Motivation und den kognitiven Beschränkungen der Akteure prognostiziert werden (Louis & Sutton 1991; Verplanken, Aarts & van Knippenberg 1997). Habits und Skripte werden durch das Wiedererkennen von Einzelsituationen als typisches Mitglied einer Situationskategorie aktiviert. Ist dies der Fall, so wirkt sich das jeweilige Hintergrundwissen potentiell direkt auf das Verhalten der Akteure aus. Subtile Unterschiede zwischen den Handlungssituationen wirken sich dann auf das Verhalten aus, wenn durch diese die wahrgenommene Anwendbarkeit von Habits oder Skripten verändert wird. Derart wechselnde Situationsmerkmale können als Framing-Bedingungen und die resultierenden Unterschiede im Entscheidungsverhalten als Framing-Effekte interpretiert werden. Bei der Erklärung von habituellem und skriptbasiertem Verhalten - es handelt sich hierbei ebenfalls um eine Anomalie des Rational-Choice Ansatzes - kann somit auf die gleichen theoretischen Prinzipien wie bei der Prognose anderer schemabasierter Framing-Einflüsse zurückgegriffen werden. Im folgenden Abschnitt soll gezeigt werden, dass dies auch für die Handlungsrelevanz internalisierter Normen und sozialer Rollen der Fall ist. 3.2.3 Soziale Rollen und internalisierte Normen als Frames Bei der Wirkungsweise von sozialen Rollen und internalisierten Normen lassen sich große Ähnlichkeiten zum allgemeinen Schemakonzept feststellen. Auch durch diese kognitiven Strukturen werden Zusatzwissen und vor allem vorgefertigte Urteile für ganze Klassen von Handlungs- und Interaktionssituationen bereitgestellt. Zusätzlich bewirken soziale Normen eine selektive Zielorientierung und damit die Verwendung einer entsprechend beschränkten Entscheidungsgrundlage durch die Akteure. Soziale Rollen bestehen meist aus einem Bündel von Regeln, auf deren Basis die Interaktion zwischen Positionsinhabern vorstrukturiert wird. Da diese Regeln von den betroffenen Akteuren oft als verbindlich angesehen werden und somit normativen Charakter haben, können Rollen als Spezialfall der Wirksamkeit sozialer Normen angesehen werden. Die dabei etablierten normativen Erwartungen richten sich weniger an einzelne Individuen, sondern sind vielmehr an soziale Positionen und die damit verbundenen sozialstrukturell definierten Kategorien von Positionsinhabern geknüpft. Die Aktivierung sozialer Rollen ist demnach nur dann zu erwarten, wenn sich die konkreten Interaktionspartner gegenseitig als Inhaber aufeinander bezogener Positionen kategorisieren. Je stärker die betreffende Person die stereotypen Merkmale einer bestimmten Position - beispielsweise eines Professors - erfüllt, desto eher werden die entsprechenden normativen Interaktionsgrundlagen aktualisiert. Häufig müssen dabei die Positionen der Interaktionspartner auf der Basis symbolischer Markierungen erschlossen werden. Aber auch die Merkmale der Handlungssituation insgesamt müssen mit den Anwendungsbedingungen des Rollenschemas übereinstimmen. Das Wiedererkennen typischer Interaktionssituationen beruht dabei auf sozial geteiltem Hintergrundwissen der Akteure:

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III Framing-Theorien: Ein Überblick „Die Einbeziehung der Situation und die Abstraktionsprozesse, aus denen sich .gleiche Situationen' und .gleiche Verhaltensabläufe' ergeben, sind im übrigen, wie bereits gezeigt, Leistungen der Vergesellschaftungsprozesse selbst" (Popitz 1975:27).

Wird die Situation als Anwendungsfall einer Rolle definiert und werden die betreffenden Interaktionspartner als Inhaber der „richtigen" Position kategorisiert, so folgt das Verhalten potentiell unhinterfragt den vordefinierten Anforderungen des Rollenschemas. Die Funktionsweise von sozialen Rollen hat große Ähnlichkeit mit dem bereits skizzierten Skript-Konzept, wobei im vorliegenden Fall die Erwartungen der Akteure allerdings zusätzlich einen normativen Charakter annehmen. Diese Verpflichtung auf bestimmte Zielorientierungen und Handlungsweisen liegt in der objektiven Gültigkeit extern vorgegebener Institutionen begründet. Da die Akteure bei Verstößen gegen die Rollenerwartungen mit negativen Sanktionen durch die soziale Umwelt rechnen müssen, geht die Motivation für die Identifikation der korrekten Rollenorientierung über jene bei rein kognitiven Schemata hinaus (Popitz 1980: 21). Bei der Erklärung von Entscheidungsverhalten ist von besonderer Bedeutung, dass sich die normativen Handlungsgrundlagen zwischen verschiedenen Gesellschaftsbereichen in hohem Ausmaß unterscheiden können. So wird beispielsweise die Interaktion zwischen Geschäftspartnern im Wirtschaftsbereich durch andere Regelsysteme bestimmt, als dies im Geltungsbereich der Institution „Familie" der Fall ist. Für die Akteure ist es entsprechend von großer Bedeutung, die gerade gültige institutionelle Ordnung zuverlässig zu identifizieren. Die Bewältigung dieser Aufgabe wird dadurch erleichtert, dass der Gültigkeitsbereich von Institutionen - wie beispielsweise der Religion - häufig durch mehr oder weniger deutliche symbolische Markierungen angezeigt wird. Die Aktivierung spezifischer Normen und deren potentielle Handlungsrelevanz ist entsprechend eng mit der Existenz passender Hinweisreize in der Entscheidungsumwelt verbunden. Allerdings sind soziale Normen nur dann bei jeder passenden Anwendungssituation spontan aktivierbar, wenn diese vorher durch intensive Sozialisationsprozesse zuverlässig intemalisiert worden sind (Schwartz 1975). Bei dem dann resultierenden hohen Ausmaß an NormVerankerung fuhrt jeder Stimulus mit einer ausreichend starken Beziehung zur betreffenden Norm zu deren Aktivierung (Cialdini, Kallgren & Reno 1991). Die Verhaltensrelevanz aktivierter Nonnen kann allerdings nur dann prognostiziert werden, wenn auch die Kosten einer Normbefolgung berücksichtigt werden. So reduziert sich die Bedeutsamkeit gesellschaftlich definierter Verhaltensregeln in zunehmendem Ausmaß, wenn deren Einhaltung den privaten Absichten der Akteure widerspricht (Elster 1991). Die Entstehung einer spezifischen normativen Orientierung bei den Akteuren durch den Prozess des „Prototype Matching" wird in der Soziologie auch als „Definition der Situation" bezeichnet. Dieser Begriff geht ursprünglich auf William Thomas zurück und bezieht sich generell darauf, in welcher Weise die Akteure die objektiven Elemente einer Situation in ihre subjektive und situationsbezogene Perspektive übernehmen. Mit objektiven Elementen meint Thomas einerseits die gesellschaftlich definierten „Werte", die in einer Situation bedeutsam sind, aber auch die „Einstellungen" gegenüber verschiedenen Handlungsmöglichkeiten (Zaretsky 1984: 57ff.). Durch eine Situations-

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definition wird eine starke Komplexitätsreduktion bewirkt, da die Anzahl der aktuell relevanten gesellschaftlichen Werte eingeschränkt und eine bestimmte subjektive Einstellung aktualisiert wird. Für Thomas ist die Situationsdefinition aber keineswegs ein subjektiver Akt, sondern vielmehr stark durch gesellschaftliche Vorgaben eingeschränkt: „But the child is always bom into a group of people among whom all the general types of situations which may arise have already been defined and corresponding rules of conduct developed, and where he has not the slightest chance of making his definition and following his wishes without interference" (Thomas 1967:42).

Eine Situationsdefinition ergibt sich demnach durch den Prozess des Wiedererkennens gesellschaftlich definierter Situationstypen sowie der Aktivierung der damit verbundenen Einstellungen und Handlungsorientierungen. Im Rahmen des normativen Paradigmas in der Soziologie werden teilweise ähnliche Annahmen gemacht. Hier wird allerdings angenommen, dass sich die Situationsprototypen immer entlang der Grenzen gesellschaftlicher Teilsysteme zusammenfassen lassen. Gleichzeitig wird angenommen, dass in jedem Teilsystem die entsprechende normative Definition der Situation ohne Probleme erfolgen kann, lassen sich die dominanten Zielsetzungen und Handlungen der Akteure für jeden dieser Handlungsbereiche eindeutig bestimmen. Im Strukturfunktionalismus wird entsprechend angenommen, dass die Zugehörigkeit einer Handlungssituation zu einem bestimmten, institutionell definierten Bereich und die damit verbundene normative Situationsdefinition immer automatisch erfolgt. Der dann gültige, normativ definierte „Frame of Reference" dominiert dann immer das Handeln der Akteure (Parsons 1968: 44ff.): „Value orientation refers to those aspects of the actor's orientation which commit him to the observance of certain norms, standards, criteria of selection, whenever he is in a contingent situation which allows (and requires) him to make a choice" (Parsons & Shils 1951: 59).

Die Definition der Situation durch eine angemessene normative Orientierung erfolgt auf der Basis sogenannter „Objects of Orientation". Es handelt sich hierbei um alle Anzeichen und Symbole in der Handlungssituation, die sozial geteilt mit einer spezifischen institutionellen Ordnung in Verbindung gebracht werden (Parsons & Shils 1951: 159ff.). Die skizzierten Annahmen des normativen Paradigmas werden im Rahmen der symbolisch-interaktionistischen Theorietradition kritisiert und entsprechend modifiziert. Als Ausgangspunkt wird auch hier angenommen, dass die Situationsdefinition der Akteure durch die Existenz „signifikanter Symbole" beeinflusst wird. Die Bedeutung dieser Symbole ist allerdings nicht durch gesellschaftliche Vorgaben fixiert, sondern beruht auf der aktiven Interpretationsleistung der Akteure (Blumer 1969). Gegen die reflexhafte und passive Konzeption der Akteursorientierung im normativen Paradigma werden drei Einwände angeführt. Soziale Normen sind erstens niemals bei allen Akteuren gleichermaßen perfekt sozialisiert und internalisiert. Vielmehr muss mit großen individuellen und gruppenspezifischen Unterschieden in der NormVerankerung gerechnet werden (Rose 1962). Zweitens stimmen die konkreten

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III Framing-Theorien: Ein Überblick

Handlungssituationen nur im Ausnahmefall perfekt mit den vordefinierten Situationstypen überein. Gerade bei neuen oder ansonsten unklar markierten Situationen ist die Passung mit vordefinierten Prototypen gering, so dass aktive Prozesse der Situationsdefinition von Bedeutung sind (Blumer 1962). Im interaktionistischen Paradigma wird drittens zwar angenommen, dass gesellschaftliche Normvorgaben für die Akteure prinzipiell bedeutsam sind, deren letztendliche Handlungsrelevanz wird jedoch häufig durch Konflikte mit privaten Interessen relativiert. Da die Situationsdefinition als Ergebnis aktiver und intentionaler Prozesse angesehen wird, sind Abweichungen vom gesellschaftlich definierten Standard immer möglich (Volkart 1965: 23). Auch bei den dargestellten Erklärungsansätzen für die Handlungsrelevanz sozialer Nonnen und Rollen können deutliche Parallelen zur allgemeinen Schematheorie festgestellt werden. Dies ist allerdings in unterschiedlichem Ausmaß der Fall. So wird bei allen Theorien angenommen, dass Normen dann handlungsrelevant werden, wenn die konkrete Handlungssituation als möglichst typischer Anwendungsfall identifiziert wird. Es liegen allerdings sehr unterschiedliche Hypothesen darüber vor, in welchem Ausmaß die Kriterien dieser Passung sozial geteilt sind. Außerdem wird die Situationsdefinition in unterschiedlichem Ausmaß als Ergebnis bewusster und intentionaler Prozesse konzipiert. Die Position des normativen Paradigmas beinhaltet in dieser Hinsicht einen extremen Standpunkt, wobei alle Handlungssituationen eindeutig typisiert werden können und immer mit stark im Gedächtnis verankerten normativen Einstellungen der Akteure in Beziehung stehen. Das Verhalten folgt bei Aktivierung der Normen in einer automatischen Art und Weise den Implikationen dieser Schemata. Schemabasierte Framing-Effekte wären dann zu erwarten, wenn (symbolische) Merkmale in der Entscheidungssituation den Wechsel zwischen gesellschaftlichen Institutionen anzeigen und somit unterschiedliche normativ definierte „Frames of Reference" als gültig angesehen werden. Vergleichbare Erklärungen für die Wirksamkeit wechselnder FramingBedingungen ergeben sich auch im Rahmen der Rollentheorie, bei der angenommen wird, dass sich diese potentiell auf die wahrgenommene Typikalität der Positionsinhaber oder der Interaktionssituation auswirken. Im Rahmen des Symbolischen Interaktionismus kann der gesamte Aushandlungsprozess der Situationsdefinition durch den Austausch von „signifikanten Symbolen" zwischen den Interaktionspartnern als Abfolge von gegenseitigen FramingVersuchen interpretiert werden. Ob dann tatsächlich die beabsichtigten Framing-Effekte auf das Verhalten der Mitakteure erreicht werden können, hängt allerdings immer auch von den vorherrschenden Intentionen der Akteure ab. 3.2.4 Die Theorie schemabasierter mentaler Modelle Durch ein mentales Modell werden die objektiven Merkmale einer Entscheidungssituation bei den Akteuren subjektiv repräsentiert. Dabei beinhaltet diese kognitive Situationsrepräsentation gleichzeitig eine Vereinfachung und Interpretation der vorliegenden Verhältnisse. In dieser Hinsicht ergeben sich immer mehr oder weniger starke Abweichungen zwischen den „Beliefs" der Akteure und den Verhältnissen in der externen Realität. Wie bereits dargestellt wurde, kann die Qualität und das Ausmaß dieser Abweichungen durch die Existenz

Schemaaktivierung als Erklärung für Framing-Effekte

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von Informationsmangel und durch die Verwendung heuristischer Regeln der Informationsverarbeitung erklärt werden (vgl. Abschnitt 1.2.1 und 2.1.5 in diesem Kapitel). Bei anderen Anwendungen der Theorie werden in dieser Hinsicht Prozesse der Schemaaktivierung als relevant angesehen. Es wird hierbei angenommen, dass sich abstrakte Schemata, immer vermittelt durch die mentale Repräsentation der konkreten Handlungssituation, auf das Entscheidungsverhalten der Akteure auswirken (Lipshitz & Shaul 1997). Schematische Wissensstrukturen bewirken hierbei eine Anreicherung der mentalen Situationsmodelle durch unterschiedliche Formen von Hintergrundwissen. Da Schemata immer grobe Vereinfachungen der realen Verhältnisse beinhalten, ergeben sich hierbei häufig verzerrte und fehlerhafte Situationsmodelle. So kann beispielsweise das mentale Modell der sozialen Beziehungen innerhalb einer Gruppe durch unterschiedliche Regeln des Schlussfolgerns beeinflusst werden. Wird eine Regel mit spezifischem Inhalt durch situational verfügbare Hinweisreize aktiviert, so enthält das kognitive Modell der Situation Hintergrundwissen über die jeweils typischerweise zu erwartenden Beziehungskonstellationen (von Hecker 1997). Die Grundlage der Schlussfolgerungen kann hierbei in generalisiertem und schematisch organisiertem Erfahrungswissen aus ähnlichen Situationstypen gesehen werden. Ob das mentale Modell der Situation durch das betreffende Regelwissen beeinflusst wird, lässt sich durch die Determinanten der Schemaaktivierung erklären. Eine Aktivierung erfolgt dann, wenn die Situation durch passende „Cues" möglichst klar als Anwendungsfall des betreffenden Schemas markiert ist. Hierbei spielen dann potentiell auch instrumenteil irrelevante Merkmale des Entscheidungskontextes eine wichtige Rolle. Diese Merkmale wirken als Prime-Stimuli für die situationsspezifische Aktivierung der entsprechenden Schemata (von Hecker 1997). Aus der Beobachtung konkreter Einzelinformationen lassen sich dann Schlussfolgerungen über die Gesamtstruktur eines sozialen Netzwerkes ableiten. Dabei können prinzipiell verfügbare Einzelfallinformationen durch Schemaeinflüsse aus der mentalen Repräsentation der Akteure verdrängt werden. Die resultierenden Widersprüche zwischen den objektiven Umweltdaten und deren subjektiver Repräsentation können unter bestimmten Umständen zu einer bewussteren und aufwendigeren Überprüfung der mentalen Modelle führen (zu diesen Faktoren vgl. Abschnitt 2.2.1). Unter diesen Umständen wird dann der Einfluss aktivierter Schemata zumindest teilweise kontrolliert. Im Rahmen der schemabasierten Version der Theorie mentaler Modelle lassen sich Framing-Effekte in sehr ähnlicher Weise wie bei den bereits skizzierten Erklärungsansätzen rekonstruieren. Auch hier wird angenommen, dass Stimuli im Kontext der Entscheidungssituation abstrakte Wissensschemata aktivieren und dann eine Anreicherung der subjektiven Situationsrepräsentation mit Zusatzwissen bewirken. Die wechselnden Merkmale von FramingBedingungen können derartige Stimuli bereitstellen, so dass sich die mentalen Modelle der „gleichen" Handlungssituation unterscheiden. Ohne eine kritische Überprüfung der Situationsmodelle muss dann mit Einflüssen der FramingBedingungen auf das Entscheidungsverhalten gerechnet werden. Welche Umstände zu einer solchen kritischen Analyse führen, wird in der vorliegenden Theorie jedoch nicht exakt angegeben. Dies ist bei den im folgenden dargestellten Modus-Modellen der Schemanutzung deutlich stärker der Fall.

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III. Framing-Tkeorien: Ein Überblick 3.2.5 Modus-Modelle der Schemanutzung

In den bisher dargestellten Theorien lassen sich Prozesse der Schemaaktivierung als zentrale Entstehungsursache für Framing-Effekte identifizieren. Werden schematische Wissens- oder Bewertungsstrukturen beispielsweise durch die Existenz sprachlicher Symbole in Framing-Experimenten aktiviert, so muss dies als notwendige, nicht aber hinreichende Bedingung für die Entstehung von Framing-Einflüssen angesehen werden. Aktivierte Schemata wirken sich nämlich dann nicht auf das Verhalten der Akteure aus, wenn diese zu einer aktiven Kontrolle der Schemaeinflüsse bereit und in der Lage sind. Ob mit einer solchen aktiven und aufwendigen Art der Informationsverarbeitung und der damit verbundenen Neutralisierung potentieller Framing-Einflüsse gerechnet werden kann, lässt sich auf der Basis von Modus-Modellen der Schemanutzung prognostizieren. Dazu zählt erstens das „Dual Process Model" der Schemanutzung von Brewer (1988), zweitens das bereits angesprochenen „MODE-Model" von Fazio und drittens die Erweiterung der anderen Ansätze durch eine kontinuierliche Konzeption des Verarbeitungsmodus von Fiske und Neuberg (1990). Auch im Rahmen des Priming-Paradigmas in der „Social Cognition"-Forschung wird implizit von der Bedeutsamkeit unterschiedlicher Modi der Informationsverarbeitung für die Wirksamkeit aktivierter Schemata ausgegangen (Bargh 1992b; Blair & Banaji 1996). Bei allen diesen Ansätzen wird gleichermaßen angenommen, dass die Urteils- und Entscheidungsfindung der Akteure in wechselndem Ausmaß auf einer unaufwendigen und schemabasierten „Top Down"-Informationsverarbeitung beruht. Stärker datenbasierte Verarbeitungsprozesse im Sinne einer „Bottom Up"-Verarbeitung sind nur bei Einsatz größerer kognitiver Anstrengungen zu erwarten. Als Determinanten des jeweils zu erwartenden Modus werden in allen Theorien Faktoren genannt, die als Determinanten der Motivation und der kognitiven Beschränkungen der Akteure angesehen werden können. Im „Dual Process Model" von Brewer (1988) wird angenommen, dass die Beurteilung von Personen entweder in einem automatischen oder kontrollierten Modus ablaufen kann. Bei einer automatischen Form der Urteilsbildung werden soziale Kategorien sowie die daran geknüpften Attribute und Bewertungen unhinterfragt als Bewertungsgrundlage herangezogen. Da die Akteure als „kognitive Geizkragen" angesehen werden, kann in einem zweiten Schritt nur dann mit einer aufwendigen und kontrollierten Art der Informationsverarbeitung gerechnet werden, wenn die ansonsten zu erwartenden Ergebnisse unbefriedigend sind oder die Aufgabe als besonders wichtig angesehen wird: „The primary outcome of the initial classification stage is a decision as to whether further processing is necessary. If, relative to the perceiver's current needs and immediate goals, the other is judged to be incompatible or irrelevant, he or she can be disregarded and no additional processing or information seeking will be undertaken" (Brewer 1988: 8).

Eine Urteilsaufgabe wird von den Akteuren dann zunehmend als wichtig angesehen, wenn deren Ergebnisse in steigendem Ausmaß die Realisierung ihrer Ziele zu beeinflussen vermag. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn eine Interaktion mit der zu beurteilenden Person in der Zukunft erwartet wird. Mit

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steigender Wichtigkeit einer Urteilsaufgabe überprüfen die Akteure einerseits aktiv die Kategorisierung der zu beurteilenden Personen, so dass spontane Fehlklassifikationen korrigiert werden können. Andererseits wird das Ausmaß der Schemaabstraktion durch Bildung von Subgruppen kontinuierlich reduziert, bis möglicherweise eine individualisierte und datenbasierte Art der Urteilsbildung resultiert. Da Urteile auf der Basis von spontan aktivierten und groben Klassifizierungen als sehr fehleranfällig angesehen werden müssen, kann die Validität der Entscheidungsgrundlage durch die Verwendung einer differenzierteren Verarbeitungsstrategie erhöht werden. Ob dieser Prozess in Gang gesetzt wird, hängt auch von der kognitiven Belastung durch die eigentliche Beurteilungsaufgabe und die situationalen Randbedingungen ab. So können Zeitdruck, Ablenkung oder Informationsüberlastung eine datenbasierte Informationsverarbeitung erschweren oder gar unmöglich machen. Die Verhaltensrelevanz generalisierter Einstellungen wird im „MODEModel" in einer sehr ähnlichen Art und Weise prognostiziert. Auch hier wird einstellungskonsistentes Verhalten als Ergebnis spezifischer Modi der Informationsverarbeitung angesehen (Fazio 1986; 1990). Befinden sich die Akteure in einem automatischen Modus, so folgen sie - wie im Konsistenzmodell der Einstellungstheorie vorhergesagt wird - ohne weitere Überlegungen den Implikationen ihrer Einstellungsurteile. Für eine kontrollierte und datenbasierte Handlungswahl müssen zwei Bedingungen gleichzeitig erfüllt sein: „The MODE model suggests that the central features of such a deliberate process - retrieving and constructing attitudes toward the behavior and deciding upon a behavior intention - occur only when both the motivation and the opportunity to deliberate exists" (Fazio 1990: 93).

Demnach werden keine Einflüsse generalisierter Einstellungen erwartet, wenn die Akteure in hohem Ausmaß motiviert sind und gleichzeitig nicht durch starke kognitive Beschränkungen an der Verwendung analytischer Verarbeitungsmodi gehindert werden. Als Determinante der Motivationsstärke werden alle situationalen Bestimmungsfaktoren der „Fear of Invalidity" angesehen. Hierbei handelt es sich beispielsweise um die Opportunitätskosten einer falschen Entscheidung, die Existenz von Begründungspflicht oder die Öffentlichkeit der Entscheidung. In dieser Hinsicht sind außerdem individuelle Unterschiede im „Seif Monitoring" und im „Need for Cognition" als intrinsische Motivationsgrundlage von zentraler Bedeutung (Fazio 1990; Schuette & Fazio 1995). Als Bestimmungsfaktor der kognitiven Beschränkungen wird auch hier beispielsweise die Existenz von unterschiedlichem Zeitdruck genannt. Die Aussagen der Theorie von Fiske und Neuberg (1990) stimmen mit den beiden bereits skizzierten Modus-Modellen fast vollständig überein. Bei dieser Theorie wird die Qualität des Verarbeitungsmodus allerdings als Kontinuum konzipiert, wobei eine vollständig schemabasierte Art der Informationsverarbeitung als „Default Modus" angesehen wird. In welchem Umfang zu einer stärker datenbasierten Verarbeitungsstrategie übergegangen wird, hängt auch hier von den kognitiven Ressourcen und der Motivation der Akteure ab. Allerdings muss nicht jeder Anstieg der Akteursmotivation zu einer reduzierten Schemanutzung führen. Beispielsweise kann ein Sachbearbeiter einer Personal-

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III. Framing-Theorien: Ein Überblick

abteilung die Anerkennung seines Chefs - je nach dessen Bewertungskriterien entweder durch eine eignungsbasierte oder ethnische Auswahl von JobKandidaten erreichen. In einer solchen Situation ist es möglich, dass die Verwendung von Stereotypen und Vorurteilen als Entscheidungsbasis einen strategischen Charakter hat: Je nach Qualität der vorliegenden Ziele kann eine steigende Entscheidermotivation die Schemanutzung stärken oder schwächen (Fiske & Neuberg 1990: 36ff.). Im Rahmen des Priming-Paradigmas der „Social Cognition"-Forschung werden ebenfalls jene Bedingungen untersucht, unter denen sich aktivierte Schemata auf die Urteile und das Verhalten der Akteure auswirken (als Überblick vgl.: Bargh 1997; Wegner & Bargh 1998). Die theoretische Grundlage von Priming-Studien impliziert eine zweistufige Erklärung für die Bedeutung von Schemata. Im ersten Schritt wird angenommen, dass die automatische Aktivierung von Einstellungen, Stereotypen oder ethnischen Vorurteilen von der Existenz eines geeigneten Prime-Stimulus abhängt. Ein solcher Stimulus muss in möglichst engem Zusammenhang mit der jeweiligen Schema-Kategorie stehen. Ob die dann erfolgte Aktivierung der Schemata einen Einfluss auf die Urteile oder Handlungen der Akteure ausübt, hängt vom Ergebnis der zweiten Phase des Prozesses ab (Bargh 1996; Blair & Banaji 1996). In dieser Phase können die Akteure bei einer perfekt automatischen Informationsverarbeitung bleiben. Die Verarbeitung ist dann unkontrolliert, kognitiv unaufwendig und erfolgt ohne Bewusstsein oder direkte intentionale Steuerung durch die Akteure (Bargh 1996). Sind diese Bedingungen perfekt erfüllt, so löst ein PrimeStimulus eine durchgängige Sequenz von der Schemaaktivierung bis hin zur Handlungsdurchführung aus. Für die Unterbrechung dieser „Stimulus/ Response"-Sequenz wird auch hier - wie bei den bereits angesprochenen Ansätzen die Motivation und die kognitiven Beschränkung der Akteure als relevant angesehen. So werden bei „Low Cost"-Situationen - dies ist normalerweise bei experimentellen Laboruntersuchungen der Fall - trotz fehlender kognitiver Beschränkungen starke Priming-Effekte erwartet (Greenwald & Banaji 1995; Bargh & Thein 1985; Devine 1989; Fiske 1989; Macrae, Milne & Bodenhausen 1994). Es wird gleichzeitig prognostiziert, dass diese Einflüsse mit steigender Motivation zurückgehen. Im Priming-Paradigma wird außerdem die Aufmerksamkeit der Akteure als zentrale Vorbedingung für die Kontrolle von Schemaeinflüssen angesehen (Bargh 1984). Je mehr diese beispielsweise durch die gleichzeitige Durchführung anderer Aufgaben abgelenkt wird, desto stärkere Priming-Effekte werden erwartet (Bargh & Tota 1988). Der gleiche Einfluss wird bei kognitiver Überlastung durch große Informationsmengen vorhergesagt (Bargh 1984). Die theoretischen Grundlagen des Priming-Paradigmas spiegeln sich auch in der methodischen Vorgehensweise bei experimentellen Untersuchungen wieder. Die Versuchspersonen werden hierbei durch die kurze Präsentationsdauer der unterschiedlichen Stimuli und dem starken Zeitdruck bei der Durchführung der Beurteilungsaufgaben in einer systematischen Weise hohen kognitiven Belastungen ausgesetzt. Dadurch lässt sich die Verwendung analytischer Verarbeitungsmodi teilweise völlig ausschließen. So wird bei Verwendung subliminaler Priming-Prozeduren - hier liegt die Präsentationsdauer der Prime-Stimuli unter der Wahrnehmungsgrenze - die Aufmerksamkeit der Akteure für die Schemaaktivierungssequenz vollständig ausgeschaltet. Auf

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diese Weise kann eine perfekt automatische Art der Informationsverarbeitung sichergestellt werden (Bargh 1992b).

4. Die Prospect-Theory Die Erklärung von Framing-Effekten im Rahmen der Prospect-Theory (PT) folgt einer Logik, die sich nur schwer in die bisher vorgestellten Erklärungstypen einordnen lässt. Aus diesem Grund soll die Theorie als eigenständige Erklärungsvariante behandelt werden. Bei der PT handelt es sich um eine stark modifizierte und um psychologische Bestandteile ergänzte Version der Erwartungsnutzentheorie (Kahneman & Tversky 1979). Ausgehend von einer frühen Version des Ansatzes wurde dieser zuerst um theoretische Bestandteile zur Erklärung von Framing-Effekten ergänzt und dann zu einer kumulativen Variante weiterentwickelt (Kahneman & Tversky 1984; Tversky & Kahneman 1981; 1986; Tversky & Kahneman 1992; Wakker & Tversky 1993)7. Bei allen Versionen der Theorie folgt die Grundstruktur der Handlungserklärung der Logik des RationalChoice Ansatzes, so dass weiterhin die Maximierung des Erwartungsnutzens als Entscheidungsregel angenommen wird. In drei Bereichen liegen allerdings bedeutsame theoretische Abweichungen von der neoklassischen Version des ökonomischen Erklärungsansatzes vor. Abb. 3.1: Gewichtungsfunktion der Prospect-Theory

Im Rahmen des vorliegenden Erklärungsansatzes wird erstens davon ausgegangen, dass sich die objektiv bestehenden Erfolgswahrscheinlichkeiten nicht in einer 7

Die hier vorliegende Darstellung folgt der älteren und verbreiteten Version des Erklärungsansatzes (Kahneman & Tversky 1984; Tversky & Kahneman 1981; 1986). In Hinblick auf die Erklärung von Framing-Effekten unterscheidet sich diese Variante nicht von der neueren, kumulativen Theorieversion. Für Unterschiede vgl. Abschnitt 1.2.2 in diesem Kapitel.

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III. Framing-Theorien: Ein Überblick

linearen Art und Weise in die subjektiven Erfolgserwartungen der Akteure umsetzen. Eintrittswahrscheinlichkeiten unterschiedlicher Größe werden durch die Entscheider in charakteristischer Weise gewichtet: Kleine Wahrscheinlichkeiten werden systematisch überschätzt, während die Akteure hohen und mittleren Wahrscheinlichkeiten ein zu geringes Gewicht zuschreiben. Nur an den Extrempunkten der Wahrscheinlichkeitsverteilung - bei sicheren und unmöglichen Ereignissen - wird von einer Übereinstimmung zwischen der objektiven Realität und deren subjektiver Repräsentation ausgegangen. Die jeweils resultierenden Wahrscheinlichkeitsgewichte π(ρ) lassen sich durch die Gewichtungsfunktion der PT abbilden (vgl. Abb. 3.1). Die zentrale Abweichung vom ökonomischen Erklärungsmodell besteht darin, dass hierbei die Additivitätsannahme aufgegeben wird: Die Komplementärwerte der Wahrscheinlichkeitsgewichte addieren sich nicht unter allen Umständen zu einem Wert von eins. Die zweite Abweichung von den Annahmen des ökonomischen Entscheidungsmodells kann im Postulat der Referenzpunktabhängigkeit menschlichen Entscheidungsverhaltens gesehen werden. Demnach werden Handlungsaltemativen nicht in Bezug auf das resultierende absolute Endergebnis, sondern immer auf der Basis ihres positiven oder negativen Veränderungspotentials beurteilt: Bei Gewinnen und Verlusten werden unterschiedliche Bewertungsgrundlagen herangezogen. Ob eine Entscheidung als Gewinn- oder Verlustsituation klassifiziert wird, ergibt sich vor dem Hintergrund der aktuellen Ausstattung der Entscheider mit der betreffenden Ressource. So kann beispielsweise die Versetzung auf den gleichen Arbeitsplatz durch verschiedene Arbeitnehmer - je nach dem aktuell bestehenden Status quo - als Gewinn- oder Verlustsituation definiert werden. Insofern muss immer mit individuellen Unterschieden in der Situationsdefinition durch die Entscheider gerechnet werden. Abb. 3.2: Nutzenfunktion der Prospect-Theory Nutzen

Im Rahmen der PT wird bei der Bewertung von Gewinnen und Verlusten gleichermaßen von der Wirksamkeit abnehmender Grenzeffekte ausgegangen. Demnach werden große Gewinne und Verluste im Vergleich zu kleineren Ergebnissen proportional weniger positiv bzw. negativ bewertet. Entsprechend

Die Prospect-Theory

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wird die Bewertung von Gewinnen durch eine konkave und jene von Verlusten durch eine konvexe Nutzenfunktion abgebildet. Als Resultat ergibt sich ein insgesamt S-förmiger Verlauf der Nutzenfunktion, deren Spiegelpunkt durch den aktuellen Status quo der Akteure repräsentiert wird (vgl. Abb. 3.2). Eine weitere Besonderheit der Nutzenfunktion besteht darin, dass Verluste einen größeren Einfluss auf das Wohlbefinden der Akteure ausüben, verglichen mit einem gleich großen Ausmaß an Gewinnen. Diese Annahme drückt sich in der größeren Steigung der Nutzenfunktion im negativen Ergebnisbereich aus. Bei Entscheidungen unter Unsicherheit lassen sich auf der Basis der angenommenen Form der Nutzenfunktion Unterschiede im erwarteten Risikoverhalten der Entscheider ableiten. Entsprechend wird bei Entscheidungen über potentielle Verluste risikofreudiges Verhalten und bei Entscheidungen mit Verbesserungspotential risikoaverses Verhalten vorhergesagt. Dieser Einfluss der objektiven Ergebnisqualität auf die Risikoeinstellung der Akteure wird als „Reflection"- oder Bereichseffekt bezeichnet (Fagley 1993). Bei der dritten und am weitest gehendsten Modifikation des Rational-Choice Ansatzes wird angenommen, dass die Wahrnehmung des Referenzpunktes und damit die Definition der Entscheidung als Gewinn- oder Verlustsituation nicht nur durch das objektive Ergebnispotential der Handlungsalternativen, sondern auch durch instrumentell irrelevante Aspekte der Entscheidungsalternativen und des gesamten Entscheidungskontextes bestimmt werden. Diese Faktoren wirken sich in einer zeitlich der eigentlichen Entscheidung vorgelagerten Editierungsphase auf die mentale Repräsentation der entscheidungsrelevanten Merkmale aus. Im Rahmen der hier ablaufenden kognitiven Prozesse bestimmen die Akteure unter anderem, worin sie den Status quo sehen und somit ergibt sich die Definition der jeweiligen Entscheidung als Gewinn- oder Verlustsituation. Die dabei resultierende Situationsrepräsentation wird als „Frame" und dessen Entstehungsprozess als „Framing" bezeichnet. Da das Entscheidungsverhalten prinzipiell durch die subjektive Repräsentation der objektiven Gegebenheiten bestimmt wird, müssen derartige Framing-Prozesse als wichtige Erklärungsfaktoren angesehen werden. Dabei wird angenommen, dass sich die relevanten mentalen Modelle bei der Repräsentation von Ergebnissen erschöpfend durch den Unterschied zwischen einem Gewinn- und Verlust-Frame erfassen lassen. Welcher der beiden Frames in einer konkreten Entscheidungssituation herangezogen wird, ergibt sich beispielsweise aus dem Anspruchsniveau oder den Normen der Akteure. Vor allem aber die Qualität der Informationsdarstellung und der Informationsübermittlung muss in dieser Hinsicht als wichtiger Einflussfaktor angesehen werden. Im Rahmen der PT wird kein einheitlicher Mechanismus dafür angegeben, in welcher Weise sich die unterschiedlichen Bestimmungsfaktoren in ihrer Gesamtheit auf den Inhalt des resultierenden Frames auswirken. Die postulierten Zusammenhänge beruhen vielmehr auf der Verallgemeinerung unterschiedlicher, empirisch gewonnener Zusammenhänge. Beispielsweise wird der „Pseudo Certainty Effect" - es handelt sich hierbei um das Framing von Wahrscheinlichkeiten - implizit auf die unterschiedliche Komplexität der Informationsdarstellung zurückgeführt. Die Oberflächenstruktur der Wahrscheinlichkeitsdarstellung lässt die Ergebnisse einer objektiv unsicheren Handlungsoption subjektiv als sicher erscheinen. Durch den Mangel an Transparenz werden

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III. Framing-Theorien: Ein Überblick

unterschiedliche Oberflächenstrukturen nicht auf die gemeinsame Ebene der objektiven Erfolgswahrscheinlichkeiten transformiert, so dass die beobachteten Unterschiede im Entscheidungsverhalten erwartet werden können (Tversky & Kahneman 1986). Dagegen wird beim Framing von Ergebnispotentialen die bereits oben skizzierte Verschiebung von Referenzpunkten als Ursache der unterschiedlichen Frames angesehen (Tversky & Kahneman 1981). Im Anschluss an die Editierungsphase ergibt sich die Gesamtbewertung der Handlungsoptionen aus der mentalen Repräsentation der Erfolgswahrscheinlichkeiten und der jeweils frame-spezifischen Bewertung der vorliegenden Ergebnispotentiale. Das Entscheidungsverhalten wird dann durch eine normale Erwartungsnutzenmodellierung prognostiziert. Dabei wird ceteris paribus beim Vorliegen eines Gewinn-Frames immer risikoaverses und bei einer mentalen Repräsentation der Ergebnispotentiale als Verlust-Frame immer risikofreudiges Verhalten erwartet. Dabei ist es gleichgültig, ob die Qualität des Frames, und davon abhängig die Form der Nutzenfunktion, auf objektiven Unterschieden in der Qualität der Ergebnisse oder auf rein sprachlichen Unterschieden in der Ergebnispräsentation beruht. In jedem Fall wird diesen Einflüssen die Qualität kognitiver Illusionen zugeschrieben, die nicht durch die Akteure kontrolliert werden können. Es wird entsprechend angenommen, dass Framing-Effekte nicht durch Lernen oder durch die Existenz von Anreizen beseitigt werden können, so dass es sich hierbei um ein stabiles und invariantes Phänomen handeln sollte (Tversky & Kahneman 1986: 84f.). Framing-Effekte werden im Rahmen der PT primär dadurch erklärt, dass sich Unterschiede in der Informationspräsentation auf die mentale Repräsentation der entscheidungsrelevanten Parameter bei den Akteuren auswirken. Hiervon können sowohl die Realisierungswahrscheinlichkeiten wie auch die Bewertung der Ergebnispotentiale betroffen sein. Beim Framing von Wahrscheinlichkeiten wird beispielsweise davon ausgegangen, dass sich verschiedene Darstellungsvarianten daher auf das Entscheidungsverhalten auswirken, weil die Akteure die unterschiedlichen Oberflächenstrukturen nicht auf ihren gemeinsamen objektiven Inhalt reduzieren. Bei diesem Mechanismus für die Entstehung von Framing-Effekten kann vermutet werden, dass die Motivation und die kognitiven Fähigkeiten der Entscheider als intervenierende Variablen relevant sind (Payne et al. 1992). Dieser Aspekt der Framing-Hypothese der PT könnte somit als heuristikbasierte Theoriekomponente interpretiert werden. Dagegen werden beim Framing von Ergebnispotentialen häufig unvollständige Arten der Informationsdarstellung als Operationalisierung der Framing-Bedingungen herangezogen. Wenn angenommen wird, dass fehlende Informationskomponenten von den Entscheidern als inhaltlich unbestimmt angesehen werden, dann beinhaltet die Theorie in dieser Hinsicht faktisch eine ambiguitätsbasierte Perspektive bei der Erklärung von Framing-Effekten. Bestimmte Aspekte bei der Erklärung von Framing-Effekten im Rahmen der PT erinnern aber auch an eine schemabasierte Theorieperspektive. So steht im Rahmen des Erklärungsansatzes die Vorstellung im Mittelpunkt, dass die Aktivierung von Gewinnund Verlust-Frames durch die Verwendung unterschiedlicher sprachlicher Formulierungen gesteuert wird. Beim Vorliegen dieser Frames verfolgen die Akteure dann entweder das Ziel der Gewinnmaximierung oder der Verlustminimierung. Ein solcher Prozess der symbolisch fundierten Zielaktivierung

Die Prospect-Theory

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entspricht eher den theoretischen Annahmen des Priming-Paradigmas oder der allgemeinen Schematheorie. Wegen der somit vorliegenden Heterogenität der angenommenen Prozesse bei der Erklärung von Framing-Effekten und der Vielfalt möglicher Interpretationen der angenommenen Bestimmungsfaktoren erscheint uns eine eindeutige Einordnung des vorliegenden Ansatzes in die vorgeschlagene Typologie von Framing-Theorien nicht als angemessen. Die Framing-Hypothese der PT soll daher als eigenständiger Erklärungsansatz betrachtet werden, dessen Prognosen im empirischen Teil der vorliegenden Arbeit mit jenen der ambiguitäts-, heuristik- und schemabasierten Erklärungen von Framing-Effekten verglichen werden sollen.

5. Zusammenfassung und Diskussion Der vorliegende Überblick hat gezeigt, dass sich die Ansätze zur Erklärung von Framing-Effekten - mit Ausnahme der PT - zu drei theoretisch definierten Gruppen zusammenfassen lassen. Dabei wird argumentiert, dass die zentralen Erklärungsargumente für Framing-Effekte innerhalb dieser Gruppen jeweils auf einen gemeinsamen theoretischen Kern konvergieren (als Überblick über diese Theorien und deren Klassifizierung vgl. Abb. 3.3). Bei jedem der drei Erklärungstypen werden jeweils spezifische Ursachen und Randbedingungen für die Entstehung von Framing-Effekten als bedeutsam angesehen. Die Ansätze lassen sich somit immer nur auf bestimmte und jeweils unterschiedliche empirische Phänomene anwenden. So steht beim ersten Erklärungstyp die Bedeutsamkeit von Informationsmangel und die daraus resultierende Entscheidungsrelevanz der subjektiven Akteurserwartungen im Mittelpunkt der Theorien. Diese Art der Erklärung ist besonders dann relevant, wenn bei den Framing-Bedingungen die unterschiedlichen Ergebnisaspekte der Handlungsalternativen nur selektiv dargestellt werden. Die nicht verfügbaren oder aus anderen Gründen als unzuverlässig angesehenen Merkmalsinformationen müssen unter diesen Bedingungen durch die Akteure aktiv ergänzt werden. Bei den vorgestellten Erklärungsansätzen dieser Gruppe wird jeweils prognostiziert, welche Verfahren die Akteure hierbei heranziehen und welche Wissensbestandteile dabei als Ersatz verwendet werden. In dieser Hinsicht wird beispielsweise der wahrgenommene Zusammenhang zwischen bekannten und fehlenden Merkmalen der Handlungsalternativen als relevant angesehen („Inferred Information Model"). Bei der Verwendung von Kommunikationsnormen als Erklärungsansatz wird dagegen angenommen, dass die Entscheider alle Aspekte der Informationsdarstellung und Informationsübermittlung der Intentionalität des Senders zuschreiben und damit für die Ergänzung fehlender Informationen potentiell als bedeutsam ansehen. Eine ähnliche Vorstellung liegt auch der „Probabilistic Mental Model Theory" zugrunde. Beim zweiten Erklärungstyp wird generell von der Verwendung einfacher Heuristiken der Informationsverarbeitung als Ursache von Framing-Effekten

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III. Framing-Theorien: Ein Überblick

ausgegangen. So wird beispielsweise angenommen, dass sich FramingBedingungen auf die intuitiv wahrgenommene Ähnlichkeit der Handlungsalternativen bezüglich bestimmter Merkmalsdimensionen auswirken. Dies fuhrt dazu, dass die Akteure bei den Framing-Bedingungen verschiedene Merkmalsaspekte ignorieren („Equate to Differentiate Theory"). Im Gegensatz zum „Heuristics and Bias"-Forschungsprogramm wird bei der Mehrheit der dargestellten Ansätze der Heuristik-Begriff - mehr oder weniger explizit - in einer adaptiven Art und Weise gebraucht. Entsprechend sind Framing-Effekte als Ergebnis einfacher Daumenregeln nur dann zu erwarten, wenn die Akteure zur Verwendung wenig analytischer Informationsverarbeitungsmodi neigen. Demnach ergeben sich Framing-Effekte nur bei Entscheidungssituationen ohne bedeutsame Konsequenzen („Tie Breaker"-Hypothese) oder wenn die so realisierbaren Entscheidungsergebnisse für den vorliegenden Zweck als befriedigend angesehen werden („Fuzzy-Trace Theory"). Bei allen Ansätzen werden auch die kognitiven Beschränkungen der Akteure als Ursache für die Verwendung unterschiedlicher Vereinfachungsstrategien angesehen. Auf der Basis von „Dual Process"-Theorien der Informationsverarbeitung lassen sich vollständige und exakte Vorhersagen darüber treffen, durch welche individuellen und situationalen Variablen die Verwendung unterschiedlich rationaler Verarbeitungsstrategien prognostiziert werden kann. Die hier genannten Faktoren lassen sich als Determinanten der Motivation und der kognitiven Beschränkungen der Akteure zusammenfassen. Bei der Erklärung von heuristikbasierten FramingEffekten kann besonders die Verwendung einer Salienz-Heuristik als bedeutsam angesehen werden. Wie bei ambiguitätsbasierten Framing-Effekten wird auch hier die unvollständige Darstellung von Ergebnisinformationen als Ausgangspunkt der Erklärung angesehen. Die Wirksamkeit der Salienz-Heuristik beruht allerdings ausschließlich auf der relativen Sichtbarkeit genannter und ungenannter Ergebnisaspekte, während der Inhalt ungenannter Ergebniskomponenten problemlos ergänzt werden kann. Eine solche Ergänzung ist allerdings nur dann zu erwarten, wenn die Akteure dazu bereit sind, den hierzu notwendigen kognitiven Aufwand zu investieren. Entsprechend wird bei heuristikbasiertem Entscheidungsverhalten solange auf die Verwendung prinzipiell verfügbarer Informationen verzichtet, bis ein Wechsel zu einem analytischeren Verarbeitungsmodus erreicht werden kann. Dieser Prozess bei der Entstehung von Framing-Effekten unterscheidet sich grundlegend von dem des ambiguitätsbasierten Effekt-Typus. Obwohl in beiden Fällen auf einfache Heuristiken und Daumenregeln zurückgegriffen wird, ergibt sich dies entweder wegen dem Streben nach kognitiver Ökonomie oder zum Zweck der Überwindung echter Beschränkungen der Informationsverfugbarkeit: Die Akteure wollen oder können die relevanten Informationen nicht vollständig nutzen. Entsprechend unterscheiden sich die beiden theoretischen Erklärungen somit grundlegend in der Bedeutsamkeit des Verarbeitungsmodus als Entstehungsbedingung der Framing-Einflüsse. So lässt sich prognostizieren, dass die Einflussstärke heuristikbasierter Framing-Effekte mit der Elaboriertheit der Informationsverarbeitung abnimmt: Die Vollständigkeit der Informationsnutzung nimmt dann zu. Dagegen sollte sich dieser Faktor beim ambiguitätsbasierten Effekt-Typ als irrelevant erweisen.

Zusammenfassung und Diskussion

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Die Qualität der Informationsverarbeitungsmodi spielt auch bei der Vorhersage des dritten Typus von Framing-Effekten eine wichtige Rolle. Schemabasierte Framing-Effekte lassen sich generell dadurch erklären, dass die Merkmale der Framing-Bedingungen stark verankertes Hintergrundwissen bei den Akteuren aktivieren. Bei diesen Merkmalen handelt es sich um signifikante Symbole, die beispielsweise durch sprachliche Begriffe oder generell durch Merkmale der Entscheidungssituation bereitgestellt werden. Der jeweils entstehende Frame beinhaltet aktiviertes Wissen („Frame System Theory"), selektiv verfügbare Bewertungsstandards („Image Theory") oder unterschiedliche Zielorientierungen der Akteure („Discrimination Model"). Auch die Verhaltensrelevanz von Einstellungen, sozialer Skripte, Rollenerwartungen, sozialer Normen und die Bedeutsamkeit mentaler Modelle kann nach der gleichen Logik der Schemaaktivierung erklärt werden. Die hier beobachteten Verhaltenseinflüsse lassen sich somit ebenfalls als Framing-Effekte interpretieren. Abb. 3.3: Klassifizierung der Theorien zur Erklärung von Framing-Effekten Vorliegende Erklärungsansätze Framing-Typ I: Ambiguitätseinflüsse

Framing-Typ II: Heuristikverwendung

Framing-Typ III: Schemaaktivierung

• „Inferred Information Model" (Levin et al. 1985) • Theorie der Konversationsnormen (Schwarz 1996) • „Mental Model Theory" (Johnson-Laird & Shafir 1993) • „Probabilistic Mental Model Theoiy" (Gigerenzer, Hoffrage & Kleinbölting 1991) • „Second Order Probability Theory" (Sahlin 1983) • Ambiguitätsmodell (Einhorn & Hogarth 1985) • • • • •

„Tie Breaker"-Hypothese (Kopp 1995) Framing-Ansatz von Takemura (1992) „Equate to Differentiate Theory" (Li 1998) „Fuzzy Trace Theory" (Brainerd & Reyna 1990) „Mental Model Theory" (Legrenzi, Girotto & JohnsonLaird 1993) • „Heuristic Systematic Model" (Chaiken 1987) • Theorie adaptiver Informationsselektivität (Heiner 1983) • „Contingency Model" (Payne et al. 1993) • Framing-Konzept von Bateson (1978) • „Frame System Theory" (Minsky 1977) • „Image Theory" (Beach 1990) • „Discrimination Model" (Lindenberg 1989a) • Modell der Frame Selektion (Esser 2001) • Priming Ansatz (Bargh 1984; Greenwald & Banaji 1995) • „MODE-Model" (Fazio 1990) • Schemabasierte mentale Modelle (Lipshitz & Shaul 1997) • Modus Modelle der Schemanutzung (Blair & Banaji 1996; Brewer 1988; Fiske & Neuberg 1990)

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III. Framing-Theorien: Ein Überblick

Im Rahmen des Priming-Paradigmas der „Social Cognition"-Forschung werden die Bedingungen für die Aktivierung und Verhaltensrelevanz unterschiedlicher Schemata untersucht. Entsprechend der vorliegenden Ergebnisse und den theoretischen Annahmen der Modus-Modelle der Schemanutzung lässt sich die Verhaltensrelevanz aktivierter Schemata nur auf der Basis der jeweils verwendeten Qualität der Informationsverarbeitung vorhersagen. Demnach kontrollieren die Akteure dann die Auswirkung symbolisch aktivierter Wissensund Bewertungsschemata, wenn sie über ausreichende Motivation, kognitive Ressourcen und Aufmerksamkeitskapazitäten für die Verwendung eines analytischen Verarbeitungsmodus verfügen. Die Verwendung kognitiver Schemata als Entscheidungsgrundlage kann prinzipiell als einfache Entscheidungsheuristik interpretiert werden. Außerdem beinhalten Schemata immer Zusatzwissen, so dass diese bei der Ausbildung subjektiver Erwartungen relevant sein können. In diesem Sinne liegen inhaltliche Beziehungen zu den heuristik- und ambiguitätsbasierten Framing-Typen vor. Bei einer schemabasierten Erklärung müssen allerdings Einflussfaktoren berücksichtigt werden, die bei den beiden anderen Ansätzen nicht relevant sind. So wirken sich Schemainhalte einerseits nicht nur durch die Bereitstellung von Zusatzwissen, sondern auch durch vorgefertigte Bewertungen auf das Entscheidungsverhalten aus. Bei einer schemabasierten Erklärung spielt andererseits die Interaktion zwischen dem Ausmaß der Schemaverankerung im Gedächtnis der Akteure und den situational bereitgestellten Determinanten der Schema-Passung eine zentrale Rolle. Außerdem müssen Schemata nicht nur unter der Bedingung von Informationsmangel als relevant angesehen werden. Deren Inhalte können sich vielmehr auch gegen lokal verfugbare Informationen durchsetzen. Bei allen drei Erklärungstypen wird jedenfalls gleichermaßen angenommen, dass Framing-Effekte als Ergebnis der beschränkten Akteursrationalität und deren Tendenz zum „Satisficing" erklärt werden müssen. Die gleiche Sichtweise liegt auch der Framing-Hypothese im Rahmen der PT zugrunde. Die theoretischen Annahmen dieses Ansatzes stellen sich jedoch als sehr inhomogen dar, so dass hier von einer eigenständigen Erklärungsmöglichkeit ausgegangen wird. Die vorgestellten Theorien zur Erklärung der unterschiedlichen FramingTypen können auch bei der Erklärung anderer Anomalien des Rational-Choice Ansatzes als relevant angesehen werden. So kann der eigenständige Einfluss von Informationsmangel auf das Entscheidungsverhalten durch eine Vielzahl an empirischen Studien belegt werden. Dieses Phänomen lässt sich jedoch nicht im Rahmen der Basisversion des ökonomischen Entscheidungsmodells erklären (vgl. hierzu schon Kapitel II, Abschnitt 1.2.1). Auch bei der Erklärung dieser Anomalie können die subjektiven Erwartungen der Akteure und die Bestimmungsfaktoren dieser „Beliefs" als bedeutsam angesehen werden. Dagegen lassen sich bei der häufig dokumentierten Verwendung suboptimaler Entscheidungsregeln die theoretischen Ansätze zur Erklärung heuristikbasierter Framing-Effekte heranziehen (vgl. Kapitel II, Abschnitt 1.2.2). Auch hier verzichten die Akteure „freiwillig" auf die Verwendung prinzipiell verfügbarer und entscheidungsrelevanter Informationen. Die Existenz instabiler Präferenzen und die situational wechselnde Bedeutsamkeit intrinsischer Akteursmotive muss ebenfalls als schwerwiegende Anomalie der Rational-Choice Theorie

Zusammenfassung und Diskussion

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angesehen werden (vgl. Kapitel II, Abschnitt 1.2.3). Bei diesem Erklärungsproblem sind die theoretischen Grundlagen für die Erklärung schemabasierter Framing-Effekte von Bedeutung. Hier wird vorhergesagt, unter welchen Bedingungen bei den Akteuren spezifische Ziele - wie beispielsweise die Befolgung sozialer Normen - im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen. Die Bedeutsamkeit der drei Erklärungstypen reicht somit deutlich über den Anwendungsbereich der Framing-Effekte hinaus, so dass diese als allgemeine Erweiterungen des ökonomischen Erklärungsmodells konzipiert werden müssen. Insofern soll im folgenden Kapitel für alle drei Einflussprozesse jeweils eine allgemeine Modellierung vorgeschlagen werden. Diese Modelle sollen dann im weiteren Verlauf der vorliegenden Untersuchung zur Erklärung der FramingEffekte beim ADP herangezogen werden.

IV. Modellierung der Framing-Typen

Im vorangegangenen Kapitel wurde argumentiert, dass Framing-Effekte auf sehr unterschiedlichen Ursachen beruhen und in keinem Fall durch eine „einfache" Rational-Choice Modellierung erfasst werden können. Bei jedem EffektTyp müssen jeweils unterschiedliche Determinanten des Entscheidungsverhaltens berücksichtigt und als Entstehungsbedingungen der Framing-Einflüsse in ein vollständiges Handlungsmodell einbezogen werden. Die hierbei notwendige erste Erweiterung betrifft die Wirksamkeit von Informationsmangel und Ambiguität. Unter dieser Bedingung werden die Erfolgserwartungen der Akteure zwangsweise in immer geringerem Ausmaß durch die objektiven Handlungsrandbedingungen determiniert. Die dann vorliegenden subjektiven Erwartungen lassen sich zwar problemlos durch das Wahrscheinlichkeitskonzept in das ökonomische Entscheidungsmodell integrieren, die eigentliche Herausforderung muss aber in der theoretischen Erklärung und der inhaltlichen Prognose dieser subjektiven Wahrscheinlichkeiten gesehen werden. Es ist außerdem eine zweite Modifikation des Ausgangsmodells notwendig, wobei suboptimale Heuristiken der Entscheidungsfindung in den ökonomischen Ansatz integriert werden. Dabei stellt die perfekte Rationalität der ökonomischen Theorie nur einen Extrempunkt auf dem Kontinuum möglicher Strategien dar. Die Verwendung weniger elaborierter Strategien kann als vernünftiger Umgang mit knappen Ressourcen interpretiert und durch MetaSelektionsprozesse des Verarbeitungsmodus in das Ausgangsmodell integriert werden. Die dritte Modifikation trägt dagegen der Tatsache Rechnung, dass schematische Wissens- und Bewertungsstrukturen als integraler Bestandteil des menschlichen Informationsverarbeitungsapparates angesehen werden müssen. Erst durch eine solche kategoriale Wissensorganisation wird die unaufwendige Bewältigung von Alltagsproblemen möglich. Die Verwendung von reflexhaft aktivierten Schemata erfüllt somit die Funktion kognitiver Ökonomie. Da jedoch immer auch die Möglichkeit einer kontrollierten und datenbasierten Art der Handlungsselektion besteht, müssen beide Möglichkeiten in ein Gesamtmodell integriert werden. Im folgenden soll für jeden der drei Problembereiche eine theoretische Erweiterung des ökonomischen Ausgangsmodells vorgeschlagen werden. Die unterschiedlichen Framing-Effekte werden hierbei als Ergebnis generell wirksamer Bestimmungsfaktoren menschlichen Verhaltens erklärt und im Rahmen einer allgemeinen Modellierung erfasst. Diese theoretischen Erweiterungen können gleichzeitig auch zur Erklärung einer Reihe weiterer Anomalien des Rational-Choice Ansatzes herangezogen werden. Sie bilden in der vorliegenden Arbeit jedoch vor allem die theoretische Grundlage für die Analyse der Formulierungseffekte beim „Asian Disease Problem" (ADP). Dabei sollen einerseits die genauen Ursachen für die Entstehung der hier beobachteten Framing-Effekte analysiert werden und andererseits Belege für die Angemessenheit der theoretischen Erweiterungen gesammelt werden.

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IV. Modellierung der Framing-Typen

1. Ambiguitätsbasierte Framing-Effekte Ambiguitätsbasierte Framing-Effekte sind generell dann zu erwarten, wenn sich die Framing-Bedingungen auf die Verfügbarkeit oder wahrgenommene Verlässlichkeit der Entscheidungsinformationen auswirken. Zusätzlich zu dieser Existenz von Ergebnisambiguität müssen sich die dann resultierenden subjektiven Ergebniserwartungen zwischen den Framing-Bedingungen unterscheiden. Beide Voraussetzungen sind bei einer Vielzahl von Framing-Studien gleichzeitig erfüllt. So werden häufig Entscheidungsprobleme herangezogen, bei denen die Handlungsalternativen unterschiedlich bewertete Ergebnisaspekte beinhalten. Bei den Framing-Bedingungen werden jedoch entweder ausschließlich die positiven oder negativen Merkmale explizit dargestellt. Dabei wird implizit angenommen, dass die Akteure die jeweils fehlenden Angaben beispielsweise Komplementärwahrscheinlichkeiten für den Erfolg oder Misserfolg einer Handlungsoption - kennen und problemlos ergänzen. Dies ist aber vor allem dann keineswegs zwingend, wenn die Akteure - wie bei der Theorie der Kommunikationsnormen angenommen - alle Aspekte der Problemstellung prinzipiell als bedeutungsvoll ansehen. Aus dieser Annahme ergibt sich, dass die Entscheider fehlende Informationskomponenten als Hinweis für die Angemessenheit unsicherer Ergebniserwartungen werten. Die hier angesprochenen Bedingungen beziehen sich auf Entscheidungen unter Informationsmangel und (partieller) Ambiguität, bei deren Erklärung der „Subjective Expected Utility"- oder kurz SEU-Ansatz herangezogen werden kann (Savage 1954). Dieser Erklärungsansatz ist zwar formal identisch mit der normalen Erwartungsnutzentheorie, da jedoch alle Erfolgserwartungen der Akteure prinzipiell als möglich angesehen werden, verliert der Ansatz wegen dieser theoretischen Unbestimmtheit des Wahrscheinlichkeitsparameters stark an Erklärungskraft (Camerer & Weber 1992). Auf der anderen Seite kann eine direkte Messung der subjektiven Wahrscheinlichkeiten nicht als vollständig befriedigende Lösung des Problems angesehen werden, weil diese für jedes Individuum und bei jedem Entscheidungsproblem notwendig wäre: Theoretisch sparsame und generell gültige Prognosen sind dann nicht möglich. Die Berücksichtigung von Ambiguitätseinflüssen macht daher im ersten Schritt eine möglichst weitgehende theoretische Rekonstruktion der subjektiven Akteurserwartungen notwendig, bevor diese dann in einem zweiten Schritt - zusammen mit den motivationalen Bestimmungsfaktoren des Ausgangsmodells - zur Prognose des Entscheidungsverhaltens herangezogen werden können. Bevor ein solches Modell vorgeschlagen wird, soll das vorliegende Erklärungsproblem beispielhaft demonstriert werden.

1.1 Drei Beispiele für ambiguitätsbasierte

Framing-Effekte

Die skizzierte Bedeutsamkeit von Informationsmangel und Ambiguität für die Entstehung von Framing-Einflüssen soll an drei Beispielen aus der entscheidungstheoretischen Literatur demonstriert werden. Als theoretische Erklärung

Ambiguitätsbasierte

Framing-Effekte

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der hierbei beobachteten Framing-Effekte wird von den Autoren entweder die Prospect-Theory (PT) herangezogen oder es handelt sich um Untersuchungen mit rein deskriptivem Charakter. Es soll gezeigt werden, dass die jeweils vorliegenden empirischen Beobachtungen mit einer zumindest genauso großen Plausibilität als Ergebnis unsicherer Ergebniserwartungen interpretiert werden können. 1.1.1 Die Auswirkung selektiver Informationsdarstellung bei Investitionen In einer Studie aus dem Bereich der Investitionsentscheidungen wird gezeigt, dass sich die Art der Problemformulierung auf das Entscheidungsverhalten der Akteure auswirkt (Duchon, Dunegan & Barton 1989). Die Versuchspersonen es handelt sich um Ingenieure, Wissenschaftler und Manager - sollen entscheiden, ob einem Team von Mitarbeitern finanzielle Mittel zur Fortführung eines bereits laufenden Projektes zur Verfügung gestellt werden sollen. Den Versuchspersonen werden Angaben über den Erfolg der betreffenden Mitarbeitergruppe bei ähnlichen Aufgaben in der Vergangenheit bereitgestellt, was als Informationen über die Erfolgswahrscheinlichkeit bei der aktuell anstehenden Investitionsentscheidung angesehen werden kann. Unter einer FramingBedingung wird der Hälfte der Versuchspersonen die Kompetenz der Projektgruppe durch den Anteil erfolgreicher Projekte angezeigt. Bei einer alternativen Darstellungsbedingung wird der zweiten Hälfte der Subjekte ausschließlich die relative Anzahl misslungener Versuche der Projektgruppe mitgeteilt: „As R&D manager, one of your project teams has come to you requesting an additional $100.000 in funds for a project you instituted several month ago. The project is already behind schedule and over budget, but the team still believes it can be successfully completed. You currently have S500.000 remaining in your budget unallocated, but which must carry you for the rest of the fiscal year. Lowering the balance by an additional $100.000 might jeopardize flexibility to respond to other opportunities. Evaluating the situation, you believe there is a fair chance the project will not succeed, in which case the additional funding would be lost; if successful, however, the money would be well spend". Positive Formulierung: „Of the projects undertaken by the team, 30 of the last 50 have been successful". Negative Formulierung: „Of the projects undertaken by this team, 20 of the last 50 have been unsuccessful".

Als Ergebnis der Untersuchung zeigt sich, dass die Entscheider bei einer positiven Informationsdarstellung in deutlich stärkerem Ausmaß zur weiteren Finanzierung des Projektes bereit sind. Unter dieser Bedingung haben die Entscheider offenbar ein größeres Vertrauen in die Fähigkeiten des Mitarbeiterteams und gehen daher von einer höheren Erfolgswahrscheinlichkeit weiterer Investitionen aus. Bei einer Interpretation als ambiguitätsbasierter FramingEffekt wird angenommen, dass durch die selektive Informationspräsentation die Ausprägung der jeweils fehlenden Kompetenzinformation als unsicher angesehen wird. Demnach beruht die Erfolgserwartung für weitere Investitionen auf subjektiven und bei den Framing-Bedingungen unterschiedlichen Wahrscheinlichkeitsschätzungen. Bei einer positiven Informationsdarstellung ist zwar klar, dass das Team bei drei-fünftel der Projekte in der Vergangenheit

100

IV. Modellierung der Framing-Typen

erfolgreich war, die Leistungen bei zwei-fünftel der verbleibenden Fällen ist jedoch nicht eindeutig geklärt. Bei diesen ist gleichermaßen ein Scheitern oder ein neutraler Ausgang denkbar, so dass die subjektive Wahrscheinlichkeit eines Misserfolges Werte annehmen kann, die sich nicht komplementär zur Erfolgswahrscheinlichkeit verhalten. Bei der negativen Formulierungsbedingung gilt eine komplementäre Argumentation, so dass sich unter dieser Bedingung kleinere Erfolgserwartungen als bei der positiven Darstellungsversion ergeben. Die beobachteten Unterschiede im Entscheidungsverhalten zwischen den Formulierungsbedingungen können somit ohne Probleme auf die unterschiedlichen Erfolgserwartungen der Akteure zurückgeführt werden. 1.1.2 Die Wirkung selektiver Information bei medizinischen Entscheidungen Der Einfluss unterschiedlicher Arten der Informationsdarstellung zeigt sich auch dann, wenn über die Behandlung einer Krebserkrankung entschieden werden muss (Marteau 1989). Bei dem fiktiven Entscheidungsproblem stellt sich die Frage, ob eine riskante operative Behandlung mit entsprechend hoher Lebenserwartung für den Patienten durchgeführt werden soll. Die andere Wahloption besteht im Verzicht auf jede Behandlung, wodurch eine kurze allerdings sichere Lebenserwartung resultiert. Die entscheidungsrelevanten Informationen werden unterschiedlichen Gruppen von Versuchspersonen in zwei Formulierungsversionen präsentiert. Wenn keine Behandlung erfolgt, wird dem Patient bei beiden Darstellungsvarianten eine Lebenserwartung von einem Jahr zugeschrieben. Bei der operativen Behandlung wird entweder das Todesrisiko oder die Überlebenschance für die betroffenen Personen explizit genannt. Die beiden Varianten der Problemformulierung lauten wie folgt: Positive Formulierung: „A patient has a terminal liver disease. There are two Options. The first is no treatment. Life expectancy with no treatment is one year. The second option is surgery. If this patient has surgery, there would be a 10 per cent chance of surviving the operation; life expectancy for successful cases would be five years. Which option would you encourage the patient to take?". Negative Formulierung: „A patient has a terminal liver disease. There are two Options. The first is no treatment. Life expectancy with no treatment is one year. The second option is surgery. If this patient has surgery, there would be a 90 per cent chance of dying; life expectancy for successful cases would be five years. Which option would you encourage the patient to take?".

Als Ergebnis der Untersuchung zeigen sich signifikante Unterschiede im Entscheidungsverhalten zwischen den Framing-Bedingungen8: Bei negativer Informationspräsentation wird die Operation in geringerem Ausmaß befürwortet. Gemäß der Ambiguitätshypothese geht dieser Einfluss darauf zurück, dass die jeweils ungenannten Erfolgs- beziehungsweise Misserfolgswahrscheinlichkei-

8

Die Entscheidungsverteilungen werden in der Arbeit nicht exakt genannt, sondern nur graphisch dargestellt. Bei der positiven Problemformulierung wählen ungefähr 9 Prozent und bei der negativen Informationsdarstellung etwa 6 Prozent der Entscheider eine operative Behandlung (Marteau 1989).

Ambiguitätsbasierte

Framing-Effekte

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ten in gewissem Umfang als unsicher angesehen werden. Wird bei der positiven Formulierungsbedingung angegeben, dass bei einer operativen Behandlung eine 10 prozentige Überlebenswahrscheinlichkeit besteht, so ist das Ergebnis bei den verbleibenden 90 Prozent der Behandlungen nicht vollständig klar. Da hier nicht ausdrücklich der unmittelbare Tod des Patienten angegeben wird, sind zumindest partielle oder kurzzeitige Erfolge der Behandlung denkbar. Entsprechend weicht unter dieser Bedingung die subjektive Schätzung der Misserfolgswahrscheinlichkeit von der ungenannten Komplementärwahrscheinlichkeit ab. Für die negative Formulierungsbedingung gilt die analoge Argumentation. Gegen die skizzierte Interpretation der vorliegenden Ergebnisse als ambiguitätsbasierte Framing-Effekte kann eingewendet werden, dass bei der Dichotomie „Überleben versus Tod" eine Ergänzung der jeweils fehlenden Informationskomponenten mit sehr großer Sicherheit möglich sein sollte: Hier sind graduelle Abstufungen zwischen den beiden Ergebniszuständen nur schwerlich vorstellbar. Eine entsprechende Vorhersage ergibt sich auch im Rahmen des „Inferred Information Model" (vgl. Kapitel III, Abschnitt 1.1.1). Hier wird prognostiziert, dass die Akteure eine hohe negative Korrelation zwischen den genannten und ungenannten Informationskomponenten als plausibel ansehen sollten, so dass ein hohes Ausmaß an „korrekten" Schlussfolgerungen über die fehlenden Komplementärwahrscheinlichkeiten zu erwarten ist. In Übereinstimmung mit dieser Vorhersage wird auch nur eine geringe Stärke der Formulierungseinflüsse beobachtet: Das Entscheidungsverhalten unterscheidet sich nur um etwa 3 Prozentpunkte zwischen den Framing-Bedingungen. Dieser Effekt lässt sich schon dann erwarten, wenn nur sehr geringe Zweifel an der Angemessenheit einer Informationsergänzung vorliegen. 1.1.3 Einflüsse der selektiven Darstellung von Produkteigenschaften Ein drittes Beispiel zur Illustration ambiguitätsbasierter Framing-Effekte stammt aus dem Bereich der Konsumforschung, wobei der Einfluss qualitativ unterschiedlicher Produktbeschreibungen auf das Bewertungsverhalten potentieller Konsumenten nachgewiesen werden kann. So lassen sich bei positiven und negativen Framing-Bedingungen unterschiedliche Bewertung von Hackfleisch beobachten (Levin 1987). Im Rahmen der positiven Framing-Bedingung wird das Hackfleisch durch einen Fleischanteil von 75 Prozent charakterisiert. Dagegen wird bei der negativen Art der Informationspräsentation nur der Fettgehalt des Produktes, nämlich 25 Prozent, angegeben. Bei beiden Formulierungsbedingungen sollen die Versuchspersonen die Eigenschaften und die Qualität des Produktes bewerten. Das Entscheidungsproblem wird bei positiver Formulierung wie folgt präsentiert (in Klammern die Angaben bei der negativen Darstellungsversion): „In this brief survey we want to know what associations or thoughts come to mind when making consumer purchases. We will present you with pairs of possible associations. In each pair we want you to indicate by filling in one of the squares which item in the pair you are most apt to associate with a purchase of 75% lean (25% fat) ground beef and the extent to which you associate the purchase with that item rather than the other item in the pair".

102

IV. Modellierung der Framing-Typen

Die wahrgenommenen Eigenschaften des Produkts werden durch vier siebenstufige Skalen erfasst, die durch folgende Gegensatzpaare verankert sind: „Good Tasting/Bad Tasting", „Greasy/Greaseless", „High Quality/Low Quality", „Fat/Lean". Es zeigen sich bei der positiven Darstellungsbedingung signifikant vorteilhaftere Produktwahrnehmungen auf allen vier Dimensionen. Auch bei der vorliegenden Problemstellung kann angenommen werden, dass sich aus der selektiven Informationspräsentation eine partielle Ambiguität über die insgesamt vorliegende Produktzusammensetzung ergibt. Wird beispielsweise das Hackfleisch durch einen Fleischgehalt von 75 Prozent charakterisiert, so kann der subjektiv erwartete Fettanteil prinzipiell zwischen 25 und null Prozent variieren. Eine noch größere Variation der subjektiven „Beliefs" ist bei der negativen Darstellungsvariante möglich, da hier der ungenannte und daher subjektiv wahrgenommene Fleischanteil alle Werte zwischen 75 und null Prozent annehmen kann. Diese Unsicherheit über die jeweils ungenannten Inhalte des Hackfleischs kann darauf zurückgeführt werden, dass dieses nicht unbedingt nur aus zwei Komponenten bestehen muss. Nach dieser Erklärung wäre zu erwarten, dass die wahrgenommene Produktzusammensetzung stärker als die nachgeordnete Bewertungsdimension durch die Formulierungsbedingungen beeinflusst werden sollte. Die Ergebnisse der Untersuchung bestätigen diese Prognose, da sich bei der direkt betroffenen „Fat/Lean"-Dimension deutlich stärkere Framing-Effekte als bei der Produktbewertung zeigen.

1.2 Ein Modell ambiguitätsbasierter

Framing-Effekte

Im folgenden Abschnitt soll nun ein Modell zur Erklärung von Entscheidungsverhalten bei (partieller) Ambiguität vorgeschlagen werden, in dem die Prognose ambiguitätsbasierter Framing-Effekte als Spezialfall enthalten ist. Dabei erfolgt die Umsetzung durch ein zweistufiges Modell. Im ersten Schritt werden die Determinanten der subjektiven Akteurserwartungen über den Inhalt fehlender Informationskomponenten prognostiziert. Hierbei wird eine modifizierte Version des Ambiguitätsmodells von Einhorn und Hogarth (1985) herangezogen. Bei der hierbei vorgeschlagenen Theorie subjektiver Wahrscheinlichkeitsschätzungen werden auch zentrale Erklärungsfaktoren des „Inferred Information Model" sowie des „Second Order Probability"-Konzeptes einbezogen. In einem zweiten Schritt werden die resultierenden Wahrscheinlichkeitsschätzungen im Rahmen einer konventionellen SEU-Modellierung zur Prognose der eigentlichen Entscheidungen herangezogen. 1.2.1 Die Prognose subjektiver Wahrscheinlichkeiten Der Ausgangspunkt der vorliegenden Erklärung besteht in der Annahme, dass die Akteure bei der Ausbildung subjektiver Wahrscheinlichkeiten im ersten Schritt einen Ankerpunkt für ihre Gesamtschätzung bestimmen (Einhorn & Hogarth 1985; 1987). Dabei handelt es sich um jene Wahrscheinlichkeit, die spontan als plausibelste Schätzung des „wahren"-Wertes angesehen wird. Diese erste Schätzung beruht auf der „Second Order Probability"-Verteilung (SOPVerteilung) der Entscheider im betreffenden Gegenstandsbereich. Bei der Ver-

Ambiguitäts basierte Framing-Effekte

103

Wendung von SOP's wird im Gegensatz zur konventionellen Entscheidungstheorie angenommen, dass nicht alle relevanten Aspekte der Akteursunsicherheit durch das Konzept der Realisierungswahrscheinlichkeiten erster Ordnung erfasst werden (Yates & Zukowski 1976). So beinhaltet das konventionelle Wahrscheinlichkeitskonzept zwar die Unsicherheit der Akteure über den Eintritt unterschiedlicher Handlungsergebnisse, allerdings wird das dabei vorliegende epistemologische Risiko vollständig vernachlässigt (Sahlin 1983). In diesem Risiko zweiter Ordnung drückt sich die Zuverlässigkeit der Informationsgrundlage und damit die Verlässlichkeit der vorliegenden Wahrscheinlichkeitsschätzungen aus (Goldsmith & Sahlin 1983; Skyrms 1980). Bei vollständiger Ambiguität sehen die Akteure alle Realisierungswahrscheinlichkeiten mit gleich geringer Sicherheit als korrekte Repräsentation der gültigen Handlungsrandbedingungen an, so dass die SOP-Werte über das gesamte Wahrscheinlichkeitsspektrum gleichverteilt sind. Haben die Akteure dagegen absolutes Vertrauen in die Vollständigkeit und Verlässlichkeit der bekannten Bestimmungsfaktoren der Handlungsergebnisse, so liegt die Realisierungswahrscheinlichkeit als Punktschätzung vor. Es kann argumentiert werden, dass reale Handlungssituationen normalerweise zwischen diesen beiden Extremen angesiedelt sind (Baron 1987). Unter dieser Bedingung werden zwar mehrere Wahrscheinlichkeitsverteilungen erster Ordnung für möglich gehalten, bestimmten Erwartungen wird jedoch ein höheres Ausmaß an Plausibilität zugeschrieben. Abb. 4.1: Wahrscheinlichkeitsverteilung zweiter Ordnung bei unterschiedlichem Ausmaß an Informationsmangel Wahrscheinlichkeit zweiter Ordnung: P'(p)

Wahrscheinlichkeit erster Ordnung: ρ

In Abbildung 4.1 sind zwei Beispiele für Entscheidungssituationen mit unterschiedlicher Informationsverfugbarkeit dargestellt. In beiden Fällen liegt der Modalwert der Verteilung und damit die beste Wahrscheinlichkeitsschätzung bei einem Wert von p=0.5. Allerdings unterscheidet sich das Vertrauen in diese Schätzung in deutlichem Ausmaß: Bei stärkerem Informationsmangel steigt die Streuung der SOP-Verteilung an und die wahrgenommene Reliabilität der Realisierungswahrscheinlichkeit geht zurück. Dabei definieren die Wahr-

104

IV. Modellierung der Framing-Typen

scheinlichkeitswerte mit der höchsten Reliabilität den Modal-Wert der SOPVerteilung und bilden gleichzeitig den Ankerpunkt pA der Gesamtschätzung. Geht man von einem variierenden Vertrauen der Akteure in ihre Wissensbasis aus, so drückt sich dies in einer unterschiedlich großen Streuung der für möglich gehaltenen Wahrscheinlichkeiten erster Ordnung aus: Je weniger Informationen verfügbar sind, desto weniger Zustände der Handlungsumwelt können ausgeschlossen werden. Andererseits ist das maximal erreichbare Vertrauen in einen einzelnen Wahrscheinlichkeitswert umso geringer, je größer die vorliegenden Informationsdefizite sind. Entsprechend resultieren unterschiedlich flache SOPVerteilungen. Die letztendlich vorliegende subjektive Wahrscheinlichkeitsschätzung P S U B ergibt sich in jedem Fall dadurch, dass alle Werte des Wahrscheinlichkeitskontinuums mit den jeweiligen SOP-Werten gewichtet und aufsummiert werden. Solange die SOP-Verteilungen symmetrisch um den Modalwert verteilt sind, ergeben sich bei jedem Ausmaß an Ambiguität die gleichen subjektiven Wahrscheinlichkeitsschätzungen, die zugleich mit dem Ankerpunkt übereinstimmen. Die Annahme symmetrischer SOP-Verteilungen ist jedoch dann häufig nicht erfüllt, wenn weitere Bestimmungsfaktoren der subjektiven Wahrscheinlichkeiten berücksichtigt werden. Bevor diese Bestimmungsfaktoren in das Erklärungsmodell eingeführt werden, sollen die inhaltlichen Determinanten der Ankerpunkte angesprochen werden. Zur Prognose der Ankerpunkte kann das „Inferred Information Model" herangezogen werden, wobei das im Gedächtnis gespeicherte Hintergrundwissen über den Zusammenhang zwischen lokal verfügbaren und fehlenden Merkmalen die zentrale Rolle spielt (Johnson 1987; Levin et al. 1986; vgl. Kapitel III, Abschnitt 1.1.1). Gehen Konsumenten beispielsweise von einem stark positiven Zusammenhang zwischen dem Preis und der Qualität eines Produktes aus, so wird die unbekannte Qualität eines teueren Produktes auf einem hohen Niveau angesiedelt. Die skizzierte Verwendung von Hintergrundwissen über die zu erwartenden Zusammenhänge in der Handlungsumwelt ist auch bei prototypischen Framing-Problemen zu erwarten. Wenn die Komplementärwerte von explizit dargestellten Informationskomponenten nicht ausdrücklich genannt werden, kann davon ausgegangen werden, dass die Entscheider von einem hohen, nicht aber notwendigerweise perfekt negativen Zusammenhang zwischen den beiden Informationskomponenten ausgehen. Wird beispielsweise eine 20 prozentige Todeswahrscheinlichkeit einer Person explizit dargestellt, so wird sicherlich einer Rettungschance von 80 Prozent die größte Plausibilität zugeschrieben. Für die prinzipiell unbekannte Rettungswahrscheinlichkeit wäre entsprechend ein Modalwert der SOP-Verteilung und damit eine Ankerpunktsetzung bei einem Wert von p=0.8 zu erwarten. Diese erste Schätzung wird jedoch - je nach Stärke der angenommenen Korrelation zwischen den beiden Informationskomponenten - als mehr oder weniger zuverlässig angesehen. Die Wahrscheinlichkeit zweiter Ordnung dieses Schätzwertes liegt jedenfalls immer dann bei einem Wert unter eins, wenn kein perfekter Zusammenhang wahrgenommen wird. Es wird außerdem angenommen, dass die spontan gesetzten Ankerpunkte der Wahrscheinlichkeitsschätzung häufig durch nachfolgende Korrekturprozesse modifiziert werden, wobei das Bemühen der Akteure um eine möglichst starke Annäherung an die „wahren"-Werte im Mittelpunkt steht. Der Korrekturpro-

Ambiguitätsbasierte

Framing-Effekte

105

zess lässt sich als „mentale Simulation" konzipieren, bei dem sich die Akteure mögliche Abweichungen der „wahren"-Werte vom Ankerpunkt vorstellen. Mit ansteigendem Informationsmangel vergrößert sich der Spielraum für eine solche Simulation, so dass sich deren Bestimmungsfaktoren zunehmend auf die resultierenden Wahrscheinlichkeitsschätzungen auswirken. Das Ausmaß der vorliegenden Ambiguität steuert somit die Stärke der Korrekturprozesse und wird durch den Parameter Θ in das Modell eingeführt. Für den Inhalt der mentalen Simulation und damit für die Richtung der zu erwartenden Korrekturprozesse sind zwei Bestimmungsfaktoren relevant. Der erste Faktor wird in der absoluten Größe der Ankerwerte gesehen. In Abbildung 4.2 wird der angesprochene Korrekturprozess graphisch dargestellt. Es wird deutlich, dass sich die Lokalisierung der Ankerpunkte systematisch auf die Form der jeweils vorliegenden SOP-Verteilung auswirkt. Bei einem Ankerpunkt von pA=0.1 ist die Streuung der SOP-Verteilung nach unten stark eingeschränkt, so dass diese eine rechts-schiefe Form annimmt: Der Erwartungswert der Verteilung ist größer als der Modal-Wert. Umgekehrt ergibt sich bei einem Ankerwert von 0.9 eine links-schiefe Verteilung, so dass eine subjektive Wahrscheinlichkeitsschätzung kleiner als der Ankerpunkt prognostiziert wird. Abb. 4.2: Korrekturprozesse bei unterschiedlicher Größe des Ankerpunktes

Wahrscheinlichkeit zweiter Ordnung: P'(p) .0

0.0 0.1 — •

0.5 0.9 Richtung des Korrektuiprozesses EV(pA= 0.1) > 0.1 EV(pA= 0.9) < 0.9

Wahrscheinlichkeit erster Ordnung: ρ Der zweite Bestimmungsfaktor der Korrekturprozesse wird in der Ambiguitätseinstellung ß der Akteure gesehen. Dieser Parameter erfasst zwei unterschiedliche Teilkomponenten, die - im Gegensatz zum Originalmodell von Einhorn und Hogarth - durch eigenständige Teilparameter repräsentiert werden. So erfasst der Teilparameter ßn® die unterschiedliche und auf generalisiertem Erfahrungswissen beruhende Disposition der Akteure zu optimistischen oder pessimistischen Erwartungen (Bier & Connell 1994; Marshall et al. 1992). Entsprechend sehen optimistische Entscheider bei Erfolgswahrscheinlichkeiten eine Korrektur der Ankerpunkte in Richtung auf höhere Werte als realistisch an, während Misserfolgswahrscheinlichkeiten vom gleichen Akteurstyp nach unten korrigiert werden. Für Akteure mit einer pessimistischen Einstellung

106

IV. Modellierung der Framing-Typen

werden genau spiegelbildliche Korrekturprozesse erwartet. Alle diese Einflüsse können ebenfalls durch rechts-schiefe bzw. links-schiefe SOP-Verteilungen repräsentiert werden (vgl. Abb. 4.3 für eine Zusammenfassung der Prognosen). Abb. 4.3: Prognostizierter Einfluss der Ambiguitätseinstellung Optimisten

Pessimisten

ErfolgsWahrscheinlichkeiten

SOP-Verteilung rechts-schief: EV(p A )>p A

EV(PA) S E U ( M H E U ) erfüllt ist. Bei einer solchen Entscheidungssituation unterscheidet sich einerseits das Rationalitätspotential (PHEU;RAT < PSYS ; RAT) und andererseits das Ausmaß der jeweils zu erwartenden Kosten ( C H E U < C 8 Y S ) zwischen den Wahlalternativen. Durch Einsetzen dieser Parameter in die Bewertungsgleichung und Umformung der resultierenden Ungleichung erhält man das Selektionskriterium für die Wahl der rationaleren Entscheidungsstrategie: PCON

U + PABIL

U > ( C S Y S - C H E U ) / (PSYS.RAT - PHEU ; RAT)

(4.4)

Den rechten Term der Ungleichung wollen wir als „Kosten/Rationalitätsratio" bezeichnen. Dabei wird erfasst, ob beim Vergleich von zwei Entscheidungsstrategien an beliebigen Punkten des Modus-Kontinuums ein stärkerer Anstieg der Kosten oder des Rationalitätspotentials zu erwarten ist. Die Ratio nimmt dann Werte größer eins an, wenn die Akteure einen überproportionalen Kostenanstieg erwarten. Im vorliegenden Zusammenhang soll die vereinfachende Annahme getroffen werden, dass sich der Mehraufwand für eine systematische Art der Entscheidungsfindung streng proportional in einen Anstieg der instrumentellen Rationalität umsetzt, so dass die Ratio den Wert eins annimmt. Im linken Teil der in Formel 4.4 dargestellten Ungleichung drückt sich das Zusammenspiel zwischen der Motivation und den kognitiven Beschränkungen bei der Bewertung unterschiedlich aufwendiger Arten der Handlungsselektion aus. Werden alle anderen Faktoren konstant gehalten, so führt ein Anstieg des Nutzenpotentials U sowie der Parameter p C O N und PABU, Z U größeren Werten des linken Teils der Ungleichung, so dass die Wahrscheinlichkeit für die Verwendung eines systematischen Verarbeitungsmodus ansteigt. Aus dem vorliegenden Modell lässt sich außerdem die Vorhersage ableiten, dass sich ein Anstieg in der Entscheidermotivation immer stärker auf die Elaboriertheit des Verarbeitungsmodus auswirkt, wenn die situationalen Beschränkungen zurückgehen oder die individuell verfügbaren kognitiven Fähigkeiten ansteigen. Entsprechend der multiplikativen Verknüpfung der beiden Einflussdimensionen sinkt die Elastizität der Modus-Rationalität gegenüber Motivationsunterschieden bei ansteigenden kognitiven Beschränkungen schnell gegen null. Aus einer umgekehrten Perspektive lässt sich prognostizieren, dass sich eine Reduktion der kognitiven Beschränkungen nicht auf die Akteursrationalität auswirkt, wenn die Akteure nur in geringem Ausmaß motiviert sind. Demnach kann die Verwendung suboptimaler Strategien der Entscheidungsfindung und damit die zu erwartende Stärke heuristikbasierter Framing-Effekte nur dann angemessen prognostiziert werden, wenn sowohl die Motivation wie auch die kognitiven Beschränkungen der Akteure gleichzeitig berücksichtigt werden.

118

IV. Modellierung der

Framing-Typen

2.2.2 Die Selektion der Handlungsalternativen Im hier vorgeschlagenen Erklärungsmodell wird zunächst angenommen, dass die Handlungswahlen der Akteure auf zwei idealtypischen Informationsverarbeitungsstrategien beruhen können, die sich an den Endpunkten des Rationalitätskontinuums ansiedeln lassen. Dabei werden bei Verwendung eines heuristischen Modus ausschließlich solche Informationen herangezogen, die zur Anwendung der jeweiligen „Daumenregel" notwendig sind. Bei Verwendung einer perfekt rationalen Erwartungsnutzenregel werden dagegen alle Informationen berücksichtigt und zu einem Gesamturteil integriert. Die Ergebnisse dieser beiden idealtypischen Arten der Entscheidungsfindung lassen sich gleichermaßen in der theoretischen Sprache der ökonomischen Theorie modellieren. Die Bewertung einer Handlungsalternative aj ergibt sich in beiden Fällen aus dem maximal erreichbaren Nutzenpotential U und der Wahrscheinlichkeit p( dafür, dass die Entscheidungsoption dieses Potential zu realisieren vermag. Allerdings ergeben sich die Wahrscheinlichkeitsparameter bei beiden Modus-Typen auf sehr unterschiedlicher Grundlage. Diese werden daher durch die unterschiedlichen Parameter Pi(HEU) und P,(SYS) in die Modellierung eingeführt. So beruht der Parameter P^HEU) einzig auf der Existenz oder Abwesenheit heuristischer „Cues" für die Eignung der Wahloptionen. Eine Handlungsalternative kann sich beispielsweise durch eine Expertenempfehlung auszeichnen, so dass diese als perfekt zur Zielrealisierung geeignet erscheint: Der Parameter Pi(HEU) nimmt dann den Wert eins an. Oder aber die Option wird durch leicht zugängliche Oberflächenmerkmale mit negativem Inhalt diskreditiert: Eine Eignung zur Zielrealisierung wird dann als ausgeschlossen angesehen. Solange unterschiedliche und gleichermaßen anwendbare Heuristiken nicht zu widersprüchlichen Urteilen führen, ergeben sich die Wahrscheinlichkeitsgewichte der Alternativen in einer sehr unaufwendigen Art und Weise. Liegen dagegen Unklarheiten über die angemessenen Entscheidungsgrundlagen vor, dann wechseln die Akteure zu einem stärker analytischen Modus der Informationsverarbeitung: Das Entscheidungsproblem erfordert unter diesen Umständen eine intensivere Überprüfung. Verwenden die Akteure einen systematischen Verarbeitungsmodus, so werden durch den Parameter pj(SYS) jene Erfolgserwartungen erfasst, die auf dem besten Wissensstand der Entscheider beruhen. Während die Erfolgserwartungen bei den beiden idealtypischen Verarbeitungsstrategien somit auf sehr unterschiedlichen Grundlagen beruhen, unterscheiden sich die Nutzenpotentiale nur im Ausmaß ihrer Quantifizierung. Bei einem heuristischen Modus spiegelt sich im Parameter U - ohne weitere quantitative Differenzierung - die motivierende Kraft der Akteursziele wider. Auch völlig routinisierte, unaufwendige und automatisch ablaufende Handlungen - wie beispielsweise das Steuern eines Autos - müssen immer vor dem Hintergrund der Akteursintentionen betrachtet werden (Bargh 1994; 1996). Dagegen verfolgen die Entscheider bei einer systematischen Art der Entscheidungsfindung potentiell mehrere Ziele und berücksichtigen auch deren relative Bedeutsamkeit. Entsprechend werden hier die unterschiedlichen Nutzenpotentiale Uj für alle j Zielsetzungen der Akteure berücksichtigt. Die Handlungsalternativen werden somit - je nach Qualität des Verarbeitungsmodus - nach einer der beiden nachfolgenden Formeln bewertet:

Heuristikbasierte

Framing-Effekte

119

Heuristischer Modus: SEU(aHHEU)

.U

*

(4.5)

Systematischer Modus: SEU

(ai(srs))

SEU(a K „EU))

SEU(ai(SYS)) Pi(HEU) Pu(SYS)

υ

η = £ pij(SYS).

(4.6)

Uj

Bewertung von Alternative a, bei heuristischem Modus. Bewertung von Alternative a, bei systematischem Modus. Erfolgs wahrscheinlichkeit auf der Basis heuristischer „Cues". Erfolgswahrscheinlichkeit für Ziel j, bei perfekter Informationsnutzung. Nutzenpotential aus der Zielerreichung im heuristischen Modus. Nutzenpotential bei Realisierung von Ziel j.

Bei beiden Verarbeitungsmodi wird nun gleichermaßen angenommen, dass die Akteure die Handlungsoption mit dem höchsten erwarteten Nutzen wählen. Obwohl dem Entscheidungsverhalten bei beiden Modi formal identische Selektionsbedingungen zugrunde liegen, werden wegen der unterschiedlichen Parameterinhalte dennoch verschiedene Handlungswahlen prognostiziert. Bisher wurde die Handlungsselektion nur für die beiden Extrempunkte des Rationalitätskontinuums betrachtet. Dagegen wird das Entscheidungsverhalten an anderen Punkten des Kontinuums als gewichteter Kompromiss zwischen den Handlungswahlen bei den prototypischen Verarbeitungsmodi prognostiziert. Zu diesem Zweck wird der Gewichtungsfaktor α eingeführt, in dem sich die jeweils als angemessen angesehene Modusrationalität ausdrückt. Durch diesen Parameter wird das Ergebnis der Modus-Selektion im ersten Schritt des Modells in die Prognose der eigentlichen Entscheidung integriert. Bei Verwendung eines perfekt rationalen Verarbeitungsmodus nimmt der Parameter α den Wert eins und bei einer vollständig heuristischen Art der Entscheidungsfindung den Wert Null an. Demnach verliert die heuristische Bewertung einer Option immer mehr an Gewicht, wenn zunehmend rationalere Strategien als angemessen angesehen werden. Bei Handlungsoptionen mit kontinuierlicher Qualität können sich somit beliebige Kompromisse zwischen den beiden idealtypischen Entscheidungsresultaten ergeben. Wenn dagegen zwischen dichotomen Handlungsalternativen gewählt werden muss, so wird bei Werten von α größer als 0.5 das analytische und bei Ausprägungen von α kleiner als 0.5 das heuristische Entscheidungsergebnis prognostiziert. Führt die Modus-Selektion zu keinem klaren Ergebnis (cx=0.5), so wird eine zufällige Selektion einer der beiden Entscheidungsergebnisse vorhergesagt. Durch die folgende Gleichung wird die Gesamtbewertung der Alternativen bei dem jeweils als angemessen angesehenen Grad der Modusrationalität erfasst:

SEU

(α,) = α. ( J pg(SB)

.Uj)

+ (1 - a). (pi{HEU).

U*

)

(4.7)

Dem vorliegenden Modell entsprechend müssen bei der Prognose heuristikbasierter Framing-Effekte zwei unterschiedliche Konstellationen unterschieden

120

IV. Modellierung der Framing-Typen

werden. Das Entscheidungsverhalten unterscheidet sich erstens dann potentiell zwischen zwei Framing-Bedingungen, wenn sich die Akteure bei beiden in einem wenig analytischen Verarbeitungsmodus befinden (α < 0.5)". Zusätzlich müssen die Darstellungsversionen jedoch heuristische „Cues" mit unterschiedlichen Bewertungsimplikationen bereitstellen: Die Erfolgswahrscheinlichkeit der Handlungsoptionen pi (HEU) unterscheidet sich dann zwischen den FramingBedingungen. Das Vorliegen eines heuristischen Modus beinhaltet somit eine notwendige, nicht aber hinreichende Entstehungsbedingung für FramingEinflüsse. Mit ansteigender Rationalität des Verarbeitungsmodus geht die Wirksamkeit potentiell verfügbarer heuristischer „Cues" für das Entscheidungsverhalten kontinuierlich zurück und erreicht bei perfekter Rationalität (a=l .0) den Nullpunkt. Diese Vorhersagen ergeben sich aus der multiplikativen Verknüpfung der Modus-Rationalität α und der heuristikbasierten Erfolgswahrscheinlichkeit Pi(HEU)· Heuristikbasierte Framing-Effekte werden zweitens auch dann prognostiziert, wenn sich der Verarbeitungsmodus zwischen den Framing-Bedingungen unterscheidet und gleichzeitig die Verwendung der beiden Entscheidungsstrategien zu unterschiedlichen Ergebnissen führt. Unter dieser Bedingung verschieben die Framing-Bedingungen das relative Gewicht heuristischer und systematischer Entscheidungsergebnisse. Einflüsse der FramingBedingungen auf die Größe des Parameters α ergeben jedoch keine FramingEffekte, wenn die Ausprägungen der Parameter Pi(HEU) und pij(SYs) für alle Handlungsoptionen übereinstimmen: Beide Modi führen dann zu den gleichen Handlungswahlen. Heuristikbasierte Framing-Effekte werden auch bei Angleichung der Verarbeitungsmodi zwischen den Framing-Bedingungen nicht erwartet, wobei es gleichgültig ist, ob gleichermaßen heuristische oder systematische Verarbeitungsstrategien herangezogen werden. Die vorliegende Modellierung zeigt, dass bei der Prognose heuristikbasierter Framing-Effekte eine ganze Reihe unterschiedlicher Erklärungsfaktoren berücksichtigt werden müssen. Diese Faktoren stehen in einem hierarchischen Verhältnis zueinander, so dass die Ausprägung der übergeordneten Determinanten des Verarbeitungsmodus die Wirksamkeit nachgeordneter Erklärungsfaktoren des konkreten Entscheidungsverhaltens bestimmen. Außerdem sind die verschiedenen Einflussfaktoren teilweise additiv und teilweise multiplikativ miteinander verknüpft, so dass sich jeweils spezifische Vorhersagen über die Entstehungsbedingungen und die Stärke der Framing-Effekte ergeben. Die häufig beobachtete Instabilität der Framing-Einflüsse kann somit leicht durch die Vernachlässigung von Einflussdimensionen und deren Zusammenspiel erklärt werden. Im folgenden Abschnitt werden nun einige empirische Hinweise für die Angemessenheit der angenommenen Erklärung dargestellt.

" Es handelt sich hierbei um die Prognose bei Entscheidungen zwischen dichotomen Handlungsoptionen. Im Fall kontinuierlicher Entscheidungsalternativen steigt die Stärke der Framing-Einflüsse zunehmend mit sinkender Größe des Parameters α.

Heuristikbasierte

Framing-Effekte

121

2.3 Empirische Belege fiir die Angemessenheit des Modells Die Verwendung einfacher und daher häufig suboptimaler Urteils- und Entscheidungsregeln kann durch eine Vielzahl empirischer Ergebnisse belegt werden (vgl. hierzu bereits Kapitel II, Abschnitt 1.2.2). So wird beispielsweise im Rahmen des „Heuristics and Bias"-Programms gezeigt, dass die Informationswahrnehmung und Informationsverarbeitung durch die Akteure keineswegs immer den Ansprüchen kognitiver Rationalität entspricht (vgl. als Überblick: Kahneman, Slovic & Tversky 1982; Poulton 1994). Heuristische Prozesse der Informationsverarbeitung lassen sich auch feststellen, wenn die Akteure die Relevanz persuasiver Botschaften für die eigene Einstellungsposition bewerten sollen. So kann gezeigt werden, dass sich politische Empfehlungen dann stärker auf die Urteile der Akteure auswirken, wenn die Informationsquelle als Experte oder als sympathisch wahrgenommen wird (Chaiken & Eagly 1983; Petty, Cacioppo & Goldman 1981). Weiterhin liegen Belege für die Wirksamkeit einer „Konsensheuristik" vor: Schwache Argumente wirken sich dann stärker auf die Präferenzen zugunsten unterschiedlicher Arten der Bestrafung kriminellen Verhaltens aus, wenn die Mehrheit der anwesenden Personen der betreffenden Sichtweise zustimmt (Axom, Chaiken & Yates 1987). In einer Vielzahl von Untersuchungen zeigt sich auch die Verwendung einfacher Entscheidungsheuristiken. So lässt sich beispielsweise die Verwendung der sogenannten „Lexicographic Rule" empirisch belegen. Hierbei bestimmen die Akteure zuerst die wichtigste Bewertungsdimension und akzeptieren dann ohne weitere Überlegungen jene Handlungsoption, die in dieser Hinsicht die besten Ergebnisse aufweist, während weitere Informationen einfach ignoriert werden (Payne, Bettman & Johnson 1988). Auch die Verwendung einer „Saliency"oder „Vividness"-Heuristik ist gut belegt. So ziehen die Akteure auch dann bevorzugt Informationen mit hoher Eindringlichkeit und großer Stimulusstärke heran, wenn deren Informationsgehalt gering ist (Briggs & Lassiter 1994; Nisbett & Ross 1980: 43 ff.). Andere Untersuchungen belegen dagegen die Bedeutung unterschiedlicher Randbedingungen für die Verwendung von Heuristiken. So kann gezeigt werden, dass die Verwendung einfacher Verarbeitungsstrategien mit steigender Motivation der Akteure stark abnimmt. Entsprechend werden beispielsweise dann komplexere Strategien bei der Eindrucksbildung beobachtet, wenn die Versuchspersonen eine Interaktion mit der zu beurteilenden Person erwarten (Harkness, DeBono & Borgida 1985). Ähnliche Einflüsse zeigen sich auch bei Problemstellungen im ökonomischen Bereich: Wenn die Entscheidungen ein hohes Konsequenzenpotential für die Akteure beinhalten, ziehen diese stärker elaborierte Selektionsstrategien heran (Gilliland, Schmitt & Wood 1993; Waller & Mitchell 1984). Weiterhin ergeben sich dann normativ angemessenere Urteile und Entscheidungen, wenn studentische Versuchspersonen davon ausgehen, dass ihre Angaben einen Einfluss auf die realen Verhältnisse an der eigenen Hochschule haben. Wenn dagegen nur die Durchführung eines entscheidungstheoretischen Experimentes angekündigt wird, ergibt sich eine deutlich weniger elaborierte Art der Problemlösung (Billings & Scherer 1988). Auch die Bedeutung individueller Unterschiede im „Need for Cognition" kann belegt werden: Eine hohe Ausprägung der Akteure auf dieser intrinsischen

122

IV. Modellierung der Framing-Typen

Motivationsdimension bewirkt häufig eine geringere Heuristiknutzung und führt zu einer deutlich intensiveren Art der Informationssuche (Petty & Cacioppo 1986: 101 ff.; Verplanken 1993). Weiterhin ist die Bedeutsamkeit einer bestehenden Begründungspflicht für die Komplexität der resultierenden Informationsverarbeitung durch eine Vielzahl empirischer Ergebnisse belegt. Unter dieser Bedingung wird beispielsweise beobachtet, dass die unterschiedliche Sichtbarkeit von Informationen sowie die Reihenfolge deren Präsentation sich nicht mehr auf das Verhalten der Akteure auswirkt (Tetlock 1983; 1992). Wenn die Akteure eine öffentliche Entscheidungsbegründung antizipieren, so beseitigt dies auch die irrationale Bedeutsamkeit von „Sunk Costs", erhöht die Konsistenz der Entscheidungsstrategien und führt insgesamt zu einer komplexeren Art der Urteilsfindung (Bohner et al. 1998; Hagafors & Brehmer 1983; McAllister, Mitchell & Beach 1979; Simonson & Nye 1992; Tetlock 1983; Tetlock & Kim 1987). Neben der Begründungspflicht wirken sich weitere Faktoren auf die Qualität der Verarbeitungsmodi aus. In dieser Hinsicht muss auch das Ausmaß kognitiver Beschränkungen der Akteure als relevant angesehen werden. So erhöht beispielsweise die Existenz von Zeitdruck die Konzentration der Akteure auf ausgewählte Bewertungsdimensionen (Edland 1994). Es wird auch dann die Verwendung wenig analytischer Entscheidungsstrategien beobachtet, wenn die Aufmerksamkeit der Akteure abgelenkt wird oder durch gleichzeitig zu lösende Aufgaben gebunden ist (Maule & Edland 1997; Payne, Bettman & Johnson 1990). Außerdem steigt die kognitive Belastung der Akteure und die damit verbundene Verwendung einfacher Strategien der Informationsverarbeitung dann an, wenn die Anzahl der Entscheidungsalternativen und die Menge der relevanten Ergebnisdimensionen zunimmt (Payne 1976; Payne, Bettman & Johnson 1993: 73). Auch zeigt sich eine stärkere Verwendung suboptimaler Entscheidungsregeln, wie beispielsweise der „Elimination by Aspects"Heuristik, wenn die Akteure eine kognitiv aufwendigere Bewertung anstatt einer Entscheidung durchführen müssen (Billings & Scherer 1988). Mit einem vorgegebenen Ausmaß an kognitiven Kapazitäten kann leicht eine Selektion zwischen vordefmierten Handlungsoptionen realisiert werden, während die Notwendigkeit einer Quantifizierung bei Urteilsaufgaben schnell eine Überforderung dieser Fähigkeiten bewirkt. Weiterhin liegen Hinweise dafür vor, dass Ermüdungseffekte ebenfalls die Komplexität der Entscheidungsstrategien reduzieren (Christensen-Szalanski 1978). Es lassen sich auch individuelle Unterschiede in der kognitiven Beschränktheit der Akteure als Bestimmungsfaktor unterschiedlich rationaler Verarbeitungsmodi nachweisen. So können die kognitiven Fähigkeiten der Akteure durch unterschiedliche Tests und Skalen direkt erfasst und zur Prognose der Rationalität von Schlussfolgerungen herangezogen werden (Stanovich & West 1998). In dieser Hinsicht lässt sich weiterhin belegen, dass ein höheres Ausmaß an Intelligenz und mehr Training in formal analytischem Denken die Verwendung von vollständigen KostenNutzenabwägungen erhöht (Larrick 1993; Larrick, Nisbett & Morgan 1993). Die Verfügbarkeit von Wissen über statistische Regeln des Schlussfolgere führt außerdem dazu, dass die Akteure häufiger Lotterien mit besserer Gewinnerwartung wählen und in geringerem Ausmaß durch heuristische „Cues" beeinflusst werden (Schoemaker 1979; Gaeth & Shanteau 1984).

Heuristikbasierte

Framing-Effekte

123

Insgesamt kann festgestellt werden, dass die Bedeutsamkeit der Akteursmotivation und der kognitiven Beschränkungen für die Elaboriertheit der Informationsverarbeitung empirisch gut bestätigt ist. Jedoch wirkt sich weder die Existenz von Begründungspflicht noch das Ausmaß an „Need for Cognition" ausnahmslos in der erwarteten Art und Weise auf die Elaboriertheit der Verarbeitungsmodi aus (Aarts, Verplanken & van Rnippenberg 1997; Briggs & Lassiter 1994). Die Ursache für diese abweichenden Ergebnisse kann darin gesehen werden, dass eine angemessene Prognose der Einflüsse der Entscheidermotivation immer auch das Ausmaß der bestehenden kognitiven Beschränkungen berücksichtigen muss. Entsprechend kann in zwei Untersuchungen belegt werden, dass sich die Motivation der Akteure in Interaktion mit der Intensität der jeweils vorliegenden kognitiven Beschränkungen auf die Elaboriertheit des Entscheidungsverhaltens auswirkt. In einer Studie von Billings und Scherer (1988) zeigt sich, dass die oben bereits angesprochenen Unterschiede in der Tendenz zu einer aufwendigeren Informationssuche bei Bewertungs- und Entscheidungsaufgaben nur dann beobachtet werden, wenn die Akteure in geringem Umfang motiviert sind: Unter dieser Bedingung wirken sich die höheren Anforderungen einer Bewertungsaufgabe negativ auf die Verwendung analytischer Verarbeitungsstrategien aus. Dieser Unterschied verschwindet, wenn die Akteure durch persönliche Betroffenheit stärker motiviert werden. Ein vergleichbarer Zusammenhang zeigt sich, wenn die Erfolgserwartung der Akteure bei Verwendung aufwendigerer Arten der Informationsverarbeitung durch qualitativ unterschiedliches Feedback manipuliert wird (Bohner et al. 1998). Es kann beobachtet werden, dass sich die Einführung einer Begründungspflicht nur dann auf die Angemessenheit der Urteile auswirkt, wenn die Akteure über eine hohe Erfolgserwartung verfügen. Dagegen unterscheiden sich die Verarbeitungsstrategien bei geringen Erfolgsaussichten eines aufwendigeren Modus nicht zwischen den Motivationsbedingungen.

3. Schemabasierte Framing-Effekte Bei der Entstehung schemabasierter Framing-Effekte wird angenommen, dass sich minimale Unterschiede zwischen den Framing-Bedingungen auf die Aktivierungswahrscheinlichkeit unterschiedlicher Schemata auswirken können. Eine solche Aktivierung erfolgt durch die Existenz signifikanter Symbole, die eng mit schematisch organisierten Gedächtnisinhalten bei den Akteuren verknüpft sind. Je nach Inhalt des betreffenden Schemas wird dann Zusatzwissen bereitgestellt, vorgefertigter Urteile werden aktiviert oder die Akteure konzentrieren sich auf singuläre Ziele. Diese Einflüsse beziehen sich immer auf ganze Klassen von Objekten, Personen oder Handlungssituationen. Werden Schemata durch die Framing-Bedingungen aktiviert, so sind durch alle drei Schemainhalte Auswirkungen auf das Entscheidungsverhalten möglich. Da sich die Framing-Bedingungen häufig durch die Qualität der Informationsdarstellung unterscheiden, können sprachliche Symbole bei der Entstehung schema-

124

IV. Modellierung der Framing-Typen

basierter Framing-Effekte als besonders bedeutsam angesehen werden. So unterscheiden sich die Darstellungsvarianten potentiell darin, wie eindeutig eine stereotypisierte Gruppe benannt oder auf bestimmte Einstellungsgegenstände Bezug genommen wird. Weiterhin wirken sprachliche Begriffe als signifikante Symbole, durch die eine Verbindung zwischen der aktuellen Entscheidungssituation und bestimmten gesellschaftlichen Institutionen hergestellt wird. Durch eine solche Verbindung wird dann die normative Einstellung der betreffenden Institution aktiviert und steuert potentiell die Zielorientierung der Akteure. Die gleichen Prozesse können prinzipiell auch durch andere instrumentell irrelevante Kontextmerkmale der Entscheidung ausgelöst werden. Ob jedoch die aktivierten Schemata handlungsrelevant werden und FramingEinflüsse auf der Entscheidungsebene erwartet werden müssen, hängt vom Ausmaß der Kontrollanstrengungen der Akteure ab. In Übereinstimmung mit unterschiedlichen Modus-Theorien der Schemanutzung müssen in dieser Hinsicht verschiedene situationale und dispositionale Einflussfaktoren als relevant angesehen werden. Demnach lassen sich die Entstehungsbedingungen schemabasierter Framing-Effekte nur dann vollständig prognostizieren, wenn gleichzeitig die Bestimmungsfaktoren der Schemaaktivierung und die Determinanten der Kontrollanstrengungen berücksichtigt werden. Eine solche Modellierung soll hier auf der Grundlage einer leicht modifizierten Version des Modells der Frame-Selektion (MdFS) vorgeschlagen werden (Esser 2001: 260ff.). Im Rahmen dieser allgemeinen Handlungstheorie wird die Handlungsrelevanz von Schemata als Ergebnis beschränkter Akteursrationalität erklärt und in das ökonomische Ausgangsmodell integriert. Dabei sind die Vorhersagen einer reinen Rational-Choice Modellierung als Spezialfall in der Gesamterklärung enthalten. Der Ansatz lässt sich nicht nur bei der Erklärung des speziellen Phänomens schemabasierter Framing-Effekte heranziehen, sondern zielt vielmehr auf das allgemeine Problem instabiler Präferenzen als zentrale Anomalie des ökonomischen Erklärungsmodells (vgl. Kapitel II, Abschnitt 1.2.3). Bevor das Erklärungsmodell in Abschnitt 3.2 vorgestellt wird, soll das Phänomen schemabasierter Framing-Effekte an drei Beispielen kurz demonstriert werden.

3.1 Drei Beispiele für schemabasierte Framing-Effekte Bei den folgenden Beispielen für die Wirkungsweise schemabasierter FramingEffekte handelt es sich erstens um Beobachtungen, die zeigen, dass sich die unterschiedliche Formulierung von Umfrage-Items im Kontext der eigentlichen Urteilsaufgabe auf die Fairness-Urteile der Befragten auswirkt. Zweitens wird eine Studie skizziert, in der die Rollenperspektive der Akteure einen deutlichen Einfluss auf die relative Bedeutung ökonomischer Gewinne oder Solidaritätsnormen ausübt. Die dritte Framing-Studie zeigt, dass die Fragenreihenfolge in Umfragen einen Einfluss auf den Inhalt des Antwortverhaltens ausüben kann. Die Ergebnisse bei allen drei Studien können als das Resultat symbolisch gesteuerter Prozesse der Schemaaktivierung interpretiert werden.

Schemabasierte Framing-Effekte

125

3.1.1 Die Aktivierung von Fairness-Normen In der vorliegenden Studie wird die Bedeutsamkeit von Fairness-Normen für das Urteilsverhalten der Akteure untersucht. Zu diesem Zweck werden die Arbeitnehmer einer Firma befragt, in der kurz zuvor eine große Anzahl an Entlassungen durchgeführt wurde (Brockner, Wiesenfeld & Martin 1995). In dieser Umfrage sollen die verbliebenen Beschäftigten ihren Arbeitgeber beurteilen: Der Inhalt dieser Angaben stellt die abhängige Variable der Untersuchung dar. Die Framing-Bedingungen werden dagegen durch eine zweite Frage operationalisiert, bei der die Beschäftigten gefragt werden, welche Entlassungskriterien die Firma ihrer Überzeugung nach angewendet hat. Diese Frage wird in zwei unterschiedlichen Versionen formuliert und in jedem Fall vor der Firmenbewertung gestellt, wobei entweder der positive Begriff „keep" oder der negative Begriff „lost" herangezogen wird: „Keep"-Formulierung: „The following factors could have been used to decide which employees would keep their jobs during the layoffs and which employees would not. To what extent do you believe that each of the following factors was actually used to decide which employees would keep their jobs?". „Lost"-Formulierung: „The following factors could have been used to decide which employees lost their jobs during the layoffs and which employees did not. To what extent do you believe that each of the following factors was actually used to decide which employees lost their jobs during this layoff and which did not?".

In einer dritten Frage wird zusätzlich erfasst, fur wie fair die Befragten die Vorgehensweise bei den Entlassungen insgesamt ansehen. Die hierbei registrierten Angaben können als Indikator für die individuellen Unterschiede in der Verankerung von Gerechtigkeitsnormen angesehen werden. Die Untersuchungsergebnisse zeigen, dass die Fairness-Urteile der Befragten immer in signifikanter Weise zur Erklärung der Firmenbewertung beitragen: Die allgemeinen Urteile der Befragten werden demnach durch deren individuelle Tendenz zur Verwendung von Gerechtigkeitskriterien beeinflusst. Allerdings unterscheidet sich die Stärke dieses Zusammenhangs zwischen den Framing-Bedingungen. So wirken sich die Fairness-Urteile der Akteure dann signifikant stärker auf die Firmenbewertung aus, wenn in der vorher gestellten Frage der negative Begriff „lost" verwendet wurde. Bei Verwendung des Begriffs „keep" ziehen die Akteure ihre Fairness-Grundsätze dagegen in deutlich geringerem Ausmaß als Bewertungsgrundlage heran. Die Ergebnisse können dergestalt interpretiert werden, dass die beiden sprachlichen Symbole im Kontext der Bewertungsaufgabe in unterschiedlichem Ausmaß zur Aktivierung normativer Bewertungsstandards in der Lage sind. Ein weiteres Ergebnis unterstützt die vorliegende Interpretation. Wenn die Akteure über stark verankerte Fairness-Grundsätze verfügen und den Entlassungsprozess daher als sehr unfair ansehen, ergeben sich keine Einflüsse der Framing-Bedingungen. Entsprechend der hier eingenommenen Sichtweise handelt es sich bei dieser Subpopulation um Befragte mit einer chronisch zugänglichen normativen Einstellung, bei denen eine zusätzliche Aktivierung keinen weiteren Effekt zeigt. Dagegen bewirken die Framing-Bedingungen bei den Akteuren mit weniger stark verankerten Fairness-Normen eine erhöhtes Aktivierungsniveau und damit eine

126

IV. Modellierung der Framing-Typen

stärkere Verfügbarkeit dieser Bewertungsstandards. Da es sich bei der vorliegenden Studie um eine anonyme Umfrage einer akademischen Institution handelt, haben die Akteure eine nur geringen Motivation für die aktive Kontrolle der aktivierten Schemata: Diese schlagen sich daher unmittelbar im Befragtenverhalten nieder. 3.1.2 Die Aktivierung von sozialen Rollen und Solidaritätsnormen In einer Studie von Ligthart und Lindenberg (1994) wird untersucht, welche Bedeutung die Zuschreibung verschiedener sozialer Rollen und die Existenz unterschiedlicher Beziehungstypen für die Tendenz zur Gewinnmaximierung haben. Im vorliegenden Experiment sollen die Versuchspersonen den Verkaufspreis eines Buches festlegen, wobei unterschiedliche Rollen des Verkäufers und verschiedene Beziehungen zum potentiellen Käufer vorgegeben werden. Die Beziehungsqualität wird variiert, indem es sich bei dem Käufer entweder um einen Fremden, einen Bekannten oder einen engen Freund des Verkäufers handelt. Gleichzeitig wird den Entscheidern die Rolle eines Buchhändlers oder eines Studenten vorgegeben. Die Framing-Bedingungen ergeben sich aus der Kombination der verschieden engen Beziehungstypen und den verschiedenen Rollenperspektiven der Akteure. Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass sich beide Experimentalbedingungen als Haupteffekt auf den jeweils geforderten Verkaufspreis auswirken: So werden höhere Preise verlangt, wenn die Entscheidung aus der Perspektive eines professionellen Buchhändlers getroffen wird und wenn nur eine schwache soziale Beziehung zwischen den Transaktionspartnem vorliegt. Vor allem aber wird ein Interaktionseffekt zwischen den beiden Einflussdimensionen beobachtet. Demnach wirkt sich die Rollenperspektive umso stärker auf das ökonomische Gewinnstreben aus, je schwächer die bestehende Beziehung ist. Bei einer starken Solidaritätsbeziehung zu einem engen Freund erweist sich die Rollenorientierung als irrelevant für die Höhe des geforderten Verkaufspreises und damit für die Stärke der vorliegenden Gewinnorientierung. Es kann die Schlussfolgerung gezogen werden, dass zwischen der Beziehungsqualität „guter Freund" und den Solidaritätsnormen der Entscheider eine enge kognitive Verbindung vorliegt. Bei diesem Beziehungstyp ist somit eine zuverlässige Aktivierung der normativen Einstellung mit dem dominanten Ziel der Beziehungserhaltung prinzipiell sehr wahrscheinlich: Die Art der Rollenperspektive ist dann von geringer Bedeutung. Mit abnehmender Beziehungsintensität nimmt dann die chronische Aktivierungsstärke der Solidaritätsnormen ab, so dass die Bedeutung der zweiten Bestimmungsdimension gleichzeitig ansteigt: Die unterschiedlichen Rollenorientierungen wirken sich dann zunehmend auf die wahrgenommene Anwendbarkeit von Solidaritätsnormen aus. Eine solche Schema-Passung fehlt bei der Rolle eines Buchhändlers vollständig, so dass die Zielsetzung der Gewinnmaximierung absolut im Vordergrund steht. Wenn allerdings das normative Schema sehr stark aktiviert wird, wie dies bei der Beziehung zu einem guten Freund der Fall ist, ergibt sich auch bei einer Schwächung der Angemessenheitswahrnehmung durch eine inkonsistente Rollenzuschreibung keine Reduktion der Aktivierungsintensität.

Schemabasierte

Framing-Effekte

127

3.1.3 Die Aktivierung von schematisch organisiertem Zusatzwissen In einer Studie über den Einfluss der Fragereihenfolge in demographischen Interviews lassen sich ebenfalls Framing-Effekte identifizieren (Gaskell, Wright & O'Muircheartaigh 1995). Dabei sollen die Befragten ihr allgemeines Interesse an wissenschaftlicher Forschung angeben. Gleichzeitig müssen die Akteure vor oder nach dieser Frage unterschiedlich schwere Wissensfragen beantworten. Als Ergebnis zeigt sich, dass die Befragten ein unterschiedliches Interesse an der Wissenschaft angeben, wenn die Wissensfragen vorher oder nachher gestellt werden: Bei vorheriger Wissensabfrage geben die Befragten dann ein geringeres Interesse an, wenn es sich um schwere Fragen handelt. Die Autoren interpretieren die beobachteten Effekte als Ergebnis der Aktivierung stereotyper Wissensbestandteile über den Inhalt wissenschaftlicher Forschung. Bei schweren Fragen - beispielsweise nach der relativen Größe von Atomen und Neuronen - wird ein Stereotyp der Wissenschaft aktiviert, in dem diese als abstrakt und für Laien wenig relevant charakterisiert wird. Die Befragten geben dann ein entsprechend geringes Interesse an. Eine Schemaaktivierung mit diesem Inhalt findet dagegen bei leichten Wissensfragen - beispielsweise nach der Bedeutung von Sonneneinstrahlung für die Entstehung von Hautkrebs - nicht statt. Unter dieser Bedingung steht der Inhalt der Fragestellung in Widerspruch zu der betreffenden schematischen Konzeption von Wissenschaft, so dass keine Aktivierung des negativen Stereotyps erfolgt und ein höheres Interesse an wissenschaftlicher Forschung angegeben wird. Vor dem Hintergrund der hier eingenommenen Perspektive lassen sich die in der Methodenforschung häufig beobachteten Kontexteinflüsse auf das Befragtenverhalten in vielen Fällen als schemabasierte Framing-Effekte interpretieren und müssen somit nach den gleichen theoretischen Prinzipien erklärt werden.

3.2 Ein Modell schemabasierter

Framing-Effekte

In der hier vorgeschlagenen Modellierung schemabasierter Framing-Effekte wird das Verhalten der Akteure als Ergebnis eines dreistufigen Entscheidungsprozesses erklärt. Dieser Modellierung liegt eine leicht modifizierte und erweiterte Version des Modells der Frame-Selektion (MdFS) zugrunde (Esser 1996; 1997; 2001: 260ff.). Dabei wird angenommen, dass die Akteure in einem ersten Schritt eine angemessene kognitive Repräsentation der Entscheidungssituation selektieren. Durch welche Inhalte das dabei resultierende Modell der Situation bestimmt wird, ergibt sich auf der Basis von Schema-Aktivierungsprozessen. Der mögliche Einfluss von Framing-Bedingungen wird an diesem Punkt in die Modellierung eingeführt. In einem zweiten Schritt prognostiziert die Theorie, ob das spontan selektierte Situationsmodell, inklusive der dabei potentiell wirksamen Framing-Einflüsse, unhinterfragt akzeptiert oder einer intensiveren Überprüfung unterzogen wird. Je nach Qualität des vorhergesagten Informationsverarbeitungsmodus bleiben die Einflüsse der FramingBedingungen erhalten oder werden durch eine Kontrolle der aktivierten Schemata eliminiert. Der dritte Schritt der Modellierung bezieht sich auf die Prognose des konkreten Entscheidungsverhaltens.

128

IV. Modellierung der Framing-Typen

3.2.1 Die Selektion des Modells der Situation Ein bestimmtes Modell der Handlungssituation beinhaltet gleichzeitig das von den Akteuren als relevant angesehene Wissen, die aktuell vorliegenden Bewertungen und die als relevant angesehenen Zielsetzungen. In Hinblick auf diese drei Komponenten werden im Rahmen des ökonomischen Handlungsmodells spezifische Annahmen gemacht. Demnach sollte das kognitive Modell der Akteure erstens die vollständige Menge verfügbarer und entscheidungsrelevanter Informationen enthalten. Dabei wird gleichzeitig erwartet, dass das Situationsmodell keine Annahmen enthält, die nicht durch direkt verfugbare Evidenzen gedeckt sind. Ein solchermaßen perfekt rationales Situationsmodell liegt entsprechend dann nicht vor, wenn dessen Inhalt durch aktivierte Wissensschemata angereichert ist. Zweitens sollte das Situationsmodell ausschließlich Bewertungen beinhalten, die aus der aktuellen Entscheidungssituation resultieren. Werden dagegen vorgefertigte Urteile auf der Basis aktivierter Bewertungsschemata herangezogen, so kann diese Bedingung nicht als erfüllt angesehen werden. Drittens wird erwartet, dass die Zielsetzungen der Akteure vollständig im Situationsmodell repräsentiert sind. Deren Anzahl wird weder durch eine Vorauswahl reduziert, noch spielen gesellschaftlich definierte oder intrinsisch begründete Ziele eine Rolle. Diese Bedingung ist nicht erfüllt, wenn Zielschemata - speziell soziale Normen und Werte - selektiv aktiviert werden. Im folgenden soll nun davon ausgegangen werden, dass die drei Merkmale kognitiv rationaler Situationsmodelle durch Framing-Prozesse beeinflusst werden können, wobei die vom Rational-Choice Ansatz definierten Inhalte nur eine Teilmenge der möglichen Ergebnisse darstellen. Welches Modell der Situation als Grundlage für die Strukturierung der Handlungssituation herangezogen wird, ergibt sich als - teilweise bewusste, teilweise unreflektierte - Selektion zwischen dichotomen Alternativen. Dabei stehen jene alternativen Modelle zur Auswahl, die sich in der entsprechenden Situation am ehesten zur Situationsdefinition anbieten (Esser 2001: 264). Es können entweder zwei schemabasierte Modelle zur Auswahl stehen oder die Selektion findet zwischen einem schematisch angereicherten und einem rein datenbasierten Situationsmodell statt. Das Ergebnis ergibt sich jedenfalls aus dem Zusammenspiel der kognitiven Determinanten der Schemaaktivierung und den Anreizen zugunsten eines spezifischen Situationsmodells. Bei der vorliegenden Modellierung werden drei Bestimmungsfaktoren der Schemaaktivierung als relevant angesehen. Dabei handelt es sich einerseits um die Stärke, mit der ein bestimmtes Schema im Gedächtnis der Akteure verankert ist. Diese Determinante wird durch den Parameter a erfasst. Andererseits wird die Eindeutigkeit, mit der die Handlungssituation als prototypischer Anwendungsfall des jeweiligen Schemas markiert ist, als externer Bestimmungsfaktor der Schemaaktivierung angesehen (Esser 2001: 270). Je stärker die Merkmale der Entscheidungssituation die Anwendungsbedingungen der unterschiedlichen Situationsmodelle erfüllen, desto größere Werte nimmt der Parameter e an. Da die internen und externen Bedingungen der Schemaaktivierung gleichzeitig erfüllt sein müssen, werden beide Teilkomponenten in einer multiplikativen Art verknüpft. Außerdem wird ein bestimmtes Situationsmodell nur

Schemabasierte Framing-Effekte

129

dann für die Strukturierung einer Handlungssituation als relevant angesehen, wenn dieses Implikationen für die Selektion zwischen den Handlungsoptionen hat. So wird beispielsweise ein normative, auf Gleichheitsgrundsätzen basierte Situationsdefinition dann ein geringes Ausmaß an situationaler Passung aufweisen, wenn sich die Handlungsoptionen nicht in Hinblick auf die Gleichheit der Ressourcenzuteilung unterscheiden. Diese Erweiterung des MdFS wird durch den Parameter r in die Modellierung eingeführt.12 Da alle drei Bedingungen der Schemapassung gleichzeitig erfüllt sein müssen, werden diese multiplikativ verknüpft und repräsentieren die insgesamt wahrgenommene Passung m eines Situationsmodells k (m = a ' e ' r). Dagegen wird die Rahmung der Handlungssituation auf der Basis eines alternativen Schemas 1 mit der Komplementärwahrscheinlichkeit von (1-m) als angemessen angesehen. Wird ein bestimmtes Schema als Grundlage der Situationsdefinition akzeptiert, so wirkt sich dies auf die letztendlich realisierten Handlungsergebnisse aus. Diese Ergebnisse werden vor dem Hintergrund der bestehenden Knappheiten bewertet und bilden die motivationale Dimension der Modell-Wahl. Entsprechend werden die Konsequenzen von Modell k mit einem Nutzen von Uk bewertet, während der alternativen Situationsdefinition 1 eine Attraktivität von U| zugeschrieben wird. Die Gesamtbewertung einer spezifischen Situationsdefinition wird formal auf der Basis einer herkömmlichen Erwartungsnutzen-Modellierung prognostiziert. Dabei wird das Nutzenpotential eines Situationsmodells mit dem Parameter m der kognitiven Passung gewichtet: SEU(k) = m ' Uk SEU(l) = (1-m)' Ui

(4.8a) (4.8b)

Die innere Selektion zwischen einem Modell k und einem Alternativmodell 1 ergibt sich somit aus der interaktiven Wirksamkeit kognitiver und motivationaler Bestimmungsfaktoren. Wie bei jeder Erwartungsnutzenmodellierung wird auch hier eine Alternative einer anderen vorgezogen, wenn sich bei deren Anwendung ein höheres SEU-Gewicht ergibt. Für den Wechsel von Modell k nach Modell 1 ergibt sich - vor dem Hintergrund der Bedingung SEU(k) < SEU(l) - die in Formel 4.9 dargestellte Übergangsbedingung. U,/Uk>(a'e"r)/(l-(a'e"r))

(4.9)

Demnach wird ein Situationsmodell k dann herangezogen, wenn das zugrunde liegende Schema beim vorliegenden Entscheidungsproblem anwendbar ist, in ausreichendem Ausmaß kognitiv verankert ist und die Handlungssituation 12

Im MdFS werden die folgenden drei Teilaspekte genannt: „Der Match m setzt sich aus drei Komponenten zusammen, die multiplikativ verknüpft sind: Die Zugänglichkeit a des gedanklichen Modells in der Identität des Akteurs, die Existenz e der damit assoziierten Objekte in der Situation und die Abwesenheit von , Störungen' u bei der Beobachtung der Objekte" (Esser 2001: 270; Hervorhebungen nicht im Original). Die beiden letzten Teilparameter lassen sich unserer Ansicht nach zusammenfassen, da diese das Ausmaß repräsentieren, mit dem die Merkmale der konkreten Situation dem Prototyp der Schemaanwendung entsprechen. Aus Gründen der theoretischen Sparsamkeit werden beide Teilaspekte durch den Parameter e repräsentiert.

130

IV. Modellierung der Framing-Typen

zugleich klare Signale für dessen Anwendbarkeit liefert. Ist eine der Bedingungen nicht erfüllt, so erfolgt keine Schemaaktivierung. Während sich die Framing-Bedingungen auf die situationale Angemessenheitswahrnehmung und damit auf die Größe von Parameter e auswirken, prognostiziert die Theorie zusätzliche Randbedingungen für die Entstehung von Framing-Effekten. Neben der Verankerung des betreffenden Schemas müssen weiterhin die Anreize fur eine alternative und instrumenteil rationalere Situationskonzeption berücksichtigt werden. Demnach werden Einflüsse der Framing-Bedingungen auf das Entscheidungsverhalten desto unwahrscheinlicher, je stärker der Nutzenparameter Ui einer alternativen Situationsorientierung ansteigt und je kleinere Werte der Verankerungsparameter a annimmt. Hierbei wird insgesamt ein interaktives Zusammenspiel der Bestimmungsfaktoren angenommen. 3.2.2 Die Selektion des Modus der Informationsverarbeitung Durch den Einfluss aktivierter Schemata können die Situationsmodelle der Akteure in mehr oder weniger starkem Umfang von einer rationalen Konzeption abweichen. In der vorliegenden Modellierung wird davon ausgegangen, dass sich das Ausmaß dieser Abweichung durch die Qualität des aktuell gültigen Informationsverarbeitungsmodus prognostizieren lässt. Dabei wird auch die Verwendung unterschiedlicher Verarbeitungsmodi als Selektion zwischen Alternativen erklärt. Bei dieser Modus-Wahl entscheiden die Akteure zu welchem kognitiven Aufwand sie bei der Überprüfung der getroffenen ModellSelektion bereit sind. Das spontan aktivierte mentale Modell kann einerseits mit allen daran geknüpften Konsequenzen einfach akzeptiert werden (APModus): Das Verhalten folgt dann in einer unaufwendigen, automatischen und grundsätzlich unhinterfragten Art den Implikationen des aktuell gültigen Situationsmodells. Unter dieser Bedingung wird das Ausmaß der Abweichung von den Annahmen des Rational-Choice Modells ausschließlich durch die Ergebnisse der Modell-Selektion bestimmt. Einer solchen Minimalstrategie der Informationsverarbeitung wird somit der erwartete Nutzen mU K aus der Befolgung des spontan selektierten Modells zugeschrieben. Im Rahmen des RP-Modus werden andererseits die Inhalte des Situationsmodells in einer bewussten und analytischen Art und Weise überprüft. Hierbei erfolgt eine Kontrolle der aktivierten Schemata und somit eine Korrektur der Abweichungen von einem rationalen Situationsmodell. Der Anreiz für den Wechsel zu einem solchermaßen elaborierten Modus der Informationsverarbeitung ergibt sich aus dem Verbesserungspotential, welches aus einem vollständig datenbasierten, auf rationalen Bewertungen beruhenden und alle Ziele berücksichtigenden Modell resultieren würde. Diese Anreizdimension wird durch den Parameter U| in das Modell integriert. Die Erfolgserwartung einer solchen Art der Entscheidungsfindung wird dagegen durch den Wahrscheinlichkeitsparameter ρ in das Modell eingeführt. Diese Erfolgswahrscheinlichkeit ist primär eine Funktion individueller und situationaler Unterschiede in den kognitiven Beschränkungen und Opportunitäten der Akteure. Da letztendlich beim Scheitern eines aufwendigen Verarbeitungsmodus immer auf die Implikationen des Ausgangsmodells zurückgegriffen werden kann, geht der Nutzen dieses Modells ebenfalls, mit der Komplementärwahrscheinlichkeit von (1-p) gewichtet, in die Modellierung ein.

Schemabasierte

Framing-Effekte

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Weiterhin wird die Attraktivität eines analytischen Verarbeitungsmodus durch die kognitiven Kosten C reduziert. Wie bei jeder SEU-Modellierung werden auch hier die Wert- und die Erwartungskomponente multiplikativ verknüpft und ergeben zusammen die Bewertung der unterschiedlichen Modi: SEU(MAp) = m ' Uk SEU(MRP) = Ρ ' (1-m)" U, + (1-p)' m" UK - C

(4.10a) (4.10b)

Ein Wechsel von einem unaufwendigen und durch automatisches Prozessieren bestimmten AP-Modus zu einer rationalen Durchdringung der Situation ergibt sich unter der Bedingung SEU(MRP) > SEU(MAP). Die Schwellenwertfunktion für diesen Übergang wird durch die Ungleichung in Formel 4.11 repräsentiert: (1-m)' Ui - m ' Uk > C/p

(4.11)

Die Verwendung eines elaborierten Verarbeitungsmodus und die damit verbundene Neutralisierung der spontan aktivierten Schemata ist umso wahrscheinlicher, je größer die Opportunitätskosten bei der Verwendung von Schema k als Grundlage des mentalen Situationsmodells sind, je weniger kognitive Beschränkungen für die Kontrolle der Schemata vorliegen und je weniger Anstrengungen hierbei eingesetzt werden müssen. Für das Ergebnis der ModusSelektion muss aber auch das Ausmaß der Schemapassungais relevant angesehen werden. Entsprechend reduziert sich die Wahrscheinlichkeit für einen Wechsel zu einer elaborierten und datenbasierten Art der Handlungsselektion, wenn die Passung des betreffenden Schemas ansteigt und somit der Parameter m größere Werte annimmt. Da sich die Framing-Bedingungen, repräsentiert durch den Teilparameter e, ebenfalls auf die Ausprägung des MatchingParameters m auswirken, müssen diese ebenfalls als Bestimmungsfaktoren der Modus-Wahl betrachtet werden. Die Verwendung eines analytischen Verarbeitungsmodus eliminiert die Einflüsse der Schemaaktivierung und damit gleichzeitig die Auswirkungen der Framing-Bedingungen. In dieser Hinsicht müssen alle Bestimmungsfaktoren des Verarbeitungsmodus ebenfalls als Entstehungsbedingungen schemabasierter Framing-Effekte angesehen werden. 3.2.3 Die Selektion der Handlungsalternativen Durch die Situationsmodelle verfugen die Akteure über Zusatzwissen, vorgefertigte Bewertungen und konzentrieren sich auf ausgewählte Zielsetzungen. In Abhängigkeit von der Art des Schemas, dass das Situationsmodell der Akteure beeinflusst wird, müssen bei der Prognose der Handlungswahlen einer oder mehrere dieser Einflusskanäle berücksichtigt werden. Dies ist allerdings prinzipiell nur dann notwendig, wenn sich die Akteure in einem wenig analytischen AP-Modus befinden. Bei der Verwendung eines elaborierten Verarbeitungsmodus werden die betreffenden Einflüsse durch aktive kognitive Prozesse kontrolliert und deren Entscheidungsrelevanz somit beseitigt. Entsprechend kann das Entscheidungsverhalten bei Verwendung eines RP-Modus - unabhängig vom Ergebnis der Modellwahl - durch eine unmodifizierte Rational-Choice

132

IV. Modellierung der Framing-Typen

Modellierung vorhergesagt werden. Dabei berücksichtigen die Akteure alle Ziele j, bei deren Realisierung ein Nutzen U, erreicht werden kann. Unter der vorliegenden Bedingung beruht die Entscheidung ausschließlich auf lokal verfugbaren Informationen, deren Implikationen durch den Parameter pfj in die Modellierung eingeführt werden. Durch diesen Parameter wird berücksichtigt, mit welcher Gewissheit die Realisierung jeder der relevanten Zielsetzungen und der damit verbundenen Nutzenpotentiale Uj erwartet wird. Die Gesamtbewertung der Entscheidungsalternativen lässt sich dann durch Formel 4.12 repräsentieren. Wie bei jeder Erwartungsnutzen-Modellierung wird prognostiziert, dass die Handlungsalternative mit dem größten SEU-Wert gewählt wird.

SEU{aiiSYS))

SEU(al(sYs)) Pij Uj

= ±pij.Uj J=ι

(4-12)

Bewertung der Alternative ai bei systematischem Modus. Erfolgserwartung bezüglich Ziel j, bei Selektion von Alternative i. Nutzenpotential bei Realisierung von Ziel j.

Beruht das Entscheidungsverhalten dagegen auf einem weniger analytischen AP-Modus, so ergeben sich je nach Qualität des zugrunde liegenden Situationsmodells unterschiedliche Bewertungen der Entscheidungsoptionen. Beruhen die Situationsmodelle k und 1 auf Wissensschemata, so wirken sich diese auf die Erwartungen der Akteure und damit auf die Erfolgswahrscheinlichkeiten Pij aus. Somit kann die Relevanz von schemabasiertem Zusatzwissen durch modellspezifische Wahrscheinlichkeitsparameter berücksichtigt werden: Einfluss von Hintergrundwissen aus Modell k/1: SEU(amHEU)^pt(,rrUl j=1 SEU(al{i)HEU)

SEU(ak(i)HEu)/ SEU(ai(i)HEu) Pnijy Pi(ij) Uj

=Y j p j=ι

m

.U

(4.13a)

j

(4-13b)

Heuristische Bewertung von a, bei Geltung von Modell k/1 und heuristischem Modus. Realisierungswahrscheinlichkeit für Ziel j bei Verwendung von Alternative i, basierend auf Hintergrundwissen von Modell k/1. Nutzenpotential bei Realisierung von Ziel j.

Auch hier wird prognostiziert, dass die Alternative mit dem höchsten Erwartungsnutzen gewählt wird. Es ist leicht erkennbar, dass innerhalb der Situationsmodelle immer jene Handlungsoption gewählt wird, die vor dem Hintergrund des schemabasierten Zusatzwissens die höchste Zielrealisierungswahrscheinlichkeit beinhaltet. Das Entscheidungsverhalten unterscheidet sich zwischen Modell k und 1 dann, wenn die Erfolgsaussichten pk(jj) und ρ ) 0 ) zumindest für eine Handlungsoption verschiedene Werte annehmen. FramingEffekte werden dabei umso wahrscheinlicher, je stärker sich die „Beliefs" zwischen Modell k und 1 unterscheiden. Im Gegensatz zu der dargestellten

133

Schemabasierte Framing-Effekte

Modellierung von Wissensschemata wirkt sich die Aktivierung von Bewertungsschemata durch die Framing-Bedingungen direkt auf die verfügbaren Urteile der Entscheider aus. Unter dieser Bedingung lassen sich die Einflüsse auf das Entscheidungsverhalten durch modellspezifische Nutzenterme in die Theorie integrieren: Einfluss vorgefertigter Bewertungen aus Modell k/1: SEU(a k(i)HE u) = U(a k(i) ) SEU(a1(i)HEU) = U(a I(i) ) SEU^jheu)/ SEU(a1(i)HHu) U(ak(i))/ U(ai (i) )

(4.14a) (4.14b)

Bewertung von a, bei Gültigkeit von Modell k/1 und heuristischem Modus. Nutzen aus der Befolgung vorgefertigter Urteile aus Modell k/1.

Bei dieser Art von Schemaeinflüssen wirken sich die unterschiedlichen Inhalte der Situationsmodelle direkt auf die Bewertung der Handlungsoptionen aus. So führt beispielsweise die Aktivierung negativer Vorurteile unmittelbar zu einer positiven Bewertung von distanzierenden Verhaltensweisen gegenüber einem Mitglied der betroffenen Gruppe. Es werden umso größere Unterschiede im Entscheidungsverhalten zwischen Modell k und 1 erwartet, je stärker sich die betreffenden Schemainhalte auf die Bewertung der Handlungsoptionen auswirken. Unterschiede im Entscheidungsverhalten zwischen den FramingBedingungen ergeben sich demnach dann, wenn sich die vorgefertigten Bewertungen mindestens einer Handlungsoption zwischen den Situationsmodellen unterscheiden. Die Stärke der Framing-Effekte in einer Gruppe von Entscheidern ist dagegen eine direkte Funktion der durchschnittlichen Differenz zwischen den Nutzenparametern U(a k(i) ) und U(ai(i)) in der betreffenden Population. Auch die Bedeutung situational aktivierter Zielschemata kann durch spezifische Nutzenparameter in das Handlungsmodell integriert werden. Unter dieser Bedingung ergibt sich das Entscheidungsverhalten nicht aus der vollständigen Menge aller Ziele, sondern ausschließlich auf der Grundlage einer singulären und modellspezifischen Zielorientierung der Akteure. Dies kann durch die unterschiedlichen Nutzenpotentiale U k und Ui einbezogen werden: Einfluss der Zielselektivität aus Modell k/1: Pk(i)' U k SEU(a 1 ( i ) H Eu) = P i « ' U ,

(4.15a) (4.15b)

SEU(ak(i)HEu)/ Bewertung von aj bei Gültigkeit von Modell k/1 und heuristischem SEU(a l(i)H Eu) Modus. Pk(i)/ Pi(i) Realisierungswahrscheinlichkeit von Ziel k/1 durch Option i. U t / υ, Nutzenpotential bei Realisierung des dominanten Ziels von Modell k/1.

Wie in jedem Fall wird auch hier eine Entscheidung für die Handlungsoption mit dem größten Erwartungsnutzen prognostiziert. Innerhalb der Situationsmodelle wird jene Handlungsoption gewählt, durch deren Konsequenzen das jeweils dominante Ziel am besten realisiert werden kann. Es werden nur dann Entscheidungsunterschiede zwischen den Modellen erwartet, wenn die Optionen unterschiedlich zur Erreichung des jeweils dominanten Ziels geeignet sind.

134

IV. Modellierung der Framing-Typen 3.3 Empirische Belege fiir die Angemessenheit des Modells

Bei der vorliegende Modellierung von Schemaeinflüssen im Rahmen des MdFS liegen starke inhaltliche Bezüge zu Theorien aus der Sozialpsychologie sowie der „Social Cognition"-Forschung vor (vgl. hierzu Kapitel III, Abschnitt 3). Dabei handelt es sich erstens um das „MODE-Model" zur Erklärung von Einstellungseinflüssen (Fazio 1990). Zweitens lassen sich ebenso große konzeptionelle Ähnlichkeiten zu den „Dual Process"-Modellen der Schemanutzung feststellen (Brewer 1988; Fiske & Neuberg 1990). Drittens stimmt die methodische Basis des gesamten Priming-Paradigmas mit dem hier vorgeschlagenen theoretischen Erklärungsmodell überein (Bargh 1984; Blair & Banaji 1996). Auf der Basis der in diesem Paradigma vorliegenden Untersuchungen kann die Bedeutsamkeit einzelner Erklärungsparameter des MdFS empirisch belegt werden. Die Verankerung von Schemata und damit deren Zugänglichkeit im Gedächtnis der Akteure ist eine Vorbedingung für schemakonsistente Bewertungen und Handlungswahlen. So kann beispielsweise das Wahlverhalten dann deutlich besser durch die Einstellung gegenüber den Kandidaten erklärt werden, wenn schnelle Antwortlatenzen eine hohe Zugänglichkeit dieser Einstellungen anzeigen (Bassiii 1995; Fazio et al. 1986; Fazio & Williams 1986). Vergleichbare Einflussunterschiede ergeben sich auch, wenn die Akteure in Subgruppen mit unterschiedlich stark verankerten Stereotypen eingeteilt werden (Devine 1989; Lepore & Brown 1997). Auch die wiederholte Verwendung eines Schemas oder die direkte Erfahrung mit dem Einstellungsobjekt erhöht die Schemazugänglichkeit und damit die Wahrscheinlichkeit für eine Verwendung bei Urteils- und Entscheidungsprozessen (Fazio 1986; Schuette & Fazio 1995). Es konnte ebenfalls gezeigt werden, dass die Zielgruppe der Vorurteile nicht durch die entsprechenden Schemainhalte beeinflusst wird, da bei dieser Subpopulation keine ausreichende Verankerung der negativen Bewertungsinhalte vorliegt (Fazio et al. 1995; Greenwald, McGhee & Schwartz 1998). Auch die Aktivierbarkeit sozialer Normen ist von deren Verankerungsstärke abhängig: Beispielsweise werden vor allem Urteile von Personen mit starken Ehrlichkeitsnormen durch die entsprechenden Bewertungskriterien beeinflusst (Bargh & Thein 1985). Im MdFS wird davon ausgegangen, dass Schemata nur dann handlungsrelevant werden, wenn die Merkmale der aktuell vorliegenden Situation mit den Anwendungsbedingungen des Schemas übereinstimmen. Beispielsweise können Stereotypen nur auf eine Person angewendet werden, wenn diese möglichst eindeutig als Mitglied der betreffenden Gruppe identifizierbar ist. Entsprechend kann beobachtet werden, dass die ansteigende Salienz einer ethnischen Gruppenmitgliedschaft - eine farbige Person befindet sich in einer Gruppe Weißer - zu einer intensiveren Aktivierung des betreffenden Stereotyps fuhrt (Bargh 1996). Weiterhin erhöht die wahrgenommene Typikalität eines Einstellungsobjektes die Wahrscheinlichkeit von einstellungskonsistentem Verhalten (Brewer 1988; Fiske & Neuberg 1990). Wenn dagegen Informationen vorliegen, die dem Stereotyp widersprechen, wirken sich auch stark verankerte Stereotype nur in geringem Ausmaß auf die Urteile und Verhaltensweisen aus (Verplanken, Jetten & van Rnippenberg 1996).

Schemabasierte

Framing-Effekte

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Wie beim MdFS angenommen wird, spielt auch die Motivation der Akteure zur Kontrolle schemabasierter Urteile und Entscheidungen eine wichtige Rolle. So konnte gezeigt werden, dass die Einstellungen gegenüber der Todesstrafe dann ihren Einfluss auf die Urteile der Akteure verlieren, wenn eine öffentliche Begründungspflicht eingeführt wird (Schuette & Fazio 1995). Unter dieser Bedingung müssen die Akteure negative Konsequenzen für ihre Reputation befürchten und sind somit zu einer aufwendigeren und weniger schemabasierten Art der Urteilsfindung motiviert. Auch wenn Akteure ein Selbstkonzept als vorurteilsfreie Person besitzen, steigt die intrinsische Motivation fur die Kontrolle aktivierter Schemata an, so dass derart motivierte Akteure in geringerem Ausmaß durch ihre Vorurteile gegenüber farbigen Personen beeinflusst werden (Dunton & Fazio 1997). Auch individuelle Unterschiede in der Disposition zu einer aufwendigeren Art der Informationsverarbeitung wirken sich auf die Bedeutsamkeit aktivierter Schemata aus. So erweisen sich aktivierte Vorurteile als immer weniger bewertungsrelevant, wenn die Akteure über ein steigendes Ausmaß an „Need for Cognition" verfügen (Martin, Crelia & Seta 1990). Auch die Abhängigkeit der Beurteiler von der betreffenden Zielperson reduziert die Bedeutung schematischer Wissens- und Bewertungsstrukturen (Erber & Fiske 1984). Weiterhin liegen empirische Ergebnisse dafür vor, dass kognitive Beschränkungen für eine intentionale Kontrolle aktivierter Schemata die Wirksamkeit der Schemainhalte insgesamt erhöht. In dieser Hinsicht erweisen sich „Dual Task"-Situationen oder generell die Existenz ablenkender Faktoren als bedeutsam. So verwenden beispielsweise die Akteure bei der Eindrucksbildung dann verstärkt schematische Wissensbestandteile, wenn gleichzeitig Zahlen addiert werden müssen (Gilbert & Hixon 1991; Martin, Crelia & Seta 1990). Auch die Präsentation von großen Informationsmengen in schneller Abfolge intensiviert die Nutzung von Stereotypen bei der Urteilsbildung, obwohl individualisierte Informationen verfügbar sind: Hier findet eine Informationsverarbeitung unter Zeitdruck statt (Bargh & Thein 1985; Pratto & Bargh 1991). Die Akteure nutzen auch dann Stereotypen in deutlich stärkerem Ausmaß, wenn komplexere Aufgaben gelöst werden müssen. So ziehen die Akteure bei der Beurteilung einer juristischen Schuldfrage, im Vergleich mit einer leichteren Beurteilungsaufgabe, mit größerer Wahrscheinlichkeit Rassenstereotypen heran (Bodenhausen & Lichtenstein 1987). Allerdings liegen auch Ergebnisse vor, wonach die Einflüsse der Schemaaktivierung trotz bestehendem Zeitdruck neutralisiert werden, wenn gleichzeitig eine starke Motivation zu einer schemaunabhängigen Urteilsbildung eingeführt wird (Blair & Banaji 1996). Demnach kann die Bedeutsamkeit kognitiver Beschränkungen zumindest teilweise durch eine erhöhte Motivation kompensiert werden. Auch bewirkt eine hohe Motivation der Akteure nicht ausnahmslos eine schema-unabhängige und stärker datenbasierte Art der Informationsverarbeitung (Spears & Haslam 1997). Bei dieser Studie wird allerdings das Ausmaß der kognitiven Beschränkungen nicht berücksichtigt. Das MdFS erfasst nicht nur die Handlungsrelevanz von Einstellungen, Stereotypen und Vorurteilen, sondern prognostiziert auch die Einflüsse sozialer Normen und anderer Zielorientierungen. Für die hierbei angenommenen Zusammenhänge liegen ebenfalls Belege aus der „Social Cognition"-Forschung

136

IV. Modellierung der Framing-Typen

vor (Bargh & Barndollar 1996). Werden beispielsweise Höflichkeitsnormen durch Priming aktiviert, so werden verstärkt entsprechende Verhaltensweisen beim Umgang zwischen Interaktionspartnem beobachtet (Bargh, Chen & Burrows 1996). Auch Zielsetzungen der Informationsverarbeitung lassen sich durch die Präsentation geeigneter Stimuli aktivieren: So kann beispielsweise durch subliminales Priming beeinflusst werden, ob die Akteure schwerpunktmäßig eine Urteilsbildung oder die Erinnerung von Fakten anstreben (Chartrand & Bargh 1996). Dabei ergeben sich ähnliche Effekte wie bei der Verwendung direkter Anweisungen. Eine weitere Untersuchung belegt, dass sich auch die relative Bedeutsamkeit sozialer Zielsetzungen und einer Leistungsorientierung durch Priming beeinflussen lässt. Die reine Präsentation von sprachlichen Symbolen mit enger Verbindung zum entsprechenden Zielschema bewirkt stärkeres Hilfeverhalten oder höhere Leistungen der Akteure (Bargh & Gollwitzer 1994). Die theoretischen Annahmen und die methodische Vorgehensweise beim Priming-Verfahren stimmen ebenfalls vollständig mit den Annahmen des MdFS überein (als Überblick über diese Methode vgl. Bargh & Chartrand 1999). Typischerweise wird den Akteuren hierbei zuerst ein PrimeStimulus präsentiert, der eine symbolische Repräsentation des entsprechenden Einstellungsobjektes oder der jeweiligen Personengruppe beinhaltet. Dieser Stimulus - es kann sich beispielsweise um einen sprachlichen Begriff oder eine bildhafte Darstellung handeln - stellt die Verbindung zwischen den im Gedächtnis gespeicherten Wissensstrukturen und der jeweiligen Zielkategorie des Schemas her. Die theoretische Basis für die zu erwartende Schemaaktivierung besteht im „Spreading Activation Model" der Gedächtnisorganisation (Anderson & Pirolli 1984; Collins & Loftus 1975). Dabei wird das Gedächtnis als Netzwerk von Gedächtnisspuren konzipiert, wobei durch die Knoten die Inhalte und durch die Kanten die erlernten Verbindungen zwischen diesen Inhalten repräsentiert werden. Wenn der Inhalt eines Knotens durch einen externen Stimulus aktiviert wird, so breitet sich diese Aktivierung durch das Netzwerk aus und macht Informationsinhalte verbundener Knoten verfügbarer. Dadurch erklärt sich auch die Notwendigkeit einer starken Verankerung als Vorbedingung der Schemaaktivierung. Das MdFS bezieht diesen Faktor explizit in die Gesamterklärung ein. Die theoretischen Grundlagen des „Priming"-Paradigmas spiegeln sich auch in der typischen methodischen Vorgehensweise wider. Da hier normalerweise der Einfluss von Schemata in einem automatischen Verarbeitungsmodus untersucht werden soll, zielt die Vorgehensweise darauf ab, eine Kontrolle der Schemaeinflüsse durch die Akteure zu verhindern. Entsprechend wird die Fähigkeit der Akteure zu einer analytischen Art der Informationsverarbeitung durch eine sehr kurze Präsentationsdauer der Stimuli minimiert. Im Extremfall erfolgt die Präsentation der Prime-Stimuli subliminal, so dass diese von den Akteuren nicht bewusst wahrgenommen werden können. Unabhängig von der Wahrnehmbarkeit der Stimuli wird es jedoch als zentral angesehen, dass den Versuchspersonen die Wirksamkeit der Stimuli nicht bewusst ist, so dass keine Motivation zu deren Kontrolle wirksam werden kann. Um dies zu erreichen, wird die Existenz der Prime-Stimuli häufig durch glaubhafte „Cover Stories" begründet (Bargh 1992a).

V. Das ADP als Prüfstein der Erklärungstypen

Im folgenden Teil der Untersuchung soll gezeigt werden, ob und in welcher Art sich die beim sogenannten „Asian Disease Problem" (ADP) beobachteten Formulierungseinflüsse in die vorgeschlagene Typologie von Framing-Effekten einordnen lassen. Beim ADP handelt es sich um ein inzwischen schon „klassisches" Entscheidungsproblem der Framing-Forschung (Kahneman & Tversky 1984; Tversky & Kahneman 1981; Tversky & Kahneman 1986). Die Akteure müssen bei dieser Problemstellung zwischen einer sicheren und einer riskanten Alternative zur Bekämpfung einer fiktiven Krankheitsepidemie wählen. Die Problemstellung wird dabei zwei unterschiedlichen Gruppen von Befragten - es handelt sich um ein „Between Subjects"-Design - entweder in einer positiven oder einer negativen Formulierungsversion vorgelegt. Bei der positiven Framing-Bedingung werden die Ergebnisse der beiden Wahlalternativen unter Verwendung des Begriffs „retten" präsentiert, während bei der negativen Darstellungsversion in jedem Fall der Begriff „sterben" herangezogen wird. Die einleitende „Cover Story" unterscheidet sich dagegen nicht zwischen den Framing-Bedingungen (vgl. Abb. 5.1). Abb. 5.1: Positive und negative Ergebnisdarstellung beim ADP13 Bitte stellen Sie sich folgende Situation vor. Die Bundesrepublik Deutschland bereitet sich auf den Ausbruch einer seltenen Krankheitsepidemie vor, die voraussichtlich 600 Menschen das Leben kosten wird. Zwei unterschiedliche Programme zur Bekämpfung dieser Krankheit wurden vorgeschlagen. Dabei sind die exakten wissenschaftlichen Schätzungen der Folgen der beiden Programme wie folgt: Positive Ergebnisdarstellung A. Bei Anwendung des Programms Α werden 200 Personen gerettet [72%]. B. Bei der Anwendung des Programms Β gibt es eine Wahrscheinlichkeit von 1/3, dass 600 Personen gerettet werden, und eine Wahrscheinlichkeit von 2/3, dass keine Person gerettet wird [28%]. Negative Ergebnisdarstellung C. Bei Anwendung des Programms Α werden 400 Personen sterben [22%]. D. Bei der Anwendung des Programms Β gibt es eine Wahrscheinlichkeit von 1/3, dass niemand sterben wird, und eine Wahrscheinlichkeit von 2/3, dass 600 Personen sterben werden [78%].

Als Ergebnis der Untersuchung zeigen sich signifikante Unterschiede im Entscheidungsverhalten und in der Risikoeinstellung der Akteure zwischen den beiden Formulierungsversionen. Während sich bei positiver Ergebnisformulierung eine Mehrheit von 72 Prozent der Befragten für die sichere Alternative

13

Es handelt sich um eine Übersetzung der englischen Problemformulierung, wobei sich die Angaben in Klammern auf die Ergebnisse von Tversky und Kahneman (1981) beziehen.

138

V. Das ADP als Prüfstein der Erklärungstypen

Α entscheidet, wird dagegen bei negativer Formulierung die riskante Alternative D von 78% der Entscheider präferiert (Tversky & Kahneman 1981). Die Interpretation der beobachteten Formulierungseffekte erfolgt vor dem Hintergrund der Annahme, dass die Darstellungsvarianten substantiell identische Entscheidungsgrundlagen beinhalten. Insofern werden die Unterschiede im Entscheidungsverhalten als Verletzung des Invarianzprinzips gewertet. Nach diesem unstrittigen Kriterium für das Vorliegen rationaler Entscheidungen sollten Akteure nicht durch ergebnisirrelevante Aspekte der Problemstellung oder des Entscheidungskontextes beeinflusst werden. Die skizzierten Ergebnisse werden normalerweise unter Rückgriff auf die Framing-Hypothese der Prospect-Theory (PT) erklärt und als wichtiger Beleg für die empirische Angemessenheit dieses Erklärungsansatzes angesehen. Im folgenden Abschnitt soll zuerst die theoretische Erklärung der vorliegenden Effekte im Rahmen der PT skizziert werden. In einem zweiten Schritt werden dann theoretische und empirische Argumente diskutiert, durch die diese Erklärung in Frage gestellt wird. Es soll dann in einem dritten Schritt aufgezeigt werden, in welcher Weise sich die Formulierungseinflüsse als ambiguitäts- und heuristikbasierte FramingEffekte erfassen und auf der Grundlage der jeweiligen Theorien erklären lassen14. Bei diesen Ansätzen wird gleichermaßen die selektive Darstellung positiver oder negativer Ergebnisaspekte der sicheren Handlungsoption als Ausgangspunkt der Erklärung angesehen. Bei Anwendung der Erklärungsansätze lassen sich teilweise übereinstimmende und teilweise unterschiedliche Prognosen über die Entstehungsbedingungen der Framing-Effekte ableiten, die jedoch in jedem Fall denen der PT widersprechen.

1. Die Erklärung im Rahmen der Prospect-Theory Im Rahmen der PT werden die Framing-Effekte beim ADP darauf zurückgeführt, dass sich die vorliegenden Formulierungsunterschiede auf die mentale Repräsentation des Entscheidungsproblems bei den Akteuren auswirken (zur allgemeinen Darstellung der Theorie vgl. Kapitel III, Abschnitt 4). Dabei ziehen die Akteure wechselnde Referenzpunkte als Bewertungsgrundlage der Entscheidungsoptionen heran, so dass entweder von der Gültigkeit eines Gewinn- oder eines Verlust-Frames ausgegangen wird. Entsprechend nehmen die Akteure bei der Angabe geretteter Personen einen Status quo wahr, bei dem die 600 insgesamt bedrohten Personenleben bereits als verloren scheinen: Im Kontrast hierzu erscheinen die Ergebnisse der beiden Entscheidungsoptionen als Verbesserungen der Situation. Wird dagegen bei der Informationsdarstellung auf die Zahl der sterbenden Personen Bezug genommen, so ergibt sich eine entgegengesetzte mentale Kodierung: Der Status quo wird nun in einem Zustand gesehen, bei dem die 600 bedrohten Personen noch am Leben sind und die Ergebnisse der beiden Bekämpfungsprogramme werden mental als Verluste repräsentiert. Bei der Be14

Eine Modellierung der Formulierungseinflüsse als schemabasierter Effekt-Typ wird in Kapitel VII vorgelegt.

Die Erklärung im Rahmen der Prospect-Theory

139

Wertung von Gewinnen und Verlusten wird gleichermaßen von der Gültigkeit einer Nutzenfunktion mit abnehmendem Grenzeffekt ausgegangen. Die Bewertung der Handlungsoptionen bei positiver und negativer Ergebnisdarstellung lässt sich durch folgende Gleichungen repräsentieren: Positive Formulierung SEUPT(A) = π ( 1 . 0 ) " V(200)

(5.1a)

SEUpr(B) = π(1/3)' V(600)

(5.1b)

Negative Formulierung SEUPT(C) = π( 1.0)" v(-400) SEUPT(D) = π(2/3)' v(-600)

(5.2a) (5.2b)

Bei der Funktion v(.) handelt es sich um die S-förmige Nutzenfunktion der PT. Dagegen werden die objektiven Realisierungswahrscheinlichkeiten durch die Gewichtungsfunktion π(.) in subjektive Grade der Erfolgserwartung transformiert. Vergleicht man den resultierenden subjektiven Erwartungsnutzen SEUPTQ der beiden Handlungsalternativen, so zeigen sich bei Gewinn- und Verlustformulierung unterschiedliche Ergebnisse. Die sichere Alternative A wird bei positiver Formulierung daher als wertvoller angesehen, weil hier kleine und sichere Verbesserungen auf der Basis einer konkaven Nutzenfunktion bewertet werden. Entsprechend werden die großen, aber riskanten Ergebnisaussichten der Alternative Β als weniger attraktiv angesehen. Da auch die PT das Nutzenmaximierungsprinzip als Entscheidungsregel annimmt, wird bei positiver Formulierung somit die Selektion der sicheren Alternative A prognostiziert : π(1.0)· ν(200)>π(1/3)"ν(600) daraus folgt: SEUpr(A) > SEUpr(B)

(5.3)

Bei Verwendung der Verlustformulierung lassen sich dagegen umgekehrte Präferenzen vorhersagen. Auch hier schreiben die Akteure kleinen und sicheren Ergebnissen im Vergleich zu großen und gleichzeitig unsicheren Ergebnispotentialen ein relativ höheres Gewicht zu. Da es sich nun allerdings um Verluste handelt, wird die riskante Alternative D nun als weniger negativ angesehen und daher bevorzugt: π( 1.0)' v(-400) < 71(2/3)" v(-600) daraus folgt:

(5.4)

SEUpx(C) < SEUPT(D)

Auf der Grundlage der skizzierten Argumentation lassen sich die im ADP beobachteten Unterschiede im Entscheidungsverhalten erklären: Bei positiver 15

Da die Realisierungs Wahrscheinlichkeiten der Handlungsalternativen bei beiden Formulierungsbedingungen die gleiche Größenordnung haben, spielt die Gewichtungsfunktion für die Prognose der Formulierungseinflüsse keine Rolle.

140

V. Das ADP als Prüfstein der Erklärungstypen

Ergebnisdarstellung sollten risikoaverse und bei einer negativen Informationsdarstellung risikofreudige Handlungswahlen beobachtet werden. Obwohl die theoretischen Vorhersagen somit durch die empirischen Beobachtungen bestätigt werden, liegen dennoch gewichtige Probleme der Erklärung vor. Die dabei resultierenden Kritikpunkte sollen im folgenden kurz diskutiert werden.

2. Probleme der Erklärung Die Framing-Hypothese der PT und die darauf beruhende Erklärung der Formulierungseffekte beim ADP lassen sich in mehrerer Hinsicht kritisieren. So muss erstens festgestellt werden, dass die theoretischen Grundlagen der Erklärung in zentralen Punkten unklar formuliert sind. Zweitens werden bei Replikationsstudien der Formulierungseinflüsse beim ADP Effekte von sehr unterschiedlicher Stärke beobachtet, wobei die Ergebnisse der Originalstudie nicht immer repliziert werden können. Vor allem aber liegen drittens empirische Hinweise für die Wirksamkeit intervenierender Variablen bei der Entstehung der Framing-Effekte vor. Diese Resultate können nicht im Rahmen der PT erklärt werden, sind aber mit den Prognosen der Ansätze zur Erklärung ambiguitäts- und heuristikbasierter Framing-Effekte vereinbar.

2.1 Theoretische Mängel der Erklärung Bei der PT wird angenommen, dass sich die mentale Repräsentation einer Problemstellung als Gewinn- oder Verlustsituation auf das Entscheidungsverhalten und speziell auf die Risikoeinstellung der Akteure auswirkt. Dabei ist von zentraler Bedeutung, worin die Akteure den Status quo und somit den Referenzpunkt der Entscheidungssituation sehen. Bei dessen Bestimmung konkurrieren zwei Determinanten, die zu widersprüchlichen Prognosen führen können. So sind mit den Entscheidungsaltemativen immer Ergebnisse oder Ergebnispotentiale einer bestimmten objektiven Qualität verbunden. Abgesehen von wirkungslosen Optionen beinhalten diese Ergebnisse immer Verbesserungen oder Verschlechterungen in Hinblick auf die Ausstattung mit positiv bewerteten „Gütern". Derartige Unterschiede in der objektiven Ergebnisqualität werden in der Ausgangsversion der PT als zentraler Erklärungsfaktor für die Risikoeinstellung und das Entscheidungsverhalten der Akteure angesehen (Kahneman & Tversky 1979). Unterschiede im Entscheidungsverhalten zwischen Gewinnen und Verlusten werden als „Reflection Effect" oder Bereichseffekt bezeichnet. Es wird zurecht darauf hingewiesen, dass dieser Einfluss der objektiven Ergebnisqualität streng vom eigentlichen Framing-Phänomen unterschieden werden muss (Fagley 1993; Kühberger 1995). Im Rahmen der Framing-Hypothese der PT werden dann zusätzlich Bestimmungsfaktoren der Referenzpunktsetzung in die Erklärung einbezogen, die von der objektiven Qualität der Ergebnisse unabhängig sind. In dieser Hinsicht wird vor allem die

Probleme der Erklärung

141

Qualität der Informationsdarstellung und die Verwendung unterschiedlicher sprachlicher Begriffe als bedeutsam angesehen. Da sich diese Faktoren gleichzeitig mit der Art der objektiven Ergebnisinhalte auf die Referenzpunktsetzung auswirken, stellt sich die Frage, in welcher Weise die unterschiedlichen Determinanten zusammenwirken und welche Situationsdefinition beim Vorliegen von Widersprüchen zu erwarten ist. Die angesprochene prognostische Unschärfe stellt die Erklärung der Formulierungseffekte beim ADP in Frage. Hier werden nämlich beim Wechsel zwischen den Formulierungsversionen gleichzeitig der dargestellte objektive Ergebnisinhalt und die Qualität der dabei verwendeten sprachlichen Symbolik verändert. Die beiden möglichen Bestimmungsfaktoren der Situationsdefinition sind somit konfundiert, so dass eine theoriebasierte Prognose der Referenzpunkte und damit des Entscheidungsverhaltens nicht möglich ist. So kann erstens angenommen werden, dass sich die Art der Situationsdefinition aus der objektiven Qualität der dargestellten Ergebnisinhalte ergibt. Wird somit nur der Inhalt der Ergebnisinformationen als relevant angesehen, so muss bei den Angaben „200 Menschen werden gerettet" und „200 Menschen werden nicht sterben" gleichermaßen von einer positiven Situationsdefinition und risikoaversem Verhalten der Akteure ausgegangen werden. Im Rahmen der zweiten Interpretation sind dagegen ausschließlich die sprachlichen Symbole „retten" und „sterben" für die Referenzpunktsetzung relevant. Hier wird bei den Angaben „200 Menschen werden gerettet" und „400 Menschen werden nicht gerettet" gleichermaßen die Dominanz eines positiven Frames vorhergesagt. Bei der dritten Interpretation der theoretischen Aussagen der PT wäre dagegen nur dann von der Existenz einer entscheidungsrelevanten Situationsdefinition auszugehen, wenn die objektiven Inhalte und die Qualität der sprachlichen Symbole übereinstimmen. Welche der drei Interpretationen als Prognosegrundlage der Referenzpunkte und damit des Entscheidungsverhaltens herangezogen werden soll, wird im Rahmen der Theorie nicht angegeben. Diese Unklarheit lässt sich auch nicht beseitigen, wenn die Operationalisierung der Einflussfaktoren beim ADP berücksichtigt wird: Die möglichen Bestimmungsfaktoren der Referenzpunktsetzung werden hier gleichzeitig variiert.

2.2 Die Instabilität der beobachteten Effekte Seit der ersten Veröffentlichung der Framing-Studie von Tversky und Kahneman (1981) ist die Verlässlichkeit der Formulierungseffekte beim ADP sehr intensiv überprüft worden. In der Literatur findet sich entsprechend eine große Anzahl an Replikationsstudien (Böhm & Lind 1992; Fagley & Miller 1990; Frisch 1993; Kopp 1995; Kühberger 1995; Maule 1989; Maule 1995; Miller & Fagley 1991; Jou, Shanteau & Harris 1996; Sieck & Yates 1997; Stocke 1998; Reyna & Brainerd 1991; Takemura 1994; Tindale, Sheffey & Scott 1993; vgl. Abb. 9.11 im Anhang für einen Überblick der Ergebnisse). Bei einer Durchsicht der Studien kann festgestellt werden, dass die Formulierungseffekte bei einigen Studien aus unbekannten Gründen nicht repliziert werden können (Kühberger 1995, Experiment 2; Miller & Fagley 1991). Bei allen anderen Untersuchungen lassen sich dagegen signifikante Unterschiede im Entschei-

142

V. Das ADP als Prüfstein der Erklärungstypen

dungsverhalten zwischen den Formulierungsversionen feststellen, wobei die Stärke der Effekte jedoch in starkem Ausmaß variiert. So schwankt der Anteil der Entscheidungsvarianz, der durch die Framing-Bedingungen erklärt werden kann, zwischen 30 Prozent bei einer Untersuchung von Sieck und Yates (1997) und 2% bei einer Studie von Kopp (1995). Auch die Verteilung der Handlungswahlen stellt sich insgesamt als sehr instabil dar: Der Anteil der Präferenzen zugunsten der sicheren Alternative Α variiert bei positiver Ergebnisformulierung zwischen 41 und 83 Prozent der Entscheidungen. Auch bei der negativen Formulierungsbedingung unterscheidet sich das Entscheidungsverhalten in starkem Ausmaß: Hier wird die sichere Alternative C von 19 bis 43 Prozent der Versuchspersonen bevorzugt. Entsprechend wird bei Verwendung einer Verlustformulierung zwar immer ein mehrheitlich risikofreudiges Entscheidungsverhalten beobachtet, bei der positiven Formulierungsbedingung zeigt sich dagegen die prognostizierte risikoaverse Mehrheitspräferenz nur bei der Hälfte der Experimente. Die gleichen Feststellungen lassen sich auch dann treffen, wenn Untersuchungen mit anderem Entscheidungsgegenstand - beispielsweise Entlassungen oder Investitionsentscheidungen - aber einer identischen Struktur der Problemstellung betrachtet werden (Betsch & Kraus 1998; Frisch 1993; Highhouse & Paese 1996; Kessler, Ford & Bailey 1996; Roszkowski & Snelbecker 1990; Wang 1996a; 1996b; Wang & Johnston 1995)16. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Entscheidungsrelevanz der Formulierungsunterschiede beim ADP durch ein hohes Ausmaß an empirischer Evidenz belegt werden kann. Gleichzeitig wird die im Originalexperiment beobachtete Stärke der Framing-Effekte jedoch in kaum einer Replikationsstudie erreicht. Außerdem zeigen die Untersuchungsergebnisse große Unterschiede im Entscheidungsverhalten innerhalb der Framing-Bedingungen. Die Annahme von Kahneman und Tversky, dass es sich bei den beobachteten Framing-Einflüssen um ein situational stabiles und für alle Entscheider invariantes Phänomen handelt, muss vor dem Hintergrund der vorliegenden Untersuchungen demnach stark angezweifelt werden (Kahneman & Tversky 1984).

2.3 Die Bedeutsamkeit intervenierender

Variablen

Die Framing-Hypothese der PT kann auch vor dem Hintergrund weiterer empirischer Ergebnisse kritisiert werden. So lässt sich beobachten, dass die Formulierungseinflüsse beim ADP und bei Problemstellungen mit vergleichbarer Struktur durch die Wirksamkeit intervenierender Variablen vermittelt sind. Bei diesen Entstehungsbedingungen der Framing-Effekte handelt es sich sowohl um situationale Faktoren wie auch um dispositionale Unterschiede zwischen den Entscheidern. Da die Wirksamkeit dieser Einflussfaktoren im Rahmen der

16

Es wird von einer „identischen Struktur" der Problemstellung ausgegangen, wenn dabei zwischen einer sicheren und riskanten Handlungsoption gewählt werden soll, deren Ergebnispotentiale und Erfolgswahrscheinlichkeiten mit jenen beim ADP übereinstimmen. Weiterhin muss bei diesen Entscheidungsproblemen die Struktur und Selektivität genannter und ungenannter Ergebniskomponenten mit jener beim ADP übereinstimmen.

Probleme der Erklärung

143

PT nicht vorhergesagt wird, muss die hier vorgeschlagene Erklärung zumindest als unvollständig betrachtet werden. In der entscheidungstheoretischen Literatur finden sich einige Belege dafür, dass die Entstehung von Framing-Effekten durch die Vollständigkeit der jeweils dargestellten Entscheidungsinformation beeinflusst wird. So konnte beispielsweise Kühberger (1995) zeigen, dass sich die Menge der explizit bereitgestellten Ergebnisinformationen auf die Entstehung der Framing-Effekte auswirkt. In der Untersuchung zeigen sich dann keine Unterschiede im Entscheidungsverhalten zwischen den Formulierungsbedingungen, wenn alle Ergebnisaspekte der Handlungsalternativen vollständig dargestellt werden. In einer anderen Untersuchung wird außerdem beobachtet, dass die Entstehung der Framing-Effekte durch die Präsentation von Hintergrundinformationen beeinflusst wird. Die Entscheider erhalten in dieser Studie beim ADP eine inhaltliche Begründung dafür, warum bei positiver Formulierung genau 200 Personen gerettet werden können und bei negativer Formulierung exakt 400 Menschen sterben werden. Bei dieser Experimentalbedingung werden keine Formulierungseinflüsse beobachtet. Es kann argumentiert werden, dass durch diese Zusatzinformation bestehende Unsicherheiten über das Schicksal der jeweils ungenannten Personengruppe beseitigt werden: Die Entscheider erwarten dann bei beiden Formulierungsbedingungen das gleiche Gesamtergebnis bei Anwendung dieser Option (Jou, Shanteau & Harris 1996). Ähnliche Schlussfolgerungen über die Bedeutsamkeit der Informationsmenge ergeben sich auf der Basis weiterer Studien aus dem Bereich der Framing-Forschung (Kuhn 1997; van Schie & van der Pligt 1995). Die vorliegenden Studien beinhalten somit Belege dafür, dass die Ergebnisunsicherheit der Entscheider oder die relative Salienz der Ergebniskomponenten wichtige Entstehungsbedingungen der beobachteten Framing-Effekte darstellen (Filiieule 1996). Bei einigen Studien konnte weiterhin festgestellt werden, dass die Stärke von Framing-Effekten vom Inhalt des Entscheidungsgegenstandes abhängig ist. Dabei werden Problemstellungen herangezogen, bei denen sich die Entscheidungen zwar auf andere Inhalte als beim ADP beziehen, die Struktur der Entscheidungsprobleme jedoch vollständig mit der beim ADP übereinstimmt. So konnte beispielsweise beobachtet werden, dass sich die Einflussstärke der Formulierungsversionen dann in deutlichem Ausmaß unterscheidet, wenn über die Rettung von Menschenleben, über Betriebsschließungen oder alternative Programme zur Reduktion von „Drop Out"-Quoten bei Schülern entschieden wird (Zickar & Highhouse 1998). Es zeigen sich auch bedeutsame Unterschiede in der Einflussstärke, wenn als Entscheidungsgegenstand entweder Geld oder Menschenleben herangezogen werden (Fagley & Miller 1997). Ähnliche Unterschiede in der Effektstärke zwischen verschiedenen inhaltlichen Entscheidungsbereichen zeigen sich auch bei einer Untersuchung von Maule (1995). Als Ursache für diese Unterschiede kann vermutet werden, dass die Akteure bei verschiedenen Entscheidungsgegenständen über ein jeweils unterschiedliches Ausmaß an Hintergrundwissen verfügen und so die jeweils fehlenden Informationskomponenten mit verschiedener Sicherheit ergänzen können. Spekulationen in diese Richtung werden durch die Beobachtung gestützt, dass sich die Stärke der Framing-Effekte auch durch die Einbettung der Ent-

144

V. Das ADP als Prüfstein der Erklärungstypen

Scheidungen in vertraute Alltagskontexte reduzieren lässt (van der Pligt & van Schie 1990; van Schie & van der Pligt 1990). In einer Reihe sehr interessanter Untersuchungen konnte weiterhin gezeigt werden, dass die Stärke der Formulierungseffekte beim ADP durch einzelne Faktoren beeinflusst wird, die zusammengenommen als Bestimmungsfaktoren des Informationsverarbeitungsmodus der Akteure interpretiert werden können. So lässt sich in einer Serie von Experimenten belegen, dass Formulierungseffekte dann reduziert werden, wenn nicht eine Undefinierte Personengruppe, sondern die Familienmitglieder der Entscheider von der fiktiven Krankheit betroffen sind. Der gleiche Effekt zeigt sich auch, wenn die Gruppengröße der bedrohten Personen und damit deren Anonymität reduziert wird (Wang 1996a; 1996b; Wang & Johnston 1995). Die Autoren erklären diese Beobachtung durch eine evolutionär begründete Tendenz, wonach die Bedrohung der eigenen Familie oder Kleingruppe eine besondere, motivationale Bedeutung für die Entscheider hat. Die Größe der betroffenen Menschengruppe kann in diesem Sinne als Determinante der Entscheidermotivation und damit des Informationsverarbeitungsmodus angesehen werden. Ahnlich interessante Ergebnisse zeigen sich bei einer Untersuchung über die Bedeutsamkeit von Kontext-Merkmalen als Entstehungsbedingung von Framing-Effekten (Bless, Betsch & Franzen 1998). Hier lassen sich dann keinerlei Formulierungseinflüsse feststellen, wenn durch die Präsentation des Begriffs „Statistik" im Entscheidungskontext ein Bezug zu einer mathematisch/statistischen Art der Entscheidungsfindung hergestellt wird. Möglicherweise erfolgt unter dieser Bedingung bei den entsprechend vorgebildeten Akteuren die Aktivierung einer analytischen Informationsverarbeitungsstrategie, bei deren Verwendung die Einflüsse der Framing-Bedingungen kontrolliert werden können. Für die Bedeutung unterschiedlich elaborierter Verarbeitungsstrategien und deren Determinanten liegen auch direktere Belege vor. So kann beispielsweise gezeigt werden, dass der Einfluss unterschiedlicher Framing-Bedingungen dann reduziert oder beseitigt wird, wenn die Akteure ihre Entscheidungen rechtfertigen müssen und somit stärker zu einer elaborierten Art der Informationsverarbeitung motiviert sind (Fagley & Miller 1987; Miller & Fagley 1991; Sieck & Yates 1997; Takemura 1993; 1994). Das Gleiche trifft auch dann zu, wenn die Opportunitätskosten für eine falsche Entscheidung ansteigen. Entsprechend wird die Stärke der Framing-Einflüsse reduziert, wenn steigende Erwartungswertunterschiede zwischen den Wahloptionen eingeführt werden (Kopp 1995). Der gleiche Effekt wird auch dann beobachtet, wenn die Antwortkategorie „Indifferenz" explizit als Entscheidungsoption bereitgestellt wird (Fagley & Miller 1987). Es kann vermutet werden, dass durch diese Vorgehensweise nur Akteure mit einer stark verankerten Präferenz für eine der Handlungsoptionen eine inhaltliche Angabe machen. In Übereinstimmung mit dieser Interpretation lässt sich ebenfalls beobachten, dass Entscheider mit einer wenig ausgeprägten Disposition zu risikoaversem oder risikofreudigem Verhalten in besonders starkem Ausmaß durch die Framing-Bedingungen beeinflusst werden (Zickar & Highhouse 1998). Auch individuelle Unterschiede im „Need for Cognition" erweisen sich als relevante Entstehungsbedingungen für Framing-Effekte und belegen die Bedeutsamkeit des Verarbeitungsmodus als intervenierende Variable. So werden Akteure mit einer starken intrinsischen Motivation für eine

Probleme der Erklärung

145

aufwendige und analytische Art der Informationsverarbeitung nicht durch die Formulierungsunterschiede beeinflusst (Smith & Levin 1996, Experiment 2). Auch die Existenz von Zeitdruck und die daher fehlende Gelegenheit für eine elaborierte Art der Informationsverarbeitung führt zu einer Verstärkung der Framing-Effekte (Takemura 1992; 1994). Abgesehen von den skizzierten Untersuchungsergebnissen liegen weiterhin Hinweise dafür vor, dass Unterschiede im Optimismus und der Geschlechtszugehörigkeit der Entscheider ebenfalls die Entstehung von Framing-EfFekten beeinflussen (Bier & Connell 1994; Fagley & Miller 1990; 1997). Auch diese Faktoren müssen daher als intervenierende Variablen für die Stärke der Formulierungseinflüsse betrachtet werden. Es kann zusammenfassend festgestellt werden, dass sich die Bedeutung von Randbedingungen bei der Entstehung von Framing-Effekten empirisch belegen lässt, die im Rahmen der PT nicht erklärt werden kann und somit die empirische Angemessenheit der Theorie in Frage stellen.

3. Erklärung als ambiguitäts- und heuristikbasierte Framing-Effekte Die Formulierungseinflüsse beim ADP können problemlos als ambiguitäts- und heuristikbasierte Framing-Effekte erklärt werden. Bei beiden Alternativerklärungen wird die grundlegende Ursache für die beobachteten Einflüsse gleichermaßen in der unvollständigen Ergebnispräsentation gesehen. So werden die zu erwartenden Ergebnisse der beiden Handlungsalteraativen bei beiden Formulierungsbedingungen nur für eine der Optionen vollständig dargestellt. Während bei der riskanten Alternative die Erfolgs- und Misserfolgskomponenten in jedem Fall explizit formuliert vorliegen, bleibt bei der sicheren Alternative immer einer der beiden Ergebnisaspekte unbenannt. Bei positiver Formulierung wird hier nur das Ausmaß des zu erwartenden Erfolgs und bei negativer Formulierung nur der Grad des Misserfolgs ausdrücklich festgestellt (vgl. Abb. 5.2). Die beiden hier vorgestellten Alternativerklärungen beruhen im Kern auf der Annahme, dass die Entscheider ungenannte Ergebnisaspekte vernachlässigen oder ihnen zumindest im Rahmen der Gesamtbewertung ein geringeres Gewicht einräumen. Durch die unterschiedliche Qualität der ungenannten Ergebniskomponenten ergeben sich somit informationsbasierte Attraktivitätsunterschiede zwischen den Wahlalternativen. Den beiden Alternativerklärungen liegen allerdings unterschiedliche Brückenhypothesen über die Informationswahrnehmung der Akteure zugrunde. Bei der Erklärung als heuristikbasierte Framing-Effekte wird angenommen, dass die Entscheider prinzipiell zur Ergänzung der fehlenden Informationsbestandteile in der Lage sind. Bei dieser Erklärungsvariante sehen die Akteure die formalen Schlussregeln der elementaren Logik als anwendbar an, so dass der Eintritt von Ereignis χ das Komplementärereignis y mit Sicherheit ausschließt.

146

V. Das ADP als Prüfstein der Erklärungstypen

Eine solche aktive Ergänzung der Informationsgrundlagen ist allerdings nur bei Verwendung eines elaborierten Informationsverarbeitungsmodus zu erwarten. Die Determinanten des Verarbeitungsmodus müssen daher als Entstehungsbedingungen der Framing-Effekte angesehen werden. Abb. 5.2: Struktur der Informationspräsentation beim ADP Gewinn-Formulierung Überlebende

Opfer

Alternative A

200 Personen werden gerettet

Alternative Β

Mit p=l/3 werden alle 600 gerettet

? Mit p=2/3 wird niemand gerettet

Verlust-Formulierung Überlebende Alternative C Alternative D

? Mit p= 1 /3 wird niemand sterben

Opfer 400 Personen werden sterben Mit p=2/3 werden alle 600 sterben

Dagegen beruhen die Formulierungseinflüsse aus der Sicht ambiguitätsbasierter Framing-Effekte auf einer substantiellen Art des Informationsmangels, der nicht durch eine intensivere Art der Informationsverarbeitung kompensiert werden kann. Im Rahmen dieser Erklärung müssen vielmehr die subjektiven Erwartungen der Akteure sowie deren Determinanten als Prognosegrundlage der Framing-Effekte herangezogen werden. Wie im Anschluss gezeigt werden soll, können auf der Grundlage der beiden Alternativerklärungen nicht nur die Originalergebnisse beim ADP erklärt werden, sondern es lassen sich außerdem weiterreichende und empirisch prüfbare Hypothesen über die Entstehungsbedingungen der Framing-Effekte ableiten.

3.1 Erklärung als ambiguitätsbasierte

Framing-Effekte

Bei der Erklärung der Formulierungseffekte beim ADP als ambiguitätsbasierte Framing-Effekte wird angenommen, dass die Akteure substantielle Unsicherheit über die Ausprägung der bei der sicheren Option ungenannten Ergebniskomponenten erleben. Während sich hier die Akteure somit subjektive Erwartungen über diese Komponenten ausbilden müssen, ist dies wegen der vollständigen Informationsdarstellung bei der riskanten Option nicht notwendig. Das Entscheidungsproblem kann somit durch die in Abbildung 5.3 dargestellten Parameter erfasst werden. Da in der hier vorgeschlagenen Erklärung der Unterschied zwischen einer positiven oder negativen Art der Ergebnispräsentation als irrelevant angesehen wird, bezieht sich die vorliegende Darstellung auf positive Ergebnisse und Rettungswahrscheinlichkeiten. Das gesamte Nutzenpotential U jeder Handlungsoption setzt sich aus zwei Teilkomponenten Ui und U 2 zusammen. Bei der sicheren Alternative beruhen

Erklärung als ambiguitäts- und heuristikbasierte Framing-Effekte

147

diese Parameter auf der potentiellen Rettung der beiden Teilgruppen von 200 und 400 Menschen. Bei der riskanten Alternative geht dagegen ein Ergebnispotential von 600 oder 0 Menschen in die Modellierung ein. Jedem Nutzenpotential entspricht eine spezifische Realisierungswahrscheinlichkeit, wobei diese bei den ungenannten Informationskomponenten auf den Komplementärwerten der dargestellten Ergebnisinformationen beruht. Da angenommen wird, dass die Akteure eine hohe negative Korrelation zwischen den genannten und ungenannten Informationskomponenten wahrnehmen, bilden diese Komplementärwahrscheinlichkeiten die Ankerpunkte Pa(gain) und Pa für die Schätzung der jeweiligen subjektiven Erfolgswahrscheinlichkeiten. Die Ankerpunkte fur die fehlenden Realisierungswahrscheinlichkeiten sind bei den beiden Formulierungsversionen an den beiden Enden des Wahrscheinlichkeitskontinuums lokalisiert: Während Pa(gain) bei Null angesiedelt ist, liegt der Ausgangspunkt der Wahrscheinlichkeitsschätzung Pa(loss) bei einem Wert von eins. Abb. 5.3: Sichere und unsichere Entscheidungsparameter beim ADP

Positive Formulierung

Negative Formulierung

Option A

Option Β

Option C

Option D

U,

U(200)

U(600)

U(200)

U(600)

Pi

1.0

1/3

Pa(loss)=1-0

1/3

u2

U(400)

U(0)

U(400)

U(0)

P2

Paigain)=0.0

2/3

0.0

2/3

Da die Ankerpunkte nicht auf explizit verfügbaren Informationen basieren, wird deren Angemessenheit als Repräsentation der „wahren" Werte in gewissem Ausmaß angezweifelt. Entsprechend beinhalten diese Werte keine Punktschätzung, sondern müssen durch eine Wahrscheinlichkeitsverteilving zweiter Ordnung abgebildet werden. Als plausibelste erste Schätzung definieren die Ankerpunkte die Lage der Modal-Werte bei der jeweiligen „Second Order Probability (SOP)"-Verteilung (vgl. Abb. 5.4). Da die Ankerpunkte an den beiden Endpunkten des Wahrscheinlichkeitskontinuums lokalisiert sind, werden faktisch nur Abweichungen nach oben beziehungsweise unten als möglich angesehen. Durch diesen „Bottom"- und „Floor"-Effekt resultieren links- beziehungsweise rechtsschiefe SOPVerteilungen. Schon bei der graphischen Analyse wird deutlich, dass bei beiden Formulierungsversionen der Erwartungswert der jeweiligen Verteilung vom Modal-Wert und damit vom jeweiligen Ankerpunkt abweicht: Bei positiver Formulierung wird die ungenannte Erfolgswahrscheinlichkeit P A ( G A I N ) = 0 . 0 nach oben korrigiert, während bei der negativen Formulierungsbedingung eine subjektive Schätzung kleiner als p A (Loss) = 10 resultiert. Die bestehende Ergeb-

148

V. Das ADP als Prüfstein der Erklärungstypen

nisunsicherheit wirkt sich bei den Formulierungsbedingungen in gegenläufiger Art und Weise auf die Bewertung der sicheren Handlungsoption aus. Die beobachteten Unterschiede im Entscheidungsverhalten lassen sich somit alleine aus der Lokalisierung der Ankerpunkte auf dem Wahrscheinlichkeitskontinuum erklären. Abb. 5.4: SOP-Verteilungen genannter und ungenannter Wahrscheinlichkeiten beim ADP Wahrscheinlichkeit zweiter Ordnung: P'(p)

EV(pA(GAIN)=0.0)>0.0

Εν(ρ Α(ΙΧ353Γ 1.0) 0 . 0 ; P S U B ( I / 3 ) < 1 / 3 und P S U B ( W ) < 2 / 3 . Bei der Prognose im Rahmen der Theorie heuristikbasierter Framing-Effekte resultieren die Wahrscheinlichkeitsgewichte dagegen aus der relativen Anzahl explizit dargestellter positiver und negativer Ergebnisinhalte bei jeder Option.

156

V. Das ADP als Prüfstein der

Erklärungstypen

Abb. 5.8: Prognostizierte Handlungsbewertungen bei den Informationsstrukturen Ambiguitätsmodell

Struktur 1

Struktur 2

Heuristikmodell (heuristischer Modus)

SEU(A)=1.0 U(200) + PSUB(O.O) U(400) SEU(B)=l/3 U(600) + pSUB(2/3) U(0)

SEU(AHEu)=1.0U* SEU(B heu )=1.0U'

Prognose: SEU(A) = SEUß)

Prognose: SEU(A) = SEU(B)

SEU(A)=PSUB(I.O) U(200) + 0.0 U(400) SEU(B)=PSUB ( I/3) U(600) + 2/3 U(0)

SEU(AHEU)=0.0 U*

Prognose: SEU(A) = SEU(B)

Prognose: SEU(A) = SEUß)

SEU(A)=1.0 U(200) + PSUBCO o) U(400) Struktur 3

SEU(B)=PSUB(I/3)

U(600) + 2/3

U(0)

Prognose: SEU(A) > SEU(B) SEU(A)= PSUB(I.O) U(200) + 0.0 U(400) Struktur 4 SEU(B)= 1/3 U(600) + pSUB(2/3) U(0) Prognose: SEU(A) < SEU(B) EU(A)= 1.0 U(200) + 0.0 U(400) Struktur 5 EU(B)= 1/3 U(600) + 2/3 U(0) Prognose: EU(A) = EU(B)

SEU(BHEU)=0.0 U*

SEU(AHEU)=1.0 U* SEU(BHEU)=0.0 U" Prognose: SEUß) > SEUß) SEU(AHEU)=0.0 U* SEU(BHEU)=1.0 U*

Prognose: SEU(A) Ο ."ä d> aΜ ΗuVΌts ! a s Ά. .ο «Λ ΌΛ » S g u 'S •α τ3 a υ ο öflC ο öö C GO Μ· C «Ξ C G c'S S •§ υ Ό 3 c . Pο i.2 Ό ω •§•3 60 8 (Ν C C ο SJ ο s § SS oi I - I i 8 BÄ c ω I I s D ο ο p. S «« i. oo M c CA fll u le ο gh 3 ^ •ο ο mS2 oo.S (Dωt; C α> C 3Λ u Ό ο "go π c« ι-, ΟΟ ο b Μ C Pi c β D H c 53 ^ α> ο 'u D m £ (Butt, eä Η m

α ^ω κ »s; w? u £

w ΓΛ ε is e.g «ι- sΟJJΌ b0 > jS- s fctr ο S^ δ go Β bO.g aß 5 β® C *ω 5Ρ ο Λ'ΰκί Βω ^WCΟΌ .3 ω Β U|C Μ Τ3 ο β MS2 Ρ ί ο Β ω •Ο υ ·C c δο sic > a u C Ö C>Λ el. CQ -.δ·« aä 9 -s £ «n £κ ^ c

α .Μen-3 -s; J inSÖ, S Κ 5

167

168

VI. Empirischer Vergleich der Erklärungsansätze

Das Entscheidungsverhalten bei STRUKTUR 1 P und 2P (Darstellung positiver vs. negativer Ergebnisinhalte durch den Begriff „retten") sollte völlig mit dem Verhalten bei STRUKTUR 1N und 2N (Darstellung positiver vs. negativer Ergebnisinhalte durch den Begriff „sterben") übereinstimmen. Auch das Entscheidungsverhalten bei vollständiger Informationspräsentation (STRUKTUR 5P und STRUKTUR 5N) sollte mit dem bei den anderen symmetrischen Strukturbedingungen absolut identisch sein. Dagegen wird in Hypothese H 4 prognostiziert, dass sich das Entscheidungsverhalten bei STRUKTUR 4 P und bei STRUKTUR 4 n signifikant von den restlichen Bedingungen unterscheidet. Bei diesen beiden asymmetrischen Strukturbedingungen sollte die sichere Alternative, verglichen mit den symmetrischen Bedingungen, als deutlich attraktiver angesehen werden. Gemäß der Hypothese H 5 wird dagegen bei den beiden verbleibenden asymmetrischen Bedingungen (STRUKTUR 3 P und STRUKTUR 3 n ) erwartet, dass hier die riskante Option signifikant häufiger gewählt wird, verglichen mit allen symmetrischen Informationsstrukturen.

1.3 Versuchspersonen Bei den Versuchspersonen der Studie handelt es sich insgesamt um 1230 Studierende der Universitäten Heidelberg und Mannheim, die im Rahmen von insgesamt 47 Lehrveranstaltungen an einer schriftlichen Befragung teilgenommen haben. Die Daten von 15 Versuchspersonen müssen von der Analyse ausgeschlossen werden, da bei dieser Gruppe keine validen Entscheidungsdaten zur Verfügung stehen18. Bei den verbleibenden Versuchspersonen handelt es sich um 37 Prozent Frauen und 63 Prozent Männer, die in der Mehrzahl für folgende Studienfächer eingeschrieben sind: Betriebswirtschaftslehre, Biologie, Mathematik, Medizin, Pädagogik, Physik, Politologie, Psychologie, Rechtswissenschaft, Soziologie, Theologie, Volkswirtschaftslehre, Wirtschaftsinformatik und Wirtschaftspädagogik. Im Durchschnitt sind die Versuchspersonen 23.3 Jahre alt und haben bereits 3.8 Semester an einer Hochschule studiert.

1.4 Vorgehensweise Die Datenerhebung erfolgte durch schriftliche Befragungen im Kontext von Lehrveranstaltungen, wobei die Versuchspersonen am Anfang der jeweiligen Veranstaltungssitzung gebeten wurden, an einer Untersuchung zum Thema „Entscheidungsverhalten" teilzunehmen. Die Versuchspersonen wurden aufgefordert, die Fragen der Reihe nach zu bearbeiten und Angaben nicht nachträglich zu ändern. Außerdem wurden die Befragten darauf hingewiesen, dass sie den Fragebogen alleine und ohne Diskussion mit anderen Teilnehmern ausfüllen sollen. Um auch ansonsten eine möglichst weitgehende Standardisierung der Entscheidungsrandbedingungen zu gewährleisten, wurden die Fragebögen ausgeteilt und sofort nach der Bearbeitung wieder eingesammelt. Eine 18

Obwohl diese Option nicht explizit bereitgestellt wurde, haben diese Versuchspersonen angegeben, dass sie zwischen den Entscheidungsoptionen unentschieden sind.

Bedeutung der Ergebnisinhalte und der sprachlichen Symbolik

169

Abgabe zu einem späteren Zeitpunkt wurde nicht zugelassen. Für die Bearbeitung des Fragebogens wurde kein Zeitlimit vorgegeben, so dass sich eine Bearbeitungszeit zwischen 5 und 15 Minuten ergab. Die Versuchspersonen wurden nach dem Zufallsprinzip den Experimentalbedingungen zugeteilt.

1.5 Ergebnisse der Untersuchung Im folgenden Abschnitt werden die Ergebnisse des ersten Teils der empirischen Überprüfung der alternativen Framing-Theorien dargestellt. Dabei wird erstens gezeigt, ob sich die Ergebnisse der Originalstudie von Kahneman und Tversky auch in der vorliegenden Population und bei der aktuell gewählten Vorgehensweise replizieren lassen. Im zweiten Schritt werden dann die Prognosen der PT in allen drei Auslegungsversionen überprüft. Im dritten Schritt soll dann gezeigt werden, ob sich die geteilten Prognosen der Modelle zur Erklärung ambiguitäts- und heuristikbasierter Framing-Effekte empirisch bestätigen lassen. Es sei daran erinnert, dass die gleichen Daten bei der Überprüfung der unterschiedlichen Prognosen teilweise mehrfach in die Analyse eingehen. 1.5.1 Die Replizierbarkeit der Originalergebnisse Auch bei der vorliegenden Replikationsstudie können signifikante Einflüsse der Framing-Bedingungen auf das Entscheidungsverhalten beobachtet werden (vgl. Abb. 6.2). Wie bei der absoluten Mehrheit der anderen Replikationen zeigen sich aber auch hier Formulierungseinflüsse, deren Stärke weit unter jener der Originalstudie liegen. Abb. 6.2: Formulierungseinflüsse bei der Originalstudie und der Replikationsstudie I

Ergebnisformulierimg Werden die Ergebnisse der Handlungsoptionen in einer negativen Art und Weise dargestellt, so entscheiden sich 75 Prozent der Befragten für die riskante

170

VI. Empirischer Vergleich der Erklärungsansätze

Alternative, während dies bei Verwendung der positiven Darstellungsbedingung nur fur 50 Prozent der Entscheider zutrifft. Somit kann der ursprünglich beobachtete Wechsel der Mehrheitspräferenzen zwischen den Formulierungsbedingungen nicht beobachtet werden (Originalstudie: positive Formulierung=28%; negative Formulierung=78%). Während bei der Originalstudie von Tversky und Kahneman (1981) 25 Prozent der Entscheidungsvarianz durch die Unterschiede in der Ergebnisdarstellung erklärt werden kann, beträgt die Erklärungskraft bei der vorliegenden Replikationsstudie nur 7 Prozent (η2=0.07; ρ < 0.00 lj N=194). Allerdings erweisen sich die FratningBedingungen auch in der aktuellen Untersuchung als statistisch signifikanter und damit erklärungsbedürftiger Bestimmungsfaktor des Entscheidungsverhaltens. 1.5.2 Überprüfung der Prognosen der Prospect-Theory Gemäß der ersten Interpretation der PT sollten die beobachteten FramingEffekte ausschließlich auf die Verwendung unterschiedlicher sprachlicher Begriffe zurückführbar sein. Diese Hypothese kann durch die in Abbildung 6.3 dargestellten Untersuchungsergebnisse überprüft werden. Abb. 6.3: Der Einfluss der sprachlichen Informationsdarstellung Präferenz für die riskante Option

Fallzahl

η2

STRUKTUR lp (positive Formulierung) vs. STRUKTUR 1N (negative Formulierang)

57% vs. 58%

201

0.000 (Ρ >0.7)

STRUKTUR 2p (positive Formulierung) vs. STRUKTUR 2 n (negative Formulierung)

59% vs. 51%

196

0.005 (ρ >0.3)

STRUKTUR 3p (positive Formulierung) vs. STRUKTUR 3 n (negative Formulierung)

68% vs. 65%

213

0.001 (Ρ >0.6)

STRUKTUR 4P (positive Formulierung) vs. STRUKTUR 4 n (negative Formulierung)

43% vs. 41%

200

0.001 (ρ >0.6)

STRUKTUR 5p (positive Formulierung) vs. STRUKTUR 5 n (negative Formulierung)

58% vs. 62%

211

0.002 (Ρ >0.5)

(Signifikanz)

Die vorliegenden Ergebnisse zeigen, dass sich reine Unterschiede in der sprachlichen Begrifflichkeit in keinem Fall statistisch abgesichert auf das Entscheidungsverhalten der Akteure auswirken. So ergeben sich weder dann signifikante Framing-Effekte, wenn für beide Handlungsoptionen ausschließlich positive Ergebnisinhalte durch die Begriffe „retten" oder „sterben" dargestellt werden (STRUKTUR 1P vs. STRUKTUR 1N: η 2 =0.000; ρ > 0.7). Noch lassen sich derartige Einflüsse der sprachlichen Begrifflichkeit bei der Darstellung negativer Ergebniskomponenten feststellen (STRUKTUR 2P vs. STRUKTUR 2 n : T) =0.005; ρ > 0.3). Die gleichen Schlussfolgerungen ergeben sich auch

Bedeutung der Ergebnisinhalte und der sprachlichen Symbolik

171

beim Vergleich der asymmetrischen Informationsstrukturen. Die Verwendung einer positiven oder negativen Begrifflichkeit hat keinen Einfluss auf das Entscheidungsverhalten, wenn für die sichere Option negative und für die riskante Alternative positive Ergebnisinhalte dargestellt werden (STRUKTUR 3P vs. STRUKTUR 3 n : η 2 =0.001; ρ > 0.6). Das Gleiche gilt auch, wenn eine umgekehrte Selektivität in der Präsentation der Ergebnisinhalte vorliegt (STRUKTUR 4P vs. STRUKTUR 4N: η 2 =0.001; ρ > 0.6). Auch wenn die Ergebnisinhalte der Handlungsoptionen vollständig darstellt werden, zeigen sich keinerlei Einflüsse der reinen Wortwahl auf das Entscheidungsverhalten (STRUKTUR 5P vs. STRUKTUR 5N: η 2 =0.002; ρ > 0.5). Diese Beobachtung ist daher besonders aussagekräftig, da unter dieser Bedingung die Begriffe „retten" und „sterben" doppelt so oft präsentiert werden und daher die stärksten Effekte zu beobachten sein sollten. Die erste Interpretation der FramingHypothese der PT, wonach sich die Verwendung der Begriffe „retten" und „sterben" auf die Risikoeinstellung und damit auf das Entscheidungsverhalten der Akteure auswirkt, muss somit zurückgewiesen werden. Abb. 6.4: Der Einfluss der dargestellten Ergebnisinhalte Sprachliche Formulierung

Ergebnisinhalt

positiv (STRUKTUR positiv („retten")

negativ („sterben")

Präferenz für die Fallzahl riskante Option 57%

105

gemischt (STRUKTUR 3p, 4p, 5P)

56%

319

negativ (STRUKTUR 2p)

59%

99

positiv (STRUKTUR In)

58%

96

Gemischt (STRUKTUR 3» 4„, 5n)

54%

305

negativ (STRUKTUR 2„)

51%

97

Cramers V (Signifikanz)

h) 0.02 (P>0.8)

0.05 (P>0.6)

In Hypothese Hi b wird angenommen, dass sich die inhaltliche Qualität explizit dargestellter Ergebnisse auf die Lage des Referenzpunktes und damit auf das Entscheidungsverhalten der Akteure auswirkt. Dabei wird weiterhin prognostiziert, dass dieser Einfluss umso stärker sein sollte, je eindeutiger positiv oder negativ die insgesamt dargestellten Ergebnisinhalte der Handlungsoptionen sind. Insofern werden die Informationsstrukturen 1 bis 4 danach klassifiziert, mit welcher Ausschließlichkeit die Wahloptionen jeweils durch positive oder negative Ergebnisaspekte beschrieben werden. Um hierbei den Einfluss der Begriffe „retten" und „sterben" zu kontrollieren, erfolgt diese Klassifikation getrennt für die beiden sprachlichen Darstellungsbedingungen. Bei der Verwendung beider Arten der Begrifflichkeit sollte die Präferenz zugunsten der

172

VI. Empirischer Vergleich der Erklärungsansätze

riskanten Alternative dann immer stärker zunehmen, wenn der Anteil der dargestellten negativen Ergebnisinhalte an der Gesamtinformation größer wird. Diese Vorhersage lässt sich durch die in Abbildung 6.4 dargestellten Ergebnisse überprüfen. Dabei zeigt sich, dass auch diese Interpretation der FramingHypothese empirisch nicht bestätigt werden kann. Bei der Verwendung des Begriffs „retten" zeigt sich nur eine minimale und keineswegs statistisch abgesicherte Tendenz in die prognostizierte Richtung: Bei der Präsentation positiver Inhalte entscheiden sich 57 Prozent, bei gemischter Darstellung 56 Prozent und bei der Angabe ausschließlich negativer Ergebniskomponenten 59 Prozent der Entscheider zugunsten der riskanten Alternative. Der Zusammenhang zwischen dem Inhalt der präsentierten Ergebnisse und dem Entscheidungsverhalten ist statistisch nicht signifikant (Cramers V=0.02; ρ > 0.8). Bei der Verwendung des Begriffs „sterben" zeigen sich minimal stärkere Einflüsse der dargestellten Ergebnisqualität, die allerdings der vorhergesagten Einflussrichtung widersprechen: Mit ansteigendem Anteil der dargestellten negativen Ergebnisinhalte entscheiden sich 58, 54 und 51 Prozent der Entscheider zugunsten der riskanten Option. Auch dieser Einfluss kann allerdings nicht als statistisch abgesichert angesehen werden (Cramers V=0.05; ρ > 0.6). Es bleibt die dritte Interpretation der Framing-Hypothese zu überprüfen. Entsprechend der Hypothese H l c wirken sich die Darstellungsunterschiede dann und nur dann auf das Entscheidungsverhalten aus, wenn die dargestellten Ergebnisinhalte und die verwendete sprachliche Symbolik übereinstimmen. Der Einfluss der Informationsdarstellung sollte demnach umso stärker sein, je eindeutiger die beiden Determinanten der Referenzpunktsetzung in ihrer Qualität übereinstimmen. Auch hier werden die Strukturbedingungen 1 bis 5 so zusammengefasst, dass rein positive, gemischte und rein negative FramingBedingungen resultieren. Dabei wäre zu erwarten, dass der Anteil der Entscheidungen zugunsten der riskanten Alternative in dieser Reihenfolge kontinuierlich zunimmt. Abb. 6.5: Der kombinierte Einfluss der Ergebnisinhalte und der Begrifflichkeit Ergebnisinhalte und Begrifflichkeit...

Präferenz für die riskante Option

Fallzahl

Cramers V (Signifikanz)

positiv (STRUKTUR 1P)

57%

105

0.03

gemischt (STRUKTUR 1N, 2P, 3F/N, 4m, 5Pm)

57%

819

(p>0.6)

negativ (STRUKTUR 2^)

51%

97

Auch diese Vorhersage lässt sich empirisch nicht bestätigen. Wie in Abbildung 6.5 erkennbar ist, entscheiden sich bei einem reinen Gewinn-Frame 57 Prozent, bei einem gemischten Frame 56 Prozent und bei einer vollständig negativen Art der Informationspräsentation 51 Prozent der Befragten zugunsten der riskanten Alternative. Die Framing-Bedingungen wirken sich somit in einer den Prognosen entgegengesetzten Richtung auf das Entscheidungsverhalten

Bedeutung der Ergebnisinhalte und der sprachlichen Symbolik

173

aus. Allerdings kann der Zusammenhang zwischen den Darstellungsbedingungen und dem Entscheidungsverhalten keineswegs als statistisch abgesichert angesehen werden (Cramers V=0.03; ρ > 0.6). 1.5.3 Überprüfung der geteilten Prognosen des Ambiguitäts- und Heuristikmodells Im Rahmen der beiden Alternativerklärungen für die Formulierungseinflüsse beim ADP wird angenommen, dass die Struktur genannter und ungenannter Ergebnisinhalte als grundlegende Determinante des Entscheidungsverhaltens und als Entstehungsbedingung der Framing-Effekte angesehen werden muss. Dagegen wird als irrelevant angesehen, ob bei der Informationsvermittlung die Begriffe „retten" oder „sterben" herangezogen werden (Hypothese H 2 ). Weiterhin wird in Hypothese H 3 prognostiziert, dass sich das Entscheidungsverhalten dann nicht zwischen den Informationsstrukturbedingungen unterscheiden sollte, wenn für die Wahloptionen innerhalb der Strukturbedingungen jeweils Ergebnisinhalte der gleichen Qualität präsentiert werden. Dabei sollte es gleichgültig sein, ob ausschließlich positive, negative oder beide Ergebnisaspekte explizit benannt sind. Bei all diesen Informationsstrukturen wird zusätzlich erwartet, dass sich die Akteure im Aggregat als indifferent zwischen den Wahloptionen erweisen. Entsprechend der Hypothese H 4 sollten die Entscheider signifikant stärker zur Wahl der sicheren Option neigen, wenn für diese ausschließlich positive und für die riskante Alternative nur negative Ergebnisaspekte dargestellt werden. Laut Hypothese H 5 sollte das Entscheidungsverhalten dann in umgekehrter Richtung von der Präferenzverteilung bei den symmetrischen Strakturbedingungen abweichen, wenn für die sichere Alternative nur negative Ergebnisse und für die riskante Option nur Erfolgschancen explizit dargestellt werden. Die empirische Angemessenheit der Hypothesen H 2 bis H 5 kann auf der Basis der in Abbildung 6.6 dargestellten Ergebnisse überprüft werden. Es konnte bereits im vorherigen Abschnitt festgestellt werden, dass sich die Verwendung der Begriffe „retten" oder „sterben" dann in keinem Fall auf das Entscheidungsverhalten auswirkt, wenn die Struktur der jeweils vermittelten Ergebnisinhalte konstant gehalten wird (vgl. Abschnitt 1.5.2 in diesem Kapitel). Der Inhalt von Hypothese H 2 kann somit als empirisch bestätigt gelten. Es kann weiterhin beobachtet werden, dass sich das Entscheidungsverhalten zwischen den symmetrischen Informationsstrukturen nur in sehr geringem Ausmaß unterscheidet. Bei symmetrisch positiver Ergebnisdarstellung entscheiden sich 58 Prozent, bei symmetrisch negativer Darstellung 55 Prozent und bei vollständiger Präsentation der Ergebnisinformationen 60 Prozent der Entscheider zugunsten der riskanten Wahlalternative. Bei allen möglichen Vergleichen zwischen diesen symmetrischen Strukturbedingungen lassen sich keine signifikanten Unterschiede im Entscheidungsverhalten feststellen19. In dieser Hinsicht kann der Inhalt von Hypothese H 3 ebenfalls als voll bestätigt

" Der statistische Vergleich der Entscheidungsverteilungen zwischen den Informationsstrukturbedingungen ergibt folgende Ergebnisse: Struktur 1/2: χ2=0.28; df=l; ρ > 0.6; Struktur 1/3: χ 2 =0.26; d f = l ; p > 0.6; Struktur 2/3: χ2=1.08; d f = l ; p > 0.2.

174

VI. Empirischer Vergleich der Erklärungsansätze

betrachtet werden. Da allerdings im Durchschnitt über die drei Strukturbedingungen hinweg 58 Prozent der Entscheider die riskante Handlungsoption präferieren, muss eine deutliche Tendenz zu risikofreudigem Entscheidungsverhalten festgestellt werden. Die Abweichung von der Fünfzigprozentmarke erweist sich als statistisch signifikant ( χ 2 = 15.8; df=l; ρ < 0.01). Demnach kann zwar gezeigt werden, dass bei allen symmetrischen Informationsstrukturen identische Entscheidungsverteilungen resultieren, allerdings werden die Handlungswahlen innerhalb der Strukturen durch zusätzliche Faktoren beeinflusst, die zu einer positiven Risikoeinstellung der Akteure führen. Abb. 6.6: Das Entscheidungsverhalten bei den Informationsstrukturen Art der Studie

Formulierung

Fallzahl

Sichere Option

Riskante Option

η2 (Signifikanz)

Struktur 1: Ergebnis symmetrisch/positiv

positiv negativ

105 96

43% 42%

57% 58%

0.000 (p > 0.7)

Gesamt

201

42%

58%

positiv negativ

99 97

41% 49%

59% 51%

Gesamt

196

45%

55%

positiv negativ

107 104

42% 38%

58% 62%

Gesamt

211

40%

60%

Struktur 1,2 und 5

Total

608

42%

58%

Struktur 5; Ergebnis asymmetrisch zugunsten der riskanten Option

positiv negativ

107 106

32% 35%

68% 65%

Gesamt

213

33%

67%

positiv negativ

105 95

57% 59%

43% 41%

Gesamt

200

58%

42%

Struktur 2: Ergebnis symmetrisch/negativ

Struktur 5: Ergebnis symmetrisch/vollständig

Struktur 4: Ergebnis asymmetrisch zugunsten der sicheren Option

0.005 (P>0.3)

0.002 (P > 0.5)

0.001 (p > 0.6)

0.001 (p > 0.6)

Die in Hypothese H 4 und H 5 formulierten Prognosen über den Einfluss der asymmetrischen Informationsstrukturen lässt sich durch die vorliegenden Ergebnisse ebenfalls vollständig belegen. Werden für die riskante Alternative ausschließlich positive Ergebnisaspekte dargestellt (Struktur 3), so wird diese Option durch eine Mehrheit von 67 Prozent der Akteure gewählt. Bei einer umgekehrten Art der Selektivität in der Ergebnispräsentation (Struktur 4) wird dagegen die riskante Alternative nur von einer Minderheit von 42 Prozent der Akteure bevorzugt. Es kann demnach festgestellt werden, dass die unterschiedliche Selektivität in der Darstellung der Ergebnisinhalte zu einer perfekten

Bedeutung der Ergebnisinhalte

und der sprachlichen Symbolik

175

Präferenzumkehr führt. Diese Präferenzumkehr wird jedoch nicht, wie in der PT angenommen wird, durch eine rein positive oder negative Ergebnisdarstellung oder durch die Qualität der hierbei herangezogenen sprachlichen Begrifflichkeit erzeugt. Der Effekt beruht vielmehr auf der selektiven Beschreibung der Handlungsoptionen innerhalb der verschiedenen Versionen der Problemstellung. Bei den drei symmetrischen Informationsstrukturen entscheiden sich im Durchschnitt 58 Prozent der Akteure zugunsten der riskanten Handlungsoption, so dass diese Entscheidungsverteilung zwischen jenen der beiden asymmetrischen Informationsstrukturen liegt.

Abb. 6.7: Der Einfluss der Informationsstruktur auf das Entscheidungsverhalten20 Β (Std. Err.)

Wald-Statistik

(1) SEX (weiblich)

-0.038 (0.14)

0.08

0.78

(2) ALTER

0.017(0.03)

0.42

0.52

(3) SEMESTER

0.011 (0.03)

0.15

0.70

22.96

0.00

(4) STRUKTUR

Signifikanz

Asymmetrisch 1

0.375(0.17)

4.74

0.03

Asymmetrisch 2

-0.605 (0.17)

12.89

0.00

-0.066 (0.56)

0.01

0.91

(5) KONSTANTE SEX: ALTER: SEMESTER: STRUKTUR:

Geschlecht: l=weiblich; 2=männlich. Alter der Versuchsperson. Anzahl Hochschulsemester der Versuchsperson. Art der Informationsstruktur: l=Asymmetrisch zugunsten der riskanten Option. 2=Asymmetrisch zugunsten der sicheren Option. 3=Symmetrisch.

Die in Abbildung 6.7 dargestellten Ergebnisse einer logistischen Regression zeigen einerseits, dass die Symmetrie der Informationsdarstellung und die dabei möglichen Unterschiede im dargestellten Ergebnisinhalt als statistisch signifikante Determinanten des Entscheidungsverhaltens angesehen werden müssen: Der Erklärungsparameter für den Faktor STRUKTUR trägt mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von ρ < 0.001 zur Erklärung der Handlungswahlen bei 21 . 20

21

Die vorliegenden Ergebnisse beruhen auf einer Design-Matrix in Dummy-Kodierung, so dass bei diskreten Variablen die letzte Kategorie als Referenzkategorie herangezogen wird, deren Einflussparameter auf null fixiert wird. Das Entscheidungsverhalten als abhängige Variable ist wie folgt kodiert: l=sichere Alternative, 2=riskante Alternative. Diese Aussage beruht auf der Wald-Statistik, welche dem t-Tests in der OLS-Regression entspricht. Die Wald-Statistik kann unter bestimmten Umständen zur fälschlichen Zurückweisung der Null-Hypothese fuhren (Urban 1993). Ein zusätzlich durchgeführter „Likelihood Ratio"-Test führt jedoch zu der gleichen Schlussfolgerung. Die Differenz der Minimierungsfunktionen des vollständigen und reduzierten Modells kann ebenfalls als statistisch signifikant angesehen werden. Die Devianz liegt um 23.5 Einheiten höher (-2LL=1330.4), wenn der Faktor STRUKTUR nicht in der Prognosegleichung berücksichtigt wird. Für eine Irrtumswahrscheinlichkeit von 0.1 Prozent liegt der kritische Wert der

176

VI. Empirischer

Vergleich der

Erklärungsansätze

Dieser Einfluss kann wie folgt interpretiert werden: Ausgehend von der Referenzkategorie einer symmetrischen Präsentation der Ergebnisinformationen steigt die Wahlwahrscheinlichkeit der riskanten Alternative dann signifikant an, wenn für diese Option ausschließlich positive und für die sichere Alternative nur negative Ergebnisaspekte genannt werden (p < 0.05). Ausgehend vom gleichen Referenzpunkt reduziert sich dagegen die Wahrscheinlichkeit einer riskanten Entscheidung, wenn eine umgekehrte Informationsstruktur vorgelegt wird (p < 0.10). Dies ist auch dann der Fall, wenn gleichzeitig das Geschlecht, das Alter und die Anzahl der Hochschulsemester der Entscheider als Einflussgrößen kontrolliert werden. Diese Faktoren tragen jedoch nicht zusätzlich zur Erklärung des Entscheidungsverhaltens bei. Insgesamt kann festgestellt werden, dass die Inhalte der Hypothesen H4 und Hs vollständig bestätigt werden können. Demnach wirkt sich die Struktur der explizit dargestellten oder ausgelassenen Ergebnisinhalte signifikant auf das Entscheidungsverhalten aus. Das Verhalten bei den asymmetrischen Informationsstrukturbedingungen weicht signifikant von dem bei jeder der symmetrischen Versionen der Ergebnispräsentation ab.

2. Bedeutung der Ergebniserwartungen und des Verarbeitungsmodus Im folgenden Teil der Analyse soll nun untersucht werden, ob die FramingEffekte beim ADP durch die theoretischen Annahmen des Ambiguitätsmodells und/oder durch die Prozesse einer heuristischen Art der Entscheidungsfindung erklärt werden können. Die Analyse erfolgt dabei insgesamt in acht Schritten, deren Inhalte in Abbildung 6.8 schematisch dargestellt werden. Zuerst soll auch in diesem zweiten Teil der empirischen Untersuchung gezeigt werden, ob und in welchem Umfang sich die ursprünglich beobachteten Framing-Effekte auch in der aktuellen Studie replizieren lassen (Schritt 1 in Abb. 6.8). In einem zweiten Schritt wird untersucht, ob sich die Stärke der Framing-Effekte dann reduziert, wenn die Aufmerksamkeit der Entscheider auf die fehlenden Informationsbestandteile gelenkt wird. Entsprechende Vorhersagen lassen sich auf der Grundlage des Heuristikmodells ableiten (Schritt 2 in Abb. 6.8).

Chi 2 -Verteilung bei 13.8 (df=2), so dass der Parameter auch bei dieser Teststatistik als hochgradig signifikant angesehen werden muss (p < 0.001).

Bedeutung der Ergebniserwartungen und des Verarbeitungsmodus

w an G

$ t:

υ

£ •c

ρ υ

J3 T3 (3 3 a 'S,

ao

e ρ -C ο Ρ

e

u xt ω

an LH >Ο oo vd Λ
0.9): Es entscheiden sich 45 beziehungsweise 46 Prozent der Akteure für die riskante Handlungsoption. Die Framing-Bedingungen wirken sich somit bei bestehenden Erwartungswertunterschieden ausschließlich, durch

192

VI. Empirischer

Vergleich der

Erklärungsansätze

die subjektiven Erwartungen der Akteure vermittelt, auf das Entscheidungsverhalten aus. Abb. 6.12: Einfluss der Ergebnissicherheit auf die Formulierungseffekte Formulierung

Fallzahl

Sichere Option

Riskante Option

η2

(Signifikanz)

Keine Erwartungswertunterschiede Unsichere Ergebniserwartung

positiv negativ

59 50

71% 12%

29% 88%

0.35 (p < 0.001)

Sichere Ergebniserwartung

positiv negativ

134 138

49% 35%

51% 65%

0.02

(p = 0.02)

Erwartungswertunterschiede zugunsten der sicheren Option Unsichere Ergebniserwartung

positiv negativ

74 75

68% 23%

32% 77%

0.20 ( p < 0.001)

Sichere Ergebniserwartung

positiv negativ

113 122

55% 54%

45% 46%

0.00 (P>0.9)

Auch unter der Bedingung gleicher Erwartungswerte erweisen sich die subjektiven Ergebniserwartungen der Akteure als wichtige Entstehungsbedingung der Framing-Effekte. Hier lassen sich bei bestehender Ergebnisunsicherheit 35 Prozent der Entscheidungsvarianz durch die Art der Informationsdarstellung erklären (η 2 =0.35; ρ < 0.001). Bei positiver Formulierung wählen 29 Prozent und bei negativer Ergebnisdarstellung 88 Prozent der Entscheider die riskante Option. Den vorliegenden Prognosen widerspricht allerdings die Tatsache, dass auch bei fehlender Ergebnisunsicherheit weiterhin geringe, aber statistisch signifikante Einflüsse der Formulierungsbedingungen beobachtet werden können (η 2 =0.02; p=0.02). Bei dieser Gruppe von Versuchspersonen zeigen bei der Gewinnformulierung 51 Prozent und bei einer negativen Informationsdarstellung 65 Prozent der Akteure eine risikofreudige Präferenz. Obwohl hier die Ergebnisse der sicheren Option bei beiden Formulierungsbedingungen als subjektiv identisch wahrgenommen werden, unterscheidet sich das Entscheidungsverhalten um 14 Prozentpunkte zwischen den Framing-Bedingungen. Die vorliegenden Ergebnisse zeigen in Übereinstimmung mit Hypothese H 8 des Ambiguitätsmodells, dass der Inhalt der subjektiven Ergebniserwartungen der Akteure als wichtige Determinante des Entscheidungsverhaltens und als zentrale Entstehungsbedingung der Framing-Effekte angesehen werden muss. Ein großer Anteil der beobachteten Entscheidungsrelevanz der Formulierungsbedingungen kann auf die explizit geäußerten Interpretationen der Entscheider zurückgeführt werden. Allerdings wird ein Teil der Akteure auch dann durch die Formulierungsbedingungen beeinflusst, wenn dies den bewusst angegebenen Ergebniserwartungen widerspricht. Dies ist allerdings nur dann der Fall, wenn keine Erwartungswertunterschiede zwischen den Entscheidungsoptionen vorliegen und somit die Opportunitätskosten für eine „falsche" Ent-

Bedeutung der Ergebniserwartungen

und des Verarbeitungsmodus

193

Scheidung gering sind. Dieser Sachverhalt kann als Hinweis auf die Bedeutsamkeit motivationaler Defizite und die Verwendung heuristischer Strategien der Informationsverarbeitung gewertet werden. 2.5.6 Bedeutsamkeit des Verarbeitungsmodus für das Entscheidungsverhalten Im Rahmen der Theorie zur Erklärung heuristikbasierter Framing-Effekte wird in Hypothese Η [ 0 prognostiziert, dass das Entscheidungsverhalten und die Stärke der Framing-Einflüsse durch die Qualität der jeweils verwendeten Informationsverarbeitungsmodi beeinflusst wird. Es wird erstens vorhergesagt, dass die Entscheidungsrelevanz der Framing-Bedingungen dann abnimmt, wenn die Akteure zunehmend analytische Verarbeitungsmodi heranziehen. Die Qualität der Modi und die damit verbundene Vollständigkeit der Informationsnutzung sollte zweitens die Entscheidungsrelevanz quantitativer Merkmale der Wahloptionen bestimmen. So wird erwartet, dass sich die Erwartungswertunterschiede zwischen den Handlungsoptionen nur bei einer elaborierten Art der Handlungsselektion auf das Entscheidungsverhalten der Akteure auswirken. Die in Abbildung 6.13 dargestellten Untersuchungsergebnisse zeigen, in welcher Weise der Einfluss der Formulierungsbedingungen durch die Qualität der direkt erfassten Verarbeitungsmodi beeinflusst wird. Die Analyse erfolgt dabei getrennt für Entscheider mit sicheren Ergebniserwartungen und einer bestehenden Ambiguitätswahrnehmung. Abb. 6.13: Einfluss des Verarbeitungsmodus auf die Stärke der Framing-Effekte Modus

Formulierung

Fallzahl

Sichere Option

Riskante Option

η2 (Signifikanz)

Keine Ergebnisunsicherheit Analytischer Modus

positiv negativ

53 76

68% 62%

32% 38%

0.004 (p>0.4)

Heuristischer Modus

positiv negativ

194 182

47% 36%

53% 64%

0.01 (p < 0.05)

Bestehende Ergebnisunsicherheit Analytischer Modus

positiv negativ

33 31

82% 32%

18% 68%

0.25 (p< 0.001)

Heuristischer Modus

positiv negativ

98 93

64% 14%

36% 86%

0.26 (p< 0.001)

Es lässt sich erstens feststellen, dass die bei sicheren Ergebniserwartungen weiter bestehenden Formulierungseinflüsse ausschließlich auf die Gruppe der Entscheider mit einer heuristischen Art der Informationsverarbeitung zurückgeführt werden können. Bei dieser Gruppe zeigt sich ein statistisch signifikanter Unterschied im Entscheidungsverhalten zwischen den Formulierungsbe-

194

VI. Empirischer Vergleich der Erklärungsansätze

dingungen von 11 Prozentpunkten (η2=0.01; p=0.05). Dagegen lassen sich die Versuchspersonen bei der Verwendung einer analytischen Verarbeitungsstrategie nicht in signifikantem Ausmaß durch die Framing-Bedingungen beeinflussen (η 2 =0.004; ρ > 0.4). Demnach werden nur Entscheider mit einer heuristischen Art der Entscheidungsfindung, entgegen ihrer explizit geäußerten Interpretation der fehlenden Informationskomponenten, durch die unterschiedlichen Formulierungsbedingungen beeinflusst. Dagegen wirkt sich die Qualität des Verarbeitungsmodus nicht auf die Stärke der Formulierungseinflüsse aus, wenn die Akteure die fehlenden Informationskomponenten nicht als mit Sicherheit ergänzbar ansehen. Unter dieser Bedingung können bei der Verwendung eines analytischen Modus 25 Prozent und bei einer heuristischen Art der Entscheidungsfindung 26 Prozent der gesamten Entscheidungsvarianz durch die Qualität der Framing-Bedingungen erklärt werden. Die vorliegenden Ergebnisse bestätigen vorläufig den ersten Teil der Hypothese Hio, wonach der Verarbeitungsmodus der Entscheider als Entstehungsbedingung der beobachteten Framing-Effekte angesehen werden muss. Da sich der Inhalt der subjektiven Ergebniserwartungen auch bei der Berücksichtigung des Verarbeitungsmodus weiterhin als relevanter Erklärungsfaktor der Effektstärke erweist, kann keiner der beiden Faktoren als alleinige Ursache der beobachteten Framing-Effekte angesehen werden. Diese Schlussfolgerung soll an einem späteren Punkt der Untersuchung im Rahmen eines multivariaten Analysemodells überprüft werden (vgl. Abschnitt 2.5.8 in diesem Kapitel). Im zweiten Teil der Hypothese H10 wird prognostiziert, dass die Verwendung eines analytischen Verarbeitungsmodus nicht nur die Einflüsse der Informationssalienz beseitigt, sondern auch zu einer verstärkten Berücksichtigung quantitativer Ergebnisinformationen führt. Diese Teilhypothese kann durch die im folgenden dargestellten Ergebnisse einer logistischen Regressionsanalyse überprüft werden (vgl. Abb. 6.14). Dabei wird untersucht, ob sich der Interaktionseffekt zwischen dem Faktor „Erwartungswertunterschiede" und der Qualität des direkt erfassten Verarbeitungsmodus als statistisch signifikante Determinante des Entscheidungsverhaltens erweist34. Die Analyseergebnisse zeigen, dass die Entscheidungsrelevanz der Erwartungswertunterschiede nur dann prognostiziert werden kann, wenn gleichzeitig die Qualität der Verarbeitungsmodi berücksichtigt wird: Der entsprechende Interaktionseffekt beinhaltet eine signifikante Determinante der Handlungswahlen (Parameter 7; ρ < 0.05)35. Wenn dieser Erklärungsfaktor kontrolliert wird, so erweist sich der Haupteffekt der „Erwartungswertunterschiede" nicht als relevanter Erklärungsfaktor des Entscheidungsverhaltens (Parameter 6; ρ > 0.3). Abgesehen von diesen theoretisch relevanten Ergebnissen kann außerdem festgestellt werden, dass sich die Qualität des Verarbeitungsmodus selbst auf das Entscheidungsverhalten auswirkt (Parameter 5; ρ < 0.01). Auch der beobachtete Geschlechtseinfluss wird theoretisch nicht prognostiziert. Dieser Faktor wirkt sich einerseits als Haupteffekt auf das Ent34

35

Die empirisch beobachtete Verteilung der Verarbeitungsmodi ist wie folgt: (1) Erwartungswert e= 12%; (2) Andere Berechnungen=13%; (3) Nachdenken=47%; Intuitiv=28%. Ein „Likelihood Ratio"-Test führt zur gleichen Schlussfolgerung: Durch Einführung des Interaktionseffektes lässt sich die Ausgangsdevianz (-2LL=992.3) um 9.0 Einheiten reduzieren. Für ein Signifikanzniveau von 0.05 liegt der kritische Wert bei 7.9 (df=3).

Bedeutung der Ergebniserwartungen

und des Verarbeitungsmodus

195

scheidungsverhalten aus (Parameter 1; ρ < O.Ol). Andererseits wird auch die Entscheidungsrelevanz der Erwartungswertunterschiede zusätzlich durch das Geschlecht der Entscheider qualifiziert (Parameter 3; ρ < 0.01). Abb. 6.14: Bedeutung der Verarbeitungsmodi für die Entscheidungsrelevanz der Erwartungswertunterschiede36 Kontrollvariablen Signifikanz

Β (Std. En·.)

Wald-Statistik

(1) SEX (weiblich)

-0.752 (0.23)

10.97

(2) ALTER

-0.024 (0.03)

0.59

0.44

(3) SEX*EV-VORTEIL

0.831 (0.32)

6.96

0.01

(4) ALTER*EV-VORTEIL

0.042 (0.05)

0.64

0.42

0.00

Modellvariablen Β (Std. Err.)

Wald-Statistik

Signifikanz

EV

-1.910(0.42)

21.12

0.00

Berechnungen

-0.846 (0.37)

5.35

0.02

30.23

(5) MODUS

Nachdenken (6) EV-VORTEIL (keine)

0.00

0.062 (0.37)

5.35

0.02

-1.072(1.19)

0.81

0.37

8.65

0.03

1.360 (0.56)

5.81

0.02

KEINE*BERECHNUNGEN

0.369 (0.51)

0.53

0.47

KEIN*NACHDENKEN

-0.148(0.36)

0.17

0.68

1.113(0.74)

2.29

0.13

(7) EV-VORTEIL*MODUS KEINE*EV

(8) KONSTANTE MODUS: EV-VORTEIL: SEX: ALTER:

Verarbeitungsmodus: l=Erwartungswerte; 2=Andere Berechnungen; 3=Nachdenken; 4=Intuitiv. Erwartungswertunterschiede zwischen den Alternativen: l=Keine; 2=Zugunsten der sicheren Alternative. Geschlecht: l=weiblich; 2=männlich. Alter der Entscheider in Jahren.

Der Inhalt des theoretisch vorhergesagten Interaktionseffektes lässt sich auf der Grundlage der in Abbildung 6.15 dargestellten Zusammenhänge belegen. Dabei zeigt sich, dass die quantitativen Ergebnisunterschiede zwischen den Alternativen praktisch keinen Einfluss auf die Handlungswahlen ausüben, wenn die Akteure intuitiv oder durch reines Nachdenken entscheiden. Unter dieser Bedingung wählen die Entscheider - unabhängig von der Anzahl der angegebenen Opfer beziehungsweise Überlebenden - in rund 60 Prozent der Fälle die riskante Option. Die quantitativen Ergebnisangaben werden dagegen von Akteu36

Die Parameter beruhen auf einer Dummy-Kodierung, wobei das Entscheidungsverhalten als abhängige Variable wie folgt kodiert ist: l=sichere Alternative, 2=riskante Alternative.

196

VI. Empirischer Vergleich der

Erklärungsansätze

ren mit einer stärker kalkulierenden Selektionsstrategie in deutlich stärkerem Umfang berücksichtigt. Dies ist besonders dann der Fall, wenn das Erwartungswertkonzept als Entscheidungskriterium herangezogen wird. Diese Gruppe erweist sich im Aggregat bei gleichen Erwartungswerten als indifferent zwischen den Handlungsalternativen, während bei Erwartungswertunterschieden zugunsten der sicheren Alternative nur noch rund 20 Prozent die riskante Option bevorzugt. Auch wenn die Akteure auf der Basis von Berechnungen entscheiden, ist die relative Leistungsfähigkeit der sicheren Option - allerdings in geringerem Ausmaß - für das Entscheidungsergebnis von Bedeutung. Hier sinkt die Präferenz für die riskante Option von 50 Prozent bei gleichen Erwartungswerten auf rund 35 Prozent bei entsprechenden Ergebnisunterschieden. Abb. 6.15: Bedeutung der Verarbeitungsmodi für die Entscheidungsrelevanz der Erwartungswertunterschiede 0,7 a ο w

δ"

0,6 ·

Verarbeitungs-

0,5 -

Π ω

0,4 -

—O— Erwartungswerte

s Μ

0,3 •

—0— Andere Berechnungen

0,2 -

—Δ— Nachdenken

w Sl-ι 1) Ό

—Ο— Intuitiv

0,1gleich

unterschiedlich

Erwartungswerte Der theoretisch unerwartete Haupteffekt des Verarbeitungsmodus muss so interpretiert werden, dass Entscheider mit einer stärker heuristischen Art der Handlungsselektion mehrheitlich zu risikofreudigem Entscheidungsverhalten neigen. Die gleiche Aussage trifft auch für männliche Versuchspersonen zu. Der ebenso wenig antizipierte Interaktionseffekt zwischen dem Geschlecht der Entscheider und dem Faktor der Erwartungswertunterschiede besagt inhaltlich, dass Frauen im Vergleich zu Männern in deutlich stärkerem Ausmaß die Ergebnisunterschiede bei ihren Entscheidungen berücksichtigen. Es kann zusammenfassend festgestellt werden, dass die Qualität der direkt erfassten Verarbeitungsmodi als wichtiger Erklärungsfaktor des Entscheidungsverhaltens und vor allem als relevante Entstehungsbedingung der beobachteten Framing-Effekte angesehen werden muss. So wirken sich quantitative Ergebnisunterschiede zwischen den Handlungsoptionen nur bei stärker analytischen Selektionsstrategien auf das Entscheidungsverhalten aus. Vor allem aber zeigt sich, dass die steigende Elaboriertheit der Verarbeitungsmodi die teilweise beobachteten Widersprüche zwischen den von den Akteuren bewusst geäußerten Ergebniserwartungen und dem Wahlverhalten beseitigt:

Bedeutung der Ergebniserwartungen und des Verarbeitungsmodus

197

Ein Teil der Formulierungseinflüsse kann somit auf die Qualität der Verarbeitungsmodi zurückgeführt werden. Im folgenden Abschnitt soll nun überprüft werden, ob die Qualität der direkt beobachteten Verarbeitungsmodi durch die prognostizierten Bestimmungsfaktoren erklärt werden kann. 2.5.7 Bestimmungsfaktoren des Verarbeitungsmodus Die Qualität des Verarbeitungsmodus wird im Rahmen des Heuristikmodells als zentrale Randbedingung für die Entstehung von Framing-Effekten angesehen. In Hypothese H n werden die Determinanten der Modusqualität als Ergebnis einer Wert-Erwartungsmodellierung prognostiziert, wobei die Anreize für eine intensivere Informationsverarbeitung und die dabei wahrgenommenen Erfolgschancen als bedeutsam angesehen werden. Wie bei jeder ökonomischen Modellierung wird dabei erstens angenommen, dass die beiden Erklärungsfaktoren unabhängige latente Dimensionen darstellen. Diese Annahme kann für die hier gewählte Operationalisierung empirisch bestätigt werden 37 . Zweitens wird aber vor allem vorhergesagt, dass die beiden Dimensionen in einer multiplikativen Art und Weise zur Erklärung der Verarbeitungsmodi beitragen. Die Angemessenheit dieser Hypothese kann durch die in Abbildung 6.16 dargestellten Ergebnisse einer logistischen Regressionsanalyse überprüft werden. Hierbei wird eine dichotomisierte Version des direkt erfassten Verarbeitungsmodus der Akteure als abhängige Variable herangezogen (vgl. für deren Konstruktion Abschnitt 2.2 in diesem Kapitel). Als zentraler Erklärungsfaktor wird ein Interaktionsparameter zwischen dem Index der Entscheidermotivation und dem der analytischen Fähigkeiten der Akteure in die Analyse eingeführt. Die vorliegenden Resultate zeigen, dass der vorhergesagte Interaktionseffekt als signifikante Determinante des Verarbeitungsmodus angesehen werden muss (Parameter 9; ρ < 0.05)38. Es wird gleichzeitig deutlich, dass der Einfluss der beiden Haupteffekte vollständig durch ihre interaktive Wirksamkeit absorbiert wird (Parameter 7; ρ > 0.6 und Parameter 8; ρ > 0.8). Im vorliegenden Regressionsmodell erweisen sich alle Kontrollvariablen sowie deren Interaktion mit den theoretisch angenommen Erklärungsfaktoren als irrelevant für die Prognose des Verarbeitungsmodus (Parameter 1-6; alle ρ > 0.1). In welcher Weise der statistisch signifikante Interaktionseffekt interpretiert werden muss, ergibt sich aus Abbildung 6.17. Hier werden die prognostizierten Wahrscheinlichkeiten für die Nutzung einer analytischen Art der Entscheidungsfindung bei unterschiedlichen Kombinationen der Wert- und Erwartungsdimension dargestellt. Dabei zeigt sich generell, dass die Bedeutung der Motivationsdimension für die Qualität der Verarbeitungsmodi nur dann prognostiziert werden kann, wenn gleichzeitig die analytischen Fähigkeiten der Akteure berücksichtigt werden. Ein Anstieg der Anreize für eine analytische Art der Informationsverarbeitung wirkt sich dann kaum auf die Qualität der Verarbeitungsmodi aus, wenn die Entscheider nur über geringe analytische 37

38

Diese Bestätigung beruht auf den Ergebnissen einer Hauptkomponentenanalyse der fünf Indikatorvariablen der Wert- und Erwartungsdimension (vgl. Abb. 9.8 im Anhang). Ein Likelihood-Ratio-Test bestätigt die Schlussfolgerung. Die Devianz des vollständigen Modells (-2LL = 760.2) liegt um 5.1 Einheit unter der der reduzierten Version (-2LL=765.3). Der kritische Wert für ein fünf-prozentiges Signifikanzniveau liegt bei 3.8.

198

VI. Empirischer Vergleich der Erklärungsansätze

Fähigkeiten verfügen: Die Wahrscheinlichkeit für die Verwendung eines elaborierten Modus stagniert bei 20 Prozent. Diese Insensibilität gegenüber den Anreizunterschieden zeigt sich im gesamten ersten Drittel der Fähigkeitsdimension. Es kann angenommen werden, dass in diesem unteren Bereich der analytischen Befähigung die kognitiven Voraussetzungen für die Verwendung eines analytischen Modus einfach fehlen. Ab einem bestimmten Schwellenwert wirken sich die Motivationsunterschiede in zunehmendem Ausmaß auf die Verwendung unterschiedlicher Entscheidungsstrategien aus und dieser Einfluss erreicht bei hohen Fähigkeiten ein Maximum an Erklärungskraft. Abb. 6.16: Relevanz der Motivation und der analytischen Fähigkeiten für die Elaboriertheit des Verarbeitungsmodus39 Kontrollvariablen Β (Std.Err.)

Wald-Statistik

Signifikanz

(1) SEX (weiblich)

0.246 (0.49)

0.25

(2) ALTER

0.029(0.10)

0.09

0.76

(3) SEX*MOTI

-0.196(0.68)

0.08

0.77

(4) SEX*FÄHIG

0.62

1.460(1.03)

2.01

0.16

(5) ALTER*MOTI

-0.061 (0.13)

0.23

0.63

(6) ALTER*FÄHIG

-0.124(0.18)

0.50

0.48

Modus-Selektionsmodell Β (Std.Err.) (7) MOTI

Wald-Statistik

Signifikanz

1.478(2.95)

0.25

0.62

(8) FÄHIG

0.725 (4.30)

0.03

0.87

(9) MOTI*FÄHIG

4.016(1.78)

5.07

0.02

(10) KONSTANTE

-2.506 (2.27)

1.21

0.27

MOTI: FÄHIG: SEX: ALTER:

Index der Entscheidungsmotvation. Index der analytischen Fähigkeiten der Entscheider. Geschlecht: l=weiblich; 2=männlich. Alter der Entscheider in Jahren.

Auf der anderen Seite erweisen sich auch große analytische Fähigkeiten der Akteure als wenig bedeutsam, wenn den Akteuren die Motivation fehlt: Die Wahrscheinlichkeit für die Verwendung eines analytischen Modus steigt von rund 20 auf nicht mehr als 25 Prozent. Erst mit zunehmender Motivation wirken sich die Fähigkeiten der Akteure in steigendem Ausmaß auf die beobachtete Verarbeitungsqualität aus. Liegen maximale Anreize für eine intensivere Art der Informationsverarbeitung vor, so bewirkt die Varianz der analytischen

39

Es handelt sich um Parameterschätzungen beruhend auf einer Dummy-Kodierung, wobei die abhängige Variable wie folgt kodiert ist: l=sichere Alternative, 2=riskante Alternative.

Bedeutung der Ergebniserwartungen

und des Verarbeitungsmodus

199

Fähigkeiten einen Anstieg der elaborierten Verarbeitungsmodi von 20 auf rund 50 Prozent. Abb. 6.17: Motivation und kognitive Fähigkeiten als Determinanten des Verarbeitungsmodus

cω C 'S Μ 1-4 = -ο e ο '3 S A! β J3 Ο Λα> Ο g ΕΛ 'δ Λο "3 CΛ e Ui a Λ te

£

0,6 0,5 0,4 -

Motivation sehr gering

0,3

- gering -hoch

0,2

B=

• sehr hoch

0,1 sehr gering

gering

hoch

sehr hoch

Analytische Fähigkeiten Die vorliegenden Ergebnisse fuhren zur Schlussfolgerung, dass die Entscheider zur flexiblen Nutzung unterschiedlich elaborierter Entscheidungsstrategien neigen. Dabei lassen sich die in Hypothese Hu vorhergesagten Einflussfaktoren und deren Zusammenspiel sehr gut bestätigen. Es kann festgestellt werden, dass in dieser Hinsicht individuelle und situationale Determinanten der Entscheidermotivation sowie kognitive Beschränkungen der Akteure eine wichtige Rolle spielen. Die Ergebnisse legen außerdem die Schlussfolgerung nahe, dass die festgestellten Erklärungsfaktoren sowie deren Zusammenspiel auch bei der Prognose heuristikbasierter Framing-Effekte von Bedeutung sind. Diese Hypothese soll im folgenden Abschnitt empirisch überprüft werden, wobei gleichzeitig die Bestimmungsfaktoren ambiguitätsbasierter Framing-Effekte in die Analyse einbezogen werden. 2.5.8 Die Bestimmungsfaktoren des Verarbeitungsmodus und die Ergebniserwartungen als Determinanten der Framing-Effekte Die bisherigen Ergebnisse der Untersuchung legen die Schlussfolgerung nahe, dass die Framing-Effekte beim ADP nicht durch einen isolierten Erklärungsmechanismus erfasst werden können. Vielmehr scheinen die Erklärungsfaktoren ambiguitäts- und heuristikbasierter Framing-Effekte gleichzeitig von Bedeutung zu sein. Daher soll im folgenden untersucht werden, ob beide Arten der Erklärung - jeweils unter gleichzeitiger Kontrolle der anderen Faktoren als empirisch angemessen angesehen werden müssen (vgl. Abb. 6.18). Dabei wird erstens überprüft, ob die Interaktion zwischen der Motivationsdimension und den kognitiven Fähigkeiten der Akteure die Entscheidungsrelevanz der Formulierungsbedingungen bestimmt. Zweitens wird untersucht, ob der Inter-

200

VI. Empirischer

Vergleich der

Erklärungsansätze

aktionseffekt zwischen der Ambiguitätswahrnehmung und den unterschiedlichen Arten der Informationsdarstellung gleichzeitig einen signifikanten Beitrag zur Erklärung des Entscheidungsverhaltens leistet. Abb. 6.18: Vorläufiges Gesamtmodell zur Erklärung der Framing-Effekte40 Kontrollvariablen Β (Std. Err.)

Wald-Statistik

Signifikanz

(1) SEX (weiblich)

0.185(0.24)

0.60

0.44

(2) ALTER

0.048 (0.04)

1.20

0.27

(3) SEX*FRAME

-0.728 (0.33)

4.85

0.03

(4) ALTER* FRAME

-0.063 (0.06)

1.00

0.32

Ambiguitätsmodell Β (Std.Err.)

Wald-Statistik

(5) FRAME (positiv)

-2.556(1.75)

2.15

Signifikanz

(6) AMBIG

-1.361 (0.28)

23.19

0.00

(7) AMBIG*FRAME

2.104(0.37)

31.93

0.00

0.14

Heuristikmodell Β (Std.Err.)

Wald-Statistik

Signifikanz

(8) Μ Ο Ή

-2.090 (0.85)

6.05

0.01

(9) FÄHIG (gering)

-0.359 (0.62)

0.34

0.56

(10) MOTI*FRAME

3.354(1.22)

7.51

0.01

(11) FÄHIG*FRAME

1.705(0.91)

3.52

0.06

(12) MOTI*FAHIG

1.310(0.97)

1.83

0.18

-3.082(1.39)

4.95

0.03

1.326(1.21)

1.20

0.27

(13) MOTI*FAHIG*FRAME (14) KONSTANTE FRAME: MOTI: FÄHIG: AMBIG: SEX: ALTER:

Problemformulierung: l=positiv; 2=negativ. Index der Entscheidungsmotivation. Ausmaß der analytischen Fähigkeiten: l=gering; 2=hoch. Subjektive Ergebniserwaitung: l=sicher; 2=unsicher. Geschlecht: l=weiblich; 2=männlich. Alter der Entscheider in Jahren.

Auf der Grundlage der Regressionsanalyse kann erstens festgestellt werden, dass sich die Bestimmungsfaktoren des Verarbeitungsmodus und damit die prognostizierten Entstehungsbedingungen heuristikbasierter Framing-Effekte als bedeutsame Determinanten des Entscheidungsverhaltens erweisen (vgl. Abb. 6.18). Die erwartete dreifach-Interaktion zwischen der Qualität der Formulierungsbedingungen, der Motivationsdimension und den analytischen 40

Das Entscheidungsverhalten als abhängige Variable ist bei der vorliegenden Regressionsanalyse wie folgt kodiert: l=sichere Alternative, 2=riskante Alternative.

Bedeutung der Ergebniserwartungen und des Verarbeitungsmodus

201

Fähigkeiten der Akteure trägt in statistisch abgesichertem Umfang zur Handlungserklärung bei (Parameter 13; ρ < 0.05)41. Gleichzeitig erweist sich die vom Ambiguitätsmodell vorhergesagte Interaktion zwischen den subjektiven Ergebniserwartungen der Entscheider und den Formulierungsbedingungen als statistisch signifikante Determinante des Entscheidungsverhaltens (Parameter 7; ρ < O.Ol)42. Von besonderer Bedeutung ist das Ergebnis, dass die Relevanz der Formulierungsbedingungen vollständig durch die theoretisch determinierten Interaktionseffekte absorbiert wird: Der Haupteffekt der Framing-Bedingungen hat nun keinen statistisch abgesicherten Einfluss mehr (Parameter 5; ρ > 0.1). Der gleichzeitig beobachtete statistisch bedeutsame Interaktionseffekt zwischen dem Geschlecht der Akteure und den Formulierungsbedingungen wird theoretisch allerdings nicht prognostiziert (Parameter 3; ρ < 0.05). Die vom Ambiguitätsmodell prognostizierten inhaltlichen Zusammenhänge lassen sich durch Abbildung 6.19 überprüfen. Abb. 6.19 Die subjektiven Ergebniserwartungen als Ursache der Framing-Effekte43

Art des Frames —0—Gewinn —©— Verlust

sicher

unsicher

Subjektive Ergebniserwartungen Dabei zeigt sich, dass die wahrgenommene Ergänzbarkeit der ungenannten Ergebniskomponenten als wichtige Randbedingung für die Wirksamkeit der Formulierungsbedingungen angesehen werden muss: Zwischen den Formulierungsbedingungen zeigen sich große Unterschiede im Entscheidungsverhalten, wenn der Inhalt der jeweils ungenannten Ergebnisaspekte als subjektiv unbestimmt erlebt wird. Wird bei der positiven Formulierungsbedingung zusätzlich 41

42

43

Durch die Einfuhrung des Parameters kann die Devianz des Ausgangsmodells signifikant um 5.1 Einheiten reduziert werden (von -2LL=907.8 auf-2LL=902.8). Der kritische Wert für ein Signifikanzniveau von 5 Prozent liegt bei 3.8 (df=l). Auch auf der Grundlage des „Likelihood Ratio"-Tests trägt dieser Parameter signifikant zur Devianzreduktion um 34.7 Einheiten bei. Der kritische Wert für ein Signifikanzniveau von 1 Prozent Irrtumswahrscheinlichkeit liegt bei 6.6 (df=l). Die Abbildungen 6.19, 6.20 und 6.21 beruhen auf den prognostizierten Wahlwahrscheinlichkeiten des in Abbildung 6.18 dargestellten Regressionsmodells. Bei Verwendung der Originaldaten ergeben sich die gleichen Zusammenhänge und Schlussfolgerungen.

202

VI. Empirischer Vergleich der Erklärungsansätze

zur sicheren Rettung der 200 Menschen auch der Erfolg bei den 400 ungenannten Erkrankten subjektiv nicht ausgeschlossen, so entscheiden sich nur wenig mehr als 30 Prozent der Akteure für das riskante Alternativprogramm. Wenn dagegen bei der negativen Informationsdarstellung der Tod von 400 Menschen als sicher und zugleich die Rettung der 200 ungenannten Personen aber als fragwürdig betrachtet wird, so entscheiden sich über 80 Prozent der Versuchspersonen zugunsten der riskanten Alternative. Unter der Bedingung fehlender Ergebnisunsicherheit ergeben sich dagegen sehr geringe Unterschiede im Entscheidungsverhalten zwischen den Framing-Bedingungen, wobei die aggregierten Präferenzen nur geringfügig von der Indifferenzmarke abweichen. Die inhaltlichen Aussagen des Heuristikmodells lassen sich durch die in Abbildung 6.20 und 6.21 dargestellten Ergebnisse des logistischen Regressionsmodells überprüfen. Hier wird zuerst gezeigt, in welcher Weise sich eine steigende Motivation der Entscheider auf die Wirksamkeit der Framing-Bedingungen auswirkt, wenn die Entscheider über geringe analytische Fähigkeiten verfügen (vgl. Abb. 6.20)44. Dabei ist klar erkennbar, dass sich das Entscheidungsverhalten über die gesamte Motivationsdimension hinweg in gleichem und starkem Ausmaß zwischen den Formulierungsbedingungen unterscheidet: Die Qualität der Informationsdarstellung bewirkt einen stabilen Unterschied im Entscheidungsverhalten von rund 20 Prozentpunkten. Auch unter der Bedingung sehr hoher Entscheidungsmotivation findet bei der Akteuren mit geringen analytischen Fähigkeiten keine Angleichung der aggregierten Handlungswahlen zwischen den Framing-Bedingungen statt. Abb. 6.20: Framing-Einflüsse bei unterschiedlicher Entscheidimgsmotivation und geringen kognitiven Fähigkeiten

gsring

hoch

Entscheidungsmotivation Die Ergebnisse der gleichen Analyse für die Gruppe der Entscheider mit mittleren und hohen analytischen Fähigkeiten ergibt ein vollständig anderes Bild

44

Es handelt sich hierbei um jenes Drittel der Versuchspersonen, welches beim Index der analytischen Fähigkeiten die niedrigsten Werte aufweist.

Bedeutung der Ergebniserwartungen

und des Verarbeitungsmodus

203

(vgl. Abb. 6.21)45. Hier wirkt sich ein Anstieg der Entscheidungsmotivation in sehr starkem Ausmaß auf das Entscheidungsverhalten und besonders auf die Stärke der Framing-Effekte aus. Bei nur minimalen Anreizen für eine analytische Art der Handlungsselektion werden unter dieser Bedingung Unterschiede im Entscheidungsverhalten von rund 40 Prozentpunkten zwischen den Formulierungsbedingungen beobachtet. Dieser Framing-Effekt geht allerdings mit zunehmender Motivation der Entscheider stark zurück. Bei sehr hoher Motivation der Akteure können dann - abgesehen von einer geringen Überschätzung der vorliegenden Tendenz - keine Framing-Einflüsse mehr festgestellt werden. Insofern lassen sich die Prognosen des Modells heuristikbasierter FramingEffekte auch dann sehr gut bestätigen, wenn die Determinanten des Verarbeitungsmodus direkt zur Prognose der Formulierungseinflüsse herangezogen werden und gleichzeitig die Determinanten ambiguitätsbasierter FramingEffekte statistisch kontrolliert werden. Abb. 6.21: Framing-Einflüsse bei unterschiedlicher Entscheidungsmotivation und mittleren bzw. hohen kognitiven Fähigkeiten

c ο a Ο a"j c-Μ CO •G

—O—Gewinn



O— Verlust

Art des Frames

l-i Ο

gering

hoch

Entscheidungsmotivation Die theoretisch nicht erwartete Bedeutsamkeit des Geschlechts der Entscheider für die Entscheidungsrelevanz der Framing-Bedingungen muss so interpretiert werden, dass Frauen generell stärker als Männer durch die Qualität der Ergebnisdarstellung beeinflusst werden. Dieser Effekt kann nicht auf Unterschiede in der Ambiguitätswahrnehmung, verschiedene Grade der Entscheidungsmotivation oder auf gruppenspezifische Differenzen in den analytischen Fähigkeiten zurückgeführt werden: Diese Faktoren werden in der Analyse gleichzeitig kontrolliert. Den Geschlechtsunterschieden in der Beeinflussbarkeit durch die Formulierungsbedingungen muss somit beim derzeitigen Stand der Untersuchung immer noch eine eigenständige und nicht durch die theoretischen Prozesse vermittelte Realität zugeschrieben werden. Ob sich die vorliegenden 45

Die Gruppe der Entscheider mit „mittleren" und „hohen" analytischen Fähigkeiten umfasst jene zwei Drittel an Versuchspersonen, welche auf dem Index der analytischen Fähigkeiten die höchsten Werten aufweisen.

204

VI. Empirischer Vergleich der Erklärungsansätze

Geschlechtseinflüsse auch dann noch als relevant erweisen, wenn die Bedingungsfaktoren schemabasierter Framing-Effekte ebenfalls kontrolliert werden, soll im folgenden Kapitel VII untersucht werden.

3. Zusammenfassung der Ergebnisse Die Formulierungseinflüsse beim ADP lassen sich auch bei der vorliegenden Untersuchung im Rahmen von zwei unabhängigen Studien replizieren. Demnach handelt es sich hierbei prinzipiell um ein erklärungsbedürftiges Phänomen. Allerdings werden bei diesen Untersuchungen - wie bei fast allen anderen Replikationsstudien - im Vergleich zu den Originalergebnissen deutlich schwächere Framing-Effekte beobachtet. Diese Unterschiede in der beobachten Stärke der Framing-Einflüsse verdeutlichen erneut die Relevanz zusätzlicher Erklärungsfaktoren und intervenierender Variablen für die Entscheidungsrelevanz der Formulierungsunterschiede. Als Zusammenfassung des ersten Teils der Analyse kann festgestellt werden, dass die üblicherweise zur Erklärung der Formulierungseffekte herangezogene Framing-Hypothese der PT nicht als empirisch angemessen angesehen werden kann. Dies trifft auch dann zu, wenn alle denkbaren Interpretationen der theoretischen Argumente systematisch berücksichtigt werden. So konnte gezeigt werden, dass sich weder die Verwendung der sprachlichen Begriffe „retten" oder „sterben" noch die selektive Präsentation von positiver oder negativer Ergebnisinformation auf das Entscheidungsverhalten auswirken. Die prognostizierten Einflüsse zeigen sich auch dann nicht, wenn der Inhalt beider Einflussfaktoren übereinstimmt und somit optimale Bedingungen für die Wirksamkeit der angenommenen Einflussprozesse vorliegen. Dagegen lassen sich die geteilten Prognosen der Modelle zur Erklärung ambiguitäts- und heuristikbasierter Framing-Effekte auf der Ebene der Handlungswahlen gut bestätigen. Die Untersuchung zeigt, dass sich das Entscheidungsverhalten in keinem Fall zwischen den Darstellungsversionen unterscheidet, wenn für beide Entscheidungsalternativen jeweils Ergebnisinhalte gleicher Qualität dargestellt werden. Bei dieser symmetrischen Art der Informationspräsentation ist es gleichgültig, ob für die Wahloptionen ausschließlich positive, negative oder beide Ergebniskomponenten bereitgestellt werden: Es zeigen sich in keinem Fall bedeutsame Unterschiede im Entscheidungsverhalten zwischen den Framing-Bedingungen. Allerdings erweisen sich die Entscheider im Aggregat - entgegen der Vorhersagen - nicht als indifferent zwischen den Wahloptionen, so dass von der Wirksamkeit weiterer Bestimmungsfaktoren des Entscheidungsverhaltens ausgegangen werden muss. Generell wird hier eine Tendenz zu mehrheitlich risikofreudigem Verhalten beobachtet. Werden dagegen asymmetrische Arten der Informationsdarstellung herangezogen, so liegen charakteristische Abweichungen der Entscheidungsverteilungen von den symmetrischen Strukturbedingungen vor. Hierbei wird die sichere Option ausschließlich durch positive Ergebnisaspekte und die ris-

Zusammenfassung der Ergebnisse

205

kante Alternative nur durch Misserfolgswahrscheinlichkeiten charakterisiert oder es wird eine umgekehrte Art der Informationsselektivität eingeführt. Ausgehend von allen symmetrischen Informationsstrukturen zeigt sich immer eine signifikant stärkere Präferenz zugunsten jener Handlungsoption, für die ausschließlich positive Ergebnisaspekte dargestellt werden. Bei einem Vergleich zwischen den asymmetrischen Informationsstrukturen lässt sich eine perfekte Umkehr der beobachteten Mehrheitspräferenzen feststellen. Dabei sind alle Ergebnisse unabhängig von der Verwendung der sprachlichen Begriffe „retten" oder „sterben". Demnach muss die Struktur der jeweils dargestellten oder fehlenden Ergebnisinformationen als grundlegende Ausgangsbedingung für die Entstehung der Framing-Effekte beim ADP angesehen werden. Die Ergebnisse des zweiten Teils der Untersuchung machen weiterhin deutlich, welche kognitiven und motivationalen Prozesse der Wirksamkeit der Informationsstruktur zugrunde liegen. So kann empirisch gezeigt werden, dass die Formulierungseinflüsse beim ADP als Kombination ambiguitäts- und heuristikbasierter Framing-Effekte erklärt werden müssen. Die Prognosen beider Erklärungsansätze können - mit einer Ausnahme - gut bestätigt werden. So lässt sich erstens zeigen, dass die Wirksamkeit der Formulierungsbedingungen und damit der Informationsstruktur durch die Ergebniserwartungen der Akteure vermittelt wird. Diese erweisen sich - wie unter der Bedingung von partiellem Informationsmangel zu erwarten ist - als subjektiv und damit interpersonal variabel. Zweitens kann festgestellt werden, dass diese „Beliefs" durch die Lage der Ankerwerte an den beiden Endpunkten des Wahrscheinlichkeitskontinuums und durch die Ambiguitätseinstellung der Akteure erklärt werden können. Die Ambiguitätseinstellung, interpretiert als generalisierter Optimismus der Akteure, wirkt sich dabei innerhalb der beiden Formulierungsbedingungen in entgegengesetzter Weise auf die subjektiven „Beliefs" der Akteure aus. Während bei der negativen Art der Informationsdarstellung die wahrgenommene Ergänzbarkeit der fehlenden Informationskomponenten gleichzeitig mit dem Optimismus der Entscheider ansteigt, geht die wahrgenommene Sicherheit über den Inhalt der ungenannten Ergebnisse bei der positiven Formulierungsbedingung mit steigendem Optimismus zurück. Drittens kann beobachtet werden, dass die bewusst geäußerten subjektiven Erwartungen der Entscheider zwar eine wichtige Erklärungsbedingung der beobachteten Formulierungseinflüsse darstellen, dass sie jedoch die Wirksamkeit der Framing-Bedingungen nicht vollständig erfassen können. Vielmehr wird ein Teil der Entscheider entgegen ihrer explizit geäußerten „Beliefs" durch die Struktur der genannten und ungenannten Ergebnisbestandteile beeinflusst. Bei dieser Gruppe handelt es sich - so das vierte Ergebnis der Untersuchung um Entscheider welche eine wenig analytische Art der Entscheidungsfindung verwenden. Diese Beobachtung wird als das Ergebnis eines heuristischen Modus der Informationsverarbeitung und der Verwendung einer SalienzHeuristik interpretiert. Für diese Interpretation spricht auch, dass sich die Entscheider mit einer wenig elaborierten Art der Informationsverarbeitung als vollständig insensibel gegenüber Erwartungswertunterschieden zwischen den Entscheidungsoptionen erweisen.

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VI. Empirischer Vergleich der Erklärungsansätze

Fünftens belegen die Ergebnisse der Analyse, dass sich die direkt erfassten Verarbeitungsmodi der Akteure als Ergebnis der Motivation und der kognitiven Fähigkeiten der Akteure erklären lassen. Dabei wirken sich die beiden Dimensionen - wie im Rahmen einer Wert-Erwartungsmodellierung prognostiziert wird - in einer interaktiven Art und Weise auf die Elaboriertheit der Entscheidungsfindung aus. Weder die Motivationsdimension noch die kognitiven Fähigkeiten der Akteure können in dieser Hinsicht als isolierte Erklärungsfaktoren betrachtet werden. Für die Prognose von Framing-Effekten ist sechstens von besonderer Bedeutung, dass die Determinanten des Verarbeitungsmodus auch als Entstehungsbedingungen der Formulierungseinflüsse betrachtet werden können. So lässt sich zeigen, dass die Entscheidungsrelevanz der Framing-Bedingungen durch eine Interaktion der Anreize zu einer analytischen Art der Informationsverarbeitung und dem Ausmaß der analytischen Fähigkeiten bestimmt wird. Es werden nur sehr geringe Einflüsse der Ergebnisdarstellung beobachtet, wenn die Akteure gleichzeitig motiviert sind und über ausreichende Fähigkeiten im analytischen Denken verfügen. Diese im Rahmen des Modells heuristischer Framing-Effekte prognostizierten Entstehungsbedingungen lassen sich auch dann bestätigen, wenn gleichzeitig die Wirksamkeit der subjektiven Ergebniserwartungen kontrolliert wird. Die Untersuchung zeigt allerdings auch, dass die Wirksamkeit der Formulierungsbedingungen, entgegen der theoretischen Erwartungen, nicht durch die Fokussierung der Aufmerksamkeit auf die fehlenden Informationskomponenten beseitigt wird. Weder das Entscheidungsverhalten noch die Stärke der Formulierungseinflüsse wird durch diesen Faktor in bedeutsamem Umfang beeinflusst. Der stabile Einfluss des Geschlechts der Entscheider für die Bedeutsamkeit der Formulierungsbedingungen muss ebenso als Anomalie des hier vertretenen theoretischen Ansatzes betrachtet werden. Auch wenn gleichzeitig alle Erklärungsfaktoren der Modelle zur Erklärung ambiguitäts- und heuristikbasierter Framing-Effekte kontrolliert werden, muss festgestellt werden, dass Frauen in deutlich stärkerem Ausmaß durch die Qualität der Ergebnisdarstellung beeinflusst werden.

VII. Determinanten schemabasierter Framing-Effekte

Im folgenden Kapitel sollen die Entstehungsbedingungen schemabasierter Framing-Effekte untersucht werden, wobei die Prognosen des Modells der Frame-Selektion (MdFS) mit denen der PT verglichen und empirisch überprüft werden. Hierbei wird die Entscheidungsrelevanz sozialer Normen und konkret die von Gerechtigkeitsgrundsätzen als Spezialfall für die Wirksamkeit schematischer Wissens- und Bewertungsstrukturen herangezogen. Bei diesem Anwendungsgegenstand kann eine doppelte Anomalie des Rational-Choice Ansatzes festgestellt werden. So ist erstens schon die generelle Entscheidungsrelevanz internalisierter Normen und sozialer Werte nicht mit einer instrumentalistischen und eigennutzbasierten Konzeption menschlichen Handelns vereinbar. Da solche Einflüsse trotzdem häufig beobachtet werden, muss dies als Anomalie der Basisversion des Rational-Choice Ansatzes angesehen werden (vgl. hierzu schon Kapitel II, Abschnitt 1.2.3). Um dennoch eine Erklärung von normativ basiertem Verhalten zu ermöglichen, werden entsprechende theoretische Erweiterungen des ökonomischen Erklärungsansatzes vorgeschlagen. Dabei wird die Befolgung sozialer Nonnen beispielsweise auf intrinsische Motive der Akteure zurückgeführt, deren Bedeutsamkeit durch zusätzliche Argumente in der Nutzenfunktion der Entscheider in die Theorie integriert werden (Elster 1991; Margolis 1990; Opp 1993; Vanberg 1994: 4Iff.). Im folgenden Abschnitt 1.1 soll argumentiert werden, dass eine solche Vorgehensweise als theoretisch unbefriedigend angesehen werden muss, da hierbei die zentrale Unterscheidung zwischen zweck- und wertrationalem Verhalten nicht berücksichtigt werden kann. Eine zweite Anomalie des ökonomischen Ansatzes kann darin gesehen werden, dass die Verhaltensrelevanz sozialer Normen durch Randbedingungen beeinflusst wird, die im Rahmen dieser Theorie nicht als relevant angesehen werden. Da sich die Zielsetzung der Erfüllung sozialer Nonnen somit nicht in einer stabilen Art und Weise auf das Verhalten der Akteure auswirkt, müssen die beobachten Effekte auch als Falsifikation der Annahme stabiler Präferenzen angesehen werden. Entsprechende Beobachtungen werden als Framing-Effekte interpretiert und in Abschnitt 1.2 dargestellt. In Abschnitt 1.3 wird dann gezeigt, in welcher Weise die wechselnde Bedeutsamkeit von Gerechtigkeitsnormen im Rahmen der PT erklärt wird. Die Probleme dieser Erklärung sollen dann in Abschnitt 1.4 diskutiert werden. Das zentrale Ziele der vorliegenden Arbeit besteht darin, die jeweils eigenständige Bedeutsamkeit ambiguitäts-, heuristik- und schemabasierter FramingEffekte zu untersuchen. Dies kann nur dann realisiert werden, wenn die drei Effekt-Typen gleichzeitig und unter Kontrolle der jeweils anderen Einflüsse analysiert werden können. Aus diesem Grund soll auch bei der folgenden Untersuchung schemabasierter Framing-Effekte das „Asian Disease Problem" (ADP) als Anwendungsgegenstand herangezogen werden. In Abschnitt 1.5 wird daher argumentiert, dass bei dieser Problemstellung Gerechtigkeitsnormen

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VII. Determinanten schemabasierter

Framing-Ejfekte

relevant sind, deren Entscheidungsrelevanz zusätzlich durch die Art der Informationspräsentation modifiziert wird. In Abschnitt 2 wird dargestellt, unter welchen Umständen im Rahmen des MdFS Framing-Einflüsse auf normativ basiertes Verhalten prognostiziert werden. In diesem Abschnitt soll ebenfalls gezeigt werden, in welcher Hinsicht die dabei resultierenden Prognosen über die Vorhersagen der PT hinausgehen. Die vorliegenden Hypothesen werden dann in Abschnitt 3 empirisch überprüft.

1. Framing-Effekte und soziale Normen Im folgenden Abschnitt soll erstens dargestellt werden, in welcher Hinsicht die Entscheidungsrelevanz von Gerechtigkeitsnormen als Anomalie des RationalChoice Ansatzes angesehen werden muss. Dabei steht die Unterscheidung zwischen zweck- und wertrationalem Handeln im Mittelpunkt (Weber 1980: 12ff.). Es werden außerdem unterschiedliche Varianten des Gerechtigkeitskonzeptes kurz diskutiert. Zweitens wird gezeigt, dass geringfügige Veränderungen der Urteilssituation und der Problemstellung starke Einflüsse auf die Gerechtigkeitsurteile der Akteure ausüben können. Da bei diesen Framing-Einflüssen die Verwendung positiver und negativer Arten der Informationsdarstellung eine bedeutsame Rolle spielt, kann die bereits oben dargestellte PT als Erklärungsansatz herangezogen werden (vgl. für deren Darstellung Kapitel III, Abschnitt 4). Die hierbei beim ADP notwendigen Zusatzannahmen werden dargestellt und die Probleme dieser Erklärung kurz diskutiert. Zum Abschluss der Problemskizze soll argumentiert werden, dass die Entscheidungen beim ADP immer auch eine unterschiedliche Zuteilung von Überlebenschancen bewirken, so dass hier das Kriterium der Verteilungsgerechtigkeit potentiell bedeutsam sein kann.

1.1 Die Bedeutsamkeit sozialer Normen als Erklärungsproblem Bei der Verwendung von normativen Gerechtigkeitsgrundsätzen als Entscheidungskriterium bilden sich die Akteure Urteile darüber, welche Regeln der Ressourcenzuteilung als moralisch gerechtfertigt oder verwerflich angesehen werden müssen. In dieser Hinsicht können drei unterschiedliche Zuteilungsregeln und damit Bewertungskriterien für das Entscheidungsverhalten als relevant angesehen werden (Deutsch 1975; Müller & Hassebrauck 1993). Dabei handelt es sich erstens um das Gleichheitsprinzip, bei dem die verfügbaren Ressourcen in jedem Fall gleichmäßig auf die Mitglieder der betreffenden Gruppe aufgeteilt werden sollen. Beim Bedürfigkeitsprinzip als zweite Zuteilungsregel wird dagegen immer die relative Deprivation der Gruppenmitglieder im Hinblick auf das zu verteilende Gut berücksichtigt. Eine gerechte Verteilung in diesem Sinne maximiert somit die Wohlfahrt der Gesamtpopulation. Bei der Verwendung des Leistungsprinzips als drittes Kriterium muss eine gerechte

Framing-Effekte und soziale Normen

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Ressourcenverteilung den relativen Beiträgen der Akteure bei der Bereitstellung des betreffenden Gutes entsprechen. Wenn eines dieser Gerechtigkeitsprizipien als anwendbar angesehen wird, so folgen die Akteure in der Basisversion der Theorie normativen Handelns den betreffenden Bewertungsstandards in einer wertrationalen Art und Weise. Die wertrationale Befolgung normativer Handlungskriterien widerspricht der zweckrationalen Konzeption des Entscheidungsverhaltens im konventionellen Rational-Choice Ansatz (Hopf 1986). Im ersten Fall wird die Befolgung sozialer Normen durch die Akteure als Selbstzweck und moralische Verpflichtung angesehen: Eine Abwägung mit anderen Zielen finden dabei nicht statt. Dagegen erfolgt beim zweckrationalen Typ des Handelns immer eine gründliche Analyse des relativen Beitrags der Handlungsalternativen zur Realisierung aller Akteursziele. Eine intrinsische Motivation zur Befolgung sozialer Normen wird im Rahmen einer konventionellen Rational-Choice Erklärung zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen, allerdings wird normalerweise angenommen, dass diese im Konfliktfall durch extrinsisch orientierte Ziele dominiert wird. Soziale Normen lassen sich prinzipiell in den ökonomischen Erklärungsansatz integrieren, indem dieser durch intrinsische Nutzenaspekte aus der Befolgung moralischer Imperative - beispielsweise durch den Wert eines „guten Gewissens" - erweitert wird. Normkonformes Verhalten beinhaltet dann allerdings nur eine Zielsetzung unter vielen und muss somit als das Ergebnis kalkulierender Entscheidungsprozesse angesehen werden (Baron 1993). Bei dieser Erklärungsstrategie verlieren soziale Normen ihren wertrationalen Charakter als verbindliche, von der Gesellschaft vorgeschriebene und moralisch basierte Handlungsimperative. Der angesprochene Widerspruch zwischen einer instrumenteilen Orientierung und dem wertrationalen Geltungsanspruch sozialer Normen kann am Beispiel der Zuteilung von Organen zur Transplantation verdeutlicht werden. Auf der Grundlage sozialer Nonnen wäre hier zu erwarten, dass die Zuteilung in einer fraglosen Art und Weise den oben skizzierten Gerechtigkeitsnormen folgen sollte. Wird dagegen von einer rein instrumenteilen Orientierung der Entscheider ausgegangen, so handelt es sich um ein Optimierungsproblem im Hinblick auf den effizienten Einsatz knapper Ressourcen. Bei der Organzuteilung sollte dann ausschließlich die Erfolgswahrscheinlichkeit der Organverpflanzung für die Rettung möglichst vieler Menschenleben im Mittelpunkt stehen (Elster 1993). Wird davon ausgegangen, dass die Bewertung der Handlungsoptionen durch beide Zielsetzungen - der moralischen Angemessenheit und dem Effizienzkriterium - gesteuert wird, so stellt sich bei widersprüchlichen Implikationen der beiden Selektionskriterien die Frage, welches Entscheidungsverhalten prognostiziert werden soll. Ohne eine Antwort auf diese Frage, ermöglicht eine rein additive Integration der beiden Nutzenkomponenten zwar formal eine Berücksichtigung sozialer Normen im Rational-Choice Ansatz, der Preis hierfür muss allerdings im Verlust einer klaren Prognose über das zu erwartende Entscheidungsverhalten gesehen werden.

210

VII. Determinanten schemabasierter

Framing-Effekte

1.2 Framing-Effekte bei normativem Verhalten als

Erklärungsproblem

Bei einer ganzen Serie von Untersuchungen konnte festgestellt werden, dass die Akteure bei Bewertungen im wirtschaftlichen Bereich Gerechtigkeitskriterien heranziehen, wobei die resultierenden Urteile zusätzlich durch unterschiedliche Kontextfaktoren beeinflusst werden. Bei diesen Studien sollen die Befragten - es handelt sich um eine allgemeine Bevölkerungsstichprobe - das fiktive Verhalten von Firmen gegenüber ihren Kunden und Mitarbeitern bewerten. Es werden den Befragten hierbei Szenarien in unterschiedlichen Versionen vorgelegt, in denen die Firmen entweder Preiserhöhungen oder Lohnsenkungen durchführen (Kahneman, Knetsch & Thaler 1986a; 1986b). Die dabei resultierenden Unterschiede zwischen den Problemstellungen müssen im Rahmen des ökonomischen Erklärungsmodells als irrelevant angesehen werden. Dennoch werden zwischen den Darstellungsversionen erhebliche Unterschiede in den jeweils resultierenden Gerechtigkeitsurteilen beobachtet. Diese Unterschiede werden als Framing-Effekte interpretiert. Im Rahmen der angesprochenen Studie kann erstens gezeigt werden, dass sich die Beziehungsqualität zwischen Arbeitgeber und Mitarbeiter auf die Beurteilung identischer Lohnkürzungen auswirkt (Kahneman, Knetsch & Thaler 1986a: 730ff.). Die Befragten sollen bei den verschiedenen FramingBedingungen angeben, für wie gerecht oder ungerecht sie eine Lohnkürzung bei einem neuen oder bereits längere Zeit beschäftigten Mitarbeiter beurteilen. Da die Beschäftigten in beiden Fällen die gleiche Arbeit leisten, wäre im Rahmen des Rational-Choice Ansatzes zu erwarten, dass jeweils der gleiche Lohn als angemessen angesehen wird. Entgegen dieser Prognose wird die Lohnkürzung bei der länger bestehenden Arbeitsbeziehung mehrheitlich als unfair und bei einem neuen Vertrag überwiegend als moralisch akzeptabel beurteilt: Version 1: „A small photocopying shop has one employee who has worked in the shop for six month and earns $9 per hour. Business continues to be satisfactory, but a factory in the area closed and employment has increased. Other small shops have now hired reliable workers at $7 an hour to perform jobs similar to those done by the photocopy shop employee. The owner of the photocopy shop reduces the employee's wage to $7". (N=98: Acceptable 17%; Unfair 83%). Version 2: „A small photocopying shop has one employee who has worked in the shop for six month and earns $9 per hour. Business continues to be satisfactory, but a factory in the area closed and employment has increased. Other small shops have now hired reliable workers at $7 an hour to perform jobs similar to those done by the photocopy shop employee. The current employee leaves, and the owner decides to pay a replacement $7 an hour". (N=125: Acceptable 73%>; Unfair 27%).

In weiteren Experimenten lässt sich zeigen, dass eine identische Preiserhöhung dann als besonders unfair beurteilt wird, wenn diese von den betroffenen Akteuren als Verschlechterung des Ausgangszustandes angesehen wird. So wird beispielsweise bei den Framing-Bedingungen ein Neuwagen beschrieben, dessen Preis entweder dem Listenpreis entspricht oder darunter liegt. Eine identische Preisanhebung wird dann als unfairer betrachtet, wenn die Erhöhung vom Listenpreis ausgeht und damit im Resultat über diesem Referenzpunkt liegt. Dagegen wird die Entziehung eines Preisnachlasses - also die Anhebung

Framing-Effekte und soziale Normen

211

der Kosten auf das Niveau des Listenpreises - als weniger unfair angesehen. Diese Unterschiede in der Beurteilung identischer Preisdifferenzen lassen sich nicht im ökonomischen Erklärungsansatz erfassen und werden auf die unterschiedliche Referenzpunktsetzung der Akteure zurückgeführt: Die gleichen Endergebnisse werden mental entweder als Verluste oder als Reduktion bestehender Gewinne repräsentiert (Kahneman, Rnetsch & Thaler 1986a: 732): Version 1: „A shortage has developed for a popular model of automobile, and customers must now wait two month for delivery. A dealer has been selling these cars at list price. Now the dealer prices this model at $200 above list price" (N=130: Acceptable 29%; Unfair 71%). Version 2: „A shortage has developed for a popular model of automobile, and customers must now wait two month for delivery. A dealer has been selling these cars at a discount of $200 below list price. Now the dealer sells this model at list price" (N=123: Acceptable 58%; Unfair 42%).

In einer dritten Untersuchung konnte weiterhin gezeigt werden, dass sich die unterschiedliche Darstellung identischer Lohnkürzungen auf deren FairnessBewertung auswirkt. Direkte Kürzungen des Nettolohns werden moralisch als weniger akzeptabel angesehen, verglichen mit der Bedingung, bei der eine Bruttolohnerhöhung erfolgt, diese jedoch unter der Inflationsrate liegt. Bei beiden Framing-Bedingungen führt das Verhalten der Firma zu identischen Endergebnissen: Der Nettolohn reduziert sich um den gleichen Betrag. Die beobachteten Bewertungsunterschiede werden dadurch erklärt, dass die Oberflächenstruktur des Entscheidungsproblems bei einer direkten Senkung des Nettolohnes eine Verschlechterung und damit die Angemessenheit eines Verlust-Frames signalisiert. Dagegen nehmen die Akteure bei Anhebung des Bruttogehaltes eine scheinbare Verbesserung wahr, ohne dass hierbei die Inflationsrate berücksichtigt wird (Kahneman, Knetsch & Thaler 1986a: 733): Version 1: „A company is making a small profit. It is located in a community experiencing a recession with substantial unemployment but no inflation. There are many workers anxious to work at the company. The company decides to decrease wages and salaries 7% this year" (N=125: Acceptable 38%; Unfair 62%). Version 2: „A company is making a small profit. It is located in a community experiencing a recession with substantial unemployment and inflation of 12%. There are many workers anxious to work at the company. The company decides to increase salaries only 5% this year" (N=129: Acceptable 78%; Unfair 22%).

Die Ergebnisse der dargestellten Untersuchungen zeigen insgesamt, dass sich instrumenteil irrelevante Unterschiede in der Oberflächenstruktur der Problemstellungen auf die Qualität der resultierenden Fairness-Urteile auswirken können. Die dabei beobachtete Instabilität der Bewertungen kann nicht im Rahmen des ökonomischen Grundmodells erklärt werden.

1.3 Erklärung der Effekte im Rahmen der Prospect-Theory Die im vorangegangenen Abschnitt dargestellten Kontexteinflüsse auf die Fairness-Urteile der Akteure lassen sich im Rahmen der Prospect-Theory (PT) erklären (vgl. Kapitel III, Abschnitt 4 für eine allgemeine Darstellung der The-

212

VII. Determinanten schemabasierter

Framing-Effekte

orie). Hierbei wird einerseits angenommen, dass die Fairness-Bewertungen auf der Grundlage sogenannter Referenz-Transaktionen erfolgen. Eine solche Transaktion beinhaltet den Prototyp einer fairen Austauschbeziehung, sowie die hierbei zu erwartende Verteilung von Belastungen und Vergünstigungen zwischen den Interaktionspartnern. So wird beispielsweise einer Firma der legitime Anspruch auf ein bestimmtes Ausmaß an Profit und den Arbeitnehmern ein bestimmtes Lohnniveau zugebilligt. Welche Ansprüche hierbei als angemessen angesehen werden, ergibt sich primär auf der Basis vorangegangener Transaktionen oder auf der Grundlage von Vergleichsstandards, die durch andere Austauschbeziehungen definiert werden (Kahneman, Knetsch & Thaler 1986a; 1986b). Bewirkt eine Maßnahme eine Veränderung der zugeteilten Ressourcen und damit eine Verletzung dieses Standards, so ergibt sich prinzipiell eine negative Bewertung. Dabei ist allerdings auch relevant, von welchem Status quo die Verschlechterung ausgeht. Liegt die Ausgangsverteilung oberhalb der als gerecht angesehenen Ansprüche, so wird eine Verschlechterung als Gewinn-Reduktion angesehen, ansonsten wird eine solche Veränderung mental immer als Verlust repräsentiert. Gemäß der FramingHypothese der PT ergibt sich die Qualität einer solchen Situationsdefinition aber keineswegs ausschließlich auf der Basis objektiver Ergebnisunterschiede, wie beispielsweise einer Preiserhöhung oder einer Lohnkürzung. Vielmehr muss hierbei auch die Qualität der Informationsdarstellung sowie der gesamte Kontext der Entscheidungssituation berücksichtigt werden (Tversky & Kahneman 1986). Da wahrgenommenen Verlusten im Vergleich zu gleich großen Gewinnen ein größeres Gewicht zukommt, wirken sich derartige Unterschiede in der Akteursperspektive auf die Bewertung objektiv identischer Handlungsresultate aus. Demnach wird eine Maßnahme als mehr oder weniger ungerecht angesehen, wenn eine objektive Verschlechterung aus der Perspektive eines Verlust- beziehungsweise Gewinn-Frames bewertet wird.

1.4 Probleme der Erklärung im Rahmen der Prospect-Theory Das Hauptproblem bei der skizzierten Erklärung kann darin gesehen werden, dass die Entstehungsbedingungen der Gerechtigkeitsurteile nicht ausreichend differenziert angegeben werden können. So lassen sich bei der Erklärung individuelle und vor allem gruppenspezifische Unterschiede in der Verankerung sozialer Normen nicht berücksichtigen. Obwohl es sich hierbei prinzipiell um sozial geteilte Bewertungsstandards handelt, muss dennoch auf der Grundlage verschieden intensiver Sozialisationsprozesse mit derartigen Unterschieden in der Stärke einer normativen Einstellung gerechnet werden (Crott & Roßrucker 1974; Hager, Schmuck & Mecklenbräuker 1996; Schwartz 1975). Weiterhin liegen im Bereich der „Social Cognition"-Forschung Belege dafür vor, dass sich aktivierte soziale Normen nicht unter allen Umständen auf das Verhalten der Akteure auswirken. So erweisen sich Fairness-Normen vor allem in neuen und komplexen Entscheidungssituationen als relevant. Unter diesen Bedingungen verfugen die Akteure nur in geringem Umfang über kognitive Ressourcen zur Verwendung komplexerer Verfahren der Entscheidungsfindung und damit zur Kontrolle der aktivierten Normen. Weiterhin erweisen sich An-

Framing-Effekte und soziale Normen

213

reize für eigennütziges Verhalten als relevant: Unter dieser Bedingung wird die Handlungsrelevanz von Gerechtigkeitsnormen in starkem Ausmaß reduziert (Messick 1993). Es kann außerdem bezweifelt werden, ob die dichotome Kategorisierung der Situationsdefinitionen in Gewinn- und Verlust-Frames als hinreichend allgemeines Framing-Konzept angesehen werden kann. So lässt sich argumentieren, dass die situational wahrgenommene Relevanz sozialer Normen durch erlernte Verknüpfungen mit gesellschaftlich definierten und institutionalisierten Regelsystemen bestimmt wird. Damit sollten generell alle Situationsmerkmale zu einer Aktivierung der betreffenden normativen Regeln führen, durch die eine solche Verbindung in der Handlungssituation aktualisiert wird. Entsprechend konnte gezeigt werden, dass der institutionelle Kontext einen deutlichen Einfluss auf die Bedeutsamkeit von Fairness-Urteilen ausübt (Isaac, Mathieu & Zajac 1991). Die gleiche Schlussfolgerung ergibt sich auch, wenn der Einfluss der speziellen Institution der Besitzrechte für die resultierenden Gerechtigkeitswahrnehmungen untersucht wird (Frey & Bohnet 1995). Auch die Qualität sozialer Beziehungen erweist sich in dieser Hinsicht als relevant: Die Bedeutsamkeit von Gerechtigkeitsnormen für die Bewertung von Austauschbeziehungen reduziert sich beispielsweise dann in starkem Umfang, wenn es sich um eine Rollenbeziehung zwischen einem Händler und einem Kunden handelt, so dass ein enger Bezug zur Institution des ökonomischen Marktes besteht (Ligthart & Lindenberg 1994; Lindenberg 1993). Entsprechend muss eine vollständige Prognose der Randbedingungen für die Entstehung von Framing-Einflüssen auf die Handlungsrelevanz sozialer Normen immer auch die institutionellen Bezüge im jeweiligen Handlungsfeld berücksichtigen und sollte sich nicht auf den Spezialfall von Gewinn- beziehungsweise Verlust-Frames beschränken (Elliott, Hayward & Canon 1998). Die angesprochenen Randbedingungen für die Existenz normativ fundierter Handlungswahlen und der Entstehung von Framing-Effekten lassen sich im Rahmen der PT nicht berücksichtigen. Der Erklärungsansatz erweist sich in dieser Hinsicht einerseits als nicht allgemein genug, da ausschließlich gewinnund verlustorientierte Arten der Situationsdefinition einbezogen werden. Andererseits werden auch bei diesen Anwendungsfällen die Randbedingungen für die Entstehung einer normativen Orientierung und deren Handlungsrelevanz nicht vollständig spezifiziert. Insofern muss die Angemessenheit der PT zur Prognose schemabasierter Framing-Effekte angezweifelt werden.

1.5 Eignung des ADPs zur Analyse schemabasierter

Framing-Effekte

Im folgenden soll argumentiert werden, dass es sich beim ADP um einen geeigneten Anwendungsfall für die vergleichende Analyse der Prognosen der PT und den Vorhersagen des MdFS als alternative Erklärungen schemabasierter Framing-Effekte handelt. Da die Handlungsoptionen beim ADP in unterschiedlichem Umfang mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz übereinstimmen, kann argumentiert werden, dass bei dieser Problemstellung Fairness-Normen potentiell entscheidungsrelevant sind. Bei der sicheren Handlungsoption wird angegeben, dass ein bestimmter Teil der von der Krankheitsepidemie betroffenen Menschen gerettet bzw. sterben wird. Die Ergebnisse dieser Alternative

214

VII. Determinanten schemabasierter

Framing-Effekte

beinhaltet somit eine faktische Ungleichbehandlung der betroffenen Menschen46. Ob die Auswahl der beiden Gruppen auf der Grundlage fairer Kriterien erfolgt, bleibt vor dem Hintergrund der vorliegenden Angaben ebenfalls unklar. So sind beispielsweise Selektionskriterien wie Reichtum, Macht oder körperliche Stärke denkbar, die keineswegs den Ansprüchen einer fairen Chancenzuteilung entsprechen. Den Bewertungsstandards von Gerechtigkeitsnormen entsprechend muss die sichere Entscheidungsoption somit als unbefriedigende oder als zumindest höchst zweifelhafte Problemlösung angesehen werden. Im Kontrast hierzu ist die Verwendung der riskanten Option in starkem Umfang mit Gerechtigkeitsgrundsätzen vereinbar. Bei der Anwendung dieser Alternative ist einerseits eine vollständig ergebnismäßige Gleichbehandlung der betroffenen Personen garantiert: Je nach Ausgang des probabilistischen Prozesses werden alle Menschen gerettet oder sterben. Auch das Bewertungskriterium prozeduraler Gerechtigkeit kann bei dieser Handlungsoption als erfüllt angesehen werden: Jeder erkrankten Person wird die gleiche und in einer probabilistischen Art und Weise formulierte Überlebenschance zugeteilt. Es kann insgesamt festgestellt werden, dass sich die beiden Handlungsoptionen deutlich in der Erfüllung von Gerechtigkeitsnormen unterscheiden, wobei die riskante Alternative in dieser Hinsicht die attraktivere Lösung des Entscheidungsproblems darstellt. Für die Vermutung, dass die Akteure beim ADP Fairness-Normen in der Form von Gleichheitsgrundsätzen als entscheidungsrelevant ansehen, lassen sich auch empirische Belege anführen. Bei der in Kapitel VI, Abschnitt 1 dargestellten Untersuchung wurden alle Versuchspersonen im Anschluss an ihre Entscheidung gefragt, ob für sie die notwendige Auswahl der mit Sicherheit überlebenden beziehungsweise sterbenden Personen bei der Anwendung der sicheren Alternative ein entscheidungsrelevanter Faktor war47. Die Ergebnisse zeigen, dass immerhin 48 Prozent der Akteure dieses Auswahlproblem als bedeutsam angesehen haben. Die Formulierungsversionen beim ADP können im Rahmen der PT als Operationalisierung für das Vorliegen eines Gewinn- oder Verlust-Frames bei der Untersuchung des Framings von Gerechtigkeitsnormen angesehen werden. Auch hier ist bei der positiven Art der Informationsdarstellung ein GewinnFrame und bei einer negativen Ergebnisformulierung ein Verlust-Frame zu erwarten: Beim Vorliegen eines Verlust-Frames prognostiziert die Theorie, dass die Benachteiligung einer bestimmten Personengruppe als ungerechter angesehen werden sollte. Auch im Rahmen des MdFS lassen sich die unterschiedlichen Formulierungsversionen als Determinanten der Normaktivierung

46

47

Bei der Problemstellung liegen keine Informationen dafür vor, dass eine Ungleichbehandlung der Betroffenen auf der Grundlage unterschiedlicher Bedürftigkeit oder gar den verschiedenen Beiträgen der Betroffenen zur Bereitstellung der Überlebenschancen gerechtfertigt werden könnte. Daher kann nur der Gleichbehandlungsgrundsatz als Ausdruck einer gerechten Zuteilungsregel als anwendbar angesehen werden. Die genaue Frageformulierung lautet wie folgt (in kursiver Schrift die Varianten bei positiver und negativer Formulierung): „War das Problem der Auswahl der mit Sicherheit überlebenden/sterbenden Personen bei Anwendung von Programm Α für Sie ein Faktor bei der Entscheidung zwischen den beiden Programmen?" Aj: „Ja"; Ay. „Nein". Die Frage wurde 1215 Versuchspersonen gestellt.

Framing-Effekte und soziale Normen

215

und damit als Umsetzung der Framing-Bedingungen interpretieren (zur Darstellung der Brückenhypothese vgl. Abschnitt 3.2 in diesem Kapitel). Prinzipiell kann das ADP somit als geeignete Problemstellung zur Untersuchung von Framing-Einflüssen auf die Entscheidungsrelevanz von FairnessNormen angesehen werden. Entsprechend ist es hier möglich, die Vorhersagen der PT und die konkurrierenden Prognosen des MdFS als Erklärung schemabasierter Framing-Effekte zu überprüfen. Die unterschiedlichen Determinanten ambiguitäts-, heuristik-, und schemabasierter Framing-Effekte können daher bei der gleichen Problemstellung analysiert werden, so dass die Erklärungskraft jedes einzelnen Faktors unter statistischer Kontrolle der jeweils anderen Parameter untersucht werden kann. Dies ist daher von großer Bedeutung, da mit Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Entstehungsprozessen der Effekt-Typen gerechnet werden muss. Einerseits spielt die Elaboriertheit des Verarbeitungsmodus sowohl bei der Entstehung heuristikbasierter FramingEffekte wie auch beim schemabasierten Framing-Typ eine zentrale Rolle. Durch die unterschiedlichen Modi wird im ersten Fall die Wirksamkeit der Informationssalienz als Entscheidungsheuristik und beim zweiten Framing-Typ das Einflusspotential aktivierter Fairness-Normen gesteuert. Die wahrgenommene Ambiguität über den Inhalt der ungenannten Ergebniskomponenten beinhaltet andererseits einen zentralen Bestimmungsfaktor der ambiguitätsbasierten Framing-Einflüsse und steuert außerdem die wahrgenommene Anwendbarkeit von Fairness-Normen als Entscheidungskriterium (vgl. hierzu genauer Abschnitt 3.2 in diesem Kapitel). Während ein Anstieg der Ergebnisunsicherheit somit die Stärke ambiguitätsbasierter Framing-Effekte erhöht, reduziert sich gleichzeitig die Aktivierung von Fairness-Normen und somit die Entstehung schemabasierter Einflüsse auf das Entscheidungsverhalten.

2. Prognosen des Modells der Frame-Selektion Die Entscheidungsrelevanz von Fairness-Normen und die Entstehungsbedingungen der hierbei beobachteten Framing-Einflüsse können auf der Grundlage des MdFS erklärt werden (Esser 1996; 2001; vgl. bereits Kapitel IV, Abschnitt 2.2 für eine allgemeine Darstellung der Theorie). Insofern können Prognosen darüber abgeleitet werden, unter welchen Umständen die Akteure beim ADP Fairness-Grundsätze als Entscheidungsgrundlage heranziehen. Bei dieser Erklärung werden soziale Nonnen als Bewertungsschemata aufgefasst, deren Aktivierung durch Framing-Einflüsse beeinflusst werden kann. Entsprechend wird im ersten Schritt der Modellierung prognostiziert, unter welchen Umständen mit der Aktivierung einer normativen Einstellung bei den Akteuren gerechnet werden muss. Auf der Grundlage eines zweiten Schrittes lassen sich dann jene Bedingungen vorhersagen, unter denen eine aktive Kontrolle dieser spontan aktivierten Bewertungskriterien zu erwarten ist. Der Inhalt sozialer Normen ist im Gedächtnis der Akteure zusammen mit Informationen darüber gespeichert, in welchen prototypischen Situationen eine

216

VII. Determinanten schemabasierter

Framing-Effekte

Anwendung als angemessen angesehen werden kann. Wie bei jeder Form von Schemata steigt die Aktivierbarkeit dann an, wenn die Verankerungsstärke der Norm zunimmt. Eine Normaktivierung wird außerdem umso wahrscheinlicher, je größer die Passung zwischen den erlernten Anwendungsbedingungen der Norm und den Merkmalen der aktuellen Handlungssituation ausfällt. Einflüsse der Framing-Bedingungen sind dann zu erwarten, wenn durch die Veränderungen in der Oberflächenstruktur des Entscheidungsproblems dessen Typikalität als Anwendungsfall eines normativen Schemas beeinflusst wird. Die situational gesteuerte Aktivierung normativer Bewertungskriterien als Ausgangspunkt für die Entstehung von Framing-Effekten muss somit durch die interaktive Wirksamkeit der Normstärke und der Angemessenheitswahrnehmung durch die Akteure erklärt werden. Außerdem kann die Verwendung sozialer Normen als Entscheidungsgrundlage als besonders einfache und kognitiv sparsame Entscheidungsheuristik angesehen werden (Messick 1993). Durch den Regelcharakter der normativen Imperative sind bei deren Anwendung nur geringe Informationsmengen notwendig, so dass die Ansprüche an die Informationsverarbeitungsfähigkeiten der Akteure stark eingeschränkt sind. Auch sind soziale Normen - wie alle Schemata - in ganzen Klassen von Entscheidungssituationen anwendbar, so dass aufwendige Einzelfallentscheidungen überflüssig sind. Die Wahrscheinlichkeit für die Verwendung normativer Entscheidungskriterien sollte demnach ansteigen, wenn verstärkt kognitive Beschränkungen vorliegen. Aber auch Anreize gegen die automatische und wertrationale Verwendung einer normativen Heuristik müssen in dieser Hinsicht als relevant angesehen werden: Je stärker das normative Verhalten die Realisierung anderer Ziele beeinträchtigt, desto eher sollten die Akteure zur Kontrolle aktivierter Schemata neigen. Diese beiden Einflussdimensionen - das Ausmaß der kognitiven Fähigkeiten und die Akteursmotivation - sowie deren Zusammenspiel bestimmen zusammengenommen die Elaboriertheit des Verarbeitungsmodus und damit, in welchem Umfang die Entscheidungsrelevanz aktivierter Normen kontrolliert wird. Da schemabasierte Framing-Effekte ausschließlich auf der Entscheidungsrelevanz aktivierter sozialer Normen beruht, beinhaltet der Verarbeitungsmodus gleichzeitig eine notwendige, nicht aber hinreichende Bedingung für die Entstehung der Framing-Einflüsse. In den folgenden beiden Abschnitten soll nun die Gesamtheit der Prognosen darüber abgeleitet werden, unter welchen Umständen mit normativ basiertem Entscheidungsverhalten und Framing-Einflüssen in dieser Hinsicht gerechnet werden muss. Diese Prognosen lassen sich mit jenen der PT vergleichen und bilden die Grundlage für die danach folgende empirische Analyse.

2.1 Selektion des Modells der

Entscheidungssituation

Bei der Anwendung des MdFS wird angenommen, dass die Akteure immer eine Selektion zwischen dichotom organisierten Modellen der Handlungssituation und den dabei jeweils dominanten Zielorientierungen vornehmen. In dieser Hinsicht kann beim ADP zwischen einer normativ-wertrationalen und einer instrumentell-zweckrationalen Akteursorientierung unterschieden werden. Nehmen die Entscheider eine normative Orientierung ein, so dominiert das Ziel

Prognosen des Modells der Frame-Selektion

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einer gleichen und damit gerechten Verteilung der Überlebenschancen. Dagegen streben die Akteure bei einer instrumenteilen, an Effizienz orientierten Einstellung die Maximierung der insgesamt überlebenden Anzahl der Personen an. Die Gültigkeit einer normativen Orientierung impliziert somit eine spezifische Bewertung der Handlungsoptionen, ein bestimmtes Entscheidungsverhalten und entsprechende Konsequenzen. Die Bewertung dieser Konsequenzen wird durch das Nutzenpotential U Q U A L repräsentiert und in die Modellierung eingeführt. Dagegen beinhaltet U)NST die Bewertung der Konsequenzen jener Handlungsoption, die im Rahmen einer instrumentellen Zielorientierung gewählt würde. Ob das Befriedigungspotential UEQUAL aus einer normativen Situationsdefmition realisiert werden kann, hängt davon ab, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein normatives Schema aktiviert wird. Diese Wahrscheinlichkeit wird durch den Matching-Parameter mEQUAL erfasst, während eine instrumenteile Orientierung entsprechend dem komplementären Gewicht (l-mEQUAL) als angemessen angesehen wird. Die Gesamtbewertung eines normativen Situationsmodells lässt sich somit durch den subjektiven Erwartungsnutzen S E U e q u a l ausdrücken. Dieser Parameter beinhaltet die Bewertung der Handlungskonsequenzen unter der Vorbedingung einer erfolgreichen Normaktivierung, während die der ansonsten vorliegenden instrumenteile Orientierung durch den Parameter S E U D M S T erfasst wird: E

SEUEQUAL

SEUINST=

=

HIEQUAL 'UEQUAL

(l-m EQUAL ) ' U L M S T

SEUEQUAL SEUINST UEQUAL UINST

mEQUAL (1 -mEQUAL)

(7.1a) (7.1b)

Subjektiv erwarteter Nutzen einer normativen Situationsdefinition. Subjektiv erwarteter Nutzen einer instrumenteilen Situationsdefinition. Nutzenpotential einer normativen Situationsdefinition. Nutzenpotential einer ergebnisorientierten Situationsdefinition. Aktivierungswahrscheinlichkeit einer normativen Situationsdefinition. Wahrscheinlichkeit einer ergebnisorientierten Situationsdefinition.

Die Akteure ziehen dann ein normatives Situationsmodell zur Strukturierung und Vereinfachung der Entscheidungssituation heran, wenn die Ungleichung S E U Q L > S E U M S T und damit die folgende Übergangsbedingung von einer instrumentellen hin zu einer normativen Situationsdefinition erfüllt ist: E

U A

UINST/UEQUAL

< mEQUAL/(l-mEQUAL)

(7.2)

Der Parameter m E Q U A L setzt sich dabei aus drei Teilkomponenten zusammen, aus deren Zusammenspiel sich die Aktivierungswahrscheinlichkeit des normativen Schemas ergibt. So müssen die Fairness-Normen erstens generell nur dann als entscheidungsrelevant angesehen werden, wenn sich die Handlungsoptionen in Hinblick auf die Gleichbehandlung der betroffenen Personen unterscheiden: Mit steigenden Unterschieden in dieser Hinsicht nimmt die Passung B R E C O N zwischen der aktuellen und einer typischen Anwendungssituation von Fairness-Normen zu48. Die zweite Determinante des Matching-Parameters 48

Im MdFS wird der Parameter mpRECoN nicht ausdrücklich in die Modellierung einbezogen. Vielmehr wird stillschweigend angenommen, dass die jeweiligen normativen Kriterien für

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VII. Determinanten schemabasierter

Framing-Effekte

kann im Ausmaß der Normverankerung im Gedächtnis der Entscheider gesehen werden: Somit nimmt die Größe des Parameters mACCESS mit der Stärke der normativen Einstellung zu, so dass ceteris paribus auch die Wahrscheinlichkeit einer Normaktivierung ansteigt. Die dritte Teildeterminante der Normaktivierung wird durch das Ausmaß bestimmt, mit dem die aktuell vorliegende Entscheidungssituation die Merkmale einer typischen Anwendungssituation von Fairness-Normen beinhaltet: Je mehr Signale und symbolische Verweise eine Verbindung mit dem Fairness-Grundsatz nahe legen, desto größere Werte nimmt der Parameter mAPROp an. Dieser dritte Parameter erfasst generell die Wirksamkeit von Prime-Stimuli und speziell den Einfluss der FramingBedingungen für die Aktivierung der normativen Orientierung. Dieser Parameter nimmt unterschiedliche Werte an, wenn durch die wechselnden Oberflächenmerkmale der Formulierungsbedingungen eine unterschiedlich starke, symbolisch fundierte Verbindung zum Fairness-Prinzip hergestellt wird. Da für eine perfekte Normaktivierung die drei genannten Bedingungen gleichzeitig erfüllt sein müssen, gehen diese in einer multiplikativen Weise verknüpft in die Modellierung ein: H I E Q U A L

H E Q U A L

=

m

(mpREcoN

AccEss rnAPROp)

(7.3)

Durch Einsetzen der Einzelkomponenten der Angemessenheitswahrnehmung in Formel 7.2 ergibt sich folgende Bedingung für den Wechsel von einer instrumenteilen hin zu einer normativen Art der Situationsorientierung: (UJNST/UEQUAL)