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German Pages 640 Year 2003
WOLFGANG G. RENNER
Föderalismus im Umweltrecht der Vereinigten Staaten und der Europäischen Gemeinschaft
Schriften zum Umweltrecht Herausgegeben von Prof. Dr. Michael Kloepfer, Berlin
Band 125
Föderalismus im Umweltrecht der Vereinigten Staaten und der Europäischen Gemeinschaft Von
Wolfgang G. Renner
Duncker & Humblot . Berlin
Der Rechtswissenschaftliche Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg hat diese Arbeit im Jahre 2002 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten
© 2003 Duncker & Humblot GmbH, Berlin
Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-4247 ISBN 3-428-10977-5 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
e
Meinen Eltern
Vorwort Das Projekt der vorliegenden Arbeit entstand aus der Auseinandersetzung mit dem Umwelt- und Verfassungsrecht der Vereinigten Staaten im Rahmen meines Studiums an der Tulane Law School im Studienjahr 1995/96. Die Arbeit wurde im Mai 2001 an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der AlbertLudwigs-Universität Freiburg eingereicht und in dieser Fassung zur Promotion angenonunen. Die Arbeit wurde mit "summa cum laude" bewertet und mit dem Werner-von-Simson-Preis 2002 ausgezeichnet. Mein Betreuer, Herr Professor Dr. Rainer Wahl von der Universität Freiburg, gab mir weitreichende Freiheit und sinnvolle Unterstützung sowie Denkanstöße bei der selbständigen Bearbeitung des gewählten Themas. Ich möchte ihm an dieser Stelle ganz herzlich danken. Mein Dank gilt auch meinem Zweitkorrektor, Herrn Professor Dr. Dietrich Murswiek (ebenfalls Universität Freiburg). Ferner möchte ich mich auch bei meiner Familie, meinen Freunden und meinen Kollegen, vor allem fiir ihre schier unerschöpfliche Geduld und Nachsicht in den vergangenen Jahren, bedanken, insbesondere Kristina Bauer, Sabine Klingan, M.A. und Dr. jur. Steffen Wesche, M.A. München, im Sonuner 2002
Wolfgang Renner
Inhaltsübersicht
Einführung
33
§ 1 Eingrenzung der Untersuchung .......................................................................... 33 §2
Gang der Darstellung ........................................................................................... 44
§3
Die Problematik der Regelungsebene für Umweltschutzbestimmungen: Gründe für und gegen ein zentral vorgegebenes Umweltrecht. ...................... 45 Teill
Umweltrechtliche Handlungsspielräume des Bundes in den Vereinigten Staaten §4
55
Kurze Einführung in das Recht der Vereinigten Staaten ................................ 55
§ 5 Bundeskompetenzen ............................................................................................ 59 §6
Grenzen der Ausübung von Bundeskompetenzen gegenÜber den Gliedstaaten in den USA im Umweltrecht der USA (federalism-based limits) ................................................................................................................... 121 Teil 2
Umweltrechtliche Handlungsspielräume der Gemeinschaftsebene in der Europäischen Gemeinschaft
221
§7
Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaft... ........................................... 221
§8
Grenzen der Ausübung von Gemeinschaftskompetenzen gegenÜber den Mitgliedstaaten .................................................................................................... 264
§ 9 Vergleich der Befugnisse der oberen föderalen Ebene in den USA und der EG.......................................................................................................... 355
10
Inhaltsübersicht
Teil 3
Umweltrechtliche Handlungsspielräume der Gliedstaaten der USA
377
§ 10 Föderale Konflikte durch einzelstaatliches Umweltrecht... ........................... 377
§ 11 Kompetenzen der Gliedstaaten der USA ......... ............................................... 378 § 12 Bundesgesetzgebung mit Sperrwirkung im Bereich konkurrierender
Kompetenzen: federal preemption .................................................................. 381
§ 13 Handlungsspielräume bei Nichtexistenz von Bundesrecht mit Sperr-
wirkung .......................................................................................................... .... . 408 Teil 4
Umweltrechtliche Handlungsspielräume der EG-Mitgliedstaaten
475
§ 14 Kompetenzen der Mitgliedstaaten .................................................................. .475 § IS Verbleibende mitgliedstaatliche Handlungsspielräume bei Existenz
sekundären Gemeinschaftsrechts ................................................................... .480
§ 16 Handlungsspielräume bei Nichtexistenz sekundären Gemeinschaftsrechts .................................................................................................................. 520 § 17 Vergleich der Befugnisse der unteren föderalen Ebene in den USA und der EG......................................................................................................... .584 § 18 Vergleichende Betrachtung des Verhältnisses der beiden Ebenen zueinander .......................................................................................................... ......... .593 § 19 Schlussbetrachtung: Zehn Thesen zur Fortentwicklung der Aufgaben-
verteilung zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten im Umweltrecht der EG....................................................................................................... 606 Literaturverzeichnis
608
Personen- und Sachwortregister
631
Inhaltsverzeichnis Einführung
33
§ 1 Eingrenzung der Untersuchung .................................................. ....................... 33 I.
Einleitung ..................................................................................................... 33
II. Föderalismus als Organisationsprinzip staatlicher Systeme ...........................36 1. Die Bandbreite des Begriffs Föderalismus ............................................... 36 2. Abgrenzung gegenüber anderen Organisationsprinzipien ........................ 41 III. Äußere Bedingungen fiir die Aufgabenverteilung im Umweltrecht der USA und der EG............................................... ...................... ....................... .42
§2
Gang der Darstellung........................................................................................ .44
§3
Die Problematik der Regelungsebene für Umweltschutzbestimmungen: Gründe für und gegen ein zentral vorgegebenes Umweltrecbt.. .................... .45 1.
Gründe fiir Umweltrecht auf der oberen Ebene (Bundes- bzw. Gemeinschaftsebene) ................................................................................................. .46 1. Verhinderung eines Negativwettbewerbs bei Umweltstandards (race to the bottom) ....................................... ........ ............................................ 46 2. Verhinderung protektionistischer Maßnahmen ........................................ 47 3. Grenzüberschreitende Auswirkungen von Umweltschäden und grenzüberschreitende Lebensräume .................... ........ ............................. ......... 47 4. Repräsentation berührter Interessen ........................................................ .48 5. Wirtschaftliche Vorteile ........................................................................... 49 6. Verbesserung der internationalen Verhandlungsposition ......................... 50
II. Gründe für ein Umweltrecht auf einer unteren Ebene (gliedstaatliche bzw. mitgliedstaatliche oder lokale Ebene) ............................................................. 50 1. Mangelnde Berücksichtigung geographischer, ökologischer, rechtlicher und anderer Unterschiede in zentral vorgegebenen Regelungen ...... 51 2. GliedstaatenlMitgliedstaaten als "regulatorische Laboratorien" .............. 51
12
Inhaltsverzeichnis 3. Bessere Vertrautheit lokaler Behörden mit lokalen Problemen und höhere Akzeptanz ortsnaher Verwaltung .............. .... ......... ...................... 53 4. "Nähere" demokratische Legitimation örtlicher Entscheidungen ............. 54 5. Mangelnde administrative und fmanzielle Ressourcen des Bundes und Wirtschaftlichkeitserwägungen ("Parallelverwaltung") ........................ '" 54
Teill UmweltrechtUche Handlungsspielräume des Bundes in den Vereinigten Staaten
§4
55
Kurze Einführung in das Recht der Vereinigten Staaten ............................... .55
I.
Rechtsquellen ................ ....... ............................................ ............... ...... ..... .... 55
H. Legislative und Exekutive .................... ............. ........ ...... .......... ............ ......... 56 III. Gerichtsaufbau ...................... ... ..................... ... ........................... ......... ...........57 IV. Rechtsfortbildung durch die Gerichte: stare decisis und overruling ............... 58
§ 5 Bundeskompetenzen ........................................................................................... 59 1. Leitlinien der Kompetenzstruktur ............ ............................... .. ...................... 59 1. Überblick zur Entstehung der geltenden Verfassung ................................ 59
2. Prinzipien der Kompetenzverteilung und Kompetenzausübung ....... ........ 62 a) Das Enurnerationsprinzip (doctrine of enurnerated powers) .............. 62 b) Vorrang des Bundesrechts: Die Suprernacy Clause ........................... 63 c) Durchführung von Sachkompetenzen unter der Necessary and Proper Clause und die doctrine of implied powers ............................. 63 3. Überblick über die einschlägigen Sachkompetenzen für die Ansiedlung der Querschnittsaufgabe Umweltschutz ............. .................. .................... 65 II. Zwischenstaatlicher Handel: Die Commerce Clause ...................................... 66 1. Historische Gründe für die Einführung der Commerce Clause ................ 66
2. Entwicklung der Rechtsprechung zur Commerce Clause ......................... 68 a) Gibbons v. Ogden ...................................................... ............ ............. 68 b) Die Phase früher wirtschaftslenkender Gesetze ................................. 70 c) Der Streit um den N ew Deal und die Nachkriegsjahrzehnte .............. 72 d) United States v. Lopez - neue Grenzen der Commerce Clause? ........ 77 aa)
Die Entscheidung des Supreme Court ...... ............. ... ..... ...........77
Inhaltsverzeichnis bb)
13
Kritische Würdigung ................................................................ 81
e) Gerichtliche Kontrolldichte: Der rational basis-Test... ....................... 84 3. Die Commerce Clause als Kompetenzgrundlage im Umweltrecht... ........ 85 a) Erfasste Regelungsbereiche mit Bezug zum zwischenstaatlichen Handel. ............................................................................................... 86 b) Verwendung von Sachargumenten tUr zentrale Regelungen in der Praxis .................................................................................................. 87 aa)
Regelung und Begrenzung zwischenstaatlicher Auswirkungen von Umweltschäden ........................................................... 87
bb)
Verkehrsfähigkeit von Produkten ............................................. 88
cc)
Ökonomischer Nutzen von Umweltgütern ............................... 88
dd)
Der Streit um die Notwendigkeit, einem Negativwettbewerb der Gliedstaaten (race to the bottom) entgegenzuwirken.......... 89
(1) Die Anerkennung des race to the bottom-Arguments in Rechtsprechung und Literatur ............................................ 89 (2) Diskussion und kritische Würdigung .................................. 90 c) Eingrenzungen in einzelnen Sachbereichen nach Lopez .................... 93 aa)
Klarstellung des Bezuges zum zwischenstaatlichen Handel... .. 94
bb)
Schutz innerstaatlicher Feuchtgebiete als Lebensraum von Zugvögeln nach dem Clean Water Act ..................................... 95 (1) Die aquatic systems rationale und die migratory birds rule .................................................................. 96
(2) Cargill, [nc. v. United States und SWANCC v. U.S. Army Corps 0/Engineers .... ......................................................... 98 cc)
Einbeziehung zukünftiger Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel... ................................................................ 10 1
dd)
Begrenzung der Altlastenhaftung nach Bundesrecht .............. 103
d) Zwischenergebnis ............................................................................ 104 III. Umweltschutz auf bundeseigenem Land: Die Jurisdiction Clause und die Propelty Clause ............................................................................................ 105 IV. Mittelbare Verhaltenssteuerung über Steuer- und Ausgabenpolitik: Die Taxing and Spending Clause ................................................................. 109
1. Reichweite der Kompetenz zur Abgabenerhebung ................................ 109 2. Ausgabenkompetenz und conditional grants .......................................... 110 a) Die Entwicklung der Rechtsprechung .............................................. 111
14
Inhaltsverzeichnis aa)
Die Spending Clause als selbständige Kompetenz für Verwendungsbedingungen: United States v. Butler ...................... l11
bb)
Zulässigkeit finanzieller Regelungsanreize bei Vermeidung von Zwang: Steward Machine Co. v. Davis und South Dakota v. Dole ........................................................................ 113
b) Kritische Würdigung ................... ..................................................... 116 V. Weitere Bundeskompetenzen ....................................................................... 118 1. Ausführung internationaler Verträge: Die treaty power ......................... 118 2. Seerecht: admiraIty and maritime jurisdiction ........................................ 120 3. Common law des Bundes ........................ ............. .................................. 121
§6
Grenzen der Ausübung von Bundeskompetenzen gegenüber den Gliedstaaten in den USA im Umweltrecht der USA (federalismbased limits) ....... 121 I.
Wer entscheidet über die Einhaltung von Grenzen? ..................................... 122
1. Verbreitete Klagen über das Ausgreifen des Bundes im Umweltrecht...122 2. Können die Gliedstaaten Bundesrecht für nichtig erklären nullification)? ................................................................................. ....................... 124 3. Müssen Zuständigkeitsbereiche der Staaten von den Gerichten vor dem Eindringen des Bundes geschützt werden oder genügen die political safeguards of federalism? ......................................................... 125 4. Zwischenergebnis ................................................................................... 128 H. Die Konzepte von Rechtsprechung und Lehre für die Grenzen der Ausübung von Bundeskompetenzen ................................................................... 129 1. Der Zehnte Verfassungszusatz und verfassungsimrnanente Beschränkungen der Bundesgesetzgebung .................................... ................. ...... 130 a) Die klassischen Interpretationsansätze: Absoluter Vorrang des Bundesrechts oder dual federalism .................................................. 130 b) Schutz traditionell gliedstaatlich geregelter Bereiche und hoheitlicher Tätigkeiten: National League 0/ Cities v. Usery .................... 132 c) Schutz durch den politischen Entscheidungsprozess: Garcia v. SAMTA und Gregory v. Ashcroft...................................................... 134 d) Trennung der politischen Verantwortung der beiden föderalen Ebenen ........................ ....... ...... ............. .................................. .... ...... 138 aa)
Wiederbelebung des judicial federalism: New York v. United States .......................................................................... 138
bb)
Dual sovereignty als direktes Trennprinzip: Printz v. United States ....................................................................................... 139
cc)
Ausnahmen vom Anordnungsverbot ...................................... 141
Inhaltsverzeichnis
15
(1) Regelungen aufgrund des Vierzehnten Verfassungszusatzes? Pennsylvania Department 01 Corrections v. Yeskey und die Rechtsprechung zu den Reconstruction Amendments ..................................................................... 141 (2) Anweisungen in allgemeinen Gesetzen? Obiter dicta seit Garcia ........................................................................ 143 (3) Besondere Verfassungsbestimmungen ............................. 144 (4) Unselbständige untergeordnete Anweisungen an die Exekutive und verwaltungsinterne Mitteilungspflichten .. 145 dd)
Kritische Würdigung der Doktrin von New York und Printz: dual federalism als Paradigma für die Zukunft? ..................... 146 (1) Zur Urteilskritik................................................................ 147 (2) Zur möglichen Fortschreibung der Argumentation in New York und Printz ......................................................... 149
2. Alternative Konzepte der Rechtslehre für verfassungsimmanente Beschränkungen ......................................................................................... 151 a) Die Guarantee Clause als Schutzschild der innerstaatlichen Strukturen der Gliedstaaten ...................................................................... 151 b) Analogien zur Bill ofRights zur Absicherung fairer Verhandlungen um die Übernahme von Staats aufgaben .................................... 152 3. Einschränkung gliedstaatlicher Verwaltung von Bundesgesetzen durch die Vesting Clause: Die unitary executive theory ........................ 153 4. Grenzen bei der Durchsetzung von Bundesrecht gegen gliedstaatliche Verstöße: Der Elfte Verfassungszusatz .................................................. 155 a) Bedeutung des Elften Verfassungszusatzes ...................................... 155 aa)
Klagen des Bundes und der Gliedstaaten ................................ 155
bb)
Klagebefugnis von Bürgern und privaten Vereinigungen ....... 156
b) Reichweite des Schutzes des Elften Verfassungszusatzes ................ 158 c) Abbedingen der gliedstaatlichen Immunität durch den Bund .......... 160 aa)
Die bisherige Rechtsprechung ................................................ 160
bb)
Die neuen Entscheidungen des Supreme Court ...................... 161
cc)
Die dogmatischen Begründungen von Abdingbarkeit und Nichtabdingbarkeit ......................... ........................................ 163
d) Praktische Folgen ............................................................................. 165 5. Subsidiarität als mögliche Leitlinie der commerce power? .................... 166
m. Gesetzgeberische Konzepte: Regelungsmodelle im Umweltrecht des Bun-
des ................................................................................................................. 169
16
Inhaltsverzeichnis 1. Historischer Überblick: Die Entwicklung der Rolle des Bundes im Umweltrecht. ............ ................... ........................................................... 169 2. Vollregelungen mit unmittelbarer Geltung für Bürger und Behörden und bundeseigener Verwaltung .............................................................. 173 a) Formen und Beispiele im Umweltrecht... ......................................... 173 b) Zulässigkeit von Bundesrecht mit Verdrängungs- oder Sperrwirkung gegenüber gliedstaatlichem Recht ..... ...................................... 175 c) Grenzen für Vollregelungen in traditionell gliedstaatlich geregelten Bereichen.......................... :........................................................ 176 aa)
Traditionelle Zuordnung von Sachbereichen zur Gliedstaatenebene als Kompetenzschranke oder Kompetenzindiz ........ 176
bb)
Umweltrecht als traditionell staatlich geregelter Bereich? ..... 177
d) Gliedstaaten als Regelungsunterworfene ......................................... 179 e) Gliedstaatliche Einflussnahme auf die Standardsetzung im Bereich der bundeseigenen Verwaltung ....... ....................... .... .... ......... 181 f)
Durchsetzung durch Bürger und private Vereinigungen .................. 182
g) Vor- und Nachteile des Modells vom Bund selbst verwalteter Vollregelungen ........................................................................... '" ... 183 3. Anweisungen an Gesetzgebung und Verwaltung der Gliedstaaten ......... 184 a) Formen und Beispiele im Umweltrecht. ........................................... l84 b) Zulässigkeit der Übertragung von Implementation und Verwaltung .................................................................................................. 185 c) Zulässige Anweisungen im Umweltbereich ..................................... 187 d) Vor- und Nachteile des Anweisungsmodells ................................... 187 4. Finanzielle Anreize und regulatorische Drohungen, um die Gliedstaaten zu einer Regelung zu veranlassen (co operative federalism) ............. 189 a) Struktur des kooperativen Modells .................................... .............. 189 b) Beispiele im Umweltrecht. ............................................................... 190 c) Selbsteintrittsrechte der Environmental Protection Agency ............. 194 d) Herbeifllhrung von Kooperation durch Drohung mit bundesrechtlicher Sperrwirlcung (preemption threats oder conditional preemption) ............................................................................................ 195 aa)
Herleitung aus der Supremacy Clause .................................... 195
bb)
Störung der politischen Verantwortungszusammenhänge (Zehnter Verfassungszusatz) oder Verstoß gegen Guarantee Clause? ......................................... ........................................... 196
Inhaltsverzeichnis cc)
17
Verstoß gegen die Einheit der Exekutive (Vesting Clause, Art. Il § 1 S. 1)? ...................................................................... 199
e) Herbeiführung von Kooperation durch bedingte Finanzzuweisungen (conditional grants) .............................................................. 200 aa)
Herleitung aus der Spending Clause ....................................... 200
bb)
Störung der politischen Verantwortungszusammenhänge (Zehnter Verfassungszusatz) und Guarantee Clause? ............. 200 (I) Die Position der Rechtsprechung ...................................... 200 (2) Kritik .... ....................................................................... ..... 202
cc)
Abgrenzung zwischen zulässigem Anreiz und unzulässiger Anweisung zu gliedstaatlicher Umsetzung und Verwaltung: Das Problem der Freiwilligkeit.. ............................................. 203
f) Zuweisung von Staatsaufgaben ohne Finanzzuweisungen (unfunded mandates) ................. ....................................................... 205 g) Vollzugsprobleme im kooperativen Föderalismus ........................... 208 aa)
Durchsetzung durch die Environmental Protection Agency ... 208
bb)
Durchsetzung durch BÜTgerklagen (citizen suits) ................... 211
h) Vor- und Nachteile des kooperativen Modells ................................. 213 5. Anregung der Gliedstaaten zu selbständigen Umweltpolitiken .............. 216 a) Formen und Beispiele im Umweltrecht.. .......................................... 216 b) Zulässigkeit. ................................................................... :.................. 217 c) Vor- und Nachteile des reinen Anreizmodells ................................. 217 6. Bundesverwaltung über Gebiete und Naturgüter in Bundeseigentum (federal management offederally owned lands and resources) .............. 218
Teil 2 Umweltrechtliche Handlungsspielräume der Gemeinschaftsebene in der Europäischen Gemeinschaft
§7
221
Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaft ..... ~ ....................................... 221
I.
Leitlinien der Kompetenz- und Entscheidungsstruktur ................................. 221 1. Prinzipien der Kompetenzverteilung und Kompetenzausübung ............. 221 a) Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung, Art. 5 Abs. 1 EG ........ 221 b) Vorrang des Gemeinschaftsrechts .................................................... 223 2. Überblick über die Entwicklung der Kompetenzen und urnweltbezogenen Vorgaben....................................................................................... 224
2 Renner
18
Inhaltsverzeichnis . 3. Rechtssetzungsverfahren, Art. 250 ff. EG ................................. ............. 225 II. Kompetenzen und weitere Vorgaben im Titel Umwelt, Art. 174 ff. EG, und in Art. 6 EG... ............................... .......................... ................ ................. 226 1. Umweltpolitische Vorgaben, Art. 174 EG ............................ ............ .... . 227
a) Rechtswirkung und Justiziabilität .................................................... 227 b) Inhalt der Vorgaben ... .... .. ...... ..... ...................................... ............ ... 228 2. Kompetenz für umweltbezogene Maßnahmen, Art. 175 EG ............. ..... 231 a) Innere Grenzen des Art. 175 Abs. 1 EG ................. ................. .. .. .....232 b) Bedeutung des Art. 175 Abs. 2 EG ............ ................... ................... 234 3. Umweltrechtliche Querschnittsklausel, Art. 6 EG .. ....... ............... ......... . 235 4. Vorrangstellung des Umweltschutzes? ...................... ..... ....... ..... ... .. .. ..... 237 III. Angleichung der mitgliedstaatlichen Rechtsvorschriften, Art. 94 ff. EG ...... 238 1. Allgemeine Harrnonisierungskompetenz, Art. 94 EG .................... ........ 238 2. Maßnahmen zur Rechtsangleichung nach Art. 95 EG .. ......... ...... ..... ...... 239 a) Regelungsgehalt ......... ........................... ................. ......... ......... ........ 239 b) Sichtbarrnachung der inneren Grenzen der Kompetenz ...................240 3. Beseitigung von Wettbewerbsverzerrungen, Art. 96 EG ... :.................... 242 IV. Weitere Gemeinschaftskompetenzen .. ..... ......... ...... .... .................................. 242 1. Befugnisnorrnen in spezifischen Politikbereichen ............................ ...... 242 2. Ausnahmekompetenz zur vertragsergänzenden Regelung, Art. 308 EG............................................................................................. 243 V. Abgrenzung zwischen dem Anwendungsbereich des Art. 175 EG und anderen Kompetenzen .......... ........................ ......... .................... ..... .... ... 244 1. Problemstellung ........................................... ...................... .... .. ...... .. ....... 244 2. Lösungsansätze in der Literatur ...... .............................. .......... ................ 246 3. Die Position des EuGH ........................................... ........... .. ... .. .. ........... 248 a) Allgemein: Doppelabstützung bei Doppelcharakter ............. ... .. ....... 248 b) Subsidiarität der Umweltkompetenz gegenüber der Binnenmarktkompetenz: Titandioxid................. ........... .... ................ .......... .. ... .....250 c) Unanwendbarkeit der Binnenmarktkompetenz bei nur nebenbei bewirkter Harrnonisierung: Tschernobyl und Abfallrichtlinie .......... 252 d) Abgrenzung zwischen Heranziehung nur einer Rechtsgrundlage und Doppelcharakter: Richtlinien zum Schutz des Waldes und Tabalcwerbeverbot ... ... ... .... ,....................... ........ .......... ... .... .......... .... 254
Inhaltsverzeichnis
19
4. Zwischenergebnis ......................................................................... .......... 255 VI. Mittelbare Verhaltenssteuerung über Abgaben- und Ausgabenpolitik: Abgabenbestimmungen und Finanzzuweisungen der Gemeinschaft ............ 256 1. Abgabenerhebung ..... ......... ..... ........ ........................... ........................ ... .. 256 a) Kompetenz zum Erlass von Abgabenbestimmungen ....................... 256 b) Abgabenhoheit und Verteilung des Abgabenaufkommens ........... ... 257 2. Finanzzuweisungen als Steuerungsinstrumente ................................... ... 258 a) Ausgabenkompetenz ........................................................................ 258 b) Anknüpfung an Bedingungen .......................................................... 258 aa)
Zweckentsprechende Mittelverwendung ................................ 259
bb)
Anknüpfung von weitergehenden Sachanforderungen ........ ...259 (1) Zusammenhang zwischen Mittelzuweisung und Umwe\tschutzanforderung besteht ......................................... 260 (2) Zus;munenhang zwischen Mittelzuweisung und Umweltschutzanforderung besteht nicht ................................ 261
§8
Grenzen der Ausübung von Gemeinschaftskompetenzen gegenüber den Mitgliedstaaten ... ............ ............... .. ................. ................................. 264
I.
Wer entscheidet? ....... .... ...... .. ...................................................................... 264 I. Entscheidungsbefugnis der Mitgliedstaaten über die Geltung oder Anwendung des Gemeinschaftsrechts? .................................................. 264 2. Der steuernde Einfluss der Mitgliedstaaten auf die Rechtssetzung: political safeguards im Gemeinschaftsrecht ..... ...................................... 268 a) Grenzen des Einflusses des Rates im Rechtssetzungsverfahren ....... 268 aa)
Die Rolle des Europäischen Parlaments neben dem Rat... ...... 268
bb)
Mehrheitsentscheidungen im Rat.. ...................... .................... 269 (1) Vertragstext ................ ...................................................... 269 (2) Außervertragliche Vereinbarungen: Luxemburger Kompromiss und Kompromiss von Ioannina ................. .......... 270
cc)
Initiativrnonopol der Kommission und quasi-selbständige Rechtssetzungsbefugnisse ....................................................... 271
b) Strukturen im politischen Entscheidungsprozess ......... .................... 272 c) Zwischenergebnis ......... ........ .................................. .. ........... ............276 H. Rechtliche Konzepte für die Beschränkung des Gemeinschaftsgesetzgebers .................................................. ....................................... ................... 277 1. Inhaltliche Beschränkungen ........ .. ................. ........................... ............. 277 2·
Inhaltsverzeichnis
20
a) Umweltbezogene Anforderungen .................................................... 277 b) Grundfreiheiten ................. ............. ....................................... ........ ... 277 2. Instrumentelle Beschränkungen ............................................................. 278 a) Gesetzgeberische Instrumente, Art. 249 EG ....................................278 b) Unmittelbare Wirkung von Richtlinien und Schadensersatz wegen Nichtumsetzung ................................. ......................................... .. ... 279 c) Verwaltungsstruktur ......................................................................... 282 aa)
Regelstruktur des indirekten Vollzugs von Gemeinschaftsrecht. ........................ ................................................................ 282
bb)
Die Funktion der Europäischen Umweltagentur ..................... 283
cc)
Ausblick. ........................................................ ......................... 286
3. Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit, Art. 5 EG ... ............................... 287 a) Bedeutungsgehalt der Prinzipien .......................................... ........ .... 288 aa)
Subsidiaritätsprinzip ................... ............................................ 288
bb)
Verhältnismäßigkeitsprinzip ................................................... 292
cc)
Verhältnis zwischen Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprinzip .................................................... ............. ............ 293
b) Justiziabilität und praktische Bedeutung .......................................... 294 III. Regelungsmodelle des gemeinschaftlichen Umweltrechts ....................... .... 297 1. Überblick: Umweltaktionsprograrnme und sekundäres Gemeinschaftsrecht. .............. ... .. ..................... ............ ..................... ...... .. ........... 297 2. Unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht und gemeinschaftseigene Verwaltung ............................................... .............. .... ............. ...... 300 a) Die Bedeutung von Verordnungen im Umweltrecht.. .... .. ................ 300 b) Unmittelbare Anwendbarkeit von Richtlinien im Umweltrecht... .... 303 c) Selbständige Verpflichtungen der Mitgliedstaaten ........................... 306 d) Gemeinschaftseigene Verwaltung im Umweltbereich ..................... 308 3. Anweisungen zu mitgliedstaatlicher Gesetzgebungs- und Verwaltungstätigkeit. ................... ....................... ......................................... ....... 309 a) Mehrstufige Struktur: Rahmenrichtlinien für die Rechtssetzung der Gemeinschaft............................................................................... 31 0 b) Formen indirekter Rechtssetzung .................................................. ... 311 c) Regelungsansätze und Regelungsdichte ............................. ...... ... ..... 315 aa)
Medienqualitätsstandards und Immissionswerte ............... ...... 315
Inhaltsverzeichnis bb)
21
Emissionsgrenzwerte .............................................................. 316 (1) Stofibezogene und emissionsquellenbezogene Emissionsgrenzwerte ............................................................... .317 (2) Kombinationen mit medienqualitätsbezogenen Standards ................................................................................. 319
cc)
Anforderungen an getahrliche Stoffe und Tätigkeiten ............ 321 (1) Gefährliche Stoffe ............................................................ 321 (2) Gefährliche Tätigkeiten .................................................... 323 (3) Umfassende lebenszyklusorientierte Vorschriften ............ 323
dd)
Einordnung produktbezogener und produktionsbezogener Standards ................................................................................ 324
ee)
Verfahrensregelungen ........................................... .................. 325
ff).
Flächenbezogenes Naturschutzrecht ....................................... 327
d) Grenzen der Anweisungsbefugnis im Umweltbereich ..................... 328 aa)
Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit .................................... 328
bb)
Beschränkung auf Ziel vorgaben ............................................. 329
cc)
Umsetzungs- und Anwendungsspielräume im Umweltbereich ......................................................................................... 330
4. Bedingte Regelungsanordnungen und Anknüpfung von Finanzzuweisungen an Bedingungen .................................................................... 333 a) Bedingte Regelungsanordnungen ..................................................... 333 aa)
Zulässigkeit einer bedingten Delegation von Durchführungsbefugnissen ............................................................................. 333
bb) Bestehende Ansätze: Bedingtes Gemeinschaftsrecht hinsichtlich des "Wie" der Durchführung (Gleichwertigkeitsvorbehalte) .............................................................................. 333 b) Bedingte Finanzzuweisungen ........................................................... 334 aa)
Vorbilder in spezifischen Sachbereichen ................................ 334
bb)
Bestehende Finanzierungsinstrumente im umweltnahen Bereich ......................................................................................... 336
5. Vollzugsprobleme des gemeinschaftlichen Umweltrechts ..................... 338 a) Bestehende Vollzugsdefizite ............................................................ 339 aa)
Umfang von VollzugsdeflZiten ............................................... 339
bb)
Gründe für Vollzugsdefizite ................................................... 340
b) Durchsetzung durch Gemeinschaftsorgane und Mitgliedstaaten...... 342
22
Inhaltsverzeichnis aal
Infonnationsbeschaffung und präventive Steuerung ............... 342
bb)
Vertragsverletzungsverfahren und Zwangsgeldverfahren, Art. 226 und 228 EG .... .......... ................................................. 344
cc)
Kapazitätsdefizite ... .......... ...................... ...... .... ...... ................ 345
c) Durchsetzung durch Gemeinschaftsbürger ..... ...................... ...........346 aal
Befassung eines mitgliedstaatlichen Gerichts ......................... 347 (1) Anregung eines Vorabentscheidungsverfahrens ............... 347 (2) Gemeinschaftsrechtliche Maßstäbe fur mitgliedstaatliche Gerichte ............................... ....... ................................ 349
bb) Befassung der Kommission: Die Umweltbeschwerde ............ 350 d) Zwischenergebnis ............................................................................ 354
§9
Vergleich der Befugnisse der oberen föderalen Ebene in den USA und der EG .............. ............................... ........ ................. ....................... .................... 355
I.
Die Kompetenzstruktur der oberen Ebene .................................................... 355 1. Umweltbezogene Kompetenzen ......... .................................................... 355 2. Auf den grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr bezogene Kompetenzen .......................................................................................................356 3. Bedeutung umweltspezifischer Befugnisnonnen .. ................ ............. .... 357 4. Anreizsysteme als Steuerungsinstrumente ............................................. 358 a) Bedingte Vollregelungen (drohende Sperrwirkung) ........................ 358 b) Bedingte Finanzzuweisungen ........ ................ ... ................. .. ........... .. 359 5. Umweltrecht als Innenrecht des Staates .... ........................... ...... .......... .. 360 6. Völkerrechtliche Vereinbarungen .......................................................... 360
U. Bewertung innerer Grenzen der Befugnisse der oberen Ebene ..................... 361 1. Bedeutung innerer Grenzen ................................... ........... ....... ............... 361 2. Praktische Wirksamkeit innerer Grenzen ......................................... ...... 361 3. Die Rolle der Rechtsprechung im Integrationsprozess .................. ......... 363 Ur. Fonnen äußerer Grenzziehungen .................................................................. 365 1. Strukturelle Grenzen ................. ............................................. ................ 365 a) Politische Schutzmechanismen ....................... ................................. 365 b) Einzelstaatliche Souveränität als Grenze ..... .................... .. .............. 366 c) Subsidiaritätsprinzip .... ................... ............................................. .... 367 d) Beschränkung auf grenzüberschreitende Sachverhalte .................... 368
Inhaltsverzeichnis
23
2. Instrumentelle Grenzen .......................................................................... 369 3. Inhaltliche Grenzen ... ..... .............. .............. ................. .. ....................... .. 371 IV. Einfaches Umweltrecht im gegenwärtigen föderalen Gefüge ....................... 372 1. Rechtsfonnen............ ................... ...... ................................... ................. 372 a) Umfassende Gesetze oder einzelne Richtlinien...... .................. ........ 372 b) Unmittelbare Regelung oder Mehr-Ebenen-Modell ......................... 373 2. Probleme der Rechtsdurchsetzung ........................ .. ........ ...... ................. 374 a) Allgemeine Unterschiede .......................................... .......................374 b) Mangelnde administrative Ressourcen ...... ....................................... 374 c) Klagebefugnis, insbesondere Bürger- und Verbandsklagen .............375
Teil 3
Umweltrechtliche Handlungsspielrllume der Gliedstaaten der USA
377
§ 10 Föderale Konflikte durch einzelstaatliches Umweltrecht.. ............................ 377 § 11 Kompetenzen der Gliedstaaten der USA ........................................................ 378 I.
Geltungsvorrang des Bundesrechts ........ ....................................................... 378
H. Die police power als Inbegriff der den Gliedstaaten verbliebenen Kompetenzen............................................................................................................ 378
III. Ausschließliche und konkurrierende Bundeskompetenzen ........................... 379
§ 12 Bundesgesetzgebung mit Sperrwirkung im Bereich konkurrierender
Kompetenzen: federal preemption .. ....................................... ......................... 3 81
I.
Herleitung der Sperrwirkung ........ ............................... .. ... ....... .................. ... 38l
II. Formen der Sperrwirkung ............................................................................. 381
III. Vermutung gegen Sperrwirkung in traditionell gliedstaatlich geregelten Bereichen .......................................... ............................................................. 385 1. Sensibilisierung des Gesetzgebers: Die clear statement rule .................. 385 2. Umfang traditionell gliedstaatlich geregelter Bereiche .......................... 387 3. Traditionell bundesrechtlich geregelte Sachverhalte .............................. 389 IV. Sperrwirkung im Bereich des Umweltrechts ................................................ 389
1. Ausdrückliche Sperrwirkung (express preemption) und ausdrückliche Vorbehalte (savings clauses) .. ................................................................ 390
Inhaltsverzeichnis
24
a) Spenwirkung nach Produktbezogenheit einer Regelung ................. 390 b) Traditionell gliedstaatliche Regelungsgegenstände und regionaler Bezug .............................. ...................... ............ ... ........ .. ....................393 c) Gliedstaatliche Spielräume neben ausdrücklichen Ausschlussoder Vorbehaltsklauseln .... .... ...... ............................... ...... ................ 395 aa)
Medienqualitätsbezogene Bestimmungen .......... ..................... 395
bb)
Übernahme gliedstaatlicher Anforderungen in Bundesrecht .. 395
cc)
Abweichungen mit Zustimmung des Bundes ......................... 396
2. Verdrängung gliedstaatlichen Rechts wegen bundesrechtlicher Besetzung des Sachbereichs (federal occupation ofthe field). .................... 396 a) Verdrängung ordnungsrechtlicher Anforderungen der Gliedstaaten ........................................ .......................... ............. ...................... 396 b) Ordnungsrecht des Bundes und gliedstaatliches Schadensersatzrecht (drohende Schadensersatzforderungen als mittelbare Standardsetzung) ................................................ ..................................... 399 c) Spenwirkung und preemption threats ............................................. .403
3. Verdrängung gliedstaatlichen Rechts wegen Unvereinbarkeit mit Bundesrecht (actual conflict) ................................................................. 404 V. Spenwirkung bei Regelungen zu bundeseigenen Flächen nach der Property Clause ....................... ........................................ ..............................406
§ 13 Handlungsspielrllume bei Nicbtexistenz von Bundesrecbt mit
Sperrwirkung ........................ .... ........... .............................................................408 I.
Die Beschränkung der gIiedstaatlichen Gesetzgebung durch die ,,ruhende" Handelskompetenz (dormant Commerce Clause) .............................. .... ...... .409 I. Einführung................. .................................................... ......................... 409 2. Interpretationsmodelle zur Bedeutung der commerce power gegenüber den Staaten ............................................................................................... 41 0 a) Völliger Ausschluss der Staaten aus dem Handelsbereich auch ohne Ausübung der Commerce Clause durch den Bund (dormant power theory) .................................................................................... 410 b) Konkurrierende Kompetenzen ohne Beschränkung der Staaten durch die Commerce Clause (concurrent power theory) ............ ...... 412 c) Wechelseitige Ausschließlichkeit zwischen commerce power und police power (mutual exclusiveness theory oder origin ofpower theory) ......... ............. ........................ ................................................ 413 d) Selektive Ausschließlichkeit nach Sachbereichen (selective exc1usiveness oder Cooley-doctrine) ............................. ...................... 415
Inhaltsverzeichnis
25
3. Die modeme Auffassung: Die ruhende Handelskompetenz (dorrnant Commerce Clause) als individuelle Grenze gliedstaatlicher Kompetenzausübung.......................................................................................... 417 a) Entwicklung praxistauglicher Kriterien durch die Rechtsprechung ............................................................................................... .417 b) Unterschiedliche Anforderungen an diskriminierende und nichtdiskriminierende Regelungen .......................................................... .419 c) Unzulässigkeit grenzüberschreitender/extraterritorialer Regelungen .............................................................................................. .423 d) Begründungen der dorrnant Commerce Clause ............................... .425 4. Behandlung abgabenrechtlicher Regelungen ........................................ .428 a) Abgaben als Lenkungsmittel im Umweltrecht. ...................... ,. ....... .428 aa)
Begriffund Typologie der Umweltabgaben .......................... .428
bb)
Gesetzgeberische Gestaltung von Umweltabgaben ................ 430
b) Anwendung der dorrnant Commerce Clause bei Abgaben: Der Complete Auto-test ................................................................... .432 H. Zulässige Abweichungen von der dorrnant Commerce Clause .................... .435
1. Gesundheits- und Umweltschutz als legitime Zielsetzung .................... .435
2. Schutzbereichsausnahrne oder Rechtfertigungsgrund? .......................... 436 3. Bewirtschaftung und Schutz innerstaatlicher natürlicher Ressourcen .... .438 a) Öffentliche Güter als öffentliches Eigentum: Die public ownership theory....................................................................................... .439 b) Ressourcenschutz als legitime Zielsetzung ...................................... 440 4. Der Staat in der Rolle eines Wirtschaftsteilnehmers .............................. 443 a) Die market participant exemption ................................................... .443 b) Die Unterscheidung zwischen Subventionen und Abgaben: West Lynn Creamery................................................................................ .446 5. Zulässigkeit unter Bezugnahme auf die Bundesgesetzgebung .............. .447 a) Eindeutige Zustimmung des Bundesgesetzgebers: congressional consent .............................................................................................. 447 b) Übereinstirtunung mit Politiken des Bundes ................................... .448 III. Die Anwendung der dorrnant Comrnerce Clause im Umweltrecht... ............ 449 1. Der Versuch der Begrenzung von Abfalleinfuhren aus anderen Gliedstaaten ...................................................................................................... 450 a) Direkte Einfuhrbeschränkungen ....................................................... 451
26
Inhaltsverzeichnis b) Ausfuhrbeschränkungen zur Stabilisierung einer funktionsfähigen Abfallwirtschaft: local processing requirements ........... ...... ........... ..454 c) Besondere Abgaben auf außerstaatliche Abfalle ...... ........ ............... .456 aa)
Regelungsmodelle ................................................. ................ .457
bb)
Erschwerung der Abfalldeponierung als Schutz von Naturgütern? .......... ........ .......................................................... ........ 458
d) Bedarfsorientierte Begrenzungen von Deponieneu- und -ausbauten.....................................................................................................459 e) Planerische Anforderungen .................................................. ..... .......462 f) Auswege ..................... .... ................... ...............................................462
aa)
Abweichende Ansichten im Supreme Court und in der Literatur .................................................... .................................... .463
bb)
Anwendung der market participant doctrine .......................... .465 (1) Übernahme von Aufgaben und Anlagen durch die öffentliche Hand .......................................... ........................ 465 (2) Gezielte Subventionen an örtliche Unternehmer ............. .466 (3) Steuervergünstigungen ................ .................................... .467
cc) Eingreifen des Bundesgesetzgebers .......................................... .468 2. Andere streitige Bereiche .................................................... ...... ............ .470 a) Umweltschutz und Protektionismus bei der Energieerzeugung ....... 470 aa)
Erschwerung der Einfuhr von "schmutzigem" Strom aus anderen Gliedstaaten ....... ........................................................470
bb)
Exterritoriale Anwendung...................................................... .471
b) Naturschutz: Maine v. Taylor ........................................................... 473 c) Verpackungsvorschriften ................................................................. 474 Teil 4 Umweltrechtliche Handlungsspielräume der EG-Mitgliedstaaten
475
§ 14 Kompetenzen der Mitgliedstaaten ........ ........................ ............. ................. .... .475
1. Die eingeschränkte Souveränität der Mitgliedstaaten und die Entscheidungsbefugnis des EuGH ............................................................................ .475 II. Ausschließliche und konkurrierende Kompetenzen der Gemeinschaft........ .477 1. Unterscheidung konkurrierender und ausschließlicher Gemeinschaftskompetenzen ....................... ....................................... ............................. .477
Inhaltsverzeichnis
27
2. Notkompetenz der Mitgliedstaaten in ausschließlichen Kompetenzbereichen der Gemeinschaft ................................................................... 478 3. Bereiche ausschließlicher Gemeinschaftskompetenzen ......................... 479
§ 15 Verbleibende mitgliedstaatliche Handlungsspielräume bei Existenz sekundären Gemeinschaftsrechts ................................................................... .480 I.
Die Spenwirkung des sekundären Gemeinschaftsrechts ............................. .481 1. Das Prinzip der Spenwirkung ............................................................... .481 2. Kriterien der Sperrwirkung .................................................................... 482 a) Entwicklung der Kriterien ............................................................... .482 b) Die Kriterien im Einzelnen ............................................................. .484 3. Insbesondere: Harmonisierungstechnik als Steuerungsinstrument. ........ 488 4. Sperrwirkung im Umweltbereich .......................................................... .489 a) Harmonisierungsformen im Umweltbereich ................................... .489 b) Mitgliedstaatliche Spielräume .......................................................... 493 aa)
Vorteile optioneller gegenüber abschließenden Harmonisierungen .................................................................................... .493
bb)
Spielräume neben abschließenden, optionellen oder Mindestharmonisierungen ............................................................ .494
c) Bedeutung des Binnenmarktbezugs einer Regelung ....................... .496 d) Bedeutung von Umweltschutzgründen und des Subsidiaritätsprinzips bei der Beurteilung der Spenwirkung ...................................... .498 e) Zwischenergebnis .....................................................................•..... .499 II. Primärrechtliche Abweichungsermächtigungen (SchutzverstärkungsklauseIn) ............................................................................................................... .500 1. Abweichung von binnenmarktbezogenen Maßnahmen, Art. 95 Abs. 4 ff. EG .............................................................................. 501 a) Beibehaltung von Abweichungen, Art. 95 Abs. 4 EG ..................... .501 aa)
Anwendungsbereich ............................................................... 501
bb)
Materielle Voraussetzungen .................................................. .503
cc)
Formelle Voraussetzungen .................................................... .504
b) Neueinflihrung von Abweichungen, Art. 95 Abs. 5 EG .................. .506 c) Zwischenergebnis .......... ;................................................................. 507 2. Abweichung von umweltbezogenen Maßnahmen, Art. 176 EG ............. 508 3. Mitgliedstaaten als Sachwalter des Gemeinschaftsinteresses ................. 51 0
Inhaltsverzeichnis
28
4. Zulässigkeit anderer Schutzinstrumente als Schutzverstärkungen.......... 51 0
III. Sekundärrechtliche Abweichungsermächtigungen ....................................... 511
1. Vorhandene sekundärrechtliche Abweichungsermächtigungen im Umweltrecht.. ......... ................................................................................ 512
2. Primärrechtliche Verpflichtungen zur Einfiihrung sekundärrechtlicher Abweichungsermächtigungen (Schutzklauselgebote) ............................ 514 a) Schutzklauselgebot fur binnenmarktbezogene Maßnahmen, Art. 95 Abs. 10 EG .......................................................................... 514 b) Schutzklauselgebot rur umweltrelevante Maßnahmen, Art. 174 Abs. 2 UAbs. 2 EG ............................................................ 517 IV. Verhältnis zwischen primärrechtlichen Abweichungsermächtigungen und Sekundärrecht.. ............................................................................................. 519 1. Vorrang des Sekundär
hts ................................................................... 519
2. Bedeutung der prirnärr wlltlichen Abweichungsermächtigungen ........... 519
§ 16 Handlungsspielräume bei Nichtexistenz sekundären Gemeinschafts-
rechts ................................................................................................................... 520
I.
Das Schutzsystem der Grundfreiheiten ......................................................... 520
II. Schutz der Warenverkehrsfreiheit, Art. 23 ff. EG ........................................ 5 21 1. Mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung, Art. 28 EG .............................................................................. 521 a) Grundlage: Die Dassonville-Formel ................................................ 521 b) Maßnahmen gleicher Wirkung durch Unterlassen: Mitgliedstaatliehe Schutzpflichten ....................................................................... .524 c) Einschränkung des Anwendungsbereichs des Art. 28 EG ................ 525 d) Begriff der Maßnahmen gleicher Wirkung für das Umweltrecht der Mitgliedstaaten nach Keck ......................................................... 530 2. Mengenrnäßige Ausfuhrbeschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung, Art. 29 EG .............................................................................. 534 3. Legitimation mitgliedstaatlicher Maßnahmen, die unter Art. 28/29 EG fallen ............................................................................... 538 a) Ausnahmen vom Grundsatz der Art. 28/29 EG nach Art. 30 EG ..... 538 b) Aussetzung der Art. 28/29 EG wegen zwingender Erfordernisse: Cassis de Dijon u.a.......................................................................... 541 c) Rechtsgüter in anderen Staaten als Schutzgrund? ............................ 543 4. Spezielle Schrankenregelungen fur Abgaben und Beihilfen .................. 545
Inhaltsverzeichnis
29
a) Verbot von Zöllen und zollgleichen Abgaben, Art. 23 ff. EG .......... 545 b) Diskriminierungsverbot rur inländische Abgaben und Rückvergütungen, Art. 90 und 91 EG ............................................................... 547 aa)
Regelungsumfang ................................................................... 547
bb)
Zulässigkeit von Lenkungszwecken bei differenzierenden Abgabensystemen ................................................................... 548
c) Subsidiäre Anwendung der Vorschriften über die Warenverkehrsfreiheit. .............................................................................................. 550 d) Schranken rur mitgliedstaatliche Beihilfen, Art. 87 ff. EG .............. 551 e) Einordnung parafiskalischer Maßnahmen ...................... .................. 553
f)
Zwischenergebnis ............................................................................ 554
6. Legalisierung mitgliedstaatlicher Einschränkungen der Grundfreiheiten durch Zustinunung der Gemeinschaftsorgane? ................................ 555 III. Schutz der Dienstleistungsfreiheit, Art. 49 ff. EG ........................................ 556 1. Gewährleistungsumfang ......................................... .................. .............. 556 2. Legitimation von Einschränkungen .................. ...................................... 556 IV. Der Staat als Wirtschaftsteilnehmer: Diskriminierungsverbot rur staatliche Handelsmonopole, Art. 31 EG, und Verbot vertragswidriger Einwirkung auf öffentlich beherrschte Unternehmen, Art. 86 EG.................................... 558 V. Umweltschutzbezogene Verpflichtungen und Schranken des Primärrechts ............................................................................................................. 560 1. Gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung zu aktiver mitgliedstaatlicher Urnwe1tpolitik? ..................... ...... ............................................ ..... .......... 560 2. Steuerung konkreter mitgliedstaatlicher Rechtsakte durch Umweltschutzprinzipien des Gemeinschaftsrechts (Unterlassungspflichten) ..... 561 VI. Anwendung des gemeinschaftsrechtlichen Rahmens als Schrankenregelungen für mitgliedstaatliches Umweltrecht ................................................. 563 1. Bewältigung von Abfallproblemen ........................................................ 563 a) Begriff der Ware: Ausschluss von wertlosen oder umweltschädlichen Gegenständen aus dem Schutzbereich der Warenverkehrsfreiheit? .......................... ................................................................... 563 b) Systeme zur Verminderung des Abfallaufkommens und zur Beschränkung von Abfalltransporten .................. ............................ ..... 566 aa)
Zwingende Rückgabesysteme rur Verpackungen: Pfandflaschen ............................... .......................................... 566
bb)
Einfuhrbeschränkungen rur Abfälle: Abfalltransport ............. 568
30
Inhaltsverzeichnis cc)
Sicherung der Kapazitätsauslastung örtlicher Abfallbehandlungsanlagen: Die Entscheidungen zur Umsetzung der Altölrichtlinie, Chemische Afvallstoffen Dusseldorp und FFAD ....................................................................................... 572
2. Artenschutz............................................................................................. 575 a) Süßwasserkrebse (Kommission / Deutschland) ............................... 575 b) LcesB-Biene (Bluhrne) ...................................................................... 576 3. Tierschutz: Schlachttiertransporte (Monsees) ....................................... 577 4. Ausfuhrbeschränkungen für Rohstoffe ................ ................................... 578 5. Umweltbezogene Abgaben ..................................................................... 580 a) Straßenbenutzungsgebühren ............................................................ 580 b) Progressive Kraftfahrzeugsteuer: Tarantik u.a................................ .5 80 c) Verbrauchssteuer auf Elektrizität: Outokumpu ................................ 582
§ 17 Vergleich der Befugnisse der unteren föderalen Ebene in den USA und der EG................................................................................................................ 584 1.
Struktur der Grenzsetzungen für die untere Ebene ....................................... 584 1. Grenzsetzungen als Souveränitätsbeschränkungen durch die Verfassung bzw. den EG-Vertrag ............................................................... ...... 584 2. Reichweite der Sperrwirkung des einfacheniSekundärrechts ................. 585 3. Umweltbelange als Kriterien der Sperrwirkung? ................................... 586 4. Die Freiheit des Binnenhandels als zentrale Schranke einzelstaatlicher Rechtssetzung ................................................................................. 587
II. Rechtfertigung von Handelsbeschränkungen ............................................... 587 I. Erstreckung der Rechtfertigungsmöglichkeit auf diskriminierende Regelungen ............................................................................................. 587 2. Insbesondere: Ausfuhrbeschränkungen .................................................. 590 3. Verfassungs-/primärrechtliche Abweichungsmöglichkeiten .................. 591 4. Kontrolle einzelstaatlicher Regelungen und Integrationsbedarf.. ........... 593
§ 18 Vergleichende BetraChtung des Verhältnisses der beiden Ebenen zu einander............................................. ................ ............... ....................................... 593 1.
Zusammenhang zwischen Kompetenzen der oberen Ebene und Beschränkungen der unteren Ebene ................................................................. ........... 593
H. Verhältnis von Umweltschutz und wirtschaftlicher Integration .................... 595 1. Vorrangstellung des Umweltschutzes? ................................................... 595
Inhaltsveneichnis
31
2. Emanzipation des Umweltrechts von wirtschaftlichen Bezügen ............ 595 III. Die Bedeutung verfassungsunmittelbarer Wertentscheidungen für die Verfassungspraxis ......................................................................................... 596 IV. Institutionelle Bedingungen einer sachgerechten Aufgabenverteilung ......... 597 1. Erhaltung und Stärkung der "political safeguards offederalism" ........... 597
2. "The dangers of creeping federalism": Föderalismus in den USA als Warnung vor einer "schleichenden Vergemeinschaftung"? ................... 599 V. Inhaltliche Maßgaben für eine sachgerechte Aufgabenverteilung zwischen den beiden Ebenen......................................................................................... 60 1 1. Vollständige Trennung der Verantwortungsbereiche ............................. 60 1
2. Festlegung gemeinsamer Schutzniveaus im Umweltrecht auf der oberen Ebene ................................................................................................ 602 3. Implementation und Verwaltung auf der unteren Ebene ........................ 603 4. Bedingte Finanzzuweisungen ............................................................. .... 604 5. Stärkung von Kontrollbefugnissen der oberen Ebene und Erweiterung von Bürgerklagen ................................................................................... 605
§ 19 Schlussbetrachtung: Zehn Thesen zur Fortentwicklung der Aufgaben-
verteilung zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten im Umweltrecht derEG................................................................................................................. 606 Literaturverzeichnis
608
Personen- und Sachwortregister
631
Einführung
§ 1 Eingrenzung der Untersuchung I. Einleitung Bereits unmittelbar nach dem Inkrafttreten des Arnsterdamer Vertrages zur Änderung der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG) und der Europäischen Union (EU) begann die Diskussion um die nächste Vertragsrevision, die auch nach den auf dem Gipfel von Nizza beschlossenen Änderungen anhält. Den Plänen einer Erweiterung und Vertiefung der Gemeinschaft steht dabei die Angst vor einer Entwicklung der Gemeinschaft zu einem starken Oberstaat in einem bundesstaatlich-föderalen Europa gegenüber. Ein wesentlicher Vorbehalt gilt einer zunehmenden Regelungsdichte des Gemeinschaftsrechts. 1 Im Umweltrecht sind diese Bedenken seit jeher gekoppelt an die Befiirchtung, die Gemeinschaft werde modemes rnitgliedstaatliches Umweltrecht durch weniger schutzintensives, zu stark an der Gewährleistung des Binnenmarktes orientiertes und außerdem ineffIzientes EG-Recht verdrängen. 2 Der Europäische Gerichtshof hat in einer Aufsehen erregenden Entscheidung im Oktobe.r 2000 eine Harrnonisierungsrichtlinie im Gesundheitsbereich fiir ungültig erklärt und die Grenzen der Rechtsangleichungskompetenz der Gemeinschaft aufgezeigt. 3 Die Verteilung der Rechtssetzungsbefugnisse zwiI Beschwerden über die Regelungsdichte des Gemeinschaftsrechts sind allgegenwärtig, vgl. beispielhaft Hans Peter Schneider, Rechtsangleichung in Europa: Weshalb der Europäische Gerichtshof die Gemeinschaftsorgane in die Schranken wies, FAZ Nr. 240 vom 16. 10. 2000, 12. Schneider spricht von einer "europäischen Normenflut" sowie von einem "Machtverlust der Mitgliedstaaten und ihrer Volksvertretungen, die immer mehr in die Rolle einer bloßen Registratur dessen gedrängt werden, was in Brüssel längst ausgehandelt und entschieden wurde". 2 Vgl. z.B. die Diskussion um die Entscheidung EuGH, Urt. v. 11. 6. 1991, Rs. C300/89, (Kommission 1 Rat) - Titandioxid, Slg. 1991,1-2867, vgl. hierzu z.B. Thomas Schröer, Mehr Demokratie statt umweltpolitischer Subsidiarität? Anmerkungen zum Titandioxid-Urteil des EuGH, EuR 1991, 356, 366 f.: "An die Stelle eines effizienten Zusarnmenwirkens von Gemeinschaft und Mitgliedstaaten auf der Grundlage der Subsidiaritätsklausel ist ein einseitiger und starrer Zuständigkeitsvorrang der EG im gesamten - weit verstandenen - wirtschaftsrelevanten Umweltrecht getreten. (... ) Angesichts der weithin bekannten Urnsetzungs- und Vollzugsdefizite des europäischen Umweltrechts erscheint der Verzicht auf eine umweltpolitische Subsidiarität durch ein wenig Mehr an Demokratie zu teuer erkauft." 3 EuGH, Urt. v. 5. 10.2000, Rs. C-376/98 (Deutschland 1 Parlament und Rat) - Tabakwerbeverbot, Slg. 2000, 1-8419, NJW 2000,3701.
3 Renner
34
Einführung
schen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten, die damit von Neuem ins Blickfeld gerückt wurde, ist von erheblicher Bedeutung für die Sachgerechtigkeit und Funktionstüchtigkeit des darauf aufbauenden materiellen Rechts. Im Umweltrecht gewinnt die Aufgabenverteilung zwischen den zwei Entscheidungsebenen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten besondere Bedeutung. So weisen einerseits die regionalen Anforderungen an ein vorbeugendes und Gefahren beseitigendes Umweltschutzrecht in einem System von kontinentalen Ausmaßen wie der Gemeinschaft erhebliche Unterschiede auf. Andererseits stellt der gemeinschaftsweite einheitliche Markt erhebliche Anforderungen an die Uniformität sowohl produktbezogener als auch- unter wettbewerblichen Gesichtspunkten unmittelbar oder mittelbar produktionsbezogener Regelungen. Hinzu kommt, dass im Umweltbereich nach wie vor deutliche Meinungsdifferenzen hinsichtlich eines angemessenen Schutzniveaus bestehen. Auch hierfür muss der Mechanismus der Aufgabenverteilung zwischen den beiden Systemebenen Lösungen bieten. Die Stärken und Schwächen der Regeln des Systems der Aufgabenverteilung zwischen den beiden Ebenen lassen sich daher im Umweltrecht gut nachverfolgen. Als Vergleich zu diesem Verhältnis zwischen Europäischer Gemeinschaft und Mitgliedstaaten bietet sich das Verhältnis zwischen Bund und Gliedstaaten in den Vereinigten Staaten an. Die Vereinigten Staaten sind ein klassischer Bundesstaat und weisen mit der Bundesebene eine starke obere Ebene auf. Wie die Elf sind auch die Vereinigten Staaten ein Großsystem von kontinentalen Ausmaßen mit einer Vielzahl von Einzelstaaten (im Folgenden als Oberbegriff für Gliedstaaten der USA bzw. Mitgliedstaaten der EU/der EG verwendets) auf der unteren Ebene, das von der Idee wirtschaftlicher Einheit bei gleichzeitiger Vielfalt in den Einzelstaaten geprägt ist. Gleichzeitig sind die Anforderungen an ein sachangemessenes Umweltrecht angesichts gleichermaßen deutlicher Unterschiede zwischen den verschiedenen Gliedstaaten der USA wie zwischen den Mitgliedstaaten der EU vergleichbar. In den Vereinigten Staaten ist das föderale Kräfteverhältnis zwischen Bund und Gliedstaaten in den letzten Jah-
4 Vorliegend geht es um das Umweltrecht der EG, die jedoch ein Teil (eine "Säule") der EU ist, so dass einerseits von EU-Mitgliedstaaten, andererseits von EGUmweltrecht zu sprechen ist. Vgl. zu diesen Begriffen Sven HölscheidtlChristian Baldus, EU und EG als tenninologisches Problem, DVBI. 1996, 1409, sowie Oliver Dörr, Zur Rechtsnatur der Europäischen Union, EuR 1995,334, und Georg Ress, Die Europäische Union und die neue juristische Qualität der Beziehungen zu den Europäischen Gemeinschaften, JuS 1992,985,986 f.. S Vgl. zu dieser Vorgehensweise Guy Beaucamp, Umweltrechtsvergleichung - Hoffnungen, Probleme und Ausschnitte aus der Realität, UPR 2001, 134, 135: ,,[D]ie Rechtsvergleichung [muss] (... ) für die eigentliche Vergleichsebene eine Meta-Sprache konstruieren. "
§ 1 Eingrenzung der Untersuchung
35
ren zudem in Bewegung geraten. 6 Gerade im Umweltrecht der USA sind Bund und Gliedstaaten in Rechtssetzung und Verwaltung bisher eng verflochten. Von einer deutlichen Änderung der verfassungsrechtlichen Vorgaben, die die Rechtsprechung in einer ganzen Reihe von höchstrichterlichen Entscheidungen angestoßen hat, ist das Umweltrecht in besonderer Weise betroffen. 7 Zudem ist die weitreichende Setzung nationaler Umweltstandards durch den Bund in die Kritik geraten. 8 Die Ansätze zur Neugestaltung des Zusammenspiels von Bund und Gliedstaaten lassen die verfassungsrechtlichen Vorgaben fiir dieses Miteinander besonders deutlich zu Tage treten. 9 In der vorliegenden Arbeit wird untersucht und verglichen werden, wie die Aufgaben im Umweltrecht auf Gemeinschaft und Mitgliedstaaten in der EG bzw. Bund und Gliedstaaten in den USA verteilt sind und wie die Tätigkeit auf diesen beiden Ebenen hierdurch voneinander getrennt oder miteinander verschränkt ist. Um die tatsächliche Situation zu erfassen, liegt der Schwerpunkt auf der Behandlung der Rechtsprechung der obersten Gerichte in den beiden Systemen, des EuGH bzw. des United States Supreme Court. Dabei ist von föderalen Strukturen und föderaler Aufgabenverteilung die Rede. Zur sachgerechten Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands, der das 6 Vgl. Robert V Percival, Symposium Environmental Federalism: Environmental Federalism: Historical Roots and Contemporary Models, 54 Md. L. Rev. 1141, ebd. (1995): "A sharply divided Supreme Court is rethinking the very constitutional foundations of our federal system." Hierzu auch Linda Greenhouse, States are Given New Legal Shield by Supreme Court, New York Times vom 24. 6. 1999, Al, zitiert nach Charlotte Gibson, Note: Citizen Suits Under the Resource Conservation and Recovery Act: Plotting Abstention on a Map ofFederalism, 98 Mich. L. Rev. 269, Fn. 1 (1999): ,,[I]t was also strikingly apparent that the fault line that runs through the current Court as an all hut unbridgeable gulfhas to do not with the higher profile issues ofrace, religion, abortion, or due process, but with federalism." 1 Vgl. Percival1141: ,,[N]ational environmental policy has surged to the forefront of contemporary federalism debates due to the growth of federal environmental regulation." Jonathan H. Adler, Comrnent: The Green Aspects of Printz: The Revival of Federalism and Its Implications for Environmental Law, 6 Geo. Mason L. Rev. 573, 574 (1998): "The revival of federalism could have profound implications for environmental protection." 8 Vgl. U.S. Advisory Commission on Intergovemmental Relations, Intergovemmental Decisionmaking for Environmental Protection and Public Works 1 (1992), zitiert nach Percival 1165: "federal rules and procedures goveming decision-making for protecting the environment often are complex, conflicting, difficult to apply, adversarial, costly, inflexible and uncertain"; Richard B. Stewart, Controlling Environmental Risks Through Economic Incentives, 13 Co1um. J. Envtl. L. 153, 154 (1988): ,,[T]he system has grown to the point where it arnounts to nothing less than a massive effort at Sovietstyle planning ofthe economy to achieve environrnental goals." 9 Vgl. Adler, Green Aspects, 574 f.: ,,[O]ne fmds all ofthe conflicts and cooperative ventures that characterize the federal-state relationship in contemporary environmental policy. ( ... ) Thus, any constitutional jurisprudence that limits the ability of Congress to set national policy for the states will reverberate through environrnental policy."
3*
36
Einführung
"Ob" oder "Wie" einer föderalen EG bzw. EU nur am Rande streift, erfolgt daher vorab eine kurze Auseinandersetzung mit dem Begriff Föderalismus (unten H.). Daran schließt sich eine kurze Gegenüberstellung der äußeren Rahmenbedingungen für das Umweltrecht und die darauf bezogenen Aufgabenverteilungsmechanismen in den beiden untersuchten Systemen USA und EG an (unten III.).
ll. Föderalismus als Organisationsprinzip staatlicher Systeme Die Vereinigten Staaten sind ein klassischer Bundesstaat, die EG und ihr ,,Dach" EU gelten als supranationales System eigener Art. Die Idee des Föderalismus als Ordnungsprinzip für die europäische Einigung wurde und wird seit der frühen Nachkriegszeit immer wieder diskutiert. Im offIziellen Sprachgebrauch wird der Begriff sowohl als Zustandsbeschreibung als auch als Zielsetzung für die Europäische Union teilweise bewusst verwendet, ebenso gern jedoch als Gegen- oder Schreckbild einer überzogenen Ausdehnung der Macht der Gemeinschaft abgelehnt oder vennieden. 10 Was sind also foderale Strukturen? 1. Die Bandbreite des Begriffs Föderalismus
Vertragsschließende in einem foderativen System sind nach der Bedeutung des lateinischen Begriffs foedus Staaten, nicht einzelne Bürger eines zu bildenden Staates. Kennzeichen und Unterscheidungsmerkmal ist der (dauerhafte) Zusammenschluss vorher selbständiger Gemeinwesen. 11 Staatenbündnisse mit mehr oder weniger gleichberechtigten Mitgliedern sind seit der Antike bekannt, insbesondere die Bündnisse unter den Stadtstaaten im antiken Griechenland und die der oberitalienischen Städte im hohen Mittelalter. Ihr Aufgabenbereich
10 V g1. einerseits die Aussagen des deutschen Außenministers Fischer auf dem Gipfel von Biarritz am 15. 10. 2000, "bis spätestens 2010 werde die EU ,an der Schwelle zur Europäischen Föderation stehen' ( ... ). Dieses Europa werde jedoch ,kein reiner Bundesstaat sein' ( ... ). Es werde ,zu einer ganz eigenen Gestalt finden. Da wird es bundesstaatliche Elemente geben, aber es wird auch staatenbündische Elemente geben."', wiedergegeben nach Berliner Zeitung vom 16. 10. 2000, andererseits die Verhandlungen um den Vertrag von Maastricht, die auf britisches Betreiben letztlich dazu führten, dass der Begriff aus dem Vertragstext verschwand. 11 V g1. hierzu die Diskussion der Anwendbarkeit des Begriffs auf die Untergliederung der Länder in Gemeinden und Gemeindeverbände bei Roman Herzog, Stichwort Föderalismus, in: Evang. Staatslexikon, 3. Aufl Stuttgart 1987, Sp. 913, 914 f.
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beschränkte sich jedoch meist auf die Gewährleistung äußerer Sicherheit durch Garantie gegenseitigen militärischen Beistands. 12 . Die Idee einer vertikalen Gliederung von Entscheidungszuständigkeiten innerhalb eines Staates und seiner Gesellschaft fmdet sich zuerst bei Althusius. 13 Althusius geht es um den Entwurf eines gesellschaftlich-politischen Strukturprinzips zur Ansiedlung aller sozialen und im weiteren Sinne politischen Entscheidungen auf jeweils angemessener Ebene innerhalb eines Staates. 14 Er entwirft eine Gesellschaftsordnung, die auf zahlreichen übereinandergelagerten sozialen und politischen Ebenen organisiert und strukturiert ist. Einheit dieser Gliederung ist die consociatio (Lebensgemeinschaft), die auf verschiedenen Ebenen als Familien, Zünfte, Stände sowie als consociatio publica in Gemeinden, Provinzen, Staat und Reich erscheint. Begründet wird diese Ordnung der Gesellschaft allerdings als natürliche, gottgewollte Ordnung. 15 Als Prinzip einer gestaltenden Staatsorganisation erscheint der Gedanke eines zweistufigen Aufbaus bei Montesquieu. In seinem Hauptwerk "De l'esprit des lois,,16 fordert er für einen Staat nach seinen Idealvorstellungen neben der horizontalen auch eine vertikale Gewaltenteilung, da nur so innere Freiheit mit äußerer Sicherheit verbunden werden könne. Größtmögliche politische Freiheit nach innen lässt sich nach seiner Auffassung nur in kleinen Republiken verwirklichen. Sicherheit nach außen könne es hingegen nur in einem größeren Staat geben, da sich nur der große Staat der Begehrlichkeiten seiner Nachbarn hinreichend erwehren kann. Da große Republiken nicht funktionstüchtig seien, könne der große Staat eigentlich allenfalls als Monarchie organisiert sein. Die Lösung dieses Dilemmas ist die Republique federative, ein Bund mehrerer kleiner demokratischer Republiken zu einem größeren Staat unter Erhaltung der Staats qualität der Republiken. Die Ideen Montesquieus haben große Bedeutung fiir die Entstehung der bundesstaatlichen Struktur der Vereinigten Staaten gehabt. Nach der Unabhängigkeitserklärung der dreizehn Kolonien 1776 haben sich diese zunächst als Konföderation, als Staatenbund zusammengefunden. Die "Articles of Confede12 Vgl. z.B. Daniel1. Elazar, Stichwort Föderalismus, in: David L. Sills (Hrsg.), International Encyclopedia ofthe Social Sciences, London 1968, 353, 361 f. 13 Johannes Althusius, Politica methodice digesta; atque exemplis sacris et profanis illustrata (lat.: Politik, methodisch dargestellt; und durch heilige und profane Beispiele veranschaulicht), Herbom 1603, endgültige Fassung 1614. 14 Vgl. Wolfgang Reichardt, Stichwort Föderalismus, in: Dieter Nohlen/Rainer-Olaj Schultze, Politische Theorien, München 1995, 102, 103. 15 Vgl. Karl-Peter Markl, Politica methodice digesta, in: Franeo Volpi/Julian NidaRümelin, Lexikon der philosophischen Werke, Stuttgart 1988. 16 Charles Louis de Secondat, baron de Montesquieu, De I' esprit des lois ou du rapport que les lois doivent avoir avec la constitution de chaque gouvernement, les moeurs, le climat, la religion, le comrnerce, etc., Genf 1748.
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ration", die Verfassung dieses Bundes (1777 verfasst, seit 1781 in Kraft), gewähren dem Kongress nur geringe Befugnisse, vor allem Befugnisse außenpolitischer und militärischer Art. Mit der neuen Verfassung von 1787 konstituierten sich die Vereinigten Staaten neu, diesmal als Bundesstaat. In der Diskussion um diese neue Verfassung fmdet eine Neubesetzung des Begriffs "federal" in den USA statt. 17 Während der Begriff bis dahin für die bestehende konföderale Ordnung der USA verwendet wurde, nennen sich die Verfechter des neuen Verfassungsentwurfs nun selbst "federalists" und bezeichnen die Gegner des Entwurfs, die die alte Verfassung beibehalten möchten, als "anti-federalists". Dies wird insbesondere in den "Federalist Papers" von Alexander Hamilton, James Madison und John Jay, in denen für die Ratifikation der neuen Verfassung im Staat New York geworben wird, deutlich. Die erfolgreiche Neubesetzung des Begriffs erklärt sich anschaulich aus dem Balanceakt, zu dem die Autoren der Federalist Papers gezwungen waren: Einerseits forderten sie die Ratifikation einer neuen Verfassung, die den Übergang vom Staatenbund zum Bundesstaat vollziehen sollte, und damit einen gewaltigen "unitaristischen" Schritt. Andererseits zielt die Argumentation in diesen Schriften in zentraler Weise darauf ab, den um die Eigenständigkeit der Staaten Besorgten den Wind aus den Segeln zu nehmen. In den Federalist Papers wird auch die Bedeutung der Theorien Montesquieus für die Verfassungsdiskussion deutlich. 18 Die Gliederung der Vereinigten Staaten als Bundesstaat mit mittlerweile fiinfzig Gliedstaaten ist nicht nur zum historischen Ausgangspunkt der modernen Beschäftigung mit dem Föderalismus geworden, sondern auch zum Vorbild mehrerer Bundesstaaten in den vergangenen hundertundfünfzig Jahren. Das praktische Vorbild dieser bestehenden Bundesstaaten prägt maßgeblich auch den deutschsprachigen Begriff ,,Föderalismus". Dabei ist die Erweiterung des Bedeutungsgehalts und Verschiebung des Bedeutungsschwerpunktes bei 17 Vgl. Ferdinand Kinsky, Eine fdderalistische Architektur für Europa, in: Föderalismus und die Architektur der europäischen Integration, hrsg. von Nikolaus Wenturis, München 1994, 81 f. 18 Seine Gedanken werden bereits ausgiebig wegen seiner Lehre der horizontalen Gewaltenteilung herangezogen. Auch seine Aussagen zur Republique federative werden als Autorität zitiert. Vgl. The Federalist No. 43 (Madison), in: Garry Wills, (Rrsg.), The Federalist Papers by Alexander Ramilton, James Madison and John Jay, New York u.a. 1982, 217, 220 und 223: Bei Volksaufständen oder Machtmissbrauch in einem Staat können andere Gliedstaaten Hilfe bringen. Gegen die Argumentation der Gegner der Verfassung, dass die Staaten der USA viel zu groß seien für eine funktionierende Föderation, macht Hamilton das Prinzip einer Verbindung mehrerer Staaten in einem Staat als Kern von Montesquieus Idee geltend. The Federalist No. 9 (Hamilton), in: Wills, 37, 39 f.: ,,( ... ) in the sense of the author who has been most emphatically quoted upon the occasion, it would only dictate a reduction of the SIZE of the more considerable MEMBERS of the Union; but would not militate against their being all comprehended in one Confederate Governement. And this is the true question, in the discussion of which we are at present interested." (Hervorhebungen im Original)
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der Entstehung der Vereinigten Staaten letztlich für die Unklarheit der modernen Begriffsverwendung verantwortlich. Betrachtet man die Geschichte der Vereinigten Staaten seit der Annahme der neuen Verfassung im Jahr 1788, so wird deutlich, dass die USA wenigstens in ihren ersten Jahrzehnten gemessen an Befugnissen und Staatstätigkeit auf den beiden Ebenen, einer Konfoderation weit näher standen als einem Bundesstaat heutiger Prägung. Dies zeigen z.B. auch die bis über die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts aktuellen Debatten um das Recht der Staaten, Bundesrecht fiir nichtig zu erklären oder sich von der Union zu lösen. Die Struktur der Vereinigten Staaten, insbesondere die Änderungen durch die Verfassung von 1787, bietet gleichzeitig Anhaltspunkte für eine Abgrenzung. Für das Staatsorganisationsrecht kann ein Begriff des Föderalismus in einem weiteren oder ursprünglichen Sinn von einem Föderalismusbegriff in einem engeren oder moderneren bzw. jüngeren Sinn - dem der US-Verfassung von 1787 bzw. ihrer Behandlung in den Federalist Papers - unterschieden werden. Die Bedeutungsgehalte der beiden Begriffe verhalten sich wie konzentrische Kreise zueinander. Föderalismus in einem weiteren oder ursprünglichen Sinn meint, dass Gemeinwesen auf (mindestens) zwei Ebenen verbunden sind, einerseits ein umfassendes Gemeinwesen auf einer oberen Ebene (Staatenbund, Bundesstaat), andererseits territorial voneinander abgegrenzte Gemeinwesen auf einer unteren Ebene (Staaten, Mitgliedstaaten, Länder).19 Dieser Begriff erfasst nicht nur Gemeinwesen, auf deren oberer Ebene ein Staat steht, sondern auch jede Art von Staatenverbindungen nach internationalem Recht. 20 Er kennzeichnet lediglich eine irgendwie geartete zweifache (oder mehrfache) vertikale Gliederung von Gemeinwesen. Die Anforderungen an ein foderales System im engeren Sinn reichen weiter. Leitbild dieses Begriffs ist der Bundesstaat nach amerikanischem Vorbild. Entscheidender Zugewinn der zentralen Gewalten unter der Verfassung von 1787 war die Unabhängigkeit beider Ebenen voneinander, also die Möglichkeit des Bundes, in den ihm zugewiesenen Kompetenzbereichen eigenständige Entscheidungen zu treffen, ohne den Einzelstaaten gleichzeitig diese Möglichkeit zu nehmen. 21 Dies bedeutet, dass nur dort von einem im engeren Sinne foderalen System in Reinform gesprochen werden kann, wo die Gemeinwesen auf den zwei Ebenen rein koordinativ nebeneinander stehen, nicht jedoch dort, ein Gemeinwesen auf der unteren Ebene als regelmäßige Anweisungsempfänger in einem subordinativen Verhältnis zur 19 Eine solche Defmition findet sich etwa bei Herzog: "Diese Organisationsform setzt die Existenz mehrerer regional beschränkter Gemeinwesen (Staaten) und eines weiteren, sämtliche Teilgebiete umfassenden Gemeinwesens (Staates) voraus." Herzog. meint dabei einen Föderalismusbegriff, der auch internationale Organisationen miteinschließt, vgl. Herzog Sp. 913 f. 20 Vgl. Herzog Sp. 915. 21 Vgl. K. C. Wheare, Federal Govemment, 4. Aufl. London 1963,2.
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oberen Ebene stehen. 22 Die Entscheidungsgewalt ist in verfassungsrechtlich garantierter Weise auf mehrere selbständige Ebenen verteilt. 23 Föderalismus als Begriff des Staatsorganisationsrechts bezeichnet demnach eine Organisationsform staatlicher Systeme, bei der mehrere territorial abgegrenzte Gemeinwesen auf einer unteren systematischen Ebene zu einem umfassenden Gemeinwesen auf einer oberen Ebene zusammengefasst sind. 24 Existenz eines Gemeinwesens setzt dabei voraus, dass jede Ebene von Gemeinwesen über eigene Rechtssetzungsbefugnisse verfUgt, die ihr ohne Änderung der Verfassung bzw. des völkerrechtlichen Vertrages, der die Grundlage des Gesamtsystems bildet, nicht entzogen werden können. Neben Bundesstaaten existierten und existieren Zusammenschlüsse souveräner Staaten, darunter die Europäische Union mit den Europäischen Gemeinschaften. 25 Der Begriff Föderalismus umfasst so ein weites Spektrum von Phänomenen. Inwieweit von einem foderalen System im engeren oder weiteren Sinn gesprochen werden kann, hängt vor allem davon ab, wie weit die Entscheidungsfindungsprozesse bzw. die Bestimmung der Entscheidungsträger auf der oberen Ebene von der unteren Ebene abgekoppelt ist. Föderalismus als rechtliches und politisches Problem bezieht sich auf die Beziehung zwischen den beiden Ebenen und deren Gestaltung durch die Grundordnung des Systems (in Staaten Verfassungen, sonst internationale Verträge) und einfaches Recht.
V g1. Wheare 4 f. Vgl. auch George A. Bermann, Taking Subsidiarity Seriously: Federalism in the European Community and the United States, 94 Co1. L. Rev. 331,403 f. m.w.N. (1994): "The United States is generally understood to exemplify a federal system of govemment: that is, a system in which political authority is constitutionally divided between a central govemment and the govemments of the constituent states, and in which persons are concurrently subject to the authority of both govemments, each acting within its own constitutional sphere. Thus, the term federalism suggests astate of affairs in which political authority is both in law and in fact allocated between two or more levels of govemment. " 24 Ähnlich Herzog Sp. 913 f.; Elazar 353, ebd. An anderer Stelle wird der Begrifflediglich fiir die ,,Bejahung oder Unterstützung" von oder "politische Forderung nach" dieser Organisationsform verwendet, unterschieden vom Bundesstaat als "realer Staatsform". Vgl. Herzog Sp. 914. Auch nach Herzogs Auffassung deckt sich die Organisationsform, die in seinem Begriff des Föderalismus bejaht wird, nicht mit dem Begriff des Bundesstaates. Der Bundesstaat ist vielmehr nur "wichtigstes Beispiel" für die gemeinte Organisationsform, die auch in anderen Formen realer Zusammenschlüssen im innerstaatlichen und intemationeln Rahmen präsent ist (ebd.). Mit dem Begriff Föderalismus nur eine politische Ideologie, nicht aber die von ihr unterstützte politische Organisationsform zu bezeichnen, ist also nicht aus Gründen begrifflicher Klarheit notwendig. 25 V g1. zu dieser Begriffsverwendung auch Bernd Becker, Zur föderalen Konstruktion des Vollzugs (Verwaltung) in der Bundesrepublik Deutschland, in den Vereinigten Staaten von Amerika und in der Europäischen Gemeinschaft, JöR 39 (1990), 67, Fn. 1. 22
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2. Abgrenzung gegenüber anderen Organisationsprinzipien
Gegenteil des foderalen ist das unitarische Gemeinwesen, in dem es keine untere Ebene eigenständiger Gliedsysteme gibt. Auf der Gegenseite erfolgt die Begrenzung gegenüber dem Partikularismus, der statt einer Beseitigung der unteren Ebene die Auflösung des Obersystems anstrebt. Am unitarischen Ende des Kontinuums steht ein Einheitsstaat ohne untere Ebene, an seinem partikularen Ende existiert keine obere Ebene mehr; die Teile des vordem bestehenden oberen Gemeinwesens stehen als vollkommen selbständige Staaten ohne jede Verbundenheit da. Der Begriff Föderalismus bezeichnet einen mittleren Bereich in dem Kontinuum Unitarismus - Partikularismus. 26 Quer zu dieser Einordnung liegt die Abgrenzung zur Dezentralisierung. Im Gegensatz zum Föderalismus sind bei der Dezentralisierung lediglich Befugnisse der Zentralebene auf geographische oder funktionelle Untereinheiten delegiert. 27 Die dezentrale Instanz mag zwar de facto und kraft Gesetzes in einem weiten Bereich Entscheidungen treffen, ihre Befugnisse können jedoch von der Zentralregierung grundsätzlich jederzeit kassiert werden. Dezentralisierung dient vornehmlich einem effizienten Management von Staatsaufgaben28 und findet regelmäßig auch in unitarischen Staaten statt. Föderalismus setzt hingegen voraus, .dass die untere Ebene in ihren eigenständigen Entscheidungszuständigkeiten geschützt ist. Die Aufgabenverteilung zwischen oberer und unterer Ebene ist im foderalen System nicht dem einfachen Gesetz überlassen, sondern wird von der Verfassung des Obersystems in ihren wichtigsten Zügen vorgegeben. Die Änderung dieser Verfassung bedarf der mehrheitlichen Zustimmung der Entscheidungsträger auf der unteren Ebene. 29 Der Begriff Föderalismus lässt sich auch in ein Kontinuum einbringen, an dessen Enden die Extreme einer Dezentralisierung von Aufgaben an flächendeckend verteilte regionale Untergliederungen und einer Entscheidungsfindung auf der oberen Ebene nur durch Konsens unter den Gemeinwesen der unteren
Vgl. Herzog Sp. 914. Vgl., Edward L. RubinlMalcolm Feeley, Federalism: Some Notes on aNational Neurosis, 41 UeLA L. Rev. 903,910 (1994). 28 Vgl. RubinlFeeley 910 und Fn. 40. 29 V gl. z.B. Art. 79 Abs. 2 GG. Für die Vereinigten Staaten regelt Art. V der Bundesverfassung, dass eine Änderung dieser Verfassung entweder von den gesetzgebenden Körperschaften oder von speziellen Versammlungen, jeweils in drei Vierteln der Bundesstaaten, ratifiziert werden muss. Der Kongress entscheidet darüber, welches System der Ratifikation anzuwenden ist. In der Europäischen Union wird eine Vertragsänderung laut Art. Art. 48 Abs. 2 und 3 (ex-Art. N Abs. 1 UAbs. 2 und 3) EUV einstimmig auf einer Regierungskonferenz der Mitgliedstaaten beschlossen und danach von allen Mitgliedstaaten ratifiziert. 26
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Ebene stehen. 30 Diese Abgrenzung betrifft nicht die Existenz einer zweiten Ebene, sondern deren Eigenständigkeit. Diese Eigenständigkeit als Voraussetzung fiir ein echtes "Nebeneinander" der Ebenen kennzeichnet die Eigenart des föderalen Systems im engeren Sinn in Abgrenzung gegenüber dem föderalen System im weiteren Sinn. Im Idealfall eines föderalen Systems besitzen beide Ebenen ein größtmögliches Maß an Unabhängigkeit. 31 Soweit der Zusammenhalt des Systems oder der Schutz der jeweils anderen Ebene nicht ein Mitentscheidungsrecht fiir die jeweils andere Ebene fordert (was z.B. bei einer Verfassungsänderung auf der oberen Ebene, die Auswirkungen auf die Befugnisse der unteren Ebene hat, der Fall ist), trifft jede Ebene ihre Entscheidungen auch gegen den Willen der anderen Ebene. Beim Prinzip der Dezentralisierung hat die Zentralregierung das Letztentscheidungsrecht, die Unabhängigkeit der unteren Ebene bei ihren Entscheidungen ist gleich null. Das Konsensprinzip als entgegengesetztes Extrem bezeichnet das klassische Prinzip der Entscheidungsfllldung im Völkerrecht. 32 Die Letztentscheidung liegt hier bei den Mitgliedern des Bündnisses, die die zentralen Entscheidungen gegebenenfalls nach ihren innerstaatlichen Bestimmungen ratifIzieren müssen. Jedes Mitglied kann so über sein Vetorecht jeden Rechtsakt der Zentralebene blockieren. Auch hier ist die Grenze fließend, wie beispielhaft in der EU an der gesetzgeberischen Funktion des Rates auf der einen und dem Initiativmonopol der Kommission sowie der Funktion des Europäischen Parlaments (EP) auf der anderen Seite deutlich wird.
111. Äußere Bedingungen für die Aufgabenverteilung im Umweltrecht der USA und der EG Die tatsächliche Ausgangssituation fiir eine föderale Aufgabenverteilung im Umweltrecht ist in den USA und der EG relativ ähnlich. Umweltrecht ist auch nach mehreren Jahrzehnten Rechtsentwicklung noch ein vergleichsweise ,junges" Rechtsgebiet, zudem eines, in dem die Furcht vor einer zentralen Steuerung wegen der damit verbundenen Standortnachteile besonders stark ist. Zwar besteht in der EG eine Vielzahl unterschiedlicher Rechtstraditionen, während die USA einer einheitlichen Rechtstradition entstammen33 und über 200 Jahre 30 Vgl. zur Einfügung der Begriffe Föderalismus und Dezentralisierung in ein Kontinuum z.B. Rainer-OlaJ Schultze, Föderalismus, in: Dieter Nohlen, Wörterbuch Staat und Politik, Bonn 1995. 31 Wheare 4 f. 32 Vgl. RudolfGeiger, Grundgesetz und Völkerrecht, 2. Aufl. München 1994,5. 33 Die Bildung der Gliedstaaten war eher ein Produkt historischer Zufalligkeiten, nachdem die Grenzen der Kolonien, die sich 1776 von Großbritannien lossagten und die Konföderation bildeten, durch königliche Charters für die Kolonien bestimmt wurden.
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Erfahrung mit einem gemeinsamen "Dach" verfügen. Beide Systeme besitzen jedoch einen nach innen offenen Markt von beinahe kontinentalen Ausmaßen mit zwei staatlichen oder staats ähnlichen Entscheidungsebenen. Beide erstrecken sich über Gebiete mit äußerst verschiedenen klimatischen und Umweltbedingungen, beide weisen sowohl Gebiete mit außerordentlich hohem Industrialisierungsgrad und entsprechenden Umweltproblemen als auch ländliche Gebiete mit geringer Besiedlungsdichte und gänzlich anderen Umweltproblemen auf.
In den USA leben im Durchschnitt knapp 30 Menschen auf einem Quadratkilometer Fläche. 34 Alaska nimmt aufgrund seiner geographischen Lage mit der größten Fläche (1.477.268 km2 , 0,42 Einwohner pro km2) eine Sonderstellung ein. Nichtsdestotrotz ist die Besiedelung in New Jersey, nach dem reinen Stadtgebiet des District of Columbia die zweitdichteste in der Union, mit etwa 422 je km2 über zweihundertrnal so dicht wie die in Wyoming, dem am dünnsten besiedelten unter den 48 Staaten innerhalb des geschlossenen Staatsgebiets, mit knapp 2 Einwohnern je km2 • Dies weist schon auf die großen Unterschiede in der wirtschaftlichen Struktur und - dadurch bedingt - den Lebensstandards der einzelnen Staaten hin. Schärfer zeigen sich die tiefgreifenden Unterschiede in den Lebensverhältnissen am durchschnittlichen pro-Kopf-Einkommen. Die Bandbreite reicht hier von 18.958 $ (Mississippi), 19.362 $ (West Virginia) und 19.936 $ (New Mexico) bis zu 33.937 $ (New Jersey) und 37.598 $ (Connecticut) pro Kopf und Jahr. Im ärmsten Staat der USA wird also im Durchschnitt gerade einmal halb soviel verdient wie im reichsten Staat. Die Gegensätze in den wirtschaftlichen und sozialen Strukturen lassen sich jedoch nur ungenau an Staatsgrenzen festmachen. Einerseits finden sich, außer in einigen Agrarstaaten des Mittleren Westens, innerhalb der einzelnen Staaten kaum homogene Lebensverhältnisse?5 Große Gegensätze bestehen zwischen Stadt und Land, zwischen den durchschnittlichen Lebensstandards der verschiedenen ethnischen Gruppen und allgemein zwischen arm und reich. 36 Die regionalen
Vgl. Michael Bothe, Die Kompetenzstruktur des modemen Bundesstaates in rechtsvergleichender Sicht, BerlinfHeidelberglNew York 1977, 48. 34 Statistische Daten zu den USA (für 1998) nach U.S. Census Bureau (Rrsg.), Statistical Abstract of the United States: The National Data Book, 119. Aufl. Washington, D.C. 1999, zur EU (für 1998) nach Eurostat, Jahrbuch: Europa im Blick der Statistik, Ausgabe 2000, Luxenburg 2000. 35 Vgl. Bothe, Kompetenzstruktur, 47. 36 Vgl. im einzelnen zu den Unterschieden zwischen den verödeten Kemstädten und dem Land auf der einen und den Vororten der Großstädte (Suburbs) auf der anderen Seite von der Werner Ohe, Kapitel Armut, in: Willi Paul Adams/Ernst-Otto Czempie//Berndt OstendorflKurt L. ShelllP. Bernd Spahn/Michae/ Zöller (Hrsg.), Länderbericht USA II, Bonn 1990, 74, 80 und Abb. l3; zu den ethnischen Unterschieden ebd., 74, Abb. 14-16, 19 sowie Tab. 24.
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Unterschiede lassen sich allerdings besser in geographischen und wirtschaftlichen Großräumen erfassen. 37 Auch die derzeit fünfzehn Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind sowohl nach Fläche als auch nach Bevölkerungszahl recht ungleich. Die Flächen reichen von 2.600 km2 (Luxemburg) und 30.500 km2 (Dänemark) bis zu 504.800 km2 (Spanien) und 544.000 km2 (Frankreich). Die Spannbreite der Bevölkerungsdichte in den einzelnen Staaten der Union reicht von 15 Einwohner je km2 (Finnland), 22 (Schweden) und 54 (Irland) bis zu 244 (Großbritannien), 334 (Belgien) und 382 (Niederlande) und ist damit etwas geringer als in den USA. Mit etwas weniger als 375 Millionen Einwohnem ist die EU bevölkerungsreicher als die USA mit 270 Millionen Einwohnern, liegt jedoch in einem vergleichbaren Bereich. Nimmt man das Bruttoinlandsprodukt von 7,6 Mrd. ECU (EU) gegenüber 7,8 Mrd. ECU (USA) hinzu, so kommen sich USA und EU als Wirtschaftsraum recht nahe. Die Bandbreite beim Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner nach Kaufkraftstandards lag 1998 zwischen 13.330 (Griechenland) und 14.986 Punkten (Portugal) auf der einen und 22.754 (Niederlande), 24.082 (Dänemark) und 35.489 Punkten (Luxemburg) auf der anderen Seite. Gegenstand dieser Arbeit sind die rechtlichen Lösungsmodelle, die die Entscheidungen im Umweltschutzbereich so vorstrukturieren, dass im Idealfall über Anforderungen des Umweltschutzes auf der jeweils angemessenen politischen Ebene entschieden wird. Aus dem vorgefundenen Umweltrecht sollen die Strukturen der Aufgabenverteilung zwischen den verschiedenen Ebenen des föderalen Systems herausgearbeitet werden, mit denen USA und EU die Spannung zwischen Einheit und Vielfalt umwe1trechtlicher Anforderungen zu lösen versuchen.
§ 2 Gang der Darstellung Die vorliegende Arbeit nähert sich der föderalen Aufgabenverteilung von den Befugnissen der zwei Ebenen her, auf denen in den untersuchten Systemen USA und EU rechtssetzende Tätigkeit stattfmdet. Vorab wird in allgemeiner Form dargestellt, welche Erwägungen fiir eine Ansiedlung von Befugnissen fiir umweltrechtliche Regelungen auf der oberen oder unteren Ebene eines föderalen Systems sprechen (§ 3). In den ersten zwei Teilen der Arbeit wird sodann fiir die jeweils obere Ebene, die des Bundes in den USA bzw. der Gemeinschaft in der EU, untersucht, welche Kompetenzen fiir den Bereich Umwelt bestehen. Neben den inneren, in der Kompetenzbestimmung selbst angelegten 37 Dabei können die Bereiche Süden, Westen, Mittlerer Westen und Nordosten unterschieden werden. Vgl. von der Ohe, Armut, 78.
§ 3 Regelungsebene rur Umweltschutzbestirnrnungen
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Grenzen, stößt die Ausübung der Kompetenzen an äußere, durch andere Rechtssätze bestimmte Grenzen. Diese werden im Anschluss dargestellt. Der verfassungsrechtliche Rahmen setzt die Bedingungen für die Gestaltung des einfachen Rechts, aus dem Regelungsgeflecht der Kompetenzen und ihren Begrenzungen ergibt sich die Möglichkeit bestimmter Regelungsmodelle. Der jeweils letzte Abschnitt der die Handlungsspielräume der oberen Ebene betreffenden Teile der Arbeit beschäftigt sich daher mit den Regelungsmodellen im Umweltrecht, die die jeweils obere Ebene in den beiden Systemen anwendet. Im dritten und vierten Teil der Arbeit sind die Kompetenzen der jeweils unteren Ebene (der Einzelstaaten) soweit das Gesamtsystem diese bestimmt, sowie die hiervon vorgegebenen Grenzen der Ausübung der Befugnisse darzustellen. Hinsichtlich dieser Grenzen ist zu unterscheiden, ob im jeweiligen Regelungsbereich bereits Recht der oberen Ebene besteht (das einzelstaatliches Recht verdrängt oder diesem Inhalte vorgibt) oder ob dies nicht der Fall ist (und Grenzsetzungen daher ausschließlich aus der Grundordnung des Gesamtsystems, der Verfassung bzw. dem EG-Vertrag, herzuleiten sind). Nach dem zweiten und vierten Teil der Arbeit werden rechtsvergleichende Schlussfolgerungen gezogen. Am Schluss der Arbeit wird die Aufgabenverteilung in der Gesamtschau beider Systeme verglichen.
§ 3 Die Problematik der Regelungsebene für Umweltschutzbestimmungen: Gründe für und gegen ein zentral vorgegebenes Umweltrecht Welche Entscheidungsebene ist unter welchen Aspekten für eine sachgerechte Wahrnehmung von Umweltschutzaufgaben geeignet? Sollten Umweltfragen grundsätzlich einheitlich geregelt werden oder ganz den Gliedstaaten bzw. Mitgliedstaaten und deren geographischen Untergliederungen überlassen werden? Die jeweils für eine Aufgabenwahrnehmung auf der oberen bzw. unteren Ebene sprechenden Erwägungen lassen sich in ökologische, ökonomische und politische oder in utilitaristische und nicht-utilitaristische/ethische Argumente gruppieren. 38 Sie weisen jedoch vielfach Überschneidungen auf und werden daher hier nur in Argumente für eine Regelung auf der einen oder der anderen Ebene unterteilt.
38 Vgl. Cliona J. M. Kimber, Symposium Environmental Federalism: A Comparison of Environmental Federalism in the United States and the European Union, 54 Md. L. Rev. 1658, 1659 ff. (1995) und Richard B. Stewart, Pyrarnids of Sacrifice? Problems of Federalism in Mandating State Implementation of National Environmental Policy, 86 Yale L. J. 1196, 1210 (1977).
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I. Gründe für Umweltrecht auf der oberen Ebene (Bundes- bzw. Gemeinschaftsebene) 1. Verhinderung eines Negativwettbewerbs bei Umweltstandards (race to the bottom)
Die wichtigsten Umweltgüter (Luft, Wasser, Boden) sind als öffentliche Güter grundsätzlich frei verfiigbar. Die Verursachung von Umweltschäden bringt fiir den Schädiger keine unmittelbaren Kosten mit sich. Umweltschutzbestimmungen, die zur Verteuerung von Produktionsvorgängen fUhren, erscheinen als Kostenfaktoren ohne individuellen Nutzen. In einem System unabhängiger Entscheidungszentren ohne interne Handelsschranken werden die Entscheidungsträger im Wettbewerb um Investitionen und Arbeitsplätze solche Kostenfaktoren vermeiden. Die Senkung von Umweltstandards erscheint als besonders "billig", weil sie nicht mit unmittelbaren fInanziellen Nachteilen verbunden ist (wie dies z.B. bei Steuersenkungen der Fall ist) oder einseitig bestimmte gesellschaftliche Gruppen belastet (wie z.B. bei Senkung von Mindestlöhnen oder bei bestimmten Steuern). Verhalten sich alle Entscheidungszentren unabhängig voneinander und im oben dargestellten Sinne rational, so droht der Wettbewerb um Investitionen und Arbeitsplätze zu einem gegenseitigen Unterbieten mit niedrigen Umweltstandards zu werden. Die Einzelstaaten treten in eine verschärfte Form des "Gefangenendilernrnas" in der Form der Allmendetragödie ein, in den USA bezeichnet als ,,Rennen zur Grundlinie,,39 (race to the bottom40), bei dem sich der Umweltschutz nicht durchsetzen kann. Im Hinblick auf die Umwelt stellt sich das Gesamtsystem schlechter als bei einem gemeinsamen oder zentral gesteuerten Vorgehen, das eine einheitliche und daher nicht wettbewerbsverzerrende Belastung mit Umweltschutzvorschriften ermöglicht. 39 Vgl. die Begründung in United States v. Darby, 312 U.S. 100, 115 (1941): "The motive and purpose of the present regulation are plainly to make effective the Congressional conception of public policy that interstate commerce should not be made the instrument of competition in the distribution of goods produced under substandard labor conditions, which competition is injurious to the commerce and to the states from and to which the commerce flows. ( ...) Whatever their motive and purpose, regulations of commerce which do not infringe some constitutional prohibition are within the plenary power conferred on Congress by the Commerce Clause." Ähnlich auch bereits Hammer v. Dagenhart, 247 U.S 251, 256 f. (1918) - Bestätigung eines Bundesgesetzes, das den zwischenstaatlichen Transport von Produkten aus Kinderarbeit (unter vierzehn Jahren) verbot: "The shipment of child-made goods outside of one state directly induces sirnilar employment ofchildren in competing states." 40 V gl. John P. Dwyer, The Commerce Clause and the Limits of Congressional Authorityto Regulate the Environment, 25 ELR 10421,10429 (1995). Der griffige Terminus "race to the bottom" ist eine Prägung aus William L. Cary, Federalism and Corporate Law: Reflections Upon Delaware, 83 Yale L. J. 663,705 (1974).
§ 3 Regelungsebene für Umweltschutzbestimmungen
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2. Verhinderung protektionistischer Maßnahmen Bei unabhängigen Entscheidungen auf der einzelstaatlichen Ebene droht ein Ausgleichsmechanismus, mit dem die oben dargestellten wirtschaftlichen Nachteile verhindert werden sollen. Einzelstaaten, die die Notwendigkeit von Umweltschutzbestimmungen erkannt haben, werden vielfach versuchen, den Wettbewerbsvorteil "schmutzigerer" Einzelstaaten durch offene oder verdeckte Einfubrhindernisse auszugleichen. In diesem Fall wird der gemeinsame Markt des Gesamtsystems beeinträchtigt. Betroffenen Industrien, die Wettbewerbsnachteile befiirchten, werden Druck in Richtung auf eine Senkung von Umweltstandards oder protektionistischer Maßnahmen fiir ihre Produkte ausüben. Zentral gesteuerte Regelungen vermeiden auch diesen Mechanismus. Zudem können sie durch Querfinanzierungen fUr besonders belastete oder weniger entwickelte Regionen regional unterschiedliche Belastungen abfedern.
3. Grenzüberschreitende Auswirkungen von Umweltschäden und grenzüberschreitende Lebensräume Von spezifisch umweltrechtlicher Bedeutung sind externe Effekte zwischen den Einzelstaaten, insbesondere grenzüberschreitende Schadstoffeinträge auf dem Luft- oder Wasserweg. 41 Dies spricht in mehreren Fallkonstellationen fiir Regelungen auf Bundes- bzw. Gemeinschaftsebene: Im technischen Umweltrecht tritt vielfach das Problem grenzüberschreitender Verschmutzungen durch Schadstoffbelastungen in Luft oder Wasser auf (in den USA als interstate spillovers bezeichnet). Einzelstaatliche Regelungsmechanismen versagen hier. Solche Belastungen fiihren zu Konflikten zwischen den Einzelstaaten, die im Extremfall den Zusammenhalt des Gesamtsystems gefährden können. Psychische Beeinträchtigungen treffen z.B. Menschen, die die Natur jenseits der Grenze zur Erholung aufsuchen oder schlichtweg ein Interesse an deren Erhaltung haben. 42 41 Vgl. z.B. das Problem bodennaher Ozonkonzentrationen, die vom Wind von ihrem Entstehungsort in andere Gegenden getragen werden. Hierzu Geoffrey L. Wilcox, New England and the Challenge of Interstate Ozone Pollution under the Clean Air Act of 1990,24 B.C. Envtl. Aff. L. Rev. 1 (1996). Allgemein hierzu Richard L. Revesz, Federalism and Interstate Environmental Extemalities, 144 U. Pa. L. Rev. 2341 (1996) sowie ders., The Race to the Bottom and Federal Environmental Regulation: A Response to Critics, 82 Minn. L. Rev. 535 (1997), 538 und 540 ff. 42 Jarass sieht lediglich die Gefahr, bei Reisen physisch Schadstoffbelastungen ausgesetzt zu sein, die man aber durch Verpflichtungen der (Mitglied-)Staaten zur Information über diese Belastungen bannen könne. Hans D. Jarass, EG-Kompetenzen und das Prinzip der Subsidiarität nach Schaffung der Europäischen Union, EuGRZ 1994, 209,
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Ähnliche Probleme entstehen bei grenzüberschreitenden Sachfragen des Umweltschutzes, die nicht auf Verschmutzungen von Umweltgütern beruhen. Im Naturschutzbereich kann sich ein zusammenhängendes schützenswertes Gebiet über mehrere staatlichen Einheiten erstrecken, oder eine schützenswerte Zugvogelart kann mehrere Staaten auf ihrer Reise oder als Lebensraum berühren. Staatsverträge zwischen Einzelstaaten zur Lösung dieser Problematiken erfordern hohe Transaktionskosten, zudem sind die Verhandlungspositionen häufig äußerst ungleich verteilt, wie Z.B. gegenüber einem flussaufwärts oder in Hauptwindrichtung gelegenen anderen Einzelstaat oder bei "psychischen Beeinträchtigungen" angesichts der Zerstörung rein innerstaatlicher Umweltgüter. In solchen Fällen sind Einigungen, wenn überhaupt, häufig nur gegen finanzielle oder sachfremde andere Gegenleistung des geschädigten Staates möglich.
4. Repräsentation berührter Interessen Vielfach wird die Unabhängigkeit einer zentralen Regelsetzung und -durchsetzung von lokalen Nutzungsinteressen betont. 43 Auf zentraler Ebene seien daher politische Entscheidungen eher an Grundwerten orientiert und dienten besser dem Schutz schwächerer gesellschaftlicher Gruppen. Nur Entscheidungen auf zentraler Ebene sicherten einheitliche Mindeststandards einer gesunden Umwelt für alle Bürger. 44 In Einzelfällen, bei bestimmten Industrien oder anderen Interessengruppen von örtlich herausragender Bedeutung, mag die Furcht vor übermächtigen örtlichen Interessen ihre Berechtigung haben. In vielen Bereichen ist jedoch der Einfluss bestimmter Lobbygruppen gerade auf der oberen Ebene besonders stark, so dass von mehr Objektivität nicht die Rede sein kann. In den USA wird dies am Beispiel der Wahlkampffmanzierung deutlich, bei der der einzelne Politiker von den ihn stützenden finanzkräftigen Interessengruppen abhängig ist. 45 Umgekehrt setzen sich im Naturschutzbereich vielfach gerade lokale
Vgl. z.B. Kimber 1661. Vgl. Stewart, Pyramids ofSacrifice, 1217. "National mechanisms for determining environmental policies faeilitate, to a greater degree than their state and loeal counterparts, the aehievement of commitments entailing material saerifiee; the moral eontent of rising environmental concern thus helps explain the increasing resort to centralized deeision." Ebd. 45 Vg1. Steven G. Calabresi, "A Government of Limited and Enumerated Powers": In Defense ofUnited States v. Lopez, 94 Mich. L. Rev. 752,794 f. (1995). 43
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§ 3 Regelungsebene für Umweltschutzbestirnrnungen
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Gruppenfiir den.'Schutz von Naturräumen gegenüber neuen Industrie- oder Ihfrastrukturprojekten ein. 46 Andererseits mag es zutreffend sein, dass die Verlagerung von Entscheidungen über. Umweltschutzbestimmungen auf die Obere Ebene den Vertretern von Umweltschutzinteressen per saldo ein vergleichsweise stärkeres Gehör im Rechtssetzungsprozess verschafft. 47 Zwar sind wirtschaftliche Interessen über nationale oder supranationale Interessenverbände hier sicher nicht weniger wirksam vertreten als Umweltschutzinteressen. Auf lokaler Ebene werden vor Ort angesiedelte Wirtschaftsunternehmen jedoch häufig über eine bessere finanzielle und organisatorische Ausstattung zur Vertretung ihrer Interessen verfugen als örtliche Umweltgruppen, die hier die ,,kritische Masse" fiir eine effektive und dauerhafte Einflussnahme nicht erreichen. Für Umweltschutzinteressen bringt die zentrale Ebene neben dem Erreichen der "kritischen Masse" außerdem Vorteile bei der Beschaffung von Spendenmitteln über den Kreis lokal Betroffener hinaus. 48
5. Wirtschaftliche Vorteile Einheitliche Regelungen, die auf einer oberen Ebene entwickelt und fortgeschrieben werden, weisen Wirtschaftlichkeitsvorteile fiir die Verwaltung und fiir die Rechtsunterworfenen auf. Die Setzung von Umweltrecht erfordert in vielen Bereichen sowohl des technischen Umweltrechts als auch des Naturschutzrechts umfangreiche Forschungs- und Entwicklungsarbeit. Die Bündelung dieser Arbeiten auf zentraler Ebene erspart nicht nur mehrfache Aufwendungen (economies of scale), sondern ermöglicht häufig wirtschaftlich erst die darauf basierenden Regelungen. Auch im Bereich der Verwaltung, etwa beim Training von fachlich geeigneten Mitarbeitern, kann die zentrale Zusammenfassung von Aufgaben zu wesentlichen Einspareffekten fUhren. Größere und besser ausgestattete Behörden auf der Zentralebene werden angesichts komplizierter Fragestellungen vielfach eine fundiertere Arbeit leisten. Allerdings stellt sich die noch zu verfolgende Frage, ob diesen Vorteilen nicht bereits hinreichend mit der Unterstützung der
46 Dieser Einsatz scheint allerdings gelegentlich auch vom sog. "Not-in-myBackyard-Syndrom" gelenkt. 47 Vg1. Stewart, Pyrarnids ofSacrifice, 1213 f. 48 Vg1. Stewart, Pyrarnids of Sacrifice, 1214. In den USA hat die wirksamste Vertretung von Umweltschutzinteressen - gemessen am Ergebnis der Umweltgesetzgebung der siebziger und achtziger Jahre - tatsächlich auf nationaler Ebene stattgefunden. Ebd., 1215.
4 Renner
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Einzelstaaten durch zentrale Einrichtungen bzw. wechselseitiger Unterstützung auf einzelstaatlicher Ebene Rechnung getragen wird. Bei produktbezogenen Regelungen49 sind einheitliche Standards auch fiir die betroffenen Industrien mit 'erheblichen Wirtschaftlichkeitsvorteilen verbunden. Einheitliche Standards ermöglichen eine einheitliche Produktion für den gesamten Markt. In einem bisher offenen Markt wie den USA führt dies zu Kostenvorteilen für die beteiligten Industrien, welche sich dementsprechend mitunter vehement fiir einheitliche Standards einsetzen. In einem System traditionell national unterschiedener Märkte wie der EU ermöglichen einheitliche Standards vielfach erst einen freien Warenverkehr. Anders als andere Erwägungen spricht dieser Aspekt nicht für Mindeststandards auf der Zentralebene, sondern für eine vollständige Vereinheitlichung ohne Möglichkeit zu einzelstaatlicher Abweichung weder nach unten noch nach oben. Schließlich vermeiden einheitliche Standards im produktionsbezogenen ebenso wie im produktbezogenen Bereich Wettbewerbs verzerrungen zwischen Produzenten in unterschiedlichen Einzelstaaten und die dadurch entstehenden Nachteile fiir Produzenten und Abnehmer.
6. Verbesserung der internationalen Verhandlungsposition Eine einheitliche Vertretung des Gesamtsystems durch die obere Ebene bei internationalen Konferenzen und bei bilateralen Verhandlungen mit Drittstaaten verstärkt das kollektive politische Gewicht der Staaten. Es erleichtert so die Durchsetzung globaler Umweltschutzziele, z.B. im Bereich des Schutzes der Meere vor Verschmutzung und Überfischung, im Bereich des Schutzes der Ozonschicht oder der Reduzierung des Kohlendioxidausstoßes.
II. Gründe für ein Umweltrecht auf einer unteren Ebene (gliedstaatliche bzw. mitgliedstaatliche oder lokale Ebene) Manche der folgenden Argumente sprechen für eine Überlassung der Umweltgesetzgebung an die Einzelstaaten, manche lediglich ftir eine ergänzende Gesetzgebungsfunktion oder eine Mitwirkung der Einzelstaaten bei der Verwaltung von Programmen der Zentralebene. Dies ergibt sich jeweils aus den Argumenten.
49 Anforderungen, die sich unmittelbar an Produkte richten, im Gegensatz zu Anforderungen, die Herstellungsverfahren betreffen (produktionsbezogene Regelungen).
§ 3 Regelungsebene rur Um'Yeltschutzbestimmungen
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1. Mangelnde Berücksichtigung geographischer, ökologischer, rechtlicher
und anderer Unterschiede in zentral vorgegebenen Regelungen Zentrale umweltrechtliche Regelungen enthalten typischerweise vorwiegend einheitliche Standards. Unterschiedliche Standards sind nicht nur aufwendiger einzurichten und fortzuschreiben, sondern auch politisch schwerer zu begründen. Einheitliche Standards orientieren sich entweder an der schlimmsten Umweltsituation im Gesamtsystem, an einem Durchschnittswert oder an einer besseren Umweltsituation. In ersterem Fall führen sie in vielen Gegenden zu übertriebenen Belastungen, da die Umwelt dort aufgrund geographischer Eigenheiten, geringerer Vorbelastung oder dünner Besiedlung mehr Schadstoffe resorbieren könnte, ohne Schaden zu nehmen; in letzterem sind sie in vielen Gebieten schlicht unwirksam. In einem nach den geographisch und ökologisch sowie von der Bevölkerungsdichte und dem Durchschnittseinkommen höchst unterschiedlichen politischen Großsystem wie den USA oder der EU werden einheitliche Standards möglicherweise weder der Umweltproblernatik in den einzelnen Regionen gerecht noch den Präferenzen der ortsansässigen Bevölkerung, die möglicherweise angesichts von Arbeitslosigkeit und niedrigem Lebensstandard eine andere Verwendung von Staats mitteln vorzieht. Außerdem werden einheitliche Standards mangels Rücksicht auf individuelle Unterschiede vielfach nur eine für den einzelnen Rechtsunterworfenen ökonomisch höchst ineffIziente Lösung bieten. 50 Werden hingegen nicht-uniforme Standards zentral vorgegeben, so komplizieren sich die Probleme weiter. Wie sieht eine "gerechte" Verteilung der Lasten des Umweltschutzes aus? Dürfen wirtschaftlich unterentwickelte Gebiete mit hohem ökologischen Wert besonders geschützt und dadurch gegenüber weiter entwickelten Gebieten möglicherweise wirtschaftlich benachteiligt werden?51
2. Gliedstaaten/Mitgliedstaaten als "regulatorische Laboratorien" Die Rechtssetzungsorgane der oberen Ebene können sich die Aktivitäten der Einzelstaaten nutzbar machen. Eine Vielzahl selbständiger Gesetzgeber in den 50 Vg1. Richard B. Stewart, Symposium Environmental Quality and Free Trade: Interdependent Goals or Irreconcilable Conflict? International Trade and Environment: Lessons from the Federal Experience, 49 Wash. & Lee L. Rev. 1329, 1343 ff. (1992). 5\ V g1. das Beispiel der Regelungen zur visibility protection, dem Schutz vor Schwebstoffen in der Luft zur Gewährleistung von Fernsicht in naturnahen Landschaften, insbesondere in der Umgebung der Nationalparks im Westen der USA, Clean Air Act §§ 169A ff. , 42 U.S.c. §§ 7491 ff.. 4'
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Einzelstaaten lassen diese als ideale Testfelder fiir neue Regelungen und Instrumente des Umweltrechts erscheinen (in den USA unter dem Stichwort "laboratories of federalism" vertraut52). Einzelstaatliche Vorschriften erweisen sich in der Regel als leichter änderbar und mögliche ökonomische oder ökologische Schäden durch fehlerhafte Ansätze sind vergleichsweise geringer. 53 Mit einzelstaatlichen Vorschriften lassen sich nicht nur (theoretisch) fünfzig (in den USA) oder fünfzehn (in der EU) verschiedene regulatorische Ansätze in der Praxis erproben, gliedstaatliche Vorbilder und Erfahrungswerte können auch politische Hindernisse fiir neue Regelungen auf der Zentralebene ausräumen. 54 Die Nutzung der regulatorischen Innovationskraft der unteren Ebene erfordert es allerdings, den Einzelstaaten bewusst Spielräume fiir eigene Regelungen zu lassen. In den USA sind die laboratories of federalism ein zentrales Argument fiir gliedstaatliche Autonomie. Eine Vielzahl von Gliedstaaten verfügt inzwischen über umfangreiche umweltrechtliche Regelungen, die Gesamtrnasse des gliedstaatlichen Umweltrechts übersteigt die des Umweltrechts des Bundes. Einige Staaten bilden die "Vorhut des Umweltrechts" in den USA und schaffen Regelungen, die zum Vorbild fiir Regelungen des Bundes werden. 55 Die initiierende Wirkung mitgliedstaatlicher Maßnahmen in der EU wird immer wieder hervorgehoben. 56 Die Rechtssetzung auf Gemeinschaftsebene ·entwickelt in seltenen Fällen eigenständige Regelungsansätze, sondern orientiert sich regelmäßig an den vorhandenen Regelungen einzelner Mitgliedstaaten, so dass ein "Vorpreschen" einzelner Mitgliedstaaten im Umweltschutz-
S2 So die Äußerung von Justice Brandeis in seiner abweichenden Meinung in New State lee Co. v. Liebmann, 285 U.S. 262, 31 1 (I932): "It is one of the happy incidents of the federal system that a single courageous state may, if its citizens chose, serve as a laboratory; and try novel social and econmic experiments without risk to the rest of the country." S3 David L. MarkelI, States as Innovators: It's Time for a new Look to our "Laboratories of Democracy" in the Effort to lmprove our Approach to Environmental Regulation, 58 Alb. L. Rev. 347,356 m.w.N., 358 (1994). 54 MarkelI, States as Innovators, 358. Umweltrechtliche Standards sind in besonderer Weise vom Problem der Unsicherheit ihrer Wirkungen geprägt. Vgl. Alyson C. Flournoy, Legislating lnaction: Asking the Wrong Questions in Protective Environmental Decisionmaking, 15 Harv. Envtl. L. Rev. 327, 333 ff. (1991). Gliedstaatliche Vorbilder können dazu dienen, solche Unsicherheiten auszuräumen oder zumindest die Machbarkeit des gewählten Ansatzes zu belegen. ss Marke1l353 f. m.w.N. S6 Vgl. z.B. Kirsten Borgsmidt, Ecotaxes in the Framework of Community Law, EELR 8 (1999), 270, 281; Eckard RehbinderlRichard Steward, Environmental Proteetion Policy, in: CappellettilSeccombelWeiler, Integration Through Law, Bd. 2, BerIin 1985,213 f. m.w.N.
§ 3 Regelungsebene für Umweltschutzbestimmungen
53
recht entscheidende Bedeutung fiir die Innovationskraft des Gemeinschaftsrechts gewinnt. 57
3. Bessere Vertrautheit lokaler Behörden mit lokalen Problemen und höhere Akzeptanz ortsnaher Verwaltung Nicht nur Sachprobleme und Lösungsmöglichkeiten sind lokal verschieden, auch die örtlichen Behörden sind häufig besser mit der örtlichen Situation vertraut. 58 Individuelle Regelungsansätze sind vielfach Voraussetzung fiir effiziente Regelungen im Umweltschutz. 59 Dies betrifft Gesetzgebung und Verwaltung gleichennaßen. Je ferner ein Entscheidungsträger dem Ort der AusfUhrung seiner Entscheidung ist, desto schlechter wird er tendenziell die konkreten örtlichen Rahrnenbedingungen verstehen. Der Versuch, diesen Bedingungen gerecht zu werden und sich die hierfiir notwendigen Informationen zu verschaffen, wird vielfach mit erheblichen Transaktionskosten verbunden sein. Daneben lässt sich die "weiche" Anforderung lokaler Akzeptanz (bei Bevölkerung und örtlichen Verwaltungsträgern) ins Feld führen. Umweltrechtliche Vorschriften sind häufig im nationalen Rahmen unschwer vermittelbar, führen aber ebenso häufig bei den vor Ort unmittelbar Betroffenen zu deutlichen Abwehrreaktionen. Ortsansässige fiihlen sich von Bundesrecht in den USA oder Gemeinschaftsrecht in der EU vielfach fremdbestimmt, während ortsnahe Entscheidungen als "bürgernäher" erlebt werden. Tatsächlich bedeuten zentrale Entscheidungen ein relatives Minus an politischer Selbstbestimmung der örtlichen Gemeinschaften. Dies stößt vor allem dort auf Widerstand - sowohl bei den Rechtsunterworfenen als auch bei der örtlichen Verwaltung -, wo Entscheidungen traditionell auf örtlicher Ebene getroffen wurden und nun z.B. im Fall der Einschränkung der Bodennutzung fiir Wohn- und Gewerbeansiedlungen - auf ortsferne Entscheidungsträger verlagert sind. Lokale Verwaltungsbehörden werden in diesen Fällen bundes-/gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen möglicherweise nur nachlässig oder unvollständig nachkommen. Dies kann zu einem erheblichen politischen Hindernis fiir eine effektive Rechtsdurchsetzung werden. Die Unterstützung der örtlichen Politik und Verwaltung gilt daher als wichtig, die Vermittlung durch örtliche Verwaltungsträger als besserer Zugang zum betroffenen Bürger. 60
RehbinderlStewart 213. Vgl. John P. Dwyer, Symposium Environmental Federalism: The Practice ofFederalism under the Clean Air Act, 54 Md. L. Rev. 1183, 1218 (1995). 59 Vgl. Adler, Green Aspects, 579 m.w.N. 60 Vgl. Adler, Green Aspects, 579 f. 57
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4. "Nähere" demokratische Legitimation örtlicher Entscheidungen Schließlich gilt die lokale Kontrolle über lokal bedeutsame Entscheidungen nicht nur als bürgernah, sondern auch als demokratisch besser, weil "näher" legitimiert. Da ein örtlicher Volksvertreter weniger Bürger vertritt, ist der Einfluss des Einzelnen sowie lokaler Interessengruppen auf die Ergebnisse der Politik größer. Dieses Argument ist das Gegenstück zu dem oben (1.4.) dargestellten Repräsentationsgedanken.
5. Mangelnde administrative und finanzielle Ressourcen des Bundes und Wirtschaftlichkeitserwägungen ("Parallelverwaltung") Große Bedeutung gewinnt ein praktisches Argument: die mangelhafte finanzielle Ausstattung der zuständigen Behörden der oberen Ebene. Verfügen diese über eigene Verwaltungsträger vor Ort, so verursacht dies doch erhebliche Kosten. In der EU gibt es im Umweltbereich wie in den meisten anderen Bereichen des Gemeinschaftsrechts keine eigenen Verwaltungsbehörden, in den USA ist die finanzielle Ausstattung der Umweltverwaltung des Bundes (im wesentlichen der Environmental Protection Agency (EPA) , die Aufgaben sowohl der Gesetzesvorbereitung als auch des Gesetzesvollzugs und der Kontrolle wahmirnmt), so schlecht, dass eine bundeseigene Verwaltung aller Umweltprogramme des Bundes völlig undenkbar ist. 61 Richtet die obere Ebene eine eigene Verwaltung vor Ort ein, parallel zu der der Einzelstaaten, so stellt sich die Frage nach der Wirtschaftlichkeit einer solchen "Parallelverwaltung". Doppelte Verwaltungs stellen kosten doppelt, in der Bevölkerung droht der Eindruck einer aufgeblasenen und unübersichtlichen Bürokratie; zusätzliche Anstrengungen sind erforderlich, um den Informationsaustausch zwischen den Verwaltungsstellen der verschiedenen Ebenen zu gewährleisten. Ein Nebeneinander von zwei örtlichen Verwaltungen im föderalen System erscheint daher weder sinnvoll noch bezahlbar.
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Vgl. Dwyer, Practice ofFederalism, 1190; Stewart, Pyramids ofSacrifice, 1196 ff.
Teil 1 Umweltrechtliche Handlungsspielräume des Bundes in den Vereinigten Staaten § 4 Kurze Einführung in das Recht der Vereinigten Staaten I. Rechtsquellen Die Wurzeln des US-amerikanischen Rechts liegen im englischen Recht, das die Siedler des 17. Jahrhunderts mitbrachten. Sie besiedelten Gebiete, in denen bisher keine andere europäische Nation herrschte und damit auch kein nach der Vorstellung der Siedler "zivilisiertes" Rechtssystem In den englischen Kolonien in Nordamerika galt das Gewolmheits- und Rechtsprechungsrecht (common law) des Mutterlandes, soweit es den Verhältnissen in den Kolonien entsprach, 1 das vor Gründung der ersten englischen Kolonie Virginia 1607 erlassene englische Gesetzesrecht (statutory law), sowie spätere Gesetze, die durch Parlamentsbeschluss fiir die Kolonien fiir anwendbar erklärt wurden. 2 Der Mangel an ausgebildeten Juristen und die Andersartigkeit von Problemen in der neuen Welt fiihrten jedoch schon frühzeitig zu einem Auseinanderdriften der englischen und amerikanischen Rechtsentwicklung. Eine strenge Unterscheidung zwischen öffentlichem und privatem Recht gibt es in den USA weder im Rechtssystem noch im Gerichtsaufbau. Grundsätzlich gilt das von der Rechtsprechung entwickelte common law, soweit es nicht durch Gesetze ersetzt oder überformt ist. Der Bereich des öffentlichen Rechts (nach kontinentaleuropäischer Diktion) ist heute beinahe durchgehend Gesetzesrecht. Auch hier nimmt allerdings die Rechtsprechung eine zentrale Funktion bei der Rechtsgestaltung ein.
I Vgl. die Entscheidung Calvin v. Smith, (1608) 7 Rep. 1 zur gleichartigen Situation in Schottland infolge der Personalunion mit England seit der Thronbesteigung Jakobs I. Stuart 1603. 2 V gl. Michael Will, Das Recht der Verinigten Staaten von Amerika, in: Günter Grasmann u.a., Einflihrung in die großen Rechtssysteme der Gegenwart, auf der Grundlage von Rene David/Camille JaufJret Spinosi, Les grands systemes de droit contemporains, 2. dt. Aufl. München 1989,502 mw.N.
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Teil 1: Handlungsspielräume des Bundes in den USA
11. Legislative und Exekutive Die Legislative, der Kongress, besteht aus zwei Kammern, dem Senat (Senate) und dem Repräsentantenhaus (House of Representatives). Im Senat ist jeder Bundesstaat mit zwei Senatoren vertreten, die seit dem Inkrafttreten des Siebzehnten Verfassungszusatzes 1913 nicht mehr von den Parlamenten der Gliedstaaten entsandt, sondern jeweils auf sechs Jahre unmittelbar vom Volk gewählt werden. Bei den alle zwei Jahre stattfindenden Wahlen steht je ein Drittel der Sitze im Senat zur Wahl. Die Zusammensetzung der 435 Repräsentanten wird alle zwei Jahre neu bestimmt. Die Verfassung fordert, dass die Wahldistrikte für die Wahlen zum Repräsentantenhaus annähernd gleich groß sind. Dem entsprechend spiegeln sich die Verhältnisse der Einwohnerzahlen in der Zahl der Repräsentanten wider: Die Bevölkerung in 7 Staaten verfugt über nur je einen Repräsentanten, 6 Staaten haben zwei, 4 haben drei, 2 haben vier, 3 haben fiinf, 6 haben sechs, je 2 haben sieben bzw. acht, 4 haben neun, je 2 haben zehn bzw. elf, je ein Staat verfugt über 12, 13, 16, 19,20, 21, 23, 30 (Texas), 31 (New York), und 52 (Kalifornien) Vertreter. Die Anzahl der repräsentierten Bürger unterscheidet sich kaum. Seit Ratifikation der neuen Verfassung von 1787 bilden die Vereinigten Staaten eine präsidiale Bundesrepublik. Der Präsident wird mittelbar, durch ein Wahlmännerkollegium (Electoral College) gewählt. Für jeden Staat werden so viele Wahlmänner bestimmt, wie dieser Vertreter im Kongress hat, hinzu kommen - allerdings erst seit dem Dreiundzwanzigsten Verfassungszusatz 1961 - drei im Bundesdistrikt (District of Columbia, D.C.) bestimmte Vertreter. Die Verfassung kennt als Regierung nur den Präsidenten und den - außer als "Ersatzpräsidenten" - funktionslosen Vizepräsidenten. Die Exekutive wird über vierzehn Ministerien geleitet (Executive Departments), deren Leiter (12 Secretaries, der Oberste Bundesanwalt (Attorney General) und der Verwalter für Veteranenangelegenheiten (Veterans Affairs Administrator», vom Präsidenten bestimmt und vom Senat bestätigt, das Kabinett des Präsidenten bilden. Die Bundesverwaltung besteht vor allem aus über sechzig administrative oder independent agencies und dem Kongress angegliederten federal commissions. Deren erste, die Interstate Commerce Commission, wurde 1887 gegründet, eine der heutigen administrative agencies ist die 1970 unter Präsident Nixon gegründete Environmental Protection Agency (EPA) als zentrale Verwaltungsbehörde des Bundes im Umweltbereich (soweit nicht spezielle Verwaltungsstellen zuständig sind). Die agencies und commissions üben eine Mischung aus rechtssetzender, verwaltender, richterlicher und gutachterlicher Tätigkeit aus. Das Verwaltungsrecht in den Vereinigten Staaten befasst sich vor allem mit der Organisation, Funktionsweise und Kontrolle der agencies und commissions. Gegen deren Entscheidungen können Rechtsmittel zu Bundesgerichten eingelegt werden. Der Verwaltungsaufbau in den Gliedstaaten
§ 4 Einführung in das Recht der USA
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weist deutliche Unterschiede auf, so wie sich auch der Gesetzgebungsprozess von Staat zu Staat deutlich unterscheidet.
m. Gerichtsautbau Jeder Gliedstaat der Vereinigten Staaten verfugt nicht nur (im Rahmen der gliedstaatlichen Kompetenzen) über ein eigenes Rechtssystem, sondern auch über ein eigenes Gerichtssystem. Daneben und unabhängig davon existiert eine vollständige Bundesgerichtsbarkeit in allen Gliedstaaten. Diese Dualität im Gerichtsaufbau beruht auf einem der Kompromisse in der verfassungsgebenden Versammlung 1787 hinsichtlich der Stärkung der Befugnisse des Bundes auf Kosten der Gliedstaaten. Über die allgemeine Gerichtsbarkeit hinaus gibt es besondere Bundesgerichte mit speziellen Kompetenzen für besondere Materien, z.B. Seegerichtsbarkeit, Zollangelegenheiten, Fiskalangelegenheiten. Es gibt weder eine gesonderte Strafgerichtsbarkeit noch eine gesonderte Verwaltungsgerichtsbarkeit. Die Gerichtssysteme der Gliedstaaten verfugen in der Regel über drei, in einigen bevölkerungsärmeren Staaten über zwei Instanzen. Die Bundesgerichtsbarkeit ist dreizügig: Die unterste Ebene bilden die District Courts, deren Bezirke bis zu einem ganzen Staat umfassen. Darüber stehen die U.S. Courts of AppeallCircuit Courts. Neben dem Gericht für den D.C. Circuit, dem Bundesdistrikt der Hauptstadt Washington, gibt es elf Circuits mit jeweils zwischen drei und neun Staaten. An der Spitze steht der U.S. Supreme Court mit einem Vorsitzenden (Chief Justice) und acht weiteren Richtern (Associate Justices).3 Zuständig ist grundsätzlich die Gerichtsbarkeit der Staaten, sowohl für Klagen auf der Grundlage gliedstaatlichen Rechts als auch für Klagen nach Bundesrecht. Bundesgerichte können grundsätzlich nur angerufen werden, wenn es in dem Rechtsstreit um Bundesrecht geht (federal question) oder Bürger aus verschiedenen Gliedstaaten (diversity), die Vereinigten Staaten selbst oder ein ausländischer Diplomat an dem Rechtsstreit beteiligt sind. Geht es um die
3 Die Bezeichnung der gliedstaatlichen Gerichte differiert sowohl gegenüber denen des Bundes als auch zwischen den Staaten. Nachweise für Entscheidungen der U.S. District Courts im Federal Supplement (F.Supp., 2. Serie ab 1998 F.Supp. 2d), der U.S. Courts of Appeal im Federal Reporter (F., F.2d, F.3d), des U.S. Supreme Court in den UnitedStates Reports (U.S.) oder dem Supreme Court Reporter (S.Ct.); neuere Urteile teilweise nach FundsteIle im Internet, anhängige Rechtssachen mit Aktenzeichen (Docket No.); Entscheidungen gliedstaatlicher Gerichte nach den sog. Regional Reporters; Zitate jeweils nach der in den USA üblichen Zitierweise Parteien - Band der Sammlung - Entscheidungssammlung - Seite - Jahr.
Teil 1: Handlungsspielräume des Bundes in den USA
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Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen oder um Fragen von politischer Bedeutung, so werden meist unmittelbar die Bundesgerichte angerufen. 4 Der Supreme Court ist höchstes Gericht und Verfassungs gericht der USA. Der Grundsatz der gerichtlichen Überprüfbarkeit von Gesetzen (judicial review) wurde bereits im Jahr 1803 in der Entscheidung Marbury v. MadisonS entwickelt. Die neun Richter des Supreme Court entscheiden allerdings nur dann, wenn wesentliche Belange des Bundes betroffen sind oder die Sache durch einen sog. writ of certiorari zur Entscheidung angenommen wird. Letzteres liegt im Ermessen des Gerichts. Voraussetzung für eine Annahme ist die grundsätzliche Bedeutung einer Sache. Oftmals nimmt der Supreme Court eine Sache erst an, wenn Untergerichte die Rechtsfrage ausgiebig beleuchtet haben.
IV. Rechtsfortbildung durch die Gerichte: stare decisis und overruling Wichtiger als die Formulierung des Gesetzes ist häufig dessen richterliche Auslegung. Man kann sagen, dass ein Gesetz erst dann wirklich in das Rechtssystem eingegliedert ist, wenn es von den Gerichten ausgelegt und angewandt worden ist. Mehr noch als für einfache Gesetze gilt dies für die Verfassung. Für frühere Gerichtsentscheidungen zu der gleichen Frage gilt grundsätzlich das Prinzip der stare decisis. Es lässt jedoch Ausnahmen ZU;6 das entscheidende Gericht ist an Urteile übergeordneter Gericht innerhalb der gleichen Gerichtshierarchie und an eigene frühere Entscheidungen gebunden (binding precedent). Der Vorentscheidung muss also in der Sache gefolgt werden. Sie gewinnt so hinsichtlich der die Entscheidung tragenden Rechtssätze Rechtsnormcharakter. 7 Ein Gericht kann nur dann anders entscheiden, wenn sich der vorliegende Fall im entscheidenden Punkt seinem Sachverhalt nach von der bindenden Vorentscheidung unterscheiden lässt (distinguishing). Beachtet ein Gericht eine bindende Entscheidung eines übergeordneten Gerichts nicht, so gilt die Entscheidung des untergeordneten Gerichts zwar als unrichtig, ist aber deshalb nicht nichtig. Der Supreme Court und die Obergerichte der Staaten können ihre eigenen Rechtssätze aus früheren Entscheidungen außer Kraft setzen (overruling). Dies unterstreicht die Rolle der Obergerichte bei der Rechtsfortbildung. Außerdem bricht Gesetzesrecht Rechtsprechungsrecht. Vgl. Will525. Marbury v. Madison, 5 U.S. (1 Cranch) 137 (1803). 6 Das Prinzip ist insgesamt weit weniger streng als die entsprechende Regel im englischen Recht, vgl. Will 528. 7 Die allgemeinen Rechtssätze, auf denen die Entscheidung in den streitigen Punkten (issues) beruht, werden mit ratio decidendi oder holding bezeichnet. 4
S
§ 5 Bundeskompetenzen
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Entscheidungen von untergeordneten Gerichten oder Gerichten eines anderen Rechtszuges haben lediglich "überzeugenden" Charakter (persuasive authority). Eine solche Bedeutung kann auch eine abweichende Meinung eines oder mehrerer Richter eines Kollegialgerichts erlangen, entweder als abweichende Begründung, die das Endergebnis mitträgt (concurring opinion), oder als abweichende Meinung, die auch das Ergebnis ablehnt (dissenting opinion oder dissent).
§ 5 Bundeskompetenzen I. Leitlinien der Kompetenzstruktur 1. Überblick zur Entstehung der geltenden Verfassung Nach der Unabhängigkeitserklärung 1776 konstituierten sich die Vereinigten Staaten zunächst als eher loser Staatenbund. Die erste Verfassung der Union, die im Jahre 1781 von den dreizehn ursprünglichen Staaten ratiftzierten Artic1es of Confederation, schuf nur so viele Gemeinsamkeiten wie unbedingt nötig. Die Articles of Confederation betonten zunächst die Souveränität, Freiheit und Unabhängigkeit der Staaten. Es gab weder eine zentrale Exekutive noch ein höchstes Bundesgericht oder überhaupt eine Bundesgerichtsbarkeit. 8 Der Kongress ("the united states in Congress assembled") hatte die enumerativen Befugnisse, über Krieg und Frieden zu entscheiden, Streitigkeiten zwischen den Staaten zu schlichten, die Währung zu bestimmen, Post- und andere Bundesämter einzurichten und den Handel mit Indianerstämmen zu kontrollieren. 9 Der Bund hatte jedoch keinerlei Recht zur Erhebung eigener Steuern oder zur Regulierung des Handels zwischen den Staaten. Gründe fiir die schwache Ausbildung dieser zentralen Staatsgewalt waren neben den Erfahrungen in den Krisenjahren des Konfliktes mit der englischen Krone seit 1763 sicherlich die Tradition politisch relativ selbständiger, stark religiös geprägter Siedlergemeinschaften in den Kolonien. Unter der Oberherrschaft der Krone waren die Kolonien vollkommen unabhängig voneinander, 10 8 Der Kongress verrugte nur über eine Kompetenz zur Schaffung einer Berufungsinstanz rur seerechtliche Fälle. 9 Vgl. GeofJrey R. Stone/Louis M Seidman/Cass R. Sunstein/Mark V. Tushnet, Constitutional Law, 3. Aufl. Boston u.a. 1996,2. 10 Die Kolonien waren rur Sicherheit, Ordnung und Wohlergehen im Inneren, Besteuerung, den Beitrag der jeweiligen Kolonie zur Außenverteidigung sowie die Regelung des lokalen Handels zuständig. Vgl. Hanspeter Tschäni, Der gliedstaatliche Kompetenzbereich in der Aufgabenverteilung des amerikanischen Bundestaates, BernlFrankfurt am Main 1982, 33 f.
Teil I: Handlungsspielräume des Bundes in den USA
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die Gemeinsamkeiten zwischen den dreizehn Kolonien waren gering. Erhebliche Unterschiede gab es sowohl in der Herkunft der Siedler in den verschiedenen Kolonien als auch in den religiösen Überzeugungen und den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Strukturen. 11 Innerhalb weniger Jahre wurde deutlich, dass die Articles of Confederation keine tragfahige Basis fiir den Zusammenhalt der Union waren. Als zentraler Mangel der Verfassung stellte sich dabei das Fehlen einer funktionsfahigen Zentralregierung mit hinreichenden Kompetenzen heraus. 12 Auf dem Gebiet des Handels kam es ohne unionsweit einheitliche Regelungen zu Konkurrenz und Protektionismus zwischen den einzelnen Staaten. Was der Kongress im Rahmen seiner eingeschränkten Kompetenzen beschloss, konnte nicht gegenüber den Staaten durchgesetzt werden. Mangels Steuererhebungsrecht fehlte dem Kongress eine verlässliche Geldquelle. Mangelndes internationales Vertrauen und Probleme mit der inneren Sicherheit kamen hinzu. \3 Abgesandte der dreizehn Staaten trafen sich bereits 1786 in Annapolis. Auf ihre Empfehlung kam 1787 in Philadelphia ein Verfassungskonvent zusammen, um die mit der bisherigen Verfassung aufgetretenen Probleme durch Verfassungszusätze zu bereinigen. 14 Die Verfassung, die der Konvent am 17. 9. 1787 verabschiedete und zur RatifIkation durch eigens geWählte Konvente in den einzelnen Staaten empfahl,15 war jedoch nicht die vorgesehene Änderung der bisherigen, sondern eine nach Form und Inhalt gänzlich neue Verfassung: Grundlage der Diskussionen in Philadelphia war der seit Mai 1787 vorliegende Vgl. Will 510. A. McLaugh/in, A Constitutional History ofthe United States, 1936, 137 ff. (auszugsweise abgedr. in Stone/Seidman/Sunstein/Tushnet 3 f.). Siehe auch die dort wiedergegebenen Zitate von Hamilton, 1783 (Hauptmangel der Verfassung sei "confining the power ofthe Federal Government within too narrow limits.") und Webster, 1785 (,,( ... ) in all the affairs that respect the whole, Congress must have the same power to enact laws and compel obedience throughout the continent, as the legislatures of the several states have in their respective jurisdictions"). Aufschlussreich sind auch die Empfehlungen eines Untersuchungskomittees des Kongresses vom August 1786, nach denen dem Kongress die Regulierung des Handels (aufgrund von Mehrheitsentscheidungen mit einer Mehrheit von neun Staaten), zusätzliche Verpflichtungen als Strafe für säumige Staaten und die Erhebung eigener Steuern ermöglicht werden sollte. 13 Vgl. allgemein hierzu Wolfgang Jäger/Wolfgang Welz (Hrsg.), Regierungssystem der USA: Lehr- und Handbuch, MünchenIWien 1995,62 f. 14 Aufgabe der Verfassungsväter, die von den Legislativen der einzelnen Staaten entsandt wurden, war "to meet at Philadelphia [to] take into consideration the situation of the United States, to devise such further provisions as shall appear to them necessary to render the constitution of the federal gvernment adequate to the exigencies of the Union." Zitiert nach Stone/Seidman/Sunstein/Tushnet 4 f. 15 Eine Abweichung von der ursprünglich vorgesehenen Prozedur, die nur eine Ratifizierung durch die Legislativen der Staaten vorsah, vgl. StonelSeidmaniSunsteinl Tushnet 5. 11
12
§ 5 BundeskompetenZen
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sog. Virginia-Plan von Edrnpnd Randolph, die zentralistiscJlste Position unter den Vorschlägen in Philadelphia. Er sah vot "that the National Legislature ought to be empowered to enjoy the Legislative Rlghts vested in Congress by the Confederation, and moreover to legislate in all cases to which the separate States are 'incompetent, or in which the harmony of the United States rnay be interrupted by the exercise ofindividuallegislation".16 Die Gegenposition der kleineren Staaten, der sog. New Jersey-Plan, führte im Gegensatz zu dieser Pauschalformulierung in Anlehnung an die Artic1es ofConfederation einzelne Befugnisse des Bundes auf, war jedoch nicht mehrheitsfähig. Schließlich wurde der Virginia-Plan zusammen mit einer Ergänzung von Bedford, nach der der Kongress zusätzlich die Kompetenz über "all cases for the general interest of the Union" erhalten sollte, an das Comrnittee of Detail übertragen. Die dort gefundene Form (enumerative Bundeskompetenzen) wurde im Plenum ohne weitere Debatte gebilligt. 17 Die zentrale Idee der vertikalen Verfassungsgliederung von 1787 ist die einer Begrenzung staatlicher Macht durch Gegeneinandersetzung zweier Staatsebenen, die sich gegenseitig kontrollieren. Der Kompetenzbereich des Bundes wird unter der neuen Verfassung entscheidend erweitert, die Kompetenzen sind enumerativ aufgeführt, nach dem Regel-Ausnahme-Prinzip stehen die verbleibenden Kompetenzen den Staaten zu. Argumente gegen die alte Verfassung und fiir die Stärkung der zentralen Instanzen unter der neuen Verfassung fmden sich in den sog. Federalist Papers. 18 16 Zitat nach Tschäni 48. 17 Es kann daher angenommen werden, dass die pauschale Formulierung des Virginia-Plan nach der Vorstellung von dessen Befürwortem nur einen Rahmen für die Bearbeitung einer enumerativen Fassung durch das Committee ofDetail bilden sollte. 18 Die fünfundachtzig Beiträge, die zwischen Oktober 1787 und Frühjahr 1788 in verschiedenen New Yorker Zeitungen erschienen, dienten dazu, die Stimmung im Staat New York zugunsten der neuen Verfassung zu beeinflussen, deren Ratifikation in den Bundesstaaten 1788 anstand. In diesem historischen Kontext müssen die Artikel auch verstanden werden. Sie sind in gewisser Hinsicht ,,Propagandaschriften". Oft setzen sie sich in der Hauptsache mit den Argumenten und Einwänden der sog. Antifederalists, der Gegner der neuen Verfassung, und deren Befürchtungen hinsichtlich einer zu mächtigen Zentralregierung auseinander. Nach dem in The Federalist No . 1 (Hamilton) aufgerollten Programm beschäftigen sich die Federalist Papers allerdings recht systematisch mit den Unzulänglichkeiten der bisherigen und der daraus resultierenden Notwendigkeit der neuen Verfassung (The Federalist No. 1-36) und bieten eine Analyse und Verteidigung der neuen Verfassung (The Federalist No. 37-85). Die Antifederalists folgten dem Ideal eines klassischen Republikanismus, nach dem politische Entscheidungen möglichst unmittelbar, unter größtmöglicher Partizipation des einzelnen Bürgers und im engeren lokalen Kontext zu treffen sind. Vgl. StoneiSeidmaniSunsteinITushnet 5 f. und die Argumentation von Madison in The Federalist No. 10, in: Wills 42, und No. 14, in: Wills 62. Madison unterscheidet dabei zwischen "democracy" (i.S.v. direkter Demokratie) und seinem Begriff von ,,republic" (repräsentatives System).
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Teil I: Handlungsspielräume des Bundes in den USA
Diese verweisen vor allem auf die wirtschaftliche und damit verbundene militärische Notwendigkeit eines engeren Zusammenschlusses der Staaten unter einer effizienten Bundesregierung, sowc;>hl nach außen 19 als auch zur Verhinderung des militärischen und wirtschaftlichen Bruderkriegs zwischen den Staaten.20 Der derzeitige Zusammenschluss sei nicht lebensfähig. 21 Den natürlichen Zentrifugalkräften in den einzelnen Staaten22 stehe ein Kongress gegenüber, der weder Gesetze mit unmittelbarer Geltung fiir den einzelnen Bürger erlassen könne noch über wirksame Zwangsmittel zur Durchsetzung von Bundesrecht gegenüber den Staaten verfiige. 23 Seine Rechtsakte hätten daher nicht mehr Wirkung als bloße Ratschläge oder Empfehlungen. 24 Eine gerechte und fiir die finanzielle Ausstattung des Kongresses hinreichende Steuererhebung erfordere eine indirekte Besteuerung durch den Bund?S Daneben wird die Notwendigkeit der Schaffung einer Zollunion, der Regelung des Handels durch die Union und eigener Bundesgerichte betont. 26 2. Prinzipien der Kompetenzverteilung und Kompetenzausübung a) Das Enumerationsprinzip (doctrine 01 enumerated powers)
Nach dem Regel-Ausnahme-Prinzip der Verfassung, die positiv nur Bundeskompetenzen benennt, stehen Gesetzgebungskompetenzen, die die Verfassung nicht dem Bund zuerkennt, den Gliedstaaten ZU. 27 Ausdrücklich wird dies noch einmal im Zehnten Verfassungszusatz festgestellt: 19 Vgl. The Federalist No. 3-5 (Jay), in: Wil/s, 10 ff./14 ff./18 ff.; No. 11 (Hamilton), in: Wil/s, 49, 51 und 53: Wichtigkeit einer gemeinsamen Navy der Vereinigten Staaten zur Sicherung von Handelsinteressen. 20 The Federalist No. 7 (Hamilton), in: Wills, 27, und No. 7, in: Wil/s, 32. Nach der Erfahrung einer Revolte in Massachusetts zählte zudem das Argument der inneren Sicherheit. The Federalist No. 6 (Hamilton), in: Wills, 21 , No. 9 (Hamilton), in: Wil/s, 37, und No. 21 (Hamilton), in: Wil/s, 98, 99 f. Hinzu kommt, dass machtlose Bundesinstitutionen eine wirksame diplomatische Vertretung der Union kaum gewährleisten können. The Federalist No. 15 (Hamilton), in: Wills, 67, 68 f. 21 The Federalist No. 15 (Hamilton), in: Wil/s, 67, 68. 22 The Federalist No. 15 (Hamilton), in: Wills, 67, 73. 23 The Federalist No. 21 (Hamilton), in: Wil/s, 98 f. 24 The Federalist No. 15 (Hamilton), in: Wills, 67, 72. 25 The Federalist No. 21 (Hamilton), in: Wills, 98, 100 ff. Zum Fehlen dieser Befugnis unter den Articles ofConfederation auch The Federalist No. 21 und 30-36 (Hamilton). 26 The Federalist No. 22 (Hamilton), in: Wills, 103, und No. 23 (Hamilton), in: Wills, 111. 27 So auch in den meisten anderen Bundesstaaten, eine Ausnahme bildet z.B. Kanada.
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"The powers,not delegated to the United States by the Constitution, nor prohibited to it by the States, are reserved to the States respectively, or to the people." I
Der Supreme Court hat unter Verweis auf den Zehnten Verfassungszusatz die These abgelehnt, dass der Bund in Bereichen von nationaler Bedeutung wegen der Beschränkung der Gliedstaaten auf ihre Angelegenheiten auch öhne ausdrückliche Kompetenzzuweisung zuständig sei. 28
b) Vorrang des Bundesrechts: Die Supremacy Clause Die Verfassung und einfaches Recht des Bundes gehen nach der Vorrangklausel des Art. VI S. 2 der Verfassung (Supremacy Clause)29 dem Recht der Gliedstaaten vor. Die Einführung der Supremacy Clause markierte einen der wesentlichen Neuerungen der Verfassung von 1787. 30
c) Durchführung von Sachkompetenzen unter der Necessary
and Proper Clause und die doctrine 0/ implied powers
Die Necessary and Proper Clause in Art. I § 8 S. 18 der Verfassung enthält keine eigenständige Sachkompetenz, sondern gewährt dem Kongress das Recht 28 Kansas v. Colorado, 206 U.S 46 (1907). Angelegenheiten von nationaler Bedeutung, die nicht dem Bund zugewiesen sind, sind nach dem Zehnten Verfassungszusatz "dem Volk vorbehalten" und von vornherein nicht auf den Gesetzgeber übertragen. Nach der entgegengesetzten Ansicht muss eine umfassende gesetzgebende Gewalt entweder dem Bund oder den Staaten zugeordnet sein. Da die Staaten auf ihre inneren Angelegenheiten beschränkt sind, sollen Angelegenheiten von nationaler Tragweite notwendig dem Bund zugeordnet sein. Dies wurde bereits von James Wilson im Rahmen der Verfassungsgebenden Versammlung in Philadelphia geäußert: ,,[W]henever an object occurs, to the direction of which no particular state is competent, the management of it must, of necessity, belong to the United States in Congress assembled." Zitiert nach C. Herman Pritchett, The American Constitution, New York u.a. 1977,152. 29 "This Constitution, and the Laws of the Uni ted States which shall be made in Pursuance thereof; and all Treaties made, or which shall be made, under the Authority of the United States, shall be the supreme Law of the Land; and the ludges in every State shall be bound thereby, any Thing in the Constitution or Laws of any States to the Contrary notwithstanding." Die Verfassung der Vereinigten Staaten ist in 7 Articles und (bisher) 23 Amendments (Verfassungzusätze) unterteilt. Deren römische Nummerierung wird hier übernommen. Artikel und Verfassungszusätze gliedern sich wiederum in Seetions (Abschnitte), diese wiederum in Clauses (Unterabschnitte oder Sätze), kürzere Artikel nur in Clauses. Für Sections und Clauses gibt es in der deutschsprachigen Literatur keine einheitliche Bezeichnung. Hier wird die in den USA selbst gebräuchliche Kurzschreibweise § für Sections verwendet, Clauses sind als Sätze bezeichnet. 30, Vgl. Mauro CappeliettilDavid Golay, The ludicial Branch in the Federal and Transnational Union: Its Impact on Integration, in: Mauro Cappelletti/Monica SeccombeiJoseph Weiler (Hrsg.), Integration through Law, Bd. 1, Buch 2, 261, 279.
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zum, Erlass allyr 1 Gesetze, die erforderlich und angemessen sind, um die dem _ Bund zugewiesenen Befugnisse auszuüben: "The Congress shall have Power (... ) To rnake all Laws which shall be n~cessary and proper for carrying into Execution the foregoing Powers, andali other Powers vested by this Constitution in the Govemrnent ofthe United States, or in any Departrnent or Officer thereof." Bereits kurz nach Inkrafttreten der Verfassung kam es anlässlich des Gesetzes zur Gründung der ersten Nationalbank der Vereinigten Staaten in den Jahren 1790/91 zum Streit, ob diese BestimmUng nur Befugnisse gewährt, die zur Verwirklichung von enumerativen Bundeskompetenzen zwingend erforderlich sind (Position von Jefferson), oder ob dem Bund alle vernünftigerweise geeigneten Befugnisse hierzu zustünden (Position von Hamilton). Der Supreme Court entschied die Frage erst im Jahr 1819 anhand des Verfassungs streits um die zweite Bank der Vereinigten Staaten in McCulloch v. Maryland zu Gunsten einer weiten Auslegung. Danach darf der Bund alle gesetzlichen Mittel ergreifen, die in einer vernünftigen Beziehung zu verfassungsmäßigen (ergänze: zum Kompetenzbereich des Bundes gehörigen) Zielen stehen: "Let the end' be legitirnate, let it be within the scope of the constitution, and all means which are appropriate, and which are plainly adapted to that end, which are not prohibited, but consist with the letter and the spirit of the constitution, are constitutional. ,,31 Chief Justice Marshall begründete dies mit der Struktur einer Verfassung, die auch unter der Geltung des Enumerationsprinzips nicht alle gesetzgeberischen Instrumente des Bundes nennen könne. Außerdem sei dem Bundesgesetzgeber bei der Wahl des geeigneten Mittels ein Spielraum zuzugestehen, der der Kontrolle durch die Rechtsprechung entzogen sei. 32 Die Necessary and Proper Clause beinhaltet danach keine selbständige Kompetenz, auch keine "Notkompetenz" fiir den Bund. 33 Die Norm ist der verfassungsrechtliche Ort, um die Verhältnismäßigkeit der Mittel zur Verwirklichung der in den Kompetenzen vorgegebenen Ziele zu bestimmen. Dies lässt McCulloch v. Maryland, 17 U.S. (4 Wheat.) 316,421 (1819). Ebd., 423: ,,[W]here the law is not prohibited, and is really calculated to effect any of the objects entrusted to the govemment, to undertake here to inquire into the degree of its necessity would be to pass the line which circurnscribes the judicial department, and to tread on legislative ground." 33 Vgl. Chief lustice Marshall unter dem Pseudonym "A Friend of the Constitution": ,,[McCulloch] does not contain the most distant illusion to any extension by construction of the powers of congress. Its sole object is to rernind us that a constitution cannot possibly enumerate the means by which the powers of govemment are to be carried into execution." G. Gunther (Hrsg.), lohn Marshall's Defense of McCulloch v. Maryland, 185, zitiert nach United States v. Olin Corp., 927 F.Supp. 1502, 1525 (S.D. Ala. 1996). 31
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sich allerdings gleichermaßen in die Sachkompetenzen selbst hineinlesen, so dass der Necessary and Proper Clause lediglich klarstellende Funktion zukommt. 34
3. Überblick über die einschlägigen Sachkompetenzen für die Ansiedlung der Querschnittsaufgabe Umweltschutz Eine Kompetenz, die sich ausdrücklich mit dem Thema Umwelt befasst, kennt die Verfassung nicht. Dadurch wird das Umweltrecht jedoch nicht zur ausschließlichen Domäne der Gliedstaaten. Der Querschnittscharakter des Umweltrechts lässt Regelungen, die im engeren oder weiteren Sinne auf die Umwelt bezogen sind, unter eine Vielzahl von Kompetenzen fallen, die dem Kongress ausdrücklich zugestanden sind. Die Zulässigkeit umweltrechtlicher Regelungen ist daher stets im Rahmen der Dogmatik zu betrachten, die der Supreme Court unabhängig von spezifisch umweltrechtlicher Gesetzgebung fiir diese Kompetenzen entwickelt hat. Die Entwicklungslinien in der Rechtsprechung sind auch deshalb von Bedeutung, weil der Verfassungstext selbst in vielen Bereichen nur wenig konkrete Vorgaben bietet. Zentrale Entscheidungen des Supreme Court wirken daher fort, in der Verfassungsdiskussion wird immer wieder auf sie zurückgegriffen. Die meisten Kompetenzen fur den Kongress stehen im Katalog des Art. I § 8 der Verfassung. Andere fmden sich in speziellen Sachbereichen sowie in den Verfassungszusätzen. Grundlage ftir umweltrechtliche Regelungen des Kongresses können dabei im einzelnen sein: - Handel zwischen den Gliedstaaten und Außenhandel: Die sog. Commerce Clause des Art. I § 8 S. 3 erlaubt die Regelung des Handels mit dem Ausland, zwischen den Gliedstaaten und mit Indianerstämmen (hierzu unten H.). - Bundeseigentum: Auf der Basis der Iurisdiction Clause des Art. I § 8 S. 17 und der Property Clause des Art. IV § 3 S. 2 kann der Bund Regelungen rur den umfangreichen Landbesitz der Vereinigten Staaten erlassen (hierzu unten HL).
34 VgL bereits The Federalist No. 33 (Hamilton), in: Wil/s, 155: ,,[T]he constitutional operation of the intended government would be precisely the same, if [the Necessary and Proper Clause and the Supremacy Clause] were entirely obliterated, as if they were repeted in every article."; sowie The Federalist No. 44 (Madison), in: Wills, 225, 229 f.: "No axiom is more clearly established in law, or in reason, than that wherever the end is required, the means are authorized; wherever a particular power to do a thing is given, every particular power necessary for doing it, is included".
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- Abgaben- und Ausgabengewalt: Die taxing and spending power nach Art. I § 8 S. 1 der Verfassung erlaubt dem Kongress, Steuern, Zölle und andere Abgaben einzuführen und Ausgaben fiir das allgemeine Wohl zu tätigen. Neben umweltbezogenene Abgaben erlaubt sie insbesondere, finanzielle Unterstützungen an Private und Verwaltungs träger an Bedingungen zu knüpfen (hierzu unten IV.). - Außenpolitik: Art. 11 § 2 der Verfassung gewährt dem Präsidenten die Befugnis, mit Zustimmung von zwei Dritteln des Senats völkerrechtliche Verträge zu schließen. Die Bestimmung ist gleichzeitig Grundlage fiir die Umsetzung solcher Verträge in Bundesrecht durch den Kongress. Dem entspricht ein ausdrückliches Verbot fiir die Staaten in Art. I § lOS. 3 der Verfassung. Hinzu kommt die Kompetenz des Bundes nach Art. I § 8 S. 11 der Verfassung, über Krieg und Frieden zu entscheiden. Der Supreme Court leitet aus der Natur der Sache im Zusammenspiel mit diesen Bestimmungen eine umfassende Bundeskompetenz im außenpolitischen Bereich ab (hierzu unten V. 1.). - Seerecht: Nach dem Wortlaut des Art. III § 2 S. I steht dem Bund nur eine judikative Kompetenz für Admiralitäts- und Seegerichtsbarkeit zu. Nach gefestigter Rechtsprechung des Supreme Court entspricht dem jedoch auch eine legislative Kompetenz für den Kongress (hierzu unten V. 2.).
11. Zwischenstaatlicher Handel: Die Commerce Clause Die Interstate Commerce Clause, der Teil der Commerce Clause, der sich auf den Handel zwischen den Gliedstaaten bezieht (im Folgenden nur Commerce Clause, dem üblichen Sprachgebrauch folgend), ist in der Verfassungswirklichkeit die wichtigste Sachkompetenz des Bundes. An der Rechtsprechung hierzu zeigt sich besonders deutlich die beträchtliche Ausweitung der Regelungsfelder des Bundes seit 1787. Durch Einordnung in den Kontext der wirtschaftlichen Entwicklung werden diese Entwicklungen verstehbar. Dabei werden hinsichtlich der Konzepte fiir das föderale Gefüge, die sich im historischen Rückblick aus der Entscheidungspraxis des Supreme Court entnehmen lassen, üblicherweise drei Phasen unterschieden (unten 2.a)-c».
1. Historische Gründe für die Einführung der Commerce Clause
Nach der Unabhängigkeitserklärung musste in den Articles of Confederation ein Ersatz fiir die wirtschaftliche Ordnung im britischen Kolonialreich gefunden werden. Dies wurde jedoch nicht an den Kongress (United States in Congress Assembled) übertragen, sondern blieb jedem einzelnen Staat überlassen.
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Wegen der Erfahrung wachsender Rivalitäten und Konflikte im Handel zwischen den dreizehn Gründerstaaten unter den Articles of Confederation sollte die Regelung des Handels nach allen Vorschlägen in der Constitutional Convention für die neue Verfassung zukünftig durch die Zentralgewalt erfolgen. Die Konkurrenz zwischen den dreizehn Staaten der Union im Handel und daraus entstehende Handelskonflikte galten als ein zentrales Problem der Articles of Confederation. In den Federalist Papers heißt es: "The interfering and unneighbourly regulations of some States contrary to the true spirit of the Union, have in different instances given just cause of umbrage and complaint to others; and it is to be feared that examples ofthis nature, ifnot restrained by anational controul, would be multiplied and extended till they became not less serious sources of animosity and discord, than injurious impediments to the intercourse between the different parts ofthe confederacy.,,3s Die Lösung dieses Problems sahen die Federalists in der Regelung des zwischenstaatlichen Handels durch den Bund. Die Comrnerce Clause sollte "the mutualjealousies and aggressions ofthe States, taking form in customs barriers and other econornic retaliation" verhindern. 36 Allerdings wurde diese Kompetenz sowohl in Philadelphia als auch in den Versammlungen, in denen die Verfassung zur Ratifikation anstand, kaum diskutiert. 37 Es ist auch unklar, ob dem Bund im Bereich des Handels lediglich die Regulierung des Außenhandels und die Beseitigung von Diskriminierungen im zwischenstaatlichen Handel obliegen sollte oder ob eine umfassende Regelung im Sinne einer aktiven Rolle des Bundesgesetzgebers vorgesehen war. Beide Auffassungen wurden vertreten.38 Hamilton, The Federalist No. 22, in: Wil/s, 103, 104 36 Vgl. 2 The Records of the Federal Convention of 1787, 308, zitiert nach Baldwin v. G.A.F. Seelig, 294 U.S. 511, 522 (1935). Leitvorstellung war die wirtschaftliche Einheit als Garant für den wirtschaftlichen Erfolg: ,,[T]he peoples of the several states must sink or swim together, and (... ) in the long run prosperity and salvation are in union and not in division." So die in Rechtsprechung und Literatur häufig zitierte Aussage ebd., 523. Vgl. auch H.P. Hood & Sons v. Du Mond, 336 U.S. 525, 533 f. und 537 (1949): ,,[O]ur econornic unit is the nation." 35
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Tschäni 73.
38 Für beide Seiten lassen sich sogar Zitate von James Madison - wenn auch aus zwei verschiedenen Jahrzehnten - anführen, einerseits "The National Govemment should be armed with positive and complete authority in all cases which require uniforrnity; such as the regulation oftrade (...)", andererseits "Yet it is very certain that it grew out of the abuse of the power by the importing States in taxing the non-importing, and was intended as a negative and preventive provision against injustice among the States themselves, rather than as apower to be used for tbe positive purposes of the General Govemment, in which alone, however, the remedial power could be lodged. And it will be safer to leave the power with this key to it, than to extend to it all the qualities and incidental means belonging to the power over foreign comrnerce (...)."
s'
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Weder die Verfassung noch die Diskussionen in der Constitutional Convention geben im Übrigen einen Hinweis auf die verbleibenden Befugnisse der Gliedstaaten im Handelsbereich. Die Frage, ob die Handelskompetenz des Bundes exklusiv war oder daneben konkurrierende gliedstaatliche Kompetenzen bestanden, wurde in Philadelphia nicht eindeutig gelöst.
2. Entwicklung der Rechtsprechung zur Commerce Clause a) Gibbons v. Ogden
Bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts ist eine eher bundes freundliche Auslegung der Verfassung zu beobachten. In der ersten Leitentscheidung zur Commerce Clause Gibbons v. Ogden 39 deutet sich bereits die moderne Dogmatik und das Konfliktpotential der Commerce Clause an. Anlässlich eines Streits um eine bundesrechtliche Fährerlaubnis und eine diese ausschließende Fährerlaubnis des Staates New York40 interpretierte Chief Justice Marshall den Begriff des interstate commerce. 4 \ Sprachlich fasst das Gericht commerce als commercial intercourse, also als über den bloßen Verkehr (traffic) oder Warenaustausch (interchange of commodities) hinaus alles, was zum Geschäftsverkehr gehört. 42 Zwischenstaatlicher Handel (commerce among the several States) reiche notwendig auf das Gebiet der einzelnen Gliedstaaten und sei lediglich vom rein innerstaatlichen Handel abzugrenzen, der der Kompetenz der Staaten zuzurechnen sei. 43 Das Madison in einem Brief an George Washington vom 16. 4. 1787 bzw. Madison 1829, aus: Letters and other Writings of James Madison, 1867, Bd. IV, 14, zitiert nach Tschäni 74. 39 Gibbons v. Ogden, 22 U.S. (9 Wheat.) 1 (1824). 40 Ogden hatte eine exklusive Genehmigung des Staates New York für den Dampfschiffverkehr zwischen New York City und dem benachbarten Elizabethtown, New Jersey, von Fulton und Livingston erworben, denen der Staat New York eine exklusive Lizenz zum Dampfschiffverkehr in den Gewässern des Staates verliehen hatte. New York wollte damit die neuartige Dampfschifftechnologie fördern. Gibbons hatte eine Erlaubnis für dieselbe Strecke unter dem Federal Coasting Act von 1793 (U.S. Statutes at Large, I, 305). Ogden erreichte ein Verbot gegen Gibbons, das Gibbons wiederum vor dem Supreme Court angriff. 41 Im Ergebnis kam es jedoch nicht auf die Auslegung der Commerce Clause an, da die gliedstaatliche Regelung bereits mit dem einfachem Bundesrecht des Federal Coasting Act nicht zu vereinbaren war. Marshall konnte damit auch eine Aussage darüber vermeiden, ob die Commerce Clause eine ausschließliche Bundeskompetenz ist oder ob sie konkurrierende gliedstaatliche Regelungen im Bereich des zwischenstaatlichen Handels zulässt. 42 Gibbons v. Ogden, 22 U.S. (9 Wheat.) I, 189 (1824). 43 Ebd., 194.
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Gericht deutet daneben eine funktionelle Interpretation an. Danach gehört alles zum zwischenstaatlichen Handel, was mehr als einen Gliedstaat berührt oder betrifft: "It is not intended to say that these words comprehend that commerce, which is
completely internal. which is carried on between man and man in aState ( ... ) and which does not extend to or affect other States. ( .. .) Comprehensive as the word ,among' is, it may very properly be restricted to that commerce which concerns more States than one. ( .. .) The genius and character ofthe whole govemment seern to be, that its action is to be applied to all the external concerns of the nation, and to those internal concerns which affect the States generally; but not to those which are completely within a particular State, which do not affect other States, and with which it is not necessary to interfere, for the purpose of executing some of the general powers ofthe govemment."44 Hinsichtlich der regulatorischen Mittel, die dem Kongress hierzu zur Verfiigung stehen, Es ist - ganz im Sinne der Necessary and Proper Clause nach McCulloch v. Maryland - nur ein Bezug der gesetzgeberischen Zielsetzung zum zwischenstaatlichen Handel erforderlich: "It is obvious that the govemment of the Union, in the exercise of its express powers,
that, for example, of regulating commerce with foreign nations and among the States (... ) may use means that mayaiso be employed by aState, in the exercise of its acknowledged powers, that, for example, ofregulating commerce within the State."45 Die mit der weiten Auslegung des Begriffs des zwischenstaatlichen Handels einhergehende Stärkung der Stellung des Bundes im f6deralen Gefiige (sog. constitutional nationalism) hatte im Bereich der Commerce Clause allerdings damals kaum praktische Bedeutung. Wirtschaftliche Zusammenhänge im nationalen Rahmen existierten in der vornehmlich agrarischen Wirtschaftstruktur der jungen USA kaum. Maßnahmen des Bundes im Bereich des zwischenstaatlichen Handels waren lediglich wirtschaftsfördernder Art (insbesondere Infrastrukturmaßnahmen und Landvergabe im Westen).46 Im Kontext der Diskussionen zwischen Federalists und States Rightists, den Vertretern eines starken Bundes bzw. starker Gliedstaaten, in den Parlamenten ist die weite Auslegung der Commerce Clause und anderer Bundeskompetenzen daher eher als eine Stärkung des f6deralen Modells der Verfassung von 1787 durch das Gericht zu verstehen.47 44 Ebd., 194 f. 45 Ebd., 204. 46 Vg1. Tschäni 16 f. 47 Vg1. Hans-Heinrich Trute, Zur Entwicklung des Föderalismus in den Vereinigten Staaten von Amerika, in: Zeitschrift fiir ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Bd. 49 (1989),191,214.
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b) Die Phasefroher wirtschaftslenkender Gesetze
Praktisch bedeutsam und konfliktträchtig wurde die Commerce Clause als positive Bundeskompetenz erst mit der Zunahme des zwischenstaatlichen Handels und dem Erlass wirtschafts lenkender Bundesgesetze gegen Ende des 19. Jahrhunderts. 48 Anband dieser Gesetze versuchte der Supreme Court den Bereich des interstate commerce als nationale Regelungsmaterie gegenüber lokalen Regelungsgegenständen, die in die Kompetenz der Staaten fallen, abzugrenzen. Nach dem sog. "substantial economic impact test" konnte der Bund Verhalten regeln, das in einer engen und wesentlichen Beziehung zum zwischenstaatlichen Handel stand (elose and substantial relation to interstate commerce).49 Waren die Wege des zwischenstaatlichen Handels Gegenstand der Regelung, so konnte sich der Bund seiner Gesetzgebungsgewalt auch bedienen, um andere Ziele als Schutz oder Förderung des Handels zu verfolgen. In Champion v. Ames gestattete der Supreme Court dem Kongress, den Transport schädlicher Waren (hier: Lotterielose) von einem Staat in einen anderen zu unterbinden. 50 Entsprechend der Befugnis der Staaten, Regelungen für das allgemeine W ohlergehen ihrer Bürger zu erlassen (der police power der Staaten, vgl. hierzu unten Teil 3), konnte der Bund auf der Basis der Commerce Clause im nationalen Rahmen eine "federal" oder "national police power" ausüben. 51 Die Produktion, gleichviel ob Produkte in den zwischenstaatlichen Handel gelangten oder sonst Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel in Rede standen, galt hingegen weiterhin als lokale Angelegenheit. Nach United States v. E. C. Knight Co. 52 konnte der Bund einer Gesellschaft nicht den Kauf 48 Die ersten dieser Gesetze waren der Interstate Commerce Act 1887 und der Sherman Antitrust Act 1890. 49 In Houston, East & West Texas Railway v. United States, 234 U.S. 342 (1914) heißt es, dass die Kompetenz des Kongresses, "extending to these interstate carriers as instruments of interstate commerce, necessarily embraces the right to control their operations in a11 matters having such a elose and substantial relation to interstate traffic that the control is essential or appropriate to the security ofthat traffic, to the efficiency of the interstate service, and to the maintenance of conditions under which interstate commerce may be conducted upon fair terms and without molestation or hindrance. " so Champion v. Ames, 188 U.S. 321 (1903). Dabei ging es um die Versendung einer Kiste mit Lotterielosen aus Paraguay von Texas nach Kalifomien, die nach dem Federal Lottery Act von 1895 verboten war. Der Supreme Court erklärte den Federal Lottery Act fiir verfassungsgemäß. 51 Sog. Ames rule. Vgl. hierzu auch Hoke v. United States, 267 U.S. 432 (1913): Verfassungsmäßigkeit eines Bundesgesetzes, das den Transport von Frauen zu Prostitutionszwecken über Staatsgrenzen verbot; Brooks v. United States, 267 U.S. 432 (1925): Verfassungsmäßigkeit eines Verbots, gestohlene Kraftfahrzeuge von einem Staat in einen anderen zu fahren. S2 United States v. E.C. Knight Co., 156 U.S. 1 (1895).
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von vier Zuckerraffinerien verbieten, obwohl dies zu einem beinahe vollständigen Monopol auf dem amerikanischen Markt führte. Das Gericht sah keine hinreichend intensive Beziehung zum zwischenstaatlichen Handel: "Doubtless the power to control the manufacture of a given thing involves in a certain sense the control of its disposition, but this is a secondary and not the primary sense; and although the exercise ofthat power may result in bringing the operation of commerce into play, it does not control it, and affects it only incidentally and indirectly. Commerce succeeds to manufacture, and is not apart ofit."S3 Könnte der Kongress nicht nur den Handel, sondern auch die davor liegende Produktion regulieren, so könnte er die Staaten auch im Bereich rein lokaler Materien verdrängen. S4 Im Ergebnis ist die Rechtsprechung in dieser Phase uneinheitlich. Einerseits gestattet die Ames rule die Verfolgung nichtwirtschaftlicher Ziele mit den Mitteln des Wirtschaftsrechts, neben der Befugnis zur Verfolgung von Handelspolitik mit jeglichen Mitteln, andererseits scheitern zentrale Vorschriften des Wirtschaftsrechts an der Unterscheidung zwischen Produktion und Handel. Der Supreme Court trägt der zunehmenden Ausweitung der ökonomischen Zusammenhänge Rechnung, indem der den nationalen Zuständigkeitsbereich des Bundes vom lokalen Zuständigkeitsbereich der Staaten abzugrenzen versucht. Letzteres entspricht der Konzeption eines dual federalism, nach der Bund und Gliedstaaten als Körperschaften mit eigenständigen Souveränitätsrechten auf gleichem Territorium nebeneinander stehen. 55 Mit dem Ausschluss der Produktion aus dem Regelungsbereich der Commerce Clause selbst dort, wo diese Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel hat, schafft der Supreme Court gleichzeitig ein regulatorisches Niemandsland (sog. twilight zone) zwischen dem Bereich, den die Staaten wirksam regeln können, und dem Kompetenzbereich des Bundes. 56
S3 Ebd., 12. 54 Hammer v. Dagenhart, 247 U.S. 251, 272 f. (1918): "If it were otherwise, all manufacture intended for interstate shipment would be brought under federal control to the practical exclusion of the authority of the States, a result certainly not conternplated by the framers of the Constitution when they vested in Congress the authority to regulate commerce among the States." Das Gericht grenzt von Lotterielosen (im Fall Champion v. Ames) ab, bei denen das Produkt im zwischenstaatlichen Handel selbst Schaden verursache. S5 Vgl. Trute 231. S6 Vgl. Kansas v. Colorado, 206 U.S. 46, 92 (1907): ,,[I]t may weIl be that no power is adequate for their reclarnation other than that of the National Govemment. But, if no such power has been granted, none can be exercised." Vgl. auch Trute, Entwicklung des Föderalismus, 227.
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Teil 1: Handlungsspielräume des Bundes in den USA c) Der Streit umden New Deal und die Nachkriegsjahrzehnte
Unter Führung von Präsident Roosevelt erließ der Kongress im Rahmen des New Deal seit 1933 eine Reihe wirtschaftslenkender Gesetze, um die andauernde Wirtschaftskrise in den Griff zu bekommen. Der Supreme Court erklärte zunächst in mehreren Verfahren zentrale Regelungen dieses Gesetzgebungswerkes für verfassungswidrig. 57 In ALA. Schechter Poultry Corp. v. United States 58 hatte 1935 die Klage einer Hühnerschlachterei gegen Mindestlohn- und Arbeitszeitregelungen nach dem NationalIndustrial Recovery Act Erfolg. Der Supreme Court stellte fest, dass sich die Ware bei der Verarbeitung nicht mehr im zwischenstaatlichen Handel (stream of commerce) befand, da Schechter zwar Hühner aus anderen Staaten bezog, aber nur innerhalb des Staates vertrieb. Die reale Verflechtung von Produktion und Handel nahm das Gericht auf, indem es zwischen direkten und indirekten Auswirkungen auf den Handel unterschied. Direkte Auswirkungen könne der Bund nach seiner Kompetenz zum Schutz des zwischenstaatlichen Handels vor schädlichen Einflüssen regeln. Die Festlegung von Löhnen und Arbeitszeiten habe aber allenfalls indirekte Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel. In Carter v. Carter Coal Co. 59 betonte das Gericht zunächst noch einmal den lokalen Charakter des produzierenden Gewerbes und der Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber in diesem Gewerbe und versuchte so eine klare "geographische" Trennung lokaler und nationaler Regelungsrnaterien im Sinne des dual federalism aufrechtzuerhalten. Gleichzeitig bestätigte es den in Schechter angezeigten Übergang zu einer Unterscheidung zwischen indirekten und direkten Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel. Indirekte und direkte Auswirkungen sind danach nicht nach ihrer Intensität (quantitativ), sondern ausschließlich nach der Art und Weise der Einwirkung auf den Handel (qualitativ) zu unterscheiden. 60 Wesentlich ist das formale Kriterium der Unmittelbarkeit im Sinne des Fehlens eines vermittelnden Zwischenschrittes. 61 51 Vgl. die Entscheidungen Panama Refming Co. v. Ryan, 293 U.S. 388 (1935), in der bereits ein Teil des National Industrial Recovery Act tUr verfassungswidrig erklärt wurde, sowie Railroad Retirement Board v. Alton Railroad, 295 U.S. 330 (1935), in der das Gericht erklärte, dass der Kongress unter der Commerce Clause keine zwingenden Ruhestands- und Pensionsregelungen - wie in dem angegriffenen Railroad Retirement Act von 1934 - erlassen könne, sowie insbesondere die nachgehend besprochenen Entscheidungen A.L.A. Schechter Poultry Corp. v. United States, 295 U.S. 495 (1935) und Carter v. Carter Coal Co., 298 U.S. 238 (1936). 58 A.L.A. Schechter Poultry Corp. v. United States, 295 U.S. 495 (1935). 59 Carter v. Carter Coal Co., 298 U.S. 238 (1936): Verfassungswidrigkeit der Arbeitszeit- und Mindestlohnregelungen des Bituminous Coal Conservation Act. 60 Ebd., 308: "The distinction between a direct and an indirect effect turns, not upon the magnitude of either the cause or the effect, but entirely upon the manner in which the effect has been brought about. (...) But the matter of degree has no bearing upon the
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Im Frühjahr 1937 kam es im Supreme Court zu einer Änderung, nach herrschender Ansicht maßgeblich veranlasst durch politischen Druck von Exekutive und Legislative und die Drohung des Präsidenten in der sog. Court-Packing Crisis, die Zusammensetzung des Gerichts im Wege der Ernennung zusätzlicher Richter zu ändern. 62 In National Labor Relations Board (NLRB) v. Jones & Laughlin Steel Corp.63 verwarf das Gericht die Abgrenzung nach direkten oder indirekten Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Hande1. 64 Ein Stahlproduzent hatte unter Verstoß gegen den National Labor Relations Act Arbeiter entlassen, die sich gewerkschaftlich zu organisieren versuchten. Das Unternehmen verfUgte über Standorte in einigen Staaten, am streitigen Standort kam das Rohmaterial von außerhalb des Staates und 75% der Produkte gingen in andere Gliedstaaten. Auf der Grundlage der Commerce Clause könne, so das Gericht, jedes angemessene Gesetz zum Schutz, zur Kontrolle und zur Förderung des Handels erlassen werden. 6s Auch innerstaatliche Verhaltensweisen, z.B. Produktion, fielen darunter, wenn sie in einer so engen und wesentlichen Beziehung zum zwischenstaatlichen Handel stünden, dass ihre Kontrolle dem Schutz dieses Handels diene: "Although activities may be intrastate in character when separately considered, if they have such a elose and substantial relation to interstate commerce that their con-
question here, since that question is not - What is the extent of the local activity or condition, or the extent of the effect produced upon interstate commerce? but - What is the relation between the activity or condition and the effect?" 61 Ebd., 307: "The word ,direct, implies that the activity or condition invoked or blamed shall operate proximately - not mediately, remotely, or collaterally - to produce the effect. It connotes the absence of an efficient intervening agency or condition." 62 Nach den vorangegangenen Entscheidungen, die den New Deal erheblich zu beeinträchtigen drohten, kündigte Präsident Roosevelt seinen Court-Packing Plan an, nach dem für jeden älteren Richter im Supreme Court ein weiterer Richter hinzukommen sollte. Der Plan scheiterte letztlich im Senat. Dennoch gilt diese Bedrohung der Integrität des Gerichts als maßgeblicher Faktor der Wende von 1937. Vgl. z.B. Edward A. PureeIl Jr., Twentieth-Century Constitutional History. Rethinking Constitutional Change, 80 Va. L. Rev. 277 (1994). Als Gegenstimme z.B. Barry Cushman, Rethinking the New Deal Court, 80 Va. L. Rev. 201 (1994), der auf Urteile verweist, die Jones dogmatisch vorbereiteten. Purce1l280/283 hält dem zu Recht entgegen, dass damit zwar ein dogmatisch möglicher Weg eröffnet war, dies jedoch Raum lässt für einen entscheidenden politisch-gesellschaftlichen Antrieb für den "revolutionären" Weg einer Neubestimmung der Commerce Clause . 63 NLRB v. Jones & Laughlin Steel Corp., 301 U.S. 1 (1937). 64 V gl. Stone/Seidman/Sunstein/Tushnet 189. 65 NLRB v. Jones & Laughlin Steel Corp., 301 U.S. 1,36 f. (1937): "The fundamental principle is that the power to regulate commerce is the power to enact ,all appropriate legislation' for ,its protection and advancement' ( ... ), to adopt measures ,to promote its growth and insure its safety' ( ... );,to foster, protect,control and restrain' ( ... )."
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Teil 1: Handlungsspielräurne des Bundes in den USA trol is essential or appropriate to protect that commerce from burdens and obstructions, Congress cannot be denied the power to exercise that control."66
Es sei mithin legitim, wenn der Bund einer möglichen Behinderung des zwischenstaatlichen Handels durch Arbeitskämpfe durch Regelung des kollektiven Arbeitsrechts begegne. Bestätigt und ausgebaut wurde Jones in United States v. Darbl7 und Wickard v. Filburn. 68 Der in Darby streitgegenständliche Fair Labor Standards Act verbot zum einen, Produkte in den zwischenstaatlichen Handel zu bringen, die nicht unter Einhaltung von Mindestlohn- und Arbeitsregelungen erbracht wurden, zum anderen verbot er den Einsatz von Arbeitern in der Produktion "fiir den zwischenstaatlichen Handel" zu anderen als diesen Regelungen. Hinsichtlich des ersten Verbots stützte sich das Gericht auf die formale Feststellung, dass hier zwischenstaatlicher Handel geregelt worden sei. 69 Das zweite Verbot sei lediglich ein Mittel zur Durchsetzung des ersten. Es sei dem Kongress überlassen, welche angemessenen Mitteln er einsetze. Unabhängig davon diene sei die Regelung zum Schutz von Betrieben, die faire Löhne zahlten, vor unlauterem Wettbewerb aufrechtzuerhalten. Nach Wickard genügt es, wenn das geregelte Verhalten lediglich zusammen mit gleichartigem Verhalten wesentliche Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel hat. 70 Wie das Gericht später in Perez v. United States 71 ausführ66 Ebd., 37. Vgl. auch United States v. Darby, 312 U.S. 100,119 f. (1941): "substantial effect"; Wickard v. Filburn, 317 U.S 111, 125 (1942): "substantial economic effect"; North Am. Co. v. SEC, 327 U.S. 686, 705 (1946): "substantial relationship to interstate commerce". 67 United States v. Darby, 312 V.S. 100 (1941). 68 Wickard v. Filburn, 317 US. 111 (1942). 69 Dabei wird die Entscheidung Hammer v. Dagenhart, 247 US. 251 (1918), verworfen (overruled), nach der der Bund Gegenstände im zwischenstaatlichen Handel nur verbieten konnte, wenn den Gegenständen selbst schädliche Eigenschaften anhafteten. 70 In Wickard ging es um die Verfassungsmäßigkeit des Agricultural Adjustrnent Act von 1938, der die Vermarktung von Tabak, Mais, Baumwolle, Reis, Erdnüssen und Weizen regelte (Vgl. zur historischen Situation Jim ehen, Foreword: Filburn's ForgottenFootnote - OfFarm Team Federalisrn and Its Fate, 82 Minn. L. Rev. 249, 276-305 (1997); Stern, Robert L., The Commerce Clause and the National Economy, 1933-1946, Part Two, 59 Harv. L. Rev. 883,901 (1946». Der Farmer Filburn hatte seine Weizenquote überschritten, machte jedoch unwidersprochen geltend, dass die Überschussmenge lediglich seinem eigenen Verbrauch (Nahrung, Tierfutter, Saatgut) diene. Das Gericht stellte fest, dass das Gesetz auch die Produktion fUr den Eigenverbrauch erfasse, da Filburns Verhalten zusammen mit ähnlichem Verhalten anderer Farmer zu einem erheblich verminderten Zukauf von Weizen und damit zu erheblichen Auswirkungen auf den Handel fUhre. 71 Perez v. United States, 402 U.S. 146 (1971); vgl. dazu David S. Bogen, The Hunting of the Shark: An Inquiry into the Limits of Congressional Power under the Commerce Clause, 8 Wake Forest L. Rev. 187 (1972).
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te, kann der Bund Klassen ähnlicher Verhaltensweisen bilden und regeln, die lediglich im Regelfall zwischenstaatlichen Charakter haben. Dem steht nicht entgegen, dass die einzelne Verhaltensweise möglicherweise eine völlig unerhebliche oder gar keine Auswirkung auf den zwischenstaatlichen Handel hat. 72 Für das Umweltrecht ist dieses "aggregation principle" von großer Bedeutung. 73 Lokal oder regional verstärkte Effekte durch Häufung der Auswirkungen sind dabei nicht erforderlich. 74 Weder aus Wickard noch aus Folgeentscheidungen lässt sich allerdings hinreichend deutlich entnehmen, welcher Maßstab für die "Ähnlichkeit" von Verhaltensweisen anzulegen ist bzw. welche Ebene von Verallgemeinerung zulässig ist. 75 Die seit 1937 entwickelten Grundsätze haben sich in den folgenden Jahrzehnten nicht mehr wesentlich gewandelt. Dabei ist die commerce power nicht nur als umfassende Bundeskompetenz für das Wirtschaftsrecht anerkannt; 76 sie ist auch zum Vehikel für dem Grunde nach außerökonornische Ziele (z.B. Strafrecht,77 Aufhebung der Rassentrennung78 ) geworden. 72 Perez v. United States, 402 U.S. 146, 154 (1971): "Where the class 0/ activities is regulated and that class is within the reach of federal power, the courts have no power ,to excise, as trivial, individual instances' of the c1ass." Maryland v. Wirtz, 392 US. 183, 196 f. Fn. 27 (1967): ,,( ...) Neither here nor in Wickard has the Court declared that Congress may use a relatively trivial impact on commerce as an excuse for broad general regulation of state or private activities. The Court has said only that where a general regulatory statute bears a substantial relation to commerce, the de minimis character of individual instances arising under that statute is of no consequence." 73 Vgl. John Copeland Nagle, The Commerce Clause meets the De1hi Sands FlowerLoving Fly, 97 Mich. L. Rev. 174, 192 ff. (1998). 74 Vgl. United States v. Pozsgai, 999 F.2d 719, 734 (3d Cir. 1993) - Grundlage flir die Anwendung der Klassentheorie bei Feuchtgebieten sind die Auswirkungen von deren Trockenlegung in den gesamten Vereinigten Staaten, lokal verstärkte Effekt müssen nicht nachgewiesen werden. 75 Vgl. StoneiSeidmanlSunsteinlTushnet, Constitutional Law, 226. Die Anerkennung der Klassentheorie fUhrt daher zu einer Erweiterung des gesetzgeberischen Ermessens. 76 Vgl. American Power and Light CO. V. SEC, 329 US. 90, 104 (1946): Die Bundeskompetenz unter der Commerce Clause "is as broad as the economic needs of the nation". Vgl. auch Jesse H. Choper, The Scope of National Power vis-a-vis the States: The Dispensability of Judicial Review, 86 Yale L. J. 1552,1578 (1976); Michael Bothe, Die Entwicklung des Föderalismus in den angelsächsischen Staaten, JöR 31 (1982) , 109,115; Trute 237. 77 Vgl. Perez V. United States, 402 U.S. 146 (1971). Vorsichtiger allerdings United States V. Lopez, 115 S.Ct. 1624 (1995). 78 Vgl. Reart of Atlanta Motel V. United States, 379 US. 241 (1964) und Katzenbach v. McClung, 379 US. 294 (1964). Die erfolglosen Klagen eines Motels bzw. eines Restaurantbesitzers richteten sich gegen Abschnitt lIdes Civil Rights Act, der Rassendiskriminierung in privaten Motels verbot, die auch Zimmer an durchreisende Gäste vermieteten, sowie Restaurants, die auch Reisende im zwischenstaatlichen Verkehr bedienen oder bei denen ein erheblicher Anteil der Rohstoffe aus dem zwischenstaatlichen Verkehr stammte.
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Fasst man die bis heute gültige Doktrin schematisch zusammen, so gibt es drei Kategorien von Verhaltensweisen, die der Kongress auf der Basis der Commerce Clause regeln kann: 79 Nutzung der Wege des zwischenstaatlichen Handels;80 Instrumente des zwischenstaatlichen Handels oder Personen oder Gegenstände im zwischenstaatlichen Handel;81 Verhaltensweisen, die in einer wesentlichen Beziehung zum zwischenstaatlichen Handel stehen82 bzw. erhebliche Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel haben.83 Rückblickend erscheinen Jones und die Folgeentscheidungen als Durchsetzung einer neuen Konzeption im Supreme Court, die das Umweltrecht des Bundes (und andere Bereiche des modernen Bundesrechts) erst ermöglicht hat. 84 Erster Schritt hierzu ist die Auflösung der starren Grenzen der Handelskompetenz des Bundes. Dies beseitigt die oben erwähnte twilight zone von Seiten des Bundes. Wie bei der Behandlung der äußeren Grenzen der Bundeskompetenzen und der gliedstaatlichen Spielräume noch deutlicher werden wird, akzeptiert die Rechtsprechung einen weiten Bereich, in dem Zusammen19
So bestätigt in United States v. Lopez, 115 S.Ct. 1624,1629 f. (1995).
80 Vgl. z.B. Caminetti v. United States, 242 U.S. 470, 491 (1917): ,,[T]he authority of
Congress to keep the channels of interstate commerce free from immoral and injurious uses has been frequently sustained, and is no longer open to question... 81 Vgl. z.B. Houston, East & West Texas Railway v. United States (sog. Shreveport Rate cases), 234 U.S. 342 (1914). Danach kann der Bund auf die Tarife einer zwischenstaatlich tätigen Eisenbahngesellschaft umfassend einwirken, auch hinsichtlich innerstaatlicher Strecken. Ein Bundesgesetz untersagte der Gesellschaft, für eine zwischenstaatliche Route (zwischen MarshalI, Texas und Shreveport, Louisiana) diskriminierende, weil unproportional höhere Tarife als im innerstaatlichen Verkehr in Texas zu verlangen. 82 Vgl. z.B. NLRB v. Jones & Laughlin Steel Corp., 301 U.S. 1, 37 (1937): "AIthough activities may be intrastate in character when seperately considered, ifthey have such a elose and substantial relation to interstate commerce that their control is essential or appropriate to protect that commerce from burdens and obstructions, Congress cannot be denied the power to exercise that control." 83 Vgl. Maryland v. Wirtz, 392 U.S. 183, 196 Fn. 27 (1968): "Neither here nor in Wickard the Court deelared that Congress may use a relatively trivial impact on commerce as an excuse for broad general regulation of state or private activities. The Court has said only that where a general regulatory statute bears a substantial relation to commerce, the de minimis character of individual instances arising under that statute is of no consequence ... 84 Damit legt die Rechtsprechung zwar auch eine Grundlage für den seit den siebziger Jahren praktizierten sog. kooperativen Föderalismus (cooperative federalism), was diesem Modell aber nicht gleichgesetzt werden kann: Die Ausweitung der Gesetzgebungszuständigkeiten des Bundes impliziert keineswegs das dem kooperativen Föderalismus eigentümliche Modell des Zusanunenwirkens von Bund und Gliedstaaten.
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arbeit, Ergänzung und wechselseitige Einflussnahme der beiden Ebenen stattfinden kann. An den Entscheidungen zur Gesetzgebung des New Deal wird jedoch deutlich, dass diese paradigmatische Änderung lediglich Entwicklungen Rechnung trug, die in der Wirtschaft längst manifest waren. Die Kompetenz des Bundes zur Regulierung des zwischenstaatlichen Handels hat sich so zum Werkzeug umfassender Wirtschaftsregulierung in einem gemeinsamen Markt entwickelt. 85
d) United States v. Lopez - neue Grenzen der Commerce Clause? aa) Die Entscheidung des Supreme Court Die ökonomisch-pragmatische Ausweitung der Bundeskompetenz seit Jones macht es schwer, noch justiziable innere Grenzen der Commerce Clause auszumachen. 86 Trotz einer Vielzahl von Verfahren hat der Supreme Court von 1937 an bis 1995 kein Bundesgesetz wegen Überschreitung der inneren Grenzen der commerce power für verfassungswidrig erklärt. Als eine unter vielen enumerativen Bundeskompetenzen muss die Commerce Clause jedoch innere Grenzen haben. Es muss Sachverhalte geben, die einer Regelung nach dieser Kompetenz entzogen sind. 87 Dieser Gedanke bildet den Kern der Entscheidung United States v. Lopez. 88 Der Schüler Alfonso Lopez 85 Vgl. die abweichende Urteilsbegrundung der Richter Kennedy und 0 'Connor in United States v. Lopez, 115 S.Ct. 1624, 1637 (1995): "Stare decisis (... ) forec1oses us from reverting to an understanding of commerce that would serve only an 18th-century economy, dependent then upon production and trading practices that had changed but little over the preceding centuries (... ). Congress can regulate in the commercial sphere on the assumption that we have a single market and a unified purpose to build a stable national economy." 86 So wurde in der Rechtsprechung der Untergerichte vor 1995 mitunter festgestellt, dass sich das verbliebene Kriterium "wesentlicher Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel" sehr weit von der ursprünglichen Bedeutung der Interstate Commerce Clause entfernt habe. Vgl. z.B. Michigan Protection & Advocacy Service v. Barbin, 799 F. Supp. 695, 735 (E.D.Mich. 1992): "To be within the ambit ofthe Commerce Clause, an activity originally had to be commerce that rnoved across state lines. With time, courts began to hold that the commerce need only affect movement across state lines. Finally, courts dropped the commerce requirement and applied the Clause to any activity that affects movement across state lines. The sole remaining limitations on Congress' power under the Commerce Clause is the requirement that the effect on commerce be substantial." (Hervorhebung im Original). 87 Davon gehen auch die Autoren aus, die jegliche gerichtliche Kontrolle der Ausübung der Bundeskompetenzen ablehnen, vgl. Z.B. Choper, Iudicial Review, 175 f. 88 United States v. Lopez, 115 S.Ct. 1624 (1995). Die Bedeutung der Entscheidung zeigt auch die Vielzahl von Besprechungen von Professoren und Studenten: S. M. Bauerle, Congress' Commerce Clause Authority: Is the Pendulum finally swinging back?, 1997 Det. C. L. Rev. 49 (1997); K. F. Burke, Tarning the impetuous Vortex: Lopez
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wurde nach dem GlUl-Free Schoo! Zones Act von 1990 angeklagt, welcher das Tragen einer Feuerwaffe in lUld um Schulen unter Strafe stellte. 89 Vor dem
Attempts to Confine Congress' Commerce Power, 21 S. Ill. U LJ. 185 (1996); Steven G. Calabresi, "A Government of Limited and Enumerated Powers": In Defense of United States v. Lopez, 94 Mich. L. Rev. 752 (1995); T D. Dillard, United States v. Lopez: The Commerce Clause vs. State Sovereignty, once again, 22 J. Conternp. L. 158 (1996); D. Ellis, A Lopez Legacy?: The Federalism Debate Renewed, but not resolved, 17 N. Ill. U L. Rev. 85 (1996); J Epstein, Evolving Spheres ofFederalism after U.S. v. Lopez and other Cases, 34 Harv. J. on Legis. 525 (1997); C. B. Goodwin, Constitutional Law: The Progeny of Uniteds States v. Lopez and the Future of Judicial Review of Federal Power under the Commerce Clause, 49 Okla. L. Rev. 159 (1996); E. Grossman, Where do we go from here? The Aftermath and Application of United States v. Lopez, 33 Hous. L. Rev. 795 (1996); E. w: Hagen, United States v. Lopez: Artificial Respiration for the Tenth Amendment, 23 Pepp. L. Rev. 1363 (1996); H HaIe, United States v. Lopez: Resisting further Expansion of Congressional Authority under the Commerce Power, 1996 Det. C. L. Rev. 99 (1996); N Huber/eid, The Cornmerce Clause PostLopez: lt's not Dead Yet, 28 Seton Hall L. Rev. 182 (1997); S. M. Johnson, United States v. Lopez: A Misstep, but hardly epochal for Environmental Regulation, 5 N.Y.U Envtl. L. J. 33 (1996); J J Jurich, United States v. Lopez: The Supreme Court takes a Shot at Congressional Authority under the Commerce Clause, 19 Harnline L. Rev. 229 (1995); Lawrence Lessig, Translating Federalism: United States v. Lopez, Supreme Court Review 1995, 125; C. A. Marks, U.S. Term Limits v. Thornton and United States v. Lopez: The Supreme Court Resucitates the Tenth Amendment, 68 U Colo. L. Rev. 541 (1997); S. R. McAllister, Lopez has some Merit, 5 Kan. J. L. & Pub. Pol'y 9 (1996); Deborah Jones Merritt, Cornmerce!, 94 Mich. L. Rev. 674 (1995); A. Moscato, The Court "Substantially Affects" Congress' Power to Regulate Intrastate Commerce, 21 U Dayton L. Rev. 807 (1996); R. F. Pannier, Lopez and Federalism, 22 Wm. Mitchell L. Rev. 71 (1996); D. E. Parker, Will United States v. Lopez substantially affect federal constitutional authority to regulate isolated wetlands?, 16 J. Energy Nat. Resources & Envtl. L. 453 (1996); M J Trapp, A Srnall Step Towards Restoring the Balance of Federalism: A Limit to Federal Power under the Commerce Clause, 64 U Cin. L. Rev. 1471 (1996); Mark Tushnet, Keeping your Eye on the Ball: The Significance of the Revival of Constitutional Federalism, 13 Ga. St. U. L. Rev. 1065 (1997); Federalism, 45 Cath. U L. Rev. 1459 (1996); Lori J Warner, The potential Impact ofUnited States v. Lopez on Environmental Regulation, 7 Duke Envtl. L. & Pol'y F. 321 (1997); R. Wax, United States v. Lopez: The continued Ambiguity of Commerce Clause Jurisprudence, 69 Temp. L. Rev. 275 (1996). Beiträge zu Symposien in Sammelbänden: The New Federalism after United States v. Lopez: Symposium, 46 Case W. Res. L. Rev. 633-959 (1996): J H. Choper, Did the Last Term Reveal "A Revolutionary States' Rights Movement within the Supreme Court"?, M R. Durchslag, Will the Real Alfonso Lopez please stand up: A Reply to Professor Nagel; P. P. Frickey, The Fool on the Hill: Congressional Findings, Constitutional Adjudication, and United States v. Lopez; B. Friedman, Legislative Findings and Judicial Signals: A Positive Political Reading of United States v. Lopez; D. J Merritt, The Fuzzy Logic ofFederalism, R. F. Nagel, The Future ofFederalism; Mark Tushnet, Living in a Constitutional Moment?: Lopez and Constitutional Theory; Major Issues in Federalism: Symposium, 38 Ariz. L. Rev. 793-997 (1996): Ann Althouse, Introduction: Enforcing Federalism After United States v. Lopez; C. E. Ares, Lopez and the Future Constitutional Crisis. 89 18 US.c. §922 (q)(l)(A).
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Supreme Court argumentierte der Vertreter des Bundes, Waffenbesitz in Schulgebieten habe durchaus erhebliche Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel. Waffenbesitz könne zu Gewaltverbrechen fUhren, deren Kosten die gesamte Gesellschaft über den Mechanismus der Versicherungen zu tragen habe. Gewaltverbrechen verminderten außerdem die Bereitschaft, in als unsicher empfundene Gegenden zu reisen. Die Störung des Lemklimas durch die Präsenz von Feuerwaffen bringe schließlich wirtschaftlich weniger produktive Bürger hervor. Mit fünf zu vier Stimmen sah das Gericht den zwischenstaatlichen Handel nicht hinreichend berührt. Das Gericht90 bestätigt zunächst die weitreichenden Entscheidungen zur Commerce Clause seit 1937. Es bleibt danach bei dem substantial effects-Test und bei dem aggregation principle. Drei Ansatzpunkte lassen sich ausmachen, aus denen das Gericht eine behutsame Eingrenzung der commerce power vorzunehmen versucht: erstens die Betonung und schärfere Fassung des Erfordernisses einer wesentlichen Auswirkung auf den zwischenstaatlichen Handel; zweitens der wirtschaftliche Charakter des geregelten Sachverhalts als wichtiges Indiz der Wesentlichkeit; drittens das Erfordernis einer gesetzlichen Bestimmung, die im konkreten Fall ermöglicht festzustellen, ob der zwischenstaatliche Handel tatsächlich betroffen und daher etwa eine Anklage aufgrund des Bundesgesetzes zulässig ist. Mittelbar lässt sich aus den Ausführungen des Gerichts entnehmen, dass der Begriff "substantial" zweifellos nicht quantitativ, sondern qualitativ aufgefasst werden SOll.91 Die qualitative Abgrenzung kann im Kriterium einer wertend bestimmten Unmittelbarkeit der Auswirkung zwischenstaatlichen Handel gesehen werden. Das Gericht lehnt eine Verknüpfung des Regelungsgegenstands mit dem zwischenstaatlichen Handel über einen umständlichen Kausalnexus ab: "To uphold the Government's contentions here, we would have to pile inference upon inference in a manner that would bid far to convert congressional authority un-
90 Die Urteilsbegründung von Chief Justice Rehnquist für das Gericht ist mit Vorsicht als Auffassung "des Gerichts" zu genießen, weil seIbst drei der fünf Richter, die das Ergebnis mittragen (Kennedy, 0 'Connor, Thomas), abweichende Urteilsbegründungen unterzeichnet haben. 91 Praktisch wird die Ablehnung der Minderansicht, die auf Milliarden Dollar von Ausgaben rur Schulen und auf die gesamtwirtschaftliche Bedeutung der Schulbildung verweist (Vorbringen des Bundes sowie abweichende Meinung von Justice Breyer, 115 S.Ct. 1624, 1664 (1995)), mit der notwendigen Begrenztheit der Commerce Clause begründet (ebd., 1633), dogmatisch kann diese Begrenzung nur qualitativ verstanden werden (so im Erg. auch Deborah Jones Merritt, Cornmerce!, 94 Mich. L. Rev. 674, 679 (1995)).
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der the Commerce Clause to a general police power of the sort retained by the States.,,92
Dabei wird allerdings nicht hinreichend klar, wo diese Unrnittelbarkeitsgrenze zu ziehen ist. 93 Andere Gerichte sind daher auf eine wertende Betrachtung im Einzelfall angewiesen. Dabei können die vom Supreme Court betonten Umstände des Falles als Indizien gewertet werden. So weisen die Richter darauf hin, dass das Gesetz gerade in Bereiche eingreife - Erziehung und Strafrecht -, die traditionell gliedstaatlicher Regelung vorbehalten seien. 94 Als wichtigstes Indiz erscheint der Umstand, dass .es sich bei der geregelten Verhaltensweise, Waffentragen in und um Schulen, nicht um eine wirtschaftliche Tätigkeit (econornic oder commercial activity) handelte. 95 Lopez ist dahingehend interpretiert worden, dass das Vorliegen einer wirtschaftlichen Tätigkeit nicht Indiz für eine wesentliche Auswirkung auf den zwischenstaatlichen Handel sei, sondern eigenständige Bedeutung als Ausschlusskriterium habe. 96 Bei der Bezugnahme auf dieses Element in der Urteilsbegründung und in der abweichenden Urteilsbegründung97 heißt es jedoch weder, dass zwingend eine wirtschaftliche Tätigkeit vorliegen müsse, noch fmdet sich dieses Erfordernis in der vom Gericht vorgenommenen Defmition von Aktivitäten, die eine wesentliche Beziehung zum zwischenstaatlichen Handel aufweisen. 98 Auch der United States v. Lopez, 115 S.Ct. 1624, 1634 (1995). V g1. Dwyer, Limits of Congessional Authority, 10426. Dies gilt auch für die abweichenden Urteilsbegrundungen von Justices Kennedy und 0 'Connor, 115 S.Ct. 1624, 1640 (1995): "In a sense any conduct in this interdependent world of ours has an ultimate commercial origin or consequence, but we have not yet said the commerce power may reach so far." Ebd., 1642: "Absent a stronger connection or indentification with commercial concems that are central to the Commerce Clause, that interference contradicts the federal balance the Framers designed and that this Court is obliged to enforce." 94 United States v. Lopez, 115 S.Ct. 1624, 1631 mit Fn. 3 (1995); abweichende Begründung von Justices Kennedy und O'Connor, ebd., 1640. Damit greifen die Richter die Furcht vor der Verdrängung der Gliedstaaten aus ihren traditionellen Regelungsfeldem auf; als Ausschlusskriterium hat der Supreme Court das Merkmal der traditionell gliedstaatlichen Regelungsbereiche allerdings bereits zehn Jahre früher abgelehnt, so dass sich das Gericht hier zur Begründung nicht selbständig darauf stützen konnte. Vgl. Garcia v. San Antonio Metropolitan Transit Authority, 469 U.S. 528 (1985), näher dazu unten § 7. 9S Vgl. Merritt, Commerce!, 694 f. 96 United States v. Olin Corp., 927 F.Supp. 1502 (S.D. Ala. 1996). 97 United States v. Lopez, 115 S.o. 1624, 1625 (1995): ..[l1he possession of a gun in a loeal school zone is in no sense an economic activity that might, through repetition elsewhere, have such a substantial effect on interstate commerce"; Abweichende Begründung von Justice Kennedy und Justice O'Connor, 115 U.S. 1624, 1640 (1995): ,,[H]ere neither the actors nor their conduct have a commercial character, and neither the purposes nor the design of the statute have an evident commercial nexus." 98 Ebd., 1630, heißt es lediglich: ,,(... ) Finally, Congress' commerce authority incJudes the power to regulate those activities having a substantial relationship to interstate commerce." 92 93
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Verweis auf Entscheidungen des Gerichts seit 1937 zu wirtschaftlichen Tätigkeiten unterstreicht lediglich den Indizcharakter dieses Merkmals. Dem Gericht lag in Lopez daran, nicht von bisherigen Entscheidungen abzuweichen, und diese stützten sich gerade nicht darauf, dass die geregelte Tätigkeit wirtschaftlicher Art sei und sah im Einzelfall sogar ausdriicklich davon ab. 99 Wo der Wortlaut eines Bundesgesetzes Tätigkeiten erfasst, die nicht notwendig Bezüge zum Handel aufweisen, verlangt das Gericht eine tatbestandliehe Bestimmung, die sicherstellt, dass die im Einzelfall erfassten Sachverhalte tatsächlich wesentliche Wirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel haben. Eine solche fehlte dem Gun-Free School Zones Act. lOO
bb) Kritische Würdigung Die Forderung in der Urteilsbegründung, die Begrenztheit der Bundeskompetenzen und das Enumerationsprinzip der Verfassung müssten es ermöglichen, in der Auslegung Bereiche zu benennen, die der Gesetzgebung des Bundes verschlossen sind, ist ohne weiteres einsichtig: Dem Bund kann keine allgemeine Auffangkompetenz zustehen. lol Eine neue Grenzziehung deutet die UrteilsbegrürIdung allerdirigs nur an, ohne die erforderliche Klarheit zu lie99 V gl. Wickard v. Filbum, 317 U.S. 111, 125 (1942): Der Eigenverbrauch des selbst angebauten Weizens konnte vom Bund geregelt werden "though it may not be regarded as commerce" - "whatever its nature", so lange eine wesentliche Auswirkung auf den Handel vorlag. Zudem war der konkrete Gegenstand der Inkrimination z.B. in Katzenbach v. McClung, 379 U.S. 264 (1964) - Ausschluss von Farbigen aus einem Restaurant - und in Perez v. United States, 402 US. 146 (1971) - Gewaltanwendung keine wirtschaftliche Tätigkeit (vgl. abweichende Meinung von Justice Breyer in United States v. Lopez, 115 S.Ct. 1624, 1663 f. (1995». Diese Beispiele verdeutlichen auch, dass der Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit nicht trennscharf ist und bereits deswegen nicht als weiteres selbständiges Kriterium taugt. Der wirtschaftliche Charakter einer Tätigkeit hat daher nur - starke - Indizwirkung. So im Erg. auch Brzonkala v. Virginia Polytechnic & State University, 4th Cir. Court of Appeals, Urt. v. 23. 12. 1997, m.w.N. zur gleichen Interpretation anderer Courts of Appeal; so wohl auch Merritt, Commerce!, 681 zu früheren Entscheidungen: "The commercial nature of the regulated conduct, combined with its quantitative impact on interstate commerce, was enough to mark the connection with interstate commerce ,substantial· ... sowie ebd., 694 f. 100 United States v. Lopez, 115 S.Ct. 1624, 1631 (1995): ,,( ...) jurisdictional element which would ensure, through case-by-case inquiry, that the [statute] in question affects interstate commerce." Eine Regelung wie derzeit in 18 US.C. § 922(g)(9), die sich nur auf den Besitz von Waffen bezieht, die im zwischenstaatlichen Handel transportiert wurden, ist demnach zulässig, vgl. United States v. Lewis, 8th Cir. Court of Appeal, Urt. v. 10. 1. 2001, Docket No. 99-3097, S. 3. Vgl. auch die Normen im Clean Water Act, mit denen eine hinreichender Beziehung geregelter Sachverhalte zum zwischenstaatlichen Handel sichergestellt werden soll, 33 C.F.R § 328.3(a) und 40 C.F.R. § 230.3(s). 101 Vgl. Percival1143. 6 Renner
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fern. 102 Es fehlen nach wie vor Folgeentscheidungen des Supreme Court, die die Ansätze in Lopez - ähnlich wie in den Folgeentscheidungen von Jones geschehen - erklären, ausführen und zu einer Regel forrnen. 103 Nach jahrelanger Zurückhaltung sah der Supreme Court lediglich in einer weiteren Entscheidung, in der es um bundesrechtliche Straftatbestände zur Erfassung geschlechtsspezifischer Straftaten ging, die inneren Grenzen der Kompetenz als überschritten an. 104 Auch hier sah das Gericht lediglich eine vermittelte Beziehung zum zwischenstaatlichen Handel. lOS Führt man sich die mangelnde Griffigkeit des substantial effects-Test auch nach Lopez vor Augen, so lässt sich aus der Entscheidung auch eine eher prozedurale als materielle Grenzziehung herleiten: Die Herleitung der Kompetenz für ein Bundesgesetz aus der Commerce Clause muss die Grenzen der Kompetenz erkennen lassen lO6 (ohne allerdings den Gesetzgeber dazu zu verpflichten, diese Herleitung selbst zu benennen I07 ) . Erfasst das Gesetz seinem Wortlaut nach auch Sachverhalte außerhalb der Kompetenz des Bundes, so bedarf es einer Bestimmung, durch die sich die notwendige Weichenstellung vornehmen
102 Vg. den Antrag auf Annahme des Rechtsmittels gegen National Association of Horne Builders v. Babbitt, 130 F.3d 1041 (D.C. Cir. 1997): "The judges of the lower federal courts ( ... ) haven't the foggiest idea what [the Supreme Court] meant when it decided Lopez." Zitiert nach Nagle 177 Fn. 16. 103 Als "Ausreißer" und damit in seiner Bedeutung auf den unmittelbaren Gegenstand der Entscheidung, Title 18 Section 22 U.S.C. zu begrenzen sieht die Entscheidung z.B. der Court of Appeal in Brzonkala v. Virginia Polytechnic & State University, 4th Cir. Court of Appeals, Urt. v. 23. 12. 1997, Docket No. 96-1814. 104 United States v. Morrison, 529 U.S. 598 (2000). Vgl. aber aus der Zeit nach Lopez die Fälle, in denen das Gericht die Grenzen der Kompetenz eingehalten sah, z.B. United States v. Robertson, 514 U.S . 669 (1995) - Rege1ungsgewalt des Bundes über einen Drogenhändler, der Schwarzge1d in eine Goldmine investierte; Allied-Bruce Terrninix Cos. v. Dobson, 513 U.S. 265 (1995) - Anwendbarkeit des Federal Arbitration Act auf einen Ungezieferbeseitigungsvertrag eines privaten Hausbesitzers; sowie die im folgenden Text genannten Beispiele. 10~ United States v. Morrison, 529 U.S. 598,612 (2000) . 106 Der Vertreter der Bundesregierung in der mündlichen Verhandlung vermochte auch auf Nachfrage des Gerichts keinen Gegenstand zu benennen, der außerhalb der commerce power liege. Vgl. United States v. Lopez, 115 S.Ct. 1624, 1632 (1995) sowie Merritt, Commerce!, 688 mw.N. aus der Prozessgeschichte. 101 Solche Begründungen wären allerdings nützlich. Vgl. United States v. Lopez, 115 S.Ct. 1624, 1631 f. (1995): "We agree with the Govemment that Congress normally is not required to rnake formal findings as to the substantial burdens that an activity has on interstate commerce. ( ...) But to the extent that congressional findings would enable us to evaluate the legislative judgment that the activity in question substantially affected interstate commerce, even though no such substantial effect was visible to the naked eye, they are lacking here. "
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lässt. 108 Die Funktion der Entscheidung bestünde danach eher in einem "Warnhinweis" an den Gesetzgeber. \09 Dafür spricht die Zurückhaltung des Gerichts in den ersten Jahren nach Lopez, die als Stärkung der Eigenverantwortung des Gesetzgebers für die Grenzen seiner Kompetenz auslegbar iSt. 110 Andererseits ist die Entscheidung vielfach als lang ersehnte Wiederbelebung des Prinzips begrenzter Bundeskompetenzen oder als Vorbote einer stärkeren Begrenzung des Bundes im föderalen Gefüge mit möglicherweise weitreichenden Konsequenzen für die Gesetzgebung aufgenommen worden. 11 1 Wie weit diese Folgen möglicherweise im Bereich des Umweltrechts reichen, wird unten näher zu untersuchen sein. Klar ist allerdings, dass Lopez keinen Paradigmenwechel in der Verfassungsrechtsprechung in der Art der Wende von 1937 eingeleitet hat. 112
108 Gerade Strafgesetze enthielten solche Bestimmungen bereits vorher regelmäßig, so dass hier nichts Neues verlangt wird, vgl. die Nwe. in der Vorinstanz United States v. Lopez, 2 F.3d 1342, 1347 (5th Cir. 1993). 109 Vgl. Martha A. Field, The Seminole Case, Federalism, and the Indian Commerce Clause, 29 Ariz. St. L. J. 3, 13 (1997): ,,Lopez is important as a symbolic statement and as an indication that there is some limit on Congressional commerce authority, but Lopez itself does not limit Commerce Clause power in any meaningful way." Merritt charaktiersiert Lopez als "Ausnaluneentscheidung" und identifiziert zehn Umstände, die eine solche Entscheidung erst ermöglicht hätten. Neben dem nichtwirtschaftlichen Charakter des Waffentragens in und um Schulen, der Notwendigkeit einer Grenzziehung und dem Fehlen einer Bestimmung, die die Identifikation von für den Handel relevanten Verhaltensweisen im Einzelfall ermöglicht hätte, sei dies das Fehlen von Belegen in den Gesetzesmaterialien; das Berührtsein des traditionell den Gliedstaaten vorbehaltenen Bereiches der Ausbildung und Erziehung; die Betroffenheit von Eigentum und dem im Zweiten Verfassungszusatz geschützten Recht, eine Waffe zu tragen; das Fehlen einer "nationalen Notwendigkeit" (im Vergleich z.B. zum New Deal); ein regulatorischer Wettbewerb unter den Gliedstaaten, der eindeutig zu schärferen Waffengesetzen fiihrt und eine Bundesrege\ung daher nicht notwendig erscheinen lässt (tatsächlich hätte sich die Anklage in Lopez auch auf ein gliedstaatliches Gesetz stützen können); die drohende Vereinnalunung des Strafrechts durch den Bund; schließlich die Regelung eines Verhalten jenseits der Arbeitswelt (und damit der Wirtschaftswelt). Merritt, Commerce!, 693 ff. 110 Vgl. hierzu Stewart, Pyramids ofSacrifice, 1271: "Occasionaljudicial review will (... ) ensure that Congress remains aware ofits responsibilities to give weight to state and local autonomy in framing legislation. " 111 Vgl. z.B. Calabresi, Govemment ofLirnited and Enumerated Powers, 752. 112 Dwyer stellt mit Blickrichtung auf das Umweltrecht fest: ,,[T)here is virtually no judicially enforced federalism doctrine lirniting the reach of federal statutes. (... ) The recent case of United States v. Lopez does not alter this basic conclusion. (... ) The case may have little long-term impact. With regard to environmental statutes, which are almost always tied to interstate commerce, the impact of the decision, if any, will be at the margins." Dwyer, Practice ofFederalism, 1188 und Fn. 21.
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e) Gerichtliche Kontrolldichte: Der rational basis-Test Die Frage nach der Intensität gerichtlicher Kontrolle der Kompetenzausübung überschneidet sich mit der Frage nach den inneren Grenzen der Kompetenz. Die oben dargestellten inneren Grenzen gelten zunächst für den Kongress selbst. Hinter einer weiten Ziehung der inneren Grenzen kann sich gleichzeitig eine dezidierte gerichtliche Zurückhaltung verbergen. Hat die Einräumung eines großzügigen Ennessensspielraurns die gleiche praktische Wirkung wie eine weite Fassung der inneren Grenzen, so handelt es sich doch dogmatisch um zwei völlig verschiedene Gegenstände. Die inneren Grenzen der Kompetenz sind auch dann zu beachten, wenn sie von den Gerichten nur im Rahmen einer weitmaschigen Ennessenskontrolle oder gar nicht durchgesetzt werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Supreme Court markiert der sog. rational basis test die Reichweite des gesetzgeberischen Ennessens vor den Gerichten. 113 Diese sind darauf beschränkt zu untersuchen, ob der Kongress für seine Feststellung einer wesentlichen Auswirkung auf den zwischenstaatlichen Handel eine vernünftige Grundlage (rational basis) hat. 1l4 Der rational basis test gilt auch bei anderen Kompetenzen. Praktische Bedeutung hat er jedoch vor allem bei der Commerce Clause wegen deren generalklauselartig-weiter Auslegung. In Hodel v. Virginia Surface Mining and Reclamation Association, Inc. 1l5 äußerte sich der Supreme Court zur Kontrolle der Anwendung der Commerce Clause als Grundlage für ein Umweltschutz gesetz. Eine Bergbaugesellschaft griff die Verfassungsmäßigkeit eines Bundesgesetzes an, das die Kontrolle von Umweltschäden durch den Tagebaubetrieb und die Renaturierung abgebauter Flächen regelt. 116 Die Gesellschaft meinte, das Gesetz befasse sich nicht in erster Linie mit den Auswirkungen des Tagebaus auf den zwischenstaatlichen Handel, sondern diene der Regelung der privaten Bodennutzung. Das Gericht nahm dies nicht auf, sondern erklärte, dass dort kein Raum für eine eigene Bewertung des Gerichts sei, wo eine vernünftige Grundlage fiir die Feststellung des Gesetzgebers vorliege, dass das geregelte Verhalten auf den zwi-
1\3 So ausdrücklich erst (aber im Einklang mit den Maximen der Entscheidungen seit 1937) in Katzenbach v. McClung, 379 U.S. 264,303 f. (1964); Reart of Atlanta Motel v. United States, 379 U.S.241, 258 (1964). 114 Vgl. Hodel v. Virginia Surface Mining and Reclamation Association, Inc., 452 U.S. 264, 277 (1981): ..Thus, when Congress has detennined that an activity affects interstate commerce, the courts need inquire only whether the finding is rational." 115 Hode! v. Virginia Surface Mining and Reclarnation Association, Inc., 452 U.S. 264 (1981). 116 Surface Mining Control and Reclamation Act von 1977,30 U.S.C. §§ 1201 ff.
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schenstaatlichen Handel einwirke.117 Eine solche Grundlage liege hier vor, insbesondere hinsichtlich der Bedeutung des Tagebaus fiir die Was serverschmutzung. Weder der lokale Charakter der geregelten Aktivität noch die Effektivität der Regelung zur Lösung des anvisierten Problems sei von Bedeutung fiir die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes. Im Parallelfall Hodel v. Indiana 118 lehnte es der Supreme Court ab, die Anwendung der Commerce Clause bei geringen Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel 119 fiir unzulässig zu erklären. Maßgeblich sei nicht, in welchem Maße der Handel betroffen sei, sondern ob der Kongress vernünftigerweise eine Berührung des Handels feststellen kOIUlte, wofiir im Gesetzgebungsverfahren hinreichender Beweis erhoben worden war.
3. Die Commerce Clause als Kompetenzgrundlage im Umweltrecht Ein wesentlicher Teil der Umweltschutzgesetzgebung des Bundes stützt sich auf die Commerce Clause. In den siebziger und achtziger Jahren hat der Kongress vornehmlich auf dieser Basis umfangreiche und ehrgeizige Gesetzeswerke durchgesetzt und erweitert. Bis zu Lopez bestand hierfiir de facto eine nicht mehr angreifbare und kaum diskutierte umfassende Regelungsgewalt des Bundes, ohne dass in der Commerce Clause oder an anderer Stelle in der Verfassung inhaltliche Vorgaben fiir das Umweltrecht des Bundes enthalten wären. Im Folgenden ist nach einem kurzen Abriss zur Reichweite der commerce power im Umweltbereich (a)) auf die Rolle dieser allgemeinen Erwägungen für das Umweltrecht des Bundes einzugehen (b)). In einzelnen Bereichen des Umweltrechts ist die Diskussion um die Reichweite der commerce power nach Lopez mittlerweile aufgebrochen. Daran sollen die möglichen Entwicklungslinien rur die zukünftige Reichweite der commerce power Wld damit der Befugnis des Bundes zur direkten Rechtssetzung aufgezeigt werden (c)).
117 "The court must defer to a congressional finding that a regulated activity affects interstate commerce, if there is any rational basis for such finding". Hodel v. Virginia Surface Mining and Reclamation Association, Inc., 452 U.S. 264,276 (1981). 118 Hodel v. Indiana ,452 U.S. 314 (1981), an denselben Tagen wie Hodel v. Virgina Surfaee Mining and Reclamation Association, [ne. verhandelt bzw. entschieden. 119 Die hier umstrittene "prime farmland"-Regelung des Surface Mining Act dient dem Schutz von bestimmten Fächen, die traditionell als Ackerland verwendet wurden, vor dem Tagebau. Das Gesetz fUhrt daher einen Genehmigungsvorbehalt fiir die Umwandlung solcher Flächen in Tagebauflächen ein. Das erstinstanzliche Gericht stellte fest, dass jährlich nur 0,006% dieses Ackerlandes vom Tagebau betroffen sind und der Effekt auf den zwischenstaatlichen Handel daher gering sei.
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a) Erfasste Regelungsbereiche mit Bezug zum zwischenstaatlichen Handel
Wo Produkte im zwischenstaatlichen Handel bewegt werden, können sowohl diese Produkte als auch die Produktionsvorgänge, in denen diese Produkte hergestellt werden, von urnweltrechtlichen Regelungen des Bundes erfasst werden. Ist ein Produkt ausschließlich rur den innerstaatlichen Markt bestimmt und ein Überschreiten der Staatsgrenzen ausgeschlossen, so kann der Bund umweltrechtliche Standards setzen, wenn der produzierende Betrieb Rohstoffe oder Energieträger aus anderen Gliedstaaten bezieht. 120 Damit ist die Produktion handelbarer Güter flächendeckend erfasst. 121 Wo ein einzelnes Produkt dennoch rein innerstaatliche Bezüge aufweist, erstreckt sich die Kompetenz des Bundes darauf regelmäßig über die Klassentheorie nach Wickard. Auch Naturgüter, die zum Gegenstand zwischenstaatlichen Handels gemacht werden, sowie deren Gewinnung fallen darunter. So sind z.B. die Regelungen des Bundes zur Gewinnung von Bodenschätzen oder über den Handel mit geschützten Arten von der Commerce Clause gedeckt. 122 Stets erfasst ist fiir umweltrechtliche Regelungen auch die Einrichtungen der Infrastruktur als Wege des zwischenstaatlichen Handels (Straßen, Eisenbahnen, Wasserwege, Luftverkehr) sowie Fahrzeuge als Instrumente des zwischenstaatlichen Handels. Die Klassentheorie schließt es auch aus, dass sich etwa ein Autobesitzer mit Erfolg darauf beruft, er bewege sein Fahrzeug stets nur auf untergeordneten Straßen in seinem Heimatstaat. Der Transport von Schadstoffen über Staatengrenzen hinweg gehört nach der Rechtsprechung zum zwischenstaatlichen Handel. 123 Der Bund hat daher
120 Vgl. Katzenbach v. McClung, 379 US. 294,298 ff. (1964); Stewart, Pyramids of Sacrifice, 1223. 121 Es sind kaum Produkte denkbar, die weder - wenn auch nur gelegentlich - in den zwischenstaatlichen Handel Eingang finden noch mit Rohstoffen aus dem zwischenstaatlichen Handel produziert wurden. Selbst z.B. bei dem üblicherweise in einem engen räumlichen Bereich abgefüllten und verkauften Trinkwasser in Kanistern werden regelmäßig Plastik, Etikette etc. Bestandteilen aus anderen Gliedstaaten enthalten. 122 Vgl. z.B. Andrus v. Allard, 444 U.S. 51 (1979), und Hughes v. Oklahoma, 441 US. 322 (1979), in denen der Supreme Court die Bundeszuständigkeit für Regelungen über den Verkauf von bedrohten Adlerarten oder von Teilen solcher Tiere, die Gegenstände im zwischenstaatlichen Handel waren, bzw. über den zwischenstaatlichen Transport bestimmter zu schützender Vögel aus kommerziellen Gründen, bejahte. 123 .. [W]e agree with the lower federal courts that have uniformly found the power conferred by the Commeree Clause broad enough to perrnit eongressional regulation of aetivities causing air or water pollution, or other environmental hazards that may have effeets in more than one State." Hodel v. Virginia Surfaee Mining and Reclamation Assoeiation, Ine., 452 U.S. 264, 282 (1981) m.w.N. Vgl. aueh im Einzelnen South Terminal Corp. v. EPA, 504 F.2d 646, 677 (1st Cir. 1974); United States v. Bishop Processing Co., 287 F. Supp. 624, 629-632 (D. Md. 1968), bestätigt in 423 F.2d 469
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unmittelbaren Zugriff auf alle Aktivitäten innerhalb eines Gliedstaates, die zum Transport von Schadstoffen in andere Gliedstaaten fUhren. Gleichennaßen können Immissionen durch Verkehrsmittel und auf Verkehrswegen erfasst werden, die dem zwischenstaatlichen Verkehr dienen. Hält sich der Schadstoffeintrag durch eine Schadstoffquelle ausschließlich im innerstaatlichen Rahmen, so unterliegt diese wiederum insoweit einer Regelung durch den Bund, als die Emissionsquelle eine der oben genannten Beziehungen zum zwischenstaatlichen Handel aufweist. Es ist daher anerkannt, dass der Bund auf der Grundlage der Commerce Clause die Reinhaltung der Luft und der grenzüberschreitenden Gewässer gleichermaßen regeln kann wie z.B. die Erhaltung von Überflutungsgebieten an Flüssen zur Vermeidung von Überschwemmungen in abstromig gelegenen Gliedstaaten oder den Bau von Staudämmen. 124 b) Verwendung von Sachargumentenfür zentrale Regelungen in der Praxis
In der Rechtsprechung und Literatur zur Anwendung der Commerce Clause im Umweltrecht tauchen vielfach die oben in § 3 aufgefiihrten Sachargumente auf. Aus deren Verwendung ergibt sich die Motivation der Gesetzgebungsorgane und der sie beeinflussenden gesellschaftlichen Gruppen fiir ein Umweltrecht auf Bundesebene.
aa) Regelung und Begrenzung zwischenstaatlicher Auswirkungen von Umweltschäden Zwischenstaatliche Schadstoffeinträge (interstate extemalities und spillovers) sind zwar selbst kein menschliches Verhalten, aber regelmäßig Folgen wirtschaftlichen Handelns von Menschen. Ihre allgemeine Anerkennung als Motiv fiir ein gesetzgeberisches Eingreifen des Bundes 12s beruht allerdings weniger auf eigenständig umweltbezogenen als auf föderalistischen Erwägungen. Wesentlicher Grund ist die Verhinderung von Konflikten zwischen den Gliedstaaten, die grenzüberschreitende Umweltbeeinträchtigungen als Rechtsverletzungen auffassen. Die Gliedstaaten können den grenzüberschreitenden Bereich nicht einseitig regeln. Dies hat bereits relativ frühzeitig zu Rechtsstrei(4th Cir. 1970), vom Supreme Court nicht zur Entscheidung angenommen, 398 V.S. 904 (1970). 124 VgJ. Jonathan H. Adler, Wetlands, Waterfowl, and the Menace of Mr. Wilson: Commerce Clause Jurisprudence and the Limits of Federal Wetlands Regulation, 29 Environmental Law 1,36 m.w.N. (1999). l2S VgJ. Wilcox 101: ,,[I]nterstate pollution prevention is one area in which strong federal authority is essential."
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tigkeiten zwischen Trägern öffentlicher Gewalt verschiedener Gliedstaaten geführt,126 in denen die Unzulänglichkeit gerichtlicher Mechanismen in solchen Konflikten zu Tage getreten ist. 127 Verträge zwischen den Mitgliedstaaten, wie sie der Supreme Court in diesen Urteilen angeregt hat, 128 sind zum einen wegen der Schwerfälligkeit eines solchen Instrumentariums und zum anderen wegen der regelmäßig ungleich verteilten Ausgangspositionen (die Verhandlungsposition des abstromig oder in Windrichtung gelegenen Gliedstaates wird immer schlechter sein) nur bedingt geeignet. 129
bb) Verkehrsfähigkeit von Produkten Mitunter lassen sich umweltbezogene Regelungen des Bundes auch auf wirtschaftliche Interessen betroffener Wirtschaftszweige zuriickfiihren. Dies gilt insbesondere dort, wo eine einheitliche Regelung des Bundes erforderlich ist, um die Verkehrsfähigkeit eines Produktes in allen fiinfzig Gliedstaaten herzustellen oder zu erhalten. Solche Regelungen werden in der Regel nicht "nach oben offen" sein, sondern einheitliche Standards oder Höchststandards enthalten. Ein Beispiel hierfiir ist die Regelung einheitlicher Emissionsstandards fiir Neufahrzeuge, die maßgeblich auf die Intervention der Autoindustrie und deren Furcht vor einer Vielzahl verschiedener und miteinander unvereinbarer Standards in den Staaten zurückzuführen war. 130 Die Regelung der Beseitigung gefährlicher Abfälle durch den Bund sollte strengeren Bestimmungen der Gliedstaaten vorbauen, die Abfalltransporte zur Beseitigung in diese Gliedstaaten unmöglich gemacht hätten.13l
cc) Ökonomischer Nutzen von Umweltgütern Ein weiteres Argument in der Diskussion um den Schutz von Umweltgütern ist die wirtschaftliche Nutzbarkeit bestimmter Umweltgüter und der messbare 126 Der Supreme Court hat sich bei der Bejahung der Zulässigkeit sol~her Klagen maßgeblich darauf berufen, dass solche Streitigkeiten zu ernsten Verwerfungen im horizontalen Verhältnis zwischen verschiedenen Gliedstaaten führen könnten. Vgl. z.B. Missouri v. Illinois, 200 U.S. 496, 518 (1906): "to deal with a situation which, ifit arose between independent sovereignties, rnight lead to war." 127 Vgl. Perciva/1154. 128 New York v. New Jersey, 256 U.S. 296, 313 (1921). 129 Vgl. Perciva/1154. 130 Dwyer, Practice ofFederalism, 1195 und Fn. 61. 131 Vgl. RehbinderlStewart 316.
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wirtschaftliche Nutzen, den ihre Existenz mittelbar mit sich bringt.132 Ohne nähere Bestimmung des Nexus zwischen dem konkret geregelten Sachverhalt und handelbaren Wirtschaftsgütern ist diese Begründung allerdings kaum tragfähig. Den bloßen Verweis auf eine vermittelte Beziehung zu wirtschaftlichem Nutzen hat der Supreme Court in Lopez explizit abgelehnt, da sich eine solche mittelbare Verbindung fUr jegliche Situation wird konstruieren lassen und damit jede Grenzziehung fiir die Kompetenz des Bundes ausschließen würde. In Einzelfallen, z.B. fiir den Schutz bestimmter Küstengebiete als Grundlage für den Fischfang, lässt sich ein wirtschaftlicher Zusammenhang hingegen problemlos herstellen.
dd) Der Streit um die Notwendigkeit, einem Negativwettbewerb der Gliedstaaten (race to the bottom) entgegenzuwirken (1) Die Anerkennung des race to the bottom-Arguments in Rechtsprechung und Literatur
Die bisher aufgefiihrten Argumente weisen dem Umweltrecht des Bundes entweder eine ergänzende Funktion zur Sicherung des horizontalen Rechtsfriedens im fOderalen System (grenzüberschreitende Sachverhalte) oder eine lediglich dienende Funktion gegenüber wirtschaftlichen Erwägungen (Sicherung der Verkehrsfahigkeit von Produkten und wirtschaftliche Nutzbarkeit von Umweltgütern) zu. Anders das race to the bottom-Argument: Es rechtfertigt Regelungen auf Bundesebene auch umfassend im Bereich produktionsbezogener Vorschriften und ist daher von Bedeutung für die Rechtfertigung einer eigenständigen Umweltpolitik auf Bundesebene. Es gestattet aber auch naturschutzrechtliche Bestimmungen, jedenfalls dort, wo regulatorische Wettbewerbssituationen möglich sind, insbesondere beim flächenbezogenen Naturschutzrecht. Die Bedeutung des Arguments resultiert aber vor allem aus seiner Grundlage ausschließlich in umweltschutzbezogenen Erwägungen. Bereits 1941 hat der Supreme Court in United States v. Darby ausdrücklich anerkannt, dass der Kongress seine Handelskompetenz nutzen kann, um einen schädlichen Wettbewerb durch gegenseitiges Unterbieten der Staaten mit immer niedrigeren gesetzlichen Standards - in Darby entschieden anhand von
132 Oliver A. Houck/Michael Rolland, Federalism in Wetlands Regulation: A Consideration of Clean Water Act Section 404 and Related Programs to the States, 54 Md. L. Rev. 1242, 1247 (1995): Bedeutung der Erhaltung der Feuchtgebiete an der Küste und im küstennaben Bereich rur den kommerziellen Fang von Fischen und Meeresfrüchten im Wert von mehreren Milliarden Dollar jährlich. Weitere Nwe. bei Adler, Federal Wetlands Regulation, 33.
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Arbeitsrecht - zu verhindern. \33 Gelegentlich ist auch vom "MississippiSyndrom" die Rede. 134 Tatsächlich sind es in der Regel ärmere Gliedstaaten wie Mississippi, die hierfiir anfällig sind, während sich als Vorreiter im Umweltrecht die reicheren Staaten des Nordosten und der Pazifikküste hervortun. In Hodel v. Virginia Surface Mining & Reclamation Association ließ der Supreme Court die Begründung ausdrücklich für die Sicherung adäquater Umweltstandards innerhalb der Staaten gelten: "Moreover, the Act responds to a congressional finding that nationwide ,surface mining and rec1amation standards are essential in order to insure that competition in interstate comrnerce arnong seHers of coal produced in different States wiH not be used to undermine the ability of the several States to improve and maintain adequate standards on coal mining operations within their borders.' The prevention of this sort of destructive interstate competition is a traditional role for congressional action under the Comrnerce Clause."m Umweltschutzorientierten Autoren dient es als zentrales Argument fiir die Begründung einheitlicher (Mindest-) Standards. 136 Die Untätigkeit der Gliedstaaten im Umweltbereich trotz Anreizen des Bundes, die zu dessen Eingreifen führte, ist maßgeblich auf den race to the bottom-Effekt zurückzuführen. So ist diese Begründung auch ausdrücklich in Bundesgesetzen niedergelegt, wie z.B. im Surface Mining Control and Reclamation Act (SMCRA): "Surface mining and reclamation standards are essential to insure that competition in interstate comrnerce arnong seHers of coal produced in different States will not be used to undermine the ability of the several States to improve and maintain adequate standards on coal mining operations within their borders.,,137
(2) Diskussion und kritische Würdigung In den vergangenen Jahren ist an dem race to the bottom-Argument vermehrt Kritik laut geworden. 138 Diese greift allerdings im Wesentlichen nicht United States v. Darby, 312 U.S. 100, 115 (1941). Vgl. Victor B. Flatt, A Dirty River Runs Through it (the Failure of Enforcement in the Clean Water Act), 25 B. C. Envtl. Mf. L. Rev. I, 2 (1997). 135 Hodel v. Virginia Surface Mining & Rec1amation Association, 452 D.S. 264,281 f. (1981). 136 Vgl. z.B. Stewart, Pyrarnids of Sacrifice, 1222; HouckiRolland 1242; Flalt 3; Peter D. Enrich, Saving the States from Thernselves: Comrnerce Clause Constraints on State Tax Incentives for Business, 110 Harvard L.Rev. 377,380 (1996). 137 SMCRA § 101(g), 30 U.S.C. § 1201(g). \38 Vgl. z.B. Adler, Federal Wetlands Regulation, 42 ff. m.w.N.; Richard L. Revesz, Rehabilitating Interstate Competition: Rethinking the "Race-to-the-Bottom" Rationale for Federal Environmental Regulation, 67 N.Y.U. L. Rev. 1210 (1992); ders., Response \33
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durch, wie im Folgenden zu zeigen ist. Problematisch ist in der Kritik bereits der Ansatz, der eine neue Industrieansiedlung als gleichartiges Gut wie die natürliche Umwelt begreift, das gegen Umweltschutzinteressen nach KostenlNutzen-Gesichtspunkten abzuwägen sei. Jeder Staat, so Revesz, könne nach seine Standards nach den Präferenzen seiner Bürger im Umweltschutz und anderen Bereichen setzen und auf dieser GfWldlage am Wettbewerb um Industrieansiedlungen teilnehmen. 139 Revesz übersieht, dass die maßgeblichen Faktoren für Umweltstandards in der Regel nicht auf einem Konsens aller Bevölkerungsteile beruhen und dass ärmere, jedoch stark verschmutzte Staaten häufig alles andere als "frei" sind, Umweltstandards ohne Rücksicht auf 1ndustrieansiedlungen zu setzen. Umweltgesetzgebung, so die weitere Kritik, sei nur ein Faktor unter vielen
für neue 1ndustrieansiedlungen. 14o Nehme man diesen Faktor heraus, so werde
sich der Wettbewerb auf andere Felder verlegen,141 was mindestens genauso nachteilige Folgen für die Gesellschaft haben könne wie im Umweltbereich. 142 Ein möglicher Negativwettbewerb in anderen Bereichen rechtfertigt jedoch nicht dessen Aufrechterhaltung im Umweltbereich. Dieser ist zudem besonders anfallig hierfür, da niedrigere Umweltstandards vergleichsweise billig erworben werden (anders als die von Kritikern z.B. aufgefiihrten Bereiche Steuerlast und Lohnniveau). Außerdem argumentieren die Kritiker, einige Gliedstaaten wiesen durchaus strengere Umweltstandards als der Bund auf, und innovative und effIziente Regelungen im Umweltschutz gingen vielfach von den Staaten aus. Soweit dies rechtlich machbar ist, eignet sich die gliedstaatliche Ebene sicher für einen Wettbewerb der Instrumente des Umweltschutzes; einzelne Ausnahmen 143 lassen den Schluss auf lokale Besonderheiten zu, jedoch gerade nicht auf einen wirksamen Wettbewerb um hohe Umweltstandards. Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang, dass bis Anfang 1995 bereits 24 Gliedstaaten Gesetze erlassen hatten, die in einem oder mehreren Bereichen des Umweltschutzes schutzintensivere gliedstaatliche Regelungen als die Regelungen des Bundes verbieten und damit die Mindeststandards des Bundesrechts gleichzeitig zu
to Critics, 535; National Association ofHome Builders v. Babbitt, 130 F.3d 1041, 1049 ff. (D.C. Cir. 1997). 139 Revesz, Response to Critics, 538 f. 140 Revesz, A normative Critique, 105; Adler, Federal Wetlands Regulation, 43. 141 Adler, Federal Wetlands Regulation,46. 142 Revesz, Response to Critics, 540. 143 Vgl. Adler, Federal Wetlands Regulation, 44 f. m.w.N. Er nennt lediglich das Beispiel New Jersey.
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Maximalstandards machen und deren Notwendigkeit unter Beweis stellen. l44 Die weitreichendste Regelung besteht in South Dakota: "No rule that has been promulgated pursuant to Title 34A [Umweltschutz], 45 [Bergbau, Öl und Gas], 46 [Wasserrechte], or 46A [Wasserwirtschaft] may be more stringent than any corresponding federallaw, rule or regulation goveming and essentiaJly sirnilar subject or issue... 145 In einigen Staaten ist der Erlass umweltrechtlicher Regelungen über dem Schutzniveau des Bundes von der Durchfiihrung öffentlicher Anhörungen und/oder besonderer Untersuchungen zur Erforderlichkeit der Maßnahmen abhängig, teilweise mit dem Erfordernis, Abweichungen mit örtlichen Besonderheiten zu begründen. Daneben gibt es Staaten, in denen der Gesetzgeber ausdrücklich vorschreibt, dass die Umweltgesetzgebung auf Regelungen über dem Schutzniveau des Bundes zu überprüfen sei, um das Schutzniveau dort gezielt abzusenken. 146 Diese Maßnahmen werden in der Regel als Instrumente zur Neuansiedlung und Erhaltung von Industrien gerechtfertigt. 147 Insofern lässt sich die Behauptung von Adler,148 gliedstaatlicher Wettbewerb könne ebenso gut zu überzogenen Umweltstandards führen, weder in der Realität nachvollziehen, noch kann der Befiirchtung "zu hoher" Standards viel Gewicht beigemessen werden.
Raum fiir regulatorische Innovation der Gliedstaaten (states as laboratories of federalism)149 ist auch oberhalb von bundesrechtlichen Mindeststandards sowie im Wettbewerb der Instrumente, wenn sich der Bund auf Zielvorgaben fiir gliedstaatIiches Recht beschränkt. Auch letzterer kann sich jedoch als nachteilig erweisen, wenn mobile Regelungsadressaten z.B. eine ordnungsrechtliche Lösung einem mengenbezogenen Abgabenmodell vorziehen. 150
144 Vgl. hierzu umfassend Jerome M. Organ, Limitations on State Agency Authority to adopt Environmental Standards More Stringent than Federal Standards: Policy Considerations and Interpretive Problems, 54 Md. L. Rev. 1373 (1995). 145 S.D. Codified Laws Ann. § 1-40-4.1 (1992), wiedergegeben in James M. McE/fish Jr., Minimal Stringency: Abdication of State Innovation, 25 ELR 10003, 10004 (1995). 146 Vgl. McElfish 10005 f. m.w.N. 147 Vgl. ebd., 10003. 148 Adler, Federal Wetlands Regulation, 46. 149 Grundsätzlich skeptisch gegenüber dem Prinzip der States as laboratories of federalism aber Susan Rose-Ackerman, Risk Taking and Reelection: Does Federalism Promote Innovation?, 9 J. Legal Stud. 592 1980 m.w.N., die wenig Anreize für politische Entscheidungsträger zu solchen Experimenten sieht. 150 Vgl. Susan Rose-Ackerman, Symposium Federalism's Future: Environmental Policy and Federal Structure: A Comparison ofthe United States and Gerrnany, 47 Vand. L. Rev. 1587 (1994),1592 ff.
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Schließlich sei es doch bemerkenswert, so die Kritiker, dass es viele Bürger gerade in die Staaten ziehe, die vergleichsweise hohen Aufwand für den Umweltschutz betrieben und hohe Schutzstandards setzten. 1Sl Bestimmte Wanderungsbewegungen lassen sich tatsächlich so interpretieren. 152 Hier geht es jedoch vornehmlich um Industrieansiedlungen, nicht um Einwohner. Mögen es sich einige Staaten leisten können, höhere Umweltstandards zu setzen, so dienen einheitliche Umweltstandards im Bund doch gerade dem Schutz der Gegenden, die Arbeitsplätze benötigen und sich daher einem Negativwettbewerb stellen, sowie der zurückbleibenden Bevölkerung, die ihren Wohnort bei niedrigem Einkommen und schwieriger Position auf dem Arbeitsmarkt nicht nach Belieben wechseln kann. 153 Im Ergebnis ist das race to the bottom-Argument grundsätzlich berechtigt, selbst wenn die Gefahren, vor denen das Bundesrecht auf dieser argumentativen Basis schützen soll, angesichts des bestehenden weitreichenden Bundesrechts praktisch kaum sichtbar werden. Problematisch sind lediglich solche Regelungen des Bundes, die ohne Not einheitliche statt Mindeststandards oder Vollregelungen statt gliedstaatlich zu instrumentierender Regelungsziele vorschreiben. Die tatsächlich entscheidungsrelevanten Auswirkungen von Unterschieden in umweltrechtlichen Standards auf Standortentscheidungen sollten allerdings nicht überschätzt werden. 154
c) Eingrenzungen in einzelnen Sachbereichen nach Lopez Die bisher dargestellten Maßstäbe geben den Stand vor Lopez wieder. In mehreren Rechtsstreiten zu bedeutenden Umweltgesetzen des Bundes haben die Untergerichte versucht, auf der Basis von Lopez die Reichweite der commerce power im Umweltbereich neu zu fassen.
Adler, Federal Wetlands Regulation, 43. VgJ. Merritt, Comrnerce! 706 m.w.N. Es gibt durchaus Bürger, die bewusst nicht nur in andere Viertel, sondern auch in andere Gegenden ziehen, in denen die Umweltbedingungen im weiteren Sinne (Schulen, sichere Straßen, Umweltschutz) günstiger sind, wie etwa in schwach industrialisierten Staaten. 153 Diejenigen, die sich in "bessere" Gegenden begeben, sind in aller Regel gut ausgebildete Fachkräfte, die es sich leisten können, ihre Arbeitssuche nach solchen Kriterien auszurichten oder überhaupt nur noch auf elektronischem Wege mit ihrer Firma verbunden sind. Diese Faktoren mögen wiederum von Einfluss auf neue Ansiedlungen "sauberer" High-Tech-Industrien sein. VgJ. Merritt, Comrnerce!, 706. 154 VgJ. die bei Rose-Ackerman, Environmental Policy and Federal Structure, 1595 f. Fn. 20 aufgellihrten Werke, die nach Auswertung der Autorin darauf hindeuten, dass unterschiedliche Umweltstandards nicht die zentrale Determinante llir Standortentscheidungen in den USA bilden. 151
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aa) Klarstellung des Bezuges zum zwischenstaatlichen Handel Misst man den bisher rur die Umweltgesetzgebung des Bundes beanspruchten Kompetenzbereich an den Aussagen von Lopez, so ergeben sich in zwei Richtungen mögliche Einschränkungen, einerseits hinsichtlich der Nähe der Beziehung des geregelten Verhaltens zum zwischenstaatlichen Handel, andererseits hinsichtlich der Frage, inwieweit sich das Bundesgesetz in traditionell gliedstaatlich geregelten Bereichen bewegt. Letzteres ist eine Frage der äußeren Grenzen der Kompetenzausübung, zu behandeln ist daher an dieser Stelle nur der erste Punkt. Hinsichtlich wesentlicher Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel ist die Gesetzgebung des Bundes dort angreifbar, wo - wie beim Gun-Free School Zones Act - Geschehnisse innerhalb der Staaten und ohne greifbaren Bezug zum Handel geregelt werden. Unproblematisch ist eine Regelung allerdings dann, wenn die einzelne Regelung zu einem umfassenderen Schema gehört, das durchaus mit dem Handel zusammenhängt,155 zusammen mit gleichartigen Aktivitäten fur den Handel von Bedeutung ist/ 56 wo ein Verhalten aufgrund einer entsprechenden Bestimmung des Gesetzes nur dort betroffen ist, wo der zwischenstaatliche Handel tatsächlich berührt ist oder wo die Auswirkungen des geregelten Verhaltens auf den zwischenstaatlichen Handel nachgewiesen sind. Allgemeine Eingrenzungen auf Sachverhalte, die im Zusammenhang mit zwischenstaatlichem Handel stehen oder Auswirkungen darauf haben, enthalten z.B. der Federal Hazardous Substances Act,157 der Toxic Substance Control Act (TSCA),158 der Migratory Bird Treaty Act,159 der Federal Water Pollution Control Act (Clean Water Act oder CWA), 160 der Noise Control Ace 61 und der Hazardous Materials Transportation Act. 162 Üblich ist auch, im Text des Gesetzes ausfiihrliche Sachverhaltsfeststellungen einzuschließen, mit denen der Gesetzgeber den Bezug zum zwischenstaatlichen Handel nachweist, wie z.B. im Surface Mining Control and Rec1amation Act ISS Vgl. Hodel v. Indiana, 452 U.S. 314, 329 Fn. 17 (1981): "A complex regulatory program such as established by the Act can survive a Commerce Clause challenge without a showing that every single facet of the program is independently and directly related to a valid congressional goal. It is enough that the challenged provisions are an integral part of the regulatory pro gram and that the regulatory scheme when considered as a whole satisfies this test. ( ...)" 156 Der Supreme Court beruft sich in Lopez auf Wickard, 115 S.Ct. 1624, 1628 (1995). 157 Vgl. 15 U.S.C. § 1263. 158 Vgl. 15 U.S.C. §§ 2602 (3)-(4), 2603 (a). 159 Vgl. 16 U.S.C. § 705 . 160 Vgl. 33 U.S.C. §§ 1342 (a), 1362 (7) und (12). 161 Vgl. 42 U.S.C. §§ 4902 (7) und 4909 (a). 162 Vgl. 49 U.S.c. § 5102 (1).
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(SMCRA), 30 U.S.C. § 1201 (c), (g), (j), im TSCA, 15 U.S.C. § 2601 (a)(3), im Marine Mammal Protection Act, 16 U.S.C § l361(5) sowie im Uranium Mill Tailings Radiation Control Act, 42 U.S.C. § 7901. Den praktischen Nutzen solcher Feststellungen belegt bereits der Rückgriff auf diese in Hodel. 163 Problematisch ist die Beziehung zum zwischenstaatlichen Handel aber beim Safe Drinking Water Act (SDWA), 42 U.S.C. §§ 300 (f) bis 300 (j)(26) (Teil des Public Health Service Act (PHSA».I64 Der SWDA stellt Qualitätsstandards fiir Trinkwasser auf, an die sich Trinkwasserunternehmen zu halten haben. Der Verkauf des Trinkwassers ist Handel, fmdet jedoch zumeist nur innerstaatlich statt. Die Verwendung von Ausrüstungsgegenständen aus dem zwischenstaatlichen Handel und die Tätigkeit kommerzieller Wasserkunden im zwischenstaatlichen Handel ist möglicherweise kein unmittelbarer Bezug im Sinne von Lopez. 16S bb) Schutz innerstaatlicher Feuchtgebiete als Lebensraum von Zugvögeln nach dem Clean Water Act Ein zentraler Streit zur Commerce Clause im Umweltbereich betrifft die Regelung innerstaatlicher Feuchtgebiete. 166 Während der Bund früher mit Finanzmitteln und durch kostenlose Landvergabe an Bürger die Trockenlegung von Feuchtgebieten förderte, bemühen sich Bundesbehörden seit den siebziger Jahren um deren Erhaltung. Als problematisch haben sich innerstaatliche Flächen erwiesen, die keinerlei Handelsbezug aufweisen, insbesondere keine vor wirtschaftlicher Ausnutzung geschützten Arten beherbergen und auf die der Bund keinen Einfluss auf der Basis der Property Clause hat. Hierfiir haben Rechtsprechung und Lehre mehrere Begründungsmuster auf der Basis der Commerce Clause entwickelt.
163 Vgl. Hode! v. Virginia Surface Mining and Rec1amation Association, Inc. 452 U.S . 264, 281 (1981). 164 V gl. Dwyer, Limits of Congressional Authority, 10427 f. 165 Dwyer, Limits of Congressional Authority, 10427 f. 166 Feuchtgebiete existieren in unterschiedlichen Ausprägungen in allen Gliedstaaten, von Salzmarschen am Golf von Mexiko bis zu Prärietümpe!n im Mittleren Westen und Sumpfwäldem in Alaska. Kriterien sind lediglich wasserhaltiger Untergrund, regelmäßige Sättigung durch Überschwemmung oder Grundwasser und eine spezifische Vegetation. Feuchtgebiete haben vielfältige Bezüge zum Schutz der natürlichen Umwelt. Sie verhindern Erosion und Ausschwemmung von Böden, speichern und reinigen Wasser, dienen dem Hochwasserschutz und weisen den höchsten Artenreichtum unter den Ökosystemen auf. Vgl. Margaret N. Strand, What is a Wetland and Why Are We Still Asking?, Practical Real Est. Law., März 1997, 59, 61.
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(1) Die aquatie systems rationale und die migratory birds rule Der Clean Water Act macht die Einbringung von Schadstoffen (pollutants) in schiffbare Gewässer (navigable waters, defIniert als waters of the United States) von einer Genehmigung des Anny Corps of Engineers abhängig. 167 Die weitere Ausgestaltung erfolgt durch Verordnungen. Danach sind waters of the United States alle Gewässer, die dem Handel zwischen den Staaten oder dem internationalen Handel dienen oder dienen können, mehrere Staaten berührende Gewässer, deren Zuflüsse sowie alle innerstaatlichen Gewässer und Feuchtgebiete, deren Benutzung, Verschlechtening oder Zerstörung sich auf den Handel auswirken könnte, z.B. für den Fischfang (für Verkauf im zwischenstaatlichen Handel), für Industrien im zwischenstaatlichen Handel oder für die Erholung von Bürgern aus anderen Staaten. 168 Erweiternd wurden an diese Flächen anschließende Feuchtgebiete einbezogen 169 - allerdings erst auf die Klage einer Umweltorganisation 170 - sowie Wasserflächen, die als Aufenthaltsort für Zugvögel dienen oder dienen könnten, die durch internationale Verträge geschützt sind oder die Gliedstaatengrenzen überqueren (sog. migratory bilds rule). 171 In United States v. Riverside Bayview Hornes, [ne. 172 stellte der Supreme Court die Verfassungsmäßigkeit der Einbeziehung an Gewässern angrenzender Feuchtgebiete fest, da diese als Teil eines einheitlichen hydrologischen Systems untrennbar mit den Gewässern verbunden seien (sog. aquatic systems rationale).173 Ob auch Feuchtgebiete, die nicht an Gewässer angrenzen, bundesrechtlicher Regelung zugänglich sind, ließ das Gericht hingegen ausdrücklich offen. 174
167 § 301 CWA, 33 US.C. § 13ll(a) enthält das Verbot mit Genehmigungsvorbehalt, § 404 CWA, 33 US.c. § 1344(a) ermächtigt das Army Corps of Engineers, Genehmigungen "for the discharge of dredged or fill material into the navigable waters at specified disposal sites" zu erteilen. Der EPA steht ein Vetorecht zu, ebd. Navigable waters sind waters ofthe United States, § 502 (7) CWA, 33 US.C. § 1362 (7). 168 33 C.F.R § 328.3(a)(3). 169 "wetlands adjacent to waters (other than waters that are thernselves wetlands)." 33 C.F.R. § 328.3(a)(7). 170 In Natural Resources Defense Council v. Callaway, 392 F.Supp. 685 (D.D.C. 1975) stellte der Distriet Court fest, dass schiffbare Gewässer alle Gewässer einschließlich der Feuchtgebiete umfasse, unabhängig von ihrer Schiffbarkeit. Es heißt darin, der Kongress "asserted federal jurisdiction over the nation's waters to the maximum extent permissible under the Commerce Clause ofthe Constitution." Ebd., 686. 171 51 Fed.Reg. 41217. 172 United States v. Riverside Bayview Hornes, Inc., 474 US. 121 (1985). 173 Ebd., 134. 174 Ebd., 124 Fn. 2.
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Auf die aquatic systems rationale konnte sich die EPA in dem Rechtsstreit Hoffman Homes v. EPA I7S nicht berufen. In den hierzu ergangenen Entscheidungen des Court of Appeal fiir den 7. Circuit (Hoffman Homes I und Hoffman Homes 11) ging es um eine tieferliegende Fläche, die sich periodisch mit Regenwasser füllte, ohne jedoch eine über- oder unterirdische Verbindung zu anderen Gewässern zu besitzen. 176 Hoffman hatte die Fläche ohne Genehmigung des Army Corps of Engineers für ein Wohnbauvorhaben aufgefüllt und eingeebnet. Der Court of Appeal lehnte in Hoffman Homes I das Argument ab, die Fläche habe einen - wenn auch geringen - Effekt auf den zwischenstaatlichen Handel, da sie von Zugvögeln genutzt werden könne. 177 Das Gericht greift hier auf die später in Lopez zentrale Argumentation zurück, eine Grenze bundesrechtlicher Kompetenz müsse sichtbar bleiben: Ließe man die Argumentation der EP A zu, so könne der Bund alles regeln, denn wo in den Vereinigten Staaten könnte sich ein Zugvogel nicht niederlassen?178 In Hoffman Homes II änderte das Gericht seine Begründung dahingehend, dass die EP A versäumt habe, hinreichende Beweise für Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel beizubringen, hielt eine Verbindung zum zwischenstaatlichen Handel über die Anwesenheit von Zugvögeln aber nun für zulässig. Diese Verbindung liege in der Bedeutung von Vogeljagd, Fallenstellerei und Vogelbeobachtung als Wirtschafts faktor .179 Ähnliche Probleme stellen sich im Naturschutzbereich häufig; Zugvögel als Begründung für den Schutz massenhafter Sammel- oder Brutplätze können daher nicht deshalb abgelehnt werden, weil sich ein Vogel gelegentlich woanders niederlässt. Eine andere Frage ist, ob der Sachverhalt in Hoffman Homes eine Subsumtion unter die rnigratory birds rule rechtfertigte. Auch das Argument, Zugvögel bewegten sich schließlich nicht durch Menschenhand, sondern aus eigener Kraft über die Grenzen der Gliedstaaten, 180 ist nicht sachangemes175 Hoffman Hornes v. Administrator, U.S. Environmental Proteetion Agency (EPA), 961 F.2d 1310, aufgehoben, 975 F.2d 1554 (7th Cir. 1992) - Hoffman Hornes I; aufgehoben und neu verhandelt, Hoffman Hornes v. Administrator, U.S. Environmental Proteetion Agency (EPA), 999 F.2d 256 (7th Cir. 1993) -Hoffrnan Hornes 11. 176 Hoffman Hornes v. EPA, 961 F.2d 1310, 1311 (7th Cir. 1992). 177 Ebd., 1312; 1321. 178 Ebd., 1321. So auch Holman IV, J. Blanding, After United States v. Lopez: Can the Clean Water Act Survive and the Endangered Species Act Survive Commerce Clause Attack?, 15 Va. Envtl. L. Rev. 139, 197 (1995); Adler, Federal Wetlands Regulation,38. 179 Hoffman Hornes, Inc. v. EPA, 999 F.2d 256 (7th Cir. 1993). So auch United States v. Sargent County Water Resource Dist., 876 F.Supp. 1081,1087 (D.N.D. 1992). 180 So in dern (aufgehobenen) Urteil Hoffman Hornes, Inc. v. EPA, 961 F.2d 1310, 1320 (7th Cir. 1992).
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sen, da es sich um eine typische grenzüberschreitende Angelegenheit handelt. Für solche Angelegenheiten ist es aber - auch und gerade im Umweltschutzbereich - anerkannt, dass sie der Regelung des Bundes unterliegen, da sie von der Regelung eines Gliedstaates nicht voll erfasst werden können. 181 Fordert man einen wirtschaftlichen Sachverhalt als Regelungsgegenstand, so könnte der Schutz der Zugvögel selbst geregelt werden (also z.B. deren Jagd verboten werden), nicht aber der Schutz der Habitate, in denen sich diese Vögel niederlassen. 182 Dem ist wiederum entgegenzuhalten, dass ein wirksamer Schutz der Vögel (legitimes Ziel) deren Lebensräume erfassen muss (Mittel im Sinne der Commerce Clause und der Necessary and Proper Clause).
(2) Cargill, Inc. v. United States und SWANCC v. U.S. Army Corps of Engineers In Leslie Salt Co. v. United States 183 akzeptierte der Court of Appeal für den 9. Circuit in ähnlicher Weise als BegIiindung, dass verschiedene Arten von Zugvögeln saisonale Teiche als Ruheplatz nutzten. 184 Nachdem kurz darauf Lopez entschieden worden war, legte der Rechtsnachfolger der unterlegenen Klägerin die Sache dem Supreme Court vor, der es in Cargill, Inc. v. United States 18S mit acht Stimmen gegen eine Stimme ablehnte, den Fall zur Entscheidung anzunehmen. Der Supreme Court hat seine Entscheidung nicht begründet, der überstimmte Justice Thomas hat jedoch ein ausfiihrliches Minderheitsvoturn für die Annahme zur Entscheidung verfasst, in dem er durchblicken lässt, dass er mangels Anhaltspunkten dafür, dass sich außer den Zugvögeln auch menschliche Besucher auf dem Gelände von Cargill aufgehalten hätten, um die Vögel zu beobachten oder ihnen nachzustellen, die Grenze der Commerce Clause überschritten sieht. Selbsttätiger Vogelflug über Staatsgrenzen hinweg 181 Hodel v. Virginia Surface Mining and Rec1arnation Association, Inc., 452 U.S. 264,282 (1981) m.w.N. 182 Adler, Federal Wetlands Regulation, 38 f. 183 Leslie Salt Co. v. United States, 896 F.2d 354 (9th Cir. 1990), Rechtsmittel vom Supreme Court nicht zur Entscheidung angenommen, 498 U.S. 1126 (1991) - Leslie Salt I; Leslie Salt v. United States, 55 F.3d 1388 (9th Cir. 1995) - Leslie Salt II. 184 Leslie Salt Co. v. United States, 896 F.2d 354, 360 (9th Cir. 1990): "The Commerce Clause power, and thus the Clean Water Act, is broad enough to extend the jurisdiction to 10cal waters which may provide habitat to migratory birds and endangered species." (Aufhebung und Zurückverweisung, darauf Bestätigung der Klageabweisung des District Court, Leslie Salt v. United States, 55 F.3d 1388, 1392 (9th Cir. 1995): "The migratory birds rule certainly tests the limits of Congress' commerce powers and, some would argue, the bounds of reason." Ebd., 1396. "Nevertheless, given the broad sweep of the Commerce Clause, the holding in [Leslie Salt I] cannot be considered c1early eroneous on this ground." Ebd.). 185 Cargill, Ine. v. United States, 116 S.Ct. 407 (1995).
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könne keinen hinreichenden zwischenstaatlichen Sachverhalt fiir eine Regelung des Bundes begründen. 186 In United States v. Wilson konnte nachgewiesen werden, dass Wasser aus den Feuchtgebieten, die Wilson fiir ein Bauvorhaben trockenlegte, letztlich in den Potornac River und die Chesapeake Bay abfloss. Außerdem berief sich der Bund darauf, dass Biber und andere in Feuchtgebieten lebende Tiere bejagt wurden und dass die Trockenlegung von Feuchtgebieten allgemein die Nahrungszufuhr und damit den Fischbestand in schiffbaren Gewässern berühre. Der Court of Appeal fiir den 4. Circuit lehnte diese Argumentation ab. 187 Zwar könne der Bund Gewässerverunreinigungen insoweit regeln, als dies zum Schutz der schiffbaren Gewässer als Handelswege notwendig sei oder mehrere Staaten beruhrende Gewässer betreffe, ein solcher Bezug fehle hier jedoch. 188 Mit dieser äußerst engen Auffassung lehnt das Gericht die theoretische Möglichkeit von Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel durch die Zerstörung innerstaatlicher und gewiss nicht-schiffbarer Feuchtgebiete als Nexus zur commerce power ab. \89 Die Entscheidung in Wilson ist eine direkte Folge von Lopez; 190 als bestimmendes Kriterium aus Lopez verwendet das Gericht in dieser Entscheidung aber lediglich die Grundlinie aus diesem Urteil, dass eine fassbare Grenze der commerce power erkennbar bleiben müsse. 191 Der Supreme Court hat in Solid Waste Agency of Northern Cook County (SWANCC) v. United States Army Corps of Engineers,\92 einem weiteren Rechtsstreit mit beinahe identischem Sachverhalt wie die bereits aufgeführten Entscheidungen, im Januar 2001 das Genehrnigungserfordernis fiir die Trockenlegung hydrologisch isolierter innerstaatlicher Feuchtgebiete mit fünf zu vier Richterstimmen abgelehnt. Das Gericht vermied eine Aussage zur Verfassungsmäßigkeit der migratory birds rule, indem es darauf abstellte, dass im CWA kein gesetzgeberischer Wille zu einer Rechtssetzung über solche Flächen 186 Abweichende Ansicht von Justice Thomas, Cargill, Inc. v. United States, 116 S.Ct. 407,409 (1995). 187 United States v. Wilson, 133 F.3d 251, 257 (4th Cir. 1996). 188 Ebd., 256 f. 189 Vgl. Adler, Federal Wetlands Regulation, 32. 190 Vgl. Richard J Lazarus, Corps Slips on Lopez, FWS Wins, Envtl. F., März/April 1998, 8, dass die Regelungen des Army Corps of Engineers zu Feuchtgebieten vor Lopez eindeutig verfassungsmäßig gewesen seien, danach aber gleichermaßen eindeutig verfassungswidrig. 191 Vgl. wiederum Lazarus, Corps Slips on Lopez, 8. 192 Solid Waste Agency of Northem Cook County (SWANCC) v. United States Army Corps ofEngineers, Urt. v. 9. 1. 2001, Docket No. 99-1178. Das Army Corps of Engineers hatte die Genehmigung fiir die Verfiillung saisonaler isolierter Wasserflächen, die aus einem aufgelassenen Sand- und Kiesabbau stammten, zur Errichtung einer Abfalldeponie versagt, nachdem die Präsenz von Zugvögeln nachgewiesen worden war.
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erkennbar sei, da der Kongress von einer Verbindung zu schiffbaren Gewässern als Grundlage ausgegangen sei.193 Die verfassungsrechtliche Problematik hydrologisch isolierter innerstaatlicher Feuchtgebiete wird lediglich angedeutet; mangels einer klaren anders lautenden Aussage (clear statement), so das Gericht, sei davon auszugehen, dass der Kongress diese Sachverhalte im traditionell gliedstaatlich geregelten Bereich der Nutzung von Boden und Wasser nicht habe regeln wollen.194 Die Minderansicht von vier Richtern weist dem gegenüber nach, dass die maßgebliche Regelung in § 404 CW A originär umweltbezogenen Charakter hat und mit einem weiten Bezug aufUmweltbeeinträchtigungen im Wasserbereich durchaus eine Grundlage für die migratory birds rule bietet,195 und lehnt außerdem die Einordnung von Umweltschutzregelungen in den Bereich der Boden- und Wassernutzung ab. 196 Schließlich äußert sich die Minderansicht zur Frage der Vereinbarkeit mit der Commerce Clause und kommt zu dem Ergebnis, dass die Anziehungswirkung der Zugvögel für Besucher eine hinreichende Beziehung zum zwischenstaatlichen Handel begründe; die Trockenlegung der Wasserflächen sei zudem eine zu regelnde wirtschaftliche Aktivität. 197 Mit der Aufstellung eines "clear statement requirement" im Grenzbereich der Commerce Clause und im Bereich traditionell gliedstaatlicher Regelungen umgeht die Mehrheit im Supreme Court ein weiteres Mal eine Entscheidung über die Reichweite der Commerce Clause im Umweltbereich, ohne jedoch eine dogmatisch sachgerechte Abgrenzung zu ermöglichen. Verfugt der Bund über eine Kompetenz zur Regelung nach der migratory birds rule, so besteht 193 Ebd., 6 f. und Fn. 3: ,,(Nothing] in the legislative history to which respondents point, signifies that Congress intended to exert anything more than its commerce power over navigation." 194 Ebd., 7: "Where an administrative interpretation of astatute invokes the outer limits of Congress' power, we expect a c\ear indication that Congress intended that result. ( ... ) This concern sterns from our prudential desire not to needlessly reach constitutional issues and our assumption that Congress does not casually authorize administrative agencies to interpret astatute to push the limit of congressional authority. ( ...) This concern is heightened where the administrative interpretation alters the federal-state framework by perrnitting federal encroachment upon a traditional state power." Keiner der fUnf Vertreter der Mehrheitsauffassung hat eine abweichende Begründung vorgebracht, in der er die Verfassungswidrigkeit einer Regelung des Bundes über isolierte innerstaatliche Feuchtgebiete behauptet hat, auch Justice Thomas (der Verfasser der Minderansicht in Cargill) nicht. Neben der "eleganten" Lösung, die die Mehrheit mit den erhöhten Anforderungen an Regelungen des Bundes in traditionell gliedstaatlich geregelten Bereichen gefunden hat, mag dies darauf zurückzufUhren sein, dass in den saisonalen und ganzjährigen Teichen tatsächlich Zugvögel beobachtet worden waren. 195 Minderansicht von Justices Stevens, Souter, Ginsburg, Breyer ebd., 8,10 fT. 196 Minderansicht von Justices Stevens, Souter, Ginsburg, Breyer ebd., 15 . 197 Minderansicht von Justices Stevens, Souter, Ginsburg, Breyer ebd., 15 f.
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eigentlich kein Anlass für ein clear statement requirement. Die Entsche idung hat allerdings weitreichende Konsequenzen: Der Schutz isolierter innersta atlicher (nicht-schiffbarer) Feuchtgebiete ist, sofern nicht im Einzelfall ein Habitatschutz durch den Endangered Species Act oder ähnliche besondere Regelungen eingreift, ausschließlich den Gliedstaaten überlassen. 198 cc) Einbeziehung zukünftiger Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel Ähnliches wie beim SDWA (oben aa» gilt für den Endang ered Species Act (ESA): 199 Gefährdete Arten werden zwar regelmäßig aus kommerziellen Gründen gefangen oder getötet und über Staatsgrenzen verbracht, dies ist jedoch weder notwendig der Fall noch ist das Gesetz auf diese Fälle beschrä nkt. 2OO Die Entscheidungspraxis einiger Untergerichte wirft hier die Frage auf, ob oder in welchem Umfang der Bund Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel in Betracht ziehen kann, die zwar möglich, gegenwärtig aber noch nicht manifest sind. Streitentscheidende Bedeutung hatte diese Frage im Umwelt bereich in der District Court-Entscheidung Palila v. Hawaii Department o[ Land and Natural Resources. 2OI Die Begründung über Besucher aus anderen Staaten, die zur Beobachtung und zur Jagd von Tieren Gliedstaatengrenzen überque ren, taucht zum ersten Mal in der Entscheidung Brown v. Anderson202 auf. Darin erklärte der zuständige District Court ein Gesetz des Staates Alaska, nach dem bestimmte Gebiete für nicht ortsansässige Personen gesperrt werden sollten, für unvereinbar mit der Bundesverfassung. Die Regelung hätte nach Auffass ung des Gerichts die grenzüberschreitende Tätigkeit von Fischern, die in den gesperrten Gebieten bisher tätig waren, beeinträchtigt. 203 198 Vgl. Memora ndum der EPA, Office of Wetland s, Oceans, and Watersheds, und des V.S. Army Corps ofEngin eers "Supreme Court Ruling Concem ing CWA Jurisdiction over isolated Wetlands" vom 19. 1. 2001, http://www.epa.gov/owow/wetlandslswancc-ogc.html, das darauf hinweist SWANCC andere Genehmigungserfordernisse zur Vermeidung von Vmweltb , dass eeinträchtigungen bei innerstaatlichen isolierten Feuchtgebieten entsprechend betrifft. 199 ESA, 16 V.S.C. §§ 1531-1544. 200 Dwyer, Limits ofCongr essional Authority, 10428; vgl. auch die Beispiele aus der Rechtsprechung für Verbindungen zwischen Handel und gefährdeten Arten ebd., 10438 Fn.8. 201 Palila v. Hawaii Departm ent ofLand and Natural Resources, 471 F.Supp. 985 (D. Hawaii 1979), vom Court of Appeal bestätigt, 639 F.2d 495 (9th Cir. 1981). 202 Brown V. Anderson, 202 F.Supp. 96 (D. Alaska 1962). 203 Ebd., 103; zur dogmatischen Einordnung einer Beschränkung gliedstaatlicher Regelungen auf der Grundlage der Commerce Clause unten Teil 4.
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Als Grundlage für ein Tierschutzgesetz des Bundes greift der District Court für Hawaii dies in Palila auf. Palilas, nur auf Hawaii heimische und nach dem ESA geschützte Vögel, haben den Staat bisher weder aus eigener Kraft noch durch menschliche Einwirkung (etwa als Zootiere) verlassen und sind daher kein Gegenstand im zwischenstaatlichen Handel. Nachgewiesenermaßen sind jedoch Wissenschaftler aus anderen Staaten nach Hawaii gekommen, um den Palila zu studieren. Ohne Unterschutzstellung drohte dem Tier die Ausrottung, die Besuche aus anderen Staaten (wegen des Vogels) beenden und die Möglichkeit einer Verbringung einzelner Tiere in andere Staaten unwiderruflich ausschließen würde. 204 Allerdings könnte so gut wie jedes Verhalten zu irgendeinem zukünftigen Zeitpunkt Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel haben. Die Begründung über mögliche Gegenstände des zwischenstaatlichen Handels oder mögliche Auswirkungen auf diesen gilt daher zu Recht als Einfallstor für eine nicht mehr begrenzbare Bundeskompetenz. 205 Lediglich mögliche (nicht ausschließbare ) Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel können daher unter Beachtung des Enumerationsprinzips der Verfassung nicht allgemein in Regelungen auf der Grundlage der Commerce Clause einbezogen werden,z06 Gleichzeitig ist gewiss, dass nicht alle bedeutsamen zukünftigen Auswirkungen, z.B. der Ausrottung einer Tier- oder Pflanzenart, bereits erkennbar sind, mag es sich dabei um Forschungsvorhaben, die so verhindert werden, oder wirtschaftliche Ausnutzung (etwa im Nahrungsrnittel-, medizinischen oder Pflanzenschutzbereich) handeln. 207 Eine Reihe untergerichtlicher Entscheidungen stützt sich daher auch auf die zukünftigen Auswirkungen. 208 Im 204 Palila v. Hawaii Department of Land and Natural Resources, 471 F.Supp. 985, 995 (D. Hawaii 1979): ,,[T]he existence of anational program to protect and improve the national habitats of endangered species preserves the possibilities of interstate commerce in the species and the interstate movement of persons, such as amateur students of nature or professional scientists who come to astate to obeserve and study these species." 20S Vgl. Jack R. Nelson, Pa lila v. Hawaii Department 0/ Land and Natural Resourees, 471 F.Supp. 985: State Governments Fall Prey to the Endangered Species Act of 1973,10 Ecology Law Quarterly 281,294 (1982). 206 V gl. Nagle 204. 207 Vgl. allgemein Tennessee Valley Authority v. Hill, 437 US. 153, 178 f. (1978): "the unknown uses that endangered species might have and ( ... ) the unforeseeable place such creatures rnay have in the chain of life on this planet." 208 Vgl. z.B. United States v. Bramble, 103 F.3d 1475, 1481 (9th Cir. 1996) - Aufrechterhaltung des Eagle Protection Act, da die Ausrottung des Adlers jede Möglichkeit verschiedener handelsbezogener Tätigkeiten nehmen und damit wesentliche Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel ausüben würde; Cooper Indus, 1996 Dist. LEXIS 14196, *30 - Regelung gefährlicher Abfälle ist zulässig, wenn eine Wasserverunreiniung droht; United States v. Sargent County Water Resource Dist., 876 F.Supp. 1081,1087 (D.N.D. 1992) - Clean Water Act ist auf isolierte Feuchtgebiete anzuwenden, wegen ihrer eher potentiellen als gegenwärtigen Nutzung durch Reisende im zwi-
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Gefolge von Lopez gibt es jedoch auch gegenläufige Entscheidungen, die mögliche Auswirkungen nicht genügen lassen. 209 Zukünftige Auswirkungen sollten jedenfalls dann genügen, wenn (belegbare) Tatsachen eine hinreichende Wahrscheinlichkeit zukünftiger Auswirkungen begründen. Dies wiederum kann jedenfalls dann angenommen werden, wenn in vergleichbaren Fällen, insbesondere bei verwandten Arten, bereits in der Vergangenheit gleichartige Wirkungen zu beobachten waren.2\O
dd) Begrenzung der Altlastenhaftung nach Bundesrecht In der Rechtssache United States v. Olin Corp. hatte ein District Court die Rechtmäßigkeit einer Sanierungsvereinbarung zwischen der Olin Corporation und der EP A wegen Quecksilberkontaminationen zu prüfen, die eine Anordnung der EP A auf der Basis des Comprehensive Environmental Response, Compensation and Liability Act (CERCLA) modifizierte. Das Gericht lehnte eine Bundeszuständigkeit ab, da nach seiner Ansicht keine wirtschaftliche Tätigkeit geregelt wurde. 211 Die Begründung hierfiir, dass die Anlagen auf den betroffenen Flächen seit 1982 außer Betrieb waren und die Altlastenbeseitigung daher der traditionell örtlichen Regelung von Grund und Boden zuzurechnen sei,212 ist allerdings vordergründig, da es sich um unmittelbare Auswirkungen wirtschaftlicher Tätigkeit handelte. Die Einstellung des Betriebes ist fiir die Regelung eher zufällig und bietet kein sachgerechtes Unterscheidungskriterium fiir die Zugehörigkeit zu einer wirtschaftlichen Aktivi-
schenstaatlichen Verkehr; Palila v. Hawaii Department ofLand and Natural Resources, 471 F.Supp. 985,995 (D. Hawaii 1979) - Bestätigung des Schutzes einer Art nach dem Endangered Species Act, der die Möglichkeit eines zwischenstaatlichen Handels mit dem Tier sowie von Besuchen aus anderen Staaten bewahrt. 209 Vgl. z.B.United States v. Wilson, 133 F.3d 251, 257 (4th Cir. 1997) - Clean Water Act unanwendbar auf Feuchtgebiete "that ,could' be involved in interstate commerce". 210 Vgl. Nagle 206 f., sowie allgemein (außerhalb des Umweltrechts) Presault v. Interstate Commerce Commission, 494 U.S. I (1990) - Bestätigung eines Bundesgesetzes, das Kreuzungsvorrechte aufgelassener Eisenbahnlinien schützte, da der Kongress zulässigerweise davon ausgegangen war, dass die Strecken - wie in ähnlichen Fällen zukünftig fiir Freizeiteinrichtungen werden könnten, was durch das Bundesgesetz angeregt werden sollte. 211 Das Gericht ging davon aus, dass Lopez dies zwingend voraussetze. United States v. Olin Corp., 927 F.Supp. 1502,1532 f. (S.D. Ala. 1996). 212 "The locallaws ofreal property", auf die sich der Richter hier beruft, meint das grundsätzlich gliedstaatlich geregelte Immobiliarsachenrecht sowie das bodenbezogene öffentliche Recht. Die in Deutschland scharfe Unterscheidung zwischen privatem und öffentlichem Recht wir im Recht der Vereinigten Staaten üblicherweise nicht gezogen.
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tät,213 Schließlich dienen im Umweltrecht regelmäßig die Folgen wirtschaftlicher Tätigkeit als Grundlage fiir Regelungen gegenüber deren Verursacher, insbesondere im Bereich Luft- oder Wasserschadstoffe. Schwerer wiegt das Argument, dass die Kontamination "praktisch keine" Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel habe. 214 Gutachten hatten ergeben, dass zwar ein lokaler Aquifer (Grundwasserstrom) kontaminiert war, dieser jedoch praktisch nicht mit anderen wasserftihrenden Schichten verbunden war und nicht belegbar war, dass dieser Aquifer Schadstoffe über Staatsgrenzen hinweg transportierte. Auch eine Bestimmung, die eine Betroffenheit des zwischenstaatlichen Handels im konkreten Fall festzustellen ermöglicht, fehlt in CERCLA. 215 Die Entscheidung ist in ihrem Subsumtionsteil bemerkenswert kurz, in ihrer Abkehr von der allgemeinen Auffassung vor Lopez jedoch deutlich. Aber auch nach Lopez bleibt die Entscheidung fragwürdig. Ein Weitertransport der Schadstoffe aus dem engeren örtlichen Umfeld der Anlage konnte nicht mit vollständiger Sicherheit ausgeschlossen werden; eine de minimis-Regel kennt die Rechtsprechung zur Commerce Clause nicht. 216 Auch Lopez versteht den Begriffsubstantial effects gerade nicht quantitativ, sondern qualitativ. 217 d) Zwischenergebnis
Die Möglichkeit zu einer Eingrenzung der Befugnis des Bundes zur Umweltgesetzgebung auf der Grundlage der Commerce Clause, die der Supreme Court insbesondere in den Rechtssachen Cargill und SWANCC hatte, hat das Gericht nicht genutzt. Bei den Untergerichten hat die mangelnde Präzision der Mehrheitsmeinung in Lopez bei gleichzeitiger großer öffentlicher Wirkung der 213 So offenbar United States v. Olin Corp., 927 F.Supp. 1502, 1533 (S.D. Ala. 1996): ,,Arguably, this case might be somewhat different if the govemment were attempting to regulate a functioning facility (... )". 214 Ebd., 1533. 21S Dies verwundert nicht, da CERCLA bereits am 11. 12. 1980 in Kraft trat, als sich der Kongress hinsichtlich der Commerce Clause als Basis rur seine Umweltgesetzgebung noch auf sicherem Terrain befand. 216 Vgl. National Labor Relations Board (NLRB) v. Fainblatt, 306 U.S. 601, 606 (1939) "The power of Congress to regulate interstate commerce is plenary and extends to all such commerce be it great or smalI." United States v. Wirtz, 392 U.S. 183 f. Fn. 27 (1967); Hodel v. Indiana, 452 U.S. 314 (1981): ,,[T]he court below incorrectly assumed that the relevant inquiry under the rational-basis test is the volume of commerce actually affected by the regulated activity. ( ... ) The pertinent inquiry therefore is not how much commerce is involved but whether Congress could rationally conclude that the regulated activity affects interstate commerce." 217 Vgl. oben H. 2. d) aa).
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Entscheidung und ihrem Appellcharakter eher zu hilflosen Reaktionen geführt, nicht zu eindeutigen Ergebnissen. Die untergerichtlichen Urteile zeichnen keine zukünfitge Entwicklung fiir die Commerce Clause als Kompetenz fiir das Umweltrecht des Bundes vor. Zweierlei wird an diesen Entscheidungen deutlich: Zum einen zeigen die misslungenen Versuche der Untergerichte, Lopez in umweltrechtlichen Situationen anzuwenden, dass mit Lopez nach wie vor keine Kriterien fiir eine in der Commerce Clause verankerte und justiziable Eingrenzung der commerce power gefunden sind. Die Commerce Clause bleibt unter modemen Wirtschaftsbedingungen eine "generalklauselartige" Kompetenz fUr weite Bereiche, zu denen auch der größte Teil des Umweltrechts zählt. Lediglich in Randbereichen ist zu erwarten, dass einzelne Normen oder Teilgebiete fiir verfassungswidrig erklärt werden. Die Lücken, die dabei entstehen, mögen im Einzelfall wirtschaftlich bedeutsam sein, in der Gesamtschau fUhren sie jedoch zu keiner systematischen Eingrenzung des Bundesrechts. Daran zeigt sich aber bereits deutlich ein zweiter Punkt: Die Unangemessenheit einer - wenn auch weitreichenden - Handelskompetenz als Standardkompetenz fiir den Bereich des Umweltrechts. Für den Gesetzgeber, der seit den sechziger Jahren eigenständige Umweltgesetze erlassen hat, ist die Commerce Clause nicht mehr als eine - wenn auch bisher einigermaßen bequeme Hilfskonstruktion. Da sich jedoch der Regelungsgehalt von Gesetzen auf der Basis der Commerce Clause derart weit vom Wortlaut der Norm und deri von den Verfassungsvätern vorausgesehenen Inhalten entfernt hat, erscheint der Versuch einer Eingrenzung der dem Bund zugänglichen Regelungsbereiche durch innere Begrenzung der Commerce Clause nicht sinnvoll.
m. Umweltschutz auf bundeseigenem Land: Die Jurisdiction Clause und die Property Clause Zwei Bestimmungen in der Verfassung geben dem Kongress eine Zuständigkeit zur Gesetzgebung über bundeseigenes Land. Die Jurisdiction Clause des Art. I § 8 S. 17 gibt dem Kongress eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz über das Bundesdistrikt (District of Columbia) sowie andere Flächen, die der Bund fUr seine Zwecke von den Staaten erworben hat (enclaves).218 Hierzu gehören neben dem District of Columbia vor allem Militär218 "The Congress shall have Power ( ... ) To exercise exclusive Legislation in all Cases Whatsoever, over such District (not exceeding ten Miles square) as may, by Cession of particular States, and the Acceptance of Congress, become the Seat of the Govemment of the United States, and to exercise like Authority over all Places purchased by the Consent of the Legislature of the State in which the Same shall be, for the
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stützpunkte und Postgebäude. Deren Bedeutung für das Umweltrecht ist allerdings gering. Von großer praktische Bedeutung für das Umweltrecht ist hingegen die Property Clause des Art. IV § 3 S. 2. "The Congress shall have Power to dispose of and make all needful Rules and Regulations respecting the Territory or other Property belonging to the Uni ted States ( ... )".
Sie betrifft vor allem die weiten Gebiete, die der Bund im Rahmen der Verfassung von 1787 oder durch späteren Gebietsgewinn im Westen erworben hat. Insgesamt steht heute ungefähr ein Viertel der Fläche der Vereinigten Staaten im Eigentum des Bundes. Ein Großteil davon liegt in Alaska (88% der Fläche ist Bundeseigentum), aber auch in einer ganzen Reihe von anderen Staaten im Westen hält der Bund aber Flächenanteile zwischen einem und zwei Dritteln des Staatsgebiets,z19 Diese Flächen sind ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für die Verteilung natürlicher Ressourcen, sowohl im Hinblick auf die Ausbeutung von Bodenschätzen und Holz als auch im Hinblick auf die Verteilung knapper Wassernutzungsrechte. 220 Wer über die Nutzung dieser Gebiete und der darin lagernden Ressourcen entscheidet, trifft wichtige Grundentscheidungen. Diese sind gerade gegenwärtig sehr umstritten. 221 Die heutige Situation und die daraus resultierende Problematik des BundStaaten-Verhältnisses sind dem ursprünglichen Verständnis und der Funktion, die der Bund als Landbesitzer darin hatte, fremd. Bis ins späte neunzehnte Jahrhundert hinein verfolgte der Bund eine Politik freizügiger Weggabe von
Erection ofForts, Magazines, Arsenals, dock-Yards and other needful Buildings" (Art. I § 8 S. 17). 219 Überdurchschnittlich hohe Anteile finden sich Z.B. in Nevada (79,8%), Utah (64,3%), Idaho (62,3%), Orgeon (51,6%). Daten nach U.S. Census Bureau (Rrsg.), Statistical Abstract of the United States: The National Data Book, 119. Aufl. Washington, D.C. 1999. 220 Vgl. Richard H. Cowart/Sally K. Fairfax, Public Lands Federalism: Judicial Theory and Administrative Reality, 15 Ecology L. Q. 375,447 f. m.w.N. (1988). 221 Vgl. z.B. die aktuellen Streitigkeiten um die Nutzung von Wasserressourcen durch Indianerstämme und Farmer vor dem Supreme Court, U .S. Departrnent of Interior v. Klarnath Water Users Protective Association, Docket No. 99-1871, AP-Bericht vom 10. 1. 2001, sowie den Streit um Wasserrechte in Arizona v. California, U.S. Supreme Court, Urt. v. 19. 6. 2000, Docket No. 8 orig, und um Weiderechte in Public Lands Council v. Babbitt, U.S. Supreme Court, Urt. v. 15. 5. 2000, Docket No. 98-1991. Vgl. auch die Diskussion nach der Nennung von Gale Norton als voraussichtlicher Innenministerin der Regierung von Präsident George w: Bush - ein wesentlicher Punkt kritischer Stimmen von Umweltschützem war die Befürchtung, Norton werde weite bundeseigene Flächen für Industrieansiedlungen öffnen, sowie die Einstellung der meisten Bewirtschaftungsaktivitäten in einem Drittel der Wälder in Bundeseigenturn durch Präsident Clinton kurz vor Ende seiner Amtszeit, http://news.findlaw.com, 5. 2. 2001, und der Plan von Präsident Bush zur Freigabe von 41 Jahre alten Wildreservaten in Alaska für Ölbohrungen, AP-Meldung vom 12. 2. 2001.
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Land an private Siedler und die neuen Staaten im Westen. 222 Ein entscheidender Umschwung zugunsten von Bewahrung und Erhaltung bundeseigenen Lands erfolgte erst mit dem Federal Policy and Management Act von 1976 und der Aufhebung der Landverteilungsgesetze des neunzehnten Iahrhunderts: 223 "The Congress dec1ares that it is the policy of the United States that the public lands be retained in Federal ownership, unless as a result of the land use planning procedure provided for in this Act, it is detennined that disposal of a particular parcel will serve the national interest; ,,224 Nach der in den Diskussionen um bundeseigenes Weideland im Westen neuerdings wieder belebten sog. proprietary interest theory ist die Property Clause keine Gesetzgebungskompetenz, sondern räumt dem Bund lediglich die Position eines Privateigentümers ein, die nur vorläufig, bis zur Vergabe des Landes an private Siedler und die neu entstehenden Staaten im Westen, bestehen sollte. 225 Die proprietary interest theory meint, dass eine öffentliche Gewalt des Bundes über bundeseigenes Land im Widerspruch dazu stehe, dass neue Staaten der Union auf gleicher Grundlage und mit gleichen Souveränitätsrechten (equal footing) wie die Gründerstaaten beitreten können sollten (sog. equal footing doctrine 226): Die Frage, wem das nicht im Privateigentum befindliche Land zusteht, war ein wichtiger Punkt in der Diskussion um die Verfassung von 1787. Sieben der dreizehn ursprünglichen Staaten beanspruchten große Gebiete jenseits ihrer Westgrenze, die sie teilweise erst mit der neuen Verfas-
Vgl. CowartiFairfax, Public Lands Federalism, 441. Vgl. Bob Armstrong, Our Federal Public Lands, 12 NR&E 3, 5 (1997). 224 FLPMA, 43 U.S.C. § 1701 (a)(I). 225 Vgl. CowartiFairfax 441 f.; dort zitiert die Feststellung des Califomia Supreme Court in einem Streit um Bodenschätze: "In reference to the ownership of the public lands, the United States only occupied the position of any private proprietor, with the exception of an express exemption from State taxation. The mines of gold and silver on the public lands are as much the property of this State, by virtue of her sovereignty, as are similar lands in the lands of private citizens. She has, therefore, solely the right to authorize them to be worked; to pass laws for their regulation; to license miners; and to affix such terms and conditions as she may deern proper, to the freedom of their use." Hicks v. Bell, 3 Cal. 219,227 (1853). In der Gegenwart vertrat z.B. der Staat Nevada die Haltung, dass der Bund selbst als Privateigentümer Land nur zur späteren Übergabe an die Staaten besitzen könne. Der District Court lehnte dies und die Begründung, dass den Staaten im Westen dadurch equa1 footing versagt sei, ab. Nevada ex rel. Bd. of Agric. v. United States, 572 F. Supp. 166, 168 ff. (D. Nev. 1981), bestätigt, 699 F.2d 486 (9th Cir. 1983). 226 Vgl. z.B. Minnesota v. Mille Lacs Band of Chippewa Indians, Urt. des Supreme Court vom 24. 3. 1999, Docket No. 97-1337, 15 f. unter Verweis auf Coyle v. Smith, 221 U.S. 559, 573 (1911), wonach der Bund bei der Zulassung neuer Gliedstaaten keine grundlegenden Attribute gliedstaatlicher Souveränität verletzen durfte. 222
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sung dem Bund überließen. 227 Mit der Aufgabe dieser Ansprüche war der Weg frei fiir den Landbesitz des Bundes im Westen als Grundlage für neue, den Gründerstaaten gleichberechtigte Gliedstaaten. 228 Die Property Clause könne, so die Vertreter der proprietary interest theory, daher keine Kompetenzbestimmung sein, da die neuen Staaten andernfalls mit erheblichen Flächenanteilen in Bundeseigentum erheblich in ihrer politischen und ökonomischen Selbstbestimmung geschwächt. 229 Daneben stützt sich diese Auffassung auf die proprietary-only-theory, wonach nur die Iurisdiction Clause dem Bund hoheitliche Gewalt in nach Gründung der USA aufgenommenen Staaten gebe. Der Supreme Court hat seine Auslegung der Property Clause in der Entscheidung Kleppe v. New Mexico dargelegt. Danach hat der Bund nach Property Clause stets gleichzeitig die Stellung eines Privateigentümers und eine unbegrenzte Rechtssetzungskompetenz über bundeseigenes Land. 230 Die Kompetenz ist allerdings nicht ausschließlich, die Gliedstaaten behalten eine konkurrierende Kompetenz über bundeseigenes Land. 231 Der Bund hat jedoch so weitreichende Befugnisse zur Verdrängung flächenbezogener gliedstaatlicher Regelungen durch Bundesrecht. 232
227 Vg1. Cowart/Fairfax, Public Lands Federalism, 440 Fn. 351. Maryland hatte sich bereits geweigert, den Articles of Confederation beizutreten, bis Virginia, der bei weitem mächtigste unter den dreizehn Staaten, erklärte, dass es seine Ansprüche im Westen aufgeben werde. 228 Die equal footing-Doktrin findet sich daher sowohl als Resolution des Kongresses unter den Articles of Confederation 1780 als auch in den General Land Ordinances von 1787 und 1789 und war auch fiir die Auslegung der neuen Verfassung maßgeblich. V g1. CowartlFairfax 443 Fn. 366. Eine entsprechende Aussage findet sich in den Beitrittsgesetzen neuer Gliedstaaten, z.B. Minnesota, wiedergegeben in Minnesota v. Mille Lacs Band of Chippewa Indians, Urt. des Supreme Court vom 24.3. 1999. 229 Vg1. CowartlFairfax 443 m.w.N. Die equal footing-Argumentation findet sich auch in Entscheidungen des Supreme Court im letzten Jahrhundert. So erklärte das Gericht in Pollard's Lessee v. Hagan, 44 U.S. (3 How.) 212, 228 f. (1845): "Alabama is, therefore, entitled to the sovereignty and jurisdiction over all the territory within her limits, subject to the common law, to the same extent that Georgia possessed it before she ceded it to the United States. To maintain any other doctrine, is to deny that Alabarna has been admitted into the Union on an equal footing with the original states, the constitution, laws, and compact, to the contrary notwithstanding." Der Supreme Court hat die generelle Anwendbarkeit dieser Entscheidung, die selbst nur den Küstenstreifen betrifft, verneint. Die proprietary interest theory hat das Gericht außerdem bereits in Arizona v. California, 373 U.S. 546, 597 f. (1962) abgelehnt. 230 Kleppe v. New Mexico, 426 U.S. 529, 538 f. (1976). "In short, Congress exercises the power both of a proprietor and of a legislature over the public dornain." Ebd., 140. Das Gericht beruft sich dabei auf United States v. San Francisco, 310 U.S. 16,29 (1940): "Tbe power over the public land thus entrusted to Congress is without limitations." 231 Ebd., 543. 232 V g1. Cowart/Fairfax 441.
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IV. Mittelbare Verhaltenssteuerung über Steuerund Ausgabenpolitik: Die Taxing and Spending Clause 1. Reichweite der Kompetenz zur Abgabenerhebung Art. I § 8 S. 1 gewährt eine Kompetenz zur Abgabenerhebung und zu Ausgaben des Bundes: "The Congress shall have Power To lay and collect Taxes, Duties, Imposts and Exeises, to pay the Debts and provide for the common Defence and general Welfare of the United States; but all Duties, Imposts and Excises shall be uniform throughout the United States". Das Abgabenaufkommen fließt grundsätzlich unmittelbar dem Bund zu. Eingeschränkt wird die Abgabenkompetenz durch das Gebot geographischer Uniformität bei indirekter Steuern. 233 Art. I § 9 S. 5 enthält ein Verbot von Zöllen und Abgaben auf den Warenexport. 234 Weder Bund noch Staaten dürfen demnach Ausfuhrzölle oder zollgleiche Abgaben für Ausfuhren nach Gebieten außerhalb der Vereinigten Staaten erheben. 235 Das Recht zur Erhebung direkter Steuern wird eingeschränkt durch die Proportionalitätsgebote des Art. I § 9 S. 4 236 und des Art. I § 2 S. 3.237 Zur Zuordnung der Einkommenssteuer in diesem Schema wurde 1913 außerdem der Sechzehnte Verfassungszusatz eingeführt. 238 Abgaben, insbesondere Steuern, können ein wirksames Instrument mittelbarer Verhaltenssteuerung sein, gerade im Umweltrecht. Nach gefestigter Rechtsprechung des Supreme Court ist bei Abgaben mit lenkenden Effekten zu unterscheiden: Kann der Kongress eine lenkende Abgabe auf eine Sachkompetenz stützen, so kommt es nicht auf die Intensität des Lenkungseffektes an, da die Wahl des gesetzgeberischen Mittels zur Durchführung einer Sachkompe233 Vgl. hierzu auch Bromley v. McCaughn, 280 U.S. 124, 136 (1929) und Knowlton v. Moore, 178 U.S. 41 (1900). Verboten ist danach eine Steuer, die nach Staaten differenziert, einzelne Bürger dürfen durchaus in unterschiedlicher Weise von der Abgabe getroffen werden. 234 "No Tax or Duty shall be laid on Articles exported from any State." 235 Vgl. United States v. Hvoslef, 237 U.S. 1 (1915). 236 "in before directed to be taken." 237 "direct Taxes shall be apportioned among the several States which rnay be inc1uded within this Union, according to their respective Numbers (... )." 238 "The Congress shall have power to lay and collect taxes on incomes, from whatever source derived, without apportionment among the several States, and without regard to any census or enumeration."
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tenz nach der Necessary and Proper Clause freisteht. Wenn der Gesetzgeber durch unmittelbare Regelung lenken kann, kann er auch durch Gestaltung von Abgabenvorschriften lenken.239 Verfiigt der Kongress über keine einschlägige Sachkompetenz, so kann er eine Abgabe nur auf der Grundlage der die taxing power erheben. Die Abgabe muss dann der Einnahrneerzielung dienen, untergeordnete Lenkungseffekte, die durch die Struktur der Steuers ätze erzielt werden und in angemessener Relation zu der Abgabe stehen,240 sind allerdings zulässig. Insbesondere eine Abgabe, die als Sanktion bei Zuwiderhandlung gegen bestimmte, gesetzlich umschriebene Verhaltensanordnungen erhoben wird, kann nicht auf die Taxing Clause gestützt werden. 241 Die jüngere Rechtsprechung ist bei der Frage, ob die Steuer auch der Einnahmeerzielung dient oder ein reines Lenkungsinstrument ist, von Zurückhaltung gegenüber der gesetzgeberischen Gestaltung geprägt. 242 Unter der Auslegung der Commerce Clause seit 1937 erübrigt sich eine Diskussion der Zulässigkeit lenkender Abgaben regelmäßig schon wegen klarer Zulässigkeit nach dieser Kompetenz. Nicht zufällig sind die im letzten Absatz zitierten Entscheidungen alle bis 1937, dem Jahr von NLRB v. Jones & Laughlin Steel Corp.,243 ergangen. Für vorrangig lenkende Umweltabgaben kann daher auf die Ausfiihrungen zur Reichweite der Commerce Clause (oben II.) verwiesen werden. Liegt ein hinreichender Bezug zum zwischenstaatlichen Handel nicht vor und greift auch keine andere Sachkompetenz ein, bedarf es eines Einnahmeeffektes, dessen Vorliegen wiederum einen weiten Spielraum auch für lenkende Abgaben eröffnet.
2. Ausgabenkompetenz und conditional grants Art. I § 8 S. 1 der Verfassung gestattet dem Bund gleichzeitig, seine Einnahmen für Verteidigungszwecke und für das öffentliche Wohl auszugeben. Ein großer Teil der Ausgaben des Bundes fließt nicht in die Wahrnehmung von Staatsaufgaben durch den Bund, sondern als Bundeszuschüsse in die Kassen Vgl. z.B. Veazie Bank v. Fenno, 75 U.S. (8 Wall.) 533 (1869). Vgl. z.B. United States v. Doremus, 249 U.S. 86, 93 (1919): "lf the legislation enacted has some reasonable relation to the exercise ofthe taxing authority conferred by the Constitution, it cannot be invalidated because of the supposed motives [gemeint sind Lenkungszwecke] which induced it." Vgl. auch United States v. Kahriger, 345 U.S. 22, 31 (1953): "Unless there are provisions extraneous to any tax need, courts are without authority to limit the exercise ofthe taxing power." 241 Vgl. z.B. United States v. Constantine, 296 U.S. 287 (1935). 242 Vgl. bereits Sonzinsky v. United States, 300 U.S. 506,514 (1937). 243 Vgl. oben II.2.c)bb). 239
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der Staaten und Kommunen, unmittelbar an deren Behörden oder an Private. Die Gewährung der Mittel ist regelmäßig an Bedingungen geknüpft. Durch diese sog. conditional grants als fmanzielle Anreize auf der Ausgabenseite erhält der Bund die Möglichkeit einer mittelbaren Lenkung gliedstaatlicher Gesetzgebung und Verwaltung. So hat sich die spending power in den Jahrzehnten seit dem zweiten Weltkrieg stetig zu einer der wichtigsten Gesetzgebungskompetenzen und zu einem zentralen Motor der Verschränkung der Wahrnehmung von Staatsaufgaben zwischen Bund und Staaten entwickelt. Die Eingrenzung dieser Kompetenz, insbesondere die Bestimmung des Umfangs zulässiger Bedingungen, ist demnach ein wichtiges Element der Gestaltung der Aufgabenverteilung im Bund-Staaten-Verhältnis. a) Die Entwicklung der Rechtsprechung
aa) Die Spending Clause als selbständige Kompetenz fiir Verwendungsbedingungen: United States v. Butler Zum Zeitpunkt der Schaffung der Verfassung war die Reichweite der Spending Clause umstritten. Während etwa Madison eine enge Auslegung vertrat, nach der die taxing and spending power lediglich als Instrument zur Durchführung in der Verfassung aufgeführter Sachkompetenzen diente, sah Harnilton Art. I § 8 S. 1 als separate Kompetenzvorschrift. 244 Die erste Entscheidung des Supreme Court zu den Grenzen der Spending Clause war erst United States v. Butler im Jahr 1936. 245 Die ursprüngliche Klage hatte sich gegen den Agricultural Adjustrnent Act von 1933 gerichtet, ein New Deal-Gesetz, das eine Abgabe auf die Verarbeitung bestimmter landwirtschaftlicher Produkte erhob, deren Einkünfte zu Ausgleichszahlungen an Produzenten, die Ackerflächen brach liegen ließen, verwendet wurden. Mit diesem Instrument sollten die Marktpreise im Agrarbereich stabilisiert werden. Der Supreme Court stellte zunächst klar, dass das Allgemeinwohlerfordernis der Spending Clause (general Welfare of the United States) justiziabel sei. 246 244 Nachweise zur Diskussion in der Frühphase bei Albert J. RosenthaI, Conditional Federal Spending and the Constitution, 1112 Fn. 40; Grace Ganz Blumberg, Stichwort Steward Machine Company v. Davis, in: Levy/KarstiMahoney, Encyclopedia of the American Constitution, New York/London 1990, 1768. 245 United States v. Butler, 297 U.S. I (1936). Dass dies die erste Entscheidung des Supreme Court hierzu war, mag daran liegen, dass Klagen von Steuerzahlern oder Gliedstaaten gegen Finanzzuweisungen des Bundes damals als unzulässig galten, vgl. Massachusetts v. Mellon, 262 U.S. 447 (1923). 246 United States v. Butler, 297 U.S. 1,64 (1936). Die Zulässigkeit der Klage war mit Massachusetts v. MeZIon vereinbar, indem das Steuer- und Ausgabenprograrnm als
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Er unterschied daraufhin zwischen einer Bedingung, die lediglich näher bestimmt, wie die gewährten Finanzmittel zu verwenden sind (im Folgenden: Verwendungsbedingung), und einer Bedingung, die ein über die Mittelverwendung hinausgehendes Verhalten vorschreibt (im Folgenden: Rege1ungsbedingung): "There is an obvious difference between astatute stating the conditions upon which moneys shall be expended and one effective only upon assumption of a contractual obligation to submit to a regulation which otherwise could not be enforced...247
Eine Verwendungsbedingung sei von der Spending Clause erfasst. Finanzzuweisungen, die lediglich solche Verwendungsbedingungen enthielten, seien daher auch in Sachbereichen zulässig, die im Übrigen nicht dem Bund zugewiesen sind. 248 Das Gericht schließt sich damit der Position von Hamilton an. Eine Regelungsbedingung fordere hingegen von ihrem Adressaten im Grunde, sich einer selbständigen Verhaltensanforderung des Bundes zu unterwerfen, und sei daher nicht als bloße Ausgabenbestirnrnung, sondern als Sachrege1ung zu behandeln, die von einer Sachkompetenz gedeckt sein müsse. Was der Bund nicht zum Gegenstand einer direkten Verhaltensregelung machen könne, dürfe er auch nicht durch Finanzzuweisungen "erkaufen": "The amount offered is intended to be sufficient to exert pressure on hirn to agree to the proposed regulation. The power to confer or withhold unlimited benefits is the power to coerce or destroy. ( ...) But if the plan were one for purely voluntary cooperation it would stand no better so far as the federal power is concerned. At best it is a scheme for purchasing with federal funds submission to federal regulation of a subject reserved to the states. ( ...) [A]ppropriations and expenditures under contracts for proper governmental purposes cannot justify contracts which are not within federal power. ( ...) The Congress cannot invade state jurisdiction to compel individual action; no more can it purehase such action.,,249
Die Vorschrift des Agricultural Adjustment Act galt nach dieser Unterscheidung als Regelungsbedingung, weil sie mit der Brachlegung von Ackerflächen ein Verhalten zur Bedingung machte, das sich nicht in einer spezifischen Verwendung der gewährten Mittel erschöpfte. Die Regelung der landwirtschaftlichen Produktion, auf die das Gesetz abzielte, war nach der zur Zeit von Butler
Ganzes gesehen und die unstreitig zulässige Klage eines von der Steuer betroffenen gegen die Besteuerung dementsprechend auf das ganze Programm bezogen wurde. 247 United States v. Butler, 297 U.S. 1,73 (1936). 248 Ebd., 66. 249 Ebd., 70 ff.
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(noch) geltenden Rechtsprechung von vor 1937 nicht von der Commerce Clause erfasst, daher den Staaten vorbehalten und somit unzulässig. 25o bb) Zulässigkeit finanzieller Regelungsanreize bei Venneidung von Zwang: Steward Machine Co. v. Davis und South Dakota v. Dole Eine Wende zu Gunsten umfassenderer Gesetzgebungsbefugnisse des Bundes im Bereich der Spending Clause markiert die Entscheidung Steward Machine Co. v. Davis aus dem Jahr 1937, dem selben Jahr wie Jones.25\ Darin bestätigte der Supreme Court ein Bundesgesetz, nach dem Bürger in Gliedstaaten, die ein Arbeitslosenhilfesystem einrichteten (bestehend aus einer Abgabe auf Lohnzahlungen und damit zu finanzierender Arbeitslosenhilfe), Leistungen an dieses System auf ihre Beiträge nach dem Social Security Act des Bundes anrechnen konnten. Die Klägerin meinte, das Bundesgesetz sei - wie der Agricultural Adjustment Act in Butler - verfassungswidrig, weil es die Staaten zu einer Regelung zwinge, die der Bund durch unmittelbare Regelung nicht erreichen könne. Das Gericht folgte dem aus mehreren Gründen nicht. Hinsichtlich der hier bedeutsamen Abgrenzung erklärte das Gericht, dass es sich nicht um eine unzulässigerweise erzwungene oder "erkaufte" Regelung handele, da die Teilnahme der Staaten an dem Arbeitslosenhilfeprogramm des Bundes trotz der damit fraglos verbundenen Vorteile (gliedstaatliche Kontrolle und Flexibilität bei der Durchführung des Programms) freiwillig war. Steward macht so klar, dass bedingte Mittelzuweisungen (hier eigentlich: bedingte Steuerbefreiung) stets Verhaltensanreize bieten. Ob sich dieser Anreiz als Zwang darstellt, ist eine graduelle Frage. Um dies zu entscheiden, hat der Supreme Court in seiner Rechtsprechung vielfach eine Abwägung vorgenommen,252 teilweise bedingte Finanzzuweisungenjedoch auch ohne Abwägung in gleicher Weise wie zwingende Sachregelungen fiir unzulässig erklärt. 2S3 Die wohl herrschende Meinung entnimmt aus Steward eine Abkehr von der Unterscheidung zwischen Verwendungs- und Regelungsbedingungen zu Gunsten einer Zulässigkeit aller Bedingungen, die nach ihrer Gestaltung und Intensität 250 Ebd., 68: "The act invades the reserved right of the states. It is a statutory plan to regulate and contro1 agricultural production, a matter beyond the powers de1egated to the federa1 government." Vgl. hierzu die Entscheidungen aus dem Bereich der Commerce Clause, insbesondere A.L.A. Schechter Poultry Corp. v. United States, 295 U.S. 495 (1935) sowie Carter v. Carter Coal Co., 298 U.S. 238 (1936), oben II.2.c)aa). m Steward Machine Co. v. Davis, 301 US. 548 (1937). Zu NLRB v. Jones vgl. oben II.2.c)bb). 252 Vgl. z.B. United Public Workers v. Mitchell, 330 US. 75 (1947). 253 Vgl. z.B. Federal Communications Commission v. League ofWomen Voters, 468 US. 364 (1984).
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nicht-zwingenden Charakter haben und in einer vernünftigen Beziehung zu einem legitimen Ziel stehen, auf der Grundlage der Spending Clause. 254 Die Entscheidung South Dakota v. Dole aus dem Jahr 1987255 bestätigt diese Interpretation. Der Kongress hatte 5% der Bundeszuschüsse an die Staaten für den Bau von Überlandstraßen (sog. highway grants) an die Bedingung geknüpft, dass der jeweilige Staat Alkoholgenuss für Personen unter 21 Jahren verbiete. 256 Unter ausdrücklicher Berufung auf Steward hinsichtlich der Freiwilligkeit eines Verhaltensanreizes fasst Dole die Voraussetzungen zusammen, unter denen Mittelzuweisungen an die Staaten an Bedingungen geknüpft werden können: Erstens darf die Ausgabengewalt nur für Ziele des Allgemeinwohls ausgeübt werden. Gemeint ist damit lediglich, dass am Wohl der gesamten Nation (common benefit) ausgerichtete Zwecke verfolgt werden sollen im Gegensatz zu rein lokalen Interessen. 257 Dem Gesetzgeber steht dabei ein weiter Spielraum zu, ausgeschlossen sind nur eindeutig unrichtige oder willkürliche Entscheidungen. 258 Zweitens darf der Kongress die Gewährung von Mitteln an die Staaten nur in unzweideutiger Weise an Bedingungen knüpfen (clear statement rule). Wie bei einem Vertrag sollen die Empfänger vorher wissen, worauf sie sich einlassen. Drittens kann die Bedingung unzulässig sein, wenn sie nicht mit einem Bundesinteresse verknüpft ist, das in bestimmten Projekten oder Programmen seinen Niederschlag gefunden hat. An diesem Punkt wird der Zwangscharakter einer Regelung überprüft. Viertens sind andere Grenzen der Verfassung zu beachten. Mit einer Mehrheit von sieben zu zwei Stimmen befand der Supreme Courf59 auch das dritte Kriterium erfüllt: Eine hinreichende Verbindung zwi254 V gl. z.B. Blumberg 1768. V gl. zur ebensolchen Interpretation in der Rechtsprechung der Untergerichte z.B.Verrnont v. Brinegar, 379 F.Supp. 606,616 (D. Vt. 1974). A.A. Thomas R. McCoy/Barry Friedman, Conditional Spending: Federalism's Trojan Horse, S. Ct. Rev. 1988,85, 109 f., die wegen der unterschiedlichen Fakten der beiden Fälle in Steward keine Abkehr von Butler sehen. Eine ausdrückliche Abkehr von Butler enthält tatsächlich erst South Dakota v. Dole, 483 U.S. 203 (1987). 255 South Dakota v. Dole, 483 U.S. 203 (1987). 256 Das sog. National Minimum Drinking Age Amendment zum National Surface Transportation Act, 23 U.S.C. § 158 (1994). 257 Vgl. hierzu z.B. United States v. Gerlach Live Stock Co., 339 U.S. 725, 738 (1950); Cincinnati Soap Co. v. United States, 301 U.S. 308, 317 (1937). 258 Helvering v. Davis, 301 U.S. 619, 640 (1937). Im Ergebnis bildet das Allgemeinwohlerfordernis damit allerdings keine praktisch wirksame innere Grenze, wie das Gericht selbst erkannt hat: "The level of deference to the congressional decision is such that the Court has more recently questioned whether ,general welfare' is a judicially enforceable restriction at all." South Dakota v. Dole, 483 U.S. 203, 207 Fn. 2 (1987). 259 Lediglich dem vierten Kriterium, hier der Frage der Vereinbarkeit mit dem Einundzwanzigsten Verfassungszusatz, widmet das Gericht umfangreichere Ausfiihrungen. South Dakota v. Dole, 483 U.S. 203, 209 fI. (1987).
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sehen der Zuweisung von Mitteln llir den Bau von Überlandstraßen und Forderung eines Mindestalter llir den Alkoholkonsum bestehe im Ziel eines sicheren zwischenstaatlichen Straßenverkehrs. 26o Hinsichtlich der Unterscheidung zwischen Druckausübung und Zwang stellte das Gericht fest, dass ein möglicher Verlust von lediglich 5% der Mittel jedenfalls keinen Zwang zu erzeugen vermöge: ,,[T]he argument as to coercion is shown to be more rhetoric than fact. (... ) Here Congress has offered relatively mild encouragement to the States to enact higher minimum drinking ages than they would otherwise choose. But the enactment of such laws remains the prerogative ofthe States not merely in theory but in fact. Even if Congress might lack the power to impose a national minimum drinking age direct1y, we conc1ude that [this] encouragement (... ) is a valid use of the spending power.,,261 Der Kongress kann demnach eine gliedstaatliche Regelung, die er nicht unmittelbar vorschreiben kann, durch finanzielle Anreize herbeiführen. Die Anknüpfung von Bedingungen bei conditional grants bedarf so lange keiner Sachkompetenz, wie der Bund erwünschtes Verhalten der gliedstaatlichen Gesetzgebung und Verwaltung nicht erzwingt, sondern lediglich durch eine die Freiwilligkeit der Zuwendungsempfänger belassende Mittelvergabe "erkauft'. Nach Dole entschieden mehrere Courts of Appeal über andere conditional grants, deren Anreizwirkung deutlich über die 5% in Dole hinausging und häufig den größeren Teil der Zuschüsse llir den Bau von Überlandstraßen oder für die medizinische Versorgung erfasste. Keines dieser Gerichte hat jedoch eine solche Bestimmung für verfassungswidrig erklärt.262 Justice O'Connor vertrat in ihrer Minderansicht in Dole unter Bezugnahme auf Butler263 die Ansicht, dass nur Verwendungsbedingungen zulässig seien. Die typischen bedingten Zuweisungen des Bundes, die highway grants, dürften nur unter eine mit Straßenbau oder -benutzung veknüpfte Bedingung wie z.B. der Verpflichtung zum Bau einer sicheren Straße, gestellt werden:
260 Ebd., 208: "Indeed, the condition imposed by Congress is direct1y related to one of the main purposes for which highway funds are expended - safe interstate travel." 261 Ebd., 211 f. 262 Vgl. z.B. Nevada v. Skinner, 884 F.2d 445 (9th Cir. 1989), vom Supreme Court nicht zur Entscheidung angenommen, 493 U.S. 1070 (1990) - highway grants; vor Dole bereits z.B. Nebraska Dept. ofRoads v. Tiemann, 510 F.2d 446 (8th Cir. 1975) - highway grants; Oklahoma v. Schweiker, 665 F.2d 401 (D.C. Cir. 1981) - Medicaid grants. 263 South Dakota v. Dole, 483 U.S. 203, 216 f. (1987): "While Butler's authority is questionable insofar as it assumes that Congress has no regulatory power over farm products, its discussion of the spending power and its description of both the power's breadth and its limitations remain sound."
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"When Congress appropriates money to build a highway, it is entitled to insist that the highway be a safe one. But it is not entitled to insist as a condition of the use of highway funds that the State impose or change regulations in other areas of the State's social and economic life because of an attenuated or tangential relationship to highway use or safety. ,,264
Diesem Koppelungsverbot unterfalle auch die Verbindung zwischen highway grants und minimum drinking age. Erstere beträfen den Bau sicherer Straßen, letztere einen kleinen Ausschnitt des Problems verkehrstauglicher Fahrer. Andernfalls könne der Kongress beinahe jeden Bereich des sozialen, politischen oder wirtschaftlichen Lebens in den Staaten regeln?65 b) Kritische Würdigung
Der nach Dole geltenden Doktrin zur Reichweite der spending power mangelt es in zweierlei Hinsicht an einer klaren und Rechtssicherheit vermittelnden Abgrenzung. Erstens ist das Erfordernis eines Zusammenhangs zwischen dem Verwendungszweck der zugewiesenen Mittel und der daran geknüpften Bedingung relativ weit gefasst und lässt keine greifbaren Maßstäbe oder Begrenzungen erkennen. Zweitens gilt eine Vermutung, dass die Staaten stets nicht nur rechtlich, sondern auch faktisch frei sind, eine bedingte Zuweisung zurückzuweisen. Die Tatsache, dass Staaten (und private Organisationen) in vielen Bereichen de facto von Bundesmitteln abhängig sind,266 so dass ohne diese eine Wahrnehmung wichtiger Aufgaben nicht mehr möglich wäre, macht diese Vermutung fragwürdig. Die Aussage des Gerichts, dass der Bund mit 5% auf der "sicheren Seite" sei, legen nahe, dass die Unterstellung größerer Finanzbeträge und/oder größerer Anteile an den Zuweisungen unter eine Bedingung im Einzelfall als Zwang zu betrachten wäre. Die Grundlinie bietet die freie Letztentscheidung des begünstigten Staates. Wo die Grenze zwischen zulässigem Anreiz und unzulässigem Zwang verläuft, bleibt unklar. Mehrere Stimmen in der Literatur befiirworten daher weitergehende Einschränkungen der spending power. Danach sollten wie nach Butler und O'Connor Bedingungen, die nicht ausschließlich die Verwendung der Mittel betreffen, nur bei entsprechender Kompetenz zur unmittelbaren Regelung zulässig sein. Andernfalls gewähre die Befugnis zur Anknüpfung von Bedingungen dem Kongress eine quasi-regulatorische Kompetenz außerhalb seiner enumerativen Kompetenzen, die die Rolle der Staaten im f6deralen System unterEbd., 215. Ebd., 215 f., Hervorhebungen im Original. 266 Vgl. Rosenthall104 m.w.N.
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miniere .267 McCoy lFriedm an und Rosenthai ziehen hierfür zusätzli ch eine Analogie zur Grundrechtsdogrnatik des Supreme Court heran. 268 Dieser hatte in Sherbert v. Verner 269 eine gliedstaatliehe Vorschrift, die die Gewähr ung von Arbeitslosenhilfe von der Verfiigbarkeit des Arbeitnehmers an Samstag en abhängig machte, fiir mit der Religionsfreiheit der Klägeri n unverei nbar erklärt. Der Staat, so der Supreme Court, dürfe selbst freiwillige staatlich e Leistungen nicht vom Verzicht auf die Ausübung eines Grundrechts abhängi g machen, da dies eine unzulässige abschreckende Wirkun g ausübe. 270 McCoylFriedman schließen daraus, dass die Vorenthaltung von finanzie llen oder anderen Vorteilen zur Durchsetzung eines bestimm ten Verhaltens der regulatorischen Erzwingung dieses Verhaltens gleichstehe und daher einer regulatorisehen bzw. Sachkompetenz bedürfe. Finanzieller Anreiz und Zwang seien in ihrer Wirkung nicht unterscheidbar und daher nicht zur Abgrenzung zulässig er von unzulässigen gesetzgeberischen Mitteln geeignet. 271 Diese Sichtweise verkennt jedoch den Untersc hied zwische n dem Entzug von Mitteln (etwa als Strafe) und der Vorenthaltung von Mitteln, auf die kein Anspruch besteht. Die Analogie zur Grundrechtsdogmatik ist von vornher ein wenig überzeugend, da sie den vorverlagerten Schutz eines empfmd lichen Grundrechts mit der gänzlich anderen Situation des Umfangs einer Bundes kompetenz im Bund-Staaten Verhältnis gleichsetzt. Ein absolutes Verbot der Anknüpfung von Bedingungen an Finanzzuweisungen ist zu weitgeh end und zu undifferenziert. Es bedarf vielmeh r einer Abwägu ng im konkret en Einzelfall. 272 Neben der unscharfen Abgrenzung zwischen Anreiz und Zwang richtet sich die Kritik gegen die gleichermaßen unscharfe Voraussetzung einer hinreichenden Verbindung zwische n Verwen dungszw eck der Mittel und Bedingu 273 ng. Auch hier bleibt die Aussage des Suprem e Court vage. 274 In Dole bestand die McCoy/Friedman 86 f. McCoy/Friedman; Rosenth all120 ff. 269 Sherbert v. Vemer, 374 U.S. 398 (1963). 270 Ebd., 405 f. m.w.N.. Ähnlich auch in anderen Grundrechtsfallen, z.B. Frost & Frost Trucking Co. v. Railroad Commission, 271 U.S. 583, 594 (1926): "If the state 267
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may, compel the surrender of one constitutional right as a condition of its favor, it may, in like manner, compel a surrender of all. It is inconvceivable that guarantie s embedded in the Constitution of the United states rnay thus be manipulated out of existence ." 271 Die Vorenthaltung eines Vorteils, wie gering er auch sei, entspreche einer Geldstrafe bei Nichtbeachtung einer zwingenden Vorschrift. McCoy/Friedman 118. 212 So auch die wohl überwiegende Auffassung, vgl. Nwe. bei Rosenth all121. 273 McCoy/Friedman 120 ff. 274 ,,[O]ur cases have suggested (without significa nt elaboration) that condition federal grants might be illegitimate if they are unrelated ,to the federal interest s on in particular national projects or programs. '" South Dakota v. Dole, 483 U.S. 203, 207 (1987), Zitat aus Massachusetts v. United States, 435 V.S. 444,461 (1978).
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Verbindung im Problem der Trunkenheitsfahrten von Teenagern. Nach dieser Regel, so die Kritik, könne der Kongress letztlich jedes als "national" definierbare Problem mit der spending power lösen. 275 Rosenthai sieht einen hinreichenden Zusammenhang zu einer Mittelzuweisung allerdings auch dort, wo eine Bedingung verhindert, dass die Mittelzuweisung nachteilige Nebeneffekte hat. 276 Im Umweltbereich könnten danach z.B. Finanztransfers an die Staaten fiir staatliche oder von den Staaten auszuwählende private Vorhaben an die Voraussetzung von naturschutzrechtlichem Aus gleich oder Ersatz anknüpfen. Letztlich sind auch diese Abgrenzungen nicht trennscharf, sondern können lediglich mehr oder minder restriktive Indizien bieten. Denn Bedingungen fiir eine sichere Straße können nicht nur deren Bauweise, sondern auch deren Benutzung betreffen, die Einbeziehung von Nebeneffekten bewirkt lediglich eine allgemeine Aufweichung des Konnexitätserfordernisses. Auch hier bedarf es einer Abwägung, so dass schließlich eines doppelte Verhältnismäßigkeitsprüfung entscheidet: Angemessenheit der Relation zwischen Höhe der Anreizsumme und Bedingung sowie zwischen Verwendungszweck der Mittel und Bedingung. Im Ergebnis bietet die Kritik an Dole daher keine Ansatzpunkte für eine sachgerechte stärkere Eingrenzung der spending power.
v. Weitere Bundeskompetenzen 1. Ausführung internationaler Verträge: Die treaty power In auswärtigen Angelegenheiten enthält die Verfassung positive Regelungen nur über die horizontale Kompetenzverteilung zwischen Präsident und Kongress. 277 Im Verhältnis zu den Staaten verfügt der Bund hier aber auch ohne ausdrückliche Befugnisnorm über eine ausschließliche und umfassende Kompetenz, da die doctrine of enumerated powers nur fiir den Bereich der inneren Angelegenheiten gilt und auswärtige Befugnisse kraft Natur der Sache nur dem Bund zustehen können. Die Verfassung entzieht den Staaten durch Zuweisung enumerativer Kompetenzen an den Bund nur einen Ausschnitt jener Gesetzgebungsbefugnisse, über die die Staaten bei der Gründung der Vereinigten Staa-
m McCoy/Friedman 121; wie Justice O'Connor fiir eine Einschränkung aufkonkrete Verwendungsbedingungen (hier z.B. Bau einer sicheren Straße mit den Bundesmittein) ebd., 122 f. 276
Rosenthall129.
V g1. umfassend zur historischen Entwicklung der treaty power David M. Golove, Treaty-Making and the Nation: The Historical Foundations of the Nationalist Conception ofthe Treaty Power, 98 Mich. L. Rev. 1075 (2000). 277
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ten verfugten. Was die Staaten zu dem Zeitpunkt nicht hatten, konnte ihnen nicht entzogen werden. Einzelne Staaten besaßen nie auswärtige Gewalt. 278 Für den Abschluss internationaler Verträge muss darauf allerdings nicht zurückgegriffen werden, da eine ausdrückliche Kompetenzzuweisung an den Präsidenten vorliegt, die als Befugnisnorm fiir ein Bundesorgan auch im Verhältnis zu den Staaten genügt. Art. II § 2 gewährt dem Präsidenten die Befugnis, mit Zustimmung einer Zweidrittelmehrheit des Senats völkerrechtliche Verträge abzuschließen. 279 Dem entspricht ein ausdrückliches Verbot fiir die Staaten in Art. I § 10 S. 3. 280 Art. 11 § 2 ist gleichzeitig Grundlage fiir die Umsetzung solcher Verträge in Bundesrecht. Existiert ein gültiges internationales Abkommen, so kann der bundesrechtliche Umsetzungsakt auf die Necessary and Proper Clause gestützt werden. In der Leitentscheidung hierzu, Missouri v. Holland,281 ging es um die Verfassungsmäßigkeit des Migratory Bird Act von 1918, der zur Umsetzung eines Artenschutzabkommens zwischen den Vereinigten Staaten und Kanada Jagdbeschränkungen auferlegte. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes im Inneren, die heute unproblematisch aus der Commerce Clause herzuleiten wäre, war damals hierfiir nicht anerkannt. Der Supreme Court bejahte dennoch die Befugnis des Bundes, fiir den Vertrag unter Berufung auf das nationale Interesse, das eine internationale Regelung erfordere, fiir das Ausfiihrungsgesetz nach der Necessary and Proper Clause?82 278 United States v. Curtiss-Wright Corp., 299 U.S. 304, 316 (1936): ,,[l1he states severally never possessed international powers." Diese wächst dem Bund vielmehr unmittelbar kraft nationaler Souveränität zu. Ebd., 318: ,,[l1he investment of the federal govemment with the powers of external sovereignty did not depend upon the affirmative grants of the Constitution. The powers to declare and wage war, to conclude peace, to make treaties, to maintain diplomatic relations with other sovereignties, ifthey had never been mentioned in the Constitution, would have vested in the federal government as necessary concomitants of nationality." Vg1. auch Tribe, Constitutional Law, Bd. I, 637 ff., 964 ff.; Rotunda, Ronald D.lNowak, John E., Treatise on Constitutional Law: Substance and Procedure, 2. Aufl., St. Paul (Minnesota) 1992, 123 ff.; Winfried Brugger, Einfiihrung in das Öffentliche Recht der USA, München 1993, §§ 5 V 4-6, 7 N . 279 ,,He [the President] shall have Power, by and with the Advice and Consent ofthe Senate, to make Treaties, provided two thirds of the Senators present occur". 280 "No State shall, without the Consent of Congress, lay any Duty of Tonnage, keep Troops, or Ships of War in time of Peace, enter into any Agreement or Compact with another State, or with a foreign Power, or engage in War, unless actually invaded, or in such imminent Danger as will not admit of delay." 281 Missouri v. Holland, 252 U.S. 416 (1920). 282 Im Rahmen der verstärkten Betonung gliedstaatlicher Rechte gegenüber dem Bund in den vergangenen Jahren, die auch im Supreme Court ihren Niederschlag gefunden hat (vg1. unten § 7), wurde auch eine Begrenzung der treaty power auf den Bereich der inneren Kompetenzen des Bundes vertreten, u.a. als - nicht näher bezeichnete - inhaltliche Beschränkung gegenüber den Gliedstaaten, insbesondere wegen des andernfalls grenzenlosen Zuständigkeitsbereiches des Bundes unter der treaty power. Vg1. Curtis A. Bradley, The Treaty Power and American Federalism, 97 Mich. L. Rev. 391,
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Denmach kann der Bund auch in Bereichen, in denen er über keine interne Gesetzgebungsbefugnis verfUgt, aktiv werden, um ein internationales Abkommen umzusetzen. 283 Die Bedeutung, die die treaty power vor dem New Deal wegen dieser fehlenden inhaltlichen Beschränkung fUr Ausführungsgesetze des Bundes hatte, ist für die Praxis durch die commerce power in der Ära nach iones weitgehend aufgesogen worden. Die treaty power kommt jedoch - gegebenenfalls kumulativ mit der commerce power - bei internationalen Verträgen zum Schutz der Umwelt nach wie vor zum Tragen. Ein Beispiel ist der Endangered Species Act von 1973 (ESA):284 In der Begründung des Gesetzes (congressional findings, § 2 ESA) beruft sich der Gesetzgeber nicht nur auf Umstände, die das Gesetz auf der Grundlage der Commerce Clause285 bzw. der Spending Clause286 rechtfertigen mögen, sondern auch ausdrücklich auf internationale Artenschutzabkommen. 287
2. Seerecht: admiralty and maritime jurisdiction Nach dem Wortlaut des Art. III § 2 S. 1288 steht dem Bund nur eine judikative Kompetenz fiir Admiralitäts- und Seegerichtsbarkeit zu. Nach gefestigter insbes. 393 fI., 434 ff., 461 (1998). Während ersteres weder im Zehnten Verfassungszusatz noch in der Rechtsprechung des Supreme Court hierzu (vgl. unten § 7 H. 1.) eine Stütze fmdet, verkennt letzteres die innere Eingrenzung der treaty power auf Gegenstände, die der Verhandlung und Einigung zwischen Staaten unterliegen können und steht der ständigen Rechtsprechung seit Missouri v. Holland entgegen. Vgl. G%ve 1278 ff. 283 In den frühen flinfziger Jahren ist versucht worden, dies durch folgenden Verfassungszusatz zu ändern: ,,(1) A provision which conflicts with this Constitution shall not be of any force or effect. (2) A treaty shall become effective as internal law through legislation which would be valid in the absence of treaty." Dieses sog. "Bricker Arnendment", mit dem die bestehende Rassendiskriminierung vor der UN-Charta und anderen internationalen Abkommen geschützt werden sollte, wurde mit knapper Mehrheit abgelehnt. Vgl. Stone/SeidmaniSunstein/Tushnet 229; G%ve 1273 ff. 284 16 U.S.C. §§ 1531 bis 1544. 28S 16 U.S.C. § 1531 (a) (1) bis (3): Ausrottung vieler Tier- und Pflanzenarten in den USA aufgrund ungehemmten wirtschaftlichen Wachstums und Gefahr der Ausrottung fiir andere Arten; "esthetic, ecological, educational, historical, recreational, and scientific value" dieser Arten tur die Nation. 286 16 U.S.C. § 1531 (a) (5). 287 16 U.S.C. § 1531 (a) (4): "The Congress finds and declares that (...) the United States has pledged itself as a sovereign state in the international comniunity to conserve to the extent practicable the various species of fish or wildlife and plants facing extinction, pursuant to (es folgt eine Aufzählung von Abkommen unter (A) bis (F), sowie) (G) other international agreements." 288 "The judicial Power shall extend (... ) -to all Cases of admiralty and maritime jurisdiction (... )."
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Rechtsprechung des Supreme Court ist daraus - in Verbindung mit der Necessary and Proper Clause - eine umfassende Kompetenz zur Schaffung von richterlichem Seerecht sowie eine legislative Kompetenz gleichen Umfangs für den Kongress herzuleiten. 289 Im Umweltrecht kommt diese Kompetenz vor allem für den Schutz der Küsten und der küstennahen Meere zum Tragen, überschneidet sich dort allerdings mit der commerce power. 290 Wichtige Bundesgesetze in diesem Bereich sind der Coastal Zone Management Act von 1972 (CZMA), der Marine Proteetion, Research, and Sanetuaries Act von 1972 (MPRSA), der Oil Pollution Act von 1990 (OPA) sowie Teile des Federal Water Pollution Control Act (FWPCA oder Clean Water Act, CWA),291 3. Common law des Bundes
Ergänzend ist die Befugnis der Bundesgerichte zu erwähnen, in den Bereichen des common law, die nicht durch Gesetzesrecht überformt sind, die aber gleichzeitig der Befugnis der Gliedstaaten entzogen sind, ein common law des Bundes zu entwickeln,292 Diese Befugnis ist im Umweltrecht dann von Bedeutung, wenn ein Träger öffentlicher Gewalt in einem Gliedstaat eine Klage auf Unterlassung oder Schadensersatz gegen einen Träger öffentlicher Gewalt eines anderen Gliedstaates erhebt, da wegen der Gleichordnung der Gliedstaaten beide Parteien nicht zur Unterwerfung unter das Recht des Gliedstaates gezwungen werden können,
§ 6 Grenzen der Ausübung von Bundeskompetenzen gegenüber den Gliedstaaten in den USA im Umweltrecht der USA (federalism-based limits)
Die Schwierigkeit, bei wichtigen Kompetenzen des Bundes innere Grenzen zu erkennen, lenkt den Blick auf äußere Grenzen, die die föderale Struktur der USA dem Bund setzt. Dies gilt in besonderer Weise für die commerce power, aber auch für die taxing and spending power. Während die oben untersuchten inneren Grenzen die Reichweite der jeweiligen Kompetenz bestimmen, beschränken die äußeren Grenzen die Ausübung der Bundeskompetenzen in inhaltlicher und instrumenteller Hinsicht. Die inneren Grenzen ergeben sich In re Gamett, 141 U.S. 1,12 (1891). Vgl. Bothe 168. 291 33 U.S.C. §§ 1251 bis 1387. 292 Vgl. Illinois v. Mi1waukee, 451 U.S. 304 (1981).
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aus der jeweiligen Kompetenzzuweisung selbst, die äußeren Grenzen aus selbständigen anderen Normen und Strukturprinzipien der Verfassung. Vorweg ist zu fragen, wer über die Einhaltung oder Nichteinhaltung der Schranken der Kompetenzausübung entscheidet. Eine bedeutsame Strömung in der Literatur hält die politische Kontrolle der Bundesgesetzgebung durch die im Kongress versammelten Volksvertreter rur ausreichend (unten 1.). Die spärlichen Aussagen des Verfassungstextes zu äußeren Grenzen werden in der Rechtsprechung des Supreme Court unter Zuhilfenahme von Strukturelementen der föderalen Verfassungsordnung aufgeladen. Von zentraler Bedeutung ist hierbei der Zehnte Verfassungszusatz, daneben der Elfte Verfassungszusatz (unten II.). Abschließend werden die verschiedenen Regelungsmodelle des Bundes im Umweltrecht aufgefächert und die Grenzziehungen der Rechtsprechung auf dieses Instrumentarium angewandt (unten III.).
I. Wer entscheidet über die Einhaltung von Grenzen? 1. Verbreitete Klagen über das Ausgreifen des Bundes im Umweltrecht
Klagen über eine drohende Marginalisierung der gliedstaatlichen Ebene im Regelungsgefiige der Vereinigten Staaten sind, gerade bezogen auf das Umweltrecht, in den letzten Jahren vielfach zu hören, und zwar auch von Autoren, die Umweltschutzrecht grundsätzlich begrüßen: "So much political power has been reallocated to the federal government that, at times, the states could be mistaken for vassals of the federal government. ,,293
Allenthalben wird "Überregulierung" durch den Kongress beklagt. 294 In einem Bericht der U.S. Advisory Commission on Intergovernmental Relations von 1993 heißt es: "The Commission finds that increasing federal regulation of state and local governrnents, the lack of adequate constitutional protection for state and local authority in the decisions ofthe federal courts, and the increasingly crowded policy agenda ofthe federal government have contributed to a serious and growing imbalance in the federal system. ,,295
Dwyer, Practice ofFederalism, 1185. V gl. z.B. W Gary Vause, The Subsidiarity Principle in European Union Law American Federalism Compared, 27 Case W. Res. J. Int'l L. 61, 72 (1995); Bermann 405 f. m.w.N. 295 U.S. Advisory Commission on Intergovernmental Relations, Federal Regulation of State and Local Governments: The Mixed Record of the 1980s, 1993, zitiert nach Bermann 405 Fn. 289. 293
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Gleichzeitig werden Regelungen des Bundes im Umweltrecht als zu kompliziert, zu teuer, zu unflexibel und zu wenig Rechtssicherheit bietend empfunden?96 Stewart formuliert drastisch: ,,[l1he system has grown to the point where it amounts to nothing less than a massive effort at Soviet-style planning of the economy to achieve environmental goals. ,,297
Umweltrechtliche Standards des Bundes fiihrten und fuhren immer wieder zu Konflikten mit den Gliedstaaten. 298 Dabei sind die Gegenreaktionen von gliedstaatlichen und lokalen Entscheidungsträgem vielfaltig.299 Es gibt allerdings auch Gegenstimmen, die vor einer Überzeichnung des Einflusses des Bundesrechts wamen300 und die verbreitete Kritik - jedenfalls zum Teil- als Kritik an Überregulierung auf allen Staatsebenen auffassen. 301 Der Ruf nach mehr gliedstaatlicher Autonomie im Umweltrecht gilt vielen Umweltschützem als verdeckter Versuch des Zurückfahrens umweltrechtlicher Schutzstandards. 302 Auch Umfragen lassen keinen allgem~inen deutlichen Widerspruch gegen umweltrechtliche Regelungen durch den Bund erkennen?03
296 U.S. Advisory Commission on Intergovemmental Relations, Intergovemmental Decisionmaking for Environmental Protection and Public Works 1 (1992), zitiert nach Percival1165. 297 Stewart, Econornic Incentives, 154. 298 Percivall144. Vgl. auch Dwyer, Practice ofFederalism, 1185. 299 So sollten z.B. nach der "county suprernacy"-Bewegung alle Entscheidungen über Bodennutzung, auch und gerade dort, wo bislang die Property Clause in Art. IV § 3 S. 2 der Verfassung greift, ausschließlich auf örtlicher Ebene getroffen werden. Vgl. Adler, Green Aspects, 579 Fn. 48 m.w.N. 300 Field 13: "Congress does not regulate nearly as much as it theoretically could under the Commerce Clause (or other powers), so many subjects are stillieft, in whole or in part, to the states. Indeed, the ordinary citizen is much more affected by state than by federal law in day-to-day life. Fears of the demise of the states ( ...) have been greatly exaggerated." 301 Vgl. z.B. Vause 81: "One can attribute the current raging at incumbent politicians not only to areaction against excessive congressional intervention in state and local affairs, but also to dissatisfaction with excessive government intervention at any level, regardless of whether the intervenor is federal, state or local." 302 Vgl. Percival1144. Auffällig ist z.B. der Widerspruch zwischen den Forderungen republikanischer Abgeordneter im Kongress zu stärkerer Überlassung des Umweltrechts an die Gliedstaaten und Äußerungen derselben Abgeordneten, in denen diese eine weitest gehende Verdrängung des gliedstaatlichen Rechts durch Bundesrecht in anderen Bereichen wie z.B. Bankrecht, Produkthaftung, Strafrecht fordern (Ebd., 1143 Fn. 12 und 1180 Fn. 180 m.w.N.) 303 So ergab eine im Auftrag von Wall Street Journal und NBC News 1995 bundesweit durchgeführte Umfrage auf die Frage "Wer sollte mehr Verantwortung für das folgende Ziel haben, Bund oder Staaten?" für das Ziel "Schutz der Umwelt" 50% für den Bund, 38% für die Staaten. Albert R. Hunt, Politics & People: Federalism Debate is
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2. Können die Gliedstaaten Bundesrecht für nichtig erklären (nullification)? Von zentraler Bedeutung ist die Frage, wer über die Verfassungsmäßigkeit von Akten des Bundes im Verhältnis zu den Staaten entscheidet: Können die Staaten Regelungen des Bundes selbst für verfassungswidrig erklären und entsprechend deren Befolgung verweigern oder steht ilmen dieses Recht nicht zu, und wenn nicht, ist diese Frage justiziabel und daher vor Bundesgerichten zu klären oder nur einer politischen Wertung im Kongress zugänglich? Erstere Frage war Gegenstand der sogenannten nullification-Debatte, die erst mit dem Ende des Bürgerkrieges 1865 eine Klärung erfuhr. Die Staaten, die ein Recht, Bundesrecht für nichtig zu erklären (nullification), beanspruchten, leiteten dies daraus ab, dass die Vereinigten Staaten durch vertraglichen Zusanunenschluss der vorher bereits existierenden Gliedstaaten, nicht unmittelbar durch Entscheidung der Bevölkerung in allen Gliedstaaten, entstanden selen: ,,[l1he powers of the federal govemment (...) resulting from the compact to which the States are parties (the Constitution) [are] lirnited by the plain sense and intention of the instrument (.. .) [and are] no farther valid than (.. .) authorized by the grants enurnerated in that cornpact. (... ) [I]n case of a deliberate, palpable, and dangerous exercise of other powers not granted by the said compact, the States who are parties thereto have the right (...) to interpose [in order to rnaintain their] authorities, rights, and liberties ( ...) .,,304 Die Gegenansicht stützte sich darauf, dass die Staatsgewalt des Bundes nicht auf die Gliedstaaten, sondern unmittelbar auf die Bevölkerung zurückgehe, und betonte die Suprematie des Bundesrechts (Art. VI S. 2 der Verfassung) und die Kompetenz der Bundesgerichte zur Klärung von Fragen des Verfassungs- und einfachen Bundesrechts. "The great question is, whose prerogative is it to decide the constitutionality or unconstitutionality of the laws? (...) I do no adrnit, that, under the Constitution and in conforrnity with it, there is any mode in which aState govemrnent, as a member of the Union, can interfere and stop the progress ofthe general govemment, by force of [the State's] own laws, under any circumstances whatever. This leads us to inquire into the origin of[the federal] govemment and the source ofits power. Whose agent as Much About Power as About Principle, Wall Street Journal vorn 19. 1. 1995, A 19, zitiert nach Leckrone 1042 Fn. 85. 304 Rede von Senator Hayne (South Carolina) in einer Senatsdebatte im Jahr 1830, zitiert nach Thomas C. Fischer, "Federalism" in the European Cornrnunity and the United States: A Rose by Any Other Name, 17 Fordham Int'l L. J. 389, 428 Fn. 160 (1994).
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is it? ( ... ) The people of the United States have declared that [the] Constitution shall be the supreme law. We must either admit [this] proposition, or dispute their authority. The States are, unquestionably, sovereign, so far as their sovereignty is not affected by this supreme law. (00') [T]he general govemment and the State govemments derive their authority from the same source[: the people)."30s
Die Frage, ob als Träger der Volkssouveränität das Volk in den einzelnen Bundesstaaten oder die Nation als Ganzes anzusehen war, war im Verfassungskonvent nicht eindeutig entschieden worden. Der Verfassungstext galt nicht als eindeutig.306 Die der Suprernacy Clause entsprechende Auffassung, dass die Gliedstaaten Bundesrecht keinesfalls fiir null und nichtig erklären konnten, setzte sich schließlich mit dem Bürgerkrieg durch. 307 3. Müssen Zuständigkeitsbereiche der Staaten von den Gerichten vor dem Eindringen des Bundes geschützt werden oder genügen die political safeguards of federalism? Nach einer bedeutenden Literaturauffassung sind gliedstaatliche Interessen im Bund alles andere als schutzlos gegenüber der Regelungsgewalt des Bundes. Danach sind die politischen Entscheidungsfmdungsprozesse im Bund so angelegt, dass die Gliedstaaten als eigenständige Ebene mit eigenen Zuständigkeitsbereichen hinreichend geschützt sind und sich eine gerichtliche Kontrolle der Bundesgesetzgebung gegenüber den Staaten erübrige. In seiner klassischen Form findet sich dieser Gedanke in Wechslers Aufsatz "The Political Safeguards of Federalism", aufgegriffen und fortentwickelt von Choper. 308 Danach 30S Rede von Senator Webster (Massachusetts), zitiert nach Fischer 428 f. Fn. 161. 306 Einerseits heißt es in der Präambel "We the people of the United States (00 ') do ordain and establish this Constitution for the United States of America", andererseits nimmt Art. I § 2 als Wahlbürger rur die Wahlen zum Repräsentantenhaus "the People of the several States" in Bezug (fiir den Senat galt dies ohnehin, da die Senatoren nach dem - mittlerweile durch den Siebzehnten Verfassungszusatz überholten - Art. I § 3 ursprünglich durch die Legislativen der Gliedstaaten bestimmt wurden.); in ähnlicher Weise bestimmt Art. 11 § 1 Abs. 2 rur die Bestimmung der Wahlmänner zur Wahl des Präsidenten "Each State shall appoint, in such Manner as the Legislature thereof may direct, a number ofElectors (00')'" 307 V gl. aus der Gegenwart Z.B. Planned Parenthood of Southeastern Pennsylvania v. Casey, 505 U.S. 833, 857 (1992), wonach gliedstaatliche Interessen (hier: am Schutz von vorgeburtlichem Leben) keinen generellen Vorrang gegenüber den Freiheitsrechten der Bundesverfassung beanspruchen können. 308 Herbert Wechsler, The Political Safeguards ofFederalism. The Role ofthe States in the Composition and Selection of the National Govemment, in: ders., Principles, Politics, and Fundamental Law. Selected Essays, Cambridge, Massachusetts, 1961,49; Jesse H. Choper, ludicial Review and the National Political Process. A Functional Reconsideration of the Role of the Supreme Court, Chicago, London 1980 und ders., Federalism and ludicial Review: An Update, 21 Hastings Const. L. Q. 577 (1994).
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beruht der Föderalismus der USA auf drei zentralen Verfassungselementen: der Erhaltung der Staaten als selbständige Rechtssetzungs- und Verwaltungsebene, der Rolle der Staaten bei der Zusammensetzung der Verfassungsorgane des Bundes und der Verteilung der Kompetenzen zwischen Bund und Staaten. 309 Wichtiger als die Begrenzung der Bundeskompetenzen sei das Enumerationsprinzip, das für jede bundesrechtliche Regelung eine besondere Rechtfertigung verlange. Der erste Kongress der Vereinigten Staaten errichtete auf Bundesebene kein vollständiges Rechtssystem, sondern baute auf das bestehende Recht der Staaten, das es punktuell zu ergänzen galt. So habe das Bundesrecht vor dem Hintergrund eines umfassenden Rechtes der Gliedstaaten bis heute (1954, als Wechslers Werk veröffentlicht wurde) im wesentlichen ergänzende Funktion. 310 Das zentrale Kontrollelement im Verfassungsleben sei die Rolle der Gliedstaaten bei den Kongress- und Präsidentschaftswahlen. Eine Senatsmehrheit könne sich aus Staatenvertretern zusammensetzen, die nur einen Bruchteil der Bevölkerung der USA repräsentierten, der Prozess des Interessenausgleichs bei der Entscheidungsfmdung sichere darüber hinaus die Berücksichtigung hartnäckiger Staateninteressen. 311 Im Repräsentantenhaus dominierten gliedstaatliche Interessen, weil die Staaten das Wahlrecht mitbestimmten312 und die Wahlbezirke festlegten. 313 Der Präsident, als Gegengewicht gegenüber lokalistischen und separatistischen Tendenzen im Kongress konzipiert, müsse wegen des bevölkerungsärmere ländliche Staaten bevorzugenden Wahlmodus für seine Wahl Rücksicht auf lokale Interessen nehrnen. 314 Im Ergebnis verhindere das System der Bundespolitik wirksam Eingriffe in die Sphäre der Staaten. 315 Greife ein Gericht zu Gunsten des Bundes ein, könne der Kongress das Ergebnis Wechsler, Political Safeguards ofFederalism, in: ders., Principles, 50. Ebd., 52 f. m Ebd., 56 f. und 57 f. 312 Dies ergibt sich aus Art. I § 2 der Verfassung, der das Repräsentatenhaus betriffi, keine Aussagen zum aktive Wahlrecht triffi und diese Regelung implizit den Gliedstaaten zuweist ("The House of Representatives shall be composed of Members chosen every second Year by the People ofthe several States ( ...)"). 313 Vgl. Art. I § 4 der Verfassung: "The Times, Places and Manners ofholding Elections for Senators and Representatives shall be prescribed in each State by the Legislature thereof; but the Congress may at any time by Law make or alter such Regulations, except as to Places of chusing Senators". Krasse Unterschiede in den Bevölkerungszahlen der Wahlbezirke würden bewusst gestaltet, um der traditionell regionalistisch eingestellten und gegenüber Bundesinstitutionen kritischen ländlichen und kleinstädtischen Bevölkerung eine ihr rein zahlenrnäßig nicht zustehende Dominanz im politischen Prozess einzuräumen (Wechsler, Political Safeguards of Federalism, in: ders., Principles, 63). 314 Wechsler, Political Safeguards ofFederalism, in: ders., Principles, 64; 78. 315 Ebd., 78. 309
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durch ausdrückliche Zustimmung zu sonst verfassungswidrigem Verhalten von Staaten (congressional consent) aushebeln?16 Die These der Schutz funktion politischer Prozesse hat lange Zeit überwiegende Zustimmung in der Literatur erfahren31 ? und hat auch Eingang in die Rechtsprechung des Supreme Court gefunden. 318 Allerdings wird die Wirksamkeit der beschriebenen Mechanismen in der heutigen Verfassungswirklichkeit vermehrt in Zweifel gezogen. 319 Seit der ersten Veröffentlichung des Aufsatzes von Wechsler haben sich die Grundlagen seiner Untersuchung stark verändert. Richtig bleibt, dass die Interessen der Bürger einzelner Staaten über ihre Volksvertreter im Kongress Gehör fmden; ein wirksamer Schutz gliedstaatlicher Entscheidungsbereiche im politischen Prozess lässt sich jedoch kaum erkennen. Im Gesetzgebungsverfahren auf Bundesebene gibt es keine fönnliche Beteiligung der Gliedstaaten. Die Zusammensetzung des Senats, vor der Einfiihrung des Siebzehnten Verfassungszusatzes im Jahr 1913 eine echte Staatenkammer aus je zwei entsandten Vertretern jedes Staates (vgl. Art. I § 3 S. 1 der Verfassung), wird nun wie beim Repräsentantenhaus durch Direktwahl bestimmt. Die Bundesgesetzgebung hat, gerade im Bereich des Umwe1trechts, keine lediglich ergänzende Funktion mehr. Wechslers Analyse beruhte auf der Annahme, dass lokale Interessen im Kongress stärker repräsentiert seien als nationale Interessen. Ländliche Interessen sind jedoch seit der Durchsetzung des Gleichheitsprinzips (one person, one vote) durch den Supreme COurt320 nicht mehr überrepräsentiert. 321 Der Einfluss von fmanzkräftigen special interest groups auf nationaler Ebene, die sich im Wahlkampf als zentrale Finanzquellen für einen aufwendigen Medienwahlkampf erweisen, ist erheblich gestiegen.322 Dennoch haben Repräsentanten und Senatoren weiterhin schon im Hinblick auf ihre Wiederwahl eine starke Bin316 Ebd., 81. Hierzu näher unten in Teil3. 317 Vg1. Calabresi, Govemment of Limited and Enumerated Powers, 792 Fn. 126 m.w.N. 318 Vgl. Garcia v. SAMTA, 469 U.S. 528 (1985), näher hierzu unten 11. I.c) aa). 319 Vg1. die Arbeiten von D. Bruce La Pierre, The Political Safeguards ofFederalism Redux: Intergovernmental Immunity and the States as Agents of the Nation, 60 Wash. U. L. Q. 779 (1982) und ders., Poltical Accountability in the National Political Process - The Alternative to ludicial Review of Federalism Issues, 80 Nw. U. L. Rev. 577 (1985); Calabresi, Government of Limited and Enurnerated Powers. . 320 Baker v. Carr, 369 U.S. 186 (1962). 321 Vg1. Calabresi, Govemment of Limited and Enurnerated Powers, 792 - obwohl die Staaten nach wie vor selbst die Wahlbezirke festlegen, vg1. Choper, ludicial Review, 177. 322 Calabresi meint, ein Kongressabgeordneter vertrete heute nicht mehr nur seinen Wahlbezirk, sondern gleichermaßen diesen und die rur seinen Wahlkampf (zur Wiederwahl) unabdingbare special interest group. Calabresi, Government of Limited and Enumerated Powers, 794 f.
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dung an ihren Wahlkreis und auch der Präsident ist im Wahlkampf auf lokale Unterstützung angewiesen. 323 Daraus lässt sich jedoch kein Argument fiir einen hinreichenden Schutz gliedstaatlicher Betätigungsfelder herleiten. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass Kongressabgeordnete dazu neigen, Gelder selbst zu verteilen, anstatt dies den gliedstaatlichen Parlamenten zu überlassen. 324 Entscheidungsträger in den Staaten bzw. deren Interessenorganisationen325 mögen zwar eine in der Sache erfolgreiche Lobbyarbeit im Kongress und bei der Bundesverwaltung durchftihren,326 dies wird jedoch vielfach zu Programmen des Bundes, nicht aber zu einem Rückzug des Bundes zu Gunsten der Staaten führen, da sich Entscheidungsträger der Gliedstaaten der Sache, häufig aber nicht den Werten des Föderalismus werden verpflichtet fühlen (was im übrigen auch fiir Kongressabgeordnete gilt, die sich der "fdderalen" Tragweite ihrer Entscheidungen häufig gar nicht bewusst sein werden).327 Nur zu gerne überlassen örtliche Entscheidungsträger zudem unbequeme oder unpopuläre Regelungsgegenstände dem Bund, um ihre Wiederwahl nicht zu gefahrden. 328 4. Zwischenergebnis
Festzuhalten ist, dass die Suprematie des Bundesrechts ein Recht der Gliedstaaten, Bundesrecht fiir nichtig zu erklären (nullification), ausschließt. Den Choper, Judicial Review, 178 und 179 f. Calabresi, Government ofLimited and Enumerated Powers, 795 f. 32S Diese sog. Intergovernmental Lobby besteht aus ca. 60 Organisationen, die gliedstaatliche und lokale Interessen vertreten, darunter die "Großen Sieben" Council of State Gövernments, International City Management Association, National Association of Counties, National Conference of State Legislatures, National Governors' Association, National League of Cities und die U.S. Conference of Mayors); Elizabeth Garrett, Enhancing the Political Safeguards ofFederalism? The Unfunded Mandates Reform Act of 1995, 45 U. Kan. L. Rev. 1113, 1121 m.w.N. (1997). 326 Choper, Judicial Review, 180 f. 327 Vgl. Garrett 1127 ff. Die Autorin äußert darüber hinaus grundsätzliche Zweifel an der Eignung starker Lobbies zur Erreichung "optimaler" Aufgabenverteilungen zwischen Bund und Gliedstaaten ohne Ansehen des jeweiligen Sachbereichs: ,,[I]f the optimal allocation of power in a federal system depends on the substance of the particular decisions that are allocated to each level of government, rather than a division of decision-making authority that allocates to each level some number of important decisions, then federalism may not be served by adopting procedures to augment the influence ofthe intergovemmental associations generally, rather than with respect to specific decisions." Ebd., 1130. Außerdem macht die Vielzahl der fiir die Staaten relevanten Gesetzgebungsvorhaben des Bundes und die innere Uneinigkeit in den Organisationen gliedstaatlicher Interessenvertretung auch mehr als punktuelle Erfolge unwahrscheinlich (ebd., 1127. Garrett vergleicht mit privaten pressure groups, die nicht weniger Mittel zur Verfiigung haben, sich dafiir aber auf weniger Themen konzentrieren können.). 328 Calabresi, Government ofLimited and Enumerated Powers, 796 f. 323
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Gliedstaaten steht jedoch der Weg zu den Bundesgerichten offen. Die Mechanismen politischer Entscheidungsfmdung im Bund mögen zwar mitunter eine Zurückhaltung der dritten Gewalt rechtfertigen,329 nicht aber ein völliges Absehen von gerichtlicher Kontrolle, da die Staaten jedenfalls nach den heutigen politischen Strukturen im Bund ihre Interessen im Zweifel nicht hinreichend zur Geltung bringen können.
11. Die Konzepte von Rechtsprechung und Lehre für die Grenzen der Ausübung von Bundeskompetenzen Ausdrückliche Beschränkungen der Kompetenzausübung des Bundes finden sich im Verfassungstext nur an vereinzelten Stellen: - Die sog. Vesting Clause in Art. II § 1 S. 1 der Verfassung weist die Exekutivgewalt des Bundes dem Präsidenten der Vereinigten Staaten zu. - Art. I § 9 der Verfassung gestattet dem Bund die Erhebung direkter Steuern nur proportional zu den Bevölkerungszahlen (modifIziert hinsichtlich Einkonunenssteuern im Sechzehnten Verfassungszusatz). - Nach der sog. Guarantee Clause in Art. IV § 4 der Verfassung haben die Vereinigten Staaten eine republikanische Regierungsform in jedem Gliedstaat zu gewährleisten. - Der Zweite Verfassungszusatz erhält den Staaten durch die Gewährleistung des Waffentragens die Kontrolle über eigene Truppen. - Der Zehnte Verfassungszusatz bestimmt, dass nicht dem Bund übertragene Kompetenzen den Staaten bzw. dem Volk der Vereinigten Staaten zustehen. - Der Elfte Verfassungszusatz untersagt die Ausdehnung der Rechtsprechung der Bundesgerichte auf Klagen von Bürgern anderer Staaten gegen einen Gliedstaat.
329 Vgl. z.B. die Minderansicht von Iustice White in New York v. United States, 505 U.S. 144, 188 fI. (1990), der darauf verweist, dass die vom Bund im Low-Level Radioactive Waste Policy Act erlassenen Bestimmungen in wesentlichen Teilen Ergebnis von Verhandlungen zwischen den Gliedstaaten gewesen seien, die lediglich vom Bund in geltendes Recht umgesetzt worden seien.
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1. Der Zehnte Verfassungszusatz und verfassungsimmanente Beschränkungen der Bundesgesetzgebung
Die lange Zeit unumstrittene Interpretation des Zehnten Verfassungszusatzes, die bereits in frühen Entscheidungen des Supreme Court ihren Niederschlag fand, ist erst wieder seit der Entscheidung des Supreme Court in National League of eities v. Usery im Jahr 1976330 in Bewegung geraten und hat seither mehrfach eine völlig neue Richtung eingenommen.
a) Die klassischen Interpretationsansätze: Absoluter Vorrang des Bundesrechts oder dual federalism Im systematischen Zusammenhang der Verfassung erweist sich der Wortlaut des Zehnten Verfassungszusatzes als tautologisch. Er bestimmt: "The powers not delegated to the Uni ted States by the Constitution, nor prohibited by it to the States, are reserved to the States respeetively, or to the people."
Derselbe Inhalt ergibt sich bereits aus dem Enumerationsprinzip, als spiegelbildliche Fassung der inneren Grenzen der Kompetenzen. Als Teil der sog. Reservation Amendments (des Neunten bis Elften Verfassungszusatzes) wirkt der Zehnte Verfassungszusatz so präzisierend und als Verstärkung des Enumerationsprinzips gegen kompetenzausbrechende Akte des Bundes. 331 Als Begrenzung hätte die Norm damit eigentlich keine eigenständige Bedeutung. Seit Gibbons v. Ogden332 galt der Grundsatz, dass nach der Supremacy Clause auch eine gliedstaatliche Regelung in einem bislang gliedstaatlich geregelten Bereich gegenüber einem Bundesgesetz im Rahmen einer Bundeskompetenz zurückzutreten habe: 333 ,,[T]he power over eommeree ( ... ) is vested in Congress as absolutely as it would be in a single government, having in its eonstitution the same restrietions on the exereise of the power as are found in the eonstitution of the Uni ted States. The wisdom and the discretion of Congress, their identity with the people, and the influence
National League ofCities v. Usery, 426 U.S. 833 (1976). Vgl. Fischer 421 f. Insofern karm der Zehnte Verfassungszusatz bei allen oben genarmten Bundeskompetenzen "mitgedacht" werden. 332 Gibbons v. Ogden, 22 U.S. (9 Wheat.) 1 (1824). 333 "It is of the very essence of [national) supremacy to remove all obstac\es to its action within its own sphere, and to so modify every power vested in subordinate govemments as to exempt its own operation from ( ...) their influence." Gibbons v. Ogden, 22 U.S. (9 Wheat.) 1,211 (1824). 330
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which their constituents possess at elections, are ( ... ) the sole restraints on which they have relied, to secure them from its abuse.,,334
Eine Genze bildeten - außerhalb von Sonderregelungen - auch nicht die den Gliedstaaten verbliebenen Souveränitätselemente, da diese vielmehr einseitig mit der Ausübung der Bundeskompetenzen begrenzt würden.335 Der Supreme Court - ähnlich wie später Wechsler - sah die Gliedstaaten hinreichend durch einen ausgewogenen politischen Entscheidungsprozess im Kongress vor nicht hinnehmbaren Einbrüchen in ihre verbliebene Souveränität geschützt. ,,[E]ffective restraints on ( ... ) excercise [ofthe commerce power] must proceed from political rather than fromjudicial processes.'.336
Auch hinsichtlich der gesetzgeberischen Mittel las das Gericht keinerlei Begrenzung aus der Norm heraus. 337 Schließlich bedeutete die nach heutigen Maßstäben geringe Masse des Bundesrechts de facto keine ernstzunehmende Bedrohung traditionell gliedstaatlicher Bereiche. Seit der Ära von Chief Justice Taney (1836-1864) bis zur Wende in der New Deal-Rechtsprechung stand dieser Auffassung vom absoluten Vorrang des Bundesrechts allerdings die gegenläufige Konzeption des sog. dual federalism entgegen, wonach Bund und Staaten in ihren jeweiligen Bereichen souverän sind und als staatliche Einheiten nebeneinander stehen. Die den Gliedstaaten im Zehnten Verfassungszusatz vorbehaltenen Kompetenzen (die sog. police power) schränken danach den Bund in seiner Gesetzgebung ein: "The grant of authority over a purely federal matter was not intended to destroy the local power always existing and carefully reserved to the States in the Tenth Amendment. ,,338 334 Gibbons v. Ogden, 22 U.S. (9 Wheat.) 1, 197 (1824). 335 "The sovereign power of the states is necessarily diminished to the extent of the grants of power to the federal government in the Constitution. (... ) [W]e look to the activities in which the states have traditionally engaged as marking the boundary of the restriction upon the federal taxing power. But there is no such limitation upon the plenary power to regulate commerce. The state can no more deny the power if its exercise has been authorized by Congress than can an indvidual." United States v. California, 297 U.S. 175, 184 f. (1936). Hier wies der Supreme Court die Ansicht des Staates Kalifomien zurück, die Souveränität des Staates begrenze die Anwendbarkeit des Federal Safety Appliance Act auf die von dem Staat selbst betriebene Eisenbahn, und lehten eine Immunität der Staaten hinsichtlich einer Besteuerung durch den Bund fiir diesen Fall ab. 336 Wickard v. Filbum, 317 U.S. 111 , 120 (1942). m "From the beginning and for many years the arnendment has been construed as not depriving the national government of authority to resort to all means for the exercise of granted power which are appropriate and plainly adapted to the permitted end." United States v. Darby, 312 U.S. 100, 124 (1941). 338 Hammer v. Dagenhart, 247 U.S. 251, 274 (1918).
9"
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Mit der Entscheidung United States v. Darby, in der der Supreme Court 1941 Hammer v. Dagenhart verwarf und dem Zehnten Verfassungszusatz eine nur deklaratorische Bedeutung zuwies, galt die Diskussion um die Bedeutung des Zehnten Verfassungszusatzes als gegen die Konzeption des dual federalism entschieden. 339 In Ausnahmefallen, in denen das Gericht die Souveränität der Gliedstaaten als Begründung für die Verfassungswidrigkeit eines Bundesgesetzes heranzog, ging es allerdings nicht um allgemeine Gesetze, sondern um den Einbruch in zentrale Aspekt der Staatlichkeit wie das Fortbestehen eines Staates/ 40 die Bestimmung der Hauptstadt eines Gliedstaates 341 oder die Besteuerung der Gliedstaaten durch den Bund. 342
b) Schutz traditionell gliedstaatlich geregelter Bereiche und hoheitlicher Tätigkeiten : National League ofCities v. Usery
Der Supreme Court entschied 1976 in National League ofCities v. Usery343 mit knapper Mehrheit, dass der Zehnte Verfassungszusatz den Bund daran hindere, das Verhalten der Gliedstaaten "als Staaten", zu regeln, wenn diese in
339 "The amendment states but a truism that all is retained which has not been surrendered. There is nothing in the history of its adoption to suggest that it was more than declaratory of the relationship between the national and state govemments as it had been established by the Constitution before the amendment or that its purpose was other than to allay fears that the new national government might seek to exercise powers not granted, and that the states might not be able to exercise fuUy their reserved powers." United States v. Darby, 312 U.S. 100, 124 (1941); vgl. auch Koog v. United States, 79 F.3d 452, 455 (5th Cir. 1996): ,,Although the arguments of the parties are couched in Tenth Amendment terms, the Tenth Amendment does not independently provide a substantive limitation on the powers of the United States. Instead, the Tenth Amendment simp\y makes plain that the federal govemment possesses only the powers that have been given to it by the Constitution - and no more"; Mack v. Uni ted States, 66 F.3d 1025,1029 (9th Cir. 1995); Pritchett 51. 340 Vgl. Maryland v. Wirtz, 392 U.S. 183, 196 (1968): "The Court has ample power to prevent (00') ,the utter destruction ofthe State as a sovereign political entity. '" 341 Coyle v. Smith, 221 U.S. 559 (1911): Verfassungswidrigkeit eines Bundesgesetzes, das die Hauptstadt eines neu aufgenommenen Gliedstaates festlegte, als "undue interference with state sovereignty". 342 New York v. United States, 326 U.S. 572,587 (1946): ,,[A] federal tax which is not discriminatory as to the subject matter may neverthe1ess so affect the State, merely because it is aState that is being taxed, as to interfere unduly with the State's performance of its sovereign functions of government. (00') The counterpart of such undue interference has been recognized since MarshaU's days as the implied immunity of each of the dual sovereignties of our constitutional system from taxation by the other." 343 National League of Cities v. Usery, 426 U.S. 833 (1976).
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Bereichen traditionell gliedstaatlicher Aufgaben tätig seien.344 Der Zehnte Verfassungszusatz ist danach im Gegensatz zu Darby mehr als eine Tautologie dessen, was bereits die Kompetenzvorschriften der Verfassung enthalten: "Congressional enactments which rnay be fully within the grant of legislative authority contained in the Commerce Clause may nonetheless be invalid".345
Die Norm bietet vielmehr verfassungskräftigen Schutz der Souveränität der Gliedstaaten: ,,[T)here are attributes of sovereignty attaching to every state government which may not be impaired by Congress".346
Zu den geschützten Elementen gliedstaatlicher Souveränität gehört unter anderem die Gestaltung staatlicher Aufgabenwahrnehmung in traditionell gliedstaatlichen Bereichen. Als typische Zuständigkeitsbereiche gliedstaatlicher und lokaler Staatsorgane nennt das Gericht neben den streitgegenständlichen Arbeitsverhältnisse von Staatsangestellten beispielhaft "fue prevention, police protection, sanitation, and public health".347 Die Voraussetzungen rur eine Immunität der Staaten fasste der Supreme Court in Hodel v. Virginia Surface Mining Association in dem dreigliedrigen traditional govemrnental functions test zusammen. Danach wird ein Bundesgesetz dann vom Zehnten Verfassungszusatzes gesperrt, wenn es erstens Staaten "als Staaten" regelt, also im hoheitlichen Bereich, zweitens Gegenstände regelt, die unstreitig Attribute gliedstaatlicher Souveränität sind, und drittens die Befolgung der Regelung durch den Staat die Fähigkeit des Staates einschränkt, 344 Ebd., 852. In der Entscheidung ging es um die Anwendung der Mindestlohn- und Überstundenregelungen des Fair Labor Standards Act (FLSA) des Bundes auf staatliche und kommunale Angestellte. 345 Ebd., 841. 346 Ebd., 845. Um das Urteil mit der bisherigen Rechtsprechung in Einklang zu bringen, nimmt das Gericht auch die Eigenschaft des Zehnten Verfassungszusatzes als Entsprechung der positiven Kompetenzzuweisungen in umgekehrter Weise auf. Was der Zehnten Verfassungszusatz den Gliedstaaten als Element ihrer Souveränität vorbehält, kann nicht von einer Bundeskompetenz erfasst sein: ,,[I]nsofar as the challenged amendments operate to directly displace the States' freedom to structure integral operations in areas of traditional governrnent functions, they are not within the authority granted Congress by Art. I, § 8, cl. 3." Der verfassungsrechtliche Ort des Schutzes der gliedstaatlichen Souveränität bleibt aber der Zehnte Verfassungszusatz. 347 Ebd., 851. In einem ausführlichen Minderheitsvotum gegen die von der Mehrheit aufgestellte Schranke für den Bundesgesetzgeber beruft sich Justice Brennan (für sich und Justices White und Marshall) unter anderem auf die Arbeiten von Wechsler (Abweichende Ansicht von Justice Brennan, ebd., 877). Er merkt außerdem an, dass das Gericht hier von seiner bisherigen Rechtsprechung abweicht und sich für die Unterscheidung zwischen "einfacher Regelung" und ,,Regelung von Staaten als Staaten" nicht auf frühere Entscheidungen berufen kann (ebd., 861).
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wichtige Vorgänge in Bereichen traditioneller Staatsaufgaben zu gestalten. Die Regelung des Bundes kann allerdings ausnahmsweise durch wichtige Interessen gerechtfertigt sein. 348 An Hodel wird allerdings deutlich, dass der Bereich traditioneller Staats funktionen eng zu verstehen ist, begrenzt auf Gegenstände, die in notwendiger Verbindung zu den Aufgaben des Staates als Souverän stehen. 349
National League 01 eities ist ein früher Anhaltspunkt für eine Neubesinnung des Gerichts auf die Notwendigkeit, dem Bundesgesetzgeber Grenzen zu setzen. 350 Die Abgrenzung nach typisch gliedstaatlichen Aufgabenbereichen mit der möglichen Folge eines "regulatorischen Vakuums" in den dem Bund verschlossenen Sachbereichen351 war jedoch zu wenig fassbar und zu unpraktikabel, um von Dauer sein zu können.352 c) Schutz durch den politischen Entscheidungsprozess: Garcia v. SAMTA und Gregory v. Ashcroft In Garcia v. San Antonio Metropolitan Transit Authority (SAMTA/ s3 erklärte der Supreme Court unter ausdrücklicher Abkehr von National League 01 Hodel v. Virginia Surface Mining Association, 452 U.S. 264, 287 f. (1981). Vgl. Bermann 418. 350 Vgl. auch Donald M. Kommers, Stichwort Supremacy, in: Leonard W Levy/Kenneth L. Karst/Dennis J Mahoney (Hrsg.), Encyc10pedia of the American Constitution, New York 1990, 1810, 1811 f.: "The ghost of dual federalism lurks in Usery." 351 Vgl. Robert H. FreilichiDavid G. Richardson, Retuming to a General Theory of Federalism: Framing a New Tenth Amendment United States Supreme Court Case, 26 Urb. Law. 215,217 f. (1994). 352 So die überwiegende Meinung in der Rechtslehre, vgl. Adler, Green Aspects, 584 m.w.N., sowie Justice Blaclcmun (der National League 0/ Cities mit abweichender Begründung mitgetragen hatte) für das Gericht in der sogleich zu besprechenden Entscheidung Garcia v. SAMTA, 469 U.S. 528, 546 (1985). Weder in Hodel noch in einer anderen Entscheidung nach National League 0/ Cities wurde ein Bundesgesetz deshalb fi1r verfassungswidrig erklärt, vgl. neben Hodel United Transport Union v. Long Island R.R., 455 U.S. 678 (1982) - Kollektivarbeitsrecht des Railway Labor Act auf staatseigene Eisenbahnlinie anwendbar; Federal Energy Regulatory Commission v. Mississippi, 456 U.S. 742 (1982) - Public Utility Regulatory Polices Act, der Staaten Richtlinien für ihre Politiken vorgab und staatliche Behörden zur Durchsetzung bundesrechtlicher Standards verpflichtete, verfassungsgemäß; EEOC v. Wyoming, 460 U.S. 226 (1983)Age Discrimination in Empolyment Act auf Staatsangestellte der Gliedstaaten anwendbar. 353 Garcia v. SAMTA, 469 U.S. 528 (1985). Hier hatte das Gericht darüber zu entscheiden, ob eine staatliche Einrichtung, hier ein städtischer Verkehrsbetrieb (metropolitan transit authority), an die Mindestlohn- und Überstundenbestimmungen des Fair Labor Standards Act (FLSA) gebunden sei, und bejahte dies. 348
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eities eine Grenzziehung anband der traditional governmental functions für praktisch nicht durchfiihrbar und willkürlich: ,,[The] most obvious defect of a historical approach to state immunity is that it prevents a court from accomodating changes that have resulted in a number of onceprivate functions Iike education being assumed by the States and their subdivisions. At the same time, the onIy apparent virtue of a rigorous historical standard, nameIy, its promise of a reasonably objective measure for state immunity, is illusory. Reliance on history as an organizing principle results in linedrawing ofthe most arbitrary sort; the genesis of state govemmental functions stretches over a historical continuum from before the Revolution to the present, and courts would have to decide by fiat precisely how longstanding a pattern of state involvement had to be for federal regulatory authority to be defeated.,,354
Eine Stützung auf traditionelle/wesentliche gliedstaatliche Funktionen fiihre letztlich zur Verlagerung von Entscheidungen auf die nicht unmittelbar durch Wahl legitimierten Gerichte. 355 Das Gericht belegt die Wirksamkeit des politischen Entscheidungsprozesses im Bund als Schutzmechanismus für die Staaten mit Beispielen,356 erkennt allerdings auch an, dass den Gliedstaaten "ein deutliches Maß an Souveränität" vorbehalten sei. Es gebe unzweifelhaft verfassungsrechtliche Grenzen für das Eindringen des Bundes in gliedstaatliche Funktionsbereiche. Der Schutz der Staaten sei jedoch im Regelfall in der Struktur der Staatsorgane des Bundes zu finden. 3S7 Die Grenzen der Regelungsmacht des Kongresses in traditionell gliedstaatlichen Funktionsbereichen lägen in den politischen Entscheidungsfindungsprozessen im Kongress selbst. 358 lustiziable materielle Grenzen lehnt das Gericht damit nicht grundsätzlich ab, begrenzt diese jedoch auf Fälle, in denen politische Schutzmechanismen nicht funktionstüchtig sind:
Garcia v. SAMTA, 469 U.S. 528, 543 f. (1985). Ebd., 546 (1985). 356 So sei es den Gliedstaaten gelungen, einen großen Teil des Bundeshaushalts als Zuschüsse in ihre Kassen zu lenken. Außerdem hätten die Staaten von einer Vielzahl von Verpflichtungen in Bundesgesetzen Ausnahmen fiir sich erreicht. Garcia v. SAMTA, 469 U.S. 528, 552 f. (1985). 357 Ebd., 550 und ff. (1985). 358 "State sovereign interests, then, are more properly protected by procedural safeguards inherent in the structure of the federal system than by judicially created limitations on federal power." Garcia v. SAMTA, 469 U.S. 528, 552 (1985). ,,[T]he principal and basic limit on the federal commerce power is that inherent in all congressional action - the built-in restraints that our system provides through state participation in federal govemmental action." Ebd., 556. 354 355
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"Any substantive restraint on the exercise ofthe Commerce Clause powers must find its justification in the procedural nature of this basic limitation, and it must be tailored to compensate for possible failings in the national political process rather than to dictate a ,sacred province of state autonomy.' ( ... ) These cases do not require us to identify or defme what affirmative limits the constitutional structure might impose on federal action affecting the States under the Comrnerce Clause.,,359
Nach South Carolina v. Baker360 widerspricht eine Regelung gliedstaatlicher Aufgabenerrullung durch den Bund nur dann dem Zehnten Verfassungszusatz, wenn ein Gliedstaat "außerordentliche Defekte" im politischen Entscheidungsprozess auf Bundesebene nachweist, z.B. wenn der Staat jeglicher Rechte zur Teilnahme an diesem Entscheidungsprozess beraubt ist oder durch die Regelung "politisch von den anderen Staaten isoliert und ohnmächtig wird".361 Eine starke Minderheit im Supreme Court sah Garcia als ungerechtfertigten Rückzug des Gerichts von seiner Kontrollfunktion. Die Konzeption des Föderalismus, in dem die Staaten ein Gegengewicht zum Bund bilden, werde durch den Einbruch des Bundes in traditionell gliedstaatliche Sachbereiche empfindlich gestört, da die Loyalität der Bürger zu ihrem Gliedstaat, auf die dieser für seine Rolle als Gegengewicht angewiesen sei, auf der Wahrnehrnung besonderer Aufgaben durch den Gliedstaat beruhe. Im Vergleich zur bürokratischen Struktur des Bundes eröffneten gliedstaatliche und lokale Strukturen mehr Möglichkeiten zur Beteiligung der Bürger, außerdem seien die traditionell gliedstaatlichen Aufgaben, die das tägliche Leben der Bürger beträfen, von gliedstaatlichen Instanzen besser zu bewältigen. 362 Durch den weiten Anwendungsbereich der Commerce Clause als Folge der Ausweitung des zwischenstaatlichen Handels und der Veränderungen in der Arbeitsweise des Kongresses, so Justice O'Connor, sei das Prinzip der Bändigung staatlicher Macht durch horizontale Gewaltenteilung gefährdet, so dass es materieller Grenzen
Ebd., 554 bzw. 556 (1985). South Carolina v. Baker, 485 U.S 505, 512 (1988): "States must find their protection from congressional regulation through the national political process, not through judicially defined spheres of unregulable state activity." Baker bestätigt auch die "Hintertür" in Garcia, ohne deren Inhalt näher zu bestimmen. Ebd., 512. 361 South Carolina v. Baker, 485 U.S. 505, 512 f. (1988). 362 Abweichende Meinung von Justice Powell, dem sich Chief Justice Burger sowie Justices Rehnquist und 0 'Connor anschließen, Garcia v. SAMTA, 469 U.S. 528, 568 ff. (1985) Ebd., 577: ,,My point is simply that members of the immense federal bureaucracy are not elected, know less about the services traditionally rendered by States and localities, and are inevitab1y less responsive to recipients of such services, than are state legislatures, city councils, boards of supervisors, and state and local commissions, boards, and agencies. lt is at these state and and locallevels - not in Washington as the Court so mistaken1y thinks - that ,democratic se1f-govemment' is best exemplified." 359
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wie nach National League of eities bedürfe, die die Autonomie der Gliedstaaten als selbständigen Faktor berücksichtigten. 363 Im Ergebnis kann die Ersetzung materieller durch strukturelle Grenzen der Gesetzgebung in Garcia als Entscheidung des Supreme Court für einen sog. political federalism anstelle des in National League of Cities gepflegten sog. judicial federalism aufgefasst werden. 364 Die Abkehr von National League of Cities erscheint dabei gerechtfertigt, die Begründung hierfür allerdings unzureichend. 365 Die vertikale Gewaltengliederung dient nicht dem Schutz der Gliedstaaten als Endzweck, sie ist vielmehr mittelbar ein Garant individueller Freiheit. Dies gilt auch für den Zehnten Verfassungszusatz, der zum Grundrechtskatalog der ersten Verfassungsänderung von 1791 zählt. Einen endgültigen Rückzug aus der Rechtsprechung über verfassungsimmanente Grenzen der Bundesgesetzgebung hat der Supreme Court in Garcia allerdings vermieden. Mit dem Offenhalten der "Hintertür" eines gerichtlichen Eingreifens beim Versagen politischer Schranken bekennt sich das Gericht zur grundsätzlichen lustiziabilität des Bund-Staaten-Verhältnisses und hält lediglich derzeit ein Eingreifen nicht für erforderlich. Nach Gregory v. Ashcrojt366 wirkt bei Bundesgesetzen, die sich nach ihrem Wortlaut auf die Besetzung wichtiger Staatsämter in den Gliedstaaten beziehen,367 eine Vermutung gegen die Erstreckung in solche Funktionsbereiche, die nur durch eine eindeutige und ausdrückliche Aussage im Gesetz überwindbar ist (plain oder clear statement rule). Dies sei eine notwendige Ergänzung zu Garcia: "Inasmuch as this Court in Garcia has left primarily to the political process the protection of the States against intrusive exercises of the Congress' Commerce Clause
363 Abweichende Meinung von Justice 0 'Connor, der sich Justices Powell und Rehnquist anschließen, Garcia v. SAMTA, 469 U.S. 528, 561 ff. (1985). Ähnlich in der Rechtslehre, vgl. z.B. Calabresi, Govemment of Limited and Enumerated Powers, 790 ff. m.w.N. 364 FreilichiRichardson 218 f. ,,[T]he Court made the Tenth Arnendment a political doctrine, in lieu of ajudicial doctrine." Ebd., 219. J6S Aus den gegenwärtigen rechtlichen und politischen Strukturen von Legislative und Exekutive im Bund ein generell fehlendes Bedürfnis nach gerichtlicher Kontrolle herzuleiten, käme dem Argument nahe, alle Kongressabgeordneten seien Individuen, der Schutz der Individualrechte sei daher durch den Kongress hinreichend gewährleistet, vgl. die abweichende Meinung von Justice Powell in Garcia v. SAMTA, 469 U.S. 528,565 Fn. 8 (1985). 366 Gregory v. Ashcroft, 501 U.S. 452 (1991). 367 Ebd., 463: ,,[D]etermin[ation of] the qualifications of their most important govemrnent officials."
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powers, we must be absolutely certain that the Congress intended such an exercise.,,368
Entscheidungen des Kongresses für Eingriffe in gliedstaatliche Regelungsfelder müssen so bewusst und transparent getroffen werden, zweideutige Regelungen sind unwirksam. Dies stärkt die Schutzmechanismen des politischen Entscheidungsprozesses und kann so weit gehen, dass der Gesetzgeber vor "harten" Entscheidungen im föderalen Gefüge ausweicht. 369 Es ist jedoch bisher nicht untersucht, wie wirksam solche c1ear statement mIes sind. d) Trennung der politischen Verantwortung der beiden föderalen Ebenen
aa) Wiederbelebung des judicial federalism: New York v. United States Garcia wurde nie aufgegeben, in New York v. United States 370 identiftzierte der Supreme Court jedoch einen Bereich, in dem eine gerichtliche Kontrolle erforderlich sei. Gegenstand der Entscheidung war eine Novelle zum LowLevel Radioactive Waste Policy Act des Bundes. Diese setzte im Wesentlichen lediglich die Ergebnisse von Verhandlungen zwischen den Gliedstaaten um die Entsorgung schwach radioaktive Abfälle um. Hinzugefügt hatte der Bund die sog. take title-(Inbesitznahme-) Vorschrift, die die Gliedstaaten vor die Alternative stellte, entweder Regelungen zur Sicherstellung der Entsorgung ihrer radioaktiven Abfalle nach Vorgaben des Bundes zu erlassen (einzeln oder zusammen mit anderen Staaten) oder die innerstaatlich produzierten radioaktiven Abfalle in staatlichen Eigenbesitz zu übernehmen.
Diese take tide-Vorschrift erklärte das Gericht für verfassungswidrig, da der Kongress die Staaten nicht anweisen oder zwingen könne, bestimmte Gesetze zu erlassen. Dies gelte auch dort, wo eine Sachkompetenz des Bundes besteht und der Bund einen Sachverhalt daher einer unmittelbaren Regelung unterziehen könnte. 371 Jede der beiden Ebenen im föderalen System habe in einer für den Bürger transparenten Weise die Verantwortung für ihre eigenen Rechtsakte zu tragen, so dass der Bürger den Urheber der Regelung zur Rechenschaft ziehen könne, insbesondere durch sein Wahlverhalten. Könnte der Bund die 368 Entscheidungsbegründung von Justice O'Connor, Gregory v. Ashcroft, 501 U.S. 452,464 (1991). 369 Vgl. Garrett 1180; Laurence H. Tribe, American Constitutional Law, 2. Aufl. Mineola 1988, 383. 370 New York v. United States, 505 U.S. 144 (1992). 371 Da aber keine der beiden Alternativen (Regelung zur Sicherstellung der Entsorgung oder Inbesitznahme) hätte separat angeordnet werden können, war auch deren alternative Anordnung unzulässig. Ebd., 176.
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gliedstaatliche Legislative zu einem Gesetz zwingen, so wäre der Kongress als eigentlicher Urheber der Regelung vor Kritik geschützt, während die gewählten Volksvertreter in den Staaten nicht im Einklang mit den Ansichten ihrer Wähler agieren könnten, von diesen aber gleichzeitig fiir die im Bundesauftrag erlassenen Gesetze verantwortlich gemacht wwürden. Der Kongress könnte seine politische Verantwortung so abwälzen. 372 Zulässig sei allerdings, dass ein Staat etwas freiwillig nach Vorgaben des Bundes regele, da die die Entscheidung hier bei den Bürgern des Staates selbst liege. 373
bb) Dual sovereignty als direktes Trennprinzip: Printz v. United States In Printz v. United States 374 hatte der Supreme Court darüber zu befmden, ob der Bund ohne Einverständnis der Staaten deren Staatsbedienstete zur Verwaltung von Bundesgesetzen anweisen kann. Der Brady Handgun Violence Prevention Act (Brady Act)375 verpflichtete örtliche Vollzugs organe der Gliedstaaten fiir eine Übergangsphase bis zum Aufbau bundeseigener Verwaltungsstrukturen fiir diese Aufgabe dazu, während einer fünftägigen Wartezeit zwischen Kauf und Aushändigung einer Handfeuerwaffe eine sog. Hintergrunduntersuchung durchzuführen. Auf der Ebene der Courts of Appeal wurden hierzu unterschiedliche Meinungen vertreten. 376 Teilweise wurde New York so interpretiert, dass nur der Zwang zu einer gesetzgeberischen Tätigkeit oder der Gestaltung politischer 372 New York v. United States, 505 U.S. 144, 168 f. (1992). Vorbereitet wurde diese Argumentation durch La Pierre, Political Safeguards Redux, wo der Mechanismus der Kontrolle einerseits von Sachentscheidungen und andererseits des damit verbundenen Verwaltungs- und finanziellem Aufwands durch den wahlberechtigten Bürger nachgezeichnet wird. Funktionieren diese Kontrollmechanismen, so gilt ein Parlamentsbeschluss nach La Pierre als dem Willen der Mehrheit entsprechend, so dass es keines korrigierenden Eingriffs der Rechtsprechung bedarf (ebd., 987). Nach Ansicht des Gerichts gehörte die Freiheit der Gesetzgeber in den Gliedstaaten von zwingenden Vorgaben aus dem Kongress auch nach den Vorstellungen der Verfassungsväter und der bisherigen Verfassungsgeschichte zum Bereich der den Staaten vorbehaltenen Souveränität. Ebd., 162 ff. Das Gericht fuhrt die gliedstaatliche Souveränität als Element der vertikalen Gewaltenteilung bzw. Gewaltenbalancierung auf den Schutz des Individuums zurück. Ebd. m NewYork v. United States, 505 U.S. 144, 168 (1992). 374 Printz v. United States,521 U.S. 898 (1997). 375 Benannt nach dem Pressesprecher des Weißen Hauses, James Brady, der bei dem Anschlag auf Präsident Reagan 1981 schwer verletzt wurde. Mit dem Brady Act sollte der Zugang zu Waffen erschwert werden. 376 Vgl. einerseits Koog v. United States, 79 F.3d 452 (5th Cir. 1996) - Regelung verfassungswidrig, andererseits Mack v. United States, 66 F.3d 1025 (9th Cir. 1995)Regelung verfassungs gemäß. Die Regelung des Verkaufs von Handfeuerwaffen war unstreitig von der Commerce Clause erfasst, vgl. ebd., 1028.
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Programme unzulässig sei. 377 Die Schaffung von Gesetzen und Programmen sei ein zentrales Element (glied-) staatlicher Souveränität. Durch eine Inanspruchnahme von Organen wie im vorliegenden Fall, durch die Bundesgesetze gegenüber dem Bürger (nicht gegenüber dem Staat selbst) durchgeführt werden, sei hingegen weder die politische Verantwortlichkeit der örtlichen Organe noch die des Kongresses gestört. 378 Auch ein von gliedstaatlichen Behörden ausgeführtes Bundesgesetz bleibe als solches ftir die Zuordnung politischer Verantwortung erkennbar. 379 Der Supreme Court lehnte diese Argumentation ab und entwickelte New York dahin weiter, dass das Verbot bundes gesetzlicher Anweisung sowohl gegenüber der Gesetzgebung als auch der Verwaltung der Gliedstaaten gelte. 380 Die Verfassung gehe von einem System dualer Souveränität zwischen Oberstaat und Gliedstaaten aus, das an verschiedenen Stellen Ausdruck finde, so etwa in der Garantie der territorialen Integrität der Gliedstaaten nach Art. IV § 3 und in der Mitwirkung der Gliedstaaten bei der Verfassungsänderung nach Art. V. Die enumerative Zuweisung von Bundeskompetenzen und der Zehnte Verfassungszusatz implizierten eine für den Kongress unverletzbare Sphäre der Staatlichkeit in den Gliedstaaten. 381 Der Zehnte Verfassungszusatz bestätige, dass die Kompetenzausübung des Kongresses Grenzen unterliege, die den Staaten vorbehaltene Bereiche schützten, ohne diese explizit zu benennen. So heißt es bereits in New York:
377 Mack v. United States, 66 F.3d 1025, 1031 (9th Cir. 1995) (verweist aufFERC v. Mississippi, 456 U.S. 742, 761 (1982)): ,,[P]ower to make decisions and to set policy is what gives the State its sovereign nature." 378 Das Gericht setzt die den örtliche Staatsangestellten auferlegten Pflichten gleich mit den ihnen auferlegten Pflichten zur Berichterstattung über Verkehrsunfälle und vermisste Kinder. Ebd., 1029 f. 379 Auf dieser Grundlage gilt Mack auch in der Rechtslehre mit New York vereinbar, vgl. Evan H. Caminker, The Unitary Executive and State Administration of Federal Law, 45 U. Kan. L. Rev. 1075,176 Fn. 6 (1997) (der allerdings New York grundsätzlich ablehnt, ders., State Sovereignty and Subordinacy: May Congress Commandeer State Officers to Implement Federal Law? 95 Colum. L. Rev. 1001, 1004 f. (1995)). 380 Dies lässt sich auch bereits unmittelbar aus New York entnehmen: "The Federal Govemment may not compel the States to enact or administer a federal regulatory prograrn." New York v. United States, 505 U.S. 144, 188 (1992), Hervorhebung hinzugefügt. 38\ Die Entscheidung für das Modell der dualen Souveränität sei, so die Ausführung von Justice O'Connor für das Gericht in New York, in den der Verfassungsgebung von 1787 vorausgehenden Debatten gefallen. Nach dem New Jersey-Plan hätte der Bund die Gliedstaaten anweisen können, ohne aber Gesetze mit unmittelbarer Wirkung für den Bürger zu erlassen. Die Entscheidung für das entgegengesetzte Modell einer Bundesgesetzgebung mit unmittelbarer Wirkung für die Bürger schließe die Möglichkeit zur Anweisung der Gliedstaaten aus. New York v. United States, 505 U.S. 144, 164 f. (1992).
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"States are not mere political subdivisions of the United States. State govemments are neither regional officers nor administrative agencies of the Federal Govemment. (00') The Constitution instead ,leaves to the several States a residuary and inviolable sovereignty' (The Federalist No. 39), reserved explicitly by the Tenth Amendment. Whatever the outer limits ofthat sovereignty rnay be, one thing is clear: The Federal Govemment may not compel the States to enact or administer a federal regulatory pro gram. ,,382
Was im Einzelnen zu den unverletzlichen Elementen gliedstaatlicher Souveränität zählt, fUhrt das Gericht in Printz nicht aus. Die Indienststellung der Verwaltung der Gliedstaaten für die Gesetze des Bundes sei jedenfalls unvereinbar mit dem Prinzip dualer Souveränität. 383 Der Unterschied zwischen New York und Printz liegt im Schwerpunkt der Argumentation. Anders als New York stützt sich Printz nicht auf die Trennung gesetzgeberischer Verantwortung,384 sondern unmittelbar auf das Prinzip dualer Souveränität. Bund und Gliedstaaten sind danach voneinander unabhängige, nebeneinander ihre Aufgaben erfüllende staatliche Einheiten.
cc) Ausnahmen vom Anordnungsverbot (1) Regelungen aufgrund des Vierzehnten VerJassungszusatzes? Pennsylvania Department ofCorrections v. Yeskey und die Rechtsprechung zu den Reconstruction Amendments
Die Reconstruction Amendments, zu denen der Vierzehnte Verfassungszusatz zählt,385 richten sich unmittelbar an die Staaten und begrenzen deren Souveränität, so dass ihrer Anwendung souveränitätsbezogene Argumente nicht entgegengehalten werden können. 386 Der Supreme Court hat diese Sichtweise,
Ebd., 188. Printz v. United States, 117 S.Ct. 2365, 2378 (1997). 384 Dieses Argument erscheint in der Urteilbegrundung von Printz lediglich in einer Fußnote als Antwort auf die abweichende Ansicht. 38S Der Dreizehnte, Vierzehnte und Fünfzehnte Verfassungszusatz, die nach dem Ende des Bürgerkrieges 1865 in die Verfassung aufgenommen wurden, dienten dem Wiederaufbau der Union nach dem Bürgerkrieg. Mit der ausdrücklichen Abschaffung der Sklaverei, der Gewährung gleicher, von den Staaten nicht antastbarer Rechte und einer Rechtsschutzgarantie sowie gleichen Wahlrechts fUr alle Bürger einschließlich der früheren Sklaven dienten sie dem Schutz von Minderheiten und richten sich insofern vor allem an die Staaten. 386 "The prohibitions of the Fourteenth Amendment are directed to the States, and theyare to a degree restrictions of state power. It is these which Congress is empowered to enforce, and to enforce against State action, however put forth, wh ether that action be 382 383
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die Eingriffe des Bundes in die gliedstaatliche Souveränität zum Schutz der Reconstruction Amendments gestattet, bis in die unmittelbare Gegenwart bestätigt, auch gegenüber vom Zehnten oder Elften Verfassungszusatz geschützten Aspekten gliedstaatlicher Souveränität. 387 Schließlich hat das Gericht die Geltendmachung der Reconstruction Amendments gegenüber den Staaten durch Einfiihrung einer Verhältnismäßigkeitsprüfung fiir Bundesgesetze nach dem Vierzehnten Verfassungszusatz eingegrenzt und handhabbar gemacht. 388 Eine Ausnahme vom Zehnten Verfassungszusatz in diesem Bereich liegt daher nahe. 389 In Pennsylvania Department of Corrections v. Yeskey wies der Supreme Court 1998 eine auf Printz gestützte Klage gegen die Anwendung des Americans with Disabilities Act auf gliedstaatliehe Gefängnisse ab. Das Gericht konnte eine Entscheidung in der Sache vermeiden,390 deutete aber in einem obiter dictum an, dass der Zehnte Verfassungszusatz fiir Gesetze nach Art. I der Verfassung gelten, nicht aber fiir Gesetze nach § 5 des Vierzehnten Verfassungszusatzes. 391
executive, legislative, or judicial. Such enforcement is no invasion of State sovereignty." Ex Parte Virginia, 100 U.S. 339, 346 (1879). 387 City ofRome v. United States, 446 U.S. 156 (1980): Anwendbarkeit des (auf der Basis des Fünfzehnten Verfassungszusatzes erlassenen) Voting Rights Act des Bundes auf Kommunalwahlen, obwohl die Stadt den Charakter des Wahlrechts als "zentralen gliedstaatlichen Regelungsbereich" (unter der damals gültigen National League 01 eWes-Doktrin) geltend gemacht hatte. Fitzpatrick v. Bitzer, 427 U.S. 445 (1976): Keine gliedstaatliche Immunität gemäß Elftem Verfassungszusatz gegen Bürgerklagen nach Bundesgesetzen zur Durchsetzung des Vierzehnten Verfassungszusatzes. Bestätigt in Seminole Tribe v. Florida, 517 U.S. 44, 59 und 65 (1996) und Idaho v. Coeur d'Alene Tribe ofIdaho, 117 S.Ct. 2028,2039 (1997). 388 City ofBoeme v. Flores, 117 S.o. 2157, 2169 (1997): Prüfung von Geeignetheit und Angemessenheit der Regelung. V gl. allerdings die Kritik an der geringen Trennschärfe einer solchen Verhältnismäßigkeitsprüfung bei Matthew D. Adler/Seth F. Kreimer, The New Etiquette of Federalism: New York, Printz, and Yeskey, The Supreme Court Review 1998, 71, 132 f. 389 Gleiches muss für Gesetze zur Durchsetzung der anderen Reconstruction Amendments gelten. Diese Ausnahmen werden selbst von im Lager der schärfsten Verfechter regulatorischer "Schutzzonen" tUr die Gliedstaaten angenommen, vgl. z.B. Donald J. Toumey, Taking Federalism Seriously: Limiting State Acceptance ofNational Grants, 90 Yale L. J. 1694, 1710 und 1714 (1981). 390 Mit dem formalen Argument, dass der Einwand aus Printz in den Vorinstanzen nicht geltend gemacht worden war. Pennsylvania Department ofCorrections v. Yeskey, 118 S.Ct. 1952, 1954 (1998). 391 Der Vierzehnte Verfassungszusatz sichert allen Bürgem der Vereinigten Staaten gleiche Rechte und Rechtsschutz gegen den Staat. § 5 enthält eine Ermächtigung tUr den Kongress zu Umsetzungsmaßnahmen: "The Congress shall have power to enforce, by appropriate legislation, the provisions of this article."
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(2) Anweisungen in allgemeinen Gesetzen? Obiter dicta seit Garcia
Ausgenommen vom Anweisungsverbot sind nach Gesetzgebungspraxis und herrschender Meinung allgemeine Gesetze, die gleichermaßen auf Private und staatliche Funktionsträger anwendbar sind. 392 Nach neueren obiter dicta ist der Fortbestand dieser Ausnahme ungewiss. New York grenzte die Fallkonstellation einer Anordnung an die Gliedstaaten unter Hinweis auf Garcia 393 von allgemeinen Gesetzen ab. Dies wird überwiegend so ausgelegt, dass das Gericht allgemeine Gesetze als Ausnahme vom Verbot von Anweisungen des Bundes an die Staaten fur zulässig hielt. 394 Eine Begründung hierfur findet sich in dem fiir New York einflussreichen Aufsatz von La Pierre, der die gleichzeitige Belastung von Bürgern und Gliedstaaten durch ein allgemeines Gesetz als hinreichende Sicherung ansieht, da so eine hinreichende Kontrolle des Gesetzgebers durch das Volk gewährleistet sei. 395
Vgl. Pennsylvania Department of Corrections v. Yeskey, 118 S.Ct. 1952, 1956 (1998): "We do not address another issue presented by petitioners: whether application ofthe ADA to state prisons is a constitutional exercise ofCongress' power under either the Commerce Clause, compare Printz v. United States with Garcia v. San Antonio Metropolitan Transit Authority, or § 5 of the Fourteenth Amendment, see City o[ Boerne v. Flores." Die Verweisung auf § 5 des Vierzehnten Verfassungszusatzes als mögliche Kompetenzgrundlage, alternativ zur Commerce Clause, kann als ein solcher Hinweis verstanden werden. Vgl. AdleriKreimer 123. 392 Zur Literaturansicht z.B. Caminker, Limits of Forrnalism, 244; Adler/Kreimer 110; Vicki C. Jackson, Federalism and the Uses and Limits of Law: Printz and Principie? 111 Harv. L. Rev. 2180, 2207 (1998). 393 Garcia hatte den von National League o[ Cities rur allgemeine, auch an die Staaten gerichtete Gesetze etablierten Ansatz einer Abwägung zwischen Funktionstüchtigkeit der Gliedstaaten und Bundesinteressen (der also auch Gesetze erfasste, die Anweisungen zum Inhalt haben) aufgehoben. 394 Vgl. New York v. United States, 505 U.S. 144, 177 f. (1992): "In determining whether the Tenth Amendment limits the ability of Congress to subject state govemments to generally applicable laws, the Court has in some cases stated that it will evaluate the strength of federal interests in light of the degree to which such laws would prevent the State from functioning as a sovereign; that is, the extent to which such generally applicable laws would impede astate govemment's responsibility to represent and be accountable to the citizens of the State. (Verweise, u.a. zu National League o[ Cities). The Court has more recently departed from this approach. (Verweise zu Garcia und Baker)" 395 La Pierre, Political Safeguards Redux, 1000 ff.; Roderick M. Hills Jr. , The Political Economy of Cooperative Federalism: Why State Autonomy Makes Sense and "Dual Sovereignty" Doesn't, 96 Mich . L. Rev. 813, 829 f. Fn. 43 (1998) meint allerdings, eine solche Koalitionenbildung geschehe gleichermaßen unter ausschließlich der öffentlichen Hand angehörenden Betroffenen, insbesondere in den mächtigen Lobbygruppen der "Big Seven". Da das Gericht selbst in New York eine explizite Entscheidung zu diesem Punkt vermeiden konnte, enthält die Entscheidung keine Begründung rur eine solche Ausnahme.
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Die Erfassung auch von privaten Aktivitäten schließt außerdem aus, dass sich eine Regelung auf zentrale Staatsfunktionen bezieht. 396 Die maßgebliche Passage in Printz gibt sich unentschiedener als New York und lässt sich sogar als Hinweis auf eine mögliche Abkehr von der Ausnahme fiir allgemeine Gesetze lesen: 397 "There is considerable disagreement over the extent of the [Brady Act's] burden [upon state officers], but we need not pause over that detail. Assuming alt the mentioned factors were true, they might be relevant if we were evaluating whether the incidental application to the States of a federal law of general applicability excessively interfered with the functioning of state govemments. (... ). But where, as here, it is the whole object of the law to direct the functioning of the state executive, and hence to compromise the structural framework of dual sovereignty, such a ,balancing' analysis is inappropriate. ,,398 Anstatt zu einer Abwägung (balancing) wie in National League of eities zulÜckzukehren, könnte die Ausnahme auch zu Gunsten einer absoluten gliedstaatlichen Immunität auch gegenüber allgemeinen Gesetzen verworfen werden. 399 Hier mag künftiger Konfliktstoff liegen; bislang hindert der Zehnte Verfassungszusatz Regelungen gliedstaatlichen Verhaltens in allgemeinen Gesetzen nicht.
(3) Besondere Verfassungsbestimmungen Die Staaten können in den Fällen vom Kongress und dem Supreme Court angewiesen werden, in denen sich die auferlegte Verpflichtung bereits unmittelbar aus der Verfassung ergibt,400 sowie auf der Grundlage besonderer Ermächtigungsnormen zu Anweisungen an die Gliedstaaten. Vgl. Jackson, Printz and Principle, 2207. So Evan H. Caminker, Printz, State Sovereignty, and the Limits of Formalism, 1997 S. Ct. Rev. 199,243 fI.; anders jedoch AdlerlKreimer 110 fI., die von einer weiter geltenden (wenn auch nach ihrer Ansicht nicht überzeugenden) Ausnahme für allgemeine Gesetze ausgehen. 398 Printz v. United States, 521 U.S. 898,932 (1997). 399 Caminker weist darauf hin, dass der Verfasser der Urteilsbegründung in Printz, lustice Scalia, ergebnisofIene Abwägungen wie in National League of CWes generell ablehnt und daher eher zu einer "absoluten Lösung" tendieren werde. Caminker, Limits of Formalism, 245 ff. Eine Tendenz zu einer Wiederbelebung einer Abwägung wie in National League of Cities sieht hingegen Jaclcson 2207 f. 400 Vgl. insbesondere die Entscheidungen zur Aufhebung der Rassendiskriminierung, z.B. Brown v. Board of Education, 349 U.S. 294 (1955). Deborah Jones Merritt, The Guarantee Clause and State Autonomy: Federalism for a Third Century, 88 Colum. L. Rev. 1,67 f. (1988) sieht auch hierin die Guarantee Clause nicht verletzt, da die verfas396 397
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Hierzu zählt nach Printz der dritte Halbsatz der Suprernacy Clause (Art. VI S. 2): ,,(... ) and the Judges in every State shall be bound thereby, any Thing in the Constitution or Laws of any States to the Contrary notwithstanding."
Daraus soll sich nach Auffassung des Gerichts die Verpflichtung gliedstaatlicher Gerichte zur Anwendung von Bundesrecht ergeben. Dieses Ergebnis 401 ergibt sich jedoch bei sachgerechter Auslegung bereits aus dem ersten und zweiten Halbsatz der Suprernacy Clause, der dritte Halbsatz bekräftigt lediglich den Anwendungsvorrang des Bundesrechts im Konfliktfall. 402 Besondere Ermächtigungen bestehen hingegen im Bereich der Auslieferung von Straftätern, bei der Regelung von Wahlen sowie im militärischen Bereich. 403 (4) Unselbständige untergeordnete Anweisungen an die Exekutive und verwaltungs interne Mitteilungspflichten
Zwei Courts of Appeal haben einige Jahre vor New York untergeordnete Vorgaben an die gliedstaatliche Verwaltung rur zulässig erklärt. Nach United States v. Ohio Department of Highway Safety war es zulässig, die Gliedstaaten in bestimmten Fällen zur Versagung von Genehmigungen nach dem Clean Air Act (CAA) zu verpflichten, da sie damit weder zum Erlass von Gesetzen noch sungsmäßigen Pflichten der Staaten deren in Art. IV, § 4 der Verfassung geschützte Autonomie durchbrechen. 401 Es entspricht der Vorstellung der Verfassungsväter, Bundesrecht über die gliedstaatliehe Gerichtsbarkeit durchzusetzen, vgl. Martin v. Hunter's Lessee, 14 U.S. (1 Wheat.) 304, 340 (1816): ,,[State judges] were not to decide merely according to the laws or constitution of the state, but according to the constitution, laws and treaties of the United States - ,the supreme law of the land. '" Testa v. Katt, 330 U.S. 386, 394 (1947) - ausschließlich auf Bundesrecht gestützte Klagen sind von gliedstaatlichen Gerichten zu hören, wenn gleichartige Klagen unter gliedstaatlichem Recht gehört würden. Vgl. auch Stewart, Pyrarnids of Sacrifice, 1246 f.; Me"itt, The Guarantee Clause, 66. 402 So auch die bisherige Rechtsprechung und Lehre, vgl. Caminker, Limits of Formalism, 214 f. m.w.N.; ders., State Sovereignty and Subordinacy, 1036 ff.; abweichende Meinung von Justice Stevens in Printz v. United States, 117 S.Ct. 2365, 2400 Fn. 31 (1997). 403 Extradition Clause, Art. IV § 2 Abs. 2 der Verfassung: Verpflichtung der Gliedstaaten, einen flüchtigen Straftäter an einen anderen Gliedstaat auszuliefern, der die Strafverfolgung betreibt; Militia Clauses: verschiedene Bestimmungen, die eine Kommandogewalt des Bundes über militärische Einrichtungen der Gliedstaaten für nationale Zwecke begründen. Ermächtigung zur Regelung von Wahlen, Art. I § 4 der Verfassung: Diese gestattet - nach Gesetzen des Bundes sowie bisher vom Supreme Court nicht bestätigter Ansicht der Courts of Appeal - bundesrechtliche Regelungen über Wahlen von Funktionsträgern des Bundes in den Staaten. 10 Renner
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zur Einrichtung neuer Behörden oder zur Neueinfiihrung oder Veränderung von Genehmigungsverfahren verpflichtet wurden. 404 Nach Distriet of Columbia v. Train war dieselbe Regelung unbedenklich, weil sie sich auf eine bereits laufende Tätigkeit des Gliedstaates bezog, keine Vorschriften über die Art der Ausfiihrung enthielt und insbesondere nicht die Einrichtung staatlicher Kontrolleinrichtungen verlangte. 405
Printz lässt ausdrücklich offen, ob bloße Mitteilungspflichten (reporting requirements) auferlegt werden können,406 ohne dass das Gericht hierfiir allerdings Abgrenzungskriterien bietet. Eine Zulässigkeit solcher Pflichten ließe sich kaum als de rninirnis-Ausnahrne rechtfertigen,407 sondern eher als Ausnahme fiir verwaltungsinterne Pflichten, die keine Tätigkeit gegenüber dem Bürger erfordern. 408 Solche Mitteilungspflichten fmden sich in vielen Bundesgesetzen.
dd) Kritische Würdigung der Doktrin von New York und Printz: dual federalism als Paradigma fiir die Zukunft? Mehr als das Ergebnis hat die Urteilsbegründung von Printz Kritik erfahren, die vor allem an der dual federalism-Argumentation des Gerichts festmacht und von den vom dem Gericht zugelassenen Ausnahmen auf eine mangelhafte Begründung der Grundsätze schließt. 409
404 United States v. Ohio Department of Highway Safety, 635 F.2d 1195, 1205 (6th Cir. 1980). Nach beiden Gerichten konnte die EP A den Staaten auf der Grundlage des Clean Air Act verbieten, Fahrzeuge bei Verstoß gegen die Emissionsbestimmungen des Bundes zum Straßenverkehr zuzulassen. 405 Der Staat könne zur Erfüllung der Verpflichtung schließlich auch die Vorlage einer Bescheinigung von Bundes- oder privaten Einrichtungen verlangen. Distriet of Columbia v. Train, 521 F.2d 971, 991 f. (D.C. Cir. 1975). Da es sich bei den Verpflichtungen nach dem CAA jedoch nicht um unbedingte, sondern um bedingte Anordnungen handelte, wären die Urteile im heutigen Kontext von New York und Printz als wie obiter dicta zu werten. Auf den bedingten Charakter der Anordnungen stellt Brown v. EP A, 566 F.2d 665,673 (9th Cir. 1977) in einer weiteren Entscheidung zu diesem Sachverhalt ab. 406 Printz v. United States, 117 S.Ct. 2365, 2376 (1997) sowie abweichende Begründung von Justice O'Connor, ebd., 2385, die solche Verpflichtungen als "pure1y ministerial" bezeichnet. Mitteilungspflichten waren nicht Gegenstand der Entscheidung. 407 So aber die Auslegung von Caminker, Limits ofFormaiism, 234. 408 Dies birgt eine geringere Gefahr der Verwischung von Verantwortlichkeiten im Sinne von New York in sich. Mit dem dual sovereignty-Prinzip von Printz lässt sich eine solche Ausnahme allerdings deutlich schwerer in Einklang bringen. Vgl. Jaclcson 2206 . 409 Vgl. z.B. Adler/Kreimer; Caminker, Limits ofFormalism; Hills; Jackson.
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(1) Zur Urteilskritik
In der Lehre wird vornehmlich die mangelnde Orientierung der Urteilsbegründungen an den mit dem föderalen Prinzip verfolgten Werten beklagt: 410 Während das Gericht mit dem Verbot von Anordnungen an die Gliedstaaten zur Implementation von Bundesrecht dem Missbrauch staatlicher Gewalt vorbeugen möchte,411 sieht die Gegenposition in einer Einbindung der Staaten in die Implementation eher eine Stärkung von deren Rolle als föderales Gegengewicht. 412 Auch die historische Argumentation des Gerichts ist angreifbar. Die Federalists (die Befiirworter einer stärkeren Zentralgewalt) wollten den Bund mit der Verfassung von 1787 von der Bindung an das komplizierte und ineffektive mittelbare System, unter dem sich der Bund zur Umsetzung und Durchsetzung seiner Politiken stets mit sog. requisitions an die Staaten zu wenden hatte, befreien. Mehr als alles andere fiirchteten die Federalists den hinhaltenden Widerstand gliedstaatlicher Behörden, die als engstirnig, unzuverlässig und lokalen Interessen ausgeliefert galten. 413 Nach den Anti-Federalists sollte sich der Bund weiterhin ausschließlich auf dieses System stützen. Sie sahen eine Bedrohung der Gliedstaaten nicht in Anweisungen des Bundes, sondern in Sachregelungen mit Sperrwirkung gegenüber gliedstaatlichem Recht, die den Staaten die Gestaltung wichtiger Rechtsbereiche entziehen würde. 414 Die Federalists setzten sich durch, der Bund erhielt das Recht zum Erlass von Gesetzen mit unmittelbarer Geltung und zur Einrichtung einer eigenen örtlichen Verwaltung. Weder der Verfassungstext noch die Debatten geben jedoch Auskunft darüber, ob eine mittelbare Implementation von Bundespolitiken damit gleichzeitig verboten werden sollte (im Sinne einer Ersetzung durch die unmittelbare Implementation durch den Bund selbst) oder weiter erlaubt bleiben sollte (im Sinne einer Ergänzung). Passagen im Federalist können als Argumentation für die Instrumentalisierung der Befugnis zum Erlass von unmittelbar geltendem Bundesrecht mit Sperrwirkung als Druckmittel, um gliedstaatliche Kooperation zu erreichen, gelesen werden. 415 Selbst bei dieser Lesart spricht jedoch mehr Caminker, Limits ofFormalism, 201; AdleriKreimer 95 ff. und 143. Printz v. United States, 117 S.Ct. 2365,2378 (1997). 412 Jedenfalls so lange, wie Anordnungen nicht so weit gingen, dass die Staaten ihre se1bstgesetzten Aufgaben nicht mehr erfüllen könnten. Caminker, Limits of Formalism, 210 f. 413 Vgl. Hills 833 ff. Vgl. z.B. The Federalist No. 16 (Hamilton), in: Wills, 75, insbes.78. 414 Vgl. Nachweise bei Hills 833 Fn. 54 f. m ,,[T]he existence of such a power [zur direkten Besteuerung durch den Bund] will have a strong influence in giving efficacy to such requisitions. When the States know that the Union can supply itself without their agency, it will be a powernd motive for exertion on their part." (The Federalist No. 36 (Hamilton), in: Wil/s, 169, 172). "The 410 411
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dafür, dies als tatsächliches Druckmittel bei gleichzeitig bestehender Befugnis zur Anweisung der Staaten durch den Bund anzusehen; Vieles spricht dafür, hier einen Hinweis darauf zu sehen, dass die Verfasser der Federalist Papers von einem selbstverständlichen und daher nicht näher auszuführenden Fortbestehen der Befugnis zu Anordnungen an die Staaten ausgingen,416 so dass von einer Ergänzung im oben genannten Sinn auszugehen ist. 417 Den heutigen Umfang der Gesetzgebung des Bundes sahen die Verfassungsväter nicht voraus. Anders als die umfassenden Regelungswerke des Bundes in der Gegenwart wäre nur punktuelles Bundesrecht, wie sie es im Blick hatten, keine ernstzunehmende Bedrohung für die Souveränität der Gliedstaaten gewesen. 418 Dies relativiert die historischen Argumente. Justice Souter unternimmt in seiner Minderansicht in Printz eine Abgrenzung zu den nach New York unzulässigen Anordnungen an die gliedstaatliche Legislative. Ein Verbot von Anordnungen sei lediglich für die Legislative begründbar, da deren Funktion, Recht zu setzen, Anordnungen widerspreche. 419 Gegen eine Unterscheidung zwischen Anordnungen an den gliedstaatli-
plan reported by the Convention, by extending the authority of the foederal head to the individual citizens of the several States, will enable the government to employ the ordinary magistracy of each in the execution ofits laws. ( ... ) [T]he laws ofthe Confederacy as to the enumerated and legitimate objects of its jurisdiction will become the SUPREME LAw of the land; to the observance of which all officers, legislative, executive, and judicial in each state will be bound by the sanctity of an oath. Thus, the legislatures, courts, and magistrates of the respective members will be incorporated into the operations of the national government as Jar as its just and constitutional authority extends; and will be rendered auxiliary to the enforcement of its laws." (The Federalist No. 27 (Hamilton), in: Wills, 130, 133, Hervorhebungen im Orginal). Vgl. auch Hills 836 ff., sowie Printz v. United States, 117 S.Ct. 2365, 2376 (1997): "not conc1usive". 416 Vgl. die abweichenden Meinungen von lustice Souter und Justice Stevens in Printz v. United States, 117 S.Ct. 2365, 2389 bzw. 2402 (1997). lustice Scalia fasst in der Urteilsbegründung dieselbe Passage lediglich als Hinweis darauf auf, dass sich die Staaten dem Bundesrecht nicht entgegenstellen dürften. Printz v. United States, 117 S.Ct. 2365, 2374 (1997). 417 Vgl. Caminker, Limits ofForrnalism, 209. 418 Adler, Green Aspects, 606: "For the Framers, the federal government was to have very limited power. In such circurnstances, whether those limited powers are used to enlist the states in various project would be re\ative\y immaterial, as the federal government could only do so much. Occasional comrnandeering, like the Commerce Clause itself, would pose litde threat to the sovereignty of states." Vgl. dazu New York v. United States, 505 U.S. 144, 157 (1992): "The Federal Govemment undertakes activities today that would have been unimaginable to the Framers in two senses; first, because the Framers would not have conceived that any government would conduct such activities; and second, because the Framers would not have believed that the Federal Government, rather than the States, would assume such responsibilities." 419 Abweichende Meinung von lustice Souter in Printz v. United States, 117 S.Ct. 2365, 2402 Fn. 1 (1997). Die gesetzgeberische Regelung des Verhaltens Privater auf
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chen Gesetzgeber und Anordnungen unmittelbar an die Verwaltung spricht allerdings der Zusammenhang zwischen Finanzierung und staatlicher Aufgabenerfiillung: 420 Könnte der Bund die Verwaltung der Staaten einseitig und ohne kostendeckende Finanztransfers beauftragen, so würde er gleichzeitig über die Allokation staatlicher Ressourcen und damit über die Prioritäten gliedstaatlichen Staatshandelns entscheiden und könnte so unter Umgehung der gliedstaatlichen Gesetzgeber Ähnliches erreichen wie mit einer nach New York verbotenen Anweisung. (2) Zur möglichen Fortschreibung der Argumentation in New York und Printz
Die fiir das anti-commandeering-Prinzip in New York angefiihrte Begründung der drohenden Verdeckung politischer Verantwortung ist nachvollziehbar. Sie ist jedoch nicht zwingend, da jegliche Form der Zusammenarbeit der föderalen Ebenen politische Verantwortlichkeiten zu vermischen droht. 421 Konkrete Entscheidungen sind häufig nicht mehr auf nur ein Organ oder eine Körperschaft zurückzuführen. In diesem Licht überzeugt die Unterscheidung zwischen verbotenen Anweisungen und erlaubtem freiwilligen Handeln der Staaten nach Vorgaben des Bundes nicht. In Printz beruft sich das Gericht maßgeblich auf einen dualen Föderalismus als Trennprinzip zwischen den föderalen Ebenen. Ein zu Ende gedachtes Prinzip des dualen Föderalismus würde die Aufdröselung jeglicher Verschränkungen und die völlige Trennung zwischen Bundesrecht und Bundesverwaltung auf der einen und Staatenrecht und Staatenverwaltung auf der anderen Seite fordern, mit der Folge der Unzulässigkeit auch anderer, nicht durch Befehl und Zwang induzierter Formen der Zusammenarbeit zwischen Bund und Gliedstaaten. Wie oben dargestellt, gestattet die Verfassung eine eigenständige Bundesverwaltung und ermöglicht so theoretisch ein konsequentes Trennprinzip, ohne dies aber zu fordern. Das an verschiedenen Stellen der Verfassung vorausgesetzte Fortbestehen der Staaten als selbständige Einheiten, an dem das Gericht ansetzt, impliziert kein wechselseitiges, symmetrisches Verbot von Anordnungen. Der Bund verrugt unstreitig über asymmetrische, weiterreichende Befugnisse, so etwa zur Verdrängung der Gliedstaaten aus konkurrierenden Zustän-
gliedstaatlichen Territorium sei die Essenz gliedstaatlicher Souveränität. Caminker, Limits of Fonnalism, 218 f., dem das Gericht entgegenhält, Regelsetzung und durchsetzung lasse sich nicht immer eindeutig voneinander unterscheiden. Printz v. United States, 117 S.ct. 2365, 2380 f. (1997). 420 Vgl. Adler, Green Aspects, 589 und 604. 421 V gl. Hills 828.
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digkeitsbereichen. Das abstrakte Konzept des dual federalism kann nicht erklären, warum Regelungsanweisungen an die Gliedstaaten, die diesen immerhin Implementationsspielräume belassen, fiir die gliedstaatliche (Rest-) Souveränität invasiver sind als die Verdrängung gliedstaatlichen Rechts durch Bundesrecht mit Sperrwirkung. 422 Selbst wenn man jedoch der Ansicht folgt, dass die Ablehnung des requisitions-Systems der Articles of Confederation durch die Federalists eher fiir eine Ersetzung der mittelbaren durch die unmittelbare Implementation spricht,423 so ist dies doch eine denkbar schlechte Grundlage fiir ein Verbot der letzteren zum Schutz der Gliedstaaten, da die Verfassungsväter ausschließlich die Effektivität des Bundesrechts schützen wollten. Die schärfsten Verfechter einer Stärkung des Bundes im Supreme Court des Neunzehnten Jahrhunderts, Chief Justice Marshall und Justice Story, hielten Anweisungen des Bundes an die Gliedstaaten fiir verboten, da dies wegen der Befugnis zu unmittelbarer Gesetzgebung, Verwaltung und Einrichtung von Bundesgerichten nicht notwendig sei und die Gliedstaaten außerdem ungeeignet seien. In dieser sog. nondelegation doctrine liegt eine Wurzel des dual federalism, der jedoch dem Schutz des Bundesrechts, nicht dem Schutz der Staaten, diente und mithin eher ein sog. nationalistic dual federalism424 war. Aus entgegengesetzten Erwägungen, nämlich zum Schutz und zur Stärkung der Gliedstaaten gegenüber dem Bund, ergingen unter Chief Justice Taney mehrere Entscheidungen, die dem Bund Anweisungen und Zwang gegenüber den Gliedstaaten und ihren Behörden verboten: ,,[T]he powers of the General Govemment, and the States, although both exist and are exercised within the same territorial limits, are yet separate and distinct so vereignties, acting separately and independently of each other, within their respective spheres ...425
Eine völlige Trennung der Staatstätigkeiten von Bund und Gliedstaaten war jedoch selbst in dieser Phase illusorisch. 426 Außerdem delegierte der Bund tatsächlich Verwaltungsaufgaben an gliedstaatliche Behörden, was der SuVgl. ebd., 817 f., 822 ff. So ebd., 831 ff. 424 Vgl. ebd., 845, sowie die ebd., 839 ff. aufgeführten Urteile. 425 Ableman v. Booth, 62 U.S. (21 How.) 506, 516 (1858). Taney argumentierte, dem Bund fehle eine Kompetenz zu Anordnungen an die Staaten, und Anordnungen an die gliedstaatliche Verwaltung könnten deren Würde zuwiderlaufen und sie so überlasten, dass sie ihre Aufgaben nach eigenem Recht nicht mehr erfüllen könnten. Kentucky v. Dennison, 65 U.S. (24 How.) 66,107 f. (1861). 426 Bund und Gliedstaaten unterstützten sich gegenseitig in vielfältiger Weise finanziell, der Bund die Staaten daneben durch Zuweisung von bundeseigenem Land im Westen. Beispiele bei Hills 852. 422 423
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preme Court auch als zulässig anerkannte.427 Mit der Zunahme von gliedstaatlieh implementierten Bundesprogrammen unter dem New Deal fiel die Trennung zwischen Gesetzgebung und Verwaltung von Bund und Gliedstaaten endgültig weg. 428 Die schwache Verankerung der Argumentation in Printz gilt auch für deren mögliche Ausweitung in weitere Bereiche. Andererseits entspricht Printz einer aus Lopez, New York und anderen Urteilen erkennbaren deutlichen Tendenz im Supreme Court, die Bedeutung des Bundesrechts zu begrenzen; zudem eröffnet das Verständnis von dual federalism im Sinne eines Trennprinzips - wie dargestellt - vielerlei Möglichkeiten zur Ausweitung in weitere Bereiche. Die zukünftigen Auswirkungen der Begründungslinie aus Printz sind daher ungewiss. 429
2. Alternative Konzepte der Rechtslehre für verfassungsimmanente Beschränkungen a) Die Guarantee Clause als Schutzschild der innerstaatlichen Strukturen der Gliedstaaten
Die Guarantee Clause in Art. 4 § 4 der Verfassung bestimmt: "The United States shall guarantee to every State in this Union a Republican Form of Govemment (... )."
Die Gewährleistung einer republikanischen Regierungsform ist für sich genommen ein außerordentlich weitmaschiges Kriterium. Sie gebietet zunächst lediglich die Verhinderung von Monarchien, Diktaturen oder anderen nichtrepublikanischen Staatsformen in den Gliedstaaten. 43o Einige Autoren sehen in United States v. Jones, 109 U.S. 513, 518 f. (1883). Vgl. z.B. Prudential Insurance Co. v. Benjamin, 328 U.S. 408 (1946). Das Gericht lehnte darin die Ansicht von Justice Story, gliedstaatliche Behörden dürften kein Bundesrecht verwalten, ab. Ebd., 434. 429 Vgl. im Erg. auch Caminker, Limits ofForrnalism, 248. 430 So auch die übliche Interpretation der Literatur, vgl. Toumey 1711. Auch die Verfassungsväter sahen den Kemgehalt dieser Garantie in der Volkssouveränität als Abhängigkeit der Regierung vom Volk und ihre Funktion in der Abwehr monarchistischer und aufrührerischer Bewegungen. Vgl. Madison, The Federalist No. 39, in: Wills (Hrsg.), 189, 190; The Federalist No. 37, ebd., 175, 178; The Federalist No. 43, ebd., 217,220 f.; Hamilton, The Federalist No. 21, ebd., 98, 99. Chishohn v. Georgia, 2 U.S. (2 Dall.) 419, 457 (1793): ,,[A republican govemment is) one constructed on this principie, that the Supreme Power resides in the body ofthe people". Darüber hinaus werden der Norm einige weitere Funktionen zugeordnet (vgl. Nwe. bei Merritt, The Guarantee Clause, 22 Fn. 122), die für die vorliegende Arbeit nicht von Bedeutung sind. 427
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der Guarantee Clause ein Schutznorm der Gliedstaaten gegen den Bund. Anlass hierfiir war der missglückte Versuch des Supreme Court in National League of eities zur Herleitung eines föderalen Schutzinstrumentes aus dem Zehnten Verfassungszusatz. 431 Die Republikanische Regierungsform setze die Kontrolle der Regierungsgewalt durch das Volk in den einzelnen Gliedstaaten voraus und damit insbesondere deren eigenständige Wahl zwischen verschiedenen Formen der Repräsentation. Die Guarantee Clause hindere den Bund daran, die institutionellen Strukturen und deren Funktionieren in den Gliedstaaten anzutasten, so lange sich die Staaten im Rahmen der republikanischen Regierungsform bewegten, da er diese andernfalls zerstören würde. 432 Teilweise wird aus Art. IV § 4 in ähnlicher Weise wie vom Supreme Court aus dem Zehnten Verfassungszusatz ein Verbot abgeleitet, die Gliedstaaten zum Erlass bestimmter Gesetze oder zur Verwaltung von Bundesgesetzen anzuweisen oder zu zwingen. 433 Die vom Supreme Court in der Vergangenheit angenommene Nichtjustiziabilität der Guarantee Clause nach der political question-Doktrin434 bildet kein Hindernis für eine Schrankenfunktion der Norm. Diese Iustiziabilität ist nach derzeitiger Rechtsprechung im Einzelfall durch Abwägung zu ermitteln, Maßstab ist die Integrität der horizontalen Gewaltengliederung im Bund, aus der vertikalen Gewaltengliederung ergeben sich keinerlei Kriterien. 435
b) Analogien zur Bill of Rights zur Absicherungfairer Verhandlungen um die Übernahme von Staats aufgaben Die von ihrem Autor Hills so genannte "funktionale Theorie" kommt mit dem Verbot von Anweisungen und Zwang im Verhältnis des Bundes zu den Vgl. Merritt, The Guarantee Clause, 78. Tribe, Constitutional Law, 3. Aufl. New York 2000, Bd. I, 908 ff.; Merritt, The Guarantee Clause, 23 ff. 433 Merritt, The Guarantee Clause, 60 ff. "In a republican government, all power derives from the voters. ( ... ) Ifthe federal government forces the states to adopt astatute, it destroys this relationship between state voters and their representatives; state legislators become accountable to Congress, rather than to their constituents. Sirnilarly, if the national government compe1s the states to enforce federal regulatory prograrns, state budgets and executive resources reflect federal priorities rather than the wishes of local citizens." Ebd., 61. 434 Vgl. z.B. Georgia v. Stanton, 73 U.S. (6 Wall.) 50 (1868). 435 Baker v. Carr, 369 U.S. 186, 210 f. (1962). Die Abwägung orientiert sich im Wesentlichen am Vorliegen oder Nichtvorliegen genuin "politischer" und daher der Legislative und Exekutive zu überlassenden Fragen sowie der Nichterkennbarkeit oder Erkennbarkeit richterlich anwendbarer Anhaltspunkte (judicially manageable standards). Vgl. Reynolds v. Sims, 377 U.S. 533, 582 (1964). 431
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Gliedstaaten auf anderem Weg ebenfalls zu demselben Ergebnis wie der Supreme COurt. 436 Danach sollte das Verhältnis zwischen Bund und Gliedstaaten entsprechend dem durch Grundrechte geprägten Verhältnis zwischen Staat und privaten Rechtsträgern strukturiert werden. Zulässige Instrumente zur Gewinnung gliedstaatlicher Behörden fiir die Verwaltung von Bundesrecht seien vertragliche Vereinbarungen (intergovemmental agreements). Diese seien auch praktisch geeignet, da Verwaltungsträger auf verschiedenen Ebenen stets im Wettbewerb um Bundesmittel stünden. Die Necessary and Proper Clause gewähre dem Kongress zwar weitreichende Mittel zur Wahrnehmung seiner Sachkompetenzen, jedoch keinerlei ausdrückliche Befugnis zu Anordnungen an die Staaten. 437 Zur Bestimmung, ob ein Gesetz angemessen im Sinne der Necessary and Proper Clause sei, könne in Analogie zu den Grundrechten der Meinungsäußerungsfreiheit im Ersten Verfassungszusatz (hier in ihrem negativen Aspekt als Freiheit von der Pflicht, fremde Meinungen zu äußern) und dem Recht auf einen angemessenen Ausgleich bei Enteignungen im Fünften Verfassungszusatz zurückgegriffen werden. Danach könne ein Gliedstaat nicht gegen seinen Willen zum "Sprachrohr" des Bundes gegenüber dem Bürger bei der Durchführung von Politiken des Bundes gemacht werden. Die Kostenbelastung des Gliedstaates fiir die Durchfiihrung solcher Politiken komme einer entschädigungs losen Enteignung gleich. Ein Verbot von Anweisungen an die Staaten sichere so eine ausgewogene Verhandlungs situation zwischen Bund und Gliedstaaten beim Aushandeln vertraglicher Vereinbarungen.
3. Einschränkung gliedstaatIicher Verwaltung von Bundesgesetzen durch die Vesting Clause: Die unitary executive theory Für die gliedstaatliche Verwaltung von Bundesrecht spielt daneben die Vesting Clause in Art. 11 § 1 S. 1 eine Rolle. Sie besagt: "The executive Power shall be vested in a President of the United States."
Weiter heißt es in Art. II § 3 der Verfassung zu den Aufgaben des Präsidenten: ,,[H]e shall take Care that the Laws be faithfully executed." Hills 938 ff. Die Leitentscheidung McCulloch v. Maryland, die eine weite Auslegung der Necessary and Proper Clause bestimmt, lege, so Hills, nichts anderes fest, sondern erlaube lediglich die Einrichtung von Bundesbehörden und andere Maßnahmen des Bundes aus eigenen Kräften, um den Bund bei der Verwaltung seiner Gesetze gerade von den Gliedstaaten unabhängig zu machen. 436
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Nach Printz verstoßen die Bestimmungen des Brady Act zur Hintergrunduntersuchung auch gegen die Vesting Clause. Die Übertragung der Exekutivgewalt auf gliedstaatliche Behörden widerspreche dem in der Vesting Clause festgelegten Prinzip einer einheitlichen Exekutivgewalt. 438 Die Auslegung der Vesting Clause ist allerdings umstritten. Systematische Argumente sprechen dafür,439 in der Vesting Clause eine vollständige Befugnisnorm für die gesamte Exekutivgewalt für den Präsidenten (die sodann in § 2 und § 3 des Art. 11 lediglich näher bestimmt wird) zu sehen,440 nicht lediglich die Zuordnung andernorts gewährter Exekutivgewalt. 441 Die Vertreter der in jüngster Zeit wiederbelebten unitary executive-Theorie leiten daraus ab, dass Bundesgesetze stets nur vom Präsidenten oder vom Kongress einzurichtenden Verwaltungsbehörden unter seiner Aufsicht442 zu verwalten sind. 443 Dies hat der Supreme Court grundsätzlich anerkannt, wobei die Mehrheit der Richter allerdings eine Zurücknahme der Kontrolle des Präsidenten, die dem ausführenden Organ eigenen Spielraum gibt, für zulässig hält. 444 Streitig ist, ob die unitary executive-Theorie auch für die Verwaltung durch gliedstaatliche Behörden gilt. Ist dies der Fall, so können Bundesgesetze zwar grundsätzlich auch von gliedstaatlichen Behörden verwaltet werden, es muss jedoch stets die (Fach-)Aufsicht durch den Präsidenten geWährleistet sein. 445 Printz v. United States, 117 S.Ct. 2365, 2378 (1997). Wichtige Argumente sind die sprachliche und strukturelle Ähnlichkeit der Vesting Clauses in Art. II und Art. III der Verfassung (letztere is notwendig die Gewährung der rechtsprechenden Gewalt); außerdem das Fehlen der Passage "herein granted" (oder einer ähnlichen Formulierung) in Art. II § 1 S. 1 der Verfassung. Vg1. Caminker, Unitary Executive, 1079 f. m.w.N. 440 Vg1. Caminker, Unitary Executive, 1079 f.; Caminker, Limits ofFormalism, 224 f. m.w.N. 441 So aber Lawrence Lessig/Cass R. Sunstein, The President and the Administration, 94 Colum. L. Rev. 1,47 f. (1994). 442 Der Präsident muss weder als Person noch als Behörde selbst tätig werden. Vg1. z.B. Steven G. CalabresilKevin H Rhodes, The Structural Constitution: Unitary Executive, Plural Judiciary, 105 Harv. L. Rev. 1155,1181 (1992). 443 Vg1. z.B. die Minderansicht von Justice Scalia in Morrison v. Olson, 487 U.S. 654,697 (1988); aus der Rechtslehre Steven G. CalabresilSaikrishna B. Prakash, The President's Power to Execute the Laws, 104 Yale L. J. 541,570 ff. (1994); Steven G. Calabresi, Some Normative Arguments for the Unitary Executive, 48 Ark. L. Rev. 23, 37 fI. (1995); Harold J Krent, Fragmenting the Unitary Executive: Congressional Delegations of Administrative Authority Outside the Federal Government, 85 Nw. U. L. Rev. 62, 72 fI. (1990); Gary Lawson, The Rise and Rise of the Administrative State, 107 Harv. L. Rev. 1231, 1241 fI. (1994); Lee S. Liberman, Morrison v. Olson: A Formalist Perspective on Why the Court was Wrong, 38 Am. U. L. Rev. 313, 314 fI. (1989); Saikrishna B. Prakash, Note, Hail to the Chief Administrator: The Framers and the President's Administrative Powers, 102 Yale L. J. 991,994 fI. (1993). 444 Morrison v. Olson, 487 U.S. 654,695 f. (1988). 44S Vg1. z.B. CalabresilPrakash 595 f. 438
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Geschieht dies freiwillig, d.h. aufgrund einer Einwilligung des jeweiligen Gliedstaates, so steht der Zehnte Verfassungszusatz dem nicht entgegen. Gesetze, die eine präsidentielle Aufsicht nicht vorsehen (wie bei vielen gliedstaatlieh verwalteten Bundesgesetzen), sind nach einer Ansicht verfassungswidrig, jedenfalls dann, wenn die verfassungsrechtlichen Nachteile nicht durch Belange des Föderalismus aufgewogen werden. 446 Nach anderer Ansicht gibt Art. II § 1 S. 1 der Verfassung dem Präsidenten gleichsam "automatisch" eine Aufsichtsbefugnis über alle Bundes- und gliedstaatlichen Behörden, die Bundesrecht verwalten. 447 Ein solches ungeschriebenes Aufsichtsrecht lässt sich jedoch schwer mit der grundsätzlichen Trennung von Bund und Staaten vereinbaren.
4. Grenzen bei der Durchsetzung von Bundesrecht gegen gliedstaatliche Verstöße: Der Elfte Verfassungszusatz a) Bedeutung des Elften Vetjassungszusatzes
aa) Klagen des Bundes und der Gliedstaaten Verstößt ein Gliedstaat gegen materielles Bundesrecht, so stehen zur Durchsetzung sowohl die Bundesgerichte als auch die Gerichtssysteme der Gliedstaaten zur Verfiigung. Maßstabsnormen in der Verfassung sind Art. m und der Elfte Verfassungszusatz. Art. III besagt: ,,(§ 1:) The judicial power of the United States shall be vested in one supreme Court, and in such inferior Courts as the Congress may from time to time ordain and establish. ( ... )
(§ 2 S. 1:) The judicial Power shall extend to all Cases, in Law and Equity, arising under this Constitution, the Laws of the United States, and Treaties made, or which shall be made, under their authority; ( ... ) -to Controversies to which the United States shall be a Party; -to Controversies between two or more States, -between a State and Citizens of another State; -hetween Citizens of different States; (...) (S. 2:) In all Cases affecting Ambassadors, other public Ministers and Consuls, and those in which aState shall be a Party, the supreme Court shall have original Jurisdiction. In all other Cases before mentioned, the supreme Court shall have appellate Jurisdiction, both as to Law and Fact, with such Exceptions, and under such Regulations as the Congress shall make." 446 Vgl. Krent 83 f. Es bleibt allerdings unklar, unter welchen Voraussetzungen die gliedstaatliche Verwaltung von Bundesrecht nach Krents Ansicht konkret zulässig wäre.
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CalabresilPrakash 639.
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Als Kläger können vor allen Gerichten unstreitig der Bund448 sowie die Gliedstaaten auftreten. 449 Insbesondere der Bund wird jedoch in vielen Fällen nicht zur Durchsetzung des Umweltrechts vor Gericht aktiv werden, sowohl aus Mangel an personellen und finanziellen Ressourcen als auch aus politischen Rücksichtnahmen. 4so
bb) Klagebefugnis von Bürgern und privaten Vereinigungen Grundsätzlich haben einzelne Bürger und private Vereinigungen die Möglichkeit, in weitem Umfang durch Erhebung von Klagen zur Rechtsdurchsetzung beizutragen. Voraussetzung für eine private Klagebefugnis nach Art. III ist eine konkrete gegenwärtige oder unmittelbar bevorstehende Verletzung rechtlich geschützter Interessen des Klägers, Kausalität zwischen Verletzung und angegriffenem Verhalten und hinreichende Wahrscheinlichkeit der Behebung der Verletzung durch eine stattgebende Entscheidung · des angerufenen Gerichts. 4s1 Gegebenenfalls muss der Kläger Fortdauer oder voraussichtliche Wiederholung der Verletzung darlegen. 4s2 Der Elfte Verfassungszusatz enthält hierzu eine Einschränkung: "The Judicial Power of the Uni ted States shall not be construed to extend to any suit in law or equity, commenced or prosecuted Against one of the United States by Citizens of another State, or by Citizens or Subjects of any Foreign State."
Die meisten Umweltgesetze des Bundes enthalten Bestimmungen, die einzelnen Bürgern, Unternehmen und Umweltorganisationen die klageweise Durchsetzung des Bundesrechts, auch gegen gliedstaatliehe Rechtsverletzun-
United States v. Texas, 143 U.S. 621, 644 f. (1892). Rhode lsland v. Massachusetts, 37 U.S. (12 Pet.) 657 (1838). 450 Vgl. Scott J. Jordan, Awarding Attomey's Fees to Environmental Plaintiffs under a Private Attorney General Theory, 14 B. C. Envtl. Aff. L. Rev. 287 (1987). 451 Vgl. z.B. Friends of the Earth, Inc. v. Laidlaw Envtl. Serv., lnc., 120 S.Ct. 693, 704 (2000). Die verletzten Interessen müssen rechtlich schutzwürdig sein ("Iegally protected interest", vgl. Lujan v. Defenders ofWildlife, 504 U.S. 555, 560 (1992», was die Gerichte jedoch nicht daran hindert, eine Klagebefugnis wegen ästhetischer Beeinträchtigungen (vgl. z.B. Sierra Club v. Morton, 405 U.S. 727, 735 (1972», auch z.B. duch Vorgänge auf fremdem Grund, der nicht betreten werden kann (vgl. z.B. Cantrell v. Long Beach, 9th Cir. Court of Appeal, Urt. v. 5.2.2001, Docket No. 98-56940, 7 ff.) zu bejahen. Dennoch geht es hier nicht um Popularklagen, vgl. Cantrell, 8 m.w.N.: "The injury in fact requirement is designed to ensure that the litigant has a concrete and particularized interest distinct from the interest held by the public at large." 452 Chesapeake Bay Foundation, lnc. v. Gwaltney of Smithfield, Ltd., 484 U.S. 49 (1987). 448
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gen, vor den Bundesgerichten gestatten (sog. citizen suits).4S3 Voraussetzung ist in der Regel eine Mitteilung 60-90 Tage vor Klageerhebung an den Rechtsverletzer, um diesem Abhilfe zu ermöglichen, bei privaten Rechtsverstößen auch an den Gliedstaat, um diesem die Möglichkeit zu einer eigenen Klage zu geben. Bestimmungen, die citizen suits zulassen, finden sich z.B. in § 304 des Clean Air Act (CAA),454 in § 505 des Clean Water Act (CWA),4SS in § 310 des Comprehensive Environmental Response, Compensation, and Liability Act (CERCLA),456 § 7002 des Resource Conservation and Recovery Act (RCRAt57 sowie § 11 des Endangered Species Act (ESA).4S8 Gerade im Umweltrecht stützt sich die Durchsetzung des Bundesrechts ganz wesentlich auf dieses Instrument. 4S9 Bundesweite Organisationen wie Z.B. der Sierra Club und regionale Bürgerinitiativen machen davon regen Gebrauch. 460 Die Rechtmäßigkeit dieser Bestimmungen setzt voraus, dass die Verfassung Klagen Privater gegen Gliedstaaten überhaupt zulässt. Der Supreme Court hat 1996 in Seminole Tribe v. Florida 461 entschieden, dass der Kongress nicht ohne Zustimmung des betroffenen Gliedstaates zu einer Klage gegen diesen ermächtigen könne. Das Gericht leitet dies aus dem Elften Verfassungszusatz ab. Seminole markiert eine neue Wendung in der Rechtsprechung des Supreme Court zum Elften Verfassungszusatz, der es jedoch nach wie vor an einer klaren Linie fehlt.
453 Dies wird auch als private Attorney General concept bezeichnet, vgl. z.B. Alyeska Pipeline Service Co. v. Wilderness Society, 421 U.S. 240, 263 (1975). 454 42 U.S.c. § 7604 (a) (1) (Immissionsschutz): ,,( ... ) [A]ny person may commence a civil action on his own behalf against any person (including (i) the United States, and (ii) any other governrnental instrumentality or agency to the extent permitted by the Eleventh Amendment to the Constitution) who is aJleged to have violated (if there is evidence that the alleged violation has been repeated) or to be in violation of (A) an emission standard or limitation under this chapter or (8) an order issued by the Administrator or aState with respect to such a standard or limitation." 455 33 U.S.C. § 1365 (a)(1) (Wasserschutz), beinahe identisch mit § 304 CAA. 456 42 U.S.C. § 9659 (a)(l) (Altlastenbeseitigung). 457 42 U.S.C. § 6972 (a)(I) (Abfallbeseitigung und Wiederverwertung). 458 16 U.S.C. § 1540 (g)(I) (Artenschutz). 459 Vgl. z.B. abweichende Meinung von Iustice Blackmun in Pennsylvania v. Delaware VaJley Citizens' Council for Clean Air, 483 U.S. 711,737 (1987). 460 So erscheint allein der Sierra Club von 1991 bis 1996 in 62 Gerichtsentscheidungen als Kläger gegen gliedstaatliche und Bundesbehörden oder gegen Unternehmen. 461 Seminole Tribe v. Florida, 116 S.Ct. 114 (1996).
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b) Reichweite des Schutzes des Elften Verjassungszusatzes Nach dem Wortlaut des Elften Verfassungszusatzes verbietet dieser nur Klagen von Bürgern anderer Gliedstaaten oder ausländischer Staaten. Er wurde 1798 als Reaktion auf die 1793 ergangene Entscheidung des Supreme Court in Chisholm v. Georgia462 in die Verfassung eingefiigt. 463 In Chisholm hatte das Gericht die Klage eines Bürgers des Staates South Carolina gegen den Staat Georgia zugelassen mit der Begründung, dass Art. III der Verfassung eine Immunität der Staaten (sovereign immunity) beseitigt habe und ausschließe. 464 Die Wirkung des Verbotes des Elften Verfassungszusatzes ist im Einzelnen streitig. Zunächst geht es dabei um die Frage, ob das Verbot beide Zuständigkeitsbereiche der Bundesgerichte, die federal jurisdiction (Entscheidung über Bundesrecht) und die diversity jurisdiction· (Gegenpartei ist einem anderen Gliedstaat zugehörig ist), erfasst. Nach der sog. diversity only-Theorie schließt der Elfte Verfassungszusatz nur die Fälle der diversity jurisdiction aus. 46S Für diese Auslegung spricht der Wortlaut der Norm sowie dessen Ähnlichkeit mit der Zuweisung der rechtsprechenden Gewalt an den Bund in Art. III § 2 der Verfassung, ihr Zusammenhang mit Chisholm (einem Fall von diversity) und der Umstand, dass die selbständige Entscheidungszuständigkeit der Bundesgerichte über Bundesrecht (federal jurisdiction) erst 1875 geschaffen wurde, vom Gesetzgeber also 1798 noch nicht gemeint sein konnte. 466 Der Supreme Court schloss sich 1890 in Hans v. Louisiana467 jedoch der entgegengesetzten sog. profound shock-Theorie an. Danach verursachte die Zulassung der Klage eines Privaten gegen einen Gliedstaat in Chis holm einen "tiefen Schock der Überraschung" im Land. 468 Art. III der Verfassung habe Individualklagen gegen Gliedstaaten ohne deren Einverständnis nie gestattet, der Elfte Verfassungszusatz bekräftige dies lediglich und erfasse daher alle Bürgerklagen, auch die Fälle der federal jurisdiction. 469 Die Theorie stützt sich auf Äußerungen von Chisholm v. Georgia, 2 D.S. (2 Dall.) 419 (1793). Field 4 f. 464 Chisholm v. Georgia, 2 U.S. (2 Dall.) 419, 476 (1793), vgl. Cheri Gochberg, Environmental Enforcement after Seminole Tribe v. Florida, J. Land Resources & Envtl. L.17, 343, 349 (1997). 465 V gl. Laetitia A. Sears, Comment, Pennsylvania v. Union Gas: Congressional Abrogation of State Sovereign Immunity Dnder the Commerce Clause, or, Living with Hans, 58 Fordham L. Rev. 513,517 (1989). 466 Sears, 516 f. Fn. 18. 467 Hans v. Louisiana, 134 D.S. 1 (1890). 468 Hans v. Louisiana, 134 D.S. 1, 11 (1890): "a shock of surprise throughout the country". 469 Vgl. Sears 576 und Gochberg 362. Der Supreme Court bestätigte Hans in Seminole Tribe v. Florida, 116 S.Ct. 1114 (1996) (dazu sogleich näher) und damit gleichzeitig die Erfassung von sowohl diversity jurisdiction als auch federal question jurisdicti462 463
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Chief Justice Marshall sowie von Hamilton und Madison aus der Entstehungszeit der Verfassung. 470 Der Supreme Court leitete in Hans daraus ab, dass der Elfte Verfassungszusatz den Staaten Immunität auch vor Klagen ihrer eigenen Bürger gewähre. 471 Er hat dies in neueren Entscheidungen bestätigt. 472
In Ex parte Young im Jahr 1908 473 entwickelte der Supreme Court eine Ausnahme: Der Elfte Verfassungszusatz verbiete keine Klagen, mit denen (namentlich zu benennende) zuständige Bedienstete der Gliedstaaten an der Verletzung von Bundesrecht gehindert werden sollten. Bei Verletzung von Bundesrecht sei der Staatsbedienstete seiner offIZiellen Eigenschaft entkleidet (die Ex Parte Young-Doktrin wird daher auch als stripping doctrine bezeichnet) und könne daher wie ein einfacher Bürger Beklagter sein. 474 Nach Edelman v. Jordan gilt die Ex Parte Young-Ausnahme allerdings nur für primären Rechtsschutz, nicht für Klagen auf Geldersatz, da diese aus öffentlichen Mitteln bezahlt werden und daher letztlich doch den Staat treffen. 475 Neben Klagen einfacher Bürger gilt der Elfte Verfassungszusatz für Klagen ausländischer Staaten,476 Klagen von Indianerstämmen477 und im Seerecht. 478 Unberührt bleiben allerdings Klagen gegen Gebietskörperschaften unterhalb
on. Vgl. auch Idaho v. Coeur d'Alene Tribe of Idaho, 117 S.Ct. 2028, 2033 (1997): ,,[T]he dignity and respect afforded aState, which the immunity is designed to protect, are placed in jeopardy whether or not the suit is based on diversity jurisdiction. As a consequence, suits invoking the federal-question jurisdiction of Article III courts may also be barred by the Amendment." 470 Vgl. Hans v. Louisiana, 134 U.S. 1, 13 f. (1890) sowie in The Federalist No. 81 (Hamilton), in: Wills, 408, 414: "It is inherent in the nature of sovereignty, not to be amenable to the suit of an individual without its consent. ( ...) [T]he exemption, as one of the attributes of sovereignty, is now enjoyed by the govemment of every state in the union." (Hervorhebung im Original) 471 Hans v. Louisiana, 134 U.S. 1, 10 und 15 (1890). 472 Vgl. z.B. Idaho v. Coeur d'Alene Tribe ofIdaho, 117 S.Ct. 2028,2033 (1997): "To respect the broader concept of immunity, implicit in the Constitution, which we have regarded the Eleventh Amendment as evidencing and exemplifying, we have extended a State's protection from suit to suits brought by the State's own citizens." 473 Ex Parte Young, 209 U.S. 123 (1908). 474 Ebd., 159 f. V gl. auch Petty v. Tennessee-Missouri Bridge Commission, 359 U.S. 275, 276 (1959). Die überwiegende Rechtslehre sieht darin allerdings eine rechtliche Fiktion ohne verfassungstextliche Grundlage. Vgl. Gochberg 352 m.w.N.; Wayne L. Baker, Seminole Speaks to Sovereign Immunity and Ex Parte Young, 71 St. John's L. Rev. 756, 739 m.w.N. (Herbst 1997). 475 Edelman v. Jordan, 415 U.S. 651, 663 ff. (1974). 476 Monaco v. Mississippi, 292 U.S. 313 (1934). 477 Blatchford v. Native Village ofNoatak, 501 U.S. 775, 781 (1991). 478 In Re New York, 256 U.S. 490 (1921).
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der Staatenebene. Landkreise (counties) und Gemeinden (municipalities) 479 sowie andere öffentlich-rechtliche Körperschaften480 genießen keinerlei Immunität gegenüber Individualklagen.481
c) Abbedingen der gliedstaatlichen Immunität durch den Bund Daneben geht es bei der Auslegung des Elften Verfassungszusatzes um die Frage, ob der Kongress anstelle der einzelnen Staaten von dem Elften Verfassungszusatz befreien kann. 482
aa) Die bisherige Rechtsprechung Nach Fitzpatrick v. Bitzer kann der Kongress die Immunität der Staaten jedenfalls auf der Grundlage von § 5 des Vierzehnten Verfassungszusatzes beseitigen. 483 Der Vierzehnte Verfassungszusatz richte sich notwendig an die Staaten, so das Gericht, sein § 5 ennächtige daher auch zu Umsetzungsmaßnahmen, die ein Vorgehen gegen die Staaten erlaubten.484 Nach Atascadero State Hospital v. Scanlon muss sich das Abbedingen der gliedstaatlichen Immunität durch den Kongress allerdings unmissverständlich aus dem Gesetzeswortlaut ergeben!8S Nach Pennsylvania v. Union Gas CO. 486 konnte der Kongress auch in Gesetzen, die sich auf die Commerce Clause stützen, die Immunität der Staaten gegenüber Individualklagen aufheben,487 wenn dies in dem Gesetz nur eindeutig
479 Lake Country Estates, Inc. v. Tahoe Regional Planning Agency, 440 U.S. 391, 400 f. (1979). 480 Z.B. Mount Healthy City School District Board of Education v. Doyle, 429 U.S. 274,278 ff. (1977). 481 Daran soll sich offenbar auch nach Seminole nichts ändern, vgl. den Verweis auf
andere Methoden als die Individualklage gegen den Staat, um Bundesrecht in den Staaten durchzusetzen, in Serninole Tribe v. Florida, 116 S.Ct. 1114, 1131 Fn. 14 (1996). 482 Die Staaten selbst können dies unstreitig. Vgl. Field 6 m.w.N. 483 Fitzpatrick v. Bitzer, 427 U.S. 445, 457 (1976). 484 Fitzpatrick v. Bitzer, 427 U.S. 445 , 453 (1976). 485 Atascadero State Hospital v. Scanlon, 473 U.S. 234,243 (1985). Dies war hier nach Ansicht des Gerichts nicht erfolgt. Ebd., 247. 486 Pennsylvania v. Union Gas Co., 491 U.S. 1 (1989): Verfassungsmäßigkeit einer Haftungsregelung für Gliedstaaten gegenüber Bürgern bei gJiedstaatlichen Umweltrechtsverstößen. Nach CERCLA, 42 U.S.C §§ 9601-9662, kann ein Bundesgericht einen Gliedstaat zur Tragung der Sanierungskosten verurteilen. 487 Pennsylvania v. Union Gas Co., 491 U.S. 1,19 (1989).
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und unmissverständlich zum Ausdruck kam. 488 Wie der Vierzehnte Verfassungszusatz gebe auch die Commerce Clause nicht nur dem Kongress eine Kompetenz, sondern nehme den Staaten auch etwas von ihre~ Souveränität.489 Die Entscheidung war ein wichtiges Element für die Durchsetzung des Altlastenbereinigungsgesetzes CERCLA,49o da viele der von CERCLA erfassten Abfalldeponien von den Staaten betrieben wurden.49\
bb) Die neuen Entscheidungen des Supreme Court
1996 gab das Gericht in Seminole Tribe v. Florida ausdriicklich Union Gas auf'92 und erklärte die gliedstaatliche Immunität gegenüber Klagerechten in Bundesgesetzen auf der Grundlage der Commerce Clause wegen des Elfte Verfassungszusatzes als für den Bund unantastbar. 493 Danach sind Individualklagen gegen Gliedstaaten, gleichviel ob auf der Basis von diversity oder federal question jurisdiction, von Bürgern anderer Staaten oder Bürgern des beklagten Staates, nur noch zulässig, wenn dieser Staat zu solchen Klagen sein Einverständnis gegeben hat. 494,495 488 "unmistakably c1ear", vgl. ebd., 7. 489 Ebd., 16. 490 CERCLA, 42 U.S.C §§ 9601-9675. 491 Pennsylvania v. Union Gas Co., 491 U.S. 1,21 f (1989). Hier hatte der Vorbesitzer des Geländes der Union Gas Company einen Fluss mit Teer aus der Kohleverarbeitung verschmutzt. Nachdem der Bund und der Staat Pennsylvania den Fluss saniert hatten, der Bund dem Staat dessen Kosten ersetzt hatte und die Gesarntkosten bei Union Gas einklagte, erhob diese Drittwiderklage gegen Pennsylvania, weil der Staat nach ihrer Ansicht für die Verschmutzungen als Mitverursacher nach CERCLA § 101, 42 U.S.C. 9601 (20) (c) hafte. 492 Seminole Tribe v. Florida, 116 S.Ct. 1114, 1128 (1996). 493 Ebd., 1119 und 1124-1132. 494 "Even when the Constitution vests in Congress complete lawrnaking authority over a particular area, the Eleventh Amendment prevents congressional authorization of suits by private parties against unconsenting States. Tbe Eleventh Amendment restricts the judicial power under Artic1e III, and Article I cannot be used to circumvent the constitutional limitations placed upon federal jurisdiction." Seminole Tribe v. Florida, 116 S.Ct. 1114,1131 f (1996). Vgl. auch Kawananakoa v. Polybank, 205 U.S. 349, 353 (1907): "A sovereign is exempt from suit, not because of any formal conception or obsolete theory, but on the logical and practical ground that there can be no legal right as against the authority that makes the law on which the right depends." 495 Das Gericht bestätigte allerdings gleichzeitig Fitzpatrick und grenzte jene Entscheidung über ein Gesetz nach § 5 des Vierzehnten Verfassungszusatzes von dem hier entschiedenen Gesetz nach der Commerce Clause mit dem Argument ab, der Vierzehnte Verfassungszusatz habe die bestehende Verfassungsstruktur einschließlich des älteren Elften Verfassungszusatzes für seinen Bereich ändern können, während Art. I der Verfassung dem Elften Verfassungszusatz zeitlich voranging und auch keine spezifische Ausnahme enthalte. Seminole Tribe v. Florida, 116 S.Ct. 1114, 1128 (1996). 1I Renner
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Daneben präzisiert Seminole die in der Entscheidung grundsätzlich bestätigte Ex parte Young-Doktrin und verengt diese gleichzeitig: Wenn ein Gesetz wie das vorliegende - ein elaboriertes System von Rechtsschutzmöglichkeiten schaffe, gelte die (widerlegbare) Vennutung, dass eine Klage unmittelbar gegen Staatsbedienstete daneben ausgeschlossen sei. 496 Seminole enthält Minderansichten von Justices Stevens sowie Souter, dem Ginsburg und Breyer zustimmen. Souters historische Analyse kommt zu dem Ergebnis, dass in einem System dualer Souveränität von Bund und Gliedstaaten die Staaten bei einer federal question, also im Bereich des anderen Souveräns - des Bundes -, gerade nicht auf souveräne Immunität pochen könnten. 497 Beide Minderansichten sehen die Schranke des Elften Verfassungszusatzes im Ergebnis auf Klagen von Bürgern anderer Gliedstaaten auf der Grundlage von diversity jurisdiction beschränkt.
Zwei Folgeentscheidungen des Supreme Court zu Seminole schränken die Erreichbarkeit von citizen suits weiter ein. In Idaho v. Coeur d'Alene Tribe 01 Idaho aus dem Jahr 1997 begrenzt das Gericht die Ex parte Young-Doktrin durch eine im Regelfall vorgeschaltete Abwägung zwischen dem Interesse an der Klage und den Interessen des Staates an seiner vom Elften Verfassungszusatz grundsätzlich geschützten Immunität als Souverän. 498 Ausgenommen hiervon sind lediglich Klagen gegen Staatsbedienstete, fiir die kein Rechtsweg zu gliedstaatlichen Gerichten offen steht, da andernfalls die Rechtsweggarantie verletzt wäre. 499 Das Gericht lässt den Einwand möglicher Voreingenommen496 Ebd., 1132 f. ,,[W]here Congress has prescribed a detailed remedial scheme for the enforcement against aState of a statutorily created right, a court should hesitate before casting aside those limitations and permitting an action against astate officer based upon Ex Parte Young." Ebd., 1132. 497 Abweichende Meinung von lustice Souter, ebd., 1172: "The very idea of a federal question depended on the rejection of the simple concept of sovereignty from which the irnrnunity doctrine had developed; under the English common law, the question of irnrnunity in a system of layered sovereignty simply could not have arisen. (... ) The Framers' principal objectives in rejecting English theories of unitary sovereignty, moreover, would have been impeded if a new concept of sovereign immunity had taken its place in federal question cases, and would have been substantially thwarted if that new irnrnunity had been held to be untouchable by any congressional effort to abrogate it." Die genannten Richter lehnen Seminole weiterhin ab, vgl. abweichende Ansicht von lustices Breyer, Stevens, Souter, Ginsburg, College Savings Bank v. Florida Prepaid Postsecondary Education Expense Board, Urt. des Supreme Court v. 23. 6. 1999, 13 ff., 17 ff. 498 Idaho v. Coeur d' Alene Tribe of Idaho, 117 S.Ct. 2028, 2038, 2039 f. (1997): "a careful balancing and accomodation of state interests when determining whether the Young exception applies in a given case. (... ) [T]he Young fiction is an exercise in linedrawing. There is no reason why the line cannot be drawn to reflect the real interests of States consistent with the c1arity and certainty appropriate to the Elventh Arnendment's jurisdictional inquiry." 499 Ebd., 2035.
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heiten gliedstaatlicher Gerichte nicht durchgreifen500 und betont die Bedeutung des mit einer Klage vor Bundesgerichten verbundenen "Affronts" gegen den beklagten Gliedstaat im Vergleich zu dem Interesse des Klägers an der Wahl eines geeigneten Gerichtsstands. 50l In der wie Seminole und Coeur d 'Alene mit fünf zu vier Richterstimmen ergangenen Entscheidung AIden v. Maine 502 aus dem Jahr 1999 hat der Supreme Court allerdings auch Klagen Privater gegen Gliedstaaten vor deren eigenen Gerichten von gliedstaatlicher Zustimmung abhängig gemacht. Danach kann der Bund auch hier die Immunität der Gliedstaaten nicht abbedingen. Bei der Entstehung der Verfassung, so die Richter, sei die Immunität der Gliedstaten gegen Klagen vor ihren eigenen Gerichten ohne ihre Zustimmung als selbstverständlich erachtet worden, weshalb dies auch keine ausdrückliche Erwähnung im Elften Verfassungszusatz gefunden habe.
cc) Die dogmatischen Begründungen von Abdingbarkeit und Nichtabdingbarkeit Eine einheitliche dogmatische Begründung für die wechselhafte Rechtsprechung des Supreme Court zur Abdingbarkeit des Elften Verfassungszusatzes fehlt bisher. 503 Die Urteilsbegründung in Seminole stützt sich maßgeblich auf Hans, wo die Immunität der Staaten gegenüber Individualklagen als notwendi500 Ebd., 2037: "Neither in theory nor in practice has it been shown problematic to have federal claims resolved in state courts where Eleventh Amendment immunity would be applicable in federal court but for an exception based on Young. For purposes of the Supremacy Clause, it is sirnply irrelevant whether the claim is brought in state of federal court." Lediglich bei Klagen des Bundes oder eines anderen Staates gegen einen Staat gebiete die verfassungsmäßige Struktur eine Entscheidung des Rechtsstreits vor Bundesgerichten. Ebd. 501 Ebd., 2038: "What is really at stake where astate forum is available is the desire of the litigant to choose a particular forum versus the desire of the State to have the dispute resolved in its own courts. ( ... ) The course of our law indicates the wisdom and necessity of considering, when deterrnining the applicability of the Eleventh Amendment, the real affront to astate of allowing a suit to proceed. ( ...) ,[T]he need to promote the supremacy of federallaw must be accomodated to the constitutional immunity of the States. ". 502 AIden v. Maine, U.S., No.98-436, Urt. v. 23. 6. 1999, U.S. Law Week Vol. 67, No. 49,1780 und 4601. 503 Vgl. Field 4: ,,[Der Zehnte und Elfte Verfassungszusatz] certainly have provided the fodder for much acadernic writing over the past twenty. For one thing, their meanings change often. Both amendments have been interpreted with revolving theories, and the revolutions are not yet at rest with respect to either amendment." Ebd., 6: ,,[T]here is no reason to believe that Seminole 's resolution will be any longer-lived than its predecessors. Nor have we necessarily seen the last ofthe doctrines that Seminole so abruptly cast aside."
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ges Element eines fOderalen Systems verstanden wurde,s°4 das - so Hans auch ohne den Elften Verfassungszusatz bestünde,505 ohne dass Hans allerdings eine Aussage über die Abdingbarkeit dieses Prinzips durch Bundesrecht traf.506 Abbedingende Bundesgesetze galten seit der ersten Entscheidung hierzu in Parden v. Terminal Railwa/07 im Jahr 1964 als mit dem Elften Verfassungszusatz vereinbar, ohne dass darin ein Widerspruch zu Hans gesehen wurde .50s Die Begründung hierfür war jedoch stets umstritten. Die überwiegende Argumentation stützte sich darauf, dass der innerhalb seiner Kompetenzen handelnde Kongress for die Staaten von deren Immunität absehen könne, wenn der Gesetzgeber dies unmissverständlich erklärt habe (clear statement requirement).509 Davon rückte Seminole nun ab. Überzeugender ist eine zweite Begründung für die Abdingbarkeit gliedstaatlicher Immunität, die die Mehrheit der Richter in Seminole allerdings gleichermaßen ablehnt. Diese Begründung hält die Souveränität der Staaten für ein von der Verfassung nicht geschütztes Prinzip des common law, das verfassungsrechtlich nicht geboten sei. 5lO Der Elfte Verfassungszusatz habe nur das von der Mehrheit der Richter in Chisholm in Art. III hineingelesene Verbot gliedstaatlicher Immunität im Einzelfall beseitigen wollen, nicht aber umgekehrt diese Immunität in der Verfassung als unantastbar festschreiben wollen. 511 Das Prinzip gliedstaatlicher Immunität könne keine Verfassungskraft
504 Seminole Tribe v. Florida, 116 S.Ct. 1114, 1127 f. (1996). VgJ. hierzu Field 5 f.; Monaco v. Mississippi, 292 U.S. 313,322 (1934), wonach die ausweitende Interpretation des Elften Verfassungszusatzes auf "postulates which limit and control" basierte. 505 VgJ. Field 5; Monaco v. Mississippi, 292 U.S. 313,322 (1934). 506 Abweichende Meinung von Justice Stevens, Seminole Tribe v. Florida, 116 S.Ct. 1114, 1137 (1996). 507 Parden v. Terminal Railway, 377 U.S. 184 (1964), mittlerweile mit fünf zu vier Stimmen verworfen, College Savings Bank v. Florida Prepaid Postsecondary Education Expense Board, Urt. des Supreme Court v. 23. 6. 1999, Docket No. 98-149, 8 ff. ; wie Parden die bisher h.M. in der Lehre, vgl. Nwe. in der abweichenden Ansicht von Justice Sauter, Seminole Tribe v. Florida, 116 S.ct. 1114, 1150 Fn. 8 (1996). 508 VgJ. Atascadero State Hospital v. Scanlon, 473 U.S. 234 (1985); Employees v. Missouri Public Health Departrnent, 411 U.S. 279 (1973). 509 Vgl. Atascadero State Hospital v. Scanlon, 473 U.S. 234 (1985) sowie die Begründung von Justice Dauglas in Employees v. Missouri Public Health Departrnent, 411 U.S. 279, 285 (1973). 510 Maßgeblicher Vertreter dieser Theorie war Justice Brennan, der Verfasser der Urteilsbegrundung in Pennsylvania v. Union Gas Co., 491 U.S. 1,5 ff. (1989). Vgl. auch Field 7. Dem steht, wie oben erwähnt, auch Hans nicht entgegen, wo sich das Gericht hierzu jedenfalls nicht explizit äußerte. 511 Dafür spricht allerdings viel, da selbst die einzige Minderansicht in Chishalm, Justice IredelI, lediglich die Ansicht vertrat, die Zuerkennung gliedstaatlicher Souverä-
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haben, weil es aus dem vor-republikanischen Prinzip des "a King can do no wrong" im englischen Recht entstanden sei. S\2 Diese Ansicht konnte aber sowohl in Seminole als auch in Union Gas und vorher nur maximal vier Richterstimmen auf sich vereinigen. 513 d) Praktische Folgen
Wegen der umfassenden Bedeutung der Commerce Clause ist es von geringer Bedeutung, dass der Kongress auf der Basis anderer Kompetenzen gliedstaatliche Immunität unter dem Elften Verfassungszusatz weiterhin abbedingen kann. 514 Als Umgehungsmöglichkeit fiir die Ermöglichung von Individualklagen mochte sich zunächst noch die von Pfander vorgeschlagene gesetzliche Ermächtigung gliedstaatlicher Gerichte zur Entscheidung über Bundesrecht mit nachgeschalteter Kontrolle durch den U.S. Supreme Court anbieten. 515 Diesen Weg hat der Supreme Court jedoch in Aiden v. Maine ebenfalls verschlossen. Die Gliedstaaten haben allerdings bisher in vielen Bereichen Klagen Privater vor ihren Gerichten ausdrücklich zugelassen. 516 Wo die Gliedstaaten Individualklagen nicht zugelassen haben, kann grundsätzlich auf der Basis der Ex Parte Young-Doktrin gegen den zuständigen Staatsbediensteten geklagt werden. Einige Umweltgesetze des Bundes sind zwar wie das Gesetz gestaltet, fiir das der Supreme Court in Seminole keine Klage gegen Staatsbedienstete nach der Ex parte Young-Doktrin zugelassen hat,517 so dass Bedenken gegen diese nität sei nicht verfassungswidrig und der Kongress könne durchaus in einfachen Gesetzen von diesem Grundsatz befreien. Vgl. Field 7. 512 Vgl. abweichende Meinung von Justice Stevens in Seminole Tribe v. Florida, 116 S.Ct. 1114, 1143 (1996). Ein solches Prinzip sei "inappropriate for a democratic nation such as ours" (ebd.). Sl3 Dies verdeutlicht die Auslegungschwieirgkeiten im Supreme Court. V gl. Seminole und Union Gas. 514 So Diaz-Gandia v. Dapena-Thompson, 90 F.3d 609, 616 (1st Cir. 1996), ergangen vier Monate nach Seminole. 515 James E. Pfander, An Intermediate Solution to State Sovereign Immunity: Federal Appellate Court Review of State-Court Judgments after Seminole Tribe, 46 UCLA L. Rev. 161,194 ff. (1998). Ebenso Field 16. 516 Einen Verzicht auf den Schutz des Elften Verfassungszusatzes nimmt der Supreme Court nur an, wenn dieser ausdrücklich erklärt wurde, nicht bereits dann, wenn der Staat freiwillig ein durch den Bund geregeltes Verhalten zeigt, an das der Bund die Zulässigkeit einer Klage gegen diesen Gliedstaat knüpft. College Savings Bank v. Florida Prepaid Postsecondary Education Expense Board, Urt. v. 23. 6. 1999, Docket No. 98-149. 517 Vgl. z.B. CAA § 307 (b), 42 U.S.C. 7607 (b); CWA § 509 (b), 33 U.S.C. 1369 (b); RCRA § 7006 (a), 42 U.S.C. § 6976; Toxic Substances Control Act (TSCA) § 19, 15 U.S.C. 2618.
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Klagemöglichkeit angebracht sind. 518 Maßgeblich ist jedoch der Wille des Bundesgesetzgebers. Die oben a) beispielhaft angeführten Umweltgesetze des Bundes lassen erkennen, dass eine Rechtsdurchsetzung im Wege der Popularklage gefördert werden soll. Die Zulassung von Klagen gegen Staatsbedienstete gewährt einzig die im Umweltbereich gesetzgeberisch gewünschte individuelle Klagemöglichkeit. 519 Unabhängig davon der Ausschluss von Klagen unmittelbar gegen Gliedstaaten durch Seminole allerdings einen seiner wichtigsten Anwendungsbereiche im Umweltrecht. 520 Damit ist der Raum für die Individualklage als Instrument der Durchsetzung des Umweltrechts des Bundes derzeit verengt, jedoch keinesfalls verschlossen.52l Seminole ist eine knappe, aber keinesfalls zufällige Entscheidung, die sich in das Bild des wiederauflebenden judicial federalism mit gliedstaatenschützender Zielrichtung im Supreme Court einfügt und einen anderen Aspekt des schemenhaften Begriffs gliedstaatlicher Souveränität beleuchtet. 522 Angesichts der wechselhaften Rechtsprechung und des Fehlens einer dogmatischen Linie zum Elften Verfassungszusatz ist jedoch fraglich, ob die genannten Urteile dauerhaft das Bund-Staaten-Verhältnis prägen werden. 523 5. Subsidiarität als mögliche Leitlinie der commerce power? Subsidiarität und Föderalismus sind vereinbar, aber nicht notwendig miteinander verbunden. Föderalismus enthält keine Präferenz für eine bestimmte Befugnisverteilung unter den Ebenen eines Systems. Subsidiarität ist hingegen Vgl. Gochberg 362 m.w.N. In diesem Sinne auch Natural Resources Defense Council v. California Department of Transportation, 96 F .3d 420 (9th Cir. 1996). Das Gericht erkennt die Absicht des Clean Water Act, Indvidualklagen zu fordern und weist daher den Einwand der Immunität von Bediensteten des Staates Kalifornien zurück. Ebd., 424. 520 Vgl. Stephen L. Kass/Jean M McCarroll, Private Enforcement after Seminole, N.Y. L. J., 26. 4. 1996, 2: "It is environmental enforcement, however, that is most directly threatened by Seminole, for no other body of regulatory law has relied so prominently, and successfully, on private parties to monitor and enforce state compliance with federal requirements." Zitiert nach Baker 749 Fn. 56 m.w.N. In demselben Sinne die abweichende Meinung von Justice Stevens in Seminole Tribe v. Florida, 116 S.Ct. 1114, 1134 (1996); Field 15 f. 521 Vgl. Gochberg 365, die keine wesentlichen Nachteile sieht. 522 Field 11 fI. weist auf den Umstand hin, dass die für den Rechtsstreit in Seminole maßgebliche Bestimmung, die Verpflichtung der Gouverneure zu good faith negotiations mit Indianerstänunen in 25 U.S.C. § 2710 (d)(3)(A), nach dem Zehnten Verfassungszusatz für verfassungswidrig hätte erklärt werden (vgl. die Ausführungen zu New York und Printz oben l.d)aa) und bb) und die Klage damit hätte gleichermaßen abgewiesen werden können. 523 Vgl. Field 6. 518 519
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eine Zweifelsregelung zugunsten der unteren Ebene(n) bzw. die Auferlegung einer "Beweislast" für die Notwendigkeit einer Regelung auf oberer Ebene. In der Praxis lassen sich weder Üblichkeiten noch Leitlinien im Gesetzgebungsprozess ausmachen, nach denen Gesetzesvorhaben daraufhin zu filtern wären, ob eine Regelung auf Bundesebene erforderlich ist und nicht eine gliedstaatliche oder lokale Regelung genügt. S24 Die Verfassungsrechtsprechung folgt den dargestellten andersartigen Linien zur Reichweite der Kompetenzen und der Kompetenzausübung und schließt in ihren Formulierungen Subsidiarität geradezu explizit aus. S25 Bermann fmdet in seiner umfangreichen Arbeit als Ausdruck von Subsidiarität lediglich einen Executive Order von Präsident George Bush. 526 Dieser diente dazu, "to restore the division of governmental responsibilities between the national government and the States (... ) and to ensure that the principles of federalism established
524 Bermann 406 ff.: "The working assumption in the United States seerns in fact to be that Congress, by virtue of its composition and mode of operation, will not act with needless disregard for the states' interest in regulatory autonomy. (... ) Implicit in this analysis is the assumption that Congress actually determines, during the process of deliberating over proposed legislation, whether federal action is in fact needed for achieving its purposes. (... ) Some scholars go further, however, maintaning as a description ofpolitical reality that proponents offederallegislation bear ,the burden ofpersuasion' that action at the federal rather than the state level is required. ( ... ) The truth ofthis proposition has never to my knowledge been demonstrated. " 525 Auch der Verweis auf eine Vermutung gegen eine Sperrwirkung von Bundesrecht (preemption, ausfiihrlich hierzu unten Teil 3) bei Justice Scalia (Antonin Scalia, Subsidiarity a I' Americaine: C'est a Dire Preemption, in: Maastricht, Subsidiarity and Italian-EC Relations (The Mentor Group, The Forum for U.S.-EC Legal-Economic Affairs), Venedig 1992, 4, zitiert nach Bermann 406 Fn. 295 und 425 Fn. 365.) und Bermann 425 ff. fUhrt hier nicht weiter. Diese Vermutung betrifft ausschließlich die Gesetzesauslegung und schützt die Staaten allenfalls vor vom Kongress nicht gewollter oder nicht bedachter Sperrwirkung. Sie fördert so eine bewusste Entscheidung des Bundesgesetzgebers über die Sperrwirkung, beschränkt den Gesetzgeber aber in keiner Weise. Die genannte Vermutung geht auch nicht etwa auf die tatsächliche Beachtung eines Subsidiaritätsprinzips durch den Gesetzgeber zurück. Diesen Gegensatz erkennt letztlich auch Bermann 426 f. Als Ausschluss des Subsidiaritätsgedankens lässt sich z.B. Gibbons v. Ogden, 22 U.S. (9 Wheat.) 1, 196 (1824) lesen: "This power [to regulate], like all others vested in Congress, is complete in itself, may be exercised to its utrnost extent, and acknowledges no limitations other than are prescribed in the Constitution (... ) the power over commerce with foreign nations, and among the several states, is vested in Congress as absolutelyas it would be in a single government (... )." 526 Executive Order Nr. 12.612,3 C.F.R. 252 (1987), betitelt ,,Federalism". Da Executive Order 12.612 als untergeordnet zu Executive Order 12.291 galt, welcher von Präsident Clinton 1993 aufgehoben wurde, bestehen ernste Zweifel an der Fortgeltung von Executive Order 12.612. Vgl. Bermann 440 m.w.N.
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Teil 1: Handlungsspielräume des Bundes in den USA
by the Framers guide the Executive departments and agencies in the formulation and implementation of policies. ,,527
Der Executive Order unterscheidet zwischen "Problemen von bundesweiter Bedeutung", die Regelungen des Bundes rechtfertigen, und "Problemen, die die Staaten lediglich gemein haben" und daher von den Staaten einzeln oder gemeinsam gelöst werden können. 528 Die Erforderlichkeit einer Regelung soll zunächst ermittelt werden und die Staaten sollen primär zu eigenen Maßnahmen zur Erreichung des angestrebten Ziels angeregt werden; schließlich sollen einheitliche nationale Standards möglichst vermieden und die Standardsetzung den Staaten überlassen werden. 529 Im Verfahren für den Erlass von Regelungen, die erhebliche Auswirkungen auf Staaten, auf das Bund-StaatenVerhältnis oder auf die Kräfteverteilung in diesem Verhältnis haben, ist zunächst eine Bewertung dieser Auswirkungen (sog. Federalism Assessment) zu erstellen. 530 Der Einfluss eines solchen Executive Order auf die Ergebnisse des Regelsetzungsmechanismus sollte allerdings nicht überschätzt werden. Dieser Ansatz ist eine Ausnahme. 531 Auch Vorschläge, dem Kongress bei Gesetzentwürfen mit Bedeutung für die föderalen Strukturen eine zwingende Konsultation gliedstaatlicher Instanzen vorzuschreiben, haben keine realen Realisierungschancen, widersprechen sie doch dem Prinzip, dass es grundsätzlich keine privilegierten Dritten im Gesetzgebungsprozess gibt. sn Ähnliche Wirkungsweisen wie das Prinzip der Subsidiarität lassen sich allenfalls in bestimmten Modellen der Kooperation zwischen Bund und Gliedstaaten fmden. S33 In diesen Modellen ist jedoch die Entscheidung, wer einen Sachverhalt regelt, den Staaten überlassen, während der Inhalt der Regelung vom Bund vorgegeben ist, so dass die Staaten nur im von der regelsetzenden Administrative Agency des Bundes vorgegebenen Rahmen frei sind. Wesentliche Zielsetzungen sind hier auch eher VerwaltungsefflZienz und Schonung knapper Verwaltungsressourcen des Bundes als der Schutz der Gliedstaaten. Wo der Bund die Gliedstaaten weder anweist noch zwingt, gilt weiterhin das Prinzip des Vertrauens in die Schutzwirkung des politischen Entscheidungsfindungsprozesses im Bund. Garcia wurde vom Supreme Court nie aufgegeben
Executive Order 12.612, Präambel, zitiert nach Bermann 440. Executive Order 12.612, § 3 (b)(I), zitiert nach Bermann 441. 529 Executive Order 12.612, § 3 (a), § 3 (d)(I) und § 3 (d)(2), wiedergegeben nach Bermann 441. 530 Executive Order 12.612, § 6 (c) iV.m. § 1 (a), vgl. Bermann 440 und 442. 531 Bermann 403 ff., 447. 532 Bermann 412. 533 Vgl. unten 111.4. 527
S21
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lUld bleibt daher weiterhin gültig. 534 Ein Subsidiaritätsprinzip existiert in der Verfassungstheorie oder -praxis nicht, auch nicht lUlter anderem Namen. 53S
III. Gesetzgeberische Konzepte: Regelungsmodelle im Umweltrecht des Bundes Das Umwe1trecht des BlUldes lässt sich nach verschiedenen Regelungsmodellen klassifizieren. Anhand der bisher dargestellten GrenzziehlUlgen auf diese Modelle sollen die praktischen Spielräume des Umweltrechts des Bundes in der Gegenwart lUld mögliche Einengungen dieser Spielräume in der Zukunft deutlich werden.
1. Historischer Überblick: Die Entwicklung der Rolle des Bundes im Umweltrecht Bis Ende der sechziger Jahre galt der Umweltschutz als ausschließlich gliedstaatlicher lUld kommlUlaler Verantwortungsbereich mit nur punktuellen blUldesrechtlichen Elementen. 536 Eigene umweltbezogene Regelungen des BlUldes betrafen vornehmlich eigene Behörden lUld Projekte des BlUldes lUld erfassten nicht das Verhalten Privater. 537 BestimrnlUlgen, die heutzutage zum Bereich des Umweltrechts zu zählen sind, existierten zwar zum Teil, dienten aber anderen Zielen. 538 Das Mitte der sechziger Jahre einsetzende und seit 1969 rasch wachsende Engagement des BlUldes mit eigenen materiellen Regelungen mit unmittelbarer GeltlUlg ist maßgeblich darauf zurückzufiihren, dass die Gliedstaaten Anfang der sechziger Jahre den Versuchen des Bundes, sie durch finanzielle Anreize zu umfassenderen Umweltschutzgesetzen zu veranlassen, widerstanden haben. 539 Ein zentraler GrlUld für die Zurückhaltung der Glied-
So auch Bermann 423. Bermann 403 und ff.; Vause 68. 536 Vgl. Percival1148 ff. In geringem Umfang unterstützte der Bund bereits seit den späten vierziger Jahren umweltbezogene Forschung und und gliedstaatliche Schutzbestimmungen. Ebd., 1155 f. 537 Adler, Green Aspects, 576 Fn. 15; Dwyer, Practice ofFederalism, 1158. 538 So verfolgten z.B. die Herstellungs- und Kennzeichnungsvorschriften des Insectieide Act von 1910 weder umwelt- noch gesundheitspolitische Zielsetzungen, sondern dienten vor allem dem Schutz der AnwendeT vor Betrug. Vgl. Paul A. J. Wilson, Pestieides, in: Vanderver (Rrsg.), EnviTonmental Law Handbook, 412. 539 V gl. Peter S. MenellJRichard B. Stewart, EnviTonmental Law and Policy, Boston u.a. 1994, 242 tT. 534
535
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staaten war die Furcht, mit aufwendigen Umweltschutzregelungen bestehende und neue Industrieansiedlungen abzuschrecken. 540 Vereinzelte Ansätze reichen weiter zurück. Im neunzehnten Jahrhundert betrieb der Bund die Vergabe von Land im unerschlossenen Westen des Landes sowohl als Geldquelle als auch zur Förderung von privaten und gliedstaatlichen Erschließungsprojekten. Die Interessen von Bund und Gliedstaaten an der Nutzbarmachung natürlicher Ressourcen entsprachen einander, Konflikte waren nicht zu befürchten. 54! Mit der Einrichtung des ersten Nationalparks, des Yellowstone National Park im Jahr 1872,542 und dem Forest Reserve Act von 1891, der bundeseigene Wälder von der Vergabe zur Erschließung abzog, begann ein neuer Ansatz, der auf ein ausgewogeneres Verhältnis zu den natürlichen Ressourcen abzielte. Mitursächlich war das wachsende conservation movement, aber auch touristische Interessen der Eisenbahngesellschaften. 543 Im regulatorischen Bereich ergingen bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg zwar einige wenige Bundesgesetze, die heute teilweise zum Bereich des Umweltrechts zählen, damals aber ausschließlich der Beseitigung von Hindernissen für den zwischenstaatlichen Handel dienten, gelegentlich auch dem Verbraucherschutz. Ein Beispiel für ein solches Handelsgesetz, das später für den Umweltschutz instrumentalisiert wurde, ist der Refuse Act als Teil des Rivers and Harbors Act von 1899, der die Einbringung von Abfallen in schiffbare Gewässer verbot. Das einzige Gesetz zum Schutz der öffentlichen Gesundheit, der Esch-Hughes Act von 1912, der die gesundheitsschädlichen weißen Phosphorstreichhölzer durch eine erdrosselnde Steuer abschaffte, wurde im Kongress ausdrücklich als Ausnahme ohne Präzedenzcharakter charakterisiert. 544 In den Gliedstaaten existierten zwar häufig lokale Verordnungen zur Einschränkung von belästigenden Emissionen und Abwässern, die jedoch keine Grenzwerte festzusetzen vermochten und häufig nicht durchgesetzt wurden. 545 Seit der Jahrhundertwende kam es zu Klagen zwischen Gliedstaaten vor dem Supreme Court wegen grenzüberschreitender Verschmutzungen auf der Basis von federal common law. Der Supreme Court bestätigte seine Kompetenz zur Entscheidung solcher Streitigkeiten,s46 die jedoch wegen der Schwierigkeit, Flattm.w.N. Vgl. A. Dan Tarlock, BiodiversityFederalism, 54 Md. L. Rev. l315, l341 (1995). 542 Das Gesetz vom 1. 3. 1872 ist kodifiziert in 16 U.S.C. § 21. 543 Vgl. Percivall148. 544 H.R. Doc. No. 406, 6, 9-11, zitiert nach Percival 1151. Die Gesundheitsgefahr war offensichtlich und in Europa bereits durch die Berner Konvention von 1906 auf internationaler Ebene beseitigt. Percival ebd. 545 Vgl. Percival1148 m.w.N. 546 Missouri v. Illinois, 200 U.S. 496, 518 (1906): "to deal with a situation which, if it arose between independent sovereignties, might lead to war." 540 541
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kausale Gesundheitsschäden zu beweisen, und angesichts der regelmäßig gleichartigen Praktiken im klagenden Staat häufig keinen Erfolg hatten. Der Supreme Court lehnte es ab, Standards zu setzen und empfahl den Gliedstaaten zwischenstaatliche Verträge untereinander zur Lösung grenzüberschreitender Umweltfragen. 547 Nach 1945 unerstützte der Bund die Gliedstaaten in verschiedenen Bereichen des Umweltrechts mit fmanzieller und wissenschaftlicher Hilfe, so z.B. mit dem Federal Water Pollution Control Act von 1948, dem Clean Air Act von 1963 und dem Solid Waste Disposal Act von 1965. Umweltrecht galt jedoch nach wie vor als Sache der Staaten. 548 Im Clean Air Act ermächtigte der Bund seine Verwaltung zum ersten Mal zur Aufstellung von nicht-bindenden Luftqualitätskriterien; zwischenstaatliche Luftqualitätsprobleme sollten aber weiter zwischenstaatlich gelöst werden. Die Hilfen und Anreize des Bundes ohne daran geknüpfte Bedingungen erwiesen sich jedoch als Fehlschlag. Die Staaten erließen so gut wie keine Gesetze zum Schutz vor Umweltgefahren. Auch zwischenstaatliche Verträge erwiesen sich nicht als wirksames Instrument. 549 Seit den frühen sechziger Jahren entstanden in den USA Umweltgruppen, die Öffentlichkeitsarbeit in bestimmten Bereichen von Umweltproblemen betrieben. Bereits in den sechziger Jahren ergingen verschiedene Umweltgesetze des Bundes, die aber vor allem Bundesbehörden Beschränkungen zum Schutz der Umwelt auferlegten, so z.B. der Wilderness Act von 1964,550 der Wild and Scenie Rivers Act von 1968551 und der Department of Transportation Act von 1966.552 Zentral geregelt wurden diese Belange schließlich 1969 im National Environmental Policy Act (NEPA),S53 der alle Bundesbehörden zur Erstellung detaillierter Umweltverträglichkeitsprüfungen bei Staatshandeln mit wesentlichen Auswirkungen auf die Umwelt verpflichtet. Seit 1970 änderte sich der nicht-regulatorische Charakter des Umweltrechts des Bundes beinahe schlagartig. Der Kongress erließ in schneller Folge eine Reihe von Gesetzen, die sowohl in den vorher mit erfolglosen Anreizen und Hilfen abgedeckten als auch in anderen Bereichen umfassende regulatorische Bundesprograrnme zur Kontrolle und Minderung von Verschmutzungen vor allem von Luft und Wasser auf der Basis bundesweit einheitlicher MindestNew York v. New Jersey, 256 U.S. 296,313 (1921). Vgl. Percival1154. Vgl. Dwyer, Practice ofFederalism, 1191 Fn. 29. 549 Vgl. Tarlock 1131. Eine Ausnahme bildete lediglich die Regelung einiger größerer Flusssysteme. . 550 In seiner heutigen Version kodifiziert in 16 U.S.C. §§ 528 ff. 55! In seiner heutigen Version kodifiziert in 16 U.S.C. §§ 1131 fI. 552 In seiner heutigen Version kodifiziert in 16 U.S.C. §§ 470 fI. 553 In seiner heutigen Version kodifiziert in 42 U.S.C. §§ 4321 ff. 547 548
Teil I: Handlungsspielräume des Bundes in den USA
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standards einrichteten. Dies waren die Novelle von 1970 zum Clean Air Act, der modeme Clean Water Act (CWA) 1972, der Endangered Species Act (ESA) 1973, der Safe Drinking Water Act (SDWA) 1974, der Federal Insectieide, Fungieide, and Rodenticide Act (FIFRA) 1975, der Toxic Substances Control Act (TSCA) 1976 und der Resource Conservation and Recovery Act (RCRA) 1976. 1970 wurde auch die Environmental Protection Agency (EPA) als zentrale Bundesbehörde fiir Umweltschutzaufgaben von Präsident Nixon ins Leben gerufen. 554 Nach dem Clean Air Act hatte nunmehr die EPA Luftschadstoffe zu ennitteln und zwingende Mindeststandards fiir die Luftqualität zu setzen, der Clean Water Act stellte ein Genehrnigungserfordernis fiir alle Gewässereinleitungen auf. Die achtziger Jahre waren vor allem von Erweiterungen, Verfeinerungen und Verstärkungen der in den siebziger Jahren erlassenen Gesetze geprägt. SS5 Um die Umsetzung seiner Regelungen zu beschleunigen, setzte der Kongress der EP A in verschiedenen Bereichen Fristen. Einen anderen Ansatz als die bis dahin ergangenen regulatorischen Gesetze verfolgte der Comprehensive Environmental Response, Compensation and Liability Act (CERCLA) von 1980,556 der eine strikte Haftung fiir die Freisetzung gefährlicher Stoffe etablierte. Lediglich einen Rahmen fiir zwischenstaatliche Verträge schuf der Kongress hingegen im Bereich der Beseitigung schwach radioaktiver Abfälle mit dem Low-Level Radioactive Waste Policy Act (LLRWPA) von 1980,557 wonach sich jeweils mehrere Staaten auf regionale Lagerstätten einigen sollten, wofiir sie ermächtigt wurden, atomare Abfälle aus Nichtunterzeichnerstaaten abzulehnen. 558 Um umweltrechtliche Regelungen zu vereinfachen und wirtschaftlich effizienter zu gestalten, führte der Kongress mit der Novelle zum Clean Air Act von 1990 das "marktwirtschaftliche Instrument" handelbarer EmissionszertifIkate fiir Schwefeldioxid- und Stickoxidemissionen (mit Absicherung durch eine absolute Grenze) ein,5S9 das allerdings weder zu umfangreichen Transfers von Emissionsrechten noch zu hohen Preisen für diese Rechte geführt hat. 56O Mit dem Emergency Planning and Community Right-to-Know-Act von 1986 (EPCRTKA)561 erfand der Gesetzgeber ein "weiches" Druckmittel
Reorganization Plan No. 3 of 1970, 3 C.F.R. 1072 (1970). Vgl. Percivall163 ff. 556 42 U.S.C. §§ 9601 ff. 557 Pub. L. No. 96-573, 94 Stat. 3347 (1980). 558 Die take-title-Bestirnrnung der Novelle zum LLRWPA von 1985 wurde vom Supreme Court in New York v. United States für verfassungswidrig erklärt. Vgl. oben H.1.d). 559 Kodifiziert in 42 U.S.c. §§ 7401-7642. 560 Vgl. Percivall164 f. Fn. 107 m.w.N. 561 EPCRTKA, 42 U.S.C. 11001 ff. 554
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gegen Umweltbelastungen, indem er ein allgemein zugängliches Register von Schadstoffemissionen einrichtete. Seit den frühen neunziger Jahren, spätestens seit dem Wahlsieg der Republikaner bei den Kongresswahlen von 1994, hat sich die Stimmung nicht nur in den Gliedstaaten, sondern auch im Kongress fiir Umweltschutzinteressen nachteilig entwickelt. s62 Unter dem Titel "Contract with America" bemühte sich die neue Mehrheit um regulatorische Moratorien, um die Überlassung von Umweltschutzaufgaben an die Staaten und um die Einfiihrung von KostenNutzen-Analysen im Umweltrecht. s63 Bedeutende Novellen von Umweltgesetzen kamen nicht mehr zustande, wohl aber Gesetze wie der Unfunded Mandate Reform Act von 1995 (UMRA), der Aufgabenzuweisungen an die Gliedstaaten ohne kostendeckende Finanzzuweisungen begegnen sollte.
2. Vollregelungen mit unmittelbarer Geltung für Bürger und Behörden und bundeseigener Verwaltung a) Formen und Beispiele im Umweltrecht
Bundeseigene Vollregelungen und bundeseigene Verwaltung bestehen insbesondere im Bereich produktbezogener Regelungen fiir Waren, die bundesweit einheitlich vertrieben werden. Dazu gehört Z.B. das Recht der giftigen Chemikalien unter dem Toxic Substances Control Act. 564 Dieser enthält eine Ermächtigung ftir die EP A zur Regulierung gesundheitsgefährdender chemischer Substanzen mit Sperrwirkung gegenüber gliedstaatlichem Recht. Die Vermarktung und Verwendung von Pestiziden regelt der Federal Insecticide, Fungicide, and Rodenticide Act. s6s TSCA erlegt allen Entwicklern und Herstellern neuer chemischer Substanzen die Verpflichtung auf, mindestens 90 Tage vor dem Beginn der Produktion (oder des ersten Imports in die USA) des Stoffes ihre Absicht der EPA mitzuteilen (premanufacutre notification - PMN). Bei neuen Verwendungen gilt dies Vgl. Percival 1165 ff. Beispielhaft für vielfach ausschließlich in KostenlNutzen-Kategorien angelegte Diskussionsbeiträge um ein weniger oder mehr an bundeseinheitlichen Standards im Umweltrecht James E. Krier, On the Topology of Uniform Environmental Standards in a Federal System - and Why it Matters, 54 Md. L. Rev. 1226 (1995), der auf der Basis von KostenlNutzen-Erwägungen die den Staaten vom Bund vorgegebenen einheitlichen Luftqualitätsstandards (als Beispiel für bundeseinheitliche Standards überhaupt) angreift. 564 TSCA, 15 U.S.C. §§ 2601 ff. 565 FIFRA, 7 U.S.C. §§ 136 ff. 562
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auch für vorhandene Stoffe,566 über die die EP A ein Register führt. Dabei ist unter Anderem die chemische Struktur, die vorgesehene(n) Anwendung(en), die Produktions menge, die Anzahl der dem Stoff voraussichtlich ausgesetzten Menschen und die Dauer der Aussetzung und die Methode der Beseitigung mitzuteilen. Untersuchungen zu Umwelt- und Gesundheitsrisiken sind nicht durchzuführen, vorhandene Daten hierzu aber mitzuteilen. 567 Binnen 30 Tagen hat eine Mitteilung über den Beginn der Produktion zu erfolgen. 568 Die EP A kann Produktion oder Verwendung eines Stoffes beschränken oder verzögern und die Durchführung spezifischer Untersuchungen fordern. 569 Sie kann die Produktion auch völlig untersagen, wenn' aufgrund des vorhandenen Daten keine begründete Einschätzung möglich ist oder Herstellung, Verarbeitung, Beseitigung des Stoffes zu einem unangemessenen Gesundheits- oder Umweltrisiko führen würde. 570 Im Gegensatz dazu bedarf das Inverkehrbringen von Pestiziden nach FIFRA einer Genehmigung der EPA, die durch Registrierung des Stoffes erfolgt. 571 Ein Pestizid kann nur dann registriert werden, wenn seine Eigenschaften seinen Nutzanspruch rechtfertigen, es den Kennzeichnungs- und anderen Vorschriften von FIFRA entspricht und wenn es in der breiten Anwendung keine unangemessenen Risiken oder nachteiligen Folgen für die Umwelt hat. 572 Bundeseinheitliche Regelungen mit Verwaltungszuständigkeit der EP A bestehen auch im Bereich beweglicher Emissionsquellen von Luftschadstoffen, einem Teilbereich des Clean Air Act. S73 Hier greift allerdings auch zentrale bundeseigene Verwaltung und gliedstaatliche Verwaltung ineinander. Die EPA setzt in diesem Bereich Emissionsstandards für Fahrzeuge, differenziert nach Fahrzeugarten und Fahrzeugalter, sowie für Kraftstoffe. S74 Die Anforderungen richten sich an Fabrzeughersteller und Mineralölunternehmen. Neue Fahrzeuge werden von der EP A geprüft, den Herstellern sind Berichts- und Garantiepflichten für den Zustand der Fahrzeuge auferlegt. Ist ein Fahrzeug in Betrieb, so unterliegt es der Überprüfung im Rahmen der gliedstaatlichen inspection
TSCA § 5(a), 15 U.S.C. § 2604(a). TSCA § 5(d) und § 8(a), 15 U.S.C. § 2604(d) und § 2607(a). 568 40 C.F.R. §720.102. 569 TSCA § 4(a)(1)(A), 15 U.S.C. § 2603(a)(1)(A). 570 TSCA § 5(e), 15 U.S.C. § 2604(e). 571 FIFRA § 3(a), 7 U.S.c. § 136a(a). sn FIFRA § 3(c)(5), 7 U.S.C. § 136a(c)(5). sn Unterkapitel lIdes CAA "Emission Standards for Moving Sourees", 42 U.S .c. §§ 7521 ff. 574 CAA § 202 und § 211,42 U.S.C. § 7521 und § 7545. 566 567
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and maintenance-Programme, deren Gestaltung dem unten 4. beschriebenen Modell folgt. 575 b) Zulässigkeit von Bundesrecht mit Verdrängungs- oder Sperrwirkung gegenüber gliedstaatlichem Recht
Grundsätzlich wäre der Bund berechtigt, konkurrierende Kompetenzen auszuschöpfen und seine Gesetze durch eigene Verwaltungsbehörden in den Gliedstaaten durchgängig selbst zu verwalten. Letzteres entspräche der Intention der Verfassungsväter, die einen unmittelbaren Vollzug von Bundesrecht vorsahen, in Abkehr von der mittelbaren Verwaltung von Bundesrecht über die Gliedstaaten unter den Articles of Confederation. Bundesrecht und -verwaltung in konkurrierenden Kompetenzbereichen beschränkt jedoch gliedstaatliche Spielräume. Die unmittelbare Regelung privaten Verhaltens durch den Bund mag zwar weniger invasiv sein als Anordnungen an die Staaten, schränkt aber die Staaten dennoch in mehrerlei Hinsicht ein. Neben dem Entzug der politischen Entscheidungsbefugnis in den bundesrechtlich geregelten Sachbereichen können das Steueraufkommen der Staaten und einzelne Staats funktionen betroffen sein. 576 Handelt der Kongress innerhalb seiner Kompetenzen, so steht es ihmjedoch frei, Rechte und Pflichten der Bürger in allen Staaten abschließend festzusetzen und Regelungen mit vollständiger Sperrwirkung gegenüber gliedstaatlichem Recht (preemption) zu erlassen. Dies ergibt sich nach ständiger Rechtsprechung aus der Supremacy Clause in Art. VI S. 2. Bundesrecht verdrängt danach bereits vorhandenes oder noch zu erlassendes gliedstaatliches Recht, so 575 CAA § 207,42 U.S.c. § 7541 ("Compliance by vehicles and engines in actual use"), und CAA § 209, 42 U.S.C. § 7543 ("State standards", Delegation an Gliedstaaten). 576 Vgl. La Pierre 906 f. Dieser nennt ebd. 907 f. für letzteres United States v. Gillock, 445 U.S. 360 (1980) als Beispiel. In diesem Fall wurde ein Parlamentarier aus einem Gliedstaat unter Bundesrecht angeklagt. Dabei wurde seine Beteiligung an Gesetzgebungsakten für den Beweis verwertet, obwohl ein Gesetz des Staates die Verwertbarkeit gesetzgeberischer Akte ausdrücklich ausschloss. Der Supreme Court setzte implizit individuelle Akte jeder Art mit privaten individuellen Akten gleich und fand keinen unzulässigen Eingriff in den Gesetzgebungsprozess des Staates, da es sich um einen individuellen Akt gehandelt habe und der Bund mit seiner Regelung keine direkte Kontrolle über den Gesetzgebungsprozess ausübe. Vgl. Gillock 371. Individuelle Akte, die notwendig in öffentlicher Funktion stattfinden, sind jedoch gerade nicht privaten Akten gleichzustellen, wie auch La Pierre bemerkt, ebd., 908 Fn.480. Auch dem Supreme Court scheint bei seiner Argumentation nicht ganz wohl gewesen zu sein; das Gericht argumentiert weiter, dass das nationale Interesse an der Durchsetzung von Strafgesetzen in der Abwägung dem nur spekulativen Nutzen des Staates an einer gegenüber Strafverfolgung privilegierten Gesetzgebungstätigkeit vorzuziehen. Vgl. Gillock 373.
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dass es dem Bund in bestimmten Sachbereichen grundsätzlich zusteht, alleine über politische Inhalte zu entscheiden: "A wealth of precedent attests to congressional authority to displace or pre-empt state laws regulating private activity affecting interstate commerce when these laws conflict with federal law. Moreover, it is cJear that the Commerce Clause empowers Congress to prohibit all - and not just inconsistent - state regulation of such activities. Although such congressional enactments obviously curtail or prohibit the States' prerogatives to rnake legislative choices respecting subjects the States may consider irnportant, the Supremacy Clause pennits no other result. ..577
c) Grenzen for Vollregelungen in traditionell gliedstaatlich geregelten Bereichen aa) Traditionelle Zuordnung von Sachbereichen zur Gliedstaatenebene als Kompetenzschranke oder Kompetenzindiz Regelungen des Bundes in Bereichen, die nach Herkommen oder nach ihrem Bezug zu anderen Aufgaben über die Vermutungswirkung des Enumerationsprinzips hinaus als gliedstaatliche Bereiche aufgefasst werden, unterliegen nach Hodel und Garcia keinen "harten" Schranken aus dem Zehnten Verfassungszusatz. Für die Regelung privaten Verhaltens gelten die inneren Grenzen der Commerce Clause. Dem Tatbestand einer bundesrechtlichen Norm in einem traditionell gliedstaatlich geregelten Sachbereich kommt dabei eine gewisse Indizwirkung fiir die Frage zu, ob eine hinreichend wesentliche Beziehung des geregelten Sachverhalts zum zwischenstaatlichen Handel besteht. So betont der Supreme Court in Lopez den traditionell gliedstaatlichen Charakter der Bereiche Strafrecht und Schule als Indiz fiir die Überschreitung der Grenzen der Commerce Clause durch den Gun-Free School Zones Act des Bundes.578 In SWANCC wendet der Supreme Court dies dahingehend, dass er fiir eine Regelung in traditionellen Regelungsbereichen der Gliedstaaten eine klare und eindeutige gesetzgeberische Entscheidung verlangt. 579
m Rodel v. Virginia Surface Mining and RecJamation Association, Inc., 452 U.S. 264,290 (1981). 578 Diese Erwägung findet sich sowohl in der Urteilsbegründung als auch in der abweichenden Begründung, United States v. Lopez, 115 S.Ct. 1624, 1631 Fn. 3 bzw. 1640 (1995). 579 SWANCC v. United States Army Corps of Engineers, Urt. v. 9. 1. 2001, Docket No. 99-1178,7 f.
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bb) Umweltrecht als traditionell staatlich geregelter Bereich? Die Bezeichnung als traditionell gliedstaatlich geregelter Bereich bietet jedoch keine trennscharfe Abgrenzung. Was die Gliedstaaten typischerweise regeln, hat sich im Laufe der Zeit stark gewandelt und unterliegt weiterhin Veränderungen. Es ist daher nicht als statisches Abgrenzungskriterium tauglich, wie die Abkehr von National League 01 Cities v. Usery verdeutlicht. Dieser Einwand trifft allerdings nicht in gleicher Weise die Nutzbarmachung als Indiz im Sinne von Lopez. Die Indizwirkung kann je nach Intensität des Bezugs zu gliedstaatlichen Sachbereichen als stärker oder schwächer bewertet werden. Da das Indiz keine unmittelbare Abgrenzungsfunktion hat, scheitert die traditionelle Zuordnung zu den Gliedstaaten hier nicht an ihrer Unschärfe. Zu den traditionell gliedstaatlich geregelten Rechtsbereichen, die für das Umweltrecht von Bedeutung sind, gehört neben dem Schadensersatzrecht des comrnon law vor allem der Bereich der police power der Staaten. Dazu zählt die öffentliche Sicherheit und Ordnung und das öffentliche Wohlergehen mit den verschiedenen Bereichen des besonderen Ordnungsrechts, so etwa gesundheitliche Wamhinweise,580 Lebensmittelrecht581 und Imrnissionsschutz. 582 Als traditionell gliedstaatlich geregelt gilt auch das Recht der öffentlichen Versorgungsunternehmen (public services).583 Hier könnte das Indiz der traditionellen Regelungszuständigkeit entscheidende Bedeutung entfalten, wenn nicht (ausnahmsweise, bei Binnengrenzen überschreitenden Wassertransporten) der zwischenstaatliche Handel in wesentlicher Weise betroffen iSt. 584 Die Gliedstaaten regeln außerdem traditionell die Bodennutzung (land use) und die Bauleitplanung (zoning laws).585 Zum Bereich des land use wird z.B. das flächenbezogene Naturschutzrecht im United States Code Titel 16 (Con580 Vgl. Z.B. Cipollone v. Liggett Group, 505 U.S. 504, (1992): Regelung von Warnhinweisen auf Zigarettenpackungen und in der Zigarettenwerbung. 581 Vgl. Florida Lime & Avocado Growers, Inc. v. Paul, 373 U.S. 132, 144 (1963): "the supervision of the readying of foodstuffs for market has always been deemed a matter of peculiarly local concern." Bestätigt in Michigan Canners and Freezers Association, Inc. v. Agricultural Marketing and Bargaining Board, 467 U.S. 461, 469 f. (1984). 582 Southern Pacific Transportation Company v. Public Utility Commission of the State of Oregon, 9 F.3d 807 (9th Cir. 1993): Standards rur Lärmimmissionen von Lokomotivenpfeifen. 583 Der Bund erfasst mit dem Safe Drinking Water Act (SDWA, 42 U.S.C. §§ 300 f bis 300 j-26) die Wasserversorgungsunternehmen, die regelmäßig ausschließlich innerhalb eines Staates tätig sind. 584 Vgl. Dwyer 25 ELR 10421, 10430. S8S Vgl. z.B. Hess v. Port Authority Trans-Hudson Corporation, 513 U.S. 30, 44 (1994); Chamber ofCommerce ofthe United States v. Bragdon, 64 F.3d 497, 503 (9th Cir. 1995).
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servation) und die Regelung des Tagebaus im Surface Mining Control and Reclamation Act (SMCRA),586 die der Supreme Court in Hodel als Bundesregelung nach der Commerce Clause akzeptierte, da die Kohle im zwischenstaatlichen Verkehr verbracht werde und der Tagebau zu beträchtlichen Umweltschäden fiihre. 587 Umweltrechtliche Regelungen, die nicht unmittelbar auf eine Regelung der Nutzung von Boden oder anderen natürliche Ressourcen gerichtet sind, sind jedoch trotz ihrer Bedeutung für die Ressourcennutzung keine solche Regelung: "Land use planning in essence choses partieular uses for the land; environmental regulation, at its eore, does not mandate particular uses of the land but requires only that, however the land is used, damage to the environment is kept within prescribed limi t5. ,,588
Ein Gegenbeispiel innerhalb der "Querschnittsmaterie" Umweltrecht sind die Bestimmungen des frühen Umweltrechts, z.B. Verordnungen zur Venninderung von Rauchemissionen (smoke abatement codes), und die aus den hier angesprochenen Erwägungen traditioneller Rollenverteilung motivierte Beschränkung des Bundes auf Bereiche mit eindeutig zwischenstaatlichen Bezügen wie Kraftfahrzeugemissionen und grenzüberschreitender Verschmutzungen im Luftreinhalte- und Wasserschutzrecht der sechziger Jahre. 589 Dies Strukturen sind bereits durch die Regelungen des CAA und des CWA um 1970 verdrängt worden und bieten daher keinerlei Indizwirkung mehr. Es ist fraglich, ob sich die Staaten überhaupt gegenüber modernem Umweltrecht des Bundes im Ergebnis mit Recht auf traditionelle Zuordnungen berufen können. Was heute Umweltrecht genannt wird, mag zwar in der Hand der Staaten gelegen haben, diese haben sich jedoch stark zurückgehalten und zumeist schon gar keine systematischen Regelungen erlassen. Ein zentraler Grund hierfür lag in der Furcht vor Wettbewerbsnachteilen gegenüber anderen Gliedstaaten, was gegen eine Zuordnung zur Gliedstaatenebene spricht. Das Umweltrecht in den USA, gerade die Aufgabenverteilung zwischen Bund und Staaten in diesem Bereich, hat sich in den vergangenen dreißig Jahren grundlegend geändert. Diese Zeitspanne erscheint im Vergleich zu über zweihundert Jahren 586 30 U.S.C. §§ 1201 bis 1328. 587 Hodel v. Virginia Surfaee Mining & Rec1arnation Assoeiation, Ine., 452 U.S. 264, 277 fI. (1981). 588 California Coastal Comrnission v. Granite Rock Co., 480 U.S. 572, 587 (1987); im Ergebnis nun anders SWANCC v. United States Army Corps of Engineers, Urt. v. 9. 1. 2001, Docket No. 99-1178, S. 7 f., in der der Supreme Court das Erfordernis einer Genehmigung für das Zuschütten von Wasserflächen als Regelung im traditionell gliedstaatlichen Bereich ansieht. 589 Vgl. Menell/Stewart 241 fI. und 452 f.; Dwyer, Limits of Congressional Authority, 10428.
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Verfassungs- und Föderalismusgeschichte kurz; andererseits hat das Umweltrecht in diesem Zeitraum überhaupt erst den wesentlichen Teil seiner Entwicklung vollzogen. Mit Recht lässt sich daher behaupten, dass der Supreme Court die festgefiigte Struktur der Aufgabenverteilung im Umweltrecht zwischen Bund und Staaten nicht mehr auf der Grundlage traditionell gliedstaatlicher Regelungsbereiche, die heutzutage dem Umweltrecht zuzuordnen wären, radikal umbauen kann.590 Nur am Rande ist hier das Thema Umweltstrafrecht anzureißen. Dessen vielfach als Annex in Umweltgesetzen geregelte Bestimmungen könnten als traditionell gliedstaatlich geregelter Bereich59 \ einer schärferen Prüfung unterzogen werden. Dagegen spricht allerdings bereits der Annexcharalcter des Umweltstrafrechts, außerdem seine instrumentale Natur. 592 d) Gliedstaaten als Regelungsunterworfene
Ein Bundesgesetz, das sich (auch) auf das Verhalten der Staaten und ihrer Untergliederungen beziehen soll, kann die politische Handlungsfreiheit der Staaten stärker beeinträchtigen als ein Gesetz, das nur das Verhalten der Bürger regelt. 593 Für die rechtliche Bewertung kann unterschieden werden zwischen Regelungen, die gleichermaßen privates und gliedstaatliches Verhalten regeln, sowie Regelungen, die ausschließlich gliedstaatliches Verhalten betreffen. Hierbei ist zunächst die auch hier geltende Vermutung aus Gregory v. Ashcroft zu beachten, nach der Bundesrecht nur dann auf die Bestimmung zentraler Funktionsträger in den Gliedstaaten Anwendung fmdet, wenn dies die eindeutige gesetzgeberische Absicht war. 594 Wenn das Verhalten gliedstaatlicher Funktionsträger geregelt werden soll, muss der Gesetzgeber demnach eine bewusste Entscheidung treffen und die politische Verantwortung dafür übernehmen. Nach herrschender Interpretation von Garcia und den obiter dicta des Supreme Court hierzu in New York und Printz sind Regelungen jedenfalls dann Vg1. Dwyer, Limits of Congressional Authority, 10428 f. United States v. Lopez, 115 S.Ct. 1624, 1632 (1995). 592 Nach Gibbons v. Ogden steht dem Kongress die Wahl des gesetzgeberischen Mittels zur Erreichung eines unter der jeweiligen Kompetenz (etwa der Commerce Clause) zulässigen Zieles frei. Da die Verfassung die Wahl des Mittels Strafrecht nicht ausdrücklich verbietet, kann es nur zulässig sein (V g1. Dwyer, Limits of Congressional Authority, 10430 mit Beispielen in Fn. 107). 593 So die Einwände der Gliedstaaten in National League ofCities v. Usery, 426 U.S. 833, 845-851 (1976). 594 Gregory v. Ashcroft, 501 U.S. 452, 461, 463 (1991). 590 591
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mit dem Zehnten Verfassungszusatz vereinbar, wenn gliedstaatliche Funktionsträger lediglich auch erfasst sind, also wie Private und in gleicher Weise wie diese einem allgemein anwendbaren Gesetz unterworfen sind, wie z.B. im Fall des in National League 01 eities und Garcia streitgegenständlichen Fair Labor Standards Act. 595 Der Bund kann also auch gegenüber den Gliedstaaten Anordnungen treffen, soweit er nicht die Vornahme hoheitlicher Tätigkeiten anordnet. Im Umweltrecht bedeutet dies, dass sich die gliedstaatliche Verwaltung wie Unternehmen und Bürger an Ernissionsvorschriften, Entsorgungsvorschriften etc. des Bundes zu halten hat. Es wäre nicht einzusehen, warum Einrichtungen in öffentlichem Eigentum gerade ausgenommen sein sollten. 596 Bemerkenswerterweise deuten Äußerungen des Gerichts und einzelner Richter nach Garcia an, dass sich das Augenmerk des Gerichts auch auf die Frage richten könnte, ob ein generell anwendbares Gesetz in unverhältnismäßiger Weise die Funktion des gliedstaatlichen Staatsapparates behindert. 597 Hier mag künftiger Konfliktstoff liegen; bislang - ohne ausdrückliche Abkehr von Garcia - bleibt es allerdings bei der Zulässigkeit von Regelungen auch hoheitlichen Verhaltens. Regelungen, die sich ausschließlich an die Staaten richten, sind dann nach New York und Printz unzulässig, wenn sie anordnenden oder zwingenden Charakter haben. Danach soll zwischen anordnenden und nicht anordnenden Rechtsvorschriften zu unterscheiden sein: Zulässige bloße Regelungen gliedstaatlichen Verhaltens liegen dann vor, wenn der Bund zum einen die Regeln selbst setzt, also keine Regelsetzung der Staaten fordert, zum anderen lediglich Beachtung von Regeln, nicht aber deren Vollzug im Verhältnis zum Bürger Vgl. die Interpretation bei AdlerlKreimer 75 und 110. Vgl. Stewart, Pyramids ofSacrifice, 1233 und 1248. Stewart hält dies allerdings nur fiir gerechtfertigt, wo erhebliche nachteilige Auswirkungen in anderen Gliedstaaten zu besorgen sind, ebd., 1237 f. Solche Auswirkungen sind andererseits weit zu verstehen, denn Stewart zählt dazu nicht nur physische (grenzüberschreitende Schadstoffeinträge), sondern auch psychische Auswirkungen, wie z.B. die Zerstörung grenzüberschreitend genutzter Freizeitflächen oder die "ideologische Befriedigung durch den Schutz der Natur". Ebd., 1215 f. 597 Vgl. Printz v. United States, 521 U.S. 898, 932 (1997): "There is considerable disagreement over the extent of the burden, but we need not pause over that detail. Assuming all the mentioned factors were true, they might be relevant if we were evaluating whether the incidental application to the States of a federallaw of general applicability excessively interfered with the functioning of state governments. ( ... )" Abweichende Begründung von Chief Justice Rehnquist in South Carolina v. Baker, 485 U.S 505,529 (1988): "This well-supported conclusion that § 31O(b)(1) has had ade minimis impact on the States should end, rather than begin, the Court's constitutional inquiry. Even the more expansive conception of the Tenth Amendment espoused in National League of Cities v. Usery, 426 U.S. 833 (1976), recognized that only congressional action that ,operat[s] to directly displace the States' freedom to structure integral operations in areas of traditional governmental functions,' runs afoul of the authority granted Congress." 595
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fordert. Anordnungen im Sinne von New York und Printz liegen jedenfalls dann vor, wenn der Bund gliedstaatliche Regelsetzung oder verwaltende Tätigkeit gegenüber dem Bürger fordert, da in diesem Fall das Problem einer Verdeckung politischer Verantwortung gegenüber dem Bürger auftritt,598 sowie bei anderen Formen hoheitlicher Tätigkeit wegen deren Kostenaspekt, der in anderer Weise ebenfalls die Frage nach politischer Verantwortung aufwirft. 599 e) Gliedstaatliche Einflussnahme auf die Standardsetzung im Bereich der bundeseigenen Verwaltung
Die Gliedstaaten können dort Einfluss auf Bundesrecht nehmen, wo gliedstaatliches Recht im Rahmen bundeseigener Verwaltung zu beachten ist. Dies kann zum einen materielles Recht, zum anderen Verfahrensregelungen (insbesondere ob und wie von Genehmigungserteilungen) betreffen. Im Ergebnis findet also eine Wechselwirkung zwischen Bundes- und Gliedstaatenrecht statt. So obliegt z.B. die Erteilung von Genehmigungen zum Ausbaggern oder Auffüllen schiffbarer Gewässer nach § 404 des Clean Water Act (CWA) in den meisten Staaten den Bundesbehörden. Für jegliche Genehmigung, die zu Einleitungen in (vom CWA erfasste) Gewässer fuhren kann, bedarf es jedoch einer Bestätigung des betroffenen Gliedstaates über die Übereinstimmung mit dessen Einleitungs- und Wasserqualitätsstandards. 60o In Jefferson County PUD v. Ecology Department 0/ Washington 601 entschied der Supreme Court, dass ein Gliedstaat Mindestdurchflussmengen zur Bedingung fiir die Erteilung einer Genehmigung fiir die Errichtung eines Wasserkraftwerks durch die Federal Energy Regulatory Commission machen durfte, da dies zum Schutz der Fischbestände eines Flusses erforderlich war. 602 Von einem verfassungsrechtlichen 598 Vgl. Caminker, Limits of Formalism, 235 f.; anders jedoch Adler/Kreimer 92 f.: Unterscheidung, ob Bundesrecht zu positiven Handeln verpflichtet oder lediglich Verbot ausspricht. 599 Vgl. Jackson 2201 f.; Nebraska v. United States, 9th Cir. Court of Appeal, Urt. v. 1.2.2001, Docket No. 00-2410 (Klageabweisung wegen Unzuständigkeit), in der Nebraska u.a. wegen Verletzung des Zehnten Verfassungszusatzes gegen Regelungen der EPA auf der Grundlage des Safe Drinking Water Act klagte, die öffentliche Wasserversorgungseinrichtungen zur Beobachtung der Blei- und Kupferwerte im Trinkwasser und ggf. zur Behandlung des Wassers verpflichten. 600 CWA § 401 (d), 33 U.S.C. § 1341 (d). 601 Jefferson County PUD v. Ecology Department of Washington, 114 S. Ct. 1900 (1994). 602 Die Kläger hatten vorgebracht, dass der Gliedstaat nur Anforderungen an Menge und Zusammensetzung von Einleitungen in das Gewässer stellen dürfe, was nach Auffassung des Gerichts nicht mit der offenen Formulierung in § 401 (d) CWA ("other lirnitations") vereinbar war. Danach waren in die Anforderungen eines Gliedstaates an die Erteilung von Genehmigungen nicht nur einleitungsbezogene Wasserqualitätsstan-
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Schutz dieser gliedstaatlichen Rechte ist in der Entscheidung allerdings keine Rede. Ein weiteres Beispiel ist die Verwaltung von CERCLA, die die EP A trotz Ermächtigung zur Delegation an die Gliedstaaten mehr als zehn Jahre vollständig selbst durchführte. 603 Da im Rahmen von CERCLA auch anwendbare oder relevante und angemessene gliedstaatliche Standards zu beachten sind,604 war die EPA so vielfach gezwungen, gliedstaatliche Standards anzuwenden. Eine Verschränkung von bundesrechtlichen und gliedstaatlichen Anforderungen findet auch bei Genehmigungen des Bundes statt, die den der admiralty and maritime jurisdiction des Bundes unterliegenden Hoheitsbereich der küstennahen Gewässer betreffen. Wirtschaftliche Aktivitäten auf dem Kontinentalschelf unterliegen zwar dem Outer Continental Shelf Lands Act des Bundes,605 können aber nur genehmigt werden, wenn eine Bestätigung des Küstenstaates vorliegt, dass dies mit dessen Schutzprogrammen unter dem Coastal Zone Management Act606 vereinbar ist. 607 Außerdem müssen bundeseigene Aktivitäten im "maximal praktisch möglichen Umfang" (maximum extent practicable) mit den einschlägigen Plänen des Staates in Einklang gebracht werden. 608 1) Durchsetzung durch Bürger und private Vereinigungen
Bei der Durchsetzung objektiver Rechtssätze im Umweltbereich werden die Behörden in den USA stärker als in anderen Rechtsordnungen von einzelnen Bürgern und - vor allem - privaten Vereinigungen unterstützt. Die Schwelle der fiir Bürgerklagen (citizen suits) erforderlichen Klagebefugnis, insbesondere der Verletzung rechtlich schutzwürdiger Interessen (injury in fact) ist relativ niedrig: So sind z.B. private Klagen gegen unzulässige Einleitungen in Gewässer oder andere Beeinträchtigungen von Naturgütern bereits dann zulässig, wenn der Kläger den beeinträchtigten Bereich tatsächlich nutzt und daher
dards, sondern auch die Nutzungsarten der Gewässer (z.B. Trinkwasserversorgung oder Abwasserentsorgung, aber auch Ästhetische Nutzungen als Erholungsgebiete; hier: Lebensraum rur Fische) einzubeziehen (die den einleitungsbezogenen Qualitätsstandards zum Teil zugrundliegen) ...Qualitative" und ..quantitatve" Anforderungen konnten daher nicht als zwei unterschiedliche Kategorien betrachtet werden. 603 Vgl. Adam Babich, Our Federalism, Our Hazardous Waste, and Our Good Fortune, 54 Md. L. Rev. 1516, 1534 f. (1995). 604 CERCLA § 121 (d)(I), 42 US.c. § 9621 (d)(1). 60S OCSLA, 43 U.S.C. §§ 1331 fI. 606 CZMA, 16 U.S.C. §§ 1451 fI. 607 CZMA § 307 (c)(2)(B), 16 U.S.C. § 1456 (c)(2)(B). 608 CZMA § 307 (c)(I)(A), 16 US.C. § 1456 (c)(I)(A).
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durch die Beeinträchtigung des ästhetischen oder Freizeitwertes verletzt ist, oder wenn der Kläger in der Vergangenheit (wenn auch nicht regelmäßig) Tiere, deren Lebensraum zerstört werden soll, beobachtet hat und dies auch für die Zukunft konkret vorhat. 609 Bei Verfahrensvorschriften (z.B. im Rahmen vorn Genehmigungsverfahren) liegt eine Verletzung rechtlich geschützter Interessen (injury in fact) vor, wenn diese Verfahrensvorschriften der Berücksichtigung geschützter Interessen des Klägers dienen. 610 Da die Gesetze, die sich für Bürgerklagen eignen, ganz überwiegend nach dem Modell des kooperativen Föderalismus von den Gliedstaaten verwaltet werden, ist auf die praktische Bedeutuung dieser Klagen später (unten 4.g)bb» einzugehen.
g) Vor- und Nachteile des Modells vom Bund selbst verwalteter Vollregelungen Bundesprogramme, die vom Bund auch selbst implementiert werden, haben den Vorteil einer maximalen Steuerungsmöglichkeit des Bundes über den Inhalt der Detailregelungen sowie den Zeitpunkt von deren Erlass (Vermeidung von Zeitverzögerungen) für sich. Dies gilt umso mehr, wenn auch bundeseigene Verwaltung stattfmdet. Bundeseigene Irnplementation und Verwaltung fUhrt außerdem zum einen zu geringeren Kontrollerfordernissen, zum anderen erspart die umfassende Fachaufsicht des Bundes über Bundesbehörden umständliche Wege zur Durchsetzung des Bundesrechts gegenüber unwilligen oder nachlässigen gliedstaatlichen Behörden. Einsparungen im Kontrollbereich können jedoch durch einen zusätzlichen Bedarf an Verwaltungsressourcen fiir Implementations- und Verwaltungsaufgaben mehr als wettgemacht werden. Ob eine kostenefflziente bundeseigene Verwaltung' möglich ist, wird davon abhängen, ob eine Regelung vor allem zentrale Irnplementations- und Verwaltungsaufgaben erfordert, wie z.B. regelmäßig bei produktbezogenem Umweltschutzrecht für bundesweit vertriebene Produkte, oder ob Behörden vor Ort zur Wahrnehmung umfangreicher präven609 Vgl. z.B. Friends of the Earth, Inc. v. Laidlaw Envtl. Serv., Inc., 120 S.Ct. 693, 705 (2000): "Environmental plaintiffs adequately allege injury in fact when they aver that they use the affected area and are persons ,for whom the aesthetic and recreational values of the area will be lessened' by the challenged activity." Lujan v. Defenders of Wildlife, 504 U.S. 555, 562 f. (1992): ,,[1]he desire to use or observe an animal species, even for purely aesthetic purposes, is undeniably a cognizable interest for purposes of standing." Vgl. auch Stichwort Citizen Suit, in: Vieki R. Patton-Hulee, Environment and the Law: A Dictionary, Santa Barbara; Denver; Oxford 1995,64 f. 610 Vgl. z.B. Lujan v. Defenders ofWildlife, 504 U.S. 555, 573 Fn. 8 (1992): "procedures in question are designed to protect some threatened concrete interest ofhis that is the ultimate basis ofhis standing".
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tiver Genehmigungs- und repressiver Kontrolltätigkeiten erforderlich sind. Bei Einrichtung einer örtlichen bundeseigenen Verwaltung drohen zudem Abstimmungsprobleme und Zielkonflikte mit der örtlichen Verwaltung der Gliedstaaten, die weit über horizontale Konflikte zwischen Fachbehörden hinausgehen.
3. Anweisungen an Gesetzgebung und Verwaltung der Gliedstaaten a) Formen und Beispiele im Umweltrecht
Nach New York haben Staaten und unterstaatliche Verwaltungsträger Klagen gegen eine Reihe von Umweltgesetzen des Bundes erhoben, in denen sie unzulässige Anweisungen des Bundes sahen. In Board 0/ Natural Resources v. Brown 611 hatte eine Klage vor dem Court of Appeal fiir den 9. Circuit gegen Bestimmungen des Forest Resources Conservation Shortage Relief Act (FRCSRAt I2 Erfolg, die die Staaten zum Erlass eines Exportverbots fiir unverarbeitetes Holz aus bundes- oder staatseigenen Wäldern verpflichteten. Da dem Gliedstaat hier eine bestimmte Gesetzgebung abverlangt wurde, sah das Gericht, das später Mack613 entschied, darin auf der Basis von New York einen Verstoß gegen den Zehnten Verfassungszusatz. 614 Die Richter wiesen die Argumentation der Bundesregierung zurück, der betroffene Staat Washington könne die verlangten Regelungen vermeiden, indem er die gesamte Holzausfuhr stoppe, da der Kongress - ähnlich wie in New York v. United States dieses Alternativverhalten gleichermaßen nicht hätte vorschreiben dürfen. Der FRCSRA könne außerdem auch ohne spezielle Durchsetzungsmechanismen nicht als unverbirtdlich angesehen werden, da sich Bundesrecht nach der Suprernacy Clause durchsetze und dem Bund in solchen Situationen stets der Klageweg zur Verfügung stehe.61S In ACORN v. Edwards 616 erklärte der Court of Appeal fiir den 5. Circuit eine Bestimmung des Lead Contamination Control Act von 1988617 fiir verfassungswidrig, die von den Bundesstaaten unter Klageandrohung618 die Einführung von Programmen zur Beseitigung von Bleikontamination in Trinkwassersystemen von Schulen und Kinderkrippen verlangte. Board ofNatural Resources v. Brown, 992 F.2d 937 (9th Cir. 1993). 16 U.S.C. §§ 620-620j. 613 Mack v. United States, 66 F.3d 1025, 1029 (9th Cir. 1995), vgl. oben II. 1. d) bb). 614 Vgl. Board ofNatural Resources v. Brown, 992 F.2d 937,947 (9th Cir. 1993); Mack v. United States, 66 F.3d 1025, 1032 (9th Cir. 1995). 615 Board ofNatural Resources v. Brown, 992 F.2d 937, 947 (9th Cir. 1993). 616 ACORN v. Edwards, 81 F.3d 1387 (5th Cir. 1996). 617 42 U.S.C. §§ 300j-21-26. 618 Dem Bund stehen in einer solchen Situation keine unmittelbaren Zwangsmaßnahmen zur Verfügung. Zur Durchsetzung würde der Bund daher gegen den Gliedstaat vor einem Bundesgericht Klage erheben. 611
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Der Kongress könne, so das Gericht, selbst Regelungen für Wasserbehälter im zwischenstaatlichen Handel erlassen, müsse jedoch unmittelbar auf das Verhalten der Bürger einwirken, nicht auf das der Gliedstaaten als Vermittler zum Bürger. 619 Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Umstand, dass den Gliedstaaten die Wahl der Mittel überlassen war, mit denen sie das Ziel des Bundesgesetzes umsetzen sollten; entscheidend sei, dass der Staat keine Option habe, den Vorgaben des Bundes nicht zu folgen. 62o Andere Bundesgesetze im Umweltbereich schreiben den Gliedstaaten ebenfalls bestimmte Regelungen vor. 621 b) Zulässigkeit der Übertragung von Implementation und Verwaltung
Nach Ansicht des Supreme Court in New York und Printz steht der bindenden Übertragung der Gesetzesimplementation und -verwaltung auf die Gliedstaaten der Zehnte Verfassungszusatz als Element vertikaler Gewaltenteilung im System des dual federalism entgegen, der Übertragung der Verwaltung von Bundesgesetzen daneben auch die Vesting Clause des Art. II § 1 S. 1 als Element horizontaler Gewaltenteilung. Das Verbot des Zehnten Verfassungszusatzes lässt sich danach nicht umgehen. Der Vesting Clause könnte hingegen durch gleichzeitige Anordnung von über das bisher übliche hinausgehenden Überwachungs- und Anordnungsbefugnissen sowie korrespondierenden Mitteilungspflichten der Verwaltungsbehörden Rechnung getragen werden. Wie bereits die ausführlichen Begründungen der Minderansichten in New York und Printz zeigen, ist das absolute Verbot von Anweisungen durch den Kongress an den Gesetzgeber oder die Verwaltung der Gliedstaaten im Supreme Court nach wie vor umstritten. Speziell :fiir umweltbezogene Sachverhalte werden solche Anweisungen in der Literatur von Stewart :fiir gerechtfertigt gehalten, allerdings nur :fiir den Bereich erheblicher grenzüberschreitender Auswirkungen von Umweltbeeinträchtigungen. Ein Gliedstaat, so Stewart, könne sich nicht gegen Anordnungen des Bundes auf seine Autonomie berufen, wo er mit seinem Verhalten selbst die Autonomie seiner Schwesterstaaten zur Bestimmung ihrer Umweltqualität beeinträchtige. 622 Ethische Erwägungen ACORN v. Edwards, 81 F.3d 1387, 1394 (5th Cir. 1996). Ebd., 1394; vgl. NewYork v. United States, 505 U.S. 144, 177 (1992). 621 So schreibt der Emergency Plarming and Community Right-to-Know Act (EPCRTKA, 42 U.S.C. §§ 11001 ff.) den Gliedstaaten die Schaffung bestimmter Einrichtungen (emergency response commissions und local emergency plarming committees) vor, die emergency plans zu errichten und Inforrnationsersuchen von Bürgern zu bearbeiten haben (hierzu jedoch unten c)). 622 Stewart, Pyramids of Sacrifice, 1242. Da gerade die gliedstaatliche Autonomie eine gliedstaatliche Verantwortung fiir innerstaatliche Vorgänge begründe, könne der 619
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(Schutz schwächerer Gesellschaftsteile, zukünftiger Generationen etc.) böten hingegen keine hinreichende Rechtfertigung für Anweisungen an die Gliedstaaten, da damit vielfach ein Aufoktroyieren der Ziele gesellschaftlicher Eliten verbunden wäre und sich mit dieser Art von Begründung beinahe alles rechtfertigen lasse. 623 Neben der Commerce Clause sieht Stewart hierfür zwei weitere Ermächtigungsgrundlagen (als sog. power to resolve interstate disputes): zunächst aus der Befugnis der Bundesgerichte zur Regelung zwischenstaatlicher Streitigkeiten: 624 Wenn umweltbezogene Streitigkeiten zwischen den Staaten nach einem Common Law des Bundes vor Bundesgerichten zu entscheiden seien,625 so impliziere dies eine entsprechende Regelungskompetenz des Kongresses, da dessen gesetzgeberische Suprematie das Recht einschließe, common law durch Gesetzesrecht zu ersetzen;626 daneben aus der der bundes staatlichen Struktur der USA impliziten Befugnis des Bundesgesetzgebers zur Erhaltung des Bundesstaates, da zwischenstaatliche Schadstoffeinträge regelmäßig zu Spannungen zwischen den Gliedstaaten führten. 627 Der Bund dürfe dabei aber weder in die Struktur gliedstaatlicher Entscheidungsprozesse noch in die Leistungserbringung des Gliedstaates gegenüber seinen Bürgern und deren Finanzierung eingreifen. 628
Gliedstaat auch nicht auf die Möglichkeit eines Vorgehens direkt gegen private Verschmutzungsquellen in diesem Gliedstaat verweisen (ebd.). 623 Stewart, Pyramids of Sacrifice, 1230 f. Ebenso wenig habe der Bund das Wohlergehen der gliedstaatlichen Bürger gegen überrepräsentierte industrielle Interessen auf gliedstaatlicher Ebene zu schützen, da gleichermaßen eine Überrepräsentierung von Umweltschutzinteressen auf Bundesebene zu besorgen sei. Ebd., 1226. 624 V gl. Art. III § 2 Abs. 1 der Verfassung. 625 Vgl. Illinois v. City ofMilwaukee, 406 U.S. 91 (1972). 626 Stewart, Pyramids of Sacrifice, 1227 f. Wegen der Herleitung aus gerichtlichen Befugnissen könne der Bund die Gliedstaaten allerdings nur dann vorsorgend zu Regelungen privaten Verhaltens (im Unterschied zum Verhalten des Gliedstaates selbst) anweisen, wenn und soweit ein Gliedstaat ohne diese Regelung auch umgekehrt als "parens patriae" Schäden seiner Bürger durch Umweltbeeinträchtigungen aus anderen Gliedstaaten einklagen könne. Ebd., 1247 ff. Stewart verweist zu diesem erweiterten Umkehrschluss auf die Entscheidungen Georgia v. Tennessee Copper Co., 206 U.S. 230 (1907) und Missouri v. Illinois, 180 U.S. 208 (1901). 627 Stewart, Pyramids of Sacrifice, 1228 ff., fuhrt hierzu Ohio v. Wyandote Chernicals Corp., 401 U.S. 493, 496 f. (1971) m.w.N. an. Der Bundesgesetzgeber sei zur autoritativen Lösung dieser Konflikte befugt, wo erhebliche Schadstoffeinträge andernfalls ein gerichtliches Vorgehen nach sich zögen oder in anderer Weise den Zusammenhalt der Union bedrohten. 628 Stewart, Pyramids of Sacrifice, 1231 f.
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c) Zulässige Anweisungen im Umweltbereich
Auch nach New York v. United States und Printz v. United States sind nicht alle Anweisungen, die der Bund an die Gliedstaaten richtet, mit dem Zehnten Verfassungszusatz schlechthin unvereinbar. Von verschiedenen Courts of Appeal akzeptiert und von Printz ausdrücklich offengelassen629 ist die Auferlegung bloßer Mitteilungspflichten (reporting requirements). Im Umweltbereich fmden sich solche Regelungen z.B. in der Verpflichtung der Staaten zur Erfassung von Altablagerungen von gefährlichen Abfällen,630 die Verpflichtung der Gouverneure zur Erfassung von unterirdischen Lagertanks631 und zur Einreichung von Plänen zur Asbestbeseitigung und damit verbundene Erfassungsund Mitteilungspflichten über Asbest in Schulen632 und die Verpflichtung der Staaten, Daten über Freisetzungen von Gefahrstoffen zu sammeln und Notfallkommissionen (emergency response committees) zu schaffen. 633
d) Vor- und Nachteile des Anweisungsmodells Die Vorteile unbedingter Anordnungen an Gesetzgeber und Verwaltungsbehörden der Gliedstaaten scheinen zunächst offenkundig: Der Bund kann die gesetzgeberische Detailarbeit und die täglichen Verwaltungsgeschäfte auf bequeme Art delegieren, kann die Ergebnisse jedoch gleichzeitig durch mehr oder minder umfangreiche und genaue Vorgaben steuern. Die Gliedstaaten und lokalen Verwaltungsträger tragen zweierlei Lasten: Erstens wälzt der Bund damit den gerade im Umweltbereich umfangreichen personellen und fmanziel~ len Aufwand für die Durchfiihrung von präventiven Genehrnigungsverfahren, laufenden Kontrollen und repressiven Eingriffen ab. Zweitens überwälzt er möglicherweise die "politischen Kosten" seiner Politiken, indem der von der Regelung betroffene Wähler und Steuerzahler seine gewählten Vertreter in Gliedstaat und Kommune, nicht aber im Kongress für die Regelung verantwortlich machen wird. Bei näherem Hinsehen drohen jedoch auch nicht zu unterschätzende Nachteile sowohl für die konkreten Politiken des Bundes, zu deren Implementation Anordnungen ergehen, als auch Langzeitfolgen für die föderale Infrastruktur, auf die der Bund mit solchen Anordnungen baut. Die ökonomische 629 Printz v. United States, 117 S.ct. 2365, 2376 (1997). Vgl. auch abweichende Ansicht von Justice 0 'Connor, Printz v. United States, 117 S.Ct. 2365,2376,2385 (1997). 630 42 U.S.C. § 6933. 631 42 U.S.C. § 6991(a). 632 20 U.S.C. § 4013. 633 42 U.S.C. §§ 11001, 11003.
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Teil 1: Handlungsspielräume des Bundes in den USA
Analyse von Hills 634 kommt zum Ergebnis, dass unbedingte Anordnungen des Bundes nicht nur überflüssig seien, sondern sogar ökonomisch nachteilig. Ein Verbot vertikaler intergouvernementaler Anordnungen führe hingegen zu einer kosteneffizienten Aufgabenverteilung. Für den Bund bedeute dies keinen wirklichen Nachteil, da er sich die gewünschten staatlichen Leistungen über finanzielle und andere Ameize "erkaufen" könne, für gliedstaatliche und unterstaatliche Verwaltungs träger bedeute ein Verbot eine Stärkung ihrer Verhandlungsposition. Preisverzerrungen zuungunsten des Bundes drohten schon deshalb nicht, weil alle Verwaltungs träger in einem ständigen Wettbewerb um Bundesmittel stünden. Hills' ökonomisches Prinzip korrespondiert mit seinem aus einer Analogie zu bestimmten Grundrechten hergeleiteten Schutzprinzip für die gliedstaatliche Autonomie (vgl. oben II. 2. b)). Mit seinem Schutzprinzip will er einen freien Markt für den Erwerb staatlicher Leistungen durch den Bund schaffen, der zu einer optimalen Allokation staatlicher Ressourcen führen soll. Dem Einwand, dass der Bund durch Anordnungen Kosten spart, kann damit begegnet werden, dass eine gegen den Willen der Gliedstaaten angeordnete Rechtssetzung und Verwaltung durch diese erhebliche Kontroll- und Rechtsverfolgungskosten für den Bund nach sich ziehen wird. Hills findet auch hier eine Analogie zur ersatzlosen Enteignung bzw. Indienststellung Privater: Diese belaste diejenigen, die für die vom Staat gesuchten Waren und Dienstleistungen Investitionen getätigt haben und beeinträchtige so das Investitionsklirna. In entsprechender Weise, so Hills, schreckten Anweisungen an Gliedstaaten und lokale Verwaltung die Bürger an der Teilnahme an Wahlen und der Mitarbeit in Entscheidungsgremien ab, was den Interessen des föderalen Systems zuwiderlaufe; außerdem vermeide ein Abwälzen von Kosten keinesfalls ineffiziente Steuerlasten. 635 Im Ergebnis erschiene das Anordnungsverbot unter Berücksichtigung der dargestellten Literaturauffassungen geeignet, wenn auf diesem Weg eine ausgewogene Verhandlungsposition zwischen Bund und Gliedstaaten erzielt würde (was jedoch fraglich ist). Angesichts des Aufwands, den der Aufbau einer Hills 855 ff. Hills 893 ff. Dem ökonomischen Ansatz stehen allerdings grundsätzliche Bedenken entgegen. V gl. hierzu das bei Susan E. Leckrone, Turning Back the Clock: The Unfunded Mandates Reform Act of 1995 and Its Effective Repeal of Environmental Legislation, 71 Ind. L. J. 1029, 1047 (1996) angefiihrte Zitat aus Paul Portney, ChainSaw Surgery: The Killer Clauses Inside the "Contract", Washington Post vom 15. 1. 1995, C3: "If a regulation rnakes sense from society's standpoint - if it provides safety and health protection or other ,goodies' deemed more than commensurate with its costs - we should irnpose it without having to shell out federal dollars, whether the costs fall on public or private parties." Dies muss in ähnlicher Weise flir das Verhältnis zwischen Bund und Gliedstaaten gelten. 634
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eigenen Bundesverwaltung in den Gliedstaaten erfordern würde, ist fraglich, ob der Bund tatsächlich über eine hinreichend starke Verhandlungsposition verfügt; die bisher schon geringe Verbreitung des dargestellten Modells lässt jedoch darauf schließen, dass der Bund dieses Modells entweder kaum bedarf oder dies politisch nicht durchsetzen kann.
4. Finanzielle Anreize und regulatorische Drohungen, um die Gliedstaaten zu einer Regelung zu veranlassen (cooperative federalism) a) Struktur des kooperativen Modells
Die wichtigsten Umweltgesetze des Bundes folgen einem Modell der Zusammenarbeit von Bund und Gliedstaaten, das als kooperativer Föderalismus (co operative federalism) bezeichnet wird. 636 Danach schafft der Kongress Rarunenprogramme und setzt umweltrechtliche Standards (höchstzulässige Schadstoffeinträge oder Qualitätsstandards für bestimmte Umweltmedien); die Standards werden teilweise durch Verwaltungsvorschriften der EPA des Bundes konkretisiert. Weder das Bundesgesetz noch diese Verwaltungsvorschriften haben unmittelbare Geltung gegenüber dem Bürger. Die Implementation in unmittelbar geltende Gesetze und deren Verwaltung sollen regelmäßig die Gliedstaaten nach Vorgaben des Bundes übemerunen. Die Gliedstaaten werden hierzu durch zweierlei Anreize veranlasst: erstens durch die in den Gesetzgebungsprograrnmen niedergelegte Drohung, bei Nichtübernarune der Implementation seitens der Gliedstaaten bundeseigene Ausführungsregelungen mit unmittelbarer Geltung zu erlassen, mit der Folge einer Sperrwirkung gegenüber jeglichem gliedstaatlichen Recht im gleichen Sachbereich (sog. preemption threat, conditional preemption); zweitens durch Zuweisung von Finanzmitteln des Bundes, die an die Bedingung der Ausführung des Bundesprogramms geknüpft sind (sog. conditional grants). Während der Bund in diesem System die inhaltlichen Vorgaben steuert, soll den Staaten die primäre Verantwortung für die Verwirklichung des Umweltrechts obliegen. Eine entsprechende Zielsetzung enthalten die einschlägigen Bundesgesetze: 637 Die EPA fungiert als "Gelenk" zwischen dem abstrakten 636
ism.
Vgl. Adler, Green Aspects, 576 ff.; Percival1148 ff.; Dwyer, Practice ofFederal-
637 Vgl. die einschlägigen Bundesgesetze, z.B. § 101 (a) (3) des Clean Air Act (CAA), 42 U.S.C. § 7401 (a) (3): "The Congress finds - that air pollution prevention (that is, the reduction or e1minination, through any measures, of the amount of pollutants produced or created at the source) and air pollution control at its source is the primary responsibility of States and local govemments". Ähnlich in Einzelbereichen des CAA, so z.8. CAA § 107 (a), 42 U.S.C. § 7407 (a) für die regionalen Luftqualitätsziele, sowie in anderen Gesetzen, z.B. CWA § 101 (b), 33 U.S.c. § 1251 (b):
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Teil 1: Handlungsspielräume des Bundes in den USA
Programm und den Umsetzungsvorgaben des Kongresses und der Gesetzgebungs- und Verwaltungstätigkeit der Gliedstaaten. Daneben genehmigt die EPA die gliedstaatlichen Ausführungsgesetze, überwacht deren Vollzug, beanstandet Durchsetzungsmängel und fUhrt deren Beseitigung durch die Staaten oder durch eigene Maßnahmen gegenüber Bürgern und Unternehmen herbei. Die Staaten haben die ordnungsgemäße Umsetzung und Verwaltung gegenüber der EP A zu belegen. Sie haben die Verpflichtung und die Möglichkeit, das Programm auf ihre lokalen Gegebenheiten zuzuschneiden, sofern die Mindestvoraussetzungen des Bundesprogramms erfUllt sind, sowie strengere Vorschriften als die vom Bund vorgeschriebenen zu erlasSen. 638 Dies fUhrt dazu, dass die Implementation und Durchsetzung der meisten Politiken im Umweltrecht bei den Staaten liegt, die Formulierung der Politiken und Aufstellung von Programmen und Schutzzielen hingegen beim Bund.639 b) Beispiele im Umweltrecht
Bedingte Finanzzuweisungen als Instrument zum "Erkaufen" gliedstaatlicher Kooperation bei der Implementation von Gesetzesprogrammen und Einzelzielen des Bundes gibt es in größerem Umfang seit den sechziger Jahren. Bereits mit dem New Deal nahmen die vorher vernachlässigbaren Finanztransfers an die Staaten zu. Bis in die sechziger Jahre überwog aber die Unterstützung der Staaten bei der Verwirklichung im wesentlichen selbst gesetzter Ziele gegenüber dem Einsatz der Finanzkraft des Bundes fiir die Verwirklichung von dessen Politiken durch die Gliedstaaten.64o Das historisch erste und nach wie vor ein zentrales Beispiel fiir kooperativen Föderalismus ist der Clean Water Act (CWA), die Novelle von 1972 zum Federal Water Pollution Control ACt. 641 Hauptziel des CWA ist die Verminderung "It is the policy ofCongress to recognize, preserve, and protect the primary responsibilities and rights ofStates to prevent, reduce and elirninate pollution ( ... )." 638 V gl. Babich 1534: "The essence of cooperative federalism is that states take primary responsibility for irnplementing federal standards, while retaining the freedom to apply their own, more stringent standards." Weiter allerdings Joseph F. Zimmerman, Federal Preemption: The Silent Revolution, 1991, 147: "The theory of co operative federalism is ( ... ) a relatively simple one, suggesting that each plane [of govemment] cooperate freely with the other to promote the common good." (zitiert nach Bermann 416 Fn. 328). 639 Vgl. Adler, Green Aspects 626 m.w.N. 640 Vgl. Toumey 1696 f. m.w.N. 641 Der Begriff Clean Water Act dient seit dieser Novelle auch als übliche, weiter verbreitete Bezeichnung fiir den Federal Water Pollution Control Act. Die Darstellung aktueller Diskussionen zum Bund-Staaten-Verhältnis im einfachen Recht des Clean Water Act würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, ohne Wesentliches beizutragen.
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von individuellen Schadstoffeinleitungen.642 Für individualisierbare Quellen gelten zunächst die von der EP A aufgestellten Einleitungsrichtlinien (effluent guidelines). Diese enthalten technische Anforderungen an die Abwasserreinigung und differenzieren zum einen nach bereits bestehenden und neuen Einleitem, zum anderen nach konventionellen, toxischen und nicht-konventionellen Verschmutzungen. Bestehende Einleiter haben fiir alle Arten von Verschmutzungen grundsätzlich die "beste verfügbare und wirtschaftlich mögliche Technik" (best available technology econornically achievable - BAT) anzuwenden. 643 Für neue Einleiter gelten schärfere Regelungen (sog. New Source Performance Standards - NSPS), die sich an der modernere Methoden umfassenden "besten verfügbaren und demonstrierten Technik" (best available demonstrated control technology) orientieren. 644 Was diese Technologien jeweils umfassen, wird von der EPA im Verordnungsweg festgelegt. 645 Schärfere gliedstaatliche Standards sind ausdrücklich gestattet. 646 Neben den technologieorientierten Einleitungsrichtlinien existiert das an der Wasserqualität orientierte System des Federal Water Pollution Control Act vor 1972 weiter, das nunmehr als "Auffangnetz" dient. Danach haben die Gliedstaaten rur alle Gewässer Wasserqualitätsstandards aufzustellen (orientiert am Verwendungszweck des Gewässers, der von Trinkwasserversorgung bis zu Abwassertransport reichen kann), die der Bestätigung durch die EPA bedürfen. Ein neuer Einleiter muss nachweisen, dass der Verwendungszweck des Gewäs-
Vgl. hierzu Mark T. Pifher, The Clean Water Act: Cooperative FederaJism?, 12 Nat. Resources & Envt. 34 (1997). Zur Herausbildung des CWA Frank J Barry, The Evolution ofthe Enforcement Provisions ofthe Federal Water Pollution Control Act: A Study ofthe Difficulty in Developing Effective Legislation, 68 Mich. L. Rev. 1103 (1970). 642 Point sources, vgl. CWA § 502 (14), 33 U.S.C. § 1362 (14). Dazu gehören z.B. Rohre, Kanäle, Schiffe im Gegensatz zu nonpoint sources, zu denen insbesondere Abflüsse von Acker- und Waldflächen zählen, vgl. CWA § 208 (b)(2), 33 U .S.C. § 1288 (b )(2). Hinsichtlich von diffusen Einleitungen beschränkt sich der CWA auf eine Verpflichtung der Staaten zur Identifikation von Problembereichen und Erstellung von Plänen; der Bund prüft und bestätigt lediglich diese Pläne und übernimmt Kosten. CW A § 208,33 U.S.C. § 1288. 643 CWA § 301 (b)(2), 33 U.S.c. § 1311 (b)(2). 644 CWA § 306,33 U.S.C . § 1316. 64S Die Einrichtung industrieweiter, national einheitlicher Mindeststandards war ein direkter Versuch des Kongresses, den gliedstaatlichen Wettbewerb um niedrige Umweltstandards (race to the bottom) zu beseitigen. Vgl. Percival, Environmental Federalism, 1162. James E. Krier, On the Topology of Uniform Environmental Standards in a Federal System - and Why it Matters, 54 Md. L. Rev. 1226, 1237 fI. (1995), hält einheitliche Standards allerdings wegen der Vielfalt möglicher Maßstäbe hierfiir von vornherein fiir utopisch. 646 CWA § 510,33 U.S.C. § 1370.
Teill: Handlungsspielräume des Bundes in den DSA
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sers nicht beeinträchtigt wird, andernfalls sind weitere Anforderungen über die Einleitungsrichtlinien hinaus möglich. 647 Umgesetzt werden die Einleitungsrichtlinien und Wasserqualitätsanforderungen über ein generelles Einleitungsverbot mit Genehmigungsvorbehalt (National Pollutant Discharge Elimination System - NPDES).648 Genehmigungen werden grundsätzlich von der EPA erteilt.649 Weist ein Gliedstaat nach, dass er die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen fiir eine eigene Verwaltung des NPDES erfüllt, so kann er diese übemehmen. 650 Dies ist erklärtes Ziel: "It is the policy of the Congress to recognize, preserve, and protect the primary responsibilities and rights of States to prevent, reduce, and eliminate pollution (... ): It is
the policy of Congress that the States (...) implement the perrnit pro gram under sections 1342 and 1344 of this tide. (...)'.651 Die EPA kontrolliert in diesem Fall die gliedstaatlichen Verwaltungen, welche jährlich Bericht zu erstatten haben. Bei erheblichen Unzulänglichkeiten kann die Genehmigung zur gliedstaatlichen Verwaltung entzogen werden. 652 Ähnlich diesem Muster sind zentrale Teile des Clean Air Act (CAA) gestaltet. Danach stellt die EPA national einheitliche Luftqualitätsziele auf (National Ambient Air Quality Standards - NAAQS),653 die von den Gliedstaaten durch State ImplementationPlans (SIPs) umgesetzt werden sollen, wobei den Staaten ein erheblicher Spielraum hinsichtlich der Art und Weise der Umsetzung zusteht. Für neue Quellen gelten New Source Emissions Standards. 654 Weitere wichtige Umweltregelungen des Bundes, die dem Modell des kooperativen Föderalismus folgen, sind in wesentlichen Teilen des Resource Conservation and Recovery Act (Abfallrecht, dem kooperativen Modell folgen die VorschrifCWA § 303, 33 U.S.C. § 1313. Einleitungsverbot in CWA § 301 (a), 33 D.S.C. § 1311 (a), Genehmigungen nach CWA § 402, 33 U.S.C. § 1342. 649 CWA § 101 (d), 402 (a), 33 U.S.C. § 1251 (d), 1342 (a). 650 CWA § 402 (b), (c), 33 D.S.C. § 1342 (b), (c). Bis 1993 hatten bereits 37 Gliedstaaten diese Genehmigung erhalten, vgl. Flatt, Enforcement ofthe Clean Water Act, 20 m. w.N. Vgl. zu den Erfahrungen mit dieser Delegation umfassend HouckiRolland. 651 CWA § 101 (b), 33 D.S.C. § 1251 (b). 652 CWA § 402 (c)(3), 33 D.S.C. § 1342 (c)(3). 653 CAA § 109,42 U.S.C. § 7409. Vgl. hierzu Whitrnan v. American Trucking Association, Inc., Drt. v. 27. 2. 2001, Docket No. 99-1257, in der der Supreme Court eine Klage betroffener Industrien und mehrerer Gliedstaaten gegen die 1997 geänderten Luftqualitätsstandards der EP A flir Smog und Ruß abwies. Entgegen der Ansicht der Kläger hat die EPA danach bei der Setzung dieser Standards neben Gesundheitsaspekten nicht Kostenaspekte zu berücksichtigen. 654 CAA § 111,42 U.S.C. § 7411 (b). 647 648
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ten über die Beseitigung gefährlicher Abfälle und die Anlagen hierfiir),6ss dem Comprehensive Environmental Response, Compensation and Liability Act (Altlastenverantwortlichkeit und -beseitigung),656 dem Safe Drinking Water Act (TrinkwasserschutztS7 und dem Surface Mining Control and Reclamation Act (Tagebau)6s8 enthalten. Damit "funktioniert" die Mehrzahl der zentralen Umweltgesetze des Bundes nach dem Modell des kooperativen Föderalismus. Der finanzielle Anreiz ist z.B. im Endangered Species Act6S9 besonders deutlich. Die Verwaltung des Gesetzes kann auf der Grundlage von cooperative agreements mit dem Bund auf einen Gliedstaat übertragen werden, wenn dieser über ein adäquates Programm zum Schutz gefährdeter Arten verfügt. 660 Gliedstaaten, die die Verwaltung von ESA übernommen haben, erhalten bis zu 75% der Kosten hierfür und bis zu 90% der Kosten für gemeinsam mit anderen Gliedstaaten betriebene Schutzprogramme ersetzt.661 Finanzielle Anreize und regulatorische Drohungen als Instrumente zur Herbeiführung gliedstaatlicher Kooperation greifen häufig ineinander. Auch in den genannten Bundesgesetzen, die regelmäßig durch den Anreiz der einer flexibleren eigenen gliedstaatlichen Verwaltung wirken, werden zusätzlich Finanztransfers an die Staaten von der Erreichung regulatorischer Ziele abhängig gemacht. 662 Die finanzielle Unterstützung erhöht die Bereitschaft der Staaten, die Implementation der Bundesprogramme zu übernehmen. Dies mag z.B. erklären, dass zwar beinahe 40 Staaten die NPDES-Programme -des CWA verwalten, jedoch nur zwei die Implementation der Eintragsverbote nach § 404 RCRA, 42 U.S.C. §§ 6901-6992k. CERCLA oder "Superfund" (nach dem durch das Gesetz geschaffenen Fonds zur Finanzierung von Altlastensanierungsmaßnahmen), 42 U.S.c. §§ 9601 fI. 657 SDWA, 42 U.S.C. §§ 300f-300j. 658 SMCRA, 30 U.S.C. §§ 1201-1328. Der Supreme Court bezeichnet in Hodel v. Virginia Surface Mining and Reclamation Association, Inc., 452 U.S. 264 (1981) dieses Gesetz als verfassungsmäßiges Beispiel für cooperative federalism. 659 ESA, 16 U.S.C. §§ 1531 fI. (Artenschutz). 660 ESA § 6(c), 16 U.S.C. § 1535(c). 661 ESA § 6(d), 16 U.S.C. § 1535(d). Vgl. auch die Verknüpfung verschiedener Zwecke, z.B. in 42 U.S .C. § 7544: Zuweisung an gliedstaatliche Behörden, die die Entwicklung und Kontrolle von Einrichtungen zur Senkung von Fahrzeugemissionen betreiben, von bis zu 2/3 der damit verbundenen Kosten, unter der Bedingungen (u.a.) der Übereinstimmung mit Programmen des Bundesverkehrsministeriums zur Sicherheit von Überlandstraßen (programme zur Unfallverhütung und Verminderung von Unfallfolgen). 662 Vgl. z.B. Safe Drinking Water Act (SDWA) § 1419(a) und § 1452(a)(I)(G)(i),42 U.S.C. § 300g-9(a) und § 300j-12(a)(l)(G)(i), wonach bis zu 20% der Bundeszuweisungen für Darlehenssysteme der Gliedstaaten zur Finanzierung von Reinigungssystemen in Trinkwasserversorgungsanlagen von der Einhaltung der Trinkwasserstandards des Bundes bei allen neuen Anlagen abhängig gemacht werden. 655
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Teil 1: Handlungsspielräume des Bundes in den USA
des CWA übernommen haben. 663 Zur Implementation und Verwaltung des Clean Air Act werden die Gliedstaaten zwar in der Hauptsache durch drohende Sperrwirkung veranlasst (vgl. die Verpflichtung der EP A zur Erstellung eines eigenen implementation plan bei ungenügenden oder nicht (mehr) genehmigtem SIP664), gleichzeitig behält sich der Bund jedoch als milderes Mittel bei unzureichender Implementation vor, highway grants zu kürzen.
c) Selbsteintrittsrechte der Environmental Protection Agency Der Bund behält der EP A neben Kontrollbefugnissen regelmäßig Selbsteintrittsrechte vor. Stellt die EP A eine gliedstaatliche Zuwiderhandlung fest, so teilt sie dies dem Gliedstaat mit. Ergreift der Gliedstaat nicht binnen einer Frist von in der Regel 30 Tagen Maßnahmen zur Beseitigung der Rechtsverletzung und Durchsetzung des Bundesgesetzes, so kann die EPA selbst die Rechtsverletzung abstellen, indem die Behörde eine von dem Gliedstaat erteilte Genehmigung ändert oder direkt gegen einen privaten Rechtsverletzer vorgeht. 665 Ein Beispiel hierfür sind die Durchsetzungsbestimmungen des Safe Drinking Water Act. Im Bereich der Trinkwasserqualität legt die EPA zwingende Vorgaben für Trinkwasserversorgungsbetriebe fest (national primary drinking water standards - NPDWSs), regelmäßig als Qualitätsanforderungen in Form von Maximalkonzentrationen bestimmter Schadstoffe (maximum contaminant levels - MCLs), in Einzelfällen, wenn dieser Standard aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen nicht erreichbar ist, auch durch Vorgabe einer bestimmten Reinigungstechnologie. 666 Die Durchsetzung dieser Vorgaben kann an die gliedstaatliche Verwaltung übertragen werden,667 was in beinahe allen Staaten geschehen ist, da das Bundesprogramm in deren bestehende Trinkwasserprogramme eingepasst werden konnte. 668 Die Staaten können Abweichungen oder Ausnahmen genehmigen, wenn die bundeseinheitlichen Vorgaben im Ein-
663 Vgl. Percivall174. Vgl. hierzu auch HouckiRolland 1266 ff. mit dem Hinweis auf teilweise Delegation des § 404-Programms. 664 CAA § 110(c)(I), 42 U.S.C. § 7410(c)(I). 665 Tatsächlich stößt die Durchsetzung der Vorgaben des Bundes trotz der Verknüpfung mit einer finanziellen Bedingung auf deutliche Widerstände bei den Gliedstaaten, ohne dass der Bund jedoch regelmäßig vom Selbsteintrittsrecht der EP A Gebrauch macht; so sind z.B. die Bemühungen des Bundes, die Staaten zur Erreichung der NAAQS zu bringen, wenig erfolgreich. 666 SDWA § 1401 (I)(C) und § 1412 (b)(7)(A), 42 U.S.c. § 300f(I)(C) und § 300gI (b )(7)(A). 667 SDWA § 1413 (a)(I)-(5), 42 U.S.C. § 300g-2 (a)(l)-(5). 668 Vgl. Russell V. RandleiPeter D. Robertson, Safe Drinking Water Act, in: Vanderver (Hrsg.), Environmental Law Handbook, 220.
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zelfall wegen der Qualität des Rohwassers nicht einhaltbar sind.669 Gewährt der Staat unzulässige Abweichungen oder Ausnahmen, so kann die EPA nach öffentlicher Anhörung die gliedstaatliche Genehmigung zurücknehmen oder ändern und zusätzliche Anforderungen stellen. 67o Bestimmungen des Grundwasserschutzprogramms des SDWA (underground injection control - UIC) kann die EPA nach Mitteilung an den Gliedstaat und Ablauf einer Frist von 30 Tagen selbst im Wege eines administrative order oder einer Zivilklage durchsetzen. 671
d) Herbeifohrung von Kooperation durch Drohung mit bundesrechtlicher Sperrwirkung (preemption threats oder conditional preemption) aa) Herleitung aus der Supremacy Clause Mit der Entscheidung Hodel v. Virginia Suiface Mining and Reclamation Association, Inc. 672 scheiterte bereits 1981 der Versuch, ein Bundesgesetz nach dem Modell des cooperative federalism wegen Verstoßes gegen den Zehnten Verfassungszusatz zu Fall zu bringen. Der umstrittene Surface Mining Act gab den Staaten die Möglichkeit, die Regelung des Tagebaus entweder selbst nach Vorgaben des Bundes vorzunehmen oder dies einer bundesrechtlichen Regelung mit Sperrwirkung zu überlassen. 673 Da der Kongress nach der Suprernacy Clause ein Gesetz mit umfassender Sperrwirkung hätte erlassen· können,674 konnte das von einer Vereinigung von Kohleforderem angegriffene Gesetz nicht deswegen unzulässig sein, weil es den Staaten gestattete, anstelle des Bundes eigene Regelungen nach Vorgaben des Bundes zu erlassen: "Congress could constitutionally have enacted astatute prohibiting any state regulation of surface coal mining. We fail to see why the Surface Mining Act should become constitutionally suspect simply because Congress chose to allow the States a regulatory role ...675
669 SDWA § 1415 (a)(l)(A), 42 U.S.C. § 300g-4(a)(l)(A). SDWA § 1415 (a){l)(G), 42 U.S.C. § 300g-4(a)(l)(G). SDWA § 1423 (a), 42 U.S.C. § 300h-2(a). 672 Hodel v. Virginia Surface Mining and Rec1amation Association, Inc., 452 U.S. 264 (1981). 673 Vgl. ebd., 289: ,,[T]he Surface Mining Act establishes a program of cooperative federalism that allows the States, within limits established by federal minimum standards, to enact arid administer their own regulatory pro grams, structured to meet their own particular needs." 674 Ebd., 290. 675 Ebd., 290. Vgl. auch Pennsylvania v. EPA, 500 F.2d 246, 262 (3d Cir. 1974) zum Clean Air Act: ,,( ... ) a valid adaption of federalist principles to the need for increased federal involvement." 670 671
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Teil 1: Handlungsspielräume des Bundes in den USA bb) Störung der politischen Verantwortungszusammenhänge (Zehnter Verfassungszusatz) oder Verstoß gegen Guarantee Clause?
Ohne ausfiihrlichen Diskussionsbedarf hierfiir zu sehen, fand das Gericht in Hodel weder in der Commerce Clause als Kompetenzgrundlage des Gesetzes noch im Zehnten Verfassungszusatz (damals in der Auslegung nach National League 0/ eities) Hindernisse oder Einschränkungen. Das Gesetz regele nicht ein Verhalten der Staaten "als Staaten", sondern enthalte eine materiellrechtliche Regelung des Verhaltens Privater mit einer Option nir die Staaten, diese Regelung durch eine eigene zu ersetzen. "If aState does not wish to submit a proposed permanent program that complies with the Act and implementing regulations, the fuH regulatory burden will be borne by the Federal Government. Tbus, there can be no suggestion that the Act commandeers the legislative processes ofthe States by directly compelling them to enact and enforce a regulatory prograrn... 676 In der von den "staatenfreundlichen" Richtern getragen Entscheidung New York v. United States, fand der Supreme Court diese Regelungstechnik ebenfalls ohne Einschränkung zulässig. In Abgrenzung zu der dort verworfenen Regelung des LLRWPA bestätigt das Gericht: "Tbe Constitution enables the Federal Govemment to pre-empt state regulation contrary to federal interests, and it permits the Federal Government to hold out incentives to the States as a means of encouraging them to adopt suggested regulatory schemes ...677 Die neuere Rechtsprechung bestätigt dies. In Virginia v. Browner678 wandte sich der Staat Virginia u.a. gegen Abschnitt V der Novelle zum Clean Air Act von 1990, nachdem die EPA den SIP des Staates abgelehnt hatte. In Abschnitt V des CAA werden die Gliedstaaten bei der Übernahme der Erteilung immissionsschutzrechtlicher Genehmigungen auf der Grundlage des CAA u.a. dazu verpflichtet, fiir einen Rechtsweg gegen die Genehrnigungsentscheidungen der gliedstaatlichen Behörden vor den Gerichten des Gliedstaates zu sorgen. Erfiillt ein Gliedstaat diese Voraussetzung nicht, so stehen dem Bund verschiedene Sanktionsmöglichkeiten zur Verfiigung, die eine abgestufte Reaktion vorsehen, darunter die Sperrung von highway grants) in Gebieten, in denen die Luftverschmutzung die Grenzwerte des CAA übersteigt, sowie die Erhöhung der Anforderungen an die Reduktion von Emissionen bei der Zulassung neuer statio676 Hodel v. Virginia Surface Mining and Reclamation Association, !nc., 452 U.S. 264,288 (1981). 677 New York v. United States, 505 U.S. 144, 188 (1992). Ähnlich ebd., 167. Vgl. zur Kritik an der Position des Supreme Court in New York und Printz unten e)bb )(2). 678 Virginia v. Browner, 80 F.3d 869 (4th Cir. 1996).
§ 6 Grenzen der Ausübung von Bundeskompetenzen in den USA
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närer Emissionsquellen. 679 Der Court of Appeal für den 4. Circuit stellte fest, dass die zu Grunde liegende Übernahme der Implementation und Verwaltung des Clean Air Act durch die Gliedstaaten freiwillig geschah, der Bund gab hierfür lediglich Anreize regulatorischer Art (preemption threat, hier in Form einer vollständigen Zurücknahme der Delegation der Implementations- und Verwaltungsaufgabe) und finanzieller Art (conditional grants, hier die highway grants). Die Erschwerung der Genehmigung neuer Emissionsquellen war lediglich eine unmittelbare Regelung privaten Verhaltens und daher zulässig, die Schaffung eines preemption threat durch Verknüpfung mit einem Delegationsangebot an die Gliedstaaten lediglich eine Erweiterung des Rechtskreises der Gliedstaaten. 68o Auch nach dem Prinzip von Merritt zum Schutz der Gliedstaaten auf der Grundlage der Guarantee Clause ergeben sich keine Bedenken. Mit der Zurwahlstellung von Bundesrecht mit Sperrwirkung oder gliedstaatlicher Regelung nach Vorgaben des Bundes greift der Bund nicht in die staatlichen Strukturen der Gliedstaaten ein. 681
679 Vgl. Erfordernis einer Kontrollmöglichkeit vor gliedstaatlichen Gerichten nach § 502 (b)(6) des Clean Air Act, 42 U.S.C. § 766la (b)(6); Sanktionen bei Nichterfüllung dieser Voraussetzungen nach § 502 (d) des Clean Air Act, 42 U.S.C. § 7661a (d): Zu den Sanktionsmöglichkeiten gehörte die Sperrung von Bundeszuschüssen für den Fernstraßenbau (highway grants) in Gebieten, in denen die Luftverschmutzung die Grenzwerte des CAA übersteigt, mit der Ausnahme von Projekten zur Unfallverhütung; die Zuschüsse blieben jedoch für bestimmte Maßnahmen im Bereich öffentlicher Verkehrsmittel sowie zur Verminderung und Optimierung des Verkehrsflusses verfügbar. Außerdem wurde die Rate der für die Zulassung neuer Schadstoffemissionen bei der Erteilung von Genehmigungen für stationäre Anlagen erforderlichen Verminderung bestehender Schadstoffemissionen verschärft: Üblicherweise konnten neue stationäre Quellen bei einer Verminderungsrate von 1,1:1 bzw. 1,2:1 zugelassen werden, wenn also pro Tonne neuer Verschmutzung 1,1 bzw. 1,2 Tonnen bestehender Verschmutzung abgebaut wurde; die Sanktion verschlechterte diese Rate auf 2: 1 (sog. offset sanction). 680 Durch Beschränkungen gegenüber seinen Bürgern gilt ein Gliedstaat nicht als eingeschränkt. Hodel v. Virginia Surface Mining and Rec1amation Association, Inc., 452 U.S. 264, 288 (1981), ebenso Virginia v. Browner, 80 F.3d 869 (4th Cir. 1996). Andernfalls wäre die Unterscheidung zwischen Regelungen privaten und gliedstaatlichen Verhaltens hinfällig. Zur Zulässigkeit des preemption threat führt das Gericht aus: "In the present situation, the federal government gives the states the chance to enact their own regulations before the federal plan is imposed. For purposes of constitutional analysis, we cannot see how it makes a difference whether the federal plan is imposed fIrst, or whether the states are given the chance to avoid imposition of the federal plan fust." Zu einem gleichartigen Sachverhalt (ungenügende SlPs des Staates Missouri) mit demselben Ergebnis Missouri v. United States, 918 F.Supp. 1320 (E.D. Mo. 1996), 1330 ff., 1332: "Congress is ,threatening to exercise its Commerce Clause power when it uses the offset sanction to induce compliance with the provisions of the CAA. This is permissible under the Tenth Amendment. '" 681 Merritt, The Guarantee Clause, 70.
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Bedenkenswert sind allerdings Einwände gegen eine regulatorische V orgabe, die mit der Drohung eines regulatorischen Vakuums mit Sperrwirkung verbunden ist. Der Public Utilities Regulatory Policies Act (PURP A) von 1978, Gegenstand der Entscheidung des Supreme Court in FERC v. Mississippi,682 stellte die Staaten vor die Wahl, entweder ein System zur Evaluation vom Bund vorgegebener Standards einzurichten oder ihre Kraftwerke mangels komplementärer Regelung durch den Bund überhaupt keiner Regelung zu unterwerfen. 683 Die Mehrheit der Richter sah hierin keinen unzulässigen Zwang, da den Gliedstaaten nicht die Einfiihrung bestimmter Standards vorgeschrieben wurde, sondern lediglich deren Prüfung,684 und dem Staat freistand, den Kraftwerksbetrieb überhaupt nicht zu regeln und damit den Vorgaben des Bundes zu entgehen. 685 Diese "Wahlmöglichkeit" erscheint jedoch weder sachlich gerechtfertigt noch hat der Staat hier wirklich eine Wahl. 686
In der Literatur wird eine Eingrenzung einer zulässigen conditional preernption durch das Erfordernis eines nachvollziehbaren und verhältnismäßigen Zusammenhangs zwischen der Regelung, zu der die Drohung mit Sperrwirkung anreizen soll, und dem Sachbereich und Umfang der angedrohten Sperrwirkung gefordert (entsprechend den von South Dakota v. Dole fiir conditional grants aufgestellten Regeln). Danach sollte eine Regelung mit Sperrwirkung nur das regulatorisch ausgleichen, wozu der Gliedstaat veranlasst werden sollte, also keine Regelungen in anderen Sachbereichen und keine Sperrwirkung in ausgedehnteren Sachbereichen androhen. Fehle eine Beschränkung an dieser Stelle, so mache der Mechanismus der conditional preernption als Umgehung andere Beschränkungen praktisch unwirksam. 687 In der Rechtsprechung des FERC v. Mississippi, 456 U.S. 742 (1982). 16 U.S.C. §§ 2621 (a), 2623 (a), 2624 (b) (1982), vg1. FERC v. Mississippi, 456 U.S. 742, 766 (1982) (abweichende Meinung von Justice 0 'Connor). Dies ist die "günstigere" Auslegung von PURP A, der sich auch als zwingende Vorgabe an die Staaten verstehen lässt, rur die das ,,regulatorische Vakuum" als Alternative nach dem Gesetz gar nicht vorgesehen ist. V g1. La Pierre 946 f. Damit wäre die Regelung allerdings unter New York v. United States schon ohne weiteres verfassungswidrig. 684 FERC v. Mississippi, 456 U.S. 742, 764 (1982). Bereits darin sieht Merritt einen Eingriff in die republikanische Selbstregierung der Gliedstaaten, vg1. Merritt, The Guarantee Clause, 61 f. und 64. 685 FERC v. Mississippi, 456 U.S. 742, 764 ff. (1982). 686 Vg1. Merritt, The Guarantee Clause, 65; Abweichende Meinung von Justice o 'Connor, FERC v. Mississippi, 456 U.S. 742, 766 (1982). 687 "lf there are no limits on Congress' power to use conditional preemption, then New York is a meaningless formality, because the national govemment could always require that state and local governments either make policy according to federal standards or disband themselves." Hills 921. Vg1. auch AdleriKreimer 105 f. Als Negativbeispiel gilt auch hier FERC v. Mississippi, da die drohende Sperrwirkung bei Nichtannahme der vorgegebenen Standards rur gliedstaatliche Regulierungsbehörden rur Elektrizität und Gasversorgung den gesamten Bereich der Kraftwerken erfasste. 682 683
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Supreme Court hat allerdings auch diese Anregung aus der Literatur bisher keinen Niederschlag gefunden.
cc) Verstoß gegen die Einheit der Exekutive (Vesting Clause, Art. II § 1 S. I)? Ein Verbot selbst freiwilliger gliedstaatlicher Verwaltung von Bundesrecht kann auch aus der unitary executive theory hergeleitet werden. 688 Es ist fraglich, ob der Präsident als oberstes Exekutivorgan hier eine wirksame Kontrolle über gliedstaatliehe Behörden ausüben kann. Dem kann allenfalls mit dem formalistischen Argument begegnet werden, bei freiwilliger Umsetzung von Vorgaben des Bundes liege kein Bundesrecht und damit auch keine Kontrollpflicht des Präsidenten vor. 689 Bei bloßer gliedstaatlicher Verwaltung von Bundesgesetzen greift auch dieses Argument nicht. Die Urteilsbegrundung in Printz versucht dem mit folgender Passage zu begegnen: "The dissent is correct that control by the unitary Federal Executive is also sacrificed when States voluntarily administer federal programs, but the condition of voluntary state participation significantly reduces the ability of Congress to use this device as a means ofreducing the power ofthe Presidency.,,69o Die einzig naheliegende Auslegung dieser etwas kryptischen Passage offenbart kein überzeugendes Gegenargument. Denn die geringere Wahrscheinlichkeit einer Annahme der "Einladung" des Bundes an die Staaten zur Verwaltung von Bundesrecht ist kein Grund, die Aufspaltung und Einschränkung der Bundesexekutive durch den Kongress eher hinzunehmen. 691 Die Zukunft der freiwilligen gliedstaatlichen Verwaltung des Umweltrechts erscheint damit durch New York und Printz gefährdet. Auch hier eröffnen die Urteilsbegrundungen Raum für Ausweitungen in den Bereich freiwilliger Zusammenarbeit von Bund und Gliedstaaten, die den zentralen Pfeiler der Umsetzung des Umweltrechts des Bundes bildet. 688 Vgl. Krent 81 mit Fn. 56; abweichende Meinung von Justice Stevens in Printz v. United States, 117 S.Ct. 2365, 2396 f. (1997). 689 So Caminker, Limits ofForrnalism, 231. 690 Printz v. United States, 117 S.Ct. 2365, 2378 Fn. 12 (1997). 691 Caminker bietet eine weitere Auslegung der Urteilspassage als Unterscheidung nach einer im Zusammenhang der horizontalen Gewaltenteilung "schlechten" (auf Entwertung der Exekutive oder Aufwertung der Legislative gerichteten) oder "guten" Absicht des Gesetzgebers bei der Delegation von Verwaltungzuständigkeiten an die Staaten. Dies entspricht aber nicht den nach ständiger Rechtsprechung rein objektiven Kriterien rur die Verletzung der horizontalen Gewaltenteilung (vgl. z.B. INS v. Chadha, 462 U.S. 919, 963 (1983». Caminker, Limits of Forrnalism, 233. Außerdem legt der Text eine solche Auslegung nicht nahe; eine solche Abgrenzung deckt sich in der praktischen Anwendung auch nicht mit der Abgrenzung erzwungen/freiwillig.
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e) HerbeifUhrung von Kooperation durch bedingte Finanzzuweisungen (conditional grants) aa) Herleitung aus der Spending Clause Die Zulässigkeit bedingter Finanzzuweisungen des Bundes an die Staaten, Kommunen oder unmittelbar an deren Behörden ergibt sich aus der Spending Clause, deren Ausübung nach United States v. Butler und South Dakota v. Dole von anderen enumerativen Kompetenzen unabhängig ist. Da der Bund Finanzmittel nach eigener Entscheidung an die Staaten vergeben oder in seinen eigenen Behörden verwenden kann, steht es ihm frei, die Zuweisung solcher Mittel auch von Bedingungen abhängig zu machen. 692
New York bestätigt dies in einem obiter dictum. Die Entscheidungsbegründung in New York von Justice O'Connor, der Verfasserin der einengenden Minderansicht in Dole, weist auf das erforderliche Verhältnis zwischen Bedingung und Zweck der Zuweisung hin. 693 Eine Einschränkung im Sinne der Minderansicht von O'Connor in Dole ist darin angesichts der Allgemeinheit dieser Aussage und der Stimmenverteilung im Gericht jedoch nicht zu sehen. 694
bb) Störung der politischen Verantwortungszusammenhänge (Zehnter Verfassungszusatz) und Guarantee Clause?
(1) Die Position der Rechtsprechung Während sich in Steward noch ein Hinweis darauf fmdet, dass der Kern der Staatlicbkeit der Gliedstaaten durch die Annahme bedingter Vergünstigungen des Bundes nicht beschädigt werden dürfe,695 stellt Dole klar, dass die Angebotsnatur der bedingten Zuweisungen unter der Spending Clause den Schutz gliedstaatlicher Souveränität durch äußere Grenzen verzichtbar macht: Der 692 Vgl. auch Comment: the Federal Conditional Spending Power: A Search for Limits, 70 Nw. U L. Rev. 293, 308 f. (1975). Zulässig sind nach dieser Auffassung nicht nur Bedingungen, die in angemessener Beziehung zu den sachlichen Zielen der Mittelvergabe stehen, sondern auch Bedingungen, die zwar hierfiir vollständig unerheblich sein mögen, jedoch sicherstellen., dass Bundesmitteln nicht im Widerspruch zu konkretisierten Zielen des Bundes verwendet werden, da letztere zu Recht die Integrität der Bundesfinanzen schützen. 693 New York v. United States, 505 US. 144, 172 (1992). 694 Der Unterschied zwischen preemption threats und conditional grants liegt weniger in der Regelungstechnik (heide arbeiten mit bedingten Vergünstigungen, die als Kehrseite Drohungen beinhalten), sondern in dem Mittel, mit dem diese Regelungstechnik umgesetzt wird (regulatorische oder fmanzielle Vor-I Nachteile). 695 Steward Machine Co. v. Davis, 301 US. 548, 597 f. (1937).
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Anwendung des Zehnten Verfassungszusatzes steht die Freiwilligkeit der Annahme der bedingten Vergünstigung durch die Staaten entgegen. Mit der Annahme der Zuweisung aufgrund freier Entscheidung verzichtet der Gliedstaat wirksam auf den vom Zehnten Verfassungszusatz vermittelten Schutz gliedstaatlicher Souveränität. Der Supreme Court hat auch andere Streitigkeiten vor und nach Dole, in denen er äußere Grenzen der commerce power defIniert hat, nicht zum Anlass für entsprechende Einschränkungen der spending power genommen. Der Supreme Court und die Untergerichte haben in solchen Entscheidungen stets darauf hingewiesen, dass der Bund sein Ziel statt mit einer unzulässigen direkten Regelung in zulässiger Weise auf indirektem Weg über die Gewährung bedingter Finanztransfers hätte erreichen können. 696 Conditional grants sind daher als Ameizinstrumente (means of encouragement) grundsätzlich zulässig; eine Ausnahme gilt lediglich dort, wo sich die Bedingung wegen des Umfangs der damit verknüpften Leistung als "zwingend" darsteIlt. 697 In New York nahm das Gericht bedingte Finanzzuweisungen schließlich ausdrücklich von der Anwendung des Zehnten Verfassungszusatzes aus. Anreize zu gliedstaatIichen Regelungen könnten die legislativen Entscheidungen in den Staaten zwar beeinflussen, die Verantwortung der gIiedstaatIichen Entscheidungs träger gegenüber den Wählern bleibe aber gewahrt. 698 Die neuere Rechtsprechung bestätigt dies. In Virginia v. Browner699 stellte der Court of Appeal für den 4. Circuit zur Zulässigkeit der Sperrung von highway grants nach § 502 (d) des CAA für Gebiete, in denen Grenzwerte für Luftschadstoffe überschritten waren und kein genügender mitgliedstaatlicher SIP vorlag, fest, dass eine himeichende Beziehung zum Ziel der Emissionsrninde696 National League of Cities v. Usery, 426 US. 833, 852 Fn. 17 (1976): "We express no view as to whether different results might obtain if Congress seeks to affect integral operations ofstate govemments [through the spending power]."; abw. Meinung von lustice Brennan ebd., 880; New York v. United States, 505 U.S. 144, 149, 166 ff., 188 (1992); aus dem Umweltbereich Maryland v. EPA, 530 F.2d 215, 228 (4th Cir. 1975); District ofColumbia v. Train, 421 F.2d 971, 993 Fn. 26 (D.C. Cir. 1975). 697 So bestätigt in New York v. United States, 505 US. 144, 173 f. (1992). Vgl. South Dakota v. Dole, 483 U.S. 203, 206 (1987): "Congress may attach conditions on the receipt of federal funds, and has repeatedly employed the power ,to further broad policy objectives by conditioning receipt of federal moeys upon compliance by the recipient with federal statutory and administrative directives. '" 698 New York v. United States, 505 US. 144, 167 f. (1992). Vgl. zur mangelnden Schutzbedürftigkeit gliedstaatlicher Souveränität bereits Bell v. New Jersey, 461 US. 773, 790 (1983): "Requiring States to honor the obligations assumed as a condition of federal funding before recognizing their ownership of the funds sirnply does not intrude on their sovereignty. The State chose to participate in the [particular federal] program and, as a condition of receiving the grant, freely gave its assurances that it would abide by the conditions of[the federal program]." 699 Virginia v. Browner, 80 F.3d 869 (4th Cir. 1996), vgl. bereits oben c)bb).
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rung bestand, da die Sperrung von Mitteln zur Vermeidung einer weiteren Emissionszunahme beizutragen geeignet war, sowie keine Zwangswirkung, da die Sanktion lediglich zu einer teilweisen Veränderung zulässiger Verwendungszwecke führte. 700
(2) Kritik
Bei Lektüre der UrteiIsbegründungen von New York und - insbesondere Printz drängt sich die Frage auf, ob danach nicht auch Ameizsysterne als verfassungswidrig anzusehen sind. 701 Nach der Theorie von Wechsler und den Ausführungen des Suprerne Court in Garcia sollte sowohl das Versprechen einer bedingten Zuweisung durch den Bund als auch die Entscheidung eines Gliedstaates für oder gegen deren Annahme politisch kontrolliert sein. Möglicherweise funktionieren jedoch gerade im Zusammenhang der bedingten Zuweisungen die politischen Kontrollmechanismen weder für die Entscheidung im Kongress noch für die des Gliedstaates,702 so dass die von Garcia vorgesehene (und für die Fallkonstellation der Anordnung in New York ausgestaltete) Ausnahme vorliegt. Eine unvoreingenommene Auseinandersetzung in den Gliedstaaten mit dem für und wider der Regelung, zu der die Zuweisung amegen soll, erscheint schon angesichts der Bedeutung der Bundesmittel für die gliedstaatlichen Gebietskörperschaften schwierig. Ist eine Bedingung relativ lose mit der Mittelverwendung verknüpft (wie dies Dole zulässt), so kann intensive Lobbyarbeit innerstaatlicher Interessengruppen, die (nur) ein Interesse an der Nutzung der Gelder haben, zu einem deutlichen Interessenüberhang zugunsten einer Annahme führen. 703 Unabhängig davon würde dual federalisrn in konsequenter Form die Trennung von Bundesgesetzgebung und -verwaltung auf der einen und gliedstaatlicher Gesetzgebung und Verwaltung auf der anderen Seite erfordern. Hier gilt 700 Ebenso Missouri v. United States, 918 F.Supp. 1320 (E.D. Mo. 1996). Das Gericht stellte hier fest, dass die Sperrung und Verschiebung von highway funds als Sanktion für die Nichtvorlage zureichender SIPs sowohl mit der Spending Clause vereinbar war, da eine hinreichende - wenn auch mittelbare - Beziehung zwischen der Mittelzuweisung für den Straßenbau und der Bedingung einer Emissionsminderung bestand (ebd., 1332 ff.), und auch der Zehnte Verfassungszusatz nicht entgegenstand, da ein bloßer Anreiz vorlag und auch die Kombination aus conditional grant und preemption threat zulässig war (ebd., 1336 f.). 701 Vgl. Hills 824 ff.; im Grundsatz ebenso Edward A. Zelinsky, Accountability and Mandates: Redefining the Problem of Federal Spending Conditions, 4 Comell 1. L. & Pub. Poly. 482 (1995). 702 So McCoylFriedman 124, nach deren Ansicht der einzelne Wahlbürger die ,,lwangswirkung" einer bedingten Zuweisung nicht sachgerecht wird erfassen können. 703 Vgl. Rosenthal1141 f.; McCoylFriedman 124 f.
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dasselbe wie bei conditional grants. Die politische Verantwortlichkeit ist im kooperativen Modell von Bund und Gliedstaaten geteilt und kann vom betroffenen Bürger daher nicht in zutreffender Weise zugeordnet werden. 704 Die ausschließliche Zuordnung von Regelungen zum Verantwortungsbereich der Staaten allein wegen der Freiwilligkeit der Implementation durch die Staaten ist eine Fiktion. Angesichts umfangreicher Detailvorgaben an die Staaten kann von ausschließlich gliedstaatlicher Verantwortung nicht die Rede sein. In der Lehre wird die Herausnahrne aus dem Schutzbereich des Zehnten Verfassungszusatzes als zu weitgehend kritisiert. Die Kritik bietet jedoch meist keine Gegenvorschläge. 705 Eine Ansicht fordert, nicht die Kompetenzausübung des Bundes einzuschränken, sondern den Staaten die Annahme bedingter Zuweisungen in Bereichen ausschließlicher gliedstaatlicher Kompetenzen zu versagen, was jedoch an der mangelnden Trennschärfe dieses Kriteriums scheitert. 706
Zur unitary executive theory gilt das bereits oben d) cc) Gesagte.
cc) Abgrenzung zwischen zulässigem Anreiz und unzulässiger Anweisung zu gliedstaatlicher Umsetzung und Verwaltung: Das Problem der Freiwilligkeit Nachdem Zehnter Verfassungszusatz und Vesting Clause nicht als "andere Verfassungsbestirnmungen" (Dole) Grenzen setzen, bleibt die Frage nach der Bedeutung der in Steward und Dole getroffenen Unterscheidung zwischen Anreiz und Zwang. Die Letztentscheidung, ob und wie gliedstaatliches Recht geändert wird, müsste rechtlich und faktisch bei den Gliedstaaten verbleiben. Diese Grundlinie im Verhältnis zwischen Bund und Gliedstaaten gilt im Kontext der spending power auch ohne Anwendung des Zehnten Verfassungszusatzes. Anders als bei unbedingten Anordnungen des Bundes ist die Grenze zwischen Anreiz und Zwang bei conditional grants allerdings gradueller Art. Wo also liegt die 704 Vgl. bereits zum sog. minimum drinking age requirement nach Dole McCoy/Friedman 125. 70S Vgl. z.B. Rosenthall132 ff.; Garrett 1140; Lewis B. Kaden, Politics, Money, and State Sovereignty: The Judicial Role, 79 Colum L. Rev. 847 (1979). 706 Toumey 1694. Eine Ausnahme sollte rur die sog. block grants gelten, die der Bund ohne nähere Vorgaben flir die Staatstätigkeit in bestimmten Sachbereichen vergibt; dies beeinflusse die gliedstaatlichen Politiken in dem betroffenen Sachbereich nicht. Ebd., 1714. Der Aufsatz stammt aus der Zeit zwischen National League ofCities und Garcia und kann als Versuch einer Ausweitung von National League of Cities auf bedingte Zuweisungen verstanden werden.
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Grenze zwischen beiden? Die Unterscheidung ist in dem von New York gesetzten Rahmen notwendig, da sich andernfalls jede bedingte Zuweisung mittelbar dem Vorwurf der Minderansicht in New York aussetzt, damit werde dasselbe Ziel erreicht wie mit einer unbedingten Anweisung, lediglich auf verdeckte Weise. 707 Bedeutung gewinnt diese Frage vor allem in dem Bereich handelsferner Umweltschutznormen, die die Commerce Clause möglicherweise nicht erfasst. Der Supreme Court hat hierfür bisher keine Anhaltspunkte gegeben.70S Wird eine Leistung an einzelne Bürger unter einer Bedingung vergeben, deren Erfüllung mit einer Einschränkung grundrechtlicher Freiheiten durch den Leistungsempfanger verbunden sein kann, so unterzieht der Supreme Court die betroffenen Interessen regelmäßig einer vorsichtigen Abwägung; 709 ist der Empfanger der Leistung hingegen ein Gliedstaat, so genügt es, dass sich der Empfänger durch Nichtannahme der Leistung der Bedingung erwehren kann.7lO Die Freiheit der gliedstaatlichen Entscheidung wird bei jeder bedingten Leistungszusage des Bundes, die den Staaten rechtlich die Möglichkeit offen lässt, nicht an dem Programm teilzunehmen, vermutet. 711 Unabhängig davon lässt sich in der Praxis weder ermitteln, ob der gliedstaatliche Gesetzgeber oder die gliedstaatliche Verwaltungsstelle, die die bedingte Finanzzuweisung erhält, unter nötigendem Druck stand, noch lässt sich herausfinden, ob die Mehrheit der Bevölkerung die Übernahme der Aufgabe begrüßt. 712 Es ist daher im Ergebnis nicht verwunderlich, dass der Supreme Court seit Butler keine bedingte Zuweisung des Bundes für verfassungswidrig erklärt hat. 713 Im Ergebnis fehlt hier eine wirksame Eingrenzung, so dass das Instrument der conditional grants als Instrument der mittelbaren RegelsetzuJig durch In707 Vgl. abweichende Meinung von Justices White, Blackmun und Stevens in New York v. United States, 505 U.S . 188, 208 f. (1992), die letzteres für zulässig halten. 708 Rose-Ackerman, Environmental Policy and Federal Structure, 1603. 709 Vgl. z.B. UnitedPublic Workers v. Mitchell, 330 U.S. 75 (1947). 710 Vgl. z.B. Oklahoma v. United States Civil Service Commission, 330 U.S. 127 (1947), ergangen am gleichen Tag wie United Public Workers v. MitchelI. 711 Vgl. Steward Machine Co. v. Davis, 301 U.S. 548,590 (1937): "Till now, the law has been guided by a robust common sense which assumes the freedom of the will as a working hypothesis." 712 Vgl. die anschaulichen Überlegungen bei Toumey 1698: "Ifthe courts were actually to put this tier of the test [die Abgrenzung Anreiz - Zwang] into effect, they presumably would often have to reach a conslusion about the mental state of legislators at the time they accepted a condition in order to determine whether the acceptance was made under ,duress.' To perform such group psychological analysis is exceedingly difficult, and there is no reason to believe that judges have any special expertise at the task. ( ...) [C]oercion is practically unverifiable." 713 Vgl. Abweichende Meinung der Richterin O 'Connor, South Dakota v. Dole, 483 U.S. 203, 216 (1987).
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strumentalisierung der Staaten über fiir die Staaten wichtige Finanzposten auch wenn diese nur geringe Umweltbezüge aufweisen - keinen wesentlichen Schranken unterliegt. Damit ist gleichzeitig die Tauglichkeit der Abgrenzung freiwillig/unfreiwillig nach New Yore 14 und die weite Auslegung der spending power in Frage gestellt. 1) Zuweisung von Staatsaufgaben ohne Finanzzuweisungen (unfunded mandates)
Ein Stein des Anstoßes im kooperativen Modell sind Aufgabenzuweisungen des Bundes an Staaten oder Kommunen ohne (kostendeckende) Finanzzuweisungen, sog. unfunded mandates. 715 Dieses Problem entsteht auch bei conditional grants, da die Finanzzuweisungen hier häufig nicht der Deckung der Verwaltungskosten, sondern anderen Zwecken dienen. Nach Untersuchungen aus dem Jahr 1992 betragen die Verwaltungskosten von Aufgabenzuweisungen des Bundes bis zu 25% der gliedstaatlichen und 2530% der kommunalen Haushalte. 716 Die Summe der finanziellen Belastung hierdurch stieg von 225 Millionen $ im Jahr 1986 auf ca. 2,8 Milliarden $ fiir ca. 200 Programme im Jahr 1991. 717 Als aufwendigste Aufgabenzuweisung gilt die Verwaltung des Clean Water Act, dicht gefolgt vom Safe Drinking Water Act. 718 Überhaupt gelten die Umweltgesetze des Bundes als größte Belastung.719 Die Kosten umweltbezogener Aufgabenzuweisungen fiir gliedstaatli714 V g!. Stewart, Pyramids of Sacrifice, 1254, der diese Abgrenzung als untauglichen Anthropomorphismus ablehnt. 715 Reichweite und Defmition des Begriffs hängen vom Standpunkt des Betrachters ab und sind umstritten. V g!. zu den Schwierigkeiten bei der Begriffsdefinition Leckrone 1031 ff. Eine kurze und umfassende Definition bietet z.B. Note, Recent Legislation: Federalism - Intergovemmental Relations - Congress Requires aSeparate, Recorded Vote for any Provision Establishing an Unfunded Mandate, 109 Harv. L. Rev. 1469 (1996): ,,[A] federallaw( ... ) that irnpose[s] duties on states and local governrnents without providing federal grants to pay for them." Unzweifelhaft zählen zu den unfunded mandates auch Bundesgesetze, die gleichermaßen Bürger und gliedstaatliche Behörden als Adressaten haben, vg!. Garrett 1117 Fn. 14 - vg!. die Gegenansicht in County of Los Angeles v. State, 729 P.2d 202, 209 (Ca!. 1987) zu einer gleichartigen Regelung in Kalifomien. Allgemein enger ist bereits die Definition in 2 U.S.C. § 658 (5) (Supp. I 1995), die Bedingungen in Bundeszuschüssen und freiwillige Teilnahme an Bundesprogrammen ("a condition of Federal assistance" sowie "a duty arising from participation in a voluntary Federal pro gram ( ... )") grundsätzlich ausschließt. 716 Vg!. FreilichiRichardson 221 Fn. 39 m.w.N. und 222 Fn. 41 m.w.N. 717 Vgl. Leckrone 1036 m.w.N. 718 42 U.S.C. §§ 300 (f)-300 (j)(26). 719 So ein Parlamentsbericht zum Thema, S. Rep. No. 1, 104th Cong., 1st Sess. 2 (1995) 4, zitiert nach Leckrone 1038 Fn. 56.
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che Stellen wurden fiir das Jahr 2000 auf knapp 44 Milliarden $ geschätzt. 72o Verwaltungsträger beklagen, dass ihnen so das Geld fiir selbstgewählte Aufgaben entzogen werde.72! Um ihrem Belang öffentliche Aufmerksamkeit zu sichern, haben Kommunalverbände 1993 den sog. ;,Unfunded Mandates Day" eingeführt. 722 Mit dem Unfunded Mandates Reform Act von 1995 (UMRA)723 versuchte der Kongress, Sicherungen in den Gesetz- und Verordnungsgebungsprozess einzufiigen, um die Kostenfolgen von Aufgabenzuweisungen an die Gliedstaaten bewusst zu machen: "The purposes of this chapter are ( ... ) to end the imposition, in the absence of full consideration by Congress, of Federal Mandates on State, local, and tribai govemments without adequate Federal funding, in a manner that may displace other essential State, local, and tribaI govemmental priorities; (... ) to promote informed and deliberate decisions by Congress on the appropriateness of Federal mandates in any particular instance.,,724 Nach UMRA hat das Congressional Budget Office fiir alle Normen in Bundesgesetzen, die Aufgabenzuweisungen enthalten, eine Schätzung der Kosten fiir die betroffenen Verwaltungsträger abzugeben. 725 Ein Gesetzentwurf, der die direkten Kosten fiir Staaten und örtliche Körperschaften um mehr als 50 Mio. $ steigert, muss grundsätzlich eine Finanzzuweisung enthalten oder in seiner Wirksamkeit von der Freigabe von Bundesmitteln abhängig sein. Fehlt entweder die Kostenschätzung oder die erforderliche Finanzzuweisung, so gilt der Gesetzgebungsprozess als fehlerhaft. Wird dies von mindestens einem Abgeordneten im Wege des sog. point of order moniert, so kann der Gesetzentwurf nur durch Beschluss mit einfacher Mehrheit weiter im Kongress behandelt werden. 726 Administrative Agencies des Bundes haben Kosten und Nutzen von Aufgabenzuweisungen fiir die betroffenen Verwaltungsträger zu 720 Office of the Vice President, Environmental Protection Agency National Performance Review, 1993, 5; U.S. Environmental Protection Agency, Environmental Investments: The Cost of a Clean Environment, 1990, § 3.1.1, S. 3 f., beide zitiert nach
Leckrone 1039.
721 Vgl. z.B. FreilichJRichardson 215 m.w.N. (1994); Laurence J. Aurbach, Federalism in the Global Millenium, 26 Urb. Law. 235,238 ff. (1994); Leckrone 1037 f. 722
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FreilichiRichardson 223. Pub. L. No. 104-4, 109 Stat. 48, Kodifikation verteilt auf mehrere Stellen in 2
U.S.C. als Änderung der Vorschriften über die Haushaltsgesetzgebung, in Kraft seit Anfang 1996. 724 2 U.S.C. § 1501 (2) und (4). 72S Verschiedene Bestimmungen in 2 U.S.C § 658b, § 658c und § 658f (Supp. I 1995) enthalten daneben weitere Berichts-, Erklärungspflichten und Pflichten zur Abgabe von Kostenschätzungen des CBO bei Überschreitung festgelegter Kostengrenzen. 726 2 U.S.C. § 658d (Supp. I 1995). Vgl. Garrett 1161 m.w.N.
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ennitteln und diese außerdem stärker am Rechtssetzungsprozess zu beteiligen. 727 Die Wirksamkeit dieser Mechanismen und damit die Schutzfunktion für die Staaten gilt allerdings als gering. Dies ist zum Teil auf die vielen Ausnahmen von der Anwendung des Gesetzes zurückzuruhren; 728 mehrere Sachbereiche fallen komplett aus dem Anwendungsbereich des UMRA heraus. Die Mehrheit im Kongress lehnte es jedoch mehrfach ab, auch einzelne oder Gruppen von Umweltgesetzen von UMRA auszunehmen. 729 Die mangelnde Wirksamkeit mag auch daran liegen, dass unfunded mandates einen vorteilhaften Regelungsweg bieten, in dem Bundespolitiker mit der Aufgabenzuweisung eine Regelung für sich verbuchen (und damit ihre Wiederwahl sichern), dabei aber die Verantwortung für die weniger populäre Finanzierung davon trennen und den Staaten aufbürden. Dies ruft die oben mehrfach dargelegten Bedenken hinsichtlich der Verdeckung gesetzgeberischer Verantwortlichkeiten hervor, wenn auch auf einer anderen Ebene. Errullt der Staat die ihm übertragene Aufgabe freiwillig, so setzt die Verfassung hier jedoch keine Schranke. Umweltschützer sehen in UMRA hingegen eine erhebliche Gefahr rur zukünftige Umweltgesetze. 730 Die Durchsetzung von Umweltstandards durch den Bund als Voraussetzung für effektiven Umweltschutz erfordere nicht mehr Kostenbewusstsein zum Schutz gliedstaatlicher Souveränität, sondern flexiblere, modernere Gesetze. 731 Flexiblere Lösungen ließen sich wirtschaftlich effizienter verwalten, außerdem sei der Bund nicht für die Umweltverschmutzung verantwortlich und daher auch nicht rur die Kosten von Schutzmaßnahmen. 732 Schließlich sei es paradox, wenn unter UMRA die öffentliche Hand als Verschmutzer bei Anlagen in öffentlichem Eigentum von Kostenfolgen ausgenommen werden müsste, während Privaten Beschränkungen auferlegt WÜIden. 733 Kosten-Nutzen-Analysen von Umweltgesetzen werden nach Ansicht 2 U.S.C. § 1534 f. (Supp. 11995). Vgl. 2 U.S.C. § 658 (5), § 658 (a) und § 1503 sowie die Ausnahme ftir indirekte Kosten in § 658d. 729 Vgl. Garrett 1151 Fn. 159 m.w.N. Ausgenommen sind bislang Gesetze zum Schutz von Bürgerrechten, zum Schutz der nationalen Sicherheit und zur Umsetzung von Verpflichtungen in internationalen Verträgen. 730 V gl. Leckrone 1029 und Fn. 1 sowie 1040 ff. 731 Leckrone 1045 f. und 1048. 732 Leckrone 1044. Da nicht alle Kosten der Verwaltung auf Verursacher von Umweltschäden umgelegt werden können, kann damit nur ein Angriff auf die Verbindung von Aufgabenzuweisungen mit der Forderung nach Finanzzuweisungen gemeint sein, den Leckrone aber weder direkt äußert noch untermauert. Möglicherweise hat die Autorin hier aber lediglich solche Gesetze im Blick, die materielle Vorschriften an Bürger und Verwaltungsträger gleichermaßen richten. 733 Leckrone 1046 f. Im übrigen lassen sich Belastungen durch Umweltgesetze, die gleichermaßen Staaten und Bürger unmittelbar betreffen, durch Privatisierung (z.B. 727
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von Experten häufig die unmittelbaren Kosten überbetonen, da langfristiger Nutzen schwer messbar ist. 734 Würden unfunded mandates völlig unmöglich gemacht, so wäre der Umweltschutz in den Vereinigten Staaten in mehrfacher Weise gefährdet: Der Kongress müsste mangels hinreichender Finanzen auf den Erlass oder die Novellierung vieler Regelungen verzichten, was zu einer Verlagerung von Umweltfragen auf die Staaten- und lokale Entscheidungsebene fiihren würde. 735 Gleichzeitig würde fiir die Staaten der Ameiz entfallen, durch eigene Regelungen Bundesgesetzen mit Sperrwirkung zuvorzukommen.736
g) Vollzugsprobleme im kooperativen Föderalismus
Die verfassungsrechtlichen Probleme unbedingter Anweisungen umgeht das kooperative Modell auf der Grundlage der Freiwilligkeitsrechtsprechung des Supreme Court. Probleme ergeben sich jedoch auf der Vollzugsseite. "Federalleadership in setting ambitious environmental goals, federal funding of state environmental agencies, and federal enforcement authority have been, at best, only partially successful in stimulating vigorous state implementation of federal measures. At worst, federal policies have been postponed, comprornised, or sirnply ignored...737
aa) Durchsetzung durch die Environmental Proteetion Agency Instrumente des behördlichen Gesetzesvollzugs im Umweltrecht der USA sind im zunehmendem Maße Genehmigungen. Zulässig, aber vernachlässigbar sind nachträgliche Anordnungen (compliance orders), die regelmäßig durch die fiir beide Seiten günstigeren bindenden Vereinbarungen zwischen Verwaltung und Betroffenem (settlements), häufig in gerichtlicher Form mit Urteilswirkung (consent decree), ersetzt werden. 738 Einen allgemeinen Verwaltungsvoll-
kommunale Abfalldeponien, an die zusätzliche Anforderungen gestellt werden) vermeiden. Garrett 1171. 734 Vg!. Garrett 1151. 735 David A. Dana, The Case for Unfunded Environmental Mandates, 69 S. Ca!. L. Rev. 1,40 (1995). Vgl. auch Nwe. bei Leckrone 1041 f. Fn. 81 sowie ebd., 1044. Im Übrigen sei der erhebliche Zusatzaufwand im Gesetzgebungsprozess, den UMRA im Umweltbereich verursache, nutzlos bis kontraproduktiv, da er den Kongress an wichtigeren Arbeiten hindere (ebd., 1045). 736 737
Dana 41. Stewart, Pyrarnids of Sacrifice, 1202.
738 Die Verwaltung s.etzt sich in der Schärfe der Anforderungen hier regelmäßig durch, häufig sogar über das gesetzlich geforderte Maß hinaus, so dass hier nicht von
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zug durch Zwangsmittel kennt das Recht der USA nicht. Im Regelfall sind die Behörden auf die Beantragung von civil penalties739 vor Gericht angewiesen. In gewissen Grenzen steht der Verwaltung das Recht zur Verhängung von civil penalties im Umweltbereich selbst zu (es ist dann auch von administrative penalties die Rede).74o Die Verhängung von civil penalties ist häufig verschuldensunabhängig, regelmäßig 30 Tage vorher erfolgt eine Mitteilung (notice of violation), um dem Betroffenen die freiwillige Einhaltung der Vorschriften zu ermöglichen. Umfassende Erhebungen über den gliedstaatlichen Vollzug von Umweltgesetzen des Bundes liegen bisher nicht vor. Punktuelle Untersuchungen deuten allerdings darauf hin, dass die Wirksamkeit des Vollzugs von Staat zu Staat erheblich differiert und die Kontrolle durch den Bund vielfach keine ordnungsgemäße Umsetzung und Durchsetzung der Bundesprogramme gewährleisten kann. 741 Flatt kommt nach Untersuchung des gliedstaatlichen Vollzugs der NPDES-Programme in den Staaten Washington und Georgia742 zu dem Ergebnis, dass sich die Rechtsdurchsetzung auch bei Berücksichtigung unterschiedlicher Emissionsquellen so deutlich unterscheide, dass weder von einheitlichen nationalen (Mindest-) Standards die Rede sein könne, noch von der bundesweiten Durchsetzung der wichtigen Umweltgesetze des Bundes. 743 Eher sei von einem neuen race to the bottom, diesmal beim gliedstaatlichen Gesetzesvollzug, zu sprechen. 744
"Vergleichen" o.ä. gesprochen werden kann. Die Betroffenen profitieren aber von der einverständlichen Form und der Flexibilität des Instruments. Vgl. Hans D. Jarass, Der Vollzug von Umweltrecht in den USA, NuR 1993,197, 199 f 739 Diese sind ihrer Ausrichtung nach zwischen Zwangsgeld und Bußgeld anzusiedeln, vgl. Jarass, Der Vollzug von Umweltrecht in den USA, 198. 740 Vgl. Z.B. CWA § 309 (g), 33 U.S.C. § 1319 (g): civil penalties bis zu $ 10.000 pro Tag, bis zu $ 125.000 Gesamtsumme (in Klasse II); Mitteilung 30 Tage vorher, Betroffener kann in dieser Zeit Anhörung verlangen. Ähnlich z.B. CAA § 113 (d), 42 U.S.C. § 7413 (d). 741 Percival1144 f. m.w.N. 742 Der Vergleich zeigt fiir die annähemd gleich großen und eine vergleichbare Bevölkerungsverteilung (StadtIVorstadtlLand) aufweisenden zwei Staaten einen durchschnittlichen Zeitraum von 3,6 Monaten (Washington) bzw. 5,5 Monaten zwischen dem Beginn der Nichteinhaltung der Genehmigungsbestimmungen und der Wiedereinhaltung oder der Schließung der Verschmutzerquelle. Flatt 26 f. und Anhang. 743 Flatt, Enforcement of the Clean Water Act, 6. "Federallaws are not protecting the envorinment ofhuman health because states do not enforce the laws uniformly. ( ... ) Evidence indicates that further devolution of power to the states merely will intensify the lack of environmental protection, whereas increased federal enforcement may provide the hammer that is needed to get the states back in track." Ebd. 744 Flatt 28. 14 Renner
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Als Ursache für Vollzugsdefizite gilt neben dem häufig schwach ausgeprägten Eigeninteresse der Staaten vor allem das Versagen der Kontrollmechanismen. Sowohl die Rücknahme der Delegation als auch der Entzug von bedingten Zuweisungen lassen wenig Feinsteuerung zu. Die Voraussetzungen für eine Rücknahme der Genehmigung zu gliedstaatlicher Verwaltung sind so hoch angesetzt, dass die Rücknahme einer einmal erteilten Genehmigung kaum in Frage kommt, hinzu kommen politische Rücksichtnahmen. 745 Der EPA fehlen daneben bereits die Mittel für eine wirksame Kontrolle der Gliedstaaten im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten, erst recht für eine bundeseigene Verwaltung.746 Es fehlt daher an einer glaubwürdigen Drohung einer solchen Rücknahme als Druckmittel gegenüber den Gliedstaaten. 747 Die der EPA zugänglichen Informationen geben nicht das für eine wirksame Kontrolle erforderliche Bild und lassen hinreichende Schlupflöcher für laxe gliedstaatliche Verwaltung. 748 So erhält die EPA zum NPDES-Programm lediglich die Eigenangaben der größeren Empfänger von NPDES-Genehmigungen über ihre Einleitungen, die Genehmigungsdaten sowie eine Zusammenfassung der Maßnahmen gegen Verstöße. 749 Die Staaten haben bei der Erteilung der Genehmigungen rechtlich und faktisch einen erheblicher Spielraum, 750 der ausweislich offIzieller Berichte zu deutlichen Unterschieden bei den Einleitungsvorgaben in NPDES-Genehrnigungen in verschiedenen Staaten fUhrt.751 Freie Hand ha-
Flatt 16 m.w.N. Percivall180 (m.w.N.): "A chronic barrier to achieving the goals of cooperative federalisn at both the federal and state levels has been the gap between regulatory responsibilities and agency resource. ( ... ) [F]ederal facilities often lack the resources to comply with the very laws these agencies are charged with implementing." Vgl. auch Flatt 16 m.w.N.; Hans D. Jarass, Strukturelemente des amerikanischen Umweltrechts im Vergleich, NuR 1993,49,50 m.w.N. 747 F/att 5; allgemein für den Vollzug von Umweltgesetzen des Bundes auch Hubert H. Humphrey III/LeRoy C. Paddock, Tbe Federal and State Roles in Environmental Enforcement: A Proposal for a More Effective and More Efficient Relationship, 14 Harv. Envtl. L. Rev. 7, 8 fund 43 f (1990). 748 V gl. allgemein die Beispiele bei Flatt 31 f 749 40 C.F.R. § 123.45. 7S0 Vgl. die vage rechtliche Vorgabe in CWA § 402 (a)(I), 33 U.S.C. § 1342 (a)(I), die entsprechend auf gliedstaatliche Genehmigungen anzuwenden ist: ,,[T]he Administrator may ( ... ) issue a perrnit for the discharge of any pollutant (... ) upon condition that such discharge will meet either (A) all applicable requirements under sections 1311, 1312, 1316, 1317, 1318, and 1343 of this title, or (B) prior to the taking of necessary implementing actions relating to all such requirements, such conditions as the Administrator deterrnines are necessary to carry out the provisions of this chapter." Für gliedstaatliche Genehmigungen gilt außerdem 40 C.F.R. § 122.41-.44. 7Sl General Accounting Office Report, Water Pollution: Differences Among the States in Issuing Perrnits Limiting the Discharge of Pollutants, Januar 1996, 6 f, zitiert nach Flalt 17. 74S 746
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ben die Staaten auch bei der Auswahl von Maßnahmen gegen unerlaubte Einleitungen. 752 Teilweise hat der Gesetzgeber versucht, die Erreichung seiner Ziele durch gesetzliche Umsetzungsfristen für seine Vorgaben zu beschleunigen. So verboten die Hazardous and Solid Waste Amendments von 1984 (HSWA) zum RCRA die Lagerung gefährlicher Abfälle ab einem bestimmten Stichtag, wenn nicht der Nachweis der Ungefährlichkeit bestehender Behandlungsmethoden erbracht wurde. Der enge zeitliche Rahmen für den Erlass von ausgestaltenden Regelungen und die Genehmigung von Folgeänderung im gliedstaatlichen Recht durch die EPA machten die Einhaltung dieser Anforderungen allerdings bereits praktisch unmöglich. 753
bb) Durchsetzung durch Bürgerklagen (citizen suits) Wegen der Schwäche der Kontrollmechanismen und Druckmittel der EP A hängt die örtliche Umsetzung und Durchsetzung bundesrechtlicher Umweltvorgaben vielfach davon ab, dass interessierte Bürger oder Umweltorganisationen wie z.B. Friends ofthe Earth, Ecological Rights Fund, Wildemess Society, Sierra Club, Environmental Defense Fund, Defenders of Wildlife und Natural Resources Defense Council im Klageweg gegen Rechtsverletzer oder nachlässige Behörden vorgehen. 754 Der Bürger wird so zum sog. private attomey general. Vorbild für die in den meisten Umweltgesetzen des Bundes enthaltene Ermächtigung zu Bürgerklagen755 war die entsprechende Bestimmung im Clean Air Act von 1970. Seit Einführung des Genehmigungssystems für Einleitungen im Clean Water Act von 1972 (NPDES), das eine griffige Grundlage für Klagen bildete, sind Bürgerklagen zu einem wichtigen Durchsetzungsinstrument geworden.756 Vergleichende Untersuchungen zeigen, dass der von 752
Der Gliedstaat teilt der EPA mit, welche Maßnahmen er ergriffen hat, 40 C.F.R.
§ 123 .45 (a)(I), ohne dass es rur diese Maßnahmen allerdings bundesrechtliche feste
Vorgaben existieren. 753 Vgl. Babich 1534 mit weiteren Fallbespielen ebd., 1535 f. Fn. 75 . 754 Flatt 4. Vgl. z.B. die Klagen der National Parks Conservation Association und des Sierra Club gegen die Tennessee Valley Authority als Betreiberin zweier Kohlekraftwerke wegen Nichteinholung erforderlicher Genehmigungen und Nichteinbau von Imrnissionsschutztechnologien, AP-Bericht vom 14. 2. 2001, sowie den zwischen den Betreibem eines 1.264-Megawatt-Kohlekraftwerkes und dem Sierra Club am 10. 1. 2001 geschlossenen Vergleich in einem Rechtsstreit wegen mehr als 14.000 Verletzungen des Clean Air Act in den Jahren 1991 bis 1996, der ersteren zur Einrichtung zusätzlicher Rauchgasreinigungsanlagen mit Kosten von rund 100 Mio. $ verpflichtet (APBericht vom 11. 1. 2001). 755 Vgl. z.B. CWA § 505, 33 U.S.C. § 1365 ; CAA § 304, 42 U.S.c. § 7604. 756 Vgl. Percival 1161. Vgl. z.B. die Heraufstufung von St. Louis zu einem Gebiet schwerer Verletzung von Grenzwerten für Luftschadstoffen durch ein Bundesgericht
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BÜIgerklagen ausgehende Druck offenbar auch den behördlichen Vollzug verbessert. 757 BÜIgerklagen gegen Behörden können sowohl wegen unterlassener Durchsetzung im Einzelfall als auch wegen fehlenden Erlasses implementierender und konkretisierender Gesetzgebung erhoben werden. Informationen über private und behördliche Verstöße gegen Umweltgesetze sind angesichts von Pflichten von Behörden und teilweise von Unternehmen zur Information der Öffentlichkeit und wegen Vorschriften zur Aufhebung der Vertraulichkeit von Informationen über Emissionen und Risikostudien im Umweltbereich relativ gut verrugbar. 758 BÜIgerklagen unterliegen neben den allgemeinen Anforderungen an eine private Klagebefugnis (vgl. oben II.4.a)) Einschränkungen der gerichtlichen Überprüfbarkeit, die unmittelbar in den Fachgesetzen enthalten sind. So sind nach CWA § 309 (g)(6)(A), 33 U.S.C. § 1319 (g)(6)(A) BÜIgerklagen abzuweisen, wenn die zuständige Behörde "in sorgfältiger Weise eine Maßnahme durchfUhrt" (is diligently prosecuting an action). Die Rechtsprechung sieht darin überwiegend einen Ausschluss von Bürgerklagen rur die Fälle, in denen eine zuständige Behörde bereits ein Verwaltungsverfahren zur Ermittlung oder Beseitigung von Vollzugsrnängeln eingeleitet hat. 759 Nach Gwaltney v. Chesapeake Bay Foundation760 wird vermutet, dass jegliche administrative Durchsetzungsmaßnahme von Bund oder Gliedstaaten dem Zweck bestmöglicher Beachtung des CW A dient. Daher können BÜIgerklagen gegen Staaten wegen mangelhafter Durchsetzung praktisch nur dann Erfolg haben, wenn der Staat völlig untätig bleibt.
auf Klage der Missouri Coalition for the Environment und des Sierra Club, die in St. Louis besondere Anforderungen an Maßnahmen zur Emissionsminderung, möglicherweise auch den Verlust von Bundesmitteln, nach sich zieht. "Federal Court orders EPA to strengthen limits on St. Louis area", 5. 2. 2001, http://news.findlaw.comlap/110000/131-2001l20010131005338440.html. 757 Vgl. David R. Hodas, Enforcement ofEnvironmental Law in a Triangular Federal System: Can Three Not Be a Crowd When Enforcement Authority Is Shared by the United States, the States, and Their Citizens?, 54 Md. L. Rev. 1552, 1617 ff., 1655 (1995). 758 Vgl. z.B. CAA § 114,42 U.S.C. § 7414; CWA § 308, 33 U.S.c. § 1318; FIFRA § 10,7 U.S.C. § 136 (h); TSCA § 14, 15 U.S.C. § 2613. Eine Verpflichtung von Betreibem zur Information der Bürger findet sich z.B. im Safe Drinking Water Act, wonach ein Wasserversorger seine Bezieher über seine Verstöße zu informieren hat, Public Health Service Act § 1414 (c), 42 U.S.c. § 300g-3. (c). Vgl. hierzu auch Jarass, Der Vollzug von Umweltrecht in den USA, 200 m.w.N. 759 Vgl. Steven Russo, States, Citizens, and the Clean Water Act: State Administrative Enforcement and the Diligent Prosecution Defense, 4 N.Y.U. Envtl. L. J. 211, 231 (1995). 760 Gwaltney v. Chesapeake Bay Foundation, 484 U.S. 49, 59 f. (1989).
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Hierzu konunt neuerdings die Einschränkung der Klagemöglichkeit gegenüber Gliedstaaten durch Seminole und Aiden. Diese Rechtsprechung wird eines ihrer zentralen Anwendungsgebiete im umweltrechtlichen Bereich fmden. Liegt kein gliedstaatlicher Souveränitätsverzicht vor, so können Bürgerklagen nur noch gegen die (namentlich zu benennenden) zuständigen Staatsbediensteten gerichtet werden. Unter der einschränkenden Auslegung der Mehrheit der Richter in Seminole zu Ex Parte Young wird allerdings auch dieser Weg häufig verschlossen sein. Denn in den Rechtsschutzbestimrnungen vieler Bundesgesetze ist von einer Klagemöglichkeit gegen Staatsbedienstete nicht die Rede. Änderungen von Umweltgesetzen des Bundes, die auf breiter Front die Zulässigkeit dieses Klagewegs klarstellen, sind unter den gegenwärtigen Mehrheitsverhältnissen im Kongress unwahrscheinlich. Nach einschlägigen Untersuchungen scheint die Vollzugsbereitschaft der zuständigen Behörden in den Gliedstaaten abzunehmen wenn und soweit Bürgerklagen dort ausgeschlossen sind, so dass in einigen Gegenden von "Standortvorteilen" infolge von Vollzugsmängeln gesprochen werden kann. 761 h) Vor- und Nachteile des kooperativen Modells
Das Modell des kooperativen Föderalismus kann im Umweltrecht Einheitlichkeit von Mindeststandards mit der Wirtschaftlichkeit und höheren Flexibilität einer Verwaltung durch die Gliedstaaten verbinden. 762 Es schont die Gliedstaaten, indem der Bund sie nur verdrängt, soweit dies zur Setzung von Rahmenvorgaben, gegebenenfalls unter Beschränkung auf Mindeststandards, erforderlich ist. Die Umsetzung bundesrechtlicher Vorgaben durch die Gliedstaaten und die Verwaltung durch gliedstaatliche Behörden nutzt die bessere Vertrautheit lokaler Behörden mit lokalen Problemen und wird zu höherer Akzeptanz bei den Regelungsunterworfenen vor Ort führen, die Gestaltungsspielräume der gliedstaatlichen Verwaltung können deren Kooperationswillen gewinnen. Obwohl der Bund einen Sachbereich selbst umfassend regeln und verwalten könnte, ist daher die kooperative, "mittelbare Regelung" verträglicher. 763
761 V gl. Hodas 1656. Ebd., 1561: ,,[O]nly extensive use of citizen suits as private attomeys general can safeguard the enforcement system from collapse and prevent states from using lax environmental enforcement as an economic development tool." 762 Vgl. Flatt 4. Allgemein zu den (im Folgenden ausgefiihrten) Gründen fiir das Modell des kooperativen Föderalismus im Umweltrecht Adler, Green Aspects, 578 ff.; Dwyer, Practice ofFederalism, 1217; Percival1174 f. 763 Vgl. Rosenthall137; Vgl. Adler, Green Aspects, 579 f. m.w.N.
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Das Modell ist für den Bund auch deshalb so attraktiv, weil der Bund seine Umweltgesetze gar nicht allein verwalten könnte. 764 Dessen war sich der Gesetzgeber beim Erlass von Gesetzen nach dem Modell des kooperativen Föderalismus bewusst, wie Äußerungen eines für die Novelle des Clean Air Act von 1970 zuständigen Kongressabgeordneten belegen: "If we left it all to the Federal Govemment, we would have about everybody on the payroll of the United States. We know this is not praetical. Therefore, the Federal Govemment sets the standards, we tell the States what they must do and what standards they must meet. These standards must be put into effeet by the communities and the States, and we expect them to have the men to do the actual enforeing.,,765 Ein zentrales Argument fur die Einbeziehung der Gliedstaaten im Verwaltungsbereich ist die unzureichende Ausstattung der administrative agencies des Bundes - insbesondere der EPA - mit administrativen und fmanziellen Ressourcen. Der Bund wäre zwar berechtigt, seine Gesetze durch eigene Verwaltungsbehörden in den Gliedstaaten durchgängig selbst zu verwalten. Dies ist jedoch angesichts der Masse des Bundesrechts und des Verwaltungsaufwands gerade im Umweltbereich nicht möglich. Während die Aufgaben der EPA seit ihrer Gründung 1970766 stetig zugenommen haben, stagnierte ihre fmanzielle Ausstattung. 767 Die Behörde ist bereits für ihre zentralen Regelsetzungs- und Überwaehungsaufgaben mangelhaft ausgestattet; eine durchgängige bundeseigene Verwaltung im Umweltbereich wäre undenkbar. Hinzu kommt das Fehlen von Vemetzungen mit anderen Verwaltungsträgem. Der Bund ist daher bei der Verwaltung seines Umweltreehts darauf angewiesen, die Ressourcen der Staaten zu nutzen. 768 Stewart stellt fest: "The federal govemment (... ) is dependent upon state and loeal authorities to implement these polieies beeause of the nation's size and geographie diversity, the elose
764 ,,[1]he federal govemment cannot implement its air pollution pro gram without the substantial resources, expertise, information, and politieal support of state and local officials." Dwyer, Practice ofFederaiism, 1224. Was er hier zum Clean Air Aet sagt, gilt für andere Umweltgesetzgebung in gleicher Weise. 765 Kongressabgeordneter Staggers (Republikaner), 116 Cong. Rec. 19.204 (1970), zitiert nach Dwyer, Practice of Federalism, 1192. 766 Reorganization Plan No. 3 of 1970,3 C.F.R. 1072 (1970). 767 Vg!. William L. Andreen, Beyond Words ofExhortation: The Congressional Prescription for Vigorous Federal Enforeement of the Clean Water Aet, 55 Geo. Wash. L. Rev. 202, 204 f. (1987); Robert F. Kuehn, The Limits of Devolving Enforcement of Federal Environmental Laws, 70 Tu!. L. Rev. 2373,2389 f. (1996). 768 Vg!. Dwyer, Practice ofFederalism, 1190.
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interrelation between environmental eontrols and loeal land use deeisions, and federal offieials' limited implementation and enforeement resourees.,,769
Ähnlich unterstreicht Dwyer die praktische Bedeutung der Staaten beim Gesetzesvollzug: "The fundamental reason for the states's eontinuing importanee is that the federal govemment needs state bureaueracies (with their technical and administrative resources) and state politicians (with their political and budgetary support) to aehieve its environmental goals.,,770
Aber auch fiir die Gliedstaaten bietet das Modell Vorteile. Tatsächlich steht den gliedstaatlichen Behörden in vielen Bereichen ein deutlicher Spielraum bei der Umsetzung bundesrechtlicher Vorgaben zu. 771 Für die Staaten wirkt die Delegation der Implementationsaufgaben so gleichzeitig als Möglichkeit und Anreiz fiir regulatorische Experimente, um die Anforderungen des Bundes mit möglichst geringem Aufwand und geringer Belastung umzusetzen.772 Soweit die Standards des Bundes nur Mindeststandards sind, bleibt "nach oben" die staatliche Autonomie gewahrt; die Spielräume im Bereich der Standardsetzung sind jedoch wenig erheblich.773 Die Nachteile des Modells zeigen sich fiir den Bund vor allem im hohen Bedarf an zentralen Kontrollen, mit denen sicherzustellen ist, dass die Staaten die Anforderungen des Programms nicht nur auf dem Papier erfüllen. Der Bund kann nicht gewährleisten, dass die Staaten tatsächlich hinreichende Verwaltungsressourcen fiir die Umsetzung seiner Programme einsetzen. Nachteile fiir die Gliedstaaten sind vor allem finanzieller Art. Während die Delegation an die Staaten im Umweltbereich zugenommen hat, haben die Finanztransfers des Bundes fiir die eigentlich delegierten Aufgaben in der Relation abgenommen und wurden in der Regel auch nicht durch eigene Mittel der Staaten ersetzt; der Ressourceneinsatz und die Qualität und Intensität der Durchsetzung des Umweltrechts variieren daher stark von Staat zu Staat. 774
769 Stewart, Pyramids of Sacrifice, 1196. Vgl. auch ebd., 1201: "The inadequacy of federal resources in comparison to the magnitude of environmental problems inevitably results in federal dependence on state and Ioeal authorities." 770 Dwyer, Practice ofFederalism, 1190. 771 V gl. umfassend am Beispiel des Clean Air Act Dwyer, Practice of Federalism. 772 Vgl. Dwyer, Practice ofFederalism, 1224. 773 Vgl. Pifher 34: ,,[U]nder the present scheme ofthe [Clean Air] Act, the State generally have a choice between aequieseing to federal proseriptions or ultimately facing the prospect of federal preemption." 774 Vgl. Percival1175 m.w.N.
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5. Anregung der Gliedstaaten zu selbständigen Umweltpolitiken a) Formen und Beispiele im Umweltrecht Das gegenüber den Gliedstaaten am wenigsten invasive und historisch erste Modell im Umweltrecht des Bundes war der Versuch, die Gliedstaaten durch finanzielle und technische Unterstützung zu einer eigenen Umweltgesetzgebung zu veranlassen. Dieses Modell fmdet nach wie vor in Bereichen Anwendung, die traditionell gliedstaatlicher Regelung unterliegen oder in denen der örtliche Widerstand gegenüber bundeseinheitlichen Regelungen als besonders stark gilt. 775 Ein wichtiger Bereich ist die Bodennutzung auf privaten Flächen. Anreize setzt der Bund auch im Bereich Beseitigung und Verwertung ungefährlicher Abfälle (Unterabschnitt D des Resource Conservation and Recovery Act, RCRA), beim Schutz der Küstenzonen und der vorgelagerten Gewässer (Coastal Zone Management Act, CZMA) sowie in Teilen des Clean Water Act (z.B. Zuschüsse für Kläranlagen). Bundesgesetze nach diesem Modell bestehen häufig lediglich aus einer Serie von Finanzzuweisungen für verschiedene Einzelzwecke im Rahmen des zu regelnden Bereiches zur Verwendung für gliedstaatliche Politiken. Die Zuweisungen sind ausschließlich an verwendungsbezogene Bedingungen geknüpft, verpflichten in diesem Rahmen allerdings häufig zur Vorlage von Plänen zur Genehmigung durch den Bund und räumen dem Bund begrenzte Kontrollbefugnisse ein. Die Wirksamkeit des Modells hängt wesentlich von der Intensität der Anreizes, also der prozentualen oder absoluten Höhe der Kostenübemahme durch den Bund, ab. Da die Zuweisungen immer wieder von neuem autorisiert werden müssen, sind die Programme stark von den Mehrheitsverhältnissen im Kongress abhängig. Nach dem CZMA erhalten die Gliedstaaten Finanzzuweisungen für die Entwicklung von Programmen zum Schutz der Küstengewässer, für die Durchfiihrung dieser Programme auf der Basis von management prograrns und für zusätzliche administrative Lasten für die Durchführung von ökologischen Verbesserungen im Küstenbereich;776 außerdem gewährt der Bund Verwaltungsunterstützung im Bereich Forschung und Technik. 777 Die Gliedstaaten haben management prograrns (Basisprogramme) sowie Programme zur Senkung von Schadstoffeinträgen zur Genehmigung durch den Secretary of Commerce und die EPA vorzulegen. 778 775 V gl. Percival1173. 776 CZMA §§ 304, 305, 308, 309, 16 U.S.C. §§ 1453, 1454, 1456a, 1456b. 777 CZMA § 310, 16 U.S.C. § 1456c. 778 CZMA § 306 (d) und § 306B (c), 16 U.S.C. § 1455 (d), § 1455b (c). Entspricht
die von dem einzelnen Gliedstaat vorgelegte Planung oder deren Durchfuhrung nicht
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Erklärter Zweck von Untertitel D von RCRA779 über feste Abfälle (außer gefährlichen Abfällen) ist die Anregung zu eigenen Abfallbeseitigungsstrategien der Staaten, an die der Bund lediglich Verwendungsbedingungen stellt: "The objectives of this subchapter are to assist in developing and encouraging mehtods for the disposal of solid waste which are environmentally sound (... ). Such objectives are to be accomplished through Federal technical and financial assistance to States or regional authorities for comprehensive planning pursuant to federal guidelines ( ... ). ,,780
Im Unterschied zum kooperativen Modell stellt der Bund hier inhaltlich nur minimale Rahmenanforderungen, deren wichtigste die Schließung offener Abfalldeponien und die Deponierung von Abfällen ausschließlich auf gesundheitlich unbedenklichen Deponieanlagen ist,78\ und sieht keine bundeseigene Regelung vor, falls die Anreize an die Gliedstaaten nicht wirken.
b) Zulässigkeit Diese Zuweisungen gelten als unproblematisch unter der Spending Clause, weil der Bund hier keine regulatorischen Vorgaben macht. Auch die Minderansicht in Dole hält solche Programme deshalb fiir zulässig. Bedenken bestünden lediglich dann, wenn man selbst Finanzzuweisungen unter Verwendungsbedingungen dann fiir unzulässig hielte, wenn sie traditionell gliedstaatlich geregelte Bereiche betreffen. Für eine solche Auffassung gibt es jedoch in der gegenwärtigen Rechtsprechung keinerlei Ansatzpunkte.
c) Vor- und Nachteile des reinen Anreizmodells Im reinen Anreizmodell können die Staaten besonders gut als laboratories of federalism wirken. 782 Einige Umweltgesetze des Bundes gehen tatsächlich auf den Anforderungen des CZMA, so sind Mittelzuweisungen zurückzuhalten, im Umfang zwischen 10% für das Jahr 1996 bis zu 30% für die Jahre ab 1999 (CZMA § 306B (c) (3), 16 U.S.C. § 1455b (c) (3)). Vor der Rücknahme ist der Staat unter Vorlage schriftlicher Unterlagen auf seine Versäumnisse hinzuweisen (CZMA § 312 (c), 16 U.S.c. § 1458 (c)). 779 Unterkapitel IV des Solid Waste Disposal Act, 42 U.S.C. §§ 6941 ff. 780 RCRAlSWDA § 4001, 42 U.S.C. §§ 694l. 78\ Vg1. minimum requirements nach RCRAlSWDA § 4003, v.a. § 4003 (a)(2), 42 U.S.C. § 6941 (a)(2). 782 V g1. Markell, der beispielhaft mehrere Regelungen aus dem Umweltrecht des Staates N ew Y ork anfuhrt, mit dem dieser versucht, durch organisatorische Umstrukturierung Prioritäten bei Umweltproblemen zu setzen, die Probleme nichtfinanzierter
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gliedstaatliehe Vorbilder zurück. Der Surface Mining Control and Reclamation Act (SMCRA) des Bundes 783 hat z.B. sein Vorbild im Surface Mining Conservation and Reclarnation Act des Staates Pennsylvania,784 CERCLA785 im Spill Compensation and Control Act und im Environmental Cleanup Responsibility Act von New Jersey,186 und die Novelle des Jahres 1970 zum CAA787 in Immissionsschutzrege1ungen der Staaten Kalifornien und Oregon. 788 Die Nutzung dieses Potentials ist sicher sinnvoll. Andererseits sollte die praktische Bedeutung der Staaten als "regulatorische Laboratorien" nicht überschätzt werden. 789 Es sind nur wenige (dicht besiedelte) Staaten im Nordosten und an der Westküste, die in der Vergangenheit tatsächlich mit höheren Umweltstandards experimentiert haben?90 So rechtfertigt das Argument zwar "nach oben offene" Bundesstandards, aber sicher keine Zurücknahme von vorhandenen (Mindest-)Standards des Bundes zugunsten von reinen Ameizmodellen.
6. Bundesverwaltung über Gebiete und Naturgüter in Bundeseigentum (feder al management of federally owned lands and resources) Völlig eigenständigen Formen folgt die Verwaltung und Bewirtschaftung bundeseigenen Landes und seiner natürlichen Ressourcen. Die Verwaltung dieser Gebiete liegt im Wesentlichen in der Hand des Innemninisteriums und der Abteilung Forstwirtschaft des Landwirtschaftsministeriums. 791 Diese Behörden entscheiden nach Gesetzen auf der Basis der Property Clause über wichtige wirtschaftliche Fragen, sowohl über die Verteilung von Weideland und Wasserressourcen und über die Nutzung von Wäldern und anderen Natur-
Verpflichtungen an untere Ebenen (unfunded mandates) in den Griff zu bekommen und Vollzugsdefizite im Umweltrecht abzubauen. Ebd., 360 ff. 783 30 U.S.C. §§ 1201-1328. 784 Pa. Stat. Ann. tit. 52, §§ 1396.1-1396-19a(1966 & Supp. 1994). 785 42 U.S.C. §§ 9601-9675. 786 NJ.Stat. Ann. §§ 58: 10-23.l1a bis 112 und § 13: lK-6 bis -35 (West 1992/1993). 787 42 U.S.C. §§ 7401-7671q. 788 Weitere Beispiele bei McElfish 10004 Fn. 7 m.w.N. und Percivall172 f. 789 Grundsätzlich skeptisch gegenüber dem Prinzip der States as laboratories of federalism Rose-Ackerman, Risk Taking and Reelection. 790 McElfish 10003. 791 Vgl. RehbinderlStewart 52. Bundeseigenes Land wird auf der Grundlage des Federal Land Policy and Management Act von 1976 durch Gesetze im materiellen Sinne oder executive orders von der Abgabe an Private und Einzelstaaten ausgeschlossen bzw. besonderen Nutzungsregime unterstellt.
§ 6 Grenzen der Ausübung von Bundeskompetenzen in den USA
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und Bodenschätzen als auch über die Freigabe von Gebieten für gewerbliche und Wohnansiedlungen, über die Durchführung bundeseigener Projekte (insbesondere Wasserkraftwerke) und die Sperrung von Flächen als Nationalparks oder andere Schutzgebiete. 792 Daneben ist der im Hoheitsgebiet liegende Kontinentalschelf wegen der Erforschung und Ausbeutung der darin lagernden Erdöl- und Erdgasvorkommen von Bedeutung. Drei Arten von Regelungen für die Gebiete im Bundeseigenturn können unterschieden werden. Zunächst gibt es allgemeine Gesetze und Verordnungen, die lediglich einen weiten rechtlichen Rahmen fiir die Vergabe von Ausbeutungsrechten auf bundeseigenem Land oder dessen Verkauf an private oder öffentliche Interessenten bilden. Bei der Entscheidung über die Vergabe hat die Bundesverwaltung regelmäßig die beteiligten Interessen abzuwägen und dabei wirtschaftliche und ökologische Interessen zueinander ins Verhältnis zu setzen. 793 Einen zweiten Bereich bildet der National Environmental Policy Act (NEPA),794 der eine detaillierte bereichsübergreifende Umweltverträglichkeitsprüfung (environmental impact statement) als Voraussetzung für Gesetze oder größere Projekte des Bundes vorschreibt. 79S Als Bundesprojekte in diesem Sinne gelten auch gliedstaatliche Projekte, die wenigstens teilweise mit Bundesmitteln finanziert werden, sowie private Projekte, die einer bundesrechtlichen Genehmigung bedürfen. 796 Damit hat NEP A einen außerordentlich weiten Anwendungsbereich. Die dritte Art von Regelungen sind Spezialgesetze für bestimmte Umweltschutzziele, die bundeseigene oder vom Bund finanzierte Projekte Beschränkungen unterwerfen. So verpflichtet z.B. § 7 ESA 797 zu einer frühzeitigen Abstimmung der fiir die Maßnahme des Bundes zuständigen Behörde mit der fiir den Artenschutz zuständigen Behörde und bei möglicher Betroffenheit geschützter Arten oder Habitate zu einer besonderen Verträglichkeitsprüfung (biological assessment), deren Ergebnis zum Verbot der Maßnahme führen 792 Die Gebiete heißen National Forest, National Seashore, National Lakeshore, National Grassland, National Monument, National Wildlife Range, National Wildlife Refuge oder National Preserve. Ein neueres Beispiel ist die Unterschutzstellung einer 700.000 Hektar umfassenden Canyonlandschaft als National Monument am 19. 9. 1996 durch Bundesgesetz - gegen den Willen des betroffenen Staates Utah. Vgl. DIE WELT vom 20.9. 1996,7. 793 Vgl. RehbinderlStewart 52. 794 NEPA, 42 U.S.C. §§ 4321-4370d, aus dem Jahr 1969. 795 NEPA § 102 (2)(C), 42 U.S.C. § 4332 (2)(C). 796 St. Rspr.; vgl. John C. Martin/Mary B. Bosco, Protection of Natural Resources, in: Vanderver (Hrsg.), Environmental Law Handbook, 437, 467 f. 797 16 U.S.C. § 1536.
Teil 1: Handlungsspielräume des Bundes in den USA
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kann. Der Wild and Scenic Rivers Ace98 schützt natürliche Flusssysteme, vor allem vor Staudanunprojekten des Bundes. Der Wilderness Ace99 richtet ein nationales System zum Schutz naturbelassener Gebiete (National Wilderness Preservation System) auf bundeseigenem Land ein, für das das zuständige Landwirtschaftsministerium Schutzgebiete bestimmt. Ähnliche Vorschriften, die als Sondervorschriften nur für Handlungen von Bundesbehörden (im Gegensatz zu gliedstaatlichen Behörden und Privaten) gelten, enthalten andere Bestimmungen in Titel 16 USC. Auch in diesen Bereichen ist im Übrigen eine Durchsetzung durch Bürgerklagen möglich, auch und gerade bei der Anwendung von NEP A, wenn bei der Erstellung der Umweltverträglichkeitsprüfung für Projekte des Bundes rechtlich geschützte Interessen des Klägers zu berücksichtigen sind. 8°O
16 U.S.C. §§ 1271 ff. 16 U.S.C. §§ 1 \31 ff. 800 Vgl. z.B. Cantrell v. Long Beach, 9th Cir. Court of Appeal, Urt. v. 5. 2. 2001, Docket No. 98-56940, 6 ff. - Klage wegen unzureichender Umweltverträglichkeitsprüfung bei Konversion einer Marineeinrichtung, in der sich Lebensräume für geschützte Arten befanden; National Parks & Conservation Association v. Babbitt, 9th Cir. Court of Appeal, Urt. v. 23. 2. 2001, Docket No. 99-36065: Klage eines Umweltverbandes wegen fehlender Umweltverträglichkeitsprüfung bei Entscheidung über Ausweitung der Zugangs zu einem Nationalpark. 798
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Teil 2
Umweltrechtliche Handlungsspielräume der Gemeinschaftsebene in der Europäischen Gemeinschaft § 7 Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaft Die Europäische Gemeinschaft verfUgt seit 1987 in Art. 175 (ex-Art. 130s) des EG-Vertrages über eine spezifisch umweltbezogene Kompetenz. Rechtsakte mit umweltrechtlichen Bezug werden jedoch auch auf andere Kompetenzen gestützt. Nach der Darstellung der Vorrangregelung zwischen dem Recht der Gemeinschaft und dem der Mitgliedstaaten (unten 1.) werden hier die verschiedenen Kompetenzen dargestellt (unten II.-IV.). Ein zentrales Augenmerk giltwie im vorangegangenen Teil der Arbeit - deren innerer Reichweite. Auch in der EG wurde und wird eine stetige Ausweitung der Kompetenzen der Gemeinschaft durch Vertragsänderungen und Rechtsprechung beklagt, was zur Folge habe, dass keine klaren Grenzen ftir die innere Reichweite der gemeinschaftlichen Rechtssetzungsbefugnisse erkennbar seien. l Neben den inneren Grenzen der einzelnen Kompetenzen ist deren Verhältnis zueinander, insbesondere das Verhältnis zwischen der spezifisch umweltbezogenen Kompetenzbestinunung und den anderen einschlägigen Kompetenzen des Vertrages, von Bedeutung (unten V.). Ergänzend ist auf die spezifischen Möglichkeiten zur Anwendung finanzieller Anreizsysteme einzugehen (unten VI.).
I. Leitlinien der Kompetenz- und Entscheidungsstruktur 1. Prinzipien der Kompetenzverteilung und Kompetenzausübung a) Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung, Art. 5 Abs. 1 EG
Die Befugnisse der Gemeinschaft sind durch das sog. Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung eingegrenzt. Danach sind die Organe der Gemeinschaft I Dies gilt als besonders gravierend wegen des inuner wieder bemängelten ,,Demokratiedefizits" der Gemeinschaft. Stellvertretend hier nur Hans D. Jarass, Die Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaft und die Folgen für die Mitgliedstaaten, Bonn
1997,2 f.
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Teil 2: Handlungsspielräume der Gemeinschaftsebene in der EG
nur insoweit zum Erlass verbindlicher Rechtsvorschriften berechtigt, als die Griindungsverträge hierzu eine ausdrückliche Ermächtigung enthalten. 2 Das Prinzip wird bereits im Wortlaut des Art. 7 Abs. 1 (ex-Art. 4 Abs. 1) deutlich. 3 Anhaltspunkte finden sich auch in Art. 202 (ex-Art. 145) - Rechte und Pflichten des Rates "nach Maßgabe dieses Vertrages", Art. 211 (ex-Art. 155) - wiederholte Bezugnahme auf den Vertrag bei der Beschreibung der Aufgaben der Kommission, und Art. 249 (ex-Art. 189) - vom EG vorgesehen Rechtsformen sind "nach Maßgabe dieses Vertrages" einzusetzen. 4 Mit dem Vertrag über die Europäische Union (Europäischer Unionsvertrag, EU, Maastricht-Vertrag) ist das Prinzip in Art. 5 (ex-Art. 3b Abs.1) ausdrücklich niedergelegt worden, außerdem in Art. 5 des EU in der Amsterdamer Fassung (ex-Art. E EU).5 Die Nutzung der "Lückenschließungskompetenz" des Art. 308 (ex-Art. 235) in Verbindung mit den weitgefassten Zielen nach der Präambel und den Art. 2 und 3 durch die Gemeinschaft hatte Zweifel am faktischen Fortbestand des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung hervorgerufen. Insbesondere neue bereichsspezifische Ermächtigungen, etwa zum Umweltschutz, die in Rechtssetzung und Rechtsprechung die praktische Bedeutung des Art. 308 deutlich geschmälert haben, sprachen allerdings gegen eine solche Auffassung. Das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung gilt grundsätzlich auch fiir nicht rechtsverbindliche Entscheidungen der Gemeinschaftsorgane. 6 2 Nach dem von Generalanwalt Lagrange geprägten Begriff des principe de competence d'attribution, vgl. Schlussanträge in verb. Rs. 7/56, 3/57-7/57 (Algera / Gemeinsame Versammlung), Slg. 1957,85 (Urteil) 140 (Schlussanträge), 167, als ,,Prinzip der begrenzten Einzelerrnächtigung" zuerst übersetzt von Hans-Jürgen Rabe, Das Verordnungsrecht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, Hamburg 1963, 70. Ähnlich Michael Schweitzer/Waldemar Hummer, Europarecht, 5. Aufl. Neuwied u.a. 1996,108. 3 "Die der Gemeinschaft zugewiesenen Aufgaben werden durch folgende Organe wahrgenommen ( ... ). Jedes Organ handelt nach Maßgabe der ihm in diesem Vertrag zugewiesenen Befugnisse." 4 Daneben ist auf die - andernfalls überflüssige - Lückenschließungskompetenz nach Art. 308 (ex-Art. 235) zu verweisen, fiir die das Prinzip der begrenzten Einzelennächtigung gleichermaßen gilt, vgl. EuGH, Gutachten v. 28. 3. 1996, Gutachten 2/94 (Beitritt der Gemeinschaft zur Konvention zum Schutze der Menschemechte und Grundfreiheiten) Slg. 1996, 1-1759 Rn. 23 ff., 30; Sebastian Heselhaus, Emanzipation der Umweltpolitik nach Art. 175 Abs.l EGV (ex-Art. 130s Abs. 1 EGV): Zur Abgrenzung der Umweltkompetenz der Gemeinschaft von anderen Sachkompetenzen unter Berücksichtigung von Doppelabstützungen, NVwZ 1999, 1190, 1191 m.w.N.; Thomas Schröer, Die Kompetenzvertei1ung zwischen der Europäischen Wirtschafts gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten auf dem Gebiet des Umweltschutzes, Berlin 1992, 29 Fn. 81. Neben Rechtssicherheitsargumenten ist die (auch) über die Mitgliedstaaten vermittelte demokratische Legitimation der EG von Bedeutung. sAusfUhrlich zu dieser Diskussion nach der Rechtslage vor den Änderungen durch den EU Schröer, Kompetenzverteilung, 31-33. 6 Vgl. z.B. Jarass, Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaft, 7 m.w.N. (a.A. Albert Bleckmann, Europarecht, 6. Aufl. Köln 1997, Rn. 382 ff.). Eine Ausnahme bilden lediglich nach der ausdrücklich anderslautenden Vorschrift des Art. 211 2. Spstr. (ex-
§ 7 Kompetenzen der EG
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Die Verteilung der Kompetenzen zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten folgt demnach formal einem Regel-Ausnahme-Prinzip zu Gunsten der Mitgliedstaaten. Eine Kompetenz der Gemeinschaft ist rechtstechnisch eine Ausnahme und als solche stets begründungsbedürftig. b) Vorrang des Gemeinschaftsrechts
Das Prinzip des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts vor dem Recht der Mitgliedstaaten entwickelte der EuGH 1964 in Costa / ENEL. 7 Das Gericht stellte darin fest, dass der EWG-Vertrag durch die Gründung der Gemeinschaft auf unbegrenzte Zeit mit eigenen rechts- und geschäftsfähigen Organen, internationaler Handlungsfähigkeit und echten Hoheitsrechten eine eigenständige Rechtsordnung schafft. Die Mitgliedstaaten haben durch Errichtung dieser Rechtsordnung ihre Souveränitätsrechte im Anwendungsbereich des Vertrages beschränkt. Der Vertrag ist sowohl fiir sie selbst als auch fiir ihre Staatsangehörigen verbindlich, die Mitgliedstaaten können die Geltungskraft des Vertrages nicht durch einseitige nachträgliche Rechtsakte (leges posteriori) beeinträchtigen. Andernfalls, so der EuGH, wäre die einheitliche Geltung des Gemeinschaftsrechts im Sinne des Art. 10 und die Wirkung des Diskriminierungsverbots (ex-Art. 7) gefährdet. Dies werde belegt durch die Verbindlichkeit und unmittelbare Geltung der Verordnung in jedem Mitgliedstaat gemäß Art. 249. Flankierend führt der EuGH die Vertragsbestimmungen zu den Zielen des Vertrages in Art. 10 Abs. 2 (ex-Art. 5), das Verbot der Diskriminierungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit in Art. Art. 12 Abs. 1 (ex-Art. 7) und die Erwähnung verbindlicher Sekundärrechtsakte in Art. 249 als Belege für den Vorrang an. g
Art. 155) "Empfehlungen oder Stellungnahmen" sowie andere Formen der Informationsverbreitung durch die Kommission. Diese sind zulässig, "soweit der Vertrag dies ausdrücklich vorsieht oder soweit sie es für notwendig erachtet". 7 EuGH, Urt. v. 15 . 7.1964, Rs. 6/64 (Costa/E.N.E.L.), Sig. 1964,1251. 8 Ebd., Rn. 8 ff., 12. Der Grundsatz ist mittlerweile allgemein anerkannt. Vgl. Theodor Schilling, Zu den Grenzen des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts, Der Staat 33 (1994), 555, 561; Oppermann Rn. 616 ff. m.w.N.; Stefan Brink/Volker Krichbaum, Feindliche Konforrnitäten: Zur Kollision europarechts- und verfassungskonformer Auslegung im Umweltrecht, DÖV 2000, 973 (Konflikt zwischen Auslegung anhand von Art. 14 GG auf der einen und der FFH-Richtlinie (Richtlinie 92/43/EWG vom 21. 5. 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen, ABI. Nr. L 206, 7) auf der anderen Seite); aus der neueren Rspr. z.B. EuGH, Urt. v. 29. 4.1999, Rs. 224/97 (Ciola), Sig. 1999,1-2517, Rn. 21 ff., EuZW 1999,405, 406 f. - Durchsetzung der Dienstleistungsfreiheit der Art. 49 ff. (ex-Art. 59 ff.) auch gegenüber bestandskräftigen konkret-individuellen Entscheidungen der Verwaltung und damit gegenüber der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten, hierzu (abI.) Anmerkung Theodor Schilling, EuZW 1999, 407. Das deutsche Bundesverfassungsgericht
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Teil 2: Handlungsspielräume der Gemeinschaftsebene in der EG
2. Überblick über die Entwicklung der Kompetenzen und umweltbezogenen Vorgaben In der ursprünglichen Fassung der Römischen Verträge von 1957 war der Umweltschutz in keinerlei Form Thema des EWG-Vertrages, weder im Bereich der Kompetenzen noch im Rahmen der Zielsetzungen der Gemeinschaft. Ziel des EWGV war die Schaffung eines Gemeinsamen Marktes zwischen den Mitgliedstaaten bis zum Ende einer Übergangsfrist durch Abschaffung von Hemmnissen aller Art im grenzüberschreitenden Hande1. 9 Umweltbezogene Rechtsakte konnten nur auf die Kompeteriz zur Angleichung mitgliedstaatlicher Rechtsnormen nach Art. 94 (ex-Art. 100), die Ergänzungskompetenz des Art. 308 in Verbindung mit den Zielen der Präambel ("stetige Besserung der Lebens- und Beschäftigungsbedingungen") und des Art.2 ("beschleunigte Hebung der Lebenshaltung") oder auf spezielle Ermächtigungen, z.B. im Agrarbereich, gestützt werden. Mit der 1987 in Kraft getretenen Einheitlichen Europäischen Akte (EEA)lO fand das Thema Umweltschutz ausdrücklich Eingang in den EWGV, sowohl in der Präambel und anderen Bestimmungen als auch durch Einfiihrung eines eigenen Titels (damals Titel VII) fiir die Umweltpolitik der Gemeinschaft mit Bestimmungen über Ziele, Grundsätze und Prinzipien des Umweltschutzes und einer spezifisch umweltbezogenen Befugnisnorm in ex-Art. 130s (jetzt Art. 175), deren Ausübung unter eine Subsidiaritätsklausel gestellt wurde. II Die EEA führte außerdem die neue Harmonisierungskompetenz des exArt. 100a (jetzt Art. 95) ein. Dessen Abs. 3 legt Harmonisierungsmaßnahmen der Gemeinschaft explizit auf ein hohes Schutzniveau im Umweltschutz fest. Änderungen in den Vorgaben fiir die gemeinschaftliche Umweltpolitik brachte der Europäische Unionsvertrag vom 7. 2. 1992 (in Kraft seit 1. 11. 1993), der die Gemeinschaft in Art. 2 auf ein "umweltverträgliches Wachstum"
sieht den Vorrang hingegen in den in Art. 24 bzw. Art. 23 GG enthaltenen Gestattungen begründet, was allerdings eine Begrenzung durch deutsches Verfassungsrecht und eine Aufhebbarkeit durch Verfassungsänderung bedeuten würde. V gI. Bleckmann, Europarecht, Rn. 1092 m.w.N. 9 VgI. Ludwig Krämer, Umweltpolitische Aktionsprogramme mit Leitlinien und Regelungsansätzen, in: Hans-Werner Rengeling (Hrsg.), Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht (EUDUR), Köln u.a. 1998, § 14, Bd. I, 397 ff. 10 EEA vom 28. 2. 1986, ABI. 1987, Nr. L 169, 1; BGBI. 1986 11, 1102; in Kraft seit 1. 7.1987, ABI. 1987, Nr. L 169,29; BGBI. 1987 II, 451. 11 Nun Art. 5 Abs. 2 (damals als Spezialvorschrift im Titel Umwelt in ex-Art. 130r Abs.4 S. 1).
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festlegte. 12 Mit dem auf der Maastricht-Folgekonferenz in Arnsterdam beschlossenen und am 1. 5. 1999 in Kraft getretenen Vertrag von Arnsterdam 13 rückte der Umweltschutz schließlich durch die Einführung des neuen Art. 6 als Querschnittsaufgabe selbständig unter die "Grundsätze" der Gemeinschaft auf. Den Titel Umwelt ließ der Arnsterdamer Vertrag im wesentlichen unberührt. Wie bereits der Maastricht-Vertrag verbesserte der Arnsterdamer Vertrag allerdings nochmals die Beteiligung des Europäischen Parlaments (EP) bei der Schaffung spezifisch umweltbezogener Rechtsakte nach Art. 175.
3. Rechtssetzungsverfahren, Art. 250 ff. EG Der EG sieht für die Schaffung des abgeleiteten oder sekundären Gemeinschaftsrechts unterschiedliche Rechtssetzungsverfahren vor. Je nach Kompetenz kommt eines von drei Verfahren zur Anwendung, an denen Kommission, Rat und EP in unterschiedlicher Weise beteiligt sind. Die Herausbildung der heute bestehenden Verfahren und die Zuweisung des einen oder anderen Verfahrens zu den einzelnen Kompetenzen ist das Ergebnis einer Entwicklung, die in mehreren Schritten stattgefunden hat. Der Kommission steht bei allen Verfahren das Initiativmonopol zu. 14 Im herkömmlichen Verfahren nach Art. 250 (ex-Art. 189a) entscheidet der Rat allein auf Vorschlag der Kommission über Rechtsakte der Gemeinschaft. Im Regelfall ist eine einstimmige Entscheidung erforderlich. In einigen Sachbereichen genügt eine qualifizierte Mehrheit, für die die Stimmen der Mitgliedstaaten mit einem Faktor von 2 bis 10 gewichtet werden; für eine Entscheidung sind von den insgesamt 89 Stimmen nach derzeitigem Mitgliederstand mindestens 62 erforderlich, (Art. 205, ex-Art. 148) sowie unabhängig davon die Zustimmung von mindestens zehn Mitgliedstaaten (Art. 205 Abs. 2 S. 2 Alt. 2). Das Initiativmonopol der Kommission wird dabei mit besonderem Gewicht 12 Vgl. außerdem Art. 3 lit. I (ex-Art. 3 lit. k): ,,Die Tätigkeit der Gemeinschaft im Sinne des Artikels 2 umfasst nach Maßgabe dieses Vertrages und der darin vorgesehenen Zeitfolge ( ... ) I) eine Politik auf dem Gebiet der Umwelt". \3 Vertrag von Arnsterdam zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union (Maastricht-Vertrag), der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte, ABl. 1997, Nr. C 340, I, BR-Drs. Nr. 784/97, 7ff. 14 Vgl. für das Verfahren der Mitentscheidung Art.251 Abs.2 UAbs. 1 (exArt. 189b Abs. 2 UAbs. I), für das Verfahren der Zusammenarbeit Art. 252 lit. a (ex"Art. 189c lit. a), im Übrigen, also für das herkömmliche Verfahren, die einzelnen Kompetenzbestimmungen, z.B. Art. 94 und Art. 37 Abs. 2 (ex-Art. 43 Abs. 2). Eine detaillierte Darstellung des Verfahrens in Kommission, Rat und Parlament bietet Ludwig Krämer, Rechtsakte und Handlungsformen, in: Rengeling (Hrsg.), EUDUR, § 16, Bd. I, 431 ff., Rn. 10 ff.
15 Renner
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Teil 2: Handlungsspielräume der Gemeinschaftsebene in der EG
versehen, indem der Rat bei Abweichung vom Kommissionsvorschlag gemäß Art. 250 Abs.l nur einstimmig entscheiden kann. Im Verfahren der Zusammenarbeit nach Art. 252 (ex-Art. 189c) ist das EP beteiligt. Erzielen Rat und EP keine Einigkeit über den Entwurf des Rates und Änderungswünsche des EP, so legt der Rat (mit qualifIzierter Mehrheit, auf Vorschlag der Kommission und nach Stellungnahme des EP) einen gemeinsamen Standpunkt fest. Über Ablehnung oder Änderungen des vom Rat festgelegten gemeinsamen Standpunktes durch das EP kann sich der Rat nur einstimmig hinwegsetzen (Art. 252 lit. c UAbs. 2 S. 2 und lit. d UAbs. 2). Die stärkste Position hat das EP im Verfahren der Mitentscheidung nach Art. 251 (ex-Art. 189b), der erst 1993 durch den EUV eingefiihrt wurde. Einen gemeinsamen Standpunkt kann das EP mit absoluter Mehrheit seiner Mitglieder endgültig ablehnen. Äußert das EP hingegen neuerliche Änderungswünsche, die nicht die Zustimmung des Rates fmden, so ist ein hälftig aus Mitgliedern oder Vertretern des Rates und des EP zusammenzusetzender Vermittlungsausschuss anzurufen, dessen Vorschlag binnen sechs Wochen mit absoluter Stimmenmehrheit im EP und qualifIzierter Mehrheit im Rat angenommen werden kann. Im Ergebnis kann sich der Rat über Änderungswünsche oder die Ablehnung des Rechtsakts durch die Mehrheit der Mitglieder des EP nicht hinwegsetzen. Das EP verfügt über ein "parlamentarisches Vetorecht", das es rechtfertigt, das EP als "Mitgesetzgeber" anzusehen. 1S
11. Kompetenzen und weitere Vorgaben im Titel Umwelt, Art. 174 ff. EG, und in Art. 6 EG Im jetzigen Titel XIX des EG mit der Überschrift "Umwelt" legt Art. 174 (ex-Art. 130r) die allgemeinen Ziele der Gemeinschaft im Umweltbereich fest, Art. 175 enthält eine spezifIsche Kompetenz, Art. 176 (ex-Art. 130t) gestattet verstärkte Schutzmaßnahmen der Mitgliedstaaten. Art. 6 (ex-Art. 130r Abs. 2 S. 3) fasst seit dem Arnsterdamer Vertrag die Erfordernisse des Umweltschutzes unter die "Grundsätze" der Gemeinschaft (Erster Teil des Vertrages), die bei allen Gemeinschaftspolitiken und -maßnahmen zu beachten sind. Im Zusammenspiel dieser Bestimmungen steuert Art. 174 die Umweltpolitik der Gemeinschaft; Art. 175 dient den Zielen des Art. 174. 16 Über die sog. 15 Vgl. Rudolf Streinz, Europarecht, 4. Aufl. Heidelberg 1999, Rn. 451; belegt wird dies durch die Befugnis des EP zur Erehbung einer Nichtigkeitsklage bei Verletzung seines Beteiligungsrechts, vgl. EuGH Urt. V. 22. 5. 1990, 70/88 (parlament I Rat), Slg. 1990,1-2041, Rn. 27. 16 EuGH, Urt. v. 14. 7. 1998, Rs. C-284/95 (Safety Hi-Tech), Slg. 1998, 1-4301, Rn. 7.
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Querschnittsklausel des Art. 6 steuern die Vorgaben des Art. 174 auch andere Tätigkeiten der Gemeinschaft. Der Vorbehalt des Art. 176 gilt hingegen nur für Maßnahmen auf der Grundlage von Art. 174. 17
1. Umweltpolitische Vorgaben, Art. 174 EG
Art. 174 enthält dreierlei Kategorien von Vorgaben: Abs. 1 legt Zielsetzungen und Aufgaben fest, Abs. 2 bestimmt Grundsätze der Umweltpolitik der Gemeinschaft, Abs. 3 enthält eine kurze Liste von Berucksichtigungsgeboten. In der Fassung der EEA enthielt ex-Art.130r Abs. 4 eine spezifische Begrenzung der Umweltkompetenz durch das Subsidiaritätsprinzip, die bereits im EU durch die allgemeine Subsidiaritätsklausel des Art. 5 S. 2 (ex-Art.3b) ersetzt wurde. a) Rechtswirkung und Justiziabilität
In allen drei genannten Kategorien sind die Vorgaben reichlich unpräzise. Für die Rechtssetzungspraxis der Gemeinschaft können ihnen zwar Leitlinien entnommen werden, nicht jedoch bestimmte Programme, Vorgehensweisen oder Prioritäten einer Umweltpolitik. Dem entsprechend ist streitig, ob diese Vorgaben überhaupt rechtlich verbindlich und justiziabel sind. Nach teilweise vertretener Ansicht handelt es sich lediglich um Orientierungsmaßstäbe für die gemeinschaftliche Umweltpolitik, die nur generell, nicht aber in jeder gemeinschaftlichen Maßnahme Beachtung finden müssen und die auch keinerlei rechtliche Verbindlichkeit genießen. 18 Der Rat stellte sich in den Vorab entscheidungs verfahren Safety Hi-Tech und Bettati im Jahr 1998 auf den Standpunkt, ex-Art. 130r verleihe ihm ein freies, vom Gerichtshof nicht überprufbares Ermessen. 19 Die überwiegend vertretene Gegenansicht sieht in der Norm durchaus rechtlich verbindliche Maßstäbe, bei deren Anwendung den Gemeinschaftsorganen allerdings ein deutlicher Gestaltungsspielraum zukomme. 20 In den genannten Vorabentscheidungsverfahren 17 Art. 176 gewinnt erst bei der Beschreibung der Spielräume der Mitgliedstaaten (Teil 4) Bedeutung. 18 Krämer, in Hans von der Groeben/Jochen ThiesinglClaus-Dieter Ehlermann, Kommentar zum EWG-Vertrag, 5. Aufl. Baden-Baden 1999, ex-Art. 130r Rn. 16,33. Rn. 16: ,,keine rechtlich zwingenden Regeln ( ... ) vielmehr Orientierungsrahmen fur die Organe der Gemeinschaft. " 19 EuGH, Urt. v. 14. 7. 1998, Rs. C-284/95 (Safety Hi-Tech), Sig. 1998, 1-4301, Rn. 34; EuGH, Urt. v. 14.7. 1998, Rs. C-341195 (Bettati), Sig. 1998,1-4355, Rn. 32. 20 Dieter H. Scheuing, Umweltschutz auf der Grundlage der Einheitlichen Europäischen Akte, EuR 1989, 152, 174; GrabitzINettesheim, in: Eberhard GrabitziMeinhard
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Teil 2: Handlungsspielräume der Gemeinschaftsebene in der EG
stand die Vereinbarkeit des gemeinschaftlichen Verbots von teilhalogenierten Kohlenwasserstoffen (HCFC)2\ mit ex-Art. BOr in Rede. Wären dessen Vorgaben nicht rechtlich bindend und gerichtlich überprüfbar, so hätte der EuGH nicht über diesen Vorabentscheidungsgrund befinden können. Der EuGH prüfte die Vereinbarkeit mit ex-Art. BOr, beschränkte sich dabei allerdings gleichzeitig im Ergebnis auf die Feststellung, dass keine "offensichtlichen Beurteilungsfehler" vorlagen. 22 Damit bejahte das Gericht implizit die rechtlich zwingende Wirkung der Norm?3 Die inhaltliche Zurückhaltung des Gerichts bei der Prüfung macht allerdings deutlich, dass den Gemeinschaftsorganen eine erhebliche Gestaltungsbefugnis bei der Verwirklichung der Vorgaben des Art. 174 zukommt. 24 b) Inhalt der Vorgaben
Safety Hi-Tech Srl, die Partei in den Ausgangsverfahren zu Safety Hi-Tech und Bettati war, machte geltend, das grundsätzliche Verbot von HCFC bei gleichzeitigem Erlaubtsein anderer Stoffe, insbesondere der gleichermaßen umweltschädlichen Halone, lasse zwei maßgebliche Parameter, das Treibhauspotential und die atmosphärische Verweildauer, außer Acht und sichere daher entgegen ex-Art. BOr Abs. 1 nicht den Schutz der Umwelt insgesamt, sondern nur eines Teiles davon. Die Zulassung von Halonen trotz des Verbotes von HCFC widerspreche außerdem der Verpflichtung auf ein hohes Schutzniveau im Umweltrecht nach ex-Art. 130r Abs. 2. Schließlich seien entgegen ex-
Hilf, (Hrsg.), Kommentar zur EU (München, Stand EL 9/92), Art. l30r Rn . 60; Bodo Wiegand, Bestmöglicher Umweltschutz als Aufgabe der EG, DVBI. 1993, 533, 536; Martin Burgi, Das Schutz- und Ursprungsprinzip im europäischen Umweltrecht, NuR 1995, 11 , 14; Meinhard Schräder, Umweltschutz als Gemeinschaftsziel und Grundsätze des Umweltschutzes, in: Rengeling, (Hrsg.), EUDUR, § 9, Bd. 1, 181 ff., Rn. 43 ff.; Christian Calliess, Die neue Querschnittsklausel des Art. 6 ex Art. 3c EGV als Instrument zur Umsetzung des Grundsatzes der nachhaltigen Entwicklung, DVBI. 1998,559, 567. 21 Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 3093/94 des Rates vom 15. 12. 1994 über Stoffe, die zum Abbau der Ozonschicht fUhren, ABI. L 333, 1. 22 EuGH, Urt. v. 14. 7. 1998, Rs. C-284/95 (Safety Hi-Tech), Sig. 1998, 1-4301, Rn. 55; EuGH, Urt. v. 14. 7.1998, Rs. C-341/95 (Bettati), Sig. 1998,1-4355, Rn. 53. 23 EuGH, Urt. v. 14. 7. 1998, Rs. C-284/95 (Safety Hi-Tech), Slg. 1998,1-4301, Rn. 38; EuGH, Urt. v. 14. 7.1998, Rs. C-341/95 (Bettati), Sig. 1998, 1-4355, Rn. 36. 24 Vgl. im einzelnen Astrid Epiney, Die umweltpolitischen Handlungsprinzipien in Art. l30r EGV: politische Leitlinien oder rechtsverbindliche Vorgaben? Zu den Urteilen des EuGH in den Rs. C-248/95, C-34I195 (safety Hi-Tech) vom 14. 7. 1998, NuR 1999, 181,182 f.
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Art. 130r Abs. 3 nicht die verfügbaren wissenschaftlichen und technischen
Daten berücksichtigt worden. 25
In den in der maßgeblichen Passage wortgleichen Entscheidungsgrunden zu Safety Hi-Tech und Bettati wies der EuGH diese Einwände zurück. Maßnahmen hinsichtlich einzelner bestimmter Aspekte der Umwelt seien zulässig, wenn diese zur Erhaltung und zum Schutz der Umwelt und zur Verbesserung ihrer Qualität beitrügen, auch wenn die Maßnahmen nicht gleichzeitig den gesamten Sachbereich und dessen gesamte Probleme abdeckten. 26 Diese Aussage des Gerichts bedarf wohl der Präzisierung dahingehend, dass Wechselwirkungen isolierter Schutzmaßnahrnen mit anderen Umweltgütern zu berücksichtigen sind, nicht aber alle nebeneinander bestehenden Probleme gleicher Schwere gleichzeitig gelöst werden müssen. 27 Ein hohes Schutzniveau sei gewährleistet, so das Gericht, da die Maßnahme über die Umsetzung der zugrundeliegenden völkerrechtlichen Verpflichtung hinausgehe; ein hohes Umweltschutzniveau bedeute nicht unbedingt "das in technischer Hinsicht höchstmögliche".28 Auch wissenschaftliche und technische Daten seien hinreichend berücksichtigt, da die Verordnung eine regelmäßige Überprüfung empfehle und die maßgeblichen Listen änderbar seien. 29 Daraus lässt sich entnehmen, dass der EuGH nur ein angemessen hohes Umweltschutzniveau fordert. Die Gemeinschaft kann zwar über dieses Niveau hinausgehen, ihre Rechtsakte sind jedoch nur bei unangemessenem Schutzniveau, das auf keinen Fall mehr als "hoch" bezeichnet werden kann, unrichtig. In seinem Urteil zur Nitratrichtlinie30 äußerte sich der EuGH zum Verursacherprinzip und zum Ursprungsprinzip des Art. 174 Abs. 2 S. 2. Die Nitrat-
richtlinie 31 begrenzt aus Gründen des Gewässerschutzes die Verwendung von Nitraten in der Landwirtschaft. Von der mitgliedstaatlichen Anwendung der Richtlinie betroffene britische Landwirte hatten deren Rechtswidrigkeit geltend gemacht, da sie sich im Vergleich zu anderen Verursachem der Nitratbelastung in Gewässern herausgegriffen und unverhältnismäßig belastet sahen: Neben 25 EuGH, Urt. v. 14. 7. 1998, Rs. C-284/95 (Safety Hi-Tech), Slg. 1998, 1-4301, Rn. 40,47 und 50; EuGH, Urt. v. 14.7. 1998, Rs. C-341/95 (Bettati), Slg. 1998,1-4355, Rn. 38,45 und 48. 26 EuGH, Urt. v. 14. 7. 1998, Rs. C-284/95 (Safety Hi-Tech), Slg. 1998, 1-4301, Rn. 41-46. 27 Vgi. Epiney, Die umweltpolitischen Handlungsprinzipien in Art. l3Or, 182. 28 EuGH, Urt. v. 14. 7. 1998, Rs. C-284/95 (Safety Hi-Tech), Slg. 1998, 1-4301, Rn. 48 f. 29 Ebd., Rn. 51-55 . 30 EuGH, Urt. v. 29.4. 1999, Rs. C-293/97 (Standley) - Nitratrichtlinie, Slg. 1999,12603 . 31 Richtlinie 91/676/EWG des Rates vom 12. 12. 1991 zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen, ABi. L 375, 1.
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dem Verhältnismäßigkeitsprinzip verstoße die Richtlinie gegen das Verursacherprinzip, da nur die Landwirte, nicht aber andere Verursacher belastet würden, sowie gegen das Ursprungsprinzip, da Industrie und Verkehr als Hauptverursacher der Nitratbelastung der Gewässer nicht herangezogen würden. Der EuGH leitet die Einhaltung des Verursacher- und des Ursprungsprinzips aus seiner Untersuchung des Verhältnismäßigkeitsprinzips ab. Dieses sei gewahrt, da die Richtlinie den Mitgliedstaaten hinreichende Gestaltungsmöglichkeiten zur Anpassung an die örtlichen Verhältnisse gebe. 32 Nach der Richtlinie seien die Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe nicht verpflichtet, ,,( ... ) Belastungen zu tragen, zu denen sie selbst nichts beigetragen haben.,,33 Angesichts der beschriebenen Flexibilität der Richtlinie sei es Sache der Mitgliedstaaten, nicht-landwirtschaftliche Verunreinigungsquellen zu berücksichtigen und den Landwirten in Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips keine nicht erforderlichen Kosten aufzuerlegen. Nachdem das Gericht so die Vereinbarkeit mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip festgestellt hat, äußert es sich knapp zu den umweltbezogenen Prinzipien: "Aus dieser Sicht erscheint das Verursacherprinzip als Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, zu dem der Gerichtshofbereits Stellung genommen hat. Das gleiche gilt für den Grundsatz, Umweltbeeinträchtigungen mit Vorrang an ihrem Ursprung zu bekämpfen, da das diesbezügliche Vorbringen der Kläger in ihrem Vorbringen zum Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz aufgeht. ,,34 Diese Ausführungen lassen einen weiten Auslegungsspielraum. Das Verursacherprinzip kann auf der Grundlage der Nitratrichtlinie-Entscheidung so aufgefasst werden, dass dem Verursacher nur die durch seine Verunreinigung verursachten Lasten auferlegt werden können. Es kann jedoch auf dieser Grundlage und im Einklang mit der Literatur auch als Ermöglichung weitergehender Einschränkungen zum Schutz der Umwelt begriffen werden, und zwar derart, dass der Verursacher mindestens die Kosten seiner Verunreinigung zu tragen hat. 35 Dafür spricht die oben zitierte Passage, nach der einem Privaten bereits dann Lasten auferlegt werden können, wenn er zu deren Ursachen bei32 EuGH, Urt. v. 29. 4. 1999, Rs. C-293/97 (Standley) - Nitratrichtlinie, Slg. 1999,12603, Rn. 46-50 (im Einzelnen). 33 Ebd., Rn. 51. 34 Ebd., Rn. 52 f. 35 Vgl. Sören Delfs, Anmerkung zu EuGH, Urt. v. 29.4.1999, Rs. C-293/97 - Nitratrichtlinie, ZUR 1999, 322, 323; Rudolf Steinberg, Der ökologische Verfassungsstaat, FrankfurtlMain 1998, 132 ff.
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getragen hat. Die Anbindung an das Verhältnismäßigkeitsprinzip durch den EuGH widerspricht dem nicht, da dieses herangezogen werden muss, um die individuelle Belastungsgrenze des Verursachers im Bereich jenseits der unmittelbar von ihm verursachten Kosten36 zu bestimmen. Richtigerweise hat der EuGH in dieser Entscheidung eine Auseinandersetzung mit dem Ursprungsprinzip abgelehnt, da dieses die Beseitigung von Umweltproblemen an deren Quelle an Stelle der Beseitigung von Folgelasten fordert, nicht aber die gleichzeitige Erfassung aller Quellen. 37
Zum Vorsorgeprinzip stellte der EuGH anlässlich der Streitigkeiten um BSE-infizierte Rinder aus Großbritannien fest, dass dieses ein Eingreifen bereits vor der Gefahrenschwelle erlaube.38 Die Kommission hat mittlerweile eine Mitteilung zur Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips veröffentlicht, 39 die jedoch eher eine Diskussionsgrundlage als ein festes Leitbild bietet. 40
2. Kompetenz für umweltbezogene Maßnahmen, Art. 175 EG Art. 175 enthält in sich unterschiedliche Kompetenzbestimmungen fiir drei verschiedene Bereiche: Eine allgemeine Kompetenz fiir umweltbezogene Maßnahmen in Abs. I, in der das Verfahren der Mitentscheidung nach Art. 251 anzuwenden ist (unten a»; eine Ausnahmeregelung hierzu in Abs. 2 fiir bestimmte Sachbereiche, die einstimmige Entscheidung im Rat nach bloßer Anhörung des EP sowie zweier Ausschüsse vorschreibt (unten b)); schließlich eine besondere Kompetenz in Art. 175 Abs. 3, die lediglich fiir die Beschlüsse 36 "Kosten" sind in diesem Zusammenhang weit zu verstehen und betreffen nicht nur unmittelbare Geldleistungspflichten, sondern auch Handlungs- und Unterlassungspflichten und die dadurch mittelbar verursachten Lasten. V gl. Schlussanträge von GA Leger, EuGH, Urt. v. 29. 4. 1999, Rs. C-293/97 (Standley) - Nitratrichtlinie, Slg. 1999, 12603, Rn. 93 (Verursacherprinzip verpflichtet einerseits dazu, dem Verursacher - und diesen allein - die Kosten der Beseitigung der Verschrnutzung aufzuerlegen, sowie andererseits, ihm die Kosten der Einrichtung von Vermeidungsmaßnahmen aufzuerlegen); Steinberg 126 ff.; Walter Frenz, Das Verursacherprinzip im Öffentlichen Recht, Berlin 1997,39 ff. 37 Vgl. bereits EuGH, Urt. v. 14. 7. 1998, Rs. C-284/95 (Safety Hi-Tech), Sig. 1998, 1-4301, Rn. 41-46. Z.B. zwingt das Ursprungsprinzip so zum Vorrang von S02" Immissionsbegrenzungen vor Kalkausbringung im Wald und wohl auch zum Vorrang von rohstoff- und produktionsprozessbezogenen Veränderungen vor sog. end-of-pipeTechnologien wie Rauchgasentschwefelung. Vgl. zum Inhalt des Prinzips Delfs 323; GrabitzlHilj-GrabitzINettesheim, Art. l30r Rn. 43 ff. 38 EuGH, Urt. v. 5. 5. 1998, Rs. C-157/96 (The Queen / Ministry of Agriculture, Fisheries and Food), Slg. 1998,1-2211, Rn. 63 f. 39 Mitteilung der Kommission vom 2. 2. 2000 über die Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips, COM 2000 (I). 40 V gl. Ivo Appel, Europas Sorge um die Vorsorge: Zur Mitteilung der Europäischen Kommission über die Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips, NVwZ 2001, 395, 398.
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über die Aktionsprogramme der Gemeinschaft dient und für die wiederum das Mitentscheidungsverfahren nach Art. 251 anzuwenden ist.
a) Innere Grenzen des Art. 175 Abs. 1 EG Das für die umweltspezifische Kompetenz in der Fassung der EEA vorgesehene einstimmige Beschlussverfahren im Rat nach Anhörung des EP und des Wirtschafts- und Sozialausschusses wurde durch den Maastricht-Vertrag durch das Verfahren der Zusammenarbeit und im neuen Art. 175 des Arnsterdamer Vertrages schließlich durch das Verfahren der Mitentscheidung nach Anhörung des Wirtschafts- und Sozialausschusses und des Ausschusses der Regionen ersetzt. Zur Bestimmung des von der Kompetenz umfassten Sachbereichs nimmt Art. 175 Abs. 1 auf die Zielbestimmung des Art. 174 Bezug. Die Leitlinien des Art. 174 bieten allerdings keinerlei klare Umgrenzung, auf deren Basis sich die inneren Grenzen des Art. 175 Abs. 1 abstecken ließen, insbesondere nicht hinsichtlich des Zieles Schutz der Umwelt. In den Umweltaktionsprogrammen und Einzelmaßnahrnen der Gemeinschaft wird der Begriff "Umwelt" nicht einheitlich verwendet, sondemje nach Regelungsmaterie verschieden definiert. 41 Dies spricht zunächst für eine eher offene Fassung des Umweltbegriffs. Auch ein wirksamer Umweltschutz gebietet eine weite Auslegung des Begriffs. 42 Das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung in Art. 5 Abs. 1 in Verbindung mit dem bereichsspezifischen Charakter der Umweltkompetenz erfordert jedoch eine Grenze, die auch für die gesetzgeberische Praxis nachvollziehbar ist. 43 4\ Vgl. die bei Jörg Henke, EuGH und Umweltschutz: Die Auswirkungen der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften auf das Umweltschutzrecht in Europa, München 1992, 7, zitierten Rechtsakte sowie GrabitziHilfGrabitzINettesheim, Art. BOr Rn. 1 ff. m.w.N.; Wolfgang Kahl, Umwe1tprinzip und Gemeinschaftsrecht. Eine Untersuchung zur Rechtsidee des "bestmöglichen Umweltschutzes" im EWG-Vertrag, Heidelberg 1993, 13 ff. m.w.N. 42 Vgl. Henke 7; Wolfgang Pühs, Der Vollzug von Gemeinschaftsrecht: Formen und Grenzen eines effektiven Gemeinschaftsrechtsvollzuges und Überlegungen zu seiner Effektivierung, Berlin 1997,448. 43 Allerdings lässt das Prinzip der begrenzten Einze1ermächtigung nach allgemeiner Auslegung einen weiten Spielraum für den Gesetzgeber. So wird in der Literatur vor einem zu engen Verständnis gewarnt (vgl. Z.B. Oppermann, Europarecht, 2. Aufl. 1999, Rn. 513. Die praktische Wirksamkeit des Prinzips wird demnach häufig in Frage gestellt (vgl. z.B. Ernst Steindorff, Das Maastricht-Urteil zwischen Grundgesetz und europäischer Integration, EWS 1993, 341, 344). Andererseits weist seine Wiederholung in Art. 5 (ex-Art. E) EU und der Hinweis auf die Notwendigkeit einer Vertragsänderung oder -erweiterung in Art. 48 bzw. Art. 37 (ex-Art. N bzw. ex-Art. K.9) EU auf das weiter bestehende und mit der Erweiterung der Kompetenzen durch Vertragsänderungen zunehmende Bedürfnis nach einer Begrenzbarkeit der vertraglichen Ermächtigungsgrundlagen hin. So hat die Grenze zwischen Vertragsauslegung und Vertragsände-
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Was dieses Bedürfnis nach Eingrenzbarkeit fiir die sachliche Reichweite des Art. 175 bedeutet, ist allerdings umstritten und vom EuGH bisher nicht geklärt. Nach einer Ansicht fällt eine Maßnahme nur dann aus dem Anwendungsbereich des Art. 175 heraus, wenn sie offensichtlich und unter keinem Gesichtspunkt Auswirkungen auf die Umwelt hat. 44 Diese Auffassung versteht Art. 175 als umfassende, generalklauselartige Kompetenz für das Umwe1trecht, also alle Rechtsnormen, die Auswirkungen auf die Umwelt haben.45 Nach der Gegenauffassung erfasst Art. 175 nur einen Kernbereich umweltspezifISchen Rechts. 46 Die Gemeinschaft darf danach nur Maßnahmen erlassen, "die einen ausdrücklichen, eindeutigen und zie/gerichteten Bezug zum Umweltschutz aufweisen.,,47 Eine extensive Auslegung der Kompetenz würde nach dieser Auffassung auf die Zuerkennung einer Kompetenz-Kompetenz der Gemeinschaft hinauslaufen. Eine enge Auslegung des Art. 175 soll im Umkehrschluss aus der Integration des Umweltschutzes in andere Politiken gemäß Art. 6 (exArt. BOr Abs. 3 S. 2) zu entnehmen sein, die dann überflüssig sei, wenn jede Maßnahme mit entferntem Umweltbezug bereits auf der Grundlage von Art. 175 erlassen werden könne .48 Eine derartige Auslegung der umweltrechtlichen Querschnittsklausel des Art. 6 als implizite Einschränkung der Umweltkompetenz entspricht jedoch nicht dem Sinn und Zweck der Norm. Die Querschnittsklausel hat im Gegenteil erweiternde Funktion bezüglich anderer Politiken: Sie ist auch bei einer weiten Auslegung nicht überflüssig, da sie dann eine Berücksichtigung des Umweltaspektes sicherstellt, wenn eine Maßnahme auf der Grundlage einer im konkreten Fall sachnäheren spezifischen Kompetenzbestimmung ergeht. Nur eine weite Auslegung der Kompetenz des Art. 175 Abs. 1 entspricht auch dem Prinzip des effet utile einer in ihrer Bedeutung fiir die Gemeinschaft u.a. durch Art. 6 einrung im Maastricht-Urteil des Bundesverfassungsgerichts eine zentrale Bedeutung rur die verfassungsmäßige Bindung der Bundesrepublik an den EU. (vgl. BVerfG, Urt. v. 12. 10. 1993,2 BvR 2134,2159/92, BVerfGE 89, 155,210). 44 Vgl. Schröer, Kompetenzverteilung, 47. 45 Schröer, Kompetenzverteilung, 47; Meinhard Schröder, Das Bundesverfassungsgericht als Hüter des Staates im Prozess der europäischen Integration: Bemerkungen zum Maastricht-Urteil, DVBl. 1994, 316, 322. Zum Begriff des Umweltrechts vgl. Bernd BenderlReinhard SparwasserlRüdiger Engel, Umweltrecht: Grundzüge des öffentlichen Umweltschutzrechts, 4. Aufl. Heidelberg 2000, Rn. 4 fI. 46 Holger Matuschak, Die Bedeutung des neuen Art.BOs Abs. 2 EGV im Rahmen des EG-vertraglichen Umweltrechts, DVBl. 1995, 81, 84 ff. 47 Matuschak 87, Hervorhebungen im Original. 48 Matuschak 86 f. Außerdem würde sich die Gemeinschaft andernfalls, so der Autor, über die Verpflichtung zur Achtung der nationalen Identität der Mitgliedstaaten nach Art. 6 Abs. 3 (ex-Art. F Abs. 1) hinwegsetzen und die von Art. 79 Abs. 3 iV.m. Art. 20 GG geschützten Grundsätze der Demokratie und souveränen Staatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland verletzen. Ebd., 85.
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zigartig herausgehobenen Umweltpolitik. Daneben weist die Aufzählung verwandter, aber nicht umweltspezifischer Sachbereiche in Art. 175 Abs. 2 als vom Bereich der Umweltkompetenz grundsätzlich erfasster Bereiche auf eine weite Fassung des Umweltbegriffs in Art. 174 hin. Die erforderliche Grenzziehung muss sich am Wortlaut des Art. 175 Abs. 1 orientieren und kann anband der Maßstäbe vorgenommen werden, die der EuGH in mittlerweile mehreren Entscheidungen für die Erforderlichkeit der Heranziehung einer Kompetenz neben anderen Kompetenzen bei der Berührung mehrerer Sachbereiche aufgestellt hat. 49 In entsprechender Anwendung dieser Rechtsprechung des EuGH ist die Umweltkompetenz des Art. 175 nur dann nicht einschlägig, wenn sich eine Maßnahme nur "beiläufig" oder "nebenbei" auf den Umweltbereich auswirkt. so Dies erlaubt die sinnvolle, aber auch hinreichende Ausgrenzung von Maßnahmen, die in Wirklichkeit nicht - wie in Art. 175 Abs. 1 gefordert - den Zielen des Art. 174, sondern ausschließlich anderen Zielen dienen.
b) Bedeutung des Art. 175 Abs. 2 EG Art. 175 Abs.2 legt fest, dass in den Bereichen überwiegend steuerlicher Vorschriften sowie der Raumordnung und Bodennutzung (mit Ausnahme der Abfallbewirtschaftung und "allgemeiner Maßnahmen", also solche, die nur mittelbare Auswirkungen auf die Bodenutzung habensI), Bewirtschaftung von Wasserressourcen und energiepolitisch relevanter Entscheidungen Regelungen aufgrund einstirnrnigen Beschlusses des Rates nach Anhörung des EP ergehen. Teilweise wird die Bestimmung als generelle Erweiterung der Urnweltkompetenz in die dort aufgezählten Bereiche gesehen. 52 Nach überwiegender Ansicht handelt es sich hingegen lediglich um die Bestimmung eines besonderen Rechtssetzungsverfahrens. s3 Tatsächlich hat Art. 175 Abs.2 zweierlei Funktion. Seine primäre Funktion ist die einer Herausnahme der dort aufgezählten, bereits vom weiten Bereich des Umweltschutzes nach Art. 175 Abs. 1 i.V.m. Vgl. ausfiihrlich unten V.3. Vgl. EuGH, Urt. v. 4.10. 1991, Rs. C-70/88 (parlament / Rat) - Tschernobyl, Slg. 1991, I-4529, Rn. 17; EuGH, Urt. v. 25. 2. 1999, verb. Rs. C-164/97 und C-165/97 (Parlament / Rat), Rn. 14. 51 Vgl. GroebenlThiesingIEhlermann-Krämer, Art. 130s Rn. 21. 52 Breier, Siegfried, Umweltschutz in der Europäischen Gemeinschaft: Eine Bestandsaufnahme nach Maastricht, NuR 1993, 457, 460 f.; so offenbar auch die kursorische Erwähnung bei Albert Bleckmann, Der Vertrag über die Europäische Union: Eine Einführung, DVBI. 1992,335,339; Ulrich Battis, Rechtliche Rahmenbedingungen des ökologischen Bauens, NuR 1993, 1,3; S3 Michael KrautzbergerlWelJ Selke, Auf dem Wege zu einem europäischen Raumentwicklungskonzept, DÖV 1994, 685, 687; Matuschak 87 f.; GroebenIThiesingl Ehlermann-Krämer, Art. 130s Rn. 15. 49
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Art. 174 erfassten Sachbereiche aus dem von Abs. 1 fiir den Regelfall angeordneten Mitentscheidungsverfahren (Vorbehaltsfunktion). Die Bestimmung wurde durch den EU als Residuum mitgliedstaatlicher Vetorechte im Zusammenhang mit der Einfiihrung des Verfahrens der Zusammenarbeit fiir ex-Art. 130s Abs. 1 eingefiihrt. Die aufgezählten Sachbereiche sind besonders sensible Bereiche mitgliedstaatlicher Politik, in denen sich die Mitgliedstaaten daher ein Vetorecht sichern wollten.54 Neben dieser Vorbehaltsfunktion kommt Art. 175 Abs. 2 mittelbar eine Funktion der Klarstellung zu, dass in den Sachbereich des Art. 175 auch Maßnahmen fallen, die andere Sachbereiche (wie den hier aufgefiihrten Bereich der Energiepolitik) "erheblich berühren" oder gar "überwiegent!' anderen spezifischen Sachbereichen (wie dem des hier aufgeführten Steuerrechts) zuzuordnen sind (Klarstellungsfunktion), sofern sie nur mehr als "beiläufig" oder "nebenbei" Bezüge zum Umweltschutz aufweisen. 55
3. Umweltrechtliche Querschnittsklausel, Art. 6 EG Die Einfiihrung der umweltrechtlichen Querschnittsklausel (auch als Integrationsprinzip bezeichnet)56 in ihrer ursprünglichen Fassung in ex-Art. BOr Abs. 2 S. 2 erfolgte im Rahmen der Einfiihrung eines eigenständigen Titels Umwelt durch die EEA. Sie sollte die besondere Bedeutung der Umweltpolitik in der Gemeinschaft hervorheben. 57 Dem entsprechend wurde bislang stets die Einzigartigkeit der umweltrechtlichen Querschnittsklausel betont, die den Umweltschutz gegenüber anderen nichtwirtschaftlichen Belangen hervorhob. 58 In der Amsterdamer Fassung des Vertrages hat sich dieses Bild verändert. Integrations- oder Querschnittsklauseln finden sich nun auch fiir andere Berei-
S4 Gegen eine Abschaffung des Einstimmigkeitserfordemisses für diese Bereiche durch den Amsterdamer Vertrag stellte sich maßgeblich die deutsche Bundesregierung. Vgl. DufJ77. ss Vgl. Astrid Epiney/Andreas Furrer, Umweltschutz nach Maastricht: Ein Europa der drei Geschwindigkeiten? EuR 1992, 369, 397. S6 GroebeniThiesing/Ehlermann-Krämer, Art. 130r Rn. 29. Allgemein zur umweltrechtlichen Querschnittsklausel Hailbronner, Kay, Der ,,nationale Alleingang" im Gemeinschaftsrecht, EuGRZ 1989, 101, 103 ff.; Scheuing, Umweltschutz auf der Grundlage der EEA, 177; Eberhard GrabitziChristian Zacker, Die neuen Umweltkompetenzen der EWG, NVwZ 1989,297,300; Axel Vorwerk, Die umweltpolitischen Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten nach Inkrafttreten der EEA, 1989, 60 ff.; Ingolf Pernice, Auswirkungen des europäischen Binnenmarktes auf das Umweltrecht - Gemeinschafts(verfassungs-)rechtliche Grundlagen, NVwZ 1990, 201, 203 ff.; Grabitz/HilJ-Grabitz, Art. 130r Rn. 22 ff. S7 V gl. z.B. Scheuing, Umweltschutz auf der Grundlage der EEA, 176. SB GrabitzlHilJ-GrabitzINettesheim, Art. 130r Rn. 58.
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Teil 2: Handlungsspielräume der Gemeinschaftsebene in der EG
che. 59 Die umweltrechtliche Querschnittsklausel ist jedoch durch Änderung ihres Wortlauts (Geltung nicht nur für Politiken, sondern für alle Maßnahmen der Gemeinschaft) und systematische Verlagerung an ihre jetzige Position unter den "Grundsätzen" der Gemeinschaft weiter aufgerückt,60 so dass nun von einer dem Querschnittscharakter des Umweltschutzes angemessenen "Interpretationsregel für das gesamte Gemeinschaftsrecht" gesprochen werden kann. 61 Die Querschnittsklausel hat nicht nur politische Bedeutung, sondern bildet einen zwingenden Rechtssatz, hervorgehoben durch die Formulierung "müssen".62 Im Einzelnen hat Art. 6 zweierlei Funktion: Erstens bezieht die Klausel die umweltbezogene Dimension in alle Handlungen in allen Bereichen des Gemeinschaftsrechts ein (Integrationsfunktion). Zweitens soll die Klausel Regelungen mit widersprüchlichem Inhalt oder widersprüchlichen Folgen in verschiedenen Politikbereichen vermeiden und beseitigen helfen (Ausgleichsfunktion).63 "Einbeziehung" ist umfassend zu verstehen. Der Bezug auf die Tätigkeit der Gemeinschaft nach Art. 3 hat zur Folge, dass nun auch Maßnahmen zur Durchsetzung der Grundfreiheiten und zur Errichtung des Binnenmarktes erfasst sind sowie neben den einzelnen Maßnahmen der Gemeinschaft auch Programme, Pläne und Vollzugsmaßnahmen. Ziele des Umweltschutz sollen im Rahmen anderer Tätigkeiten der Gemeinschaft aktiv mitverfolgt werden, eine nachträgliche Überprüfung im Einzelfall fUr den Umweltschutz nachteiliger Ergebnisse anhand der Prinzipien des Art. 174 genügt nicht. 64 Dies spiegelt den Umstand wider, dass dem Umweltschutz, mehr noch als anderen Zielsetzungen, nur als Querschnittsaufgabe wirksam Rechnung getragen werden kann. 65 Einbeziehung begründet allerdings keinen generellen Vorrang, auch S9 Kultur, Art. 151 Abs.4, Gesundheitsschutz, Art. 152 Abs. 1, Verbraucherschutz, Art. 153 Abs. 2, Wettbewerbsfiihigkeit der Industrie, Art. 157 Abs. 3 S. 1 und Entwicklungszusarnmenarbeit, Art. 178. 60 Vgl. Meinhard Schröder, Aktuelle Entwicklungen im europäischen Umweltrecht, NuR 1998, 1, 2; Umweltbericht 1998 der Bundesregierung, BT-Drs. 13/10735, 191; Calliess, Querschnittsklausel, 564; Christian Schrader, Europäischer Umweltschutz nach den Anderungen im Amsterdamer Vertrag, UPR 1999,201,203. 61 Vgl. Martin Wasmeier, Die Integration des Umweltschutzes als allgemeine Auslegungsregel des Gemeinschaftsrechts: Das EuGH-Urteil vom 10.6.1999 - Rs. C-346/97, Braathens Sverige AB (Transwede Airways), EWS 1999,354, EWS 2000,47. 62 Vgl. GrabitzIHi/f-GrabitzINettesheim, Art. l30r Rn. 60; Wasmeier, Integration des Umweltschutzes, 47. 63 Vgl. Duff 77. Die Norm wirkt dabei als Interpretationsregel sowohl im Primär- als auch im Sekundärrecht, vgl. Martin Wasmeier, The Integration of Environmental Proteetion as a general rule for interpreting Comrnuniy Law, CMLR 38 (2001), 159, 164 f., 175 ff. 64 Vgl. die französische (etre integrees) und englische (be integrated) Sprachfassung. 6S Vgl. Calliess, Querschnittsklausel, 565 m.w.N.
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nicht in Form einer Zweifelsregel,66 sondern lediglich eine Abwägung mit anderen betroffenen Belangen, wobei der Umweltschutz in den einzelnen Politikbereichen gleiches Gewicht genießt wie die Ziele des Bereichs. 67 Im Zweifel bedarf es der Herstellung einer praktischen Konkordanz, also einer Lösung, die sämtlichen Vertragszielen möglichst weitgehend gerecht wird. 68 Dies erfordert vor allem verfahrensrnäßige Vorkehrungen. Maßnahmen mit Bezügen zum Umweltschutz sind zwischen den einzelnen Politikbereichen bzw. den zuständigen Generaldirektionen frühzeitig abzustimmen; vor allem bedarf es einer frühzeitigen Einbindung der Generaldirektion Umwelt. 69
4. Vorrangstellung des Umweltschutzes? Teilweise wird aus der Positionierung des Umweltschutzgedankens im EGVertrag auf einen generellen Vorrang der Umweltschutzverpflichtung vor anderen Belangen in der EU, auch denen des freien Warenverkehrs, und die Umgestaltung der EG in eine "Umweltgemeinschaft" geschlossen. Dies wird neben der Schutzniveauklausel des Art. 95 Abs. 3 EG und den umweltschutzbezogenen Schutznormen der Art. 95 Abs. 4 und 5 EG und Art. 176 EG vor allem aus der umweltrechtlichen Querschnittsklausel des Art. 6 EG entnommen. 70 Die herausgehobene Stellung der umweltrechtlichen Querschnittsklausel ge66 So aber Astrid Epiney, Umweltrechtliche Querschnittsklausel und freier Warenverkehr: die Einbeziehung umweltpolitischer Belange über die Beschränkung der Grundfreiheit, NuR 1995,497,500; GrabitziHi/f-GrabitziNettesheim, Art. 130r Rn. 58. 67 Vgl. Calliess, Querschnittsklausel, 565; Wasmeier, Integration of Environmental Protection, 163. 68 V gl. Ti/man E. Lüder, Binnenmarkt und Umweltschutz: Der Ausgleich als Rechtsproblem, ZUR 1993, 165 ff., insbes. 169; Wasmeier, Integration des Umweltschutzes, 48; ders., Integration of Environmental Protection, 163; so im Erg. auch Christian Calliess, Die Güterkraftverkehrspolitik der EG; unter besonderer Berücksichtigung des Umweltschutzes, IUR 1992, 219, 224 (der es allerdings für vertretbar hält, dass die Querschnittsklausel eine Einschränkung des LKW-Verkehrs in der EG zwingend erfordere, ebd., 223); zu weitreichend die Annahme einer selbständigen Pflicht der Gemeinschafts zur Einschränkung der Grundfreiheiten im Interesse des Umwelt, die Epiney, Umweltrechtliche Querschnittsklausel und freier Warenverkehr, 500 ff. aus dem von ihr angenommenen einseitigen Vorrang des Umweltschutzes gegenüber der Freiheit des Binnenmarktes herleitet. V gl. auch das Plädoyer für eine Einschränkung der Grundfreiheiten im Interesse der Umwelt in Astrid EpineylPeter Knoepfel, Maßlose Freiheit: Der ungebrernste Waren verkehr in Europa wird zunehmend zur Bedrohung der Umwelt, DIE ZEIT Nr. 20 vom 9.5. 1997,30. 69 Vgl. Schrader, Arnsterdamer Vertrag, 203. 70 V gl. hierzu - bereits vor dem Aufrücken des Umweltschutzes unter die Grundsätze der Gemeinschaft im Ersten Teil des EG-Vertrages z.B. die Argumentation der dänischen Regierung im Verfahren Pfandflaschen, Sitzungsbericht des Berichterstatters Bosco, Rs. C-302/86, (Kommission / Dänemark) - Pfandflaschen, Slg. 1988, 4607, 4615; Scheuing, Umweltschutz auf der Grundlage der EEA, 177; Hai/bronner.
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genüber den Belangen anderer Politiken, die durch den Amsterdamer Vertrag ebenfalls zu Querschnittsmaterien aufgerückt sind, hat der Amsterdamer Vertrag durch weitere Aufwertung des Umweltschutzes zu einem der Grundsätze der Gemeinschaft im Ersten Teil des Vertrages bewahrt. Die Gegenauffassung sieht die Gemeinschaft nach wie vor vorrangig als Wirtschaftsgemeinschaft. Sie kann sich darauf berufen, dass die Gemeinschaft nach der Hierarchie der in Art. 2 und 3 EG beschriebenen Aufgaben und Tätigkeiten der Gemeinschaft, die Herstellung und Erhaltung des Binnenmarktes als zentrale Aufgabe hat, auf die der Umweltschutzgedanke erst bezogen werde.71 Eine allgemeine Vorrangstellung entweder des Binnenmarktes oder' des Umweltschutzes lässt sich jedoch daraus nicht ableiten und lässt sich auch nicht der Rechtsprechung des EuGH entnehmen. Wie der EuGH in der Entscheidung Pfandflaschen deutlich macht, ist anhand einer Verhältnismäßigkeitsprüfung im konkreten Einzelfall festzustellen, ob legitime Umweltschutzbelange ausnahmsweise eine Einschränkung der Grundfreiheiten notwendig machen. 72
llI. Angleichung der mitgliedstaatlichen Rechtsvorschriften, Art. 94 ff. EG Verordnungen und Richtlinien der Gemeinschaft, die umweltpolitische Ziele verfolgen oder Bezüge zum Umweltschutz haben, besitzen regelmäßig auch Bezüge zu anderen Politiken der Gemeinschaft, insbesondere zum Funktionieren des Binnenmarktes: Unterschiedliche produktbezogene Umweltschutzanforderungen erschweren den Marktzutritt, unterschiedliche produktionsbezogene Anforderungen fUhren zu Wettbewerbs verzerrungen zwischen den Mitgliedstaaten. Neben Art. 175 kommen daher regelmäßig auch andere Rechtsgrundlagen in Betracht.
1. Allgemeine Harmonisierungskompetenz, Art. 94 EG Vor dem Inkrafttreten der Einheitlichen Europäischen Akte ergingen umweltbezogene Richtlinien im Wesentlichen auf der Grundlage von Art. 94 und/oder Art. 308. Die Schaffung des Gemeinsamen Marktes erforderte eine Angleichung von Umweltstandards, da unterschiedliche Bestimmungen einerseits zu Wettbewerbsverzerrungen und damit zur Behinderung des Gemeinsamen Marktes zu führen drohten und andererseits der Wegfall von Hindernissen 71
V gl. z.B. Rengeling/Heinz 617; Müller-Graff, Umweltschutz und Grundfreiheiten,
Rn. 17 ff., 19.
72 I.E. zutreffend Müller-Graff, Umweltschutz und Grundfreiheiten, Rn. 25; RengelinglHeinz 617.
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einen tatsächlichen Druck auf die Mitgliedstaaten zur Aufgabe höherer Umweltstandards verursachte (drohender Negativwettbewerb). Art. 94, der die Errichtung und das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes betrifft, diente als Grundlage von Harmonisierungsvorschriften für technische Regeln, insbesondere für produktbezogene Umweltvorschriften. Typischerweise wurden Rechtsakte kumulativ nach Art. 94 und Art. 308 erlassen. 73 Der EuGH bestätigte die Wirksamkeit solcher Maßnahmen auf der Grundlage von Art. 94 (und Art. 308) unter Verweis darauf, dass die betreffenden Richtlinien im Rahmen von Programmen zur Beseitigung technischer Handelshemmnisse und zum Umweltschutz ergangen waren. 74 Jenseits von Harmonisierungsmaßnahmen, insbesondere für eine vorbeugende und vorsorgende Umweltpolitik, bot die allgemeine Harmonisierungskompetenz allerdings keine Grundlage,75 eine Zuständigkeit der Gemeinschaft zur Durchführung einer umfassenden Umweltpolitik auf der Basis des Art. 94 mit oder ohne die Ergänzungskompetenz des Art. 308 (die regelmäßig kumulativ herangezogen wurde) wurde allgemein abgelehnt. 76 Art. 94 ermöglichte in diesem Sinne lediglich einen "mittelbaren" Umweltschutz.
2. Maßnahmen zur Rechtsangleichung nach Art. 95 EG
a) Regelungsgehalt Der durch die EEA neu hinzugekommene Art. 95 sieht ein gegenüber dem alten Art. 100 verändertes Rechtsangleichungsverfahren zur Realisierung des Binnenmarktkonzepts nach Art. 14 (ex-Art.7a) vor. Art. 95 Abs. 1 weist wie Art. 175 eine finale Struktur auf. 77 Die Bestimmung gestattet den Erlass von Rechtsangleichungsvorschriften, die die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes zum Ziel haben, und nimmt so Bezug auf Art. 14 (ex-Art. 7a), der die Elemente dieser Zielsetzung ausfUhrt. Art. 95 erfasst demnach inhalt-
73 Vgl. Henke 4 mit Einzelnachweisen zu Rechtsakten der Gemeinschaft sowie w.N. in Fn. 5; Kahl, Umweltprinzip und Gemeinschaftsrecht, 11; Zuleeg, Manfred, Umweltschutz in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, NJW 1993, 31, 32. So z.B. die Altölrichtlinie 75/439 (Richtlinie 75/439/EWG des Rates vom 16. 6. 1975 über die Altölbeseitigung, ABl. Nr. L 194, 31). 74 EuGH, Urt. v. 18. 3. 1980, Rs. 91179 (Kommission 1 Italien) - Detergentien, Slg. 1980, 1099 Rn. 8; EuGH, Urt. v. 18. 3. 1980, Rs. 92179 (Kommission 1 Italien) - Schwefelgehalt flüssiger Brennstoffe, Slg. 1980, 1115 Rn. 8. 75 Vgl. GrabitzlZacker, Umweltkompetenzen, 298. 76 Vgl. GrabitzlHilJ-GrabitzINettesheim, vor Art. 130r Rn. 3 m.w.N. 77 Vgl. Jarass, Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaft, 12 f.
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lich alles, was Auswirkungen auf den Binnenmarkt hat oder anderweitig mit dessen Funktionieren in Beziehung steht. Seinem Wortlaut nach gibt Art. 95 nur eine Befugnis zur Angleichung, nicht zum Erlass völlig neuer Bestimmungen. Daher stellt sich die Frage, was unter Angleichung zu verstehen ist, d.h. in welchem Maße Regelungen in einzelnen Mitgliedstaaten existieren müssen, damit die Gemeinschaft auf der Grundlage des Art. 95 tätig werden kann. Die Literatur geht allgemein von einem sehr wwieten Spielraum aus. Ausreichen sollen einzelne Vorüberlegungen in den Mitgliedstaaten, die sich noch nicht zu konkreten Normen verfestigt haben. Die Gemeinschaft kann vorgreifend und vorbeugend harmonisieren, ohne den Abschluss mitgliedstaatlicher Normsetzungsprozesse abzuwarten; unzulässig ist nur die rein rechts schöpferische Erfindung einer Regelung. 78 Das Zusammenspiel der inhaltlich weiten ("Binnenmarkt") mit der formal weiten Auslegung (,,Angleichung") fUhrt so zu einer außerordentlich weiten Fassung des Art. 95, der nach seinem Abs. 2 lediglich die Harmonisierung steuerlicher Vorschriften ausklammert. Vorschläge der Kommission fiir Beschlüsse des Rates nach Art. 95 sind gemäß Art. 95 Abs. 3 S. 1 (ex-Art. 100a Abs. 3) an ein hohes Schutzniveau im Umweltschutz gebunden. Um der Bestimmung eigenständige Bedeutung zu geben, muss darin eine über Art. 6 LV.m Art. 174 Abs. 2 S. 1 hinausreichende Anforderung an die Höhe des Schutzniveaus liegen. Dieser Unterschied ist jedoch praktisch nicht bestimmbar. Vor dem Arnsterdamer Vertrag wirkte die Schutzniveauklausel des ex-Art. 95 Abs. 3 S. 1 lediglich mittelbar gestaltend fiir die rechtssetzende Tätigkeit des Rates, indem Änderungen der Rechtsakte des Rates gegenüber Kommissionsvorschlägen nach dem bereits durch den EU aufgehobenen Art. 149 Abs. 1 eines einstimmigen Ratsbeschlusses bedurften. Nach Art. 95 Abs. 3 S. 2 i.d.F. des Arnsterdamer Vertrages gilt die Festlegung auf ein hohes Schutzniveau nun auch unmittelbar fiir Rat und EP, wenn auch in abgeschwächter Form ("streben ( ... ) an").
b) Sichtbarmachung der inneren Grenzen der Kompetenz
In seinem Urteil Tabakwerbeverbot vom 5. 10.2000 hat es der EuGH unternommen, die Grenzen der Kompetenz zur binnenmarktbezogenen Rechtsan-
78 V gJ. GroebeniThiesingIEhlermann-BardenheweriPipkorn, Art. 100a, Rn. 43 m.w.N.
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gleichung zu definieren. Das Gericht erklärte hier die Tabakwerberichtlinie 98/43 79 für nichtig. 80 Die auf der Grundlage von Art. 95 sowie Art. 47 Abs. 2 (ex-Art. 57 Abs. 2) und Art. 55 (ex-Art. 66) ergangene Richtlinie verpflichtete die Mitgliedstaaten zu einem umfassenden Verbot von Werbung und Sponsoring fiir Tabakprodukte.81 Die Beklagtenseite meinte, Regelungen auf der Grundlage von Art. 100a müssten nicht notwendig der Liberalisierung des Handels dienen, vielmehr könnten solche Regelungen auch der bloßen Marktregulierung dienen.82 Eine solche Maßnahme müsse keine Ausweitung des grenzüberschreitenden Handels bewirken, die Beseitigung von Ungleichheiten der Wettbewerbsbedingungen in den Mitgliedstaaten genüge. Dem hielt das Gericht entgegen, dass damit den Rechtssetzungsbefugnissen der Gemeinschaftsorgane keine Grenzen mehr gezogen seien, jedenfalls nicht in gerichtlich kontrollierbarer Weise, was mit dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung nach Art. 5 nicht vereinbar sei. 83 Art. 95 i.V.m. den Vorschriften über den Binnenmarkt in Art. 3 Abs. 1 (ex-Art. 3 lit. C) und Art. 14 sei zu entnehmen, dass die Gemeinschaft auf dieser Grundlage nur Regelungen setzen dürfe, die den Binnenmarkt fördern (nicht: beeinträchtigen) und tatsächlich den Zweck haben, die Voraussetzungen für die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes zu verbessern. 84 Soweit Wettbewerbsverzerrungen beseitigt werden sollten, setze dies voraus, dass spürbare Wettbewerbsverzerrungen vorlägen, da eine potenzielle Auswirkung unterschiedlicher nationaler Regelungen auf die Wettbewerbsbedingungen so gut wie nie ausgeschlossen werden könne.8s Seien solche Hindernisse für den Binnenmarkt zu erwarten, so könne der Gemeinschaftsgesetzgeber bereits vorbeugend tätig werden. 86 Auf dem Tabakwerbemarkt seien Hemmnisse fiir die Ausübung der Grundfreiheiten aufgrund unterschiedlicher nationaler Regelungen zwar zu erwarten, die 79 Richtlinie 98/43/EG des EP und des Rates vom 6. 7. 1998 zur Angleichung der Rechts- und VerwaItungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Werbung und Sponsoring zugunsten von Tabakerzeugnissen, ABI. Nr. L 213,9. 80 EuGH, Urt. v. 5. 10. 2000, Rs. 376/98 (Deutschland / Parlament und Rat) - Tabakwerbeverbot, Slg. 2000, 1-8419, BB 2000, 2116, ZIP 2000, 1848. Zum gleichen Ergebnis der Schlussanträge von Generalanwalt Fennel/y zustimmend Bertrand Wägenbaur, Binnenmarkt und Gesundheitsschutz - eine schwierige Kohabitation, EuZW 2000,549,550. 81 Vgl. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 98/43 : "Unbeschadet der Richtlinie 891552/EWG ist jede Form der Werbung und des Sponsoring in der Gemeinschaft verboten." 82 Vgl. EuGH, Urt. v. 5. 10. 2000, Rs. 376/98 (Deutschland 1 Parlament und Rat)Tabakwerbeverbot, Slg. 2000,1-8419, Rn. 45 fI. 83 Ebd., Rn. 83 f., 107. 84 Ebd., Rn. 83 f. ; Wägenbaur, Binnenmarkt und Gesundheitsschutz, 549. 8S Ebd., Rn. 106f. 86 Ebd., Rn. 86.
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Richtlinie enthalte jedoch nur Verbote, die in keiner Weise zur Förderung oder Absicherung des Handels betrügen. 87 Die Marktsituation lasse allenfalls in Teilbereichen spürbare Wettbewerbsverzerrungen erkennen. Diese rechtfertig ten kein allgemeines Werbe- und Sponsoringverbot. 88 Damit macht der EuGH deutlich, dass die Rechtsangleichungskompetenz nicht als Generalklausel im Wirtschaftsrecht dienen kann. Eine Regelung nach Art. 95 muss einen nachvollziehbaren Bezug zum grenzüberschreitenden Handel zwischen den Mitgliedstaaten aufweisen. Der EG fordert über diese einfache Zweckbindung hinaus eine qualifizierte Zweckbindung, indem eine Förderung bzw. Verbesserung des Handels zu erreichen ist. Diese Grundsätze gelten auch für andere Ermächtigungen zur Verbesserung des Binnenmarktes 89 und dürften auch für Art. 94 Anwendung fmden. Damit ist der Gemeinschaftsgesetzgeber für Maßnahmen, die sich zwar auf den Handel im Binnenmarkt auswirken, diesen aber in Zielsetzung und Ergebnis eher hemmen als fordern, auf spezielle Kompetenzen in anderen Politikbereich verwiesen.
3. Beseitigung von Wettbewerbsverzerrungen, Art. 96 EG Art. 96 (ex-Art. 101) als Spezialfall zu Art. 94 bzw. Art. 95 ermächtigt zur Angleichung von Rechtsvorschriften, die das Funktionieren des gemeinsamen Marktes durch Wettbewerbsverzerrungen zerstören. Da die Begriffe "Verzerrung" und "zu beseitigen" erhebliche Auslegungsschwierigkeiten bereiten,90 hat Art. 96 als Kompetenzgrundlage kaum praktische Bedeutung gewonnen.
IV. Weitere Gemeinschaftskompetenzen 1. Befugnisnormen in spezifischen Politikbereichen Umweltpolitische Maßnahmen sind in vielen Politikbereichen der EG denkbar. Diese Politikbereiche verfUgen über eigenständige Befugnisnormen, die als leges speciales dem Art. 95 vorgehen.9 \ Auf diese wirken über Art. 6 die Ebd., Rn. 96 fI. Ebd., Rn. 106 fI. 89 Ebd., Rn. 87 unter Verweis auf Art. 57 Abs. 2 Uetzt Art. 47 Abs. 2) und Art. 66 Uetzt Art. 55). 90 Vgl. hierzu Werner Hoppe, Die wirtschaftliche Vertretbarkeit im Umweltschutzrecht: Eine Bestandsaufnahme im Recht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, Köln 1984, 240 fI. 9\ Vgl. Art. 95 Abs. 1 S. 1: "Soweit in diesem Vertrag nichts anderes bestimmt ist ( ...)"; hierzu GroebenIThiesing/Ehlermann-Bardenhewer/Pipkorn, Art. 100a Rn. 47 fI. 17
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Vorgaben des Art. 174 ein, so dass daraus Befugnisnormen fiir die Umweltpolitik im jeweiligen Politikbereich werden. Im Einzelnen kommen umweltbezogene Maßnahmen insbesondere auf der Basis des Art. 37 (ex-Art. 43) fiir den Bereich der Agrarpolitik (Landwirtschaft und Fischerei), des Art. 71 (ex-Art. 75) fiir die allgemeine Verkehrspolitik oder des Art. 80 Abs.2 (ex-Art. 84) fiir Luft- und Seeverkehr, aber auch des Art. 133 (ex-Art. 113) fiir die Gemeinsame Handelspolitik gegenüber nichtEU-Staaten in Betracht. Auch Maßnahmen aus dem Bereich Wettbewerbspolitik nach Art. 81 ff. (ex-Art. 85 ff.) können unmittelbar umweltrechtliche Bedeutung haben, z.B. die Genehmigung von Untemehmensabsprachen über gemeinsames Recyc1ing 92 oder von umweltbezogenen Beihilfen. 93
2. Ausnahmekompetenz zur vertragsergänzenden Regelung, Art. 308 EG In Art. 308 sieht der EG eine Auffang-, Ausnahme- oder Ergänzungskompetenz vor, um der Gemeinschaft ein Tätigwerden zur Verwirklichung ihrer Ziele zu ermöglichen, wenn dies "erforderlich erscheint", die hierfiir erforderliche Kompetenz aber nicht im EG vorgesehen ist. Die Rechtssetzungsorgane der Gemeinschaft und der Gerichtshof haben Art. 308 traditionell weit im Sinne von implied powers ausgelegt. 9;4 Dies gab der Gemeinschaft vor Inkrafttreten der EEA die Möglichkeit, Art. 308 als Befugnisnorm fiir umweltrechtliche Regelungen, die mangels Bezug zum Gemeinsamen Markt nicht allein auf Art. 94 gestützt werden konnten, zu nutzen; die Kombination mit Art. 94 erlaubte eine weitgehende Abdeckung des gesamten umweltschutzrelevanten Bereiches. 95 Teilweise wurde Art. 308 mit einer speziellen Kompetenz aus einem einzelnen Politikbereich kombiniert, so z.B. bei den ursprünglichen Verordnungen zum Schutz des Waldes 3528/86 und 3529/86. 96 Der EuGH hat eine solche Kombination nur dann abgelehnt, wenn 92 Vgl. lngolf Pemice, Rechtlicher Rahmen der europäischen Unternehmenskooperation im Umweltbereich unter besonderer Berücksichtigung von Art. 85 EWGV, EuZW 1992, 139. 93 V gl. Reinhard Quick, Der Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihilfen: Ein Wettbewerbspolitischer Sündenfall, EuZW 1994,620. Denkbar ist die Verfolgung umwe1tpolitischer Zielsetzungen neben bereichsspezifischen Zielen auch in den Bereichen Arbeitsumwelt, Art. 138 (ex-Art. 118a) und Forschung und technologische Entwicklung, Art. 163 fI. (ex-Art. BOf ff.). Vgl. Astrid Epiney, Umweltrecht in der Europäischen Union, Köln U.a. 1997,62. 94 Vgl. Bermann 361 f. 95 V gl. oben I11.l. 96 Verordnung 86135281EWG, ABI. Nr. L 51,9; Verordnung 86/3529IEWG, ABI. Nr. L 326, 5.
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der Rechtsakte ausschließlich auf der Grundlage einer Sachkompetenz erlassen werden konnte, und ein Rückgriff auf den subsidiären Art. 308 daher unzuläs. 97 Slg war. In neueren Entscheidungen deutet der EuGH eine restriktivere Haltung an, wonach Art. 308 "keine Grundlage dafür bieten [kann], den Bereich der Gemeinschaftsbefugnisse über den allgemeinen Rahmen hinaus auszudehnen, der sich aus der Gesamtheit der Vertragsbestimmungen und insbesondere derjenigen ergibt, die die Aufgaben und Tätigkeiten der Gemeinschaft festlegen.,,98 Nachdem die meisten Bereiche, die früher durch Art. 308 abgedeckt werden mussten, von speziellen Kompetenzen erfasst sind, nimmt der EuGH damit vor allem eine genauere Abgrenzung der einzelnen Kompetenzbereiche vor. Bei einer weiten Auslegung des Art. 175, die alle Maßnahmen erfasst, welche nicht offensichtlich und unter keinem Gesichtspunkt Auswirkungen auf die Umwelt haben können,99 ist der Sachbereich Umwelt restlos abgedeckt, so dass praktisch keine durch Art. 308 zu rollenden Regelungslücken mehr auftreten können. lOO
V. Abgrenzung zwischen dem Anwendungsbereich des Art. 175 EG und anderen Kompetenzen 1. Problemstellung
Unterschiede zwischen verschiedenen Kompetenzen betreffen die Beschlussfassung, insbesondere die im Rat hierfiir erforderliche Mehrheit, und die Art der Beteiligung des EP und der Ausschüsse, die Voraussetzungen, unter denen ein Mitgliedstaat von der gemeinschaftsweiten Regelung abweichen 97 EuGH, Urt. v. 26. 3. 1987, Rs. 45/86 (Kommission / Rat), Slg. 1987, 1493, Rn. 13 ff. Darin lehnte der EuGH einen Rückgriff auf Art. 308 ab, da der daneben herangezogene Art. 133 (ex-Art. 113) bereits eine hinreichende Rechtsgrundlage bot, zweifelt die Zulässigkeit einer Abstützung auf Art. 308 neben einer Sachkompetenz aber nicht grundsätzlich an: "Es ist deshalb zu prüfen, ob der Rat im vorliegenden Fall (... ) bereits allein aufgrund von Artikel 113 EWG-Vertrag zum Erlass der angefochtenen Verordnungen befugt war." (Ebd., Rn. 14, Hervorhebung hinzugefügt). 98 EuGH, Gutachten v. 28. 3. 1996, Gutachten 2/94 (Beitritt der Gemeinschaft zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten) Sig. 1996, 1-1759, Rn. 30; vgl. auch EuGH, Gutachten v. 15. 11. 1994, Gutachten 1/94 (Zuständigkeit der Gemeinschaft für den Abschluss völkerrechtlicher Abkommen auf dem Gebiet der Dienstleistungen und des Schutzes geistigen Eigentums) Sig. 1994,1-5267, Rn. 89. 99 So Schröer, Kompetenzverteilung, 47. 100 Kahl, Umwe1tprinzip und Gemeinschaftsrecht, 14.
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kann, nach der neueren Rechtsprechung des EuGH auch den Spielraum der Mitgliedstaaten bei der Umsetzung und Anwendung des Gemeinschaftsrechts. Die Wahl der zutreffenden Rechtsgrundlage einer sekundärrechtlichen Umweltschutzbestimmung der Gemeinschaft konnte daher auf den verschiedenen Stufen der Entwicklung der Gemeinschaft weitreichende Konsequenzen haben. Von zentraler Bedeutung war bis zum Amsterdamer Vertrag der Unterschied zwischen dem Beschlussverfahren bei umweltbezogenen und binnenmarktbezogenen Rechtsakten. Nach der EEA waren Beschlüsse nach ex-Art. 130s im Rat einstimmig nach bloßer Anhörung des EP zu fassen. Beschlüsse zur Herstellung des Binnenmarktes nach ex-Art. 100a waren hingegen im Verfahren der Zusammenarbeit nach Art. 252 (ex-Art. 189c, damals Art. 149 Abs. 2) zu treffen. Die Schutzklausei des Art. 176 (ex-Art. BOt) fiir umweltspezifische Maßnahmen stellte allerdings geringere verfahrensmäßige Anforderungen an mitgliedstaatliche verstärkte Schutzmaßnahmen als Art. 95 Abs. 4 und 10 (exArt. 100a Abs. 4 und 5) rur binnenmarktbezogene Maßnahmen. Der Vertrag von Maastricht ftihrte fiir binnenmarktbezogene Rechtsakte das Mitentscheidungsverfahren des damals neuen Art. 251 (ex-Art.189b), fiir umweltbezogene Beschlüsse nach Art. 175 das Verfahren der Zusammenarbeit ein. Das im Binnenmarktbereich eingefiihrte Verfahren der Mitentscheidung eröffnete dem Parlament erstmals die Möglichkeit, auch gegen einen einstimmigen Ratswillen einen Vorschlag endgültig zu Fall zu bringen. Art. 175 Abs. 2 nahm einige Sachbereiche aus, fiir die weiterhin das Einstimmigkeitserfordemis gilt. Für steuerliche Vorschriften blieb es auch im Binnenmarktbereich beim Einstimmigkeitserfordernis, Art. 95 Abs. 2 i.V.m. Art. 94. Bei den mitgliedstaatlichen Schutzklauseln fand eine verfahrensmäßige Annäherung statt. Der Amsterdamer Vertrag glich die beiden Kompetenzen schließlich durch Einführung des Verfahrens der Mitentscheidung auch für Art. 175 Abs. I aneinander an. 101 Die Unterschiede betreffen danach nur noch "Maßnahmen im Bereich der Raumordnung, der Bodennutzung - mit Ausnahme der Abfallbewirtschaftung und allgemeiner Maßnahmen - sowie der Bewirtschaftung der Wasserressourcen" sowie "Maßnahmen, welche die Wahl eines Mitgliedstaates zwischen verschiedenen Energiequellen und die allgemeine Struktur seiner Energieversorgung erheblich berühren", die nach Art. 175 Abs. 2 S. 1 2 . und 3. Spstr. weiterhin Einstimmigkeit erfordern. 102
101 Anders als nach Art. 95 ist nach Art. 175 lediglich zusätzlich der Ausschuss der Regionen anzuhören. 102 Abgeschwächt wird dieser Unterschied zur Binnenmarktkompetenz des Art. 95 allerdings durch Möglichkeit, einzelne Bereiche hieraus durch Ratsbeschluss im Grundverfahren nach Art. 175 Abs. 1 einer qualifizierten Mehrheitsentscheidung zu unterstel-
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In der Praxis wurden Rechtsakte, die den Umweltschutz betrafen, bisher ganz überwiegend auf Art. 175 gestützt. Am deutlichsten äußerte sich dies darin, dass der Rat bei Rechtsakten, die überhaupt einen Bezug zur Umwelt aufwiesen, regelmäßig die im Kornrnissionsvorschlag herangezogene Rechtsgrundlage des Art. 95 auf Art. 175 im späteren Rechtsakt änderte. 103 Dies führte zu Konflikten zwischen dem Rat auf der einen und Kommission und EP auf der anderen Seite, die dem EuGH Gelegenheit zur Entwicklung seiner Rechtsprechung zur Abgrenzung der Rechtsgrundlagen gaben. 104
2. Lösungsansätze in der Literatur Ein Rechtsakt könnte nach Ansicht der Literatur bei Berührung mehrerer Sachbereiche durch einen unteilbaren Rechtsakt auf mehrere Kompetenzen gestützt werden,105 bei differierenden Verfahrensregelungen sollten die strengeren Vorschriften zur Anwendung kommen. I06 Letzteres ist jedoch allenfalls
len. Bei den in Art. 175 Abs.2 S. 1 erster Spiegelstrich genannten Vorschriften überwiegend steuerlicher Art tritt kein Unterschied auf, da diese Vorschriften nach Art. 95 Abs. 2 i.V.m Art. 94 auch im Binnenmarktbereich nur einstinunig ergehen können. 103 Vg1. Laurens Jan Brinkhorst, Subsidiarity and European Community Environment Policy- A Panacea or a Pandora's Box?, EELR 1993,8, 19. 104 Vg1. das unten besprochenen Urteil EuGH, Urt. v. 11. 6. 1991, Rs. C-300/89, (Kommission I Rat) - Titandioxid, Slg. 1991, 2867; EuGH, Urt. v. 4. 10. 1991, Rs. C70/88 (parlament I Rat) - Tschernobyl, Slg. 1991,1-4529; EuGH, Urt. v. 17. 3. 1993, Rs. C-155191 (Kommission I Rat) - Abfallrahmenrichtlinie, Slg. 1993, 1-939; EuGH, Urt. v. 28. 6. 1994, Rs. C-187/93 (parlament I Rat) - Abfallverbringungsverordnung, Slg. 1994,1-2857; EuGH, Urt. v. 25. 2. 1999, verb. Rs. C-194/97 und C-165197 (Parlament! Rat), Slg. 1999,1-1139. lOS So Ulrich Everling, Abgrenzung der Rechtsangleichung zur Verwirklichung des Binnenmarktes nach Art.lOOa EWGV durch den Gerichtshof, EuR 1991, 179, 181; Ulrike Klocke, Klimaschutz durch ökonomische Instrumente: Finanzverfassungsrechtliche, europarechtliche und ökonomische Aspekte einer C02-Abgabe, Baden-Baden 1995, 133; zur Kritik an dieser Auffassung vg1. Schröer, Mehr Demokratie, 358 ff.; ders., Abgrenzung der Gemeinschaftskompetenzen zum Schutz der Gesundheit vor radioaktiver Strahlung, Anm. zum Urteil des EuGH vom 4. 10. 1991 in der Rechtssache C-70/88, EuZW 1992, 207, 209; Astrid Epiney, Gemeinschaftsrechtlicher Umweltschutz und Verwirklichung des Binnenmarktes - ,,Harmonisierung" auch der Rechtsgrundlagen? Zur Entscheidung des EuGH in der Rs C-300/89, JZ 1992, 578 - Titandioxid, JZ 1992,564,568 f.; Andreas Middeke, Der Kompetenzkonflikt umweltrelevanter Gemeinschaftsakte im Binnenmarkt, DVB1. 1993, 769, 770 f. mw.N.; Ulrike Voß/Gregor Wenner, Der EuGH und die gemeinschaftsrechtliche Kompetenzordnung Kontinuität oder Neuorientierung?, NVwZ 1994,332,334. 106 Unklar ist allerdings, nach welchen Maßstäben das "strengere" Verfahren zu bestimmen ist. Vg1. Everling, Abgrenzung der Rechtsangleichung, 181; Schröer, Kompetenzverteilung, 148; Heselhaus 1190 f. m.w.N., der danach differenziert, ob sich in einer Maßnahme mehrere Kompetenzbereiche überlappen oder nicht.
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bei einem reinen Stufenverhältnis der Verfahren der verschiedenen Kompetenzbestimmungen möglich. Die Kombination von Einstimmigkeitserfordernis und Verfahren der Zusammenarbeit oder Mitentscheidungsverfahren würde zu widersprüchlichen Anforderungen führen und Beteiligungsrechte des EP aushebeln. 107 Ein solches Verfahren sieht der EG-Vertrag gerade nicht vor .108 Die Kompetenzen könnten auch derart in einem Spezialitätsverhältnis zueinander stehen, dass die Umweltkompetenz entweder als spezielle Vorschrift Vorrang bei allen Maßnahmen mit Umweltbezug genießt l09 oder lediglich subsidiär zur Anwendung kommt - subsidiär gegenüber der Binnenmarktkompetenz oder gegenüber allen übrigen Kompetenzbestimmungen des EG. IIO Für eine generelle Subsidiarität des Art. 175 lässt sich die umweltrechtliche Querschnittsklausel anführen, für eine Subsidiarität gegenüber Art. 95 die Schutzniveaubestimmung des Art. 95 Abs. 3 und Art. 175 Abs. 2, nach dem die dort aufgeführten Maßnahmen "unbeschadet des Artikels 95" eines einstimmigen Ratsbeschlusses bedürfen. lll Es ist allerdings zweifelhaft, ob die Zurückdrängung der Umweltkompetenz als subsidiäre Vorschrift auf den engen Bereich ausschließlich umweltbezogener Maßnahmen ll2 der Bedeutung des selbständigen Titels Umwelt im EG gerecht wird. 113
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317.
Siegfried Breier, Das Schicksal der Titandioxid-Richtlinie, EuZW 1993, 315,
108 Vgl. Epiney, Umweltschutz und Verwirklichung des Binnenmarktes, 569; Middeke, Kompetenzkonflikt, 771; VoßlWenner 334. 109 Vgl. z.B. Dirk Vandermeersch, The Single European Act and the Environmental Policy ofthe European Community, ELR 1987, 406, 419. 110 So Scheuing, Umweltschutz auf der Grundlage der EEA, 185 f.; GroebenIThiesingIEhlermann-BardenheweriPipkorn, Art. 100a Rn. 51; Hailbronner 104; GrabitzlZacker, Umweltkompetenzen, 301 f.; Vorwerk 93 f.; Krämer, Ludwig, Einheitliche Europäische Akte und Umweltschutz: Überlegungen zu einigen neuen Bestimmungen im Gemeinschaftsrecht, in: Rengeling, Hans-Wemer (Hrsg.), Europäisches Umweltrecht und europäische Umweltpolitik, Köln 1988, 137 ff.; GrabitziHilfLangeheine, Art. 100a Rn. 94; GroebeniThiesinglEhlermann-Korteivan Rijn, Art. 43 Rn. 3 (beispielhaft zum Verhältnis des Art. 175 zu Art. 37). 111 V gl. GroebenlThiesingIEhlermann-BardenhewerIPipkorn, Art. 100a Rn. 51. 112 Der Anwendungsbereich des Art. 175 wäre auf die Bereiche der Umweltaktionsprogramme, des Natur- und Artenschutzes und der Umweltinformation begrenzt. Bereits diese Aufzählung ist eher großzügig bemessen. Vgl. VoßIWenner 334, sowie Middeke, Kompetenzkonflikt, 773 und Fn. 37-39 m.w.N. 113 Vgl. Epiney, Umweltschutz und Verwirklichung des Binnenmarktes, 567 f.; Everling, EuR 1991, 179, 181. VoßlWenner 334 meinen, der Umweltkompetenz müsse "ungeachtet der grundsätzlich bestehenden Subsidiarität zur Binnemarktkompetenz ( ... ) ein eigener, substantieller Anwendungsbereich zukommen", ebenso Rüdiger Breuer, Entwicklungen des europäischen Umweltrechts - Ziele, Wege und Irrwege, Erweiterte Fassung eines Vortrages, gehalten vor der Juristischen Gesellschaft zu Berlin am 27. I. 1993, Berlin 1993, 21 f.
248
Teil 2: Handlungsspielräwne der Gemeinschaftsebene in der EG
Das Verhältnis zwischen Art. 95 und Kompetenznormen aus speziellenPolitikbereichen kann ebenfalls zugunsten einer Subsidiarität des Art. 95 114 oder seiner Spezialität llS gelöst werden. Für erstere Auffassung spricht, dass die harmonisierende Zielsetzung der Binnenmarktkompetenz in die spezifische Kompetenz eines Politikbereiches einzubeziehen wäre. I 16 Eine Zwischenlösung erkennt je nach konkreter Fallgestaltung der einen oder anderen Kompetenz den Vorrang zu. 1I7 Eine sachgerechte Abgrenzung sollte Rechtssicherheit bieten und sich daher an objektiven und nachvollziehbaren Erwägungen orientieren. 118 Die wohl herrschende Auffassung in der Literatur stellt zur Ermittlung des Vorrangs auf den Schwerpunkt der Maßnahme ab. 1I9 Die Bestimmung des Schwerpunktes soll sich dabei z.B. nach der Zielsetzung einer Maßnahme oder ihren Auswirkungen richten.12o Eine andere Ansicht will die zutreffende Rechtsgrundlage nach dem Grundsatz des bestmöglichen Umweltschutzes bestimmen. 121
3. Die Position des EuGH a) Allgemein: Doppelabstützung bei Doppelcharakter
Für den EuGH ist zunächst der Grundsatz festzuhalten, dass sich die Wahl der Rechtsgrundlage durch die Gesetzgebungsorgane der Gemeinschaft auf Vgl. GroebeniThiesingIEhlermann-BardenhewerIPipkorn, Art. 100a Rn. 48. EpineylFurrer 379 Fn. 74. 1\6 So GroebeniThiesingIEhlermann-BardenheweriPipkorn, Art. 100a Rn. 48. 117 Vgl. z.B. Vorwerk 90 tT. sowie Schröer, Kompetenzverteilung, 125 tT. Vgl. die umfangreichen Nachweise fur verschiedene Kriterien fiir einen Vorrang bei Epiney, Umweltrecht in der EU, 71 tT. I\g Vgl. VoßIWenner 334 m.w.N.; außerdem Middeke, Kompetenzkonflikt, 776, der daher Bedenken gegen eine Orientierung an Ziel oder Auswirkungen hat. 1\9 Vgl. GroebeniThiesingIEhlermann-Krämer, Vorbem. vor Art. 130r-t Rn. 84; Calliess, Anmerkung zu EuGH, Urt. v. 25.2. 1999, verb. Rs. C-164/97 und C-165197 (parlamentIRat), ZUR 1999,224,225 und Fn. 17 m.w.N. 120 Vgl. Hans-Joachim Glaesner, Umwelt als Gegenstand einer Gemeinschaftspolitik, in: Hans-Werner Rengeling (Rrsg.), Europäisches Umweltrecht und europäische Umweltpolitik, 1, 10 - Orientierung an Ziel der Maßnahme; ebenso Scheuing, Umweltrecht auf der Grundlage der EEA, 152, 177; GrabitziZacker, Umweltkompetenzen, 300; ähnlich Vorwerk 92 f. - Zielrichtung und objektive Sachnähe; ebenso Krämer, EEA und Umweltschutz, 159 - Orientierung an objektive Sachnähe, bzw. GroebenIThiesingl Ehlermann-Krämer, Vorbem. vor Art. 130r-t Rn. 84 - Ziel und objektiver Regelungsinhalt; Middeke, Kompetenzkonflikt, 776 - objektive Sachnähe; anders Epiney, Umweltschutz und Verwirklichung des Binnenmarktes, 568 - objektive Wirkung der Maßnahme. 121 Vgl. Kahl, Umweltprinzip und Gemeinschaftsrecht, 283 tT.; Schröer, Kompetenzverteilung, 133 f. 114
115
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objektive, gerichtlich nachprüfbare Umstände stützen muss. 122 Eine ständige Ratspraxis zählt nicht hierzu. 123 Für das Verhältnis mehrerer spezifischer Kompetenzbestimmungen aus den einzelnen Politikbereichen gilt allgemein, dass ein Rechtsakt, der in den Sachbereich zweier/mehrerer Kompetenzbestimmungen fällt, auf beide/alle betroffenen Bestimmungen zu stützen ist. 124 Etwas anderes gilt fiir Kompetenzen, bei deren Ausübung Maßstäbe aus anderen Bereichen aufgrund besonderer Klauseln bereits Berücksichtigung finden müssen oder denen eine besondere Klausel den Vorrang einräumt. So hat der EuGH in systematischer Auslegung der Kompetenzbestimmung des Art. 37 im Agrarbereich in Verbindung mit den einschlägigen Zielvorgaben der Art. 33, 34 und 36 (ex-Art. 39, 40 und 42) festgestellt, dass die Erfordernisse der Harmonisierung im Sinne von Art. 94 bereits im Rahmen von Art. 37 zu berücksichtigen waren, so dass eine Heranziehung von Art. 94 neben Art. 37 nicht erforderlich war. 125 Von größerer Bedeutung als diese BegrürIdung ist fiir den EuGH jedoch offenbar die daneben gegebene Begründung, dass Art. 32 Abs.2 (ex-Art. 28 Abs.2) den Vorrang der Agrarkompetenz vor den Bestimmungen über die Rechtsangleichung herstellt. 126 Die erstere BegrürIdung ließe sich - wie bereits oben erwähnt - spätestens seit Einfiihrung des Art. 6, der die Zielvorgaben des Art. 174 in andere Kompetenzbereiche "hineinzieht", zur Begründung eines Verzichts auf eine Doppel122 EuGH, Urt. v. 26. 3. 1987, Rs. 45/86 (Kommission / Rat), Sig. 1987, 1493, Rn. 11; EuGH, Urt. v. 23. 2. 1988, Rs. 68/86 (Vereinigtes Königreich / Rat), Slg. 1988,855, Rn. 24; EuGH, Urt. v. 11. 6. 1991, Rs. C-300/89 (Kommission / Rat) - Titandioxid, Sig. 1991,1-2867, Rn. 10. 123 EuGH, Urt. v. 23. 2. 1988, Rs. 68/86 (Vereinigtes Königreich / Rat), Slg. 1988, 855, Rn. 23 f. 124 EuGH, Urt. v. 27. 9. 1988, Rs. 165/87 (Kommission / Rat), Slg. 1988,5545, Rn. 11: .,Es ist hinzuzufugen, dass, wenn die Zuständigkeit eines Organs auf mehreren Vertragsbstimmungen beruht, das Organ verpflichtet ist, die entsprechenden Rechtsakte auf der Grundlage dieser Bestimmungen zu erlassen." 12S EuGH, Urt. v. 23. 2. 1988, Rs. 68/86 (Vereinigtes Königreich / Rat), Sig. 1988, 855, Rn. 8-22; EuGH Urt. v. 23. 2. 1988, Rs. 131/86 (Vereinigtes Königreich / Rat), Sig. 1988,905, Rn. 13-27. 126 Art. 32 Abs. 2 bestimmt: .,Die Vorschriften fur die Errichtung des Gemeinsamen Marktes finden auf die landwirtschaftlichen Erzeugnisse Anwendung, soweit in den Artikeln 33 bis 38 nicht etwas anderes bestimmt ist." Diese Begründung [mdet sich bereits früher. Vor allem in späteren Entscheidungen wird ausschließlich darauf zurückgegriffen. Vgl. EuGH, Urt. v. 29. 11. 1978, Rs. 83/78 (pigs Marketing Bord / Redmond), Sig. 1978,2347, Ls. 2 und Rn. 55 ff.; EuGH, Urt. v. 26. 6. 1979, Rs. 177/78 (Pigs and Bacon Commission / McCarren), Sig. 1979,2161, Rn. 9 ff.; EuGH, Urt. v. 23. 2. 1988, Rs. 68/86 (Vereinigtes Königreich / Rat), Sig. 1988, 855, Rn. 15; EuGH, Urt. v. 23. 2. 1988, Rs. 131/86 (Vereinigtes Königreich / Rat), Sig. 1988, 905, Rn. 20; EuGH, Urt. v. 16. 11. 1989, Rs. C-l1/88 (Kommission / Rat), Sig. 1989,3799, Ls. 2.
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Teil 2: Handlungsspielräume der Gemeinschaftsebene in der EG
abstützung mit Art. 175 neben speziellen Kompetenzen heranziehen. Allerdings geschieht die Einbeziehung hier auf einem völlig anderen Weg: Die Ziele der Rechtsharmonisierung nach Art. 94 sind bereits untrennbarer Teil der besonderen Ziele der Gemeinschaft im Agrarbereich, während die Ziele des Umweltschutzes erst durch eine besondere Klausel "von außen" in andere Kompetenzbereiche eingreifen. 127 Die zweite Begründung lässt sich hingegen nicht auf das Verhältnis des Art. 175 zu anderen Kompetenzen übertragen, da weder Art. 175 selbst noch Kompetenzbestimmungen in anderen einzelnen Politikbereichen auf einander bezogene Vor- oder Nachrangklauseln enthalten. Der EuGH hat bei der Frage der Abgrenzung zwischen den Anwendungsbereichen des Art. 175 und anderer Kompetenzen diese Begründungen bisher nicht herangezogen. b) Subsidiarität der Umweltkompetenz gegenüber der Binnenmarktkompetenz: Titandioxid
In seiner Titandioxid-Entscheidung hatte der EuGH darüber zu befinden, ob die zutreffende Rechtsgrundlage fiir die Richtlinie über die Abfälle der Titandioxid-Industrie l28 die vom Rat gewählte Rechtsgrundlage ex-Art. 130s war oder ob vielmehr ex-Art. 100a heranzuziehen gewesen wäre. \29 Die Richtlinie diente nach ihrem Ziel und Inhalt gleichermaßen Umweltschutz- und Binnenmarktzwecken 130 und wäre daher grundsätzlich auf beide Rechtsgrundlagen zu stützen gewesen. i3l Da Rechtsakte nach ex-Art. 100a nach dem Verfahren der Zusammenarbeit ergingen, während fiir Rechtsakte nach ex-Art. 130s eine einstimmige Beschlussfassung im Rat nach Anhörung des EP genügte, kam eine Doppelabstützung jedoch nicht in Frage,l32 so dass eine Entscheidung zwischen beiden Kompetenzen zu treffen war. Der EuGH fUhrt aus, dass die Belange des Umweltschutzes durch die Verpflichtung der Kommissionsvorschläge auf ein hohes Schutzniveau im Umweltschutz nach ex-Art. 100a Abs. 3 \27 VgI. Heselhaus 1192 m.w.N.; Epiney, Umweltrecht in der EU, 68 ff.; a.A. Midde/ce, Kompetenzkonflikt, 770. \28 Richtlinie 89/4281EWG des Rates vom 21. 6. 1989 über die Modalitäten zur Vereinheitlichung der Programme zur Verringerung und späteren Unterbindung der Verschmutzung durch Abflille der Titandioxid-Industrie, ABI. L 201,56. 129 EuGH, Urt. v. 11. 6. 1991, Rs.C-300/89, (Kommission / Rat) - Titandioxid, Slg. 1991,2867. 130 EuGH, Urt. v. 11. 6. 1991, Rs. C-300/89 (Kommission / Rat) - Titandioxid, Slg. 1991,2867, Rn. 11 f. \3\ Ebd., Rn. 17. m "In diesem Fall würde durch einen Rückgriff auf mehrere Rechtsgrundlagen das Verfahren der Zusammenarbeit ausgehöhlt." Ebd., Rn. 18.
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(nun Art. 95 Abs.3) auch im Binnenmarktbereich hinreichende Beachtung fänden. Daher seien Rechtsakte mit Binnenrnarkt- und Umweltschutzcharakter allein auf ex-Art. 100a zu stützen. 133 Indem es sich demnach darauf beruft, dass die Ziele des Titels Umwelt mit Harmonisierungsrichtlinien nach ex-Art. lOOa wirksam verfolgt werden könnten, entscheidet sich das Gericht fiir einen Vorrang der Binnenrnarktkompetenz gegenüber der Umweltkompetenz. Für produkt- und produktionsbezogene Umweltmaßnahmen der Gemeinschaft gilt stets erstere: ,,Der Gerichtshof hat ( ... ) entschieden, dass umweltschutzrechtliche Vorschriften die von ihnen betroffenen Unternehmen belasten können und dass mangels einer Angleichung der einschlägigen nationalen Bestimmungen der Wettbewerb spürbar verfalscht werden könnte. Daraus folgt, dass eine Maßnahme, durch die die nationalen Rechtsvorschriften über die Produktionsbedingungen in einem bestimmten Wirtschaftssektor zur Beseitigung der Wettbewerbsverzerrungen in diesem Sektor angeglichen werden sollen, geeignet ist, zur Verwirklichung des Binnenmarktes beizutragen, und deshalb in den Geltungsbereich des Art. 100a, einer auf die Vollendung des Binnenmarktes speziell zugeschnittenen Bestimmung, fallt.,,134 Eine zweite Begründungslinie des Urteils liegt in den Ausführungen zur besseren Umsetzung demokratischer Grundsätze im Verfahren der Zusammenarbeit, angedeutet in der oben zitierten Stelle, in der das Gericht von der Gefahr der Aushöhlung des Verfahrens der Zusammenarbeit spricht. Die TitandioxidEntscheidung kann auch als verdeckte Entscheidung fiir einen Vorrang des Verfahrens interpretiert werden, in dem das EP stärker beteiligt ist. Die Urteilsbesprechungen zu Titandioxid sehen das Urteil nicht in Widerspruch zu einem wirksamen Umweltschutz in der Gemeinschaft, da dieser keine Frage der Rechtsgrundlage sei. Kritik fand die im Vorrang des qualifizierten Mehrheitsverfahrens der Binnenmarktkompetenz und der Betonung des Rechtsangleichungserfordernisses implizite nicht nur "gemeinschaftsf6rdernde", sondern "zentralisierende" Tendenz des Urteils. 13S Durch die Angleichung des Beschlussverfahrens der Umweltkompetenz an das der Binnenmarktkompetenz im Amsterdamer Vertrag und die Ausweitung des Subsidiaritätsgrundsatzes aus dem Titel Umwelt auf den gesamten Vertrag ist diese Kritik allerdings deutlich geschwächt.
133 Ebd., Rn. 22-25. 134 Ebd., Rn. 23. 135 Vg1. Z.B. Everling, Abgrenzung der Rechtsangleichung 182; ebenso Schröer, Mehr Demokratie, 367.
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c) Unanwendbarkeit der Binnenmarktkompetenz bei nur nebenbei bewirkter Harmonisierung: Tschernobyl und Abfallrichtlinie Im selben Jahr wie Titandioxid hatte der EuGH erneut über das Verhältnis einer umweltbezogenen Kompetenz, des Art. 31 EAGV, zu einer Binnenmarktkompetenz zu entscheiden. 136 Das Gericht wies hier die Klage des EP wegen der vom Rat angewandten Rechtsgrundlage Art. 31 EAGV ab. Es stellte fest, dass sich die streitige Euratom-Verordnung über Höchstwerte an Radioaktivität in Nabrungs- und Futtermitteln 137 nach ihrem Ziel und Inhalt auf den Schutz der Bevölkerung vor radioaktiv kontaminierten Nahrungs- und Futtermitteln bezog und daher zu Recht auf Art. 31 EAGV gestützt war. 138 Eine Rechtsharmonisierung wurde nur nebenbei bewirkt und hatte daher keine Bedeutung fUr die Wahl der Kompetenzgrundlage. Auf den Umstand, dass Beschlüsse nach Art. 31 EAGV das "Demokratiegefalle" des ex-Art. 130s gegenüber ex-Art. 100a teilten, da sie lediglich eine Anhörung des EP vorsahen, ging der EuGH dabei weder hier noch in weiteren Folgeentscheidungen ein. 139 Die Entscheidung kann als Abkehr vom Vorrang der Binnenmarktkompetenz nach Titandioxid hin zur Abgrenzung der herrschenden Lehre nach dem Schwerpunkt der Maßnahme aufgefasst werden. Denn der EuGH stellt klar, dass - anders als Titandioxid vermuten lässt - nicht jede Wettbewerbsbeeinträchtigung zur Anwendung der Binnenmarktkompetenz zwingt. 140 Der EuGH bestätigte diese Tendenz fiir die Abgrenzung zwischen der Umwelt- und der Binnenmarktkompetenz des EG unter Berufung auf die Entschei136 EuGH, Urt. v. 4. 10. 1991, Rs. C-70/88 (parlament 1 Rat) - Tschernobyl, Slg. 1991,1-4529. 137 Verordnung (Euratom) Nr. 3954/87 des Rates vom 22. 12. 1987 zur Festlegung von Höchstwerten an Radioaktivität in Nahrungsmitteln und Futtermitteln im Falle eines nuklearen Unfalls oder einer anderen radiologischen Notstandssituation, ABI. Nr. L371,11. 138 EuGH, Urt. v. 4. 10. 1991, Rs. C-70/88 (parlament 1 Rat) - Tschernobyl, Slg. 1991,1-4529, Rn. 10-12 und 18. 139 "Das (... ) Verbot des 1nverkehrbringens ist ( ...) nur eine Voraussetzung flir die wirksame Anwendung der zulässigen Höchstwerte. Die Verordnung bewirkt somit nur nebenbei eine Harmonisierung der Bedingungen flir den freien Warenverkehr innerhalb der Gemeinschaft, indem sie durch den Erlass einheitlicher Schutzmaßnahmen verhindert, dass der Handel mit radioaktiv kontaminierten Nahrungsmitteln und Futtermitteln durch einseitig einzelstaatliche Maßnahmen geregelt wird." Ebd., Rn. 17. 140 V gl. Lutz Wehrhahn, Die Rechtsprechung des EuGH zum Umweltschutz, in: Rüdiger BreuerlMichael KloepferlPeter MarburgeriMeinhard Schräder, Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts 1992, UTR Bd. 17, Heidelberg 1992, 367, 372; VoßlWenner 336 m.w.N., die zutreffend darauf hinweisen, dass der EuGH diese Entscheidung bequem hätte umgehen können, hätte er sich der überwiegenden Literaturansicht von der Spezialität der Art. 30 ff. EAG gegenüber allen Kompetenzbestimmungen des EG angeschlossen.
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dung Tschernobyl in der Entscheidung über die zutreffende Rechtsgrundlage der Änderungsrichtlinie 91/156 zur Rahmenrichtlinie über Abfalle 75/442 Abfallrahmenrichtlinie 141 und der Entscheidung über die zutreffende Rechtsgrundlage der Abfallverbringungsverordnung 259/93 - Abfallverbringungsverordnung. 142 Auch in der Entscheidung Abfallrahmenrichtlinie stellte der EuGH zunächst fest, dass die Richtlinie nach Ziel und Inhalt einen Bezug zur Umwelt aufweise. 143 Weiter bezwecke die Richtlinie nicht die Verwirklichung des freien Verkehrs von Abfallen in der Gemeinschaft, da sie - im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH - das Prinzip der Entsorgungsautarkie umsetze und den Mitgliedstaaten Einfuhrsperren gestatte. 144 Die Kommission hatte darauf hingewiesen, dass die Richtlinie durch einheitliche Definition des Abfallbegriffs zur Angleichung von Rechtsvorschriften fuhre und zur Harmonisierung von Wettbewerbsbedingungen beitrage, indem sie Produktionskostenvorteile durch weniger strenge Abfallbeseitigungsvorschriften beseitige. 145 Das Gericht räumte ein, "dass einige Bestimmungen der Richtlinie ( ...) Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarktes haben."
Das Betroffensein der Errichturlg oder des Funktionierens des Binnenmarktes zwinge jedoch fiir sich genommen nicht zur Anwendung der Binnenmarktkompetenz, wenn der Rechtsakt nur "nebenbei" eine Harmonisierung der Marktbedingungen innerhalb der Gemeinschaft bewirke. 146 In der Entscheidung Abfallverbringungsverordnung bestätigte der EuGH dies unter Rückgriff auf die sowohl in der geänderten Abfallrahrnenrichtlinie niedergelegten als auch in der Abfallverbringungsverordnung fiir den grenzüberschreitenden Abfallverkehr ausformulierten Grundsätze der Nähe, des 141 Richtlinie 91/156/EWG über Abfalle vom 18. 3. 1991, ABI. Nr. L 78, 32, zur Änderung der Rahmenrichtlinie über Abfalle 75/442/EWG vom 15. 7. 1975, ABI. Nr. L 194,47. EuGH, Urt. v. 17. 3. 1993, Rs. C-155/91 (Kommission 1 Rat) - Abfallrahmenrichtlinie, Slg. 1993,1-939. 142 Verordnung (EWG) NT. 259/93 des Rates vom I. 2. 1993 zur Überwachung und Kontrolle der Verbringung von Abfallen in der, in die und aus der Europäischen Gemeinschaft, ABI. Nr. L 30, I. EuGH, Urt. v. 28. 6. 1994, Rs. C-187/93 (Parlament! Rat) - Abfallverbringungsverordnung, Slg. 1994,1-2857. 143 ,,( ••• ) darauf gerichtet, die Bewirtschaftung von Industrie- und Haushaltsabfallen im Einklang mit den Erfordernissen des Umweltschutzes sicherzustellen. EuGH, Urt. v. 17.3.1993, Rs. C-155/91 (Kommission 1 Rat) -Abfallrichtlinie, Slg. 1993,1-939, Rn. 10. 144 Ebd., Rn. 12-15. 145 Ebd., Rn. 16 f. 146 Ebd., Rn. 19. U
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Teil 2: Handlungsspielräume der Gemeinschaftsebene in der EG
Vorrangs der Verwertung und der Entsorgungsautarkie und der damit einhergehenden Beschränkungen der Abfallverbringung und des freien Warenverkehrs. 147 Es sei nunmehr ständige Rechtsprechung des Gerichts, dass die bloße Betroffenheit der Errichtung und des Funktionierens des Binnenmarktes und eine nur nebenbei bewirkte Harrnonisierung nicht zur Anwendbarkeit des exArt. 100a genüge. 148 d) Abgrenzung zwischen Heranziehung nur einer Rechtsgrundlage und Doppelcharakter: Richtlinien zum Schutz des Waldes und Tabakwerbeverbot
Präzisiert wurde die in Tschernobyl, Abfallrichtlinie und Abfallverbringungsverordnung vorgezeichnete Abgrenzung zwischen der Heranziehung einer Rechtsgrundlage und einer Doppelabstützung in der Entscheidung Richtlinien zum Schutz des Waldes im Jahr 1999, in der erstmals über die Abgrenzung zwischen Art. 175 Abs. 1 und einer anderen speziellen Kompetenz, hier für den Bereich Landwirtschaft (Art. 37 Abs. 2), zu entscheiden war. 149 Die streitgegenständlichen Verordnungen zur Verlängerung der Gemeinscbaftsaktionen zur Verbesserung des Schutzes des Waldes gegen Luftverschmutzung und gegen Brände dienten sowohl landwirtschaftlichen Zwecken als auch Zwecken des Umweltschutzes. 15o Der Gerichtshof unterschied sodann zwischen Rechtsakten, die für mehrere Politikbereiche und mithin Kompetenzgrundlagen "gleichermaßen wesentlich" sind und die daher auf der Grundlage beider betroffener Kompetenzen zu erlassen sind, und Rechtsakten, die sich "hauptsächlich auf einen Politikbereich beziehen und sich auf andere Politikbereiche nur beiläufig auswirken". Ausdrücklich bestätigt wird für erstere bei Unvereinbarkeit der Beschlussverfahren die Aussage in Titandioxid, nach der Art. 175 im Zweifel zurücktritt. l51 Die Verordnungen betrafen jedoch in der Hauptsache den Umweltschutz und lediglich mittelbar und beiläufig die Landwirtschaft, so dass die Verordnungen auf der Grundlage des ex-Art. 1305 hätten ergehen müssen. 152 147 EuGH, Urt. v. 28. 6. 1994, Rs. C-187/93 (parlament / Rat) -Abfallverbringungsverordnung, Slg. 1994,1-2857, Rn. 17 ff. 148 Ebd., Rn. 25. Schließlich binde die Tatsache, dass die Abfallverbringungsverordnung eine damals auf ex-Art. 100 gestützte Richtlinie aus dem Jahr 1984 ersetze, nicht an diese Rechtsgrundlage. Ebd., Rn. 28. 149 Vgl. hierzu die Besprechung bei Heselhaus. ISO EuGH, Urt. v. 25. 2. 1999, verb. Rs. C-164/97 und C-165/97 (parlament / Rat), Slg. 1999,1-1139, Rn. 13. 151 Ebd., Rn. 14. 152 Ebd., Rn. 16-20.
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Nicht eindeutig geklärt ist allerdings, wo die Grenze zwischen "nur beiläufig betroffenen" und "gleichermaßen wesentlichen" Kompetenzbereichen verläuft. Eine Entschärfung dieser Problematik bietet die Möglichkeit, fiir voneinander trennbare Einzelrnaßnahmen mit Schwerpunkt in dem einen oder anderen Politikbereich getrennte Entscheidungsmodi zu wählen. 153 In seiner Entscheidung Tabakwerbeverbot bestätigt der EuGH das dargestellte Ergebnis. Die Parteien hatten darüber gestritten, ob der Hauptzweck der Tabakwerberichtlinie, die u.a. auf der Grundlage von ex-Art. 100a ergangen war, in der Rechtsangleichung oder im Gesundheitsschutz liege. 154 Indem das Gericht erklärt, dass keine andere Rechtsgrundlage herangezogen werden dürfe, die nicht den Hauptzweck der Richtlinie umfasst, macht es deutlich, dass die Rechtsgrundlage durch den Hauptzweck der Richtlinie bestimmt wird. 155 Nebenzwecke sind jedoch gestattet, maßgebliche Nebenzwecke insbesondere dort, wo bestimmte Zielsetzungen im EG ausdrücklich zum Bestandteil anderer Politiken der Gemeinschaft gemacht werden. 156
4. Zwischenergebnis Im Ergebnis ist fiir die Wahl der zutreffenden Rechtsgrundlage zunächst zu ermitteln, ob die Maßnahme hauptsächlich den Bereich einer Kompetenz betrifft und nur nebenbei oder beiläufig andere Politikbereichen berührt. In diesem Fall ist die Maßnahme ausschließlich auf eine Kompetenz zu stützen. Maßgeblich rur diese Abgrenzung sind Ziel und Inhalt der Maßnahme. Ist die Maßnahme hingegen flir mehrere Politikbereiche in gleicher Weise von Bedeutung, so dass kein derartiger Schwerpunkt festgestellt werden kann, sollte zunächst gefragt werden, ob sich die Maßnahme in Teile aufspalten lässt, 153 VgI. Heselhaus 1191, der als Beispiel die teilweise verkehrspolitischen, teilweise steuerharmonisierenden Bestimmungen der früheren Richtlinie 93/89/EWG über Gebühren rur den Schwerlastverkehr, ABI. Nr. L 279, 32, anfUhrt; die Richtlinie ist mittlerweile durch die ebenso "doppelt ausgerichtete" Richtlinie 1999/62/EG des EP und des Rates vom 17. 6. 1999 über die Erhebung von Gebühren rur die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge, ABI. Nr. L 187,42. Gegen diese Lösung sprechen allerdings Praktikabilitätserwägungen. 154 VgI. EuGH, Urt. v. 5. 10.2000, Rs. 376/98 (Deutschland 1 Parlament und Rat)Tabakwerbeverbot, Slg. 2000, 1-8419, Rn. 32 ff. und 54 ff. ISS VgI. ebd., Rn. 79: ,,Allerdings dürfen andere Artikel des EG-Vertrages nicht als Rechtsgrundlage herangezogen werden, um den ausdrücklichen Ausschluss jeglicher Harmonisierung gemäß Artikel 129 Absatz 4 EG-Vertrag zu umgehen." 156 VgI. ebd., Rn. 88. Da der Gemeinschaft eine Harmonisierung im Bereich Gesundheitsschutz jedoch gemäß Art. 129 Abs. 4 erster Spstr. nicht gestattet ist, war nur zu prüfen, ob es sich um eine zulässige binnenmarktbezogene Rechtsangleichung handelte.
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die jeweils in den Bereich nur einer Kompetenz fallen. Über diese Teile karm sodarm getrennt entschieden werden. Ist eine solche Aufspaltung nicht möglich, so ist zu fragen, ob die Rechtssetzungsverfahren der einschlägigen Kompetenzen der betroffenen Bereiche einander entsprechen oder miteinander unvereinbar sind. Sind die Rechtssetzungsverfahren miteinander vereinbar, so kommt der allgemeine Grundsatz einer Doppelabstützung aufbeide beriihrte Kompetenzen zum Tragen. Sind weder die Rechtssetzungsverfahren miteinander vereinbar noch die Bestimmungen der Maßnahme mit SchwerPunkt in einem Kompetenzbereich voneinander trermbar, so tritt die Umweltschutzkompetenz des Art. 175 im Verhältnis sowohl zur Birmenmarktkompetenz des Art. 95 als auch im Verhältnis zu Kompetenzbestimmungen anderer Politikbereiche zurück. Für das Verhältnis zwischen Art. 175 und Art. 95 betrifft dies allerdings nur noch die von Art. 175 Abs. 2 2. und 3. Spstr. der einstimmigen Ratsentscheidung nach Anhörung des EP vorbehaltenen Bereiche, mit Ausnahme steuerlicher Vorschriften, die sowohl nach Art. 175 Abs. 2 2. Spstr. als auch nach Art. 94 Abs. 2 i.V.m. Art. 94 Einstimmigkeit im Rat erfordern.
VI. Mittelbare Verhaltenssteuerung über Abgaben- und Ausgabenpolitik: Abgabenbestimmungen und Finanzzuweisungen der Gemeinschaft 1. Abgabenerhebung
Die Kompetenzen der Gemeinschaft zum Erlass von Bestimmungen über Abgaben ist zu trennen von der Verteilung des Abgabenaufkommens. Während die Gemeinschaft hier über weitreichende Rechtssetzungskompetenzen verfUgt, kann sie nur unter eng begrenzten Voraussetzungen eigene Abgaben erheben, deren Aufkommen unmittelbar der Gemeinschaft zufließt.
a) Kompetenz zum Erlass von Abgabenbestimmungen Die Befugnis der Gemeinschaft zum Erlass von Abgabenbestimmungen ergibt sich zum einen aus speziellen Sachkompetenzen der Gemeinschaft. 157 Abgabemegelungen sind von den Sachkompetenzen erfasst, weil der Vertrag 157 Vgl. EuGH, Urt. v. 30. 9. 1982, Rs. 108/81 (Amylum / Rat) - Isoglukose-Abgabe, Slg. 1982,3107, Rn. 29 ff.: Produktionsabgabe für Isoglukose kann von der Gemeinschaft auf der Grundlage der allgemeinen Kompetenzen im Bereich Agrarpolitik erhoben werden.
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zu den einzelnen Kompetenzen zwar eine Aussage über die damit zu verfolgende Zielsetzung trifft, nicht jedoch über bevorzugte oder ausschließlich zulässige Mittel zur Zielerreichung. 158 Zum anderen können die Kompetenzen zur Rechtsangleichung, Art. 93-95, herangezogen werden. Neben den bereits erwähnten allgemeinen Harmonisierungskompetenzen der Art. 94 und 95 verleiht Art. 93 dem Rat eine besondere Befugnis zur Angleichung der indirekten Steuern in den Mitgliedstaaten durch einstimmigen Beschluss. Für die Harmonisierung anderer binnenmarktbezogener Abgabenregelungen als indirekter Steuern sind daher Art. 94 und 95 heranzuziehen. Art. 95 geht Art. 94 vor ("abweichend von Art. 94"), gilt jedoch nach seinem Abs. 2 nicht fiir die Angleichung steuerlicher Vorschriften und betrifft daher binnenmarktbezogene Gebühren, Beiträge und Sonderabgaben. Den Bereich der Hannonisierung direkter Steuern deckt danach Art. 94 ab. 159
b) Abgabenhoheit und Verteilung des Abgabenaufkommens Die Einnahmen rur den allgemeinen Haushalt der Gemeinschaft sind in Art. 269 (ex-Art. 201) geregelt. Nach Art. 269 bedarf jede neue Einnahme der Gemeinschaft wenigstens eines Ratsbeschlusses, der von den Mitgliedstaaten zu ratifizieren ist. 160 Eine lenkende Umweltabgabe könnte als parafIskalische Sonderabgabe auf der Basis einer Sachkompetenz als EG-eigene Einnahme erhoben werden; in einigen Sachbereichen hat es solche "sachkompetenzannexen" Sonderabgaben bereits gegeben. Um eine Umgehung des Verfahrens des Art. 269 zu vermeiden, ist dies nur bei "echten" Lenkungsabgaben, die zu
Vgl. Schröer, Kompetenzverteilung, 157. Ganz h.M., vgl. GroebeniThiesingIEhlermann-BardenhewerIPipkorn, Art. 100a Rn. 55. Gegen letzteres werden wegen der unterschiedlichen Beschlussverfahren bei Art. 94 und Art. 95 und der unterschiedlichen Beteiligung des EP teilweise Bedenken geäußert, vgl. zur Rechtslage vor dem Arnsterdamer Vertrag Meinhard Hilf, Umweltabgaben als Gegenstand von Gemeinschaftsrecht und -politik, NVwZ 1992, 105, 107 f. Richtig ist zwar der Verweis auf die unvollständige Einbindung der nationalen Parlamente bzw. einer europäischen Volksvertretung. Dies ist jedoch eine grundsätzliche Schwäche der Gemeinschaft; es kann nicht dazu führen, diese spezielle Kompetenz des Rates, wie sie sich aus dem Zusammenspiel der Regelungen des EG ergibt, abzulehnen. 160 So die ganz überwiegende Interpretation des Vertrages, vgl. Oppermann Rn. 1157 und 1199. Die Klausel "unbeschadet anderer Einnahmen" in ex-Art. 200 ermächtigte nach ganz herrschender Ansicht nicht zur Beschaffung neuer Einnahmen; sie bezog sich nur auf unbedeutende Nebeneinnahmen; eine solche wäre eine gemeinschaftsweit erhobene Abgabe nicht. Nach teilweiser Ansicht ist sogar eine Vertragsänderung gemäß Art. 48 (ex-Art. N) EU erforderlich, nach anderer Ansicht soll hingegen eine Regelung auf der Grundlage von Art. 308 genügen. Vgl. Hilf 109. U8
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geringen Einnahmen fiir besondere Zwecke führen (z.B. Umweltfonds), möglich und daher von marginaler Bedeutung. 161
2. Finanzzuweisungen als Steuerungsinstrumente a) Ausgabenkompetenz
Die Kompetenz der Gemeinschaft zur Vornahme von Ausgaben ergibt sich gleichermaßen aus den allgemeinen Kompetenzen. Eine allgemeine, bereichsunspezifische Ausgabenkompetenz besteht nicht. Wo die Gemeinschaftsverträge einen Sachbereich als Politikbereich der Gemeinschaft eröffnen, kann diese die ihr zugewiesenen Aufgaben auch durch gezielte Verteilung finanzieller Mittel (Beihilfen, Subventionen etc.) erfüllen. 162 Wie andere Instrumente müssen auch Ausgaben sachdienlich und angemessen sein. Die Gemeinschaft verfügt daneben über eine Annexkompetenz zum Erlass sekundärrechtlicher Regelungen über die Modalitäten der Auszahlung gemeinschaftlicher Finanzzuweisungen an die Empfänger. 163 b) Anknüpjung an Bedingungen
Im Prirnärrecht ist eine Anknüpfung von Bedingungen an die Vergabe von Gemeinschaftsrnitteln nicht ausdrücklich vorgesehen. Da die jeweilige Ausgabenkompetenz stets an die Sachkompetenz zum Erlass zwingender Rechtsnomen gebunden ist und sich aus dieser herleitet, ergibt sich die zulässige Reichweite von Bedingungen vor allem aus den Sachkompetenzen. Mangels Eingrenzung in diesen lässt eine einschlägige Kompetenz jede Bestimmung zu, die
161 Vgl. Hilf 109 f. Dem würde Z.B. nicht eine allgemeine Energie-/COrAbgabe, wie sie die Kommission in einer Mitteilung an den Rat vom 14. 10. 1991 vorschlug, entsprechen. Ebd., 105 ff., 109 f., dort auch Beispiele (lsoglukose-Abgabe; Abgaben im Agrarbereich). Vollständig ablehnend gegenüber EG-eigener Einnahmen aus einer Abgabe offenbar Rüdiger Breuer, Umweltrechtliche und wirtschaftslenkende Abgaben im europäischen Binnenmarkt,DVBl. 1992,485,496. 162 Vgl. Pühs 239 m.w.N.; Jarass, Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaft, 20 f. 163 Vgl. EuGH, Urt. v. 26. 5. 1982, Rs. 44/81 (Bundesrepublik Deutschland 1 Kommission), Slg. 1982, 1855, Rn. 15; Carin Thinam Jakob, Sanktionen gegen vertragsbrüchige Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft (EWG): Reaktionsmöglichkeiten der Gemeinschaft oder der anderen Mitgliedstaaten im Falle der Nichtbefolgung von Urteilen des Europäischen Gerichtshofes durch eine Vertragspartei, Berlin 1988, 95 m.w.N.; Pühs 239.
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in den Fonnen des Art. 249 ergeht und den sachlichen Ramnen der Kompetenz einhält. 164 Zwei unterschiedliche Fonnen von Bedingungen sind zu unterscheiden: Durch Bedingungen kann zunächst sichergestellt werden, dass Finanzzuweisungen in zweckentsprechender Weise verwendet werden. Solche Bedingungen sind regelmäßig in den Auszahlungsmodalitäten geregelt (unten aa)). Davon zu unterscheiden sind Bedingungen, die nicht (nur) die unmittelbare Verwendung der zugewiesenen Gelder regeln, sondern einen fmanziellen Anreiz fiir ein über eine zweckentsprechende Mittelverwendung hinausgehendes mitgliedstaatliches Verhalten bieten sollen und so möglicherweise ein mitgliedstaatliches Verhalten "erkaufen" (unten bb)).
aa) Zweckentsprechende Mittelverwendung Bedingungen zur Durchsetzung einer zweckentsprechenden Mittelverwendung sind nach dem oben Gesagten in allen Politikbereichen zulässig. Sie treten im Umweltbereich auf, wenn aus Gemeinschaftsmitteln fiir umweltbezogene Vorhaben oder Maßnalunen vergeben werden. Ein Beispiel fiir Regelungen zur Sicherung der zweckentsprechenden Verwendung ist der Europäische Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL).16s Ein wichtiges Element darin ist die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, fiir die gemeinschaftliche Finanzzuweisung in Vorlage zu treten. Die Auslage wird erst und nur dann ersetzt, wenn die durch mitgliedstaatliche Behörden vorgenommene Finanzzuweisung rechtmäßig ist.
bb) Anknüpfung von weitergehenden Sachanforderungen Zwei allgemeine Grenzen des EG sind rur solche Bedingungen zu beachten: Erstens verbieten bestimmte Vorschriften in einzelnen Politikbereichen finanzielle Fördermaßnamnen mit hannonisierender Wirkung. l66 Diese Form der Begrenzung hat rur den Umweltbereich keine Bedeutung, da weder der Titel V g1. für Art. 175 Pühs 239. Verordnung Nr. 25 (des Rates der EWG) über die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik, ABI. 1962 Nr. 30,991, in der Fassung der Verordnung Nr. 741167fEWG des Rates vom 24. 10. 1967 über die Beteiligung des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds fiir die Landwirtschaft, Abteilung Garantie, ABI. Nr. 258, 2, sowie diversen Ausführungsbestimmungen. 166 Vg1. Art. 149 Abs. 4 1. Spstr. (ex-Art. 126 Abs. 4) im Bereich Bildung; Art. 151 Abs.5 1. Spstr. (ex-Art. 129 Abs. 4) im Bereich Kultur. 164
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Umwelt ein Verbot enthält noch an anderer Stelle eine solche Regelung vorgesehen ist, die auf umweltbezogene Maßnahmen anzuwenden wäre. Als Zweites ist zu beachten, dass die Ausgabenkompetenz im EG stets an eine Sachkompetenz gebunden ist. Auch das "Erkaufen" eines rnitgliedstaatlichen Verhaltens als Ziel der Maßnahme muss sich daher im Bereich der rur die Sachkompetenz vorgegebenen Ziele bewegen. In Sachbereichen, die außerhalb des Vertrages liegen, ist eine Verhaltens steuerung selbst bei hinreichender Beziehung zwischen Mittelverwendung und erstrebtem Verhalten unzulässig, weil nicht von der Sachkompetenz gedeckt. Wegen der weiten Fassung der Zielvorgaben rur den Umweltbereich in Art. 174 bildet allerdings auch dies keine Grenze rur eine umweltbezogene Verhaltenssteuerung. Ob Mittelzuweisungen der Gemeinschaft im Übrigen von Bedingungen abhängig gemacht werden können, die über die zweckentsprechende Verwendung der Mittel hinausgehen, wird in der wenig umfangreichen Literatur zu dieser Frage anhand zweier Modelle diskutiert. Im ersten Modell würde die Auszahlung von gemeinschaftlichen Finanzmitteln davon abhängig gemacht werden, dass sich der betreffende Mitgliedstaat umfassend vertragsgemäß verhält ("allgemeine Vertragserrullungsklausel,,).167 Nach dem zweiten Modell könnte die Gemeinschaft ausstehende Forderungen gegen einen Mitgliedstaat gegen eigene Zahlungen aufrechnen, ohne dass ein Sachzusammenhang zwischen den beiden Posten erforderlich wäre. 168 Die hier interessierende Gestaltung gleicht teilweise dem ersten Vorschlag, bezieht sich aber ausschließlich auf umweltbezogene Anforderungen: Es ist zu fragen, ob die Auszahlung von Gemeinschaftsrnitteln fiir Projekte, deren Schwerpunkt nicht im Bereich Umwelt liegt, von der Erfiillung von Umweltschutzanforderungen abhängig gemacht werden könnte. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Anforderungen, die in Zusammenhang mit diesem Projekt stehen (unten (1)), und Anforderungen, die völlig andere Projekte oder Maßnahmen betreffen (unten (2)). (1) Zusammenhang zwischen Mitte/zuweisung und UmweltschutzanJorderung besteht
Eine Anknüpfung an umweltbezogene Bedingungen und in der Folge das Abhängigmachen der endgültigen Auszahlung von der Errullung gerade dieser Bedingungen ist auch bei Projekten möglich, die lediglich auch einen Umwelt167 Vgl. Jakob 95. 168 Vgl. Joachim Karl, Aktuelle Überlegungen zur Reform der EG-Gerichtsbarkeit, RIW 1991,745,749; ablehnend Pühs 258 f.
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bezug haben, daneben aber anderen Politiken dienen. Dabei kann diese andere Zielsetzung sowohl Haupt- als auch Nebenziel sein. Die Begründung für die Zulässigkeit einer solchen Anknüpfung findet sich in der umweltrechtlichen Querschnittsklausel des Art. 6. Die umweltrechtliche Querschnittsklausel inkorporiert die Ziele und Anforderungen der gemeinschaftlichen Umweltpolitik in alle Bereiche des Gemeinschaftsrechts. Im Ergebnis ist ein Abhängigmachen der Auszahlung von Gemeinschaftsmitteln von der Erfüllung von Umweltschutzanforderungen nicht davon abhängig, ob die Mittelzuweisung wenigstens auch in den Bereich des Art. 175 einzuordnen ist. Dies ist vielmehr bereits immer dann möglich und aufgrund der Bedeutung des Art. 6 auch erforderlich, wenn konkrete umweltschutzbezogene Anforderungen an die mitfmanzierten Maßnahmen oder Vorhaben zu stellen sind. Weist das unterstützte Vorhaben nur einen geringen Umweltbezug auf, so ist zu fragen, ob das Verhältnismäßigkeitsprinzip des Art. 5 Abs. 3 eine Vorenthaltung der vollen Projektunterstützung der Gemeinschaft rechtfertigt. Auf den ersten Blick erscheint eine Sperrung aller Mittel bei Nichterfüllung geringfügiger Umweltschutzanforderungen überzogen. Da die Gemeinschaft vielfach nur einen geringen Teil zur Finanzierung eines Projektes beitragen wird, wird andererseits die wirksame Durchsetzung der gemeinschaftlichen Umweltschutzvorgabe von einer vollen Sperrung der Mittel abhängen, so dass eine teilweise Sperre nicht geeignet ist. Die herausgehobene Stellung der umweltrechtlichen Querschnittsklausel und das Erfordernis der praktischen Wirksamkeit sekundärrechtlicher Umweltschutzanforderungen zeigen schließlich, dass Gemeinschaftsmittel nur dann zur Auszahlung kommen können, wenn alle Anforderungen des Gemeinschaftsrechts, auch untergeordnete Umweltschutzanforderungen, erfüllt werden. Die Nutzung dieses Instrumentariums bietet sich insbesondere bei In.frastrukturprojekten, Erschließungsvorhaben für W ohn- und Gewerbeflächen, von der Gemeinschaft unterstützten industriellen Vorhaben und Umweltschutzanforderungen im Agrarbereich an. Zu den Finanzzuweisungen der Gemeinschaft, die hiervon betroffen sind, gehört insbesondere der in seinem Umfang und seiner Bedeutung für die Empfängerstaaten wichtige Bereich der Strukturfonds. (2) Zusammenhang zwischen Mitte/zuweisung und UmweltschutzanJorderung besteht nicht Problematischer ist die Frage, ob die Auszahlung von Mitteln von Umweltschutzanforderungen abhängig gemacht werden kann, die nicht mit der Verwendung der Mittel zusammenhängen. Als Beispiel soll ein mitgliedstaatliches Infrastrukturprojekt dienen, für das gemeinschaftliche Zuschüsse gezahlt wer-
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den. Deren Verwendung wird davon abhängig gemacht, dass der Mitgliedstaat fiir einen wirksamen Vollzug gemeinschaftlicher Abgasgrenzwerte für Kraftfahrzeuge oder fiir Großfeuerungsanlagen in seinem Hoheitsbereich sorgt und dies belegt. Was die Anknüpfung an Abgasgrenzwerte für Kraftfahrzeuge betrifft, so ließe sich diskutieren, ob dieser Fall nicht als Grenzfall noch in die Kategorie eines entfernten Umweltbezugs einer Maßnahme aus einem anderen Politikbereich fällt. Die Schadstoffemissionen der Fahrzeuge auf der zu errichtenden neuen Straße sind der Straße zuzurechnen. Die Sicherung einer allgemeinen Einhaltung von Abgasgrenzwerten wäre die einzig erfolgversprechende Möglichkeit, diese Emissionen unter Kontrolle zu halten und einzudämmen. Als weiteres Argument lässt sich der von Umweltschützem immer wieder betonte Wechselwirkungszusammenhang zwischen dem Bau zusätzlicher Straßen und der Verkehrszunahme anführen. Eine andere Situation besteht bei der Anknüpfung an Schadstoffgrenzwerte fiir Großfeuerungsanlagen. Hier ist auch kein entfernter Zusammenhang erkennbar, so dass die gestellte Bedingung einer allgemeinen Vertragserfüllungsklausel fiir den Bereich Umweltschutz nahe käme. Hier könnte ein Ermessensmissbrauch im Sinne des Art. 230 Abs. 2 vorliegen. 169 Grundsätzlich liegt ein Ermessensmissbrauch in einer nicht dem Zweck der Befugnisnorm entsprechenden Regelung,170 also dann, wenn ein Gemeinschaftsorgan eine Befugnis benutzt, "um ein anderes Ziel zu verfolgen, als der Vertrag mit der Einräumung dieser Befugnis im Auge hatte."l7l Eine allgemeine Vertragserfüllungsklausel gilt als rechtswidrig, da durch Anknüpfung von Bedingungen nur das ordnungsgemäße Funktionieren des Fonds gewährleistet werden könne .172 Die Struktur der vertraglichen Kompetenznormen zwingt jedoch zu einer Aufweichung des Grundsatzes zweckgebundener Kompetenzausübung, wie 169 Art. 230 Abs. 2 regelt unmittelbar nur die möglichen Klagegründe der Nichtigkeitsklage. Aus der Erwähnung des Ermessensmissbrauchs als Klagegrund lässt sich aber im Rückschluss auf die Bindung der Ermessenausübung der Gemeinschaft schließen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass der europarechtliche Begriff des Ermessens infolge einer genuin europarechtlichen Auslegung unter Heranziehung verschiedener mitgliedstaatlicher Rechtskulturen weiter zu verstehen ist als der Ermessensbegriff des bundesdeutschen Rechts und insbesondere nicht nur ein Rechtsfolgenermessen, sondern auch den auf Tatbestandsseite angesiedelten Beurteilungsspie1raum miturnfasst. Vgl. hierzu Bleckmann, Europarecht, Rn. 862. 170 Vgl. EuGH, Urt. v. 21. 12. 1954, Rs. 2/54 (Italien / Hohe Behörde), Slg. 1954,81, 111; EuGH, Urt. v. 21. 6. 1984, Rs. 69/83 (Lux), Slg. 1984,2447, Rn. 30 f. 171 Bleckmann, Europarecht, Rn. 870. So auch Jakob 95, und Pühs 258. Bleckmann leitet sein Ergebnis aus dem Begriff des "detournement de pouvoir" im französischen Verwaltungsrecht ab. Ebd. 172 Jakob, Sanktionen gegen Mitgliedstaaten, 95 f.; Pühs, Der Vollzug von Gemeinschaftsrecht, 258 f.
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auch die stillschweigende Abkehr des EuGH von der Verwendung dieses Kriteriums belegt.173 Einerseits haben gerade die Kompetenznorrnen, die nicht spezifischen Politikbereichen zugeordnet sind, ein breites Anwendungsspektrum. So konnten Umweltschutzmaßnahmen vor Einführung des Art. 175 auf die Bestimmungen der ex-Art. 100 und ex-Art. 235 gestützt werden, ohne dass der EuGH darin eine "Zweckverfehlung" gesehen hätte. 174 Die Einführung einer spezifischen Umweltkompetenz diente aber jedenfalls nicht der Einengung der vorher bestehenden Kompetenzen. 175 Außerdem gibt es doppelfunktionale Maßnahmen, die auf mehrere verschiedene Ermächtigungsgrundlagen zu stützen sind. Eine weitere Ausweitung des Maßstabes erfolgt von der Seite der umweltrechtlichen Querschnittsklausel des Art. 6, die gerade eine urnfassende Einbeziehung von UmweltschutzarUorderungen in alle Tätigkeiten der Gemeinschaft bestimmt und eine Verfolgung wirtschaftspolitischer Zielsetzungen ohne Berücksichtigung ökologischer Aspekte verbietet. 176 Errnessensmissbrauch wegen Verstoßes gegen den Grundsatz zweckgebundener Kompetenzausübung liegt allenfalls dort vor, wo die Überprüfung einer gemeinschaftlichen Maßnahme ergibt, dass sie zu einem anderen als dem in ihr angegebenen Zweck dienen SOll,177 wo Zielsetzung und objektive Auswirkungen einer Maßnahme in keinem Zusammenhang mit zulässigen Zielen der Gemeinschaft stehen,178 und im Fall einer eindeutigen allgemeinen Vertragserfullungsklausel, wenn also trotz Art. 6 kein irgendwie gearteter Sachzusammenhang erkennbar ist. Daneben gilt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. 179 Die hier vorzunehmende Abwägung der beteiligten gemeinschaftlichen und mitgliedstaatlichen Interessen l80 erlaubt keine allgemeine Vertragserfiillungsklausel. Die Durchsetzung einzelner wichtiger Belange des EG-Umweltrechts erscheint hingegen nicht unangemessen. Auch hier ist im Übrigen Art. 6 zu berücksichtigen. Insofern ist der Umweltschutz ein Sonderbereich, der anders als anderen Sachbereiche eine Anknüpfung auch an vermittelte Bedingungen bei gemeinschaftlichen Finanzzuweisungen zulässt.
173 Vgl. Bleckmann, Europarecht, Rn. 878 m.w.N. 174 Vgl. Henke 140 m.w.N.; Bleckmann, Europarecht, Rn. 878. 17S Vgl. GrabitzIHi/f-GrabitzINettesheim, vor Art. 130r Rn. 4. 176
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176.
Vgl. Kahl, Umwe1tprinzip und Gemeinschaftsrecht, 161. Vgl. EuGH, Urt. v. 5. 5.1966, verb. Rs. 18 und 35/65 (Gutmarm), Slg. 1966,154,
178 Vgl. EuGH, Urt. v. 11. 7. 1989, Rs. 265/87 (Schräder), Slg. 1989,2237, Rn. 21 f.; EuGH, Urt. v. 13. 11. 1990, Rs. C-331/88 (Fedesa) - Hormone II, Slg. 1990,1-4023, Rn. 12 fT., 14. 179 Vgl. Henke 140 und 133 ff.; Bleckmann, Europarecht, Rn. 878. 180 Vgl. Bleckmann, Europarecht, Rn. 878 m.w.N.
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Teil 2: Randlungsspielräume der Gemeinschaftsebene in der EG
Auch die Kommission hält eine solche Anknüpfung von Bedingungen offensichtlich fiir zulässig. Sie hat die Auszahlung sämtlicher Strukturfondsmittel an die Bundesrepublik unterbrochen, solange die Bundesrepublik nicht ihrer Verpflichtung zur Ausweisung von Schutzgebieten nach der Flora-FaunaHabitat-Richtlinie (FFH-Gebieten) nachkommt. 181 Bereits in ihrer "Mitteilung über die Durchführung des Umweltrechts der Gemeinschaft" von 1996 erklärte die Konunission, sie wolle geeignete Maßnahmen erwägen, "um zu gewährleisten, dass die Umweltziele und das Umweltrecht der Europäischen Gemeinschaft in sämtliche Entscheidungen über die Gewährung einer Finanzhilfe an Mitgliedstaaten und in die Überwachung von mit Gemeinschaftsmitteln geförderten Projekten integriert werden.,,182
§ 8 Grenzen der Ausübung von Gemeinschaftskompetenzen gegenüber den Mitgliedstaaten I. Wer entscheidet? Wie im vorhergehenden Teil der Arbeit ist auch hier zunächst zu klären, wem die Letztentscheidung über Geltung und Anwendung des Rechts der oberen Ebene (hier der Gemeinschaft) zusteht (unten 1.), und in welcher Weise die untere Ebene (die Mitgliedstaaten) über Sicherungen im politischen Entscheidungsprozess gegen unerwünschte Entscheidungen der oberen Ebene verfügen (unten 2.).
1. Entscheidungsbefugnis der Mitgliedstaaten über die Geltung oder Anwendung des Gemeinschaftsrechts? Grundsätzlich ist anerkannt, dass das Gemeinschaftsrecht gegenüber mitgliedstaatlichem Recht (Anwendungs-)Vorrang genießt. Dieses Prinzip wird allerdings in Frage gestellt, wenn sich eine Norm des sekundären Gemeinschaftsrechts mit Verfassungsbestimmungen der Mitgliedstaaten nicht in Einklang bringen lässt. 183 181 Vgl. "Auszahlungsstopp für Strukturfonds-Mittel der EU", FAZ Nr. 15/3 B vom 19. 1. 2000, 1; vgl. auch FAZ vom 20. 1.,3.2. und 16. 3. 2000. 182 ,,Mitteilung über die Durchführung des Umweltrechts der Gemeinschaft", BTDrs. 13/7470, zitiert bei Hans-Werner Rengeling, Umweltschutz durch Gemeinschaftsrecht und durch nationales, insbesondere deutsches Recht, in: Rengeling (Rrsg.), EUDUR., § 48, Bd. I, 1699, Rn. 38. 183 Vgl. zu einer solchen Infragestellung durch Verfassungsgerichte in anderen Mitgliedstaaten als Deutschland Franz C. Mayer, Grundrechtsschutz gegen europäische
§ 8 Grenzen der Ausübung von Gemeinschaftskompetenzen
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Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat sich in mehreren Verfahren, in denen sich Bürger durch gemeinschaftliches Sekundärrecht in ihren Grundrechten verletzt sahen, zu den Grenzen des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts geäußert. Im sog. Solange I-Beschluss erklärte das Gericht, solange das Gemeinschaftsrecht keinen den Grundrechten des Grundgesetzes adäquaten Grundrechtskatalog enthalte, seien Normen des Gemeinschaftsrechts durch das Bundesverfassungsgericht an den Grundrechten des Grundgesetzes zu messen und gegebenenfalls für unanwendbar zu erklären. 184 Diesen Vorbehalt hat das Gericht in seinem Solange II-Beschluss relativiert. Es sah darin die Grundrechte des Grundgesetzes in der Rechtsordnung der EG im Wesentlichen gewahrt. Das Bundesverfassungsgericht habe das Gemeinschaftsrecht nicht an den Grundrechten des Grundgesetzes zu messen, solange deren Wahrung durch die Gemeinschaftsorgane gewährleistet sei. 18S Nach der Entscheidung zum Vertrag von Maastricht ist damit der Vorbehalt, das Gemeinschaftsrecht durch die staatliche Gewalt eines Mitgliedstaats im Einzelfall für unanwendbar zu erklären, nicht aufgehoben, sondern die Ausübung der mitgliedstaatlichen Kontrollfunktion durch Einbettung in ein "Kooperationsverhältnis" mit dem EuGH ausgesetzt. 186 In seiner Entscheidung zur Bananenmarktordnung hat das Gericht Solange II bestätigt. 187
Rechtsakte durch das BVerfG: Zur Verfassungsmäßigkeit der Bananenmarktordnung, EuZW 2000, 685, 687 mit Fn. 29 ff. 184 BVerfG, Besch\. v. 29. 5. 1974,2 BvL 52171- Solange I, BVerfGE 37, 271. 185 BVerfG, Besch\. v. 22. 10. 1986,2 BvR 197/83 - Solange II, BVerfGE 73, 339. 186 Vg\. BVerfG, Urt. v. 12. 10. 1993,2 BvR 2134/92 und 2 BvR 2159/92 - Vertrag von Maastricht, BVerfGE 89,155, 175 und Ls. 7. Das Gericht selbst liefert (in veränderter Besetzung) diese Interpretation, vg\. BVerfG, Besch\. v. 7. 6. 2000, 2 BvL 1/97Bananenmarktordnung, ZIP 2000,1456. Danach ist es zutreffend, dass das BVerfG eine Prüfungskompetenz nicht nur gegenüber innerstaatlichen Rechtsakten, sondern auch gegenüber Rechtsakten der Gemeinschaft, die sich in Deutschland auswirken, beansprucht, das Gericht sieht jedoch nach wie vor keinen Anlass, diese Kompetenz auszuüben. Zur gegenteiligen Interpretation vg\. Nachweise bei Christine Wüifel, Das Bundesverfassungsgericht und die Bananenmarktordnung - der Weg zurück zu Solange II (BVerfG, 2 BvL 1/97 vom 7. Juni 2000), ELR 2000,319,322. Der Beschluss Bananenmarktordnung kann als vorläufig abschließende Klärung des Verhältnisses zwischen BVerfG und EuGH verstanden werden. Ebd., 322. 187 BVerfG, Besch\. v. 7. 6. 2000, 2 BvL 1/97 - Bananenmarktordnung, ZIP 2000, 1456. Das Gericht fordert darin als "besondere Zulässigkeitsvoraussetzung" für eine Verfassungsbeschwerde gegen Akte des Gemeinschaftsrechts die Darlegung, dass der nach dem Grundgesetz unabdingbare Grundrechtsschutz durch die Gemenschaftsorgane generell nicht gewährleistet sei. Ebd., 1459 ff. Die Entscheidung betrifft jedoch nur die Wahrung nationaler Grundrechte gegenüber europarechtlich rechtmäßigen Akten von Gemeinschaftsorganen, nicht gegenüber kompetenzwidrigen, sog. "ausbrechenden" Akten (kritisch zu diesem Begriff Manfred Zuleeg, Die föderativen Grundsätze der Europäischen Union, NJW 2000, 2846, 2848), deren Kontrolle sich das Bundesverfassungsgericht weiterhin vorbehält, vg\. BVerfG, Urt. v. 12. 10. 1993,2 BvR 2134/92 und
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Teil 2: Handlungsspielräume der Gemeinschaftsebene in der EG
Ob ein solcher Vorbehalt rechtmäßig ist, ist nach der Grundlage des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts zu beurteilen. Das Bundesverfassungsgericht beruft sich darauf, dass die Geltung des Gemeinschaftsrechts und sein Vorrang ausschließlich auf der Einräumung von Hoheitsbefugnissen auf der Grundlage der Art. 23 und 24 GG beruhten. Die Gemeinschaft sei zwar auf eine "dynamische Entwicklung" angelegt,188 deren wesentliche Schritte jedoch von der Zustimmung des nationalen Parlaments abhängig seien und nicht zu einer Verletzung der durch die "Ewigkeitsgarantie" des Art. 79 Abs. 3 GG gesicherten Grundprinzipien der Verfassung führen dürften. 189 Danach beruhen die Hoheitsbefugnisse der Gemeinschaft weiterhin auf den ursprünglichen völkerrechtlichen Grundlagen der Gemeinschaft, reichen nur soweit wie Errnächtigungsnormen und Zustimmungs gesetze und können anband dieser von der mitgliedstaatlichen Verfassungsgerichtsbarkeit geprüft werden. 190 Nach der Gegenansicht hat sich das Gemeinschaftsrecht seit der Gründung der Gemeinschaften von seiner ursprünglich völkerrechtlichen Grundlage gelöst. Nach der von Ipsen entwickelten sog. Gesamtaktstheorie war die Gründung der Gemeinschaften ein Gesamtakt der Mitgliedstaaten und kann daher nicht an einem einzelnen nationalen Zustimmungsgesetz oder der nationalen Verfassung gemessen werden. Die damals maßgebliche Errnächtigungsnorm des Art. 24 GG diente danach lediglich als "Integrationshebel", wirkt aber nicht fort. 191 Dem entspricht zwar der supranationale Charakter der Gemeinschaft, die nach wie vor bestehende Stellung der Mitgliedstaaten als "Herren der Verträge" und die fehlende Kompetenz-Kompetenz der Gemeinschaft deu-
2 BvR 2159/92 - Vertrag von Maastricht, BVerfGE 89, ISS, 188; BVerfG, Beschl. v. 17.2.2000,2 BvR 1210/98 - Alcan, EuZW 2000, 445 (vgl. auch Mayer 688 f. m.w.N.). Um den Individualrechtsschutz vor dem EuGH zu gewährleisten, bedarf es der innerstaatlichen Absicherung der Vorlagepflicht über Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG, die das BVerfG auch leistet (vgl. BVerfG, Beschl. v. 9. 1. 2001, 1 BvR 1036/99, NJW 2001, 1267; zu diesem Ergänzungsverhältnis Patrick Ernst Sensburg, Die Vorlagepflicht an den EuGH: Eine einheitliche Rechtsprechung des BVerfG, NJW 2001, 1259, 1260). 188 Vgl. BVerfG, Urt. v. 12. 10. 1993,2 BvR 2134/92 und 2 BvR 2159/92 - Vertrag von Maastricht, BVerfGE 89, ISS, 184 f. 189 Vgl. ebd. ISS, Ls. I und 9 c). 190 V gl. zur Diskussion in der deutschen Literatur nach Solange I Kar! Eugen Huthmacher, Der Vorrang des Gemeinschaftsrechts bei indirekten Kollisionen, Köln u.a. 1985, 141 ff. Nach einer in der Literatur vertretenen Ansicht hat das Gemeinschaftsrecht gegenüber mitgliedstaatlichem Recht im Wege einer Interessenabwägung auch dort zurückzutreten, wo allgemein "unverzichtbare" Interessen oder Interessen "von besonderes großer Bedeutung" des Mtgliedstaates berührt seien. Wolfram Komendera, Normenkonflikte zwischen EWG- und BRD-Recht, insbesondere indirekte Kollisionen, Heidelberg 1974, insbes. 96 ff. V gl. auch Mayer 687 f., der auf das Fehlen einer "Reservekompetenz" fLir nationale Verfassungsgerichte im EG verweist. 191 Vgl. Hans Peter Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, Tübingen 1972,290.
§ 8 Grenzen der Ausübung von Gemeinschaftskompetenzen
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tet hingegen eher auf eine unvollständige Loslösung von den Ermächtigungen der Mitgliedstaaten. Andererseits lässt sich nur durch eine solche Loslösung eine einheitliche Geltung des Gemeinschaftsrechts in allen Mitgliedstaaten sichern. Der EuGH geht vom Gemeinschaftsrecht als eigenständiger, von der Ermächtigung der Mitgliedstaaten losgelöster Rechtsordnung aus.,In der Entscheidung Costa / ENEL verweist der EuGH auf die Gründung der Gemeinschaft auf unbegrenzte Zeit und deren Ausstattung mit echten Hoheitsrechten. Könnte ein Mitgliedstaat einseitige Maßnahmen gegen die Anwendbarkeit von Gemeinschaftsrecht ins Feld fUhren, so sei die Verwirklichung der in Art. 5 Abs. 2 (jetzt Art. 10 Abs. 2) genannten Ziele gefährdet und es komme zu Art. 7 (jetzt Art. 12) widersprechenden Diskriminierungen. Im Ergebnis stellt der EuGH fest: "Aus alledem folgt, dass dem vom Vertrag geschaffenen, somit aus einer autonomen Rechtsquelle fließenden Recht wegen dieser seiner Eigenständigkeit keine wie immer gearteten innerstaatlichen Rechtsvorschriften vorgehen können, wenn ihm nicht sein Charakter als Gemeinschaftsrecht aberkannt und wenn nicht die Rechtsgrundlage der Gemeinschaft selbst in Frage gestellt werden SOIl.,,192 Der EuGH hat die Unantastbarkeit des Vorrangprinzips auch gegenüber Grundrechten und Strukturprinzipien mitgliedstaatlicher Verfassungen bekräftigt. 193 Nach der Entscheidung Simmenthal 11 gilt dies auch gegenüber neuen mitgliedstaatlichen Normen. 194
192 Ebd., 1251, Rn. 12; vgl. bereits EuGH, Urt. v. 5. 2. 1963, Rs. 26/62 (van Gend & Loos), Sig. 1963, I, Rn. 10: "Aus alledem ist zu schließen, dass die Gemeinschaft eine neue Rechtsordnung des Völkerrechts darstellt, zu deren Gunsten die Staaten, wenn auch in begrenztem Umfang, ihre Souveränitätsrechte eingeschränkt haben". 193 EuGH, Urt. v. 17. 12. 1970, Rs. 11170 (Internationale Handelsgesellschaft), Sig. 1970, 1125, Rn. 3. 194 Folgt man dem Wortlaut der Entscheidung, so geht der EuGH hier nicht nur von einem Anwendungs- sondern einem Geltungsvorrang aus. EuGH, Urt. v. 9. 3. 1978, Rs. 106177 (Simmenthal 11), Sig. 1978,629, Rn. 17/18: "Darüber hinaus haben nach dem Grundsatz des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts die Vertragsbestimmungen und die unmittelbar geltenden Rechtsakte der Gemeinschaftsorgane in ihrem Verhältnis zum internen Recht der Mitgliedstaaten nicht nur zur Folge, dass allein durch ihr Inkrafttreten jede entgegenstehende Bestimmung des geltenden staatlichen Rechts ohne weiteres unanwendbar wird, sondern auch - da diese Bestimmungen und Rechtsakte vorrangiger Bestandteil der im Gebiet eines jeden Mitgliedstaats bestehenden Rechtsordnung sind -, dass ein wirksames Zustandekommen neuer staatlicher Gesetzgebungsakte insoweit verhindert wird, als diese mit Gemeinschaftsnorrnen unvereinbar wären." (Hervorhebung hinzugefügt)
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2. Der steuernde Einfluss der Mitgliedstaaten auf die Rechtssetzung: political safeguards im Gemeinschaftsrecht a) Grenzen des Einflusses des Rates im RechtssetzungsverJahren
Den Rahmen für die Einflussnahme auf die Rechtssetzung der Gemeinschaft bilden die für die jeweilige Kompetenz vorgeschriebenen Rechtssetzungsverfahren. Beschließende Organe der Rechtssetzung sind Rat und EP. Dem Initiativrnonopol der Kommission kommt ebenfalls eine wichtige Rolle zu. In einigen Bereichen hat die Kommission außerdem originäre und abgeleitete Rechtssetzungsbefugnisse. Die zentrale Rolle des Rates im Rechtssetzungsprozess legt es nahe, bei dem Rat, über den die dort vertretenen Mitgliedstaaten steuernd auf den Rechtssetzungsprozess einwirken, anzusetzen und zu untersuchen, inwiefern andere Organe als der Rat auf die Rechtssetzung einwirken und damit einer Dominanz des Rates entgegenwirken können. Drei Faktoren beschränken danach den Einfluss einzelner Mitgliedstaaten auf die Rechtssetzung: die Rolle des EP, die Mehrheitsregelung bei Abstimmungen im Rat und die Rolle der Kommission.
aa) Die Rolle des Europäischen Parlaments neben dem Rat Seit der Gründung der EWG 1957 ist der Rat das Hauptrechtssetzungsorgan der Gemeinschaft. Als Umweltrat tagt der Rat derzeit viermal pro Jahr fOrmlich und zweimal pro Jahr nur beratend (ohne Entscheidungen zu treffen) als informeller Rat. 195 Die Feststellung der Bedeutung des Rates bedarf jedoch der Differenzierung nach den oben (§ 7 I. 3.) dargestellten Rechtssetzungsverfahren, zunächst hinsichtlich der Rolle des EP. Das EP wird seit 1982 direkt gewählt und kann daher grundsätzlich als Volksvertretung auf Gemeinschaftsebene verstanden werden. Geschmälert ist diese Funktion allerdings durch die gestörte Repräsentativität des Parlaments, dessen Sitze die Relationen der Bevölkerungszahlen der Mitgliedstaaten nur sehr grob widerspiegeln. l96 Im Verfahren der Zusammenarbeit kann der Rat gegen die ablehnende Haltung des EP nur einstimmig entscheiden, im Verfahren der Mitentscheidung kann der Rat einen Rechtsakt überhaupt nicht gegen
Vgl. Krämer, Rechtsakte und Handlungsformen, Rn. 25. Vgl. Art. 190. Beispielhaft lässt sich dies an dem Verhältnis zwischen sechs luxemburgischen und neunundneunzig deutschen Sitzen im EP zeigen. 195
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den Willen des EP erlassen. 197 Wird ein Beteiligungsrecht des EP im Rechtssetzungsverfahren verletzt, so ist der Rechtsakt nichtig. 198 Seit der Einfiihrung des Verfahrens der Mitentscheidung kann das EP daher in den Bereichen, in denen das Verfahren Anwendung findet (wozu vor allem die Kompetenzbestimmungen der Art. 175 und Art. 95 gehören), als ein (wenn auch nicht ebenbürtiger) Widerpart des Rates bezeichnet werden.
bb) Mehrheitsentscheidungen im Rat (J) Vertragstext
In allen Rechtssetzungsverfahren bleibt der Rat mit wenigstens gleicher Entscheidungsgewalt wie das EP beteiligt. Über den Rat haben die Regierungen der Mitgliedstaaten so stets unmittelbaren Einfluss auf "Ob" und "Wie" der Rechtssetzung der Gemeinschaft. Diese Feststellung bedarf jedoch einer weiteren Differenzierung hinsichtlich der fiir eine Entscheidung im Rat erforderlichen Mehrheiten. Im vertraglichen Regelfall ergehen Entscheidungen des Rates nach Art. 205 Abs. 1 mit der Mehrheit der Ratsmitglieder. Dies könnte dazu führen, dass acht kleinere, bevölkerungsärmere und fmanzschwächere Mitgliedstaaten sieben größere, bevölkerungsreichere und fiir den Löwenanteil der Gemeinschaftsfinanzen aufkommende Mitgliedstaaten im Rat überstimmen. Für wichtige Entscheidungen wurde daher das Verfahren der qualifizierten Mehrheitsentscheidung nach Art. 205 Abs. 2 geschaffen. Danach werden die Stimmen im Rat entsprechend einem groben Verhältnis der Bevölkerungszahlen der Mitgliedstaaten mit Faktoren zwischen 2 (Luxemburg) und 10 (Deutschland, Frankreich, Italien, Vereinigtes Königreich) multipliziert. Ein Beschluss kommt mit 62 Stimmen von insgesamt 87 Stimmen zustande und kann entsprechend mit 25 Stimmen verhindert werden (sog. Sperrminorität). Kommt der Beschluss nicht auf Vorschlag der Kommission zustande, so ist kumulativ zur erforderlichen Stimmenzahl die Zustimmung von wenigstens zehn Mitgliedstaaten erforderlich. Dieses Verfahren gilt fiir alle Entscheidungen des Rates im Mitentscheidungsverfahren und im Verfahren der Zusammenarbeit, fiir die keine Einstimmigkeit erforderlich ist. Es hat zur Folge, dass die vier bevölkerungsreichsten Mitgliedstaaten nicht den Rest überstimmen
197 Art. 252 lit. c) UAbs. 2 (Zusammenarbeit) bzw. Art. 251 Abs.4 3 und Abs. 5 2 (Mitentscheidung). 198 Vgl. z.B. EuGH, Urt. v. 10.5. 1995, Rs. C-413/93 (Parlament! Rat), Slg. 1995,11185, Rn. 9 m.w.N.: Nichtigkeit des Rechtsaktes bereits bei Verletzung der Pflicht zur Anhörung des EP nach Art. 308 EG, Art. 203 EAGV.
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können, drei von ihnen aber einen qualifizierten Mehrheitsbeschluss blockieren können. Auf dem Gipfeltreffen in Nizza vom 7. bis 10. 12. 2000 wurde ein modifiziertes System beschlossen, nach dem die Mitgliedstaaten über 4 bis 29 (Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien) Stimmen im Rat verfügen, neben der Mehrheit dieser Stimmen im Rat jedoch zusätzlich erforderlich ist, dass diese Mehrheit mindestens 62% der Bevölkerung der EG repräsentiert. 199 Nach dem Vertrag bedeutet der Einfluss des Rates auch beim Vetorecht keinen bestimmenden Einfluss einzelner Mitgliedstaaten. Im EG haben sich die Mitgliedstaaten lediglich bei Entscheidungen, die besonders wichtige Aspekte mitgliedstaatlicher Souveränität betreffen, z.B. Bodennutzung, Wasserwirtschaft, Energieversorgung und steuerliche Vorschriften nach Art. 175 Abs.2 sowie direkte Steuern nach Art. 95 i.V.m. Art. 94 und die Vertragsergänzungskompetenz nach Art. 308, das Erfordernis der Einstimmigkeit im Rat und damit ein individuelles Vetorecht vorbehalten.
(2) Außervertragliche Vereinbarungen: Luxemburger Kompromiss und Kompromiss von Ioannina Für die Praxis ist das Zustandekommen von Mehrheitsentscheidungen eingeschränkt durch den sog. Luxemburger Kompromiss und seine Fortschreibung für qualifizierte Mehrheitsentscheidungen im sog. Kompromiss von 10annina. Im Luxemburger Kompromiss der sechs Gründerstaaten der Gemeinschaft vom 29. 1. 1966200 verpflichteten sich diese, bei Geltendmachung "sehr wichtiger Interessen" durch einen oder mehrere Mitgliedstaaten zu versuchen, durch weitere Erörterung "innerhalb eines angemessenen Zeitraums" zu einer gemeinsamen Lösung zu gelangen. Damit wurde die von Frankreich betriebene (Blockade-) "Politik des leeren Stuhls" im Rat beendet, ohne allerdings Einigkeit darüber zu erzielen, was bei Nichterreichen einer Einigung innerhalb des angemessenen Zeitraums geschehen sollte. 201 Die Vereinbarung hat Mehrheits199 Deutschland wird für die Gleichstellung mit den annähernd bevölkerungsstarken anderen drei Mitgliedstaaten dadurch "entschädigt", dass es als einziger Mitgliedstaat 99 Stimmen im Rat behält. Vgl. Diemut R. Theato, Der Europäische Rat von Nizza, EulW 2001, 129; Michael Borchmann, Der Vertrag von Nizza, EulW 2001, 170. Vertrag von Nizza zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte, AB\. 200 I, Nr. C 80, 1. 200 Bull. EWG 1966, Nr. 3, 9, zitiert in RudolfGeiger, EG-Vertrag, 2. Auf!. 1995, Art. 148 Rn. 9 ff. 201 Insoweit handelt es sich um ein agreement to disagree, vg\. liff. III des Luxemburger Kompromisses.
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entscheidungen im Rat nicht verhindert, hat aber dazu geführt, dass gegen einen Mitgliedstaat, der "sehr wichtige Interessen" geltend macht, grundsätzlich keine Mehrheitsentscheidungen getroffen werden. Die Regelung gewährt jedoch kein rechtsverbindliches Vetorecht. 202 Im Kompromiss von Ioannina203 fand der Rat eine Lösung fiir die von der Mehrheit gewünschte Erweiterung der Sperrrninorität von bisher 23 Stimmen fiir Mehrheitsentscheidungen und die vom Vereinigten Königreich und Spanien gewünschte Beibehaltung der Sperrrninorität trotz Erhöhung der Gesamtstimmenanzahl durch den Beitritt von Finnland, Österreich und Schweden. Die Beibehaltung der fiir die Sperrrninorität erforderliche Stimmenanzahl hätte Mehrheitsentscheidungen fiir die Zukunft überproportional erschwert. Der Rat fand folgende Lösung: Falls eine Minderheit, die über 23 bis 25 Stimmen verfUgt, gegen einen Beschluss im Rat zu stimmen beabsichtigt, hat der Rat nach dem Kompromiss "innerhalb einer angemessenen Zeit" nach einer Lösung zu suchen, die eine Mehrheit von mindestens 65 Stimmen fmdet. Im Ergebnis wird die besondere Bedeutung politischer Interessenausgleichsprozesse deutlich: Während der Vertrag den Mitgliedstaaten nur in Ausnahmefällen Vetorechte einräumt, haben sich die Mitgliedstaaten vetoähnliche Verfahrensrechte im Rat gesichert, die es im Regelfall erforderlich machen, einen Ausgleich auch mit an sich "überstimmbaren" Mitgliedstaaten herbeizufUhren.
ce) Initiativmonopol der Kommission und quasi-selbständige Rechtssetzungsbefugnisse Eine dritte rechtliche Einschränkung des mitgliedstaatlichen Einflusses auf die Rechtssetzung geht von der Kommission aus. Diese verfUgt über das alleinige Recht, Rechtssetzungsverfahren in Gang zu bringen (Initiativmonopol). Die Kommission ist ein rechtlich selbständiges und unabhängiges Organ der Gemeinschaft, gemäß Art. 213 Abs.2 UAbs. 1 (ex-Art. 157) üben die Kommissionsmitglieder "ihre Tätigkeit in voller Unabhängigkeit zum allgemeinen Wohl der Gemeinschaften aus." Neben ihrem Vorschlagsrecht hat die Kommission in den Rechtssetzungsverfahren Mitwirkungspflichten bei Überarbeitung ihrer Vorschläge sowie Steuerungsbefugnisse in der Art, dass ihre ablehnende Stellungnahme zu einem Vgl. Geiger, EG-Vertrag, 2. Aufl. 1995, Art. 148 Rn. 13 und 14 f. Beschluss des Rates vom 29. 3. 1994, ABI. 1994, Nr. C 105, I, in der ab 1. 1. 1995 geltenden Fassung, ABI. 1995, Nr. CI, 1, wiedergegeben in Geiger, EG-Vertrag, 2. Aufl . 1995, Art. 148 Rn. 17. 202 203
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Änderungsvorschlag vom Rat nur durch Einstimmigkeit überwunden werden kann (vgl. Art. 251 Abs. 3 S. 12. Hs.; Art. 2521it. e). In bestimmten Bereichen hat der Rat der Kommission außerdem eigenständige Rechtssetzungsbefugnisse übertragen. Nach Art. 202 dritter Spiegelstr. (ex-Art. 145) hat der Rat der Kommission im Regelfall die Durchfiihrung seiner Grund- und Rahmenvorschriften zu überlassen. Die Kommission wird dabei auf einer ersten Implementationsstufe tätig. Die Ermächtigungen des Rates können allerdings weit ausgelegt werden. 204 Neben einer Vielzahl von Durchführungsverordnungen im Agrarsektor überträgt der Rat der Kommission typischerweise die Befugnis zur Anpassung technikbezogener Normen an den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt. Die Kontrolle des Rates über die Rechtssetzungsakte der Kommission fmdet in der Regel über einen aus Vertretern der Mitgliedstaaten zusammengesetzten Ausschuss statt, dessen Stellungnahme die Kommission vor ihrer Entscheidung einholen muss und dessen Ablehnung zum Heimfall der Entscheidungszuständigkeit an den Rat führt. 205 Mit diesem Verwaltungsausschussverfahren (sog. Komitologie, vom Rat gemäß Art. 209 (ex-Art. 153) zu regeln) sichert sich der Rat einen maßgeblichen Einfluss auf die an sich delegierte Rechtssetzung. 206
b) Strukturen im politischen Entscheidungsprozess Die soeben dargestellten Strukturen betreffen lediglich den Rahmen der rechtlich zwingenden Vertragsbestimmungen sowie der außervertraglichen Vereinbarungen zwischen den Mitgliedstaaten als "Herren der Verträge". Damit ist jedoch noch wenig darüber gesagt, auf welche Weise in diesem Rahmen Einigungen über Rechtsakte zustande kommen. Das Initiativrecht der Kommission bestimmt in erster Linie den formellen Verfahrensgang. Allgemein kommen Vorschläge inhaltlich ebenso aus den Ministerialverwaltungen der Mitgliedstaaten sowie von beteiligten Interessengruppen;207 außerdem ist ein erster Schritt der Rechtssetzung stets die Beratung 204 Sie bedürfen insbesondere nicht der im deutschen Verfassungsrecht nach Art. 80 GG vorgeschriebenen genauen Bestimmung nach Inhalt, Zweck und Ausmaß. Vgl. Oppermann Rn. 658. 20S Vgl. Krämer, Rechtsakte und Handlungsformen, Rn. 45 sowie zum Verfahren im einzelnen Beschluss 87/373 des Rates zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse, ABI. 1987, Nr. L 197,33. Als Beispiel vgl. z.B. Art. 18 der Richtlinie 75/442/EWG des Rates vom 15 . 7. 1975 über AbfaIIe, ABI. 1975, Nr. L 194,47, i.d.a.F. 206 Vgl. aIIgemein zur Komitologie Oppermann Rn. 451, 638 und 657. 207 V gl. Christoph Hauschild, Gemeinschaftsrecht und seine Umsetzung: Die Anwendung von EG-Recht in den Mitgliedstaaten: Ergebnisse einer empirischen Studie,
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in Form von "Expertenrunden" mit Vertretern der Fachabteilungen der Regierungen der Mitgliedstaaten?08 Im Umweltbereich nimmt die Kommission allerdings fiir neue Rechtsakte stärker als in anderen Bereichen eine aktive und gestaltende Rolle wahr. 209 Welche Rechtsakte zu welchem Zeitpunkt und mit welcher Priorität auf die Tagesordnung gebracht werden, ist dabei von den Aktionsprogrammen bestimmt, die sowohl allgemeine Richtungsvorgaben als auch Handlungsaufträge an die Kommission fiir spezifische Rechtsakte enthalten. Die ersten vier Aktionsprogramme enthielten keine rechtlich bindenden Bestimmungen, sondern lediglich politischen Richtungsvorgaben. Die rechtliche Bindungswirkung des Fünften Umweltaktionsprogrammes ist streitig. Teilweise wird aus dem W ortlaut des Art. 175 Abs.3 hergeleitet, dass das Programm in Form einer Entscheidung nach Art. 249 Abs.3 ergehen müsse und daher fiir Gemeinschaft und Mitgliedstaaten gleichermaßen verbindlich sei, so dass bei Nichtvodage eines im Programm vorgesehenen Kommissionsvorschlages zu einer bestimmten Richtlinie Untätigkeitsklage erhoben werden könne. 2lO Anders sieht dies die überwiegende Auffassung in der Literatur, nach der den Aktionsprogrammen grundsätzlich keine rechtsverbindliche Wirkung zukommt. 2l1 Der EuGH hat sich hierzu in der Entscheidung Associazione Agricoltori della Provincia di Rovigo 212 geäußert. Im Fünften Umweltaktionsprogramm wird dieses als Träger eines "allgemeinen Konzepts" und einer "Strategie", "langfristiger Zielsetzungen" und "Zielvorgaben" bezeichnet wird, die durch Maßnahmen umzusetzen seien, ohne aber selbst konkrete Verpflichtungen zu enthalten. Der EuGH hat aus diesem Wortlaut hergeleitet, dass das Umweltaktionsprogramm "einen Rahmen fiir die Festlegung der Umsetzung der Umweltpolitik der Gemeinschaft geben will, jedoch keine zwingenden Rechtsvorschriften enthält. ,,2\3 Die Bedeutung der Umweltaktionsprogramme liegt danach einerseits im politi-
in: Heinrich Siedentop[(Hrsg.), Europäische Integration und nationalstaatliche Verwaltung: deutsche Vereinigung und institutionelle Weiterentwicklung der Europäischen Gemeinschaft, Stuttgart 1991, 155, 158. 208 Vgl. Hauschild 157 f. 209 Vgl. Krämer, Rechtsakte und Handlungsformen, Rn. 7. Dies ist allerdings begrenzt durch ihre geringen Kapazitäten, vgl. RehbinderlStewart 254. 210 Krämer, Aktionsprogramme, 403; zur Auslegung des Art. 175 Abs. 3 im Sinne einer Vorgabe der Entscheidung nach Art. 249 Abs. 3 als Rechtsform ebd., Fn. 12. 21\ Vgl. z.B. Martin Nettesheim, Das Umweltrecht der Europäischen Gemeinschaften, JURA 1994, 337, 341. Eine Bindungskraft der Programme dürfte auch selten justiziabel sein, vgl. Siegfried Breier, Kompetenzen, in: Rengeling (Hrsg.), EUDUR, § 13, Bd. I, 365 ff., Rn. 37. 212 EuGH, Urt. v. 12. 12. 1996, Rs. C-142/95 P (Associazione Agricoltori della Provincia di Rovigo / Kommission), Slg. 1996,1-6669, Rn. 29 ff. m Ebd., Rn. 32. 18 Renner
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schen Bereich, in der V orstrukturierung konkreter Rechtssetzungsvorgängen zur Erleichterung der Entscheidungsfindung, andererseits können Umweltaktionsprogranune als Auslegungsmaßstab herangezogen werden. 214 Daneben haben die selbstgesetzten Gesetzgebungsprogranune der Kommission, in denen deren beabsichtigte Vorschläge für jeweils ein Jahr aufgelistet sind, einen strukturierenden Einfluss auf die Arbeit der Kommission. Ankündigungen für neue Rechtsakte sowohl darin als auch in den Umweltaktionsprogranunen haben sich in der Vergangenheit allerdings weder als abschließend noch als zwingend erwiesen. Die konkrete Initiativtätigkeit der Kommission lässt sich ex post häufig nicht als geordnetes, nach der Bedeutung von Problemen abgestuften Vorgehen erfassen, sondern eher als punktuelles Vorgehen, das sich stark an politischen Durchsetzungschancen orientiert. 215 Eine wichtige Rolle für die Initiativen der Kommission spielen die Mitgliedstaaten, und zwar in zweifacher Hinsicht, hinsichtlich des "Ob" und des "Wie": Zum einen gehen wie in anderen Politikfeldern auch im Umweltbereich viele Initiativen tatsächlich auf Anstöße einzelner Mitgliedstaaten zurück, entweder als Vorschläge, die diese bei der Kommission anbringen, oder als Information über beabsichtigte nationale Maßnahmen, die sich auf das Funktionieren des Binnenmarktes auswirken können, nach der Notifizierungsrichtlinie 83/189?16 Hinter solchen mitgliedstaatlichen Initiative stehen vielfach handfeste wirtschaftliche Interessen eines umweltschutzorientierten Mitgliedstaates, der Wettbewerbsnachteile für seine Wirtschaft infolge überdurchnittlicher nationaler Umweltschutzanforderungen durch Ausweitung dieser Anforderungen auf den Rest der Gemeinschaft nivellieren möchte. Die Kommission übt hier eine filternde Funktion aus, die aber in einer Wechselwirkung mit ihrer notwendigen Orientierung an den Durchsetzungschancen eines Vorschlags steht. Zum anderen ist die Ausgestaltung der von der Kommission vorgeschlagenen Rechtsakte in den meisten Fällen an vorhandenen mitgliedstaatlichen Regelungen orientiert. 217 Grundlage sind regelmäßig Zusanunenstellung und Bewer214 Kahl, Umweltprinzip und Gemeinschaftsrecht, 61 m.w.N.; Pühs 454. BreierNygen, in: earl Dtto Lenz (Hrsg.), EG-Vertrag. Kommentar, 2. Aufl. Köln u.a. 1999, Art. 175 Rn. 18 sehen eine Bindungswirkung nur bei Umweltaktionsprogrammen auf der Basis des Art. 175 Abs. 3 (ex-Art. 130s), während die früheren Programmen nur eine allgemeine politische Bedeutung haben sollen. 21S Vgl. RehbinderlStewart 207. 216 Richtlinie 83/189/EWG des Rates vom 28.3. 1983 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften, ABI. 1983, Nr. L 109,8. 217 Vgl. RehbinderiStewart 213 m.w.N. ("conservativism"); Krämer, Rechtsakte und Handlungsformen, Rn. 8 f. mit dem Beispiel der Verpackungsrichtlinie 94/62 (Richtlinie 94/62/EG des Rates vom 20. 12. 1994 über Verpackungen und Abfälle von Verpackungen, ABI. 1994, Nr. L 365, 10), deren Reichweite und Ausgestaltung wesentlich auf die deutsche Verpackungsverordnung zurückzuflihren ist.
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tung existenter oder geplanter Rechtsakte der Mitgliedstaaten,218 Vorschläge im Entwurfsstadium werden mit Experten aus den mitgliedstaatliche Verwaltungen ausgiebig erörtert?19 Eine gegenüber dem Ausgangspunkt für Rechtsakte (Rechtssetzungsinitiative) und deren Inhalt gesonderte Frage ist die nach dem Zustandekonunen einer Einigung am Ende des Rechtssetzungsverfahrens. Das Parlament hat sich in der Vergangenheit deutlich für eine starke und auf einem hohen Schutzniveau angesiedelte europäischen Umweltpolitik eingesetzt und ebenso deutlich über eigene Anstöße zu konkreten Rechtakten Einfluss ausgeübt. 22o Daran wurde schon vor der Direlctwahl des Parlaments dessen Ablösung von mitgliedstaatlichen Partikularinteressen deutlich. Die Situation im Rat ist hingegen nach wie vor von nationalen Interessengegensätzen, langwierigen Aushandlungsprozessen und Kompromisslösungen geprägt. Der Luxemburger Kompromiss und der Kompromiss von Ioannina begrenzen trotz des formal geltenden Mehrheitsprinzips die Durchsetzbarkeit von Mehrheitsmeinungen gerade in wichtigen, stark umstrittenen Situationen. Damit wird die Umweltpolitik der Gemeinschaft regelmäßig zu einem zwischenstaatlichen Aushandlungsprozess. 221 Dieser ist nicht vollständig erfassbar, da die Tagungen des Rates nach Art. 4 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Rates grundsätzlich nichtöffentlich abgehalten werden. Die relative Neuheit und der vielfach technische Standards setzende oder selbständige Instrumente schaffende Charakter des Umweltrechts mag die dogmatische und systematische Einordnung in verschiedene mitgliedstaat. liche Rechtsordnungen und daraus resultierende Schwierigkeiten bei der Rechtssetzung entschärfen,222 problematisch sind jedoch vor allem nationale ökonomische Interessen. Die Bereitschaft, gemeinschaftsweite Standards zu akzeptieren, ist bereits im produktbezogenen Bereich von der (deutlich unterschiedlichen) Exportorientierung des jeweiligen Mitgliedstaates abhängig und ist im ebenso wettbewerbsrelevanten produktionsbezogenen Bereich eher noch geringer. Kompromisse kommen zum Teil durch implizite oder explizite Reziprozitätserwartungen für zeitlich parallele oder zukünftige Streitfragen zustande. 223 Vielfach fuhren die Interessengegensätze jedoch zu schwammigen, 218 Vgl. Krämer, Rechtsakte und Handlungsformen, Rn. 12 f. 219 Vgl. RehbinderlStewart 260. 220 So bereits fiir die Zeit bis Mitte der achtziger Jahre RehbinderlStewart 268 f. 221 Ein anschauliches Beispiel ist die über mehrere Jahre anhaltende Diskussion um eine Harmonisierung der Energiesteuern in der Gemeinschaft (vgl. hierzu z.B. den Bericht "EU braucht harmonisierte Energiesteuer", FAZ Nr. 213 vom 13. 9.2000, 17). 222 Vgl. RehbinderlStewart 257. 223 Im Umweltbereich mag als Motor flir Urnweltschutzregelungen der Gemeinschaft auch das Bestreben nationaler Verwaltungen mitspielen, über das Gemeinschaftsrecht Ziele durchzusetzen, die auf nationaler Ebene nicht konsensfähig oder mit zu hohen politischen Kosten verbunden sind. Vgl. RehbinderlStewart 266 f. IS"
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für das angestrebte Ziel nicht optimalen und in der Anwendung schwierigen Kompromissfonneln. 224 Ein Beispiel hierfür ist die nicht geklärte Priorität zwischen den in Art. 5 Abs. 2 der Gewässerschutz-Rahmenrichtlinie 76/464225 genannten drei Kriterien für die Bewertung der Gefährlichkeit von Schadstoffen (Toxizität, Langlebigkeit und Bioakkumulation), ein anderes die Anwendung alternativer Standards wie in Art. 6 Abs. 3 derselben Richtlinie gefundene Kompromiss mit dem Vereinigten Königreich, der diesem die Einhaltung von Wasserqualitäts- statt Emissionsgrenzwerten gestattet und damit eine Ausnahme eröffnet, die sowohl zu Lasten des Umweltschutzes als auch zu Lasten einheitlicher Wettbewerbsbedingungen in der Gemeinschaft geht. Anspruchsvolle Rahmenrichtlinien, die jedoch kaum konkrete Verpflichtungen enthalten, scheitern vielfach im Stadium der Ausfüllung, indem keine Einigungen für Einzelrichtlinien zustande kommen. Auch hierfür ist der Gewässerschutzbereich, in dem nur wenige der in den Anhängen der Rahmenrichtlinie 76/464 genannten Stoffgruppen abgedeckt sind, ein gutes Beispiel.
c) Zwischenergebnis
Im Ergebnis üben die Mitgliedstaaten trotz der anderen Akteure im Rechtssetzungsprozess der Gemeinschaft einen maßgeblichen Einfluss auf dessen Ergebnisse aus. Dennoch steht außer Frage, dass die Grenzen der Rechtssetzungsbefugnisse der Gemeinschaft grundsätzlich der Kontrolle des EuGH unterliegen und dies jedenfalls nicht aus Gründen der political safeguards in Zweifel zu ziehen ist. Die Justiziabilität der Grenzen der Gemeinschaftsbefugnisse wird nur im Einzelfall in Frage gestellt, wo es an hinreichenden objektiven Merkmalen für eine Grenzziehung fehlt.
224
Vgl. RehbinderlStewart 255 m.w.N.
m Richtlinie 76/464/EWG des Rates betreffend die Verschrnutzung infolge der Ab-
leitung bestimmter gefährlicher Stoffe in die Gewässer der Gemeinschaft, ABI. 1976, Nr. L 129,23, dessen Rahmen künftig ersetzt werden soll durch den der neuen Rahmenrichtlinie 2000/60/EG des EP und des Rates vom zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik, ABI. 2000, Nr. L 327, I. Vgl. zum Verhältnis der beiden Richtlinien letztere, Erwägungsgrund 52.
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11. Rechtliche Konzepte für die Beschränkung des Gemeinschaftsgesetzgebers 1. Inhaltliche Beschränkungen a) Umweltbezogene Anforderungen
Die Anforderungen des EG an einen wirksamen Umweltschutz in der Gemeinschaft in Art. 174, Art. 6 und Art. 95 Abs. 3 (der neben Art. 6 keine wesentliche eigenständige Bedeutung hat) wurden bereits oben im Zusammenhang mit den Kompetenzen der Gemeinschaft dargestellt. b) Grundfreiheiten
Die allgemeinen Beschränkungen des EG sind nicht nur von den Mitgliedstaaten, sondern auch von den Gemeinschaftsorganen zu beachten. Dies betrifft insbesondere die Anforderungen der Grundfreiheiten. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH gilt das Verbot von mengenmäßigen Beschränkungen sowie von Maßnahmen gleicher Wirkung nicht nur für eigenständige Maßnahmen der Mitgliedstaaten, sondern auch für Maßnahmen der Gemeinschaft. 226 Gleiches gilt für die übrigen, für den Umweltbereich praktisch weniger bedeutsamen Grundfreiheiten. Der gegenüber den mengenmäßigen Beschränkungen weitere Begriff der Maßnahmen gleicher Wirkung erfasst nach der sog. Dassonville-Formel des EuGH grundsätzlich ,jede einzelstaatliche/nationale/innerstaatliche Regelung",227 "die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel umnittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern".228 Welche Maßnahmen davon im einzelnen erfasst sind, hat der EuGH ausschließlich zu mitgliedstaatlichen Regelungen entwickelt. Dies ist in Teil 4 dieser Arbeit zu erörtern. An dieser Stelle genügt die Feststellung, dass der Gemeinschaft grundsätzlich
226 EuGH, Urt. v. 17. 5.1984, Rs. 15/83 (Denkavit Nederland) Slg. 1984,2171, Rn. 15; EuGH, Urt. v. 9. 8. 1994, Rs. C-51193 (Meyhui) Slg. 1994,1-3879, Rn. 11; EuGH, Urt. v. 14.7. 1998, Rs. C-284/95 (Safety Hi-Tech), Slg. 1998,1-4301, Rn. 63. 227 EuGH, Urt. v. 30. 10. 1974, Rs. 190/73 (van Haaster), Slg. 1974, 1123, Ls. 1 ("einzelstaatliche Marktordnung"); EuGH, Urt. v. 26. 2. 1980, Rs. 94/79 (Vriend), Slg. 1980,327, passim ("nationale Regelung", "nationale Bestimmung"); EuGH, Urt. v. 23. 1. 1975, Rs. 31/74 (Galli), Slg. 1975,47, passim ("innerstaatliche Regelung"); vgl. auch EuGH, Urt. v. 8. 7. 1975, Rs. 4/74 (Rewe), Slg. 1975,843, passim ("Maßnahme"). 228 EuGH, Urt. v. 11. 7. 1974, Rs. 8/74 (Procureur du Roi 1 Dassonville), Slg. 1974, 837, Rn. 5
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in gleicher Weise wie den Mitgliedstaaten jede nachteilige Beeinflussung des Binnenmarktes untersagt ist. 229
2. Instrumentelle Beschränkungen a) Gesetzgeberische Instrumente, Art. 249 EG Art. 249 (ex-Art. 189) nennt in abschließender Aufzählung die Instrumente der Gemeinschaftsgesetzgebung. Die Bestimmung beschränkt verbindliche Regelungen des Gemeinschaftsrechts auf die drei Instrumente der Verordnung, Richtlinie und Entscheidung. Die Bindung an die Instrumente des Art. 249 ergibt sich - wie jene an die materiellen Kompetenzbestimmungen - außerdem aus dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung.230 Die Verordnung hat gemäß Art. 249 Abs. 2 unmittelbare Geltung in allen Mitgliedstaaten und bedarf daher im Regelfall keiner Umsetzungsakte der Mitgliedstaaten. 231 Allerdings gibt es auch sog. "hinkende Verordnungen", die zu ihrer Anwendung eine Umgestaltung der Verwaltungs organisation in den Mitgliedstaaten oder andere mitgliedstaatliche Durchführungsmaßnahmen erfordern und daher einer Richtlinie ähneln. 232 Ein Beispiel hierfür aus dem gemeinschaftlichen Umweltrecht ist die Verordnung 1836/93 über die freiwillige Beteiligung gewerblicher Unternehmen an einem Gemeinschaftssystem für das Umweltrnanagement und die Umweltbetriebsprüfung (sog. Öko-AuditVerordnung),233 die umfangreiche Durchführungsmaßnahmen erfordert, insbesondere hinsichtlich der Anforderungen an die Umweltgutachter und die zuständigen Stellen für deren Zulassung. 234 Die bindende Wirkung der Richtlinie, Art. 249 Abs. 3, gibt nach dem Vertragstext nur Ziele vor und lässt die Wahl der Formen und Mittel frei. Anders 229 Vgl. Peter-Christian Müller-Graff, Umweltschutz und Grundfreiheiten, in: Rengeling(Hrsg.), EUDUR, § 10, Bd. 1,222 ff., Rn. 48. 230 Vgl. Pühs 122 m.w.N. 231 Die Umsetzung einer Verordnung in mitgliedstaatliches Recht kann umgekehrt sogar gemeinschaftsrechtswidrig sein, da sie die allgemeine, unmittelbare Geltung der VO in allen Mitgliedstaaten durch ihren begrenzten Anwendungsbereich beeinträchtigt. Oppermann Rn. 647. 232 Vgl. Oppermann Rn. 647 m.w.N. 233 Verordnung (EWG) 1836/93 des Rates vom 29. 6. 1993 über die freiwillige Beteiligung gewerblicher Unternehmen an einem Gemeinschaftssystem für das Umweltmanagement und die Umweltbetriebsprüfung, ABI. 1993, Nr. L )68, ). 234 Vgl. die bei Epiney, Umweltrecht in der EU, 203 f. wiedergegebenen deutschen Durchführungsgesetze und Ausführungsverordnungen m.w.N. zur Erforderlichkeit von Durchführungsmaßnahmen ebd., 202 Fn. 304.
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als die Verordnung richtet sie sich nicht an die Bürger, sondern nur an die Mitgliedstaaten, die die Richtlinie in innerstaatliches Recht umzusetzen haben. Entsprechend der Charakterisierung als Zielvorgabe bedarf es hierzu keiner wortgleichen Übernahme in eine besondere mitgliedstaatliche Norm. Vielmehr kann der Richtlinie auch "durch einen allgemeinen rechtlichen Kontext Genüge getan werden, wenn dieser tatsächlich die vollständige Anwendung der Richtlinie hinreichend klar und bestimmt gewährleistet. ..235 Die dritte verbindliche Form von Rechtsakten, die Entscheidung, Art. 249 Abs. 4, dient in den meisten Fällen zur Regelung von Einzelfallen. 236 Sie hat daher als legislatives Instrument so gut wie keine Bedeutung. Art. 249 Abs. 4 sieht als nicht rechtsverbindliche Regelungsformen Empfehlungen und Stellungnahmen vor. Zwar haben die Organe der Gemeinschaft, insbesondere die Kommission, sowohl allgemein als auch im Umweltbereich gelegentlich von diesen Instrumenten Gebrauch gemacht, für die Rechtsentwicklung haben diese jedoch eher geringe Wirkung. Das Instrument der Mitteilung ist im EG nicht vorgesehen. Dennoch ist die Mitteilung als rechtlich unverbindliches Instrument anerkannt. Sie kann dort maßgebliche Wirkung entfalten, wo Handlungen der Mitgliedstaaten unter der Kontrolle oder einem Genehmigungserfordernis der Kommission stehen und die mitgliedstaatliche Verwaltung sich daher tatsächlich an Mitteilungen der Kommission über die Auslegung verbindlicher Rechtsakte der Gemeinschaft orientiert. Nicht im Vertrag vorgesehen sind auch Entschließungen. Sie dienen dem Rat zu Äußerungen über die politische Orientierung in bestimmten Bereichen, häufig als Reaktion auf Mitteilungen der Kommission. Sie ergehen im Konsens aller Mitgliedstaaten, also de facto einstimmig.237
b) Unmittelbare Wirkung von Richtlinien und Schadensersatz wegen Nichtumsetzung Wie oben dargestellt, kommt im Sekundärrecht der Gemeinschaft nur Verordnungen unmittelbare Geltung (direkt applicability/applicabilite directe)238 235 EuGH, Urt. v. 9. 9. 1999, Rs. C-I02l97 (Kommission / Deutschland) - Altölbeseitigungsrichtlinie, Slg. 1999, 1-5051 , Rn. 33 m.w.N., EuZW 1999,689,691. 236 V gl. Krämer, Rechtsakte und Handlungsformen, Rn. 1. 237 Vgl. zu diesen Instrumenten mit Beispielen Krämer, Rechtsakte und Handlungsformen, Rn. 81 ff. 238 V gl. zu diesem Sprachen- und Begriffsproblem Frank Emmert, Europarecht, München 1996, 152 f.
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zu. Unmittelbar wirksam bzw. unmittelbar anwendbar (direct effectleffet direct) sind allerdings unter bestimmten Voraussetzungen auch Richtlinien. Danach besteht eine Verpflichtung mitgliedstaatlicher Behörden zur innerstaatlichen Anwendung von Richtlinienbestimmungen auch ohne vorhergehenden Umsetzungsakt (objektive unmittelbare Wirkung), wenn die Richtlinie eine inhaltlich und bedingte und hinreichend bestimmte Regelung enthält und der betreffende Mitgliedstaat die Richtlinie nicht bis zum Ablauf der Umsetzungsfrist ordnungsgemäß (vollständig und gemeinschaftsrechtskonform) umgesetzt hat. 239 Der einzelne Bürger kann sich gegenüber mitgliedstaatlichen Behörden unmittelbar auf die Richtlinie berufen (subjektive unmittelbare Wirkung), wenn diese neben den genannten Voraussetzungen der objektiven unmittelbaren Wirkung die Begründung individueller Rechte vorsieht. 240 Der Staat kann sich hingegen nicht dem Bürger gegenüber unmittelbar auf eine diesen belastende Richtlinie berufen,24J auch die Bürger untereinander können dies nicht. 242 Problematisch sind die Fälle der Dritt- oder Doppelwirkung, in denen die Verwirklichung des Rechtes eines Bürgers eine Belastung eines anderen nach sich zieht (Begünstigungen mit drittbelastender Wirkung und Belastungen mit drittbegünstigender Wirkung). Diese Situation, z.B. bei der Durchsetzung drittschützender Umweltstandards gegenüber Anlagenbetreibern, ist bisher nicht abschließend vom EuGH geklärt. 243 239 Vgl. z.B. EuGH, Urt. v. 11. 8. 1995, Rs. C-431/92 (Kommission I Bundesrepublik Deutschland) - Großkrotzenburg, Slg. 1995,1-2189, Rn. 26. 240 St. Rspr. seit EuGH, Urt. v. 5. 2. 1963, Rs. 26/62 (Van Gend & Loos / Niederländische Finanzverwaltung), S!g. 1963,3,24 fT.; vgl. auch EuGH, Urt. v. 19. I. 1982, Rs. 8/81 (Becker I Finanzamt München-Innenstadt), Sig. 1982, 53, Rn. 35 sowie Zu leeg, Umweltschutz in der Rechtsprechung des EuGH, 37 m.w.N. Rn. 87. 241 In der Berufung auf die Richtlinie gegenüber dem Bürger läge ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Mitgliedstaates, da das Nichtbestehen der Verpflichtung des Bürgers nach dem mitgliedstaatlichen Recht auf die Pflichtverletzung des Mitgliedstaates selbst zurückzufUhren ist. Vgl. bereits EuGH, Urt. v. 26. 2. 1986, Rs. 152/84 (Marshall I Southampton and South-West Hampshire Area Health Authority) - MarshallI, Slg. 1986,723, Rn. 48; EuGH, Urt. v. 14.7. 1994, Rs. 91/92 (Faccini Dori), Sig. 1994, 3325, Rn. 22 fT., 24; EuGH, Urt. v. 7. 3. 1996, Rs. C-192/94 (EI Corte Ingles SA I Bläzquez Rivero), Sig. 1996,1-1281, Rn. 15 fT., 17. 242 EuGH, Urt. v. 8. 10. 1987, Rs. 80/86 (Kolpinghuis Nijmegen), Sig. 1987,3969, Rn. 9. Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn die unmittelbare Wirkung einer Richtlinie zur Unanwendbarkeit einer entgegenstehenden Norm des nationalen Rechts fUhrt. Denn in diesem Fall begründet die Richtlinie keine Rechte und Pflichten im Verhältnis zwischen Privaten. EuGH Urt. v. 26. 9. 2000, Rs. C-443/98 (Unilever Italia SpA I Central Food SpA), Sig. 2000, 1-7535, Rn. 50 f. Die Abgrenzung dieser Fälle kann freilich schwerfallen, vgl. Jörg Gundei, Neue Grenzen fUr die Direktwirkung nicht umgesetzter EG-Richtlinien unter Privaten, EuZW 2001, 143, 148 f. 243 Die vom EuGH herangezogenen Argumente fUr und gegen eine unmittelbare Wirkung scheinen sich zu widersprechen: Während der effet utile dafUr spricht, kann
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Unmittelbar wirksame Richtlinien können außerdem einen Staatshaftungsanspruch begründen. Sieht eine Richtlinie die Begründung individueller Rechte vor, die sich ohne weitere Bedingung und hinreichend bestimmt aus der Richtlinie ergeben, hat der Mitgliedstaat die Richtlinie nicht ordnungsgemäß und rechtzeitig umgesetzt und ist dem betroffenen Bürger hierdurch ein Schaden entstanden, so kann der Bürger nach dem 1991 in Franeovieh entwickelten Grundsatz Schadensersatz von dem Mitgliedstaat fordern. 244 Geht der Bürger gegen den Mitgliedstaat vor und könnte er gleichermaßen unter Berufung auf die unmittelbare Wirkung der Richtlinie Primärrechtsschutz beantragen, so ist der Staatshaftungsanspruch gegenüber dem Primäranspruch nachrangig. 245 Von Bedeutung ist der Staatshaftungsanspruch daher dort, wo die Richtlinie die Begründung von Ansprüchen zwischen Privaten bezweckt, die mangels hori-
das Verbot des venire contra factum proprium, der Berufung auf eine Pflicht, die der Staat selbst in seinem Recht zu schaffen versäumt hat, gegen eine Drittbelastung angeführt werden. Vgl. Pascal Royla/Klaus Lackhoff, Die innerstaatliche Beachtlichkeit von EG-Richtlinien und das Gesetzmäßigkeitsprinzip, DVBI. 1998, 1116, 1117 f. Der von Royla/Lackhojf angebotene Weg (Ablehnung der unmittelbaren Wirkung wegen Verstoß gegen Gesetzesvorbehalt) überzeugt nicht, da in diesen Fällen gerade die Frage zu klären ist, ob das bestehende und die grundsätzlichen Anwendungsvoraussetzungen erfüllende Gesetz (= die Richtlinie) herangezogen werden kann. Eine pragmatische Lösung liegt wohl darin, dem Mitgliedstaat nur dann und nur insoweit die Auferlegung einer Belastung zu gestatten, als dies zur Verwirklichung individueller Rechte anderer erforderlich ist. In diesem Fall zieht der Mitgliedstaat keinen eigenen "Nutzen" aus der unmittelbaren Anwendung, sondern gewährt lediglich rechtlichen Schutz im Interesse des Anderen. Ähnlich Astrid Epiney, Unmittelbare Anwendbarkeit und objektive Wirkung von Richtlinien: Zur Entscheidung des EuGH vom 11. 8. 1995 - Rs. C-431/92 Großkrotzenburg - DVBI. 1996, 424, DVBI. 1996, 409, 413 m.w.N. (Fn. 39). Dafür auch Jürgen Kühling/Marc Röckinghausen, Legislative Umsetzungdefizite und exekutive Schadensbegrenzung: Zur (in)direkten Wirkung der lVU-Richtlinie in Deutschland, DVBI. 1999, 1614, 1618 ff., die darauf abstellen, dass sich die Rechtspflicht in diesen Fällen unmittelbar an die Behörde, nicht jedoch an den Dritten richtet, sowie Silke Albin, Unmittelbare Anwendbarkeit von Richtlinien mit ,,Doppelwirkung" im Umweltbereich - ein Scheinproblem? Anmerkungen anläßlich des "Großkrotzenburg"-Urteils des EuGH, NuR 1997.29. 244 EuGH, Urt. v. 19. 11. 1991, verb. Rs. C-6 und C-9/90 (Francovich / Italien), Slg. 1991, 1-5357, Rn. 31 ff. - verspätete Umsetzung der Richtlinie zum Konkursausfallgeld in Italien; EuGH, Urt. v. 16. 12. 1993, Rs. C-334/92 (Teodora Wagner MiretIFondo de garantia salarial), Slg. 1993, 1-6911, Rn. 15 ff. - mangelhafte Umsetzung derselben Richtlinie in Spanien, das bestimmte Gruppen von Angestellten von dem Anspruch ausnahm. 245 Vgl. EuGH, Urt. v. 16. 12. 1993, Rs. C-334/92 (Teodora Wagner Miret / Fondo de garantia salarial), Slg. 1993, 1-6911, Rn. 19. Hier hatte das vorlegende spanische Gericht lediglich nach dem Bestehen eines Staatshaftungsanspruches gefragt. Dennoch stellt der EuGH vorrangig fest, dass sich die betroffenen Angestellten nicht unmittelbar auf die Richtlinie berufen konnten, um von der mitgliedstaatlichen Garantieeinrichtung Ersatz für entgangenes Gehalt zu bekommen.
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zontaler urunittelbarer Wirkung von Richtlinien nicht im Wege des Primärrechtsschutzes geltend gemacht werden können.
c) Verwaltungsstruktur aa) Regelstruktur des indirekten Vollzugs von Gemeinschaftsrecht Das Recht der Europäischen Gemeinschaft wird grundsätzlich von den Mitgliedstaaten vollzogen (mitgliedstaatlicher oder "indirekter" Vollzug). Der EG sieht als Regelfall keine eigenen Verwaltungsbehörden auf Gemeinschaftsebene ("gemeinschaftsunmittelbarer" oder "direkter" Vollzug246) vor. Nach dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung bedeutet dies, dass die Gemeinschaft grundsätzlich auch nicht zur eigenen Verwaltung des EG-Rechts befugt ist, also auch dort nicht, wo Verordnungen miturunittelbarer Wirkung gegenüber jedem Bürger vorliegen. Gemeinschaftsunmittelbarer oder direkter V 011zug von Gemeinschaftsrecht besteht daher lediglich im Bereich des Wettbewerbsrechts, der Handelspolitik und der Sozialpolitik, wo dies der Vertrag vorsieht, sowie im Innenbereich der "Selbstverwaltung" der Gemeinschaftsorgane. 247 Im Umweltbereich besteht keinerlei gemeinschaftsunmittelbarer V 011zug. Die Mitgliedstaaten sind zum Vollzug und zur bestmöglichen Verwirklichung des Gemeinschaftsrechts in ihrem Hoheitsbereich verpflichtet. Dies ergibt sich allgemein aus Art. 10 in Verbindung mit den einzelnen Rechtsakten der Gemeinschaft, für umweltpolitische Maßnahmen zudem aus Art. 175 Abs. 4. Diese Verpflichtung erfasst sowohl die legislative Schaffung von Umsetzungsvorschriften für Richtlinien und sog. ,,Ausfiihrungsnormen,,248 für das Primärrecht oder bestimmte Verordnungen, insbesondere "hinkende Verordnungen", als auch die administrative Anwendung und Durchsetzung von Umsetzungsvorschriften, Verordnungen und Einzelfallentscheidungen durch sog. Vollzugsakte. 249 Dabei ist zu unterscheiden zwischen "mittelbarem" Vollzug von Normen des Gemeinschaftsrechts, die sich lediglich an die Mitgliedstaaten richten und durch Vollzug der mitgliedstaatlichen Urnsetzungs- oder Ausftihrungsvorschriften vollzogen werden, und "unmittelbarem" Vollzug von unmittelbar anwendbaren Gemeinschaftsnormen.
246 Vgl. zu den Begriffen direkter/gemeinschaftsunrnittelbarer und indirekter Vollzug Oppermann Rn. 636; Bleckmann, Europarecht, Rn. 726. 247 Vgl. Pühs 78 m.w.N. 248 Vgl. ebd., 76 m.w.N. 249 Vgl. zur Begriffiichkeit ebd., 75 f. m.w.N.
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Gemeinschaftsrechtlich gesteuert wird der mitgliedstaatliche Vollzug von dem aus Art. 10 zu entnehmenden Prinzip der Gemeinschaftstreue, das das auf die Gemeinschaft bezogene Verhalten der Mitgliedstaaten darauf verpflichtet, die Erreichung der Ziele des Vertrages sicherzustellen, von dem Grundsatz der gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung250 sowie im Umweltbereich durch die Grundsätze der gemeinschaftlichen Umweltpolitik nach Art. 174, die über die umweltrechtliche Querschnittsklausel auch für den mitgliedstaatlichen Vollzug zu beachten sind: Gemäß Art. 6 sind die Erfordernisse des Umweltschutzes bei der Festlegung und Durchfiihrung aller Politiken und Maßnahmen der Gemeinschaft zu berücksichtigen. 251 Würden diese gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben nur die legislative Umsetzung und nicht auch den Normvollzug erfassen, so wäre ihre praktische Wirksamkeit für das Gemeinschaftsrecht erheblich gemindert. 252
bb) Die Funktion der Europäischen Umweltagentur Seit Ende 1994 verfügt die Gemeinschaft über die Europäische Umweltagentur (EUA) auf der Grundlage der Verordnung 1210/90,253 die als Vorstufe für eine gemeinschaftseigene Umweltverwaltung dienen könnte, bisher jedoch keine echten Verwaltungsaufgaben wahrnimmt. Anders als geplant konnte die Agentur erst mit mehr als dreijähriger Verzögerung am 31. 10. 1994 ihre Arbeit aufnehmen, nachdem der Sitz der Agentur in Kopenhagen in langwierigen Verhandlungen festgelegr 54 und das Arbeits250 Dieser lässt sich sowohl aus Art. 10 als auch bereits aus dem Vorrang des Gemeinschaftsrechts ableiten. V gl. hierzu Astrid Epiney, Grundlagen und Überblick, in: Rengeling (Hrsg.), EUDUR, § 30, Bd. I, 927 ff., Rn. 16 ff./31 ff. 251 Im ersteren Sinne auch EpineylFurrer, 387, im letzteren Sinne auch Epiney, Umweltrecht in der EU, 106. 252 Vgl. Epiney, Umweltrecht in der EU, 106 m.w.N.; Nw. bei Meinhard Schräder, Beachtung gemeinschaftsrechtlicher Grundsätze rur den Umweltschutz bei nationalen Maßnahmen, in: Rengeling (Hrsg.), EUDUR, § 31, Bd. I, 943 ff., 943 Fn. 1. A.A. Schröder ebd., Rn. 12 f. und 16 f. m.w.N., der die Verwirklichung der Ziele des Art. 174 ausschließlich rur eine "Frage der Ausgestaltung der Rechtsakte der Gemeinschaft" hält, aber eine Rolle des Art. 174 als Interpretationshilfe bei der Bestimmung sekundärrechtlicher Standards sieht. 253 Verordnung 1210/90 des Rates vom 7. 5. 1990 zur Errichtung einer Europäischen Umwe1tagentur und eines europäischen Umwe1tinformations- und Umwe1tbeobachtungsnetzes, ABI. 1990, Nr. L 120, I (EUA-VO), geändert durch Verordnung (EG) Nr. 933/1999 des Rates vom 29.4. 1999, ABI. 1999, Nr. L 117, 1. 254 Art. I lit. a) des Einvernehmlichen Beschlusses (93/C 323/01) der auf Ebene der Staats- und Regierungschefs vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten über die Festlegung des Sitzes bestimmter Einrichtungen und Dienststellen der Europäischen Gemeinschaften sowie des Sitzes von Europol vom 29. 10. 1993, ABI. 1993, Nr.
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programm fur 1994/95 verabschiedet worden war.2SS Die EVA verfügt gemäß Art. 7 der EVA-VO über eine eigene Rechtspersönlichkeit und umfassende Rechts- und Geschäftsfähigkeit in jedem Mitgliedstaat in dem Maße, in dem der jeweilige Mitgliedstaat dies juristischen Personen zugesteht, so dass die EVA selbständig Verträge schließen und Rechte erwerben kann, selbständig vertraglich und außervertraglich haftet (Art. 18 EVA-VO) und klagen oder verklagt werden kann. Aufgabe der EVA ist gemäß der Zielbestimmung des Art. 1 Abs. 2 EVA-VO sowie der Art. 2 und 3 EVA-VO die Sammlung und Zurverfügungstellung von Vergleichs werten auf europäischer Ebene als Grundlage fur Vmweltschutzmaßnahmen, zu deren Evaluation und zur Unterrichtung der Öffentlichkeit über den Zustand der Umwelt, sowie die technische und wissenschaftliche Unterstützung der Mitgliedstaaten. Ausgehend von vorhandenen mitgliedstaatlichen Einrichtungen strebt die EVA-VO eine horizontale und vertikale Vernetzung dieser Stellen als Informationslieferanten und der EVA zu einem europäischen Vmweltinformations- und Vmweltbeobachtungsnetz an, dessen Koordinierung der EUA obliegt. 256 Mit diesen Aufgaben ist die EVA derzeit auf die Sammlung und Bewertung von Daten und deren Weitergabe an die Kommission und die Mitgliedstaaten beschränkt. 257 Dabei hat sie sich mit der wissenschaftlichen Auswertung von Informationen zu begnügen, die politische Bewertung im Hinblick auf vorzunehmende Maßnahmen ist Sache der Kommission.258 Die EVA verfugt weder über eine eigenständige Funktion im Gesetzgebungsverfahren der Gemeinschaft oder bei der Ausgestaltung des Vmweltrechts auf Gemeinschaftsebene noch über Überwachungs-, Kontroll- oder Sanktionsbefugnisse im Bezug auf den mitgliedstaatlichen Vollzug von Gemeinschaftsrecht. Nach Art. 20 EVA-VO in der ursprünglichen Fassung sollte der Rat nach Stellungnahme des EP auf Vorschlag der Kommission spätestens zwei Jahre nach Inkrafttreten der EUA-VO (1. 11. 1993) über eine mögliche Erweiterung
C 323, 1. An diese Bedingung war das Inkrafttreten der EUA-VO gemäß deren Art. 21 geknüpft. m Vorläufer der EUA war ein Arbeitsprogramm der Kommission fiir ein System vergleichbarer Informationen über die Umwelt als Grundlage für die Durchführung der gemeinschaftlichen Umweltpolitik (vgl. Entscheidung 85/338/EWG des Rates vom 27. 6. 1985, ABI. 1985, Nr. L 176, 14). Mit der EUA sollte dieses System eine dauerhafte Institutionalisierung erhalten, da nur so die erforderliche Datengrundlage für effiziente Umweltschutzmaßnahmen und die Information der Öffentlichkeit über den Zustand der Umwelt gewährleistet werden konnte. VgI. Michael Brenner, Besondere Einrichtungen, in: Rengeling (Hrsg.), EUDUR, § 20, Bd. I, 602 ff., Rn. 10 ff. 256 V gI. Brenner Rn. 14 und 36 ff. 257 Brenner spricht immerhin von der Einrichtung der EUA als einem "qualitativen Sprung in die Umweltbeobachtung auf europäischer Ebene". Brenner Rn. 54. 258 VgI. Art. 2 Nr. ii) EUA-VO sowie Brenner Rn. 27.
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der Aufgaben der Agentur beschließen. 2S9 Art.20 enthielt eine nichtabschließende Liste von Vorschlägen fiir eine Aufgabenerweiterung. Darin wurde unter anderem eine Beteiligung an den Aufgaben der Kommission bei der Kontrolle der mitgliedstaatlichen Implementation und eine teilweise Übernahme der Konkretisierung von Gemeinschaftsrecht auf Gemeinschaftsebene angeregt. Im Bereich der Implementationskontrolle wäre die EUA allerdings primärrechtlich auf eine Beteiligung ohne direkte Kontrollbefugnisse beschränkt gewesen, da solche Befugnisse im Umweltbereich gemäß Art. 175 Abs. 4 bzw. Art. 211 und Art. 284 nur den Mitgliedstaaten selbst oder der Kommission zustehen können. 26O 1995 stellten Kommission und Rat fest, dass eine Ausweitung der Aufgaben der EUA verfrüht sei.261 Neue Vorschläge zur Ausweitung der Aufgaben im Bereich der Informationsverbreitung legte die Kommission 1997 vor. 262 In der Stellungnahme des EP zum Entwurf der EUA- va fmdet sich u.a. die Idee eines "Europäische[n] Amt[es] fiir Umwelt und Naturschutz und nukleare Sicherheit" mit eigenen Vollzugskompetenzen. 263 Auch die Änderungsverordnung 933/1999 hat nicht zu einer nennenswerten Erweiterung der Aufgaben der EUA gefiihrt, insbesondere nicht in den Bereich der Implementationskontrolle und eigener Exekutivbefugnisse. 264 Die Verordnung vemetzt im Wesentlichen lediglich Aufgaben der Informationssammlung und -verbreitung der EUA mit anderen Stellen.
259 Siegfried Breier, Die Organisationsgewalt der Gemeinschaft am Beispiel der Errichtung der Europäischen Vmweltagentur, NuR 1995, 516, 517 meint, dass sich das Verfahren zur Übertragung weiterer Befugnisse wegen der Änderung des Beschlussverfahrens in Art. 175, der Rechtsgrundlage der EVA-VO, durch die zwischenzeitliche Änderung des EWG-Vertrages zum EG nach der aktuellen Fassung des Art. 175 richte. 260 Da der Vertrag in anderen Bereichen spezielle primärrechtliche Ermächtigungsgrundlagen für die Delegation primärrechtlicher Befugnisse enthält (vgl. Art. 202 dritter Spstr.), ist auch hier keine Delegation von Befugnissen der Kommission an die EVA ohne primärrechtliche Ermächtigung möglich. 261 Vgl die Ausführungen in der zweiten Begründungserwägung der Verordnung (EG) Nr. 933/1999 des Rates vom 29. 4. 1999 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1210/90 zur Errichtung einer Europäischen Umweltagentur und eines Europäischen Umweltinformations- und Umweltbeobachtungsnetzes. 262 Vgl. Kommissionsvorschlag für eine Verordnung (EG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) 1210/90 vom 7. 5. 1990 zur Errichtung einer Europäischen UmweItagentur und eines europäischen Umweltinformations- und Vmweltbeobachtungsnetzes, KOM (97) 282 endg. v. 13.6.1997,9,15. 263 Vgl. Brenner Rn. 12 m.w.N. in Fn. 26 und 27. 264 So aber die Vorstellung des EP und von UmweItorganisationen, vgl. Christian Calliess, "Greening the Treaty?" Perspektiven europäischer Umweltpolitik und europäischen Vmweltrechts, IVR 1991,207,209.
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De lege ferenda bestehen wenig Aussichten, in absehbarer Zeit den Bereich des gemeinschaftsunmittelbaren Vollzuges allgemein auszudehnen. Auch fiir den Umweltbereich ist dies nicht zu erwarten, trotz der Schaffung der Europäischen Umweltagentur in den Neunziger Jahren. Abgesehen davon, dass die Einrichtung gemeinschaftseigener Verwaltungsbehörden mit erheblichen organisatorischen und fmanziellen Belastungen verbunden wäre, ist der politische Wille der Mitgliedstaaten als "Herren der Verträge" weit davon entfernt. Die mitgliedstaatliche Kontrolle über den VollZug ist nicht nur ein wichtiges Element verbliebener mitgliedstaatlicher Souveränität, sondern auch ein Faustpfand fiir mitgliedstaatlichen Widerstand gegen den Vollzug unbequemer Regelungen der Gemeinschaft. Die Position der Mitgliedstaaten ist an der "Erklärung zum Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit" zum Amsterdamer Vertrag erkennbar: "Die Hohen Vertragsparteien bekräftigen zum einen die der Schlussakte zum Vertrag über die Europäische Union beigefligte Erklärung zur Anwendung des Gemeinschaftsrechts und zum anderen die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Essen, wonach die administrative Durchführung des Gemeinschaftsrechts grundsätzlich Sache der Mitgliedstaaten gemäß ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften bleibt. Die Aufsichts-, Kontroll- und Durchführungsbefugnisse der Gemeinschaftsorgane nach den Artikeln 145 und 155 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft bleiben hiervon unberührt.,,265 Sowohl der Umstand, dass ein solches Dokument fiir erforderlich gehalten wurde, als auch die Herauslösung dieser "Vorsichtsklausel" aus den praktischen Vorgaben des Protokolls über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit rückt eine Umweltverwaltung der Gemeinschaft über eine vorsichtige Ausweitung der Funktionen der EUA hinaus in weite Feme. Bereits im Jahr 1990 hatte die Kommission einen Vorschlag gemacht, die Richtlinie als regelmäßig angewandtes Gesetzgebungsinstrument durch folgendes Instrument mit unmittelbarer Geltung in den Mitgliedstaaten zu ersetzen:
265 "Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit" zum Amsterdamer Vertrag, abgedruckt in: EU- und EG-Vertrag: konsolidierte Fassungen im Rahmen des Vertrages von Amsterdam, 1. Aufl. BadenBaden u.a. 1997, 133 ff., sowie BT-Drs. 13/8174.
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"Das Gesetz hat allgemeine Geltung. Es ist in allen seinen Teilen verbindlich; Vorschriften, zu denen keine Durchfiihrungsmaßnahmen erlassen werden müssen, gelten unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.
Die zur Anwendung der Bestimmungen dieses Vertrages zu treffenden Maßnahmen werden durch Gesetz geregelt. In dem Gesetz sind die Grundprinzipien, allgemeinen Leitlinien und Hauptelemente der zu seiner Durchführung zu treffenden Maßnahmen festgelegt. In ihm sind insbesondere die Rechte und Pflichten der einzelnen und der Unternehmen sowie die Art der Garantien festgelegt, die diesem in den einzelnen Mitgliedstaaten gewährt werden. Seine Durchführung kann ganz oder teilweise den Mitgliedstaaten übertragen werden, die dabei nach Maßgabe ihrer innerstaatlichen Verfassungsvorschriften verfahren. ,,266 Dieses Gesetz auf Gemeinschaftsebene, bei dem die Mitgliedstaaten nur dort Umsetzungsspielräume hätten, wo ihnen diese ausdrücklich eingeräumt sind, steht jedoch in absehbarer Zeit nicht zu erwarten. Der Komrnissionsvorschlag ist weder im Rahmen des Maastricht-Vertrages, noch des Arnsterdamer Vertrages in ein Entwurfsstadium zur Änderung des EG-Vertrages gelangt.
3. Subsidiarität und Verhältnis mäßigkeit, Art. 5 EG Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gehörte schon vor seiner ausdrücklichen Aufnahme in den EG dank der Rechtsprechung des EuGH zu den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts. 267 Vergleichsweise neu ist das Subsidiaritätsprinzip. Trotz des reichen Literaturechos zum Subsidiaritätsprinzip268 ist seine praktische Bedeutung jedoch wenig geklärt. Von den einen als entscheidende Schranke einer "Über-Europäisierung" in allen Bereichen gefeiert, halten es andere fiir nutzlos oder gar fiir eine sinnvolle Aufgabenverteilung zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten im Umweltbereich schädlich?69
266 Kommission, Regierungskonferenzen: Beiträge der Kommission . Beilage 2/91 zum Bulletin der Europäischen Gemeinschaften, zitiert nach Krämer, Rechtsakte und Handlungsformen, Rn. 88 f. 267 Vgl. Eckhard Pache, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der Rechtsprechung der Gerichte der Europäischen Gemeinschaften, NVwZ 1999, 1033, 1034 f. m.w.N. 268 Vgl. Nwe. bei GroebenIThiesing/Ehlermann-Zuleeg, Art. 3b. 269 Vgl. z.B. A. G. Toth, The Princip1e of Subsidiarity in the Maastricht Treaty, CMLR 29 (1992),1079 ff., insbes. 1104.
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a) Bedeutungsgehalt der Prinzipien
aa) Subsidiaritätsprinzip Die Formulierung des Subsidiaritätsprinzip entstammt der katholischen Soziallehre. Einen fiir die politische Entwicklung der Nachkriegszeit wichtigen Niederschlag fand es in der päpstlichen Enzyklika "Quadragesimo Anno..270 aus dem Jahr 1931. Hier geht es um das Verhältnis des Einzelnen zur Gesellschaft. Die Unterstützung (lat. subsidium) des Einzelnen bei einer Aufgabe, die dieser selbst bewältigen kann, hat Vorrang gegenüber der Übertragung auf eine größere Gemeinschaft. 271 Als staatstheoretisches Prinzip im Zusammenhang mit dem Gedanken kleinräurniger(er) Selbstverwaltung lässt sich das Subsidiaritätsprinzip weiter zurückverfolgen, ohne allerdings in theoretischen Schriften oder Verfassungsdokumenten ausdrücklich benannt worden zu sein. 272 Mit einer möglichst "nah am Bürger" getroffenen politischen Entscheidung soll der scheinbar besseren Legitimation Rechnung einer solchen Entscheidung getragen werden. 273 Im Rahmen der Europäischen Gemeinschaften findet sich der Begriff zum ersten Mal 1975 in der Diskussion um geeignete Wege zur Überwindung der Stagnationsphase der siebziger Jahre ("Eurosklerose"). Die Kommission befiirwortete erhebliche Ausweitungen der Gemeinschaftskompetenzen. Deren Ausübung bedürfe eines Instrumentes zur Steuerung. 274 Aufgegriffen wurde der Gedanke eines Subsidiaritätsgrundsatzes im Entwurf des EP fiir einen europäischen Unionsvertrag von 1984,275 im EP vor allem vorangetrieben von einer Gruppe von Befiirwortem eines staatsähnlichen f6deralen Europa um den italienischen Politiker Altiero Spinelli.276 Der Entwurfbettet den Gedanken der Subsidiarität von Maßnahmen der Gemeinschaft in einen Kontext von Effi210 Enzyklika von Papst Pius XI. Der Titel bezieht sich auf den vierzigsten Jahrestag der ersten Sozialenzyklika "Rerum Novarum" von Papst Leo XIII. "Über die Arbeiterfrage". 271 Vgl. Valentin Zsifkovits, Stichwort Subsidiaritätsprinzip, in: Alfred KloseIWolfgang Mantl/Valentin ZsiJkovits (Hrsg.), Katholisches Soziallexikon, 2. Aufl. Innsbruck, Graz u.a. 1980, Sp. 2994 f. 272 Vgl. Deborah Z. Cass, The Word that Saves Maastricht? The Principle of Subsidiarity and the Division of Powers within the European Community, CMLR 29 (1992),1107,1110 m.w.N.; ZsiJkovits Sp. 2994,2998. 213 Vgl. Brinkhorst, Subsidiarity, 17. 214 Vgl. Cass 1113 m.w.N., die einen umfassenden Überblick über die Entwicklung des Subsidiaritätsgedankens im Kontext der Europäischen Gemeinschaften bietet (1112 ff.); Paul D. Marquardt, Subsidiarity and Sovereignty in the European Union, 18 Fordham Int'1 LJ. 616,620 Fn. 18-20 (1994). 27S ABI. 1984, Nr. C 77, 33. 216 Vgl. Marquardt 621 f. m.w.N.
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zienzsteigerung und Demokratisierung auf Gemeinschaftsebene ein,277 die Formulierung des Subsidiaritätsprinzips in § 9 der Präambel und Art. 12 des Entwurfs bestimmt die Zuordnung von Gesetzgebungsaufgaben im Wesentlichen nach einem reinen EffIzienzprinzip. Die Initiative des EP fand allerdings im Rat wenig Widerhall. In der EEA, 1986 statt eines Europäischen Unionsvertrages vereinbart, fand sich das Subsidiaritätsprinzip lediglich in Art. 130r Abs.4 EWGV, allerdings in anderer Formulierung als der heutigen Fassung des Art. 6. Art. 130r Abs. 4 EWGV gestattete ein Tätigwerden der Gemeinschaft im Umweltbereich bereits dann, wenn die Ziele der Gemeinschaft besser auf Gemeinschaftsebene als auf rnitgliedstaatlicher Ebene erreicht werden konnten (rein positive Abgrenzung). Ein wichtiger Fürsprecher fiir die Ausweitung des Subsidiaritätsprinzips war der ehemalige Kommissionspräsident Jacques Delors.278 Große Bedeutung erlangte das Prinzip schließlich in den Debatten um den EU. Im EG-Vertrag in der Fassung des EU fand das Subsidiaritätsprinzip in Art. 3b Eingang in die "Grundsätze" der Gemeinschaft, außerdem im (umfassenderen) Art. B S. 2 EU sowie der elften Begründungserwägung von dessen Präambel, die möglichst bürgemahe Entscheidungen fordert. In der Phase nach dem Beschluss des Maastricht-Vertrages und vor seiner Ratifikation in allen Mitgliedstaaten war die Einführung des Subsidiaritätsprinzips ein wichtiges Argument gegen die in einigen Mitgliedstaaten, voran Großbritannien und Dänemark, verbreiteten Befiirchtungen vor übermächtigen EU-Organen. 279 Auch das Bundesverfassungsgericht betont in seiner Maastricht-Entscheidung die Bedeutung des Prinzips.280 In eine einfache Form gebracht fordert Subsidiarität als Aufgabenverteilungsregel in einem vertikal gegliederten System die Erfüllung jeder Staatsaufgabe auf der niedrigsten Entscheidungsebene, die die Aufgabe effektiv wahrnehmen kann. Um dies zu ermitteln, stellt Art. 5 Abs. 2 zwei Voraussetzungen auf, die kumulativ erfüllt sein müssen, damit die Gemeinschaft tätig werden kann. Eine bessere Erreichung des in Aussicht genommenen Ziels auf Gemeinschaftsebene genügt nicht; zusätzlich muss eine mangelhafte Zielerreichung Vgl. Cass 1116 f. m.w.N. Delors favorisierte das Subsidiaritätsprinzip als zentrales Instrument des europäischen Integrationspozesses, das die Chance habe, ein vereinigtes Europa und die Loyalität des Einzelnen mit seinem Heimatland, geteilte Souveränität und Vielfalt miteinander in Einklang zu bringen. Vgl. Jacques Delors, Eröffnungsrede zum vierzigsten akademischen Jahr am ColJege d'Europe am 17. 10. 1989, teilw. wiedergegeben bei Cass 1120 f. 279 Vgl. Brinkhorst, Subsidiarity, 17. 280 BVerfG, Urt. v. 12. 10. 1993,2 BvR 2134/92 und 2 BvR 2159/92, BVerfGE 89, 155,193. 277
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auf mitgliedstaatlicher Ebene vorliegen. Die bessere Zielerreichung auf Gemeinschaftsebene muss daneben auf Umfang oder Wirkungen der Maßnahme zurückzuführen sein. Das Prinzip erfasst den gesamten Bereich konkurrierender Kompetenzen und damit mit Ausnahme der organisatorischen Vorschriften über Verwaltungsorgane alle umweltrelevanten Kompetenzen. 281 Es bezieht sich sowohl auf das "Ob" als auch auf das "Wie", also die instrumentelle Einkleidung einer Regelung. Dieser Test geht über einen bloßen EffIzienzvergleich hinaus,282 indem die Neufassung in den "Grundsätzen" der Gemeinschaft durch den EU die bisherige Formulierung im früheren Art. l30r Abs. 4 um einen vorgeschalteten (negativen) Notwendigkeitstest ergänzt. Die Regelung nimmt so bewusst EffIzienzverluste in Kauf. 283 Die erste Voraussetzung (Ziel kann von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden) eröffnet eine Bandbreite von Auslegungsmöglichkeiten. Streitig ist, ob die Voraussetzung bereits dann erfüllt ist, wenn die Mitgliedstaaten nicht bereit oder willens sind, eigene Maßnahmen zu treffen,284 oder nur dann, wenn die Mitgliedstaaten aufgrund der begrenzten Reichweite des nationalen Rechts nicht dazu in der Lage sind. 285 Für letztere Auffassung spricht der Wortlaut des Art. 5 Abs. 2. Mit Sinn und Zweck der Norm steht dies insoweit in Einklang, als eine bloße Bestandsaufnahme des vorhandenen mitgliedstaatlichen Rechts nicht als Beurteilungsgrundlage genügen kann, da sich darin notwendig weder der Wille noch die Fähigkeit der Mitgliedstaaten zu wirksamen Maßnahmen äußert. Andererseits sind der Gemeinschaft ihre Kompetenzen als eigene zugewiesen, so dass deren Wahrnehmung nicht vom Willen der Mitgliedstaaten abhängen kann. Die EG wäre andernfalls auf den Bereich rein grenzüberschreitender Sachverhalte beschränkt. 286 Maßgeblich ist daher die Fähigkeit und die Bereitschaft der Mitgliedstaaten, sich für die ge-
Vgl. Jarass, Subsidiaritätsprinzip nach Schaffung der EU, 210. Groeben/Thiesing/Ehlermann-Zuleeg, Art. 3b Rn. 20; Gerhard Konow, Zum Subsidiaritätsprinzip des Vertrags von Maastricht, DÖV 1993,405,409. 283 V gl. Brinkhorst, Subsidiarity, 18. 284 So z.B. Groeben/Thiesing/Ehlermann-Zuleeg, Art.3b Rn. 21 m.w.N.; Epiney, Umweltrecht in der EU, 87; eher in diese Richtung wohl auch EuGH, Urt. v. 13. 5. 1997, Rs. C-233/94 (Deutschland / Parlament und Rat) - Einlagensicherungsrichtlinie, Sig. 1997,1-2405, Rn. 27: ,,( ... ) haben das Parlament und der Rat ( ...) ausgeführt, dass das mit der Empfehlung der Kommission angestrebte Ziel durch die von den Mitgliedstaaten daraufhin ergriffenen Maßnahmen nicht vollständig erreicht worden sei. ( ... )". 285 So z.B. Jarass, Subsidiaritätsprinzip nach Schaffung der EU, 210 f. m.w.N. Fn. 22. 286 Insbesondere die ausdrückliche Zuweisung einer Kompetenz zur gemeinschaftsweiten Verwirklichung der Ziele des Art. 174 schließt es jedoch aus, den Mitgliedstaaten die Setzung die Setzung von Qualitätszielen für die innerstaatliche Umwelt ausschließlich selbst zu überlassen. 281
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setzten Ziele wirksam einzusetzen. 287 Dabei genügt eine "ausreichende" Verwirklichung, einer optimalen Verwirklichung bedarf es nicht. 288 Es kann allerdings nicht auf die bloße Mehrheit der Mitgliedstaaten ankommen, da die Ziele der Gemeinschaft in allen Mitgliedstaaten erreicht werden sollen. 289 Der zweiten Voraussetzung (bessere Verwirklichung des Ziels auf Gemeinschaftsebene) wird trotz der kausalen Verknüpfung mit der ersten ("daher") eine eigenständige Bedeutung zugesprochen. 29O Die gemeinschaftliche Maßnahme muss grundsätzlich wirksam sein und gegenüber der mitgliedstaatlichen Ebene "deutliche Vorteile" bewirken. 291 Berichte über die Anwendung des - regelmäßig in Bezug genommenen Subsidiaritätsprinzips lesen sich häufig wie aus einem allgemeinen Deregulierungsprogramm herausgegriffen. 292 Als in der Praxis maßgebliche Faktoren, deren Berücksichtung sichergestellt werden soll, nennt das 5. Umweltaktionsprogramm von 1993 "die Traditionen und Besonderheiten der verschiedenen Regionen der Gemeinschaft" sowie "die Kostenefflzienz der verschiedenen Maßnahmen." Außerdem sollte die Anwendung des Prinzips "die Auswahl der 287 Vgl. GroebenIThiesingIEhlermann-Zuleeg, Art. 3b Rn. 21 m.w.N. Vgl. ebd., Rn. 22: "Angesichts der fortschreitenden Zerstörung der Umwelt und der gegenseitigen Abhängigkeit der Lebensbereiche ist die Ausweitung eines starken Schutzes der Umwelt auf einen möglichst großen Raum selbst dann ein Ziel der Gemeinschaft, das die Mitgliedstaaten nicht selbst ausreichend erreichen können, wenn eine grenzüberschreitende Wirkung nicht unmittelbar in Erscheinung tritt, z.B. bei der Verseuchung des Grundwassers in grenzfernen Gebieten." 288 V gl. Ste/an U. Pieper, Subsidiaritätsprinzip - Strukturprinzip der Europäischen Union, DVBI. 1993, 705, 709; Jarass, Subsidiaritätsprinzip nach Schaffung der EU, 211. 289 Vgl. Groeben/ThiesingIEhlermann-Zuleeg, Art. 3b Rn. 23 m.w.N. Administrative und finanzielle Schwächen in einzelnen Mitgliedstaaten sollten jedoch unter Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes des Art. 5 Abs. 3 vorrangig mit entsprechenden Hilfestellungen ausgeglichen werden. Vgl. Peter M. SchmidhuberlGerhard Hitzier, Die Verankerung des Subsidiaritätsprinzips im EWG-Vertrag - ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer föderalen Verfassung der Europäischen Gemeinschaft, NVwZ 1992, 720,723. 290 Vgl. Pieper 709; Kahl, Wolfgang, Möglichkeiten und Grenzen des Subsidiaritätsprinzips nach Art. 3b EG-Vertrag, AöR 1993,422,435. 291 So die Ansicht des Europäischen Rats, in: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hrsg.), Bulletin, 1992, 1281. 292 V gl. z.B. Bericht der Kommission "Eine bessere Rechtssetzung - Bericht über die Anwendung des Grundsatzes der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit, über Vereinfachung und Kodifikation", SEK (95) 580; Ratsdokument 12183/95; BR-Drs. 904/95, zusammengefasst in EuZW 1996, 355. Darin beruft sich die Kommission vor allem auf die zurückgegangene Anzahl neuer und die Anzahl der zurückgenommenen Kommissionsvorschläge, sowie die Suche nach Alternativen und den Umstand, dass etwa die FestIegung gemeinsamer Mindestmaßnahmen und der Rückgriff auf gegenseitige Anerkennung ein Pfeiler gemeinschaftlicher Rechtssetzungspraxis sei.
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Möglichkeiten verbessern und eine optimale Verknüpfung verschiedener Instrumente auf Gerneinschaftse bene ermöglichen. ,,293 Das "Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit" zum Arnsterdamer Vertrag nennt in seiner Rn. 5 drei Leitlinien zur Prüfung, ob die beiden Voraussetzungen des Subsidiaritätserfordernisses erfüllt sind: ,,- Der betreffende Bereich weist transnationale Aspekte auf, die durch Maßnahmen der Mitgliedstaaten nicht ausreichend geregelt werden können, - alleinige Maßnahmen der Mitgliedstaaten oder das Fehlen von Gemeinschaftsmaßnahmen würden gegen die Anforderungen des Vertrags (beispielsweise Erfordernis der Korrektur von Wettbewerbs verzerrungen, der Vermeidung verschleierter Handelsbeschränkungen oder der Stärkung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts) verstoßen oder auf sonstige Weise die Interessen der Mitgliedstaaten erheblich beeinträchtigen, - Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene würden wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen im Vergleich zu Maßnahmen auf der Ebene der Mitgliedstaaten deutliche Vorteile mit sich bringen. ,,294 Darin finden sich oben § 4 aufgeführte Argumente für zentrale Regelungen wieder. Die erwähnten Kriterien haben allerdings keine selbständige Bedeutung, sondern sind lediglich unselbständige Teile einer Abwägung.
bb) Verhältnismäßigkeitsprinzip Das Verhältnismäßigkeitsprinzip hat in seiner langen Anwendungsgeschichte seit der Frühphase der Europäischen Gemeinschaften eine klare inhaltliche Ausgestaltung erfahren. In einer Vielzahl von Verfahren hat der EuGH das
293 Entschließung des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten 93/C 138/01 vom I. 2. 1993 über ein Gemeinschaftsprogramm für Umweltpolitik und Maßnahmen im Hinblick auf eine dauerhafte und umweltgerechte Entwicklung, ABI. C 138 vom 17. 5.1993,1, Rn. 32. 294 VgI. Rn. 4 des Protokolls: ,,[D]ie Feststellung, dass ein Gemeinschaftsziel besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden kann, muss auf qualitativen oder - soweit möglich - quantitativen Kriterien beruhen."
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Prinzip von einer reinen Erforderlichkeitskontrolle295 zu einer dreigliedrigen Prüfung von Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit entwickelt. Der EuGH untersucht im Rahmen der Geeignetheit, ob der Gemeinschaftsgesetzgeber mit der Maßnahme ein zulässiges Ziel verfolgt, das mit Hilfe dieser Maßnahme erreicht werden kann. Von zentraler Bedeutung ist in der Praxis die Erforderlichkeitsprüfung, die danach fragt, ob das Ziel der Maßnahme auf weniger einschränkende Weise erreicht werden kann. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne ist zu fragen, ob der voraussichtliche Erfolg einer Maßnahme nicht in unangemessenem Verhältnis zu den durch sie zu erwartenden Beeinträchtigungen steht. 296
cc) Verhältnis zwischen Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprinzip Subsidiaritätsprinzip und Verhältnismäßigkeitsprinzip überschneiden sich in der Anwendung, ihr Verhältnis und die Abgrenzung zwischen beiden sind schwer auszumachen. 297 So wird die Vorzugswürdigkeit einer Rahmenrichtlinie gegenüber einer detaillierten Richtlinie bei gleicher Eignung fiir das angestrebte Ziel teilweise dem Subsidiaritätsprinzip, teilweise dem Verhältnismäßigkeitsprinzip zugeordnet. 298 Die Mitgliedstaaten haben im "Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit" zum Arnsterdamer Vertrag die Unterscheidung des Europäischen Rates von Edinburgh bekräftigt und die Entscheidung über das "Ob" einer Maßnahme dem Subsidiaritätsprinzip, die Entscheidung über das "Wie" dem Verhältnismäßigkeitsprinzip zugeordnet. 299 In der Literatur wird demgegenüber darauf verwiesen, dass eine sachgerechte Beurteilung nur bei einheitlicher Betrach295 Vgl. zur fiiiheren Erforderlichkeitskontrolle EuGH, Urt. v. 19/61 (Mannesmann), Sig. 1962, 675; EuGH, Urt. v. 13. 7. 1962, verb. Rs. 17 und 20/61 (Klöckner und Hoesch 1 Hohe Behörde), Sig. 1962,653; Pache, 1036. 296 Vgl. zu allen drei Prüfungspunkten Pache 1036 m.w.N. 297 Vgl. Brinkhorst, Subsidiarity, 18; Pache 1038. 298 V gl. Bericht der Kommission "Eine bessere Rechtssetzung - Bericht über die Anwendung des Grundsatzes der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit, über Vereinfachung und Kodifikation", SEK (95) 580; Ratsdokument 12183/95; BR-Drs. 904/95, zusammengefasst in EuZW 1996, 355. Eine "Begriffsverwirrung" zwischen beiden Begriffen beklagte das EP, 13.5. 1997, EP-Dok. A4-155197, zusammengefasst in EuZW 1997, 548. 299 Vgl. "Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit" zum Amsterdamer Vertrag, Rn. 4 f. und 6, abgedruckt in: EUund EG-Vertrag: konsolidierte Fassungen im Rahmen des Vertrages von Amsterdam, I. Aufl. Baden-Baden u.a. 1997, 133 ff. sowie BT-Drs. 13/8174; Schlussfolgerungen der Tagung des Europäischen Rates der Staats- und Regierungschefs in Edinburgh am 11. und 12.12. 1992, Europa-Archiv 1993, D 2 ff. und 7 ff.
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tung sowohl des Ob als auch des Wie möglich sei. 30o Dieser Gegensatz ist dahin aufzulösen, dass Maßnahmen der Gemeinschaft angesichts der umfassenden Geltung sowohl beider Prinzipien nach Art. 5 Abs. 2 und 3 stets an beiden Prinzipien gleichrangig zu messen sind. 30 !
b) Justiziabilität und praktische Bedeutung Art. 5 Abs. 2 und 3 bildet rechtsverbindliche Schranken der Kompetenzausübung fiir alle an der Gesetzgebung beteiligten Organe (Kommission, Rat, EP), die der Kontrolle durch den EuGH unterliegen. 302 Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gilt als grundsätzlich justiziabel,303 die wohl überwiegende Ansicht hält auch die derzeitige Subsidiaritätsregelung fiir grundsätzlich justiziabel. 304 Für die praktische Wirksamkeit des Prinzips als Instrument sachgerechter Eingrenzung des Ob und Wie der Gesetzgebungstätigkeit der Gemeinschaft sagen dessen inhaltliche Ausformungen wenig aus. Das zentrale Problem des Subsidiaritätsprinzips liegt in der Schwierigkeit, aus den abstrakten Worten des Vertrags textes ein praktisch anwendbares, wirkkräftiges und vor allem justiziables Konzept zu bilden. Dies ist bisher nur ansatzweise gelungen. Die Fassung des Subsidiaritätsprinzips in Art. 5 Abs.2 enthält eine Reihe von unbestimmten Rechtsbegriffen, bei deren Anwendung Prognosen und Wertungen erforderlich sind. "Transnationale Aspekte" lassen sich, wie die Rechtsprechung des Supreme Court zur Commerce Clause belegt, meist finden, eine Interessenbewertung lässt sich dem Interesse des Bewertenden angleichen. Ob ein umweltbezogenes Ziel besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden kann, ist zum einen über die Zieldefinition steuerbar, zum anderen handelt es sich stets auch um eine politische Entscheidung. 305 Die darin enthaltene Efftzienzkontrolle bleibt ein greifbares, jedoch deutlich "gemeinschaftsfreundliches" Kriterium, das den Mitgliedstaaten kaum Schutz bietet. GrabitziHi/fBogdandyINettesheim, Art. 3b, Rn. 27 m.w.N. Vgl. GrabitziHi/fBogdandyINettesheim, Art. 3b, Rn. 48; Pache 1038. 302 Dies belegt schon die systematische Stellung im operativen Teil des Vertrages anstelle der für ursprünglich vorgesehenen Ansiedlung in der Präambel. Vgl. zum Subsidiaritätsprinzip z.B. Jarass, Subsidiaritätsprinzip nach Schaffung der EU, 211 f.; Reimer von Borries, Kompetenzverteilung und Kompetenzausübung, in: Rengeling (Hrsg.), EUDUR, § 25, Bd. I, 781 fT., Rn. 54 f. m.w.N.; zum Verhältnismäßigkeitsprinzip Pache 1038 f. 303 Pache 1038 f. m.w.N. 304 Jarass, Subsidiaritätsprinzip nach Schaffung der EU, 211 Fn. 33; Toth 1101; Pieper 711; Hans-Jürgen Lambers, Subsidiarität in Europa - Allheilmittel oder juristische Leerfonnel?, EuR 1993,229,240. 30S Vgl. Toth 1101 f.; Brinkhorst, Subsidiarity, 17. 300 301
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Den Gesetzgebungsorganen der Gemeinschaft steht ein weiter Beurtei1ungsbzw. Ermessensspielraum ZU. 306 Der EuGH kontrolliert lediglich die Grenzen der Ermessensausübung, 307 hier die Richtigkeit zugrundeliegender Tatsachenfeststellungen, ob ein zwingend zu berücksichtigendes Kriterium in die gesetzgeberische Prüfung der Subsidiarität eingestellt wurde, und die Einha1tung der Begründungspflicht fiir gemeinschaftliche Rechtsakte in Art.253 (exArt. 190).308 Hat ein Mitgliedstaat im Rat fiir eine Maßnahme gestimmt, kann er sich später nicht auf einen Verstoß gegen das Subsidiaritätsprinzip berufen. 309 Neuere Rechtsakte der Gemeinschaft im Bereich Umwelt enthalten vielfach eine auf das Subsidiaritätsprinzip bezogene Begründung. Regelmäßig fällt diese Begründung allerdings dürftig aus. 3lO So enthält z.B. die Richtlinie 1999/13/EG des Rates vom 11. 3. 1999 über die Begrenzung von Emissionen flüchtiger organischer Verbindungen, die bei bestimmten Tätigkeiten und in bestimmten Anlagen bei der Verwendung organischer Lösungsmittel entstehen,3lI lediglich in der 4. Begründungserwägung eine Begründung, die dem Subsidiaritätsprinzip zugeordnet werden kann, ohne dieses jedoch zu nennen: "Die in einem Mitgliedstaat durch flüchtige organische Verbindungen entstandene Verschrnutzung zeigt häufig auch Auswirkungen auf die Gewässer und die Luft anderer Mitgliedstaaten. Nach Artikel 130r EG-Vertrag sind gemeinschaftliche Maßnahmen erforderlich."
306 Vgl. Jarass, Subsidiaritätsprinzip nach Schaffung der EU, 212 m.w.N. in Fn. 43; Thomas Oppermann/Claus Dieter C/assen, Die EG vor der Europäischen Union, NJW 1993,5,8; SchmidhuberiHitzler 724 f.; Lambers 241. 307 Vgl. Groeben/Thiesing/Ehlermann-Zuleeg, Art. 3b Rn. 27 m.w.N. 308 Vgl. Jarass, Subsidiaritätsprinzip nach Schaffung der EU, 212; Kahl, Subsidiaritätsprinzip, 439; Lambers 241 ; Schröer, Kompetenzverteilung, 79 f. Diese wird in Rn. 4 des Protokolls fiir den Subsidiaritätsgrundsatz noch einmal bekräftigt: "Jeder Vorschlag fiir gemeinschaftliche Rechtsvorschriften wird begründet, um zu rechtfertigen, dass dabei die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit eingehalten werden". 309 Vgl. Jarass, Subsidiaritätsprinzip nach Schaffung der EU, 212; Pieper 712. 310 Ähnlich Richtlinie 96/82/EG des Rates vom 9. 12. 1996 zur Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen, ABI. 1996, Nr. L 10, 13, 9. Begründungserwägung. Keinerlei subsidiaritätsbezogene Begründungserwägung findet sich z.B. in der Richtlinie 98/69 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. 10. 1998 über Maßnahmen gegen die Verunreinigung der Luft durch Emissionen von Kraftfahrzeugen und zur Änderung der Richtlinie 70/2201EWG des Rates, ABI. 1998, Nr. L 350, 1, ber. ABI. 1999, Nr. L 104,31, sowie in der Verordnung (EG) Nr. 338/97 des Rates vom 9. 12. 1996 über den Schutz von Exemplaren wildlebender Tier- und Pflanzenarten durch Überwachung des Handels, ABI. 1996, Nr. L 61, 1. 311 ABI. 1999, Nr. L 85, 1.
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Damit bewirkt das Subsidiaritätsprinzip im Ergebnis im Wesentlichen nicht mehr als die Auferlegung eines formalen Rechtfertigungszwangs für die Rechtssetzung auf Gemeinschaftsebene aus Art. 5 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 253 312 und bietet lediglich verfahrensmäßigen, nicht aber inhaltlichen Schutz. 313 Aber auch diese Anforderungen sind in der Praxis eher gering. In seiner Einlagensicherungsrichtlinie-Entscheidung hält der EuGH die Ausfiihrungen des Gemeinschaftsgesetzgebers in den Begründungserwägungen der Richtlinie zur besseren Erreichbarkeit des Zieles der Regelung auf Gemeinschaftsebene für ausreichend, ohne dass das Subsidiaritätsprinzip ausdrücklicher Erwähnung bedarf. 314 Bei der Überprüfung der Verhältnismäßigkeit einer Maßnahme gewährt der EuGH den Rechtssetzungsorganen ein außerordentlich weites Beurteilungsermessen und akzeptiert eine primäre Zuständigkeit der Rechtssetzungsorgane für erforderliche Prognosen und Bewertungen. Dies gilt für alle Elemente des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Nur bei offensichtlichem Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz hat der EuGH bisher Maßnahmen für rechtswidrig erklärt. 315 Ein noch deutlicheres Bild ergibt sich, wenn man die Kontrolldichte des EuGH für die einzelnen Elemente des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gesondert betrachtet. Dabei zeigt sich, dass sich der EuGH bei der Prüfung der Angemessenheit einer Maßnahme noch deutlich weiter zuruck-
Vgl. Pieper 711; Opperman/Classen 8 m.w.N. Vgl. Fischer 427. 314 EuGH, Urt. v. 13. 5. 1997, Rs. C-233/94 (Bundesrepublik Deutschland 1 Parlament und Rat) - Einlagensicherungsrichtlinie, Sig. 1997,1-2405, Rn. 22 ff. "Aus diesen Erwägungen geht hervor, dass das Parlament und der Rat jedenfalls die Gründe ftir ihre Ansicht erläutert haben, dass ihr Handeln mit dem Subsidiaritätsprinzip im Einklang stehe, so dass sie der in Art. 190 EG verankerten Begründungspflicht genügt haben. Ein ausdrückliche Erwähnung des Prinzips ist insoweit nicht zu verlangen." Ebd., Rn. 28. Anders als zum Verhältnismäßigkeitsprinzip liegt zum Subsidiaritätsprinzip keine umfangreiche Rechtsprechung des EuGH vor, auf die zurückgegriffen werden könnte. Aus der historischen Entwicklung der beiden Prinzipien ist dies nicht hinreichend erklärbar, da das Subsidiaritätsprinzip zum einen bereits mit der EEA 1987 ausdrücklich im EG (damals EWG-Vertrag) enthalten ist, wenn auch bis zum EU beschränkt auf den Umweltbereich, und zum anderen dieses Prinzip von verschiedenen Autoren als bereits vor seiner ausdrücklichen Aufnahme in den Vertrag implizit vorhanden angesehen wird. Vgl. Toth 1082. 31S Vgl. Toth 1102; Pache 1039 m.w.N., der im Übrigen darauf verweist, dass der EuGH eine höhere Kontrolldichte anwendet, wenn sich Mitgliedstaaten auf Ausnahmeklauseln in den Verträgen berufen, ebd. Fn. 109; zur Beschränkung auf offensichtliche Verstöße vgl. z.B. EuGH, Urt. v. 9. 7.1985, Rs. 179/84 (Bozzetti), Sig. 1985,2301, Rn. 30; EuGH, Urt. v. 11. 7. 1989, Rs. 265187 (Schräder), Sig. 1989, 2237, Rn. 22; EuGH, Urt. v. 5. 10. 1994, Rs. 280/93 (Bundesrepublik Deutschland 1 Rat) - Bananenmarktordnung, Sig. 1994,1-4973, EuZW 1994,688, NJW 1995,945. 312 313
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nimmt, während die Prüfung der Erforderlichkeit die bei weitem größte Bedeutung hat. 316 Die Beurteilung der Vereinbarkeit einer Maßnahme mit dem Subsidiaritätsprinzip ist viel stärker noch als die Verhältnismäßigkeitsprüfung von Beurteilungen und Prognosen abhängig. Sie lässt sich nicht mit der Erforderlichkeitskontrolle vergleichen, da anders als dort nicht mehrere mögliche Maßnahmen der Gemeinschaft verglichen werden. Die Leistungsfahigkeit und -bereitschaft der Mitgliedstaaten ist wertend zu erfassen, was als Abwägung mit mehreren prognostischen Parametern eher der Angemessenheitskontrolle gleichzuachten ist. Erst dazu ist eine beabsichtigte Maßnahme der Gemeinschaft, also auf einer anderen Ebene, ins Verhältnis zu setzen. Auch dieser Vergleich zeigt, dass für eine Überprüfung des Subsidiaritätsprinzips vor dem EuGH allenfalls eine äußerst weitmaschige Evidenzkontrolle in Betracht kommt, für deren Elemente dem Gemeinschaftsgesetzgeber weite Beurteilungs- und Prognosespielräume einzuräumen sind. 317 Mehr noch als beim Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verfUgt der EuGH weder über die Erkenntnismittel noch über die Erfahrung, die für eine Beurteilung der Einhaltung oder Nichteinhaltung des Subsidiaritätsgrundsatzes durch eine Maßnahme der Gemeinschaft erforderlich wäre. 318 Falls der EuGH in Zukunft eine solche Kontrolle ausüben wird, wird sie vorauussichtlich geringere Bedeutung haben als die Verhältnismäßigkeitsprüfung und allenfalls der Evidenzkontrolle der Angemessenheit gleichkommen.
Irr. Regelungsmodelle des gemeinschaftlichen Umweltrechts 1. Überblick: Umweltaktionsprogramme und sekundäres Gemeinschaftsrecht
Einzelne Rechtsakte der Gemeinschaft mit umweltpolitischem Bezug lassen sich bis in die späten sechziger Jahre zurückverfolgen. 319 Von einer eigenständigen Umweltpolitik der Gemeinschaft kann man jedoch erst seit 1972 spreVgl. Pache 1036 m.w.N. und 1039 m.w.N. Ähnlich Toth 1102. ,,[l1he Court will not be able or willing to go beyond the possible confirmation of the principle's applicability in general terms. It will not, and cannot, become the ultimate arbiter as to whether the principle of subsidiarity has been properly applied in a particular case." Ebd.; zum Ermessensspielraum von Borries, Kompetenzverteilung, Rn. 55, 809 m.w.N. 318 Vgl. Toth 1102 mit Nw. aus der EuGH-Rechtsprechung. 319 Vgl. z.B. Richtlinie 67/548/EWG zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften rur die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefahrlicher Stoffe, ABI. EG 1967, Nr. L 196, 1. 316 317
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chen. 320 Eine Diskussionsgrundlage fiir eine zusammenhängende spezifische Umweltpolitik der Gemeinschaft bot die Kommission 1971 mit der "Erste[n] Mitteilung über die Politik auf dem Gebiet des Umweltschutzes", in der die Verantwortung der Gemeinschaft im Umweltbereich betont, Ziele definiert und fünf "vorrangige Maßnahmen" vorgeschlagen wurden.32\ Angestoßen von einer wissenschaftlichen und öffentlichen Diskussion um die Notwendigkeit von Umweltschutzmaßnahmen322 fand im Juni 1972 die Konferenz der Vereinten Nationen über die menschliche Umwelt in Stockholm statt, an der nicht nur die einzelnen Mitgliedstaaten, sondern auch die Gemeinschaft mit einer eigenen Delegation teilnahm. 323 Die Staats- und Regierungschefs der Gemeinschaft trafen sich im Oktober desselben Jahres in Paris zu einer Gipfelkonferenz über eine gemeinschaftliche Umweltpolitik, bei der die Entwicklung eines Aktionsprogramms fiir den Umweltschutz mit einem genauen Zeitplan beschlossen wurde. 324 Damit war die Diskussion um eine Umweltpolitik auf gemeinschaftlicher oder nur mitgliedstaatlicher und zwischenstaatlicher Ebene grundsätzlich fiir eine (auch) gemeinschaftliche Umweltpolitik entschieden. Das erste Umweltaktionsprogramm wurde am 22. 11. 1973 vom Rat und von den Regierungen der Mitgliedstaaten in der Form einer "Erklärung" gebilligt. 325 Es sah Ziele, Grundsätze und Maßnahmen einer Umweltpolitik der Gemeinschaft fiir die darauffolgenden zwei Jahre vor. Das Aktionsprogramm wurde in den Jahren 1977, 1983, 1987 und 1993 durch neue Programme als Leitlinie der gemeinschaftlichen Umweltpolitik, nun in der Form einer einstimmigen Entschließung des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Mitgliedstaaten, fortgeschrieben. 326 Als Grundlage fiir das erste Umweltaktionsprogramm diente Art. 2 EWGV in seiner damaligen Fassung ("beschleunigte Hebung der Lebenshaltung"). Heute findet sich eine ausdrückliche Grundlage in Art. 175 Abs. 3, der einen Beschluss des EP und eine qualifIZierte Mehrheitsentscheidung im Rat (Mitentscheidungsverfahren, Art. 251) vorsieht. Auf dieser Grundlage erging das Fünfte Umwe1taktionsprogramm mit dem Titel "Für eine dauerhafte und umweltgerechte Entwicklung". Vgl. Schröer, Kompetenzverteilung, 20. Europäische Kommission, Erste Mitteilung über die Politik auf dem Gebiet des Umweltschutzes, SEK(71) 2616 endg. vom 22.7. 1971, vgl. Krämer, Aktionsprogramme, 397 f. 322 V gl. insbesondere den Bericht des Club of Rome von 1971 mit dem Titel "Die Grenzen des Wachstums". 323 Vgl. Henke 3. 324 Vgl. Schröer, Kompetenzverteilung, 20 m.w.N. 32S ABI. EG 1973, Nr. C 112, I. 326 Zweites Umwe\taktionsprogramm vom 17. 5. 1977, ABI. Nr. C 139, I; Drittes Umweltaktionsprogramm vom 7.2. 1983, ABI. Nr. C 46, I; Viertes Umweltaktionsprogramm vom 19. 10. 1987, ABI. NT. C 328, I; Fünftes Umweltaktionsprogramm vom 1. 2. 1993, ABI. Nr. C 38,1. 320 321
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Das gemeinschaftliche Umweltrecht ist mehrschichtig. Grundlage fiir die Umweltpolitik sind die Aktionsprogramme, die Ziele und Schwerpunkte der gemeinschaftlichen Umweltpolitik fiir den Zeitraum von mehreren Jahren festlegen, sowie die jährlichen Rechtssetzungsprogramme der Kommission, die eine Liste der von der Kommission fiir das kommende Jahr beabsichtigten Vorschläge enthalten. Die Auflistungen von Vorschlägen fiir konkrete Rechtsakte in beiden Programmen sind nicht abschließend, umgekehrt werden auch nicht alle in den Umweltaktionsprogrammen und Jahresprogrammen der Kommission geplanten Rechtsakte tatsächlich zu Vorschlägen der Kommission. 327 Dies unterstreicht die politische Leitwirkung (anstelle einer rechtliche Bindungswirkung) der Programme. Entsprechend der wirtschaftlichen Ausrichtung der Gemeinschaft und dem Projekt des Gemeinsamen Marktes lag der Schwerpunkt umweltrelevanter Regelungen bis zum ersten Umweltaktionsprogramm in der Harmonisierung umweltschützender Produktstandards der Mitgliedstaaten, die den grenzüberschreitenden Warenverkehrs behinderten. 328 Bis zum Inkrafttreten der EEA 1987 hatte die Gemeinschaft bereits mehr als 150 Rechtsakte zum Umweltschutz erlassen. 329 Darunter waren gemeinschaftliche Regelungen in den meisten Gebieten des Umweltschutzrechts, insbesondere dem Luftreinhalterecht, Gewässerschutzrecht, Lärmschutzrecht, Gefahrstoffrecht, Abfallrecht, Naturschutzrecht sowie dem Strahlenschutzrecht. 330 Die Umweltaktionsprogramme der Gemeinschaft verfolgten hingegen keine wirtschaftlichen Zielsetzungen, sondern eigenständige Umweltschutzziele. 331 Auch nach 1972 regelte die Gemeinschaft jedoch vor allem gemeinschaftsweit vertriebene Produkte (Kraftfahrzeuge, Chemikalien) sowie die Begrenzung der Verschmutzung von Umweltrnedien (vor allem durch gewässerschutz- und abfallrechtliche Bestimmungen), während andere Regelungen des Naturschutzes und allgemein der Flächennutzung allenfalls am Rande Beachtung fanden. 332 Ein Grund hierfiir liegt - neben dem Interesse der Mitgliedstaaten, flächenbezogene Regelungen selbst vorzunehmen - in der begrenzten Reichweite und dem ökonomischen Charakter der damals verfügbaren Kompetenzen nach Art. 94 und Art. 308. Vgl. Krämer, Rechtsakte und Handlungsformen, Rn. 6. Vgl. GrabitzIHilJ-GrabitziNettesheim, vor Art. BOr Rn. 2 m.w.N. 329 V gl. Schröer, Kompetenzverteilung, 20 Fn. 28; Sands, Phi lippe, European Community Environmental Law: The Evolution of a Regional Regime of International Environmental Protection, 100 Yale LJ. 2511, 2512 m.w.N. (1991); RehbinderlStewart 256 f.; Christopher J. Foreman, A Comparative Analysis of Internal Controls on the Transfer of Waste within the E.U. and U.S., 3 Cardozo J. Int'l & Comp. L. 151 Fn. 133 (1995). 330 Vgl. Henke 4 m.w.N.; Groeben/ThiesingIEhlermann-Krämer, 4. Aufl. 1991, vor Art. BOr-BOt Rn. 24 ff. 331 V gl. RehbinderlStewart 204. 332 V gl. RehbinderiStewart 203 f. 327 328
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Insbesondere seit dem Fünften Umweltaktionsprogramm ist eine Schwerpunktverlagerung von materiellen zu verfahrensbezogenen Standards festzustellen. 333 Der EuGH bestätigte bereits 1985 in seiner ADBHU-Entscheidung, dass der Umweltschutz mittlerweile ein wesentliches Ziel der Gemeinschaft war. 334 Parallel zur Einführung umweltspezifischer Kompetenzbestimmung durch die EEA rief der Rat für den Zeitraum vom 21. 3. 1987 bis zum 20. 3. 1988 ein europäisches Umweltjahr aus. 335 Im Gegensatz zu dem bis dahin mehr sektoriell ausgerichteten, "flickenteppichartigen,,336 Umweltrecht wird seit Ende der achtziger Jahre ein kohärenteres, eher aufeinander abgestimmtes Umweltrecht der Gemeinschaft beobachtet,337 das mittlerweile Regelungen in den meisten Bereichen des Umweltrechts enthält, wenn auch in deutlich verschiedener Dichte, die gerade bei produktbezogenen Regelungen naturgemäß deutlich höher ist.
2. Unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht und gemeinschaftseigene Verwaltung a) Die Bedeutung von Verordnungen im Umweltrecht
Beim Instrument der Verordnung lassen sich in der Praxis mehrere Typen unterscheiden. In einigen Bereichen, besonders Bereichen gemeinschaftseigener Verwaltung wie dem Kartellrecht, ist das materielle Recht in einer grundlegenden Verordnung enthalten. Daneben hat das Instrument der Verordnung eine herausragende Bedeutung für den Erlass von (häufig kurzlebigen) Durchfiihrungsbestimmungen, vor allem im Bereich der Agrarpolitik der Gemeinschaft. 338 Im Umweltrecht der Gemeinschaft haben Verordnungen eine eher untergeordnete Bedeutung. Sie finden in drei Gruppen von Regelungen Anwendung: erstens in Vorschriften zur Umsetzung internationaler Umweltabkommen, zweitens bei der Schaffung von Verwaltungs strukturen und Instrumenten der 333 V gI. Rüdiger Breuer, Zunehmende Vielgestaltigkeit der Instrumente im deutschen und europäischen Umweltrecht - Probleme der Stimmigkeit und des Zusammenwirkens, NVwZ 1997,833,837: "Dominanz verfahrensrechtlicher Anforderungen". 334 EuGH, Urt. v. 7. 2. 1985, Rs. 240/83 (Procureur de la Republique / Association de defense des brfileurs d'huiles usagees (ADBHU)), Sig. 1985,531, Rn. 13. 335 Entschließung des Rates vom 6.3.1986, ABI. EG 1986, Nr. C 63,1. 336 So Calliess, "Greening the Treaty", 207. 337 VgI. CalliessIRuffert-Calliess, Art. 175 Rn. 3 m.w.N. 338 VgI. Oppermann Rn. 541 m.w.N.
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Gemeinschaft und drittens bei Maßnahmen, die zum Zweck des Umweltschutzes besondere Verfahren schaffen. 339 Zur ersten Gruppe, den Vorschriften zur Überfiihrung internationaler Verpflichtungen in das Gemeinschaftsrecht, zählen die Bestimmungen zur Regelung bzw. Unterbindung des internationalen Handels mit bedrohten Tier- und Pflanzenarten und daraus gewonnenen Produkten,340 zur Regelung des internationalen Handels und Verkehrs mit gefährlichen Stoffen wie Abfällen und Chemikalien,341 und zur Bewältigung überregionaler und globaler Umweltprobleme wie der Ausbreitung von Klimagasen und der Zerstörung der Ozonschicht und der Unterstützung von Umweltschutzmaßnahmen in Entwicklungsländern.342 Zur zweiten Gruppe zählen die Vorschriften zur Schaffung der Europäischen Umweltagentur sowie zur Schaffung von Instrumenten zur finanziellen und anderen Unterstützung der Mitgliedstaaten und zur Schaffung besonderer Rechtsträger, die sich (auch) auf den Umweltbereich beziehen. 343 Die dritte Gruppe von Vorschriften betrifft die Schaffung von Verfahren und besonderen Ausschüssen zur Risikoerrnittlung, 339 Vgl. allgemein Nettesheim 341; Pühs 455; Krämer, Rechtsakte und Handlungsformen, Rn. 48 f1 340 Z.B. Verordnung 3626/82 des Rates vom 3. 12. 1982 zur Anwendung des Übereinkommens über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen in der Gemeinschaft, ABI. 1982, Nr. L 384, 1; Verordnung 338/97 über den Schutz von Exemplare wildlebender Tier- und Pflanzenarten durch Überwachung des Handels, ABI. 1997, Nr. L 61, 1; Verordnung 348/81 über eine gemeinsame Regelung für die Einfuhr von Walerzeugnissen, ABI. 1981, Nr. L 39,1; Verordnung 1968/99 des Rates vom 10. 9. 1999 zur Aussetzung der Einfuhr von Exemplaren bestimmter wildlebender Tier- und Pflanzenarten in die Gemeinschaft, ABI. 1999, Nr. L 244, 22. 341 Z.B. Verordnung 259/92 des Rates vom I. 2.1993 zur Überwachung der Kontrolle der Verbringung von Abfällen in der, in die und aus der Europäischen Gemeinschaft, ABI. 1993, Nr. L 30, 1; Verordnung 2455/92 des Rates vom 23.7. 1992 betreffend die Ausfuhr und Einfuhr bestimmter gefährlicher Chemikalien, ABI. 1992, Nr. L 251, 13. 342 Z.B. Verordnung 3093/94 des Rates vom 15. 12. 1994 über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen, ABI. 1994, Nr. L 333, 1; Verordnung 3062/95 des Rates vom 20. 12. 1995 über Maßnahmen im Bereich der Tropenwälder, ABI. 1995, Nr. L 327, 9; Verordnung 722/97 des Rates vom 22. 4. 1997 über Umweltaktionen in den Entwicklungsländern unter Berücksichtigung der Erfordernisse der nachhaltigen Entwicklung, ABI. 1997, Nr. L 108, I. 343 Vgl. z.B. Verordnung 1210/90 des Rates vom 7.5.1990 zur Errichtung einer Europäischen Umweltagentur und eines europäischen Umweltinformations- und Umweltbeobachtungsnetzes, ABI. 1990, Nr. L 120, 1; Verordnung 563/91 des Rates vom 4.3 . 1991 über eine Gemeinschaftsaktion zum Schutz der Umwelt im Mittelmeerraum (MEDSPA), ABI. 1991, Nr. L 63, I; Verordnung 1973/92 des Rates vom 21. 5. 1992 zur Schaffung eines Finanzierungsinstruments für die Umwelt (LIFE), ABI. 1992, Nr. L 181,1; Verordnung 2158/92 der Kommission vom 23.7.1992 zum Schutze des Waldes in der Gemeinschaft gegen Brände, ABI. 1992, Nr. L 51,11; Verordnung 3528/86 über den Schutz des Waldes in der Gemeinschaft gegen Luftverschmutzung, ABI. 1986, Nr. L 326, 3, Durchführungsbestimmungen in Verordnungen 525/87, ABI. 1987, Nr. L 53, 1,526/87, ABI. 1987, Nr. L 53,14, 1696/87, ABI. 1987, Nr. L 161, I, 1697/87, ABI. 1987, Nr. L 161,23.
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ZertifIzierung und Kennzeichnung. Hierzu zählen die Kennzeichnungsverordnungen zum ökologischen Landbau,344 die Verordnung zum Umweltzeichen,345 die Verordnungen für die Ermittlung und Bewertung der Umweltrisiken von Chemikalien346 und die Verordnung zu Umweltmanagement und Umweltbetriebsprüfung (Öko-Audit-Verordnung). 347 Die Einsatzbereiche für Verordnungen sind also begrenzt. Für materielles Umweltrecht ist in diesen Vorschriften mit Ausnahme fInanzieller Instrumente und völkerrechtlicher Vorschriften kaum Raum. Die Verordnung zum Umweltzeichen und die Öko-Audit-Verordnung enthalten zwar Instrumente bzw. Regeln, die unmittelbar an die Marktteilnehmer in der Gemeinschaft gerichtet sind, zeichnen sich jedoch durch völlige Freiwilligkeit ihrer Anwendung aus und haben minimale Auswirkungen auf das bestehende Umweltrecht der Mitgliedstaaten, da es keinerlei gesetzgeberischer oder verwaltungsmäßiger Einbindung in bestehende Schutzsysteme bedarf. Soweit Verordnungen materielle Regelungen enthalten, fällt der begrenzte Anwendungsbereich auf. So enthält die Abfallverbringungsverordnung 348 in ihren Titeln II und IV ff. ein detailliertes Genehmigungssystem für Abfalltransporte, die die Binnen- oder Außengrenzen der EU überschreiten, aber nur knappe Rahmenvorgaben für innerstaatliche Abfallverbringungsvorgänge in Titel III. Ersteres entspricht zwar für sich betrachtet den EG-vertraglichen Prinzipien von Entsorgungsautarkie und Entsorgungsnähe, rechtfertigt aber nicht die Herausnahme von Abfalltransporten über Hunderte von Kilometern innerhalb eines Mitgliedstaates aus dem Anwendungsbereich der Regelung. 344 Verordnung 2092/91 des Rates vom 24.6. 1991 über den ökologischen Landbau und die entsprechende Kennzeichnung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse und Lebensmittel, ABI. 1991, Nr. L 202, 12; Verordnung 94/92 des Rates vom 14. 1. 1992 mit Durchfiihrungsbestimmungen zur Regelung der Einfuhren aus Drittländern in die Gemeinschaft gemäß der Verordnung 2092/91, ABI. 1992, Nr. L 11, 14; Verordnung 3457/92 des Rates vom 30. 11. 1992 mit Durchfiihrungsbestimmungen betreffend die Kontrollbescheinigung fiir Einfuhren aus Drittländern in die Gemeinschaft gemäß der Verordnung 2092/91, ABI. 1992, Nr. L 350, 56. 345 Verordnung 880/92 des Rates vom 23. 3. 1992 betreffend ein gemeinschaftliches System zur Vergabe eines Umweltzeichens, ABI. 1992, Nr. L 99, 1. 346 Verordnung 793/93 des Rates vom 23.3. 1993 zur Bewertung und Kontrolle der Umweltrisiken chemischer Altstoffe, ABI. 1993, Nr. L 84, 1; Verordnung 1488/94 der Kommission vom 28. 6. 1994 zur Festlegung von Grundsätzen fiir die Bewertung der von Altstoffen ausgehenden Risiken von Mensch und Umwelt gemäß der Verordnung 793/93, ABI. 1994, Nr. L 161,3. 347 Z.B. Verordnung 1836/93 des Rates vom 29. 6. 1993 über die freiwillige Beteiligung gewerblicher Unternehmen an einem Gemeinschaftssystem für das Umweltmanagement und die Umweltbetriebsprüfung, ABI. 1993, Nr. L 168, 1. 348 Verordnung (EWG) Nr. 259/93 des Rates vom 1. 2. 1993 zur Überwachung und Kontrolle der Verbringung von Abfällen in der, in die und aus der Europäischen Gemeinschaft, ABI. 1993, Nr. L 30, 1.
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Solche innerstaatlichen Transporte entsprechen ebenso wenig den Prinzipien von Entsorgungsautarkie und Entsorgungsnähe. Eine umfassende Regelung wäre im Hinblick auf das Ziel eines einheitlichen Marktes ohne spezifische Schranken beim Grenzübertritt angemessen. b) Unmittelbare Anwendbarkeit von Richtlinien im Umweltrecht
Im Umweltbereich scheidet eine Berufung des einzelnen Bürgers auf die unmittelbare Anwendbarkeit einer Richtlinie häufig aus, da das Interesse am Schutz der Umwelt grundsätzlich lediglich als Interesse der Allgemeinheit gilt. 349 Bei bestimmten Typen von Richtlinien des gemeinschaftlichen Umweltrechts ist eine unmittelbare Wirkung jedoch mittlerweile anerkannt. Der Bürger kann sich jedenfalls dann aufVerfahrensbestimmungen berufen, wenn eine Richtlinie dem Einzelnen ein Recht auf Beteiligung an dem Verfahren oder auf Zugang zu bestimmten Informationen gewährt. 35o Hier wird allerdings im Einzelfall zu ermitteln sein, ob sich Art und Umfang des verfahrensbezogenen Rechts hinreichend klar aus der Richtlinie entnehmen lassen oder ob nicht insoweit ein mitgliedstaatlicher Ausgestaltungsspielraum besteht. 35J Eine unmittelbare Anwendung ist danach bei der Umweltinformationsrichtlinie 352 sowie bei Informations-, Akteneinsichts- und Beteiligungsrechten in anderen Richtlinien anzunehmen. 353 Da sich Ansprüche des Einzelnen in der Regel auf staatliche Verfahren oder bei staatlichen Behörden oder Einrichtungen vorhandene Informationen beziehen, kommt hier in der Regel primärer Rechtsschutz unter Berufung auf die unmittelbare Anwendbarkeit der Richtlinie in Betracht. Ein zweiter Bereich, in dem gemeinschaftliche Umweltrichtlinien individualschützende Normen aufweisen, sind Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts, insbesondere Verbote und Grenzwerte, die sich am Schutz des Einzelnen orienV gl. Pühs 457 f. V gl. Burkhart Goebel, Gemeinschaftsrechtlich begründet Staatshaftung - ein Beitrag zum Vollzug des Gemeinschaftsumweltrechts? UPR 1994,361,363; Ludwig Krämer, Focus on European Environmental Law, London 1992, 160 ff.; so wohl im Erg. auch Gerd Winter, Rechtsschutz gegen Behörden, die Umweltrichtlinien der EG nicht beachten, NuR 1991,453, 455. 351 Vgl. Pühs 363. 349
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352 Richtlinie 901313/EWG des Rates vom 7. 6. 1990 über den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt, ABI. NT. L 158,56. 353 Vgl. EuGH, Urt. v. 16.9. 1999, Rs. C-435197 (World Wildlife Fund I Autonome Provinz Bozen), Slg. 1999, 1-5613, Rn. 68 ff., 71: subjektive unmittelbare Anwendung der UVP-Richtlinie. Anhand der UVP-Richtlinie auch Epiney, Unmittelbare Anwendbarkeit und objektive Wirkung von Richtlinien, 413.
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tieren. Da sich solche Bestimmungen in der Regel nicht auf staatliche, sondern auf private Aktivitäten beziehen, entfalten diese Bestimmungen Wirkungen für die Verbesserung des Vollzugs über eine Amtshaftung wegen Nichtumsetzung von Richtlinien. Hierzu zählen zunächst Grenzwerte für den Schadstoffgehalt von Umweltmedien. Zur Festlegung von Qualitätsanforderungen für Luft und Wasser in Form von Grenzwerten äußerte sich der EuGH in mehreren Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen mangelhafter Umsetzung der Luftqualitätsrichtlinien 80/779 (Schwefeldioxid und Schwebestaubi 54 und 82/884 (Bleii55 und der Richtlinien über die Qualitätsanforderungen an Oberflächenwasser für die Trinkwassergewinnung 75/440 und 79/869. 356 Im Urteil zur SchwefeldioxidlSchwebestaub-Richtlinie heißt es: "In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass die in Artikel 2 der Richtlinie vorgesehene Verpflichtung der Mitgliedstaaten, Grenzwerte vorzuschreiben, die während bestimmter Zeiträume und unter bestimmten Bedingungen nicht überschritten werden dürfen, ,insbesondere zum Schutz der menschlichen Gesundheit' geschaffen worden ist. Dies bedeutet, dass die Betroffenen in allen Fällen, in denen die Überschreitung der Grenzwerte die menschliche Gesundheit verletzen könnte, in der Lage sein müssen, sich auf zwingende Vorschriften zu berufen, um ihre Rechte geltend machen zu können ...3S7
Dieselbe Formulierung verwendet das Gericht in dem am gleichen Tag ergangenen Urteil zur Bleirichtlinie, hier aber bezogen auf Gesundheitsgefährdungen, nicht erst Gesundheitsverletzungen. Der EuGH setzt wieder an der Zielbestimmung in Art. 1 der Bleirichtlinie an, die geschaffen wurde,
3S4 Richtlinie 80/779/EWG des Rates vom 15. 7. 1980 über Grenzwerte und Leitwerte der Luftqualität für Schwefeldioxid und Schwebestaub, ABI. 1980, Nr. L 229, 30. Hierzu EuGH, Urt. v. 30. 5.1991, Rs. C-36 1/88 (KommissionlBundesrepublik Deutschland) - SchwefeldioxidiSchwebestaub-Richtlinie, Slg. 1991, 1-2567. 3SS Richtlinie 82/884/EWG des Rates vom 3. 12. 1982 betreffend den Bleigehalt in der Luft sowie ihrer Anwendungsbedingungen, ABI. 1982, Nr. L 378, 15. Hierzu EuGH, Urt. v. 30. 5. 1991, Rs. C-59/89 (Kommission / Bundesrepublik Deutschland)Bleirichtlinie, Slg. 1991,1-2607. 3S6 Richtlinie 75/440/EWG des Rates vom 16. 6. 1975 über die Qualitätsanforderungen an Oberflächenwasser für die Trinkwassergewinnung, ABI. 1975, Nr. L 194, 26, sowie Richtlinie 79/869/EWG des Rates vom 9. 10. 1979 über die Messmethoden sowie über die Häufigkeit der Probenahmen und der Analysen des Oberflächenwassers für die Trinkwassergewinnung, ABI. 1979, Nr. L 271, 44. Hierzu EuGH, Urt. v. 17. 10. 1991, Rs. C-58/89 (Kommission / Bundesrepublik Deutschland) - OberflächenwasserRichtlinien, Slg. 1991, 1-4983. 3S7 EuGH, Urt. v. 30. 5. 1991, Rs. C-361/88 (Kommission / Deutschland) - SchwefeldioxidiSchwebestaub-Richtlinie, Slg. 1991, 1-2567, Rn. 16.
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"um speziell einen Beitrag zum Schutz des Menschen vor den Auswirkungen der Bleiverschmutzung in der Umwelt zu leisten.' ( ... ) [Die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, einen Grenzwert festzulegen,] bedeutet (00')' dass die Betroffenen in allen Fällen, in denen die Überschreitung des Grenzwertes die menschliche Gesundheit gefährden könnte, in der Lage sein müssen, sich auf zwingende Vorschriften zu berufen, um ihre Rechte geltend machen zu können ...358
In gleicher Weise wie in der Bleirichtlinie-Entscheidung schließt der EuGH in der Entscheidung zu den Oberflächenwasser-Richtlinien aus der Zweckbestimmung der Oberflächenwasser-Richtlinien, zum Schutz der Volksgesundheit zur Trinkwassergewinnung bestimmte Oberflächengewässer und deren Aufbereitung zu überwachen, dass sich der Einzelne zur Abwehr möglicherweise gesundheits gefährdender Verstöße auf zwingende Vorschriften berufen können muss. 359 Der EuGH folgt darin offenbar - unter teilweiser Übernahme von Formulierungen - den Schlussanträgen von Generalanwalt Mischo zu den SchwefeldioxidISchwebestaub-Richtlinie- und Bleirichtlinie-Urteilen, der explizit von einem aus der Richtlinie ableitbaren Recht des Einzelnen auf eine den Grenzwerten entsprechende Aternluft spricht. 360 Aus den Urteilen lässt sich daher einerseits ableiten, dass sich der Einzelne jedenfalls dann auf unbedingte Qualitätsvorschriften für Umweltmedien wie Luft und Wasser in Richtlinien berufen kann, wenn die Grenzwerte am Maßstab des Gesundheitsschutzes orientiert sind. Andererseits wird sich der Bürger nicht auf Grenzwerte berufen können, die sich lediglich am Allgemeininteresse an einer gesunden Umwelt orientieren. Neben Qualitätsvorschriften für Umweltmedien kann sich der Einzelne danach auf Vorschriften über das Inverkehrbringen gefährlicher Stoffe, die dem Schutz der Gesundheit von Personen, die damit umgehen, oder allgemein dem der Verbraucher, dienen, berufen. 361 Beispiele hierfür sind die Trinkwasserrichtlinien 80/778 und 98/73/62 erkennbar an dem in den Begründungserwägungen hergestellten Bezug zwischen Qualitätsnormen tUr Wasser für den 358 EuGH, Urt. v. 30. 5. 1991, Rs. C-59/89 (Kommission / Deutschland) - Bleirichtlinie, Slg. 1991,1-2607, Rn. 19. 359 EuGH, Urt. v. 17. 10. 1991, Rs. C-58/89 (Kommission / Deutschland) - Oberfläehen wasser-Richtlinien, Sig. 1991,1-4983, Rn. 14. 360 Schlussanträge von Generalanwalt Mischo, in: EuGH, Urt. v. 30. 5. 1991, Rs. C361/88 (Kommission / Bundesrepublik Deutschland), Sig. 1991,1-2567 Rn. 23 f. 361 Vgl. Pernice, Gestaltung und Vollzug, 425. 362 Richtlinie 801778IEWG des Rates vom 15.7. 1980 über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch, ABI. 1980, Nr. L 229, 11, sowie Richtlinie 98/83/EG des Rates vom 3. 11. 1998 über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch, ABI. Nr. L 330, 32.
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menschlichen Gebrauch und Volksgesundheit;363 die Asbestrichtlinie 87/217,364 erkennbar an der Zielbestimmungen Schutz der menschlichen Gesundheit in ihrem Art. 1 Abs. 1; die Gefahrstoffrichtlinie 761769,365 erkennbar an ihrer vierten Begründungserwägung ("Zur Verbesserung des Gesundheitsschutzes ( ... )"); schließlich die Gentechnikrichtlinien 90/219 und 98/81,366 vgl. vierte Begründungserwägung der Richtlinie 90/219: "Die Anwendung genetisch veränderter Mikroorganismen in geschlossenen Systemen sollte so erfolgen, dass ihre möglichen schädlichen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und auf die Umwelt begrenzt werden und der Unfallverhütung und Abfallbewirtschaftung gebührende Aufmerksamkeit gewidmet wird." Anders sind danach zum einen allgemeine Emissionsgrenzwerte einzuordnen, deren Grenzziehung keinen unmittelbaren Bezug zur menschlichen Gesundheit aufweist und deren Überschreitung nicht nachweisbar Gefahren für die menschliche Gesundheit verursacht und die daher lediglich einen allgemeinen Umweltbezug aufweisen. Leitwerte für die Qualität von Umweltmedien, an denen sich die Mitgliedstaaten zur Festlegung von Grenzwerten für besonders schützens werte oder besonders gefahrdete, von den Mitgliedstaaten zu bestimmende Gebiete zu orientieren haben, sind schon mangels inhaltlicher Unbedingtheit und Bestimmtheit nicht unmittelbar anwendbar. 367 c) Selbständige Verpflichtungen der Mitgliedstaaten Eine Vielzahl unmittelbar geltender Bestimmungen richtet sich an die Mitgliedstaaten. Diese Bestimmungen verpflichten die Mitgliedstaaten nicht zu gesetzgebenden und verwaltenden Tätigkeiten gegenüber ihren Bürgern, sondern ausschließlich zu Handlungen gegenüber Gemeinschaftsorganen sowie verwaltungsinterner und vorbereitender Tätigkeit. Sie sind sowohl in Verord363
Vgl. erste Begründungserwägung der Richtlinie 801778.
364 Richtlinie 87/217/EWG des Rates vom 19. 3. 1987 zur Verhütung und Verringe-
rung der Umweltverschmutzung durch Asbest, ABI. Nr. L 85, 40. 365 Richtlinie 761769/EWG des Rates vom 12. 7. 1976 zur Ang1eichung der Rechtsund Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten rur Beschränkungen des Inverkehrbringens und der Verwendung gewisser gefahrlicher Stoffe und Zubereitungen, ABI. Nr. L 262, 201. 366 Richtlinie 90/219/EWG des Rates vom 23.4. 1990 über die Anwendung genetisch veränderter Mikroorganismen in geschlossenen Systemen, ABI. Nr. L 297, 29, zuletzt geändert durch Entscheidung des Rates vom 8. 3. 2001 zur Ergänzung der Richtlinie 90/219/EWG hinsichtlich der Kriterien für die Feststellung, ob Typen genetisch veränderter Mikrorganismen sicher für die menschliche Gesundheit und die Umwelt sind, ABI. Nr. L 73, 32, und Richtlinie 98/81/EG vom 26. 10. 1998, ABI. Nr. L 330, 13. 367 Vgl. z.B. die Bestimmungen in Art. 4 und 5 der Richtlinie 801779 sowie die Ausführungen hierzu von Goebel, UPR 1994, 361, 364.
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nungen und Entscheidungen als auch in Richtlinien enthalten, die sich als Instrumente in ihrem Verpflichtungscharakter für die Mitgliedstaaten nicht unterscheiden. Zu diesem Bereich gehören vor allem Verpflichtungen zur Datenerhebung und Datenübermittlung an die Kommission. Eigenständige Verpflichtungen dieser Art, die nicht als Annex zu materiellen Regelungen in Richtlinien oder Verordnungen gestaltet sind, regeln Entscheidungen, die zum Teil lediglich die Information der Kommission und einen über die Kommission vermittelten Austausch zwischen den Mitgliedstaaten über Schadstoffgehalte von Luft und Gewässern in den Mitgliedstaaten bezwecken,368 teilweise aber darüber hinaus die Einrichtung eines Informationssystems mit weiteren Daten über Risiken, Strategien und Mittel zur Problembekämpfung bewirken. 369 Die Europäische Umweltagentur hat eine ähnliche Aufgabe der Informationssammlung und weitergabe wie die Kommission nach diesen Rechtsakten, ihr wurden jedoch (bisher) keinerlei Befugnisse übertragen, um weitere Informationen bei den Mitgliedstaaten zu erheben. Neben eigenständigen Informationsregeln besteht eine Vielzahl vereinzelter Informationsübermittlungspflichten, die als Annexregelungen zu materiellen Vorgaben für Gesetzgebung und Verwaltung der Mitgliedstaaten ergangen sind. Ein Typus von Annexregelungen verpflichtet die Mitgliedstaaten zur Information über die Umsetzung der materiellen Vorgaben der betreffenden Richtlinie. 370 Diese Bestimmungen verweisen regelmäßig auf die diese Informationsübertragungen vereinheitlichende Richtlinie 91/692.37\ 368 Entscheidung 77/795/EWG des Rates vom 12. 12. 1977 zur Einfiihrung eines gemeinsamen Verfahrens zum Informationsaustausch über die Qualität des Oberflächensüßwassers in der Gemeinschaft, ABI. 1977, Nr. L 334, 29; Entscheidung 82/4591EWG des Rates vom 24. 6. 1982 zur Einfiihrung eines gegenseitigen Austausches von Informationen und Daten aus Messnetzen und einzelnen Stationen zur Erfassung der Luftverschmutzung in den Mitgliedstaaten, ABI. 1982, Nr. L 210, 1. 369 Entscheidung 86/85/EWG des Rates vom 6.3. 1986 zur Errichtung eines gemeinschaftlichen Informationssystems zur Überwachung und Verringerung der Verschrnutzung der Meere und der wichtigsten Binnengewässer durch Öl und andere gefährliche Stoffe, ABI. 1986, Nr. L 77, 33. 370 Eine solche Bestimmung findet sich in der Mehrzahl der Umweltrichtlinien, vgl. z.B. aus dem Gewässerschutzbereich Art. 13 der Richtlinie 76/464; aus dem Luftreinhaltebereich Art. 8 der Richtlinie 80/779; aus dem Naturschutzbereich Art. 12 der Richtlinie 79/409; Art. 22 der Zweiten Gentechnikrichtlinie, Richtlinie 90/2201EWG des Rates vom 23. 4. 1990 über die absichtliche Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen in die Umwelt, ABI. 1990, Nr. L 117, 1S. 371 Richtlinie 911692IEWG des Rates vom 23. 12. 1991 zur Vereinheitlichung und zweckmäßigen Gestaltung der Berichte über die Durchfiihrung bestimmter Umweltschutzrichtlinien, ABI. Nr. L. 377 vom 31. 12.1991,48.
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Ein zweiter Typus von Annexregelungen betrifft die Durchfiihrung von Abweichungen von Richtlinienvorgaben, wie z.B. in den Richtlinien zur Durchführung der Gewässerschutz-Rahmenrichtlinie 76/464. So gebietet z.B. Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 83/513 betreffend Grenzwerte und Qualitätsziele fiir Cadrniurnableitungen einem Mitgliedstaat, der einen Genehmigungsempfanger zu anderen als den "besten verfügbaren technischen Mitteln" verpflichten möchte, zur vorherigen Information und Darlegung der Gründe hierfiir gegenüber der Kommission, die eine eigene Stellungnahme abgibt, Stellungnahmen der anderen Mitgliedstaaten einholt, und dem Rat gegebenenfalls geeignete Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene vorschlägt. Ein weiterer Typus von Annexregelungen verpflichtet die Mitgliedstaaten zur turnusmäßigen Information über den Zustand von Umweltmedien, auf die sich die betreffende Richtlinie bezieht, sowie zur einzelfallbezogenen Information über die Überschreitung von Schadstoffgrenzwerten. 372
d) Gemeinschaftseigene Verwaltung im Umweltbereich Eine gemeinschaftseigene Verwaltung von Umweltrecht mit Verpflichtungswirkung und Eingriffsbefugnissen gegenüber dem Bürger besteht grundsätzlich nicht. Auch die EUA dient lediglich als zentrale Stelle zur Sammlung bestimmter Umweltdaten. In Einzelbereichen verfügt die Kommission jedoch über "echte" sekundärrechtliche Verwaltungszuständigkeiten. Mehrere Stufen können unterschieden werden: Nach Art. 9 der Produktsicherheitsrichtlinie373 verfügt die Kommission lediglich über eine Notkompetenz zur Anordnung vorläufiger Maßnahmen. Nach Art. 13 Abs. 3 i.V.m. Art. 21 der zweiten Gentechnikrichtlinie (Freisetzungsrichtlinie) 901220 steht der Kommission (bei Meinungsverschiedenheit mit dem ihr zur Seite gestellten Ausschuss aus Vertretern der Mitgliedstaaten dem Rat) eine Befugnis zu einer Schiedsentscheidung bei horizontalen Konflikten zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten zu, allerdings nur dann, wenn zwischen diesen Behörden binnen sechzig Tagen keine bilaterale Einigung erzielt wird. 374 Das Konzertierungsverfahren nach Art. 5 der 372 Z.B. Art. 11 der Richtlinie 96/62/EG des Rates vom 27. 9. 1996 über die Beurteilung und die Kontrolle der Luftqualität, AB\. 1996, Nr. L 296, 55. 373 Richtlinie 92/59IEWG des Rates vom 29. 6. 1992 über die allgemeine Produktsicherheit, ABI. Nr. L 228, 24. 374 Vg\. hierzu z.B. die Entscheidung 97/549/EG der Kommission vom 14.7. 1997 über das lnverkehrbringen des T 102-Tests (Streptococcus thermophilus T 102) gemäß der Richtlinie 90/220/EWG des Rates, AB\. 1997, Nr. L 225, 34; zur Bindung der mitgliedstaatlichen Behörden an eine einmal erklärte Zustimmung und zur Rolle der Kommission EuGH, Urt. v. 21. 3. 2000, Rs. C-6/99 (Greenpeace France I Ministere de
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FFH-Richtlinie 92/43 enthält ein ähnliches Verfahren fiir vertikale Meinungsverschiedenheiten zwischen Kommission und betroffenem Mitgliedstaat über die Unterschutzstellung eines bestimmten Gebietes, in dem letztlich der Rat auf Vorschlag der Kommission entscheidet. 375 Eine dritte Stufe mit noch weitergehenden Verwaltungszuständigkeiten der Kommission enthält die Novel-Food Verordnung,376 nach deren Art. 7 Abs. 1 die Entscheidungszuständigkeit bereits dann auf die Kommission übergeht, wenn der mitgliedstaatliehe Prütbericht negativ ausf.illt oder ein anderer Mitgliedstaat oder die Kommission einen Einwand geltend macht. 377 Da der Gemeinschaft keine besondere Verwaltungskompetenz fiir diesen Bereich zusteht und jedenfalls die zuletzt genannten Richtlinien auch nicht lediglich annexartige "Notkompetenzen" gewähren, kann sich eine Gemeinschaftszuständigkeit für solche Regelungen allenfalls aus Art. 308 ergeben,378 andernfalls liegt eine Kompetenzüberschreitung VOr. 379 Diese Regelungen belegen ein langsames "Vortasten" der Kommission in den Bereich von Verwaltungsaufgaben, die wegen ihres einheitlichen und gemeinschaftsweiten Charakters zentral erfiillt werden können.
3. Anweisungen zu mitgliedstaatlicher Gesetzgebungs- und Verwaltungs tätigkeit Die Richtlinie ist das zentrale Instrument des gemeinschaftlichen Umweltrechts. 380 Ihr rechtstechnischer Vorteil ist der Spielraum, den sie den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung gibt und der eine flexible Anpassung an die disparaten Rechtssysteme der Mitgliedstaaten ermöglicht. Dieser Spielraum ist gleichzeitig ein politischer Akzeptanzvorteil, da Souveränitätsinteressen der Mit-
I' Agriculture et de la Peche), 81g. 2000,1-1651, sowie Hans-Georg KamanniChristoph Tegel, Nationale Handlungsspielräume im Gentechnik-Genehmigungsverfahren, NVwZ 2001,44. 37S Dies bedeutet zwar eine Hochzonung der Entscheidungsbefugnis, letztlich ist jedoch keine Entscheidung gegen den betroffenen Mitgliedstaat möglich. 316 Verordnung (EG) Nr. 258/97 des EP und des Rates vom 27. 1. 1997 über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten, ABI. Nr. L 43, 1. 317 V g1. hierzu Rainer WahllDetlef Groß, Die Europäisierung des Genehmigungsrechts am Beispiel der Novel-Food-Verordnung, DVB1. 1998, 2, 4 ff. Damit hat die Kommission die Möglichkeit, die Verwaltungszuständigkeit gleichsam an sich zu reißen. Vg1. ebd., 5. 378 Sowohl die zweite Gentechnikrichtlinie als auch die Novel-Food-Verordnung wurden jedoch auf Art. 95 gestützt, der, anders als Art. 308, keine Einstimmigkeit im Rat erfordert. 319 Vg1. Wahl/Groß 11 f. m.w.N. zur - vorsichtigen - Kritik in der Literatur. 380 Über neunzig Prozent der dem Bereich Umwelt zuzuordnenden Maßnahmen sind Richtlinien.
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gliedstaaten mit einer "Zielvorgabe" weniger stark berührt scheinen als mit unmittelbar geltenden umfassenden Regelungen der Gemeinschaft. Das Erfordernis der Anpassung an innerstaatliches Recht, die Verschiedenheit von Verwaltungsstrukturen und Verwaltungspraxis in den Mitgliedstaaten sowie Nachlässigkeiten bei Schnelligkeit oder Qualität der Umsetzung können allerdings zu einem wenig einheitlichen Recht fUhren. Diese Gefahren stellen erhöhte Anforderungen an die Umsetzungskontrolle der Kommission. Richtlinien können nach Regelungsgehalt und Regelungsdichte in mehrere verschiedene Formen unterteilt werden: zum einen mehrstufige Konstruktionen aus Rahmen- und Ausfiillungsrichtlinien, zum anderen einstufige Richtlinien verschiedener Regelungsintensität. a) Mehrstufige Struktur: Rahmenrichtlinien jUr die Rechtssetzung der Gemeinschaft
Ein Typ von Richtlinien legt lediglich generelle Ziele und Grundprinzipien fiir konkrete Rechtsakte fest. Der in solchen sog. Rahmen- oder Mutterrichtlinien abgesteckte Bereich wird später durch Einzel- oder Tochterrichtlinien ausgefiillt. Regelmäßig sind in Rahmenrichtlinien Vorgaben fiir die weitere Rechtssetzung der Gemeinschaft mit Zielvorgaben an die Mitgliedstaaten verbunden. Beispiele hierfiir sind die Abfall-Rahmenrichtlinie 75/442 als Rahmen fiir das Abfallrecht innerhalb der Gemeinschaft, die GewässerschutzRahmenrichtlinie 76/464 als Grundlage fiir das emissionsbezogene Gewässerschutzrecht, die Richtlinie 84/360 zur Bekämpfung der Luftverschmutzung durch Industrieanlagen38I als Rahmen fiir das auf industrielle Emissionsquellen bezogene (anlagenbezogene) Luftreinhalterecht, die Richtlinie 79/113 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die Ermittlung des Geräuschemissionspegels von Baumaschinen und Baugeräten382 sowie die Richtlinie 96/61 zur integrierten Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung. 383 Die zusätzliche Stufe der Gesetzgebung in diesem Modell bildet zum einen ein vertikales Zwischenstück zwischen dem abstrakten mehrjährigen Umweltprogramm und der konkreten Einzelrichtlinie, zum anderen ein zu dem zeit381 Richtlinie 84/360/EWG des Rates vom 28. 6. 1984 zur Bekämpfung der Luftverschmutzung durch Industrieanlagen, ABI. 1984, Nr. L 188, 20. 382 Richtlinie 79/113/EWG des Rates vom 19. 12. 1978 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die Ermittlung des Geräuschemissionspegels von Baumaschinen und Baugeräten, ABI. 1979, Nr. L 33, 15. 383 Richtlinie 96/61/EG des Rates vom 24. 9. 1996 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung, ABI. 1996, Nr. L 257, 26.
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raumbezogenen, bereichsübergreifenden Rahmen der Umweltprogramme quer liegendes, sachbereichsbezogenes Regelungsprogramm. Davon zu unterscheiden sind Richtlinien wie die Umweltinformationsrichtlinie 90/313, die eine horizontale oder Querschnittsbedeutung haben, ohne einen regulatorischen Rahmen für Einzelrichtlinien vorzugeben. 384 Anders als das im umfassenden Titel vieler Rahmenrichtlinien geäußerte Regelungsprogramm vermuten lässt, erfolgt regelmäßig keine umfassende und abschließende Ausfiillung eines Rechtsbereiches durch die zu der Rahmenrichtlinie ergehenden Tochterrichtlinien. Die Ausfiillungsrichtlinien erfassen häufig nur Teilbereiche, die als besonders drängend gelten oder grenzüberschreitende Bedeutung haben. So ist die seit 1984 bestehende Richtlinie 84/360 zur Bekämpfung der Luftverschmutzung durch Industrieanlagen bisher nur für Großfeuerungsanlagen und Anlagen zur Verbrennung von Siedlungsmüll ausgefiillt worden. Die zur Ausfiillung der Rahmenrichtlinie für den Gewässerschutz 76/464 ergangenen Einzelrichtlinien decken bis heute lediglich einen geringen Teil der Liste von Stofffamilien und Stoffgruppen in Anhang I der Richtlinie 76/464 ab, die nach Art. 6 der Richtlinie als Grundlage für die Festsetzung stoffbezogener Grenzwerte dient. 385
b) Formen indirekter Rechtssetzung Reine Zielvorgaben kommen der in Art. 249 Abs. 3 beschriebenen Form der Richtlinie am nächsten und können daher als EG-vertraglicher Regelfall bezeichnet werden. In der Praxis sind sie lediglich eine Rechtssetzungsfonn, der im Umweltbereichjedoch eine wichtige Funktion zukommt. Diese gelegentlich auch begriffsunscharf als "Rahmenrichtlinien" bezeichneten Maßnahmen (die allerdings nicht mit den oben genannten Rahmen- oder Mutterrichtlinien verwechselt werden sollten) bilden lediglich ein Gerüst von 384 Der horizontale Charakter der Umweltinformationsrichtlinie in Abgrenzung zu einer Rahmenrichtlinie wird z.B. deutlich an den Bestimmungen über den Zugang zu Informationen in anderen Richtlinien, die zwar wie die Umweltinformationsrichtlinie auch die Begründung solcher Ansprüche über den Zugang zu Informationen bezwecken, ohne aber Vorgaben der Umweltinformationsrichtlinie ausformen. Die Umweltinformationsrichtlinie ist selbst gleichermaßen detailliert. Außerdem ergehen diese Bestimmungen über Zugang zu Informationen regelmäßig "unbeschadet der Richtlinie 90/313". VgJ. z.B. Art. 12 der Richtlinie 1999/13/EG des Rates vom 11. 3. 1999 über die Begrenzung von Emissionen flüchtiger organischer Verbindungen, die bei bestimmten Tätigkeiten und in bestimmten Anlagen bei der Verwendung organischer Lösungsmittel entstehen, ABI. Nr. L 85, I. 385 Vgl. Epiney, Umweltrecht in der EU, 229; Han Somsen, Comment (zu EuGH, Urt. v. 29. 9. 1999, Rs. C-232197 - Nederhoff, und EuGH, Urt. v. 29. 9. 1999, Rs. C231/97 - van Rooij), EELR 9 (2000), 28.
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Vorgaben fiir mitgliedstaatliche Maßnahmen. Mit der GewässerschutzRahmenrichtlinie 76/464, der Abfallrichtlinie 75/442 und der Richtlinie 78/319 über gefährliche und toxische Abfälle versuchte die Gemeinschaft zum Teil jedoch ohne durchgreifenden Erfolg -, die Mitgliedstaaten zu eigenen Programmen in den bezeichneten Sachbereichen anzuregen. Der Kommission sollte hierbei lediglich koordinierende und beobachtende Funktion zukommen. 386 Mit einem Großteil ihrer Rechtssetzung hat sich die Gemeinschaft immer weiter von dem Modell des Art. 249 Abs. 3 entfernt. Viele Richtlinien schreiben dem mitgliedstaatlichen Gesetzgeber Regelungen vor, die dieser ohne nennenswerte Spielräume in mitgliedstaatliches Recht umzugießen hat. Sie weisen damit häufig eine Struktur auf, die der Verordnung in Art. 249 Abs. 4 EG weitaus näher kommt als der in Art. 249 Abs. 3 vorgesehenen bloßen Zielvorgabe. Auch neuere Richtlinien im Umweltrecht enthalten vielfach genaue Vorgaben sowohl fiir die Rechtsform der Umsetzung als auch fiir die Instrumentierung der zu schaffenden Norm. 387 Solche detaillierten Richtlinien betreffen vielfach den binnenmarktnahen Bereich. 388 Genaue Vorgaben finden sich auch in Richtlinien, die Emissionsgrenzwerte fiir bestimmte Schadstoffe festlegen. 389 Hier ergibt sich die Verwendung detaillierter Richtlinien aus der Natur der Sache: Emissionsvorschriften der Gemeinschaft im Luftreinhalte- oder Wasserrecht bilden kein umfassendes Regelungssystem, sondern geben in der Regel lediglich Grenzwerte fiir einzelne Stoffe oder Stoffgruppen vor. Diese Normen sind notwendig detailgenau, erlauben aber nicht der Einsatz von Verordnungen, da sie der Einpassung in das Recht des jeweiligen Mitgliedstaates bedürfen. Bereits allgemeine, nicht-umweltspezifische europapolitische Gedanken sprechen fiir den Einsatz detaillierter Richtlinien. Ein wichtiger Faktor mag bereits der Eindruck eines mitgliedstaatliche Spielraums sein, den die Verwendung der Richtlinie schon qua Bezeichnung hinterlässt. Dies führt allerdings zu einem verdeckten Machtzuwachs auf der Gemeinschaftsebene. Die Etikettierung als Richtlinie, wo nach der Regelungsdichte eher eine Verordnung vorliegt, baut gleichzeitig Souveränitätsbedenken in den Mitgliedstaaten vor.
386 Auf eine bloße Rahmenregelung beschränkte sich auch der Vorschlag einer Richtlinie betreffend die artgerechte Haltung von Tieren im Zoo, ABI. EG Nr. C 249 vom 24. 9. 1991, 14. 387 Vgl. Jarass, Subsidiarität nach Schaffung der EU, 216. 388 Vgl. Krämer, Rechtsakte und Handlungsformen, Rn. 53. 389 Vgl. aus den letzten Jahren z.B. die Richtlinie 1999/13 über die Begrenzung von Emissionen flüchtiger organischer Verbindungen.
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Schließlich erreichen detaillierte Richtlinien einen besseren Umsetzungs grad bei der rnitgliedstaatlichen Umsetzung als echte Zielvorgaben. 390 Da das Subsidiaritätsprinzip des Art. 5 Abs. 2 auch fiir die Wahl unter den Instrumenten des Art. 249 gilt, ist die reine Zielvorgabe grundsätzlich der detaillierten Richtlinie vorzuziehen. In diesem Zusammenhang deutet auch eine Aussage des Rates im Subsidiaritätsprotokoll zum Amsterdamer Vertrag neuerdings eine Rückbesinnung auf die Richtlinie als bloße Zielvorgabe an. 391 Die Einsatzfelder der beiden Arten von Richtlinien, die sich nur teilweise überschneiden, die Effizienzvorteile der detaillierten Richtlinie und die geringe Justiziabilität des Subsidiaritätsprinzips machen eine begrenzende Wirkung allerdings unwahrscheinlich. 392 Entscheidungen bzw. Beschlüsse393 fmden im Umweltrecht in fünf Bereichen Anwendung. 394 Dies sind erstens Entscheidungen zur materiellen und Vgl. Jarass, Subsidiarität nach Schaffung der EU, 216. Dort wird das Instrument der Richtlinie unter wortgetreuer Verwendung des Textes des Art. 249 Abs. 3 beschrieben, was als Bekräftigung der einschränkenden Vorgaben des Art. 249 Abs. 3 angesehen werden kann. "Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit" zum Amsterdamer Vertrag, Rn. 6 S. 4: ,,Richtlinien nach Maßgabe des Art. 189 [jetzt Art. 249] des Vertrags, die für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet sind, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich sind, überlassen den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der MitteL" 392 Eine besondere Struktur weisen bestimmte Richtlinien vor allem im Bereich der technischen Harmonisierung auf, die dem vom Rat 1985 beschlossenen sog. ,,neuen Ansatz" ("nouvelle approche", "new approach") folgen (Entschließung des Rates vom 7. 5. 1985, ABI. Nr. C 136, 1). Darin will sich die Gemeinschaft zum einen auf die Festlegung grundlegender Anforderungen zum Schutz des Gemeinwohls beschränken, wozu neben neben Sicherheit, Gesundheit und Verbraucherschutz insbesondere der Schutz der Umwelt gehören; außerhalb dieses Bereichs wird eine gegenseitige Anerkennung unterschiedlicher nationaler Regelungen angestrebt. Zum anderen soll im Bereich grundlegender Anforderungen eine Vollharmonisierung erfolgen, die weitergehende Schutzmaßnahmen der Mitgliedstaaten bei diesen Anforderungen ausschließt. Richtlinien nach dem "neuen Ansatz" sind im Umweltbereich eher selten, ein Beispiel ist allenfalls die Verpackungsrichtlinie 94/62, vgl. deren Begrundungserwägungen: "Angesichts der Ziele dieser Richtlinie ist es wichtig, grundsätzlich darauf zu achten, dass die zum Schutz der Umwelt getroffenen Maßnahmen eines Mitgliedstaats die anderen Mitgliedstaaten nicht daran hindern, die Ziele der Richtlinie zu erreichen. ( ... ) Um die Auswirkungen von Verpackungen und Verpackungsabfallen auf die Umwelt möglichst gering zu halten und Handelshemmnisse und Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, ist es ferner erforderlich, die grundlegenden Anforderungen an die Zusammensetzung der Verpackungen und die Möglichkeiten für ihre Wiederverwendung und - auch stomiche - Verwertung festzulegen." 393 Gelegentlich werden Entscheidungen nach Art. 249 Abs. 4 in der deutschen Sprachfassung als "Beschlüsse" bezeichnet. Diese Bezeichnung ist synonym, in anderen Gemeinschaftssprachen ist die Bezeichnung einheitlich. Vgl. Krämer, Rechtsakte und Handlungsformen, Rn. 71. 394 Vgl. allgemein Krämer, Rechtsakte und Handlungsformen, Rn. 71 ff. 390 391
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verfahrensmäßigen Durchführung von Verordnungen und Richtlinien, durch die detaillierte Verzeichnisse oder Listen, z.B. über gefährliche Stoffe, oder Kriterien zur Bewertung der Umweltverträglichkeit einzelner Produktgruppen festgelegt oder Kontrollverfahren oder Formulare für Anmeldungen und Mitteilungen bestimmt werden. Solche Entscheidungen werden häufig an die Kommission delegiert. 395 Zweitens sind dies organisatorische Entscheidungen über die Einsetzung von Ausschüssen oder anderen Gremien mit im Wesentlichen beratender Funktion für die Gesetzgebungsorgane der Gemeinschaft. 396 Drittens ergehen in dieser Rechtsform "verwaltungsaktsähnliche" Einzelfallentscheidungen, z.B. als Entscheidungen über konkrete Mittelzuweisungen, die Genehmigung mitgliedstaatlicher Beihilfen und Abweichungen nach Art. 95 Abs. 4 oder nach sekundärrechtlichen Abweichungserrnächtigungen. 397 Hierzu zählen auch die Beschlüsse zum Inverkehrbringen genetisch veränderter Organismen nach Art. 13 Abs. 3 der zweiten Gentechnikrichtlinie 90/220. Viertens und Fünftens beschließt der Rat über den Beitritt der Gemeinschaft zu internationalen Übereinkommen sowie über die Umweltaktionsprogramme und andere umweltbezogene Programme in der Rechtsform der Entscheidung. 398
395 Vgl. z.B. Entscheidung 94/575/EG der Kommission vom 23. 7. 1994 zur Festlegung der Kontrollverfahren gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 259/93 des Rates betreffend die Verbringung bestimmter Abfälle in bestimmte nicht der OECD angehörende Länder, ABI. Nr. L 220, 15; Entscheidung 94/3/EG der Kommission vom 20. 12. 1993 über ein Abfallverzeichnis gemäß Artikel 1 Buchstabe a) der Richtlinie 75/442; Entscheidung 96/302/EWG der Kommission vom 17. 4. 1996 über die Erstellung eines Formulars zur Informationsübermittlung nach Artikel 8 Absatz 3 der Richtlinie 911689/EWG des Rates über gefährliche Abfälle, ABI. Nr. L 116, 26; außerdem die bisher neunzehn Entscheidungen der Kommission über die Umweltkriterien zur Vergabe des EG-Umweltzeichens für bestimmte Produktgruppen, aufgelistet bei LudgerAnselrn Versteyl (Hrsg.), Umweltrecht der Europäischen Union, Vorschriftensammlung Bd. 1, Systematische Gliederung, 3 f. 396 Vgl. z.B. Beschluss 97/150/EG der Kommission vom 24.2. 1997 zur Einrichtung eines Europäischen Beratenden Forums für Umwelt sowie dauerhafte und umweltgerechte Entwicklung, ABI. Nr. L 58, 48. 397 Vgl. z.B. Entscheidung 1999/42/EG der Kommission vom 22. 12. 1998 zur Bestätigung der von Österreich gemäß Artikel 6 Absatz 6 der Richtlinie 94/62/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über Verpackungen und Verpackungsabfälle notifizierten Maßnahmen, ABI. Nr. L 14,24; Art. 9 Abs. 1 UAbs. 2 der Verordnung Nr. 1973/92 des Rates vom 21. 5. 1992 zur Schaffung eines Finanzierungsinstruments für die Umwelt (LIFE), ABI. Nr. L 206, 1. 398 Vgl. z.B. Entscheidung 98/352/EG des Rates vom 18. 5. 1998 über ein Mehrjahresprogramm zur Förderung der emeuerbaren Energieträger in der Gemeinschaft (ALTENER 11), ABI. Nr. L 159,53.
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c) Regelungsansätze und Regelungsdichte
Die Norrnstruktur der Richtlinien im Umweltbereich weist deutliche Unterschiede auf. Mehrere Regelungsansätze zur Bewältigung von Umweltproblemen unter Berücksichtigung der Anforderungen des Binnenmarktes können unterschieden werden. Verschiedene Regelungsansätze bewirken dabei unterschiedliche Regelungsdichten durch mehr oder weniger intensive Vorgaben an die Mitgliedstaaten. In dem oben dargestellten Rahmen fmden sich Bestimmungen teilweise in Verordnungen, in aller Regel handelt es sich jedoch um Richtlinien.
aa) Medienqualitätsstandards und Immissionswerte Eine erste Gruppe von Regelungen bilden medienqualitätsbezogene Standards. Diese Bestimmungen legen maximale Konzentrationen bestimmter Schadstoffe pro Referenzmenge fiir ein Umweltmedium (Luft, Gewässer, Boden) fest. Häufig werden dabei neben Grenzwerten, die in den Mitgliedstaaten unbedingt einzuhalten sind, Leitwerte, an denen die weitere Entwicklung zu orientieren ist, festgelegt. Außerdem enthalten viele Richtlinien eine weitere Begrenzung von Schadstoffeinträgen durch das Verbot der Verschlechterung der bestehenden Umweltsituation. Beispiele fiir den medienqualitätsorientierten Regelungsansatz fmden sich vor allem im Gewässerschutz- und Luftreinhalterecht, aber auch im bisher schwach entwickelten Bodenschutzrecht der Gemeinschaft. Im Luftreinhalterecht legt die Richtlinie 80/779 Grenz- und Leitwerte fiir Schwefeldioxid und Schwebestaub fest, die Richtlinie 82/884 einen Grenzwert fiir Blei und die Richtlinie 85/203 399 Grenz- und Leitwerte fiir den Stickstoffdioxidgehalt der Luft. Die Richtlinie 92/72 über die Luftverschmutzung durch Ozon400 orientiert sich ebenfalls an der Luftqualität, knüpft an eine Überschreitung sog. Schwellenwerte fiir die Ozonkonzentration in der Luft jedoch lediglich Pflichten zur Information der Kommission und der Öffentlichkeit. 401 Im Gewässerschutzbereich existieren verschiedene Richtlinien, die Qualitätsanforderungen jeweils fiir eine Verwendungsart von Gewässern enthalten. Die wichtigsten Verwendungsarten sind mit Richtlinien über Qualitätsanforderungen an Oberflächenwasser fiir die Trinkwassergewinnung, an Trinkwasser selbst sowie an Fisch399 Richtlinie 85/203/EWG des Rates vom 7. 3. 1985 über Luftqualitätsnormen für Stickstoffdioxid, ABI. Nr. L 87, 1. 400 Richtlinie 92/72/EWG des Rates vom 21. 9. 1992 über die Luftverschmutzung durch Ozon, ABI. Nr. L 297, 1. 401 Vgl. Art. 5 und 6 der Richtlinie 92/72.
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und Muschelgewässer abgedeckt. 402 Allgemeine, von der Gewässemutzung unabhängige Qualitätsanforderungen an Gewässer werden nicht gestellt. Qualitätsbezogene Anforderungen im Bereich des Bodenschutzes enthält lediglich die Klärschlammrichtlinie 86/278403 in ihren Art. 4 und 5. Bestimmungen, die die Verschlechterung der bestehenden Situation durch Umsetzung und Vollzug einer Richtlinie verbieten, finden sich z.B. in Art. 7 der Richtlinie 75/440 über die Qualitätsanforderungen an Oberflächenwasser fiir die Trinkwassergewinnung, Art. 11 der Trinkwasserrichtlinie 80/778, Art. 7 Abs. 1 der Badegewässerrichtlinie 76/160,404 Art. 8 der Fischgewässerrichtlinie 78/659 und Art. 8 der Muschelgewässerrichtlinie 79/923. Systematisch ähnlich wie die genannten medienqualitätsorientierten Standards sind Bestimmungen über maximale Immissionen pro Jahr (oder einer anderen Zeiteinheit) und Schadstoff in ein Umweltrnedium, da sie auf die Aufnahmekapazität eines Umweltrnediums pro Zeiteinheit bezogen sind und damit ebenfalls einen auf die Qualität des Mediums als Ganzem bezogenen Ansatz verfolgen. Ein Beispiel fiir solche Regelungen bilden die Vorgaben fiir Höchstrnengen von Klärschlämmen auf Böden oder Grenzwerte fiir die Einbringung von Schwermetallen (jeweils pro Oberflächeneinheit und Jahr) nach Art. 5 Nr. 2 der Klärschlammrichtlinie 86/278. Medienqualitäts- und immissionsbezogene Bestimmungen überlassen es nationalen Programmen der Mitgliedstaaten, wie die Ziele der Richtlinie erreicht werden. Wenn fiir den Bereich keine emissionsbezogene Normen existieren, bleibt es auch den Mitgliedstaaten überlassen, in welchem Maß mit welche Mitteln Emissionen begrenzt werden (EinfUhrung von Genehrnigungsverfahren, nur materielle Emissionsnormen oder freiwillige Vereinbarungen).
bb) Emissionsgrenzwerte Ein anderer Regelungsansatz des Gemeinschaftsrechts ist die Festlegung von Emissions(grenz)werten statt Medienqualitäts- bzw. Immissionswerten. 402 Richtlinie 75/440; Richtlinie 801778/EWG des Rates vom 15. 7. 1980 über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch, ABI. Nr. L 229, 11 (Trinkwasserrichtlinie); Richtlinie 78/659IEWG des Rates vom 18. 7. 1978 über die Qualität von Süßwasser, das schutz- oder verbesserungsbedürftig ist, um das Leben von Fischen zu erhalten, ABI. Nr. L 377, 48 (Fischgewässerrichtlinie); Richtlinie 79/923/EWG des Rates vom 30. 10. 1979 über die Qualitätsanforderungen an Muschelgewässer, ABI. Nr. L 281, 47 (Muschelgewässerrichtlinie). 403 Richtlinie 861278/EWG des Rates vom 12. 6. 1986 über den Schutz der Umwelt und insbesondere der Böden bei der Verwendung von Klärschlamm in der Landwirtschaft, ABI. Nr. L 181, 6 (Klärschlammrichtlinie). 404 Richtlinie 76/160lEWG des Rates vom 8. 12. 1975 über die Qualität der Badegewässer, ABI. Nr. L 31,1 (Badegewässerrichtlinie).
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Dabei kann unterschieden werden nach schadstoftbezogenen Emissionsnormen, die Emissionsgrenzwerte anlagen- und industrieübergreifend für bestimmte Schadstoffe festsetzen, und anlagen- oder produktionsbezogenen Emissionsnormen, die bestimmte Arten von Emissionen einer bestimmten Gruppe von Emissionsquellen erfassen (unten (1». Emissionsgrenzwerte sind vielfach mit medienqualitätsbezogenen Standards kombiniert (unten (2».
(1) StojJbezogene und emissionsquellenbezogene Emissionsgrenzwerte Im Gewässerschutzbereich verfolgt die (alte) Gewässerschutz-Rahmenrichtlinie 76/464 mit den zu ihrer Ausfiihrung ergangenen Richtlinien für die Ableitungen von Quecksilber aus der Alkalichloridelektrolyse (Richtlinie 82/176)405 und Quecksilber aus anderen Quellen (Richtlinie 84/156),406 für Cadrniumableitungen (Richtlinie 83/513),407 für Ableitungen von Hexachlorcyclohexan (Richtlinie 84/491)408 sowie eine Reihe anderer, von der Richtlinie 86/280 erfasster Stoffe409 den emissionsorientierten Ansatz, im Wesentlichen in der schadstoftbezogenen Variante. Die Rahmenrichtlinie 76/464 unterscheidet zwischen Stofffamilien und Stoffgruppen der Liste I in ihrem Anhang, die aufgrund von Toxizität, Langlebigkeit und Bioakkumulation besonders gefährlich sind, und solchen der Liste 11, die lediglich allgemein für Gewässer schädlich sind. Alle Ableitungen von gelisteten Stoffen sind von einer mitgliedstaatlichen Genehmigung abhängig zu machen. 4IO Die Ausfiihrungsrichtlinien setzen für Stoffe der Liste I zum einen Emissionsstandards fest, die in den Einleitungsgenehmigungen für diese Stoffe einzuhalten sind (Art. 6 Abs. 1, Art. 3 Ziff. 2 der Richtlinie), zum anderen Qualitätsziele, deren nachweisliche Erreichung einen Mitgliedstaat von der 40S Richtlinie 821176/EWG des Rates vom 22. 3. 1982 betreffend Grenzwerte und Qualitätsziele flir Quecksilberableitungen aus dem Industriezweig AlkalichloridelektroIyse, ABI. Nr. L 81,29. 406 Richtlinie 84/156/EWG des Rates vom 8. 3. 1984 betreffend Grenzwerte und Qualitätsziele flir Quecksilberableitungen mit Ausnahme des Industriezweigs Alkalichloridelektrolyse, ABI. Nr. L 74, 49. 407 Richtlinie 83/513/EWG des Rates vom 26. 9. 1983 betreffend Grenzwerte und Qualitätsziele flir Cadmiumableitungen, ABI. Nr. L 291, I. 408 Richtlinie 84/4911EWG des Rates vom 9. 10. 1984 betreffend Grenzwerte und Qualitätsziele flir Ableitungen von Hexachlorcyclohexan aus dem Industriezweig Alkalichloridelektrolyse, ABI. Nr. L 274, 11. 409 Richtlinie 86/280/EWG des Rates vom 12. 6. 1986 betreffend Grenzwerte und Qualitätsziele flir die Ableitung bestimmter gefahrlicher Stoffe im Sinne der Liste I im Anhang der Richtlinie 76/464/EWG, ABI. Nr. L 181, 16. 410 Art. 3 Ziff. I der Richtlinie 76/464 flir Stoffe der Liste I, Art. 7 Abs. 2 flir Stoffe der Liste 11.
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Teil 2: Handlungsspielräume der Gemeinschaftsebene in der EG
Einhaltung der Emissionsstandards dispensiert (Art. 6 Abs. 2 und 3 der Richtlinie). Zur Reduzierung von Ableitungen von Stoffen der Liste 11 sowie von Stoffen der Liste I, für die keine Emissions- und Qualitätsstandards durch Tochterrichtlinien der Rahmenrichtlinie gesetzt wurden, haben die Mitgliedstaaten Programme aufzustellen.41\ Für Stoffe aus diffusen Quellen gelten ergänzende Sonderregelungen der Richtlinie 86/280. Danach haben die Mitgliedstaaten hierfür besondere Programme aufzustellen, die auf Substitution, Rückhaltung und Wiederverwertung der betroffenen Schadstoffe gerichtet sind (Art. 5 der Richtlinie 86/280). Im Bereich der Luftreinhaltung gibt es zunächst emissionsorientierte Regelungen zur Begrenzung der Emissionen bei verschiedenen Arten von Kraftfahrzeugen. Der binnenmarktorientierte Ansatz dieser Richtlinien spiegelt sich in der friihen Entstehungszeit der ersten Richtlinien zu Kraftfahrzeugemissionen wider. Der Richtlinie 70/220 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Maßnahmen gegen die Verunreinigung der Luft durch Emissionen von Kraftfahrzeugen412 kommt heute für viele Fahrzeuggruppen nur noch eine Auffangfunktion zu, nachdem spezielle Richtlinien für nach Gewicht und Höchstgeschwindigkeit differenzierte dieselmotorenbetriebene Fahrzeuge ergangen sind. 413 Für ortsfeste Quellen bildet die Rahmenrichtlinie 411 Ableitungen im Sinne der Legaldefinition in Art. 1 Abs. 2 lit. d) der Richtlinie (,jede Einleitung von Stoffen aus der Liste I oder aus der Liste 11 im Anhang in die in Absatz I genannten Gewässer ( ... )") sind lediglich konkrete menschliche Handlungen, die zu Stoffeinträgen in Gewässer fUhren. Von diesem Begriff nicht erfasst sind diffuse Quellen wie z.B. Schadstoffeinträge aus der Land- und Forstwirtschaft. EuGH, Urt. v. 29.9. 1999, Rs. C-232/97 (Nederhofl), Sig. 1999,1-6385, EELR 8 (1999), 21, 23 f. Rn. 29 ff., 37, 43. Dies ergibt sich aus dem Zusammenhang des Begriffs der Ableitung mit dem der Verschrnutzung nach Art. 1 Abs. 2 lit. e) der Richtlinie 76/464, wo dieser Begriff als "unmittelbare oder mittelbare Ableitung von Stoffen oder Energie in die Gewässer durch den Menschen ( ... )" definiert ist. Ebd. , Rn. 35 ff., 37. Schadstoffeinträge, die durch Lösung eines Holzbehandlungsmittels von ins Wasser eingebrachten Pfosten verursacht wurden, waren daher keine diffusen Emissionen, da auf menschliches Verhalten (das Einbringen der Pfosten) zurückfUhrbar, und mithin genehmigungsbedürftig. Ebd., 24 Rn. 44 f., 45. Spezifisch zu Emissionen von schadstoflhaltigem Dampf, die nur mittelbar in Gewässer gelangen EuGH, Urt. v. 29. 9. 1999, Rs. C231197 (van Rooij), Sig. 1999, 1-6355, EELR 8 (1999) 26, 27 f. Rn. 20 ff., 33. 412 Richtlinie 70/220lEWG des Rates vom 20.3. 1970 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Maßnahmen gegen die Verunreinigung der Luft durch Abgase von Kraftfahrzeugmotoren mit Fremdzündung, ABI. Nr. L 76, I, i.d.F. der Richtlinie 77/102/EWG der Kommission vom 30. 11. 1976, ABI. Nr. L 32, 32, zul. geänd. durch Richtlinie 1999/l02/EG der Kommission vom 15. 12. 1999, ABI. Nr. L 334,43. 413 Richtlinie 721306/EWG des Rates vom 2. 8. 1972 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Maßnahmen gegen die Emission verunreinigender Stoffe aus Dieselmotoren zum Antrieb von Fahrzeugen, ABI. NL L 190, 1, zul. geänd. durch Richtlinie 97/20/EG der Kommission vom 18.4. 1997, ABI. NT. L 125,21; Richtlinie 77/537/EWG des Rates vom 28. 6. 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Maßnahmen gegen die Emission verunreinigender Stoffe aus
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84/360 zur Bekämpfung der Luftverschmutzung durch Industrieanlagen ein Regelungsgerüst. Die Richtlinie schreibt eine Genehrnigungspflicht für Betrieb und wesentliche Änderung von Industrieanlagen vor und bindet die Genehrnigungserteilung an die Einhaltung von Emissionsgrenzwerten, die Anwendung der besten verfiigbaren Technik (sofern dies keine unverhältnismäßig hohen Kosten verursacht) und die "Berücksichtigung" von Luftqualitätswerten. Emissionsgrenzwerte hierzu sind in der Großfeuerungsanlagenrichtlinie 88/609 und den Richtlinien 89/369 und 89/429 über Verbrennungsanlagen für Siedlungsmüll414 enthalten, die allerdings nur einen Teil der stationären Emissionsquellen erfassen. An den Emissionen bestimmter, eng umgrenzter Emissionsquellen sind auch die Regelungen des Lärmschutzrechts orientiert, die die Auspuffanlagen von Kraftfahrzeugen und Krafträdern, Lärmemissionen von Baumaschinen sowie von Haushaltsgeräten und Rasenmähern betreffen. Die Festlegung von Emissionsgrenzwerten durch die Gemeinschaft ist gegenüber qualitätsbezogenen Normen mit deutlich intensiveren Vorgaben an die Mitgliedstaaten verbunden. Zum einen, in materieller Hinsicht, haben die Mitgliedstaaten Einleitungen in ihrem Hoheitsgebiet anhand der vorgegebenen Maximalwerte für die Schadstoffkonzentration zu begrenzen, zum anderen, in formeller Hinsicht, haben sie dies regelmäßig über das Erfordernis vorheriger Genehmigungen umzusetzen. Allerdings geben die gemeinschaftlichen Regelungen zumeist lediglich Emissionswerte vor, nicht aber technische Spezifikationen, so dass die Mitgliedstaaten und deren betroffene Industrien und Produzenten hinreichenden Spielraum haben, um die zum gegebenen Zeitpunkt jeweils technologisch und wirtschaftlich am besten realisierbare Lösung anzuwenden. (2) Kombinationen mit medienqualitätsbezogenen Standards
Der emissionsorientierte Ansatz ist vielfach mit dem medienqualitätsbezogenen Ansatz verbunden. Im Idealfall würde die Kombination beider Ansätze
Dieselmotoren zum Antrieb von land- oder forstwirtschaftlichen Zugmaschinen auf Rädern, ABI. Nr. L 220, 38, zul. geänd. durch Richtlinie 97/54/EG des EP und des Rates vom 23.9. 1997, ABI. Nr. L 277, 24, Richtlinie 88/77/EWG des Rates vom 3. 12. 1987 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Maßnahmen gegen die Emission gasförmiger Schadstoffe aus Dieselmotoren zum Antrieb von Fahrzeugen, ABI. Nr. L 36 vom 9. 12. 1988,33. 414 Richtlinie 88/609/EWG des Rates vom 24. 11. 1988 zur Begrenzung von Schadstoffemissionen von Großfeuerungsanlagen in die Luft, ABI. Nr. L 336, 1; Richtlinie 89/369/EWG des Rates vom 8. 6. 1989 über die Verhütung der Luftverunreinigung durch neue Verbrennungsanlagen für Siedlungsmüll, ABI. Nr. L 163, 32; Richtlinie 89/429/EWG des Rates vom 21. 6. 1989 über die Verringerung der Luftverunreinigung durch bestehende Verbrennungsanlagen für Siedlungsmüll, ABI. Nr. L 203,50.
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Teil 2: Handlungsspielräume der Gemeinschaftsebene in der EG
dazu führen, dass sowohl Emissions- als auch Medienqualitätsstandards jeweils eine nicht unterschreitbare, sowohl am Verursacherprinzip als auch am wirksamen Schutz des Umweltmediurns orientierte untere Grenze bilden und Emissionsgrenzwerte in Genehmigungen entsprechend verschärft werden, wenn das dahinterstehende Qualitätsziel andernfalls nicht erreicht wird.4\5 Im gemeinschaftlichen Umweltrecht wird die Kombination beider Ansätze jedoch zum Teil nicht als eine solche schutzorientierte "Doppelsicherung", sondern als alternative Absicherung gestaltet, in der jeweils ausschließlich der eine oder der andere Ansatz gilt. Die damit verbundene erhöhte Flexibilität für einzelne Mitgliedstaaten macht den Kompromisscharakter der Regelung deutlich. So entbindet Art. 6 Abs. 3 der Gewässerschutz-Rahmenrichtlinie 76/464 einen Mitgliedstaat von der Beachtung der in den Einzelrichtlinien zu der Rahmenrichtlinie festgelegten Emissionsgrenzwerte, wenn die dort festgelegten Wasserqualitätsziele nachweislich eingehalten sind. Dieser Vorrang des medienqualitätsbezogenen Standards führt zu deutlichen Einschränkungen sowohl bei der mit der Richtlinie 76/464 beabsichtigten Vereinheitlichung der Wettbewerbsbedingungen416 als auch bei der Verwirklichung des Verursacherprinzips nach Art. 174 EG. Mitgliedstaaten, die nicht über längere Wasserläufe verfügen oder daran angrenzen, eröffnet der Regelungsmechanismus einen weiten Spielraum, unter Umgehung von Emissionsgrenzwerten nach "hausgemachten" Programmen für die Aufrechterhaltung der Wasserqualität zu sorgen. 417 Im Luftreinhalterecht schreibt Art. 4 der Rahmenrichtlinie für Industrieemissionen 84/360 (die in der Praxis Großfeuerungsanlagen und Verbrennungsanlagen für Siedlungsmün erfasst) immerhin die kombinierte Einhaltung sowohl der in den Ausfiihrungsrichtlinien festgesetzten Emissionsstandards als auch aufgrund anderer Richtlinien bestimmter Luftqualitätsstandards für bestimmte Schadstoffe vor. 418 Eine vergleichbare Kombination aus bodenqualitäts- und emissions orientierter Regelung enthalten Art. 4 und 5 der Klärschlammrichtlinie 86/278. Eine Entschärfung von Emissionsgrenzwerten für den Fall, dass Umweltqualitätsstandards auch so eingehalten werden können (sog. fill up-Prinzip), Vgl. (ähnlich) Epiney, Umweltrecht in der EU, 234. Vgl. Präambel der Richtlinie 76/464, 3. Erwägungsgrund. 417 Die Regelung ist ein auf Veranlassung Großbritanniens zustande gekommener Kompromiss, so dass Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 76/464 als "britische Sonderregelung" bezeichnet werden kann, vgl. Epiney, Umweltrecht, 57 m.w.N. 418 Die Richtlinie spricht hinsichtlich einschlägiger Luftqualitätsstandards von "berücksichtigen". Dies lässt sich jedoch dahingehend auslegen, dass bei Überschreitung der Luftqualitätsgrenzwerte neu zu errichtende Industrieanlagen nach Art. 4 der Richtlinie 83/360 nicht genehmigt werden können. Vgl. Hans-Joachim Koch, Luftreinhalterecht in der Europäischen Gemeinschaft, DVBI. 1992, 124, 127; Epiney, Umwe1trecht in der EU, 240. 415 416
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enthielt auch der Vorschlag fiir die lVU-Richtlinie 96/61, was jedoch zu erheblicher Kritik führe, sowohl aus Umweltschutzgründen als auch wegen drohender Wettbewerbsverzerrungen. 4I9 In der endgültigen Fassung schreibt die Richtlinie in ihrem Art. 9 Abs. 3 und 4 nunmehr Emissionsstandards am Maßstab der "besten verfügbaren Technik" vor, die gemäß Art. 10 lediglich verschärft werden können, um den Erfordernissen einer Umweltqualitätsnorrn Rechnung zu tragen.
cc) Anforderungen an gefährliche Stoffe und Tätigkeiten Chemikalien oder andere Stoffe sowie industrielle und andere (wirtschaftliche) Tätigkeiten, von denen gesteigerte Gefahren fiir Mensch und Umwelt ausgehen, werden im Gemeinschaftsrecht zum Teil gesondert mit einem stoffoder tätigkeitsbezogenen Ansatz erfasst. Spezielle Bereiche innerhalb dieses Ansatzes bilden abfallrechtliche und stoffbezogene Regelungen, die Systeme zur Bewältigung von Altstoffen ausgehender Gefahren einrichten oder bestimmte gefährliche Stoffe über deren gesamten Lebenszyklus regeln.
(1) Geflihrliche Stoffe Von Bedeutung ist insbesondere das Chemikalienrecht der Gemeinschaft. Grundlagen hierfiir sind die Richtlinie 67/548 (Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe) und die Richtlinie 1999/45 (Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Zubereitungen)42o mit Spezialvorschriften fiir Zubereitungen, die einen oder mehrere gefährliche Stoffe enthalten. Chemikalien sind vor ihrem Inverkehrbringen bei der zuständigen mitgliedstaatlichen Behörde anzumelden und müssen den in der Richtlinie vorgegebenen Verpackungs- und Kennzeichnungsregeln genügen. Verwendungsbeschränkungen und Verwendungsverbote für bestimmte besonders gefährliche Substanzen (bestimmte Schwermetalle, PCB, PCP, Benzol etc.) enthält gesondert die Richtlinie 76/769 (Inverkehrbringen und Verwendung gewisser gefährlicher Stoffe und Zubereitungen). Das Inverkehrbringen von Pflanzenschutz-
419 KOM (93) 423 endg., ABI. 1993, Nr. C. 311,6. Vgl. zur Kritik Ivo Appel, Emissionsbegrenzung und Umweltqualität: Zu zwei Grundkonzepten der Vorsorge am Beispiel des IPPC-Richtlinienvorschlags der EG, DVBI. 1995,399,401 ff.; zum Verfahren Johannes Zöttl, Die EG-Richtlinie über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung, NuR 1997, 157, 159. 420 Richtlinie 1999/45/EG des EP und des Rates vom 31. 5. 1999 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten filr die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Zubereitungen, ABI. Nr. L 200, 1.
21 Renner
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mitteln ist in Art. 3 der Richtlinie 91/414 421 gesondert einer Zulassungspflicht unterstellt. 422 Vornehmlich Verpackungs- und Kennzeichnungsvorschriften (neben Vorschriften über die Zusammensetzung) enthält auch die Düngemittelrichtlinie 76/116. 423 Die Richtlinie 73/404 424 stellt Mindestanforderungen an die Umweltverträglichkeit (vor allem biologische Abbaubarkeit) von Detergentien. Schließlich gehören die Vorschriften über das Zustimmungs verfahren fiir gentechnisch veränderte Organismen enthaltende Produkte nach Teil C der Zweiten Gentechnikrichtlinie 901220425 zum Bereich der Regelung gefährlicher Stoffe. Soweit die erwähnten Rechtsakte Genehrnigungsverfahren für das Inverkehrbringen der betreffenden Stoffe vorsehen, sind diese Verfahren regelmäßig von mitgliedstaatlichen Behörden durchzuführen (z.B. Art. 3 der Richtlinie 91/414 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln; eine mitgliedstaatliche Genehrnigungspflicht impliziert auch Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 1999/45 (Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Zubereitungen)). Eine maßgebliche Beteiligung der Kommission auf der Verwaltungsstufe sieht hingegen Art. 13 Abs. 3 und 4 der Zweiten Gentechnikrichtlinie 90/220 vor, allerdings nur bei horizontalen Konflikten zwischen den zuständigen Genehrnigungsbehörden der Mitgliedstaaten: Nach Art. 12 der Richtlinie 901220 lehnt die Behörde des Mitgliedstaates, in dem eine Zulassung beantragt wird, diese entweder ab oder übersendet eine Kurzfassung mit befürwortender Stellungnahme an die Kommission, welche diese an die zuständigen Behörden der übrigen Mitgliedstaaten weitergibt. Erhebt die Behörde eines anderen Mitgliedstaates Einwände, so entscheidet die Kommission im Einvernehmen mit einem aus Vertretern der Mitgliedstaaten zusammengesetzten Ausschuss (der nicht einstimmig zu beschließen braucht), bei Meinungsverschiedenheit zwischen Kommission und Ausschuss der Rat.
421 Richtlinie 911414/EWG des Rates vom 15. 7. 1991 zur Angleichung der Rechtsund Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln, ABI. Nr. L 230, 1. m Für die früher in der Richtlinie 78/631 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefahrlicher Zubereitungen (Schädlingsbekämpfungsmittel) gesondert geregelten Pestizide gelten gemäß Art. lAbs. 4 der Richtlinie 1999/45 die Vorschriften dieser Richtlinie. 423 Richtlinie 76/116/EWG des Rates vom 18. 12. 1975 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für Düngemittel, ABI. Nr. L 24, 21. m Richtlinie 73/4041EWG des Rates vom 22. 11. 1973 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Detergentien, ABI. Nr. L 347, 51, zul. geänd. durch Richtlinie 86/94/EWG des Rates vom 10. 3. 1986, ABI. Nr. L 80, 51. m Art. 10 ff. der Zweiten Gentechnikrichtlinie 90/220.
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(2) Gefiihrliche Tätigkeiten Einen auf bestimmte besonders gefährliche Tätigkeiten bezogenen Ansatz verfolgte bereits die Richtlinie 82/501 über die Gefahren schwerer Unfälle bei bestimmten Industrietätigkeiten (Seveso I-Richtlinie), mittlerweile ersetzt durch die Richtlinie 96/82 zur Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen (Seveso lI-Richtlinie). Die Richtlinie stellt besondere Sicherheitsanforderungen an Betriebe, in denen bestimmte gefährliche Stoffe in hinreichender Menge vorhanden sind. Aufbestimmte Tätigkeiten, den Umgang mit gentechnisch veränderten Mikroorganismen in geschlossenen Anlagen, bezieht sich auch die Erste Gentechnikrichtlinie 90/219. Anforderungen an Schiffe, die gefährliche oder umweltschädliche Güter befördern, stellt die Richtlinie 93/75. 426 Im Grenzbereich zu einem auf der einen Seite emissionsbezogenen (oben bb» und auf der anderen Seite umfassend problembezogenen Ansatz (unten (3» ist die Richtlinie 91/271 über die Behandlung von kommunalem Abwasser427 anzusiedeln, die die Mitgliedstaaten zur Versorgung ihrer Gemeinden aber einer bestimmten Einwohnerzahl mit einem Kanalisationssystem bzw. einer biologischen Klärstufe (sog. Zweitbehandlung, Art. 2 Nr. 8 der Richtlinie 91/271) anweist. Die Richtlinie knüpft einerseits an die Entstehung von Abwasser an, begrenzt andererseits aber über technische Anforderungen Emissionen im Interesse des Gewässerschutzes und strebt eine umfassende Regelung des Problems kommunaler Abwässer an. (3) Umfassende lebenszyklusorientierte Vorschriften Zu dem eingangs erwähnten Sonderbereich umfassender und medienübergreifender Vorschriften gehört das gemeinschaftliche Abfallrecht sowie am gesamten Lebenszyklus eines Stoffes oder Gegenstandes und dessen nachteiligen Auswirkungen für alle Umweltmedien orientierte Vorschriften für Asbest in der Richtlinie 87/217 zur Verhütung und Verringerung der Umweltverschmutzung durch Asbest und für Batterien und Akkumulatoren in der Richtlinie 91/157 über gefährliche Stoffe enthaltende Batterien und Akkumulatoren. 428 426 Richtlinie 93175/EWG des Rates vom 13. 9. 1973 über Mindestanforderungen an Schiffe, die Seehäfen der Gemeinschaft anlaufen oder aus ihnen auslaufen und gefahrliche oder umweltschädliche Güter befördern, ABI. Nr. L 247, 19. 427 Richtlinie 91/271/EWG des Rates vom 21. 5. 1991 über die Behandlung von kommunalem Abwasser, ABI. Nr. L 135,40. 428 Richtlinie 9111 57IEWG des Rates vom 18. 3. 1991 über gefährliche Stoffe enthaltende Batterien und Akkumulatoren, ABI. Nr. L 78, 38.
21*
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Im Abfallbereich finden sich allgemeine Pflichten und subsidiäre Verhaltensvorgaben fiir den Umgang mit Abfällen sowie Prinzipien und Ziele der Abfallwirtschaft in der Abfallrahmenrichtlinie 75/442. Danach folgt das Abfallrecht einem lebenszyklusorientierten und auf umfassende Problembewältigung gerichteten Ansatz. Die Abfallrahmenrichtlinie gebietet einen abgestuften Vorrang Abfallvermeidung - Abfallverwertung - Abfallbeseitigung und wendet die primärrechtlichen Prinzipien von Entsorgungsautarkie, Entsorgungsnähe und Verursacherprinzip auf das Abfallrecht an. 429 Mehrere Einzelrichtlinien füllen die Abfallrahmenrichtlinie aus: Die Richtlinie 91/689 über gefährliche Abfälle 430 enthält insbesondere Kontroll- und Überwachungsvorschriften, die Richtlinie 94/67431 besondere Anforderungen an die Beseitigung durch Verbrennung. Schließlich existiert eine Reihe von Richtlinien mit besonderen Anforderungen an die Behandlung bestimmter Arten gefährlicher Abfälle: die Richtlinie 75/439 über die Altölbeseitigung, Richtlinie 96/59 über die Beseitigung polychlorierter Biphenyle und Terphenyle432 und die TitandioxidRichtlinien 78/176 433 und 92/112. 434
dd) Einordnung produktbezogener und produktionsbezogener Standards Weitere Regelungsansätze betreffen produktbezogene und produktionsbezogene Standards. Produktbezogene Standards überschneiden sich mit der Festlegung von Emissionsgrenzwerten fiir mobile Emissionsquellen, produktionsbezogene Standards mit der von Emissionsgrenzwerten fiir ortsfeste Quellen und mit Beschränkungen bestimmter gefährlicher Tätigkeiten. Dies liegt daran, dass produktbezogene und produktionsbezogene Regelungen keiner auf bestimmte Umwe1trisiken bezogenen Einordnung folgen, sondern sich nach ihrem Binnenmarktbezug unterscheiden und daher quer zur Erfassung nach den oben aa)-cc) genannten Kriterien liegen.
429 Art. 3 Abs. I, Art. 5 Abs. I 2, Art. 5 Abs. 2 und Art. 15 der Abfallrahmenrichtlinie 75/442. 430 Richtlinie 911689/EWG des Rates vom 12. 12. 1991 über gefährliche Abfälle, ABI. Nr. L 377,20. 431 Richtlinie 94/67/EWG des Rates vom 16. 12. 1994 über die Verbrennung gefährlicher Abfälle, ABI. NT. L 365, 34. 432 Richtlinie 96/59/EG des Rates vom 16. 9. 1996 über die Beseitigung polychlorierter Biphenyle und polychlorierter Terphenyle (PCBIPCT), AB\. Nr. L 243, 31. 433 Richtlinie 78/176/EWG des Rates vom 20. 2. 1978 über Abfälle aus der Titandioxid-Produktion, AB\. Nr. L 54, 19. 434 Richtlinie 92/112/EWG des Rates vom 15. 12. 1992 über die Modalitäten zur Vereinheitlichung der Programme zur Verringerung und späteren Unterbindung der Verschrnutzung durch Abfälle aus der Titandioxid-Produktion, AB\. Nr. L 409, 11.
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Produktbezogene Standards vereinheitlichen die Anforderungen an Waren und dienen damit unmittelbar dem Abbau von Handelsschranken. Bereits aus dem Jahr 1970 stammen die umfassende Richtlinie 70/220 (Luftschadstoffemissionen von Kraftfahrzeugen) sowie die Richtlinie 70/157 (Geräuschpegel und Auspuffvorrichtungen von Kraftfahrzeugen). Echte produktbezogene Anforderungen bilden auch die Vorschriften der Richtlinie 98/70 über die Qualität von Otto- und Dieselkraftstoffen435 sowie die Vorschriften über das Inverkehrbringen von gentechnisch veränderte Organismen enthaltenden Produkten nach Teil C der Zweiten Gentechnikrichtlinie 90/220. 436 Die als besonders sensibel geltenden Bereiche gentechnischer Versuche und des Inverkehrbringens neuartiger Nahrungsmittel deuten eine Tendenz zur Hochzonung auch der Verwaltungszuständigkeiten im produktbezogenen Bereich auf die Gemeinschaftsebene an. 437 Wie rein produktbezogene Anforderungen gibt es auch rein produktionsbezogene Anforderungen, die unmittelbar technische Anforderungen für bestimmte Prozesse festlegen. So verpflichtet im Gewässerschutzbereich die Richtlinie 91/271 über die Behandlung von kommunalem Abwasser die Mitgliedstaaten zur Versorgung ihrer Gemeinden aber einer bestimmten Einwohnerzahl mit einem Kanalisationssystem bzw. einer biologischen Klärstufe (sog. Zweitbehandlung, Art. Nr. 8 der Richtlinie 91/271). Einen ähnlich anlagenbezogenen Ansatz verfolgen die Seveso-Richtlinien. Die geltende Seveso-IIRichtlinie stellt besondere Sicherheitsvorschriften für Betriebe auf, in denen bestimmte gefahrliche Stoffe in hinreichender Menge vorhanden sind. Auf bestimmte Anlagen und Tätigkeiten, nämlich den Umgang mit gentechnisch veränderten Mikroorganismen in geschlossenen Anlagen bezieht sich auch die Erste Gentechnikrichtlinie 90/219.
ee) Verfahrensregelungen Eine wichtige Rolle im neueren Umweltrecht der Gemeinschaft nehmen Verfahrensregelungen ein. 438 Die UVP-Richtlinie 85/337439 sollte sicherstellen, 435 Richtlinie 98170lEG des EP und des Rates vom 13. 10. 1998 über die Qualität von Otto- und Dieselkraftstoffen und zur Änderung der Richtlinie 93/12/EWG des Rates, ABI. Nr. L 350, 8, die die Richtlinie 85/210 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Bieigehalt von Benzin und die Richtlinie 93/12 über den Schwefelgehalt flüssiger Brennstoffe ändert bzw. aufhebt. 436 Art. 10 ff. der Zweiten Gentechnikrichtlinie 90/220IEWG. 437 Vgl. Wahl/Groß 11. 438 Vgl. Breuer, Vielgestaltigkeit der Instrumente im deutschen und europäischen Umweltrecht, 836 f. 439 Richtlinie des Rates 85/337/EWG vom 27. 6. 1985 über die Umweitverträglichkeit bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, ABI. 1985, NT. L 175, 40; vgl.
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dass Umweltbelange in Planungs- und Genehmigungsverfahren medienübergreifend, frühzeitig und damit wirksam Berücksichtigung finden. 440 Eine ergänzende Richtlinie soll grundlegende Pläne und Programme erfassen, um so den Rahmen fiir alle Arten von Genehmigungen abzudecken.441 Die lVURichtlinie 96/61 verfolgt einen vorsorgenden Ansatz, indem medienübergreifend Verbesserungsstrategien zu ermitteln sind und umfangreiche horizontale und vertikale Informationspflichten geschaffen werden442 und Genehmigungen nur nach integrierter, sachgebietsübergreifender Prüfung erteilt werden. 443 Selbständige Verfahrensregelungen können einerseits materielle Regelungen ergänzen und vermeiden so umfangreiche Anpassungen in den Mitgliedstaaten; andererseits stellen sie die mitgliedstaatliche Verwaltung vor weitere, zusätzliche und möglicherweise systemfremde Anforderungen, die die UVP-Richtlinie stellte444 und die bei der lVU-Richtlinie und der Wasserrahmenrichtlinie 2000/60 noch zu bewältigen sind. Allerdings koordiniert die lVU-Richtlinie lediglich als "Rahmenverfahren" existierende Genehmigungsverfahren,44S zwingt also nicht zu einer Ersetzung bestehender Verfahrensstrukturen. Solche Probleme treten bei freiwilligen Verfahrensregeln wie der UmweltauditVerordnung 1836/93 und der Verordnung über das Umweltzeichen 880/92 nicht auf. 446 Zur Umsetzung der Umweltinformationsrichtlinie 90/313 bedarf es kaum einer Anpassung des mitgliedstaatlichen Rechts, die Richtlinie verändert jedoch das Staat-Bürger-Verhältnis an einer empfindlichen Stelle, was einen erheblicher Fremdkörper erzeugen kann.
hierzu Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme, KOM (1999) 73 endg., ABI. Nr. C 83, 13. 440 Sie bildet so eine sekundärrechtliche Ausprägung des Vorsorgeprinzips, vgl. erster Erwägungsgrund der UVP-Richtlinie 85/337. 441 Vgl. den (geänderten) Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme, KOM (1999) 73 endg., ABI. Nr. C 83,13, insbesondere Erwägungsgründe 5-9. 442 Vgl. insbesondere Erwägungsgründe 1, 7 f., 13 ff. der IVU-Richtlinie 96/61. 443 Vgl. Art. 8 der Richtlinie 96/61, ggf. mit entsprechenden Auflagen, Art. 9, sowie regelmäßiger Überprüfung und Aktualisierung, Art. 13. 444 Vgl. Rainer Wahl, Thesen zur Umsetzung der Umweltverträglichkeitsprüfung nach EG-Recht in das deutsche öffentliche Recht, DVBI. 1988, 86. 44S Vgl. Art. 7 der IVU-Richtlinie sowie Zätt1161 . 4046 Die Forderung des EP nach einer Ersetzung nationaler Umweltzeichen durdh das EG-Umweltzeichen wurde in der weiteren Diskussion wieder fallen gelassen, vgl. Otmar Philipp, Europäisches Umweltzeichen attraktiver machen, EuZW 2000, 483 .
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ff) Flächenbezogenes Naturschutzrecht Das Naturschutzrecht der Gemeinschaft ist erst vergleichsweise spät zustande gekommen, was wohl vor allem darauf zurückzuführen ist, dass der Bezug zum freien Warenverkehr in diesem Bereich relativ schwach ist. Die Mehrzahl der dem Naturschutzbereich zuzurechnenden Rechtsakte der Gemeinschaft sind Verordnungen, vor allem aus zwei Bereichen: zum einen Regelungen zur Überwachung bzw. Unterbindung des Handels mit geschützten Arten, regelmäßig zur Umsetzung internationaler Abkommen, zum anderen Regelungen zum Schutz der Wälder, die im Wesentlichen Instrumentarien zur finanziellen und anderen Unterstützung der Mitgliedstaaten enthalten. 447 Als Richtlinien sind hingegen die flächen- bzw. raumbezogene Regelungen der Vogelschutzrichtlinie 79/409 und der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFHRichtlinie) 92/43 ergangen. Die Vogelschutzrichtlinie bezweckt den Schutz wildlebender Vogelarten, verfolgt dabei jedoch in Art. 3 und 4 einen vornehmlich flächenbezogenen Ansatz. Die Ermittlung und Festlegung der Schutzgebiete erfolgt durch die Behörden der Mitgliedstaaten, die dabei Raum für planerische Abwägungen hinsichtlich der flächenmäßigen Größe eines Schutzgebiets haben. 448 Die FFH-Richtlinie erfasst im Gegensatz zur Vogelschutzrichtlinie nicht nur bestimmte Arten, sondern natürliche Lebensräume überhaupt, die zusammen mit den Schutzgebieten der Vogelschutzrichtlinie in ein "kohärentes europäisches Netz besonderer Schutzgebiete mit der Bezeichnung ,Natura 2000'" eingegliedert werden sollen. 449 Welche Gebiete unter die in den Anhängen der Richtlinie beschriebenen Lebensraumtypen und Habitate fallen, haben die Mitgliedstaaten zu ermitteln und der Kommission mitzuteilen, die sodann im Einvernehmen mit den Mitgliedstaaten eine Liste der sog. Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung entwirft. Die Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung sind von dem jeweiligen Mitgliedstaat zwingend als besondere Schutzgebiete auszuweisen4so und nach den weiteren Vorgaben der Richtlinie 447 Verordnung (EWG) Nr. 3528/86 des Rates vom 17. 11. 1986 über den Schutz des Waldes in der Gemeinschaft gegen Luftverschmutzung, ABl. 1986, Nr. L 326, 2; Verordnung (EWG) Nr. 2158/92 der Kommission vom 23.7. 1992 zum Schutze des Waides in der Gemeinschaft gegen Brände, ABl. 1992, Nr. L 217, 3 (jeweils mit Durchführungsvorschriften in anderen Verordnungen); Verordnung (EG) Nr. 3062/95 des Rates vom 20. 12. 1995 über Maßnahmen im Bereich der Tropenwälder, ABl. 1995, Nr. L 327,9. 448 Vgl. Epiney, Umweltrecht in der EU, 266 f. m.w.N. 449 Art. 3 Abs. 1 der FFH-Richtlinie 92/43. 450 Art. 4 Abs.4 FFH-Richtlinie. Der betroffene Mitgliedstaat hat hierbei keinerlei Ermessen, vgl. Christoph Freytag/Klaus [yen, Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben für den nationalen Habitatschutz - die Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen, NuR 1995, 109, II 1.
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zu schützen, insbesondere sind Pläne und Projekte in den Gebieten einer besonderen Verträglichkeitsprüfung zu unterziehen. Bedeutsam ist das Verfahren des Art. 5 FFH-Richtlinie: Ist die Kommission der Ansicht, dass ein Mitgliedstaat die Auflistung eines Habitats versäumt hat, und sind sich Mitgliedstaat und Kommission hierüber oder über die Einordnung in die Liste der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung uneinig, so kann die Kommission ein sog. Konzertierungsverfahren einleiten, an dessen Abschluss der Rat einstimmig beschließt. Im Ergebnis ist die Gemeinschaft beim Gebietsschutz nach der Vogelschutzrichtlinie auf eine reine Kontrollfunktion verwiesen. Angesichts der erheblichen Bedeutung fiir mitgliedstaatliche oder vor mitgliedstaatlichen Behörden stattfmdenden Planungs- und Entwicklungsmaßnahmen ist dies durchaus einsichtig, bringt jedoch bei versäumten Unterschutzstellungen durch die Mitgliedstaaten erhebliche Verzögerungen mit sich. Die von ihrem Anwendungsbereich her weiter reichende FFH-Richtlinie verfolgt einen "schlankeren" Ansatz, indem sie die Kommission in die Gebietsfestsetzungen einbezieht, eine Schutzgebietsausweisung durch - wenn auch einstimmigen - Ratsbeschluss ermöglicht und damit den Schwerpunkt der Aufgabenwahrnehmung in Richtung Gemeinschaftsebene und fiir eine Kooperation beider Ebenen verschiebt. 451 Dennoch verbleibt dem betroffenen Mitgliedstaat wegen der erheblichen Bedeutung fiir die Flächennutzung auch hier stets ein Vetorecht. d) Grenzen der Anweisungsbefugnis im Umweltbereich
aa) Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit Die Wahl der Rechtssetzungsinstrumente und die Detailliertheit der Inhalte werden vom Subsidiaritätsprinzip und Verhältnismäßigkeitsprinzip des Art. 5 gesteuert. Danach hat grundsätzlich eine Richtlinie Vorrang vor einer Verordnung, eine Rahmenrichtlinie Vorrang vor einer detaillierten Richtlinie. 452 Dies ist jedoch ein "weiches" Erfordernis, das nach den oben II.3.b) dargestellten Grundsätzen nur in Fällen, in denen die Wahl der regelungsintensiveren Rechtsform und die Detailliertheit des Inhalts aus Sachgründen offensichtlich verfehlt ist, überhaupt überprüft werden kann.
m Vg1. auch Epiney, Umweltrecht der EU. 270 452 Vgl. Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit zum Amsterdamer Vertrag, Rn. 6. Durch Wiederholung der Beschreibung des Instruments Richtlinie nach Art. 249 Abs. 3 äußern die Vertragsparteien an dieser Stelle gleichzeitig Ablehnung gegenüber dem Einsatz "verordnungsähnlicher" Richtlinien.
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bb) Beschränkung auf Zielvorgaben Der EuGH hat bislang keine Richtlinie der Gemeinschaft oder Teile davon wegen Missachtung der Beschränkung des Instruments Richtlinie auf Zielvorgaben nach Art. 249 Abs. 3 für ungültig erklärt. Dennoch ist die Frage angebracht, ob die oben beschriebenen Bestimmungen in Richtlinien der Gemeinschaft die Grenzen des Art. 249 Abs. 3 wahren. Die Bundesrepublik Deutschland berief sich in dem Rechtsstreit zur Umsetzung der GewässerschutzRahmenrichtlinie 76/464 in Deutschland darauf, an die Wasserqualitätsziele der Richtlinie, nicht jedoch an die Verpflichtung zur Aufstellung von Programmen zur Erreichung dieser Ziele nach Art. 7 der Richtlinie 76/464 gebunden zu sein, da letzteres die Wahl der Form und Mittel betreffe, die nach Art. 249 Abs. 3 den Mitgliedstaaten überlassen sei. Der EuGH lehnte dies ab, indem er im Ergebnis die Verpflichtung zur Aufstellung der Programme als Ziel im Sinne des Art. 249 Abs. 3 auffasste. 453 Dieses Ergebnis lässt jedoch im Unklaren, was "Form und Mittel" in Abgrenzung zu "Ziel" meint. Ähnlichen Einwänden begegnet die Verpflichtung zur Aufstellung verbindlicher Wasserbewirtschaftungspläne nach Art. 13 Abs. 1 der Wasserrahrnenrichtlinie 2000/60. 454 Das Gemeinschaftsrecht kann allerdings nicht auf die Setzung von Zielen in Form von Qualitätszielen für verschiedene Umweltmedien beschränkt werden. Art. 249 Abs. 3 ist im Umweltbereich unter Beachtung der Art. 6 und Art, 174 auszulegen. Die Gemeinschaft muss daher die Möglichkeit haben, zur wirksamen Verfolgung der Ziele des Art. 174 auch konkrete Grenzwerte und andere detaillierte Anforderungen an umweltrelevante Gegenstände in den Mitgliedstaaten festzusetzen; dazu können auch verfahrensrechtliche Instrumente zählen, insbesondere zur Sicherstellung materieller Anforderungen notwendige Genehrnigungserfordernisse. 455 Eine abstrakte Grenzziehung zwischen den Bereichen von "Zielen" auf der einen und von "Formen und Mitteln" auf der anderen Seite und damit ebenso zwischen Richtlinie und Verordnung ist nicht
453 Vgl. EuGH, Urt. v. 11. 11. 1999, Rs. C-184/97 (Kommission 1 Deutschland) Gewässerschutz-Rahmenrichtlinie, Slg. 1999, 1-7837, Rn. 39. Daneben behauptete Deutschland, die Wasserqualitätsziele der Richtlinie bereits auf anderem Wege verwirklicht und übertroffen zu haben und daher wegen der Zulassung strengerer mitgliedstaatlicher Bestimmungen in Art. 10 der Richtlinie 76/464 keine Programme zur Erreichung dieser Ziel erlassen zu müssen, was der EuGH ebenso ablehnte. 454 Vgl. hierzu Michael Reinhardt, Wasserrechtliche Richtlinientransforrnation zwischen Gewässerschutzrichtlinie und Wasserrahmenrichtlinie, DVBI. 2001, 145, 152 m.w.N. 455 Vgl. Reinhardt 149, der dies als "nicht unproblematisch" bezeichnet, im Ergebnis jedoch nur die Verpflichtung zur Aufstellung von medienqualitätsbezogenen Programmen eindeutig ablehnt.
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möglich. 456 Andererseits muss ein Bereich mitgliedstaatlicher Aufgaben und Befugnisse benennbar sein, der über die bloße Transformation exakter inhaltsund verfahrensbezogener Vorgaben hinausgeht und als Festlegung von "Formen und Mitteln" den Mitgliedstaaten vorbehalten ist. 457 In letzterem Bereich "echter" Regelungen von Formen und Mitteln haben dennoch ergangene Richtlinienbestimmungen demnach gemäß Art. 249 Abs. 3 keine bindende Wirkung fiir die Mitgliedstaaten. 458
ce) Umsetzungs- und Anwendungsspielräume im Umweltbereich In seiner Nitratrichtlinie-Entscheidung459 deutet der EuGH an, dass den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung von umweltspezifischen Richtlinien nach Art. 175 ein vergleichsweise weiter Spielraum zusteht. Das Gericht stellt hier im Rahmen der Auslegung der Nitratrichtlinie 460 durch einschränkende Auslegung fest, dass die Richtlinie nur erhebliche Beiträge zur Stickstoffverunreinigung der Gewässer erfasst, lehnt eine Konkretisierung des Erheblichkeitsrnaßstabs jedoch ausdrücklich ab 461 und verweist auf den "großen Ermessensspie\raum ( ... ), der mit der Komplexität der Prüfungen, die sie in diesem Zusammenhang vorzunehmen haben, verbunden ist. ,,462
Der EuGH erkennt ausdrücklich an, dass dies zu einer unterschiedlichen Anwendung der Richtlinie in den Mitgliedstaaten fUhren kann, sieht dies jedoch als gerechtfertigt an, da die Richtlinie eine Richtlinie nach Art. 175 (bzw.
456 Vgl. Bleckmann, Europarecht, 164 f.; Ruffert, in Christian CalliesslMatthias Ruffert (Hrsg.), Kommentar zum EU-Vertrag und zum EG-Vertrag, Neuwied, Kriftel 1999, Art. 249 Rn. 45. 457 Vgl. Reinhardt 148: Keine gänzliche Einebnung des Unterschieds zwischen Richtlinie und Verordnung; Oppermann Rn. 548: "problematische Einebnung mancher Unterschiede zweischen va und RL"; andererseits Bleckmann, Europarecht, 166, der offenbar eine gewohnheitsrechtliche Aufhebung der Beschränkungen nach Art. 249 Abs.3 annimmt, was sich jedoch weder mit dem Vertragstext noch mit dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung vereinbaren lässt). 458 Vgl. Bleckmann, Europarecht, 164; Reinhardt 148 f. Eindeutig im Widerspruch zu Art. 249 Abs. 3 stünde z.B. die Vorgabe, in welchem Gesetz eine Richtlinie umzusetzen ist. 459 EuGH, Urt. v. 29. 4. 1999, Rs. C-293/97 (Standley) - Nitratrichtlinie, Sig. 1999, I-2603. 460 Richtlinie 91/676/EWG des Rates vom 12. 12. 1991 zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen, ABI. L 375, 1. 461 EuGH, Urt. v. 29. 4. 1999, Rs. C-293/97 (Standley) - Nitratrichtlinie, Sig. 1999, 1-2603, Rn. 38. 462 Ebd., Rn. 37.
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ex-Art. 130s, keine Hannonisierungsrichtlinie nach Art. 95) ist,463 ein deutlicher Hinweis darauf, dass Umweltrichtlinien einen deutlich weiteren Ermessensspielraum für die mitgliedstaatliche Anwendung gewähren als Binnenmarktrichtlinien.464 Art. 175 als Rechtsgrundlage entspricht auch dem Inhalt und Charakter der Nitratrichtlinie, deren Auswirkungen auf den Binnenmarkt eher als gering einzuschätzen sind. Für einen größeren mitgliedstaatlichen Spielraum bei Art. 175-Richtlinien spricht zudem Art. 176, der intensivere mitgliedstaatliche Schutzmaßnahmen gestattet, und zwar anders als Art. 95 Abs. 4 ohne Genehmigung der Kommission. Daraus lässt sich jedenfalls ein mitgliedstaatliches Recht zu einer schutzintensiveren Anwendung der Vorgaben in der Richtlinie herleiten. 465 Dies ermöglicht ein Eingehen auf mitgliedstaatliche Besonderheiten Die Grenzen solcher Spielräume sind jedoch schwer fassbar. Es kann kein freies Ermessen bestehen. Die Wirksamkeit der Richtlinie muss gesichert sein, eine diskriminierende Anwendung vermieden werden, eine gerichtliche Überprüfung muss daher möglich sein; die Grenzen des Ermessens müssen sich aus objektiven, aus der Richtlinie zu ermittelnden Kriterien ergeben. 466 Eine solche Grenzziehung kann in der AltölbeseitigungsrichtlinieEntscheidung gefunden werden. 467 Darin stellt der EuGH einen Verstoß der Bundesrepublik Deutschland gegen Art. 3 Abs. 1 der Altölbeseitigungsrichtlinie 75/439 fest, da Deutschland entgegen den Vorgaben der Richtlinie nicht die Aufbereitung als vorrangige Entsorgungsmaßnahme für Altöle festgelegt hatte. Deutschland hatte sich darauf berufen, dass Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie eine Abweichung von dieser Vorrangregel bei Entgegenstehen technischer, wirtschaftlicher und organisatorischer Sachzwänge zulasse. Da diese nicht näher definiert seien, stehe den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung ein weiter Beurteilungsspielraum ZU.468 Die Bundesregierung hatte im einzelnen die technischen, wirtschaftlichen und organisatorischen Schwierigkeiten der Altölaufbereitung in Deutschland dargelegt. Der EuGH sah darin keine Ausnahme, sondern lediglich eine Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zur Be-
Ebd., Rn. 39. Vgl. De/fs, ZUR 1999,322; so wohl auch Han Somsen, Comment (zu EuGH, Urt. v. 29. 4. 1999, Rs. C-293/97 (Standley) - Nitratrichtlinie, EELR 8 (1999), 216, 217. 46S V gl. Somsen, Nitratrichtlinie, 217. 466 Dabei ist der Harmonisierungseffekt zu beachten, den auch eine Art. 175Richtlinie bewirkt. V gl. De/fs 322. 467 EuGH, Urt. v. 9. 9. 1999, Rs. C-I02/97 (Kommission / Deutschland) - Altälbeseitigungsrichtlinie, Slg. 1999,1-5051, EuZW 1999,689. 468 EuGH, Urt. v. 9. 9. 1999, Rs. C-102l97 (Kommission / Deutschland) - Altälbeseitigungsrichtlinie, Sig. 1999, 1-5051, EuZW 1999, 689, 690 Rn. 20. 463
464
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stimmung von Geltungsbereich und Inhalt der mitgliedstaatlichen Verpflichtung.469 Das Gericht führte aus: "Entgegen dem Vorbringen der deutschen Regierung kann die Definition der Sachzwänge nicht in das ausschließliche Ermessen der Mitgliedstaaten fallen. Eine Auslegung allein durch die Mitgliedstaaten liefe nicht nur dem Grundsatz einer einheitlichen Auslegung und Anwendung des Gemeinschaftsrechts zuwider, sondern hätte auch zur Folge, dass aus der Vereinbarkeit der Behandlung im Wege der Aufbereitung mit technischen, wirtschaftlichen und organisatorischen Sachzwängen eine Voraussetzung würde, deren Erfiillung ganz vom guten Willen des betreffenden Mitgliedstaats abhinge; dieser könnte die ihm auferlegte Verpflichtung somit zunichte machen. ,,470
Das Gericht hebt also bewusst den Grundsatz einer einheitlichen Auslegung und Anwendung des Gemeinschaftsrechts hervor, ohne sich jedoch dabei der Annahme eines weiteren Ermessens der Mitgliedstaaten und damit der Nitratrichtlinie-Entscheidung entgegenzustellen. Vielmehr zieht das Gericht die Grenze mitgliedstaatlichen Ermessens dort, wo der Mitgliedstaat durch Einräumung des beanspruchten Ermessens de facto über die Geltung der gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtung entscheiden würde. Diese begrenzte Aussage bekräftigen die weiteren Ausführungen: "Ginge man mit der deutschen Regierung davon aus, dass die in einem Mitgliedstaat bestehende technische, wirtschaftliche und organisatorische Situation zwangsläufig Sachzwänge darstellt, die dem Erlass der in Art. 3 Abs. I Richtlinie 75/439/EWG i. d. geänderten Fassung vorgesehenen Maßnahmen entgegenstehen, so liefe dies daraufhinaus, dass dieser Vorschrift jede praktische Wirksamkeit genommen würde, da die den Mitgliedstaaten auferlegte Verpflichtung durch die Wahrung des Status quo begrenzt wäre und so durch diese Vorschrift keine wirkliche Verpflichtung auferlegt würde.,,471
Im Ergebnis ergibt sich im Umweltbereich ein Bild mit verschiedenen Facetten: Zunächst gibt es Rahmenvorgaben und Richtlinien mit Vorgaben von emissionsbezogenen oder immissionsbezogenen Grenzwerten, die nicht über das notwendige Maß hinausgehen und deren Regelungsinhalt daher als "Ziele" im Sinne des Art. 249 Abs. 3 bezeichnet werden kann. Daneben gibt es jedoch detaillierte Richtlinien, deren Regelungsintensität sich kaum mehr mit dem Begriff "Ziele" fassen lässt, sowie Regelungen zur Art der Verwirklichung materieller Vorgaben (Programme, Verfahren), die sich zwar dem Rechtsunterworfenen gegenüber als weniger eingriffsintensiv darstelle mögen, im maßgeblichen Verhältnis zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten jedoch er469 Ebd., Rn. 39 und 42. 470 Ebd., Rn. 40. 471 Ebd., Rn. 43.
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hebliche Eingriffe in bestehende Rechtsstrukturen bedeuten, die mit dem Instrument der Richtlinie gerade verhindert werden sollen. Die Rechtsprechung des EuGH zeigt bisher keinerlei Anhaltspunkte zu einer Eingrenzung der zulässigen Regelungsintensität einer Richtlinie. Dafür deutet das Gericht im Umweltbereich jedoch für das Gegenstück der Rechtssetzung der Gemeinschaft, die Spielräume der Mitgliedstaaten, ein weites Ermessen an, womit auf andere Weise demselben Ziel einer Eingrenzung der Regelungsdichte des Gemeinschaftsrechts gedient ist.
4. Bedingte Regelungsanordnungen und Anknüpfung von Finanzzuweisungen an Bedingungen a) Bedingte Regelungsanordnungen
aa) Zulässigkeit einer bedingten Delegation von Durchfiihrungsbefugnissen Der EG-Vertrag sieht in keiner Bestimmung eine Delegation von Rechtssetzungsbefugnissen an die Mitgliedstaaten vor. In der Literatur wird eine Delegation von Befugnissen zur Implementation gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben teilweise für "unüblich und systemfremd" gehalten. Die Verpflichtung zur Richtlinienumsetzung sei keine solche Delegation, "sondern eine Konsequenz, die sich aus dem ,Umsetzungsbefehl' der Richtlinie unmittelbar ergibt.,,472
bb) Bestehende Ansätze: Bedingtes Gemeinschaftsrecht hinsichtlich des "Wie" der Durchfiihrung (Gleichwertigkeitsvorbehalte) Als Gleichwertigkeitsvorbehalte werden Bestimmungen bezeichnet, die eine mitgliedstaatliche Abweichungen von zwingenden Vorgaben des Gemeinschaftsrechts gestatten, wenn im nationalen Recht eine gleichwertige Regelung besteht. 473 Das Primärrecht enthält keine Bestimmung hierzu. Im sekundären Umweltrecht sind die Regelungen des beim Vollzug gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften anzuwendenden Verfahrens verschiedentlich mit Gleichwertigkeitsvorbehalten versehen. Die Anforderungen an die gleiche Eignung differieren in der Bezeichnung. Gemeinsames Merkmal ist die Freistellung der Verfahrensbestimmungen, die sich gerade durch die Zurücknahme auf eine gegenüber der gemeinschaftsrechtlichen Verfahrensregelung unschärfere Zielvorgabe unterscheidet. Im Umweltbereich beziehen sich die bestehenden Gleichwer472 473
Oppermann Rn. 659. Vgl. Jarass, Subsidiaritätsprinzip nach Schaffung der EU, 216 f.
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tigkeitsklauseln auf Analyse- und Messverfahren, teilweise auf andere Verfahren in der Umweltüberwachung. 474 Bundesrat und Europäischer Rat haben einen breiteren Einsatz von Gleichwertigkeitsklauseln vorgeschlagen. 47S Möglich wäre z.B. die Zulassung alternativer Kontrollinstrumente. 476 Dabei ist jedoch zu beachten, dass die Erreichung des Ziels der Maßnahme von der Kontrolle der Wirkungsweise des alternativen Verfahrens und Überwachung seiner Anwendung durch die Gemeinschaft abhängig ist, im Idealfall durch ein Genehmigungsverfahren. 477 Zu den bisher bestehenden Gleichwertigkeitsklauseln sind nur teilweise besondere Überprüfungsverfahren durch die Kommission vorgesehen, regelmäßig ist das gleichartige Verfahren lediglich der Kommission anzuzeigen. Eine Form bedingter Regelungen sind auch Richtlinienbestimmungen, die eine alternative Harmonisierung anordnen. Hierzu zählt z.B. die oben schon erwähnte Regelung in Art. 6 Abs.3 der Gewässerschutz-Rahmenrichtlinie 76/464, die den Mitgliedstaat die Wahl zwischen Emissionsnormen und Wasserqualitätsstandards gewährt und damit ein mehr an Anpassung an bestehende mitgliedstaatliche Strukturen gestattet. 478
b) Bedingte Finanzzuweisungen
aa) Vorbilder in spezifischen Sachbereichen Vorbilder fiir den wirksamen Einsatz von Finanzierungsinstrumenten zur Durchsetzung sachlicher Anforderungen des Gemeinschaftsrechts bietet vor allem der Agrarbereich mit dem sog. "Rechnungsabschlussverfahren" sowie der Bereich der Strukturfonds. Dies ist auch praktisch von erheblicher Bedeutung. Der Agrarbereich erfasst mit ungefähr die Hälfte aller Finanzzuweisungen der Gemeinschaft mit Abstand das größte Ausgabenvolumen, der Bereich Strukturfonds rangiert mit ca. einem Drittel der Finanzzuweisungen an zweiter Stelle.
474 475
14 ff.
So bei der Richtlinie 91/271 über die Behandlung kommunaler Abwässer. Europäischer Rat, Bulletin 1282; Bundesrat, BR-Drs. 810/1/92 vom 18. 12. 1992,
476 V gl. Jarass, Subsidiarität nach Schaffung der EU, 217, der als Alternative für befristete Emissionsgenehmigungen unbefristete Genehmigungen mit Anzeigepflichten, regelmäßigen Emissionserklärungen und der Möglichkeit nachträglicher Anordnungen vorschlägt. 477 Vgl. Jarass, Subsidiarität nach Schaffung der EU, 217 Fn. 108. 478 Vgl. RehbinderlStewart 212.
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Im Agrarbereich hat die Gemeinschaft mit dem Rechnungsabschlussverfahren für die Verwaltung des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL) auf der Grundlage des Art. 34 Abs. 3 (ex-Art. 40 Abs.4)479 sekundärrechtlich ein Instrument zur Durchsetzung eines gemeinschaftsrechtskonformen Vollzugs durch die Mitgliedstaaten geschaffen. 480 Die Vergabe von Mitteln für Interventionen zur Regulierung der Agrarmärkte und für Erstattungen bei der Ausfuhr von Agrarprodukten in Drittländer auf der Grundlage des EAGFL erfolgt durch mitgliedstaatliche Behörden auf Rechnung der Gemeinschaft. Die Kommission prüft am Ende eines Haushaltsjahres, ob die Mittel in Einklang mit den einschlägigen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts verausgabt wurden. 481 Ist dies nicht der Fall, so werden die Kosten dem betreffenden Mitgliedstaat angelastet und sind von diesem selbst zu tragen, ohne dass es dabei auf Verschulden ankommt. 482 Außerdem wird durch eine sog. Systernkontrolle festgestellt, ob die mitgliedstaatlichen Durchführungsvorschriften die Einhaltung der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen in der täglichen Praxis gewährleisten. 483 Das Ergebnis der Prüfung durch die Kommission ergeht in der Form der Entscheidung nach Art. 249 Abs. 4. Bei der Entscheidung über die Anlastung steht der Kommission keinerlei Beurteilungsspielraum ZU;484 selbst bei Untrennbarkeit rechtmäßiger und unrechtmäßiger Verauslagungen sind keinerlei Mittel zu erstatten. 485 Das Risi-
479 Verordnung NT. 25 über die Finanzierung der Gemeinsamen Agrarpolitik vom 4. 4. 1962, ABI. 1962,991 ff. in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 728170 des Rates vom 21.4.1970 zur Festlegung ergänzender Vorschriften fUr die Finanzierung der gemeinsamen Agrarpolitik, ABI. 1970, L 94, 9 ff. 480 Art. 2, 3 und 5 Abs. 2 b der Verordnung (EG) Nr. 729170 des Rates vom 21. 4. 1970, ABI. 1970, L 94, 13, in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1287/95, ABI. 1995, L 125, 1, sowie Verordnung (EG) Nr. 1663/95 der Kommission vom 7.7. 1995, ABI. 1995, L 158,6. Vgl. zu diesem sog. "Rechnungsabschlussverfahren" umfassend GroebenlThiesinglEhlermann-Kortelvan Rijn, Art. 40 Rn. 52 ff.; Joachim Scherer, Das Rechnungsabschlussverfahren - Ein Instrument zur Durchsetzung des europäischen VerwaItungsrechts?, EuR 1986, 52; Pühs 240 ff. jeweils m. w.N. 481 Das hierfUr angewendete Verfahren ist teilweise verordnungsrechtlich geregelt, aber vom EuGH auch hinsichtlich der nicht geregelten Teile anerkannt. V gl. zu diesem Verfahren Scherer 58 ff. 482 EuGH, Urt. v. 27. 2. 1985, Rs. 55/83 (Italien 1 Kommission), Sig. 1985, 683, Rn. 16. 483 Vgl. Pühs 245 m.w.N.; Groebenl ThiesinglEhlermann-Kortelvan Rijn, Art. 40 Rn. 65. 484 EuGH, Urt. v. 7. 2. 1979, verb. Rs. 15 und 16176 (Frankreich 1 Kommission), Sig. 1979, 321, Rn. 10 und 12-17; EuGH, Urt. v. 27. 2. 1985, Rs. 55/83 (Italien 1 Kommission), Sig. 1985,683, Rn. 16; EuGH, Urt. v. 17.10.1991, Rs. 346/89 (Italien 1 Kommission), Sig. 1991,1-5057, Rn. 12 ff. 485 EuGH, Urt. v. 7. 2. 1979, verb. Rs. 15 und 16176 (Frankreich 1 Kommission), Sig. 1979,321, Rn. 29.
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ko der Wiedereinziehung zu Umecht verauslagter Beträge trägt angesichts der Verantwortlichkeit des Mitgliedstaates fiir die Auszahlung dieser. 486 Behördliche Umegelmäßigkeiten schlagen sich fiir den betreffenden Mitgliedstaat also unmittelbar finanziell nieder, was einen deutlichen Wirksamkeits- und Zeitvorsprung gegenüber einem Feststellungsurteil des EuGH im Vertragsverletzungsverfahren bewirkt. 487 Dies hat dazu gefiihrt, dass die Mitgliedstaaten Anfragen zur Auslegung des maßgeblichen Gemeinschaftsrechts an die Kommission richten und die rechtlich unverbindlichen "Mitteilungen" und "Inforrnationsvennerke" der Kommission eine starke Bindungswirkung entfalten, die einer Anweisungsbefugnis nahe kommt. 488 Der mangelnde Beurteilungsspielraum der Kommission kann Schutzwirkung gegenüber politischer Einflussnahme entfalten. Eine Schwachstelle besteht lediglich dort, wo eine mitgliedstaatliche Behörde vorsätzlich eine rechtswidrige Ausgabe tätigt und dabei die Nichterstattung bewusst in Kauf nimmt, um einheimische Produzenten rechtswidrig zu subventionieren. 489 Eine ähnliche Einbindung der Mitgliedstaaten in die Verantwortung fiir die zweckentsprechende Verwendung von Gemeinschaftsmitteln besteht fiir die Rückerstattung von Strukturfondsmitteln. Der Kommission steht hier ein Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Frage zu, ob wegen Verletzung von Gemeinschaftsrecht bei Durchführung eines Vorhabens Mittel zurückgefordert oder vorsorglich zurückgehalten werden.490 Der betreffende Mitgliedstaat ist subsidiär fiir die Zurückzahlung von zu Umecht geleisteten Zahlungen verantwortlich, sofern er nicht beweisen kann, dass ein Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht bei der Durchführung nicht von seinen Behörden zu vertreten iSt. 491
bb) Bestehende Finanzierungsinstrumente im umweltnahen Bereich Die Gemeinschaft verfügt über verschiedene Finanzierungsinstrumente zur Förderung von Umweltschutzvorhaben in den Mitgliedstaaten, ihr Ausbau ist erklärtes Ziel. 492 Sie dienen bisher vor allem dazu, die unterschiedlichen wirtVgl. GroebeniThiesinglEhlermann-Kortelvan Rijn, Art. 40 Rn. 68. Vgl. Scherer, EuR 1986, 52, 60; GroebenlThiesinglEhlermann-Korteivan Rijn, Art. 40 Rn. 58 m.w.N. 488 V gl. GroebeniThiesinglEhlermann-Kortelvan Rijn, Art. 40 Rn. 60; Scherer 65 und 72 ff. m.w.N.; Pühs 247 m.w.N. 489 Hier ist die Kommission auf das Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 226 (exArt. 169) angewiesen. Vgl. Pühs 248 m.w.N. 490 Vgl. Pühs 256 m.w.N. 491 Vgl. Pühs 257 m.w.N. 492 Vgl Beschluss Nr. 2179/98/EG des EP und des Rates vom 24.9. 1998 über die Überprüfung des Programms der Europäischen Gemeinschaft flir Umweltpolitik und 486 487
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schaftlichen Bedingungen für den Umweltschutz in den Mitgliedstaaten abzufedern. Das 1992 geschaffene Finanzierungsinstrument für die Umwelt LIFE fasst die vorher bestehenden kleineren Umweltfonds für bestimmte geographische und Sachbereiche493 unter Erweiterung der einzelnen Schutzbereiche in einem einheitlichen Umweltfonds zusammen. 494 LIFE stützt sich auf die Sachkompetenz des Art. 175. Förderungswürdige Maßnahmen im Rahmen von LIFE müssen einem Interesse der Gemeinschaft dienen, einen wesentlichen Beitrag zur Umsetzung der Umweltpolitik der Gemeinschaft leisten und das Verursacherprinzip beachten.49S Anders als beim Kohäsionsfonds496 ist die Vergabe der Mittel nicht auf einen kleinen Kreis wirtschaftlich schwächerer Mitgliedstaaten konzentriert, so dass der Umweltschutzgedanke deutlicher hervortritt. Im Anhang zur Verordnung 1973/92 ist eine umfangreiche, allerdings wenig detaillierte Liste f6rderungswürdiger Maßnahmen enthalten, die in die vier Bereiche Förderung einer nachhaltigen Entwicklung und der Umweltqualität, Schutz der Lebensräume und der Natur, Verwaltungsstrukturen und Dienste für die Umwelt und Bildung, Ausbildung und Information unterteilt ist. Die Anforderungen dieser Liste wird kaum je ein umweltbezogenes Projekt nicht erfiillen. 497 Anträge sind von den Mitgliedstaaten an die Kommission zu richten, darüber entschieden wird von einem aus Vertretern der Mitgliedstaaten zusammengesetzten Ausschuss mit qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag der Kommission. Entscheidet der Ausschuss nicht gemäß dem Vorschlag der Kommission, so beschließt der Rat mit qualifizierter Mehrheit darüber. Falls der Rat nicht binnen eines Monats entscheidet, so kann die Kommission ihrem Vorschlag gemäß die Maßnahme erlassen. 498 Mit dem nach Art. 161 Abs. 2 (ex-Art. 130d) eingerichteten Kohäsionsfonds werden Vorhaben in den Bereichen Umwelt, transeuropäische Netze und Verkehrsinfrastruktur unterstützt. Im Bereich Umwelt müssen f6rderungsWÜfdige Vorhaben zur Verwirklichung der Ziele des Art. 174 beitragen, wobei es sich
Maßnahmen im Hinblick auf eine dauerhafte und umweltgerechte Entwicklung "Für eine dauerhafte und umweltgerechte Entwicklung", ABI. Nr. L 275 vom 10. 10. 1998, 1, 21. Erwägungsgrund und Art. I Nr. I lit. d, Nr. 3 und Art. 3. 493 MEDSPA zum Schutz des Mitte1meerraurns, Verordnung 563/91, ABI. Nr. L 63, 1; NORSPA zum Schutz der Nordsee, Verordnung 3908/91, ABI. Nr. L 370, 28; GANAT zum Schutz der natürlichen Umwelt, 3907/91, ABI. Nr. L 370, 17. 494 Verordnung (EWG) 1973/92, ABI. 1992, Nr. L 206, 1 in der aktuellen Fassung. 495 Art. 2 der Verordnung 1973/92. 496 Verordnung (EG) Nr. 1164/94 des Rates zur Errichtung des Kohäsionsfonds, ABI. 1994, Nr. L 130 I in der aktuellen Fassung. 497 Vgl. Epiney, Umweltrecht in der EU, 212. 498 Art. 9 ff. der Verordnung 1973/92. 22 Renner
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insbesondere um die Umsetzung von Rechtsakten der Gemeinschaft handeln kann. 499 Die Finanzzuweisungen sollen den wirtschaftlich schwächeren Mitgliedstaaten zugute kommen und so den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt der Gemeinschaft fördern. 5OO Unter den so qualifIzierten Mitgliedstaaten sind die verfügbaren Mittel nach objektiven Kriterien aufzuteilen. Ein Antrag auf Mittel aus dem Kohäsionsfonds ist vom begünstigten Mitgliedstaat zu stellen, darüber entschieden wird im Einvernehmen zwischen Kommission und begünstigtem Mitgliedstaat. 50 I Umweltbezogene Maßnahmen können außerdem aus Mitteln der Strukturfonds fInanziert werden. Daneben gibt es spezifIsche Instrumente zum Schutz der Wälder und Mittelzuweisungen für den Umweltbereich von der Europäischen Investitionsbank. 502 Bisher haben Finanzierungsinstrumente der Gemeinschaft als politische Steuerungsinstrumente bereits deshalb keine maßgebliche Wirkung entfalten können, weil die Gemeinschaft über vergleichsweise geringe Finanzmittel verfügt. In diesem Rahmen erreicht die Gesamtrnenge der umweltbezogenen Finanzzuweisungen nach Schätzungen des Europäischen Rechnungshofes (bezogen auf 1991) nur ca. 1,89% der Gesamtausgaben der Gemeinschaft,503 die Ausgaben für LIFE schlagen dabei mit 90 Mio. ECU (1997) und damit ca. 0,1% der Gesamtausgaben der Gemeinschaft zu Buche.
5. Vollzugsprobleme des gemeinschaftlichen Umweltrechts Ob ein Regelungsmodell funktionstüchtig und wegweisend ist, erweist sich erst beim Vollzug. Im Folgenden ist auf Hindernisse bei der Durchsetzung der dargestellten Regelungsmodelle und Mechanismen zur Verbesserung einzugehen, insbesondere auf mögliche Anweisungsrechte der Gemeinschaftsbehörden und Klagebefugnisse der Gemeinschaft und der einzelnen GemeinschaftsbÜTger.
499
Art. 3 Abs. I der Verordnung 1164/94.
Um Mittel aus dem Kohäsionsfonds zu erhalten, muss der Empfängerstaat ein Bruttosozialprodukt je Einwohner unter 90% des gemeinschaftlichen Durchschnitts aufweisen (Art. 2 Abs. 1 der Verordnung 1164/94). 501 Art. 10 der Verordnung 1164/94. 502 Vgl. Epiney, Umweltrecht in der EU, 208 Fn. 341 m.w.N. 503 Daten nach Dieter H. Scheuing, Instrumente zur Durchführung des Europäischen Umweltrechts, NVwZ 1999,475,478 m.w.N. 500
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a) Bestehende Vollzugsdejizite
aa) Umfang von Vollzugsdeflziten Deflzite beim mitgliedstaatlichen Vollzug des Gemeinschaftsrechts sind ein zentraler Beschwerdepunkt im Gemeinschaftsrecht. 504 Statt einer strikten Normbindung der Verwaltung an das Gemeinschaftsrecht ist von der "Gefahr einer selektiven Gesetzmäßigkeit" die Rede. 505 VollzugsdeflZite treten jedoch weder in allen Sachbereichen noch in allen Mitgliedstaaten in gleicher Weise auf. Bedeutsam sind aber die erheblichen Unterschiede im Vollzug zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten. Solche VollzugsdeflZite bedrohen aber nicht nur Rechtsgüter (hier die Umwelt), die durch die (teilweise unwirksamen) Regelungen geschützt werden sollen, sondern können auch zu Wettbewerbsverfälschungen zwischen den Mitgliedstaaten führen506 und beinhalten daher Sprengkraft fiir den Binnenmarkt. Unterschiede im Vollzug zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten führen so weit, dass von einer faktisch unterschiedlichen Geltung des Gemeinschaftsrechts in verschiedenen Mitgliedstaaten gesprochen wird. Für eng umgrenzte Einzelbereiche liegen mittlerweile genauere Untersuchungen vor,507 umfassende vergleichende Untersuchungen fiir alle Mitgliedstaaten fehlen jedoch. 508 504 Vgl. nur die Mitteilung der Kommission über die Durchfiihrung des Umweltrechts in der Gemeinschaft, KOM (96) 500 endg.; vgl. auch Beschlussempfehlung des Ausschusses fiir Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit des Deutschen Bundestages (16. Ausschuss), BT-Drs. 13/7570 vom 21. 4. 1997, in dem die Durchfiihrung der notwendigen Maßnahmen und ein besserer Informationsfluss empfohlen wird, jedoch keine detaillierten Einzelrnaßnahmen. 505 Pühs 124 f m.w.N. 506 Vgl. Goebel 361, der von einer "verkappte[n] Subvention der heimischen Industrie im Wettbewerb mit den übrigen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft" spricht; Ingo/f Pernice, Kriterien der normativen Umsetzung von Umweltrichtlinien der EG im Lichte der Rechtsprechung des EuGH, EuR 1994, 325, 326; Karsten Sach, Kontrolle der Durchsetzung und der Beachtung von Gemeinschaftsrecht - eingeschlossen praktische Fragen der Durchfiihrung - und Sanktionen gegenüber Mitgliedstaaten, in: Renge/ing (Hrsg.), EUDUR, § 44, Bd. I, 1477 ff., Rn. 4. 507 Vgl. zum deutschen Bereich Christoph Demmke, Die Implementation von EGUmweltpolitik in den Mitgliedstaaten: Umsetzung und Vollzug der Trinkwasserrichtlinie, Baden-Baden 1994; Corne/ia Nick/as, Implementationsprobleme des EGUmweltrechts, unter besonderer Berücksichtigung der Luftreinhalterichtlinien, BadenBaden 1997. Christian Engelsberger, Der Vollzug europarechtlicher Vorschriften auf dem Gebiet des Umweltschutzes: Rechtliche Vorgaben und Verwaltungspraxis anhand einer empirischen Umfrage bei Behörden und Umweltschutzverbänden in Deutschland, Berlin 1998. 508 Zuverlässige Daten über den Umfang von Vollzugsdefiziten sind jenseits von Einzelbereichen schwer zu erhalten. Allgemein zum Problem des Vollzugs ,,Durchfiihrung des Umweltrechts der Gemeinschaft", Mitteilung der Kommission an den Rat der
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bb) Gründe fiir VollzugsdefIzite Deutlich auszumachen sind Quellen fiir DefIzite des mitgliedstaatlichen Vollzugs. 509 Ins Auge springt zunächst der Unterschied der Rechtssysteme und Verwaltungsorganisation der Mitgliedstaaten: Die Systeme der Mitgliedstaaten nähren sich aus verschiedenen europäischen Rechtstraditionen, von einem einheitlichen europäischen Verwaltungsrecht kann nicht gesprochen werden. Nicht nur die Rechtsordnungen, sondern auch die Rechtskulturen unterscheiden sich dabei. Damit im Zusammenhang steht das Sprachenproblem: Gemäß Art. 314 (ex-Art. 248) ist der EG in allen authentischen Vertragssprachen gleichermaßen verbindlich, gleiches gilt fiir das Sekundärrecht und fiir das außerhalb des EG gelegene EU-Recht gemäß Art. 53 (ex-Art. S) EU. 510 Auch eine einheitliche Amtssprache besteht nicht. 5 11 Die Vielzahl von Sprachen führt nicht nur zu Übersetzungsproblemen und Übersetzungsfehlern, sondern auch zu Auslegungsschwierigkeiten und Auslegungsunterschieden, die "Schlupflöcher" fiir einen mangelhaften Vollzug bieten. Das Gemeinschaftsrecht fügt dem noch ein weiteres, eigenes System mit gelegentlich verwirrenden oder unklaren Begrifflichkeiten512 hinzu. Verschiedene Verwaltungstraditionen, Sprachen und Denkstile beeinflussen unmittelbar die Rechtssetzung der Gemeinschaft, da der Entwurf eines Rechtsaktes durch eine Vielzahl von Händen geht und sich die Rechtssetzungsorgane aus Mitarbeitern aus allen Mitgliedstaaten zusammensetzen. Verstärkt wird dies dadurch, dass Rechtsakte vielfach politische Kompromissformeln enthalten, die bereits bei der Beschlussfassung von verschiedenen Ratsmitgliedern Europäischen Union und das Europäische Parlament vom 22. 10. 1996, KOM (96) 500 endg. = BT-Drs. 1317470, 27 ff.; aus der Literatur v.a. die Einzelbeiträge in Gertrude Lübbe-WoljJ(Hrsg.), Der Vollzug des europäischen Umweltrechts, Berlin 1996; Richard Macrory, The Enforcement of Community Environmental Laws: Some Critical Issues, CMLR 1992,347; Scheuing, Instrumente, 475 . 509 V gl. hierzu allgemein Klaus Hansmann, Schwierigkeiten bei der Umsetzung und Durchführung des europäischen Umweltrechts, NVwZ 1995, 320; Pühs 110 ff.; Sieg[ried Magiera l Die Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts im europäischen Integrationsprozess, DÖV 1998, 173; Scheuing, Instrumente, 476 m.w.N. 510 Vgl. aus dem Umweltbereich z.B. die Ausführungen zu den verschiedenen Sprachversionen bei der Subsumtion von Dampfernissionen unter den Begriff "Ableitung" nach Art. 1 Abs. 2 lit. d) der Gewässerschutz-Rahmenrichtlinie 76/464, EuGH, Urt. v. 29. 9.1999, Rs. C-23 1/97 (van Rooij), Sig. 1999,1-6355,26,27 Rn. 24 ff. und Somsen, Nitratrichtlinie, 30. 511 Vgl. die auf der Grundlage des Art. 290 (ex-Art. 217) erlassene Verordnung Nr. I zur Regelung der Sprachenfrage für die Europäische Wirtschafts gemeinschaft vom 15. 4. 1985, ABI. 1985, 358, i.d.a.F. (zu den vielfachen Änderungen, insbesondere durch die Beitrittsakte, vgl. GrabitzlHi/fSchweitzer, Art. 217 Rn. 3). 512 Vgl. Z.B. Wahl/Groß 6; 9 bespiel haft zum unklaren Gefahrenbegriff der NovelFood Verordnung 258/97.
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verschieden interpretiert wurden. Rechtsakte der Gemeinschaft sind daher vielfach allgemeiner, weniger klar und weniger eindeutig als nationale Rechtsakte. 513 Schließlich können Erfahrungen mit massiven VollzugsdefIziten in einzelnen Mitgliedstaaten dazu führen, dass Kommissionsvorschläge VollzugsdefIzite "einberechnen" und so zu einer "Überregulierung" oder "Übersicherung" in "vollzugswilligen" Mitgliedstaaten führen. 514 Die ZweistufIgkeit des Rechtssetzungsverfahrens im Richtlinienmodell ist zeitaufwendig und fehleranfällig. S\S Das Problem der "Systemfremdheit" des Europarechts tritt insbesondere dann auf, wenn bereits nationales Umweltrecht vorhanden ist und sich der Mitgliedstaat zwischen vorausblickender und offensiver Umsetzung und ängstlichem ,,Anstückeln" entscheiden muss. 516 Dies gilt in besonderer Weise bei ihrerseits föderalen Mitgliedstaaten. Bei der Auslegung und Anwendung stehen diese Behörden im Kontext nationaler Regelungen, die Forderung nach einer durchgängig "gemeinschaftskonformen Auslegung,,517 ist von ihrer Erfullung weit entfernt. Lediglich die Rechtsprechung des EuGH gibt Leitlinien vor.S\8 Bei den Rechtsanwendern in mitgliedstaatlichen Behörden und Gerichten herrscht vielfach nicht nur Unkenntnis des Gemeinschaftsrechts, sondern auch Unwille zu seiner Anwendung. S\9 Ein weiterer Punkt, auf den unten näher einzugehen ist, ist die häufIg beklagte Schwäche der Kommission als Kontrollinstanz. 520 Die Kommission verfugt über keine Weisungs- oder fachaufsichtsähnlichen Befugnisse, zudem ist ihr Ansprechpartner stets die Ministerialverwaltung der Mitgliedstaaten, so dass kein unmittelbarer Kontakt zu den eigentlichen Rechtsanwendern besteht.
S13 Vgl. zu diesem Komplex Demmke 61 ff.; Ralf Wägenbaur, Zur Klarheit der Gesetzessprache in der EG, EuZW 1993,713. 514 Vgl. zum Problem des "Vollzugsüberhangs" Rainer Wahl, in: LandmanniRahmer, Umweltrecht, Bd. III, Vorbem. GenTG Rn. 81. 515 Vgl. Rüdiger Breuer, Entwicklungen des europäischen Umweltrechts - Ziele, Wege und Inwege, Berlin 1993,72 f. 516 Vgl. zur deutschen (geradezu) Furcht vor der IVU-Richtlinie Rainer Wahl, Materiell-integrative Anforderungen an die Vorhabenzulassung - Anwendung und Umsetzung der IVU-Richtlinie, NVwZ 2000, 502. 517 Peter Behrens, Gemeinschaftsrecht und juristische Methodenlehre, EuZW 1994, 289. 518 Eine zusätzliche Schwierigkeit bietet die fehlende Kodifikation des Gemeinschaftsrechts. Für den nationalen Rechtsanwender bietet sich das Gemeinschaftsrecht als unübersichtliches und u~~eordnetes Gemenge von Einzelvorschriften zu punktuellen Einzelproblemen und von Anderungsvorschriften dar, zusätzlich verkompliziert durch die unmittelbare Wirkung von Richtlinien. 519 Vgl. Rengeling, Umweltschutz durch Gemeinschaftsrecht und nationales Recht, Rn. 29 f. m.w.N. 520 V gl. den Verweis auf weitere Quellen bei Pühs 134 Fn. 141 .
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Die Konunission übt so lediglich eine quasi-"Rechtsaufsicht,,52\ gegenüber dem Mitgliedstaat als Ganzem aus. Schließlich ist eine Wechselwirkung zwischen mitgliedstaatlichem Vollzug und dem Fehlen privater Klagemöglichkeiten, auf die im Folgenden einzugehen ist, nicht von der Hand zu weisen. 522
b) Durchsetzung durch Gemeinschaftsorgane und Mitgliedstaaten Die Konunission hat nach Art. 211 erster Spiegelstr. (ex-Art. 155) "fiir die Anwendung dieses Vertrags sowie der von den Organen aufgrund dieses Vertrages getroffenen Bestimmungen Sorge zu tragen." Ihr obliegt daher die Durchsetzung des EG-Rechts gegenüber den Mitgliedstaaten. 523 Die Mitgliedstaaten haben Richtlinien nach der allgemeinen Vorschrift des Art. 10, nach Art. 249 Abs. 3 (ex-Art. 189) und außerdem nach der in den einzelnen Richtlinien enthaltenen sekundärrechtlichen Bestimmung umzusetzen. Hierfür enthält die Richtlinie regelmäßig eine Umsetzungsfrist. Sowohl aus Art. 249 Abs. 3 bzw. Abs. 4 als auch aus Art. 10 ergibt sich außerdem die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, Verordnungen und die zur Umsetzung von Richtlinien erlassenen Vorschriften innerstaatlich zur Anwendung zu bringen und gegebenenfalls durchzusetzen. Die Konunission hat einzugreifen, wenn ein Mitgliedstaat seine Verpflichtungen nicht errullt. Dies kann verschiedene Formen annehmen: Der Mitgliedstaat setzt eine Richtlinie gar nicht, nicht vollständig oder nicht zutreffend um, teilt seine Umsetzungsmaßnahmen der Konunission nicht mit oder fuhrt Verordnungen oder Umsetzungsvorschriften nicht oder nicht zutreffend durch.
aa) Inforrnationsbeschaffung und präventive Steuerung Hier ist zu unterscheiden zwischen der Umsetzung von Richtlinien in mitgliedstaatliches Recht auf der einen und der Anwendung im Einzelfall auf der anderen Seite. Was den ersteren Bereich betrifft, so ist häufig ohne großen Aufwand nachprüfbar, ob eine Regelung besteht und ob sie den inhaltlichen Anforderungen der Richtlinie genügt. Erleichtert wird diese Aufgabe dadurch, dass die Mitgliedstaaten der Konunission ihre Umsetzungsakte mitzuteilen haben. Erschwert wird sie allerdings dadurch, dass die Mitgliedstaaten häufig Vgl. Ipsen 221. Vgl. Pühs 457 ff., der diesen Grund als spezifischen Grund fUr Vollzugsmängel im Umweltbereich anfUhrt. 523 Das EP verfügt über keine entsprechende Stellung als "Hüter der Verträge" und kann entsprechend einen Mitgliedstaat nicht wegen Vertragsverletzung vor den EuGH ziehen. 52\
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ein schwer durchschaubares Gemenge von bereits vor der Richtlinie bestehenden und neuen Vorschriften auf verschiedenen staatlichen Ebenen mitteilen, ohne eine Gegenüberstellung von einzelnen Richtlinienbestimmungen und Umsetzungsakten ("Konkordanztabelle") beizufiigen. 524 Dennoch lässt sich dieser Bereich grundsätzlich von der Kommission wirksam kontrollieren, erkennbar an der Vielzahl von Vertragsverletzungsverfahren wegen Nichtumsetzung oder mangelhafter Umsetzung von Richtlinien. Weit schwieriger ist die Kontrolle der tatsächlichen Anwendung einer Vorschrift in den Mitgliedstaaten. S2S Viele Richtlinien sehen vor, dass die Mitgliedstaaten über die Erfahrungen mit einer EG-rechtlich vorgeschriebenen Bestimmung in ihrer Verwaltungspraxis regelmäßig Bericht zu erstatten haben. 526 In der Bereitschaft, diesen Pflichten nachzukommen, bestehen jedoch deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten. 527 Die daraus resultierenden Berichte lassen auch nur in engen Grenzen ein objektives Urteil über die praktische Wirksamkeit der Bestimmung in dem jeweiligen Mitgliedstaat zu. Das mit der EUA geschaffene Umweltinformations- und Umweltbeobachtungsnetz betrifft nur den Zustand der Umwelt, nicht aber Fragen des Umweltrechtsvollzugs. Der Kommission stehen nur Auskunftsrechte gegenüber den zentralen Stellen des Mitgliedstaates, nicht aber Auskunfts- oder weitergehende Ermittlungsrechte unmittelbar gegenüber den mitgliedstaatlichen Behörden zu, ein einheitliches Inspektionssystem existiert nicht. S28 Die Kommission ist daher vielfach auf Hinweise von GemeinschaftsbÜfgern auf Rechtsverletzungen angewiesen (dazu unten C).529 Um das Verhalten der Mitgliedstaaten präventiv zu steuern, hat die Kommission lediglich die rechtlich nicht verbindlichen Instrumente der Mitteilung Vgl. Scheuing, Instrumente, 478 m.w.N. Vgl. Günther F. Schäfer, Die institutionelle Weiterentwicklung des Europäischen Gemeinschaftsrechts: Überlegungen zu neuen Strukturen der EG-Institutionen, DÖV 1991,261,265; Anton Klösters, Kompetenzen der EG-Kommission im innerstaatlichen Vollzug von Gemeinschaftsrecht, Köln u.a. 1994, 45 f.; Pühs, Der Vol1zug von Gemeinschaftsrecht, 135 m.w.N. 526 Vgl. z.B. Art. 8 der Umweltinformationsrichtlinie 90/313. Danach hatten die Mitgliedstaaten bis zum 31. 12. 1996 über ihre Erfahrungen mit der Umweltinformationsrichtlinie, die bis zum 31. 12. 1992 umzusetzen war, Bericht zu erstatten. Weitere Nw. in der bei Scheuing, Instrumente, 480 Fn. 91 genannten Literatur. Vgl. außerdem die dort genannte Richtlinie 911692, die die Berichte zu vereinheitlichen sucht. 527 "Durchführung des Umweltrechts der Gemeinschaft", Mitteilung der Kommission an den Rat der Europäischen Union und das Europäische Parlament vom 22. 10. 1996, KOM (96) 500 endg., Rn. 26. 528 Vgl. Scheuing, Instrumente, 477 m.w.N. 529 Vgl. Silke Albin, ZwangsgeIder, Mittelkürzung und Umweltinspektionen - Neueste Entwicklungen bei der Vol1zugskontrol1e von EG-Umweltrecht, DVBI. 2000, 1483 fI. und 1486 m.w.N. 524 525
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zum Inhalt des Gemeinschaftsrechts und die üblichen Erinnerungen an die Pflicht zur rechtzeitigen Umsetzung (während der Umsetzungsfrist).
bb) Vertragsverletzungsverfahren und Zwangsgeldverfahren, Art. 226 und 228 EG Zur gerichtlichen Durchsetzung steht der Kommission das Verfahren des Art. 226 (ex-Art. 169) zu Verfügung. Danach sendet die Kommission dem Mitgliedstaat zunächst ein Mahnschreiben, in dem sie ihm Gelegenheit zur Äußerung gibt. Führt dies nicht zum Erfolg, so gibt die Kommission eine mit Gründen versehene Stellungnahme ab, in dem sie eine Frist zur Behebung des Verstoßes setzt. Als dritte Stufe kann die Kommission Klage vor dem EuGH erheben. Nach Art. 227 (ex-Art. 170) kann auch ein Mitgliedstaat gegen einen anderen wegen Verstoßes gegen Gemeinschaftsrecht vor dem EuGH klagen. Die Klage ist aber erst dann zulässig, wenn die Kommission auf Befassung durch den Mitgliedstaat das Vorverfahren (Mahnschreiben und mit Gründen versehene Stellungnahme) durchgefiihrt hat oder drei Monate vergangen sind. Hat die Klage der Kommission oder des Mitgliedstaates Erfolg, so ergeht ein Feststellungsurteil, Art. 228 Abs. 1 (ex-Art. 171), in dem er den Verstoß bestätigt, jedoch weder unmittelbar eine Sanktion noch die Ungültigkeit von Folgeregelungen nach dem Recht des Mitgliedstaates, die wegen des Verstoßes gemeinschaftsrechtswidrig sind, bestimmen kann. Kommt der Mitgliedstaat dem Urteil nicht nach, so kann die Kommission nach dem im MaastrichtVertrag neu eingefiihrten Verfahren des Art. 228 Abs. 2 nochmals ein Mahnschreiben mit Gelegenheit zur Stellungnahme und eine mit Gründen versehene Stellungnahme versenden, um mit einer neuerlichen Klage vom EuGH nunmehr die Verhängung eines finanziellen Sanktions- oder Zwangsmittels gegen den Mitgliedstaat in Form eines von dem Mitgliedstaat zu zahlenden Pauschalbetrages oder Zwangsgeldes zu erreichen. Dieses zweite Verfahren wurde neu eingefiihrt, da es in der Vergangenheit bis zu zehn Jahren brauchte, auch nach mehrfacher Klage nach Art. 226, bis ein mitgliedstaatlicher Verstoß abgestellt wurde. Das gegebenenfalls doppelt durchzufiihrende Vorverfahren und die hinzukommende Dauer des Verfahrens vor dem EuGH machen das Vertragsverletzungsverfahren jedoch zu einem enorm zeitaufwendigen Verfahren, das zudem die Möglichkeit zu politischer Einflussnahme auf das Verhalten der Kommission bietet. Nach ersten Erfahrungen mit dem Verfahren des Art. 228 Abs. 2 könnte dieses durchaus Verbesserungen der Vollzuges im Umweltbereich bewirken,
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indem den Mitgliedstaaten zum ersten Mal ein ökonomischer Anreiz für die Einhaltung des Gemeinschaftsrechts gegeben wird. S3O Im Januar 1997 beantragte die Konunission erstmals in drei Verfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland und in zwei Verfahren gegen Italien Zwangs gelder in erheblicher Höhe. Dies führte zur Beseitigung der Verstöße durch die Mitgliedstaaten, ohne dass ein Urteil in den Zweitverfahren erging. 531 Im Jahr 2000 wurde schließlich mit dem Mitgliedstaat Griechenland erstmals ein Mitgliedstaat tatsächlich zur Zahlung eines Zwangsgeldes verurteilt. 532 Griechenland hatte über mehr als zwanzig Jahre nicht die in den Abfallrichtlinien der Gemeinschaft vorgeschriebenen Vorkehrungen zu einer geordneten Abfallbeseitigung getroffen und trotz Verurteilung eine gefährliche wilde Mülldeponie auf Kreta nicht beseitigt. Das Verfahren weist jedoch deutliche Nachteile auf. Neben seiner Schwerfälligkeit, die ein Vorgehen gegen Einzelentscheidungen der mitgliedstaatlichen Verwaltung im Rahmen des Vollzugs abwegig macht, ist vor allem auf die Mittelbarkeit des Verfahrens zu verweisen: Adressat des Mahnschreibens der Konunission und ihr Gegner im gerichtlichen Verfahren ist stets der Mitgliedstaat, nie die einzelne Stelle, der der Rechtsverstoß anzulasten ist. S33 Im übrigen haben weder die Konunission noch andere Mitgliedstaaten nach dem EG die Möglichkeit, unmittelbar gegen Unternehmen oder Privatpersonen, die gegen europäisches Umweltrecht oder daraus abgeleitetes gliedstaatliches Recht verstoßen, zu klagen. Dies gehört in den ausschließlichen Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten. s34 Von vornherein unmöglich ist es auch für die Konunission, die Verwaltung des Gemeinschaftsrechts an sich zu ziehen. cc) Kapazitätsdeftzite Ein Grundproblem für die Ausübung der Kontrollfunktion durch die Kommission sind die unzureichenden Ressourcen. Zwar hat die Konunission 1984 in der Generaldirektion XI (Umwelt) eine besondere Einheit für die Kontrolle 530 V gl. Goebel 361: "Es fehlt an einem ökonomischen Anreiz sowohl zur Umsetzung als auch zum Vollzug des Umweltgemeinschaftsrecht." Für die Verhinderung von Umweltschäden ist es jedoch nur bedingt geeignet, weil der Schaden am Verfahrensende längst irreparable Formen angenommen haben wird. Vgl. Ludwig Krämer, EC Treaty and Environmental Law, 2. Aufl London 1995, 154. 531 V gl. Magiera, Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts, 173, 181; Scheuing, Instrumente,477. 532 EuGH, Urt. v. 4. 7. 2000, Rs. C-387/97 (Kommission / Griechenland), Slg. 2000, 1-5047, EuZW 2000,531 m. Anm. Karpenstein. 533 Vgl. GroebeniThiesingIEhlermann-KTÜck, Art. 169 Rn. 22. 534 Vgl. RehbinderlStewart 145.
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der Durchfiihrung des Europäischen Umweltrechts geschaffen. 535 Während jedoch der Bereich Umwelt insgesamt in der Kommission von mehreren hundert Mitarbeitern betreut wird, verfUgt die GD Umwelt fiir den Bereich der Kontrolle der Umsetzung und Anwendung des EG-Umweltrechts in den Mitgliedstaaten noch nicht einmal über einen juristischen Mitarbeiter pro Mitgliedstaat, die überdies daneben weitere Aufgaben zu erfUllen haben. Hinzu kommen lediglich vier weitere Mitarbeiter des Juristischen Dienstes fiir die Durchfiihrung von Vertragsverletzungsverfahren. 536 Es ist offensichtlich, dass damit einer wirksamen Kontrolle des mitgliedstaatlichen Vollzugs enge Grenzen gesetzt sind. 537 Mit dem stetigen Anwachsen der Menge der Normen des gemeinschaftlichen Umweltrechts droht die Schere zwischen Geltungsanspruch des Rechts und Kontrollkapazitäten der Kommission immer weiter aufzugehen. 538 Die Kontrolle der mitgliedstaatlichen Umsetzungsakte mag damit nicht unmittelbar gefährdet sein, die Kapazitätsengpässe gehen aber sicher zu Lasten der Kontrolle des tatsächlichen Vollzugs. 539 c) Durchsetzung durch Gemeinschaftsbürger "Die Wachsamkeit der an der Wahrung ihrer Rechte interessierten Einzelnen stellt eine wirksame Kontrolle dar, welche die durch die Kommission und die Mitgliedstaaten gemäß den Art. 169 und 170 EWGV ausgeübte Kontrolle ergänzt ...540
Für die Durchsetzung von Gemeinschaftsrecht durch den Gemeinschaftsbürger vor dem EuGH sind drei Wege zu unterscheiden: der direkte Klageweg, das Vorlageverfahren und die Beschwerde an die Kommission. Die direkte Klagemöglichkeit des Einzelnen vor dem EuGH besteht nur gegenüber Gemeinschaftsorganen und unterteilt sich in primären Rechtsschutz im Wege der Nichtigkeitsklage nach Art. 230 Abs. 4 (ex-Art. 173) sowie der Untätigkeitsklage nach Art. 232 Abs.3 (ex-Art. 175) und sekundären Rechtsschutz im Wege der Schadensersatzklage nach Art. 235, 288 Abs. 2 (ex-Art. 178, 215). Gegenstand des folgenden Abschnitts sind vor allem die Möglichkeiten von Bürgern oder Unternehmen aus der Gemeinschaft, mittelbar den EuGH mit
Vg1. Sach Rn. 5; Macrory 349; Scheuing, Instrumente, 475 . Vg1. Scheuing, Instrumente, 478. 537 V g1. Henke 24; lngolf Pernice, Kompetenzordnung und Handlungsbefugnisse der EG auf dem Gebiet des Umwelt- und Technikrechts, DV 1989, I, 41; Schäfer 265; Nettesheim 442 m.w.N.; Pühs 136 f. m.w.N. und 467. 538 Vg1. Pernice, Gestaltung und Vollzug, 423. 539 Vg1. Pühs 136 f. m.w.N. 540 EuGH, Urt. v. 5. 2. 1963, RS.26/62 (Van Gend & Loos / Niederländische Finanzverwaltung), Sig. 1963, I, Rn. 15. 535
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dem Ziel zu befassen, das gemeinschaftliche Umweltrecht in den Mitgliedstaaten durchzusetzen. aa) Befassung eines mitgliedstaatlichen Gerichts (1) Anregung eines Vorabentscheidungsverfahrens
Der Bürger kann vor den Gerichten seines Mitgliedstaates nach nationalem Recht gegen Träger öffentlicher Gewalt klagen und in diesem Rahmen eine Vorlage an den EuGH nach Art. 234 (ex-Art. 177) anregen. 541 Im Vorabentscheidungsverfahren können die Parteien des Ausgangsverfahrens vor dem EuGH ihre Interessen vertreten. Dies bietet eine erste indirekte Möglichkeit zur Befassung des EuGH. Der Vorrang des Gemeinschaftsrechts zwingt das Gericht zur Überprüfung des maßgeblichen mitgliedstaatlichen Rechts auf seine Vereinbarkeit mit dem EG-Recht. Die Entscheidung über die Vorlage obliegt allerdings dem Gericht. Nur (im konkreten Fall) letztinstanzliehe Gerichte sind zur Vorlage an den EuGH verpflichtet, wenn eine entscheidungserhebliche Streitfrage vor einem letztinstanzlichen mitgliedstaatlichen Gericht gestellt wird (Art 234 Abs. 42 oder das mitgliedstaatliche Gericht den Rechtsakt eines Gemeinschaftsorgans wegen dessen Unwirksamkeit nicht anwenden will. S43 Diese können daher vom Bürger gegebenenfalls zur Vorlage gezwungen werden, falls das nationale Recht eine entsprechende Klagemöglichkeit vorsieht. 544 Außerdem sind hier
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541 Astrid Epiney, Gemeinschaftsrecht und Verbandsklage, NVwZ 1999,486, sieht auch eine Klagemöglichkeit für (Umwelt-)Verbände, jedenfal\s dort, wo das Gemeinschaftsrecht Informationsrechte für jedermann geährt sowie bei Betroffenheit der Mitglieder der Verbände. Außerdem könnte die Gemeinschaft nach ihrer Ansicht auf der Grundlage des Art. 175 eine allgemeine umweltrechtliche Verbandsklage einführen (ebd.,491 ff.). 542 Vor unteren Instanzen kann der Betroffene die Vorlage an den EuGH nach Art. 234 Abs. 2 grundsätzlich lediglich anregen. 543 EuGH, Urt. v. 22. 10. 1987, Rs. 314/85 (Foto Frost), Slg. 1987, 4199, Rn. 11 ff. 544 Ein Absehen von der Vorlage nur unter eng gefassten Bedingungen zulässig ist: wenn die Frage durch eine gefestigte Rechtsprechung des EuGH entschieden ist (EuGH, Urt. v. 6. 10. 1982, Rs. 283/81 (CILFIT), Slg. 1982,3415, Rn. 14) oder nach der acte c1air-Doktrin die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist, dass das Gericht selbst keinerlei vernünftige Zweifel hat und annehmen kann, dass dies auch für Gerichte in anderen Mitgliedstaaten und den EuGH gilt. Ebd., Rn. 16. Bei der Beurteilung dieser Frage sind al\erdings die Eigenheiten des Gemeinschaftsrechts und die besonderen Schwierigkeiten bei dessen Auslegung zu berücksichtigen, insbesondere die gleiche Verbindlichkeit der Fassungen des Gemeinschaftsrechts in verschiedenen Gemeinschaftssprachen, die besondere Terminologie des Gemeinschaftsrechts in den verschiedenen Sprachen sowie der systematische Zusammenhang der gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften. Ebd., Rn. 17-20. Das BVerfG sieht eine auf Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG gestützte Verfassungsbeschwerde bei offensichtlich unhaltbarer Verletzung der
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der Zugang zum Gericht und die Rahmenbedingungen der Vorlage von den nationalen Rechtsordnungen in unterschiedlicher Weise ausgestaltet. 545 Individuelle Klagemöglichkeiten vor nationalen Gerichten zur Durchsetzung von gemeinschaftlichem Umweltrecht sind allerdings eingeschränkt. Auch die Möglichkeit von Umweltschutzorganisationen, eigene Klagen auf diese Weise vor den EuGH zu bringen (sog. Verbandsklage), hängt von den Klagerechten der nationalen Rechtsordnungen ab. 546 Für diese gilt aber wie vielfach für Klagen einzelner Bürger, dass umweltrechtliche Bestimmungen nicht notwendig individuelle Rechte einräumen, so dass regelmäßig eine Klage gar nicht erst zulässig erhoben werden kann.547 Das gemeinschaftliche Umweltrecht besteht ganz überwiegend aus Richtlinien, denen jedoch nur in Einzelfällen, z.B. der UVP-Richtlinie 85/337 548 unmittelbar anwendbar ist. Selbst die unmittelbare Anwendbarkeit sagt jedoch noch nichts über die Betroffenheit subjektiver Rechte des Klägers 549 und damit über die Klagebefugnis aus. Die Zuerkennung einer Klagebefugnis zur Durchsetzung (nur) objektiver Rechtsätze durch das nationale Recht wird bisher weitgehend abgelehnt. Die darin liegende Zuerkennung einer Befugnis zur Popularklage, so der Einwand, würde den gemeinsamen Rechtstraditionen der Mitgliedstaaten wiedersprechen. 550 Insbesondere wird gegen eine Verbandsklagebefugnis geltend gemacht, diese würde das Vorlagepflicht als zulässig an, vgl. BVerfG, Beschl. v. 9. 1. 2001, 1 BvR 1036/99, NJW 2001, 1267 m.w.N. 545 Vgl. Henke 17 ff. m.w.N. 546 Vgl. hierzu Henke 25 ff. m.w.N. Auf die einzelnen Ausgestaltungen der Klagemöglichketen kann hier nicht näher eingegangen werden. Derzeit fünfzehn Gerichtssysteme bedingen eine unübersehbare Vielfalt im Zugang zu den Gerichten mit sich. Unterschiedlich ausgeprägt ist aber auch die Kenntnis des EG-Rechts nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch unter Richtern und die Bereitschaft zu seiner Anwendung (Vgl. Pernice, Gestaltung und Vollzug, 423 m.w.N., zu mitglied staatlichen Behörden Pühs 459 m.w.N. in Fn. 1470, zu Gerichten ebd., 135 f. und 473 m.w.N.). Es kann daher - mit Ausnahmen - nach wie vor von einer gewissen Zurückhaltung gegenüber dem Recht der Gemeinschaft vor mitgliedstaatlichen Gerichten gesprochen werden. 547 Vgl. Pühs 457 f. m.w.N. Fn. 1460. 548 EuGH, Urt. v. 11. 8. 1995, Rs. C-431/92 (Kommission / Deutschland) - Großkrotzenburg, Slg. 1995,1-2189, Rn. 39 f. 549 Vgl. zur Trennung dieser beiden Fragen ebd., Rn. 26 (Verwaltung ist unmittelbar von Gewährung subjektiver Rechte an hinreichend bestimmte Richtlinienbestimmungen gebunden, die unmissverständliche behördliche Pflichten begründen), sowie bereits EuGH, Urt. v. 22. 6. 1989, Rs. 103/88 (Fratelli Costanzo SpA / Comune di Milano), Slg. 1989, 1839, Rn. 29 ff. und Epiney, Unmittelbare Anwendbarkeit und objektive Wirkung von Richtlinien, 409, 412. 550 Vgl. Schlussanträge von Generalanwalt Capotorti vom 18. 3.1981 zu EuGH, Urt. v. 7. 7. 1981, Rs. 158/80 (Rewe-Handelsgesellschaft Nord mbH und Rewe-Markt Steffen / Hauptzollamt Kiel) - Butterfahrten, Slg. 1981 , 1841, 1850; Vgl. auch Zuleeg, Umweltschutz in der Rechtsprehung des EuGH, 34 m.w.N. aus der Rechtsprechung des EuGH; Kahl, Umweltprinzip und Gemeinschaftsrecht, 145 f.; Pühs 458.
§ 8 Grenzen der Ausübung von Gemeinschaftskompetenzen
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horizontale Gewaltenteilungssystem zwischen den Organen der Gemeinschaft aus dem Gleichgewicht bringen. 551 Andererseits gibt es entsprechende Überlegungen der Kommission, die in der "Mitteilung über die Durchfiihrung des Umweltrechts der Gemeinschaft" eine "actio popularis" anregt. 552 (2) Gemeinschaftsrechtliche Maßstäbe für mitgliedstaatliche Gerichte
Um eine einheitliche und zu einer wirksamen Rechtsanwendung fiihrende Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu erzielen, haben die Gerichte der Mitgliedstaaten ebenso wie deren Behörden Gemeinschaftsrecht im Hinblick auf die Ziele des einschlägigen Gemeinschaftsrechts und dessen praktische Wirksamkeit auszulegen (gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung). Die Auslegung des innerstaatlichen Rechts, welches der Umsetzung von Richtlinien der Gemeinschaft dient, hat sich an Sinn und Zweck der zugrundeliegenden Richtlinie zu orientieren (richtlinienkonforme Auslegung). 553 Unmittelbare Anwendbarkeit und rnitgliedstaatliche Haftung wegen Nichtumsetzung von Richtlinien 554 gelten als wichtige Instrumente privater Durchsetzung des rnitgliedstaatlichen Vollzuges. 555 Ihrer Nutzbarkeit zur Verbesserung des Vollzugs von gemeinschaftlichen Umweltrichtlinien sind allerdings deutliche Grenzen gesetzt, da die Anwendung von gemeinschaftlichem Umweltrecht in unmittelbarer Wirkung regelmäßig von der gliedstaatlichen Verwaltung abhängt. Nur selten wird die örtliche Verwaltung Gemeinschaftsrecht unmittelbar anwenden, wenn es den Ministerialverwaltungen bislang nicht gelungen ist, Gemeinschaftsrecht zu implementieren. Die verbreitete Wahr-
SSI Vgl. Stellungnahmen der Sachverständigen zur Öffentlichen Anhörung des Umwelt- und Europaausschusses des Deutschen Bundestages, A-Drs. 13/404, Stellungnahme vom 5. 11. 1996, 22, zitiert bei Rengeling, Umweltschutz durch Gemeinschaftsrecht und nationales Recht, Rn. 50. SS2 Mitteilung der Kommission über die Durchführung des Umweltrechts der Gemeinschaft, KOM (96) 500 endg. m Vgl. EuGH, Urt. v. 10.4. 1984, Rs. C-14/83 (von Colson 1 Nordrhein-Westfalen), Slg. 1984, 1891, Rn. 26; EuGH, Urt. v. 13. 11. 1990, Rs. C-106/89 (Marleasing 1 La Comercial Intemacional de Alimentacion), Slg. 1990,4135, Rn. 8 u. ff.; Hans D. Jarass, Richtlinienkonforme bzw. EG-rechtskonforme Auslegung nationalen Rechts, EuR 1991, 211; Georg Ress, Die richtlinienkonforme "Interpretation" innerstaatlichen Rechts, DÖV 1994,489. SS4 Vgl. oben II.2.b). m Vgl. Goebel 362; Jason Coppel/Aidan O'Neill, The European Court of Justice: Taking Rights Seriously?, CMLR 29 (1992), 669 ff. die dem EuGH eine Instrumentalisierung individueller Rechte als Mittel zur Beschleunigung des Prozesses der rechtlichen Integration in der Gemeinschaft vorwerfen (ebd., 670 und 691 f.).
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nehmung des Gemeinschaftsrechts als Fremdkörper im mitgliedstaatlichen Recht tut hier ein Übriges. 556 Nur in den eng begrenzten Fällen, wo das Gemeinschaftsrecht individuelle Rechte gewährt, die auch vor den Gerichten der Mitgliedstaaten Anerkennung fmden, kann die Durchsetzung des gemeinschaftlichen Umweltrechts über die unmittelbare Wirkung durch die Bürger beschleunigt werden. Dies wird in der Regel nur dort der Fall sein, wo Umweltstandards gleichzeitig Gesundheitsoder Sicherheits standards im Interesse dieser Bürger sind. 557
bb) Befassung der Kommission: Die Umweltbeschwerde Eine zweite indirekte Möglichkeit bietet die Befassung der Kommission im Wege eines Beschwerdeschreibens (sog. Umweltbeschwerde), die lediglich einen Hinweis auf eine objektive Verletzung des Gemeinschaftsrechts enthalten muss. Zur Stärkung dieses Weges als Vollzugsinstrument des gemeinschaftlichen Umweltrechts trägt wesentlich die sog. UmweltinfonnationsRichtlinie bei. Die Bedeutung der Gemeinschaftsbürger für den Vollzug des Gemeinschaftsrechtes ist in einer ersten Stufe von der Möglichkeit des Einzelnen abhängig, sich Infonnationen die Umwelt und die Einhaltung des Umweltrechts zu verschaffen. Drei verfahrensbezogene Ansätze des Gemeinschaftsrechts sind hierfür von Bedeutung: die Umweltverträglichkeitsprüfung, das ÖkoAudit und der Infonnationszugang nach der Umweltinfonnationsrichtlinie und gleichartigen Spezialvorschriften. Die Umweltinfonnationsrichtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, sicherzustellen, dass mitgliedstaatliche Behörden "allen natürlichen und juristischen Personen auf Antrag ohne jeden Nachweis eines Interesses" die bei den Behörden vorhandenen Infonnationen über die Umwelt zur Verfügung stellen. 558 Gegen eine unberechtigte Infonnationsverweigerung ist der Klageweg vorzusehen. 559 Die Richtlinie begründet also ein von der Beteiligung an einem konkreten Verwaltungsverfahren unabhängiges subjektives einklagbares "Jeder556 V gl. hierzu - wohl aus eigener Erfahrung in der Kommission - Groebenl Thiesing/Ehlermann-Krämer, 4. Aufl. 1991, vor Art. BOr-BOt Rn. 61: "Die unmittelbare Wirkung von Umweltschutzvorschriften des Gemeinschaftsrechts im innerstaatlichen Recht scheint weitgehend unbekannt zu sein." 557 Vgl. umfassend Matthias Ruffert, Subjektive Recht\;! im Umweltrecht der Europäischen Gemeinschaft, Heidelberg 1996. 558 Vgl. Art. 2 und 3 der Richtlinie 90/313. Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie regelt die Möglichkeit der Mitgliedstaaten, Ausnahmen von diesem Grundsatz vorzusehen. 559 Art. 4 der Richtlinie 90/313.
§ 8 Grenzen der Ausübung von Gemeinschaftskompetenzen
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mann-Recht".560 Der EuGH legt die Richtlinie zugunsten eines weiten Informationsanspruchs des Bürgers aus. 561 Ergänzend ist auf Verpflichtungen zur Information der Öffentlichkeit in neueren (speziellen) Umweltschutzrichtlinien der Gemeinschaft562 und auf die Funktion der EUA bei der Sammlung und Bereitstellung von Informationen fiir die Öffentlichkeit563 hinzuweisen. Eine zukünftige Ausweitung der Aufgaben der EUA gemäß dem Verfahren nach Art. 20 EUA-VO in den Bereich der Kontrolle des rnitgliedstaatlichen Vollzugs kann diese Funktion noch erheblich steigern. Eine zentrale Zielsetzung der Umweltinfomations-Richtlinie war es, das Interesse der Gemeinschaftsbürger an einer intakten Umwelt zu "instrumentalisieren", um den Vollzug des EG-Umweltrechts in den Mitgliedstaaten zu verbessern. 564 Dies schuf zum einen ein dezentrales Kontrollorgan fiir eine weitreichende öffentliche Kontrolle der rnitgliedstaatliche Urnsetzungs- und insbesondere Verwaltungspraxis, zum anderen die Möglichkeit zu einem kooperativen Zusammenwirken zwischen Verwaltung und interessierter Öffentlichkeit, um die Arbeit der Verwaltung zu effektivieren. 565 560 Roland Bieber, Informationsrechte Dritter im Verwaltungsverfahren - Ansätze zu legislativer und dogmatischer Neubewertung, DÖV 1991, 857, 863. Vgl. zu statistischen Daten über Anträge bei deutschen Behörden Frank Meininger, Die EGUmweltinformationsrichtlinie in der Verwaltungspraxis, NVwZ 1994, 150. 561 Vgl. EuGH, Urt. v. 17.6. 1998, Rs. C-32l/96 - (Mecklenburg 1 Kreis Pinneberg), Slg. 1998,1-3809, NVwZ 1999,945, NJW 1999, 1175, EuZW 1998,470: Einsichtnahme in Stellungnahme der Landschaftspflegebehörde im Rahmen eines laufenden Planfeststellungsverfahrens; EuGH, Urt. v. 9. 9. 1999, Rs. C-217/97 (Kommission 1 Deutschland) - Altölbeseitigungsrichtlinie, Slg. 1999, 1-5051, NVwZ 1999, 1209; vgl. zu diesen Entscheidungen die Besprechungen bei Christian Schrader, Europäische Anstöße für einen erweiterten Zugang zu (Umwelt-)Informationen, NVwZ 1999,40; Florian Becker, Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum deutschen Umweltinformationsgesetz, NVwZ 1999, 1187. 562 Vgl. z.B. Art. 12 der Richtlinie 1999/13; Art. 15 der Richtlinie 96/6l/EG des Rates vom 24.9. 1996 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung, ABI. 1996, Nr. L 257, 26. 563 Vgl. insbesondere Art. 2 Nr. vi) der Verordnung 1210/90 des Rates vom 7. 5. 1990 zur Errichtung einer Europäischen Umweltagentur und eines europäischen Umweltinformations- und Umweltbeobachtungsnetzes, ABI. 1990, Nr. L 120, I (EUAVO), sowie Beschluss 97/C 282/04 des Verwaltungsrates der Europäischen Umweltagentur vom 21. 3. 1997 über den öffentlichen Zugriff auf Dokumente der Europäischen Umweltagentur, ABI. 1997, Nr. C 282,5. 564 Vgl. Hans-Uwe Erichsen, Das Recht auffTeien Zugang zu Informationen über die Umwelt, NVwZ 1992, 409, ebd. und 419 m.w.N.; Grabitz/Hilf-Grabitz/Nettesheim, Art. 130r Rn. 78 f.; Martin Eifert, Umweltinformation als Regelungsinstrument, DÖV 1994,544,545 ff. m.w.N.; Andre Turiaux, Das neue Umweltinformationsgesetz, NJW 1994,2319 m.w.N.; Pühs 461 f. und 465 m.w.N. 565 Vgl. hierzu Erichsen 418 f. m.w.N., Bieber 865 m.w.N.; Pühs 463 m.w.N., die zu Recht auf den Zusammenhang zwischen Information der Öffentlichkeit, demokratischer Kontrolle durch diese als notwendiges Gegenstück zur parlamentarischen Kontrolle und
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Ein ähnlicher Ansatz steht hinter der Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung und hinter der Öko-Audit-Verordnung. Beide nutzen die Interessen der Öffentlichkeit, die Öko-Audit-Verordnung zudem das Interesse von Wirtschaftsunternehmen selbst, zur Verbesserung der Durchsetzung der Umweltschutzziele der Gemeinschaft. 566 Die UVP-Richtlinie gibt den Mitgliedstaaten ein Verfahren zur umfassenden Ermittlung der Umweltauswirkungen von Anlagen und anderen Eingriffen in Natur und Landschaft ab einer bestimmten Schwellengröße vor der Genehmigung dieser Projekte vor. Über die so ermittelten Auswirkungen des Projektes ist die Öffentlichkeit zu informieren und in der Folge der betroffenen Öffentlichkeit Gelegenheit zur Äußerung zu geben. 567 Die Öko-Audit-Verordnung568 bietet ein eigenständiges, vollständig freiwilliges System von internen Prüfungen und Prinzipien an, an dem sich Unternehmen beteiligen können. Ein wichtiges Element sowohl von Umweltmanagement als auch von Umweltbetriebsprüfung ist die umfassende Information der Öffentlichkeit über die Auswirkungen der wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmens auf die Umwelt. 569 Die Öko-Audit-Verordnung nutzt so das Umweltinteresse der Bürger, um den Unternehmen einen Vorteil, die Eintragung in ein Verzeichnis "umweltfreundlicher" Standorte, zu vermitteln, und damit sowohl öffentliche Information und Kontrolle als auch freiwillige Umweltschutzrnaßnahmen, jenseits zwingender Vorschriften, zu erreichen. Hat ein Bürger Informationen über objektive mitgliedstaatliche Verstöße gegen gemeinschaftliches Umweltrecht auf diesem oder anderem Wege erlangt, so kann er dies im Wege der Umweltbeschwerde der Kommission mittei-
Legitimation von Staatshandeln hinweisen. Vgl. auch spezielle Vorschriften zum Informationszugang der Öffentlichkeit wie z.B. Art. 15 der IVU-Richtlinie 96/61. 566 Vgl. Martin Schulte, Materielle Regelungen: Umwe\tnormung, in: Rengeling (Hrsg.), EUDUR, § 17, Bd. 1,449 ff. , Rn. 4. 567 Vgl. Art. 6 Abs. 2 und 3 der UVP-Richtlinie 85/337. 568 Verordnung (EWG) Nr. 1836/93 des Rates vom 29.6. 1993 über die freiwillige Beteiligung gewerblicher Unternehmen an einem Gemeinschaftssystem für das Umweltmanagement und die Umweltbetriebsprüfung, ABI. 1993, Nr. L 168, 1. 569 Vgl. Erstellung, Übermittlung und Veröffentlichung der Umwelterklärung nach der Öko-Audit-Verordnung 1836/93, Art. 5 i.V.m. Art. 8 und Art. 2 lit. h, sowie Informationspflicht nach Anhang I, Teil D: Gute Managementpraktiken, Nr. 9: "Die Öffentlichkeit erhält alle Informationen, die zum Verständnis der Umweltauswirkungen der Tätigkeit des Unternehmens benötigt werden; ferner sollte ein offener Dialog mit der Öffentlichkeit geführt werden."
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len und diese dazu auffordern, dagegen einzuschreiten. 57o Gerade im Umweltbereich wird das Beschwerderecht ausgiebig genutzt. S7l Der Bürger wird von der Kommission über weitere Verfahrensschritte informiert. sn Ob die Kommission daraufhin ein Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 226 (ex-Art. 169) einleitet, steht allerdings im Ermessen der Kommission, so dass der Bürger diese nicht im Wege der Untätigkeitsklage zur Durchführung eines Vertragsverletzungsverfahrens zwingen kann. 573 Der EuGH lehnt auch eine Kontrolle der Einhaltung von Ermessensgrenzen ab. 574 Dennoch hat sich die Kommission verpflichtet, substantiierten Beschwerden nachzugehen. 575 Bei der Umweltbeschwerde ist schließlich Raum für die Tätigkeit von Umweltorganisationen.576 Dieses Instrumentarium mag die Position solcher Organisationen, die auf europäischer Ebene eine weit geringere Bedeutung haben als vergleichbare Organisationen in den USA, mittelfristig stärken. 577
570 V gl. das Formblatt zur Erhebung der Umweltbeschwerde, ABI. 1989, Nr. C 26, 6. Das Formular ist in Überarbeitung, vgl. Scheuing, Instrumente, 481. 571 Engelsberger 76 f.; Macrory 363; Nicklas, Implementationsprobleme, 97 ff. und 181ff. sn Vgl. Lenz-Borchardt, Art. 169 Rn. 12. m EuGH, Urt. v. 14. 2. 1989, Rs. 247/87 (Star Fruit 1 Kommission), Slg. 1989,291, Rn. 11 f.; EuGH, Urt. v. 17.5. 1990, Rs. C-87/89 (Soeiete nationale interprofessionnelle de 1a tomate (Sonito) 1 Kommission), Slg. 1990,1-1981, Rn. 6 f.; EuGH, Besehl. v. 12. 6. 1992, Rs. C-29/92 (Asia Motor France 1 Kommission), Sig. 1992,1-3935, Rn. 21; Macrory 367 f. 574 Vgl. EuGH, Urt. v. I. 6. 1994, Rs. C-317/92 (Kommission / Bundesrepublik Deutschland), Slg. 1994, 1-2039 Rn. 4 ff.: keine Kontrolle hinsichtlich des Zeitpunkts der Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens; EuGH, Urt. v. 20. 2. 1997, Rs. C107/95 (Bundesverband der Bilanzbuchhalter / Kommission), Sig. 1997, 1-947, Rn. 16 ff.: Klägerischer Vortrag unerheblich, dass Ermessen der Kommission zum Eingreifen auf Null reduziert sei. Vgl. auch Lenz-Borchardt, Art. 169 Rn. 13; Groeben/Thiesing/Ehlermann-Krück, Art. 169 Rn. 38; Henke 15; A.A. noeh RehbinderiStewart 148 f. m Vgl. Ludwig Krämer, Zur innerstaatlichen Wirkung von Umweltrichtlinien der EWG, WuV 1990, 138, 159. 576 So hat eine Umweltbeschwerde des Wor1d Wildlife Fund (WWF) das Verfahren angestoßen, das zum Urteil gegen Italien wegen Nichtumsetzung der Fischgewässerrichtlinie 78/659 führte (EuGH, Urt. v. 12. 7. 1988, Rs. 322/86 (Kommission 1 lta1ien)Fischgewässer, Sig. 1988, 3995). S77 Vgl. Erichsen 419.
23 Renner
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Teil 2: Handlungsspielräume der Gemeinschaftsebene in der EG
d) Zwischenergebnis
Die Fähigkeit der Kommission zu einer wirksamen Kontrolle des mitgliedstaatlichen Vollzuges scheitert derzeit gleichermaßen an der Aufwendigkeit und Mittelbarkeit der bestehenden Verfahren als auch an den geringen Kapazitäten der Kommission. Eine Verkürzung der Verfahren durch Einräumung eigener Sanktions- oder gar Zwangsbefugnisse, mit denen die Gemeinschaft Verletzungen des Umweltrechts selbst abstellen könnte, sind de lege ferenda in näherer Zukunft ebenso wenig zu erwarten wie die Einrichtung eines gemeinschaftlichen Umweltinspektionssystems oder die Verpflichtung zu mitgliedstaatlichen Systemen, in denen Berichtspflichten gebündelt werden könnten. 578 Der Staatshaftungsanspruchs wegen mangelnder Richtlinienumsetzung und die unmittelbare Wirkung kommen im Bereich des gemeinschaftlichen Umweltrechts von vornherein nur in eingeschränktem Umfang zur Anwendung, da die Mehrzahl der "nur" allgemein am Umweltschutz und nicht unmittelbar an möglichen Gefährdungen fiir die menschliche Gesundheit orientierten Normen nicht die Voraussetzungen einer auf Individualschutz ausgerichteten Richtlinie erfüllt. Eine Verbesserung des mitgliedstaatlichen Vollzugs können solche Richtlinien im Übrigen nur hinsichtlich der Umsetzungspraxis (nicht aber der Vollzugspraxis) der Mitgliedstaaten erzielen. Die Abfassung eines Beschwerdeschreibens durch Gemeinschaftsbürger hat im Wesentlichen lediglich informatorischen Charakter, der Bürger wird auch hier regelmäßig nicht unmittelbar und individuell betroffen sein. 579 Angesichts der beschränkten Kapazitäten und Rechte der Kommission zur Beschaffung von Informationen in den Mitgliedstaaten sollte die Bedeutung dieses Instrumentes jedoch nicht unterschätzt werden. 580 Eine wirksame "Instrumentalisierung" der Bürger für eine bereichsspezifische Kontrolle des mitgliedstaatlichen Vollzugs kann zum einen zu einer spürbaren Entlastung der Kommission beitragen, zum anderen durch mittelbaren Druck die Bereitschaft mitgliedstaatlichen Behörden zum Vollzug des Umweltgemeinschaftsrechts, also zu einem sowohl umwelt- als auch gemeinschaftsfreundlichen Verhalten, verbessern. 581 Das Zusammenspiel von Umweltinformationsrichtlinie und Umweltbeschwer-
578 Vgl. zu letzterem die Entschließung des Rates vom 7. 10. 1997 zur Durchführungsmitteilung der Kommission, ABI. Nr. C 321, I, Rn. 16; außerdem Nicklas 170; Scheuing, Instrumente, 479 und 481. 579 EuGH, Urt. v. 14. 2. 1989, Rs. 247/87 (Star Fruit / Kommission), Slg. 1989,291, Rn. 13. 580 Vgl. Henke 21 ff. 581 Vgl. Pühs 466 f.; Erichsen 419 .
§ 9 Vergleich der Befugnisse der oberen föderalen Ebenen
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de bietet so eine Ergänzung, wo individuelle Klagen mangels subjektiver Betroffenheit unzulässig sind. 582
§ 9 Vergleich der Befugnisse der oberen föderalen Ebene in den USA und der EG I. Die Kompetenzstruktur der oberen Ebene 1. Umweltbezogene Kompetenzen
Die Verfassung der Vereinigten Staaten verfugt über keine speziell auf das Ziel des Umweltschutzes bezogene Kompetenz. Die Umweltpolitik des Bundes erfolgt vor allem auf der Grundlage der (Interstate) Commerce Clause, bei Finanzzuweisungen an die Gliedstaaten mit Steuerungselementen der Spending Clause, fiir den umfangreichen Landbesitz des Bundes der Property Clause. Ergänzt werden diese Bestimmungen durch spezielle Kompetenznormen. Die Europäische Gemeinschaft verfugt seit Inkrafttreten der EEA 1987 im jetzigen Art. 175 EG über eine besondere Kompetenz fiir urnweltbezogene Rechtsakte, greift allerdings fiir ihr Umweltrecht weiterhin auch auf andere bereichsspezifische Kompetenzbestimmungen, vor allem aber auf die binnenmarktbezogene Rechtsangleichungskompetenz, zurück. Für das Sekundärrecht im Umweltbereich war die Schaffung einer besonderen Kompetenzzuweisung allerdings lediglich ein weiterer Schritt, der die bereits zuvor bestehende Entwicklung eines gemeinschaftlichen Umweltrecht bestätigte. Dieser Unterschied der beiden untersuchten Systeme im Kompetenzbereich ist Teil einer unterschiedlichen Art und Weise der Kompetenzzuweisung an die obere Ebene in den beiden Systemen. Den wenigen, ursprünglich auf bestimmte Funktionen des Obersystems ausgerichteten Kompetenzen der USVerfassung steht in der EG neben den funktional ausgerichteten Rechtsangleichungskompetenzen ein System bereichs- und sachspezifischer Kompetenzen in den einzelnen Politikbereichen gegenüber, von denen wegen der urnweltrechtlichen Querschnittsklausel des Art. 6 EG viele als Grundlage fur umweltbezogene Maßnahmen dienen können.
582
23'
Vgl. Pühs 465 f.
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2. Auf den grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr bezogene Kompetenzen Der Kongress der Vereinigten Staaten zieht einen Großteil seiner Gesetzgebungskompetenzen sowohl allgemein als auch fur den Bereich der Umweltpolitik aus einer zentralen Kompetenznorm zur Regelung des zwischenstaatlichen Handels. Maßnalunen der EG im Umweltbereich ergingen vor Einfiihrung des Art. 175 EG regelmäßig auf der Grundlage der Rechtsangleichungskompetenz des Art. 94 EG und der Ergänzungskompetenz des Art. 308 EG, seitdem vielfach nach Art. 95 EG. Für die handels- bzw. binnenmarktbezogenen Regelungen in beiden Systemen ergibt sich aus dem Bezug zum zwischenstaatlichen Handel in der Commerce Clause bzw. zur Errichtung und dem Funktionieren des Binnenmarktes in Art. 95 Abs. 1 EG ein gleichartiger Regelungsbereich, nicht jedoch eine gleichartige Reglungsbefugnis. Beide Kompetenzen betreffen den gesamten grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr innerhalb des jeweiligen Systems, insbesondere den Waren- und Dienstleistungsverkehr. Die beiden Kompetenzen gleichen sich auch in ihrer ursprünglichen Ausrichtung auf die Sicherstellung und Erleichterung dieses Wirtschaftsverkehrs. Die Commerce Clause enthält allerdings keine spiegelbildliche Einschränkung auf handelsfordernde Maßnalunen und wird daher zu einer "Generalklausel" zumindest fiir das gesamte Wirtschaftsrecht, die auch handelsbeschränkende Maßnalunen gestattet. Letzteres ist fiir das Umweltrecht von erheblicher Bedeutung. Spätestens seit der Entscheidung Tabakwerbeverbot des EuGH ist klar, dass die Rechtssetzungsorgane der Gemeinschaft anders als der Kongress die Binnenmarktkompetenz des Art. 95 EG nicht in ähnlicher Weise als umfassende Regelungsbefugnis nutzen kann, sondern auf die Förderung und die Gewährleistung des tatsächlichen Funktionierens des Binnenmarktes festgelegt ist. In beiden untersuchten Systemen kommt den auf den Binnengrenzen überschreitenden Wirtschaftsverkehr bezogenen Kompetenzen eine wichtige praktische Bedeutung zu. Bereits dies weist auf ein deutliches wirtschaftliches Bedürfnis nach einer einheitlichen Regelung von Umweltschutzanforderungen hin. Eine solche Verbindung zum Binnengrenzen überscheitenden Wirtschaftsverkehr lässt sich auch bei der Entstehung von Umweltrecht auf Bundes- bzw. Gemeinschaftsebene ausmachen: In den USA kam ein Umweltrecht auf Bundesebene nur deshalb zustande, weil die Staaten diese Materie, die bis dahin als ausschließlich ihre Sache galt, aus Furcht vor wirtschaftlichen Nachteilen nicht anzupacken bereit waren. Unter den frühen Umweltschutzregelungen der EG finden sich vor allem Regelungen zur Angleichung von Umweltschutzanforderungen an Produkte. Im Rahmen der jeweiligen Reichweite der Befugnis lässt sich die durch den Handels- bzw. Binnenmarktbezug vemittelte relative Offenheit sowohl der
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Commerce Clause als auch der binnenmarktbezogenen Harmonisie~ngskom petenz mit deren Funktion des "status negativus" erklären. Die Beseitigung innerer Handelsschranken durch eigenständige oder harmonisierende Regelungen kennzeichnen ein auf bloße Rahrnensetzung zurückgenommenes, nichtinterventionistisches staatliches System, dessen Regelungen keiner inhaltlichen Festlegungen bedürfen. Selbständige Umweltpolitik hat demgegenüber vorwiegend interventionistischen Charakter. Die Nutzung handels- bzw. binnenmarktbezogener Kompetenzen für originär umweltschutzbezogene Maßnahmen widerspricht demnach der ursprünglichen Ausrichtung dieser Kompetenzen und bietet - unabhängig von der oben bezeichneten Beschränkung des Art. 95 EG - einen ersten Anhaltspunkt fiir die Notwendigkeit einer spezifisch umweltbezogenen Kompetenz. 3. Bedeutung umweltspezifischer Befugnisnormen
Die Stützung der Umweltgesetzgebung auf eine allgemeine Kompetenzen, die auf Binnengrenzen überschreitende wirtschaftliche Bezüge angewiesen sind, kann erhebliche Probleme und Unsicherheiten mit sich bringen. Der Supreme Court hat immer wieder versucht, die inneren Grenzen, die die commerce power als Teil der enumerativen Kompetenzen des Bundes haben muss, sichtbar zu machen. Mit der Betonung der erforderlichen Unmittelbarkeit wesentlicher Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel, der Bindung zulässiger Regelungsgegenstände an wirtschaftliche Aktivitäten (economic activities) und dem Erfordernis einer Überprüfbarkeit im Einzelfall hat der Supreme Court in Lopez eine behutsame Rückbesinnung auf die praktische Bedeutsarnkeit des Enumerationsprinzips der Verfassung versucht, ohne mit den - durchweg wirtschaftliche Vorgänge betreffenden - Entscheidungen der New Deal-Ära zu brechen. Da der Bund jedoch gerade im Umweltbereich auf eine weite Auslegung der Commerce Clause angewiesen ist, bietet Lopez Anhaltspunkte, auf deren Grundlage die Rechtsprechung der Umweltgesetzgebung des Bundes in den USA in Zukunft engere Grenzen ziehen könnte. Die Entscheidung und die hierzu bislang ergangenen Folgeentscheidungen bis zu SWANCC machen hinreichend deutlich, dass die für die weitaus überwiegende Mehrzahl der Umweltgesetze vorgenommene Anknüpfung an die Commerce Clause letztlich quer zu den Anforderungen liegt, die an eine Kompetenzgrundlage für eine kohärente bundesrechtliche Umweltgesetzgebung zu stellen wären. S83 So ist 583 Vgl. die plastische Aussage von Adler zur oben ausgefiihrten Problematik der innerstaatlichen Feuchtgebiete: ,,1t is not the wetlands' ,value' that forms the basis of federal jurisdiction. lt is their connection to interstate conunerce. Defenders of federal
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Teil 2: Handlungsspielräume der Gemeinschaftsebene in der EG
z.B. die Ansiedlung von Regelungen zum Schutz von Zugvögeln auf Bundesebene problemadäquat, lässt sich jedoch kaum mit der Commerce Clause vereinbaren. Ein zusammenhängendes, nicht nur auf Einzelprobleme bezogenes und damit sachgerechtes Umweltrecht macht Regelungen erforderlich, für die sich nicht immer in der in Lopez geforderten Weise ein unmittelbarer grenzüberschreitender Bezug nachweisen lässt. Der Versuch der Sichtbarmachung von Grenzen der Commerce Clause und die gegen Umweltschutzgesetze gerichteten Klagen machen so die Bedeutung einer spezifischen, eigenständigen Kompetenz für den Umweltbereich deutlich. Der EuGH hat mittlerweile die Binnenmarktkompetenz eingegrenzt, allerdings nicht in sachlicher, sondern in funktioneller Weise. Die Entscheidung Tabakwerbeverbot verlangt für Maßnahmen nach Art. 95 EG jedoch nicht nur die Förderung von Grundfreiheiten oder Beseitigung von Wettbewerbsverzerrungen, die Maßnahmen des reinen Umweltschutzes ebenso wie des Gesundheitsschutzes häufig nicht aufweisen, sondern - als Grundlage hierfür - einen nachgewiesenen qualifIZierten Bezug zwischen Binnenmarkt und geregeltem Sachverhalt. Damit könnte sich bei Wegdenken des Art. 175 EG und isolierter Betrachtung des Art. 95 EG eine ähnliche Entwicklung für diese Kompetenz, die sich auf den grenzüberschreitenden Handel im Binnenmarkt bezieht, wie für die Commerce Clause abzeichnen. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass die vor 1987 vorhandenen Kompetenzen der Art. 94 und 308 EG sowie die damals eingeführte Binnenrnarktkompetenz des Art. 95 EG trotz ihrer erheblichen praktischen Bedeutung keine hinreichende Grundlage für ein eigenständiges und kohärentes Umweltrecht auf Gemeinschaftsebene bilden. Die Erfahrung einer Infragestellung bestehender Umweltgesetze bei veränderten politischen Rahmenbedingungen in den USA unterstreicht die Bedeutung der selbständigen Umweltschutzkompetenz der EG.
4. Anreizsysteme als Steuerungsinstrumente a) Bedingte Vol/regelungen (drohende Sperrwirkung)
In den USA setzt der Bund auf zweierlei Weise Anreizsysteme gegenüber den Gliedstaaten ein: indem den Gliedstaaten die Gelegenheit zu einer eigenständigen und daher auf die Bedürfnisse des einzelnen Gliedstaates zugeschnit-
jurisdiction can demonstrate that wetlands are extremely valuable to our nation's future - as valuable as the schools in which our children are educated - but that does not confinn federal jurisdiction." Adler, Federal Wetlands Regulation, 37.
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tenen Regelungen an Stelle von Bundesrecht mit Sperrwirkung gegeben wird (in Form von preemption threats) sowie als finanzielle Ameize (in Form von conditional grants). Die Anwendung dieser beiden Instrumente fUhrt in den USA zu einer ähnlichen Struktur wie die vorrangige Anwendung von Richtlinien in der EG. Sie ermöglichen es der oberen Ebene, Rahmen und Regelungsinhalte als "Gerüst" vorzugeben, der unteren Ebene jedoch eine optimale Ausgestaltung und Einpassung in ihr System. Insbesondere die Wirksamkeit von preemption threats beruht auf den Vorteilen der Implementation auf der unteren Ebene, die auch das wesentliche Argument für den Einsatz der Richtlinien in der EG sind. Eine unmittelbare Regelung der oberen Ebene auf dem Verordnungsweg wäre in der EG politisch regelmäßig nicht durchsetzbar, außerdem ist eine gemeinschaftseigene Verwaltung im EG-Vertrag nicht vorgesehen, so dass sich der Gedanke der preemption threats derzeit kaum übertragen lässt. b) Bedingte Finanzzuweisungen Finanzzuweisungen an die Mitgliedstaaten der EG können auf der Grundlage der Sachkompetenzen der Gemeinschaft ergehen und unterliegen denselben Beschränkungen wie das übrige Gemeinschaftsrecht. Daher tritt hier, anders als in den USA, kein Problem der Abgrenzung zwischen Sach- und Ausgabenkompetenz auf. In den USA hat sich die besondere Kompetenzbestimmung der Spending Clause mittlerweile von der Bindung an bestimmte Sachkompetenzen gelöst. Ihre Ausübung ist nur durch die wenig klare Unterscheidung zwischen Ameiz und Zwang begrenzt. Für die vom Kongress angewandten Anreizsysteme war dies in der jüngeren Vergangenheit kein Hindernis. Der Vorteil bedingter Finanzzuweisungen als Steuerungs instrumente liegt jedenfalls theoretisch - in der Erleichterung der Rechtsdurchsetzung. Die Verknüpfung von Regelungszielen mit finanziellen Vorteilen der regelnden Inhalte gibt der oberen Ebene einen wirksamen finanziellen Hebel anstelle der sonst erforderlichen gerichtlichen Klagen gegenüber der unteren Ebene. Die EG verlagert bereits im regulatorischen Bereich die Nachweispflicht für die Umsetzung ihrer Vorgaben in den Mitgliedstaaten auf diese. Würde dies in geeigneter Weise mit der Auszahlung fmanzieller Ameize kombiniert, so ließe sich der Durchsetzungsaufwand vermindern sowie die Umsetzungs geschwindigkeit steigern. Wegen der geringen Finanzmittel, die für die Umweltpolitik der Gemeinschaft zur Verfügung stehen, haben Finanzzuweisungen als Steuerungsinstrument hier allerdings bislang geringe praktische Bedeutung. Lediglich das RechnungsabschIussverfahren im Agrarbereich bildet ein solches Instrument, das durch die Pflicht der Mitgliedstaaten, in Vorlage zu treten und die Erfiil-
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lung der Anforderungen des Programms zu belegen, hohe Effektivität erhält. Die breite praktische Anwendung solcher Zuweisungen würde eine Reform des Systems der Eigenmittel der Gemeinschaft voraussetzen. Im Übrigen sind solche Instrumente wegen ihres nicht-zwingenden Charakters nur dort einsetzbar, wo auf eine einheitliche Umsetzung in allen Mitgliedstaaten verzichtet werden kann.
5. Umweltrecht als Innenrecht des Staates Ein bedeutsamer Unterschied für die Regelungsgewalt der oberen Ebene in den beiden untersuchten Systemen ergibt sich aus dem umfangreichen Landbesitz des Bundes in den Vereinigten Staaten. Damit verfügt der Bund in den USA über Möglichkeiten zur Bestimmung über die Art und Weise und Intensität der Nutzung natürlicher Ressourcen, die die Regulierung gliedstaatlichen und privaten Verhaltens nicht gestattet. Insbesondere der Bereich des raumbezogenen Naturschutzrechts ist daher stark von Vorschriften geprägt, die lediglich das Verhalten von Bundesbehörden regeln. Die Verpflichtung zur Durchführung sowohl einer allgemeinen Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem National Environmental Policy Act (NEPA) als auch spezieller Umweltverträglichkeitsprüfungen wie z.B. nach § 6 des Endangered Species Act (ESA) hat einen großen Teil ihres Anwendungsbereichs bei Erschließungsprojekten auf bundeseigenem Land. Die EG arbeitet im raumbezogenen Naturschutzrecht vor allem mit Richtlinien wie der FFH-Richtlinie 92/43, bei deren Vollzug die Nachlässigkeit der Mitgliedstaaten bisher ein erhebliches Hindernis bildet, erkennbar an einer Vielzahl von Vertragsverletzungsverfahren hierzu vor dem EuGH. Im Übrigen enthält das Gemeinschaftsrecht allgemeine Regelungen wie die UVP-Richtlinie 85/337.
6. Völkerrechtliche Vereinbarungen Ein weiterer Unterschied zeigt sich im Bereich völkerrechtlicher Abkommen. In den USA verfUgt der Bund hier im Rahmen der treaty power über umfassende Regelungsgewalt. In Bereichen, in denen ein hinreichender Bezug zum zwischenstaatlichen Handel fehlt und auch keine andere Bundeskompetenz eingreift und die daher nach dem Zehnten Verfassungszusatz den Gliedstaaten vorbehalten sind, kann der Bund nach Missouri v. Holland über den "Umweg" der Umsetzung völkerrechtlicher Vereinbarungen Gesetze erlassen. Dies bietet eine Möglichkeit, Einschränkungen nach Lopez im Bereich handelsferner Naturschutzregelungen (z.B. Zugvögelschutz) zu umgehen.
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Die EG verfügt über keine selbständige und umfassende Kompetenz im internationalen Bereich. Art. 133 EG gewährt nur eine Zuständigkeit im Bereich von Zoll- und Handelsabkommen. An den Kompetenzen zum Abschluss völkerrechtlicher Verträge, mit denen sich die Mitgliedstaaten der EG einen wesentlichen Teil ihrer Souveränität vorbehalten haben, zeigt sich deutlich die Eigenart der EG als supranationale Gemeinschaft, deren Struktur zwischen foderalen Systemen im weiteren (Konf6derationen) und im engeren Sinne (Bundesstaaten) angesiedelt ist.
11. Bewertung innerer Grenzen der Befugnisse der oberen Ebene 1. Bedeutung innerer Grenzen Verfassungsrechtliche Angelpunkte der Befugnisse des Bundes und ihrer Grenzen im Verhältnis zu den Gliedstaaten in den USA sind die Suprernacy Clause, die doctrine of enumerated powers und der Zehnte Verfassungszusatz. Die Suprernacy Clause sichert den Vorrang des Bundesrechts, der Zehnte Verfassungszusatz enthält das Abwehrrecht der Gliedstaaten gegen den Bund, wo dieser angesichts des Enumerationsprinzips über keine Befugnisse verfUgt. Die Entsprechung der Suprernacy Clause in der EG, die Lehre vom Vorrang des Gemeinschaftsrechts, ist nicht im Text des EG-Vertrages verankert, . sondern wurde erst durch die Rechtsprechung des EuGH herausgearbeitet, allerdings bereits frühzeitig. Wenn die Gemeinschaft über keine Kompetenz verfUgt, können sich die Mitgliedstaaten unmittelbar auf das Prinzip der begrenzten Einzelerrnächtigung berufen, das anders als sein Gegenstück in den USA ausdrücklich in Art. 5 EG niedergelegt ist, und so kompetenzwidriges Gemeinschaftsrecht zu Fall bringen. Der Vorrang des Rechts der oberen Ebene und der dadurch begründete Machtüberhang dieser Ebene verweist auf die Bedeutung innerer Grenzen. In beiden Systemen wurde bzw. wird als in anderes Gegengewicht des Vorrangprinzips außerdem diskutiert, ob Legislativen oder Judikativen auf der unteren Ebene Recht der oberen Ebene fiir nichtig erklären können, was jedoch von der Rechtsprechung des Gesamtsystems in beiden Systemen (Supreme Court bzw. EuGH) zu Recht wegen seiner desintegrativen Funktion verneint wird.
2. Praktische Wirksamkeit innerer Grenzen Rechtstechnisch bildet die Annahme einer Bundes- oder Gemeinschaftskompetenz nach dem Enumerationsprinzip bzw. dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung eine Ausnahme. Für die Praxis bedarf dieser Befund nach
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Durchsicht der inneren Grenzen der Kompetenzen jedoch der Differenzierung, die an der Struktur der Kompetenzbestimmungen und ihrer Auslegung festzumachen ist. Die Weite der für das Umweltrecht wesentlichen Bundeskompetenzen in den USA ergibt sich für die Commerce Clause aus der historisch entwickelten weiten Fassung des Bezuges zum zwischenstaatlichen Handel. Über mehrere Stufen wurde die Commerce Clause in der Rechtsprechung des Supreme Court zu einer umfassenden, weitgehend sachgebietsunabhängigen Befugnis aus geweitet. s84 Die Bestimmung hat erst mit der Ausweitung der Bundesgesetzgebung zwischen den ersten wirtschaftsregulierenden Gesetzen am Ende des neunzehnten Jahrhunderts und der New Deal-Gesetzgebung und den Gesetzen zur Aufhebung der Rassendiskriminierung um die Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts den generalklauselartig-weiten Anwendungsbereich erfahren, der die Grundlage ihrer heutigen Bedeutung ist. Allerdings war dies - damals noch ohne praktische Folgen - bereits in der frühen Rechtsprechung des Supreme Court angelegt. Dass sich daraus auch nach Lopez kaum wirksame innere Grenzen entnehmen lassen, wurde bereits dargestellt. Vergleichbares gilt für die Spending Clause, die durch die Abkopplung von Sachkompetenzen auf der einen und die Aufhebung Beschränkung auf Verwendungsbedingungen auf der anderen Seite in der New Deal-Rechtsprechung keine wirksamen inneren Grenzen erkennen lässt. Die Mehrzahl der Kompetenzbestimmungen des EG-Vertrages weist eine fmale Struktur auf. Diese Bestimmungen nehmen auf eine Zielvorgabe im Vertrag Bezug und ermächtigen sodann zu Rechtsakten einer bestimmten Form oder allgemein zu Maßnahmen zur Verwirklichung der genannten Ziele. Dies gilt (ähnlich wie in anderen Sachbereichen) auch für die die Kompetenz des Art. 175 EG, der unter Bezugnahme auf die Ziele des Art. 174 EG und ohne weitere Eingrenzung eine Kompetenz zu deren Verwirklichung gewährt. Damit sind alle Sachverhalte erfasst, die Bedeutung für die natürliche Umwelt haben. Gleiches gilt für die zentrale Binnenmarktkompetenz des Art. 95 EG, der auf die Errichtung und das Funktionieren des in Art. 14 Abs. 2 EG näher beschriebenen Binnenmarktes Bezug nimmt. Ausgespart sind lediglich binnenmarktneutrale und binnenrnarktbehindemde Bestimmungen. Flankierend hierzu ist der - allerdings eher historisch bedeutsame - Art. 308 EG zu nennen. Die finale Struktur der Kompetenznormen legt eine weite Auslegung nahe, wie sie auch die Gemeinschaftsorgane vornehmen. Die Beschreibung der sachlichen 584 Dwyer, Practice of Federalism, 1190, stellt nach Durchsicht der Entscheidungen zur Commerce Clause und zur Spending Clause über die Reichweite der Bundeskompetenzen fest: ,,[G]iven the weIl established breadth of Commerce Clause doctrine and given that most federal environmental regulation addresses private commercial activity directly, the Court's impact on environmentallaw will be at the far margins of federalism."
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Reichweite der Kompetenz über eine Zielbestimmung zwingt zudem zur Einräumung deutlicher Spielräume fiir die Gesetzgebungsorgane der Gemeinschaft, da es sich bei der Beurteilung der Eignung einer Maßnahme zur Zielerreichung um eine Prognoseentscheidung handelt. Fraglich ist, ob die Kompetenzbestimmungen des EG-Vertrages in der Auslegung des EuGH mit einer "dynamischen Komponente" versehen sind, die eine Verschiebung der inneren Grenzen der Kompetenzen der Gemeinschaft im Zuge eines weiteren Ausbaus des Gemeinschaftsrechts ermöglicht. 585 Richtig ist daran, dass die Gemeinschaft auch solche Sachbereiche regeln kann, an deren EG-rechtliche Regelung bei der Gestaltung des EG-Vertrages noch nicht gedacht wurde. Darin kommt die notwendig abstrakte Fassung von Kompetenzbestimmungen in einem Verfassungsdokument zum Ausdruck. Neu entstehende Regelungsaufgaben sind ebenso in bestehende Kompetenzstrukturen einzuordnen wie Aufgaben, die erst aufgrund veränderter Sachverhalte oder aufgrund erweiterter Regelungen der Gemeinschaft in anderen Sachbereichen zum Gegenstand des Gemeinschaftsrechts gemacht werden. Dieses Prinzip einer offenen Interpretation zeigt anschaulich die Auslegungsgeschichte der US-Verfassung. Im Ergebnis sind die Kompetenzen, die die Verfassung bzw. der Vertrag der jeweils oberen Ebene zuweist, weder auf einen räumlich engen Sachbereich bezogen noch sind sie deutlich begrenzt. Wo die jeweils obere Ebene über eine Kompetenz verfUgt, steht es ihr zudem frei, die Rechtssetzung der unteren Ebene durch umfassende Regelungen vollständig zu verdrängen.
3. Die Rolle der Rechtsprechung im Integrationsprozess Die Rechtsprechung des Supreme Court und des EuGH machen die Funktion der Verfassungsgerichtsbarkeit fiir die Steuerung der Befugnisse der oberen Ebene deutlich. Dass dieses Regulativ nicht allein rechtlich verstanden werden kann, zeigen anschaulich die Kehrtwendungen in der Rechtsprechung des Supreme Court, dessen "Wende" von 1937 zur Gesetzgebung des New Deal 585 Jarass entnimmt dies aus der Inbezugnahme des jeweils "gegenwärtigen Entwicklungsstands des Gemeinschaftsrechts" bei der Bestimmung von Kompetenzgrenzen. Jarass, Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaft, 16 f. unter Verweis u.a. auf EuGH, Urt. v. 21. 9. 1983, Rs. 205/82 (Deutsche Milchkontor GmbH), Slg. 1983,2633, Rn. 25. Bei seiner Prüfung nimmt der EuGH häufig Bezug auf den "gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts". So konnte z.B. dem Mitgliedstaat Frankreich in der Rechtssache Wurmser nicht vorgehalten werden, er könne statt des ihm vorgeworfenen handelsbeschränkenden Verhaltens eine gleichartige strafrechtliche Verfolgung von inländischen Unternehmen und Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten vorsehen, da eine Vollstreckung von Strafurteilen in anderen Mitgliedstaaten nicht möglich war und ist (EuGH, Urt. v. 11. 5. 1989, Rs. 25/88 (Wunnser), Slg. 1989, 1105, Rn. 15).
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sich mit rein rechtlichen Gründen nicht erklären lässt. Auch die politische Signalwirkung der Wendungen von National League 01 eities über Garcia zu New York ist ohne Bezug zu äußeren Rahrnenbedingungen und individuellen Ansichten der beteiligten Richter nicht himeichend verständlich. Für einzelne Phasen in der Rechtsprechung zum Verhältnis der beiden foderalen Ebenen sind bestimmte Ausrichtungen in dem jeweiligen Gericht ausmachbar. In der Rechtsprechung des Supreme Court lassen sich verschiedene Phasen unterscheiden, deren Ausrichtung neben der Verbindung zur politischen und wirtschaftlichen Situation der USA eng an die Auffassungen der auf Lebenszeit bestimmten Richter im Supreme Court geknüpft ist. Dabei überwiegen in der Gesamtschau die "bundesfreundlichen" Phasen, die zu einer starken und in ihrer Substanz nicht mehr revidierbaren interpretatorischen Ausweitung der Bundeskompetenzen geruhrt haben. Die wahrscheinlich fiir das Bund-Staaten-Verhältnis bedeutsamste Phase bundes freundlicher Rechtsprechung sind die ersten Jahrzehnte unter Chief Justice Marshall, deren Entscheidungen ihre volle Wirkkraft erst unter den wirtschaftlichen Rahrnenbedingungen des zwanzigsten Jahrhunderts entfaltet haben. Der EuGH weist im Vergleich dazu eine Rechtsprechungsgeschichte von weniger als fiinf Jahrzehnten auf, die von einer beinahe durchgehend "gemeinschaftsfreundlichen" Rechtsprechung geprägt ist. Schließlich hat der EuGH bisher erst zweimal einen "echten" Kompetenzverstoß (eine kompetenzlose Regelung S86) des Gemeinschaftsgesetzgebers gerügt. Dies ist von zentraler Bedeutung, da dem EuGH das Letztentscheidungsrecht über diese Frage zukormnt. Im Vergleich zeigt sich zum einen der Gegensatz zwischen der nach wie vor "gemeinschaftsfreundlichen" Rechtsprechung des EuGH und der in foderalen Fragen gegenüber dem Bund kritischen und eingrenzenden Rechtsprechung des Supreme Court unter Chief Justice Rehnquist. Der Vergleich mit den USA stärkt die These, dass die Tendenz des EuGH auf die mangelnde Konsolidierung des Rechtssystems der Europäischen Gemeinschaft und eine Gegenbewegung gegen einen faktischen Machtüberhang auf Seiten der mitgliedstaatlichen Regierungen zuruckzuruhren ist. Zum anderen kann der Rückblick in die Rechtsprechungsgeschichte des Supreme Court und dessen spätere Entwicklung den Kritikern der gemeinschaftsfreundlichen Tendenz des EuGH Hoffnung auf eine Abschwächung dieser Tendenz mit der Verfestigung und Vertiefung der europäischen Integration geben. Ein Anzeichen rur ein "Erwachsen586 EuGH, Urt. v. 9. 7. 1987, Rs. 281,283,284,285 und 287/85 (Deutschland / Kommission) - Wanderungspolitik, Slg. 1987,3203, Rn. 34 f., sowie EuGH, Urt. v. 5. 10. 2000, Rs. 376/98 (Deutschland / Parlament und Rat) - Tabakwerbeverbot, Slg. 2000, 18419; in Abgrenzung zu auf ein unzutreffende Kompetenz gestützten Regelungen, die mehrfach beanstandet wurden.
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werden" des EUGH (und damit des Systems der Gemeinschaft) mag die Entscheidung Tabakwerbeverbot sein. 587 Im Ergebnis wird deutlich, dass auch die Verfassungsgerichte, die letztlich über die Befugnisse der oberen Ebene in einem föderalen System zu entscheiden haben, auch eine politische Funktion ausüben, die umso weniger unterschätzt werden sollte, als sie sich hinter rechtlichen Argumentationen in den Urteilsbegründungen verbirgt. Die Nennung des jeweiligen Verfassers der Urteilsbegründung in den Urteilen des Supreme Court, der Abdruck von abweichenden Begründungen und Minderansichten und deren genaue Aufgliederung nach einzelnen Richtern sind von Vorteil, weil sie diese politischen Mechanismen transparenter machen.
III. Formen äußerer Grenzziehungen 1. Strukturelle Grenzen a) Politische Schutzmechanismen Der Untersuchung von Bestimmungen, die die Kompetenzausübung durch den Bund bzw. die Gemeinschaft beschränken, geht die Frage voran, ob rechtliche Grenzziehungen nicht wegen funktionstüchtiger politischer Schutzmechanismen verzichtbar sind bzw. ob die Grenzziehung nicht den politischen Kräften überlassen werden sollte. Eine nach wie vor bedeutende, wenn auch nicht herrschende Meinung in den USA hält den politischen Entscheidungsfindungsprozess rur ein himeichendes Instrument zum Schutz gliedstaatlicher Regelungegewalt und zur Herstellung eines föderalen Gleichgewichts. Nach der nach wie vor nicht verworfenen Entscheidung Garcia verwendet der Supreme Court diese Haltung ebenfalls als Ausgangspunkt seiner Überlegungen. Insofern sind andere, rechtssatzförrnige und gerichtlich durchsetzbare Schranken, die der Supreme Court mittlerweile für erforderlich hält, dogmatisch als Ergänzungen für die Fälle zu verstehen, in denen der politische Entscheidungsfindungsprozess wegen mangelnder Berücksichtigung gliedstaatlicher Interessen nicht funktionstüchtig ist. In der EG sind diese Schutzmechanismen durch die dominierende Rolle der im Rat vertretenen Regierungen der Mitgliedstaaten bei der Rechtssetzung zweifellos vorhanden und funktionstüchtig. Dennoch ist die Klagebefugnis der 587 V gl. die positive Resonanz auf das Urteil, z.B. Dirk Buschle, An den Grenzen des Gemeinschaftsrechts - Tabakwerbeverbot vor dem EuGH (Bundesrepublik Deutschland ./. Parlament und Rat), EuGH vom 5. Oktober 2000, C-376/98), ELR 2000, 383, 386; Bertrand Wägenbaur, Anmerkung, EuZW 2000, 701, 702.
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Mitgliedstaaten gegen die Gemeinschaft generell nie in Frage gestellt worden (Lediglich in dem ähnlich gelagerten Fall des Art. 95 Abs. 4 EG wurde eine Einschränkung des Rechtes der Mitgliedstaaten vertreten, sich nach vorheriger Zustimmung für die gemeinschaftliche Regelung im Rat auf die escape-Klausel zu berufen, jedoch zu Umecht.). Dieser Sachstand im Gemeinschaftsrecht mag auf eine stärkere Verrechtlichung des Gemeinschaftsrechts gegenüber dem Recht der USA zurückzufiihren sein. Die Nutzung der Klageinstrumente durch die Mitgliedstaaten in der Praxis spricht jedoch umgekehrt fUr eine gewisse Unabhängigkeit der Rechtssetzung auf Gemeinschaftsebene von den Vorstellungen einzelner Mitgliedstaaten - trotz Luxemburger Kompromiss und Kompromiss von Ioannina. Ob den Zielen eines föderalen Systems besser mit einem prozeduralen, durch den politischen Entscheidungsprozess gewährleisteten, oder einem "harten" materiellen Schutzmechanismus für die untere Ebene gedient ist, hängt davon ab, wie die Befugnisse zwischen den beiden Ebenen verteilt werden sollen und welche Ziele hinter der Idee des Föderalismus stehen. Prozedurale Schutzmechanismen sind "weich", bieten also keinerlei absoluten Schutz, sind jedoch gleichzeitig so flexibel, dass Regelungen, die zum gegebenen Zeitpunkt als legitim gelten, möglich sind und bei Funktionieren des Schutzmechanismus wesentliche Machtüberhänge auf der einen oder anderen Ebene vermieden werden. Föderalismus als Instrument der Bändigung staatlicher Gewalt muss daher diese Mechanismen stärken. Nicht umsonst wird die Diskussion um political safeguards eher in den USA gefiihrt. Prozedurale Schutzmechanismen sind insbesondere dann geeignet, wenn nicht apriori klar ist, in welchen Sachbereichen oder bei welchen Gesetzesvorhaben die untere Ebene geschützt werden soll. Materielle Schutzmechanismen, die einen absoluten Schutz bieten, sind umgekehrt gerade dann geeignet, wenn einer Ebene wichtige Bereiche vorbehalten werden sollen, z.B . bei Umweltfragen, die zur Vermeidung nachteiliger Extemalitäten in stromabwärts oder in Windrichtung gelegenen Staaten auf der oberen Ebene geregelt werden sollten, oder örtlichen Trägem öffentlicher Gewalt vorzubehaltende Regelungen der Flächennutzung. b) Einzelstaatliche Souveränität als Grenze Die verbleibende Souveränität der Mitgliedstaaten bildet in der EG nur im Rahmen des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung eine Schranke der Rechtssetzungsgewalt der Gemeinschaft. In Rechtsprechung und Literatur der USA findet sich hingegen immer wieder der Verweis auf die Souveränität der Gliedstaaten als Grenze der gesetzgeberischen Befugnisse des Bundes. Grundsätzlich geht auch in den USA die Souveränität der Gliedstaaten nur so weit, wie Kompetenzen nicht durch die Verfassung auf den Bund übertragen und, sofern es sich um konkurrierende Kompetenzen handelt, von diesem aus-
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geübt wurden. Der Zehnte Verfassungszusatz ist die Stelle in der Verfassung, an der zu bestimmen ist, · welche Elemente der Souveränität der Gliedstaaten diesen danach nicht gegen ihren Willen entzogen werden können. 5gg Souveränität meint insofern die Gesamtheit gliedstaatlicher Befugnisse zu einem gegebenen Zeitpunkt und hat einen veränderbaren Inhalt. 589 Mit seinen Entscheidungen zur Begrenzung der Rechtssetzungsgewalt des Bundes aus dem föderalen System der USA hat der Supreme Court seit 1990 eine neue Richtung vorgegeben. Das Gericht interpretiert nunmehr in den Zehnten Verfassungszusatz ausdrücklich die gliedstaatliche Souveränität als Element der vertikalen Gewaltenbalancierung und als materielle, justiziable Grenze hinein. Im Zehnten Verfassungszusatz treffen sich so die Linien der inneren und äußeren Grenzen der Gesetzgebung des Bundes, die beide den Schutz der Gliedstaaten als eigenständige Einheiten bezwecken, und verstärken das vom Supreme Court wiederbelebte Modell der "dual sovereignty". Jenseits spezifischer Bestimmungen, die die Gliedstaaten in bestimmten Beziehungen schützen (wie etwa die territoriale Bestandsgarantie in Art. IV § 3 der Verfassung), bietet die gliedstaatliche Souveränität allerdings kaum Anhaltspunkte fiir eine Grenzziehung zwischen den Regelungsbereichen des Bundes und der Staaten im Einzelfall. In Lopez findet sich der Schutz traditionell gliedstaatlicher Regelungsbereiche als Argument, der als selbständige Grenzsetzung noch in Garcia abgelehnt wurde und kein klares Abgrenzungskriterium bietet. Mittlerweile hat der Supreme Court in Seminole Tribe auch den Elften Verfassungszusatz als Grundlage ftir eine Schrankenziehung durch gliedstaatliche Souveränität herangezogen, indem er durch Bundesgesetz zuerkannte Klagebefugnisse als unzulässige Eingriffe in die souveräne Immunität (sovereign imrnunity) der Gliedstaaten ablehnt.
c) Subsidiaritätsprinzip Obwohl die EG im Vergleich zu den USA mit der Rolle des Rates als wichtigstem Gesetzgebungsorgan und den nach wie vor in vielen Bereichen des 588 Vgl. New York v. United States, 505 US. 144, 157 (1992): ,,[T]he Tenth Amendment confirms that the power ofthe Federal Govemment is subject to limits that may, in a given instance, reserve power to the States. The Tenth Amendment thus directs us to determine (... ) whether an incident of state sovereignty is protected by a limitation on an Article I power." 589 Vgl. A. Marice Ashe, The Low-Level Radioactive Waste Policy Act and the Tenth Amendment: A "Paragon of Legislative Success" or a Failure of Accountability? 20 Ecology L. Q. 267, 291 (1993): ,,[T]he Garcia court implied that if states desire to preserve any aspect of their sovereingty within the federal system, they must look to the national political process, and not the courts, for protection."
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EG-Vertrages enthaltenen Einstimrnigkeitserfordernissen für die Beschlussfassung im Rat über ungleich stärkere politische Schutzmechanismen gegen ein weites gesetzgeberisches Ausgreifen auf Gemeinschaftsebene verfügt, ist versucht worden, mit der Ausdehnung des Subsidiaritätserfordernisses von der Umweltpolitik der Gemeinschaft auf alle Politikbereiche einen rechtlichen Schutzmechanismus zu schaffen. Wegen seiner geringen Justiziabilität hat das Prinzip bisher jedoch vor allem politisch-plakative Bedeutung und zeigt dem entsprechend in der Praxis, insbesondere in der Rechtsprechung des EuGH, bisher wenig Wirkung. Demgegenüber gibt es in den Vereinigten Staaten so gut wie keine Ansätze, die Ausübung der Rechtssetzungsgewalt des Bundes auf die Bereiche zu beschränken, in denen die Staaten einem Regelungsbedarf nicht hinreichend Rechnung tragen können. Es gibt auch keine spezifischen Vorschriften hierzu im Umweltrecht. Dieser deutliche Kontrast wiegt umso schwerer in Anbetracht der Tatsache, dass das föderale System der USA (z.B. hinsichtlich der Commerce Clause, des Enumerationsprinzips, der implied powers) fiir die Europäische Gemeinschaft durchaus Vorbildcharakter hatte 590 und der Supreme Court seit Mitte der siebziger Jahre in mehreren Anläufen nach Grenzsetzungen für eine als zu weitreichend empfundene Gesetzgebung des Bundes gesucht hat. Ähnliche Wurzeln wie diese Bemühungen des Supreme Court hatte die Einführung des Subsidiaritätsprinzips in Art. 3 bEG. Subsidiarität könnte in den Vereinigten Staaten ein Weg sein, um in dem für die Bundesgesetzgebung zentralen Bereich der Commerce Clause den im Einzelfall einer Regelung durch den Bund zugänglichen Bereich ab- oder einzugrenzen,591 müsste allerdings praktisch handhabbar und justiziabel gemacht werden.
d) Beschränkung auf grenzüberschreitende Sachverhalte Der Kongress ist in seinen Rechtsakten nicht generell auf (binnen-) grenzüberschreitende Sachverhalte beschränkt, eine solche Beschränkung besteht jedoch für die Commerce Clause und schlägt daher auf das allgemeine, nicht auf die Spending Clause oder die Property Clause gestützte Umweltrecht durch. Die selbständige, von der Regelung des Binnenmarktes unabhängige Umweltkompetenz des Art. 175 EG enthält hingegen keine solche Einschrän590
Vgl. Bermann 403.
591 Vgl. Vause 72 f. Auch die offene Formulierung des Zehnten Verfassungszusatzes
ließe m.E. einen solchen Inhalt zu. Verfassungsänderungen als Instrument von Richtungsänderungen im politischen System sind in den Vereinigten Staaten jedoch kein Thema (vgl. hierzu Bermann 406).
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kung. Die Gemeinschaft ist, gerade angesichts der im EG-Vertrag angelegten eigenständigen Sachziele, zu denen auch der Umweltschutz nach Art. 6 EG gehört ("Umweltgemeinschaft"), auch nicht generell auf grenzüberschreitende Sachverhalte beschränkt. In der europarechtlichen Literatur wird teilweise versucht, eine ähnliche Eingrenzung auf grenzüberschreitende Sachverhalte, wie es der Commerce Clause entnommen wird, auf der Stufe der Beschränkungen der Kompetenzausübung aus dem Subsidiaritätsprinzip herzuleiten. 592 Eine solche generelle Grenze lässt sich dem Subsidiaritätsprinzip jedoch nicht entnehmen, vielmehr ist der zulässige Umfang der Kompetenzausübung von Fall zu Fall zu bestimmen. Sind die Voraussetzungen des zweistufigen Subsidiaritätstests des Art. 5 Abs. 2 EG erfiillt, so kann die Gemeinschaft auch nicht-grenzüberschreitende Umweltfragen regeln. Damit unterscheiden sich die Befugnisse der jeweils oberen Ebene hinsichtlich der inhaltlichen Reichweite durch die umfassende Befugnis der Rechtssetzungsorgane der EG im Umweltbereich im Gegensatz zur grenzüberschreitenden und "handelsakzessorischen" und damit lückenhaften Kompetenz des Kongresses.
2. Instrumentelle Grenzen Die instrumentellen Begrenzungen der oberen Ebene gehen in den beiden untersuchten Systemen in verschiedene Richtungen. Der Supreme Court hat sich in einer Reihe von Entscheidungen zum Zehnten Verfassungszusatz, die mit New York und Printz ihren vorläufigen Abschluss gefunden haben, auch damit beschäftigt und ist zu dem Schluss gekommen, dass die Verfassung der Vereinigten Staaten unbedingte Anweisungen des Bundes an die Gliedstaaten verbietet. Nach der Interpretation des Supreme Court in New York und Printz hindert der Zehnte Verfassungszusatz den Bund allerdings nicht daran, sich zur Regelung des zwischenstaatlichen Handels der Staaten als Mittler zur Gesetzgebung oder Verwaltung zu bedienen. Die Zusammenarbeit der Gliedstaaten muss jedoch freiwillig erfolgen. Begrenzt sind also lediglich die Methoden, deren sich der Gesetzgeber bedienen darf, um die Staaten zur Mitarbeit zu bewegen. Grundlage hierfur ist der Gedanke getrennter und transparenter politischer Verantwortung in New York sowie der Gedanke eines dualen Systems getrennter staatlicher Einheiten von Bund und Gliedstaaten in Printz. Damit ist der Bund auf die Schaffung fmanzieller und/oder regulatorischer Anreize beschränkt, die - entsprechend dem System von New York und Printz - nicht so ausgestaltet sein dürfen, dass ihnen faktisch Zwangscharakter zukommt. Ein zu 592 Vgl. z.B. Matthias Pechstein, EG-Umweltrechtskompetenzen und nationale Alleingänge beim Umweltschutz, JURA 1996, 176.
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Ende gedachtes duales System würde allerdings jegliche Verschränkungen der beiden Ebenen verbieten und damit erhebliche Änderungen im derzeit in vielen Bereichen des Umweltrechts praktizierten kooperativen Föderalismus, der die Staatsorgane in Bund und Gliedstaaten als wechselseitig ergänzende Teile des Staatsaufbaus betrachtet, erfordern. Im Bereich von Bundesregelungen mit unmittelbarer Wirkung für den Bürger oder die Staaten als Regelungsunterworfene - auch in traditionell den Gliedstaaten vorbehaltenen Regelungsbereichen und bei Sperrwirkung für gliedstaatliches Recht - greift dieses Verbot nicht. Wie bei Anreizregelungen sind die Gliedstaaten hier zur Wahrung ihrer Befugnisse auf die politischen Entscheidungsprozesse im Bund verwiesen. Der EG-Vertrag enthält keine entsprechende Beschränkung, sondern sieht vielmehr in Art. 249 Abs. 3 EG die Anordnung an die Mitgliedstaaten, eine Regelung mit einem bestimmten Inhalt zu erlassen, als Regelfall (neben der unmittelbar geltenden Verordnung) vor. Richtlinien gelten als notwendig, um eine Einpassung in das bestehende, unterschiedliche Recht der Mitgliedstaaten zu ermöglichen. Die Richtlinie, die den Mitgliedstaaten in der Praxis nicht nur Ziele, sondern komplette Regelungsgefiige vorgibt, ist das wichtigste Rechtssetzungsinstrurnent, wobei einzelne Richtlinien allerdings einen vergleichsweise geringen Umfang haben und einen dem entsprechend geringen Regelungsbereich abdecken. Das Instrumentarium eigenständiger Verwaltung ist der Gemeinschaft auch bei Verordnungen, Gesetzen der oberen Ebene mit unmittelbarer Wirkung, versagt. Die Gemeinschaft ist nicht ein duales System voneinander getrennter Ebenen, sondern als kooperatives System staatlicher Einheiten mit einer darüber gelagerten supranationalen Ebene konzipiert, deren Regelungen über die mitgliedstaatliche Ebene verwirklicht und verwaltet werden. Das Prinzip aus New York verbietet in den USA somit strikt eine Regelungsform, die nicht nur die zentrale Regelungsform des Gemeinschaftsgesetzgebers ist, sondern auch als für die Mitgliedstaaten weniger belastend als Vollregelungen der Gemeinschaft (Verordnungen) gilt. Das aus dem Prinzip des dualen Föderalismus mit getrennten Verantwortungssträngen entnommene Verbot von unbedingten Anweisungen des Bundes an Gesetzgebung und Verwaltung der Gliedstaaten lässt sich schließlich mit dem Prinzip der Subsidiarität in der EG nicht in Deckung bringen. Subsidiarität schützt generell die eigenständige Rechtssetzung der unteren Ebene, nicht die Selbstbestimmung der unteren Ebene über politische Inhalte, und begründet auch nicht die Unantastbarkeit bestimmter Sachbereiche wie die (mittlerweile verworfene) Entscheidung des Supreme Court in National League 01 Cities, sondern enthält eine am Maßstab der Angemessenheit einer Regelung auf Gemeinschaftsebene orientierte Beschränkung in allen Sachbereichen.
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Die Forderung nach klar voneinander unterscheidbaren Verantwortungszusarnrnenhängen sollte jedoch grundsätzlich auch an die Rechtssetzung der EG gestellt werden. Je mehr sich die Verantwortung für europäische Regelungen zur eigenständigen Volksvertretung auf europäischer Ebene, dem EP, verlagert, desto mehr sollte die Verantwortung für Regelungen auf der jeweiligen Ebene transparent gemacht und voneinander getrennt werden. Die Erfahrung mit unmittelbar anwendbaren Richtlinien sowie mit Richtlinien, die nur durch "Umgießen" in nationale Regelungen umgesetzt werden, sowie die Pläne für ein "Gemeinschaftsgesetz" bestätigen, dass eine Änderung zugunsten unmittelbar wirksamer Gemeinschaftsregelungen nicht vor unlösbare Probleme bei der Einpassung in die mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen stellt. Schließlich spricht auch die Vermeidung des für die Umsetzung erforderlichen Zeitraums und der Schwächen unzureichender Umsetzungen für ein unmittelbareres Gemeinschaftsrecht. Gegenwärtig sind solche Pläne allerdings nicht mehrheitsfähig.
3. Inhaltliche Grenzen Anders als die Verfassung der Vereinigten Staaten verpflichtet der EGVertrag die Gemeinschaft in vielschichtiger Weise, wenn auch großenteils mit rein politischer Wirkung, auf wirksame und politikübergreifende Umweltschutzmaßnahmen. Eine inhaltliche Ausrichtung auf den Umweltschutz fehlt der US-Verfassung völlig. Hinsichtlich der Sicherung des zwischenstaatlichen Freihandels ist der Bundesgesetzgeber in den USA ebenfalls nicht gebunden, sondern kann selbst handelsbeschränkende Regelungen erlassen. Lediglich im besonders "binnenhandelsfeindlichen" Bereich der Zölle und zollgleichen Abgaben gilt ein absolutes Verbot der Belastung des zwischenstaatlichen Handels auch für den Bund. Eine Kontrolle weitreichender Umweltschutzvorschriften des Bundes am Maßstab ihrer Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel findet daher in den USA ausschließlich auf politischer Ebene statt. Dies .mag teilweise die Versuche erklären, auf anderen Wegen (insbesondere auf der Grundlage des Zehnten Verfassungszusatzes) gegen Umweltgesetze des Bundes vorzugehen. Die Rechtssetzung der EG ist, ähnlich wie bei Art. 95 EG an die Förderung des Binnenmarktes, im Umweltbereich bei Maßnahmen nach Art. 175 EG sowie bei anderen Maßnahmen über Art. 6 EG an die umweltbezogenen Ziele und Prinzipien des Art. 174 EG gebunden. Daneben gelten für die Rechtssetzungsorgane der Gemeinschaft grundsätzlich dieselben Schranken wie für die Mitgliedstaaten. Für das Umweltrecht sind dies insbesondere die Regelungen über die Warenverkehrsfreiheit nach Art. 28 ff. EG. Selbst Umweltgesetze der Gemeinschaft auf der Grundlage des Art. 175 EG sind also dann unzulässig, wenn sie mit unverhältnismäßigen Einschränkungen des Binnenmarktes ver24"
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bunden sind. Ein gerichtliches Eingreifen wäre hier jedoch allenfalls in Extremfallen möglich, in denen der Ennessensspielraum des Gemeinschaftsgesetzgebers eindeutig überschritten wäre. Angesichts der nach wie vor starken politischen Kontrollmechanismen in der Gemeinschaft ist ein solcher Fall in der Praxis nicht zu erwarten.
IV. Einfaches Umweltrecht im gegenwärtigen föderalen Gefüge 1. Rechtsformen a) Umfassende Gesetze oder einzelne Richtlinien
Ein wesentlicher Unterschied besteht zwischen den umfassenden Regelungssystemen des Umweltrecht des Bundes in den USA und den vielfach nur "punktuell" zu nennenden Regelungen des EG-Umweltrechts. Letzteres enthält zwar auch Teilbereiche umfassende Regelungsprogramme, etwa in den bereichsspezifischen Rahmenrichtlinien z.B. des anlagenbezogenen Immissionsschutzrechts, des Wasserrechts oder des Gefahrstoffrechts, deren Reglungsumfang ist jedoch im Vergleich zu umfassenden Regelungswerkes des USUmweltrechts eher beschränkt; außerdem fehlt es vielfach an Ausführungsrichtlinien, die diese Regelungsprogramme umsetzen. Unterschiedlich ist die Reichweite des Umweltrechts der Zentralebene in den verglichenen Systemen. Der Kongress hat in den Jahren seit 1970 verschiedene Bereiche des Umweltrechts mit umfassenden Regelungen vollständig abgedeckt. Die großen UmweItgesetze des Bundes in den Vereinigten Staaten enthalten umfassende Regelungen des jeweiligen Sachbereichs, insbesondere der Clean Air Act fiir das Luftreinhalterecht, der Clean Water Act fiir das Gewässerschutzrecht und der Resource Conservation and Recovery Act fiir das Kreislaufwirtschafts- und Abfallrecht. Die zahlenmäßige Mehrzahl der umweltrechtlichen Regelungen in den USA ist zwar dem gliedstaatlichen Recht zuzuordnen, die Initialzündung fiir das Umweltrecht in den USA lag allerdings beim Bund. Dieser sorgt nach wie vor fiir einheitliche bundesweite Minimalstandards. Eine Vielzahl gliedstaatlicher Umweltgesetze sind zudem die Folge von Anreizen des Bundes und implementieren lediglich dessen Vorgaben. In der gegenwärtigen Situation ist die Verwaltung von Bundesrecht durch die Gliedstaaten unverziehtbar. Nur wenige Gliedstaaten tun sich dabei im Einführen und Ausprobieren neuer Regelungen und Regelungstechniken hervor. Solche umfassenden Regelungen existieren im EG-Recht nicht. Viele Regelungen sind hier eher punktueller Natur. In einigen Bereichen existieren zwar sog. Rahmenrichtlinien, die einen weiten Sachbereich abdecken, selbst je-
§ 9 Vergleich der Befugnisse der oberen fOderalen Ebenen
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doch nur weitgefasste Grundsätze, Prinzipien und Regelungsprogramme enthalten. Die zu ihrer Ausfiillung und Konkretisierung ergangenen Einzelrichtlinien erfassen häufig nur räumlich stark begrenzte Bereiche. Von umfassenden Regelungen ganzer Sachbereiche kann kaum die Rede sein, die vorhandenen Regelungen erreichen nie den Abdeckungsgrad der entsprechenden Regelungen in den USA. Allenfalls im Abfall- und Gewässerschutzbereich liegen relativ weitgehende Regelungen für größere Sachbereiche vor, was auf die Aspekte grenzüberschreitender Gewässerverschmutzung und grenzüberschreitender Abfallentsorgung zurückführbar ist. Vielfach beschränkt sich die Gemeinschaft nach wie vor auf besonders drängende Probleme, die sich zudem häufig durch ihren Bezug zum freien Warenverkehr auszeichnen. Sie ist jedoch nicht darauf beschränkt, erkennbar z.B. an den Regelungen im Naturschutzbereich oder an der Wasserrahrnenrichtlinie 2000/60 und der Trinkwasserrichtlinie 80/778, deren einheitliche Regelungen für typischerweise lokale Problemlagen entsprechend hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit dem Subsidiaritätsprinzip kritisiert werden. 593
b) Unmittelbare Regelung oder Mehr-Ebenen-Modell
Verordnungen mit unmittelbarer Wirkung sind im Umweltrecht der EU eine große Ausnahme, angewandt vor allem im Randbereich der Umsetzung internationaler Vereinbarungen. Im Übrigen bedient sich die Gemeinschaft mehr oder weniger detaillierter Richtlinien, die Regelungsbefehle an die Mitgliedstaaten enthalten. In den USA ist der Erlass von Umweltrecht mit unmittelbarer Wirkung gegenüber dem Bürger durch den Bund als Regelfall der Verfassung vorgesehen. Auch in den Umweltgesetzen des Bundes gibt es solche Regelungen. Sie haben jedoch gegenüber dem praktischen Regelfall einer Delegation von Implementation und Verwaltung an die Gliedstaaten aufgrund von fmanziellen und regulatorischen Anreizen in vielen Bereichen lediglich Auffangfunktion. Lässt man den wichtigen Bereich der Regelung bundeseigener Ressourcen außer Acht, so schmilzt in der Praxis der Unterschied im instrumentellen Bereich stark zusammen.
593 Vgl. Epiney, Umweltrecht in der EU, 235 m.w.N., die allerdings den Ansatz der Trinkwasserrichtlinie wegen der Untätigkeit der Mitgliedstaaten letztlich fiir sinnvoll hält.
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Teil 2: Handlungsspielräume der Gemeinschaftsebene in der EG
2. Probleme der Rechtsdurchsetzung a) Allgemeine Unterschiede
Ein wichtiges Element des Mehr-Ebenen-Modells ist die Kontrolle der oberen Ebene über die Implementation und Rechtsanwendung der unteren Ebene. Findet eine solche Kontrolle nicht statt, so treten die Regelungsvorgaben der oberen Ebene in den Hintergrund, Art und Umfang der tatsächlich wirksamen Regelungen ist den Einzelstaaten überlassen. Im umgekehrten Fall einer starken oberen Ebene kann diese hingegen durch weitreichende Vorgaben die untere Ebene in eine reine Vollzugs ebene verwandeln. b) Mangelnde administrative Ressourcen
Im Vergleich zur in der EG zuständigen Kommission verfUgt die Environmental Protection Agency (EPA), insbesondere mit Selbsteintritts- und Sanktionsbefugnissen, über deutlich stärkere Rechte. Gleichwohl bestehen erhebliche Vollzugsdeflzite und erhebliche Vollzugsdifferenzen bei den Gesetzen, die dem kooperativen Modell folgen, was ganz wesentlich auf die Stagnation der Ressourcenausstattung der EP A trotz ständig steigender Aufgaben zurückzuführen ist. Die mangelnden Kapazitäten des zuständigen Kontrollorgans sind ein zentrales Hindernis beim Vollzug von Programmen der oberen Ebene durch die untere Ebene, das in den USA und der EU gleichermaßen deutlich ist. Die bloße Erweiterung der Rechte der Europäischen Kommission durch weite Auslegung der VerträgeS94 oder deren Änderungen vermag daher alleine noch keine Abhilfe zu schaffen. Schließlich unterliegt die Anstrengung von Durchsetzungsmaßnabrnen durch die Kommission stärker als bei der EP A stets politischen Beschränkungen, Rücksichtnahmen und Austauschverhältnissen zwischen den betroffenen Mitgliedstaaten. Die Europäische Umweltagentur (EUA) lässt sich derzeit nur in Randbereichen oder de lege ferenda mit der EP A vergleichen. Die EUA ist bisher auf die Sammlung, Auswertung und Weitergabe von Informationen über umweltbezogene Maßnahmen der Gemeinschaft beschränkt. Anders als die EP A ist sie nicht an der Gesetzgebung und der untergesetzlichen Rechtssetzung beteiligt und verfügt auch auf der Verwaltungsseite weder über Ermittlungs- noch Durchsetzungskompetenzen jeglicher Art. Eine Ausweitung der Befugnisse von Gemeinscbaftsbehörden ist unwahrscheinlich, weil die politischen Kontrollmechanismen in der EU recht gut funktionieren und die Mitgliedstaaten derzeit einer signiflkanten Beschränkung ihrer Souveränität im Bereich der 594
Vg1. Klösters, insbes. 86 ff.
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Durchsetzung des gemeinschaftlichen Umweltrechts kaum zustimmen werden. Die Bündelung von Informations- und Kontrollaufgaben in einer besser ausgestatteten EUA wäre jedoch ein sinnvolles Instrument zur Verbesserung der Vollzugskontrolle. S9S
c) Klagebefugnis, insbesondere Bürger- und Verbandsklagen Sowohl in der Europäischen Gemeinschaft als auch in den Vereinigten Staaten kann das Umweltrecht der Gemeinschaft bzw. des Bundes klageweise durch die Organe des Bundes bzw. der Gemeinschaft durchgesetzt werden. Klagen einzelner Bürger gegen Mitgliedstaaten wegen mangelhafter Implementation oder Durchsetzung gemeinschaftlichen Umweltrechts sieht der EGVertrag nicht vor. Im Umweltrecht der USA bildet das Instrument der citizen suits, die Einrichtung individueller Klagebefugnisse, einen Hebel für die Durchsetzung des Umweltrechts gegenüber Bundes- und gliedstaatlichen Behörden und Privaten. Die weite Fassung der für die Klagebefugnis erforderlichen individuellen Betroffenheit sichert grundsätzlich die EffIzienz des Instruments. Für Umweltgesetze, die sich auf die Commerce Clause stützen, kommen nach der neueren Rechtsprechung des Supreme Court bei Individualklagen gegen Gliedstaaten allerdings als Klagegegner bei fehlender Zustimmung des betroffenen Gliedstaates allenfalls unmittelbar die gliedstaatlichen Funktionsträger in Betracht. Der Vorschlag von Pfander, per Bundesgesetz für Individualklagen gegen Gliedstaaten gliedstaatliche Gerichte als Einstiegsinstanzen mit nachfolgender Rechtskontrolle durch den Supreme Court vorzusehen, nähert sich dem EG-rechtlichen System der Übereinanderlagerung von mitgliedstaatlichen Gerichten und EuGH an, ist jedoch mittlerweile ebenfalls versperrt. Der EG-Vertrag gibt weder ein Recht zu Bürgerklagen für die Umsetzung und Anwendung des Gemeinschaftsrechts, noch enthält er eine Nonn, die solche Klagerechte auf der Ebene des Sekundärrechts vorsieht. Bei der Durchsetzung des EG-Umweltrechts fehlt es demnach an von politischen Erwägungen und Kapazitätsbegrenzungen der Kommission freien Individualklägem. Schließlich bestehen bei mitgliedstaatlichen Bestimmungen in diesem Bereich erhebliche Unterschiede, so dass von einem einheitlich wirksamen Durchsetzungsinstrumentarium auf mitgliedstaatlicher Ebene nicht die Rede sein kann. S9S Anders Karl-Heinz Ladeur, Die Europäische Umweltagentur und die Perspektiven eines europäischen Netzwerks der Umweltverwaltungen, NuR 1997, 8, der anstelle einer Erweiterung der Befugnisse der EUA ein Netzwerk nationaler Umweltbehörden favorisiert. Mit einer solchen "koordinierten Selbstkontrolle" lässt sich jedoch eine einheitliche Kontrolle mitgliedstaatlicher Rechtsanwendung nicht gewährleisten.
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Teil 2: Handlungsspielräume der Gemeinschaftsebene in der EG
Klagen, mit denen die unmittelbare Anwendbarkeit europäischer Richtlinien im Umweltbereich, oder Sekundäransprüche wegen Verletzung mitgliedstaatlicher Verpflichtungen geltend gemacht werden, sind kaum ein breitenwirksames Instrument der Rechtsdurchsetzung, da sie von der Anerkennung subjektiver Rechte abhängig sind. Um einen Mitgliedstaat vor dem EuGH zum ordnungsgemäßen Vollzug objektiven gemeinschaftlichen Umweltrechts zu bewegen, ist der Bürger im Wesentlichen auf die Umweltbeschwerde zur Kommission verwiesen, einen indirekten, zeitaufwendigen und zudem kaum steuerbaren Weg. Die Verstärkung privater Klagerechte, insbesondere der Schaffung von Klagerechten für Umweltschutzverbände, wäre jedoch, wie das Beispiel USA zeigt, ein sinnvoller Weg zur Teil-,,Privatisierung" von Kontrollaufgaben und zu einer teilweisen Linderung des Vollzugsproblems in der EG. 596 Wie das Beispiel der weiten Definition berührter Interessen in den USA für einzelne Bürger und Interessengruppen zeigt,597 bedürfte es hierfür keiner Abkehr vom Prinzip der Klagebefugnis als Sachurteilsvoraussetzung, da auch die weiten umweltbezogenen Klagebefugnisse in den USA kein Recht zur Popularklage gewähren. 598
596 Dies ist ausweislich des Fünften Umweltaktionsprogramms erklärtes Ziel der Gemeinschaft. Vg1. auch Epiney, Umweltrecht in der EU, 287 m.w.N. zu den Erfahrungen mit Verbandsklagebefugnissen in der Schweiz. 597 Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, das die Nutzung von Umweltgütern, die sich nicht im Eigentum anderer Privater befinden, in Deutschland nicht schutzlos ist, sondern über - im Zweife1- über Art. 2 Abs. 1 GG lediglich schwach, als leicht grundsätzlich einschränkbares Abwehrrecht geschützt ist. Vg1. zum Schutz der Umwe1tnutzung (allerdings aus dem Blickwinkel einer wirtschaftlichen Ausnutzung) Winfried Kluth, Verfassungs- und abgabemechtliche Rahmenbedingungen der Ressourcenbewirtschaftung, NuR 1997, 105, 106 f. 598 Nach Ansicht von Krämer wären europäische Umweltorganisationen auf ihrem derzeitigen Entwicklungsstand allerdings (noch) nicht fahig, die Rolle von gerichtlich höchst aktiven Organisationen wie dem Sierra Club oder anderen in den USA wahrzunehmen. Krämer, EC Treaty and Environmental Law, 132.
Teil 3 Umweltrechtliche Handlungsspielräume der Gliedstaaten der USA § 10 Föderale Konflikte durch einzelstaatliches Umweltrecht Konflikte fiir ein eigenständiges Umweltrecht der unteren (gliedstaatlichen bzw. mitgliedstaatlichen) Ebene mit dem Recht des Obersystems in einem gemeinsamen Markt lassen sich in folgenden zwei Grundsituationen erfassen: Hat die obere Ebene (der Bund bzw. die Gemeinschaft) bisher in keiner Weise rege1nd in einen Sachbereich eingegriffen, so tritt kein Konflikt mit deren einfachem Recht bzw. Sekundärrecht auf. Konflikte können jedoch mit der Grundordnung des Gesamtsystems (der Verfassung bzw. dem EGV) auftreten, insbesondere wenn das Umweltrecht der unteren Ebene zu Beeinträchtigungen des Binnengrenzen überschreitenden Wirtschaftsverkehrs führt. Für die Lösung des Konfliktes wird zu untersuchen sein, welche Schranken die Grundordnung des Gesamtsystems einzelstaatlichen Regelung auferlegt und unter welchen Umständen sich besondere Interessen auf einzelstaatlicher Ebene in der Praxis gegen die Erfordernisse des Gesamtsystems durchzusetzen vermögen. Hat die obere Ebene in dem betreffenden Sachbereich bereits Regelungen erlassen, so stellt sich die Frage, ob und nach welchen materiellen und formellen Maßstäben die untere Ebene daneben noch eigenständige abweichende Regelungen treffen kann. Maßgeblich fiir die Lösung dieses Konfliktes ist vor allem das einfache Recht bzw. Sekundärrecht der oberen Ebene. Aus diesen zwei Situationen ergeben sich zwei Bereiche fiir die Prüfung der Grenzen, die die Einbindung in ein föderales System den Handlungsspielräumen der unteren Ebene setzt. Entsprechend gliedern sich die folgenden zwei Teile der Arbeit in eine Darstellung der Beschränkungen durch das einfache bzw. Sekundärrecht des Obersystems (unten § 12 bzw. § 15) sowie der Beschränkungen in nicht einfach-/sekundärrechtlich geregelten Bereichen (unten § 13 bzw. § 16). Dem ist jeweils ein kurzer Abriss zu der Frage vorangestellt, inwiefern auf der oberen Ebene Kompetenzen der unteren Ebene "eröffnet" werden (unten § 11 bzw. § 14).
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Teil 3: Handlungsspielräume der Gliedstaaten in den USA
§ 11 Kompetenzen der Gliedstaaten der USA In diesem Abschnitt wird nach der Bestimmung des Rangverhältnisses zwischen Bundes- und gliedstaatlichem Recht (unten 1.) zunächst der Bereich zu umreißen sein, den die Bundesverfassung den Gliedstaaten zuordnet (unten 11.). Anschließend sind die Bereiche auszugrenzen, die ausschließlichen Bundeskompetenzen vorbehalten sind (unten III.).
I. Geltungsvorrang des Bundesrechts Bundesrecht genießt Vorrang gegenüber dem Recht der Gliedstaaten, gliedstaatliches Recht, das mit Bundesrecht unvereinbar ist, ist unwirksam.1 Dies ergibt sich unmittelbar aus der Suprernacy Clause des Art. 6 S. 2 der Verfassung.
11. Die police power als Inbegriff der den Gliedstaaten verbliebenen Kompetenzen Die sog. police power bildet aus der Sicht der Bundesverfassung die Grundlage für die gliedstaatliche Umweltgesetzgebung. Dabei gewährt die Bundesverfassung den Gliedstaaten keinerlei Kompetenzen, sondern beschränkt diese lediglich. Gliedstaatliche Kompetenzen ergeben sich aus den Bestimmungen der gliedstaatlichen Verfassungen; die police power bezeichnet lediglich den Bereich, für den keinerlei Bundeskompetenzen bestehen und der im Zehnten Verfassungszusatz der Regelungsgewalt der Staaten vorbehalten ist. Der Begriff police power taucht im Verfassungstext an keiner Stelle auf, police power ist lediglich ein Sammelbegriff für die Zuständigkeitsbereiche der Gliedstaaten, deren Umfang sich nach dem Enumerationsprinzip der Verfassung im Urnkehrschluss aus den positiven Kompetenzzuweisungen an den Bund ergibt. Es ist demnach schwierig, den Gehalt des Begriffes und damit der "Restkompetenzen" der Gliedstaaten inhaltlich zu umreißen. 2 Bezeichnend ist die Beschreibung von Chief Justice Taney in den sog. License Cases, der eine inhaltliche F estlegung vermeidet:
1 ,,[11t has been settled that state law that eonfliets with federal law is ,without effeet' ." Maryland v. Louisiana, 451 U.S. 725, 746 (1981). 2 Vgl. Chief Justiee Waite 1880: ,,Many attempts have been made in this Court and elsewhere to define the police power, but never with entire success. It is always easier to determine whether a particular case comes within the general scope of the power, than to give an abstract definition ofthe power itselfwhich will be in all respects accurate".
§ 11 Kompetenzen der Gliedstaaten der USA
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"nothing more or less than the powers of govemment inherent in every sovereignty to the extent of its dominions". 3 Dennoch lassen sich einzelne Bereiche der police power zuordnen. Die Gerichte berufen sich hierzu vielfach auf eine historische Betrachtungsweise. 4 Die police power erfasst danach grundsätzlich den bereits erwähnten Bereich öffentlich-rechtlicher Regelungen für das allgemeine Wohlergehen der Bürger, die traditionell und typischerweise bei den Gliedstaaten liegenS und sich als interne Zuständigkeitsbereiche insbesondere vom zwischenstaatlichen Handel unterscheiden. 6 Der Begriff ist nicht im modemen Sinn von "Polizeigewalt" als Befugnis im Bereich der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu verstehen. Er lässt sich eher mit dem frühneuzeitlichen Begriff der "guten Polizey" erklären. Eine frühe inhaltliche Bestimmung des Bereichs der police power fmdet sich in der Entscheidung Gibbons v. Ogden: "Inspection laws, quarantine laws, health laws of every description, as weIl as laws for regulating the internal commerce of astate, and those which respect tumpike roads, ferries, etc., are component parts ofthis masS.,,7 Wie bereits dargestellt, hat diese Bestimmung in der Rechtsprechung auch als Grenzziehung gegenüber dem Bund Bedeutung entfaltet. Der positive Gehalt der police power fmdet sich sowohl in dem bereits erwähnten Modell wechselseitig ausschließlicher Bundes- und gliedstaatlicher Kompetenzen8 als auch in dem Versuch, dem Bundesgesetzgeber ein Eindringen in traditionell gliedstaatlich geregelte Bereiche zu untersagen (National League 0/ eities v.
User/) .
Irr. Ausschließliche und konkurrierende Bundeskompetenzen Gliedstaatliche Gesetze sind bereits auf Verfassungsebene ausgeschlossen, wenn der Bund eine ausschließliche Kompetenz besitzt. Die Kompetenzen des Bundes sind nach heutiger Ansicht nicht grundsätzlich ausschließlicher Natur (doctrine of concurrent powers). Ausschließlichkeit kann aus VerfassungsbeLicense Cases, 5 How. 504,583 (1847). Vgl. z.B. Askew v. American Waterways Operators, Inc., 411 U.S. 325, 344 (1973). s Vg1. Darby, Kompetenzverteilung, 616: ,,[D]ie Staatsgewalt, alles zu tun, was nötig ist, um die Gesundheit, innere Sicherheit, Wohlfahrt und Sittlichkeit des Volkes zu gewährleisten. " 6 Vgl. Tschäni 89. 7 Gibbons v. Ogden, 22 U.S. (9 Wheat.) 1, 203 (1824). 8 Vgl. WiIlson v. Black Bird Creek Marsh Co., 27 U.S. (2 Pet.) 245 (1829). 9 National League ofCities v. Usery, 426 U.S. 833 (1976). 3
4
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Teil 3: Handlungsspielräume der Gliedstaaten in den DSA
stimmungen hervorgehen, die gliedstaatliches Handeln in einem bestimmten Sachbereich ausdrücklich untersagen,10 sowie aus der Natur der Sache, wenn entweder der Gegenstand der Regelung bundesweite Bedeutung hat oder einer einheitlichen Regelung bedarf. Bei der hier erforderlichen Auslegung gewinnt eine historisierende Betrachtungsweise Bedeutung: Wurde ein Sachbereich historisch stets von den Staaten geregelt, so kann angenommen werden, dass es sich dabei jedenfalls nicht um einen Bereich ausschließlicher Bundeskompetenzen handelt. In einigen Fällen können die Gliedstaaten mit ausdrücklicher Zustimmung des Bundes auch im Bereich ausschließlicher Bundeskompetenzen tätig werden. Im Ergebnis gehören zu den ausschließlichen Kompetenzen des Bundes insbesondere alle auswärtigen Angelegenheiten sowie Kompetenzen wie Postverkehr und einheitliche Währung. Von umweltrechtlicher Bedeutung ist vor allem der Abschluss internationaler Verträge (treaty power).11 Streitig war die aus Art. III § 2 hergeleitete Kompetenz des Bundes im Seerecht. 12 Für Regelungen, mit denen die Gliedstaaten ihre Küste und Küstengewässer vor Umweltschäden schützen, hat der Supreme Court das Bestehen einer konkurrierenden gliedstaatlichen Befugnis in Askew v. Ameriean Waterways Operators. [ne. klargestellt. Das Gericht bestätigte hier Regelungen, mit denen der Staat Florida die Erstattung von Reinigungskosten nach einem Ölunfall bestimmte und küstennahen Betrieben und Schiffen der Mineralölindustrie eine Gefährdungshaftung auferlegte. Der Schutz der Küste vor Verschmutzungen von See her gehöre, so das Gericht, historisch zum Bereich der gliedstaatliche police power. 13 In dem Bereich, in dem sowohl die Seerechtskompetenz des Bundes als auch die police power der Staaten bestehe, sei gliedstaatliches Recht, das nicht mit Bundesrecht konfligiere, zulässig. 14
10 Vgl. die in Art. I § 10 S. 1 der Verfassung genannten Bereiche: ,,No State sha1l enter into any treaty, Alliance, or Confederation; grant Letters of Marque and Reprisal; coin Money; emt Bills of Credit; make any Thing but gold and silver Coin a Tender in Payment of Debts; pass any Bill of Attainder, ex post facto Law, or Law impairing the Obligation ofContracts, or grant any Title ofNobility." 11 Vgl. Missouri v. Holland, 252 D.S. 416 (1920). 12 Der Supreme Court begrenzte die in in Southem Pacific Co. v. Jensen und Knickerbocker Ice Co. v. Stewart getroffenen Aussagen in Romero v. International Terminal Operating Co., 358 D.S. 354, 373 (1958) ausdrücklich auf Einzelfälle, in denen gliedstaatliches Recht ein einheitliches Regelungssystem im Seerecht stört. Damit ist die Problematik unverträglichen Bundes- und Gliedstaatenrechts im Bereich konkurrierender Kompetenzen angesprochen, die als preemption im nächsten Abschnitt zu behandeln ist: Ist die police power betroffen, so kann der Staat grundsätzlich tätig werden, auch wenn der Bereich gleichzeitig von einer Bundeskompetenz überdeckt ist. V gl. auch Bothe, Kompetenzstruktur, 152 Fn. 130 m.w.N. 13 Askew v. American Waterways Operators, Inc., 411 U.S. 325,343 (1973). 14 Ebd., 343 f.
§ 12 Bundesgesetzgebung mit Sperrwirkung
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Die Kompetenz des Bundes zur Regelung des zwischenstaatlichen Handels ist nicht ausschließlicher Art. Wäre dies der Fall, so wäre gliedstaatliches Recht bereits immer dann verfassungswidrig, wenn es auch Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel hat. Angesichts des außerordentlich weiten Begriffs des zwischenstaatlichen Handels wären nicht nur im engeren Sinne wirtschaftslenkende Gesetze, sondern gliedstaatliche Regelungen in den meisten Sachbereichen von vornherein ausgeschlossen. Mithin konkurriert im zentralen Sachbereich des zwischenstaatlichen Handels die commerce power des Bundes mit gliedstaatlichen Kompetenzen zur Regulierung der Wirtschaft, die zur police power zu zählen sind.
§ 12 Bundesgesetzgebung mit Sperrwirkung im Bereich konkurrierender Kompetenzen: feder al preemption I. Herleitung der Sperrwirkung Ist der Bund auf der Grundlage einer konkurrierenden Kompetenz tätig geworden, so stellt sich die Frage, wie viel Raum noch für gliedstaatliches Recht besteht. In der Diktion der Rechtsprechung ist zu fragen, ob ein einzelstaatliches Gesetz durch das Bundesgesetz ausgeschlossen (preempted) ist. Für unterstaatliches Recht gelten gegenüber dem Bundesrecht die gleichen Maßstäbe. 15 Grundlage der Sperrwirkung (preemption) ist die Suprernacy Clause. Ob und inwieweit gliedstaatliche Regelungen im Einzelfall ausgeschlossen sind, ist jedoch im Wesentlichen eine Frage der gesetzgeberischen Gestaltung und der Gesetzesauslegung auf der Ebene des einfachen Rechts. 16
n. Formen der Sperrwirkung Ursprünglich herrschte die Auffassung, dass eine Regelung durch den Bund in einem bestimmten Sachbereich jegliches Gliedstaatenrecht im gleichen Be15 Hillsborough County v. Automated Medial Laboratories, Inc., 471 U.S. 707, 713 (1985): ,,[F]or the purposes of the Supremacy Clause, the constitutionality of local ordinances is analyzed in the same way as that of statewide laws." Vgl. auch City of Burbank v. Lockheed Air Terminal, Inc., 411 U.S. 624 (1973); Wisconsin Public Intervenor v. Mortier, 501 U.S. 597,605 und 612 (1991). Die Verteilung der Kompetenzen im innerstaatlichen Raum ist Sache der Staaten, so dass auch bei einer Ermächtigung des Bundes tUr die Staaten Kommunen und Counties nicht ausgeschlossen sind. Ebd., 606 ff. 16 Vgl. Laurence H. Tribe, California Declines the Nuclear Gamble: Is Such aState Choice Preempted?, 7 Ecology L. Q. 679 (1979).
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Teil 3: Handlungsspielräume der Gliedstaaten in den USA
reich kategorisch ausschließe. 17 Noch zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts hat der Supreme Court in Charleston W C. Ry. v. Varnville Furniture Co. jede gliedstaatliche Regelung neben dem vorhandenen Bundesgesetz abgelehnt, egal ob gleich- oder entgegengerichtet, weniger weit oder weitergehend. 18 Mittlerweile hat das Gericht eine differenzierte Rechtsprechung entwickelt, die der zunehmenden Dichte und Verschränkung von Bundes- und gliedstaatlichem Recht Rechnung trägt. Drei Fallgruppen der Sperrwirkung lassen sich danach unterscheiden: 19 express preemption, field preemption und conflict preemption. Der Kongress kann gliedstaatliches Recht zunächst durch explizite gesetzliche Regelung ausschließen (express preemption).2o Für die Feststellung einer ausdrücklichen Sperrwirkung bedarf es gegebenenfalls einer Auslegung, die neben dem Wortlaut Struktur und Entstehungsgeschichte des Bundesgesetzes heranzieht. 21 Umgekehrt enthalten viele Bundesgesetze ausdrückliche Vorbehaltsklauseln (savings c1auses) zu Gunsten konkurrierenden gliedstaatlichen Rechts. 22 Ist eine ausschließliche Regelung nicht erkennbar, so kann sich eine Sperrwirkung aus Systematik und Zielsetzung des Gesetzes ergeben. Der Supreme
VgJ. Gibbons v. Ogden, 22 U.S. (9 Wheat.) 1,8 ff. (1824). Charleston W.c. Ry. v. Vamville Fumiture Co., 237 U.S. 597, 604 (1915): "When Congress has taken the particular subject matter in hand, coincidence is as ineffective as opposition, and astate law is not to be decJared a help because it attemps to go farther than Congress has seen fit to go." 19 VgJ. Pacific Gas & Electric v. State Energy Resources Conservation Commission, 461 U.S. 190 (1983); English v. General Electric Company, 496 U.S. 72,78 ff. (1990). 20 VgJ. Iones v. Rath Packing Co., 430 U.S. 519, 525 (1977): "expressed in the terms of the statute". Ebenso Wisconsin Public Intervenor v. Mortier, 501 U.S. 597, 605 (1991). So z.B. Shaw v. Delta Air Lines, Inc., 463 U.S. 85,95 ff. (1983) - Sperrwirkung einer ausdrücklichen und ausnahmslosen Regelung über freiwillige betriebliche Leistungen (,,[llhe provisions of this subchapter (...) shall supersede any and aJl State laws insofar as they may now or thereafter relate to any employee benefit plan described in section ( ... ) and not exempt under ( ... )." 29 U.S.C. § 1144(a)) gegenüber gliedstaatlichen Antidiskriminierungsgesetzen. 21 VgJ. Wisconsin Public Intervenor v. Mortier, 501 U.S. 597, 609 (1991); Exxon Corp. v. Hunt, 475 U.S. 355, 363 ff., 371 ff. (1986). 22 VgJ. z.B. Securities Exchange Act, 15 U.S.C. § 78bb(a): ,,(... ) Except as otherwise specifically provided for in this chapter, nothing in this chapter shaJl affect the jurisdiction ofthe securities commission (or any agency or officer performing like functions) of any State over any security or any person insofar as it does not conflict with the provisions of this chapter or the rules and regulations thereunder. ( ... )" Dies gilt erst recht dort, wo Genehmigungs- und andere Entscheidungen nach Bundesrecht unter dem Vorbehalt der Erfiillung gliedstaatlicher materieller Anforderungen stehen, vgJ. oben § 6 III. 2. e). 17
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§ 12 Bundesgesetzgebung mit Sperrwirkung
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Court spricht dann von implied preemption?3 Dabei ist allerdings zu beachten, dass eine ausdrückliche Ausschlussregelung, die keine andere Form der Sperrwirkung vorbehält, eine Vermutung gegen andere Formen von Sperrwirkung begründet. Nach Cipollone v. Liggett Group, Inc. lässt eine ausdrückliche Regelung keinen Raum für die Annahme einer weitergehenden impliziten Sperrwirkung, da der Kongress mit der Bestimmung der Sperrwirkung auch erklärt habe, dass dieser andere Gegenstände nicht unterfallen sollten. Bei Vorliegen einer ausdrücklichen Ausschlussregelung konnte sich das Gericht daher regelmäßig auf deren Auslegung beschränken.24 In Freightliner Corp. v. Myrick nahm der Supreme Court diese Aussage jedoch auf eine bloße Vermutung zuriick. 2s Implied preemption tritt zunächst als sog. field preemption auf, wenn der Bund eine derart umfassende Regelung getroffen hat, dass neben diesem System kein Raum fiir ergänzendes gliedstaatliches Recht ist. 26 Es ist dann die Rede davon, dass der Kongress das regulatorische Terrain besetzt habe (Congress has occupied the field).27 Daneben sind gliedstaatliche Regelungen implizit ausgeschlossen, wenn die Regelung des Bundes mit der gliedstaatlichen Regelung inhaltlich unvereinbar 23 Vgl. z.B. Gade v. National Solid Wastes Management Association, 505 V.S. 96, 98 (1992). Die Leitentscheidung ist Jones v. Rath Packing Co., 430 U.S. 519 (1977): Sperrwirkung des Fair Packing and Labelling Act des Bundes gegen ein gliedstaatliches Verbraucherschutzgesetz hinsichtlich von Regelungen des Gewichts zum Verkauf verpackter Waren. Das Bundesgesetz enthielt keinerlei Sperrklausei, der Supreme Court befand jedoch, dass die gliedstaatliche Regelung der vollen Durchführung und Erreichung der Ziele des Bundesgesetzes entgegenstehe. 24 Cippollone v. Liggett Group, Inc., 505 U.S. 504,517 (1992): "When Congress has considered the issue of preemption and has included in the enacted legislation a provisions explicitly addressing that issue, and when that provision provides a ,reliable indicium of congressional intent with respect to state authority,' (... ), ,there is no need to infer congressional intent to pre-empt state laws from the substantive provisions' of the legislation. C...) Such reasoning is a variant of the farniliar principle of expressio unius est exclusio alterius: Congress' enactment of a provision defining the pre-emptive reach of astatute implies that matters beyond that reach are not pre-empted." 2S Freightliner Corp. v. Myrick, 115 S.o. 1483,1487 f. (1995). 26 Rice v. Santa Fe Elevator Corp., 331 V.S. 218, 230 (1947): "The scheme of federal regulation may be so pervasive as to make reasonable the interference that Congres5 left no room for the States to supplement it. C...) Or the Act ofCongress may touch a fie1d in which the federal interest is 50 dominant that the federal system will be assumed to preclude enforcement of state laws on the same subject (... ) Likewise, the object sought to be obtained by the federallaw and the character of obligations imposed by it may reveal the same purpose (... ) Or the state policy may produce a result inconsistent with the objective of a federal statute." 27 Califomia Coastal Commission v. Granite Rock Co., 480 U.S. 572, 581 (1987): "Congress evidences an intent to occupya given field, [such that] any state law falling within that fie1d is preempted." Vgl. auch die ebd. zitierte Entscheidung Silkwood v. Kerr McGee Corp., 464 U.S. 238, 248 (1984).
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ist (actual conflicf8 oder conflict preemption29). Dies ist entweder der Fall, weil die Erfiillung der Anforderungen beider Gesetze durch den betroffenen Bürger schon tatsächlich umnöglich ist. 30 Gleiches gilt, wenn die gliedstaatliche Regelung der Verwirklichung der Zielsetzung des Bundesgesetzes entgegensteht. 31 Der zuletzt genannten Zielkonflikt wird auch als purpose-conflict preemption bezeichnet. 32 Einzelne Fallgruppen sind nicht immer klar zu unterscheiden und in die genannten Kategorien einzuordnen. 33 Eine ausdrückliche Sperrwirkung, deren Umfang im Wortlaut des Gesetzes klar definiert ist, wird in der Rechtsprechung selten behandelt. 34 Zu den beiden anderen Fallgruppen gibt es ausfiihrlichere Rechtsprechung, allerdings nur wenige Entscheidungen im umweltrechtlichen Bereich. Anhand der gleichartigen Strukturen von Umweltgesetzen und Gesetzen aus anderen Bereichen, über die in der preemption-Rechtsprechung des Supreme Court entschieden wurde, lassen sich jedoch auch fiir den umweltrechtlichen Bereich die Regelungsspielräume der Staaten nach der federal preemption-Rechtsprechung des Supreme Court nachzeichnen. Für den einzelnen Fall ist allerdings stets eine Reihe unsystematischer Einzelfaktoren rnitent-
Louisiana Public Services Commission v. FCC, 476 U.S. 355, 369 (1986). Gade v. National Solid Wastes Management Association, 505 U.S. 96, 98 (1992). 30 ,,[S]uch conflict will be found where compliance with both federal and state regulations is a physical impossibility." Ray v. Atlantic Richfield Co., 435 U.S. 151, Orientierungssatz 2 (1978). Vgl. auch Florida Lime & Avocado Growers, Inc. v. Paul, 373 U.S. 132, 142 f. (1963); vgl. auch Stephen Jones, Note: Federal and State Economic Regulation - A Preemption Problem, Hastings L. J. 17 (1966), 619. 31 ,,( •.. ) stands as an obstacle to the - accomplishment and execution of the fuH purposes and objectives of Congress" Hines v. Davidowitz, 312 U.S. 52,67 (1941); vgl. auch Califomia Coastal Commission v. Granite Rock Co., 480 U.S. 572, 581 (1987): "state law (...) actually conflicts with federallaw, that is, when it is impossible to comply with both state and federal law, or where the state law stands as an obstacle to the accomplishment of the fuH purposes and objectives of Congress"; Fidelity Federal Savings & Loan Association v. De la Cuesta, 458 U.S. 141, 153 (1982). 32 Abweichende Meinung von Justices Souter, Blackmun, Stevens und Thomas, Gade v. National Solid Waste Management Association, 505 U.S. 88, 115 (1992). 33 So auch der Supreme Court in English v. General Electric Company, 496 U.S. 72, 79 (1990). 34 Ein Beispiel ist Shaw v. Delta Air Lines, Inc., 463 U.S. 85, 95-98 (1983). Vgl. demgegenüber die Entscheidung Gade v. National Solid Wastes Management Association, 505 U.S. 88 (1992), in der ein Gesetz mit einer fünf-zu-vier-Mehrheit wegen bundesrechtlicher Sperrwirkung fiir ungültig erklärt wurde. Hier sahen vier Richter einen Konflikt mit dem einschlägigen Bundesrecht. Ebd., 98 f. Justice Kennedy sah hingegen einen ausdrücklichen Ausschluss (express preemption), ohne dass - nach seiner Ansicht - hierfür eine ausdrückliche Erklärung (explicit statement) erforderlich sei. Ebd., 111 f. (concurring opinion). 28
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scheidend. Eine Erfassung und Einordnung aller Fälle von Sperrwirkung in formelhaften Prinzipien ist daher nur schwer möglich. 35
m. Vermutung gegen Sperrwirkung in traditionell gliedstaatlich geregelten Bereichen
1. Sensibilisierung des Gesetzgebers: Die c1ear statement rule
Wichtigster Maßstab fiir eine Sperrwirkung ist, ist - sofern keine ausdrückliche Ausschluss- oder Vorbehaltsregel vorliegt - die Zielsetzung des Kongresses bei Beschluss des Gesetzes/6 welche das Gericht zu ermitteln hat. 37 In Bereichen, die regelmäßig oder traditionell gliedstaatlicher Regelung vorbehalten sind, stellt der Supreme Court erhöhte Anforderungen an die Annahme einer implizite Sperrwirkung oder einer Unvereinbarkeit gliedstaatlicher Regelungen mit Bundesrecht. 38 Dies steht im Einklang mit den Aussagen des Gerichts zum Schutz der Gliedstaaten durch den politischen Entscheidungsprozess in Garcia v. SAMTA und Gregory v. Ashcroft. 39 Wie der Supreme Court stets zu Beginn seiner Ausführungen feststellt, kann abschließendes Bundesrecht in traditionell gliedstaatlich geregelten Bereichen nur dann angenommen werden, wenn dies die eindeutige und offenkundige Absicht des Kongresses war: Vgl. RotundaINowak 63 f.; Tribe, Constitutional Law, Bd. I, 1175. Vgl. z.B. Cippollone v. Liggett Group, Inc., 505 U.S. 504, 516 (1992): "The purpose of Congress is the ultimate touchstone of preernption analysis." Vgl. auch bereits Malone v. White Motor Corp., 435 U.S. 497, 504 (1978), die wiederum Retail Clerks v. Schermerhom, 375 U.S. 96, 103 (1963) zitiert. 37 Es ist in diesem Zusammenhang sicherlich richtig, dass die persönlichen Vorstellungen der beteiligten Richter de facto von erheblichem Einfluss auf diese Auslegung sind. Damit ist jedoch lediglich ein grundsätzliches Problem der horizontalen Gewaltenteilung benannt, welches die Tätigkeit eines Verfassungsgerichts mit sich bringt. Die Diskussion um das Ob und Wieviel eines judicial restraint ist auf einer formalen Ebene anzusiedeln. Ihre Entscheidung hat sicherlich mittelbare Folgen rur die inhaltliche Ausgestaltung des Verfassungsrechts, steht jedoch in keinem unmittelbaren Zusammenhang hierzu. Ich halte es daher ftir verkürzt, wie Tschäni 201 von einer "Dominanz der richterlichen Vorstellungen" zu sprechen. Ähnliches gilt rur den Bereich der dormant Commerce Clause, wo das Parlament die Beschränkungen gliedstaatlicher Gesetzgebung durch seine Zustimmung (congressional consent) unumstritten ermaßen aushebeln kann (dazu näher unten § 13.II.5.a». Schwierigkeiten bei der Auslegung des gesetzgeberischen Willens sind dabei unvermeidlich. 38 Für das traditionell gliedstaatlich geregelte Familiemecht erklärte das Gericht etwa, dass gliedstaatliche Regelungen nur ausgeschlossen seien, wenn dies das Bundesgesetz ausdrücklich verlange und das Gesetz einen erheblichen Schaden (major damage) an eindeutigen und wichtigen Interessen des Bundes (clear and substantial federal interests) verursachen würde. Hisquierdo v. Hisquierdo, 439 U.S. 572, 581 (1979). 39 V gl. oben § 7 .II.l.c) und Tribe, Constitutional Law, Bd. 1., 1175 f. 3S
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"In the interest of avoiding unintended encroachment on the authority of the States, however, a court interpreting a federal statute pertaining to a subject traditionally govemed by state law will be reluctant to find preemption. Thus, preemption will not lie unless it is ,the clear and manifest purpose of Congress ",40
Es gelte eine umfassende Vennutung, dass der Gesetzgeber nicht beabsichtigte, Gliedstaatemecht durch seine Regelung auszuschließen. 41 Umgekehrt ausgedrückt bedeutet dies eine umfassende Geltungsvennutung für konkurrierendes gliedstaatliches Recht in diesen Bereichen. Diese sog. clear statement rule 42 strahlt gleichermaßen auf die Einzelfragen aus, die für die richterliche Beurteilung des ob und wie der preemption von Bedeutung sind. So neigt das Gericht bei der Frage, ob der Bund einen bestimmten Bereich abschließend geregelt hat (occuation of the field), dazu, Zielsetzungen von Bundesgesetzen besonders eng zu interpretieren, um eine Sperrwirkung gegenüber gliedstaatlichen Regelungen zu venneiden. 43 Bei der Frage, ob eine gliedstaatliche Regelung konkret im Widerspruch zu Bundesrecht steht (conflict preemption), übt das Gericht in zweierlei Richtung Zurückhaltung bei der Annahme einer Sperrwirkung. Einerseits geschieht dies bei der Frage, ob die gliedstaatliche Regelung ein bestimmtes Verhalten hindert oder begünstigt. Die Regelung wird selbst bei eindeutiger Zielsetzung nicht als unvereinbar mit der korrespondierenden Bundesregelung angesehen, wenn sie dem Regelungsadressaten ein Alternativverhalten offen lässt, das mit
40 CSX Transportation, Inc. v. Eastwood, 113 S.Ct. 1732, 1737 (1993); vgl. auch Wisconsin Public Intervenor v. Mortier, 501 U.S. 597,605 (1991): "When considering preemption, ,we start with the assumption that the historie police powers of the States were not to be superseded by the Federal Act unless that was the clear and manifest purpose of Congress'''; Rice v. Santa Fe Elevator Corp., 331 U.S. 218, 230 (1947); Iones v. Rath Packaging Co., 430 U.S. 519, 525 f. (1977); Cippollone v. Liggett Group, Inc., 505 U.S. 504,516 (1992). 41 Maryland v. Louisiana, 451 U.S. 725, 746 (1981): "Consideration under the Supremacy Clause starts with the basic assumption that Congress did not intend to displace state law." Das Gericht zitiert Rice v. Santa Fe Elevator Corp., 331 U.S. 218, 230 (1947). Entgegen dem etwas missverständlichen Wortlaut sind demnach auch hier nicht alle Rechtsbereiche, sondern nur traditionell gliedstaatlich geregelte Bereiche gemeint. 42 Vgl. zu dieser Bezeichnung Tribe, Califomia Dec1ines the Nuc1ear Gamble, 690. 43 Vgl. z.B. Silkwood v. Kerr-McGee Corp., 464 V.S . 238 (1984): Das Gericht ließ hier eine Regelung zu, die Strahlengeschädigten Schadensersatz (und punitive damages) gegen einen Kernkraftwerksbetreiber zugestand, obwohl das Kraftwerk alle bundesrechtlichen Sicherheitsanforderungen erfüllte und das Gericht in Pacific Gas & Electric Co. v. State Energy Resources Conservation & Development Commission, 461 U.S. 190, 212 (1983) erklärt hatte, dass der Bund das gesamte Feld der Sicherheitsaspekte von Kraftwerken reserviert hatte. Über den Hebel von großen Schadensersatzforderungen werden jedoch vielfach höhere Sicherheitsstandards durchgesetzt.
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der Regelung des Bundes vereinbar ist. 44 Andererseits kann nicht jede generelle oder abstrakte Zielsetzung hinter einer bundesrechtlichen Regelung ein gliedstaatliches Gesetz wegen anders gerichteter Effekte ausschließen.4s Vielmehr sind eng umgrenzte und konkrete Zielsetzungen (fairly narrow and concrete objectives)46 oder konkrete Bestimmungen notwendig. 47 Das Gericht begründet also eine Gültigkeitsvermutung in zwei Richtungen, als "bundesrechtskonforme" bzw. "vereinbarkeitsorientierte" Auslegung gliedstaatlichen Rechts und einengende und eindeutige Zielsetzungen verlangende Auslegung des Bundesrechts. Für den Gesetzgeber im Bund hat dies zur Folge, dass dieser gezwungen ist, klare und bewusste Regelungen über die Ziele seiner Regelungen zu schaffen. 48
2. Umfang traditionell gliedstaatlich geregelter Bereiche Traditionell gliedstaatlich geregelt sind grundsätzlich die Bereiche, in denen die Staaten von ihrer police power Gebrauch gemacht haben. 49 Grundlage der Gültigkeitsvermutung sind also alle verbliebenen allgemeinen Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten, die Vermutung gilt nur dort nicht, wo die Gliedstaaten bisher tatsächlich nichts geregelt haben oder wo bereits wesentliche Regelungen des Bundes bestehen. Mit der Heranziehung der police power als Grundlage fiir die Vermutung gegen eine Sperrwirkung besteht letztlich eine Geltungsvermutung für den größeren Teil des wirksam bestehenden gliedstaatlichen Rechts. Gerade im Umweltrecht gewinnt die Einschränkung auf von den Gliedstaaten ausgeübte Kompetenzen Bedeutung, da hier vielfach vor dem ge44 Vgl. Ray v. Atlantic Richfield Co., 435 U.S. 151, 172 f. (1978). Vgl. auch Tribe, Constitutional Law, Bd. I, 1185 f. 45 Vgl. z.B. Commonwealth Edison Co. v. Montana, 453 V.S. 609, 634 (1981). 46 Vgl. Tribe, Constitutional Law, 2. Aufl. 1988,487 m.w.N. 47 So erklärte der Supreme Court zur Sperrwirkung des Sherman Act (dem Kartellgesetz des Bundes) in den Entscheidungen Rice v. Norman Williarns Co., 458 V.S. 654, 659 (1982) und Fisher v. Berkeley, 106 S.Ct. 1045, 1048 (1986): "A] state statute is not preempted by the federa1 antitrust 1aws simp1y because it might have an anticompetitive effect." In Fisher v. Berke1ey, 106 S.Ct. 1045, 1048 (1986) erklärt das Gericht dazu weiter, eine gliedstaatliche Regelung "should be struck down on preemption grounds ,only if it mandates or authorizes conduct that necessarily constitutes a violation ofthe antitrust laws in all cases.·" 48 Hinsichtlich einer horizontalen Sperrwirkung von Gesetzesrecht des Bundes gegenüber common law des Bundes gilt hingegen eine Vermutung, dass der Kongress, nicht die Bundesgerichte, das maßgebliche Recht setzen. Milwaukee v. Illinois II, 451 V.S. 304, 312 ff., 317 (1981). 49 Vgl. Brugger, Einfilhrung, 29 m.w.N. 2S'
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setzgeberischen Tätigwerden des Bundes überhaupt keine (weder Bundesnoch gliedstaatliche) Regelungen existierten. 50 Soweit allerdings Sachbereiche vor der Schaffung der Umweltgesetze des Bundes bereits von den Staaten geregelt wurden, kommt eine Sperrwirkung durch das Umweltrecht des Bundes nur unter den genannten erhöhten Anforderungen in Betracht. Zu den traditionell gliedstaatlich geregelten Rechtsbereichen, die im Gebiet des Umweltrechts von Bedeutung sind, gehört vor allem die Bereiche der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, so die Bereiche des Besonderen Ordnungsrechts wie gesundheitliche Wamhinweise,51 Überwachung der Lebensmittelproduktion und -vermarktung, S2 Rechtsvorschriften zur Gewährleistung eines wirtschaftlichen Betriebs der öffentlichen StromversorgungS3 und Immissionsschutz. S4 Die Vermutung gegen eine Sperrwirkung korrespondiert im Übrigen mit der Zurückhaltung des Bundes im Luftreinhaltungsrecht, Wasserrecht und Abfallrecht bis 1970. Von Bedeutung fiir umweltrechtliche Standards sind in den USA neben öffentlich-rechtliche Regelungen in großem Maße zivilrechtliche Schadensersatzprozesse. Das allgemeine Zivilrecht des Common Law, insbesondere das Recht unerlaubter Handlungen, gehört ebenfalls in den Kernbereich traditionell gliedstaatlicher Zuständigkeiten. 55
so Vgl. auch United States v. Locke, Urt. des Supreme Court v. 6. 3. 2000, Docket No. 98-1791, 11 ff. Danach gehören allgemeine Sicherheitsanforderungen an den Schiffsverkehr zu einem traditionell (auch) vom Bund geregelten Bereich, so dass hier keine erhöhten Anforderungen an eine Sperrwirkung zu stellen sind. SI Vgl. z.B. Cipollone v. Liggett Group, 505 U.S. 504, (1992): Regelung von Wamhinweisen auf Zigarettenpackungen und in der Zigarettenwerbung. S2 Vgl. Florida Lime & Avocado Growers, Inc. v. Paul, 373 U.S. 132, 144 (1963): "the supervision of the readying of foodstuffs for market has always been deemed a matter of peculiarly local concern." Bestätigt in Michigan Canners and Freezers Association, Inc. v. Agricultural Marketing and Bargaining Board, 467 U.S. 461, 469 f. (1984). S3 Vgl. Tribe, California Declines the Nuclear Gamble, 712 und Fn.157 unter Verweis auf San Francisco v. P.U.C., 490 P.2d 798,801 (1972). Nach dieser Entscheidung konnte Kalifornien einem Kraftwerksbetreiber sinnlose Ausgaben verbieten, die als überhöhte Kosten an die Abnehmer weitergegeben worden wären. S4 Vgl. Southern Pacific Transportation Company v. Public Utility Commission of the State of Oregon, 9 F.3d 807 (9th Cir. 1993): Standards für Lärmimmissionen von Lokomotivenpfeifen. Vgl. auch die in Teil 1 bereits genannten örtlichen Verordnungen zur Verminderung von Rauchernissionen (smoke abatement codes) sowie die dort genannten weiteren Bereiche. Hierzu zählt die Regelung der Bodennutzung, allerdings nur im engeren Sinne, also ohne die umweltrechtliche Bestimmungen, die nicht die Regelung der Bodennutzung zum Ziel haben, sondern sich lediglich als Einschränkungen der Bodennutzung auswirken. ss Vgl. Silkwood v. Kerr-McGee Corp., 464 U.S. 238, 251, 253 ff. (1984). In dieser Entscheidung erklärte der Supreme Court, dass Schadensersatzforderungen wegen
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Die Vermutung für die Geltung gliedstaatlichen Rechts trotz bundesrechtlicher Regelung gilt somit für weite Bereiche des technischen Umweltrechts sowie des Naturschutzrechts.
3. Traditionell bundesrechtlich geregelte Sachverhalte Gelegentlich stellt der Supreme Court im Rahmen der Prüfung der Sperrwirkung des Bundesrechts fest, dass es sich um einem Sachbereich handelt, der in starkem Maße bundesrechtlicher Regelung unterliegt und/oder in dem besonders starke Interessen des Bundes bestehen, so dass keine erhöhten Anforderungen an die Annahme einer Sperrwirkung bei möglichen Konflikten oder einer möglichen bundesrechtlichen Besetzung des regulatorischen Terrains zu stellen sind. 56 Von einer Vermutung for eine Sperrwirkung ist in diesen Entscheidungen jedoch keine Rede. Im Bereich des Umweltrechts hat der Supreme Court dies für den Schutz von Zugvögeln angenommen, die durch internationale Verträge geschützt sind. 57
IV. Sperrwirkung im Bereich des Umweltrechts Trotz der weitreichenden Kompetenzen des Bundes im Umweltrecht ist der Großteil des geltenden Umweltrechts in den USA gliedstaatliches Recht. 58 Dies ist im übrigen Rechtssystem nicht anders. Auch und gerade für das Umweltrecht ist dies großenteils darauf zurückzuführen, dass viele gliedstaatliche Umweltgesetze auf Initiativen des Bundes (kooperativer Föderalismus) zurückzuführen sind, die den Staaten häufig nur mäßige gesetzgeberische Spielräume lassen. Jenseits bundesrechtlich vorgezeichneter Standards unterscheiden sich Umfang und Ausrichtung gliedstaatlicher Umweltgesetzgebung deutlich. Es ist zwar immer wieder davon die Rede, dass jeder Gliedstaat wenigstens in einem Bereich seines Umweltrechts ein höheres Schutzniveau als das des Bundesrechts aufrechterhalte. 59 Tatsächlich sind es jedoch lediglich einzelne Staaten (New Jersey; Kalifornien z.B. im Kraftfahrzeug-Immissionsschutz), die mit unerlaubter Handlung für Strahlenschäden durch die bundesrechtlichen Sicherheitsvorschriften für Kernkraftwerke nicht ausgeschlossen waren. S6 Vgl. z.B. San Diego Building Trades Council v. Moreno, 359 U.S. 236 (1959) Arbeitsrecht; Toll v. Moreno, 458 U.S. 1, 10 (1982) - Ausländerrecht. S7 North Dakota v. United States, 460 U.S. 300,309 (1983). S8 Vgl. MarkelI, States as Innovators, 357 mw.N. S9 Vgl. z.B. Adler, Green Aspects, 630 f. rn.w.N.
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ihren Regelungen deutlich über das allgemeine bzw. vom Bund Vorgegebene hinausgehen.
1. Ausdrückliche Sperrwirkung (express preemption) und ausdrückliche Vorbehalte (savings clauses) a) Sperrwirkung nach Produktbezogenheit einer Regelung Die Umweltgesetze des Bundes enthalten regelmäßig eine Bestimmung, nach der lediglich weniger scharfe Bestimmungen unzulässig sind bzw. schärfere Bestimmungen der Gliedstaaten ausdrücklich gestattet sind, sofern nicht einzelne Bestimmungen des Gesetzes dem ausdrücklich entgegenstehen, so z.B. § 116 des Clean Air Act,60 § 510 des Clean Water Act,61 §§ 1414(e) und 1423(d) des Safe Drinking Water Act, §§ 3009 und 9008 des Solid Waste Disposal Act (SWDA oder RCRA), sowie § 505(b) des Surface Mining and Rec1amation Act. Ein ausdrücklicher Ausschluss schärferer gliedstaatlicher Bestimmungen kommt vor allem in produktbezogenen Vorschriften sowohl des technikbezogenen Umweltrechts als auch des Naturschutzrechts vor, so in den Vorschriften des Clean Air Act (CAA) über Kraftfahrzeugemissionen, die einen einheitlichen Kraftfahrzeugmarkt in allen Staaten gewährleisten sollen,62 den Gefahrstoffvorschriften im Toxic Substances Control Act (TSCA),63 sowie in verein60 Clean Air Act (CAA) § 116,42 U.S.C. § 7416: "Except as otheIWise provided in sections 1857c-l0(c)-(e), and (f) (as in effect before August 7, 1977),7543, 7545(c)(4), and 7573 ofthis title (preempting certain State regulation ofmoving sources) nothing in this chapter shall prec1ude or deny the right of any State or political subdivision thereof to adopt or enforce (1) any standard or limitation respecting emissions of air pollutants or (2) any requirement respecting control or abatement of air pollution; except that if an emission standard or limitation is in effect under an applicable implementation plan or under section ( ... ), such State or political subdivision may not adopt or enforce any emission standard or limitation which is less stringent than the standard or limitation under such plan or section." 6\ Federal Water Pollution Control Act (Clean Water Act, CWA) § 510,33 U.S.c. 1370 - Zulässigkeit von schärferen Standards oder jeglicher anderen Bestimmung, die weitergehende Anforderung im Bereich der Wasserreinhaltung stellt. 62 Vgl. die in dem oben zitierten CAA § 116,42 U.S.C 7416, genannten Vorschriften. 63 TSCA § 18,15 U.S.C. 2617 (aXl) enthält eine grundsätzliche Gestattung eigenständiger Regelungen der Gliedstaaten. Nach Unterparagraph (a)(2) der Vorschrift sind (A) Testvorschriften und (B) materielle Anforderungen der Gliedstaaten dann ausgeschlossen, wenn die EPA Vorschriften für dieselbe oder ähnliche Anwendungen erlassen hat. Hiervon kann die EP A nach Unterparagraph (b) jedoch auf Antrag Befreiung erteilen, wenn die gliedstaatliche Anforderung mit der des Bundes vereinbar ist und (A) deutlich höheres Schutzniveau als die Bundesregelung bietet und (B) keine unzurnutba-
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zelten Vorschriften, die ausnahmsweise übergeordnete Schutzgüter deflnieren64 oder die bundeseigene Einrichtungen vor schärferen Gesetzen als private Einrichtungen schützen sollen. 65 Mit solchen Normen, die vielfach explizit den nationalen Markt vor zusätzlichen Vorschriften mit spezifIsch handelsbeschränkender Wirkung schützen, gewährleistet das Bundesrecht die USA-weite Handelbarkeit von Waren und schützt die Hersteller vor kostenträchtigen verschiedenen Produktlinien. 66 Gliedstaatliche Regelungen sind folgerichtig auch im Bereich des Gütertransports auf dem Land- und Seeweg (dem Kembereich des interstate commerce) ausgeschlossen. Neben den genannten Vorschriften in CAA und TSCA zeigt dies anschaulich die Regelung von Konflikten zwischen Bundes- und Staatenrecht in § 6 des Endangered Species Act. Diese schließt zunächst handelsbeschränkende abweichende gliedstaatliche Vorschriften aus: "Any State law or regulation which applies with respect to the imporation or exportation of, or interstate or foreign commerce in, endangered species or threatened species is void to the extent that it may effectively (1) permit what is prohibited by this chapter or by any regulation which implements this chapter, or (2) prohibit what is authorized pursuant to an exemption or permit provided for in this chapter or in any regulation in this chapter."
Andere strengere Regelungen sind jedoch ausdrücklich gestattet. Das Gesetz fährt fort: "Any State law or regulation respecting the taking of an endangered species or threatened species may be more restrictive than the exemptions or permits provided for in this chapter or in any regulation which implements this chapter but not less restrictive than the prohibitions so defined. ,,67
Bei produktions- und vermarktungsbezogenen Standards sowie bei Regelungen, die nach Vorgaben des Bundes von den Staaten gesetzt und durchge-
re Belastung des zwischenstaatlichen Handels durch Marketing-, Vetriebs- oder andere Vorschriften verursacht. 64 Vgl. die Ausnahme für Einrichtungen auf einer National Priorities List in CERCLA § 120, 42 D.S.C. 9620 (a) (4), S. 1: "State laws concerning removal and remedial action, including State laws regarding enforcement, shall apply to removal and remedial action at facilities owned or operated by a departrnent, agency, or instrumentality of the Dnited States when such facilities are not inc1uded on the National Priorities List." 6S Vgl. z.B. CERCLA § 120,42 U.S.C. 9620 (a) (4), S. 2: "The preceding sentence shall not apply to the extent aState law would apply any standard or requirement to such facilities which is more stringent than the standards and requirements applicable to facilities which are not owned or operated by any such departrnent, agency, or instrumentality." 66 V gl. RehbinderlStewart 46 f. 67 Endangered Species Act (ESA) § 6, 16 U.S.C. 1535 (f).
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setzt werden,68 sind schärfere gliedstaatliche Standards hingegen in aller Regel nicht ausgeschlossen. Ein Beispiel für ausdrücklich unterschiedliche Vorgaben an die Zulässigkeit vermarktungsbezogener gliedstaatlicher Regelungen auf der einen und produktbezogener Regelungen über Kennzeichnung und Verpackung auf der anderen Seite bietet auch der Federal Insecticide, Fungicide, and Rodenticide Act (FIFRA): ,,A State may regulate the sale or use of any federally registered pesticide or device
in the State, but only if and to the extent the regulation does not pennit any sale or use prohibited by this subchapter. (... ) Such State shall not impose or continue in effect any requirements for labe1ing or packaging in addition to or different from those required under this subchapter."69 Im Abfallbereich hat der Gesetzgeber den Resource Conservation and Recovery Act sogar nachträglich geändert, um den Gliedstaaten striktere als die dort vorgesehenen Regelungen zu ermöglichen. 7o Daraus wird deutlich, dass der Kongress mit seinen umfassenden Gesetzeswerken im Umweltrecht einerseits das Feld mit einer Mindestregelung abdecken will, ohne allerdings weitergehende Aktivitäten der Staaten im Umweltschutz abzuschneiden; einheitliche Regelungen im Interesse des zwischenstaatlichen Handels sind nur im produktbezogenen Bereich vorgesehen, wo der Handelsverkehr unmittelbar betroffen ist. Auch bei Regelungen mit Bezug zu Produktionskosten gibt es jedoch Ausschlussklauseln. In Exxon Corp. v. Hunt71 hatte der Supreme Court über die Sperrwirkung des bundesweiten Altlastensanierungsfonds (Superfund) nach dem Comprehensive Environmental Response, Compensation and Liability Act (CERCLA) gegenüber einem ähnlichen Fonds des Staates New Jersey zu entscheiden. § 114(c) CERCLA enthält eine ausdrückliche Ausschluss- und Vorbehaltsklausel gegenüber Beiträgen für andere Fonds, die die gleichen Kosten wie Superfund abdecken: ,,Except as provided in this chapter, no person may be required to contribute to any fund, the purpose of which is to pay cornpensation for claims for any costs of response or damages or claims which may be compensated under this subchapter. 68 Vgl. RehbinderlStewart 48. 69 Federal Insecticide, Fungieide, and Rodenticide Act (FIFRA), 7 US.C. § 136 v. 70 Pub. L. No. 96-482, § 14,94 Stat. 2342 (21. 10. 1980), zur Änderung von RCRA § 3009,42 US.C. § 6929. Vgl. John T. Smith IIIJoshua D. Sarnoff, Free Commerce and Sound Waste Management: Some International Comparative Perspectives, International Environment Current Report Vol. 15, No. 7, 207 (April 1992), Text zu Fn. 32-34. 71 Exxon Corp. v. Hunt, 475 US. 355 (1986). Vgl. hierzu Diane Regas, Federal Preemption ofState Hazardous Waste Funds: Exxon Corp. v. Hunt. 106 S. Ct. 1103 (1986), 13 EcologyL. QuArt. 535 (1986).
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Nothing in this seetion shall preclude any State from using general revenues for such a fund, or from imposing a tax or fee upon any person or upon any substanee in order to fIDance the purehase or prepositioning ofhazardous substanee response equipment or other preparations far the response to arelease of hazardous substanees which affeets such State"72 Nach Ansicht des Supreme Court (entgegen jener der vorangegangenen drei Instanzen gliedstaatlicher Gerichte in New Jersey) reicht der Ausschluss durch diese Klausel nicht nur so weit wie Sanierungskosten und weitere Schäden im konkreten Fall aus Superfund gezahlt werden, sondern erfasst alle Arten von Kosten, die Superfund möglicherweise, also abstrakt, abdeckt. Neben einer Auslegung des Wortlauts des § 114(c) CERCLA stützte sich das Gericht dabei auf die Zielsetzungen von CERCLA, zu denen es neben der effektiven Beseitigung gefährlicher Abfälle den Schutz der Wettbewerbs fähigkeit der petrochemischen Industrie der USA vor übermäßiger Besteuerung zählte. 73 U.a. einem Umkehrschluss aus der (andernfalls überflüssigen) Vorbehaltsklausel entnimmt das Gericht, dass die Ausschlussklausel nicht nur Ersatz für private, sondern auch für öffentliche Sanierungsaufwendungen erfasst. 74 Nicht ausgeschlossen sind danach lediglich die generell nicht von Superfund erfassten Kosten für Drittschäden (soweit diese nicht von Superfund unterstützte Sanierungen betreffen) sowie Forschungs-, Verwaltungs-, Personal- und Sachmittelaufwendungen des Staates. 7S
b) Traditionell gliedstaatliehe Regelungsgegenstände und regionaler Bezug Die Gültigkeitsvermutung in klassischen Regelungsfeldern der Gliedstaaten wird im Umweltrecht angewandt, vor allem im Konflikt zwischen common law der Gliedstaaten und Gesetzesrecht des Bundes. 76 Sie fmdet ihren Niederschlag auch im einfachen Umweltrecht des Bundes, indem ausdrückliche Ausschluss72 § 114(c) CERCLA, 42 D.S.C. § 9614 (c). 73 Exxon Corp. v. Hunt, 475 U.S. 355, 370 f. und 371 f. (1986). 74 Ebd., 363 ff. 7S Ebd., 374 ff. Das Gericht überließ es den Vorinstanzen zu entscheiden, ob das gliedstaatliche Gesetz insgesamt unwirksam war oder sich die unwirksamen Bestimmungen abtrennen ließen. Eine Bestätigung des ganzen Gesetzes wegen untergeordneter Bedeutung der unzulässigen Klauseln verweigerte das Gericht wegen einer negativen Vorbildwirkung einer solchen Aussage (ebd., 376). 76 Vgl. die oben III.2. bereits angefiihrte Entscheidung Silkwood v. Kerr-McGee Corp., 464 D.S. 238 (1984), sowie International Paper Co. v. Ouellette, 479 U.S. 481 (1987), in der der Suprerne Court feststellte, dass der Clean Water Act des Bundes zwar eine Anwendung des common law eines Gliedstaates gegen in einem anderen Gliedstaat gelegene Verschmutzungsquellen ausschloss, nicht jedoch die Anwendung des common law des anderen Gliedstaates auf diese Sachverhalte.
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regelungen häufig in engem Zusammenhang mit Regelungen auftreten, die gliedstaatliche Regelungen in bestimmten traditionell gliedstaatlich geregelten Bereichen ausdrücklich vorbehalten bzw. zulassen (savings clauses). In modernen Umweltgesetzen des Bundes ist daher häufig genau umrissen, wo Bundesrecht abschließend ist und wo die Staaten zusätzlich zu Bundesrecht Recht setzen können. So ist z.B die ausdrückliche Ausschlussregelung des National Traffic and Motor Vehicle Safety Act mit einer Bestimmung verbunden, die eine Haftung nach gliedstaatlichem common 1aw ausdrücklich vorbehält: "Compliance with any Federal motor vehic1e safety standard issued under this subchapter does not exempt any person from any liability under common law.'.77 Vorbehaltsklauseln im Umweltbereich finden sich außerdem in abgrenzbaren Sachbereichen von vornehmlich regionaler Bedeutung wie z.B. den Regelungen des Ports and Waterways Safety Act des Bundes zur Lotsenpflicht. Die einschlägige Bestimmung in 46 U.S.C. § 215 erklärt die Anforderungen des Bundes an Schiffe im Küstenverkehr fiir abschließend: "No State or municipal govemment shall impose upon pilots of steam vessels any obligation to procure aState or other license in addition to that issued by the United States". Gleichzeitig wird den Gliedstaaten gestattet, eine über das Bundesrecht hinausgehende Verpflichtung zur Anbordnahme eines Lotsen bei der Anfahrt von Häfen des Staates zu erlassen. ,,[The statute shall not be construed to] affect any regulation established by the laws of any State, requiring vessels entering or leaving a port of any such State, other than coastwise steam vessels, to take a pilot duly licensed or authorized by the laws of such State".78
77 National Traffic and Motor Vehicle Safety Act, 15 U.S.C. §§ 1381 ff., Ausschlussregelung in 15 U.S.C. § 1392(d), zitierter Vorbehalt in 15 U.S.C. § 1397(k). 78 Die Regelung wird bestätigt in anderen Bestimmungen des PWSA, vgl. 33 U.S.C. § 1221(5), wonach der Secretary of Transportation berechtigt ist "to require pilots on self-propelled vessels engaged in the foreign trades in areas and under circumstances where a pilot is not otherwise required by State law to be on board until the State having jurisdiction of an area involved establishes a requirement for a pilot in that area or under the circurnstances involved". Vgl. hienu Ray v. Atlantic Richfield Co., 435 U.S. 151, 158 ff. (1978).
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c) Gliedstaatliche Spielräume neben ausdrücklichen Ausschluss- oder Vorbehaltsklauseln aa) Medienqualitätsbezogene Bestimmungen Die produkt- und produktionsbezogenen Vorschriften des Imrnissionsschutzrechts werden ergänzt durch Umweltqualitätsstandards, die der Bund den Gliedstaaten vorgibt und die "quer" zu den produkt- und produktionsbezogenen Anforderungen liegen. Für die Umsetzung medienqualitätsbezogener Standards haben die Gliedstaaten z.B. im Immissionsschutzbereich sog. State Implementation Plans (SIPs) vorzulegen, die der Genehmigung durch die EPA bedürfen. 79 Über das Bundesrecht hinausgehende Anforderungen sind hier zulässig.
bb) Übernahme gliedstaatlicher Anforderungen in Bundesrecht Weiter noch als die ausdrückliche Zulassung strengerer gliedstaatlicher Regelungen geht die Übemalune gliedstaatlicher Standards und anderer Anforderungen in materielle Verpflichtungen und Genehmigungsentscheidungen nach Bundesrecht. Solche Berücksichtigungsregeln implizieren ausdrückliche Vorbehalte zu Gunsten der in Bundesrecht einbezogenen Regelungen und bilden als Verschränkung bundesrechtlicher und weitergehender gliedstaatlicher Standards eine besondere Form der Kooperation der föderalen Ebenen. So sind z.B. die nach § 510 CWA geschützten weitergehenden gliedstaatlichen Anforderungen gemäß § 301 CWA zu beachten und gemäß § 401 (d) CWA bei der Erteilung von Einleitungsgenehmigungen zu berücksichtigen. 80 So hat der Supreme Court in PUD No. 1 0/ Jefferson County and City o/Tacoma v. Washington Department 0/ Ecology81 bestätigt, dass der Staat Washington nach § 401 (d) CWA seine Bestimmungen über Mindest-Wasserdurchflussmengen zum Schutz von Lachsen und Forellenwanderungen in einem Fluss als Verschärfung der Anforderungen des CW A bei der GenehmigungserVgl. oben § 6.III.4.b). CWA § 301, 33 U.S.C. 1311 (b)(I)(C): "In order to carry out the objective ofthis chapter there shall be achieved-- not later than July I, 1977, any more stringent limitation, including those necessary to meet water quality standards, treatment standards, or schedules of compliance, established pursuant to any State law or regulations (under authority preserved by section 1370 ofthis title) or any other Federallaw or regulation, or required to implement any applicable water quality standard established pursuant to this chapter"; § 401 (d) CWA, 33 U.S.C. § 1341 (d). 81 PUD No. I of Jefferson County and City ofTacoma v. Washington Department of Ecology, 114 S. Ct. 1900 (1994). 79
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teilung berücksichtigen konnte.82 Ebenso sind in Altlastensanierungsvorhaben nach CERCLA gemäß § 121 CERCLA grundsätzlich gliedstaatliche Anforderungen einzubeziehen. 83
cc) Abweichungen mit Zustimmung des Bundes Einige Regelungen sehen auch die Möglichkeit vor, schutzintensivere gliedstaatliche Regelungen durch den Bund genehmigen zu lassen (wofür regelmäßig die EPA zuständig ist). Soweit keine Selbstbindung des Bundes im einfachen Bundesrecht bestehen, sind Genehmigungen des Bundes für abweichende gliedstaatliche Regelungen unbegrenzt möglich; stimmt der Kongress zu (sog. congressional consent), so sind von vornherein keine Schranken gesetzt, da der Bund nicht an die aus der Verfassung abgeleiteten Beschränkungen der gliedstaatlichen Rechtssetzung zur Sicherung des zwischenstaatlichen Handels (vgl. unten § 13) gebunden ist.
2. Verdrängung gliedstaatlichen Rechts wegen bundesrechtlicher Besetzung des Sachbereichs (federal occupation of the field) a) Verdrängung ordnungsrechtlicher Anforderungen der Gliedstaaten
Ein gliedstaatliches Gesetz kann mit Bundesrecht unvereinbar sein, weil es Regelungen in einem Bereich schafft, den der Bund durch ihrer Eigenart nach abschließende (nicht notwendig umfassende) Regelung für sich vorbehalten hat (occupation of the field). Ein solcher abschließender Charakter einer Regelung ist durch Auslegung zu ermitteln, die sich neben dem Wortlaut der Regelung auf deren Systematik und Eigenart (statutory scheme oder character of the federal regulatory regime), die Gesetzesgeschichte (legislative history), 84 den Ebd., 1914. CERCLA § 121, 42 D.S.C. 9621 (d)(2)(A)(ii): "With respect to any hazardous substance, pollutant or contaminant that will remain onsite, if-- any promulgated standard, requirement, criteria, or limitation under aState environmental or facility siting law that is more stringent than any Federal standard, requirement, criteria, or limitation (...), is legally applicable to the hazardous substance or pollutant or contaminant concemed or is relevant and appropriate under the circurnstances of the release or threatened release of such hazardous substance or pollutant or contarninant, the remedial action selected (... ) shall require, at the completion of the remedial action, a level or standard of control for such hazardous substance or pollutant or contarninant which at least attains such legally applicable or relevant and appropriate standard, requirement, criteria, or limitation. ( ...)" 84 Vgl. Silkwood v. Kerr-McGee Corp., 464 D.S. 238, 249 (1984). 82
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Gegenstand der Regelung (nature of the subject) und deren Zielsetzung (purpose, object oder end)85 stützt. Die äußere Grenze möglicher Sperrwirkung und deren wichtigster Anhaltspunkt ist das (konkrete) Ziel der Regelung. Das Vorliegen produktbezogener Umweltschutzstandards in Bundesgesetzen fUhrt also nicht automatisch zu einer Sperrwirkung, entscheidend ist die Zielsetzung bzw. der Schutzzweck des Gesetzes. 86 Geht aus dem Bundesgesetz hervor, dass eine bundesweit einheitliche Regelung getroffen werden sollte, so sind sowohl ergänzende als auch weitergehende gliedstaatliche Regelungen ausgeschlossen. Hatte der Kongress jedoch bei der Setzung seines Standards nicht den Umweltschutz im Blick und hat auch nicht klargemacht, dass sein Standard schlechthin abschließend sein soll, so können die Gliedstaaten ohne Beschränkung durch die Supremacy Clause umweltbezogene Anforderungen an denselben Sachverhalt stellen. Der Supreme Court hat mehrfach gliedstaatliche und lokale Regelungen aufrechterhalten, die zwar denselben Sachverhalt regelten, jedoch nicht demselben Ziel dienten. Bereits im Jahr 1960 stellte das Gericht in Huron Portland Cement Co. v. Madison fest, dass Sicherheitsanforderungen des Bundes an Schiffe und an deren regelmäßige Überpüfung keine Sperrwirkung gegenüber der Anwendung einer örtlichen Immissionsschutzregelung (smoke abatement code) auf dieselben Schiffe hatten, da es dem Bund ausschließlich um die Seetüchtigkeit der Schiffe ging, während die Stadt die Luftverschmutzung im Stadtgebiet beschränken wollte. 87 Ähnliche Erwägungen liegen Entscheidungen von Courts of Appeal zu Grunde, so in Southern Pacific Transportation Company v. Oregon Public Utility Commission zu Grunde, in der das Gericht gliedstaatliche Beschränkungen von Lokomotivenpfeifen aufrechterhielt, da die Sicherheits- und Lärmbestimmungen des Bundes diesen Bereich nicht abdeckten,88 sowie in Interstate Towing Association, Inc. v. City 0/ Cincinnati, Ohio, wonach der Motor Carrier Safety Act des Bundes gliedstaatliche Normen mit anderer Zielsetzung in seinem Regelungsbereich grundsätzlich vorsah und daher keine zusätzlichen örtlichen Genehmigungsvorschriften ausschloss. 89
Rayv. Atlantic Richfield Co., 435 U.S. 151,164 f. (1978). Cippollone v. Liggett Group, Ine., 505 U.S. 504, 518 (1992): "That Congress requires a particular waming label does not automatically pre-empt a regulatory field. 85
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( ... )"
Huron Portland Cement Co. v. Madison, 362 U.S. 440,445 f. (1960). Southem Pacific Transportation Company v. Oregon Publie Utility Commission, 9 F.3d 807, 810 ff. (9th Cir. 1993). 89 Interstate Towing Association, Ine. v. City of Cincinnati, Ohio, 6 F.3d 1154, 1157 ff. (6th Cir. 1993). 87 88
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Von Huron unterschied der Supreme Court den Sachverhalt in Ray v. Atlantic Richfield Co. 90 Der Staat Washington hatte geregelte, dass Tanker im Küstenverkehr einen Lotsen an Bord zu nehmen hatten und daneben entweder zusätzlichen konstruktiven Anforderungen zu genügen hatten oder von Schleppern zu eskortieren waren. Abschnitt 11 des Port and Waterways Safety Act (PWSA) des Bundes91 regelte konstruktive Anforderungen an Tankschiffe zur Gewährleistung der Sicherheit dieser Schiffe und zum Schutz der Küstengewässer vor Ölverschmutzung. Abschnitt I des PWSA enthielt eine Ermächtigung der Bundesregierung zum Erlass von Regelungen über den Betrieb von Tankschiffen, die jedoch bisher nicht erlass'en worden waren. Hinsichtlich von Anforderungen, einen Lotsen an Bord zu nehmen, enthielt das Bundesrecht außerdem einen ausdrücklichen Vorbehalt zu Gunsten von Regelungen der Gliedstaaten fiir das Anlaufen ihrer Häfen. Eine Lotsenbestimmung wäre daher lediglich fiir den Puget Sound, ein beim Anlaufen der Ölhäfen des Staates zu befahrendes Gewässer, zulässig gewesen. 92 Das Gericht stellte weiter fest, dass die konstruktiven Vorschriften in Abschnitt 11 des PWSA eine einheitliche und abschließende Regelung beabsichtigten und die zuständigen Bundesbehörden zum Erlass ausgestaltender untergesetzlicher Regelungen zum PWSA verpflichteten, so dass dieser Bereich fiir gliedstaatliche Regelungen versperrt war. 93 Abschnitt I des PWSA ermächtigte hingegen die Bundesbehörden lediglich und enthielt keine Aussage zu einer beabsichtigten Einheitlichkeit der Regelung, so dass für Anforderungen an den Betrieb von Tankschiffen keine occupation ofthe field anzunehmen war. 94 In United States v. Locke bestätigte der Supreme Court Ray. Das Gericht erklärte hier gliedstaatliche Bestimmungen über die Ausbildung von Tankerbesatzungen und deren Englischkenntnisse, über Mindestwachbesatzungen sowie Berichtspflichten über Unfälle (die unabhängig davon auferlegt wurden, ob ein Unfall außerhalb oder innerhalb der Gewässer des Gliedstaates vorgefallen war) für unzulässig, da die Vorschriften über den Betrieb von Tankschiffen und die Ausbildung der Besatzungen in Abschnitt lIdes PWSA sowie die Bestimmungen der Küstenwache des Bundes zu Berichtspflichten diese Bereiche abschließend regelten und es sich um allgemeine Anforderungen außerhalb
Ray v. Atlantic Richfield Co., 435 U.S. 151 (1978). PWSA, 33 U.S.C. §§ 1221 ff. und 46 U.S.C. § 391a. 92 Ray v. Atlantic Richfield Co., 435 U.S. 151,158 ff. (1978). 93 Ebd., 160 ff. Hätte das gliedstaatliehe Gesetz in Ray nur diese konstruktiven Regelungen enthalten, so wäre es insgesamt unzulässig gewesen, da beide Regelungen denselben Schutzzweck verfolgen und denselben Regelungsgegenstand betrafen. V gl. ebd., 160 f. 94 Ebd., 171; vgl. zur co~flict preemption unten 3. 90 91
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der Reichweite der Vorbehalte für Gegenstände von rein lokalem Interesse handele. 95 In Pacific Gas and Electric Company v. State Energy Resources Conservation & Development Commission lehnte der Supreme Court eine Sperrwirkung gegenüber gliedstaatlichen Regelungen im Atomrecht ab. Zum einen war die Zwecksetzung "Förderung der Atomenergie" im Bundesrecht zu allgemein gefasst, um daneben gliedstaatliche Regelungen vollständig auszuschließen. Zum anderen hatte der Kongress selbst nur Sicherheitsaspekte der Kemenergienutzung geregelt, wirtschaftliche Aspekte jedoch offengelassen.96 Aus wirtschaftlichen Erwägungen begründete gliedstaatliche Vorschriften an die Gewährleistung der Entsorgung verstrahlter Abfälle waren daher zulässig.
b) Ordnungsrecht des Bundes und gliedstaatliches Schadensersatzrecht (drohende Schadensersatzforderungen als mittelbare Standardsetzung) In einer Reihe von Entscheidungen beschäftigten sich die Gerichte mit der Vereinbarkeit von gliedstaatlichem comrnon law und Gesetzesrecht mit ordnungsrechtlichen Standards des Bundesrechts in den Fällen, in denen sich eine Schadensersatzklage auf die Verletzung von Verpflichtungen stützt, die über die im Bundesrecht gesetzten Verpflichtungen hinausgehen.97 Diese Entscheidungen weisen auf die (mittelbar) regulierende Funktion des Schadensersatzrechts hin: Große Schadensersatzprozesse in den USA, bei denen zumeist hohe 9S United States v. Locke, Urt. des Supreme Court v. 6. 3. 2000, Docket No. 981791,20 ff. Sowohl der Bund als auch der Staat Washington hatten nach der Ölkatastrophe der "Exxon Valdez" in Alaska 1989 weitere Regelungen zum Betrieb von Tankschiffen erlassen (vgl. Oil Pollution Act des Bundes von 1990, 33 U.S.C. 2701 fI. OP A). Gegenstand der urspünglich von einer Organisation von Tankschiffreedern (Intertanko) angestoßenen Entscheidung in Locke war die Vereinbarkeit der von einer neuerrichten besonderen gliedstaatlichen administrative agency erlassenen "best achievable protection" (BAP)-Bestimmungen mit den Regelungen des Bundes. Vgl. auch Bernhard Rauch, Olwirtschaft versus Umweltschutz: Der Staat von Alaska zwischen Selbstbestimmung und Außenlenkung am Beispiel des ExxonNaldez Unfalls 1989, Frankfurter Wirtschafts- und Sozialgeographische Schriften 56, Frankfurt am Main 1991,141. 96 Pacific Gas and Electric Company v. State Energy Resources Conservation & Development Commission, 461 U.S. 186,213 fI. (1983). 97 Denkbar sind auch Klagen auf der Grundlage anderer common law-Instrumente, insbesondere AbwehranspTÜche (trespass gegen Beeinträchtigungen des Grundeigentums, nuisance gegen Geruchs- und Lärrnbelästigungen; vgl. Joseph J. Darby, Die Kompetenzverteilung zwischen dem Bund und den Einzelstaaten im USamerikanischen Umweltrecht, in: Rüdiger BreuerlMichael KloepferlPeter MarburgerlMeinhard Schroeder, Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts 1994, UTR Bd. 27, 607,618 f.), von wesentlicher Bedeutung sind jedoch - insbesondere wegen des mit punitive damages verbundenen Risikos - vor allem SchadensersatzanspTÜche.
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punitive damages (zusätzlicher Schadensersatz mit Strafcharakter) gefordert werden, haben vielfach die Wirkung schärferer Sicherheits- oder Umweltschutzstandards "durch die Hintertür", indem sie Unternehmen zur Vermeidung des Schadensersatzrisikos zu schärferen Sicherheitsvorkehrungen bewegen. 98 In Silkwood v. Kerr-McGee Corp. folgerte der Supreme Court im Rückschluss aus einem Änderungsgesetz zum Atomic Energy Act des Bundes, der die Kostentragung bei Schäden durch den Betrieb von Kernkraftwerken und prozessuale Erleichterungen für Geschädigte regelte, dass Schadensersatzklagen - und damit auch die Verurteilung zur Leistung von punitive damages nicht ausgeschlossen waren: "It rnay be that the award of damages based on the state law of negligence or strict
liability is regulatory in the sense that a nuc1ear plant will be threatened with damages liability if it does not conform to state standards, but that regulatory consequence was something that Congress was quite willing to accept."99 Diesem Ergebnis stand auch nicht die Möglichkeit der Behörden, ein Unternehmen nach einem Unfall im Rahmen von Verwaltungsstrafen gesondert zu Ersatzleistungen zu verpflichten (civil penalties), entgegen, oder die Zielsetzung des Atomic Energy Act, die friedliche Nutzung der Kernenergie zu fördern. loo Einen wesentlichen Anteil an der Entscheidung hatte wohl der Umstand, dass das Deliktsrecht eine zentraler Bereich traditionell gliedstaatlicher Regelungen ist. Deutlich zeigt sich dies am Gegensatz zu Pacific Gas and Electric Company v. State Energy Resources Conservation & Development Commission, wo das Gericht (hier als obiter dictum) feststellte, dass gliedstaatliehe Konstruktionsanforderungen an Kernkraftwerke ausgeschlossen seien, auch im nicht sicherheitsrelevanten Bereich. 101 Im Bereich der Produkthaftung befand der Court of Appeal für das Bundesdistrikt ein Gesetz des Staates Maryland für rechtmäßig, das einem Insektizidproduzenten eine Garantiehaftung wegen unzureichender Warnung vor den 98 Der Supreme Court hat darauf bereits in San Diego Building Trades Council v. Garmon, 359 U.S. 236, 247 (1959), hingewiesen: ,,[R]egulation can be as effectively exerted through an award of darnages as through some form of preventive relief'. 99 Silkwood v. Kerr-McGee Corp., 464 V.S. 238, 251 ff. (1984). 100 ,,Paying both federal fines and state-imposed punitive damages for the same incident would not appear to be physically impossible (...) ,[T]he promotion of nuclear power is ot to be accomplished ,at all costs"". Silkwood v. Kerr-McGee Corp., 464 U.S. 238,257 (1984). 101 Pacific Gas and Electric Company v. State Energy .. Resources Conservation & Deve10pment Comrnission, 461 U.S. 186,212 ff. (1983). Ahnlich Northem States Power Co. v. Minnesota, 447 F.2d 1143 (8th Cir. 1971), vom Supreme Court bestätigt, 405 U.S. 1035 (1972): Gliedstaatliche Regelung zu nuklear verseuchten Kraftwerksabwässern ausgeschlossen.
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Gefahren eines Produkts fiir landwirtschaftliche Arbeiter auferlegte. Produktstandards fiir Insektizide sind ausschließlich durch Bundesrecht geregelt. Der Federal Insecticide and Rodenticide Act (FIFRA) ermächtigt die EPA zur Standardsetzung, unter anderem fiir Warnhinweisen auf Etiketten, und untersagt abweichende oder weitergehende gliedstaatliche Etikettierungsvorschriften. Das Gericht unterschied zwischen schärferen gliedstaatlichen Etikettierungsvorschriften und den hier vorliegenden Schadensersatzvorschriften, die lediglich festlegen, dass der Produzent zur Zahlung verpflichtet ist, wenn eI keine weiteren Warnhinweise gibt. 102 Daraus lässt sich jedoch kein allgemeiner Grundsatz herleiten. In CS}( Transportation, [ne. v. Easterwood schlussfolgerte der Supreme Court aus dem Federal Railroad Safety Act (FRSA), dass weitergehende Anforderungen als Grundlage für Schadensersatzklagen nach gliedstaatlichem common law (hier: Personenschaden durch Unfall an einem Bahnübergang wegen mangelnde) Vorsicht bei Zugbetrieb) insoweit ausgeschlossen seien, als derselbe Sachver· halt bereits im FRSA geregelt war (einschließlich einer Sperrwirkung); sowohl Verwendungsbestimmungen in Finanzzuweisungen an die Gliedstaaten zw Beseitigung der Schadensursachen (hier: Sicherungen an Bahnübergängen) ah auch unmittelbare Regelungen des Bundes (hier: Höchstgeschwindigkeiten ffu Züge) konnten eine solche Regelung desselben Sachverhaltes sein. 103 In International Paper CO. V. Ouellette stellte der Supreme Court fest, das~ bei zwischenstaatlichen Streitigkeiten wegen Schadstoffeinträgen auch com 102 Ferebee v. Chevron Chemieal Co., 736 F.2d 1529, 1541 (D.C. Cir. 1984), Rechts mittel vom Supreme Court nieht zur Entscheidung angenommen, 469 U.S. 1062 (1984) Tribe, Constitutional Law, Bd. I, 1190 Fn. 55 sieht darin eine ähnliche Regelung wie iI Ray v. Atlantic Richfield Co., 435 U.S. 151 (1978), wonach eine gliedstaatliche Rege lung, die den Rechtsunterworfenen zwei (realistische) Verhaltensalternativen eröffnet dann zulässig ist, wenn zumindest eine der beiden Alternativen rechtmäßig vorgeschrei ben werden konnte. 103 CSX Transportation, Inc. v. Easterwood, 113 S.ct. 1732, 1738 ff. (1993), gleich artig zu Gunsten einer Sperrwirkung entschieden in Norfolk Southern Railway Compa ny v. Shanklin, Urt. des Supreme Court v. 17.4.2000, Docket No. 99-312. Vgl. auel die Entscheidung Cippollone v. Liggett Group, Ine., 789 F.2d 181 (3d Cir. 1986 (Rechtmittels vom Supreme Court nicht angenommen, 107 S.Ct. 907 (1987)), in der de Court of Appeal für den 3. Circuit das staatliche Schadensersatzrecht durch die bundes rechtliche Regelung von Wamhinweisen auf Zigarettenpackungen für ausgeschlossel hielt. Neben dem ausdrücklichen Ausschluss schärferer gliedstaatlicher Anforderungel an Warnhinweise dureh das Bundesrecht sah das Gericht aueh eine Entscheidung de Kongresses, die Tabakindustrie von der Entscheidung zwischen mehr Sicherheit UD< mehr Warnhinweisen auf der einen Seite und Sehadensersatzzahlungen auf der andere! Seite zu befreien. So im Erg. auch der Supreme Court in Cippollone v. Liggett GrouJ Inc., 505 U.S. 504, 521 ff. (1992): Bundesgesetz zur Zigarettenwerbung und kennzeichnung, das ,,no requirement or prohibition" durch gliedstaatliches Recht gesta1 tet, schließt zivilrechtliche Schadensersatzansprüche auf der Basis des gliedstaatliche eommon law aus.
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mon law-Klagen nach dem Recht des Emissionsstaates zulässig waren, und zwar nicht notwendig vor den Gerichten des emittierenden Staates, sondern auch vor denen eines anderen Staates, z.B. des Staates, in dem sich die Verschmutzung auswirkte. 104 Anstelle von gliedstaatlichem common law kann jedoch auch common law des Bundes zur Anwendung kommen, das von den Gerichten vor allem anband des Ordnungsrechts des Bundes zu entwickeln ist. Der Supreme Court hat ein solches federal common law bei Steitigkeiten zwischen gliedstaatlichen Körperschaften um zwischenstaatliche Schadstoffeinträge angenommen, die im damaligen Federal Water Pollution Control Act (FWPCA, vor dessen Novellierung durch den Clean Water Act, CWA) nicht geregelt waren. 105 Stelle ein Gliedstaat allerdings höhere ordnungsrechtliche Anforderungen im Bereich des Wasserrechts als der Bund, so könne er deren Beachtung verlangen. 106 Im Ergebnis ist daher eine differenzierte Betrachtung erforderlich, die darauf eingeht, ob eine konkrete Schutzvorkehrung im Bundesrecht geregelt ist. Auf diesem Wege lässt sich die Rechtsprechung zu Schadensersatzforderungen in eine Linie bringen mit der Rechtsprechung zu öffentlich-rechtlichen Anforderungen der Gliedstaaten, die nach Ray ebenfalls weitergehende Anforderungen erlaubt, die das Bundesrecht nicht erfasst, auch wenn damit der gleiche Zweck verfolgt wird. Wie das Gericht in CSX Transportation, Inc. v. Easterwood festhält, beruht die Entscheidung auf einer Abwägung, die sich (ggf. auf der Grundlage der Gültigkeitsvermutung fiir das gliedstaatliehe Recht) danach richtet, ob die rechtlichen Maßstäbe der beiden Rechte nach deren F ormulierung den gleichen Gegenstand (subject matter) betreffen. International Paper und Illinois v. Milwaukee zeigen einen weiteren Aspekt der preemption, die International Paper Co. v. Ouellette, 479 U.S. 48 I (1987). Illinois v. Milwaukee I, 406 U.S. 91, 101 ff. (1972). "When we deal with air and water in their ambient or interstate aspects, there is a federal common law." (Ebd., 103) "While the various federal environmental protection statutes will not necessarily mark the outer bounds of the federal common law, they may provide useful guidelines in fashioning such rules of decision ( ... ). State law ( ... ) may be resorted to in order to find the rule that will best effectuate the federal policy. Any state law applied, however, will be absorbed as federal law and will not be an independent source of private rights." (Ebd., 103 Fn. 5) ,,[1]his court is practically building up what may not improperly be called interstate common law." (Ebd., 105) 106 Ebd., 107 f. Vgl. auch die dort mittelbar in Bezug genommene Entscheidung Missouri v. Illinois, 180 U.S. 208, 241 (1900): "When the States by their Union made the forcible abatement of outside nuisances impossible to each, they did not thereby agree to submit to whatever might be done. They did not renounce the possibility of making reasonable demands on the ground oftheir still remaining quasi-sovereign interests; and the alternative to force is a suit in this court." In Milwaukee v. Illinois 11, 45 I U.S. 304 (1981) nahm der Supreme Court eine Sperrwirkung durch Besetzung des regulatorisehen Bereichs (occupation of the field) durch den CWA auch gegenüber Klagen nach federal common law sowohl wegen Grenzwerten für reguläre Enleitungen als auch wegen unbehandelter Abwässer an, da der CWA nun beides regelte (ebd., 3 I 9 ff.). 104
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Verhinderung horizontaler Souveränitätsbeschränkungen infolge von Streitigkeiten zwischen den Gliedstaaten, die in International Paper durch eine Unterwerfung unter das Recht des Ausgangsstaates gelöst wird, in fllinois v. Milwaukee durch Schaffung eines interstate common law auf Bundesebene und Monopolisierung der Regelung solcher Streitigkeiten durch den Bund.107 c) Sperrwirkung und preemption threats In Gade v. National Solid Wastes Management Association stellte der Supreme Court fest, dass selbständige gliedstaatliche Regelungen im Bereich Arbeitssicherheit und -gesundheit neben dem Occupational Health and Safety Act des Bundes (OSHA)108 ausgeschlossen seien. Grundlage dieser Feststellung war die Bestimmung des OSHA, nach der die Gliedstaaten nach dem Modell des kooperativen Föderalismus Verantwortung fiir die Fortentwicklung und Durchsetzung von Standards im Bereich Arbeitssicherheit und -gesundheit übernehmen können, indem sie den zuständigen Bundesbehörden einen Plan zur Genehmigung unterbreiten. Außerdem, so das Gericht, sei dem OSHA zu entnehmen, dass Bürger und Unternehmen nur einem einheitlichen Konzept im Bereich Arbeitssicherheit und -gesundheit, nicht aber verschiedenen, sich überschneidenden Bundes- und gliedstaatlichen Regelungen unterworfen werden sollten. 109 Damit stellt das Gericht die Verbindung zwischen der Feststellung einer Sperrwirkung und der Delegation der Implementation und Durchführung der Gesetze des Bundes nach den Prinzipien der preemption threats und der conditional grants her. Unter diesem Blickwinkel ist die Entscheidung folgerichtig: Der Anreiz fiir die Gliedstaaten, Bundesgesetze zu implementieren, wirkt nur dann, wenn es andernfalls zu einer weitreichenden Sperrwirkung kommt. Die Entscheidung legt es nahe, bei Umweltgesetzen des Bundes, die eine solche Delegation an die Gliedstaaten vorsehen, regelmäßig eine Absicht des Kongresses zu einer field preernption anzunehmen, weitergehende Regelungen der Gliedstaaten jedoch grundsätzlich (d.h. vorbehaltlich einer Vereinbarkeit mit Bundesrecht im Übrigen, insbesondere mit der Commerce Clause) zu gestatten, wenn die Gliedstaaten die Aufgabe der Implementation übernommen haben.
107 Vgl. hierzu Illinois v. Milwaukee I, 406 U.S. 91, 102 f. (1972): "the [Clean Water] Act makes clear that it is federal, not state, law that in the end controls the pollution of interstate or navigable waters." 108 Occupational Health and Safety Act, 29 U.S.c. §§ 651 ff. 109 Gade v. National Solid Wastes Management Association, 505 U.S. 88, 98 ff. (1992).
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In Wisconsin Public Intervenor v. Mortier llO leitete der Supreme Court aus dem Verbot gliedstaatlicher Anforderungen an Kennzeichnung und Verpackung nach dem Federal Insecticide, Fungicide, and Rodenticide Act (FIFRA) her, dass das Gesetz örtliche Beschränkungen der Verwendung von Pestziden im Übrigen nicht ausschloss. Dies passt sich in die obigen Schlussfolgerungen aus Gade ein, da die Zulassung von Pestiziden nach FIFRA vor Bundesbehörden (der EPA) erfolgt, ohne dass eine Delegation dieser Befugnisse an die Gliedstaaten vorgesehen ist, so dass es der Drohung mit der Sperrwirkung nicht bedarf. Schließlich stehen örtliche Verwendungsbestimmungen einern einheitlichen Regelungssystem nicht entgegen, weil unterschiedliche örtliche Bestimmungen bereits nicht zu kumulativen Anfoderungen verschiedener staatlicher Ebenen an dasselbe Verhalten fUhren. 3. Verdrängung gliedstaatlichen Rechts wegen Unvereinbarkeit mit Bundesrecht (actual conflict) · Ein Widerspruch zwischen Bundes- und einzelstaatlichem Gesetz liegt dort auf der Hand, wo Bundes- und Gliedstaatenrecht widersprüchliche Anforderungen an ein und denselben Sachverhalt stellen, so dass fiir den Bürger ein Verhalten im Einklang mit beiden Regelungen unmöglich ist. 111 Es genügt jedoch, dass die gliedstaatliche Regelung mit den Zielen und Zwecken eines Bundesgesetzes unvereinbar ist,112 weil sie die Regelung des Bundes an ihrer effektiven Durchsetzung spürbar hindert.l13 Dies gilt etwa dann, wenn die gliedstaatliche Regelung zur Folge hat, dass ein von dem Bundesgesetz gefördertes Verhalten verhindert oder erschwert wird 114 oder umgekehrt das gliedWisconsin Public Intervenor v. Mortier, SOl D.S. 597 (1991). Vgl. Z.B. McDerrnott v. Wisconsin, 228 D.S. 115 (1913); Florida Lime & Avocado Growers, Inc. v. Paul, 373 D.S. 132, 142 f. (1963): wenn "compliance with both federal and state regulations is a physical irnpossibility". 112 Vgl. z.B. Hines v. Davidowitz, 312 D.S. 52,67 (1941): ,,( ... ) stands as an obstacle to the accomplishment and execution ofthe fuH purposes and objectives ofCongress." 113 Vgl. City ofBurbank v. Lockheed Air Terminal Inc., 411 US. 624 (1973): Ziel des Luftfahrtgesetzes des Bundes (Federal Aeronautics Act) ist die Sicherheit des Luftverkehrs. Eine lokale Einschränkung der täglichen Start- und Landezeiten würde eine sichere Anordnung des Luftverkehrs erschweren und so der Verwirklichung des Sicherheitsaspekts des Bundesgesetzes schaden. 114 Vgl. z.B. Xerox Corp. v. County ofHarris, 459 D.S. 145 (1982). Das Gericht erklärte darin eine gliedstaatliche Besteuerung von Waren aus mexikanischer Produktion, die zum Weitertransport ins Ausland in einem amerikanischen ZoHager lagerten, für unzulässig. Die Schaffung einer zollfreien Enklave zur Zwischenlagerung durch Bundesgesetz diente dem Zweck, Kaufleute zur Nutzung amerikanischer Häfen zu veranlassen. Die Wirkung der staatlichen Steuer ging jedoch genau in die entgegengesetzte Richtung. Vgl. auch Nash v. Florida Industrial Commission, 389 US. 235 (1967). 110 111
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staatliche Gesetz ein nach Bundesrecht unerwünschtes Verhalten fördert. 115 Gliedstaatliche Regelungen sollen nicht eine fein austarierte Balance, die der Bund zwischen verschiedenen sachlichen Interessen und finanziellen Erwägungen hergestellt hat, aus dem Gleichgewicht bringen.116 Um eine strukturelle Verdrängung festzustellen, sind also die Ziele von Bundes- und gliedstaatlichem Gesetz zu vergleichen. 117 In Ray v. Atlantie Riehjield Co. war hinsichtlich der Bestimmungen des Staates Washington, die eine Begleitung durch Schlepper (als Alternative zu zusätzlichen konstruktiven Anforderungen) forderten, lediglich conflict preemption zu prüfen, da die Regelung hierzu in Titel I des PWSA des Bundes keine federal occupation of the field ergaben. Die untergesetzlichen V orschriften auf der Grundlage des PWSA enthielten (bislang) keine mit dem Erfordernis der Schleppereskorte unvereinbaren Regelungen, so dass die gliedstaatlichen Vorschriften zulässig waren. 118 Tankschiffe im Puget Sound hatten nach der Regelung des Staates Washington lediglich entweder (unzulässigen) zusätzlichen konstruktiven Anforderungen zu genügen oder sich in dem engen Gewässer durch Schlepper begleiten zu lassen. Da die Schlepperalternative zulässig war und die konstruktiven Anforderungen des Bundesrechts nicht berührte, konnte die gesamte Regelung im Ergebnis aufrechterhalten werden. 119 In United States v. Loeke verwies der Supreme Court zur Prüfung von Bestimmungen, die nach dem Prinzip der conflict preemption an Abschnitt I des PWSA zu messen waren, an die Untergerichte zurück, betont jedoch die bereits in Ray nebenbei angesprochene Zulässigkeit gliedstaatlicher Regelungen in Bereichen besonderer örtlicher Umstände und Problemlagen, die Abschnitt I des PWSA vorbehält. 120
Vgl. z.B. Jones v. Rath Packing Co., 430 U.S. 519 (1977). Vgl. z.B. Edgar v. MITE Corp., 457 U.S. 624, 632 ff. (1982), hier zum Interessenausgleich im Recht der Unternehmensübernahmen. 117 Vgl. z.B. California v. Zook, 336 U.S. 725, 730 (1949); Colorado AntiDiscrimination Comrnission v. Continental Air Lines, 372 U.S. 714, 722-724 (1963); California Federal Sav. & Loan Assn. v. Guerra, 107 S.Ct. 683 (1987). 118 Rayv. Atlantic Richfield Co., 435 U.S. 151, 171 ff. (1978). 119 Ebd., 172 f. Etwas anderes würde lediglich dann gelten, wenn ein Gliedstaat angesichts einer Alternativregelung Druck auf den betroffenen Bürger ausübt, damit dieser der Verhaltensalternative mit schärferen Standards folgt (ebd., 173 und Fn. 25). Die Schlepperalternative war realistisch und bezahlbar, so dass die Regelung keinen Druck in Richtung der konstruktiven Alternative ausübte (ebd.). 120 United States v. Locke, Urt. des Supreme Court v. 6. 3. 2000, Docket No. 981791,11 f. und 24 f. Als Beispiele nennt das Gericht Wassertiefe und Enge von Wasserstraßen beim Hafenzufahrten (ebd., 12), und führt aus: "It is fundamental in OUT federal structure that states have vast residual powers. Those powers, unless constrained or displaced by the existence of federal authority or by proper federal enactments, are often exercised in concurrence with those ofthe national govemment" (ebd., 12). IlS
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In Exxon Corp. v. Hunt stellte der Supreme Court neben der express preemption durch § 114(c) CERCLA eine Sperrwirkung wegen inhaltlicher Unvereinbarkeit mit CERCLA (actual conflict) insoweit fest, als das Gesetz des Staates New Jersey die Erhebung von Abgaben fiir die Sanierung von Standorten erlaubt hätte, die fiir die eine Kostentragung durch Superfund in Betracht kam. 121
V. Sperrwirkung bei Regelungen zu bundeseigenen Flächen nach der Property Clause Die Property Clause ist keine ausschließliche Bundeskompetenz. 122 Die Frage der Sperrwirkung des einfachen Bundesrechts unter der Property Clause hat allerdings erst in unserem Jahrhundert, als Ergebnis der gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts beginnenden aktiven Politik des Bundes zu den federal lands, praktische Bedeutung gewonnen. Allerdings ist es dem Bund nicht gelungen, hierbei ein einheitliches regulatorisches Regime zu schaffen. 123 In der Rechtsprechung der Bundesgerichte fIndet sich eine Reihe von Entscheidungen zur Errichtung von Wasserkraftwerken und zur Gewinnung von Bodenschätzen auf bundeseigenem Land. Regelmäßiger geht es um eine Sperrwirkung einer abschließenden Regelung des Bundes fiir den gesamten Regelungsbereich (fIeld preemption). In Federal Power Commission v. Oregon hatte der Staat Oregon die Durchfiihrung eines Genehrnigungsverfahrens nach seinem Recht fiir die Errichtung eines Wasserkraftwerkes auf bundeseigenem Land verlangt. Der Supreme Court entschied, dass der Federal Power Act 124 eine konkurrierende Kompetenz des Staates Oregon zur Regelung eines Genehrnigungsverfahrens ausschließe. 125 Das Gericht berief sich dabei auf die 121 Exxon Corp. v. Hunt, 475 U.S. 355, 376 (1986). Auch dahinter steht der Gedanke des Schutzes der petrochemischen Industrie vor übermäßiger Besteuerung. Vgl. hierzu und allgemein zu Exxon auch oben IV.l.a). 122 Vgl. Kleppe v. New Mexico, 426 U.S. 529,543 (1976): "Absent consent or cession aState undoubtedly retains jurisdiction over federal lands within its territory, but Congress equally surely retains the power to enact legislation respecting those lands pursuant to the Property Clause. And when Congress so acts, the federal legislation necessarily overrides conflicting state laws under the Supremacy Clause." 123 Vgl. die abweichende Meinung von Justice Powell in Califomia Coastal Comrnission v. Granite Rock Co., 480 U.S. 572, 606 (1987): ,,[I]t is fair to say that, cornrnencing in 1872, Congress has created an almost impenetrable maze of arguably relevant legislation in no less than a half-dozen statutes, augmented by the regulations of two Departrnents ofthe Executive. There is little cause for wonder that the language ofthese statutes and regulations has generated considerable confusion. There is an evident need for Congress to enact a single comprehensive statute for the regulation offederallands." 124 16 U.S.c. §§ 791a-828c. 125 Federal Power Comrnission v. Oregon, 349 U.S. 435, 445 (1955).
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Vorentscheidung First Iowa Hydro-Electric Cooperative v. Federal Power Commission,126 in dem es einen ähnlichen Fall, ein Wasserkraftwerk in Iowa (allerdings auf privatem Land) gegen den beteiligten Gliedstaat unter Berufung auf field preemption durch den Federal Power Act l27 entschied. Wenn die Unterwerfung des Kraftwerksprojekts in First Iowa unter zweifache (Bundes- und gliedstaatliche) Standards unzulässig gewesen sei, so müsse das hier gleichfalls gelten.128 Eine Sperrwirkung für den gesamten Regelungsbereich nehmen auch Entscheidungen zur Ausbeutung von Bodenschätzen auf bundeseigenem Land an. 129 Dabei kann allerdings nicht von der allgemeinen Sperrwirkung die Rede sein: Dem stehen mehrere Entscheidungen entgegen, in denen der Supreme Court gliedstaatliche Regelungen über die Ausbeutung von Bodenschätzen gelten ließ. 13o Gliedstaatlichen Gerichte nehmen vielfach eine Sperrwirkung nur dann an, wenn gliedstaatliches Recht bundesrechtlich erlaubte Tätigkeiten verbietet oder (z.B. durch prohibitive Abgaben) unmöglich macht (conflict preemption).131 Dennoch besteht eine Tendenz zu einer weitreichenden field preemption im Bereich der Property Clause. Diese lässt sich allerdings nicht ohne weiteres auf im engeren Sinne umweltrechtliche Regelungen übertragen. In California Coastal Commission v. Granite Rock Co. sah der Supreme Court umweltrechtliche Regelungen im Gegensatz zu Regelungen der Flächennutzung als nicht vom Bundesrecht verdrängt an, da die entscheidende Regelung im Federal Land Policy Management Act (FLPMA) den Secretary of Interior zu Regelungen der Flächennutzung ermächtigte, um die Einhaltung umweltrechtlicher Standards des Bundes und der Staaten zu sichern. Bodennutzungsreglungen geben bestimmte Nutzungen der Fläche vor, während umweltrechtliche Regelungen die Begrenzung von Umweltschäden unabhängig von der konkreten Nutzungsart vorschreiben. 132 Allerdings gebe es zwischen beiden Regelungsar126 First Iowa Hydro-Electric Cooperative v. Federal Power Cornmission, 328 U.S. 152 (1946). 127 16 U.S.C. §§ 791a ff. 128 Federa1 Power Cornmission v. Oregon, 349 U.S. 435,445 (1955). 129 Vgl. z.B. Ventura Country v. GulfOil Corp., 601 F.2d 1080 (9th Cir. 1979), vom Supreme Court bestätigt, 445 U.S. 947 (1980). 130 Vgl. z.B. United States v. Califomia, 438 U.S. 645 (1978); United States v. New Mexico, 438 U.S. 696 (1978); Commonwealth Edison Co. v. Montana, 453 U.S. 609 (1981). 131 Vgl. z.B. die Entscheidung des Idaho Supreme Court in State ex re. Andrus v. Click, 554 P.2d 969 (ldaho 1976) und die Entscheidung des Colorado Supreme Court in Brubaker v. Board of County Cornmissioners, 652 P .2d 1050 (Colorado 1982), jeweils zur Sperrwirkung von Bundesrecht gegenüber gliedstaatlichen Genehmigungserfordernissen, die im Einzelfall ein Ausbeutung von Bodenschätzen unmöglich machten. 132 Califomia Coastal Cornmission v. Granite Rock Co., 480 U.S. 572, 587 (1987) und 43 U.S.C. § 1712(c)(8).
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ten keine scharfe Trennlinie, \33 außerdem sei die Entscheidung eng auszulegen,134 woraus sich schließen lässt, dass sich das Gericht eine Einzelfallprüfung vorbehält. 135 In South Dakota Mining Assoeiation, Ine. v. eole erklärte der Court of Appeal fiir den 8. Circuit die Flächennutzungsregelung einer County, die aus Gründen des Umweltschutzes in einem bundeseigenen Gebiet jeglichen MetallTagebau verbot, für durch den Federal Mining Act versperrt. In der Regelung überschnitt sich die Zielsetzung des Umweltschutzes mit einer umfassenden Landnutzungsregelung, da das Verbot die einzig praktikable Abbaumethode für diese Gegend untersagte. Das Gericht befand die Regelung daher fiir unvereinbar (conflict preemption) mit dem Ziel des Federal Mining Act, die Ausbeutung von Bodenschätzen auf bundeseigenem Land grundsätzlich zuzulassen. 136
§ 13 Handlungsspielräume bei Nichtexistenz von Bundesrecht mit Sperrwirkung Ist gliedstaatliches Umweltrecht nicht durch Bundesrecht ausgeschlossen, so ist es auf seine Vereinbarkeit mit Bestimmungen der Verfassung selbst hin zu prüfen. Von Bedeutung ist dabei im Wesentlichen nur die sog. dormant Commerce Clause, die als Kehrseite der Bundeskompetenz zur Regelung des zwischenstaatlichen Handels grundsätzlich handelsbeschränkende gliedstaatliche Gesetze und Praktiken verbietet (unten 1.). Bestimmte Sachargumente, zu de133 Ebd., 587: "The line betweeen environmental regulation and land use planning will not always be brigth: for example, one may hypothsize astate environmental regulation so severe that a particular land use would become commercially impracticable." 134 Ebd., 593. 135 Vgl. Matt A. Crapo, Regulating Hardrock Mining: To What Extent Can the States Regulate Mining on Federal Lands?, 191. Land Resources & Envtl. L. 249,254 (1999). Außerdem lehnen die beiden Minderheitsvoten zu dem mit knapper Mehrheit ergangenen Urteil diese Unterscheidung ab und halten letztlich die Einfiihrung eines gliedstaatlichen Genehrnigungserfordemisses zur Durchsetzung von gliedstaatlichem Umweltrecht filr verdrängt. Justice Powelliehnt die Unterscheidung zwischen umweltbezogenen Regelungen und Regelungen der Flächennutzung ab. Mit dem Instrument eines Genehrnigungserfordemisses könne Kalifornien dem Unternehmen die Bergbauaktivität letztlich auch vollständig verbieten (und damit in Konflikt mit der land management authority des Bundes geraten, vgl. Crapo 255). Califomia Coastal Commission v. Granite Rock Co., 480 U.S. 572, 599 ff.; 603 (1987). Justice Scalia meinte, die kalifomisehen Bestimmungen seien ohnehin Bodennutzungsregelungen, auch wenn sie zur Durchsetzung von Umweltschutzgesetzen dienten (ebd., 607 und 611). Vgl. auch Crapo 255. 136 South Dakota Mining Association, Ine. v. Cole, 155 F.3d 1005 (8th Cir. 1998). Das Gericht grenzt von Granite Rock ab, wo trotz der Beschränkung Fallkonstellationen möglich waren, in denen das gliedstaatliche Recht dem Bundesrecht jedenfalls nicht entgegenstand.
§ l3 Nichtexistenz von Bundesgesetzgebung mit Sperrwirkung
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nen auch der Umweltschutz zählt, erlauben jedoch Abweichungen von diesem Verbot (unten 11.). Verschiedene Fallgruppen aus dem Umweltbereich veranschaulichen die Bedeutung der dormant Commerce Clause für die Umweltgesetzgebung der Gliedstaaten (unten III.).
I. Die Beschränkung der gliedstaatlichen Gesetzgebung durch die "ruhende" Handelskompetenz (dormant Commerce Clause) 1. Einführung Die Commerce Clause war von Anfang an neben ihrer Ermächtigungsfunktion für den Bund auf eine Schrankenfunktion für die Gesetzgebung der Gliedstaaten festgelegt. Die Handelskompetenz sollte durch ihre Zuordnung zum Bund vor allem den Gliedstaaten entzogen werden, um ihnen die Möglichkeit von Beschränkungen zu Lasten von Gütern und Dienstleistungen aus anderen Gliedstaaten zu nehmen und den Frieden in der Union zu sichern: "The defect of power in the existing confederacy, to regulate the commerce between its several members, is in the number of those which have been c1early pointed out by experience. (...) A very material object of this power was the relief of the States which import and export through other States, from the improper contributions levied on them by the latter. Were these at Jiberty to regulate the trade betweenState and State, it must be foreseen that ways would be found out, to load the articles of import and export, during the passage through their jurisdiction, with duties which would fall on the makers ofthe latter, and the consumers ofthe former. We may be assured by past experience, that such a practice would be introduced by future contri vances; and both by that and a common knowledge of human affairs, that it would nourish unceasing animosities, and not improbably terminate in serious interruptions ofthe public tranquility.,,137 Mit dem Ziel eines gemeinsamen Marktes ist aber noch nicht festgelegt, ob und nach welchen Kriterien die Gerichte gegenüber handels beschränkenden gliedstaatlichen Regelungen einzugreifen haben. Der Wortlaut des Art. 1 § 8 S. 3 erschöpft sich in der positiven Kompetenzzuweisung an den Kongress und trifft insbesondere keine Aussage darüber, inwiefern dadurch die Gliedstaaten in ihrer Gesetzgebung beschränkt sind. 138 Die Diskussionen in der ConstitutioThe Federalist No. 42 (Madison), in: Wills, 211, 214 Eine ausdrückliche Beschränkung der gliedstaatlichen Gesetzgebung als Spezialregelung im Bereich der Commerce Clause ist allerdings das Verbot gliedstaatlicher Abgaben aufImporte und Exporte in Art. I § 10 S. 2 der Verfassung: "No State shall, without the Consent of the Congress, lay any Imposts or Duties on Imports or Exports, except what may be absolutely necessary for executing it's inspection Laws ( ... )." 137
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nal Convention geben keinen Hinweis auf die verbleibenden Befugnisse der Gliedstaaten im Handelsbereich. Die Frage, ob die Handelskompetenz des Bundes exklusiv war oder daneben konkurrierende gliedstaatliche Kompetenzen bestanden, wurde in Philadelphia nicht geklärt. Die Commerce Clause lässt eine Vielzahl von Interpretationsmöglichkeiten zu, die in der Rechtsprechung des Supreme Court nacheinander ihren Niederschlag gefunden haben. Die hierbei dogmatisch beschrittenen Wege zeigen grundverschiedene Möglichkeiten der Gestaltung des Bund-StaatenVerhältnisses im Handelsbereich auf (unten 2.). Heute ist anerkannt, dass die Commerce Clause auch ohne ihre Ausübung durch den Kongress die Rechtssetzung der Gliedstaaten einschränkt. Gesetze, die den zwischenstaatlichen Handel in unverhältnismäßiger Weise behindern, sind von den Gerichten für verfassungswidrig zu erklären. (sog. "ruhende" oder "negative" Handelskompetenz - donnant oder negative Commerce Clause doctrine, unten 3. und 4.).139 Ein Schwerpunkt der jüngeren Rechtsprechung zur dorrnant Commerce Clause sind umweltbezogene Regelungen der Gliedstaaten gewesen, auch der Supreme Court hat in diesem Bereich eine Vielzahl von Sachverhalten zur Entscheidung angenommen. (unten II. und III.). 2. Interpretationsmodelle zur Bedeutung der commerce power gegenüber den Staaten a) Völliger Ausschluss der Staaten aus dem Handelsbereich auch ohne Ausübung der Commerce Clause durch den Bund (dormant power theory)
Bevor die Commerce Clause gegen Ende des 19. Jahrhunderts nennenswerte praktische Relevanz als Kompetenzgrundlage für die Gesetzgebung des Bundes erlangte, hatte sie die Funktion einer Sicherung gegen Erschwerungen des zwischenstaatlichen Handels durch die Gliedstaaten zu erfüllen. 140 Eine naheliegende dogmatische Möglichkeit, die Staaten an gegenseitiger Benachteiligung durch protektionistische Handelsgesetzgebung zu hindern, ist die Auslegung der Commerce Clause als ausschließliche Bundeskompetenz. Danach wäre generell jede Handelsregelung dem Bund vorbehalten. Die Gliedstaaten wären aus diesem Bereich stets ausgeschlossen, auch wenn der Bund keinerlei Gesetze zur Regelung des Handels erlassen hat. Bleibt der Kongress untätig, so 139 Die Ansicht, dass die Verfassung keine dormant Comrnerce Clause enthalte, vertritt z.B. Iustice Scalia in seiner abweichenden Begründung in Tyler Pipe Industries v. Washington, 483 U.S. 232 (1987). 140 Vgl. Jonathan Neville, Constitutional Law, Chicago 1991, 19.
§ 13 Nichtexistenz von Bundesgesetzgebung mit Sperrwirkung
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ist die Freiheit des zwischenstaatlichen Handels durch ein regulatorisches Vakuum gesichert. Bereits in Gibbons v. Ogden wurde die Frage aufgeworfen, ob die Handelskompetenz des Bundes ausschließlicher Natur sei. Chief Justice Marshall, der die Entscheidungsbegriindung verfasste, vermied eine ausdrückliche Aussage hierzu, obwohl das Problem angesichts der weiten Auslegung des Begriffs cornmerce durch Marshall selbst in dem Rechtsstreit offen zu Tage trat. Da bereits ein Bundesgesetz vorlag, das nicht mit der streitigen Regelung des Staates New York vereinbar war, konnte die Frage anhand der Sperrwirkung dieser Regelung entschieden werden. 141 Die Vermeidung einer ausdrücklichen Aussage hierzu lässt sich mit den Widerständen erklären, die dagegen zu erwarten waren. Ein Jahr vor Gibbons hatte Justice Johnson in seiner Eigenschaft als Richter an einern Court of Appeal in Elkinson v. Deliesseline erklärt, dass die Cornmerce Clause eine ausschließliche Bundeskompetenz beinhalte. 142 Der betroffene Staat South Carolina weigerte sich jedoch, dem Urteil zu folgen, so dass die Autorität der Bundesgerichte gefährdet war. 143
141 ,,But it has been urged with great eamestness, that, although the power of Congress to regulate cornmerce with foreign nations, and among the several States, be coextensive with the subject itself, and have no other limits than are prescribed in the constitution, yet the States rnay severally exercise the same power, within their respective jurisidictions. ( ... ) The appellant ( ... ) contends, that full power to regulate a particular subject, implies the whole power, and leaves no residuum (... ). In discussing the question, whether this power is still in the States, in the case under consideration, we may dismiss from it the inquiry, whether it is surrendered by the mere grant to Congress, or is retained until Congress shall exercise the power. We may dismiss that inquiry, because it has been exercised, and the regulations which Congress deemed it proper to make, are now in füll operation. The sole question is, can aState regulate cornmerce with foreign nations and among the states, while Congress is regulating it?" Gibbons v. Ogden, 22 U.S. (9 Wheat.) 1, 196 ff. (1824), Hervorhebung hinzugefilgt. 142 Federal Cases No. 4366 (1823). Die in Elkinson geäußerte concurrent power theory vertrat Johnson auch in Gibbons: ,,[The commerce] power must be exc1usive; it can reside but in one potentate ( ...)." Gibbons v. Ogden, 22 U.S. (9 Wheat.) 1,226 (1824) (abweichende Begründung von Justice Johnson). Die dormant power theory findet sich auch wieder bei einem Teil der Richter in den License Cases, 46 U.S. (5 How.) 504 (1847) sowie in den Passenger Cases, 48 U.S. (7 How.) 283 (1849), in denen jeweils sieben bzw. acht unterschiedliche Urteilsbegründungen zustande kamen. 143 Marshall bemerkte dazu in einem Schreiben an Justice Story: "Our brother Johnson, I perceive, has hung hirnself on a democratic snag, in a hedge composed entirely of thorny States Rights in South Carolina ( ... ); a case has been brought before me in which I might have considered its constitutionality, had I chosen to do so; but it was not absolute1y necessary, and as I am not fond ofbutting against a wall in sport, I escaped on the construction of the act." Zitiert nach lohn R. Schmidhauser, The Supreme Court as Final Arbiter in Federal-State Relations, 1789-1957, Chapel Hill1958.
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b) Konkurrierende Kompetenzen ohne Beschränkung der Staaten durch die Commerce Clause (concurrent power theory)
Das diametrale Gegenstück zur dorrnant power theory, die concurrent power theory, wurde von den Vertretern des Staates New York in Gibbons vorgebracht. Danach gibt es keinen Bereich, der ausschließlich dem Bund vorbehalten ist. Bund und Staaten verfugen im gesamten Bereich des zwischenstaatlichen Handels über konkurrierende Kompetenzen. Die Staaten sind nur an der Regelung eines Sachverhalts gehindert, soweit dieser bereits durch Bundesrecht abgedeckt ist. Selbst gliedstaatliche Regelungen, die den zwischenstaatlichen Handel behindern, sind also bis zu einem gesetzgeberischen Eingreifen des Kongresses zulässig. Zur Begründung dieser Theorie wurde angefUhrt, die Staaten hätten vor der Annahme der Verfassung über umfassende Befugnisse verfugt und sich diese auch danach erhalten, abgesichert durch den Zehnten Verfassungszusatz. Die Zuweisung einer Kompetenz an den Kongress sei nur dann ausschließlicher Art, wenn das Fortbestehen einer gliedstaatlichen Kompetenz damit unvereinbar sei, was bei der cornmerce power, ähnlich wie bei der taxing power, nicht der Fall sei. l44 Nach einer anderen Begründung war das Schweigen des Bundesgesetzgebers als Überlassung der Materie an die Gliedstaaten zu verstehen. 145 Schließlich gebe es Regelungen der Staaten über Kontrollen des Handels (inspection laws), die unzweifelhaft zulässig seien. 146 Gibbons lehnte dies ab: Inspection laws seien keine gliedstaatlichen HandeIsregelungen, sondern ein Ausfluss der police power der Staaten. 147 Die Ablehnung jeglicher Beschränkung der Gliedstaaten durch die Befürworter der concurrent power theory lässt sich auch nicht mit dem oben dargestellten Sinn und Zweck der Zuweisung der Handelskompetenz an den Bund zur Verhinderung von Handelsbeschränkungen der Gliedstaaten vereinbaren.
144 Vgl. die abweichende Ansicht von Chief Justice Taney in Pennsylvania v. Wheeling & Belmont Bridge Co., 54 U.S. (13 How.) 518, 587 (1852). 145 Vgl. z.B. Livingston v. Van lngen, 9 Johns, 507 (N.Y. 1812), zitiert nach RotundaINowak 282 Fn. 7. 146 Vgl. Art. I § 10 S. 2 der Verfassung. 147 Gibbons v. Ogden, 22 U.S. (9 Wheat.) 1, 203 (1824). Marshall lehnt auch die Analogie zur taxing power ausdrücklich ab, ebd., 199 f.: "The power oftaxation ( ... ) is a power which, in its own nature, is capable ofresiding in, and being exercised by, different authorities at the same time. ( ... ) When, then, each govemment exercises the power of taxation, neither is exercising the power of the other. But, when aState proceeds to regulate commerce with foreign nations, or among the several States, it is exercising the very power that is granted to Congress, and is doing the very thing which Congress is authorized to do."
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c) Wechelseitige Ausschließlichkeit zwischen commerce power und police power (mutual exclusiveness theory oder origin ofpower theory) Eine andere Spielart der Ansicht, dass die Regelung des zwischenstaatlichen Handels exklusiv dem Bund zustehe, fmdet sich in der Theorie der mutual exc1usiveness. Anders als bei der dormant power theory ist danach nicht nur der Kompetenzbereich des Bundes den Staaten verschlossen, sondern umgekehrt auch der der Staaten dem Bund. Mit der comrnerce power und der police power stehen sich zwei Bereiche ausschließlicher Kompetenzen des Bundes bzw. der Staaten völlig selbständig und wechselseitig klar voneinander getrennt gegenüber. 148 Dem liegt ein Konzept nebeneinander geordneter Regelungsgewalt von Bund und Staaten zu Grunde. Konflikte sind stets nach Kompetenzzuordnungen, nie nach der Suprernacy Clause, zu entscheiden.149 148 Vgl. z.B. die Urteilsbegründungen von Justice Barbour in Mayor ofNew York v. Miln, 36 U.S. (11 Pet.) 102, 139 (1837): "That all those powers which relate to merely municipallegislation, or what rnay, perhaps, more properly be called internal police, are not thus surrendered or restrained; and that, consequently, in relating to these, the authority of aState is complete, unqualified and exclusive." So auch Justice McLean in den License Cases, 46 U.S. (5 How.) 504, 588 (1847): "The Federal Government is supreme within the scope of its delegated powers, and the State governments are equally supreme in the exercise of those powers not delegated by them nor inhibited to them. From this it is clear, that while these supreme functions are exercised by the Federal and State govemments, within their respective limitations, they can never come in conflict." (In den License Cases sind die Fälle Thurlow v. Massachusetts, Fletcher v. Rhode Island und Peirce v. New Hampshire zusammengefasst. Sie bestätigten jeweils gliedstaatliche Gesetze, mit denen sich die Staaten die ausschließliche Kontrolle über alkoholische Getränke zusprachen.) 149 An anderer Stelle in Gibbons neigt auch Marshall zu einer Betrachtung der Commerce Clause im Sinne wechselseitiger Ausschließlichkeit: "In our complex system, presenting the rare and difficult scheme of one general govemment, whose action extends over the whole, but which possesses only certain enumerated powers; and of numerous State governments, which retain and exercise all powers not delegated to the Union, contests respecting power must arise. Were it even otherwise, the measures taken by the respective governments to execute their acknowledged powers, would often be of the same description, and might, sometimes, interfere. This, however, does not prove that the one is exercising, or has a right to exercise, the powers of the other. ( ...) It has been contended by the counsel for the appellant, that, as the word ,to regulate' implies in its nature, full power over the thing to be regulated, it excludes, necessarily, the action of all others that would perforrn the same operation on the same thing. That regulation is designed for the entire result, applying to those parts which rernain as they were, as weH as to those which are altered. It produces a uniform whole, which is as much disturbed and deranged by changing what the regulating power designs to leave untouched, as that on which it has operated. There is great force in this argument, and the Court is not satisfied that it has been refuted." Gibbons v. Ogden, 22 U.S. (9 Wheat.) 1,208 f. (1824). In einer weiteren Passage bezieht er sich auf nach seiner Ansicht den Staaten vorzubehaltende Bereiche: ,,( ...) that immense mass of legislation, which embraces everything within the territory of aState, not surrendered to a general government. ( ... ) Inspection laws, quarantine laws, health laws of every description, as
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Teil 3: Handlungsspielräume der Gliedstaaten in den USA
Wechselseitige Ausschließlichkeit setzt allerdings voraus, dass sich Regelungsgegenstände von rein innerstaatlicher bzw. zwischenstaatlicher Bedeutung und damit exklusive Sphären der police power der Staaten bzw. der commerce power des Bundes in der Praxis klar voneinander unterscheiden lassen. Es ist anzunehmen, dass die Verfassungsväter davon ausgingen, dass eine klare Trennung nationaler und gliedstaatlicher Aufgaben möglich wäre. ISO In der frühen Phase der USA, deren Wirtschaft vor allem agrarisch und durch einen geringen Anteil an zwischenstaatlichem Handel geprägt war, mag dies sinnvoll erschienen sein. Kompetenzkonflikte zwischen Bund und Gliedstaaten konnten bereits deshalb keine größeren Ausmaße annehmen, weil der Bund bis zum Ende des Neunzehnten Jahrhunderts keine wirtschaftslenkenden Gesetze erließ. Unter modernen Wirtschaftbedingungen ist eine solche Unterscheidung allerdings kaum mehr möglich. Die Wandlung der Rechtsprechung des Supreme Court zur Commerce Clause in der Phase des New Deal bestätigt dies. 151 Die beschriebene Lösung erwiese sich gleichzeitig als relativ unflexibeI, da sie im Bereich des zwischenstaatlichen Handels nicht einmal vorläufige gliedstaatliche Regelungen gestattet.
weIl as laws for regulating the internal commerce of astate, and those which respect tumpike roads, ferries, etc., are component parts ofthis mass. No direct general power over these objects is granted to Congress; and, consequently, they remain subject to state legislation." (Ebd., 203) Im Zusammenhang mit Aussagen in anderen Urteilen ist daraus geschlossen worden, dass Marshall von wechselseitig ausschließlichen Kompetenzen ausging, vgl. z.B. Mayor ofNew York v. Miln, 36 U.S. (11 Pet.) 102 (1837); aus der Literatur Neville 18; Pritchett 204 f. A.A. hingegen Tschäni 80 ff. Marshall schwächte seine Aussage im Übrigen selbst ab, indem er erklärte, dass die legislativen Mittel zur Ausübung der Bundes- und gliedstaatlichen Kompetenzen durchaus die gleichen sein könnten. Gibbons, 204: "It is obvious, that the government of the Union, in the exercise ofits express powers (... ) may use means that mayaiso be employed by a State, in the exercise of its acknowledged powers." In der Literatur wurde dies auch als "doctrine of inevitable concurrency as to the means of their execution" bezeichnet, Pritchett 205 m.w.N. 150 Zur Sichtweise in der verfassungsgebenden Versammlung umfassend Albert S. Abel, The Commerce Clause in the Constitutional Convention and in Contemporary Comment, Minn. L. Rev. 25 (1941),432; aus den Federalist Papers vgl. The Federalist No. 41 (Madison), in: Wills, 202. Auch den Ausführungen von Alexis de Tocqueville, geschrieben nach seiner USA-Reise Anfang der dreißiger Jahre des Neunzehnten Jahrhunderts, lässt sich eine solche Sichtweise entnehmen. Tocqueville sieht in der bundesstaatlichen Ordnung der USA eine Verteilung der Kompetenzen nach Interessenbereichen. Eine Konzentration der Kompetenzen im Bereich nationaler Interessenbereiche in Institutionen des Bundes sei verbunden mit einer Verteilung der Kompetenzen auf kleinere Einheiten bei Interessen, die lediglich Teilgebiete in spezifischer Weise beträfen. Alexis de Tocqueville, De la democratie en Amerique, Erstausgabe 1835 (1. Band) bzw. 1840 (2. Band), deutsch Über die Demokratie in Amerika, Reclam-Ausgabe, Stuttgart 1985, 63 ff. ISI Vgl. oben Teil 1.
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Die Unterscheidung nach wechselseitig ausschließlichen Sphären von commerce power des Bundes und police power der Staaten erwies sich im Übrigen bereits in Willson v. Black-Bird Creek Marsh Co. als wenig aussagekräftige, wenn nicht willkürliche Trennung miteinander verwobener Bereiche. Willson verfügte wie Gibbons über eine Schifffahrtsgenehmigung des Bundes. Der gliedstaatlich genehmigte Damm, der (wie die Exklusivlizenz des Staates New York in Gibbons) der Ausübung dieser Genehmigung entgegenstand, wurde vom Supreme Court als Regelung von Gesundheit und Sicherheit dennoch fiir rechtmäßig erklärt. 152 d) Selektive Ausschließlichkeit nach Sachbereichen (selective exclusiveness oder Cooley-doctrine)
Eine flexiblere Aussage zur Reichweite der gliedstaatlichen Kompetenzen im Handelsbereich enthält erst die Entscheidung des Supreme Court in Cooley v. Board 0/ Wardens 0/ the Port 0/ Philadelphia. 153 Danach ist weder der gesamte Handelsbereich dem Bund als ausschließlicher Kompetenzbereich zugewiesen noch sind die Gliedstaaten dort zu Regelungen ohne Beschränkung durch die Commerce Clause berechtigt. Nach der Leitentscheidung Cooley v. Borad 0/ Wardens ist innerhalb der möglichen Gegenstände einer handelsbezogenen Regelung nach Sachbereichen zu unterscheiden, die eine einheitliche Regelung erfordern und daher ausschließlich vom Bund zu regeln sind, und solchen Bereichen, die unterschiedliche Regelungen in verschiedenen Gliedstaaten gestatten. 154 Die Staaten sollten demnach nur fiir bestimmte Aspekte 152 Willson v. Black-Bird Creek Marsh Co., 27 U.S . (2 Pet.) 245 (1829). Ähnlich auch Mayor of New York v. Miln, 36 U.S. (11 Pet.) 102 (1837): Zulässigkeit einer gliedstaatlich auferlegten Verpflichtung an Schiffe aus anderen Gliedstaaten und dem Ausland, Meldelisten zur Identifizierung der Passagiere abzugeben, als Schutz der Bevölkerung vor uneIWÜnschten Eimeisenden. 153 Cooley v. Board ofWardens ofthe Port ofPhiladelphia, 53 U.S. (12 How.) 299 (1851). Nach einem gliedstaatlichen Gesetz hatten alle Schiffe, die von Häfen außerhalb des Staates kamen oder dorthin ausliefen, einen örtlichen Lotsen in Anspruch zu nehmen. Gegen Cooley wurde wegen Verstoßes dagegen eine Strafe verhängt. Der Kongress hatte bereits 1789 bestehende Regelungen der Staaten anerkannt und Bestimmungen über den Einsatz von Lotsen bis zu eigener Tätigkeit des Kongresses den Staaten zugewiesen. Cooley bestritt, dass diese Delegierung von Zuständigkeiten überhaupt zulässig sei. 154 ,,[W]hen the nature of apower like this is spoken of, (... ) it must be intended to refer to the subjects ofthat power. (00') Now the power to regulate commerce, embraces a vast field, containing not only many, but exceedingly various subjects, quite unlike in their nature; some imparatively demanding a single uniform rule, operating equallyon the commerce of the United States in every part; and some, like the subject now in question, as imparatively demanding that diversity, which alone can meet the local necessities of navigation. Either absolutely to affirm, or to deny that the nature of this power requires exc1usive legislation by Congress, is to lose sight of the nature of the
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des Handels von der Gesetzgebung ausgeschlossen sein; im Übrigen bestünden konkurrierende Kompetenzen. Diese Lösung wird daher als selective exc1usiveness bezeichnet. ISS Cooley nennt zwei Kriterien ftir die Zuordnung der Sachbereiche: Der Bund sei ausschließlich zuständig, wenn der Bereich seiner Natur nach national sei, oder wenn nur ein einheitliches Regelungswerk möglich sei. 156 Das Gericht stellte im konkreten Fall fest, dass bei der Regelung von Lotsentätigkeiten keines dieser Kriterien einschlägig war, begrenzte die Tragweite seines Urteils gleichzeitig aber auch auf diese Aussage. 157 Damit werden die genannten Kriterien, die kaum greifbare Anhaltspunkte fur eine darauf aufbauende Verfassungspraxis bieten, weiter entwertet. Dies mag am Kompromisscharakter der Entscheidung liegen,158 ermöglichte jedoch nur Einzelfallentscheidungen und führte so allenfalls zu einer Machtverschiebung zu Gunsten der Gerichte.
Der Blickwinkel verschiebt sich hier von der Quelle der Kompetenz (mutal exc1usiveness oder origin of power theory) auf den Regelungsgegenstand. Den Staaten wird die grundsätzliche Zulässigkeit von Regelungen bestätigt, die in den Bereich des zwischenstaatlichen Handels ausgreifen. Die Cooley-doctrine formuliert einen Mittelweg, indem sie (anders als die vorgenannten "absoluten" Theorien) weder alle Regelungen der Gliedstaaten im Bereich des zwischenstaatlichen Handels für unzulässig erklärt noch jegliche Regelungen bis zum Erlass einer entgegenstehenden Regelung im Kongress (preemption) zulässt. Äußert sich der Gesetzgeber nicht, ist es Sache der Gerichte zu bestimmen, wann es einer bundeseinheitlichen Regelung bedarf.
subjects ofthis power, and to assert concerning all ofthem, what is really applicable but apart." Cooleyv. Board ofWardens, 53 U.S. (12 How.) 299, 319 (1851). ISS Vgl. Tschäni 115; RotundaINowak 286 f.; vgl. auch ebd., 282: "In effect, sometimes the Commerce Clause is exc1usive, and sometimes it is not." 156 "Whatever subjects ofthis power are in their nature national, or adrnit only of one uniform system, or plan of regulation, may justly be said to be of such a nature as to require exc1usive legislation by Congress." Cooley v. Board of Wardens, 53 U.S. (12 How.) 299, 319 (1851). 157 Ebd., 320. 158 Wie Tschäni 95 ff. ausführlich anhand der in der Zeit vor Cooley entschiedenen Fälle und der Biographie der beteiligten Richter belegt, lässt sich die Entscheidung als einzig möglicher Kompromiss zwischen den in der Frage der Zulässigkeit gliedstaatlicher Regelungen mit Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel hoffnungslos uneinigen Richtern des Supreme Court interpretieren.
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3. Die moderne Auffassung: Die ruhende Handelskompetenz (dormant Commerce Clause) als individuelle Grenze gliedstaatlicher Kompetenzausübung a) Entwicklung praxistauglicher Kriterien durch die Rechtsprechung Cooley schließt die Entwicklungsphase des Bund-Staaten-Verhältnisses im Handelsbereich ab. 159 Mit der Ablehnung der Exklusivitätstheorien ist anerkannt, dass im Handelsbereich Bundes- und gliedstaatliche Kompetenzen konkurrieren. l60 Die These einer ausschließlichen Bundeskompetenz ist damit vom Tisch; gleichzeitig ist jedoch geklärt, dass die Commerce Clause Beschränkungen der gliedstaatlichen Gesetzgebung impliziert. 161 Weder Cooley noch die in den darauffolgenden Jahrzehnten ergangenen Entscheidungen bieten allerdings brauchbare Abgrenzungskriterien für die Unterscheidung zwischen nationalen und lokalen Regelungsgegenständen, die Rechtsprechung dieser Zeit enthält keine klare Linie.
Theoretisch könnten gliedstaatliche Gesetze, die den Handel unverhältnismäßig belasten, im Einzelfall durch Bundesgesetz auf der Basis von Commerce Clause und Supremacy Clause außer Kraft gesetzt werden. Eine solche Möglichkeit sah in allgemeiner Form der Virginia-Plan, einer der Entwürfe der Verfassung von 1787, vor. 162 Als allgemeines Instrument zur Behandlung gliedstaatlicher Gesetze, die Belastungen des zwischenstaatlichen Handels mit sich bringen, ist eine solche Lösung allerdings nicht praktikabel. Aus der Commerce Clause werden daher implizite Beschränkungen der gliedstaatlichen Gesetzgebung abgeleitet. Diese Ausstrahlungswirkungen der Handelskompetenz werden negative oder dormant Commerce Clause genannt, nach der "ru-
Vgl. Pritchett 207. Vgl. Southern Pacific Co. v. Arizona ex Tel. Sullivan, 325 U.S. 761, 767 (1945): ,,[I]n the absence of conflicting legislation by Congress, there is a residuum of power in the state to make laws governing matters of local concern which nevertheless in some measure affect interstate commerce or even, to some extent, regulate it." 161 Vgl. Great Atlantic & Pacific Tea Co., Inc. v. Cotrell, 424 U.S. 366, 370 f. (1976): ,,[A]t least since Cooley ( ... ), it has been clear that ,the Commerce Clause was not merely an authorization to Congress to enact laws for the protection and encouragement of commerce among the States, but by its own force created an area of trade free from interference by the States. (...) [T]he Commerce Clause even without implmenting legislation by Congress is a limitation upon the power of the States.' Freernan v. Hewit, 329 U.S. 249,252 (1946)." sowie das Zitat in Edgar v. MITE Corp., 457 U.S. 624, 640 (1982). 162 Vgl. den bei Tschäni 50 zitierten Text: "The nationallegislature ought to be impowered to negative alliaws passed by the several States, contravening in the opinion of the National Legislature the Articles ofUnion". 159
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henden" Autorität des Kongresses in Bereichen, in denen dieser (noch) nicht gesetzgeberisch tätig geworden ist. 163 Als Fixpunkt bildete sich in der Rechtsprechung dabei das Verbot diskriminierender oder unverhältnismäßiger Belastungen des zwischenstaatlichen Handels heraus.l64 Zur Abgrenzung zwischen unzulässigen und zulässigen Regelungen verwendete der Supreme Court dabei zunächst die Unterscheidung zwischen "direkten" und "indirekten" Auswirkungen auf oder Belastungen des zwischenstaatlichen Handels. Direkte Belastungen konnten nicht als Ausübung der gliedstaatlichen police power gerechtfertigt sein.165 Solche Regelungen mussten einheitlich auf nationaler Ebene erfolgen und unterlagen daher nach Cooley einer exklusiven Bundeskompetenz. Auf den maßgeblichen Einfluss des späteren Chief Justice Stone 166 und eines darauf aufbauenden Aufsatzes von Dowling 167 schwenkte die Mehrheit des Supreme Court schließlich 1945 in Southern Pacific Co. v. Arizona 168 auf die Linie einer Verhältnismäßigkeitsprüfung ein, nach der der Gliedstaat ein vernünftiges Interesse belegen muss, gegenüber dem die mit der Regelung verbundenen Belastungen nicht überwiegen.· Liegt eine unzumutbare Belastung des zwischenstaatlichen Handels vor, so ist danach die gliedstaatliche Regelung unzulässig, weil es dann einer bundeseinheitlichen Regelung bedarf. In der Folgeentscheidung Bibb v. Navajo Freight Lines, Inc. 169 knüpfte der SuVgl. City ofPhiladelphia v. New Jersey, 437 U.S. 617, 623 (1978). Vgl. Philadelphia v. New Jersey, 437 U.S. 617, 624 (1978); Blasi 179 f. und Linde 152 f. 165 Vgl. z.B. Di Santo v. Pennsylvania, 273 U.S. 34 (1927). Pennsylvania stellte ein kostenpflichtiges Genehmigungsverfahren fiir den Verkauf von Schiffsfahrkarten auf, um seine Bürger vor Betrug zu schützen. Die Mehrheit im Supreme Court hielt dies für eine direkte Belastung des zwischenstaatlichen Handels, die daher nicht als Ausübung der police power gerechtfertigt sein könne. Ebenso bereits z.B. Shafer v. Farmers Grain Co., 268 U.S. 189 (1925). 166 Vgl. die abweichende Ansicht von Justice Stone in Di Santo. Darin greift Stone die direkt/indirekt-Unterscheidung als zu mechanisch und kaum mehr als eine Ergebnisbeschreibung an und fordert einen pragmatischeren Test: ,,[I]t seerns dear that those interferences not deemed forbidden are to be sustained, not because the effect on commerce is nominally indirect, but because a consideration of all the facts and circumstances, such as the nature of the regulation, its function, the character of the business involved and the actual effect on the flow of commerce, lead to the condusion that the regulation concems interests peculiarly local and does not infringe the national interest in maintaining the freedom of commerce across state lines. Di Santo v. Pennsylvania, 273 U.S. 34,44 (1927). 167 Noel T Dowling, Interstate Commerce and State Power, 27 Va. L. Rev. I (1940). 168 Southem Pacific Co. v. Arizona ex rel. Sullivan, 325 U.S. 761 (1945): Gliedstaatliehe Festlegung von Maximallängen für Eisenbahnzüge nicht gerechtfertigt, bundeseinheitliche Regelung des Sachverhalts unabdingbar. 169 Bibb v. Navajo Freight Lines, Inc., 359 U.S. 520 (1959): Unzulässigkeit einer Vorschrift des Staates Illinois, mit der dieser Schmutzlappen an Lastwagen vorschrieb, 163
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preme Court den Maßstab Verhältnismäßigkeitspriifung an den Wortlaut der Unterscheidung zwischen nationalen und lokalen Regelungsgegenständen in Cooley an: Was die Verhältnismäßigkeitspriifung nicht besteht, ist nationaler Regelungsgegenstand und der Regelungsrnacht der Gliedstaaten entzogen. 170 Parallel dazu zog der Supreme Court allerdings immer wieder die Abgrenzung zwischen nationalen und lokalen Regelungsgegenständen heran, insbesondere bei der Entscheidungen zu Gunsten gliedstaatlicher Regelungen, ohne dafür jedoch nähere Kriterien zu entwickeln. l7l
b) Unterschiedliche Anforderungen an diskriminierende und nichtdiskriminierende Regelungen Nach Southern Pacific Co. v. Arizona 172 ist ein gliedstaatliches Gesetz danach zu untersuchen, ob es - erstens - von einer gliedstaatlichen Kompetenz gedeckt ist, ob - zweitens - eine reale und angemessene Beziehung zwischen Zweck und Mitteln der Regelung besteht und ob - drittens - nicht die Interessen an der Freiheit des zwischenstaatlichen Handels die Interessen des Staates überwiegen. Diese Kriterien greifen auch dann, wenn die Gliedstaaten Regelungen des Bundes implementieren und anwenden Weiter verfeinert wurde diese Theorie durch die Unterscheidung zwischen diskriminierenden und nichtdiskrirninierenden (unterschiedlosen) gliedstaatli-
die keinen messbaren Sicherheitsfortschritt gegenüber den sonst üblichen Schmutzlappen erbracht hätten, den Regelungen in 45 anderen Gliedstaaten widersprachen (und sogar vorschrieben, was in Arkansas ausdrücklich verboten war) und damit den zwischenstaatlichen Lastwagenverkehr erheblich zu behindern drohten. 170 Bibb v. Navajo Freight Lines, Inc., 359 U.S. 520, 529 (1959): "This is one of those cases - few in number - where local safety measures that are nondiscriminatory place an unconstitutional burden on interstate comrnerce. This concIusion is especially underIined by the deleterious effect which the I1Iinois law will have on the ,interline' operation of interstate motor carriers. The conflict between the Arkansas regulation and the I1Iinois regulation also suggests that this regulation of mudguards is not one of these matters ,admitting of diversity of treatment, according to the special requirements of local conditions'''. Vgl. auch Morgan v. Virginia, 328 U.S. 373 (1946): Gliedstaatlich vorgeschriebene Rassentrennung in öffentlichen Bussen unverhältnismäßig, einheitliche nationale Regelung zum Schutz und zur Förderung des Reisens in den USA erforderlich. 171 Vgl. z.B. Bob-Lo Excursion Co. v. Michigan, 333 U.S. 28 (1948): Regelungen über den Betrieb eines Ausflugsbootes zwischen Detroit, Michigan und Kanada sind eine rein lokale Angelegenheit; Welton v. Missouri, 91 U.S. 275, 282 (1875): Die Genehmigungspflichtigkeit und Besteuerung von Hausierern mit Waren aus anderen Staaten ist unzulässig, da der Güteraustausch und -transport von nationaler Bedeutung ist und eine einheitliche Gesetzgebung erfordert. 172 Southern Pacific Co. v. Arizona, 325 U.S. 761 (1945). 27'
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chen Regelungen. 173 Diskriminierend in diesem Sinne sind Regelungen, die nach ihrem Inhalt (den gewählten Mitteln zu Umsetzung des gesetzgeberischen Ziels) oder ihrer Zielsetzung l74 in einer Weise zwischen innerstaatlichem und zwischenstaatlichem Handel unterscheiden, die ersteren begünstigt und letzteren belastet. 175 Eine solche Diskriminierung kann das Gericht entweder aus dem Wortlaut der Regelung oder aus einer von ihr ausgehenden belastenden Wirkung entnehmen. 176 Die Gerichte sind dabei nicht an die Aussagen des Gesetzgebers gebunden, sondern stützen sich auf die Gesamtschau der Auswirkungen der Regelung und deren Intention. 177 Tritt eine Ungleichbehandlung bereits offen im Wortlaut zutage, so erfolgt keine weitere Untersuchung, ob das Gesetz tatsächlich protektionistische Zwecke verfolgt oder derartige Folgen zeitigt. In diesem Fall spricht bereits eine Vermutung für die Unzulässigkeit der Regelung. 178 Diskriminierend sind danach insbesondere Zölle und Abgaben mit gleicher Wirkung: "The paradigmatic example of a law discriminating against interstate commerce is the protective tariff or customs dUty.,,179 Wie der Supreme Court dabei selbst anerkennt, sind diskriminierende und nichtdiskriminierende Maßnahmen nicht immer eindeutig unterscheidbar. 180 Ist
173 Vgl. z.B. aus der jüngsten Rechtsprechung Fulton Corp. v. Faulkner, 116 S.Ct. 848 (1996). 174 City of Philadelphia v. New Jersey, 437 U.S. 617, 626 (1978): ,,[T]he evil of protectionism can reside in legislative means as weIl as legislative ends." l7S ,,Diskriminierung" ist in diesem Zusammenhang ausschließlich in diesem (wertneutralen) Sinn zu verstehen. Vgl. etwa Oregon Waste Systems v. Department of Environmental Quality, 114 S.Ct. 1345, 1350 (1994): ,,As we use the term here, ,discrimination' simply means differential treatment of in-state and out-of-state economic interests that benefits the former and burdens the latter." 176 Hunt v. Washington State Apple Advertising Comrnission, 432 US. 333, 350 ff. (1977); Wyoming v. Oklahoma, 502 U.S. 437, 455 (1992): ,,[T]he Act, on its face and in practical effect, discriminates against interstate commerce." Bacchus Imports, Ltd. v. Dias, 468 U.S. 263, 270 (1984). 177 Brown-Forman Distillers Corp. v. New York State Liquor Auth., 476 US. 573 (1986); Govemment Suppliers Consolidating Service, Inc. v. Bayh, 975 F.2d 1267, 1278 (7th Cir. 1992). 178 Philadelphia v. New Jersey, 437 US. 617,626 (1978); Oregon Waste Systems v. Department ofEnvironmental Quality, 114 S.Ct. 1345,1350 (1994) 179 West Lynn Crearnery v. Healy, 114 S.Ct. 2205, 2211 (1994). Das Gericht erklärte hier eine Regelung des Staates Massachusetts rur unzulässig, nach der eine Umsatzsteuer auf Milch erhoben wurde, deren Einkünfte als Subventionen an innerstaatliche Milchproduzenten liefen. Die Einebnung der Kostenvorteile außerstaatlicher Milchproduzenten durch diese Regelung, so das Gericht, habe die gleiche Wirkung wie ein Zoll. Ebd., 2213. Vgl. bereits Bacchus Imports, Ltd. v. Dias, 468 U.S. 263 (1984).
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der diskriminierende Charakter lediglich an der Gesamtheit der Auswirkungen der Regelung sichtbar, so ist der Übergang fließend. Die Rechtsprechungspraxis zeigt allerdings, dass die Unterscheidung zwischen Ungültigkeitsvermutung und Verhältnismäßigkeitskontrolle von großer Bedeutung ist: Diskriminierende Regelungen sind beinahe durchweg verfassungswidrig, nichtdiskriminierende Regelungen hingegen nur in einer Minderzahl der entschiedenen Fälle. Schließlich kann auch in der Praxis dieselbe Regelung je nach Einordnung als diskriminierend oder nichtdiskriminierend verfassungsmäßig oder -widrig sein. Ein anschauliches Beispiel fiir diese Feststellung bietet die Entscheidung Chambers Medieal Teehnologies of South Carolina v. Bryant, in der sich der Court of Appeal fiir den 5. Circuit wegen tatsächlicher AufklärungsbedÜfftigkeit der Zielsetzungen der angegriffenen Regelung (die Festlegung einer Obergrenze fiir die Verbrennung infizierter Abfalle innerhalb des Staates) außerstande sah, über deren diskriminierenden Charakter zu entscheiden. Das Gericht stellte allerdings fest, dass die Regelung als diskriminierende Regelung unzulässig wäre, da sich die Gefahren, die zu der Regelung fiihrten - Verkehrsprobleme, undichte Transportfahrzeuge, Zwischenlagerung von unbehandelten Abfallen - auf nichtdiskriminierende Weise verhindern ließen - z.B. durch Forderungen nach Parkplätzen, Regelung der Transportbehälter und schärfere Abfallverbrennungsvorschriften. Erwiese sich die Regelung als nichtdiskriminierend, so sei sie hingegen zulässig, denn sie verfolge legitime Interessen öffentlicher Sicherheit und Gesundheit, was nicht außer Verhältnis zu ihren Belastungen stehe. 181 Die Prüfungskriterien fiir nichtdiskriminierende Regelungen hat der Supreme Court in Pike v. Bruee Chureh, [ne. zusammengefasst und zum allgemein gültigen Test erklärt: Nichtdiskriminierende oder "neutrale" Gesetze, die den innerstaatlichen und zwischenstaatlichen Handel gleich behandeln und dabei einem legitimen Ziel dienen, unterliegen hinsichtlich von ihnen ausgehender Belastungen des zwischenstaatlichen Handels lediglich einer Abwägung zwischen diesen Belastungen und dem (innerstaatlichen) Nutzen des Gesetzes. Ist die Belastung des zwischenstaatlichen Handels nicht eindeutig unverhältnismäßig (c1early excessive) im Vergleich zum Nutzen des Gesetzes, so ist das Gesetz mit der dormant Commerce Clause vereinbar (sog. Pike-test).182
180 Brown-Forman Distillers Corp. v. New York State Liquor Authority, 476 U.S. 573,579 (1980); Wyoming v. Oklahorna, 502 U.S. 437,455 Fn.12 (1992); Chemical Waste Management, Inc. v. Hunt, 504 U.S. 334, 343 (1992). 181 Chambers Medical Technologies ofSouth Carolina v. Bryant, 52 F.3d 1252,1261 f. (4th Cir. 1995). 182 Pike v. Bruce Church, Inc., 397 U.S. 137, 142 (1970): "Where the statute regu~ lates evenhandedly to effectuate a legitimate local public interest, and its efIects on interstate commerce are only incidental, it will be upheld unless the burden irnposed on
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Diese Verhältnisrnäßigkeitspriifung impliziert eine grundsätzliche Gültigkeitsvermutung für die gliedstaatliche Regelung. 183 Ist kein vernünftiger Nutzen greifbar, so wird hingegen eine protektionistische Regelung vermutet. 184 Die Frage nach einer weniger belastenden Alternative fungiert im Pike-test nur als Argument in der Abwägung, nicht jedoch als eigenständige Erforderlichkeitsschwelle (wie dies bei diskriminierenden Gesetzen der Fall ist, dazu sogleich), so dass der gliedstaatlichen Legislative ein nennenswerter Gestaltungsspiehaum zusteht. 185 Eindeutig diskriminierende Gesetze unterliegen hingegen einer Ungültigkeitsvermutung. 186 Solche Gesetze können nur dann ausnahmsweise zulässig sein, wenn sie - erstens - einem legitimen Zweck dienen, der - zweitens nicht durch eine vernünftige nichtdiskriminierende Regelung (reasonable nondiscriminatory alternative) erreicht werden kann. 187 Hierftir trägt der regelnde Gliedstaat die Beweislast. 188 Dieser Test wird als strict scrutiny bezeichnet,
such commerce is clearly excessive in relation to the putative local benefits." Dies gibt die heute gültige Doktrin wieder. Frühere Formen dieses balancing test fmden sich allerdings bereits in Parker v. Brown, 317 U.S. 341 (1942), weiter ausgefiihrt in Southern Pacific Co. v. Arizona, 325 U.S. 761 (1945). 183 Innerhalb des Supreme Court war zunächst umstritten, ob die Sperre der dormant Commerce Clause auch fiir nichtdiskriminierende gliedstaatliche Gesetze anwendbar sei. Justice Black lehnte dies in seinen Ausfiihrungen zu der Entscheidung Gwin, White & Price, Inc. v. Henneford, 305 U.S. 434 (1939) ab, in der die Mehrheit des Gerichts eine Steuer des Staates Washington fiir unzulässig erklärte, die nicht aktuell, sondern lediglich potentiell zu Belastungen des zwischenstaatlichen Handels wegen Konflikts mit Regelungen anderer Gliedstaaten fiihren konnte. Gwin, White & Price, Inc. v. Henneford, 305 U.S. 434, 444 (1939) (abweichende Meinung von Justice Black). So auch Justices Frankfurter und Douglas in McCarroll v. Dixie Greyhound Lines, Inc., 309 U.S. 176, 183 ff. (1940). 184 Vgl. Lisa Heinzerling, The Commercial Constitution, Sup. Ct. Rev. 1995,217, 223. 185 Pike v. Bruce Church, Inc., 397 U.S. 137, 142 (1970): "The extent of the burden that will be tolerated will of course depend (.. ) on whether it could be promoted as weIl with a lesser impact on interstate activities." Ahnlieh auch bereits in Dean Milk Co. v. Madison, 340 U.S. 349 (1951). 186 Es ist von einer quasi automatischen Ungültigkeit (virtually per se rule of invalidity) die Rede. Philadelphia v. New Jersey, 437 U.S. 617, 624 (1978). 187 Dean Milk Co. v. Madison, 340 U.S. 349, 354 (1951); Hunt v. Washington State Apple Advertising Comrnission, 432 U.S. 333, 353 (1977): "When discrimination against commerce of the type we hae found is demonstrated, the burden falls on the State to justify it both in terms of the local benefits flowing from the statute and the unavailability of nondiscriminatory alternatives adequate to preserve the local interests at stake"; Hughes v. Oklahoma, 441 U.S. 322,336 (1979); New Energy Co. ofindiana v. Limbach, 486 U.S. 269, 278 (1988). 188 Hunt v. Washington State Apple Advertising Comrnission, 432 U.S. 333, 353 (1977) (Text in vorheriger Fußnote); Fort Gratiot Sanitary Landfill, Inc. v. Michigan Department ofNatural Resources, 504 U.S. 353, 365 (1992).
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weil hier - anders als sonst - kein Raum mehr fiir gesetzgeberisches Ermessen besteht. Die Regelung muss tatsächlich geeignet sein, der Erreichung des behaupteten Ziels zu dienen,189 und Mittel und Ziel müssen in einer klaren und nachvollziehbaren Beziehung zueinander stehen, die die Erforderlichkeit des Gesetzes fiir den verfolgten Zweck belegt. 190 Der Umgang der Gerichte mit als diskriminierend eingestuften Regelungen, kann als höchst restriktiv bezeichnet werden. 191 Besondere Maßstäbe für Ein- oder Ausfuhrregelungen gibt es dabei grundsätzlich nicht; lediglich für Abgabenvorschriften gelten besondere Grundsätze. So gehören z.B. viele Ausfuhrbeschränkungen zu einer Gruppe unzulässiger Regelungen, die der Supreme Court unter dem Stichwort der local processing requirements zusammenfasst und für unzulässig erklärt. 192 Dazu gehören Vorschriften, die vor einer Ausfuhr die Verpackung einer Ware innerhalb des Staates verlangen 193 oder die Ausfuhr nur nach vorheriger Verarbeitung innerhalb des Staates gestatten. 194 Dazu zählen jedoch auch Kontroll- und Genehmigungserfordernisse, die als Einfuhrhindernisse zu qualifizieren sind. 195
c) Unzulässigkeit grenzüberschreitenderlextraterritorialer Regelungen Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Regelung (bei nichtdiskriminierenden Regelungen) bzw. die scharfe Erforderlichkeitsprüfung (strict scrutiny, 189 Die in Hunt v. Washington State Apple Advertising Commission, 432 U.S. 333 (1977) geprüfte Klassiflzierungsregelung tur Äpfel des Staates North Carolina war
(unter anderem) deswegen unzulässig, weil sie zur Erreichung des geäußerten Ziels, Klarheit tur den Verbraucher zu schaffen, ungeeignet war. Ebd., 353 . 190 Maine v. Taylor, 477 U.S. 131,142 (1986) 191 Dies zeigt sich im Umweltbereich etwa daran, dass bislang nur ein als diskriminierend eigestuftes gliedstaatliches Umweltschutzgesetz den Supreme Court erfolgreich passiert hat (Maine v. Taylor, 477 U.S. 131 (1986)). 192 Vgl. z.B. C & A Carbone, Inc. v. Town ofClarkstown, 114 S.ct. 1677, 1682 f. (1994).
193 Vgl. z.B. Pike v. Bruce Church, Inc., 397 U.S. 137 (1970): Unzulässigkeit einer Regelung des Staates Arizona, nach der vor der Ausfuhr zu verpacken - und damit als Produkt aus Arizona zu kennzeichnen - waren. Ähnlich tur Krabben aus South Carolina Toomer v. WitselJ, 334 U.S. 385 (1948). 194 Vgl. z.B. Foster-Fountain Packing Co. v. Haydel, 278 U.S. 1 (1928): Unzulässigkeit eines Ausfuhrverbots des Staates Louisiana rur unverarbeitete Krabben; ebenso tur ein entsprechendes Verbot des Staates betreffend Austern Johnson v. Haydel, 278 U.S. 16 (1928); South-Central Timber Development Inc. v. Wunnicke, 467 U.S. 82 (1984): Unzulässigkeit einer Regelung, nach der Holz aus Alaska vor der Ausfuhr innerhalb des Staates verarbeitet werden musste. 195 Vgl. z.B. Minnesota v. Barber, 136 U.S. 313 (1890) : Unzulässigkeit einer Vorschrift, die eine innerstaatliche Untersuchung fur alles im Staat verkaufte Fleisch vorschrieb, gleichgültig ob dieses aus dem Staat selbst oder von außerhalb des Staates kam.
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bei diskriminierenden Regelungen) hat die Unterscheidung zwischen direkten und indirekten Regelungen des zwischenstaatlichen Handels nicht vollständig ersetzt. Das Verbot gliedstaatlicher direkter Regelungen des zwischenstaatlichen Handels lebt fort als Grundlage der Verfassungswidrigkeit von Regelungen, die entweder Vorgänge des zwischenstaatlichen Handels erfassen, die mehrere Gliedstaaten in gleicher Weise berühren und daher nicht von einem Staat unilateral geregelt werden können, oder die Vorgänge in anderen Gliedstaaten erfassen (grenzüberschreitende oder extraterritoriale Regelungen). 196 Das fiir sich genommen wenig griffige Verbot "direkter" Regelungen des zwischenstaatlichen Handels wird zunächst dort angewandt, wo andere Gliedstaaten denselben Sachverhalt ebenso regeln könnten und somit mehrere oder gar unvereinbare Normen fiir grenzüberschreitenden Sachverhalte zustande kämen. 197 Außerdem darf ein Gliedstaat nicht regulierend in wirtschaftliche Vorgänge eingreifen, die sich in anderen Gliedstaaten abspielen. Auch dies ist als Grenze gliedstaatlicher Gesetzgebung aus der ruhenden Handelskompetenz herzuleiten. ,,[TJhe Commerce Clause also predudes the application of astate statute to commerce that takes place wholly outside of the State's borders, whether or not the commerce has effects within the State".198 ,,[A] statute that has the ,practical effect' of regulating commerce occuring wholly outside that State's borders is invalid under the Commerce Clause. (... ) [A] statute that directly controls commerce occuring wholly outside the boundaries of aState exceeds the inherent limits ofthe enacting State's authority',.I99 Vom Supreme Court sind zum Prinzip der territorialen Begrenzung gliedstaatlicher Gesetzgebung vor allem Fälle entschieden worden, in denen Gliedstaaten von zwischenstaatlich tätigen Händlern verlangten, von ihren Abnehmern in diesem Staat keine höheren Preise zu verlangen als in jedem anderen Gliedstaat. 2°O Umweltrechtliche Bedeutung hat das Prinzip dort, wo Staaten 196 Vgl. die Erwähnung der direkt/indirekt-Abgrenzung in Pike v. Bruce Church, Inc., 397 U.S. 137, 142 (1970). 197 Vgl. z.B. die in Edgar v. MITE Corp., 457 U.S. 624 (1982) für unzulässig erklärte Regelung mehrere Staaten berührender Übernahmeangebote zwischen Unternehmen. 198 Edgar v. MITE Corp., 457 U.S. 624,642 f. (1982). 199 Healy v. Beer Institute, 491 U.S. 324, 332 und 336 (1989). Ebenso National Solid Wastes Management Association v. Meyer, 63 F.3d 652, 658 f. m.w.N. (7th Cir. 1995) sowie Shaffer v. Heitner, 433 U.S. 186, 197 (1977): ,,[A]ny atternpt ,directly' to assert extraterritorial jurisdiction over persons or property would offend sister States and exceed the inherent limits ofthe State's power." 200 Baldwin v. G.A.F. Seelig, Inc., 294 U.S. 511 (1935); Brown-Forman Distillers Corp. v. New York State Liquor Auth., 476 U.S. 573 (1986); Healy v. Beer Institute, 491 U.S. 324 (1989); Edgar v. MITE Corp., 457 U.S. 624 (1982).
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versuchen, umweltrechtliche Standards in ihren Schwesterstaaten mittelbar durchzusetzen. Gliedstaaten dürfen mit ihren Regelungen keine mittelbare Kontrolle über den Handel in anderen Gliedstaaten anstreben. 201 In Hardage v. Atkinio2 erklärte der Court of Appeal für den 10. Circuit ein Gesetz des Staates Oklahorna fiir verfassungswidrig, nach dem gefährliche Abfälle aus anderen Staaten in Oklahorna nur deponiert werden sollten, wenn der jeweilige Herkunftsstaat wesentlich gleichartige Standards fiir die kontrollierte Beseitigung von Industrieabfällen hatte. Der Court of Appeal fiir den 7. Circuit erklärte in National Solid Wastes Management Association v. Meye?03 eine Regelung des Staates Wisconsin fiir unzulässig, nach der sowohl innerstaatliche als auch außerstaatliche Abfallerzeuger bestimmte Abfallarten nur dann auf Abfalldeponien in Wisconsin ablagern durften, wenn ihre Gemeinde ein effective recycling program befolgte und von der daher ein Zwang fiir Gemeinden in anderen Staaten ausging, Programme nach den Maßstäben von Wisconsin zu befolgen. 204 Von diesem Verbot ist allerdings nicht jede mittelbare Wirkung einer gliedstaatlichen Regelung in einem anderen Gliedstaat betroffen, nachteilige "Nebenwirkungen" fUhren vielmehr nicht zur Unzulässigkeit einer Regelung. So hat der Court of Appeal fiir den 8. Circuit in Cotto Waxo Co. v. Williamio 5 ausgeschlossen, dass ein Verkaufsverbot des Staates Minnesota rur ein bestimmtes Produkt innerhalb des Staates wegen seiner Auswirkungen auf Verkäufe an Einzelhändler und Verbraucher außerhalb des Staates extraterritoriale Bedeutung habe und deshalb unzulässig sei. d) Begründungen der dormant Commerce Clause
Die Durchsetzung der dorrnant Commerce Clause durch die Gerichte schützt unmittelbar den gemeinsamen Markt der Vereinigten Staaten. 206 Der Supreme Court beruft sich immer wieder auf den Grundsatz, dass sich einzelne Glied201 C & A Carbone, Inc. v. Town of Clarkstown, 114 S.Ct. 1677, 1683 (1994): "States and localities may not attach restrictions to exports or imports in order to control conunerce in other states." 202 Hardage v. Atkins, 619 F.2d 871 (10th Cir. 1980). 203 National Solid Wastes Management Association v. Meyer, 63 F.3d 652 (7th Cir. 1995). 204 Ebd., 660 f. Ebenso Environmental Waste Reductions, Inc. v. Reheis, 887 F.Supp. 1534,1565 (N.D.Ga. 1994). 20S Cotto Waxo Co. v. Williarns, 46 F.3D 790 (1995). 206 Vgl. z.B. Southem Pacific Co. v. Arizona, 325 US. 761, 779 f. (1945): ,,[W]ithout controlling Congressional action, astate may not regulate interstate commerce so as substantially to affect its flow or deprive it of needed uniformity in its regulation (... )."
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staaten grundsätzlich nicht ökonomisch von ihren Schwesterstaaten isolieren können; selbst legitime Ziele dürfen nicht durch Isolierung von der übrigen nationalen Wirtschaft verfolgt werden. 207 Ein Staat darf seine Wirtschaft nicht vor überlegener Konkurrenz aus anderen Staaten schützen/os die Nutzung innerstaatlicher Ressourcen an die Ansiedlung von Betrieben innerhalb des Staates knüpfen209 oder seine Finanzvorräte durch Vermeidung unerwünschter Zuwanderung schützen. 2IO Gemeinsame Probleme der Staaten dürfen nicht durch Behinderung des zwischenstaatlichen Handels gelöst werden. 2l1 Dahinter lassen sich drei verschiedene Begründungslinien ausmachen. Zunächst, so das Gericht, würden protektionistische Regelungen der Gliedstaaten zu Misstrauen und Gegenmaßnahmen anderer Gliedstaaten fuhren und damit den Zusammenhalt des Bundes gefährden. 212 Die dormant Commerce Clause dient so zur Erhaltung wirtschaftlicher Einheit als Garant für politische Einheit und Basis ftir das Wohlergehen aller Bürger: "The Constitution ( ... ) was framed under the dominion of a political philosophy less parochial in range. It was framed upon the theory that the peoples of the several states must sink or swim together, and that in the long run properity and salvation are in union and not division ...213 "While the Constitution vests in Congress the power to regulate commerce among the states, it does not say what the states may or may not do in the absence of congressional action, nor how to draw the line between what is and what is not commerce among the states. Perhaps even more than by interpretation of its written word, this Court has advanced the solidarity and prosperity of this Nation by the meaning it has given to these great silences of the Consitution. (... ) This Court has consistently rebufIed attempts of states to advance their own commercial interests by curtailing the movement of artic\es of comrnerce, either into or out of the state, while generally supporting their right to impose even burdensome regulations in the interest of health and safety. ( ... ) This principle that our economic unit is the Nation, which alone has the gamut ofpowers necessary to control ofthe economy, inc\uding 207 Vgl. z.B. Philadelphia v. New Jersey, 437 U.S. 617, 626 f. (1978); allgemein Edward A. Fitzgerald, The Waste War: Oregon Waste Systems, [ne. v. Department 0/ Environmental Quality, 23 B. C. Envtl. Aff. L. Rev. 43, 48 f. (1995). 208 Baldwin v. G.A.F. Seelig, Inc., 294 U.S. 511 (1935); Hunt v. Washington State Apple Advertising Comrnission, 432 U.S. 333 (1977); H.P. Hood & Sons v. Du Mond, 336 U.S. 525 (1949). 209 Foster-Fountain Packing Co. v. Haydel, 278 U.S. 1 (1928); Toomer v. Witsell, 334 U.S. 385 (1948). 210 Edwards v. Califomia, 314 U.S. 160, 173 f. (1941). 211 Chemical Waste Management, Inc. v. Hunt, 504 U.S. 334,339 f. (1992). 212 V gl. hierzu Saul Levmore, Interstate Exploitation and Judicial Intervention, 69 Va. L. Rev. 563, 567 fI. (1983). 213 Baldwin v. G.A.F. Seelig, Inc., 294 U.S. 511 (1935).
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the vital power of erecting customs barriers against foreign competition, has as its corollary that the state are not separable economic units ...214 Das Gericht beruft sich daneben auf die ökonomische IneffIzienz von Diskriminierungen gegen den zwischenstaatlichen Handel. 21S Weit entfernt von konkreten Kosten-Nutzen-Analysen verweist das Gericht dabei allerdings nur darauf, dass diskriminierende Regelungen typischerweise ökonomisch ineffizient sind. 216 Sowohl das Argument des politischen Zusammenhalts als auch die Berufung auf ökonomische EffIzienz gewinnen in der dormant Commerce Clause-Rechtsprechung kaum praktische Relevanz. Insbesondere unternimmt der Supreme Court bei diskriminierenden Regelungen kein Abwägung von ökonomischen Nutzen und Lasten der Regelung. Schließlich verweist das Gericht auf die im gliedstaatlichen Gesetzgebungsprozess unterrepräsentierten Interessen, zu deren Berücksichtigung ein korrigierendes Eingreifen der Rechtsprechung erforderlich sei (Representation Reinforcement).217 Representation Reinforcement hat die Funktion eines realen Abwägungskriteriurns. Gliedstaatliche Gesetzgebung kann in einern fOderalen System immer dann problematisch sein, wenn die Regelung neben den Bürgern des gesetzgebenden auch Bürger anderer Gliedstaaten trifft. Unter den Bedingungen modernen Wirtschaftslebens wird dies allerdings in vielen Bereichen der Fall sein. Wahlberechtigte und Interessengruppen innerhalb des gesetzgebenden Gliedstaates können Druck auf die Legislative ausüben, um Konkurrenten aus anderen Gliedstaaten den Zugang zum innerstaatlichen Markt zu erschweren; mangels Repräsentation in der gliedstaatliche Legislative läuft fiir diese Konkurrenten die demokratische Kontrolle der Gesetzgebung leer. 218 Soll das Prinzip eines gemeinsamen Marktes im Gesamtsystem aufrechterhalten werden, so muss diese Lücke anderweitig aufgefüllt werden. Sind allerdings auch innerstaatliche Interessen nachteilig betroffen, so sieht der Supreme Court die Abwägung von Nutzen und Lasten einer Regelung durch das Gericht erleichtert, da die oben genannte Lücke schon im Gesetzgebungsverfahren gefüllt ist. 219 Die nachteilige Betroffenheit innerstaatlicher 214 H.P. Hood & Sons v. Du Mond, 336 U.S. 525,534 ff. (1949), Urteilsbegründung von Iustice Jackson. 215 Vgl. ebd., 537 ff.; Vgl. auch zu Schutzzöllen West Lynn Creamery v. Hea1y, 114 S.Ct. 2205,2211 (1994). 216 Kritiker merken hierzu an, dass es in vielen Fällen fraglich sei, ob eine vom Supreme Court für unzulässig erklärte diskrminierende Regelung nicht sogar flir alle innerstaatlich und außerstaatlich Beteiligten zu einer ökonomisch effizienteren Lösung führen könnte. Vgl. Heinzelmann 220 ff. 217 Minnesota v. Clover LeafCreamery Co., 449 U.S. 456, 473 Fn. 17 (1981). 218 Vgl. Tribe, Constitutional Law, Bd. I, 1052. 219 Vgl. Minnesota v. Clover Leaf Creamery Co., 449 U.S. 456, 473 Fn.l7 (1981): "The existence of major in-state interests adversely affected by the Act is a powerful
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Interessen durch eine Regelung wirkt hier gleichzeitig als Schutz gegen Regelungen, die außerstaatliche, gleichermaßen negativ betroffene Interessen benachteiligen. Allerdings wird auch im Supreme Court selbst die Gegenansicht vertreten, nach der die Gerichte in keiner Weise zur Durchsetzung einer ruhenden Handelskompetenz gegenüber den Gliedstaaten berufen seien.220 Dabei handelt es sich jedoch sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Literatur um eine Minderansicht, die derzeit keine realen Durchsetzungschancen hat.
4. Behandlung abgabenrechtlicher Regelungen a) Abgaben als Lenkungsmittel im Umweltrecht
aa) Begriff und Typologie der Umweltabgaben Umweltabgaben sind fmanzrechtliche Instrumente, die unmittelbar oder mittelbar dem Schutz der Umwelt zu dienen bestimmt sind. 221 Auf den Abgabenschuldner als Wirtschaftssubjekt wirken sie auf zweierlei Art und Weise: als Lenkungsinstrumente durch Setzung gezielter negativer fmanzieller Anreize oder als Finanzierungsinstrumente durch nicht-anreizintensive Abschöpfung eines gewissen Abgabenaufkommens zur Finanzierung von Umweltschutzmaßnahmen. In der Literatur werden darüber hinaus bis zu vier verschiedene Formen umweltbezogener Abgaben unterschieden.222 Lenkungszwecke können
safeguard against legislative abuse." In der Literatur wird allerdings zu Recht darauf hingewiesen, dass der Faktor betroffener innerstaatlicher Interessen in der Rechtsprechung des Supreme Court noch viel zu selten angewandt wird. Im wirtschaftlichen Bereich sind die Interessen der Verbraucher den protektionistischen Interessen der innerstaatlichen Wirtschaft oft entgegengesetzt. Diese Interessen, obwohl im Parlament repräsentiert, bringt das Gericht jedoch nicht in Anrechnung. Gleiches gilt tUr außerstaatliche Interessen, die auf informellem Wege (Lobbyismus) einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die innerstaatliche Gesetzgebung ausüben können. V g1. hierzu Heinzerling. 220 Vgl. die abweichende Meinung von Justice Scalia in Tyler Pipe Industries v. Washington State Departrnent ofRevenue, 483 U.S. 232, 260 (1987). Vgl. auch Martin H. Redish/Shane V. Nugent, The Dorrnant Commerce Clause and the Constitutional Balance ofFederalism, 1987 Duke L. J. 569,617 Fn. 28 (1987); Julian N Eule, Laying the Dorrnant Commerce Clause to Rest, 91 Yale L. J. 425, 435 ff. (1982). 221 Vg1. Bender/SparwasseriEngel, Kap. 2 Rn. 49. 222 Vgl. Werner Hoppe/Martin Beckmann, Umweltrecht, München 1989, 152; Ferdinand Kirchhof, Umweltabgaben - Die Regelungen der Europäischen Gemeinschaft und ihrer Mitgliedststaaten, in: Rengeling (Hrsg.), EUDUR, § 38, Bd. I, 1226 ff., Rn. 5 ff. Hinzu kommen als benachbarte Instrumente die Umweltzertifikate.
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mit verschiedenen Typen von Umweltabgaben verknüpft werden. Häufig erfli11t eine Abgabe mehrere dieser Funktionen. Umweltlenkungsabgaben (lenkende Umweltabgaben i.e.S.) dienen ausschließlich oder hauptsächlich der Verhaltens steuerung. Die drohende Abgabenbelastung soll den Abgabenpflichtige veranlassen, Umweltbelastungen zu vermeiden oder zu vermindern und so der Abgabe auszuweichen (Abschreckung), oder sein Verhalten umweltfreundlicher zu gestalten (Anreiz). Umweltjinanzierungsabgaben sind Abgaben, deren Aufkommen zweckgebunden fiir Umweltschutzmaßnahmen verwendet wird. Sie dienen vor allem der Finanzbeschaffung. Umweltnutzungsabgaben dienen als "Entgelt" fiir die Inanspruchnahme von Umweltressourcen. Üblicherweise werden solche Abgaben dann erhoben, wenn die Nutzung oder Nutzungsmöglichkeit auf einer Leistung des abgabenerhebenden Gemeinwesens beruht. Dies geschieht in Form von Gebühren oder Beiträgen. Gebühren und Beiträge dienen so der Finanzierung von Leistungen eines Gemeinwesens fiir den Bürger. Fraglich ist allerdings, ob die durch eine Umweltnutzungsabgabe vermittelte Gestattung der Umweltnutzung als Leistung des Gemeinwesens aufgefasst werden kann. 223 Umweltausgleichsabgaben: Indem der durch umweltschädliches Verhalten gewonnene wirtschaftliche Vorteil durch die Abgabe entzogen wird, wird ein Ausgleich mit den teurer, weil umweltfreundlicher produzierenden Konkurrenten erreicht. Neben dem Schutz des Wettbewerbers wird mittelbar eine Verhaltenslenkung angestrebt: Wer aus seiner umweltschädlichen Produktionsweise keine wirtschaftlichen Vorteile zu ziehen vermag, kann ebenso gut umweltfreundlich produzieren.
In diesem Zusammenhang sind auch Umweltzertijikate zu nennen. Ein festgelegtes Ausmaß von Umweltnutzungen soll in diesem Modell in einzelne Nutzungsrechte oder Nutzungszertifikate aufgeteilt werden, die, einmal vom Staat vergeben, unter den Wirtschaftssubjekten zu einem freien Marktpreis gehandelt werden können. 224 223 VgJ. Felix Weyreuther, Das Abgabenrecht als Mittel des Umweltschutzes, UPR 1988, 161 , 164. 224 VgJ. Alfred Endres, Umweltzertifikate, in: El-Shagi El-ShagiiEckhard Knappe/Lathar Müller-Hagedorn (Hrsg.), Umweltpolitik in der Marktwirtschaft - Herausforderung fiir Unternehmen, Verbraucher und Staat, Trierer Schriften zur Wirtschaftstheorie und Wirtschaftspolitik (TWW) Bd. 1, Pfaffenweiler 1991, 47; Alfred Endres/Reimund Schwarze, Das Zertifikatsmodell vor der Bewährungsprobe? Eine ökonomische Analyse des Acid Rain-Prograrns des neuen US-Clean Air Act, in: Alfred Endres/Eckard RehbinderiReimund Schwarze, Umweltzertifikate und Kompensationslösungen aus ökonomischer und juristischer Sicht, Bonn 1994, 137.
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bb) Gesetzgeberische Gestaltung von Umwehabgaben Der Gedanke, das Instrument der Abgabe als Mittel zur Verhaltens steuerung einzusetzen, ist der Finanzwissenschaft schon länger vertraut. 225 Relativ neu ist nur der Einsatz von Abgaben als Mittel der Umweltpolitik. Anstöße hierzu stammen aus den Wirtschaftswissenschaften, insbesondere der sog. Umweltökonomie, der Finanzwissenschaft und der Soziologie. Verschiedene Sichtweisen führen hierbei zu verschiedenartigen Berechnungsprinzipien. Aus der Sicht der Umweltökonomie verursacht ökonomische Tätigkeit positive und negative externe Effekte (Kosten und Nutzen). Umweltschäden sind negative externe Effekte. Die dabei verbrauchten Umweltressourcen sind nicht unerschöpflich, sondern, wie andere Güter auch, knapp. Normalerweise reguliert sich die Nutzung knapper Güter über Marktpreise. Da es sich bei Umweltgütern vielfach um "freie", "öffentliche Güter" handelt, die von jedermann ungehindert genutzt werden können, werden die Kosten von Umweltbeeinträchtigungen häufig nicht vollständig vom Schädigers internalisiert und müssen von der Allgemeinheit getragen werden. Da das Preisregulativ nicht funktioniert, sollen die Kosten der Umweltbeeinträchtigungen daher als Abgaben226 dem Schädiger auferlegt werden (Internalisierung externer Effekte). Im Idealfall erlegt eine solche Abgabe dem Verursacher die Kosten seiner Umweltnutzung auf. Problematisch erscheint jedoch die Berechnung der Kosten von Umweltschäden, da Schädigungen der natürlichen Umwelt oft erst nach langer Zeit und an weit entfernten Orten zu Tage treten, Kausalketten kaum aufklärbar sind und eine monetäre Bewertung von Umweltgütem schwer fällt. 227 Fraglich ist außerdem, ob die Auferlegung der Kosten wirksame Lenkungseffekte erzielt. Der Vermeidungskosten- oder Standard-Preis-Ansatz beruht auf der Erkenntnis, dass ökonomisch denkende Regelungsadressaten ihr Verhalten in 22S Vgl. Klaus Meßerschmidt, Umweltabgaben als Rechtsproblem, Berlin 1986, 50 ff. Vgl. zur aktuellen Diskussion Caspar David Hermanns, Abgabenrechtliche Verhaltenssteuerung im Umweltrecht: Bericht über das 5. Leipziger Umwe\trechtssymposion, UPR 2001, 18; Dietmar Hönig/Bernd Köster, Inwieweit ist die Verfolgung ökonomischer, ökologischer und anderer öffentlicher Zwecke durch Instrumente des Abgabenrechts zu empfehlen? Über die Abteilung Öffentliches Recht des 63. Deutschen Juristentages, UPR 2001, 19. 226 Diese.. werden nach ihrem Erfinder auch "Pigou-Steuem" genannt, vgl. Reinhold Buttgereit, Okologische und ökonomische Funktionsbedingungen umweltökonomischer Instrumente, Berlin 1991, 36. 227 Streng genommen ergeben sich die volkswirtschaftlichen Kosten erst aus der Differenz zwischen Umweltschäden und den durch die Umweltbelastungen erwirtschafteten Vorteilen. Vgl. Michael Kloepfer, Umweltrecht, München 1989, 183; Meßerschmidt, Umweltabgaben als Rechtsproblem, 63.
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erster Linie so ausrichten, dass ihre Kosten minimiert und ihr Nutzen maximiert werden. Umweltpolitik durch lenkende Abgaben muss sich nicht nur des wirtschaftlichen Codes von Kosten und Nutzen bedienen;228 sie muss mit der Abgabe auch einen negativen finanziellen Ameiz setzen, der die Abgabenschuldner vernünftigerweise zu einer Verhaltensänderung veranlasst. 229 Dies geschieht durch Orientierung der Abgabenhöhe an den sogenannten Venneidungskosten, d.h. den Kosten, die bei Vermeidung des umweltschädlichen Verhaltens - etwa durch Filtereinbau oder Errichtung einer Kläranlage - für das Wirtschaftssubjekt entstehen. Wenn der Abgabensatz etwas höher liegt als die Vermeidungskosten, ergibt sich ein geeigneter Ameiz für den Adressaten, den dann billigeren Weg der Vermeidung zu gehen. 230 Im Gegensatz zum Internalisierungsmodell ist hier das Ziel, der Schutz der Umweltgüter durch Immissionsverringerung, von dem Mittel zu seiner Erreichung, der Emissionsverringerung, abgekoppelt. Die Höhe der Abgaben steht in keinem Zusammenhang mit dem Umweltschaden durch das abgabenpflichtige Verhalten. Der Staat greift in das Präferenzsystem der privaten Wirtschaftssubjekte ein und entscheidet, wie deren Verhaltensweisen verändert werden sollen. 231 Um eine geeignete Abgabenhöhe zu erzielen, die über den Venneidungskosten liegt, ohne jedoch den Adressaten "erdrosseln", d.h. so zu belasten, dass ihm wie bei ordnungsrechtlichem Vorgehen keine Wahl bleibt, wird es eines "Herantastens" an diese Höhe bedürfen. Außerdem muss die Höhe der Abgabe immer wieder dem veränderten Preisniveau (der Venneidungskosten) angepasst werden. Schließlich werden sich die Kosten häufig von Adressat zu Adressat individuell unterscheiden. 228 V gl. Holger Bonus, Leistungspotentiale marktwirtschaftlicher Umweltpolitik, in: El-Shagi/KnappelMüller-Hagedorn (Rrsg.), Umweltpolitik in der Marktwirtschaft, TWWBd. 1, 13, 18. 229 William J BaumollWallace E. Dates, Die Anwendung von Standards und Preisen zum Schutz der Umwelt (englische Erstfassung 1971), in: Siebert, Umwelt und wirtschaftliche Entwicklung, 169, 172 ff. 230 V g1. Kloepfer, Umweltrecht, 184. Eine Begründung rur diesen Berechnungsmaßstab findet sich auch im rechtssoziologischen Konzept eines "reflexiven Rechts", das nurmehr Kontextsteuerung selbststeuemder Systeme ausüben soll und sich dazu etwa einer "Optionspolitik" bedienen soll, mit der konkrete Entscheidungen ausgelagert werden, vgl. Gunther TeubnerlHelmut Willke, Kontext und Autonomie: Gesellschaftliche Selbststeuerung durch reflexives Recht, Zeitschrift rur Rechtssoziologie S (1984),4, 13 ff. und Gunther Teubner, Recht als autopoietisches System, FrankfurtJMain 1989, l1S ff. 231 Vgl. Karl-Heinrich Hansmeyer, Umweltpolitische Ziele im Steuer- und Abgabensystem aus finanzwissenschaftlicher Sicht, in: Rüdiger BreueriMichael KloepferlPeter MarburgerlMeinhard Schräder (Rrsg.), Umweltschutz durch Abgaben und Steueml7. Trierer Kolloquium zum Umwelt- und Technikrecht 22.-24. 9. 1991, UTR Bd. 16, Reidelberg 1992, 1, 4 f.
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b) Anwendung der dormant Commerce C/ause bei Abgaben: Der Complete Auto-test Für abgabemechtliche Bestimmungen hat der Supreme Court eigene Prüfungskriterien entwickelt, die sich anders als die allgemeinen Kriterien der dormant Commerce Clause entwickelt haben. Die derzeit angewandten Kriterien hat das Gericht in der (einstimmig ergangenen) Entscheidung Comp/ete Auto Transit, Inc. v. Bradi 32 entwickelt. Comp/ete Auto bringt zwei verschiedenartige Linien in der Rechtsprechung des Supreme Court aus den vorhergehenden Jahrzehnten miteinander in Einklang. Einerseits hatte das Gericht seit Freeman v. Hewir 33 erklärt, ein Gliedstaat könne keine Abgabe an das Recht, sich (aus diesem Staat) am zwischenstaatlichen Handel zu beteiligen (the privilege of engaging in interstate commerce), anknüpfen. Diese sog. Spector-Regef 34 , spiegelt eine Sichtweise wider, nach der der Bundeskompetenz zur Regelung des zwischenstaatlichen Handels eine Immunität dieses Bereichs als "Freihandelszone" gegenüber gliedstaatlichen Abgaben entsprach: 235 ,,[T]he Commerce Clause was not merely an authorization to Congress to enact laws for the protection and encouragement of commerce among the States, but by its own foree ereated an area offree trade from interferenee by the States ( ... ). This limitation on state power (...) does not merely forbid aState to single out interstate commerce for hostile action. AState is also precluded from taking any action which may be fairly be deemed to have the effect of impeding the free flow of trade between States. It is immaterial that loeal eommeree is subjeeted to a similar eneumbranee...236 Den zutreffenden Kern der Spector-Regel verdeutlicht die Minderansicht in Memphis Gas Co. v. Stone. 237 Danach knüpft eine Abgabe dann in unzulässiger Weise an das Recht, sich im zwischenstaatlichen Handel zu betätigen, an, wenn
Complete Auto Transit, Inc. v. Brady, 430 U.S. 274 (1977). Freeman v. Hewit, 329 U.S. 249 (1946). 234 Nach ihrer Anwendung in Spector Motor Service v. O'Connor, 340 U.S. 602
232
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(1951).
Vgl. Complete Auto Transit, Inc. v. Brady, 430 U.S. 274, 278 (1977). Freeman v. Hewit, 329 U.S. 249,252 (1946), Hervorhebungen hinzugefügt. Daraus lässt sich auch entnehmen: Sollten Abgabenlasten also in ungleicher Weise zwischen innerstaatlichem und zwischenstaatlichem Handel verteilt werden, so sollte dies im Zweifel zu Lasten des innerstaatlichen Handels geschehen. Vgl. Ferdinand P. Schoettle, Commerce Clause Challenges to State Taxes, 75 Minn. L. Rev. 907, 911 235
236
(1991). 237
Memphis Gas Co. v. Stone, 335 U.S. 80,99 ff. (1948).
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der die Abgabe erhebende Gliedstaat dem Abgabenschuldner keinerlei staatliche Leistungen im Gegenzug für die Abgabe gewährt. 238 Andererseits hatte der Supreme Court parallel zur Anwendung der SpectorRegel in anderen Entscheidungen erklärt, Unternehmen im zwischenstaatlichen Handel dürfe durchaus der ihnen angemessene Anteil an der Steuerlast auferlegt werden: "It was not the purpose of the Cornmerce Clause to relieve those engaged in interstate cornmerce from their just share of state tax burden even though it increases the cost of doing the business.,,239 Für die Praxis der Untergerichte ergab sich daraus eine zweigeteilte und in sich nicht schlüssige Prüfung: Zum einen die (formelle) Untersuchung, ob die Abgabe an das Recht zur Durchfiihrung von zwischenstaatlichem Handel in dem abgabenerhebenden Staat anknüpfte, zum anderen die (materielle) Untersuchung, ob die Abgabe angemessen sei, also weder gegen den zwischenstaatlichen Handel diskriminierte noch eine mögliche Mehrfachbelastung durch Besteuerung in mehreren Staaten nach sich zöge, eine angemessene Höhe hatte oder auf den Umfang der Aktivitäten des Abgabenschuldners in dem betreffenden Staat abgestimmt war.240
In Complete Auto kehrt sich das Gericht einstimmig und explizit von der Spector-Regel als ,,Formalismus" ab. Die Entscheidung mag deshalb einstimmig ergangen sein, weil sich gleichzeitig der Kern der Spector-Regel, die Unzulässigkeit einer "Sonderabgabe" auf das Recht, gerade zwischenstaatlich tägig zu sein, im Complete Auto-test wiederftndet. Nach Complete Auto, ergänzt in Armco, Inc. v. Hardesty,241 ist eine steuerliche Regelung dann mit der Commerce Clause vereinbar, "when the tax is applied to an activity with substantial nexus with the taxing state, is fairly apportioned, does not discriminate against interstate cornmerce, and is fairly related to the services provided by the State."242 Danach muss eine Abgabe vier Bedingungen erfüllen: Erstens bedarf es einer Verbindung zwischen dem die Abgabe erhebenden Staat und dem Abga238 Ebd., 100 f. Die Vertreter der Mehrheitsansicht äußerten sich aufgrund einer anderen Lesart. 239 Western Live Stock v. Bureau ofRevenue, 303 U.S. 250, 254 (1938). Vgl. auch G01dberg v. Sweet, 109 S.ct. 582, 587 f. (1989): ,,[B)usinesses engaged in interstate cornmerce may be required to pay their own way." 240 Vgl. Memphis Gas Co. v. Stone, 335 V.S. 80,87 f. (1948). 241 Armco, Inc. v. Hardesty, 467 U.S. 638 (1984). 242 Comp1ete Auto Transit, Inc. v. Brady, 430 V.S . 274, 279 (1977); vgl. aus der neueren Rechtsprechung z.B. Itel Containers lnernational Corp. v. Hudd1eston, 113 S.Ct. 1095, 1104 (1993). 28
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bentatbestand. An diese sind allerdings keine hohen Anforderungen zu stellen. 243 Zweitens muss die Höhe der Steuer dem Umfang der Tätigkeit des Abgabeschuldners in dem die Abgabe erhebenden Staat angemessen sein/44 d.h. ihr "näherungsweise" entsprechen245 (external consistency) und darf außerdem keine Mehrfachbesteuerung nach sich ziehen, wenn andere Staaten eine gleichartige Abgabe erheben würden (internal consistency).246 Drittes und wichtigstes Element ist das Verbot einer Diskriminierung des zwischenstaatlichen Handels. Diskriminierend ist jede stärkere Belastung vergleichbarer außerstaatlicher oder zwischenstaatlicher Sachverhalte gegenüber innerstaatlichen Tatbeständen/ 47 eine de minimis-Ausnahme wird nicht gernacht. 248 Viertens muss die Höhe der Abgabe in angemessenem Verhältnis zu den Vorteilen, die das Tätigsein in dem Staat dem Abgabenschuldner bringt, stehen. Dies meint allerdings nicht mehr als eine nachvollziehbare Beziehung des Abgabenschuldners zu diesem Staat, der seine staatlichen Aufgaben auch gegenüber dem Abgabenschuldner erfüllt. 249 Diese Voraussetzung hat kaum eigenständige praktische Bedeutung/50 erklärt sich aber aus der Spector-Regel: Eine Abgabe ist eine unerlaubte Sonderabgabe auf den zwischenstaatlichen Handel (the privilege of doing an interstate business), wenn der Abgabenschuldner schlechthin keinerlei Berührungspunkte mit von dem abgabenerhebenden Staat gestellten Einrichtungen (Behörden, Infrastruktur etc.) hat. Außerdem könnte diese Regel herangezogen werden, um die Unzulässigkeit erdrosselnder Abgaben zu begründen. Wichtigstes Element für umweltbezogene Abgaben ist das grundsätzliche Verbot diskriminierender Abgaben. Nach Fulton Corporation v. Faulkne?51 kann allerdings selbst eine auf den ersten Blick offen diskriminierende Abgabe dann zulässig sein, wenn mit ihr dem zwischenstaatlichen Handel lediglich solche Belastungen auferlegt werden, die der innerstaatliche Handel auch verursacht (compensatory oder complementary tax) und diese Überwälzung nicht durch nichtdiskriminierende Mittel erreicht werden kann. Drei Voraussetzun243 Vgl. Walter Hellerstein, State Taxation and the Supreme Court, Sup. Ct. Rev. 1989,223,226 ff. mit ausführlicher Diskussion der Rechtsprechung, die als Problemfelder Versandhandel, Telefonieren über Staatengrenzen und in anderen Gliedstaaten erzielte Gewinne nationaler Konzerne. 244 Vgl. Hellerstein, State Taxation, 234 ff. m.w.N. 245 "Rough approximation" statt "precision", vgl. Illinois Central R.R. v. Minnesota, 309 U.S. 157, 161 (1940). 246 Armco, Inc. v. Hardesty, 467 U.S. 638, 644 f. (1984); Goldberg v. Sweet, 109 S.Ct. 582, 589 (1989). 247 Vgl. Hellerstein, State Taxation, 240 ff. m.w.N. 248 Vgl. Fulton Corporation v. Faulkner, 116 S.Ct. 848, Fn. 3 (1996). 249 Commonwealth Edison Co. v. Montana, 453 U.S. 609, 626 (1981). 250 V gl. Hellerstein, State Taxation, 244 f. 251 Fulton Corporation v. Faulkner, 116 S.Ct. 848 (1996).
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gen müssen hierfür erfüllt sein: Erstens muss die innerstaatliche Abgabenbelastung, die ausgeglichen werden soll, identiflzierbar sein. Hierfür genügt nicht eine innerstaatliche Belastung, die ein unselbständiger Teil der allgemeinen innerstaatlichen Abgabenlast ist, da andernfalls eine Sonderbesteuerung außerstaatlicher Wirtschaftsteilnehmer für die Inanspruchnahme allgemeiner staatlicher Leistungen erhoben werden könnte; eine solche Argumentation würde dem Gericht außerdem nicht die hier erforderliche quantitative Bewertung ermöglichen. Zweitens muss die Abgabe ungefähr der innerstaatlichen Belastung entsprechen und darf diese nicht übersteigen. Drittens müssen die Sachverhalte, auf die die innerstaatliche und die zwischenstaatliche Abgabe erhoben werden, wesentlich gleichwertig (substantially equivalent) sein. Für letzteres ist auf gleiche Wettbewerbsbedingungen fiir inner- und außerstaatliche Wirtschaftsteilnehmer abzustellen. Die Beweislast für die Zulässigkeit der Abgabe liegt bei dem die Abgabe erhebenden Gliedstaat.
11. Zulässige Abweichungen von der dormant Commerce Clause 1. Gesundheits- und Umweltschutz als legitime Zielsetzung
Der Ungültigkeitsvermutung für diskriminierende Regelungen nach der strict scrutiny-Regel entgehen nach ständiger Rechtsprechung des Supreme Court sogenannte Quarantänevorschriften der Staaten, mit denen diese erkranktes Vieh, mit Krankheitserregern verseuchte Gegenstände und in ähnlicher Weise gefährliche Güter am Grenzübertritt hindern. 252 Der zu den Quarantänevorschriften entwickelte Gedanke zulässiger Einschränkungen des zwischenstaatlichen Handels ist von der Rechtsprechung auf andere Bereiche übertragen worden. Steht eine Regelung ihrer Zielsetzung nach im Zusammenhang mit dem Schutz oder der Isolierung der Wirtschaft eines einzelnen Staates gegenüber anderen Staaten, so ist sie schon deswegen unzulässig. Legitim sind hingegen alle nicht-protektionistischen Ziele gliedstaatlicher Gesetzgebung. 253 Traditionell fällt zunächst der Bereich von Regelungen zum Schutz der Gesundheit ihrer Bevölkerung (wozu auch Quarantänevorschriften zu zählen sind) als Kern der police power eindeutig in den Zustän252 Vgl. Baldwin v. G.A.F. Seelig, Inc., 294 U.S. 511,525 (1935), Asbell v. Kansas, 209 U.S. 251 (1907), Reid v. Colorado, 187 U.S. 137 (1902); vgl. auch ein obiter dictum in Bowman v. Chicago & Northwestem R. Co., 125 U.S. 465, 489 (1888): "States have power to provide by law suitable measures to prevent the introduction into the State of articles of trade, which (... ) would bring and spread disease." Vgl. darüber hinaus die Nachweise in Chemical Waste Management, Inc. v. Hunt, 504 U.S. 334, 346 Fn.lO (1992). 253 Vgl. Tribe, Constitutional Law, Bd. 1,415.
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digkeitsbereich der Staaten und ist damit als zulässige Zielsetzung anerkannt. 2S4 Auch der Umweltschutz als solcher ist mittlerweile als legitimes Ziel anerkannt. 25S Der einzelne Staat hat ein berechtigtes Interesse am Schutz seiner Umwelt, das über den Schutz seiner Einwohner und ihrer individuellen Rechte hinausgeht, da es sich dabei um die Umweltgüter im Staatsgebiet handelt. 256 Wie oben bereits erwähnt, sind die Staaten beim Schutz der Umwelt daher auf ihr eigenes Territorium beschränkt; der Schutz der außerhalb gelegenen Umwelt, also etwa der Umwelt in anderen Gliedstaaten, ist kein legitimes Ziel gliedstaatlicher Regelung. 257 2. Schutzbereichsausnahme oder Rechtfertigungsgrund? Die Urteilsbegründungen des Supreme Court in den Entscheidungen zu Quarantänevorschriften deuteten zunächst darauf hin, dass das Gericht solche Tiere, Pflanzen und Gegenstände nicht als Handelsgüter im Sinne (unter damit unter dem Schutz) der dormant Commerce Clause ansah. 258 In jüngeren Ent-
254 Vgl. H.P. Hood & Sons v. Du Mond, 336 U.S. 525, 531 f. (1949): ,,( ... ) broad power in the State to protect its inhabitants against perils to health or safety, fraudulent traders and highway hazards even by use of measures which bear adversely upon interstate commerce." 255 Firemen v. Chicago, R. I. & P. R. Co., 393 U.S. 129 (1968); Hughes v. Oklahorna, 441 U.S. 322, 337 (1979) - Schutz und Erhaltung von wilden Tieren; vgl. auch Procter & Gamble v. Chicago, 509 F.2d 69 (7th Cir. 1975), vom Supreme Court nicht zur Entscheidung angenommen, 421 U.S. 349 (1975). Hier hatte bereits der District Court die Verhinderung und Beseitigung schädlicher Algen als legitime Zielsetzung örtlicher Rechtssetzung anerkannt.; New York Trawlers Association v. Jorling, 16 F.3d 1303 (2nd Cir. 1994) - Schutz der Küstengewässer. 256 Vgl. bereits Georgia v. Tennessee Copper Co., 206 U.S. 230, 237 (1907): ,,[The State] has an interest independent of and behind the titles of its citizens, in all the earth and air within its dornain." 257 Vgl. C & A Carbone, Inc. v. Town ofClarkstown, 114 S.Ct. 1677,1683 (1994). 258 In Asbell v. Kansas, 209 U.s. 251, 256 (1907) hält das Gericht zunächst fest, dass Regelungen, die die Untersuchung von Vieh aus anderen Staaten vorschreiben mit dem Zweck, erkranktes Vieh auszusondern, zulässig sind. Es fährt sodann fort: "The State rnay not, however, ( ... ) under the pretense of protecting the public health, employ inspection laws to exclude from its borders the products or merchandise or other States (... )." In anderen Zusammenhang äußert sich der Supreme Court zugunsten eines Ausschlusses schädlicher Gegenstände vom zwischenstaatlichen Handel bereits in den sogenannten License Cases, 46 U.S. 590, 700, 5 How. 504, 599 f. (1847). So auch der New Jersey Supreme Court in Hackensack Meadowlands Dev. Commission v. Municipal Sanitary Landfill Authority, 68 N.J. 451, 467, 348 A.2d 505, 513 (1975): "substances injurious to the public health (i.e. nonrecyc1abele garbage) are not ,artic1es of commerce' within the meaning of the constitutional phrase." Das Gericht sieht den zwischenstaatlichen Handel allerdings möglicherweise wegen Auswirkungen auf tatsächlich stattfindenden Transport und Ablagerung von Abfall berührt. Ebd., 467 fI. bzw.
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scheidungen interpretiert der Supreme Court die fiir zulässig erklärten Quarantänegesetze allerdings eher als nichtdiskriminierende Regelungen, deren Belastungen des zwischenstaatlichen Handels in der Abwägung gerechtfertigt sind. 259 Danach richten sich Quarantänevorschriften zwar offen gegen die Einfuhr bestimmter Güter aus anderen Staaten, dienen aber zum Schutz der Gesundheit der innerstaatlichen Bevölkerung vor Gefahren, die gerade mit dem zwischenstaatlichen Transport selbst verbunden sind, und sind daher zulässig. 260 Diese Bewertung als Rechtfertigungsgrund ergibt sich aus der Komplementarität der dormant Commerce Clause zur Commerce Clause: Was der Bund unter dieser Kompetenz regeln kann, unterfällt auch dem Schutz der dormant Commerce Clause. 26l So sind auch umweltgefährliche Güter ohne inneren Handelswert ein Objekt des Handels. 262 Die Einordnung der Ziele einer gliedstaatlichen Regelung als legitim fUhrt zunächst zur Einordnung in den Pike-test fiir nichtdiskriminierende Regelungen anstelle der strict scrutiny fiir diskriminierende Regelungen. Im Rahmen der im Pike-test stattfindenden Abwägung der Verhältnismäßigkeit von Nutzen und Lasten einer Regelung hat die Zielsetzung außerdem Bedeutung als Abwägungskriterium. 263 Der Supreme Court hat an vielen Stellen seiner Rechtsprechung anerkannt, dass die Regelungsgewalt eines Staates auch bei Berührung des zwischenstaatlichen Handels besonders stark ist, wenn es um den Schutz
513 f. (Der Fall wurde vom U.S. Supreme Court unter dem Rubrum Philadelphia v. New Jersey, 437 U.S. 617 (1978) entschieden. Vgl. dazu sogleich und unten III.l.a)). 259 Philadelphia v. New Jersey, 437 U.S. 617, 622 (1978): ,,[T]he Court held simply that because the articles' worth in interstate commerce was far outweighed by the dangers inhering in their very movement, States could prohibit their transportation across state lines." Ebd., 629: "Those laws thus did not discriminate against interstate commerce as such, but simply prevented traffic in noxious articles, whatever their origin." In Chemical Waste Management, Inc. v. Hunt, 504 U.S. 334, 347 (1992) zitiert das Gericht diese Aussage und beruft sich auf mehrere weitere Entscheidungen, in denen zum einen Regelungen für unzulässig erklärt wurden, die für innerstaatliche gefahrliche Gegenstände gerade nicht galten. Im Erg. wie hier Robert E. Dister/Joseph Schlesinger, State Waste Embargoes Violate the Commerce Clause: City 0/ Philadelphia v. New Jersey, 8 Ecology Law Quarterly 371,374 Fn. 21, 381 sowie 390 (1979). 260 City ofPhiladelphia v. New Jersey, 437 U.S. 617, 624, 628 f. (1978). 261 Vgl. zu den in Philadelphia streitigen Abfallverbringungsvorschriften ebd., 622 f.: ,,[W]e reject the state court's suggestion that the banning of ,valueless' out-of-state wastes by ch. 363 implicates no constitutional protection. Just as Congress has power to regulate the interstate movement of these wastes, States are not free from constitutional scrutiny when they restrict that movement." 262 Ebd., 622 f. 263 V gl. Huron Portland Cement Co. v. City ofDetroit, 362 U.S. 440, 443 f. (1960).
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der Gesundheit seiner Bürger geht, so etwa bei der Regulierung von Lebensmitteln,264 dem Verbraucherschutz, oder dem Umweltschutz: "The Commerce Clause significantly limits the ability of States and localities to regulate or otherwise burden the flow of interstate commerce, but it does not elevate free trade above all other values. As long as aState does not needlessly obstruct interstate trade ot attempt to ,place itselfin a position ofeconomic isolation ' ( .. .), it retains broad regulatory authority to protect the health and safety of its citizens and the integrity of its natural resources. ,,265
Damit geht auch der Freihandel im Konfliktfall nicht dem Umweltschutz vor, vielmehr setzt sich eine verhältnismäßige Umweltschutzregelung durch. Verfolgt eine Regelung einen offenkundig diskriminierenden Zweck, so stützt das Gericht seine Entscheidung auf die Unzulässigkeit dieser Zielsetzung. Problematisch ist die Stützung einer Entscheidung auf die Legitimität oder Illegitimität einer Zielsetzung dort, wo Ziel oder Zweck eines Gesetzes nicht eindeutig ausmachbar sind. Hier versucht sich das Gericht tendenziell nicht in Ermittlungen des Zwecks eines Gesetzes, sondern untersucht überschlägig dessen praktische Konsequenzen. 266 3. Bewirtschaftung und Schutz innerstaatlicher natürlicher Ressourcen
Eigenständige Bedeutung neben Umweltschutzvorschriften im eigentlichen Sinn haben Regelungen, nach denen zum Ge- oder Verbrauch geeignete innerstaatliche Ressourcen, also Bodenschätze und Naturgüter (Wasser, Boden, Luft, Flora und Fauna) allgemein oder in Zeiten knapper Versorgung den Bürgern des jeweiligen Staates vorbehalten werden sollen. Von erheblicher praktischer Bedeutung sind inzwischen die schwindenden Wasserressourcen. Während in den dichtbesiedelten und stark industriell geprägten Staaten des Ostens vielfach die Kontaminierung der Trinkwasservorräte Probleme verursacht, leiden die Staaten des Westens unter versiegenden Grundwasservorräten. Die landwirtschaftliche Produktion in diesen Gebieten ist jedoch in erheblichem Maße von der Verfiigbarkeit großer Wassermengen zur Bewässerung abhän-
264 Vgl. z.B. Hunt v. Washington State Apple Advertising Commission, 432 U.S. 333, 350 (1977): ,,[That] ,residuum' [die verbleibende gliedstaatliche Regelungsmacht im Bereich des zwischenstaatlichen Handels, d. Verf.] is particularly strong when the State acts to protect its citizenry in matters pertaining to the sale of foodstuffs." 265 Maine v. Taylor, 477 U.S. 131, 151 (1986). 266 Hughes v. Oklahorna, 441 U.S. 322, 336 (1979): ,,[W]hen considering the purpose of a challenged statute, this Court is not bound by ,[t]he name, description or characterization given it by the legislature or the courts of the State,' but will determine for itself the practical impact of the law".
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gig. 267 Die Mehrzahl der Staaten im Westen hat daher versucht, die Ausfuhr von Trinkwasser in andere Staaten zu begrenzen?68 a) Öffentliche Güter als öffentliches Eigentum: Die public ownership theory
In Geer v. Connecticut vertrat der Supreme Court die Ansicht, dass ein Gliedstaat das Verbringen von innerhalb des Staates gewonnenen natürlichen Ressourcen in andere Staaten vollständig untersagen könne. 269 Die dahinterstehende Argumentation sah Ressourcen im Gebiet eines Gliedstaates, die noch nicht durch Aneignung zu Privateigentum geworden waren, als öffentliches Eigentum des Staates an (public ownership theory).270 Die nicht angeeigneten Gegenstände der belebten und unbelebten Natur, traditionell res conununes, seien auf den jeweiligen Staat bezogenes gemeinsames Eigentum der Bürger in der Hand jenes Staates. 271 Dieser könne daher den Umfang privater Eigentümerbefugnisse an natürlichen Ressource regeln, etwa von vornherein die Veräußerung im Wege des zwischenstaatlichen Verkehrs Beschränkungen unterwerfen und die Güter der Kontrolle unter der Conunerce Clause entziehen.272 Unter der public ownership theory sind natürliche Ressourcen des jeweiligen Staates sowohl einer Verhältnismäßigkeitskontrolle anband der dormant Commerce Clause als auch einer einheitlichen Gesetzgebung des Bundes unter der Conunerce Clause entzogen. 273 Als ursprüngliches Eigentum in der Hand der Gliedstaaten in diesem Sinne hat der Supreme Court Naturgüter wie Wild274 und Oberflächenwasser,275 nicht allerdings Bodenschätze, wie etwa Erdgas, angesehen. Anders als die frei zu267 Vg1. Alan D. Greenberg, Sporhase v. Nebraska: The Muddying of Comrnerce Clause Waters, 11 Ecology L. Q. 215 f. m.w.N. (1983). 268 Vg1. Greenberg 216 m.w.N. zu den einzelnen Gesetzen. 269 In Geer v. Connecticut, 161 D.S. 519 (1896), wurde ein gliedstaatliches Gesetz bestätigt, das die Tötung bestimmter Wildarten flir den zwischenstaatlichen Handel und deren Verbringung in andere Staaten verbot. 270 Der erste Fall, in dem die Theorie angewandt wurde, ist McCready v. Virginia, 94 U.S. 391 (1877). Hier ging es allerdings um staatliches Eigentum an Austernbänken in den Küstengewässern oberhalb der Niedrigwassermarke, die der Staat Virginia ausschließlich seinen eigenen Bürgern zu nutzen gestattete. Erst in Geer wird die Theorie auf noch nicht zugeeignete natürliche Ressourcen innerhalb eines Staates ausgedehnt. 271 Geer v. Connecticut, 161 U.S. 519, 525 ff. (1896). 271 Ebd., 532. 273 Vg1. Sporhase v. Nebraska, 458 U.S. 941,953 (1982). 274 Geer v. Connecticut, 161 U.S. 519 (1896). m Nach Hudson County Water Co. v. McCarter, 209 U.S. 349 (1908) durfte New Jersey den Transport von Trinkwasser aus einem innerstaatlichen Fluss in den Staat New York verbieten.
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gänglichen res conununes seien letztere einem exklusiven Aneignungsrecht des Grundeigentümers unterworfen. 276 In der Praxis hat der Supreme Court allerdings nur wenige Regelungen als legitime Ausübung der staatlichen Herrschaft über natürliche Ressourcen anerkannt. Vielmehr wurden auch nach Geer vielfach Regelungen, mit denen Staaten ihre Bürger im Bereich natürlicher Ressourcen bevorzugten, für unzulässig erklärt, schließlich auch die public ownership theory grundsätzlich in Frage gestellt. 277 1979 gab der Supreme Court in Hughes v. Oklahoma 278 die Theorie schließlich unter Berufung auf Toomer v. Witselz2 79 ausdrücklich auf. Wie das Gericht ausfiihrte, ist die Behandlung natürlicher Ressourcen lediglich eine juristische Fiktion, in der sich in verkürzter Weise die Bedeutung gliedstaatlicher Gesetzgebungsmacht zum Schutz und zur Regelung der Ausbeutung wichtiger Ressourcen äußert?80 Damit gilt nunmehr auch für die Regelung natürlicher Ressourcen im Gemeineigentum das Abwägungsprinzip aus Pike. 281
b) Ressourcenschutz als legitime Zielsetzung Wie der Supreme Court in Hughes v. Oklahoma feststellt, wird der Schutz innerstaatlicher Ressourcen durch die Staaten allerdings in der Abwägung von Nutzen und Lasten einer handelsbeschränkenden Regelung berücksichtigt. 282 Der Kreis zulässiger staatlicher Maßnahmen ist gegenüber Geer allerdings deutlich eingeschränkt: Nicht mehr jeder Zweck kann bei der Ressourcenbe-
276 West v. Kansas Natural Gas Co., 221 U.S. 229,249 ff., 253 (1911). 277 Toomer v. Witsell, 334 U.S. 385, 402 (1947). Vg1. zu diesem langsamen "Erosionsprozess" die Darstellung von Richter Brennan in Hughes v. Oklahoma, 441 U.S. 322,326-336 (1979). 278 Hughes v. Oklahoma, 441 U.S. 322 (1979). 279 Toomer v. Witsell, 334 U.S. 385 (1947). 280 Ebd., 402: "The whole ownership theory, in fact, is now generally regarded as but a fiction expressive in legal shorthand of the importance to its people that aState have power to preserve and regulate the exploitation of an important resource." Vg1. das Zitat in Hughes v. Oklahorna, 441 U.S. 322, 334 (1979). 28\ Vgl. Hughes v. Oklahorna, 441 U.S. 322,336 (1979). 282 Ebd., 336: "We consider the States' interests in conservation and protection of wild animals as legitimate local purposes similar to the States' interests in protecting the health and safety oftheir citizens." Vg1. auch Sporhase v. Nebraska, 458 U.S. 941,953 (1982): "The Western States' interests. and their asserted superior competence, in conserving and preserving scarce water resources are not irrelevant in the Commerce Clause inquiry. ( ...) [T]hese factors inforrn the determination whether the burdens on commerce imposed by state ground water regulation are reasonable or umeasonable."
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wirtschaftung verfolgt werden, der Staat ist vielmehr darauf verwiesen, die verhältnismäßige Verfolgung legitimer Zwecke zu belegen. 283 Trotz ausdrücklicher Ablehnung der public ownership theory räumt der Supreme Court aus weislich umfangreicher obiter dicta in Sporhase v. Nebraska 284 den Staaten bei der Regelung wichtiger natürlicher Ressourcen allerdings noch eine - wenn auch nicht klar umrissene - Möglichkeit zur Bevorzugung ihrer Bürger ein. Grundlage der Entscheidung in Sporhase war ein Genehmigungsvorbehalt des Staates Nebraska fiir den Transfer von Wasser in andere Staaten (in diesem Fall die Bewässerung im angrenzenden Colorado aus einem Brunnen in Nebraska). Die Genehmigung war zu erteilen, wenn die Wasserentnahme angemessen war, dem Ressourcenschutz nicht widersprach, nicht in sonstiger Weise dem öffentlichen Wohl zuwiderlief und der Zielstaat auch den Transport von Wasser nach Nebraska gestattete. 28S Mit der vierten, der Reziprozitätsbedingung, unterlag Nebraska vor dem Supreme Court. Auch Grundwasser sei ein Handelsgegenstand, selbst die Bedeutung des (Grund-)Wassers als unmittelbar lebenswichtiges Gut könne keine Herausnahme aus dem Regelungszusammenhang des zwischenstaatlichen Handels begründen. 286 Unter Anwendung der strict scrutiny auf die Reziprozitätsbedingung als offenes Handelshindernis erkennt das Gericht sodann zwar Schutz und Erhaltung der Grundwasservorräte als legitimen Zweck gliedstaatlicher Gesetzgebung an, sieht die Notwendigkeit der Regelung fiir diesen 283 Vgl. Hughes v. Oklahoma, 441 U.S. 322, 337 (1979): ,,[1]he scope oflegitimate state interests in ,conservation' is narrower under this analysis than it was under Geer. A State may no longer ,keep the property, if the sovereign so chooses, always within its jurisdiction for every purpose.' The fiction of state ownership may no longer be used to force those outside the State to bear the full costs of ,conserving' the wild animals within its borders when equally effective nondiscriminatory conservation measures are available." (Nachweise ausgelassen). 284 Sporhase v. Nebraska, 458 U.S. 941 (1982). 28S Neb. Rev. Stat. § 46-613.01 (1978): ,,( ...) the withdrawal ofthe ground water requested is reasonable, is not contrary to the conservation and use of ground water, and is not otherwise detrimental to the public welfare" und "the state in which the water is to be uSed grants reciprocal rights to withdraw and transport ground water from that State for use in the State ofNebraska." Zitate nach Sporhase v. Nebraska, 458 U.S. 941, 944
(1982).
286 Sporhase v. Nebraska, 458 U.S. 941, 952 f. (1982): ,,But appellee's claim that Nebraska ground water is not an article of commerce goes too far. (...) Ground water overdraft is a national problem and Congress has the power to deal with it on that scale." Nach den Ausführungen des Gerichts zeigt sich die Eigenschaft des Wassers als Handelsgut bereits an den innerstaatlichen Wasserverteilungsmechanismen, die sich nicht in sinnvoller Weise von Handelsvorgängen unterscheiden ließen, an der Bedeutung des Wassers für die Landwirtschaft, deren Produkte als traditionelle Gegenstände des zwischenstaatlichen Handels im Sinne der Verfassungsväter anzusehen seien, sowie an der Tatsache, dass ein und dieselbe grundwasserführende Schicht verschiedene Staaten speise. Ebd., 951 ff.
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Zweck jedoch nicht vom Staat Nebraska belegt. 287 Es führt jedoch vier Gründe an, die nach Auffassung des Gerichtes zusammengenommen eine Bevorzugung der eigenen Bürger eines Staates in Zeiten der Wasserknappheit rechtfertigen könnten: Erstens liege eine Regelung der Wassernutzung zu Zwecken des Gesundheitsschutzes im Kernbereich der gliedstaatlichen police power; zweitens werde die Bedeutung von Staatsgrenzen im Recht der Wassernutzung an der Anerkennung von Verträgen über Wassernutzung zwischen den Gliedstaaten durch das Gericht deutlich; drittens wird die eigentlich überholte public ownership doctrine hinsichtlich einer "begrenzten" Bevorzugung der eigenen Bürger bemüht; dies gelte gerade bei der Ressource Wasser; viertens schließlich habe das Grundwasser einiges mit einem von der öffentlichen Hand produzierten Gut gemein (bei dessen Verteilung dem Staat die rnarket participant doctrine zugute kommt, dazu sogleich im Text).288 Könnte die Eignung eines Reziprozitätserfordernisses zur Sicherung der innerstaatlichen Wasserversorgung in Zeiten der Wasserknappheit aufgezeigt werden, so ließe sich die Regelung im Einzelfall als zulässiges Bewirtschaftungsgesetz darstellen: "A demonstrably arid State conceivably might be able to marshai evidence to establish a elose means-end relationship between even a total ban on the exportation of water and a purpose to conserve and preserve water.,,289
Die abweichende Meinung der Richter Rehnquist und O'Connor geht noch weiter. Rehnquist hatte sich bereits in Hughes v. Oklahoma gegen die Abkehr von Geer gewandt. 290 Nach Ansicht von Rehnquist in Hughes sind die Staaten zwar nicht im herkömmlichen Sinne Eigentümer oder Treuhänder natürlicher Ressourcen, die auch durchaus handelbare Güter sind. "Eigentum" sei lediglich ein Ausdruck für das besondere Interesse der Staaten an Regelung und Erhaltung ihrer natürlichen Ressourcen. Rehnquist will den Staaten in diesem Bereich einen weiteren Spielraum als sonst unter der dormant Commerce Clause zugestehen: Lediglich diskriminierende Regelungen ohne jegliche Rechtfertigung oder Verstöße gegen anderes Bundesrecht seien unzulässig.29\ Die Staaten seien hinsichtlich ihrer natürlichen Ressourcen "quasi-Souveräne" und könnten verhindern, dass diese Ressourcen zur Handelsware werden: Naturgüter, die nach dem Recht des Staates nicht veräußert, gemietet, gehandelt oder 287 Ebd., 957: "Because Colorado forbids the exportation of its ground water, the reciprocity provision operates as an explicit barrier to commerce between the two States." Ebd., 958: "The reciprocity requirement does not survive the ,strictest scrutiny' reserved for facially discriminatory legislation." 288 Ebd., 956 f. 289 Ebd., 958. 290 Abweichende Meinung von Justice Rehnquist, dem sich Chief Justice Burger anschließt, Hughes v. Oklahoma, 441 U.S. 322, 339 ff. (1979). 291 Ebd., 342 f.
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übertragen, sondern nur genutzt werden könne, hätten nicht am Handelsverkehr teil. 292 Sporhase mag die Möglichkeit andeuten, in schwierigen Situationen die Bevorzugung der eigenen Bürger bei der Vergabe innerstaatlicher natürlicher Ressourcen anzuerkennen. Der nebulöse dogmatische "Rundumschlag", dazu lediglich in einem obiter dictum, bietet jedoch kein tragfahiges Fundament fiir gliedstaatlichen Ressourcenschutz. Sporhase gilt als Ausnahme fiir das Problem der Wasserversorgung, 293 in der Literatur wird die Entscheidung zudem als Einfallstor fiir die überwundene public ownership doctrine und wegen seiner dogmatisch unscharfen Aussage angegriffen. 294 Bislang wurde Sporhase weder weiter ausgestaltet noch hat der Supreme Court ein diskriminierendes gliedstaatliches Bewirtschaftungsregime auf der Basis der Entscheidung bestätigt.
4. Der Staat in der Rolle eines Wirtschaftsteilnehmers a) Die market participant exemption Eine wichtige Ausnahme von der Kontrolle gliedstaatlicher Gesetze durch die dorrnant Commerce Clause gilt nach Hughes v. Alexandria Scrap COrp.295 dann, wenn der Gliedstaat selbst als Teilnehmer am Wirtschaftsverkehr auftritt (market participant doctrine).296 Handelt der Staat in der Art eines privaten Rechtssubjektes, etwa beim Verkauf von staatseigenen Bodenschätzen297 oder in staatseigenen Unternehmen hergestellten Produkten, 298 oder beim Ankauf von Altstoffen, 299 so genießt er wie ein privater Marktteilnehmer Vertragsfrei-
292 Abweichende Meinung der Richter Rehnquist und 0 'Connor, Sporhase v. Nebraska, 458 US. 941, 963 (1982). 293 Vgl. Oregon Waste Systems, Inc. v. Departrnent of Environmental Quality, 511 U.S. 93, 114 S.Ct. 1345, 1354 (1994): "That holding was premised on several different factors tied to the simple fact of life that ,water, unlike other natural resources, is essential for human survival'" (Nachweise ausgelassen). 294 Greenberg 215. m Hughes v. Alexandria Scrap Corp., 426 U.S. 794 (1976). Vgl. auch Reeves, Ine. v. Stake, 447 U.S. 429 (1980) und White v. Massachusetts Council of Construction Ernployers, Ine., 460 U.S. 204 (1983). 296 Vgl. allgemein Dan T. Coenen, Untangling the Market-Participant Exemption to the Dormant Commerce Clause, 88 Mich. L. Rev. 395 (1989). 297 Vg1. South-Central Timber Development, Inc. v. Wunnicke, 467 US. 82 (1984). 298 Vgl Reeves, Inc. v. Stake, 447 U.S. 429 (1980). 299 Vg1. Hughes v. Alexandria Scrap Corp., 426 US. 794 (1976).
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heit - auch bei Diskriminierung außerstaatlicher Wirtschaftsteilnehmer. 300 In einer solchen Konstellation, so der Supreme Court in Reeves, Inc. v. Stake, finden die Beschränkungen der donnant Conunerce Clause keine Anwendung, da der Staat nicht in seiner Eigenschaft als regulierender und Steuern erhebender Souverän auf den Markt Einfluss ninunt. 301 Als Marktteilnehmer stehe es ihm frei, seine Bürger auch bei freiwilligen Leistungen zu bevorzugen. 302 Außerdem unterstütze diese Ausnahme die Rolle der Staaten als "Laboratorien des Föderalismus".303 Auch unter dem Gesichtspunkt des representation reinforcement sollen Ungleichbehandlungen durch Marktteilnahme nicht problematisch sein: Wirtschaftlich ineffIzientes Verhalten des Staates zugunsten seiner Bürger gilt als verstecktes Subventionieren, das aber keinen Konflikt mit der Conunerce Clause provoziert, weil die Kosten dieser Subventionen von den Steuerzahlern des Staates selbst getragen werden und daher hinreichender Kontrolle unterliegen. 304 Für die Gliedstaaten und ihre Untergliederungen ist damit ein weites Feld möglicher Einflussnahme zugunsten lokaler Interessen eröffnet,305 die sich grundsätzlich zwar als Ausfluss der Abschluss- und Gestaltungsfreiheit eines quasi-privaten Marktteilnehmers, umgekehrt aber auch als mittelbare staatliche Regelung von Marktbedingungen auffassen lässt. Die danach erforderliche Grenzziehung zwischen Teilnahme am und Regelung des Marktes versuchte der Supreme Court in South-Central Timber Development v. Wunnicke 306 anhand eines eng gefassten Begriffs des Marktes, an dem der Staat teilninunt. Eine relative Mehrheit von vier Richtern hielt die Klage gegen eine Regelung des Staates Alaska fiir begründet, nach der eine große Menge Holz aus staatseigenen Wäldern nur unter der Bedingung verkauft werden sollte, dass der Käufer das Holz in Alaska selbst verarbeiten ließe. Nach Ansicht des Gerichts 300 Ebd., 810: "Nothing in the purposes anirnating the Cornrnerce Clause prohibits a State, in the absence of congressional action, from participating in the market and exercising the right to favor its own citizens over others." 301 Reeves, Inc. v. Stake, 447 U.S. 429,441 (1980). 302 Ebd., 441. Vgl. auch ebd., 436: "The basic distinction ( ...) between States as rnarket participants and States as rnarket regulators makes good sense and sound Iaw." Ebd., 438: "Restraint in this area is also counseled by consideration of state sovereignty, the role of each State ,as guardian and trustee for its people"'. 303 Ebd. 304 Vgl. RotundaINowak 306 f. 30S Vgl. z.B. White v. Massachusetts Council of Construction Employers, Inc., 460 U.S. 204 (1983). Das Gericht erhielt darin eine Verordnung der Stadt Boston aufrecht, nach der bei allen Bauprojekten, zu denen Zuschüsse der Stadt oder von dieser verwaltete Zuschüsse gegeben wurden, mindestens 50% Arbeiter mit Wohnsitz in Boston eingesetzt werden sollten. Entscheidend sei, dass diese Arbeiter letzlich für die Stadt arbeiteten, gleichgültig ob sie unmittelbar von der Stadt oder über einen Unternehmer beauftragt wurden. 306 South-Central Timber Development, Inc. v. Wunnicke, 467 U.S. 82 (1984).
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kann der Staat ohne Beschränkung durch die dormant Commerce Clause nur über die unmittelbare Transaktion, durch die er am Markt teilnimmt, bestimmen. 307 An Bedingungen, die er seinen Vertragspartnem für das oder die nächsten Veräußerungsgeschäfte auferlegt (downstream in the market), habe der Staat als Marktteilnehmer kein gleichermaßen starkes Interesse; außerdem sei der regulatorische Effekt bei der Regelung fremder Transaktionen, also außerhalb des Marktes, an dem der Staat selbst teilnimmt, viel größer. Ein Staat könne keine Bedingungen stellen, durch Hoheitsakt noch durch Vertrag, die eine wesentliche regulatorische Wirkung außerhalb des Marktes haben, an dem der Staat selbst teilnimmt. 308 Die Gegenansicht im Supreme Court stellt auf die Gleichheit der wirtschaftlichen Auswirkungen einer direkten mit der hier gegebenen "indirekten" Förderung innerstaatlicher Käufer ab und hält die Abgrenzung durch die Mehrheit daher für formalistisch. 309 Folgte man jedoch dieser Minderansicht, so könnte der Staat die Gestaltung von Vertragsbedingungen immer dort umfassend nutzen, wo er diese Bedingungen aufgrund wirtschaftlicher Macht durchsetzen kann310 und hätte so bei Einhaltung der wettbewerbsrechtlichen Vorgaben ein weitreichendes Instrument als Umweg um die Beschränkungen der dormant Commerce Clause in der Hand. Der berechtigte Vorwurf einer willkürlichen Grenzziehung der Mehrheit ließe sich letztlich nur durch vollständigen Verzicht auf die market participant doctrine ausräumen.
307 Ebd., 97 f.: "The limit ofthe market-participant doctrine must be that it allows a State to impose burdens on commerce within the market in which it is a participant, but allows it to go no further. The State may not impose conditions, whether by statute, regulation, or contract, that have a substantial regulatory effect outside of that particular market. Unless the ,market' is relatively narrowly defined, the doctrine has the potential of swallowing up the rule that States may not impose substantial burdens on interstate commerce even if they act with the permissible state purpose of fostering local industry." 308 Ebd., 97 f. Die Minderansicht in White favorisiert eine eher wertende Abgrenzung, die sich daran orientiert, ob das äußerlich als Teilnahme am Markt gestaltete Verhalten des Staates eher auf die Beschränkung der Handlungsfreiheit der Vertragspartner in bestimmten Hinsichten oder auf die eigene Beschaffung und die Wahl der Vertragspartner gerichtet sei. Die Forderung an Vertragspartner, 50% örtliche Arbeitnehmer anzustellen, sei auf die Bestimmung privater Rechtsbeziehungen gerichtet, eine soche regulatorische Beschränkung sei für sich gesehen unzulässig und daher auch hier abzulehnen. Minderansicht von lustice Blackmun, der sich lustice White anschließt, White v. Massachusetts Council of Construction Employers, Inc., 460 U.S. 204, 217 ff.
(1983). 309
South-Central Timber Development, Inc. v. Wunnicke, 467 U.S. 82, 101 ff., 103
(1984).
310 Vgl. die Mehrheitsansicht in South-Central Timber Development, Inc. v. Wunnicke, 467 U.S. 82,97 Fn. 10 (1984).
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b) Die Unterscheidung zwischen Subventionen und Abgaben: West Lynn Creamery Subventionen der Gliedstaaten an ihre Wirtschaft, die als unmittelbare oder mittelbare Vergünstigungen aus dem allgemeinen Steueraufkommen fmanziert werden, hat der Supreme Court bisher ausdrücklich fiir rechtmäßig erachtet. 3ll Die Verfassung enthält keine Sonderregelungen hierzu, Grundlage der rechtlichen Beurteilung ist die dorrnant Commerce Clause und die market participant doctrine. Subventionen können allerdings im wirtschaftlichen Ergebnis dieselbe begünstigende Wirkung haben wie steuerliche Vorteile. Auf der Basis der market participant doctrine sind die beiden Instrumente jedoch voneinander unterscheidbar: Für den Supreme Court liegt der maßgebliche Unterschied darin, dass es sich bei der Erhebung von Abgaben um eine "ureigene staatliche Tätigkeit",312 eine charakteristische Äußerung staatlicher Gewalt handelt,313 während sich der Staat mit Subventionszahlungen in gleicher Weise mit finanziellen Mitteln am Wirtschaftsverkehr beteiligt, wie dies auch Private tun könnten und daher - jedenfalls im Verhältnis zur Bundesverfassung - das Privileg der Vertragsfreiheit genießt. 314 Mit der dormant Commerce Clause unvereinbar sind allerdings auch verdeckte einseitige Abgabenbelastungen. Unmaßgeblich ist daher, ob dem Namen nach eine "Subvention" gewährt wird, wenn sich diese im praktischen Effekt als einseitige Ausnahme von einer Abgabe darstellt. In West Lynn Creamery, [nc. v. HeaZl l5 erklärte der Supreme Court eine Subventionierung innerstaatlicher Milchproduzenten fiir unzulässig, die aus einer Abgabe finanziert wurde, welche wiederum gleichermaßen von inner- und außerstaatlichen Milchproduzenten erhoben wurde. Für die innerstaatlichen Produzenten hatte die Subvention die Wirkung einer Rückerstattung der Abgabe, so dass im Ergebnis allein die außerstaatlichen Produzenten belastet wurden. Die Entschei3\1 Vgl. allgemein New Energy Co. of Indiana v. Limbach, 486 U.S. 269, 278 (1988). 312 Ebd., 277: "a primeval govemmental activity". 313 VgL Enrich 442 m.w.N., der darauf verweist, dass steuerliche Anreize, anders als Subventionen, dauerhaft gesetzlich fundiert sind und keiner jährlichen parlamentarischen Bestätigung im Haushaltsgesetz bedürfen. Außerdem hängt das Ausmaß der wirtschaftlichen Begünstigung vom Gebrauchmachen des Steuerpflichtigen von der Regelung ab, wird also nicht von Staat und Verwaltung abschließend bestimmt. Diese Elemente machten steuerliche Begünstigungen politisch weniger durchsichtig, so dass diese einer stärkeren äußeren Kontrolle bedürften. Ebd., 442 f. sowie Coenen 480 f. 314 VgL New Energy Co. ofIndiana v. Limbach, 486 U.S. 269, 278 (1988), bestätigt in West Lynn Creamery, Inc. v. Healy, 512 U.S. 186, Fn. 15 m.w.N. (1994); Enrich 442. 315 West Lynn Creamery, Inc. v. Healy, 512 U.S. 186 (1994).
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dung ist schlüssig, wirft jedoch die Frage nach der Berechtigung der market participant doctrine bei gliedstaatlichen Subventionen auf. Unklar und vom Gericht bisher nicht geklärt ist nämlich die Frage, an welchem Punkt eine aus dem allgemeinen Steueraufkommen finanzierte und daher zulässige Subvention in eine unzulässige Begünstigung bestimmter Wirtschaftsteilnehmer bei gleichzeitiger Belastung der Konkurrenten umschlägt. In der Entscheidung West Lynn Creamery mag diese Zuordnung offensichtlich gewesen sein, fiir Grenzfalle fehlt es jedoch an einer dogmatisch überzeugenden Abgrenzung. 316 5. Zulässigkeit unter Bezugnahme auf die Bundesgesetzgebung a) Eindeutige Zustimmung des Bundesgesetzgebers: congressional consent
Da die Beschränkung der gliedstaatlichen Gesetzgebungsgewalt als negative Implikation aus einer positiven Kompetenzzuweisung an den Kongress hergeleitet wird, kann der Kongress diese Beschränkungen im Einzelfall jederzeit aufheben. 317 Außerdem sind im Kongress die Interessen der Bürger aller Gliedstaaten vertreten, so dass es keines judikativen Eingriffs wegen mangelnder Repräsentation bedarf. 318 Die Aufhebung der Beschränkungen geschieht durch Einwilligung oder Zustimmung des Parlaments (congressional consent) zu einer gliedstaatlichen Regelung, die andernfalls die dorrnant Commerce Clause verletzen würde. 319 Der Kongress kann Staaten oder unterstaatliche Gebietskörperschaften selbst zu offenen Diskriminierungen des zwischenstaatlichen Handels ermächtigen. 320 Der Supreme Court stellt in seinen Entscheidungen klar, dass eine Zustimmung durch den Kongress nicht bereits in Formulierungen in einem Bundesgesetz gesehen werden kann, nach denen bestehende gliedstaatliche Gesetze im
316 Vgl. hierzu Enrich 465 f., der "cornrnon sense and elose attention to the specifics of particular cases" als Leitlinie anbietet, sich jedoch deren mangelnder Präzision durchaus bewusst ist. 317 Vgl. Prudential Insurance Co. v. Benjamin, 328 U.S. 408 (1946). 318 South-Central Timber Deve1opment, Inc. v. Wunnicke, 467 U.S. 82, 91 f. (1984). 319 Prudential Insurance Co. v. Benjamin, 328 U.S. 408 (1946); White v. Massachusetts Council ofConstruction Employers, 460 U.S. 204 (1983). Vgl. zur Veranschaulichung Leisy v. Hardin, 135 U.S. 100 (1890) - Unzulässigkeit eines gliedstaatlichen Verkaufsverbots für Spirituosen, da Transport, Kauf, Verkauf und Austauch von Gütern ein nationaler Regelungsgegenstand sei, mit Wilkerson v. Rahrer, 140 U.S. 545 (1891) - Zulässigkeit derselben Regelung, nachdem der Wilson Act des Bundes die Materie ausdrücklich den Staaten zugewiesen und die angegriffene Regelung damit autorisiert hatte. 320 New York v. United States, 505 U.S. 144,173 (1992).
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gleichen Sachbereich nicht angetastet werden sollen,32! Bundesbehörden bei der Ausführung von Bundesgesetzen gliedstaatliche Gesetze beachten sollen,322 oder in der Zustimmung zu Verträgen zwischen den Gliedstaaten, die den gleichen Sachbereich betreffen. 323 Da die Annahme einer gesetzgeberischen Zustimmung zur Anerkennung von Handelsschranken führt, kann eine Zustimmung des Kongresses nur dann angenommen werden, wenn das Parlament ausdrücklich oder sonst unmissverständlich erklärt hat, dass eine gliedstaatliche Regelung von den Anforderungen der dormant Commerce Clause ausgenommen sein soll.324 Als Schutz vor einer Aufweichung der dormant Commerce Clause ist dies ein notwendiges Gegenstück zur forcierten Kontrolle gliedstaatlicher Gesetzgebung mit Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel. b) Übereinstimmung mit Politiken des Bundes
Eine weitere Möglichkeit, handelsbeschränkende Maßnahmen zu legitimieren, zeigt die Entscheidung Parker v. Brown auf. Hier hatte der Supreme Court über eine kalifornische Regelung zu entscheiden, die die Rosinenproduzenten des Staates zur Ablieferung von zwei Dritteln ihrer Ernte an eine staatliche Absatzorganisation verpflichtete, welche wiederum künstlich hohe Preise festsetzte. Die Regelung sollte schädlichen Preiswettbewerb verhindern und so den Rosinenmarkt stabilisieren. Das Gericht stellte fest, dass der zwischenstaatliche Handel durch die erhöhten Preise erschwert wurde und daher eine Abwägung zwischen rechtfertigenden örtlichen Interessen und dem nationalen Freihandelsinteresse vorzunehmen war,325 hielt die Regelung jedoch im Ergebnis für eine angemessene Lösung. In anderen Fällen hat es der Supreme Court abgelehnt, die Förderung der innerstaatlichen Wirtschaft allgemein oder die Erhaltung von Arbeitsplätzen im Staat als Rechtfertigungsgrund für Handelsschranken anzuerkennen.326 Umso bemerkenswerter ist, dass die Stützung der gefahrdeten Rosinenindustrie in Parker vom Supreme Court deshalb als legitim aner321 Damit legt der Bundesgesetzgeber lediglich die Reichweite des Ausschlusses gliedstaatlicher Gesetze (preemption) fest. Sporhase v. Nebraska, 458 U.S. 941, 959 (1982) m.w.N . 322 Ebd., 959 m.w.N. 323 Ebd., 959 f. 324 "Unmistakably clear oder expressly stated", vgl. ebd., 960 m.w.N.; South-Central Timber Development, Inc. v. Wunnicke, 467 U.S. 82,91 f. (1984); Wyoming v. Oklahoma, 502 U.S. 437,458 (1992). 325 Parker v. Brown, 317 U.S. 341, 362 (1943) (Urteilsbegründung von Justice Stone). 326 Vgl. Foster-Fountain Packing Co. v. Haydel, 278 U.S. 1 (1928); Pike v. Bruce Church, Inc., 397 U.S. 137 (1970).
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kannt wird, weil der Kongress selbst in seinen gesetzgeberischen Programmen die Probleme der amerikanischen Agrarindustrie anerkannt habe und die kalifomische Regelung daher mit Bundesgesetzen und Bundespolitik konform gehe. 327 Anders als Milk Control Board v. Eisenberg Farm Products 328 lässt sich Parker auch nicht zureichend auf der Grundlage von representation reinforcement rechtfertigen. Eisenberg lag eine Mindestpreisregelung des Staates Pennsylvania fiir Milch zugrunde, die dazu führte, dass die Bürger von Pennsylvania, die über ihr Parlament die Regelung trugen, den höheren Preis in gleicher Weise zahlten wie Bürger aus anderen Staaten, die Milch aus Pennsylvania erhielten. Da 90% der in Pennsylvania produzierten Milch auch dort konsumiert wurde, konnte das innerstaatliche Gesetzgebungsverfahren nach Ansicht des Supreme Court als hinreichende Kontrolle verstanden werden. 329 Die in Parker betroffenen kalifomischen Rosinen gelangten jedoch zu 90 bis 95% in den zwischenstaatlichen Handel, so dass der höhere Gewinn innerhalb des Staates auftrat, die höheren Preise aber nur zu einem sehr geringen Teil. Legitimation erfahrt Parker also lediglich über die Konformität mit einer Politik des Bundes, die vom Parlament der gesamten Nation beschlossen wurde.
ill. Die Anwendung der dormant Commerce Clause
im Umweltrecht
Im Folgenden ist zu zeigen, wie sich die dargestellten Maßstäbe der dormant Commerce Clause ftir gliedstaatliche Regelungen im Umweltrecht auswirken. Dies geschieht anband von Gerichtsentscheidungen aus verschiedenen Sachbereichen, in denen Regelungen der Gliedstaaten zur Lösung umweltbezogener Probleme überprüft wurden. So haben vor allem die Versuche vieler Gliedstaaten, die wachsenden Abfallmengen zu beherrschen und die Menge des auf Deponien gelagerten Abfalls zu begrenzen, zu einer umfangreichen Diskussion über die richtige Anwendung der dorrnant Commerce Clause geführt (unten 1.). Daneben war über gliedstaatliche Naturschutzbestimmungen (unten 2.), Haftungsregelungen (unten 3.) und die Erhebung umweltbezogener Abgaben durch die Gliedstaaten zu entscheiden (unten 4.).
Parker v. Brown, 317 U.S. 341, 368 (1943). Milk Control Board v. Eisenberg Farm Products, 306 U.S. 346 (1939). 329 Diese alternative Rechtfertigungsmöglichkeit deuten RotundaINowak 303 an.
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1. Der Versuch der Begrenzung von Abfalleinfuhren aus anderen Gliedstaaten Angesichts von zunehmenden Abfallmengen, abnehmenden Deponiekapazitäten und einer stetigen Zunahme von zwischenstaatlichen Abfalltransporten330 hatten bis 1992 bereits 37 Staaten Regelungen zur Erschwerung der Abfalleinfuhr erlassen. 331 Beobachter sahen einen "Abfallkrieg" zwischen den Staaten heraufziehen.332 Als Gründe dieser Regelungen wurden Risiken durch Schadstoffeinträge in Luft und Grundwasser, der Schutz der Bevölkerung vor ansteckenden Krankheiten und der Schutz natürlicher Ressourcen genannt,m außerdem die Erleichterung der Bewältigung des Abfallproblems auf lokaler Ebene. 334 Entscheidungsträger sahen sich erheblichem Druck der örtlichen Bevölkerung ausgesetzt. 335 Regelungen im Abfallbereich unterliegen dann der einfachen Verhältnismäßigkeitskontrolle unter dem Pike-test, wenn Abfälle von innerhalb und außerhalb des Staates bzw. des Terrains der regelnden Gebietskörperschaft gleich behandelt werden. 336 Gegenüber Regelungen, die gegen Wirtschaftsteilnehmer aus anderen Gliedstaaten diskriminieren, zeigt die Rechtsprechung unter Anwendung des strict scrutiny-Tests auch bei eindeutig vom Umweltschutz motivierten Regelungen eine deutlich restriktive Einstellung. Vor allem in den neunziger Jahren ist dies an einer ganzen Reihe von Fällen deutlich geworden, die bis zum Supreme Court gelangt sind. 337 Zwei Stoßrichtungen gliedstaatlicher Regelungen können hier unterschieden werden: Zum einen versuchen Staaten, die Einfuhr der Handelsware Abfall aus anderen Staaten einzuschränken oder ganz zu unterbinden. Zum anderen geht Vgl. Fitzgerald, Waste War: Oregon Waste, 43 Fn. 3 m.w.N. Vgl. Edward A. Fitzgerald, The Waste War: Fort Gratiot Sanitary Landfill, Inc. v. Michigan Department of Natural Resources and Chemical Waste Management, Inc. v. Hunt, 13 Stan. Envtl. L. J. 78,79 (1994). 332 Vgl. Fitzgerald, Waste War: Oregon Waste, 45 f. und Fn. 20 m.w.N. 333 Vgl. Fitzgerald, Waste War: Oregon Waste, 70 m.w.N. Fn. 215-219. 334 Vgl. National Governors Association (NGA), Curbing Waste in a Throwaway World: Report of the Task Force on Solid Waste Management, 1990, 39, zitiert nach Fitzgerald, Waste War: Oregon Waste, 45 Fn. 13 . 335 Vgl. SmithiSarnojJ207 . 336 Vgl. z.B. Blue Circle Cement, Inc. v. Board ofCounty Commissioners ofCounty ofRogers, 27 F.3d 1499 (10th Cir. 1994). 337 Vgl. Philadelphia v. New Jersey, 437 U.S. 617 (1978); Chemical Waste Management, Inc. v. Hunt, 504 U.S. 334 (1992); Fort Gratiot Sanitary Landfill, Inc. v. Michigan Department of Natural Resources, 504 U.S. 353 (1992); Oregon Waste Systems v. Department of Environmental Quality, 114 S.o. 1345, 1350 (1994); C & A Carbone, Inc. v. Town of Clarkstown, 114 S.o. 1677, 1682 (1994). Näher dazu sogleich im Text. 330 331
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es um die Zulässigkeit von Ausfuhrbeschränkungen, einerseits in dem Versuch, innerstaatliche Abfälle im Staat zu halten, um eine planbare und rentable innerstaatliche Abfallbehandlung zu ermöglichen, andererseits in der Begründung von Einschränkungen der Abfalleinfuhr als Beschränkungen der ,,Ausfuhr" der Ressource Land.
a) Direkte Einluhrbeschränkungen
In City 01 Philadelphia v. New Jersey, der Grundentscheidung zur Zulässigkeit von Beschränkungen des Abfallimports aus anderen Gliedstaaten zum Schutz des Umwelt des Empfängerstaates, erklärte der Supreme Court ein direktes Verbot der Verbringung von Abfall aus anderen Staaten nach New Jersey fiir verfassungswidrig. Das Gericht stellte fest, dass Abfälle 338 auch ohne inneren Wert ein Objekt des Handels seien. Da sich die Beschränkung durch die Regelung von New Jersey offen gegen Abfallimporte aus anderen Staaten richtete, unterfiel sie der Ungültigkeitsvermutung fiir protektionistische Gesetze (virtually per se rule of invalidity).339 Die Regelung sollte der Verlängerung der Lebensdauer der bestehenden Deponien in New Jersey zur Ablagerung innerstaatlichen Abfalls und damit dem Schutz von Umwelt und Gesundheit in New Jersey dienen. 34o Das Gericht erkennt ausdrücklich an, dass die Gliedstaaten im Interesse ihrer Bürger Maßnahmen zum Schutz der Umwelt ergreifen können. Selbst Regelungen, die nicht in protektionistischer Zielsetzung erlassen wurden, gelten jedoch als protektionistisch und sind damit grundsätzlich unzulässig, wenn die Regelung in ihrem Inhalt zwischen innerstaatlichem und zwischenstaatlichem Handel unterscheidet. Das Gericht konnte daher die Frage nach dem wahren Ziel des Gesetzes unentschieden lassen. 341 338 Vg1. die Definition von Abfällen im Solid Waste Disposal Act (SWDA, geändert durch den Resource Conservation and Recovery Act - RCRA), 42 D.S.C. § 6903 (27): "The term ,solid waste' means any garbage, refuse, sludge from a waste treatment plant, waste supply treatment plant, water supply treatment plant, or air pollution control facility and other discarded material, including solid, liquid, semisolid, or contained gaseous material resulting from industrial, commercial mining, and agricultural operations, and from community activities, but does not include solid or dissolved material in domestic sewage, or solid or dissolved materials in irrigation return flows or industrial discharges which are point sources subject to permits under section 1342 ( ... ), or source, special nuclear, or byproduct material as defined by the Atomic Energy Act ( ... ). " 339 City ofPhiladelphia v. New Jersey, 437 D.S. 617, 624 (1978). 340 V g1. die Zwecksetzung laut Gesetzestext, wiedergegeben ebd., 625. 341 Ebd., 626. Insoweit unzutreffend DisterlSchlesinger 386, die behaupten, der Supreme Court hätte die Regelung eher als Regelung zur Reservierung von Ressourcen für die Bewohner von New Jersey denn als Regelung zu deren Schutz angesehen.
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,,[l1he evil of protectionism can reside in legislative means as weil as legislative ends. (... ) [W]hatever New Jersey's ultimate purpose, it may not be accomplished by discriminating against artic\es of commerce coming from outside the State unless there is some reason, apart from their origin, to treat them differently."342 In Philadelphia bestätigte das Gericht die oben dargestellten Entscheidungen zur Zulässigkeit von Quarantänegesetzen, lehnte eine Analogie zu Abfalltransporten jedoch ab. Bei infiziertem Vieh gehe die Gesundheitsgefahr vom Transport selbst aus, so dass dieser beschränkt werden könne, während Abfalle ihr Gefahrenpotential erst nach Deponierung entfalteten. Weder beim Transport noch bei der Deponierung gehe von außerstaatlichen Abfallen eine gesteigerte Gefahr aus, die eine Ungleichbehandlung rechtfertige. Ginge es um Gefahren, die einem transportierten Gut als solchem innewohnen, so hätte New Jersey im übrigen den Transport von Abfall innerhalb des Staates ebenfalls beschränkt. Der Staat hatte jedoch ausschließlich den Transport von Müll von außerhalb des Staates beschränkt und die Last der (wenn auch umweltschützenden) Regelung damit vollständig dem zwischenstaatlichen Handel auferlegt. 343 Nach Philadelphia haben viele Staaten versucht, auf andere Weise als durch einen schlichten Einfubrstopp wie in Philadelphia innerstaatliche Deponiekapazitäten vor dem Abfallstrom aus anderen Gliedstaaten zu schützen. In Fort Gratiot Sanitary Landfill, [ne. v. Miehigan Department 01 Natural Resourees344 ging es um Beschränkungen des Abfallimports im Michigan Solid Waste Management Act (SWMA). Der SWMA verpflichtete jede County,345 für den Abfall, der in den nächsten zwanzig Jahren voraussichtlich in der County zu erwarten war, Abfallentsorgungspläne aufzustellen. Die regionalen Gemeinschaften sollten dadurch zur Übernahme von Verantwortung für die eigenen Abfallprobleme und zu deren aktiver Bewältigung angeregt werden. Um die Urnsetzbarkeit der Pläne zu sichern, unterstellte das Gesetz die Entsorgung von außerhalb produziertem Abfall innerhalb der County dem Erfordernis einer ausdrücklichen Genehmigung der County.
342 City ofPhiladelphia v. New Jersey, 437 US. 617, 626 f. (1978). 343 City ofPhiladelphia v. New Jersey, 437 US. 617,628 f. (1978) 344 Fort Gratiot Sanitary Landfill, Inc. v. Michigan Department ofNatural Resources, 504 U.S. 353 (1992). V gl. hierzu Fitzgerald, Waste War: Fort Gratiot. 34S Eine County (Bezeichnung in der Mehrzahl der Staaten) oder Parish (Bezeichnung in Louisiana) entspricht der Bedeutung nach ungefahr dem Landkreis in der Bundesrepublik.
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Die ersten beiden Instanzen der Bundesgerichte, der District COurt346 und der Court of Appeal,347 fanden darin keine Diskriminierung. Zunächst unterscheide die Regelung nicht nach Herkunft des Abfalls aus einem anderen Gliedstaat, betreffe gleichermaßen Abfall von außerhalb der County und von außerhalb des Staates. 348 Weiter sei keine Diskriminierung in den praktischen Auswirkungen des Gesetzes zu erwarten, da jede County nach wie vor nach eigener Entscheidung weiter Abfall von außerhalb des Staates annehmen konnte. Der Kläger hatte auch nicht behauptet, dass tatsächlich keine County in Michigan mehr Abfall von außerhalb des Staates annehme. 349 In der Abwägung fanden die Gerichte, dass der Nutzen des Gesetzes - Gesundheits- und Umweltschutz - nicht außer Verhältnis zu den damit verbundenen Belastungen des zwischenstaatlichen Handels stehe. 350 Der Supreme Court sah im SWMA jedoch eine ungerechtfertigte Diskriminierung des zwischenstaatlichen Handels. Der Umstand, dass Counties auch Abfall aus anderen Counties in Michigan ablehnen könnten, ändere nichts am diskriminierenden Effekt gegenüber von außerhalb des Staates eingeführtem Abfall, der sich bereits aus dem Genehrnigungserfordernis ergebe. 3S1 Die Ge346 Bill KettleweIl Excavating, Inc. v. Michigan Department of Natural Resources, 732 F.Supp. 761 (E.D.Mich. 1990). Der Fall finnierte in den unteren Instanzen unter dem Namen der Gesellschaft, die die Deponie betreibt. 347 Bill KettleweIl Excavating, Inc. v. Michigan Department of Natural Resources, 931 F.2d 413 (6th Cir. 1991). 348 Bill KettleweIl Excavating, Inc. v. Michigan Department of Natural Resources, 732 F.Supp. 761, 764 (E.D.Mich. 1990); Bill KettleweIl Excavating, Inc. v. Michigan Department ofNatural Resources, 931 F.2d 413, 417 f. (6th Cir. 1991); so auch der Court of Appeals für den 11. Circuit in Diamond Waste, Inc. v. Monroe County, 939 F.2d 941 (11th Cir. 1991), der das Verbot der Abfalleinfuhr zwar als legitime Maßnahme zur "Lebensverlängerung" für die einzige Abfalldeponie der County ansah, aber in der Begrenzung der täglichen Zuflussmenge eine weniger diskriminierende Alternative sah und die Regelung daher als nichtdiskriminierend, aber verfassungswidrig ansah. 349 Bill KettleweIl Excavating, lnc. v. Michigan Department of Natural Resources, 732 F.Supp. 761, 764 f. (E.D.Mich. 1990); Bill KettleweIl Excavating, Inc. v. Michigan Department ofNatural Resources, 931 F.2d 413, 417 f. (6th Cir. 1991). Vgl. auch Fort Gratiot Sanitary Landfill, Inc. v. Michigan Department ofNatural Resources, 504 U.S. 353,358 (1992). 350 Bill KettleweIl Excavating, lnc. v. Michigan Departrnent of Natural Resources, 732 F.Supp. 761, 765 (E.D.Mich. 1990); Bill KettleweIl Excavating, Inc. v. Michigan Departrnent ofNatural Resources, 931 F.2d 413,417 f. (6th Cir. 1991). 351 Fort Gratiot Sanitary Landfill, lnc. v. Michigan Department ofNatural Resources, 504 U.S. 353, 362 (1992): ,,[Olur prior cases teach that aState (or one of its political subdivisions) may not avoid the strictures of the Commerce Clause by curtailing the movement of articles of commerce through subdivisions of the State, rather than through the State itself." Das Gericht wendet dabei seine Rechtsprechung im lebensmittelrechtlichen Bereich an und bestätigt diese. In Brimmer v. Rebman, 138 U.S. 78 (1891) hatte es eine Sonderabgabe für die Untersuchung von Fleisch aus Schlachtungen in mehr als 100 Meilen Entfernung vom Verkaufsort fiir unzulässig erklärt; Gleiches
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nehmigung der Einfuhr von außerstaatlichem Abfall durch einzelne Counties begrenze lediglich die Reichweite der Diskriminierung, ohne diese zu beseitigen. 3S2 Damit wäre die Regelung unter dem strict scrutiny-Test nur zu retten gewesen, wenn Michigan bewiesen hätte, dass es keine angemessene nichtdiskriminierende Alternative für die Verfolgung der legitimen Ziele Gesundheitsund Umweltschutz gab. Seiner Beweislast vermochte Michigan jedoch nicht nachzukommen. Das Gericht selbst nennt als geeignete Alternative eine auf einzelne Deponien bezogene Beschränkung der jährlichen Aufnahmemenge für Abfälle. 353 Auch andere Formen der regulatorischen Erschwerung von Abfalleinfuhren aus anderen Gliedstaaten sind von der Rechtsprechung für unzulässig erklärt worden. So erklärte der Court of Appeal für den 7. Circuit in Government Suppliers Consolidating Service, [ne. v. Bayh 354 eine Bestimmung des Staates Indiana für verfassungswidrig, mit der dieser nur bestimmte Güter als Beiladung in für Abfalltransporte verwendeten Lastwagen zuließ und zusammen mit kostenpflichtigen Registrierungs- und Plakettierungsvorschriften damit nach Ansicht der Richter eine diskriminierende Wirkung gegen Hausmüll aus anderen Gliedstaaten erzielte. Die Regelung sei bereits nicht wirksam, da frühere Beladungen eines LKW nicht erkennbar würden, außerdem bildeten die Kosten eine finanzielle Barriere "um den Staat" und hätten eine Verhinderungswirkung für kleinere Transportunternehmen. Indiana versäumte schließlich zu belegen, dass lokale Produkte kontaminiert und damit in ihrem Ansehen beeinträchtigt werden könnten. Der Supreme Court nahm das Rechtsmittel dagegen nicht zur Entscheidung an. b) Ausfuhrbeschränkungen zur Stabilisierung einer funktionsfiihigen Abfallwirtschaft: local processing requirements
Nach dem umgekehrten Prinzip wie die in Philadelphia und Fort Gratiot geprüften Regelungen wirken sogenannte flow control laws, die einen stetigen Strom von Abfall zu lokalen Müllverbrennungs- oder anderen Abfallentsorgungsanlagen und damit deren wirtschaftlichen Betrieb sichern sollen. So kann
galt nach Dean Milk Co. v. Madison, 340 U.S. 349 (1951) für ein Verbot des Verkaufs pasteurisierter Milch mit Ausnahme von solcher Milch, die innerhalb eines fünf-MeilenRadius vom Zentrum der Stadt Madison verarbeitet worden war. 3S2 Fort Gratiot Sanitary Landfill, Inc. v. Michigan Department ofNatural Resources, 504 V .S. 353, 363 (1992). 3S3 Ebd., 367. 3S4 Govemment Suppliers Consolidating Service, Inc. v. Bayh, 975 F.2d 1267 (7th Cir. 1992).
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(auch) ein Anreiz für aufwendigere, aber urnweltpolitisch sinnvolle Methoden der Abfallentsorgung geschaffen und diese gesichert werden. Eine solche Regelung erklärte der Supreme Court in C & A Carbone v. Town 01 Clarkstown für unzulässig. Die Stadt hatte mit einem privaten Unternehmer vereinbart, dass dieser eine Abfallsortieranlage errichten und betreiben werde, die nach fiinf Jahren für einen symbolischen Wert von einem Dollar in städtisches Eigentum übergehen sollte. Um dem Unternehmer eine Mindestmenge von 120.000 Tonnen Abfall pro Jahr garantieren zu können, legte die Stadt per strafbewehrter Verordnung fest, dass alle (außer gefahrliche) Abfälle aus der Stadt die Anlage zu passieren hatten. Die Regelung blockierte weder Abfallein- noch Abfallausfuhren. Dennoch sah sie der Supreme Court als offene Diskriminierung hinsichtlich der Abfallbehandlung und -beseitigung (als "Handelsgut") in der Stadt an, mit der Unternehmen aus anderen Staaten der Zugang zu diesem Markt verwehrt werde. 355 Zudem erhöhe die Regelung die Kosten der Abfallbeseitigung fiir außerstaatliche Wirtschaftsteilnehmer. Die Gleichbehandlung von außerstädtischem und außerstaatlichem Abfall zählte - wie in Fort Gratiot - nicht, ebenso nicht der Umstand, dass lediglich ein Betrieb, nicht aber die Gruppe der lokalen Betriebe begünstigt wurde; das Gericht stellt die Regelung anderen local processing requirements gleich, mit denen Staaten die Ver- oder Bearbeitung heimischer Produkte innerhalb des Staates zu sichern versuchen. 356 Die dormant Commerce Clause beschränkt alle Arten von gliedstaatlichen Maßnahmen, die den zwischenstaatlichen Handelsverkehr beeinträchtigen, unabhängig davon, ob der Warenverkehr oder die grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen betroffen ist. Das Gericht führte Begründungen aus beiden Sichtweisen an: einerseits die Einschränkung für ausgeschlossene Unternehmen aus anderen Gliedstaaten, die die Bearbeitung der Abfälle als Dienstleistung anbieten, andererseits die Ausfuhrbeschränkung fiir das Handelsgut Abfälle. 3S7
C & A Carbone v. Town ofClarkstown, 114 S.Ct. 1677,1681 (1994). Vgl. z.B. South-Central Timber Deve\opment, Inc. v. Wunnicke, 467 U.S. 82,97 f. (1984); Pike v. Bruce Church, Inc., 397 U.S. 137 (1970): Unzulässigkeit einer Regelung, nach der innerstaatlich erzeugte Kantalupen (eine Melonenart) auch dort zu verpacken waren, um sie als Produkte des Staates zu kennzeichnen. 357 C & A Carbone, Inc. v. Town of Clarkstown, 114 S.Ct. 1677, 1683 (1994): "The essential vice in laws of this sort is that they bar the import of the processing service. ( ...) Put another way, the offending local laws hoard a local resource - be it meat, shrimp or milk - for the benefit of local businesses that treat it. The flow control ordinance has the same design and effect. It hoards solid waste, and the dernand to get rid of it, for the benefit ofthe preferred processing facility. ( ...) The flow control ordinance at issue here squelches competition in the waste-processing service altogether, leaving no room for investment from outside." 3SS
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Auch die weiteren Argumente der beklagten Stadt Clarkstown wiesen die Richter zurück. Unzulässig wäre die Zielsetzung, die Umwelt außerhalb des Stadtgebiets zu schützen und aus diesem Grund den Zustrom von Abfällen auf außerstädtische Mülldeponien einzudänunen. Dies käme einer Überschreitung des räumlichen Kompetenzbereichs der Stadt gleich. 358 Dem "zentralen Zweck" der Regelung, einen wirtschaftlich rentablen Betrieb der Abfallsortieranlage zu ermöglichen, näherte sich das Gericht auf zwei Wegen: Für sich genonunen, so das Gericht, sei die Gewinnerzielung kein lokales Interesse, das eine Diskriminierung des zwischenstaatlichen Handels rechtfertige. Implizit erkennen die Richter damit an, dass es sich hier nicht um einfache Gewinnerzielung, sondern um die wirtschaftliche Absicherung eines Betriebes handelte, der dem legitimen Ziel Umweltschutz diente. Andernfalls hätte das Gericht nicht sofort im Anschluss festgestellt, dass der gewünschte Finanzierungszweck ebenso gut durch Subventionierung des Betriebes erreicht werden könnte. An der Verfügbarkeit dieses milderen Mittels scheiterte die Regelung. 359
c) Besondere Abgaben aufaußerstaatliche Abfälle Alternativ zu direkten Beschränkungen der Ein- oder Ausfuhr haben Gliedstaaten versucht, über die Erhebung von Abgaben Abfallströme zu vermindern oder eine gleichmäßige Überwälzung innerstaatlicher Kosten auf inner- und außerstaatlichen Abfall zu erzielen. Sind diese Abgaben dem Grunde oder der Höhe nach nicht mit der dormant Commerce Clause vereinbar, so erklärt die Rechtsprechung die gesamte Regelung für verfassungswidrig. Eine Begrenzung der Abgabe auf das verfassungsrechtliche zulässige Maß findet nicht statt. 360
Ebd., 1683. Ebd., 1684: "By itself, of course, revenue generation is not a local interest that can jusitfy discrimination against interstate comrnerce. (... ) Clarkstown rnaintains that special financing is necessary to ensure the long-term survival of the designated facility. If so, the town rnay subsidize the facility through general taxes or municipal bonds." Neben einem Subventionsmodell hätte die Stadt auch andere nichtdiskriminierende Lösungen, z.B. einheitliche Sicherheitsbestimrnungen, wählen können. (Ebd.) Vergleichbare Entscheidungen wie Carbone finden sich bei den Untergerichten. So erklärte z.B. der Court of Appeal rur den 8. Circuit in Waste Systems Corp. v. County ofMartin, 985 F.2d 1381 (8th Cir. 1993), die Verordnung einer County fiir unzulässig, nach der aller kompostierbare Abfall in eine bestimmte lokale Kompostieranlage zu verbringen war. 360 Vgl. z.B. Charnbers Medical Technologies of South Carolina, Inc. v. Jarrett, 841 F.Supp. 1402 (D.S.C. 1994), insoweit bestätigt, 52 F.3d 1252. 358
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aa) Regelungsmodelle Die Erhebung erhöhter oder gesonderter Abgaben auf außerstaatliche Abfalle behandelte der Supreme Court in Chemieal Waste Management, Ine. v. HunP61 und in Oregon Waste Systems v. Department 01 Environmental Quality 01 State 01 Oregon.362 In Chemieal Waste Management, am selben Tag wie Fort Gratiot entschieden, erklärte das Gericht die Erhebung zusätzlicher Gebühren auf die Deponierung von gefahrlichen Abfallen363 aus anderen Gliedstaaten für unzulässig. Das Gericht beschäftigte sich nur mit der klaren regulatorischen Zielsetzung der Abgabe und gelangte daher nicht zur Anwendung von Complete Auto. Auch für gefahrliche Abfalle gilt das Prinzip der Nichtdiskrirninierung wie in Philadelphia, auch hier lässt sich die Rechtsprechung zu Quarantänegesetzen nicht übertragen, sofern der Staat nicht nachweist, dass die Gefahr für Gesundheit oder Umwelt, die von dem Abfall ausgeht, mit der Herkunft des Abfalls in Verbindung steht. 364 Mit der Oregon Waste Systems zugrundeliegenden Regelung erhob der Staat Oregon für die Deponierung von eingefiihrtem Hausmüll eine dreifach höhere Abgabe als für innerstaatlichen Hausmüll. Mit der Anknüpfung einer höheren Abgabe an den Grenzübertritt allein unterfiel die Abgabe nach Ansicht der Mehrheit der Richter bereits der strict scrutiny.365 Anders als Alabarna begründete Oregon die höhere Abgabe als Ausgleich für aus dem allgemeinen Steueraufkommen zu fmanzierende allgemeine Kosten der Abfallbeseitigung(wie etwa Genehrnigungserteilung oder Überwachung), die andernfalls allein auf den innerstaatlichen Steuerzahlern ruhten. 366 Als Sonderabgabe zum Ausgleich 361 Chemical Waste Management, Inc. v. Guy Hunt, Govemor of Alabama, 504 U.S. 334 (1992). Vgl hierzu Fitzgerald, Waste War: Fort Gratiot. 362 Oregon Waste Systems v. Department of Environmental Quality of State of Oregon, 114 S.Ct. 1345 (1994). Vgl. hierzu Fitzgerald, Waste War: Oregon Waste. 363 Den Begriff der gefährlichen Abfälle defmiert der Bundesgesetzgeber im Solid Waste Disposal Act - SWDA (geändert durch den Resource Conservation and Recovery Act - RCRA), 42 U.S.C. § 6903 (5) wie folgt: "The term ,hazardous waste' means a solid waste, or combination of solid wastes, which because of its quantity, concentration, or physical, chemical, or infectious characteristics may (A) cause, or significantly contribute to an increase in mortality or an increase in serious irreversible, or incapacitating reversible, illness; or (B) pose a substantial present or potential hazard to human health or the environment when improperly treated, stored, transported, or disposed of, or otherwise managed." 364 Vgl. Howard G. Hopkirk, The Future of Solid Waste Import Bans under the Dormant Commerce Clause: Fort Gratiot Sanitary Landfill, Ine. v. Michigan Department ofNatural Resources, 4 Vill. Envtl. L. J. 395 (1993) Fn.l03. 365 Oregon Waste Systems v. Department ofEnvironmental Quality, 114 S.Ct. 1345, 1350 (1994). 366 Auf dieser Grundlage hielt auch der Supreme Court des Staates Oregon die Regelung filr zulässig, Gilliam County v. Department of Environmental Quality of Oregon,
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einer im wesentlichen gleichwertigen innerstaatlichen Steuer (cornpensatory tax) wäre die zusätzliche Abgabe nach den Prinzipien von Complete Auto möglicherweise zulässig gewesen. Der Supreme Court lehnte hingegen die Vergleichbarkeit allgemeiner Steuern (insbesondere der Einkommenssteuer), mit der die genannten allgemeinen Kosten finanziert werden, mit einer besonderen Abgabe auf die Einfuhr von Waren ab und wies im Übrigen darauf hin, dass ein innerstaatlicher Transportunternehmer von außerstaatlichem Abfall beide Abgaben zahle. 367 In Chambers Medical Technologies ofSouth Carolina, Inc. v. Jarrett,368 sah ein District Court eine Diskriminierung sowohl in der Erhebung einer Abgabe von 30 $ auf die Behandlung außerstaatlicher Krankenhausabfalle (im Gegensatz zu 25 $ innerstaatlich) als auch in der Kombination aus Abgabenerhebung und -befreiung für Einrichtungen, die nachwiesen, dass mindestens 75% der behandelten Abfälle aus ihrer eigenen Einrichtung stammten, da die Unterscheidung zwischen eigenem und fremdem Abfall sich letztlich zu Lasten außerstaatlicher Abfallerzeuger auswirke und das vom Staat aufgelegte Programm zur Behandlung von infektiösen Abfallen auch durch eine gleichmäßige Abgabe auf alle Abfalle finanziert werden könne.
bb) Erschwerung der Abfalldeponierung als Schutz von Naturgütern? Keinen Erfolg hatte auch die Argumentation des Staates Oregon in Oregon Waste Systems, bei Deponieflächen handele es sich um natürliche Ressourcen, die der Gliedstaat schützen dürfe. Dieses Argument greift nicht durch, da die eigenen Einwohner nicht gegenüber denen anderer Gliedstaaten beim Zugang zu natürlichen Ressourcen bevorzugt werden dürfen. Außerdem kann eine solche Abgabe nicht zulässigerweise als "Benutzungsgebühr" für die innerstaatlichen Ressourcen gelten: Da die Abfalldeponie nicht dem Staat Oregon selbst gehörte, konnte dieser kein Geld rur die Nutzung von Grund und Boden des Staates für die Ablagerung von Abfallen aus anderen Gliedstaaten fordern. 369
316 Ore. 99, 112, 849 P.2d 500, 508 (1993): ,,Because of [its] express nexus to actual costs incurred [by state and local govemment]", zitiert nach Oregon Waste Systems v. Department ofEnvironmental Quality, 114 S.Ct. 1345, 1349 (1994). 367 Oregon Waste Systems v. Department of Environmental Quality of Oregon, 114 S.ct. 1350, 1353 (1994). 368 Chamhers Medical Technologies of South Carolina, Inc. v. Jarrett, 841 F.Supp. 1402 (D.S.c. 1994), teilweise bestätigt, teilweise zurückverwiesen, 52 F.3d 1252. 369 Oregon Waste Systems, Inc. v. Department of Environmental Quality of State of Oregon, 511 U.S. 93, 114 S.Ct. 1345 (1994). Der Supreme Court hat in Fort Gratiot
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d) Bedarfsorientierte Begrenzungen von Deponieneu- und -ausbauten Zu gliedstaatlichen Beschränkungen für den Neubau oder den Ausbau von Abfalldeponien liegt bisher keine Entscheidung des Supreme Court vor. Nach obiter dicta des Gerichts in den oben genannten Entscheidungen Philadelphia, Fort Gratiot und Chemical Waste Management ist allerdings die Festlegung einer allgemeinen (Abfälle von innerhalb und außerhalb des Staates gleichermaßen betreffenden) Obergrenze für die Abfalldeponierung grundsätzlich zulässig. 37o Umstritten sind solche Beschränkungen dann, wenn sie sich ausschließlich am innerstaatlichen Bedarf ausrichten. 37\ So verkünden Staaten z.B. allgemeine Moratorien für die Neuerrichtung von Deponien auf der Basis, dass auf einen absehbaren Zeitraum hinreichend Deponiefläche für den von ihren Bürgern produzierten Abfall vorhanden sei,372 setzen eine Höchstmenge an Abfällen fest, die bestimmte Deponien innerhalb des Staates aufnehmen dürfen,373 oder machen die Genehmigung neuer Deponien davon abhängig, dass der AnSanitary Landfill, Inc. v. Michigan Department of Natural Resources, 112 S.Ct. 2019, 2026 (1992) anerkannt, dass - wie in Sporhase - natürliche Ressourcen in Zeiten extremen Mangels den Bürgern des Gliedstaates vorbehalten werden können, hat jedoch auch hier nicht entschieden, ob die Verfügbarkeit von Deponiefläche überhaupt eine natürliche Ressource in diesem Sinne ist. 370 Fort Gratiot Sanitary Landfill, Inc. v. Michigan Department ofNatural Resources, 504 U.S. 353, 367 (1992): "Michigan could, for example, limit the amount ofwaste that landfill operators rnay accept each year"; ebenso City of Philadelphia v. New Jersey, 437 U.S. 617, 626 (1978), sowie Chemical Waste Management, Inc. v. Hunt, 504 U.S. 334,345 (1992). 371 Vgl. Daniel M. Forman, The Dorrnant Commerce Clause and the Massachusetts Landfill Moratorium: AIe National Market Principles Adequately Served?, 24 B. C. Envtl. Mf. L. Rev. 425 (1997). 372 So z.B. der Commonwealth ofMassachusetts Solid Waste Master Plan von 1995 (vgl. Forman 425). 373 Vgl. die Regelung in S.C. Code Ann. § 44-93-210 (Law. Co-op. 1976 & Supp. 1995): ,,(A) Beginning November 1, 1990, and annually thereafter, [DHEC, Department of Health and Environmental Control] shall estirnate and publish the amount of infectious waste it expects to be generated within this State during the succeeding Calendar year. No permitted commercial infectious waste incinerator facility may burn more than one-twelfth of the annual estirnate of infectious waste during any one month of the year to which the estirnate applies. However, at no time rnay the limit on the amount of infeciotu swaste bumed in a month be less than fifteen hundred tons. (B) The limitation on the tonnage of infectious waste does not apply to infectious waste treated by hospitals or generator facilities if the waste is generated in this State and is incinerated on a nonprofit basis. (C) For purposes of this section, a permitted commercial infectious waste incinerator facility means a site where infectious waste is incinerated regardless of the number of incinerator units or the ownership of the units." (Zitat nach Chambers Medical Technologies of South Carolina v. Bryant, 52 F.3d 1252, 1257 Fn. 7 (4th Cir. 1995».
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tragsteller einen innerstaatlichen Bedarf, d.h. eine Knappheit von Deponieflächen, gemessen am innerstaatlichen Abfallaufkommen, nachweist. 374 Mehrere Untergerichte des Bundes haben sich mit Bestimmungen, die die Erteilung einer Genehmigung zur Errichtung von Abfalldeponien oder Anlagen zur Abfallbehandlung vom Nachweis eines innerstaatlichen Bedarfs abhängig machen, befasst. Die der Entscheidung Environmental Technologies Council v. South Carolina375 zugrunde liegende Regelung verringerte sukzessiv über mehrere Jahre die zulässige Höcbstrnenge der deponierbaren Abfälle, gestattete aber eine Ausnahme, falls dies fiir Gesundheit und Sicherheit der Bürger des Staates erforderlich war oder die Gesamtrnenge der deponierten Abfälle ausschließlich innerhalb des Staates produziert worden war. Der Court of Appeal fiir den 4. Circuit wies, wie schon vorher der District Court, das Argument des Staates zurück, dass die Regelung keine Unterscheidung zwischen innerstaatlichen und grenzüberschreitenden Abfallanlieferungen bewirke. Der District Court sah eine offene Diskriminierung zur Isolierung des Staates und Bevorzugung seiner Bürger bei der Nutzung ökonomischer Ressourcen,376 der Court of Appeal fand eine diskriminierende Wirkung, da zusätzliche Kapazitäten nur bei innerstaatlichem Bedarf geschaffen werden sollten, so dass außerstaatlicher Abfall nur auf vorhandenen Anlagen gelagert werden konnte, innerstaatlicher Abfall aber zur Einrichtung neuer Anlagen fuhren konnte. 377 In Environmental
374 Vgl. die entsprechenden Regelungen in South Carolina und Georgia. In South Carolina bestimmen S.C. Code Ann. § 44-96-290(E) und (F) (Law. Co-op. 1976 & Supp. 1995): ,,(E) No permit to construct a new solid waste management facility or to expand an existing solid waste management facility may be issued until ademonstration of need is approved by the departrnent. (".) In determining if there is a need for new or expanded solid waste disposal sites, the departrnent shall not consider solid waste generated in jurisdictions not subject to the provisions of a county or regional solid waste management plan pursuant to this chapter. (F) In considering ademonstration of need from an applicant to construct a new facility prior to adoption and approval of state and county or regional solid waste plans ( ... ) the departrnent rnay only consider the amount of waste generated within this State. ( ... ) In considering ademonstration ofneed from an applicant to construct an expansion to an exisiting permitted facility prior to adoption and apporval of state and county or regional solid waste plans ( ... ) the departrnent rnay only consider the amount of waste generated within this State." Eine vergleichbare Regelung enthält Ga. Code Ann. § 128-24(b)(1) (Michie 1992 & Supp. 1995) fUr die Zulassung von Anlagen zur thermischen Behandlung von medizinischen Abfällen (vgl. Forman 454 f. Fn. 218). 375 Environmental Technology Council v. Sierra Club, 98 F.3d 774 (4th Cir. 1996), vorher Hazardous Waste Treatment Council (HWTC) v. South Carolina, 945 F.2d 781 (4th Cir. 1991). 376 Environmental Technologies Council v. South Carolina, 901 F.Supp. 1026, 1037 (D.S.C 1995). 317 Environmental Technology Council v. Sierra Club, 98 F.3d 774, 788 (4th Cir. 1996).
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Waste Reduetions, [ne. v. Reheis 378 sah der District Court einen Verstoß gegen die donnant Commerce Clause in der Genehmigungsvoraussetzung der "Georgia need"-Bestimmung, nach der ein Bedürfnis fiir die Beseitigung von Abfallen aus Georgia als Voraussetzung fiir die Errichtung einer thermischen Abfallbehandlungsanlage nachzuweisen war. Abfalle von außerhalb des Staates würden blockiert, weil allein wegen ihnen keine Anlage errichtet werden dürfe. 379
Die Festsetzung von maximalen Aufnahmemengen fiir einzelne Anlagen zur Abfallbehandlung oder -deponierung ist nach Environmental Teehnologies Couneil v. South Carolina380 dann unzulässig, wenn die Begrenzung angehoben werden kann gegen den Nachweis, dass dies zum Schutz der Bürger des Staates (nicht auch anderer Staaten!) erforderlich ist. Zulässig ist hingegen nach Chambers Medieal Teehnologies 01 South Carolina v. Bryant381 eine Regelung, die ohne eine solche Ausnahmeklausel die maximal zulässige Aufnahmemenge an der Menge des innerstaatlich produzierten Abfalls orientiert. Das Gericht wies die Ansicht des Klägers Chambers zurück, fiir innerstaatliche Abfallerzeuger gelte in Wirklichkeit keine Begrenzung, da sich die Begrenzung mit einer Zunahme der innerstaatlichen Abfallmenge anpasse. Denn die Festlegung einer Höchstmenge, so das Gericht, sei nach der Rechtsprechung des Supreme Court zulässig, die Orientierung der Höchstmenge an der innerstaatlichen Abfallproduktion fuhre nicht zu einer Verschiebung der Belastung zu Gunsten innerstaatlicher Abfalle. In der Praxis können eine Anlage z.B . unter völligem Ausschluss innerstaatlichen Abfalls nur außerstaatliche Abfalle annehmen. Zulässig sind also Festlegungen von maximalen Aufnahmemengen, die am innerstaatlichen Abfallaufkommen orientiert sind, unzulässig sind lediglich Bestimmungen, die "Ausnahmekapazitäten" rur innerstaatliche Abfalle schaffen und so - jedenfalls im Fall der Erschöpfung der normalen Kapazitäten - zu einer Ungleichbehandlung fuhren. Die gleichen Kriterien müssen fiir ein staatsweites Moratorium, das am innerstaatlichen Abfallaufkommen oder Deponiebedarf orientiert ist, gelten. Allerdings beruhen viele dieser Entscheidungen auf der Gleichsetzung der Möglichkeit zur Behandlung außerstaatlicher 378 Environmental Technologies Council v. South Carolina, 98 F.3d 774, 787 f. (4th Cir. 1996). 379 Environmental Waste Reductions, Inc. v. Reheis, 887 F.Supp. 1534, 1559 f. (N.D.Ga. 1994). Die Regelung sei daher diskriminierend und sei unzulässig, weil sie zur AbfaIIverminderung ungeeignet sei und außerdem einen iIIegitimen Zweck - die Ausdünnung des Abfallzuflusses aus anderen Staaten nach Georgia - anstrebe. Ebd. 380 Environmental Technologies Council v. South CaroIina, 98 F.3d 774, 787 f. (4th Cir. 1996). 381 Charnbers Medical Technologies ofSouth Carolina v. Bryant, 52 F.3d 1252, 1257 f. (4th Cir. 1995).
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Abfälle mit der Errichtung einer Anlage hierfiir durch die Gerichte. Es ist jedoch bereits fraglich, ob überhaupt ein Kausalzusammenhang zwischen diesen beiden Elementen hergestellt werden kann, ob also die Beschränkung von Deponieneubauten auf Fälle innerstaatlichen Bedarfs tatsächlich die Deponierung außerstaatlicher Abfälle erschwert. e) Planerisehe Anforderungen
Viele der hier untersuchten Einzelmaßruihmen sind mit Abfallbeseitigungsplänen auf staatlicher oder lokaler Ebene verbunden, deren Durchfiihrung Beschränkungen ermöglichen sollen. Planerische Anforderungen sind dort unzulässig, wo sie zu einer exterritorialen Anwendung gliedstaatlichen Rechts fUhren, so bei gliedstaatlichen Regelungen, die fiir die Deponierung oder Behandlung von Abfällen unabhängig von der Herkunft der Abfälle den Nachweis der Geltung von Plänen zur Abfallverrninderung und Strategien zu deren Einhaltung im Herkunftsgebiet der Abfälle fordern (planning requirements provisions). In Environmental Waste Reduetions, [ne. v. Reheis fand ein District Court in einer solchen Regelung neben einem diskriminierenden Zweck - das Gesetz sollte u.a. die Abfalleinfuhr aus anderen Gliedstaaten verringern helfen - aufgrund der Nachweis- und Dokumentationsanforderungen eine diskriminierende Wirkung 382 und den Versuch der Ausdehnung der gliedstaatlichen police power über die Staatsgrenzen hinaus. 383 j) Auswege
Drei Wege zur Änderung des verfassungsrechtlich bestimmten Abfallregimes sind denkbar: erstens die Nutzung von Schlupflöchern in der dorrnant Commerce Clause-Rechtsprechung, insbesondere auf der Grundlage der market partcipant doctrine; zweitens bundes gesetzliche Ermächtigung an die Staaten zu handelsbeschränkenden Regelungen im Interesse des Umweltschutzes; drittens die Regelung von Abfalltransport und Abfallbeseitigung unmittelbar durch Bundesgesetz. 382 Environmental Waste Reductions, Inc. v. Reheis, 887 F.Supp. 1534, 1563 f. (N.D.Ga. 1994). 383 Ebd., 1565: ,,[T]he planning requirements provision appears to be an effort by Georgia to force other states to comply with planning and recycling goals which Georgia believes are appropriate. This is an attempt to extend Georgia's police powers beyond its jurisdictional boundaries. (.. .) [T]he State of Georgia has no authority to require jurisdictions in other states to adopt such plans and waste reduction goals."
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aa) Abweichende Ansichten im Supreme Court und in der Literatur Die Entscheidungen des Supreme Court im Abfallbereich sind insbesondere dort als fiir den Umweltschutz abträglich kritisiert worden, wo die streitgegenständliche Regelung Teil eines umfassenden Plans war, um das Abfallproblem in dem jeweiligen Staat in den Griff zu bekommen. So versuchte Oregon mit der in Oregon Waste Systems aufgehobenen Sonderabgabe, außerstaatlichen Abfallverursachern die gleichen Belastungen aufzuerlegen wie innerstaatlichen Abfallverursachern und so eine innerstaatliche Subventionierung außerstaatlichen Abfalls zu vermeiden,384 scheiterte aber an den Kriterien für eine Ausgleichsabgabe. Misst man Oregon Waste Systems an seiner Zwecksetzung und den Auswirkungen auf innerstaatliche und außerstaatliche Abfallverursacher, so gelangt man zu einer gleichartigen Belastung beider.385 Die dargestellten Entscheidungen zum zwischenstaatlichen Abfalltransport sind auch innerhalb des Supreme Court zumeist mit großer Mehrheit,386 jedoch nicht einstimmig, ergangen. Insbesondere Chief Justice Rehnquist hat in Philadelphia, Fort Gratiot, Chemical Waste Management, Oregon Waste Systems und Carbone engagierte abweichende Meinungen formuliert. Die abweichenden Ansichten stützen sich auf drei Argumente. Ein Argument bildet eine Analogie zu den genannten Quarantänebestimmungen, indem deren Legitimationsgrundlage weiter gefasst und als Recht der Staaten formuliert wird, Güter fernzuhalten, die letztlich Risiken für Umwelt und menschliche Gesundheit mit sich bringen. Eine Unterscheidung zwischen Risiken beim Transport und Risiken, die erst nach Deponierung über das Grundwasser auftreten, könne nicht getroffen werden. Die Gefahren, die selbst gewöhnlichem Abfall innewohnten, rechtfertigten bereits ein Ansetzen beim Transport und dessen Beschränkung, auch wenn dies diskriminierend sei. Rehnquist argumentiert hierzu in Philadelphia zweistufig: 387 "Solid waste which is a health hazard when it reaches its destination may in alllikelihood be an equally great health hazard in transit. 384 Fitzgerald, Waste War: Oregon Waste, 68; abweichende Ansicht von Chief Justice Rehnquist in Oregon Waste Systems, lnc. v. Departrnent of Environmental Quality ofState ofOregon, 114 S.Ct. 1345, 1358 f. (1994). 385 Oregon Waste Systems, Inc. v. Departrnent of Environmental Quality of State of Oregon, 114 S.o. 1345, 1358 f. (1994). Ebd., 1355 Fn. 2: ,,( ... ) Assuming that the hypothetical nonresident generates 200 pounds of garbage per month (... ), the nonresident's garbage bill would increase by $0.14 per month." 386 Philadelphia, Fort Gratiot und Oregon Waste Systems ergingen mit sieben zu zwei Stimmen, Chemical Waste Management mit sieben zu eins; in Carbone vertraten drei Richter eine abweichende Meinung, eine Richterin eine abweichende Begründung. 387 Philadelphia v. New Jersey, 437 U.S. 617,632 f. (1978).
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(...) I do not see why aState may ban the importation of items whose movement risks contagion, but cannot ban the importation of items which, although they may be transported into the State without undue hazard, will then simply pile up in an ever increasing danger to the public's health and safety. The Commerce Clause was not drawn with a view to having the validity of state laws turn on such pointless distinctions. "
Ein zweites Argument begreift Restriktionen von Abfalleinfuhren als legitime Gesetze zum Schutz der natürlichen Ressource Land. Da modeme Deponien - abgesehen von einigen Ausschlusskriterien - keiner spezifischen Bedingungen bedürften, hänge ihre Situierung von Bodenpreis und Bevölkerungsdichte ab. 388 Von den Staaten, die danach geeignet seien, könne jedoch nicht erwartet werden, ihre natürlichen Ressourcen aufzuopfem. 389 Rehnquist verweist hierzu auch auf Sporhase v. Nebraska: Wie bei der Verteilung von Wasserressourcen könnten Gliedstaaten auch bei der Nutzung der Ressource Boden ihre Bürger bevorzugen. 390 Nach der dritten Argumentationslinie sollte jeder Gliedstaat (nur) die Beseitigung der eigenen (innerhalb der Staats grenzen produzierten) Abfälle besorgen müssen. Dahinter steht der allgemeine Gedanke, dass ein Gemeinwesen nur die Umweltprobleme zu lösen verpflichtet sein soll, die auch auf seinem Territorium auftreten,391 und daher berechtigt sein muss, umweltschädliche Stoffe aus anderen Gliedstaaten femzuhalten. Die von der Mehrheitsmeinung im Supreme Court angebotene Alternative zwischen der (nach dieser Ansicht offenbar legi388 Letzteres dürfte vor allem ein Faktor für mögliche Widerstände in der Bevölkerung sein. 389 Abweichende Meinung von Chief Justice Rehnquist, Fort Gratiot Sanitary Landfill, Inc. v. Michigan Department of Natural Resources, 504 US. 353, 372 f. (1992). Ebd., 373: "I see no reason in the Commerce Clause, however, that requires cheap-Iand States to become the waste repositories for their brethren, thereby suffering the many risks that such sites present." 390 Ebd., 372: "We confrrmed in Sporhase v. Nebraska ex rel. Douglas, 458 US. 941 (1982), that a State's effort to adopt a comprehensive regime to address a major environmental threat or threat to natural resources need not TUn afoul of the Commerce Clause. In that case, we noted that ,[o]bviously, aState that imposes severe withdrawal and use restrictions on its own citizens is not discriminating against interstate commerce when it seeks to prevent the uncontrolled transfer of water out of the State.' ( ... ). Substitute ,attractive and safe environment' for ,water' and one has the present case. Michigan has limited the ability of its own population to despoil the environment and to create health and safety risks by excessive and uncontrolled waste disposal. It does not thereby violate the Commerce Clause when it seeks to prevent this resource from being exported - the effect if Michigan is forced to accept foreign waste in its disposal facilities. Rather, the ,resource has some indicia of a good public1y produced and owned in which aState may favor its own citizens in times of shortage. ' ( ... )." 39\ Vgl. Fort Gratiot Sanitary Landfill, Inc. v. Michigan Department ofNatural Resources, 504 US. 353,370 f. (1992).
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timen) Schließung aller Deponieanlagen in einem Gliedstaat und dem Annehmen von Abfällen aus allen Gebieten der USA sei eine Sackgasse fiir das Abfallproblem und werde früher oder später bestimmte Gliedstaaten dazu veranlassen, tatsächlich Deponien zu schließen und zu verbieten, um nicht zur "Müllkippe der Nation" zu werden. 392
bb) Anwendung der market participant doctrine (1) Übernahme von Aufgaben und Anlagen durch die öffentliche Hand
Auf der Grundlage der market participant doctrine, die der Supreme Court bereits in einem obiter dictum in Philadelphia als möglichen Ausweg aufgezeigt hat,393 hat das Gericht anerkannt, dass Deponien, die sich in öffentlichem Eigentum befmden, innerstaatliche und außerstaatliche Anlieferer von Abfall offen ungleich behandeln können. 394 Zugangsbeschränkungen zu Deponien, die innerstaatliche und außerstaatliche Anlieferer gleich behandeln, sind als Um~eltschutzregelungen im Übrigen auch bei einer gewissen Belastung des zwischenstaatlichen Handels zulässig. Dies ergibt sich bereits aus den obiter dicta in den oben genannten Urteilen. Einigen Gebietskörperschaften ist es mittlerweile entsprechend gelungen, den lokalen Abfalltransport und die Abfallentsorgung zu kontrollieren, indem sie selbst diese Aufgaben übernommen und zur Erledigung unter ihrer Aufsicht an private Unternehmer (in der Regel lediglich einen Unternehmer) als Subunternehmer vergeben haben. Der Court of Appeal fiir den 2. Circuit sah in USA Recycling, [nc. v. Town of Babylon 395 allerdings keine Marktteilnahme darin, dass die Stadt Babyion die private Einsammlung von Abfällen durch ein städtisches System ersetzte. In der Beseitigung des Marktes sei keine Teilnahme am Markt, sondern vielmehr dessen Regulierung zu sehen, erkennbar daran, dass kein privater Marktteilnehmer Ähnliches tun könne. Der Staat könne sich auch dann nicht auf das 392 Dies, so Chief Justice Rehnquist in City ofPhiladelphia v. New Jersey, 437 U.S. 617,631 (1978), biete keine echte Alternative (es sei "a Hobson's choice"). Vgl. auch Fort Gratiot Sanitary Landfill, Inc. v. Michigan Department ofNatural Resources, 504 U.S. 353, 373 (1992). 393 City ofPhiladelphia v. New Jersey, 437 U.S. 617, 627 Fn.6 (1978). So auch Hopkirk, Text vor Fn. 121. 394 Swin Resource Systems v. Lycoming County, 883 F.2d 245,249 (3d Cir.1989), vom Supreme Court nicht zur Entscheidung angenommen, 493 U.S. 1077 (1990). 395 USA Recycling, Inc. v. Town ofBabylon, 66 F.3d 1272 (2nd Cir. 1995), vom Supreme Court nicht zur Entscheidung angenommen, 116 S.Ct. 1419 sowie A.A. & M. Carting Service, Inc. v. Town ofBabylon, 116 S.ct. 1452.
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Teil 3: Handlungsspielräume der Gliedstaaten in den USA
Privileg des Marktteilnehmers berufen, wenn die Teilnahme der öffentlichen Hand arn Wirtschaftsleben mit hoheitlicher Tätigkeit untrennbar verbunden sei, insbesondere dann, wenn diese hoheitliche Tätigkeit zu Gunsten des öffentlichen Betriebes den Markt ausschalte. Da das regulatorische Verhalten der Stadt weder mit diskriminierenden Wirkungen noch mit unverhältnismäßigen Belastungen des zwischenstaatlichen Handels verbunden war, erklärte das Gericht die Konstruktion allerdings im Ergebnis für zulässig. Die Erledigung der in öffentliche Verantwortung übertragenen Aufgabe der Abfallbeseitigung wurde an private Betriebe zur Abfalleinsammlung sowie zur Abfallverbrennung vergeben. Im Einkauf dieser Dienstleistungen lag eine Marktteilnahme der Stadt. In Houlton Citizens' Coalition v. Houlton, Maine 396 stand vor dem Court of Appeal für den 1. Circuit eine Abfallverbringungsregelung (flow control ordinance) auf dem Prüfstand, nach der der gesamte Hausmüll einer Stadt nur über einen bestimmten, von der Stadt beauftragten Unternehmer oder vom den Haushalten selbst zu einer von der Stadt bestimmten Anlage transportiert werden durfte. Abfallverbringungsregelungen, die mit einem Exklusivvertrag mit einem innerstaatlichen Unternehmer verbunden seien, seien im Einklang mit Carbone dann nicht zu beanstanden, wenn sie jedermann gleichen Zugang zum örtlichen Markt gewährten, indem der Exklusivunternehmer über eine öffentliche Ausschreibung im fairen, offenen Wettbewerb mit außerstaatlichen Konkurrenten ausgewählt worden sei. 397 Hier sei in einem offenen Verfahren der günstigste Anbieter ausgewählt worden. In dieser Umsetzung legitimer Ziele liege weder eine Diskriminierung noch eine unverhältnismäßige Belastung des zwischenstaatlichen Handels. 398
(2) Gezielte Subventionen an örtliche Unternehmer
Marktteilnehmer nach der market participant doctrine ist ein Gliedstaat insbesondere dann, wenn er Verträge mit Privaten schließt und Aufträge vergibt,
396 Houlton Citizens' Coalition v. Houlton, Maine, Ist Cir., Urt. v. 22. 4. 1999, Docket No. 98-1999, U.S. Law Week Vol. 67, No.42, S.1665. 397 So bereits Harvey & Harvey !nc. v. Chester County, Pa., 68 F.3d 788 (3d Cir. 1995). 398 "In light of the strong local interest in efficient and effective waste management and the virtually invisible burden that the Town's scheme places on interstate commerce, [the town] passes this test with flying colors." Houlton Citizens' Coalition v. Houlton, Maine, 1st Cir., Urt. v. 22.4. 1999, Docket No. 98-1999, U.S. Law Week Vol. 67, No. 42,1665.
§ 13 Nichtexistenz von Bundesgesetzgebung mit Sperrwirkung
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um entweder seinen eigenen Bedarf zu decken399 oder seinen Bürgern bestimmte Dienstleistungen zu verschaffen. 4OO In Hughes v. Alexandria Corp. sah der Supreme Court die Zahlung einer staatlichen Prämie für die Fahrzeugverschrottung, die nur an innerstaatliche Verwerterbetriebe vergeben wurde, als zulässige Maßnahme unter der market participant doctrine an. 401 In Carbone erklärte das Gericht, dass die gewünschte wirtschaftliche Absicherung der Abfallsortieranlage in zulässiger Weise durch direkte Subventionierung erreichbar gewesen wäre. 402 Wo der Staat oder eine untergeordnete Gebietskörperschaft die market participant doctrine zu nutzen versucht, um einen Sachbereich unter Vermeidung der Beschränkungen der dOrmarIt Commerce Clause nach seinen Vorstellungen zu gestalten, reagieren Gerichte im Einzelfall allerdings mit Zurückhaltung gegenüber der Anwendung der market participant doctrine. Dies zeigt die oben dargestellte Entscheidung des Court of Appeal für den 1. Circuit in Houlton Citizens' Coalition v. Houlton, Maine, in der sich das Gericht - anders als die Vorinstanz und anders als der Court of Appeal für den 2. Circuit in SSC Corp. v. Smithtown und USA Recycling Inc. v . Babyion - der auf der Hand liegenden Anwendung der market participant doctrine auf einen Exklusivvertrag fiir einen Privatunternehmer als Betreiber der städtischen Müllabfuhr wiedersetzte - möglicherweise deshalb, weil sich die Richter die Frage nach der Fairness des Ausschreibungsprozesses nicht abschneiden wollten. (3) Steuervergünstigungen
Über Steuererleichterungen für innerstaatliche Industrien hat der Supreme Court bisher nicht entschieden. Es gibt jedoch Äußerungen, die dem positiv gegenüberstehen. So heißt es in einem obiter dictum in Bacchus Imports, Ltd. V. Dias:
399 White v. Massachusetts Council of Construction Employers, 460 U.S. 204, 206 (1983) - Verfassungsmäßigkeit der Bevorzugung örtlicher Arbeitskräfte bei örtlichen öffentlichen Bauprojekten. 400 Vgl. Reeves, Inc. v. Stake, 447 U.S. 429,446 f. (1980): Verfassungsmäßigkeit der Begrenzung des Zementverkaufs aus einem staatseigenen Zementwerk durch den Staat South Dakota auf seine Einwohner. 401 Hughes v. Alexandria Scrap Corp., 426 D.S. 794, 806 (1976). 402 "Clarkstown maintains that special financing is necessary to ensure the long-term survival of the designated faciJity. If so, the town rnay subsidize the facility through general taxes or municipaJ bonds." C & A Carbone, Inc. v. Town of Clarkstown, 114 S.Ct. 1677 (1994).
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Teil 3: Handlungsspielräume der Gliedstaaten in den USA
"Direet subsidization of domestic industry does not ordinarily run afoul of the [dormant Commerce Clause); discriminatory taxation of out-of-state manufacturers does ...403
Chief Justice Rehnquist verweist in seiner dissenting opinion in Chemical Waste darauf, dass Subventionen oder Steuererleichterungen zugunsten innerstaatlicher Steuerzahler anstelle von besonderer Abgaben für außerstaatliche Abfallproduzenten zulässig wären. 404 Bereits in South-Central Timber weist er auf diesen Weg und den Widerspruch zwischen dem Verbot besonderer Abgaben und der Zulässigkeit von isolierten Subventionen oder Steuervergünstigungen hin. 40S ce) Eingreifen des Bundesgesetzgebers Zur Lösung der Streitigkeiten um gliedstaatliche Abfallregelungen hat es seit 1993 eine Reihe von Gesetzesvorlagen im Kongress gegeben, mit denen den Gliedstaaten auf verschiedene Weise gestattet werden sollte, den Zustrom von Abfällen aus anderen Gliedstaaten zu vermindern. Einige dieser Vorschläge sind deutlich als Aushebelung der bestimmter Entscheidungen des Supreme Court zur dormant Commerce Clause gestaltet. 406 So sollte der Resource Conservation and Recovery Act (RCRA) geändert werden, um die von den Gerichten bisher abgelehnte Ermächtigung zur Beschränkung des zwischenstaatlichen Handels zu erhalten. 407 Die Regelungen waren bislang nicht mehrheitsfähig, wären aber auf der Grundlage der congressional consent-Doktrin verfassungsrechtlich unbedenklich. Kritiker halten diesen Ansatz sowohl aus föderalistischen als auch aus umweltpolitischen Gründen zu Recht für bedenklich. Vor403 Bacchus Imports, Ud. V. Dias, 468 U.S. 263, 271 (1984). In West Lynn Creamery v. Healy, 512 U.S. 186, Fn. 15 (1994), gibt das Gericht dies wieder, ohne dazu Stellung zu beziehen, verweist jedoch darauf, dass es bisher nicht über die Vereinbarkeit von Subventionen mit der dormant Commerce Clause zu entscheiden hatte, was auch als kritische Haltung angesehen werden kann. 404 Dies könnte zur Vermeidung einer Doppelbelastung fiir die Abfallentsorgung (über gliedstaatliche Steuern und Abfallentsorgungsgebühren) fuhren, demselben Ergebnis wie die nach Chemical Waste unzulässige Sondersteuer. Abweichende Ansicht von Chief Justice Rehnquist, Chemical Waste Management, Inc. v. Hunt, 504 U.S. 334, 351 (1992). 405 Abweichende Ansicht von Chief Justice Rehnquist, South-Central Timber Development, Inc. V. Wunnicke, 467 U.S. 82, 103 (1984): "Under existing precedent, the State could accomplish that same result in any number of ways ( ... ). [T]he state could directly subsidize the primary-processing industry within the State." 406 Vg1. die Aufzählung bei Philip Weinberg, Congress, the Courts, and Solid Waste Transport: Good Fences don't always make good Neighbors, 25 Envt1. L. 57, 64 ff. 407 V g1. die bei SmithiSarnoffFn. 35 f. und Weinberg 64 ff. zitierten Gesetzesentwürfe.
§ 13 Nichtexistenz von Bundesgesetzgebung mit Spenwirkung
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rangig wäre Ursachenbekämpfung durch Maßnahmen zur Abfallvenninderung zu betreiben. 408 Dennoch haben sich Gliedstaaten in mehreren Rechtsstreitigkeiten um die Wirksamkeit gliedstaatlicher Abfallgesetze darauf berufen, dass der Bundesgesetzgeber in RCRA bereits bisher handelsbeschränkende gliedstaatliche Regelungen zugelassen habe. RCRA bestimmt jedoch lediglich, dass gliedstaatliche Abfallbeseitigungsprogramme mit denen des Bundes und den von der EPA genehmigten Programmen anderer Gliedstaaten vereinbar sein müssten. Damit ist keine Genehmigung zu handelsbeschränkenden Regelungen verbunden. 409 Mehrere Gliedstaaten haben außerdem versucht, eine Zustimmung des Bundesgesetzgebers zu Beschränkungen der Abfalleinfuhren aus dem Comprehensive Environmental Response, Compensation and Liability Act (CERCLA) herzuleiten. CERCLA macht Altlastensanierungsmaßnahmen von der Bereitstellung von Anlagen zur Entsorgung gefahrlicher Abfälle in den Staaten für die darauffolgenden zwanzig Jahre abhängig. 4lO Der Staat Alabarna meinte, dies ermächtige zur Zurückweisung von gefährlichen Abfällen aus Staaten, die nicht über entsprechende Anlagen verfügen. Der Court of Appeal für den 11 . Circuit folgte dem in National Solid Wustes Management Association v. Alabama Department of Environmental Management nicht und erklärte die Regelung von Alabarna für unzulässig. 4l1 Gleichermaßen lehnte ein District Court in Hazardous Waste Treatment Council v. South Carolina412 die Argumentation des Staates South Carolina ab, die Bestimmung in CERCLA ermächtige zu quotenmäßigen Beschränkungen der Abfalleinfuhr aus anderen Staaten. 413 Für eine umfassende Regelung unmittelbar durch Bundesgesetz.. 14 ist das politische Klima hingegen nach wie vor denkbar schlecht. Der republikanisch dominierte Kongress hat bereits in zwei Wellen in den neunziger Jahren Versuche unternommen, die Umweltgesetzgebung des Bundes signifikant zurück-
Vgl. z.B. Weinberg 72. Vgl. z.B. Environmental Technology Council v. Sierra Club, 4th Cir., Urt. v. 15. 10. 1996, Docket No. 95-2008. 410 CERCLA § 104 (c)(9), 42 U.S.C. § 9604 (c)(9). 411 National Solid Wastes Management Association v. Alabama Department ofEnvironmental Management, 910 F.2d 713, 721 f. (11th Cir. 1990), geändert, 924 F.2d 1001, neue Verhandlung abgelehnt, 932 F.2d 979, nicht zur Entscheidung angenommen, 111 S.Ct. 2800 (1991). 412 Hazardous Waste Treatment Council v. South Carolina, 766 F.Supp. 431 (D. S.C.), teilweise bestätigt und zuruckverwiesen, 945 F.2d 781 (4th Cir. 1991). 413 Hazardous Waste Treatment Council v. South Carolina, 766 F.Supp. 431, 439 f. (D. S.C.). 414 Vgl. den entsprechenden Vorschlag von Hopkirk, Text vor Fn. 124. 408
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zuschneiden, 415 die Administration unter George W. Bush folgt nun einer ähnlichen Linie. 2. Andere streitige Bereiche a) Umweltschutz und Protektionismus bei der Energieerzeugung aa) Erschwerung der Einfuhr von "schmutzigem" Strom aus anderen Gliedstaaten Die Liberalisierung des Strommarktes in den Vereinigten Staaten bringt die Möglichkeit mit sich, dass in einigen Staaten "sauber" (emissionsarm) hergestellter, dadurch aber teurer Strom durch "schmutzigeren", billigeren Strom aus anderen Gliedstaaten ersetzt wird. Besonders die Staaten des Nordostens, die in der Windrichtung der vielfach veralteten Kraftwerke des mittleren Westens liegen und damit grenzüberschreitenden Schadstoffeinträgen ausgesetzt sind, selbst aber über modernere Kraftwerke verfugen, befiirchten zusätzliche grenzüberschreitendende Schadstofffrachten als Folge der Liberalisierung. Als Beispiel fur die Pläne, dies zu verhindern, können Vorschläge aus dem Staat Massachusetts dienen. So schlägt der Massachusetts Attorney General vor, die Stromeinfuhr aus Staaten, deren Stromproduzenten geringeren Umweltschutzanforderungen unterliegen, zu untersagen,416 oder Emissionsstandards fiir die Energiegewinnung festzulegen und bei deren Überschreitung eine Abgabe auf den produzierten Strom zu erheben, gleich ob dieser Strom inner- oder außerhalb des regelnden Staates produziert wurde. Aus dem Massachusetts Department of Environmental Protection kommt der ähnliche Vorschlag eines generation performance standard, nach dem inner- und außerstaatliche Stromproduzenten bei der Stromherstellung bestimmte Standards einzuhalten hätten (maximale Emissionsmengen je produzierter Kilowattstunde Strom), um Strom innerhalb des Staates verkaufen zu dürfen, alternativ der Vorschlag der Erhebung einer auf die Emissionswerte des herstellenden Kraftwerks bezogenen Abgabe.
415 Als neuere Beispiel für die Stimmung im Kongress mögen die Ablehnung des Atomteststoppvertrages sowie des Kyoto-Protokolls durch den Senat dienen. Vgl. "Senat stimmt gegen Ratifizierung des Atomteststoppvertrages" FAZ Nr. 240 vom 15. 10. 1999, 1 f.; das Kyoto-Protokolliehnt nun auch die Regierung ab, vgl. "U.S. Says Scraps Clinton Stance on Climate Change", Reuters-Bericht vom 5.3.2001 . • 16 Die im folgenden wiedergegebenen Vorschläge sind Justin M Nesbit, Commerce Clause Implications of Massachusetts' Attempt to Limit the Importation of ,,Dirty" Power in the Looming Competitive Retail Market for Electricity Generation, 38 B. C. L. Rev. 811,830 ff. m.w.N. (1997) entnommen.
§ 13 Nichtexistenz von Bundesgesetzgebung mit Sperrwirkung
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Grundsätzlich sind immissionsschutzrechtliche Bestimmungen der Gliedstaaten legitime Ausübungen der police power und damit zulässig.417 Ein glattes Verbot "schmutzigen" außerstaatlichen Stromes unterliegt als diskriminierende Regelung der schärferen strict scrutiny. Auch die Setzung von Emissionsstandards für die Stromherstellung, die im Ergebnis ganz überwiegend außerstaatliche Anbieter treffen oder treffen sollen, kann wegen ihrer Wirkung oder Zielsetzung als diskriminierend angesehen werden. Dem könnte nur eine Regelung entgehen, deren Grenzwerte sich nicht an innerstaatlichen Emissionsmengen orientiert, sondem selbstständige Gesundheits- und Umweltstudien zum Maßstab nimmt und damit sowohl inner- als auch außerstaatliche Kraftwerke betrifft.'nB Ist die Regelung nichtdiskriminierend, so kann sie den dann anzuwendenden Pike-test auch dann bestehen, wenn die Belastungen für außerstaatliche Stromproduzenten höher sind als für innerstaatliche Stromproduzenten, wenn nur die Belastungen die umweltbezogenen Vorteile nicht deutlich überwiegen. Einer diskriminierenden ordnungsrechtlichen Regelung können hingegen Abgabenmodelle oder eine generelle Energiesteuer zur Senkung des Energieverbrauchs 419 als weniger diskriminierende Lösungen entgegengehalten werden. 420
bb) Exterritoriale Anwendung Als problematisch für alle genannten Vorschläge erweist sich außerdem das Verbot exterritorialer Anwendung. "Schmutzig" hergestellter Strom unterscheidet sich nicht von "sauberem" Strom, alle Vorschläge sind daher produktionsbezogene Regelungen, die sich hinsichtlich des eingefiihrten Stromes auf vollständig in anderen Staaten stattfindende Produktionsvorgänge beziehen. Die Staaten sind aber nicht dazu befugt, mit ihren Regelungen Vorgänge auVgl. Huron Portland Cement Co. v. City ofDetroit, 362 U.S. 440 (1960). Vgl. Nesbit 847. 419 Vgl. City ofPhiladelphia v. New Jersey, 437 U.S. 617, 626 (1978); Maine v. Taylor, 477 U.S. 131, 146 f. (1986); Oregon Waste Systems, Inc. v. Department ofEnvironmental Quality, 511 U.S. 93, 100 (1994). 420 Umgekehrt sind gliedstaatliehe Vorrangregelungen fiir innerstaatliche RohstofIindustrien grundsätzlich unzulässig, vgl. Alliance for Clean Coal v. Miller, 44 F.3d 591 (7th Cir. ~?95): Unzulässigkeit eines Clean Air Act compliance plan des Staates Illinois. Die Anderungsvorschriften zum Clean Air Act 1990 schrieben eine Senkung von SchadstofIemissionen vor, die über Abgasreinigungsanlagen, Verwendung von Kohle mit niedrigerem Schwefelanteil (die westlich der Rocky Mountains, also außerhalb von Illinois, vorkommt), Umstieg auf andere Energieträger oder Kauf von Emissionslizenzen erreicht werden konnte. Um die heimische Kohleförderung zu schützen, schrieb Illinois in seinem compliance plan Abgasreinigungsanlagen vor und stellte ein Genehmigungserfordernis rur eine erhebliche Minderung der Verwendung von Kohle aus Illinois in einem Kraftwerk auf. Das Gericht sah dies als unzulässig an. 417 418
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ßerhalb ihrer Grenzen zu kontrollieren. 421 Unzulässig ist daher jedenfalls eine Regelung von Produktionsvorgängen, die keine direkten Auswirkungen in dem regelnden Staat haben. Direkte Auswirkungen liegen allerdings hier dann vor, wenn sich der Zusammenhang zwischen Kraftwerksemissionen in bestimmten anderen Staaten mit Hauptwindrichtung und Schadstoffimmissionen im regelnden Staat belegen lässt. Würde man das Verbot exterritorialer Anwendung gliedstaatlicher Regelungen daraus ableiten, dass nur innerstaatliche Belange von Umwelt und Gesundheit belastende Regelungen rechtfertigen können, so könnte die Regelung zulässig sein. Doch das Verbot betrifft nach der Rechtsprechung umfassend die Regelung von Vorgängen in anderen Gliedstaaten und ist der föderalen Struktur der dormant Commerce Clause zu entnehmen. 422 Eine solche Regelung von Vorgängen in anderen Gliedstaaten liegt hier vor. Dem in der Rechtsprechung herausgearbeiteten Verbot stehen Auswirkungen der geregelten Vorgänge im regelnden Staat nicht entgegen. 423 Eine solche Anwendung würde auch erhebliches regulatorisches Durcheinander mit sich bringen und ist schon deshalb nicht mit der föderalen Ordnung der USA vereinbar. Die Festlegung von Produktions standards obliegt dem jeweiligen Staat oder dem Bund (bei Sachverhalten, die einer einheitlichen Regelung bedürfen). Andernfalls könnten 50 Staaten im Gebiet ihrer Schwesterstaaten 50 verschiedene und widersprüchliche regulatorische Regimes durchsetzen. 424 Die Regelungen sind daher allesamt wegen ihres exterritorialen Anwendungsbereiches
421 Vgl. die in Baldwin v. G.A.F. Seelig, Inc., 294 U.S. 511 (1935), für verfassungswidrig erklärte Regelung. New York setzte Mindestpreise für den Kauf von Milch von Produzenten in New York fest und verbot gleichzeitig in New York den Verkauf von Milch, die anderswo zu günstigeren Preisen vom Produzenten erworben worden war. 422 Healy v. Beer Institute, 491 U.S. 324, 336 (1989): ,,[A] statute that directly controls commerce occurring wholly outside the boundaries of aState exceeds the inherent limits of the enacting State's authority and is invalid regardless of whether the statute's extraterritorial reach was intended by the legislature ... 423 Ebd., 336: ,,[T]he ,Commerce Clause (... ) prec1udes the application of astate statute to commerce that takes place wholly outside of the State's borders, whether or not the commerce has effects within the State"'. 424 Ebd., 336 f.: ,,[T]he practical effect of the statute must be evaluated not onIy by considering the consequences ofthe statute itself, but also by considering how the chalIenged statute rnay interact with the legitimate regulatory regimes of other States and what effect would arise if not one, but many or every, State adopted similar legislation. Generally speaking, the Commerce Clause protects against inconsistent legislation arising from the projection of one state regulatory regime into the jurisdiction of another State. (... ) And, specifically, the Commerce Clause dictates that no State may force an out-of-state merchant to seek regulatory approval in one State before undertaking a transaction in another."
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mit der Commerce Clause nicht zu vereinbaren. 42S Lediglich mit Zustimmung des Kongresses wären solche Regelungen möglich. 426
b) Naturschutz: Maine v. Taylor In Hughes v. Oklahoma427 lehnte der Supreme Court eine Regelung des Staates Oklahoma ab, nach der in Gewässern des Staates gefangene Elritzen nicht nach außerhalb des Staates verbracht werden durften. Auf Fischfarmen gezogene Elritzen durften hingegen ausgeführt werden. Der Gliedstaat deklarierte die Regelung als Schutz der einheimischen Elritzen-Population. Der Umstand, dass aus den Gewässern des Staates gefangene wilde Elritzen jedoch innerhalb des Staates verkauft werden durften, veranlasste den Supreme Court, die Regelung als diskriminierend einzustufen; da die Bürger von Oklahoma nicht bei der Verteilung natürlicher Ressourcen bevorzugt werden durften, war die Regelung auch im Ergebnis verfassungswidrig. Die einzige Entscheidung, in der der Supreme Court eine Umweltschutzregelung als diskriminierend eingestuft und trotzdem als zulässig erachtet hat, bleibt bislang Maine v. Taylor. 428 Die mit acht gegen eine Stimme ergangene Entscheidung betraf ein strafbewehrtes Einfuhrverbot des Staates Maine für lebenden Köderfisch aus anderen Gliedstaaten. Da es sich hierbei um Fischarten handelte, die in Maine bisher nicht heimisch waren, fürchtete der Staat eine Störung des ökologischen Gleichgewichtes in seinen Gewässern und eine Verdrängung natürlich in Maine vorkommender Arten. Daneben drohte nach Ansicht des Gliedstaates eine Störung der heimischen Fischpopulation durch mit dem Köderfisch eingeführte Parasiten. Da es sich um eine offen diskriminierende Regelung handelte, wandte das Gericht eine "strictest scrutiny" an, wonach der Gliedstaat eine eindeutige Verbindung zwischen Mittel und Zweck seiner Regelung zu belegen hatte. Der Supreme Court erkannte den Schutz der besonderes fragilen Ökosysteme in den Gewässern des Staates gegen derzeit nicht vollständig erfassbare und daher unkalkulierbare Risiken als legitimes Interesse des Umweltschutzes an. Eine zuverlässige Methode zur Durchführung von Kontrollen beim Grenzübertritt als milderes Mittel - bestand für andere eingeführte Fischarten, nicht aber für diesen Köderfisch. 425 Anders Nesbit 849 f., der das Problem der exterritorialen Anwendung offenbar übersieht. 426 Dies scheint auch der Massachusetts Attorney General ftir seine Vorschläge erkannt zu haben, vgl. Nesbit 833. 427 Hughes v. Oklahoma, 441 U.S. 322 (1979). 428 Maine v. Taylor, 477 U.S. 131 (1986).
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Teil 3: Handlungsspielräume der Gliedstaaten in den USA
Maine zeigt, dass es für die Gliedstaaten eine realistische Chance gibt, bei Alternativenlosigkeit selbst diskriminierende Bestimmungen aufrechtzuerhalten. Die Singularität der Entscheidung verdeutlicht jedoch gleichzeitig, dass die Rechtsprechung außerordentlich strenge Maßstäbe hierfür ansetzt und keinerlei erkennbare wirtschaftliche Nebenzwecke duldet.
c) Verpackungsvorschryrren In Minnesota v. Clover Leaf Creamery CO.429 bestätigte der Supreme Court ein Verbot des Verkaufs von Milch in Einweg-Plastikgefäßen durch den Staat Minnesota für verfassungs gemäß. Die Verwendung von Einwegbehältern aus anderen Materialien, insbesondere Pappkarton, ließ das Gesetz zu. Karton wird vor allem in Minnesota selbst hergestellt, während sich die Plastikindustrie in den angrenzenden Staaten befindet. Das Gericht sah die Regelung dennoch nicht als protektionistische Maßnahme zum Schutz der innerstaatlichen Industrie an. In der Abwägung sah es die relativ geringe Belastung des zwischenstaatlichen Handels nicht als unverhältnismäßig gegenüber den vom Gesetzgeber geäußerten Zielsetzungen Ressourcenschutz, Müllvenneidung und Energieeinsparung. 430
Minnesota v. Clover LeafCreamery Co., 449 U.S. 456 (1981). Milchprodukte konnten weiterhin frei über die Staatsgrenze von Minnesota bewegt werden, die Regelung war nur mit geringem Zusatzaufwand verbunden, da die meisten Produzenten ihre Mi1chprodukte bereits ohnehin in mehreren Verpackungsarten vertrieben, und es gab keinen Grund anzunehmen, dass hauptsächlich Produzenten in Minnesota zu Lasten von Produzenten in anderen Gliedstaaten profitieren würden. Ebd., 472f. 429
430
Teil 4 Umweltrechtliche Handlungsspielräume der EG-Mitgliedstaaten § 14 Kompetenzen der Mitgliedstaaten Der EU-Vertrag und der EG-Vertrag weisen den Mitgliedstaaten keine Kompetenzen zu, auch nicht in Bestimmungen, die nach ihrem Wortlaut mitgliedstaatliche Spielräume eröffnen (z.B. Art. 95 Abs. 4, Art. 176). Kompetenzen ergeben sich aufgrund der souveränen Staatlichkeit der Mitgliedstaaten. 1 Auch hier geht es daher darum, welche Einschränkungen die Befugnisse der Mitgliedstaaten durch das europäische Umweltprimär- und -sekundärrecht erfahren.
I. Die eingeschränkte Souveränität der Mitgliedstaaten und die Entscheidungsbefugnis des EuGH Für den Vorrang des Gemeinschaftsrechts gegenüber dem Recht der Mitgliedstaaten ist richtigerweise von einem Anwendungs-, nicht Geltungsvorrang auszugehen. 2 Die Ausübung mitgliedstaatlicher Kompetenzen wird also im (insbesondere zu Art. 176) GrabitzlHilj-GrabitzINettesheim, Art. 130t Rn. 2. Vgl. zum Vorrang oben § 7 I. 1. b). Eine über einen Anwendungsvorrang hinausgehende Verdrängung mitgliedstaatlichen Rechts ist unnötig und wäre sowohl bei einer Verdrängung nur in Teilbereichen als auch bei einem späteren Wegfall des Gemeinschaftsrechts, der das verdrängte mitgliedstaatliche Recht wieder anwendbar werden lässt, praktisch nachteilig. V gl. Schröer, Kompetenzverteilung, 197 f.; Man/red Zuleeg, Vorbehaltene Kompetenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet des Umweltschutzes, NVwZ 1987, 280, 281. Anders bei neuem mitgliedstaatlichen Recht, vg1. EuGH, Urt. v. 9. 3. 1978, Rs. 106/77 (SimmenthallI), Slg. 1978, 629, Rn. 17/18: "Darüber hinaus haben nach dem Grundsatz des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts die Vertragsbestimmungen und die unmittelbar geltenden Rechtsakte der Gemeinschaftsorgane in ihrein Verhältnis zum internen Recht der Mitgliedstaaten nicht nur zur Folge, dass allein durch ihr Inkrafttreten jede entgegengesetzte Bestimmung des geltenden staatlichen Rechts ohne weiteres unanwendbar wird, sondern auch - da diese Rechtsakte vorrangiger Bestandteil der im Gebiet eines jeden Mitgliedstaats bestehenden Rechtsordnung sind - dass ein wirksames Zustandekommen neuer staatlicher Gesetzgebungsakte insoweit verhindert wird, als diese als diese mit Gemeinschaftsnormen unvereinbar wären". 1 V g1.
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Teil 4: Handlungsspielräume der EG-Mitgliedstaaten
Konfliktfall von den Regelungen des primären (d.h. in den Verträgen zur EG, EGKS und EAG) und sekundären (d.h. auf der Basis der in den Verträgen eingeräumten Kompetenzen erlassenen) Gemeinschaftsrechts verdrängt. 3 Das mitgliedstaatliche Recht kommt nicht zur Anwendung, bleibt jedoch grundsätzlich erhalten. Die Möglichkeiten des EuGH, über die Vereinbarkeit mitgliedstaatlicher Maßnahmen mit dem Gemeinschaftsrecht zu entscheiden, sind begrenzt. Grundsätzlich obliegt die Jurisdiktion über das Recht der Mitgliedstaaten den jeweils nach innerstaatlichem Recht zuständigen Gerichten der Mitgliedstaaten. Zu einer Klage gegen die mitgliedstaatliche Maßnahmen vor dem EuGH sind nur die Kommission und andere Mitgliedstaaten klagebefugt. Im Vorabentscheidungsverfahren4 verfügt der EuGH über ein partielles Entscheidungsmonopol, entscheidet jedoch nur über die Auslegung des Gemeinschaftsrechts. Die Auslegung des nationalen Rechts und die Beurteilung seiner Anwendbarkeit obliegt ausschließlich dem vorlegenden Gericht. 5 Somit muss der EuGH einerseits dem vorlegenden Gericht die Kriterien der Entscheidung nach einer bestimmten mitgliedstaatlichen Regelung aus Sicht des Gemeinschaftsrechts vorzeichnen; andererseits kann das Gericht nicht selbst über die eigentliche Frage der Rechtmäßigkeit bzw. Gültigkeit der mitgliedstaatlichen Regelung entscheiden. In der Praxis hat der EuGH zwei Wege entwickelt, um die notwendige Balance zwischen abstrakter Rechtsauslegung und konkreter Fallentscheidung zu finden: In einigen Fällen beschränkt sich der EuGH darauf, bei der Auslegung der gemeinschaftsrechtlichen Norm "dem vorlegenden Gericht alle Kriterien fiir die Auslegung des Gemeinschaftsrechts an die Hand zu geben, die es diesem ermöglichen, über die Vereinbarkeit der genannten Normen mit der herangezogenen Gemeinschaftsvorschrift zu befinden.,,6
Dies kann jedoch dazu führen, dass mehrere mitgliedstaatliche Gerichte bei der Anwendung dieser Kriterien zu unterschiedlichen Ergebnissen hinsichtlich der gleichen mitgliedstaatlichen Regelung gelangen.7 In anderen Fällen ent1 Vgl. Martin Seidel, Umweltrechtliche und wirtschaftslenkende Abgaben und Maßnahmen aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht, NVwZ 1993, 105, 106. 4 Vgl. oben § 8.III.5.c)aa)(I). 5 Vgl. z.B. EuGH, Urt. v. 3. 7. 1974, Rs. 9/74 (Casagrande), Sig. 1974, 773, Rn. 2; EuGH, Urt. v. 29. 6. 1978, Rs. 154/77 (Dechrnann), Slg. 1978, 1573, Rn. 8/10; EuGH, Urt. v. 28. 2. 1991, Rs. 312/89 (Conforarna), Slg. 1991,1-997, Rn. 6; EuGH, Urt. v. 28. 2. 1991, Rs. 332/89 (Marchandise), Sig. 1991,1-1027, Rn. 7. 6 So z.B. EuGH, Urt. v. 29.6. 1978, Rs. 154177 (Dechrnann), Slg. 1978, 1573, Rn. 8/10. Vgl. auch EuGH, Urt. v. 12.7. 1979, Rs. 223178 (Grosoli), Slg. 1979,2621, Rn. 3; EuGH, Urt. v. 17. 1. 1980, verb. Rs. 95 und 96/79 (Kefer und Delmelle), Sig. 1980, 103, Rn. 5. 7 So z.B. nach dem ersten Urteil des EuGH zum britischen Sonntagskaufverbot, EuGH, Urt. v. 23 . 11. 1989, Rs. C-145/88 (Torfaen Borough Council), Sig. 1989,3851.
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scheidet das Gericht daher über eine Regelung "der vorliegenden Art", also eine gedachte Regelung, die in den entscheidenden Punkten der vom vorlegenden Gericht zu entscheidenden mitgliedstaatlichen Regelung entspricht. 8 Dabei entscheidet der EuGH mitunter sogar über die Verhältnismäßigkeit "einer solchen Regelung".9 Im Ergebnis kann der EuGH als oberstes Gericht der Gemeinschaft in allen Fällen, die zu ihm gelangen, dem Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts zum Durchbruch verhelfen, entweder über die unmittelbare und rechtsgültige Entscheidung über die Anwendbarkeit mitgliedstaatlichen Rechts im Vertragsverletzungsverfahren oder über eine spezifische und "passgenaue" Entscheidung über die europarechtliche Vereinbarkeit der vorgelegten Regelung im Vorlageverfahren, die das vorlegende Gericht letztlich auf eine ausführende Rolle verweist. 10
11. Ausschließliche und konkurrierende Kompetenzen der Gemeinschaft 1. Unterscheidung konkurrierender und ausschließlicher Gemeinschaftskompetenzen Konkurrierende Kompetenzen liegen vor, wenn der Gemeinschaft im EGVertrag Kompetenzen eingeräumt sind, ohne dass bereits damit in diesem Bereich die Anwendung von mitgliedstaatlichem Recht ausgeschlossen ist. Konkurrierende Kompetenzen erlauben sowohl ein Tätigwerden der Gemeinschaft als auch der Mitgliedstaaten. Mitgliedstaatliche Rechtssetzung ist nur ausgeschlossen, wenn und soweit das Gemeinschaftsrecht eine Regelung mit Sperrwirkung gegenüber mitgliedstaatlichem Recht enthält. Ausschließliche Gemeinschaftskompetenzen schließen rnitgliedstaatliches Recht hingegen auch ohne Bestehen von Sekundärrecht aus. In diesem Fall sind die Mitgliedstaaten
V g1. hierzu Gisela Davis, Sonntagsverkaufsverbot in England - eine Frage für die nationalen Gerichte, EuZW 1992,569,570. 8 So z.B. EuGH, Vrt. v. 3. 7. 1974, Rs. 9/74 (Casagrande), Slg. 1974, 773, Rn. 2. Vg1. hierzu Eugene Daniel Cross, Pre-emption of Member State Law in the European Economic Comrnunity: A Framework for Analysis, CMLR 29 (1992), 447, 466. 9 Vg1. z.B. EuGH, Vrt. v. 28. 2. 1991, Rs. 312/89 (Conforama), Slg. 1991,1-997, Rn. 12; EuGH, Vrt. v. 28. 2.1991, Rs. 332/89 (Marchandise), Slg. 1991,1-1027, Rn. 13. 10 Die nur "mittelbare" Befassung des EuGH durch Gemeinschaftsbürger im Voriageverfahren, die diese zudem nur in der im konkreten Fall letzten Instanz fordern können, ist allerdings eine praktisch erhebliche Beschränkung.
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in ihrer Rechtssetzung bereits auf primärrechtlicher Ebene aus dem gesamten Bereich ausgeschlossen, den die Kompetenz abdeckt. 11 Die Terminologie ist allerdings uneinheitlich. Der EuGH spricht auch dort von "ausschließlichen Kompetenzen", wo gemäß der üblichen Terminologie im deutschen Recht eine konkurrierende Kompetenz vorliegt und der Gemeinschaftsgesetzgeber sekundärrechtliche Regelungen mit Sperrwirkung erlassen hat mit der Folge, dass mitgliedstaatliches Recht nicht von vornherein ausgeschlossen ist, sondern nur dann, wenn und soweit dem Sekundärrecht eine Sperrwirkung zu entnehmen ist oder das mitgliedstaatliche Recht die gemeinschaftliche Regelung beeinträchtigt. 12 In der vorliegenden Arbeit ist nur dort von ausschließlichen Kompetenzen die Rede, wo die Mitgliedstaaten bereits primärrechtlich, unabhängig von einer Rechtssetzungstätigkeit der Gemeinschaft, aus dem betreffenden Bereich ausgeschlossen sind. 2. Notkompetenz der Mitgliedstaaten in ausschließlichen Kompetenzbereichen der Gemeinschaft Solange die Gemeinschaft nicht gesetzgeberisch tätig geworden ist, können die Mitgliedstaaten in dringenden Fällen vorläufig aufgrund der Verpflichtung zur Gemeinschaftstreue nach Art. 10 als "Sachwalter des Gemeinschaftsinteresses,,13 oder aufgrund einer besonderen Ermächtigung der Gemeinschaft tätig werden. 14 Vgl. Jarass, Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaft, 25. Vgl. EuGH, Gutachten 2/91 (Übereinkommen Nr. 170 der Internationalen Arbeitsorganisation über Sicherheit bei der Verwendung chemischer Stoffe bei der Arbeit) Slg. 1993, 1-1061, Rn. 9: "Ob die Zuständigkeit der Gemeinschaft ausschließlich ist, bestimmt sich nicht nur nach dem EWG-Vertrag, sondern auch danach, in welchem Umfang die Gemeinschaftsorgane Maßnahmen zur Durchflihrung des EWG-Vertrages getroffen haben; aufgrund solcher Maßnahmen können die Mitgliedstaaten Zuständigkeiten verlieren, , die sie zuvor übergangsweise ausüben konnten." Zur konkreten Prüfung, ob das Gemeinschaftsrecht beeinträchtigt ist, ebd., Rn. 19 f. Vgl. hierzu Joseph H. H. Weiler, Symposium Intemational Law: The Transformation of Europe, 100 Yale L. J. 2403, 2416 f. (1991), sowie Jarass, Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaft, 26 ff. m.w.N., der eine Differenzierung nach primären ausschließlichen Kompetenzen und sekundären ausschließlichen Kompetenzen nach dem Vorbild der competances exclusives par nature und competances exclusives par exercise des EuGH vorschlägt. Ebd., 28 m.w.N. 13 Vgl. EuGH, Urt. v. 5. 5. 1981, Rs. 804/79 (Kommission I Vereinigtes Königreich), Slg. 1981, 1045, Rn. 30, in der das Gericht erklärt, dass ein Mitgliedstaat allerdings diese SachwaltersteIlung nur "in Zusammenarbeit mit der Kommission" und unter Beachtung von deren Überwachungsaufgabe nach Art. 211 (ex-Art. 155) ausüben könne. Vgl. auch EuGH, Urt. v. 28. 3. 1984, verb. Rs. 47/83 und 48/83 (pluimveeslachterij Midden-Nederland), Slg. 1984, 1721, Rn. 23 : Betonung des einstweiligen Charakters mitgliedstaatlicher Maßnahmen in SachwaltersteIlung; EuGH, Urt. v. 17. 5. 1990, Rs. 11
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Steht die Vereinbarkeit einer solchen mitgliedstaatlichen Maßnahme mit einer ausschließlichen Kompetenz in Frage, so hat das entscheidende Gericht neben der Frage, ob die Gemeinschaftskompetenz ausschließlicher Art ist, deren Reichweite zu klären, um zu ermitteln, ob diese überhaupt den von der mitgliedstaatlichen Maßnahme geregelten Bereich erfasst.
3. Bereiche ausschließlicher Gemeinschaftskompetenzen Der EG äußert sich nicht explizit dazu, welche Kompetenzen der Gemeinschaft ausschließlicher oder konkurrierender Natur sind. Dass das Gemeinschaftsrecht eine Differenzierung zwischen ausschließlichen und nicht ausschließlichen Kompetenzen kennt, ergibt sich bereits aus Art. 5 Abs. 2, der diese Unterscheidung explizit trifft. Die Ausschließlichkeit einer Gemeinschaftskompetenz ergibt sich aus der Natur der Sache sowie Indizien im EG, wie z.B. Vorbehalten zugunsten der Mitgliedstaaten oder der Zuordnung der Finanzierungsverantwortung zu den Mitgliedstaaten, die beide zur Annahme einer konkurrierenden Kompetenz zwingen. 15 Ausschließliche Gemeinschaftskompetenz werden von der überwiegenden Ansicht nur in Einzelbereichen angenommen, so z.B. dem Organisationsrecht der Gemeinschaft 16 oder - grundsätzlich - dem Abschluss internationaler Vereinbarungen durch die EG. 1?
158/89 (Dietz-Matti), Slg. 1990,1-2013, Rn. 12 f.; a.A. Jarass, Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaft, 25 Fn. 81: Fälle von Sperrwirkung des Gemeinschaftsrechts bei konkurrierender Kompetenz. 14 Für Fälle, in denen der Rat nicht iImerhalb eines angemessenen Zeitraumes auf einen Rechtssetzungsvorschlag der Kommission tätig wird, wird teilweise eine Untätigkeitsklage nach Art. 232 (ex-Art. 175) rur zulässig gehalten (Frank Schorkopf, Die Untätigkeit des Rates der Europäischen Union im Gesetzgebungsverfahren, EuR 2000, 365, 374 ff.). Schorkopf erkennt zwar den weiten Ermessensspielraum der Rechtssetzungsorgane, versucht jedoch Fallgruppen herauszuarbeiten, bei denen auch ohne unmittelbar primärrechtlich begründete Handlungspflicht des Organs eine Untätigkeitsklage begründet sein soll (ebd., 376). Dies hätte jedoch allenfalls zur Folge, dass ein Mitgliedstaat neben einer vorläufigen eigenen Maßnahme aus seiner Pflicht zur Gemeinschaftstreue (Art. 10) Untätigkeitsklage gegen den Rat zu erheben hätte; wegen der Dauer eines solchen Verfahrens kann dieser Klageweg die Notkompetenz der Mitgliedstaaten jedoch nicht ersetzen. 15 Vgl. Jarass, Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaft, 34 m.w.N. 16 Vgl. Jarass, Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaft, 25. 17 Als implied power zur jeweiligen internen Kompetenz, vgl. EuGH, Gutachten v. 28.3. 1996, Gutachten 2/94 (Beitritt der Gemeinschaft zur Konvention zum Schutze der Menschemechte und Grundfreiheiten) Slg. 1996,1-1759, Rn. 26; EuGH, Urt. v. 5. 5. 1981, Rs. 804179 (Kommission / Vereinigtes Königreich), Slg. 1981, 1045, Rn. 17 f.ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft für Maßnahmen zur Erhaltung der
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In den für das Umweltrecht wichtigen Kompetenzbereichen der Art. 175 sowie Art. 95 sind die Kompetenzen der Gemeinschaft nach überwiegender, wenn auch nicht unumstrittener Ansicht l8 konkurrierender Art. Für die spezielle Kompetenzzuweisung des Art. 175 ergibt sich dies bereits aus den Bestimmungen der Art. 175 Abs.4 und Art. 176. 19 Die Kompetenzen der Gemeinschaft, die der Schaffung und Erhaltung des Gemeinsamen Marktes bzw. des Binnenmarktes dienen, sind von zu generellem und weitreichendem Charakter, um ausschließlich sein zu können. 2o Eine vollständige Rechtsangleichung wäre weder möglich noch erstrebenswert; außerdem würde das Subsidiaritätsprinzip des Art. 5 Abs. 2 weitgehend leer laufen, wenn es bei Art. 95 als wichtigster Gemeinschaftskompetenz wegen Ausschließlichkeit der Kompetenz nicht zur Anwendung käme. 21
§ 15 Verbleibende mitgliedstaatliche Handlungsspielräume bei Existenz sekundären Gemeinschaftsrechts Sekundäres Gemeinschaftsrecht verdrängt aufgnmd seines Anwendungsvorrangs das Recht der Mitgliedstaaten. Erster Anhaltspunkt für einen verbleibenden Spielraum der Mitgliedstaaten ist die Reichweite der Verdrängungs wirkung. Dies ist eine Frage, die vor allem durch Auslegung des Sekundärrechts zu klären und unter dem Begriff der Sperrwirkung des sekundären Gemeinschaftsrechts abzuhandeln ist (unten 1.). Wenn und soweit das sekundäre Gemeinschaftsrecht danach abschließende Regelungen enthält, können sich Spielräume der Mitgliedstaaten nur noch aus
Meeresschätze im Rahmen der Gemeinsamen Fischereipolitik. Eine Ausnahme belegt z.B. Art. 180 (ex-Art. BOx), vgl. EuGH, Urt. v. 2. 3. 1994, Rs. 316/91 (parlament / Rat), Slg. 1994, I-625, Rn. 26 f. 18 Vgl. Nachweise bei Jarass, Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaft, 35 Fn. 115 f. 19 Vgl. Reimer von Borries, Das Subsidiaritätsprinzip im Recht der Europäischen Union, EuR 1994,274 f. 20 Cappelletti/Golay 319. 21 Vgl. SchmidhuberiHitzler 9 f.; von Sorries, Subsidiaritätsprinzip, 274 f.; sowie den früheren Art. 100b. Vgl. auch CalliessIRufJert-Kahl, Art. 95 Rn. 7 m.w.N. (auch zur Gegenansicht). Die Kommission geht davon aus, dass Art. 95 der Gemeinschaft eine ausschließliche Kompetenz zuweist (vgl. Kommission, Das Subsidiaritätsprinzip, Mitteilung an den Rat und das Europäische Parlament, Dok. SEK (92) 1990 endg. vom. 27. 10. 1992, Anhang Ziff. II 2), vermischt dabei jedoch offensichtlich die primärrechtliche Frage der Ausschließlichkeit einer Kompetenz mit der sekundärrechtlichen Frage der Sperrwirkung des Gemeinschaftsrechts bei konkurrierenden Kompetenzen. V gl. hierzu Hans D. Jarass, Die Kompetenzverteilung zwischen der Europäischen Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten, AöR 121 (1996), 173, 191.
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besonderen Ermächtigungen des Gemeinschaftsrechts zu abweichenden mitgliedstaatlichen Regelungen ergeben (unten 11.). Solche Ermächtigungen gibt es sowohl als besondere Regelungen im jeweiligen Sekundärrecht als auch als allgemeine Regelungen im Primärrecht. Außerdem bestehen primärrechtliche Verpflichtungen zur Schaffung sekundärrechtlicher Abweichungsermächtigungen.
I. Die Sperrwirkung des sekundären Gemeinschaftsrechts 1. Das Prinzip der Sperrwirkung Die hier als Gegenstück der preemption im Recht der Vereinigten Staaten zu behandelnde Problematik wird im EG-Recht unter dem Begriff der Sperrwirkung des sekundären Gemeinschaftsrechts, der occupation du terrain und schließlich auch der preemption behandelt. In der Sache geht es um die Verdrängung des Rechts der unteren Ebene durch das einfache Recht der oberen Ebene?2 Nicht zu dieser Sperrwirkung gehört die Verdrängung mitgliedstaatlichen Rechts unmittelbar auf primärrechtlicher Ebene durch ausschließliche Gemeinschaftskompetenzen. 23 Die Sperr- oder Verdrängungswirkung des gemeinschaftliches . Sekundärrechts gegenüber dem mitgliedstaatlichen Recht ergibt sich aus der Umsetzung des primärrechtlichen Prinzips des (Anwendungs-) Vorrangs des Gemeinschaftsrechts im Bereich des Sekundärrechts. Liegt eine abschließende Regelung im Sekundärrecht der Gemeinschaft vor, so ist grundsätzlich nur noch diese Regelung als PTÜfungsmaßstab für mitgliedstaatliches Recht anzuwen-
22 Vgl. z.B. CalliessIRujJert-Kahl, Art. 95 Rn. 20; Cross 453 f. mit der zutreffenden Beobachtung, dass primärrechtliche Erwägungen in die Analyse der Sperrwirkung mit hineinspielen (mit Diskussion entgegenstehender Begriffsdefmitionen, 450 ff.). 23 In dieser weiteren Form des Begriffs allerdings Francis JacobslKenneth Karst, The "Federal" Legal Order, the US.A. and Europe Compared: A Juridical Perspective, in: CappeliettilSeccombeIWeiler (Hrsg.), Integration through Law. Europe and the American Federal Experience Bd. I, Buch 1, 169, 237 f. ("For the purposes of this chapter, the [principle of pre-emption] (... ) will be taken to refer to cases where the Member States are excluded from legislating, not because the legislation wou1d conflict with Community law but because the competence in question is an exclusively Community competence."); zu Recht gegen die Sinnhaftigkeit dieser Definition Cross 450 f. Vgl. auch den "conceptualist-federalist approach" bei Michel Waelbroeck, The emergent doctrine of Community pre-emption - consent and re-delegation, in: Terrance SandalowlEric Stein (Hrsg.), Courts and Free Markets. Perspectives from the United States and Europe, Bd. 2, 548, 551 u. passim.
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den.24 Wiederholt die sekundärrechtliche Regelung allerdings nur, was bereits in einer primärrechtlichen Regelung enthalten ist, so sind allein diese primärrechtlichen Regelungen Beurteilungsrnaßstab. 25 Das Vorrangprinzip stellt als Kollisionsnorm ein generelles Rangverhältnis auf und versperrt im Kollisionsfall die Anwendung entgegenstehenden mitgliedstaatlichen Rechts. Es bezweckt als Kollisionsregel keinen Ausgleich zwischen gemeinschafts- und mitgliedstaatlichem Recht im Wege einer Abwägung, sondern trifft eine einseitige Entscheidung zu Gunsten des Gemeinschaftsrechts. Dies ist jedenfalls insoweit der Fall, als der damit verbundene Souveränitätsverlust der Mitgliedstaaten von Art. 10 (ex-Art. 5) gedeckt ist, was im Anwendungsbereich des Vertrages regelmäßig der Fall sein wird.26 Das Vorrangprinzip lässt jedoch nicht erkennen, wann eine solche Kollision vorliegt. Dies, der Umfang der Sperrwirkung, kann nur aus dem sekundären Gemeinschaftsrecht selbst entnommen werden und ist vorrangig durch dessen Auslegung zu ermitteln.
2. Kriterien der Sperrwirkung a) Entwicklung der Kriterien
Positivrechtliche Regelungen im Primärrecht zum Umfang der Sperrwirkung finden sich nur an vereinzelten Stellen des EG-Vertrages, wie z.B. in den im Folgenden (unten 11.) gesondert zu behandelnden Art. 95 Abs.4 ff. (exArt. 100a Abs.4) und Art. 176 (ex-Art. BOt). Eine allgemeine Bestimmung hierzu enthält der EG nicht. Die Rechtsprechung des EuGH zum Umfang der Sperrwirkung ist häufig stark einzelfallbezogen und lässt daher nur begrenzt allgemeine Kriterien erkennen.27 Im Gemeinschaftsrecht hat die Frage der Verdrängung des Gemeinschaftsrechts zunächst dort Bedeutung gewonnen, wo die Gemeinschaft eine gemeinsame Marktordnung errichtet hat. In anderen Bereichen, insbesondere im Bereich umweltbezogener Regelungen, waren die Regelungen des Gemeinschaftsrechts zu diesem Zeitpunkt noch zu vereinzelt 24 Bei Vollharmonisierung kann sich ein Mitgliedstaat daher nicht mehr auf eine Rechtfertigung nach Art. 30 (ex-Art. 36) berufen (EuGH, Urt. v. 14. 6. 1988, Rs. 29/87 (Dansk Denkavit), Sig. 1988,2965, Rn. 8 ff., 18). 25 Vgl. EuGH, Urt. v. 6. 10. 1987, Rs. 118/86 (Nertsvoederfabriek Nederland), Sig. 1987,3883, Rn. 8 f. 26 Vgl. Huthmacher 171 f. und 297. 27 Vgl. die umfangreiche Untersuchung bei Andreas Furrer, Die Sperrwirkung des sekundären Gemeinschaftsrechts auf die nationalen Rechtsordnungen: Die Grenze des nationalen Gestaltungsspielraums durch sekundärrechtliche Vorgaben unter besonderer Berücksichtigung des ,,nationalen Alleingangs", Baden-Baden 1994,94 ff., sowie Cross 447.
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und zu wenig eingriffsintensiv, um ernsthafte Kollisionen mit den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen zu provozieren. In der Entscheidung CERAFEL führte der EuGH drei allgemeine Kriterien fiir die Unvereinbarkeit einer mitgliedstaatlichen Regelung mit dem Sekundärrecht der Gemeinschaft an. 28 Die Entscheidung betraf die Vereinbarkeit der Ausdehnung von einer Erzeugerorganisation (des Comite economique agricole regional fruits et legumes de Bretagne - CERAFEL) erlassener Vorschriften auf die Erzeuger einer gesamten Region mit der gemeinsamen Marktorganisation fiir Obst und Gemüse. Darin erklärte das Gericht:
.,zur Beantwortung der Vorlagefrage ist daher zu prüfen, ob und inwieweit die Verordnung Nr. 1035/72 der Ausdehnung der einzelnen von den Erzeugerorganisationen geschaffenen Regelungen auf nichtangeschlossene Landwirte entgegensteht, entweder weil die Ausdehnung dieser Regelungen ein Gebiet berührt, das die gemeinsame Marktorganisation abschließend geregelt hat, oder weil die ausgedehnten Vorschriften gegen die gemeinschaftsrechtlichen Bestinunungen verstoßen oder das ordnungsgemäße Funktionieren der gemeinsamen Marktorganisation behindern...29 Einige Rechtsakte der Gemeinschaft enthalten außerdem Bestimmungen, die rnitgliedstaatliches Recht entweder ausdrücklich untersagen (ausdrückliche Sperrwirkung) oder ausdrücklich gestatten (ausdrücklicher Vorbehalt) oder mitgliedstaatliche Abweichungen ausdrücklich zulassen (Abweichungsermächtigung oder Öffnungsklausel). Nimmt man diese Situationen hinzu, so gelangt man zu einem viergliedrigen Prüfungsschema: (1.) Besteht eine Regelung, die rnitgliedstaatliches Recht entweder ausdrücklich verdrängt oder ausdrücklich (gegebenenfalls in einem begrenzten Bereich) zulässt? (2.) Enthält die gemeinschaftliche Maßnahme eine ihrem Regelungsgehalt nach abschließende Regelung? (3.) Steht die mitgliedstaatliche Regelung im offenen Widerspruch zum Sekundärrecht? (4.) Gefährdet die Anwendung der mitgliedstaatlichen Norm das Funktionieren des gemeinschaftlichen Regelungssystems?3o Die genannten Kriterien kommen in der Rechtsprechung des EuGH allerdings nicht in systematischer Reihenfolge zur Anwendung. Das Gericht bringt vielmehr je nach Fallgestaltung eine Kombination aus diesen Argumenten zur Anwendung.
EuGH, Urt. v. 25. 11. 1986, Rs. 218/85 (CERAFEL), Slg. 1986,3513. Ebd., Rn. 13. 30 Ähnlich Furrer 94 ff. und 113, der u.a. die ausdrückliche Sperrwirkung und die ihrem Regelungsgehalt nach abschließenden Regelungen zusammenfasst; daneben Cross 448 f., 455 ff., der die der Dogmatik des US-amerikanischen Rechts verwandten Begriffe express saving, express pre-emption, occupation of the field pre-emption und conflict pre-emption verwendet. 28
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b) Die Kriterien im Einzelnen Vorab ermittelt der EuGH den Anwendungsbereich der mitgliedstaatlichen Regelung und einschlägiger Sekundärrechtsakte. Das Gericht scheidet so die mitgliedstaatlichen Nonnen aus, in deren Anwendungsbereich kein sekundäres Gemeinschaftsrecht besteht, welches entgegenstehen könnte. 3! Gegenstand der Entscheidung Tedeschi-Denkavif2 war die Vereinbarkeit eines italienischen Grenzwertes für Kaliumnitrat in Alleinfuttermittel mit der Richtlinie 74/63 über unerwünschte Stoffe und der Richtlinie 70/524 über Zusatzstoffe in der Tieremährung. Der EuGH stellte hier zunächst fest, dass sich der Anwendungsbereich der Richtlinie 74/63 mit der italienischen Regelung überschnitt, um später zu dem Ergebnis zu gelangen, dass die mitgliedstaatliche Regelung von der ausdrücklichen Öffnungsklausel in Art. 5 und 9 dieser Richtlinie gedeckt war. Vor allem in flühen Entscheidungen zur Sperrwirkung fand dieses Kriterium häufig Anwendung. 33 Dies mag darauf zurückzuführen sein, dass sich das Gemeinschaftsrecht in dieser Phase gegen Umgehungen durch völkerrechtliche Vereinbarungen der Mitgliedstaaten durchzusetzen hatte. 34
In einem eigentlichen ersten Schritt ist sodann zu prüfen, ob das Sekundärrecht eine ausdrückliche Regelung zur Sperrwirkung enthält. 35 Eine ausdrückliche Sperrwirkung findet sich z.B. in der Vermarktungsbestimmung "Eier dürfen kein anderes Zeichen tragen, als in dieser Verordnung vorgesehen",36 ein ausdrücklicher Vorbehalt in der Formulierung "Diese Verordnung gilt unbeschadet der einzelstaatlichen technischen Maßnahmen, die nur für Fischer des betreffenden Mitgliedstaates anwendbar sind, über die Mindestanforderungen dieser Verordnung hinausgehen und die eine bessere Bewirtschaftung oder eine bessere Nutzung der Quoten gewährleisten sollen ( ... )".37 ÖffnungsklauVgl. hierzu Furrer 94 ff. EuGH, Urt. v. 5. 10. 1977, Rs. 5/77 (Tedeschi-Denkavit), Slg. 1977, 1555. 33 Vgl. z.B. die Aussage des Gerichts in EuGH, Urt. v. 31. 3. 1971, Rs. 22/70 (AETR), Sig. 1971, 263, 274 Rn. 30/31. Waelbroeck 551 spricht hier von einem das conceptualist-federalist-Modell der Sperrwirkung. 34 So Cappelletti/Golay 320. Vgl. als Beleg z.B. EuGH, Urt. v. 14. 7. 1976, verb. Rs. 3, 4 und 6/76 (Kramer), Sig. 1976, 1279: Zuständigkeit der Gemeinschaft und Verpflichtungen der Mitgliedstaaten beim Abschluss von Fischereiabkommen. 3S Vgl. z.B. EuGH, Urt. v. 5. 10. 1977, Rs. 5/77 (Tedeschi-Denkavit), Sig. 1977, 1555, Rn. 37/40. 36 Art. 15 der Verordnung 2772/75 des Rates vom 29. 10. 1975 über Vermarktungsnormen flir Eier, ABI. Nr. L 282, 56. Vgl. hierzu EuGH, Urt. v. 25. 6.1986, Rs. 130/85 (Wuiro), Sig. 1986, 2035, Rn. 15 ff., 19, 24 - zusätzliche Produktangaben auf Eierverpackungen dürfen nicht zugelassen und geschützt werden. 37 Art. 20 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 171/83 des Rates vom 25.1. 1983 über technische Maßnahmen zur Erhaltung der Fischbestände, ABI. Nr. L 24, 14, Hervorhebung hinzugefligt. Vgl. hierzu EuGH, Urt. v. 16. 6. 1987, Rs. 53/86 (Romkes), Slg. 1987,2691 - Art. 20 Abs. 1 der Verordnung 171/83 gestattet auch neue abweichende 31
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sein (Abweichungsermächtigungen) erlauben mitgliedstaatliche Regelungen
hingegen nur in eng eingegrenzten Bereichen, wie z.B. die Öffnungsklauseln der Produkthaftungsrichtlinie 85/347. 38 Gegebenenfalls bedarf es auch ftir die Würdigung solcher Klauseln der Auslegung des Gemeinschaftsrechts. 39 Fehlt eine solche ausdrückliche Regelung, so ist zu ermitteln, ob das Sekundärrecht seinem Inhalt oder seiner Struktur nach eine abschließende Regelung enthält. In einer frühen Phase beschränkte sich der EuGH häufig darauf, die Kompetenz der Gemeinschaft aufzusuchen und diese dann als ausschließlich zu bezeichnen. 4o Sonst grenzt der EuGH zwischen Teil- und Vollharmonisierungen ab. 41 Ist diese Abgrenzung nicht eindeutig, erfolgt hierzu eine Auslegung der sekundärrechtlichen Regelung nach ihrem Wortlaut, ihrer Systematik sowie ihrem Sinn und Zweck. 42 Liegt danach eine abschließende Regelung vor, so ist nur noch zu prüfen, ob die mitgliedstaatliche Regelung von einer Öffnungsklausel im Gemeinschaftsrecht gedeckt ist. 43 Gleichzeitig folgert der EuGH jedoch im Urnkehrschluss aus der Existenz einer Abweichungsermächtigung, dass die Regelung - jedenfalls in dem die Abweichungsermächtigung betreffenden Bereich - abschließend ist. 44 Liegt danach weder nach dem Wortlaut noch nach Inhalt und Struktur der sekundärrechtlichen Bestimmung eine abschließende Regelung vor, so ist weiter zu prüfen, ob die mitgliedstaatliche Norm zu Konflikten mit dem sekundämitgliedstaatliche Regelungen; abweichende Mindestgröße für Jungfische beim Fischfang für inländische Fischer nicht von Verordnung 171/83 ausgeschlossen. 38 Art. 15 Abs. 1 lit. b ("Jeder Mitgliedstaat kann abweichend von Artikel 7 Buchstabe e) in seinen Rechtsvorschriften die Regelung beibehalten oder - vorbehaltlich des Verfahrens nach Absatz 2 des vorliegenden Artikels - vorsehen, dass der Hersteller auch dann haftet, wenn ( ... ).") und Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie des Rates 85/347/EWG des Rates vom 25. 7. 1985 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte, ABI. Nr. L 210 vom 7. 8. 1985,29, geänd. durch Richtlinie 1999/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. 5.1999, ABI. Nr. L 141,20. 39 VgI. z.B. EuGH, Urt. v. 25. 6.1986, Rs. 130/85 (Wulro), Slg. 1986,2035, Rn. 17. 40 VgI. z.B. EuGH, Urt. v. 31. 3.1971, Rs. 22170 (AETR), Slg. 1971,263, Rn. 30/31; Waelbroeck 555 fI. 41 VgI. z.B. EuGH, Urt. v. 29. 2. 1984, Rs. 37/83 (REWE Rheinland), Slg. 1984, 1229, Rn. 6. 42 VgI. z.B. EuGH, Urt. v. 23. 11. 1989, Rs. C-150/88 (4711), Slg. 1989,3891, Rn. 15, 17,20,23 f.: Etikettierung; EuGH, Urt. v. 5. 4. 1979, Rs. 148/78 (Ratti), Slg. 1979, 1629, Rn. 27: Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung von Lösungsmitteln. 43 Hierzu bedarf es gegebenenfalls ebenso einer Auslegung von Sinn und Zweck der Regelung. Vgl. z.B. EuGH, Urt. v. 23. 5. 1990, Rs. C-169/89, (Gourmetterie Van den Burg) - Schottisches Moorschneehuhn, Slg. 1990, 1-2143, Rn. 10 ff. zu Art. 14 der Richtlinie 79/409. 44 Ebd., Rn. 9; EuGH, Urt. v. 29. 5. 1997, Rs. C-329/95 (VAG Sverige AB), Slg. 1997, 1-2675, Rn. 18 fI.
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ren Gemeinschaftsrecht führt. Der Rechtsprechung des EuGH folgend ist zunächst darauf einzugehen, ob ein Verstoß gegen den einschlägigen gemeinschaftlichen Sekundärrechtsakt oder das Sekundärrecht im Übrigen vorliegt, also ein offener Widerspruch zwischen den Normen der beiden Ebenen auftritt. Dies ist häufig dann der Fall, wenn ein Mitgliedstaaten zusätzliche Anforderungen zu den in einer Harmonisierungsrichtlinie vorgegebenen stellt. 45 Kein Verstoß liegt vor, wenn die mitgliedstaatliche Regelung dazu fUhrt, dass die Ziele des einschlägigen Sekundärrechts auf mitgliedstaatlicher Ebene noch besser errullt werden können (komplementäre Regelung); Geschieht diese Verstärkung jedoch auf Kosten einer Einschränkung der Grundfreiheiten fiir Marktteilnehmer aus anderen Mitgliedstaaten, so kann die mitgliedstaatliche Regelung nicht angewandt werden. 46 Gerade im Bereich der Agrarmarktordnungen sind viele Entscheidungen ergangen, in denen der EuGH solche Konflikte angenonnnen hat. 47 Im letzten Schritt ist zu priifen, ob die mitgliedstaatliche Regelung das Funktionieren des sekundärrechtlichen Regelungssysterns im beriihrten Sachbereich beeinträchtigt (Funktionsstörung).48 Dieses Kriterium überschneidet sich teilweise mit dem vorgenannten, hat aber eine eigenständige Bedeutung in seiner funktionalen Ausrichtung, da nachteilige Interferenzen mit dem einschlägigen Sekundärrecht nicht notwendig zu einem offenen Widerspruch zu 45 VgI. z.B. EuGH, Urt. v. 12. 7. 1988, Rs. C-60/86 (Kommission 1 Vereinigtes Königreich) - Dirn-Dip Car Lights, Slg. 1988, 3921 - keine zusätzlichen technischen Anforderungen an Kraftfahrzeuge im Bereich der Richtlinie 761765IEWG des Rates vom 27. 7. 1976 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Anbau der Beleuchtungs- und Lichtsignaleinrichtungen rur Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger, ABI. Nr. L 262, 1; EuGH, Urt. v. 12.6. 1990, Rs. C-158/88 (Kommission 1 Irland), Slg. 1990, 1-2367 - keine zusätzlichen Anforderungen an Zoll- und Umsatzsteuerbefreiung von Reisenden; EuGH, Urt. v. 29. 5.1997, Rs. C-329/95 (VAG Sverige), Slg. 1997, 1-2675 - keine zusätzlichen Anforderungen an die Zulassung von Kraftfahrzeugen (besondere Übereinstimmungserklärungen); EuGH, Urt. v. 12.9.2000, Rs. C-366/98 (Geffroy und Casino France SNC), Slg. 2000,1-6579, Rn. 24 ff. m.w.N.Art. 14 der Richtlinie 79/1121EWG des Rates vom 18. 12. 1978 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hierfiir, ABI. Nr. L 33, 1, gestattet nicht die zwingende Vorgabe einer bestimmten Sprache fur die Etikettierung von Lebensmitteln, die nicht auch die Verwendung einer anderen fur den Käufer leicht verständlichen Sprache gestattet. 46 VgI. Furrer 114. 47 Vgl. Cross 459. EuGH, Urt. v. 4. 2. 1988, Rs. 255/86 (Kommission 1 Belgien) Bulk Fruit, Slg. 1988, 693, Rn. 11 - Ausweitung der Verpackungsanforderungen der Verordnung 1035/72 auf andere Agrarprodukte wegen abschließendem Charakter der Gemeinsamen Marktorganisation fur Obst und Gemüse unzulässig. 48 VgI. z.B. EuGH, Urt. v. 12.7. 1979, Rs. 223178 (Grosoli), Slg. 1979,2621, Rn. 7 ff.; EuGH, Urt. v. 10.3. 1981, Rs. 36/80 (Irish Creamery Milk Suppliers Association 1 Irland), Slg. 1981,735, Rn. 19.
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den sekundärrechtlichen Regelungen fUhren müssen. 49 Gegenüber der Feststellung einer abschließenden Regelung hat die Verdrängung wegen Funktionsstörung den Vorteil, nur bestimmte, nicht aber alle mitgliedstaatlichen Maßnahmen in ihrem Anwendungsbereich zu verdrängen, und dem Mitgliedstaat damit gegebenenfalls eine Ersetzung durch eine weniger störende Regelung zu ermöglichen. 50 Andererseits mag die Bevorzugung des Kriteriums einer abschließenden Regelung im Sekundärrecht den Rechtssetzungsprozess im Rat beschleunigen, da es fiir die Mitgliedstaaten hier weniger Möglichkeiten gibt, trotz einer unbefriedigenden Regelung auf Gemeinschaftsebene auf mitgliedstaatlicher Ebene tätig zu werden.51 Teilweise wird als weiteres Kriterium neben den bereits genannten untersucht, ob das Sekundärrecht einen hinreichenden organisatorischen Rahmens vorsieht, der eine angemessene Reaktion auf die Erfordernisse des Marktes und dessen neue Entwicklungen ermöglicht. 52 Damit ist jedoch lediglich ein Kriterium benannt, welches bereits in die Prüfung der Abgeschlossenheit einer gemeinschaftsrechtlichen Regelung eingeht. Denn die sekundärrechtliche Regelung kann mangels anderer Anhaltspunkte nach ihrem Sinn und Zweck nur dann als abgeschlossen gelten, wenn sich aus ihr Antworten fiir alle Eventualitäten entnehmen lassen. 53 Regelungsteile, die dieser Anforderung Rechnung tragen, können sekundärrechtliche Schutzklauseln fiir vorübergehende mitgliedstaatliche Abweichungen oder erleichterte Verfahren für die Änderung des Sekundärrechtsaktes sein (z.B. durch Delegation von Befugnissen zur Rechtsänderung an die Kommission). Auch der EuGH sieht die Frage nach einem solchen organisatorischen Rahmen offenbar nicht als selbständiges Kriterium an. 54 Erweist sich eine Maßnahme der Gemeinschaft hingegen bereits nach ihrem Wortlaut als eindeutig abschließend, ohne aber einem zukünftigen Änderungsbedarf in geeigneter Weise Rechnung zu tragen, so kann ein Mitgliedstaat Abweichungen von den zwingenden Vorgaben des Gemeinschaftsrechts nur auf seine Notkompetenz als "Sachwalter des Gemeinschaftsinteresses" stützen.55
49 Vgl. Furrer 116; vgl. auch Cross 463: ,,( ... ) Member State law, even when not in conflict, may ,interfere with the proper functioning of the common organization of the market'." 50 Vgl. Cross 467. 51 Vgl. Cross 462. 52 Furrer 117 ff. 53 So auch Furrer 124 f., der hier allerdings einen engen Zusammenhang zwischen Abgeschlossenheit einer gemeinschaftlichen Maßnahme und organisatorischem Rahmen rur eine notwendige Änderungen konzediert. 54 Vgl. die oben zitierte Fonnulierung in der Entscheid\Ulg CERAFEL. 55 Vgl. oben § 17 H. 2.
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3. Insbesondere: Harmonisierungstechnik als Steuerungs instrument Eine bewusste Steuerung des Umfangs der Sperrwirkung durch die Rechtssetzungsorgane erlaubt zunächst die Bestimmung des Anwendungsbereichs einer Regelung. Diese "Stellschraube" eröffnet jedoch nur geringe Spielräume, da der Anwendungsbereich durch die materiellen Inhalte der Richtlinie bereits weitgehend vorgezeichnet ist. Ein zweites steuerbares Element ist der abschließende Charakter der Regelung. Ist dieser nicht ausdrücklich bestimmt, so entscheidet vor allem die gewählte Harmonisierungstechnik, ob eine Regelung abschließend ist oder nicht. Diese gewinnt daher eine wichtige Bedeutung für die Steuerung rnitgliedstaatlicher Spielräume. Vier Grundformen der Rechtsharmonisierung fmden in der Rechtssetzungspraxis der Gemeinschaft Anwendung: die abschließende oder totale Harmonisierung, die optionelle Harmonisierung, die Mindestharmonisierung und die alternative Harmonisierung.56 Eine abschließende oder totale Harmonisierung schafft ein einheitliches Regelungsniveau in allen Mitgliedstaaten und verbietet sowohl dessen Unterschreitung durch weniger schutzintensive Maßnahmen als auch seine Überschreitung durch schutzintensivere Maßnahmen. Mitgliedstaatliche Spielräume bestehen innerhalb des Regelungsbereichs der Richtlinie nur dann, wenn und soweit dies ausdrücklich gestattet ist. Eine optionelle Harmonisierung gestattet ein Nebeneinander unterschiedlicher gemeinschaftlicher und nationaler Standards: Die Mitgliedstaat erhalten keine festen Urnsetzungsvorgaben, sondern können eigenständige Standards setzen, die über das gemeinschaftlich festgesetzte Schutzniveau hinausgehen (gegebenenfalls auch darunter liegende Standards), dürfen jedoch das Inverkehrbringen von Waren, die den gemeinschaftlichen Standards genügen, nicht verhindern oder beschränken. Ein Produzent aus demselben oder einem anderen Mitgliedstaat hat die Möglichkeit, zwischen einem der beiden Standards zu wählen, so dass sein Produkt entweder nur in diesem einen Mitgliedstaat oder in der gesamten Gemeinschaft verkehrsfähig ist. 57 Eine verbindliche Festlegung höherer nationaler Standards im Umweltrecht ist danach allerdings nicht möglich. Ein Abweichen nach oben mit zwingender Wirkung gestattet das Konzept der Mindestharrnonisierung, wonach die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung
56 Vgl. RehbinderlStewart 7 ff.; Ulrich Becker, Der Gestaltungsspielraum der EGMitgliedstaaten im Spannungsfeld zwischen Umweltschutz und freiem Warenverkehr, Baden-Baden 1991, 104 ff. m.w.N. S7 Vgl. zur Wirkungsweise einer solchen Regelung RehbinderlStewart 8.
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einer Richtlinie mindestens deren Vorgaben einzuhalten haben, jedoch auch höhere nationale Standards setzen können. Ergänzend besteht die Möglichkeit einer alternativen Harmonisierung, die bereits auf der Ebene des Gemeinschaftsrechts alternativ unterschiedliche Standards vorgibt, zwischen denen die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung wählen können. 58
4. Sperrwirkung im Umweltbereich EuGH-Entscheidungen zur Sperrwirkung umweltbezogener Rechtsakte sind nur in begrenzter Anzahl verfiigbar. Der Entscheidungspraxis des Gerichts und dem Sekundärrecht im Umweltbereich lassen sich jedoch auch fiir diesen Bereich einige Schlussfolgerungen entnehmen. a) Harmonisierungsjormen im Umweltbereich
Allgemein stellt der EuGH fest, dass das gemeinschaftliche Umweltrecht regelmäßig keine vollständige Harmonisierung anstrebe. 59 In der Rechtssetzungspraxis der Gemeinschaft im Umweltbereich werden neben der abschließenden Harmonisierung die Techniken der optionellen und der Mindestharmonisierung angewendet. Dabei kann nach Sachbereichen unterschieden werden. Im Bereich stoff- und produktbezogener Regelungen folgt die Rechtssetzung der Gemeinschaft regelmäßig der Technik der optionellen oder der abschließenden Harmonisierung. Zu den frühen Richtlinien in diesem Bereich gehören z.B. die Richtlinien der Gemeinschaft zur Angleichung der Vorschriften über Schadstoffernissionen von Kraftfahrzeugen. Die über vierzig Einzelrichtlinien stellen in ihren Anlagen Mindestanforderungen hierzu. Nach der "Verkehrsfähigkeitsklausel" des Art. 2 der Rahmenrichtlinie 70/220 darf ein Mitgliedstaat die Zulassung eines Fahrzeuges nicht verweigern, wenn die Schadstoffernissionen den Vorschriften der Richtlinie entsprechen. Diese Verpflichtung findet sich auch in den übrigen Richtlinien zur Schadstoffernission von Kraftfahrzeugen und Zugmaschinen. 60 Dieselbe Regelungstechnik fmdet 58 V gI. RehbinderiStewart 8. Teilweise wird die optionellen Hannonisierung mit der alternativen Hannonisierung im hier dargestellten Sinn gleichgesetzt, GrabitziHilfGrabitzINettesheim, Art. BOt Rn. 6. 59 EuGH, Drt. v. 22. 6. 2000, Rs. C-318/98 (Fornasar), 81g. 2000, 1-4785, Rn. 46. 60 VgI. Art. 2 der Richtlinie 721306; Art. 2 der Richtlinie 77/537; Art. 2 der Richtlinie 80/12681EWG des Rates vom 16. 12. 1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Kraftstoffverbrauch von Kraftfahrzeugen, ABI. Nr. L 375, 36, zuI. geänd. durch Richtlinie 1999/1001EG der Kommission vom 15. 12. 1999, ABI.
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sich außerdem in Richtlinien fiir andere Maschinen und Geräte,61 dem gleichen Prinzip folgen auch die Lärmschutzrichtlinien der Gemeinschaft: Allgemeine Bestimmungen finden sich hier in der Rahmemichtlinie 79/113 betreffend die Ermittlung des Geräuschemissionspegels von Baumaschinen und Baugeräten62 sowie in der Rahmemichtlinie 84/532,63 materielle Regelungen in den hierzu ergangenen Einzelrichtlinien. 64 Die Übereinstimmung mit den technischen Anforderungen der Richtlinie wird im Bereich der Harmonisierung der Umweltanforderungen an Fahrzeuge, Flugzeuge und andere technische Geräte regelmäßig über eine Übereinstimmungs- oder Baumusterprüfbescheinigung belegt. Der Hersteller bescheinigt durch deren Ausstellung die Übereinstimmung der einzelnen Ware mit einer richtlinienlconformen Typenzulassung in einem Mitgliedstaat, die eine Genehmigung fiir die gesamte Gemeinschaft bewirkt. Die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Zulassung von Geräten aus anderen Mitgliedstaaten ist an die Vorlage der Übereinstimmungs- oder Baumusterprüfbescheinigung geknüpft. Im Gefahrstoffrecht der Gemeinschaft sind eine Reihe von Einzelrichtlinien nach dem Vorbild der Rahmemichtlinie 67/548 über die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe ergangen. Die Richtlinie regelt in Art. 5 materielle Anforderungen an das Inverkehrbringen von Produkten.
Nr. L 334, 36; Art. 2 der Richtlinie 88176fEWG des Rates vom 3. 12. 1987 zur Änderung der Richtlinie 701220fEWG über die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Maßnahmen gegen die Verunreinigung der Luft durch Abgase von Kraftfahrzeugmotoren, ABI. Nr. L 36, 1. 61 Vgl. z.B. Art. 8 der Richtlinie 97/68fEG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. 12. 1997 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Maßnahmen zur Bekämpfung der Emission von gasförmigen Schadstoffen und luftverunreinigenden Partikeln aus Verbrennungsmotoren fiir mobile Maschinen und Geräte, ABI. Nr. L 59 vom 27.2. 1998, 1. 62 Richtlinie 79/113fEWG des Rates vom 19. 12. 1978 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die Ermittlung des Geräuschemissionspegels von Baumaschinen und Baugeräten, ABI. Nr. L 33, 15, zu!. geänd. durch Richtlinie 85/405fEWG der Kommission vom 11. 7. 1985, ABI. Nr. L 233, 9. 63 Richtlinie 84/532fEWG des Rates vom 17. 9. 1984 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend Baugeräte und Baumaschinen, ABI. Nr. L 300,111. 64 Vgl. z.B. Richtlinie 84/533fEWG des Rates vom 17. 9. 1984 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den zulässigen Schalleistungspegel von Motorkompressoren, ABI. Nr. L 300, 123, geänd. durch Richtlinie 85/406fEWG der Kommission vom 11. 7. 1985 zur Anpassung der Richtlinie 84/533fEWG des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den zulässigen Schalleistungspegel von Motorkompressoren an den technischen Fortschritt, ABI. Nr. L 233, 1. In deren Art. 4 fmdet sich z.B. eine Ermächtigung, weitergehenden mitgliedstaatlichen Anforderungen an die Verwendung von Motorkompressoren in besonders empfindlichen Gebieten.
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Nach Art. 22 der Richtlinie dürfen die Mitgliedstaaten das Inverkehrbringen von Stoffen nicht wegen deren Anmeldung, Einstufung, Verpackung oder Kennzeichnung verhindern oder beschränken, wenn die Vorgaben der Richtlinie eingehalten sind. Weitergehende mitgliedstaatliche Anforderungen an die Anmeldung, Einstufung, Verpackung oder Kennzeichnung der von der Richtlinie erfassten Stoffe sind damit unzulässig.65 Die Richtlinie enthält allerdings eine Schutzklausei, die es den Mitgliedstaaten gestattet, das Inverkehrbringen eines Stoffes im Hinblick auf die Anmeldung, Einstufung, Verpackung oder Kennzeichnung vorläufig zu verbieten oder zu beschränken, wenn der Stoff trotz Konfonnität mit der Richtlinie eine Gefahr für Menschen oder Umwelt darstellt. Die Abweichung ist der Kommission zu notifizieren. Gleichartige Regeln enthalten die zu dieser Rahmenrichtlinie erlassenen Einzelrichtlinien zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung von Lösungsmitteln,66 von Anstrichmitteln, Lacken, Druckfarben, Klebstoffen und dergleichen67 und allgemein von gefahrlichen Zubereitungen. 68 Anders als die Richtlinie 67/548 enthalten die genannten Einzelrichtlinien allerdings Abweichungsermächtigungen bei besonderen Gefahren nur aus Gründen der menschlichen Gesundheit und Sicherheit, nicht für Grunde des Umweltschutzes. Eine dem Gefahrstoffrecht vergleichbare Harmonisierung mit beschränkter Ausnahmeklausel findet sich auch in dem nunmehr durch die Richtlinie 98/70 geregelten Bereich der Kraftstoffe für Verbrennungsmotoren. 69 Eine der frühen Richtlinien des stoff65 Vgl. EuGH, Urt. v. 14. 10. 1987, Rs. 278/85 (Kommission 1 Dänemark) - Geflihrliehe Stoffe, Slg. 1987, 4069, Rn. 12: ,,Aus der vorstehenden Schilderung des Systems der Richtlinie ergibt sich, dass der Rat die Anmeldung, die Einstufung, die Verpackung und die Kennzeichnung sowohl alter wie neuer Stoffe erschöpfend geregelt und den Mitgliedstaaten nicht die Möglichkeit gelassen hat, in ihre nationalen Rechtsvorschriften weitere Maßnahmen aufzunehmen." 66 Richtlinie 73/173/EWG des Rates vom 4. 6.1973 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten für die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung von Zubereitungen gefährlicher Stoffe (Lösemittel), ABI. Nr. L 189, 7 (Art. 8 und 9). Vgl. hierzu EuGH, Urt. v. 5. 4.1979, Rs. 148/78 (Ratti), Slg. 1979, 1629, Rn. 27. 67 Richtlinie 77/728/EWG des Rates vom 7. 11. 1977 zur Angleichung der Rechtsund Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten für die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung von Anstrichmitteln, Lacken, Druckfarben, Klebstoffen und dergleichen, ABI. Nr. L 303, 23 . 68 Richtlinie 88/379/EWG des Rates vom 26. 6. 1978 zur Angleichung der Rechtsund Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten für die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Zubereitungen, ABI. Nr. L 187, 14. 69 Vgl. Art. 3 und 4 (materielle Anforderungen), Art. 5 (Verbot weitergehender Beschränkungen) und Art. 6 (strengere Vorschriften für bestimmte Gebiete aus Gesundheits- oder Umweltschutzgründen, die der Genehmigung durch die Kommission nach einem Umlaufverfahren in den anderen Mitgliedstaaten bedürfen) der Richtlinie 98170/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. 10. 1998 über die Quali-
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bezogenen Umweltschutzrechts der Gemeinschaft war schließlich auch die Richtlinie 73/404 zur Angleichung der Rechtsvorschriften über Detergentien. Die Richtlinie enthält eine Kombination aus der Regelung von Mindeststandards in Form eines Mindestwerts fiir die biologische Abbaubarkeit grenzflächenaktiver Substanzen in Waschmitteln sowie einer Klausel, die eine Gesundheitsgefährdung durch diese Substanzen untersagt (Art. 2 der Richtlinie 73/404), und aus einem Verbot des Einschränkung des Inverkehrbringens und der Verwendung von Detergentien, die den Vorgaben der Richtlinie entsprechen (Art. 3 der Richtlinie 73/404). Die Kombination der "Ziele" (im Sinne des Art. 249 Abs. 3) dieser Richtlinien kann als abschließende Harmonisierung verstanden werden. Vergleicht man sie jedoch mit einer Regelung, die den Mitgliedstaaten schlicht zwingende Anforderungen an bestimmte Stoffe und Produkte vorschreibt, ohne zwischen materiellen Anforderungen und Verkehrsfähigkeitsklausel zu unterscheiden, so deutet die Gestaltung auf eine optionelle Harmonisierung hin: Die materiellen Vorschriften schließen weitergehende Anforderungen nicht aus, die Verkehrsfähigkeitsklausel impliziert die Möglichkeit nicht-zwingender weitergehender Anforderungen; gleichzeitig verbietet sie jedoch, das Inverkehrbringen eines Produktes zu untersagen, das nur den Anforderungen der Richtlinie, nicht aber den weitergehenden innerstaatlichen Anforderungen entspricht. Belegt wird dieser Unterschied durch einen Vergleich mit anderen technikbezogenen Richtlinien im Kraftfahrzeugbereich, die - wie z.B. die Rahmenrichtlinie 70/156 den Mitgliedstaaten im Gegensatz hierzu abschließend vorschreiben, ein Produkt "dann und nur dann" zuzulassen, wenn eine Erklärung der Übereinstimmung mit den materiellen Anforderungen der EG-Richtlinie vorliegt. 70 Lediglich Mindestanforderungen71 enthält im produktbezogenen Bereich hingegen die Richtlinie 80/51 zur Verringerung der Schallemissionen von Unterschallluftfahrzeugen72 sowie der Richtlinienvorschlag der Kommission zur Begrenzung der Stickoxidemissionen ziviler Unterschall-Strahlflugzeuge. 73
tät von Otto- und Dieselkraftstoffen und zur Änderung der Richtlinie 931l2IEWG des Rates, ABI. Nr. L 350,58. 70 VgI. Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 70/156/EWG des Rates vom 6. 2. 1970 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Betriebserlaubnis für Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger, ABI. Nr. L 42, 1. 71 Vom EuGH bestätigt im Urt. v. 14. 7. 1998, Rs. C-389/96 (Aher-Waggon I Deutschland), Slg. 1998,1-4473, Rn. 15. 72 Richtlinie 80/51IEWG des Rates vom 20. 12. 1979 zur Verringerung der Schallemissionen von Unterschalluftfahrzeugen, ABI. Nr. L 18,26. 73 VgI. Art. 2 des Vorschlags der Kommission vom 22. 1. 1998 für eine Richtlinie des Rates zur Begrenzung der Stickoxidemissionen durch zivile UnterschallStrahlflugzeuge, ABI. Nr. C 108, 14.
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Allgemein nur Mindestanforderungen setzt die Gemeinschaft im anlagenbezogenen Immissionsschutzrecht, 74 im Gewässerschutzrecht, 75 im Abfallreche6 sowie im flächen- und artenbezogenen Naturschutzrecht. 77 Das Konzept der alternativen Harmonisierung findet nur gelegentlich Anwendung, wie z.B. in Art. 6 Abs.3 der Gewässerschutz-Rahmenrichtlinie 76/464, in dem das Gemeinschaftsrecht den Mitgliedstaaten alternativ die Anwendung von Emissionsgrenzwerten und von Wasserqualitätsgrenzwerten gestattet. b) Mitgliedstaatliche Spielräume aa) Vorteile optioneller gegenüber abschließenden Harmonisierungen Im Ergebnis bietet die Option innerstaatlicher Regelungen auf höherem Schutzniveau lediglich die Möglichkeit, quasi-freiwillige höhere mitgliedstaatliehe Standards zu setzen. Damit haben diese Standards eine ähnliche Wirkung wie staatlich anerkannte Selbstverpflichtungen der Industrie. Für den Binnenmarkt fUhrt dies zu keiner Einschränkung, die Regelungstechnik eröffnet jedoch einen - wenn auch geringen - Spielraum fiir regulatorische Experimente der Mitgliedstaaten. Damit kann sich ein Mitgliedstaat auf zwei Wegen als Wegbereiter schärferer Umweltschutzanforderungen erweisen: Zum einen kann das "Austesten" höherer Standards eine Vorbildwirkung auf andere Mitgliedstaaten haben und damit Mehrheiten fiir neue Rechtsakte vorbereiten. Zum anderen bieten höhere innerstaatliche Anforderungen Anreize fiir die beteiligten Industrien, die erforderlichen technischen Voraussetzungen zu schaffen und sich außerdem fiir eine Ausdehnung der Regelungen auf alle Mitgliedstaaten zur Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen auf höherem Niveau einzusetzen. 78 74 Vg\. z.B. Art. 4 der Richtlinie 84/3601EWG des Rates vom 28. 6. 1984 zur Bekämpfung der Luftverunreinigung durch Industrieanlagen, AB\. Nr. L 188, 20. 7' Vg\. z.B. Richtlinie 75/440 über die Qualitätsanforderungen an Oberflächenwasser rur die Trinkwassergewinnung in den Mitgliedstaaten; GewässerschutzRahmenrichtlinie 76/464. 76 Vgl. z.B. Richtlinie 75/442IEWG des Rates vom 15 . 7. 1975 über Abfalle, AB\. Nr. L 194 vom 25. 7. 1975, 39, zu\. geänd. durch Entscheidung 96/3501EG der Kommission vom 24.5. 1996, ABI. Nr. L 135,32. 77 Vgl. Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. 5. 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen, ABI. Nr. L 206, 7; Art. 14 der Richtlinie 79/409; vgl. zu letzterer Bestimmung jedoch die einschränkende Auslegung in EuGH, Urt. v. 23. 5. 1990, Rs. C-169/89, (Gourmetterie Van den Burg)Schottisches Moorschneehuhn, Slg. 1990,1-2143, Rn. 12 (dazu näher unten). 78 Der EuGH hat den Spielraum fiir optionelle Harmonisierungen neuerdings in seinem Urt. v. 12. 10. 2000, Rs. C-3/99 (Cidrerie Ruwet SA /Cidrerie Stassen SA), Slg. 1999,1-8749 eingeschränkt: Belgien hatte die optionellen Vorgaben einer Richtlinie als
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bb) Spielräume neben abschließenden, optionellen oder Mindestharmonisierungen Richtlinien, die abschließende, optionelle oder Mindestharrnonisierungen enthalten, beschränken die mitgliedstaatliche . Rechtssetzung nur hinsichtlich der von der jeweiligen Richtlinie geregelten Stoffe, Anforderungen und Ziele. Gleiches gilt für Verordnungen, die ihrer Struktur und ihrem Inhalt nach in sich abschließende zwingende Regelungen enthalten. Im stoff- und produktbezogenen Bereich greift die Sperrwirkung des gemeinschaftlichen Umweltrechts dann nicht, wenn das Sekundärrecht den mitgliedstaatlich geregelten Stoff bzw. das Produkt oder eine bestimmte Verwendungsart von diesen nicht erfasst; 79 Gleiches gilt, wenn eine Öffnungsklausel für mitgliedstaatliche Bestimmungen zu solchen Stoffen, für die die sekundärrechtliche Bestimmung keine Grenzwerte o.ä. vorsieht, besteht. 80 Vorschriften über das Inverkehrbringen bestimmter Stoffe verbieten nicht notwendig die Anwendung mitgliedstaatlicher Bestimmungen über die Verwendung der Stoffe, insbesondere als Inhaltsstoffe in Produkten.8l Zwingende Vorgaben hinsichtlich Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung lassen den Mitgliedstaaten Raum für Beschränkungen von Herstellung und Verwendung der geregelten Stoffe oder zu Anforderungen an die Qualiflkation von Personen, die mit den Stoffen in Kontakt kommen, sofern nicht durch umfassende Verbote die Verpflichtung zur Zulassung der richtlinienkonformen Stoffe umgangen wird. 82
zwingende Vorgaben umgesetzt, der EuGH erachtete den Ausschluss anderer Optionen (packungsgrößen von Getränken) jedoch als mit Art. 28 unvereinbar. Damit wird die optionelle de facto zur Mindestharmonisierung, vgl. Vincent Kronenberger, Optional Harmonisation and Free Movement of Goods (Cidrerie Ruwet SA ./. Cidrerie Stassen SA, ECI of 12 October 2000, C-3/99), ELR 2000,437,439. 79 VgI. z.B. EuGH, Urt. v. 19. 9. 1984, Rs. C-94/83 (Heijn), Sig. 1984,3263: Mitgliedstaaten zur Regelung von Höchstgehalten des Stoffes in Lebensmitteln zulässig, da dieser Stoff in der einschlägigen Richtlinie 76/8951EWG des Rates vom 23. 11. 1976 über die Festsetzung von Höchstgehalten an Rückständen von Schädlingsbekämpfungsmitteln auf und in Obst und Gemüse, ABI. Nr. L 340, 26; EuGH, Urt. v. 22. 6. 2000, Rs. 318/98 (Fomasar), Sig. 2000, 1-4785, Rn. 34 f1, 48: Mitgliedstaaten können auch nicht im Anhang I der Richtlinie 911689IEWG des Rates vom 12. 12. 1991 über gefaluliche Abfalle, ABI. Nr. L 377, 20, genannte sonstige Abfalle für ihr Territorium als gefahrlich einstufen, wenn sie die in Anhang III der Richtlinie genannten Eigenschaften als gegeben ansehen. 80 VgI. EuGH, Urt. v. 5. 10. 1977, Rs. 5/77 (Tedeschi-Denkavit), Slg. 1977, 1555, Rn. 21; EuGH, Urt. v. 7. 11. 1989, Rs. C-125/88 (Nijman), Slg. 1989,3533, Rn. 7 f., 10. 8\ VgI. U. Becker, Gestaltungsspielraum, 119 f. 82 VgI. Achilles Skordas, Umweltschutz und freier Warenverkehr im EWG-Vertrag und GATT, Steinbach 1986, 131 f.; Pernice, Gestaltung und Vollzug, 419; U. Becker, Gestaltungsspielraum, 124 m.w.N.
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Regelungen mit eigenständiger, von der Richtlinie nicht erfasster Zielsetzung sind grundsätzlich nicht versperrt, soweit die mitgliedstaatlichen Schutzziele mit dem EG vereinbar sind. 83 Eine bloße Rahmenrichtlinie schließt mitgliedstaatliche Regelungen nicht aus. Diese Maßstäbe hat der EuGH in seiner Entscheidung Too/ex Alpha aus dem Jahr 2000 noch einmal bestätigt. Das maßgebliche Gemeinschaftsrecht enthält im fiir die Entscheidung maßgeblichen Bereich Vorschriften über die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe, über Beschränkungen des Inverkehrbringens und der Verwendung gefährlicher Stoffe und zur Bewertung und Kontrolle der Risiken chemischer Altstoffe. Schweden erließ ein Verbot des Inverkehrbringens und der Verwendung von Trichlorethylen. Im Gemeinschaftsrecht ist dieser Stoff nach seiner Gesundheitsschädlichkeit und Umweltgefährlichkeit als krebserzeugend eingestuft; außerdem hat eine Risikobewertung erhebliche Risiken fiir Mensch und Umwelt ergeben. Das Gemeinschaftsrecht enthält jedoch keine Beschränkungen des Inverkehrbringens dieses Stoffes. Die Kommission machte im Verfahren geltend, die vorhandenen drei Regelungssysteme des Gemeinschaftsrechts (EinstufungIV erpackung/Kennzeichnung, InverkehrbringenIVerwendung sowie Risikobewertung und -kontrolle) böten ein hinreichendes Schutzniveau und machten ein nationales Verbot des Stoffes überflüssig. 84 Der EuGH reduzierte hingegen die einzelnen Richtlinien auf ihren jeweiligen Regelungsbereich und kam so zu dem Ergebnis, dass die drei Regelungssysteme einem mitgliedstaatlichen Verbot des Stoffes nicht entgegenstanden. 85 Weitreichende Spielräume genießen die Mitgliedstaaten außerdem im Bereich immissionsbezogener sowie umweltqualitätsbezogener Standards, die die oben beschriebenen produktbezogenen Standards, z.B. im Verkehrsbereich, ergänzen. 86 Diese Spielräume beziehen sich auf die Art und Weise der Verwirklichung der Anforderungen der Richtlinie, die dort nur als "geeignete Maßnahmen" oder "erforderliche Maßnahmen" umschrieben sind. 87
83 Vgl. EuGH, Urt. v. 8. 11. 1979, Rs. 251178 (Denkavit Futtermittel), Slg. 1979, 3369, Rn. 13 Cf., 20: Eine Futtermittelrichtlinie, die keine Vorbeugung gegen Salmonellen umfasst, schließt eine mitgliedstaatliche Regelung hierüber auf der Basis des Art. 30 (ex-Art. 36) nicht aus. 84 Vgl. EuGH, Urt. v. 11. 7. 2000, Rs. C-473/98 (Toolex Alpha AB), Sig. 2000, 15681, EuZW 2000,638, Rn. 27. 8S Ebd., Rn. 29 Cf. 86 Vgl. Michael Ronellenjitsch/Heike Delbanco, Verkehrsbezogene Regelungen (Kraftfahrzeuge), in: Rengeling (Rrsg.), EUDUR, § 52, Bd. II, 150 ff., 151. 87 Vgl. z.B. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 801779IEWG des Rates vom 15. 7. 1980 über Grenzwerte und Leitwerte der Luftqualität für Schwefeldioxid und Schwebestaub, ABI. Nr. L 229, 30; Art. 3 Abs. 1, Art. 4 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 der Richtli-
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Teil4: Handlungsspielräume der EG-Mitgliedstaaten
c) Bedeutung des Binnenmarktbezugs einer Regelung
Betrachtet man die Rechtsprechung des EuGH zur Sperrwirkung umweltbezogener Rechtsakte der Gemeinschaft, so verstärkt sich der anhand der stoffund produktbezogenen Richtlinien gewonnene Eindruck von der Bedeutung der Binnenmarktrelevanz einer Regelung. Weist eine Regelung einen Bezug zum Binnenmarkt auf, so neigt der EuGH zu einer Auslegung, die zu einer möglichst geringen Beeinträchtigung des innergemeinschaftlichen Handels fUhrt. Solche Richtlinien sind daher regelmäßig auch gegenüber weitergehenden umweltschutzbezogenen Regelungen abschließend. In der Rechtssache VA G Sverige AB äußerte sich der EuGH zum abschließenden Charakter der harmonisierten technischen Anforderungen an Kraftfahrzeuge. S8 Die Rahmenrichtlinie 70/156 sieht ein Typengenelunigungsverfahren vor mitgliedstaatlichen Behörden vor, in dem die Übereinstinunung eines Kraftfahrzeugtyps mit den technischen Anforderungen der über 40 Ausführungsrichtlinien festgestellt wird. Die Genelunigung gilt für die gesamte Gemeinschaft. Für die Zulassung einzelner Fahrzeuge legt der Hersteller eine Bescheinigung der Übereinstimmung mit dem genelunigten Typ (EGÜbereinstimmungsbescheinigung) vor. Die schwedischen Behörden verlangten eine mit weiterem Dokumentations- und Kostenaufwand verbundene eigenständige Übereinstimmungserklärung für die Einhaltung der schwedischen Abgasverordnung (Bilavgasfdrordning, BAF). Nach der BAF haben Hersteller bei Fahrzeugen bis fünf Jahren Alter oder 80.000 km Laufleistung kostenlose Reparaturen vorzunehmen, wenn ein Fahrzeug nicht den Abgasvorschriften entspricht. Die gesonderte Übereinstinunungserklärung sollte den Behörden die zur Durchfiihrung und Kontrolle erforderlichen Informationen verschaffen. Die Rahmeinichtlinie 70/156 gebietet den Mitgliedstaaten, ein Fahrzeug "dann und nur dann" zuzulassen, wenn eine EG-Übereinstinunungsbestinunung vorliegt (Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 70/156). In Art. 7 Abs. 3 gestattet die Richtlinie jedoch eine Verweigerung der Zulassung, wenn die Sicherheit des Straßenverkehrs entgegensteht. Der EuGH schließt daraus, dass die Rahmenrichtlinie grundsätzlich eine abschließende Harrnonisierung enthält, die schärfere Anforderungen nur im Interesse der Sicherheit, nicht aber des Umweltschutzes, gestattet. S9
nie 1999/30/EG des Rates vom 22. 4. 1999 über Grenzwerte ror Schwefeldioxid, Stickstoffoxid und Stickstoffoxide, Partikel und Blei in der Luft, ABI. Nr. L 163, 41. 88 EuGH, Urt. v. 29. 5. 1997, Rs. C-329/95 (VAG Sverige AB), Slg. 1997,1-2675. 89 Ebd., Rn. 18 ff.
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In der Vorabentscheidungssache Aher-Waggon90 war lediglich aufgrund des eindeutigen Charakters des Sekundärrechts als Mindestanforderung anders' zu entscheiden. Ein aus Dänemark eingeführtes gebrauchtes Kleinflugzeug hielt zwar die Werte der einschlägigen Lännschutzrichtlinie ein, nicht aber jene der schärferen bundesdeutschen Bestimmungen. Der EuGH erklärte die Verweigerung der Zulassung für das Flugzeug durch die deutschen Behörden für rechtmäßig: Die Lärrnschutzrichtlinie der Gemeinschaft schrieb lediglich vor, die mitgliedstaatlichen Regelungen müssten "mindestens gleich den [im Anhang der Richtlinie] enthaltenen Anforderungen" sein. Dies schloss eine abschließende Regelung eindeutig aus. 91 Für Richtlinien, die bereits ausweislich ihres Wortlautes lediglich "Mindestanforderungen" festlegen, hat der EuGH dies mittlerweile bestätigt. 92 Eine Tendenz zum Schutz des Handels zwischen den Mitgliedstaaten lässt sich jedoch nicht nur im produktbezogenen Bereich des technikbezogenen Umweltrechts ausmachen, sondern auch im Naturschutzbereich, sofern eine Regelung einen Binnenmarktbezug aufweist. In der Vorabentscheidungssache Gourmetterie Van den Burg zur Rechtrnäßigkeit niederländischer Bestimmungen zum Schutz des schottischen Moorschneehuhns legte der EuGH die in ihrem Wortlaut weit gefasste Öffnungsklausel des Art. 14 der Vogelschutzrichtlinie 79/409 ("Die Mitgliedstaaten können strengere Schutzmaßnahmen ergreifen, als sie in dieser Richtlinie vorgesehen sind.") eng aus, so dass strengere Schutzrnaßnahmen nur für Zugvogelarten und bedrohte Arten, nicht aber für andere in der Richtlinie erwähnte Arten zulässig waren und den Niederlanden daher der Schutz des Moorschneehuhns, das weder ein Zugvogel noch bedroht war, durch abschließende Regelung versperrt war.93 Im Vorlageverfahren Vergy94 stellte der EuGH fest, dass der Schutz der Kanadagans, einer wild lebenden Vogelart, nach der Richtlinie geboten war, so dass es die Unterschutzstellung in französischen Vorschriften bereits nicht eine 90 EuGH, Urt. v. 14.7. 1998, Rs. C-389/96 (Aher-Waggon I Deutschland), Slg. 1998, 1-4473. 91 Ebd., Rn. 15; davon ging bereits das BVeIWG in seinem Vorlagebeschluss aus, ohne diese Frage dem EuGH überhaupt zur Entscheidung vorzulegen, vgl. EuGH, ebd., Rn. 12. Bei der anschließenden Überprüfung der Vereinbarkeit mit den Bestimmungen zur Warenverkehrsfreiheit eIWies sich die Regelung als verhältnismäßig. 92 Vgl. Art. 2 der Richtlinie 76/769 ("Die Mitgliedstaaten treffen alle zweckdienlichen Maßnahmen, damit die im Anhang aufgeführten gefährlichen Stoffe und Zubereitungen nur unter den dort angegebenen Bedingungen in den Verkehr gebracht oder velWendet werden (... )") in der Auslegung' des EuGH in EuGH, Urt. v. 11. 7. 2000, Rs. C-473/98 (Toolex Alpha AB), Slg. 2000, 1-5681, EuZW 2000, 638, Rn. 30 (obiter dictum). 93 Vgl. EuGH, Urt. v. 23. 5. 1990, Rs. C-169/89, (Gourmetterie Van den Burg) Schottisches Moorschneehuhn, Slg. 1990,1-2143, Rn. 9 ff. 94 EuGH, Urt. v. 8. 2. 1996, Rs. C.149/94 (Vergy), Slg. 1996,1-299.
32 Renner
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über die Schutzintensität des Gemeinschaftsrechts hinausreichende Maßnahme war. 9S In Gefangenschaft geschlüpfte und aufgezogene Exemplare dieser Spezies fielen hingegen nach der umweltpolitischen Zielsetzung der Richtlinie aus deren Anwendungsbereich heraus und konnten daher von den Mitgliedstaaten geregelt werden, so dass ein Verbot des Verkaufs dieser Exemplare nur an der Warenverkehrsfreiheit zu messen war. 96 d) Bedeutung von Umweltschutzgründen und des Subsidiaritätsprinzips bei der Beurteilung der Sperrwirkung Die Prüfung, ob eine mitgliedstaatliche Regelung einem ungestörten Funktionieren des Gemeinschaftsrechts entgegensteht (Funktionsstörung), eröffnet die Möglichkeit, auf die Zielsetzung einer abweichenden mitgliedstaatlichen Regelung Rücksicht zu nehmen. Gegenüber der Prüfung der Abgeschlossenheit der gemeinschaftlichen Regelung zeichnet sich die Prüfung einer Funktionsstörung bereits durch größere Flexibilität aus. Erstere erlaubt nur eine "Alles oder Nichts"-Lösung, die vornehmlich an der inneren Struktur der einschlägigen sekundärrechtlichen Regelung orientiert ist; letztere ermöglicht hingegen bei geringer oder nur potentieller Beeinträchtigung eine Abwägung mit legitimen Gründen der mitgliedstaatlichen Regelung, im Umweltbereich eine Abwägung mit den Umweltschutzzielen einer mitgliedstaatlichen Regelung. Eine solche Abwägung lässt sich zum einen mit der Anerkennung "zwingender Erfordernisse" wie des Umweltschutzes, als legitime Gründe rur mitgliedstaatliche Beeinträchtigungen der Warenverkehrsfreiheit97 begründen, zum anderen mit der hervorgehobenen Stellung des Umweltschutzgedankens in Art. 6, Art. 174, Art. 176 und Art. 95 Abs. 4. 98 Der EuGH erklärt zwar in ständiger Rechtsprechung, dass ein Rückgriff auf Rechtfertigungen wie die in Art. 30 genannten Gründe nicht möglich sei, wenn einer gemeinschaftliche Regelung Sperrwirkung gegenüber rnitgliedstaatlichem Recht zukommt;99 dies hindert jedoch nicht eine Berücksichtigung von Umweltschutzzielen bei der Beurteilung der Frage, ob eine Sperrwirkung wegen Störung des ungehinderten Funktionierens des Gemeinschaftsrechts eingreift. Für eine Berücksichtigung von Umweltschutzargumenten im Rahmen der Frage nach einer Funktionsstörung kann auch eine einheitliche Auslegung des Gemeinschaftsrechts, insbeEbd., Rn. 7 ff., 10. Ebd., Rn. 11 ff., 14. 97 Vgl. EuGH, Urt. v. 20. 2.1979, Rs. 120/78, (Rewe-Zentral AG / Bundesmonopolverwaltung ruf Branntwein) - Cassis de Dijon, Slg. 1979, 649, sowie unten § 19. 98 Vgl. Cross 467 f., 469. 99 Vgl. z.B. EuGH, Urt. v. 10. 12. 1985, Rs. 247/84 (Motte), Slg. 1985,3887, Rn. 16. 95
96
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sondere der alle Politiken der Gemeinschaft umfassende Charakter des durch den Arnsterdamer Vertrag neu geregelten Art. 6, herangezogen werden. Im Ergebnis spricht Einiges dafür, bei umweltschutzbezogenen rnitgliedstaatlicben Regelungen in Zweifelsfällen eine Vermutung für die Anwendbarkeit des rnitgliedstaatlichen Rechts gelten zu lassen. 100 Als Beleg aus der Rechtsprechung für die Möglichkeit einer solchen Abwägung lässt sich die Entscheidung des EuGH zur Vorabentscheidungsfrage in der Rechtssache Bessin et Sa/son 101 anführen. Der EuGH hatte bier u.a. darüber zu entscheiden, ob eine zwingende VeIjährungsfrist von drei Jahren für die Rückerstattung von Einfuhrzöllen die Ausübung des sekundärrechtlich gewährten Rückforderungsrechts derart erschwerte, dass die VeIjährungsregelung für unanwendbar zu erklären war. Der EuGH sah das Sekundärrecht nicht hinreichend beeinträchtigt. 102 Ohne dass das Gericht dies explizit äußert, liegt der Entscheidung offenbar eine Abwägung zwischen dem legitimen Interesse des Mitgliedstaates an einer Verjährungsregelung und der Länge der VeIjährungsfrist zugrunde. 103 Daneben erlaubt die Anwendung des flexibleren Prüfungs kriteriums der Funktionsstörung eine Einbeziehung des Subsidiaritätsprinzips des Art. 5 Abs. 2. Auch bier kann eine Geltungsvermutung für das rnitgliedstaatlicbe Rechts sprechen, sofern nicht belegt werden kann, dass das Ziel der konfligierenden Regelungen der beiden Ebenen besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden kann. 104
e) Zwischenergebnis Im Ergebnis lässt sich sowohl bei der Rechtssetzung im Umweltbereich als auch bei der Auslegung nicht eindeutiger Richtlinien durch den EuGH ein deutlicher Bezug zur Binnenmarktrelevanz einer Regelung ausmachen. Bedeu100
Cross 469 f.
101
EuGH, Urt. v. 9. 9. 1989, Rs. 386/87 (Bessin und SaIson), Sig. 1989,3551. Vgl.
Cross 468.
102 EuGH, Urt. v. 9. 9. 1989, Rs. 386/87 (Bessin und SaIson), Slg. 1989, 3551, Rn. 16 f.: "Insoweit hat der Gerichtshof ( ...) entschieden, dass (...) die Verfahrensmodalitä-
ten nicht darauf hinauslaufen dürfen, dass die Ausübung der durch das Gemeinschaftsrecht eingeräumten Rechte praktisch unmöglich wird. (...) Wenn die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats ein dreijährige Verjährungsfrist vorsehen und jede Möglichkeit einer Verlängerung wegen höherer Gewalt ausschließen, so stellt dies eine gesetzgeberische Entscheidung dar, die das erwähnte Gebot nicht beeinträchtigt." 103 Vgl. Cross 468. 104 Cross 467 f., 470. Eine Berücksichtigung der Subsidiarität des Handelns auf Gemeinschaftsebene ist jedoch auch in anderen Prüfungspunkten möglich. Ebd., 462 f. 32'
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tung fiir das Funktionieren des Binnenmarktes haben vor allem produktbezogene Regelungen, zu denen die meisten der frühen umweltrechtlichen Regelungen der Gemeinschaft zu rechnen sind. Spiehäume der Mitgliedstaaten entstehen vor allem durch den begrenzten Anwendungs- und Regelungsbereich der Richtlinien und besonders dort, wo zu anspruchsvollen Rahmenrichtlinien der Gemeinschaft nur wenige Einzelrichtlinien vorliegen. Im nicht produktoder stoffbezogenen Bereich beschränkt sich die Gemeinschaft regelmäßig auf Mindeststandards. Die Gestaltung der Sperrwirkung des Gemeinschaftsrechts bietet ein wichtiges Instrument zur Strukturierung des Binnenmarktes in der Gemeinschaft, auch durch den EuGH, der sowohl durch die Enge oder Weite des Prüfungsansatzes als auch durch die Wahl des Prüfungskriteriums eine gestalterische Funktion ausüben kann. Gegenüber der Feststellung einer abschließenden Regelung hat die Verdrängung wegen Funktionsstörung den Vorteil, nur bestimmte, nicht aber alle mitgliedstaatlichen Maßnahmen in ihrem Anwendungsbereich zu verdrängen, und damit gegebenenfalls eine Ersetzung durch eine weniger störende mitgliedstaatliche Regelung zu ermöglichen. l05 Andererseits mag die Bevorzugung des Kriteriums einer abschließenden Regelung im Sekundärrecht den Rechtssetzungsprozess im Rat beschleunigen und den (Integrations-)Druck auf fortschrittlichere Mitgliedstaaten zu Einigungen auf höherem Umweltschutzniveau erhöhen, da es für solche Mitgliedstaaten hier weniger Möglichkeiten gibt, trotz einer unbefriedigenden Regelung auf Gemeinschaftsebene auf mitgliedstaatlicher Ebene tätig zu werden. 106 In den frühen Stadien der Gemeinschaft hat der EuGH vielfach eher auf das klare ja/nein-Kriterien der abschließenden Wirkung zurückgegriffen. Dies mag auf die institutionelle Schwäche der Gemeinschaft, die programmatische Natur der Verträge sowie auf das Bestreben der Gemeinschaftsorgane zurückzuführen gewesen sein, die Möglichkeit zur Umgehung der Gemeinschaft durch intergouvernementale Vereinbarungen zu beschränken. 107
11. Primärrechtliche Abweichungsermächtigungen (Schutzverstärkungsklauseln) Der EG-Vertrag gewährt den Mitgliedstaaten seit Inkrafttreten der EEA an verschiedenen Stellen das Recht zu einem sog. nationalen Alleingang und gibt ihnen damit die Möglichkeit, strengere nationale Regelungen anzuwenden. Für die Maßnahmen der Gemeinschaft im Binnenrnarktbereich nach Art. 95 und im Vgl. Cross 467. Vgl. Cross 462. 107 V gl. Cappelletti/Golay 320.
lOS
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Umweltbereich gelten die sog. Schutzverstärkungsklauseln l08 der Art. 95 Abs. 4 und Art. 176. Beide Bestinunungen gestatten den Mitgliedstaaten allerdings lediglich schutzintensivere Maßnahmen, also Abweichungen "nach oben", wie sich aus dem Zusammenhang zwischen der umweltbezogenen Rechtfertigung nach Art. 95 Abs. 4 und der Verpflichtung der Gemeinschaft auf ein hohes Schutzniveau nach Art. 95 Abs. 3 bzw. unmittelbar aus dem Wortlaut des Art. 176 (" verstärkte Schutzmaßnahmen") ergibt. 109 Voraussetzung für die Anwendung der beiden Bestimmungen sowie allgemein für primär- oder sekundärrechtliche Abweichungsermächtigungen ist eine abgeschlossene sekundärrechtliche Regelung. 110 Hat die Gemeinschaft konkurrierende Kompetenz bisher nicht ausgeübt, so bedarf es ebenso wenig der Heranziehung einer Abweichungsermächtigung wie bei einer Teilharrnonisierung, die der konkreten rnitgliedstaatlichen Regelung nicht entgegensteht. 111
1. Abweichung von binnenmarktbezogenen Maßnahmen, Art. 95 Abs. 4 ff. EG a) Beibehaltung von Abweichungen, Art. 95 Abs. 4 EG
aa) Anwendungsbereich Konunt es bei Berücksichtigung der verschiedenen Entwicklungsstadien des Umweltschutzes in den Mitgliedstaaten zu einer Angleichung auf einem niedrigeren Schutzniveau als dem des am weitesten entwickelten Mitgliedstaates, so schützt Art. 95 Abs. 4 einen solchen Mitgliedstaat davor, sein Schutzniveau aufgeben zu müssen, selbst wenn dies zu Handeishennnnissen fUhrt. Harrnonisierungsmaßnahmen sollen keine "Nivellierung nach unten" bewirken. Die Abweichungserrnächtigung (sog. escape-Klausel) gilt zunächst bei allen Rechtsakten der Gemeinschaft, die sich auf die Rechtsgrundlage des Art. 95 stützen. Darüber hinaus findet sie auf Maßnahmen Anwendung, die vor dem 108 V g1. zum Begriff Andreas Middeke, Nationale Alleingänge, in: Rengeling (Hrsg.), EUDUR, § 32, Bd. I, 954 ff., Rn. 2. 109 Vg1. Pechstein 179; Middeke, Nationale Alleingänge, 964 m.w.N. in Fn. 45; 992 f. 110 V g1. CalliessIRufJert-Kahl, Art. 95 Rn. 20. Ob oder inwieweit eine abgeschlossene Maßnahme vorliegt, ist durch Auslegung zu ermitteln, die sich nach denselben Maßstäben wie oben I. beschrieben richtet. 111 V g1. Scheuing, Dieter H., Umweltschutz auf der Grundlage der Einheitlichen Europäischen Akte, EuR 1989,152,167; GrabitzlHilJ-GrabitzlNettesheim, Art. BOt Rn. 2; Kahl, Umweltprinzip und Gemeinschaftsrecht, 41; Vorwerk, Umweltpolitische Kompetenzen, 101.
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Inkrafttreten der EEA auf der Grundlage der Art. 94 oder Art. 308 ergangen sind, wenn und soweit diese heute auf Art. 95 zu stützen wären. 1I2 Der zentrale Grund für die Einführung der escape-Klausel (wie auch Art. 176 parallel hierzu) lag im Bedürfnis eines Ausgleiches fiir den Verlust des Vetorechts der Mitgliedstaaten im Rat durch die Einführung des Mehrheitsprinzips bei Art. 95 im Vergleich zu dem vor Inkrafttreten der EEA einschlägigen Art. 94. 113 Entscheidungen nach Art. 95, damals ex-Art. 100a, waren nach der EEA vom Rat in Zusammenarbeit mit dem EP und nach Anhörung des Wirtschafts- und Sozialausschusses mit qualifizierter Mehrheit (Verfahren des Art. 205 Abs. 2, exArt. 148 Abs. 2) zu treffen. Ex-Art. 100 enthielt hingegen ein Einstimmigkeitserfordernis, räumte dem einzelnen Mitgliedstaat also ein Vetorecht gegen eine Mehrheit im Rat ein. Auf die Abweichungsermächtigung kann sich auch ein Mitgliedstaat berufen, der selbst fiir die Maßnahme der Gemeinschaft, von der er abweichen möchte, gestimmt hat: 114 Ein Mitgliedstaat kann sich in konsistenter Weise fiir eine Mindestharmonisierung aussprechen und dennoch weitergehende eigene Maßnahmen beibehalten. Andernfalls käme es zu der grotesken Situation, dass dieser Mitgliedstaat gegen die gemeinschaftliche Maßnahme stimmen müsste, um sich seinen Spielraum "nach oben" zu erhalten, und die Maßnahme daher möglicherweise wegen der Gegenstimmen umweltschutzinteressierter Mitgliedstaaten nicht zustande käme. 115
Vgl. Pechstein 179; Middeke, Nationale Alleingänge, Rn. 9 m.w.N. Vgl. Scheuing, Umweltschutz auf der Grundlage der EEA, 169. 114 A.A. GrabitzlHilj-Langeheine, Art. 100a Rn. 62: nur Schutznorm für majorisierte Mitgliedstaaten, andernfalls würde Einigung auf niedrigerem Schutzniveau begünstigt, hohes Schutzniveau soll aber vor allem durch Vorschläge der Kommission erreicht werden; Claus-Dieter Ehlermann, The Intemal Market Following the Single European Act, CMLR 24 (1987), 361, 394 f. 115 Vgl. Pechstein 180; Middeke, Nationale Alleingänge, Rn. 12 f. Die Neufassung des Art. 95 Abs. 4 ("wenn der Rat oder die Kommission eine Harmonisierungsmaßnahme erlassen hat") anstelle des alten Art. 100a Abs. 4 ("wenn der Rat mit qualifizierter Mehrheit eine Harmonisierungsmaßnahme erlassen hat" (Hervorhebung hinzugefügt) bestätigt dies (Vgl. Meinhard Schröder, Aktuelle Entwicklungen im europäischen Umweltrecht - unter besonderer Berücksichtigung des Vertrages von Amsterdam, NuR 1998,1,3), außerdem gebietet nach der Änderung durch den Amsterdarner Vertrag eine einheitliche Auslegung mit Art. 95 Abs. 5, dessen Bezugnahme auf sich neu ergebende Probleme eine Begrenzung durch das Abstimmungsverhalten des jeweiligen Mitgliedstaates ausschließt, eine solche Auslegung (Vgl. Jörg Gundei, Die Neuordnung der Rechtsangleichung durch den Vertrag von Amsterdarn - Neue Voraussetzungen für den ,,nationalenA11eingang",JuS 1999,1171,1174). 112 113
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bb) Materielle Voraussetzungen Art. 95 Abs. 4 setzt eine mitgliedstaatliche "Bestimmung" voraus, erfasst nach seinem Schutzzweck aber auch nicht-normkräftige, also konkretindividuell bestimmte sowie bloß faktische (und damit flexiblere) Abweichungen. 116 Mit der Rechtfertigung durch "wichtige Erfordernisse", den Schutz der Umwelt und der Arbeitswelt nimmt die Bestimmung auf Rechtfertigung für Einschränkungen der Warenverkehrsfreiheit ("zwingende Erfordernisse" und Art. 30 (ex-Art. 36), vgl. unten § 1611.) Bezug. In der Praxis wird regelmäßig ohne nähere Eingrenzung pauschal auf die Rechtfertigungsgründe des Art. 95 Abs. 4 verwiesen. 117 Die Diskussion, ob die Norm nur die Beibehaltung von zum Zeitpunkt der Harmonisierung bereits bestehenden abweichenden mitgliedstaatlichen Maßnahmen oder auch den Erlass neuer Regelungen deckt,118 ist durch die Änderung des Vertragstextes von "Anwendung einzelstaatlicher Bestimmungen" (ex-Art. 100a Abs.4) in "einzelstaatliche Bestimmungen beizubehalten" im Arnsterdamer Vertrag im Sinne einer Begrenzung auf bestehende Abweichungen entschieden. Für die Neueinführung von Abweichungen gilt die neue Vorschrift des Art. 95 Abs. 5. Das mitgliedstaatliche Verhalten muss dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen, also tatsächlich dem Ziel eines effektiven Umweltschutzes dienen und zur Erreichung dieses Zieles erforderlich und angemessen sein. Der in Art. 95 Abs. 6 niedergelegte Prüfungsmaßstab, ob eine Maßnahme ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung oder eine verschleierte Handelsbeschränkung ist oder das Funktionieren des Binnenmarktes behindert, hat wie in Art. 30 S. 2 (ex-Art. 36) keine selbständige Bedeutung, sondern ist lediglich eine Konkretisierung der Verhältnismäßigkeitsprüfung. \l9 Dies schließt regelVgl. Middeke, Nationale Alleingänge, Rn. 17 m.w.N. V gl. Bestätigung der Kommission zur PCP-Abweichung der Bundesrepublik Deutschland, ABI. 1992, Nr. C 334, 8, zitiert nach Middeke, Nationale Alleingänge, Rn.20. 118 V gl. zu dieser Diskussion Hans D. Jarass, Binnenmarktrichtlinien und Umweltschutzrichtlinien: Zur Abgrenzung des Anwendungsfeldes und zu den Möglichkeiten nationalen Abweichens, EuZW 1991, 530, 532 m.w.N. in Fn. 30, sowie die Nwe. bei Middeke, Nationale Alleingänge, Rn. 14 f m. Fn. 38 ff., und Gunde11173, Fn. 34 f. 119 Vgl. EuGH, Urt. v. 14.7. 1983, Rs. 174/82 (Sandoz), Slg. 1983,2445, Rn. 18 f. (keine gesonderte Prüfung willkürlicher Diskriminierung/verschleierter Handelsbeschränkung neben Verhältnismäßigkeitsprüfung); ebenso EuGH, Urt. v. 10. 12. 1985, Rs. 247/84 (Motte), Slg. 1985,3887, Rn. 23 f; EuGH, Urt. v. 12.3.1987, Rs. 178/84 (Kommission / Bundesrepublik Deutschland) - Reinheitsgebot for Bier, Slg. 1987, 1227, Rn. 44 ff., 51 ff.; EuGH, Urt. v. 4.6. 1992, verb. Rs. C-13 und 113/91 (Debus)Schwefeldioxidgehalt im Bier, Slg. 1992,1-3614, Rn. 23 ff.; Astrid EpineylThomas M. J. Möllers, Freier Warenverkehr und nationaler Umweltschutz, 81 f. (willkürliche Diskri116
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mäßig Abweichungen aus, die sich einseitig zu Lasten von Waren aus anderen Mitgliedstaaten auswirken, da solche Regelungen zwar legitimen Schutzzwecken dienen könnten, jedoch regehnäßig weder geeignet noch erforderlich sein werden. 120
cc) Formelle Voraussetzungen Formell bedarf die mitgliedstaatliche Maßnahme einer konstitutiven Bestätigung (Genehmigung) der Kommission nach Art. 95 Abs. 6. Das Genehmigungsverfahren ist von dem Mitgliedstaat durch eine Mitteilung der beabsichtigten Abweichung an die Kommission gemäß Art. 95 Abs.4 einzuleiten, in der der Mitgliedstaat nach der Neufassung des EG im Arnsterdamer Vertrag die Gründe rur die beabsichtigte Beibehaltung mitzuteilen hat. Die Kommission holt Stellungnahmen der anderen Mitgliedstaaten ein, prüft die abweichende Maßnahme sodann umfassend auf ihre Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsreche 2l und entscheidet binnen sechs Monaten über die Genehmigung der Abweichung. Die Darlegungs- und Beweislast fiir die Zulässigkeit einer Abweichung als Ausnahme von der Regel der gemeinschaftsrechtlichen Harmonisierung liegt nach allgemeinen Prinzipien bei dem Mitgliedstaat,122 eine Beweislastumkehr zu Lasten der Kommission lässt sich auch nicht aus der Ausrichtung des EG auf einen bestmöglichen Umweltschutz herleiten, schon gar nicht angesichts der anderen Schutzzwecke des Art. 95 Abs. 4, rur die eine solche Herleitung nicht möglich ist. 123
minierung ist im Rahmen der Überprüfung der Zielrichtung einer Maßnahme als Teil der Geeignetheit zu überprüfen). A.A. GroebenIThiesingIEhlermann-Müller-Graff, Art. 36 Rn. 161 fI., der ein Auseinanderfallen beider Anforderungen z.B. dann annimmt, wenn europarechtlich nicht zu beanstandende Einfuhrkontrollen nur gegenüber Waren aus bestimmten Mitgliedstaaten angewandt werden. In einem solchen Fall wird die Einfuhrkontrolle jedoch keine geeignete Maßnahme darstellen, um die befürchtete Gefahr abzuwehren. Vgl. CalliessIRujfert-Epiney, Art. 30 Rn. 44. 120 Vgl. Martin Seidel, Umweltrecht der Europäischen Gemeinschaft - Träger oder Hemmnis des Fortschritts, DVBl. 1989,441,448; Jarass, Binnenmarktrichtlinien und Umweltschutzrichtlinien, 533. 121 Eine Begrenzung des Prüfungsumfangs auf spezifische Erwägungen des Art. 95 wäre nicht mit Inhalt und Schutzzweck der Art. 95 Abs. 4 ff. und Art. 211 vereinbar, da die Kommission sonst bestätigen müsste, was sie sogleich zu beanstanden hätte. Vgl. Middeke, Nationale Alleingänge, Rn. 33 m.w.N. 122 Vgl. Schlussanträge von Generalanwalt van Gerven, Rs. C-169/89, (Gourmetterie Van den Burg) - Schottisches Moorschneehuhn, Slg. 1990,1-2143,2157. 123 Middeke, Nationale Alleingänge, Rn. 34 m.w.N.; zur Gegenansicht Schröer, Kompetenzverteilung, 242; Kahl, Umweltprinzip und Gemeinschaftsrecht, 202; Furrer 262.
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Den Streit über die konstitutive oder bloß deklaratorische Bedeutung der Bestätigung durch die Kommission 124 hat der EuGH 1994 in seinem PCPUrteil zum schärferen deutschen Grenzwert für Pentachlorphenol (PCP) in Stoffen, Zubereitungen oder Erzeugnissen 125 im ersteren Sinne entschieden. 126 Eine abweichende mitgliedstaatliche Maßnahme darf ohne vorherige Bestätigung der Kommission nicht angewendet werden,127 was von der detaillierten Neugestaltung des Genehrnigungsverfahrens durch den Amsterdamer Vertrag in Art. 95 Abs.6 und dessen Formulierung ("zu billigen oder abzulehnen") bestätigt wird 128 und vom EuGH selbst mittlerweile bekräftigt wurde. 129 Der neue Art. 95 Abs. 6 UAbs. 2 sieht jedoch eine Genehrnigungsflktion nach Ablauf der sechsmonatigen Prlifungsfrist der Kommission vor; die Frist kann nach UAbs.3 lediglich einmal um maximal sechs weitere Monate verlängert werden. Ergänzend verpflichten Art. 95 Abs. 7 und 8 die Kommission zur Prüfung einer Anpassung des harmonisierten Standards an die schutzintensivere mitgliedstaatliche Maßnahme bzw. einer Neuregelung im Gesundheitsbereich. Gegen einen Mitgliedstaat, dessen abweichende Maßnalunen den formellen oder materiellen Voraussetzungen des Art. 95 Abs. 4 ff. nicht genügen, steht den anderen Mitgliedstaaten und der Kommission die Möglichkeit offen, gemäß Art. 95 Abs. 9 ohne das sonst nach Art. 226 f. erforderliche Vorverfahren unmittelbar den EuGH anzurufen. Aus politischen Gründen wird ein anderer Mitgliedstaat allerdings regelmäßig nicht direkt gegen den Mitgliedstaat, son124 Vgl. zu diesem Streit Middeke, Nationaler Umweltschutz im Binnenmarkt, 293; ders., Nationale Alleingänge, Rn. 35 Fn. 86 m.w.N. 125 EuGH, Urt. v. 17.5. 1994, Rs. C-41/93 (Frankreich / Kommission) - PCP, Slg. 1994, 1-1829. Die Bundesrepublik hatte seit 1989 in der PCP-Verbotsverordnung, BGBI. I 1989,2235, einen Grenzwert von 0,01% PCP festgelegt und hatte diesen beibehalten und nach Art. 95 Abs.4 (ex-Art. 100a Abs. 4) notifiziert, nachdem die Gemeinschaft mit der Richtlinie 91/1731EWG zur 9. Änderung der Richtlinie 761769IEWG über gefährliche Substanzen, ABI. 1991, Nr. L 85, 34, auf der Grundlage von Art. 95 (ex-Art. 100a) den Grenzwert auf 0,1 % harmonisiert hatte. Die Konunission bestätigte die deutschen Grenzwerte im Dezember 1992, ABI. 1992, Nr. C 334, 8. Auf die Klage von Frankreich erklärte der EuGH die Bestätigung aus formalen Gründen für nichtig, da die Kommission nicht die tatsächlichen und rechtlichen Gründe für die Vereinbarkeit der deutschen Abweichung mit Art. 95 Abs. 4 ff. dargelegt hatte und damit die Begründungspflicht nach Art. 253 (Art. 190) verletzt hatte. Ebd., Rn. 35 ff., 37. 126 Ebd., Rn. 28-30. 127 Ebd., Rn. 30. Roberto Hayder, Anmerkung (zu EuGH, Urt. v. 17.5. 1994, Rs. C41/93 (FrankreichIKommission) - PCP), EuZW 1994, 407; Jörn Schnutenhaus, Das Urteil des EuGH zum deutschen PCP-Verbot - schwere Zeiten für den nationalen Alleingang im Umweltrecht, NVwZ 1994, 875 f.; Viviane Fröhling, Die "PCP"- Entscheidung des EuGH: Gemeinschaftsrecht und "schärferes" nationales Umweltrecht - EuGH, NJW 1994,3341, JuS 1996,688,690. 128 V gl. Gundei 1174 f. 129 EuGH, Urt. v. 12.6. 1999, Rs. C-319/97 (Kortas), Slg. 1998,1-3143. Das Urteil erging noch zu ex-Art. 100a Abs. 4.
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dem - wie auch in der Rechtssache PCP - gegen die konstitutive Bestätigung der Konunission im Wege der Nichtigkeitsklage nach Art. 230 f. vorgehen. Die Bestätigung der Konunission ist von dieser gemäß Art. 253 hinsichtlich der tatsächlichen und rechtlichen Gründe der Vereinbarkeit mit dem EG umfassend zu begründen. 130 Diese Begründungspflicht wird allerdirtgs durch die Genehmigungsflktion im neuen Art. 95 Abs. 6 UAbs. 2 nach Ablauf der sechsmonatigen Prüfungs frist ausgehebelt. Die Genehmigungsflktion dient der beschleunigten Klärung der Rechtrnäßigkeit der Abweichung; dieses Ziel kann jedoch nur dann erreicht werden, wenn der Ablauf der Sechsmonatsfrist Rechtssicherheit vermittelt und die Entscheidung der Konunission vollständig ersetzt. Eirte Klage eirtes anderen Mitgliedstaates unter Berufung auf den Formfehler einer fehlenden Genehmigungsentscheidung oder einer fehlenden Begründung muss also ausgeschlossen seirt. 131 Damit kann sich jedoch die Konunission durch Verstreichenlassen der Sechsmonatsfrist ihrer Begründungspflicht entziehen. Allerdirtgs soll ein Mitgliedstaat nach Ansicht des EuGH eine Entscheidung der Kommission im Wege der Untätigkeitsklage nach Art. 232 (ex-Art. 175) erzwingen oder um einstweiligen Rechtsschutz nach Art. 243 (ex-Art. 186) nachsuchen können. 132 b) NeueinfUhrung von Abweichungen, Art. 95 Abs. 5 EG
Der Amsterdamer Vertrag hat mit dem neuen Art. 95 Abs. 5 eirte neue Vorschrift geschaffen, die es den Mitgliedstaaten unter gegenüber Art. 95 Abs.4 deutlich strengeren Voraussetzungen ermöglicht, auch nach Erlass binnenmarktbezogener Rechtsakte der Gemeinschaft davon abweichende schutzintensivere Maßnahmen neu einzufiihren. Art. 95 Abs. 5 begrenzt die möglichen Rechtfertigungsgründe auf den Umweltschutz und den Schutz der Arbeitswelt. Angesichts der Weite des Umweltschutzbegriffs der Gemeirtschaft in den Grundsätzen der Gemeirtschaft, irt Art. 174 sowie im Sekundärrecht und den Überschneidungen zwischen Umwelt- und Gesundheitsschutz eröffnet die Bezugnahme auf den Umweltschutz jedoch eirten weiten Bereich von Abweichungsmöglichkeiten. Art. 95 Abs. 5 begrenzt Alleirtgänge zusätzlich nach der Art der zu lösenden Problernlage und nach dem Zeitpunkt von deren Bekanntwerden: Erstens muss es sich um eine Problernlage handeln, die aufgrund besonderer Umstände entsteht und daher nicht in allen Mitgliedstaaten gleichermaßen vorkommt ("speziflsche[ s] Prob130 EuGH, Urt. v. 17. 5. 1994, Rs. C-41193 (FrankreichIKommission) - PCP, Slg. 1994,1-1829, Rn. 35 f 131 Im Erg. ebenso GundeI, JuS 1999,1171,1175. 132 EuGH, Urt. v. 12.6. 1999, Rs. C-319/97 (Kortas), Slg. 1998,1-3143, Rn. 35 ff.
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lern für diesen Mitgliedstaat"). Zweitens gilt die zeitliche Beschränkung, dass ein Problem nur dann eine Abweichung begründen kann, wenn es sich erst "nach dem Erlass der Harmonisierungsmaßnahmen ergibt" und sich die zu seiner Lösung zu erlassende mitgliedstaatliche Regelung zudem auf "neue wissenschaftliche Erkenntnisse" stützen muss. Unter einem Problem, das sich nachträglich ergibt, ist dabei bei sachgerechter Auslegung sowohl ein erst nachträglich entstandenes als auch ein erst nachträglich erkanntes Problem zu verstehen. Gerade Umweltprobleme entstehen in der Regel nicht neu, sondern werden lediglich bekannt. Für diese Auslegung spricht auch die Bezugnahme auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse. Abweichungen nach Art. 95 Abs. 5 stehen außerdem unter den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Formell bedürfen diese Abweichungen derselben konstitutiven Bestätigung (Genehmigung) durch die Kommission nach Art. 95 Abs. 6; bei der Notiflzierung einer beabsichtigten Maßnahme hat der Mitgliedstaat ebenfalls die Gründe hierfür mitzuteilen, auch hier greift die Genehmigungsflktion bei Überschreitung der sechsmonatigen PIÜfungsfrist. c) Zwischenergebnis
Schutzverstärkungsklauseln gewähren den Mitgliedstaaten geeignete Spielräume für weitergehende Maßnahmen und für ein "Austesten" als Vorreiter für die gesamte Gemeinschaft. Einseitige Maßnahmen können jedoch mit erheblichen Standortnachteilen verbunden sein. Dem gegenüber vermindert die Festlegung eines hohen Schutzniveaus einerseits die Stützung des gemeinschaftlichen Umweltschutzsysterns wegen der genannten Nachteile häufig unterlassene mitgliedstaatlichen Alleingänge, andererseits die Gefahr verdeckter Handeishemmnisse in solchen Alleingängen. Sie vermittelt daher in geeigneter Weise zwischen dem Umweltschutz und dem Schutz des Handelsverkehrs. Das PCP-Urteil ist teilweise als Erschwerung des Umweltschutzes in der Gemeinschaft kritisiert worden. 133 Denn die Drohung fortschrittlicherer Mitgliedstaaten wie Deutschlands und Dänemarks mit einem nationalen Alleingang im nichtharmonisierten Bereich diente früher als "Katalysator" rur eine Einigung im Rat auf höherem Schutzniveau. Mit der Einfiihrung des Mehrheitsprinzips in Art. 95 verlor dieses Druckmittel- soweit es funktionierte - an Gewicht. Ein praktisches Hindernis der primärrechtlichen Einräumung der Möglichkeit zum nationalen Alleingang mag zudem sein, dass die Kommission zur Begründung ihrer Bestätigung letztlich gegen die von ihr selbst vorge133
Vgl. z.B. Fröhlillg 690 f.; Schllutellhaus 875.
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schlagene, gemäß Art. 95 Abs. 3 an einem hohen Umweltschutzniveau orientierte Harmonisierungsmaßnahme argumentieren muss. 134 Umgekehrt mag die Beschränkung der Abweichungsmöglichkeit auf nachträglich entstandene oder erkannte Probleme und ihre Absicherung durch das Erfordernis wissenschaftlicher Erkenntnisse zur Stärkung der Verpflichtung der Rechtssetzungsorgane auf ein hohes Schutzniveau im Umweltschutz nach Art. 95 Abs. 3 beitragen. Denn sie nimmt einem Mitgliedstaat, der bisher über keine Regelung des jeweiligen Sachproblerns verfUgte (die er nach Art. 95 Abs. 4 beibehalten könnte) die Möglichkeit, im Rat einer Harmonisierung auf einem kleinen Nenner zuzustimmen und gleichzeitig oder im Anschluss daran eine eigene, auf einem angemessenen, höheren Schutzniveau stehende Regelung zu erlassen. Der Mitgliedstaat wird in der Regel auch keine Möglichkeit haben, "im letzten Moment" strengere Regelungen zu erlassen, die er nach Art. 95 Abs. 4 beibehalten· könnte, da solche Normen in der Regel als technische Vorschriften nach der Richtlinie 98/34 135 zu notifizieren sind und die Kommission einen Aufschub der mitgliedstaatlichen Norm unter Verweis auf den laufenden Rechtssetzungsprozess in der Gemeinschaft fordern kann. Art. 95 Abs.7 und 8, die bei Abweichungen sowohl nach Art. 95 Abs.4 als auch nach Art. 95 Abs. 5 gelten, tragen ebenfalls zur Stärkung der Schutzniveauklausel bei, indem sie die Kommission zur Prüfung verpflichten, ob die Gemeinschaft ihr Schutzniveau "nach oben" anpassen soll und sie damit fiir eine Nichtanpassung unter Begründungszwang setzen.
2. Abweichung von umweltbezogenen Maßnahmen, Art. 176 EG Anders als Art. 94 und Art. 95 dienen die Vorschriften in Titel XIX des EG nicht der Rechtsharmonisierung in der Gemeinschaft. Daher eröffnet Art. 176 einen gegenüber Art. 95 Abs. 4 einfacheren Weg fUr mitgliedstaatliche Abweichungen "nach oben". Dieser wesentliche Unterschied zur Abweichung von binnenmarktbezogenen Maßnahmen liegt im formellen Bereich. Mitgliedstaatliehe Abweichungen von umweltbezogenen Rechtsakten sind zwar seit Inkrafttreten des EUV gemäß Art. 176 S. 3 der Kommission zu notiflZieren, bedürfen aber anders als in Art. 95 Abs. 6 keiner Genehmigung der Kommission. Beharrt ein Mitgliedstaat daher auf materiell rechtswidrigen mitgliedstaatlichen Abweichungen, so muss die Kommission ihrerseits eine Aufsichtsklage nach Art. 226 anstrengen. Die Beweislast fiir die Rechtmäßigkeit der Abweichung VgI. Schnutenhaus 875 f. Richtlinie 98/34/EG des Rates vom 22. 6. 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften, ABI. 1998, Nr. L 204, 37 i.d.a.F. (Die Richtlinie ersetzt als vollständige Neufassung die frühere Richtlinie 83/189/EWG, ABI. 1983, Nr. L 109,8). 134
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obliegt allerdings auch hier dem Mitgliedstaat. 136 Der Unterschied zu Abweichungen von binnenmarktbezogenen Maßnahmen erklärt sich aus den regelmäßig geringeren Auswirkungen umweltbezogener Maßnahmen auf den Handeisverkehr. 137 So kann einerseits die Einigung auf einen Mindeststandard im Umweltschutz bei Maßnahmen nach Art. 175 erleichtert werden, andererseits ermöglicht die Regelung bestmöglichen Umweltschutz in den Mitgliedstaaten. Entsprechend der Rechtslage bei Art. 95 Abs.4 gilt die Abweichungsermächtigung des Art. 176 neben Rechtsakten auf der Grundlage des Art. 175 auch im Bereich von Maßnahmen, die vor der EEA auf der Basis von Art. 94/Art. 308 ergangen sind und heute auf Art. 175 zu stützen wären. 138 Zweifelsfälle sind nach dem Prinzip des bestmöglichen Umweltschutzes zu Gunsten einer möglichst weitgehenden Verwirklichung dieses Prinzips zu entscheiden.139 Auch die Möglichkeit zur Berufung auf Art. 176 ist vom Abstimmungs verhalten des Mitgliedstaats beim Erlass der Gemeinschaftsmaßnahme nach Art. 175 unabhängig. Anders als Art. 95 Abs. 4 gestattet Art. 176 nicht nur die "Beibehaltung" bestehender Bestimmungen, sondern ausdrücklich auch die "Ergreifung", also den Neuerlass, abweichender Regelungen. Materiell müssen Abweichungen gemäß Art. 176 "mit diesem Vertrag vereinbar sein." Nach diesem Wortlaut ist die mitgliedstaatliche Maßnahme allein am Maßstab des Primärrechts einschließlich der allgemeinen Rechtsgrundsätze des EG-Rechts zu messen. Dies entspricht auch Sinn und Zweck der Regelung: Sekundärrecht ist nicht als Prüfungsmaßstab heranzuziehen, da sich auch die Maßstäbe fiir die Überprüfung des Sekundärrechts aus dem Prirnärrecht ergeben und das Prirnärrecht keine weiteren Vorgaben fiir Alleingänge macht. 140 Als Rechtfertigungsgrund kann nach dem Sachzusammenhang mit Art. 175 nur die Verbesserung des Umweltschutzes herangezogen werden. 141 Die mitgliedstaatliehe Maßnahme muss verhältnismäßig sein, darf also insbesondere keine verschleierte Handelsbeschränkung bezwecken.
Vgl. Middeke, Nationale Alleingänge, Rn. 84. Vgl. Peter-Christian Müller-Graff, Die Rechtsangleichung zur Verwirklichung des Binnenmarktes, EuR 1989, 107, 144; Middeke, Nationale Alleingänge, Rn. 83. 138 V gl. Pechstein 179; Middeke, Nationale Alleingänge, Rn. 70; GrabitzlHilJGrabitziNettesheim, Art. BOt Rn. 8. 139 Vgl. Kahl, Umweltprinzip und Gemeinschaftsrecht, 218 ff.; Schröer, Kompetenzverteilung, 219; Epiney/Mö//ers 63; Middeke, Nationale Alleingänge, Rn. 71. 140 Vgl. Kahl, Umweltprinzip und Gemeinschaftsrecht, 41; Vorwerk 104; Middeke, Nationale Alleingänge, Rn. 78 m.w.N. zu den Gegenansichten in Fn. 171 und 173. 141 Vgl. Jarass, Binnenmarktrichtlinien und Umweltschutzrichtlinien, 533; Middeke, Nationale Alleingänge, Rn. 79. 136
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3. Mitgliedstaaten als Sachwalter des Gemeinschaftsinteresses Ergänzend ist darauf zu verweisen, dass die Mitgliedstaaten im Bereich abschließender sekundärrechtlicher Regelungen aufgrund von Art. 10 auch bei bestehendem Sekundärrecht mit Sperrwirkung in Ausnalunefallen als Sachwalter des Gemeinschaftsinteresses (wie im Bereich der Nichtexistenz von sekundärem Gemeinschaftsrecht allgemein anerkannt l42) handeln können, wenn eine wichtige Einzelfrage nicht geregelt ist, aber einer raschen Lösung bedarf. 143
4. Zulässigkeit anderer Schutzinstrumente als Schutzverstärkungen Streitig ist, ob sich die Mitgliedstaaten für Schutzverstärkungsrnaßnalunen des Instrumentariums der zugrunde liegenden Richtlinie bedienen müssen und lediglich Grenzwerte absenken oder gemeinschaftsweite Beschränkungen zu vollständigen Verboten verstärken dürfen oder ob sie auch andere Instrumente, die einen weitergehenden Schutz versprechen, anwenden können. Nach einer Ansicht müssen "verstärkte Schutzmaßnalunen" im Sinne des Art. 176 gleichartig sein, da Gemeinschaft und andere Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben müssten, zu dem "vorgepreschten" Mitgliedstaat aufzuschließen und die Einheitlichkeit der Regelungen so wiederherzustellen. 144 Für Art. 95 Abs. 4 und 5 müsse diese Argumentation wegen des dortigen Bezugs zur Harmonisierung binnenrnarktrelevanter Vorschriften erst Recht gelten. Außerdem lasse ich bei einer anderen Instrumentierung nicht stets mit Sicherheit feststellen, ob die mitgliedstaatliche Maßnalune wirklich wirksamer sei. 145 Diese Argumente sind jedoch nicht stichhaltig. Wenn die anders instrumentierte Schutzverstärkung in einem Mitgliedstaat mit der Grundregelung vereinbar ist, so steht sie grundsätzlich auch einem Nachziehen der Gemeinschaft oder anderer Mitgliedstaaten nicht entgegen. Die Gegenansicht beschränkt ohne Not instrumentelle Experimente in fünfzehn Mitgliedstaaten. Die von der Gegenansicht befürchteten Handelsbeschränkungen durch schutzintensivere Maßnalunen 146 werden über das Erfordernis der Vereinbarkeit mit dem Vertrag eliminiert. Da die Darlegungslast für die Wirksamkeit der rnitgliedstaatlichen Regelung bei dem jeweiligen Mitgliedstaat liegt,147 droht auch keine Erosion V gl. oben § 17 H. 2. Vgl. Furrer 124; Jarass, Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaft, 32. 144 GroebenlThiesingIEhlermann-Krämer, Art. BOt Rn. 8 f. 145 GrabitziHi/f-GrabitzINettesheim, Art. BOt, Rn. 13. 146 Vgl. hierzu die Beispiele bei GroebeniThiesingIEhlermann-Krämer, Art. BOt Rn. 9, die eine solche Befurchtung nahe legen. 147 Dies erkennen auch GrabitzIHi/f-GrabitziNettesheim, Art. BOt Rn. 13. 142
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sekundärrechtlicher Schutzstandards durch nur scheinbar schutzintensivere rnitgliedstaatliche Regelungen. Der offene Wortlaut der Regelungen in Art. 176 ("verstärkte Schutzmaßnahmen") und in Art. 95 Abs. 4 und 5 ("einzelstaatliche Bestimmungen") steht einer anderen Instrumentierung nicht entgegen. Schließlich kann auch die Sachwalterbefugnis der Mitgliedstaaten (oben 4.) nicht auf das vorhandene Instrumentarium begrenzt werden, wenn dieses nicht zur Bewältigung der neu entstandenen Problemlage geeignet ist. Dann ist es aber nicht einsichtig, warum die primärrechtlich ausformulierten Schutzverstärkungsklauseln eine instrumentelle Einschränkung enthalten sollten. 148 Zum gleichen Ergebnis kommt mittlerweile offenbar auch der EuGH, der im Vorlageverfahren Nederhoff im Jahr 1999 feststellte, dass die sekundärrechtliche Schutzverstärkungsklausel in Art. 10 der Gewässerschutz-Rahmenrichtlinie 76/464 anders gearteten Schutzverstärkungsmaßnahmen als den in der Richtlinie vorgesehenen Maßnahmen nicht entgegenstehe. 149 Die Niederlande folgten einer Verwaltungspraxis bei der Genehmigung von Einleitungen in Gewässer, nach der die Genehmigung nur bei Nichtverfügbarkeit einer die Umwelt weniger belastenden Alternative erteilt werden konnte, auch wenn diese Alternative mit höheren Kosten verbunden war. Die Gewässerschutz-Rahmenrichtlinie 76/464 sieht keine solche AltemativenpTÜfung oder ein ähnliches Instrument vor. Das Urteil muss als grundsätzliche Aussage über die Zulässigkeit andersartiger Schutzverstärkungsklauseln gelesen werden. Denn der Wortlaut der Schutzverstärkungsklausel des Art. 10 der Richtlinie 76/464 ("strengere als die in dieser Richtlinie vorgesehenen Bestimmungen") ist eher noch enger als der der Art. 176 und Art. 95 Abs. 4 und 5; die primärrechtlichen Schutzverstärkungsklauseln erfüllen dieselbe Funktion wie solche sekundärrechtlichen Klauseln.
III. Sekundärrechtliche Abweichungsermächtigungen Sekundärrechtlich sind dort Abweichungen von einem sekundärrechtlich festgelegten Standard möglich, wo entweder dieser Standard von vornherein nicht abschließend ist, also insbesondere im Fall einer Mindestharmonisierung, die den Mitgliedstaaten unbegrenzten Spielraum "nach oben" belässt, oder wo eine abschließende sekundärrechtliche Regelung mit einer sekundärrechtlichen Abweichungsermächtigung (Öffnungsklausel) versehen ist. Auch sekundärrechtliche Abweichungserrnächtigungen können nur dort Anwendung finden, wo eine abgeschlossene sekundärrechtliche Regelung des Gemeinschaftsrechts 148 149
Vgl. auch Vorwerk 100; Schröer, Kompetenzverteilung, 220. EuGH, Urt. v. 29. 9. 1999, Rs. C-232197 (Nederhofi), Slg. 1999,1-6385, Rn. 51
ff.,61.
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vorliegt. Nur dann bedarf es zur Durchbrechung der Sperrwirkung des sekundären Gemeinschaftsrechts der Abweichungsermächtigung. 150 Im Umweltrecht der Gemeinschaft finden sich einige solcher Abweichungsermächtigungen (unten 1.); solche Klauseln werden gefördert und gefordert durch sog. Schutzklauselgebote imPrimärrecht (unten 2.).
1. Vorhandene sekundärrechtliche Abweichungsermächtigungen im Umweltrecht Bereits die meisten umweltbezogenen Richtlinien vor Inkrafttreten der EEA und damit des Art. BOt (nun Art. 176) enthielten sekundärrechtliche Ermächtigungen zu strengeren Umweltschutzmaßnahmen. 151 Sekundärrechtliche Abweichungsermächtigungen lassen sich wie folgt gruppieren: Schutzverstärkungsk/auseln bilden die am wenigsten strenge Form sekundärrechtlicher Schutznormen, indem sie weder inhaltlich an eine besondere Gefahrensituation als Ausnahmefall geknüpft sind noch zeitlich eine nur vorläufige Abweichung gestatten. 152 Sie bilden die sekundärrechtliche Entsprechung zu den Schutzverstärkungsklauseln der Art. 95 Abs. 4 und 5 und Art. 176.
Beispiele für sekundärrechtliche Schutzverstärkungsklauseln sind Art. 12 der Titandioxid I-Richtlinie 78/176 ("Die Mitgliedstaaten können strengere als die in dieser Richtlinie vorgesehenen Vorschriften erlassen."), Art. 16 der Trinkwasserrichtlinie 80/778, Art. 2 der Richtlinie 82/884 betreffend den Bleigehalt in der Luft, Art. 5 der Richtlinie 85/203 über Luftqualitätsnormen für Stickstoffdioxid sowie Art. 9 der Asbestrichtlinie 87/217. Sekundärrechtliche Regelungsvorbehalte sind, wie auch die weiter unten (c» behandelten Schutzklauseln, an bestimmte Not- und Ausnahmesituationen in einem Mitgliedstaat gekoppelt, gestatten aber anders als diese zum einen nicht nur vorläufige, sondern auch dauerhafte Abweichungen von den Schutzstandards des Gemeinschaftsrechts, zum anderen sowohl schutzintensivere Abweichungen als auch geringere Schutzstandards als die der Gemeinschaft. Sie bilden so die Mittelposition der hier behandelten drei Typen von Schutznormen. 153
ISO Vgl. EuGH, Urt. v. 23. 5. 1990, Rs. C-169/89 (Gounnetterie Van den Burg) Schottisches Moorschneehuhn, Slg. 1990,1-2143, Rn. 7 ff. ISI Vgl. GroebeniThiesing/Ehlermann-Krämer, Vorbem. Art. l30r-t, Rn. 55. IS2 V gl. zur Terminologie Middeke, Nationale Alleingänge, Rn. 44. 153 V gl. hierzu und zur Terminologie der Regelungsvorbehalte und Schutzklauseln Middeke, Nationale Alleingänge, Rn. 44; Zuleeg, Vorbehaltene Kompetenzen der Mit-
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Ein Beispiel hierfür ist Art. 6 der Großfeuerungsanlagenrichtlinie 88/609, nach der ein Mitgliedstaat festlegen kann, dass die Emissionsgrenzwerte der Großfeuerungsanlagenrichtlinie in mit heimischer Braunkohle befeuerten Anlagen überschritten werden dürfen, wenn Braunkohle eine wesentliche Brennstoffquelle für die jeweilige Anlage darstellt und die Abweichung trotz Anwendung "bestmöglicher Technologie" aufgrund erheblicher Schwierigkeiten bei der Beschaffung dieses Brennstoffes erforderlich ist. Art. 8 der Gewässerschutzrichtlinie 75/440 gestattet den Mitgliedstaaten Abweichungen, wenn dies infolge von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen metereologischen oder geographischen Verhältnissen erforderlich ist. Weitere Beispiele sind Art. 8 der Badegewässerrichtlinie 76/160, Art. 9 der Trinkwasserrichtlinie 80/778, Art. 9 der Vogelschutzrichtlinie 79/409 sowie Art. 16 der Richtlinie 92/43 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume. Regelmäßig verpflichten die Richtlinien den abweichenden Mitgliedstaat zur Notiflzierung oder Abstimmung seines Verhaltens. [54 Schutzklauseln sind die in Art. 95 Abs. 10 genannten Schutznormen, die gegenüber anderen Schutznormen die engsten Spielräume vorsehen. Sie bilden Ausnahmetatbestände für sachlich eng begrenzte und zeitlich beschränkte mitgliedstaatliche Abweichungen bei besonderen Gefahrensituationen, in denen trotz Einhaltung der Schutzstandards des Gemeinschaftsrechts Gefahren für die Umwelt oder andere Schutzgüter im Sinne des Art. 30 in einem Mitgliedstaat drohen. 155 Sie sind nach dem in Art. 95 Abs. 10 be- und vorge~chriebenen Inhalt einem nachträglichen Kontroll- und Genehrnigungsverfahren unterworfen, das üblicherweise durch die Kommission durchgefiihrt wird. Schutzklauseln flnden sich z.B. in Art. 7 der Richtlinie 91/689 über gefahrliehe Abfalle, Art. 16 der Zweiten Gentechnikrichtlinie (Freisetzungsrichtlinie) 90/220 sowie in Art. 31 der Richtlinie 67/548 über die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe, Art. 14 der Kennzeichnungsrichtlinie 88/379 über gefährliche Zubereitungen, Art. 4 der Pflanzenschutzrnittelrichtlinie 79/117,156 Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie 91/414 über das Inverkehrbringen
gliedstaaten, 282; zur Terminologie auch die Richtlinien selbst, z.B. der als "Schutzklausei" überschriebene Art. 31 der Kennzeichnungsrichtlinie 67/548 über gefährliche Stoffe. IS4 V gI. z.B. Art. 8 Abs. 2 der Großfeuerungsanlagenrichtlinie 88/609; Art. 17 der Trinkwasserrichtlinie 80/778; Art. 9 der Richtlinie 88/379 über Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Zubereitungen. ISS V gI. Middeke, Nationale Alleingänge, Rn. 43 f. IS6 Richtlinie 79/117/EWG des Rates vom 21. 12. 1978 über das Verbot des Inverkehrbringens und der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln, die bestimmte Wirkstoffe enthalten, ABI. Nr. L 33, 36.
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von Pflanzenschutzmitteln; vgl. auch Art. 8 der Produktsicherheitsrichtlinie 92/59. 157 Die vorhandenen Schutzklauseln sehen regelmäßig eine Verpflichtung des abweichenden Mitgliedstaates zur Mitteilung der Abweichung an die Kommission und die anderen Mitgliedstaaten sowie die Verpflichtung der Kommission zur Prüfung einer Anpassung des Gemeinschaftsrechts vor,158 nicht aber eine vorherige Genehmigung durch die Kommission.
2. Primärrechtliche Verpflichtungen zur Einführung sekundärrechtlicher Abweichungsermächtigungen (Schutzklauselgebote) Sowohl im Binnenmarktbereich als auch im Umweltbereich finden sich in Art. 95 Abs.l0 (ex-Art. 100a Abs.5) bzw. Art. 174 Abs.2 UAbs.2 (exArt. 130r Abs. 2 UAbs. 2) sog. Schutzklauselgebote, nach denen Rechtsakte der Gemeinschaft mit sekundärrechtlichen Ermächtigungen für vorläufige mitgliedstaatliche Maßnahmen im Interesse des Umweltschutzes zu versehen sind. Die Schutzklauselgebote ermächtigen selbst nicht zu mitgliedstaatlichen Abweichungen, sondern erteilen dem Gemeinschaftsgesetzgeber vielmehr die Befugnis und die Verpflichtung, in geeigneten Fällen ("gegebenenfalls") in Sekundärrechtsakte Schutzklausein aufzunehmen. a) SchutzklauselgebotJür binnenmarktbezogene Maßnahmen, Art. 95 Abs. 10 EG
Art. 95 Abs. 10 enthält ein Schutzklauselgebot tur den Bereich von Rechtsangleichungsmaßnahmen der Gemeinschaft nach Art. 95 Abs. 1 (,,Die vorgenannten Harmonisierungsmaßnahmen") sowie Rechtsakten, die vor Inkrafttreten der EEA auf anderer Rechtsgrundlage erlassen wurden, nach der EEA aber auf der Grundlage des Art. 95 hätten ergehen müssen. 159 Sie verpflichtet die Rechtssetzungsorgane zur Schaffung der oben l.c) beschriebenen Schutzklauseln. Art. 95 Abs. 10 gestattet nach seinem ausdrücklichen Wortlaut nur diese Schutzklauseln im Sinne der oben getroffenen Unterscheidung, nicht aber Regelungsvorbehalte. 16O Grundlage für mitgliedstaatliche Abweichungen ist nicht 157 Richtlinie 92/59/EWG des Rates vom 29.6. 1992 über die allgemeine Produktsicherheit, AbI. Nr. L 228, 24. 158 VgI. z.B. Art. 14 Abs. 1 S. 2 der Kennzeichnungsrichtlinie 88/379 über gefährliche Zubereitungen: "Er [der Mitgliedstaat] teilt dies unter Angabe der Grunde für seine Entscheidung unverzüglich der Kommission und den anderen Mitgliedstaaten mit." 159 V gI. Middeke, Nationale Alleingänge, Rn. 42. 160 VgI. ebd., Rn. 44.
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Art. 95 Abs. 10, sondern ausschließlich die sekundärrechtliche Abweichungsermächtigung. Da - wie dargestellt - bereits vor Einfiihrung des Art. 95 durch die EEA sekundärrechtliche Harmonisierungsmaßnahmen vielfach Abweichungsermächtigungen enthielten, stellt Art. 95 Abs. 10 zunächst eine gängige Praxis der Gemeinschaft auf eine primärrechtliche Grundlage. 161 Die Regelung hat darüber hinaus verpflichtenden Charakter fiir zukünftige Rechtssetzungsvorhaben. Die Auslegung der Bestimmung ("sind in geeigneten Fällen mit einer Schutzklausei verbunden") als bloße Feststellung einer ständigen Gemeinschaftspraxis würde dem Grundsatz der praktischen Wirksamkeit (effet utile) widersprechen, nach dem jede Norm des Gemeinschaftsrechts so auszulegen ist, dass ihr eine eigenständige Wirkung zukommt. Die Norm stellt keine Kriterien für "geeignete Fälle" auf. Zur Auslegung dieses unbestimmten Rechtsbegriffes können die bei Einfiihrung des Schutzklauselgebotes im Sekundärrecht vorhandenen Schutzklauseln herangezogen werden. Diese sprechen stets von einer Gefahrenlage. 162 Gleiche oder ähnliche Formulierungen fmden sich in jüngeren Schutzklausein aus der Zeit nach Inkrafttreten der EEA. 163 Dies wird üblicherweise derart auf Art. 95 Abs. 10 übertragen, dass das Schutzklauselgebot lediglich flexible mitgliedstaatliche Reaktionsmechanismen zur Abwehr von Gefahren in Ausnahmesituationen schaffen soll, die bei Erlass der Richtlinie nicht vorhersehbar waren. l64 Wie sich aus der Bezugnahme auf die nichtwirtschaftlichen Rechtfertigungsgründe des Art. 30 ergibt, können nur schutzintensivere Abweichungen ("nach oben")
161 Vg1. ebd., Rn. 41; zu weitgehend ebd., Rn. 53 ("deklaratorische Klarstellung einer fast 28jährigen von den Gemeinschaftsorganen und den Mitgliedstaaten geübten Praxis"). 162 Art. 31 Abs. 1 der Kennzeichnungsrichtlinie 67/548 über gefahrliche Stoffe: "wegen nicht mehr angemessener Einstufung, Verpackung oder Kennzeichnung eine Gefahr flir Mensch und Umwelt". 163 Art. 7 der Richtlinie 91/689 über gefahrliche Abfälle: "In Notfällen oder bei drohender Gefahr ergreifen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, gegebenenfalls in zeitweiliger Abweichung von dieser Richtlinie, um zu verhindern, dass gefahrliche Abfälle die Bevölkerung oder Umwelt bedrohen". Art. 14 der Kennzeichnungsrichtlinie 88/379 über gefahrliche Zubereitungen: "eine Zubereitung ( ...) aufgrund ihrer Einstufung, Verpackung oder Kennzeichnung eine Gefahr darstellt". 164 V g1. Groeben/Thiesing/Ehlennann-Bardenhewer/Pipkorn, Art. l00a Rn. 80; Hoffert, Ursula, Europarecht und nationale Umweltpolitik. Nationale Abweichungsmöglichkeiten von der gemeinschaftlichen Rechtsangleichung und Ausnahmen vom Grundsatz des freien Warenverkehrs am Beispiel des Umweltschutzes, Wien u.a. 1993, 122; Pernice, Kompetenzordnung und Handlungsbefugnisse, 12 f.; Schröer, Kompetenzverteilung, 252 f.; Kahl, Umweltprinzip und Gemeinschaftsrecht, 54.
33"
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Teil 4: Handlungsspielräume der EG-Mitgliedstaaten
gestattet werden: Nur dies ermöglicht einen besseren Schutz der dort genannten Rechtsgüter. 165 Die Norm nimmt lediglich auf Art. 30 Bezug, nicht aber auf "zwingende Erfordernisse" des Umweltschutzes im Sinne der sog. Cassis-Rechtsprechung zu Art. 28, die handelsbeschränkende Maßnahmen unmittelbar rechtfertigen. 166 Art. 95 Abs. 10 gebietet daher keine Schutzklauseln im originären Umweltschutzinteresse, sondern - in enger Auslegung - nur insoweit, als auch Gesundheit und Leben von Menschen sowie von Tieren und Pflanzen geschützt werden. 167 Diese Schutzgüter weisen deutliche Überschneidungen mit dem des Umweltschutzes auf, so dass eine nach Umweltschutzerwägungen erforderliche Schutzklausei im praktischen Ergebnis nur selten nicht von Art. 95 Abs. 10 geboten sein wird. 168 Außerdem bedeutet die Bezugnahme des Art. 95 Abs. 10 kein Verbot anderer, nach den Wertentscheidungen des Gemeinschaftsrechts gleichwertiger Rechtfertigungsgrunde in sekundärrechtlichen Abweichungsermächtigungen; die Bestimmung enthält lediglich keine dahingehende Verpflichtung. Ein Hineinlesen des Umweltschutzes als genuinem Rechtfertigungsgrund in Art. 95 Abs. 10, wie dies teilweise vorgeschlagen wird,169 wäre jedoch contra legern und im Übrigen nicht mit der von der Rechtsprechung des EuGH betonten engen Auslegung von Schutzklauselbestimmungen 170 vereinbar. Formal gebietet Art. 95 Abs. 10 die Einfiihrung eines gemeinschaftlichen Genehrnigungsverfahrens, ggf. durch Verweisung auf ein allgemeines Verfahren fiir mitgliedstaatliche Abweichungen. In diesem Verfahren hat die Kommission die Vereinbarkeit der mitgliedstaatlichen Abweichung mit dem Prirnärrecht, insbesondere den Grundfreiheiten, zu überprüfen. Dass es sich dabei um ein echtes Genehrnigungsverfahren handeln muss, ergibt sich aus dem systematischen Zusammenhang mit Art. 95 Abs. 4, dessen Kontrollverfahren 165 V gl. Middeke, Nationale Alleingänge, Rn. 46. 166 Vgl. EuGH, Urt. v. 20. 2. 1979, Rs. 120/78, (Rewe-Zentral AG / Bundesmono-
polverwaltung für Branntwein) - Cassis de Dijon, Slg. 1979,649; zur Anerkennung des Umweltschutzes als Rechtfertigungsgrund z.B. EuGH, Urt. v. 20. 9. 1988, Rs. 302/86 (Kommission / Dänemark) - Pfandflaschen, Slg. 1988,4607; näher hierzu unten § 19. 167 Vgl. Pernice, Auswirkungen des europäischen Binnenmarktes, 208; Christoph E. Palme, Nationale Umweltpolitik in der EG: zur Rolle des Art. 100a IV im Rahmen einer europäischen Umweltgemeinschaft, Berlin 1992, 54 und 115; Schröer, Kompetenzverteilung, 254; Hoffert 123. 168 Vgl. im Erg. Seidel, Umweltrecht der Europäischen Gemeinschaft, 447 f.; ähnlich Krämer, EEA und Umweltschutz, 155; Pernice, Auswirkungen des europäischen Binnenmarktes, 208; Vorwerk 152; Schröer, Kompetenzverteilung, 255. 169 Middeke, Nationale Alleingänge, Rn. 50. 170 Vgl. EuGH, Urt. v. 22. 9. 1988, Rs. 228/87 (Strafverfahren gegen X) - Qualitätsnormenfor Trinkwasser, Slg. 1988,5099, Rn. 10 ff.; EuGH, Urt. v. 24. 11. 1992, Rs. C237/90 (Kommission / Bundesrepublik Deutschland), Slg. 1992,1-5973, Rn. 14.
§ 15 Existenz sekundären Gemeinschaftsrechts
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(Art. 95 Abs.6) bei Fehlen eines Verfahrens für Abweichungen nach Art. 95 Abs. 5 entsprechend herangezogen werden kann. 17I
b) Schutzklauselgebot fir umweltrelevante Maßnahmen, Art. 174 Abs. 2 UAbs. 2 EG Der mit dem EUV eingefügte Art. 174 Abs. 2 UAbs. 2 (ex-Art. 130r Abs. 2 UAbs.2) enthält ein zu Art. 95 Abs. 10 paralleles Schutzklauselgebot für alle Maßnahmen der Gemeinschaft, die "Erfordernisse des Umweltschutzes" berücksichtigen. 172 Die Eingrenzung des Anwendungsbereichs der Norm ergibt sich aus dem konkreten Umweltbezug einer Maßnahme. Nach teilweiser Ansicht fmdet die Bestimmung nur auf Maßnahmen nach Art. 175 Anwendung. 173 Einer solchen Auslegung steht jedoch bereits der durch den Amsterdamer Vertrag an die gleichlautende Formulierung in der umweltrechtlichen Querschnittsklausel des Art. 6 angepasste Wortlaut entgegen, nach der nicht nur Maßnahmen nach Art. 175, sondern alle Maßnahmen der Gemeinschaft den Erfordernissen des Umweltschutzes zu entsprechen haben. Außerdem nimmt Art. 6 inhaltlich Bezug auf die Erfordernisse des Umweltschutzes, die in Art. 174 niedergelegt sind und ordnet damit nicht nur die Berücksichtigung der inhaltlichen Prinzipien des Art. 174 an, sondern auch die Berücksichtigung der formalen Anforderung einer geeigneten SchutzklauseI. Dem steht auch nicht die Existenz des Art. 95 Abs. 10 entgegen, der als lex specialis für binnenmarktbezogene Maßnahmen ein weitergehendes Schutzklauselgebot auch für vorläufige Maßnahmen aus nicht-umweltbezogenen nichtwirtschaftlichen Gründen enthält. 171 Vgl. Schröer, Kompetenzverteilung, 257; Kahl, Umweltprinzip und Gemeinschaftsrecht, 54; anders Middeke, Nationale Alleingänge, Rn. 53 f., der dies nur dann gelten lassen möchte, wenn in dem Sekundärrechtsakt gar kein Kontrollverfahren vorgesehen ist. Diese Gegenansicht, die die Regelung des Art. 95 Abs. 5 sowohl hinsichtlich der Schutzldausel als auch hinsichtlich des Kontrollverfahrens für deren Ausübung rur eine lediglich feststellende Verweisung auf eine bestehende Gemeinschaftspraxis hält, ist mit dem Grundsatz des effet utile nicht vereinbar. Diese Gegenansicht kann sich auch nicht auf die mangelnde Ausgestaltung eines Kontrollverfahrens unmittelbar in Art. 95 Abs. 5 berufen. Einer solchen Ausgestaltung bedarf es nicht, da Art. 95 Abs. 5 anders als Art. 95 Abs. 4 nicht selbst eine Ermächtigung fiir mitgliedstaatliehe Abweichungen ist, sondern lediglich die Rahmenbedingungen sekundärrechtliche Abweichungsermächtigungen setzt. Das Kontrollverfahren in Art. 95 Abs. 4 und in sekundärrechtlichen Abweichungsermächtigungen auf der Grundlage des Art. 95 Abs. 5 dienen dem gleichen Zweck, der Verhinderung missbräuchlicher Beschränkungen des innergemeinschaftlichen Handels und von Wettbewerbsverzerrungen. Vgl. hierzu wiederum GrabitziHilf-Langeheine, Art. 100a Rn. 80 und 91 . 172 Vgl. Kahl, Umweltprinzip und Gemeinschaftsrecht, 60. 173 Epiney/Furrer 390 f.; Middeke, Nationale Alleingänge, Rn. 87.
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Teil4: Handlungsspielräume der EG-Mitgliedstaaten
Wie das Schutzklauselgebot in Art. 95 Abs. 10 auch ist Art. 174 Abs. 2 UAbs. 2 auf zeitlich begrenzte Ausnalunen zugeschnitten, für die eine gewisse Dringlichkeit vorliegen muss. 174 Diese Anforderungen müssen in der konkreten sekundärrechtlichen Abweichungsermächtigung als Ausprägung des Verhältnisrnäßigkeitsgrundsatzes näher umschrieben sein. 175 Außerdem ermöglicht die Norm in begründeten Fällen auch die Ermächtigung zu Abweichungen "nach unten", also rnitgliedstaatliche Maßnalunen, die in ihrer Schutzintensität hinter dem Gemeinschaftsrecht zurückbleiben. Auch die Wahrnelunung von Schutzklauseln nach Art. 174 Abs. 2 UAbs. 2 ist stets einem gemeinschaftlichen Kontrollverfahren zu unterwerfen (ebd., letzter Halbs.). Dieser letzte Halbsatz kann nicht als bloße Verweisung auf die Prüfungspflicht d~r Kommission nach Art. 211 verstanden werden, auch nicht unter Verweis auf das Fehlen eines Kontrollverfahrens bei Abweichungen nach Art. 176. 176 Denn zum einen verwendet Art. 174 Abs. 2 UAbs. 2 letzter Halbs. dieselbe Formulierung wie Art. 95 Abs. 10, was eine gleichartige Funktion beider Klauseln nahelegt, zum anderen bedarf es im Vergleich zu Art. 95 Abs. 4 hier erst Recht einer verfahrensrnäßig abgesicherten Kontrolle, da Art. 174 Abs. 2 UAbs. 2 auch Ermächtigungen zu Unterschreitungen des gemeinschaftlichen Schutzniveaus ermöglicht. Fehlt ein solches Verfahren in dem Sekundärrechtsakt, so wird das in Art. 95 Abs. 4 und 6 festgelegte Verfahren wegen seiner spezifisch binnenmarktbezogenen Bedeutung nicht entsprechend heranziehbar sein, so dass in einem solchen Fall im Ergebnis keine Abweichung stattfmden kann. 177
174 Middeke spricht plastisch von "umweltpolitischen Gefahrensituationen ( ... ), die ein schnelles Eingreifen des Mitgliedstaates erfordern, um so befürchtete oder bereits eingetretene Schäden für ein bedeutendes Rechtsgut abzuwenden oder zu minimieren" sowie von "Ausnahmen zur Sicherung innerstaatlicher Notfälle" und verweist als Beispiel auf Art. 10 der Trinkwasserrichtlinie 80/778. Middeke, Nationale Alleingänge, Rn. 89. 175 Vgl. Middeke, Nationale Alleingänge, Rn. 93. 176 So aber ebd., Rn. 94, dem allerdings darin zuzustimmen ist, dass bei Fehlen eines solches Verfahren im Selcundärrechtsakt das in Art. 95 Abs. 4 und 6 festgelegte Verfahren wegen seiner spezifisch binnenmarktbezogenen Bedeutung nicht entsprechend heranziehbar ist. So auch Kahl, Umweltprinzip und Gemeinschaftsrecht, 60. 177 Vgl. Kahl, Umweltprinzip und Gemeinschaftsrecht, 60; Middeke, Nationale Alleingänge, Rn. 94.
§ 15 Existenz sekundären Gemeinschaftsrechts
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IV. Verhältnis zwischen primärrechtlichen Abweichungsermächtigungen und Sekundärrecht 1. Vorrang des Sekundärrechts Primärrechtliche Abweichungsermächtigungen können nur dann eingreifen, wenn und soweit mitgliedstaatliche Abweichungen nicht bereits sekundärrechtlich durch Beschränkung auf Mindeststandards, alternative Standards oder durch Schaffung sekundärrechtlicher Abweichungsermächtigungen zugelassen sind. 178 Das speziellere Sekundärrecht genießt auch dann Vorrang, wenn es Abweichungen ausdrücklich ausschließt. Begründet wird dies mit dem Gebot der Gemeinschaftstreue nach Art. 10 sowie dem Verbot des Rechtsmissbrauchs. 179 Eine ausdrückliche Regelunge der Sperrwirkung (und nur diese) gewinnt dadurch eine besondere Bedeutung, da sie sich auch im Konfliktfall gegen primärrechtliche Ermächtigungen durchsetzt.
2. Bedeutung der primärrechtIichen Abweichungsermächtigungen Die SchutzverstärkungsklauseIn der Art. 95 Abs.4 und Art. 176 transformieren grundsätzlich die materiellen Anforderungen in Umweltrichtlinien nach Art. 175 und Binnenmarktrichtlinien nach Art. 95 Abs. 1 zu bloßen Mindestanforderungen, die allerdings den Einschränkungen der SchutzverstärkungsklauseIn unterliegen. 180 Die Gemeinschaft kann diese Transformation zwar ohne Weiteres durch ausdrückliche AusschlussklauseIn verhindern. Die Einführung des Art. 95 Abs. 4 und des Art. 176 bewirkt in diesem Licht nur eine Umkehrung des vertraglichen Regel-Ausnahrne-Verhältnisses zu Gunsten einer grundsätzlichen Abweichungsermächtigung. Angesichts der bereits in älteren Umweltrechtsakten regelmäßig enthaltenen Abweichungserrnächtigung sollte die praktische Bedeutung der primärrechtlichen Abweichungserrnächtigungen allerdings nicht überschätzt werden. 181 Die Bedeutung dieser Umkehrung liegt in der politischen Kontrolle innerhalb der Rechtssetzungsorgane, gegebenenfalls auch durch die Öffentlichkeit: Die Rechtssetzungsorgane sind dadurch gezwungen, sekundärrechtliche Blo-
Vg1. GrabitzIHilJ-GrabitzINettesheim, Art. BOt, Rn. 6. Vg1. Breier, Siegfried, Ausgewählte Probleme des gemeinschaftlichen Umweltrechts, RIW 1994, 584, 587; Middeke, Nationale Alleingänge, Rn. 40 Fn. 101 m.w.N. bzw.85. 180 V g1. Jarass, Binnenmarktrichtlinien Wld Umweltschutzrichtlinien, 532. 181 Vgl. Middeke, Nationale Alleingänge, Rn. 85 m.w.N. 178
179
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Teil 4: Handlungsspielräume der EG-Mitgliedstaaten
ckaden der Schutzverstärkungsklauseln in eindeutiger und transparenter Form zu erlassen. Wegen des primärrechtlichen "Fangnetzes" der Art. 95 Abs. 4 und Art. 176 sind sekundärrechtliche Abweichungsermächtigungen im Übrigen insbesondere in den Bereichen anderer Kompetenzen als Art. 95 und Art. 175 von praktischer Bedeutung, in denen keine primärrechtlichen Abweichungsermächtigungen bestehen.
§ 16 Handlungsspielräume bei Nichtexistenz sekundären Gemeinschaftsrechts I. Das Schutzsystem der Grundfreiheiten Solange und soweit das Gemeinschaftsrecht in einem Bereich der konkurrierenden Rechtssetzung keine Regelung enthält, können die Mitgliedstaaten eigenes Recht anwenden. Maßnahmen der Mitgliedstaaten im gemeinschaftsrechtlich nicht bzw. nicht vollständig harmonisierten Bereich sind nach den allgemeinen Bestimmungen des primären Gemeinschaftsrechts zu beurteilen. 182 Maßstab sind die Grundfreiheiten, 183 die unmittelbar anwendbare subjektive Rechte gewähren,184 sowie diesen vorgehende spezielle Bestimmungen des EG. 185 Grundlage dieses Schutzsystems ist das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 (ex-Art. 6), das im Anwendungsbereich des Vertrages jegliche Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verbietet. Art. 12 kommt unmittelbar nur dann zur Anwendung, wenn die Bestimmungen zum Schutz der Grundfreiheiten nicht einschlägig sind. 186 182 Vgl. aus der neueren Rechtsprechung z.B. EuGH, Urt. v. 14. 7. 1998, Rs. C389/96 (Aber-Waggon 1 Deutschland), Sig. 1998,1-4473, Rn. 16 ff. 183 Freier Warenverkehr, Art. 23 ff.; freier Verkehr von Arbeitskräften, Art. 39 ff.; freier Dienstleistungsverkehr, Art. 49 ff.; freier Kapital- und Zahlungsverkehr, Art. 56 ff. 184 Vgl. z.B. zur Warenverkehrsfreiheit EuGH, Urt. v. 5. 3. 1996, verb. Rs. C-46/93 und C-48/93 (Brasserie du Pecheur und Factortarne), Sig. 1996,1-1029, Rn. 54. 18S EuGH, Urt. v. 22. 3. 1977, Rs.74176 (Iannelli & Volpi S.p.A.), Sig. 1977, 557, Rn. 9/10. Vgl. auch Müller-Graff, Umweltschutz und Grundfreiheiten, Rn. 26 und 63. V gl. neben den hier im Einzelnen behandelten Regelungen die Wettbewerbsvorschriften des Vertrages, hierzu Pernice, Untemehrnenskooperation im Umweltbereich, EuZW 1992,139. 186 Vgl. aus der neueren Rechtsprechung des EuGH Z.B. Urt. v. 12.5. 1998, Rs. C85196 (Maria Martinez Sala 1 Freistaat Bayern), Sig. 1998, 1-2691: Anspruch auf Erziehungsgeld in Deutschland für neugeborenes Kind in Deutschland wohnhafier Spanierin ohne Aufenthaltserlaubnis bejaht; EuGH, Urt. v. 24. 11. 1998, Rs. C-274/96 (Bickel und Franz), Sig. 1998,1-7637, EuZW 1999, 82 (mit Anmerkung Meinhard Novak, ebd., 84):
§ 16 Nichtexistenz sekundären Gemeinschaftsrechts
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11. Schutz der Warenverkehrsfreiheit, Art. 23 ff. EG Die Gewährleistung des freien Warenverkehrs ist die zentrale Grundlage der europäischen Integration nach dem EG. 187 Titel I ("Der freie Warenverkehr") des Dritten Teils des EG ("Die Politiken der Gemeinschaft") enthält zunächst ein Verbot der Erhebung von Zöllen und zollgleichen Abgaben in den Art. 23 f. und Art. 25. Wichtigste Bestimmung und Auffangregel gegenüber den anderen Vorschriften zum freien Warenverkehr sind Art.28 (ex-Art. 30) und Art. 29 (ex-Art. 34), die mengenmäßige Beschränkungen der Ein- und Ausfuhr aus/in andere(n) Mitgliedstaaten sowie Maßnahmen gleicher Wirkung verbietet. Danach soll jede in einem Mitgliedstaat rechtmäßig hergestellte und in den Verkehr gebrachte oder im Verkehr befmdliche Ware im gesamten Binnenmarkt frei verkehrsfähig sein. 188
1. Mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen und Maßnahmen
gleicher Wirkung, Art. 28 EG
a) Grundlage: Die Dassonville-Formel
Mengenmäßige Beschränkungen sind staatliche Begrenzungen der Menge oder des Wertes von Ein- und Ausfuhren, die eine vollständige oder teilweise Untersagung von Ein-, Aus- oder Durchfuhren zur Folge haben könnte. 189
Ausdehnung des für Angehörige der deutschsprachigen Minderheit in der italienischen Provinz Bozen geltenden Rechts auf Benutzung der deutschen Sprache vor der öffentlichen Verwaltung auf zwei Angeklagte deutscher Staatsangehörigkeit bejaht. 187 Vgl. Groeben/Thiesing/Ehlermann-Müller-GrajJ, Art. 30 Rn. 3 ff. 188 Sog. Herkunftsstaatsprinzip oder Ursprungslandprinzip, vgl. Vollendung des Binnenmarktes, Weißbuch der Kommission an den Rat, KOM (85) 310 endg., Ziff. 58; Man/red A. Dauses, Die rechtliche Dimension des Binnenmarktes, EuZW 1990, 8, 10; Peter Behrens, Die Konvergenz der wirtschaftlichen Freiheiten im europäischen Gemeinschaftsrecht, EuR 1992, 145. Davon sind auch Waren aus Drittstaaten erfasst, die in einem Mitgliedstaat in den freien Verkehr gebracht worden sind. EuGH, Urt. v. 15. 12. 1976, Rs. 41/76 (Donckerwolde), Slg. 1976, 1921, Rn. 14/21; EuGH, Urt. v. 12.7. 1990, Rs. C-128/89 (Kommission 1 Italien), Slg. 1990,1-3239, Rn. 12. 189 EuGH, Urt. v. 10. 12. 1968, Rs. 7/68 (Kommission 1 Italien), Slg. 1968,633,644; EuGH, Urt. v. 12.7. 1973, Rs. 2/73 (Geddo 1 Ente Nazionale Risi), Slg. 1973,865, Rn. 7: "sämtliche Maßnahmen, die sich, je nach Lage des Falles, als eine gänzliche oder teilweise Untersagung der Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr darstellen"; Oppermann 447 Rn. 1156; Schweitzer/Hummer 255 f.
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Teil 4: Handlungsspielräume der EG-Mitgliedstaaten
Dazu zählen neben vollständigen Einfuhrverboten Beschränkungen im Wege von Quoten und Kontingenten. Für die Reichweite der Art. 28 f. ist der umfassendere Begriff der Maßnahmen gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen maßgeblich. 190 Der Begriff der Maßnahmen gleicher Wirkung ist durch die vom EuGH in seiner Dassonville-Entscheidung geprägte weit gefasste Formel bestimmt. Danach ist ,jede Handelsregelung der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern, ( ... ) als Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung anzusehen"; 191 den Begriff der Handelsregelung hat das Gericht später im Sinne von ,jede einzelstaatliche/nationale/innerstaatliche Regelung" korrigiert. 192 Maßgeblich ist die Handelsbehinderung, also jede negative Beeinflussung der Einfuhren,193 insbesondere "Hemmnisse fiir den freien Warenverkehr, die sich in Ermangelung einer Harmonisierung der Rechtsvorschriften daraus ergeben, dass auf Waren aus anderen Mitgliedstaaten, die dort rechtmäßig hergestellt und in Verkehr gebracht worden sind, Vorschriften über die Anforderungen angewandt werden, denen sie (z.B. hinsichtlich Bezeichnung, FonD, Abmessungen, Gewicht, Zusammensetzung, Aufmachung, Etikettierung oder Verpackung) entsprechen müssen,,194 sowie Einfuhrgenehmigungsvorbehalte, 195 Kontrollen der Einhaltung EG-rechtlicher Anforderungen durch die transportierte Ware 196 und bloße Verwaltungsformalitäten. 197 Die weite Fas190 Eine Abgrenzung zwischen mengenmäßigen Beschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung im Umweltbereich erübrigt sich daher. 191 EuGH, Urt. v. 11. 7. 1974, Rs. 8/74 (procureur du Roi 1 Dassonville), Sig. 1974, 837, Rn. 5; Beispiele aus der Rechtsprechung des EuGH in Geiger, EG-Vertrag, Art. 28 Rn. 22. 192 EuGH, Urt. v. 30. 10. 1974, Rs. 190/73 (van Haaster), Slg. 1974, 1123, passim ("einzelstaatliche Regelung"); EuGH, Urt. v. 26. 2. 1980, Rs. 94/79 (Vriend), Slg. 1980, 327, passim ("nationale Regelung"); EuGH, Urt. v. 23. 1. 1975, Rs. 31/74 (Galli), Slg. 1975,47, 62 passim ("innerstaatliche Regelung"); vgl. auch EuGH, Urt. v. 8. 7. 1975, Rs. 4/74 (Rewe), Slg. 1975,843, passim (,,Maßnahme"). 193 Der Begriff wird weit gefasst (jede Erschwerung, Verteuerung etc.). Vgl. EuGH, Urt. v. 16. 12.1986, Rs. 124/85 (Kommission 1 Griechenland), Slg. 1986,3935, Rn. 7; Müller-Graff, Umweltschutz und Grundfreiheiten, Rn. 48. 194 EuGH, Urt. v. 15.9. 1994, Rs. C-293/93 (Houtwipper), Slg. 1994,1-4249, Rn. 11; vgl. auch EuGH, Urt. v. 12. 9. 2000, Rs. C-366/98 (Geffroy und Casino France SNC), Slg. 2000, 1-6579, Rn. 24 ff. m.w.N.: Vorschreiben der Verwendung einer bestimmten Sprache für die Etikettierung von Lebensmitteln ohne Möglichkeit der Verwendung einer anderen für den Käufer leicht verständlichen Sprache oder der Unterrichtung des Käufers durch andere Maßnahmen unzulässig. Vgl. aber ebd., Rn. 17 ff.: Verbot einer irreführenden Etikettierung hinsichtlich der Eigenschaften eines Lebensmittels zulässig. 19S EuGH, Urt. v. 8. 2. 1983, Rs. 124/81 (Kommission 1 Vereinigtes Königreich), Slg. 1983, 203, Rn. 9 f. 196 EuGH, Urt. v. 20. 9. 1988, Rs. 190/87 (Moormann), Slg. 1988, Rn. 7 f.
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sung der Dassonville-Formel gewährleistet, dass nicht nur protektionistische Maßnahmen, sondern auch mitgliedstaatliche Maßnahmen mit anderer, Z.B. urnweltpolitischer, Zielsetzung erfasst werden, die lediglich in ihren Auswirkungen einfuhrerschwerende oder wettbewerbsverfälschende Bedeutung haben. \98 Entsprechend wird die Begrenzung auf Handelsregelungen zu Gunsten der Abstellung auf eine Handelsbehinderung aufgegeben. Umweltbezogene mengenmäßige Beschränkungen können z.B. in Quoten oder Verboten für ihrer Natur nach urnweltgefährdende Gegenstände/ 99 Produkte, die umweltschädigende Materialien enthalten200 oder Produkte, die unter umweltschädlichen Bedingungen gewonnen oder hergestellt werden, liegen.20 \ Andere Einfuhrhindernisse im Umweltbereich sind vor allem mitgliedstaatliche Absatzverbote für bestimmte Produkte, insbesondere infolge besonderer Anforderungen an diese Produkte, z.B. Verkaufsverbote fiir Waren in Einwegverpackungen, für Kraftfahrzeuge, die bestimmten Schadstoffemissions- oder Wiederverwertbarkeitsstandards nicht entsprechen, aber auch fiir geschützte Tier- und Pflanzenarten. 202 Daneben kommen Bevorzugungen inländischer Produkte, z.B. bei der Erlangung von Umweltgütesiegeln, in Betracht. 203 Der EuGH hat z.B. ein mitgliedstaatliches Vermarktungsverbot für Äpfel, in denen sich Pestizidrückstände in Konzentrationen oberhalb eines mitgliedstaatlich festgelegten Schwellenwertes fmden, 204 ein Handelsverbot für aus anderen Mitgliedstaaten eingefUbrtes Obst und Gemüse, das mit einem bestimmten 197 EuGH, Urt. v. 24. 1. 1978, Rs. 82/77 (Van Tiggele), Slg. 1978,25; st. Rspr., vg1. Schlussanträge von Generalanwalt Jacobs, Rs. C-2/90, (Kommission 1 Belgien) - Abfalltransport, Slg. 1992,1-4431, Rn. 18. 198 Vg1. Groeben/ThiesingIEhlermann-Müller-Graff, Art. 30 Rn. 32 f. und 34. 199 Vg1. z.B. EuGH, Urt. v. 9. 7. 1992, Rs. C-2/90, (Kommission / Belgien) - Abfalltransport, Slg. 1992, 1-4431. Dabei ging es um ein vollständiges Einfuhrverbot des wallonischen Regionalrats für Abfälle aus anderen Regionen als Wallonien. Ein Mitgliedstaat könnte den Zustrom von Abfällen aus dem EU-Ausland auf die inländischen Deponien etwa auch durch Kontingentierungen begrenzen. 200 In dem Urteil EuGH, Urt. v. 20. 9. 1988, Rs. C- 302/86 (Kommission 1 Dänemark) - Pfandflaschen, Slg. 1988,4607 ging es unter anderem um eine Kontingentierung von 3.000 hl pro Hersteller fiir die Einführung von Getränken in ungenehmigten Verpackungen. 201 Z.B. Tropenholz, Thunfisch oder Pelze von Tieren, die unter Verwendung von Tellereisen gefangen wurden. V g1. Andreas Middeke, Nationaler Umweltschutz im Binnenmarkt. Rechtliche Möglichkeiten und Grenzen umweltrelevanter Alleingänge im Verhältnis zum freien Warenverkehr, Köln u.a. 1994, 124 ff. 202 Vg1. z.B. EpineylMöllers 22 ff.; U. Becker, Gestaltungsspielraum, 13 ff.; Middeke, Nationaler Umweltschutz im Binnenmarkt, 7 ff. 203 V g1. Müller-Graff, Umweltschutz und Grundfreiheiten, Rn. 4; vg1. auch Ludwig Krämer, Environmental Protection and Article 30 EEC Treaty, CMLR 30 (1993), 111, 1l4. 204 EuGH, Urt. v. 19.9. 1984, Rs. 94/83 (Heijn), Slg. 1984,3282.
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Pflanzenschutzmittel behandelt worden ist/oS einen belgischen Zulassungsvorbehalt fiir ein in den Niederlanden bereits zugelassenes Biozid206 sowie die Verwendung zu genehmigender wiederverwertbarer Getränkebehälter207 als mengenmäßige Beschränkungen im Sinne des Art. 28 qualifIziert. b) Maßnahmen gleicher Wirkung durch Unterlassen: Mitgliedstaatliche Schutzpflichten
In einem Urteil vom 9. 12. 1997 in der Rs. C-265/95 - ,,Erdbeeren ,,208 stellte der EuGH in einem Vertragsverletzungsverfahren gegen Frankreich klar, dass nicht nur einem Mitgliedstaat zurechenbares aktives Handeln mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen untersagt ist, sondern auch pflichtwidriges Unterlassen eines Mitgliedstaates, gegen private Handelshemmnisse vorzugehen, einen Verstoß gegen Art. 28 i.V.m. der Verpflichtung zur Gemeinschaftstreue aus Art. 10 bedeuten kann. Die Mitgliedstaaten sind gehalten, ausreichende und geeignete präventive Maßnahmen gegen unzulässiges handelsbeschränkendes Verhalten ihrer Bürger zu treffen. 209 Welche Maßnahmen ordnungs- oder auch strafrechtlicher Art im Einzelfall am besten hierfiir geeignet sind, ist eine Frage mitgliedstaatlichen Ermessens. Der EuGH proft nur, ob geeignete Maßnahmen ergriffen oder dies völlig versäumt wurde?LO EuGH, Urt. v. 13.3. 1986, Rs. 54/85 (Mirepoix), Slg. 1986, 1080. EuGH, Urt. v. 27. 6.1996, Rs. C-293/94 (Brandsrna) Slg. 1996,1-3159, Rn. 6. 207 EuGH, Urt. v. 20. 9. 1988, Rs. 302/86 (Kommission 1 Dänemark) - Pfandflaschen, Slg. 1988,4607. 208 EuGH, Urt. v. 9. 12. 1997, Rs. C-265195 (Kommission 1 Frankreich) - Erdbeeren, Slg. 1997,1-6959. 209 EuGH, Urt. v. 9. 12. 1997, Rs. C-265195 (Kommission 1 Frankreich) - Erdbeeren, Slg. 1997, 1-6959, Rn. 28-32. Französische Bauern hatten seit April 1993 Lastwagen mit Agrarprodukten aus anderen Mitgliedstaaten, insbesondere Erdbeeren und anderen Obst- und Gemüsesorten, aus Spanien und Italien überfallen, die Ladung vernichtet sowie Lastwagenfahrer, Groß- und Einzelhändler bedroht und Waren ungenießbar gemacht. Obwohl solche Maßnahmen vielfach vorhersehbar waren, hatten die französischen Behörden weder Polizeikräfte gegen die Bauern eingesetzt noch in nennenswertem Umfang Strafverfahren (als Abschreckungsmaßnahme vor möglichen weiteren Aktionen) eingeleitet. Der EuGH befand, dass die Behörden versäumt hatten, die konkreten Maßnahmen zu verhindern, obwohl dies keinesfalls zu weiteren, nicht zu bewältigenden Störungen der öffentlichen Ordnung gefiihrt hätte. Die Aktionen könnten, so das Gericht, außerdem eine Atmosphäre der Unsicherheit schaffen, die sich auf die gesamten Handelsströme nachteilig auswirke. 210 EuGH, Urt. v. 9. 12. 1995, Rs. C-265195 (Kommission 1 Frankreich) - Erdbeeren, Slg. 1997,1-6959, Rn. 33 ff. Der von der Kommission nach dieser Entscheidung vorgelegte Vorschlag fiir eine Verordnung, die ein dem Beihilfenrecht ähnliches Instrumentarium fiir die Fälle vorsah, in denen ein Mitgliedstaat seinen Schutzverpflichtungen nicht hinreichend nachkommt (VgI. ABI. 1998, Nr. C 10, 14), wurde nicht übernommen. Die 20S
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c) Einschränkung des Anwendungsbereichs des Art. 28 EG
Um jede Umgehung des Verbots mengenrnäßiger Beschränkungen zu verhindern und der Warenverkehrsfreiheit auch dort Geltung zu verschaffen, wo lediglich die Verschiedenheit der nationalen Rechtsordnungen den Handel zwischen den Mitgliedstaaten hemmt, stellt der EuGH auf die Wirkung einer Maßnahme ab, ohne eine Ausnahme für minimale und akzidentielle Auswirkungen auf den Binnenmarkt vorzunehmen. 211 Die Weite der DassonvilleFormel führt dazu, dass selbst allgemeine Regelungen, die sich nicht auf den Binnenhandel richten und das Funktionieren des Binnenmarktes allenfalls mittelbar beeinflussen, dem grundsätzlichen Verbot des Art. 28 unterfallen können. Art. 28 droht so zu einer allgemeinen "Deregulierungsnorm" in nicht harmonisierten Bereichen zu werden. 212 Der EuGH hat daher in einer Reihe von Urteilen bei unterschiedslos anwendbaren Regelungen, die keine Handelsregelung bezweckten und das Einfuhrvolurnen lediglich mittelbar über das allgemeine Verkaufsvolurnen beeinträchtigen konnten, die Anwendbarkeit von Art. 28 abgelehnt. In der Rechtssache OebeP13 zum deutschen Nachtbackverbor 14 sah das Gericht den Anwendungsbereich der Warenverkehrsfreiheit nicht eröffnet: Das nächtliche Herstellungsverbot sei "Ausdruck einer berechtigten wirtschaftsund sozialpolitischen Entscheidung, die den im allgemeinen Interesse liegenden Zielen des Vertrages entspricht",215 die zur Ermöglichung einer Kontrolle erlassene Annexregelung des Abgabe-, Austrag- und Ausfahrverbots treffe alle Hersteller in gleicher Weise und bewirke keine Ein- oder Ausfuhrbeschrän-
stattdessen nach Art. 308 erlassene Verordnung sieht lediglich ein Koordinierungssystem zwischen Mitgliedstaaten und Kommission flir solche Fälle vor, ohne der Kommission ein Eingriffsrecht zuzugestehen (Verordnung Nr. 2679/98 des Rates vom 7. 12. 1998 über das Funktionieren des Binnenmarktes im Zusammenhang mit dem freien Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten, ABI. Nr. L 337, 8). Die Kommission ist daher in vergleichbaren Situation weiterhin auf das Instrument des Vertragsverletzungsverfahrens verwiesen. 211 Vgl. Urt. v. 5. 4.1984, Rs. 177, 178/82 (van de Haar und Kaveka) Slg. 1984, 1797, Rn. 11 ff., 13 - Abgrenzung gegenüber den Wettbewerbsregeln des EG, die eine spürbare Beeinträchtigung voraussetzen; EuGH, Urt. v. 18.5. 1993, Rs. C-126/91 (Yves Rocher) Slg. 1993,1-2361, Rn. 21 f. - Beschränkung oder Verbot bestimmter Formen der Werbung und der Absatzförderung. 212 Vgl. Wernhard Möschel, Kehrtwende in der Rechtsprechung des EuGH zur Warenverkehrsfreiheit, NJW 1994,429,430. 21l EuGH, Urt. v. 14.7.1981, Rs. 155/79 (Oebe1) Slg. 1981, 1993. 214 Dieses bestand aus einem Herstellungsverbot für Backwaren von 22 bis 4 Uhr morgens sowie aus einem Verbot der Abgabe und des Austragens oder Ausfahrens an Endverbraucher oder Verkaufsstellen vor 5 Uhr 45. 21S EuGH, Urt. v. 14.7.1981, Rs. 155/79 (Oebel) Slg. 1981,1993, Rn. 12.
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kung. 216 Deutlichere Konturen gewinnt dies in Cinetheque.2\7 Der EuGH stellte hier fest, dass die Regelung 218 wegen der Unterschiede der Rechtssysteme der Mitgliedstaaten zu Beschränkungen des innergemeinschaftlichen Handels führen konnte. Wenn eine solche Regelung unterschiedslos anwendbar sei und keine Lenkung der innergemeinschaftlichen Handelsströme bezwecke, und "die etwaigen Behinderungen, die es im innergemeinschaftlichen Handel verursacht, nicht über das hinausgehen, was notwendig ist, um das angestrebte Ziel zu erreichen, und wenn dieses Ziel nach dem Gemeinschaftsrecht gerechtfertigt" sei, sei Art. 28 allerdings nicht anwendbar. 219 Für spätere Entscheidungen zu sonntäglichen Verkaufs- und Beschäftigungsverboten im Einzelhandel220 entwickelte der EuGH daraus einen Maßstab, nach dem unterschiedslos anwendbare Regelungen, die keine Regelung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten bezwecken, nicht nach Art. 28 verboten sind, wenn die Regelung ein gerechtfertigtes Ziel verfolgt und Handelsbeschränkungen verhältnismäßig sind. Die Zielsetzung muss eine mit den Zielen des EG vereinbare wirtschaftliche und politische Entscheidung des Mitgliedstaates sein. 221 In einer anderen Reihe von Urteilen kommt der EuGH für bestimmte unterschiedslos anwendbare Verrnarktungsregelungen, die keine Handelsregelung bezwecken und andere Vertriebsfonnen einer Ware unberührt lassen, zu dem Ergebnis, diese stünden "in keinem Zusammenhang mit der Wareneinfuhr" und seien daher nicht zu einer Beeinträchtigung des Binnenhandels geeignet. 222 216 Ebd., Rn. 20. Generalanwalt Capotorti hatte hingegen die Anwendbarkeit des Art. 29 bejaht und eine Rechtfertigung nach Art. 30 beflilWortet. Ebd., 8ch1ussanträge v. 27.5. 1981,2012 ff. 217 EuGH, Vrt. v. 11. 7. 1985, verb. Rs. 60/84 und 61/84 (Cinetheque), 81g. 1985, 2605. 218 Es handelte sich um ein französisches Verbot, einen neuen Film binnen einer begrenzten Anfangszeit neben der Vorflihrung im Kino gleichzeitig in Videoform zu vertreiben. 219 EuGH, Vrt. v. 11. 7. 1985, verb. Rs. 60/84 und 61/84 (Cinetheque), 81g. 1985, 2605, Rn. 21 f. 220 V g1. EuGH, Vrt. v. 23. 11. 1989, Rs. C-145/88 (Torfaen Borough Council) 81g. 1989,3851; EuGH, Vrt. v. 28. 2. 1991, Rs. 312/89 (Conforama), 81g. 1991, 1-997; EuGH, Vrt. v. 28. 2. 1991, Rs. 332/89 (Marchandise), 81g. 1991,1-1027. 221 EuGH, Vrt. v. 14.7. 1981, Rs. 155/79 (Oebel) 81g. 1981, 1993, Rn. 12; so auch EuGH, Vrt. v. 23. 11. 1989, Rs. C-145/88 (Torfaen Borough Counci1) 81g. 1989,3851, Rn. 13; EuGH, Vrt. v. 28. 2. 1991, Rs. 312/89 (Conforama), 81g. 1991,1-997, Rn. 10 f.: "Ausdruck bestimmter wirtschaftlicher und politischer Entscheidungen"; ebenso EuGH, Vrt. v. 28. 2. 1991, Rs. 332/89 (Marchandise), 81g. 1991,1-1027, Rn. 12. 222 EuGH, Vrt. v. 31. 3.1982, Rs. 75/81 (B1esgen) 81g. 1982, 1211, Rn. 9: Verbot des Ausschanks von Getränken mit hohem Alkoholgehalt zum sofortigen Verzehr an öffentlich zugänglichen Orten sowie ein - hierzu akzessorisches - Aufbewahrungsverbot; EuGH, Vrt. v. 25. 11. 1986, Rs. 148/85 (Forest) 81g. 1986,3449, Rn. 19: Kontin-
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Vermarktungsvorscbriften seien nach der Richtlinie 70/50223 nur dann von Art. 28 erfasst, wenn durch sie ausgelöste Beschränkungen des Warenverkehrs "den Rahmen der solchen Handelsregelungen eigentümlichen Wirkungen überschreite".224 Schließlich äußerte der EuGH, "rein hypothetische ( ...) Auswirkungen auf den innergemeinschaftlichen Handel" lägen außerhalb des Art. 28. 225 Die dogmatische Einordnung dieser Entscheidungen fällt schwer. Das Schema der "atypischen Verhältnismäßigkeitsprüfung"226 in der ersten Fallgruppe lässt eher auf eine Rechtfertigung als auf eine Tatbestandsbeschränkung schließen; dennoch spricht der EuGH stets davon, dass Art. 28 bereits nicht anwendbar sei; so dass eine Rechtfertigung ausscheidet. Dem stehen Entscheidungen gegenüber, in denen der Gerichtshof Verbote bestimmter Werbeformen und Methoden der Absatzförderung wegen "zwingender Erfordernisse" erlaubte,227 was eine Behandlung auf der Rechtfertigungsebene nahelegt. 228 Im Ver-
gentierung der Weizenvennahlungsmenge der Mühlenindustrie für den inländischen Nahrungsmittelbedarf; EuGH, Urt. v. 11. 7. 1990, Rs. C-23/89 (Quietlynn), Slg. 1990, 1- 2859, Rn. 11 : Verkaufsverbot für nicht verbotene Sexartikel in nicht konzessionierten Sexshops. 223 Richtlinie 70/50lEWG der Kommission vom 22. 12. 1969 über die Beseitigung von Maßnahmen gleicher Wirkung wie mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen, ABI. Nr. L 13, 29. 224 EuGH, Urt. v. 31. 3.1982, Rs. 75/81 (Blesgen) Slg. 1982,1211,1229 Rn. 8. Ähnlich EuGH, Urt. v. 7. 2. 1984, Rs. 238/82 (Duphar) Sig. 1984,523, Rn. 16,21: Negativliste kassenzugeiassener Medikamente, die keine Diskriminierung nach dem Ursprung bewirkt, auf objektiv überprüfbaren Kriterien beruht und jederzeit änderbar ist, lässt Freiheit des Inverkehrbringens von Waren unberührt, da der Marktzugang ausschließlich vom Preisvorteil gegenüber therapeutisch gleichwertigen Erzeugnissen abhängt. 225 EuGH, Urt. v. 18. 5. 1993, Rs. C-126/91 , (Yves Rocher), Slg. 1993, 1-2361, Rn. 21. In dieser Entscheidung lehnte der EuGH allerdings gleichzeitig eine de rninirnis-Ausnahme für Art. 28 ab. 226 Vgl. Matthias Petschke, Die Warenverkehrsfreiheit in der neuesten Rechtsprechung des EuGH: Anmerkungen zu den Urteilen EuGH, EuZW 1993,70 - Keck und EuGH, EuZW 1994, 119 - Hünermund, EuZW 1994,107,110. 227 Vgl. z.B. EuGH, Urt. v. 15. 12. 1982, Rs. 286/81 (Oosthoek's Uitgeversmaatschappij), Sig. 1982,4575: Verbot, den Käufern von Nachschlagewerken Bücher als Zugaben anzubieten, wenn nicht ein sog. Verwendungszusammenhang zwischen Nachschlagewerk und Zugabe bestand; EuGH, Urt. v. 16. 5. 1989, Rs. 382/87 (Buet), Sig. 1989, 1235: Verbot der Haustürwerbung für den Verkauf von pädagogischem Material gerechtfertigt, da Rücktrittsrecht Verbraucher nicht hinreichend schützt. 228 Bemerkenswert ist in Oosthoek 's Uitgeversmaatschappij, dass die niederländische sowie die deutsche und die dänische Regierung in diesem Verfahren Art. 28 bereits für nicht anwendbar hielten. EuGH, Urt. v. 15. 12. 1982, Rs. 286/81 (Oosthoek's Uitgeversmaatschappij), Slg. 1982,4575, Rn. 8.
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gleich erscheint dies widersprüchlich,229 die vom Gericht vorgenommene Verhältnismäßigkeitsprüfung systemwidrig. Auch die Erklärungsansätze in der Literatur bieten hierfür keine befriedigende Lösung?30 Die vielbeachtete231 Entscheidung im Vorabentscheidungsverfahren zu den Strafsachen Keck und Mithouard232 im Jahre 1993 führte zu einer Klärung. Die Angeklagten im Ausgangsverfahren hatten gegen ein französisches Verbot des Weiterverkaufs unter dem Einstandspreis (vente aperte) verstoßen. Der EuGH qualifIzierte dieses Verbot als Regelung von Verkaufsmodalitäten und nahm diese unter zwei Voraussetzungen aus dem Anwendungsbereich des Art. 28 heraus: (1.) Es muss sich um eine unterschiedslose (nichtdiskriminierende) Maßnahme handeln, die (2.) den Absatz inländischer Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in der gleichen Weise berührt. 233 Das Gericht begründet dies letztlich nur damit, dass die streitige Regelung von Verkaufsmodalitäten nicht auf eine Regelung des Warenverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten gerichtet sei. Es genüge nicht, dass
229 So im Ergebnis auch Generalanwalt Tesauro, Schlussantr. v. 27. 10. 1993, Rs. C292/92 (Hünermund) Slg. 1993, I-6787, Rn. 23 f. (zeitlich vor der Entscheidung des Gerichts in EuGH, Urt. v. 24. 11. 1993, verb. Rs. C-267 und C-268/91 (Keck und Mithouard) Slg. 1993, I-6097). 230 Ausführlich zu Erklärungsansätzen in der Literatur vor 1993 Middeke, Nationaler Umweltschutz im Binnenmarkt, 133 fI.; Nwe. in Schlussanträgen von Generalanwalt Tesauro, Rs. C-292192 (Hünermund) Slg. 1993,6787, Fn. 10 zu Rn. 8. 231 Vgl. Thomas Ackermann, Warenverkehrsfreiheit und "Verkaufsmodalitäten", RIW 1994, 189; Hans-Wolfgang Amdt, Warenverkehrsfreiheit und nationale Verkaufsbeschränkungen, ZIP 1994, 188; Ulrich Becker, Von ,,Dassonville" über "Cassis" zu ,,Keck" - Der Begriff der Maßnahmen gleicher Wirkung in Art. 30 EGV, EuR 1994, 162; Damian Chalmers, Repackaging the Intemal Market - The Ramifications of the Keck Judgment, ELR 1994,385; Ulrich Ehricke, Das Verbot des Weiterverkaufs zum Verlustpreis und Gemeinschaftsrecht, WuW 1994, 108; Astrid Epiney, Die Maßstabsfunktion des Art. 30 EGV für nationale umweltpolitische Maßnahmen: Zu den Rückwirkungen der neueren Rechtsprechung des EuGH zu Art. 30 EGV im Bereich des Umweltrechts, ZUR 1995, 24; Karl-Heinz Fezer, Europäisierung des Wettbewerbsrechts. Gemeinschaftsrechtliche Grenzen des unlauteren Wettbewerbs - Korrunentar zur jüngsten Entwicklung der Rechtsprechung des EuGH zum Warenverkehrsrecht (Rechtssachen "Yves Rocher", "Keck und Mithouard" und "Hünermund"), JZ 1994, 317; Möschel; Uta Neumann, die Rechtsprechung des EuGH zum Umweltrecht, in: Udo Di FabiolPeter MarburgerlMeinhard Schröder, Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts 1996, UTR Bd. 36, Heidelberg 1996,607,613 f.; Petschke; Norbert Reich, Anmerkung, ZIP 1993, 1815; Oliver Remien, Grenzen der gerichtlichen Privatrechtsangleichung mittels der Grundfreiheiten des EG-Vertrages, JZ 1994,349; Theodor Schilling, Rechtsfragen zu Art. 30 EGV - Zugleich eine Anmerkung zum EuGH-Urteil vom 24. 11. 1993 in den verbundenen Rechtssachen C-267/91 und C-268/91, EuR 1994,50. 232 EuGH, Urt. v. 24. 11. 1993, verb. Rs. C-267/91 und C-268/91 (Keck und Mithouard) Sig. 1993, I-6097. 233 Ebd., Rn. 16 f.
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solche Regelungen das Absatzvolumen von Waren aus anderen Mitgliedstaaten mittelbar beschränken könnten. 234 Der EuGH stellt also - unter ausdrücklicher Abweichung von seiner bisherigen Rechtsprechung235 - klar, dass unter den genannten Umständen bereits der Anwendungsbereich des Art. 28 nicht eröffnet ist, ohne dass eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen ist. Letzteres unterstreicht die praktische Bedeutung der Entscheidung: Ist Art. 28 auf eine nationale Regelung nicht anwendbar, so muss weder ein Rechtfertigungsgrund vorliegen noch muss sich die Regelung als mildestes Mittel zur Erreichung ihres Zieles erweisen. Der EuGH hat seine Aussage in Keck in mehreren Folgeentscheidungen bestätigt. Danach fallen auch allgemeine Werbeverbote und Regelungen von Ladenschlusszeiten nicht in den Bereich der Warenverkehrsfreiheit. 236 Verkaufsmodalitäten werden vom EuGH bestimmt als "die zeitlichen und räumlichen Voraussetzungen, unter denen ( ... ) Waren an die Verbraucher verkauft werden können".237 Solche Verkaufsmodalitäten können nach Ansicht des Gerichts auch vom Verbot des Art. 28 ausgenommen sein, wenn sie sich auf bestimmte Produkte beziehen. 238 Diskriminierende und 234 Ebd., Rn. 12 f. Der Verweis des Gerichts ebd., Rn. 14 auf die häufige Berufung von Wirtschaftsteilnehmern auf Art. 28 mit dem Ziel der Beseitigung beschränkender Regelungen, die nicht auf Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten gerichtet sind, führt in der Sache nicht weiter. Kritisch hierzu auch Ackermann 192, Epiney, Maßstabsfunktion des Art. 30 EGV, 27 Fn. 36 und Petschke 108. 235 Vgl. EuGH, Urt. v. 24. 11. 1993, verb. Rs. C-267/91 und C-268/91 (Keck und Mithouard) Slg. 1993, 1-6097, Rn. 16: "entgegen der bisherigen Rechtsprechung". Der EuGH nennt allerdings nicht die Urteile, von denen er abweicht. 236 EuGH, Urt. v. 15. 12. 1993, Rs. C-292192 (Hünerrnund), Slg. 1993,1-6787, Rn. 23: Art. 28 nicht anwendbar auf ein standesrechtliches Werbeverbot für apothekenübliche Waren außerhalb von Apotheken; EuGH, Urt. v. 2. 6. 1994, verb. Rs. C-401 und 402192 ('t Heukske und Boermans), Slg. 1994,1-2199, Rn. 15: Ladenschlusszeiten für Tankstellen; EuGH, Urt. v. 2. 6. 1994, verb. Rs. C-69/93 und C-258/93 (punto Casa und PPV), Slg. 1994,1-2355: Ladenschluss; letztere bestätigt in EuGH, Urt. v. 20. 6. 1996, verb. Rs. C-418-421 und 460-464/93, C-9-11, 14 f., 23 f. und 332/94, (Semeraro Casa Uno u.a.), Slg. 1996,1-2975: Ladenschluss für Großmärkte auf der "grünen Wiese", die üblicherweise mehr importierte Waren anbieten; w. Nwe. ebd., Schlussanträge von Generalanwalt Cosmas, Rn. 12,93-95,97. 237 EuGH, Urt. v. 2. 6. 1994, verb. Rs. C-40 1 und 402/92 ('t Heukske und Boermans), Slg. 1994,2199. 238 EuGH, Urt. v. 29. 6. 1995, Rs. C-391/92, (Kommission 1 Griechenland), Slg. 1995, 1-1621, Rn. 13 ff.: Apothekenmonopol für (ausschließlich eingeführte) Säuglingsmilch; EuGH, Urt. v. 14. 12. 1995, Rs. C-387/93 (Banchero), Slg. 1995,4663, Rn. 35 f.: "Diese Rechtsvorschriften beziehen sich nicht auf die Merkmale der Erzeugnisse, sondern betreffen nur die Modalitäten des Einzelhandels mit Tabakwaren, denn sie verbieten deren Verkauf an den Verbraucher außerhalb der zugelassenen Läden. Der Umstand, dass sie für bestimmte Erzeugnisse - die Tabakwaren - gelten und nicht für den Einzelhandel allgemein, kann an dieser Beurteilung nichts ändern". A.A. in der Literatur Epiney, Umwe1trecht in der EU, 117 f., die eine Tatbestandsreduktion in Art. 28 nur bei Verkaufsmodalitäten annimmt, die sich nicht auf ein bestimmtes Produkt
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daher nicht von Art. 28 ausgenommene Regelungen liegen dabei nicht nur vor, wenn eine Norm für alle (sowohl inländische als auch ausländische) Wirtschaftsteilnehmer gilt, die im Inland tätig sind, sondern auch dann, wenn eine Regelung den Absatz in- und ausländischer Produkte lediglich faktisch durch ihre Wirkung in unterschiedlicher Weise berührt.239 Im Ergebnis kann für den Anwendungsbereich des Art. 28 nach der Rechtsprechung des EuGH unterschieden werden zwischen: Regelungen, die unmittelbar Voraussetzungen an Waren stellen, die in anderen Mitgliedstaaten rechtmäßig in den Verkehr gebracht wurden, und - Regelungen, die bestimmte Verkaufsmodalitäten, auch hinsichtlich konkreter Produkte, einschränken, aber nicht dazu geeignet sind, den Marktzugang für ausländische Waren zu versperren oder stärker als für inländische Waren zu behindern.
d) Begriff der Maßnahmen gleicher Wirkung for das Umweltrecht der Mitgliedstaaten nach Keck Die Bewertungen der Bedeutung von Keck für das Umweltrecht der Mitgliedstaaten gehen auseinander. 240 Auf der Grundlage einer Interpretation des Urteils lässt sich allerdings für das Umweltrecht eine genauere Eingrenzung des Anwendungsbereichs des Art. 28 für solche gliedstaatlichen Maßnahmen vornehmen, die den Handelsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten lediglich mittelbar und nicht-zweckgerichtet beeinträchtigen.
beziehen. Anders auch Generalanwalt Lenz, Schlussanträge v. 4. 4. 1995, Rs. C-391192, (Konumssion / Griechenland), Slg. 1995,1-1621, Rn. 19 ("Eine Vermarktungsregelung fiir ein Produkt bzw. eine Produktgruppe wirkt dabei regelmäßig intensiver als die Regelung allgemeiner Verkaufsbedingungen."), Rn. 21 fI. (Anwendbarkeit des exArt. 30 im Erg.). 239 Vgl. z.B. jüngst EuGH, Urt. v. 8. 3. 2001, Rs. C-405/98 (Konsumentombudsmannen / Gourmet International Products AB), Slg. 2001, 1-1795 - schwedische Werbebeschränkungen und -verbote für alkoholische Getränke. Anders Dirk Ruschle, Ende eines Missverständnisses - Kecks leiser Abgang (Konsumentombudsmannen (KO) I Gourmet International Products AB (GIP, EuGH vom 8. März 2001, C-405/98) ELR 2001,75 fI., der richtigerweise festhält, dass Keck nicht von einer Einze1fallprüfung entbindet, jedoch zu Unrecht in der Prüfung, ob der ,,Absatz inländischer Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in der gleichen Weise [berührt ist]", ein neben der Diskriminierung selbständiges Kriterium der Martktzugangsbehinderung sieht. 240 Vgl. einerseits Epiney, Maßstabsfunktion des Art. 30 EGV, 31, andererseits Schmitz, Stefan, Die Europäische Union als Umweltunion: Entwicklung, Stand und Grenzen der Umweltschutzkompetenzen der EG, Berlin 1996, 263.
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Wie oben festgestellt, nimmt der EG den Mitgliedstaaten nicht ihre Befugnis zur eigenständigen Gestaltung nationaler Politiken, sondern beschränkt diese lediglich. Hinter Art. 28 steht die Idee, die Existenz verschiedener nationaler Rechtsordnungen innerhalb eines gemeinsamen Marktes solle nicht zu Erschwerungen des Grenzübertritts fiir Waren fiihren. 241 Nicht nur diskriminierende Regelungen und mitgliedstaatlicher Protektionismus, sondern auch sonstige Ein- und Ausfuhrhindernisse sollen verhindert werden. 242 Hindernisse für die freie Beweglichkeit von Waren können einer mitgliedstaatlichen Maßnahme allerdings nur dann zugerechnet werden, wenn sich die Maßnahme auf Waren bezieht. Daher kann die unmittelbare Produktbezogenheit einer Maßnahme als entscheidendes Kriterium fiir die Eröffnung des Anwendungsbereichs des Art. 28 bezeichnet werden. 243 Bezieht sich eine mitgliedstaatliche Maßnahme nicht auf ein bestimmtes Produkt oder eine abgrenzbare Kategorie oder Gruppe von Produkten, dann ist Art. 28 nicht einschlägig. Unmittelbar produktbezogene Maßnahmen in diesem Sinne treten in vielerlei Formen auf: Produktnormen (bzw. produktbezogenen Vorschriften in engerem Sinn): Vorschriften, die Anforderungen an die Beschaffenheit einer Ware stellen;244 Verwendungsbezogene Vorschriften: Vorschriften, die die Verwendung einer Ware, z.B. die Benutzung einer Sache oder die Nutzung einer Sache als Rohstoffbzw. Inhalts- oder Zusatzstoff, materiell beschränken;245
Vgl. Epiney, Maßstabsfunktion des Art. 30 EGV, 28. GroebenlThiesing/Ehlermann-Müller-Grajf, Art. 28 Rn.19. 243 Ähnlich - wenn auch unter Ablehnung der Aussage des EuGH zur Nichtanwendbarkeit des Art. 28 bei auf ein bestimmtes Produkt bezogenen Verkaufsmodalitäten Epiney, Maßstabsfunktion des Art. 30 EGV, 28 und Epiney, Umweltrecht in der EU, 118; zu dieser Abgrenzung auch Seidel, Umweltrechtliche und wirtschaftslenkende Abgaben und Maßnahmen, 112. 244 Vgl. Epiney, Maßstabsfunktion des Art. 30 EGV, 29. 245 Vgl. Middeke, Nationaler Umweltschutz im Binnenmarkt, 136, der als Beispiele Phosphate, Tenside, PCP nennt; Epiney, Maßstabsfunktion des Art. 30 EGV, 29 m.w.N.; Epiney, Umweltrecht in der EU, 118; vgl. auch Sachverhalte bei EuGH, Urt. v. 7. 11. 1989, Rs. 125/88 (Nijman), Slg. 1989, 3533, Rn. 2, 12 - Verbot von Verkauf, Bevorratung und Anwendung von Pflanzenschutzmitteln, deren nationale Zulassung nicht erwiesen ist; EuGH, Urt. v. 17. 5. 1994, Rs. C-41/93 (Frankreich I Kommission)PCP, Slg. 1994, 1-1829; hierzu zählen auch die von Middeke ebd., 139 eigens aufgefiihrten Regelungen, die die Verwendung eines Produktes grundsätzlich beschränken, fiir Produkte, die bestimmten umweltbezogenen Anforderungen entsprechen, allerdings Ausnahmen vorsehen 01erbote mit Ausnahmevorbehalt). Soweit in der Literatur vorgetragen wird, dass solche Maßnahmen nach Keck aus dem Anwendungsbereich des Art. 28 herausfielen, da sie unterschiedslos und nicht auf eine Regelung des Warenverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten gerichtet seien und den innergemeinschaftlichen 241
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Genehmigungsvorbehalte: Vorschriften, die die Verkehrsfähigkeit eines Produktes im freien Markt von der Erteilung einer Genehmigung, ggf. nach einer Prüfung (etwa der Umweltverträglichkeit der Ware) abhängig machen;246 Vorschriften zur indirekten Verhaltenssteuerung: Dies sind insbesondere lenkende Umweltabgaben und -zertifxkate auf der einen Seite sowie umweltbezogene Abgabenvergünstigungen (insbesondere Steuervergünstigungen) auf der anderen Seite, die als Ameize, insbesondere fxnanzieller Art, wirken sollen. 247 Nicht unmittelbar produktbezogen und daher nicht an Art. 28 ff. zu messen sind: Produktionsbezogene Vorschriften: Diese lassen Produktionsprozesse in anderen Mitgliedstaaten unberührt und damit die Verkehrsfähigkeit der dort hergestellten Waren;248 Vorschriften bezüglich nicht-handelbarer Umweltgüter: Regelungen, die sich lediglich auf solche Umweltgüter beziehen, die nicht zum Gegenstand von Handelsgeschäften gemacht werden können, also z.B. Rege-
Handel nicht "spürbar" beeinträchtigten (vgl. auch U. Becker, Der Begriff der Maßnahmen gleicher Wirkung, 174, nach dessen Ansicht Art. 28 lediglich bei besonders starken Verwendungsrestriktionen, die den nationalen Markt im Ergebnis verschließen, anzuwenden ist), ist - abgesehen von der Untauglichkeit der "Spürbarkeit" als verlässliches Abgrenzungskriterium - darauf hinzuweisen, dass solche Maßnahmen gerade auf die Verwendung eines bestimmten Produktes bezogen sind und mit der Verwendung auch stets den Absatz (und die Einfuhr) einschränken. Wenn die Regelung nicht sogar eine Absatzbeschränkung bezweckt, so steht doch ihre konkrete Produktbezogenheit einer Herausnahme aus dem Anwendungsbereich des Art. 28 entgegen (Vgl. Epiney, Maßstabsfunktion des Art. 30 EGV, 28.). 246 Vgl. Middeke, Nationaler Umweltschutz im Binnenmarkt, 136; Epiney, Maßstabsfunktion des Art. 30 EGV, 29 und dies., Umweltrecht in der EU, 118. 247 In der Mehrzahl sind hier allerdings spezielle Regelungen des EG einschlägig, insbesondere die Vorschriften der Art. 23 fT. (ex-Art. 9 fT.) für Zölle und zollgleiche Abgaben, der Art. 90 fT. (ex-Art. 95 fT.) zu steuerlichen Vorschriften und die Beihilferegelungen der Art. 87 f. (ex-Art. 92 f.). Vgl. ausfuhrlich Grabitz, Eberhard, Handlungsspielräume der EG-Mitgliedstaaten zur Verbesserung des Umweltschutzes: Das Beispiel der Umweltabgaben und -subventionen, RIW 1989, 623; Hilf, Breuer, Umweltrechtliche und wirtschaftslenkende Abgaben; Seidel, Umweltrechtliche und wirtschaftslenkende Abgaben und Maßnahmen. 248 Vgl. Epiney/Möllers, 29 und 45 ff.; Seidel, Umweltrechtliche und wirtschaftslenkende Abgaben und Maßnahmen, 112; Middeke, Nationaler Umweltschutz im Binnenmarkt, 140.
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lungen zum Schutz des Bodens (nicht aber z.B. Artenschutzvorschriften, die den Verkauf bestimmter Pflanzen oder Tiere untersagen);249 - Beschränkungen von Verkaufsmodalitäten ftir bestimmte Produkte oder Produktgruppen: Auch solche Regelungen sind aus umweltpolitischer Motivation denkbar, etwa Vorsichtsmaßregeln beim Verkauf von Pestiziden. Die Erdbeeren-Entscheidung des EuGH250 bietet auch Ansatzpunkte ftir Konflikte im Umweltbereich. Starkes Gefälle in der Sensibilität der Biliger verschiedener Mitgliedstaaten rur Umweltfragen kann etwa zu Boykottaufrufen von Umweltorganisationen in einem Mitgliedstaat gegen Produkte aus anderen Mitgliedstaaten fuhren, die auch wirtschaftlich relevante Wirkungen zeitigen. 251 Der EuGH beschränkt sich allerdings nicht nur auf eine bloße Kontrolle des mitgliedstaatlichen Ermessens/52 sondern betont darüber hinaus mehrfach, dass es sich bei den Aktionen der französischen Bauern um regelmäßig auftretende und schwere Vorfälle handelte, die "unzweifelhaft" Hemmnisse ftir dc;n innergemeinschaftlichen Warenverkehr verursachten. Nicht jedes rechtswidrige, gegen den freien Warenverkehr gerichtete Verhalten Privater kann daher Grundlage fiir den Vorwurfpflichtwidrigen Unterlassens seitens des Mitgliedstaates sein. Es ist auch denkbar, dass wirksame Boykottaufrufe einflussreicher Umweltorganisationen den Mitgliedstaat zu einem Gegensteuern verpflichten (etwa durch Informationskampagnen zugunsten betroffener Produkte aus anderen Mitgliedstaaten), sofern sich diese gerade gegen eingefiihrte Waren richten.
249 Vgl. Middeke, Nationaler Umweltschutz im Binnenmarkt, 141 f., der hier von "umweltgenuinen Maßnahmen" spricht, gemäß ihres Bezuges auf Regelungsgegenstände "umweltoriginärer Art", also gerade nicht auf einen bestimmten Herstellungs- oder Produktionsprozess (ebd., 142); vgl. hierzu EuGH, Urt. v. 23 . 5. 1990, Rs. C-169/89 (Gourmetterie Van den Burg) - Schottisches Moorschneehuhn, Sig. 1990, 1-2143. 250 EuGH, Urt. v. 9. 12. 1995, Rs. C-265/95 (Kommission I Frankreich) - Erdbeeren, Slg. 1995, 1-6959. 251 Die Wirksamkeit von umweltbezogenen Einflussnahmen auf das Verbraucherverhalten und die Spürbarkeit dieses Verhaltens für die betroffenen Unternehmen sind bekannt. So sah sich der Nestle-Konzern im Spätsommer 1999 gezwungen, seinen aus genetisch verändertem Mais hergestellten ,,Butterfinger"-Riegel vom Markt zu nehmen, vgl. "Eine gefährliche Saat", Süddeutsche Zeitung Nr. 212 vom 14.9. 1999, 14. 252 Im Vertragsverietzungsverfahren gegen Frankreich war dessen pflichtwidrige Unterlassung eindeutig. Unzweifelhaft, setzte die französische Regierung aus politischen Gründen keine Ordnungskräfte gegen die Bauern ein, die auch vor laufenden Fernsehkameras Lastwagen stoppten und das daraufbefmdliche spanische und italienische Obst und Gemüse vernichteten. Vgl. hierzu Schlussanträge des Generalanwalts Lenz vom 9. 7. 1997, Rs. C-265195 (Kommission / Frankreich) - Erdbeeren, Slg. 1997,1-6959, Rn. 14,51 ff.
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2. Mengenmäßige Ausfuhrbeschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung, Art. 29 EG Spiegelbildlich zu Art. 28 verbietet Art. 29 mengenmäßige Ausfuhrbeschränkungen sowie Maßnahmen gleicher Wirkung und ergänzt so die Konzeption des freien Warenverkehrs. 253 Mengenmäßige Ausfuhrbeschränkungen sind entsprechend dem zu Art. 28 Gesagten zu ermitteln. 254 Ausgangspunkt rur die Bestimmung des Begriffs der Maßnahmen gleicher Wirkung ist auch hier, auf die Ausfuhr bezogen, die Dassonville-Formel,255 so dass grundsätzlich alle nachteiligen Wirkungen nationaler Gesetzgebung auf die Warenausfuhr erfasst sind. Der EuGH begrenzt den Anwendungsbereich des Art. 29 in ständiger Rechtsprechung allerdings auf "nationale Maßnahmen, die spezifische Beschränkungen der Ausfuhrströme bezwecken oder bewirken und damit unterschiedliche Bedingungen fiir den Binnenhandel innerhalb eines Mitgliedstaats und seinen Außenhandel schaffen, so dass die nationale Produktion oder der Binnenmarkt des betroffenen Staates zum Nachteil der Produktion oder des Handels anderer Mitgliedstaaten einen besonderen Vorteil erlangt. ,,256 Die Literatur sieht darin überwiegend eine funktionsgerechte Eingrenzung der weiten Dassonville-Formel fiir den Bereich des Art. 29, mit der das Gericht die Anwendung des Art. 29 auf solche Bestimmungen ausschließe, die unterschiedslos auf auszufUhrende und fiir den inländischen Absatz bestimmte Wa-
Vgl. GroebeniThiesing/Ehlermann-Mü/ler-Grafj, Art. 34 Rn. 1 f. Vgl. EuGH, Urt. v. 12. 7. 1973, Rs. 2/73 (Geddo 1 Ente Nazionale Risi), Sig. 1973,865. 255 EuGH, Urt. v. 3. 2. 1977, Rs. 53/76 (Bouhelier), Sig. 1977, 197, Rn. 16/17; zu Art. 28 und Art. 29 als inhaltlich parallele Regelungen EuGH, Urt. v. 15. 12. 1971, verb. Rs. 51 bis 54/71 (International Fruit Cornpany), Slg. 1971, 1107, Rn. 8/9; vgl. GrabitziHilf-Matthies, Art. 34 Rn. 2; GroebenlThiesing/Ehlermann-Mü/ler-Grafj, Art. 34 Rn. 13. 256 EuGH, Urt. v. 8. 11. 1979, Rs. 15/79 (Groenveld) - Pferdefleisch, Sig. 1979, 3409, Rn. 7 (Hervorhebung hinzugefügt); EuGH, Urt. v. 14. 7. 1981, Rs. 155/79 (Oebel) Sig. 1981, 1993, Rn. 15; so auch EuGH, Urt. v. 15. 12. 1982, Rs. 286/81 (Oosthoek's Uitgeversmaatschappij), Sig. 1982, 4575, Rn. 13: "Was die Ausfuhr angeht, erfasst Art. 34 die einzelstaatlichen Maßnahmen, die eine besondere Beschränkung der Ausfuhrströme und damit eine Ungleichbehandlung des Binnenhandels eines Mitgliedstaats und seines Ausfuhrhandels bezwecken oder bewirken, um der einheimischen Erzeugung oder dem Binnenhandel des betreffenden Mitgliedstaats einen besonderen Vorteil zu verschaffen." (Hervorhebung hinzugefügt); Gleichlautend wie in Groenveld EuGH, Urt. v. 10.3. 1983, Rs. 172/82 (Inter-Huiles), Sig. 1983,555, Rn. 12; EuGH, Urt. v. 9. 6.1992, Rs. 47/90 (Delhaize 1 Promalvin), Sig. 1992, 3669, Rn.12; EuGH, Urt. v. 24. 3. 1994, Rs. C-80/92 (Kommission 1 Belgien), Sig. 1994, 1-1019, Rn.24. 253
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ren anzuwenden sind, da der inländische Absatz nur durch eine Unterscheidung zwischen diesen beiden bevorzugt werden kann. 257 Zutreffend ist, dass Art. 29 nationale Maßnahmen untersagt, die gerade die Ausfuhr von Inlandswaren im Sinne von Art. 23 Abs. 2 258 behindern, nicht jedoch jegliche allgemeine inländische Maßnahmen erfasst, die den Absatz einer im Inland produzierten Ware allgemein und damit in gleicher Weise deren in- und ausländischen Absatz berühren können. 2S9 Erstere werden in der Regel - aber nicht ausnahmslos - Regelungen sein, die einen Unterschied zwischen Waren für den inländischen Markt und Exportwaren treffen. Auch der EuGH stellt gerade nicht darauf ab, ob eine Vorschrift unterschiedliche Regelungen für auszuruhrende Waren und für den inländischen Markt bestimmte Waren vorsieht, sondern darauf, ob im Ergebnis unterschiedliche Bedingungen für die Ausfuhr entstehen, die Wirtschaftsteilnehmer in anderen Mitgliedstaaten benachteiligen. Fragwürdig ist jedoch das vom EuGH aufgestellte weitere Kriterium eines besonderen Vorteils im Ausfuhrstaat. 26o Als Instrument zur Öffnung der Märkte rur die Ein- und Ausfuhr ist die Warenverkehrsfreiheit nicht erst dann betroffen, wenn Produzenten oder Verbrauchern in einem Mitgliedstaat Vorteile verschafft werden/61 es genügt bereits, dass in anderen Mitgliedstaaten nachteilige Auswirkungen spürbar sind?62 Art. 29 verbietet daher alle Rege2S7 Im Bereich von Art. 28 könnten unterschiedslos auf eingeführte und mit diesen konkurrierende inländische Waren anwendbare Regelungen gerade deshalb zu Einfuhrhindernissen führen, weil sie Waren verschiedener Herkunft beträfen. Im Sinne von Art. 29 unterschiedslose Regelungen beträfen demgegenüber nur inländische Produkte, unterschiedliche Bedingungen könnten hier nur dann entstehen, wenn an auszuführende Waren andersartige Anforderungen gestellt würden. GrabitziHi/f-Matthies, Art. 34 Rn. 4; GroebeniThiesingIEhlermann-Müller-Graff, Art. 34 Rn. 15; Geiger, EG-Vertrag, Art. 29 Rn. 2; vg1. auch Nw. in Fn. zu den Begründungen in der Literatur bei Wu/fHenning Roth, Wettbewerb der Mitgliedstaaten oder Wettbewerb der Hersteller? Plädoyer für eine Neubestimmung des Art. 34 EGV, ZHR 159 (1995), 78, 83 ff.; MüllerGraff, ebd., Rn. 17 fasst die Merkmale der Anwendbarkeit des Art. 29 in Anlehnung an die Rechtsprechung zu Art. 29 so zusammen, dass die Eignung zum Bewirken spezifischer Beschränkungen der Ausfuhrströme entscheidend sein soll. Dies wird im praktischen Ergebnis den Kriterien des EuGH stets entsprechen. Kritisch allerdings nun Roth, ebd., 78 und w.N. 83 Fn. 32; enger auch Generalanwalt Capotorti, Schlussanträge v. 27. 5. 1981, Rs. 155/80 (Oebel), Slg. 1981,2012,2015 f. 2S8 Unmittelbar aus dem Mitgliedstaat selbst stammende Waren sowie Waren aus Drittstaaten, die sich in diesem Mitgliedstaat im freien Verkehr befinden. 2S9 Vg1. GroebeniThiesingIEhlermann-Müller-Graff, Art. 34 Rn. 15. 260 Vg1. GroebeniThiesingIEhlermann-Müller-Graff, Art. 34 Rn. 17. 261 Vg1. Lenz-Lux, Art. 34 Rn. 1; ähnlich auch Roth, Neubestimmung des Art. 34 EGV, 84 sowie Schröer, Kompetenzverteilung, 160. 262 Geschützt sind u.a. die AbnehmerNerbraucher in anderen Mitgliedstaaten, vg1. EuGH, Urt. v. 7. 3. 1990, Rs. C-362188 (GB-INNO), Slg. 1990,1-667, Rn. 8; entsprechend für die Dienstleitungsfreiheit z.B. EuGH, Urt. v. 15. 3. 1994, Rs. C-45/93 (Kom-
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lungen eines Ausfuhrstaates, die den Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten in spezifischer Weise nachteilig treffen, auch wenn dies ohne Inlandsvorteil geschieht. 263 Von Art. 29 erfasst sind danach insbesondere: Ausfuhrbezogene Produktnormen: Regelungen, die Beschaffenheitsanforderungen an auszufiihrende Waren stellen, so dass etwa eine Ausfuhr im unverpackten Zustand verhindert wird/ 64 Genehmigungsvorbehalte für die Ausfuhr: Regelungen, die die Ausfuhr einer Ware nur nach Durchfuhrung bestimmter Prüfungen oder anderer Formalitäten oder der Erteilung bestimmter Genehmigungen gestatten;265 Nicht von Art. 29 erfasst sind Regelungen, die nicht zu einer unterschiedlichen Behandlung von auszufiihrenden oder für den inländischen Markt bestimmten Waren fuhren und weder Vorteile für die Produzenten oder Verbraucher in dem regelnden Mitgliedstaat noch Nachteile für die Abnehmer in anderen Mitgliedstaaten schaffen. Dies sind insbesondere: Allgemeine Produktionsregelungen: Innerstaatliche Produktionsverbote, Produktionskontingentierungen und andere produktionserschwerende Maßnahmen außerhalb einer gemeinschaftlichen Marktordnung,266 die mission / Spanien), Slg. 1994, 1-911, Rn. 9 f.; vgl. auch EuGH, Urt. v. 8. 11. 1979, Rs. 15179 (Groenveld), Slg. 1979, 3409, Rn. 7: ,,(... ) so dass ( ...) der Binnenmarkt des betroffenen Staates zum Nachteil der Produktion oder des Handels anderer Mitgliedstaaten einen besonderen Vorteil erlangt." (Hervorhebung hinzugefiigt). Da die Warenverkehrsfreiheit nur grenzüberschreitende Sachverhalte erfasst, so dass ein inländischer Unternehmer gerade nicht gegen inländische Regelungen geschützt wird, profitiert diese Gruppe lediglich im Wege des Rechtsreflexes. Im praktischen Ergebnis ist daher Roth, Neubestimmung des Art. 34 EGV, 90 (betont die Freiheit des Exporteurs, seine Waren überall im Gemeinsamen Markt zu den Bedingungen des jeweiligen Absatzmarktes anbieten zu können) zuzustimmen. 263 Vgl. Roth, Neubestirnrnung des Art. 34 EGV, 91. Schließlich ist selbst eine gewisse Unsicherheit hinsichtlich der Frage, ob eine nationale Regelung ein unausgesprochenes Ausfuhrverbot enthält oder nicht, wegen der damit verbundenen Abschreckungswirkung als verbotenes Handelshemmnis anzusehen. EuGH, Urt. v. 7. 2. 1985, Rs. 173/83 (Kommission / Frankreich), Sig. 1985, 491, Rn. 7 f. 264 Vgl. EuGH, Urt. v. 9. 6. 1992, Rs. 47/90 (Delhaize / Promalvin), Sig. 1992,3669, Rn. 13 f.: Unzulässigkeit einer spanischen Ausfuhrbeschränkung fiir nicht in Flaschen abgefiillten Rioja-Wein. 265 Vgl. z.B. EuGH, Urt. v. 15. 12. 1971, verb. Rs. 51 bis 54/71 (International Fruit), Sig. 1971, 1107, Rn. 8/9; EuGH, Urt. v. 3.2.1977, Rs. 53/76 (Bouhelier), Sig. 1977, 197, Rn. 10111 ff. 266 Ausfuhrhindernisse fiir Waren, die einer gemeinsamen Marktorganisation der Gemeinschaft unterliegen, sind anband der Dassonville-Formel zu prüfen. Vgl. z.B. EuGH, Urt. v. 30. 10. 1974, Rs. 190/73 (van Haaster), Sig. 1974, 1123, Rn. 4 ff., 18: Unzulässige Kontingentierung der Produktion von Hyazinthenzwiebeln (anband sekun-
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die Ausfuhr lediglich als Auswirkung einer allgemeinen Produktverteuerung einschränken; - Unterschiedslose Absatzregelungen;267 - Unterschiedslose materielle Anforderungen an inländische Produkte;268 Allgemeine Genehmigungsvorbehalte. Beispiele für umweltbezogene Ausfuhrhindernisse im Sinne des Art. 29 sind Verbote und Beschränkungen der Verbringung von wiederverwertbaren und nicht wiederverwertbaren Abfallstoffen, die sich im grenzüberschreitenden Bereich auswirken, sowie Verbote der Ausfuhr von natürlichen Ressourcen und Naturgütem (Wasser, Bodenschätze, Pflanzen, Tiere). Regelungen, die lediglich umweltbezogene Beschaffenheitsanforderungen an im Inland produzierte Waren stellen, werden regelmäßig nicht zu Ausfuhrhindernissen im Sinne des Art. 29 führen. Sie können allerdings eine Vermarktung in einem anderen Mitgliedstaat verhindern, wenn ein Produkt wegen dieser Vorschriften in anderen Mitgliedstaats nicht konkurrenzfähig ist. Sind solche Regelungen geeignet, die Verbraucher im Empfängerstaat zu benachteiligen,269 so sind sie vorbehaltlich einer Rechtfertigung nach Art. 30 - nach Art. 29 verboten. Produktionsbezogene Umweltschutzregelungen, die eine Erhöhung der Produktionskosten mit sich bringen, z.B . Ernissions- und Sicherheitsvorschriften zum Schutz vor Schadstoffeinträgen in Luft, Wasser und Boden, sowie Naturschutzrecht, das sich auf Standortwahl und Kosten auswirkt, können wegen der damit verbundenen Wettbewerbsnachteile zu einer Verminderung des Exportvolumens führen. 270 Sie führen jedoch regelmäßig nicht zu einer unterschiedlichen Behandlung von Ausfuhren oder spezifischen Beschränkungen der Ausfuhrströme. 271
därrechtlicher Bestimmungen gleichen Inhalts); EuGH, Urt. v. 26. 2. 1980, Rs. 94/79 (Vriend), Slg. 1980,327, Rn. 9; vg1. z.B . GrabitziHi/fMatthieslvon Borries, Art. 34 Rn. 3,5. 267 V g1. z.B. das zur Kontrollierbarkeit des Nachtbackverbotes erlassene Verbot von Abgabe und Austragen an Endverbraucher und Verkaufsstellen: EuGH, Urt. v. 14. 7. 1981, Rs. 155/79 (Oebel) Slg. 1981 , 1993. 268 Vg1. z.B. EuGH, Urt. v. 7. 2. 1984, Rs. 237/82 (Jongeneel Kaas), Slg. 1984,483, Rn. 22; EuGH, Urt. v. 8. 11. 1979, Rs. 15/79 (Groenveld), Slg. 1979,3409, Rn. 7. 269 Entgegen Roth, Neubestimmung des Art. 34 EGV, 92 ist nur unter der genannten Voraussetzung ein grenzüberschreitender Sachverhalt gegeben, für den Art. 29 Anwendung fmden karm. 270 Vg1. GroebeniThiesingIEhlermann-Müller-Graff, Art. 34 Rn. 3; GrabitzlZacker, Umweltkompetenzen ,301. 271 In Ausnahmefällen sind allerdings auch bei unterschiedslosen produktionsbezogenen Regelungen Beschränkungen möglich, die gerade die Ausfuhr und damit Ab-
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Noch weniger ausfuhrbezogen sind regelmäßig die Bestimmungen des Naturschutzrechts. Rechtfertigungsbedürftig sind allerdings Vorschriften des Tierund Pflanzenschutzes, die nicht allgemein darauf abstellen, dass Individuen in ihrem natürlichen Lebensraum gestört oder daraus entfernt werden, sondern spezifisch die Ausfuhr einer Art verbieten. 272
3. Legitimation mitgliedstaatlicher Maßnahmen, die unter Art. 28/29 EG fallen Maßnahmen, die den Tatbeständen der Art. 28/29 unterfallen, sind nur verboten, "sofern sich die Anwendung dieser Vorschriften nicht durch einen Zweck rechtfertigen lässt, der im Allgemeininteresse liegt und den Erfordernissen des freien Warenverkehrs vorgeht."273
Für Maßnahmen mit umweltbezogener Zielsetzung sind zwei mögliche Rechtfertigungswege zu unterscheiden, einerseits nach der Vorgabe des Art. 30 (unten a)), andererseits nach den in der sog. Cassis-Rechtsprechung des EuGH entwickelten Maßstäben (unten b». a) Ausnahmen vom Grundsatz der Art. 28/29 EG nach Art. 30 EG Art. 30 enthält eine Rechtfertigungsmöglichkeit fiir den Warenverkehr beschränkende mitgliedstaatliche Maßnahmen. 274 Die Bestimmung nennt enumerativ bestimmte Schutzgriinde, die Ein- oder Ausfuhrbeschränkungen rechtfertigen können, ihre Inanspruchnahme unterliegt einer erweiterten Verhältnismäßigkeitskontrolle.
Einer Rechtfertigung zugänglich sind nach Art. 30 S. 1 (u.a.) nationale Bestimmungen "zum Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren oder Pflanzen". Diese Schutzgründe werden vom EuGH als Ausnahmen eng interpretiert;275 sie sind erschöpfend und nicht durch Auslegung erweiternehrner in anderen Mitgliedstaaten in spezifischer Weise treffen, vgl. Roth, Neubestimmung des Art. 34 EGV, 78, 93 . Die Abgrenzung zwischen unspezifischen und spezifischen Beschränkungen wird hier jedoch häufig schwer fallen. 272 Vgl. Schröer, Kornpetenzverteilung, 160 f. 273 EuGH, Urt. v. 24. 11. 1993, verb. Rs. C-267/91 und C-268/91 (Keck und Mithouard) 81g. 1993,1-6097, Rn. 15. 274 Die Bestimmung eröffnet also keine mitgliedstaatlichen Kompetenzvorbehalte, vgl. EuGH, Urt. v. 10.7.1984, Rs. 72/83 (Campus Oil), 81g. 1984,2727, Rn. 32. 275 8t. Rspr., vgl. z.B. EuGH, Urt. v. 25. 1. 1977, Rs. 46/76 (Bauhuis), 81g. 1977,5.
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bar. 276 Sie gelten nur für nichtwirtschaftliche Maßnahmen,277 d.h. wirtschaftslenkende Maßnahmen sind keiner Rechtfertigung nach Art. 30 zugänglich. 278 Diese Schutzgründe werden zwar von Umweltschutzregelungen häufig abgedeckt,279 Umweltschutz als solcher ist jedoch nicht genannt. Bereiche des Umwe1trechts, die keine hinreichende Verbindung zu den genannten Schutzzwecken aufweisen, insbesondere weil die hierfür anzusetzende Gefahrenschwelle nicht überschritten ist, fallen daher aus dem Anwendungsbereich des Art. 30 heraus. 28o Dies betrifft insbesondere den vorsorgenden Umweltschutz. Gerechtfertigt kann nur eine verhältnismäßige Regelung sein. Sie muss für einen der Schutzgründe notwendig sein, es darf kein milderes Mittel gleicher Eignung geben, schließlich muss eine von der Regelung ausgehende Belastung des zwischenstaatlichen Handels in einem angemessenen Verhältnis zum Nutzen der Regelung für das jeweilige Schutzgut stehen. Gegenüber Waren aus anderen/für andere Mitgliedstaaten unterscheidende Regelungen sind zwar grundsätzlich rechtfertigbar, eine unterschiedliche Behandlung im nationalen Umweltrecht wird praktisch jedoch kaum je notwendig sein. 281 Unterschiedslose Regelungen unterliegen allerdings gleichermaßen einer scharfen Notwendigkeitskontrolle.
276 Vgl. z.B. EuGH, Urt. v. 19. 12. 1961, Rs. 7/61 (Kommission / Italien), Slg. 1961, 693,720; EuGH, Urt. v. 9. 6. 1982, Rs. 95/81 (Kommission/Italien), Slg. 1982,2187, Rn. 27. 271 Vgl. z.B. EuGH, Urt. v. 7. 2. 1984, Rs. 238/82 (Duphar) Slg. 1984,523, Rn. 23 m.w.N. (st. Rspr.). 278 Als untergeordnete Nebenzwecke sind wirtschaftspolitische Erwägungen jedoch zulässig, vgl. EuGH, Urt. v. 10. 7. 1984, Rs. 72/83 (Campus Oil), Slg. 1984, 2727, Rn. 33 ff., 36; EUGH, Urt. v. 6. 10. 1987, Rs. 118/86 (Nertsvoederfabriek), Slg. 1987, 3883, Rn. 15. 279 So hält Art. 174 Abs. 1 2. Spiegel strich ausdrücklich fest, dass der Schutz der menschlichen Gesundheit zu den Zielen des Umweltschutzes zu zählen ist. 280 Vgl. Christopher J. Foreman, A Comparative Analysis of Internal Controls on the Transfer ofWaste within the E.U. and U.S., 3 Cardozo Journal ofinternational and Comparative Law 151, Fn.131 f. m.w.N. und Fn. 183 f. (1995); Krämer, Environmental Protection and Artic1e 30, 117, 120; vgl. auch EuGH, Urt. v. 20. 9. 1988, Rs. C-302/86 (Kommission / Dänemark) - Pfandflaschen, Slg. 1988, 4607: Das Gericht sah zwar Art. 28 als verletzt an, erwog aber keine - dogmatisch vorrangig zu prüfende - Ausnahme unter Art. 30. 281 Vgl. z.B. EuGH, Urt. v. 12. 3. 1987, Rs. 178/84, (Kommission / Bundesrepublik Deutschland) - Reinheitsgebot for Bier, Slg. 1987, 1227, Rn. 28: ,,(...) Die Regelung muss allerdings in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Zweck stehen. Hat ein Mitgliedstaat die Wahl zwischen verschiedenen zur Erreichung desselben Ziels geeigneten Mitteln, so hat er das Mittel zu wählen, das den freien Warenverkehr am wenigsten behindert." V gl. auch Jutta Jahns-Böhm, Umweltschutz durch europäisches Gemeinschaftsrecht am Beispiel der Luftreinhaltung, Berlin 1994, 45 sowie Fn. 131.
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Die Beweislast trägt der Mitgliedstaat, der sich auf die Rechtfertigung beruft. 282 Grundätzlich haben die Mitgliedstaaten nach dem Prinzip der Erforderlichkeit unter mehreren gleich geeigneten Varianten diejenige zu wählen, die bereits in anderen Mitgliedstaat erfolgreich angewandt wird, da dies regelmäßig zu einer geringeren Belastung des Handels im Binnenmarkt fuhren wird. 283 Die Mitgliedstaaten haben allerdings einen weiten Ermessensspielraum hinsichtlich des innerstaatlichen Schutzniveaus. Wie der EuGH ausführt, "ist es, soweit beim jeweiligen Stand der Forschung noch Unsicherheiten bestehen, mangels einer Harmonisierung Sache der Mitgliedstaaten, unter Berücksichtigung der Erfordernisse des freien Warenverkehrs innerhalb der Gemeinschaft zu bestimmen, in welchem Umfang sie den Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen gewährleisten wollen".284
Wie weit dieser Spielraum im Einzelfall reicht, entscheidet der Gerichtshof. Dieser Spielraum bietet den Staaten daher allenfalls mäßigen Schutz. 28S Art. 30 S. 2 enthält ein absolutes Verbot willkürlicher Diskriminierungen und Handelsbeschränkungen unter dem Deckmantel legitimer Ziele, die durch Gesamtwürdigung der Maßnahme unter Berücksichtigung von Zweck und praktischen Wirkungen zu ermitteln sind. Es ist
282 Vgl. z.B. EuGH, Urt. v. 28. 11. 1983, Rs. 227/82 (van Bennekom), Sig. 1983, 3883, Rn. 40; EuGH, Urt. v. 6. 5. 1986, Rs. 284/84 (Muller), Slg. 1986, 1511, Rn. 25; GrabitziHilf-Matthies/von Borries, Art. 36 Rn. 7. 283 Vgl. Kay Kohlhepp, Beschränkung des freien Warenverkehrs in der EG durch nationale Umweltschutzbestimmungen: Anmerkung zum EuGH-Urteil über die dänischen Pfandflaschenbestimmungen, DB 1989, 1455, 1456, der dies aus dem Binnenmarktziel des Art. 14 (ex-Art. 8a) herleitet, welches als "Schranken-Schranke" die zulässigen Beschränkungen des freien Warenverkehrs aus Gründen des Umweltschutzes im nichtharmonisierten Bereich begrenze und die Berücksichtigung paralleler Regelungen bei der Bestimmung der den freien Warenverkehr arn wenigsten belastenden Maßnahme gebiete und daraus folgert, "dass es ein Europa der zwölf umweltpolitischen Geschwindigkeiten (... ) nicht geben darfund nicht geben wird." 284 EuGH, Urt. v. 14. 7. 1983, Rs. 174/82 (Sandoz), Sig. 1983, 2445, Rn. 15 ff.; EuGH, Urt. v. 12.3. 1987, Rs. 178/84, (Kommission / Bundesrepublik Deutschland)Reinheitsgebot for Bier, Sig. 1987, 1227, Rn. 25, 41; EuGH, Urt. v. 18. 5. 1989, Rs. 266,267/87 (Royal Pharmaceutical Society), Sig. 1989, 1295, Rn. 21; EuGH, Urt. v. 25. 7. 1991, verb. Rs. C-1I90 und 176/90 (Aragonesa), Slg. 1991,1-4151, Rn. 16. Vgl. auch EuGH, Urt. v. 17. 12. 1981, Rs. 272/80 (Biologische Producten), Sig. 1981, 3277, Rn. 12. 285 Vgl. Geiger, EG-Vertrag, Art. 36 Rn. 4, der zu Recht darauf verweist, dass der Spielraum der Mitgliedstaaten bei der Bestimmung des innerstaatlichen Schutzniveaus in sekundärrechtlich nicht (abschließend) geregelten Bereichen durch die Verhältnismäßigkeitsprüfung de facto aufgehoben werden kann, und hierzu auf die hintereinandergeschalteten Erwägungen zu diesen beiden Themen in EuGH, Urt. v. 28. 11. 1983, Rs. 227/82 (van Bennekom), Sig. 1983,3883, Rn. 37 f. bzw. 39 ff. verweist.
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"Zweck dieser Bestimmung ( ... ) zu verhindern, dass auf Gründe des Art. 30 S. 1 gestützte Beschränkungen des innergemeinschaftlichen Handels missbraucht und zur Diskriminierung von Waren aus anderen Mitgliedstaten oder zum mittelbaren Schutz bestimmter nationaler Produktionen verwandt werden.,,286
b) Aussetzung der Art. 28/29 EG wegen zwingender Erfordernisse: Cassis de Dijon u.a.
Der EuGH hat in seiner Cassis de Dijon-Entscheidung ohne Rückgriff auf Art. 30 unterschiedslose nationale Normen rur zulässig erklärt, die durch sog. zwingende Erfordernisse (exigences imperatives) bestimmter Schutzgüter gerechtfertigt sind. 287 Zu diesen Schutzgütern zählen nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung auch der Umweltschutz. 288 Dies wird gestützt durch die stabile Fundierung des Umweltschutzgedankens im EG, insbesondere der Ausrichtung der Gemeinschaft auf ein ,,( ... ) hohes Maß an Umweltschutz und Verbesserung der Umweltqualität" im Rahmen der Aufgaben der Gemeinschaft nach Art. 2,289 die Einbeziehung der Erfordernisse des Umweltschutzes in andere Politiken der Gemeinschaft nach Art. 6 sowie die Verpflichtung auf ein hohes Schutzniveau im Binnenmarktbereich, Art. 95 Abs. 3, und die Gleichstellung des Umweltschutzes mit den in Art. 30 genannten Belangen bei der Aufzählung der Gründe fiir weitergehende gliedstaatliche Maßnahmen in Art. 95 Abs.4. 29o
286 EuGH, Urt. v. 14. 12. 1979, Rs. 34/79 (Henn und Darby), Slg. 1979, 3795, Rn. 21. 287 EuGH, Urt. v. 20.2. 1979, Rs.l20/78, (Rewe-Zentral AG 1 Bundesmonopolverwaltung rur Branntwein) - Cassis de Dijon, Slg. 1979,649, Rn. 8. In dieser Entscheidung nennt der EuGH hier beispielhaft ("insbesondere") Erfordernisse "einer wirksamen steuerlichen Kontrolle, des Schutzes der öffentlichen Gesundheit, der Lauterkeit des Handelsverkehrs und des Verbraucherschutzes." Ebd. Vg1. auch Urt. v. 10. 11. 1982, Rs. 261/81 (Rau) Slg. 1982,3961, Rn. 12. 288 Vg1. EuGH, Urt. v. 7. 2. 1985, Rs.240/83, (Procureur de la RepubliquelAssociation de defense des brilleurs d'huiles usagees (ADBHU», Slg. 1985, 531, Rn. 13; vg1. dazu Foreman 299; EuGH, Urt. v. 20. 9. 1988, Rs. 302/86 (Kommission 1 Dänemark) - Pfandflaschen, Sig. 1988,4607, Rn. 8 f.; EuGH, Urt. v. 12. 10.2000, Rs. C-314/98 (Snellers Auto's BV), Slg. 2000,1-8633. 289 Nach der Maastrichter Fassung des EG: "umweltverträgliches Wachstum". 290 Vg1. zu letzterem Ludwig Krämer, EEC Treaty and Environmental Protection, London 1990,674; der EuGH weist hierzu daraufhin, dass der Umweltschutz ein "wesentliches Ziel der Gemeinschaft" ist und sieht dies bereits durch die EEA bestätigt. Vgl. EuGH, Urt. v. 7. 2. 1985, Rs. 240/83 (procureur de la Republique 1 ADBHU), Slg. 1985,531, Rn. 13; EuGH, Urt. v. 20. 9. 1988, Rs. C- 302/86, (Kommission 1 Dänemark) - Pfandflaschen, Slg. 1988, 4607, Rn. 8.
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Teil 4: Handlungsspielräume der EG-Mitgliedstaaten
Auf zwingende Erfordernisse kann sich ein Mitgliedstaat sowohl bei Einals auch bei Ausfuhrbeschränkungen berufen. 291 Für den EuGH bestand allerdings wegen seiner gegenüber Art. 28 eingeschränkteren Interpretation des Art. 30 seit Groenveld292 bisher kein Anlass, auf eine Rechtfertigung von Ausfuhrbeschränkungen wegen zwingender Erfordernisse einzugehen. Der EuGH prüft die Voraussetzungen zwingender Erfordernisse regelmäßig erst nach Art. 30?93 Ob es sich bei zwingenden Erfordernissen dogmatisch um eine tatbestandsimrnanente Einschränkung in Art. 28/29 handele94 oder um eine selbständig neben Art. 30 anwendbare Rechtfertigung/95 kann dahingestellt bleiben. Wie eine Rechtfertigung nach Art. 30 erlauben zwingende Erfordernisse eine dauerhafte Beschränkung des Warenverkehrs.296 Neuerdings spricht der EuGH im Umweltbereich statt von zwingenden Erfordernissen von einer Rechtfertigung aus den in Art. 174 niedergelegten Grundsätzen. 297 Voraussetzung fiir eine Rechtfertigung wegen zwingender Erfordernisse ist, dass eine Regelung unterschiedslos ist298 und keine verschleierte Handelsbeschränkung darstellt. Daneben ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beach291 Vg1. CalliessIRuJfert-Epiney, Art.29 Rn. 19; GroebeniThiesinglEhlermannMüller-Graff, Art. 34 Rn. 24. 292 EuGH, Urt. v. 8. 11. 1979, Rs. 15/79 (Groenveld), Slg. 1979,3409. 293 Vg1. z.B. EuGH, Urt. v. 14.7. 1988, Rs. 90/86 (Zoni), Slg. 1988,4285, Rn. 12 ff., 15 ff. 294 Gert Meier, Lebensmittelrechtlicher Gesundheitsschutz im Gemeinsamen Markt:
Eine Entschärfung der "umgekehrten Diskriminierung" heimischer Unternehmen? RIW 1987,841,846; Hailbronner 106; Hans-Werner RengelinglKersten Heinz, Die dänische Pfandflaschenregelunge - NVwZ 1989, 849, JuS 1990 613, 615 f. m.w.N.; Middeke, Nationaler Umweltschutz im Binnenmarkt, 172 m.w.N. in Fn. 298. 295 Vg1. Nwe. bei Middeke, Nationaler Umweltschutz im Binnenmarkt, 173 Fn. 281285 sowie die ausführliche Diskussion ebd., 172 ff. 296 A.A. Foreman 299 m.w.N. in Fn. 240. Der EuGH weist in seiner AbfalltransportEntscheidung zwar darauf hin, dass das - Im Ergebnis für zulässig erklärte - Dekret eine "zeitlich begrenzte und außerordentliche Schutzmaßnahme" angesichts eines "massiven und anomalen Zustroms von Abfällen aus anderen Regionen" sei (EuGH, Urt. v. 9. 7. 1992, Rs. C-2/90, (Kommission 1 Belgien) - Abfalltransport, Slg. 1992,1-4431, Rn. 29 und 31), dies ist jedoch ein unselbständiger Teil der Verhältnismäßigkeitsprüfung des Gerichts. 297 EuGH, Urt. v. 23. 5. 2000, Rs. 209198 (EntreprelWrforeningens MfaldslMiljßsektion (FF AD) als Mandatar für Sydhavnens Sten & Grus ApS 1 Kßbenhavns Kommune), Slg. 2000,1-3743, Rn. 48. 298 EuGH, Urt. v. 20. 9. 1988, Rs. C-302/86, (Kommission 1 Dänemark) - Pfandflaschen, Slg. 1988, 4607, Rn. 6 m.w.N. aus der Rspr. des EuGH; EuGH, Urt. v. 9. 7. 1992, Rs. C-2/90, (Kommission 1 Belgien) - Abfal/transport, Slg. 1992, 1-4431, Rn. 34. Dies muss ebenso bei Art. 29 gelten, vg1. Roth, ZHR 159 (1995), 78, 93 . Ob diese Beschränkung auch bei einer Rechtfertigung unmittelbar auf der Grundlage des Art. 174 (oben ob)) erhalten bleiben soll, ist derzeit nicht absehbar.
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ten, "wonach zum Schutz der Umwelt erlassene Maßnahmen nicht ,über die unvermeidlichen Beschränkungen hinausgehen [dürfen], die aus Gründen des Umweltschutzes, eines im Allgemeininteresse liegenden Zieles, gerechtfertigt sind'. ,,299 Im Rahmen dieser Verhältnismäßigkeitsprüfung ordnet der EuGH den Mitgliedstaaten auch hier einen gewissen Beurteilungsspielraum bei der Festlegung konkreter umweltpolitischer Ziele und des hierbei anzusetzenden Schutzniveaus zu/ oo der jedoch nicht überschätzt werden sollte. Maßnahmen, die in Art. 30 genannten Schutzgründen dienen, sind dabei wegen der weiteren Fassung des Art. 30, der auch für diskriminierende Maßnahmen herangezogen werden kann, nicht subsidiär auf eine Rechtfertigung wegen zwingender Erfordernisse zu prüfen. 30l c) Rechtsgüter in anderen Staaten als Schutzgrund? Streitig ist die Frage, ob ein Mitgliedstaat zur Rechtfertigung einer Beschränkung des Warenverkehrs geltend machen kann, dass die Maßnahme wegen der Bedrohung der Umwelt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates erforderlich sei. Für eine Beschränkung auf den Schutz innerstaatlicher Rechtsgüter sprechen Souveränitätsüberlegungen, insbesondere angesichts des Umstands, dass die hierdurch zu rechtfertigenden Maßnahmen ihre negativen Auswirkungen auf den freien Warenverkehr gerade in dem anderen Staat entfalten werden. 299 EuGH, Urt. v. 20. 9. 1988, Rs. C- 302/86, (Kommission 1 Dänemark) - Pfandflaschen, Slg. 1988, 4607, Rn. 1l. Zitiert wird darin aus EuGH, Urt. v. 7. 2. 1985, Rs. 240/83 (procureur de la Republique 1 ADBHU), Slg. 1985,531, Rn. 15. Allg. EuGH, Urt. v. 20. 2. 1979, Rs. 120178, (Rewe-Zentral AG 1 Bundesmonopolverwaltung rur Branntwein) - Cassis de Dijon, Slg. 1979,649, Rn. 10 ff. (Geeignetheit, Erforderlichkeit); EuGH, Urt. v. 10. 11. 1982, Rs. 261/81 (Rau), Slg. 1982,3961, Rn. 17 ff. (Erforderlichkeit). 300 So geht der EuGH in seinem Urt. v. 20. 9. 1988, Rs. 302/86 (Kommission 1 Dänemark) - Pfandflaschen, Slg. 1988,4607, Rn. 12 ff. auf die Erforderlichkeit und Angemessenheit des dänischen Rücknahmesystems rur Pfandflaschen ein, ohne die damit verbundene konkrete Zielsetzung in Frage zu stellen; die Kommission äußerte im Verfahren ausdrücklich, dass die Bestimmung des Schutzniveaus dem Mitgliedstaat vorbehalten sei, vgl. Sitzungsbericht des Berichterstatters Bosco, Rs. C-302/86, (Kommission 1 Dänemark) - Pfandflaschen, Slg. 1988, 4607, 4617 f. V gl. hierzu Epiney/Möllers 71 ff., die außerdem auf die Entscheidung EuGH, Urt. v. 12. 7. 1990, Rs. C-195190 (Kommission 1 Deutschland) - Schwerverkehrsabgabe, Slg. 1990, 1-3351, verweisen; hier stellte der EuGH jedoch fest, dass die vordergründig mit Umweltschutzerwägungen begründete deutsche Maßnahme vorrangig einer Beeinflussung des Wettbewerbs im Güterverkehr zugunsten deutscher Spediteure diente (ebd., Rn. 45), was auch Epiney/Möllers einräumen (ebd., 81 f.). 301 EuGH, Urt. v. 25. 7. 1991, verb. Rs. C-1/90 und C-176/90 (Aragonesa), Slg. 1991,1-4151, Rn. 13.
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Teil 4: Handlungsspielräume der EG-Mitgliedstaaten
Anhaltspunkte lassen sich aus der Rechtsprechung des EuGH zur Vereinbarkeit mitgliedstaatlicher Schutzmaßnahmen gegen Umweltbeeinträchtigungen in anderen Mitgliedstaaten mit Sekundärrecht entnehmen. Das Vorabentscheidungsverfahren Gourmetterie Van den Burlo 2 betraf ein niederländisches Einfuhr- und Verrnarktungsverbot als Schutzmaßnahme für das schottische Moorschneehuhn, das ausschließlich in Großbritannien heimisch ist, dort aber nicht geschützt war. Art. 28/30 waren wegen abschließender Harmonisierung durch die Richtlinie 79/409 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten nicht anzuwenden. Der EuGH bezieht sich in seiner knappen Argumentation allerdings nicht nur auf das in der abschließenden Harmonisierung vorgesehene Schutzniveau, sondern auch auf das Schutzniveau des Mitgliedstaats, in dem die Art heimisch ist, und dessen Vereinbarkeit mit der einschlägigen Richtlinie: "Nach alledem gibt Artikel 14 der Richtlinie [79/409] einem Mitgliedstaat nicht die Befugnis, ( ... ) einer bestimmten Art, die weder eine Zugvogelart noch bedroht ist, einen weitergehenden Schutz zu gewähren, als er im Recht des Mitgliedstaats vorgesehen ist, in dessen Gebiet der betreffende Vogel heimisch ist, wenn dessen Recht mit der Richtlinie 79/409 in Einklang steht.,,303
Die Bezugnahme auf das Schutzniveau des anderen Mitgliedstaats besagt zunächst, dass ein Einfuhrverbot eine Handelsschranke bildet, wenn die davon betroffene Tierart in dem Mitgliedstaat, in dem sie heimisch ist, nicht unter Schutz steht. Die Passage kann jedoch auch als Andeutung gelesen werden, dass eine Rechtfertigung wegen Umweltgütem in anderen Mitgliedstaaten auch bei sekundärrechtlicher Zulässigkeit nicht in Frage kommt. Im Vorabentscheidungsverfahren Hedley Lomas 304 stellte der EuGH fest, dass ein Mitgliedstaat eine Ausfuhrbeschränkung nicht unter Berufung auf Art. 30·darnit rechtfertigen kann, "dass dieser zweite Mitgliedstaat sich nach Ansicht des ersten Mitgliedstaats nicht an die Vorschriften einer Harmonisierungsrichtlinie der Gemeinschaft hält, die das Ziel, das mit dem Rückgriff auf [Art. 30] geschützt werden soll, verfolgt, ohne jedoch ein Verfahren für die Kontrolle ihrer Anwendung und Sanktionen rlir den Fall des Verstoßes gegen ihre Vorschriften vorzusehen. ,,305
302 EuGH, Urt. v. 23. 5. 1990, Rs. C-169/89, (Gourmetterie Van den Burg) - Schottisches Moorschneehuhn, Slg. 1990,1-2143. 303 Ebd., Rn. 15. 304 EuGH, Urt. v. 23.5. 1996, Rs. C-5/94 (Hedley Lomas), Slg. 1996,1-2553. 305 Ebd., Rn. 2l. Ähnlich bereits EuGH, Urt. v. 20. 9. 1988, Rs. 190/87 (Moormann), Slg. 1988, Rn. 10 ff.: Keine Rechtfertigung nach Art. 30 von systematischen Untersuchungen von Geflügelfleisch bei der Einfuhr aus einem anderen Mitgliedstaat zum Zweck der Überprüfung, ob den gesundheitlichen Anforderungen der einschlägigen Richtlinie genügt sei.
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Ursache des Ausgangsverfahrens war die Weigerung britischer Behörden, die Ausfuhr von Schlachtvieh nach Spanien zu genehmigen, da sich spanische Schlachtbetriebe nach britischer Ansicht nicht an die Vorschriften der Richtlinie 74/577 über die Betäubung von Tieren vor dem Schlachten hielten. Entsprechend könnte ein Mitgliedstaat bei einem Verstoß eines anderen Mitgliedstaats gegen sekundäres Umweltrecht der Gemeinschaft keine einseitigen Schutzrnaßnahmen mit handelsbeschränkender Wirkung zum Schutz der dortigen Umwelt ergreifen.
4. Spezielle Schrankenregelungen für Abgaben und Beihilfen Das Verbot der Zölle und zol1gleichen Abgaben sowie die Schranken fiir inländische Abgaben sind als Spezialbestirnmungen fiir fiskalische Maßnahmen gegenüber den allgemeinen Bestimmungen der Art. 28 ff. gestaltet und schließen deren Anwendung aus. 306 Die Vorschriften über Zölle und zollgleiche Abgaben auf der einen und über inländische Abgaben auf der anderen Seite schließen sich wechselseitig aus, sind also nicht kumulativ anwendbar.307 a) Verbot von Zöllen und zol/gleichen Abgaben, Art. 23 ff. EG Zölle und zollgleiche Abgaben sind alle finanziellen Belastungen, die wegen des Grenzübertritts einer Ware erhoben werden (Grenzkausalität, im Gegensatz zu Abgaben, die lediglich an lässlich des Grenzübertritts erhoben werden und daher nach Art. 90 zu beurteilen sind)308 und kein angemessenes Entgelt fiir eine Leistung zum Nutzen des Abgabenschuldners bilden (einseitige Auferlegung).309 Sie sind ohne Wertungs- oder Rechtfertigungsmöglichkeit verboten,
306 Allgemein EuGH, Urt. v. 22. 3. 1977, Rs. 74/76 (Ianelli und Volpi), Sig. 1977, 557. Vgl. auch Borgsmidt 273. Dabei ist das Verbot von Zöllen gegenüber dem Verbot zollgleicher Abgaben ebenso speziell wie das Verbot mengenmäßiger Beschränkungen gegenüber dem Verbot von Maßnahmen gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen. V gl. Müller-Graff, Umweltschutz und Grundfreiheiten, Rn. 28. 307 Vgl. EuGH, Urt. v. 18.6. 1975, Rs. 94/74 (IGAV), Sig. 1975, 699; EuGH, Urt. v. 2.4. 1998, Rs. C-213/96 (Outokumpu), Sig. 1998,1-1777, Rn. 19 mw.N. 308 EuGH, Urt. v. 1. 7. 1969, verb. Rs. 2/69 und 3/69 (Sociaal Fonds voor de Diamantarbeiders 1 Brachfeld), Sig. 1969,211, Rn. 11114 fI.; zusammenfassend MüllerGraff, Umweltschutz und Grundfreiheiten, Rn. 34 fI. 309 EuGH, Urt. v. 1. 7. 1969, verb. Rs. 24/68 (Kommission / Italien), Slg. 1969, 193, Rn. 11. 35 Renner
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da sie bereits ihrer Natur nach diskriminierende Wirkung gegen eingeführte Waren entfalten. 3\0 Unter dieses Verbot fallen z.B. Gebühren fiir gesundheitspolizeiliche Grenzkontrollen, die "sich nach eigenen Kriterien bestimmen, die mit denjenigen fiir die Bemessung der von gleichartigen inländischen Erzeugnissen möglicherweise zu tragenden Belastungen nicht vergleichbar sind",311 sowie parafiskalische Abgaben, die zwar gleichermaßen auf in- und ausländische Erzeugnisse erhoben werden, deren Einkünfte aber zu Gunsten inländischer Erzeugnisse verwendet werden, so dass die Abgabe per saldo eingeführte Erzeugnisse einseitig belastet. 312 Umweltabgaben können nicht als Gegenleistung fiir Dienstleistungen zum Nutzen des Abgabenschuldners gerechtfertigt werden, da sie ihrer Natur nach dem Interesse der Allgemeinheit dienen.3\3 Beispiele für zollgleiche Abgaben im Umweltbereich wären Gebühren, die
für die Kontrolle der Umweltverträglichkeit eingeführter Waren oder für die Erhebung von Daten im Rahmen von Umweltstatistiken erhoben werden, oder Abgaben, die wegen des Grenzübertritts erhoben werden, um inländische umweltpolitische Aufgaben zu fmanzieren,314 wie z.B. die deutsche Abgabe auf Abfallausfuhren zu Gunsten des sog. Solidarfonds Abfallrückfuhrung. 3lS
310 EuGH, Urt. v. 18. 6. 1975, Rs. 94174 (lGAV / ENCC), Slg.l975, 699, 710; EuGH, Urt. v. 28. 5. 1989, Rs. 340/87 (Kommission / Italien), Slg.1989, 1483, Rn. 11; Vgl. Borgsmidt 277 f. 311 EuGH, Urt. v. 11. 10. 1973, Rs. 39173, (Rewe-Zentralfinanz eGmbH / Direktor der Landwirtschaftskammer Westfalen-Lippe) - Phytosanitäe Abfertigung, Slg. 1973, 1039,1043 f. 312 EuGH, Urt. v. 18.6.1975, Rs. 94/74 (!GAV / ENCC), Slg. 1975,699,711: "Ein solches Abgaben- oder Subventionssystem wäre in der Tat nur dem Anschein nach ein System inländischer Abgaben und könnte deshalb wegen seines Schutzcharakters als Abgabe gleicher Wirkung wie Zölle qualifiziert werden, so dass das Verbot des Artikels 13 Absatz 2 eingreifen würde." EuGH, Urt. v. 25. 5. 1977, Rs. 77/76 (Gebr. Cucchi / Avez S.p.A.), Slg. 1977,987, Rn. 16 f.; EuGH, Urt. v. 21. 5. 1980, Rs. 73179 (KommissionlItalien), Slg. 1980, Rn. 15 f. Wird die Belastung für inländische Produkte hingegen nur teilweise ausgeglichen, so ist die Regelung an Art. 90 f. zu messen. Vgl. EuGH, Urt. v. 16. 12. 1992, Rs. 17/91 (Lomoy) -Pflichtbeiträge zur Unterstützung eines Fonds für die Tiergesundheit und die Tiererzeugung, Slg. 1992,1-6523, Rn. 16 ff., 21. 313 Vgl. Borgsmidt 278. 314 Vgl. Müller-Graf!, Umweltschutz und Grundfreiheiten, Rn. 29 und 38 f.; Schröer, Kompetenzverteilung, 210. 315 Vgl. die Verordnung über die Anstalt Solidarfonds Abfallrückführung, BGBl. 1996 I, 694.
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b) Diskriminierungsverbotfür inländische Abgaben und Rückvergütungen, Art. 90 und 91 EG
aa) Regelungsumfang Inländische Abgaben nach Art. 90 (ex-Art. 95) sind Teil eines allgemeinen inländischen Abgabensystems, das systematisch einheimische und importierte Erzeugnisse nach den gleichen Kriterien erfasst. 316 Im Gegensatz zu Abgaben, die wegen Überschreitens der Zollgrenze auferlegt werden, unterliegt also nicht nur das eingefiihrte, sondern auch das inländische Produkt der Abgabe. 317 Art. 90 erfasst nicht nur unmittelbar auf Waren erhobene, sondern auch in anderer Weise spezifisch produktbezogene Abgaben. 318 Unzulässig sind solche Abgaben allgemein dann, wenn importierte Waren stärker belastet werden als im Inland produzierte gleichartige Waren, gleichviel ob diese Diskriminierung formeller (direkter oder rechtlicher) oder lediglich materieller (indirekter oder tatsächlicher) Art ist,3\9 sowie wenn exportierte Waren tatsächlich stärker belastet werden als im Inland vertriebene Waren. no Anders als das absolute Verbot der Zöllelzollgleichen Abgaben32\ und anders als das grundsätzliche Verbot von Beschränkungen des freien Warenverkehrs nach Art. 28 f.322 untersagt Art. 90 also lediglich eine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung zwischen inländischen Waren und gleichartigen Waren aus anderen Mitgliedstaaten (bzw. im Inland verbleibenden und ausgefiihrten Waren). "Gleichartige Waren" nach Art. 90 S. 1 stehen auf der gleichen Produktions- oder Handelsstufe, haben gleiche Eigenschaften und entsprechen den gleichen Bedürfnissen der Abnehmer. 323 Mit der Ergänzung durch Art. 90 Vgl. z.B. EuGH, Urt. v. 5. 5. 1982, Rs. 15/81 (Schul), Slg. 1982,1409, Rn. 20. Dies gilt auch dann, wenn die Abgabe de facto nur importierte Produkte trifft. EuGH, Urt. v. 7. 5. 1987, Rs. 193/85 (Co-Frutta), Slg. 1987,1-2085, Rn. 14; EuGH, Urt. v. 16. 7. 1992, Rs. C-343/90 (Dias), Slg. 1992,1-4673, Rn. 53. 318 Vgl. GroebenIThiesingIEhlermann-Eilers, Art. 95 Rn. 25 fI. m.w.N. 319 Vgl. z.B. EuGH, Urt. v. 11. 12. 1990, Rs. C-47/88 (Kommission 1 Dänemark), Slg. 1990,1-4509, Rn. 9. ,,[Art. 90] soll somit die vollkommene Wettbewerbsneutralität der inländischen Besteuerung fiir inländische und eingeführte Erzeugnisse sicherstellen." (Ebd.) Vgl. auch EuGH, Urt. v. 5.5. 1970, Rs. 77/69 (Kommission 1 Belgien), Slg. 1970, 237, Rn. 1 fI. - unterschiedliche Besteuerung von verarbeitetem eingeführtem Holz und inländischen Erzeugnissen der gleichen Verarbeitungsstufe. 320 EuGH, Urt. v. 22. 10. 1974, Rs. 27/74 (Demag AG), Slg. 1974,1037, Rn. 9. 321 EuGH, Urt. v. 18.6. 1975, RS.94174 (IGAV 1 ENCC), Slg. 1975,699,710. 322 V gl. EuGH, Urt. v. 4. 4. 1968, Rs. C-31167 (Stier), Slg. 1968, 352, 360 f.; EuGH, Urt. v. 4. 4. 1990, Rs. C-132/88 (Kommission 1 Griechenland), Slg. 1990,1-1567, passim; EuGH, Urt. v. 11. 12. 1990, Rs. C-47/88 (Kommission 1 Dänemark), Slg. 1990,14509, Rn. 9 f. 323 Vgl. EuGH, Urt. v. 17.2. 1976, Rs. 45175 (Rewe), Slg. 1976, 181, Rn. 12, sowie EuGH, Urt. v. 27. 2. 1980, Rs. 168/78 (Kommission 1 Frankreich), Slg. 1980,347, Rn. 316 317
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Teil 4: Handlungsspielräume der EG-Mitgliedstaaten
Abs. 2 für ungleichartige Waren, die in einem Substitutions verhältnis zueinander stehen, erfasst Art. 90 alle Waren, die - auch teilweisen, indirekt oder nur möglicherweise - miteinander konkurrieren. 324 Spiegelbildlich zu Art. 90 enthält Art. 91 (ex-Art. 96) ein Diskriminierungsverbot bei Rückvergütungen für inländische Waren bei der Ausfuhr in andere Mitgliedstaaten in Form einer Obergrenze für Rückvergütungen in Höhe der das Produkt treffenden inländischen Abgaben. Art. 91 verbietet so verdeckte steuerliche Subventionierungen inländischer Produkte.
bb) Zulässigkeit von Lenkungszwecken bei differenzierenden Abgabensystemen Inländische Abgaben kö.n nen durch Differenzierung der Abgabenhöhe über Abgabensprünge oder Begünstigungen nach Maßgabe externer Effekte oder kalkulierter Vermeidungskosten zu umweltbezogenen Lenkungszwecken eingesetzt werden. Hinsichtlich der Gleichartigkeit von Waren können sich Schwierigkeiten für die Rechtfertigung innerstaatlicher Differenzierungen im Umweltbereich dann ergeben, wenn verschiedene Produkte wegen der Umweltbilanz ihrer Herstellung oder Verwendung unterschiedlichen innerstaatlichen Abgabenniveaus unterliegen, nach der weiten Auslegung des Gleichartigkeitsbegriffs aber miteinander zu vergleichen sind. Die Kommission erwägt daher in ihrer Mitteilung zu Umweltsteuern und -gebühren im Binnenmarkt, Waren mit gleicher Funktion, aber unterschiedlichen Eigenschaften in Bezug auf die Umwelt, die auf Inhaltsstoffe oder Produktionsverfahren zurückzuführen sind, als unterschiedliche Waren anzusehen. 325 Dies ließe sich zwar mit differenzierten Bewertungen von Produkten durch umweltbewusste Verbraucher erklären (die z.B. ein Fahr-
5; EuGH, Urt. v. 15.6. 1999, Rs. C-421197 (Tarantik), Slg. 1999,1-3633, Rn. 28 : ,,( ...) wenn sie aufgrund ihrer Eigenschaften und der Bedürfnisse, denen sie dienen, miteinander im Wettbewerb stehen"; EuGH, Urt. v. 15. 7. 1982, Rs. 216/81 (Cogi), Slg. 1982, 2701, Rn. 5 ff., 10 - verschiedene Trinkbranntweine. Vgl. auch Calliess/RuffertWaldhoff, Art. 90 Rn. 12 m.w.N.: Gesarntbetrachtung aus formellen (objektiven) und materiellen (subjektiven) Kriterien; GroebenIThiesing/Ehlermann-Eilers, Art. 95 Rn. 47 ff. m.w.N.: vergleichbare Verwendung. 324 Vgl. z.B. EuGH, Urt. v. 27. 2. 1980, Rs. 169/78 (Kommission / Italien), Sig. 1980, 385, Rn. 6, 13: Erfassung aller Arten von Branntweinen (hier mit Bezug zu Besteuerung) Steuer auf Spirituosen; EuGH, Urt. v. 7. 5. 1987, Rs. 184/85 (Kommission / Italien), Slg. 1987,2013, Rn. 11, 11 ff.: Bananen als Alternative rur Tafelobst (hier mit Bezug zu Verbrauchssteuer auf Bananen). m Mitteilung der Kommission vom 26.3. 1997, KOM (97) 9 endg., Nr. 21.
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zeug mit Katalysator einem Fahrzeug ohne Katalysator nicht gleichachten), 326 dariiber hinausgehende Kriterien sind jedoch mit der derzeitigen wettbewerbsbezogenen Fassung des Gleichartigkeitskriteriums durch den EuGH nur schwer vereinbar. Grundsätzlich verbietet der EG den Mitgliedstaaten nicht, Abgabensysteme mit Lenkungszwecken einzufiihren und hierftir gleichartige Waren unterschiedlich zu besteuern, verlangt jedoch im Vergleich zwischen inländischen und eingeführten Waren Neutralität. 327 Dies gewinnt insbesondere dann Bedeutung, wenn eingefiihrte Waren ausschließlich in höhere, inländische Waren ausschließlich in niedrigere Steuerklassen fallen. Der EuGH lässt Differenzierungen zu, die "legitimen wirtschaftlichen und sozialen Zwecken dienen", sofern damit keinerlei Diskriminierung oder Protektionismus verbunden ist. 328 Legitime Ziele sind Ziele, die mit dem EG und dem Sekundärrecht vereinbar sind. 329 Bei Gesamtbetrachtung des EG zählt dazu auch der Umweltschutz. Aus dem Diskriminierungsverbot ergibt sich, dass die Differenzierungskriterien objektiv sein müssen330 und sich nicht an inländischen Strukturen orientieren dürfen.33\ Die Bedingungen ftir die Erreichbarkeit steuerlicher Vorteile oder die Auferlegung steuerlicher Nachteile müssen ftir inländische und eingefUhrte Waren also dieselben sein. Die Rechtfertigung umweltbezogener Steuern fmdet also tatbestandsimmanent anband der Unterscheidung zwischen diskriminierenden und nichtdiskri-
Vgl. Borgsmidt 278 m.w.N. Vgl. EuGH, Urt. v. 8. 1. 1980, Rs. 21179 (Kommission 1 Italien), Slg. 1980, 1, Rn. 16. 328 EuGH, Urt. v. 10. 10. 1978, Rs, 148177 (Hansen & Balle), Slg. 1978, 1787, Rn. 16 f., 19; EuGH, Urt. v. 27. 5. 1981, verb. Rs. 142 und 143/80 (Essevi und Salengo) Slg. 1981, 1413, Rn. 22; EuGH, Urt. v. 9. 5. 1985, Rs. 112/84 (Humblot), Slg. 1985, 1367, Rn. 12; EuGH, Urt. v. 4. 4. 1990, Rs. C-132/88 (Kommission 1 Griechenland), Slg. 1990, I-1567, Rn. 17; EuGH, Urt. v. 2. 4. 1998, Rs. C-213/96 (Outokumpu), Slg. 1998, 1-1777, Rn. 30; vgl. auch CalliessIRuffert-Waldhoff, Art. 90 Rn. 13; Barbara Ballre, Steuerliche Gestaltungsfreiheit der Mitgliedstaaten und freier Warenverkehr im Europäischen Binnenmarkt, Baden-Baden 1998, 87 ff.; 109 ff. 329 EuGH, Urt. v. 27. 5. 1981, verb. Rs. 142 und 143/80 (Essevi und Salengo) Slg. 1981, 1413, Rn. 21; EuGH, Urt. v. 14. 1. 1981, Rs. 140179 (Chemial Farmaceutici 1 DAF), Slg. 1979, I, Rn. 14. 330 EuGH, Urt. v. 27. 5. 1981, verb. Rs. 142 und 143/80 (Essevi und Salengo) Slg. 1981,1413, Rn. 21; vgl. auch Ballre 115. 331 EuGH, Urt. v. 10. 10. 1978, Rs. 148177 (Hansen & Balle), Slg. 1978, 1787, Rn. 17, 18 f. Zulässige objektive Kriterien sind danach Z.B. die Verwendung verschiedener Rohstoffe, die Art der Herstellung, die Erhaltung bestimmter Produkte oder Betriebe; die Förderung der Erzeugung von Qualitätsprodukten in Gebieten mit schwierigen Bedingungen (EuGH, Urt. v. 7. 4. 1987, Rs. 196/85 (Kommission 1 Frankreich), Slg. 1987,1597, Rn. 7,10. 326 327
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minierenden Abgaben statt. 332 Legitime wirtschaftliche oder soziale Ziele der Mitgliedstaaten fmden dabei Berücksichtigung, dogmatisch haben sie lediglich die Funktion eines untergeordneten Kriteriums zum Ausschluss diskriminierender Wirkungen. 333 Dies ermöglicht eine erhebliche Bandbreite umweltbezogener Differenzierungen nach den externen (Umwelt-)Kosten eines Verhaltens; nicht geklärt ist damit allerdings die Zulässigkeit einer Abgabenbemessung nach dem Vermeidungskostenansatz.
c) Subsidiäre Anwendung der Vorschriften über die Warenverkehrsfreiheit
Sind die leges speciales der Art. 23 ff. und Art. 90 ff. nicht anwendbar, so finden fiir Abgaben die allgemeinen Vorschriften der Art. 28 ff. Anwendung. Dieser Fall tritt ein, wenn eine Abgabe nicht wegen des Grenzübertritts einer Ware erhoben wird und das Diskriminierungsverbot des Art. 90 nicht greifen kann, also insbesondere bei inländischen Abgaben auf Produkte, die im Inland nicht hergestellt werden. Die Rechtsprechung zu Art. 28 ff. gilt demnach auch fiir nichtdiskriminierende inländische Abgaben, die teilweise oder vollständig prohibitiv wirken. 334 So hat der EuGH in seiner Entscheidung zur dänischen Zulassungssteuer auf Kraftfahrzeuge hinsichtlich der Zulassungssteuer auf neue Kraftfahrzeuge festgestellt, dass bereits wegen des Fehlens einer inländischen Kraftfahrzeugproduktion ein Verstoß gegen Art. 90 ausgeschlossen war. 335 Subsidiär wäre zu prüfen gewesen, ob die Abgabe gemäß Art. 28 ihrer Höhe eine mengenmäßige Beschränkung bewirkte, was jedoch nicht Gegenstand des Rechtsstreits war. 336 332 Die Ansätze bei Balke 109 ff., zum Herausarbeiten von Kriterien für diskriminierende Regelungen (Ermittlung der "gemeinschaftsrechtlichen Dimension", also herkunftsbezogener Differenzierungskriterien; Diskriminierungsvermutung bei einstufigen Differenzierungen, deren höhere Kategorie ausschließlich eingeführte Güter enthält; Bedeutung der Auswahl der Vergleichsgruppen) sowie die Fälle aus der Rechtsprechung des EuGH, in denen die diskriminierende bzw. protektionistische Wirkung streitig war (vgl. ebd., 121 m. Fn. 121) verdeutlichen, dass diese Unterscheidung fließend ist; die Ermittlung protektionistischer oder legitimer Ziele des nationalen Gesetzgebers ist ohnehin schwierig (vgl. ebd., 120 ff.). 333 Vgl. Balke 123. 334 Vgl. Borgsmidt 274. 33S EuGH, Urt. v. 11. 12. 1990, Rs. C-47/88 (Kommission / Dänemark) - ZulassungssteueraufKraftfahrzeuge, Slg. 1990,1-4509, Rn. 5 ff., 11. 336 Dies war in diesem Fall nicht weiterzuverfolgen, da die Kommission ausschließlich wegen Verstoßes gegen Art. 90 Klage erhoben hatte. EuGH, Urt. v. 11. 12. 1990, Rs. C-47/88 (KommissionlDänemark) - Zulassungssteuer auf Kraftfahrzeuge, Slg. 1990,1-4509, Rn. 12 f. Vgl. zur Anwendung der Art. 28 ff. auf inländische Abgaben die ebd. Rn. 12 zitierte Entscheidung EuGH, Urt. v. 4. 4.1968, Rs. 31/67 (Stier), Slg. 1968, 351.
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d) Schrankenfor mitgliedstaatliehe Beihilfen, Art. 87 ff EG Staatliche Beihilfen, die den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen und den Wettbewerb verfalschen,337 sind nach Art. 87 (ex-Art. 92) unzulässig, vorbehaltlich der Ausnalunen der Abs.2 und 3. Beihilfen sind wirtschaftliche Vergünstigungen aller Art ohne rnarktübliche Gegenleistung, sowohl Subventionen, also positive Geldleistungen, als auch Entlastungen von anderweitig begründeten Lasten. 338 Anders als die Verbote der Art. 25, 28 und 90 fmdet Art. 87 keine unmittelbare innerstaatliche Anwendung. 339 Als umweltschutzbezogene Beihilfen werden in der Literatur zum einen Unterstützungen verstanden, die Untemelunen gewährt werden, um die wirtschaftlichen Lasten gestiegener umweltbezogener Anforderungen tragbar zu machen (im Folgenden: Typ 1)/40 zum anderen Hilfen, die Untemelunen oder anderen Einrichtungen gewährt werden, die über Rechtspflichten hinausgehende Anstrengungen im Umweltschutz untemelunen (im Folgenden: Typ II)?41 Beide Typen sind vom grundsätzlichen Beihilfenverbot erfasst, dessen Anwendungsbereich Maßnalunen zugunsten legitimer Ziele nicht ausschließt. 342 Die Umweltschutzziele des Vertrages müssen wegen der Querschnittsklausel des Art. 6 und der Verantwortung der Mitgliedstaaten rur die Finanzierung und Durchfiihrung der Umweltpolitik, Art. 174 Abs.4, bei den Ausnalunen der Art. 87 Abs. 2 und 3 Beachtung finden. Der dort nicht explizit genannte Umweltschutz kann im Ralunen der Legalausnalunen nach Art. 87 Abs. 2 lit abis c (Beihilfen sozialer Art an einzelne Verbraucher; zur Beseitigung von Schäden durch Naturkatastrophen und andere außergewöhnliche Ereignisse; zur Überwindung der deutschen Teilung) und der Ermessensausnalunen nach Art. 87 Abs. 3 lit. a (Förderung unterentwickelter Gebiete) und lit. b 1. Alt 337 Der Begriff der Beihilfe ist weiter als der der Subvention und umfasst nicht nur positive Leistungen, sondern auch Belastungsminderungen gleicher Wirkung. EuGH, Urt. v. 15.3.1994, Rs. C-387/92 (Banco Exteriord Espafia), Slg. 1994,1-902, Rn. 13. 338 EuGH, Urt. v. 15.3. 1994, Rs. C-387/92 (Banco Exterior d Espafia), Slg. 1994,1877, Rn. 10 ff., 14. 339 Vg1. EuGH, Urt. v. 19.6. 1973, Rs. 77/72 (Capolongo), Slg. 1973,611, Rn. 4 ff., 6. Vg1. zu Art. 25 EuGH, Urt. v. 5. 2. 1963, Rs. 26/62 (Van Gend & Loos 1 Niederländische Finanzverwaltung), Slg. 1963,3,25 f.; zu Art. 28 EuGH, Urt. v. 22. 3. 1977, Rs. 74/76 (Iannelli & Volpi S.p.A.), Slg. 1977,557, Rn. 8 ff., 17; zu Art. 90 EuGH, Urt. v. 3.4. 1968, Rs. 28/67 (Molkerei-Zentrale WestfalenlLippe GmbH 1 Hauptzollamt Paderborn), Slg. 1968,215,232. 340 V g1. z.B. Pernice, Kompetenzordnung ud Handlungsbefugnisse, 26; Grabitz, Umweltabgaben und -subventionen, 627, ff.; Scheuing, Umweltschutz auf der Grundlage der EEA, 175. 341 V g1. z.B. GroebeniThiesingIEhlermann-Mederer, Art. 92 Rn. 128 f. mit Bsp. sowie Rn. 130 a.E. 342 Vg1. Schröer, Kompetenzverteilung, 207 m.w.N. Fn. 83; Magiera, Subventionen, Rn. 26 m.w.N.
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(Förderung europäischer Vorhaben), lit. c S. 1 (Förderung gewisser Wirtschaftszweige und -gebiete) sowie als Grundlage weiterer Ausnahmen gemäß lit. e, die der Rat mit qualifIzierter Mehrheit auf Vorschlag der Kommission beschließt/43 als legitimer Zweck mitverfolgt werden. 344 Die Legalausnahmen nach Art. 87 Abs. 2 sind zur Erhaltung der Wirksamkeit des grundsätzlichen Beihilfenverbotes eng auszulegen, so dass damit allenfalls marginale Umweltschutzzwecke verfolgt werden können. 34s Im Rahmen des weiten Ermessens der Kommission bei der Gewährung von Ausnahmen, die zur Erreichung von Zielen des Art. 87 Abs. 3 geeignet und erforderlich sind,346 können Umweltschutzbeihilfen hingegen gestattet werden,347 sofern sich dies bei Abwägung zwischen den Umweltschutzprinzipien des Art. 175 bzw. des Art. 3 lit. I (Umweltpolitik) und den Zielen des Art. 87 bzw. des Art. 3 lit. g (unverfalschter Wettbewerb) als verhältnismäßig erweist. 348 Bei der Ermessensausübung im Einzelfall ist dabei der geltende Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihilfen349 zu beachten, dem jedoch als bloße Leitlinie3so keine rechtliche Bindungswirkung zukommt. 3S\ Ursprünglich lag der Schwerpunkt der Umweltbeihilfen bei Typ I-Beihilfen zur Anpassung an geltendes Recht, hat sich jedoch in Anwendung des Verursa343 Von Art. 87 Abs. 3 lit. e hat der Rat bislang nicht rur Umweltschutzzwecke Gebrauch gemacht. 344 V gI. GrabitzlZacker, Umwe1tkompetenzen, 300; Albert BleckmanniTanja Koch, Das Verhältnis zwischen dem Beihilfeverbot und den Umwe1tbestimrnungen des EGVertrages, in: Oie DueiMarcus LutterlJürgen Schwarze (Rrsg.), Festschrift rur Ulrich Everling, Baden-Baden 1995, Bd. 1, 113, 118 ff. 345 VgI. GroebenlThiesingIEhlermann-Mederer, Art. 92 Rn. 51; Magiera, Subventionen, Rn. 39 m.w.N. 346 VgI. EuGH, Urt. v. 22. 3. 1977, Rs. 78/76 (Steinike & Weinlig), Slg. 1977,595, Rn. 8; EuGH, Urt. v. 17.9.1980, Rs. 730/79 (Philip Morris / Kommission), 2671, 2690 f. Rn. 17,24 ff.; EuGH, Urt. v. 14.2. 1990, Rs. C-301l87 (Kommission / Frankreich), Slg. 1990,1-307, Rn. 15. 347 VgI. BleckmanniKoch 118. 348 VgI. Magiera, Subventionen, Rn. 44. 349 Gemeinschaftsrahmen rur staatliche Umweltschutzbeihilfen vom 3. 2. 2001, ABI. Nr. C 37, 3; Vorläufer war der Gemeinschaftsrahmen vom 8. 12. 1993, ABI. 1994, Nr. C 72, 3, verlängert im ABI. 2000, Nr. C 184,25, sowie der Gemeinschaftsrahmen vom 6. 11. 1974, abgedr. in: Kommission (Rrsg.), Wettbewerbsregeln der EWG und der EGKS filr staatliche Beihilfen, 1987, 112 ff. (zitiert nach Magiera, Subventionen, Rn. 11/15 Fn. 18/25), mit geringen Änderungen mehrfach verlängert bis Ende 1993. 350 VgI. Z. 4.2. des Gemeinschaftsrahmens. 351 V gI. Grabitz, Umweltabgaben und -subventionen, 631. Es ist allenfalls von einer begrenzten Selbstbindung der Ermessensausübung der Kommission auszugehen, vgI. Magiera, Subventionen, Rn. 63 ff., sowie allgemein Thomas JestaedtlUlrike Häsemeyer, Die Bindungswirkung von Gemeinschaftsrahme und Leitlinien im EGBeihilfenrecht, EuZW 1995,787,790 f.
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cherprinzips teilweise zu den oben beschriebenen Typ lI-Beihilfen fiir weitergehende Umweltanstrengungen verschoben,352 deren vornehmliche Rechtsgrundlage sich zudem mehr und mehr von dem Zweck der Förderung europäischer Vorhaben (Art. 87 Abs. 3 lit. b)353 auf den der Förderung gewisser Wirtschaftszweige und -gebiete (Art. 87 Abs. 3 lit. c) verschoben hat.354 Damit hat die Gemeinschaft zum Teil der Kritik entsprochen, die die Prinzipien des Art. 174 in dem Gemeinschaftsrahmen zu wenig berücksichtigt fand. 355
e) Einordnung parafiskalischer Maßnahmen
Parafiskalische Maßnahmen verkoppeln die Erhebung von sog. Sonderabgaben mit der zweckgebundenen Verteilung des Abgabenaufkommens fiir sog. Sonderfinanzierungsaufgaben. 356 Sonderabgaben steht (anders als Gebühren und Beiträgen) keine Gegenleistung gegenüber, sie dienen aber (anders als Steuern) auch nicht der Erzielung von Einnahmen fiir den allgemeinen Finanzbedarf. Es handelt sich um keine reinen Abgabeninstrumente, da stets (erstens) die Erhebung der Abgabe, (zweitens) die Verwendung des Aufkommens fiir sich genommen und (drittens) die Verbindung zwischen Aufbringung und Verwendung der Mittel zu überprüfen ist. Demnach sind parafiskalische Maßnahmen je nach ihrer Wirkungsweise in das System der Art. 23 ff., Art. 90 ff. und Art. 28 ff. auf der einen und der Art. 87 ff. auf der anderen Seite einzuordnen. Zusammenfassend stellte der EuGH im Vorabentscheidungsverfahren zu französischen parafiskalischen Abgaben auf bestimmte Erdölerzeugnisse fest: "Eine nach denselben Erhebungsmodalitäten auf inländische und eingeführte Erzeugnisse erhobene parafiskalische Abgabe, deren Aufkommen ausschließlich zugunsten der inländischen Erzeugnisse so verwendet wird, dass die sich daraus ergebenden Vorteile die diese Erzeugnisse treffende Belastung vollständig ausgleichen, stellt eine nach [Art. 25 EG] verbotene Abgabe mit gleicher Wirkung wie ein Zoll 352 Auch die maximale Förderung unterscheidet sich je nach Typ: Bei Typ 1Beihilfen maximal 15% der beihilfefahigen Kosten, bei Typ lI-Beihilfen maximal 30% (bei kleinen und mittleren Unternehmen je 10% darüber), Z. 3.2.3. des Gemeinschaftsrahmens; vgl. auch GroebenlThiesingIEhlermann-Mederer, Art. 92 Rn. 131. 353 Vgl. hierzu, Vandermeersch 416. 354 Vgl. GroebenIThiesingIEhlermann-Mederer, Art. 92 Rn. 128. 355 Vgl. Grabitz, Umweltabgaben und -subventionen, 631; Scheuing, Umweltschutz auf der Grundlage der EEA, 175; Schröer, Kompetenzverteilung, 209. 356 Vgl. zur Begrifflichkeit der Sonderabgaben und Sonderfinanzierungsaufgaben und zu deren Rahmen im deutschen Recht BVerfG, Urt. v. 6. 11. 1984, 2 BvL 19, 20/83,2 BvR 363, 491/83, BVerfGE 67,256,276 ff.; BVerfG, Besch!. v. 31. 5.1990,2 BvL 12, 13/88,2 BvR 1436/87, NVwZ 1991,53,54.
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dar. Gleichen diese Vorteile dagegen nur einen Teil der Belastung aus, die die inländischen Erzeugnisse trifft, so stellt die betreffende Abgabe eine nach [Art. 90 EG] verbotene diskriminierende Abgabe dar. Eine solche parafiskalische Abgabe kann je nach der Verwendung ihres Aufkommens eine mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfe darstellen, wenn die Voraussetzungen für die Anwendung des [Art. 87 EG] erfüllt sind ...357
1) Zwischenergebnis Zollgleiche Abgaben sind allgemein unzulässig. Inländische Abgaben können hingegen als Lenkungsinstrumente für Umweltschutzzwecke der Mitgliedstaaten genutzt werden; dabei dürfen Warenströme im Binnenmarkt vermindert werden, lediglich Diskriminierungen gegen Produkte aus anderen Mitgliedstaaten sind unzulässig. Umweltbezogene Beihilfen sind lediglich ausnahmsweise im Rahmen der Ausnahmen des Art. 87 Abs. 2 und 3 vom allgemeinen Beihilfenverbot möglich. Im Ergebnis lassen die speziellen Vorschriften des Primärrechts für die fiskalischen Instrumente Abgaben und Subventionen im Wesentlichen nur dort Raum für mitgliedstaatliche Abgaben mit Auswirkungen auf den innergemeinschaftlichen Handel, wo diese der Finanzierung gemeinschaftsrechtlicher oder internationaler Verpflichtungen dienen oder Teil eines innerstaatlichen Abgabensystems sind. Weder Art. 23/25 noch Art. 90/91 sehen Abweichungsmöglichkeiten wie nach Art. 30 und der Cassis-Rechtsprechung für mengenmäßige Beschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung vor. Letztere sind auch nicht entsprechend anwendbar. 3S8 Unabhängig von legitimen Gründen verlangen die genannten leges speciales eine vollständig neutrale Abgabenerhebung. 359 Das Primärrecht ist damit auf den ersten Blick im Bereich der Abgaben strenger als gegenüber anderen mitgliedstaatlichen Bestimmungen mit Auswirkungen auf den Handel. Eine Ausdehnung der Rechtfertigungsmöglichkeiten für mengenrnäßige Beschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung auf den Spezialfall der Abgaben ließe sich damit begründen, dass die Abgabe verteuert, nicht aber verhindert und damit ein grundsätzlich milderes Mittel als die mengenmäßige Beschränkung ist. 360 Schutzwürdige mitgliedstaatliche Zielset357 EuGH, Urt. v. 11. 3. 1992, verb. Rs. C-78/90 bis C-83/90 (Compagnie commerciale de l'Ouest) - Parafiskalische Abgaben auf Erdölerzeugnisse, Slg. 1992, 1-1873, 1884 Entscheidungsformel NT. 1 und 2 m.w.N. 358 Vgl. EuGH, Urt. v. 20. 4. 1978, verb. Rs. 80177 und 81177 (Commissionaires Reunis / Receveur des Douanes), Slg. 1978,927, Rn. 22/23 ff. 359 Vgl. Borgsmidt 274 m.w.N. 360 Borgsmidt 273 m.w.N.
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zungen werden jedoch bei der Beurteilung differenzierender inländischer Abgabensysteme berücksichtigt, so dass jedenfalls nach externen Effekten bemessene Umweltabgaben möglich sind.
6. Legalisierung mitgliedstaatlicher Einschränkungen der Grundfreiheiten durch Zustimmung der Gemeinschaftsorgane? Ob eine mitgliedstaatliche Maßnahme EU-rechtlich zulässig ist oder nicht, richtet sich nach dem materiellen Primär- und Sekundärrecht. In einzelnen Bereichen unterliegen mitgliedstaatliche Maßnahmen, die zu Einschränkungen des Warenverkehrs fUhren (können), einem Kontrollverfahren, das in den Händen der Kommission liegt (vgl. z.B. Art. 95 Abs. 6). Soweit der EG spezielle Kontrollverfahren vorsieht, sind diese gegenüber einer Regelung unmittelbar durch den Rat leges speciales; der Rat kann sich nicht an die Stelle der Kommission setzen. Weder Rat von EP verfügen bei der Wahrnehmung solcher Kontroll- und Genehrnigungsrechte (formell) über Anweisungsbefugnisse gegenüber der Kommission. Materiell sind alle Organe der EG an die Verträge gebunden; sie können also nicht aus tatsächlich oder scheinbar übergeordneten, mit dem Vertragstext jedoch nicht vereinbaren Erwägungen mitgliedstaatliche Ausnahmen von den Schutzbestimmungen des EG gestatten. Dieses Verbot einer "Rechtfertigung durch Zustimmung" erfüllt (auch) den Zweck, bilaterale Vereinbarungen im Rat, nach wie vor dem zentralen Rechtssetzungsorgan der Gemeinschaft, nach dem Prinzip des do ut des und zum Nachteil der Ziele der Gemeinschaft zu verhindem. 361 Eine Zulassung mitgIiedstaatlicher Maßnahmen durch Gemeinschaftsorgane könnte also nur erfolgen, wenn und soweit der Vertrag selbst dies ausdrücklich oder konkludent zulässt. 362
Vgl. Cappelletti/Golay 321 f. Vgl. EuGH, Urt. v. 20. 4. 1978, verb. Rs. 80/77 und 81/77 (Commissionnaires Reunis / Receveur des Douanes), Slg. 1978,927, Rn. 25/26. In diesem Verfahren ging es um die Rechtmäßigkeit des Art. 31 Abs. 2 der Verordnung Nr. 816/70 des Rates vom 28.4. 1970 zur Festlegung ergänzender Vorschriften für die Gemeinsame Marktorganisation für Wein, ABI. Nr. L 99, 1. Dieser lautete: ,,Die erzeugenden Mitgliedstaaten dürfen ( ... ) Maßnahmen zur Begrenzung der Einfuhren aus einem anderen Mitgliedstaat treffen, um Störungen auf ihrem Markt zu verhindern. Diese Maßnahmen werden der Kommission mitgeteilt, die unverzüglich darüber entscheidet, ob diese Maßnahmen beizubehalten, zu ändern oder aufzuheben sind." Der EuGH stellt fest, dass keine vertragliche Rechtfertigung hierfür vorlag und daher die Zulassung mitgliedstaatlicher zollgleicher Abgaben durch die Bestimmung ungültig war. Ebd., Rn. 14/15 ff., 38. Das Gericht verweist auf die Gefahr von Desintegrationsmechanismen, die das vertragliche Ziel einer schrittweisen Annäherung der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten gefährden kÖlUlten. Ebd., Rn. 34/35. 361
362
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ID. Schutz der Dienstleistungsfreiheit, Art. 49 ff. EG 1. Gewährleistungsumfang Art. 49 ff. (ex-Art. 59 ff.) gewährleisten die Freiheit der grenzüberschreitenden Erbringung von Dienstleistungen. Die Dienstleistungsfreiheit erfasst gemäß Art. 50 alle regelmäßig entgeltlich erbrachten Leistungen und dient so als Auffangtatbestand zur Warenverkehrsfreiheit. 363 Art. 49 Abs. 1 verbietet alle Beschränkungen der grenzüberschreitenden Erbringung oder des Empfangs 364 von Dienstleistungen und damit - nach der weiten Auslegung des EuGH nicht nur Diskriminierungen, sondern bereits alle "Beschränkungen - selbst wenn sie unterschiedslos flir einheimische Dienstleistungserbringer wie fur Dienstleistungserbringer anderer Mitgliedstaaten gelten -, wenn sie geeignet sind, die Tätigkeit des Dienstleistungserbringers, der in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist und dort rechtmäßig ähnliche Dienstleistungen erbringt, zu unterbinden, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen.,,365
2. Legitimation von Einschränkungen Offene Diskriminierungen zu Lasten von Dienstleistungserbringern aus anderen Mitgliedstaaten sind ohne Möglichkeit der Rechtfertigung unzulässig, soweit es sich nicht um Sonderregelungen aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit (Art. 55, ex-Art. 66, i.V.m. Art.46, ex-
363 Dies ist bereits dem klaren Wortlaut des Art. 50 Abs. 1 2. Halbs. (ex-Art. 60) zu entnehmen ("soweit sie nicht den Vorschriften über den freien Waren- und Kapitalverkehr ( ...) unterliegen"). V g1. EuGH, Urt. v. 11. 7. 1985 , verb. Rs. 60/84 und 61/84 (Cinetheque), Slg. 1985, 2605, Rn. 10 f.; sind sowohl Waren als auch Dienstleistungen betroffen, so entscheidet der Schwerpunkt der erbrachten Leistung, im Zweifel sind die Regelungen der Warenverkehrsfreiheit anzuwenden. Vg1. zur Abgrenzung auch HansWerner Rengeling, Gemeinschaftsrechtliche Aspekte der Abfallentsorgung, in: Jürgen F. BaurlPeter-Christian Müller-GrafJIManfred Zuleeg (Hrsg.), Festschrift rur Bodo Börner zum 70. Geburtstag, Köln u.a. 1992, 359, 363 f.; Mü/ler-GrajJ, Umweltschutz und Grundfreiheiten, Rn. 31 ff. ("Schwerpunkt des Gesamtvorgangs"). 364 Vg1. EuGH, Urt. v. 29. 4. 1999, Rs. 224/97 (Ciola), Slg. 1999,1-2517, Rn. 11 m.w.N., EuZW 1999,405 - unzulässige Kontingentierung der Vergabe von Bootsliegeplätzen an nicht Ortsansässige. 365 EuGH, Urt. v. 12. 12. 1996, Rs. C-3/95 (Broede) Slg. 1996,1-6511, Rn. 25; vg1. auch bereits EuGH, Urt. v. 28. 3. 1996, Rs. C-272/94 (Guiot), Slg. 1996,1-1905, sowie EuGH, Urt. v. 3. 10. 2000, Rs. C-58/98 (Corsten), Slg. 2000,1-7919. In der Literatur ist dies teilweise str., vg1. (zustimmend) CalliessIRuffert-Kluth , Art. 50 Rn. 39 ff. m.w.N.
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Art. 56) handelt. Versteckte Diskriminierungen, z.B. Residenzpflichten, sind jedoch nach der Rechtsprechung des EuGH grundsätzlich rechtfertigbar. 366 Unterschiedslose Beschränkungen sind hingegen zulässig, wenn sie aus "zwingenden Gründen des Allgemeininteresses" erforderlich sind;367 der Dienstleistungserbringer darf allerdings insoweit nicht beschränkt werden, als dem Allgemeininteresse bereits hinreichend durch Vorschriften im Sitzstaat Rechnung getragen wird (Verbot der Doppelkontrolle).368 Residenzpflichten, die die Erbringung von Dienstleistungen durch Anbieter mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten ausschließen, sind gerechtfertigt, wenn gerade die Anwesenheit des Dienstleistungserbringers vor Ort bzw. das Bestehen einer inländischen oder örtlichen Niederlassung erforderlich ist, um den Schutz des Allgemeininteresses zu gewährleisten. 369 Hinsichtlich der Rechtfertigung besonderer Anforderungen an die Qualifikation von Dienstleistern hatte der EuGH, soweit erkennbar, bisher keine Gelegenheit, sich neben der Anerkennung anderer "zwingender Gründe des Allgemeininteresses" zu einer Rechtfertigung wegen zwingender Gründe des Umweltschutzes zu äußern; wegen der hervorgehobenen Bedeutung des Umweltschutzes im Vertrag ist dieser jedoch wie in der Cassis-Rechtsprechung zu Art. 28 f. als zwingender Grund anzuerkennen. 370 Für den Umweltbereich ist die Abgrenzung zwischen Warenverkehrs- und Dienstleistungsfreiheit im Ergebnis nur bei diskriminierenden Regelungen von Bedeutung. Umweltbezogene Einschränkungen der Dienstleistungsfreiheit sind z.B. Verbote und Beschränkungen gegenüber Abfallsammlungs-, -transportund -beseitigungsdiensten aus anderen Mitgliedstaaten, Beschränkungen von Transporten auf dem Schienen-, Straßen- oder Luftweg37l (soweit diese nicht 366 Vgl. z.B. EuGH, Urt. v. 3. 12. 1974, Rs. 33/74 (van Binsbergen), Slg. 1974, 1299. Vgl. CalliessIRufJert-Kluth, Art. 50 Rn. 56 f., der zu Recht zwischen dem absoluten Diskriminierungsverbot und der im Tatsächlichen schwierigen Abgrenzung diskriminierender von unterschiedslosen Regelungen unterscheidet. 367 EuGH, Urt. v. 30. 11. 1995, Rs. C-55194 (Gebhard), Slg. 1995,1-4165, Rn. 37. 368 EuGH, Urt. v. 12. 12. 1996, Rs. C-3/95 (Broede) Slg. 1996, 1-6511, Rn. 28 m.w.N. 369 EuGH, Urt. v. 3. 12. 1974, Rs. 33/74 (van Binsbergen), Slg. 1974, 1299, Rn. 10/12 - Zulässigkeit einer Residenzpflicht für Rechtsanwalt; EuGH, Urt. v. 20. 5. 1992, Rs. 106191 (Rarnrath), Slg. 1992,1-3351, Rn. 35. Teilweise hat der EuGH dies dahingehend verschärft, dass der Mitgliedstaat nachweisen müsse, dass diese Anforderungen unerlässliche Voraussetzung ftir die Erreichung des mit der Tätigkeit verfolgten Zweckes seien und insbesondere andernfalls legitime behördliche Überwachungsaufgaben nicht wirksam durchgeführt werden könnten. EuGH, Urt. v. 4. 12. 1986, Rs. 205/84 (Kommission 1 Deutschland), Slg. 1986,3755, Rn. 52,54; EuGH, Urt. v. 6. 6. 1996, Rs. C-l 0 1/94 (Kommission 1 Italien), Slg. 1996, 1-2691, Rn. 31. 370 Vgl. Hans-Peter Zils, Die Wertigkeit des Umweltschutzes in Beziehung zu anderen Aufgaben der Europäischen Gemeinschaft, Heidelberg 1994, 101 fI.; Müller-Graff, Umweltschutz und Grundfreiheiten, Rn. 84. 371 Vgl. Müller-Graff, Umweltschutz und Grundfreiheiten, Rn. 84.
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von Art. 28 f. erfasst sind) oder z.B . gegenüber Sanierungsunternehmen, die sich als Residenzpflichten oder besondere Qualifikationsanforderungen auswirken.
IV. Der Staat als Wirtschaftsteilnehmer: Diskriminierungsverbot für staatliche Handelsmonopole, Art. 31 EG, und Verbot vertragswidriger Einwirkung auf öffentlich beherrschte Unternehmen, Art. 86 EG Bei Regelung des grenzüberschreitenden Verkehrs mit Waren oder Dienstleistungen sind die Mitgliedstaaten stets an das Diskriminierungsverbot des Art. 12 sowie dessen Ausprägungen in den staatsgerichteten Schutznormen des EG gebunden. Wird ein Mitgliedstaat nicht hoheitlich tätig, sondern nimmt er unmittelbar oder mittelbar (durch Beherrschung eines Unternehmens) am Wirtschafts verkehr teil, so gelten flankierend die besonderen Regeln der Art. 3 1 und Art. 86, letzterer i.V.m. spezifischen Schutznormen des Vertrages. Art. 31 (ex-Art. 37) soll diskriminierende Handelsbeschränkungen verhindern, die unter Umgehung der Art. 28 f. dadurch entstehen, dass der Staat im Wege hoheitlich rechtlich oder tatsächlich ausschließliche Befugnisse zur Herstellung oder zum Vertrieb bestimmter Produkte verleiht oder selbst als Marktteilnehmer auftritt. 372 Die Vorschrift verpflichtet die Mitgliedstaaten dazu, ihre Handelsmonopole in gegenüber den Versorgungs- und Absatzbedingungen nichtdiskrirninierender Weise zu gestalten. Diskriminierende Wirkungen sind mit Hilfe der für Art. 28 f. entwickelten Formeln (insbesondere Dassonville,
372 EuGH, Drt. v. 3. 2. 1976, Rs. 59/75 (Manghera), Slg. 1976,91, Rn. 14 ff.; EuGH, Drt. v. 23. 10. 1997, Rs. C-189/95 (pranzen), Slg. 1997, 1-5909 - staatliche Kontrolle der Herstellung und des Handels mit alkoholischen Getränken in Schweden. Rn. 37: "Artikel 37 soll sowohl nach seinem Wortlaut wie nach seiner Stellung im System des Vertrages die Einhaltung der Grundregel des freien Warenverkehrs innerhalb des gesamten Gemeinsamen Marktes insbesondere durch die Abschaffung der mengenmäßigen Beschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung im Hande1sverkehr zwischen den Mitgliedstaaten gewährleisten und auf diese Weise normale Wettbewerbsbedingungen zwischen den Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten aufrechterhalten, wenn ein bestimmtes Erzeugnis in dem einen oder anderen dieser Staaten einem staatlichen Handeismonopol unterliegt." Vgl. auch ebd., Rn. 40 m.w.N. Vgl. auch EuGH, Drt. v. 4. 5. 1988, Rs. 30/87 (Bodson / Pompes funebres), Slg. 1988,2479, Rn. 10 ff.: "Artikel 37 zielt im Besonderen auf Fälle, in denen die staatlichen Behörden in der Lage sind, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu kontrollieren oder zu lenken oder ihn über eine zu diesem Zweck geschaffene Einrichtung oder ein auf andere Rechtsträger übertragenes Monopol merklich zu beeinflussen" (ebd., Rn. 13); EuGH, Drt. v. 27. 4. 1994, Rs. 393/92 (Gemeente Almelo 1 Energiebegrijfljsse1mij), Slg. 1994, 1477, Rn. 29.
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Keck) zu ermitteln und zu bewerten,373 eine Rechtfertigung nach Art. 30 konnnt aus systematischen Gründen nicht in Frage. 374
Art. 86 verbietet eine Umgehung der Schutznormen des EG durch Einwirkung der Mitgliedstaaten auf von ihnen beherrschte Unternehmen, die am allgemeinen und grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr teilhaben. Soweit nicht die Umformung von Monopolen im Warenverkehrsbereich betroffen ist, ist die Vorschrift neben Art. 31 anwendbar. 375 Sie bezieht sich auf alle wirtschaftliche Einheiten, auf die Hoheitsträger ohne Rückgriff auf hoheitliche Maßnahmen bestinnnenden Einfluss ausüben können376 ("öffentliche Unternehmen") sowie Unternehmen, auf die ein Hoheitsträger ähnlichen Einfluss ausüben kann, indem er ein besondere Rechtsbeziehung schafft, die über eine für jedermann erreichbare Genehmigung hinausgehe 77 ("Unternehmen, denen sie besondere oder ausschließliche Rechte gewähren"). Unterscheidungsmerkmal zur Eingrenzung des Anwendungsbereichs des Art. 86 ist außerdem die Art der Tätigkeit der öffentlich beherrschten Unternehmens: Art. 86 greift nur bei privatwirtschaftlicher Tätigkeit ein, nicht jedoch bei Erfüllung von Staatsaufgaben. 378 Ähnlich wie in Art. 31 sind die beschriebenen Rechtsbeziehungen zwischen Mitgliedstaat und Wirtschaft nicht untersagt, der Mitgliedstaat ist jedoch gehalten, bei seiner Einflussnahme auf solche Unternehmen das Diskrirninierungsverbot und seine speziellen Ausprägungen im EG zu beachten. Im Umweltbereich können die Vorschriften eingreifen, wenn bestinnnte Güter ausschließlich379 durch einen staatlich beherrschten Monopolbetrieb eUl373 Vgl. Geiger, EG-Vertrag, Art. 31 Rn. 8 f. 374 Vgl. CalliessIRujfert-Epiney, Art. 31 Rn. 3. 37S Vgl. CaliiessIRujfert-Jung, Art. 86 Rn. 2. 376 Z.B. als Anteils- oder Stimmrechts inhaber, vgl. CalliessIRujfert-Jung, Art. 86 Rn.
13.
377 Insbesondere Monopole und andere ausschließliche Rechte. V gl. EuGH, Urt. v. 6. 7. 1982, Rs. 188 bis 190/80 (Frankreich, Italien und Vereinigtes Königreich I Kommission) - Transparenzrichtlinie, Slg. 1982,2545, Rn. 24; GroebenIThiesinglEhlermannHochbaum, Art. 90 Rn. 19 ff.; CalliessIRujfert-Jung, Art. 86 Rn. 14 ff. 378 EuGH, Urt. v. 18.3. 1997, Rs. C-343/97 (Diego Cali & Figli Srll Servizi ecologici porto di Genova SpA (SEPG)), Slg. 1997,1-1547, Rn. 22 f. Der EuGH erklärte in diesem Vorabentscheidungsverfahren Art. 82 (ex-Art. 86) für unanwendbar auf die Tätig.keit einer Aktiengesellschaft (der SPEG), die über eine ausschließliche Konzession zur Uberwachung von Schiffen zur vorbeugenden Bekämpfung der Umweltverschmutzung im Erdölhafen von Genua verfügte, da es sich bei dieser Tätigkeit um die Erfüllung "wesentlicher Staatsaufgaben" bzw. "typischerweise hoheitlicher Befugnisse" auf dem Gebiet des Umweltschutzes im Meeresbereich handelte. Ebd., Rn. 22 ff. 379 Dies gilt auch dann, wenn das Monopol auf eine bestimmte Quote des einschlägigen Marktes beschränkt ist, wenn dies nicht seinen Einfluss auf den grenzüberschreiten-
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oder ausgefiihrt werden dürfen380 (z.B. bei der Monopolisierung von Abfalltransporten) oder Monopolunternehmen nur inländische Abnehmer versorgen oder diese nur bei Monopolunternehmen ihren Bedarf decken dürfen. 381
V. Umweltschutzbezogene Verpflichtungen und Schranken des Primärrechts 1. Gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung zu aktiver mitgliedstaatlicher Umweltpolitik? Der EG-Vertrag verpflichtet die Gemeinschaft in vielschichtiger Weise auf das Ziel des Umweltschutzes. 382 Angesichts der Aufgabenverteilung auf Gemeinschaft und Mitgliedstaaten setzt eine wirksame europäische Umweltpolitik ein Ineinandergreifen von Maßnahmen auf beiden Ebenen voraus. Für die rnitgliedstaatliche Ebene ist daher zu fragen, ob die Umweltschutzpflichten der Gemeinschaft unmittelbar oder mittelbar auch fiir die Mitgliedstaaten gelten. Aus der Pflicht der Mitgliedstaaten zur Gemeinschaftstreue nach Art. 10 i.V.m. Art. 3 lit. I lässt sich dies nicht herleiten. Art. 10 Abs. 1 betrifft lediglich vertragliche Verpflichtungen, die sich an die Mitgliedstaaten richten. Die genannten Verpflichtungen richten sich aber gerade nicht an die Mitgliedstaaten, sondern an die Gemeinschaft. Art. 10 Abs. 2 statuiert lediglich eine Unterlassungspflicht. Danach dürfen die Mitgliedstaaten der Umweltpolitik der Gemeinschaft nicht aktiv gegensteuern, unterliegen aber keinen positiven Handlungspflichten. 383 Aus der Subsidiaritätsklausel des Art. 5 kann jedoch mittelbar auf eine "Obliegenheit" der Mitgliedstaaten zu einer aktiven Umweltpolitik nach den Maßgaben des Vertrages geschlossen werden. 384 Die Obliegenheit begrüridet keine Rechtspflicht, ihre Nichterfiillung hat aber rechtliche Folgen. Umweltschutzpolitik soll nach der Subsidiaritätsklausel, soweit möglich, auf rnitgliedstaatlicher Ebene betrieben werden. Beziehen die Mitgliedstaaten bzw. eine größere Anden Handel ausschließt. Vgl. EuGH, Urt. v. 13. 12. 1990, Rs. C-347/88 (Kommission 1 Griechenland), Slg. 1990,1-4747, Rn. 39 ff. 380 Vgl. z.B. EuGH, Urt. v. 3. 2. 1976, Rs. 59/75 (Manghera), Slg. 1976, 91, Rn. 9/12 ff. - italienisches Tabakmonopol. 381 V gl. CaliiessIRuJfert-Epiney, Art. 31 Rn. 7 f. 382 V gl. (zusammenfassend) Man/red Zuleeg, Umweltschutz in der Rechtsprechung des EuGH, 33 f. 383 GroebeniThiesingIEhlermann-Zuleeg, Art. 2 Rn. 7; EpineylFurrer, 373 m.w.N.; Vandermeersch 416 (zum Verursacherprinzip). 384 Vgl. EpineylFurrer, 374 f.
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zahl von Mitgliedstaaten Belange des Umweltschutzes nicht in ihre nationale Politik ein, so lässt sich daraus schließen, dass im Sinne von Art. 5 die in Aussicht genommenen Ziele "auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden können und daher wegen ( ... ) ihrer Wirkungen besser auf Gemeinschaftsebene erreicht werden können. ,,385 Eine sachgerechte teleologische Auslegung der Subsidiaritätsklausel fiir den Umweltbereich zwingt zur Annahme einer Berechtigung fiir Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene in einer solchen Situation eines "faktischen Nichtkönnens" auf mitgliedstaatlicher Ebene. Da die Furcht vor Wettbewerbsnachteilen auf der unteren föderalen Ebene Regelungen verhindern kann, gestattet die systematische Auslegung der Subsidiaritätsklause1 in Verbindung mit der Hervorhebung des Umweltschutzes als Gemeinschaftsziel in Art. 2 und Art. 6 ein Eingreifen der Gemeinschaft, um ein race to the bottom zwischen den Mitgliedstaaten zu verhindern.
2. Steuerung konkreter mitgliedstaatlicher Rechtsakte durch Umweltschutzprinzipien des Gemeinschaftsrechts (Unterlassungspflichten) Eine andere Frage ist, ob die Mitgliedstaaten bei der inhaltlichen Gestaltung ihrer Umweltpolitik (also nicht dem "Ob", sondern dem "Wie" ihrer Umweltpolitik) an die Prinzipien des Art. 174 gebunden sind. Da sich Art. 174 ausweislich seines Wortlautes ("die Umweltpolitik der Gemeinschaft") ausschließlich an die Gemeinschaftsorgane richtet, kann dies keine unmittelbare Bindung sein. 386 Über die Unterlassungspflicht aus Art. 10 Abs. 2 tritt jedoch eine mittelbare Bindung ein: Die Umweltpolitik ist gemäß Art. 3 lit. I ein Ziel des EG, dessen Verwirklichung die Mitgliedstaaten nach Art. 10 Abs. 2 nicht gefährden dürfen; da die Maßstäbe dieser Zielbestimmung aus Art. 174 zu entnehmen sind, sind die Mitgliedstaaten auch ohne sekundärrechtliche Regelungen gehalten, jedenfalls insofern nicht den Vorgaben des Art. 174 zuwiderzuhandeln, als dadurch eine Umweltpolitik der Gemeinschaft erschwert würde. 387 Dies gilt So die Subsidiaritätsklausel des Art. 5 Abs. 2. Vg1. Epiney/Furrer, ebd. Vg1. BleckmanniKoch 117 f., die wegen Spezialität des ex-Art. 130r gegenüber ex-Art. 5 Abs.2 auch eine mittelbare Bindung ablehnen. Die beiden Normen stehen jedoch nebeneinander; außerdem bietet die hier favorisierte Bindung wegen der Vermittlung über die Ziele des Vertrages lediglich einen weitmaschigeren Schutz durch vorgelagerte Unterlassungspflichten, der einer unmittelbaren inhaltlichen Bindung nicht gleichkommt. Vg1. auch Schröder, Beachtung gemeinschaftsrechtlicher Grundsätze, Rn. 18 f.; Schröer, Kompetenzverteilung, 209. 387 Ähnlich Epiney/Furrer 373. Weitergehend hingegen Astrid Epiney, Einbeziehung gemeinschaftlicher Umweltprinzipien in die Bestimmung mitgliedstaatlichen Handlungsspielraurns: Zu der Bedeutung von EuGH, Urteil vom 9. 7. 1992, Rs. C-2/90, EuZW 1992,577 - Abfalltransport, DVB1. 1993,93,99 f., die anband von EuGH, Urt. v. 9. 7. 1992, Rs. C-2/90, (Kommission I Belgien) - Abfalltransport, Slg. 1992, 1-4431, 385
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jedoch insbesondere bei der DurchfUhrung von Gemeinschaftsrecht durch die Mitgliedstaaten (vgl. Art. 175 Abs.4).388 Die mittelbare Bindung greift nach dem eben gesagten nur ein, wenn mitgliedstaatliche Maßnahmen "die Tragweite und Wirksamkeit der gemeinschaftlichen Umweltschutzkonzeption unterwandern, verwässern oder sonst wie beeinträchtigen",389 was angesichts der W eitrnaschigkeit dieser Verpflichtung und der Allgemeinheit der Ziele und Grundsätze des Art. 174 selten eintreten wird. 390 Der EuGH hat in den Entscheidungen Abfalltransport und FFAD anerkannt, dass die Prinzipien des Art. 174 bei der Beantwortung der Frage, ob eine an sich handelsbeschränkende mitgliedstaatliche Maßnahme ausnahmsweise nicht durch Art. 28 untersagt ist, zu berucksichtigen sind. 391 Damit ist eine Rechtfertigung, nicht aber eine selbständige Beschränkung mitgliedstaatlicher Rechtssetzung angesprochen. Sonst beschränkt sich der Gerichtshof darauf festzustellen, dass die Mitgliedstaaten keine Maßnahmen ergreifen oder beibehalten
eine Bestimmung des mitgliedstaatlichen Spielraums unmittelbar durch Art. 174 sowohl im Rahmen von Art. 28 (wie in Abfalltransport angenommen) als auch bei mitgliedstaatlichen Maßnahmen im Übrigen annimmt (,,[E]in wirksamer Umweltschutz [kann] aufgrund der notwendigen Regionalisierung von Umweltpolitiken und des fragmentarischen Charakters des Gemeinschaftsrechts auf mitgliedstaatliches Handeln nicht verzichten" (ebd.)). Ähnlich (de lege ferenda) "Umweltpolitische Ziele und Grundsätze der Europäischen Union" des Arbeitskreises "Europäische Umweltunion" (nach Schröder, Beachtung gemeinschaftsrechtlicher Grundsätze, Text mit Fn. 9). 388 Vgl. Epiney, Umweltrecht in der EU, 106, sowie Lenz-Breier/Vygen, Art. 6 Rn. 10, die allerdings (auch) hier eine unmittelbare Bindung der Mitgliedstaaten an die Prinzipien des Art. 174 annehmen. Gegen eine solche unmittelbare Bindung Schröder, Beachtung gemeinschaftsrechtlicher Grundsätze, Rn. 12, der zu Recht darauf hinweist, dass die Verwirklichung der Ziele des Art. 174 grundsätzlich durch Ausgestaltung der Rechtsakte der Gemeinschaft anzustreben ist. 389 Ähnlich (allgemein) GroebenlThiesingIEhlermann-Zuleeg, Art. 5 Rn. 10 m.w.N.; Schröder, Beachtung gemeinschaftsrechtIicher Grundsätze, Rn. 20, Hervorhebung im Original, der hier Kahl, Umweltprinzip und Gemeinschaftsrecht, 136, zitiert. Ähnlich wie hier führt Schröder aus: "Vorstellbar ist, dass nationale Maßnahmen ,die nützliche Wirkung der dem Rat eingeräumten Ermächtigungen, einschließlich der dort vorgesehenen Bedingungen' beeinträchtigen. Bezugspunkt dieser Fallgestaltung ist nicht eine direkte Bindung an Art. 13Or, sondern das Beeinträchtigungsverbot des Art. 5 Abs. 2. Es verleiht den Zielen und Grundsätzen des Art. 130r eine mittelbare Schutzwirkung. Ein mitgliedstaatliches Vorgehen muss so beschaffen sein, dass es die vertraglichen Grundlagen der gemeinschaftlichen Umweltpolitik [nicht] in ihren praktischen Wirksamkeit schmälert." Ebd., Rn. 20,950 f. m.w.N., Hervorhebungen im Original. 390 V gl. Schräder, Beachtung gemeinschaftsrechtIicher Grundsätze, Rn. 20. 391 EuGH, Urt. v. 9. 7. 1992, Rs. C-2/90, (Kommission 1 Belgien) - Abfalltransport, Slg. 1992,1-4431, Rn. 34; näher hierzu oben 11. sowie unten VI.l.b)bb), sowie EuGH, Urt. v. 23 . 5. 2000, Rs. 209/98 (FFAD 1 Kebenhavns Kommune), Slg. 2000, 1-3743, Rn. 48.
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dürfen, die die praktische Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts beeinträchtigen. 392
VI. Anwendung des gemeinschafts rechtlichen Rahmens als Schrankenregelungen für mitgliedstaatliches Umweltrecht Zur Frage der Vereinbarkeit nationaler Umweltschutzbestimmungen mit den Art. 28 ff. ist mittlerweile eine ganze Reihe von Entscheidungen des EuGH ergangen. Die einzelnen Entscheidungen lassen sich nach Sachbereichen gruppieren (unten 1. bis 4.).
1. Bewältigung von Abfallproblemen a) Begriff der Ware: Ausschluss von wertlosen oder umweltschädlichen Gegenständen aus dem Schutzbereich der Warenverkehrsfreiheit? Die Anwendung der Art. 28 ff. setzt eine "Ware" voraus, der EG enthält jedoch keine DefInition hierzu. 393 Der EuGH hat Waren umschrieben als "Erzeugnisse ( ...), die einen Geldwert haben und als solche Gegenstand von Handelsgeschäften sein können".394 Der Begriff "Erzeugnisse" soll allerdings nicht unverarbeitete Rohstoffe oder Naturgüter ausschließen,39S handelbare Teile der Flora und Fauna sind daher zum Sehutzbereich der Warenverkehrsfreiheit zu zählen. 396 Ausgeschlossen sind Handelsgeschäfte mit Grundstücken, 397 außer392 Vgl. z.B. EuGH, Urt. 10. 1. 1985 (Lec1ere / Thouart und Le Ble Vert) - Buchpreisbindung, Slg. 1985, 1, Rn. 14; EuGH, Urt. v. 29. 1. 1985, Rs. 231/83 (Cullet), Slg. 1985,305, Rn. 16; vgl. auch bereits EuGH, Urt. v. 9. 3. 1978, Rs. 106177 (Simmenthal), Slg. 1978,629, Rn. 14 fT. 393 Bedeutung hat dies weniger als Voraussetzung der Anwendbarkeit der Grundfreiheiten als zur Abgrenzung von der Dienstleistungsfreiheit; die grenzüberschreitende Verbringung von Altstoffen kann z.B. gleichermaßen als Verbringung von Waren als auch als Teil der Dienstleistung Abfallentsorgung umschrieben werden. Vgl. Rengeling, Gemeinschaftsrechtliche Aspekte der Abfallentsorgung, 363. 394 EuGH, Urt. v. 10. 12. 1968, Rs. 7/68 (Kommission / Italien), Slg. 1968,423,428. 395 Es wird also kein Verarbeitungsprozess vorausgesetzt. Vgl. U. Becker, Gestaltungsspielraum, 46; Middeke, Nationaler Umweltschutz im Binnenmarkt, 117; vgl. zum Warenbegriff aueh GroebeniThiesing/Ehlermann-Beschel/Vaulont, Art. 12 Rn. 11. 396 Vg1. EuGH, Urt. v. 23. 5. 1990, Rs. C-169/89 (Gourmetterie Van den Burg) Schottisches Moorschneehuhn, Slg. 1990,1-2143, Rn. 6 f.; EuGH, Urt. v. 5. 7. 1990, Rs. C- 304/88 (Kommission / Belgien) - Einfuhrgenehmigung ./Ur lebende Tiere und Frischfleisch, Slg. 1990, 1-2801, Rn. 9; EuGH, Urt. v. 13. 7. 1994, Rs. C-131193 (Kommission / Deutschland) - Süßwasserkrebse, Slg. 1994,1-3303, Rn. 9 f. 397 V g1. Middeke, Nationaler Umweltschutz im Binnenmarkt, 119.
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dem Gegenstände, die mangels Abgrenzbarkeit nicht als Eigentum erworben werden können. Probleme mit diesem herkömmlichen Begriff der Ware treten auf, wenn ein Gegenstand keinen positiven Handelswert hat, insbesondere bei zur Entsorgung bestimmten Abfällen. Wieder- oder weiterverwendbare sowie recycelbare und zum Recycling bestimmte Abfälle sind unstreitig Waren im Sinne des EG. 398 Solche Gegenstände können einen positiven Geldwert erzielen. 399 Bei in keiner Weise wiederverwertbaren urnweltgefährdenden Stoffen kann hingegen allenfalls von einem ,,negativen Geldwert" oder "negativen eigenen Handelswert" (wenn der Abfallproduzent für die Entsorgung zahlt)400 gesprochen werden. 401 Kommt es auf den positiven Geldwert an, so fallen letztere Abfälle von vornherein aus dem Schutzbereich der Art. 28 ff. heraus. Dies lässt sich auch im Wege einer teleologischen Reduktion auf der Basis der Umweltschutzprinzipien des EG, insbesondere des Prinzips des bestmöglichen Umweltschutzes,402 begründen.403 Der Transport, die Behandlung und Deponierung von Abfällen wären dann als Dienstleistungen zu bewerten. In seinen Entscheidungen zur Altölrichtlinie 75/439 sowie zu verwertbaren Schlacht- und anderen Abfällen hat der EuGH nicht danach unterschieden, ob ein Stoff, der Gegenstand des Handelsverkehrs sein kann, einen positiven Wert hat. 404 Eine eindeutige Aussage zur Wareneigenschaft enthalten diese Ent398 VgJ. Krämer, Environmental Protection and Article 30,115 f. Der EuGH bestätigt dies in EuGH, Urt. v. 9. 7. 1992, Rs. C-2/90, (Kommission 1 Belgien) - Ab/alltransport, Sig. 1992,1-4431, Rn. 23. 399 VgJ. Pernice, Gestaltung und Vollzug, 415 . 400 VgJ. Generalanwalt Jacobs, Schlussanträge vom 19. 9. 1991, Rs. C-2/90, (Kommission 1 Belgien) - Ab/alltransport, Slg. 1992, 1-4431, 4463 f.; Ste/an Tostmann, Anmerkung, EuZW 1992, 579. 401 VgJ. Middeke, Nationaler Umweltschutz im Binnenmarkt, 118 m.w.N.; Tostmann. 402 VgJ. Zuleeg, Vorbehaltene Kompetenzen der Mitgliedstaaten, 283 f.; ders., Umweltschutz in der Rechtsprechung des EuGH, 33 f. Danach ist der Gesamtheit der Vorschriften des EG zur Umwelt eine Tendenz des EG zu einem möglichst weitgehenden Schutz der Umwelt zu entnehmen, der keine eigenständigen rechtlichen Anforderungen begründet, sondern vor allem als Auslegungsprinzip dient. 403 VgJ. Epiney, Einbeziehung gemeinschaftlicher Umweltprinzipien, 96 f. Kritisch dazu Middeke, Nationaler Umweltschutz im Binnenmarkt, 122, der in einer solchen Lösung das Spannungsverhältnis zwischen Umweltschutz und Warenverkehr einseitig und auf der Basis wandelbarer außerrechtlicher Erwägungen zu Lasten des Warenverkehrs verkürzt sieht. 404 EuGH, Urt. v. 10. 3. 1983, Rs. 172/82 (Syndicat National des Fabricants Raffineurs d'Huile de Graissage 1 Inter-Huiles G.I.E.), Slg. 1983,555; EuGH, Urt. v. 9. 2. 1984, Rs. 295/82 (Groupement d'interet economique "Rhöne Alpes Huiles" 1 Syndicat national des fabricants raffineurs d'huile de graissage) Slg. 1984,575; EuGH, Urt. v. 7. 2. 1985, Rs. 173/83 (Kommission 1 Frankreich), Slg. 1985,491; EuGH, Urt. v. 7. 2. 1985, Rs. 240/83 (ADBHU), Slg. 1985,531, Rn. 9 ff.; vgJ. auch EuGH, Urt. v. 6. 10.
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scheidungen allerdings nicht. 405 In der Rechtssache Ab/al/transport machte die belgische Regierung geltend, nicht recycel- oder wiederverwendbare Abfälle unterlägen nicht Art. 28, da sie mangels positiven Handelswertes nicht Gegenstand eines Kaufvertrages sein könnten. 406 Der EuGH definierte Waren hingegen als "Gegenstände, die im Hinblick auf Handelsgeschäfte über eine Grenze verbracht werden".407 Eine einheitliche Einordnung von verwertbaren und nicht verwertbaren Abfällen in den Bereich der Warenverkehrsfreiheit sei außerdem, so der EuGH, aus praktischen Gründen angemessen, da diese in der Praxis, insbesondere bei Grenzkontrollen, nur schwer voneinander unterscheidbar seien und die Einordnung von veränderlichen Faktoren wie dem jeweiligen Stand der Technik und den Kosten der Wiederverwendung abhängig sei und daneben subjektiven Bewertungen unterliege. 408
1987, Rs. 118/86 (Nertsvoederfabriek) - Schlachtabfiil/e, Slg. 1987,3883: Behandlung (verwertbarer) Schlachtabfalle als Waren, sowie EuGH, Urt. v. 28. 3. 1990, verb. Rs. C206/88 und C-207/88 (Vessoso und Zanetti), Slg. 1990, 1-1461, Rn. 11-13: In einem umgekehrt gelagerten Fall (ein Unternehmer machte geltend, dass zur Wiederverwendung bestimmte Stoffe keine Abfalle im Sinne der Richtlinien 75/442/EWG über Abfalle und 78/319/EWG über giftige und gefährliche Abfälle seien) konnte das Gericht bei der Interpretation dieser Richtlinien keine Unterscheidung zwischen zur Wiederverwendung bestimmtem und von der Wiederverwendung ausgeschlossenen Abfällen feststellen. 405 Die genannten Entscheidungen des EuGH gelten nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung als nicht aussagekräftig, da die Stoffe, zu denen bis dahin Entscheidungen des EuGH ergangen waren (Altöl und Schlachtabfalle), stets noch einen Handelswert gehabt hätten. Wilmowsky, Peter von, Abfallwirtschaft im BinnenmarktEuropäische Probleme und amerikanische Erfahrungen, Düsseldorf 1990, 79 f.; vgl. auch Rengeling, Gemeinschaftsrechtliche Aspekte der Abfallentsorgung, 363 Rn. 26 m.w.N. 406 EuGH, Urt. v. 9. 7. 1992, Rs. C-2/90, (Kommission / Belgien) - Ab/al/transport, Slg. 1992,1-4431, Rn. 25. 407 Ebd., Rn. 26. Der Umstand, dass die mündliche Verhandlung einmal allein wegen der Frage der Einordnung unter Art. 28 wiedereröffnet wurde, lässt erkennen, dass dem EuGH die Entscheidung hierzu nicht leichtgefallen sein dürfte. Vgl. hierzu Tostmann; Peter von Wilmowsky, Abfall und freier Warenverkehr: Bestandsaufnahme nach dem EuGH-Urteil zum wallonischen Einfuhrverbot, EuR 1992, 414, 416. 408 EuGH, Urt. v. 9. 7. 1992, Rs. C-2/90, (Kommission / Belgien) - Ab/al/transport, Slg. 1992,1-4431, Rn. 27. Generalanwalt Jacobs weist in seinen Schlussanträgen vorn 10.1. 1991 daneben daraufhin, dass verschiedenartige primärrechtliche Beschränkungen innerhalb des Abfallbereichs - bei Anwendung einerseits der Art. 28 ff., andererseits der Art. 49 ff. - zu einem negativen symbolischen Effekt für das Prinzip des freien Warenverkehrs fUhren könnten (Rn. 16: "Auch ist die Zielsetzung der Gemeinschaftsvorschriften über den freien Warenverkehr zu berücksichtigen, nämlich die Abschaffung aller Binnengrenzen: Ließe man zu, dass bestimmte Arten von Erzeugnissen nicht in den Genuss dieser Vorschriften kämen, fiihrte dies in der Praxis zu einer Wiederherstellung der Binnengrenzen.").
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Damit verfolgt der EuGH auch im Umweltbereich einen extensiven Warenbegriff, der nicht daran anknüpft, ob der Gegenstand einen Handelswert hat, sondern ob er mögliches Objekt eines Handelsgeschäfts (hier: der entgeltlichen Abfallbeseitigung) sein kann, und die Bestimmungen der Art. 49 ff. auch bei überwiegendem Dienstleistungscharakter als subsidiär zurücktreten lässt. b) Systeme zur Verminderung des Abfallaufkommens und zur Beschränkung von Abfalltransporten
aa) Zwingende Rückgabesysteme für Verpackungen: Pfandjlaschen Gegenstand der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C-302/86 (Kommission / Dänemark) - Pfandjlaschen409 war ein obligatorisches Rücknahmesystem für Getränkeverpackungen in Dänemark. Nach der dänischen Verordnung Nr. 397 vom 2. 7. 1981 durften Bier und Erfrischungsgetränke grundsätzlich nur in genehmigten Mehrwegverpackungen vermarktet werden, für die ein Rücknahrne- und Wiederverwendungssystem bestand. 4lO Die dänische Regierung erklärte, dass die Anzahl der Verpackungstypen nie deutlich über 30 betragen solle. Das Rücknahmesystem werde andernfalls nicht funktionieren, da die Einzelhändler eine größere Anzahl von Verpackungstypen wegen der damit verbundenen Sortier- und Lagerkosten nicht akzeptieren würden. Nicht genehmigte Verpackungen waren bei voller Bepfandungs- und Rücknahmepflicht für maxirna13.000 hl je Hersteller und Jahr oder zur Markterprobung durch ausländische Hersteller einsetzbar. Ziel der Regelung war die Aufrechterhaltung des bestehenden Pfandflaschensysterns in Dänemark, die Verringerung der Abfallmenge sowie der Umwelt- und Ressourcenschutz. 41l Die Kommission fand, dass die Regelung zwar äußerlich in gleicher Weise für inländische und eingeführte Waren gelte, in ihrer praktischen Anwendung jedoch gegen eingeführte Waren diskriminiere, da die Notwendigkeit der Errichtung eines Rücknahmesystems und der Erfiillung von Verwaltungsformalitäten eine abschreckende Wirkung auf ausländische Anbieter habe. Die Regelung sei daher wegen Art. 30 S. 2 nicht nach Art. 30 und ohnehin nicht auf409 EuGH, Urt. v. 20. 9. 1988, Rs. C-302/86, (Kommission I Dänemark) - Pfandflaschen, 81g. 1988,4607. 410 Die Verpackungen bedurften einer Typengenehmigung durch das nationale Umweltamt, die insbesondere dann versagt werden konnte, wenn die Verpackung fiir ein Mehrwegsystem technisch ungeeignet war, das vorgesehene Rücknahmesystem nicht die tatsächliche Wiederverwendung einer hinreichend großen Anzahl von Verpackungen sicherstellte oder bereits ein anderer Verpackungstyp gleichen Volumens und gleicher Verwendungseignung genehmigt war. 411 8itzungsbericht des Berichterstatters Bosco, Rs. C-302/86, (Kommission I Dänemark) - Pfandflaschen, 81g. 1988, 4607, 4615.
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grund zwingender Erfordernisse im Sinne der Cassis-Rechtsprechung zulässig. 412 Jedenfalls gebe es mildere Mittel, wie z.B. die bestehenden Wiederverwertungssysteme fiir Einwegverpackungen. 413 Schließlich dürfe das an sich legitime Ziel des Umweltschutzes "gemäß dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht übertrieben hoch festgesetzt werden (... ), selbst wenn [andere Lösungen] die Erreichung des angestrebten Zieles etwas weniger wirksam gewährleisteten". Dies sei erforderlich, um den Missbrauch des Umweltschutzarguments als Vorwand fiir mitgliedstaatliche Marktabschottungen, insbesondere im Bereich der Märkte fiir Bier, zu verhindem. 414 Auf die Frage des Gerichts, wonach die "Angemessenheit" des Schutzniveaus zu beurteilen sei und wo im vorliegenden Fall ein "angemessenes" Schutzniveau anzusiedeln sei, äußerte der Vertreter der Kommission jedoch, "dass die Gemeinschaft niemals versucht habe, selbst ein bestimmtes Niveau des Umweltschutzes vorzuschreiben, und dass es den Mitgliedstaaten freistehe, den Schutz auf dem Niveau festzulegen, das sie fiir angemessen hielten." Die Kommission wollte sich auch nicht dazu äußern, ob die von ihr vorgeschlagenen Alternativen in diesem Sinne "angemessen" seien. 415 Auch nach Generalanwalt Slynn sollte das Schutzniveau nicht "übertrieben oder unangemessen", der Mitgliedstaat dürfe im Warenverkehrsbereich lediglich ein "vernünftiges Schutzniveau" anwenden.4\6 Der EuGH sah den Umweltschutz unter Verweis auf die Vertragsänderungen durch die EEA ausdrücklich als selbständiges zwingendes Erfordernis an. 417 Im Rahmen der Verhältnisrnäßigkeitsprüfung differenzierte das Gericht: Die Errichtung eines Pfand- und Rücknahmesystems sei notwendiger Bestandteil eines Wiederverwendungssystems fiir Verpackungen und daher erforderlich und angemessen. 418 Die Beschränkung auf genehmigte Verpackungen sei hingegen unverhältnismäßig: Werde eine Genehmigung fiir wiederverwendbare Verpackungen versagt, so zwinge dies einen neuen ausländischen Hersteller zum Einkauf eines genehmigten Systems, was die Kosten des Marktzutritts erheblich steigere. Der EuGH ließ das System jedoch nicht daran scheitern, sondern erst an der Begrenzung der Ausnahme fiir ungenehmigte Verpackungen auf 3.000 hl je Hersteller und Jahr. Wegen des geringen Importanteils am
Ebd., 4610. Ebd., 4610 f. 414 Ebd., 4611 f. 41S Ebd., 4617 f. 416 Schlussanträge von Generalanwalt Slynn, Rs. C-302/86, (Kommission / Dänemark) - Pfandflaschen, Slg. 1988,4607,4622 f. und 4626. 417 EuGH, Urt. v. 20. 9. 1988, Rs. C-302l86, (Kommission / Dänemark) - Pfandflaschen, Slg. 1988,4607, Rn. 8. 418 Ebd., Rn. 13. 412 413
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Getränkemarkt und dem angesichts der Bepfandungs- und Rücknahmepflicht geringen Abfallaufkommen sei dies unangemessen: ,,Dazu ist festzustellen, dass das für die genehmigten Verpackungen bestehende Rücknahmesystem zwar den höchsten Grad der Wiederverwendung und damit einen sehr wirkungsvollen Umweltschutz gewährleistet, da die leeren Verpackungen bei jedem beliebigen Getränkehändler zurückgegeben werden können, während die nicht genehmigten Verpackungen nur bei dem Händler zurückgegeben werden können, bei dem die Getränke gekauft worden sind, da es nicht möglich ist, auch für solche Verpackungen ein ebenso umfassendes Netz aufzubauen. Dennoch ist das System der Rücknahme nicht genehmigter Verpackungen geeignet, die Umwelt zu schützen; im übrigen betrifft es, was die Einfuhren angeht, nur eine begrenzte Menge an Getränken im Vergleich zum gesamten Getränkekonsum in Dänemark, da sich das Erfordernis der Rücknahme der Verpackungen auf die Einfuhren hemmend auswirkt. Daher ist eine Begrenzung der Menge der Erzeugnisse, die von den Importeuren in den Handel gebracht werden können, im Hinblick auf das verfolgte Ziel unverhältnismäßig.,,419 Damit vermeidet der EuGH die von der Kommission und Generalanwalt Slynn angenommene allgemeine Beschränkung auf ein "vemünftiges" oder "angemessenes" Schutzniveau zu Gunsten einer einzelfallbezogenen Abwägung. Die Festlegung des innerstaatlichen Schutzzieles und Schutzniveaus, hier der möglichst weitreichenden Wiederbefiillung von Getränkeverpackungen, bleibt tatsächlich dem Mitgliedstaat überlassen. 42o Der EuGH überpriift lediglich, ob ein milderes Mittel vorliegt oder ein grobes Missverhältnis zwischen Mittel und Zweck besteht, an dem die dänische Regelung scheiterte. Erst im Rahmen dieser Prüfung kann der Mitgliedstaat auf eine etwas geringere Zielverwirklichung verwiesen werden. 421
bb) Einfuhrbeschränkungen fiir Abfälle: Abfal/transport In dem Vertragsverletzungsverfahren C-2/90 (Kommission / Belgien) - Abfalltransport 22 prüfte der EuGH eine Verordnung der wallonischen Regionalverwaltung, die die Ablagerung von Abfällen aus anderen Mitgliedstaaten oder aus anderen inländischen Regionen in der Region Wallonien verbot. Zeitlich 419 Ebd., Rn. 20 f. 420 Vgl. EuGH, Urt. v. 17. 12. 1981, Rs. 272/80 (Biologische Producten), Sig. 1981, 3277; Wolfgang SchuttlJoachim Steffens, EuGH-Entscheidung zu Verpackungsvorschriften in Dänemark, RIW 1989,447,448. 421 Vgl. RengelinglHeinz 617. 422 EuGH, Urt. v. 9. 7. 1992, Rs. C-2/90, (Kommission 1 Belgien) - Ab/al/transport, Slg. 1992,1-4431.
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begrenzte Ausnahmen waren nur auf Antrag einer ausländischen Behörde und bei "schwerwiegenden und außergewöhnlichen Umständen" möglich. Nach zweimaliger Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung bestätigte der EuGH die wallonische Regelung.423 Der EuGH folgt Generalanwalt Jacobs in der Qualifizierung der Verordnung als Maßnahme gleicher Wirkung, unabhängig davon, dass auch Abfälle aus den anderen zwei belgisehen Regionen betroffen waren. 424 Mit seiner Abgrenzung zwischen möglichen Gesundheitsgefahren durch Abfälle und deren Umweltgefährlichkeit wegen beschränkter regionaler Aufnahmekapazitäten deutet der Gerichtshof an, dass er den Schlussanträgen auch darin folgt, dass die Verordnung nicht als Maßnahme zum Schutz der menschlichen Gesundheit nach dem eng auszulegenden Art. 36 gerechtfertigt sei, da allenfalls die "Lebens qualität" gefährdet sei.42S Abfälle, so der Gerichtshof, seien grundsätzlich "Gegenstände besonderer Art". Noch bevor Abfälle Gesundheitsgefahren verursachen könnten, stelle deren "massiver und anomaler" Zustrom aus anderen Regionen "angesichts der begrenzten Kapazität dieser Region eine echte Gefahr rur die Umwelt dar ( ••• ). ,,426 Gegen die Berufung auf zwingende Erfordernisse hatte die Kommission den zutreffenden Einwand vorgebracht, dass die wallonische Verordnung gegen ausländische Abfälle diskriminiere. Der EuGH bestätigte auch ausdrücklich, dass zwingende Erfordernisse nur bei unterschiedslosen (nichtdiskriminierenden) mitgliedstaatlichen Maßnahmen zu berücksichtigen sind. Er fmgierte 423 Sekundärrechtlich stand die Abfall-Rahmenrichtlinie 75/442 der wallonischen Verordnung nicht entgegen, da die Richtlinie weder eine spezifische Regelung des Abfallhandels enthielt noch eine Bestimmung wie die Verordnung direkt verbot. EuGH, Urt. v. 9. 7. 1992, Rs. C-2/90, (Kommission 1 Belgien) - Abfalltransport, Slg. 1992,14431, Rn. 11 fI. Hinsichtlich des Teilbereichs gefährlicher Abfälle schloss allerdings die damals geltende Abfallverbringungsrichtlinie (Richtlinie 84/631/EWG des Rates vom 6. 12. 1984 über die Überwachung und Kontrolle - in der Gemeinschaft - der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle, ABI. Nr. L 326, 31, mittlerweile ersetzt durch Verordnung 259/93) als umfassende Regelung der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle ein absolutes Verbot für den Bereich gefährlicher Abfälle, wie es die wallonische Regelung enthielt, sekundärrechtlich aus. Ebd., Rn. 16 fI. 424 Eine solche Regelung beeinträchtigt den Absatz von aus anderen Landesteilen stammenden Waren gleichermaßen wie den von Waren aus anderen Mitgliedstaaten. V gl. Schlussanträge von Generalanwalt Jacobs, Rs. C-2/90, (Kommission 1 Belgien) Abfalltransport, Slg. 1992,1-4431, Rn. 17. Die Unerheblichkeit dieses Umstands hatte der Gerichtshofbereits in der Entscheidung EuGH, Urt. v. 25. 7. 1991, verb. Rs. C-1I90 und C-176/90 (Aragonesa), Slg. 1991, 1-4151, Rn. 24 begründet und seither bestätigt, vgl. EuGH, Urt. v. 15. 12. 1993, verb. Rs. C-277/91, C-318/91 und C-319/91 (Ligur Cami Srl), Slg. 1993,1-6621, Rn. 37. 425 V gl. Schlussanträge von Generalanwalt Jacobs, Rs. C-2/90, (Kommission 1 Belgien) - Abfalltransport, Slg. 1992,1-4431,4457 Rn. 20. 426 EuGH, Urt. v. 9. 7. 1992, Rs. C-2/90, (Kommission 1 Belgien) - Abfalltransport, Slg. 1992, 1-4431, Rn. 29 fI., Zitate aus Rn. 30 und 31.
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jedoch die wallonische Verordnung als unterschiedslose Regelung. Dies ergebe sich aus der besonderen Natur der Abfälle und den Umweltschutzprinzipien des Vertrages: "Der für die Umweltpolitik der Gemeinschaft in Art. BOr Abs. 2 aufgestellte Grundsatz, Umweltbeeinträchtigungen nach Möglichkeit an ihrem Ursprung zu bekämpfen, bedeutet nämlich, dass es Sache jeder Region, Gemeinde oder anderen Gebietskörperschaft ist, die geeigneten Maßnahmen zu treffen, um Aufnahme, Behandlung und Beseitigung ihrer eigenen Abfalle sicherzustellen; diese sind daher möglichst nah am Ort ihrer Erzeugung zu beseitigen, um ihre Verbringung soweit wie möglich einzuschränken. ,,427
Diese Prinzipien seien außerdem mit den Grundätzen der Entsorgungsautarkie und Entsorgungsnähe nach der von der Gemeinschaft unterzeichneten Baseler Konvention vereinbar. 428 Zur Erforderlichkeit und Angemessenheit der Regelung enthält das Urteil keine Ausfiihrungen. .Generalanwalt Jacobs hielt die Bestimmung fiir diskriminierend. Er ging lediglich auf die Fundierung der Prinzipien der Entsorgungsautarkie und Entsorgungsnähe in der Baseler Konvention sowie im Sekundärrecht der Gemeinschaft (Entschließung des Rates vom 7. 5. 1990 über die Abfallpolitik429 und damals vorliegender Kommissionsvorschlag vom 10. 10. 1990 fiir eine neue Abfallverbringungsverordnung43o) ein, nicht aber auf die Verankerung dieser Grundsätze in Art. 174 und die Einwirkung der Umweltschutzprinzipien des Art. 174 Abs. 2 auf Art. 28. 431 Die Bedeutung der Entscheidung fiir den Spielraum mitgliedstaatlicher Umweltrechtssetzung liegt denn auch darin, dass der EuGH hier eine bei unvoreingenommener Betrachtungsweise offen diskriminierende Regelung als durch zwingender Erfordernisse gerechtfertigt ansieht. 432 Grundlage hierfiir ist die Qualifizierung des Abfalls als "Gegenstand besonderer Art", die das Gericht doppelt - sowohl fiir seine Annahme einer unterschiedlosen Regelung als auch fiir die Frage der Rechtfertigung durch
Ebd., Rn. 34 Ebd., Rn. 35. 429 Entschließung des Rates vom 7.5. 1990 über die Abfallpolitik, AB!. Nr. C 122,2. 430 Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des Rates zur Überwachung und Kontrolle der Verbringung von Abfallen in der, in die und aus der Gemeinschaft, von der Kommission vorgelegt am 10. 10. 1990, AB!. 1990, NT. C 289,9, mit inhaltlichen Änderungen ergangen als Verordnung 259/93. 431 Schlussanträge von Generalanwalt Jacobs, in: EuGH, Urt. v. 9. 7.1992, Rs. C2/90, (Kommission / Belgien) - Abfal/transport, Slg. 1992,1-4431, Rn. 20 a.E. und Rn. 22 ff. 432 Vgl. Damien Geradin, The Belgian Waste Case, ELR 18 (1993),144,148 m.w.N. 427 428
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zwingende Erfordernisse - verwendet. 433 Ersteres ist für sich genommen einsichtig, da eine unterschiedliche Behandlung von wesentlich Ungleichem zulässig ist und keine Diskriminierung darstellt. Die Herkunft aus anderen Mitgliedstaaten als Unterscheidungskriterium, sonst sicheres Indiz für eine Diskriminierung, bietet hier jedoch gleichzeitig den Rechtfertigungsgrund. Dies fuhrt zu einer deutlichen Aufweichung des Diskriminierungsverbots im Umweltbereich. Die vom EuGH in Bezug genommene "Besonderheit des Abfalls" ermöglicht keine klare, Rechtssicherheit vermittelnde Abgrenzung und lässt sich insbesondere auf andere Gegenstände übertragen. 434 Die pauschale Inbezugnahme eines "massiven und anomalen Zustrom[s] von Abfällen" lässt auch nicht auf eine entscheidende Bedeutung besonderer Umstände des Falles schließen. 435 Die Entscheidung des EuGH ist demnach alles andere als zwingend. Eine genaue Prüfung der Verhältnisrnäßigkeit hätte sich mit der Frage zu beschäftigen gehabt, ob der Region Wallonien nicht weniger handelsbeschränkende, gleich geeignete Maßnahmen zur Verfiigung standen, z.B. eine allgemeine mengenmäßige Obergrenze für die Ablagerung von Abfällen in der Region oder schärfere Anforderungen an Deponien. 436 Es ist auch nicht ohne weiteres einsichtig, warum das Prinzip der Entsorgungsnähe gerade den Ausschluss von Abfällen von außerhalb der Region, die immerhin die knappe Hälfte des belgischen Staatsgebiets ausmacht, gestatten sol1. 437 In grenznahen Bereichen wird eine grenzüberschreitende Entsorgung vielfach die nächste Entsorgungsmöglichkeit bieten, so dass sich eher eine Einteilung von Entsorgungsgebieten um bestehende Abfallentsorgungsanlagen anbieten würde. Ähnliches gilt für das Prinzip der Entsorgungsautarkie, dessen Herkunft aus dem Verursacherprinzip eher eine lokale Entsorgungsautarkie als die Bildung eines autarken Gebietes von der Größe von Wallonien nahelegt.
433 Vg1. EuGH, Urt. v. 9. 7. 1992, Rs. C-2/90, (Kommission / Belgien) - Abfalltransport, Sig. 1992,1-4431, Rn. 30: ,,Abfalle Gegenstände besonderer Art"; ebd., Rn. 34: "Besonderheit der Abfalle". 434 Zu einer ähnlichen Beurteilung gelangen Wilmowsky, Abfall und freier Warenverkehr, 415, und Geradin, The Belgian Waste Case, 148. 435 A.A. Tostmann 580. 436 Vg1. Geradin, The Belgian Waste Case, 149. 437 Vg1. Tostmann 580.
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cc) Sicherung der Kapazitätsauslastung örtlicher Abfallbehandlungsanlagen: Die Entscheidungen zur Umsetzung der Altölrichtlinie, Chemische Afvallstoffen Dusseldorp und FFAD Mit unmittelbaren Beschränkungen der Warenausfuhr im umweltrechtlichen Bereich hat sich der EuGH zunächst in einer Reihe von Entscheidungen mit der Vereinbarkeit des französischen Decret Nr. 79-981 zur Umsetzung der Altölrichtlinie 75/439 mit dem EG auseinandergesetzt. In dem Decret, das implizit ein Verbot der Verbringung von Altöl zur Beseitigung in andere Mitgliedstaaten oder ins sonstige Ausland enthielt, sah der EuGH eine spezifische bzw. besondere Beschränkung der Ausfuhrströme im Sinne von Art. 29. 438 Neben der Beschränkung der Warenausfuhr bewirkte die Vorschrift eine Zugangsbeschränkung zum innerstaatlichen Dienstleistungsmarkt für Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten. 439 Wegen der Anwendbarkeit des Art. 29 waren die subsidiären Bestimmungen der Art. 49 f. jedoch nicht heranzuziehen. Dem Einwand der französischen Regierung, die Regelung sei notwendig, um die wirtschaftliche Rentabilität von Altölbeseitigungsunternehmen zu gewährleisten, begegnete der EuGH mit dem Hinweis, dass es den Mitgliedstaaten nach der Altölrichtlinie freistand, diesen Unternehmen Zuschüsse aus Mitteln zu gewähren, "die im Einklang mit dem ,Verursacherprinzip' aufgebracht werden" sollten.440 Nach Ansicht des EuGH im Vorabentscheidungsverfahren ADBHr.f41 handelte es sich bei diesen Zuschüssen allerdings nicht um Beihilfen im Sinne von Art. 87 ff., sondern um echte Gegenleistungen als Ausgleich für die Leistungen, die die Abhol- und Beseitigungsunternehmen aufgrund der richtlinienkonform auferlegten Verpflichtungen erbringen. 442 Damit bot das Gericht jedoch kaum mehr als eine Fiktion, die eine Auseinandersetzung mit der Wettbewerbsfreiheit auf der Rechtfertigungsebene ersparte. Dahinter steht 438 So zunächst in zwei Vorabentscheidungsverfahren: EuGH, Urt. v. 10. 3. 1983, Rs. 172/82 (Syndicat national des fabricants raffineurs d'huile de graissage / lnterHuiles), Slg. 1983, 555, Rn. 12: System zur Abholung und Beseitigung von Altölen darf kein Verbot der Ausfuhr zur Lieferung an in einem anderen Mitgliedstaat zugelassenes Beseitigungs- oder Aufbereitungsunternehmen enthalten; EuGH, Urt. v. 9. 2. 1984, Rs. 295/82 (Rhöne Alpes Huiles / Syndicat national des fabricants raffineurs d'huile de graissage), Slg. 1984, 575, Rn. 8 f.: Bekräftigung, dass dies gleichermaßen für zur Altölabholung zugelassene Unternehmen wie für Altölbesitzer selbst gilt; schließlich auch im Vertragsverletzungsverfahren: EuGH, Urt. v. 7. 2. 1985, Rs. 173/83 (Kommission / Frankreich), Slg. 1985,491, Rn. 7. 439 V g1. GroebenlThiesing/Ehlermann-Müller-Graff, Art. 34 Rn.18. 440 EuGH, Urt. v. 10. 3. 1983, Rs. 172/82 (Syndicat national des fabricants raffmeurs d'huile de graissage / Inter-Huiles), Sig. 1983,555,566 Rn. 13. 441 EuGH, Urt. v. 7. 2. 1985, Rs. 240/83 (procureur de la Republique / ADBHU), Slg. 1985, 531. 442 Ebd., Rn.18.
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die offenbar von den Gemeinschaftsorganen geteilte Ansicht, dass eine gezielte Subventionierung für legitime umweltbezogene Aktivitäten, die mit dem Umweltschutz befassten Unternehmen einen wirtschaftlichen Betrieb gestattet, zu diesem Zweck erlassenen Beschränkungen des Warenverkehrs vorzuziehen ist. Dem Vorabentscheidungsverfahren Chemische Afvallstoffen Dusseldorp443 lag eine niederländische Genehmigungspflicht für die Verwertung oder Entsorgung wiederverwertbarer Abfälle zu Grunde. Die Genehmigung für eine Verwertung oder Entsorgung im Ausland konnte versagt werden, wenn im Inland eine gleichwertige Technologie zur Verrugung stand. Damit sollte die Auslastung inländischer Anlagen gesichert werden. Einer niederländischen Firma wurde auf dieser Grundlage die Verbringung gebrauchter Ölfilter zur Verwertung nach Deutschland untersagt. Die niederländische Regierung verteidigte die Regelung unter Verweis auf die im Abfallrecht der Gemeinschaft niedergelegten und im Primärrecht verankerten Grundsätze der Entsorgungsautarkie und Nähe, die nach Ansicht der niederländischen Regierung nicht nur für die Verbringung von Abfällen zur Beseitigung, sondern auch für die Verbringung zur Verwertung gelten sollten. Der EuGH stellte hingegen anhand des Sekundärrechts fest, dass der Abfallverwertung uneingeschränkter Vorrang vor der Abfallbeseitigung zukomme. Um eine bestmögliche Wiederverwertung zu erreichen, dürfe der Verkehr mit Abfällen zur Verwertung nicht beschränkt werden. 444 Die Beschränkung der Ausfuhr auf die Fälle höherwertiger Verwertung im Ausland war daher eine unzulässige Ausfuhrbeschränkung. 445 Dass der einzige niederländische Abnahmebetrieb fiir gebrauchte Ölfilter eine hinreichende Auslastung benötige, um rentabel arbeiten zu können, lehnte der EuGH als Rechtfertigung wegen des wirtschaftlichen Charakters dieser Argumentation ab.446 In FFAD 447 erklärte der EuGH eine dänische Regelung, nach der Genehmigungen zur Einsammlung und Behandlung von ungefährlichen, zur Verwertung bestimmten Bauabfällen auf einen begrenzten Kreis von Unternehmen beschränkt wurden, für insoweit mit Art. 29 unvereinbar, als Abfallerzeuger aus diesem Grund Abfälle nicht unter Umgehung dieser Unternehmen ausfuhren konnten; die Feststellung, ob die Regelung eine Ausnahme für Abfallaus443 EuGH, Urt. v. 25. 5. 1998, Rs. 203/96 (Chemische Afvallstoffen Dusse1dorp B.V . I Minister van V01kshuisvesting), Sig. 1998,1-4075. 444 EuGH, Urt. v. 25. 5. 1998, Rs. 203/96 (Chemische Afvallstoffen Dusseldorp B.V. I Minister van Volkshuisvesting), Sig. 1998,1-4075, Rn. 33. 445 Ebd., Rn. 41 f. 446 Ebd., Rn. 43 f.; so bereits EuGH, Urt. v. 28. 4. 1998, Rs. 120/95 (DeckeT), Slg. 1998,1-1831, Rn. 39. 447 EuGH, Urt. v. 23. 5. 2000, Rs. 209/98 (pFAD 1 Kebenhavns Kommune), Slg. 2000,1-3743.
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fuhren über qualifIzierte Zwischenhändler enthielt, überließ der EuGH dem vorlegenden Gericht. Eine Rechtfertigung nach Art. 30 oder wegen Umweltschutzgründen i.S.v. Art. 174 bzw. zwingender Erfordernisse kam nicht in Betracht, da keine Anhaltspunkte rur Gesundheits- oder Umweltgefahren vorlagen. Auf die weitere Frage des vorlegenden Gerichts stellt der EuGH jedoch fest, dass die Wettbewerbsvorschriften der Art. 86 i.V.m. 82 einer gemeindlichen Regelung nicht entgegenstehen, die die· Anzahl zugelassener Abfallbehandlungsunternehmen begrenzt, um diesen Unternehmen den zur Sicherung der Rentabilität nötigen Materialfluss sicherzustellen. 448 Die Aussagen des EuGH zu Art. 29 bzw. zu Art. 86 erscheinen zunächst schwer miteinander vereinbar;449 das Gericht hat auch keinerlei Hinweis gegeben, wie die beiden Teile der Entscheidung zueinander stehen. Die einzig widerspruchfreie Interpretation hat davon auszugehen, dass Warenverkehrsfreiheit und Wettbewerbsrecht völlig selbständig zu prüfen sind und Art. 86 Abs. 2 nicht rechtfertigen kann, was Art. 29 untersagt. Dies fuhrt zu dem Ergebnis, dass eine Regelung, die die Ausfuhr umweltgefährlicher Abfälle (gegebenenfalls auch von Abfällen zur Verwertung, deren Verkehrsfähigkeit nach Dusseldorp grundsätzlich nicht beeinträchtigt werden darf) beschränken würde, dann sowohl nach Art. 29 f als auch nach Art. 86 zulässig wäre, wenn sonst eine zuverlässige Beseitigung der mit den Abfällen verbundenen Umwelt- oder Gesundheitsgefahren nicht gesichert wäre. Ähnliche Ausfuhrbeschränkungen wie in den genannten Fällen sind denkbar
fiir andere Arten von Abfällen, die nach den Vorstellungen eines Mitgliedstaates ausschließlich oder vornehmlich in den aus UmweItschutzgriinden vorzugswürdigen Anlagen dieses Staates zur Abfalltrennung, Wiederaufarbeitung oder Deponierung zu behandeln sind. Ein stillschweigendes Ausfuhrverbot hat der EuGH auch in einer mitgliedstaatlichen Regelung gesehen, nach der Geflügelschlachtabfälle an bestimmte Betriebe zu veräußern waren, denen jeweils fiir ein bestimmtes Gebiet eine Genehmigung zur Abholung und Verarbeitung 448 Dabei nimmt der EuGH an, dass den drei Genehmigungsempfängem ausschließliche Rechte i.S.v. Art. 86 Abs. 1 gewährt wurden (Rn. 52 ff. des Urteils; kritisch hierzu Vincent Kronenberger, EC competition law, exc1usive rights and the protection of the environment (FF AD-Sydhavnens Sten & Grus and Kebenhavns Kommune, ECJ of 23 May 2000, C-209/98), ELR 2000, 254, 256 f., der dies eher für einen Fall besonderer Rechte i.S.v. Art. 86 Abs. 1 hält), ohne aber den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung i.S.v. Art. 82 abschließend zu prüfen (Rn. 57 ff. und 66 ff.). Sodann führt der EuGH aus, dass die Bewirtschaftung bestimmter Abfälle Gegenstand einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse sein könne (Rn. 75), und voraussichtlich als verhältnismäßig i.S.d. Art. 86 Abs. 2 angesehen werden könne, da insbesondere eine bloße Verpflichtung der Abfallerzeuger zur Verwertung ihrer Abfälle wegen unzureichender örtlicher Kapazitäten eine weitgehende Verwertung nicht hinreichend gesichert hätte (Rn. 77 ff.). 449 Vgl. Kronenberger 257.
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der Abfälle erteilt worden war.450 Würde einem örtlichen Abfallbehandlungsunternehmen durch Zuerkennung ausschließlicher Rechte an den vor Ort anfallenden Abfällen im Wege der staatlichen Verleihung oder der Tätigkeit eines Betriebes in staatlicher Hand ein stetiger Zufluss von Abfällen zur Sicherung eines wirtschaftlichen Betriebes seiner Anlagen gesichert, so wäre dies nach Art. 31 oder Art. 86 unzulässig. Würde das gleiche Ergebnis durch Festsetzung künstlich überhöhter Preise erreicht, so wäre dies mit Art. 49 unvereinbar. 4S1
2. Artenschutz a) Süßwasserkrebse (Kommission / Deutschland)
In der Rechtssache C-131/93 lehnte der EuGH ein deutsches Verbot der Einfuhr lebender Süßwasserkrebse zu kommerziellen Zwecken als mit Art. 28 und 30 unvereinbar ab.452 Die Regelung sollte der Ausbreitung der Krebspest vorbeugen und die genetische Identität heimischer Arten vor Faunenverfälschung durch Vermischung mit artgleichen Tieren anderer Herkunft schützen. Unbestrittenermaßen war neben der Gewässerverschmutzung die Krebspest, die hauptsächlich durch aus Nordamerika eingefiihrte Krebse verbreitet wurde, dafiir verantwortlich, dass es in Deutschland - wie auch in anderen Teilen Mitteleuropas - kaum noch frei lebende Krebse gab.453 Das Gericht stellte fest, dass das Einfuhrverbot fiir Flusskrebse, die sich in anderen Mitgliedstaaten im freien Verkehr befinden, den innergemeinschaftlichen Handel behinderte. Es erkannte zwar an, dass die Regelung unter den Schutzgrund der Gesundheit von Tieren im Sinne von Art. 30 fiel, fand sie jedoch unverhältnismäßig, da der Gesetzgeber nicht das mildeste geeignete
450 EuGH, Urt. v. 6. 10. 1987, Rs. 118/86 (Nertsvoederfabriek) - Schlachtabfolle, Sig. 1987,3883, Rn. 11. Middeke, Nationaler Umweltschutz im Binnenmarkt, 158 sieht darin ein System zur Sammlung und Beseitigung von Altstoffen. 451 Wo ein Mitgliedstaat allerdings Überwachungstätigkeiten zum Schutz vor Umweltverschmutzungen und zu deren Bekämpfung an Private vergibt, liegt von vornherein keine wirtschaftliche Tätigkeit vor. Denn dabei handelt es sich um "wesentliche Staatsaufgaben" und "typischerweise hoheitliche Befugnisse" (EuGH, Urt. v. 18. 3. 1997, Rs. C-343/97 (Diego Call & Figli Srl/ SEPG), Sig. 1997,1-1547, Rn. 22 f. Der EuGH erklärte daher in diesem Vorabentscheidungsverfahren Art. 82 (ex-Art. 86) rur unanwendbar auf diese Tätigkeit, da es sich bei der SEPG nicht um ein Unternehmen im Sinne des Art. 82 handelte. Ebd., Rn. 25 .). 452 EuGH, Urt. v. 13. 7. 1994, Rs. C-131193 (Kommission / Deutschland) - Siij3wasserkrebse, Sig. 1994,1-3303. 453 So der Vortrag der Kommission, vgl. ebd., Rn. 3. Die Bundesrepublik machte neben dem Schutz vor Infektion mit der Krebspest den Schutz der genetischen Identität heimischer Krebsarten geltend. Ebd., Rn. 6, 20.
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Mittel gewählt hatte. Die Richter machen sich den unwiderlegten Vortrag der Kommission zu eigen: "So hätte die Bundesrepublik Deutschland, anstatt die Einfuhr lebender Flusskrebse einfach zu verbieten, sich damit begnügen können, die Lieferungen von Krebsen, die aus anderen Mitgliedstaaten stammten oder sich bereits in der Gemeinschaft im freien Verkehr befänden, Gesundheitskontrollen zu unterziehen und nur Stichproben vorzunehmen, soweit diesen Lieferungen eine von den zuständigen Behörden des Mitgliedstaats des Versands ausgestellte Gesundheitsbescheinigung beiliege, in der bestätigt werde, dass das fragliche Erzeugnis keine Gefahr für die Gesundheit darstelle, oder sie hätte sich darauf beschränken können, die Vermarktung der Krebse im Inland zu regeln, indem sie insbesondere nur den Besatz von Binnengewässern mit Krebsarten, die potentiell als Krebspestträger in Frage kämen, einer Genehmigungspflicht unterworfen und das Aussetzen sowie den Besatz in Gebieten, in denen einheimische Arten lebten, eingeschränkt hätte. ,,454 Zur Existenz milderer Mittel verweist das Gericht auch darauf, dass das Bundesamt fiir Ernährung und Forstwirtschaft weitreichende zeitlich beschränkte mit Auflagen zum Schutz vor Übertragung der Infektion versehene Befreiungen nach § 31 BNatSchG erteilt hatte. 45S
b) Laes,,-Biene (Bluhme) Eine Maßnahme gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung war auch die in der Entscheidung zur sog. Lcese-Biene (Strafverfahren gegen DitIev Bluhme)456 zu prüfende dänische Vorschrift, die auf der Insel Laes" nur die Einfuhr und Haltung der dort heimischen Bienenart, der sog. braunen Laes,,-Biene, gestattete. Dies bewirkte (wie entsprechend in Ab/alltransport) ein Einfuhrverbot fiir Bienen aus anderen Mitgliedstaaten fiir einen Teil des dänischen Staatsgebiets. 457 Die Regelung fiel nicht unter die Ausnahme fiir Verkaufsmodalitäten nach Keck, da das Einfuhrverbot an die Eigenschaften der "Ware" selbst, der Bienen, anknüpfte. 458 Der EuGH hielt die Regelung allerdings aus Gründen des Schutzes der Gesundheit von Tieren fiir gerechtfertigt. Sie diene der Erhaltung der Bienenart und damit der biologischen Vielfalt. Die Ebd., Rn. 25. Ebd., Rn. 4, 27. Wie die Bundesrepublik selbst darlegte, waren von Januar 1989 bis Juni 1993 Ausnahmegenehmigungen für insgesamt 961.400 kg Krebse erteilt worden. Ebd., Rn. 11. 456 EuGH, Drt. v. 3. 12. 1998, Rs. C-67/97 (Bluhme) - LresfiJ-Biene, Slg. 1998, 18033. 457 Ebd., Rn. 19. 458 Ebd., Rn. 21. 454 455
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Regelung sei auch verhältnismäßig, da die braune Lres0-Biene tatsächlich vom Aussterben bedroht sei und die Schaffung eines Schutzgebiets durch Errichtung einer Einfuhrsperre für die Insel LreS0 eine im Gemeinschaftsrecht und internationalen Recht anerkannte Maßnahme zur Erhaltung bedrohter Arten sei.4s9 Damit hat der EuGH zweifellos die Geeignetheit der mitgliedstaatlichen Maßnahme belegt, hinsichtlich der Erforderlichkeit und Angemessenheit gesteht er dem Mitgliedstaat hier jedoch einen weiten Beurteilungsspielraum zu. Das Gericht äußert sich nicht dazu, ob ein milderes, ebenso geeignetes Mittel möglich gewesen wäre. Die Entscheidung lässt auch nicht erkennen, ob oder inwieweit dies auf die spezifischen Besonderheiten des Falles zurückzufiihren ist. Gegenüber der Süßwasserkrebse-Entscheidung fällt die deutliche Zurücknahme der Prüfungsintensität gegenüber einer zweifellos nichtwirtschaftlich motivierten mitgliedstaatlichen Maßnahme auf. 460
3. Tierschutz: Schlachttiertransporte (Monsees) Gegenstand des Vorabentscheidungsverfahrens Monseei 61 waren österreichische Bestimmungen zum Tierschutz beim Transport lebender Schlachttiere auf der Straße. Eine Beurteilung nach den Regelungen über die Warenverkehrsfreiheit war nur deshalb möglich, weil die Urnsetzungsfrist für die einschlägigen sekundärrechtlichen Bestimmungen der Richtlinie 91/628 über den Schutz von Tieren beim Transport in der Fassung der Änderungsrichtlinie 95/29 462 zum entscheidungsrelevanten Zeitpunkt noch nicht abgelaufen war. 463 Der EuGH hielt die mitgliedstaatliche Bestimmung zwar für geeignet,464 jedoch für nicht erforderlich. Bemerkenswert ist die Begründung hierfür: Der EuGH zieht zum Vergleich die damals in der Urnsetzungsphase befmdliche
Ebd., Rn. 36. Darin mag auch ein wesentlicher Unterschied zwischen den bei den Entscheidungen liegen. In Süßwasserkrebse war der Generalanwalt davon ausgegangen, dass in Wirklichkeit wirtschaftliche Erwägungen zu der deutschen Regelung und der Handhabung der Ausnahmen geführt hatten (Schlussanträge, Rs. C-131193, Süßwasserkrebse (Kommission / Deutschland) - Süßwasserkrebse, Slg. 1994, 1-3303, 3313 f.). 461 EuGH, Urt. v. 11. 5.1999, Rs. C-350/97 (Monsees), Slg. 1999,1-2923. 462 Richtlinie 911628IEWG des Rates über den Schutz von Tieren beim Transport und zur Änderung der Richtlinien 90/425IEWG, 91/496IEWG, ABI. Nr. L 340, 17; Richtlinie 95/291EG des Rates vom 29.5. 1995, ABI. Nr. L 148,52. 463 EuGH, Urt. v. 11. 5. 1999, Rs. C-350/97 (Monsees), Slg. 1999,1-2923, Rn. 27. 464 So auch Generalanwalt Leger, Schlussanträge vom 17. 12. 1998, Rs. C-350/97 (Monsees), Slg. 1999,1-2923, Rn. 36. 459
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Richtlinie 95/29 heran; an deren Regelungen sei erkennbar, dass das legitime Ziel des Tierschutzes auch mit geringerer Eingriffsintensität erreichbar sei. 465 Dabei unterscheidet der Gerichtshof jedoch nicht eindeutig zwischen der Festlegung des Schutzniveaus und der Wahl des mildesten geeigneten Mittels zu dessen Erreichung. Die Festlegung der innerstaatlichen Schutzniveaus im nichtharmonisierten Bereich ist nach ständiger Rechtsprechung Sache der Mitgliedstaaten. Der EuGH orientiert sich jedoch allgemein an der einschlägigen Richtlinie und kommt daher im Grunde zu dem Ergebnis, dass der angemessene Standard der Richtlinie mit den gegenüber der österreichischen Regelung milderen Mitteln der Richtlinie erreicht werden konnte. Dies führt zu einer Vermischung von Primär- und Sekundärrecht, die mit der Hierarchie der Normen des Gemeinschaftsrechts nicht vereinbar ist.
4. Ausfuhrbeschränkungen für Rohstoffe Rohstoffe, die in der Gemeinschaft gewonnen wurden oder sich sonst im freien Verkehr befmden, fallen unter den Begriff der Ware im Sinne von Art. 23 Abs.2. Auch die Verhinderung oder Erschwerung der Ausfuhr von Rohstoffressourcen (z.B. Ausfuhrkontingente und Genehrnigungserfordernisse, nicht aber bloße Anmeldepflichten ohne daran anknüpfende Erschwerungen) ist daher an Art. 29 f. zu messen. 466 Auch sog. Rohstoffbewirtschaftungsregelungen gehören hierzu.467 In Pigs Marketing Boant68 erklärte der EuGH eine mitgliedstaatliche Regelung, die eine Zwangsvermarktung von im Inland produzierten Schweinen über eine von Erzeugern und Vertretern des Landwirtschaftsministeriums beherrschte Einrichtung vorsah, für unzulässig. Prüfungsrnaßstab waren sekundärrechtliche Verordnungen zur Errichtung einer gemeinsamen Marktordnung, als deren Bestandteil jedoch die primärrechtlichen Vorschriften über die Warenverkehrsfreiheit anzusehen waren.469 Während Generalanwalt Reischl die Unzulässigkeit der Regelung unter Verweisung auf die Bindung von Schweineerzeugern an die Ausfuhr über das Board, die zu Ausfuhrbeschränkungen geeignet und darauf ausgerichtet war, ergänzend unmittelbar auf die Warenverkehrsfreiheit
EuGH, Urt. v. 11. 5. 1999, Rs. C-350/97 (Monsees), Slg. 1999,1-2923, Rn. 30. EuGH, Urt. v. 13. 12. 1990, Rs. C-347/88 (Kommission 1 Griechenland), Slg. 1990,1-4747, Rn.65 ff. 467 V g1. GroebeniThiesingIEhlermann-Müller-Graff, Art. 34 Rn. 18; Schröer, Kompetenzverteilung, 158. 468 EuGH, Urt. v. 29 . 11. 1978, Rs. 83/78 (pigs Marketing Board), Slg. 1978, 2347. 469 Ebd., Rn. 53/54 f. 465 466
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stützte,470 stellte das Gericht lediglich fest, dass mitgliedstaatliche Regelungen, die unter Abweichung von den Regelungen einer gemeinsamen Marktorganisation Ein- oder Ausfuhrströme verändern oder die Bildung von Marktpreisen beeinflussen könnten, nicht mit dieser Marktorganisation vereinbar seien. 471 Lediglich bei wichtigen Erwägungen nationaler Krisenvorsorge hat der EuGH mitgliedstaatliche Beschränkungen beim Handel mit Rohstoffen (Erdölerzeugnisse) anerkannt. 472 Inländische Umweltgüter können als schützenswerte Ressourcen, die durch den grenzüberschreitenden Handel geschädigt werden, aufgefasst werden. Der EuGH hat in seiner Entscheidung Abfalltransport die begrenzte Aufnahmekapazität der Region Wallonien ausdrücklich zur Grundlage seiner Beurteilung des Einfuhrverbotes für Abfalle als gerechtfertigte unterschiedslose Regelung gernacht. 473 Das Gericht hat dies jedoch aus dem Ursprungsprinzip des Art. 174 Abs. 2 UAbs. 1 S. 2 hergeleitet, das nicht spezifisch auf den Schutz bestimmter (anderer) Umweltressourcen gerichtet ist und deren Schutz daher nur nebenbei und reflexartig bewirkt. Der Schutz von Umwe1tressourcen ist allerdings als Zielsetzung in Art. 174 Abs. 1 3. Spiegelstrich ("umsichtige und rationelle Verwendung der natürlichen Ressourcen") enthalten und verpflichtet zu einem sparsamen Umgang mit allen Arten von Umweltgütern, nicht nur unbelebten Umweltgütern wie Wasser, Luft, Boden und Bodenschätzen, sondern auch belebten wie Flora und Fauna;474 außerdem fmdet sich der Schutzgedanke in allgemeiner Form in Art. 174 Abs. 1 1. Spiegelstrich ("Erhaltung und Schutz der Umwelt sowie Verbesserung ihrer Qualität"). In ähnlicher Weise wie in Abfal/transport könnte daher eine handelsbeschränkende oder gar bei erstem Ansehen diskriminierende Regelung zum Ressourcenschutz gerechtfertigt sein.
470 Generalanwalt Reischi, Schlussanträge v. 7. 11. 1978, Rs. 83/78 (pigs Marketing Board), Sig. 1978,2347,2387. 471 EuGH, Urt. v. 29. 11. 1978, Rs. 83178 (pigs Marketing Board), Slg. 1978,2347, Rn. 58. 472 Vgl. EuGH, Urt. v. 10.7.1984, Rs. 72/83 (Campus Oil), Sig. 1984,2727, Rn. 51 : Zulässigkeit von Zwangsabnahmepflichten bei inländischen Raffinerien zur Sicherung der Rohstoffversorgung mit Erdöl. Vgl. aber die Entscheidung EuGH, Urt. v. 13. 12. 1990, Rs. C-347/88 (Konunission I Griechenland), Sig. 1990,1-4747, in der das Gericht griechische Beschränkungen des Handels mit Mineralölerzeugnissen für unzulässig erklärte, da deren Notwendigkeit aus Gründen der öffentlichen Sicherheit nicht belegt war. 473 EuGH, Urt. v. 9. 7. 1992, Rs. C-2/90, (Konunission / Belgien) - Abfalltransport, Sig. 1992,1-4431, Rn. 30 ff. 474 Vgl. CalliessIRuffert-Calliess, Art. 174 Rn. 10 m.w.N.
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5. Umweltbezogene Abgaben a) Straßenbenutzungsgebühren
In dem Rechtsstreit um die Zulässigkeit der deutschen Straßenbenutzungsgebühren fiir Lastkraftwagen machte die Bundesregierung geltend, dass diese Gebühren nicht nur - in Verbindung mit der im selben Artikelgesetz verfUgten Senkung der Kfz-Steuer - der Angleichung der Wettbewerbsbedingungen im Güterkraftverkehr, sondern auch dem Umweltschutz dienten.475 Der EuGH betrachtete beide Regelungen - Gebühr und Steuersenkung - zusammen und kam zu dem Ergebnis, dass Deutschland damit gegen die "Stillhaltebestimmung" des Art. 72 (ex-Art. 76) im Verkehrsbereich verstoßen hatte. Die Behandlung der beiden Instrumente als Einheit überzeugt nicht,476 insbesondere fehlt eine Auslegung am Maßstab der umweltrechtlichen Querschnittsklausel; das Ergebnis lässt sich jedoch so erklären, dass der EuGH weder eine Motivation noch eine Eignung fiir den Umweltschutz,477 sondern lediglich für eine Verbesserung der Situation deutscher Spediteure fand. 478 b) Progressive Kraftfahrzeugsteuer: Tarantik u.a.
Im Vorabentscheidungsverfahren Tarantik ließ der EuGH eine französische Steuerregelung unbeanstandet, die ab einer bestimmten Hubraumgröße, welche nur auf eingefiihrte Fahrzeuge Anwendung fand, eine deutlich stärkere Progression als bei unteren Steuergruppen vorsah. 479 Wie das Gericht bereits 1985 in Humblot festgestellt hatte, ist ein mitgliedstaatliches Kraftfahrzeugsteuersys-
475 Vgl. EuGH, Urt. v. 19. 5. 1992, Rs. C-195190 (Kommission 1 Deutschland) Straßenbenutzungsgebühren, Slg. 1992, 1-3141, Rn. 7,28. 476 Vgl. Eckhard Rehbinder, Environmental Regulation through Fiscal and Economic Incentives in a Federalist System, 20 Ecology L. Q 57, 81 f. (1993). Das Gericht setzt auf dem status quo als Maßstab auf und berücksichtigt die dadurch bereits gestaltete Situation nicht. 477 Die grundsätzliche Rechtfertigungsmöglichkeit ftir Steuern aus Umweltschutzgründen erkannte das Gericht allerdings implizit an. EuGH, Urt. v. 19. 5. 1992, Rs. C195190 (Kommission 1 Deutschland) - Straßenbenutzungsgebühren, Slg. 1992,1-3141, Rn. 28. Vgl. nun auch EuGH, Urt. v. 26.9. 2000, Rs. C-205198 (Kommission 1 Österreich) - Brenner-Maut, Slg. 2000,1-7367: Nutzerfinanzierung von Straßenbau zulässig, vorliegend wegen diskriminierender Gestaltung unzulässig (auf der Grundlage von Sekundärrecht). 478 V gl. ebd., Rn. 31. 479 EuGH, Urt. v. 15.6. 1999, Rs. C-421/97 (Tarantik), Slg. 1999,1-3633.
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tem, das eine nach objektiven Maßstäben progressive Steuerhöhe bewirkt, grundsätzlich mit den Zielen des Vertrages vereinbar. 480 Das Gericht ließ in Tarantik die Frage offen, ob die Fahrzeuge unterhalb und oberhalb der maßgeblichen Progressionsstufe überhaupt als gleichartige Waren anzusehen waren. 481 Falls dies jedoch der Fall war, lag nach Ansicht des Gerichts eine diskriminierende oder protektionistische Wirkung nicht bereits dann vor, wenn eine stärkere Steuerprogression ausschließlich eingefiihrte Fahrzeuge traf, sondern erst dann, wenn die Wahl der Progressionsstufen den Verkauf von inländischen Fahrzeugen im Bereich unterhalb dieser Stufe begünstigte, und es dort keine hinreichende Auswahl an eingefiihrten Fahrzeugtypen gab. 482 Die Entscheidung veranschaulicht zunächst den Unterschied zwischen der Behandlung von allgemeinen Handelsbeschränkungen nach Art. 28 ff., die grundsätzlich jede Beeinträchtigung des grenzüberschreitenden Handels verbieten, Ausnahmen zu legitimen Zwecken jedoch zulassen, und der Behandlung inländischer Abgabensysteme nach Art. 90 f., die bloße Handelsbeschränkungen von vornherein nicht sanktionieren, diskriminierende Regelungen jedoch strikt untersagen, ohne - wie nach Art. 30 - einen Rückgriff auf bestirnmte legitime Gründe zu ermöglichen. Die vorliegende Regelung übte ohne Weiteres eine handelsbeschränkende Wirkung gegenüber hubraumstarken Fahrzeugen aus anderen Mitgliedstaaten aus. Über die Prüfung der Vereinbarkeit mit den Zielen des Vertrages kontrolliert der EuGH jedoch im Ergebnis in ähnlich wie bei Maßnahmen gleicher Wirkung nach Art. 28 f. die Legitimität unterschiedsloser handelsbeschränkender Maßnahmen.
480 EuGH, Urt. v. 9. 5. 1985, Rs. 112/84 (Humblot), Slg. 1985, 1367, Rn. 12; EuGH, Urt. v. 4. 4. 1990, Rs. C-132/88 (Kommission 1 Griechenland), Sig. 1990, 1-1567, Rn. 17. 481 Dies war von der tatächlichen Frage abhängig, ob diese Fahrzeuge aufgrund ihrer Eigenschaften und der Bedürfnisse, denen sie dienten, miteinander im Wettbewerb standen.. Vgl. EuGH, Urt. v. 15.6. 1999, Rs. C-421197 (Tarantik), Sig. 1999,1-3633, Rn. 27 fI., 32. 482 Ebd., Rn. 31 f.; so (im Erg.) auch bereits EuGH, Urt. v. 30. 11. 1995, Rs. C113/94 (Casarin), Sig. 1995, 1-4203, Rn. 22 fI.: Progressionsstufen in der Kraftfahrzeugsteuer sind zulässig, wenn sie nicht bewirken, dass der Verkauf inländischer Fahrzeuge gegenüber dem Verkauf von Fahrzeugen aus anderen Mitgliedstaaten begünstigt wird. In EuGH, Urt. v. 17.9. 1987, Rs. 433/85 (Feldain), Sig. 1987,3521, befand das Gericht die damalige französische Steuerrege1ung hingegen als diskriminierend und protektionistisch, da die deutlich höher besteuerte obere Steuerklasse ausschließlich Fahrzeuge aus anderen Mitgliedstaaten enthielt, während inländische Oberklassefahrzeuge in die darunter liegende Steuerklasse fielen.
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c) Verbrauchssteuer auf Elektrizität: Outolcumpu In der Vorabentscheidungssache Outolcumpu äußerte sich der EuGH zur Zulässigkeit einer nach ökologischen Maßstäben differenzierten Verbrauchssteuer. 483 Gegenstand der Vorlagefrage war eine finnische Verbrauchssteuer auf Elektrizität. Diese differenzierte die Höhe der auf inländisch produzierten Strom zu zahlenden Abgaben nach der Art der Erzeugung. Strom aus erneuerbaren Energiequellen, z.B. Wasserkraftwerken, wurde mit einer geringeren Abgaben belegt als Strom aus nicht erneuerbaren Energiequellen, z.B. Atomkraftwerken. Im Ausland produzierter Strom wurde ohne diese Differenzierung mit einer einheitlichen Abgabe belegt, deren Höhe in einem Mittelbereich zwischen der geringsten und der höchsten Abgabe ftir inländischen Strom lag. Generalanwalt Jacobs sprach sich für die Zulässigkeit der Kombination aus einem ökologisch differenziertem Steuersatz ftir inländischen Strom und einheitlichem, am Durchschnitt der inländischen Steuersätze orientiertem Steuersatz für eingeführten Strom aus: 484 ,,Die Abstufung der Steuersätze für einheimische Elektrizität ist ganz offensichtlich geschaffen worden, um die Erzeugung von Elektrizität mittels der die Umwelt am wenigsten belastenden Verfahren zu fördern. (...) Die Festlegung eines Durchschnittssatzes für eingeführte Elektrizität wird naturgemäß keinen Einfluss auf die von der eingeführten Elektrizität im Erzeugungsland ausgehende Umweltbelastung haben, sondern dürfte nach Maßgabe des auf der einheimischen Erzeugung durchschnittlich lastenden Satzes festgelegt worden sein und soll wohl Finnland in die Lage versetzen, seine ökologisch motivierten Steuersätze fiir die einheimische Erzeugung beizubehalten. ,,485 Zur Rechtfertigung der steuerlichen Differenzierung verweist Jacobs auf die immer stärkere Herausstellung des Umweltschutzes als Ziel der Gemeinschaft durch die aufeinanderfolgenden Änderungen des EWG-IEG-Vertrages bis heute und im einschlägigen Sekundärrecht. Die marginale Diskriminierung gegenüber eingeführtem Strom müsse dann geduldet werden, wenn - wie hier - andernfalls mangels Ermittelbarkeit der Herstellungsweise des eingeführten
483 EuGH, Urt. v. 2.4. 1998, Rs. C-213/96 (Outokumpu), Slg. 1998,1-1777. Bereits im Vorabentscheidungsverfahren EuGH, Urt. v. 20. 3. 1997, Rs. C-13/96 (Bic Benelux), Slg. 1997, 1-1753 betraf der Ausgangsrechtsstreit eine Verbrauchssteuer fiir umweltbelastende Produkte, die u.a. aufWegwerfrasierer erhoben wurde. Das vorlegende Gericht fragte jedoch lediglich, ob die an die Abgabe geknüpfte Kennzeichnungspflicht eine "technische Speziftkation" oder "technische Vorschrift" i.S.d. (mittlerweile ersetzten) Notiftzierungsrichtlinie 83/189 war, was der EuGH bejahte (ebd., Rn. 18,26). 484 Schlussanträge von Generalanwalt Jacobs, Rs. C-213/96 (Outokumpu), Slg. 1998,1-1777, Rn. 65 Nr. 1. 485 Ebd., Rn. 56.
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Stromes eine differenzierte Besteuerung der inländischen Elektrizität faktisch ausgeschlossen werde. 486 Der EuGH bestätigte zunächst seine Rechtsprechung zur differenzierten Besteuerung gleichartiger Erzeugnisse nach objektiven Kriterien487 und stellte sodann fest, dass die Differenzierung einer Verbrauchssteuer auf Elektrizität nach der ökologischen Qualität ihrer Erzeugung mit Art. 90 vereinbar sei. Die Regelung verfolge mit dem Umweltschutz ein Ziel, der ein wesentliches Ziel der Gemeinschaft sei und daher in Einklang mit dem Vertrag stehe. 488 Der oberhalb des inländischen Minimalsatzes liegende Abgabensatz für eingeführten Strom führe jedoch zu einer Diskriminierung des eingeführten Strorns. 489 Der EuGH erkannte die von Finnland und Generalanwalt Jacobs angeführten praktischen Schwierigkeiten der Differenzierung für eingeführten Strom an, sah darin jedoch keinen legitimen Grund für die Besteuerung der eingeführten Elektrizität über dem Minimalsatz für inländischen Strom und erklärte die Kombination zwischen einer differenzierten Besteuerung heimischer Elektrizität und einheitlicher Besteuerung eingeführter Elektrizität oberhalb des inländischen Minimalsatzes für mit Art. 90 unvereinbar. 490 Die Regelung sah noch nicht einmal eine Nachweismöglichkeit für einen Stromimporteur vor, dass der von ihm eingeführte Strom aus emeuerbaren Energiequellen stamme. 491 Ob letzteres allein genügen würde, lässt der EuGH jedoch offen. Er deutet lediglich mehrere Möglichkeiten an, wie die Elektrizitätsabgabe hätte gestaltet werden können: durch gleichartige Erstreckung der Begünstigung für ..ökologischen Strom" auf eingeführten Strom, durch Nivellierung auf eine Einheitsbesteuerung gleichermaßen für inländischen wie für eingeführten Strom oder aber durch differenzierte inländische Besteuerung bei gleichzeitiger Ansetzung des niedrigsten inländischen Steuersatzes für eingeführten Strom. 492 Der EuGH erkennt hier die Zulässigkeit eines ökologisch differenzierten Abgabensysterns grundsätzlich an, 493 indem er den Umweltschutz als objektiven Grund für eine unterschiedliche Besteuerung sieht. Gleichzeitig zeigt das Gericht die Grenzen solcher Abgabensysteme in den Vorschriften zum Schutz Ebd., 60 f. EuGH, Urt. v. 2.4. 1998, Rs. C-213/96 (Outokumpu), Slg. 1998,1-1777, Rn. 30. Da die Verbrauchssteuer sowohl auf inländischen als auch auf eingeführten Strom erhoben wurde, war sie nach Ansicht des EuGH als inländische Abgabe nach Art. 90 und nicht nach Art. 23 ff. zu beurteilen. Ebd., Rn. 19 ff., 29. 48B Ebd., Rn. 30 ff., 31. 4B9 Ebd., Rn. 35. 490 Ebd., Rn. 38 f., 41. 491 Ebd., Rn. 39. 492 Erstere beide Varianten ebd., Rn. 40, letztere ebd., Rn. 36 m.w.N. 493 Vgl. Astrid Epiney, Neuere Rechtsprechung des EuGH zum allgemeinen Verwaltungs-, Umwelt und Gleichstellungsrecht, NVwZ 2000, 36, 40. 486
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des Binnenmarktes auf. 494 Diese erlauben bei diskriminierenden Abgabensätzen auch zu Gunsten des Umweltschutzes als "wesentlichem Ziel der Gemeinschaft" keine Einräumung eines wesentlichen mitgliedstaatlichen Gestaltungsermessens. Die praktischen Möglichkeiten zur Erhebung von Umweltabgaben sind damit im Sinne einer konsequenten Aufrechterhaltung des Binnenmarktes deutlich eingegrenzt. Auf der Grundlage des Urteils Abfalltransport lassen sich jedoch auch diskriminierende Abgabenvorschriften rechtfertigen, sofern die Diskriminierung in Art. 174 zugelassen und vorgesehen ist. 495
§ 17 Vergleich der Befugnisse der unteren fOderalen Ebene in den USA und der EG I. Struktur der Grenzsetzungen für die untere Ebene 1. Grenzsetzungen als Souveränitätsbeschränkungen durch die Verfassung bzw. den EG-Vertrag
Die Grundordnung des Gesamtsystems (Verfassung bzw. EG-Vertrag) erlegt den Einzelstaaten (Gliedstaaten bzw. Mitgliedstaaten) Beschränkungen auf, die im Konfliktfall zum Zurücktreten nicht damit vereinbarer einzelstaatlicher Regelungen fUhren. Die Einzelstaaten erhalten sich jedoch in beiden Systemen eigene Souveränitätsansprüche. 496 Die Einzelstaaten können grundsätzlich nach Maßgabe eigener Zielvorstellungen öffentliche Aufgaben wahrnehmen. Wie der Supreme Court und der EuGH betonen, gilt dies auch und gerade im Umweltbereich. Für die EG ergibt sich dies aus der Struktur der begrenzten Übertragung von Hoheitsrechten an die Gemeinschaft sowie mittelbar aus den Rechtfertigungsmöglichkeiten fiir legitime mitgliedstaatliche Maßnahmen nach Art. 30 EG und zwingenden Erfordernissen im Rahmen von Art. 28 EG, in den USA gehört der Umweltschutz, soweit nicht vom Bund geregelt, in den Bereich der gliedstaatlichen police power. 494 Der EuGH hat es vermieden, sich ausdrücklich gegen eine Übertragung der Schranken des Art. 28 auf Art. 90, die mit der Querschnittsklausel des Art. 6 begründet werden könnte, auszusprechen. Eine solche Übertragung ist jedoch angesichts der norminternen Rechtfertigungsmöglichkeiten nicht dringend notwendig. 495 Schließlich ist auch, wie oben ll.4.b)bb) angesprochen, die Grenze zwischen lediglich handelshernrnenden Abgaben und Abgaben mit diskriminierender bzw. protektionistischer Wirkung wenig trennscharf. 496 Die Souveränität der Gliedstaaten der USA, von der der Supreme Court in seinen Entscheidungen spricht, unterscheidet sich allerdings angesichts des darüber geordneten Bundes, der im Gegensatz zur supranationalen Gemeinschaft EU Staat ist, von der der EU-Mitgliedstaaten.
§ 17 Vergleich der Befugnisse der unteren föderalen Ebenen
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Schranken dieser Gestaltungsbefugnis sind Beschränkungen souveräner Staatsgewalt. Sie ergeben sich zunächst aus dem Verfassungs- bzw. Primärrecht. Für das Umweltrecht der EU-Mitgliedstaaten sind dies vor allem die Bestimmungen der Art. 28 ff. EG zum freien Warenverkehr sowie Sonderregelungen fiir Bereiche wie steuerliche Abgaben und Beihilfen, denen in der noch ungleich stärker richterrechtlich geprägten Verfassungsordnung der USA die dormant Commerce Clause entspricht. Diese Maßstäbe kommen dann nicht zur Anwendung, wenn eine einfach- bzw. sekundärrechtliche Regelung vorliegt: In beiden Systemen greifen die Verbote der Verfassung bzw. des EG-Vertrages ausschließlich dann, wenn einzelstaatliches Recht nicht bereits auf der Ebene des einfachen Gesetzes- bzw. Sekundärrechts verdrängt wird. Gegen eine solche Verdrängungswirkung kann von einzelstaatlicher Seite nicht geltend gemacht werden, dass eine Regelung mit den Grundfreiheiten bzw. der dormant Commerce Clause vereinbar oder als legitime Einschränkung dieser Bestimmungen gerechtfertigt wäre. Das Sekundärrecht der Gemeinschaft bewirkt als Besonderheit in zweierlei Weise eine Beschränkung der rechtssetzenden und rechtsanwendenden Tätigkeit der Mitgliedstaaten: zum einen durch die Verdrängungswirkung auf der Grundlage des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts gegenüber dem Recht der Mitgliedstaaten; zum anderen durch die aus der Verpflichtung zur Umsetzung der Richtlinien hervorgehende Einschränkung bei der Gestaltung des mitgliedstaatlichen Rechts. Insofern gibt die Verwendung des Rechtssetzungsinstrumentes Richtlinie der Schranken setzenden Wirkung des Gemeinschaftsrechts gegenüber den Mitgliedstaaten eine besondere Qualität. Dies zeigt sich im Vergleich mit dem Recht der USA an der Sperrwirkung. Die bloße preemption des Bundesrechts begrenzt lediglich die Sachbereiche, die die Mitgliedstaaten regeln können, bis hin zu einer Versperrung ganzer Bereiche. Richtlinien verdrängen hingegen nicht nur Inhalte, sondern auch Strukturen. Zwingend vorgegebene Strukturen bestimmen den Regelungsansatz der Gemeinschaft, über das Wirkungsprinzip der Richtlinie gleichzeitig aber auch den der Mitgliedstaaten in dem jeweiligen Bereich. 2. Reichweite der Sperrwirkung des einfachen/Sekundärrechts
Die Bedeutung der Sperrwirkung des Rechtes der oberen Ebene ergibt sich aus den weiträumigen konkurrierenden Kompetenzbereichen der beiden Ebenen. Der in beiden Systemen geltende Grundsatz des Vorrangs des Rechtes der oberen Ebene macht die Frage nach dem Umfang der Sperrwirkung zu einer Frage der Auslegung des Rechtes der oberen Ebene. Die Formen und Maßstäbe einer Sperrwirkung des Umweltrechts der oberen Ebene gegenüber dem der unteren Ebene gleichen sich in den beiden untersuchten Systemen.
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Anders als der Supreme Court, der eine Vennutung für die Gültigkeit gliedstaatlichen Rechts bei einer möglichen Sperrwirkung des Bundesrechts gelten lässt und eine eindeutige Äußerung gesetzgeberischer Absicht (c1ear manifestation) für die Annahme einer nach Struktur und Inhalt abschließenden Regelung (occupation of the field) verlangt, wendet der EuGH bislang keine Vermutung gegen die Sperrwirkung des Gemeinschaftsrechts an. Mit dieser Vermutungsregel erlegt der Supreme Court dem Kongress höhere Hürden für die politische Kontrolle von Bundesrecht mit Sperrwirkung auf als der EuGH den Rechtssetzungsorganen der Gemeinschaft. Die Regel steht im Zusammenhang der Versuche des Supreme Court, die (im Gegensatz zur EG) schwach ausgebildeten politischen Kontrollmechanismen im Bund zu verstärken.
3. Umweltbelange als Kriterien der Sperrwirkung? Ob eine einzelstaatliche Regelung auf eine entgegenstehende Sperrwirkung oder auf Vereinbarkeit mit dem Verfassungs-lPrimärrecht der oberen Ebene zu untersuchen ist, ist eine Frage des Entwicklungsstandes des einfacheniSekundärrechts der oberen Ebene. Im Fall der Prüfung auf eine entgegenstehende Sperrwirkung wird vielfach ebenfalls die Problematik der Vereinbarkeit mit dem Funktionieren des Binnenhandels zu untersuchen sein, da sich dessen Maßstäbe in der einfachgesetzlichenlsekundärrechtlichen Regelung wiederfinden. 497 Eine selbständige, nicht vom einfacheniSekundärrecht vorgegebene Berücksichtigung von Umweltbelangen bei der Beurteilung der Sperrwirkung lässt sich dabei in keinem der beiden untersuchten Systeme mit Sicherheit nachweisen. Insbesondere bei den "weicheren" Kriterien des Widerspruchs zum übrigen Gemeinschaftsrecht und der Funktionsstörung bzw. der conflict preemption ist eine Berücksichtigung legitimer Umweltschutzbelange jedoch möglich; in der EU ist dies erheblich erleichtert durch die vertragliche Einbeziehung der Prinzipien des Art. 174 EG in alle Politiken der Gemeinschaft.
497 Vgl. z.B. Michigan Canners and Freezers Association, Inc. v. Agricultural Marketing and Bargaining Board, 467 U.S. 461 (1984): Zielsetzung des Kongresses beim Erlass des Agricultural Fair Practices Act (AFP A), 7 U.S.C. §§ 2301 fI., war es, Farmer davor zu schützen, zu ihrem und zum Schaden eines freien Marktes von Verarbeitungsoder Produzentenvereinigungen unter Druck gesetzt zu werden. Ebd., 470 fI.. Ein Gesetz des Staates Michigan ermöglichte es unter anderem, Produzentenvereinigungen, die mindestens 50% der Produzenten und der Produktion eines bestimmten Agrarprodukts in sich vereinigten, als ausschließlichen Verhandlungspartner für dieses Produkt zu zertifizieren. Ebd., 466. Der Supreme Court erklärte das Gesetz wegen einer Sperrwirkung infolge Unvereinbarkeit mit der Erreichung der Zielsetzungen des Kongresses beim Erlass des AFP A für verfassungswidrig. Ebd., 477 f.
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4. Die Freiheit des Binnenhandels als zentrale Schranke einzelstaatlicher Rechtssetzung Die Vereinigten Staaten wurden durch die zweite Verfassung von 1787 in einen Bundesstaat umgeformt. Einer der Gründe hierfiir waren wirtschaftliche Rivalitäten zwischen den Gliedstaaten. Die Einführung der Commerce Clause als Bundeskompetenz diente weniger dem Zweck, dem Bund eine gestaltende Tätigkeit im Handelsbereich zu ermöglichen als dem, den Gliedstaaten Belastungen des Binnenhandels unmöglich zu machen. Dieser Schutzaspekt der "ruhenden Handelskompetenz" (dormant Commerce Clause) als negativer Implikation der Bundeskompetenz zur Regelung des zwischenstaatlichen Handels ist die wichtigste verfassungsunmittelbare föderale Schranke der Bundesverfassung fiir die gliedstaatliche Gesetzgebung. Die Europäische Gemeinschaft wurde ursprünglich als Europäische Wirtschaftsgemeinschaft gegründet, in Ergänzung zu den zwei bereichsspezifischen Gemeinschaften der Mitgliedstaaten im Montanbereich und im Bereich der friedlichen Nutzung der Kernenergie. Die Zielsetzung des europäischen Zusammenschlusses ging bereits damals über die wirtschaftlichen Vorteile eines gemeinsamen Marktes hinaus und erfasste neben der Friedenssicherung zwischen den Mitgliedstaaten durch Verflechtung der nationalen Ökonomien und der Angleichung der Lebensbedingungen in der Gemeinschaft auch das - in seiner Bedeutung gleichwohl umstrittene - Ziel eines politischen Zusammenrückens der Mitgliedstaaten, so dass umfassend von der Zielsetzung einer "Europäischen Einigung" gesprochen werden kann. Zentrales Element der Gemeinschaft war jedoch die Beseitigung von Hemmnissen des Wirtschaftsverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten. Dies geschieht auf primärrechtlicher Ebene in vergleichbarer Weise wie durch die dorrnant Commerce Clause durch das System der Grundfreiheiten, insbesondere der Art. 28 ff. EG über den freien Warenverkehr, die speziellen Schranken des EG-Vertrages und (subsidiär) durch das allgemeine Diskriminierungsverbot.
11. Rechtfertigung von Handelsbeschränkungen 1. Erstreckung der Rechtfertigungsmöglichkeit auf diskriminierende Regelungen
In seinen Entscheidungen zum umweltrechtlichen Gesetzgebungsspielraum der Staaten versucht der Supreme Court, die neuen Materien des Umweltrechts mit der bestehenden Dogmatik der preemption doctrine und dormant Commerce Clause zu bewältigen. Die Urteile über umweltrechtliche Regelungen der Gliedstaaten haben dem Gericht insbesondere Gelegenheit gegeben, seine dormant Commerce Clause-Doktrin auszufeilen; das Gericht hat dabei zwar
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grundsätzlich anerkannt, dass Umweltschutz ein legitimes Ziel gliedstaatlicher Rechtssetzung sein kann, hat den Spielraum im Einzelfall jedoch gleichzeitig deutlich begrenzt. Die umweltbezogene Motivation des Gesetzgebers bestreitet das Gericht hierbei nicht oder erkennt sie sogar ausdrücklich an. Die gliedstaatlichen Regelungen scheiterten überwiegend an der Erforderlichkeitsprüfung. Hier zeigt sich eine scharfe Abwehr des Supreme Court gegen jede Art von Ungleichbehandlungen, die den Gliedstaaten keine Wahl zwischen verschiedenen Maßnahmen lassen. Die Ablehnung des Gerichts selbst eindeutig umweltpolitisch motivierter Regelungen der Gliedstaaten verschiebt die Verantwortung .in diesem Bereich jedoch stärker zur Legislative, dem Kongress. Gleichzeitig fallen jedoch einige positive obiter dicta ins Auge. Die Mitgliedstaaten der EG können sowohl die Warenverkehrsfreiheit als auch die Dienstleistungsfreiheit bei Vorliegen bestimmter Rechtfertigungsgründe einschränken. Dazu zählen die in Art. 30 genannten Gründe, die Teilbereiche des Umweltschutzes abdecken bzw. Überschneidungen mit Umweltschutzgedanken aufweisen. Umweltschutz als originärer, alle Bereiche umweltbezogener Regelungen erfassender Rechtfertigungsgrund kann als "zwingendes Erfordernis" bzw. als vertragliche Rechtfertigung aus Art. 174 EG zur Rechtfertigung herangezogen werden. Im Recht der USA erfolgt die Rechtfertigung einheitlich über die dormant Commerce Clause. Die Steuerung der Zulässigkeit konkreter Umweltschutzmaßnahmen erfolgt jeweils über das Verhältnismäßigkeitsprinzip, mit dem Art und Maß der Beeinträchtigung des Binnenhandels innerhalb des Systems gegenüber der umweltschutzbezogenen Zielsetzung des mitgliedstaatlichen Rechtsaktes abgewogen wird, insbesondere durch eine Erforderlichkeitsprüfung. Sowohl unterschiedslose als auch diskriminierende Regelungen können in beiden Systemen letztlich wegen legitimer Belange des Umweltschutzes gerechtfertigt sein. Bei der Kontrolle einzelstaatlicher Maßnahmen zum Schutz der Umwelt wenden sowohl der EuGH als auch der Supreme Court eine zweiSchritt-Prüfung an. Zunächst ist festzustellen, ob es sich um eine diskriminierende oder eine unterschiedslose Regelung handelt. In einem zweiten Schritt ist die Regelung ins Verhältnis zu den Anforderungen des Binnenhandels zu setzen. Für unterschiedslose Regelungen ist die genannte Rechtfertigungsmöglichkeit allgemein anerkannt. Für diskriminierende Regelungen werden deutlich höhere Rechtfertigungsanforderungen gestellt. Diskriminierende Regelungen sind nicht notwendig mit stärkeren Beschränkungen des Binnenhandels als unterschiedslose Regelungen verbunden, verteilen Belastungen jedoch in ungleicher Weise auf Rechtsunterworfene dies- und jenseits der Binnengrenze. Der Grund fiir die höheren Anforderungen an diskriminierende Regelungen liegt demnach in der nachteiligen Wirkung weniger auf den Binnenmarkt als auf die Integration des Gesamtsystems.
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In den USA ist die Kontrolle diskriminierender handelsbeschränkender Maßnahmen durch die strict scrutiny des Supreme Court gegenüber der Kontrolle unterschiedsloser gliedstaatlicher Regelungen lediglich graduell verschärft, indem die Gültigkeitsvermutung fiir gliedstaatliche Regelungen in eine Ungültigkeitsvermutung umgekehrt wird und gliedstaatliches Ermessen bei der Zweck-Mittel-Relation entfällt. In der EU ist die herausgehobene Bedeutung des Umweltschutzes zwar in Art. 6 EG festgehalten, nach dem bloßen Vertragstext der Art. 28 f. und 30 EG können diskriminierende Regelungen jedoch nur durch Belange, die die Bedeutung des Umweltschutzes noch übersteigen, wie z.B. der Schutz der menschlichen Gesundheit, im Rahmen von Art. 30 EG, nicht durch andere "zwingende Erfordernisse" gerechtfertigt sein. Der EuGH hat jedoch in seiner Entscheidung Abfalltransport einen Umweg gefunden, um auch eindeutig diskriminierende Regelungen rechtfertigbar zu machen. Die Prinzipien des Art. 174 EG werden bereits in die Beurteilung des diskriminierenden Charakters der Regelung einbezogen, so dass letztlich eine doppelte Berücksichtigung des Umweltschutzprinzips stattfindet. Ein anderer "Umweg" ist die Rechtfertigung aus Gründen des Gesundheitsschutzes, die sich häufig mit der des Umweltschutzes überschneidet. Im Ergebnis führt dies dazu, dass auch in der EU diskriminierende einzelstaatliche Regelungen aus Gründen des Umweltschutzes gerechtfertigt werden können. Für inländische Abgaben gilt dies in ähnlicher Weise, da auch hier legitime Schutzzwecke dazu führen können, dass eine Regelung als unterschiedslos gilt. In der Praxis zeigt sich allerdings in beiden Systemen eine gleichermaßen strikte Ablehnung gegen diskriminierende Regelungen, auch soweit damit legitime Ziele des Umweltschutzes verfolgt werden. Vielfach ist diese Ablehnung schlicht auf die hinter der einzelstaatlichen Regelung vermutete handelsbeschränkende Motivation des Einzelstaates zurückzuführen. Bei der Anwendung des Verhältnisrnäßigkeitsprinzips ist das Niveau des innerstaatlichen Umweltschutzes grundsätzlich den Einzelstaaten überlassen (Pfandflaschen: maximale Wiederverwendungsrate fiir Getränkeverpackungen). In jüngerer Zeit orientiert sich der EuGH bei der Beurteilung der Geeignetheit einer Maßnahme jedoch teilweise am Schutzinstrumentarium und Schutzniveau gemeinschaftlicher Rechtsakte (Schlachttiertransporte). Die Entscheidungen des Supreme Court und des EuGH zeigen einen deutlichen Unterschied im wichtigen Bereich einzelstaatlicher Einfuhrbeschränkungen für Abfälle. Der EuGH sieht Differenzierungen und damit Handelsbeschränkungen auf der Grundlage des Entstehungsortes des Abfalls als vom EGVertrag gedeckt an, während der Supreme Court dem in allen Fallkonstellationen eine klare Absage erteilt. Angesichts der vergleichbaren Fallkonstellationen dies- und jenseits des Atlantiks kann daher im Vergleich eine Tendenz in der Rechtsprechung des EuGH ausgemacht werden, unter Beachtung von Umweltschutzprinzipen des Art. 174 EG sowie internationaler Vereinbarungen im
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Umweltschutzbereich (Ab/al/transport, Lcese-Biene) größere einzelstaatliche Spielräume bei eindeutig durch Umweltschutzerwägungen veranlassten Regelungen zuzulassen. Dies verwundert umso mehr, als die EU als supranationaler föderaler Zusammenschluss einen höheren Integrationsbedarf haben muss als der stabile Bundesstaat USA.
2. Insbesondere: Ausfuhrbeschränkungen Gleichermaßen deutlich haben beide Gerichte unter Berufung auf die Anforderungen des Freihandels Regelungen von Einzelstaaten und deren Untergliederungen abgelehnt, mit denen diese die Ausfuhr von Altstoffen (Altöl bzw. Abfällen) zu beschränken versuchten, um privaten Unternehmen zur Behandlung oder Beseitigung dieser Altstoffe einen wirtschaftlich rentablen Betrieb zu ermöglichen. Solche Regelungen können - je nach Betrachtungsweise - als Einschränkungen der Freiheit des Warenverkehrs oder der Freiheit fiir grenzüberschreitende Dienstleistungsangebote aufgefaßt werden: Einerseits verhindert oder erschwert die Regelung, dass Waren den Bereich eines Staates oder einer seiner Untergliederungen verlassen. Andererseits wird für außerhalb des Staates ansässige Unternehmen der Zugang zum innerstaatlichen Markt und damit die Möglichkeit, ihre Leistung in gleicher Weise wie innerstaatliche Mitbewerber anbieten zu können, verhindert oder erschwert. Für den EuGH ist die Frage der Zulässigkeit einer solchen Regelung im Rahmen von Art. 34 zu entscheiden; bei Einschlägigkeit der Bestimmungen zur Warenverkehrsfreiheit kommt die subsidiäre Dienstleistungsfreiheit nicht mehr als Maßstab in Betracht. Für den Supreme Court bedarf ein solcher Sachverhalt im Rahmen der dormant Commerce Clause keiner weiteren Differenzierung. Das Gericht führt in Carbone die Beschränkung des zwischenstaatlichen Waren- und Dienstleistungsverkehrs nebeneinander an. Am Rande wird in diesen Entscheidungen zweierlei deutlich. Zum einen lehnen beide Gerichte eine Regelung, die einen wirtschaftlich rentablen Betrieb von Unternehmen, die mit Umweltschutzaufgaben befasst sind, nicht grundsätzlich ab. Die Zielsetzung Frankreichs, die wirtschaftliche Rentabilität der Altölbeseitigungsbetriebe zu ermöglichen, bewertet der EuGH nicht. Auch die Behauptung Frankreichs, nur durch Sicherung dieser Rentabilität könnten die Zielsetzungen der Altölrichtlinie erreicht werden, greift der EuGH nicht an. Die gleichlautende Behauptung der Stadt Clarkstown läßt auch der Supreme Court gelten (die Richter halten lediglich fest, dass Finanzierungsgrunde jUr sich genommen eine diskriminierende Regelung nicht zu rechtfertigen vermögen). Zum zweiten ist darauf hinzuweisen, dass beide Rechtsysteme in der Rechtsprechung der Gerichte zur Umsetzung der Zielsetzung wirtschaftlicher Renta-
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bilität eine (mitglied-)staatliche Subventionierung gegenüber einer Beschränkung der Ausfuhrströme deutlich vorziehen. Für die EG wird dies daran deutlich, dass die Richtlinie 75/439 eine Bezuschussung solcher Unternehmen wenn auch aus sachverwandten Sonderrnittein - ausdrücklich gestattet. In den USA lehnt die Rechtsprechung bisher gliedstaatliche Wirtschaftssubventionen grundsätzlich nicht ab, Subventionen werden ausdrücklich als milderes Mittel genannt. Damit wird in beiden Systemen dem Schutz der Warenverkehrsfreiheit eine herausragende Stellung unter den Bestinunungen zum Schutz des Binnenhandels eingeräumt. Subventionen gelten danach als weniger gravierend als direkte Einschränkungen des freien Warenverkehrs, obwohl sie wirkungs gleich mit Abgaben sind. Außerdem fehlt es für Grenzfalle an einer dogmatisch überzeugenden Abgrenzung zwischen ganz oder teilweise durch Abgaben fInanzierten Subventionen und unzulässigen steuerlichen Rückerstattungen. Die damit verbundene Umgehungsgefahr kann allenfalls durch eine vorherige Genehmigungspflicht für Subventionslösungen gemindert werden.
3. Verfassungs-/primärrechtliche Abweichungsmöglichkeiten In den USA können gliedstaatliche Regelungen, die der dormant Commerce Clause widersprechen, im Wege des congressional consent genehmigt werden. Dies fiihrt zu einer praktisch unbegrenzten Flexibilisierung, die vollständig von politischen Kontrollen abhängig ist. Das Rechtssystem der Europäischen Gemeinschaft kennt keine Möglichkeit der Legalisierung von EGvertragswidrigen Maßnahmen der Mitgliedstaaten durch Zustimmung der Rechtssetzungsorgane der Gemeinschaft. Vielmehr ist die Gemeinschaft selbst an dieselben Vorgaben des Vertrages wie die Mitgliedstaaten gebunden. Systematisch liegt dies daran, dass es sich bei diesen Vorgaben nicht um negative Implikationen aus Kompetenzzuweisungen an die Gemeinschaftsorgane handelt, sondern um selbständige Beschränkungen, die alle Rechtssetzung im Anwendungsbereich des EG-Vertrages betreffen. Ein praktischer Grund mag aber auch in der Struktur der Gemeinschaft liegen, in der die Mitgliedstaaten durch ihre Beteiligung am Rechtssetzungsorgan Rat maßgeblich die Rechtssetzung auf Gemeinschaftsebene mitbestimmen. Nachdem Rechtssetzungsakte der Gemeinschaft häufig als Kompromisse zwischen Partikularinteressen der Mitgliedstaaten zustande kommen, bestünde die Gefahr, dass gemeinschaftliche "Erlaubnisse" zum Überschreiten der Grenzziehungen des Vertrages zu wechselseitig gewährten Genehmigungen zu unverhältnismäßigen Beeinträchtigungen des Binnenmarktes im wirtschaftlichen Interesse einzelner Mitgliedstaaten gewährt würden. Der EG-Vertrag sieht jedoch rechtlich gesicherte Abweichungen vor (insbesondere Art. 94 Abs. 4 ff., Art. 176 EG). Beim
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Gebrauchmachen davon müssen sich die Mitgliedstaaten jedoch im Rahmen des Verhältnismäßigen bewegen. Abweichungsmöglichkeiten "nach oben" sind den Gliedstaaten der USA nicht auf Verfassungsebene gewährt. Im Bereich vorhandener bundesrechtlicher Regelungen existieren allerdings meist einfachgese1zliche Abweichungsermächtigungen, die ein solches Abweichen im Rahmen der gliedstaatlichen Implementation von Bundesrecht gestatten. Anders als in der EG existiert in den USA ein weiter Bereich bundeseigener Verwaltung. In diesem Bereich ist eine gliedstaatliche Standardse1zung über den Umweltschutz standards des Bundesrechts unmittelbar über gliedstaatliches Recht möglich, da die Verwaltungsbehörden des Bundes relevante gliedstaatliche Bestimmungen bei der bundeseigenen Verwaltung zu beachten haben. Bei der Erteilung von Genehmigungen durch Bundesbehörden ist diese Verpflichtung häufig durch eine formale Zustimmungspflicht abgesichert. Entsprechend der Bedeutung der Ausstrahlungswirkung der umweltschutzbezogenen Prinzipien des Art. 174 EG im nichtharmonisierten Bereich auf die Möglichkeit der Mitgliedstaaten zum Erlass sogar diskriminierender Umweltschutzbestimmungen (Abfalltransport) bieten die Schutznormen der Art. 176 EG und Art. 95 Abs. 4 und 5 EG einen wirksamen Schutzmechanismus, der allerdings im Wesentlichen nur Abweichungen "nach oben" gestattet. Das durch den Amsterdamer Vertrag geschaffene Zusammenspiel zwischen der Ermächtigung zur Beibehaltung schutzintensiverer Maßnahmen nach Art. 95 Abs. 4 EG und der in Art. 95 Abs. 5 EG festgelegten Abweichungsermächtigung bei nachträglich (nach Erlass der Harmonisierungsmaßnahme) erkannten spezifischen Problemen des einzelnen Mitgliedstaates hat hier eine notwendige Differenzierung und Klarstellung gebracht. Die Verbindung von Vollregelung und Abweichungsermächtigung vermeidet die Schwierigkeiten im Implementationsbereich, die mit einer inhaltlichen Reduzierung auf bloße Zielvorgaben oder mit einer anpassungsbedürftigen Regelung verbunden sind. Diese Abweichungen sind einerseits genehmigungsbedürftig und damit von Gemeinschaftsseite leicht kontrollierbar. Die Versagung der Genehmigung ist mit deutlich geringeren zeitlichem und politischem Aufwand verbunden als die Anstrengung einer Aufsichtsklage gegen einen Mitgliedstaat, der eine Richtlinie der Gemeinschaft nicht vollständig und zutreffend umsetzt. Gleichzeitig sind die Abweichungen im Interesse der Mitgliedstaaten prirnärrechtlich gewährleistet, so dass eine Genehmigung im Streitfall gerichtlich durchsetzbar ist. Der Anwendungsbereich des Art. 95 Abs. 4/5 EG auf der einen und des Art. 176 EG auf der anderen Seite unterscheidet sich lediglich im Schwerpunkt des gemeinschaftlichen Rechtsaktes, von dem abgewichen werden soll. Es ist daher nicht einsichtig, dass die Abweichung nach Art. 176 EG nicht denselben Kontrollverfahren unterliegt wie die nach Art. 95 Abs. 4/5 EG.
§ 18 Verhältnis der beiden Ebenen zueinander
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4. Kontrolle einzelstaatlicher Regelungen und Integrationsbedarf Im Ergebnis zeigt sich, dass das Instrumentarium zur Kontrolle einzelstaatlicher Regelungen, die möglicherweise die Ziele der oberen Ebene oder die Wir).csamkeit ihres Rechtes beeinträchtigen, funktioniert und sich in dieser Hinsicht deutlich von den der oberen Ebene gesetzten Schranken unterscheidet. Das Aufkommen bestimmter Formen handelsbeschränkender Regelungen auf der Ebene der Einzelstaaten und der damit verbundene Bedarf an gerichtlicher Kontrolle verdeutlicht auch einen Bedarf an übergreifenden Problemlösungen. So machen z.B. die vielfältigen nicht verfassungskonformen Beschränkungen der Abfalleinfuhr in den Gliedstaaten der USA deutlich, dass es einer gemeinsamen Regelung grenzüberschreitender Abfalltransporte und einer Regelung der Verteilung der Lasten der Abfallentsorgung innerhalb des offenen Binnenmarktes bedarf. Für die EG bedeutet dies, dass der Anfall an typischen Problemsituationen in der Rechtsprechung des EuGH einen Gradmesser für zusätzlichen Integrationsbedarf bilden kann. Auch horizontale Streitigkeiten sprechen für einen Integrationsbedarf, der auf der oberen Ebene zu befriedigen ist, um binnenmarktfeindliche Lösungen zu vermeiden (vgl. z.B. lllinois v. Milwaukee).
§ 18 Vergleichende Betrachtung des Verhältnisses der beiden Ebenen zueinander I. Zusammenhang zwischen Kompetenzen der oberen Ebene und Beschränkungen der unteren Ebene In beiden untersuchten Systemen spielt die Kompetenz der oberen Ebene für die Regelung (Commerce Clause) bzw. die Förderung und Sicherung (Art. 95 EG) des Handels zwischen den Einzelstaaten des Systems eine zentrale Rolle, die auch das Umweltrecht erfasst. Spiegelbildlich dazu bildet das Verbot von Beeinträchtigungen des Handels zwischen den Einzelstaaten des Systems die zentrale Beschränkung der Rechtssetzungs- und Rechtsanwendungsgewalt der unteren Ebene. In den USA wird diese Beschränkung als donnant Commerce Clause direkt aus der Bundeskompetenz Commerce Clause abgeleitet, in der EU ist sie ausdrücklich im Diskriminierungsverbot des Art. 12 EG sowie den Grundfreiheiten und speziellen Schranken des Vertrages niedergelegt. Die handelsbezogene Kompetenz der oberen Ebene und die spiegelbildliche Beschränkung der unteren Ebene stehen dabei in notwendigem Zusammenhang: Regelungen oder Praktiken in den Einzelstaaten, von denen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachteilige Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel zu erwarten sind und die von den Gerichten daher als unzulässig 38 Renner
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Teil 4: Handlungsspielräume der EG-Mitgliedstaaten
angesehen werden, können wegen dieses Bezuges zum Binnenhandel einer einheitlichen bzw. vereinheitlichenden Regelung durch die obere Ebene unterworfen werden. Umgekehrt sind alle Bereiche, in denen die obere Ebene Regelungen wegen ihres Bezuges zum Binnenhandel erlassen kann, gleichzeitig Bereiche, in denen einzelstaatliche Regelungen einem Rechtfertigungsdruck im Hinblick auf ihre Auswirkungen auf den Binnenhandel unterliegen. Dieser Zusanunenhang fUhrt dazu, dass sowohl die weite Fassung der handelsbezogenen Kompetenzen der oberen Ebene in der Rechtsprechung als auch die weitreichende Annahme nachteiliger Auswirkungen auf den freien Binnenhandel bei einzelstaatlichen Maßnahmen eine "stille Ausweitung" im jeweils anderen Bereich bewirkt. So kann die Reichweite der Harmonisierungskornpetenzen im Binnenmarktbereich nicht ohne Bezugnahme auf die Rechtsprechung des EuGH zu den Grundfreiheiten gesehen werden. Hier stehen die inneren Grenzen der Gemeinschaftskompetenz in unmittelbarer Relation zu den Grenzen mitgliedstaatlicher Spielräume. Zum einen beschränkt die weite Fassung gerade der Grundfreiheiten die Mitgliedstaaten über die Schrankenfunktion dieser Vorschriften unmittelbar im nichtharmonisierten Bereich. Zum anderen hat der EuGH mit seiner Rechtsprechung zu den Grundfreiheiten, implizit gleichzeitig die inneren Grenzen der Harmonisierungskompetenz weit definiert. Diese reicht so weit, wie Maßnahmen Auswirkungen auf den Binnenmarkt haben können. Damit werden die Mitgliedstaaten auch im harmonisierten Bereich eingeschränkt. Die Harmonisierungskompetenz bestinunt den Bereich möglicher Sperrwirkung gegenüber dem Recht der Mitgliedstaaten und die escape-Klauseln sowohl des Art. 176 EG als auch des Art. 95 Abs. 4 EG sind an die Vereinbarkeit mit den Binnenmarktzielen des Vertrages geknüpft und damit vom weiten Verständnis des Binnenmarktes in der Rechtsprechung des EuGH abhängig ("mit diesem Vertrag vereinbar" in Art. 176 EG; "Mittel zur willkürlichen Diskriminierung ( ... ) verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten und ob sie das Funktionieren des Binnenmarktes behindern" in Art. 95 Abs. 6 EG).498
In den USA gehen Ausweitungen des handelsbezogenen Bereiches - jedenfalls seit Beginn diese Jahrhunderts - vor allem von der Gesetzgebung des Bundes aus, wie an der Vielfalt der Umweltschutzgesetze seit den späten sechziger Jahren beispielhaft deutlich wird. Dieser Weg wird in der Rechtsprechung des Supreme Court lediglich nachgezeichnet. In der EG lässt sich die Ausweitung des Bereiches, der Auswirkungen auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten hat, eher an der Rechtsprechung des EuGH zu den Grundfreiheiten festmachen, die der denkbar weitgefassten Dassonville-Formel in Ent498
Vgl. Jarass, Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaft, 38 f.
§ 18 Verhältnis der beiden Ebenen zueinander
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scheidungen wie Erdbeeren (Rs. C-265/95) nach wie vor neue Elemente hinzufugt, welche aus der Rechtsprechung des Supreme Court so bisher nicht bekannt sind. Erklären lässt sich dieser Unterschied vor allem mit der deutlich unterschiedlichen Stärke der politischen Kontrollmechanismen (political safeguards) gegenüber der Rechtssetzung des Kongresses auf der einen und der Rechtssetzung der EG auf der anderen Seite. Die Kontrolle der im Rat vertretenen Mitgliedstaaten über die Rechtssetzung der Gemeinschaft weist die Vorreiterrolle bei der Ausweitung des dem Binnenmarkt zurechenbaren Bereiches dem von mitgliedstaatlicher Einflussnahme unabhängigen EuGH zu.
11. Verhältnis von Umweltschutz und wirtschaftlicher Integration 1. Vorrangstellung des Umweltschutzes? In den USA ist der Umweltschutz zwar an keiner Stelle der Verfassung spezifisch benannt, als legitimer Belang ermächtigt er jedoch zu Einschränkungen des Binnenhandels. Wann eine Einschränkung aus Gründen des Umweltschutzes legitim ist, ist nur im Einzelfall anhand der Verhältnismäßigkeit dieser Regelung bestimmbar. An der schärferen Kontrolle diskriminierender Regelungen, die sich aus deren anti-integrativem Effekt (wirtschaftlicher und auch psychologischer Art) rechtfertigt, wird dies plastisch. Damit ist jedoch kein genereller Vorrang legitimer Umweltbelange verbunden, vielmehr ist im Konfliktfall stets eine praktische Konkordanz zwischen dem Umweltschutz und konkurrierenden Belangen herzustellen. Gleiches gilt fiir die EG, in der eine solche Vorrangstellung wegen der herausgehobenen Stellung des Umweltschutzgedankens im EG-Vertrag immerhin denkbar erscheint, letztlich jedoch nicht mit dem Verhältnis der verschiedenen Ziele des Vertrages zueinander vereinbar ist.
2. Emanzipation des Umweltrechts von wirtschaftlichen Bezügen Trotz der zentralen Ausrichtung beider Systeme auf die Sicherung eines freien Binnenhandels innerhalb des jeweiligen Systems hat sich in beiden ein selbständiges und anspruchsvolles Umweltrecht herausgebildet. Umweltrecht galt in beiden Systemen bis in die sechziger Jahre als Aufgabe der Einzelstaaten und unterstaatlicher, lokaler Gebietskörperschaften. Anfang der siebziger Jahre ist das Umwe1trecht durch Schaffung eigenständiger Regelungen auf die obere Ebene gehoben worden. Mittlerweile hat sich das Umweltrecht in beiden Systemen auch von seiner frühen Fixierung auf die Harmonisierung produktbezogener Normen gelöst, indem - neben diesem weiter wichtigen Bereich - auch nicht-produktbezogene Felder erschlossen wurden. 38·
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Teil 4: Handlungsspielräume der EG-Mitgliedstaaten
In den USA ist dies mit den umfassenden bereichsabdeckenden Umweltgeset-
zen des Bundes in den siebziger und achtziger Jahren geschehen. Der Verfassungstraditionen der USA folgend, war dies allerdings nicht mit Verfassungsänderungen verbunden, so dass die inhaltlich vom Handelsbezug emanzipierte Umweltgesetzgebung formal immer noch weitgehend auf der Commerce Clause ruht. Dies macht das bestehende Umweltrecht des Bundes allerdings in besonderer Weise anfällig gegen Änderungen der Rechtsprechung des Supreme Court. Die EU hat die Lösung ihres Umweltrechts vom Binnenmarktbezug sowohl im Sekundärrecht vollzogen als auch im Primärrecht durch Einführung des Titels XIX.
m. Die Bedeutung verfassungsunmittelbarer Wertentscheidungen für die Verfassungspraxis
Die Ausrichtung der Commerce Clause auf den zwischenstaatlichen Handel bindet den Kongress an grenzüberschreitende und "handelsakzessorische" Sachverhalte und bietet keinerlei umweltbezogene Richtungsvorgabe, weder in der Commerce Clause selbst noch sonst in der Verfassung. Sie fUhrt allerdings bereits auf der Ebene der inneren Grenzen der Kompetenz zu Lücken in der Befugnis des Kongresses zur Umweltgesetzgebung. Wie an der Rechtsprechung von Supreme Court und Untergerichten zu innerstaatlichen Feuchtgebieten deutlich wird, lassen sich diese Befugnislücken nicht aus der Umweltschutzintention des jeweiligen Bundesgesetzes rechtfertigen, sondern fUhren zu sinnwidrigen Schutzlücken. Da die Rechtssetzungsorgane der EG über eine spezifische Umweltkompetenz verfügen und der Umweltschutz im Rahmen anderer Maßnahmen nicht nur berücksichtigt werden darf, sondern muss, vermeidet die Kompetenzstruktur des Gemeinschaftsrechts solche Befugnislücken auf der Kompetenzebene. Die Kompetenz der Gemeinschaft zur Umweltgesetzgebung ist bereits wegen der Konturenlosigkeit des Umweltbegriffs umfassend. Der Vergleich von Umweltgesetzen auf der Basis der Commerce Clause mit Gesetzen zur Durchsetzung der Reconstruction Amendments belegt die ungedeckte Flanke des Umweltrechts in den USA, seine schwache verfassungsrechtliche Stellung. Anders als bei den in den Reconstruction Amendments niedergelegten Wertentscheidungen enthält die Verfassung keinerlei Wertentscheidung für den Umweltschutz, die eine Durchdringung gliedstaatlicher Souveränität erlauben würde. Eine Durchbrechung der Schutznormen gliedstaatlicher Souveränität auf der Basis der Reconstruction Amendments wird als Instrument zur Absicherung eines gleichmäßigen Rechtsschutzes für alle Bürger für erforderlich gehalten. Bundesrechtlich zu sichernde Mindeststandards
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im Umweltschutz werden selbst von den Gegnern weitreichender Umweltgesetze des Bundes befiirwortet,499 genießen dieses Privileg jedoch nicht. Diese Schwäche des Umweltverfassungsrechts bedingt gleichzeitig die große Bedeutung der dritten, rechtsprechenden Gewalt für das Wohl und Wehe eines zusammenhängenden Umweltrechts des Bundes.
IV. Institutionelle Bedingungen einer sachgerechten Aufgabenverteilung 1. Erhaltung und Stärkung der "political safeguards of federalism" Sowohl die Entwicklung der Aufgabenverteilung zwischen Bund und Gliedstaaten im Allgemeinen als auch die Entwicklung des Umweltrechts der Vereinigten Staaten im Besonderen weist deutlich zentripetale Vorgänge auf. Diese Vorgänge lassen sich vor allem durch marktwirtschaftliche Mechanismen, die mittelbar zu einem Druck auf die gliedstaatliche Setzung "teurer" Umweltvorschriften führen, sowie durch Efflzienzgesichtspunkte erklären. Die umfassende Abdeckung vieler Sachbereiche des Umweltrechts durch Bundesprogramrne wird seit Längerem kritisiert. Einen verlässlichen materiellrechtlichen Schutz vor den erwähnten Zentripetalkräften verspricht lediglich die Festlegung von Schutzbereichen einzelstaatlichen Rechts.5OO In den USA gibt es umweltschutznahe Aufgaben, die traditionell der unteren Ebene und ihren Substrukturen als "eigene" Aufgaben, die ihnen nicht entzogen werden sollten, zugeordnet werden. Hierzu zählen insbesondere die Flächennutzung und die Verteilung von Wasserressourcen. Um diesen Kern sind weitere Aufgaben gelagert, die je nach örtlicher Tradition als mehr oder weniger schützens wert gelten. Eine trennscharfe materiellen Abund Ausgrenzung dieser Bereiche als Vorbehaltsbereiche der unteren Ebene ist im Umweltschutzrecht jedoch nicht möglich. Dies ergibt sich aus dessen Querschnittscharakter und der Vielfalt umweltrechtlicher Regelungen, die sich in qualitativ und quantitativ unterschiedlicher Weise auf die genannten Bereiche auswirken. Der Supreme Court hat eine solche Abgrenzung wenige Jahre nach ihrer Einführung zugunsten einer Betonung der Kontrollmechanismen des politischen Entscheidungsprozesses verworfen. Das Subsidiaritätsprinzip des EG ist aus ähnlichen Gründen in den Vertrag eingefiihrt worden, die auch für die beschriebenen Ansätze des Supreme Court V gl. z.B. Revesz, Response to Critics. soo Vgl. zur EG Jarass, Subsidiarität nach Schaffung der EU, 218: ,,[E]ine wirkliche Sicherung der mitgliedstaatlichen Kompetenzen [wird] nur erreicht, wenn bestimmte Themen der Gemeinschaft verschlossen bleiben." 499
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verantwortlich waren, nämlich verbreitete Befiirchtungen vor einer nach dem Vertragswortlaut der Kompetenzbestimmungen zulässigen, aber ~ach politischer Bewertung zu weitgehenden Rechtssetzung durch die Gemeinschaft. Es leidet an seiner mangelnden Griffigkeit und lustiziabilität und hat bisher anders als z.B. die Prinzipien des Art. 174 EG - keinerlei Niederschlag in der umweltrechtlichen Rechtsprechung des EuGH gefunden. Als einzig greifbarer Inhalt kommt ein Effizienzgrundsatz in Betracht, auf den sich das Prinzip in der Praxis leicht reduzieren könnte. Sieht man eine verbleibende Souveränität der Mitgliedstaaten als wichtiges Element einer europäischen Ordnung an, so droht sich das Subsidiaritätsprinzip eher zum Nachteil der Mitgliedstaaten auszuwirken, da es möglicherweise eine zentrale Aufgabenerfilliung, die lediglich einen Effizienzvorteil gegenüber einer Ansiedlung auf mitgliedstaatlicher oder darunter liegender Ebene hat, legitimiert. Im übrigen bewirkt das Prinzip lediglich ein Rechtfertigungserfordemis fiir Rechtssetzungsakte der Gemeinschaft. Dieses Rechtfertigungserfordernis kann aber, wie ähnliche prozedurale Mechanismen im Verfassungsrecht der USA zeigen, lediglich eine Stütze eines grundsätzlich funktionstüchtigen politischen Entscheidungsprozesses bieten und diesen nicht ersetzen. Was bleibt, ist der Rückgriff auf politische Schutzmechanismen (political safeguards of federalism). Diese setzen auf der oberen Ebene an und betreffen die Möglichkeiten der unteren Entscheidungsebene, durch unmittelbare Einwirkung oder mittelbare Vorprägung des politischen Entscheidungsfmdungsmechanismus eine ausgewogene Aufgabenverteilung herbeizuführen. Wie bereits die im Ergebnis ungeeigneten Versuche des Supreme Court zum Schutz der Gliedstaaten zeigen, sind diese politischen Schutzmechanismen im Verfassungssystem der USA heutzutage nur noch schwach ausgeprägt. In der EG sind diese Mechanismen wirksam, gelten aber umgekehrt auch als Hindernis der europäischen Integration. Dabei erfiillt der Rat eine gerade im Hinblick auf eine wirksame und bfugemahe Interessenvertretung wichtige Funktion. Der Maastricht-Vertrag hat das Einstirnrnigkeitserfordernis bei Rechtsakten auf der Grundlage der originär umweltbezogenen Kompetenz der Gemeinschaft aufgehoben, der Amsterdamer Vertrag glich schließlich Art. 175 EG auf das verfahrensmäßige Niveau des Mitentscheidungsverfahrens nach Art. 251 EG an, das vor die Rechtsangleichungskompetenz des Art. 95 EG bereits vorher galt. Die Bedeutung des Rates als wichtigstes Rechtssetzungsorgan fiir das Umweltrecht der EG bleibt damit jedoch erhalten. Zwar vertreten die Regierungsvertreter der Mitgliedstaaten im Rat nicht notwendig nur mitgliedstaatliche Interessen. Die Umweltrninister der Mitgliedstaaten sind fiir ihre Handlungen im Rat nicht unmittelbar an Weisungen ihrer Parlamente gebunden. Auch Kongressabgeordnete in den USA werden unmittelbar mit den unter ihrer Mitwirkung zustande gekommenen Entscheidungen identifiziert. Schließlich darf
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die Rolle des Initiativmonopols der Konunission, die weitgehend unabhängig von Einflüssen einzelner Mitgliedstaaten arbeitet, nicht außer Acht gelassen werden. Die Bedeutung einzelner Mitgliedstaaten im Rat, insbesondere großer Mitgliedstaaten, ist jedoch deutlich größer als die einzelner Kongressabgeordneter (oder der Kongressabgeordneten eines Gliedstaates) in den USA, so dass von funktionierenden politischen Kontrollmechanismen gegenüber der Gemeinschaft auszugehen ist. Diese müssen auch grundsätzlich erhalten werden, so dass z.B. eine vollständige Ersetzung des Rates durch das EP nicht in Frage käme. Es bedarf der Herstellung einer Balance, die ein politische Schutzmechanismen gegen eine Dominanz der Gemeinschaft wahrt, ohne dass Entscheidungsprozesse im Rat vor allem Aushandlungsprozesse zwischen den Mitgliedstaaten sind. Das Verfahren der Mitentscheidung, in dem Rat und EP nebeneinander stehen, erscheint daher als ideales Regelsetzungsverfahren, eine darüber hinausgehende Entmachtung des Rates im Hinblick auf die Gewährleistung einer ausgewogenen fOderalen Aufgabenverteilung nicht sinnvoll.
2. "The dangers of creeping federalism": Föderalismus in den USA als Warnung vor einer "schleichenden Vergemeinschaftung"? Anders als bei den Vereinigten Staaten handelt es sich bei der EU als "Dach" der EG nach wie vor nicht um ein staatliches Gebilde. Dies ist weitgehend unstreitig.50l Die vielfach geäußerten Bedenken gegen eine weitere Annäherung der Strukturen der Gemeinschaft an jene f6deraler Staaten bedürfen, soweit die Bedenken aus der Furcht vor einem europäischen Zentralstaat als Endpunkt der weiteren Entwicklung begründet sind, der Differenzierung. Föderale Strukturen müssen einerseits gewährleisten, dass die Einzelstaaten vor Übergriffen sowohl der Staatsorgane der oberen f6deralen Ebene als auch der anderer Einzelstaaten geschützt werden, andererseits das Gesamtsystem vor einer Übermacht der Einzelstaaten bewahren.502 In einem fOderalen System finden allerdings auch deutliche Verschiebungen im Machtgefiige zwischen Oberstaat und Einzelstaaten statt. Die Geschichte der USA zeigt eine Tendenz zur Stärkung der Entscheidungsmacht des Bundes auf Kosten der Gliedstaaten, die sowohl in einem stetigen Prozess als auch - infolge historischer Ereignisse - mitunter in Sprüngen voranschreitet (Bürgerkrieg; Wirtschaftskrise und New Deal). Die Entwicklung der Aufgaben- und Machtverteilung in den USA zwischen den Bundesorganen, insbesondere dem Kongress, und den Gliedstaaten kann im Ergebnis jedoch nicht als erfolgreicher Machtkampf der oberen Ebene SOl V gJ. Zuleeg, Die foderativen Grundsätze der Europäischen Union, NJW 2000, 2846,2851 m.w.N. S02 VgJ. Eskridge/Ferejohn 1359.
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gesehen werden. Vor allem zwei Faktoren sind als Schrittmacher aufgetreten: Einerseits hat die wirtschaftliche und technologische Entwicklung die USA faktisch zu einem einheitlichen Wirtschaftsraum gemacht und hat damit im wirtschaftlichen und sozialen Bereich einheitliche Lösungen erfordert. Andererseits haben es die Gliedstaaten immer wieder versäumt, auf neue Problemlagen adäquat zu reagieren. Diese Entwicklung erscheint als "problemadäquate" Anpassung eines besonders flexiblen politischen Systems an sich ändernde tatsächliche Verhältnisse. Dies gilt um so mehr, als sich auch die großen Konzepte, die hinter der Verfassungsinterpretation im einzelnen stehen, als wandlungsfähig erwiesen haben. Ähnliche Probleme stellen sich insbesondere im Umweltrecht. Mit der Festschreibung von Umweltbelangen im EG-Vertrag, den Aktionsprogrammen und der Ausgestaltung des sekundären Umweltrechts hat die Gemeinschaft auch versucht, sich vor einem "race to the bottom" und dem Image einer umweltzerstörerischen Wirtschaftsgemeinschaft zu bewahren. Die Strukturen des einfachen Umweltrechts der USA zeigen allerdings, dass die Lösungen, die der Bundesgesetzgeber hier aus der Erfahrung der letzten drei Jahrzehnte heraus einsetzt, keineswegs immer im eigentlichen Sinne "föderale" Modelle der Aufgabenverteilung sind. Eine Abgrenzung zwischen Föderalismus und Dezentralisierung ist, wie zu Beginn gezeigt, theoretisch möglich. In der Praxis des Bundesumweltrechts der USA zeigt sich jedoch, dass die Begriffe bei bestimmten Phänomenen des co operative federalism ineinander verschwimmen. Die ,,Problemadäquanz" der Konzepte spricht dafür, dass selbst eine fortschreitende Verlagerung von Befugnissen auf die Zentralebene nicht als Bedrohung, sondern als Stabilisierung des föderalen Systems verstanden werden kann. Die Anpassung des föderalen Systems an die Erfordernisse der zu regelnden Situationen verändert notwendig das Verhältnis der Staatsebenen zueinander. Gerade dadurch bleibt das f6derale Prinzip (die Verteilung der staatlichen Entscheidungsmacht auf mehrere Ebenen als Instrument zur Sicherung von Frieden und individueller Freiheit) lebensfähig und in besonderer Weise geeignet, die Regelungsaufgaben großer und regional differenzierter politischer Systeme zu lösen. Die Geschichte der USA zeigt, dass Föderalismus mitnichten ein Übergangsstadium auf dem Wege zur unitaristischen Regierungsform ist. Außerdem haben sich föderale Systeme stets als vergleichsweise dauerhaft erwiesen: Föderale Strukturen dienten dabei als einheitsstiftende Kraft angesichts ethnischer oder kultureller Differenzen. Furcht vor einem völligen Verlust der politischen Eigenständigkeit der Mitgliedstaaten der EU im Rahmen der Fortentwicklung der Union erscheint unangebracht. Föderale Systeme erweisen sich durch starke Flexibilität bei gleichzeitig festgefiigter institutioneller Struktur als vergleichsweise stabil. Föderale Systeme im weiteren Sinne (Konföderationen) neigen hingegen auf lange Sicht "dazu, entweder wegen ihrer mangelnden
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Kohäsion auseinanderzufallen oder unter die Hegemonie des Stärksten zu geraten, wenn ihnen nicht die Umwandlung in eine Föderation gelingt."s03 In den Vereinigten Staaten unter den Articles of Confederation bestand diese Gefahr hinsichtlich des wirtschafts- und bevölkerungs starken Staates Virginia. s04 Insofern bietet eine Ausrichtung des Gemeinschaftsrechts auf die Herstellung einer stabilen Balance zwischen der Gemeinschafts- und der mitgliedstaatlichen Ebene die besten Entwicklungsmöglichkeiten ftir die Struktur der Gemeinschaft.
V. Inhaltliche Maßgaben für eine sachgerechte Aufgabenverteilung zwischen den beiden Ebenen Aus der Verfassungsstruktur der beiden Systeme abgeleitet wurde im Einzelnen dargestellt, in welcher Weise Kompetenzen jeweils auf die beiden Entscheidungsebenen verteilt sind und wie die konkrete Ausübung dieser Befugnisse geregelt ist. Beide Entscheidungsebenen mussten hierfiir gesondert betrachtet werden. Daraus ergab sich ein umfassendes Bild der Verteilung der Befugnisse im Umweltrecht beider Systeme. Die zentrale Fragestellung fiir eine vergleichende Betrachtung der beiden Systeme richtet sich darauf, welche Struktur der Kompetenzverteilung und Begrenzung der Kompetenzausübung am besten eine sachgerechte Aufgabenverteilung im Umweltrecht gewährleistet. 1. Vollständige Trennung der Verantwortungsbereiche Die in den USA jüngst wieder aufgelebte Theorie des dual federalism geht davon aus, dass Bund und Gliedstaaten als in ihren Kompetenzbereichen jeweils souveräne Einheiten zwar auf demselben Territorium nebeneinander existieren, in diesen Bereichen jedoch völlig unabhängig voneinander agieren. In der Verfassungswirklichkeit, insbesondere im Umweltrecht, werden jedoch verschiedene Formen einer Verschränkung der Aufgabenwahrnehmung zwischen Bund und Gliedstaaten betrieben (cooperative federalism). Die Verwaltung von Umweltgesetzen stützt sich ganz wesentlich auf die Mitwirkung der Gliedstaaten. sos Eine konsequente Trennung der beiden Ebenen würde dazu fuhren, dass weite Bereiche des Umweltrechts des Bundes mangels VerwalKinsky 44. Vgl. Kinsky 44 m.w.N. sos Vgl. Adler, Green Aspects, 574; Gochberg 343; Dwyer, Practice of Federalism,
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tungskapazitäten vor Ort nicht durchgefiihrt werden könnten. Gleiches würde für die EG gelten. Eine Trennung von Verantwortungsbereichen ist jedoch in den Bereichen möglich, in denen keine Verwaltungs aufgaben vor Ort zu erledigen sind. Ist dies der Fall, so brauchen Verwaltungsaufgaben auch in der EG nicht auf die zentrale Verwaltung der Mitgliedstaaten übertragen zu werden, sondern könnten von vornherein durch Einrichtungen der Gemeinschaft, z.B. eine in ihren Befugnissen entsprechend erweiterte EUA, wahrgenommen werden. 2. Festlegung gemeinsamer Schutzniveaus im Umweltrecht auf der oberen Ebene Gemeinsame Standards, die ein einheitliches Mindestniveau des Umweltschutzes vorgeben, sind sowohl aus umwelt- wie auch aus wirtschaftspolitischen Gründen in einem gemeinsamen Markt unabdingbar. Ob dabei lediglich Mindeststandards oder abschließend einheitliche Standards sinnvoll sind, hängt vom Produktbezug der jeweiligen Regelung ab. Bloße einheitliche Mindestanforderungen im Bereich produktbezogener Regelungen lassen Spielräume für einzelstaatliche Regelungen, die trotz legitimer Schutzzwecke zu erheblichen Beeinträchtigungen des zwischenstaatlichen Handels führen können und sind daher nur in Ausnahmefällen tragbar, in denen besonders wichtige innerstaatliche Schutzerwägungen anstehen. Diese Fälle lassen sich durch AusnahrneklauseIn abdecken. Abschließende Harmonisierungen, die jegliches Abweichen "nach oben" untersagen, sind grundsätzlich vorzugs würdig, können allerdings zu einem dauerhaften "Einfrieren" der Fortentwicklung umweltbezogener Standards führen. Als geeigneter Zwischenweg bietet sich die Technik der optionellen Harmonisierung an. Die Möglichkeit der Einzelstaaten, parallele einzelstaatliche Standards zu setzen, erhält die Funktion der Einzelstaaten, als "Laboratorien des Föderalismus" zu wirken, während der Warenverkehr innerhalb des Systems durch die dort hinreichenden einheitlichen Standards vollständig gesichert ist. Im nicht produktbezogenen Bereich wird die Wirkung der optionellen Hamonisierung bereits durch die Setzung von Mindeststandards erreicht. Wegen der Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit innerstaatlicher Industrien durch höhere einzelstaatliche Umweltanforderungen, die die Einzelstaaten an weitergehenden Regelungen hindert, bedarf es jedoch vielfach einer Standardsetzung auf möglichst hohem Niveau auf der oberen Ebene.
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3. Implementation und Verwaltung auf der unteren Ebene Eine sachgerechte Implementation erfordert eine Anpassung an regionale Gegebenheiten, eine sachgerechte Verwaltung von Umweltschutzprogrammen erfordert eine behördliche Präsenz vor Ort und die Vernetzung verschiedener Sachbereiche. Eigenständige lokale Verwaltungs organe der Zentralebene als eigene Behörden neben den Organen der Einzelstaaten sind hierfür aus mehrerlei Gründen (neben den Kostenaspekten einer "Doppelverwaltung") nicht geeignet: Wegen der fehlenden Einbindung in den Zusammenhang der Behörden der unteren Ebene werden solche Verwaltungsstellen an einem ständigen InformationsdefIzit leiden. Sowohl von der lokalen Bevölkerung als auch von den lokalen Behörden der unteren Ebene sind erhebliche Widerstände zu erwarten. Lokale Aufgabenwahrnehmung von Organen der Zentralebene werden häufig als "zentralistische" Eindringversuche aufgefasst. Für einen effIzienten Umweltschutz kann sich das System eines kooperativen Föderalismus als nützlich erweisen, in dem auf der oberen Ebene lediglich Schutzziele und Regelungsvorgaben definiert werden, welche ggf. über Verordnungen der Exekutive des Obersystems in konkrete Anforderungen übertragen und auf staatlicher oder lokaler Ebene implementiert, an lokale Verhältnisse angepasst und durchgesetzt werden. Die Gestaltungen beider untersuchter Systeme insbesondere in den zentralen umweltrechtlichen Bereichen des Luftreinhalterechts und des Wasserschutzrechts belegen dies. Das kooperative Modell ermöglicht eine Gewährleistung einheitlicher Schutzstandards bei gleichzeitiger Anpassung von ihrer Umsetzung an lokale Gegebenheiten und der Möglichkeit weitergehender, schutzintensiverer Maßnahmen auf einzelstaatlicher oder darunter liegender Ebene. Im technischen Umweltrecht erweist sich ein solches Herunterbrechen von Zuständigkeiten als sinnvoll zur Gewährleistung einheitlicher Mindeststandards durch die obere Ebene bei gleichzeitiger Übernahme des erheblichen Implementations- und Verwaltungaufwands durch die untere Ebene. Dies setzt allerdings voraus, dass eine sorgfaltige Verwaltungsarbeit in jedem Einzelstaaten und eine ebensolche Kontrolle durch die obere Ebene stattfindet. In einigen Bereichen des Umweltschutzrechts erweist sich dieser Ansatz jedoch als nutzlos oder sogar kontraproduktiv. Im Naturschutzbereich sind viele Problemsituationen lokal oder regional begrenzt, so dass auf der oberen Ebene nur Rahmenvorgaben möglich sind, die vor Ort umgesetzt werden müssen. Außerdem entsprechen die politischen Grenzen im föderalen System häufig nicht den Grenzen der Ökosysteme. Jede Delegation von Regelungs- und Durchsetzungsgewalt fUhrt daher zu einer Zersplitterung einheitlicher Sachbereiche. Insbesondere beim Schutz von Lebensräumen fiir Tier- und Pflanzenarten, der "scharfer" Bodennutzungsregelungen bedarf, können sich geschützte Zuständigkeitsbereiche der Einzelstaaten daher als nachteilig erweisen. Die
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Regelung der Bodennutzung gilt in den USA als traditionell gliedstaatlicher Zuständigkeitsbereich. Sie ist als solcher zwar nicht verfassungskräftig geschützt, der Bund hat einen Zugriff darauf jedoch nur vennittelt über seine Handelskompetenz (Commerce Clause), ausgenommen lediglich bei bundeseigenem Land. In die Prüfung der Commerce Clause geht als Indiz die traditionelle Kompetenzausübung ein. Im Bereich des Naturschutzrechts ist für die Zukunft eine weitere Einengung der zersplitterten Kompetenzen des Bundes zu erwarten. Der Bund ist daher hier auf den - bisher von der Rechtsprechung stets bestätigten - Weg fmanzieller Anreize (conditional grants) verwiesen. Für den Habitatschutz ist diese Struktur nachteilig, da so kein sicherer Schutz gewährleistet werden kann. 506 Entscheidungen über die Marktzulassung von Produkten werden in den USA größtenteils auf der oberen Ebene getroffen, während in der EG mehrere Modelle bestehen: Rein dezentrale Entscheidungen, zumeist auf der Grundlage harmonisierter Maßstäbe (Pflanzenschutzmittel u.ä.), dezentrale Entscheidungen mit erleichtertem Marktzugang in anderen Mitgliedstaaten über Übereinstimmungsbescheinigungen (technische Gegenstände) sowie verschiedene Stufen der Hochzonung auf Gemeinschaftsebene bei Berührung der Interessen anderer Mitgliedstaaten (Gentechnik-, Lebensmittelrecht). 4. Bedingte Finanzzuweisungen
Die Verbindung von Aufgabenzuweisungen mit Finanzzuweisungen bietet sich als "Hebel" an. Vorbild ist das Modell der conditional grants. Auch dieses Modell kann aus zwei Griinden derzeit nicht zum Hoffnungsträger des EGUmweltrechts werden. Erstens ist die Finanzausstattung der Gemeinschaft im Vergleich zu ihren Mitgliedstaaten verschwindend gering und dabei zum größeren Teil zusätzlich von festgelegten Finanzzuweisungen der Mitgliedstaaten abhängig. Eine signiflkante Änderung dieses Systems, die einen breiten Einsatz des Subventions instruments mit Anknüpfung an eine effIziente Implementation gemeinschaftlicher Umweltschutzprogramme gestatten würde, erscheint politisch in absehbarer Zeit nicht denkbar. Zweitens erweist sich auch dieses System in der Rechtspraxis der USA als nicht per se wirksam. Seine Effektivität würde eine glaubhafte Drohung mit der Zurücknahme der Delegation an die Einzelstaaten voraussetzen. Die in den kooperativen Bundesgesetzen der USA niedergelegte Drohung ist jedoch angesichts der fehlenden Kapazitäten ftir eine bundeseigene Umsetzung der verwaltungsintensiven Umweltprogramme weder glaubhaft noch ist sie angesichts der Nachteile einer bundeseigenen Umweltverwaltung sinnvoll. 506
V gl. Tarlock.
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5. Stärkung von Kontrollbefugnissen der oberen Ebene und Erweiterung von Bürgerklagen In der praktischen Umsetzung krankt das kooperative System am unterschiedlich ausgeprägten Willen der unteren Ebene zur Durchsetzung zentral vorgegebener Standards. In beiden untersuchten Systemen liegt darin ein Hauptproblem des Umweltschutzrechts. Die Struktur des indirekten Vollzugs von Gemeinschaftsrecht in der EG zeigt dabei deutlich mehr Faktoren für Vollzugsdeflzite auf als das System des kooperativen Föderalismus in den USA. Genaue Daten sind nicht verfügbar. Dennoch ist klar, dass erhebliche Vollzugsdeflzite in beiden Systemen dort bestehen, wo die untere Ebene von der oberen Ebene vorgegebenes Umweltrecht vollziehen soll. Wie das Beispiel der Rechtssetzungsinstrumente der EG zeigt, genügt die Befugnis der oberen Ebene zur Gestaltung rechtlich zwingender Vorgabe an Gesetzgebung und Verwaltung der Mitgliedstaaten, die das Gemeinschaftsrecht gestattet, nicht als Mittel zur Beseitigung von Umsetzungsdeflziten. Wie die Umsetzungsdeflzite im Umweltrecht der USA zeigen, können Umsetzungsdeflzite auch nicht mit unterschiedlichen Rechtssystemen und deren mangelhafter Angleichung erklärt werden. Rechtssystematische und rechtskulturelle Unterschiede mögen Umsetzungsprobleme hervorrufen, tragen jedoch allenfalls zu einem geringen Teil zu Umsetzungsdeflziten bei. Die zweistuflge Struktur von Umweltrecht führt unabhängig von rechtlichen Druckmitteln (conditional grants, conditional preemption) zu erheblichen Vollzugsdeflziten, wenn faktisch nur geringe Druckmittel bestehen, weil Kontrollbefugnisse zentraler Behörden nicht bestehen oder zu schwach ausgeprägt sind oder diese Behörden nicht über die notwendigen Kapazitäten verfügen, wenn Informations- und Klagemöglichkeiten für Bürger und Unternehmen nicht bestehen oder wenn der gerichtliche Weg generell zu langwierig sind oder die resultierenden Urteile nicht weiterhelfen, da sie den Mitgliedstaaten nicht hinreichend "wehtun". Es bedarf daher einer Kombination aus verbesserten Kontrollmöglichkeiten und fmanziellen Sanktionen, um die Wirksamkeit des kooperativen Modells entscheidend zu steigern. 507 Wie bereits oben in § 11 erläutert, bedarf es hierfür einer Erweiterung der Kapazitäten der Kontrollorgane der Gemeinschaft. Dabei sollte diesen - gegenwärtig der Kommission, in Zukunft möglicherweise der EUA - die Möglichkeit eingeräumt werden, unmittelbar von mitgliedstaatli507 Vgl. Calliess, "Greening the Treaty?", 209; Goebel361: "Es fehlt an einem ökonomischen Anreiz sowohl zur Umsetzung als auch zum Vollzug des Umweltgemeinschaftsrechts." sowie (ebd. in Bezug genommen) Generalanwalt van Gerven, Schlussanträge zu EuGH, Urt. Y. 28 . 2. 1991, Rs. C-131/88 (KommissionIDeutschland), Slg. 1991, 825, 851.
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chen Behörden Auskünfte zu verlangen, außerdem sollten die in Art. 228 EG bereits vorgesehenen Sanktionsmechanismen verstärkt werden. Diese Sanktionsmechanismen sind im Gegensatz zu Anreizsystemen aufkommensneutral. Die Erforderlichkeit eines doppelten Gerichtsverfahrens vor dem EuGH mit jeweils einem vorgeschalteten vollen Vorverfahren macht dieses Sanktionsinstrument derzeit noch viel zu langwierig und zu anfallig gegenüber politischen Einflussnahmen. Mittelfristig sollte auch die Delegation der Verhängung von Zwangsmitteln an die Kommission oder eine umgestaltete Europäische Umweltagentur in Betracht gezogen werden. Daneben bietet sich die Erweiterung der Klagemöglichkeiten Privater als "preiswerte" Schaffung zusätzlicher Kontrollorgane an.
§ 19 Schlussbetrachtung: Zehn Thesen zur Fortentwicklung der Aufgabenverteilung zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten im Umweltrecht der EG 1. Ein verlässlicher (primär-)materiellrechtlicher Schutz der Mitgliedstaaten davor, dass die Gemeinschaft in übermäßiger Weise Aufgaben im Umweltbereich an sich zieht, ist kaum realisierbar: Bestimmte Vorbehaltsbereiche lassen sich nur schwer primärrechtlich abgrenzen, auch das Subsidiaritätsprinzip bietet - jedenfalls in seiner derzeitigen Ausgestaltung - keine hinreichend festen Anhaltspunkte. 2. Etwas anderes gilt für die untere Ebene. Hier bewirkt die weite Fassung der Grundfreiheiten im nicht sekundärrechtlich geregelten Bereich und die Sperrwirkung des Gemeinschaftsrechts im sekundärrechtlich geregelten Bereich einen wirksamen Schutz vor Handlungen der Mitgliedstaaten, die mit Funktionieren der Gemeinschaft nicht vereinbar sind. Die weite Fassung der Grundfreiheiten bewirkt sogar stellenweise zu weit gehende Beschränkungen, wie z.B. an der Keck-Rechtsprechung und der diese vorbereitenden Rechtsprechung des EuGH erkennbar ist. 3. Beide Bereiche hängen notwendig zusammen, ohne allerdings deckungsgleich zu sein: Eine weite Fassung der Grundfreiheiten korrespondiert mit einer weiten Fassung des Binnenrnarktbezuges fiir die Kompetenz der Gemeinschaft nach Art. 95 EG, allgemein erlaubt eine weite Fassung der Kompetenzen der Gemeinschaft eine weitreichende Sperrwirkung. Jede Änderung kann daher weiter reichende Konsequenzen haben. 4. Um eine sachangemessene Aufgabenverteilung zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten mittel- und langfristig sicherzustellen, bedarf es einer stabilen föderalen Balance zwischen beiden Ebenen, die an einem politischen Kräftegleichgewicht orientiert ist. Beim gegenwärtigen Stand einer Dominanz der Mitgliedstaaten erfordert dies vor allem eine weitere Aus-
§ 19 Thesen zur Aufgabenverteilung im EG-Umwe1trecht
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weitung des Anwendungsbereichs des Mitentscheidungsverfahrens. Um in diesem System eine klare Unterscheidung der Verantwortungsbereiche der beiden Ebenen zu ermöglichen, sollten weitere Bereiche für unmittelbare Regelungen der Gemeinschaft, über die bisherigen bestehenden Verordnungen hinaus, erschlossen werden. 5. Trotz erheblicher Unterschiede in den Produktionsbedingungen (in einem weiten Sinne) kann ein offener Markt von der Größe der USA oder der EG nicht auf gemeinsame Schutzniveaus im Umweltrecht verzichten. Dies gilt insbesondere im produkt- aber auch im produktionsbezogenen Bereich. 6. Daneben gibt es Bereiche des Umweltschutzrechts, die aus umweltschutzimmanenten Gründen, insbesondere wegen der Binnengrenzen überschreitenden Eigenart der Problemlagen, auf Gemeinschaftsebene geregelt werden müssen (z.B. Schutz verbundener Habitate). 7. Weitere Bereiche, die einer Regelung auf Gemeinschaftsebene bedürfen, können sich aus Regelungen der Mitgliedstaaten in bestimmten Sachbereiehen des Umweltschutzrechts ergeben, die sich in Verfahren wegen möglichen Verstoßes gegen die Grundfreiheiten des EG-Vertrages vor dem EuGH wiederfInden. Inwiefern darüber hinaus Umweltrecht auf Gemeinschaftsebene geregelt werden sollte, ist eine politische Frage. Umweltfragen sind insbesondere dann auf Gemeinschaftsebene zu regeln, wenn und soweit mitgliedstaatliche Regierungen diese wegen einseitiger Interessenvertretung auf ihrer Ebene nicht anzupacken bereit sind. 8. Die Festschreibung des Umweltschutzes als Ziel der Gemeinschaft, welches bei allen Handlungen der Gemeinschaft zu berücksichtigen ist, einschließlich spezifIsch auf den Umweltschutz bezogenen Kompetenz, erweist sich gerade im Vergleich mit den USA - als wesentlicher Stabilisierungsfaktor für ein kohärentes Umweltrecht der Gemeinschaft. Der EuGH hat die Umweltschutzprinzipien des Vertrages auf mehreren Ebenen nutzbar gemacht, indem eine an sich diskriminierende Regelung zu einer unterschiedslosen Regelung erklärt wurde. 9. Ein wesentliches Hindernis für eine effektive Durchsetzung des Umweltrechts der Gemeinschaft sind die mangelnden Kontrollkapazitäten der Kommission. Sinnvoll wäre eine Stärkung der Kapazitäten und Befugnisse sowie eine Bündelung der Kräfte, insbesondere in einer deutlich verändertenEUA. 10. Das Vorbild USA zeigt, dass die Erweiterung der Klagebefugnisse einzelner Gemeinschaftsbürger und privater Organisationen eine sinnvolle Ergänzung zur Kontrolle der Umsetzung und Durchführung des Umweltrechts der Gemeinschaft durch ihre eigene Einrichtungen bilden könnte, ohne dass dies mit der Schaffung einer echten Popularklagebefugnis verbunden wäre.
Literaturverzeichnis Vorbemerkung: In den USA erschienene Zeitschriftenaufsätze sind in der dort üblichen Zitierweise aufgeführt: Band, Name der Zeitschrift, Seite (Erscheinungsjahr, ggf. Ausgabe). V gl. hierzu The Bluebook: A Uniform System of Citation, 17. Aufl. Cambridge (Massachusetts) 2000. Werke ohne Verfasserangabe sind am Ende aufgeführt.
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Personen- und Sachwortregister Abfall 88, 102, 138, 172, 193, 211, 216 f, 250, 253, 272, 274, 310, 312,314,324,373,393,399,421, 425, 436, 450 ff., 469, 493 f., 513, 515, 523, 564 f., 568 ff., 573 ff., 579,589 Abfalldeponien 99, 161, 208, 217, 425,453,458 ff. Abfallverbrennungsanlagen 262, 311, 319 f. Abfallverbringung 88, 246, 253 f, 302,454,462 f, 465, 523, 542, 561 f, 564 f., 568 ff., 576, 579, 584, 589, 590, 592 f Abgaben 66, 109 ff., 206, 218, 246, 256 ff., 406 ff., 420, 428 fI., 446, 449, 456 ff., 467 ff., 476, 525, 531 f., 537, 545 ff., 550, 553 ff., 580, 582 ff., 589, 591 - parafiskalische Abgaben 247,546, 553 - Zölle 66,371,420,532,545 fI. - zollgleiche Abgaben 109, 371, 521,532,545 ff. Absatzregelungen 537 Abweichungsermächtigung 314, 481, 483,485,491,500 fI., 509, 511 ff., 592 actio popularis 349 actual conflict 384,404,406 admiralty and maritime jurisdiction 120, 182 Aktionsprogramm 273,291,298 f Althusius, Johannes 37 Altlasten 161 Altöl 574,581,599 Altölrichtlinie 243,573,581,599
Amsterdamer Vertrag 33,225 f, 232, 235 ff., 245, 251, 257, 286 f, 292 f, 313, 328, 499,502 ff., 517, 592, 598 Annapo1is 60 Anreiz 92, 113, 116 f., 171, 188 f., 193, 197, 201, 202, 203, 204, 208, 215 ff., 259, 345, 359, 369, 403, 428 ff., 446, 455, 493, 532, 604 ff. anti-integrativer Effekt 595 Anwendungsvorrang 145,475,477 Artenschutz 157,193,219,575 Artic1es of Confederation 38, 59 ff., 66,108,150,175,601 Associate Iustices 57 Aufsicht 154,465 Aufsichtsklage 508, 592 ausdrückliche Vorbehalte 390, 395, 483 f. Ausfuhrbeschränkung 423, 451, 454, 534,538,542,574,578,590 Auslegung 58,64,68 f., 81, 84, 108, 110 f., 145 f., 153 f., 158, 160, 196, 198, 199, 205, 213, 223, 232 f, 240, 244, 249, 262, 273, 279, 283, 330, 332, 336, 341, 347, 349, 357, 362 f., 374, 380, 382 fI., 387, 393, 396, 410 f, 476, 480, 482, 485, 493,496 fI., 507, 515 ff., 538, 548, 556,561,580,585 ausschließliche Gemeinschaftskompetenzen 380,414,477 ff., 481 auswärtige Gewalt (siehe treaty power) 66,119
Badegewässerrichtlinie 316, 513
632
Personen- und Sachwortregister
bedingte Finanzzuweisungen siehe conditional grants Beihilfen 243, 258, 314, 545, 551, 552 fI., 572, 585 Belastungsgrenze 231 beste verfiigbare Technik / best availab1e techno1ogy 191,319,321 bestmögliche Technologie 513 bestmöglicher Umweltschutz 248, 504,509,563 bestmögliche Wiederverwertung 573 Beteiligung 127, 136, 175, 225, 244, 257, 259, 278, 285, 302 f., 322, 350,352,591 Beurteilungsspielraum 262, 297, 331, 335 f., 543, 577 Bill ofRights 152 Binnenhandel 533,543,603 biological assessment 219 Bodennutzung 53,84,123,177,216, 234,245,270,388,604 Boykottaufrufe 533 Brady, James 139 Bürgerkrieg, amerikanischer 125, 141, 599
Chemikalien 173,299,301,321 ChiefJustice 57, 64, 68, 79, 131, 136, 150, 159, 180, 364, 378, 411 f., 418,442,463 fI., 468 Choper, Jesse 125 citizen suits (Bürgerklagen) 142, 157, 158, 160 fI., 182 f., 211 fI., 220, 375,605 fI. Clean Water Act 81,89 f., 94 fI., 102 f., 121, 157, 166, 172, 181, 190, 192, 205, 209, 211 fI., 372, 390, 393,402 commerce power 75, 77, 79, 80, 82, 85,93,98 f., 100, 105, 120 f., 131, 135,166,201,357,381,412 fI. common law 55, 108, 121, 162, 164, 170,177,186,387,393 f., 399 fI.
concurrent power theory 411, 412 concurring opinion 59,384 conditional grants / bedingte Finanzzuweisungen 110 f., 115, 189 f., 197 fI., 203 fI., 334, 359, 403, 604 f. conditional preemption 189,195,198, 605 congressional consent 127, 385, 396, 447,468,591 cooperative federalism 76, 189 f., 193, 195,600 f.
Delegation 175, 182, 192, 194, 197, 199, 210, 215, 285, 298, 333, 373, 403 f., 487, 603 ff. Delors, Jacques 289 demokratische Legitimation 54, 222 Dezentralisierung 41 f., 600 Diskriminierung 420, 434, 444, 453, 455 fI., 460, 466, 503, 520, 527, 530, 541 f., 547, 549, 571, 582 ff., 594 Diskriminierungsverbot 223, 520, 547 ff., 557 fI., 571, 587, 593 dissenting opinion / dissent 59, 199, 468 diversity jurisdiction 57, 158, 161 f., 214,415,419 diversity only theory 158 doctrine of enumerated powers 62, 118,361 doctrine of irnplied powers 63 Doppelverwaltung 603 dorrnant power theory 410fI. Dritte Gewalt 129 dual federalism 71 f., 130 fI., 146, 150 f., 185,202,601
economies of scale 49 effet utile 233,280,515,517 Effizienz 375,427
Personen- und Sachwortregister Einfuhrverbot 473, 522 f., 544, 565, 575f. Einheitliche Europäische Akte (EEA) 224,227, 232 ff., 243 ff., 248, 289, 296, 299 f., 355, 500, 502, 509, 512,514 ff., 541, 551, 553, 567 Einvernehmen 322,327,338 Elfter Verfassungszusatz 122, 129 f., 155 ff. Entscheidungsmonopol (des EuGH) 476 Entsorgungsautarkie 253 f., 302 f., 324, 570 f., 573 Entsorgungsnähe 302, 324, 570 f. Enumerationsprinzip 62,81, 126, 130, 361,378 environmental impact statement (siehe UmweltverträglichkeitspTÜfung) 219 Environmental Protection Agency 54, 56,86,96 f., 101, 103, 146, 172 ff., 181 f., 189 ff., 201, 206, 208 ff., 374,390,395 f., 401, 404, 469 Erheblichkeitsrnaßstab 330 Ermessen 58, 75, 84, 227, 262, 327, 331 ff., 353, 423, 524, 533, 552, 589 Ermessensspielraum 84, 295 ff., 330 f., 372,479, 540 emeuerbare Energiequellen 582 f. Escape-K1ausel 366,501 f,594 Europäische Investitionsbank 338 Europäische Umweltagentur 283 ff., 301, 307 f., 343, 351, 374 f., 602, 606 f. Europäischer Rechnungshof 338 Eurosklerose 288
federa1 management of federal1y owned lands and resources 218 federal question jurisdiction 57, 158, 162 Federa1ism Assessment 168
633
Federalist Papers 38 f., 61, 67, 148, 414 Federalists 67,69,147,150 finanzielle Anreize 111, 115, 169,359 Finanzierungsinstrumente 336, 338, 428 Finanztransfers (siehe conditional grants) 118, 149, 190, 193, 201, 215 Fischerei 50,243,423,438,471,473 Flächennutzung 299,328,366,407 f., 597 Freisetzungsrichtlinie 312,521 Freistellung 333 Funktionsstörung 486,498 ff., 586
gefährliche Stoffe 307,314,321,323, 325,513,515 Gefahrstoffrecht 303, 497, 498 Geltungsvorrang 267, 378 Gemeinschaftstreue 283, 478 r.; 519, 524,560 Genehmigung 68, 96 ff., 174, 178, 181,192 ff., 210 ff., 243, 314, 317, 331,352,395,403,415,441,452, 459 f., 469, 490 f., 496, 504, 507 f., 511,514,532,559,567,573 f., 592 Genehmigungspflicht (siehe Zulassungspflicht) 319, 322, 573, 576, 591 Genehmigungsverfahren (siehe Zulassungsverfahren) 146, 183, 187,309,316,322,326,334,418, 504,513,516 gentechnisch veränderte Mikroorganismen 323,325 Gesundheit 170, 246, 304 ff., 313, 354, 379, 415, 421, 435, 437 f., 451,457,460,463,472,491,516, 538 ff., 556, 569, 575 f., 589 Gesundheitsgefahr 170,452,569, 574 Gewaltenteilung 37 f., 136, 139, 185, 199,385
Personen- und Sachwortregister
634
Gewässerschutz-Rahmenrichtlinie 280,312,314,316,325,335,340, 346,500 Gleichwertigkeitsvorbehalte 333 Grenzwerte siehe Standards Großfeuerungsanlagenrichtlinie 319, 513 Grundfreiheit 222, 236 ff., 241, 244, 277 f., 358, 479, 486, 516, 520, 522 f., 528, 545 f., 555 ff., 563, 585, 587, 593, 594, 606 f. Grundrechte 153,265 Guarantee Clause 129, 144 f., 151 f., 196 ff.
Habitatschutz 98, 101, 219, 327, 604, 607 Harnilton, Alexander 38,60 ff., 111 f., 147, 151, 159
Indianerstämme 59,65,159,166 Individualschutz 303,354 Inefflzienz 33,427,444 Initiativrnonopol 42,225,268,271 Integration 38, 52, 63, 232 f., 236 f., 273, 349, 364, 481, 521, 588, 595, 598 Integrationsbedarf 599,602 intergovernmental agreements 153 Internalisierungsmodell 431 internationale Vereinbarungen 479,589
373,
Intervention 88, 335, 357, 426 Inverkehrbringen 174, 252, 305 ff., 314, 321 f., 325, 488, 490, 492 ff., 513,527
Jay,John 38,62
Handelsregelung 410,522,525 f.
judicial federalism 137 f., 166
Handelsschranke 544 Handelswert (einer Ware) 437,564 ff.
Jurisdiction Clause 65, 105, 108 Justiziabilität 111, 124, 137, 152,227, 273,276,294,313,368,598
Harrnonisierung 244, 250, 253, 256, 257, 258 ff., 279, 303, 317, 340, 495 ff., 504, 511 f., 516, 518, 530, 549,553,605,611 - abschließende 492,496
Harrnonisierungen
- alternative Harrnonisierung 488
334,
- Harrnonisierungsrichtlinie 33, 331, 486,544 - Mindestharrnonisierung 494,502,511
488 f.,
- nouvelle approche 488 f., 494, 502, 511 - Teilharrnonisierung 485,501 - Vollharrnonisierung 313,482
Immunität, gliedstaatliche (siehe sovereign immunity) 131, 133, 142, 144, 158 ff., 367,432
Kapazitätsauslastung (bei Abfallbehandlungsanlagen) 572 Kapazitätsdefizite 345 Katalysator 507,549 Kennzeichnung 297, 302, 321 f., 392, 404,485,490 ff., 513,515 Klagebefugnis 156, 182, 212, 338, 348,365,367,375 f., 607 Kohäsionsfonds 337 f. Kollisionsnorm 482 Kolonien 37,42,55,59 kommunale Abwässer 323, 325, 334 Kompetenz 44 ff., 57, 59 ff., 77, 82, 84, 86, 89, 97, 100, 105, 108 ff., 116, 118 ff., 126, 129 ff., 150, 161, 164 ff., 170, 175, 179, 200, 203, 221 ff., 231 ff., 239, 240 ff., 263, 265 ff., 273, 277, 290, 299, 343,
Personen- und Sachwortregister 355 tI., 361 tI., 369, 377 tI., 387, 389, 406, 410, 412 tI., 437, 475, 477 tI., 485, 501, 510, 512, 520, 564,593 tI., 601, 604, 606 f. Kompetenz-Kompetenz 233,266 Konföderation 37,39,42 Kongress 38,41,56,59 tI., 73, 75, 77, 85, 86, 90, 97 ff., 122 ff., 133 ff., 155 tI., 182, 187, 188, 190, 192, 198, 202, 205, 210 tI., 217, 220, 362, 365, 374, 378, 388 f., 393, 398,402 tI., 416 tI., 421, 423, 454, 456,475 ff., 595, 597, 605, 609 Kongressabgeordnete 129,608 Konkordanztabelle 343 konkurrierende Kompetenzen 175, 290, 366, 380, 381, 412, 416, 477, 479,480 Kontingentierung 522 f., 536, 556 Konzertierungsverfahren 308, 328 Kooperation 147, 168, 190, 193, 195, 200,328,395 kooperativer Föderalismuslcooperative federalism 77, 192 f., 196, 198, 395,609 f. Kraftfahrzeugemissionen 178, 318, 389 f.
1aboratories of federalism 52,92,217, 218 Länder 36,39,314 Landwirtschaft 74, 106, 111, 229 f., 243, 254, 259, 316, 335, 441, 483, 586 Lännemissionen 319 Lännschutzrichtlinie 490, 497 Lebensstandard 43, 51 Lenkungsinstrumente 428,554 Lenkungszwecke 110, 428, 548 f. LIFE 301,314,337 f. Lobby 49,128,202
635
Luftqualität 171
Maastricht-Vertrag (EUV) 36, 167, 222, 224 f., 232 ff., 245, 265 f., 287 ff., 344, 598 Madison, James 38, 58, 61, 65, 67, . 111, 151, 159,397,409,414,422, 454 market participant exemption 443 Marshali, John 64, 68, 76, 132 f., 150, 159, 280, 364, 411 tI. Maßnahmen gleicher Wirkung 277, 521 tI., 527 f., 530 tI., 545, 554, 558,581 medienübergreifend 326 mengenmäßige Beschränkung 521 tI., 534,545,550,554,576 Mitentscheidungsverfahren siehe Rechtssetzungsverfahren mitgliedstaatliche Gerichte 348 Montesquieu, Charles Louis de Secondat 37
Nationalparks 51, 170,219 Natura 2000 327 Naturschutz 48, 97, 285, 307, 327, 339,373,473,497,603 - flächen-/raumbezogenes Naturschutzrecht 327 Necessary and Proper Clause 63 tI., 69,9t 110, 119, 121, 153 New Deal 72 f., 77, 83, 111, 120, 131, 151,190,357,362 f., 414,599 New Jersey-Plan 61,140 Nichtigkeitsklage 226, 262, 346, 506 Notkompetenz 64,308,478 f., 487 Notwendigkeit 47, 61 f., 83, 89, 92, 134, 167, 232, 298, 357, 441, 566, 579 nullification 124, 128
Personen- und Sachwortregister
636 öffentliche Güter 46, 430
Produktionsbedingungen 251, 607
Öffnungsklause1 511
Produktsicherheit 308,514
483 ff., 494, 497,
Produktsicherheitsrichtlinie 308,514
Öko-Audit 278, 302, 350, 352 ökonomische Anreize 345
Prognosespielraum 297
Organisationsrecht 479 origin ofpower theory 413,416
Property Clause 65, 95, 105 fI., 123, 218,355,368,406,407
overruling 58
Protektionismus 60,410,420 fI., 426, 451,470 fI., 523, 531, 549 f., 581
profound shock theory 158
Ozonschicht 50,228,301
public ownership theory 439 fI.
(siehe
parafiskalische Maßnahmen Abgaben) 553
Qualitätsziele siehe Standards
Parallelverwaltung 54
Querschnittsaufgabe 65,225,236
Partikularismus 41 Philadelphia 60, 63, 67 f., 410, 415, 418, 420, 422, 426, 437, 450 fT., 457,459,463,465,471
Quotierung 484, 522 f.
race to the bottom 46, 89 f., 93, 191, 209,561,600
police power 70, 80, 131, 177, 378, 379, 380 f., 386, 387, 412 fI., 435, 442,462,471,584
Randolph, Edmund 61
political safeguards offederalism 125, 268, 276, 365 f., 595 fI.
Rechnungsabschlussverfahren 334 f., 359
Popularklage 166,348,376
Rechtsangleichung 33, 239, 246, 249, 251,255,257,480,502,509,515 Rechtsaufsicht 342 Rechtssetzungsverfahren 225 f., 268 f.,271 - herkömmliches Verfahren 225
Popularklagebefugnis 607 Präsident 56, 66, 72 f., 106, 118 f., 125 fI., 139, 153 f., 167, 172, 199 Preemption (siehe Sperrwirkung) 167, 175, 189, 195 fI., 215, 359, 380 fI., 398,402 fI., 416, 448, 481,585 fI. - conditional preemption 198,605
189, 195,
- express preemption 382,384, 390, 406 - field preemption 382 f., 396, 403, 405 fI. - implied preemption 383 primärrechtliche Abweichungsermächtigungenl-möglichkeiten 500, 519, 591 Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung 221 f., 232, 241, 278, 282, 330,361 private Handelshemmnisse 524
- Mitentscheidungsverfahren 235,245, 247,269,298
232,
- Verfahren der Zusammenarbeit 225 fI., 245, 247, 250 f., 268, 269 Rechtstradition 42 Reconstruction Amendments 596 Regelungsintensität 310,332
141 f.,
regulatorische Experimente 215,493 reporting requirements 146, 187 Republik 151 Ressourcen, administrative 374 Ressourcen, natürliche 86, 178, 218, 438 fI., 458 f., 474, 563, 566, 579
637
Personen- und Sachwortregister Richtlinie 223, 229 f., 239, 241 f., 247,250,253 ff., 264, 272 ff., 278, 280 f., 286, 293, 295 ff., 303 ff., 341 ff., 354, 360, 370, 484 ff., 505, 508, 510 ff., 527, 544 f., 569, 577 f., 585, 591 f. - Ausfüllungsrichtlinie 310 f. - Rahmenrichtlinie 253, 276, 293, 308, 310 ff., 320, 328 f., 334, 340, 489 ff., 569 Risiko 301
Spenden 49 Spending Clause 109 ff., 120, 200, 202,217,355,359,362,368 Sperrwirkung (siehe preemption) 147, 150, 167, 173 ff., 189, 194 ff., 208, 358 f., 370, 381 ff., 397, 399, 401, 402 ff., 477 ff., 488 f., 494, 496, 498,500,510 ff., 585 f., 594, 606 - ausdrückliche Sperrwirkung 483 f. Spinelli, Altiero 288
Risikobewertung 495
Staatshaftung 303
Rohstoffe 75, 86, 549, 563, 578
Staatsvertrag 48
Sachkompetenz 63,65 f., 109 ff., 138, 153, 222, 244, 256 ff., 260, 337, 359,362 Sachwalter des Gemeinschaftsinteresses 478,487,510 savings cIause 382,390,394 Schadensersatz 400
384,
121, 279, 281, 386,
Schadensersatzklage 346, 399
- Grenzwerte 170, 196, 197, 201, 303 ff., 316, 317, 329, 471, 494, 495,505,510 - Emissionsgrenzwerte 306, 312, 316 ff., 513 - Immissionsgrenzwerte 495
Schiedsentscheidung 308
- kombinierte Standards 319
Schutzgebietsausweisung 328
- lebenszyklusorientierte 321,323
SchutzklauseI 245,491,513 ff. Schutzklauselgebot 512, 514 ff. Schutzniveau 92, 224, 228 f., 240, 250,275,389 f., 488, 493, 495,501 f., 507 f., 541, 544, 567 f., 589 Schutzverstärkungsklauseln 507,511 f., 519 f.
Standards 50 ff., 74, 86, 88 ff., 123, 133 f., 168, 171 ff., 177, 180, 182, 189, 191 f., 198, 209, 215, 218, 275, 283, 315 ff., 388 ff., 395, 397, 399, 403 ff., 425, 431, 470, 488 f., 493,495,505,519,602,605
500 f.,
Seerecht 66, 120 f., 159,380 selective excIusiveness theory 415 Sierra Club 156 f., 211 f., 376, 460, 469
(siehe sovereign Souveränität immunity) 59, 107, 119, 131 f., 133, 135, 139 ff., 148 ff., 161, 162, 164, 166, 200 f., 207, 270, 286, 289, 361, 366 f., 374, 475, 584, 596,598 sovereign immunity 158, 162,367
Standards
- medienquaIitätsbezogene Standards 315 f., 320, 395 - nicht-uniforme Standards 51 - produktbezogene Standards 238 f., 299, 324 f., 401, 500, 531 f., 547, 595 - produktionsbezogene Standards 50,238,251,324 f., 471 - Qualitätsziele 320 - umweltqualitätsbezogene Standards 495 - verfahrensbezogene Standards 300 stare decisis 58 Steuervergünstigungen 467 f., 532 strict scrutiny 422, 423, 435, 437, 441,450,454,457,471,589
Personen- und Sachwortregister
638
Struknnfonds 261,264,334,338 Subsidiarität 33,47, 166 ff., 224, 227, 247 ff., 286 ff., 312 f., 328, 333 f., 367 ff., 373, 480, 499, 560 f., 597, 606 Substitution (von Waren) 318,548 Subventionen 258, 336,339,420,444 f., 456, 463, 466 ff., 551 ff., 573, 591,604 Supremacy Clause 63, 65, 125, 130, 145, 163, 175 f., 184, 195, 361, 378,381,386,397,406,413,417 Systemkontrolle 335
umweltrechtliche Querschnittsklausel 233, 235, 237, 247, 261, 263, 283, 355,517,580 Umweltüberwachung 334 Umweltverträglichkeitsprüfung 219,220,326,350,352,360 Umweltzertifikate 428 f.
171,
unfunded mandates 205 ff., 218 Unitarismus 41 . unitary executive theory 153 f., 199, 203 Untätigkeitsklage 273, 346, 353, 479, 506 unterschiedslose Regelung 419, 421, 423,453,471,539,569
taxing and spending power (siehe Spending Clause) 66,111,121 Tierschutz 577
Ursprungsprinzip 228 ff., 579 U.S. Advisory Commission on Intergovernmental Relations 35, 122 f.
traditionell gliedstaatliche Regelungsgegenstände 393 treaty power 118 ff., 360, 380 Trinkwasser 516
86, 95, 181, 315, 439,
Trinkwasserrichtlinie 321, 345, 379, 520 f., 526 Typengenehrrrigung 496,566
Umsetzungsdefizite 605 Umsetzungsspielräume 330
Verbandsklagen 375 Verfahren der Zusammenarbeit siehe Rechtssetzungsverfahren Verhältnismäßigkeit 64, 118, 142, 238,286 ff., 313, 328, 418, 422 f., 437 f., 441, 477, 497,503,509,526 ff., 539 ff. , 552, 567, 571, 574, 577, 595 Verkaufsmodalitäten 528 ff., 576
Umweltbeobachtung 284
Verkehrsfähigkeit 532,574
Umweltbeschwerde 350,352 f., 376
Verkehrsfähigkeitsklausel 489,492
Umweltdaten 308
Vermeidungskostenansatz (StandardPreis-Ansatz) 430 f., 548, 550
Umweltgüter 46, 48, 88, 431, 436, 532,579 Umweltinformationen 247, 283 ff., 301,343,351 Umweltinformationsrichtlinie 315,331,349,356 f., 360
307,
88 f., 488, 521,
Verpackung 274, 297, 313 f., 321, 322, 392, 404, 423, 485, 490 ff., 513,515,522 f., 566 ff. Verpackungsrichtlinie 278,317 Verpackungsverordnung 278
Umweltminister 599
Verpackungsvorschriften 474,568
Umweltorganisationen 96, 156, 211, 285,353,376,533
Verteidigung 37,61,145 Vertragssprachen 340
Personen- und Sachwortregister Vertragsverletzungsverfahren 304, 336, 343, 344, 346, 353, 360, 477, 524,533,568,572 Verursacherprinzip 229 ff., 320, 324, 337,560,571 f. Verwendung 51,87,95,112,116,173 f., 216, 229, 259 ff., 295, 306, 311 ffo, 321, 336, 404, 471, 474, 478, 486, 490, 492, 494 fo, 522 ffo, 531, 548 fo, 553 fo, 579, 585 Verwendungsbeschränkungen 321 Verwendungsverbote 321 Vesting Clause 129, 153 f., 185, 199, 203 Vetorecht 42, 96, 226, 235, 270 fo, 328,502 Vierzehnter Verfassungszusatz 141 ffo, 160 fo Virginia-Plan 61,417 Vogelschutzrichtlinie 333 f., 504, 521 Völkerrecht 42,69 Vollzugsdefizite 33,210,218,339 ffo, 374,605 Vorabentscheidungsverfahren 227, 346 fo, 476 fo, 497, 511, 528, 544, 553, 559, 572 ffo, 580, 582 Vorlage 146, 216 fo, 259, 347, 359, 490 vorläufige Maßnahmen 308, 517 Vorrang des Gemeinschaftsrechts 223,266,283,347,361,475
VVahlen 56, 125, 145, 188
639
Wahlkampf 127 Warenverkehrsfreiheit 377, 504 f., 511, 528 fo, 533, 535 ffo, 559, 565, 572,574,583,586 fo, 597, 599 fo Wasserrahmenrichtlinie 331,335,379 Wechsler, Herbert 125 ffo, 131 ffo, 202 Wettbewerb 46,74,83,89,91 f., 153, 188, 191, 251, 339,466, 535, 548, 551 f., 581 Wettbewerbsbedingungen 241, 253, 276,320,435,493,558,580 - Angleichung der Wettbewerbsbedingungen 589 writ of certiorari 58
Zehnter Verfassungszusatz 78, 122, 129 ffo, 137, 140 ffo, 155, 180, 185, 196 fIo, 361, 367, 369 Zentralismus 603 Zölle siehe Abgaben zollgleiche Abgaben siehe Abgaben Zulassung 107, 158, 166, 196 fo, 228, 278, 322, 329, 334, 395, 404, 460, 486,489 f., 494, 496 fo, 531, 555 Zulassungspflicht (siehe Genehmigungspflicht) 322 Zustimmungsverfahren 322 Zwangsgeldverfahren 209, 344 f. Zweiter Verfassungszusatz 129 zwingende Erfordemisse 498, 503, 516,527,541 f., 567, 569 f., 574, 584,589 zwischenstaatliche Verträge 171 f.