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German Pages 216 [220] Year 1921
ERKENNTNIS von
ERNST HORNEFFER
1. Band
Die Tragödie des deutschen Volkes
München und Berlin 1921
V e r l a g von R. Oldenbourg
Die Tragödie cíes deutschen Volkes von
Ernst Hornetfer
Dritte Auflage
München und Beri in 1921
V e r l a g von R. O i d e n b o u r g
Aile Rechtc, dn»diliefilidi des Qbersetzungsredites, vorbehalten Copyright 1921 by R. Oldenbourg, Mûnchen
Vorwort. Ein mit Überzeugung geschriebenes Buch bedarf ernsthafter und geduldiger Leser. Wenn schon Vor dem Kriege solche Leser in der Hast der Geschäftigkeit selten waren, wie viel mehr jetzt, da unser unglückseliges Volk, ohnmächtig, jeder Überlegung bar, nach grauenvollen Kriegsstürmen in den letzten Zuckungen eines schmachvollen Sterbens liegt. Der Tod aber ist der strenge und herbe Erzieher zum Leben, dessen Unerschöpflichkeit er predigt. Der Tod bringt die Stille der Seele, und nur der stillen Seele entkeimen die rettenden Gedanken, die zeugungsmächtigen Kräfte neuen Lebens. Für jeden Deutschen ist dieses Buch bestimmt. Deshalb gab ich es mit Bedacht als erstem Leser einem Manne, der sich mir gegenüber selbst mit stolzer Bescheidenheit als „Mann aus dem Volke" bezeichnet hatte. Er überraschte mich mit der dringenden Bitte, das auf dem ersten Blatte abgedruckte Geleitwort dem Buche vorauszuschicken. So ungewöhnlich diese Maßnahme ist, ich gab der Bitte statt, weil jene Worte in ihrer wirkungsvollen Einfachheit allerdings geeignet sind, jene geistige Verfassung zu erwecken, die ich selbst bei jedem weiteren Leser wünschen muß, eben jene Todesruhe des Herzens, das nach unsäglichen Leiden, Enttäuschungen, Wunden, Erschütterungen sehnsüchtig den Blick nach aufwärts wendet zur Klarheit. Das Buch bildet nur den ersten Teil einer größeren Arbeit, die als Ganzes gedacht ist. Ich beabsichtigte, zunächst eine kurze Schrift zu verfassen, die in knappen Zügen den Umriß des künftigen deutschen Lebens, den Plan eines Neubaues auf den Trümmern unseres zerstörten Staates und Volkstums zeichnen sollte. Aber die große Tragödie unseres Volkes, erhaben und furchtbar wie nie ein Menschenleid seit Menschengedenken, zog mich in unwiderstehlichen Bann. Ich schrieb und schrieb. Und so ist aus der Einleitung zu dem eigentlichen Buch, das mir vorschwebte, eine umfangreiche selbständige Schrift geworden. Überall gebe ich Hinweise auf die beabsichtigte Fortsetzung, wo hier nur berührte Gedanken ihre weitere Ausführung finden sollten. Diese Fortsetzung wird allerdings erst nach einem gewissen Zeitraum erscheinen können,
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da ich inzwischen eine wissenschaftliche Arbeit abschließen muß. Auch hoffe ich, aus dem Widerhall, den dieser erste Teil meiner Deutung des deutschen Schicksals findet, wertvolle Anregungen für den Entwurf eines neuen Lebensplanes zu schöpfen, weshalb mir jede Äußerung zu meinen Darlegungen Willkommen ist. Die Ereignisse, an welche meine Schrift unmittelbar anknüpft, die deutsche Niederlage, unser Zusammenbruch in der Revolution, der Waffenstillstand — das alles liegt nun, von noch größeren Ereignissen überholt, zurück. Ich begann etwa mit dem Anfang des Jahres zu schreiben, als wir alle wie gelähmt unter dem zermalmenden Eindruck unserer Niederlage nach außen und innen standen. Denn auch die Revolution war nicht, wie die Betörten glauben, ein Sieg, sondern mit der Auflösung aller Ordnung, Gewissenhaftigkeit, Zucht, Arbeitswille, eine noch viel schlimmere Niederlage als der verlorene Weltkrieg, eine Niederlage der Seele, von der wir uns noch viel mühsamer erholen werden als von dem äußeren Schicksalsschlage. So ist diese Schrift, da ja unter den heutigen Verhältnissen auch die Drucklegung beträchtliche Zeit erforderte, von Geschehnissen bestimmt, die nun schon wieder bei dem stürmischen Wirbel der Weltgeschichte zurückliegen. Aber ich denke doch, der Blick der Deutschen und aller derer, die das deutsche Schicksal betrachten wollen, wird sich immer wieder zu jenen erschütternden Ereignissen zurückwenden, die für immer den Angelpunkt der deutschen Geschichte bilden und nie veralten werden. Vor allem aber, was seitdem geschehen ist, hat ja nur bestätigt, was dieser Schrift den Inhalt gegeben hatte: der Todesstoß gegen das deutsche Volk ist inzwischen durch den uns Vorgelegten Friedensvertrag tatsächlich erfolgt. Ich kann nur immer staunend den Kopf schütteln über die traumverlorene Unkenntnis der Deutschen, die nur jemals etwas Anderes, Milderes als die geforderten Friedensbedingungen erwartet hatten. Nein wirklich, die Deutschen kennen die Menschen nicht, sie sind von Geblüt unheilbare Schwärmer. Und auch die weitere Vermutung, die ich aussprach, hat sich in fürchterliche Wirklichkeit umgesetzt, nämlich, daß die Feinde darauf abzielen würden, mit der äußeren Sklaverei uns auch die innere einzupflanzen, uns zu Sklavengeistern zu machet?, indem sie uns die Ehre vi
rauben. Denn unsere Feinde wissen, wie man mit Menschen umzugehen hat in Liebe und Haß. Sie wissen, daß ein Volk erst dann wirklich erwürgt ist, wenn es den sittlichen Tod durch Verlust seiner Ehre erlitten hat. Zu diesem Schlage holen sie aus. Das uns aufgeprägte Verbrechertum sollen wir selbst durch unsere Unterschrift beglaubigen, sollen unsere heldenhaften Führer im Kriege, die nicht durch eigene Schuld, sondern durch Schuld unseres Volkes und seiner staatlichen Leitung den Krieg verloren haben, ihrer wahnwitzigen Rache opfern und mit diesem Schandmal gezeichnet durch die Geschichte wandern. Wahrlich, man muß es ihnen lassen, die feindlichen Völker und ihre Staatsmänner denken folgerichtig und schrecken vor nichts zurück. Wenn man sich das ganze heillose Elend des deutschen Volkes verdeutlichen will, bedenke man folgende Sachlage. In dem nämlichen Augenblicke, da die Feinde Deutschlands den furchtbarsten Rache- und Todfrieden schmieden, da der Vernichtungswille der Welt gegen unser Volk in schamloser Nacktheit zu Tage tritt, mit einer Grausamkeit, die jeder Ahnung spottet, da der Völker-Widerspruch und Haß wahre Orgien der Zügellosigkeit und Wildheit feiert, da also die Kluft zwischen den Völkern die tiefste Tiefe erreicht hat, daß sie für tausend Jahre unüberbrückbar erscheint — in dem nämlichen Augenblick ist es nicht irgend eine kleine schwärmerische, religiöse Sekte, die auf das Ende des Hasses, auf die große Eintracht und Verbrüderung der Völker hofft, nein, e s i s t d i e g r ö ß t e , d i e h e r r s c h e n d e P a r t e i D e u t s c h l a n d s , die zur Zeit das Schicksal Deutschlands bestimmt, welche in eben diesem furchtbaren Augenblick ihren Parteitag mit einem verherrlichenden Hoch auf den Internationalismus schließt! Wirklich, einem solchen Volke ist nicht zu helfen, ein solches Volk m u ß an seiner Schwärmerei zu Grunde gehen. Schwärmer waren die Deutschen der Völkerwanderung, die ihre Heimat verließen und in die romanischen Länder schweiften, Schwärmer die mittelalterlichen Kaiser, die vom Glänze Roms bezaubert fort und fort mit ihren Heeren über die Alpen stiegen, Schwärmer die Deutschen der Religionskämpfe hüben und drüben, die um ihrer Glaubensartikel willen das ganze Reich in Schutt und Asche legten, Schwärmer die dichterischen Deutschen der napoleVII
onischen Zeit, Schwärmer die politischen Deutschen zur Zeit Bismarcks, denen er vergeblich den Sinn für die Wirklichkeit einzupflanzen suchte, Schwärmer die Deutschen bis zur Gegenwart. War nicht der gestürzte Kaiser ein Schwärmer? A b e r alle a n d e r e n D e u t s c h e n waren es auch. Die Alldeutschen haben den Sozialdemokraten nicht das Geringste vorzuwerfen. Denn sie waren dieselben Schwärmer, nur nach der entgegengesetzten Richtung, und ihre Schwärmerei war fast noch unheilvoller. Sie hatten sich in einen Wahn von der deutschen Macht hineingeträumt, der nur zu entsetzensvollem Erwachen führen konnte. Und unsere Großkaufleute, die Leiter der großen Reedereien, Banken, Industriewerke — wo war denn deren Voraussicht und Klarheit? Und unsere ehemalige Reichsregierung? Kein Wort hat man in den letzten Jahrzehnten häufiger vernommen als das Wort „Realpolitik." Ich habe von dieser Realpolitik nichts bemerken können. Unsere schaffenden Stände, alle die rührigen Meister, die Leiter wie das große Heer ihrer Angestellten und Arbeiter — alles war traumverloren in das wirtschaftliche Schaffen vertieft und sah nicht oder w o l l t e nicht das Unheil sehen, das von England furchtbar herüberdrohte. Vor langen Jahren sagte ich zu einem Freunde: „Auf eins bin ich in meinem Leben gespannt: wie sich die Regierung eigentlich den Austrag des Gegensatzes gegen England denkt." Denn daß unsere Flotte hierfür keine genügende Sicherheit bot, lag am Tage. Daß aber England zielbewußt auf die Vernichtung der aufstrebenden deutschen Wirtschaft und Macht hinsteuerte, das war doch gleichfalls sonnenklar. Und ich sah die Regierung nicht in die einzige Bahn einlenken, die nach meiner Schätzung allein uns hätte Rettung bringen können, was ausführlicher in dieser Schrift geschildert wird. Zwar tröstete ich mich bisweilen mit dem Worte: viele W e g e führen nach Rom, was aber doch wohl nicht richtig ist. Für alle großen und schwierigen Aufgaben pflegt es immer nur eine einzige Lösung zu geben. Wehe, wer diese verfehlt! Ich konnte mir nicht vorstellen, daß alle unsere wirtschaftlich führenden Männer — auf ihrem Gebiet so bedeutende Männer — daß unsere Staatsleiter sich garnichts dächten. Aber es trat furchtbar zu T a g e : s i e h a b e n s i c h g a r n i c h t s g e d a c h t . Traumwandler-Politik! Ein Schwärmervolkt VIII
Wie ist diese Schwärmerei zu heilen? Ganz gewiß nicht durch Tatsachen und durch Erfahrungen, und seien sie die schmerzlichsten. Denn dies eben ist das Wesen des Schwärmers, daß er sich auch durch die krassesten, aufdringlichsten, zwingendsten Erfahrungen nicht belehren läßt, daß er weiten, verlorenen Blickes über die gewaltigsten Tatsachen, die ihm nichts beweisen, die ihm nichts gelten, hinwegschaut, daß er nicht die Wirklichkeit finden kann. Es fehlt ihm n i c h t an Geist. Eher hat er z u v i e l an Geist, dem die Wirklichkeit nicht genugtun kann, der die Wirklichkeit überfliegt. Gewiß muß man den Schwärmer immer wieder auf die Tatsachen hinweisen. Und was mir nur an Eindringlichkeit der Darstellung und Beweisführung zu Gebote steht, habe ich in diese Schrift hineingelegt, um den Deutschen ihre Lage an der Hand der Tatsachen vor Augen zu führen. Ob es nützen wird? Nur durch vollständige Umwandlung des Geistes selbst kann die s c h w e r e d e u i s c h e Krankheit überwunden werden. Eine philosophische ErzieherAufgabe allerhöchsten Ranges, größter Bedeutung i s t u n s v o r g e z e i c h n e t , eine Aufgabe, ,vor deren Größe wir zurückschaudern mögen, der wir uns aber nicht entziehen können, wenn wir in dem allgemeinen Strudel des Unterganges die Pflicht, die hohe Pflicht klar vor Augen behalten, lebendig im Geiste bewahren, wenn wir T r e u e beweisen wollen. Was kümmert uns, was „das Volk der Denker" heute vom Philosophen erwartet, daß es ihn nur als Gelehrten gelten lassen will. Wohl muß er heimisch sein in den fernsten, kältesten Wahrheiten. Die strenge Erkenntnis ist ihm das Stahlbad, aus dem seine Seele geläutert, verjüngt, beschwingt hervorgeht. Dann aber sprüht sie Leben. In einer Zeit, da alle die Besinnung verlieren — wer soll sie bewahren, wenn nicht derjenige, welcher das Sichbesinnen zu seinem Beruf erwählt hat? Ob sein Wort vernommen wird, ob es frommt, überläßt er stärkeren Mächten. Wie es Schiller vom Dichter fordert, wirft auch er seine Gabe „schweigend in die unendliche Zeit." Cassel-Wilhelmshöhe, den 22. Juni 1919. Am letzten Tage der deutschen Freiheit. Ernst Horneffer. IX
Inhalt. Seite
1. Einleitung.
Niederlage und Schuld
2. Die Reichsgründung und Frankreich
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3. Deutschland und Rußland
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4. Deutschland und England
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5. Der Krieg
84 Nachwort.
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I.
Einleitung. Niederlage und Schuld. S c h w e r e Bedenken habe ich überwinden müssen, bis ich mich entschloß, über Deutschlands L a g e in der Gegenwart zu sprechen. W e r getraut sich in dieser beispiellosen Zeit vom deutschen Volk, z u m deutschen Volk zu r e d e n ? W e r darf sich unterfangen, die furchtbaren Ereignisse, die über uns dahingefahren sind und uns zerschmettert haben, mit dem W o r t zu meistern ? Deutschland hat den größten aller Kriege verloren. D a s deutsche Kaisertum ist gestürzt. Elsaß-Lothringen mit Straßburg, dem herrlichen Straßburg mit so urdeutschem Namen und Klang, verloren! Das ganze linke Rheinufer vom Feinde besetzt! Und doch sangen einst unsere Väter, so zuversichtlich auf ihre Enkel bauend: ,,Sie sollen ihn nicht haben, den freien deutschen R h e i n ! " „Die W a c h t am Rhein" — wer hätte j e gedacht, daß diese Wacht noch einmal wanken werde! Man meint, man träumt, man kann die Wahrheit einfach nicht glauben. Unsere junge heldenhafte, ruhmgekrönte Flotte nach England, nicht zu Kampf und Sieg, sondern zur trübseligsten Übergabe hinübergefahren! W e l c h ein Schlag in die kühnsten Hoffnungen! Und nun gar das deutsche Heer, einst die stärkste Macht der Ordnung in der ganzen Welt, die Hochburg der Disziplin, scheinbar für die Ewigkeit unerschütterlich, durch allgemeine Meuterei zerstört und aufgelöst! Die deutsche Einheit, ehemals der höchste Traum und die Sehnsucht der l 1
deutschen Stämme, die Frucht heißer Arbeit und Kämpfe, im Zerfall — ganze Landschaften in offenbarem nationalen Verrat sinnen darauf unser Volk, unsern Staat wie ein sinkendes Schiff zu verlassen, sodaß wir mit e i n e m Schlag wieder in die mittelalterliche, vorpreußische Zeit jammervollster Kleinstaaterei und Ohnmacht zurückgeschleudert werden — eine jahrhundertlange Entwicklung unvergleichlichen Aufstiegs mit einem Striche ausgelöscht! Die Ostmarken, die Stätten der Wiedergeburt des deutschen Staates aus der Nacht und Not des 30jährigen Krieges und der napoleonischen Stürme, in Gefahr, von den so viel kleineren, aber heißblütigeren, energischen slavischen Völkern überflutet, dem Deutschtum ebenso wie die Westmark dauernd entrissen zu werden. Danzig, Marienburg, womöglich wieder polnisch, wie in der schwärzesten Zeit unserer Vergangenheit! Ludendorff, eine Gestalt von fast napoleonischer Größe, von der Mehrheit des Volkes geächtet. Mackensen, einer unserer gefeiertsten Heerführer, der kühne Durchbruchsgeneral, der uns die Gestalt Blüchers wieder vor Augen führte, in Ungarn, das er zweimal vom Feinde errettet hatte, gefangen gesetzt! — Aber ich kann nicht fortfahren. Ist denn soviel Elend und Schmach auch nur auszudenken! Und dabei soll ja das Schlimmste, der Friede noch kommen. Was er auch bringen werde: das Gelindeste ist eine Sklaverei des deutschen Volkes unter Frankreich und England als seinen unbeschränkten Machthabern auf mindestens hundert Jahre. Und sie werden dabei nicht unterlassen, fort und fort uns unsere Lage mit dem grimmigsten Hohn, mit sittlichen Peitschenhieben zu Gemüte zu führen, um uns auch innerlich zu Sklaven zu machen, uns Sklavenseelen anzuzüchten. Kann man hierbei überhaupt noch atmen ? Und dann soll man reden ? Angesichts solcher Schicksale, die über unsere Fassungskraft gehen, die Geist und Seele sprengen, das Herz zerkrampfen, kann man doch nur staunen und — schweigen. Man möchte das Haupt verhüllen, um einen ewig undurchsichtigen, nie zerreißbaren Schleier zwischen die Welt und sich zu ziehen. Und doch dürfen wir in dieser stummen Verzweiflung nicht verharren, Wir müssen uns aus dem geistigen Starrkrämpfe, der uns befallen hat, lösen, müssen ruhig, unerbittlich, fest fragen: w a s b e d e u t e t d a s a l l e s ? Was ist geschehen? 9
Wo soll das hinaus? Sind die Tage des deutschen Volkes gezählt oder bleibt noch ein kleiner, verglimmender Funke der Hoffnung, den wir anfachen können? Von einiger Ferne aus, ohne in die inneren Kämpfe, die das deutsche Volk auf dem Gebiete des staatlichen und wirtschaftlichen Lebens zerrissen, verflochten zu sein, habe ich doch stets mit der lebendigsten Anteilnahme, mit zitternder Ahnung seit einem Vierteljahrhundert die Geschicke unseres Vaterlandes verfolgt. Man ist heute in dem Vorurteil befangen, als könnte man eine Sache, ein Gebiet, eine Aufgabe nur beurteilen, wenn man unmittelbar in ihren Geschäften stehe, in ihren drängenden Alltagspflichten bewandert und tätig sei. Der ^Denker" ist heute beim „Volk der Denker" nicht beliebt. Nur der „Praktiker" gilt etwas, der die mühselige Last der Kleinarbeit schleppt. Ich behaupte demgegenüber: eine derartige ständige Arbeit im Kleinen, in der Fülle der Erfordernisse des Augenblicks, verengert den Geist, hemmt die Übersicht, verschleiert den Weitblick, der für alle g r o ß e n Aufgaben und Leistungen von N&ten ist. Ist es denn unbedingt sicher und unvermeidlich, daß der Denker i m m e r Unpraktisches denkt, daß seine Gedanken stets nur graue Theorie bleiben, niemals den Weg zum Leben finden können, daß die vernünftige Überlegung, die zunächst nichts anstrebt als Klarheit und Wahrheit, immer mit — unvernünftigen Ergebnissen abschließen m u ß ? Das ist doch ein seltsames Vorurteil! Der Philosoph Paulsen, ein äußerst verständiger, einsichtiger, vorsichtiger Denker, dessen Anregungen und Ratschlägen die Zeit, Regierung wie öffentliche Meinung in Partei und Gesellschaft, sehr viel größere Beachtung hätte schenken sollen, beklagt gelegentlich in seiner Geschichte des gelehrten Unterrichtes, da er von der geistigen Wiedergeburt des preußischen Staates und Volkes nach der Niederlage durch Napoleon I. erzählt, wie dort die ersten geistigen Männer des Zeitalters mitwirken durften, auf die Entschlüsse der Regierung zur Umgestaltung des Volkstums Einfluß nahmen — er beklagt hierbei, daß im Gegensatz zu jener innerlich wahrhaft großen Zeit heute jeder geistige Arbeiter, der den Verwaltungsbehörden Vorschläge zu unterbreiten wage, unweigerlich darauf gefaßt sein müsse, daß seine Eingaben ungelesen in den Papierkorb wanderten. Die
Praktiker wollen von den Denkern, den stillen, von den Geschäften des Tages nicht zermürbten Betrachtern der Dinge nichts wissen, blicken verächtlich auf sie herab. Und ich gehe noch weiter als Paulsen und sage: nicht nur die Regierenden, u n s e r g a n z e s V o l k hat so gehandelt, die Parteien, die Presse, die öffentliche Meinung, alle haben sich gleich hochmütig gegen jede von der rein geistigen Seite kommende Belehrung und Mahnung gebärdet. Man hat sich nicht besinnen w o l l e n . Jetzt spüren wir die Folgen dieses Pochens auf die reine, ich möchte sagen, rohe Praxis. Man darf die Frage aufwerfen, ob nicht zuletzt in diesem Verrat am deutschen Geiste, dieser Absage an unsere wahren und echten Kraftquellen die tiefste Ursache für unseren furchtbaren Fall zu suchen ist. Kann doch schon das Einzelleben nicht ohne einheitlichen Lebensplan und feste Grundsätze, die sich über das gesamte Leben erstrecken, erfolgreich verlaufen und ungefährdet schaffen. Wer das mißachtet und versäumt, scheitert. Das weiß jedes Kind. Und ein ganzes großes Volksleben sollte nur von den Forderungen des Tages zu leben vermögen, ohne klare und rückhaltlose Besinnung auf das Woher und Wohinaus? Und das Nachdenken hierüber, das Abschätzen und Abwägen der Ziele und Kräfte, der Gefahren, Möglichkeiten, Pflichten nach außen und innen, die ein Volk zu leisten, zu überwinden hat, das sollte nicht Sache b e s o n d e r e r Arbeit, allermeister Besinnung und Sammlung sein, die frei von des Alltags Schwere und Kümmernis ist? Das Volk der D e n k e r hat o h n e G e d a n k e n gel e b t — das ist die ungeheuerliche Tatsache, die die letzte Erklärung abgibt für unseren fürchterlichen Sturz aus höchster Höhe zu tiefster Tiefe, wie noch nie ein Volk gestraft, geschlagen worden ist. Geschäft, Geschäft, Geschäft — Beruf, Beruf, Beruf — das war das einzige Sinnen und Streben aller Deutschen. Dabei wurden wir reich, dabei wuchsen unsere Schätze, die sichtbaren, greifbaren Güter und Machtmittel immer schwindelhafter an und erregten den begehrlichen Neid der Nachbaren. Aber an eine S i c h e r u n g dieses kühnen Gebäudes gegen Gefahren von außen und innen hat kaum jemand ernstlich gedacht. Von einer jugendlichen Tollkühnheit war das deutsche Volk besessen. Jetzt büßt es diesen Übermut. 4
Und auch zur Stunde, trotz des grauenvollen Zusammenbruches kann man noch keine Besserung dieses Zustandes wahrnehmen. Eine ernsthafte Überlegung und Prüfung, ein Sichbesinnen auf die Erfordernisse und Heilmittel der gegenwärtigen und künftigen Not kann man nirgends erkennen, ein Sichbesinnnen wenigstens, wie ich es verstehe, das in die T i e f e zu graben sucht, den Erscheinungen wahrhaft auf den Leib rückt und auch vor kühnen, folgenreichen, weitschauenden Entschlüssen nicht zurückbebt. D i e F u r c h t v o r d e r W a h r h e i t , die vor dem Kriege jahrzehntelang herrschte, herrscht anscheinend auch jetzt noch, obschon doch alles zum Mut ermahnen sollte. Wohl gebricht es uns Deutschen nicht an dem soldatischen Mut. Das haben wir in tausend und abertausend Schlachten bewiesen. Und unvergänglich werden die Denkmäler der deutschen S i e g e in dem unvergleichlichen Völkerringen von diesem Mute zeugen. Aber seltsam, was für unsere Vorfahren vor hundert Jahren, als unser Volk staatlich noch nichts bedeutete, ihr höchster Ruhm und Stolz, ihre Kraft gewesen w a r : der g e i s t i g e Mut, der Mut der Gedanken — daran gebricht es den Deutschen der Gegenwart völlig und zwar in allen Lagern, durch alle Volksschichten, Parteien und Stände hindurch. Das hat uns zu gründe gerichtet. Das scheint uns auch — ein noch Viel größeres Unheil — den W e g zur Genesung, zur gesunden und dauerhaften Wiederherstellung unseres Staats- und Volkslebens zu versperren. Denn der Mensch ist nun einmal Geist, hauptsächlich Geist. Wenn es an der rechten Erkenntnis mangelt, frommt der Besitz der stärksten Macht nicht, weil sie nicht recht gelenkt und geleitet wird. Das haben wir zu jammervollem Entsetzen in diesem Kriege erfahren. W e l c h e beispiellosen, überschwenglichen Kräfte sind sinnlos vergeudet worden! Weil die leitende Erkenntnis gefehlt hat, die diese Kräfte klug und heilsam zu nützen, zu führen wußte. Dieser Mut der Erkenntnis aber, dieser Gedankenmut ist anscheinend auch jetzt, nach den furchtbarsten Schicksalsschlägen noch nicht bei uns eingekehrt. Dieser Mangel droht erst auf unser Elend und unsere Not das Siegel zu drücken, droht sie zu verewigen, das deutsche Volk für immer aus der Reihe der geschichtlichen Völker auszutilgen. Zwei
jahrzehntelang
habe
ich
mit dem
entscheidenden
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Gedanken, dem eigentlichen Eckpfeiler der deutschen Politik, der Frage nach der Stellung Deutschlands im europäischen Staatensystem, eine von dem allgemeinen Urteil, soweit ich beobachten konnte, abweichende Anschauung vertreten/ Und auch jetzt, da es aufzuräumen gilt, da wir eine neue Grundlage für unser gesamtes Staatsleben schaffen wollen, sehe ich nirgend die politischen Kräfte mit der erforderlichen Energie in die einzig gangbare Bahn einlenken. Wieder verpaßt man eine unwiederbringliche Gelegenheit. Damals handelte es sich um die auswärtige, jetzt handelt es sich um die innere Politik. Das mag manchem überhebend und herausfordernd klingen. Aber die Zeit ist zu ernst zur Zurückhaltung und zu unfruchtbarer Bescheidenheit. Heute gilt es b e k e n n e n . Ich habe lange und oft genug aus dem uns allen anerzogenen Gefühl der Unterordnung heraus meine Gedanken zurückgehalten und habe nun leider zu spät diese unangebrachte Bescheidenheit nachträglich bitter bereut. Das soll uns nach den jetzigen Stürmen und Erfahrungen unseres Volkes nicht mehr begegnen. Jetzt kann nur die Losung gelten: W a h r h e i t u n d W a h r h a f t i g k e i t um j e d e n P r e i s , h e r a u s m i t d e r S p r a c h e ! Zunächst ein Wort zur Gesamtbeurteilung unserer Lage. Schwere Fehler sind gemacht worden, wie ich schon andeutete. Ich werde nicht mit Aufdeckung und Kennzeichnung dieser Fehler kargen. Aber nun darf man, nachdem man zuvor sorglos und gedankenlos in den Tag hinein gelebt hat, nicht in den entgegengesetzten Fehler verfallen und bei dem deutschen Volke eine furchtbare Schuld, wohl gar die Schuld am ganzen Kriege suchen wollen. Jetzt wühlt man in der Schuld des deutschen Volkes, stellt grimmig und hohnlachend das eigene Volk vor aller Welt an den Pranger. Das ist abgesehen von den hochverräterischen Folgen solchen Treibens — denn das heißt doch die Feinde zur letzten Auskostung ihrer Rache, zur schrankenlosen Ausnützung ihres Sieges geradezu einladen und anstacheln — davon abgesehen ist ein solches Verhalten Zeichen kleinlicher, erbärmlicher Menschen, die sich nicht selbst beherrschen können, sondern von einem Gegensatz in den andern taumeln. Diese Selbstzerfleischung ist nicht der rechte Weg, unser Volk aus dem tiefen Verfall wieder aufzurichten. Damit stößt man es vollends in den Abgrund hinunter.
Fehler sind begangen worden. Aber ein Fehler ist nicht immer S c h u l d , s i t t l i c h e Schuld. Ich glaube an ein schuldl o s e s Leiden, ein unverschuldetes Unglück. Es dünkt mich eine außerordentlich oberflächliche Auffassung, daß der äußere Erfolg der letzte Richter über Gut und Böse sei. Ich kann mich nicht zu einer derart blinden Anbetung des äußeren Erfolges verstehen, daß ich in ihm die höchste Entscheidung über die Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit einer Sache erblicken sollte. Das scheint mir eine tote, längst überlebte Weltanschauung zu sein. Wenn die äußeren, sichtbaren Begebenheiten, Erfolg oder Mißerfolg das letzte Urteil über den inneren Wert oder Unwert einer Sache enthielten, dann bedeutete das nichts Geringeres, als daß in der Welt die Gerechtigkeit herrsche. U n d d a s g l a u b e ich n i c h t . Das bedeutete, daß wir das Himmelreich auf Erden hätten, daß alles wohl bestellt in der Wirklichkeit wäre, daß innerer Gehalt und Geschick einander deckten. Dann gäbe es gar keine Tragödie auf Erden. Die Gerechtigkeit steht mit der Wirklichkeit in einem ständigen Kampfe und r i n g t um ihre Bewährung, ihre Darstellung und Herrschaft auch in der äußeren Gestaltung der Dinge. Aber sie erringt die Verwirklichung in den Ordnungen und Geschicken des menschlichen Daseins bei weitem nicht immer. Auf diesen Kampf hin zwischen Ideal und Verwirklichung scheint mir das ganze Menschenleben eingestellt, geschaffen zu sein. Ein lächerlicher Wahn zu glauben, daß in den Schicksalen im Kleinen und Großen immer die sittliche Idee zur Ausführung komme, ihre Bestätigung finde. Dann wäre das Menschenleben nicht der unheimlich schwere Kampf, der es doch erfahrungsgemäß ist. Dies ist die erste Bedingung zur Wiedergeburt des deutschen Volkes, daß wir uns nicht mit einer schweren Schuld, die uns zu Boden drückt, beladen fühlen, daß wir trotz allen Ungemachs den Kopf hoch tragen, daß wir mit demselben Gefühl der Unschuld und des reinen Gewissens, mit dem wir in den Krieg eintraten, auch trotz der Niederlage aus ihm wieder herausgehen und uns an den Neubau unseres Staates unter den schwersten Umständen begeben. Wie wollen wir dieses schwerste Werk in Angriff nehmen, ohne die Überzeugung des inneren Rechts und der Würde unseres Volkes? Das Sündenbewußtsein hat noch niemanden stark gemacht.
Unser Volk hat die größte Tragödie erlebt, die je die Weltgeschichte gesehen hat. Denn die Tragödie bedeutet das schuldl o s e Leiden. Allerdings in unseren Schulen sind Lehrer und Schüler immer erst befriedigt, wenn sie die Schuld des tragischen Helden herausgeklaubt haben. Ein lächerlicher Anblick, die grünen Jungen über die erhabensten Gestalten menschlicher Einbildungskraft sittlich zu Gericht sitzen zu sehen. Zwar Fehler sind von den tragischen Helden begangen worden. Denn sonst stürzten sie nicht von ihrer Höhe ins Elend, sonst hätten sie ihre Lage gemeistert. Aber nun liegt das Tragische gerade darin, daß es gleichsam s c h u l d l o s e Fehler sind, daß die Helden durch das unentwirrbare Netz der Schicksalsverstrickung, der unaufhebbaren Umstände in diese Fehler hineingenötigt, hineingezwungen werden, daß sie sich ihnen gar nicht entziehen k ö n n e n , besonders im furchtbarsten Falle, wenn widerstreitende Pflichten, ein Zwiespalt der Pflichten auf ihre Seele eindrängt, daß sie in jedem Falle eine Pflicht verletzen m ü s s e n . D a s ist tragisch! Das Leben beruht auf einer Wechselwirkung zwischen Mensch und Umwelt. Ist der Mensch, zunächst der einzelne, nicht den gegebenen Umständen, den Anforderungen und Schwierigkeiten, die die Verhältnisse darbieten, gewachsen, so ist zumeist wohl ein sittlicher Mangel die Ursache. Aber auch das edelste Streben, das beste, reinste Wollen kann an der gegebenen Lage scheitern. So unglückselig, schwierig, unüberwindlich können die Verhältnisse gelagert sein, so spröde und grausam kann das Schicksal walten, daß auch das erhabenste und reinste Streben es nicht zu besiegen vermag, daß der Mensch fällt, aber stolz. Und eine solche Tragödie kann nun nicht nur über den einzelnen Menschen kommen, sie kann auch ein ganzes Volk heimsuchen, daß es in dem gerechtesten, lautersten Streben zerschellt. Das war das Schicksal des deutschen Volkes in diesem Kriege. Nur wenn wir uns von dieser Überzeugung durchdringen lassen, diese innere Beruhigung in unsere Seele aufnehmen, gleichsam einatmen, nur dann werden wir die noch weit schwierigere Aufgabe unseres Volkes n a c h dem Kriege, jetzt und künftig vollbringen können. 8
II.
Die Reichsgründung und Frankreich. Wie ist denn alles gekommen ? ich will nur die allerwichtigsten Hauptsachen erwähnen. Denn nicht der Erkenntnis der Vergangenheit dient diese Schrift, sondern der Aufklärung über die Gegenwart und deren Pflichten. Aus der heißen Not des Tages, die uns zu verzehren droht, ist sie geboren worden. Aber diese Gegenwart werden wir in ihrem Wesen, mit dem Schwergewicht ihres Schicksals nur verstehen lernen, wenn wir sie an die jüngste Vergangenheit anknüpfen, wenn wir wissen, aus welchen Bedingungen und Gefahren sie hervorgegangen ist. Das deutsche Reich war als letzte in den Kreis der europäischen Großmächte eingetreten. Es war eine N e u schöpfung. Und alles Neue befremdet, alles Neue erregt Widerwillen. Jahrhundertelang bedeutete Deutschland nichts als eine lose Sammlung völlig leistungsunfähiger, ohnmächtiger, wehrloser Zwergstaaten. Deutschland kein Staat, sondern ein unorganisierter Haufe, ein „geographischer Begriff." Besonders nach dem dreißigjährigen Kriege, der verhängnisvollsten Selbstzerfleischung, die je ein Volk an sich begangen hat, schien die staatliche Ohnmacht Deutschlands, seine Ausschaltung aus dem politischen Leben der Menschheit für immer vollzogen zu sein. Aber wunderbar — nach einem Jahrhundert konnte das verarmte, zerrüttete deutsche Volk der Menschheit die größten Dichter und Denker schenken. Und nicht nur g e i s t i g , wie meist irrtümlich geglaubt Wird, sondern auch p o l i t i s c h kündigte sich ein neuer Aufstieg an, in dem gleichzeitig emporstrebenden Staate Friedrichs des Großen. Es war das Überraschende für Deutschland und die Welt, daß dieser einzige Mann zum ersten Male nach Jahrhunderten einen deutschen Staat durch seine Genialität in den Kreis der Großmächte zu erheben und — was noch weit größer war — gegen den Ansturm ganz Europas mit einer Geduld und Kraft des Ausharrens, mit einer heldenhaften Zähigkeit, die das deutsche Volk in der ganz ähnlichen 9
Lage dieses Weltkrieges zu ewigem Unglück Deutschlands n i c h t bewiesen hat, zu behaupten vermochte. Aber dieser Ansturm Europas gegen Friedrichfden Großen zeigte bereits blitzhell die ganze Lage des politischen Zustandes in unserem Weltteil für die nächsten Jahrhunderte, die auf den e i n e n Gegensatz hinausläuft: E u r o p a g e g e n D e u t s c h l a n d , worin seitdem bis jetzt und auch künftig das politische Problem der europäischen Völker verankert ist. Das muß man sich klar machen, wenn man die Gegenwart überhaupt verstehen Will. Nicht erst seit heute und gestern, von langer Hand her beherrscht dieser Gegensatz das Geschick des europäischen Völkerkreises. Schon im Keime, im ersten Entstehen sollte die neue deutsche Großmacht erstickt werden — das bedeutete der siebenjährige Krieg. Friedrich der Große bestand die Probe. Der neue Staat blieb ungeschmälert. Er schien zwar nur aui zwei Augen zu ruhen und war doch sehr viel mehr als man Vermutete, wie sich später erweisen sollte. Auch das neue deutsche Reich — so möchte man heute urteilen — ruhte nur auf den zwei Augen Bismarcks, und doch, denke ich, wird auch hier wieder die Zukunft lehren, daß das deutsche Reich sehr viel mehr ist als eine. Eintagsschöpfung Bismarcks. Nur vorübergehend wurde die europäische Lage, die Spannung zwischen Europa und Deutschland, verdunkelt durch den gigantischen Plan Napoleons, ein europäisches Weltreich mit Frankreich an der Spitze zu schaffen, der ganz Europa in die Schranken rief. Aber schon unmittelbar nach Beseitigung dieser Gefahr, auf dem Wiener Kongreß, der die napoleonische Ära abschloß, trat unverhüllt die eine, alles beherrschende, die ganzen Verhandlungen und Abmachungen wie ein roter Faden durchziehende Tendenz der außerdeutschen Staaten zu Tage: n u r um k e i n e n P r e i s e i n e n s t a r k e n d e u t s c h e n S t a a t e r s t e h e n z u l a s s e n . Und wie dürftig waren damals noch die Hoffnungen und Wünsche des deutschen Volkes, wie bescheiden seine Ansprüche! Aber schon dieses Wenige war Europa zu viel. Deshalb wurde Elsaß nicht an Deutschland zurückgegeben, die trostlose Kleinstaaterei erhalten, der deutsche Dualismus befestigt und dies ganze deutsche Elend ausdrücklich, buchstäblich unter ausländische Kontrolle gestellt. Die Freiheitskriege brachten nicht die deutsche Freiheit. Denn ein 10
innerlich gespaltenes Volk wird nie die Freiheit haben, wird immer, vom Auslande abhängig, in fremden Frohndiensten stehen. Das sollten sich alle diejenigen gesagt sein lassen, die heute wieder an der Zerreißung Deutschlands geschäftig sind. Ob es die Uneinigkeit der deutschen Stämme und Landschaften, ob es der Parteihader ist, der gleichmäßig durch alle deutschen Stämme hindurchgeht, das ist belanglos. Ja diese Parteizerklüftung durch das ganze Volk hindurch, die der Krieg gezeitigt hat, ist noch viel furchtbarer und gefährlicher als die ehemalige Staatenzerklüftung. Denn sie legt a l l e Kräfte des Volkes lahm. Sie hat uns diesen Krieg verlieren lassen. Keine deutsche Angelegenheit, die in der Zeit zwischen den Freiheitskriegen und Bismarck nicht im Auslande entschieden worden wäre. Österreich und Preußen buhlten gleichsam immer um die Wette nach der Gnade und Einmischung des Auslandes, besonders bei Rußland. Es war ein Zustand, der an nationaler Würde und Kraft noch hinter der Zeitlage Friedrichs des Großen zurückstand. Aber jetzt waren es nicht einzelne geniale, führende Männer, die auf Besserung sannen. Zum erstenmal seit der Reformation und dem Bauernkrieg sprach das deutsche Volk — ein gewalliger Fortschritt! Erst leise grollend, bald vernehmlicher und immer gebieterischer verlangte es Beseitigung der verächtlichen Zustände, die nach dem Ausspruch Lagardes aus den 50er Jahren als „eines großen und begabten Volkes unwürdig" empfunden wurden. Es forderte, was immer eng miteinander verbunden, ja im Grunde ein und dasselbe ist: E i n h e i t u n d Freiheit. Aber der gute Wille allein tuts nicht, überall nicht, am wenigsten in der Politik. Bismarck brach die unwürdige Knechtschaft Deutschlands, indem er es innerlich einte und stark nach außen machte. Er hob nach seinem treffenden Ausdruck „Deutschland in den Sattel", in der festen Zuversicht, es würde reiten können. Darin hat er sich getäuscht, es ist jämmerlich aus dem Sattel geschleudert worden. Nicht nur hinter Bismarck, hinter die Freiheitskriege, hinter Friedrich den Großen droht Deutschland zurückgeworfen zu werden, nein, bis in die Verarmung, Zerrüttung, in die trostlose Auflösung des 30 jährigen Krieges, ja 11
ins dunkelste Mittelalter völliger Anarchie scheint Deutschland zurückzusinken. Es ist heute a l l e s möglich, man täusche sich nicht. Vor uns gähnt der Abgrund. Zwei Jahrtausende hatten wir gebraucht, einen deutschen Staat zu schaffen. Endlich war er geschaffen worden und zwar kraftvoller, härter, stählerner als nur je die deutsche Sehnsucht ahnen konnte. Aber für ein einziges kurzes Menschenalter nur, für wenige Jahrzehnte nur! Da liegt er bereits wieder zerschmettert, zerfetzt am Boden. Das ist die deutsche Tragödie! Wie konnte das Ungeheure geschehen? Doch zuvor Bismarcks Werk selbst, von dem man heute meint, daß er, wie am Aufbau seines Werkes, so auch zugleich an seiner Zerstörung Schuld gewesen sei, daß er mit seiner Schöpfung zugleich auch den Keim des Todes in sie hineingelegt habe. Was glaubt nicht alles unser vom Wahnsinn geschlagenes, betäubtes Geschlecht. Der Hauptvorwurf, der der letzten Generation zu machen ist, liegt darin, das sie Bismarck nicht verstanden hat, daß sie nicht die tieferen Andeutungen seines Werkes, d i e ü b e r ihn s e l b s t h i n a u s w e i s e n , an die die Zukunft hätte anknüpfen müssen, erkannt, aufgegriffen, fortgebildet hat. Denn darin besteht nicht das Verständnis eines großen Mannes, daß man ihn anbetet und bewundert, möglichst sein Erbe zu „wahren" sucht. Denn mit diesem Bewahren und Erhalten v e r s c h l e u d e r t man es. Die Zeit ruht nicht, sie schreitet auch über die Größten hinweg, sie fordert stündlich n e u e Entschlüsse, n e u e Taten. Wehe, wenn ein Zeitalter in den Gedanken und Taten eines Helden einen dauernden Schlüssel für die eigenen Aufgaben zu besitzen wähnt. Das echte Verständnis eines großen Mannes wurzelt umgekehrt darin, daß man seine Bedingtheiten erkennt, daß man die Mängel, Einseitigkeiten, UnVollkommenheiten seiner Schöpfung, die unter s e i n e r Hand, zu s e i n e r Zeit Notwendigkeiten, vielleicht gar Vorzüge, Zeichen der Größe gewesen waren, aufspürt, um sie umzuschaffen. Das heißt das Erbe eines Großen antreten! Wir haben uns auf Bismarck schlafen gelegt, wie das Zeitalter, welches dem Großen Friederich folgte, auf dessen Lorbeeren ausruhte. Das ist unser Verhängnis geworden. Nietzsche schreibt in seiner Jugend, er habe, als er mit 12
den Werken Schopenhauers bekannt wurde, gewußt, daß er jedes Wort lesen werde, welches von diesem Manne erhalten sei — und zwar „lesen", wie er es verstand, nämlich die Lebenskraft, den Lebensstrom aufnehmen, der von ihm ausgeht. Ich gestehe, daß es mir mit jenen b e i d e n Männern, dem großen Denker und großen Staatsmann der letzten Generation ebenso ergangen ist. Soll der lebendige Begriff der Philosophie, wie ihn Nietzsche aufgestellt hat, verwirklicht werden, so darf sie nicht nur allgemeine Theorie bleiben, dann muß sie auch den Mut der Anwendung haben, der Übertragung der gewonnenen Einsichten, Grundsätze auf das unmittelbar flutende Leben. Das mag unerreichbar sein. Aber ist nicht j e d e s Ideal unerreichbar? Und muß man nicht dennoch mit Aufbietung aller Kraft nach ihm streben? „Große Politik" nannte Nietzsche diese gewaltige Aufgabe. Es ist die Erneuerung der platonischen Auffassung der Philosophie. Mir klang immer das Wort Goethes von den Dichtern ins Ohr: „Gebt ihr euch einmal für Poeten, so kommandiert die Poesie!" Wo Will man denn das echte Menschentum — und ohne Erkenntnis des Menschentums doch auch keine Weltanschauung! — wo will man es finden, wenn nicht bei dem großen Menschen, aber dem großen Menschen der T a t ? Sonst sind ja alle Gedanken zur Unfruchtbarkeit verurteilt. Es mag befremdend klingen, aber um philosophischer Einsichten willen, als das letzte größte, mächtigste Bild des Menschen, dessen wir ansichtig geworden, suchte ich die Gestalt Bismarcks zu begreifen. Und um so weniger er selbst daran gedacht hat und denken durfte mit seinem Wirken etwas Menschliches als solches darzustellen, ein Grundgesetz, eine menschliche Wahrheit zu verkörpern, umsomehr erregte er meine Wißbegier, weil er ganz unbefangen, ungekünstelt, frei und elementar sein Wesen ausgelebt, ausgeströmt hat. Wie man in die Natur hineinschaut, in der sicheren Zuversicht, daß sie nicht täuscht und scheint, sondern unabsichtlich ihren Charakter offenbart, so schien es sich mir auch mit dem großen Menschen zu verhalten. J a , ich kann wohl sagen, ich habe mir fast meine ganze Weltanschauung am Anblick dieses Mannes gebildet, seinem Wesen und Schaffen abzulauschen gesucht. Und als was stellt sich denn Bismarck dar? A l s d i e Dämonie, die sich s e l b s t b e h e r r s c h t . 13
Als der Imperialist und Gewaltmensch, als der brutale Autokrat nach innen und außen — so lebt Bismarck in den Köpfen der Gegenwart, dieser unwissenden, gedankenlosen Gegenwart. Umgekehrt, es hat nie einen machtvolleren, stärkeren Menschen gegeben, der sich in dem Grade wie Bismarck in der Gewalt gehabt hätte, der Grenzen s e i n e r Macht und der Macht überhaupt bewußt gewesen wäre. Darin gerade besteht seine einzige Größe, das ist seine unterscheidende Stellung unter allen großen Männern der Vergangenheit, daß er nie seine Macht, die Macht seines Volkes überspannt hat. Eine Politik über diese Grenzen hinaus, etwa wie die, die uns in diesen Weltkrieg hineingerissen hat, tollkühn gegen alle Großmächte der Welt, eine Politik, die die deutschen Heere über ganz Europa jagte — das ist so unbismarckisch, so gegen a l l e seine Grundsätze und Ziele, daß man einen größeren Gegensatz sich gar nicht vorstellen kann. Macht — das war sein oberster Grundsatz, nach dem er handelte — darf man nur dort ausüben, dort anstreben, wo man ein inneres, sittliches R e c h t dazu hat, wo man gewiß ist, diese Macht auch dauernd behaupten zu können, wohin seine Macht zu erstrecken und fühlen zu lassen, man durch die allernotwendigsten, all ersittlichsten Lebensbedingungen des eigenen Volkes g e z w u n g e n wird. Von allem anderen hat man seine Hände fern zu halten. Bismarck war ein außerordentlich kluger, vorsichtiger R e c h n e r . Das war das Sonderbare an diesem unheimlich starken Menschen — stark deshalb, weil er das M a ß seiner Stärke kannte — d a ß e r s i c h n i e m a l s nur auf s e i n e e i g e n e K r a f t , die K r a f t d e s e i g e n e n V o l k e s v e r l a s s e n h a t . Darin liegt das Geheimnis seiner Erfolge. Das war an ihm das Geniale. Im Gegensatz zu dem Geschrei seiner ebenso begeisterten wie beschränkten Zeitgenossen erwarb er Schleswig-Holstein, das Land des späteren Nordostseekanals, des Kieler Hafens — wahrlich eine Lebensnotwendigkeit des deutschen Volkes! — im Bunde mit dem damals noch hochgeachteten, starken Österreich, um gegen den europäischen Areopag und dessen Einspruch gesichert zu sein. 1866 errang er den Sieg über Österreich — eine unerbittlich notwendige Auseinandersetzung zur Aufhebung des Dualismus in Deutschland — mit Rückendeckung von Seiten Rußlands, desgleichen den Sieg über Frankreich 14
1870/71 ebenfalls mit Rückendeckung nach Rußland hin. Er stand in der entscheidenden Stunde nie allein. Aber, so meint man, den Krieg gegen Frankreich habe Bismarck vom Zaune gebrochen. Das sei keine Lebensbedingung des deutschen Volkes gewesen. Damit habe er den tragischen Knoten geschürzt, die ewige Feindschaft zwischen Frankreich und Deutschland entzündet und somit die letzte Ursache für den gegenwärtigen, für Deutschland so unheilvollen Weltkrieg geschaffen. Wer nicht die Politik der s e c h z i g e r J a h r e d e s l e t z t e n J a h r h u n d e r t s k e n n t , d e m s p r e c h e ich j e d e s U r t e i l ü b e r d e n W e l t k r i e g u n d d e s s e n U r s a c h e n ab. Darum greife ich auf jene Zeit zurück, weil nur dort das Verständnis für das ungeheure Geschehen der Gegenwart zu gewinnen ist. Ich frage zunächst: hatte Deutschland ein inneres Recht sich zu einigen, nach einer einheitlichen politischen Gestaltung zu streben? Von der Beantwortung dieser Frage hängt a l l e s ab. Oder hatte die außerdeutsche, europäische Welt ein Anrecht darauf, daß Deutschland immer und ewig ein brüchiges, haltloses Konglomerat elender, ständig einander verfeindeten sich gegenseitig zerraufender Kleinstaaten bleibe, daß es auf die staatliche Einheit, die die westlichen Völker seit Jahrhunderten errungen hatten, ein für allemal zu verzichten hätte ? Nämlich, wenn wir diese Frage beantworten, wie sie jeder Deutsche beantworten muß, so ist hinzuzufügen, d a ß F r a n k r e i c h s i c h d i e s e r E i n i g u n g D e u t s c h l a n d s mit s e i n e r ganzen Macht w i d e r s e t z t e , die d e u t s c h e Einigung m i t a l l e n M i t t e l n zu h i n t e r t r e i b e n s u c h t e , s o d a ß diese E i n i g u n g nur mit einem S i e g e ü b e r F r a n k r e i c h z u e r r i n g e n war. Das haben wir dem französischen Volk, welches von Bismarck alles Unheil herleitet, haben wir vor allem den deutschen Verleumdern des Reichsgründers ins Gesicht zu schleudern. An irgend einen ehrwürdigen, begeisterungweckenden Namen, an irgend eine deutsche Größe müssen wir uns doch in dieser Stunde düsterer Verzweiflung halten, an irgend einen Helden uns anklammern, der uns Symbol und Fahne werde, Ermunterung, Hoffnung, Stärke gebe, unter dessen Zeichen 15
und Segen wir wieder aufstehen können, wie Friedrich der Große das durch Napoleon niedergeworfene Preußen wieder auferweckte und belebte. Ich schicke voraus, ich sehe nur in der Demokratie die deutsche Rettung. Die großen Staatsmänner der Befreiungszeit, Stein, Hardenberg, Humboldt suchten nicht durch Wiederherstellung des Friedericianischen Staates, sondern umgekehrt durch Mündigmachung des Volkes, durch das Volk selbst Staat und Volk zu retten. Und doch war der absolute Fürst, der große Friedrich, der belebende Geist, der das gesunkene Vaterlands- und Staatsgefühl wieder entfachte. So müssen auch wir zu Bismarck stehen. Weitab von seinem Staate wird uns das kommende Deutschland führen, fast zu dessen Gegensatz. Und doch werden wir mit diesem neuen Deutschland nur s e i n Vermächtnis, s e i n Reich, s e i n e Schöpfung wieder aufzurichten und zu schützen haben. Die Scham vor ihm drücke uns zu Boden. Aber der Anblick seiner Stärke hebe uns wieder empor, gebe uns Heldenkraft, auch das Furchtbarste zu ertragen, durch das Furchtbarste klaglos, aber mit unbeugsamem Willen hindurchzuschreiten. Nur wer sich selbst aufgibt, ist verloren. Zu diesem Zwecke aber müssen wir sein Bild reinigen von den entstellenden, verzerrenden Zügen, die die Feinde aus begreiflichem Haß, der deutsche Verrat aber aus unbegreiflicher Verblendung und Selbstzerstörungswahn ihm angedichtet haben. Ein Volk, das seine Helden nicht ehrt, muß untergehen. Frankreich war nach der Niederwerfung Napoleon I. und seiner Weltmacht alsbald Wieder der führende Staat auf dem europäischen Festlande. Italien war zerrissen und ohnmächtig, Deutschland zerrissen und ohnmächtig. Österreich und Rußland lagen weit, letzteres war schwerfällig, ungefügig. Kein Zweifel, bis 1870 erstrahlte Frankreich wieder im Glänze der ersten europäischen Festlandsmacht wie seit Jahrhunderten. Nun aber begannen sich in Deutschland die Einigungsbestrebungen zu regen und zwar mit Aussicht auf Erfolg. Darin erblickte Frankreich eine Bedrohung, das erschien der französischen Staatskunst als eine Unerträglichkeit. Dieser Entwicklung trat Frankreich entschlossen in den Weg. Es sollte keine Frankreich ebenbürtige deutsche Großmacht geben.
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Die allgemeine Ansicht bei uns war lange Zeit die, daß e s Napoleon III. persönlich gewesen sei, der diese Politik verfolgte. Das ist ein großer Irrtum. Er wäre schon geneigt gewesen, mit Bismarck und Preußen sich friedlich auseinanderzusetzen, einer gefährlichen Waffenentscheidung auszuweichen. Das f r a n z ö s i s c h e Volk, der v e r l e t z l i c h e Ehrgeiz des französischen Volkes, sein schrankenloser E i g e n d ü n k e l w o l l t e n um k e i n e n P r e i s d i e d e u t s c h e Einigung dulden. Man bekümmere sich um die Verhandlungen der französischen Kammer in den sechziger Jahren. Man wird dort finden, daß jeder Schritt vorwärts auf der Bahn zur Einigung in Deutschland stets als eine Niederlage der französischen Diplomatie ausgelegt wurde. Als selbstverständliches Gebot der französischen Staatskunst galt, den Zwiespalt und die Zerrissenheit Deutschlands unter allen Umständen aufrecht zu erhalten. U n d d a s i s t d a s Z i e l F r a n k r e i c h s h e u t e n o c h . Darin ist es sich treu geblieben. Die Rückeroberung Elsaß-Lothringens ist für Frankreich neben der vermeintlichen Rechtsfrage in erster Linie eine M a c h t frage, nämlich der Besitz der deutschen Westmark. Zum Zwecke des Erwerbs des ganzen übrigen linken Rheinufers läßt Frankreich jetzt alle Minen der Versuchung springen und — ich spreche es offen aus, was dürfte uns hindern in dieser ungeheuerlich ernsten Stunde unseres Volkes die Wahrheit zu sagen — es gibt keine Niedrigkeit, keine Gemeinheit, keinen Verrat, den ich nicht heute u n deutschen Deutschen zutraute. Man muß heute in Deutschland auf a l l e s gefaßt sein. Das ist die bittergrausame Erkenntnis, die wir uns nicht verschleiern dürfen, der wir fest ins Antlitz schauen müssen. Warum die Deutschen wohl immer die Treue preisen? Die Menschen loben und schätzen häufig gerade diejenigen Tugenden, welche sie von Natur n i c h t haben, die ihnen mangeln. Ein Volk, das ganz von selbst, naturhaft gegen sich treu ist, braucht nicht die Treue zu preisen. Und blicken wir vorurteilsfrei, mit unbestechlichem Wahrheitssinn in unsere Vergangenheit, dann müssen wir wehmütig und schmerzlich bekennen: d e r n a t i o n a l e V e r r a t s c h r e i t e t mit u n h e i m licher G e w a l t durch die g a n z e d e u t s c h e G e s c h i c h t e h i n d u r c h . Endlich, seit der Schöpfung des deutschen Staates, 2
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glaubten wir, sei dieser grausige Erbfluch aus unserem W e s e n ausgetilgt, in das tiefste Meer der Vergessenheit versenkt. Aber siehe da, nach der höchsten Erhebung unseres Volkes in jener einzigen, wahrhaft seligen Stunde des Jahres 1914, die ach! so kurz, so erschreckend kurz gewesen ist, seitdem erhebt der deutsche Verrat wieder frecher und schamloser denn je sein Haupt. Man glaube nicht, daß ich deshalb verächtlich vom deutschen Volke denke. Wie k a n n man überhaupt sein Volk verachten und sich von ihm lossagen ? Das hieße sich selbst die Lebenswurzel zerschneiden. Man muß e s lieben mit all seinen Fehlern, Wie man Eltern und Kinder liebt, w i e s i e s i n d . Es gibt für mich kein stärkeres, naturhafteres Gefühl als das zum Vaterlande, und um so tiefer, inbrünstiger erklingt e s gerade jetzt in uns, da unser Volk so tief gesunken ist, so sehr der Hilfe bedarf. Helfen aber kann man nur einem Wesen, das man auch in seinen Gebrechen und Fehlern durchschaut. Folgende Auffassung habe ich von den Deutschen: sie haben unter allen gegenwärtigen Völkern die r e i c h s t e S e e l e . Sie sind nach meiner festen Überzeugung das begabteste, a l l s e i t i g begabteste Volk. Aber nun ist das Kennzeichen, der fast unvermeidliche Fehler jeder reichen und großen Begabung, wie jeder Seelenkenner wissen muß, daß sie den stärksten Versuchungen ausgesetzt ist, weil sie alle G e g e n sätze, alles nur denkbare Menschliche und Unmenschliche in sich birgt, alle Tugenden und Untugenden, Faust und Mephisto, Gott und Teufel, Gut und Böse. So ist der Deutsche. Er hat eine w ü s t e Seele, denn er ist g e n i a l . Die geniale Natur aber ist am leichtesten der Entartung ausgesetzt, dem inneren Verfall und der sittlichen Zersetzung preisgegeben, wie das Leben tausendfach lehrt, weil sie mit ihrer Vielfältigkeit nicht fertig zu werden weiß, ihren Reichtum und ihre Fülle nicht bändigen, nicht ordnen, beherrschen kann. Deshalb bedarf die große und reiche Natur, wie gleichfalls alle Weisen von jeher wußten, am all erdringendsten der Erziehung. Die Erziehung aber — das ist mein weiterer Glaube — vermag zwar nicht beim Einzelnen, aber bei Völkern, wenn sie dauert, sich über weite Zeiträume erstreckt, a l l e s . Und das ist für mich der Grund, weshalb ich auch in dieser trostlosesten Zeit nicht ver18
zweifle. Mit der Erziehung können wir das deutsche Volk noch zu a l l e m befähigen. Ich komme darauf zurück. Nur auf diese W e i s e kann ich es mir erklären, daß auch der Verrat in der deutschen S e e l e nistet, daß der Appell an den Verrat von Seiten der Feinde Deutschlands fast nie vergeblich gewesen ist. Ich mußte diese Abschweifung einschalten, um das Verhältnis der französischen Politik gegenüber den deutschen Einheitsbestrebungen zu erklären. W a s Frankreich jetzt tut, tat es auch schon Mitte des letzten Jahrhunderts. Und was tut es j e t z t ? E s nimmt als selbstverständliches Recht Elsaß in Besitz. Und die E l s ä s s e r ? Mochte die deutsche Politik dort so ungeschickt und fehlerhaft wie möglich gewesen sein, — hält man es für denkbar, daß i r g e n d ein Stammesglied i r g e n d eines anderen europäischen Volkes, der Engländer, Franzosen, Italiener, Tschechen, Polen, Russen, Nordländer, sei es wer es sei, das Land und Volk seiner Sprache, Abstammung, Bildung, verlasse und zum Nationalfeind mit fliegenden Fahnen übergehe ? Das ist deutscher Verrat! Einen Vorhang darüber! Das kennt die Weltgeschichte nur ein einziges M a l ! Aber auch in dem ganzen übrigen linksrheinischen Lande ködert Frankreich in dem gleichen Sinne. J a auch über den Rhein hinüber, nach Süddeutscliland streckt es seine Fangarme der Versuchung aus. Und was das deutsche Österreich anbetrifft, so ist es ausgemacht, daß dort in gewissen Kreisen der Verrat am Deutschtum die üppigsten Blüten treibt, in dem Bestreben, den Anschluß an das Reich zu vereiteln, und ebenso ausgemacht, daß hierbei die französische Diplomatie ihre Hand im S p i e l e hat. Und als ganz sicher kann man betrachten, daß Frankreich bei den anderen Mächten, bei dem Weltgerichtshof, der in der Friedenskonferenz zur Abstrafung Deutschlands zusammentreten wird, Himmel und Hölle in Bewegung setzen wird, um die Vereinigung Deutsch-Österreichs mit dem bisherigen Reich hintenanzuhalten, diese Vereinigung unter keinen Umständen zur Tat werden zu lassen. Frankreich betrachtet es eben als s e i n , Frankreichs ganz selbstverständliches Anrecht, daß es über die deutsche Uneinigkeit zu wachen habe. In seinem berühmten Aufsatz über die großen Mächte erzählt Ranke, daß der französische Kardinal Fleuiy im J a h r e 2*
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des Regierungsantrittes Friedrichs des Großen den Plan faßte und bei der anscheinenden Schwäche des damaligen Österreich zu verwirklichen suchte, „in Deutschland Vier, ungefähr gleich mächtige Staaten nebeneinander zu errichten." „Wie leicht hätte über vier solche Staaten, die sich ihrer Natur nach niemals mit einander verstanden haben würden, Frankreich dann eine immerwährende Oberhoheit behauptet!" Damals machte in der entscheidenden Stunde Friedrich der Große mit der Schöpfung der preußischen Großmacht einen Strich durch den feineingefädelten Plan. Aber dies ist das wahre Ziel der französischen Politik bis heute geblieben. Auf deutschem Boden nach Belieben Staaten zu schaffen, zu dulden oder nicht zu dulden, hat Frankreich von jeher als seine Domäne, seine Befugnis betrachtet. Und Deutsche hat es immer genug gegeben, die dieses Recht Frankreichs auch anerkannten, sich ihm knechtisch beugten. Erstaunlich ist, wie gleichbleibend und dauernd die politischen Ziele, wenigstens bei den älteren, durch die Geschichte festgewordenen Völkern sind. Die gleiche Tendenz bricht immer wieder durch, kehrt ständig wieder. Das lehrt die Politik Frankreichs, Englands, auch Rußlands. Nur Deutschland leistet sich das ergötzliche Schauspiel einer ständigen Schaukelpolitik. Die Beständigkeit der Politik der anderen Völker beruht in ihrer politischen und geographischen L a g e , wie in ihrem Charakter. Frankreichs Hauptziel aber war von j e und ist noch jetzt: die Zersplitterung Deutschlands. Das war sein Ziel im 17. Jahrhundert, zur Zeit des 30 jährigen Krieges, dies sein Ziel im 18. Jahrhundert, zur Zeit Friedrichs des Großen und dies unverändert im 19. Jahrhundert in der Zeit Bismarcks, als die deutschen Einigungsbestrebungen endlich erfolgreich zu werden versprachen. Wenn das seitdem, in der Zwischenzeit bis zur Gegenwart, weniger zu T a g e getreten ist, so war der einzige Grund nur, weil Frankreich vorübergehend in dieser Tendenz von Bismarck matt gesetzt worden war. F r a n k r e i c h war e s , das mit d i e s e r P o l i t i k der H e m m u n g oder Z e r s t ö r u n g der d e u t s c h e n N a t i o n a l e i n h e i t j e n s e i t s d e r ihm s i t t l i c h g e b o t e n e n G r e n z e n w i r k t e und den F r i e d e n der W e l t z e r s t ö r t e . Das ist s e i n e u n g e h e u r e Schuld. Dieser französische 20
M a c h t w i l l e hat die f u r c h t b a r e Z e r r ü t t u n g , das ganze entsetzliche Elend über Europa gebracht, d a s s i c h in d i e s e m W e l t k r i e g e e n t l a d e n h a t . Das soHte jeder Deutsche wissen. Das Jahr 1866, die Entscheidung zu Gunsten der deutschen Einheit empfand der Ehrgeiz des französischen Volkes Wie eine unerträgliche Wunde auf seiner S e e l e brennen. Der Versuch der Einmischung bei dem Frieden von Nikolsburg zeigte Bismarck sonnenklar, wie die Lage war, daß die deutsche Einigung nur durch einen siegreichen Kampf mit Frankreich zu erringen war. Dieser Entscheidung ist der hellblickende Staatsmann nicht ausgewichen, k o n n t e er nicht ausweichen. Bismarck erstrebte schlechterdings nichts anderes, als, wie er es ausdrückt, den Zusammenhalt und die Festigkeit, deren sich die anderen europäischen Nationen seit Jahrhunderten erfreuen, auch für Deutschland zu erkämpfen. Nie hat ein Staatsmann auf besserem Recht gefußt. Aber die M i t t e l , wendet man ein, deren er sich hierbei bediente, die Mittel der Gewalt, der Krieg — damit habe er den europäischen Frieden im Mark getroffen. Aber dann sage man doch, wie er auf gütlichem W e g e gegen Österreich und Frankreich die deutsche Einheit hätte durchsetzen sollen. Den jetzt geplanten Völkerbund mit den internationalen Rechtsmitteln gab es damals noch nicht. Kein praktischer Staatsmann konnte damals daran denken. Die anderen Völker konnten für ihre sittlichen oder unsittlichen Zwecke nach Herzenslust Krieg führen. Man denke an den Krimkrieg, den französischösterreichischen Krieg. Nur Deutschland sollte hübsch ruhig hatten, einen seiner Volkskraft gänzlich unwürdigen Zustand für alle Ewigkeit geduldig hinnehmen. Das heißt denn doch mit doppeltem Maße messen! E s blieb Bismarck keine Wahl. Aber vielleicht räumt man ein: Bismarck war im Recht mit dem Streben nach deutscher Einheit, er war weiter im Recht, diese Einheit auch um den Preis eines Krieges mit Frankreich ins Werk zu setzen. Aber der Friede, den er als Sieger mit Frankreich schloß, die Milliarden, die er nahm, vor allem die Abtretung von Elsaß-Lothringen, die er forderte, das sei sein großer Fehler gewesen, damit habe er den Gegensatz zwischen Frankreich und Deutschland unversöhnlich gemacht 21
und so wider Willen sein eigenes Werk zerstört. Wie klug doch unsere Politiker sind! Daß Bismarck Verständnis für einen m i l d e n Frieden hatte, hat er gegen Österreich 1866 wahrlich bewiesen. Von welcher Tragweite der Einsicht, der Selbstbeherrschung, der Weisheit war dieser Friede geleitet! Wenn er 1870 den entgegengesetzten Weg einschlug, den Weg stärkster Sicherung, so muß Bismarck hierfür doch wohl sehr triftige Gründe gehabt haben. Und er h a t t e sie. Sie lagen in dem Charakter des französischen Volkes. Man kann keine Politik treiben ohne Völkerpsychologie, und zwar meine ich nicht jene allgemeine Völkerpsychologie, die die fernsten Völker der Erde aufsucht und nach allen Richtungen hin auf ihre Gewohnheiten, Anschauungen, Sitten durchforscht, sondern die Völkerpsychologie, die die gegenwärtigen, die großen Kulturvölker erforscht, welche Deutschland umgeben, mit denen es Deutschland zu schaffen hat. Darüber lehrt die psychologische Wissenschaft der Gegenwart nichts, dafür hat sie kaum Interesse. (Ganz anders Kant, der als echter Philosoph für solche Fragen das brennendste Interesse hatte). Und gäbe es hierüber wissenschaftliche Studien, so blieben sie ja doch wieder nur wie alles andere auf die betreffenden Fachkreise beschränkt. Das Fachwesen, so notwendig es ist, hat in seiner Alleinherrschaft uns den größten Schaden zugefügt. Alles blieb ungenützt liegen, nichts wurde ausgewertet, nichts allgemeines Besitztum der Nation zu ihrer Erziehung tmd Stärkung. D a s f r a n z ö s i s c h e Volk ist d a s e h r g e i z i g s t e Volk der Erde. Eine W u n d e , die s e i n e m E h r g e i z , s e i n e r R u h m s u c h t g e s c h l a g e n ist, kann es nie verwinden. Das ist bekannt. Weniger bekannt aber ist, daß dieser Ehrgeiz ganz vorzüglich auf militärischem Gebiete seine Nahrung sucht. Das französische Volk hat große Kulturwerte in die Wagschale zu werfen. Sie gelten ihm alle nichts im Vergleich zum militärischen Ruhm. Davon lebt es geradezu. Ich behaupte entschieden: das f r a n z ö s i s c h e V o l k ist d a s m i l i t ä r i s c h s t e d e r g a n z e n K u l t u r w e l t d e r G e g e n w a r t , so befremdend das manchem klingen mag. Das Handgreiflichste, Offenbarste, weil Gewohnteste, wird ja bekanntermaßen am leichtesten übersehen. Durch die staunenswerte Regiekunst 22
der englischen Presse ist ja in diesem Kriege schlechthin a l l e s auf den Kopf gestellt, verfälscht, ins Gegenteil umgedichtet worden. W i r sollen das militärischste Volk sein! Und selbst Deutsche glauben das und sprechen es gedankenlos nach. Nur aus N o t und b i t t e r s t e r N o t w e n d i g k e i t , weil wir v o n a l l e n S e i t e n in d e r Z e i t u n s e r e r O h n m a c h t v o n unseren h a b g i e r i g e n Nachbarn überflutet und zert r e t e n w u r d e n , h a b e n wir uns sehr s p ä t die militärische Rüstung angelegt. Und wir haben sie immer sträubend, widerstrebend, nur mit innerem Widerspruche getragen, aus Zwang, w e i l e s s c h l e c h t e r d i n g s nicht a n d e r s g i n g . Und die deutsche Disziplin, die vielgerühmte — von Hause aus haben wir in unserem Charakter nicht die Spur von Disziplin. Jeder Deutsche ist ein Querkopf, jeder will alles besser wissen, keiner sich unterordnen. Darum haben wir es ja in zwei Jahrtausenden zu keinem Staat gebracht, weil wir jeder Ein- und Unterordnung unfähig sind und alles auseinanderstrebt. Nur aus dem unausweichlichsten Zwange schwerster Not heraus, an einer der gefährdetsten Grenzstellen unseres Vaterlandes haben wir unter den endlosen Kämpfen zwischen Schweden, Russen, Polen spät, sehr spät die preußische Disziplin geschaffen und haben sie dann nur äußerst langsam und mühsam, stets gegen den leidenschaftlichsten Protest unserem Volke anerzogen und angezüchtet. Und nun haben wir dieses wahre Wunderwerk der Erziehung, eine Leistung, wie sie kein anderes Volk in tiefstem Gegensatze zu seiner innersten Natur je zu Stande gebracht hat, dieses wahre Triumphstück der Volkserziehung aller Zeiten — nun haben wir e s mit einem Male wieder in tausend Scherben geschlagen und von uns geschleudert. Und das Gräßliche dabei ist, daß wir es gar nicht aus eigenem Antriebe getan haben. Denn wer hätte noch vor kurzem an so etwas auch nur gedacht! Das Schmähliche ist, daß wir es nur auf Befehl und Geheiß des Auslandes taten, weil Lloyd George und Wilson es wollten, befahlen. O, diese dummen, dummen Deutschen, wie sie schon Luther gescholten, der wahrlich die Deutschen liebte und hoch von ihnen dachte. Aber ob ihrer Abhängigkeit und Liebedienerei dem Auslande gegenüber konnte er sie nicht hart genug schelten, weil sie in ihrer Dummheit von dem schlauen Auslande sich den letzten 2a
Heller aus der Tasche locken ließen. Das ist im Grunde auch heute noch so. Das Ausland braucht nur etwas auszusprechen, nur einen Wink zu geben — sofort lauscht der Deutsche und, was noch schlimmer ist, er t u t auch sofort, was das Ausland fordert. Mit dem Gehorsam gegen die eigenen Führer ist er weniger eilig. In ihnen sieht er, wie der törichte Schüler in seinem Lehrer, den natürlichen Feind, dem er ein Schnippchen zu schlagen habe. So grenzenlos dumm! Es wäre zum verzweifeln, wenn das Verzweifeln überhaupt gestattet wäre. Wieder bin ich abgeschweift. Aber ein solches Meer des Wahns und Irrtums, der ungeheuersten Fälschung ist über unser armes deutsches Volk, erst über die Welt und dann über Deutschland selbst von England ausgegossen worden — denn dort sitzt die Quelle, dort der Drache, der Gift brütet und über den Erdball spritzt — daß es einer wahren Herkulesarbeit bedarf, um diesen Augiasstall des Wahns, der Fälschung auszukehren. Man lasse sich nichts vormachen: d i e F r a n z o s e n s i n d d i e l e i d e n s c h a f t l i c h s t e n Mi 1 i t a r i s t e n d e r W e l t . Köstlich, aber wahrheitsgetreu ist, was wieder Ranke von den Kriegen und Feldzügen Ludwigs XIV. sagt: „Man darf annehmen, daß diese Gesinnung (der Sinn für äußere Großartigkeit und Pracht) der vornehmste Antrieb selbst seiner Kriegslust war. Schwerlich war gerade eine ausschweifende Ländergier in ihm; von einer weit umsichgreifenden Eroberung war eigentlich nicht die Rede. Wie die Feldzüge selbst nur eben mit zu den Beschäftigungen des Hofes gehören — man versammelt ein Heer, man läßt es Vor den Damen paradieren; alles ist vorbereitet; der Schlag gelingt; der König rückt in die eroberte Stadt ein, dann eilt er zum Hofe zurück — so ist es hauptsächlich diese triumphierende Pracht der Rückkehr, diese Bewunderung des Hofes, worin er sich gefällt; es liegt ihm nicht so viel an der Eroberung, an dem Kriege, als an dem Glänze, den sie um ihn verbreiten". Wie damals der französische König empfand, empfindet noch heute das ganze französische Volk. Das muß jeder bestätigen, der nur eine Spur von Menschenkenntnis besitzt. Wie will man sich Napoleon I. und sein ganzes Zeitalter anders erklären als durch den wahnwitzigsten militärischen Rausch, der 24
wie ein Dämon ihn und das französische Volk befallen hatte. Und das sitzt trotz aller Wandlung der Staatsverfassung auch heute noch den Franzosen im Blute. Bismarck hätte Frankreich 1871 die Milliarden und ElsaßLothringen lassen, hätte ihnen noch wer weiß was obendrein schenken können, die Franzosen hätten dennoch niemals die Niederlage von Sedan vergessen. Rache, Rache wäre ihre Losung gewesen. Wie jahrzehntelang auf die Vogesen hätten sie dann unentwegt gegen den Rhein gestiert. Nicht um einen Deut geringer wäre ihr Haß gewesen. Mit diesem Haß beladen mußte das Deutsche Reich in das geschichtliche Leben eintreten, das war sein Verhängnis. Das wußte Bismarck. Nur durch die ungeheure Angst vor Deutschland— 1870/71 hatte ihnen einen heillosen Schrecken bereitet — war der militärische Ehrgeiz der Franzosen vorübergehend gedämpft worden. Sobald die internationale Lage einen siegreichen Krieg in Aussicht zu stellen schien, schnellte er sofort wieder empor. Es war nicht diplomatischer Schachzug, wenn Bismarck fortgesetzt die Franzosen als die unruhigste, kriegslustigste, militärischste Nation von ganz Europa bezichtigte. E s w a r e i n f a c h d i e W a h r h e i t . Deshalb richtete er die eiserne Wehr im Westen auf, die starke Wacht am Rhein. Nach menschlichem Ermessen mußte sie unerschütterlich sein. Wie hätte Bismarck auch ahnen können, daß es die deutsche Staatskunst oder — Unkunst zu Wege bringen, nicht zu verhindern wissen werde, daß Frankreich dereinst m i t H i l f e d e r M a c h t m i t t e l d e r g a n z e n W e l t diese Wacht zum Wanken, zum Einsturz bringen würde. Sie ist eingestürzt, der deutsche Rhein — französisch! Hört es ihr Kämpfer der Freiheitskriege, hört es ihr Sieger von Sedan! Blücher und Moltke — was hat das deutsche Volk aus euerm Werk gemacht! Brechen nicht die Gräber der Vergangenheit auf? Kommen nicht Gespenster und Schatten das Reich zu schirmen? Wir dürfen nicht mehr an Gespenster und auferstandene Tote glauben. Wir müssen es tragen — d e r R h e i n f r a n z ö s i s c h !
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III.
Deutschland und RuBland. Schon vorher deutete ich an, daß der Gegensatz zwischen Europa und Deutschland sehr alt ist, daß dieser Gegensatz bewußt oder unbewußt, offen oder geheim das ganze politische Denken der außerdeutschen Staaten seit Jahrhunderten beherrschte, der Wille, unter keinen Umständen in Deutschland, im Herzen Europas einen tat- und schlagkräftigen Staat erstehen zu lassen. Der Grund für diese ganz eigentümliche Tendenz soll uns später beschäftigen. Jetzt, nach der Reichsgründung wurde sie vor aller Welt offenbar, wuchs ständig an Macht, erfüllte schließlich wie ein einziger gar nicht mehr verleugneter, unwiderstehlicher Grundtrieb die gesamte Menschheit, bis er in der Katastrophe des Weltkrieges sich in fürchterlicher Gewalt entlud. Auf dem W e g e zur Reichsgründung hatten wir hauptsächlich die Gegnerschaft Frankreichs, n a c h der Reichsgründun^ ernteten wir die weit gefährlichere, unsere ganze Existenz bedrohende Gegnerschaft der gesamten politischen Welt. Und zwar im Kerne ganz ohne die eigene Schuld Deutschlands, einfach aus der gegebenen, unabwendbar gelagerten Tatsächlichkeit heraus, weil wir da waren, weil das Reich da war, das niemanden erfreute, das alle Welt wieder fortwünschte und um so leidenschaftlicher, je stärker es wurde. Dies war das ungemein Tragische der deutschen Lage, und dies entschuldigt in bedeutendem Grade die deutschen Staatsmänner und das gesamte deutsche Volk. Die Verstrickung der Umstände, der Weltverhältnisse gebar die größte Tragödie aller Zeiten. Nur eine geradezu meisterhafte, geniale Staatskunst hätte Deutschland aus dieser unheilschwangeren Lage befreien können. Diese Staatskunst ist uns versagt geblieben. Das Wesentliche war zunächst, wie sich R u ß l a n d , die andere große Militärmacht Europas neben Frankreich, zu der neuen Gründung stellen werde. Mit offenbarer Unterstützung Rußlands hatte Bismarck seine Erfolge errungen. Rußland hatte von Österreich und Frankreich Feindseligkeiten erfahren; es
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gönnte, wie Bismarck sagt, diesen Staaten die Niederlage. Aber natürlich hatte Rußland tiefere Beweggründe. Jahrzehntelang war Preußen der treue, jederzeit opferbereite Vasall Rußlands gewesen. Das, glaubte Rußland, werde auch nach der Reichsgründung so bleiben. Deshalb wünschte es Preußens Stärkung. Aber als nun Rußland sich nach der Gründung des Reiches die S a c h e bei Licht besah, wurde es stutzig. Eine derartige Stärkung Deutschlands hatte man nicht gewünscht und nicht gewollt. Bismarck erzählt selbst, die russischen Staatsmänner hätten sehr bald nach 1871 ihre wohlwollende Haltung Preußen-Deutschland gegenüber bereut: „soweit hätte man es nicht kommen lassen dürfen". Deutsche Einigungsbestrebungen hatten ja nie Erfolg gehabt. Man nahm auch die Bismarckschen Versuche in dieser Richtung nicht allzu ernst. Als nun aber das Deutsche Reich so gefestigt, so stark und konsolidiert, als einheitlicher Staat von der Memel bis zum Bodensee dastand, da war Rußland das Konzept verdorben. Denn dieser mächtige Staat war ja mit einem Schlage aus dem bisherigen Vasallentum Rußland gegenüber herausgewachsen, war befähigt auf eigenen Füßen zu stehen, selbständige Politik zu treiben. Noch schneller wechselte England seine Stellung. Auch England waren unsere Siege viel zu glänzend. Gleichsam über Nacht wandte es seine Neigung Frankreich zu. Bekanntlich hält England stets den stärksten Kontinentalstaat für seinen natürlichen Gegner. Das war bis dahin nach allgemeiner Schätzung Frankreich gewesen. Sofort nahm England der veränderten Lage entsprechend Deutschland als künftigen Gegner, vorläufig wenigstens ideell und diplomatisch, aufs Korn. S o w a r e n b e r e i t s w ä h r e n d d e s K r i e g e s 1870/71 u n d u n m i t t e l b a r danach die Keime für den großen W e l t k r i e g a n g e l e g t . Wo ist die Schuld Deutschlands? Lag das Verhängnis nicht wie bei jeder Tragödie in der unheilvollen Verkettung der Umstände? War Deutschland nicht nur durch sein bloßes Dasein als einheitliche staatliche Macht der Stein des Anstoßes für alle geworden? In der Tat, die gesamte europäische Politik seit 1870/71 ist nur unter diesem Gesichtspunkt zu verstehen, nämlich als ein langsames Entstehen und immer drohenderes Heraustreten 27
und Anschwellen der gegen Deutschland gerichteten Koalition aller europäischen Großmächte. Bismarck erkannte die Lage in voller Klarheit. Mit staunenswerter Genialität, indem er alle Künste der Diplomatie spielen ließ, mit klugen Schachzügen, Bündnissen, Gegenbündnissen, Rückversicherungen, aber auch mit stärkster militärischer Rüstung und gewaltigen Drohungen — kurz mit allen Mitteln, über die eine Staatsleitung nur verfügen kann, wußte er das heraufziehende Unwetter der übermächtigen europäischen Koalition hintenanzuhalten. Man muß sich in diese Werkstatt höchster staatsmännischer Kunst, wie sie Bismarck nach der Reichsgründung fast noch bewundernswerter als bei der Schöpfung des Reiches selbst anwandte, gründlich vertiefen, um die namenlos schwierige Lage Deutschlands nach Gründung seiner staatlichen Einheit, nach Eintritt in den Kreis der Großmächte zu begreifen. Bismarck hat die Schwierigkeiten zu meistern vermocht Seine Nachfolger haben es nicht vermocht. Wer will sie schelten? Der frühere Staatssekretär Kühlmann, zweifellos ein befähigter Kopf — es war ja das Merkwürdige in diesem Weltkriege, wie ich unterbrechend aussprechen will, daß wir keineswegs arm waren an tüchtigen und bedeutenden Männern. Auf allen Gebieten haben hervorragende Kräfte gewirkt, im Heerwesen sogar Feldherrn höchsten Ranges. Und auch das Volk hatte, anfangs wenigstens, eine wunderbare sittliche Kraft und Einsicht. Und doch haben alle diese tüchtigen Kräfte und Leistungen, die höchste Anspannung das Verhängnis nicht abwenden können, wie ein tragischer Held in seinem Todeskampf mit dem Schicksal trotz aller Geisteskraft, trotz Charakter und Mut zermalmt wird. Darin drückt sich das beispiellose Unglück Deutschlands aus. Die Lage war verfahren und hoffnungslos von Anbeginn. — In einer seiner gehaltvollen Reden hat Kühlmann diese Schwierigkeiten der politischen Lage und damit auch der politischen Aufgabe Deutschlands treffend gezeichnet. Der klassische Zeuge aber ist Bismarck selbst. Auf einen gewissen Zeitraum seiner Arbeit zurückblickend sagt er im Jahre 1882: „Ich weiß nicht, ob es den andern Ländern, die an uns grenzen und von denen unsere beiden großen Nachbarn, Frankreich und Rußland, jeder an sich mehr Truppen unterhält als
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das deutsche Reich — ob es denen eine besondere Freud6 macht oder was sie für Zwecke damit verbinden. Das habe ich nicht zu untersuchen; sondern nur die Tatsache, daß die Millionen Ba : onette ihre polare Richtung doch im Ganzen, in der Hayptsacne nach dem Zentrum Europas haben, daß wir im Zentrum Europas stehen und schon infolge unserer geographischen Lage, außerdem infolge d e r g a n z e n e u r o p ä i s c h e n G e s c h i e h t e (!) den Koalitionen anderer Mächte vorzugsweise ausgesetzt sind. Wir haben Objekte, die Gegenstände der Begehrlichkeit jür jeden unserer Nachbaren sein können, nach den verschiedensten Seiten, und wenn ich mir in der auswärtigen Politik irgend ein Verdienst beilegen kann, so ist es die Verhinderung einer übermächtigen Koalition gegen Deutschland seit dem Jahre 1871." Das sind doch Tatsachen, die zu denken geben, die alle diejenigen schmählich Lügen strafen, welche Deutschland die Schuld am Kriege aufbürden wollen. Von langer Hand her wurde das Unheil vorbereitet, es wälzte sich gleichsam wie ein Naturereignis gegen uns heran. Stürzt sich denn irgend ein Wesen, sei es Mensch oder Staat, f r e i w i l l i g in solche Todesgefahr? So instinktverlassen ist kein Menschenwesen, sind auch deutsche Staatsmänner nicht. Sie m u ß t e n nach allem, was vorher geschehen war, das deutsche Volk in den Verzweiflungskampf, in den Daseinskampf führen. In der Einkreisung durch Eduard VII. war das lange angesammelte Verhängnis schließlich Ereignis geworden, die Umklammerung fertig. Es war bereits zum Schlage ausgeholt, in jedem Augenblick konnte er niederfahren. Bismarck hatte mit dieser Gefahr zu ringen gehabt und nicht nur bis zum Jahre jenes Ausspruches, sondern bis zum Ende seiner Kanzlerschaft, ja noch darüber hinaus verfolgte dieser weise Staatendenker und Staatenlenker mit wachsender Sorge die Gefahr der Koalition Europas gegen Deutschland und suchte sie als treuer Mahner und Warner seines Volkes abzuwehren. U n d s i e k a m d o c h . W i e suchte Bismarck sie auszuschalten? W a r u m ist es ihm gelungen? Warum seinen Nachfolgern m i s s l u n g e n ? Die Feindseligkeit Englands war längere Zeit noch verhalten, .gleichsam unter der Schwelle des eigenen und allgemeinen Bewußtseins, weil Deutschland noch keine Seegeltung besaß, auch 29
nicht beanspruchte. England lag auf der Lauer. Dagegen trat die Möglichkeit, ja Wahrscheinlichkeit des Zweifrontenkrieges mit Frankreich und Rußland sofort in Erscheinung. Die Gründe habe ich soeben auseinandergesetzt. E s ist, wie Bismarck selbst, so auch den Führern unseres Heeres, vor allem Moltke nicht einen Augenblick zweifelhaft gewesen, daß Deutschland seine Einheit, seinen neuen Staat noch einmal gegen eine W e l t von Feinden zu verteidigen haben werde. In emsigster Arbeit bereitete sich unser Heer auf diesen Fall vor, allerdings nur für den Fall der V e r t e i d i g u n g . Denn wer wäre so tollkühn, wagehalsig, gewissenlos, klaren Blicks sein Volk in einen Zweifrontenkrieg hineinzustürzen? Bismarck sagte von dieser Lage* daß sie im Falle der Verwirklichung, vorausgesetzt, daß unsere H e e r e gut geführt würden, zwar keine verzweifelte, aber doch eine sehr ernste sei. Und wer hätte das j e besser gewußt als unsere militärischen Spitzen! Ich erkläre es für eine sinnlose Verleumdung des Auslandes und des diesem alles nachplappernden verräterischen G e i s t e s im Inlande, wenn man unserer H e e r e s leitung andichtet, sie hätte jemals absichtlich auf eine Durchfechtung dieses Zweifrontenkrieges hingesteuert. Daß sie in klarer Voraussicht des kommenden Verhängnisses und in pflichtmäßiger S o r g e für unser Volkstum manchmal den Gedanken eines Krieges zur rechten Zeit nur nach e i n e r Seite hin erwogen hat, will ich nicht in Abrede stellen. S i e hat aber dafür niemals die Zustimmung der politischen Leitung des Reiches gefunden. Und wer will heute sagen, ob sie nicht im Grunde damit doch Recht gehabt h a b e ? Ich komme auf die schwierige F r a g e des Präventivkrieges zurück. Bei Bismarck fand das Heer, soweit es sich um die Rüstung,, die Vorbereitung für den Ernstfall der Verteidigung, nicht aber für den Präventivkrieg handelte, den er mit aller Energie verwarf, bereite Förderung. Und das Gleiche geschah auch unter Bismarcks Nachfolgern noch. Unser Heer rostete nicht. Nur allerdings in dem letzten Jahrzehnt vor Ausbruch des Weltkrieges, trotz der immer bedrohlicher werdenden Einkreisung, gerade zur wichtigsten, dringendsten Zeit, da hat das Landheer leider zu Gunsten der Flotte vielfach zurückstehen müssen. D a s war ein schwerer Fehler. Die politische Leitung fürchtete die Kosten, fürchtete beim Reichstag die notwendigen hohen
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Forderungen nicht durchsetzen zu können, fürchtete den inneren Konflikt. Nur erst in allerletzter Stunde, unmittelbar vor dem furchtbaren Ausbruch brachte Bethmann-Hollweg die große Heeresvorlage ein — zu spät. Sehr viel früher, als die Einkreisung jedem Deutschen entsetzensvoll klar wurde, nicht erst später, als man sich in gutgläubigem Wahn bereits wieder darüber beruhigt und sich damit abgefunden hatte, hätte die Reichsleitung die Ausnützung der gesamten deutschen Volkskraft bis zum letzten Mann und Heller und höchsten waffenfähigen Alter, wie es Frankreich doch schon seit langem getan hatte, auch in Deutschland durchsetzen müssen, nötigenfalls mit Reichstagsauflösung. Es Wäre gelungen. Was Frankreich leistete, hätte Deutschland wahrlich auch leisten können. Aber man gedachte es sich bequem zu machen und verkannte den ungeheuren Ernst der Stunde. Nun hat man dasselbe später, bei Ausbruch des Krieges doch und zwar plötzlich und überstürzt durchführen müssen. Ich halte es für höchst wahrscheinlich, daß durch einen derartigen Qegenzug gegen die Einkreisung, durch eine unzweideutige, feierliche, tatfrohe Bekundung des deutschen Volkswillens, daß wir nicht mit uns spaßen lassen würden, daß wir zu a l l e m bereit seien — ich halte für sehr wahrscheinlich, daß wir damit vielleicht den ganzen Weltkrieg hätten vermeiden können, wie Bismarck 1888 durch die gewaltige Vermehrung des deutschen Heeres infolge der Ausdehnung der Dienstzeit mit den begleitenden ernsten Drohungen den unmittelbar vor dem Ausbruch stehenden Zweifrontenkrieg tatsächlich verhindert hat. Man hat uns einfach den Mut nicht zugetraut, d i e s e r Koalition die Stirn zu bieten. Und Zeichen der Ängstlichkeit oder matte Drohungen, ohne daß die entsprechenden Taten bewiesenen Opfermutes, die keinen Zweifel dulden, nachfolgen, mußten natürlich die Gegner nur noch weiter auf ihre gefährliche Bahn locken. Die Milliarden aber, die dieses wirkliche Volksheer, dies Volksheer aus der vollen, gesamten Kraft heraus gekostet hätte — was wären sie für ein Kinderspiel gegen die Milliarden gewesen, die Wir nun zu schleppen haben! Und angenommen, ein derartiges Volksopfer — dargebracht im Frieden, aber im bedrohten Frieden und vor den Augen der ganzen Welt — es hätte uns doch nicht den Krieg erspart, so ist Wohl ausgemacht: der Besitz von einigen
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Armeekorps geschulter, ausgebildeter Soldaten mehr in den ersten entscheidenden Stunden des Krieges, die gleich für die ersten wuchtigen Schläge bereit gewesen wären, hätten der Marneschlacht und damit dem ganzen Kriege menschlicher Berechnung nach eine andere Wendung gegeben. D a s w u r d e "Versäumt. Aber schlimmer noch als das militärische Erbe Bismarcks —