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German Pages 567 Year 1989
G EO R G W ILH ELM F R IE D R IC H H E G E L
GESAMMELTE W ERKE
I N V E R B I N D U N G M IT D E R
D E U T SC H E N FO RSCH U N G SG EM EIN SC H A FT H ER A U SG EG E BEN V O N D ER
R H E IN IS C H -W E ST F Ä L IS C H E N AKADEMIE D ER W I S S E N S C H A F T E N
B A N D 19
F E L IX M E I N E R VERLAG H A M B U R G
H E G E L • G E S A M M E L T E W E R K E 19
GEO RG W ILH ELM FR IE D R IC H H E G E L
ENZYKLOPÄDIE D E R PHILOSOPHISCHEN W ISSENSCHAFTEN IM G R U N D R ISSE. (1 827)
H ER A U SG EG EBEN V O N
W OLFGANG BO N SIEPEN UND
H A N S - C H R I S T IA N L U C A S
§) F E L I X M E I N E R VERLAG H A M B U R G
In Verbindung mit der Hegel-Kommission der Rheinisch-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und dem Hegel-Archiv der Ruhr-Universität Bochum
CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Gesammelte Werke / Georg Wilhelm Friedrich Hegel. In Verbindung mit d. Dt. Forschungsgemeinschaft hrsg. von d. Rhein.-Westfäl. Akad. d. Wiss. [In Verbindung mit d. Hegel-Komm. d. Rhein.-Westfäl. Akad. d. Wiss. u. d. Hegel-Archiv d. Ruhr-Univ. Bochum]. - H am burg: Meiner N E : Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: [Sammlung] Bd. 19. Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse : 1827 / hrsg. von Wolfgang Bonsiepen u. Hans-Christian Lucas. - 1989 ISB N 3-7873-0614-5 N E : Bonsiepen, W olfgang [Hrsg.]
ISBN eBook: 978-3-7873-3401-8
© Rheinisch-Westfälische Akademie der Wissenschaften, Düsseldorf 1989 Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, Vorbehalten. Dies betrifft auch die Vervielfältigung und Übertragung einzelner Textabschnitte durch alle Verfahren wie Speicherung und Übertragung auf Papier, Transparente, Filme, Bänder, Platten und andere Medien, soweit es nicht §§ 53 und 54 U R G ausdrücklich gestatten. Schrift: Bembo. Satz, Druck und Einband: Friedrich Pustet, Regensburg Printed in Germany
INHALTSVERZEICHNIS
ENCYCLOPÄDIE DER PHILOSOPHISCHEN WISSENSCHAFTEN IM GRUNDRISSE .............................................................................................
1
Vorrede zur zweiten A u s g a b e ............................................................................. 5 Vorrede zur ersten A u s g a b e ................................................................................. 19 Inhalts-Anzeige .....................................................................................................23 Einleitung ............................................................................................................ 27
ERSTER THEIL. DIE WISSENSCHAFT DER LOGIK Vorbegriff
............................... 45
............................................................................................................ 45
A. Erste Stellung des Gedankens zur Objectivität ...........................................51 B. Zweite Stellung des Gedankens zur Objectivität .......................................55 I. E m p ir ism u s.................................................................................................55 II. Kritische P h ilo so p h ie ................................................................................. 57 C. Dritte Stellung des Denkens zur Objectivität Das unmittelbare Wissen ............................................................................. 76 Näherer Begriff und Eintheilung der L o g i k ...................................................... 91 Er s t e A bt h e il u n g d er Die Lehre v o m Seyn
l o g ik
......................................................................................... 94
A. Q u a lit ä t .............................................................................................................95 a. S e y n .............................................................................................................95 b. D a s e y n ......................................................................................................... 99 c. Das Fürsichseyn ......................................................................................... 103 B. Quantität ......................................................................................................... 105 a. Die reine Q u a n titä t..................................................................................... 105 b. Das Q u a n t u m ............................................................................................. 106 c. Der G r a d ..................................................................................................... 107 C. Das Maaß .........................................................................................................109
VI
INHALTSVERZEICHNIS
Z w e it e A bt h e il u n g D ie L e h r e
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L o g ik ...............................................................................................111
A. Das Wesen als Grund der E x iste n z...................................................................... 113 a. Die reinen Reflexionsbestimmungen.............................................................. 113 a) Identität........................................................................................................... 113 ß) Der U n tersch ied ...........................................................................................114 y) Der Grund
...................................................................................................116
b. Die E x is t e n z ....................................................................................................... 117 c. Das D i n g ........................................................................................................... 118 B. Die Erscheinung.......................................................................................................121 a. Die Welt der E rsch ein u n g.............................................................................. 121 b. Inhalt und F o r m ...............................................................................................121 c. Das V erh ältn iß ...................................................................................................122 C. Die W ir k lic h k e it...................................................................................................126 a. Substantialitäts-Verhältniß...............................................................................130 b. Causalitäts-Verhältniß.......................................................................................131 c. Die W ech selw irk u n g.......................................................................................132
D r it t e A bt h e il u n g
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L o g ik
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............................................................................................... 136
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A. Der subjective B e g r i f f ...........................................................................................137 a. Der Begriff als so lc h er.......................................................................................137 b. Das U r t h e i l ....................................................................................................... 140 a) Qualitatives U rth eil.......................................................................................143 ß) Das R eflex io n s-U rth eil.............................................................................. 144 Y) Urtheil der N othw endigkeit...................................................................... 145 8) Das Urtheil des B e g r iffs ...............................................................................146 c. Der Schluß........................................................................................................... 147 a) Qualitativer Sch lu ß .......................................................................................149 ß) Reflexions-Schluß
.......................................................................................152
Y) Schluß der Noth w e n d ig k e it...................................................................... 153 B. Das O b je c t ............................................................................................................... 157 a. Der M echanism us...............................................................................................157 b. Der C h e m is m u s ...............................................................................................159 c. T e le o lo g ie ........................................................................................................... 161 C. Die I d e e ................................................................................................................... 166 a. Das Leben ........................................................................................................... 169 b. Das Erkennen
...................................................................................................171
INHALTSVERZEICHNIS
V II
a. Das E r k e n n e n ...............................................................................................172 b. Das W o l l e n ...................................................................................................176 c. Die absolute I d e e ...............................................................................................177
II. N A T U R P H IL O S O P H IE ...................................................................................... 181 ZW EITER THEIL. N A T U R P H IL O S O P H IE ......................................................183 E in leitu n g........................................................................................................................183 Betrachtungsweisen der N a t u r .............................................................................. 183 Begriff der N a t u r .................................................................................. ..................184 E in th e ilu n g ....................................................................................................................188 E r s t e A b t h e il u n g D ie M e c h a
d er
N a t u r ph il o s o ph ie
n i k ............................................................................................................... 189
A. Raum und Z e i t ....................................................................................................... 189 a. R a u m ....................................................................................................................189 b. Die Z e i t ............................................................................................................... 192 c. Der O r t ................................................................................................................195 B. Materie und Bewegung Endliche Mechanik
...............................................................................................197
a. Die träge M a te rie ...............................................................................................199 b. Der Stoß
........................................................................................................... 200
c. Der F a l l ................................................................................................................203 C. Absolute M e c h a n ik ...............................................................................................206 Z w e it e A b t h e il u n g Ph
y s ik
d er
N a t u r ph il o s o ph ie
............................................................................................................................ 214
A. Physik der allgemeinen Individualität.................................................................. 214 a. Die freien physischen K ö r p e r .......................................................................... 215 a) Das L i c h t ....................................................................................................... 215 ß) Die Körper des G eg en satze s...................................................................... 218 y) Der Körper der In d iv id u a litä t.................................................................. 219 b. Die Elem ente....................................................................................................... 220 a) Die L u f t ........................................................................................................... 221 ß) Die Elemente des G e g e n sa tz e s.................................................................. 221 y) Individuelles E le m e n t...................................................................................222 c. Der elementarische P r o c e ß .............................................................................. 222 B. Physik der besondern In d iv id u a litä t.................................................................. 225
VIII
INHALTSVERZEICHNIS
a. Die specifische S c h w e r e ...................................................................................226 b. Cohäsion
................................. ..........................................................................227
c. Der K l a n g ........................................................................................................... 230 d. Die W ä r m e ....................................................................................................... 232 C. Physik der totalen Individualität.......................................................................... 236 a. Die G estalt........................................................................................................... 237 b. Die Besonderung des individuellen K örpers..................................................240 a. Verhältniß zum L i c h t ...................................................................................241 ß. Der Unterschied an der Individualität......................................................249 1) G e r u c h ....................................................................................................... 249 2) G e sc h m a c k ............................................................................................... 249 y. Die totale Individualität; Electricität.......................................................... 250 c. Der chemische P ro c e ß .......................................................................................252 1. V erein u n g....................................................................................................... 254 a) G alvanism us...............................................................................................254 ß) Feuerproceß................................................. ............................................. 255 y) Neutralisation, W a sse rp ro ce ß .............................................................. 255 S) Der Proceß in seiner T o t a lit ä t .............................................................. 256 2. Sch eid u n g....................................................................................................... 257 D r it t e A b t h e il u n g O r g a n is c h e P h y s ik
d er
N a t u r ph il o s o ph ie
................................................................................................... 261
A. Die geologische N a t u r ....................................................................................... . 261 B. Die vegetabilische N a t u r .......................................................................................263 C. Der thierische O r g a n ism u s...................................................................................266 a. Die G e stalt............................................................................................................267 b. Die A ssim ila tio n ...............................................................................................269 c. G attu n g s-P ro ceß ...............................................................................................277 1. Geschlechts-Proceß.......................................................................................277 2. Die Gattung und A r t e n ...............................................................................278 3. Die Gattung und das In dividuum .............................................................. 280
III. PHILOSOPHIE DES G E IS T E S .............................................................. .... D R ITTER THEIL. PHILOSOPHIE DES GEISTES
285
......................................... 287
E in leitu n g........................................................................................................................287 Begriff des G e iste s...................................................................................................289 E in th e ilu n g ................................................................................................................... 290
INHALTSVERZEICHNIS
E r s t e A b t h e il u n g Der
s u b je c t iv e
P h il o s o ph ie
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IX
G e is t e s
G e i s t ................................................................................................... 292
A. Anthropologie Die S e e le ....................................................................................................................293 a. Die natürliche S e e le ........................................................................................... 295 a) Natürliche Q u alitäten ................ ..................................................................295 ß) Natürliche Veränderungen...........................................................................297 y) E m p fin d u n g ................................................................................................... 299 b. Die träumende Seele
.......................................................................................302
a) Die passive Totalität der Individualität...................................................... 304 ß) S e lb stg e fü h l................................................................................................... 310 Y) Die G ew o h n h e it...........................................................................................312 c. Die wirkliche S e e l e ........................................................................................... 315 B. Die Phänomenologie des Geistes Das Bewußtseyn
................................................................................................... 316
a. Das Bewußtseyn, als s o l c h e s .......................................................................... 318 b. Das Selbstbewußtseyn.......................................................................................320 c. Die V ern u n ft....................................................................................................... 324 C. Psychologie Der G e is t.................................................................................................................... 325 a. Der theoretische G e i s t .......................................................................................328 a) A n sch au u n g................................................................................................... 330 ß) Die V o r s te llu n g ...........................................................................................332 aa) Die Erinn erung.......................................................................................332 ßß) Die Einbildungskraft
...........................................................................333
YY) Gedächtniß............................................................................................... 339 Y) Das D e n k e n ................................................................................................... 342 b. Der praktische G e is t ........................................................................................... 344 a) Das praktische G e fü h l...................................................................................345 ß) Die T rie b e ........................................................................................................347 Y) Die Willkühr und die Glückseligkeit.......................................................... 350 Z w e it e A b t h e il u n g D er
o bje c t iv e
Eintheilung
Ge
d er
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P h il o s o ph ie
d es
G eis t e s
....................................................................................................352
.................................................................................................................... 354
A. Das R e c h t ................................................................................................................ 355 a. E igen th u m ............................................................................................................ 355 b. V e r t r a g ................................................................................................................356 c. Das Recht an sich gegen das U n r e c h t .......................................................... 357
X
INHALTSVERZEICHNIS
B. Die M o r a litä t........................................................................................................... 359 a) Der V o r s a t z ....................................................................................................... 360 ß) Die Absicht und das W o h l .............................................................................. 360 y) Das Gute und das B ö s e ..................................... ............................................. 361 C. Die S ittlic h k e it....................................................................................................... 363 a. Die Familie
....................................................................................................... 365
b. Die bürgerliche G e se llsc h a ft.......................................................................... 366 a.a. Das System der Bedürfnisse
.................................................................. 367
a) Die Vermittlung der B e d ü rfn isse......................................................367 ß) Die Theilung der A rb e it...................................................................... 367 Y) Die Stände
........................................................................................... 368
b.b. Die R e c h tsp fle g e .......................................................................................369 c.c. Die Policey und die C o r p o r a tio n .......................................................... 372 c. Der S t a a t ............................................................................................................373 a. Inneres S ta a tsr e c h t.......................................................................................374 ß. Das äußere Staatsrecht...................................................................................384 Y- Die W eltgeschichte.......................................................................................384 D r it t e A b t h e il u n g D er
a bs o l u t e
Ge
d er
is t
Ph il o s o ph ie
d es
G e is t e s
................................................................................................... 391
a. Die K u n s t ............................................................................................................392 b. Die geoffenbarte R e l i g i o n ...............................................................................400 c. Die Philosophie................................................................................................... 404 Aristoteles Metaphysik. XI. 7
...................................................................................416
B E I L A G E N ....................................................................................................................417 Notizen zu Vorlesungen über Logik und M e ta p h y sik ..........................................419 N A C H R IC H T EN Ü BER V E R S C H O L L E N E S ..................................................437 1. Vorlesungsm anuskripte........................................................................................... 439 2. Erste Fassung der Einleitung zur Ausgabe der Enzyklopädie von 1827 . . . 440 3. Entwurf des Druckfehlerverzeichnisses für die Ausgabe von 1827 . . . .
440
A N H A N G ....................................................................................................................441 Zeichen, Siglen, A bkürzungen ...................................................................................443 Editorischer Bericht
................................................................................................... 449
A n m erk u n gen ................................................................................................................479 Personenverzeichnis....................................................................................................... 551
ENCYCLOPÄDIE DER PHILOSOPHISCHEN WISSENSCHAFTEN IM G R U N D RISSE. Zum Gebrauch seiner Vorlesungen von Dr. Georg Wilhelm Friedrich Hegel, ordentl. Professor der Philosophie an der Universität zu Berlin.
Zweite Ausgabe.
Heidelberg, Druk und Verlag von August Oßwald. 1827.
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.
III-V
VORREDE ZUR ZWEITEN AUSGABE
5
VORREDE Z U R Z W E IT E N A U S G A B E .
Der geneigte Leser wird in dieser neuen Ausgabe mehrere Theile umgearbeitet und in nähere Bestimmungen entwickelt finden; dabei bin ich bemüht gewesen, das Formelle des Vortrags zu mildern und zu mindern, auch durch weitläufigere exoterische Anmerkungen abstracte Begriffe dem gewöhnlichen Verständnisse und den concretern Vorstellungen von denselben näher zu rücken. Die gedrängte Kürze, welche ein Grundriß nöthig macht, in ohnehin abstrusen Materien, läßt aber dieser zweiten Auflage dieselbe Bestimmung, welche die erste hatte, zu einem Vorlesebuch zu dienen, das durch mündlichen Vortrag seine nöthige Erläuterung zu erhalten hat. Der Titel einer E n cy clo p äd ie sollte zwar anfänglich einer mindern Strenge der wissenschaftlichen Methode und einem äußerlichen Zusammenstellen Raum lassen; allein die | Natur der Sache bringt es mit sich, daß der logische Zusammenhang die Grundlage bleiben mußte. Es wären nur zu viele Veranlassungen und Anreizungen vorhanden, die es erforderlich zu machen schienen, mich über die äußere Stellung meines Philosophirens zu geistigen und geistlosen Betrieben der Zeitbildung zu erklären; was nur auf eine exoterische Weise, wie in einer Vorrede, geschehen kann; denn diese Betriebe, ob sie sich gleich ein Verhältniß zu der Philosophie geben, lassen sich nicht wissenschaftlich, somit überhaupt nicht in dieselbe ein, sondern führen von Außen her und draußen ihr Gerede. Es ist mißliebig und selbst mißlich, sich auf solchen der Wissenschaft fremden Boden zu begeben, denn solches Erklären und Erörtern fördert dasjenige Verständniß nicht, um welches es allein zur wahrhaften Erkenntniß zu thun seyn kann. Aber einige Erscheinungen zu besprechen mag nützlich oder vonnöthen seyn. Worauf ich überhaupt in meinen philosophischen Bemühungen hingearbeitet habe und hinarbeite, ist die wissenschaftliche Erkenntniß der Wahrheit. Sie ist der schwerste Weg, aber der allein Interesse und Werth für den Geist haben kann, wenn dieser einmal auf den Weg des Gedankens sich begeben, auf demselben nicht in das Eitle verfallen ist, sondern den Willen und den Muth der Wahrheit sich bewahrt hat; er findet bald, daß die Methode allein den Gedanken | zu bändigen und ihn zur Sache zu führen und darin zu erhalten vermag. Ein solches Fortführen erweist sich, selbst 12
äußerlichen] O2: äußerlichen
O3: äußerlichen
6
ENCY CLOPÄDIE • VORREDEN
V-VII
nichts anderes als die Wiederherstellung desjenigen absoluten Gehalts zu seyn, über welchen der Gedanke zunächst hinausstrebte und sich hinaussetzte, aber eine Wiederherstellung in dem eigenthümlichsten, freisten Elemente des Geistes. Es ist ein unbefangener, dem Anschein nach glücklicher Zustand noch nicht gar lange vorüber, wo die Philosophie Hand in Hand mit den Wissenschaften und mit der Bildung ging, eine mäßige Verstandesaufklärung sich mit dem Bedürfnisse der Einsicht und mit der Religion zugleich zufrieden stellte, ebenso ein Naturrecht sich mit Staat und Politik vertrug, und empirische Physik den Namen natürlicher Philosophie führte. Der Friede war aber oberflächlich genug, und insbesondere jene Einsicht stand mit der Religion, wie dieses Naturrecht mit dem Staat in der That in innerem Widerspruch. Es ist dann die Scheidung erfolgt, der Widerspruch hat sich entwickelt; aber in der Philosophie hat der Geist die Versöhnung seiner mit sich selbst gefeiert, so daß diese Wissenschaft nur mit jenem Widerspruche selbst und dessen Uebertünchung im Widerspruche ist. Es gehört zu den übeln Vorurtheilen, als ob sie sich im Gegensatz befände gegen eine sinnige Erfahrungskenntniß, die vernünftige Wirklichkeit des Rechts, und eine unbe | fangene Religion und Frömmigkeit; diese Gestalten werden von der Philosophie anerkannt, ja selbst gerechtfertigt; der denkende Sinn vertieft sich vielmehr in deren Gehalt, lernt und bekräftigt sich an ihnen wie an den großen Anschauungen der Natur, der Geschichte und der Kunst; denn dieser gediegene Inhalt ist, sofern er gedacht wird, die speculative Idee selbst. Die Collision gegen die Philosophie tritt nur in sofern ein, als dieser Boden aus seinem eigentümlichen Charakter tritt, und sein Inhalt in Kategorien gefaßt und von solchen abhängig gemacht werden soll, ohne dieselben bis zum Begriff zu führen und zur Idee zu vollenden. Das wichtige negative Resultat, in welchem sich der Verstand der allgemeinen wissenschaftlichen Bildung befindet, daß auf dem Wege des endlichen Begriffs keine Vermittlung mit der Wahrheit möglich sey, pflegt nämlich die entgegengesetzte Folge von der zu haben, welche unmittelbar darin liegt. Jene Ueberzeugung hat nämlich das Interesse an der Untersuchung der Kategorien, und die Aufmerksamkeit und Vorsicht in der Anwendung derselben vielmehr aufgehoben, statt die Entfernung der endlichen Verhältnisse aus dem Erkennen zu bewirken; der Gebrauch derselben ist, wie in einem Zustande der Verzweiflung, nur um so unverholener, bewußtloser und unkritischer geworden. Aus dem Misverstande, daß die Unzu|reichenheit der endlichen Kategorien zur Wahrheit die Unmöglichkeit objectiver Erkenntniß mit sich bringe, wird die Berechtigung aus dem Gefühle und der subjectiven Meynung zu sprechen und abzusprechen gefolgert, und an die Stelle des Beweisens treten Versicherungen und die Erzählungen von dem, was sich in dem Bewußtseyn für Thatsachen vorfinden, welches für um so reiner gehalten wird, je unkritischer es ist. Auf eine so dürre Kategorie, wie die U n m itte lb a rk e it ist, und
VII-IX
VORREDE ZUR ZWEITEN AUSGABE
7
ohne sie weiter zu untersuchen, sollen die höchsten Bedürfnisse des Geistes gestellt und durch sie entschieden seyn. Man kann, besonders wo religiöse Gegenstände abgehandelt werden, finden, daß dabei ausdrücklich das Philosophiren bei Seite gelegt wird, als ob hiemit alles Uebel verbannt und die Sicherung gegen Irrthum und Täuschung erlangt wäre, und dann wird die Untersuchung der Wahrheit aus irgend woher gemachten Voraussetzungen und durch Räsonnement veranstaltet, d. i. im Gebrauch der gewöhnlichen Denkbestimmungen von Wesen und Erscheinung, Grund und Folge, Ursache und Wirkung und so fort, und in dem üblichen Schließen nach diesen und den ändern Verhältnissen der Endlichkeit vorgenommen. »Den Bösen sind sie los, das Böse ist geblieben,« und das Böse ist neunmal schlimmer als vorher, weil sich ihm ohne allen Verdacht und Kritik anvertraut wird; und als ob jenes Uebel, das | entfernt gehalten wird, die Philosophie, etwas anderes wäre, als die Untersuchung der Wahrheit, aber mit Bewußtseyn über die Natur und den Werth der allen Inhalt verbindenden und bestimmenden Denkverhältnisse. Das schlimmste Schicksal hat dabei die Philosophie selbst unter jenen Händen zu erfahren, wenn sie sich mit ihr zu thun machen, und sie theils auffassen theils beurtheilen. Es ist das Factum der physischen oder geistigen, insbesondere auch der religiösen Lebendigkeit, was durch jene es zu fassen unfähige Reflexion verunstaltet wird; dieses Auffassen hat jedoch für sich den Sinn, erst das Factum zu einem Gewußten zu erheben, und die Schwierigkeit liegt in diesem Uebergange von der Sache zur Erkenntniß, welcher durch Nachdenken bewirkt wird. Diese Schwierigkeit ist jedoch bei der Wissenschaft nicht mehr vorhanden. Denn das Factum der Philosophie ist die schon zubereitete Erkenntniß, und das Auffassen wäre hiemit nur ein N a ch denken in dem Sinne eines n ach folgen den Denkens; erst das Beurtheilen erforderte ein Nachdenken in der gewöhnlichen Bedeutung. Allein jener unkritische Verstand beweist sich eben so ungetreu im nackten Auffassen der bestimmt ausgesprochenen Idee, er hat so wenig Arges oder Zweifel an den festen Voraussetzungen, die er enthält, daß er sogar unfähig ist, das baare Factum | der philosophischen Idee nachzusprechen. Dieser Verstand vereinigt wunderbarer Weise das Gedoppelte in sich, daß ihm an der Idee die völlige Abweichung und selbst der ausdrückliche Widerspruch gegen seinen Gebrauch der Kategorien auffällt, und daß ihm zugleich kein Verdacht kommt, daß eine andere Denkweise vorhanden sey, und ausgeübt werde als die seinige, und er hiemit anders als sonst denkend sich hier verhalten müsse. Auf solche Weise geschieht es, daß sogleich die Idee der speculativen Philosophie in ihrer abstracten Definition festgehalten wird, in der Meynung, daß eine Definition für sich klar und ausgemacht erscheinen müsse und nur an vorausgesetzten Vorstellungen ihren Regulator und Prüfstein habe, wenigstens in der Unwissenheit, daß der 13 Untersuchung] O 2 : Untersuchung
O 3 : Untersuchung
8
ENCYCLOPÄDIE • VORREDEN
IX -X II
Sinn wie der nothwendige Beweis der Definition allein in ihrer Entwicklung und darin liegt, daß sie aus dieser als Resultat hervorgeht. Indem nun näher die Idee überhaupt d iec o n cre te , g eistige Einheit ist, der Verstand aber darin besteht, die Begriffsbestimmungen nur in ihrer A b stractio n und damit in ihrer Einseitigkeit und Endlichkeit aufzufassen, so wird jene Einheit zur abstracten geistlosen Identität gemacht, in welcher hiemit der Unterschied nicht vorhanden, sondern A lles E ins, unter anderem auch das Gute und das Böse einerlei sey. Für speculative Philosophie ist daher der Name Id en tität s-1 System , Id e n titä ts-P h ilo so p h ie bereits zu einem recipirten Namen geworden. Wenn Jemand sein Glaubensbekenntniß ablegte: Ich glaube an Gott den Vater, den Schöpfer Himmels und der Erde, so würde man sich wundern, wenn ein Anderer schon aus diesem ersten Theile herausbrächte, daß der Bekenner an Gott den Schöpfer des Himmels glaube, also die Erde für nicht geschaffen, die Materie für ewig halte. Das Factum ist richtig, daß jener in seinem Bekenntniß ausgesprochen hat, er glaube an Gott den Schöpfer des Himmels, und doch ist das Factum wie es vom zweiten aufgefaßt worden, vollkommen falsch; so sehr daß dies Beispiel für unglaublich und für trivial angesehen werden muß. Und doch ist der Fall mit dem Auffassen der philosophischen Idee diese gewaltsame Halbirung so daß um es nicht misverstehen zu können, wie die Identität, welche der Versicherung nach das Princip der speculativen Philosophie sey, beschaffen sey, die ausdrückliche Belehrung und respective Widerlegung folgt, etwa daß das Subject vom Object versch ieden sey, ingleichen das Endliche vom Unendlichen u.s.f., als ob die concrete geistige Einheit in sich bestimmungslos wäre und nicht selbst den Unterschied in sich enthielte, als ob irgend ein Mensch es nicht wüßte, daß das Subject von dem Objecte, das Unendliche von dem Endlichen verschieden | sey, oder die Philosophie in ihrer Schulweisheit sich vertiefend daran zu erinnern wäre, daß es außer der Schule die Weisheit gebe, welcher jene Verschiedenheit etwas Bekanntes sey. Indem die Philosophie in Beziehung auf die ihr nicht bekannt seyn sollende Verschiedenheit bestimmter so verunglimpft wird, daß in ihr damit auch der Unterschied des Guten und Bösen wegfalle, so pflegt gern die Billigkeit und Großmuth geübt zu werden, daß zugestanden wird, »daß die Philosophen in ihren Darstellungen die verderblichen Folgerungen, die mit ihrem Satze verbunden seyen, nicht immer (also doch vielleicht auch deswegen nicht, weil sie diese Folgerungen nicht denken) entwickeln. «*) Die Philosophie | muß diese Barmherzigkeit, die man ihr angedeihen *) Worte Hm. Tholuks in der Blüthensammlung aus der morgenländischen Mystik, S. 13. Auch der tieffühlende Tholuk läßt sich daselbst verleiten, der gewöhnlichen Heerstraße des Auffassens der Philosophie zu folgen. Der Verstand könne, sagt er, nur auf folgende zwei 34 T h o lu k s ] s. Editorischer Bericht S. 449
XII
(xi)-xiv
VORREDE ZUR ZWEITEN AUSGABE
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lassen will, verschmähen, denn sie bedarf derselben eben so wenig zur moralischen Rechtfertigung als es | ihr an der Einsicht in die wirklichen Consequenzen ihrer Principien gebrechen kann und so wenig sie es an den ausdrücklichen Folgerungen ermangeln läßt. Ich will | jene angebliche Folgerung, nach welcher die Verschiedenheit von Gut und Böse zu einem bloßen Scheine gemacht werden soll, kurz beleuchten, mehr um ein Beispiel der Hohlheit solchen Auffassens der Philosophie zu geben, als diese zu rechtfertigen. Wir wollen zu diesem Behuf selbst nur den Spinozismus vornehmen, die Philosophie, in welcher Gott nur als Su b stan z und nicht als Subject und Geist bestimmt wird. Dieser Unterschied betrifft die B e stim m u n g der Einheit; hierauf kommt es allein an, doch wissen von dieser B e stim m u n g , Arten schließen: entweder gebe es einen Alles bedingenden Urgrund, so liege auch der letzte Grund meiner selbst in ihm, und mein Seyn und freies Handeln seyen nur Täuschung; oder bin ich wirklich ein vom Urgründe verschiedenes Wesen, dessen Handeln nicht von dem Urgründe bedingt und bewirkt wird, so ist der Urgrund kein absolutes, alles bedingendes Wesen, also gebe es keinen unendlichen Gott, sondern eine Menge Götter u.s.f. Zu dem erstem Satze sollen sich alle tiefer und schärfer denkenden Philosophen bekennen (ich wüßte eben nicht, warum die erstere Einseitigkeit tiefer und schärfer seyn | sollte, als die zweite); die Folgen, die sie oben erwähntermaaßen jedoch nicht immer entwickeln, seyen, »daß auch der sittliche Maasstab des Menschen kein absolut wahrer ist, sondern e ig e n tlic h (ist vom Verf. selbst unterstrichen) Gut und Böse gleich und nur dem Schein nach verschieden sey.« Man würde immer besser thun, über Philosophie gar nicht zu sprechen, so lange man bei aller Tiefe des Gefühls noch so sehr in der Einseitigkeit des Verstandes befangen ist, um nur von dem E n tw e d e r O d e r eines Urgrundes, in dem das individuelle Seyn und dessen Freiheit nur eine Täuschung, und der absoluten Selbstständigkeit der Individuen zu wissen, und von dem W e d e r N o c h dieser beiden Einseitigkeiten des, wie es Hr. Th. nennt, gefährlichen Dilemmas nichts in Erfahrung gebracht zu haben. Zwar spricht er S. 14. von solchen Geistern, und diese seyen die eigentlichen Philosophen, welche den zweiten Satz (dies ist doch wohl dasselbe, was vorher der erste Satz hieß) annehmen, und den Gegensatz von u n b e d in g te m und bedingtem Seyn durch das in d iffe r e n te U r se y n , in welchem alle beziehungsweisen Gegensätze sich durchdringen, auf heben. Bemerkte denn aber Hr. Th., indem er so spricht, nicht, daß das indifferente Urseyn, in welchem der Gegensatz sich durchdringen soll, mit jenem unbedingtem Seyn, dessen Einseitigkeit aufgehoben werden sollte, ganz dasselbe ist, und daß er so in Einem Athemzug das Aufheben jenes Einseitigen in einem solchen, welches genau eben dieses Einseitige ist, also statt des Aufhebens das Bestehenlassen der Einseitigkeit ausspricht. Wenn man das sagen will, was G e iste r thun, so muß man mit Geist das Factum aufzufassen vermögen; sonst ist unter der Hand das Factum falsch | geworden. - Uebrigens bemerke ich zum Ueberfluß, daß was hier und weiterhin über Hrn. Tholuck’s Vorstellung von der Philosophie gesagt ist, so zu sagen nicht in d iv id u e ll über ihn seyn kann und soll; man liest dasselbe in hundert Büchern, unter anderem besonders in den Vorreden der Theologen. Herrn Th. Darstellung habe ich angeführt, theils weil sie mir zufällig am nächsten, theils weil das tiefe Gefühl, das seine Schriften auf die
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ENCYCLOPÄDIE • VORREDEN
xiv(xill)-xv
obgleich sie Factum ist, diejenigen nichts, welche diese Philosophie Identitätssystem zu nennen pflegen, und gar den Ausdruck gebrauchen mögen, daß nach derselben A lles eins und dasselbe auch Gut und Böse gleich sey, - welches alles die schlechtesten Weisen der Einheit sind, von welchen in speculativer Philosophie die Rede nicht seyn, sondern nur ein noch barbarisches Denken bei Ideen Gebrauch machen kann. | Was nun die Angabe betrifft, daß in jener Philosophie an sich oder eig e n tlich die Verschiedenheit von Gut und Böse nicht gelte, so ist zu fragen, was denn dies: eigen tlich heiße? Heißt es die Natur Gottes, so wird doch nicht verlangt werden, daß in dieselbe das Böse verlegt werde; jene substantielle Einheit ist das Gute selbst; das Böse ist nur Entzweiung; in jener Einheit ist hiemit nichts weniger als eine Einerleiheit des Guten und des Bösen, das letztere vielmehr ausgeschlossen. Damit ist in Gott als solchem eben so wenig der Unterschied von Gut und Böse; denn dieser Unterschied ist nur im Entzweiten, einem solchen, in welchem das Böse selbst ist. Weiter kommt nun im Spinozismus auch der Unterschied vor, der M ensch v ersch ied en von Gott. Das System mag nach dieser Seite theoretisch nicht befriedigen; denn der Mensch und das Endliche überhaupt, mag es nachher auch zum Modus herabgesetzt werden, fin det sich in der Betrachtung nur neben der Substanz ein. Hier nun, wo der Unterschied existirt, ist es, daß derselbe auch wesentlich
ganz andere Seite von der Verstandes-Theologie zu stellen scheint, dem Tiefsinn am nächsten steht; denn die Grundbestimmung desselben, die V e r sö h n u n g , die nicht das unbedingte Urseyn und dergleichen Abstractum ist, ist der Gehalt selbst, der die speculative Idee ist und den sie denkend ausdrückt - ein Gehalt, den jener tiefe Sinn in der Idee am wenigsten verkennen müßte. Aber es geschieht Hrn. Tholuck ebendaselbst wie überall anderwärts in seinen Schriften, sich auch in das gäng und gäbe Gerede von dem P a n th e ism u s gehen zu lassen, worüber ich in einer der letzten Anmerkungen der Encyclop. weitläufiger gesprochen habe. Ich bemerke hier nur die eigenthümliche Ungeschicklichkeit und Verkehrung, in die Hr. Th. verfällt. Indem er auf die eine Seite seines vermeintlich philosophischen Dilemma’s den Urgrund stellt, und dieselbe nachher S. 33. 38. als pantheistisch bezeichnet, so charakterisirt er die andere als die der Socinianer, Pelagianer und Popularphilosophen so, daß es auf derselben »keinen unendlichen Gott, sondern eine g ro ß e A n zah l Götter gebe, nämlich die Zahl a lle r derer Wesen, die von dem sogenannten Urgründe verschieden sind und ein eignes S ey n und Handeln haben, nebst jenem sogenannten | Urgründe.« In der That gibt es so auf dieser Seite nicht blos eine große Anzahl von Göttern, sondern A lle s, (alles Endliche gilt hier dafür ein eignes Seyn zu haben), sin d G ö tte r ; auf dieser Seite hat Hr. Th. hiemit in der That seine A lle s g ö tt e r e i, seinen P a n th e ism u s ausdrücklich, nicht auf der ersten, zu deren Gott er ausdrücklich den E in e n Urgrund macht, wo somit nur M o n o th e ism u s ist. |
1 diese] O 2 O 3 : die
32 sogenannten] O 2 : sogenanntrn
O 3 : sogenannten
XV-XVII
VORREDE ZUR ZWEITEN AUSGABE
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als der Unterschied des Guten und Bösen existirt, und hier nur ist es, wo er e ig e n tlich ist, denn hier ist nur die eigenthümliche Bestimmung desselben. Hat man beim Spinozismus nur die Substanz vor Augen, so ist in ihr freilich kein Unterschied des Guten und Bösen, aber darum weil das Böse, wie das | Endliche und die W elt über5 haupt (s. §. 50. Anm. S. 59.) auf diesem Standpunkte gar nicht ist. Hat man aber
den Standpunkt vor Augen, auf welchem in diesem Systeme auch der Mensch und das Verhältniß des Menschen zur Substanz vorkommt, und wo nur das Böse im Unterschied desselben vom Guten seine Stelle haben kann, so muß man die Theile der Ethik nachgesehen haben, welche von demselben, von den Affecten, der menschliio chen Knechtschaft und der menschlichen Freiheit handeln, um von den moralischen Folgerungen des Systems erzählen zu können. Ohne Zweifel wird man sich von der hohen Reinheit dieser Moral, deren Princip die lautere Liebe Gottes ist, eben so sehr als davon überzeugen, daß diese Reinheit der Moral Consequenz des Systems ist. L essin g sagte zu seiner Zeit, die Leute gehen mit Spinoza wie mit einem todten 15 Hunde um; man kann nicht sagen, daß in neuerer Zeit mit dem Spinozismus und dann überhaupt mit speculativer Philosophie besser umgegangen werde, wenn man sieht, daß diejenigen, welche davon referiren und urtheilen, sich nicht einmal bemühen, die Facta richtig zu fassen und sie richtig anzugeben und zu erzählen. Es wäre dies doch das Minimum von Gerechtigkeit, und ein solches doch könnte sie auf allen 20 Fall fordern. D ie G e s c h ic h te d e r P h ilo s o p h ie ist d ie G e sc h ic h te d e r E n t d e c k u n g d e r G e d a n k e n ü b e r d a s A b s o lu t e , | d a s ih r G e g e n s t a n d ist. S o h a t z . B . S o k r a t e s , k a n n m a n s a g e n , d ie B e s t i m m u n g d e s Z w e c k s e n td e c k t, w e lc h e v o n P la t o u n d in s b e s o n d e r e v o n A r is to t e le s a u s g e b ild e t u n d b e s t im m t e rk a n n t w o r d e n ist. B r ü c k e r s G e s c h ic h te d e r
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P h ilo s o p h ie ist s o u n k r itis c h n ic h t n u r n a c h d e m A e u ß e r lic h e n d e s G e s c h ic h tlic h e n , s o n d e r n n a c h d e r A n g a b e d e r G e d a n k e n , daß m a n v o n d e n ä lte r n g r ie c h is c h e n P h ilo s o p h e n z w a n z i g , d r e iß ig u n d m e h r S ä tz e als d e re n P h i l o s o p h e m e a u f g e f ü h r t fin d e t, v o n d e n e n ih n e n k e in e in z ig e r a n g e h ö r t. E s s in d F o lg e r u n g e n , w e lc h e B r ü c k e r n a c h d e r W e is e d e r sc h le c h te n M e t a p h y s ik se in e r Z e it m a c h t u n d j e n e n P h ilo s o p h e n als
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ih r e B e h a u p t u n g e n a n d ic h te t . F o lg e r u n g e n sin d v o n z w e ie r le i A r t , th e ils n u r A u s f ü h r u n g e n e in e s P r in c ip s in w e ite r e s D e t a il h e r u n te r , th e ils a b e r e in R ü c k g a n g z u t ie f e m P r i n c ip ie n ; d a s G e s c h ic h tlic h e b e ste h t e b e n d a r in , a n z u g e b e n , w e lc h e n I n d iv id u e n e in e s o lc h e w e it e r e V e r t ie f u n g d e s G e d a n k e n s u n d d ie E n t h ü llu n g d e r s e lb e n a n g e h ö r e . A b e r je n e s V e r f a h r e n ist n ic h t b lo s d a r u m u n g e h ö r ig , w e i l j e n e P h ilo s o -
35 p h e n d ie C o n s e q u e n z e n , d ie in ih r e n P r in c ip ie n lie g e n so lle n , n ic h t se lb s t g e z o g e n u n d a ls o n u r n ic h t a u s d r ü c k lic h a u s g e s p r o c h e n h a b e n , s o n d e r n v i e lm e h r w e i l ih n e n b e i s o lc h e m S c h lie ß e n e in G e lte n la sse n u n d e in G e b r a u c h v o n G e d a n k e n - V e r h ä lt -
s t 50.] O 2 O 3 : §. 48.
24 B r ü c k e rs ] O 2 : B r u k - /k e r s
O3:
B rü ck e rs
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ENCYCLOPÄDIE • VORREDEN
X V II-X X
nissen der Endlichkeit geradezu angemuthet wird, welche dem Sinne der Philosophen, die speculativen Geistes waren, geradezu | zuwider sind und die philosophische Idee vielmehr nur verunreinigen und verfälschen. Wenn solche Verfälschung die Entschuldigung des vermeintlichen richtigen Schließens bei alten Philosophien hat, von denen uns nur wenige Sätze berichtet sind, so fällt sie bei einer Philosophie hinweg, welche ihre Idee selbst theils in die bestimmten Gedanken gefaßt, theils den Werth der Kategorien ausdrücklich untersucht und bestimmt hat, wenn doch die Idee verstümmelt aufgefaßt, aus der Darstellung nur Ein Moment herausgenommen und (wie die Identität) für die Totalität ausgegeben wird, und wenn die Kategorien ganz unbefangen nach der nächsten besten Weise, wie sie das alltägliche Bewußtseyn durchziehen, in ihrer Einseitigkeit und Unwahrheit hereingebracht werden. Die gebildete Erkenntniß der Gedankenverhältnisse ist die erste Bedingung, ein philosophisches Factum richtig aufzufassen. Aber die Rohheit des Gedankens wird ausdrücklich durch das Princip des unmittelbaren Wissens nicht nur berechtigt, sondern zum Gesetz gemacht; die Erkenntniß der Gedanken und damit die Bildung des subjectiven Denkens ist so wenig ein unmittelbares Wissen, als irgend eine Wissenschaft oder Kunst und Geschicklichkeit. Die Religion ist die Art und Weise des Bewußtseyns, wie die Wahrheit für alle Menschen, für die Menschen aller Bildung ist, die wissenschaftliche Erkenntniß der Wahrheit aber ist eine besondere Art ihres | Bewußtseyns, deren Arbeit sich nicht Alle, vielmehr nur Wenige unterziehen. D er G eh alt ist derselb e, aber wie Homer von einigen Sternen sagt, daß sie zwei Namen haben, den einen in der Sprache der Götter, den ändern in der Sprache der übertägigen Menschen, so gibt es für jenen Gehalt zwei Sprachen, die eine des Gefühls, der Vorstellung und des verständigen, in endlichen Kategorien und einseitigen Abstractionen nistenden Denkens, die andere des concreten Begriffs. Wenn man von der Religion aus auch die Philosophie besprechen und beurtheilen will, so ist mehr erforderlich als nur die Gewohnheit der Sprache des übertägigen Bewußtseyns zu haben. Das Fundament der wissenschaftlichen Erkenntniß ist der innere Gehalt, die inwohnende Idee und deren im Geiste rege Lebendigkeit, wie nicht weniger die Religion ein durchgearbeitetes Gemüth, ein zur Besinnung erwachter Geist, ausgebildeter Gehalt ist. In der neuesten Zeit hat die Religion immer mehr die gebildete Ausdehnung ihres Inhalts zusammengezogen und sich in das Intensive der Frömmigkeit oder auch des Gefühls und oft einen sehr dürftigen und kahlen Gehalt manifestirenden Gefühls, zurückgezogen. So lange sie noch ein Credo, eine Lehre, eine Dogmatik hat, so hat sie das, mit dem die Philosophie sich beschäftigen und in dem sie als solche sich mit der Religion vereinigen kann. Dies ist jedoch wieder nicht nach | dem trennenden, schlechten Verstände zu nehmen, in dem die moderne Religiosität befangen ist, und nach welchem sie beide so vorstellt, daß sie eine die andere ausschließen, oder überhaupt so trennbar
VORREDE ZUR ZWEITEN AUSGABE
X X -X X II
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seyen, daß sie sich dann nur von Außen her verbinden. Vielmehr liegt auch in dem Bisherigen, daß die Religion wohl ohne Philosophie, aber die Philosophie nicht ohne Religion seyn kann, sondern diese vielmehr in sich schließt. Die wahrhafte Religion, die Religion des Geistes, muß ein solches, einen Inhalt, haben; denn der Geist ist wesentlich Bewußtseyn, somit von dem gegenständlich gemachten Inhalt; als Gefühl ist er der ungegenständliche Inhalt selbst, (qualirt nur, um einen Böhmischen Ausdruck zu gebrauchen) und nur die niedrigste Stufe des Bewußtseyns, ja in der mit dem Thiere gemeinschaftlichen Form der Seele. Das Denken macht die Seele, womit auch das Thier begabt ist, erst zum Geiste; und die Philosophie ist nur ein Bewußtseyn über jenen Inhalt, den Geist und seine Wahrheit, auch in der Gestalt und Weise jener seiner, ihn vom Thier unterscheidenden und der Religion fähig machenden Wesenheit. Die contracte, auf das Herz sich punktualisirende Religiosität muß dessen Zerknirschung und Zermürbung zum wesentlichen Momente seiner Wiedergeburt machen; sie müßte aber sich zugleich erinnern, daß sie es mit dem Herzen eines Geistes zu thun hat, der Geist zur Macht | des Herzens bestellt ist und diese Macht nur seyn kann, in sofern er selbst wiedergeboren ist. Diese Wiedergeburt des Geistes aus der natürlichen Unwissenheit sowohl als dem natürlichen Irrthum geschieht durch Unterricht und den durch das Zeugniß des Geistes erfolgenden Glauben der o b je c tiven W ah rh eit, des Inhaltes. Diese Wiedergeburt des Geistes ist unter anderem auch unmittelbar Wiedergeburt des Herzens aus der Eitelkeit des einseitigen Verstandes, auf den es pocht, dergleichen zu wissen, wie, daß das Endliche von dem Unendlichen verschieden sey, die Philosophie entweder Vielgötterei oder in scharfdenkenden Geistern Pantheismus seyn müsse, u.s.f. - die Wiedergeburt aus solchen jämmerlichen Einsichten, auf welchen die fromme Demuth gegen Philosophie wie gegen theologische Erkenntniß hochherfährt. Verharrt die Religiosität bei ihrer expansions- und damit geistlosen Intensität, so weiß sie freilich nur von dem Gegensätze dieser ihrer bornirten und bornirenden Form gegen die geistige Expansion religiöser Lehre als solcher, wie philosophischer.*) Nicht nur | aber beschränkt der *) U m noch einmal auf Herrn T h o lu k zurückzukommen, der als der begeisterte Repräsentant pietistischer Richtung angesehen werden kann, so ist der Mangel an einer Lehre in seiner Schrift »ü b e r d ie L e h re vo n der S ü n d e ,« 2te Aufl. (die mir so eben unter die Augen gekommen) ausgezeichnet. Es war mir dessen Behandlung der Trinitätslehre | in seiner Schrift: d ie s p e c u la tiv e T r in itä ts le h r e des s p ä te m O r ie n ts , für deren fleißig hervorgezogene historische Notizen ich ihm ernstlichen Dank weiß, aufgefallen; er nennt diese Lehre eine sc h o la stisc h e Lehre; auf allen Fall ist sie viel älter, als das was man scholastisch heißt; er betrachtet sie allein nach der äußerlichen Seite eines vermeintlich nur historischen Entstehens aus Speculation über biblische Stellen und unter dem Einflüsse platonischer und
11 vom] O
2
: von
O 3 : vom
14
ENCYCLOPÄDIE • VORREDEN
XXII-X X IV
denkende Geist sich nicht auf die Befriedigung in der reinem, unbefangenen Religiosität, | sondern jener Standpunkt ist, an ihm selbst ein aus Reflexion und Räsonnement hervorgegangenes Resultat; es ist mit Hülfe oberflächlichen Verstandes, daß er sich diese vornehme Befreiung von so gut als aller Lehre verschafft hat, und indem er das Denken, von dem er angesteckt ist, zum Eifern gegen Philosophie gebraucht, ist es, daß er sich auf der dünnen | inhaltslosen Spitze eines abstracten Gefühlszustandes gewaltsam erhält. - Ich kann mich nicht enthalten, die Paränesis des Herrn Fr. von B ad er über eine solche Gestaltung der Frömmigkeit, auszugsweise anzuführen, aus den Fermentis Cognitionis 5tes Heft, Vorr. S. IX.f. aristotelischer Philosophie (S. 41.). Aber in der Schrift über die Sünde geht er, man möchte sagen, cavalierement, mit diesem Dogm a um, indem er es nur für fähig erklärt, ein F ac h w e rk zu seyn, darin sich die Glaubenslehren (welche?) ordnen lassen (S. 220.), ja man muß auch den Ausdruck (S. 219.) auf dies Dogma ziehen, daß es den am Ufer (etwa im Sande des Geistes?) stehenden als eine Fata Morgana erscheine. Aber »ein Fundament« (so vom Dreifuß spricht Hr. Th. ebendas. S. 221.) ist die Trinitätslehre »nimmermehr, auf das d er G la u b e g e g r ü n d e t w e rd e n k an n .« Ist diese Lehre, als die heiligste, nicht von jeher oder seit wie lange wenigstens? der Hauptinhalt des Glaubens selbst als Credo, und dieses Credo das Fundament des subjectiven Glaubens gewesen? Wie kann ohne dieses Dogm a die Versöhnungslehre, die Hr. Th. in der angeführten Schrift mit so viel Energie an das Gefühl zu bringen sucht, einen mehr als moralischen oder wenn man will heidnischen, wie kann sie einen christlichen Sinn haben? Auch von ändern speciellem Dogmen findet sich nichts in dieser Schrift; Hr. Th. führt seine Leser z. B. immer nur bis zum Leiden und Tod Christi, aber nicht zu seiner Auferstehung und Erhebung zur Rechten des Vaters. Eine Hauptbestimmung in der Versöhnungs-1 lehre ist die S ü n d e n s tr a fe ; diese ist bei Hrn. Thol. S. 119.ff. das lastende Selbstbewußtseyn und die damit verbundene Unseligkeit, in welcher alle sind, die au ß er G o tt leben, dem alleinigen Quell der Seligkeit wie der Heiligkeit; so daß Sünde, Schuldbewußtseyn und Unseligkeit nicht ohne einander g e d a c h t werden können (hier kommt es also auch zum Denken, wie S. 120. auch die Bestimmungen als aus der N a tu r Gottes fließend aufgezeigt werden). Diese Bestimmung der Sündenstrafe ist das, was man die n a tü r lic h e Strafe der Sünde genannt hat, und was (wie die Gleichgültigkeit gegen die Trinitätslehre) das Resultat und Lehre der von Hm. Th. sonst so sehr verschrienen Vernunft und Aufklärung ist. - Vor einiger Zeit fiel im Oberhause des englischen Parlaments eine Bill durch, welche die Secte der U n i ta rie r betraf; bei dieser Veranlassung gab ein englisches Blatt eine Notiz über die große Anzahl der Unitarier in Europa und in Amerika, und fügt dann hinzu: »auf dem europäischen Continent ist Protestantismus und Unitarianismus gegenwärtig meist synonym.« Theologen mögen entscheiden, ob Herrn T h o lu k s Dogmatik sich in noch mehr als in einem oder höchstens zwei Punkten, und wenn sie näher angesehen werden, ob selbst in diesen nicht, von der gewöhnlichen Theologie der Aufklärung unterscheidet. | 8 v o n B a d e r] s. Editorischer Bericht S. 449 mehr,] O2O3.' »nimmermehr,«
14 »einFundament«] O2O3: »ein Fundament
28 aus] O2.' ans
O3: aus
34 »auf ] O2: auf O3.' »auf
15 »nimmer-
X X IV -X X V I
VORREDE ZUR ZWEITEN AUSGABE
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So lange, sagt er, der Religion, ihren Lehren, nicht wieder von Seite der Wissenschaft eine auf freies Forschen und sohin wahrhafte Ueberzeugung, gegründete Achtung verschafft worden seyn wird, - so lange werdet ihr, Fromme und Nichtfromme, mit all’ euren Geboten und Verboten, mit all’ eurem Gerede und Thun - dem Uebel nicht abhelfen, und so lange wird auch diese nichtgeachtete Religion nicht geliebt werden, weil man doch nur herzhaft und aufrichtig lieben kann, was man aufrichtig geachtet sieht, und als achtbar unbezweifelt erkennt, so wie der Religion auch nur mit einem solchen amor generosus gedient seyn kann. - Mit ändern Worten: wollt ihr daß die Praxis der Religion wieder gedeihe, so sorgt doch dafür, daß wir wieder zu einer vernünftigen Theorie derselben gelangen, und räumt nicht euren Gegnern (den Atheisten) vollends das Feld mit jener un v ern ü n ftigen und b lasp h e m ischen Behauptung: daß an eine solche Religionstheorie, als an eine unmögliche Sache, ganz nicht | zu denken, daß die Religion bloße Herzenssache sey, bei der man des Kopfs sich füglich entäußern könne, ja müsse.*) In Ansehung der Dürftigkeit an Inhalt kann noch bemerkt werden, daß von ihr nur als der Erscheinung an dem äußerlichen Zustande der Religion zu einer besondern Zeit, die Rede seyn kann. Eine solche Zeit könnte beklagt werden, wenn es solche Noth thut, nur den bloßen Glauben an Gott hervorzubringen, was dem edeln Ja c o b i so angelegentlich war, und weiter nur noch eine concentrirte Christlichkeit der Empfindung zu erwecken; die höhern Principien sind zugleich nicht zu verkennen, die selbst darin sich kund geben (s. Einleit, zur Logik §. 64. Anm.). Aber vor der Wissenschaft liegt der reiche Inhalt, den Jahrhunderte und Jahrtausende der erkennenden Thätigkeit vor sich gebracht haben, und vor ihr liegt er | nicht als etwas Historisches, das nur andere besessen, und für uns ein Vergangenes, nur eine Beschäftigung zur Kenntniß des Gedächtnisses und für den Scharfsinn des Kritisirens der Erzählungen, nicht für die Erkenntniß des Geistes und das Interesse der Wahrheit wäre. Das Erhabenste, Tiefste und Innerste ist zu Tage gefördert worden, in den Religionen, Philosophien und Werken der Kunst, in reinerer und unreinerer, klarerer und trüberer, oft sehr abschreckender Gestalt. Es ist für ein besonderes Verdienst zu achten, daß Herr Franz von B ad er fortfährt, solche Formen nicht nur in Erinnerung, sondern mit tief speculativem Geiste ihren Gehalt ausdrücklich zu wissenschaftlichen Ehren zu bringen, indem er die philosophische Idee aus ihnen exponirt
* ) Herr T h o lu k citirt mehreremal Stellen aus A n se lm ’ s Tractat cur Deus homo, und rühmt S. 127. »die tiefe Demuth dieses großen Denkers,« warum bedenkt und führt er nicht auch die (zu §. 77. der Encyclopädie S. 91. citirte) Stelle aus demselben Tractat an: Negligentiae mihi videtur si - non studemus, quod credimus, in te llig e r e . - Wenn freilich das Credo kaum auf etliche wenige Artikel eingeschrumpft ist, bleibt wenig Stoff zu erkennen übrig, und kann aus der Erkenntniß wenig werden. |
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ENCYCLOPÄDIE • VORREDEN
X X V I-X X V II (x x V IIl)
und erhärtet. Ja c o b B ö h m ’ s Tiefe gewährt insbesondere hiefür Gelegenheit und Formen. Diesem gewaltigen Geiste ist mit Recht der Name philosophus teutonicus zugelegt worden; er hat den Gehalt der Religion theils für sich zur allgemeinen Idee erweitert, in demselben die höchsten Probleme der Vernunft concipirt, und Geist und Natur in ihren bestimmtem Sphären und Gestaltungen darin zu fassen gesucht, indem er zur Grundlage nahm, daß nach dem Ebenbilde Gottes, freilich keines ändern als des d reiein igen , der Geist des Menschen und alle Dinge geschaffen, und | nur dies Leben sind, aus dem Verlust ihres Urbildes dazu redintegrirt zu werden; theils hat er umgekehrt die Formen der natürlichen Dinge (Schwefel, Salpeter u.s.f., das Herbe, Bittre u.s.f.) gewaltsam zu geistigen und Gedankenformen verwendet. Die Gnosis des Hrn. v. Bader, welche sich an dergleichen Gestaltungen anschließt, ist eine eigenthümliche Weise das philosophische Interesse anzuzünden und zu befördern; sie stellt sich kräftig eben so sehr der Beruhigung bei der inhaltslosen Kahlheit der Aufklärerei als der nur intensiv bleiben wollenden Frömmigkeit entgegen. Hr. v. Bader beweißt dabei in allen seinen Schriften, daß er entfernt davon ist, diese Gnosis für die ausschließende Weise der Erkenntniß zu nehmen. Sie hat für sich ihre Unbequemlichkeiten, ihre Metaphysik treibt sich nicht zur Betrachtung der Kategorien selbst und zur methodischen Entwicklung des Inhaltes fort; sie leidet an der Unangemessenheit des Begriffs zu seinen wilden oder geistreichen Formen und Gestaltungen; so wie sie überhaupt daran leidet, daß sie den absoluten Inhalt, als V o rau ssetzu n g, hat und aus derselben erklärt, räsonnirt und widerlegt.*) | * ) Es muß mir erwünscht seyn, sowohl durch den Inhalt der mehreren neuerlichen Schriften des Hrn. v. B a d e r s , als in den namentlichen Erwähnungen vieler meiner Sätze die | Zustimmung desselben zu denselben zu ersehen; über das Meiste dessen oder leicht Alles, was er bestreitet, würde es nicht schwer seyn, mich ihm zu verständigen, nämlich zu zeigen, daß es in der That nicht von seinen Ansichten abweicht. Nur Einen Tadel, der in den »Bemerkungen über einige antireligiöse Philosopheme unserer Zeit. 1824.« S. 5. vergl. S. 56.ff. vorkommt, will ich berühren; es wird daselbst von einem Philosophem gesprochen, welches »aus der Schule der Naturphilosophie hervorgegangen einen falschen Begriff von der Materie aufstelle, indem selbes von dem vergänglichen und die Verderbniß in sich bergenden Wesen dieser Welt behaupte, daß solches u n m itte lb a r und ewig aus Gott hervorgegangen und gehend, als der ewige Ausgang (Entäußerung) Gottes dessen ewigen Wiedereingang (als Geist) ewig b ed in g e.« Was den ersten Theil dieser Vorstellung betrifft, von dem H e rv o rg e h e n (dies ist überhaupt eine Kategorie, die ich nicht gebrauche, indem sie nur ein bildlicher Ausdruck, keine Kategorie ist) der Materie aus Gott, so sehe ich nicht anders, als daß dieser Satz in der Bestimmung, daß Gott Schöpfer der Welt ist, enthalten ist; was aber den ändern Theil betrifft,
19 wilden] O 2 : milden O 3 : würde
O 3 : wilden
22 sowohl] O 2 : fowohl
O 3 ; sowohl
25 würde] O 2 : würdr
X X V III-X X X
VORREDE ZUR ZWEITEN AUSGABE
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A n r e in e r n u n d t r ü b e r n G e s ta ltu n g e n d e r W a h r h e it h a b e n w ir , k a n n m a n s a g e n , g e n u g u n d z u m | U e b e r f l u ß , - i n d e n R e lig io n e n u n d M y t h o l o g i e n , in g n o s t isc h e n u n d m y s t ic ir e n d e n P h ilo s o p h ie n ä lte re r u n d n e u e r e r Z e i t ; m a n k a n n se in e F r e u d e d a r a n h a b e n , d ie E n t d e c k u n g d e r Id e e in d ie s e n G e s t a lt u n g e n z u m a c h e n 5 u n d d ie B e f r i e d i g u n g d a r a u s z u g e w in n e n , daß d ie p h ilo s o p h is c h e W a h r h e i t n ic h t
e tw a s n u r E in s a m e s , s o n d e r n d a r in d ie W ir k s a m k e it d e r s e lb e n w e n ig s t e n s als G ä h r u n g v o r h a n d e n g e w e s e n . W e n n a b e r d e r D ü n k e l d e r U n r e i f e a n d a s A u f w ä r m e n so lc h e r P r o d u c t i o n e n d e r G ä h r u n g g e r ä th , so e rh e b t er s ic h le ic h t in s e in e r T r ä g h e i t u n d U n f ä h i g k e i t w is s e n s c h a ftlic h e n D e n k e n s so lc h e G n o s is z u r a u ss c h lie ß e n d e n W e is e 10 d e s E r k e n n e n s ; d e n n es ist m ü h e lo s e r in s o l|c h e n G e b ild e n s ic h z u e r g e h e n u n d a n
sie a s s e rto ris c h e P h ilo s o p h e m e a n z u k n ü p fe n , als d ie E n t w ic k l u n g d e s B e g r i f f e s z u ü b e r n e h m e n u n d se in D e n k e n , w ie se in G e m ü t h , d e r lo g is c h e n N o t h w e n d i g k e i t d e sse lb e n z u u n t e r w e r fe n . A u c h l ie g t d e m D ü n k e l n a h e , s ic h d a s a ls E n t d e c k u n g z u z u sc h r e ib e n , w a s e r v o n Ä n d e r n e rle rn t h a t, u n d er g l a u b t d ie s u m s o le ic h t e r , w e n n 15 e r sie b e k ä m p f t o d e r h e r a b s e t z t ; o d e r ist v ie lm e h r d a r u m g e r e iz t g e g e n sie , w e il e r se in e E in s ic h t e n a u s ih n e n g e s c h ö p f t h at. W i e in d e n Z e it e r s c h e in u n g e n , a u f w e lc h e w ir in d ie s e m V o r w o r t R ü c k s ic h t g e n o m m e n , s ic h d e r D r a n g d e s D e n k e n s , o b g le ic h v e r u n s t a lt e t, a n k ü n d i g t , s o is t es a n u n d f ü r s ic h f ü r d e n z u d e r H ö h e d e s G e iste s g e b ild e te n G e d a n k e n s e lb s t u n d f ü r 20 se in e Z e i t B e d ü r f n iß , u n d d a r u m u n se re r W isse n sc h a ft a lle in w ü r d i g , d a ß d a s, w a s
fr ü h e r als M y s t e r i u m g e o f f e n b a r t w o r d e n , a b e r in d e n r e in e r n u n d n o c h m e h r in d e n t r ü b e r n G e s ta ltu n g e n s e in e r O f f e n b a r u n g d e m f o r m e lle n G e d a n k e n e in G e h e im n iß -
daß der ewige Ausgang den Wiedereingang Gottes als Geist b e d in g e , so setzt Hr. v. Bader das B e d in g e n an diese Stelle, eine theils an und für sich hier ungehörige und von mir eben 25 so wenig für diese Beziehung gebrauchte Kategorie; ich erinnere an das, was ich oben über
die unkritische Vertauschung der Gedankenbestimmungen bemerkt habe. Das u n m itte lb a r e oder v e r m it te lte Hervorgehen der Materie aber zu erörtern, führte nur auf ganz formelle Bestimmungen. Was Hr. v. B. selbst S. 54.ff. über den Begriff | der Materie angibt, sehe ich nicht für abweichend von meinen Bestimmungen, dieselbe betreffend, an; so wie ich nicht 30 verstehe, welche Abhilfe für die absolute Aufgabe, die Schöpfung der Welt als Begriff zu
fassen, in dem liegt, was Hr. v. B. S. 58. angibt, daß die Materie »nicht das unmittelbare Product der Einheit, sondern jenes ihrer P rin c ip ie n (Bevollmächtigten, Elohim) sey, w elch e sie zu diesem Zwecke hervorrief.« Ist der Sinn dieser (denn nach der grammatischen Stellung ist er nicht völlig klar), daß die Materie das Product der Principien sey, oder dieser, daß die 35 Materie sich diese Elohim hervorgerufen und sich von ihnen habe produciren lassen, so müssen
jene Elohim oder aber dieser ganze Kreis zusammen in eine Beziehung zu Gott gesetzt werden, welche durch das Einschieben von Elohim nicht aufgehellt wird. | 31 »nicht] O 2 O 3 : nicht
18
ENCYCLOPÄDIE • VORREDEN
X X X -X X X II
volles bleibt, für das Denken selbst geoffenbart werde, welches in dem absoluten Rechte seiner Freiheit die Hartnäckigkeit behauptet, mit dem gediegenen Inhalte sich nur zu versöhnen, in sofern dieser sich die seiner selbst zugleich würdigste | Gestalt, die des Begriffs, der Nothwendigkeit, die alles, Inhalt wie Gedanken, bindet und eben darin frei macht, zu geben gewußt hat. Soll Altes erneut werden, d. i. eine alte Gestaltung, denn der Gehalt selbst ist ewig jung, so ist die Gestaltung der Idee etwa, wie sie ihr P lato und viel tiefer A risto teles gegeben, der Erinnerung unendlich würdiger, auch darum, weil die Enthüllung derselben durch Aneignung an unsere Gedankenbildung unmittelbar nicht nur ein Verstehen derselben, sondern ein Fortschreiten der Wissenschaft selbst ist. Aber solche Formen der Idee zu verstehen liegt gleichfalls nicht so auf der Oberfläche als gnostische und kabbalische Phantasmagorien zu fassen, und noch weniger macht es sich so von selbst, jene fortzubilden als in diesen Anklänge der Idee zu weisen oder anzudeuten. Wie von dem Wahren richtig gesagt worden, daß es index sui et falsi sey, vom Falschen aus aber das Wahre nicht gewußt wird, so ist der Begriff das Verstehen seiner selbst und der begrifflosen Gestalt, aber diese versteht von ihrer innern Wahrheit aus nicht jenen. Die Wissenschaft versteht das Gefühl und den Glauben, sie kann aber nur aus dem Begriffe, als auf welchem sie beruht, beurtheilt werden, und da sie dessen Selbstent | wicklung ist, so ist eine Beurtheilung derselben aus dem Begriffe nicht sowohl ein Urtheilen über sie, als ein Mitfortschreiten. Solches Urtheilen muß ich auch diesem Versuche wünschen, wie ich ein solches nur achten und beachten kann. B e rlin , den 25. May 1827. |
14 vom] O2: von O3: vom
X X X III-X X X IV
VORREDE ZUR ERSTEN AUSGABE
19
VORREDE ZU R ER STEN A U SG A B E .
Das Bedürfniß, meinen Zuhörern einen Leitfaden zu meinen philosophischen Vorlesungen in die Hände zu geben, ist die nächste Veranlassung, daß ich diese Uebersicht des gesammten Umfanges der Philosophie, früher ans Licht treten lasse, als mein Gedanke gewesen wäre. Die Natur eines Grundrisses schließt nicht nur eine erschöpfendere Ausführung der Ideen ihrem Inhalte nach aus, sondern beengt insbesondere auch die Ausführung ihrer systematischen Ableitung, welche das enthalten muß, was man sonst unter dem B ew eise verstand, und was einer wissenschaftlichen Philosophie unerläßlich ist. Der Titel sollte theils den Umfang eines Ganzen, theils die Absicht anzeigen, das Einzelne dem mündlichen Vortrage vorzubehalten. Bei einem Grundrisse kommt aber dann mehr blos eine äuß erliche Z w e ck m äß igk eit der Anordnung und Einrichtung in Betrachtung, wenn es ein schon vorausgesetzter und bekannter Inhalt ist, der in einer absichtlichen Kürze vorgetragen werden soll. Indem gegenwärtige Darstellung nicht in diesem Falle ist, sondern eine neue Bearbeitung der Philosophie nach einer | Methode aufstellt, welche noch, wie ich hoffe, als die einzig wahrhafte, mit dem Inhalt identische, anerkannt werden wird, so hätte ich es derselben dem Publicum gegenüber für vorteilhafter halten können, wenn mir die Umstände erlaubt hätten, eine ausführlichere Arbeit über die ändern Theile der Philosophie vorangehen zu lassen, dergleichen ich über den ersten Theil des Ganzen, die L o g ik , dem Publicum übergeben habe. Ich glaube übrigens, obgleich in gegenwärtiger Darstellung die Seite, wornach der Inhalt der V o rste llu n g und der empirischen Bekanntschaft näher liegt, beschränkt werden mußte, in Ansehung der Uebergänge, welche nur eine durch den B e g r iff zu geschehende Vermittlung seyn können, so viel bemerklich gemacht zu haben, daß sich das Methodische des Fortgangs hinreichend sowohl von der nur äuß erlichen O rd n u n g, welche die ändern Wissenschaften aufsuchen, als auch von einer in philosophischen Gegenständen gewöhnlich gewordenen M anier unterscheidet, welche ein Schem a v o rau sse tzt und damit die Materien eben so äußerlich und noch willkührlicher als die erste Weise thut, parallelisirt, und, durch den sonderbarsten Mißverstand, der Nothwendigkeit des Begriffs mit Zufälligkeit und Willkühr der Verknüpfungen Genüge geleistet haben will.
20
ENCYCLOPÄDIE • VORREDEN
X X XIV -X XX V I
Dieselbe Willkühr sahen wir auch sich des Inhalts der Philosophie bemächtigen, auf Abentheuer des Gedankens ausziehen und dem ächtgesinnten und redlichen Streben eine Zeitlang imponiren, sonst aber auch für eine selbst bis zur Verrücktheit gesteigerte Aberwitzigkeit gehalten werden. Statt des Imposanten oder Verrückten ließ der Gehalt eigentlicher und häufiger, wohlbekannte Trivialitäten, so wie die Form die bloße Manier eines absichtlichen, methodischen und leicht zu habenden Witzes barocker Verknüpfungen und einer erzwungenen Verschrobenheit, so wie überhaupt hinter der Miene des Ernstes | Betrug gegen sich und gegen das Publicum erkennen. Auf der ändern Seite sahen wir dagegen die Seichtigkeit, den M angel an G edanken zu einem sich selbst klugen Skepticismus und vernunftbescheidenen Kriticismus stempeln und mit der Leerheit an Ideen in gleichem Grade ihren Dünkel und Eitelkeit steigern. - Diese beiden Richtungen des Geistes haben eine geraume Zeit den deutschen Ernst geäfft, dessen tieferes philosophisches Bedürfniß ermüdet, und eine Gleichgültigkeit, ja sogar eine solche Verachtung gegen die Wissenschaft der Philosophie zur Folge gehabt, daß nun auch eine sich so nennende Bescheidenheit über das Tiefste der Philosophie mit- und absprechen, und demselben die vernünftige Erkenntniß, deren Form man ehemals unter dem B ew eisen begriff, abzuleugnen sich herausnehmen zu dürfen meynt. Die erste der berührten Erscheinungen kann zum Theil als die jugendliche Lust der neuen Epoche angesehen werden, welche im Reiche der Wissenschaft wie in dem politischen aufgegangen ist. Wenn diese Lust die Morgenröthe des verjüngten Geistes mit Taumel begrüßte, und ohne tiefere Arbeit gleich an den Genuß der Idee ging und in den Hoffnungen und Aussichten, welche diese darbot, eine Zeitlang schwelgte, so versöhnt sie leichter mit ihren Ausschweifungen, weil ihr ein Kern zu Grunde liegt, und der oberflächliche Dunst, den sie um denselben ausgegossen, sich von selbst verziehen muß. Die andere Erscheinung aber ist widriger, weil sie die Ermattung und Kraftlosigkeit zu erkennen gibt, und sie mit einem, die philosophischen Geister aller Jahrhunderte meisternden, sie und am meisten sich selbst mißkennenden Dünkel, zu bedecken strebt. Um so erfreulicher ist aber wahrzunehmen und noch zu erwähnen, wie sich gegen beides das philosophische Interesse und die ernstliche Liebe der höhern E rk e n n t-| niß unbefangen und ohne Eitelkeit erhalten hat. Wenn dies Interesse sich mitunter mehr auf die Form eines unm ittelbaren W issens und des G efühls warf, so beurkundet es dagegen den innern weiter gehenden Trieb vernünftiger Einsicht, welche allein dem Menschen seine Würde gibt, dadurch am höchsten, daß ihm selbst jener Standpunkt nur als R esultat philosophischen Wissens wird, somit dasjenige von ihm als B e d in g u n g wenigstens anerkannt ist, was es zu verschmähen scheint. 5 häufiger] O2: häufiger
O1O3: häufiger
XXXVI
VORREDE ZUR ERSTEN AUSGABE
21
Diesem Interesse am E rkennen der W ahrheit widme ich diesen Versuch, eine Einleitung oder Beitrag zu seiner Befriedigung zu liefern; ein solcher Zweck möge ihm eine günstige Aufnahme verschaffen. H e id e lb e rg , im M ay 1817. |
xxxvii-xxxvm
23
INHALTSANZEIGE
INHALTS-ANZEIGE.
ERSTER THEIL. D ie W i s s e n
sc h a f t
d er
Lo
g ik
.
§. 19.-§. 244. V o rb e g riff. §. 19-83............................................................................................ 27 A. Erste Stellung des Gedankens zur Objectivität; Metaphysik. §. 26-36. . 36 B. Zweite Stellung des Gedankens zur Objectivität. §. 37-60........................ 43 I. Empirismus. §.37..................................................................................... 43 II. Kritische Philosophie. §.40......................................................................46 C. Dritte Stellung des Gedankens zur Objectivität. §. 61-78..........................72 Das unmittelbare Wissen. §.61............................................................... 72 Näherer Begriff und Eintheilung der Logik. §. 79-83.....................................
93 |
Erste Abtheilung. D ie Lehre vom Seyn. §. 84-111......................................97 A. Qualität........................................................................................................... 98 a. Seyn. §.86................................................................................................. 98 b. Daseyn. §.89............................................................................................. 104 c. Fürsichseyn. §.96......................................................................................110 B. Quantität.........................................................................................................112 a. Reine Quantität. §.99.............................................................................. 112 b. Quantum. §. 101.......................................................................................113 c. Grad. §. 103............................................................................................... 115 C. Maaß. §. 107...................................................................................................117 Zweite Abtheilung. D ie Lehre vom Wesen. §. 112-159............................ 120 A. Das Wesen als Grund der Existenz.............................................................. 123 a. Die reinen Reflexionsbestimmungen. §.115...........................................123 a. Identität. §. 115. ß. Unterschied. §. 116. y. Grund. §. 121. 5 §. 244.] 0 2: 244. 0 2: 83
vgl 0 3: §. 224.
14 111.] 0 2: 113.
0 3: 111.
8 43] 0 2: 42
9 43] 0 2: 42
24 159.] 0 2: 150.
0 3: 159.
13 Logik.] 0 20 3: Logik
13 93]
24
ENCYCXOPÄDIE • INHALTSANZEIGE
X X XV III-X XX IX
b. Die Existenz. §. 123................................................................... . . . . c. Das Ding. §. 125........................................................................ . . . . B. Die Erscheinung............................................................................. . . . . a. Die Welt der Erscheinung. §. 132............................................ . . . . b. Inhalt und Form. §. 133. ................................................... . . . . c. Verhältniß. §. 135...................................................................... . . C. Die Wirklichkeit............................................................................ . . a. Substantialitäts-Verhältniß. §. 150............................................ . . b. Causalitäts-Verhältniß. §.153................................................... . . c. Wechselwirkung.
§.
134 135
. .
136
. .
141
. . . .
146 147
155............................................................ . . . .
Dritte Abtheilung. D ie Lehre vom B e g riff. §.160-244. . . . . A. Der subjective Begriff. .............................................................. . . a. Begriff als solcher. §. 163.......................................................... . . b. Urtheil. §. 166. .................................................................. . . c. Schluß. §. 181............................................................................. . .
129 130 134
149 |
. .
154
. . . .
. . . .
157 157 160 170
. . . .
B. Das Object...................................................................................... a. Mechanismus. §.195................................................................. . . . . b. Chemismus. §. 200.................................................................... . . . . c. Teleologie. §. 204...................................................................... . . . .
183
.................................................................................. . . . . a. Leben. §.216.............................................................................. . . . . b. Erkennen. §. 223........................................................................ . . . . c. Absolute Idee. §. 236................................................................. . . . .
195
C. Die Idee.
5
10
15
184 186 188 20
200 202 210
ZWEITER THEIL. D ie P h i l o s o p h i e d e r
25
N a t u r .
§. 245.-§. 376. . 217
E in leitun g. §. 245................................................................................. Erste Abtheilung. D ie M echanik. §. 253.-271.................................
. . . .
225 . 225
A. Raum und Zeit............................................................................... a. Raum. §. 254............................................................................................. 225 b. Zeit. §. 257................................................................................................. 229 c. Ort. §. 260................................................................................................. 234 |
2 Ding.] O a: Ding
Os: Ding.
e n M e c h an ik .
29 225] O 2 : 226
7 141] 0 2 :1 4 4
27 217] O 2 : 218
30 225] O 2 ; 226
28 M e ch an ik .] O 2 : M e c h a n ik -
30
XL-X LI
5
INHALTSANZEIGE
25
B. Materie und Bewegung................................................................................. 238 a. Träge Materie. §. 263. ...................................................................... 240 b. Stoß. §. 265................................................................................................ 241 c. Fall. §. 267.................................................................................................. 245 C. Absolute Mechanik. §. 269. .................................................................. 250
Zweite Abtheilung. D ie Physik. §.272.-336.................................................... 260 A. Physik der allgemeinen Individualität...........................................................261 a. Freie physische Körper. §. 275................................................................. 261 b. Elemente. §. 281........................................................................................ 269 io c. Elementarischer Proceß. §. 286................................................................ 271 B. Physik der besondern Individualität............................................................. 275 a. Specifische Schwere. §. 293...................................................................... 276 b. Cohäsion. §. 295........................................................................................ 278 c. Klang. §. 300.............................................................................................. 282 15 d. Wärme. §. 303. .................................................................................. 285 C. Physik der totalen Individualität. §. 308....................................................... 290 a. Gestalt. §. 310............................................................................................ 291 b. Besonderung des individuellen Körpers. §.316......................................295 c. Chemischer Proceß. §. 326....................................................................... 311 20
Dritte Abtheilung. O rgan ik . §.337.-376........................................................... 323 A. Geologische Natur. §. 338............................................................................. 323 B. Vegetabilische Natur. §.343......................................................................... 327 C. Thierischer Organismus. §. 350. .......................................................... 332 a. Gestalt. §. 353............................................................................................ 333 |
25
b. Assimilation. §. 357.
.......................................................................... 336
c. Gattungs-Proceß. §. 368.
.................................................................. 346
DRITTER THEIL. D ie P h i l o s o p h i e d e s G e i s t e s .
§. 377.-§. 574. 30 Einleitung. §. 377................................................................................................ 357 Erste Abtheilung. D er sub jective Geist. §. 387.-§. 481. .................... 364 A. Anthropologie................................................................................................ 366 a. Natürliche Seele. §. 391.
.................................................................. 368
b. Träumende Seele. §. 403........................................................................... 378
5 250] 0 2: 251
8 §. 275.] 0 2: §. 285.
0 3: 275.
261] 0 2: 262
26
ENCYCLOPÄDIE • INHALTSANZEIGE
XLI-XLII
c. Wirkliche Seele. §.411............................................................................. 395 B. Phänomenologie.............................................................................................398 a. Bewußtseyn als solches. §.418................................................................. 400 b. Selbstbewußtseyn. §. 424.......................................................................... .403 c. Vernunft. §. 438........................................................................................ .409 C. Psychologie.....................................................................................................410 a. Theoretischer Geist. §. 445....................................................................... .414 b. Praktischer Geist. §. 469. .................................................................. .434 a. Praktisches Gefühl. §. 471. ß. Triebe. §. 474. y. Willkühr und Glückseligkeit. §. 478. Zweite Abtheilung. D er o b jectiv e Geist. §. 482.-§. 552.
.................... 445 |
A. Das Recht........................................................................................................449 a. Eigenthum. §. 488..................................................................................... 449 b. Vertrag. §. 493........................................................................................... 450 c. Das Recht an sich gegen das Unrecht. §. 496. ............................... 452 B. Die Moralität..................................................................................................456 oc. Der Vorsatz. §. 504. .......................................................................... 457 ß. Die Absicht und das Wohl. §. 505........................................................... 457 y. Das Gute und das Böse. §. 507................................................................ 458 C. Die Sittlichkeit.
..................................................................................... 462
a. Die Familie. §. 518....................................................................................464 b. Die bürgerliche Gesellschaft. §. 523. ............................................... 466 a.a. Das System der Bedürfnisse. §. 524. b.b. Die Rechtspflege. §. 529. c.c. Die Policey und die Corporation. §. 533. c. Der Staat. §. 535. .............................................................................. 475 oc. Inneres Staatsrecht. §. 537. ß. Aeußeres Staatsrecht. §. 547. y. Die Weltgeschichte. §. 548. Dritte Abtheilung. D er absolute Geist. §. 553.-§. 574.
....................... .499
a. Die Kunst. §. 556...................................................................................... .500 b. Die geoffenbarte Religion. §. 564. ....................................................512 c. Die Philosophie. §. 572..............................................................................517 |
24 §. 529.] O 2 : §. 29.
Corporation.] O 2 : Corporation,
26 Staatsrecht 1 ] O 2 : Staasrecht
1-2
27
EINLEITUNG
EI NLEIT UNG.
§.1. Die Philosophie entbehrt des Vortheils, der den ändern Wissenschaften zu Gute kommt, ihre G egen stän d e, als unmittelbar von der Vorstellung zugegeben, so wie die M eth ode des Erkennens für Anfang und Fortgang, als bereits angenommen, v o rau ssetzen zu können. Sie hat zwar ihre Gegenstände zunächst mit der Religion gemeinschaftlich. Beide haben die W ahrheit zu ihrem Gegenstände, und zwar im höchsten Sinne, - indem, daß G ott die Wahrheit und er allein die Wahrheit ist. Beide handeln dann von dem Gebiete des Endlichen, von der N a tu r und dem m enschlichen G eiste, deren Beziehung auf einander und auf Gott, als auf ihre Wahrheit. Sie kann daher wohl eine B ek an n tsch aft mit ihren Gegenständen, ja sie muß eine solche, wie ohnehin ein Interesse an denselben voraussetzen; - schon darum, weil das Bewußtseyn sich der Zeit nach früher V o rste llu n g e n von Gegenständen als B e g riffe von denselben macht, der denkende Geist sogar nur durchs Vorstellen hindurch und a u f dasselbe sich wendend zum denkenden Erkennen und Begreifen fortgeht. Aber bei dem denkenden Betrachten gibts sich bald kund, daß dasselbe die Foderung in sich schließt, die N o th w en d igk eit seines Inhalts zu zeigen, sowohl das Seyn schon, als die Bestimmungen seiner Gegenstände zu | bew eisen. Jene Bekanntschaft mit diesen erscheint so als unzureichend, und V o rau sse tzu n ge n und V ersich eru n gen zu machen oder gelten zu lassen, als unzulässig. Die Schwierigkeit, einen A n fan g zu machen, tritt aber zugleich damit ein, da ein Anfang als ein U n m itte lb are s eine Voraussetzung macht, oder vielmehr selbst eine solche ist. §. 2 .
Die Philosophie kann zunächst im Allgemeinen als denkende B e trac h tu n g der Gegenstände bestimmt werden. Wenn es aber richtig ist, (und es wird wohl richtig seyn) daß der M ensch durchs Denken sich vom T h iere unterscheidet, so ist alles Menschliche dadurch und allein dadurch menschlich, daß es durch das Den12 ohnehin ein Interesse] so C 2
O 2 .' ohnehin
nes S. 440 und Editorischer Bericht S. 462 u. 478
O 3 : ohnehin ein Interesse
vgl. Nachrichten über Verscholle-
28
ENCYCLOPÄDIE • EINLEITUNG
2-3
ken bewirkt wird. Indem aber die Philosophie eine eigenthümliche Weise des Denkens ist, eine Weise, wodurch es Erkennen und begreifendes Erkennen wird, so wird ihr Denken auch eine V erschiedenheit haben von dem in allem Menschlichen thätigen, ja die Menschlichkeit des Menschlichen bewirkenden Denken, so sehr es identisch mit demselben, an sich nur Ein Denken ist. Dieser Unterschied knüpft sich daran, daß der durchs Denken begründete, der menschliche Gehalt des Bewußtseyns zunächst nicht in Form des G edankens ersch ein t, sondern als Gefühl, Anschauung, Vorstellung, - Form en, die von dem Denken als Form zu unterscheiden sind. Es ist ein altes Vorurtheil, ein trivial-gewordener Satz, daß der Mensch vom Thiere sich durchs Denken unterscheide; es kann trivial, aber es müßte auch sonderbar scheinen, wenn es Bedürfniß wäre, an solchen alten Glauben zu erinnern. Für ein Bedürfniß aber kann es gehalten werden, bei dem Vorurtheil jetziger Zeit, welche G efühl und D enken so von einander trennt, daß sie sich entgegengesetzt, selbst so feindselig seyn sollen, daß das Gefühl, insbesondere das religiöse, | durch das Denken verunreinigt, verkehrt, ja etwa gar vernichtet werde, und die Religion und Religiosität wesentlich nicht im Denken ihre Wurzel und Stelle habe. Bei solcher Trennung wird vergessen, daß nur der Mensch der Religion fähig ist; das Thier aber keine Religion hat, so wenig als ihm Recht und Moralität zukommt. Wenn jene Trennung der Religion vom Denken behauptet wird, so pflegt doch nicht sowohl das Denken überhaupt, als dasjenige vorzuschweben, welches als N ach d en k en bezeichnet werden kann, - das reflectiren d e Denken, welches G edanken als solche zu seinem Inhalte hat und zum Bewußtseyn bringt. Indem nur dem Menschen Religion, Recht und Sittlichkeit zukommt, und zwar nur deswegen, weil er denkendes Wesen ist, so ist in dem Religiösen, Rechtlichen und Sittlichen, - es sey Gefühl und Glauben oder Vorstellung, das Denken überhaupt nicht unthätig gewesen; seine Thätigkeit und deren Productionen sind darin enthalten. Allein es ist verschieden, solche vom Denken bestimmte und durchdrungene Gefühle und Vorstellungen - und G edanken d arüb er zu haben. Die durchs N ach d en k en erzeugten Gedanken über jene Weisen des Bewußtseyns, sind das, worunter Reflexion, Raisonnement und dergleichen, dann auch die Philosophie begriffen ist. Es ist dabei geschehen, und noch öfters hat der Misverstand obgewaltet, daß solches N a ch denken als die Bedingung, ja als der einzige Weg behauptet worden, auf welchem wir zur Vorstellung und zum Fürwahrhalten des Ewigen und Wahren gelangten. - So sind z.B . die (jetzt mehr v o rm alig e n ) m etaphysischen 25 zukommt] so C 2 , s. Editorischer Bericht S. 450
O 2 : zulommt
O 3 : zukommt
3-5
EINLEITUNG
29
B ew eise v om D aseyn G ottes dafür ausgegeben worden, daß oder als ob durch ihre Kenntniß und die Ueberzeugung von ihnen der Glaube und die Ueberzeugung vom Daseyn Gottes, wesentlich und allein bewirkt werden könne. Dergleichen Behauptung käme mit der überein, daß wir nicht eher essen könnten, | als bis wir uns die Kenntniß der chemischen, botanischen oder zoologischen Bestimmungen der Nahrungsmittel erworben, und wir mit der Verdauung warten müßten, bis wir das Studium der Anatomie und Physiologie absolvirt hätten. Wenn dem so wäre, würden diese Wissenschaften in ihrem Felde, wie die Philosophie in dem ihrigen, freilich sehr an Nützlichkeit gewinnen, ja ihre Nützlichkeit wäre zur absoluten und allgemeinen Unentbehrlichkeit gesteigert; vielmehr aber würden alle diese Wissenschaften, selbst statt unentbehrlich zu seyn, gar nicht existiren.
§. 3.
Der In h alt, der unser Bewußtseyn erfüllt, von welcher Art er sey, macht die B e stim m th eit der Gefühle, Anschauungen, Bilder, Vorstellungen, der Zwecke, Pflichten u.s.f. und der Gedanken und Begriffe aus. Gefühl, Anschauung, Bild u.s.f. sind in sofern die Form en solchen Inhalts, welcher ein und d erselbe bleibt, ob er gefühlt, angeschaut, vorgestellt, gewollt, und ob er nur gefühlt oder aber mit Vermischung von Gedanken, gefühlt, angeschaut u.s.f. oder ganz u n v erm isch t gedacht wird. In irgend einer dieser Formen oder in der Vermischung mehrerer ist der Inhalt G egen stan d des Bewußtseyns. In dieser Gegenständlichkeit schlagen sich aber auch die Bestimmtheiten dieser Formen zum Inhalte; so daß nach jeder dieser Formen ein besonderer Gegenstand zu entstehen scheint, und was an sich dasselbe ist, als ein verschiedener Inhalt aussehen kann. Indem die Bestimmtheiten des Gefühls, der Anschauung, des Begehrens, des Willens u.s.f., in sofern von ihnen gew ußt wird, überhaupt V o rste llu n g e n genannt werden, so kann im Allgemeinen gesagt werden, daß die Philosophie G edanken , K a te g o rie n , aber näher B e g riffe an die Stelle der Vorstellungen setzt. Vorstellungen überhaupt können als M etaph ern der | Gedanken und Begriffe angesehen werden. Damit aber, daß man Vorstellungen hat, kennt man noch nicht deren Bedeutung für das Denken, d. h. noch nicht deren Gedanken und Begriffe. Umgekehrt ist es auch zweierlei, Gedanken und Begriffe zu haben, und zu wissen, welches die ihnen entsprechenden Vorstellungen, Anschauungen, Gefühle sind. - Eine Seite dessen, was man die U n v e rstä n d lich k eit der Philosophie nennt, bezieht sich hierauf. Die Schwierigkeit liegt 15 Vorstellungen,] O 2 : Vorstellungen
O3:
Vorstellungen,
30
5-6
ENCYCLOPÄDIE • EINLEITUNG
e in e sth e ils in e in e r U n f ä h i g k e i t , d ie a n sic h n u r U n g e w o h n t h e i t ist, a b s tr a c t z u d e n k e n , d . h . re in e G e d a n k e n fe stz u h a lte n u n d in ih n e n s ic h z u b e w e g e n . In u n s e r e m g e w ö h n lic h e n B e w u ß ts e y n ü b e r h a u p t s in d d ie G e d a n k e n m it sin n lic h e m u n d g e i s t i g e m g e lä u fig e n S t o ffe a n g e th a n u n d v e r e in ig t , u n d i m N a c h d e n k e n , R e fle c t ir e n u n d R a is o n n ir e n
v e r m is c h e n
w ir
d ie
G e fü h le , A n -
5
s c h a u u n g e n , V o r s t e llu n g e n m it G e d a n k e n , (in j e d e m S a tz e v o n g a n z s in n lic h e m I n h a lte : d ie s B l a t t i s t g r ü n , s in d sc h o n K a t e g o r i e n , S e y n , E i n z e l n h e i t , e in g e m is c h t ). E in a n d e r e s a b e r ist d ie G e d a n k e n s e lb s t u n v e r m is c h t z u m G e g e n s tä n d e z u m a c h e n . D e r a n d e r e T h e il d e r U n v e r s t ä n d lic h k e it is t d ie U n g e d u l d , d a s in d e r W e is e d e r V o r s t e llu n g v o r sich h a b e n z u w o lle n , w a s a ls G e d a n k e u n d
io
B e g r i f f i m B e w u ß t s e y n ist. E s k o m m t d e r A u s d r u c k v o r , m a n w is s e n ic h t, w a s m a n s ic h b e i e in e m B e g r iff e , d e r g e fa ß t w o r d e n , d e n k e n s o ll e ; b e i e in e m B e g r iff e is t a b e r w e it e r n ic h ts z u d e n k e n , a ls d e r B e g r i f f s e lb st. D e r S in n je n e s A u s d r u c k s is t e in e S e h n s u c h t n a c h e in e r b e r e its b e k a n n t e n ,
g e lä u fig e n
V o r s t e l l u n g ; e s ist d e m B e w u ß ts e y n , a ls o b ih m , m i t d e r W e is e d e r V o r -
15
S te llu n g , d e r B o d e n e n tz o g e n w ä r e , a u f w e l c h e m es s o n s t se in e n fe ste n u n d h e im is c h e n S t a n d h at. W e n n es sic h in d ie r e in e R e g i o n d e r B e g r i f f e v e r s e tz t fin d e t , w e iß es n ic h t, w o es in d e r W e lt ist. - A m v e r s t ä n d l i c h s t e n w e r d e n d a h e r S c h r ifts te lle r , P r e d ig e r , R e d n e r u .s.f. g e f u n d e n , d ie ih r e n L e se r n o d e r Z u h ö r e r n D i n g e v o r | s a g e n , w e lc h e d ie se b e r e its a u s w e n d i g w is s e n , d ie ih n e n g e l ä u f i g s in d u n d d ie sic h v o n
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se lb st v e rste h e n .
§• 4 . In B e z ie h u n g a u f u n se r g e m e in e s B e w u ß ts e y n z u n ä c h s t, h ä t te d ie P h ilo s o p h ie das
B e d ü r fn iß
ih r e r e i g e n t h ü m l i c h e n
E r k e n n tn iß w e is e
d a r z u th u n , o d e r
g a r z u e r w e c k e n . In B e z ie h u n g a u f d ie G e g e n s t ä n d e d e r R e l i g i o n a b e r, a u f d ie
25
W a h r h e i t ü b e r h a u p t, h ä tte sie d ie F ä h i g k e i t z u e r w e is e n , d ie s e lb e n v o n sic h a u s z u e r k e n n e n ; in B e z ie h u n g a u f e in e z u m V o r s c h e in k o m m e n d e V e r s c h i e d e n h e i t v o n den r e l i g i ö s e n
V o r s t e llu n g e n , h ä tte sie ih r e a b w e ic h e n d e n B e s t im m u n g e n
zu r e c h t f e r t ig e n .
§. 5. Z u m B e h u f e e in e r v o r lä u f ig e n V e r s t ä n d ig u n g ü b e r d e n a n g e g e b e n e n U n te r s c h ie d u n d ü b e r d ie d a m it z u s a m m e n h ä n g e n d e E in s ic h t, d aß d e r w a h r h a f t e In h a lt u n se rs B e w u ß t s e y n s in d e m U e b e r s e t z e n d e sse lb e n in d ie F o r m d e s G e d a n k e n s u n d B e g r iff s e r h a l t e n , j a e r s t in se in e ig e n th ü m lic h e s L ic h t g e s e tz t w ir d , k a n n a n e in a n -
27 eine] O 2 : die eine
O 3 : eine
33 in2] O 2 : iu
O 3 : in
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EINLEITUNG
6-8
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deres altes V o ru rth e il erinnert werden, daß nämlich, um zu erfahren, was an den Gegenständen und Begebenheiten, auch Gefühlen, Anschauungen, Meinungen, Vorstellungen u.s.f. W ahres sey, N achden ken erforderlich sey. Nachdenken aber thut wenigstens dies auf allen Fall, die Gefühle, Vorstellungen u.s.f. in G edanken zu verwandeln. In sofern es nur das D enken ist, was die Philosophie zur eigenthümlichen Fo rm ihres Geschäftes in Anspruch nimmt, jeder Mensch aber von Natur denken kann, so tritt vermöge dieser Abstraction das Gegentheil von dem ein, was vorhin als Beschwerniß über die U n v erstän d lich k eit der Philosophie erwähnt worden ist. Diese Wissenschaft erfährt häufig die Verachtung, daß | auch solche, die sich mit ihr nicht bemüht haben, die Einbildung aussprechen, sie versteh en von Haus aus, was es mit der Philosophie für eine Bewandniß habe, und seyen fähig, wie sie so in einer gewöhnlichen Bildung, insbesondere von religiösen Gefühlen aus, gehen und stehen, zu philosophiren und über sie zu urtheilen. Man gibt zu, daß man die ändern Wissenschaften studirt haben müsse, um sie zu kennen, und daß man erst vermöge einer solchen Kenntniß berechtigt sey, ein Urtheil über sie zu haben. Man gibt zu, daß um einen Schuh zu verfertigen, man dies gelernt und geübt haben müsse, obgleich jeder an seinem Fuße den Maßstab dafür, und Hände, und in ihnen die natürliche Geschicklichkeit zu dem erforderlichen Geschäfte, besitze. Nur zum Philosophiren selbst soll dergleichen Studium, Lernen und Bemühung nicht erforderlich seyn.Diese bequeme Meinung hat in den neuesten Zeiten ihre Bestätigung durch die Lehre vom unmittelbaren Wissen, Wissen durch Anschauen, erhalten.
§• 6. Von der ändern Seite ist es eben so wichtig, daß die Philosophie darüber verständigt sey, daß ihr Inhalt kein anderer ist, als der im Gebiete des lebendigen Geistes ursprünglich hervorgebrachte und sich hervorbringende, zur W elt, äußern und innern Welt des Bewußtseyns gemachte, Gehalt, - daß ihr Inhalt die W irk lich k e it ist. Das nächste Bewußtseyn dieses Inhalts nennen wir E rfah ru n g. Eine sinnige Betrachtung der Welt unterscheidet schon, was von dem weiten Reiche des äußern und innern Daseyns, nur E rsch ein u n g, vorübergehend und bedeutungslos ist, und was in sich wahrhaft den Namen der W irk lich k eit verdient. Indem die Philosophie von anderem Bewußtwerden dieses einen und desselben Gehalts nur nach der Form unterschieden ist, so ist ihre Uebereinstimmung mit der Wirklichkeit und Erfahrung nothwendig. | Ja diese Uebereinstimmung kann für einen wenigstens äußern Prüf29 Bewußtseyn] so C 2
O 2 : Bewußtseyns
O 3 : Bewußtseyn
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ENCYCLOPÄDIE • EINLEITUNG
8-9
stein der Wahrheit einer Philosophie angesehen werden, so wie es für den höchsten Endzweck der Wissenschaft anzusehen ist, durch die Erkenntniß dieser Uebereinstimmung, die Versöhnung der selbstbewußten Vernunft mit der seyenden Vernunft, mit der Wirklichkeit hervorzubringen. In der V o rred e zu meiner P h ilo sop h ie des R echts S. XIX. befinden sich die Sätze: w as v ern ü n ftig ist, das ist w irk lich , und was w irk lich ist, das ist v ern ü n ftig. Diese einfachen Sätze haben Manchen auffallend geschienen und Anfeindung erfahren, und zwar selbst von solchen, welche Philosophie, und wohl ohnehin Religion zu besitzen, nicht in Abrede seyn wollen. Die Religion wird es unnöthig seyn, in dieser Beziehung anzuführen, da ihre Lehren von der göttlichen Weltregierung diese Sätze zu bestimmt aussprechen. Was aber den philosophischen Sinn betrifft, so ist so viel Bildung vorauszusetzen, daß man wisse, nicht nur daß Gott wirklich, - daß er das Wirklichste, daß er allein wahrhaft wirklich ist, sondern auch in Ansehung des Formellen, daß überhaupt das Daseyn zum Theil E rsch ein u n g, und nur zum Theil W irk lich k e it ist. Im gemeinen Leben nennt man etwa jeden Einfall, den Irrthum, das Böse und was auf diese Seite gehört, so wie jede noch so verkümmerte und vergängliche Existenz zufälligerweise eine W irklichkeit. Aber auch schon einem gewöhnlichen Gefühl wird eine zufällige Existenz nicht den emphatischen Namen eines Wirklichen verdienen; - das Zufällige ist eine Existenz, die keinen großem Werth als den eines M öglich en hat, die so gut nicht seyn kann, als sie ist. Wenn aber ich von Wirklichkeit gesprochen habe, so wäre von selbst daran zu denken, in welchem Sinne ich diesen Ausdruck gebrauche, da ich in einer ausführlichen L o g ik auch die Wirklichkeit | abgehandelt und sie nicht nur sogleich von dem Zufälligen, was doch auch Existenz hat, sondern näher von Daseyn, Existenz und ändern Bestimmungen genau unterschieden habe. - Der W irk lich k eit des V ern ü n ftigen stellt sich etwa die Vorstellung entgegen, sowohl daß die Ideen, Ideale, weiter nichts als Chimären und die Philosophie ein System von solchen Hirngespinnsten sey, als umgekehrt daß die Ideen und Ideale etwas viel zu Vortreffliches seyen, um Wirklichkeit zu haben, oder ebenso etwas zu Ohnmächtiges, um sich solche zu verschaffen. - Diese Abtrennung der Wirklichkeit von der Idee ist besonders bei dem Verstände beliebt, der die Träume seiner Abstractionen für etwas Wahrhaftes hält, und auf das Sollen , das er, auch im politischen Felde gern vorschreibt, eitel ist, als ob die Welt auf ihn gewartet hätte, um zu erfahren, wie sie seyn solle aber nicht sey; wäre sie wie sie seyn soll, wo bliebe die Altklugheit seines Sollens. Wenn er sich mit dem Sollen gegen triviale, äußerliche und vergängliche Gegenstände wendet, die
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EINLEITUNG
etwa auch für eine gewisse Zeit, für besondere Kreise eine große relative Wichtigkeit haben mögen, so mag er wohl Recht haben, und in solchem Falle vieles finden, was allgemeinen, richtigen Bestimmungen nicht entspricht. Aber er hat Unrecht sich einzubilden, mit solchen Gegenständen und deren Sollen sich innerhalb der Interessen der philosophischen Wissenschaft zu befinden. Diese hat es nur mit der Idee zu thun, welche nicht so ohnmächtig ist, um nur zu sollen und nicht wirklich zu seyn. §. 7. Indem das N ach d en k en überhaupt zunächst das Princip (auch im Sinne des Anfangs) der Philosophie enthält, und nachdem es in seiner S e lb ststä n d ig k e it wieder in neuern Zeiten erblüht ist, (nach den Zeiten der lutherischen Reformation,) so ist, indem es sich gleich | anfangs nicht blos abstract, wie in den philosophirenden Anfängen der Griechen, gehalten, sondern sich zugleich auf den maßlos scheinenden Stoff der Erscheinungswelt geworfen hat, der Name P h ilo so p h ie allem demjenigen Wissen gegeben worden, welches sich der Form nach, mit der Erkenntniß des festen Maßes und A llgem ein en in dem Meere der empirischen Einzelnheiten, und des N o th w e n d ig e n , der G esetze in der scheinbaren Unordnung der unendlichen Menge des Zufälligen beschäftigt, und welches zugleich damit seinen eigenen Inhalt aus dem eigenen Anschauen und Wahrnehmen des Aeußern und Innern, aus der präsenten Natur, wie aus dem präsenten Geiste und der Brust des Menschen genommen hat. Das Princip der E rfah ru n g enthält die unendlich wichtige Bestimmung, daß für das Annehmen und Fürwahrhalten eines Inhalts der Mensch selbst dabei seyn müsse, bestimmter daß er solchen Inhalt mit der Gewißheit seiner selbst in Einigkeit und vereinigt finde. Der Mensch muß selbst dabei seyn, es sey auch nur mit seinen äußerlichen Sinnen oder aber mit seinem tiefem Geiste, seinem wesentlichen Selbstbewußtseyn. - Es ist dies Princip dasselbe, was heutigs Tags Glauben, unmittelbares Wissen, die Offenbahrung im Aeußern und vornehmlich im eignen Innern genannt worden ist. Wir heißen jene Wissenschaften, welche P h ilo so p h ie genannt worden sind, em pirisch e Wissenschaften von dem Ausgangspunkte, den sie nehmen. Aber das Wesentliche, das sie bezwecken und hervorschaffen, sind G esetze, allgem ein e Sätze, eine T h e o rie ; die G edanken des Vorhandenen. So ist die N ew to n isch e Physik Naturphilosophie genannt worden, wogegen z. B. Hugo Grotius durch Zusammenstellung der geschichtlichen Benehmungen der Völker gegen einander, und mit der 4 deren] O2: derem
O3: deren
34 wogegen] O2: woge- / gegen
14 allem] O2: allen O3: wogegen
O3: allem
27 heutigs] s. Editorischer Bericht S.
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10-11(12)
ENCYCLOPÄDIE • EINLEITUNG
Unterstützung eines gewöhnlichen Raisonnements, allgemeine Grundsätze, eine Theorie aufgestellt | hat, welche Philosophie des äußern Staatsrechts genannt werden kann. - Noch hat der Name P h ilo so p h ie bei den Engländern allgemein diese Bestimmung, N ew ton hat fortdauernd den Ruhm des größten Philosophen; bis in die Preiscourante der Instrumentenmacher herab, heißen diejenigen Instrumente, die nicht unter eine besondere Rubrik magnetischen, elektrischen Apparats gebracht werden, die Thermometer, Barometer u.s.f. p h ilo so p h isch e Instrum ente; freilich sollte nicht eine Zusammensetzung von Holz, Eisen u.s.f. sondern allein das D enken das Instrument der Philosophie genannt werden.*) - So heißt insbesondere die den neuesten Zeiten zu verdankende Wissenschaft der politischen Oekonomie, auch Philosophie, was wir ratio n e lle Staatswirthschaft, oder etwa Staatswir thschaft der In telligen z, zu nennen pflegen.**) | * ) Auch das von Thomson herausgegebene Journal hat den Titel: Annalen der P h ilo so p h ie o d e r Magazin der C h e m ie , M in e r a lo g ie , M e c h a n ik , N a tu r h is t o r ie , L a n d w i r t sc h a ft und K ü n ste . - Man kann sich hieraus von selbst vorstellen, wie die Materien beschaffen sind, die hier p h ilo so p h isc h e heißen. - Unter den Anzeigen von neu erschienenen Büchern fand ich kürzlich in einer englischen Zeitung folgende: The Art of Preserving the H air, on P h i l o s o p h i c a l P r in c i p l e s , neatly printed in post 8., price 7 sh. - Unter
p h ilo s o p h is c h e n Grundsätzen der Preservation der Haare sind wahrscheinlich chemische, physiologische u. dergl. gemeint. * * ) In dem Munde englischer Staatsmänner, in Beziehung auf die allgemeine staatswirthschaftliche Grundsätze kommt der Ausdruck p h ilo s o p h isc h e r Grundsätze häufig vor, auch in öffentlichen Vorträgen. In der Parlamentssitzung von 1825 (2. Febr.) drückte sich B r o u g h a m bei Gelegenheit der Adresse, mit der die Rede vom Throne beantwortet werden sollte, aus: »die eines Staatsmanns würdigen und p h ilo so p h isc h e n Grundsätze vom freien Handel, - denn zweifelsohne sind sie philosophisch, - über deren An | nähme Se. Majestät heute dem Parlament Glück gewünscht hat.« - Nicht aber nur dieses Oppositionsmitglied, sondern bei dem jährlichen Gastmahl, das (in demselben Monat) die Schiffseigner-Gesellschaft unter Vorsitz des ersten Ministers Earl Liverpool, der zu seinen Seiten den Staatssecretär Canning und den General-Zahlmeister der Armee, Sir Charles Long hatte, abhielt, sagte der Staatssecretär C a n n in g , in der Erwiederung auf die ihm gebrachte Gesundheit: »Eine Periode hat kürzlich begonnen, in der die Minister es in ihrer Gewalt hatten, auf die Staatsverwaltung dieses Landes die richtigen Maximen tie fe r P h ilo so p h ie anzuwenden.« - Wie auch englische Philosophie von deutscher unterschieden seyn möge, und wenn anderwärts der Name Philosophie nur als ein Uebername und Hohn, oder als etwas Gehässiges gebraucht wird, so ist es immer erfreulich, ihn noch in dem Munde englischer Staatsminister geehrt zu sehen. | 1 Raisonnements, allgemeine] O 2 : Raisonnements allgemeiner gemeine Long
14 herausgegebene] O 2 : herausbegebene
C 2 : allgemeine
O 3 : herausgegebene
O 3 : Raisonnements, all-
31 Long] O 2 : Longe
O3 :
12-13
EINLEITUNG
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§. 8.
So befriedigend zunächst diese Erkenntniß in ihrem Felde ist, so zeigt sich fürs erste noch ein anderer Kreis von G egenständen, die darin nicht befaßt sind, Freih eit, G eist, G ott. Sie sind auf jenem Boden nicht darum nicht zu finden, weil sie der Erfahrung nicht angehören sollten; sie werden zwar nicht sinnlich erfahren, aber was im Bewußtseyn überhaupt ist, wird erfahren, - dies ist sogar ein tavtologischer Satz, - sondern weil diese Gegenstände sich sogleich ihrem Inhalte nach als unendlich darbieten. Es ist ein alter Satz, der dem A risto teles fälschlicherweise so zugeschrieben zu werden pflegt, als ob damit der Standpunkt seiner Philosophie ausgedrückt seyn sollte: nihil est in intellectu, quod non fuerit in sensu; - es ist nichts im Denken, was nicht im Sinne, in der Erfahrung gewesen. Es ist nur für einen Misverstand zu achten, wenn die speculative Philosophie diesen Satz nicht zugeben wollte. Aber umgekehrt wird sie | ebenso behaupten: nihil est in sensu, quod non fuerit in intellectu, - in dem ganz allgemeinen Sinne, daß der N us und in tieferer Bestimmung der G eist, die Ursache der Welt ist, und in dem nähern, (s. §. 2.) daß das rechtliche, sittliche, religiöse Gefühl ein Gefühl und damit eine Erfahrung von solchem Inhalte ist, der seine Wurzel und seinen Sitz nur im Denken hat. §. 9. Fürs andere verlangt die subjective Vernunft der Form nach ihre weitere Befriedigung; diese Form ist die N o th w en d igk eit überhaupt (s. §. 1.). In jener wissenschaftlichen Weise ist theils das in ihr enthaltene A llg em ein e, - die Gattung u.s.f. als für sich unbestimmt, hiemit mit dem Besondern nicht für sich zusammenhängend, sondern beides einander äußerlich und zufällig, wie ebenso die verbundenen Besonderheiten für sich gegenseitig äußerlich und zufällig sind. Theils sind die Anfänge allenthalben U n m ittelb ark eiten , G efundenes, V orau ssetzu n gen . In beidem geschieht der Form der Nothwendigkeit nicht Genüge. Das Nachdenken, in sofern es darauf gerichtet ist, diesem Bedürfnisse Genüge zu leisten, ist das eigentlich philosophische, das sp ecu lativ e Denken. Als Nachdenken hiemit, das in seiner Gemeinsamkeit mit jenem ersten Nachdenken zugleich davon verschieden ist, hat es außer den gemeinsamen, auch eigenthüm liche Form en, deren allgemeine der B e g r if f ist. Das Verhältniß der speculativen Wissenschaft zu den ändern Wissenschaften ist in sofern nur dieses, daß jene den empirischen Inhalt der letztem nicht etwa 23 W eise ist] so C2
O 2: W eise,
O 3: W eise ist
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ENCYCLOPÄDIE • EINLEITUNG
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nur auf der Seite läßt, sondern ihn anerkennt und gebraucht, daß sie ebenso das Allgemeine dieser Wissenschaften, die Gesetze, die Gattungen u.s.f. anerkennt und zu ihrem eigenen Inhalte verwendet, daß sie aber auch ferner in diese Kategorien andere einführt und geltend macht. Der Unterschied bezieht sich in sofern allein auf diese Veränderung der Kategorien. Die speculative Logik enthält die vorige Logik und Metaphysik, conservirt dieselben Gedankenformen, Gesetze und Gegenstände, aber sie zugleich mit weitern Kategorien weiter bildend und umformend. Von dem B e g riffe im speculativen Sinne ist das, was gewöhnlich Begriff genannt worden ist, zu unterscheiden. In dem letztem, einseitigen Sinne ist es, daß die Behauptung aufgestellt, und tausend und aber tausendmal wiederholt und zum Vorurtheile gemacht worden ist, daß das Unendliche nicht durch Begriffe gefaßt werden könne.
§. 10.
Dieses Denken der philosophischen Erkenntnißweise bedarf es selbst, sowohl seiner Nothwendigkeit nach gefaßt, wie auch seiner Fähigkeit nach, die absoluten Gegenstände zu erkennen, gerechtfertigt zu werden. Eine solche Einsicht ist aber selbst philosophisches Erkennen, das daher nur in n erh alb der Philosophie fällt. Eine v o rlä u fig e Explication würde hiemit eine unphilosophische seyn sollen, und könnte nicht mehr seyn, als ein Gewebe von Voraussetzungen, Versicherungen und Raisonnements, - d. i. von zufälligen Behauptungen, denen mit demselben Rechte die entgegengesetzten gegenüber versichert werden könnten. Ein Hauptgesichtspunkt der k ritisch en Philosophie ist, daß, ehe daran gegangen werde, Gott, das Wesen der Dinge u.s.f. zu erkennen, das Er kenn tn iß verm ögen selbst vorher zu untersuchen sey, ob es solches zu leisten fähig sey; man müsse das Instrum ent vorher kennen lernen, ehe man die Arbeit unternehme, die vermittelst desselben zu Stande kommen soll; wenn es unzureichend sey, würde sonst alle Mühe vergebens verschwendet seyn. - Dieser Gedanke hat so plausib el geschienen, daß er die größte Bewunderung und Zustimmung erweckt, und das Erkennen aus seinem Interesse | für die G egen stän de, und dem Geschäfte mit denselben, auf sich selbst zurückgeführt hat. Will man sich jedoch nicht mit Worten täuschen, so ist leicht zu sehen, daß wohl andere Instrumente sich auf sonstige Weise etwa untersuchen und beurtheilen lassen, als durch das Vornehmen der eigenthümlichen Arbeit, der sie bestimmt sind. Aber das Erkennen kann nicht anders als erkennend untersucht werden, bei diesem sogenannten Werkzeuge heißt, dasselbe untersuchen, nichts anders als Erkennen. Erkennen wollen aber ehe man erkenne, ist eben so ungereimt,
15-16
EINLEITUNG
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als der weise Vorsatz jenes Scholasticus, schw im m en zu lernen, ehe er sich ins W asser w age. R ein h o ld , der die Verworrenheit erkannt hat, die in solchem Beginnen herrscht, hat zur Abhilfe vorgeschlagen, vorläufig mit einem h ypo th etisch en und p ro b lem atisch en Philosophiren anzufangen, und in demselben, man weiß nicht wie, fortzumachen, bis sich weiterhin etwa ergebe, daß man auf solchem Wege zum U rw ahren gelangt sey. Näher betrachtet läuft dieser Weg auf das Gewöhnliche hinaus, nämlich die Analyse einer empirischen Grundlage, oder einer in eine Definition gebrachten vorläufigen Annahme. Es ist nicht zu verkennen, daß ein richtiges Bewußtseyn darin liegt, den gewöhnlichen Gang der Voraussetzungen und Vorläufigkeiten für ein hypothetisches und problematisches Verfahren zu erklären. Aber diese richtige Einsicht ändert die Beschaffenheit solches Verfahrens nicht, sondern spricht das Unzureichende desselben sogleich aus.
§• iiNäher kann das Bedürfniß der Philosophie dahin bestimmt werden, daß indem der Geist als fühlend und anschauend Sinnliches, als Phantasie Bilder u.s.f. zu Gegenständen hat, er im G egen sätze oder blos im U n tersch ied e von diesen Form en seines Daseyns und | seiner Gegenstände, auch seiner höchsten Innerlichkeit, dem D en k en , Befriedigung verschaffe und das Denken zu seinem Gegenstände gewinne. So kommt er zu sich selbst, im tiefsten Sinne des Worts, denn sein Princip, seine unvermischte Selbstheit ist das Denken. In diesem seinem Geschäfte aber geschieht es, daß das Denken sich in Widersprüche verwickelt, d. i. sich in die feste Nichtidentität der Gedanken verliert, somit sich selbst nicht erreicht, vielmehr in seinem Gegentheil befangen bleibt. Das höhere Bedürfniß geht gegen dies Resultat des nur verständigen Denkens und ist darin begründet, daß das Denken nicht von sich läßt, sich auch in diesem bewußten Verluste seines Beisichseyns getreu bleibt, »auf daß es überw inde,« im Denken selbst die Auflösung seiner eigenen Widersprüche vollbringe. Die Einsicht, daß die Natur des Denkens selbst die Dialektik ist, als Verstand in das Negative seiner selbst, in den Widerspruch zu gerathen, macht eine Hauptseite der Logik aus. Das Denken, verzweifelnd aus sich auch die Auflösung des Widerspruchs, in den es sich selbst gesetzt, leisten zu können, kehrt zu den Auflösungen und Beruhigungen zurück, welche dem Geiste in ändern seiner Weisen und Formen zu Theil geworden sind. Das Denken hätte jedoch 17 Phantasie Bilder] O2: Phantasie-Bilder
O3: Phantasie Bilder
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ENCYCLOPÄDIE • EINLEITUNG
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dabei nicht nöthig in die M iso lo gie zu verfallen, von welcher P lato bereits die Erfahrung vor sich gehabt hat, und sich polemisch gegen sich selbst zu benehmen, wie dies in der Behauptung des sogenannten u n m ittelb aren W issens als der ausschließenden Form des Bewußtseyns der Wahrheit geschieht. §. 12. Die aus dem genannten Bedürfnisse hervorgehende E n tsteh u n g der Philosophie hat die E rfah ru n g , das unmittelbare und raisonnirende Bewußtseyn zu ihrem A u sgan gspu n k te. Dadurch als einen Reiz erregt, benimmt | sich das Denken wesentlich so, daß es über das natürliche, sinnliche und raisonnirende Bewußtseyn sich erh ebt, - in das unvermischte Element seiner selbst, und sich so zunächst ein sich entfernendes, n egatives Verhältniß zu jenem Anfänge gibt. Es findet so in sich, in der Idee des allgemeinen Wesens dieser Erscheinungen, zunächst seine Befriedigung; diese Idee (das Absolute, Gott) kann mehr oder weniger abstract seyn. Umgekehrt der Reiz, den die Erfahrungswissenschaften geben, die Form , in welcher der Reichthum ihres Inhalts als ein nur Unmittelbares und Gefundenes, ebenso vielfaches nebeneinander Gestelltes, daher überhaupt Z u fä llig e s geboten wird, zu besiegen, und denselben zur Nothwendigkeit zu erheben, - dieser Reiz reißt das Denken aus dieser Allgemeinheit und der an sich enthaltenen Befriedigung heraus, und treibt es zur E n tw ick elu n g, von sich aus. Diese, indem sie einerseits ein Aufnehmen des Inhalts und seiner vorgelegten Bestimmungen ist, gibt demselben zugleich andererseits die Gestalt, frei im Sinne des ursprünglichen Denkens, nur nach der Nothwendigkeit der Sache selbst hervorzugehen. Von dem Verhältnisse der U n m itte lb a rk e it und V e rm ittlu n g im B e w ußtseyn ist unten ausdrücklich und ausführlicher zu sprechen. Es ist hier nur vorläufig darauf aufmerksam zu machen, daß wenn beide Momente auch als unterschieden erscheinen, keines von beiden fehlen kann, und daß sie in unzertrennlicher Verbindung sind. - So enthält das Wissen von Gott, wie von allem U eb er sinnlichen überhaupt, wesentlich eine E rh ebu n g über ein E rstes, über die sinnliche Empfindung oder Anschauung; es enthält damit ein n egativ es Verhalten gegen dasselbe, darin aber die V erm ittlu n g. Denn Vermittlung ist ein Anfängen und ein Fortgegangenseyn zu einem Zweiten, so daß dies Zweite nur ist, in sofern zu demselben von einem gegen dasselbe Ändern gekommen worden ist. Damit aber ist das Wissen von Gott, gegen jene empirische Seite | nicht weniger selbstständig, ja es gibt sich seine Selbstständigkeit wesentlich durch diese Negation und Erhebung. - Um denselben Gesichtspunkt drehen sich die (zum Theil sehr abgeschmackten) Misverständnisse über das sogenannte A priorisch e der Philosophie und das A p o ste rio ri-
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EINLEITUNG
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sehe. Wenn die Vermittlung, vollends zur Bedingtheit gemacht, einseitig herausgehoben wird, so kann man freilich sagen, aber es ist nicht viel damit gesagt, die Philosophie verdanke der Erfahrung ihre erste Entstehung - in der That ist das Denken wesentlich die Negation eines nur unmittelbar Vorhan5
io
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denen, - so sehr als man das Essen den Nahrungsmitteln verdanke, denn ohne diese könnte man nicht essen; das Essen wird freilich in diesem Verhältnisse als undankbar vorgestellt, denn es ist das Verzehren desjenigen, dem es sich selbst verdanken soll. Das Denken ist allerdings in diesem Sinne nicht weniger undankbar. - Nach seiner Unmittelbarkeit, die nichts anderes ist, als seine in sich reflectirte Allgemeinheit, sein Bei-sich-seyn überhaupt ist es befriedigt in sich, und in sofern ist ihm gleichsam die Gleichgültigkeit gegen die Besonderung, damit aber gegen seine Entwicklung angestammt. Wie die Religion, ob entwickelter oder ungebildeter, zum wissenschaftlichen Bewußtseyn ausgebildet, oder im unbefangenen Glauben und Herzen gehalten, dieselbe intensive Natur der Befriedigung und Beseligung besitzt. Wenn das Denken bei der Allgemeinheit der Ideen stehen bleibt, - wie nothwendig in den ersten Philosophieen (z.B . dem Seyn der eleatischen Schule, dem W erden Heraklits u. dergl.) der Fall ist, wird ihm mit Recht Form alism us vorgeworfen, insbesondere, wenn von einer entwickelten Philosophie nur die abstracten Sätze oder BeStimmungen z.B. daß im Absoluten Alles Eins, - die Identität des Subjectiven und Objectiven, aufgefaßt und beim Besondern nur dieselben wiederholt werden; ohnehin ist solcher Satz oder Bestimmung, auf deren | abstracte Form die Idee herabgesetzt wird, einseitig und falsch. - Es hat daher einen richtigen und gründlichem Sinn, daß die E n tw ick lu n g der Philosophie, der Erfahrung zu verdanken ist. Die empirischen Wissenschaften bleiben einerseits nicht bei dem Wahrnehmen der Einzelnheiten der Erscheinung stehen, sondern denkend haben sie den Stoff der Philosophie entgegen gearbeitet, indem sie deren allgemeine Bestimmungen, Gattungen und Gesetze finden; sie vorbereiten diesen Inhalt des Bestimmten dazu, so in die Philosophie aufgenommen werden zu können. Andererseits enthalten sie damit die Nöthigung für das Denken, selbst zu diesen Bestimmungen fortzugehen. Das Aufnehmen dieses Inhalts, in dem durch das Denken die ihm noch anklebende Unmittelbarkeit und das Gegebenseyn aufgehoben wird, ist zugleich ein E n tw ick eln des Denkens aus sich selbst. Indem die Philosophie so ihre Entwicklung den empirischen Wissen-
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schäften verdankt, gibt sie diesem Inhalte die wesentlichste Gestalt der Freih eit (des A p rio risch en ) des Denkens und die Bewährung der Nothwendigkeit, statt der Beglaubigung des Vorfindens und der erfahrnen Thatsache, daß sie zur 31 in dem] O 2 : in- / dem
O 3 : in dem
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ENCYCLOPÄDIE • EINLEITUNG
19-21
Darstellung und Nachbildung der ursprünglichen und vollkommen selbstständigen Thätigkeit des Denkens werde. §• 13. In der eigenthümlichen Gestalt äußerlicher Geschichte wird die Entstehung und Entwicklung der Philosophie als G eschichte dieser W issen sch aft vorgestellt. Diese Gestalt gibt den Entwicklungs-Stufen die Form von zufälliger Aufeinanderfolge und etwa von bloßer V ersch iedenh eit der Principien und ihrer Ausführungen in ihren Philosophieen. Der Werkmeister aber dieser Arbeit von Jahrtausenden ist der Eine, und zwar lebendige, Geist, dessen denkende Natur es ist, das, w as er ist, zu seinem Bewußtseyn zu bringen, und indem dies so Gegenstand | geworden, zugleich schon darüber erhoben, und eine höhere Stufe in sich zu seyn. Die G esch ich te der P h ilo sop h ie zeigt an den verschieden erscheinenden Philosophieen theils nur Eine Philosophie auf verschiedenen Ausbildungs-Stufen auf, theils daß die besondern Principien, deren eines einem System zu Grunde lag, nur Zweige eines und desselben Ganzen sind. Die der Zeit nach letzte Philosophie ist das Resultat aller vorhergehenden Philosophieen und muß daher die Principien Aller enthalten; sie ist darum, wenn sie anders Philosophie ist, die entfaltetste, reichste und concreteste. Bei dem Anschein der so vielen, versch ieden en Philosophieen muß das A llg em ein e und B eson dere seiner eigentlichen Bestimmung nach unterschieden werden. Das Allgemeine formell genommen und neben das Besondere gestellt, wird selbst auch zu etwas Besonderem. Solche Stellung würde bei Gegenständen des gemeinen Lebens von selbst als unangemessen und ungeschickt auffallen, wie wenn z. B. einer, der Obst verlangte, Kirschen, Birnen, Trauben u.s.f. ausschlüge, weil sie Kirschen, Birnen, Trauben, nicht aber Obst seyen. - In Ansehung der Philosophie aber läßt man es sich zu, die Verschmähung derselben damit zu rechtfertigen, weil es so verschiedene Philosophien gebe, und jede nur eine Philosophie, nicht die Philosophie sey, - als ob nicht auch die Kirschen Obst wären. Es geschieht auch, daß eine solche, deren Princip das Allgemeine ist, neben solche, deren Princip ein besonderes ist, ja sogar neben Lehren, die versichern, daß es gar keine Philosophie gebe, gestellt wird, in dem Sinne, daß beides nur verschiedene Ansichten der Philosophie seyen, etwa wie wenn Licht und Finsterniß nur zwei verschiedene Arten des Lichtes genannt würden. §. 14.
Dieselbe Entwicklung des Denkens, welche in der Geschichte der Philosophie dargestellt wird, wird in der Philosophie selbst dargestellt, aber befreit von jener
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EINLEITUNG
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geschichtlichen Aeußerlichkeit, rein im E lem ente des D enkens. Der freie und wahrhafte Gedanke ist in sich con cret, und so ist er Idee, und in seiner ganzen Allgemeinheit die Idee, oder das A bsolute. Die Wissenschaft desselben ist wesentlich Sy stem , weil das Wahre als concret nur als sich in sich entfaltend und in Einheit zusammennehmend und haltend, d. i. als T o ta litä t ist, und nur durch Unterscheidung und Bestimmung seiner Unterschiede die Nothwendigkeit derselben und die Freiheit des Ganzen seyn kann. Ein Philosophiren ohne System kann nichts wissenschaftliches seyn; außerdem daß solches Philosophiren für sich mehr eine subjective Sinnesart ausdrückt, ist es seinem Inhalte nach zufällig. Ein Inhalt hat allein als Moment des Ganzen seine Rechtfertigung, außer demselben aber eine unbegründete Voraussetzung oder subjective Gewißheit. Unter einem Sy stem e der Philosophie wird f älschlich nur eine Philosophie von einem bestimmten, von ändern unterschiedenen P rin cip verstanden; es ist im Gegentheil Princip wahrhafter Philosophie alle besondern Principien in sich zu enthalten.
§• 15. Jeder der Theile der Philosophie ist ein philosophisches Ganzes, ein sich in sich selbst schließender Kreis, aber die philosophische Idee ist darin in einer besondern Bestimmtheit oder Elemente. Der einzelne Kreis durchbricht darum, weil er in sich Totalität ist, auch die Schranke seines Elements und begründet eine weitere Sphäre; das Ganze stellt sich daher als ein Kreis von Kreisen dar, deren jeder ein nothwendiges Moment ist, so daß das System ihrer eigenthümlichen Elemente die ganze Idee ausmacht, die ebenso in jedem Einzelnen erscheint. |
§. 16. Als E n cy clo p äd ie wird die Wissenschaft nicht in der ausführlichen Entwicklung ihrer Besonderung dargestellt, sondern ist sie auf die Anfänge und die Grundbegriffe der besondern Wissenschaften zu beschränken. Wie viel von den besondern Theilen dazu gehöre, eine besondere Wissenschaft zu constituiren, ist in soweit unbestimmt, als der Theil nur nicht ein vereinzeltes Moment, sondern selbst eine Totalität seyn muß, um ein Wahres zu seyn. Das Ganze der Philosophie macht daher wahrhaft Eine Wissenschaft aus, aber sie kann auch als ein Ganzes von mehreren besondern Wissenschaften angesehen werden. - Die philosophische Encyclopädie unterscheidet sich von einer ändern, gewöhnlichen Encyclopädie dadurch, daß diese ein A g g r e g a t der Wissenschaften ist, welche zufälliger und empirischer Weise aufgenommen,
ENCYCLOPÄDIE • EINLEITUNG
22-23
und worunter auch solche sind, die nur den Namen von Wissenschaften tragen, sonst aber selbst eine bloße Sammlung von Kenntnissen sind. Die Einheit, in welche in solchem Aggregate die Wissenschaften zusammen gebracht werden, ist, weil sie äußerlich aufgenommen sind, gleichfalls eine äuß erliche, - eine O rdnu ng. Diese muß aus demselben Grunde, zudem da auch die Materialien zufälliger Natur sind, ein V ersuch bleiben, und immer unpassende Seiten zeigen. - Außerdem denn, daß die philosophische Encyclopädie 1) bloße A g g re g a te von Kenntnissen - wie z. B. die Philologie zunächst erscheint, ausschließt, so auch ohnehin 2) solche, welche die bloße Willkühr zu ihrem Grunde haben, wie z. B. die Heraldik; Wissenschaften dieser Art sind die durch und durch positiven . 3) Andere Wissenschaften werden auch p o sitiv e genannt, welche jedoch einen rationellen Grund und Anfang haben. Dieser Theil von ihnen gehört der Philosophie an; die p o sitiv e Seite aber bleibt ihnen | eigenthümlich. Die positive derselben ist von verschiedener Art. 1) Ihr an sich rationeller Anfang geht damit in das Zufällige über, daß sie das Allgemeine in die em pirische E in zeln h eit und W irk lich k e it herunterzuführen haben. In diesem Felde der Veränderlichkeit und Zufälligkeit kann nicht der B e g r iff, sondern können nur G ründe geltend gemacht werden. Die Rechtswissenschaft z. B. oder das System der directen und indirecten Abgaben, erfordern letzte genaue Entscheidungen, die außer dem An- und für sich B estim m tsey n des B e g riffe s lie ge n , und daher eine Breite für die Bestimmung zulassen, die nach einem Grunde so und nach einem ändern anders gefaßt werden kann und keines sichern Letzten fähig ist. Ebenso verläuft sich die Idee der N atu r in ihrer Vereinzelung in Zufälligkeiten, und die N atu rg e sc h ich te , E rd b e sch reib u n g, M ed icin u.s.f. geräth in Bestimmungen der Existenz, in Arten und Unterschiede, die von äußerlichem Zufall und vom Spiele, nicht durch Vernunft bestimmt sind. Auch die G eschichte gehört hieher, in sofern die Idee ihr Wesen, deren Erscheinung aber in der Zufälligkeit und im Felde der Willkühr ist. 2) Solche Wissenschaften sind auch in sofern p o sitiv , als sie ihre Bestimmungen nicht für endlich erkennen, noch den Uebergang derselben und ihrer ganzen Sphäre in eine höhere aufzeigen, sondern sie für schlechthin geltend annehmen. Mit dieser Endlichkeit der Form , wie die erste die Endlichkeit des S to ffe s ist, hängt 3) die des Erkenntniß grundes zusammen, welcher theils das Raisonnement, theils Gefühl, Glauben, Autorität anderer, überhaupt der innern oder äußern Anschauung ist. Auch die Philosophie, welche sich auf Anthropologie, Thatsachen des Bewußtseyns, innere Anschauung oder äußere Erfahrung gründen will, Anschauung] O 2 : Anschaung
O3:
Anschauung
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EINLEITUNG
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gehört hieher. 4) Es kann noch seyn, daß blos die Form der w isse n sch aftlichen D a r s t e llu n g empirisch ist, aber die sinnvolle Anschauung das, was nur Erscheinungen sind, so ordnet, wie die innere Folge des Begriffes ist. Es gehört dazu noch, daß durch die Entgegensetzung und Mannigfaltigkeit der zusammengestellten Erscheinungen die äußerlichen, z u fä llig e n U m stände der Bedingungen sich aufheben, wodurch dann das A llgem ein e vor den Sinn tritt. - Eine sinnige Experimental-Physik, Geschichte u.s.f. wird auf diese Weise die rationelle Wissenschaft der Natur und der menschlichen Begebenheiten und Thaten in einem äußerlichen, den Begriff abspiegelnden Bilde darstellen. §. 17. Für den A n fan g, den die Philosophie zu machen hat, scheint sie im Allgemeinen dieselbe subjective Voraussetzung zu machen, mit welcher die ändern Wissenschaften beginnen, nämlich einen besondern Gegenstand, wie anderwärts Raum, Zahl u.s.f., so hier das D en ken , zum Gegenstände des Denkens machen zu wollen. Allein es ist der freie Act des Denkens, sich auf den Standpunkt zu stellen, wo es für sich selber ist und sich hiemit seinen Gegenstand selbst erzeugt und gibt. Ferner muß der Standpunkt, welcher so als u n m ittelb arer erscheint, ebenso innerhalb der Wissenschaft sich zum R esu ltate , und zwar zu ihrem letzten machen, in welchem sie ihren Anfang wieder erreicht, und in sich zurückkehrt. Auf diese Weise zeigt sich die Philosophie als ein in sich zurückgehender Kreis, der keinen Anfang im Sinne anderer Wissenschaften hat, so daß der Anfang nur eine Beziehung auf das Subject, als welches sich entschließen will, zu philosophiren, nicht aber auf die Wissenschaft als solche hat. - Oder was dasselbe ist, der Begriff der Wissenschaft, und somit der erste, - und weil er der erste ist, enthält er die Trennung, daß das Denken Gegenstand für ein (gleichsam äußerliches) | philosophirendes Subject ist - muß von der Wissenschaft selbst erfaßt werden; - dies ist sogar ihr einziger Zweck, Thun und Ziel, zum Begriffe ihres Begriffes, und so zu ihrer Rückkehr und Befriedigung zu gelangen.
§. 18. So wie von einer Philosophie nicht eine vorläufige, allgemeine Vorstellung gegeben werden kann, denn nur das Ganze der Wissenschaft ist die Darstellung der Idee, so kann auch ihre E in th eilu n g nur erst aus dieser begriffen werden; sie ist wie diese, aus der sie zu nehmen ist, etwas Anticipirtes. Diese erweist sich als das schlechthin mit sich identische Denken, und dies zugleich als die Thätigkeit, sich selbst, um für sich zu seyn, sich gegenüber zu stellen, und in diesem Ändern nur bei sich selbst zu seyn. So zerfällt die Wissenschaft in die drei Theile:
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ENCYCLOPÄDIE • EINLEITUNG
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I. Die L o g ik , die Wissenschaft der Idee an und für sich. II. Die N a tu rp h ilo so p h ie als die Wissenschaft der Idee in ihrem Andersseyn. III. Die P h ilo so p h ie des G eistes, als der Idee, die aus ihrem Andersseyn in sich zurückkehrt. Oben §. 15. ist bemerkt, daß die Unterschiede der besondern Wissenschaften,
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nur Bestimmungen der Idee selbst sind, und sie es nur ist, die sich in diesen verschiedenen Elementen darstellt. In der Natur ist es nicht ein Anderes, als die Idee, welches erkannt würde, aber sie ist in der Form der E ntäuß erung, so wie im Geiste ebendieselbe als für sich seyend und an und für sich w erdend. Eine solche Bestimmung, in der die Idee erscheint, ist zugleich ein io fließ en des Moment; | daher ist die einzelne Wissenschaft eben so sehr dies, ihren Inhalt als seyenden Gegenstand, als auch dies, unmittelbar darin seinen Uebergang in seinen höhern Kreis zu erkennen. Die V o rste llu n g der E in t e i l u n g hat daher das Unrichtige, daß sie die besondern Theile oder Wissenschaften nebeneinander hinstellt, als ob sie nur ruhende und in ihrer UnterScheidung substantielle, wie A rten, wären. |
3 Die]
O 2O 3:
D ie
O i: die
15
27-28
VORBEGRIFF
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ERSTER THEIL.
DIE WISSENSCHAFT D E R LOGIK.
VORBEGRIFF.
§. 19.
Die Logik ist die Wissenschaft der reinen Idee, das ist, der Idee im abstracten Elemente des D enkens. Es gilt von dieser, wie von ändern in diesem Vorbegriffe enthaltenen Bestimmungen dasselbe, was von den über die Philosophie überhaupt vorausgeschickten Begriffen gilt, daß sie aus und nach der Uebersicht des Ganzen geschöpfte Bestimmungen sind. Man kann wohl sagen, daß die Logik die Wissenschaft des D enkens, seiner B e stim m u n g e n und G esetze sey, aber das Denken als solches macht nur die allgem ein e B estim m th eit oder das E lem en t aus, in der die Idee, als logische ist. Die Idee ist das Denken, nicht als formales, sondern als die Totalität seiner eigentümlichen Bestimmungen, die es sich selbst gibt. Die Logik ist in sofern die schw erste Wissenschaft, als sie es nicht mit Anschauungen, nicht einmal wie die Geometrie mit abstracten sinnlichen Vorstellungen, sondern mit reinen Abstractionen zu thun hat, und eine | Kraft erfordert sich in den reinen Gedanken zurückzuziehen, ihn festzuhalten und in solchem sich zu bewegen. Auf der ändern Seite könnte sie als die leich teste angesehen werden, weil der Inhalt nichts als das eigene Denken und dessen geläufige Bestimmungen, und diese zugleich die einfachsten sind. Der N u tzen der Logik betrifft das Verhältniß zum Subject, in wiefern es sich eine gewisse Bildung zu ändern Zwecken gibt. Die Bildung durch die Logik besteht darin, daß es im Denken geübt wird, weil diese Wissenschaft Denken des Denkens ist. In sofern aber das Logische, die absolute Form der Wahrheit, und noch mehr als dies auch die reine Wahrheit selbst ist, ist es ganz etwas anders, als blos etwas N ützlich es. Aber wie das Vortrefflichste, das Freiste und Selbstständigste auch das Nützlichste ist, so kann auch das Logische 3 V o rb e g riff] O 2: V o rb e g rifs
O 3 : V o rb e g riff
1 9 z u r ü c k z u z ie h e n ] O 1O 2O 3 : z u r ü c k z ie h e n
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ENCYCLOPÄDIE • LOGIK
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so gefaßt werden. Sein Nutzen ist dann noch anders anzuschlagen, als blos die formelle Uebung des Denkens zu seyn.
§ .20. Das D enken erscheint a) zunächst in seiner gewöhnlichen, subjectiven Bedeutung, als eine der geistigen Thätigkeiten oder Vermögen neben ändern, der Sinnlichkeit, Anschauen, Phantasie u.s.f., Begehren, Wollen u.s.f. Das P rod u ct desselben, die Bestimmtheit oder Form des Gedankens, ist das A llgem ein e, Abstracte überhaupt. Das D enken, als die T h ä tig k e it, ist somit das th ätige Allgemeine, und zwar das sich bethätigende, indem die That, das Hervorgebrachte, eben das Allgemeine ist. Das Denken als Subject vorgestellt ist D enkendes, und der einfache Ausdruck des Denkenden als existirenden Subjects ist Ich. Die hier und in den nächstfolgenden §§. angegebenen Bestimmungen sind nicht als Behauptungen und meine M ein ungen über das Denken zu nehmen, - sondern da in dieser vorläufigen Weise keine Ableitung oder Be | weis Statt finden kann, nur als Facta, so daß in dem Bewußtseyn eines jeden es sich empirisch vorfmde, wenn er Gedanken habe und sie betrachte, daß der Charakter der Allgemeinheit, und so gleichfalls die nachfolgenden Bestimmungen darin vorhanden seyen. Eine bereits vorhandene Bildung der Aufmerksamkeit und der Abstraction wird allerdings zur Beobachtung von Factis seines Bewußtseyns und seiner Vorstellungen erfordert. Der Unterschied des Sinnlichen vom Gedanken bestehet dann nach dem Obigen darin, daß die Bestimmung von jenem die E in zeln h eit ist, und indem das Einzelne (ganz abstract das Atome) auch im Zusammenhange steht, so ist das Sinnliche ein A ußereinander, dessen nähere abstracte Formen das N eb en - und das Nacheinander sind. - Das V o rste llen aber hat theils solchen sinnlichen Stoff zum Inhalte, theils aber ist er in die Bestimmung des M ein igen , daß solcher Inhalt in M ir ist, und der A llg em ein h eit, der Beziehung-auf-sich, der E in fach h eit, gesetzt. - Außer dem Sinnlichen hat aber die Vorstellung auch Stoff zum Inhalt, der aus dem selbstbewußten Denken entsprungen, wie die Vorstellungen vom Rechtlichen, Sittlichen, Religiösen, auch vom Denken selbst, und es fällt nicht so leicht auf, worin der Unterschied solcher V o rstellu n gen von den G edanken solchen Inhalts zu setzen sey. Denn hier ist sowohl der Inhalt Gedanke, als auch die Form der Allgemeinheit vorhanden ist, welche schon dazu gehört, daß ein Inhalt in M ir, überhaupt, daß er Vorstellung sey. Die Eigenthümlichkeit der Vorstellung aber ist im Allgemeinen auch in dieser Rücksicht darein zu setzen, daß in ihr solcher Inhalt gleichfalls vereinzelt steht. Recht, rechtliche und dergleichen Bestimmungen
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VORBEGRIFF
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stehen zwar nicht im sinnlichen Außereinander des Raums; der Zeit nach erscheinen sie wohl etwa nacheinander; aber dies gehört nur dem subjectiven Bewußtseyn an, der Inhalt selbst wird | nicht als von der Zeit behaftet, in ihr vorübergehend und veränderlich vorgestellt. Aber solche an sich geistige Bestimmungen stehen vereinzelt im weiten Boden der innern, abstracten Allgemeinheit des Vorstellens überhaupt. Sie sind in dieser Vereinzelung einfach. Was ist Recht? Pflicht? was ist Gott? Die Vorstellung bleibt entweder dabei stehen, daß das Recht Recht, Gott Gott ist - oder gebildeter gibt sie Bestimmungen an z.B. daß Gott Schöpfer der Welt, allweise, allmächtig u.s.f. ist; hier werden ebenso mehrere Vereinzelte, einfache Bestimmungen aneinander gereiht, welche der Verbindung ungeachtet, die ihnen in dem Subjecte angewiesen ist, außereinander bleiben. Die Vorstellung trifft hier mit dem V erstän de zusammen, der sich von jener nur dadurch unterscheidet, daß er B e zieh un gen und Verhältnisse, von Allgemeinem und Besondern, oder Ursache und Wirkung u.s.f. unter den isolirten Bestimmungen der Vorstellung, setzt, da diese sie in ihrem unbestimmten Raume durch das bloße A uch verbunden, nebeneinander beläßt. - Der Unterschied von Vorstellung und von Gedanken hat die nähere Wichtigkeit, weil überhaupt gesagt werden kann, daß die Philosophie nichts anderes thue, als die Vorstellungen in Gedanken zu verwandeln, - aber freilich fernerhin den bloßen Gedanken in den Begriff. Uebrigens indem für die Bestimmung des Sinnlichen die E in zeln h eit und das A uß ereinan der angegeben worden, ist zu bemerken, daß auch diese beiden Bestimmungen selbst wieder Gedanken und Allgemeine sind; denn in der Logik wird es sich zeigen, daß der Gedanke und das Allgemeine eben dies ist, daß er Er selbst und sein Anderes ist, über dieses übergreift, und daß Nichts ihm entflieht. Indem auch die Sprache das Werk des Gedankens ist, so kann auch in ihr nichts gesagt werden, was nicht allgemein ist. Was ich nur m eyne, ist m ein, gehört mir als diesem besondern Individuum | an; wenn aber die Sprache nur Allgemeines ausdrückt, so kann ich nicht sagen, was ich nur m eyne. Und das U n sagb are, Gefühl, Empfindung, ist nicht das Vortrefflichste, Wahrste, sondern das Unbedeutendste, Unwahrste. Wenn ich sage, das E in zeln e, dieses Einzelne, Hier, Jetzt, so sind dies alles Allgemeinheiten; A lles und Jed e s ist ein Einzelnes, Dieses, auch wenn es sinnlich ist, Hier, Jetzt. Ebenso wenn ich sage: Ich, meyne ich Mich als diesen , alle Ändern ausschließenden; aber was ich sage, ist eben jeder! - Ich, der alle Ändern von sich ausschließt. Die Allgemeinheit des Ich ist jedoch nicht eine bloße Gemeinschaftlichkeit, sondern innere Allgemeinheit an sich selbst. K an t bedient sich des ungeschickten Ausdrucks, daß Ich alle meine Vorstellungen, - auch Empfindungen, Begierden, Handlungen u.s.f. b egleite. In der That ist Ich als
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ENCYCLOPÄDIE • LOGIK
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solches die reine Beziehung auf sich selbst, in der vom Vorstellen, Empfinden, von jedem Zustand, wie von jeder Particularität der Natur, des Talents, der Erfahrung u.s.f. abstrahirt ist. Ich ist in sofern das ganz A b stracte, das abstract Freie. Darum ist das Ich das Denken als Subject, und indem Ich zugleich in allen meinen Empfindungen, Vorstellungen, Zuständen u.s.f. bin, ist der Gedanke allenthalben gegenwärtig, und durchzieht alle diese Bestimmungen.
§. 21. ß) Indem Denken als thätig in Beziehung auf Gegenstände genommen wird, das N ach d en k en über Etwas, so erhält das Allgemeine, als solches Product, den Werth der Sache, des W esentlichen, des Innern, des W ahren. Es ist §. 5. der alte Glaube angeführt worden, daß, was das Wahrhafte an Gegenständen, Beschaffenheiten, Begebenheiten, das Innere, Wesentliche, die Sache sey, auf welche es ankommt, sich nicht u n m ittelb ar | im Bewußtseyn einfinde, nicht schon dies sey, was der erste Anschein und Einfall darbiete, sondern daß man erst darüber nachdenken müsse, um zur wahrhaften Beschaffenheit des Gegenstandes zu gelangen, und daß durch das Nachdenken dies erreicht werde. §. 22. y) Durch das Nachdenken wird an der Art, wie der Inhalt zunächst in der Empfindung, Anschauung, Vorstellung ist, etwas v erän d e rt; es ist somit nur v e rm itte lst einer Veränderung, daß die w ahre Natur des G egen stan d es zum Bewußtseyn kommt. §. 23. 8) Indem im Nachdenken eben so sehr die wahrhafte Natur zum Vorschein kommt, als dies Denken meine Thätigkeit ist, so ist jene eben so sehr das E rzeugniß meines Geistes, und zwar als denkenden Subjects, somit Meiner nach meiner einfachen abstracten Allgemeinheit, Meiner als des schlechthin bei sich seyenden Ichs - oder meiner Freiheit. Man kann den Ausdruck Selb std en ken häufig hören, als ob damit etwas Bedeutendes gesagt wäre. In der That kann keiner für den ändern denken, so wenig als essen und trinken; jener Ausdruck ist daher ein Pleonasmus. - In dem Denken liegt unmittelbar die Freih eit, weil es die Thätigkeit des Allgemeinen, ein hiemit abstractes sich auf sich Beziehen, ein nach der Subjectivität bestimmungsloses Bei-sich-seyn ist, das nach dem Inhalte zugleich nur in der 12 §. 5.] O 2O 3 ; §. 6 . mus
O 3 : Pleonasmus
C 3: §. 5.
32 Pleonasmus] so C 2, 5 . Editorischer Bericht S. 450 u. 452
ö 2: Plenoas-
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VORBEGRIFF
Sache und deren Bestimmungen ist. Wenn daher von Demuth oder Bescheidenheit, und Hochmuth in Beziehung auf das Philosophiren die Rede ist, und die Demuth oder Bescheidenheit darin besteht, seiner Subjectivität nichts B e son deres von Eigenschaft und Thun zuzuschreiben, so wird das Philosophiren wenigstens von Hochmuth frei zu | sprechen seyn, indem das Denken dem Inhalte nach in sofern nur wahrhaft ist, als es in die Sache vertieft ist, und der Form nach nicht ein besonderes Seyn oder Thun, sondern eben dies ist, daß das Bewußtseyn sich als abstractes Ich, als von aller Particularität sonstiger Eigenschaften, Zustände u.s.f. befreites verhält, und nur das Allgemeine thut, in welchem es mit allen Individuen identisch ist. - Wenn Aristoteles dazu auffordert, sich eines solchen Verhaltens w ürd ig zu halten, so besteht die Würdigkeit, die sich das Bewußtseyn gibt, eben darin, das beson d ere Meinen und Dafürhalten fahren zu lassen, und die Sache in sich walten zu lassen. §. 24. Die Gedanken können nach diesen Bestimmungen o b je ctiv e G edanken genannt werden, worunter auch die Formen, die zunächst in der gewöhnlichen Logik betrachtet und nur für Formen des bew ußten Denkens genommen zu werden pflegen, zu rechnen sind. Die L o g ik fällt daher mit der M etap h ysik zusammen, der Wissenschaft der D in ge in Gedanken gefaßt, welche dafür galten, die W esenheiten der D in ge auszudrücken. Das Verhältniß von solchen Formen, wie Begriff, Urtheil und Schluß zu ändern, wie Causalität u.s.f. kann sich nur innerhalb der Logik selbst ergeben. Aber so viel ist auch vorläufig einzusehen, daß, indem der Gedanke sich von den natürlichen Dingen einen Begriff zu machen sucht, dieser Begriff (und damit auch dessen unmittelbarste Formen, Urtheil und Schluß) nicht aus Bestimmungen und Verhältnissen bestehen kann, welche den Dingen fremd und äußerlich sind. Das Nachdenken, ist oben gesagt worden, führt auf das A llg em ein e der Dinge; dies ist aber eines und zwar selbst das allgemeinste der Begriffsmomente. Daß Verstand, Vernunft in der Welt ist, sagt dasselbe, was der Ausdruck: objectiver | Gedanke, enthält. Dieser Ausdruck ist aber eben darum unbequem, weil G edanke zu gewöhnlich nur als dem Geiste, dem Bewußtseyn angehörig, und das Objective ebenso zunächst nur von Ungeistigem gebraucht wird. §. 25. Der Ausdruck von o b je ctiv em G edanken bezeichnet die W ah rh eit, welche der absolute G egen stan d , nicht blos das Z iel der Philosophie seyn soll. Er zeigt 31 nur als] so C 2
O 2 : nur
O 3 : nur als
32 angehörig] so C 2
O 2 : angehört
O 3 : angehörig
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ENCYCLOPÄDIE • LOGIK
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aber überhaupt sogleich einen Gegensatz, und zwar denjenigen, um dessen Bestimmung und Gültigkeit das Interesse des philosophischen Standpunkts jetziger Zeit und die Frage um die W ahrheit und die Erkenntniß derselben sich dreht. Sind die Denkbestimmungen mit einem festen Gegensätze behaftet, d. i. sind sie nur endlich er Natur, so sind sie der Wahrheit, die absolut an und für sich ist, unangemessen, und [so] kann sie nicht in das Denken eintreten. Das Denken nur endliche Bestimmungen hervorbringend und in solchen sich bewegend, heißt V erstand (im genauem Sinne des Wortes). - Näher ist die E n d lich k eit der Denkbestimmungen auf die gedoppelte Weise aufzufassen, die eine, daß sie nur su b je ctiv sind, und den bleibenden Gegensatz am Objectiven haben, die andere, daß sie als beschränkten In h altes überhaupt sowohl gegen einander als noch mehr gegen das Absolute, im Gegensätze verharren. Die dem Denken zur Objectivitat gegebenen Stellungen sollen als nähere Einleitung, um die Bedeutung und den Standpunkt, welcher hier der Logik gegeben ist, zu erläutern und herbeizuführen, nun betrachtet werden. In meiner P h än om en ologie des G eistes, welche deswegen bei ihrer Herausgabe als der erste Theil des Systems der Wissenschaft bezeichnet worden, ist der Gang genommen, von der ersten, einfachsten Erscheinung des Geistes, dem u n m ittelb aren B ew uß tseyn, anzufangen und die Dialektik desselben bis zum Standpunkte der philosophischen Wissenschaft zu | entwickeln, dessen Nothwendigkeit durch diesen Fortgang aufgezeigt wird. Es konnte hiefür aber nicht beim Formellen des bloßen Bewußtseyns stehen geblieben werden; denn der Standpunkt des philosophischen Wissens ist zugleich in sich der gehaltvollste und concreteste, somit als Resultat hervorgehend, setzte er auch die concreten Gestalten des Bewußtseyns, wie z. B. in der Moral, Sittlichkeit, Kunst, Religion, voraus. Die Entwicklung des Gehalts, der Gegenstand eigentümlicher Theile der philosophischen Wissenschaft, fällt daher zugleich in jene zunächst nur auf das Formelle beschränkt scheinende Entwicklung des Bewußtseyns ; hinter dessen Rücken sie, so zu sagen, vorgehen muß, in sofern sich der Inhalt als das Ansich zum Bewußtseyn verhält. Die Darstellung wird dadurch verwickelter, und was den concreten Theilen angehört, fällt zum Theil schon mit in die Einleitung. - Die hier vorzunehmende Betrachtung hat noch mehr das Unbequeme, nur historisch und räsonnirend sich verhalten zu können, und kann zu der Einsicht mitwirken, daß die Fragen, die man in der Vorstellung über die Natur des Erkennens, über Glauben und so ferner vor sich hat, und für ganz concret hält, in der That sich auf einfache Gedankenbestimmungen zurückführen, die aber erst in der Logik ihre wahrhafte Erledigung erhalten. |
6 [so] kann] O 3 : so kann
torischer Bericht S. 452
1 1 noch] O 2 : uoch
O 3 .' noch
26 Wissenschaft] C 2 : Wissenschaft ist s.Edi-
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VORBEGRIFF
A. E R S T E S T E L L U N G D E S G E D A N K E N S Z U R O B JE C T I V I T Ä T .
§. 26. Die erste Stellung ist nothwendig das unbefangene Verfahren, welches noch ohne das Bewußtseyn des Gegensatzes des Denkens in und gegen sich, den Glauben enthält, daß durch das Nachdenken die Wahrheit erkannt, d. i. das, was die Objecte wahrhaft sind, vor das Bewußtseyn gebracht werde. In diesem Glauben geht das Denken geradezu an die Gegenstände, reproducirt den Inhalt der Empfindungen und Anschauungen aus sich zu einem Inhalte des Gedankens und ist in solchem, als der Wahrheit, befriedigt. §. 27. Dieses Denken kann, wegen der Bewußtlosigkeit über seinen Gegensatz eben sowohl seinem Gehalte nach ächtes, speculatives Philosophiren seyn, als auch in endlichen Denkbestimmungen, d.i. in dem noch u n a u fg e lö ste n Gegensätze verweilen. Hier in der Einleitung kann es nur das Interesse seyn, das Denken nach seiner Endlichkeit zu betrachten, und daher das letztere P h ilo so p h ire n zunächst vorzunehmen. - Dies hatte seine bestimmteste Ausbildung in der v o rm alig e n M etaph ysik erhalten, wie sie vor der Kantischen Philosophie | bei uns beschaffen war. Diese Metaphysik ist übrigens nur in Beziehung auf die Geschichte der Philosophie etwas v o rm a lig e s; für sich ist sie überhaupt die immer vorhandene, bloße V erstan d es-A n sich t der Vernunft-Gegenstände. Die nähere Betrachtung ihrer Manier und ihres Hauptinhaltes hat daher zugleich dies nähere präsente Interesse.
§. 28. Diese Wissenschaft betrachtete die Denkbestimmungen als die G ru n d b e stim m ungen der D in ge ; sie stand durch diese Voraussetzung, daß das, was ist, damit daß es ged ach t wird, an sich erkannt werde, höher als das spätere kritische Philosophiren. Aber 1) nahm sie jene Bestimmungen in ihrer Abstraction als für sich geltend und fähig, P räd icate des W ahren zu seyn. Sie setzte überhaupt voraus,
7 werde] so C 2 bloß e
O 2 O 3 : werden
O i : die bloße
20 die immer vorhandene, b lo ß e ] so C 2
O3: immer vorhanden, die bloß e
O 2 : immer vorhandene,
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ENCYCLOPÄDIE • LOGIK
daß die Erkenntniß des Absoluten in der Weise geschehen könne, daß ihm P räd icate b e ig e le g t w erden, und untersuchte weder die Verstandesbestimmungen ihrem eigenthümlichen Inhalte und Werthe nach, noch auch diese Form, das Absolute durch Beilegung von Prädicaten zu bestimmen. Solche Prädicate sind z.B . D aseyn , wie in dem Satze: G ott hat D aseyn; E n d lich k eit oder U n en d lich k eit, in der Frage, ob die Welt endlich oder unendlich ist; einfach, zu sam m en gesetzt, in dem Satze: die Seele ist ein fach ; - ferner das Ding ist E ines, ein G anzes u.s.f.
§• 29. Dergleichen Prädicate sind aber für sich ein b esch rän k ter Inhalt, und zeigen sich schon als der Fülle der Vorstellung nicht angemessen und sie keineswegs erschöpfend. Alsdann sind sie dadurch, daß sie Prädicate Eines Subjects seyen, miteinander verbunden, durch ihren | Inhalt aber verschieden, so daß sie gegen ein an d er von außen her aufgenommen werden. Den ersten Mangel suchten die Orientalen z. B. bei der Bestimmung Gottes durch die vielen N am en, die sie ihm beilegten, abzuhelfen; zugleich aber sollten der Namen unendlich viele seyn.
§. 30. 2) Ihre G egen stän de waren zwar Totalitäten, welche an und für sich der V ern u n ft, dem Denken des in sich con creten Allgemeinen angehören; Seele, W elt, G ott - aber die Metaphysik nahm sie aus der V o rste llu n g auf, legte sie als fe rtig e gegebene Su b jecte, bei der Anwendung der Verstandesbestimmungen darauf, zu Grunde, und hatte nur an jener Vorstellung den M aßstab , ob die Prädicate passend und genügend seyen oder nicht.
§. 31. Die Vorstellungen von Seele, Welt, Gott scheinen zunächst dem Denken einen festen H alt zu gewähren. Außerdem aber, daß ihnen der Charakter besonderer Subjectivität beigemischt ist, und sie hiernach eine sehr verschiedene Bedeutung haben können, so bedürfen sie es vielmehr, erst durch das Denken die feste Bestimmung zu erhalten. Dies drückt jeder Satz aus, als in welchem erst durch das P räd i7zu sam m e n g e se tzt]
O2: z u s a m e n g e s e tz t
OiOz:
zusam m en gesetzt
8 u .s .f .]
O 2 : u s.f.
O 1O3:
38-40
VORBEGRIFF
53
cat (d. i. in der Philosophie durch die Denkbestimmung) angegeben werden soll, was das Subject, d. i. die anfängliche Vorstellung sey. In dem Satze: Gott ist ewig u.s.f. wird mit der Vorstellung: Gott angefangen; aber was er ist, wird noch nicht gew ußt; erst das Prädicat sagt aus, was er ist. Es ist deswegen im Logischen, wo der Inhalt ganz allein in der Form des Gedankens bestimmt wird, nicht nur überflüßig, die Bestimmungen zu Prädicaten von Sätzen, deren Su b ject Gott oder das vagere | Absolute wäre, zu machen, sondern es würde auch den Nachtheil haben, an einen ändern Maßstab, als die Natur des Gedankens selbst ist, zu erinnern. - Ohnehin ist die Form des Satzes oder bestimmter des Urtheils ungeschickt, das Concrete, - und das Wahre ist concret, - und Speculative auszudrücken; das Urtheil ist durch seine Form einseitig und in sofern falsch. Diese Bemerkung hängt zugleich mit der Art zusammen, auf welche das in §. 29. angegebene Mangelhafte der Bestimmung durch Prädicate berichtigt wird.
§. 32. 3) Diese Metaphysik wurde D o g m atism u s, weil sie nach der Natur der endlichen Bestimmungen annehmen mußte, daß von zw ei e n tg e g e n g e se tz te n B e h au ptu n gen , dergleichen jene Sätze waren, die eine w ahr, die andere aber falsch seyn müsse. §. 33. Den ersten T h eil dieser Metaphysik in ihrer geordneten Gestalt, machte die O n to lo g ie aus, die Lehre von den abstracten B e stim m u n g e n des W esens. Für diese in ihrer Mannichfaltigkeit und endlichem Gelten mangelt es an einem Princip; sie müssen darum em pirisch und z u fällig e rw e ise aufgenommen, und ihr näherer Inhalt kann nur auf die V o rstellu n g, auf die V e rsich e ru n g, daß man sich bei einem Worte gerade dies denke, etwa auch auf die Etymologie gegründet werden. Es kann dabei blos um die mit dem Sprachgebrauch übereinstimmende R ic h tig k e it der Analyse und empirische V o llstä n d ig k e it, nicht um die W ahrheit und N o th w e n d ig k e it solcher Bestimmungen an und für sich zu thun seyn. Die Frage, ob Seyn, Daseyn, oder Endlichkeit, Einfachheit, Zusammensetzung u.s.f. an und für sich wahre B e g riffe seyen, muß auffallend seyn, wenn | man meynt, es könne blos von der Wahrheit eines Satzes die Rede
8 machen,] O 2 : machen
O 3 : machen,
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ENCYCLOPÄDIE • LOGIK
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seyn, und nur gefragt werden, ob ein B e g r if f einem Su b jecte mit Wahrheit b e iz u le g e n sey, (wie man es nannte) oder nicht; die Unwahrheit hänge von dem Widerspruche ab, der sich zwischen dem Subjecte der Vorstellung und dem von demselben zu prädicirenden Begriffe fände. Allein der Begriff als Concretes, und selbst jede Bestimmtheit überhaupt ist wesentlich in sich selbst eine Einheit unterschiedener Bestimmungen. Wenn die Wahrheit also weiter nichts wäre, als der Mangel des Widerspruchs, so müßte bei jedem Begriffe zuerst betrachtet werden, ob er nicht für sich einen solchen innern Widerspruch enthalte. §. 34. Der zw eite T h eil war die ratio n elle P sy c h o lo g ie , oder P n eu m atolog ie , welche die metaphysische Natur der Seele, nämlich des Geistes als eines D in ges betrifft. Die Unsterblichkeit wurde in der Sphäre aufgesucht, wo Z u sam m en setzu n g, Z e it, q u alitative V erän d eru n g, q u an titativ e s Z u- oder A bnehm en ihre Stelle haben.
§. 35. Der d ritte T h e il, die K o sm o lo g ie handelte von der W elt, ihrer Zufälligkeit, Nothwendigkeit, Ewigkeit, Begrenztseyn in Raum und Zeit; den formellen Gesetzen in ihren Veränderungen, ferner von der Freiheit des Menschen, und dem Ursprünge des Bösen. Als absolute Gegensätze gelten hiebei vornehmlich: Zufälligkeit und Nothwendigkeit; äußerliche und innerliche Nothwendigkeit; wirkende und Endursachen, oder die Causalität überhaupt und Zweck; Wesen oder Substanz und Erscheinung; Form und Materie; Freiheit | und Nothwendigkeit; Glückseligkeit und Schmerz; Gutes und Böses.
§. 36. Der v ierte T h e il, die natürliche oder ratio n e lle T h e o lo g ie , betrachtete den Begriff Gottes oder dessen Möglichkeit, die Beweise von seinem Daseyn, und seine Eigenschaften. a) Bei dieser verständigen Betrachtung Gottes kommt es vornehmlich darauf an, welche Prädicate zu dem passen oder nicht passen, was w ir uns unter Gott 11 T h e il] O 1 O 2 O 3 : Theil
41-43
VORBEGRIFF
55
v o rstellen . Der Gegensatz von Realität und Negation, oder von Positivem und Negativem kommt hier als absolut vor. Für den B e g r iff, wie ihn der Verstand nimmt, bleibt am Ende nur die leere Abstraction des unbestimmten Wesens, der reinen Realität oder Positivität, das todte Product der modernen Aufklärung, b) Das B ew eisen des endlichen Erkennens, zeigt überhaupt die verkehrte Stellung, daß ein objectiver Grund von Gottes Seyn angegeben werden soll, welches somit sich als ein durch ein anderes V e rm itte lte s darstellt. Dies Beweisen, das die Verstandes-Identität der Bestimmtheiten zur Regel hat, ist von der Schwierigkeit befangen, den Uebergang vom Endlichen zum Unendlichen zu machen. So konnte es entweder Gott von der positiv bleibenden Endlichkeit der daseyenden Welt nicht befreyen, so daß er sich als die unmittelbare Substanz derselben bestimmen mußte (Pantheismus); - oder er blieb als ein Object dem Subject gegenüber, somit auf diese Weise ein E n d lich es (Dualismus), c) Die E igen sch aften sind eigentlich in dem abstracten Begriffe der reinen Realität, des unbestimmten Wesens untergegangen. In sofern aber noch die endliche Welt als ein w ahres Seyn und Gott ihr gegenüber in der Vorstellung bleibt, so stellt sich auch die Vorstellung verschiedener Verhältnisse des | selben zu jener ein, welche als Eigenschaften bestimmt, einerseits als Verhältnisse zu endlichen Zuständen, selbst endlicher Art (z. B. gerecht, gütig, mächtig, weise u.s.f.) seyn müssen, andererseits aber zugleich unendlich seyn sollen. Dieser Widerspruch läßt auf diesem Standpunkte nur die nebulöse Auflösung durch quantitative Steigerung zu, sie nämlich ins Bestimmungslose, den sensum eminentiorem zu treiben. Hiedurch aber wird die Eigenschaft in der That für die Vorstellung zu nichte gemacht und ihr blos ein Namen gelassen. |
B. Z W E IT E S T E L L U N G D E S G E D A N K E N S Z U R O B JE C T I V I T Ä T .
i. Em pir ism u s.
§• 37. Das Bedürfniß theils eines concreten Inhalts gegen die abstracten Theorieen des Verstandes, der nicht für sich selbst aus seinen Allgemeinheiten zur Besonderung
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ENCYCLOPÄDIE • LOGIK
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und Bestimmung fortgehen kann, theils eines festen H alts gegen die Möglichkeit, auf dem Felde und nach der Methode der endlichen Bestimmungen, A lles b ew eisen zu können, führte zunächst auf den E m p irism u s, welcher, statt in dem Gedanken selbst das Wahre zu suchen, dasselbe aus der E rfa h ru n g , der äußern und innern Gegenwart zu holen geht.
§. 38. Der E m p irism u s hat einerseits dies mit der Metaphysik selbst gemein, als welche für die Beglaubigung ihrer Definitionen, - der Voraussetzungen, so wie des bestimmtem Inhalts, ebenfalls die Vorstellungen, d.h. den zunächst von der Erfahrung herrührenden Inhalt, zur Gewähr hat. Anderntheils aber erhebt der Empirismus diesen der Wahrnehmung, dem Gefühl und der Anschauung angehörigen Inhalt, selbst in die Form allgem ein er | V o rste llu n g e n , Sätze und G esetze etc. Dies geschieht jedoch nur in dem Sinne, daß diese allgemeinen Bestimmungen (z. B. Kraft) keine weitere Bedeutung und Gültigkeit für sich haben sollen, als die aus der Wahrnehmung genommene, daß nicht von jenen Gedanken selbst aus weiter auf andere Gedanken fortgegangen und geschlossen werden, und kein als in der Erscheinung nachzuweisender Zusammenhang, Berechtigung haben soll. Den festen Halt nach der su b jectiv en Seite hat das Erkennen darin, daß das Bewußtseyn in der Wahrnehmung seine eigene u n m ittelb are G eg en w art und G ew ißheit hat. Es liegt im Empirismus dies große Princip, daß was wahr ist, in der Wirklichkeit seyn, und für die Wahrnehmung da seyn muß. Dies Princip ist dem S o llen entgegengesetzt, womit die Reflexion sich auf bläht, und gegen die Wirklichkeit und Gegenwart mit einem Je n se its verächtlich thut, welches nur in dem subjectiven Verstände seinen Sitz und Daseyn haben soll. Wie der Empirismus, erkennt (§. 6.) auch die Philosophie nur das, was ist; sie weiß nicht solches, was nur seyn soll, und somit nicht da ist. - Nach der subjectiven Seite ist ebenso das wichtige Princip der F reih eit anzuerkennen, welches im Empirismus liegt, daß nämlich der Mensch, was er in seinem Wissen gelten lassensoll, selbst sehen, selbst darin sich p räsen t wissensoll. - Die consequente Durchführung des Empirismus, in sofern er nämlich dem Inhalte nach sich auf Endliches beschränkt, läugnet aber das Uebersinnliche überhaupt, oder wenigstens die Erkenntniß und Bestimmtheit desselben, und läßt dem Denken nur die Abstraction und formelle Allgemeinheit und Identität zu.
20 Empirismus] O 2 : Epirismus
O 3 : Empirismus
25 §. 6.] O 2O 3 : §. 7.
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VORBEGRIFF
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§. 39. Ueber dies Princip ist zunächst die richtige Reflexion gemacht worden, daß in dem, was E rfah ru n g genannt | wird, und von bloßer einzelner Wahrnehmung einzelner Thatsachen zu unterscheiden ist, sich zwei E lem ente finden, - das eine der Inhalt, der vereinzelnte, unendlich m an n ich faltige S to ff, - das andere, die Form - die Bestimmungen der A llgem ein h eit und N o th w e n d ig k e it. Die Empirie zeigt wohl viele, etwa unzählbar viele, gleiche Wahrnehmungen auf; aber etwas ganz anderes ist noch die A llgem ein h eit, als die große Menge. Ebenso gewährt die Empirie wohl Wahrnehmungen von au fe in an d er-fo lge n d e n Veränio derungen, oder von n eb en ein an der-liegen den Gegenständen, aber nicht einen Zusammenhang der N o th w en d igk eit. Indem nun die Wahrnehmung die Grundlage dessen, was für Wahrheit gelte, bleiben soll, so erscheint die Allgemeinheit und Nothwendigkeit als etwas u n b erech tigtes, als eine subjective Zufälligkeit, eine bloße Gewohnheit, deren Inhalt so oder anders beschaffen seyn kann. 15 Eine wichtige Consequenz hievon ist, daß die rechtlichen und sittlichen Bestimmungen und Gesetze, so wie der Inhalt der Religion als etwas Zufälliges erscheinen, und deren Objectivität aufgegeben wird. - Der H um esche Skepticismus ist übrigens vom G riechischen Sk ep ticism u s sehr wohl zu unterscheiden. Der Humesche legt die W ahrheit des Empirischen, des Ge5
20
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fühls, der Anschauung zu Grunde, und bestreitet die allgemeinen Bestimmungen und Gesetze von da aus, - aus dem Grunde, weil sie nicht eine Berechtigung durch die sinnliche Wahrnehmung haben. Der alte Skepticismus war soweit entfernt, das Gefühl, die Anschauung zum Princip der Wahrheit zu machen, daß er sich vielmehr zu allererst gegen das Sinnliche kehrte. (Ueber den modernen Skepticismus in seiner Vergleichung mit dem alten s. Schellings und Hegels Krit. Journal der Philosophie 1802.1. Bd. 1. St.) |
II. K r it isc h e Ph il o s o p h ie .
§.40. 30
Die kritische Philosophie hat es mit dem Empirismus gemein, die Erfahrung für den ein zigen Boden der Erkenntnisse anzunehmen, welche sie aber nicht für Wahrheiten, sondern nur für Erkenntnisse von Erscheinungen gelten läßt. 26 St.)] 0 2: St. -
O 3 : St.)
31 für] O 2 : sür
O 3 : für
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ENCYCLOPÄDIE • LOGIK
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Zunächst wird ebenfalls von dem Unterschiede der Elemente ausgegangen, die sich in der Analyse der Erfahrung finden, des sinnlichen S to ffe s und der a llg e m einen B ezieh un gen desselben. Indem hiemit die im vorhergehenden §. angeführte Reflexion verbunden wird, daß in der Wahrnehmung für sich, nur Einzelnes und nur solches was geschehe, enthalten sey, so wird zugleich bei dem Factum b eh arrt, daß die A llgem ein h eit und N o th w e n d ig k e it als eben so wesentliche Bestimmungen sich in dem, was Erfahrung genannt wird, vorfinden. Weil dieses Element nun nicht aus dem Empirischen als solchem herstammt, so gehört es der Spontaneität des D enkens an, oder ist a priori. - Die Denkbestimmungen oder V e rstan d e sb e g riffe machen die O b je c tiv itä t der Erfahrungs-Erkenntnisse aus. Sie enthalten überhaupt B ezieh u n gen , und es formiren sich daher durch sie synthetische Urtheile a priori (d. i. ursprüngliche Beziehungen Entgegengesetzter). Daß sich in der Erkenntniß auch die Bestimmungen der Allgemeinheit und Nothwendigkeit finden, dies Factum stellt der Humesche Skepticismus nicht in Abrede. Etwas Anderes als ein vorausgesetztes Factum ist es in der Kantischen Philosophie auch nicht; man kann nach der gewöhnlichen Sprache in den Wissenschaften sagen, daß sie nur eine andere E rk läru n g jenes Factums aufgestellt habe. |
§• 41. Die k ritisch e Philosophie unterwirft nun den Werth der in der Metaphysik übrigens auch in den ändern Wissenschaften und im gewöhnlichen Vorstellen - gebrauchten V e rstan d e sb e g riffe , zunächst der Untersuchung. Diese Kritik geht jedoch nicht auf den Inhalt und das bestimmte Verhältniß dieser Denkbestimmungen gegen einander selbst, sondern betrachtet sie nach dem Gegensatz von Subje c tiv itä t und O b je c tiv itä t überhaupt. Dieser Gegensatz, wie er hier genommen wird, bezieht sich (s. vorherg. §.) auf den Unterschied der Elemente in n erhalb der Erfahrung. Die O b je c tiv itä t heißt hier das Element von A llg em ein heit und N o th w e n d ig k e it, d. i. von den Denkbestimmungen selbst, - dem sogenannten A priorisch en . Aber die kritische Philosophie erweitert den Gegensatz so, daß in die Subjectivität das Gesammte der Erfahrung fällt, und derselben nichts gegenüber bleibt, als das D in g-an -sich . Die nähern Form en des A prio risch en , d. i. des Denkens, und zwar desselben, als der seiner Objectivität ungeachtet nur subjectiven Thätigkeit, ergeben sich auf folgende Weise, welche übrigens nur psychologisch-historische Grundlagen hat.
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VORBEGRIFF
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§. 42.
a) D as th eo retisch e V erm ögen , die Erkenntniß als solche. Als den bestimmten G rund der Verstandesbegriffe gibt diese Philosophie die u rsp rü n glich e Id e n titä t des Ich im Denken - (transcendentale Einheit des 5 Selbstbewußtseyns) an; die durch Gefühl und die Anschauung gegebenen Vorstellungen sind ihrem Inhalte nach ein M an n ich faltiges, und eben so sehr durch ihre Form, durch das A uß ereinander der Sinnlich|keit, in ihren beiden Formen, Raum und Zeit. Dieses Mannichfaltige, indem Ich dasselbe auf sich bezieht, und in sich als in Einem Bewußtseyn vereinigt, (reine Apperception,) wird hiemit in io Identität, in eine ursprüngliche Verbindung gebracht. Die bestimmten Weisen dieses Beziehens sind die reinen Verstandesbegriffe, die K atego rien .
15
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Bekanntlich hat es die Kantische Philosophie sich mit der A u ffin d u n g der Kategorien sehr bequem gemacht. Ich, die Einheit des Selbstbewußtseyns, ist ganz abstract und völlig unbestimmt; wie ist also zu den B estim m u n gen des Ich, den Kategorien zu kommen? Glücklicherweise finden sich in der gewöhnlichen Logik die verschiedenen A rten des U rth e ils bereits empirisch angegeben vor. Urtheilen aber ist D enken eines bestimmten Gegenstandes. Die verschiedenen schon fertig aufgezählten Urtheilsweisen liefern also die verschiedenen B estim m u n gen des D enkens. - Der F ich te ’ schen Philosophie bleibt das tiefe Verdienst, daran erinnert zu haben, daß die D en k b estim m u n gen in ihrer N o th w en d igk eit aufzuzeigen, daß sie wesentlich ab zu leiten seyen. - Diese Philosophie hätte auf die Methode, die Logik abzuhandeln, doch wenigstens die Wirkung gehabt haben sollen, daß die Denkbestimmungen überhaupt oder das übliche logische Material (die A rten der Begriffe, der Urtheile) nicht mehr nur aus der Wahrnehmung abgeleitet und so blos empirisch aufgefaßt, sondern aus dem Denken selbst abgeleitet würden. Wenn das Denken irgend etwas zu beweisen fähig seyn soll, wenn die Logik fodern muß, daß B ew eise gegeben werden, und wenn sie das Beweisen lehren will, so muß sie doch vor allem aus, ihren eigenthümlichsten Inhalt zu beweisen, dessen Nothwendigkeit einzusehen fähig seyn. |
§.43.
Einerseits wird die bloße Wahrnehmung durch die Kategorien zur Objectivität, zur E rfah ru n g erhoben, andererseits aber sind diese Begriffe, als Einheiten blos des subjectiven Bewußtseyns, durch den gegebenen Stoff bedingt, für sich leer und 35 haben ihre Anwendung und Gebrauch allein in der Erfahrung, deren anderer Be29 allem aus,] so C% O 2 : allem aus
O 3 : allem
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ENCYCLOPÄDIE • LOGIK
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standtheil, die Gefühls- und Anschauungs-Bestimmungen, ebenso nur ein Subjectives ist. §.44. Die Kategorien sind daher unfähig, Bestimmungen des Absoluten zu seyn, als welches nicht in einer Wahrnehmung gegeben ist, und der Verstand, oder die Erkenntniß durch die Kategorien ist darum unvermögend, die D in ge an sich zu erkennen. Das D in g an sic h (- und unter dem D in g wird auch der Geist, Gott, befaßt) drückt den Gegenstand aus, in sofern von Allem, was er für das Bewußtseyn ist, von allen Gefühlsbestimmungen, wie von allen bestimmten Gedanken desselben ab strah irt wird. Es ist leicht zu sehen, was übrig bleibt, - das v ö llig e A b stractu m , das ganz Leere, bestimmt nur noch als ein Jen se its; das N e g a tiv e der Vorstellung, des Gefühls, des bestimmten Denkens u.s.f. Eben so einfach aber ist die Reflexion, daß dies Caput mortuum selbst nur das P ro d u ct des Denkens ist, - eben des zur reinen Abstraction fortgegangenen Denkens, - des leeren Ich, das diese leere Id e n titä t seiner selbst sich zum G egen stän d e macht. Die n egative Bestimmung, welche diese abstracte Identität als G egen stand erhält, ist gleichfalls unter den Kantischen Kategorien aufgeführt, und ebenso etwas ganz bekanntes. - Man muß sich hiernach nur wundern, so oft wiederholt gelesen zu haben, man wisse nicht, was das D in g -|a n -sic h seye; und es ist nichts leichter als dies zu wissen. - Aber das Ding-an-sich erkennen, enthält allerdings eine weitere Foderung, von der im nächsten §. die Rede ist. §. 45. Es ist nun die V ern un ft, das Vermögen des U n b e d in g ten , welche das Bedingte dieser Erfahrungskenntnisse einsieht. Was hier nämlich Vernunftgegenstand heißt, das Unbedingte oder Unendliche ist nichts anders als das Sich-selbst-Gleiche, oder es ist die (§. 42.) erwähnte u rsp rü n glich e Id e n tität des Ich im Denken. V ern u n ft heißt dies abstracte Ich oder Denken, welches diese reine Id en tität sich zum Gegenstände oder Zweck macht. Vergl. Anm. z. vorh. §. Dieser schlechthin b e stim m u n g slo se n Identität sind die Erfahrungs-Erkenntnisse unangemessen, weil sie überhaupt von bestim m tem Inhalte sind. Indem solches Unbedingte für das Absolute und Wahre der Vernunft (für die Idee) angenommen wird, so werden somit die Erfahrungskenntnisse für das Unwahre, für E rsch ein u n gen erklärt.
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VORBEGRIFF
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§. 46. Es tritt aber das Bedürfniß ein, diese Identität oder das leere D in g -a n -sic h zu bestimmen. E rkennen heißt nichts anderes als einen Gegenstand nach seinem b estim m ten Inhalte zu wissen; bestimmter Inhalt aber enthält mannichfaltigen Z usam m en h an g in ihm selbst, und begründet Zusammenhang mit vielen ändern Gegenständen. Für diese Bestimmung jenes Unendlichen oder D in g s-an -sich hätte diese Vernunft nichts als die K atego rien ; indem sie diese dazu gebrauchen will wird sie ü b e rflie g e n d (transcendent). Hier tritt die zweite Seite der V ern u n ftk ritik ein; und diese zweite ist für sich wichtiger als die erste. Die erste ist nämlich die oben vorgekommene Ansicht, | daß die K a te g o rie n in der Einheit des Selbstbewußtseyns ihre Quelle haben; daß somit die Erkenntniß durch dieselbe in der That nichts Objectives enthalte, und die ihnen zugeschriebene Objectivität (§. 40.41.) selbst nur etwas S u b je c tiv e s sey. Wird nur hierauf gesehen, so ist die Kantische Kritik blos ein su b jectiv e r (platter) Id ealism u s, der sich nicht auf den Inhalt einläßt, nur die abstracten Formen der Subjectivität und Objectivität vor sich hat, und zwar einseitigerweise bei der erstem, der Subjectivität, als letzter, schlechthin affirmativer Bestimmung, stehen bleibt. Bei der Betrachtung aber der sogenannten A nw endung, welche die Vernunft von den Kategorien für die Erkenntniß ihrer Gegenstände mache, kommt der Inhalt der Kategorien wenigstens nach einigen Bestimmungen zur Sprache, oder wenigstens läge darin eine Veranlassung, wodurch er zur Sprache kommen könnte. Es hat ein besonderes Interesse zu sehen, wie K an t diese A n w en d un g der K a te g o rie n a u f das U n b edin gte d. h. die Metaphysik beurtheilt; dies Verfahren soll daher hier mit Wenigem angeführt und kritisirt werden.
§. 47. a) Das erste U n b e d in g te , welches betrachtet wird, ist (s. oben §.34.) die Seele. - In meinem Bewußtseyn finde Ich mich immer a) als das bestim m en de S u b ject, ß) als ein S in g u lä re s, oder abstract-einfaches, y) als ein in allem Mannichfaltigen desjenigen, dessen ich mir bewußt bin, ein und d asselb e, - als id en tisch e s, S) alsein m ich, als denkendes, von allen D in ge n außer m ir u n terscheidendes. Das Verfahren der vormaligen Metaphysik wird nun richtig angegeben, daß sie an die Stelle dieser em pirisch en Bestimmungen, D e n k b e stim m u n ge n , die
12 dieselbe] Plural!
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ENCYCLOPÄDIE • LOGIK
51-53
ent|sprechenden K ate g o rie n setze, wodurch diese vier Sätze entstehen, a) die Seele ist Su b stan z, ß) sie ist einfache Substanz, y) sie ist den verschiedenen Zeiten ihres Daseyns nach, n um erisch -iden tisch ; S) sie steht im V erhältnisse zum R äum lich en . An diesem Uebergange wird der Mangel bemerklich gemacht, daß zweierlei Bestimmungen mit einander verwechselt werden, (P a ralo g ism u s) nämlich empirische Bestimmungen mit Kategorien, daß es etwas unberechtigtes sey, aus jenen auf diese zu schließ en, überhaupt an die Stelle der erstem die ändern zu setzen. Man sieht, daß diese Kritik nichts anderes ausdrückt, als die oben §. 39. angeführte H u m e ’sche Bemerkung, daß nämlich die Denkbestimmungen überhaupt, - Allgemeinheit und Nothwendigkeit, - nicht in der Wahrnehmung angetroffen werden, daß das Empirische seinem Inhalte wie seiner Form nach, verschieden sey von der Gedankenbestimmung. Wenn das Empirische die Beglaubigung des Gedankens ausmachen sollte, so wäre für diesen allerdings erforderlich, in Wahrnehmungen genau nachgewiesen werden zu können. - Daß von der Seele nicht die Substantialität, Einfachheit, Identität mit sich, und die in der Gemeinschaft mit der materiellen Welt sich erhaltende Selbstständigkeit, behauptet werden könne, dies wird in der Kantischen Kritik der metaphysischen Psychologie allein darauf gestellt, daß die Bestimmungen, welche uns das Bewußtseyn über die Seele erfahren läßt, nicht genau dieselben Bestimmungen sind, welche das D enken hiebei producirt. Nach der obigen Darstellung aber läßt auch Kant das Erkennen überhaupt, ja selbst das E rfahren darin bestehen, daß die W ahrnehm ungen gedacht werden, d. h. daß die Bestimmungen, welche zunächst dem Wahrnehmen angehören, in Denkbestimmungen v erw an d elt werden. Immer ist es für einen guten Erfolg der Kantischen Kri | tik zu achten, daß das Philosophiren über den G eist, von dem Seelen d in ge, von den Kategorien, und damit von den Fragen über die E in fach h eit oder Z u sam m en ge se tzth eit, M ate rialitä t u.s.f. der Seele, befreyt worden ist. - Der wahrhafte Gesichtspunkt aber von der U n z u lässig k e it solcher Formen wird selbst für den gewöhnlichen Menschenverstand doch nicht der seyn, daß sie G edanken sind, sondern vielmehr, daß solche Gedanken an und für sich nicht die Wahrheit, - das Unbedingte, enthalten. - Wenn Gedanke und Erscheinung einander nicht vollkommen entsprechen, so hat man zunächst die Wahl, das Eine oder das Andere für das Mangelhafte anzusehen. In dem Kantischen Idealismus, sofern er das Vernünftige betrifft, wird der Mangel auf die Gedanken geschoben, so daß diese darum unzulänglich seyen, weil sie nicht dem Wahrgenommenen und einem auf den Umfang des Wahrnehmens sich beschränkenden Bewußt-
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seyn adäquat, die Gedanken nicht in solchem angetroffen werden. Der Inhalt des Gedankens für sich selbst kommt hier nicht zur Sprache.
§. 48. ß) Bei dem Versuche der Vernunft, das Unbedingte des zw eiten Gegenstandes (§.35.) der W elt, zu erkennen, geräth sie in A n tin om ien , d.h. in die Behauptung zweier e n tg e g e n g e se tz te r Sätze über denselben Gegenstand, und zwar so, daß jeder dieser Sätze mit gleicher Nothwendigkeit behauptet werden muß. Hieraus ergibt sich, daß der weltliche Inhalt, dessen Bestimmungen in solchen Widerspruch gerathen, nicht an sich, sondern nur Erscheinung seyn könne. Die A u flö sung des Widerspruchs ist, daß er nicht in den Gegenstand fällt, sondern allein der erkennenden Vernunft zukommt. Hier kommt es zur Sprache, daß der Inhalt selbst, nämlich die Kategorien für sich, es sind, welche den | Widerspruch herbeiführen. Dieser Gedanke, daß der Widerspruch, der am Vernünftigen durch die Verstandesbestimmungen gesetzt wird, w esen tlich und n othw endig ist, ist für einen der wichtigsten und tiefsten Fortschritte der Philosophie neuerer Zeit zu achten. So tief dieser Gesichtspunkt ist, so trivial ist die Auflösung; sie besteht nur in einer Zärtlichkeit für die weltlichen Dinge. Das weltliche Wesen soll es nicht seyn, welches den Makel des Widerspruchs an ihm habe, sondern derselbe nur der denkenden Vernunft, dem W esen des G eistes zukommen. Man wird wohl dawider nichts haben, daß die erscheinende Welt dem betrachtenden Geiste Widersprüche zeige, - erscheinende Welt ist sie, wie sie für den subjectiven Geist, für S in n lich k e it und V erstand ist. Aber wenn nun das weltliche Wesen mit dem geistigen Wesen verglichen wird, so kann man sich wundern, mit welcher Unbefangenheit die demüthige Behauptung aufgestellt und nachgesprochen worden, daß nicht das weltliche Wesen, sondern das denkende Wesen, die Vernunft, das in sich widersprechende sey. Es hilft nichts, daß die Wendung gebraucht wird, die Vernunft gerathe nur durch die A nw en dun g der K a te g o rie n in den Widerspruch. Denn es wird dabei behauptet, dieses Anwenden sey n o th w e n d ig, und die Vernunft habe für das Erkennen keine ändern Bestimmungen, als die Kategorien. Erkennen ist in der That b estim m en d es und b estim m tes Denken; ist die Vernunft nur leeres, unbestimmtes Denken, so denkt sie nichts. Wird aber freilich am Ende die Vernunft auf jene leere Id e n titä t reducirt, (s. folg. §.) - so wird sie glücklich noch von dem Widerspruche befreyt, durch die leichte Aufopferung alles Inhaltes und Gehalts. 6 zweier] O 2 : Zweier
O 3 : zweier
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ENCYCLOPÄDIE • LOGIK
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Es kann ferner bemerkt werden, daß die Ermanglung einer tiefern Betrachtung der Antinomie zunächst noch veranlaßte, daß Kant nur vier Antinomien aufführt. | Er kam auf diese, indem er, wie bei den sogenannten Paralogismen, die Kategorientafel voraussetzte, wobei er die späterhin so beliebt gewordene Manier anwendete, statt die Bestimmungen eines Gegenstandes aus dem Begriffe abzuleiten, denselben blos unter ein sonst fertiges Schem a zu setzen. Das weitere Bedürftige in der Ausführung der Antinomien habe ich gelegentlich in meiner W issenschaft der L o g ik aufgezeigt. - Die Hauptsache, die zu bemerken ist, ist, daß nicht nur in den vier besondern, aus der Kosmologie genommenen Gegenständen die Antinomie sich befindet, sondern vielmehr in allen Gegenständen aller Gattungen, in allen Vorstellungen, Begriffen und Ideen. Dies zu wissen und die Gegenstände in dieser Bestimmung zu erkennen, gehört zum Wesentlichen der philosophischen Betrachtung; sie macht das aus, was weiterhin sich als das dialektisch e Moment des Logischen bestimmt.
§. 49. y) Der d ritte Vernunftgegenstand ist G ott; (§. 36.) welcher erkannt, d. i. denkend b estim m t werden soll. Für den Verstand ist nun gegen die einfache Identitä t alle Bestimmung nur eine Schranke, eine Negation als solche; somit ist alle Realität nur schrankenlos, d. i. unbestim m t zu nehmen, und Gott wird als Inbegriff aller Realitäten, oder als das allerrealste Wesen zum einfachen A b stractu m , und für die Bestimmung bleibt nur die ebenso schlechthin abstracte Bestimmtheit, das Seyn, übrig. Abstracte Id en tität, welche auch hier der Begriff genannt wird, und Seyn, sind die zwei Momente, deren Vereinigung es ist, die von der Vernunft gesucht wird; sie ist das Ideal der Vernunft.
§. 50. Diese Vereinigung läßt Z w ei W ege oder Formen zu; es kann nämlich von dem Seyn angefangen und | von da zum A b stractu m des D enkens übergegangen, oder umgekehrt kann der Uebergang vom A b stractu m aus zum Seyn bewerkstelligt werden. Was jenen Anfang mit dem Seyn betrifft, so stellt sich das Seyn, als das Unmittelbare, dar als ein unendlich vielfach bestimmtes Seyn, eine erfüllte Welt. Diese kann näher bestimmt werden als eine Sammlung von unendlich vielen Zufälligkeiten überhaupt (im k o sm o lo gisch en Beweise) oder als eine Sammlung von unendlich vielen Z w ecken und zw eckm äß igen Verhältnissen (im p h y sico th eolo gisehen Beweise). - Dieses erfüllte Seyn denken heißt, ihm die Form von Ein-
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zelnheiten und Zufälligkeiten abstreifen, und es, als ein allgemeines, an und für sich nothwendiges, und nach allgemeinen Zwecken sich bestimmendes und thätiges Seyn, welches von jenem ersten verschieden ist, fassen; - als G ott. - Der Hauptsinn der Kritik dieses Ganges ist, daß derselbe ein Schließen, ein Uebergang ist; indem nämlich die W ahrnehm ungen und deren Aggregat, die Welt, an ihnen als solchen, nicht die Allgemeinheit zeigen, zu welcher das Denken jenen Inhalt reinigt, so werde hiemit diese Allgemeinheit nicht durch jene empirische Weltvorstellung berechtigt. Dem Aufsteigen des Gedankens von der empirischen Weltvorstellung zu Gott wird somit der H u m e’ sche Standpunkt entgegengesetzt, (wie bei den Paralogismen s. §. 47.) - der Standpunkt, der es für unzulässig erklärt, die Wahrnehmungen zu denken, d. i. das Allgemeine und Nothwendige derselben herauszuheben. Weil der Mensch denkend ist, wird es eben so wenig der gesunde Menschenverstand als die Philosophie sich je nehmen lassen, von und aus der empirischen Weltanschauung sich zu Gott zu erheben. Dieses Erheben hat nichts anderes zu seiner Grundlage, als die denkende, nicht blos sinnliche, thierische Betrachtung der Welt. Für das Denken und nur für das Denken ist das W e|sen , die Substanz, die allgem ein e M acht und Zweckbestimmung der Welt. Die sogenannten Beweise vom Daseyn Gottes sind nichts anderes, als nur die B esch reib u n gen und Analysen des G anges des G eistes in sich, der ein denkender ist, und das Sinnliche denkt. Das E rh eben des Denkens über das Sinnliche, das H in ausgeh en desselben über das Endliche zum Unendlichen, der S p ru n g, der mit Abbrechung der Reihen des Sinnlichen ins Uebersinnliche gemacht wTerde, alles dieses ist das Denken selbst, dies Uebergehen ist nur Denken. Wenn solcher Uebergang nicht gemacht werden soll, so heißt dies, es soll nicht gedacht werden. In der That machen die Thiere solchen Uebergang nicht; sie bleiben bei der sinnlichen Empfindung und Anschauung stehen; sie haben deswegen keine Religion. Es ist sowohl überhaupt als insbesondere über die Kritik dieses Erhebens des Denkens zweierlei zu bemerken. Erstens wenn dasselbe in die Form von Sch lüssen (sogenannten B ew eisen vom Daseyn Gottes) gebracht ist, so ist der A u sgan gsp u n k t allerding die Weltanschauung, auf irgend eine Weise, als ein Aggregat von Zufälligkeit oder von Zwecken und zweckmäßigen Beziehungen bestimmt. Dieser Ausgangspunkt kann scheinen, im Denken, in sofern es Schlüsse macht, als feste G ru n d lage und ganz
1 es, als] so C 2 so C 2
O 2 : es,
O 3 : es als
O 2 : jener empirische
6-7 reinigt,] so C 2
O 3 : jener empirischen
O 2 : reinigt;
O 3 : reinigt,
7 jene empirische]
ENCYCLOPÄDIE • LOGIK
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so empirisch, wie dieser Stoff zunächst ist, zu bleib en und belassen zu werden. Die Beziehung des Ausgangspunktes auf den Endpunkt, zu welchem fortgegangen wird, wird so als nur a ffirm a tiv vorgestellt. Allein es ist der große Irrthum, die Natur des Denkens nur in dieser Verstandesform erkennen zu wollen. Die empirische Welt denken heißt vielmehr wesentlich, ihre empirische Form umändern und sie in ein Allgemeines verwandeln; das Denken übt zugleich eine n egative Thätigkeit auf jene Grundlage aus; der wahrgenommene Stoff, wenn er durch | Allgemeinheit und N otw endigkeit bestimmt wird, b leib t nicht in seiner ersten empirischen Gestalt. Es wird der innere G ehalt des Wahrgenommenen, mit Entfernung und N e g atio n der Schale, herausgehoben, (vergl. §. 13. u. 23.) Die metaphysischen Beweise vom Daseyn Gottes sind darum mangelhafte Auslegungen und Beschreibungen der Erhebung des Geistes von der Welt zu Gott, weil sie das Moment der N e g a tio n , welches in dieser Erhebung enthalten ist, nicht ausdrücken, oder vielmehr nicht herausheben, denn darin daß die Welt zufä llig ist, liegt es selbst, daß sie nur ein Fallen d es, Erscheinendes, an und für sich N ich tig e s ist. Der Sinn der Erhebung des Geistes ist, daß der Welt zwar Seyn zukomme, das aber nur Schein ist, nicht das wahrhafte Seyn, nicht absolute Wahrheit, daß diese vielmehr jenseits jener Erscheinung, nur in Gott ist, Gott nur das wahrhafte Seyn ist. Indem diese Erhebung U eb ergan g und V erm ittlu n g ist, so ist sie eben so sehr Aufheben des Ueberganges und der Vermittlung, denn das, wodurch Gott vermittelt scheinen könnte, die Welt, wird vielmehr für das Nichtige erklärt; nur die Nichtigkeit des Seyns der Welt ist das Band der Erhebung, so daß das, was als das Vermittelnde ist, verschwindet, und damit in dieser Vermittlung selbst die Vermittlung aufgehoben wird. - Es ist vornehmlich dieses Verhältniß, an das sich Ja c o b i hält, indem er das Beweisen des Verstandes bekämpft; er macht demselben den gerechten Vorwurf, daß damit B e d in g u n g e n (die Welt) für das U n b ed in g te aufgesucht werden, daß das U n en dlich e (Gott) auf solche Weise als b egrün d et und ab h än gig vorgestellt werde (wovon hernach). Allein jene Erhebung corrigirt selbst diesen Schein, ihr ganzer Gehalt vielmehr ist die Correction dieses Scheins. Aber diese wahrhafte Natur des wesentlichen Denkens, in der Vermittlung die Vermittlung selbst aufzuheben, hat Jacobi nicht | erkannt, und daher fälschlich den richtigen Vorwurf, den er dem nur reflectirenden Verstände macht, für einen das Denken überhaupt, damit auch das vernünftige Denken treffenden Vorwurf gehalten. Zur Erläuterung von dem Uebersehen des n egativ en Moments kann beispielsweise der Vorwurf angeführt werden, der dem Sp in o zism u s gemacht wird, daß er Pantheismus und Atheismus sey. Die ab so lu te Substanz
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VORBEGRIFF
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Spinoza’s ist freilich noch nicht der absolute G eist, und es wird mit Recht gefodert, daß Gott als absoluter Geist bestimmt werden müsse. Wenn aber Spinoza’s Bestimmung so vorgestellt wird, daß er Gott mit der Natur, mit der endlichen Welt vermische, und die Welt zu Gott mache, so wird dabei vorausgesetzt, daß die endliche Welt wahrhafte Wirklichkeit, a ffirm a tiv e R e a litä t besitze. Mit dieser Voraussetzung wird freilich mit einer Einheit Gottes und der Welt, Gott schlechthin verendlicht und zur bloßen endlichen, äußerlichen Mannichfaltigkeit der Existenz herabgesetzt. Abgesehen davon, daß Spinoza Gott nicht definirt, daß er die Einheit Gottes und der Welt, sondern daß er die Einheit des D enkens und der Ausdehnung (der materiellen Welt) sey, so liegt es schon in dieser Einheit, selbst auch, wenn sie auf jene erste ganz ungeschickte Weise genommen wird, daß in dem Spinozischen Systeme vielmehr die Welt nur als ein Phänomen, dem nicht wirkliche Realität zukomme, bestimmt wird, so daß dieses System vielmehr als A k o sm ismus anzusehen ist. Eine Philosophie, welche behauptet, daß Gott, und nur Gott ist, dürfte wenigstens nicht für Atheismus ausgegeben werden. Schreibt man doch den Völkern, welche den Affen, die Kuh, steinerne, eherne Statuen u.s.f. als Gott verehren, noch Religion zu. Aber im Sinne der Vorstellung geht es noch vielmehr gegen den Mann, ihre Voraussetzung aufzugeben, daß dies ihr Aggregat von Endlichkeit, | welches W elt genannt wird, wirkliche Realität habe. Daß es, wie sie sich etwa ausdrücken könnte, keine W elt geb e, so etwas anzunehmen, hält man leicht für ganz unmöglich, oder wenigstens für viel weniger möglich, als daß es einem in den Kopf kommen könne, daß es keinen G ott gebe. Man glaubt eben nicht zu eigener Ehre viel leichter, daß ein System Gott leugne, als daß es die Welt leugne. Die zw eite Bemerkung betrifft die Kritik des G eh alts, den jene denkende Erhebung zunächst gewinnt. Dieser Gehalt, wenn er nur in den Bestimmungen der Substan z der Welt, des n o th w en d igen W esens derselben, einer zw eckm äß ig einrichtenden und d ien en den U rsach e u.s.f. besteht, ist freilich dem nicht angemessen, was unter G o tt verstanden wird oder verstanden werden soll. Allein, abgesehen von der Manier, eine Vorstellung von Gott vorauszusetzen, und nach solcher Voraussetzung ein Resultat zu beurtheilen, so haben jene Bestimmungen schon großen Werth und sind nothwendige Momente in der Idee Gottes. Um in diesem Wege den Gehalt in seiner wahrhaften Bestimmung, die wahrhafte Idee Gottes, vor das Denken zu bringen, dafür muß freilich der Ausgangspunkt nicht von untergeordnetem Inhalte aus genommen werden. Die b lo s z u fä llig e n Dinge der Welt sind eine sehr abstracte Bestimmung. Die organischen Gebilde und deren Zweckbestimmungen gehören dem höhern Kreise, dem
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ENCYCLOPÄDIE • LOGIK
Leb en , an. Allein außerdem, daß die Betrachtung der lebendigen Natur und der sonstigen Beziehung der vorhandenen Dinge auf Z w eck e, durch Geringfügigkeit von Zwecken, ja durch selbst kindische Anführungen von Zwecken und deren Beziehungen verunreinigt werden kann, so ist die nur lebendige Natur selbst in der That noch nicht dasjenige, woraus die wahrhafte B estim m u n g der Idee Gottes gefaßt werden kann; Gott ist mehr als lebendig, er ist Geist. Die ge istig e | Natur ist allein der würdigste und wahrhafteste A u sgan gsp u n k t für das Denken des Absoluten, in sofern das Denken sich einen Ausgangspunkt nimmt und den nächsten nehmen will.
§• 51. Der andere W eg der V erein igu n g geht vom A b stractu m des D en kens aus fort zur Bestimmung, für die nur das Seyn übrig bleibt; - (o n to lo g isch e r B e w e is vom D aseyn G ottes.) Der Gegensatz, der hier vorkommt, ist der des D en ken s und Seyns, da im ersten Wege das Seyn den beiden Seiten gemeinschaftlich ist, und der Gegensatz nur den Unterschied von dem Vereinzelten und Allgemeinen betrifft. Was der Verstand dieser Vereinigung entgegenstellt, ist an sich dasselbe, was so eben angeführt worden, daß nämlich wie in dem Empirischen sich das Allgemeine nicht vorfinde, so sey ebenso umgekehrt im Allgemeinen das Bestimmte nicht enthalten, und das Bestimmte ist hier das Seyn. Oder das Seyn könne nicht aus dem Begriffe abgeleitet und heraus analysirt werden. Die Kantische Kritik des ontologischen Beweises hat ohne Zweifel auch dadurch eine so unbedingt günstige Auf- und Annahme gefunden, daß Kant zur Verdeutlichung, welch ein Unterschied sey zwischen Denken und Seyn, das Beispiel von den hundert T h alern gebraucht hat, die dem Inhalte nach gleich hundert seyen, ob sie nur möglich oder wirklich seyen; aber für m einen Vermögenszustand mache dies einen wesentlichen Unterschied aus. Nichts kann so einleuchtend seyn, als daß dergleichen, was ich mir denke oder vorstelle, darum noch nicht w irk lich ist, - der Gedanke, daß Vorstellen zum Seyn nicht hinreicht. - Abgesehen davon, daß es nicht mit Unrecht eine Barbarei genannt werden könnte, dergleichen wie hundert Thaler einen Begriff zu nennen, so sollten doch wohl zunächst diejeni | gen, die immer und immer gegen die philosophische Idee wiederholen, daß D enken und Seyn versch ieden seyen, voraussetzen, den Philosophen sey dies gleichfalls
2 Dinge] so C 2
O 2O 3 : Dingen
18 Empirischen] O 2 : Empirischen,
0 3
.' Empirischen
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io
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nicht unbekannt; was kann es in der That für eine trivialere Kenntniß geben? Alsdenn aber müßte bedacht werden, daß wenn von G o tt die Rede ist, dies ein Gegenstand anderer Art sey, als hundert Thaler und irg e n d ein besonderer Begriff, Vorstellung oder wie es Namen haben wolle. In der That ist alles Endliche dies, und nur dies, daß das Daseyn desselben von seinem Begriffe verschieden ist. Gott aber, ganz abstract gefaßt, soll ausdrücklich das seyn, das nur »als existiren d gedacht« werden kann, wo der Begriff das Seyn in sich schließt. Eben diese Einheit des Begriffs und des Seyns macht den Begriff Gottes aus. Es ist dies freilich eine ganz formale Bestimmung von Gott, die deswegen in der That nur die Natur des B e g riffe s selbst enthält. Daß aber dieser schon in seinem ganz abstracten Sinne, das Seyn in sich schließe, ist leicht einzusehen. Denn der Begriff, wie er sonst bestimmt werde, ist wenigstens die durch Aufhebung der Vermittlung hervorgehende, somit selbst u n m ittelb are, B eziehung auf sich selbst; das Seyn ist aber nichts anderes als dieses. - Es müßte, kann man wohl sagen, sonderbar zugehen, wenn dies innerste des Geistes, der Begriff, oder auch wenn Ich, oder vollends die concrete Totalität, welche Gott ist, nicht einmal so reich wäre, um eine so arme Bestimmung, wie Seyn ist, ja welche die allerärmste, die abstracteste, ist, in sich zu enthalten. Es kann für den Gedanken dem Gehalte
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nach nichts geringeres geben als Seyn. Nur dies mag noch geringer seyn, was man sich etwa beim Seyn zunächst vorstellt, nämlich eine äuß erliche sinnliche Existenz, wie die des Papiers, das ich hier vor mir habe; - von
25
einer sinnlichen Existenz eines beschränkten, vergänglichen Dinges aber wird man oh|nehin nicht sprechen wollen. - Uebrigens vermag die triviale Bemerkung der Kritik: daß der Gedanke und das Seyn verschieden seyen, dem
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Menschen etwa den Gang seines Geistes vom G edanken Gottes aus zu der Gewißheit, daß er ist, höchstens zu stören, aber nicht zu benehmen. Dieser Uebergang, die absolute Unzertrennlichkeit des Gedanken Gottes von seinem Seyn ist es, was in der Ansicht des u n m ittelb aren W issens oder G lauben s in sein Recht wieder hergestellt worden ist, wovon nachher.
§. 52. Dem D enken bleibt auf diese Weise auf seiner höchsten Spitze die B e stim m th eit etwas äuß erliches, oder es bleibt nur schlechthin ab stractes D enken, welches hier immer V ernunft heißt. Diese, ist hiemit das Resultat, 35 liefert nichts als die fo rm e lle Einheit zur Vereinfachung und Systematisirung 28 von] O 2 : mit
O 3 : von
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ENCYCLOPÄDIE • LOGIK
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der Erfahrungen, ist ein K anon, nicht ein O rg an o n der W ahrheit, vermag nicht eine D o c trin des Unendlichen, sondern nur eine K ritik der Erkenntniß zu liefern. Diese Kritik besteht in ihrer letzten Analyse in der V ersich eru n g, daß das Denken in sich nur die u n bestim m te E in h eit und die T h ä tig k e it dieser u n b estim m ten Einheit sey.
§. 53. b) Die p rak tisch e V ernunft wird als der sich selbst und zwar auf a llg e m eine Weise bestimmende d. i. denkende Wille gefaßt. Sie soll imperative, objective Gesetze der Freiheit geben, d. i. solche, welche sagen, was geschehen soll. Die Berechtigung, hier das Denken als o b je c tiv bestim m ende Thätigkeit (- d. i. in der That eine V ernunft) anzunehmen, wird darein gesetzt, daß die praktische Freiheit durch E rfah run g bew iesen d.i. in der Erscheinung des Selbstbewußtseyns nachgewiesen werden könne. Gegen diese Erfahrung im | Bewußtseyn recurrirt alles, was der Determinismus ebenso aus der Erfahrung dagegen vorbringt, insbesondere die skeptische (auch Hume’sche) Induction von der un en d lich en V erschiedenheit desjenigen, was für Recht und Pflicht unter den Menschen gilt, d. i. der objectiv seyn sollenden Gesetze der Freiheit.
§. 54. Für das, was das praktische Denken sich zum Gesetz mache, für das Kriterium des B estim m en s seiner in sich selbst, ist wieder nichts anderes vorhanden, als dieselbe a b strac te Iden tität des Verstandes (daß kein Widerspruch in dem Bestimmen Statt finde); - die praktisch e Vernunft kommt damit über den Formalismus nicht hinaus, welcher das letzte der th eo retisch en Vernunft seyn soll. Aber die praktische Vernunft setzt nicht nur in sich die allgemeine Bestimmung, das G ute, sondern sie ist prak tisch näher in der Foderung, daß das Gute weltliches Daseyn, äußerliche Objectivität habe, d. i. daß der Gedanke nicht blos su b je c tiv , sondern objectiv überhaupt sey. Von diesem Postulate der praktischen Vernunft nachher. §. 55. c) D er reflectiren d en U rth e ilsk raft wird das Princip eines anschauenden V erstan d es zugeschrieben, d.i. worin das B eso n d ere, welches für das A llg em ein e (die abstracte Identität) z u fä llig sey und davon nicht abgeleitet werden könne, durch dies Allgemeine selbst bestimmt werde; - was in den Producten der Kunst und der organischen Natur erfahren werde.
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Die K r itik der U rth e ilsk raft hat das Ausgezeichnete, daß Kant in ihr die Vorstellung, ja den Gedanken der Idee ausgesprochen hat. Die Vorstellung des in tu itiv e n V erstandes, der innern | Zweckmäßigkeit u.s.f. ist das A llg em ein e zugleich als an ihm selbst con cret gedacht. In diesen Vorstellungen allein zeigt daher die Kantische Philosophie sich sp ecu lativ . Viele, namentlich Sch iller, haben an der Idee des K u n st schönen, der con creten Einheit des Gedankens und der sinnlichen Vorstellung, den Ausweg aus den A b stractio n en des trennenden Verstandes gefunden; andere an der Anschauung und dem Bewußtseyn der L e b e n d ig k e it überhaupt, es sey natürlicher - oder intellectueller Lebendigkeit. - Das Kunstproduct, wie die lebendige Individualität sind zwar beschränkt in ihrem Inhalte; aber die auch dem Inhalte nach umfassende Idee stellt Kant in der postulirten Harmonie der Natur oder Nothwendigkeit mit dem Zwecke der Freiheit, in dem als realisirt gedachten Endzwecke der Welt auf. Aber die Faulheit des Gedankens, wie es genannt werden kann, hat bei dieser höchsten Idee an dem So llen einen zu leichten Ausweg, gegen die wirkliche Realisirung des Endzwecks, an dem Geschiedenseyn des Begriffs und der Realität festzuhalten. Die G eg en w art hingegen der lebendigen Organisationen und des Kunstschönen zeigt auch für den Sinn und die A n sch auun g schon die W irk lich k e it des Ideals. Die Kantischen Reflexionen über diese Gegenstände wären daher besonders geeignet, das Bewußtseyn in das Fassen und Denken der co n creten Idee einzuführen.
§. 56. Hier ist der Gedanke eines ändern Verhältnisses vom A llg em ein en des Verstandes zum B eso n d ern der Anschauung aufgestellt, als in der Lehre von der theoretischen und praktischen Vernunft zu Grunde liegt; es verknüpft sich damit aber nicht die Einsicht, daß jenes das w ahrh afte, ja die W ah rh eit selbst ist. Vielmehr wird diese Einheit nur aufgenommen, wie sie in endlichen Erscheinungen zur Existenz kommt, und in der E rfah run g | aufgezeigt, zunächst im Su b je c te , nämlich im G en ie, dem Vermögen ästhetische Ideen zu produciren, d. i. Vorstellungen der freien E in b ild u n g sk raft, die einer Idee statt logischer Darstellung dienen und zu denken geben, ohne daß solcher Inhalt in einem B e g r iffe (d. h. einer ab stracten Denkbestimmung) ausgedrückt wäre oder sich darin ausdrücken ließe; - theils im G esch m ack surth eile, dem Gefühl der Z u sam m en stim m un g der A nschauungen oder Vorstellungen in ihrer Freiheit, zum V erstände in seiner Gesetzmäßigkeit.
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ENCYCLOPÄDIE • LOGIK
§. 57. Das Princip der reflectirenden Urtheilskraft ferner für die leb en d igen N atu rp ro d u cte wird als der Z w eck bestimmt, der thätige B e g r iff, das in sich bestimmte und bestimmende Allgemeine. Zugleich wird die Vorstellung der äuß erlichen oder endlichen Z w eck m äß igk eit entfernt, in welcher der Zweck für das Mittel und das Material, worin er sich realisirt, nur äußerliche Form ist. Wo hingegen im Leben digen der Zweck in der Materie immanente Bestimmung und Thätigkeit ist, und alle Glieder ebenso sich gegenseitig Mittel als Zweck sind. §. 58. Wenn nun gleich in solcher Idee das Verstandesverhältniß von Zweck und Mittel, von Subjectivität und Objectivität aufgehoben ist, so wird doch wieder im Widerspruch hiemit der Zweck für eine Ursache erklärt, welche nur als V o rste llu n g , d. h. als ein Subjectives existire und thätig sey; hiemit denn auch die Zweckbestimmung nur für ein unserem Verstände angehöriges Princip der Beurtheilung erklärt. Nachdem es einmal Resultat der kritischen Philosophie ist, daß die Vernunft nur E rscheinu ngen erkennen könne, so hätte man doch wenigstens für die lebendige Natur eine Wahl zwischen zwei gleich su b |je c tiv e n Denkweisen, und nach der Kantischen Darstellung selbst eine Verbindlichkeit, die Naturproducte nicht blos nach den Kategorien von Qualität, Ursache und Wirkung, Zusammensetzung, Bestandtheilen u.s.f. zu erkennen. Das Princip der innern Z w eck m äß igk eit, in wissenschaftlicher Anwendung festgehalten und entwickelt, würde eine ganz andere, höhere Betrachtungsweise derselben herbeigeführt haben.
§. 59. Die Idee nach diesem Princip in ihrer ganzen Unbeschränktheit wäre, daß die von der Vernunft bestimmte Allgemeinheit, - der absolute Endzweck, das G ute, in der Welt verwirklicht würde, durch ein drittes, die diesen Endzweck selbst setzende und ihn realisirende Macht, - G ott, in welchem, der absoluten Wahrheit, hiemit jene Gegensätze von Allgemeinheit und Einzelnheit, von Subjectivität und Objectivität aufgelöst, und für unselbstständig und unwahr erklärt sind.
2 für] O 2 : sür
O 3 : für
24-25 Betrachtungsweise derselben] so C
2
O 2 O 3
: Betrachtungsweise
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VORBEGRIFF
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§. 60. Allein das G ute, - worin der Endzweck der Welt gesetzt wird, ist von vorn herein nur als unser Gutes, als das moralische Gesetz unserer praktischen Vernunft, bestimmt; so daß die Einheit weiter nicht geht, als auf die Uebereinstimmung des Weltzustands und der Weltereignisse mit unserer Moralität.'*') Außerdem daß selbst mit dieser | Beschränkung der Endzw eck, das G ute, ein bestimmungsloses Abstractum ist, wie auch das, was P flich t seyn soll. Näher wird gegen diese Harmonie der Gegensatz, der in ihrem Inhalte als unwahr gesetzt ist, wieder erweckt und behauptet, so daß sie als ein nur su b jectives bestimmt wird, - als ein solches, das nur seyn so ll, d. i. das zugleich nicht R e alität hat; - als ein G egla u b te s, dem nur subjective Gewißheit, nicht Wahrheit, d. i. nicht jene der Idee entsprechende Objectivitat zukomme. - Wenn dieser Widerspruch dadurch verdeckt zu werden scheint, daß die Realisirung der Idee in die sinnliche Bestimmung der Z e it, in eine Zukunft, wo die Idee auch seye, verlegt wird, so ist das Sinnliche das Gegentheil vielmehr von einer Auflösung des Widerspruchs, und die entsprechende Verstandesvorstellung, der unendliche P ro greß , ist unmittelbar nichts als der perennirend gesetzte Widerspruch selbst. Es kann noch eine allgemeine Bemerkung über das Resultat gemacht werden, welches sich aus der kritischen Philosophie für die Natur des E rk en nen s ergeben, und zu einem der Vorurtheile oder allgemeinen Voraussetzungen der Zeit erhoben hat. In jedem dualistischen System nämlich, insbesondere aber im Kantischen gibt sich sein Grundmangel durch die Inconsequenz das zu v erein en , was einen Augenblick vorher als selbstständig somit als u n v erein b ar erklärt worden ist, zu erkennen. Wie so eben das Vereinte für das Wahrhafte erklärt worden ist, so wird sogleich vielmehr für das Wahrhafte erklärt, daß die b e iden M om en te, denen in der Vereinung als | ihrer Wahrheit, das Für-sich*) In den eignen Worten von Kants Kritik der Urtheilskraft S. 427. Endzweck ist blos ein Begriff unserer praktischen Vernunft und kann aus k e in e n D a tis d er E r fa h r u n g zu theoretischer Beurtheilung der Natur gefolgert, noch auf Erkenntniß derselben bezogen werden. Es ist kein Gebrauch von diesem Begriffe möglich als lediglich für die praktische Vernunft nach moralischen Gesetzen, und der E n d z w e ck d er S c h ö p fu n g ist diejenige Beschaffenheit | der Welt, die zu dem, was wir allein nach Gesetzen bestimmt angeben können, nämlich dem Endzwecke unserer rein en p ra k tisc h e n V e rn u n ft, und zwar sofern sie praktisch seyn soll, übereinstimmt. |
28 Urtheilskraft] O 2 : Urtheiskraft
O 3:
Urtheilskraft
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ENCYCLOPÄDIE • LOGIK
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bestehen abgesprochen worden ist, nur so, wie sie getrennte sind, Wahrheit und Wirklichkeit haben. Es fehlt bei solchem Philosophiren das einfache Bewußtseyn, daß mit diesem Herüber- und Hinübergehen selbst jede dieser einzelnen Bestimmungen für unbefriedigend erklärt wird, und der Mangel besteht in der einfachen Unvermögenheit, zwei Gedanken - und es sind der 5 Form nach nur Zwei vorhanden - zusammen zu bringen. Es ist darum die größte Inconsequenz, einerseits zuzugeben, daß der Verstand nur Erscheinungen erkennt, und andererseits dies Erkennen als etwas Absolutes zu behaupten, indem man sagt: das Erkennen könne nicht weiter, dies sey die n atü rlich e, absolute Schranke des menschlichen Wissens. Die natürli- io chen Dinge sind beschränkt, und nur natürliche Dinge sind sie, in sofern sie nichts von ihrer allgemeinen Schranke wissen, in sofern ihre Bestimmtheit nur eine Schranke für uns ist, nicht für sie. Als Sch ran k e, Mangel wird etwas nur gewußt, ja empfunden, indem man zugleich darüber hinaus ist. Die lebendigen Dinge haben das Vorrecht des Schmerzens vor den leblosen; 15 selbst für jene wird eine einzelne Bestimmtheit, zur Empfindung eines N e g a tiv e n , weil sie als lebendig die A llg em ein h eit der Lebendigkeit, die über das Einzelne hinaus ist, in ihnen haben, in dem Negativen ihrer selbst sich noch erhalten und diesen W id ersp ru ch als in ihnen existiren d empfinden; dieser Widerspruch ist nur in ihnen, in sofern beides in dem Einen
20
Subject ist, die Allgemeinheit seines Lebensgefühls, und die gegen dasselbe negative Einzelnheit. Schranke, Mangel des Erkennens ist ebenso nur als Schranke, Mangel bestimmt, durch die V e rg le ich u n g mit der v o rh an denen Idee des Allgemeinen, eines Ganzen und Vollendeten. Es ist daher nur Bewußtlosigkeit, nicht einzusehen, daß eben die Bezeichnung von Etwas
25
als einem Endlichen oder Beschränkten den Beweis von | der w irklichen G egen w art des Unendlichen, Unbeschränkten enthält, daß das Wissen von Gränze nur seyn kann, in sofern das Unbegränzte diesseits im Bewußtseyn ist. Ueber das Kantische Resultat vom Erkennen kann noch die B em erk u n g
30
angeschlossen werden, daß die Kantische Philosophie auf die Behandlung der Wissenschaften keinen Einfluß hat haben können. Sie läßt die K a te go rien und die M ethode des gew öh n lich en E rkennens ganz una n g e fo c h te n . Wenn in wissenschaftlichen Schriften damaliger Zeit zuweilen der Anlauf mit Sätzen der Kantischen Philosophie genommen ist, so zeigt
35
sich im Verfolge der Abhandlung selbst, daß jene Sätze nur ein überflüssiger
21 seines] so C 2 ven
O 2O 3 : ihres
21-22 die ... negative] so C 2
27 Unbeschränkten] 0 2: Unbeschränkten
0 2: der ... negativen
0 3: Unbeschränkten
O 3 : die ... negati-
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Zierrath waren, und derselbe empirische Inhalt aufgetreten wäre, wenn jene etlichen ersten Blätter weggelassen worden wären.*) Was die nähere Vergleichung der Kantischen Philosophie mit dem metap h y siciren d en E m pirism u s betrifft, so hält sich zwar der u n b efan gene Empirismus an die sinnliche Wahrnehmung, aber läßt ebenso eine geistige Wirklichkeit, eine übersinnliche Welt zu, wie auch ihr Inhalt beschaffen sey, ob er aus dem Gedanken, aus der Phantasie u.s.f. abstamme. Der Form nach hat dieser Inhalt die Beglaubigung, wie der sonstige Inhalt des empirischen Wissens in der Autorität der äußern Wahrnehmung, in geistiger Autorität. | Der reflectiren d e und die C o n seq u en z sich zum absoluten Princip machende E m pirism us, bekämpft solchen Dualismus des letzten, höchsten Inhalts, und negirt die Selbstständigkeit des denkenden Princips und einer in ihm sich entwickelnden geistigen Welt. Der M ate rialism u s, N a tu ralism u s ist das consequente System des Empirismus. Die Kantische Philosophie stellt diesem Empirismus das Princip des Denkens und der Freiheit schlechthin gegenüber, und schließt sich dem ersten Empirismus an, ohne im geringsten aus dessen allgemeinem Princip heraus zu treten. Die eine Seite ihres Dualismus bleibt die Welt der Wahrnehmung und des über sie reflectirenden Verstandes, die zwar für eine Welt nur von E rsch ein u n gen ausgegeben wird. Dies ist ein bloßer Titel, eine nur formelle Bestimmung, denn Quelle, Gehalt und Betrachtungsweise bleiben ganz dieselben. Die andere Seite ist dagegen die Selbstständigkeit des sich erfassenden Denkens, das Princip der Freiheit, welches sie mit der vormaligen, gewöhnlichen Metaphysik gemein hat, aber alles Inhaltes entleert, und ihm keinen wieder zu verschaffen vermag. Dies Denken, hier V ern un ft genannt, wird als aller Bestimmung beraubt, aller A u to ritä t enthoben. Die Hauptwirkung, welche die Kantische Philosophie gehabt hat, ist gewesen, das Bewußtseyn dieser absoluten Innerlichkeit erweckt zu haben, die, ob sie um ihrer Abstraction willen zwar aus sich zu nichts sich entwickeln und keine Bestimmungen, weder Erkenntnisse noch moralische Gesetze herVorbringen *) Sogar im »Handbuche d er M e trik von H err m ann,« ist der Anfang mit Paragraphen Kantischer Philosophie gemacht; ja in §. 8. wird gefolgert, daß das Gesetz des Rhythmus 1) ein o b je c tiv e s , 2) ein fo r m a le s , 3) ein a priori b e stim m te s Gesetz seyn müsse; man vergleiche nun mit diesen Foderungen und den weiter folgenden Principien von Causalität und Wechselwirkung, die Abhandlung der Versmaße selbst, auf welche jene formellen Principien nicht den geringsten Einfluß ausüben. |
31 H e rrm a n n ,«] O 2 : H e rr m a n n ,
O 3: H errm an n ,«
33 man] O2: wan
vgl. O3: Man
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ENCYCLOPÄDIE • LOGIK
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kann, doch schlechthin sich weigert, etwas, das den Charakter einer Aeußerlich k e it hat, in sich gewähren und gelten zu lassen. Das Princip der U n a b h ä n g ig k e it der V ernunft, ihrer absoluten Selbstständigkeit in sich, ist von nun an als allgemeines Princip der Philosophie, wie als eines der Vorurtheile der Zeit, anzusehen. |
5
C. D R IT T E S T E L L U N G D E S D E N K E N S Z U R O B JE C T IV IT Ä T . D A S U N M IT T E L B A R E W IS S E N .
§. 61. In der kritischen Philosophie wird das Denken so aufgefaßt, daß es su b jectiv
10
und dessen le tzte , unüberwindliche Bestimmung die ab stracte A llg em ein h eit, die formelle Identität sey; es wird so der Wahrheit, als in sich concreter Allgemeinheit entgegengesetzt. Die Bestimmtheit und der Gehalt der Kategorien für sich bleibt außer der Betrachtung. - Der entgegengesetzte Standpunkt ist, das Denken als Thätigkeit nur des B eso n d ern aufzufassen, und es auf diese 15 Weise gleichfalls für unfähig zu erklären, Wahrheit zu fassen.
§. 62. Das Denken als Thätigkeit des Besondern hat nur die K a te g o rie n zu seinem Producte und Inhalte. Diese, wie sie für sich unmittelbar genommen werden, wie sie der Verstand festhält, sind besch ränkte Bestimmungen, Formen des B e d in g te n , A b h än gigen , V erm ittelten . Für das darauf beschränkte Den-
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ken ist das Unendliche, das Wahre, nicht; es kann keinen Uebergang zu demselben machen (gegen die Beweise vom Daseyn Gottes). Diese Denkbestimmungen werden auch B e g r iffe genannt; und | einen Gegenstand b e g reife n heißt in sofern nichts als ihn in der Form eines B ed in gten und V e rm itte lte n fassen, somit
25
in sofern er das Wahre, Unendliche, Unbedingte ist, ihn in ein Bedingtes und Vermitteltes verwandeln, und auf solche Weise, statt das Wahre denkend zu fassen, es vielmehr in Unwahres verkehren. Dies ist die einzige, einfache Polemik, welche der das nur unmittelbare Wissen von Gott und dem Wahren behauptende Standpunkt vorbringt. Früher sind die sogenannten anthropopathischen Vorstellungen aller Art, von Gott als endlich und daher des Unendlichen unwürdig entfernt worden, und
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er war dadurch bereits zu einem erkleklich leeren Wesen gediehen. Aber die Denkbestimmungen wurden im Allgemeinen noch nicht unter dem Anthropopathischen befaßt; vielmehr galt das Denken dafür, daß es den Vorstellungen des Absoluten die Endlichkeit abstreife, nach dem oben bemerkten Vorurtheile aller Zeiten, daß man erst durch das Nachdenken zur Wahrheit gelange. Nun sind zuletzt auch die Denkbestimmungen überhaupt für Anthropopathismus, und das Denken für die Thätigkeit, nur zu v eren dlich en , erklärt worden. - In der VII. Beilage zu den Briefen über Spinoza, hat J a cob i diese Polemik am bestimmtesten vorgetragen, welche er übrigens aus Spinoza’s Philosophie selbst geschöpft und für die Bekämpfung des Erkennens überhaupt angewendet hat. Von dieser Polemik wird das Erkennen nur als Erkennen des Endlichen aufgefaßt, als das denkende Fortgehen durch R eihen von B e d in g te m zu B ed in gtem , in denen jedes, was Bedingung, selbst wieder nur ein Bedingtes ist; - durch b e d in gte B e d in g u n gen. Erklären und Begreifen heißt hienach, Etwas als v e rm itte lt durch ein A nderes aufzeigen; somit ist aller Inhalt nur ein b eso n d erer, abhäng ig e r und e n d lich e r; das Unendliche, Wahre, Gott liegt außer dem Mechanismus solchen Zusammenhangs, auf welchen | das Erkennen eingeschränkt sey. - Es ist wichtig, daß indem die Kantische Philosophie die Endlichkeit der Kategorien vornehmlich nur in die formelle Bestimmung ihrer Su b jectiv itä t gesetzt, in dieser Polemik die Kategorien nach ihrer Bestimmtheit, der Inhalt des Denkens, zur Sprache kommen, und die Kategorie als solche, als endlich erkannt wird. - Jacobi hat insbesondere die glänzenden Erfolge der Wissenschaften, die sich auf die Natur beziehen, (der sciences exactes) im Erkennen der natürlichen Kräfte und Gesetze vor Augen gehabt. Immanent auf diesem Boden des Endlichen läßt sich freilich das Unendliche nicht finden; wie denn Lai an de gesagt hat, daß er den ganzen Himmel durchsucht, aber Gott nicht gefunden habe, (vergl. Anm. zu §. 60.) Als letztes Resultat ergab sich auf diesem Boden das A llgem ein e, als das un b estim m te Aggregat des äußerlichen Endlichen, die M ate rie; und Jacobi sah mit Recht keinen ändern Ausgang auf dem Wege des bloßen Fortgehens in V e rm ittlungen. §. 63. Zugleich wird behauptet, daß die W ahrheit für den G eist ist, so sehr daß es die V ern u n ft allein ist, durch welche der Mensch besteht, und daß sie das W issen von G ott ist. Weil aber das vermittelte Wissen nur auf endlichen Inhalt 4 abstreife] so C 2
O 2 •’ abstreite
O 3 •’ abstreife
8 Briefen] so C 2 0 2: Begriffen
O 3 : BriefFen
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eingeschränkt seyn soll, (s. vorherg. §.) so ist die Vernunft u n m ittelb ares W issen, G laube. W issen, G lauben, D enken, A nschauen sind die auf diesem Standpunkte vorkommenden Kategorien, die, indem sie als bekannt v o ra u sge se tzt werden, nur zu häufig nach bloßen psychologischen Vorstellungen und Unterscheidungen willkührlich gebraucht werden; was ihre Natur und Begriff ist, dies worauf es allein ankäme, wird nicht untersucht. So findet man das W issen sehr gewöhnlich dem G lau b en entgegen|gesetzt, während zugleich Glauben als unmittelbares Wissen bestimmt, hiemit sogleich auch für ein Wissen anerkannt wird. Es wird sich auch wohl als empirische Thatsache finden, daß das im Bewußtseyn ist, was man glaubt, daß man somit wenigstens d avon w eiß; auch daß, was man glaubt, als etwas G ew isses im Bewußtseyn ist, daß man es also weiß. - So wird ferner vornehmlich D enken dem unmittelbaren Wissen und Glauben, und insbesondere dem Anschauen entgegengesetzt. Wird das Anschauen als in tellectu ell bestimmt, so kann dies nichts als denkendes Anschauen heißen, wenn man anders unter dem Intellectuellen hier, wo Gott der Gegenstand ist, etwa nicht auch Phantasievorstellungen und Bilder verstehen will. Es sey, daß, wie in der Sprache dieses Philosophirens geschieht, Glauben auch in Beziehung auf die gemeinen Dinge der sinnlichen Gegenwart gesagt wird. (Wir glauben, sagt Jacobi, daß wir einen Körper haben, wir glauben an die Existenz der sinnlichen Dinge.) Allein wenn vom Glauben an das Wahre und Ewige die Rede ist, davon, daß Gott in dem unmittelbaren Wissen, Anschauen geoffenbart, gegeben sey, so sind dies keine sinnliche Dinge, sondern ein in sich a llg e m e in e r Inhalt, nur Gegenstände für den den kenden Geist. Auch indem die E inzelnheit als Ich, die P e rsö n lich k e it, in sofern nicht ein e m p irisch es Ich, eine besondere Persönlichkeit verstanden wird, vornehmlich indem die Persönlichkeit Gottes vor dem Bewußtseyn ist, so ist überhaupt von reiner, d. i. der in sich allgem ein en Persönlichkeit, die Rede; diese Einzelnheit selbst als solche ist Gedanke, und kommt nur dem Denken zu. - Reines Anschauen ist nur ganz dasselbe, was reines Denken ist. Anschauen, Glauben drücken zunächst die bestimmten Vorstellungen aus, die wir mit diesen Worten im gewöhnlichen Bewußtseyn verbinden; so sind sie vom Denken freilich verschieden, und | dieser Unterschied ist ungefähr jedem verständlich. Aber zugleich sollen nun Glauben und Anschauen in höherem Sinn, sie sollen als Glauben an Gott, als intellectuelles Anschauen Gottes, genommen werden, d. h. es soll gerade von dem abstrahirt werden, 7 untersucht] O 2 : unterscht
O 3 : untersucht
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was den Unterschied von Anschauen, Glauben und vom Denken ausmacht. Es ist nicht zu sagen, wie Glauben und Anschauen in diese höhere Region versetzt, noch vom Denken verschieden seyen. Man meynt mit solchen leer gewordenen Unterschieden sehr Wichtiges gesagt und behauptet zu haben, und Bestimmungen zu bestreiten, welche mit den behaupteten dieselben sind. - Der Ausdruck G lauben jedoch führt den besondern Vortheil mit sich, daß er an den ch ristlich -religiö sen Glauben erinnert, diesen einzuschließen oder gar leicht dasselbe zu seyn scheint, so daß dieses gläubige Philosophiren wesentlich fromm und christlich-fromm aussieht und auf den Grund dieser Frömmigkeit hin sich die Freiheit gibt, um so mehr mit Prätension und Autorität seine beliebigen Versicherungen zu machen. Man muß sich aber vom Scheine nicht über das, was sich durch die bloße Gleichheit der Worte einschleichen kann, täuschen lassen und den Unterschied wohl festhalten. Der christliche Glaube schließt eine Autorität der Kirche in sich, der Glaube aber jenes philosophirenden Standpunktes ist nur die Autorität der eignen subjectiven Offenbahrung; ferner ist jener Glaube ein objectiver, in sich reicher Inhalt (ein System der Lehre und der Erkenntniß); der Inhalt dieses Glaubens aber ist so unbestimmt in sich, daß er jenen Inhalt zwar wohl auch etwa zuläßt, aber eben so sehr auch den Glauben, daß der Dalailama, der Stier, der Affe u.s.f. Gott ist, in sich begreift, auch daß er sich auf jenen G ott ü b erh au p t, das höchste W esen, einschränkt. Der Glaube selbst in jenem philosophisch-seynsollenden Sinne ist nichts als das trockne A b stractu m des unmittelbaren Wissens, eine ganz formelle Bestimmung, | die nicht mit der geistigen Fülle des christlichen Glaubens, weder nach der Seite des gläubigen Herzens und des ihm inwohnenden heiligen Geistes, noch nach der Seite der inhaltsvollen Lehre, zu verwechseln, noch für diese Fülle zu nehmen ist. Mit dem, was hier Glaube und unmittelbares Wissen heißt, ist übrigens ganz dasselbe, was sonst Eingebung, Offenbahrung des Herzens, ein von Natur in den Menschen eingepflanzter Inhalt, ferner insbesondere gesunder Menschenverstand, common sense, Gemeinsinn, genannt worden ist. Alle diese Formen machen auf die gleiche Weise die Unmittelbarkeit, wie sich ein Inhalt im Bewußtseyn findet, eine Thatsache in diesem ist, zum Princip.
§. 64. Das aber, was dies unmittelbare Wissen weiß, ist, daß das Unendliche, Ewige, Gott, das in unserer Vorstellung ist, auch ist, - daß im Bewußtseyn mit dieser V o rste llu n g unmittelbar und unzertrennlich die Gewißheit ihres Seyns verbunden ist.
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Es kann der Philosophie am wenigsten in Sinn kommen, diesen Sätzen des unmittelbaren Wissens widersprechen zu wollen; sie könnte sich vielmehr Glück wünschen, daß diese ihre alten Sätze, welche sogar ihren ganzen allgemeinen Inhalt ausdrücken, auf solche freilich unphilosophische Weise gewissermaßen ebenfalls zu allgemeinen Vorurtheilen der Zeit geworden sind. Vielmehr kann man sich nur darüber wundern, daß man meynen konnte, der Philosophie seyen diese Sätze entgegengesetzt, - die Sätze: daß das, was für wahr gehalten wird, dem Geiste immanent (§. 63.) und daß für den Geist Wahrheit sey (ebendas.). In formeller Rücksicht ist insbesondere der letzte Satz interessant, daß nämlich mit dem G edanken Gottes sein Seyn, mit der S u b je c tiv itä t, die der Gedanke zunächst hat, | die O b je c tiv itä t unmittelbar und unzertrennlich verknüpft ist. Ja die Philosophie des unmittelbaren Wissens, geht in ihrer Abstraction so weit, daß nicht nur mit dem Gedanken Gottes allein, sondern auch in der Anschauung mit der V o rste llun g meines K ö rp ers und der äußerlichen Dinge die Bestimmung ihrer E xisten z ebenso unzertrennlich verbunden sey. - Wenn die Philosophie solche Einheit zu beweisen, d. i. zu zeigen bestrebt ist, daß es in der Natur des Gedankens oder der Subjectivität selbst liege, unzertrennlich von dem Seyn oder der Objectivität zu seyn, so möchte es mit solchem Beweisen eine Bewandniß haben, welche es wollte, die Philosophie muß auf allen Fall damit ganz zufrieden seyn, daß behauptet und gezeigt wird, daß ihre Sätze auch T h atsach en des B ew uß tseyns sind, hiemit mit der E rfah run g übereinstimmen. - Der Unterschied zwischen dem Behaupten des unmittelbaren Wissens und zwischen der Philosophie läuft allein darauf hinaus, daß jenes dem unmittelbaren Wissen eine aussch ließ ende Stellung gibt, oder allein darauf, daß es sich selbst dem Philosophiren entgegenstellt. - Aber auch in der Weise der Unmittelbarkeit ist jener Satz, um den, wie man sagen kann, sich das ganze Interesse der neuern Philosophie dreht, sogleich von deren Urheber ausgesprochen worden: Cogito, ergo sum. Man muß von der Natur des Schlusses etwa nicht viel mehr wissen, als daß in einem Schlüsse: Ergo, vorkomme, um jenen Satz für einen Schluß anzusehen; wo wäre der medius terminus, und ein solcher gehört doch wohl wesentlicher zum Schlüsse, als das Wort: Ergo. Will man aber, um den Namen zu rechtfertigen, jene Verbindung einen un m ittelbaren Schluß nennen, so heißt diese überflüssige Form nichts anderes, als eine durch nichts v erm ittelte V erkn üp fu n g unterschiedener Bestimmungen, und dann ist die Verknüpfung des Sey ns mit unsern Vorstellungen, welche | der Satz unmittelbaren Wissens ausdrückt, nicht mehr und nicht weniger ein Schluß. - Aus Herrn H o th o ’ s demnächst zu erscheinenden Dissertation über die C artesische
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Philosophie, die mir so eben in die Hand kommt, entnehme ich die Citate, in denen auch C artesiu s selbst ausdrücklich sich darüber erklärt, daß der Satz: cogito ergo sum, kein Schluß ist; die Stellen sind Respons. ad II. Object. De Methodo IV. Ep. I. 118. Aus ersterer Stelle führe ich die nähern Ausdrücke
an. Cartesius sagt zunächst, daß wir denkende Wesen seyen, sey prim a quaedam notio quae ex nullo syllogismo concluditur und fährt fort: neque cum quis dicit: ego cogito, ergo sum sive existo, e x i s t e n t i a m e x c o g i t a t i o n e p e r s y l l o g i s m u m deducit. Da Cartesius weiß, was zu einem Schlüsse ge-
hört, so fügt er hinzu, daß, wenn bei jenem Satz eine Ableitung durch einen Schluß Statt finden sollte, so gehörte hiezu der Obersatz: illud omne, quod cogitat, est sive existit. Dieser letztere Satz sey aber ein solcher, den man erst aus jenem ersten Satze vielmehr ableite. Die Ausdrücke des Cartesius über den Satz der Unzertrennlichkeit meiner als Denkenden vom Seyn, daß in der einfachen A n sch auun g des Bewußtseyns dieser Zusammenhang enthalten und gegeben, daß er schlechthin Erstes, Princip, das Gewisseste und Evidenteste sey, so daß kein Skepticismus so enorm vorgestellt werden könne, um dies nicht zuzulassen - sind so bestimmt, daß die modernen Sätze Jacobi’s und anderer über diese unmittelbare Verknüpfung nur für überflüssige Wiederholungen gelten können.
§. 65.
Dieser Standpunkt begnügt sich nicht damit, von dem v erm itte lte n Wissen gezeigt zu haben, daß es, iso lirt genommen, für die Wahrheit ungenügend sey, sondern seine Eigenthümlichkeit besteht darin, daß das u n |m itte lb a re Wissen nur iso lirt genommen, mit A usschließung der Vermittlung, die Wahrheit zum Inhalte habe. Der genannte Standpunkt ist hiemit sogleich nichts, als ein Zurückfallen in den metaphysischen Verstand, in das E n tw eder - O der desselben, damit in der That selbst in das Verhältniß der Vermittlung, das auf dem Festhalten an Endlichem, d. i. einseitigen Bestimmungen beruht und über die jene Ansicht fälschlich sich hinausgesetzt zu haben meynt. Das ausschließend unmittelbare Wissen wird nur als eine T hatsache behauptet, und hier in der Einleitung ist es nur nach dieser äußerlichen Reflexion aufzunehmen. An sich kommt es auf das Logische des Gegensatzes von Unmittelbarkeit und Vermittlung an; das Gemeinschaftliche beider Seiten ist das Wissen. Aber jener Standpunkt weist es ab, die Natur der Sache, d. i. den Begriff zu betrachten, denn eine solche Betrachtung führt auf Vermittlung und gar auf Erkenntniß. Die wahrhafte Betrachtung, die des Logischen, hat ihre Stelle innerhalb der Wissenschaft selbst zu finden.
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Der ganze zweite Theil der L o g ik , die Lehre von dem W esen, ist Abhandlung der wesentlichen Einheit der Unmittelbarkeit und der Vermittlung.
§. 66. Mit dem unmittelbaren Wissen als T h atsach e genommen, ist die Betrachtung auf das Feld der E rfah ru n g, auf ein p sy ch o lo g isc h e s Phänomen geführt. - Hiernach ist anzuführen, daß es zu den gemeinsten Erfahrungen gehört, daß Wahrheiten, von welchen man sehr wohl weiß, daß sie Resultat der verwikkeltsten, höchst vermittelten Betrachtungen sind, sich demjenigen, dem solche Erkenntniß geläufig geworden, un m ittelb ar in seinem Bewußtseyn präsentiren. Der Mathematiker, wie jeder in einer Wissenschaft Unterrichtete, hat Auflösungen unmittelbar gegenwärtig, zu denen eine sehr verwickelte Analysis geführt hat; jeder gebildete Mensch hat eine Menge | von allgemeinen Gesichtspunkten und Grundsätzen unmittelbar gegenwärtig in seinem Wissen, welche nur aus vielfachem Nachdenken und langer Lebenserfahrung hervorgegangen sind. Die Geläufigkeit, zu der wir es in irgend einer Art von Wissen, auch Kunst, technischer Geschicklichkeit gebracht haben, besteht eben darin, solche Kenntnisse, Arten der Thätigkeit, im vorkommenden Falle u n m ittelb ar in seinem Bewußtseyn, ja selbst in einer nach Außen gehenden Thätigkeit, zu haben. - In allen diesen Fällen schließt die Unmittelbarkeit des Wissens nicht nur die Vermittlung desselben nicht aus, sondern sie sind so verknüpft, daß das unmittelbare Wissen sogar Product und Resultat des vermittelten Wissens ist. Eine eben so triviale Einsicht ist die Verknüpfung von unmittelbarer E x istenz mit der Vermittlung derselben; Keime, Eltern sind eine unmittelbare, anfangende Existenz in Ansehung der Kinder u.s.f., welche Erzeugte sind. Aber die Keime, Eltern, so sehr sie als existirend überhaupt un m ittelb ar sind, sind sie gleichfalls Erzeugte, und die Kinder u.s.f., der Vermittlung ihrer Existenz unbeschadet, sind nun unmittelbar, denn sie sind. Daß Ich in Berlin bin, diese meine u n m ittelb are Gegenwart, ist v erm ittelt durch die gemachte Reise hieher, u.s.f
§. 67. Was aber das un m ittelb are W issen von G o tt, vom R ech tlich en , vom S ittlich e n betrifft, - und hieher fallen auch die sonstigen Bestimmungen von Instinkt, eingepflanzten, angebornen Ideen, Gemeinsinn, von natürlicher Vernunft 27 Kinder u.s.f.,] O 2O 3 : Kinder, u.s.f.
32 u n m itte lb a re ] O 2 .’ u n m ite lb a r e
O3: u n m itte lb a re
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u.s.f., - welche Form man dieser Ursprünglichkeit gebe, so ist die allgemeine Erfahrung, daß, damit das, was darin enthalten ist, zum Bewußtseyn gebracht werde, ein W issen, und daß wesentlich E rzieh un g, Entwicklung, (auch zur P laton schen E rin n eru n g) erforderlich sey; - (die christliche Taufe, obgleich ein | Sacrament, enthält selbst die fernere Verpflichtung einer christlichen Erziehung) d.i. daß Religion, Sittlichkeit, so sehr sie ein G lauben, u n m ittelb are s Wissen sind, schlechthin bedingt durch die V erm ittlu n g seyen, welche Entwicklung, Erziehung, Bildung heißt. Bei der Behauptung an geborn er Ideen und bei dem Widerspruch gegen dieselbe ist ein ähnlicher Gegensatz ausschließender Bestimmungen herrschend gewesen, als der hier betrachtete, der Gegensatz von der, wie es ausgedrückt werden kann, wesentlichen u n m ittelb aren Verknüpfung gewisser allgemeiner Bestimmungen mit der Seele, und von einer ändern Verknüpfung, die auf äußerliche Weise geschähe, und durch ge ge b e n e Gegenstände und Vorstellungen vermittelt sey. Man machte der Behauptung a n g e b o rner Ideen den empirischen Einwurf, daß alle Menschen diese Ideen haben, z. B. den Satz des Widerspruchs in ihrem Bewußtseyn haben müßten, als welcher Satz mit ändern dergleichen darunter gerechnet wurde. Gewiß hat er eine erklekliche Unmittelbarkeit in sich. Diesem Einwurf kann man hier Misverstand zuschreiben, in sofern die gemeynten Bestimmungen als angeborne darum nicht in der Form von Ideen, Vorstellungen von Gewußtem seyn sollen. Aber gegen das unmittelbare Wissen ist dieser Einwurf ganz treffend, denn es ist hier ausdrücklich von Bestimmungen die Rede, in sofern sie im Bewußtseyn sind. Wenn der Standpunkt des unmittelbaren Wissens etwa zugibt, daß insbesondere für den religiösen Glauben eine Entwicklung und eine christliche oder religiöse Erziehung n o th w en d ig sey, so ist es ein Belieben, dies bei dem Reden von dem Glauben wieder ignoriren zu wollen, oder es ist die Gedankenlosigkeit, nicht zu wissen, daß mit der zugegebenen Nothwendigkeit einer Erziehung eben die Wesentlichkeit der Vermittlung ausgesprochen ist. |
§. 68. In den angeführten Erfahrungen ist sich auf das berufen, was sich als mit dem unmittelbaren Wissen verbun den zeigt. Wenn diese Verbindung etwa zunächst als nur ein äuß erlich er, empirischer Zusammenhang genommen wird, so erweist er sich in der That für die empirische Betrachtung selbst als wesentlich und unzertrennlich, weil er constant ist. Aber ferner, wenn nach der Erfahrung dieses unmittelbare Wissen für sich selbst genommen wird, in sofern es Wissen von Gott
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und vom Göttlichen ist, so wird es allgemein als ein E rh eben über das Sinnliche, Endliche, wie über die unmittelbaren Begierden und Neigungen des natürlichen Herzens beschrieben, —ein Erheben, welches in den Glauben an Gott und Göttliches übergeht, in demselben endigt, so daß dieser Glaube ein unmittelbares Wissen und Fürwahrhalten ist, aber nichts desto weniger jenen Gang der Vermitt- 5 lung zu seiner Voraussetzung und Bedingung hat. Es ist schon bemerkt worden, daß die sogenannten Beweise vom Daseyn Gottes, welche von dem endlichen Seyn ausgehen, diese Erhebung ausdrükken und keine Erfindungen einer künstelnden Reflexion, sondern die eignen, nothwendigen Vermittlungen des Geistes sind, wenn sie auch in der gewöhn-
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liehen Form jener Beweise nicht ihren vollständigen und richtigen Ausdruck haben. §. 69. Der (§. 64.) bezeichnte Uebergang von der subjectiven Idee zum Seyn ist es, welcher für den Standpunkt des unmittelbaren Wissens das Hauptinteresse aus- 15 macht, und wesentlich als ein ursprünglicher, vermittlungsloser Zusammenhang behauptet wird. Ganz ohne Rücksicht auf empirisch-scheinende Verbindungen genommen, zeigt gerade dieser Mittelpunkt in ihm selbst die Vermittlung, und zwar in ihrer Bestimmung, wie sie wahrhaft ist, nicht als | eine Vermittlung mit und durch ein Aeußerliches, sondern als sich in sich selbst beschließend.
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§. 70. Die Behauptung dieses Standpunkts ist nämlich, daß weder die Idee als ein blos su b je c tiv e r Gedanke das Wahre ist, noch blos ein Seyn für sich; - das Seyn nur für sich, ein Seyn nicht der Idee, ist das sinnliche, endliche Seyn der Welt. Es wird damit unmittelbar behauptet, daß die Idee nur v e rm itte lst des Seyns,
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und umgekehrt das Seyn nur v erm itte lst der Idee, das W ahre ist. Der Satz des unmittelbaren Wissens will mit Recht nicht die unbestimmte, leere Unmittelbarkeit, das abstracte Seyn, oder reine Einheit für sich, sondern die Einheit der Idee mit dem Seyn. Es ist aber Gedankenlosigkeit, nicht zu sehen, daß die Einheit u n tersch ied en er Bestimmungen, nicht blos rein unmittelbare, d. i. ganz un-
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bestimmte und leere Einheit, sondern daß eben darin gesetzt ist, daß die eine der Bestimmungen nur durch die andere vermittelt, Wahrheit hat, - oder wenn man will jede nur durch die andere mit der Wahrheit vermittelt ist. —Daß die Bestimmung der Vermittlung in jener Unmittelbarkeit selbst enthalten ist, ist hiemit als Factu m aufgezeigt, gegen welches der V erstan d , dem eigenen Grundsätze des unmittelbaren Wissens gemäß, nichts einzuwenden haben darf. Es ist so nur
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gewöhnlicher abstracter Verstand, der die Bestimmungen von Unmittelbarkeit und von Vermittlung, jede für sich, als absolut nimmt, und an ihnen etwas Festes von Unterscheidung zu haben meynt; so erzeugt er sich .die unüberwindliche Schwierigkeit, sie zu vereinigen; - eine Schwierigkeit, welche eben so sehr im Factum nicht vorhanden ist, als sie im speculativen Begriffe verschwindet.
§• 71. Die Einseitigkeit dieses Standpunkts bringt Bestimmungen und Folgen mit sich, deren Hauptzüge nach der | geschehenen Erörterung der Grundlage noch bemerklich zu machen sind. V ors erste, weil nicht die N a tu r des In h alts, sondern das Factum des Bew uß tseyns als das Kriterium der Wahrheit aufgestellt wird, so ist das su b jectiv e Wissen, und die V e rsich e ru n g, daß Ich in m einem Bewußtseyn einen gewissen Inhalt vorfinde, die Grundlage dessen, was als wahr ausgegeben wird. Was Ich in m einem Bewußtseyn vorfinde, wird damit dazu gesteigert, in dem Bewußtseyn A ller sich vorzufinden, und für die N a tur des Bewußtseyns selbst ausgegeben. Vormals wurde unter den sogenannten Beweisen vom Daseyn Gottes der Consensus gentium aufgeführt, auf den sich auch schon Cicero beruft. Der Consensus gentium ist eine bedeutende Autorität, und der Uebergang davon, daß ein Inhalt sich in dem Bewußtseyn A ller finde, dazu, daß er in der Natur des Bewußtseyns selbst liege und ihm nothwendig sey, liegt nahe bei der Hand.. Es lag in dieser Kategorie allge m e in e r Uebereinstimmung das wesentliche, dem ungebildetsten Menschensinne nicht entgehende Bewußtseyn, daß das Bewußtseyn des Einzelnen zugleich ein B e so n d eres, Z u fä llig e s ist. Wenn die Natur dieses Bewußtseyns nicht selbst untersucht, d. i. das Besondere, Zufällige desselben nicht abgesondert wird, als durch welche mühsame Operation des Nachdenkens das an- und für-sich Allgemeine desselben allein herausgefunden werden kann, so kann nur die Uebereinstimmung A ller über einen Inhalt, ein respectables Vorurtheil begründen, daß derselbe zur Natur des Bewußtseyns selbst gehöre. Für das Bedürfniß des Denkens, das, was sich als allgem ein vorhanden zeigt, als n o th w en d ig zu wissen, ist der Consensus gentium allerdings nicht genügend, aber auch innerhalb der Annahme, daß jene Allgemeinheit des Factums ein befriedigender Beweis sey, ist der Consensus gentium um der Erfahrung willen, daß | es Individuen und Völker gebe, bei denen sich der Glaube an
1-2 Unmittelbarkeit und von Vermittlung] so C 2 Vermittlung
O 2 : Unmittelbarkeit
O 3 : Unmittelbarkeit und von
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Gott nicht vorfinde, als ein Beweis dieses Glaubens aufgegeben worden.*) Kürzer und bequemer aber gibt es nichts, als die bloße V ersich eru n g zu machen zu haben, daß Ich einen Inhalt in meinem Bewußtseyn mit der Gewißheit seiner Wahrheit finde, und daß daher diese Gewißheit nicht mir als besonderem Subjecte, sondern der Natur des Geistes selbst angehöre.
§. 72.
Daraus, daß das un m ittelb are W issen das Kriterium der Wahrheit seyn soll, folgt fürs zw eite, daß aller Aberglaube und Götzendienst für Wahrheit erklärt wird, und daß der unrechtlichste und unsittlichste Inhalt des Willens gerechtfertigt ist. Dem Indier gilt nicht aus sogenanntem vermitteltem Wissen, aus Raisonnements und Schlüssen, die Kuh, der Affe oder der Brahmin, der | Lama als Gott, sondern er glau b t daran. Die natürlichen Begierden und Neigungen aber legen von selbst ihre Interessen ins Bewußtseyn, die unmoralischen Zwecke finden sich ganz unmittelbar in demselben; der gute oder böse Charakter drückte * ) U m in der Erfahrung den Atheismus, und den Glauben an Gott, mehr oder weniger ausgebreitet zu finden, kommt es darauf an, ob man mit der Bestimmung von einem Gott ü b e rh a u p t zufrieden ist, oder ob eine bestimmtere Erkenntniß desselben gefodert wird. Von den chinesischen und indischen u.s.f. Götzen wenigstens, eben so wenig von den africanischen Fetischen, auch von den griechischen Göttern selbst, wird in der christlichen Welt nicht zugegeben werden, daß solche Götzen Gott sind; wer an solche glaubt, glaubt daher nicht an Gott. Wird dagegen die Betrachtung gemacht, daß in solchem Glauben an Götzen doch an sich der Glaube an Gott ü b e rh a u p t, wie im besondern Individuum die Gattung, liege, so haben dennoch die Athenienser die Dichter und Philosophen, welche denZevs u.s.f. nur für Wolken u.s.f. hielten und nur einen G o tt ü b e rh a u p t behaupteten, als Atheisten behandelt; es kommt in der That nicht darauf an, was an sich in einem Gegenstände enthalten sey, sondern was für das Bewußtseyn h e ra u s ist. - So wäre jede, die gemeinste sinnliche Anschauung des Menschen Religion, weil allerdings an sich in jeder solchen An | schauung, in jedem Geistigen, das Princip enthalten ist, welches entwickelt und gereinigt sich zur Religion steigert. Ein anderes aber ist der Religion fä h ig zu seyn , (und jenes A n sic h drückt die Fähigkeit und Möglichkeit aus) ein anderes, Religion zu haben. - So haben in neuern Zeiten wieder Reisende (z. B. die Capitäne R oß und P a rry ) Völkerschaften (Eskimaux) gefunden, denen sie alle Religion absprachen, sogar so etwas von Religion, was man noch in den africanischen Z a u b e re rn (den G o e te n Herodots) finden möchte. Ein Engländer, der die ersten Monate des letztverflossenen Jubeljahrs in Rom zubrachte, sagt in seiner Reisebeschreibung von den Römern, daß das gemeine Volk bigott, daß aber die, die lesen und schreiben können, sämmtlich Atheisten seyen. Die Einsicht, daß das, was nur an sich ist, so wie was nur im u n m itte lb a re n Wissen ist, nicht genügend sey, hängt mit der wesentlichen Nothwendigkeit einer Erziehung überhaupt (vergl. §. 67.) und dem unendlichen Werth einer ächt christlichen Erziehung zusammen. |
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das b estim m te Seyn des Willens aus, welches in den Interessen und Zwecken gewußt, und zwar am unmittelbarsten gewußt wäre.
§. 73. Endlich soll das unmittelbare Wissen von Gott sich nur darauf erstrecken, daß Gott ist, nicht was Gott ist; denn das letztere würde eine Erkenntniß seyn und auf vermitteltes Wissen führen. Damit ist Gott als Gegenstand der Religion ausdrücklich auf den G o tt überh aupt, auf das unbestimmte Uebersinnliche beschränkt, und die Religion ist in ihrem Inhalte auf ihr minimum reducirt. | Wenn es wirklich nöthig wäre, nur so viel zu bewirken, daß der Glaube, es seye ein G o tt, noch erhalten werde, oder gar, daß solcher Glaube zu Stande komme, so wäre sich nur über die Armuth der Zeit zu verwundern, welche das Dürftigste des Wissens für einen Gewinn halten läßt, und dahin gekommen ist, in ihrer Kirche zu dem Altar zurückzukehren, der sich längst in A then befand und dem unbekannten G o tte ! gewidmet war.
§. 74. Noch ist die allgemeine Natur der Form der U n m itte lb a rk e it kurz anzugeben. Es ist nämlich diese Form selbst, welche, weil sie ein seitig ist, ihren Inhalt selbst einseitig, und damit endlich macht. Dem A llgem ein en gibt sie die Einseitigkeit einer A b stra ctio n , so daß Gott zum bestimmungslosen Wesen wird; Geist aber kann Gott nur heißen, in sofern er als sich in sich selbst m it sich v e rm itteln d gewußt wird. Nur so ist er con cret, lebendig und Geist; das W issen von Gott als Geist enthält eben damit Vermittlung in sich. - Dem B eso n d ern gibt die Form der Unmittelbarkeit die Bestimmung, zu seyn, sich a u f sich zu beziehen. Das Besondere ist aber eben dies, sich auf A nderes außer ihm zu beziehen; durch jene Form wird das Endliche als absolut gesetzt. Da sie als ganz abstract gegen je d e n Inhalt g le ic h g ü ltig und eben damit jeden Inhalts empfänglich ist, so kann sie abgöttischen und unmoralischen eben so gut sanctioniren als den entgegengesetzten Inhalt. Nur diese Einsicht in denselben, daß er nicht selbstständig, sondern durch ein A nderes v erm itte lt ist, setzt ihn, auf seine Endlichkeit und Unwahrheit, herab. Solche Einsicht, weil der Inhalt die Vermittlung mit sich führt, ist ein Wissen, welches Vermittlung enthält. Für das Wahre aber kann nur ein Inhalt erkannt werden, in sofern er nicht mit einem Ändern
14 u n b e k an n te n ] O 2 : u n b e k a n te n
O 3 : u n b e k an n te n
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ver | mittelt, nicht endlich ist, sondern sich mit sich selbst vermittelt, und so in Eins Vermittlung und unmittelbare Beziehung auf sich selbst ist. - Jener Verstand, der sich von dem endlichen Wissen, der V e rsta n d e s-Id e n titä td e r Metaphysik und der Aufklärung, losgemacht zu haben meynt, macht selbst unmittelbar wieder diese U n m itte lb a rk e it, d.i. die ab stracte B e z ie h u n g -a u f-sic h , die abstracte Identität zum Princip und Kriterium der Wahrheit. A b stractes D enken (die Form der reflectirenden Metaphysik) und ab stractes A nschauen (die Form des unmittelbaren Wissens) sind ein und dasselbe.
§. 75. Die B eu rth eilu n g dieser dritten Stellung, die dem Denken zur Wahrheit gegeben wird, hat nur auf eine Weise vorgenommen werden können, welche dieser Standpunkt unmittelbar an ihm selbst angibt und zugesteht. Es ist hiemit als factisch falsch aufgezeigt worden, daß es ein unmittelbares Wissen gebe, welches ohne Vermittlung, es sey mit Anderem oder in ihm selbst mit sich, sey. Gleichfalls ist es für factische Unwahrheit erklärt worden, daß das Denken nur an durch A nderes v erm ittelten Bestimmungen, - endlichen und bedingten, - fortgehe, und daß sich nicht ebenso in der Vermittlung diese Vermittlung selbst aufhebe. Von dem Factum aber solchen Erkennens, das weder in einseitiger Unmittelbarkeit noch in einseitiger Vermittlung fortgeht, ist die L o g ik selbst und die ganze P h ilo sop h ie das B eispiel.
§. 76. In Beziehung auf den Ausgangspunkt, die oben sogenannte unbefangene Metaphysik, das Princip des unmittelbaren Wissens betrachtet, so ergibt sich aus der Vergleichung, daß dasselbe zu jenem Anfang, den diese Metaphysik in der neuern Zeit als C artesisch e Philoso | phie genommen hat, zurück gek eh rt ist. In beiden ist behauptet: 1) Die einfache Untrennbarkeit des D enkens und Sey ns des Denkenden Cogito ergo sum, ist ganz dasselbe, daß mir im Bewußtseyn das Seyn, Realität, Existenz des Ich unmittelbar geoffenbart sey; (Cartesius erklärt zugleich ausdrücklich Princ. phil. I. 9, daß er unter Denken das B ew u ß tsey n überhaupt als solches verstehe,) und daß jene Untrennbarkeit die schlechthin erste (nicht vermittelte, bewiesene) und gew isseste Erkenntniß sey.
22 Ausgangspunkt] so C 2
O 2 : Aufgangspunkt
O 3 : Ausgangspunkt
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2) Ebenso die Unzertrennlichkeit der Vorstellung von G ott und seiner E x istenz, so daß diese in der Vorstellung Gottes selbst enthalten ist, jene Vorstellung schlechthin nicht ohne die Bestimmung der Existenz, diese somit eine notw endige und ewige ist.*) 3) Was das gleichfalls unmittelbare Bewußtseyn von der Existenz äußerer Dinge betrifft, so heißt dasselbe nichts anderes als das sinnliche Bewußtseyn; daß wir ein solches haben ist die geringste der Erkenntnisse; es hat allein Interesse zu wissen, daß dies unmittelbare Wissen | von dem Seyn der äußerlichen Dinge Täuschung und Irrthum, und in dem Sinnlichen als solchem keine Wahrheit ist, das Seyn dieser äußerlichen Dinge vielmehr ein zufälliges, vorübergehendes, ein Schein ist, - daß sie wesentlich dies sind, nur eine Existenz zu haben, die von ihrem Begriff, Wesen trennbar ist.
§. 77. Unterschieden sind aber beide Standpunkte. 1) Die Cartesische Philosophie geht von diesen unbewiesenen und für unbeweisbar angenommenen Voraussetzungen fo rt zu w eiterer, entwickelter Erkenntniß, und hat auf diese Weise den Wissenschaften den Ursprung gegeben. Der moderne Standpunkt dagegen ist zu dem für sich wichtigen Resultate gekommen (§. 62.), daß das Erkennen, welches an endlichen Vermittlungen fortgehe
* ) Cart. Princ. phil. I. 15. magis hoc (ens summe perfectum existere) c r e d e t, si attendat, nullius alterius rei ideam apud se inveniri, in qua eodem modo necessariam existentiam contineri anim advertat; - intelliget, illam ideam exhibere veram et immutabilem naturam, quaeque non p o t e s t non e x is t e r e , cum necessaria existentia in ea c o n tin e a t u r . Eine darauf folgende Wendung, die wie eine Vermittlung und Beweis lautet, thut dieser ersten Grundlage keinen Eintrag. - Bei Spinoza ist es ganz dasselbe, daß Gottes W e se n , d. i. die abstracte Vorstellung, die Existenz in sich schließe. Die erste Definition Spinoza’s ist die von Causa sui, daß sie ein solches sey, cujus e s s e n tia involvit existentiam; sive id, cujus n a tu r a non p o t e s t c o n c ip i, nisi existens; - die Untrennbarkeit des Begriffs vom Seyn ist die Grundbestimmung und Voraussetzung. Aber welcher | Begriff ist es, dem diese Untrennbarkeit vom Seyn zukommt? nicht der von en d lic h e n Dingen, denn diese sind eben solche, deren Existenz eine z u f ä llig e und erschaffene ist. Daß bei Spinoza die llte Proposition: daß Gott nothwendig existire, mit einem Beweise folgt, ebenso die 20ste: daß Gottes Existenz und sein Wesen, ein und dasselbe sind, - ist ein völlig überflüssiger Formalismus des Beweisens. Gott ist die (und zwar einzige) Substanz, die Substanz aber ist Causa sui, also existirt Gott nothwendig - heißt nichts anderes, als daß Gott dies ist, dessen Begriff und Seyn unzertrennlich ist; ob Gott auch als Substanz, als Causa sui bestimmt werde, thut in dieser Rücksicht nichts zur Sache.
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nur Endliches erkenne und keine Wahrheit enthalte; und verlangt an das Bewußtseyn von Gott, daß es bei jenem und zwar ganz abstracten Glauben stehen bleibe.*) 2) Der moderne Standpunkt ändert dabei einerseits nichts an der von Cartesius eingeleiteten Methode des ge | wohnlichen wissenschaftlichen Erkennens, und führt die daraus entsprungenen Wissenschaften des Empirischen und Endlichen ganz auf dieselbe Weise fort, - andererseits aber verwirft dieser Standpunkt diese Methode, und damit weil er keine andere kennt, alle Methoden für das Wissen von dem seinem Gehalte nach Unendlichen; er überläßt sich darum der wilden Willkühr der Einbildungen und Versicherungen, oder einem maßlosen Gutdünken und Raisonnement, welches sich am stärksten gegen Philosophie und Philosopheme erklärt; die Philosophie gestattet nämlich nicht ein bloßes Versichern, noch Einbilden noch beliebiges Hin- und Herdenken des Raisonnements.
§. 78. Der Gegensatz von einer selbstständigen Unmittelbarkeit des Inhalts oder Wissens und einer dagegen eben so selbstständigen Vermittlung, die mit jener unvereinbar sey, ist zunächst deswegen bei Seite zu setzen, weil er eine bloße V o rau sse tzung und beliebige V ersicherun g ist. Eben so sind alle andere Voraussetzungen oder Vorurtheile bei dem Eintritt in die Wissenschaft aufzugeben, sie mögen aus der Vorstellung oder dem Denken genommen seyn; denn es ist die Wissen^ schaft, in welcher alle dergleichen Bestimmungen erst untersucht und was an ihnen und ihren Gegensätzen sey erkannt werden soll. Der Sk ep ticism u s, als eine durch alle Formen des Erkennens durchgeführte, negative Wissenschaft, würde sich als eine Einleitung darbieten, worin die Nichtigkeit solcher Voraussetzungen dargethan würde. Aber er würde nicht nur ein unerfreulicher Weg, son|dern auch darum etwas überflüssiges seyn, weil das Dialektische selbst ein wesentliches Moment der affirmativen Wissenschaft ist, wie sogleich bemerkt werden wird. Uebrigens hätte er die endlichen Formen auch nur empirisch und unwissenschaftlich zu finden und als gegeben aufzunehmen. Die Foderung eines solchen voll-
* ) A n se lm u s sagt dagegen: N e g lig e n tia e mihi videtur, si postquam confirmati sumus in fide, non s tu d e m u s , | quod c re d im u s, in te llig e r e . (Tractat. cur Deus homo) - Anselm hatte dabei an dem concreten Inhalte der christlichen Lehre eine ganz andere schwere Aufgabe für das Erkennen, als das, was jener moderne Glaube enthält. |
9 maßlosen] so C 2 te] so C 2
O 2 : marklosen
O 2 O 3 : hat
O 3 : maaßlosen
21 sey] O 2 : sey, und
C 2 : sey,
O 3 : sey
32 hat-
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brachten Skepticismus ist dieselbe mit der, daß der Wissenschaft das Z w e ifeln an A llem , oder vielmehr die V erzw eiflu n g an A llem , d.i. die
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gänzliche V o rau sse tzu n g slo sig k e it an Allem vorangehen solle. Sie ist eigentlich in dem Entschluß, rein denken zu w o llen , durch die Freiheit vollbracht, welche von Allem abstrahirt, und ihre reine Abstraction, die Einfachheit des Denkens, erfaßt.
NÄHERER BEGRIFF UN D EIN TH EILU N G DER LO GIK. §• 79. Das L o g isch e hat der Form nach drei Seiten a) die ab stracte oder verio stän d ige, ß) die d ialek tisch e oder n e g a tiv -v e rn ü n ftig e , y) die specu lativ e oder p o sitiv -v e rn ü n ftig e .
15
Diese drei Seiten machen nicht drei T heile der Logik aus, sondern sind M om ente je d e s L o gisch -R eellen , das ist jedes Begriffes, oder jedes Wahren überhaupt. Sie können sämmtlich unter das erste Moment, das V erstän d ig e , gesetzt, und dadurch abgesondert auseinander gehalten werden, aber so werden sie nicht in ihrer Wahrheit betrachtet. - Die Angabe, die hier von den Bestimmungen des Logischen gemacht ist, so wie die E in teilung, ist hier ebenfalls nur anticipirt und historisch. |
§. 80. 20
oc) Das Denken als V erstan d bleibt bei der festen Bestimmtheit und der Unterschiedenheit derselben gegen andere stehen, ein solches beschränktes Abstractes gilt ihm als für sich bestehend und seyend.
§. 81. ß) Das d ialek tisch e Moment ist das eigene Sich-Aufheben solcher Bestim25 mungen und ihr Uebergehen in ihre entgegengesetzte. 1) Das Dialektische vom Verstände für sich abgesondert genommen, macht, insbesondere in wissenschaftlichen Begriffen aufgezeigt, den S k e p tic ismus aus; er enthält die bloße Negation als Resultat des Dialektischen. 2) Die 4 zu] O 2 : zn
O 3 : zu
5 von] O 2 : vom
O 3 : von
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Dialektik wird gewöhnlich als eine äußerliche Kunst betrachtet, welche durch Willkühr eine Verwirrung in bestimmten Begriffen und einen bloßen Schein von W idersprü ch en in ihnen hervorbringt, so daß nicht diese Bestimmungen, sondern dieser Schein ein Nichtiges, und das Verständige dagegen vielmehr das Wahre sey. Oft ist die Dialektik auch weiter nichts, als ein subjectives Schaukelsystem von hin- und herübergehendem Raisonnement, wo der Gehalt fehlt, und die Blöße durch solchen Scharfsinn bedeckt wird, der solches Raisonnement erzeugt. - In ihrer eigentümlichen Bestimmtheit ist die Dialektik vielmehr die eigene, wahrhafte Natur der Verstandesbestimmungen, der Dinge und des Endlichen überhaupt. Die Reflexion ist zunächst das Hinausgehen über die isolirte Bestimmtheit und ein Beziehen, wodurch sie in Verhältniß gesetzt, übrigens in ihrem isolirten Gelten erhalten wird. Die Dialektik dagegen ist dies im m anente Hinausgehen, worin die Einseitigkeit und Beschränktheit der Verstandesbestimmungen sich, als das was sie ist, nämlich als ihre Negation darstellt. Alles Endliche ist dies, sich selbst auf | zuheben. Das Dialektische macht daher die bewegende Seele des Fortgehens aus, und ist das Princip, wodurch allein im m an en ter Z usam m en h an g und N o th w e n d ig k e it in den Inhalt der Wissenschaft kommt, so wie in ihm überhaupt die wahrhafte nicht äußerliche Erhebung über das Endliche liegt.
§. 82. y) Das Sp ec u la tiv e oder P o sitiv -V e rn ü n ftig e faßt die Einheit der Bestimmungen in ihrer Entgegensetzung auf, das A ffirm a tiv e , das in ihrer Auflösung und ihrem Uebergehen enthalten ist. 1) Die Dialektik hat ein po sitiv es Resultat, weil sie einen b estim m ten Inh alt hat, oder weil ihr Resultat wahrhaft nicht das leere, ab stracte N ic h ts, sondern die Negation von gew issen B estim m u n gen ist, welche im Resultate eben deswegen enthalten sind, weil dies nicht ein u n m itte lb are s N ich ts, sondern ein Resultat ist. 2) Dies Vernünftige ist daher, ob es wohl ein gedachtes und abstractes ist, zugleich ein C o n cretes, weil es nicht einfache, form elle Einheit, sondern E in h eit u n tersch iedener B estim m u n gen ist. Mit bloßen Abstractionen oder formellen Gedanken hat es darum überhaupt die Philosophie ganz und gar nicht zu thun, sondern allein mit concreten Gedanken. 3) In der speculativen Logik ist die bloße V e rstan d e s-L o g ik enthalten und kann aus jener sogleich gemacht werden; es bedarf dazu nichts, als daraus das Dialektische und Vernünftige wegzulassen; so wird sie zu dem, was die gew ö h n lich e L o g ik ist, eine
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H isto rie von mancherlei zusammengestellten Gedankenbestimmungen, die in ihrer Endlichkeit als etwas Unendliches gelten.
§. 83. Die Logik zerfällt in drei Theile: | I. In die Lehre von dem Seyn. II. D ie Lehre von dem Wesen. III. D ie Lehre von dem B e g riffe und Idee. Nämlich in die Lehre von dem Gedanken: I. In seiner U n m itte lb a rk e it, - dem B e g riffe an sich. II. In seiner R e fle x io n und V erm ittlu n g, - dem F ü rsich sey n und Schein des Begriffes. III. In seinem Z u rü ck gek eh rtsey n in sich selb st und seinem en tw ik k elten B e i-sich -se y n , - dem Begriffe an und für sich. |
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Er st e Abt h e il u n g
d e r
Lo g ik .
DIE LEHRE VOM SEYN.
§.84. Das Seyn ist der Begriff nur an sich, die Bestimmungen desselben sind seyende, in ihrem Unterschiede Andre gegeneinander, und ihre weitere Bestim- 5 mung (die Form des Dialektischen) ist ein U eb ergeh en in Anderes. Diese Fortbestimmung ist in Einem ein H erau ssetzen und damit Entfalten des an sich seyenden Begriffs, und zugleich das Insich gehen des Seyns, ein Vertiefen desselben in sich selbst. Die Explication des Begriffs in der Sphäre des Seyns wird eben so sehr die Totalität des Seyns, als damit die Unmittelbarkeit des Seyns oder io die Form des Seyns als solchen, aufgehoben wird.
§. 85. Das Seyn selbst, so wie die folgenden Bestimmungen, nicht nur des Seyns, sondern die logischen Bestimmungen überhaupt können als Definitionen des Absoluten, als die m etaphysisch en D e fin itio n e n G ottes angesehen werden; 15 näher jedoch immer nur die erste, einfache Bestimmung einer Sphäre, und dann die dritte, als welche die Rückkehr aus der Differenz zur einfachen Beziehung auf sich ist. Denn Gott metaphysisch defmiren, heißt dessen Natur in G edanken als solchen ausdrücken, die Logik aber umfaßt alle Gedanken, wie sie noch in der Form | von Gedanken sind. - Die zw eiten Bestimmungen, als welche eine Sphäre 20 in ihrer D iffe re n z sind, dagegen sind die Definitionen des Endlichen. Die Form von Definitionen würde aber dies enthalten, daß ein Substrat der Vorstellung vorschwebt; denn auch das A b solu te, als welches Gott im Sinne und in der Form des Gedankens ausdrücken soll, bleibt im Verhältnisse zu seinem bestimmten und wirklichen Ausdruck in Gedanken, nur ein gem ey n ter Gedanke, ein für sich unbestimmtes Substrat. Weil der Gedanke, die Sache, um die es hier allein zu thun ist, nur im Prädicate enthalten ist, so ist die Form eines Satzes, wie jenes Subject, etwas völlig Ueberflüssiges. (vergl. §. 31. u. unten Kap. vom Urtheile.) 26 um] O 2 : nm
O 3 : um
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LEHRE VOM SEYN
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A. Q U A L IT Ä T , a. S e y n .
§. 86. 5
io
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Das reine Seyn macht den Anfang, weil es sowohl reiner Gedanke, als das unbestimmte, einfache Unmittelbare ist; der erste Anfang aber nichts vermitteltes und weiter bestimmtes seyn kann. Alle Zweifel und Erinnerungen, die gegen das Anfängen der Wissenschaft mit dem abstracten leeren Seyn gemacht werden könnten, erledigen sich durch das einfache Bewußtseyn dessen, was die Natur des Anfangs mit sich bringt. Seyn kann bestimmt werden, als Ich = Ich, als die ab so lu te In d ifferenz oder Id e n tität u.s.f. Diese Formen können in Rücksicht des Bedürfnisses, entweder mit einem schlechthin G ew issen, d.i. der Gewißheit seiner selbst, oder mit dem absoluten W ahren anzufangen, für die genommen werden, welche die Ersten seyn müssen. Aber | indem innerhalb jeder dieser Formen bereits V erm ittlu n g ist, so sind sie nicht wahrhaft die Ersten; die Vermittlung ist ein Hinausgegangenseyn aus einem Ersten zu einem Zweiten und Hervorgehen aus Unterschiedenen. Wenn Ich = Ich, oder auch die intellectuelle Anschauung wahrhaft als nur das Erste genommen wird, so ist es in dieser reinen Unmittelbarkeit nichts anderes als Seyn, so wie das reine Seyn umgekehrt als nicht mehr dieses abstracte, sondern in sich die Vermittlung enthaltende, reines Denken oder Anschauen ist. Wird Seyn als Prädicat des Absoluten ausgesagt, so gibt dies die erste Definition desselben: D as A b solute ist das Seyn. Es ist dies die (im Gedanken) schlechthin anfängliche, abstracteste und dürftigste. Sie ist die Definition der E leaten , aber zugleich das Bekannte, daß G o tt der In b eg r if f aller R ealitäte n ist. Es soll nämlich von der Beschränktheit, die in jeder Realität ist, abstrahirt werden, so daß Gott nur das R eale in aller Realität, das A lle rre alste ist. Indem Realität bereits eine Reflexion enthält, so ist dies unmittelbarer (von Jacobi) so ausgesprochen worden: G ott ist das Seyn in allem D aseyn.
12 Diese] O 1 O 2 : diese
vgl. O 3 : Im
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§• 87. Dies reine Seyn ist nun die reine A b stra ctio n , damit das a b so lu t-n e gativ e, welches, gleichfalls unmittelbar genommen, das N ich ts ist. 1) Es folgte hieraus die zweite Definition des Absoluten, daß es das N ich ts ist; in der That ist sie darin enthalten, wenn gesagt wird, daß das Ding-ansich das unbestimmte, schlechthin form- und damit inhaltslose ist; - oder auch daß Gott nur das höchste W esen und sonst weiter nichts ist, denn als solches ist er als ebendieselbe Negativität ausgesprochen. 2) Wenn der Gegensatz in dieser Unmittelbarkeit als Seyn und N ich ts ausgedrückt ist, so scheint es als zu auf | fallend, daß er nichtig sey, als daß man nicht versuchen sollte, das Seyn zu fixiren und es gegen den Uebergang zu bewahren. Das Nachdenken muß in dieser Hinsicht darauf verfallen, für das Seyn eine feste Bestimmung aufzusuchen, durch welche es von dem Nichts unterschieden wäre; man nimmt es z. B. als das in allem Wechsel beharrende, die unendlich bestimmbare M aterie, u.s.f. oder auch ohne Nachdenken als irgend ein E inzelnes, das nächste beste Sinnliche oder Geistige. Aber alle solche weitern und concretern Bestimmungen lassen das Seyn nicht mehr als das reine Seyn, wie es hier im Anfang unmittelbar ist. Nur in und um dieser reinen Unbestimmtheit willen ist es N ic h ts; - ein U n sag b a re s; sein Unterschied von dem Nichts ist eine bloße M einung. - Es ist gerade nur um das Bewußtseyn über diese Anfänge zu thun, nämlich daß sie nichts als diese leere Abstractionen, und jede von beiden so leer ist als die andere; der T rie b , in dem Seyn oder in beiden eine feste Bedeutung zu finden, ist diese N o th w e n d ig k e it des Seyns und Nichts an ihnen selbst, welche sie weiter führt und ihnen eine wahre, d. i. concrete Bedeutung gibt. Dieses Fortgehen ist eben die logische Ausführung, und der im Folgenden sich darstellende Verlauf. Das N achden ken , welches tiefere Bestimmungen für sie fin d e t, ist das logische Denken, durch welches sich solche, nur nicht auf eine zufällige, sondern nothwendige Weise hervorbringen. - Jede folgende Bedeutung, die sie erhalten, ist darum nur als eine nähere B e stim m ung und w ahrere D e fin itio n des A b so lu ten anzusehen; eine solche ist dann nicht mehr eine leere Abstraction wie Seyn und Nichts, vielmehr ein Concretes, in dem beide, Seyn und Nichts, Momente sind. - Die höchste Form des Nichts für sich wäre die F reih eit, aber sie ist die Negativität, in sofern sie sich zur höchsten Intensität in sich vertieft, und selbst auch und zwar absolute Affirmation ist. |
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§. 88. Das N ich ts ist als dieses unmittelbare, sich selbstgleiche, ebenso umgekehrt dasselb e, was das Seyn ist. Die Wahrheit des Seyns, so wie des Nichts ist daher die E in h eit beider; diese Einheit ist das W erden. 1) Der Satz: Seyn und N ich ts ist D asselb e, erscheint für die V o rste llu n g , als ein so paradoxer Satz, daß sie ihn vielleicht nicht für ernstlich gemeynt hält. In der That ist er auch von dem härtesten, was das Denken sich zumuthet, denn Seyn und Nichts sind der Gegensatz in seiner ganzen U n m itte lb a rk e it, d. h. ohne daß in dem einen schon eine Bestimmung gesetzt wäre, welche dessen Beziehung auf das Andere enthielte. - Sie enthalten aber diese Bestimmung, wie in dem vorhergehenden §. aufgezeigt ist, - die Bestimmung, welche eben in beiden dieselbe ist. Die Deduction ihrer Einheit ist in sofern ganz an aly tisch ; wie überhaupt der ganze Fortgang des Philosophirens, als methodischer, d. h. als n o th w e n d ige r, nichts anders ist, als nur blos das Setzen desjenigen, was in einem Begriffe schon enthalten ist. - Eben so richtig, als die Einheit des Seyns und Nichts, ist es aber auch, daß sie schlechthin verschieden sind, - das Eine nicht ist was das Andere ist. Allein weil der Unterschied hier sich noch nicht bestim m t hat, denn eben Seyn und Nichts sind noch das Unmittelbare, - so ist er wie er an denselben ist, das U n sagb are, die bloße M einung. 2) Es erfodert keinen großen Aufwand von Witz, den Satz, daß Seyn und Nichts Dasselbe ist, lächerlich zu machen, oder vielmehr Ungereimtheiten vorzubringen mit der unwahren Versicherung, daß sie Consequenzen und Anwendungen jenes Satzes seyen; z. B. es sey hienach dasselbe, ob mein Haus, mein Vermögen, die Luft zum Athmen, diese Stadt, die Sonne, das Recht, der Geist, Gott sey oder nicht. Hier werden zum | Theil beson dere Z w eck e, die N ü tzlich k e it, die Etwas für m ich hat, untergeschoben, und gefragt, ob es m ir gleichgültig sey, daß die nützliche Sache sey oder nicht sey. In der That ist die Philosophie eben diese Lehre, den Menschen von einer unendlichen Menge endlicher Zwecke und Absichten zu befreien, und ihn dagegen gleichgültig zu machen, so daß es ihm allerdings dasselbe sey, ob solche Sachen sind oder nicht sind. Aber überhaupt so wie von einem Inhalte die Rede ist, so ist damit ein Zusammenhang mit ändern Existenzen, Zwecken u.s.f. gesetzt, die als gültig v o rau sg e se tz t sind; von solchen V o rau ssetzu n gen ist es nun abhängig gemacht, ob das Seyn oder Nichtseyn eines bestim m ten Inhalts d asselbe sey oder
2 selbstgleiche] O 1 O 2O 3 : selbst-/gleiche
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auch nicht. Es wird ein in h altsv o ller Unterschied dem leeren Unterschiede von Seyn und Nichts untergeschoben. - Dabei soll aber der Sinn jener Fragen doch dieser seyn, daß das wesentliche Interesse das Seyn oder N ich tsey n betreffe. Es ist aber für Gedankenlosigkeit zu erklären, wesentliche Zwecke, absolute Existenzen und Ideen blos unter der Bestimmung des Seyns zu betrachten. Solche concrete Gegenstände, sind noch etwas ganz anderes als nur Seyende, oder auch N ic h tse y e n d e ; dürftige Abstractionen, wie Seyn und Nichts, - und sie sind, weil sie eben nur die Bestimmungen des Anfangs sind, die allerdürftigsten die es gibt, - reichen nicht hin, die Natur jener Gegenstände auszudrücken. Wenn daher ein solches Concretes unterschoben wird, so geschieht der Gedankenlosigkeit ihr Gewöhnliches, daß sie ein ganz Anderes vor die Vorstellung bekommt und davon spricht, als das, wovon die Rede ist, und hier ist blos vom abstracten Seyn und Nichts die Rede. - 3) Es kann leicht gesagt werden, daß man die Einheit des Seyns und Nichts nicht b egreife. Der Begriff derselben aber ist in den vorhergehenden §§. angegeben, und er ist weiter nichts, als | dies angegebene; sie begreifen heißt nichts anderes, als dieses auffassen. Man versteht aber unter jenem Begreifen eigentlich mehr; es wird ein mannichfaltigeres, reicheres Bewußtseyn, eine Vorstellung verlangt, so daß ein solcher Begriff als ein concreter Fall vorgelegt werde, mit dem das Denken in seiner gewöhnlichen Praxis vertrauter wäre. In sofern nun das Nicht-begreifen-können die Ungewohnheit ausdrückt, abstracte Gedanken ohne alle sinnliche Beimischung festzuhalten, speculative Sätze zu fassen, so ist weiter nichts zu sagen, als daß die Art des philosophischen Wissens allerdings verschieden ist, von der Art des Wissens, an das man im gemeinen Leben gewöhnt ist, so wie auch von der, die in ändern Wissenschaften herrscht. - Heißt das NichtBegreifen nur, daß man sich die Einheit des Seyns und Nichts nicht v o r stellen könne, so ist dies in der That nicht der Fall. Jeder hat vielmehr unendlich viele Vorstellungen von dieser Einheit; ein Mangel dieser Vorstellung kann nur dieses sagen wollen, daß man den vorliegenden Begriff nicht in irgend einer jener Vorstellungen erkennt und sie nicht als ein Beispiel davon weiß. Das Beispiel davon, das am nächsten liegt, ist das W erden. Jedermann hat eine Vorstellung vom Werden und wird ebenso zugeben, daß es Eine Vorstellung ist; ferner daß, wenn man sie analysirt, die Bestimmung von Seyn, aber auch von dem schlechthin Ändern desselben, dem N ich ts darin enthalten ist; ferner daß diese beiden Bestimmungen ungetrennt in dieser Einen Vorstellung sind; so daß Werden somit Einheit des Seyns und Nichts ist. - Ein gleichfalls nahe liegendes Beispiel ist der A nfa n g ; die Sache ist noch nicht in ihrem Anfang, aber er ist nicht blos
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ihr N ich ts, sondern es ist schon auch ihr Seyn darin. - Der Anfang übrigens drückt schon die Rücksicht auf das weitere Fortgehen aus; das W erden ist aber in der That auch nur Anfang, es muß weiter gegangen wer5
io
15
20
den; es wird, weil | es der Widerspruch in sich ist, zu einem G ew orden en , zum D aseyn. Es ist aber endlich noch zu bemerken, daß der Ausdruck: Seyn und Nichts ist dasselb e, oder: die Einheit des Seyn und Nichts, - ebenso alle andere solche E in h eiten des Subjects und Objects u.s.f. mit Recht anstößig ist, weil das Schiefe und Unrichtige darin liegt, daß die E in h eit herausgehoben, und die Verschiedenheit zwar darin liegt, (weil es z. B. Seyn und Nichts ist, deren Einheit gesetzt ist,) aber diese Verschiedenheit nicht zugleich ausgesprochen und anerkannt ist, von ihr also nur ungehörigerweise abstrahirt, sie nicht bedacht zu seyn scheint. In der That läßt sich eine speculative Bestimmung nicht in Form eines solchen Satzes richtig ausdrücken; es soll die Einheit in der zugleich vorhan denen und gesetzten Verschiedenheit gefaßt werden. So ist W erden nicht nur die E in h eit des Seyns und Nichts, sondern es ist U nruhe in sich, - die Einheit, die nicht blos als Beziehung-auf-sich bewegungslos, sondern durch die Verschiedenheit des Seyns und Nichts, die in ihm ist, in sich gegen sich selbst ist. - Das D asey n dagegen ist diese Einheit, oder das Werden in dieser Form der Einheit, eben darum ist das Daseyn ein seitig und endlich. Der Gegensatz ist als ob er verschwunden wäre; er ist nur an sich in der Einheit enthalten, aber nicht in der Einheit gesetzt.
b. D a s e y n .
§. 89.
25
Das Seyn im Werden, als eins mit dem Nichts, so das Nichts eins mit dem Seyn, sind nur verschwindende; das Werden fällt durch seinen Widerspruch in sich, in die Einheit, in der beide aufgehoben sind, zusammen; sein R esu ltat ist somit das D aseyn. | 30
Es kann an diesem ersten Beispiele ein für allemal an das erinnert werden, was §. 82. und Anm. daselbst angegeben ist - was allein einen Fortgang und eine Entwicklung im Wissen begründen kann, ist, die Resultate in ihrer Wahr-
31 §. 82.] 0 2: §. 83.
0 3: §. 82
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heit festzuhalten. Wenn in irgend einem Gegenstände oder Begriff der Widerspruch aufgezeigt wird (- und es ist überall gar nich ts, worin nicht der Widerspruch, d.i. entgegengesetzte Bestimmungen, aufgezeigt werden können und müssen; - das Abstrahiren des Verstandes ist das gewaltsame Festhalten an Einer Bestimmtheit, eine Anstrengung, das Bewußtseyn der ändern, die darin liegt, zu verdunkeln und zu entfernen) - wenn nun solcher Widerspruch erkannt wird, so pflegt man den Schlußsatz zu machen: A lso ist dieser Gegenstand N ic h ts; wie Z eno zuerst von der Bewegung zeigte, daß sie sich widerspreche, daß sie also nicht sey, oder wie die Alten das E n tsteh en und V ergehen, die zwei Arten des Werdens, für unwahre Bestimmungen mit dem Ausdrucke erkannten, daß das E ine, d. i. das Absolute, nicht entstehe noch vergehe. Diese Dialektik bleibt so blos bei der negativen Seite des Resultates stehen, und abstrahirt von dem, was zugleich wirklich vorhanden ist, ein bestim m tes Resultat, hier ein reines N ich ts, aber N ic h ts, welches das Seyn, und eben so ein Seyn, welches das Nichts in sich schließt. So ist 1) das Daseyn die Einheit des Seyns und des Nichts, in der die Unmittelbarkeit dieser Bestimmungen, und damit in ihrer Beziehung ihr Widerspruch verschwunden ist, - eine Einheit, in der sie nur noch M om en te sind, 2) da das Resultat der aufgehobene Widerspruch ist, so ist es in der Form einfacher E inheit mit sich, oder selbst als ein Seyn, aber ein Seyn mit der Negation oder Bestimmtheit, oder das Werden in der F orm des einen seiner Momente, des Seyns, gesetzt. |
§• 90. a) Das D asey n ist Seyn mit einer B e stim m th e it, die als unmittelbare oder seyende Bestimmtheit ist, die Q ualität. Das Daseyn als in dieser seiner Bestimmtheit in sich reflectirt, ist D aseyen des, Etw as.
§. 91. Die Qualität, als seyende Bestimmtheit gegenüber der in ihr enthaltenen N e g a tio n überhaupt, ist R ealität. Indem die Negation aber nicht mehr das abstracte Nichts, sondern ein Daseyn und Etwas ist, so ist die Negation nur Form an demselben, - und sie ist das A ndersseyn. Die Qualität, indem dies Andersseyn ihre eigene Bestimmung, aber zunächst von ihr unterschieden ist, - ist Seynfü r-a n d e re s, - eine Breite des Daseyns, des Etwas. Das Seyn der Qualität als solches, gegenüber dieser ihrer Beziehung auf Anderes ist das A n-sich-seyn.
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§• 92. ß) Aber das von der Bestimmtheit als unterschieden festgehaltene Seyn, das A nsich seyn , wäre nur die leere Abstraction des Seyns. In Etwas ist die Bestimmtheit eins mit seinem Seyn, welche nun zugleich als Negation gesetzt, G ränze, Schranke ist. Daher ist das Andersseyn nicht ein gleichgültiges außer ihm, sondern sein eigenes Moment. Etw as ist durch seine Qualität hiemit erstlich endlich, und zweitens v erän d erlich , so daß die Veränderlichkeit seinem Seyn angehört. §. 93. Etwas wird ein Anderes, aber das Andere ist selbst ein Etwas, also wird es gleichfalls ein Anderes, und sofort ins U nendliche. | §. 94. Diese U n e n d lich k e it ist die schlechte oder n e g a tiv e Unendlichkeit, indem sie nichts ist, als die Negation des Endlichen, welches aber ebenso wieder entsteht, somit eben so sehr nicht aufgehoben ist, - oder diese Unendlichkeit drückt nur das So llen des Aufhebens des Endlichen aus. Der Progreß ins Unendliche bleibt bei dem Aussprechen des Widerspruchs stehen, den das Endliche enthält, daß es sowohl E tw as ist, als sein A nderes, und ist das perennirende Fortsetzen des Wechsels dieser einander herbeiführenden Bestimmungen. §. 95. y) Was in der That vorhanden ist, ist, daß Etwas zu Anderem und das Andere überhaupt zu Anderem wird. (Etwas ist im Verhältniß zu einem Anderen, selbst schon ein Anderes gegen dasselbe) somit da das, in welches es übergeht, ganz dasselbe ist, was das, welches übergeht, - beide haben keine weitere als ein und dieselbe Bestimmung, nämlich ein Anderes zu seyn, - so geht hiemit Etwas in seinem Uebergehen in Anderes nur m it sich selbst zusammen, und diese Beziehung im Uebergehen und im Ändern auf sich selbst ist die w ah rh afte U n endlichkeit. Oder negativ betrachtet; was verändert wird, ist das A n d re, es wird das A ndre des Ändern. So ist das Seyn, aber als Negation der Negation, wieder hergestellt, und ist das Fürsichseyn. Der Dualismus, welcher den Gegensatz von Endlichem und Unendlichem unüberwindlich macht, macht die einfache Betrachtung nicht, daß 2 dasi] O2: das als O 3 : Das O i: selbst ist, O 3 : selbst ist
26 Anderes] O2: Anderes,
O3: Anderes
27 selbst ist] O2.' selbst, ist
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auf solche Weise, sogleich das Unendliche nur das E ine der B eid en ist, daß es hiemit zu einem nur B eson dern gemacht wird, wozu das Endliche das andere Besondere ist. Ein solches Unendliches, welches nur ein Besonderes ist, neben dem Endlichen ist, an diesem eben damit seine | Schranke, Gränze hat, ist nicht das, was es seyn soll, nicht das Unendliche, sondern ist nur endlich. - In solchem Verhältnisse, wo das Endliche H üben, das Unendliche D rü ben , das erste diesseits, das andere jen se its gestellt ist, wird dem Endlichen die gleich e W ürde des B estehens und der S e lb ststä n d ig k e it mit dem Unendlichen zugeschrieben; das Seyn des Endlichen wird zu einem absoluten Seyn gemacht; es steht fest für sich. Vom Unendlichen so zu sagen berührt, würde es vernichtigt; aber es soll vom Unendlichen nicht berührt werden können, es soll ein Abgrund, eine unübersteigbare Kluft zwischen beiden sich befinden, das Unendliche schlechthin drüben, und das Endliche hüben verharren. Indem die Behauptung von dem festen Beharren des Endlichen dem Unendlichen gegenüber über alle Metaphysik hinweg zu seyn meynt, steht sie ganz nur auf dem Boden der ordinärsten Verstandes-Metaphysik. Es geschieht hier dasselbe, was der unendliche Progreß ausdrückt, das einemal wird zugegeben, daß das Endliche nicht an und für sich sey, daß ihm nicht selbstständige Wirklichkeit, nicht ab solutes Seyn zukomme, daß es nur ein Vorübergehendes ist; das andre mal wird dies sogleich vergessen, und das Endliche dem Unendlichen nur gegenüber, schlechthin getrennt von demselben und der Vernichtung entnommen, als selbstständig, für sich beharrend vorgestellt. Indem das Denken auf solche Weise sich zum Unendlichen zu erheben meynt, so widerfährt ihm das Gegentheil, - zu einem Unendlichen zu kommen, das nur ein Endliches ist, und das Endliche, welches von ihm verlassen worden, vielmehr zu einem Absoluten zu machen. Wenn man nach der angestellten Betrachtung der Nichtigkeit des Verstandes-Gegensatzes vom Endlichen und Unendlichen (womit P la to ’ s P h ileb us mit Nutzen verglichen werden kann) auch hier leicht auf den | Ausdruck verfallen kann, daß das Unendliche und Endliche hiemit Eins sey, daß das Wahre, die wahrhafte Unendlichkeit als E in h eit des Unendlichen und Endlichen bestimmt und ausgesagt werde, so enthält solcher Ausdruck zwar Richtiges, aber er ist eben so sehr schief und falsch. Er führt ferner auf den gerechten Vorwurf von der Verendlichung der Unendlichkeit, von einem endlichen Unendlichen. Denn in jenem Ausdruck erscheint das Endliche als belassen; es wird nicht ausdrücklich als a u fg eh o b e n ausgedrückt. 25 ZU2 ] O 2 : zn
O 3 : zu
33 Ausdruck] O 2 : Ausdrnck
0 3: Ausdruck
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LEHRE VOM SEYN
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Oder indem darauf reflectirt würde, daß es als eins mit dem Unendlichen gesetzt allerdings nicht bleiben könnte, was es seyn sollte, und wenigstens an seiner Bestimmung etwas litte, (wie das Kali mit der Säure verbunden von seinen Eigenschaften verliert) so widerführe eben dies dem Unendlichen, das als das Negative seinerseits gleichfalls an dem Ändern abgestumpft würde. In der That geschieht solches auch dem abstracten, einseitigen Unendlichen des Verstandes. Aber das wahrhafte Unendliche verhält sich nicht blos wie die einseitige Säure; sondern es erhält sich; die Negation der Negation ist nicht eine Neutralisation; das Unendliche ist das Affirmative, und nur das Endliche das Aufgehobene, das ideelle. Im Fürsichseyn ist die Bestimmung der Idealität eingetreten. Das D aseyn zunächst nur nach seinem Seyn oder seiner Affirmation aufgefaßt, hat R e a litä t (§.91.), somit ist auch die Endlichkeit zunächst in der Bestimmung der Realität. Aber die Wahrheit des Endlichen ist vielmehr seine Id e alität. Eben so sehr ist auch das Verstandes-Unendliche, welches neben das Endliche gestellt, selbst nur eins der beiden Endlichen ist, ein unwahres, ein ideelles. Diese Idealität des Endlichen ist der Hauptsatz der Philosophie, und jede wahrhafte Philosophie ist deswegen Idealism us. Es kommt allein darauf an, nicht das für das Unendliche zu nehmen, was in seiner Bestimmung selbst sogleich zu einem | Besondern und Endlichen gemacht wird. - Auf diesen Unterschied ist deswegen hier weitläufiger aufmerksam gemacht worden; der Grundbegriff der Philosophie, das wahrhafte Unendliche, hängt davon ab. Dieser Unterschied erledigt sich durch die ganz einfachen, darum vielleicht unscheinbaren, aber unwiderleglichen Reflexionen, die im §. enthalten sind.
c. D
a s
Fü r s ic h s e y n .
§. 96. a) Das Fürsichseyn als Beziehung auf sich selbst ist U n m itte lb a rk e it, und als Beziehung des Negativen auf sich selbst ist das Fürsichseyende oder das E in s, das in sich Unterschiedslose, und damit das A ndere aus sich A usschließ ende. §. 97. ß) Die Beziehung des Negativen auf sich selbst ist n egativ e Beziehung, Unterscheidung des Eins von sich selbst, die R ep ulsion des Eins, d.i. Setzen V ie ler Eins. Nach der U n m itte lb a rk e it des Fürsichseyns sind diese Viele Sey-
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ende, und die Repulsion der seyenden Eins ist in sofern ihre Repulsion g e g e n einander als Vorhandener, oder gegenseitiges A usschließen. §. 98. y) Die V ielen sind aber das Eine was das Andere ist, jedes ist Eins, oder auch Eins der Vielen; sie sind daher eins und dasselbe. Oder die Repulsion an ihr selbst betrachtet, so ist sie als negatives V erhalten der vielen Eins gegeneinander eben so wesentlich ihre B ezieh un g auf einander; und da diejenigen, auf welche sich das Eins in seinem Repelliren bezieht, Eins sind, so bezieht es sich in ihnen auf sich selbst. Die Repulsion ist daher eben so | wesentlich A ttr a c tio n ; und das ausschließende Eins oder das Fürsichseyn hebt sich auf. Die qualitative Bestimmtheit, welche im Eins ihr An-und-für-sich-Bestimmtseyn erreicht hat, ist hiemit in die Bestimmtheit als aufgeh oben e übergegangen, d. i. in das Seyn als Q uan tität. Die atom istisch e Philosophie ist dieser Standpunkt, auf welchem sich das Absolute als Fürsichseyn, als Eins, und als Viele Eins bestimmt. Als ihre Grundkraft ist auch die am Begriffe des Eins sich zeigende Repulsion angenommen worden; nicht aber so die Attraction, sondern der Z u fall, d. i. das Gedankenlose, soll sie zusammenbringen. Indem das Eins als Eins fixirt ist, so ist das Zusammenkommen desselben mit ändern allerdings als etwas ganz äußerliches anzusehen. - Das Leere, welches als das andere Princip zu dem Atomen angenommen wird, ist die Repulsion selbst, vorgestellt als das seyende Nichts zwischen den Atomen. - Die neuere Atomistik, - und die Physik behält noch immer dies Princip bei, - hat theils die Atome aufgegeben, und hält sich an kleine Theilchen, Molecüles; sie hat sich damit dem sinnlichen Vorstellen näher gebracht, aber die denkende Bestimmung aufgegeben. - Indem ferner der Repulsivkraft eine Attractivkraft an die Seite gesetzt wird, so ist der Gegensatz zwar v o llstä n d ig gemacht, und man hat sich viel mit der Entdeckung dieser sogenannten Naturkraft gewußt. Aber die Beziehung beider aufeinander, was das Concrete und Wahrhafte derselben ausmacht, wäre aus der trüben Verwirrung zu reißen, in der sie auch noch in K ants metaphysischen A n fan gsgrü n d en d er N atu rw issen sch aft gelassen ist. - Noch wichtiger als im Physischen ist in neuern Zeiten die atomistische Ansicht im P olitisch en geworden. Nach derselben ist der Wille der E inzelnen als solcher das Princip des Staates, das Attrahirende ist die Particularität der | Bedürfnisse, Neigungen, und das Allgemeine, der Staat selbst, ist das äußerliche Verhältniß des Vertrags. 11
An-und-für-sich-Bestimmtseyn] O1O2O3.' An-und-für sich-Bestimmtseyn
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LEHRE VOM SEYN
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B. Q U A N T IT Ä T , a. D ie r e i n e
Q u a n t it ä t .
§.99. Die Q u an tität ist das reine Seyn, an dem die Bestimmtheit nicht mehr als eins mit ihm selbst, sondern als aufgeh oben oder g le ic h g ü ltig gesetzt ist. 1) Der Ausdruck Größe ist in sofern für Quantität nicht passend, als er vornehmlich die b estim m te Quantität bezeichnet. 2) Die Mathematik pflegt die Größe, als das zu definiren, was verm eh rt oder v erm in d ert werden kann; so fehlerhaft diese Definition ist, indem sie das Definitum selbst wieder enthält, so liegt doch dies darin, daß die Größebestimmung eine solche ist, die als verän derlich und g le ic h g ü ltig gesetzt sey, so daß unbeschadet einer Veränderung in ihr - einer vermehrten Extension oder Intension, die Sache z. B. ein Haus, Roth nicht aufhöre Haus, Roth zu seyn. 3) Das Absolute ist reine Quantität, - dieser Standpunkt ist in sofern für sich genommen worden, als das Absolute die Bestimmung von M aterie hat, an der die Form zwar vorhanden, aber eine gleichgültige Bestimmung sey. Auch macht die Quantität die Grundbestimmung des Absoluten aus, wenn es so gefaßt wird, daß an ihm, dem absolut-indifferenten, aller Unterschied nur quantitativ sey. - Sonst können der reine Raum, die Zeit u.s.f. als Beispiele der Quantität genommen werden, in sofern das Reale als g le ic h g ü ltig e Raum- oder Zeiterfüllung aufgefaßt werden soll. |
§. 100. Die Quantität zunächst in ihrer unmittelbaren Beziehung auf sich, oder in der Bestimmung der durch die Attraction gesetzten Gleichheit mit sich selbst, ist contin u irlich e, - in der ändern in ihr enthaltenen Bestimmung des Eins ist sie discrete Größe. Jene ist aber eben sowohl discret, denn sie ist nur Continuität des V ie le n ; diese eben so continuirlich, ihre Continuität ist das Eins als D a sselbe der vielen Eins, die Einheit. 1) Die continuirliche und discrete Größe müssen daher nicht in sofern als A rten angesehen werden, als ob die Bestimmung der einen der ändern nicht zukomme, sondern sie unterscheiden sich nur dadurch, daß dasselbe G anze das einemal unter der einen, das anderemal unter der ändern seiner
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ENCYCLOPÄDIE • LO GIK
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Bestimmungen gesetzt ist. 2) Die Antinomie des Raums, der Zeit oder der Materie, in Ansehung ihrer Theilbarkeit ins Unendliche, oder aber ihres Bestehens aus Untheilbaren, ist nichts anderes, als die Behauptung der Quantität das einemal als continuirlicher, das anderemal als discreter. Werden Raum, Zeit u.s.w. nur mit der Bestimmung continuirlicher Quantität gesetzt, so sind sie theilbar ins u n en d lich e; mit der Bestimmung discreter Größe aber sind sie an sich geth eilt und bestehen aus untheilbaren Eins; das eine ist so einseitig als das andere.
b. D a s Q u a n t u m .
§. 101. Die Quantität bleibt Einheit, in sofern die Bestimmtheit überhaupt an ihr ist, und diese als in ihr enthalten, ist zu setzen. Sie ist so G renze, und die Quantität ist wesentlich Q uantum . §. 102.
Das Quantum hat seine Entwicklung und dadurch | vollkommene Bestimmtheit in der Z ah l, deren Element das Eins ausmacht, und nach dem Momente der Discretion die A nzahl, nach dem der Continuität die E in h eit, als seine qualitativen Momente in sich enthält. In der Arithmetik pflegen die R ech n u n gsarten als zufällige Weisen die Zahlen zu behandeln aufgeführt zu werden. Wenn in ihnen eine N o t wendigkeit und damit ein Verstand liegen soll, so muß derselbe in einem Princip, und dies kann nur in den Bestimmungen liegen, die in dem Begriffe der Zahl selbst enthalten sind; dies Princip soll hier kurz aufgezeigt werden. - Jene Bestimmungen der Zahl sind die A nzahl und die E in h eit, und die Zahl selbst die Einheit beider. Die Einheit aber auf empirische Zahlen angewendet ist nur die G leichheit derselben; so muß das Princip der Rechnungsarten seyn, Zahlen in das Verhältniß von Einheit und Anzahl zu setzen und die Gleichheit dieser Bestimmungen hervorzubringen. Indem die Zahlen selbst gleichgültig gegen einander sind, so erscheint die Einheit, in welche sie versetzt werden, überhaupt als ein äußerliches Zu-
3 Untheilbaren] O 2 : Untheilbarem O i: untheilbaren O 3 : Untheilbaren lic h e
O i: unendliche
O 3 : u n en d lich e
17
E in h e it] 0 2.' Einheit
6
u n e n d lic h e ] O 2 :un -/ e n d -
O 1 O 3 : E in h eit
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LEHRE VOM SEYN
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sammenfassen. Rechnen ist darum überhaupt Z äh len , und der Unterschied liegt allein in der qualitativen Beschaffenheit der Zahlen, die zusammengezählt werden, und für die Beschaffenheit ist die Bestimmung von Einheit und Anzahl das Princip. N u m eriren ist das erste, die Zahl überhaupt machen, ein Zusammenfassen von beliebig vielen Eins. - Eine Rechnungsart aber ist das Zusammenzählen von solchen, die schon Zahlen, nicht mehr das bloße Eins sind. Die Zahlen sind un m ittelb ar und zuerst ganz unbestimmt Zahlen überhaupt, ungleich daher überhaupt; das Zusammenfassen von solchen ist A ddiren. Die nächste Bestimmung ist, daß die Zahlen gleich überhaupt sind, damit machen sie Eine Einheit aus, | und es ist eine A nzahl solcher; diese Anzahl ist zunächst nach jener Zahl, welche die Einheit ist, nicht bestimmt; - das M u ltip lic ire n ; - wobei es gleichgültig ist, wie die Bestimmungen von Anzahl und Einheit an die beiden Zahlen, - die Factoren - vertheilt werden, welche für die Anzahl und welche dagegen für die Einheit genommen wird. Die d ritte Bestimmtheit ist endlich die G leich h eit der A nzahl und der Einheit. Das Zusammenzählen so bestimmter Zahlen ist das E rheben in die P oten z - und zunächst in das Q uadrat. - Das weitere Potenziren ist das formelle, wieder in die unbestimmte Anzahl ausgehende, Fortsetzen der Multiplication der Zahl mit sich selbst. - Da in dieser dritten Bestimmung die vollkommene Gleichheit des einzigen vorhandenen Unterschieds, der Anzahl und der Einheit, erreicht ist, so kann es nicht mehrere als diese drei Rechnungsarten geben. - Dem Zusammenzählen entspricht das Auflösen der Zahlen nach denselben Bestimmtheiten. Es gibt daher neben den drei angeführten Arten, welche in sofern die p o sitiv e n genannt werden, auch drei n egative.
c. D
er
Gr
a d
.
§. 103. Die G renze ist im Quantum mit der Quantität selbst identisch; als in sich vielfach ist sie die exte n siv e , aber als in sich einfache Bestimmtheit, die intensive Größe oder der Grad. 15-16 vertheilt werden] 0 2: vertheilt wird
0 3: vertheilt
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ENCYCLOPÄDIE • LO GIK
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Der Unterschied der continuirlichen und discreten Größe von der extensiven und intensiven besteht daher darin, daß die erstem auf die Q uantität ü b erh au p t gehen, diese aber auf die G renze oder Bestimmtheit derselben als solche. - Gleichfalls sind die extensive und intensive Größe auch nicht zwei Arten, deren jede | eine Bestimmtheit enthielte, welche die andere nicht hätte; was extensive Größe ist, ist eben so sehr als intensive, und umgekehrt. §. 104. Im Grade ist der B e g r iff des Quantums gesetzt. Er ist die Größe als gleichgültig für sich und einfach, so daß sie aber die Bestimmtheit, wodurch sie Quantum ist, schlechthin außer ihr in ändern Größen hat. Durch diesen Widerspruch, daß das F ü rsich sey n die absolute A euß erlich k eit ist, ist der unendliche quantitative P rogreß gesetzt, - eine U n m itte lb a rk e it, die unmittelbar in ihr Gegentheil, in das V erm itteltseyn (das Hinausgehen über das so eben gesetzte Quantum), und umgekehrt, umschlägt. Die Z ah l ist Gedanke, aber der Gedanke als ein sich vollkommen äußerliches Seyn. Sie gehört nicht der Anschauung an, weil sie Gedanke ist, aber ist der die Aeußerlichkeit der Anschauung in sich selbst habende Gedanke. Das Quantum kann daher nicht nur ins Unendliche vermehrt oder vermindert werden, es selbst ist durch seinen Begriff dieses H in ausschicken über sich. Der unendliche quantitative Progreß ist ebenfalls wieder die gedankenlose Wiederholung eines und desselben Widerspruchs, der das Quantum überhaupt und in seiner Bestimmtheit gesetzt, der Grad, ist. Ueber den Ueberfluß, diesen Widerspruch in der Form des unendlichen Progresses auszusprechen, sagt mit Recht Zeno bei Aristoteles: es ist dasselbe, etwas einm al sagen, und es im m er sagen.
§. 105. Dieses sich selbst in seiner fürsich seyen den Bestimmtheit A eußerlichseyn des Quantums macht seine Q u alität aus; es ist in demselben eben es selbst und auf sich bezogen. Es ist die Aeußerlichkeit, d. i. das | Quantitative, und das Fürsichseyn, das Qualitative, darin vereinigt. - Das Quantum an ihm selbst so gesetzt ist das quantitative V erhältniß - Bestimmtheit des Quantums, welche eben so sehr ein un m ittelb ares Quantum (der Exponent) als auch V e rm ittlun g ist, nämlich die B eziehung irgend eines Quantums auf ein anderes, (die beiden Seiten des Verhältnisses) die zugleich nicht nach ihrem unmittelbaren Werthe gelten, sondern deren Werth nur in dieser Beziehung ist.
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LEHRE VOM SEYN
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§. 106. Die Seiten des quantitativen Verhältnisses sind noch unmittelbare Quanta, ihre Beziehung daher selbst, als eine gleichgültige, ein Quantum (der Exponent); die qualitative und die quantitative Bestimmung sind sich noch äußerlich. Nach 5 ihrer Wahrheit aber, daß das Quantitative selbst Beziehung auf sich in seiner Aeußerlichkeit ist, oder das Fürsichseyn und die Gleichgültigkeit der Bestimmtheit vereinigt sind, ist es das Maaß.
C. D A S M A A SS. io
§. 107. Das Maaß ist das qualitative Quantum, zunächst als u n m ittelb are s, ein Quantum, an welches ein Daseyn oder eine Qualität gebunden ist. §. 108.
In sofern im Maaß Qualität und Quantität nur in u n m ittelb are r Einheit 15 sind, so tritt ihr Unterschied auf eine eben so unmittelbare Weise an ihnen hervor. Das specifische Quantum ist in sofern theils bloßes Quantum, und einer Vermehrung und Verminderung fähig, ohne daß | das Maaß, welches in sofern eine R egel ist, dadurch aufgehoben wird, theils aber ist die Veränderung des Quantums auch eine Veränderung der Qualität. 20
25
§. 109. Das M aaß lose ist zunächst dies Hinausgehen eines Maaßes durch seine quantitative Natur über seine Qualitätsbestimmtheit. Da aber das andere quantitative Verhältniß, das Maaßlose des ersten, eben so sehr qualitativ ist, so ist das Maaßlose gleichfalls ein Maaß; welche beide Uebergänge von Qualität in Quantum und von diesem in jene wieder als unendlicher P rogreß vorgestellt werden können, - als das sich im Maaßlosen aufheben und wiederherstellen des Maaßes.
§. 110. Was hierin in der That geschieht, ist, daß die U n m itte lb a rk e it, welche noch dem Maaße als solchem zukommt, aufgehoben wird. In der Unmittelbar19 eine] O 2 : etne O 1 O 3 : eine
110
ENCYCLOPÄDIE • LO GIK
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keit des Maaßes sind Qualität und Quantität selbst auch wieder als u n m ittelb are, und das Maaß ist nur ihre relative Iden tität. Das Maaß aber zeigt sich so, daß es sich in das Maaßlose aufhebt, aber in diesem, welches dessen Negation, aber selbst Einheit der Quantität und Qualität ist, eben so sehr nur m it sich selbst zusammengeht. §. 111. Das Unendliche, die Affirmation als Negation der Negation, hatte statt der abstractern Seiten, des Seyns und Nichts, Etwas und eines Ändern u.s.f. nun die Qualität und Quantität zu seinen Seiten. Diese sind a) zunächst, die Qualität in die Quantität (§. 98.) und die Quantität in die Qualität (§. 105.) ü b e rge gan gen, und damit beide als N egatio n en aufgezeigt, ß) Aber in ihrer Einheit (dem Maaße) sind sie als | unterschieden die eine nur v e rm itte lst der ändern; und y) nachdem sich die Unmittelbarkeit dieser Einheit als sich aufhebend erwiesen, so zeigt sich das Seyn als die Reduction der Vermittlung zur einfachen Beziehung-auf-sich. - Das Seyn, oder die Unmittelbarkeit, welche nur durch ihre Negation Vermittlung mit sich, und Beziehung auf sich selbst ist, oder die Vermittlung, die sich zur Beziehung auf sich, zur Unmittelbarkeit auf hebt, - das Seyn, so durch Aufheben der Vermittlung mit sich vermittelt, ist das W esen.|
120-121
111
LEHRE VOM WESEN
Zw eit e Ab t h e il u n g
d e r
Lo g ik .
DIE LEHRE VOM W ESEN .
§. 112 .
Das Wesen, als das durch die Negativität seiner selbst sich mit sich vermittelnde Seyn, ist die Beziehung auf sich selbst, nur indem sie Beziehung auf Anderes ist, das unmittelbar nur als ein G esetztes und V erm itteltes ist. - Das Seyn ist nicht verschwunden, sondern erstlich ist das Wesen als einfache Beziehung auf sich selbst, Seyn; fürs andere ist aber das Seyn nach seiner einseitigen Bestimmung, un m ittelb ares zu seyn, zu einem nur negativen h e rab g e se tzt, zu einem Scheine. - Das Wesen ist hiemit das Seyn als Scheinen in sich selbst. Das Absolute ist das W esen. - Diese Bestimmung ist in sofern dieselbe, als die, daß es das Seyn ist, in sofern Seyn gleichfalls die einfache Beziehung auf sich ist. Aber sie ist zugleich höher, weil das Wesen das in sich gegangene Seyn ist, d. i. seine einfache Beziehung auf sich ist diese Beziehung durch die Negation des Negativen, nur als absolute Negativität. Indem das Absolute als W esen bestimmt wird, wird aber die Negativität häufig nur in dem Sinne einer A b s tr a c |tio n von allen bestimmten Prädicaten genommen. Dieses negative Thun, das Abstrahiren, fällt dann außerhalb des Wesens, und das Wesen selbst ist so nur als ein Resultat ohne diese seine P räm isse, das caput mortuum der Abstraction. Aber da diese Negativität dem Seyn nicht äußerlich, sondern seine eigene Dialektik ist, so ist seine Wahrheit, das Wesen, als das in sich gegangene oder in sich seyende Seyn; seinen Unterschied vom unmittelbaren Seyn, macht jene R e fle x io n aus, und sie ist die eigene Bestimmung des Wesens selbst.
§. 113. Indem das Wesen die Unterschiede nur als gesetzte enthält, hat es die Einseitigkeit, daß seinen Bestimmungen das Seyn mangelt; es ist die sich auf sich beziehende, absolute Negativität, als abstracte Affirmation, einfach es Insichseyn. Diese Form der Id en tität, der R e fle x io n -in -sich ist an die Stelle der 17 Prädicaten] O 2 : Prädicaten,
O 1O 3:
Prädicaten
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U n m itte lb a rk e it des Seyns getreten; beide sind aber dieselben Abstractionen der Beziehung-auf-sich. Die Gedankenlosigkeit der Sinnlichkeit, alles Beschränkte und Endliche für ein Seyendes zu nehmen, geht in die Hartnäckigkeit des Verstandes über, es als ein m it-sich -id en tisch es, sich in sich nicht w id ersprech endes, zu fassen.
§• 114. Diese Identität, an deren Bestimmungen das Seyn noch nicht gesetzt ist, ist, als aus dem Seyn herkommend, dann damit nur behaftet, und darauf als auf ein A euß erliches bezogen. Wird dasselbe von dem Wesen durch Abstraction abgesondert, so heißt es das U nw esentliche. Aber das Wesen ist in sich selbst nur durch seine negative Beziehung auf das Seyn. So ist es durch das Seyn, | welches zugleich nur id eell, Schein ist, zugleich als durch ein selbstständiges Aeußerliches vermittelt. Die Sphäre des Wesens ist daher durch das zunächst abstracte Insichseyn, diese - noch unvollkommene - Verknüpfung der U n m itte lb ark e it und der V erm ittlu n g. Es ist in dieser Sphäre Alles so gesetzt, daß zugleich darüber hinausgegangen ist, ein Seyn der R e fle x io n , - ein Seyn, in dem ein Anderes scheint, und das in einem Ändern scheint. - Sie ist daher auch die Sphäre des gesetzten W iderspruch es, der in der Sphäre des Seyns nur an sich ist. Es kommen in der Entwicklung des Wesens, weil der Eine Begriff in allem das Substantielle ist, dieselben Bestimmungen vor, als in der Entwicklung des Seyns, aber in reflectirter Form. Also statt des Seyns und N ich ts treten jetzt die Formen des P o sitiv en und N e g a tiv e n ein, jenes zunächst dem gegensatzlosen Seyn als Id en tität entsprechend, dieses entwickelt (in sich scheinend) als der U n tersch ied ; - so ferner das W erden als G rund sogleich selbst des D aseyns, das als auf den Grund reflectirt, E xisten z ist u.s.f. - Dieser, (der schwerste) Theil der Logik enthält vornehmlich die Kategorien der Metaphysik und der Wissenschaften überhaupt; - als Erzeugnisse des reflectirenden Verstandes, der zugleich die Unterschiede als selb ststän dig annimmt, und zugleich auch ihre Relativität setzt; - beides aber nur neben- oder nacheinander durch ein A uch verbindet, und diese Gedanken nicht zusammenbringt, sie nicht zum Begriffe vereint. |
15 U n m it te lb a r k e it] O 2 : U n m ite lb a rk e it
O 3 : U n m it te lb a r k e it
LEHRE VOM WESEN
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A. D A S W E S E N A LS G R U N D D ER E X I S T E N Z . a. D ie r e i n e n
Re f l e x io n sbe st im m u n g e n . a) ID ENTITÄ T.
§. 115.
Das Wesen scheint in sich, oder ist reine Reflexion, so ist es Beziehung auf sich, aber nicht als unmittelbare, sondern als reflectirte, - Id e n tität m it sich. F o rm elle oder V erstan d es-Id en tität ist diese Identität, in sofern an ihr festgehalten und von dem Unterschiede ab strah irt wird. Oder die Abstra ctio n ist vielmehr das Setzen dieser formellen Identität, die Verwandlung eines in sich concreten in die Form der Einfachheit, - es sey daß ein Theil des am Concreten vorhandenen Mannichfaltigen w e g g e la ssen (durch das sogenannte A n aly sire n ), und nur eines derselben herausgenommen wird, oder daß mit Weglassung ihrer Verschiedenheit die mannichfaltigen Bestimmtheiten in Eine zusam m en gezogen werden. Die Identität mit dem Absoluten, als Subjecte eines Satzes, verbunden, so lautet er: das A b so lu te ist m it sich identisch. - So wahr dieser Satz ist, so ist es zweideutig, ob er in seiner Wahrheit gemeynt ist; er ist darum in seinem Ausdrucke wenigstens unvollständig: denn es ist unentschieden, ob die abstracte Verstandes-Identität, d.i. im Gegensätze gegen die ändern Bestimmungen des Wesens, - oder aber die Identität als in sich concrete gemeynt ist; so ist sie, wie sich ergeben wird, der G rund, oder in höherer Wahrheit der B e g riff. - Auch das Wort: A b solut, selbst, hat häufig keine weitere Bedeutung als | die von A b stra ct; so heißt a b so lu te r Raum, ab so lu te Zeit, nichts weiter als der abstracte Raum und die abstracte Zeit. Die Bestimmungen des Wesens können als w esen tlich e Bestimmungen genommen werden, so werden sie Prädicate eines vorausgesetzten Subjects; und indem sie Bestimmungen des W esens selbst sind, sind sie die wesentlichen an sich, die allgemein-wesentlichen. Es ist ihnen daher auch das Subject: A lles, gegeben, und die Sätze, die dadurch entstehen, sind als die a llgem ein en D en k gesetze ausgesprochen worden. D er Satz der Identität lautet demnach: Alles ist m it sich id e n tisc h ; A = A; Und negativ: A kann nicht zugleich A und nicht A seyn. - Dieser Satz, statt
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ENCYCLO PÄDIE • LO GIK
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ein wahres Denkgesetz zu seyn, ist nichts als das Gesetz des ab stracten V erstandes. Die Form des Satzes widerspricht ihm schon selbst, da ein Satz auch einen Unterschied zwischen Subject und Prädicat verspricht, dieser aber das nicht leistet, was seine Form fodert. Namentlich wird es aber durch die folgenden sogenannten Denkgesetze aufgehoben, welche das Gegentheil dieses Gesetzes zu Gesetzen machen.
ß) D E R U N T E R S C H I E D .
§. 116. Das Wesen ist nur reine Identität und Schein in sich selbst, als es die sich auf sich beziehende Negativität, somit Abstoßen seiner von sich selbst ist; es enthält also wesentlich die Bestimmung des U nterschieds. Das Andersseyn ist hier nicht mehr das q u a lita tiv e , die Bestimmtheit, Gränze; sondern als im Wesen, dem sich auf sich beziehenden, ist die Negation Beziehung, U n tersch ied , G esetztseyn , V erm itteltseyn . | §. 117. Der Unterschied ist 1) un m ittelb arer Unterschied, die V ersch ieden h eit, in der die Unterschiedenen jedes für sich ist, was es ist, und gleichgültig gegen seine Beziehung auf das andere, welche also eine ihm äußerliche ist. Um der Gleichgültigkeit der Verschiedenen gegen ihren Unterschied, fällt derselbe außer ihnen in ein Drittes, V ergleichendes. Dieser äußerliche Unterschied ist als Identität der Bezogenen die G leichheit, als Nichtidentität die U n gleich h eit. Diese Bestimmungen selbst läßt der Verstand so auseinander fallen, daß wenn die Vergleichung auch ein und dasselbe Substrat für die Gleichheit und Ungleichheit hat, dies verschiedene Seiten und R ü ck sich ten seyn sollen. Aber die Gleichheit für sich ist nur das vorige, die Identität, und die Ungleichheit für sich ist der Unterschied. Die Verschiedenheit ist gleichfalls in einen Satz verwandelt worden, in den, daß A lles verschieden ist, oder daß es nicht zw ei D in ge g ib t, die einander vollk om m en gleich sind. Hier wird A llem das entg e g e n g e se tz te Prädicat von der ihm im ersten Satze beigelegten Identitä t gegeben. In sofern jedoch unter der Verschiedenheit nur die der äußern 13
beziehenden,] O 2 : beziehenden
O 2 : u n m itt te lb a r e r
vgl. O i: beziehenden;
O i; u n m ite lb a re r
O 3 : beziehenden,
O 3 : u n m itte lb a r e r
16
u n m itte lb a re r ]
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LEHRE VOM WESEN
115
Vergleichung angehörige verstanden wird, so soll Etwas für sich selbst nur id en tisch mit sich, und dieser zweite Satz somit nicht dem ersten widersprechend seyn. Dann aber geh ört auch die Verschiedenheit nicht dem Etwas oder Allem selbst an, sie macht keine wesentliche Bestimmung dieses Subjects aus; dieser zweite Satz kann auf diese Weise gar nicht gesagt werden. In sofern die Verschiedenheit der ganz unbestimmte Unterschied, die bloße Vielheit ist, so ist der Satz ohnehin tavtologisch, daß Alles, d. h. die Etwas in ihrer vollständigen V ielh eit, viele sind. - Ist aber das | Etwas selbst verschieden, so ist es dies durch seine eigene Bestimmtheit; hiemit ist nicht mehr die Verschiedenheit als solche, sondern der b estim m te Unterschied gemeynt.
§. 118. Die Gleichheit ist eine Identität nur solcher, die nich t d ieselb en , nicht identisch mit einander sind, - und die Ungleichheit ist B e z ie h u n g der Ungleichen. Beide fallen also nicht in verschiedene Seiten oder Rücksichten gleichgültig auseinander, sondern eine ist ein Scheinen in die Andere. Die Verschiedenheit ist daher Unterschied der Reflexion, oder U n tersch ied an sich selbst.
§. 119. 2) Der Unterschied an sich ist der w esentlich e, das P o sitiv e und das N e g a tiv e , so daß jenes so die identische Beziehung auf sich ist, daß es nicht das Negative, und dieses das Unterschiedene so für sich ist, daß es nich t das Positive ist. Indem jedes so für sich ist, als es nicht das A n dere ist, scheint jedes in dem Ändern, und ist nur, in sofern das Andere ist. Der Unterschied des Wesens ist daher die E n tg e g e n se tz u n g , nach welcher das Unterschiedene nicht ein A nderes ü b erh au p t, sondern sein Anderes sich gegenüber hat; d. h. jedes hat seine eigene Bestimmung nur in seiner Beziehung auf das Andere, ist nur in sich reflectirt, als es in das Andere reflectirt ist. Der Unterschied an sich gibt den Satz: A lles ist ein w esen tlich untersch ied en es, - oder wie er auch ausgedrückt worden ist, von zw ei e n tg e g e n g e se tz ten P rädicaten kom m t dem E tw as nur das Eine zu, und es g ib t kein D rittes. - Dieser Satz des Gegensatzes widerspricht am ausdrücklichsten dem Satze der Identität, indem Etwas nach dem einen nur die B e zie h u n g a u f sich, nach dem ändern | aber die B ezieh u n g a u f anderes seyn soll. Es ist die eigenthümliche Gedankenlosigkeit der Abstraction, zwei solche widersprechende Sätze als Gesetze nebeneinander zu
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ENCYCLOPÄDIE • LO GIK
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stellen, ohne sie auch nur zu vergleichen. - Der Satz des ausgesch lossen en D ritte n ist der Satz des bestimmten Verstandes, der den Widerspruch von sich abhalten will, und indem er dies thut, denselben begeht. A soll entweder + A oder —A seyn; damit ist schon das Dritte, das A ausgesprochen, welches w eder + noch — ist, und das eben sow oh l auch als + A und als —A gesetzt ist. §. 120. Das P o sitiv e nun ist jenes V erschiedene, welches für sich und zugleich nicht gleichgültig gegen seine Beziehung a u f sein anderes seyn soll. Das N e g a tiv e soll eben so selbstständig, also die negative Beziehung a u f sich, für sich seyn, aber zugleich als negatives schlechthin diese seine Beziehung auf sich, sein Positives, nur im Ändern haben. Beide sind somit der gesetzte Widerspruch, beide sind an sich dasselbe. Beide sind es auch für sich, indem jedes das Aufheben des ändern und seiner selbst ist. Sie gehen hiemit zu Grunde. - Oder unmittelbar ist der wesentliche Unterschied, als Unterschied an und für sich, nur der Unterschied seiner von ihm selbst, enthält also das Identische. - Als sich a u f sich b ezieh en der Unterschied, ist er gleichfalls schon als das m it sich iden tische ausgesprochen, und das E n tge ge n ge se tzte ist überhaupt dasjenige, welches das E ine und sein A nderes, sich und sein E n tg e g e n g e se tz tes, in sich selbst enthält. Das In-sich-seyn des Wesens so bestimmt ist der Grund. |
y) DER G R U N D .
§. 121 . Der G run d ist die Einheit der Identität und des Unterschieds; die Wahrheit dessen, als was sich der Unterschied und die Identität ergeben hat, - die Reflexionin-sich, die eben so sehr Reflexion-in-Anderes und umgekehrt ist. Er ist das W esen als T o ta litä t gesetzt. Der Satz des G rundes heißt: Alles hat seinen zureichenden G rund, d. h. nicht die Bestimmung von Etwas als Identisches mit sich, noch als Verschiedenes, noch als blos Positives oder als blos Negatives, ist die wahre Wesenheit desselben, sondern daß es sein Seyn in einem ändern hat, das als das Identische mit sich das Wesen ist. Dieses aber ist eben so sehr nicht abstracte
20 bestimmt] O 2 bestimmmt O 3 : bestimmt
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Reflexion in sich, sondern in Anderes. Der Grund ist das in sich seyende Wesen, aber es ist wesentlich Grund, und Grund ist es nur in sofern es Grund von Etwas, von einem Ändern ist. §. 122. Das Wesen ist zunächst Scheinen und Vermittlung in sich ; als Totalität der Vermittlung ist seine Einheit mit sich nun gesetzt als das sich Aufheben des Unterschieds und damit der Vermittlung. Dies ist also die Wiederherstellung der U n m itte lb a rk e it oder des Seyns, aber des Seyns, in sofern es durch das A u fh e ben der V e rm ittlu n g v erm itte lt ist; - die E xistenz. Der Grund hat noch keinen an und für sich bestimmten In h alt, noch ist er Z w eck , daher ist er nicht th ätig , noch h e rv o rb rin g e n d ; sondern eine Existenz geht aus dem Grunde nur hervor. Der b estim m te Grund ist darum etwas formelles; irgend eine Bestimmtheit, in sofern sie als bezogen auf sich selbst, als Affirmation gesetzt wird, im Verhältniß zu | der damit zusammenhängenden unmittelbaren Existenz. Er ist eben damit, daß er G rund ist, auch ein gu ter Grund; denn Gut heißt ganz abstract auch nicht mehr als ein Affirmatives, und jede Bestimmtheit ist gut, die in irgend einer Weise als ein zugestanden Affirmatives ausgesprochen werden kann. Ein Grund kann daher für alles gefunden und angegeben werden, und ein g u te r G rund (z. B. guter Beweggrund zu handeln) kann etwas bewirken oder auch nich t, eine Folge haben oder auch nicht. Beweggrund, der etwas bewirkt, wird er z. B. durch die Aufnahme in einen Willen, der ihn erst zum thätigen und einer Ursache macht. -
b. D
ie
E
x is t e n z
.
§. 123. Die Existenz ist die unmittelbare Einheit der Reflexion-in-sich und der Reflexionin-Anderes. Sie ist daher die unbestimmte Menge von Existirenden, als in-sichreflectirten, die zugleich eben so sehr in-anderes-scheinen, - re lativ sind, und eine W elt gegenseitiger Abhängigkeit und eines unendlichen Zusammenhangs von 1 ist] so C 2
O2: in
O 3 : formelles; irgend
O 1 O 3 : ist
13 formelles; irgend] O 2 : formelles. Irgend
vgl. O i: formelles, weil
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Gründen und Begründeten bilden. Die Gründe sind selbst Existenzen, und die Existirenden ebenso nach vielen Seiten hin Gründe sowohl als Begründete. §. 124. Die Reflexion-in-Anderes des Existirenden ist aber nicht unterschieden von der Reflexion-in-sich; der Grund ist ihre Einheit, aus der die Existenz hervorgegangen ist. Das Existirende enthält daher die Relativität und seinen mannichfachen Zusammenhang mit ändern Existirenden, an ihm selbst und in sich als G rund reflectirt. So ist das Existirende D ing. | Das D in g -an -sich , das in der Kantischen Philosophie so berühmt geworden, zeigt sich hier in seiner Entstehung, nämlich als die abstracte Reflexion-in-sich, an der gegen die Reflexion-in-Anderes und gegen die unterschiedenen Bestimmungen überhaupt festgehalten wird, als der leeren G run d lage derselben.
C.
Das D in g .
§. 125. Das D in g als R eflex io n -in -A n d eres hat die Unterschiede, an ihm, wornach es ein b estim m tes Ding ist. a) Diese Bestimmungen sind von einander verschieden; an dem Dinge, nicht an ihnen selbst, haben sie die Reflexion-in-sich. Sie sind E igen sch aften des Dings, und ihre Beziehung auf dasselbe ist das H aben. H aben tritt als Beziehung an die Stelle des Seyns. E tw as hat zwar auch Q u a litä te n , aber diese Uebertragung des Habens auf das Seyende ist ungenau, weil die Bestimmtheit als Qualität unmittelbar eins mit dem Etwas ist, und Etwas au fh ört zu seyn, wenn es seine Qualität verliert. Das D in g aber ist die Reflexion-in-sich, als die von dem Unterschiede auch unterschiedene Identität. - Das H aben wird in vielen Sprachen zur Bezeichnung der V e rgan ge n h e it gebraucht, - mit Recht, indem die Vergangenheit das au fgeh ob en e Seyn, und der Geist deren Reflexion-in-sich ist, worin sie allein noch Bestehen hat, der aber dieses in ihm aufgehobene Seyn auch von sich unterscheidet. 11 Reflexion-in-Anderes] so C 2 O 2 : Reflexion-in-sich O 3 Reflexion-in-anderes O 2 : zurBezeichnung
O 1 O 3 : zur Bezeichnung
27 zur Bezeichnung]
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§. 126. ß) Die Reflexion-in-Anderes ist aber im G runde, auch unmittelbar an ihr selbst die Reflexion-in-sich; daher | sind die Eigenschaften eben so sehr se lb ststä n d ig und von ihrem Gebundenseyn an das Ding befreit. Weil sie aber nur die von einander untersch ieden en Bestimmtheiten des Dinges als reflectirt-in-sich sind, sind sie nicht selbst Dinge, als welche concret sind, sondern in sich reflectirte Existenzen als abstracte Bestimmtheiten, M aterien. Die Materien, z. B. magnetische, elektrische Materien, werden auch nicht D in ge genannt. - Sie sind die eigentlichen Qualitäten, eins mit ihrem Seyn, die zur Unmittelbarkeit gelangte Bestimmtheit, aber einer Unmittelbarkeit, welche Existenz ist. §. 127. Die M aterie ist die ab stracte oder unbestimmte Reflexion-in-Anderes, oder die Reflexion-in-sich zugleich als b estim m te; sie ist daher die daseyende D in g h e it, das Bestehen des Dings. Das Ding hat auf diese Weise an den Materien seine Reflexion-in-sich, (das Gegentheil von §.125.) besteht nicht an ihm selbst, sondern aus den M aterien , und ist nur deren oberflächlicher Zusammenhang.
§. 128. [y)] Die Materie als die u n m ittelb are Einheit der Existenz mit sich ist gleichgültig gegen die Bestimmtheit; die vielen verschiedenen Materien gehen daher in die Eine M aterie, die Reflexionsbestimmung der Id e n titä t (§. 115.) aber als concret in sich, zusammen, welcher gegenüber diese unterschiedenen Bestimmtheiten, so wie auch die äußerliche Beziehung, die sie im Ding aufeinander haben, die Form sind, - die Reflexionsbestimmung des U n tersch ied es (§. 116.f.) aber als existirend und als Totalität. Diese Eine, bestimmungslose Materie ist auch das | selbe, was das Ding-ansich, nur dieses als in sich reflectirtes, jene als u n m ittelb are s gesetzt.
§. 129. Das Ding zerfällt so in M aterie und Form , deren jedes die T o ta litä t der Dingheit, und selbstständig für sich ist. Aber die M aterie, welche die positive,
8
z. B.] O 2 : z. B :
0 2: §. 114.
O 1 O 3 : z. B.
19 [y)] Die] O 3 : y) Die s. Editorischer Bericht S. 449
24 §. 116.f.] 0 2: §. 115.
21 §. 115.]
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unbestimmte Existenz seyn soll, enthält als Existenz eben sowohl die Reflexionin-Anderes, als das In-sich-seyn; als Einheit dieser Bestimmungen ist sie selbst die Totalität der Form. Die Form aber enthält schon als Totalität der Bestimmungen, die Reflexion-in-sich, oder als sich a u f sich bezieh en de Form hat sie das, was die Bestimmung der Materie ausmachen soll. Beide sind an-sich dasselbe. Diese ihre Einheit gesetzt ist überhaupt die B ezieh u n g der Materie und Form, welche ebenso unterschieden sind.
§. 130. Das Ding als diese Totalität ist der Widerspruch, nach seiner negativen Einheit die Form zu seyn, in der die Materie als bestimmt und zu E igen sch aften herabgesetzt ist, (§. 125.) und zugleich aus M aterien zu bestehen, die in der Reflexion- des Dings in-sich zugleich ebenso selbstständige als negirte sind. Das Ding so, dessen wesentliche Existenz ist, als eine sich in sich selbst auf hebende zu seyn, ist die E rscheinung. Die im Ding gesetzte N e g a tio n der ebenso selbstständig gesetzten Materien kommt in der Physik als die P o ro sitä t vor. Jede der vielen Materien (Färbestoff, Riechstoff, auch Schallstoff u.s.f., Wärmestoff, electrische Materie u.s.w.) ist auch n egirt, und in dieser ihrer Negation, ihren Poren, sind die vielen ändern Materien, die ebenso porös sind, und in sich die ändern so gegenseitig circuliren lassen. Die Poren sind nichts empirisches, sondern Erdichtungen | des Verstandes, der das Moment der Negation der selbstständigen Materien auf diese Weise vor stellt, und die weitere Ausbildung der Widersprüche mit jener nebulösen Verwirrung, in der alle selb ststän d ig und alle in einander ebenso n egirt sind, deckt. - Wenn auf gleiche Weise im Geiste die Vermögen oder Thätigkeiten hypostasirt werden, so wird ihre lebendige Einheit ebenso zur Verwirrung des Einwirkens der einen in die andere. I
11-12 Reflexion-] O 2 : Reflexion
O3:
Reflexion-
16 in] O 2 : iu
O3:
in
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B. D IE E R S C H E IN U N G .
§. 131. Das Wesen muß erscheinen. Sein Schein in ihm ist selbst das Aufheben seiner zur Unmittelbarkeit, welche als Reflexion-in-sich ebenso B esteh en (Materie) ist, als sie durch die Form Reflexion-in-Anderes, sich au fh eb en d es Bestehen ist. Beide Momente sind die eignen Bestimmungen des W esens selbst, und machen dasselbe aus. Das Wesen ist daher nicht hinter oder je n se its der Erscheinung, sondern dadurch, daß das Wesen es ist, welches existirt, ist die Existenz Erscheinung. a. D ie W e l t
d e r
Er s c h e in u n g .
§. 132. Das Erscheinende existirt, aber sein Bestehen ist unmittelbar aufgehoben, und selbst nur Ein Moment der Form; so hat es seinen Grund in dieser als einer Innerlichkeit überhaupt gegen seine Unmittelbarkeit, und in einer ändern Bestimmtheit der Form. Dieser sein Grund ist eben so sehr ein Erscheinendes, und die Erscheinung geht so zu einer unendlichen Vermittlung des Bestehens durch die Form, somit ebenso durch Nichtbestehen fort. Diese unendliche Vermittlung ist zugleich eine Einheit; die Existenz ist so zu einer T o ta litä t und W elt der Erscheinung, der reflectirten Endlichkeit, entwickelt. |
b. In h a l t
u n d
Fo r m .
§. 133. Das Außereinander der Welt der Erscheinung ist als Totalität B ezieh u n g auf-sich. Diese Beziehung der Erscheinung auf sich hat somit die Form in ihr selbst, aber weil in dieser Identität, als wesentliches Bestehen; so ist sie der In h alt, und nach seiner entwickeltem Bestimmtheit das G esetz der Erscheinung. In die
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Form als in -sich nicht refle ctirt fällt das Negative der Erscheinung, das Unselbstständige und Veränderliche, - sie ist die gleichgültige, äußerliche Form . Bei dem Gegensätze von Form und Inhalt ist wesentlich festzuhalten, daß der Inhalt nicht formlos ist, sondern ebenso die Form in ihm selbst hat, als sie ihm ein äußerliches ist. Es ist die Verdopplung der Form vorhanden, die das einemal als in sich reflectirt, der Inhalt, das anderemal als nicht in sich reflectirt, die äußerliche, dem Inhalte gleichgültige Existenz ist. A n -sich ist hier vorhanden das absolute Verhältniß des Inhalts und der Form, nämlich das Umschlagen derselben in einander, so daß der Inhalt nichts ist, als das U m sch lagen der Form in Inhalt, und die Form nichts, als U m sc h la g e n des Inhalts in Form. Dies Umschlagen ist eine der wichtigsten Bestimmungen. G esetzt aber ist dies erst im ab so lu ten V e rh ältnisse.
§. 134. Die u n m ittelb are Existenz aber ist Moment des Bestehens selbst, wie sie ebenso eine Bestimmtheit der Form ist; sie ist daher ebenso der Bestimmtheit des Inhalts äußerlich, und diese Aeußerlichkeit, die er durch das Moment der Existenz erhält, ist ihm wesentlich. Die Erscheinung | in ihrer Bestimmtheit ist daher das V erh ältn iß , daß Ein und Dasselbe (der Inhalt) die Aeußerlichkeit und E n tg e gen setzu n g selbstständiger Existenzen und deren id en tisch e Beziehung ist, in welcher die Unterschiedenen allein das sind, was sie sind.
C.
D
a s
V E R H Ä L T N IS S .
§. 135. 1) Das u n m ittelb are Verhältniß ist das des G anzen und der T h e ile ; der Inhalt ist das Ganze und besteht aus den Theilen, dem Gegentheile seiner. Die Theile sind die selbstständigen Verschiedenen; sie sind aber nur Theile in ihrer identischen Beziehung auf einander, oder in sofern sie zusammengenommen das Ganze ausmachen; aber das Z usam m en ist das Gegentheil des Theiles.
11 I n h a lt s ] O 2 O 3 : Inhalts
16 der Bestimmtheit] so C 2 O 2 : Bestim m theit O 3 : der Bestim m theit
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LEHRE VOM WESEN
§. 136. 2) Das Eine und Dasselbe dieses Verhältnisses ist somit unmittelbar die n e g a tive Beziehung auf sich selbst, und zwar als die Vermittlung, daß ein und dasselbe g le ic h g ü ltig gegen den Unterschied, und daß es die n e g a tiv e Beziehung a u f sich ist, welche als Reflexion-in-sich sich selbst zum Unterschiede abstößt und sich als Reflexion-in-Anderes existirend setzt, und umgekehrt; - die K ra ft und ihre A eußerung. Das V erhältniß des G anzen und der T h eile ist das unmittelbare, daher das gedankenlose Verhältniß und Umschlagen der Identität-mit-sich in die Verschiedenheit. Es wird vom Ganzen zu den Theilen und von den Theilen zum Ganzen übergegangen, und in einem der Gegensatz gegen das andere vergessen, indem jedes für sich als eine selbstständige Existenz ge | nommen wird. Oder indem die Theile in dem Ganzen, und dieses aus jenen bestehen sollen, so ist das einemal das eine, das andremal das andre das B e stehende, und ebenso jedesmal das andre desselben ein unw esentliches. Das m echanische Verhältniß besteht in seiner oberflächlichen Form überhaupt darin, daß die Theile als selbstständige gegen einander und gegen das Ganze sind. - Der Progreß ins U n en dlich e, welcher die T h e ilb arkeit der M aterie betrifft, kann sich auch dieses Verhältnisses bedienen, und ist dann die gedankenlose Abwechslung mit den beiden Seiten desselben. Ein Ding wird das einemal als ein G anzes genommen, dann wird zur T h e ilb estim m u n g übergegangen; diese Bestimmung wird nun vergessen und was Theil war, als Ganzes betrachtet; dann tritt wieder die Bestimmung des Theiles auf u.s.f. ins Unendliche. Diese Unendlichkeit aber als das wahrhafte Negative genommen, ist die n egative Beziehung des Verhältnisses auf sich, die K ra ft, das mit sich identische Ganze, als Insichseyn, - und als sich aufhebend und äußernd, und umgekehrt die Aeußerung, die verschwindet, und in die Kraft zurückgeht. Die Kraft ist dieser Unendlichkeit ungeachtet, auch endlich; denn der Inhalt, das Eine und D asselbe der Kraft und der Aeußerung, ist nur erst an sich diese Identität, die beiden Seiten des Verhältnisses sind noch nicht selbst jede für sich die concrete Identität Desselben, noch nicht die Totalität. Sie sind daher für einander verschiedene, und das Verhältniß ein endliches. Die Kraft bedarf daher der Sollicitation von außen, wirkt blind, und die Bestimmtheit des Inhalts ist eine beschränkte und zufällige. Er ist noch nicht als Begriff und Zweck, der das an- und für-sich bestimmte ist. - Man pflegt
6 als] O 2 : al s
O 1 O 3 : als
34 Sollicitation] 0 i 0 2: Solicitation
0 3: Sollicitation
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darum auch zu sagen, daß die N atu r der K ra ft selbst unbekannt sey, und nur ihre Aeußerung erkannt werde. Einestheils ist die ganze Inhalts-| b e stim m u n g der K raft eben dieselbe als die der A eu ß eru n g; die Erklärung einer Erscheinung aus einer Kraft, ist deswegen eine leere Tavtologie. Was unbekannt seyn soll, ist in der That nichts als die leere Form der Re-
5
flexion-in-sich, wodurch allein die Kraft von der Aeußerung unterschieden ist, - eine Form, die aber etwas ganz wohlbekanntes ist. Diese Form thut zum Inhalte und zum Gesetze, welche nur aus der Erscheinung allein erkannt werden sollen, im geringsten nichts hinzu. Auch wird ausdrücklich überall versichert, es solle damit über die Kraft nichts behauptet werden; es ist also
10
nicht abzusehen, warum die Form von Kraft in die Wissenschaften eingeführt worden ist. - Anderntheils ist aber die Natur der Kraft allerdings ein unbekanntes, weil sowohl die Nothwendigkeit des Zusammenhangs ihres Inhalts in sich selbst, als desselben, in sofern er für sich beschränkt ist und daher seine Bestimmtheit vermittelst eines Ändern außer ihm hat, noch mangelt.
15
§. 137. Die Kraft ist als das Ganze, welches an sich selbst die negative Beziehung auf sich ist, dies, sich von sich abzustoßen und sich zu äußern. Aber da diese Reflexionin-Anderes, der Unterschied der Theile, eben so sehr Reflexion-in-sich ist, so ist die Aeußerung die Vermittlung, wodurch die Kraft in sich zurückkehrt; ihre
20
Aeußerung ist selbst das Aufheben der Verschiedenheit der beiden Seiten, welche in diesem Verhältnisse vorhanden ist, und das Setzen der Identität, die an sich den Inhalt ausmacht. Ihre Wahrheit ist darum das Verhältniß, dessen beide Seiten nur als Inneres und Aeußeres unterschieden sind.
§. 138.
25
3) Das Innere ist der Grund, wie er als die bloße Form der einen Seite der Erscheinung und des | Verhältnisses ist, die leere Form der Reflexion-in-sich, welcher die Existenz gleichfalls als die Form der ändern Seite des Verhältnisses mit der leeren Bestimmung der Reflexion-in-Ander es, als A eußeres gegenüber steht. Ihre Identität ist die erfüllte, der Inhalt, die selbst in der Bewegung der Kraft gesetzte E in h eit der Reflexion-in-sich und der Reflexion-in-Anderes; beide sind dieselbe eine Totalität, und diese Einheit macht sie zum Inhalt.
24 und] O 2 : urd O 1 O 3 : und
30
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§. 139. Das Aeußere ist daher vors erste derselbe Inhalt als das Innere. Was innerlich ist, ist auch äußerlich vorhanden und umgekehrt; die Erscheinung zeigt nichts, was nicht im Wesen ist, und im Wesen ist nichts, was nicht manifestirt ist. §. 140. Z w eitens. Inneres und Aeußeres sind aber auch als Formbestimmungen sich schlechthin en tg e g e n g e se tz t als die Abstractionen von Identität mit sich und von bloßer Mannichfaltigkeit oder Realität. Indem sie aber als Momente der Einen Form wesentlich identisch sind, so ist das, was nur erst in der einen Abstraction gesetzt ist, u n m ittelb ar auch nur in der ändern. Was daher nur ein In n erlich es ist, ist auch damit nur ein A eu ß erlich es; und was nur ein Aeußerliches ist, ist auch nur erst ein Innerliches. Es ist der gewöhnliche Irrthum der Reflexion, das W esen als das blos Innere zu nehmen. Wenn es blos so genommen wird, so ist auch diese Betrachtung eine ganz äußerliche, und jenes Wesen die leere äußerliche Abstraction. | Ins Innere der Natur, sagt ein Dichter: Dringt kein erschaffner Geist, Zu glücklich, wenn er nur die äußere Schaale weißt.*) Es hätte vielmehr heißen müssen, eben dann, wenn ihm das Wesen der Natur als Innres bestimmt ist, weiß er nur die äußere Schaale. - Weil im Seyn überhaupt oder auch im nur sinnlichen Wahrnehmen, der B e g r if f nur erst das Innre, ist er ein demselben Aeußeres, - ein subjectives, wahrheitsloses Seyn wie Denken. - An der Natur, so wie am Geiste, in sofern der Begriff, Zweck, Gesetz nur erst innere Anlagen, reine Möglichkeiten sind, sind sie nur erst eine äußerliche unorganische Natur, Wissenschaft eines Dritten, fremde Gewalt u.s.f. §. 141. Die leeren Abstractionen, durch welche der eine identische Inhalt noch im Verhältnisse seyn soll, heben sich in dem unmittelbaren Uebergehen, die eine in der *) Vergl. G ö th e ’ s Unwilliger Ausruf, zur Naturwissensch. I. Bd. 3tes H ft.: Das hör’ ich sechszig Jahre wiederholen, Und flu ch e drauf, aber verstohlen, Natur hat weder Kern noch Schaale, Alles ist sie mit einem Male. |
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ändern, auf; der Inhalt ist selbst nichts anders als deren Identität, (§. 138.) sie sind der als Schein gesetzte Schein des Wesens. Durch die Aeußerung der Kraft wird das Innere in Existenz ge se tzt; dies Setzen ist das V erm itteln durch leere Abstractionen; es verschwindet in sich selbst zur U n m itte lb a rk e it, in der das Innere und Aeußere an und für sich identisch ist. Diese Identität ist die W irk lich k eit. |
C. D IE W IR K L IC H K E IT . §. 142. Die Wirklichkeit ist die unmittelbar gewordene Einheit des Wesens und der Existenz, oder des Innern und des Aeußern. Die Aeußerung des Wirklichen ist das Wirkliche selbst, so daß es in ihr ebenso wesentliches bleibt, und nur in sofern wesentliches ist, als es in unmittelbarer äußerlicher Existenz ist. Früher sind als Formen des Unmittelbaren, Seyn und E xisten z, vorgekommen; das Seyn ist überhaupt unreflectirte Unmittelbarkeit, und U eb ergeh en in Anderes. Die E xisten z ist unmittelbare Einheit des Seyns und der Reflexion, daher E rsch ein u n g, kommt aus dem Grunde, und geht zu Grunde. Das Wirkliche ist das G esetzt seyn jener Einheit, das mit sich identisch-gewordene Verhältniß; es ist daher dem U eb ergeh en entnommen, und seine A euß erlichkeit ist seine Energie; es ist in ihr in sich reflectirt; sein Daseyn ist nur die M an ifestatio n seiner selb st, nicht eines Ändern. §. 143. Die Wirklichkeit, als dies Concrete, enthält jene Bestimmungen und deren Unterschied, und ist die Entwicklung derselben. 1) Als Id e n tität überhaupt ist sie zunächst die M ö g lic h k e it; - die Reflexion-in-sich, welche als der concreten Einheit des Wirklichen gegenüber, als die ab stracte und unw esentliche W esen tlich k eit gesetzt ist. Die Möglichkeit ist das W esentliche zur Wirklichkeit, aber sie ist zugleich nur Möglichkeit. Die Bestimmung der M ö glich k eit ist es wohl, welche K ant vermochte, sie und mit ihr die Wirklichkeit und Nothwendigkeit als M od alitäten anzusehen, | »indem diese Bestimmungen den Begriff als Object nicht im mindesten vermehrten, sondern nur das Verhältniß zum Erkenntnißvermögen ausdrücken.« In der That ist die Möglichkeit zunächst die leere Abstraction
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der Reflexion-in-sich, so daß sie nur dem subjectiven Denken angehört. Sie ist das, was vorhin das Innere hieß, nur daß es, da es im Wirklichen aufgehoben ist, nun als das aufgehobene, nur gesetzte, äußerliche Innre bestimmt, und so allerdings als eine bloße Modalität, als unzureichende Abstraction, auch gesetzt ist. Wirklichkeit und Nothwendigkeit dagegen sind wahrhaft nichts weniger als eine bloße A rt und W eise für ein Anderes, vielmehr gerade das Gegentheil. - Weil nun die Möglichkeit zunächst gegen das concrete Wirkliche die bloße Form der Id en tität-m it-sich ist, so ist die Regel für dieselbe nur, daß Etwas sich in sich nicht widerspreche, und so ist A lles m ö glich ; denn allem Inhalte kann diese Form durch die Abstraction gegeben werden. Aber A lles ist eben so sehr u n m öglich , denn in allem Inhalte, da er ein Concretes ist, kann die Bestimmtheit als bestimmter Gegensatz und damit als Widerspruch gefaßt werden. - Es gibt daher kein leereres Reden,
5
io
als das von solcher Möglichkeit und Unmöglichkeit. Insbesondere muß in der Philosophie von dem Aufzeigen, daß E tw as m ö glich , oder daß auch noch E tw as anders m ö glich , und daß Etwas, wie man es auch ausdrückt, den kbar sey, nicht die Rede seyn.
15
§. 144. 2) 20
Das Wirkliche aber in seinem Unterschiede von der Möglichkeit als der Re-
flexion-in-sich, ist selbst nur das äußerliche Concrete, das unw esentlich e Unmittelbare. Oder vielmehr das Wirkliche ist um seiner Unmittelbarkeit willen selbst unmittelbar in der Abstraction der Reflexion-in-sich; es selbst ist somit als ein nur M ögliches bestimmt. In diesem Werthe einer bloßen Möglichkeit, oder unwesentlichen Wirklichkeit ist es ein Z u fällig e s, und die Möglichkeit ist der
25
bloße Z u fall selbst. §. 145.
Möglichkeit und Zufälligkeit sind als die bloßen Formen gesetzt, welche die A euß erlich k eit des Wirklichen ausmachen. Sie haben an dem in -sich bestimmten Wirklichen, dem Inhalte, als ihrem wesentlichen Bestimmungsgrunde, ihre 30 Reflexion-in-sich. Die Endlichkeit des Zufälligen und Möglichen besteht daher näher in dem Unterschiede der Formbestimmung von dem Inhalte, und, ob etw as z u fä llig und m ö g lich is t, k om m t a u f den Inhalt an. §. 146. Jene A eu ß erlich k eit der Wirklichkeit besteht näher darin, daß diese als V er35 m ittlu n g ist; nämlich die Zufälligkeit ist als unmittelbare Wirklichkeit das mit
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sich Identische wesentlich nur als G esetztseyn , das ebenso aufgehoben ist. Sie ist so ein V o rau sgesetztes, dessen Unmittelbarkeit zugleich eine M ö g lich k e it ist und die Bestimmung hat, aufgehoben zu werden, - die Möglichkeit eines Ändern, die B ed in gu n g. §. 147. 3)
Diese so entwickelte Aeußerlichkeit ist als dieser Kreis der Bestimmungen
zunächst die reale M öglich k eit überhaupt. Als solcher Kreis ist sie ferner die Totalität als Inhalt, so die an und für sich bestimmte Sache, und ebenso, nach dem Unterschiede der Bestimmungen in dieser Einheit, die concrete T o ta litä t der Form für sich, das unmittelbare Sich-Uebersetzen des Innern ins Aeußere, und des Aeußern ins Innere. Dies sich Bewegen der Form ist T h ä tig k e it, Bethätigung der Sache, als des realen Grundes, der sich zur Wirklichkeit auf|hebt, und Bethätigung der zufälligen Wirklichkeit, der Bedingungen, deren Reflexion-in-sich und ihr sich Aufheben zu einer ändern Wirklichkeit, der Wirklichkeit der Sache. Wenn alle B ed in gu n gen vorhanden sind, muß die Sache wirklich werden, und die Sache ist selbst eine der Bedingungen, denn sie ist zunächst als Inneres selbst nur ein Vorausgesetztes. Diese en tw ick elte Wirklichkeit, als der in Eins fallende Wechsel des Innern und Aeußern, der Wechsel ihrer entgegengesetzten Bewegungen, die zu Einer Bewegung vereint sind, ist die N o th w en d igk eit. Die Nothwendigkeit ist zwar richtig als Einheit der Möglichkeit und Wirklichkeit definirt worden. Aber nur so ausgedrückt ist diese Bestimmung oberflächlich und deswegen unverständlich. Der Begriff der Nothwendigkeit ist sehr schwer, und zwar weil sie der Begriff selbst ist, aber dessen Momente noch als Wirklichkeiten sind, die zugleich doch nur als Formen, als in sich gebrochene und als übergehende zu fassen sind. Es soll deswegen in den beiden folgenden §§. die Exposition der Momente, welche die Nothwendigkeit ausmachen, noch ausführlicher angegeben werden.
§. 148. Unter den drei Momenten, der B e d in g u n g , der Sache, und der T h ä tig keit ist a.
Die B e d in g u n g , a) das Vorausgesetzte; als nur gesetztes ist sie nur als
relativ auf die Sache, aber als V o raus, ist sie als für sich, - zufälliger, äußerlicher
14 sich Aufheben] O 2 : sich auf heben O i: Aufheben O 3 : Sich-auf heben
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144-146
129
Umstand, der ohne Rücksicht auf die Sache existirt; in dieser Zufälligkeit zugleich in Rücksicht auf sie ist dies Vorausgesetzte ein v o llstä n d ig e r K reis von B e dingungen. ß) Die Bedingungen sind passiv, werden für die Sache als Material verwendet, und gehen damit in den Inhalt der Sache ein; sie sind demselben gemäß und enthalten dessen ganze B estim m u n gen bereits in sich. | b. Die Sache ist ebenso a) ein Vorausgesetztes; als ge se tzte , nur erst ein Inneres und Mögliches, und als vorau s, ein für sich selbstständiger Inhalt; ß) sie erhält durch die Verwendung der Bedingungen ihre äußerliche Existenz, das Realisiren ihrer Inhaltsbestimmungen, welche den Bedingungen wesentlich gemäß seyn müssen. c. Die T h ä tig k e it ist a) ebenso für sich, (ein Mensch, ein Charakter) selbstständig existirend und zugleich hat sie ihre Möglichkeit allein an den Bedingungen und an der Sache; ß) sie ist die Bewegung, die Bedingungen in die Sache, diese in jene als die Seite der Existenz zu übersetzen; vielmehr aber nur die Sache aus den Bedingungen, in welchen sie an sich vorhanden ist, heraus zu setzen, und durch Aufhebung der Existenz, welche die Bedingungen haben, der Sache Existenz zu geben. In sofern diese drei Momente die Gestalt se lb ststä n d ig e r E xisten z gegen einander haben, ist dieser Proceß die äußere Nothwendigkeit. - Diese Nothwendigkeit hat einen besch rän kten Inhalt zu ihrer Sache. Denn die Sache ist dies Ganze in einfache Bestimmtheit zusammen gefaßt; da das Ganze in ihm selbst sich äußerlich ist, so ist diese Aeußerlichkeit an der Sache selbst, und an dieser ist sie Schranke überhaupt. §. 149. Die Nothwendigkeit ist daher das Eine m it sich identische, aber inhaltsvolle, W esen, das so in sich scheint, daß seine Unterschiede die Form se lb ststä n d ig e r W irk lich er haben, und dies identische ist zugleich als absolute F orm , die T h ätig k e it des Aufhebens [der Unmittelbarkeit] in Vermitteltseyn, und der Vermittlung in Unmittelbarkeit. - Das, was nothwendig ist, ist durch ein A nderes, welches in den v erm itte ln d e n G rund (die Sache und die Thätigkeit), und in eine unm ittelb are Wirklichkeit, ein Zufälliges, das zugleich Bedingung ist, zerfallen ist. Das Nothwendige als durch ein Anderes ist nicht an und für | sich, sondern ein blos gesetztes. Aber diese Vermittlung ist eben so unmittelbar das Aufheben ihrer selbst; der Grund und die zufällige Bedingung wird in Unmittelbarkeit übergesetzt, wodurch jenes Gesetztseyn zur Wirklichkeit aufgehoben, und die Sache m it 1 existirt;] so C 2
O 2 : existirt,
Unmittelbarkeit
O 3 Aufhebens
O 3 : existirt;
28 Aufhebens [der Unmittelbarkeit]] O i: Aufhebens der
ENCYCLOPÄDIE • LO GIK
130
146-147
sich selb st zu sam m en gegan gen ist. In dieser Rückkehr in sich ist das Nothwendige sch lech th in , als unbedingte Wirklichkeit.
a. S u b s t a n t i a l i t ä t s - V e r h ä l t n i s s.
§. 150. Das Nothwendige ist in sich absolutes V erh ältn iß , d.i. der (in den vorh. §§.) entwickelte Proceß, in welchem das Verhältniß sich ebenso zur absoluten Identität aufhebt. Unmittelbar ist es das Verhältniß der S u b sta n tia litä t und A ccid en talität. Die absolute Identität dieses Verhältnisses mit sich ist die Substan z als solche, die aber als Nothwendigkeit die Negativität dieser Innerlichkeit ist, also sich als W irk lich k e it setzt, aber ebenso die N e g a tiv itä t dieses Aeußerlichen ist, nach welcher das Wirkliche als unmittelbares nur ein A ccid en telles ist, das durch diese seine bloße Möglichkeit in eine andere Wirklichkeit übergeht; ein U eb ergehen, welches die substantielle Identität als die F o rm th ä tig k e it (§.148. 149.) ist. §. 151. Die Substanz ist hiemit die Totalität der Accidenzen, in denen sie sich als deren absolute Negativität, d.i. als absolute M acht und als den R eichthum alles Inhalts offenbart. Dieser Inhalt ist aber nichts als diese M an ifestatio n selb st, indem die in sich zum Inhalte reflectirte Bestimmtheit selbst nur ein Moment der | Form ist, das in der M acht der Substanz übergeht. Die Substantialität ist selbst die absolute Formthätigkeit und die Macht der Nothwendigkeit, und aller Inhalt nur Moment, das allein diesem Processe angehört, - das absolute Umschlagen der Form und des Inhalts in einander.
§. 152. Nach dem Momente, daß die Substanz als absolute Macht, die sich a u f sich als auf nur innere Möglichkeit beziehende und sich damit zur Accidentalität bestimmende Macht ist, ist sie w irkend, - C a u sa litä t, und nach diesem gesetzten Unterschiede C ausalitäts-V erh ältn iß . 23 Nothwendigkeit]
O2:
Nothwendtgkeit
O 2 : C a u s a l i t ä t s - / v e rh ältn iß
O 1O 3:
Nothwendigkeit
O 3 : C a u sa litä ts - V e r h ä ltn iß
30 C a u sa litä ts- V e r h ä ltn iß ]
147-148
LEHRE VOM WESEN
131
b. C a u s a l it ä t s -V e r h ä l t n is s .
§. 153. Die Substanz ist U rsach e, in sofern sie gegen ihr Uebergehen in die Accidentalität, sich in sich reflectirt, und so die u rsprü n glich e Sache ist, aber eben so sehr die Reflexion-in-sich oder ihre bloße Möglichkeit aufhebt, sich als das Negative ihrer selbst setzt, und so eine W irkung hervorbringt, eine Wirklichkeit, die so nur eine G esetzte, aber durch den Proceß des Wirkens, zugleich nothwendige ist. Die Ursache ist in der Nothwendigkeit, deren Identität ihre Ursprünglichkeit selbst ausmacht, in die Wirkung übergegangen. Es ist kein Inhalt, in sofern wieder von einem bestimmten Inhalte die Rede seyn kann, in der Wirkung, der nicht in der Ursache ist; - jene Identität ist der absolute Inhalt selbst; ebenso ist sie aber auch die Formbestimmung, die Ursprünglichkeit der Ursache wird in der Wirkung aufgehoben, in der sie sich zu einem G esetztsey n macht. Dies G esetztseyn | ist aber ebenso unmittelbar aufgehoben, es ist vielmehr die Reflexion der Ursache in sich selbst, ihre Ursprünglichkeit; in der Wirkung ist erst die Ursache wirklich und Ursache. Die Ursache ist daher an und für sich C ausa sui. - J a c o b i , fest in der einseitigen Vorstellung der V e rm ittlu n g , hat (Briefe über Spinoza, 2te Ausg. S. 416.) die Causa sui (der Effectus sui ist dasselbe), diese absolute Wahrheit der Ursache, blos für einen Formalismus genommen. - Auch in der endlichen Ursache ist diese Identität in Ansehung des Inhalts vorhanden; der Regen, die Ursache, und die Nässe, die Wirkung, sind ein und dasselbe existirende Wasser. Die Ursache im gemeinen Sinne des Causalverhältnisses ist en d lich , in sofern ihr Inhalt endlich ist, (wie in der endlichen Substanz) und in sofern Ursache und Wirkung als zwei verschiedene selbstständige Existenzen vorgestellt werden, - was sie aber nur sind, indem bei ihnen vom Causalitätsverhältniß abstrahirt wird. Weil in der Endlichkeit bei dem U n te rsch ie d e der Formbestimmungen in deren Beziehung stehen geblieben wird, so wird abwechslungsweise die Ursache auch als ein G esetztes oder als W irk u n g bestimmt; diese hat dann wieder eine andere Ursache; so entsteht auch hier der Progreß von Wirkungen zu Ursachen ins Unendliche. Ebenso der a b steigen d e, indem die Wirkung, nach ihrer Identität mit der Ursache selbst als Ursache, und zugleich als eine andere bestimmt wird, die wieder andere Wirkungen hat und sofort ins Unendliche. 18 einseitigen] O 2 : einseitigeu O 3 : Causalitätsverhältniß
O 3 : einseitigen
27-28 Causalitätsverhältniß] O 2 : Causalitatsverhältniß
132
ENCYCLO PÄDIE • LOGIK
148-150
§. 154.
Von der Ursache ist die Wirkung v ersch ied en ; diese ist als solche G esetztseyn. Aber das Gesetztseyn ist ebenso Reflexion-in-sich und Unmittelbarkeit, und das Wirken der Ursache, ihr Setzen, ist zugleich V oraussetzen. Es | ist hiemit eine andere Substanz vorhanden, auf welche ihre Wirkung geschieht. Diese ist, als u n m ittelb ar, nicht sich auf sich beziehende Negativität und activ , sondern passiv. Aber als Substanz ist sie ebenso activ, hebt die vorausgesetzte Unmittelbarkeit und die in sie gesetzte Wirkung auf, re a g irt, d. h. sie hebt die Activität der ersten Substanz auf, welche aber ebenso dies Aufheben ihrer Unmittelbarkeit oder der in sie gesetzten Wirkung ist, hiemit die Activität der ändern aufhebt, und reagirt. Die Causalität ist hiemit in das Verhältniß der W ech selw irk un g übergegangen. In der Wechselwirkung ist der Progreß von Ursachen und Wirkungen ins Unendliche, auf wahrhafte Weise aufgehoben; indem das geradlinige Hinausgehen von Ursachen zu Wirkungen und von Wirkungen zu Ursachen, in sich um - und zu rü ck geb ogen ist. Diese Umbeugung des unendlichen Progresses zu einem in sich beschlossenen Verhältniß ist wie überall die einfache Reflexion, daß in jener gedankenlosen Wiederholung nur ein und dasselbe vorhanden ist, nämlich eine und eine andere Ursache, und deren Beziehung auf einander. Die Entwicklung dieser Beziehung, das Wechselwirken, ist selbst die Abwechslung des U n tersch eid en s der Momente, an deren je d e m für sich, wieder nach der Id e n tität, daß die Ursache nur in der Wirkung Ursache, und umgekehrt ist, - nach dieser Untrennbarkeit, ebenso auch das andere Moment gesetzt wird.
c. D ie W e c h s e l w i r k u n g .
§. 155. Die in der Wechselwirkung als unterschieden festgehaltenen Bestimmungen sind an sich dasselbe; die eine Seite ist Ursache, ursprünglich, activ, passiv u.s.f. | wie die andere. Ebenso ist das Voraussetzen einer ändern, und das Wirken auf sie, die unmittelbare Ursprünglichkeit, und das Gesetztseyn durch den Wechsel, ein und dasselbe. Die als erste angenommene Ursache ist um ihrer Unmittelbarkeit willen p a ssiv e , G esetztseyn und W irkung. Der Unterschied der als zwei 6
ist,] so C 2
O 1 O 2O 3 : ist
29 sind] O 2O 3 : sind a)
s. Editorischer Bericht S. 449
150-151
LEHRE VOM WESEN
133
genannten Ursachen ist leer, und es ist an sich nur Eine, sich in ihrer Wirkung ebenso als Substanz aufhebende, als sich in diesem Wirken erst verselbstständigende Ursache vorhanden. §. 156. Aber auch für sich ist diese Einheit, indem dieser ganze Wechsel das eigene Setzen der Ursache und nur dies ihr Setzen ihr Seyn ist. Die Nichtigkeit der Unterschiede (vorhg. §.) ist nicht nur an sich oder unsere Reflexion, sondern die Wechselwirkung ist selbst dies, jede der gesetzten Bestimmungen auch wieder aufzuheben und in die entgegengesetzte zu verkehren. In die Ursprünglichkeit wird eine Wirkung gesetzt, d. h. die Ursprünglichkeit wird aufgehoben; die Action einer Ursache wird zur Reaction u.s.f.
§. 157. Dieser reine Wechsel mit sich selbst ist hiemit die en th ü llte oder gesetzte N o th w en d igk eit. Das Band der Nothwendigkeit als solcher ist die Identität als noch innere, weil sie die Identität von W irklichen ist, deren Selbstständigkeit jedoch eben die Nothwendigkeit seyn soll. Der Verlauf der Substanz durch die Causalität und Wechselwirkung ist daher nur das Setzen, daß die S e lb ststä n d ig keit die unendliche n egativ e B eziehung au f sich ist, - n e g a tiv e überhaupt, in der das Unterscheiden und Vermitteln zu einer Ursprünglichkeit gegeneinander se lb ststä n d ig e r W irklichen wird, - unendliche B e z ie h u n g a u f sich selb st, indem die Selbstständigkeit derselben eben nur als ihre Identität ist. |
§. 158. Diese W ahrheit der N o th w en d igk eit ist somit die F reih eit, und die W ahrheit der Su b stan z ist der B e g r iff, - die Selbstständigkeit, welche das sich von sich Abstoßen in unterschiedene Selbstständige, als dies Abstoßen identisch mit sich, und diese bei sich selbst bleibende Wechselbewegung nur m it sich ist. §. 159. Der B e g r if f ist hiemit die W ahrheit des Seyns und des W esens, indem das Scheinen der Reflexion in sich selber, zugleich selbstständige Unmittelbarkeit, und dieses Seyn verschiedener Wirklichkeit unmittelbar nur ein Scheinen in sich selbst ist.
134
ENCYCLOPÄDIE • LOGIK
151-152
Indem der Begriff sich als die Wahrheit des Seyns und Wesens erwiesen hat, welche beide in ihm als in ihren G rund z u rü ck g e g a n g e n sind, so hat er u m g ek e h rt sich aus dem Seyn als aus seinem G runde entw ickelt. Jene Seite des Fortgangs kann als ein V ertiefen des Seyns in sich selbst, dessen Inneres durch diesen Fortgang enthüllt worden ist, diese Seite als Hervorgang
5
des V o llk o m m n ern aus dem U n v o llk o m m n e rn betrachtet werden. Indem man solche Entwicklung nur nach der letzten Seite genommen hat, hat man der Philosophie daraus einen Vorwurf gemacht. Der bestimmtere Gehalt, den die oberflächlichem Gedanken von Unvollkommnerem und Vollkommnerem hier haben, ist der Unterschied, den das Seyn als u n m ittelb are io Einheit mit sich, vom B e g riffe als der freien V e rm ittlu n g mit sich, hat. Indem sich das Seyn als ein M om ent des Begriffs gezeigt hat, hat er sich dadurch als die Wahrheit des Seyns erwiesen; als diese seine Reflexion-in-sich und als Aufheben der Vermittlung ist er das V o rau ssetzen des U n m itte lb aren , - ein Voraussetzen, | das mit der Rückkehr-in-sich identisch ist, welche 15 Identität die Freiheit und den Begriff ausmacht. Wenn daher das M om ent das Unvollkommne genannt wird, so ist der Begriff, das Vollkommne, allerdings dies, sich aus dem Unvollkommnen zu entwickeln, denn er ist wesentlich dies Aufheben seiner Voraussetzung. Aber er ist es zugleich allein, der als sich setzend sich die Voraussetzung macht, wie sich in der Causalität überhaupt
20
und näher in der Wechselwirkung ergeben hat. Was die Beziehung des Seyns und Wesens zum Begriffe betrifft, so ist der Begriff das zum Seyn als einfacher U n m itte lb a rk e it z u rü c k g e g a n gene W esen, dessen Scheinen dadurch Wirklichkeit hat, und dessen Wirklichkeit zugleich freies Scheinen in sich selbst ist. Das Seyn hat der
25
Begriff auf solche Weise als seine einfache Beziehung auf sich oder als die Unmittelbarkeit seiner Einheit in sich selbst; Seyn ist eine so arme Bestimmung, daß sie das Wenigste ist, was im Begriffe aufgezeigt werden kann. Der Uebergang von der Nothwendigkeit zur Freiheit, oder vom Wirklichen in den Begriff ist der härteste, weil die selbstständige Wirklichkeit gedacht
30
werden soll, als in dem Uebergehen und der Identität mit der ihr ändern selbstständigen Wirklichkeit, allein ihre Substantialität zu haben; so ist auch der Begriff das härteste, weil er selbst eben diese Identität ist. Die wirkliche Substanz als solche aber, die Ursache, die in ihrem Fürsichseyn nichts in sich eindringen lassen will, ist schon der N o th w e n d ig k e it oder dem Schicksal
35
unterworfen, und diese Unterwerfung ist vielmehr das härteste. Das D en ken der Nothwendigkeit aber, ist vielmehr die Auflösung jener Härte; denn 36 und] O 2 : uud
O 1 O 3 : und
LEHRE VOM WESEN
152-153
5
io
135
es ist das Zusammengehen Seiner im Ändern mit Sich se lb st, - die B e fre iu n g , welche nicht die Flucht der Abstraction ist, sondern in dem ändern Wirklichen, mit dem das Wirkliche durch die Macht der Nothwendigkeit | zusammengebunden ist, sich nicht als anderes, sondern sein eigenes Seyn und Setzen zu haben. Als für sich existiren d heißt diese Befreiung, Ich, als zu ihrer Totalität entwickelt freier G eist, als Empfindung L ie b e , als Genuß S e e lig k e it. - Die große Anschauung der Spinozistischen Substanz ist nur an sich die B efreiu n g von endlichem Fürsichseyn; aber der Begriff selbst ist für sich die Macht der Nothwendigkeit und die w irk lich e Freiheit. |
8 is t] O2: ist
O 1O 3 : is t
136
ENCYCLOPÄDIE • LOGIK
D r it t e Ab t h e il u n g
d e r
154-155
L o g ik .
DIE LEHRE VOM B EG R IFF. §. 160. Der Begriff ist das Freie, als die für sich seyende M acht der Substanz; und als die T o ta litä t dieser Negativität, in welcher je d e s der Momente das G anze ist, das er ist, und als ungetrennte Einheit mit ihm gesetzt ist, ist er in seiner Identität mit sich das an und für sich bestim m te.
§. 161. Das Fortgehen des Begriffs ist nicht mehr Uebergehen noch Scheinen in Anderes, sondern E n tw ick lu n g, indem das Unterschiedene unmittelbar zugleich als das identische gesetzt, oder die Bestimmtheit als ein freies Seyn des Begriffes ist. §. 162. Die Lehre vom Begriffe theilt sich in die Lehre 1) von dem subjectiven oder fo rm e lle n Begriffe, 2) von dem Begriffe als zur Unmittelbarkeit bestimmtem, oder von der O b je c tiv itä t, 3) von der Idee, dem Subject-Objecte, der Einheit des Begriffs und der Objectivität, der absoluten Wahrheit. Die gew ö h n lich e L o g ik faßt nur die Materien in sich, die hier als ein T h e il des d ritten Theils | des Ganzen Vorkommen, außerdem etwa die oben vorgekommenen sogenannten Gesetze des Denkens und in der angewandten Logik noch einiges von dem Erkennen. Die Dürftigkeit dieses Umfangs aufzuzeigen, ist um so überflüssiger, da derselbe sich selbst nur als ein zufällig a u fg elese n e s M aterial gibt, und an irgend eine Rechtfertigung, daß er nicht mehr oder auch weniger sey, nicht gedacht wird. Ohnehin werden diese Formen auch nur als Bestimmungen des bewußten und zwar desselben als nur verständigen, nicht vernünftigen Denkens genommen. In Beziehung auf die vorhergehenden logischen Bestimmungen, die Bestimmungen des Seyns und Wesens, kann bemerkt werden, daß sie zwar an
26
genommen.]
O2 :
genommen
O 3 .'
genommen.
28-138,1
an
sich ] O 2 :
an
sich
155-157
5
LEHRE VOM BEGRIFF
137
sich nicht bloße Gedankenbestimmungen sind; in ihrem Uebergehen, dem dialektischen Momente, und in ihrer Rückkehr in sich und Totalität erweisen sie sich als B e g riffe . Aber sie sind nur b estim m te Begriffe, Begriffe an sich, oder was dasselbe ist, für uns, indem das A ndere, in das jede BeStimmung ü b ergeh t, oder in welchem sie scheint, nicht als B e so n d e re s, noch ihr Drittes als Einzelnes oder Su b ject bestimmt, nicht die Identität der Bestimmung in ihrer entgegengesetzten, ihre Freiheit ge se tzt ist, weil sie nicht A llg em ein h eit ist. - Was gewöhnlich unter B e g r iffe n verstanden wird, sind V erstan d es-B estim m u n gen , auch nur allgemeine V o r-
io
Stellu n gen : daher überhaupt endliche Bestimmungen; vergl. §.62. Die Logik des Begriffs wird nach ihrer gewöhnlichen Behandlung als eine nur fo rm e lle Wissenschaft so verstanden, daß es auf die F o rm als solche des Begriffs, des Urtheils und Schlusses, aber ganz und gar nicht darauf ankomme, ob Etwas w ahr sey; sondern dies hänge ganz allein vom Inhalte
15
ab. Wären wirklich die logischen Formen des Begriffs todte, unwirksame und gleichgültige Behälter von Vorstellungen oder Ge | danken, so wäre ihre Kenntniß eine sehr überflüssige und entbehrliche H isto rie. In der That aber sind sie umgekehrt als Formen des Begriffs der le b en d ige G eist des W irk lich en , und von dem Wirklichen ist wahr nur, was k raft dieser
20
F o rm en , durch sie und in ihnen wahr ist. Die Wahrheit dieser Formen für sich selbst ist aber seither nie betrachtet und untersucht worden, eben so wenig als ihr nothwendiger Zusammenhang. |
A. D E R S U B JE C T IV E B E G R IF F . 25
a. D er
B e g r if f
a l s
s o l c h e r
.
§. 163. Der B e g r if f als solcher enthält die Momente der A llg em ein h e it, als freier Gleichheit mit sich selbst in ihrer Bestimmtheit, der B e so n d e rh e it, der Be30
stimmtheit, in welcher das Allgemeine ungetrübt sich selbst gleich bleibt, und der E in zeln h eit, als der Reflexion der Bestimmtheit in sich, welche negative Ein-
21 und] O 2 : und und
O 1 O 3 : und
138
ENCYCLOPÄDIE • LOGIK
157-158
heit mit sich zugleich das an und für sich b estim m te, und das mit sich identische oder allgemeine ist. Das Einzelne ist dasselbe, was das Wirkliche ist, nur daß jenes aus dem Begriffe hervorgegangen, somit als allgemeines, als die negative Identität mit sich gesetzt ist. Das W irk lich e, weil es nur erst an sich oder u n m ittelb ar die Einheit des Wesens und der Existenz ist, kann es wirken; die Einzelnheit des Begriffes aber ist schlechthin das W irk en de, und zwar auch nicht mehr wie die U rsache mit dem Scheine, ein Anderes zu wirken, sondern das Wirkende seiner selbst. - Die Einzelnheit ist aber nicht in dem Sinne u n m ittelb arer Einzelnheit zu nehmen, nach der wir von einzelnen Dingen, Menschen sprechen; diese Bestimmtheit der Einzelnheit kommt erst beim Urtheile vor. |
§. 164. Der Begriff ist das schlechthin C on crete, weil die negative Einheit mit sich, die Einzelnheit, seine Beziehung auf sich, die Allgemeinheit ausmacht. Die Momente des Begriffes können in sofern nicht abgesondert werden; die Reflexionsbestimmungen sollen jede für sich abgesondert von der entgegengesetzten, gefaßt werden und gelten; aber indem im Begriff ihre Id e n tität gesetzt ist, kann jedes seiner Momente unmittelbar nur aus und mit den ändern gefaßt werden. Allgemeinheit, Besonderheit und Einzelnheit sind abstract genommen dasselbe, was Identität, Unterschied und Grund. Aber das Allgemeine ist das mit sich Identische au sdrücklich in der B e d e u tu n g , daß in ihm zugleich das Besondere, und Einzelne enthalten sey. Ferner ist das Besondere das Unterschiedene in der Bedeutung, daß es allgemein in sich und als Einzelnes sey. Ebenso hat das Einzelne die Bedeutung, daß es Su b ject, Grundlage sey, welche die Gattung und Art in sich enthalte, und selbst substantiell sey. Dies ist die gesetzte Ungetrenntheit der Momente in ihrem Unterschiede (§. 160.) - die K larh eit des Begriffes, in welchem jeder Unterschied keine Unterbrechung, Trübung macht, sondern eben so durchsichtig ist. Man hört nichts gewöhnlicher sagen, als daß der Begriff etwas A b stractes ist. Dies ist in sofern richtig, als er noch nicht die Idee ist. In sofern ist der subjective Begriff noch fo rm ell, jedoch gar nicht als ob er je einen ändern Inhalt haben oder erhalten sollte als sich selbst. - Als die absolute Form selbst ist er alle B estim m th eit, aber wie sie in ihrer Wahrheit ist. Ob er also gleich abstract ist, so ist er das Concrete, und zwar das schlechthin Concrete, das Subject als solches. Das Absolut-Concreteste ist der Geist (s. Anm.
158-160
5
LEHRE VOM BEGRIFF
139
§. 159.) - der Begriff, in sofern er als | Begriff, sich unterscheidend von seiner Objectivität e x istir t; alles andere Concrete ist in seinem Reichthum nicht so innig identisch mit sich, nicht so concret, am wenigsten das, was man gemeinhin unter Concretem versteht, eine äußerlich zusammengehaltene Mannichfaltigkeit. - Was man auch Begriffe und zwar bestimmte Begriffe nennt, z. B. Mensch, Haus, Thier, u.s.f. sind einfache Bestimmungen und abstracte Vorstellungen, - Abstractionen, die vom Begriffe nur das Moment der Allgemeinheit nehmen, und die Besonderheit und Einzelnheit weglassen, eben darum gerade vom Begriffe abstrahiren.
io
§. 165.
Das Moment der E inzelnheit setzt erst die Momente des Begriffes als Unterschiede, indem sie dessen negative Reflexion-in-sich, daher zun äch st das freie Unterscheiden desselben, als die erste N e gatio n , ist, womit die B e stim m theit des Begriffes gesetzt wird, aber als B eso n d erh eit, d. i. daß die Unterschie15 denen erstlich nur die Bestimmtheit der Begriffsmomente gegeneinander haben, und daß zweitens ebenso ihre Identität, daß das eine das andere ist, ge se tzt ist; diese gesetzte Besonderheit des Begriffes ist das U rth eil.
20
25
30
Die gewöhnlichen Arten von klaren, deu tlich en und ad äqu aten Begriffen, gehören nicht dem Begriffe, sondern der Psychologie in sofern an, als unter klarem und deutlichem Begriffe, bloße V o rste llu n g e n gemeint sind, unter jenem eine abstracte, einfach bestimmte, unter diesem eine eben solche, an der aber noch ein M erkm al, d. i. irgend eine Bestimmtheit zum Zeichen für das su b jective Erkennen herausgehoben ist. Der adäqu ate spielt mehr auf den Begriff, ja selbst auf die Idee an, aber drückt noch nichts als das Formelle der Uebereinstimmung eines Begriffs oder auch einer Vorstellung mit ihrem Objecte, - einem | äußerlichen Dinge aus. Den sogenannten su b o rd in irten und co o rd in irte n Begriffen liegt der begrifflose Unterschied vom Allgemeinen und Besondern, und deren Verhältniß-Beziehung in einer äußerlichen Reflexion zu Grunde. Ferner aber eine Aufzählung von Arten con trärer und c o n tra d ic to risc h e r, b ejah e n d e r, verneinender Begriffe u.s.f. ist nichts anderes als ein Auflesen nach Zufall, von Bestimmtheiten des Gedankens, welche für sich der Sphäre des Seyns oder Wesens angehören, wo sie bereits betrachtet worden
35
sind, und die mit der Begriffsbestimmtheit selbst als solcher nichts zu thun haben. - Die wahrhaften Unterschiede des Begriffs, der allgemeine, beson6 z. B .] O 2 : z. B
O 1 O 3 : z. B .
140
ENCYCLOPÄDIE • LOGIK
160-161
dere und einzelne, machen allein, doch auch nur in sofern A rten desselben aus, als sie von einer äußerlichen Reflexion auseinander gehalten werden. Die immanente Unterscheidung und Reflexion des Begriffes selbst ist im U rth e ile gesetzt.
b. D a s
U r t h e il .
§. 166.
Das U rth e il ist der Begriff in seiner Besonderheit, als unterscheidende B e zieh u n g seiner Momente, die zugleich als fürsichseyende und mit sich, nicht mit einander identische gesetzt sind. Gewöhnlich denkt man beim Urtheil zuerst an die Se lb ststän d ig k e it der Extreme, des Subjects und Prädicats, daß jenes ein Ding oder eine Bestimmung für sich, und ebenso das Prädicat eine allgemeine Bestimmung, außer jenem Subject, etwa in meinem Kopfe sey, - die dann von mir mit jener zusammengebracht und hiemit geurtheilt werde. Indem jedoch die Copula, ist, das Prädicat vom Subjecte aussagt, so wird jenes äußer |liehe, subjective Subsum iren wieder aufgehoben, und das Urtheil als eine Bestimmung des G egenstandes selbst genommen. - Die ety m o lo gisch e Bedeutung des U rth eils in unsrer Sprache ist tiefer und drückt die Einheit des Begriffs als das Erste, und dessen Unterscheidung als die u rsp rü n glich e Theilung aus, was das Urtheil in Wahrheit ist. Das abstracte Urtheil drückt zunächst der Satz aus: das E inzelne ist das A llgem ein e. Dies sind die Bestimmungen, die das S u b je ct und P räd icat zunächst gegen einander haben, indem die Momente des Begriffs in ihrer unmittelbaren Bestimmtheit oder ersten Abstraction genommen werden. (Die Sätze: das B eson dre ist das A llg em ein e, und: das E inzelne ist das B eso n d re, gehören der weitern Fortbestimmung des Urtheils an.) Es ist für einen verwundernswürdigen Mangel an Beobachtung anzusehen, das Factum in den Logiken nicht angegeben zu finden, daß in je d e m Urtheil solcher Satz ausgesprochen wird: das E inzelne ist das A llgem ein e, oder noch bestimmter: das Su b ject ist das P räd icat (z.B. Gott ist absoluter Geist). Freilich sind solche Bestimmungen auch unterschieden, aber darum bleibt nicht weniger jenes ganz allgemeine Factum . 9
fürsichseyende] O 2 : sürsichseyende
O 1 O 3 : fürsichseyende
161-162
LEHRE VOM BEGRIFF
141
Die Copula: ist, kommt von der Natur des Begriffs, in seiner Entäußerung id en tisch mit sich zu seyn; das Einzelne und das Allgemeine sind als seine Momente solche Bestimmtheiten, die nicht isolirt werden können. Die frühem Reflexionsbestimmtheiten haben in ihren Verhältnissen auch die Beziehung auf einander, aber ihr Zusammenhang ist nur das H aben, nicht das Seyn, die als solche gesetzte Id en tität oder die A llg e m e in heit. Das Urtheil ist deswegen die wahrhafte B e so n d e rh e it des Begriffs, denn diese ist die Bestimmtheit oder Unterscheidung desselben, welche aber A llg em ein h eit bleibt. |
§. 167. Das Urtheil wird gewöhnlich in subjectivem Sinn genommen, als eine O p e ratio n und Form, die blos im selbstbew ußten Denken vorkomme. Da aber dieser Unterschied im Logischen noch gar nicht vorhanden ist, so ist das Urtheil ganz allgemein, und alle D in ge sind ein U rth eil, - d. h. sie sind E in zeln e, welche eine A llg em ein h e it oder innere Natur in sich sind; oder ein A llg e m eines, das v ere in ze lt ist; die Allgemeinheit und Einzelnheit unterscheidet sich in ihnen, aber ist zugleich identisch. Die Urtheile in subjectivem Sinne sind von den Sätzen unterschieden; in den letztem wird von den Subjecten etwas ausgesagt, das nicht im Verhältniß der Allgemeinheit zu ihnen steht, - ein Zustand, eine einzelne Handlung und dergleichen. Es ist etwas ganz leeres zu sagen, daß dergleichen Sätze z.B . ich habe heute N ach t gut gesch lafen , - oderauch: P räsen tirt das G ew eh r! in die Form eines Urtheils gebracht werden können. - Nur dann würde ein Satz: es fährt ein Wagen vorüber, - ein Urtheil seyn, wenn es zweifelhaft seyn könnte, ob das vorüber sich bewegende ein Wagen sey, oder ob der Gegenstand sich bewege und nicht vielmehr der Standpunkt, von dem wir ihn beobachten; wo das Interesse also darauf geht, für den in meiner Vorstellung noch nicht gehörig bestimmten Gegenstand seine Bestimmung zu finden.
§. 168. Der Standpunkt des Urtheils ist die E n d lich k eit, und die E n d lich k e it der Dinge besteht auf demselben darin, daß sie ein Urtheil sind, daß ihr Daseyn und ihre allgemeine Natur (ihr Leib und ihre Seele) zwar vereinigt sind; sonst wären die Dinge Nichts; aber daß diese ihre Momente auch wesentliche Selbstständig-
142
ENCYCLOPÄDIE • LOGIK
162-164
keit gegen ein | ander haben, daher sowohl bereits verschieden, als überhaupt trennbar sind. §. 169. Im abstracten Urtheile: das Einzelne ist das A llg em ein e, ist das Subject als das negativ sich auf sich beziehende, das unmittelbar C o n crete, das Prädicat hingegen das A b stracte, Unbestimmte, das A llgem ein e. Da sie aber durch: ist, Zusammenhängen, so muß auch das Prädicat in seiner Allgemeinheit die Bestimmtheit des Subjects enthalten, so ist sie die B eso n d erh eit, und diese die gesetzte Id e n titä t des Subjects und Prädicats; als das hiemit gegen diesen Formunterschied Gleichgültige ist sie der Inhalt. Das Subject hat erst im Pradicate seine ausdrückliche Bestimmtheit und Inhalt; für sich ist es deswegen eine bloße Vorstellung oder ein leerer Name. In den Urtheilen: G ott ist das Allerrealste u.s.f. oder das A b solu te ist identisch mit sich u.s.f. ist G ott, das A b so lu te ein bloßer Name; was er ist, ist erst im Prädicate gesagt. Was er als Concretes sonst noch wäre, geht dieses Urtheil nicht an (vergl. §. 31.). -
§. 170 .
Was die nähere Bestimmtheit des Subjects und Prädicats betrifft, so ist das erstere, als die negative Beziehung auf sich selbst (§. 163. 166. Anm.) das Feste, in welchem das Prädicat sein Bestehen hat, und ideell ist, (es in h ärirt dem Subjecte;) und indem das Subject überhaupt und u n m ittelb ar concret ist, ist der bestimmte Inhalt des Prädicats nur Eine der vielen Bestimmtheiten des Subjects, und dieses reicher und weiter als das Prädicat. Umgekehrt ist das P räd icat als das Allgemeine für sich bestehend und gleichgültig, ob dies Subject ist oder nicht; es geht über das Subject hinaus, sub su m irt| dasselbe, und ist seinerseits weiter als das Subject. Der bestim m te Inhalt des Prädicats (vorh. §.) macht allein die Identität beider aus.
§. 1 7 1 .
Subject, Prädicat, und der bestimmte Inhalt oder die Identität, sind zunächst im Urtheile in ihrer Beziehung selbst, als v ersch ied en , auseinander fallend gesetzt. An sich aber sind sie iden tisch, indem seinem Begriffe nach die con-
21
Subject] O 2
Subjeet
O 3 : Subject
29
Prädicat] O 2 : Prädieat
O 3 Prädicat
143
LEHRE VOM BEGRIFF
164-165
crete Totalität des Subjects dies ist, nicht irgend eine unbestimmte Mannichfaltigkeit zu seyn, sondern allein die Einzelnheit als Identität des Besondern und Allgemeinen, und eben diese Einheit ist das Prädicat (§. 170.). - In der Copula ist ferner die Id e n tität des Subjects und Prädicats zwar g e se tzt, aber zunächst nur als abstractes Ist. Nach dieser Id en tität ist das Subject auch in der Bestimmung des Prädicats zu setzen, womit auch dieses die Bestimmung des erstem erhält, und die Copula sich erfü llt. Dies ist die F o rtb estim m u n g des Urtheils, durch die inhaltsvolle Copula zum Schlüsse. Zunächst am Urtheile ist die Fortbestimmung desselben, das Bestimmen der zuerst abstracten, sin n lich en A llg e m e in heit zur A llh eit, G attu n g und A rt, und zur entwickelten B e g r iffs - A llgem einheit. Diese Erkenntniß der Fortbestimmung des Urtheils gibt demjenigen, was als A rten des Urtheils aufgeführt zu werden pflegt, erst sowohl einen Z u sam m en h an g als einen Sinn. Außerdem, daß die gewöhnliche Aufzählung als ganz zufällig aussieht, ist sie etwas oberflächliches, und selbst wüstes und wildes in der Angabe der Unterschiede; wie positives, kategorisches, assertorisches Urtheil unterschieden sey, ist theils aus der Luft gegriffen, theils bleibt es unbestimmt. Die verschiedenen Urtheile sind als nothwendig aus einander folgend, und als ein F o rtb estim m en des B e | g r iffs zu betrachten, denn das Urtheil selbst ist nichts als der b estim m te Begriff. In Beziehung auf die beiden vorhergegangenen Sphären des Sey ns und W esens, sind die bestim m ten B e g riffe als Urtheile Reproductionen dieser Sphären, aber in der einfachen Beziehung des Begriffs gesetzt.
a) QUALITATIVES URTHEIL.
§• 172. Das unmittelbare Urtheil ist das U rth eil des D a se y n s; das Subject in einer Allgemeinheit, als seinem Pradicate, gesetzt, welches eine unmittelbare (somit sinnliche) Qualität ist. 1) P o sitiv es Urtheil, das Einzelne ist ein Besonderes. Aber das Einzelne ist nich t ein Besonderes; näher, solche einzelne Qualität entspricht der concreten Natur des Subjects nicht; 2) n egatives Urtheil. Es ist eines der wesentlichsten logischen Vorurtheile, daß solche qualitative Urtheile, wie: die Rose ist roth, oder ist nicht roth, Wahrheit enthalten
5 Id e n t itä t]
O 2 '
zelne] so C 2
O 2O 3:
Id e n tä t Einzeles
O3:
I d e n t itä t
23 Beziehung] O 2 : Veziehung
O3:
Beziehung
28 Ein-
144
ENCYCLOPÄDIE • LOGIK
165-166
können. R ic h tig können sie seyn, d.i. in dem beschränkten Kreise der Wahrnehmung, des endlichen Vorstellens und Denkens; dies hängt von dem Inhalte ab, der ebenso ein endlicher, für sich unwahrer ist. Aber die Wahrheit beruht nur auf der Form, d. i. dem gesetzten Begriffe, und der ihm entsprechenden Realität.
§. 173. In dieser als erster Negation bleibt noch die B ezieh u n g des Subjects auf das Prädicat, welches dadurch als Allgemeines ist, dessen B e stim m th eit nur negirt worden, (die Rose ist nicht roth, enthält, daß sie aber noch Farbe hat, zunächst eine andere, was aber nur wieder ein positives Urtheil würde.) Das Ein-1 zelne ist aber auch nicht ein Allgemeines. So zerfällt 3) das Urtheil in sich, - 1) in die leere id en tisch e Beziehung: das Einzelne ist das Einzelne, - iden tisches Urtheil; und 2) in sie als die vorhandene völlige Unangemessenheit des Subjects und Prädicats; sogenanntes unendliches Urtheil. Beispiele von letzterem sind: der Geist ist kein Elephant, ein Löwe ist kein Tisch u.s.f. - Sätze, die widersinnig aber richtig, gerade wie die identischen Sätze, ein Löwe ist ein Löwe, der Geist ist Geist. Diese Sätze sind zwar die Wahrheit des unmittelbaren, sogenannten qualitativen Urtheils, allein überhaupt keine Urtheile, und können nur in einem subjectiven Denken Vorkommen, welches auch eine unwahre Abstraction festhalten kann. - Objectiv betrachtet, drücken sie die Natur des Seyen den oder der sinnlichen Dinge aus, daß sie nämlich sind ein Zerfallen in eine leere Identität, und in eine e rfü llte Beziehung, welche aber das q u a lita tiv e A ndersseyn der B e z o g en en , ihre völlige Unangemessenheit ist.
ß) D A S R E F L E X I O N S - U R T H E I L .
§. 174. Das Einzelne als Einzelnes (reflectirt in sich) ins Urtheil gesetzt, hat ein Prädicat, gegen welches das Subject als sich auf sich beziehendes, zugleich ein A nd eres bleibt. - In der Existenz ist das Subject nicht mehr unmittelbar qualitativ, sondern im V erhältniß und Z usam m en h an g m it einem Ä ndern, mit einer äußern Welt. Die A llgem ein h eit hat hiemit die Bedeutung dieser Relativität erhalten. (Z. B. nützlich, gefährlich; Schwere, Säure, - dann Trieb u.s.f.)
LEHRE VOM BEGRIFF
166-168
145
§. 175. 1) Das Subject, das Einzelne als Einzelnes, (im | sin gu lären Urtheil) ist ein Allgemeines. 2) In dieser Beziehung ist es über seine Einzelnheit erhoben. Diese Erweiterung ist eine äußerliche, die subjective Reflexion, zuerst die unbestimmte 5 B eso n d erh eit, (im p articu lären Urtheil, welches unmittelbar eben sowohl negativ als positiv ist. - Das Einzelne ist in sich getheilt, zum Theil bezieht es sich auf sich, zum Theil auf Anderes.) 3) Einige sind das Allgemeine, so ist die Besonderheit zur Allgemeinheit erweitert; oder diese durch die Einzelnheit des Subjects bestimmt, ist die A llh eit (Gemeinschaftlichkeit, die gewöhnliche R e fle io xions-Allgemeinheit).
§. 176. Dadurch, daß das Subject gleichfalls als Allgemeines bestimmt ist, ist die Identität desselben und des Prädicats, so wie hiedurch die Urtheilsbestimmung selbst als gleichgültig gesetzt. Diese Einheit des Inhalts als der mit der negativen 15 Reflexion-in-sich identischen Allgemeinheit macht die Urtheils-Beziehung zu einer N o th w en d igen .
y)
URTHEIL DER N O T H W E N D IG K E IT .
§• 177. Das Urtheil der Nothwendigkeit 1) enthält im Prädicate theils die Su b stan z 20
oder N a tu r des Subjects, das concrete Allgemeine, - die G a ttu n g ; - theils indem dies Allgemeine ebenso die Bestimmtheit als negative in sich enthält, die ausschließende wesentliche Bestimmtheit - die A r t; - k a teg o risc h e s Ur-
theil. 2) Nach dem substantiellen U nterschiede erhalten die beiden Seiten die Ge25 stalt selbstständiger Wirklichkeit, deren Identität daher eine innere, damit die Wirklichkeit des einen zugleich nicht seine, sondern das Seyn des ändern ist; - h y p o th etisch es Urtheil. 3) An dieser Entäußerung des Begriffs, die innere | Identität ge se tzt, so ist das Allgemeine die Gattung, die in ihrer ausschließenden Einzelnheit identisch 30 mit sich ist; das Urtheil, welches dies eine Allgemeine zu seinen beiden Seiten hat, das einemal dasselbe als solches, das andremal als den Kreis seiner sich ausschließenden Besonderung, deren E n tw ed er-O d er, eben so sehr als S o w o h l-
146
ENCYCLOPÄDIE • LOGIK
A ls, die Gattung ist; -
168-169
d isjun ctives U rth eil. Die Allgemeinheit zunächst
als Gattung und Art, ist hiemit als Totalität bestimmt und gesetzt.
8) D A S
URTHEIL DES
BEGRIFFS.
§. 178. Das U rth e il des B e g riffs, hat den Begriff, die Totalität in einfacher Form, zu seinem Inhalte, das Allgemeine mit seiner vollständigen Bestimmtheit. Das Subject ist 1) zunächst ein Einzelnes, das zum Prädicat die R e fle x io n des besondern Daseyns auf das Allgemeine hat, - die Uebereinstimmung oder Nicht-Uebereinstimmung dieser beiden Bestimmungen; gut, wahr, richtig u.s.f. - a sse rto risches Urtheil. Erst ein solches Urtheilen, ob ein Gegenstand, Handlung u.s.f. gut, oder schlecht, wahr, schön u.s.f. heißt man auch im gemeinen Leben urtheilen; man wird keinem Menschen Urtheilskraft zuschreiben, der z. B. die positiven oder negativen Urtheile zu machen weiß; diese Rose ist roth, dies Gemälde ist roth, grün, staubig u.s.f. Durch das Princip des unmittelbaren Wissens und Glaubens ist selbst in der Philosophie das assertorische Urtheilen, das in der Gesellschaft, wenn es für sich auf Geltensollen Anspruch macht, vielmehr für ungehörig gilt, zur einzigen und wesentlichen Form der Lehre gemacht worden. Man kann in den sogenannten philosophischen Werken, die jenes Princip behaupten, hunderte und aber hunderte von V ersich erun | gen über Vernunft, Wissen, Denken u.s.f. lesen, die, weil denn doch die äußere Autorität nicht mehr viel gilt, durch die unendlichen Wiederholungen des einen und desselben sich Beglaubigung zu gewinnen suchen.
§. 179. Das assertorische Urtheil enthält an seinem zunächst unmittelbaren Subjecte nicht die Beziehung des Besondern und Allgemeinen, welche im Prädicat ausgedrückt ist. Dies Urtheil ist daher nur eine su b jectiv e Particularität, und es steht ihm die entgegengesetzte Versicherung mit gleichem Rechte oder vielmehr Unrechte gegenüber; es ist daher 2) sogleich nur ein pro b lem atisch es Urtheil. Aber 3) die objective Particularität an dem Su b je cte des Urtheils gesetzt, 14 Rose] so C 2 O 2 : Röthe
O3 : Rose
20 Werken] O 2 : Werken
O 3: Werken
169-170
LEHRE VOM BEGRIFF
147
seine Besonderheit als die Beschaffenheit seines Daseyns, drückt es nach der Beziehung derselben auf seine Bestimmung, seine Gattung aus; (dieses - die unmittelbare Einzelnheit, - H aus, - Gattung, so - und so b esch affen - Besonderheit - ist gut oder schlecht) - ap o d ik tisch es Urtheil. - A lle D in ge sind eine G attu n g (ihre Bestimmung und Zweck) in einer einzelnen Wirklichkeit von einer besondern Beschaffenheit; und ihre Endlichkeit ist, daß das Besondere derselben dem Allgemeinen gemäß seyn kann, oder auch nicht. §. 180. Subject und Prädicat sind auf diese Weise selbst jedes das ganze Urtheil; die unmittelbare Beschaffenheit des Subjects zeigt sich zunächst als der v e rm itte ln d e G rund zwischen der Einzelnheit des Wirklichen und zwischen seiner Allgemeinheit, dem Urtheil über dasselbe. Was in der That gesetzt worden, ist die Einheit des Subjects und des Prädicats als der Begriff selbst. Er ist die Erfüllung des leeren: Ist, der Copula, und indem seine Momente zugleich als Subject und Prädicat unterschieden | sind, ist er als Einheit derselben, eine vermittelnde Beziehung der Schluß.
C. D er
Sc h l u s s .
§. 181. Der Schluß ist die Einheit des Begriffes und des Urtheils; - er ist der Begriff als die einfache Identität, in welche die Formunterschiede des Urtheils zurückgegangen sind, und Urtheil, in sofern er zugleich in seiner Realität, nämlich in dem Unterschiede seiner Bestimmungen gesetzt ist. Der Schluß ist das V e rn ü n ftig e und A lles Vernünftige. Der Schluß pflegt zwar gewöhnlich als die Form des V e rn ü n ftig e n angegeben zu werden, aber als eine subjective, ohne daß zwischen ihr und sonst einem vernünftigen Inhalt, z. B. einem vernünftigen Grundsätze, einer vernünftigen Handlung, Idee u.s.f. ein Zusammenhang aufgezeigt würde. Es wird überhaupt viel und oft von der V ern un ft gesprochen und an sie appellirt, ohne die Angabe, was ihre B e stim m th eit, w as sie ist. In der That ist das fo rm e lle Schließen das Vernünftige in solcher vernunftlosen Weise, daß es mit einem vernünftigen Gehalt nichts zu thun hat. Da aber ein solcher vernünftig nur seyn kann durch die Bestimmtheit, wodurch das
148
ENCYCLOPÄDIE • LOGIK
170-172
D enken Vernunft ist, so kann er es allein durch die Form seyn, welche der Schluß ist. - Dieser ist aber nichts anders als der ge se tzte , (zunächst formell-) reale B e g r iff, wie der §. ausdrückt. Der Schluß ist deswegen der w esen tlich e G run d alles W ah ren ; und die D e fin itio n des A b soluten ist nunmehr, daß es der Schluß ist, oder als Satz diese Bestimmung ausge- 5 sprochen: A lles ist ein Schluß. Alles ist | Begriff, und sein Daseyn ist der Unterschied der Momente desselben, so daß seine allgemeine Natur durch die Besonderheit sich äußerliche Realität gibt, und hiedurch und als negative Reflexion in sich, sich zum Einzelnen macht. - Oder umgekehrt das Wirkliche ist ein Einzelnes, das durch die Besonderheit sich in die Allgemeinheit io erhebt und sich identisch mit sich macht. - Das Wirkliche ist Eines, aber eben so das Auseinandertreten der Begriffsmomente, und der Schluß der Kreislauf der Vermittlung seiner Momente, durch welchen es sich als Eines setzt.
§. 182.
Der u n m ittelb are Schluß ist, daß die Begriffsbestimmungen als ab stracte 15 gegen einander nur im Verhältniß stehen, so daß die beiden E xtrem e die Einzelnheit und Allgemeinheit, der Begriff aber als die beide zusammenschließende M itte gleichfalls nur die abstracte, einfache B e so n d e rh e it ist. Hiemit sind die Extreme eben so sehr gegeneinander, wie gegen ihre Mitte, g le ic h g ü ltig für sich bestehend gesetzt. Dieser Schluß ist somit das Vernünftige als begriff-
20
los, - der formelle V erstandesschluß. - Das Subject wird darin mit einer ändern Bestimmtheit zusammengeschlossen; oder das Allgemeine subsumirt durch diese Vermittlung ein ihm äußerliches Subject. Der vernünftige Schluß dagegen ist, daß das Subject durch die Vermittlung sich m it sich selbst zusammenschließt. So ist es erst Subject, oder das Subject ist erst an ihm selbst der Ver-
25
nunftschluß. In der folgenden Betrachtung wird der Verstandesschluß nach seiner gewöhnlichen, geläufigen Bedeutung in seiner subjectiven Weise ausgedrückt, die ihm nach dem Sinne zukommt, daß w ir solche Schlüsse machen. In der That ist er nur ein su b jectives Schließen; ebenso hat aber dies die objec-
30
tive Bedeutung überhaupt, daß er nur die E n d lich k e it der Dinge aber auf die | bestimmte Weise, welche die Form hier erreicht hat, ausdrückt. An den endlichen Dingen ist die Subjectivität als Dingheit, trennbar von ihren Eigenschaften, ihrer Besonderheit, ebenso trennbar von ihrer Allgemeinheit, sowohl in sofern diese die bloße Qualität des Dinges und sein äußerlicher Zusammenhang mit ändern Dingen, als dessen Gattung und Begriff ist.
35
LEHRE VOM BEGRIFF
172-173
149
a) QUALITATIVER SCHLUSS.
§. 183. Der erste Schluß ist Schluß des D aseyns oder der q u a lita tiv e , wie er im vorigen §. angegeben worden, 1) E - B - A , daß ein Subject als Einzelnes durch eine Q u a litä t schlossen ist.
mit einer allgem ein en
B e stim m th eit
z u sam m e n g e -
§. 184. Dieser Schluß ist a) ganz z u fä llig nach seinen Bestimmungen, indem die Mitte als abstracte Besonderheit nur irgen d eine B e stim m th e it des Subjects ist, deren es als u n m ittelb ares, somit empirisch-concretes Subject mehrere hat, also mit eben so m ancherlei ändern Allgemeinheiten zusammengeschlossen werden kann, so wie auch eine einzelne Besonderheit wieder verschiedene Bestimmtheiten in sich haben, also das Subjekt durch d en selben medius terminus auf u n tersch ieden e Allgemeine bezogen werden kann. Durch solche Schlüsse kann daher das Verschiedenste, - wie man es nennt, bew iesen werden. Es braucht nur der medius terminus genommen zu werden, aus dem der Uebergang auf die verlangte Bestimmung gemacht werden kann. Mit einem ändern Medius terminus aber läßt sich etwas anderes bis zum Entgegengesetzten bew eisen. - Je concreter ein Gegenstand ist, desto mehrere Seiten hat er, die ihm angehören, und zu | mediis terminis dienen können. Welche unter diesen Seiten wesentlicher als die andere sey, würde wieder auf einem solchen Schließen beruhen, das sich an die einzelne Bestimmtheit hält, und für dieselbe daher gleichfalls leicht eine Seite und R ü ck sich t finden kann, nach welcher sie sich als w ich tig und n oth w en d ig gelten d machen läßt. §. 185. ß) Eben so zufällig ist dieser Schluß durch die Form der B e z ie h u n g , welche in ihm ist. Nach dem Begriffe des Schlusses ist das Wahre die Beziehung von Unterschiedenen durch eine Mitte, welche deren Einheit ist. Beziehungen der Extreme auf die Mitte aber (die sogenannten Präm issen, der O b ersatz und U n te rsatz) sind vielmehr un m ittelb are Beziehungen.
18 term inus] 0 2: term in u s
O 1 O 3 : term in us
ENCYCLOPÄDIE • LOGIK
150
173-174
Dieser Widerspruch des Schlusses drückt sich wieder durch einen unendlichen P rogreß aus, als Foderung, daß die Prämissen gleichfalls, jede durch einen Schluß bewiesen werden; da dieser aber eben solche unmittelbare Prämissen hat, so wiederholt sich diese und zwar sich immer verdoppelnde Foderung ins U nendliche.
5
§. 186. Was hier sogleich (um der empirischen Wichtigkeit willen) als M angel des Schlusses, dem in dieser Form absolute Richtigkeit zugeschrieben wird, bemerkt worden, muß sich in der Fortbestimmung des Schlusses von selbst aufheben. Für diese braucht nur das aufgenommen zu werden, was durch den Schluß bereits io ge se tzt ist; es ist hier innerhalb der Sphäre des Begriffs, wie im Urtheile, die e n tg e g e n g e se tz te Bestimmtheit nicht blos an sich vorhanden, sondern sie ist gesetzt. Durch den unmittelbaren Schluß E —B —A ist das E inzelne mit dem Allgemeinen vermittelt, und in diesem Schlußsatze als Allgemeines gesetzt. Das Ein- 15 zelne als | Subject, so selbst als Allgemeines, ist hiemit nun die Einheit der beiden Extreme und das Vermittelnde; was die zw eite F ig u r des Schlusses gibt; A — E -B . §. 187. 2)
Diese drückt die Wahrheit der ersten aus, daß die Vermittlung in der Einzeln-
heit geschehen, hiemit etwas zufälliges ist. Diese Figur schließt das Allgemeine (welches aus dem vorigen Schlüsse als der abstracte oder unmittelbare Terminus übrig ist, hiemit die Stelle des unmittelbaren Subjects einnimmt) - mit dem Besondern zusammen. Das A llgem ein e ist hiemit durch diesen Schlußsatz auch als Besonderes gesetzt, also als das Vermittelnde der Extreme, deren Stellen jetzt
25
die ändern einnehmen; - die dritte F igu r des Schlusses: B —A —E. Die sogenannten Figuren des Schlusses, (Aristoteles kennt mit Recht deren nur d re i; die v ierte ist ein überflüssiger, ja selbst abgeschmackter Zusatz der Neuern) werden in der gewöhnlichen Abhandlung derselben nur neben einander gestellt, ohne daß im geringsten daran gedacht würde, ihre Nothwendigkeit, noch weniger aber ihre Bedeutung und ihren Werth zu zeigen. Es ist darum kein Wunder, wenn die Figuren später als ein leerer Formalismus behandelt worden sind. Sie haben aber einen sehr gründlichen
17 gibt;] O 2 : gibt.
vgl. O 3 : gibt,
30
20
174-176
LEHRE VOM BEGRIFF
151
Silin, der auf der Nothwendigkeit beruht, daß jedes Moment, als Begriffsbestimmung, selbst das Ganze und der vermittelnde Grund wird. - Welche Bestimmungen aber sonst die Sätze, ob sie universelle, u.s.f. oder negative seyn dürfen, um einen rich tigen Schluß in den verschiedenen Figuren herauszubringen, dies ist eine blos m echanische Untersuchung, die wegen ihres begrifflosen Mechanismus und innern Bedeutungslosigkeit mit Recht in Vergessenheit gekommen ist. - Am wenigsten kann man sich für die Wichtigkeit solcher Untersuchung und des | Verstandesschlusses überhaupt, auf A risto te le s berufen, der freilich diese, so wie fast möchte man sagen, unzählig andere Formen des Geistes und der Natur beschrieben und ihre Bestimmtheit aufgesucht und angegeben hat. In seinen metaphysischen B e g r iffe n sowohl als in den B e g riffe n des Natürlichen und des Geistigen war er so weit entfernt, die Form des Verstandes-Schlusses zur Grundlage und zum Kriterium machen zu wollen, daß man sagen könnte, es würde wohl auch nicht ein einziger dieser Begriffe haben entstehen oder belassen werden können, wenn er den Verstandesgesetzen unterworfen werden sollte. Bei dem vielen Beschreibenden und Verständigen, das Aristoteles nach seiner Weise wesentlich beibringt, ist bei ihm immer das herrschende, der specu lativ e Begriff.
§. 188. Indem jedes Moment die Stelle der Mitte und der Extreme durchlaufen hat, hat sich ihr bestimmter U n tersch ied gegeneinander au fg eh o b e n , und der Schluß hat zunächst in dieser Form der Unterschiedslosigkeit seiner Momente die äußerliche Verstandesidentität, - die G leichheit - zu seiner Beziehung; der q u a n tita tiv e , oder m athem atische Schluß. Wenn zwei Dinge einem dritten gleich sind, sind sie unter sich gleich.
§. 189. Hiedurch ist zunächst an der Form zu Stande gekommen, 1) daß jedes Moment die Bestimmung und Stelle der M itte, also des Ganzen überhaupt bekommen, die Einseitigkeit seiner Abstraction (§. 182. und 184.) hiemit an sich verloren hat; daß 2) die V erm ittlu n g (§. 185.) vollendet worden ist, ebenso nur an sich, nämlich nur als ein K reis sich gegenseitig voraussetzender Vermittlungen. In der ersten Figur E - B - A sind | E - B und B - A noch unvermittelt; jenes wird in der dritten, dieses in der zweiten Figur vermittelt. Aber jede dieser zwei
152
ENCYCLO PÄDIE • LO GIK
176-177
Figuren setzt für die Vermittlung ihrer Prämissen ebenso ihre beiden ändern voraus. Hienach ist die vermittelte Einheit des Begriffs, nicht mehr nur als abstracte Besonderheit, sondern als entw ickelte Einheit der Einzelnheit und Allgemeinheit zu setzen, und zwar zunächst als re fle ctirte Einheit dieser Bestimmungen; die E in zeln h eit zugleich als Allgemeinheit bestimmt. Solche Mitte gibt den R e fle x io n s schluß.
ß) R E F L E X I O N S - S C H L U S S .
§. 190. Die Mitte so zunächst 1) nicht blos als abstracte, besondere Bestimmtheit des Subjects, sondern, zugleich als A lle einzelne co n crete Subjecte, denen nur unter ändern auch jene Bestimmtheit zukommt, gibt den Schluß der A llheit. Jener Obersatz setzt aber den Schlußsatz, der jenen zur Voraussetzung haben sollte, vielmehr selbst voraus. Er beruht daher 2) auf der In d u ctio n , deren Mitte die v o llstä n d ig e n Einzelnen als solche, a, b, c, d, u.s.f. sind. Indem aber die unmittelbare, empirische Einzelnheit von der Allgemeinheit verschieden ist, und darum keine Vollständigkeit gewähren kann, so beruht die Induction 3) auf der A n a lo g ie , deren Mitte ein Einzelnes, aber in dem Sinne seiner wesentlichen Allgemeinheit, seiner Gattung oder wesentlichen Bestimmtheit, ist. Durch den Schluß der Allheit wird der §. 184. aufgezeigte Mangel der Grundform des Verstandesschlusses verbessert; aber so daß der neue Mangel entsteht, nämlich daß der Obersatz das, was Schlußsatz seyn sollte, selbst voraussetzt, als einen somit u n m ittelb aren Satz. - Alle Menschen sind sterblich, also ist Cajus | sterblich, - alle Metalle sind elektrische Leiter, also auch z. B. das Kupfer. Um jene Obersätze, die als A lle die u n m ittelb aren Einzelnen ausdrücken und wesentlich em p irisch e Sätze seyn sollen, aussagen zu können, dazu gehört, daß schon v orh er die Sätze über den einzelnen Cajus, das einzelne Kupfer, für sich als richtig constatirt sind. Mit Recht fällt jedem nicht blos der Pedantismus, sondern der nichtssagende elende Formalismus solcher Schlüsse: Alle Menschen sind sterblich, nun aber ist Cajus u.s.w., auf.
11
e i n z e l n e c o n c r e t e ] O2: e i n z e l n e r c o n c r e t e r
O3: e i n z e l n e c o n c r e t e
177-178
LEHRE VOM BEGRIFF
153
y) SC H L U S S DER N O T H W E N D I G K E I T .
§. 191. Dieser Schluß hat, nach den blos abstracten Bestimmungen genommen, das Allgemeine, wie der Reflexions-Schluß die Einzelnheit, - dieser nach der zweiten, jener nach der dritten Figur (§. 187.) zur Mitte. Aber hier ist das Allgemeine gesetzt als in sich wesentlich bestimmt. Zunächst ist 1) das B e so n d e re in der Bedeutung der bestimmten G attun g oder A rt, die vermittelnde Bestimmung, im k a teg o risc h e n Schlüsse. 2) Das Einzelne in der Bedeutung des unmittelbaren Seyns, daß es eben so vermittelnd als vermittelt sey, - im h y p o th e tischen Schlüsse. 3) Ist das vermittelnde A llg em ein e, auch als Totalität seiner B eso n d eru n gen , und als ein einzelnes Besonderes, ausschließende Einzelnheit, gesetzt, - im d isju n ctiv en Schlüsse; - so daß eins und dasselbe Allgemeine in diesen Bestimmungen als nur in Formen des Unterschieds ist.
§. 192. Der Schluß ist nach den Unterschieden, die er enthält, genommen worden, und der Verlauf derselben zeigt das Sich-Aufheben dieser Unterschiede und des Außersich | seyns des Begriffs. Und zwar hat sich 1) jedes der Momente selbst als die T o ta litä t der Momente, somit als ganzer Schluß erwiesen; sie sind so an sich identisch, und 2) die N e g a tio n ihrer Unterschiede und deren Vermittlung macht das F ürsich seyn aus; so daß ein und dasselbe Allgemeine es ist, welches in diesen Formen ist, und als deren Identität es hiemit auch gesetzt ist. In dieser Idealität der Momente erhält das Schließen die Bestimmung, die N e g a tio n der Bestimmtheiten, durch die es der Verlauf ist, wesentlich zu enthalten, hiemit eine Vermittlung durch Aufheben der Vermittlung, und ein Zusammenschließen des Subjects nicht mit A nderem , sondern mit au fg eh o b en em Ändern, m it sich selb st, zu seyn. §. 193. Diese R e a lisiru n g des Begriffs, in welcher das Allgemeine diese Eine in sich zurückgegangene Totalität ist, deren Unterschiede ebenso diese Totalität sind, und die durch Aufheben der Vermittlung als u n m ittelb are Einheit sich bestimmt hat, - ist das O bject.
23 wesentlich] O 2 : wesentilch
O 3 : wesentlich
ENCYCLOPÄDIE * LOGIK
178-180
So fremdartig auf den ersten Anblick dieser Uebergang vom Subject, vom Begriff überhaupt und näher vom Schlüsse, besonders wenn man nur den Verstandesschluß und das Schließen als ein Thun des Bewußtseyns vor sich hat, - in das Object scheinen mag, so kann es zugleich nicht darum zu thun seyn, der Vorstellung diesen Uebergang plausibel machen zu wollen. Es kann nur daran erinnert werden, ob unsere gewöhnliche Vorstellung von dem, was O b je ct genannt wird, ungefähr dem entspricht, was hier die Bestimmung des Objects ausmacht. Unter Object aber pflegt man nicht blos ein abstractes Seyendes, oder existirendes Ding, oder ein Wirkliches überhaupt zu verstehen, sondern ein concretes, in sich v o llstä n d ig e s Selbstständiges; diese Vollständigkeit ist die T o ta litä t des B e g riffs. | Daß das O b je ct auch G egen stand ist, dies wird sich nachher bestimmen, in sofern es sich in den G egen satz zum S u b je ctiv e n setzt; hier zunächst als das, worein der Begriff aus seiner Vermittlung übergegangen ist, ist es nur u n m ittelb ares, unbefangenes Object, so wie ebenso der Begriff erst in diesem Gegensätze als das S u b je ctiv e bestimmt wird. Ferner ist das O b ject überhaupt das Eine noch weiter in sich unbestimmte Ganze, die objective Welt überhaupt, Gott, das absolute Object. Aber das Object hat ebenso den Unterschied an ihm, zerfällt in sich in unbestimmte Mannichfaltigkeit (als objective W elt) und jedes dieser V erein zelten ist auch ein Object, ein in sich concretes, vollständiges, selbstständiges Daseyn. Wie die Objectivität mit Seyn, Existenz und Wirklichkeit verglichen worden, so ist auch der Uebergang zu Existenz und Wirklichkeit (denn Seyn ist das erste, ganz abstracte Unmittelbare,) mit dem Uebergange zur Objectivität zu vergleichen. Der G rund, aus dem die Existenz hervor geht, das Reflexions-Verhältniß, das sich zur Wirklichkeit aufhebt, sind nichts anderes als der noch unvollkommen gesetzte B e g r iff, oder es sind nur abstracte Seiten desselben, - der Grund ist dessen nur wesenhafte Einheit, das Verhältniß, die Beziehung von reellen, nur in sich reflectirt seyn sollenden Seiten; - der Begriff ist die Einheit von beiden. Es erhellt übrigens, daß es bei diesen sämmtlichen Uebergängen um mehr als blos darum zu thun ist, nur überhaupt die Unzertrennlichkeit des Begriffs oder Denkens vom Seyn zu zeigen. Es ist öfters bemerkt worden, daß Seyn weiter nichts ist, als die einfache Beziehung auf sich selbst, und daß diese arme Bestimmung ohnehin im Begriff oder auch im Denken enthalten ist. Der Sinn dieser Uebergänge ist, nicht Bestimmungen aufzunehmen, wie sie nur enthalten sind, (wie auch in der onto|logischen Argumentation vom Daseyn Gottes durch den Satz geschieht, daß das Seyn eine der Realitäten sey) sondern den Begriff zu nehmen, wie er zunächst für sich bestimmt
LEHRE VOM BEGRIFF
180-181
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seyn soll als Begriff, mit dem diese entfernte Abstraction des Seyns oder auch der Objectivität noch nichts zu thun habe, und an der Bestimmtheit desselben als Begriffsbestimmtheit allein zu sehen, ob und daß sie in eine Form übergeht, welche von der Bestimmtheit, wie sie dem Begriffe angehört und in ihm erscheint, verschieden ist. Wenn das Product dieses Uebergangs, das Object, mit dem Begriffe, der darin nach seiner eigenthümlichen Form verschwunden ist, in Beziehung gesetzt wird, so kann das Resultat rich tig so ausgedrückt werden, daß an sich Begriff oder auch, wenn man will, Subjectivität, und Object d asselb e seyen. Eben so ric h tig ist aber, daß sie versch ieden sind; indem eins so richtig ist, als das andere, ist damit eben eines so unrichtig als das andere. Jenes A n sich ist ein Abstractum, und so einseitig als der Begriff selbst, dessen Einseitigkeit überhaupt sich darin aufhebt, daß er sich zum Objecte, der entgegengesetzten Einseitigkeit, aufhebt. So muß auch jenes An sich durch die N e g a tio n seiner sich zum Fürsichseyn bestimmen. Wie allenthalben ist die speculative Identität nicht jene triviale, daß Begriff und Object an sich identisch seyen; - eine Bemerkung, die oft genug wiederholt worden ist, aber nicht oft genug wiederholt werden könnte, wenn die Absicht seyn sollte, den schaalen, und vollends böswilligen Misverständnissen über diese Identität ein Ende zu machen; was aber verständigerweise nicht zur Absicht zu machen ist. Uebrigens jene Einheit ganz überhaupt genommen, ohne an die einseitige Form ihres A nsichseyn s zu erinnern, so ist sie es bekanntlich, welche bei dem o n to lo g isch e n B ew eise vom Daseyn Gottes v o rau s | ge se tzt wird, und zwar als das V ollkom m enste. Bei A n selm u s, bei welchem der höchst merkwürdige Gedanke dieses Beweises zuerst vorkommt, ist freilich zunächst nur davon die Rede, ob ein Inhalt nur in unserm D e n ken sey. Seine Worte sind kurz diese: Certe id, quo majus cogitari nequit, non potest esse in intellectu solo. Si enim vel in solo intellectu est, potest cogitari esse et in re: quod majus est. Si ergo id, quo majus cogitari non potest, est in solo intellectu; id ipsum, quo majus cogitari non potest, est, quo majus cogitari potest. Sed certe hoc esse non potest. — Die endlichen Dinge sind nach den Bestimmungen, in welchen wir hier stehen, dies, daß ihre Objectivität mit dem Gedanken derselben, d. i. ihrer allgemeinen Bestimmung, ihrer Gattung und ihrem Zweck nicht in Uebereinstimmung ist. Cartesius und Spinoza, u.s.f. haben diese Einheit objectiver ausgespro-
13 auf hebt] O 2 : aushebt
O 3 : au f hebt
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chen, das Princip der unmittelbaren Gewißheit oder des Glaubens aber nimmt sie mehr nach der subjectivern Weise Anselms, nämlich daß mit der Vorstellung Gottes unzertrennlich die Bestimmung seines Seyns in uns er m B ew u ß tsey n verbunden ist. Wenn das Princip dieses Glaubens auch die Vorstellungen der äußerlichen endlichen Dinge in sich befaßt, weil sie in der A n sch au u n g mit der Bestimmung der Existenz verbunden sind, so ist dies wohl richtig. Aber es würde nur die größte Gedankenlosigkeit seyn, wenn gemeynt seyn sollte, in unserm Bewußtseyn sey die Existenz auf dieselbe Weise mit der Vorstellung der endlichen Dinge verbunden, als mit der Vorstellung Gottes; es würde vergessen, daß die endlichen Dinge veränderlich und vergänglich sind, d. i. daß die Existenz nur transitorisch mit ihnen verbunden, daß diese Verbindung nicht ewig, sondern trennbar ist. Anselm hat darum mit Recht das nur für das Vollkommne erklärt, was nicht blos auf eine subjective Weise sey, sondern zugleich auf eine objective Weise ist. | Alles Vornehmthun gegen den sogenannten ontologischen Beweis und gegen diese Anselmische Bestimmung des Vollkommenen hilft nichts, da sie in jedem unbefangenen Menschensinne eben so sehr liegt, als in jeder Philosophie, selbst wider Wissen und Willen, wie im Princip des unmittelbaren Glaubens, zurückkehrt. Der Mangel aber in der Argumentation Anselms, den sie übrigens mit Cartesius, Spinoza, so wie mit dem Princip des unmittelbaren Wissens theilt, ist, daß diese Einheit, die als das Vollkommenste, oder auch subjectiv als das wahre Wissen ausgesprochen wird, v o rau sg e se tz t d.i. nur als an sich angenommen wird, was eben die oben bemerkte abstracte Identität hervorbringt. Dieser wird sogleich die V ersch ieden h eit der beiden Bestimmungen entgegen gehalten, wie auch längst gegen Anselm geschehen ist, d. h. in der That, es wird die Vorstellung und Existenz des Endlichen dem Unendlichen entgegen gehalten, denn wie vorhin bemerkt, ist das Endliche eine solche Objectivität, die dem Zwecke, ihrem Wesen und Begriffe zugleich nicht angemessen, von ihm verschieden ist, - oder eine solche Vorstellung, solches Subjectives, das die Existenz nicht involvirt. Dieser Einwurf und Gegensatz hebt sich nur dadurch, daß das Endliche als ein Unwahres, daß diese Bestimmungen als für sich einseitig und nichtig und die Identität somit als eine, in die sie selbst übergehen und in der sie versöhnt sind, aufgezeigt werden. |
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LEHRE VOM BEGRIFF
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B. D A S O B JE C T . §. 194. Das Object ist unmittelbares Seyn durch die Gleichgültigkeit gegen den Unterschied, und in sich Totalität, und zugleich indem diese Identität nur die ansichseyende der Momente ist, ist es ebenso gleichgültig gegen seine unmittelbare Einheit; der Unterschied ist vorhanden, es ist ein Zerfallen in Unterschiedene, deren jedes selbst die Totalität ist. Das Object ist daher der absolute W id ersp ru ch der vollkommnen Selbstständigkeit des Mannichfaltigen, und der eben so vollkommnen Unselbstständigkeit derselben. Die Definition: das A b solute ist das O b je ct, ist am bestimmtesten in der L eib n izisch en M onade enthalten, welche ein Object, aber an sich vorstellend, und zwar die Totalität der Welt Vorstellung seyn soll; in ihrer einfachen Einheit ist aller Unterschied nur als ideelles, unselbstständiges. Es kommt Nichts von außen in die Monade, sie ist in sich der ganze Begriff, nur unterschieden durch dessen eigene größere oder geringere Entwicklung. Ebenso zerfällt diese einfache Totalität, in die absolute Vielheit der Unterschiede so, daß sie selbstständige Monaden sind. In der Monade der Monaden und der prästabilirten Harmonie ihrer innern Entwicklungen sind diese Substanzen ebenso wieder zur Unselbstständigkeit und Idealität reducirt. Die Leibnizische Philosophie ist so der vollständig entwickelte W iderspruch . |
a. D
e r
M
e c h a n is m u s
.
§. 195. Das Object 1) in seiner Unmittelbarkeit ist der Begriff nur an sich , hat denselben zunächst außer ihm , und alle Bestimmtheit ist an ihm als eine äußerlich gesetzte. Als Einheit Unterschiedener ist es daher ein Z u sam m en g e se tz te s, ein Aggregat, und die Wirksamkeit auf Anderes bleibt eine äußerliche Beziehung, - fo rm e lle r M echanism us. - Die Objecte, in dieser Beziehung, ihrer Unselbstständigkeit, bleiben ebenso selbstständig, Widerstand leistend, einander äußerlich. 10 derselben] W1 IV2 : der Unterschiedenen
R : desselben
ENCYCLO PÄDIE • LOGIK
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Wie Druck und Stoß mechanische Verhältnisse sind, so wissen wir auch mechanisch, ausw en dig, in sofern die Worte ohne Sinn für uns sind, dem Sinne, Vorstellen, Denken äußerlich bleiben; sie sind sich selbst ebenso äußerlich, eine sinnlose Aufeinanderfolge. Das Handeln, Frömmigkeit u.s.f. ist ebenso m echanisch, in sofern dem Menschen durch Ceremonial-Gesetze, einen Gewissensrath u.s.f. bestimmt wird, was er thut, und sein eigner Geist, Wille nicht in seinen Handlungen ist, sie in ihm selbst somit äußerliche sind. §. 196. Die Unselbstständigkeit, nach der das Object G ew alt leidet, hat es nur, in sofern es selbstständig ist, und, als Begriff an sich, hebt sich die eine Bestimmung nicht in ihrer ändern auf, sondern das Object schließt sich durch die Negation seiner, seine Unselbstständigkeit, mit sich selbst zusammen, und ist erst so selbstständig. So zugleich im Unterschiede von der Aeußerlichkeit ist diese Selbstständigkeit neg a tiv e E in h eit mit sich, C e n tra lität, Subjectivität, - in der es selbst auf das Aeußerliche bezogen ist. Dieses ist ebenso central in sich, und darin ebenso | nur auf das andere Centrum bezogen, hat ebenso seine Centralität im Ändern. - 2) D iffe re n te r Mechanismus (Fall, Begierde, Geselligkeitstrieb u. dgl.). §. 197. Die Entwicklung dieses Verhältnisses bildet den Schluß, daß die immanente Negativität als centrale Einzelnheit eines Objects sich auf unselbstständige Objecte als das andere Extrem, durch eine Mitte bezieht, welche die Centralität und Unselbstständigkeit der Objecte in sich vereinigt; - 3 ) a b so lu te r M echanism us. §. 198. Dieser Schluß (E —B - A ) ist ein dreifaches von Schlüssen. Die schlechte E inzeln h eit der u n selb ststän d igen Objecte, in denen der formale Mechanismus einheimisch ist, ist als Unselbstständigkeit eben so sehr die äußerliche A llg e m einheit. Diese Objecte sind daher die M itte zwischen dem ab so lu ten und dem relativ e n Centrum; (die Form des Schlusses A —E —B) denn durch diese Unselbstständigkeit ist es, daß jene beide dirimirt und Extreme, so wie daß sie auf einander bezogen sind. Eben so ist die ab so lu te C e n tra lität als das substantiell-Allgemeine (- die identischbleibende Schwere) welches als die reine Ne6 u.s.f.] O 2 O 3 : u.f.f. gen
21 durch] O 2 : dnrch
31 welches] so C 2 O 1 O 2O 3 : welche
O 1 O 3 : durch
30 bezogen] O 2 : bezogen,
O 1 O 3 : bezo-
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gativität eben so die Einzelnheit in sich schließt, das Vermittelnde zwischen dem relativ en C en tru m und den un selb ststän digen Objecten, die Form des Schlusses B - A - E , und zwar eben so wesentlich nach der immanenten Einzelnheit als dirimirend, wie nach der Allgemeinheit als identischer Zusammenhalt und ungestörtes In-sich-seyn. Wie das Sonnensystem, so ist z. B. im Praktischen der Staat ein System von drei Schlüssen. 1) Der Einzelne (die Person) schließt sich durch seine B e so n d erh eit (die physischen und geistigen Bedürfnisse, was weiter für sich ausgebildet die bürgerliche Gesellschaft | gibt) mit dem A llg em ein en (der Gesellschaft, dem Rechte, Gesetz, Regierung) zusammen. 2) Ist der Wille, Thätigkeit der Individuen das Vermittelnde, welches den Bedürfnissen an der Gesellschaft, dem Rechte u.s.f. Befriedigung, wie der Gesellschaft, dem Rechte u.s.f. Erfüllung und Verwirklichung gibt; 3) aber ist das Allgemeine (Staat, Regierung, Recht,) die substantielle Mitte, in der die Individuen und deren Befriedigung ihre erfüllte Realität, Vermittlung und Bestehen haben und erhalten. Jede der Bestimmungen, indem die Vermittlung sie mit dem ändern Extrem zusammenschließt, schließt sich eben darin mit sich selbst zusammen, producirt sich und diese Production ist Selbsterhaltung. - Es ist nur durch die Natur dieses Zusammenschließens, durch diese Dreiheit von Schlüssen derselben Terminorum, daß ein Ganzes in seiner Organisation wahrhaft verstanden wird.
§. 199. Die U n m itte lb a rk e it der Existenz, welche die Objecte im absoluten Mechanismus haben, ist an sich darin, daß ihre Selbstständigkeit durch ihre Beziehungen auf einander, also durch ihre Unselbstständigkeit vermittelt ist, negirt; so ist das Object als in seiner E xisten z gegen sein Anderes d iffe re n t zu setzen.
b. D
e r
C
h e m is m u s
.
§. 200. Das d ifferen te O b ject hat eine immanente B e stim m th e it, welche seine Natur ausmacht, und in der es Existenz hat. Aber als der B e g r if f an sich ist es 12 Rechte] O 2 : Nechte
O 3 : Rechte
Gesellschaft,] O 2 : Gesellschaft
O 3 : Gesellschaft,
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der Widerspruch dieser seiner Totalität und der Bestimmtheit | seiner Existenz; es ist daher das Streben ihn aufzuheben, und sein Daseyn dem Begriffe gleich zu machen.
§. 201. Der chemische Proceß hat daher das N e u trale seiner gespannten Extreme, welches diese an sich sind, zum Producte; der Begriff, das Allgemeine schließt sich durch die Differenz der Objecte, die Besonderung, mit der Einzelnheit, dem Producte, und darin nur mit sich selbst zusammen. Eben sowohl sind in diesem Processe auch die ändern Schlüsse enthalten; die Einzelnheit, als Thätigkeit ist gleichfalls Vermittelndes, so wie das Allgemeine, das Wesen der gespannten Extreme, welches im Producte zum Daseyn kommt.
§. 202. Der Chemismus hat noch als das Reflexionsverhältniß der Objectivität mit der differenten Natur der Objecte zugleich die u n m ittelb are Selbstständigkeit derselben zur Voraussetzung. Der Proceß ist das Herüber- und Hinübergehen von einer Form zur ändern, die sich zugleich noch äußerlich bleiben. Im neutralen Producte sind die bestimmten Eigenschaften, die die Extreme gegen einander hatten, aufgehoben. Es ist dem Begriffe wohl gemäß, aber das b e ge isten d e Princip der Differenz existirt in ihm als zur Unmittelbarkeit zurückgesunkenem nicht; das Neutrale ist darum ein trennbares. Aber das urtheilende Princip, welches das Neutrale in differente Extreme dirimirt, ingleichen dem indifferenten Objecte überhaupt seine Differenz und Begeistung gegen ein anderes gibt, und der Proceß als spannende Trennung, fällt außer jenem ersten Processe.
§. 203. Die A euß erlich k eit dieser Processe, welche sie als selbstständig gegen einander erscheinen läßt, zeigt aber ihre | Endlichkeit in dem Uebergehen in Producte, worin sie aufgehoben sind. Umgekehrt stellt der Proceß die vorausgesetzte Unmittelbarkeit der differenten Objecte als eine nichtige dar. - Durch diese N e g a tio n der Aeußerlichkeit und Unmittelbarkeit, worein der Begriff als Object versenkt war, ist er frei und für sich gegen jene Aeußerlichkeit und Unmittelbarkeit gesetzt, - als Zw eck.
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C.
Te l e o l o g ie .
§. 2 0 4 .
Der Zweck ist der in freie Existenz getretene, fü rsich sey en d e Begriff, vermittelst der N e g a tio n der unmittelbaren Objectivität. Der Begriff ist damit als su b jectiv bestimmt, indem diese Negation zunächst a b strac t ist, weswegen vorerst die Objectivität auch nur gegenüber steht. Die Bestimmtheit der Subjektivität ist aber gegen die Totalität des Begriffs e in se itig , und zwar für ihn selbst, indem alle Bestimmtheit in ihm sich als aufgehobene gesetzt hat. So ist für ihn das vorausgesetzte Object nur eine ideelle, an sich n ich tige Realität. Als dieser Widerspruch seiner Identität mit sich gegen die [in] ihm gesetzte Negation und Gegensatz ist er selbst das Aufheben desselben, die T h ä tig k e it, den Gegensatz so zu negiren, daß er ihn identisch mit sich setzt. Dies ist das R ealisiren des Z w eck s, in welchem er, indem er sich zum Ändern seiner Subjectivität macht und so objectivirt, den Unterschied beider aufgehoben, sich nur m it sich zusammengeschlossen und erhalten hat. Der Zweck-Begriff ist einerseits überflüssig, sonst mit Recht V e rn u n ftb e g r iff genannt, und dem Abstract-Allgemeinen des Verstandes gegenüber gestellt worden, als welches sich nur subsum iren d auf das Besondere bezieht, indem es das Besondere nicht an | ihm selbst hat. Der Begriff als Zweck aber hat die Besonderheit, d. i. die Subjectivität und damit die weitern Unterschiede an ihm selbst, als seine eigene B estim m u n g. - Ebenso ist der Unterschied des Zweckes als Endursache von der blos w irken den U r sache, d. i. der gewöhnlich sogenannten Ursache, von höchster Wichtigkeit. Die Ursache gehört der noch nicht enthüllten, der blinden NothWendigkeit an; sie erscheint darum als in ihr Anderes übergehend und darin ihre Ursprünglichkeit verlierend; der Zweck dagegen als in ihm selbst die Bestimmtheit oder das, was dort noch als Andersseyn erscheint, enthaltend, geht nicht über in seiner Wirksamkeit, sondern erh ält sich, d. i. bewirkt nur sich selbst, und ist am Ende, was er im A n fän ge, in der Ursprünglichkeit, war; durch diese Selbsterhaltung ist erst das wahrhaft Ursprüngliche. - Der Zweck erfodert übrigens sogleich eine speculative Auffassung, als der Begriff, der selbst in der eigenen Einheit und Id e a lität seiner Be-
4 fü rsic h se y e n d e ] O 2 : fü r - / sich se y e n d e 30-31 Ursprünglichkeit, war;] so C 2
O 3 : fü r-sic h - / se y e n d e
O 2 : Ursprünglichkeit war,
11 [in] ihm] O 3 : in ihm
O 3 : Ursprünglichkeit war;
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Stimmungen das U rth eil oder die Negation, den Gegensatz des Subjectiven und Objectiven enthält. Beim Zwecke muß nicht gleich oder nicht blos an die Form gedacht werden, in welcher er im Bewußtseyn als eine in der Vorstellung vorhandene Bestimmung ist. Mit dem Begriffe von in n erer Zweckmäßigkeit hat K ant die Idee überhaupt, und insbesondere die des Lebens wieder erweckt. Uebrigens enthält schon die Bestimmung des A risto te le s vom Leben die innere Zweckmäßigkeit und steht daher unendlich weit über dem Begriffe moderner Teleologie, die nur die en d lich e, die äußere Zweckmäßigkeit vor sich hatte. Bedürfniß, Trieb sind die am nächsten liegenden Beispiele vom Zweck. Sie sind der gefüh lte Widerspruch, der in n erh alb des lebendigen Subjects selbst Statt findet, und gehen in die Thätigkeit, diese Nega|tion, welche die noch bloße Subjectivität ist, aufzuheben. Die B e frie d ig u n g stellt den Frieden her zwischen dem Subject und Object, indem das Objective, das im noch vorhandenen Widerspruche (- dem Bedürfnisse) drüben steht, ebenso nach dieser seiner Einseitigkeit aufgehoben wird, durch die Vereinigung mit dem Subjectiven. - Diejenigen, welche so viel von der Festigkeit und Unüberwindlichkeit des Endlichen, sowohl des Subjectiven als des Objectiven sprechen, haben an jedem Triebe das Beispiel von dem Gegentheil. Der Trieb ist so zu sagen die G ew ißheit, daß das Subjective nur einseitig ist und keine Wahrheit hat, eben so wenig als das Objective. Der Trieb ist ferner die A usfüh ru n g von dieser seiner Gewißheit; er bringt es zu Stande, diesen Gegensatz, das Subjective, das nur ein Subjectives sey und bleibe, wie das Objective, das ebenso nur ein Objectives sey und bleibe, und diese ihre Endlichkeit aufzuheben. Bei der Thätigkeit des Zweckes ist noch darauf aufmerksam zu machen, daß in dem Sch lüsse, der sie ist, nämlich den Zweck durch das Mittel mit sich in seiner Realisirung zusammen zu schließen, wesentlich die N e g a tio n der Terminorum vorkommt; - die so eben erwähnte Negation der im Zwecke als solchem vorkommenden unmittelbaren Subjectivität, wie der u n m ittelb are n Objectivität (des Mittels und der vorausgesetzten Objecte). Es ist dies dieselbe Negation, welche in Erhebung des Geistes zu Gott, gegen die zufälligen Dinge der Welt, so wie gegen die eigene Subjectivität ausgeübt wird; es ist das Moment, welches, wie in der E in le itu n g und §. 192. erwähnt worden, in der Form von Verstandesschlüssen, die dieser Erhebung
33 Erhebung] O 2 : Erhebuug
O 3 : Erhebung
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in den sogenannten Beweisen vom Daseyn Gottes gegeben wird, übersehen und weggelassen wird. |
§. 205. Die teleologische Beziehung ist als unmittelbar zunächst die äuß erlich e Zweckmäßigkeit, und der Begriff dem Objecte, einem nur v o ra u sg e se tz te n , gegenüber. Der Zweck ist daher endlich, hiemit theils dem In h alte nach, theils darnach, daß er an einem vorzufindenden Objecte, als M ate rial seiner Realisirung eine äußerliche Bedingung hat; seine Selbstbestimmung ist in sofern nur f o r mal. Näher liegt in der Unmittelbarkeit, daß die B e so n d e rh e it (als F o rm b estim m u n g die S u b je c tiv itä t des Zweckes) als in sich reflectirte, als Inhalt, u n tersch ieden von der T o ta litä t der Form, der Subjectivität an sich, dem Begriffe erscheint. Diese Verschiedenheit macht die E n d lich k e it des Zwekkes innerh alb seiner selbst aus. Der Inhalt ist hiedurch ein eben so Beschränktes, Zufälliges und Gegebenes, wie das Object ein Besonderes und Vorgefundenes.
§. 206. Die teleologische Beziehung ist der Schluß, in welchem sich der subjective Zweck mit der ihm äußerlichen Objectivität durch eine Mitte zusammenschließt, welche die Einheit beider, als die zw eckm äßige T h ä tig k e it, und als die unter den Zweck u n m ittelb ar gesetzte Objectivität, das M itte l ist.
§. 207. 1) D er su b jectiv e Zweck ist der Schluß, in welchem sich der a llgem ein e Begriff durch die Besonderheit mit der Einzelnheit so zusammenschließt, daß diese als die Selbstbestimmung urth eilt, d. i. sowohl jenes noch unbestimmte Allgemeine besondert und zu einem bestimmten In h alt macht, als auch den G egen satz von Subjectivität und Objectivität setzt, - und zugleich die Rückkehr in sich ist, indem sie die gegen die Objectivität vor | ausgesetzte Subjectivität des Begriffes als ein Mangelhaftes bestimmt, und sich damit zugleich nach Außen kehrt. §. 208. 2) Diese nach Außen gekehrte T h ätig k eit bezieht sich als die - im subjectiven Zwecke mit der Besonderheit, in welche die äuß erlich e O b je c tiv i-
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tät e in g e sch lo sse n ist, identische - E in zeln h eit, erstens u n m ittelb ar auf das Object, und bemächtigt sich dessen, als eines M ittels. Der Begriff ist diese unmittelbare M ach t, weil er die mit sich identische Negativität ist, in welcher das Seyn des Objects durchaus nur als ein id eelles bestimmt ist. - Die ganze M itte ist nun diese - innere Macht des Begriffs als T h ä tig k e it, mit der das O b je c t als Mittel unmittelbar vereinigt ist, und unter der es steht.
5
In der endlichen Zweckmäßigkeit ist die Mitte dies in die zwei einander äußerlichen Momente, die Thätigkeit und das Object, das zum Mittel dient, g eb roch en e. Die Beziehung des Zwecks als M acht auf dies Object, und die Unterwerfung desselben unter sich ist u n m ittelb ar, - sie ist die erste
10
P räm isse des Schlusses, - in sofern in dem Begriffe als der für sich seyenden Idealität, das Object als an sich nichtig gesetzt ist. Diese Beziehung oder erste Prämisse w ird selbst die M itte, welche zugleich der Schluß in sich ist, indem sich der Zweck durch diese Beziehung, seine Thätigkeit, in der er enthalten und herrschend bleibt, mit der Objectivität zusammenschließt.
15
§. 209. 3) Die zweckmäßige Thätigkeit mit ihrem Mittel ist noch nach Außen gerichtet, weil der Zweck auch nicht identisch mit dem Objecte ist; daher muß er auch erst mit demselben vermittelt werden. Das Mittel ist als Object in dieser
20
zw eiten P räm isse in u n m ittelb arer | Beziehung mit dem ändern Extreme des Schlusses, der Objectivität als vorausgesetzter, dem Material. Diese Beziehung ist die Sphäre des nun dem Zwecke dienenden Mechanismus und Chemismus, deren Wahrheit und freier Begriff er ist. Dies, daß der subjective Zweck, als die Macht dieser Processe, worin das O b je c tiv e sich aneinander abreibt und auf hebt, sich selbst außer ihnen hält und das in ihnen sich erh altende ist, ist die L ist der Vernunft.
25
§. 210. Der realisirte Zweck ist so die gesetzte E in h eit des Subjectiven und Objectiven. Diese Einheit ist aber wesentlich so bestimmt, daß das Subjective und
30
Objective nur nach ihrer E in se itigk e it neutralisirt und aufgehoben, aber das Objective dem Zwecke als dem freien Begriffe und dadurch der Macht über dasselbe unterworfen und gemäß gemacht ist. Der Zweck erh ält sich gegen und in dem Objectiven, weil, außerdem daß er das e in se itig e Subjective, das Besondre ist, er auch das concrete Allgemeine, die an sich seyende Identität beider
35
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ist. Dies Allgemeine, als einfach in sich reflectirt, ist der In h alt, welcher durch alle drei Terminos des Schlusses und deren Bewegung d asselbe bleibt.
§. 211. In der endlichen Zweckmäßigkeit ist aber auch der ausgeführte Zweck ein so in sich gebrochenes, als es die Mitte und der anfängliche Zweck war. Es ist daher nur eine an dem Vorgefundenen Material äußerlich gesetzte Form zu Stande gekommen, die wegen des beschränkten Zweck-Inhalts gleichfalls eine zufällige Bestimmung ist. Der erreichte Zweck ist daher nur ein Object, das auch wieder Mittel oder Material für andere Zwecke ist, und so fort ins U n en dlich e. |
§. 212.
Die Thätigkeit des endlichen Zwecks ist als die nur relativ e Totalität der Subjectivität und Objectivität ein Verfallen in den unendlichen Progreß, indem die Thätigkeit der Widerspruch ist, den Gegensatz der Bestimmungen, den ihr Verlauf aufhebt, auch wieder zu erzeugen. Was aber in dem Realisiren des Zwecks an sich geschieht, ist, daß diese S u b je c tiv itä t und der bloße Schein der objectiven Selbstständigkeit aufgehoben wird. In Ergreifung des Mittels setzt sich der B e g r if f als das an sich seyende Wesen des Objects; in dem mechanischen und chemischen Processe hat sich die Selbstständigkeit des Objects schon an sich verflüchtigt, und in ihrem Verlaufe unter der Herrschaft des Zwecks hebt sich der Sch ein jener Selbstständigkeit, das Negative gegen den B e g r if f, auf. Daß aber der ausgeführte Zweck nur als Mittel und Material bestimmt ist, darin ist dies Object sogleich schon als ein an sich nichtiges, nur ideelles gesetzt. Hiemit ist auch der Gegensatz von Inhalt und Form verschwunden. Indem der Zweck durch Aufhebung der Formbestimmungen sich mit sich selbst zusammenschließt, ist die Form als identisch mit sich, hiemit als Inhalt gesetzt, so daß der B e g r if f als die F o rm -T h ätig k e it nur sich zum Inhalt hat. Es ist also durch diesen Proceß überhaupt nun das gesetzt, was der B e g r if f des Zwecks war, die Einheit des Subjectiven und Objectiven, nur als für sich seyen d , d. h. die ab so lu te an-und-für-sich-seyende Subjectivität, d. i. welche die Einheit ihrer selbst und der Objectivität für sich, su b jectiv ist, - die Idee. |
29 an-und-für-sich-seyende] O 2 : an-und für-sich seyende
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ENCYCLO PÄDIE • LOGIK
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C. D IE ID E E .
§. 213. Die Idee ist das Wahre an und für sich, die ab so lu te E inh eit des B e g r iffs und der O b je ctiv ität. Ihr ideeller Inhalt ist kein anderer als der Begriff in seinen Bestimmungen; ihr reeller Inhalt ist nur seine Darstellung, die er sich in der Form äußerlichen Daseyns gibt, und diese Gestalt in seiner Idealität eingeschlossen, in seiner Macht, so sich in ihr erhält. Die Definition des A bsolu ten , daß es die Idee ist, ist nun selbst absolut. Alle bisherige Definitionen gehen in diese zurück. - Die Idee ist die W ah rh e it; denn die Wahrheit ist dies, daß die Objectivität dem Begriffe entspricht - nicht äußerliche Dinge meinen Vorstellungen, dies sind nur rich tig e Vorstellungen, die Ich D ieser habe. In der Idee handelt es sich nicht um Diesen, noch um Vorstellungen, noch um äußerliche Dinge. - Aber auch alles Wirkliche, in sofern es ein Wahres ist, ist die Idee, und hat seine Wahrheit allein durch und kraft der Idee. Das einzelne Seyn ist irgend eine Seite der Idee, für dieses bedarf es daher noch anderer Wirklichkeiten, die gleichfalls als besonders für sich bestehende erscheinen; in ihnen zusammen und in ihrer Beziehung ist allein der Begriff realisirt. Das Einzelne für sich entspricht seinem Begriffe nicht; diese Beschränktheit seines Daseyns macht seine E n d lich k eit und seinen Untergang aus. | Die Idee selbst ist nicht zu nehmen als eine Idee von irgen d E tw as, so wenig als der Begriff blos als bestimmter Begriff Das Absolute ist die allgemeine und Eine Idee, welche als u rth eilen d sich zum System der bestimmten Ideen besondert, welche aber nur dies sind, in die Eine Idee, in ihre Wahrheit zurückzugehen. Doch ist die Idee als solche zunächst nur die Eine, allgemeine S u b stan z; ihre entwickelte, wahrhafte Wirklichkeit ist, daß sie als Su b ject, und so als Geist, ist. Die Idee wird häufig, in sofern sie nicht eine E x iste n z zu ihrem Ausgangs» und Stützungs-Punkt habe, für ein blos formelles logisches genommen. Man muß solche Ansicht den Standpunkten überlassen, auf welchen das existirende Ding und alle weitern noch nicht zur Idee durchgedrungenen Bestimmungen noch für sogenannte R ealitäten und wahrhafte W irk lich -
21 und] 0 2: uud
0 i 0 3: und
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k eiten gelten. - Eben so falsch ist die Vorstellung, als ob die Idee nur das A b stracte sey. Sie ist es allerdings in sofern, als alles U n w ah re sich in ihr aufzehrt; aber an ihr selbst ist sie wesentlich co n cret, weil sie der freie sich selbst und hiemit zur Realität bestimmende Begriff ist. Nur dann wäre sie das Formell-Abstracte, wenn der Begriff, der ihr Princip ist, als die abstracte Einheit, nicht wie er ist, als die n egative R ückkehr seiner in sich und als die S u b je c tiv itä t genommen würde.
§. 214. Die Idee kann als die V ern un ft, (dies ist die eigentliche philosophische Bedeutung für V e rn u n ft), ferner als das S u b je c t-O b je c t, als die E in h eit des Id eellen und R eellen , des Endlichen und U n en d lich en , der Seele und des L e ib s, als die M ö glich k e it, die ihre W irk lich k e it an ihr selbst hat, als das, dessen N atu r nur als e x isti|ren d b e g riffe n werden kann u.s.f. gefaßt werden; weil in ihr alle Verhältnisse des Verstandes, aber in ihrer unendlichen Rückkehr, und Identität in sich enthalten sind. Der Verstand hat leichte Arbeit, alles, was von der Idee gesagt wird, als in sich w id ersprech en d aufzuzeigen. Dies kann ihm ebenso heim gegeben werden, oder vielmehr ist es schon in der Idee bewerkstelligt; - eine Arbeit, welche die Arbeit der Vernunft, und freilich nicht so leicht, wie die seinige ist. - Wenn der Verstand zeigt, daß die Idee sich selbst widerspreche, weil z. B. das Subjective nur subjectiv, und das Objective demselben vielmehr entgegengesetzt, das Seyn etwas ganz anderes als der Begriff, und daher nicht aus demselben herausgeklaubt werden könne, eben so das Endliche nur endlich und gerade das Gegentheil vom Unendlichen, also nicht mit demselben identisch sey, und sofort durch alle Bestimmungen hindurch, so zeigt vielmehr die Logik das entgegengesetzte auf, daß nämlich das Subjective, das nur subjectiv, das Endliche, das nur endlich, das Unendliche, das nur unendlich seyn soll und so ferner, keine Wahrheit hat, sich widerspricht und in sein Gegentheil übergeht, womit dies Uebergehn und die Einheit, in welcher die Extreme, als aufgehobene, als ein Scheinen oder Momente sind, sich als ihre Wahrheit offenbart. Der Verstand, welcher sich an die Idee macht, ist der gedoppelte Misverstand, daß er erstlich die Extreme der Idee, sie mögen ausgedrückt werden, wie sie wollen, in sofern sie in ihrer E in h eit sind, noch in dem Sinne und der Bestimmung nimmt, in sofern sie nicht in ihrer concreten Einheit, sondern noch A b stractio n en außerhalb derselben sind. Nicht weniger verkennt er selbst die schon ausdrücklich gesetzte B e z ie h u n g ; so über-
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ENCYCLO PÄDIE • LO GIK
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sieht er z. B. sogar die Natur der C o p u la im Urtheil, welche vom Einzelnen, dem Sub | jecte, aussagt, daß das Einzelne eben so sehr nicht Einzelnes, sondern Allgemeines ist. - V ors andere hält der Verstand seine Reflexion, daß die mit sich identische Idee das N e g a tiv e ihrer selbst, den Widerspruch, enthalte, für eine äußerliche Reflexion, die nicht in die Idee selbst falle. In der That ist dies aber nicht eine dem Verstände eigene Weisheit, sondern die Idee ist selbst die Dialektik, welche ewig das mit sich Identische von dem Differenten, das Subjective von dem Objectiven, das Endliche von dem Unendlichen, die Seele von dem Leibe, ab- und unterscheidet, und nur in sofern ewige Schöpfung, ewige Lebendigkeit, und ewiger Geist ist. Indem sie so selbst das Uebergehen oder vielmehr das sich Uebersetzen in den abstracten V erstand ist, ist sie ebenso ewig V e rn u n ft; sie ist die Dialektik, welche dieses Verständige, Verschiedene über seine endliche Natur und den falschen Schein der Selbstständigkeit seiner Productionen wieder verständigt und in die Einheit zurückführt. Indem diese gedoppelte Bewegung nicht zeitlich, noch auf irgend eine Weise getrennt und unterschieden ist, - sonst wäre sie wieder nur abstracter Verstand, - ist sie das ewige Anschauen ihrer selbst im Ändern; der Begriff, der in seiner Objectivität sich selbst ausgeführt hat, das Object, das innere Z w eck m äß igk eit, wesentliche Subjectivität ist. Die verschiedenen W eisen, die Idee aufzufassen, als Einheit des Ideellen und Reellen, des E ndlichen und U n en d lich en , der Id en tität und der D iffe re n z, und so fort, sind mehr oder weniger fo rm e ll, indem sie irgend eine Stufe des bestim m ten B e g r iffs bezeichnen. Nur der Begriff selbst ist frei, und das wahrhaft A llg e m e in e ; in der Idee ist daher seine B e stim m th eit ebenso nur er selbst; eine Objectivität, in welche er als das Allgemeine sich fortsetzt, und in der er nur seine eigene, die totale Bestimmtheit hat. | Die Idee ist das jede die selbstständige Totalität sind, vollendet, in die andere eben so sehr stimmten Begriffe ist diese in ihren
unendlich e U rth e il, dessen Seiten und eben dadurch, daß jede sich dazu übergegangen ist. Keiner der sonst bebeiden Seiten vollendete Totalität, als
der B e g r if f selbst und die O b je ctiv itä t.
§. 215. Die Idee ist wesentlich Proceß, weil ihre Identität nur in sofern die absolute und freie des Begriffes ist, in sofern sie die absolute Negativität und daher dialektisch ist. Sie ist der Verlauf, daß der Begriff als die Allgemeinheit, welche Einzelnheit ist, sich zur Objectivität und zum Gegensatz gegen dieselbe bestimmt, und
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diese Aeußerlichkeit, die den Begriff zu ihrer Substanz hat, durch ihre immanente Dialektik sich in die S u b je c tiv itä t zurückführt. Weil die Idee a. Proceß ist, ist der Ausdruck für das Absolute: die E in heit des Endlichen und Unendlichen, des Denkens und Seyns u.s.f. wie oft erinnert, falsch; denn die Einheit drückt abstracte, ru h ig beharrende Identität aus. Weil sie b. S u b je c tiv ität ist, ist jener Ausdruck ebenso falsch, denn jene Einheit drückt das A nsich, das S u b sta n tie lle der wahrhaften Einheit aus. Das Unendliche erscheint so als mit Endlichem nur n e u tralisirt, so das Subjective mit dem Objectiven, das Denken mit dem Seyn. Aber in der n e gativ e n Einheit der Idee greift das Unendliche eben so sehr über das Endliche hinüber, das Denken über das Seyn, die Subjectivität über die Objectivität. Die Einheit der Idee ist Subjectivität, Denken, Unendlichkeit, und dadurch wesentlich von der Idee als Su b stan z zu unterscheiden, wie diese ü b e rg re ife n d e Subjectivität, Denken, Unendlichkeit von der einseitigen Subjectivität, von dem einseitigen Denken, der einseitigen Unendlichkeit, wozu sie sich urtheilend, bestimmend herabsetzt, zu unterscheiden ist. |
a. Da s Leben .
§. 216. Die u n m ittelb are Idee ist das Leben. Der Begriff ist als Seele in einem Leib e realisirt, von dessen Aeußerlichkeit jene die unmittelbare sich auf sich beziehende A llg em ein h e it, eben so dessen B eso n deru n g, so daß der Leib keine ändern Unterschiede, als die Begriffsbestimmungen an ihm ausdrückt, endlich die Einzelnheit ist, - die Dialektik seiner Objectivität, welche aus dem Schein des selbstständigen Bestehens in die Subjectivität zurückgeführt wird, so daß alle Glieder sich gegenseitig momentane M ittel, wie momentane Zwecke sind, und das Leben, so wie es die an fän glich e Besonderung ist, sich als die n e g a tiv e für sich seyende Einheit re su ltirt, und sich in der Leiblichkeit als dialektischer nur mit sich selbst zusammenschließt. - So ist das Leben wesentlich L e b e n d ig e s, und nach seiner Unmittelbarkeit D ieses Einzelne Lebendige. Die Endlichkeit hat in dieser Sphäre die Bestimmung, daß Seele und Leib tren n b ar sind; dies macht die Sterblichkeit des Lebendigen aus. Aber nur in sofern es todt ist, sind jene zwei Seiten der Idee, verschiedene Bestandstücke. 12 Unendlichkeit] O 2 : Uneudlichkeit
O 3 ' Unendlichkeit
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ENCYCLO PÄDIE • LO GIK
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§. 217. Das Lebendige ist der Schluß, dessen Momente selbst Systeme und Schlüsse (§. 198. 201. 207.) in sich sind, welche aber thätige Schlüsse, Processe, und in der subjectiven Einheit des Lebendigen nur Ein Proceß sind. Das Lebendige ist so der Proceß seines Zusammenschließens mit sich selbst, das sich durch drei P rocesse verläuft. | §. 218. 1) Der erste ist der Proceß des Lebendigen innerh alb seiner, in welchem es sich an ihm selbst dirimirt, und sich seine Leiblichkeit zu seinem Objecte, seiner uno rgan isch e n Natur, macht. Diese, als das relativ Aeußerliche, tritt an ihr selbst in den Unterschied und Gegensatz ihrer Momente, die sich gegenseitig preis geben und eins das andre sich assimiliren und sich selbst producirend erhalten. Diese Thätigkeit der Glieder ist nur die Eine des Subjects, in welche ihre Productionen zurückgehen, so daß darin nur das Subject producirt wird, d. i. es sich nur reproducirt. §. 219. 2) Das U rth e il des Begriffs geht als frei aber dazu fort, das O b je ctiv e als eine selbstständige Totalität aus sich zu entlassen, und die negative Beziehung des Lebendigen auf sich macht, als u n m ittelb are Einzelnheit, die V o rau ssetzu n g einer ihm gegenüberstehenden unorganischen Natur. Indem dies Negative seiner eben so sehr Begriffsmoment des Lebendigen selbst ist, so ist es in diesem, dem zugleich Allgemeinen, als ein M angel. Die Dialektik, wodurch das Object als an sich Nichtiges sich aufhebt, ist die Thätigkeit des seiner selbst gewissen Lebendigen, welches in diesem Proceß gegen eine u n o rg an ische N a tu r hiemit sich selbst erh ält, sich en tw ick elt und o b je ctiv irt.
§. 220.
3) Indem das lebendige Individuum, das in seinem ersten Proceß sich als Subject und Begriff in sich verhält, durch seinen zweiten seine äußerliche Objectivität sich assimilirt und so die reelle Bestimmtheit in sich setzt, so ist es nun an sich G attu n g , substantielle Allgemeinheit. Die Besonderung derselben ist die Beziehung des Subjects | auf ein anderes Su b ject seiner Gattung, und das Urtheil ist das Verhältniß der Gattung zu diesen so gegen einander bestimmten Individuen; - die G eschlechtsdifferenz.
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§. 221. Der Proceß der G attu n g bringt diese zum Fürsich seyn . Das Product desselben, weil das Leben noch die unmittelbare Idee ist, zerfällt in die beiden Seiten, daß nach der einen das lebendige Individuum überhaupt, das zuerst als unmittelbar vorausgesetzt wurde, nun als ein Vermitteltes und E rz e u g te s hervorgeht; daß nach der ändern aber die lebendige E in z e ln h e it, die sich um ihrer ersten U n m itte lb a rk e it willen n egativ zur Allgemeinheit verhält, in dieser als der Macht u n tergeh t. §. 222.
Die Idee des Lebens aber hat damit sich nicht nur von irg e n d einem (besondern) u n m ittelb aren Diesen befreit, sondern von dieser ersten Unmittelbarkeit überhaupt; sie kommt damit zu sich, zu ihrer W a h rh e it; sie tritt hiemit als freie G attu n g für sich selbst in die E xisten z. Der Tod der nur unmittelbaren einzelnen Lebendigkeit ist das H e rv o rg e h en des G eistes.
b. Da s Er k en n en .
§. 223. Die Idee existirt frei für sich, in sofern sie die Allgemeinheit zum Elemente ihrer E xisten z hat, oder die Objectivität selbst als der Begriff ist, die Idee sich zum Gegenstände hat. Ihre zur Allgemeinheit bestimmte Sub | jectivität ist re ines U n tersch eid en innerhalb ihrer, - Anschauen, das sich in dieser identischen Allgemeinheit hält. Als Subjectivitat in dieser Identität ist sie das U rth e il, sich als Totalität von sich abzustoßen, und zwar zunächst sich als äuß erlich es U n iversu m v orauszusetzen .
§. 224. Die Beziehung dieser beiden Ideen, die an sich oder als Leben identisch sind, ist so die relativ e (was die Bestimmung der E n d lich k eit in dieser Sphäre aus-
2 F ü rsic h se y n ] O 1 O 2 O 3 : F ü r - / sich sey n
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ENCYCLOPÄDIE • LOGIK
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macht). Sie ist das R eflex io n sv erh ältn iß , indem die Unterscheidung der Idee in ihr selbst auch nur zugleich das erste Urtheil, das V o rau ssetzen noch nicht als ein Setzen , für die subjective Idee daher die objective die V orgefundene unmittelbare Welt, oder die Idee als Leben in der Erscheinung der einzelnen E x iste n z ist. Zugleich in Einem ist sie, in sofern dies Urtheil reines Unterscheiden in n erh alb ihrer selbst ist (vorhg. §.), für sich sie selbst und ihre A ndere, so ist sie die G ew iß heit der an sich seyenden Identität dieser objectiven Welt mit ihr. - Die Vernunft kommt an die Welt, mit dem absoluten Glauben die Identität setzen und ihre Gewißheit zur W ahrheit erheben zu können, und mit dem Triebe, den fü r sie an sich nichtigen Gegensatz auch als nichtig zu setzen.
§. 225. Dieser Proceß ist im Allgemeinen das Erkennen. An sich wird in ihm in E in er Thätigkeit der Gegensatz, die Einseitigkeit der Subjectivität mit der Einseitigkeit der Objectivität, aufgehoben. Aber dies Aufheben geschieht zunächst nur an sich , und der Proceß als solcher ist unmittelbar selbst mit der Endlichkeit dieser Sphäre behaftet und zerfällt in die g e d o p p e lte als verschieden gesetzte Bewegung des Triebs, - die Einseitigkeit der S u b je c tiv itä t der Idee aufzuheben vermittelst der Aufnahme | der seyenden Welt, in sich, in das subjective Vorstellen und Denken, und die abstracte Gewißheit seiner selbst mit Objectivität als In h alt zu erfüllen, - und umgekehrt die E in se itig k e it der objectiven Welt, die hiemit hier im Gegentheil nur als ein Sch ein , eine Sammlung von Zufälligkeiten und an sich nichtigen Gestalten gilt, aufzuheben, sie durch das Innere des Subjectiven, das hier als das wahrhaft seyende Objective gilt, zu bestimmen und ihr dieses einzubilden. Jenes ist der Trieb des Wissens nach Wahrheit, E rk en n en als solches - die th eoretisch e, - dieses der Trieb des G uten zur Vollbringung desselben, - das W ollen, die p rak tisch e Thätigkeit der Idee.
a. D A S E R K E N N E N .
§. 226. Die allgemeine Endlichkeit des Erkennens, die in der V o rau ssetzu n g des Gegensatzes (§. 224.) liegt, gegen welche sein Thun selbst der Widerspruch ist,
23 als] so C 2
O 2 : durch
O 3 : als
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bestimmt sich näher an seiner eignen Idee dazu, daß deren Momente die Form der Verschiedenheit von einander haben, und indem sie zwar vollständig sind, in das Verhältniß der Reflexion, nicht des Begriffs zu einander zu stehen kommen. Die Assimilation des Stoffes als eines Gegebenen erscheint daher als die A ufn ah m e desselben in die ihm zugleich äußerlich bleibende Begriffsbestimmungen, welche ebenso in der Verschiedenheit gegen einander auftreten. Es ist die als V e rstand thätige Vernunft. Die Wahrheit, zu der dies Erkennen kommt, ist daher gleichfalls nur die en d lich e; die unendliche des Begriffs ist als ein nur an sich seyendes Ziel, ein Je n se its für dasselbe fixirt.
§. 227. Das endliche Erkennen hat 1) indem es das U n tersch ied en e als ein Vorgefundenes, ihm gegenüber | stehendes Seyendes, - die mannichfaltigen T hat sachen der äußern Natur oder des Bewußtseyns, - voraussetzt, für die Form seiner Thätigkeit nur die fo rm e lle Iden tität oder die A b stra ctio n der Allgemeinheit. Diese Thätigkeit besteht daher darin, das gegebene Concrete aufzulösen, dessen Unterschiede zu vereinzeln und ihnen die Form a b strac ter A llg e m e in heit zu geben; oder das Concrete als G rund zu lassen, und durch Abstraction von den unwesentlich scheinenden Besonderheiten ein concretes Allgemeines, die G attu n g oder die Kraft und das Gesetz, herauszuheben; - A n aly tisch e M ethode.
§. 228. Diese A llg e m e in h e it ist 2) auch eine B estim m te. Weil der B e g r if f im endlichen Erkennen nicht in seiner Unendlichkeit ist, ist er der v e rstä n d ig e , b estim m te B e g riff. Die Aufnahme des Gegenstandes in die Formen desselben ist die syn th etisch e M ethode.
§. 229. a) Der Gegenstand von dem Erkennen zunächst in die Form des Allgemeinen als des bestimmten Begriffes gebracht, so daß hiemit dessen G attu n g und dessen allgemeine B e stim m th eit gesetzt wird, ist die D e fin itio n . Die Bestimmtheit soll jedoch nur ein M erkm al, d. i. zum Behufe des dem Gegenstände äußerlichen, nur subjectiven Erkennens seyn.
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ENCYCLOPÄDIE • LO GIK
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§. 230. ß) Die Angabe des zweiten Begriffsmoments, der Bestimmtheit des Allgemeinen als B e so n d ru n g , ist die E in th eilu n g, nach irgend einer äußerlichen Rücksicht. §. 231. y) In der co n creten E inzelnheit, so daß die in der Definition einfache Bestimmtheit als ein V e r|h ä ltn iß aufgefaßt ist, ist der Gegenstand eine synthetische Beziehung unterschiedener Bestimmungen; - ein T heorem . Die Identität derselben, weil sie verschiedene sind, ist eine v erm itte lte . Das Herbeibringen des Materials, welches die Mittelglieder ausmacht, ist die C o n stru ctio n , und die Vermittlung selbst, woraus die Nothwendigkeit jener Beziehung für das Erkennen hervorgeht, der Bew eis. Nach den gewöhnlichen Angaben von dem Unterschiede der synthetischen und analytischen Methode erscheint es im Ganzen als beliebig, welche man gebrauchen wolle. Wenn das Concrete, das nach der synthetischen Methode als R esu ltat dargestellt ist, v o rau sg e se tz t wird, so lassen sich aus demselben die abstracten Bestimmungen als F o lg e n heraus analysiren, welche die V o rau ssetzu n gen und das M ate rial für den Beweis ausmachten. Die algebraischen D efin itio n en der krummen Linien sind T h e o rem e in dem geometrischen Gange; so würde etwa auch der pythagoräische Lehrsatz als Definition des rechtwinklichten Dreiecks angenommen, die in der Geometrie zu seinem Behuf früher erwiesenen Lehrsätze durch Analyse ergeben. Die Beliebigkeit der Wahl beruht darauf, daß die eine wie die andere Methode von einem äußerlich V o rau sg e se tz ten ausgeht. Der Natur des Begriffes nach ist das Analysiren das Erste, indem es den gegebenen empirisch-concreten Stoff vorerst in die Form allgemeiner Abstractionen zu erheben hat, welche dann erst als Definitionen in der synthetischen Methode vorangestellt werden können. Daß diese Methoden für das philosophische Erkennen unbrauchbar sind, erhellt von selbst, da sie eine erste Voraussetzung haben, und das Erkennen sich darin zum Verstand, und dem Fortgehen an formeller Identität herabsetzt. Bei Sp in o z a , der die geometrische Methode vornehmlich und zwar für sp e cu lativ e Begriffe | gebrauchte, macht sich der Formalismus derselben sogleich auffallend. Die W ölfisch e Philosophie, welche sie zum weitesten Pedantismus ausgebildet, ist auch ihrem Inhalte nach Verstandes-Metaphysik. - An die Stelle des Misbrauchs, der mit dem Formalismus dieser Methoden in der Philosophie und in den Wissenschaften getrieben worden,
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LEHRE VOM BEGRIFF
ist in neuern Zeiten der Misbrauch mit der sogenannten C o n stru c tio n getreten. Durch K an t war die Vorstellung in Umlauf gebracht worden, daß die Mathematik ihre B e g riffe c o n stru ire ; dies sagte nichts anders, als daß sie es mit keinen B e g riffe n , sondern mit abstracten Bestimmungen sin n lich er A nschauungen zu thun hat. So ist denn die Angabe sin n lich er aus der W ahrnehm ung aufgegriffener Bestimmungen mit Umgehung des Begriffs, und der fernere Formalismus, philosophische und wissenschaftliche Gegenstände nach einem vorausgesetzten Schema tabellarisch, übrigens nach Willkühr und Gutdünken, zu classificiren, - eine C o n stru ctio n der B e g r iffe genannt worden. Es liegt dabei wohl eine dunkle Vorstellung der Idee, der Einheit des B e g r iffe s und der O b je c tiv itä t, so wie daß die Idee concret sey, im Hintergründe. Aber jenes Spiel des sogenannten Construirens ist weit entfernt diese E in h eit darzustellen, die nur der B e g r if f als solcher ist, und eben so wenig ist das Sinnlich-Concrete der Anschauung ein Concretes der Vernunft und der Idee. Weil es übrigens die G eom etrie mit der sin n lich en , aber a b stra c ten A n sch auun g des Raums zu thun hat, so kann sie ungehindert einfache Verstandesbestimmungen in ihm fixiren; sie hat deswegen allein die synthetische Methode des endlichen Erkennens in ihrer Vollkommenheit. Sie stößt jedoch in ihrem Gange, was sehr bemerkenswerth ist, zuletzt auf In co m m en su rab ilitäten und Irratio n a litä te n , wo sie, | wenn sie im Bestimmen weiter gehen will, über das verständige Princip h in a u sg e trieb en wird. Auch hier tritt, wie sonst häufig, an der Terminologie die Verkehrung ein, daß was R atio n al genannt wird, das V e rstän d ig e , was aber Irra tio n a l, vielmehr ein Beginn und Spur der V e rn ü n ftig k e it ist. Andere Wissenschaften, wenn sie, was ihnen nothwendig geschieht, an die Gränze ihres verständigen Fortgehens kommen, helfen sich auf leichte Weise. Sie brechen die Consequenz desselben ab, und nehmen, was sie brauchen, oft das Gegentheil des Vorhergehenden, von Außen, aus der Vorstellung, Meynung, Wahrnehmung, oder woher es sonst sey, auf. - Die Bewußtlosigkeit des endlichen Erkennens über die Natur seiner Methode und deren Verhältniß zum Inhalt, laßt es weder erkennen, daß es in seinem Fortgehen durch Definitionen, Eintheilungen, u.s.f. von der Notwendigkeit der B e g riffsb e stim m u n g e n fortgeleitet wird, noch wo es an seiner Grenze ist, noch, wenn es dieselbe überschritten hat, daß es sich in einem
20 V ollkom m enheit] O 2 : V ollkom m enheit
O 1 O 3 : Vollkom m enheit
32 und] O 2 : nnd
O 3 : und
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ENCYCLOPÄDIE • LOGIK
208-209
Felde befindet, wo die Verstandesbestimmungen nicht mehr gelten, die es jedoch roher Weise noch darin gebraucht.
§. 232. Die N o th w e n d ig k e it, welche das endliche Erkennen im B ew eise hervorbringt, ist zunächst eine äußerliche, nur für die subjective Einsicht bestimmte. Aber in der Nothwendigkeit als solcher hat es seine Voraussetzung und den Ausgangspunkt, das V o rfin d en und G egebenseyn seines Inhalts, verlassen. Die Nothwendigkeit als solche, ist an sich der sich auf sich beziehende Begriff. Die subjective Idee ist so an sich zu dem an und für sich bestimmten, nicht g e g e benen, und daher demselben als dem Su b jecte im m anenten gekommen und geht in die Idee des W ollens über. |
b. DA S W O L L E N .
§. 233. Die subjective Idee als das an und für sich Bestimmte und sich selbst gleicher, einfacher Inhalt ist das Gute. Ihr Trieb, sich zu realisiren hat das umgekehrte Verhältniß gegen die Idee des W ahren, und geht darauf, vielmehr die Vorgefundene Welt nach seinem Z w ecke zu bestimmen. - Dieses W ollen hat einerseits die Gewißheit der N ich tig k e it des vorausgesetzten Objects, - andererseits aber setzt es als Endliches, zugleich den Zweck des Guten als nur su b jective Idee, und die S e lb ststän d igk e it des Objects voraus.
§. 234. Die Endlichkeit dieser Thätigkeit ist daher der W id ersp ru ch , daß in den selbst widersprechenden Bestimmungen der objectiven Welt der Zweck des Guten eben so ausgeführt wird, als auch nicht, daß er als ein unwesentlicher so sehr als ein wesentlicher, als ein wirklicher und zugleich als nur möglicher gesetzt ist. Dieser Widerspruch stellt sich als der unendliche P rogreß der Verwirklichung des Guten vor, das darin ebenso nur als ein So llen fixirt ist. Das fo rm elle Verschwinden dieses Widerspruches ist darin, daß die Thätigkeit die Subjectivität des Zweckes und damit die Objectivität, den Gegensatz, durch den beide endlich sind, und nicht nur diese Subjectivität, sondern sie im Allgemeinen aufhebt; eine andere Subjectivität, d. i. ein neues Erzeugen des Gegensatzes, ist
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LEHRE VOM BEGRIFF
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von der, die eine vorige seyn sollte, nicht unterschieden. Diese Rückkehr in sich ist zugleich die E rin n eru n g des Inhalts in sich, welcher das G ute und die an sich seyende Identität beider Seiten, ist, - die Erinnerung an die Voraussetzung des theoretischen Verhaltens (§. 224.), daß das Object das an ihm Substantielle 5 und Wahre sey. |
§. 235. Die W ah rh eit des Guten ist damit gesetzt, als die Einheit der theoretischen und praktischen Idee, daß das Gute an und für sich erreicht, - die objective Welt so an und für sich die Idee ist, wie sie zugleich ewig als Z w eck sich setzt und io durch Thätigkeit ihre Wirklichkeit hervorbringt. - Dieses aus der Differenz und Endlichkeit des Erkennens zu sich zurückgekommene und durch die Thätigkeit des Begriffs mit ihm identisch gewordene Leben ist die sp e cu lativ e oder ab solu te Idee.
C.
i5
D ie a b s o l u t e
Id e e .
§. 236. Die Idee als Einheit der subjectiven und der objectiven Idee ist der Begriff der Idee, dem die Idee als solche der Gegenstand, dem das Object sie ist; - ein Object, in welches alle Bestimmungen zusammengegangen sind. Diese Einheit ist hiemit 20
die ab so lu te , und alle W ahrheit, die sich selbst denkende Idee, und zwar hier als denkende, als lo gisch e Idee.
§. 237. Für sich ist die ab so lu te Idee, weil kein Uebergehen noch Voraussetzen, 25
und überhaupt keine Bestimmtheit, welche nicht flüssig und durchsichtig wäre, in ihr ist, die reine Form des Begriffs, die ihren Inh alt als sich selbst anschaut.
Sie ist sich In h alt, in sofern sie das ideelle Unterscheiden ihrer selbst von sich, und das eine der Unterschiednen die Identität mit sich ist, in der aber die Totalität der Form als das System der Inhaltsbestimmungen enthalten ist. Dieser Inhalt ist das System des Logisch en . Als Form bleibt hier der Idee nichts | als die 30 M eth ode dieses Inhalts, - das bestimmte Wissen von der Währung ihrer Momente.
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211-212
ENCYCLOPÄDIE • LOGIK
§. 238. Die Momente der speculativen Methode sind a. der A n fan g , der das Seyn oder U n m itte lb a re ist; für sich aus dem einfachen Grunde, weil er der Anfang ist. Von der speculativen Idee aus aber ist es ihr Se lb stb e stim m e n , welches als die absolute Negativität oder Bewegung des Begriffs u rth eilt und sich als das Negative seiner selbst setzt. Das Seyn, das für den Anfang als solchen als abstracte Affirmation erscheint, ist so vielmehr die N e g a tio n , G esetztseyn, Vermitteltseyn überhaupt und V or aus gesetztseyn. Aber als die Negation des B e g r iffs , der in seinem Andersseyn schlechthin identisch mit sich und die Gewißheit seiner selbst ist, ist es der noch nicht als Begriff gesetzte Begriff, oder der Begriff an sich. - Dies Seyn ist darum als der noch unbestimmte, d. i. nur an sich oder unmittelbar bestimmte Begriff, eben so sehr das A llgem ein e. Der A n fan g wird im Sinne des unmittelbaren Seyns aus der Anschauung und Wahrnehmung genommen, - der Anfang der an alytisch en Methode des endlichen Erkennens, im Sinn der Allgemeinheit ist er der Anfang der synthetischen Methode desselben. Da aber das Logische unmittelbar eben so Allgemeines als Seyendes, eben so von dem Begriffe sich vorausgesetztes, als unmittelbar er selbst ist, so ist sein Anfang eben so synthetischer als analytischer Anfang. §. 239. b. Der F o rtg a n g ist das gesetzte U rth eil der Idee. Das unmittelbare Allgemeine ist als der Begriff an sich die Dialektik, an ihm selbst seine Unmittelbarkeit und Allgemeinheit zu einem Momente herabzusetzen. Es ist damit das N e g a tiv e des Anfangs oder das Erste in | seiner B e stim m th e it gesetzt; es ist für eines, die B ezieh u n g Unterschiedener, - M om en t der R eflex io n . Dieser Fortgang ist eben sowohl an aly tisch , indem durch die immanente Dialektik nur das gesetzt wird, was im unmittelbaren Begriffe enthalten ist; - als synthetisch, als in diesem dieser Unterschied noch nicht gesetzt ist. §. 240. Die abstracte Form des Fortgangs ist im Seyn ein A nderes und U ebergeh en in ein Anderes, im Wesen Scheinen in dem E n tg e g e n g e se tz ten , im B e-
22 an ist
sich die Dialektik,] O 2 : an sich, die Dialektik
vgl. O 3: war
O3 :
an sich die Dialektik,
29
ist] O 2 : sind
O i:
212-213
LEHRE VOM BEGRIFF
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griffe die Unterschiedenheit des Einzelnen von der A llg e m e in h e it, welche sich als solche in das von ihr Unterschiedene co n tin u irt und als Id e n tität mit ihm ist.
§. 241. 5
10
In der zweiten Sphäre ist der zuerst an sich seyende Begriff zum Sch ein en gekommen, und ist so an sich schon die Idee. - Die Entwicklung dieser Sphäre wird Rückgang in die erste, wie die der ersten Uebergang in die zweite ist; nur durch diese gedoppelte Bewegung erhält der Unterschied sein Recht, indem jedes der beiden Unterschiednen sich an ihm selbst betrachtet zur Totalität vollendet, und darin sich zur Einheit mit dem ändern bethätigt. Nur das Sich-Aufheben der Einseitigkeit b eider an ihnen selbst läßt die Einheit nicht einseitig werden. §. 242.
15
Die zweite Sphäre entwickelt die Beziehung der Unterschiednen zu dem, was sie zunächst ist, zum W id erspruch e an ihr selbst, —im u n en d lich en P ro -
20
greß, —der sich c) in das Ende auflöst, daß das Differente als das gesetzt wird, was es im Begriffe ist. Es ist das | Negative des Ersten, und als die Identität mit demselben die Negativität seiner selbst; hiemit die Einheit, in welcher diese beiden Ersten als ideelle und Momente, oder als aufgehobene d. i. zugleich als aufbewahrte sind. Der Begriff, so von seinem A nsichseyn vermittelst seiner Differenz und deren Aufheben sich mit sich selbst zusammenschließend, ist der realisirte Begriff, d. i. der Begriff das G esetztseyn seiner Bestimmungen in seinem Fü rsich seyn enthaltend, - die Idee, für welche zugleich als absolut Erstes (in der Methode) dies Ende nur das V erschw inden des Sch ein s ist, als ob der
25
Anfang ein unmittelbares, und sie ein Resultat wäre; - das Erkennen, daß die Idee die Eine Totalität ist. §. 243.
30
Die Methode ist auf diese Weise nicht äußerliche Form, sondern die Seele und der Begriff des Inhalts, von welchem sie nur unterschieden ist, in sofern die Momente des B e g r iffs auch an ihnen selbst in ihrer B e stim m th e it als die Totalität des Begriffs sind. Indem diese Bestimmtheit oder der Inhalt sich mit der
5 an sic h ]
O 2O 3 :
den.] O 2: werden
an sich
O3 :
1 0 - 1 1 Sich-Auf heben]
werden.
O2 :
mit Aufheben
O3 :
S ich -A u f heben
1 2 wer-
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ENCYCLOPÄDIE • LOGIK
213-214
Form zur Idee zurückführt, so stellt sich diese als system atisch e Totalität dar, welche nur Eine Idee ist, deren besondere Momente eben sowohl an sich dieselbe sind, als durch die Dialektik des Begriffs das einfache Fürsichseyn der Idee hervorbringen. - Die Wissenschaft schließt auf diese Weise damit, den Begriff ihrer selbst zu fassen, als der reinen Idee, für welche die Idee ist.
§. 244. Die Idee, welche für sich ist, nach ihrer E in h eit mit sich b etrach tet, ist sie A n sch au en ; und die anschauende Idee N atu r. Als Anschauen aber ist die Idee in einseitiger Bestimmung der Unmittelbarkeit | oder Negation, durch äußerliche Reflexion gesetzt. Die absolute Freih eit der Idee aber ist, daß sie nicht blos ins L eben ü b ergeh t, noch als endliches Erkennen dasselbe in sich scheinen läßt, sondern in der absoluten Wahrheit ihrer selbst sich entschließ t, das Moment ihrer Besonderheit oder des ersten Bestimmens und Andersseyns, die unm itte lb a re Idee, als ihren Wiederschein, sich als N a tu r frei aus sich zu entlassen. |
4 hervorbringen]
O 2 : hervorbringeu
O 1O 3 : hervorbringen
II. N A TU R PH ILO SO PH IE.
EINLEITUNG
217-218
183
ZW EITER THEIL.
NATURPHILOSOPHIE.
E IN L E IT U N G .
B e t r a c h t u n g sw eisen
d e r
N a t u r .
§. 245. Praktisch verhält sich der Mensch zu der Natur als zu einem Unmittelbaren und Aeußerlichen selbst als unmittelbar Aeußerliches und damit sinnlich Einzelner, der sich übrigens mit Recht als Z w eck, hiemit zugleich als außerhalb des Naturgegenstandes befindlicher, benimmt. Die Betrachtung dieser Natur nach diesem Verhältnisse gibt den teleologisch en Standpunkt (§. 205.). In diesem findet sich die richtige Voraussetzung (§. 207-211.), daß die Natur den absoluten Endzweck nicht in ihr selbst enthält; wenn aber diese Betrachtung nun besondere, en dliche Zwecke annimmt und von ihnen ausgeht, macht sie diese theils zu Voraussetzungen, deren zufälliger Inhalt für sich sogar unbedeutend und schaal werden kann, theils fodert das Zweckverhältniß sogleich für sich eine tiefere Betrachtungsweise. - Die Betrachtungsweise des Begriffs, der seiner Natur nach immanent ist. | §. 246. Was jetzt P h ysik genannt wird, hieß vormals N a tu rp h ilo so p h ie , und ist gleichfalls theoretische, und zwar denkende Betrachtung der Natur, welche einerseits nicht von Bestimmungen, die der Natur äußerlich sind, wie die des Zwekkes, ausgeht, andererseits auf die Erkenntniß des A llg em ein en derselben in seiner B e stim m th e it, gerichtet ist - der Kräfte, Gesetze, Gattungen, so daß ferner dieser Inhalt nicht bloßes Aggregat sey, sondern in Ordnungen, Classen gestellt, sich als eine Organisation ausnehme. Indem die Naturphilosophie be-
15 tiefere] O 2 : tiesere
O 3 : tiefere
184
ENCYCLOPÄDIE • NATURPHILOSOPHIE
218-219
g reifen d e Betrachtung ist, hat sie dasselbe A llg em ein e aber für sich zum Gegenstand und betrachtet es in seiner eigenen, im m an en ten NothW end igk eit. Von dem Verhältniß der Philosophie zum Empirischen ist in der Einleitung die Rede gewesen. Nicht nur muß die Philosophie mit der Natur-Er-
5
fahrung übereinstimmend seyn, sondern die E n tsteh u n g und B ild u n g dieser Wissenschaft hat die empirische Physik zur Voraussetzung und Bedingung. Ein anderes aber ist der Gang des Entstehens und die Vorarbeiten einer Wissenschaft, ein anderes die Wissenschaft selbst; in dieser können jene nicht mehr als Grundlage erscheinen, welche hier vielmehr die Noth-
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wendigkeit des Begriffs seyn soll. Es ist schon früher erinnert worden, daß indem hiedurch der Gegenstand nach seiner G ed an k en b estim m u n g angegeben ist, noch weiter die em pirisch e Erscheinung, welche derselben entspricht, nahmhaft zu machen, und von dieser aufzuzeigen ist, daß sie jener in der That entsprechend ist. Dies ist aber in Beziehung auf die Noth-
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wendigkeit des Inhalts kein Berufen auf die Erfahrung. Noch weniger ist eine Berufung zulässig auf das, was A n sch auun g genannt worden, und was nichts anders zu seyn pflegte, als ein | Verfahren der Vorstellung und Phantasie (auch der Phantasterei) nach A n a lo g ie n , die zufälliger oder bedeutender seyn können, und den Gegenständen, Bestimmungen und Sehe-
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mata äuß erlich aufdrücken. (§. 231. Anm.)
B e g r if f d e r
Na t u r .
§. 247. Die Natur hat sich als die Idee in der Form des A n d erssey n s ergeben. Da die Idee so als das Negative ihrer selbst oder sich äuß erlich ist, so ist die Na-
25
tur nicht äußerlich nur relativ gegen diese Idee, sondern die A euß erlichkeit macht die Bestimmung aus, in welcher sie als Natur ist.
§. 248. In dieser Aeußerlichkeit haben die Begriffsbestimmungen den Schein eines g le ic h g ü ltig e n Bestehens und der V erein zelu n g gegeneinander; der Be-
17 das, was] O 2: das was,
O 3 : das, was
30
EINLEITUNG
219-220
185
griff ist deswegen als Innerliches. Die Natur zeigt daher in ihrem Daseyn keine Freiheit, sondern N o th w e n d ig k e it und Z u fällig k e it. Die Natur ist deswegen nach ihrer bestimmten Existenz, wodurch sie eben Natur ist, nicht zu vergöttern, noch sind Sonne, Mond, Thiere, Pflan5
zen u.s.f. vorzugsweise vor menschlichen Thaten und Begebenheiten, als Werke Gottes zu betrachten und anzuführen. - Die Natur ist an sich , in der Idee göttlich, aber wie sie ist, entspricht ihr Seyn ihrem Begriffe nicht; sie ist vielmehr der u n au fgelö ste W iderspruch. Ihre Eigentümlichkeit ist das G esetztsey n , das Negative, wie die Alten die M ate rie überhaupt
io
als das non-ens gefaßt haben. So ist die Natur auch als der A b fa ll der Idee von sich selbst ausgesprochen worden, indem die Idee in dieser Gestalt der Aeußerlich | keit, in der Unangemessenheit ihrer selbst mit sich ist. - Nur dem Bewußtseyn, in sofern dieses selbst zuerst äußerlich und damit unmittelbar ist, d.i. dem Sinnlichen erscheint die Natur als das Erste, Unmit-
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telbare, Seyende. - Weil sie jedoch obzwar in solchem Elemente der Aeußerlichkeit Darstellung der Idee ist, so mag und soll man in ihr wohl die Weisheit Gottes bewundern. Wenn aber V anini sagte, daß ein Strohhalm hinreiche, um das Seyn Gottes zu erkennen, so ist jede Vorstellung des Geistes, die schlechteste seiner Einbildungen, das Spiel seiner zufälligsten Launen, jedes Wort ein vortrefflicherer Erkenntnißgrund für Gottes Seyn, als irgend ein einzelner Naturgegenstand. In der Natur hat das Spiel der Formen nicht
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nur seine ungebundene, zügellose Zufälligkeit, sondern jede Gestalt für sich entbehrt des Begriffs ihrer selbst. Das Höchste, zu dem es die Natur in ihrem Daseyn treibt, ist das Leben, aber als nur natürliche Idee ist dieses der Un25
Vernunft der Aeußerlichkeit hingegeben, und die individuelle Lebendigkeit ist in jedem Momente ihrer Existenz mit einer ihr ändern Einzelnheit befangen; da hingegen in jeder geistigen Aeußerung das Moment freier allge-
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meiner Beziehung auf sich selbst enthalten ist. - Ein gleicher Misverstand ist es, wenn m enschliche K unstw erke natürlichen Dingen deswegen nachgesetzt werden, weil zu jenen das Material von Außen genommen wer-
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den müsse, und weil sie nicht lebendig seyen. - Als ob die geistige Form nicht eine höhere Lebendigkeit enthielte, und des Geistes würdiger wäre, als die natürliche Form, die Form überhaupt nicht höher als die Materie, und in allem Sittlichen nicht auch das, was man Materie nennen kann, ganz allein dem Geiste angehörte. - Die Natur bleibt, bei aller Zufälligkeit ihrer Existenzen, ewigen Gesetzen getreu; aber doch wohl auch das Reich des Selbst-
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nicht] O 2 : uicht
O 1 O 3 : nicht
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ENCYCLOPÄDIE • NATURPHILOSOPHIE
220-222
bewußtseyns; - was schon in dem Glauben anerkannt | wird, daß eine Vorsehung die menschlichen Begebenheiten leite; - oder sollten die Bestimmungen dieser Vorsehung in diesem Felde nur zufällig und unvernünftig seyn? Wenn aber die geistige Zufälligkeit, die W illk ü h r, bis zum B ö sen fortgeht, so ist dies selbst noch ein unendlich höheres, als das gesetzmäßige Benehmen der Gestirne oder als die Unschuld der Pflanze.
§. 249. Die Natur ist als ein System von Stufen zu betrachten, deren eine aus der ändern nothwendig hervorgeht und die nächste Wahrheit derjenigen ist, aus welcher sie resultirt, aber nicht so, daß die eine aus der ändern n atü rlich erzeugt würde, sondern in der innern den Grund der Natur ausmachenden Idee. - Die M eta m o rp h o se kommt nur dem Begriffe als solchem zu, da dessen Veränderung allein Entwicklung ist. Der Begriff aber ist in der Natur theils inneres, theils existirend nur als lebendiges Individuum; auf dieses allein ist daher existiren de Metamorphose beschränkt. Es ist eine ungeschickte Vorstellung älterer auch neuerer Naturphilosophie gewesen, die Fortbildung und den Uebergang einer Naturform und Sphäre in eine höhere für eine äußerlich wirkliche Production anzusehen, die man jedoch, um sie deutlicher zu machen, in das D un kel der Vergangenheit zurückgelegt hat. Der Natur ist gerade die Aeußerlichkeit eigentüm lich, die Unterschiede auseinander fallen und sie als gleichgültige Existenzen auftreten zu lassen; der dialektische Begriff, der die Stufen fortleitet, ist das Innere derselben. Solcher nebulöser, im Grunde sinnlicher Vorstellungen, wie insbesondere H erv o rgeh en , (z. B. aus dem Wasser) muß sich die denkende Betrachtung entschlagen. |
§. 250. Der W id ersp ru ch der Idee, indem sie als Natur sich selbst äußerlich ist, ist als der Widerspruch der durch den Begriff bestimmten N o th w e n d ig k e it ihrer Gebilde und deren in der organischen Totalität vernünftigen Bestimmung, - und deren gleichgültigen Zufälligkeit, und unbestimmbaren Regellosigkeit. Die Zufälligkeit und Bestimmbarkeit von Außen hat in der Sphäre der Natur ihr Recht. Am größten ist diese Zufälligkeit im Reiche subjectiver Individualität, deren Gebilde am concretesten, aber als Naturdinge zugleich nur als unmittelbar concret sind. Das unmittelbar Concrete nämlich ist ein Reichthum von Eigenschaften, die außereinander, und mehr oder weniger gleichgültig gegeneinander sind, ge-
222-223
EINLEITUNG
187
gen die eben darum die einfache für sich seyende Subjectivität ebenfalls gleichgültig ist, und sie äußerlicher, somit zufälliger Bestimmung überläßt. Dies ist die O hn m ach t der Natur, den Begriffsbestimmungen nicht getreu zu bleiben und ihnen gemäß ihre Gebilde zu bestimmen und zu erhalten. Man hat den unendlichen Reichthum und die Mannichfaltigkeit der Formen, und vollends ganz unvernünftigerweise die Zufälligkeit, die in die äußerliche Anordnung der Naturgebilde sich einmischt, als die hohe Freiheit der Natur, auch als die Göttlichkeit derselben oder wenigstens die Göttlichkeit in derselben gerühmt. Es ist der sinnlichen Vorstellungsweise zuzurechnen, Zufälligkeit, Willkühr, Ordnungslosigkeit, für Freiheit und Vernünftigkeit zu halten. - Jene Ohnmacht der Natur setzt der Philosophie Gränzen, und das Abgeschmackteste ist, von dem Begriffe zu verlangen, er solle dergleichen Zufälligkeiten begreifen, - und wie es oft genannt worden, construiren, deduciren; sogar scheint man die Aufgabe um so leichter zu machen, je gering | fügiger und vereinzelter das Gebilde sey.*) Spuren der Begriffsbestimmung werden sich allerdings bis in das Particulärste hinein verfolgen, aber dieses sich nicht durch sie erschöpfen lassen. Die Spuren dieser Fortleitung und innern Zusammenhangs wrerden den Betrachter oft überraschen, aber demjenigen insbesondere überraschend oder vielmehr unglaublich scheinen, der in der Natur- wie in der Menschen-Geschichte nur Zufälliges zu sehen gewohnt ist. Vornehmlich hat man darüber mißtrauisch zu seyn, daß solche Spur nicht für Totalität der Bestimmung der Gebilde genommen werde, was den Uebergang zu den erwähnten Analogien macht. In der Ohnmacht der Natur, den Begriff in seiner Ausführung festzuhalten, liegt die Schwierigkeit und in vielen Kreisen die Unmöglichkeit, aus der empirischen Betrachtung feste Unterschiede für Classen und Ordnungen zu finden. Die Natur vermischt allenthalben die wesentlichen Gränzen durch mittlere und schlechte Gebilde, welche immer Instanzen gegen jede feste Unterscheidung abgeben, selbst innerhalb bestimmter Gattungen (z. B.
* ) Hr. K r u g hat in diesem Sinne einst die Naturphilosophie aufgefodert, das Kunststück zu machen, n ur seine Schreibfeder zu deduciren. - Man hätte ihm etwa zu dieser Leistung und respectiven Verherrlichung seiner Schreibfeder Hoffnung machen können, wenn dereinst die Wissenschaft so weit vorgeschritten und mit allem Wichtigem im Himmel und auf Erden in der Gegenwart und Vergangenheit im Reinen sey, daß es nichts Wichtigeres mehr zu begreifen gebe. |
15 gering | fügiger] O 2: geriug-/ fügiger O 3 : geringfügiger
188
ENCYCLO PÄDIE • N ATURPHILOSOPHIE
223-224
des Menschen) durch Misgeburten, die man einerseits dieser Gattung zuzählen muß, denen andererseits aber Bestimmungen fehlen, welche als wesentliche Eigentümlichkeit der Gattung anzusehen wären. - Um aber dergleichen Gebilde als mangelhaft, schlecht, misförmig betrachten zu können, dafür wird ein fester Typus vorausgesetzt, der aber theils nicht aus der Erfahrung geschöpft | werden könnte, denn diese eben gibt auch jene sogenannten Misgeburten, Misförmigkeiten u.s.f. an die Hand, theils muß die Selbstständigkeit und Würde der Begriffsbestimmung vorausgesetzt werden.
§. 251. Die Natur ist an sich ein lebendiges Ganzes; die Bewegung ihrer Idee durch ihren Stufengang ist näher dies, sich als das zu setzen , was sie an sich ist; oder was dasselbe ist, aus ihrer Unmittelbarkeit und Aeußerlichkeit, welche der T od ist, in sich zu gehen, um als L eb en d iges zu seyn, aber ferner auch diese Bestimmtheit der Idee, in welcher sie nur Leben ist, aufzuheben, und zum Geiste zu werden, der ihre Wahrheit und ihr Endzweck ist.
EIN T H EILU N G . §. 252. Die Idee als Natur ist: I. in der Bestimmung des Außereinander, der unendlichen V erein zelu n g, außer welcher die Einheit der Form, und daher als eine id eelle, nur g e suchte ist. - M echanik. II. in der Bestimmung der B eso n d erh eit, so daß die Formbestimmungen realisirt, oder die Realität mit immanenter Bestimmtheit und existirender Differenz gesetzt ist - ein Reflexionsverhältniß, dessen Insichseyn die In d iv id u a litä t ist. - Physik. III. in der Bestimmung der S u b je c tiv itä t, in welcher die realen Unterschiede der Form eben so zur ideellen Einheit, die sich selbst gefunden, und für sich ist, zurückgebracht sind. - O rgan ik . |
M ECHANIK
225-226
Er st e
Abt h e il u n g
d e r
189
N a t u r ph il o so ph ie .
DIE MECHANIK.
§. 253. Die Mechanik betrachtet: A. Das ganz abstracte Außereinander, - R aum und Z eit. B. Das v erein zelte Außereinander, und dessen Beziehung in jener Abstraction, - M aterie und B e w e gu n g, - endliche Mechanik. C. Die M aterie in ihrer Freiheit und freien B e w e g u n g , - ab so lu te Mechanik.
A. R A U M U N D Z E IT , a. Ra u m .
§. 254. Die erste oder unmittelbare Bestimmung der Natur ist die abstracte A llg e m einheit ihres A u ß e rsic h se y n s,- die vermittlungslose Gleichgültigkeit desselben, der R aum . Er ist das ganz ideelle N eb en ein an d er, weil er das Außersichseyn ist, und schlechthin con tin uir | lieh, weil dies Außereinander noch ganz abstract ist, und keinen bestimmten Unterschied in sich hat. Es ist vielerlei über die Natur des Raums von je vor gebracht worden. Ich erwähne nur der K an tisch en Bestimmung, daß er wie die Zeit eine Form der sinnlich en A nschauung sey. Auch sonst ist es gewöhnlich geworden, zu Grunde zu legen, daß der Raum nur als etwas Subjectives in der Vorstellung, betrachtet werden müsse. Wenn von dem abgesehen wird, was in dem Kantischen Begriffe dem subjectiven Idealismus und dessen Bestimmungen angehört, so bleibt die richtige Bestimmung übrig, daß der Raum eine bloße Form, d. h. eine A b stractio n ist, und zwar der unmittelbaren A euß erlich keit. - Von R aum punkten zu sprechen, als ob sie das po-
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ENCYCLOPÄDIE • N ATURPHILOSOPHIE
226-227
sitive Element des Raums ausmachten, ist unstatthaft, da er um seiner Unterschiedslosigkeit willen nur die Möglichkeit, nicht das G esetztseyn des Außereinanderseyns und Negativen und daher schlechthin continuirlich ist; der Punkt ist deswegen vielmehr die und zwar gedachte Negation des Raums. - Die Frage wegen der Unendlichkeit des Raums entscheidet sich gleichfalls hiedurch. Er ist überhaupt die reine Q u a n titä t (§. 99.), aber nicht mehr nur dieselbe als logische Bestimmung, sondern als unmittelbar und äußerlich seyend. - Die Natur fängt darum nicht mit der Qualität, sondern mit der Quantität an, weil ihre Bestimmung nicht, wie das logische Seyn, das absolut-Erste und Unmittelbare, sondern wesentlich schon ein V e rm itte ltes, Aeußerlich- und Anders-seyn enthält.
§. 255. Der Raum hat als Begriff überhaupt, (und bestimmter als das gleichgültige A u ß erein an dersey n ) dessen U n tersch ied e an ihm, a) unmittelbar in seiner Gleich|gültigkeit als die blos verschiedenen, ganz bestimmungslosen drei D im ensionen. Die Nothwendigkeit, daß der Raum gerade drei Dimensionen hat, zu deduciren, ist an die Geometrie nicht zu fodern, in sofern sie nicht eine philosophische Wissenschaft ist, und ihren Gegenstand, den Raum mit seinen allgemeinen Bestimmungen voraussetzen darf. Aber auch sonst wird an das Aufzeigen dieser Nothwendigkeit nicht gedacht. Sie beruht auf der Natur des Begriffs, dessen Bestimmungen aber, in sofern sie in dieser ersten Form des Außereinander, in der abstracten Quantität, sich darstellen, ganz nur oberflächlich und ein völlig leerer Unterschied sind. Man kann daher nicht sagen, wie sich H öhe, Länge und B re ite von einander unterscheiden, weil sie nur unterschieden seyn sollen, aber noch keine Unterschiede sin d ; es ist völlig unbestimmt, ob man eine Richtung Höhe, Länge oder Breite nennt. - Die Höhe hat ihre nähere Bestimmung als Richtung nach dem Mittelpunkte der Erde; aber dieser geht die Natur des Raums für sich nichts an. Jene vorausgesetzt, ist es auch gleichgültig, dieselbe Richtung Höhe oder Tiefe zu nennen, so wie für Länge und Breite, die man oft auch Tiefe heißt, nichts dadurch bestimmt ist.
§. 256. b. Aber der Unterschied ist wesentlich bestimmter, qualitativer Unterschied. Als solcher ist er a) zunächst die N e g a tio n des Raums selbst, weil dieser das un-
227-229
MECHANIK
191
mittelbare unterschiedslose Außersichseyn ist; der Punkt, ß ) Die Negation ist aber Negation des R au m s, d. i. sie ist selbst räumlich; der Punkt als wesentlich diese Beziehung, d. i. als sich aufhebend, ist die L in ie, das erste Andersseyn des Punktes; y) die Wahrheit des Andersseyns ist aber die Negation der Negation. Die Linie geht daher in Fläche über, welche einerseits eine Bestimmtheit gegen | Linie und Punkt, und so Fläche überhaupt ist. Andererseits aber ist sie die aufgehobene Negation des Raums, somit Wiederherstellung der räumlichen Totalität, welche aber nunmehr das negative Moment an ihr hat; - um schließ ende O b e rfläch e, die einen einzelnen ganzen Raum absondert. Daß die Linie nicht aus Punkten, die Fläche nicht aus Linien besteht, geht aus ihrem Begriffe hervor, da die Linie der Punkt, als außer sich seyend, sich auf den Raum beziehend und sich aufhebend, die Fläche eben so die aufgehobene außer sich seyende Linie ist. - Der Punkt ist hier als das Erste, und Positive vorgestellt und von ihm ausgegangen worden. Allein eben so ist umgekehrt, in sofern der Raum das Positive ist, die Fläche die erste Negation, und die Linie die zweite, die aber ihrer Wahrheit nach, als sich auf sich beziehende Negation der Punkt ist; die Nothwendigkeit des Uebergangs ist dieselbe. - Die weitern Figurationen des Raumes, welche die Geometrie betrachtet, sind fernere qualitative Begränzungen einer Raumabstraction, der Fläche, oder eines begränzten ganzen Raums. Es kommen darin wenige Momente der Nothwendigkeit vor, daß z. B. das Dreieck die erste geradlinige Figur ist, daß alle ändern Figuren auf sie oder auf das Quadrat zurückgeführt werden müssen, wenn sie bestimmt werden sollen und dergl. - Das Princip dieser Zeichnungen ist die Verstandesidentität, welche die Figurationen zur R e g e lm äß ig k e it bestimmt, und damit die Verhältnisse begründet, welche zu erkennen d. i. als entwickelte Totalität zu fassen (s. §. 231.) der Zweck der Wissenschaft ist. Im Vorbeigehen kann bemerkt werden, daß es ein sonderbarer Einfall K an ts war, zu behaupten, die Definition der gerad en L in ie, daß sie der kürzeste Weg zwischen zwei Punkten sey, sey ein synthetischer Satz; denn mein B e g r if f vom G eraden enthalte | nichts von Größe, sondern nur eine Qualität. In diesem Sinn ist jede Definition ein synthetischer Satz; das Definitum, die gerade Lin ie, ist nur erst die Anschauung oder Vorstellung, und die Bestimmung, daß sie der kürzeste Weg zwischen zwei Punkten sey, macht erst den B e g r iff aus (wie er nämlich in solchen Definitionen erscheint, s. §. 229.). Daß der B e g r iff nicht schon in der A n sch auun g
3 Andersseyn] O 2 : Anders-/seyn
O i: Andersseyn
vgl. O 3 : Anders- d. i. räum lichseyn
192
ENCYCLOPÄDIE • N ATURPHILOSOPHIE
229-230
vorhanden ist, ist der Unterschied von beiden, der die Foderung einer Definition herbeiführt.
b. D ie Z e i t .
§. 257. Die Negativität, die sich als Punkt auf den Raum bezieht und in ihm ihre Bestimmungen als Linie und Fläche entwickelt, ist aber in der Sphäre des Außersichseyns eben sowohl für sich, und als gleichgültig gegen das ruhige Nebeneinander erscheinend. So für sich gesetzt ist sie die Z eit.
§. 258. Die Zeit, als die negative Einheit des Außersichseyns, ist gleichfalls ein schlechthin Abstractes, Ideelles. - Sie ist das Seyn, das, indem es ist, nicht ist, und indem es nicht ist, i s t ; das, aber angeschau te, Werden, d. i. daß die zwar schlechthin m o m en tan en , d. i. unmittelbar sich auf hebenden, Unterschiede als Aeuß erlich e, d. i. jedoch sich selbst äußerliche, bestimmt sind. Die Zeit ist wie der Raum, eine reine Fo rm der Sin n lich k eit oder des A n sch auen s, das unsinnliche Sinnliche - aber wie diesen, so geht auch die Zeit dieser Unterschied der Objectivität und eines gegen dieselbe subjectiven Bewußtseyns nichts an. Wenn diese | Bestimmungen auf Raum und Zeit angewendet werden, so wäre jener die abstracte Objectivität, diese aber die abstracte Subjectivität. Die Zeit ist dasselbe Princip, als das Ich = Ich des reinen Selbstbewußtseyns; aber dasselbe oder der einfache Begriff noch in seiner gänzlichen Aeußerlichkeit und Abstraction - als das angeschaute bloße W erden , das reine Insichseyn als schlechthin ein Außersich-kommen. Die Zeit ist eben so co n tin u irlich wie der Raum, denn sie ist die abstract sich a u f sich beziehende Negativität, und in dieser Abstraction ist noch kein reeller Unterschied. In der Zeit, sagt man, entsteht und v erg e h t Alles, denn sie ist eben die Abstraction des Entstehens und Vergehens selbst. Wenn von A llem , nämlich der Erfüllung der Zeit, eben so von der Erfüllung des Raums abstrahirt wird, so bleibt die leere Zeit wie der leere Raum übrig, - d. i. es sind dann diese Abstractionen der Aeußerlichkeit gesetzt. Und nicht in ihr,
230-231
M ECHANIK
193
sondern die Zeit selbst ist dies W erden, Entstehen und Vergehen, dies seyende A b strah iren , der Alles gebährende und seine Geburten zerstörende C h ro n o s. - Allein das Reelle ist eben sowohl id en tisch mit der Zeit, als verschieden von ihr. Es ist beschränkt, und das Andre zu dieser Negation ist außer ihm; die Bestimmtheit ist also an ihm sich äußerlich. Die Abstraction dieser Aeußerlichkeit ist die Zeit selbst. Darum ist das Endliche vergänglich und zeitlich , weil es nicht, wie der Begriff, an ihm selbst die totale Negativität ist, sondern diese als sein allgemeines Wesen zwar in sich hat, aber ihm nicht gemäß, ein seitig ist, daher sich zu derselben als zu seiner M acht verhält. Der Begriff aber, in seiner frei für sich existirenden Identität mit sich, Ich = Ich, ist an und für sich die absolute Negativität und Freiheit, die Zeit daher nicht seine Macht, noch ist er in der Zeit und ein Zeitliches, sondern er ist | vielmehr die Macht der Zeit, als welche nur diese Negativität als Aeußerlichkeit ist. Nur das Natürliche ist darum der Zeit unterthan, in sofern es endlich ist; das Wahre dagegen, die Idee, der Geist, ist ew ig. - Der Begriff der Ewigkeit muß aber nicht negativ so gefaßt werden, daß sie die Abstraction von der Zeit sey oder außerhalb derselben gleichsam existire; ohnehin nicht in dem Sinn, als ob die Ewigkeit nach der Zeit komme; so würde die Ewigkeit zur Zukunft, zu einem Momente der Zeit, gemacht. §. 259. Die Dimensionen der Zeit, die G egen w art, Z u k u n ft und V e rg a n g e n heit, sind das Werden der Aeußerlichkeit als solches, und dessen Auflösung in die Unterschiede des Seyns als des Uebergehens in Nichts, und des Nichts als des Uebergehens in Seyn. Das unmittelbare Verschwinden dieser Unterschiede in die E in zeln h eit, ist die Gegenwart als Je tz t, welches als die Einzelnheit au sschließend, und zugleich schlechthin co n tin u irlich in die ändern Momente, selbst nur dies Verschwinden seines Seyns in Nichts, und des Nichts in sein Seyn ist. Die en dliche Gegenwart ist das Je tz t als seyend fixirt, von dem N e g a tiv e n , den abstracten Momenten, der Vergangenheit und Zukunft, als die concrete Einheit, somit als das Affirmative, unterschieden; allein jenes Seyn ist selbst nur das abstracte, in Nichts verschwindende. - Uebrigens kommt es in der Natur, wo die Zeit Je tz t ist, nicht zum b esteh en den Unterschiede von jenen Dimensionen; sie sind nothwendig nur in der subjectiven Vorstellung, in der E rin n eru n g, Furcht oder Hoffnung. Die Vergangenheit
33 Natur] O^ : Ratur
O 1 O 3 .' Natur
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ENCYCLO PÄDIE • NATURPH ILOSOPH IE
231-233
aber und Zukunft der Zeit, als in der N a tu r seyen d , ist der Raum, denn er ist die negirte Zeit, | wie der aufgehobene Raum der Punkt zunächst und die Zeit ist. Der W issen sch aft des R aum s, der G eo m e trie, steht keine solche W issen sch aft der Z eit gegenüber. Die Unterschiede der Zeit haben nicht diese G le ich g ü ltig k e it des Außersichseyns, welche die unmittelbare Bestimmtheit des Raums ausmacht; sie sind daher der Figurationen nicht, wie dieser, fähig. Diese Fähigkeit erlangt das Princip der Zeit erst dadurch, daß es paralysirt, ihre Negativität vom Verstände zum Eins herabgesetzt wird. - Dies todte Eins nun, die höchste Aeußerlichkeit des Gedankens, ist der äußerlichen Combination, und diese Combinationen, die Figuren der A rith m etik , sind wieder der Verstandesbestimmung nach Gleichheit und Ungleichheit, der Identificirung und des Unterscheidens, fähig. Man könnte aber noch weiter den Gedanken einer ph iloso ph isch en M ath em atik fassen, welche nämlich dasjenige aus Begriffen erkännte, was die gewöhnliche mathematische Wissenschaft aus vorausgesetzten Bestimmungen nach der Methode des Verstandes ableitet. Allein da die Mathematik einmal die Wissenschaft der endlichen Größenbestimmungen ist, welche in ihrer Endlichkeit fest bleiben und gelten, nicht übergehen sollen, so ist sie wesentlich eine Wissenschaft des Verstandes; und da sie die Fähigkeit hat, dieses auf eine vollkommene Weise zu seyn, so ist ihr der Vorzug, den sie vor den ändern Wissenschaften dieser Art hat, vielmehr zu erhalten und weder durch Einmischung des ihr heterogenen Begriffs, noch empirischer Zwecke zu verunreinigen. Es bleibt dabei immer offen, daß der Begriff ein gründlicheres Bewußtseyn, sowohl über die leitenden Verstandes-Principien, als über die Ordnung und deren Nothwendigkeit in den arithmetischen Operationen sowohl, als in den Sätzen der Geometrie begründe. Wenn man die Figurationen des Raums oder des Eins philosophisch | behandeln wollte, so würden sie ihre eigenthümliche Bedeutung und Gestalt verlieren, eine Philosophie derselben würde etwas Logisches oder auch etwas von einer ändern concreten philosophischen Wissenschaft werden, je nachdem man den Begriffen eine concretere Bedeutung ertheilte. Es würde ferner eine sehr überflüssige und undankbare Mühe seyn, für den Ausdruck der G edanken ein solches widerspenstiges und inadäquates Medium, als Raumfiguren und Zahlen sind, gebrauchen zu wollen und dieselben gewaltsam zu diesem Behufe zu behandeln. Die einfachen ersten Figuren und Zahlen eignen sich ihrer Einfachheit wegen, ohne Misverständnisse zu Sy m b o len , die jedoch immer für den Gedanken ein heterogener und kümmerlicher Ausdruck sind, angewendet zu werden. Die ersten Ver-
233-234
M ECHANIK
195
suche des reinen Denkens haben zu diesem Nothbehelfe gegriffen; das p y th ag o re isch e Zahlensystem ist das berühmte Beispiel davon. Aber bei reichern Begriffen werden diese Mittel völlig ungenügend, da deren äuß erlich e Zusammensetzung und die Zufälligkeit der Verknüpfung überhaupt der Natur des Begriffs unangemessen ist, und es völlig zweideutig macht, welche der vielen Beziehungen, die an zusammengesetztem Zahlen und Figuren möglich sind, festgehalten werden sollen. Ohnehin verfliegt das Flüssige des Begriffs in solchem äußerlichen Medium, worin jede Bestimmung in das gleichgültige Außereinander fällt. Jene Zweideutigkeit könnte allein durch die E rk läru n g gehoben werden. Der wesentliche Ausdruck des Gedankens ist alsdenn jene Erklärung, und jenes Symbolisiren ein gehaltloser Ueberfluß. Andere mathematische Bestimmungen, wie das U n en d lich e, V e rh ältn isse d esselb en , das U n en d lich k lein e, F acto ren , P oten zen u.s.f. haben ihre wahrhaften Begriffe in der Philosophie selbst; es ist ungeschickt, sie für diese aus der Mathematik hernehmen | und entlehnen zu wollen, wo sie begrifflos, ja oft sinnlos aufgenommen werden, und ihre Berichtigung und Bedeutung vielmehr von der Philosophie zu erwarten haben. Es ist nur die Trägheit, die, um sich das Denken und die Begriffsbestimmung zu ersparen, ihre Zuflucht zu Formeln, die nicht einmal ein unmittelbarer Gedankenausdruck sind, und zu deren schon fertigen Schematen, nimmt. Die wahrhaft philosophische Wissenschaft der Mathematik als G röß enlehre würde die Wissenschaft der Maaße seyn, aber diese setzt schon die reelle Besonderheit der Dinge voraus, welche erst in der concreten Natur vorhanden ist. Sie würde aber wohl wegen der äuß erlichen Natur der Größe die allerschwerste Wissenschaft seyn.
c. D er
Or t .
§. 260. Der Raum ist in sich selbst der Widerspruch des gleichgültigen Auseinanderseyns und der unterschiedslosen Continuität, die reine Negativität seiner selbst und das U eb ergeh en zunächst in die Z eit (s. §. 257.). Ebenso ist die Zeit, da deren in Eins zusammengehaltene entgegengesetzte Momente sich unmittelbar aufheben, das unmittelbare Z usam m en fallen in die Indifferenz, in das ununterschiedene Außereinander oder den Raum. So ist dieser wieder mit ne-
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ENCYCLOPÄDIE • N ATURPHILOSOPHIE
234-236
g a tiv e r Bestimmung, als a b sc h lie ß e n d e r Punkt, aber die Negation ist an ihm nun ge se tzt, sie ist concret durch die totale Negativität, welche die Zeit ist; - der so concrete Punkt ist der Ort.
§. 261. Der Ort aber ist so die gesetzte Identität des Raumes und der Zeit, aber zunächst
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ebenso der gesetzte W i|d e r sp r u c h , welcher der Raum und die Zeit, jedes an ihm selbst, ist. Der Ort ist die räumliche somit gleichgültige E in zeln h eit und dies nur als Zeit, als räum liches Je tz t, so daß der Ort unmittelbar gleichgültig gegen sich als diesen und sich äußerlich, die Negation seiner und ein anderer O rt ist. Dies V ergehen und S ich -w ied ererzeu g en des Raums in Zeit io und der Zeit in Raum, daß die Zeit sich räumlich als O rt, aber diese gleichgültige Räumlichkeit ebenso unmittelbar zeitlich gesetzt wird, - ist die Bew eg u n g ; - ein Werden, das aber selbst eben so sehr u n m ittelb ar iden tische daseyende Einheit beider, die M aterie, ist. Der Uebergang von der Idealität zur Realität, von der Abstraction zum
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concreten Daseyn, hier von Raum und Zeit zu der Realität, welche als M aterie erscheint, ist für den Verstand unbegreiflich, und macht sich für ihn daher immer äußerlich und als ein gegebenes. Die geläufige Vorstellung ist, Raum und Zeit als leer von außen her mit der Materie erfüllen zu lassen, und einerseits auf diese Weise die materiellen Dinge als gleichgültig ge-
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gen Raum und Zeit, und andererseits zugleich als wesentlich räumlich und zeitlich anzunehmen, so wie Raum und Zeit als leer, gleichgültig gegen ihre Erfüllung, für sich existirend zu betrachten. Was von der Materie gesagt wird, ist, a) daß sie zu sam m en gesetzt ist; - dies bezieht sich auf ihr abstractes Außereinander, den Raum. - In so-
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fern bei ihr von der Zeit und überhaupt von aller Form abstrahirt wird, ist von ihr behauptet worden, daß sie ewig und unveränderlich ist. Dies folgt in der That unmittelbar; aber eine solche Materie ist auch nur £in unwahres Abstractum. ß) Die Materie ist u n d u rch d rin g lich und leistet W id erstan d, ist ein fühlbares, sichtbares u.s.f. Diese Prädicate sind nichts | anderes, als daß die Materie theils für die bestimmte Wahrnehmung, überhaupt für ein A n d eres, theils aber eben so sehr für sich ist. Beides sind die Bestimmungen, welche sie eben als die Id e n tität des Raums und der Zeit, des unmittelbaren A ußereinander und der N e g a tiv itä t oder der als für sich seyenden Einzelnheit hat. Der Ü b e rg a n g der Id e alität in die R e a litä t kommt auch auf ausdrückliche Weise in den bekannten mechanischen Erscheinungen vor,
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M ECHANIK
236-238
197
daß nämlich die Idealität die Stelle der Realität und umgekehrt vertreten kann; und es ist nur die Gedankenlosigkeit der Vorstellung und des Verstandes daran Schuld, wenn für sie aus dieser Vertauschbarkeit beider ihre Identität nicht hervorgeht. Beim H ebel z. B. kann E n tfern u n g an die Stelle der M asse und umgekehrt gesetzt werden, und ein Quantum vom ideellen Moment bringt dieselbe Wirkung hervor als das entsprechende Reelle. - In der G röße der B ew egu n g vertritt ebenso die G e sc h w in d ig k eit, welche das quantitative Verhältniß nur von Raum und Zeit ist, die M asse, und umgekehrt kommt dieselbe reelle Wirkung hervor, wenn die Masse vermehrt und jene verhältniß mäßig vermindert wird. Ein Ziegelstein für sich erschlägt einen Menschen nicht, sondern bringt diese Wirkung nur durch die erlangte Geschwindigkeit hervor, d. i. der Mensch wird durch R aum und Z eit todtgeschlagen. - Die Reflexionsbestimmung von K ra ft ist es hier, was einmal für den Verstand fixirt, als ein Letztes dasteht, ihn hindert, weiter nach dem Verhältnisse ihrer Bestimmungen zu fragen. Aber dies wenigstens schwebt vor, daß die W irkung der Kraft etwas Reelles, Sinnfälliges ist, und daß in der K ra ft dasselbe ist, was in ihrer A euß erung ist, und daß sie eben diese K ra ft ihrer A euß erung | [nach] durch das Verhältniß der ideellen Momente, des Raums und der Zeit, erlangt. Es gehört ferner zu dieser begrifflosen Reflexion, die sogenannten Kräfte als der Materie ein ge p flan z t, das ist, als ihr ursprünglich äuß erlich anzusehen, so daß eben diese Identität der Zeit und des Raums, welche bei der Reflexionsbestimmung von K ra ft vorschwebt und welche in Wahrheit das W esen der Materie ausmacht, als etwas ihr Frem des und Z u fä lliges gesetzt ist. |
B. M A T E R IE U N D B E W E G U N G . En d l ic h e
M e c h a n ik .
§. 262.
Die Materie hält sich gegen ihre Identität mit sich, durch das Moment ihrer Negativität, Verschiedenheit oder abstracten V e re in zelu n g, auseinander; sie
18 A e u ß e r u n g [nach]] Oi : Aeusserung Bericht S. 452)
O3: A e uße r ung e n
21 ei ng epf l anzt ] O2: ei ngepsl anzt
C3: Aeußerung nach (s. Editorischer
O1O3.’ e i n g e p f l a n z t
198
ENCYCLOPÄDIE • NATURPHILOSOPHIE
238-239
enthält R ep u lsio n . Eben so wesentlich ist, weil diese Verschiedenen ein und dasselbe sind, die negative Einheit dieses außereinander-seyenden Fürsichseyns; die Materie ist somit continuirlich, und enthält A ttractio n . Die Einheit dieser Momente ist n e g a tiv e Einheit derselben, die Einzelnheit; - als gegen das unm itte lb a re Außereinander der Materie noch u n tersch ieden und darum selbst noch n ich t als m ateriell gesetzt, sondern außer demselben, ideelle Einzelnheit, M ittelp u n k t, - die Schwere. Kant hat unter ändern auch das Verdienst, durch seinen Versuch einer sogenannten C o n stru ctio n der Materie, in seinen m etaphysisch en A n fan g sg rü n d e n der N atu rw isse n sch aft, den Anfang zu einem B e g r if f der Materie gemacht und mit diesem Versuche den Begriff einer N a tu rp h ilo so p h ie wieder erweckt zu haben. Er hat aber dabei die Reflexionsbestimmungen von A ttra c tiv k ra ft und | R e p u lsiv k ra ft als fe rtig e angenommen, und wieder bei Bestimmung derselben, aus welchen die M aterie hervorgehen sollte, diese als ein fe rtig e s vorausgesetzt, so daß es schon Materie ist, was attrahirt und repellirt werden soll. Ausführlicher habe ich die in dieser Kantischen Exposition herrschende Verwirrung, in meinem System der Logik, lr Bd. Ir Thl. S. 119ff. dargestellt. Die Sch w ere ist von der bloßen A ttractio n wesentlich zu unterscheiden. Diese ist nur überhaupt das Aufheben des Auß ereinanderseyns, und gibt bloße Continuität. Hingegen die Schwere ist die Reduction der auseinander-seyenden Besonderheit zur Einheit als negativer Beziehung auf sich, dem Fürsichseyn als Allgemeinem, E in zeln h eit, Einer (jedoch noch ganz abstracten) Su b je ctiv ität. In der Sphäre der ersten U n m itte lb a rk e it der Natur ist die außersichseyende Continuität, noch als das B estehende gesetzt, wodurch diese Sphäre sich zunächst von der physischen unterscheidet, als in welcher die materielle Reflexion-in-sich beginnt. Die E in zeln heit ist daher als Bestimmung der Idee zwar vorhanden, aber außer dem M ate rielle n dieser Sphäre. Die Materie ist daher erstens wesentlich selbst sch w e r; es ist dies nicht eine äußerliche, von ihr auch trennbare Eigenschaft. Die Schwere macht die Substantialität der Materie aus, diese selbst ist das Streben nach dem, - aber, - dies ist die andere wesentliche Bestimmung, außer ihr fallenden M ittelpun k t. Man kann, wenn man will, sagen, die Materie werde vom Mittelpunkte a ttra h irt; aber wenn er als selbst materiell vorgestellt wird, so ist das Attrahiren nur gegenseitig, und selbst ein Attrahirtwerden. Der Mittelpunkt ist aber nicht als materiell zu nehmen;
6-7
Einzelnheit]
nom m en
15
O 2 ’
Eiuzelnheit
vorausgesetzt] so
O 3: C2
Einzelnheit
O 1O 2O 3:
14
angenommen]
voraussetzt
35
nur]
O
O 2:
2
angenommeu
nnr
O 3:
nur
O 1O 3:
ange-
239-241
MECHANIK
199
denn das Materielle ist eben dies, seinen Mittelpunkt außer sich zu setzen. Nicht dieser, sondern dies Streben nach demselben ist der Materie | immanent. Die Schwere ist so zu sagen, das Bekenntniß [der Nichtigkeit] des Außersichseyns der Materie in ihrem Fürsichseyn, ihrer Unselbstständigkeit, ihres Widerspruchs. Man kann auch sagen, die Schwere ist das Insichseyn der Materie in sich, in diesem Sinne, daß eben sofern sie der Mittelpunkt, die Subjectivität noch nicht an ihr selbst ist, sie noch unbestimmt, unentwickelt, unaufgeschlossen ist. W o der Mittelpunkt liege, dies ist Determination, durch die schwere Materie, deren Mittelpunkt er ist.
a. D
ie
t r ä g e
M
a t e r i e
.
§. 263. Die Materie hat zunächst als blos allgemeine und unmittelbare nur einen quantitativen Unterschied, und ist besondert in verschiedene Quanta, - M assen , welche in der oberflächlichen Bestimmung eines Ganzen oder Eins, K ö rp e r sind. Gleichfalls unmittelbar ist der Körper von seiner Idealität unterschieden, und ist zwar w esen tlich [räumlich und zeitlich], aber im Raume und in der Zeit, als deren gegen diese Form gleichgültiger Inhalt er erscheint.
§. 264. Als der Raum, in welchem die Zeit aufgehoben ist, ist er d au e rn d ; und als die Zeit, in der das gleichgültige Bestehen des Raums aufgehoben ist, v e r g ä n g lich , überhaupt ein ganz z u fällig e s Eins. Er ist die beide in ihrer Entgegensetzung bindende Einheit, Bewegung, die aber nach der U n m itte lb a rk e it des Unterschiedes, zunächst als verschieden von ihm, ihm äuß erlich ist, so wie seine Negation derselben, die Ruhe, - er ist träge. | In dieser Bestimmung wird der Körper in der physikalischen Mechanik genommen, so daß es Axiom der Mechanik ist, daß der Körper schlechthin
2 Materie]
O2: Materi
Außersichseyns
19
O3: Materie
3-4
[der Nichtigkeit] des Außersichseyns] O3* der N ichtigkeit des
w e s e n t li c h [räumlich und zeitlich]]
O3:
w e s e n t li c h räumlich und zeitlich
ENCYCLOPÄDIE • NATURPHILOSOPHIE
200
241-242
nur durch eine äußerliche U rsache in Bewegung als in einen Z ustan d und ebenso in Ruhe versetzt werde. Es schweben der Vorstellung dabei nur die selb stlosen Körper der Erde vor, von welchen jene Bestimmungen allerdings gelten. Aber dies ist nur die unmittelbare und eben damit abstracte Körperlichkeit. Der Körper quä Körper heißt nichts anders als das Abstractum des Körpers, was auch existirt, als selbstloser Körper. Aber die
5
Unwahrheit dieses Abstractums ist im als concret existirenden Körper aufgehoben, und dies Aufheben beginnt sogar schon am selbstlosen Körper gesetzt zu seyn (s. nachher). Unstatthafter Weise werden dann die Bestimmungen der Trägheit, Stoß, Druck, Anziehen, Fall u.s.f. aus der gemeinen Me- io chanik in die absolute übergetragen, in welcher die Körperlichkeit und die Bewegung vielmehr in ihrem freien Begriffe existirt.
b. D
e r
St
o s s
.
§. 265.
iS
Der träge Körper äußerlich in Bewegung gesetzt und so auf einen ändern bezogen, macht momentan mit diesem Einen Körper aus, denn sie sind Massen mit nur quantitativem Unterschiede; die Bewegung ist auf diese Weise Eine beider Körper (Mittheilung der Bewegung). Aber eben so sehr leisten sie sich Widerstand, indem jeder gleichfalls als unmittelbares Eins vorausgesetzt ist. Dies
20
ihr F ü rsich seyn gegeneinander ist ihre Sch w ere, - G ew ich t als die Schw ere einer quantitativ besondern Masse (extensiv als eine Menge schwerer Theile, intensiv als bestimmter Druck s. §. 103. Anm.). |
§. 266. Dies Gewicht als intensive Größe in einen Punkt concentrirt im Körper selbst ist sein Sch w erpu n kt. Aber vielmehr ist der Körper als schwer dies, seinen Mittelpunkt außer sich zu setzen und zu haben. Stoß und Widerstand hat daher eine substantielle Grundlage in einem den einzelnen Körpern gemeinschaftlichen außer ihnen liegenden Cent rum , und jene ihre äußerlich gesetzte, accidentelle
17 sind] O 2 : sind nur O 3 : sind
25
242-243
5
MECHANIK
201
Bewegung geht in die R uhe, in diesem Mittelpunkt, über, - eine Ruhe, die zugleich, indem das Centrum außer der Materie ist, nur ein S tre b en , und in dem Verhältnisse der in Körper besonderten Materie und ihrer verschiedenen Entfernung vom Mittelpunkte ein D ru ck ist. Dies Streben, im Verhältnisse des Getren ntseyns des Körpers durch einen relativleeren Raum von dem Mittelpunkt seiner Schwere, ist der F all, die w esentliche Bewegung, in welche jene acci-
dentelle übergeht. Für die äuß erliche Bewegung ist es der Grundsatz der Mechanik, daß ein Körper, der ruht, in Ewigkeit ruhen, und der in Bewegung ist, in Ewigio keit sich fortbewegen würde, wenn er nicht durch eine äußerliche Ursache von dem einen in den ändern Zustand versetzt würde. Dies heißt nichts anders als: Bewegung ist Bewegung, und Ruhe ist Ruhe; beide Bestimmungen sind gegen einander ein Negatives und Aeußerliches. Der Satz des Cartesius: daß sich im Universum immer dasselbe Quantum von Bewegung 15
erhalte, gehört eben dahin. Diese Abstractionen der Bewegung für sich und der Ruhe für sich, nur sind es, welche die leere Behauptung, von einer ew ig sich fortsetzenden Bewegung, wenn nicht - u.s.f., hervorbringen - eine Behauptung, welche für sich gar keinen em pirisch en Grund hat, und im Gegentheil ist schon der Stoß als solcher durch die Schwere d. i. die Bestim-
20
mung des Fallens | bedingt. Der W u rf enthält die M ö g lic h k e it der accid en tellen Bewegung gegen die w esentliche des Falls, indem (vgl. vorh. §. Anm.) der Körper auch als das Abstractum existirt. Aber diese Abstraction, der Körper qua Körper, ist unzertrennlich verknüpft mit seiner Schwere, und so drängt sich bei dem Wurf diese Schwere von selbst auf
25
in Betracht gezogen werden zu müssen. Der W urf als abgesondert, für sich e x istire n d kann nicht aufgezeigt werden. Das Beispiel für die Bewegung, die von der vis centrifuga herkommen soll, ist gewöhnlich der Stein, der in einer Schleuder, von der Hand im Kreise bewegt, immer das Streben sich von ihr zu entfernen zeige. (Newton phil. nat. princ. math. Defin. Vta.) Aber
30
35
es ist nicht darum zu thun, daß eine solche Richtung e x istire , sondern daß sie getren n t von der Schw ere für sich existire, wie sie in der K ra ft vollends verselbstständigt vorgestellt wird. Newton versichert ebendaselbst, daß eine bleierne Kugel in coelos abiret et motu abeundi pergeret in infinitum, wenn (freilich: wenn) man ihr nur die gehörige Geschwindigkeit ertheilen könnte. Solche Trennung der äußerlichen und der wesentlichen Bewegung gehört weder der Natur und der Erfahrung noch dem Begriffe,
4 Mittelpunkte] O 2: Mittelkunkte
ENCYCLOPÄDIE • NATURPHILOSOPHIE
202
243-245
nur der Reflexion an. Ein anderes ist es, sie, was nothwendig ist, zu u n tersch eiden , so wie mathematisch sie als getrennte Linien zu verzeichnen, als getrennte Factoren zu behandeln u.s.f., ein anderes sie als physisch selbstständige Existenzen zu betrachten.*) | Es soll aber auch bei solchem Fliegen der Bleikugel ins Unendliche von dem Widerstande der Luft, der R eib u n g, abstrahirt werden. Daß ein Perpetuum Mobile, nach der Theorie noch so richtig berechnet und bewiesen, seiner Zeit, die nicht ausbleibt, zur Ruhe übergeht, dabei wird von der Schwere abstrahirt, und das Phänomen ganz der R eib u n g zugeschrieben. Eben diesem Hindernisse wird die allmählige Abnahme der P en d elb ew egu n g und ihr endlicher Stillstand zugeschrieben; es wird von der Pendelbewegung gleichfalls gesagt, daß sie ohne Auf hören fortdauern würde, wenn die Reibung entfernt werden könnte. Dieser Widerstand, den der Körper in seiner accidentellen Bewegung erfährt, gehört allerdings zur nothwendigen Erscheinung seiner Unselbstständigkeit. Aber wie der fallende Körper Hindernisse findet, in den Mittelpunkt seines Centralkörpers zu gelangen, ohne daß diese Hindernisse sein Drücken, seine Schwere, aufhöben, so hemmt jener Widerstand der Reibung die Wurfbewegung des Körpers, ohne dessen Schwere aufzuheben und deren Stelle zu vertreten. Die Reibung ist ein Hinderniß, aber nicht die w esentliche Hemmung der äußerlichen, accidentellen Bewegung. Es bleibt, daß die accidentelle Bewegung unzertrennlich mit der Schwere verbunden | ist, und für sich in die Richtung der letztem, der substantiellen Bestimmung der Materie übergeht und ihr unterliegt.
* ) N e w to n (ibid. Defin. V III.) sagt ausdrücklich: Voces Attractionis, Impulsus vel Propensionis cujuscunque in centrum, indifferenter et pro se mutuo promiscue usurpo; has vires n o n P h y s i c e sed M a t h e m a t ic e tantum considerando. Unde c a v e a t lector, ne per hujusm odi voces cogitet me s p e c ie m vel m o d u m actionis | c a u s a m v e aut r a t io n e m P h y s i c a m alicubi definire, vel centris (quae sunt puncta M athem atica) vires v e r e et P h y s ic e tribuere; si forte aut centra trahere, aut vires centrorum esse dixero. Allein durch die
Einführung der Vorstellung von Kräften hat N e w to n die Bestimmungen aus der Erscheinung hinweggerückt, und sie w e se n tlich verselbstständigt. In diesen Vorstellungen hat er selbst allenthalben gesprochen, und so wird denn auch in den nur p h y sisc h seynsollenden Darstellungen des sogenannten Weltgebäudes von solchen g e g e n e in a n d e r se lb ststä n d ig e n und unabhängig existirenden Kräften, deren Attractionen, Stößen u. dergl. gesprochen. |
203
MECHANIK
245-246
C. D
e r
F
a l l
.
§. 267. Der Fall ist die re la tiv -fre ie Bewegung, frei, indem sie durch den B e g r iff des Körpers gesetzt, die Erscheinung seiner eigenen Schwere ist; sie ist ihm daher im m anent. Aber sie ist zugleich als die nur erste Negation der Aeußerlichkeit, b e d in g t; die Entfernung von dem Zusammenhange mit dem Centrum ist daher noch die äußerlich gesetzte, z u fä llig e Bestimmung. Die Gesetze der Bewegung betreffen die G röße und zwar wesentlich der verflossenen Zeit und des in derselben durchlaufenen Raums; es sind unsterbliche Entdeckungen, die der Analyse des Verstandes die höchste Ehre machen. Ein weiteres ist der nicht empirische B ew eis derselben, und auch dieser ist von der mathematischen Mechanik gegeben worden, so daß auch die auf Empirisches sich gründende Wissenschaft mit dem blos empirischen W eisen nicht zufrieden ist. Die Voraussetzung bei diesem a priorischen Beweise ist, daß die Geschwindigkeit im Fall g le ic h fö rm ig beschleunigt is t; der Beweis aber besteht in der Verwandlung der M om en te der m ath em atisch en Formel in ph ysikalisch e Kräfte, - in eine b e sch le u n igen d e Kraft, welche in jedem Zeitmoment einen (denselben) Impuls mache,*) - und in eine Kraft der T räg h e it, welche | die in jedem Zeitmomente erlangte Geschwindigkeit fortsetze,*) - Bestimmungen, die durch-
* ) Diese sogenannte b e sc h le u n ig e n d e Kraft würde man sonach viel richtiger die n ich t beschleunigende nennen, da die von ihr herrühren sollende Wirkung in jedem Zeitmo | mente g le ic h (constant) ist; sie ist der e m p irisc h e Factor in der Größe des Falls, die E in h e it (die 15 Fuß an der Oberfläche der Erde). Beschleunigung drückt vielmehr eine in jedem Zeitmoment vergrößerte Wirkung aus. *) In diese sogenannte Kraft der T r ä g h e it dagegen fällt sonach in der That die B e s c h le u n i g u n g ; denn sie wird vorgestellt als die D a u e r der am Ende jeden Zeitmoments e r la n g te n G e s c h w in d ig k e it; diese aber ist am Ende jeden Zeitmoments g rö ß e r als am Ende des vorhergehenden; und D a u e r ist nur E x iste n z , denn die Zeittheile sind unendlich klein, wie das E n d e eines solchen Zeittheils noch mehr unendlich klein ist. Der Kraft der Trägheit gehört daher vielmehr die Existenz der in jedem Zeittheil v e r g r ö ß e r te n Geschwindigkeit, d ie B e s c h le u n ig u n g zu. - Größe-Bestimmungen an einem Concreten lassen sich in ihrer Ver-
18 Formel in] so C 2 O 2 : Formelin
O 3 : Formel in
204
ENCYCLOPÄDIE • NATURPHILOSOPHIE
246-247
aus ohne empirische Beglaubigung sind, so wie der Begriff nichts mit ihnen zu thun hat. Zu einer Folge aus dem so bewiesen seyn sollenden Gesetze wird gemacht, »daß in der gleichförmig beschleunigten Bewegung die Geschwindigkeiten den Zeiten proportional seyen.« In der That ist dieser Satz aber nichts, als die ganz einfache Definition der gleichförmig beschleunigten Bewegung selbst. Die schlecht-gleichförmige Bewegung hat die durchlaufenen Räume den Zeiten proportional; die b esch leu n igte ist, in der die G esch w in d igk eit zunimmt, in jedem der folgenden Zeittheile größer wird, und die g le ich fö rm ig beschleunigte Bewegung somit, in der die Geschwindigkeiten den verflossenen Zeiten proportional sind; j also p . V ist die Geschwindigkeit überh au p t,
| die noch u n b estim m te;
deswegen ist sie zugleich die ab stracte, d. i. schlecht-gleichförmige. Die Schwierigkeit bei dem Beweisen liegt darin, j mit dem Gedanken als schlechtgleichförmige, und zugleich als unbestimmte, abstracte Geschwindigkeit überhaupt, zu fassen. Jener Umweg des von der mathematischen Exposition hergenommenen Beweisens dient für das Bedürfniß, die Geschwindigkeit als die schlecht-gleichförmige j zu nehmen. Allein die Geschwindigkeit in allgemeiner Bedeutung muß allenthalben recurriren. So in dem Satze, daß die Geschwindigkeit den Zeiten proportional ist, ist die Geschwindigkeit zunächst überhaupt gesagt, und damit mathematisch j , die schlecht-gleichförmige, aber damit, daß sie den Zeiten proportional sey, ist sie vielmehr die gleichförmig beschleunigte ^ .*) |
schiedenheit ruhig n e b e n e in a n d e r stellen und aussprechen, aber wie sie in Reflexions-Bestimmungen verwandelt werden, tritt ihre Dialektik hervor, daß jede sich vielmehr in das Gegentheil dessen, was sie seyn soll, um ih re r U n tr e n n b a r k e it w ille n , verkehrt. | * ) L a g r a n g e geht nach seiner Weise in der Théorie des fonctions 3me P. Application de la Théorie à la Mécanique, Ch. I. den einfachen ganz richtigen W eg; er setzt die mathematische Behandlung der Functionen voraus, fin d e t in der A n w e n d u n g auf die Mechanik, für s = f t in der Natur f t a u c h b t 2 ; ( s = c t 3 presentire sich in der Natur nicht) bei der Entwicklung der Function, indem t zu t + & wird, wird der Umstand, daß von der sich für den in & durchlaufenen Raum ergebenden Reihe nur die zwei ersten Glieder gebraucht werden können, und die ändern wegzulassen sind, auf seine gewöhnliche Weise für das analytische Interesse erledigt. Aber jene zwei ersten Glieder werden für das Interesse des Gegenstandes nur gebraucht, weil nur sie eine reelle Bestimmung haben (ibid. 4. 5. on voit que les fonctions primes et secondes
6 schlecht-gleichförmige] O 2: schlecht-/gleichförmige te] O2: u n b e s t i m t e
O 3: u n b e s tim m te
O3 ; schlecht-gleichförmige w icklung
O3: Entwickelung
O3: schlecht gleichförmige
1 1 u n b e s tim m -
20-21 schlecht-gleichförmige] O2: schlecht-gteichförmige
27 einfachen] O 2 e in fa c h e u O 3 : einfachen 29 Entwicklung] 30 Function] O2O3: Fonction 33 für] O 2: sür O3: für
O2 : Ent-
(247)248-249
MECHANIK
205
Das Gesetz, des Falles ist gegen die abstracte gleichförmige Geschwindigkeit des todten, von außen bestimmten Mechanismus, ein freies Naturgesetz, d. h. das eine Seite in ihm hat, die sich aus dem B e g r iffe des Körpers bestimmt. Indem daraus folgt, daß es aus diesem muß abgeleitet werden können, so ist auch einmal dieses sich vorzusetzen, und der Weg anzugeben, wie das Galileische Gesetz, »daß die durchlaufenen Räume sich wie die Q u ad rate der verflossenen Zeiten verhalten,« mit der Begriffsbestimmung zusammenhängt. Dieser Zusammenhang ist aber als einfach darin liegend anzusehen, daß weil hier der Begriff zum Bestimmen kommt, die Begriffsbestimmungen der Zeit und des Raums gegeneinander frei werden, d.h. ihre G rö ß eb estim m u n gen sich nach jenen verhalten. Nun ist aber die Z e it das Moment der N e g a tio n , des Fürsichseyns, das Princip des Eins, und ihre Größe (irgend eine empirische Zahl) ist im Verhältnisse zum Raum als die E in heit oder als Nenner zu nehmen. Der R aum dagegen ist das A uß ereinan dersey n , und zwar keiner ändern G röß e, als eben der Größe der Zeit. Denn die Geschwindigkeit dieser freien Bewegung ist eben dies, daß Zeit und Raum nicht äußerlich, nicht zufällig gegeneinander sind, sondern beider Eine Bestimmung ist. Die als der Form der Zeit, der Einheit, entgegengesetzte Form des Außereinander des Raums, und ohne daß irgend eine andere Bestimmtheit sich einmischt, ist das Q u ad rat, - die | Größe außer sich kom m end, in eine zweite Dimension sich setzend, sich somit vermehrend, aber nach keiner ändern als ihrer eigenen Bestimmtheit, diesem Erweitern sich selbst zur Gränze machend, und in ihrem Anderswerden so sich nur auf sich beziehend. Dies ist der Beweis des Gesetzes des Falls aus dem B e g r iffe der Sache. Das P oten z en -Verhältniß ist wesentlich ein q u a lita tiv e s Verhältniß, und ist allein das Verhältniß, das dem Begriffe angehört. - Noch ist auch in Beziehung auf Nachfolgendes hinzuzufügen, daß weil der Fall zugleich noch Bedingtheit in der Freiheit enthält, die Zeit nur abstracte Einheit, als die unm itte lb a re Zahl bleibt, so wie die Größebestimmung des Raums nur zur zweiten Dimension gelangt.
se présentent naturellem ent dans la mécanique, où elles ont une valeur et une signification déterminées). Von hier fällt er auf die N ew tonischen Ausdrücke | von Geschwindigkeit, die
der Kraft der Trägheit anheim fällt, und auf die beschleunigende Kraft; aber dies hat keinen Einfluß auf jenen richtigen Gang, der diese Bestimmungen nicht für einen B e w e is des G e setzes gebrauchen will, sondern dieses, wie hier gehörig, aus der Erfahrung aufnimmt, und dann die mathematische Behandlung darauf anwendet. |
206
ENCYCLOPÄDIE • NATURPHILOSOPHIE
249-250
§. 268. Der Fall ist das nur abstracte Setzen Eines C en tru m s, in dessen Einheit der Unterschied der particulären Massen und Körper sich als aufgehoben setzt, (Masse, Gewicht hat daher in der Größe dieser Bewegung keine Bedeutung). Aber das einfache Fürsichseyn des Centrums ist als diese n e g a tiv e Beziehung auf sich selbst, wesentlich R ep u lsio n seiner selbst, - fo rm e lle Repulsion in die vielen ruhenden Centra (Stern e), - leb en d ige Repulsion, als Bestimmung derselben nach den M om enten des B e g r iffs, und wesentliche Beziehung dieser hienach unterschieden gesetzten Centra aufeinander, welche Beziehung als der Widerspruch ihres selbstständigen Fürsichseyns und ihres in dem Begriffe ideell Zusammengeschlossenseyns, in seiner Erscheinung Bewegung, und zwar die ab so lu t freie B ew egu n g ist. |
C. A B S O L U T E M E C H A N IK .
§. 269. Die Gravitation ist der wahrhafte und bestimmte B e g r if f der materiellen Körperlichkeit, der zur Idee realisirt ist. Die a llgem ein e Körperlichkeit urtheilt sich wesentlich in beson dere Körper, und schließt sich zum Momente der Einzeln h eit oder Subjectivität, als erscheinendes Daseyn in der B ew egu n g zusammen, welche hiedurch unmittelbar ein System m ehrerer K ö rp er ist. Die allgemeine Gravitation muß für sich als ein tiefer Gedanke anerkannt werden, wenn er schon zunächst in der Sphäre der Reflexion gefaßt, die Aufmerksamkeit und Zutrauen vornehmlich durch die damit verbundene quantitative Bestimmung auf sich zog, und seine Bewährung nur in der vom Sonnensystem bis auf die Erscheinung der Haarröhrchen herab verfolgten E rfah ru n g finden sollte. - Zunächst widerspricht die Gravitation unmittelbar dem Gesetze der Trägheit, denn vermöge jener strebt die Materie aus sich selb st zur ändern hin. - Im B e g r iffe der Schw ere sind, wie gezeigt, selbst die beiden Momente des Fürsichseyns, und der das Fürsichseyn auf hebenden Continuität enthalten. Diese Momente des Begriffs erfahren aber das Schicksal, als besondere Kräfte, entsprechend der Attractiv-
4 hat] 0 2: ist
O 3 : hat
25 Erscheinung] O 2 : Erscheiuung
O 1 O 3 : Erscheinung
250-252
207
MECHANIK
und Repulsivkraft, in näherer Bestimmung als C e n trip e ta l- und C entr ifu g a lk r a ft gefaßt zu werden, die wie die Schwere a u f die K ö rp e r a g ire n , | unabhängig von einander und zufälligerweise in einem Dritten, dem Körper, Zusammenstößen sollen. Hiedurch wird, was am Gedanken der allgemeinen Schwere Tiefes ist, wieder zu nichte gemacht, und so lange kann Begriff und Vernunft nicht in die Lehre der absoluten Bewegung eindringen, als die so gepriesenen Entdeckungen der K rä fte darin herrschend sind. In dem Schlüsse, welcher die Idee der Schwere enthält, sie selbst nämlich als den Begriff, der durch die Besonderheit der Körper in die äußerliche Realität, und in dieser zugleich in deren Idealität und Reflexion-in-sich, in die Bewegung tritt, ist die vernünftige Identität und Untrennbarkeit der Momente enthalten, welche sonst als selbstständig vorgestellt werden. Die Bewegung selbst als solche hat schlechthin nur im Systeme m ehrerer und zwar nach verschiedener Bestimmung zu einander im Verhältniß stehender Körper einen Sinn und Existenz.
§. 270.
Was die Körper, in welchen der Begriff der Schwere frei für sich realisirt ist, betrifft, so haben sie zu Bestimmungen ihrer unterschiedenen Natur die Momente ihres Begriffs. Einer ist also das allgem ein e Centrum der abstracten Beziehung auf sich selbst. Diesem Extreme steht die unmittelbare, außersichseyende, centrumlose E in zeln h eit, als gleichfalls selbstständige Körperlichkeit erscheinend, entgegen. Die b eson d ern aber sind, die sowohl in der Bestimmung des Außersichseyns, als zugleich des Insichseyns stehen, Centra für sich sind, und sich auf den ersten als auf ihre wesentliche Einheit beziehen. Die plan etarisch en Körper sind als die unmittelbar con creten in ihrer Existenz die vollkommensten. Man pflegt die Sonne für das Vortrefflichste zu nehmen, in sofern der Verstand das Abstracte dem Concreten vorzieht, wie sogar die Fixsterne höher geachtet werden, als die Körper des Sonnensystems. - Die | centrumlose Körperlichkeit, als der Aeußerlichkeit angehörig, besondert sich an ihr selbst, zum Gegensätze des lunarischen und cometarischen Körpers. Die G esetze der absolut-freien Bewegung sind bekanntlich von K ep p ler entdeckt worden; - eine Entdeckung von unsterblichem Ruhme. B ew iesen hat K ep p ler dieselbe in dem Sinne, daß er für die empirischen Data ihren allgemeinen Ausdruck gefunden hat (§.
10
dieser zugleich] so C% Oz: diese zugleich und vgl. O 3 : zugleich
selbe] Plural!
11
diei] so C 2
O 2 : der
33 die-
ENCYCLOPÄDIE • NATURPHILOSOPHIE
252-253
227.). Es ist seitdem zu einer allgemeinen Redensart geworden, daß N e w ton erst die Beweise jener Gesetze gefunden habe. Nicht leicht ist ein Ruhm ungerechter von einem ersten Entdecker auf einen ändern übergegangen. Ich bemerke hierüber folgendes: 1) daß von den Mathematikern zugestanden wird, daß die Newtonischen Formeln sich aus den Kepplerischen Gesetzen ableiten lassen. Die ganz unmittelbare Ableitung ist diese: Im dritten Kepplerischen Gesetz ist — das Constante. Dies als A^ - gesetzt, und mit Newton ^ die allgemeine Schwere genannt, so ist sein Ausdruck von der Wirkung der Schwere im umgekehrten Verhältnisse des Quadrats der Entfernungen vorhanden; 2) daß der Newtonische Beweis von dem Satze, daß ein dem Gravitationsgesetze unterworfener Körper sich in einer E llip se um den Centralkörper bewege, auf eine konische Sectio n überhaupt geht, während der Hauptsatz, der bewiesen werden sollte, gerade darin besteht, daß die Bahn eines solchen Körpers nicht ein K reis oder son st eine konische S e ctio n , sondern allein die E llip se ist. Gegen jenen Beweis für sich (Princ. Math. 1. I. Sect. II. prop. i.) sind ohnehin Erinnerungen zu machen; auch braucht die Analysis denselben, die Grundlage der Newtonschen Theorie, | nicht mehr. Die Bedingungen, welche dann die Bahn des Körpers zu einem bestimmten Kegelschnitte machen, werden auf einen em pirisch en Umstand, nämlich eine besondere Lage des Körpers in einem bestimmten Zeitpunkte, und die z u fällig e Stärke eines Stoß es, den er ursprünglich erhalten haben sollte, zurückgeführt; so daß der Umstand, welcher die krumme Linie zu einer Ellipse bestimmt, außerhalb der Formel fällt, welche allein das Bewiesene seyn soll; 3) daß das Newtonische Gesetz von der sogenannten Kraft der Schwere gleichfalls nur aus der Erfahrung durch Induction aufgezeigt ist. Es ist nichts als der Unterschied zu sehen, daß das, was Keppler auf eine einfache und erhabene Weise, in der Form von G esetzen der h im m lischen B e w e g u n g ausgesprochen, Newton in die R e fle x io n sfo rm von K ra ft der Sch w ere umgewandelt hat. Wenn die Newtonische Form für die analytische Methode ihre Bequemlichkeit nicht nur, sondern ihre Nothwendigkeit hat, so ist dies nur ein Unterschied der mathematischen Formel; die Analysis versteht es längst, den Newtonischen Ausdruck und die damit zusammenhängenden Sätze aus der Form der Kepplerischen Gesetze abzuleiten; (ich halte mich hierüber an die elegante Exposition in F r a n co eu rs Traité élém. de Mécanipue Liv. II. Ch. n . n. IV.). - Vornehmlich stellt die ältere Manier des sogenannten Beweisens überhaupt ein verworrenes Gewebe dar, aus Lin ien det blos geometrischen Construction, welchen
MECHANIK
253-255
209
eine physicalische Bedeutung von selb ststän d igen K rä fte n gegeben wird, und aus leeren Reflexionsbestimmungen von der schon erwähnten b esch leu n igen d en K ra ft, und K raft der T rä g h e it, vornehmlich dem Verhältnisse der sogenannten Schwere selbst zur Centripetalkraft und Centrifugalkraft u.s.f. Die Bemerkungen, die hier gemacht sind, bedürften | freilich einer weitläuftigern Auseinandersetzung, um sich als begründet zu zeigen; in einem Compendium können jedoch dergleichen Sätze, die mit dem Angenommenen nicht übereinstimmen, nur die Gestalt von Behauptungen haben. Indem sie aber so hohen Auctoritäten widersprechen, müssen sie als etwas noch schlimmeres, nämlich als Anmaßungen erscheinen. Ich will mich nicht darauf berufen, daß mich übrigens das Interesse an diesen Gegenständen 25 Jahre lang beschäftigt hat; aber dies ist näher zu erinnern, daß die Unterscheidungen und Bestimmungen, welche die mathematische Analysis herbeiführt, und der Gang, den sie nach ihrer Methode zu nehmen hat, ganz von dem zu unterscheiden ist, was eine physicalische Realität haben soll. Die Voraussetzungen, der Gang und die Resultate, welche die Analysis nöthig hat und gibt, bleiben ganz außerhalb der Erinnerungen, welche den physicalischen Werth und die Bedeutung jener Bestimmungen und jenes Gangs betreffen. Hierauf ist es, daß die Aufmerksamkeit sollte geleitet werden. Es ist um ein Bewußtseyn zu thun, über die Ueberschwemmung der physischen Mechanik mit einer unsäglich en M etap h ysik , die - gegen Erfahrung und Begriff - jene mathematischen Bestimmungen allein zu ihrer Quelle hat. Es ist anerkannt, daß was N ew to n , außer der Grundlage der a n a ly tischen Behandlung, deren Entwicklung übrigens selbst Vieles, was zu Newtons wesentlichen Principien und Ruhm gehörte, überflüssig gemacht, ja verworfen hat, zu dem Gehalt der Kepplerischen Gesetze hinzugefügt hat, das Princip der P ertu rb atio n ist, - ein Princip, dessen Wichtigkeit hier in sofern anzuführen ist, als es auf dem Satze beruht, daß die sogenannte Attraction eine Wirkung aller einzelnen Theile der Körper, als materieller ist. Es liegt darin, daß die Materie überhaupt sich das Centrum setzt, und die Figur des Körpers ein Moment | in der O rtsb estim m u n g desselben ist, daß die gesammten Körper des Systems sich ihre Sonne setzen, aber auch selbst die einzelnen Körper nach der relativen Lage, in welche sie nach ihrer allgemeinen Bewegung gegeneinander kommen, eine momentane Beziehung der Schwere aufeinander bilden, und nicht nur in der abstracten 23 B egriff] O 2 : VegrifF
O 3 : B e griff
ENCYCLOPÄDIE • NATURPHILOSOPHIE
210
255-256
räumlichen Beziehung, der Entfernung, sich verhalten, sondern miteinander ein besonderes Centrum sich setzen, das sich aber in dem allgemeinen System wieder auflöst. Was nun von Zügen des Weges angegeben werden soll, wie die Grundbestimmungen der freien Bewegung m it dem B e g r iffe zusammenhän-
5
gen, kann hier nicht für seine Begründung ausführlicher entwickelt, und muß daher seinem Schicksal überlassen werden. Der Vernunftbeweis über die quantitativen Bestimmungen der freien Bewegung kann allein auf den B e g riffsb e stim m u n g e n des Raums und der Zeit, der Momente, deren (jedoch nicht äußerliches) Verhältniß die Bewegung ist, beruhen.
10
Daß zuerst die Bewegung im Allgemeinen eine in sich zurück k eh rende ist, liegt in der Bestimmung der Körper der Besonderheit und Einzelnheit überhaupt (§. 269.), theils ein Centrum in sich selbst, und selbstständige Existenz, theils zugleich ihr Centrum in einem ändern zu haben. Es sind dies die Begriffsbestimmungen, die den falschen Vorstellungen von einer
15
C e n trip e ta lk ra ft und C e n trifu g a lk ra ft zum Grunde liegen, als ob jede derselben für sich selb ststän d ig, außerhalb der ändern existire und unabhängig wirke, und sie nur in ihren Wirkungen äuß erlich , damit zufällig, einander begegneten. Sie sind, wie bereits erinnert, die Linien, die für die mathematische Bestimmung gezogen werden müssen, in physische Wirklichkeiten verwandelt. Ferner ist diese Bewegung g le ich fö rm ig be | sch le u n igt, (und - als in sich zurückkehrend - abwechselnd, gleichförmig retardirt). In der Bewegung als freien kommen Raum und Zeit dazu, als V erschiedene sich in der Bestimmung der Bewegung geltend zu machen (§. 267. Anm.). -
20
25
In der sogenannten E rk läru n g der gleichförmig beschleunigten und retardirten Bewegung aus der wechselseitigen Abnahme und Zunahme der Größe der Centripetalkraft und Centrifugalkraft wird die V erw irru n g , welche die Annahme solcher selbstständigen Kräfte herbeiführt, am größten. Nach dieser Erklärung ist in der Bewegung eines Planeten von der Sonnen-
30
ferne nach der Sonnennähe die Centrifugalkraft klein er als die Centripetalkraft, dagegen soll nun in der Sonnennähe selbst die Centrifugalkraft wieder größer seyn als die Centripetalkraft. Für die Bewegung von der Sonnennähe zur Sonnenferne läßt diese Vorstellung auf eben solche Weise die Kräfte in das entgegengesetzte Verhältniß treten. Man sieht, daß ein solches plötzliches Umschlagen des erlangten Uebergewichts einer Kraft in ein Unterliegen
25 §. 267. Anm.] nnd O 3 und
O 2O 3:
§. 266. Anm.
27 Zunahme]
O2:
Znnahme
O 3:
Z un ah m e
28 und] O 2 :
35
MECHANIK
256-257
211
unter die andere nichts aus der Natur der Kräfte genommenes ist. Im Gegentheil müßte geschlossen werden, daß ein Uebergewicht, das die eine Kraft über die andere erlangt hätte, sich nicht nur erhalten, sondern in die völlige Vernichtung der ändern Kraft, und die Bewegung entweder durch das Uebergewicht der Centripetalkraft, in die Ruhe, nämlich das Stürzen des Planeten in den Centralkörper, oder durch das Uebergewicht der Centrifugalkraft in gerade Linie übergehen müßte. Wird aber an die Stelle der Plötzlichkeit des Umschlagens ein allmähliges Zunehmen der fraglichen Kraft vorausgesetzt, so geht, da vielmehr die andere Kraft als zunehmend vorausgesetzt wurde, der Gegensatz verloren, der zum Behuf des Erklärens angenommen wurde, und wenn das Zunehmen der einen auch als verschieden von dem der ändern, (was sich gleichfalls in | einigen Darstellungen findet) angenommen wird, so finden sich in der mittlern Entfernung von den Apsiden Punkte ein, in welchen die Kräfte im G le ich g e w ich te sind. Das Heraustreten derselben aber aus dem Gleichgewichte ist etwas eben so unmotivirtes, als jene Plötzlichkeit des Umschlagens. Man findet überhaupt leicht, daß bei dieser Erklärungsweise, die Abhülfe eines Uebelstands durch eine weitere Bestimmung neue und größere Verwirrungen herbeiführt. Eine ähnliche Verwirrung tritt bei der Erklärung der Erscheinung ein, daß unter dem Aequator der Pendel langsamer schwingt. Diese Erscheinung wird der daselbst größer seyn sollenden Centrifugalkraft zugeschrieben; man kommt aber leicht darauf, sie der vergrößerten Schwerkraft, als welche den Pendel starker nach der perpendicularen Linie der Ruhe halte, eben so gut zuschreiben zu können. Was nun die G estalt der Bahn betrifft, so ist der K re is nur als die r Bahn einer sch le ch t-g leich fö rm ig e n Bewegung zu fassen. D e n k b ar, wie man es nennt, ist es wohl, daß auch eine gleichförmig zu- und abnehmende Bewegung im Kreise geschehe. Aber diese Denkbarkeit oder Möglichkeit heißt nur eine abstracte Vorstellbarkeit, welche das Bestimmte, worauf es ankommt, wegläßt. Der Kreis ist die in sich zurückkehrende Linie, in der alle Radien gleich sind; d. h. er ist durch den Radius vollkommen bestimmt; es ist nur Eine, und sie ist die ganze Bestimmtheit. In der freien Bewegung aber, wo räumliche und zeitliche Bestimmung in Verschiedenheit, in ein qualitatives Verhältniß zu einander treten, erscheint dies Verhältniß an dem Räumlichen als eine D ifferen z desselben in ihm selbst, welche hiemit zw ei Bestimmungen erfodert. Dadurch wird die Gestalt der in sich
11 wurde] O 2 : wnrde
18 neue] O 2 : neuere
O 3 : neue
ENCYCLOPÄDIE • NATURPHILOSOPHIE
212
257-259
zurückgehenden Bahn wesentlich eine E llipse. - Die abstracte Bestimmtheit, die den Kreis ausmacht, erscheint auch so, daß der Bogen oder Winkel, der durch zwei Radien einge | schlossen ist, von ihnen unabhängig, eine gegen sie völlig empirische Größe ist. Indem aber in der durch den Begriff bestimmten Bewegung die Entfernung vom Centrum und der Bogen, der in einer Zeit durchlaufen wird, in Einer Bestimmtheit befaßt seyn, Ein Ganzes ausmachen müssen, so ist dies der Secto r, eine Raumbestimmung von zwei Dimensionen; der Bogen ist auf diese Weise wesentlich Function des Radius Vector und jener, als in gleichen Zeiten ungleich, führt damit die Ungleichheit der Radien mit sich. Daß die räumliche Determination durch die Zeit, als eine Bestimmung von zwei Dimensionen, als F läch en b estim m u n g, erscheint, hängt mit dem zusammen, was oben (§. 267.) beim Falle über die Exposition derselben Bestimmtheit, das einemal als Zeit in der Wurzel, das andremal als Raum im Q u ad rat gesagt worden. Hier jedoch ist das Q u ad ratisch e des Raumes durch die Rückkehr der Linie der Bewegung in sich selbst, zum Sector beschränkt. - Dies sind, wie man sieht, die allgemeinen Principien, auf denen das Kepplerische Gesetz, daß in gleich en Z eiten gleich e Secto ren ab gesch n itten werden, beruht. Dies Gesetz betrifft, wie erhellt, nur das Verhältniß des Bogens zum Radius Vector, und die Zeit ist dabei als abstracte Einheit, in der die verschiedenen Sectoren verglichen werden, weil sie das Determinirende als Einheit ist. Aber das weitere Verhältniß ist das der Zeit, nicht als Einheit, sondern als Quantum überhaupt, als Umlaufszeit zu der Größe der Bahn oder was dasselbe ist, der Entfernung vom Centrum. Als Wurzel und Quadrat sahen wir Zeit und Raum sich zu einander verhalten im Falle, der halbfreien Bewegung, weil sie einerseits zwar durch den Begriff, andererseits aber äußerlich bestimmt ist. Aber in der absoluten Bewegung, dem Reiche der freien Maaße, erlangt die Bestimmung ihre Totalität. Als Wurzel ist die Zeit eine blos empi|rische Größe; als Moment der entwickelten Totalität aber ist sie Totalität für sich, producirt sich und bezieht sich darin a u f sich se lb st; als das in sich Dimensionslose kommt sie nur zur formellen Identität mit sich, dem Q u ad rate, der Raum dagegen als das positive Außereinander zur Dimension des Begriffs, dem Cubus. Ihre Realisirung behält ihren ursprünglichen Unterschied. Dies ist das dritte Kepplerische Gesetz, das Verhältniß des W ü rfels der E n tfern u n gen zu den Q u ad raten der Zeiten; - ein Gesetz, das darum so groß ist, weil es so einfach undunmittelbar
12 §. 267.] O 2O 3 : §. 266.
28 Maaße] O 2 : Masse
O 3 : Maaße
259
MECHANIK
213
die V ern u n ft der Sache darstellt, da hingegen die Newtonische Formel, wodurch es in ein Gesetz für die K ra ft der Schwere verwandelt wird, die Verdrehung und Umkehrung der auf halbem Wege stehen bleibenden R e fle x io n zeigt. §. 271. Die Substanz der Materie, die Schwere, zur T o ta litä t des Begriffs entwickelt, hat das ohne sie leere Außersichseyn der Materie nicht mehr außer ihr. So hat die Form, die zunächst nur in den idealen Bestimmungen des Raums, der Zeit und Bewegung, und deren Einheit als ein außerhalb der außer sich seyenden Materie bestimmtes C ent rum gesetzt war, das Außereinander der Materie an ihr selbst, und ist materialisirt. Oder umgekehrt hat die Materie in dieser Negation ihres Außersichseyns in der Totalität, das vorher nur gesuchte Centrum, ihr Selbst an ihr selber, erhalten. Ihr abstractes dumpfes In-sich-seyn, als schwer überhaupt, ist zur Form entschlossen; sie ist q u a lificirte M a te rie ; - P hysik. |
214
ENCYCLOPADIE • NATURPHILOSOPHIE
Z
w e it e
A
b t h e il u n g
d e r
N
a t u r p h il o s o p h ie
260-261
.
PHYSIK.
§. 272. Die Materie hat In d iv id u alität, in sofern sie das Fürsichseyn so in ihr selbst hat, daß es in ihr entwickelt und sie damit an ihr selbst b estim m t ist. Die Materie entreißt auf diese Weise sich der Schwere, manifestirt sich, sich an ihr selbst bestimmend, und durch die ihr immanente Form bestimmt sie das Räumliche aus sich, der Schwere gegenüber, der vorher dieses Bestimmen zukam.
§. 273. Die Physik hat zu ihrem Inhalte: A. D ie a l l g e m e i n e In d iv id u alität, d.i. die freien ph ysisch en Q u a litäten. B. D ie b e
s o n d e r e
In d iv id u alität, B ezieh u n g der Form a u f die Sch w e-
re, und B estim m u n g der Schw ere durch sie. C. D ie
t o t a l e
freie In d iv id u alität. |
A. P H Y S IK D E R A L L G E M E IN E N IN D IV ID U A L IT Ä T .
§. 274. Die physischen Qualitäten sind a. als u n m ittelb ar, außereinander in selbstständiger Weise, als die nun physisch bestimmten h im m lisch en K ö rp e r; b. als bezogen auf die individuelle Einheit ihrer Totalität, - die ph ysischen E lem e n te ; c. als der Proceß derselben, der das Individuum derselben hervorbringt, - der m e te o ro lo g isch e Proceß. 7 im m anente Form bestim m t sie] so C 2
O2 : immanente bestim m t
vgl. O 3 •' b estim m t... immanente Form
215
PHYSIK
2 61-262
a. D
ie
f r e ie n
p h y s is c h e n
a)
K
ö r p e r
.
DAS LICHT.
§. 275. Die erste qualificirte Materie ist sie, als ihre reine Id e n titä t mit sich, die erste abstracte M an ifestatio n . Als daseyend ist sie die Beziehung auf sich als se lb ststän d ig gegen die ändern Bestimmungen der Totalität. Dies existirende allgemeine S e lb st der Materie ist das L ich t, - als Individualität, der Stern , und derselbe als Moment einer Totalität, die Sonne. | §. 276. Als das abstracte S e lb st der Materie ist das Licht das a b so lu t-le ic h te , und als Materie un en dlich es, aber als diese materielle Idealität u n tren n b ares und einfaches A uß ersichseyn. In der morgenländischen Anschauung, der substanziellen Identität des Geistigen und des Natürlichen, ist die reine Selbstischkeit des Bewußtseyns, das mit sich identische Denken als die Abstraction des W ah ren und G uten, eins mit dem Lichte. - Wenn die Vorstellung, welche man re alistisch genannt hat, leugnet, daß in der Natur die Idealität v o rh an d en sey, so ist sie nur an das Licht, an dieses reine Manifestiren, welches nichts als M anifestire n ist, zu verweisen. Daß diese Gedankenbestimmung, die Identität mit sich, oder das zunächst abstracte Selbst der Centralität, welches die Materie nun in ihr hat, - diese einfache Idealität als daseyend, das Licht sey, dieser Beweis ist, wie früher in der Einleitung angegeben, empirisch zu führen. Das immanente Philosophische ist hier wie überall die eigene Nothwendigkeit der B e g r iffs b e stim m u n g und deren E xisten z als irgen d eine natürliche. Hier nur einige Bemerkungen über die empirische Existenz der reinen Manifestation als Licht. Die schwere Materie ist trennbar in M assen , weil sie concrete Identität und Quantität ist; aber in der ganz a b strac ten Idealität des Lichts ist kein solcher Unterschied; eine Beschränkung desselben in seiner unendlichen Verbreitung hebt seinen absoluten Zusammenhang in sich, nicht auf.
216
ENCYCLOPÄDIE • NATURPHILOSOPHIE
262-264
Die Vorstellung von discreten einfachen L ich tstrah le n und T h eilch en , und B ü n d e ln derselben, aus welchen ein in seiner Ausbreitung beschränktes Licht bestehen soll, gehört zu der übrigen Barbarei der Begriffe, die in der Physik besonders N ew ton herrschend gemacht hat. Es ist die beschränkteste Erfahrung, daß das Licht sich so wenig in Säcke packen, als in Strahlen isoliren, und in Strahlenbündel zusammenfassen läßt. Die Untrennbarkeit des Lichts, in seiner unendlichen Ausdehnung, ein reelles Außereinander, das mit sich identisch bleibt, kann vom Verstände am wenigsten für unbeg r e iflic h ausgegeben werden, da sein eigenes Princip vielmehr diese abstracte Identität ist. - Wenn die Astronomen darauf gekommen sind, von Himmels-Erscheinungen zu sprechen, die, indem sie von uns wahrgenommen werden, bereits vor 500 Jahren und mehr vorgegangen seyen, so kann man darin einerseits empirische Erscheinungen der F o rtp fla n z u n g
des
L ic h ts, die in einer Sphäre gelten, auf eine andere übergetragen glauben, wo sie keine Bedeutung haben, - jedoch ist solche Bestimmung an seiner Materialität nicht im Widerspruche mit seiner einfachen Untrennbarkeit; andererseits aber eine Vergangenheit zu einer Gegenwart nach der ideellen Weise der Erinnerung werden sehen. - Nach der Vorstellung aber, daß von je d e m P un k te einer sichtbaren Oberfläche nach allen R ich tu n gen Strahlen ausgeschickt, also von jedem eine m aterielle H alb k u g el von unendlicher Dimension gebildet wird, d u rch d rin gen sich alle diese unendlich vielen Halbkugeln. Statt daß jedoch hiedurch zwischen dem Auge und dem Gegenstände eine verdichtete, verwirrte Masse entstehen und die zu erklärende Sichtbarkeit vermöge dieser Erklärung eher die Unsichtbarkeit hervorbringen sollte, reducirt sich diese ganze Vorstellung selbst so zur Nichtigkeit, wie die Vorstellung eines concreten Körpers, der aus vielen Materien bestehen soll, so daß in den Poren der einen die ändern sich befinden, in welchen selbst umgekehrt die ändern stecken und circuliren, welche allseitige Durchdringung die Annahme der discreten Materialität der Stoffe aufhebt, und vielmehr ein ganz ideelles Verhältniß begründet. |
§. 277. Das Licht verhält sich als die allgemeine physicalische Identität zunächst als ein Verschiedenes (§. 275.) zu der in den ändern Begriffs-Momenten qualificirten Materie; als ein Aeußeres und Anderes zu derselben, die als das Negative des Lichts, nicht das Manifestiren an sich selbst seyend, nicht aus sich leuchtet, ein D u n k les. In sofern dasselbe ebenso verschieden vom Lichte für sich besteht, bezieht sich das Licht nur auf die Oberfläche dieses so zunächst Undurchsichtigen, wel-
264-265
PHYSIK
217
che so (ohne weitere Particularisation glatt) sich manifestirend, d. i. an A n d erem scheinend wird. So, indem jedes am Ändern erscheinend, läßt es Anderes an ihm ins Unendliche fort erscheinen. Um endlich erscheinen, sichtbar werden zu können, muß es daher auf irgend eine physische Weise weiter particularisirt, (z. B. ein Licht, ein Rauhes, Farbigtes u. dgl.) seyn. Die sonst in Gestalt mannichfaltig particularisirte Körperlichkeit wird in dieser ihrer ersten, abstracten Manifestation auf Oberfläche reducirt, es ist nicht das Manifestiren von E tw as, sondern nur das Manifestiren als solches gesetzt, und daher ist die Determination desselben hier nur räu m lich e.
§. 278. Die Manifestation der Gegenstände an einander, die so das Licht ist, als durch undurchsichtige Gegenstände begränzt, ist als Manifestation des einen an dem ändern in der räu m lich en Beziehung durch nichts weiter bestimmt, daher d irect (geradlinigt). Indem es Oberflächen sind, die sich zu einander verhalten, und diese in verschiedene Lagen treten können, so geschieht, daß die Manifestation eines sichtbaren Gegenstandes an einem ändern (Glatten) sich vielmehr an einem Dritten manifestirt u.s.f. Die Manifestation hat in diesen particularisirten räumlichen Bestimmungen die G leichheit zum | Gesetz - die Gleichheit des Einfallswinkels mit dem Winkel der Reflexion, ohnehin die E in h eit der Ebene dieser Winkel. Die Bestimmungen dieses Paragraphs, die schon der bestimmtem Physik anzugehören scheinen können, enthalten den Uebergang der allgemeinen Begränzung des Lichts durch das Dunkle zur bestimmten Begränzung durch die particulär-räumlichen Bestimmungen des letztem. Diese Determination pflegt näher mit der Vorstellung des Lichts als einer gewöhnlichen M aterie zusammen zu hängen. Allein es ist darin nichts enthalten, als daß die abstracte Idealität, dieses reine Manifestiren, als untrennbares Außersichseyn für sich räumlich, und damit äußerlicher determinirter Begränzungen fähig ist; diese Begränzbarkeit durch particularisirte Räumlichkeit, ist eine n otw endige Bestimmung, die weiter nichts als dieses enthält, und alle materiellen Kategorien von Uebertragen, physicalischem Zurückwerfen des Lichts und dergleichen ausschließt. Mit den Bestimmungen des Paragraphs hängen die Erscheinungen zusammen, welche auf die grobe Vorstellung von der sogenannten fix e n Po-
12 Manifestation] O 2 : M anisestation
19 die] O 2 : der
O 3
: die
218
ENCYCLOPÄDIE • NATURPHILOSOPHIE
265-266
larisation, Polarität des Lichts geführt haben. So sehr der sogenannte Einfalls- und Reflexionswinkel bei der einfachen Spiegelung Eine Ebene ist, so sehr hat, wenn ein zw eiter Spiegel angebracht wird, welcher die vom ersten reflectirte Erhellung weiter mittheilt, die Stellung jener ersten Ebene zu der zweiten, die durch die Richtung dieser ersten Reflexion und der zweiten gebildet wird, ihren Einfluß auf die Stellung, Helligkeit oder Verdüsterung des Gegenstandes, wie er durch die zweite Reflexion erscheint. Dieser Einfluß muß am stärksten seyn, wenn beide Ebenen sich, wie man es nennen muß, n egativ zu einander verhalten, d.i. wenn sie senkrecht aufeinander stehen (vergl. Göthe zur Naturw. I. Bd. 1. Hft. S. 28. unten 2. folg. S. und 3. Hft. Entopt. | Farben XVIII. XIX. S. 144. folg.). Daß nun (von M alu s) aus der Modification, welche durch jene Stellung in der Helligkeit der Spiegelung bewirkt wird, geschlossen worden, daß die Lichtmoleculen an ihnen selbst, nämlich an ihren verschiedenen Seiten, verschiedene physische Wirksamkeiten besitzen, auf welche Grundlage dann mit den weiter daran sich knüpfenden entoptischen Farben-Erscheinungen ein weitläuftiges Labyrinth der verwickeltsten Theorie gebaut worden ist, - ist eins der eigentümlichsten Beispiele vom Schließen der Physik aus Erfahrungen.
ß) D I E K Ö R P E R D E S
GEGENSATZES.
§. 279. Das Dunkle, zunächst das Negative des Lichts, ist der Gegensatz gegen dessen abstract-identische Idealität, - der G egen satz an ihm selbst. Er ist überhaupt materielle Realität, und bestimmter zerfällt er in sich, und ist als eine Z w eih eit, a) der körperlichen V erschiedenheit, des materiellen Fürsichseyns, der S ta rr h eit, ß) der E n tgegen setzu n g als solcher, welche aber als frei und von der Individualität nicht gehalten nur in sich zusammengesunken, die Auflösung und N e u tr a litä t, ist; jenes der lun arische, dieses der k o m etarisch e Körper. Diese beiden Körper haben auch im System der Schwere als relativ e C e n tra lk ö rp e r die Eigenthümlichkeit, die denselben Begriff zu Grunde liegen hat, als ihre physicalische, und hier bestimmter bemerkt werden kann. Sie drehen sich nicht um ihre Achse. Der K ö rp e r der Starrh eit als des formellen Fürsichseyns, welches die im Gegensätze befangene Selbstständig-
4 Erhellung] O 2 : Erhelluug nenneu
0 3
.' nennen
O 3:
Erhellung
22 G e g e n satz]
O2:
6 Einfluß] O 2 : Einflnß G e g e u sa tz
O3:
O 3:
G e g e n sa tz
Einfluß
8-9 nennen] O 2 :
266-268
PHYSIK
219
keit und darum nicht Individualität ist, ist deswegen dienend und T r a bant eines ändern, in welchem er seine Achse hat. Der K ö rp e r der | A u flö su n g , das Gegentheil der Starrheit, ist in seinem Verhalten au ssch w eifen d, und in seiner excentrischen Bahn, wie in seinem physicalischen Daseyn die Zufälligkeit darstellend; so daß man von diesen Körpern vermuthete, daß die Nähe eines großen Planeten ihre Bahn ändern könne; - sie zeigen sich als eine oberflächliche Concretion, die eben so zufällig sich wieder zerstäuben mag. - Der M ond hat keine Atmosphäre, und entbehrt damit des meteorologischen Processes. Er zeigt nur hohe Berge und Krater, und die Entzündung dieser Starrheit in sich selbst; - die Gestalt eines Krystalls, welche H eim , (einer der geistvollen Geognosten) auch als die ursprüngliche der blos starren Erde aufgezeigt hat. - Der K o m et erscheint als ein formeller Proceß, eine unruhige Dunstmasse; keiner hat etwas starres, einen K ern , gezeigt. Gegen die Vorstellung der Alten, daß die Kometen blos momentan gebildete Meteore sind, thun die Astronomen in den neuesten Zeiten doch nicht mehr so spröde und vornehm als ehemals. Bisher ist nur erst die Wiederkehr von etlichen aufgezeigt, andere sind nach der Berechnung erwartet worden, aber nicht gekommen. Vor dem Gedanken, daß das Sonnensystem in der That System, in sich wesentlich zusammenhängende Totalität ist, muß die bisherige formelle Ansicht von der gegen das Ganze des Systems zufälligen, in die Kreutz und Quere hervortretenden Erscheinung der Kometen, aufgegeben werden. So läßt sich der Gedanke fassen, daß die ändern Körper des Systems sich gegen sie w ehren, d. i. als nothwendige organische Momente verhalten müssen; damit können bessere Trostgründe als bisher gegen die von den Kometen befürchteten Gefahren an die Hand gegeben werden. |
y)
DER KÖRPER DER I N D I V ID U A L I T Ä T .
§. 280.
Der Gegensatz in sich zurückgegangen ist die E rde oder der P lan et überhaupt, der Körper der in d ivid u ellen Totalität, in welcher die Starrheit zur Trennung in reale Unterschiede aufgesch lossen , und diese Auflösung durch den selb stisch en E in h eitspun k t zusammengehalten ist.
1 7 nach] O 2 : uach
sc h lo sse n
O 1 O 3 .' nach
31 a u fg e sc h lo sse n ] so C 2
O 2 : a u sg e s c h lo s s e n
O 1 O 3 : a u fg e -
ENCYCLOPÄDIE • NATURPHILOSOPHIE
220
268-269
Wie die Bewegung des Planeten als Achsendrehung um sich und zugleich Bewegung um einen Centralkörper die concreteste, und der Ausdruck der Lebendigkeit ist, ebenso ist die Licht-Natur des Centralkörpers die ab stracte Identität, deren Wahrheit, wie des Denkens in der concreten Idee, in der Individualität ist. 5 Was die Reihe der Planeten betrifft, so hat die Astronomie über die nächste Bestimmtheit derselben, die E n tfern u n g, noch kein wirkliches Gesetz, vielweniger etwas Vernünftiges entdeckt. Ebenso können die naturphilosophischen Versuche, die Vernünftigkeit der Reihe in der physicalischen Beschaffenheit und in Analogieen mit einer Metallreihe aufzuzeigen, kaum als io Anfänge die Gesichtspunkte zu finden, auf die es ankommt, betrachtet werden. - Das Unvernünftige aber ist, den Gedanken der Zufälligkeit dabei zu Grunde zu legen, und z. B. in K ep p lers Gedanken, die Anordnung des Sonnensystems nach den Gesetzen der musikalischen Harmonie zu fassen, nur eine V e rirru n g einer träumerischen E in b ild u n g sk ra ft (mit La- 15 p lace) zu sehen, und nicht den tiefen Glauben, daß V ern u n ft in diesem S y stem e ist, hochzuschätzen; - ein Glaube, welcher der einzige Grund der glänzenden Entdeckungen dieses großen Mannes gewesen ist. - Die ganz ungeschickte und auch nach den Thatsachen völlig irrige Anwendung der Zahlenverhältnisse der Töne, | welche N e w to n auf die Farben gemacht,
20
hat dagegen Ruhm und Glauben behalten.
b. D ie E l e m e n t e .
§. 281. Der Körper der Individualität hat die Bestimmungen der elementarischen To-
25
talität, welche unmittelbar frei für sich bestehende Körper sind, als unterworfene Momente an ihm; so machen sie seine allgemeinen ph y sik alisch en Elem ente aus. Für die Bestimmung eines Elements ist in neuern Zeiten willkührlich die chem ische E in fach h eit angenommen worden, die mit dem Begriffe eines ph y sicalisch en Elements nichts zu thun hat, welches eine reale noch nicht zur chemischen Abstraction verflüchtigte Materie ist.
7 kein] O 2 : kein
O 1O 3:
kein
30
PHYSIK
269-270
221
a ) D IE L U F T .
§. 282. Das Element der unterschiedlosen Einfachheit ist nicht mehr die positive Identität mit sich, die Selbstmanifestation, welche das L ich t als solches ist, sondern ist nur n e g a tiv e A llg em ein h eit, als zum selbstlosen Moment eines ändern herabgesetzt, daher auch schwer. Diese Identität ist als die n e g a tiv e Allgemeinheit die verdachtlose, aber schleichende und zehrende Macht des Individuellen und Organischen; die gegen das Licht passive, d u rch sic h tig e , aber alles Individuelle in sich verflüchtigende nach Außen mechanisch elastische, in alles eindringende Flüssigkeit, - die Luft. |
ß) D I E E L E M E N T E D E S G E G E N S A T Z E S .
§. 283. Die Elemente des Gegensatzes sind erstens das Fürsichseyn, aber nicht das g le ic h g ü ltig e der Starrheit, sondern das in der Individualität als Moment gesetzte, das Feuer. - Die Luft ist an sich Feuer (wie sie sich durch Compression zeigt) und Feuer ist sie, g e se tzt als negative Allgemeinheit oder sich auf sich beziehende Negativität. Es ist die materialisirte Z eit oder Selbstischkeit (Licht identisch mit Wärme) - das schlechthin Unruhige und Verzehrende, in welches ebenso die Selbstverzehrung des bestehenden Körpers ausschlägt, als es umgekehrt äußerlich an ihn kommend ihn zerstört, - ein Verzehren eines Ändern, - das zugleich sich selbst verzehrt, - und so in Neutralität übergeht.
§. 284. Das andere [Element] ist das Neutrale, der in sich zusammengegangene Gegensatz, der aber ohne die Einzelnheit hiemit ohne Starrheit und Bestimmung in sich, ein durchgängiges Gleichgewicht, alle mechanisch in ihm gesetzte Bestimmtheit auflöst, Begränztheit der Gestalt nur von außen erhält und sie nach außen sucht (Adhäsion), ohne die Unruhe des Processes an ihm selbst, schlechthin die Mög-
13 Fürsichseyn]
O 1O 2O 3:
trale] O 2 : Reutrale
Für-/sichseyn
O 1 O 3 : N eutrale
23 andere [Element]] O i : andere Elem ent 27 an] O 2 : au
O 1 O 3 : an
O 3 : andere
N eu-
ENCYCLOPÄDIE • NATURPHILOSOPHIE
222
270-271
lichkeit desselben und die Auflösbarkeit, wie die Fälligkeit der Form der Luftigkeit und der Starrheit außer seiner eigenthümlichen der Bestimmungslosigkeit in sich, ist; - das W asser.
y) I N D I V I D U E L L E S
ELEMENT.
§. 285.
5
Das Element des en tw ick elten Unterschiedes und der in d iv id u e lle n Bestimmung desselben, ist die zunächst noch unbestimmte E rd ig k e it überhaupt, als von | den ändern Momenten unterschieden; aber als die Totalität derselben bei ihrer Verschiedenheit, ist sie deren Proceß.
C.
D er
io
e l e m e n t a r is c h e
Pr o c e s s .
§. 286. Die individuelle Identität, unter welche die differenten Elemente und deren Verschiedenheit gegen einander und gegen ihre Einheit, gebunden sind, ist eine Dialektik, die das physicalische Leben der Erde, den m e te o ro lo g isch en P ro- 15 ceß ausmacht; die Elemente, als unselbstständige Momente, haben in ihm ebenso allein ihr Bestehen, als sie darin erzeu gt, als existirende g e se tzt werden, nachdem sie vorhin aus dem A nsich als Momente des Begriffs entwickelt worden sind. Wie die Bestimmungen der gemeinen Mechanik und der unselbstständigen 20 Körper auf die absolute Mechanik und die freien Centralkörper angewendet werden, so wird die endliche Physik der v erein zelten individuellen Körper für dasselbe genommen, als die freie selbstständige Physik des Erdenprocesses ist. Es wird gerade für den Triumph der Wissenschaft gehalten, in dem allgemeinen Processe der Erde dieselben Bestimmungen wieder zu erkennen und nachzuweisen, welche sich an den Processen der vereinzelten Körperlichkeit zeigen. Allein in diesem Felde der für sich individuel-
5 §. 285.] 0 2: §. 2S5.
O 3 : §. 285.
21 und] 0 2: nnd
O 1 O 3 : und
25
PHYSIK
271-273
223
len Körper sind die der freien Existenz des Begriffes immanenten Bestimmungen äuß erlich zu einander tretende, von einander unabhängige Umstände, - die Thätigkeit eine äußerliche bedingte, somit zufällige, deren Producte nur äußerliche Formirungen, der als selbstständig vorausgesetzten und so verharrenden Körperlichkeiten bleiben. - Das Aufzeigen jener Gleichheit wird dadurch bewirkt, daß die Abstraction von den eigenthüm | liehen Unterschieden und Bedingungen oberflächliche Allgemeinheiten, wie die Attraction, hervorbringt, - Kräfte und Gesetze, in welchen das Besondere, und die bestimmten Bedingungen mangeln. Bei der Anwendung aber von co n creten Weisen der bei der v erein zelten Körperlichkeit sich zeigenden Thätigkeiten, auf die Sphäre, in welcher die unterschiedenen Körperlichkeiten nur M om ente sind, pflegen die in jenem Kreise erforderlichen äußerlichen Umstände, in dieser theils übersehen, theils nach der Analogie hinzugedichtet zu werden. Der Hauptunterschied der Betrachtung beruht auf der fixen Vorstellung von der substantiellen, unveränderlichen V ersch ied en h eit der Elemente, welche aus den Processen der vereinzelten Stoffe vom Verstände einmal festgesetzt ist. Wo auch an diesen höhere Uebergänge sich zeigen, z. B. im Krystall das Wasser fest wird, Licht, Warme verschwindet u.s.f. bereitet sich die Reflexion eine Hülfe durch nebulöse und nichts sagende Vorstellungen, sinnlose Ausdrücke, von A u flö su n g , G eb u n d e n -L a te n t-w e rden und dergleichen. Hieher gehört wesentlich die Verwandlung aller Verhältnisse an den Erscheinungen in Sto ffe und M aterien zum Theil im p o n d e ra b le , wodurch jede physicalische Existenz zu dem schon erwähnten C h ao s von Materien und deren Aus- und Eingehen in den erdichteten Poren jeder ändern gemacht wird, wo nicht nur der Begriff, sondern auch die Vorstellung ausgeht. Vor allem geht die E rfah ru n g selbst aus; und es wird noch eine empirische Existenz angenommen, während die Existenz sich nicht mehr empirisch zeigt.
§. 287. Der Proceß der Erde wird durch ihr allgemeines S e lb st, die Thätigkeit des L ich ts, ihr ursprüngliches Verhältniß zur Sonne, fortdauernd angefacht, und dann | näher nach der Stellung der Erde zur Sonne (Klimate, Jahrszeiten u.s.f.) modificirt. - Das eine M om ent dieses Processes ist die D ire m tio n der indi-
5 Aufzeigen] O 2 ' Aufzeigeu
O 1 O 3 .* Aufzeigen
224
ENCYCLOPÄDIE • NATURPHILOSOPHIE
273-274
viduellen Identität, die Spannung in die Momente des selbstständigen Gegensatzes, in die Starrheit und in die selbstlose Neutralität, wodurch die Erde der Auflösung zugeht, einerseits zum Krystall, einem Monde, andererseits zu einem Wasserkörper, einem Kometen, zu werden, und die M om en te der Individualität ihren Zusammenhang mit ihren selb ststän d igen Wurzeln zu realisiren suchen.
§. 288. Das andere M om en t ist, daß das Fürsichseyn, welchem die Momente der Entgegensetzung zugehen, sich als die auf die Spitze getriebene Negativität aufhebt; die sich entzündende V erzeh rung des versuchten unterschiedenen Bestehens, durch welche ihre wesentliche Verknüpfung sich herstellt, und die Erde sich als reelle und fru ch tb are In d iv id u alität geworden ist. Erdbeben, Vulcane und deren Eruptionen mögen als dem Processe der S ta rrh e it für sich angehörig angesehen werden, wie dergleichen auch am Monde erscheinen soll. - Die Wolken dagegen mögen als der Beginn com etarisch er Körperlichkeit betrachtet werden können. Das G ew itter aber ist die vollständige Erscheinung dieses Processes, an die sich die ändern meteorologischen Phänomene als Beginne oder Momente und unreife Ausführungen desselben anschließen. Die Physik hat bisher weder mit der Regenbildung (ungeachtet de L u c ’ s aus den Beobachtungen gezogenen, und unter den Deutschen von dem geistreichen L ic h te n b erg gegen die A uflö su n g sth e o rie e n urgirten Folgerungen) noch mit dem Blitze, auch nicht mit dem Donner zurecht kommen können; eben so wenig mit ändern meteorologischen Erscheinungen, insbesondere den A tm o sp h ä rilie n , in welchen der Proceß selbst | bis zum Beginn eines irdischen Kernes fortgeht. Für das Verständniß jener alltäglichsten Erscheinungen ist in der Physik noch am wenigsten Befriedigendes geschehen.
§. 289. Indem der B e g r if f der Materie, die Schwere, seine Momente zunächst als selbstständige, aber elementarische Realitäten auslegt, ist die Erde ab stracter Grund der Individualität. In ihrem Processe setzt sie sich als negative Einheit der außereinander seyenden abstracten Elemente, hiemit als reale Individualität. |
PHYSIK
275-276
225
B. P H Y S IK DER
BESO N D ERN
IN D IV ID U A L IT Ä T .
§. 290. Die (vorher elementarische) Bestimmtheit in die Individualität gesetzt, ist die materielle Form als für sich die Materie gegen ihre Schwere, b estim m en d. Diese als das Suchen des Einheitspunktes thut dem A u ß erein an d er der Materie noch keinen Eintrag, d. i. der Raum ist das Maaß der Unterschiede der schweren Materie, der Massen, und die Bestimmungen der physicalischen Elemente sind noch nicht in ihnen selber ein concretes Fürsichseyn, damit dem (gesuchten) Fürsichseyn der schweren Materie noch nicht entgegengesetzt. Jetzt durch die g e setzte (irdische) Individualität der Materie, ist sie in ihrem Außereinander zugleich d ifferen t gegen dies ihr Außereinander und gegen dessen Suchen der Individualität, ein immanentes anderes Bestimmen der m a te rie lle n R äu m lich k e it als durch die Schwere und nach der Richtung derselben. Es ist dies die in d iv id u alisiren d e M ech an ik , indem hier die Materie durch die immanente Form und zwar nach ihrem Außereinander, dem Räumlichen, bestimmt wird, wodurch als erste Differenz zunächst ein V erhältniß zwischen beidem gesetzt ist.
§. 291. Dieses Bestimmen der Schwere ist a. abstracte ein fach e Bestimmtheit; - specifisch e S ch w e re ; b. spezifische Weise der B e z ie h u n g materieller T h e ile , - C o h äsion . c. Diese Beziehung der materiellen Theile als die Id e a litä t derselben e x istire n d und zwar a) als das nur id eelle Aufheben derselben - der K la n g ; ß) als reelles Aufheben der Cohäsion - die W ärm e.
§. 292. Die Körperlichkeit dieser Sphäre, weil die Form nur als Verhältniß V e rsch ie dener ihr inwohnt, steht in den endlichen Bestimmungen, bedingt durch Aeußeres zu seyn und in viele particuläre Körper zu zerfallen. Die immanente Formbestimmung kommt daher theils nur in der V e rg le ich u n g der verschiedenen
11 entgegengesetzt]
O 2O 3 :
entgegensetzt
18 erste] O 2 : erster
226
ENCYCLOPÄDIE • NATURPHILOSOPHIE
276-277
Körper mit einander, theils in der reellern , jedoch mechanisch-bleibenden B e z ie h u n g derselben, zur Erscheinung; die selbstständige Manifestation der Formbestimmungen, die keiner Erregung bedarf, kommt erst der Gestalt zu. Es kann bemerkt werden, daß wie überall die Sphäre der Endlichkeit und Bedingtheit, so hier die Sphäre der bedingten, differenten Individualität der am schwersten aus dem übrigen Zusammenhang des Concreten zu unterscheidende und für sich festzuhaltende Gegenständ ist, um so mehr da die E n d lich k e it ihres Inhalts mit der speculativen Einheit des Begriffs, die zugleich nur das Bestimmende seyn kann, im Contraste und Widerspruche steht.
a. D ie s p e c i f i s c h e
Sc h w er e.
§. 293. Die ein fach e, abstracte Specification ist die sp ecifisch e Schw ere oder D ic h tig k e it der Materie, ein Verhältniß des G ew ichts der Masse zu dem V o lu m en , wodurch die materielle Selbstischkeit sich von dem | abstracten Verhältnisse zum Centralkörper, der allgemeinen Schwere, losreißt, aufhört die gleichförmige Erfüllung des Raums zu seyn, und ihrem abstracten Außereinander ein specifisches Insichseyn entgegensetzt. Die verschiedene Dichtigkeit der Materie wird durch die Annahme von P o ren erklärt - die Verdichtung durch die Erdichtung von leeren Zwischenräumen, von denen als von einem V orhandenen gesprochen wird, das die Physik aber nicht aufzeigt, ungeachtet sie vorgibt, sich auf Erfahrung und Beobachtung zu stützen. - Ein Beispiel von e x istire n d e m Specificiren der Schwere ist die Erscheinung, daß ein auf seinem Unterstützungspunkte gleichgewichtig schwebender Eisenstab, wie er m a g n e tisirt wird, sein Gleichgewicht verliert und sich an dem einen Pole jetzt schwerer zeigt als an dem ändern. Hier wird der eineTheil so inficirt, daß er ohne sein Volumen zu verändern, schwerer wird; die Materie, deren Masse nicht vermehrt worden, ist somit specifisch schwerer geworden. - Die Sätze, welche die Physik bei ihrer Art, die Dichtigkeit vorzustellen, voraussetzt, sind: 1) daß eine gleiche Anzahl gleichgroßer materieller Theile gleich schwer sind; wobei 2) das Maaß der Anzahl der Theile das Gewicht ist, aber 3) auch der Raum,
6 Zusammenhang] O 2: Znsammenhang
O 3 : Zusammenhang
227
PHYSIK
277-278
so daß, was von gleichem Gewicht ist, auch gleichen Raum einnimmt; wenn daher 4) gleiche Gewichte doch in einem verschiedenen Volumen erscheinen, so wird durch Annahme der Poren die Gleichheit des Raums, der erfüllt wird, erhalten. - K an t hat bereits der Quantitätsbestimmung der A nzahl die In ten sität gegenübergestellt, und an die Stelle von m ehr Theilen in gleichem Raume die gleiche Anzahl aber von einem stärkern G rade der R au m e rfü llu n g gesetzt, und dadurch einer sogenannten d yn am isch en P hysik den Ursprung gegeben. - Wenigstens hätte die Bestimmung des in ten siv en Quantums so viel Recht als die des e x te n siv e n , auf welche | letztere Kategorie sich jene gewöhnliche Vorstellung der Dichtigkeit beschränkt. Die in ten siv e Größebestimmung hat aber hier dies voraus, daß sie auf das Maaß hinweist und zunächst ein In sich seyn andeutet, das in seiner Begriffsbestimmung im m anente F o rm b e stim m th e it ist, die erst in der V e rg le ich u n g als Quantum überhaupt, erscheint. Dessen Unterschiede als extensives oder intensives aber, - und weiter geht die dynamische Physik nicht, - drücken keine Realität aus. (§. 103. Anm.)
§. 294. Die Dichtigkeit ist nur erst einfache Bestimmtheit der schweren Materie; aber indem die Materie das wesentliche Außereinander bleibt, so ist die Bestimmtheit eine specifische Weise der räumlichen Beziehung ihres Vielfachen auf einander - C o h äsion .
b. C
o h ä s io n
.
§. 295. In der C o h äsio n setzt die immanente Form eine andere Weise des räumlichen Nebeneinanderseyns der als unterschieden vorausgesetzten materiellen Theile, als durch die Richtung der Schwere bestimmt ist. Aber diese somit specifische Weise des Zusammenhalts des Materiellen ist erst am Verschiedenen überhaupt gesetzt, noch nicht zu in sich beschlossener Totalität (Gestalt) zurückgegangen. Sie kommt somit nur gegen gleichfalls verschiedene, und cohärent verschiedene Massen, zur Erscheinung, und zeigt sich daher als eine eigentümliche W eise des W id e rstands im mechanischen Verhalten gegen andere. |
228
ENCYCLOPÄDIE • NATURPHILOSOPHIE
279-280
§. 296. Die erste Bestimmtheit a) ist der ganz unbestimmte Zusammenhalt, in sofern Cohäsion des in sich Cohäsionslosen - daher die A d h äsio n mit Anderem , ß) Die Cohärenz der Materie m it sich selbst ist zunächst die blos q u an titativ e , - gemeine Cohäsion, - die Stärke des Zusammenhalts gegen Gewicht, ferner aber die q u a lita tiv e , die Eigenthümlichkeit im Nachgeben gegen Druck und Stoß äußerer Gewalt. Nach der bestimmten Weise der Raumformen producirt die innerlich mechanisirende Geometrie die Eigenthümlichkeit, eine bestimmte D im e n sio n im Zusammenhalte zu behaupten, die P u n ctu alität, Sprödigkeit, - die L in earität, - Rigidität überhaupt und näher Zähigkeit, die F lä ch e n h a ftig k e it, - Dehnbarkeit, Hämmerbarkeit.
§. 297. y) Das Körperliche, gegen dessen Gewalt ein Körperliches im Nachgeben zugleich seine Eigenthümlichkeit behauptet, ist in der ersten Unmittelbarkeit der Cohäsion, überhaupt ein anderes K ö rp e rin d iv id u u m . Aber der Körper ist als cohärent auch an ihm selbst außereinanderseyende Materialität, deren Theile, indem das Ganze Gewalt leidet, gegen ein an d er Gewalt ausüben, nachgeben, aber die erlittene Negation aufheben und sich hersteilen. Das Nachgeben und darin die eigentümliche Selbsterhaltung nach Außen ist daher unmittelbar verknüpft mit diesem innern Nachgeben und Selbsterhalten gegen sich selbst, die E la stic itä t.
§. 298. Die Id e a litä t, welche hier zur E xisten z kommt, ist diese Negation, welche die materiellen Theile als Materie überhaupt nur suchen, - der für sich seyende Einheitspunkt, der zunächst außer ihnen und so nur | erst an sich ist. Diese Idealität ist hier noch als bedingt, als die nur eine Seite des Verhältnisses vorhanden, dessen andere Seite, das Bestehen der auß erein an d erseyen d en Theile ist, so daß die Negation derselben in ihr Wiederherstellen übergeht. Die Elasticität ist daher nur Veränderung der specifischen Schwere, die sich wiederherstellt. Wenn hier und sonst von materiellen T h eilen die Rede ist, so sind nicht Atome, noch Molecules, d. h. nicht abgesondert für sich bestehende zu ver-
4 zunächst] O 2 : znnächst O 3 : zunächst
23 Negation] O 2 : Regation
280-281
PHYSIK
229
stehen, sondern ihre Continuität ist wesentlich von der Unterschiedenheit nicht zu trennen; die Elasticität ist die Existenz der Dialektik dieser Momente selbst. Der O rt des Materiellen ist sein g le ic h g ü ltig e s bestimmtes Bestehen, die Id e a litä t dieses Bestehens ist somit die als reelle Einheit gesetzte C o n tin u itä t, d. i. daß zwei vorher außereinander bestehende materielle Theile, die also als in verschiedenen Orten befindlich vorzustellen sind, jetzt in E inem und dem selben Orte sich befinden. Es ist dies der W id e rsp ru ch , und er existirt hier materiell. Es ist derselbe Widerspruch, welcher der Zenonischen Dialektik der Bewegung zum Grunde liegt, nur daß er bei der Bewegung abstracte Orte, hier aber m aterielle Orte, materielle Theile, betrifft. In der Bewegung setzt sich der Raum zeitlich und die Zeit räumlich (§. 260.), sie fällt in die Zenonische Antinomie, wenn die Orte als Raumpunkte, und die Zeitmomente, als Zeitpunkte iso lirt werden, und ist nur so zu fassen, daß Raum und Zeit in sich continuirlich ist, und der sich bewegende Körper in dem selben Orte zugleich ist und nich t, d. i. zugleich in einem Ä ndern ist, und ebenso derselbe Zeitpunkt zugleich ist, und zugleich nicht, d. i. ein A nderer ist. So ist in der Elasticität der materielle Theil, Atom, Molecule zugleich als affirmativ seinen Raum einnehmend, bestehend gesetzt, und ebenso zugleich nicht | bestehend, als Quantum in Einem als extensive Größe und als nur intensive Größe. Der K lan g ist die fo rtg e setz te Abwechslung dieser Bestimmungen, das Oscilliren der Momente der Elasticität. Gegen das in Einssetzen der materiellen Theile in der Elasticität, wird für die sogenannte Erklärung wieder gleichfalls die Erdichtung der Poren zu Hülfe genommen. Wenn zwar sonst in Abstracto zugegeben wird, daß die Materie vergänglich, nicht absolut sey, so wird sich doch in der Anwendung dagegen gesträubt, wenn sie in der T h at als negativ gefaßt, wenn die Negation an ihr gesetzt werden soll. Die Poren sind wohl das Negative, - denn es hilft nichts, es muß zu dieser Bestimmung fortgegangen werden, - aber die Poren sind das Negative nur neben der Materie, das Negative nicht der M aterie selb st, sondern da, wo sie nicht ist; so daß in der That die Materie als a b so lu t-se lb ststän d ig , e w ig , angenommen wird. Dieser Irrthum wird durch den allgemeinen Irrthum des Verstandes, daß das Metaphysische nur ein Gedankending neben d. i. außer der Wirklichkeit sey, eingeführt; so wird neben dem Glauben an die Nicht-Absolutheit der Materie auch an die Absolutheit derselben geglaubt.
12 Antinomie] O 2: Antinonomie
O 3: Antinomie
36 derselben] O 2: der / selben O3: derselben
230
ENCYCLOPÄDIE • NATURPHILOSOPHIE
281-283
§. 299. Diese Idealität macht aber nicht blos eine Seite des Processes aus; sie ist ebenso Idealität ihrer selbst, ihr Negiren des (außereinander) Bestehens der materiellen Theile wird ebenso negirt, als das Wiederherstellen ihres Außereinanderseyns und ihrer Cohäsion; sie ist Eine Idealität als das innere Erzittern des Körpers in ihm selbst - der K lan g. |
c.
D
er
K
l a n g
.
§. 300. Die specifische E in fach h eit der Bestimmtheit, welche der Körper in der Dichtigkeit und dem Princip seiner Cohäsion hat, diese zuerst innerliche Form hindurchgegangen durch ihr Versenktseyn in das materielle Außereinander, wird frei in der N e g a tio n des für sich Bestehens dieses seines Außereinanderseyns. Es ist dies das Uebergehen der materiellen Räumlichkeit in materielle Zeitlichkeit. Damit daß diese Form so im E rzittern , d. i. durch die momentane ebenso Negation der Theile wie Negation dieser ihrer Negation, die aneinander gebunden, eins durchs andere erweckt wird, und so als ein Oscilliren des Bestehens und der Negation der Theile, der specifischen Schwere und der Cohäsion - die Id e a lität ist, ist die einfache Form für sich ex istire n d und kommt als diese mechanische Seelenhaftigkeit zur Erscheinung. Reinheit oder Unreinheit des Klangs, Schall, Geräusch u.s.f. hängt damit zusammen, ob nur die Oberfläche vornehmlich in die Erschütterung des Erzitterns kommt, ob der durchdringend erzitternde Körper in sich homogen ist. Das cohäsionslose Wasser ist ohne Klang und seine Bewegung als blos äuß erliche Reibung seiner schlechthin verschiebbaren Theile gibt nur ein Rauschen. Die existirende Continuität des Glases in seiner innern Sprödigkeit klingt, noch mehr die unspröde Continuität des Metalls klingt durch und durch in sich, u.s.f. Die M itth e ilb ark e it des Klangs, dessen so zu sagen k lan glo se Fortpflanzung durch alle in Sprödigkeit u.s.f. noch so verschieden bestimmten Körper (durch feste Körper besser als durch die Luft - durch die Erde auf viele Meilen weit, durch Metalle nach der Berechnung zehnmal schneller
29-30 Fortpflanzung] O 2 : Fortpflanznng O3 : Fortpflanzung
283-284
PHYSIK
231
als durch Luft) - zeigt die durch sie frei hindurchziehende Idealität, welche ganz nur ihre ab stracte Materialität ohne die specifischen Bestimmungen ihrer Dichtigkeit, Cohäsion und weiterer Formirungen in Anspruch nimmt, und ihre Theile in die Negation, ins Erzittern bringt; dieses Idealisiren selbst ist nur das Mittheilen. Das Q u a lita tiv e des Klanges überhaupt, wie des sich selbst articulirenden Klanges, des Tones, hängt von der Dichtigkeit, Cohäsion und weiter specificirten Cohäsionsweise des klingenden Körpers ab, weil die Idealität oder Subjectivität, welche das Erzittern ist, als Negation jener specifischen Bestimmungen, sie zum Inhalte und zur Bestimmtheit hat; hiemit ist dies Erzittern und der Klang selbst darnach specificirt, und haben die Instrumente ihren eigentümlichen Klang und Timbre.
§. 301. An diesem Erzittern ist das Sch w ingen, als äußere Ortsveränderung, nämlich des räumlichen Verhältnisses zu ändern Körpern, zu unterscheiden, welches gewöhnliche eigentliche Bewegung ist. Obzwar unterschieden, ist es zugleich identisch mit der vorhin bestimmten innern Bewegung, welche die freiwerdende, subjective Allgemeinheit, die Erscheinung des Klanges als solchen ist. Die Existenz dieser Idealität hat um ihrer abstracten Allgemeinheit willen, nur q u a n tita tiv e Unterschiede. Im Reiche des Klanges und der Töne beruht daher ihr weiterer Unterschied gegen einander, ihre Harmonie und Disharmonie auf Z ah len v erh ältn issen und deren einfacherem oder verwickelterem und entfernterem Zusammenstimmen. Das Schwingen der Saiten, Luftsäulen, Stäbe u.s.f. ist als abwechselnder Uebergang aus der geraden Linie in den Bogen und zwar in entgegengesetzte, zu | nächst äußere Ortsveränderung im Verhältnisse zu ändern Körpern, aber unmittelbar ist die innere, die abwechselnde Veränderung der specifischen Schwere und der Cohäsion damit verbunden; die gegen den Mittelpunkt des Schwingungsbogens zu liegende Seite der materiellen Linie ist verkürzt, die äußere aber verlängert worden, die specifische Schwere und Cohäsion von jener vermindert, von dieser vermehrt, und dies selbst gleichzeitig. In Ansehung der Macht der quantitativen Bestimmung ist an die Erscheinungen zu erinnern, wie eine Bestimmung durch mechanische Unterbre-
5 ist nur] so C 2 O 2 O 3 : nur ist
7 weiter] so C 2 O 2 O3 : weiters
29 zu liegende] O 2 O 3 : zuliegende
ENCYCLOPÄDIE • NATURPHILOSOPHIE
232
284-285
chungen in eine schwingende Linie, Ebene gesetzt, sich selbst der Mittheilung, dem Schwingen der ganzen Linie, Ebene über den mechanischen Unterbrechungspunkt mittheilt, und Schwingungsknoten darin bildet (was durch die Darstellungen Hrn. C h lad n is anschaulich gemacht wird). Ebenso gehören hieher die Erweckungen von harmonischen Tönen in benachbar-
5
ten Saiten, denen bestimmte Größen-Verhältnisse zu der tönenden gegeben werden; am allermeisten die Erfahrungen, auf welche T a rtin i zuerst aufmerksam gemacht, von Tönen, die aus ändern gleichzeitig ertönenden Klängen, welche in Ansehung der Schwingungen in bestimmten Zahlenverhältnissen gegen einander stehen, hervorgehen, von diesen verschieden sind, io und nur durch diese Verhältnisse producirt werden. §. 302. Der Klang ist der W echsel des specifischen Außereinanderseyns der materiellen Theile und des Negirtseyns desselben; - nur a b strac te, oder so zu sagen nur ideelle Id e a litä t dieses Specifischen. Aber der Wechsel selbst ist die Nega- 15 tion überhaupt des specifischen Bestehens; diese ist damit reale Id ealität der specifischen Schwere und Cohäsion - W ärm e. Die Erhitzung der klingenden Körper, wie der | geschlagenen, auch der aneinander geriebenen ist die Erscheinung von dieser dem Begriffe nach entstehenden Wärme.
20
d. D ie
W ä r m e .
§. 303. Die Wärme ist das sich Wiederherstellen der schweren Materie in ihre Formlosigkeit, ihre Flüssigkeit, - der Triumph der homogenen Materie über die spe-
25
cifische Bestimmtheit ihres Außereinanderseyns; - ihre abstracte C o n tin u ität als Negation der Negation (der Form) bestimmt, d. i. in Activität gesetzt. Formell d. i. in Beziehung auf Raumbestimmung überhaupt erscheint sie daher ausdehnend, als aufhebend die Beschränkung, welche durch das Sp ecificiren des g le ic h g ü ltig e n Einnehmens des Raums durch die Materie überhaupt, gesetzt ist.
4 C h lad n is] O 2: C h lad u is
O 3 : C h lad n i’ s
30
233
PHYSIK
285-286
§. 304. Diese reale Negation der Eigentümlichkeit des Körpers, ist sein Zustand, in sofern in seinem Daseyn nicht sich selbst affirmativ anzugehören; diese seine Existenz ist vielmehr die Gemeinschaft mit ändern und die M itth e ilu n g an sie, - äußere Wärme. Die Passivität des Körperlichen für dieselbe beruht auf der in der specifischen Schwere und Cohäsion an sich vorhandenen Continuität des Materiellen, durch welche ursprüngliche Idealität die Modification der specifischen Schwere und Cohäsion zu einem leichten, zunächst jedoch formellen, Spiele jener Mittheilung wird. Incohärentes, wie Wolle, und an sich Incohärentes (d. i. Sprödes wie Glas) sind schlechtere Wärmeleiter, als die Metalle; deren Eigentümlichkeit ist, als innere Form, die ununterbrochene Continuität | zu besitzen. - Die Mittheilbarkeit, nach welcher die Wärme von dem Körper, in dem sie zunächst vorhanden ist, trennbar und somit als ein gegen ihn selbstständiges, so wie als ein an die ändern Körper zunächst äuß erliches und von Außen an sie kommendes erscheint, ferner die damit zusammenhängenden weitern mechanischen Determinationen, welche in das V e rb re ite n gesetzt werden können (z.B. die Repercussion durch Hohlspiegel), ingleichen die quantitativen Bestimmungen, die bei der Wärme Vorkommen, - sind es vornehmlich, die zur Vorstellung der Wärme, als eines selbstständig existirenden, einer W ärm e-M aterie geführt haben. Man wird aber wenigstens Anstand nehmen, die Wärme einen K ö rp er, oder auch nur ein Körperliches zu nennen; worin schon liegt, daß die E rsch ein u n g von besonderem Daseyn sogleich verschiedener Categorien fähig ist; so ist auch diejenige beschränkte Selbstständigkeit, welche bei der Wärme erscheint, nicht hinreichend, die Categorie von Materie, die wesentlich Totalität in sich, damit schw er ist, auf sie anzuwenden. Diese Selbstständigkeit liegt vornehmlich nur in der äuß erlichen Weise, in welcher die Wärme in der M itteilung gegen die vorhandenen Körper erscheint. Die R u m fo rd isch e n Versuche über die Erhitzung der Körper durch Reibung beim Kanonenbohren, hätten die Vorstellung von besonderer, selbstständiger Existenz der Wärme längst ganz entfernen können. So wie gerade die abstracte Vorstellung der schweren Materie die Bestimmung der C o n tin u ität für sich enthält, welche die Möglichkeit der Mitteilung, und als Activität die Wirklichkeit derselben ist.
3 - 4 Existenz] 3 0 hätten]
O 2:
O 2O 3
Cxistenz
: hätte
O3:
Existenz
11 deren]
O2:
als deren
O3:
deren
2 8 in 2]
O 2:
iu
O 3'
in
234
ENCYCLOPÄDIE • NATURPHILOSOPHIE
286-288
§. 305. Die Mittheilung der Wärme an verschiedene Körper enthält für sich nur das abstracte Continuiren einer Determination durch unbestimmte Materialität hindurch, und | in sofern die Wärme als sinnliche B e stim m u n g überhaupt b esch rän k t, und in Beziehung auf sich eines Quantums und Grades fähig ist, das Hervorbringen eines abstracten Gleichgewichts, oder einer gleichen Temperatur der Körper, unter welche sich der Grad vertheilt. Da die Wärme Veränderung der specifischen Schwere und Cohäsion ist, so enthält sie selbst diese Bestimmungen, ist an sie gebunden, und die äußere, mitgetheilte Temperatur ist für ihre Existenz durch die besondere specifische Schwere und Cohäsion des Körpers bedingt, dem sie mitgetheilt wird; - specifisch e W ärm e-C ap acität. Die specifische Wärme-Capacität, verbunden mit der Kategorie von M aterie und S t o f f hat unter anderem zur Vorstellung von laten tem , unm erk b arem , gebundenem W ä rm e sto ff geführt; als ein nicht w ah rn eh m bares hat solche Bestimmung nicht die Berechtigung der Beobachtung, und als erschlossen beruht sie auf der V o rau sse tzu n g einer m ate rie llen S e lb ststän d ig k e it der Wärme (vergl. Anm. §. 286.). Diese Annahme dient auf ihre Weise, die Selbstständigkeit der Wärme als einer Materie em pirisch unwiderleglich zu machen; wird das Verschwinden der Wärme, oder ihr Erscheinen, wo sie vorher nicht vorhanden war, aufgezeigt, so wird dies für ein bloßes Verbergen oder sich zur Unmerkbarkeit B in d en erklärt, und die Metaphysik von Selbstständigkeit je n e r E rfah ru n g en tgegen , ja der Erfahrung a priori vorausgesetzt. - Worauf es für die Bestimmung, die hier von der Wärme gegeben worden, ankommt, ist, daß em p irisch bestätigt werde, daß die durch den Begriff für sich n o t wendige Bestimmung der V erän deru n g der specifischen Schwere und Cohäsion in der Erscheinung sich als die W ärm e zeige. Die enge V erb in dung zunächst von beidem erkennt sich leicht in den vielfachen Erzeugungen (und in eben so vielfachen Arten des Verschwindens) von Wärme, bei | Gährungen, den ändern chemischen Processen, Crystallisationen und Auflösungen derselben, bei den schon erwähnten mechanischen innern mit äußerlichen verbundenen Erschütterungen, Anschlägen der Glocken, Schlagen des Metalls, Reibungen u.s.f. Die Reibung (von zwei Hölzern, und auch im gewöhnlichen Feuerschlagen) bringt das materielle Außereinander des einen Körpers durch die drückende Bewegung des ändern in Einen Punkt mo-
5 -6 das Hervorbringen eines] so C 2 bundeu
O3:
gebunden
O 2 : eines
22 B in d e n ]
O2:
7 unter] 0 2: uuter
b in d e n
O 3 .’
B in d e n
O 3 : unter
9 gebunden] O 2 : ge-
PHYSIK
288-289
235
mentan zusammen, - eine Negation des räumlichen Bestehens der materiellen Theile, die in Hitze und eine beginnende oder sich vollendende Verzehrung des Körpers ausschlägt. - Die weitere Schwierigkeit ist, diese zunächst sogenannte enge Verbindung als e x istire n d e Idealität von specifischer Schwere und Cohäsion zu fassen, - eine Existenz des Negativen, welche selbst die Bestimmtheit dessen enthält, was negirt wird, als Existenz die Bestimmtheit eines Quantums hat, und als Idealität eines Bestehens das Außersichseyn desselben und sein Sich-setzen in Anderem, ist. - Es handelt sich hier, wie überall in der Naturphilosophie, nur darum, an die Stelle der Verstandes-Kategorien die Gedankenverhältnisse des speculativen Begriffes zu setzen, und nach diesen die Erscheinung zu fassen und zu bestimmen.
§. 306. Die Wärme als Temperatur überhaupt ist zunächst die noch abstracte und ihrer Bestimmtheit nach bedingte Auflösung der specificirten Materialität. Sich aber ausführend, in der That realisirt gewinnt das Verzehren der körperlichen Eigentümlichkeit die Existenz der reinen physischen Idealität, der frei werdenden Negation des Materiellen und tritt als Lich t hervor, jedoch als F lam m e , als an die Materie gebundene Negation der Materie. Wie das Feuer zuerst (§. 283.) aus dem A nsich sich entwickelte, so erzeugt es sich hier als äußerlich | bedingt aus den existirenden Begriffsmomenten innerhalb der Sphäre der bedingten Existenz. - Es verzehrt sich zugleich mit den Bedingungen, deren Verzehrung es ist.
§. 307. Die Entwicklung der realen, d.i. die Form an ihr enthaltenden Materie geht so in ihrer Totalität in die reine Idealität ihrer Bestimmungen, in die mit sich abstract identische Selbstischkeit über, die in diesem Kreise der äuß erlich en Individualität selbst (als Flamme) äußerlich wird, und so verschwindet. Die B e d in gth eit dieser Individualität ist dasselbe, daß die Form an ihr zunächst nur auf u n m ittelb are Weise gesetzt ist, und als Totalität nur erst an sich war. In der Warme ist gesetzt das Moment der realen A u flö su n g dieser U n m itte lb ark eit und der zunächst vorhandenen Gleichgültigkeit des Materiellen in die-
7 Quantums] O 2 : Qnantums
O 3 .' Quantums
11 Erscheinung] O 2: Erscheinnng
O 3 .' Erscheinung
236
ENCYCLOPÄDIE • NATURPHILOSOPHIE
289-290
ser seiner Existenz gegen die Form. Die Form ist daher jetzt als Totalität dem als gegen sie widerstandslosen Materiellen immanent. - Die Selbstischkeit als solche, die unendliche sich auf sich beziehende Form, ist äuß erlich geworden; sie verschwindet nur als b ed in gt, und die unterschiedenen Bestimmungen haben ihre Unmittelbarkeit, hiermit dies, Bedingungen zu seyn, verloren; die Form erhält sich somit in dieser ihr unterworfenen Aeußerlichkeit, und ist als die frei dies Materielle bestimmende T o ta litä t - die freie In d iv id u alität. |
C. P H Y S IK D ER T O T A L E N IN D IV ID U A L IT Ä T .
§. 308. Die Materie ist zuerst an sich die Totalität des Begriffs, als schw ere, welcher in seinen besondern Bestimmungen an ihr gesetzt die formirte Materie, als die b e d in g te Individualität zeigt. Die Totalität des Begriffs nun gesetzt ist der Mittelpunkt der Schwere nicht mehr als die von ihr gesuchte Subjectivität, sondern ihr immanent und zwar als die Idealität ihrer zuerst unmittelbaren und bedingten Formbestimmungen, welche nunmehr von innen heraus entwickelte Momente derselben sind.
§. 309. Die totale Individualität ist: a. Unmittelbar G estalt als solche, und deren abstractes Princip in freier Existenz erscheinend, - der M agnetism us. b. Bestimmt sie sich zum U n tersch ied e, - Besonderung der Individualität - für die Sinn e, und diese Besonderung zum Extrem ihres Unterschiedes gesteigert, die E lectricität. c. Die R e a litä t dieses Unterschiedes ist der chem isch differente Körper, und die B e zie h u n g dieser zur Körperlichkeit realisirten Bestimmungen, - die Individualität sich als Totalität realisirend, der chem ische Proceß. |
27 Bestim m ungen] O 2 : Bestim m ungen
28 Totalität] O 2 : Totalitat
O 3:
Totalität
PHYSIK
291-292
237
a. D ie G e s t a l t .
§. 310. Der Körper als totale Individualität ist u n m ittelb ar, ruhende Totalität, somit die Form eine Weise des räumlichen Zusammenseyns des Materiellen, somit wieder (wie zuerst immer) M echanism us. Die Gestalt ist somit der materielle Mechanismus, aber der nun unbedingt und frei bestimmenden Individualität, - der Körper, dessen specifische Art des innern Zusammenhalts nicht nur, sondern dessen äußerliche B egrän zu n g im R aum e durch die im m anente und en tw ick elte Form bestimmt ist. Auf solche Weise ist die Form von selbst manifestirt, und zeigt sich nicht erst als eine Eigenthümlichkeit des W id erstan d s gegen frem de Gewalt. §. 311. Die a) u n m ittelb are d.i. die als in sich fo rm lo s gesetzte Gestalt, ist einerseits das Extrem der P u n ctu alität der Sprödigkeit, andererseits das Extrem der sich k u geln d en Flüssigkeit; - die Gestalt als innere Gestaltlosigkeit. §. 312. ß) Das Spröde, als an sich seyende Totalität der formirenden Individualität, schließt sich zum Unterschiede des Begriffs auf. Der Punkt geht so in die Linie über, und setzt sich an derselben in Extreme entgegen, welche zugleich als Momente kein eigenes Bestehen haben, und nur durch die Mitte, ihren Indifferenzpunkt, gehalten sind. Dieser Schluß macht das P rin cip der G e staltu n g in ihrer entwickelten Bestimmtheit aus, und ist in dieser noch abstracten Strenge, - der M agnetism us. | Der Magnetismus ist eine der Bestimmungen, die sich vornehmlich darbieten mußten, als der Begriff sich in der bestimmten Natur vermuthete, und die Idee einer N atu rp h ilo so p h ie faßte. Denn der Magnet stellt auf eine einfache naive Weise, die Natur des Begriffes dar. Die Pole sind die sinnlich existirenden Enden einer realen Linie (eines Staabes, oder in einem nach
6
wieder (wie zuerst immer)] so C 2
lo s]
0
2: f o r m lo s ,
O 2 : wie wieder (zuerst wie immer)
O 3 : fo r m lo s
vgl. O 3 : wieder zuerst
14
fo r m -
ENCYCLOPÄDIE • NATURPHILOSOPHIE
238
292-293
allen Dimensionen weiter ausgedehnten Körper), aber keine besondere D in g e ; als Pole haben sie aber nicht die sinnliche, mechanische Realität, sondern eine ideelle. Der Indifferenzpunkt, in welchem sie ihre Substanz haben, ist die Einheit, in der sie nur als Bestimmungen des Begriffs sind, und die Polarität ist eine Entgegensetzung nur solcher Momente. Der Magnetismus hat außer der hiedurch [gesetzten] Bestimmung keine weitere besondere Eigenschaft. Daß die einzelne Magnetnadel sich nach N o rd e n und damit in Einem nach Süden richtet, ist Erscheinung des allgemeinen E rd m agn etism us. - Daß aber alle Körper magnetisch sind, hat einen schiefen Doppelsinn; der richtige ist, daß alle reelle, nicht blos spröde Gestalt diesen Begriff enthält; der unrichtige aber, daß alle Körper auch dieses Princip, wie es in seiner strengen A b stra c tio n e x istirt und als Magnetismus ist, an ihnen zur Erscheinung bringen. Eine Begriffsform dadurch als in der Natur vorhanden aufzeigen wollen, daß sie in der Bestimmtheit, wie sie als eine Abstraction ist, allg e m e in existiren solle, wäre ein unphilosophischer Gedanke. Die Natur ist vielmehr die Idee im Elemente des Außereinander, so daß sie, eben so wie der Verstand, die Begriffsmomente z e rstreu t festhält und in Realität darstellt, aber in den höhern Dingen die unterschiedenen Begriffsformen zur höchsten Concretion in Einem vereint (s. Anm. folg. §.). |
§. 313. In sofern diese sich auf sich beziehende Form zunächst in dieser ab stracten Bestimmung, Identität der bestehenden Differenzen zu seyn existirt, also noch nicht in der totalen Gestalt zum Producte geworden und paralysirt ist, ist sie als T h ä tig k e it, - und zwar in der Sphäre der Gestalt, die immanente Thätigkeit des freien M ech an ism u s; nämlich die ö rtlich en Verhältnisse zu bestimmen. Der G eg en satz der Form im individuellen Materiellen geht auch dazu fort, sich zum realem, electrischen , und zu dem noch realem, dem chem ischen Gegensätze zu bestimmen. Allen diesen besondern Formen liegt allerdings eine und dieselbe allgemeine Totalität der Form, als ihre Substanz zum Grunde. Ferner sind Electricität und Chemismus als Processe Thätigkeiten von Gegensätzen, welche weiter physisch bestimmt sind, aber außerdem enthalten diese Processe vor Allem auch Veränderungen in den Ver-
5 Entgegensetzung] O 1 O 2 : Entgegengesetzung
6 [gesetzten] Bestimmung] O 3 : gesetzten Bestimmung
12 A b s t r a c t io n e x is tir t ] O 2 : Abstraction e x is tir t
zur] O 2 : znr stiren
O 3 .* zur
15 a llg e m e in
O 3 : a llg e m e in e x is tir e n
O i: Abstraction
O 3 : A b s tr a c tio n e x is tir t
e x istire n ] O 2 : a llg e m e in existiren
23 zum] O 2 .* znm
O 3 : zum
O i: allgemein exi-
293-294
239
P h y sik
hältnissen der materiellen Räumlichkeit. Nach dieser Seite, daß diese concrete Thätigkeit zugleich mechanisirende Bestimmung ist, ist sie an sich magnetische Thätigkeit. In wiefern sie als solche auch innerhalb dieser concretern Processe zur E rscheinung gebracht werden kann, sind die empirischen Bedingungen hievon in neuern Zeiten gefunden worden. Es ist daher für einen wesentlichen Fortschritt der empirischen Wissenschaft zu achten, daß die Identität dieser Erscheinungen in der Vorstellung anerkannt worden ist, welche Electro-Chemismus, oder etwa auch Magneto-Electro-Chemismus oder wie sonst, genannt wird. Allein die beson d ern Formen, in welchen die allgemeine existirt, und deren beson d re E rsch ein u n gen sind auch eben so wesentlich von einander zu unterscheiden. Der Name Magnetismus ist darum besser für die ausdrückliche Form und deren Erscheinung als | in der Sphäre der Gestalt als solcher, sich nur auf R a u m b e stim men beziehend, aufzubehalten. Früher ist Magnetismus, Electricität und Chemismus gänzlich abgesondert, ohne Zusammenhang mit einander, jedes als eine selbstständige Kraft betrachtet worden. Die Philosophie hat die Idee ihrer Identität, aber mit ausdrücklichem Vorbehalt ihres Unterschiedes, gefaßt; in den neuesten Vorstellungsweisen der Physik scheint auf das Extrem der Id en tität dieser Erscheinungen übergesprungen worden, und die Noth zu seyn, - daß und wie sie zugleich auseinander zu halten seyen.
§. 314. Die Thätigkeit der Form ist keine andere, als die des Begriffs überhaupt, das id en tisch e d iffe re n t, und das differente id en tisch zu setzen, hier also in der Sphäre der materiellen Räumlichkeit das im Raume identische different zu setzen, zu entfernen (- abzustoßen) und das im Raume d ifferen te identisch zu setzen, zu nähern und zur Berührung zu bringen (- anzuziehen). Diese Thätigkeit, da sie in einem Materiellen, aber noch ab strac t (und nur als solche ist sie Magnetismus) existirt, beseelt sie nur ein L in eares (§. 256.). An solchem können die beiden Bestimmungen der Form nur an dem Unterschiede des Linearen, an dessen beiden Enden, geschieden hervortreten, und ihr thätiger, magnetischer Unterschied besteht nur darin, daß das eine Ende (der eine P ol) d asselbe - ein Drittes - mit sich identisch setzt, was das andere (der andere Pol) von sich entfernt.
17 ausdrücklichem] O 2 : ausdrücklichem
hen)
O 3 : (- a n z u zie h e n )
O 3 : ausdrücklichem
32 ein Drittes] O 2 : einDrittes
26 (- an z u zie h e n )] O 2 : - (a n z u z ie -
O 3 : ein Drittes
240
ENCYCLOPÄDIE • NATURPHILOSOPHIE
294-296
Das Gesetz des Magnetismus wird so ausgesprochen, daß gleich n am ige Pole sich abstoßen, und die u n gleich n am igen sich anziehen, daß die gleichnamigen fein d sch aftlich , die ungleichnamigen aber fre u n d sch aftlich sind. Für die Gleichnamigkeit ist jedoch keine andere Bestimmung vorhanden, als daß die | gleichnamige sind, welche gleicherweise von einem Dritten beide angezogen oder beide abgestoßen werden. Dies Dritte aber hat ebenso seine Determination allein darin, jene Gleichnamigen, oder überhaupt ein Anderes entweder abzustoßen oder anzuziehen. Alle Bestimmungen sind durchaus nur relativ , ohne verschiedene sinnliche, gleichgültige Existenz; es ist oben (Anm. §. 312.) bemerkt worden, daß so etwas wie Norden und Süden keine solche ursprüngliche, erste oder unmittelbare Bestimmung enthält. Die F reu n d sch aftlich k eit des U n g le ic h n am ig e n , und die F e in d sc h aftlich k e it des G leich n am igen sind hiemit überhaupt nicht eine folgende oder noch besondere Erscheinung an einem vorausgesetzten, dem eigenthümlich schon bestimmten Magnetismus, sondern drükken nichts anders als die Natur des Magnetismus selbst aus, und damit die Natur des Begriffs, wenn er in dieser Sphäre als Thätigkeit gesetzt ist.
§. 315. y) Die Thätigkeit in ihr Product übergegangen ist die G estalt, und bestimmt als K ry sta ll. In dieser Totalität sind die differenten magnetischen Pole zur Neutralität reducirt, die abstracte Linearität der ortbestimmenden Thätigkeit zur Fläche und Oberfläche des ganzen Körpers realisirt; näher die spröde Punctualität einerseits zur entwickelten Form erweitert, die formelle Erweiterung der Kugel aber zur Begränzung reducirt. Nach dieser Seite wirkt die E ine Form den Körper nach Außen, nach jener seine innere Continuität durch und durch, krystallisirend (Durchgang der Blätter, Kerngestalt).
b. D ie B e s o n d e r u n g
d e s
in d iv id u e l l e n
Kö r per s.
§. 316. Die Gestaltung, die zuerst freie Individualisirung des Mechanismus, geht in die B e so n d e ru n g über. Der | individuelle Körper ist an sich die physische Totalität; diese ist an ihm im U n tersch ied e, aber wie er in der Individualität bestimmt und gehalten ist, zu setzen. Der Körper als das S u b je ct dieser Bestim-
PHYSIK
296-297
241
mungen enthält sie erstlich als E igen sch aften oder P räd icate. Aber z w e itens nur erst in der u n m ittelb aren Individualität gehalten, sind sie auch als gegeneinander gleichgültige M aterien. D ritten s sind sie Verhältnisse zu den ungebundenen Elementen und Processe des individuellen Körpers mit denselben. Es sind dies die Seiten , die jede der Besonderungen der individuellen Körperlichkeit an ihr hat. - Das Wesentliche ist die Natur dieser Besonderung selbst, welche in ihrer logischen Nothwendigkeit an der elementarischen Sphäre aufgezeigt worden ist. Bei dem alten, allgemeinen Gedanken, daß jeder Körper aus den vier Elementen, oder dem neuern P aracelsisch en , daß er aus Mercurius oder Flüssigkeit, Schwefel oder Oel und Salz bestehe, und vielen ändern Gedanken dieser Art, ist v ors erste die Widerlegung leicht gewesen, indem man unter jenen Namen die einzelnen empirischen Stoffe verstehen wollte, welche zunächst durch solche Namen bezeichnet sind. Es ist aber nicht zu verkennen, daß sie viel wesentlicher die Begriffsbestimmungen enthielten und ausdrücken sollten, und es ist daher vielmehr die Gewaltsamkeit zu bewundern, mit welcher der Gedanke in solchen sinnlichen Dingen nur seine eigene Bestimmung und die allgemeine Bedeutung erkannte und festhielt. Fürs andere ist ein solches Auffassen und Bestimmen, da es die Vernunft zu seiner Quelle hat, welche sich durch die sinnliche Spielerei der Erscheinung und deren Verworrenheit nicht irre machen, noch gar sich selbst in Vergessenheit bringen läßt, weit über das bloße Aufsuchen und das chaotische Her erzählen der E igen sch aften der Körper erhaben. Hier gilt es für Verdienst und Ruhm immer noch etwas B eso n d eres ausgegangen zu haben, statt es auf das Allge| meine und den Begriff zurückzubringen, und diesen darin zu erkennen.
a. VERHÄLTNISS
ZUM LICH T.
§. 317. In der gestalteten Körperlichkeit ist die erste Bestimmung ihre m it sich id e n tische Selbstischkeit, die abstracte Selbstmanifestation ihrer als unbestimmter, einfacher Individualität, - das Licht. Aber die Gestalt leuchtet als solche nicht, denn sie ist noch nicht zu dieser Entwicklung und Unterscheidung ihrer Bestim11 bestehe,] O 1 O 2 : bestehe
O3: bestehe,
242
ENCYCLOPÄDIE • NATURPHILOSOPHIE
297-298
mungen gekommen. Sie hat daher 1) ein V erhältniß zum Lichte, und ist als rein er Krystall in der vollkommenen H o m o g e n e ität seiner neutral-existirenden innern Individualisirung, d u rch sich tig und ein M ed iu m für das Licht. Die innere Cohäsionslosigkeit der Luft und des Lichts ist hier H o m o g e n e itä t der in sich cohärenten und krystallisirten Gestalt. - Der individuelle Körper unbestimmt genommen ist freilich sowohl durchsichtig als undurchsichtig, durchscheinend u.s.f., Licht und Finsterniß sind nur Möglichkeiten an demselben. Aber die Durchsichtigkeit ist die nächste erste B e stim m u n g desselben als Krystalls, dessen physische Homogeneität noch nicht weiter in sich besondert und vertieft ist.
§. 318. 2)
Die erste einfachste Bestimmtheit, die das physische Medium hat, ist seine
specifische Schwere, deren Eigenthümlichkeit in Beziehung auf Durchsichtigkeit aber nur in der V ergleich u n g der verschiedenen Dichtigkeit eines ändern Mediums zur Manifestation kommt. Was bei der Durchsichtigkeit beider von dem einen (- dem vom Auge entferntem -) in dem ändern Medium (um die | Dar- und Vorstellung zu erleichtern mag jenes als Wasser, dieses als Luft genommen werden) wirksam ist, ist allein die D ic h tig k e it desselben (des Wassers) als den Ort qualitativ bestimmend; sein Volumen mit dem darin enthaltenen Bilde wird daher in der durchsichtigen Luft gesehen, so, als ob dasselbe Volumen Luft, in die jenes gesetzt ist, die größere specifische Dichtigkeit, die des Wassers hätte, also in einen um so kleinern Raum contrahirt [wäre], - sogenannte Brechung. Der Ausdruck B rech un g des Lichts ist zunächst ein sinnlicher und in sofern richtiger Ausdruck, als man einen ins Wasser gehaltenen Staab bekanntlich gebrochen sieht; auch wendet sich dieser Ausdruck für die geometrische Verzeichnung des Phänomens an. Aber ein ganz anderes ist die Brechung des Lichts und der sogenannten Lichtstrahlen in p h y sicalisch er Bedeutung - ein Phänomen, das viel schwerer zu verstehen ist, als es dem ersten Augenblicke nach scheint. Abgerechnet das sonstige Unstatthafte der gewöhnlichen Vorstellung macht sich die Verwirrung, in welche sie verfallen muß, in der Verzeichnung der angenommenermaßen sich von einem Punkte aus als Halbkugel ausstrahlenden Lichtstrahlen, leicht augenfällig. (Es kann hiebei an die wesentliche Erfahrung erinnert werden, daß der ebene Boden eines mit Wasser gefüllten Gefäßes, eben, somit ganz und gle ich fö rm ig
g e h o b e n
erscheint.) Worauf es ankommt, ist, daß Ein Medium
22 contrahirt [wäre]] O 3 : contrahirt wäre
298-300
PHYSIK
243
nur schlechthin Durchsichtiges überhaupt ist, und erst das V erh ältn iß zweier Medien von verschiedener specifischer Schwere das Wirksame wird für eine Particularisation der Sichtbarkeit, - eine Determination, die zugleich nur ortbestimmend, d. h. durch die ganz abstracte Dichtigkeit gesetzt ist. Ein V erhältniß der Medien als wirksam findet aber nicht im gleichgültigen Nebeneinanderseyn, sondern allein Statt, indem das eine in dem ändern, - nämlich | nur als Sichtbares - als Seh rau m , gesetzt ist. Dieses andere Medium wird von der im m ateriellen Dichtigkeit des darin gesetzten, so zu sagen, inficirt, so daß es in ihm den Sehraum des Bildes nach der Beschränkung zeigt, die es selbst (das Medium) erleidet und ihn damit beschränkt. §. 319. Diese zunächst äuß erliche Vergleichung und das In-eins-setzen verschiedener die Sichtbarkeit bestimmenden Dichtigkeiten, welche in verschiedenen zunächst abstracten, in sich cohäsionslosen oder nur der bedingten Cohäsion angehörigen Medien (Luft, Wasser, dann Glas u.s.f.) existiren, ist eine in n erlich e in der Natur der K ry stalle . Diese sind einerseits durchsichtig überhaupt, andererseits aber besitzen sie in ihrer innern Individualisirung (Kerngestalt) eine von der formellen Gleichheit*) abweichende Form, welche auch Gestalt als Kerngestalt, aber ebenso ideelle, subjective Form ist, die wie die specifische Schwere den Ort bestimmend wirkt, und daher die Sichtbarkeit, als räumliches Manifes t e n auf eigentümliche Weise, von der ersten abstracten Durchsichtigkeit verschieden bestimmt, - d op p elte Strah lenbrechu ng. Das Wort K ra ft könnte hier passend gebraucht werden, indem die rhomboidalische Form (die gewöhnlichste) durch und durch den Krystall innerlich individualisirt, aber, wenn dieser nicht in Lamellen gesplitjtert ist, nicht zur E xisten z als Gestalt kommt, und dessen vollkommene Homogeneität und Durchsichtigkeit nicht im mindesten unterbricht und stört, nur als immaterielle Bestimmtheit wirksam ist. Ich kann nichts treffenderes in Beziehung auf den Uebergang von einem zunächst äußerlich gesetzten Verhältniß zu dessen Form als innerlich wirk-
* ) Das Kubische überhaupt ist hier unter der formellen Gleichheit bezeichnet. Als die für sich verständlichste, und hier genügende Bestimmung der Krystalle, welche die sogenannte doppelte Strahlenbrechung zeigen, in Ansehung ihrer innern Gestaltung, führe ich die aus Biot Phys. III. ch. 4. p. 325. an: »Dies Phänomen zeigt sich an allen durchsichtigen Krystallen, deren primitive Form weder ein Cubus, noch ein regelmäßiges Octaeder ist.« |
244
ENCYCLOPÄDIE • NATURPHILOSOPHIE
300-301
samer Bestimmtheit anführen, als wie G öthe die Beziehung der Vorrichtung von zwei zu einander gerichteten Spiegeln auf das Phänomen der entoptischen Farben, das im Innern des Glascubus, in seiner Stellung zwischen ihnen erzeugt wird, ausdrückt. Zur Naturwissenschaft I. Bd. 3s Heft XXII. S. 148. heißt es: »von den natürlichen, durchsichtigen, krystallisirten Kör- 5 pern« - »wir sprechen also von ihnen aus: daß die Natur, in das Innerste solcher Körper einen gleich en S p ie g e la p p a ra t aufgebaut habe, wie wir es mit äuß erlichen, ph ysisch -m ech an isch en Mitteln gethan« - vergl. vorherg. S. daselbst.*) - Es handelt sich, wie gesagt, bei dieser Zusammenstellung nicht von Refraction, wie im Paragraph, sondern von einer äußern io Doppelspiegelung, und dem ihr im Innern entsprechenden Phänomen. So ist weiter zu unterscheiden, wenn es daselbst S. 147. heißt: »man habe beim rhombischen Kalkspath gar deutlich bemerken können, daß der verschiedene Durchgang der B lätte r und die deshalb gegen einander wirkenden S p ieg elu n g e n die nächste Ursache der Erscheinung seyen« - daß im 15 Paragraph von der so zu sagen rhomboidalischen K ra ft oder W irk sam k e it, nicht von Wirkung existirender Lamellen (vergl. I. Bd. 1. Heft zur Naturwissenschaft S. 25.) gesprochen wird. |
§. 320. 3)
Dies immaterielle Fürsichseyn (Kraft) der Form zu innerlichem Daseyn
fortgehend, hebt die neutrale Natur der Krystallisation auf, und es tritt die Bestimmung der immanenten Punctualität, S p rö d ig k e it (und dann Cohäsion) ein, bei noch vollkommener, aber fo rm e lle r Durchsichtigkeit (- sprödes Glas z.B .). Dies Moment der Sprödigkeit ist V ersch ieden h eit von dem m it sich id en tisch en Manifestiren, dem Lichte und der Erhellung, - es ist innerer Be-
25
ginn oder P rin cip der V erdu n k elun g, noch nicht existirendes Finsteres, aber w irk sam als verdunkelnd. Die Wirksamkeit dieses Princips auf die Erhellung ist in d iv id u a lisire n d , indem jedes der beiden Momente in seiner Unterschiedenheit bestehend, durch das eine derselben, das Fürsichseyn, zugleich in n e g ativ e E in h eit gesetzt wird. Diese In d iv id u alisiru n g des Hellen in dem Finstern ist die Farbe.
* ) W as ich über dieses Apper^u gesagt, hat G ö th e so freundlich aufgenommen, daß es Heft 4. zur Naturwissenschaft S. 294. zu lesen ist. |
4 X X II.] O 2 O 3 : S. X X II.
30
20
301-302
PHYSIK
245
Das Verdunkeln bleibt nicht blos Princip, sondern geht gegen die einfache, unbestimmte Neutralität der Gestalt fort zum a b stracten einseitigen E x trem e der Gediegenheit, der passiven Cohäsion (Metallität). So gibt überhaupt ein auch für sich e x istire n d e s F in steres und für sich vorhandenes H elles, vermittelst der Durchsichtigkeit zugleich in Einheit, welche concret und Individualisirung ist, gesetzt, die Erscheinung der Farbe. Dem Licht als solchem ist die abstracte Finsterniß unmittelbar entgegengesetzt (§. 277.). Aber das Finstre wird erst reell als individuelle Körperlichkeit, und der aufgezeigte Gang der Verdunkelung ist diese Individualisirung des Hellen, - der abstracten (jedoch als im Kreise der Gestalt, passiven) Manifestation zum Insichseyn der individuellen Materie. - Die M e ta llitä t ist bekanntlich das materielle Princip aller Färbung - oder der allgemeine F ä rb e sto ff, wenn man | sich so ausdrücken will. Was vom Metalle hier in Betracht kommt, ist nur seine hohe specifische Schwere, in welche überwiegende Einfachheit sich die specifische Materie gegen die aufgeschlossene innere Neutralität der durchsichtigen Gestalt zurücknimmt und zum Extreme steigert; - im Chemischen ist dann die Metallität ebenso einseitige, indifferente Base. In der gemachten Aufzeigung des Ganges der Verdunkelung kam es darauf an, die Momente derselben nicht nur abstract anzugeben, sondern die empirischen Weisen zu nennen, in denen sie erscheinen. Es erhellt von selbst, daß beides seine Schwierigkeiten hat; aber, was für die Physik noch größere Schwierigkeiten hervorbringt, ist die Vermengung der Bestimmungen oder Eigenschaften, die ganz verschiedenen Sphären angehören. So wesentlich es ist, für dergleichen allgemeine Erscheinungen wie Wärme, Farbe u.s.f. die wesentliche Bestimmtheit unter irgend einer noch so verschiedenen Bedingung und Umstand auszufmden, so wesentlich ist es auf der ändern Seite die U n te rsch ie d e festzuhalten, unter denen solche Erscheinungen sich zeigen. Was Farbe, Wärme u.s.f. sey, muß in der empirischen Physik nicht auf den Begriff, sondern auf die E n tsteh u n gsw eisen gestellt werden. Diese aber sind höchst verschieden. Die Sucht, nur allgemeine Gesetze zu finden, läßt zu diesem Ende auch sonst wesentliche Unterschiede weg, und stellt nach einem abstracten Gesichtspunkte das Heterogenste chaotisch in Eine Linie (wie in der Chemie etwa Gase, Schwefel, Metalle u.s.f.). So die Wirkungsweisen nicht nach den verschiedenen Medien und Kreisen particularisirt zu betrachten, hat dem Verlangen selbst, allgemeine Gesetze und
4 für sich] O2O3: fü r sich
8 §. 277.] O2O3: §. 276.
36 betrachten] O2: betrachteu 03.' betrachten
ENCYCLOPÄDIE • NATURPHILOSOPHIE
246
302-304
Bestimmungen zu finden, nachtheilig seyn müssen. Ebenso chaotisch finden sich die Umstände neben einander gestellt, unter denen die Farbenerscheinung hervortritt, und es pflegen Experimente, die dem speciellsten Kreise von Umständen | angehören, sowohl gegen die allgemeine Bestimmtheit der Farbe, wie sie sich dem unbefangenen Sinne ergibt, als gegen Erschei-
5
nungen, die einer ganz entfernten Sphäre von Bedingungen angehören, entgegengestellt zu werden. Dieser Verwirrung, welche bei dem Scheine feiner und gründlicher Erfahrung in der That mit roher Oberflächlichkeit verfährt, kann nur durch Beachtung der Unterschiede in den Entstehungsweisen begegnet werden, die man zu diesem Behuf kennen und in ihrer Be- io stimmtheit auseinander halten muß. Zunächst ist sich davon als der Grundbestimmung zu überzeugen, daß die H em m u n g der Erhellung mit der specifischen Schwere und Cohäsion zusammenhängt. Diese Bestimmungen sind gegen die abstracte Identität der reinen Manifestation (das Licht als solches) die Eigenthümlichkeiten und 15 Besonderungen der Körperlichkeit, welche von ihnen aus in sich, in das Finstre, zurückgeht, Bestimmungen, welche unmittelbar den Fortgang der bedingten zur freien Individualität (§. 307.) ausmachen, und hier in der Beziehung der erstem zur letztem erscheinen. Die en to p tisch en Farben haben das Interessante, daß das Princip der Verdunkelung die Sprödigkeit als im-
20
materielle (nur als Kraft wirksame) P u n c tu alität ist, welche in der Pulverisirung eines durchsichtigen Krystalls auf eine äußerliche Weise existirt, und die Undurchsichtigkeit bewirkt, (- wie Schäumen durchsichtiger Flüssigkeit, u.s.f.). - Der D ru ck einer Linse, der die ep o ptisch en Farben erzeugt, ist äußerlich mechanische Veränderung blos der specifischen Schwere,
25
wobei Theilung in Lamellen und dergleichen e x istire n d e Hemmungen nicht vorhanden sind. - Bei der E rh itzu n g der Metalle, (Veränderung der specifischen Schwere) entstehen auf ihrer Oberfläche flüchtig aufeinander folgende Farben, welche nach Belieben festgehalten werden können (Göthe Farbenlehre I. S. 191.). - Die G estalt (Prisma, - | äußerliche Gränze mit
30
Verschiedenheit der Durchmesser der verschiedenen Theile des durchsichtigen Körpers) enthält die äußerlich auffallendste Determination. - In der ch em isch en Bestimmung tritt durch die Säure ein ganz anderes Princip der Erhellung des Dunkeln, der immanentem Selbstmanifestation, der Befeurung ein. Aus der Betrachtung der Farben für sich ist die chemisch
35
determinirte Hemmung, Verdunkelung, Erhellung, zunächst auszuschlie-
12 der] O2: de r
O3: der 18-19 Beziehung] O2: Beziehnng zur C2 O2: erstem der O3: der erstem
O 3 : Beziehung
19 der erstem] so
304-305
PHYSIK
247
ßen; denn der chemische Körper, wie das Auge (bei den subjectiven, physiologischen Farbenerscheinungen), ist ein C o n c re te s, das vielfache weitere Bestimmungen in sich enthält, so daß sich die, welche sich auf die Farbe beziehen, nicht bestimmt für sich herausheben und abgesondert zeigen lassen, sondern vielmehr wird die Erkenntniß der abstracten Farbe vorausgesetzt, um an dem Concreten das sich darauf beziehende herauszufinden. Die Verdunkelung, Verdüsterung aber überhaupt ist nur der eine, abstracte Umstand; zur Farbe gehört eine nähere Determination in derselben. Das Licht erhellt, der Tag v ertreib t die Finsterniß; die Verdunkelung, als Vermischung des Hellen mit vorhandenem Finstern gibt im Allgemeinen ein G rau. Aber die Farbe ist die Individualisirung beider Bestimmungen so, daß sie, indem sie auseinander gehalten sind, eben so sehr in Eins gesetzt werden; sie sind getrennt und ebenso scheint eines im ändern. Das Prisma ist zugleich durchsichtig und zugleich - und zwar ungleich trübend. Was die Schwierigkeit macht, den Begriff der Farbe zu fassen, ist die Schwierigkeit des Begriffs überhaupt, welcher als concret die Momente zugleich unterschieden, und in ihrer Idealität, in ihrer Einheit enthält. Diese Bestimmung findet sich in der G ötheschen Darstellung auf die ihr gehörige sinnliche Weise ausgedrückt, - daß beim Prisma das Helle über das Dunkle, oder umgekehrt h ergezo gen wird, so daß das Helle ebenso | noch als Helles selbstständig durchwirkt, als es getrübt, an seiner Stelle bleibt, und zugleich verrückt wird. Wo das Helle oder Dunkle oder vielmehr Erhellende und Verdunkelnde (beides ist relativ) in den trüben M ed ien für sich existirt, behält das trübe Medium vor einen dunkeln Hintergrund, auf diese Weise als erhellendes wirkend gestellt - und umgekehrt - seine eigenthümliche Erscheinung und zugleich ist eins im ändern negativ, beides identisch gesetzt. Der Unterschied der Farbe von dem bloßen Grau (- obgleich blos grauer, ungefärbter Schatten sich vielleicht seltner findet, als man zunächst meynt) ist es, worauf es ankommt; - er ist derselbe, als innerhalb des Farben-Vierecks der Unterschied des Grünen von dem Rothen, - jenes die V e rm isch u n g des Gegensatzes, des Blauen und des Gelben, dieses die Individualität desselben. Nach der bekannten N ew ton isch en Theorie b esteh t das weiße, d .i. farblose Licht, aus fü n f oder aus sieben Farben; - denn genau weiß dies die Theorie selbst nicht. - Ueber die B a rb arei vors erste der Vorstellung, daß auch beim Lichte nach der schlechtesten Reflexions-Form, der Z u sa m m en setzu n g, gegriffen worden ist, und das H elle hier sogar aus sieben D u n k elh eiten bestehen soll, wie man das klare Wasser aus sieben Erdarten bestehen lassen könnte, kann man sich nich t stark ge n u g ausdrücken;
ENCYCLOPÄDIE • NATURPHILOSOPHIE
248
305-307
So wie über die U n gesch ick lich k eit und U n ric h tig k e it des Newtonischen Beobachtens und Experimentirens, nicht weniger über die Fadh eit desselben, ja selbst, wie G öthe gezeigt hat, über dessen Unredlichkeit; - eine der auffallendsten, so wie einfachsten Unrichtigkeiten ist die falsche Versicherung, daß ein durch ein Prisma bewirkter e in färb ig e r Theil des Spectrums, durch ein zweites Prisma gelassen auch wieder nur einfarbig erscheine - (Newt. Opt. L. I. P. I. prop. V. in fine); | Alsdenn über die gleich schlechte Beschaffenheit des Schließens, F o lger ns und B ew eisen s aus jenen unreinen empirischen Daten; Newton gebrauchte nicht nur das Prisma, sondern der Umstand war ihm auch nicht entgangen, daß zur Farbenerzeugung durch dasselbe, eine Gränze von Hell und Dunkel erforderlich sey (Opt. Lib. II. P. II. p. 230.), und doch konnte er jenes als wirksam zu trüben, übersehen. Nach seiner Art zu schließen thut der Bildhauer mit Meißel und Hammer die Statue aus dem Marmorblocke nur aufdecken, in dem sie wie der Kern in der Nuß bereits fertig und abgesondert lag; Hierauf endlich insbesondere über die Gedankenlosigkeit, mit der eine Menge der immittelbaren Folgerungen jener Theorie (z. B. die Unmöglichkeit achromatischer Fernröhre) aufgegeben worden und doch die Theorie selbst behauptet wird; Zuletzt aber über die Blindheit des V o ru rth e ils, daß diese Theorie auf etwas M ath em atisch em beruhe, und als ob die, zum Theil selbst falschen und einseitigen M essungen, so wie die in die Folgerungen hineingebrachten quantitativen Bestimmungen irgend einen Grund für die Theorie und die Natur der Sache selbst abgäben, ja selbst nur den Namen von Mathematik verdienten. Ein Hauptgrund, warum die, eben so klare als grü n d lich e und g e le h rte , G ö th e ’ sehe Beleuchtung dieser Finsterniß im Lichte, nicht eine wirksamere Aufnahme erlangt hat, ist ohne Zweifel dieser, weil die Gedankenlosigkeit und Einfältigkeit, die man eingestehen sollte, gar zu groß ist. Statt daß sich diese ungereimten Vorstellungen vermindert hätten, sind sie in den neuesten Zeiten auf die M alusschen Entdeckungen, noch durch die P o la r isa tio n des Lichts, und gar durch die V ie re c k ig k e it der Sonnenstrahlen, durch eine links ro tiren d e B e w e g u n g rother und eine | rech ts ro tire n d e blauer Lichtkügelchen, durch die wieder aufgenommenen Newtonischen Fits, die accès de fa c ile tra n sm issio n und accès
15 aufdecken] O2: anfdecken
21 Zuletzt] O2: Znletzt
O 3:
Zuletzt
PHYSIK
307-308
249
de fa c ile re fle x io n und weiteren metaphysischen Galimathias vermehrt worden. - Ein Theil dieser Vorstellungen entsprang auch hier aus der Anwendung von Differential-Formeln auf Farbenerscheinungen, indem die guten Bedeutungen, welche Glieder dieser Formeln in der Mechanik haben, 5
unstatthafter Weise auf Bestimmungen eines ganz ändern Feldes übergetragen worden sind.
ßDER UN TERSCHIED
AN DER INDIVIDUALITÄ T.
1) Geruch. 10
§. 321.
Das indifferente Finstre, die Metallität, ist das che misch-brennbare, (oxidirbare) d. i. es wird durch ein Aeußeres (Feuer, Sauerstoff u.s.f.) in die Differenz gesetzt. Aber in der S e lb ststän d ig k e it der Gestalt ist das F ü rsich sey n im Gegensätze einerseits noch nicht in realer p rak tisch er, sondern in th e o re ti15 scher Existenz, Eigenschaft des Körpers, - ferner nicht mehr mechanische Sprödigkeit, sondern als physische sich auf sich beziehende Negativität, Brennlichkeit in sich selbst; - andererseits als Moment des Gegensatzes auch different nach Außen, aber gegen das Negative, als elementarische, abstracte Allgemeinheit, die L u ft, das unscheinbar verzehrende (§. 282.). - Der G eruch ist der abstracte specifische 20
Proceß des individuellen Körpers, - seine specifische Individualität als ein fach er Proceß des Fürsichseyns, unscheinbare Verflüchtigung. Die Eigenschaft des Geruchs der Körper, als für sich existirende Materie (§. 316.), der R ie c h sto ff, | ist Öl, das als Flamme verbrennende. Aber das Riechen existirt auch nur als bloße Eigenschaft, in dem eckelhaften Gerüche
25
des Metalls.
2) Geschm ack. §. 322. Das andere Moment des Gegensatzes, das als besonderes existirend in die Neutralität zusammenfällt (§. 284.), individualisirt sich zur bestimmten physischen
1 reflexion]
O2: R e f l e x i o n
O3: r e f l e x i o n
250
ENCYCLOPÄDIE • NATURPHILOSOPHIE
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Neutralität der Salzigkeit und deren Bestimmungen, Säure u.s.f. - zum G eschm ack. Als differente Bestimmung zugleich ist er das Verhältniß zum E lem ente, der abstracten Neutralität des Wassers. Als nur neutral ist der Körper trennbar in Bestandteile, darum lö sb ar im Wasser. Indem der Geschmack existirt, der Körper geschmeckt wird, wird er in den reellen Proceß seiner Auflösung gezogen, so wie die abstracte Neutralität in ihm selbst von den physischen Bestandteilen seiner concreten Neutralität trennbar, und als Krystallisations-Wasser darstellbar ist, welches aber in der Einheit mit dem Concreten desselben, als Krystall, nicht als Wasser existirt. (§. 286. Anm.)
T* DIE TOTALE IN D IV ID U A LIT Ä T ;
ELECTRICITÄT.
§. 323. Der gestaltete Körper steht nach den besondern M om en ten seiner Totalität zu den Elementen in Beziehung, aber als Totalitäten sind sie zugleich wesentlich b eso n d ere, und treten daher als einzelne in Verhältniß zu einander, und zwar außer dem mechanischen Verhalten als b eson d ere,
p h y sik alisch e Indivi-
dualitäten. Als S e lb ststän d ig e erhalten sie sich gleichgültig gegen einander; wie sie im mechanischen Verhältnisse ihr Selbst in ideeller | Bewegung als ein Schwingen in sich als Klang kund thun, so treten sie nun in der Spannung gegen einander mit reeller Selbstischkeit, aber zugleich mit abstracter Realität, im electrisch en Verhältnisse auf.
§. 324. Die Berührung setzt die Differenz des ändern in jeden; das Fürsichseyn, das sie darin manifestiren, ist, weil sie zugleich selbstständig gegen einander bleiben, eine entgegengesetzte Spannung. In diese tritt deswegen nicht die Natur des Körpers in ihrer ganzen Bestimmtheit ein, sondern es ist nur als Realität seines a b stracten Selbst’s, ein L ich t, und zwar ein entgegengesetztes, wie das Fürsichseyn hier sich producirt. - Die Aufhebung der Diremtion, das andere Moment dieses Processes, hat ein indifferentes Licht zum Product, das als körperlos unmittelbar verschwindet, außer dieser abstracten physikalischen Erscheinung daher vornehmlich nur die mechanische Wirkung der Erschütterung hat. Was die Schwierigkeit beim B e g r iffe der Electricität ausmacht, ist die Grundbestimmung von der ebenso physischen als mechanischen Trägheit
>-311
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des Körperindividuums. Daher wird solche Spannung, wie die electrische, einem Ändern, einer Materie, zugeschrieben, welcher das reine Selbst des Körpers, das Licht, angehöre. Solche Vorstellung liegt um so näher, als nur das abstracte Licht, verschieden von der concreten Realität des Körpers, welche in ihrer Selbstständigkeit bleibt, hervortritt. Es findet hier (wie §. 306.) ein Entstehen des Lichtes statt, aber eines differenten. Bekanntlich ist der frühere an eine bestimmte sinnliche Existenz gebundene Unterschied von G las- und H a rz -E le c tric itä t durch die vervollständigte Empirie in den G edanken untersch ied von p o sitiv e r und neg a tiv e r Electricität idealisirt worden; - ein merkwürdiges Beispiel, wie die Empirie, die zunächst das | Allgemeine in sin n lich er Form fassen und festhalten will, ihr Sinnliches selbst aufhebt. - Wenn in neuern Zeiten viel von der P o la risa tio n des Lich ts die Rede geworden ist, so wäre mit größerem Rechte dieser Ausdruck für die Electricität aufbehalten worden, als für die M alusschen Erscheinungen, wo durchsichtige Medien, spiegelnde Oberflächen und die verschiedenen Stellungen derselben zu einander, und viele anderweitige Umstände es sind, welche einen Unterschied am Sch ein en des Lichtes hervorbringen, aber nicht einen an ihm selbst. Die Bedingungen, unter welchen die positive und die negative Electricität hervortreten, die glättere oder mattere Oberfläche z. B., ein Hauch und so fort, beweisen die Oberflächlichkeit des electrischen Processes und wie wenig darein die concrete physikalische Natur des Körpers eingeht. Ebenso zeigen die schwache Färbung der beiden electrischen Lichter, Geruch, Geschmack, nur den B egin n einer Körperlichkeit an dem abstracten Selbst des Lichts, in welchem sich der Proceß hält, der obgleich physisch doch nicht ein concreter Proceß ist. Die Negativität, welche das Aufheben der entgegengesetzten Spannung ist, ist hauptsächlich ein S c h la g ; - das sich mit sich identisch setzende Selbst bleibt auch als solches in der äußerlichen Sphäre des M ech an ism u s stehen. Das Licht hat kaum einen Anfang sich zur W ärme zu materialisiren, und die Z ün d un g, die aus der sogenannten Entladung entspringen kann, ist (Berthollet Statique Chimique. I. Partie, Sect. III. not. XI.) mehr eine directe W irkun g der Erschütterung, als die Folge einer Realisation des Lichtes zu Feuer. - In sofern die beiden Electricitäten an verschiedenen Körpern getrennt von einander gehalten werden, so tritt, wie beim Magnetismus (§. 314.), die Bestimmung des Begriffs ein, das Entgegengesetzte identisch, und das Identische entgegen zu setzen. Diese Thätigkeit ist einerseits räum lich , Anziehen und Ab|stoßen, mechanische Thätigkeit, welche, in sofern sie isolirt werden kann, den Zusammenhang mit dem Magnetismus als solchem begründet, andererseits physisch in den
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ENCYCLOPÄDIE • NATURPHILOSOPHIE
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interessanten Erscheinungen der Mittheilung der Electricität als solcher oder Leitung, und als Vertheilung. §. 325. Die B e so n d e ru n g des individuellen Körpers bleibt aber nicht bei der blos trägen Verschiedenheit und Selbstthätigkeit der Verschiedenen stehen, noch bei
5
der Entgegensetzung nur als Spannung und Differenz der abstracten reinen Selbstischkeit. Sondern da die besondern Eigenschaften nur die Realität dieses einfachen Begriffes, der Leib ihrer Seele, des L ich tes, sind, so geht die ganze Körperlichkeit in die Spannung und in den Proceß ein, welcher zugleich die B ildung des individuellen Körpers ist, und die Gestalt, welche zunächst nur aus dem io Begriffe hervorging, somit nur an sich gesetzt war, geht nun auch aus dem existirenden Processe hervor; - der chem ische Proceß.
c. D
e r
c h e m is c h e
P
r o c e s s
.
§. 326.
15
Die Individualität in ihrer entwickelten Totalität ist die Beziehung ihrer so bestimmten Momente, daß diese selbst individuelle Totalitäten, aber als Momente, different gegen einander bestimmte sind. Diese Beziehung als die Identität nicht identischer, selbstständiger Körper ist der Widerspruch, - somit wesentlich P ro ceß, der dem Begriffe gemäß die Bestimmung hat, das Unterschiedene iden-
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tisch zu setzen, und das Identische zu differentiiren - es zu begeisten und zu scheiden. | §. 327. Der fo rm ale Proceß ist eine Verbindung blos V ersch ied en er, nicht Entgegengesetzter (er ist Sy n som atie genannt worden). Um der bloßen Verschiedenheit willen bedarf es keines existirenden Dritten, in welchem sie als ihrer Mitte an sich Eines wären; ihre Verbindung oder Scheidung hat die Weise der Unmittelbarkeit, und verändert nur die Bestimmungen ihrer specifischen Schwere, Harte, Cohäsion, Schmelzbarkeit, Farbe u.s.f. Zu den Verbindungen chemisch
21
es zu] so C 2
O 2 : zu
O 3 : es zu
29 u.s.f.] O 2 : n.s.f.
25
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gegen einander unbegeisteter Körper gehört die Amalgamation und sonstiges Zusammenschmelzen von Metallen, Vermischung von Säuren mit einander und derselben, des Alkohols u.s.f. mit Wasser und dergleichen mehr.
§. 328. Der reale Proceß aber bezieht sich zugleich auf die chemische Differenz (§. 200. ff.), indem er zugleich die Veränderung der specifischen Schwere u.s.f. (s. vorherg. §.), die ganze concrete Totalität des Körpers in sich befaßt (§. 325.). Die Körper, die so in den realen Proceß eintreten, sind als zugleich selbstständig seynsollend, in einem Dritten, von ihnen Verschiedenen, vermittelt, welches aus dem Grunde nur die ab stracte, an sich seyende Einheit jener concreten Extreme ist. Dieses Dritte sind daher nur Elemente und zwar selbst verschieden als theils des Vereinens, aber nur als Neutralität, das W asser, theils des Differentiirens und Scheidens, die Luft. Das Scheiden und Neutralisiren des Processes ist damit ebenso ein Gedoppeltes, - das Scheiden einmal Zerlegen der neutralen Körperlichkeit in körperliche Bestandtheile, das andremal Differentiiren der abstracten physischen Elemente, in die vier noch abstractern chemischen Momente des Stickstoffs, Sauerstoffs, Wasserstoffs und Kohlenstoffs, welche zusammen die Totalität des Begriffs | ausmachen und nach dessen Momenten bestimmt sind. Hienach haben die chemischen Elemente, 1) die Abstraction der Indifferenz, der S tic k sto ff, und 2) die beiden des Gegensatzes, der für sich seyenden Differenz, der S a u e rsto ff, das Brennende, und der dem Gegensätze angehörigen Indifferenz, der W a sse rsto ff, das Brennbare, 3) die Abstraction ihres in d iv id u e llen Elements, der K o h len sto ff. Ebenso ist das Vereinen das einemal Neutralisiren concreter Körperlichkeiten, das andremal jener abstracten chemischen Elemente. So sehr ferner die concrete und die abstracte Bestimmung des Processes verschieden ist, so sehr sind beide zugleich vereinigt, denn die physischen Elemente sind als die Mitte der Extreme das, aus dessen Differenzen die gleichgültigen concreten Körperlichkeiten begeistet werden. §. 329. Der Proceß ist zwar ab stract dies, die Identität des Urtheilens und des InEins-setzens der Unterschiedenen zu seyn, und als Verlauf ist er in sich zurück-
1
unbegeisteter] O2: uubegeisteter
O3: unbegeisteter
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ENCYCLOPÄDIE • NATURPHILOSOPHIE
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kehrende Totalität. Aber seine E n d lich k eit, daß seinen Momenten auch die Selbstständigkeit zukommt, enthält damit dies, daß er u n m ittelb are Körperlichkeiten zu seiner V o rau ssetzu n g hat, welche aber eben so sehr nur seine Producte sind. Mit dieser Unmittelbarkeit aber fallen die M om ente seines V e rla u fs selbst als Unmittelbare und Verschiedene auseinander, und sein Verlauf als reale Totalität wird ein Kreis b eson d erer P ro cesse, deren jeder den ändern zur Voraussetzung hat, aber für sich seinen Anfang und zwar von Außen nimmt, und in seinem besondern Product erlischt, ohne sich aus sich in den Proceß, der das weitere Moment der Totalität ist, fortzusetzen und immanent darein überzugehen. Die zwei Gänge des Verlaufs sind, 1) vom indifferenten Körper aus durch seine Begeistung zur Neutralität, | und 2) von dieser Vereinung zurück zur Scheidung in indifferente Körper.
1. VEREINUNG.
§. 330. a) G alvanism us. Mit der dem B e g r iffe nach oder an sich u n m ittelb are n , damit indifferenten Körperlichkeit, welche die unterschiedenen Eigenschaften, die sonst zur Existenz von Materien gebracht werden können, in die ein fach e Bestimmung der specifischen Schwere zusammengeeint hält, ist der Anfang des Processes zu machen, der M e tallität. Durch diese gediegene Einheit, an sich seyende Flüssigkeit (Wärme-Electricitäts-Leitungsfähigkeit) theilen verschiedene Metalle ihre immanente Bestimmtheit und Differenz einander mit, und als selbstständig zugleich treten sie in Spannung gegen einander, welche so noch electrisch ist, aber indem sie durch das neutrale Medium des Wassers in Verbindung mit der Luft sich materialisiren, die Differenz sich realisiren kann, so ist damit chemischer Proceß und zwar in seiner einfachsten Bestimmung gesetzt; sein Product ist zunächst O x id iru n g überhaupt; - Erden (- Desoxidirung oder Hydrogenation [wenn es so weit geht] oder wenigstens Entwicklung von Hydrogengas gehört ebenfalls zum Setzen der chemischen Differenz auf dem Grade des Oxids). Die Physik obstinirt sich, im Galvanismus, auch in sofern er als Proceß existirt, nur Electricität zu sehen, so daß der Unterschied der Extreme und der Mitte des Schlusses zu einem bloßen Unterschiede von trocknen und
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feuchten Leitern wird. - Es ist nicht nöthig, hier auf nähere Modificationen Rücksicht zu nehmen, daß die Extreme auch differente Flüssigkeiten seyn können und die Mitte ein Metall, daß die Thätigkeit leb | hafter wird, wenn zu jener Mitte zwischen den Metallen nicht blos destillirtes Wasser, sondern 5
io
eine Säure, Kalisches und sonstiges auf irgend eine Weise mehr Differentes genommen wird, - daß theils die Form der Electrizität (wie im Paragraph angegeben) festgehalten, theils das einemal besonders vorherrschend, das andremal die chemische Wirksamkeit verstärkt werden kann u.s.f. Die Betrachtung des Wassers als bloßen Leiters der Electricität - mit der Erfahrung der schwächern Wirkung der Säule mit solcher Mitte als mit ändern Mitteln, hat die originelle Consequenz hervorgebracht, daß (Biot Traité de Phys. Tom. II. p. 506.) l ’ e a u p u r e , qui transm et une électricité forte, telle que celle que nous excitons par nos machines ordinaires, devient
15
20
p r e s q u ’ i s o l a n t e pour les faibles forces de l’appareil électromoteur (so heißt in dieser Theorie die Voltaische Säule). - Es ist nicht, als ob die Sch w äch e der Electricität das Wasser als isolirend, das hieße, als sie nicht zur Erscheinung bringend, zeigte; daß sie nicht schwach sey, zeigt sich bei ändern sogenannten feuchten Leitern. - Zu der Kühnheit, das Wasser zu einem Isolator der Electricität zu machen, kann nur die Hartnäckigkeit der Theorie, die sich selbst durch eine solche Consequenz nicht erschüttern läßt, bringen.
§. 331. ß) Feuerproceß. Die im vorigen Processe nur an sich seyende Thätigkeit für sich gesetzt 25 ist das Feuer, wodurch das an sich Verbrennliche (wie Schwefel) b e fe u e rt, überhaupt das in noch gleichgültiger abgestumpfter Differenz (wie in Neutralität) befindliche zu der chem ischen E n tgegen setzu n g, der Säure und [des] (kaustischen) Kalischen begeistet wird. | §. 332. 30
y) N e u tra lisa tio n , W asserproceß . Dies so Differente ist seinem Ändern schlechthin entgegengesetzt, und dies ist seine Qualität, so daß es wesentlich nur ist in seiner Beziehung auf dies Andere, 1-Es]C >2:(-Es O 3: u n d d es
O 3. - E S
14 p r e s q u ’
is o la n te ]
O 2O 3 : p r e s q u ’ i s o l a n t e
2 7 u n d [d e s]]
ENCYCLOPÄDIE • NATURPHILOSOPHIE
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daß daher seine selbstständige, getrennte Existenz nur ein gewaltsamer Zustand, und es in seiner Einseitigkeit, an ihm selbst der Proceß ist, sich mit dem Negativen seiner identisch zu setzen. Das Product ist das concrete N e u trale , Salz.
§. 333. 8) D er Proceß in seiner T o ta litä t.
5
Diese neutralen Körper, in Beziehung zu einander tretend, bilden den v o llstän d ig realen chemischen Proceß, da er zu seinen Seiten solche reale Körper hat. Zu ihrer Vermittlung bedürfen sie des Wassers, als des abstracten Mediums der Neutralität. Aber da beide neutral für sich sind, sind sie so in keiner Differenz gegen einander. Es tritt hier, in sofern sie real Verschiedene sind, d ie P a rtic u la ri- io satio n der allgemeinen Neutralität und damit ebenso die Besonderung der Differenzen der chemisch-begeisteten Körper gegen einander ein, - die sogenannte W a h lv e rw a n d tsc h aft, - Bildung anderer besonderer Neutralitäten durch Trennung vorhandener. Der wichtigste Schritt zur Vereinfachung der Particularitäten in den Wahl- 15 Verwandtschaften ist durch das von R ich ter und G u iton M orveau gefundene Gesetz geschehen, daß neutrale Verbindungen keine V erän d eru n g in Ansehung des Z ustan des der S ä ttig u n g erleiden, wenn sie durch die Auflösung vermischt werden und die Säuren ihre Basen gegen einander vertauschen. Es hängt damit die Scale der Quantitäten von Säuren
20
und Alcalien zusammen, nach welcher jede einzelne Säure für ihre Sättigung zu jedem Alcalischen ein besonderes Verhältniß hat, so aber daß | für je d e andere Säure, deren quantitative Einheit nur von der der übrigen verschieden ist, nunmehr die A lcalien unter einander dasselbe V erhältniß zu deren Sättigung haben, als zu den übrigen Säuren, somit auch die Säuren
25
ein constantes Verhältniß unter sich gegen jedes verschiedene Kalische zeigen. Uebrigens ist die Wahlverwandtschaft hieselbst nur ab stracte Beziehung der Säure auf die Base. Aber der chemische überhaupt und insbesondre der neutrale Körper ist zugleich concreter physischer Körper von bestimmter specifischer Schwere, Cohäsion, Temperatur u.s.f. Diese eigentlich physischen Eigenschaften und deren Veränderungen im Processe (§. 328.) treten in Verhältniß zu den chemischen Momenten desselben, erschweren, hindern
7 zu] O2 : zn
O3: zu
30
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oder erleichtern, modificiren deren Wirksamkeit. B e rth o lle t in seinem berühmten Werke Statique chimique hat die Umstände zusammengestellt und untersucht, welche in die Resultate der chemischen Action eine Veränderung bringen, Resultate, die häufig nur nach der einseitigen Bedingung der Wahlverwandtschaft bestimmt werden. Er sagt, die Oberflächlichkeit, welche die Wissenschaft durch diese Erklärungen erhält, sieht man vornehmlich für Fortschritte derselben an.
2. SCHEIDUNG.
§. 334. In der Auflösung des Neutralen beginnt der Rückgang zu den besondern chemischen bis zu den indifferenten Körpern. Daß aber solche hervortreten, ist bedingt durch die Voraussetzung von abstracten Agentien (- einer Säure, nicht eines Neutralen auf ein Neutrales) - eine Voraussetzung, die in der endlichen Natur des chemischen Processes, des zugleich selbstständigen Bestehens seiner differenten Körper, liegt. Aber überhaupt ist jede solche | Scheidung selbst untrennbar mit einer Vereinung verknüpft, und ebenso enthalten auch die Momente, welche als dem Gange der Vereinigung angehörig angegeben worden, unmittelbar zugleich das andre Moment der Scheidung. Die Bestimmung für die eigen th ü m lich e Stelle, welche jede besondre Form des Processes einnimmt, so für das Specifische unter dessen Producten, liegt in der Bestimmung einerseits des con creten Agens, und andererseits des con creten Products, das aus dem Processe hervorgeht. In der empirischen Chemie ist es hauptsächlich um die P a rtic u la ritä t der S to ffe und P rod u cte zu thun, welche nach oberflächlichen abstracten Bestimmungen zusammengestellt werden, so daß damit in ihre Particularität keine Ordnung kommt. In jener Zusammenstellung erscheinen Metalle, Sauerstoff, Wasserstoff u.s.f., Schwefel, Phosphor als ein fach e chemische Körper nebeneinander auf gleicher Linie. Sogleich muß die so große physikalische Verschiedenheit dieser Körper gegen solches Coordiniren Abneigung erwecken; eben so verschieden aber zeigt sich auch ihr chemischer Ursprung, der Proceß aus dem sie hervorgehen. Allein gleich chaotisch werden abstractere und reellere Processe auf gleiche Stufe gesetzt. Wenn hierein wissenschaftliche Form kommen soll, so ist jedes Product nach der Stufe des 27 u.s.f.] so C 2
O 1 O 2 : u.s.f. Erden
vgl. O 3 : u.s.f. (ehmals Erden nun) Metalloide
ENCYCLOPÄDIE * NATURPHILOSOPHIE
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Processes zu bestimmen, aus der es wesentlich hervorgeht, und die ihm seine eigenthümliche Bedeutung gibt; und hiefür ist ebenso wesentlich, die Stufen der Abstraction oder Realität des Processes zu unterscheiden. A nim alische und v eg e ta b ilisch e Substanzen gehören ohnehin einer ganz ändern Ordnung an, und ihre Natur kann so wenig aus dem chemischen Processe begriffen werden, daß sie vielmehr dadurch zerstört, und nur der Weg ihres T o d e s darin erfaßt wird. Diese Substanzen sollten jedoch am meisten dienen, der Metaphysik, welche in der Chemie wie in der Physik herrschend | ist, nämlich den Gedanken oder vielmehr wüsten Vorstellungen von U n v e rän d e rlich k e it der S to ffe unter allen Umständen, von der Z u sam m en setzun g und dem Bestehen der Körper aus ihnen, entgegen zu wirken. Allein wir sehen überhaupt zugegeben, daß die chemischen Stoffe in der Vereinigung die E igen sch aften verlieren, die sie in der Trennung zeigen, und doch die Vorstellung gelten, daß sie ohne die Eigenschaften dieselben Dinge, welche sie m it denselben sind, und als Dinge mit diesen Eigenschaften nicht erst Producte des Processes seyen. Der noch indifferente Körper, das Metall, hat seine affirmative Bestimmung auf physische Weise, d. i. nach Eigenschaften, welche als unmittelbare an ihm erscheinen. Aber die weiter bestimmten K ö rp er können nicht so vorausgesetzt werden, daß dann gesehen werde, wie sie sich im Processe verhalten, sondern sie haben ihre erste, wesentliche Bestimmung allein nach ihrer Stelle im chemischen Processe. Ein anderes ist ferner die empirische Particularität derselben, wie auch der Metalle nach dem Verhalten zu den ändern besondern Körpern, für diese Kenntniß muß jeder dieselbe Litaney des Verhaltens zu allen Agenden durchlaufen. - Am auffallendsten ist es in dieser Rücksicht, die vier chemischen Elemente in gleicher Linie mit Gold, Silber u.s.f., Schwefel u.s.f. als S to ffe aufgeführt zu sehen, als ob sie eine solche selbstständige Existenz wie jene Stoffe hätten. Sie sind vielmehr ganz allein dies, durch ihre Stelle im Processe bestimmt zu seyn, deren Unterordnung und Abstraction sich aus der nähern Betrachtung ergibt. Der Proceß hat nämlich als Schluß von Extremen, welche bei ihrer Differenz auch Selbstständigkeit haben, eine ab stracte Mitte, welche in sich geb roch en ist (vergl. §. 208. Anm.) und zu der daher zwei Elemente gehören, - Wasser und Luft. An ihr, welche als Mittel preisgegeben wird, nehmen sich die Extreme die E xisten z ihrer ursprünglichen, | nur erst an sich seyenden Differenz. Dies Moment der Differenz, so für sich zum Daseyn gebracht, macht das chemische Element, als vollkommen abstractes Moment aus. Statt Grundstoffe, substan22 derselben] O 2 : derselbeu
32 §. 208.] O 2O 3 : §. 204.
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PHYSIK
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tielle Grundlagen zu seyn, wie man sich beim Ausdrucke: Element zunächst vorstellt, sind jene Materien vielmehr die extremsten Spitzen der Differenz. Es ist hiebei, wie überhaupt, der chemische Proceß in seiner vollständigen Totalität zu nehmen. Seine Endlichkeit läßt es zu, besondere Theile, formelle Processe zu isoliren (wie z. B. Phosphor in Sauerstoffgas gesetzt). Dies führt auf die nur abstracte Vorstellung vom chemischen Processe als blos der E in w irk u n g eines Stoffes auf einen Ändern, w-obei das viele Andere, das sich begiebt (wie allenthalben Wassererzeugung, Gasentwicklung), als fast Nebensache oder zufällige Folge, oder wenigstens nur äußerlich verbunden erscheint, nicht als wesentliches Moment im Verhältnisse des Ganzen betrachtet wird. So sind die angegebenen besondern Processe des totalen Processes längst als der trockne und nasse Weg (wozu der galvanische noch hinzugesetzt werden müßte) bezeichnet worden. Ihr Verhältniß ist aber bestimmter zu fassen, als nur nach dem oberflächlichen Unterschiede des Trocknen und Nassen, welcher für die Natur der Körper nichts bestimmendes enthält; und da sie sich als Fortgang der Bestimmung und als Rückgang zum Unbestimmten zu einander verhalten, ohnehin äußerlicher Weise eine Menge derselben Producte liefern. Eine vollständige Auseinandersetzung des chemischen Processes in seiner Totalität erfoderte aber näher, daß er als realer Schluß zugleich als die D re iheit von innigst in einander greifenden Schlüssen explicirt würde - Schlüsse die zugleich nicht eine Verbindung überhaupt von ihren Terminis, sondern als Thätigkeiten Negationen von deren Bestimmungen sind. |
§. 335. Der chemische Proceß ist zwar im Allgemeinen das Leben, wodurch der individuelle Körper in seiner Unmittelbarkeit ebenso a u fg eh o b e n als h e rv o rg e bracht wird, somit der Begriff nicht mehr innere Nothwendigkeit bleibt, sondern zur E rsch ein u n g kommt. Es ist aber durch die U n m itte lb a rk e it der Körperlichkeiten, die in den chemischen Proceß eingehen, daß er mit der Trennung überhaupt, mit der Erscheinung seiner Momente als äußerlicher B e d in gun gen , mit dem Z e rfalle n des sich Scheidenden in gleichgültige Producte, und dem Erlöschen und Sich-nicht-wieder-anfachen des Feuers und der Begeistung im Neutralen, - damit mit dem Zerfallen überhaupt in abgesonderte Producte, - und der Verschiedenheit des A n fan ges und E ndes - mit der Endlichkeit behaftet ist, welche ihn vom Leben abhält und unterscheidet. Es kann hiebei bemerkt werden, daß chemische Erscheinungen, z. B. daß im Processe ein Oxid auf einen niedrigem Grad der Oxidation herabgesetzt,
ENCYCLOPÄDIE • NATURPHILOSOPHIE
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321-322
auf dem es sich mit der einwirkenden Säure verbinden kann, und ein Theil dagegen stärker oxidirt wird, die Chemie veranlassen, schon hier die Bestimmung der Z w eck m äß igk eit bei der Erklärung anzuwenden, einer anfänglichen Selbstbestimmung des Begriffs in seiner Realisation, so daß diese nicht allein durch die äußerlich vorhandenen Bedingungen determinirt ist. §. 336. Es ist aber der chemische Proceß selbst dies, jene Unmittelbarkeit als negirte zu setzen, und die Eigenschaften der Körper als Bestimmungen, welche als Resultate einer besondern Stufe des Processes erscheinen, zugleich auf einer ändern zu verändern; was in ihm so im Allgemeinen g e se tzt wird, ist die R elativ ität dieser Eigenschaf| ten. Das gleichgültig-bestehende Körperliche ist dadurch nur als M om en t der Individualität gesetzt, und der Begriff hat damit die ihm entsprech en de R e a litä t erlangt; die in E inem , aus der Besonderung der unterschiedenen Körperlichkeiten sich hervorbringende co n crete E inheit mit sich, welche eben so sehr diese ihre einseitige Form der Beziehung auf sich oder der Unmittelbarkeit negirt, und sich in die Momente des Begriffs d irim irt und besonder^ so der unendliche sich selbst anfachende und unterhaltende Proceß, der O rgan ism u s. |
4 Realisation] O2: Nealisation
O1O3: Realisation
ORGANIK
323-324
D ritte
A b th e ilu n g
d er
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N a tu r p h ilo so p h ie .
O RGAN ISCH E PHYSIK. §. 337. Die reelle Totalität des individuellen Körpers, als dieser unendliche, sich zur Besonderheit oder Endlichkeit bestimmende und dieselbe ebenso negirende Proceß hat sich damit in die erste Idealität der Natur erhoben, so daß sie aber eine e rfü llte und wesentlich, als sich auf sich beziehende n e g a tiv e Einheit, se lb stische und su b je c tiv e geworden ist. Die Idee ist somit zur Existenz gekommen, zunächst zur unmittelbaren, zum Leben. Dieses ist a. als Gestalt, das allgemeine Bild des Lebens, der g e o lo g isch e Organismus; b. als besondere oder formelle Subjectivität, die v e g e ta b ilisc h e ; c. als einzelne concrete Subjectivität, an im alisch e Natur.
A. D IE G E O L O G IS C H E N A T U R . §. 338. Der erste Organismus ist der u n m ittelb are ; aber als u n m itte lb are r existirt er nicht als le b e n d ig e r; | denn das Leben ist (s. vorh. §.) als Proceß wesentlich sich mit sich v erm itteln d e Thätigkeit. - Oder vom Leben aus betrachtet, so ist dies sein erstes Moment der B eso n d eru n g, sich zu seiner V o ra u sse tzung zu machen, und sich so die Weise der U n m itte lb a rk e it zu geben. Diese von der su b jectiv e n Totalität sich selbst vorausgesetzte, unmittelbare Totalität ist nur die G estalt des Organismus - der E rd k ö rp e r als das a llg e m e in e System der individuellen Körper.
§. 339. Die Glieder dieses Organismus enthalten daher nicht den Lebens-Proceß in sich selbst, sie machen ein System aus, dessen Gebilde die Entfaltung einer zum
26 Entfaltung] O 2 : Entfaltnng
O 1 O 3 : Entfaltung
262
ENCYCLOPÄDIE • NATURPHILOSOPHIE
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Grunde liegenden Idee darstellen, dessen B ild u n g sp ro ce ß aber ein v erg a n gen er ist. - Die Mächte dieses Processes, welche die Natur jenseits der Erde als Selbstständigkeiten zurückläßt, sind der Zusammenhang und die Stellung der Erde im Sonnensystem, ihr solarisches, lunarisches und kometarisches Leben, die Neigung ihrer Achse auf die Bahn und die magnetische Achse. Zu diesen Achsen
5
und deren Polarisation steht in näherer Beziehung die Vertheilung des Meers und des Lands, dessen zusammenhängende Ausbreitung im Norden, die Theilung und zugespitzte Verengerung der Theile gegen Süden, die weitere Absonderung in eine alte und in eine neue Welt, und die fernere Vertheilung von jener in die durch ihren physicalischen, organischen und anthropologischen Charakter unter io einander und gegen die neue Welt verschiedenen Welttheile, an welche sich ein noch jüngerer und unreifer anschließt; - die Gebirgszüge u.s.f.
§. 340. Die physicalische Organisirung beginnt als unmittelbar mit dem in sich zerfallenden Ausgangspunkt, in das ent | w ick elt concrete gran itisch e Princip,
15
den eine Dreiheit der Bestimmungen in sich darstellenden Gebirgskern, und in das K a lk ig te , den zur N e u tralität reducirten Unterschied. Die Entwicklung des e rste m Princips hat einen Stufengang, in welchem die weitern Gebilde theils Uebergänge und Modificationen sind, in denen die Totalität des Princips die existirende Grundlage, nur als in sich ungleicher und unförmlicher, bleibt; theils
20
ein Auseinandertreten seiner Momente in bestimmtere Differenz und in abstractere mineralische Momente, die Metalle und die oryktognostischen Gegenstände überhaupt, bis sie sich in mechanischen Lagerungen und immanenter Gestaltung entbehrenden Aufschwemmungen verlieren. Hiemit geht die Fortbildung des ändern, des neutralen Princips, theils als schwächere Umbildung zur Seite,
25
th eils greifen dann beide Principien in concrescirenden Bildungen bis zur äußern Vermischung in einander ein.
§. 341. Dieser Krystall des Lebens, der todtliegende Organismus der Erde, der seinen B e g r if f im siderischen Zusammenhänge außer sich, seinen eigenthümlichen
30
Proceß aber als eine vorausgesetzte Vergangenheit hat, ist das u n m ittelb are S u b je c t des meteorologischen Processes, durch welchen er als die an sich seyende Totalität des Lebens, nicht mehr nur zur individuellen Gestaltung, (s. §. 287.) sondern zur L e b e n d ig k e it befruchtet wird. - Land und insbesondere das Meer, so als reale Möglichkeit des Lebens, schlägt allenthalben in pu n ctu elle und v or-
35
325-327
ORGANIK
263
üb ergeh en de Lebendigkeit aus; - Flechten, Infusorien, unendliche Menge phosphorescirender Lebenspunkte im Meere. Die Generatio Aequivoca ist aber, als jenen objectiven Organismus außer ihr habend, eben dies, auf solches punctuelle, nicht sich in sich | zur bestimmten Gliederung entwickelnde, noch sich selbst reproducirende (ex ovo) beschränkt zu seyn. §. 342. Diese Trennung des allgemeinen, sich äußerlichen Organismus und dieser nur punctuellen, vorübergehenden Subjectivität hebt sich vermöge der an sich seyenden Identität ihres Begriffs zur E xisten z dieser Identität, zum b eleb ten O r g a nism us, zur an ihr selbst sich gliedernden Subjectivität auf. |
B. D IE V E G E T A B IL IS C H E N A T U R .
§. 343. D ie S u b je c tiv itä t, nach welcher das Organische als E inzelnes ist, entwickelt sich in einen o b je ctiv en Organismus, die G estalt, als einen sich in von einander untersch eiden de Theile gliedernden Leib. In der Pflanze als der nur erst u n m ittelb aren subjectiven Lebendigkeit ist der objective Organismus und die Subjectivität desselben noch unmittelbar identisch. Der Proceß der Gliederung und der Selbsterhaltung des vegetabilischen Subjects ist daher ein Außersichkommen und Zerfallen in mehrere Individuen, für welche das Eine ganze Individuum mehr nur der Boden als subjective Einheit von Gliedern ist. Ferner ist deswegen die D ifferen z der organ isch en T h eile nur eine oberflächliche Metamorphose, und der eine kann leicht in die Function des ändern übergehen. §. 344. Der Proceß der Gestaltung und der Reproduction des einzelnen Individuums fällt auf diese Weise mit dem Gattungsprocesse zusammen, und ist ein perennirendes Setzen neuer Individuen. Die selbstische Allgemeinheit, das subjective Eins der Individualität trennt sich nicht von der reellen Besonderung, sondern ist in sie nur versenkt. Die Pflanze hat daher keine Bewegung vom Platze, noch eine sich unterbrechende Intussusception, sondern eine continuirlich strömende Ernäh-
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ENCYCLOPÄDIE • NATURPHILOSOPHIE
327-329
rung, sie verhält sich nicht | zu individualisirtem Unorganischen, sondern zu den allgemeinen Elementen; noch ist sie des Gefühls und animalischer Wärme fähig. §. 345. Als Organisches gliedert sich aber die Pflanze wesentlich auch in eine Unterschiedenheit von abstracten Gebilden (Zellen, Fasern und dergleichen) und von concreten Gebilden, die jedoch in ihrer ursprünglichen Homogeneität bleiben. Die G estalt der Pflanze, als aus der Individualität noch nicht zur Subjectivität befreit, bleibt den geometrischen Formen und krystallinischer Regelmäßigkeit nahe. Der Lebensproceß, der die Einheit dreier Processe ist, tritt gleichfalls wesentlich in einen Unterschied derselben auseinander. G öthes M etam orp h ose der Pflanzen hat den Anfang eines vernünftigen Gedankens über die Natur der Pflanze gemacht, indem sie die Vorstellung aus der Bemühung um bloße Einzelnheiten zum Erkennen der E inheit des Lebens gerissen hat. Die Id en tität der Organe ist in der Kategorie der Metamorphose überwiegend; die bestimmte Differenz und die eigentüm liche Function der Glieder, wodurch der Lebensproceß gesetzt ist, ist die andere nothwendige Seite zu jener substantiellen Einheit. Die P h y sio lo gie der Pflanze erscheint nothwendig als dunkler, als die des thierischen Körpers, weil sie einfacher ist, und, obgleich die Producte chemischen Stoffen näher stehen, die Assimilation wenige Vermittlungen durchgeht und die Veränderung als unmittelbare Infection geschieht. - Wie in allem natürlichen und geistigen Lebensproceß ist die Hauptsache in der Assimilation, wie in der Secretion, die su b stan tielle Veränderung, d. i. die u n m ittelb are Verwandlung eines äußern oder besondern Stoffs überhaupt in einen ändern; es tritt ein Punkt ein, wo die Verfolgung der Vermittlung, es sey in chemischer oder | in Weise der [mechanischen] A llm äh lich k e it abgebrochen und unmöglich wird. Dieser Punkt ist allenthalben und durchdringend, und Nicht-Kenntniß oder vielmehr das Nichtanerkennen dieser einfachen Identificirung so wie der einfachen Diremtion ist es, was eine Physiologie des Lebendigen unmöglich macht. - Die interessantesten Aufschlüsse über die Physiologie der Pflanze leistet theils bereits, theils verspricht das Werk meines Collegen, des Hrn. Prof. C. H. Sch ultz (die Natur der lebendigen Pflanze, oder die Pfl. und Pflanzenreich I. Bd. Berlin 1823), das ich um so mehr hier anzuführen habe, als die in den folgenden Paragraphen angegebenen wenigen Grundzüge vornehmlich daraus geschöpft sind. 16 Lebensproceß] O2: Lebensprocß mechanischer A llm ä h lic h k e it
O3: Lebensproceß
26 [mechanischen] A llm ä h lic h k e it] vgl. O3:
329-330
ORGANIK
265
§. 346. Der Proceß, welcher die Lebendigkeit ist, muß eben so sehr als er Einer ist, in die Dreiheit der Processe sich auseinander thun (§. 217-220.). 1) Der G estaltu n gsp ro ceß , der innere Proceß der B ezieh un g der Pflanze a u f sich selbst ist nach der einfachen Natur des Vegetativen selbst sogleich Beziehung auf Aeußeres, und Entäußerung. Einerseits ist er der su b stan tielle , die u n m ittelb are Verwandlung der Ernährungszuflüsse in die specifische Natur der Pflanzenart, und des Lebenssaftes in Gebilde. Andererseits als V e rm ittlu n g mit sich selbst a) beginnt der Proceß mit der zugleich nach Außen gerichteten Diremtion in Wurzel und Blatt, und der innern abstracten des allgemeinen Zellgewebes in die Holzfaser und die Lebensgefäße, deren jene gleichfalls nach Außen sich beziehen, diese den innern K r e isla u f enthalten. Die hierin sich mit sich selbst vermittelnde E rh altu n g ist ß) W achsthum als Production neuer Bildungen, Diremtion in die a b stracte Beziehung auf sich selbst, in die V erh ärtu n g des Holzes (bis zur Versteinerung im Tabascher u. dergl.) und der ändern Theile, und in die Rinde (das dauernde Blatt). | y) Das Zusammennehmen der Selbsterhaltung in die Einheit ist nicht ein Zusammenschließen des Individuums mit sich selbst, sondern die Production eines neuen Pflanzenindividuums, der K n ospe.
§. 347. 2) Der Gestaltungsproceß ist unmittelbar mit dem zweiten, dem nach Außen sich sp e cificiren d e n P rocesse verknüpft. Der Saamen keimt nur von Außen erregt, und die Diremtion des Gestaltens in Wurzel und Blatt ist selbst Diremtion nach Außen in die Richtung nach Erde und Wasser, und in die nach Licht und Luft, in die Einsaugung des Wassers und in die durch Blatt und Rinde wie durch Licht und Luft vermittelte Assimilation desselben. Die Rückkehr-in-sich, in welcher die Assimilation sich beschließt, hat das Selb st nicht in innerer subjectiver Allgemeinheit gegen die Aeußerlichkeit, nicht ein Selbstgefühl zum Resultate. Die Pflanze wird vielmehr von dem Licht, als ihrem ihr äußerlichen Selbst hinausgerissen, rankt demselben entgegen, sich zur Vielheit von Individuen verzweigend. In sich nimmt sie sich aus ihm nur die specifische Befeurung und Bekräftigung, die Gewürzhaftigkeit, Geistigkeit des Geruchs, des Geschmacks, Glanz und Tiefe der Farbe, Gedrungenheit und Kräftigkeit der Gestalt.
6 u n m itte lb a re ] O 2 : u n m ite lb a r e ten O 3 : zweiten
O i : unmittelbare O3 : u n m itte lb a r e
20 zweiten] O 2 : Zwei-
266
ENCYCLOPÄDIE • NATURPHILOSOPHIE
330-332
§. 348. 3)
Die Pflanze gebiert aber auch ihr Licht aus sich als ihr eignes Selbst, in
der B lü th e , in welcher zunächst die neutrale, grüne Farbe zu einer specifischen bestimmt wird. Der G attun gsproceß als das Verhältniß des individuellen Selbst zum Selbst, hem m t als Rückkehr in sich das für sich angemessene Hinaussprossen von Knospe zu Knospe. Die Pflanze bringt es aber nicht zum Verhältniß des ganzen Individuums mit einem solchen, sondern nur zu einem mit ihrem Ganzen nicht zusammenfallenden Unterschiede, der hiemit nicht mehr als ein | Beginn und Andeutung des Gattungsprocesses ist. Der K eim ist hier für das eine und dasselbe Individuum anzusehen, dessen Lebendigkeit diesen Proceß durchläuft, und durch Rückkehr in sich ebenso sich erhalten hat, als zur Reife eines Saamens gediehen ist; - im Ganzen ein Ueberfluß, da der Gestaltungs- und der Assimilationsproceß schon selbst Reproduction, Production neuer Individuen ist. §. 349. Aber im Begriffe ist dieser Proceß als die mit sich selbst zusammengegangene Individualität die A llgem ein h eit, in welcher die Pflanze die un m ittelb are E in zeln h eit und das A ußereinander ihres organischen Lebens aufhebt, und dadurch den Uebergang in den höhern Organismus begründet. |
C. D E R T H IE R IS C H E O R G A N IS M U S . §. 350. Die organische Individualität ist erst S u b je c tiv itä t, in sofern ihre Einzelnheit nicht blos unmittelbare Wirklichkeit und damit eine Vielheit von Individuen, sondern ebenso aufgehoben und als concretes Moment der Allgemeinheit ist, die eigene Aeußerlichkeit der Gestalt zu Gliedern id e a lisirt ist, der Organismus in seinem Processe nach Außen die selbstische Sonne inwendig behält. Dies ist die an im alisch e Natur, welche in der Wirklichkeit und Aeußerlichkeit der Einzelnheit, ebenso dagegen unmittelbar in sich re fle c tirte s Selbst der E in zeln h eit, in sich seyende su b jectiv e Allgemeinheit ist. §. 351. Das Thier hat zufällige Se lb stb e w e gu n g , weil seine Subjectivität, wie das Licht und Feuer, der Schwere entrissene Idealität, - eine freie Zeit ist, die, als der
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267
ORGANIK
reellen Aeußerlichkeit entnommen, sich nach innerem Zufall aus sich selb st zum O rte b estim m t. Damit verbunden ist, daß das Thier Stim m e hat, indem seine S u b je c tiv itä t als w irk lich e Idealität (Seele) die Herrschaft der abstracten Idealität von Zeit und Raum ist, und seine Selbstbewegung als ein freies Erzittern in sich selbst, darstellt; - animalische W ärm e, als fortdauernden Auflösungsproceß der Cohäsion in der fortdauernden Erhaltung der Gestalt; - u n te rb ro chene In tu ssu sc e p tio n ; - vornehmlich aber G efü h l, als die in | der Bestimmtheit sich unmittelbar allgemeine, einfach bei sich bleibende und erhaltende Individualität; die existirende Idealität des Bestimmtseyns. §. 352. Der thierische Organismus ist als lebendige Allgemeinheit der Begriff, welcher sich durch seine drei Bestimmungen verläuft, deren jede an sich dieselbe T o ta litä t der substantiellen Einheit und zugleich nach der Formbestimmung das U eb er gehen in die ändern ist, so daß aus demselben sich die Totalität als existirend r e s u ltir t; nur als dieses sich reproducirende, nicht als seyendes, ist und erh ält sich das Lebendige; es ist nur, indem es sich zu dem macht, was es ist; es ist vorausgehender Zweck, der selbst nur das Resultat ist. - Der Organismus ist daher zu betrachten a. als die individuelle Idee, die in ihrem Begriff existirt und sich a u f sich selbst bezieht, - die G e sta lt; b. als Idee, die sich zu ihrem Ä ndern, ihrer unorganischen Natur, verhält und sie ideell in sich setzt, die A ssim ila tio n ; c. die Idee, als sich zum Ändern, das selbst lebendiges Individuum ist, und damit im Ändern zu sich selbst verhaltend, - G attu n gsp ro ceß .
a. D
ie
G
e s t a l t
.
§. 353. Die animalische Gestalt ist 1) der B e g r if f in seinen, nun daseyen d en Bestimmungen. Das animalische Subject ist daher a) sein einfaches, allgem ein es Insichseyn in seiner Aeußerlichkeit, wodurch die wirkliche Bestimmtheit unm itte lb ar als Besonderheit in das A llgem ein e aufgenommen und dieses dadurch ungetrennte Identität des Subjects mit sich selbst in jener ist, - S e n sib ilitä t; - ß) B e so n d e rh e it, als Reizbarkeit von Außen und aus dem aufnehmenden Sub|jecte kommende Rückwirkung dagegen nach Außen, - I r r ita b ilitä t; y) die Einheit dieser Momente, die n egative Rückkehr zu sich selbst aus dem
268
ENCYCLOPÄDIE • NATURPHILOSOPHIE
334-335
Verhältnisse der Aeußerlichkeit und dadurch Erzeugung und Setzen seiner als eines E in zeln en , - R ep ro d u ctio n ; die Realität und Grundlage der erstem Momente. §. 354. Diese drei Momente des B e g riffs haben für sich ihre Realität in den drei Systemen, dem N e rv e n -, B lu t- und V erd au u n g ssy stem , deren jedes als Totalität sich nach denselben Begriffsbestimmungen in sich unterscheidet. a. Das System der Sen sib ilität bestimmt sich so a) zu dem Extreme der abstracte n Beziehung ihrer selbst auf sich selbst, die ein Uebergehen in die Unmittelbarkeit und Empfindungslosigkeit ist, - Knochensystem, dessen Unmittelbarkeit gegen das Innere zu nur Umhüllung seyn kann, nach Außen der feste Halt des Innern gegen das Aeußere, ß) zu dem (Seite der Irrita b ilitä t) System des Gehirns mit den Nerven ebenso nach Innen Nerven der Empfindung, nach Außen des Bewegens, y) zu dem der R ep ro d u c tio n angehörenden System, dem sympathetischen Nerven mit den Ganglien, worein nur dumpfes, unbestimmtes und willenloses Selbstgefühl fällt. b. Die Ir r ita b ilitä t ist eben so sehr Reizbarkeit durch Anderes und die Selbsterhaltung dagegen durch Rückwirkung, als umgekehrt actives Selbsterhalten und darin sich Anderem preis geben. Ihr System ist a) ab stracte (sensible) Irritabilität, die ein fach e Veränderung der Receptivität in Reactivität, - M uskel überhaupt; - dann dessen Differentiirung zum Streck- und Beugemuskel, welcher an dem Knochengerüste den Halt (unmittelbare Beziehung auf sich für seine Entzweiung) aber äußerlich gewinnend, sich ferner zum eigen | thümlichen Systeme der Extremitäten ausbildet, ß) In realem Unterschiede sich concret auf sich beziehend und sich in sich haltend, ist die Activität in sich, P ulsiren , lebendige Selbstbewegung, deren Materielles nur eine F lü ssig k e it, das lebendige B lu t seyn kann, - und Kreislauf, der zunächst zur B e so n d e rh e it, von der er herkommt, specificirt, daher an ihm selbst ein gedoppelter und hierin zugleich nach Außen gerichteter ist, - als Lungen- und Pfortader-System, in deren jenem das Blut sich in sich selbst, in diesem ändern gegen Anderes befeuert, y) Das allgemeine P u lsire n , von dem Mittelpunkte des Herzens aus in der Differenz der Arterien und Venen in sich zurückkehrender Kreislauf, der ebenso im m an en ter Proceß, als ein allgemeines Preisgeben an die R ep ro d u ctio n der übrigen Glieder, daß sie aus dem Blute sich ihre Nahrung nehmen, ist.
16 Selbstgefühl] so C 2 33 Proceß] O 2 : Proeeß
O 2 : Selbst gefühl O 3 : Proceß
O 3 : Selbstgefühl
28 hierin] O 2 : hiegegen
O 3 : hierin
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ORGANIK
335-336
c. Das Verdauungssystem ist als Drüsensystem mit Haut und Zellgewebe die u n m ittelb are, vegetative, in dem eigentlichen Systeme der Eingeweide aber die v e rm itte ln d e Reproduction. §. 355. 2) Das Thier ist hiedurch für sich a) in die Centra von drei Systemen abgetheilt, (insectum) Kopf, Brust und Unterleib, wozu die Extremitäten zur mechanischen Bewegung und Ergreifung das Moment der sich nach Außen unterschieden setzenden Einzelnheit ausmachen, ß) Die Gestalt als Ganzes unterscheidet sich in die zwei Richtungen nach Innen und nach A uß en; Jedem ist aus jedem io der vorher bestimmten Systeme die eine nach Innen, die andere nach Außen gehende Seite zugetheilt. Die nach Außen gehende Richtung stellt als die d iffe rente, an ihr selbst diese Differenz durch die symmetrische Zweiheit ihrer Organe und Glieder dar - (B ich ats - vie o r g a ni qu e et a ni ma l e) , y) D as Ganze als Ein selbstständiges Individuum ist in dieser sich auf sich beziehenden | Allge15 meinheit, im Geschlechts-Verhältnisse, selbst nur im Verhältnisse zu einem 5
ändern Individuum. §. 356. 3) Die lebendige Gestalt ist wesentlich Proceß und zwar ist sie als solche der ab stracte der lebendigen Einzelnheit, der G estaltu n g sp ro ceß in n erh alb 20
ihrer selb st, in welchem der Organismus seine eigene Glieder zu seiner unorganischen Natur, zu Mitteln macht, aus sich zehrt, und sich, d. i. eben diese Totalität der Gegliederung, selbst producirt, so daß jedes Glied wechselseitig Zweck und Mittel, aus den ändern und gegen sie sich erhält; - der Proceß, der das einfache unmittelbare Selbstgefühl zum Resultate hat.
25
b. D
ie
A
s s im il a t io n
.
§. 357. Das Selbstgefühl der E inzelnheit ist in seiner negativen Rückkehr in sich, unmittelbar aussch ließ end und sich gegen eine unorganische Natur als gegen 30
eine reale und äuß erliche spannend. Indem
13
B i c h a t s ] O2: B i o t s
O3: B i c h a t s
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ENCYCLOPÄDIE • NATURPHILOSOPHIE
336-338
a) die thierische Organisation in dieser äußerlichen Beziehung u n m ittelb ar in sich reflectirt ist, so ist dies ideelle Verhalten der th eo retisch e Proceß, die Sensibilität als äußerer Proceß, und zwar das b estim m te G efüh l, - welches sich in die V ie lsin n ig k e it der unorganischen Natur unterscheidet.
§. 358. Die Sinne und die theoretischen Processe sind daher 1) der Sinn der mechanischen Sphäre, - der Sch w ere, der Cohäsion und ihrer Veränderung, der Wärme, das G efühl als solches; 2) die Sinne des G eg en satzes, der besonderten L u ftig k e it, und der gleichfalls realisirten | N e u tr a litä t des concreten Wassers und der Gegensätze der Auflösung der concreten Neutralität - G eruch und G eschm ack. 3) Der Sinn der Id ealität ist gleichfalls ein gedoppelter, in sofern in ihr als abstracter Beziehung auf sich die Besonderung, die ihr nicht fehlen kann, in zwei gleichgültige Bestimmungen auseinander fällt (vrgl. §. 340.); a) der Sinn der Idealität als Manifestation des A eußerlichen für Aeußerliches - des Lichtes überhaupt und näher des in der concreten Aeußerlichkeit bestimmt werdenden Lichtes, der F a rb e ; und ß) der Sinn der Manifestation der In n erlich k eit, die sich als solche in ihrer Aeußerung kund gibt, - des T o n e s; - G esicht und G ehör. Es ist hier die Art angegeben, wie die D re ih e it der Begriffsmomente in eine Fünfheit der Zahl nach übergeht; der allgemeinere Grund, daß dieser Uebergang hier Statt findet, ist, daß der thierische Organismus die Reduction der außereinander gefallenen unorganischen Natur in die unendliche Einheit der S u b je c tiv itä t, aber in dieser zugleich ihre entwickelte Totalität ist, deren Momente, weil sie noch n atü rlich e Subjectivität ist, besonders existiren. §. 359. ß) Der reelle Proceß oder das practisch e Verhältniß zu der unorganischen Natur beginnt gleichfalls mit dem G efühl, nämlich dem Gefühle von Aeußerlichkeit, und hiemit der N e g a tio n des Subjects, welches zugleich die positive Beziehung auf sich selbst und deren G ew ißheit gegen diese seine Negation ist, mit dem Gefühl des M angels und dem T rie b ihn aufzuheben, - der die Bedingung eines E rregtw erd en s von Außen, d. i. von jener auch in der Weise eines O b je cts vorhandenen Negation des Subjects, ist. Nur ein Lebendiges fühlt M an g el; denn nur es ist in der Natur der B e g r iff, der die Einheit seiner | selbst und seines bestim m ten E ntge-
338-339
ORGANIK
271
g e n gesetzten ist. Wo eine Schranke ist, ist sie eine Negation nur für ein D ritte s, für eine äußerliche Vergleichung. M an gel aber ist sie, in sofern in E inem ebenso das D arü b erh in au ssey n vorhanden, der W id erspru ch als solcher immanent und in ihm gesetzt ist. Ein solches, das den Widerspruch seiner selbst in sich zu haben und zu ertragen fähig ist, ist das S u b je c t; dies macht seine U n en d lich k eit aus. - Auch wenn von en d lich er Vernunft gesprochen wird, so beweist sie, daß sie unendlich ist, eben darin, indem sie sich als endlich bestimmt; denn die Negation ist Endlichkeit, Mangel nur für das, welches das A u fgeh o b en sey n derselben, die un en dlich e Beziehung auf sich selbst, ist. - Die Gedankenlosigkeit bleibt bei der Abstraction der Schranke stehen, und faßt im Leben, wo der B e g r if f selbst in die E xisten z tritt, ihn ebenfalls nicht auf; sie hält sich an die Bestimmungen der Vorstellung, wie T rie b , In stin k t, B e dürfniß u.s.f., ohne zu fragen, was denn diese Bestimmungen selbst in sich sind; die Analyse ihrer Vorstellung wird ergeben, daß sie Negationen als in der Affirmation des Subjects selbst enthalten und gesetzt sind. Daß für den Organismus die Bestimmung von E rre g tw e rd e n durch äuß erliche P oten zen an die Stelle des E in w irk en s äuß erlich er U r sachen gekommen ist, ist ein wichtiger Schritt in der wahrhaften Vorstellung desselben. Es beginnt darin der Idealismus, daß überhaupt nichts eine positive Beziehung zum Lebendigen haben kann, deren Möglichkeit dieses nicht an und für sich selbst, d. h. die nicht durch den Begriff bestimmt, somit dem Subjecte schlechthin immanent wäre. Aber so unphilosophisch wie irgend ein wissenschaftliches Gebraue von Reflexionsbestimmungen ist die Einführung solcher formellen und materiellen Ver |hältnisse in der E rre g u n g sth e o rie , als lange für philosophisch gegolten haben; z. B. der ganz abstracte Gegensatz von R e c ep tiv ität und W irk u n g sv e rm ö g e n , die als Factoren in umgekehrtem Verhältnisse der Größe mit einander stehen sollen, wodurch aller in dem Organismus zu fassende Unterschied in den F o rm alism u s blos qu an titativ er Verschiedenheit, E rh öh u n g und V erm in d eru n g , Stärk u n g und Sch w äch un g, d.h. in die höchstmögliche B e g r ifflo s ig k e it gefallen ist. Eine Theorie der Medicin, die auf diese dürren Verstandesbestimmungen gebaut ist, ist mit einem halben Dutzend Sätze vollendet, und es ist kein Wunder, wenn sie eine schnelle Ausbreitung und viele Anhänger fand. Die Veranlassung zu dieser Verirrung lag in dem Grundirrthum, daß nachdem das Absolute, als die absolute Indifferenz des
29 Organismus] O 2 : Organismns Veranlassung
O 1 O 3 : Organismus
35 Veranlassung] O 2 : Veranlassnng
O 1O3 :
ENCYCLOPÄDIE • NATURPHILOSOPHIE
339-340
Subjectiven und Objectiven bestimmt worden war, alle Bestimmung nun nur ein q u a n tita tiv e r Unterschied seyn sollte. Die absolute Form, der B e g r iff, und die Lebendigkeit hat vielmehr allein die qualitative, sich an sich selbst aufhebende Differenz, die Dialektik der absoluten Entgegensetzung, zu ihrer Seele. Weil diese wahrhafte unendliche Negativität nicht erkannt war, meynte man die absolute Identität des Lebens, wie bei Spin oza die Attribute und Modi in einem äußern Verstand Vorkommen, nicht festhalten zu können, ohne den Unterschied zu einem blos Aeußerlichen der Reflexion zu machen; womit es dem Leben an dem sprin gen d en Punkt der Selbstheit, dem Principe der Selbstbewegung, Diremtion seiner selbst in sich überhaupt fehlt. Für völlig unphilosophisch und rohsinnlich ist ferner das Verfahren zu halten, welches an die Stelle von Begriffsbestimmungen geradezu gar den K o h le n sto ff und S tic k sto ff, Sauer- und Wasserstoff setzte, und den vorhin intensiven Unterschied nun näher zu dem M ehr oder W en iger des einen und des ändern | Stoffes, das wirksame und positive Verhältniß der äußern Reize aber als ein Z usetzen eines mangelnden Stoffes bestimmte. In einer A sthenie z. B. - einem Nervenfieber, habe im Organismus der S tic k s to ff die Oberhand, weil das Gehirn und der Nerv überhaupt der p o te n z irte Stickstoff sey, indem die chem ische Analyse denselben als H a u p tb estan d th eil dieser organischen Gebilde zeigt; die Hinzusetzung des K o h le n sto ffs sey hiemit indicirt, um das Gleichgewicht dieser S to ffe , die Gesundheit, wieder herzustellen. Die Mittel, welche sich gegen Nervenfieber empirischer Weise wirksam gezeigt haben, werden aus eben diesem Grunde als auf die Seite des K o h le n sto ffs gehörig angesehen, und ein solches oberflächliches Zusammenstellen und Meynen für C o n stru ctio n und B ew eisen ausgegeben. - Das Rohe besteht darin, daß das äußere caput mortuum, der todte Stoff, in dem die Chemie ein erstorbenes Leben zum Zweitenmal getödtet hat, für das W esen eines lebendigen Organs, ja für seinen B e g r if f genommen wird. Dies letztere begründet dann den bequemen Formalismus, dergleichen sinnliche Materialien wie die chemischen Stoffe, ferner Verhältnisse, die der Sphäre der unorganischen Natur angehören, wie die Nord- und Süd-Polarität des Magnetismus, oder die Unterschiede dieses selbst und des electrischen Moments statt der Begriffsbestimmungen zu gebrauchen, und das natürliche Universum auf die Weise zu begreifen und zu entwickeln, daß auf seine Sphären und Unterschiede ein solches fertiges Schema von Nord- und Süd-, West- und Ost-Polarität, oder welches andere es sey, äußerlich angeheftet wird. Es ist hierüber eine große Mannichfaltigkeit von Formen mög-
340-342
ORGANIK
273
lieh, da es beliebig bleibt, die Bestimmungen, wie sie in der chem ischen Sphäre z. B. erscheinen, Sauerstoff, Wasserstoff u.s.f. für das Schema anzunehmen und sie auf Magnetismus, | Mechanismus, Vegetation, Animalitat u.s.f. überzutragen, oder aber den Magnetismus, die Electricität, das Männliche und Weibliche, Contraction und Expansion u.s.f. zu nehmen, überhaupt zu Gegensätzen jeder ändern Sphäre zu greifen und sie in den übrigen zu gebrauchen. §. 360. Das Bedürfniß ist ein B estim m tes und seine B e stim m th e it ein Moment seines allgemeinen Begriffs, obschon zugleich auf unendlich mannichfaltige Weise particularisirt. Der Trieb ist die Thätigkeit, den Mangel solcher Bestimmtheit, ihre F o rm zunächst nur ein S u b je ctiv es zu seyn, aufzuheben. Indem ihr Inhalt ursprünglich ist, in der Thätigkeit sich erhält und durch sie nur ausgeführt wird, ist er Z w eck (§. 204.) und der Trieb Inst inet. Jener formelle Mangel ist die innere E rre g u n g , deren, dem Inhalte nach, specifische Bestimmtheit zugleich als eine Beziehung des Thieres auf die besondern Natursphären erscheint. Das Geheimnißvolle, das die Schwierigkeit, den Instinct zu fassen, ausmachen soll, liegt allein darin, daß der Zweck eines Theils nur als B e g r if f aufgefaßt werden kann, daher blos verständige Erklärungen und Verhältnisse sich dem Instincte bald als unangemessen zeigen. Die gründliche Bestimmung, welche A risto teles vom Lebendigen gefaßt hat, daß es als nach dem Zwecke wirkend zu betrachten sey, ist in neuern Zeiten beinahe verloren gewesen, bis K ant in der innern Zweckmäßigkeit, daß das Lebendige als Se lb stzw e ck zu betrachten sey, auf seine Weise diesen Begriff wieder erweckte. Andererseits macht es eine Schwierigkeit, daß hiegegen die Zweckbeziehung gewöhnlich als äußere, und daß der Zweck nur auf bew ußte Weise existire, vorgestellt wird. Der Instinct ist die auf bewußtlose Weise wirkende Zweckthätigkeit. |
§. 361. In sofern das Bedürfniß ein Zusammenhang mit dem a llge m e in e n Mechanismus und den abstracten Mächten der Natur ist, ist der Instinct nur als innere, nicht einmal sympathetische, Erregung, (wie im Schlafen und Wachen, den klimatischen und ändern Wanderungen u.s.f.). Aber als Verhältniß des Thiers zu seiner unorganischen, verein zelten Natur ist das Bedürfniß überhaupt b estim m t, und nach dessen weiterer Particularität ist nur ein beschränkter Um-
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ENCYCLOPÄDIE • NATURPHILOSOPHIE
342-343
kreis der allgemeinen unorganischen Natur der seinige. Der Instinct ist gegen sie ein p ra ctisch e s Verhalten, innere Erregung mit dem Scheine einer äußerlichen Erregung verbunden, und ist theils die fo rm e lle theils reelle A ssim ilatio n der unorganischen Natur. §. 362. Jener Instinct, der nur auf formelle Assimilation geht, bildet seine Bestimmung in die Aeußerlichkeiten ein, gibt ihnen als einer Materie nur eine äußere dem Zwecke gemäße F o rm , und läßt die Objectivität dieser Dinge bestehen (wie vornehmlich im Bauen von Nestern und ändern Lagerstätten). Dieser aber ist der reelle Proceß, der die unorganischen Dinge vereinzelt oder sich zu den bereits vereinzelten verhält, und sie mit Verzehrung derselben, - Vernichtung ihrer eigentüm lichen Qualitäten - assimilirt; - der Proceß mit der L u ft, (Athmen und Hautproceß), mit dem W asser (Durst), und mit der individualisirten E rde, nämlich besondern Gebilden derselben (Hunger). Das Leben, das Subject dieser Momente der Totalität, spannt sich in sich als Begriff und in die Momente als ihm äußerliche Realität, und ist der fortdauernde Conflict, in welchem es diese Aeußerlichkeit überwindet. Weil das Thier als wesentlich Einzelnes dies nur im Einzelnen vermag, ist diese Realisirung seiner | seinem Begriffe nicht angemessen, und geht daher aus der Befriedigung fortdauernd in den Zustand des Bedürfnisses zurück. §. 363. Die m echanische B em äch tig u n g des äußern Objects ist der Anfang; die A ssim ila tio n selbst, da das Thier Subject, einfache Negativität des punctuellen Eins ist, kann weder mechanischer noch chemischer Natur seyn, da in diesen Processen sowohl die Stoffe als die Bedingungen und die Thätigkeit äußerliche gegen einander bleiben, und der lebendigen absoluten Einheit entbehren.
§. 364. Die Assimilation ist erstlich, weil das Lebendige die a llgem ein e Macht seiner äußerlichen, ihm entgegengesetzten Natur ist, das u n m ittelb are Zusammengehen des inwendig aufgenommenen mit der Animalität; eine Infection mit die-
12 Athmen] O 1 O 2 : Athmendes vgl. O 3 : Negativität, ist
O3 : Athmen
23 Negativität des] O 2 : Negativität, des
O i: Negativität
343-344
ORGANIK
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ser und ein fach e V erw an d lu n g (§. 345. Anm. 346.). Zweitens als V e rm ittlun g ist die Assimilation V e rd au u n g ; - Entgegensetzung des Subjects gegen das Aeußere, und nach dem weitem Unterschiede als Proceß des animalischen W assers (des Magen- und pankreatischen Safts, animalischer Lymphe überhaupt) 5 und des animalischen Feuers (der G alle, in welcher das In sich g e k e h rtse y n des Organismus von seiner Concentration aus, die es in der Milz hat, zum Fürsichseyn und zur thätigen Verzehrung bestimmt ist).
§. 365. Aber dieses Einlassen mit dem Aeußern, die Erregung und der Proceß selbst, io hat gegen die A llg em ein h eit und einfache Beziehung des Lebendigen auf sich gleichfalls die Bestimmung der A e u ß e rlich k e it; und macht | also eigentlich das Object und das Negative gegen die Subjectivität des Organismus aus, das er zu überwinden und zu verdauen hat.
§. 366. 15
20
25
In dieser Verkehrung der Ansicht liegt die Möglichkeit und das Reflexion des Organismus in sich; sie ist die Negation seiner eigenen seiner nach Außen gerichteten Thätigkeit. Die Rückkehr derselben die doppelte Bestimmung, daß er die erste Negation, nämlich seine mit
Princip der Negativität, in sich hat der Aeußer-
lichkeit des Objects in Conflict gesetzte Thätigkeit, von sich einerseits excernirt, andererseits als unmittelbar identisch mit derselben für sich geworden und in diesem Mittel sich reproducirt hat. Der nach außen gehende Proceß wird so in den ersten formellen der Reproduction aus sich selbst, in das Zusammengehen mit sich, verwandelt. Das Hauptmoment in der Verdauung ist die u n m ittelb are Wirkung des Lebens, als der M acht über sein unorganisches Object, das es nur und in sofern als seinen erregenden Reiz voraussetzt, als es an sich identisch mit ihm aber zugleich dessen Fürsichseyn ist. Diese Wirkung ist In fe c tio n und
30
unmittelbare Verwandlung. S p allan zan i’ s und andere Versuche, und die neuere Physiologie haben diese Unmittelbarkeit, mit der das Lebendige als a llg e m e in e s, ohne w eitere V e rm ittlu n g , durch seine bloße Berührung und durch Aufnehmen des Nahrungsmittels in seine Wärme und Sphäre überhaupt, sich in dasselbe continuirt, auch empirisch erwiesen, und dem
7 ist).] O 2 : ist.)
O i: ist,)
O 3: ist);
276
ENCYCLOPÄDIE • NATURPHILOSOPHIE
344-346
Begriffe gemäß aufgezeigt, - gegen die Vorstellung eines blos mechanischen, erdichteten A us- und A bsondern s schon fertiger, brauchbarer Theile, so wie eines chem ischen Processes. Die Untersuchungen dagegen der v erm itte ln d e n Actionen haben b estim m tere Momente dieser Verwandlung, (wie sich z. B. bei vegeta |bilischen Stoffen eine Reihe von Gähru n gen darstellt) nicht ergeben. Es ist im Gegentheil z. B. gezeigt worden, daß schon vom Magen aus vieles in die Masse der Säfte übergeht, ohne die übrigen Stufen der Vermittlung durchzugehen zu haben, daß der pankreatische Saft weiter nichts, als Speichel ist, und die Pankreas sehr wohl entbehrt werden könne, u.s.f. Das letzte Product, der Chylus, den der B r u stg a n g aufnimmt und ins Blut ergieß t, ist dieselbe Lymphe, welche jedes einzelne Eingeweide und Organ excernirt, die Haut und das lymphatische System im unmittelbaren Processe der Verwandlung allenthalben gewinnt und die allenthalben schon bereitet ist. Die niedrigen Thierorganisationen, die ohnehin nichts als eine zum häutigen Punkte oder Röhrchen - einem einfachen Darmkanal - geronnene Lymphe sind, gehen nicht über diese unmittelbare Verwandlung hinaus. Der v erm itte lte Verdauungs-Proceß, in den höhern Thierorganisationen, ist in Rücksicht auf sein e ig e n tü m lic h e s P ro d u ct ein eben solcher U eb erflu ß , als bei Pflanzen ihre durch sogenannte Geschlechts-Differenz vermittelte Saamen-Erzeugung. - Die Faeces zeigen, besonders bei Kindern, bei denen die Vermehrung der Materie doch am meisten hervorsticht, häufig den größten Theil der Nahrungsmittel unverändert, vornehmlich mit thierischen Stoffen, der G alle, Phosphor und dergleichen vermischt, und als die Hauptwirkung des Organismus, diese seine eigenen Productionen zu überwinden und wegzuschaffen. - Der Schluß des Organismus ist darum nicht der Schluß der äußern Z w eck m äß igk e it, weil er nicht dabei stehen bleibt, seine Thätigkeit und Form gegen das äußere Object zu richten, sondern diesen Proceß, der wegen seiner Aeußerlichkeit auf dem Sprunge steht, mechanisch und chemisch zu werden, selbst zum Object macht. Im Zusammengehen seiner darin mit sich selbst ist er, als lebendiger | Begriff, eben so sehr disjunctive Thätigkeit, welche diesen Proceß von sich wegschafft, von seinem Z orn e gegen das Object, dieser einseitigen Subjectivität abstrahirt, und dadurch das für sich wird, was er an sich ist, - subjective, nicht neutrale, Identität seines Begriffs und seiner Realität, - so das Ende und Product seiner Thätigkeit als das findet, was er schon von Anfang und ursprünglich ist. Hiedurch ist die B e frie d ig u n g
5 vegeta | bilischen] O2: vegeta/bilischen
O i: lymphatische
O 3 : lymphatischen
O1O3: vegetabilischen
12 lymphatische] O2: lympathische
ORGANIK
346-347
277
v e r n ü n ftig ; der in die äußere Differenz gehende Proceß schlägt in den Proceß des Organismus mit sich selbst um, und das Resultat ist nicht die bloße Hervorbringung eines Mittels, sondern des Zwecks, Zusammenschließen mit sich. §. 367. Durch den Proceß mit der äußern Natur gibt das Thier der Gewißheit seiner selbst, seinem subjectiven Begriff, die Wahrheit, Objectivität, als einzelnes Individuum. Diese P ro d u ctio n seiner ist nicht nur Selbsterhaltung oder R ep ro d u ctio n , sondern die Subjectivität Product geworden, ist zugleich als unmittelbare aufgehoben; der Begriff so mit sich selbst zusammengegangen, ist con cretes A llg em ein es, G attun g. Die D isju n ctio n der sich selbst findenden Einzelnheit in der Gattung ist die G esch lech ts-D ifferen z, die Beziehung des Subjects auf ein Object, das selbst ein solches Subject ist.
c. Ga t t u n g s -Pr o c e s s .
1. GESCHLECHTS-PROCESS.
§. 368. Der Proceß beginnt mit dem T riebe. Das E inzelne als solches ist seiner Gattung nicht angemessen, | und zugleich ist es deren identische Beziehung auf sich in Einer Einheit; es hat somit das G efühl dieses M angels. Der allgemeine Begriff, als Wesen der Individuen ist das allgemeine Extrem, dessen Spannung gegen die Unangemessenheit ihrer einzelnen Wirklichkeit sie treibt, jedes nur im Ändern seiner Gattung sein Selbstgefühl zu haben und sich durch die Einung mit ihm zu integriren. Durch diese Vermittlung wird das concrete Allgemeine mit sich zusammengeschlossen und gibt sich einzelne Wirklichkeit. §. 369. Dies Product ist die n egativ e Iden tität der differenten Einzelnheiten, die gew o rd en e G attu n g , ein geschlechtsloses Leben; aber nach der n atü rlich en
2 Resultat] O 2 : Resulat
O 1 O 3 : Resultat
278
ENCYCLOPÄDIE • NATURPHILOSOPHIE
347-348
Seite ist es nur an sich diese Gattung und verschieden von den Einzelnen, deren Differenz in ihm untergegangen ist, daher selbst ein E in zeln es, welches die Bestimmung der gleichen Differenz und Vergänglichkeit in sich hat. In diesem neuen Leben, worin die unmittelbare Einzelnheit aufgehoben, dieselbe Subjectivität p o sitiv erhalten und in dieser ihrer Rückkehr in sich die G attu n g als solche für sich in die Realität getreten ist, ist jedoch ein Höheres, als die Natur, geworden, - was nachher zu betrachten ist.
2. DIE G A T T U N G
UND
ARTEN.
§. 370. Die untersch ieden en G ebilde und O rd n u n gen der T h iere haben den allgemeinen, durch den Begriff bestimmten T y p u s des T h iers zum Grunde liegen, welchen die Natur theils in den verschiedenen Stufen seiner Entwicklung von der einfachsten Organisation an bis zur vollendetsten, in welcher sie Werkzeug des Geistes | ist, theils unter den verschiedenen Umständen und Bedingungen der elementarischen Natur darstellt. Der Begriff des Thiers hat den B e g r if f selbst zu seinem Wesen, weil es die Wirklichkeit der Idee des Lebens ist. Die Natur seiner A llgem ein h eit macht möglich, daß er ein einfacheres und entwickelteres, so wie ein ihm mehr oder weniger entsprechendes Daseyn hat. Aus dem Daseyn selbst kann daher der Begriff in seiner Bestimmtheit nicht aufgefaßt werden. Die Classen, in welchen er entwickelt und in seinen Momenten vollständig dargestellt auftritt, erscheinen als ein besonderes D asey n gegen die übrigen, und auch in jenen kann er ein schlechtes Daseyn haben. Ob aber das Daseyn sch lech t ist, zu diesem Urtheil wird der Begriff schon vorausgesetzt. Wenn das empirische Daseyn vorausgesetzt wird, um daraus die Natur des Thieres und seine wesentlichen Bestimmungen, oder die wesentlichen Organe einer Classe zu erkennen, so kommt es auf diesem Wege zu keiner festen Bestimmung, und alle besondern Eigenschaften zeigen sich auch so, daß sie mangeln können; z. B. die Acephalen sind als Instanz angeführt worden, daß der Mensch auch ohne Gehirn leben könne. - Es ist in der Z o o lo g ie , wie in den Naturwissenschaften überhaupt, mehr darum zu thun gewesen, für das subjective Erkennen sichere und einfache M erkm ahle aufzufinden. Erst seitdem man diesen Zweck sogenannter künstlicher Systeme bei der Erkenntniß der Thiere mehr aus den Augen gesetzt hat, hat sich eine größere Ansicht eröffnet, und
ORGANIK
348-350
5
io
279
unter den empirischen Wissenschaften ist wohl schwerlich eine, welche in neuern Zeiten so große Erweiterungen, nicht vorzugsweise in der Masse von Beobachtungen, denn daran hat es in keiner Wissenschaft gefehlt, sondern nach der Seite erlangt hat, daß ihr Material sich gegen den Begriff und die Vernünftigkeit hin gearbeitet hat, als die Zoologie durch ihre Hülfswissenschaft, die v ergleich en d e | A natom ie. Wie die sinnige Naturbetrachtung (der französischen Naturforscher vornehmlich) die Eintheilung der Pflanzen in Monocotyledonen und Dicotyledonen, ebenso hat sie den schlagenden Unterschied gefunden, den in der Thierwelt die Abwesenheit oder das Daseyn der R ü ck en w irb el macht; die Grundeintheilung der Thiere ist auf diese Weise zu derjenigen im Wesentlichen zurückgeführt worden, welche schon A risto te le s gesehen hat. - Näher ist alsdann theils an den einzelnen Gebilden der H ab itus, als ein die Construction aller T h eile bestimmender Zusammenhang zur Hauptsache gemacht worden, so daß der
15
große Stifter der vergleichenden Anatomie, C u v ie r, sich rühmen konnte, aus einem einzelnen Knochen die wesentliche Natur des ganzen Thieres erkennen zu können. Theils ist der allgemeine Typus des Thiers durch die verschiedenen, noch so unvollkommen und disparat erscheinenden Gebilde verfolgt und in der kaum beginnenden Andeutung, so wie in der Vermi-
20
schung der Organe und Functionen, ihre Bedeutung erkannt, und eben dadurch über und aus der Besonderheit in seine Allgemeinheit erhoben worden. Eine Hauptseite dieser Betrachtung ist die Erkenntniß, wie die Natur diesen Organismus an das besondere Element, in das sie ihn wirft, an Klima, Kreis der Ernährung, überhaupt an die Welt, in der er aufgeht (die auch eine ein-
25
zelne Pflanzen- oder andere Thiergattung seyn kann), anbildet und anschmiegt. Die U n m itte lb a rk e it der Idee des Lebens ist es, daß der Begriff, obgleich nur er das an und für sich Bestimmte ist, nicht als solches im Leben e x istir t, sein Daseyn daher sich den vielfachen Bedingungen und Umständen der äußern Natur unterwirft, und in den ärmlichsten Formen er-
30
scheinen kann; die F ru ch tb ark eit der Erde läßt es allen th alb en und auf alle Weisen ausschlagen. Die Thierweit kann darum fast weniger als die ändern Sphären der Natur, ein | in sich unabhängiges vernünftiges System von Organisation darstellen, an den Form en, die durch den Begriff bestimmt wären, festhalten und sie gegen die Unvollkommenheit und Vermischung der Bedingungen vor Vermengung, Verkümmerung und Uebergängen bewahren. - Diese Schwäche des Begriffs in der Natur überhaupt,
35
29 und] O 2 : uud
O 1 O 3 : und
31 au f] O 2 : an f
O 3:
au f
280
ENCYCLOPÄDIE • NATURPHILOSOPHIE
350-351
der darum auch im Thiere nicht in seiner festen, selbstständigen Freih eit existirt, unterwirft die Gattungen ganz den Veränderungen des äußern allgemeinen Naturlebens, dessen Wechsel das Thier mit durchlebt, und das als eine fortdauernde Gewaltsamkeit gegen dasselbe ist. Das Thierleben zeigt sich daher überhaupt als ein k ran k es; so wie sein Gefühl, als ein unsich eres, a n g stv o lle s, unglückliches.
3. DIE GATTUNG
UND
DAS
IN DIVIDUUM .
§. 371. Der einzelne Organismus kann wegen der Aeußerlichkeit seines Daseyns auch seiner Gattung, seiner Bestimmung nicht entsprechend werden. Er befindet sich im Zustande der K ran k h eit, in sofern eines seiner Systeme oder Organe im Conflict mit einer unorganischen Potenz erregt, sich für sich festsetzt und in seiner besondern Thätigkeit gegen die Thätigkeit des Ganzen beharrt, dessen Flüssigkeit und durch alle Momente hindurch gehender Proceß hiemit gehemmt ist.
§. 372. Die eigenthümliche Erscheinung der Krankheit ist daher, daß die Identität des ganzen organischen Systems sich als su ccessiver Verlauf der Lebensbewegung durch seine unterschiedenen Momente, die Sensibilität, Irritabilität und Reproduction, als F ieb er darstellt, welches als Verlauf der T o ta litä t gegen die v e rein zelte Tbä|tigkeit eben so sehr der Versuch und Beginn der H eilu ng ist.
§. 373. Das Mittel erregt den Organismus dazu, die besondere Erregung, in der die formelle Thätigkeit des Ganzen fixirt ist, aufzuheben, und die Flüssigkeit in das Ganze herzustellen. Dies bewirkt das Mittel dadurch, daß es ein Reiz aber ein noch schwerer zu assimilirender und zu überwindender ist, gegen welchen der Organismus seine ganze Kraft aufzubieten genöthigt ist. Indem er sich so gegen ein Aeußerliches richtet, tritt er aus der mit ihm identisch gewordenen Beschränktheit, in welcher er befangen war. Der Hauptgesichtspunkt, unter welchem die Arzneimittel betrachtet werden müssen, ist, daß sie ein U n verd au lich es sind. Aber die Bestimmung
L-352
ORGANIK
281
von Unverdaulichkeit ist relativ, jedoch nicht in dem unbestimmten Sinne, in dem sie genommen zu werden pflegt, nach welchem leicht verdaulich heißt, was schwächere Constitutionen vertragen können. Solches leicht Verdauliche ist für die kräftigere Individualität vielmehr unverdaulich. Die wahrhafte R e la tiv itä t, die des B e g riffe s, welche im Leben ihre Wirklichkeit hat, besteht, in quantitativer Rücksicht ausgedrückt, die hier gilt, - in einer um so höhern H o m o gen eität, als höher und se lb ststä n d ig e r die Entgegensetzung ist; die höchste q u alita tiv e Form derselben im Lebendigen hat sich als das Geschlechtsverhältniß gezeigt, in welchem selbstständige Individualitäten sich als identische sind. - Für die niedrigem, zu keiner D iffe re n z in sich gekommenen animalischen Gebilde, ist das individualitätslose N e u trale, das Wasser, wie für die Pflanze, das Verdauliche; - für Kinder ist das Verdauliche theils die ganz h o m ogen e animalische Lymphe, die Muttermilch, ein schon verdautes oder vielmehr nur | in Animalität unmittelbar und überhaupt umgewandeltes und in ihr selbst weiter nicht differentiirtes; - theils von differenten Substanzen solche, die noch am wenigsten zur Individualität gereift sind. Substanzen dieser Art sind hingegen unverdaulich für die erstarkten Naturen. Diesen sind dagegen thierische Substanzen als das Individualisirte, oder die vom Lichte zu einem kräftigeren Selbst gezeitigten und deswegen g e istig genannten vegetabilischen Säfte, ein Verdaulicheres, als z. B. die, noch in der blos neutralen Farbe und dem eigenthümlichen Chemismus näher stehenden vegetabilischen Productionen. Durch ihre intensivere Selbstigkeit machen jene Substanzen einen um so stärkern Gegensatz; aber eben dadurch sind sie homogenere Reize. Die Arzneimittel sind insgesammt in sofern n e g a tiv e Reize, Gifte, ein Erregendes und zugleich Unverdauliches, als der in der Krankheit sich entfremdete Organismus dazu erregt wird, sich gegen ein ihm äuß erlich es Fremdes zu richten, und dadurch zum Selbstgefühl und seiner Subjectivität wieder zu gelangen. - So ein leerer Formalismus der B ro w n ia n ism u s gewesen ist, wenn er das ganze System der Medicin seyn soll, und die Bestimmung der Krankheiten und der Wirksamkeit der Mittel, jene auf Sthenie und Asthenie und etwa noch auf directe und indirecte Asthenie, diese auf Stärken und Schwächen, - beides gar auf Kohlen- und Stickstoff noch mit Sauer- und Wasserstoff, oder magnetisches, electrisches und chemisches Moment, und dergleichen ihn naturphilosophisch machen sollende Formeln beschränkt, so hat er doch wohl die zwei wichtigen Folgen gehabt, erstlich, daß durch ihn die Ansicht des blos Particulären und Specifischen sowohl der Krankheiten als der Mittel erweitert, und in beiden vielmehr das A llg em ein e als das Wesentliche erkannt worden ist; zweitens, daß
282
ENCYCLOPÄDIE • NATURPHILOSOPHIE
352-354
er durch seinen Gegensatz gegen die vorherige im Ganzen mehr asth en ische und asth en isi | rende Weise gezeigt hat, daß der Organismus gegen die entgegengesetzteste Behandlungsart nicht auf eine so entgegengesetzte, sondern häufig auf eine wenigstens in den Endresultaten gleiche, und daher a llgem ein e Weise reagirt, und seine ein fach e Id e n titä t mit sich als sein wahrhaftes Wesen gegen eine particuläre Befangenheit einzelner seiner Systeme in specifischen Reizen, beweißt. §. 374. Die Ueberwindung aber und das Vorübergehen einzelner Unangemessenheit des thierischen Individuums gegen seinen Begriff hebt die allgemeine Unangemessenheit nicht auf, welche es dadurch hat, daß seine Idee die u n m ittelb are ist, oder daß das Thier innerhalb der N atu r steht, seine Subjectivität an sich der Begriff aber nicht für sich selbst ist, und nur als unmittelbare Einzelnheit existirt. Jene innere Allgemeinheit ist daher gegen diese Wirklichkeit eine n e g a tiv e Macht, von welcher es Gewalt leidet und untergeht, weil sein Daseyn als solches nicht selbst diese Allgemeinheit in sich hat, somit nicht deren entsprechende Realität ist. §. 375. Diese negative Allgemeinheit ist zunächst die a b strac te , nach welcher das Thier eine endliche Existenz überhaupt ist, und die Macht der Allgemeinheit in einer äußern Wirklichkeit erscheint, welche gegen das Thier mechanische oder chemische Gewalt ausübt und es zerstört. Als seine eigene concrete Allgemeinheit ist sie die G attu n g, in deren Proceß theils, der B e g a ttu n g , das Lebendige seine differente Einzelnheit versenkt; theils aber hebt sich u n m ittelbar seine Unangemessenheit mit derselben, welche seine u rsp rü n glich e K ran k heit und den angebornen K eim des Todes ausmacht, auf, indem es seine Einzelnheit derselben einbildet, aber hiemit, | weil diese unmittelbar ist, nur eine abstracte O b je c tiv itä t erreicht, seine Thätigkeit sich abstumpft, verknöchert, und das Leben zur proceßlosen G ew ohnheit wird, so daß es sich so aus sich selbst tödtet. §. 376. Aber die Subjectivität des Lebendigen ist wesentlich an sich mit dem concreten Allgemeinen, der Gattung, identisch. Die erreichte Identität mit dieser ist daher nur das Aufheben des form ellen G eg en satzes, der U n m itte lb ar-
354
ORGANIK
283
keit und der A llg em ein h eit der Individualität. Die Subjectivität ist in der Idee des Lebens der Begriff, so ist sie an sich das absolute Insichseyn der W irk lich k e it, und durch das aufgezeigte Aufheben der U n m itte lb a rk e it ihrer Realität ist sie mit sich selbst absolut zusammengegangen; das letzte A uß ersichseyn der Natur ist aufgehoben. Die Natur ist hiemit in ihre Wahrheit übergegangen, in die Subjectivität des Begriffs, deren O b je c tiv itä t selbst die aufgehobene Unmittelbarkeit der Einzelnheit, die concrete Allgemeinheit ist, so daß der Begriff gesetzt ist, welcher den Begriff zu seinem D aseyn hat, - der G eist. |
m. PHILOSOPHIE DES GEISTES.
EINLEITUNG
357-358
287
D RITTER THEIL.
PH ILO SO PH IE DES GEISTES.
E IN LE IT U N G . §. 377. 5
Die Erkenntniß des Geistes ist die concreteste, darum höchste und schwerste. E rkenne dich se lb st, dies absolute Gebot hat weder an sich, noch da wo es geschichtlich als ausgesprochen vorkommt, die Bedeutung blos einer S e lb ste rkenntniß nach den p articu lären Fähigkeiten, Charakter, Neigungen und Schwächen des Individuums, sondern die Bedeutung der Erkenntniß des Wahr-
io haften des Menschen, wie des Wahrhaften an und für sich, - des W esens selbst als Geistes. Eben so wenig hat die Philosophie des Geistes die Bedeutung der sogenannten M enschenkenntniß , welche von ändern Menschen gleichfalls die B eso n d erh eiten , Leidenschaften, Schwächen, diese sogenannten Falten des menschlichen Herzens zu erforschen bemüht ist, — eine Kenntniß, die theils nur 15
unter Voraussetzung der Erkenntniß des A llg em ein en , des Menschen und damit wesentlich des Geistes Sinn hat, theils sich mit den zufälligen, unbedeutenden, unw ahren Existenzen des Geistigen beschäftigt, aber zum S u b sta n tie llen, dem Geiste selbst, nicht dringt. |
§. 378. 20
Der P n e u m a to lo g ie oder sogenannten ratio n e lle n P sy c h o lo g ie , als abstracter Verstandesmetaphysik, ist bereits in der Einleitung Erwähnung geschehen. Die em pirisch e P sy ch o lo gie hat den co n creten Geist zu ihrem Gegenstände, und wurde, seitdem nach dem Wiederaufleben der Wissenschaften die Beobachtung und Erfahrung zur vornehmlichsten Grundlage der Erkenntniß
25
des Concreten geworden, auf dieselbe Weise getrieben, so daß theils jenes Metaphysische außerhalb dieser empirischen Wissenschaft gehalten wurde und keine
10 für] O 2 : sür
O 3 : für
288
ENCYCLOPÄDIE • PHILOSOPHIE DES GEISTES
358-359
Anwendung darin fand, theils diese sich an die gewöhnliche Verstandesmetaphysik von Kräften, verschiedenen Thätigkeiten u.s.f. hielt und die speculative Betrachtung daraus verbannt blieb. Die Bücher des A risto te le s über die Seele mit seinen Abhandlungen über besondere Seiten und Zustände derselben sind deswegen noch immer das vorzüglichste oder einzige Werk von speculativem Interesse über diesen Gegenstand. Der wesentliche Zweck einer Philosophie des Geistes kann nur der seyn, den Begriff in die Erkenntniß des Geistes wieder einzuführen und den Sinn der aristotelischen Bücher wieder aufzuschließen. §. 379. Das Selbstgefühl von der leb en d igen Einheit des Geistes setzt sich von selbst gegen die Zersplitterung desselben in die verschiedenen, gegeneinander selbstständig vorgestellten V erm ögen , K räfte oder was nur auf dasselbe hinauskommt, T h ätig k eite n . Noch mehr aber führen die Gegensätze, die sich sogleich darbieten, von der Freih eit des Geistes und von dem D e term in irtw e rden desselben, ferner von der freien Wirksamkeit der Seele im Unterschiede von der ihr äußerlichen Leiblichkeit, und wieder ihr inniger Zusammenhang auf das Bedürfniß, hier zu begreifen. Insbesondere haben die Erscheinungen des an im alisch en M agn etism u s in neuern Zeiten | auch in der Erfahrung eine su b sta n tie lle E in h eit der Seele gezeigt, wodurch alle die festen Verstandesunterschiede in Verwirrung gebracht werden, und eine speculative Betrachtung für die Auflösung der Widersprüche unmittelbarer als nothwendig gezeigt wird. §. 380. Die co n crete Natur des Geistes bringt für die Betrachtung die eigentüm liche Schwierigkeit mit sich, daß die besondern Stufen und Bestimmungen der Entwicklung seines Begriffs nicht zugleich als besondere Existenzen zurück und seinen tiefern Gestaltungen gegenüber bleiben, wie dies in der äußern Natur der Fall ist, wo die Materie und Bewegung ihre freie Existenz als Sonnensystem hat, die Bestimmungen der Sinne auch rückwärts als Eigenschaften der K ö rp er und noch freier als Elemente existiren u.s.f. Die Bestimmungen und Stufen des Geistes dagegen sind wesentlich nur als Momente, Zustände, Bestimmungen an den höhern Entwicklungsstufen. Einesteils geschieht dadurch, daß an einer niedrigem, abstractern Bestimmung das Höhere sich schon empirisch vorhanden zeigt, wie z. B. in der Empfindung alles höhere Geistige als Inhalt oder Bestim-
21 als nothwendig gezeigt wird] O 2 : nothwendig zeigen
O 3 : als noth wendig gezeigt wird
359-360
289
EINLEITUNG
mung. Oberflächlicherweise kann daher in der Empfindung, welche nur eine abstracte Form ist, jener Inhalt, das Religiöse, Sittliche u.s.f., wesentlich seine Stelle und sogar Wurzel zu haben, und seine Bestimmungen als besondere Arten der Empfindung zu betrachten nothwendig scheinen. Anderntheils, wenn niedrigere Stufen betrachtet werden, wird nöthig, um sie nach ihrer empirischen Existenz zu zeigen, an höhere zu erinnern, an welchen sie nur als Formen vorhanden sind, und auf diese Weise einen Inhalt zu anticipiren, der erst später in der Entwicklung sich darbietet (z. B. beim natürlichen Erwachen das Bewußtseyn, bei der Verrücktheit den Verstand u.s.f.). |
B
e g r if f
d e s
G
e is t e s
.
§. 381. Der Geist hat für uns die N atu r zu seiner V o rau sse tzu n g , deren W ah rheit, und damit deren ab so lu t Erstes er ist. In dieser Wahrheit ist die Natur verschwunden, und der Geist hat sich als die zu ihrem Fürsichseyn gelangte Idee ergeben, deren O b je ct eben sowohl als das Su b ject der B e g r if f ist. Diese Identität ist ab so lu te N e g a tiv itä t, weil in der Natur der Begriff seine vollkommene äußerliche Objectivität hat, diese seine Entäußerung aber aufgehoben, und er in dieser sich identisch mit sich geworden ist. Er ist diese Identität somit zugleich nur, als Zurückkommen aus der Natur.
§. 382. Das W esen des Geistes ist deswegen formell die F reih eit, die absolute Negativität des Begriffes als Identität mit sich. Nach dieser formellen Bestimmung kann er von allem Aeußerlichen und seiner eigenen Aeußerlichkeit, seinem Daseyn selbst abstrahiren; er kann die Negation seiner individuellen Unmittelbarkeit, den unendlichen Sch m erz ertragen, d.i. in dieser Negativität affirmativ sich erhalten und identisch für sich seyn. Diese Möglichkeit ist seine abstracte fürsich-seyende Allgemeinheit in sich.
§. 383. Diese Allgemeinheit ist auch sein D aseyn. Als für sich seyend ist das Allgemeine sich b eson d ern d und hierin Identität mit sich. Die Bestimmtheit des Geistes ist daher die M an ifestatio n . Er ist nicht irgend eine Bestimmtheit oder
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ENCYCLOPÄDIE • PHILOSOPHIE DES GEISTES
360-362
Inhalt, dessen Aeußerung und Aeußerlichkeit nur davon unterschiedene Form wäre; so daß er nicht Etw as offenbart, sondern seine Bestimmtheit und Inhalt ist dieses | Offenbaren selbst. Seine Möglichkeit ist daher unmittelbar unendliche, absolute W irk lich k eit. §. 384. Das O ffe n b are n , welches als die ab stracte Idee unmittelbarer Uebergang, W erden der Natur ist, ist als Offenbaren des Geistes, der frei ist, Setzen der Natur als seiner Welt; ein Setzen, das als Reflexion zugleich V oraussetzen der Welt als selbstständiger Natur ist. Das Offenbaren im Begriffe ist Erschaffen derselben als seines Seyns, in welchem er die A ffirm a tio n und W ahrheit seiner Freiheit sich gibt. D as A b so lu te ist der G eist; dies ist die höchste Definition des Absoluten. - Diese Definition zu finden und ihren Sinn und Inhalt zu begreifen, dies kann man sagen, war die absolute Tendenz aller Bildung und Philosophie, auf diesen Punkt hat sich alle Religion und Wissenschaft gedrängt; aus diesem Drang allein ist die Weltgeschichte zu begreifen. - Das Wort und die V o rste llu n g des Geistes ist früh gefunden, und der Inhalt der christlichen Religion ist, Gott als Geist zu erkennen zu geben. Dies was hier der Vorstellung gegeb en , und was an sich das Wesen ist, in seinem eigenen Elemente, dem Begriffe, zu fassen, ist die Aufgabe der Philosophie, welche so lange nicht wahrhaft und immanent gelöst ist, als der Begriff und die Freiheit nicht ihr Gegenstand und ihre Seele ist.
EINTHEILUNG. §. 385. Die Entwicklung des Geistes ist: daß er I. in der Form der B ezieh un g a u f sich selb st ist, innerhalb seiner ihm die id eelle Totalität der Idee wird, - su b je c tiv e r G eist. | II. in der Form der R ealität als einer W elt, welche die Freiheit als vorhandene Nothwendigkeit ist, - o b je ctiv er G eist. III. in an und für sich seyender E in h eit der Objectivität des Geistes und seiner Idealität oder seines Begriffs, der Geist in seiner absoluten Wahrheit, - der ab so lu te Geist.
362-363
EINLEITUNG
291
§, 386.
Die zwei ersten Theile der G eisteslehre befassen den endlich en Geist. Der Geist ist die unendliche Idee, und die Endlichkeit hat hier ihre Bedeutung der Unangemessenheit des Begriffs und der Realität mit der Bestimmung, daß sie ein Scheinen innerhalb seiner ist, - ein Schein, den an sich der Geist sich als eine Schranke setzt, um durch Aufheben derselben fü r sich die Freiheit als sein Wesen zu haben und zu wissen, d. i. absolut m a n ifestirt zu seyn. Die verschiedenen Stufen der Thätigkeit des Geistes sind Stufen seiner Befreiung, in deren absoluten Wahrheit das V o rfin d en einer Welt als einer vorausgesetzten, das E rzeu gen derselben als eines von ihm gesetzten, und die Befreiung von ihr eins und dasselbe sind. Die Bestimmung der E n d lich k eit wird vornehmlich vom V erstän d e in der Beziehung auf den G eist und die V ern u n ft fixirt; es gilt dabei nicht nur für eine Sache des Verstandes, sondern auch für eine moralische und religiöse Angelegenheit, den Stan dpun kt der Endlichkeit als einen le tz ten festzuhalten, so wie dagegen für eine Vermessenheit des Denkens, ja für eine Verrücktheit desselben, über ihn hinausgehen zu wollen. - Es ist aber wohl vielmehr die schlechteste der Tugenden, eine solche B e sch e id enheit des Denkens, welche das Endliche zu einem schlechthin Festen, einem A b so lu te n macht, und die ungründlichste der Erkenntnisse, in dem, was seinen Grund nicht in sich | selbst hat, stehen zu bleiben. Die Bestimmung der E n d lich k e it ist längst an ihrem Orte, in der Logik, beleuchtet und erörtert worden; diese ist dann ferner für die weiter bestimmten aber noch immer einfachen Gedankenformen der Endlichkeit, wie die übrige Philosophie für die concreten Formen derselben nur dies Aufzeigen, daß das Endliche nicht ist, d. i. nicht das Wahre, sondern schlechthin nur ein U eb e rge h e n ist. - Dieses Endliche der bisherigen Sphären ist die Dialektik, sein Vergehen durch ein A nderes zu haben, der Geist aber, der Begriff und das an sich Ewige, ist es selbst, dieses Vernichtigen des Nichtigen, das Vereiteln des Eiteln zu vollbringen. - Die erwähnte Bescheidenheit ist das Festhalten dieses Eiteln gegen das Wahre, und darum selbst das Eitle. Diese Eitelkeit wird sich in der Entwicklung des Geistes selbst als seine höchste Vertiefung in sich und innerster Widerspruch und damit Wendepunkt, als das B ö se , ergeben. |
22 ihrem] O 2 O 3 : seinem
292
ENCYCLOPÄDIB • PHILOSOPHIE DES GEISTES
E
r s t e
A
b t h e il u n g
d e r
Ph
il o s o p h ie
d e s
364-365
G
e is t e s
.
DER SUBJECTIVE GEIST.
§. 387. Der Geist in seiner Idealität sich entwickelnd ist der Geist als erkennend. Aber das Erkennen wird hier nicht blos aufgefaßt, wie es die Bestimmtheit der Idee als logischer ist (§. 223.), sondern wie der co n crete Geist sich zu demselben bestimmt. Der subjective Geist ist: A. U n m itte lb a r ; so ist er Seele oder N a tu r g e ist; - Gegenstand der A
n t h r o p o l o g i e
.
B. Für sich noch als identische Reflexion in sich und in Anderes; der Geist im V erh ältn iß oder Besonderung; - B ew u ß tsey n - der Gegenstand der P h ä n o m e n o l o g i e des G eistes. C. D er sich in sich bestim m ende G eist, als S u b je ct für sich, der Gegenstand der P
s y c h o l o g i e
.
In der Seele erw acht das B ew u ß tsey n ; das Bewußtseyn setzt sich als V e rn u n ft; und die subjective Vernunft befreit sich durch ihre Thätigkeit zur Objectivität. Wie im Begriffe überhaupt die B e stim m th e it, die an ihm vorkommt, F o rtg a n g , E n tw ick lu n g | ist, so ist auch an dem Geiste jede Bestimmtheit, in der er sich zeigt, Moment der Entwicklung und der Fortbestimmung, Vorwärtsgehen seinem Z iele zu, sich zu dem zu machen und für sich zu werden das was er an sich ist. Die psychologische oder sonst gewöhnliche Betrachtungsweise gibt an, erzählungsweise, was der Geist oder die Seele ist, was ihr geschieht, was sie th u t; so daß die Seele als fertiges Subject vorausgesetzt ist, und dergleichen Bestimmungen nur als Aeußeru n gen an derselben zum Vorschein kommen, und aus denen nur soll erkannt werden, was sie ist, - in sich für Vermögen und Kräfte besitzt. Ab6 §. 223.] O 2 : § 223.
O 3 : §. 223.
11 Anderes;] O 2 : Anderes
O i: Anderes,
O 3 : Anderes;
365-367
SUBJECTIVER GEIST
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gesondert hievon ist der Kreis des Fortschreitens, der B ild u n g und E rzieh u n g gestellt, weil er sich nur auf die einzelnen Subjecte als solche bezieht, daß der allgemeine Geist in ihnen zur Existenz gebracht werde. In der philosophischen Ansicht dagegen wird der Geist als solcher vielmehr selbst als sich bildend und erziehend betrachtet, und seine Aeußerungen als die Momente seines Sich-zu-sich-selbst-Hervorbringens, seines Zusammenschließens mit sich, wodurch er erst wirklicher Geist ist. |
A. A N T H R O P O L O G IE . D
ie
S
e e l e
.
§. 388. Der Geist ist als die Wahrheit der Natur gew orden. Außerdem, daß in der Idee überhaupt dies Resultat die Bedeutung der Wahrheit und vielmehr des Ersten gegen das Vorhergehende hat, hat das Werden oder Uebergehen im Begriff die bestimmtere Bedeutung des freien U rth eils. Der gewordene Geist hat daher den Sinn, daß die Natur an ihr selbst als das Unwahre sich auf hebt, und der Geist so sich als diese nicht mehr in leiblicher Einzelnheit au ß er-sich -sey ende, sondern in ihrer Concretion und Totalität einfach e Allgemeinheit voraussetzt, in welcher er Seele, noch nicht Geist ist.
§. 389. Die Seele ist nicht nur für sich immateriell, sondern die allgemeine Immaterialität der Natur, deren einfaches ideelles Leben. Sie ist die S u b stan z, so die absolute Grundlage aller Besonderung und Vereinzelung des Geistes, daß er in ihr allen Stoff seiner Bestimmung hat, und sie die durchdringende, identische Idealität derselben bleibt. Aber in dieser noch abstracten Bestimmung ist sie nur der S c h la f des Geistes; - der passive Nus des Aristoteles, welcher der Möglichkeit nach Alles ist. Die Frage um die Immaterialität der Seele kann nur dann noch ein Interesse haben, wenn die Materie | als ein W ahres einerseits, und der Geist als ein D in g andererseits vorgestellt wird. Sogar die Physiker sind aber in neuern Zeiten auf imponderable Stoffe als Wärme, Licht u.s.f. gekommen,
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ENCYCLOPÄDIE • PHILOSOPHIE DES GEISTES
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wozu sie leicht auch Raum und Zeit rechnen könnten. Diese Imponderabilien haben jedoch noch sonst ein sinnliches Daseyn, ein Außersichseyn; der L e b e n sm aterie aber, die man auch darunter gezählt finden kann, fehlt nicht nur die Schwere, sondern auch jedes andere Daseyn, wornach sie sich noch zum M ateriellen rechnen ließe. In der That ist in der Idee des Lebens schon an sich das Außersichseyn der Natur aufgehoben und der Begriff seine Substanz jedoch nur so als Subjectivität, daß die Existenz oder Objectivität noch an jenes Außersichseyn verfallen ist. Aber im Geiste, als dem Begriffe, dessen Existenz nicht die unmittelbare Einzelnheit, sondern die absolute Negativität, die Freiheit ist, so daß das Object oder die Realität des Begriffes der Begriff selbst ist, ist das Außersichseyn, welches die Grundbestimmung der Materie ausmacht, ganz zur subjectiven Idealität des Begriffes, zur Allgemeinheit verflüchtigt. Der Geist ist die existirende Wahrheit der Materie, daß die Materie selbst keine Wahrheit hat. Eine damit zusammenhängende Frage ist die nach der G em ein schaft der Seele und des K örpers. Diese Gemeinschaft war als Factum angenommen, und es handelte sich daher allein darum, wie sie zu b egreifen sey? Für die gewöhnliche Antwort kann angesehen werden, daß sie ein unb e g re iflic h e s Geheimniß sey. Denn in der That, wenn beide als absolut Selbstständige gegen einander vorausgesetzt werden, so sind sie einander eben so undurchdringlich, als jede Materie gegen eine andere undurchdringlich und nur in ihrem gegenseitigen Nichtseyn, ihren Poren, befindlich angenommen wird; wie Epikur den Göttern ihren Aufenthalt in den Poren angewiesen, aber conse[quent ihnen keine Gemeinschaft mit der Welt aufgebürdet hat. - Für gleichbedeutend mit dieser Antwort kann die nicht angesehen werden, welche alle Philosophen gegeben haben, seitdem dieses Verhältniß zur Frage gekommen ist. D e sc arte s, M aleb ran ch e, S p in o za, L e ib n itz , haben sämmtlich G ott als diese Beziehung angegeben, und zwar in dem Sinne, daß die Endlichkeit der Seele und die Materie keine Wahrheit haben, so daß Gott bei ihnen nicht blos ein anderes Wort für jene Unbegreiflichkeit, sondern vielmehr die wahrhafte Id e n tität derselben ist. Diese Id e n tität ist jedoch bald zu abstract, wie die Spinozistische, bald zwar auch sch affen d, aber zugleich nur als u rth e ile n d , so daß es zum Unterschiede der Seele und des Leiblichen, Materiellen kommt, die Identität aber nur als C opu la des Urtheils ist, nicht zum absoluten Schlüsse fortgeht.
23 Aufenthalt] O 2 : Aufenhalt
O 3 : Aufenthalt
368-369
SUBJECTIVER GEIST
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§. 390. Die Seele ist zuerst a. in ihrer unmittelbaren N atu rb estim m th eit, - die nur seyen de oder sch affen d e Seele; b. tritt sie als in d iv id u e ll in das Verhältniß zu diesem ihrem unmittelbaren Seyn - träum en d e und sich eingew öhnende Seele; c. ist sie in demselben als ihrer Leiblichkeit wirklich, - g e stalte te und em pfin d en d e Seele.
a. D
ie
n a t ü r l ic h e
Se
e l e
.
§. 391. Die allgem ein e Seele muß nicht als W eltseele fixirt werden, denn sie ist nur die allgemeine Su b stan z, welche ihre wirkliche Wahrheit nur als E in - | zeln h eit, Subjectivität, hat. Als sich besondernd tritt sie, vorher nur innere Idee, in das D aseyn. In diesen Bestimmungen zeigt sie sich als seyende Seele, welche Naturbestimmtheiten an ihr hat, die, so zu sagen, hinter ihrer Idealität freie Existenz haben, d. i. für das Bewrußtseyn Natur gegenstände sind, zu denen aber die Seele als solche sich nicht als zu äußerlichen verhält; sie hat vielmehr an ihr selbst diese Bestimmungen als n atürliche Q ualitäten .
0c) N A T Ü R L I C H E Q U A L I T Ä T E N .
§. 392. Der Geist lebt 1) in seiner Substanz, der natürlichen Seele, das allgemeine planetarische Leben mit, den Unterschied der Klimate, den Wechsel der Jahreszeiten, der Tageszeiten, u. dgl. - ein Naturleben, das in ihm zum Theil zu Bestimmungen und Zuständen, zum Theil nur zu trüben Stimmungen kommt. Es ist in neuern Zeiten viel vom kosm isch en , sid erisch en , te llu rischen Leben des Menschen die Rede geworden. Das Thier lebt wesentlich in dieser Sympathie; dessen ganzer specifischer Charakter, so wie seine besondern Entwicklungen hängt, bei Vielen ganz, immer mehr oder weniger, damit zusammen. Beim Menschen verlieren dergleichen Sympathien um so mehr an Bedeutung, je gebildeter er, und je mehr damit sein ganzer Zu-
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stand auf freie geistige Grundlage gestellt ist. Die Weltgeschichte hängt nicht mit Revolutionen im Sonnensysteme zusammen, so wenig als die Schicksale der Einzelnen mit den Stellungen von Planeten. - Der Unterschied der Klimate enthält eine festere und gewaltigere Bestimmtheit. Aber den Jahrszeiten, Tagszeiten entsprechen nur schwächere Stimmungen, die in Krankheitszuständen, wozu auch Verrücktheit gehört, in der Depression des selbstbewußten Lebens, sich vornehmlich nur hervorthun können. - Unter dem Aberglauben | der Völker und den Verirrungen des schwachen Verstandes finden sich bei Völkern, die weniger in der geistigen Freiheit fortgeschritten und darum noch mehr in der Einigkeit mit der Natur leben, auch einige wirkliche Zusammenhänge und darauf sich gründende, wunderbar scheinende Vorausahndungen von Zuständen und daran sich knüpfenden Ereignissen. Aber mit der tiefer sich erfassenden Freiheit des Geistes verschwinden auch diese wenigen und geringen Dispositionen, die sich auf das Mitleben mit der Natur gründen. Das Thier wie die Pflanze bleibt dagegen darunter gebunden. §. 393. Das allgemeine planetarische Leben des Naturgeistes 2) besondert sich in die concreten Unterschiede der Erde und zerfällt in die b eson d ern N a tu r g e ister, die im Ganzen die Natur der geographischen Welttheile ausdrücken, und die R acen versch ied en h eit ausmachen. Der Gegensatz der terrestrischen Polarität, durch welchen das Land gegen Norden zusammengedrängter ist und das Uebergewicht gegen das Meer hat, gegen die südliche Hemisphäre aber getrennt in Zuspitzungen auseinander läuft, bringt in den Unterschied der Welttheile zugleich eine Modification, die T rev iran u s (Biolog. II. Thl.) in Ansehung der Pflanzen und Thiere aufgezeigt hat. §. 394. Dieser Unterschied geht in die Particularitäten hinaus, die man L o ca lg e iste r nennen kann, und die sich in der äußerlichen Lebensart, Beschäftigung, körperlicher Bildung und Disposition, aber noch mehr in innerer Tendenz und Befähigung des intelligenten und sittlichen Charakters der Völker zeigen. So weit die Geschichte der Völker zurückreicht, zeigt sie das Beharrliche dieses Typus der besondern Nationen. | 12 Vorausahndungen] so C i
O 2 : Voraussetzungen
O 3 : Voraussehungen
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§. 395.
5
Die Seele 3) vereinzelt sich zum in d ivid u ellen Su b ject. Diese Subjectivitat kommt aber hier nur als Vereinzelung der N a tu rb e stim m th e it in Betracht. Sie ist als der M odus des verschiedenen Temperaments, Talents, Charakters, Physiognomie und anderer Dispositionen und Idiosyncrasien von Familien oder den singulären Individuen.
ß) N A T Ü R L I C H E V E R Ä N D E R U N G E N .
§. 396. An der Seele als In d iv id u u m bestimmt, sind die Veränderungen an ihm, als io in ihnen beharrendem Subjecte und als Entwicklungsmomente desselben. Da sie in Einem physische und geistige Unterschiede sind, so wäre für deren concretere Bestimmung oder Beschreibung die Kenntniß des gebildeten Geistes zu anticipiren. Sie sind 1) der natürliche V e rla u f der L eb en salter, von dem K in d e an, 15
dem in sich eingehüllten Geiste, - durch den entwickelten Gegensatz, die Spannung einer selbst noch subjectiven Allgemeinheit (Ideale, Einbildungen, Sollen, Hoffnungen u.s.f.), gegen die unmittelbare Einzelnheit, d. i. gegen die vorhandene Welt und die Stellung des Individuums in seinem Daseyn dazu (Jü n g lin g ), zu dem wahrhaften Verhältniß, der A nerkennung der o b je c tiv e n Noth-
20
wendigkeit und Vernünftigkeit der bereits vorhandenen, fertigen Welt, an deren sich an und für sich vollbringendem Werke das Individuum seiner Thätigkeit eine Bewährung und Antheil verschafft, dadurch Etw as ist, wirkliche Gegenwart und objectiven Werth hat (M ann), - bis zur Vollbringung der Einheit mit dieser Objectivität, welche Einheit als reell in die Unthätigkeit abstumpfender Ge-
25
wohnheit übergeht, als ideell die Freiheit von den beschränkten Interessen und Verwicklungen der äußerlichen Gegenwart gewinnt, - (G reis.) |
§. 397. 2)
Das Moment des reellen Gegensatzes des Individuums gegen sich selbst, so
daß es sich in einem ändern Individuum sucht und findet; - das G esch lech ts30
v erh ältn iß , ein Natur unterschied einerseits der mit sich identischen, nicht zum innern extremen Gegensätze des Allgemeinen (in Zwecken, Wissenschaft, Kunst u.s.f.) und des Einzelnen fortgehenden Individualität, andererseits der sich in sich zum Gegensatz allgemeiner, objectiver Interessen gegen die vorhandene, seine
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ENCYCLOPÄDIE • PHILOSOPHIE DES GEISTES
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eigene und die äußerlich-weltliche, Existenz spannenden, und jene in dieser zu einer erst hervorgebrachten Einheit verwirklichenden Thätigkeit. - Das Geschlechtsverhältniß erlangt in der Fam ilie seine geistige und sittliche Bedeutung und Bestimmung.
§. 398. 3) Das Unterscheiden der Individualität als für sich seyender gegen sich als nur Se y en d e r, welches Fürsichseyn selbst für sie die Einheit von beiden Bestimmungen ist, als unmittelbares U rth e il, das E rw achen der Seele, welches ihrem in sich verschlossenen Naturleben zunächst als Naturbestimmtheit und Z u stan d , einem Zustande, dem Sch lafe gegenübertritt. - Das Erwachen ist nicht nur fü r uns oder äußerlich vom Schlafe unterschieden; es selbst ist das U rth eil der individuellen Seele, und somit das Unterscheiden ihrer selbst von ihrer noch ununterschiedenen Allgemeinheit. In das Wachseyn fällt überhaupt alle selbstbewußte und vernünftige T h ätig k eit des Geistes. - Der Schlaf ist Bekräftigung dieser Thätigkeit nicht als das blos Negative der Ruhe von derselben, sondern als Rückkehr aus der Welt der B estim m th eiten , der Zerstreuung und aus dem Festwerden in den Einzelnheiten, in das allgemeine Wesen der Subjectivität, welches die Substanz jener Bestimmtheiten und deren absolute Macht ist. Der Unterschied von Schlaf und Wachen pflegt zu einer d erV e x irfragen, wie man sie nennen könnte, | an die Philosophie gemacht zu werden (- auch N a p o le o n richtete bei einem Besuch der Universität zu Pavia diese Frage an die Classe der Ideologie). Die im §. angegebene Bestimmtheit ist abstract, in sofern sie zunächst das Erwachen als natürliches betrifft, worin das geistige allerdings implicite enthalten, aber noch nicht als D aseyn gesetzt ist. Wenn concreter von diesem Unterschiede, der in seiner Grundbestimmung derselbe bleibt, gesprochen werden sollte, so müßte das Fürsichseyn der individuellen Seele schon bestimmt als Ich des Bewußtseyns, und als verständiger Geist, genommen werden. - Die Schwierigkeit, welche man dem Unterscheiden von jenen beiden Zuständen erregt, entsteht eigentlich erst in sofern man das Träumen im Schlafe hinzunimmt, und dann die Vorstellungen des wachen, besonnenen Bewußtseyns auch nur als V o rste llu n gen , was die Träume gleichfalls seyen, bestimmt. In dieser oberflächlichen Bestimmung von V o rstellu n gen kommen freilich beide Zustände überein, d. h. es wird damit über den Unterschied derselben hinweggesehen; und bei jeder angegebenen Unterscheidung läßt sich zu der trivialen Bemerkung, daß dies doch auch nur Vorstellungen seyen, zurückkehren. - Aber das F ü rsich seyn der wachen Seele, co n cret aufgefaßt, ist Bew uß tseyn
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SUBJECTIVER GEIST
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und V erstan d , und die Welt des verständigen Bewußtseyns ist ganz etwas anderes, als ein Gemälde von bloßen Vorstellungen und Bildern. Diese letztem als solche hängen vornehmlich äußerlich - nach den sogenannten Gesetzen der sogenannten Id een -A sso ciation - auf unverständige Weise zusammen, wobei sich freilich auch hie und da Kategorien einmischen können. Im Wachen aber verhält sich wesentlich der Mensch als concretes Ich, als Verstand; durch diesen steht die Anschauung vor ihm als concrete Totalität von Bestimmungen, in welcher jedes Glied, jeder Punkt seine bestimmte Stelle einnimmt. So hat der Inhalt seine | Bewährung nicht durch das bloße subjective Vorstellen und nur das Unterscheiden des Inhalts als eines Aeußern von der Person, sondern durch den concreten Zusammenhang, in welchem jeder Theil mit allen Theilen dieses Complexes steht. Das Wachen ist das concrete Bewußtseyn dieser gegenseitigen Bestätigung jedes einzelnen Momentes seines Inhalts durch alle übrigen des Gemäldes der Anschauung. Dies Bewußtseyn hat zugleich nicht nöthig deutlich entwickelt zu seyn, aber es ist in dieser ganzen Bestimmtheit im concreten Selbstgefühl enthalten und vorhanden. - Um den Unterschied von Träumen und Wachen zu erkennen, braucht man nur den Kantischen Unterschied der O b je c tiv itä t der Vorstellung (ihres Bestimmtseyns durch Kategorien) von der S u b je c tiv ität derselben überhaupt vor Augen zu haben; zugleich muß man wissen, was so eben bemerkt worden, daß was im Geiste wirklich vorhanden ist, darum nicht auf explicite Weise in seinem Bewußtseyn gesetzt zu seyn nöthig hat, so wenig als die Erhebung des etwa fühlenden Geistes zu Gott in Form der Beweise vom Daseyn Gottes vor dem Bewußtseyn zu stehen nöthig hat, ungeachtet wie früher auseinandergesetzt worden, diese Beweise ganz nur den Gehalt und Inhalt jenes Gefühls ausdrücken.
y) E M P F IN D U N G .
§. 399. Schlafen und Wachen sind zunächst zwar nicht bloße Veränderungen, sondern w echselnde Zustände (Progreß ins Unendliche). Aber in diesem ihrem natürlichen, negativen Verhältniß ist eben so sehr das a ffirm a tiv e vorhanden. Die einzelne Seele fin d e t so die Bestimmtheiten ihrer schlafenden Natur, w'elche als in ihrer Substanz an sich in derselben sind, in sich selb st für sich. Als Bestimmtheit ist dies Besondere von der Identität des | Fürsichseyns mit sich, unterschieden, und zugleich in dessen Einfachheit, einfach enthalten, - E m p fin d u n g.
300
ENCYCLOPÄDIE • PHILOSOPHIE DES GEISTES
375-376
§. 400. Die Empfindung ist die Form des dumpfen Webens des Geistes in seiner bewußt« und verstandlosen Individualität, in der alle Bestimmtheit noch un m itte lb ar ist, als nach ihrem Inhalte wie nach dem Gegensätze eines Objectiven gegen das Subject unentwickelt gesetzt, als seiner b eso n d ersten , natürlichen E igen h eit angehörig. Die Empfindung ist eben damit b esch rän k t, weil ihr Inhalt dem natürlichen, unmittelbaren Seyn, dem qualitativen also und endlichen angehört. A lles ist in der E m p fin d u n g, und wenn man will, Alles, was im geistigen Bewußtseyn und in der Vernunft hervortritt, hat seine Q uelle und U rsp ru n g in derselben; denn Quelle und Ursprung heißt nichts anders, als die erste unmittelbarste Weise, in der etwas erscheint. Es genüge nicht, daß Grundsätze, Religion u.s.f. nur im Kopfe seyen, sie müssen im Herzen, in der E m pfin d u n g seyn. In der That, was man so im Kopfe hat, ist im Bewußtseyn überhaupt, welchem ein Inhalt gegen stän d lich ist, und darin eben so sehr als er mit Mir, dem abstracten Ich, überhaupt identisch gesetzt, auch von Mir, nach seiner und meiner Besonderheit, abgehalten seyn und werden kann; in der Empfindung dagegen ist solcher Inhalt Bestimmtheit meines noch substantiellen dumpfen Fürsichseyns; er ist also als mein e igen stes gesetzt. Denn das Eigene ist das von Mir ungetrennte, und diese unmittelbare Einheit der Seele mit ihrer Substanz ist eben dies Ungetrenntseyn, was selbst noch nicht zum Ich des Bewußtseyns, noch weniger zur Freiheit vernünftiger Geistigkeit bestimmt ist. Daß übrigens Wille, Gewissen, Charakter, noch eine ganz andere Intensität und Festigkeit des M eine ige n -sey n s besitzen, als | die Empfindung überhaupt und der Complex derselben, das H erz, liegt auch in den gewöhnlichen Vorstellungen. - Daß aber die Empfindung und das Herz nicht die Form sey, wodurch etwas als religiös, sittlich, wahr, gerecht u.s.f. g e re c h tfe rtig t sey, und die Berufung auf Herz und Empfindung entweder ein nur nichts sagendes oder vielmehr schlechtes-sagendes sey, sollte für sich nicht nöthig seyn erinnert zu werden. Es kann keine trivialere Erfahrung geben als die, daß es wenigstens gleichfalls böse, schlechte, gottlose, niederträchtige u.s.f. Empfindungen und Herzen gibt; ja daß aus den Herzen nur solcher Inhalt kommt, ist in den Worten ausgesprochen: Aus dem H erzen kommen hervor arge Gedanken, Mord, Ehebruch, Hurerei, Lästerung u.s.f. In solchen Zeiten, in welchen das Herz und die Empfindung zum Kriterium des Guten, Sittlichen und Religiösen von wissenschaftlicher Theologie und Philosophie gemacht wird, wird es nöthig an jene triviale Erfahrung zu erinnern, eben so sehr als es auch
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SUBJECTIVER GEIST
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heutigstags nöthig ist, überhaupt daran zu mahnen, daß das E ig e n ste , wodurch der Mensch sich vom Vieh unterscheidet, das D enken ist, und daß er das Empfinden mit diesem gemein hat.
§. 401. Wird auf die aus der Einheit, welche Empfindung ist, nachher sich entwickelnden Unterschiede vom u n m ittelb aren Seyn der Seele und ihrem F ü rsich seyn Rücksicht genommen, so wird letzteres als in sich vertieft Ich des Bewußtseyns und freier Geist, hingegen das erstere zur natürlichen L e ib lic h k e it bestimmt. Hienach unterscheidet sich eine äußerliche oder vielmehr leibliche Empfindung, welche zuerst eine Bestimmung der Leiblichkeit (des Auges u.s.f. aber überhaupt jedes körperlichen Theils) ist, die Empfindung wird darin, daß sie im Fürsichseyn der Seele innerlich gemacht, - erin n ert | wird. (Daß der Inhalt ferner im geistigen Bewußtseyn zur Anschauung einer objectiven Welt u.s.f. wird, gehört noch nicht hieher.) Auf der ändern Seite wird die im Geiste entsprungene, ihm zuerst angehörige Bestimmtheit, um empfunden zu seyn, v e rleib lich t. So als Empfindung ist sie in dem Subject als unmittelbarer, natürlicher Einheit mit sich, in ihm als Seele gesetzt. (Daß der geistige Inhalt ferner vom geistigen Bewußtseyn zu seiner vernünftigen Objectivität bestimmt wird, fällt gleichfalls in spätere Entwicklung.) Zunächst solcher Inhalt auf jene Weise verleiblicht und zu einem U n m ittelb aren gemacht, erscheint er so als Bestimmtheit der Empfindung dem Bewußtseyn zunächst als ein V o rg e fu n d e n e s, G egebenes. Aber die Verleiblichung ist als in der lebendigen concret entwickelten Natürlichkeit selbst concret, und nach dem besondern Inhalt der geistigen Be^Stimmung führt sie sich in einem besondern Systeme oder Organe des Leibes aus. Das Empfinden überhaupt enthält das gesunde sympathische Mitleben des individuellen Geistes in seiner Leiblichkeit. Aber das Sy stem des Empfindens in seiner sich verleiblichenden B e so n d erh eit wäre würdig in einer eigenthümlichen Wissenschaft - einer psych isch en P h y sio lo g ie , ausgeführt und abgehandelt zu werden. Die äußern Sinne werden längst für sich als Beziehungen leib lich er G ebilde auf ihre besondern E m p fin du n gen , betrachtet, nämlich auf deren unmittelbaren Inhalt, z. B. Licht, Farbe, Ton u.s.f. Ein Anderes ist die weitere zunächst oberflächliche Vergleichung und Empfindung der Angemessenheit oder Unangemessenheit
10
u.s.f.] O2: u.s.s.
O3: u.s.f.
11 jedes]
so C2
O2: jenes
O3: jedes
302
ENCYCLOPÄDIE • PHILOSOPHIE DES GEISTES
377-379
einer unmittelbaren Empfindung zu dem für sich bestimmten sinnlichen Innern, - das A ngenehm e oder U n an g e n eh m e ; wie auch die bestim m te Vergleichung im Sy m b o lisiren der Empfindungen z .B . von Farben, Tönen, Gerüchen u.s.f. Aber abgesehen von diesen weiter abliegenden | Seiten würde für sich die interessanteste Seite einer psychischen Physiologie seyn, die Sympathie oder bestimmter die V e rle ib lich u n g zu betrachten, welche sich geistige Bestimmungen, insbesondere als A ffecte geben. Es wäre der Zusammenhang zu begreifen, durch welchen der Zorn und Muth in der Brust, im Blute, im irritabeln Systeme, wie Nachdenken, geistige Beschäftigung im Kopfe, dem Centrum des sensibeln Systemes empfunden wird. Es wäre ein gründlicheres Verständniß als bisher über die bekanntesten Zusammenhänge zu fassen, durch welche von der Seele heraus die Thräne, die Stimme überhaupt, näher die Sprache, Lachen, Seufzen, und viele andere Particularisationen sich bilden, die gegen das Pathognomische und Physiognomische zu liegen. Die Eingeweide und Organe werden in der Physiologie als Momente nur des animalischen Organismus betrachtet, aber sie bilden zugleich ein System der Verleiblichung des Geistigen. §. 402. Die Empfindungen sind zunächst als solche ein zeln , v o rü b ergeh en d e Bestimmungen, Veränderungen in ihrer Substantialität gesetzt in dem mit derselben identischen Fürsichseyn der Seele. Aber die Wahrheit des Einzelnen und Vorübergehenden ist das Allgemeine; die empfindende Seele ist in sich reflectirte Totalität des Empfindens, - Empfinden der totalen Substantialität, die sie an sich ist.
b. D
ie
t r ä u m e n d e
S
e e l e
.
§. 403. Das empfindende Individuum ist die einfache Id e a litä t, Subjectivität des Empfindens. Es ist darum zu thun, daß das Individuum sich als diese Sub |jectivität setzt, sich in Besitz nimmt, als die Macht seiner selbst für sich wird. Sie ist als empfindende nicht mehr blos natürliche, sondern innerliche Individualität, und dies ihr formelles Fürsichseyn ist zu objectiviren.
29 seiner] O 2 : ihrer
O 3 : seiner
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SUBJECTIVER GEIST
379-380
Nirgend so sehr als bei der Seele und noch mehr beim Geiste ist es die Bestimmung der Id e a lität, die für das Verständniß am wesentlichsten festzuhalten ist; daß die Idealität N e g a tio n des Reellen, dieses aber zugleich a u fb e w ah rt, virtualiter erhalten ist, ob es gleich nicht existirt. Es ist die Bestimmung, die wir wohl in Ansehung der Vorstellungen, des Gedächtnisses, vor uns haben. Jedes Individuum ist ein unendlicher Reichthum von Empfindungsbestimmungen, Vorstellungen, Kenntnissen, Gedanken u.s.f.; aber Ich bin darum doch ein ganz einfaches, - ein bestimmungsloser Schacht, in welchem alles dieses aufbewahrt ist, ohne zu existiren. Erst wenn Ich mich an eine Vorstellung erinnere, bringe Ich sie aus jenem Innern heraus zur Existenz, vor das Bewußtseyn. In Krankheiten geschieht, daß Vorstellungen, Kenntnisse wieder zum Vorschein kommen, die seit vielen Jahren vergessen heißen, weil sie in so langer Zeit nicht ins Bewußtseyn gebracht wurden. Wir waren nicht in ihrem Besitz, kommen etwa auch durch solche in der Krankheit geschehene Reproduction nicht fernerhin in ihren Besitz, und doch waren sie in uns und bleiben noch fernerhin in uns. So kann der Mensch nie wissen, wie viele Kenntnisse er in der That in sich hat, ob er sie gleich vergessen hat. - Diese einfache In n erlich k eit ist und bleibt die Individualität in aller Bestimmtheit und Erfüllung, welche später in sie gesetzt wird. Hier ist diese Einfachheit der Seele zunächst in Beziehung auf ihre Leiblichkeit, welche für das Bewußtseyn und den Verstand eine außer einander und außer ihr seyende Materialität ist, festzuhalten. So wenig [die] M a n n ic h fa ltig k e it ihrer vielen V o rstellu n gen ein Außereinander und reale Vielheit in | der Seele begründet, so wenig hat das reale Auseinander der Leiblichkeit eine Wahrheit für die Seele. Empfindend ist sie u n m itte lbar bestimmt, also natürlich und leiblich, aber das Außereinander und die sinnliche Mannichfaltigkeit dieses Leiblichen gilt der Seele eben so wenig als dem Begriffe als etwas Reales und darum nicht für eine Schranke; die Seele ist der e x istiren d e Begriff. Sie ist darum in dem Leiblichen a llg e ge n w ä rtig e Einheit, wie für die Vorstellung der Leib Eine Vorstellung ist, und das unendlich Mannichfaltige seiner Materiatur und Organisation zur E in fach h eit eines bestimmten Begriffes durchdrungen ist, so ist die Leiblichkeit und damit alles das, was als in ihre Sphäre gehöriges Außereinander fällt, in der empfindenden Seele zur Id e a litä t, der W ah rh eit der natürlichen Mannichfaltigkeit, reducirt. Die Seele ist an sich die Totalität der Natur, als individuelle Seele ist sie Monade, die gesetzte Totalität ihrer
1
und] O2: nnd
O3: und
gründet] O2: begründen
22-23
[die] M a n n ic h f a l t i g k e i t ]
O3: begründet
O3: die M a n n i c h f a l t i g k e i t
24
be-
304
ENCYCLOPÄDIE • PHILOSOPHIE DES GEISTES
380-381
beson d ern Welt, so daß diese in sie eingeschlossen, ihre Erfüllung ist, gegen die sie sich nur zu sich selbst verhält.
§. 404. Die Seele ist als in d iv id u elle, ausschließend überhaupt, den Unterschied in sich setzend. Das von ihr unterschieden werdende, ist noch nicht ein äußeres Object wie im Bewußtseyn, sondern es ist sie selbst als empfindende Totalität ihrem Fürsichseyn gegenüber. Die Seele ist in diesem Urtheile Subject, ihr Object ist ihre S u b stan z, welche zugleich ihr Prädicat ist. Diese Substanz ist nicht der Inhalt ihres Naturlebens, sondern als Inhalt der individuellen Seele, wie er in der Empfindung ist; da solche zugleich besondere ist, ist er ihre besondere Welt aber insofern diese auf implicite Weise in der Idealität des Subjects eingeschlossen ist. Diese Stufe des Geistes ist für sich die Stufe seiner | Dunkelheit, indem sich ihre Bestimmung nicht zu eigenthümlichem Inhalt entwickelt; sie ist in sofern überhaupt formell. Ein eigenthümliches Interesse erhält sie, in sofern sie als Form ist, und damit als Z ustan d erscheint (§. 380.), in welchem die schon weiter bestimmte Entwicklung der Seele zu Bewußtseyn und Verstand herab versinken kann. Die wahrhaftere Form des Geistes in einer untergeordnetem, abstractern existirend, enthält eine Unangemessenheit, welche die K ran k heit ist. Es sind in dieser Sphäre einmal die abstracten Gestaltungen der Seele für sich, das andremal dieselben auch darum als die Krankheitszustände des Geistes zu betrachten, weil diese ganz allein aus jenen zu verstehen sind.
«) DIE PASSIVE TO T A LITÄ T DER IN D I V ID U A L I T Ä T .
§. 405. oca) Die Individualität als Totalität zunächst ist zwar ein monadisches Individuum, aber als u n m ittelb ar noch nicht als Es selb st, nicht in sich reflectirt, und darum passiv. Somit ist seine selbstische Individualität ein anderes Individuum, das deren Subject ist, von dessen empfindender Selbstischkeit es als
14 eigenthümlichem] tere
O 3: weiter
O2: eigentüm lichen
23 a)]
O2O3: a.
vgl. O 3: bewußtem und verständigem
17 weiter] O2:
wei-
305
SUBJECTIVER GEIST
381-383
eine Substanz, welche nur unselbstständiges Prädicat ist, durchzittert und auf eine durchgängig widerstandslose Weise bestimmt wird; dies Subject kann so dessen G enius genannt werden. Es ist dies die Bestimmtheit des Kindes im Mutterleibe, - ein Verhältniß das weder blos leiblich, noch blos geistig, sondern psy ch isch ist, - ein Verhältniß der Seele. Es sind zwei Substanzen, und doch in noch ungetrennter Seeleneinheit; die eine ist noch kein Selbst, noch nicht undurchdringlich, noch ein widerstandloses; das andere ist dessen Selbst, das einzelne Selbst bei | der. - Die Mutter ist der Genius des Kindes, denn unter Genius pflegt man die selbstische Totalität des Geistes zu verstehen, in sofern sie für sich existire, und die subjective Substantialität eines Ändern, das nur äußerlich als Individuum gesetzt ist, ausmache; Letzteres hat nur ein formelles Fürsichseyn. Das Substantielle des Genius ist die ganze Totalität des Daseyns, Lebens, Charakters nicht als bloße Möglichkeit oder Fähigkeit oder Ansich, sondern als Wirksamkeit und Bethätigung, als concrete Subjectivität. Bleibt man bei dem Räumlichen und Materiellen stehen, nach welchem das Kind als Embryo in seinen besondern Häuten u.s.f. existirt, und sein Zusammenhang mit der Mutter durch den Nabelstrang, Mutterkuchen u.s.f. vermittelt ist, so kommt nur die äußerliche anatomische und physiologische Existenz in sinnlichen und reflectirenden Betracht; die wesentliche, das psychische Verhältniß wird übersehen, für welches alles jenes sinnliche und materielle Außereinander und Vermitteltseyn keine Wahrheit hat. Es sind bei diesem Zusammenhange nicht blos die in Verwunderung setzenden Bestimmungen, welche sich im Kinde durch heftige Gemüthsbewegungen, Verletzungen u.s.f. der Mutter fixiren, vor Augen zu haben, sondern das ganze psychische U rth eil der Substanz, in welches die weibliche Natur wie im Vegetativen die Monocotyledonen, in sich entzweibrechen kann, und worin das Kind so Krankheits- als die weitern Anlagen der Gestalt, Sinnesart, Charakters, Talents, Idiosynkrasien u.s.f. nicht m itg e th e ilt erhalten, sondern von Haus aus hat. Von diesem m agisch en Verhältniß kommen anderwärts im Kreise des bewußten, besonnenen Lebens sporadische Beispiele und Spuren, etwa zwischen Freunden, insbesondere nervenschwachen Freundinnen (- ein | Verhältniß, das sich zu den magnetischen Erscheinungen ausbilden kann), Eheleuten, Familiengliedern vor.
2
Subject] O 2: Subjeet
O3: Subject
sondern ein widerstandloses
8 noch
dasi] O2: der
ein widerstandloses] so C2
O 3 :
das
O2: widerstandloses
vgl. O 3:
306
ENCYCLOPÄDIE • PHILOSOPHIE DES GEISTES
383-384
§. 406. ßß) Diese passive Totalität als Form , Z u stan d des selbstbewußten, gebildeten, besonnenen Menschen ist Krankheit, in der das Individuum sich un verm itte lt zu dem concreten Inhalte seiner selbst [verhält], so zu sagen seiner als Genius bewußt ist; - anim alischer M agn etism u s und mit ihm verwandte Zustände. In dieser encyclopädischen Darstellung kann nicht geleistet werden, was für den Erweis der gegebenen Bestimmung des animalischen Magnetismus zu leisten wäre, daß nämlich die Erfahrungen entsprechend seyen. Hiefür müßten zuförderst die in sich so mannichfaltigen und von einander so sehr verschiedenen Erscheinungen unter ihre allgemeine Gesichtspunkte gebracht werden. Wenn das Facti sehe vor allem aus der Bewährung bedürftig scheinen könnte, so würde eine solche jedoch auch wieder darum überflüssig seyn, weil diejenigen, welche sich die Betrachtung dadurch höchst leicht machen, daß sie die Erzählungen, so unendlich zahlreich und so sehr sie durch die Bildung, Charakter u.s.f. der Zeugen beglaubigt sind, kurzweg für Täuschung und Betrug ausgeben, in ihrem ä priorischen Verstände so fest sind, daß nicht nur gegen denselben alle Beglaubigung nichts vermag, sondern daß sie auch schon das geleugnet haben, was sie mit Augen gesehen haben. Um auf diesem Felde selbst das, was man mit seinen Augen sieht, zu glauben, noch mehr es zu begreifen, dazu ist die Voraussetzung, nicht in den Verstandeskategorien befangen zu seyn. - Es sollen hier nur die Hauptmomente, auf welche es ankommt, angegeben werden. a) Zum concreten Seyn eines Individuums gehört die Gesammtheit der Verhältnisse, in denen es zu ändern Menschen und mit der Welt überhaupt steht. | Diese Totalität macht seine Wirklichkeit so aus, daß sie ihm im m an en t ist; und zwar nicht blos als die abstracte Concentration, welche dessen Charakter, Bildung u.s.f. heißt, sondern diese seine allgemeine Bestimmtheit als concret, identisch mit der lebendigen innern Subjectivität, wie auch mit seinen empirischen Particularitäten, - der G en ius, wie es vorhin genannt worden ist, aber nicht der wollende und denkende freie Geist. Die Gefühlsform, in deren Versinken das Individuum hier betrachtet wird, ist vielmehr das Aufgeben seiner Existenz als freier bei sich selbst seyender Geistigkeit. - Die nächste Folgerung hieraus in Beziehung auf den Inhalt ist, daß im Somnambulismus auch nur der Kreis der individuell bestimmten Welt, particulären Interessen und beschränkten Verhältnisse ins Bewußtseyn
2-3
gebildeten,] O2: gebildeten
O3: gebildeten,
4
selbst [verhält]] O3: selbst verhält
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SUBJECTIVER GEIST
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tritt. Wissenschaftliche Erkenntnisse oder philosophische Begriffe und allgemeine Wahrheiten erfordern einen ändern Boden, das zum freien Bewußtseyn aus der Dumpfheit des empfindenden Lebens entwickelte Denken; es ist thörigt, Offenbarungen über Ideen vom somnambulen Zustand zu erwarten. ß) Der Mensch von gesundem Sinne und Verstand weiß von dieser seiner Wirklichkeit, welche die concrete Erfüllung seiner Individualität ausmacht, auf selbstbewußte, verständige Weise; er weiß sie wach in der Form des Zusammenhangs seiner mit den Bestimmungen derselben als einer von ihm unterschiedenen äußern Welt, und er weiß von dieser als einer eben so verständig in sich zusammenhängenden Mannichfaltigkeit. In seinen subjectiven Vorstellungen, Planen hat er ebenso diesen verständigen Zusammenhang seiner Welt und deren V erm ittlu n g mit diesen in sich gleichfalls durchgängig vermittelten objectiven Existenzen vor Augen (vergl. §. 398. Anm.). - Dabei hat diese seine Welt, die außer ihm ist, ihre Fäden so in ihm, daß was er für sich selbst wirklich ist, aus denselben besteht; so daß er | auch in sich selbst so abstürbe, wie diese Aeußerlichkeiten verschwinden, wenn er nicht ausdrücklicher in sich durch subjective Vernunft und Charakter selbstständig und unabhängig ist. In diesem Falle ist er der Form des Zustandes, von dem hier die Rede, weniger fähig. - Für die Erscheinung jener Identität kann an die Wirkung erinnert werden, die der Tod von geliebten Verwandten, Freunden u.s.f. auf Hinterbliebene haben kann, daß mit dem einen das andere stirbt oder ab stirbt, - Heimweh u. dergl. y) Die Einhüllung des Bewußtseyns in den Schlaf, seines Verhältnisses zu seiner Erfüllung als zu seiner Außenwelt (im magnetischen Schlafe, Katalepsie, ändern Krankheiten, z. B. der weiblichen Entwicklung, Nähe des Todes u.s.f.) bleibt jene im m anente W irk lich k eit des Individuums, dieselbe substantielle Totalität als ein G efühlsleben, das in sich sehend, wissend ist. Indem es das entwickelte, erwachsene, gebildete Bewußtseyn ist, welches in jenen Zustand des Fühlens herabgesetzt ist, behält es mit seinem Inhalte das Formelle seines Fürsichseyns, ein form elles Anschauen und Wissen, das nicht bis zum Urtheil fortgeht, wodurch sein Inhalt als äußere Objectivität für dasselbe ist, wenn es gesund und wach ist. So ist das Individuum die seine Wirklichkeit in sich wissende Monade, das Selbstbewußtseyn des Genius. In diesem Wissen ist daher das Charakteristische, daß derselbe Inhalt, der als verständige Wirklichkeit objectiv für das gesunde Bewußtseyn ist, und um welchen zu wissen es als besonnen der verständigen V e rm itt-
8
Bestimmungen] O2: Bestimmungen
ihre Fäden] so C2
O 2 : ihren Faden
O3: Bestimmungen
O 3 : ihre Fäden
23
13
§.
398.]
O2: §.
Schlaf,] O 2 : Schlaf
389.
O3: §.
398.
14
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ENCYCLOPÄDIE • PHILOSOPHIE DES GEISTES
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lu n g in ihrer ganzen realen Ausbreitung bedarf, in dieser Immanenz unm itte lb a r von ihm gewußt, an gesch au t wird. Dies Anschauen ist in sofern ein H ellsehen, als es Wissen in der ungetrennten Substantialität des Genius ist, und sich im W esen des Zusammenhangs befindet, und daher nicht an die Reihen der vermittelnden, einander | äußerlichen Bedingungen gebunden ist, die das besonnene Bewußtseyn zu durchlaufen hat und in Ansehung deren es nach seiner eigenen äußerlichen Einzelnheit beschränkt ist. Dies Hellsehen ist aber zugleich auch dunkler als das besonnene Bewußtseyn, weil in seiner Trübheit der Inhalt nicht als verständiger Zusammenhang ausgelegt, und es daher aller Zufälligkeit des Fühlens, Einbildens u.s.f. preisgegeben ist. Es ist darum nicht auszumachen, ob dessen, was die Hellsehenden richtig schauen, Mehr ist, oder dessen, in dem sie sich täuschen. - Abgeschmackt aber ist e$, das Schauen dieses Zustandes für eine Erhebung des Geistes und für einen wahrhaftem, in sich allgemeiner Erkenntnisse fähigen Zustand zu halten.*) 8) Indem in diesem Zustande die Unterscheidung des Selbstbewußtseyns von dem Inhalte des Individuums | als o b je ctiv e m eingehüllt ist, und die Persönlichkeit des Verstandes und Willens mangelt, so ist dies ebenso ein Z u stan d der P assiv ität, wie der des Kindes im Mutterleibe; das kranke Subject kommt daher und steht unter der Macht eines Ändern, des Magnetiseurs, und so sehr daß in diesem psychischen Zusammenhange beider das selbstlose, nicht als persönlich wirkliche Individuum zu seinem subjectiven Bewußtseyn das Bewußtseyn jenes besonnenen Individuums hat, daß dies Andere dessen gegenwärtige, formelle Seele, dessen Genius ist, der es auch
* ) P la to hat das Verhältniß der P ro p h e z e iu n g überhaupt zum Wissen des besonnenen Bewußtseyns besser erkannt, als viele Moderne, welche an den platonischen Vorstellungen vom E n th u sia sm u s leicht eine Autorität für ihren Glauben an die Hoheit der Offenbarungen des somnambulen Schauens zu haben meynten. P la to sagt im Timäus (Steph. III. p. 71.f.), damit auch der u n v e rn ü n ftig e Theil der Seele einigermaßen der Wahrheit theilhaftig werde, habe Gott die L e b e r geschaffen und ihr die M a n te ia , - das Vermögen Gesichte zu haben, gegeben. Daß Gott der menschlichen Unvernunft dies Weissagen gegeben, davon ist dies ein hinreichender Beweis, daß kein besonnener Mensch eines göttlichen und wahrhaften Gesichtes theilhaftig wird, sondern es sey, daß im Schlafe der Verstand gefesselt oder durch K r a n k h e i t oder einen Enthusiasmus außer sich gebracht ist. Richtig ist schon vor Alters gesagt worden, »zu thun und zu kennen das Seinige und Sich selbst, steht nur dem Besonnenen zu.« P l a t o bemerkt sehr richtig, sowohl das Leibliche solches Schauens und Wissens als die M öglichkeit der Wahrheit der Gesichte, und das Untergeordnete derselben unter das vernünftige Bewußtseyn. |
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SUBJECTIVER GEIST
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mit Inhalt erfüllen kann. Daß der Somnambule Geschmäcke, Gerüche, die in dem, mit welchem er in Rapport ist, vorhanden sind, in sich selbst empfindet, daß er noch mehr von dessen sonstigen gegenwärtigen Anschauungen und innern Vorstellungen aber als den seinigen weiß, zeigt diese su b stan tielle Id e n titä t, in welcher die Seele, als die auch als concrete wahrhaft immateriell ist, zu seyn fähig ist. In dieser substantiellen Identität ist auch die Subjectivität des Bewußtseyns nur Eine, und die Individualität des Kranken zwar ein Fürsichseyn, aber ein leeres und sich nicht präsentes, wirkliches; dies formelle Selbst hat daher seine Erfüllungen an den Empfindungen, Vorstellungen des Ändern, sieht, riecht, schmeckt, liest, hört auch im Ändern. Die nähere Modification, daß dem Somnambulen dagegen wieder das Sprechen dessen, mit dem er im Rapport ist, äuß erlich ist, und dasselbe hört, wie auch anderer - aber nur derselben, die mit eben diesem Ändern in Rapport gesetzt sind, - übergehe ich. - Aber zu bemerken ist noch, daß der Somnambule auf diese Weise in ein Verhältniß zu zwei Genien und einem zweifachen Inhalt zu stehen kommt, zu seinem eigenen und zu dem des Magnetiseurs. Welche Empfindungen oder Gesichte dieses formelle Vernehmen nun aus seinem eigenen Innern oder aus dem Vorstellen dessen, mit dem es in Rapport steht, erhält, anschaut | und zum Wissen bringt, ist unbestimmt. Diese Unsicherheit kann die Quelle von vielen Täuschungen seyn, begründet unter anderem auch die notwendige Verschiedenheit der Ansichten der Somnambulen über Krankheitszustände und deren Heilungsweisen. s) Wie in dieser fühlenden Substantialität der Gegensatz zum äußerlich Objectiven verschwindet, so ist innerhalb seiner selbst das Subject fähig, diese Einigkeit und das Verschwinden der Particularitäten des Fühlens zu zeigen, so daß, indem die Thätigkeit der Sinnesorgane eingeschlafen ist, ein Gemeingefühl sich zu den besondern Functionen bestimmt und mit den Fingern - insbesondere der Herzgrube, Magen - gesehen, gehört u.s.f. wird. B e g re ife n heißt für die verständige Reflexion, die Reihe der V e rm ittlu n gen zwischen einer Erscheinung und anderem Daseyn, mit welchem sie zusammenhängt, erkennen. Das Gefühlsleben, auch wenn es noch das nur formelle Wissen, wie in den erwähnten Krankheitszuständen, beibehält, ist gerade diese Form der U n m itte lb ark e it, in welcher die Unterschiede vom Subjectiven und Objectiven, verständiger Persönlichkeit gegen eine äußerliche Welt, nicht vorhanden sind. Das Begreifen dieses verhältnißlosen und doch vollkommen erfüllten Zusammenhangs macht sich selbst unmög-
13 anderer] so C 2
O 2: deren
hängt] O2: znsammenhängt
1 5 - 1 6 zweifachen] O 2: zweisachen O3: zusammenhängt
03.’ zweifachem
3 1 zusammen-
ENCYCLOPÄDIE • PHILOSOPHIE DES GEISTES
310
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lieh durch die Voraussetzung selbstständiger Persönlichkeiten gegen einander und gegen den Inhalt als eine objective Welt, und die Voraussetzung der Absolutheit des räumlichen und materiellen Auseinanderseyns überhaupt.
ß) S E L B S T G E F Ü H L .
§. 407. Die empfindende Totalität ist als Individualität wesentlich dies, sich in sich selbst zu unterscheiden, und zum U rth eil in sich zu erwachen, nach welchem sie b e s o n |d e r e Empfindungen hat und als S u b je ct in Beziehung auf ihre Bestimmungen ist. a) Das Subject als solches setzt die Bestimmtheiten der Empfindungen (- sie bestimmen sich nachher weiter als äußerliche, oder als Resultate und Befriedigungen eines innerlich Bestimmten, eines Triebes -) als seine Gefühle in sich. Es ist in die B eso n derh eit der Empfindungen versenkt, und zugleich schließt es durch die Idealität des Besondern sich mit sich, als subjectivem Eins zusammen. Es ist auf diese Weise S e lb stg e fü h l - und ist dies zugleich nur im b eson d ern G efühl - psychisches bestimmtes S u b je ct mit noch ungeschiedener Geistigkeit und Leiblichkeit.
§. 408. ß) Die K ran k h eit des Subjects in dieser Bestimmung ist, daß es gegen sein verständiges Bewußtseyn im Selbstgefühle und damit in der B eso n derh eit einer Empfindung beharren bleibt, welche es nicht zur Idealität zu verarbeiten und zu überwinden vermag. Was im vorherigen §. als abstractes Selb stgefü h l bestimmt ist, ist im concreten Menschen (wie §. 406.) das erfüllte Selbst seines verständigen Bewußtseyns, - das Subject als in sich consequentes, nach seiner individuellen Stellung und dem Zusammenhange mit der äußern, ebenso innerhalb ihrer geordneten Welt sich ordnendes und haltendes Bewußtseyn. In einer besondern Bestimmtheit befangen bleibend, weist es solchem Inhalte nicht die verständige Stelle und die Unterordnung an, die ihm in dem individuellen Weltsysteme, welches ein Subject ist, zugehört. Das Subject befindet sich auf diese Weise
9
O 3 : hat
13
die] so C2
O3: individuellen
29
welches] so C2
hat] O 2 : ist
len
O2 •* der
vgl. O 3 : diese
O2 ‘ welche
24-25
O 3: welches
individuellen] O 2: invividuel-
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SUBJECTIVER GEIST
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im Widerspruche seiner in seinem Bewußtseyn systematisirten Totalität, und der besondern in derselben nicht flüssigen und nicht ein- und untergeordneten Bestimmtheit - die V errü ck th eit. Bei der Betrachtung der Verrücktheit ist das ausgebildete, verständige Bewußtseyn zu anticipiren, welches | Subject zugleich n atü rlich es Selbst des Se lb stg e fü h ls ist. In dieser Bestimmung ist es fähig, in den Widerspruch seiner für sich freien Subjectivität und einer Besonderheit, welche darin nicht ideell wird, und im Selbstgefühle bleibt, zu verfallen. Der Geist ist frei, und darum für sich dieser Krankheit nicht fähig. Er ist von früherer Metaphysik als Seele, als D in g betrachtet worden, und nur als Ding, d. i. als N a tü rlich e s und Seyendes ist er der Verrücktheit, der sich in ihm festhaltenden Endlichkeit, fähig. Deswegen ist sie eine Krankheit des Psychischen, ungetrennt des Leiblichen und Geistigen; der Anfang kann mehr von der einen oder der ändern Seite auszugehen scheinen und ebenso die Heilung. Als gesund und besonnen hat das Subject das präsente Bewußtseyn der geordneten Totalität seiner individuellen Welt, in deren System es jeden vorkommenden besondern Inhalt der Empfindung, Vorstellung, Begierde, Neigung u.s.f. su b su m irt, und an die verständige Stelle desselben einordnet, es ist der herrschende G enius über diese Besonderheiten. Es ist der Unterschied wie beim Wachen und Träumen, aber hier fällt der Traum innerhalb des Wachens selbst, so daß er dem wirklichen Selbstgefühl angehört. Irrthum und dergl. ist ein in jenen objectiven Zusammenhang consequent aufgenommener Inhalt. Es ist aber im Concreten oft schwer zu sagen, wo er anfängt Wahnsinn zu werden. Er wird dies überhaupt durch den Widerspruch gegen die Totalität der Vermittlungen, welche das concrete Bewußtseyn ist. So ist der Irrthum ein im Bewußtseyn u n m ittelb ar bleibendes, ein Sey en des, und der Geist als nur seyend bestimmt, ist theils noch abstract, theils aber in sofern ein solches Seyn unaufgelöst in seinem Bewußtseyn ist, so ist er krank. - Der Inhalt, der in dieser seiner Natürlichkeit frei wird, sind die selbstsüchtigen Bestim | mungen des Herzens, Eitelkeit, Stolz und die ändern Leidenschaften, und Einbildungen, Hoffnungen, Liebe und Haß des Subjects. Dieses Irdische wird frei, indem die Macht der Besonnenheit und des Allgemeinen, der theoretischen, oder moralischen Grundsätze über das Natürliche nachläßt, welche dasselbe sonst unterworfen und versteckt hält; denn vorhanden ist es in dem Herzen, weil dieses als unmittel-
36 hält;] C 2 : halten,
vgl. O 3 ; von welcher ... gehalten wird;
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ENCYCLOPÄDIE • PHILOSOPHIE DES GEISTES
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bar natürlich und selbstisch ist. Es ist der böse Genius des Menschen, der in der Verrücktheit herrschend wird, zugleich im Gegensätze und im Widerspruche gegen das Bessere und Verständige, das im Menschen zugleich ist, so daß dieser Zustand Zerrüttung und Unglück des Geistes in ihm selbst ist. Weswegen auch die wahrhafte psychische Behandlung den Gesichtspunkt festhält, daß die Verrücktheit nicht abstracter V erlu st der Vernunft, sowohl nach der Seite der Intelligenz als des Willens und seiner Zurechnungsfähigkeit, sondern nur Verrücktheit ist, die Behandlung daher den Kranken als Vernünftiges voraussetzt und hieran den festen Halt hat, an dem sie ihn nach dieser Seite erfassen kann, wie nach der Leiblichkeit an der Lebendigkeit, welche als solche noch Gesundheit in sich enthält.
y ) D IE G E W O H N H E IT .
§. 409. Das Selbstgefühl als solches ist formell, und setzt die Bestimmungen der Empfindung überhaupt zwar in seine Subjectivität, allein in deren abstracter Einzelnheit nur so, daß sie darin zufällig überhaupt und vorübergehend wären. Das Selbst aber ist als einfache Beziehung der Idealität auf sich formelle Allgemeinheit. An der in ihm gesetzten besondern Empfindung wird deren U n m itte lb a rk e it, d. i. die Leiblichkeit der Seele aufgehoben und erhält die Form der Allgemeinheit. Diese ist aber in Beziehung auf die natürliche Einzelnheit nur Reflexions-1 Allgemeinheit (§. 175.), und die Einbildung der Empfindungen nach dieser ihrer Leiblichkeit (das Selbst ist schon an sich die G attu n g derselben) erscheint daher als eine W ied erh o lu n g , wodurch das Selbst sich dieselbe zu eigen macht. Das Selbstgefühl hebt eben darin sein formelles, subjectives Fürsichseyn auf, erfüllt sich und macht sich an ihm selbst zum Objectiven, so daß dieses in sich bestimmte Seyn der Seele ebenso schlechthin ideelles, das ih rig e ist. So ist das Selbst allgemeine durchdringende Seele in ihrem Empfinden und in ihrem Leibe für sich, Subject in demselben als dem Prädicate - G ew ohnheit.
§. 410. In sofern auf den anticipirten Unterschied Bedacht genommen wird, daß die B e stim m th e it, der Inhalt der Empfindung von Außen kommt, oder aber im Willen, Trieb - im Innern ihren Ursprung hat, so ist nach jener Seite, die Objectivität der Seele Gewohnheit überhaupt, auch Abhärtung, so daß das Be-
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SUBJECTIVER GEIST
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wußtseyn, ob es wohl diese Empfindung hat, von ihr und ihrer Leiblichkeit gar nicht oder nicht ausschließend beschäftigt wird, weil es nicht mehr im Unterschiede gegen sie, sondern das Empfinden zu einem Seyn der Seele, zur Unmittelbarkeit herabgesetzt ist. - Ist die Gewohnheit von innerer Bestimmung ausgegangen, so gehört die G esch ick lich k eit hieher, die Einbildung der Vorstellungsbestimmungen in die Leiblichkeit, so daß diese keine Eigenthümlichkeit mehr für sich hat, sondern jenen vollkommen durchgängig ist, - als ein unterworfenes ideelles Seyn nur ist, wie umgekehrt die Vorstellungen unmittelbares, leibliches Daseyn haben, - wie sie als Vorstellungen in mir vorhanden, unmittelbar auch auf äußerliche Weise vollbracht sind. Die Gewohnheit ist mit Recht eine zweite Natur genannt worden, - N a tur, denn sie ist ein unmit|telbares Seyn - eine Z w e ite , denn sie ist eine von der Seele gesetzte Unmittelbarkeit, eine Ein- und Durchbildung der Leiblichkeit für die Vorstellungs-Willens-Bestimmtheiten. Der Mensch ist darum in der Gewohnheit in der Weise von Natur-Existenz und unfrei, aber in sofern frei, als die Naturbestimmtheit der Empfindung durch die Gewohnheit zu seinem Seyn herabgesetzt, er nicht mehr in Differenz und damit nicht mehr in Abhängigkeit gegen dieselbe ist. Die Unfreiheit ist aber theils nur fo rm ell, theils nur re la tiv , und findet eigentlich nur Statt bei üb ein Gewohnheiten, oder in sofern einer Gewohnheit überhaupt ein anderer Zweck entgegengesetzt ist. Die wesentliche Bestimmung ist die B e fre iu n g , die der Mensch von den Empfindungen, indem er von ihnen afficirt ist, durch die Gewohnheit gewinnt. Die A b h ärtu n g gegen äußerliche Empfindungen (Frost, Hitze, Müdigkeit der Glieder u.s.f., Wohlgeschmack u.s.f.), so wie die Abhärtung des Gemüths gegen Unglück ist eine Stärke, daß, indem der Frost u.s.f. das Unglück von dem Menschen allerdings empfunden wird, solche Affection zu einer Aeußerlichkeit und Unmittelbarkeit (- es ist) herabgesetzt, und sein Bewußtseyn, Reflexion, sonstiger Zweck und Thätigkeit nicht mehr damit verwickelt ist. Die Triebe werden durch die G ew oh n h eit der Empfindung ihrer Befriedigung abgestumpft; dies ist die vernünftige Befreiung von denselben, (- die mönchische Entsagung und Gewaltsamkeit befreit nicht von ihnen) - es versteht sich dabei, daß die Triebe, nach ihrer Natur als endliche Bestimmtheiten gehalten, und sie wie ihre Befriedigung als Momente in der Vernünftigkeit des Willens untergeordnet sind. - In den Geschicklichkeiten ist die Leiblichkeit, welche in der u n m ittelb aren Einheit der Seele natürliches M ittel (vgl. §. 208.) des Wil-
1 Empfindung] O 2 : Empsindung der] O 2 : de r
12 unmit | telbares] O 2 : unmit-/ mittelbares
O3: unmittelbares
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ENCYCLOPÄDIE • PHILOSOPHIE DES GEISTES
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393-395
lens und seines Vorstellens | ist, so zum Instrumente gemacht, daß, wie die Vorstellung (z. B. eine Reihe von Noten), in mir ist, auch widerstandslos und flüssig, der Körper sie richtig geäußert hat. Die Form der Gewohnheit umfaßt alle Arten und Stufen der Thätigkeit des Geistes; die äußerlichste, die räumliche Bestimmung des Individuums, daß es au frech t steht, ist durch seinen Willen zur Gewohnheit gemacht, eine u n m ittelb are , bew ußtlose Stellung, die aber immer Sache seines fortdauernden Willens bleibt; der Mensch steht nur, weil und sofern er will, und nur solang als er [es] bewußtlos will. Ebenso Sehen und so fort ist die concrete Gewohnheit, welche u n m ittelb ar die vielen Bestimmungen der Empfindung, des Bewußtseyns, der Anschauung, des Verstandes u.s.f. in Einem einfachen Act vereint. Das ganz freie, in dem reinen Elemente seiner selbst thätige D enken bedarf ebenfalls der Gewohnheit und Geläufigkeit, dieser Form der U n m ittelb ark eit, wodurch es ungehindertes, durchgedrungenes Eigenthum meines einzelnen Selb sts ist. Erst durch diese Gewohnheit e x istire Ich als denkendes für mich. Selbst diese Unmittelbarkeit des denkenden Bei-sich-seyns enthält Leiblichkeit (Ungewohntheit und lange Fortsetzung des Denkens macht Kopfweh), die Gewohnheit vermindert diese Empfindung, indem sie die natürliche Bestimmung zu einer Unmittelbarkeit der Seele macht. - Die entwickelte und im Geistigen als solchem bethätigte Gewohnheit aber ist die E rin n eru n g und das G edächtniß, und weiter unten zu betrachten. Von der Gewohnheit insbesondere pflegt herabsetzend gesprochen und sie als ein Unlebendiges, Zufälliges und Particuläres genommen zu werden. In der That ist der Gewohnheit als Form ganz zufälliger Inhalt fähig, und es ist die Gewohnheit des Lebens, welche | den Tod herbeiführt, oder, wenn ganz abstract, der Tod selbst ist. Aber zugleich ist sie der E xisten z aller Geistigkeit im individuellen Subjecte das Wesentlichste, damit dieses con crete Unmittelbarkeit, seelische Idealität sey, damit der Inhalt, religiöser, moralischer u.s.f. ihm als diesem S e lb st, ihm als dieser Seele ang e h ö re , weder in ihm blos an sich (als Anlage), noch als vorübergehende Empfindung oder Vorstellung, sondern in seinem freien, allgemeinen Seyn sey. - In gewöhnlicher Betrachtung der Seele und des Geistes pflegt die Gewohnheit etwa als etwas Verächtliches übergangen zu werden, oder vielmehr auch, weil sie zu den schwersten Bestimmungen gehört.
7 Stellung] so C 2 bewußtlos
O 2 : Stellung ist
O 3 : Stellung
8 nur] O 2 : nnr
O 3 : nur
9 [es] bewußtlos] O 3 es
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SUBJECTIVER GEIST
395-396
C. D
ie
w ir k l ic h e
Se
e l e
.
§. 4 1 1 .
Die Seele ist in ihrer durchgebildeten und sich zu eigen gemachten Leiblichkeit als einzelnes Subject für sich, und diese die A eu ß erlich k eit als Prädicat, in welchem als unselbstständigem das Subject sich nur auf sich bezieht. Diese Aeußerlichkeit stellt so nicht sich vor, sondern die Seele, und ist deren Z eichen. Die Seele ist als diese Identität des Innern und Aeußern w irk lich , und hat an ihrer Leiblichkeit ihre freie Gestalt, in der sie sich fühlt und sich zu fühlen gibt, und damit m ensch lich en, pathognomisehen und physiognomischen Ausdruck hat. Zum ersten gehört z. B. die aufrechte Gestalt überhaupt, die Bildung insbesondere der Hand, als des absoluten Werkzeugs, des Mundes, Lachen, Weinen u.s.w. und der über das Ganze ausgegossene geistige Ton, welcher den Körper unmittelbar als Aeußerlichkeit | einer höhern Natur kund gibt. Dieser Ton ist eine so leichte, unbestimmte und unsagbare Modification, weil der Geist identisch mit seiner Aeußerlichkeit Allgemeines für sich und darum eben so frei darin ist, dieses aber zugleich die Unvollkommenheit hat, ein unmittelbares und natürliches zu seyn, und darum Z eich en ist, den Geist hiemit zwar, aber zugleich als ein Aeußerliches, nicht wie er für sich selbst als allgem ein es ist, vorstellt. Für das Thier ist daher die menschliche Gestalt das Höchste, wie der Geist demselben erscheint. Oder für den Geist ist sie die erste Erscheinung desselben, weil sie seine erste, noch in der Sphäre der Unmittelbarkeit versenkte Wirklichkeit ist. —Der Geist ist also in diesem seinem Zeichen schlechthin endlicher und einzelner; es ist zwar seine Existenz, aber sie ist zugleich in ihrer physiognomischen und pathognomischen Bestimmtheit Z u fä llig e s für ihn, und die Physiognomik, vollends aber die Cranioskopie zu W issenschaften erheben zu wollen, ist einer der leersten Einfälle, die es geben konnte, noch leerer als eine signatura rerum, wenn aus der Gestalt der Pflanzen ihre Heilkraft erkannt werden sollte.
§• 412. An sich hat die Materie keine Wahrheit im Geiste als der allgemeinen Seele; die Leiblichkeit, welche zwar seiner Individualität angehört, aber dieselbe zunächst in der Form der Unmittelbarkeit ist, kann ebenso seinem Einbilden in sie keinen Widerstand leisten. Durch die Einbildung des Seyns in sich hat der Geist, da er es sich entgegengesetzt, es aufgehoben und als das seinige bestimmt hat, die
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ENCYCLOPÄDIE • PHILOSOPHIE DES GEISTES
396-399
Bedeutung der Seele, seiner U n m itte lb ark e it, verloren. Die wirkliche Seele, in der G ew oh n h eit des Empfindens und ihres co n creten Selbstgefühls, ist gesetzt als die für sich seyende | Id ealität ihrer Bestimmtheiten, in ihrer Aeußerlichkeit erin n ert in sich und unendliche Beziehung auf sich. Dies Fürsichseyn ihrer freien Allgemeinheit ist das höhere Erwachen des noch an sich seyenden Geistes zum Ich, welches so D enkendes und S u b je ct für sich und zwar bestimmt seines Urtheils ist, in welchem es die Totalität seiner Bestimmungen als ein Object, eine ihm äußere Welt von sich ausschließt, sich darauf bezieht, aber so daß es in derselben unmittelbar in sich reflectirt ist, - das Bew uß tseyn. |
B. D IE P H Ä N O M E N O L O G IE D E S G E IS T E S . D
a s
B
e w u s s t s e y n
.
§. 413. Das B ew u ß tsey n macht die Stufe der Reflexion oder des V erhältnisses des Geistes, seiner als E rscheinung, aus. Ich ist die unendliche Beziehung des Geistes auf sich, aber als su b jectiv e, als G ew ißheit seiner selbst. Die reine abstracte Freiheit für sich entläßt die Bestimmtheit als eben so frei, als selbstständiges O b je ct, aus sich. Aber Ich als diese absolute Negativität ist die Identität in dem Andersseyn; Ich ist es selbst und greift über das Object als ein an sich aufgehobenes über, ist Eine Seite des Verhältnisses und das ganze Verhältniß; das L ic h t, das sich und noch Anderes manifestirt.
§. 414. Die Identität des Geistes mit sich, wie sie zunächst als Ich gesetzt ist, ist nur seine abstracte, formelle Idealität. Als Seele in der Form su b stan tielle r Allgemeinheit ist er als die subjective Reflexion-in-sich, darauf als auf das Negative seiner, ihm Jenseitiges und Dunkles bezogen. Das Bewußtseyn ist daher, wie das Verhältniß überhaupt, der W iderspruch der Selbstständigkeit der Seiten, und ihrer Identität, in welcher sie aufgehoben sind. Der Geist ist als Ich W esen, aber | indem die Realität in der Sphäre des Wesens das Verhältniß ist, ist er als das Bewußtseyn nur das Erscheinen des Geistes.
399-400
SUBJECTIVER GEIST
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§. 415. Da Ich für sich nur als formelle Identität ist, so ist die d ialek tisch e Bewegung des Bewußtseyns ihm nicht als seine Thätigkeit, sondern sie ist an sich, d. i. für dasselbe Veränderung des Objects. Das Bewußtseyn erscheint daher verschieden nach der Verschiedenheit des gegebenen Gegenstandes, und seine Fortbildung als eine Veränderung der Bestimmungen seines Objects. Die Kantische Philosophie kann am bestimmtesten so betrachtet werden, daß sie den Geist als Bewußtseyn aufgefaßt hat, und ganz nur Bestimmungen der Phänomenologie, nicht der Philosophie desselben, enthält. Sie betrachtet Ich als Beziehung auf ein Jenseitsliegendes, in seiner abstracten Bestimmung, das Ding-an-sich, so sowohl die Intelligenz als den Willen, und wenn sie im Begriffe der reflectirenden Urtheilskraft zwar auf die Idee des Geistes, die Subject-Objectivität, einen anschauen den V erstan d u.s.f., wie auch auf die Idee der Natur, zu sprechen kommt, so wird diese Idee selbst wieder zu einer Erscheinung, nämlich einer subjectiven Maxime, herabgesetzt (s. §. 58. Einl.). Es ist daher für einen richtigen Sinn dieser Philosophie anzusehen, daß sie von R einhold als eine Theorie des B e w u ß tseyns, unter dem Namen V o rste llu n g sv e rm ö g e n , aufgefaßt worden. Die Fichtesche Philosophie hat denselben Standpunkt, und Nicht-Ich ist nur als G egen stan d des Ich, nur im B ew u ß tseyn bestimmt; es bleibt als unendlicher Anstoß, d.i. als D in g-an -sich . Beide Philosophien zeigen daher, daß sie nicht zum B e g riffe oder zum G eiste, wie er an und für sich ist, sondern nur, wie er in Beziehung auf ein Anderes ist, gekommen sind. | In Beziehung auf Sp in ozism us ist dagegen zu bemerken, daß der Geist in dem Urtheile, wodurch er sich als Ich, als freie Subjectivität gegen die Bestimmtheit constituirt, aus der Substanz, und die Philosophie, indem ihr dies Urtheil absolute Bestimmung des Geistes ist, aus dem Spinozismus heraustritt. §. 416. Das Ziel des Geistes als Bewußtseyns ist diese seine Erscheinung mit seinem Wesen identisch zu machen, die Gew ißheit seiner selb st zur W ah rh eit zu erheben. Die E x iste n z, die er im Bewußtseyn hat, hat darin ihre Endlichkeit, daß sie die formelle ist; weil das Object nur abstract als das S e in ig e bestimmt oder er in demselben nur in sich als abstractes Ich reflectirt ist, so hat diese Existenz noch einen Inhalt, der nicht als der seinige ist.
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ENCYCLOPÄDIE • PHILOSOPHIE DES GEISTES
400-401
§• 417. Die Stufen dieser Erhebung der Gewißheit zur Wahrheit sind, daß er a) B ew uß tseyn überhaupt ist, welches einen Gegenstand als solchen hat, b) Selb stbew uß tseyn , für welches Ich der Gegenstand ist, c) Einheit des Bewußtseyns und Selbstbewußtseyns, daß der Geist den Inhalt des Gegenstandes als sich selbst
5
und sich selbst als an und für sich bestimmt anschaut; - V ern u n ft, der B e g r i f f des G eistes.
a. D
a s
B
e w u s s t s e y n
,
a l s
s o l c h e s
.
§. 418.
io
Das Bewußtseyn ist 1) zunächst das u n m ittelb are, seine Beziehung auf den Gegenstand daher die einfache unvermittelte Gewißheit desselben; der Gegenstand selbst ist daher ebenso als unmittelbarer, als seyender | und in sich reflectirter, weiter als unmittelbar Einzelner bestimmt; - sin n lich es Bewußtseyn. Das Bewußtseyn als Verhältniß enthält nur die dem abstracten Ich oder 15 formellen Denken angehörigen Kategorien, die ihm Bestimmungen des Objects sind. Es weiß daher nur von diesem als einem Seyen den, E tw as, ex istire n d e n D in ge, Einzelnem . Das sinnliche Bewußtseyn als das reichste an Inhalt erscheinend ist das ärmste an Gedanken. Jene reiche Erfüllung machen die Empfindungsbestimmungen aus. Die räumliche und zeitliche Einzelnheit, H ier und Je tz t, wie ich in der P h än om en olo gie des G eistes S. 25.ff den Gegenstand des sinnlichen Bewußtseyns bestimmt habe, gehört eigentlich dem Anschauen an. Das Object ist hier zunächst nur nach dem Verhältnisse zu nehmen, welches es zu dem Bew uß tseyn hat, nämlich ein demselben A eußerliches, noch nicht für sich Aeußerliches oder selbst ein Außersichseyn zu seyn.
§. 419. Das Sin n lich e als Etwas wird ein A n d eres; die Reflexion des Etw as in sich, das D in g , hat viele Eigenschaften, und das Einzelne in seiner Unmittel-
24 es] O2: er
O3: es
20
25
401-402
SUBJECTIVER GEIST
319
barkeit m an n ich faltige Prädicate. Das viele E inzelne der Sinnlichkeit wird daher ein B re ite s, - eine Mannichfaltigkeit von B e z ie h u n g en , R efle x io n sb estim m u n g e n , und A llgem ein heiten . - Dies sind logische Bestimmungen, durch das Denkende, d. i. hier durch das Ich gesetzt. Aber für d asselbe als erscheinend hat der Gegenstand sich so verändert. Das sinnliche Bewußtseyn ist in dieser Bestimmung zum W ahrnehm en geworden.
§. 420. 2) Das Bewußtseyn, das über die Sinnlichkeit hinausgegangen, will den Gegenstand in seiner W ahrheit | nehm en, nicht als blos unmittelbaren, sondern in sich vermittelten und in sich reflectirten. Er ist somit eine Verbindung von sinnlichen und von Gedankenbestimmungen und das Bewußtseyn in seinem sinnlichen Verhalten hier zugleich thätige Reflexion-in-sich. Damit ist seine Identität mit dem Gegenstand nicht mehr die abstracte der G ew ißheit, sondern die b estim m te, ein W issen. Die nähere Stufe des Bewußtseyns, auf welcher die K an tisch e P h ilo sophie den Geist auffaßt, ist das W ahrnehm en, welches überhaupt der Standpunkt unsers gew öhnlichen Bew uß tseyns und mehr oder weniger der W issen sch aften ist. Es wird von sinnlichen Gewißheiten einzelner Apperceptionen oder Beobachtungen ausgegangen, die dadurch zur Wahrheit erhoben werden sollen, daß sie in ihrer Beziehung betrachtet, über sie reflectirt, überhaupt daß sie nach Verstandesbestimmungen zugleich zu etwas Allgemeinem, zu E rfah run gen werden.
§. 421. Diese Verknüpfung des Einzelnen und Allgemeinen ist Vermischung, weil das Einzelne zum G runde liegendes Seyn und fest gegen das Allgemeine bleibt, auf welches es zugleich bezogen ist. Sie ist daher der vielseitige Widerspruch, - überhaupt der einzelnen Dinge der sinnlichen Apperception, die den G run d der allgemeinen Erfahrung ausmachen sollen, und der A llg em ein h e it, die vielmehr das Wesen und der Grund seyn soll, - und denn der E in zeln h eit der D in ge selbst, welche deren Se lb ststän d ig k e it ausmacht, und der mannichfaltigen E igen sch aften , die vielmehr frei von diesem negativen Bande und von einander, selbstständige allgem ein e M aterien sind, u.s.f. (s. §.123.ff. die Erscheinung). |
320
ENCYCLOPÄDIE • PHILOSOPHIE DES GEISTES
403-404
§• 422. Die nächste W ahrheit des Wahrnehmens ist, daß der Gegenstand vielmehr E rsch ein u n g und seine Reflexion-in-sich ein dagegen für sich seyendes Inneres ist. Das Bewußtseyn dieses Gegenstandes ist 3) der V erstand. - Jenes Innere ist einerseits die aufgeh obene M an n ich faltig k e it des Sinnlichen, und auf diese Weise die abstracte Identität, aber andererseits enthält es deswegen sie auch, aber als innern einfachen U n tersch ied , welcher in dem Wechsel der Erscheinung mit sich identisch bleibt. Dieser einfache Unterschied ist das Reich der G esetze der Erscheinung, ihr ruhiges allgemeines Abbild.
§. 423. Das Gesetz zunächst das Verhältniß allgemeiner, bleibender Bestimmungen, hat, in sofern sein Unterschied der innere ist, seine Nothwendigkeit an ihm selbst; die eine der Bestimmungen, als nicht äußerlich von der ändern unterschieden, liegt unmittelbar selbst in der ändern. Der innere Unterschied ist aber auf diese Weise, was er in Wahrheit ist, der Unterschied an ihm selbst, oder der U n te rsch ied , der keiner ist. - In dieser Bestimmung ist an sich das Bewußtseyn in seiner ersten Form, welche die S e lb ststän d ig k e it des Subjects und Objects gegen einander enthält, verschwunden; Ich hat als urtheilend einen Gegenstand, der nicht von ihm unterschieden ist, - sich se lb st; - Selbstbew uß tseyn.
b. D
a s
Se
l b s t b e w u s s t s e y n
.
§. 424. Die Wahrheit des Bewußtseyns ist das Selb stb ew u ß tsey n , und dieses der Grund von jenem, so daß in der Existenz auch alles Bewußtseyn eines ändern Gegen | standes zugleich Selbstbewußtseyn ist. Der Ausdruck von diesem ist Ich = Ich; a b strac te Freih eit, reine Idealität. - So ist es ohne Realität, denn es selbst, das G egen stan d seiner ist, ist nicht ein solcher, da kein Unterschied desselben und seiner vorhanden ist. §. 425. Indem das abstracte Selbstbewußtseyn die erste Negation des Bewußtseyns ist, so ist es auch behaftet mit einem äußerlichen Object; es ist daher zugleich die
SUBJECTIVER GEIST
404-405
32 1
vorhergehende Stufe, Bewußtseyn, und ist der Widerspruch seiner als Selbstbewußtseyns und seiner als Bewußtseyns. Aber indem letzteres und die Negation überhaupt an sich schon aufgehoben ist, ist es als diese Gewißheit seiner selbst gegen diese Negation, der T rieb das zu setzen, was es an sich ist, - näher dem ab5 stracten Wissen von sich Inhalt und Objectivität zu geben, und umgekehrt sich von seiner Sinnlichkeit zu befreien, die Objectivität als gegebene aufzuheben und mit sich identisch zu setzen, oder sein Bewußtseyn seinem Selbstbewußtseyn gleich zu machen. - Beides ist ein und dasselbe. §. 426. io
1) Das Selbstbewußtseyn in seiner Unmittelbarkeit ist E inzelnes und B e gierd e, - der Widerspruch seiner Abstraction, welche objectiv, oder seiner Un^ mittelbarkeit, welche subjectiv seyn soll und die zugleich die Gestalt eines äußern Objects hat, nach welcher das Selbstbewußtseyn Bewußtseyn ist. Für seine einfache Identität mit sich ist die Negation, welche an ihm selbst als die Abstraction
15
ist, als N ich tig e s bestimmt, wie das Object für die aus dem Aufheben des Bewußtseyns hervorgegangene Gewißheit seiner selbst. §. 427. Das Selbstbewußtseyn ist sich daher an sich im Gegenstände, der auf diese Weise dem Triebe gemäß ist; in | der Negativität, als der eigenen Thätigkeit des
20
Ich, wird für dasselbe diese Identität. Der Gegenstand kann dieser Thätigkeit keinen Widerstand leisten, als an sich und für dasselbe das Selbstlose; die Dialektik, welche seine Natur ist, sich aufzuheben, existirt hier als jene Thätigkeit des Ich. Das gegebene Object wird hierin eben so subjectiv gesetzt, als die Subjectivität sich ihrer Einseitigkeit entäußert und sich somit objectiv wird. §. 428.
25
Das Product dieses Processes ist, daß Ich sich mit sich selbst zusammenschließt und hiedurch für sich Wirkliches ist. Nach der äußerlichen Seite bleibt es in dieser Rückkehr zunächst nur als Einzelnes bestimmt, und hat sich nur erhalten, weil es sich auf das selbstlose Object nur negativ bezieht, dieses in sofern nur 30
aufgezehrt wird. Die Begierde ist so in ihrer Befriedigung überhaupt z e rstö rend, und selb stsü ch tig.
3 an sich] O 2 : an sich
O 3 : an sich
28 nuri] O 2 .* uur
O i: nur
322
ENCYCLOPÄDIE • PHILOSOPHIE DES GEISTES
405-406
§. 429. Aber das Selbstbewußtseyn hat an sich schon die Gewißheit seiner in seiner Abstraction (der einseitigen Subjectivität) und in dem unmittelbaren Gegenstände. Das Selbstgefühl, das ihm in der Befriedigung wird, ist daher nach der innern Seite nicht nur das abstracte seines Fürsichseyns oder nur seiner Einzelnheit, sondern als die Negation der U n m itte lb ark e it seines Fürsichseyns, ist das Product allgem ein es (zunächst näher besonderes) Selbstbewußtseyn. Das Urtheil oder die Diremtion desselben ist das Bewußtseyn eines freien Objects, in welchem Ich das Wissen seiner als Ich hat.
§. 430. 2) Es ist ein Selbstbewußtseyn für ein Selbstbewußtseyn, zunächst u n m ittelbar als ein Anderes für ein Anderes. Ich schaue in ihm als Ich unmittelbar mich | selbst an, aber auch darin ein unmittelbar daseyendes, als Ich absolut gegen mich selbstständiges anderes Object. Dieser Widerspruch gibt den Trieb, sich als freies Selbst zu zeigen , und für den ändern als solches da zu seyn, - den Proceß des A nerkennens. §. 431. Er ist ein K a m p f ; denn Ich kann mich im Ändern nicht als mich selbst wissen, in sofern das Andre ein unmittelbares anderes Daseyn für mich ist; Ich bin daher auf die Aufhebung dieser seiner Unmittelbarkeit gerichtet. Eben so sehr kann Ich nicht als unmittelbares anerkannt werden, sondern nur in sofern Ich an mir selbst die Unmittelbarkeit aufhebe, und dadurch meiner Freiheit Daseyn gebe. Aber diese Unmittelbarkeit ist zugleich die Leiblichkeit des Selbstbewußtseyns, in welcher es als in seinem Zeichen und Werkzeug, sein eignes S elb stgefü h l und sein Seyn für A ndere, und seine es mit ihnen vermittelnde Beziehung hat.
§. 432. Der Kampf des Anerkennens geht also auf Leben und Tod; jedes der beiden Selbstbewußtseyn bringt das Leben des Ändern in G efahr und begiebt sich selbst darein, - aber nur als in G efahr, denn eben so ist jedes auf die Erhaltung seines Lebens, als des Daseyns seiner Freiheit gerichtet. Der Tod des einen, der den Wi-
11-12
u n m it te lb a r ] O 2: n n m itte lb a r
O 1O 3: u n m it t e lb a r
406-408
SUBJECTIVER GEIST
323
derspruch nach einer Seite auflöst, durch die abstracte, daher rohe Negation der Unmittelbarkeit, ist nach der wesentlichen Seite, dem Daseyn des Anerkennens, - somit der größere - Widerspruch.
§. 433. Indem das Leben so wesentlich als die Freiheit ist, so endigt sich der Kampf zunächst als ein se itig e Negation, mit der Ungleichheit, daß das eine der Kämpfenden das | Leben vorzieht, sich als einzelnes Selbstbewußtseyn erhält, sein Anerkanntseyn aber aufgiebt, das Andere aber an seiner Beziehung auf sich selbst hält, und vom Ersten als dem Unterworfenen anerkannt wird: - das V erhältniß der H errsch aft und K n echtschaft. Der Kampf des Anerkennens und die Unterwerfung unter einen Herrn ist die E rsch ein u n g, in welcher das Zusammenleben der Menschen, als ein Beginnen der Staaten, hervorgegangen ist. Die G ew alt, welche in dieser Erscheinung Grund ist, ist darum nicht Grund des R e c h ts ; obgleich das n o th w en d ige und b erech tigte Moment im Uebergange des Z u standes des in die Begierde und Einzelnheit versenkten Selbstbewußtseyns in den Zustand des allgemeinen Selbstbewußtseyns. - Es ist der äußerliche oder erscheinende A n fan g der Staaten, nicht ihr su b stan tielle s Princip.
§. 434. Dies Verhältniß ist erstlich nach seiner Identität eine G em ein sam k eit des Bedürfnisses der Begierde und der Sorge für ihre Befriedigung; an die Stelle der rohen Zerstörung des unmittelbaren Objects, tritt die Erwerbung, Erhaltung und Formiren desselben als des Vermittelnden, worin die beiden Extreme der Selbstständigkeit und Unselbstständigkeit sich zusammenschließen.
§. 435. Zweitens nach dem Unterschiede hat der Herr in dem Knechte und dessen Dienste die Anschauung der Objectivität seines einzelnen Fürsichseyns, es ist dies Gelten seiner für ihn vermittelst der Aufhebung des unmittelbaren Fürsichseyns, welche aber in einen Ändern fällt. - Dieser, der Knecht, aber arbeitet sich im Dienste des Herrn seinen Einzel- oder Eigenwillen ab, hebt seine innere Unmittelbarkeit auf, und macht durch diese Entäußerung und die | Furcht des Herrn den Anfang der Weisheit, - den Uebergang zum allge m e in e n S e lb stb e w u ß tseyn.
324
ENCYCLOPÄDIE • PHILOSOPHIE DES GEISTES
408-409
§. 436. 3)
D as allge m e in e Selbstbew uß tseyn ist das positive Wissen seiner selbst
im ändern Selbst, deren jedes als freie Einzelnheit ab so lu te S e lb ststä n d ig keit hat, aber, vermöge der Negation seiner Unmittelbarkeit oder Begierde, sich nicht vom ändern unterscheidet, allgemeines und objectiv ist und die reelle
5
Allgemeinheit so hat, als es im freien Ändern sich anerkannt weiß, und dies weiß, in sofern es das andere anerkennt und es frei weiß. Dies allgemeine Wiederscheinen des Selbstbewußtseyns, der Begriff, der sich in seiner Objectivität als mit sich identische Subjectivität und darum allgemein weiß, ist die Form des Bewußtseyns der Su b stan z jeder wesent- io liehen Geistigkeit, der Familie, des Vaterlandes, des Staats; so wie aller Tugenden, - der Liebe, Freundschaft, Tapferkeit, der Ehre, des Ruhms.
§. 437. Diese Einheit des Bewußtseyns und Selbstbewußtseyns hat zunächst die Einzelnen als für sich seyende und in einander scheinende bestehen. Aber ihr Unter- 15 schied ist in dieser Identität die ganz unbestimmte Verschiedenheit, oder vielmehr ein Unterschied, der keiner ist. Ihre Wahrheit ist daher die an und für sich seyende, unvermittelte Allgemeinheit und Objectivität des Selbstbewußtseyns, - die V ernunft. Die Vernunft als die Idee erscheint hier in der Bestimmung, daß der Ge-
20
gensatz des Begriffs und der Realität überhaupt, deren Einheit sie ist, hier die nähere Form des Bewußtseyns und des demselben gegenüber äußerlich vorhandenen Objectes gehabt hat. |
C.
D ie V e r n u n f t .
§.438. Die an und für sich seyende Wahrheit, welche die Vernunft ist, ist die einfache Id e n titä t der S u b je c tiv ität des Begriffs und seiner O b je c tiv itä t und Allgemeinheit. Die Allgemeinheit der Vernunft hat daher eben so sehr die Bedeu-
22 und] O 2 : uud
O 3 : und
25
325
SUBJECTIVER GEIST
409-410
tung des im Bewußtseyn als solchem nur gegebenen aber selbst allgem ein en O b je cts, als des reinen Ich im Selbstbewußtseyn. Dieses ist so als an und für sich bestimmt gesetzt, und daher die Gewißheit, daß seine Bestimmungen eben so sehr gegenständlich, Bestimmungen des Wesens der Dinge, als seine eigenen Gedanken sind. §. 439. Die Vernunft ist als diese Identität nicht nur die absolute Su b stan z, sondern auch die W ah rh eit als Wissen. Denn sie hat hier zur eigenthümlichen B e stim m theit den für sich selbst existirenden reinen Begriff, Ich, - die Gewißheit seiner selbst als unendliche Allgemeinheit. - Diese wissende Wahrheit ist der G eist. |
C. P S Y C H O L O G IE . D
e r
G
e is t
.
§. 440. Der G eist hat sich als die Wahrheit der Seele und des Bewußtseyns gezeigt, - jener einfachen unmittelbaren Totalität, und dieses Wissens, welches nun als unendliche Form von keinem Inhalt beschränkt, nicht im Verhältnisse zum Gegenstand als solchem steht, sondern Wissen der substantiellen, weder subjectiven noch objectiven Totalität ist. Der Geist fängt daher nur von seinem eigenen Seyn an, und verhält sich nur zu seinen eigenen Bestimmungen. Die P sy c h o lo g ie betrachtet daher die Vermögen oder allgemeine Thätigkeitsweisen des G eistes als solchen, Anschauen, Vor stellen, Erinnern u.s.f., Begierden u.s.f., ohne den Inhalt, der nach der Erscheinung sich im empirischen Vorstellen, auch im Denken, wie in Begierde und Willen findet, einen Inhalt, der theils in der Seele, durch die Natur bestimmt ist, theils in dem Bewußtseyn, eine Beziehung auf einen für sich vorhandenen Gegenstand hat. Aber der Geist ist eben dies, über die Natur und natürliche Bestimmtheit, wie über die Verwicklung mit einem äußerlichen Gegenstände, d. i. über das Materielle überhaupt erhoben zu seyn; wie dies der Begriff ist, der sich ergeben hat. Er hat jetzt nur dies zu thun, diesen Begriff
28-29 ein em
. . . G egenstände]
so C 2
O 2 : einen . .. Gegenstand
O 3 : ein em . . . G egen stände
326
ENCYCLOPÄDIE • PHILOSOPHIE DES GEISTES
410-412
seiner Freiheit zu realisiren, d.i. nur die Form des sich | bestimmt Finde ns aufzuheben. Der Inhalt, der zu Anschauungen erhoben wird, sind seine Empfindungen, wie seine Anschauungen, welche in Vorstellungen, und sofort Vorstellungen, die in Gedanken verändert werden u.s.w.
§. 441. Die Seele ist endlich, in sofern sie unmittelbar oder von Natur bestimmt ist; das Bewußtseyn, in sofern es einen Gegenstand hat; der Geist, in sofern er nicht mehr zwar einen Gegenstand, aber eine Bestimmtheit unmittelbar in seinem Wissen hat, oder in sofern sie eine von ihm nur gesetzte ist. An und für sich ist er die schlechthin unendliche, objective V ern u n ft, die sein B e g r iff, und deren Realität das W issen oder die In telligen z ist. Die Endlichkeit des Geistes besteht daher näher darin, daß das Wissen das An- und Für-sich-seyn seiner Vernunft nicht erfaßt hat. Diese ist aber nur in sofern die unendliche, als sie die absolute Freiheit ist, daher sich ihrem Wissen v o rau sse tz t und sich dadurch verendlicht, und die ewige Bewegung ist, diese Unmittelbarkeit aufzuheben und sich selbst zu begreifen, Wissen der Vernunft zu seyn.
S- 442. Das Fortschreiten des Geistes ist E n tw ick lu n g, weil seine Existenz, das W issen, in sich selbst das an und für sich Bestimmtseyn, d. i. das Vernünftige, und seinen Gehalt und Zweck hat, und die Thätigkeit des Uebersetzens rein nur der formelle Uebergang in die Manifestation und darin Rückkehr in sich ist. In sofern das W issen als die absolute Form ist, so ist dieses Uebersetzen im B e g riffe die E rsch affu n g überhaupt. In sofern das Wissen nur erst ab stractes oder fo rm e lle s ist, so ist der Geist in ihm seinem Begriffe nicht gemäß, und sein Ziel ist, zugleich die absolute objective Erfüllung | und die absolute Freiheit seines Wissens h erv o rzu b rin gen . Es ist hiebei nicht an die mit der a n th ro p o lo g isch e n zusammenhängende Entwicklung des Individuums zu denken, nach welcher die Vermögen und Kräfte als nach einander hervortretend und in der Existenz sich äußernd betrachtet werden, - ein Fortgang, auf dessen Erkenntniß eine zeitlang (von der Condillac’schen Philosophie) ein großer Werth gelegt worden ist, als ob solches vermeintliches n atü rlich es Hervorgehen das E n tstehen dieser Vermögen aufstellen und dieselben erk lären sollte. Es ist hierin die Richtung nicht zu verkennen, die m an n ich faltigen Thätigkeitsweisen des Geistes bei der Einheit desselben begreiflich zu machen
412-413
SUBJECTIVER GEIST
327
und einen Zusammenhang der Notwendigkeit aufzuzeigen. Allein die dabei gebrauchten Kategorien sind überhaupt dürftiger Art. Vornehmlich ist die herrschende Bestimmung, daß das Sinnliche zwar mit Recht als das Erste, als Anfang und Grundlage genommen wird, aber von diesem Ausgangspunkte weitere Bestimmungen als nur auf a ffirm a tiv e Weise hervorgehend erscheinen, und das N e g a tiv e der Thätigkeit des Geistes, wodurch jener Stoff vergeistigt und als Sinnliches aufgehoben wird, verkannt und übersehen ist. Das Sinnliche bleibt auf solche Art nicht blos das empirische Erste, sondern als wahrhafte substantielle Grundlage. Ebenso wenn die Thätigkeiten des Geistes nur als A euß erungen, Kräfte überhaupt, etwa mit der Bestimmung von N ü tz lich k e it, d.h. als zweckmäßig für irgend ein anderes Interesse der Intelligenz oder des Gemüths betrachtet werden, so ist kein E ndzw eck vorhanden. Dieser kann nur der Begriff selbst seyn, das Ansich des Geistes, und die Aeußerung durch die Thätigkeit des Begriffs ist, die Form des bloßen Ansichseyns aufzuheben, sich zu erreichen und zu fassen, sich zu sich | selbst zu befreien. Auf diese Weise sind die sogenannten Vermögen des Geistes in ihrer Unterschiedenheit als Stufen dieser Befreiung zu betrachten. Und dies ist allein für die v e rn ü n ftig e Betrachtungsweise des Geistes und seiner verschiedenen Thätigkeiten zu halten. §. 443. Der Weg des Geistes ist a) theoretisch zu seyn, es mit dem Vernünftigen als seiner unmittelbaren Bestimmtheit zu thun zu haben und es als das Sein ige zu setzen; - oder das Wissen von der Voraussetzung und damit von seiner Abstraction zu befreien, und die Bestimmtheit subjectiv zu machen. Indem das Wissen so als in sich an und für sich bestimmt, die Bestimmtheit als die Se in ige gesetzt, hiemit als freie In telligen z ist, ist es b) W ille, p rak tisch er G eist, welcher zunächst gleichfalls formell ist, unmittelbar will und seine Willensbestimmung von ihrer Subjectivität als der einseitigen Form seines Inhalts befreit, so daß er als freier W ille und o b je ctiv er G eist ist.
§. 444. Der theoretische sowohl als praktische Geist sind noch in der Sphäre des subje c tiv e n G eistes überhaupt. Sie sind nicht als passiv und activ zu unterscheiden.
6-7 wodurch] O 2 : wodnrch
O 3 : wodurch
12 ein] O 2 : eiu
O 3 : ein
328
ENCYCLOPÄDIE • PHILOSOPHIE DES GEISTES
413-415
Der subjective Geist ist hervorbringend. Aber seine Productionen sind formell. Nach innen ist die Production des theoretischen nur der ideelle Boden seiner Welt, das Gewinnen der abstracten Selbstbestimmung in sich. Der praktische hat es zwar nur mit Selbstbestimmungen, mit seinem eigenen, aber ebenfalls noch formellen Stoffe, beschränktem Inhalte zu thun. Nach außen, indem der subjective Geist Einheit der Seele und des Bewußtseyns, hiemit auch seyende, in Einem anthropologische und dem Bewußtseyn gemäße Realität, ist, sind seine Pro|ducte das W o rt, und (noch nicht That und Handlung) Genuß. Die Psychologie gehört, wie die Logik, zu denjenigen Wissenschaften, die in neuern Zeiten von der allgemeinem Bildung des Geistes und dem tiefem Begriffe der Vernunft noch am wenigsten Nutzen gezogen haben, und befindet sich noch immer in einem höchst schlechten Zustande. Es ist ihr zwar durch die Wendung der Kantischen Philosophie eine größere Wichtigkeit beigelegt worden, sogar daß sie, und zwar in ihrem em pirischen Zustande die Grundlage der Metaphysik ausm ach en solle, als welche Wissenschaft in nichts anders bestehe, als die T h at sachen des menschlichen B ew u ß tseyn s, und zwar als T h atsach en , wie sie gegeben sind, em pirisch aufzufassen und sie zu zergliedern. Mit dieser Stellung der Psychologie, welche zugleich mit dem Standpunkte des Bewußtseyns und mit Anthropologie vermischt wird, hat sich für ihren Zustand selbst nichts verändert, sondern nur dies hinzugefügt, daß auch für die Metaphysik und die Philosophie überhaupt, wie für den Geist als solchen, auf die Erkenntniß der N o th w e n d ig k e it dessen, was an und für sich ist, auf das Nachdenken, den B e g r if f und die W ahrheit Verzicht geleistet worden ist.
a. D
e r
t h e o r e t is c h e
G
e is t
.
§. 445. Die Intelligenz fin det sich b estim m t; dies ist ihr Schein; der Inhalt ist an sich vernünftig. Als W issen aber ist sie dies, das Gefundene als ihr eigenes zu haben, Vernunft für sich zu seyn, als Intelligenz weiß sie, Vernunft an sich zu seyn. Ihre Thätigkeit hat es daran mit der leeren Form zu thun, die Vernunft zu fin d e n ; sie ist in sofern das rein formelle Wissen, welches | sie nur zum bestim m ten Wissen ihrer selbst zu erheben hat. Die Art und Weise dieser Erhebung ist selbst vernünftig, und ein durch den Begriff bestimmter, nothwendiger
415-416
SUBJECTIVER GEIST
329
Uebergang einer Bestimmung ihrer Thätigkeit in die Andere. Die Widerlegung jenes Scheins gründet sich so auf ihren Glauben an ihre Fähigkeit vernünftig zu wissen, an die Möglichkeit, sich die Vernunft aneignen zu können. Die Unterscheidung der In telligen z von dem W illen hat oft den 5
unrichtigen Sinn, daß beide als eine fixe von einander getrennte Existenz genommen werden, so daß das Wollen ohne Intelligenz, oder die Thätigkeit der Intelligenz willenlos seyn könne. Die trivialste Form solcher falschen Trennung ist die eingebildete Möglichkeit, daß, wie es genannt wird, der V erstan d ohne das H erz und das Herz ohne den V erstan d gebildet
io
werden könne. Eine solche Meynung ist die Abstraction des betrachtenden Verstandes, wie einseitigerweise verstandlose Herzen, und herzlose Verstände wohl existiren; aber die Philosophie ist es nicht, welche solche Unwahrheiten des Daseyns und der Vorstellung für die Wahrheit nehmen soll. Eine Menge anderer Formen, die von der Intelligenz gebraucht werden,
15
daß sie E in d rü cke von Außen empfange, sie aufn ehm e, daß die Vorstellungen durch E in w irk u n gen äußerlicher Dinge als der Ursachen entstehen u.s.f. gehören dem Standpunkte des W ahrnehm ens an, einem Standpunkte, der dem Geist als solchem nicht zukommt, noch weniger aber
20
25
dem Philosophieren. Eine beliebte Reflexionsform ist die der K rä fte und V erm ö g en der Seele, der Intelligenz oder des Geistes. - Das V erm ö g en ist wie die K raft die fix ir te B estim m th eit des Inhalts, als Reflexion-in-sich vorgestellt. Die K ra ft (§. 136.) ist zwar die U n en dlich k eit der Form, des Innern und Aeußern, aber ihre wesentliche E n d lich k eit ent|hält die G leichg ü ltig k e it des Inhalts gegen die Form (ebendas. Anm.). Hierin liegt das Vernunftlose, was durch diese Reflexions-Form und die Betrachtung des Geistes als einer Menge von K räften in denselben so wie auch in die Natur, gebracht wird. Was an seiner Thätigkeit u n tersch ieden werden kann, wird als eine selb ststän d ige B estim m th eit festgehalten, und der Geist
30
auf diese Weise zu einer verknöcherten, mechanischen S am m lu n g gemacht. Es macht dabei ganz und gar keinen Unterschied, ob statt der Vermögen und Kräfte der Ausdruck T h ätig k eite n gebraucht wird. Das Iso liren der Thätigkeiten macht den Geist ebenso nur zu einem Aggregatwesen, und betrachtet das Verhältniß derselben als eine äußerliche, zufällige
35
Beziehung.
18 zukommt] O 2 : znkommt
O i: zukommt
330
ENCYCLOPÄDIE • PHILOSOPHIE DES GEISTES
416-417
a) A N SC H A U U N G .
§. 446. Der Geist, der als Seele natürlich bestimmt, als B ew u ß tsey n im Verhältniß zu dieser Bestimmtheit als zu einem äußern Objecte ist, als Intelligenz aber 1) sich selb st so bestimmt findet, ist G efühl, - das dumpfe Weben des Geistes in sich selb st, worin er sich sto ffa rtig ist, und den ganzen S t o f f seines Wissens hat. Um der U n m itte lb a rk e it willen, in welcher er noch als fühlend ist, ist er darin schlechthin nur als ein einzelner und g e m e in -su b je ctiv e r.
§. 447. Die Form des Gefühls ist, daß es zwar eine b estim m te Affection, aber diese B e stim m th e it einfach und darum als zufällige Particularität ist. Es ist im Gefühl die Unterscheidung sowohl des Inhalts gegen ändern Inhalt, als der Aeußerlichkeit desselben gegen die Subjectivität und diese darum als frei noch nicht gesetzt. | Daß der Geist in seinem Gefühle den S t o ff seiner Vorstellungen hat, ist eine sehr allgemeine Voraussetzung, aber gewöhnlicher in dem entgegengesetzten Sinne von dem, den dieser Satz hier hat. Gegen die Einfachheit des Gefühls pflegt vielmehr das Urtheil überhaupt und die Unterscheidung des Bewußtseyns in ein Subject und Object als das Ursprüngliche vorausgesetzt zu werden; so wird dann die Bestimmtheit der Empfindung von einem selb ststän d igen äußerlichen oder innerlichen G egen stän de abgeleitet. Hier in der Wahrheit des Geistes ist dieser seinem Idealismus entgegengesetzte Standpunkt des Bewußtseyns untergegangen. In Betreff des Inhalts ist es ein gewöhnliches Vorurtheil, daß im G efühl mehr sey, als im D en k en ; insbesondere wird dies in Ansehung der moralischen und religiösen Gefühle statuirt. - Es hat sich ergeben, daß der Stoff, der sich der Geist als fühlend ist, das an und für sich Bestimmtseyn der Vernunft ist. Es tritt darum aller vernünftige und näher auch aller geistige Inhalt in das Gefühl ein, als in die eigenste, selbstische Einzelnheit des Geistes. Aber diese Form seiner Einzelnheit ist die unterste und schlechteste, in der er nicht als Geist, als Freies, als unendliche Allgemeinheit, was sein Wesen ist, seyn kann. Er muß vielmehr schlechthin über diese unwahrste Weise seines Seyns hinausgehen, weil in dieser Unmittelbarkeit er überhaupt und sein Gehalt und Inhalt ein zufälliges, subjectives, particuläres, er noch nicht als v ern ü n ftiges w irk lich ist. G ebildete Empfindung ist die Empfindung eines
417-418
SUBJECTIVER GEIST
33 1
gebildeten Geistes, der sich das Bewußtseyn von bestimmten Unterschieden, wesentlichen Bestimmungen u.s.f. erworben, und bei dem dieser berichtigte Stoff es ist, der in sein Gefühl tritt, d. i. diese Form erhält. - Wenn aber ein Mensch sich über Etwas nicht auf die Natur und den Begriff der Sache, oder wenigstens auf Gründe, die Verstandesallgemeinheit, | sondern auf sein G efühl beruft, so ist nichts anders zu thun, als ihn stehen zu lassen, weil er sich dadurch der Gemeinschaft der Vernünftigkeit verweigert, und sich in seine isolirte Subjectivität, die P a rticu laritä t, abschließt.
§. 448. 2) Die abstracte iden tisch e Richtung des Geistes in der Empfindung, wie in allen ändern seiner weitern Bestimmungen, ist die A u fm e rk sa m k e it, ohne welche nichts für ihn ist; - die thätige E rin nerun g, aber als die noch fo rm elle Selbstbestimmung der Intelligenz.
§.449. Diese Selbstbestimmung ist aber wesentlich nicht diese abstracte; als unendliche 3) dirimirt sie die Einfachheit ihres Bestimmtseyns, und hebt damit dessen Unmittelbarkeit auf. So setzt sie dasselbe als ein N e g a tiv e s, als das abstracte Andersseyn seiner selbst. Die Intelligenz bestimmt hiemit zunächst den Inhalt der Empfindung als außer sich seyendes, wirft ihn in R aum und Z eit hinaus, welches die Form en sind, worin sie anschauend ist. Der Stoff ist jene Totalität der Bestimmtheit des Gefühls überhaupt, aber zugleich in dieser ersten, abstracten Entäußerung desselben, noch in seiner gefundenen, äußerlichen Einzelnheit. Die Intelligenz ist als anschauend noch in diesen Stoff versenkt.
§. 450. Aber die andere Seite der Diremtion ist, die Form als unendliche Reflexion in sich zu setzen, das Erwachen der Intelligenz zu sich selbst in diesem Stoff, ihre E rin n eru n g in sich in demselben; so ist er der ih rig e , und sie hat dessen Unmittelbarkeit und Finden nicht mehr nöthig - das V o rstellen . |
332
ENCYCLOPÄDIE • PHILOSOPHIE DES GEISTES
419-420
ß) D I E V O R S T E L L U N G .
§. 451. Die Vorstellung ist als die erinnerte Anschauung die Mitte zwischen dem unmittelbaren Bestimmt-sich-finden der Intelligenz und zwischen derselben in ihrer Freiheit, dem Denken. Die Vorstellung ist das Ih rige der Intelligenz, aber noch mit einseitiger Subjectivität, indem dies Ihrige noch bedingt, formell, damit in Differenz gegen die Anschauung ist, und nicht an ihr selbst das Seyn ist. - Der Weg der Intelligenz in der Vorstellung ist, die Unmittelbarkeit ebenso innerlich zu machen, als die Subjectivität der Innerlichkeit aufzuheben, und sich in ihr selbst ihrer zu entäußern.
aa) D ie E rin nerun g. §. 452. Als die Anschauung erinnernd setzt die Intelligenz den Inhalt des G efühls in ihre Innerlichkeit, in ihren eigenen R aum und ihre eigene Zeit. So ist er 1) B ild , von seiner ersten Unmittelbarkeit und abstracten Einzelnheit gegen anderes befreit, als in die Allgemeinheit des Ich überhaupt, aufgenommen. Das Bild hat nicht mehr die vollständige Bestimmtheit, welche die Anschauung hat, und ist willkührlich oder zufällig, überhaupt isolirt von dem äußerlichen Orte, Zeit und dem unmittelbaren Zusammenhang, in dem sie stand. §. 453. 2) Das Bild für sich ist vorübergehend, und die Intelligenz selbst ist als Aufmerksamkeit die Zeit desselben. Die Intelligenz ist aber für sich das Subject, das A nsich ihrer Besonderheiten; so in ihr erin n ert, ist das Bild nicht mehr existirend (bewußtlos) aufbew ahrt. Die Intelligenz als diesen nächtlichen Schacht, in welchem eine Welt unendlich vieler Bilder und Vorstellungen auf bewahrt ist, ohne daß sie im Bewußtseyn wären, zu fassen, ist dieselbe allgemeine Forderung überhaupt, den Begriff als concret, wie den Keim z. B. so zu fassen, daß er alle Bestimmtheiten, welche in der Entwicklung des Baumes erst zur Existenz kommen, in virtueller Möglichkeit, a ffirm a tiv enthält. Aber der Keim kommt aus den existirenden Bestimmtheiten nur in einem Ändern, dem Keime der Frucht, zur R ück k eh r in seine Einfachheit, wieder zur Existenz des Ansichseyns.
420-421
SUBJECTIVER GEIST
333
Aber die Intelligenz ist als solche die Existenz des in seiner Entwicklung sich in sich erinnernden Ansichseyns. §. 454. 3) Die eigentliche Erinnerung ist die Beziehung des Bildes auf eine Anschauung 5 und zwar als S u b su m tio n der unmittelbaren einzelnen Anschauung unter das der Form nach Allgemeine, - die V o rstellu n g, die derselbe Inhalt ist; so daß die Intelligenz in der bestimmten Empfindung und deren Anschauung sich innerlich ist, und sie als das b ereits ih rige erkennt, so wie sie zugleich diese ihre zunächst innere Vorstellung auch als unmittelbaren Inhalt der Anschauung, und io an solcher als bew äh rt weiß. - Die innere Vorstellung, die nun zugleich mit der Bestimmung der Aeußerlichkeit im Besitze der Intelligenz ist, ist damit zugleich als unterscheidbar von der Anschauung und trennbar von der einfachen Nacht, in der sie zunächst versenkt ist, gesetzt. Die Intelligenz ist so die Gewalt sie äußern zu können, und für die Existenz solcher Vorstellung in ihr nicht mehr 15
der äußern Anschauung zu bedürfen.
ßß) D ie E in b ild u n gsk raft. §. 455. 1) Die in diesem Besitz thätige Intelligenz ist die rep ro d u ctiv e E in b ild u n g sk raft, das H erv o r | rufen der Bilder aus der eigenen Innerlichkeit des Ich, 20 welches nunmehr deren Macht ist. Die nächste B ezieh u n g der Bilder ist die ihres mit aufbewahrten äußerlichen unmittelbaren Raums und Zeit. —Aber indem das Bild im Subjecte, worin es auf bewahrt ist, allein die Individualität hat, in der die Bestimmungen seines Inhalts zusammengeknüpft sind, so ist seine unmittelbare Concretion, welche es als Eines im Anschauen hat, dagegen aufgelöst. Der 25 reproducirte Inhalt, als der mit sich identischen Einheit der Intelligenz angehörend, und aus deren Innerem in die Vorstellung hervortretend, hat daher eine allgem ein e Vorstellung zur associirenden B ezieh u n g der Bilder, der nach sonstigen Umständen mehr abstracten oder mehr concreten Vorstellungen. Die sogenannten G esetze der Id een -A sso ciatio n haben besonders 30
in der mit dem Verfall der Philosophie gleichzeitigen Blüthe der empirischen
27 Bilder,] O 2 : Bilder
O 3 : Bilder,
334
ENCYCLOPÄDIE • PHILOSOPHIE DES GEISTES
421-422
Psychologie ein großes Interesse gehabt. Fürs erste sind es keine Ideen, welche associirt werden. Fürs andere sind diese Beziehungsweisen keine G esetze, eben darum schon, weil so viele Gesetze über dieselbe Sache sind, wodurch Willkühr und Zufälligkeit, das Gegentheil eines Gesetzes, vielmehr Statt hat; es ist zufällig, ob das Verknüpfende ein Bildliches oder eine Ver-
5
standes-Kategorie, Gleichheit und Ungleichheit, Grund und Folge u.s.f. ist. Das Fortgehen an Bildern und Vorstellungen nach der associirenden Einbildung ist überhaupt das Spiel eines gedankenlosen Vorstellens, in welchem die Bestimmung der Intelligenz noch formelle Allgemeinheit überhaupt, der Inhalt aber der in den Bildern gegebene ist. - Bild und Vorstellung ist
10
nur dadurch unterschieden, daß jenes die sinnlich-concretere Vorstellung ist; Vorstellung, der Inhalt mag ein Bildliches oder Begriff und Idee seyn, hat überhaupt den Charakter, ob zwar ein der Intelligenz angehöriges doch ihrem Inhalte nach für sie gegebenes und unmittelbares zu seyn. Das | Seyn, das Sich -b estim m t-F in d en der Intelligenz klebt der Vorstellung noch
15
an, und die Allgemeinheit, welche jener Stoff durch das Vorstellen erhält, ist selbst diese abstracte Form der Beziehung-auf-sich, welche das Seyn ist. Die Vorstellung ist daher die Mitte in dem Schlüsse der Erhebung der Intelligenz; die Verknüpfung der beiden Bedeutungen der Beziehung-auf-sich, nämlich des Seyns und der Allgemeinheit, die im Bewußtseyn als Object
20
und Subject bestimmt sind. - Ueber den Unterschied von Vorstellungen und Gedanken vergl. Einl. §. 20. Anm. Diese Abstraction, welche in der vorstellenden Thätigkeit ist, wodurch allgemeine Vorstellungen producirt werden, wird gewöhnlich als ein A u fein an d erfallen vieler ähnlicher Bilder ausgedrückt und soll auf diese
25
Weise begreiflich werden. Damit dies A u fe in an d e rfalle n nicht ganz der Z u fa ll, das Begrifflose sey, müßte eine A ttra c tio n sk ra ft der ähnlichen Bilder oder desgleichen angenommen werden, welche zugleich die negative Macht wäre, das noch Ungleiche derselben an einander abzureiben. Diese Kraft ist in der That die Intelligenz selbst, das mit sich identische Ich,
30
welches durch seine Erinnerung ihnen unmittelbar Allgemeinheit gibt, und die einzelne Anschauung unter das bereits innerlich gemachte Bild subsum irt. (§. 453.)
§. 456. Die Association der Vorstellungen ist S u b su m tio n der Einzelnen unter eine A llg em ein e, welche deren Zusammenhang ausmacht. Diese Allgemeinheit ist zunächst Form der Intelligenz und der Inhalt der subsumirenden Vorstellung
35
SUBJECTIVER GEIST
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335
dem Vorgefundenen angehörig. Die Intelligenz aber (anticipirt genommen) als in sich b estim m te, concrete Subjectivität, hat ihren eigenen Inhalt, der ein Gedanke, Begriff oder Idee seyn kann. Sie ist nun die Macht über den Vorrath der ihr angehörigen | Vorstellungen, und so 2) freies Verknüpfen und Subsumiren der Bilder unter den eigenthümlichen Inhalt. So ist sie in jenen in sich b estim m t erinnert, und sie diesem ihrem Inhalt einbildend, - P h an tasie, sy m b o lisirende, a lle g o risire n d e oder dichtende Einbildungskraft.
§. 457. Die Intelligenz ist in der bestimmten Erinnerung der Phantasie in soweit vollendet, als ihr aus ihr selbst genommener Inhalt eine bildliche Existenz hat. Sie ist concrete Totalität des Vorstellens in ihr selber, und zur freien, identischen Beziehung auf sich, zur Unmittelbarkeit zunächst in sich zurückgekehrt. Die Intelligenz in dieser Bestimmung thätig, ist sich äußernd A nschauung producirend, - 3) Z eich en m achende Phantasie.
§. 458. In dieser der Intelligenz angehörigen Einheit se lb ststä n d ig e r V o rste llu n g und der A n sch au u n g, zu welcher jene als freie Phantasie sich äußert, ist der Inhalt dieser Anschauung als solcher zunächst ein aufgenommenes, etwas unmittelbares oder gegebenes (z. B. die Farbe der Cocarde u. dgl.). Aber die A n sch auung gilt in dieser Identität nicht als positiv und sich selbst, sondern etw as anderes vorstellend. Sie ist ein Bild, das eine se lb ststän d ig e Vorstellung der Intelligenz als Seele in sich empfangen hat, seine B ed eu tu n g. Diese Anschauung ist das Zeichen. Das Z eich en ist irgend eine unmittelbare Anschauung, aber die einen ganz anderen Inhalt vor stellt, als den sie für sich hat; - die P y ram id e, in welche eine fremde Seele versetzt und auf bewahrt ist. Das Z eichen ist vom Sy m b o l verschieden, einer Anschauung, deren eigene Bestimmtheit ihrem Wesen und Begriffe nach mehr oder weniger der Inhalt ist, | den sie als Symbol ausdrückt; beim Zeichen als solchen hingegen geht der eigene Inhalt der Anschauung, und der, dessen Zeichen sie ist, einander nichts an. Als B ezeich n en d beweist daher die Intelligenz eine freiere Willkühr und Herrschaft im Gebrauch der Anschauung, denn als symbolisirend.
4
V erkn ü pfen ] O 2 : V erkn ü psen
O3:
Verkn ü pfen
ENCYCLOPÄDIE • PHILOSOPHIE DES GEISTES
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424-425
Gewöhnlich wird das Zeichen und die Sp rach e, irgendwo als A nhang in der Psychologie oder auch in die Logik eingeschoben, ohne daß an die Nothwendigkeit und Zusammenhang in dem Systeme der Thätigkeit der Intelligenz gedacht würde. Die wahrhafte Stelle des Zeichens ist die aufgezeigte, daß die Intelligenz, welche als anschauend Zeit und Raum erzeugt, nun ihren selbstständigen Vorstellungen ein bestimmtes Daseyn gibt, den erfüllten Raum und Zeit, die Anschauung als die ih rige geb rau ch t, deren unmittelbare und eigentümliche Vorstellung tilgt, und ihr eine andere zur Bedeutung und Seele gibt. - Diese Zeichen erschaffende Thätigkeit könnte das pro d u ctiv e Gedächtniß (Muse, MnemoSyne) genannt werden, indem das Gedächtniß, das im gemeinen Leben oft mit Erinnerung, auch Vorstellung und Einbildungskraft verwechselt und gleichbedeutend gebraucht wird, es überhaupt nur mit Zeichen zu thun hat. Dieser Ausdruck wird jedoch in seiner nähern Bestimmung gewöhnlich für diejenige Thätigkeit gebraucht, welche zum Unterschied von dem ZeichenMachen, rep ro d u ctiv es Gedächtniß zu nennen wäre.
§. 459. Die Anschauung, die zu einem Zeichen gebraucht wird, und als unmittelbare zunächst ein gegebenes und räumliches ist, hat die wesentliche Bestimmung, nur als aufgehobene zu seyn. Indem die Intelligenz diese ihre Negativität ist, so ist die wahrhaftere Form des Daseyns des Zeichens, die Zeit, - ein Verschwinden des Daseyns, indem es ist, | und ebenso ist dessen angemessene Aeußerlichkeit und Bestimmtheit ein von der Intelligenz aus ihrer (anthropologischen) eigenen Natürlichkeit hervorgehendes G esetztseyn, - der T o n , die erfüllte Aeußerung der sich kund gebenden Innerlichkeit. Der für die bestimmten Vorstellungen sich weiter articulirende Ton, die Rede und ihr System, die Sp rach e gibt den Empfindungen, Anschauungen ein zweites höheres, als ihr unmittelbares Daseyn und den Vorstellungen überhaupt eine Existenz, die im R eiche des V o rstellen s gilt. Die Sprache kommt hier nur nach der eigenthümlichen Bestimmtheit als das Product der Intelligenz, ihre Vorstellungen in einem äußerlichen Elemente zu manifestiren, in Betracht. Wenn von der Sprache auf concrete Weise gehandelt werden sollte, so wäre für das M ate rial (das Lexicalische) derselben der anthropologische, näher der psychisch-physiologische (§. 401.), Standpunkt zurückzurufen, für die Form (die Grammatik) der Gesichts-
5 anschauend]
O 2 : auschauend
O i : anschauend
O 3 : anschauuend
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SUBJECTIVER GEIST
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punkt des Verstandes zu anticipiren. Für das elementarische Material der Sprache hat sich einerseits die Vorstellung bloßer Zufälligkeit verloren, andererseits das Princip der Nachahmung auf seinen geringen Umfang, tönende Gegenstände, beschränkt. Doch kann man noch die deutsche Sprache über ihren Reichthum wegen der vielen besondern Ausdrücke rühmen hören, die sie für besondere Töne (Rauschen, Sausen, Knarren u.s.f., man hat deren vielleicht mehr als hundert gesammelt; die augenblickliche Laune macht deren, wenn es ihr beliebt, neue) besitzt; ein solcher Ueberfluß im Sinnlichen und Unbedeutenden ist nicht zu dem zu rechnen, was den Reichthum einer gebildeten Sprache ausmachen soll. Das eigenthümlich Elementarische selbst, welches nicht sowohl auf einer auf äußere Objecte sich beziehenden, als auf innerer Symbolik, der anthropologischen Articulation gleichsam als einer Gebehrde der leiblichen Sprech-Aeußerung beruhen muß, | wird durch weitere natürliche Momente und Bildungs-Bedürfnisse zur Unscheinbarkeit und Unbedeutenheit modificirt. Das Formelle der Sprache aber ist Werk des Verstandes, der seine Kategorien in sie einbildet, dieser logische Instinct bringt das Grammatische derselben hervor. Das Studium von ursprünglich gebliebenen Sprachen, die man in neuern Zeiten erst gründlich kennen zu lernen angefangen hat, hat hierüber gezeigt, daß sie eine sehr ins Einzelne ausgebildete Grammatik enthalten und Unterschiede ausdrücken, die in Sprachen gebildeterer Völker mangeln oder verwischt worden sind; es kann sogar scheinen, daß vergleichungsweise die Sprachen der gebildetsten Völker die unvollkommnere Grammatik haben. Es ist für sich nicht nothwendig, daß hier bei der Tonsprache, als der ursprünglichen, auch der Sch riftsp rach e erwähnt werde, denn diese ist eine weitere Fortbildung im besondern Gebiete der Sprache, welche eine äußerlich praktische Thätigkeit zu Hülfe nimmt. Es kann dies im Allgemeinen bemerkt werden, daß die Schriftsprache zum Felde des unmittelbaren Anschauens fortgeht, und in diesem die Zeichen (§. 454.) nimmt und hervorbringt. Näher bezeichnet die H ie ro g ly p h e n sch rift die Vorstellungen durch räumliche Figuren, die B u ch stab en sch rift hingegen Töne, welche selbst schon Zeichen sind; diese besteht daher aus Zeichen der Zeichen, und so, daß sie die concreten Zeichen der Tonsprache, die Worte, in ihre einfachen Elemente auflöst, und diese bezeichnet. - L e ib n itz hat sich durch seinen Verstand verführen lassen, eine vollständige Schriftsprache auf hieroglyphische Weise gebildet, was wohl partiell auch bei Buchstabenschrift (wie in
21
verw isch t] O 2 : verm isch t
O 3 : verw isch t
ENCYCLOPÄDIE • PHILOSOPHIE DES GEISTES
426-428
unsern Zeichen der Zahlen, der Planeten, der chemischen Stoffe u. dgl.) Statt findet, als eine allgemeine Schriftsprache für den Verkehr der Völker und insbesondere der Gelehrten für sehr wünschenswerth zu halten. Vielmehr könnte man | dafür halten, daß der Verkehr der Völker (was vielleicht in Phönicien der Fall war, und gegenwärtig in Canton geschieht - s. M acartn e y ’ s Reise von Staunton) das Bedürfniß der Buchstabenschrift und damit deren Entstehung herbeigeführt hat. Ohnehin ist nicht an eine umfassende fe rtig e Hieroglyphen-Sprache zu denken; sinnliche Gegenstände scheinen zwar festbleibender Zeichen fähig seyn zu können, aber für Zeichen von Geistigem führt der Fortgang der Gedankenbildung, die fortschreitende logische Entwicklung veränderte Ansichten über ihre innern Verhältnisse und damit über ihre Natur herbei, so daß damit auch eine andere hieroglyphi sehe Bestimmung einträte. Geschieht dasselbe doch schon bei den N am en sinnlicher Gegenstände in der Tonsprache, wie z.B. bei den chemischen auch mineralogischen; seitdem man vergessen hat, was Namen als solche sind, nämlich für sich sinnlose Aeußerlichkeiten, die erst als Zeichen eine Bedeutung haben, seit man statt eigentlicher Namen den Ausdruck einer Art von Definition fordert und - übrigens nach Zufall bei einigen Gegenständen, bei ändern nicht - formirt, ändert sich die Benennung, d. i. nur die Zusammensetzung aus Zeichen ihrer Gattungsbestimmung oder anderer charakteristisch seyn sollender Eigenschaften, nach der Verschiedenheit der Ansicht, die man von der Gattung oder sonst einer specifisch seyn sollenden Eigenschaft faßt. - Nur dem Statarischen der chinesischen Geistesbildung ist die hieroglyphische Schriftsprache dieses Volkes angemessen; diese Art von Schriftsprache kann ohnehin nur der Antheil des geringeren Theils eines Volkes seyn. Die Ausbildung der Tonsprache hängt zugleich aufs genaueste mit der Gewohnheit der Buchstabenschrift zusammen, durch welche die Tonsprache allein die Bestimmtheit und Reinheit ihrer Articulation gewinnt. Die Unvollkommenheit der chinesischen Tonsprache ist bekannt; eine Menge ihrer Worte hat mehrere ganz | verschiedene Bedeutungen, selbst bis auf zehn, ja zwanzig, so daß im Sprechen der Unterschied blos durch die Betonung, Intensität, leiseres Sprechen oder Schreien bemerklich gemacht wird. Europäer, welche anfangen chinesisch zu sprechen, ehe sie sich diese absurden Feinheiten der Accentuation zu eigen gemacht haben, fallen in die lächerlichsten Misverständnisse. Die Vollkommenheit besteht hier in dem Gegentheil von dem parier sans accent, was mit Recht in Europa für ein gebildetes Sprechen gefordert wird. Es fehlt um der hieroglyphischen Schriftsprache willen der chinesischen Tonsprache an der objectiven Bestimmtheit, welche in der Articulation durch die Buchstabenschrift gewonnen wird. - Lesen-
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und Schreibenlernen einer Buchstabenschrift ist für ein nicht genug geschätztes, unendliches Bildungsmittel zu achten, indem es den Geist von dem sinnlich Concreten zu der Aufmerksamkeit auf das Formelle, den Ton und dessen abstracte Elemente, bringt, und den Boden der Innerlichkeit im Subjecte zu begründen und rein zu machen ein wesentliches thut. - Die erlangte Gewohnheit tilgt auch später die Eigenthümlichkeit und den Umweg der Buchstabenschrift, und macht sie für uns zur Hieroglyphenschrift, so daß wir beim Gebrauche derselben die Vermittlung der Töne, wodurch die Schriftzeichen mit den Vorstellungen verknüpft werden, nicht im Bewußtseyn vor uns zu haben bedürfen; Leute dagegen, welche eine geringe Gewohnheit des Lesens haben, sprechen sich das Gelesene laut vor, um es in seinem Tönen zu verstehen. Außerdem daß die durch jene erste Einübung gewonnene Abstractions-Fähigkeit bleibt, so ist das hieroglyphische Lesen für sich selbst ein taubes Lesen und ein stummes Schreiben, und die Vermittlung der Vorstellungen durch das Unsinnlichere der Töne ist für den folgenden Uebergang von dem Vor stellen zum Denken, - das Gedächtniß - an und für sich von Wesentlichkeit. | §. 460. Der Name als Verknüpfung der von der Intelligenz producirten Anschauung und seiner Bedeutung ist zunächst eine einzelne vorübergehende Production, die Verknüpfung beider eine äußerliche, so wie jene Anschauung selbst. Die Erinnerung dieser Aeußerlichkeit ist das Gedächtniß.
yy) Gedächtniß. §. 461. Die Intelligenz 1) jene Verknüpfung, die das Zeichen ist, zu dem ihrigen machend, macht durch diese Erinnerung (vergl. §. 453.) die einzelne Verknüpfung zu einer allgem ein en , d.i. bleibenden Verknüpfung, in welcher Name und Bedeutung objectiv für sie verbunden sind und die Anschauung, welche der Name zunächst ist, zu einer V o rste llu n g , so daß der Inhalt, die Bedeutung, sowohl als das Zeichen Eine Vorstellung ist, und das Vorstellen in seiner Innerlichkeit concret, sein Inhalt als dessen Daseyn ist; - das Namen beh alten de Gedächtniß.
31 sein Inhalt]
O 2: so w o h l sein Inhalt
O 3 : der Inhalt
ENCYCLOPÄDIE • PHILOSOPHIE DES GEISTES
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§. 462. Der N am e ist so die Sache, wie sie im R eiche der V o rste llu n g vorhanden ist und Gültigkeit hat. Das 2) rep ro d u ciren d e Gedächtniß hat im Namen die Sache, und mit der Sache den Namen, ohne Anschauung und Bild. Bei dem Namen Löwe bedürfen wir weder der Anschauung eines solchen Thieres, noch auch selbst des Bildes, sondern der Name, indem wir ihn v e rstehen, ist die bildlose einfache Vorstellung. Es ist in Namen, daß wir denken. Die vor einiger Zeit wieder aufgewärmte und billig wieder vergessene M nem onik der Alten besteht darin, | die Namen in Bilder zu verwandeln, und hiemit das Gedächtniß wieder zur Einbildungskraft herabzusetzen. Die Stelle der K ra ft des Gedächtnisses vertritt ein in der Einbildungskraft befestigtes, bleibendes Tableau einer Reihe von Bildern, an welche dann der auswendig zu lernende Aufsatz, die Folge seiner Vorstellungen, angeknüpft wird. Bei der Heterogeneität des Inhalts dieser Vorstellungen und jener permanenten Bilder, wie auch wegen der Geschwindigkeit, in der es geschehen soll, muß dies nicht anders als durch schaale, alberne, ganz zufällige Zusammenhänge geschehen. Nicht nur wird der Geist auf die Folter gesetzt, sich mit verrücktem Zeuge zu plagen, sondern das auf solche Weise auswendig gelernte ist eben deswegen schnell wieder vergessen, indem ohnehin dasselbe Tableau für das Auswendiglernen jeder ändern Reihe von Vorstellungen gebraucht, und daher die vorher daran geknüpften wieder weggewischt werden. Das mnemonisch eingeprägte wird nicht wie das im Gedächtniß behaltene au sw en dig, d. h. eigentlich von Innen heraus, aus dem tiefen Schachte des Ich hervorgebracht und so hergesagt, sondern es wird von dem Tableau der Einbildungskraft, so zu sagen, abgelesen. - Die Mnemonik hängt überhaupt mit den gewöhnlichen Vorurtheilen zusammen, die man von dem Gedächtniß im Verhältniß zur Einbildungskraft hat, als ob diese eine höhere, geistigere Thätigkeit wäre als das Gedächtniß. Vielmehr hat es das Gedächtniß nicht mehr mit dem B ild e zu thun, welches aus dem unmittelbaren, ungeistigen Bestimmtseyn der Intelligenz, aus der Anschauung, hergenommen ist, sondern mit einem Daseyn, welches das Product der Intelligenz selbst ist, - einem solchen A usw en d igen , welches in das Inwendige der Intelligenz eingeschlossen bleibt, und nur innerhalb ihrer selbst deren auswendige, existirende Seite ist. |
23 G ed äch tn iß]
O 2 : G edächn iß
O 3 : G edächtn iß
431-432
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§. 463. Der Name, als E x iste n z des Inhalts in der Intelligenz, ist die A euß erlich iceit der Intelligenz selbst in ihr; die Erinnerung des Namens als der von ihr hervorgebrachten Anschauung ist zugleich die Entäußerung, in welcher der theore5 tische Geist innerhalb seiner selbst sich setzt. Er ist so das Seyn, ein R aum der Namen als solcher, d. i. sinnloser Worte. Der Namen sind viele überhaupt, und als solche sind sie zufällige gegeneinander, und es ist in sofern hier nichts, als Ich und viele Worte. Ich ist aber nicht nur das allgemeine Seyn oder ihr Raum überhaupt, sondern als Subjectivität die Macht derselben, das leere B an d , welches io Reihen derselben in sich befestigt und in fester Ordnung behält. In sofern sie nur seyend sind, und die Intelligenz in sich hier selbst nur als Seyn ist, ist sie die Macht der ganz ab stracten S u b je c tiv itä t, - 3) das G edächtniß , das um der gänzlichen Aeußerlichkeit, in der die Glieder solcher Reihen gegeneinander sind und das selbst diese Aeußerlichkeit ist, m echanisch genannt wird. 15 Man weiß bekanntlich einen Aufsatz erst dann recht auswendig, wenn man keinen Sinn bei den Worten hat; das Hersagen solches Auswendiggewußten wird daher von selbst accentlos. Der richtige Accent, der hinein gebracht wird, geht auf den Sinn; die Bedeutung, Vorstellung, die herbeigerufen wird, stört dagegen aber den mechanischen Zusammenhang und ver20 wirrt daher leicht das Her sagen. Das Vermögen, Reihen von Worten, in
25
30
deren Zusammenhang kein Verstand ist, oder die schon für sich sinnlos sind, auswendig behalten zu können, ist darum so höchst wunderbar, weil der Geist wesentlich dies ist, bei sich selbst zu seyn, hier aber derselbe als in ihm selbst entäußert, seine Thätigkeit als ein Mechanismus ist. Der Geist aber ist nur bei sich als E inheit der S u b je c tiv itä t und der O b je c tiv itä t; und hier im Gedächtniß, | nachdem er in der Anschauung zunächst als Aeußerliches ist, die Bestimmungen fin det, und in der Vorstellung sich in diesem G efundenen erinnert und es zu dem Seinigen macht, macht er sich selbst in ihm zu einem Aeußerlichen, so daß das Seinige als ein Gefunden-werdendes erscheint. Das eine Moment des Denkens, die O b jectiv itä t, ist hier als Qualität der Intelligenz selbst in ihr gesetzt.
§. 464. Das mechanische Gedächtniß ist das Aufheben der einseitigen äußerlichen Objectivität, welche dem Seyenden, als N am en, zunächst noch zukommt, indem
29 zu] O 2 : zn
O 3 : zu
ENCYCLOPÄDIE • PHILOSOPHIE DES GEISTES
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er nämlich eines Ä ndern, der B ed eu tu n g der vor stellenden Intelligenz, bedarf, um die Sache, die wahre Objectivität zu seyn. Die Intelligenz, welche als mechanisches Gedächtniß jene äußerliche Objectivität selbst ist, ist damit zugleich selbst das allein B edeutende. Das G edächtniß ist auf diese Weise der Uebergang in den G edanken, der keine Bedeutung mehr hat, d.i. in dessen Objectivität nicht mehr das Subjective ein von ihm Verschiedenes ist, so wie diese Innerlichkeit an ihr selbst seyend ist. Schon unsere Sprache gibt dem Gedächtniß, von dem es zum Vorurtheil geworden ist, verächtlich zu sprechen, die hohe Stellung der unmittelbaren Verwandtschaft mit dem Gedanken. Die Jugend hat nicht zufälligerweise ein besseres Gedächtniß als die Alten, und ihr Gedächtniß wird nicht nur um der Nützlichkeit willen geübt, sondern sie hat das gute Gedächtniß, weil sie sich noch nicht nachdenkend verhält, und ihr Gedächtniß wird absichtlich oder unabsichtlich geübt, um den Boden ihrer Innerlichkeit zum reinen Seyn, zum reinen Raume zu ebnen, in welchem die Sache, der an sich seyende Inhalt ohne den Gegensatz gegen eine subjective Innerlichkeit, gewähren und sich expliciren könne. Ein gründliches Talent pflegt mit einem guten Gedächtnisse | in der Jugend verbunden zu seyn. - Es ist einer der schwersten Punkte in der Lehre vom Geiste, in der Systematisirung der Intelligenz die Stellung des Gedächtnisses zu fassen, und dessen organischen Uebergang in das Denken zu begreifen.
y)
d a s
d e n k e n
.
§. 465. Durch die E rin nerun g des unmittelbaren Bestimmtseyns der Intelligenz und die Entäußerung ihres subjectiven Bestimmens ist die Differenz, mit der das V o rstellen behaftet ist (§. 451.), aufgehoben, und deren Einheit und Wahrheit geworden; der Gedanke. Der G edanke ist die Sache; einfache Identität des Subjectiven und Objectiven. Was gedacht ist, is t; und was ist, ist nur, in sofern es Gedanke ist. §. 466. Das D enken der Intelligenz ist für sich, es ist - G edanken haben. Zunächst ist es f o r m e ll; die Allgemeinheit als die Allgemeinheit und ihr Seyn ebenso
15 welchem] O 2: welche
O3: welchem
433-434
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SUBJECTIVER GEIST
die einfache Subjectivität der Intelligenz. Die Gedanken sind so nicht als an und für sich bestimmt; die zum Denken erinnerten Vorstellungen sind in sofern noch der Inhalt, - ein In h alt, der an* sich nur das An- und Für-sich-bestimmtseyn der Vernunft ist.
§. 467.
5
Das Denken aber als diese freie Allgemeinheit, welche mit dem Seyn identisch, und als diese Einheit in sich concret und reine Negativität ist, entwickelt sich an dem Inhalte, und ist somit nicht nur a) der formell identische V erstan d , sondern ß) wesentlich D irem tio n und B e stim m u n g, - U rth e il, und y) die io aus dieser Besonderung sich selbst findende Identität, - b e greifen d es Denken, formelle V ernunft. Die Intel | ligen z hat als b e g reife n d das B e stim m tseyn, welches in ihrer Empfindung zunächst unmittelbarer S t o ff ist, in sich selbst als ihr schlechthin eigenes. In der Einsicht der Nothwendigkeit des dem Denken selbst zunächst gegebenen Inhalts, ist für sie der Gang ihrer eigenen Thä15
20
tigkeit identisch mit dem an sich seyenden Bestimmtseyn des Inhalts; sie ist für sich als B estim m en . In der L o g ik ist das Denken, wie es erst an sich ist, und sich die Vernunft in diesem gegensatzlosen Elemente entwickelt. Im B ew u ß tseyn kommt es ebenso als eine Stufe vor (s. §. 437. Anm.). Hier ist die Vernunft als die Wahrheit des Gegensatzes, wie er sich innerhalb des Geistes selbst bestimmt hatte. - Es tritt in diesen verschiedenen Theilen der Wissenschaft deswegen immer wieder hervor, weil sie nur durch das Element und die Form des Gegensatzes verschieden, das Denken aber dieses eine und dasselbe Centrum ist, in welches als in ihre Wahrheit die Gegensätze zurückgehen.
§. 468.
25
Das Denken, als der freie Begriff, ist hiemit auch dem Inhalte nach frei; die B e stim m th eit der Vernunft ist an sich die eigene der subjectiven Intelligenz, und der Inhalt heißt nichts anders, als eben die Bestimmtheit, welche das begreifende Denken aus sich entwickelt. Die Intelligenz sich wissend als das Bestimmende 30
eines Inhalts, der ebenso der ihrige, als er als seyend bestimmt ist, ist W ille.
3 An- und Für-sich-bestimmtseyn] O 2 : An- und Für-sich-/bestimmtseyn seyn
O i : An-und-für-sich-bestimmt
344
ENCYCLOPÄDIE • PHILOSOPHIE DES GEISTES
434-435
b. Der
pr a k t is c h e
Ge ist .
§. 469. Der Geist als Wille weiß sich als sich selbst bestimmend, somit sich aus sich erfüllend. Dies erfüllte Fürsichseyn oder E in zeln h eit macht die Seite der Exi | stenz oder R ealität von der Idee des Geistes aus, dessen Begriff die Vernunft ist. - Die Endlichkeit des Willens besteht in dessen Form alism u s, nach welchem er als sich selbst bestimmend, bei sich, hiemit fre i, aber dies durch sich Erfülltseyn zunächst nur die ab stracte Bestimmtheit, die seinige überhaupt ist und noch mit der entwickelten V ern u n ft sich nicht identificirt hat. Die Bestimmung des an sich seyenden Willens ist, die Freiheit in dem formellen zur Existenz zu bringen, und damit die des letztem, sich mit diesem seinem Begriffe zu erfüllen, d. i. die Freiheit zu seiner Bestimmtheit, zu seinem Inhalte und Zwecke wie zu seinem Daseyn zu machen. Dieser Begriff, die Freiheit, ist wesentlich nur als Denken; der Weg des Willens, sich zum o b jectiv en Geiste zu machen, ist sich zum denkenden Willen zu erheben, - sich den Inhalt zu geben, den er nur als sich denkendes haben kann. Die w ahre Freiheit, die Sittlichkeit, ist dies, daß der Wille nicht subjective, d. i. eigensüchtige, sondern allgemeinen Inhalt zu seinen Zwecken hat; solcher Inhalt ist aber nur im Denken und durchs Denken; es ist nichts geringeres, als absurd, aus der Sittlichkeit, Religiosität, Rechtlichkeit u.s.f. das Denken ausschließen zu wollen.
§. 470. Der praktische Geist enthält zunächst als formeller Wille ein gedoppeltes S o llen 1) in dem Gegensätze der aus ihm gesetzten Bestimmtheit gegen sein un m ittelb ares Bestimmtseyn, gegen sein Daseyn und Zustand, was im Bewußtseyn sich zugleich im Verhältnisse gegen äußere Objecte entwickelt. 2) Jene erste Selbstbestimmung ist zunächst nicht in die Allgemeinheit des Denkens erhoben, welche daher an sich das Sollen gegen jene sowohl der Form nach ausmacht, als dem Inhalte nach ausmachen kann; - ein Gegensatz, der zunächst nur für uns ist. |
5 F ü r s ic h s e y n ]
O 1O 2O 3: F ü r -/s ic h s e y n
SUBJECTIVER GEIST
436-437 a)
DAS PRAKTISCHE
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GEFÜHL.
§• 471. Die Selbstbestimmung des Geistes als zuerst auf unmittelbare Weise, ist damit nur fo rm e ll, so daß der Geist sich fin det, als nach seiner innerlichen N a tu r 5
sich bestimmende Einzelnheit. Er ist so praktisch es G efühl.
§. 472. Der Wille ist diese Natur des Geistes als an sich mit der Vernunft einfach identische und dadurch selbst allgem ein e Subjectivitat; er hat daher in der unm ittelb aren Einzelnheit des praktischen Gefühls wohl den Inhalt der Vernunft io aber als u n m ittelb ar einzelnen, hiemit als n atü rlich en , und zugleich zufä llig e n und su b jectiv e n , und eben sowohl Einen aus der Particularität des Bedürfnisses, des Meynens u.s.f., und aus der gegen das Allgemeine sich für sich setzenden Subjectivität sich bestimmenden Inhalt. Wenn an das G efühl von Recht und Moralität, wie von Religion, das 15
der Mensch in sich habe, an seine wohlwollenden Neigungen u.s.f. an sein H erz überhaupt, d. i. das Subject, in sofern in ihm alle die verschiedenen praktischen Gefühle vereinigt sind, appellirt wird, so hat dies 1) den richtigen Sinn, daß diese Bestimmungen seine eigen en im m an en ten sind, 2) und dann, in sofern das Gefühl dem V erstän d e entgegengesetzt wird,
20
daß es gegen dessen einseitige Abstraction die T o ta litä t seyn kann. Aber ebenso kann das Gefühl ein seitig, unwesentlich, schlecht seyn. Das V ern ü n ftige in der Gestalt der Vernünftigkeit, das als Gedachtes dagegen ist, ist derselbe Inhalt, den das gute praktische Gefühl hat, aber in seiner Allgemeinheit und Nothwendigkeit, in seiner Objectivität und Wahrheit. |
25
Deswegen ist es einerseits th örich t, zu meynen, als ob im Uebergange vom Gefühle zum Recht und der Pflicht an Inhalt und Vortrefflichkeit verloren werde; dieser Uebergang bringt erst das Gefühl zu seiner Wahrheit. Eben so thöricht ist es, die Intelligenz dem Gefühle, Herzen und Willen für überflüssig, ja schädlich zu halten; die Wahrheit und was dasselbe ist, die Vernünftigkeit des Herzens und Willens kann allein in der Allgemeinheit der Intelligenz, nicht in der Einzelnheit des Gefühles als solchen Statt finden.
30
16 in2]
O 2 : iu
O 1 O 3 : in
346
ENCYCLOPÄDIE • PHILOSOPHIE DES GEISTES
437-438
Wenn die Gefühle wahrhafter Art sind, sind sie es durch ihre Bestimmtheit, d. i. ihren Inhalt, und dieser ist wahrhaft nur, in sofern er in sich allgemein ist, d. h. den denkenden Geist zu seiner Quelle hat. Die Schwierigkeit besteht für den Verstand darin, sich von der Trennung, die er sich einmal zwischen den Seelenvermögen, dem Gefühle, dem denkenden Geiste willkühr-
5
lieh gemacht hat, loszumachen und zu der Vorstellung zu kommen, daß im Menschen nur Eine Vernunft, im Gefühl, Wollen und Denken ist. Die damit zusammenhängende Schwierigkeit ist, daß die Ideen, die allein dem denkenden Geiste angehören, Gott, Recht, Sittlichkeit auch gefü h lt werden können. Das Gefühl ist aber nichts anderes, als die Form der unmittelbaren eigentümlichen Einzelnheit des Subjects.
10
Andererseits ist es v erd äch tig , und sehr wohl mehr als dies, am Gefühle und Herzen gegen die denkende Vernünftigkeit festzuhalten, weil das, was M ehr in jenen als in dieser ist, nur die besondere Subjectivität, das Eitle und die Willkühr, ist. - Aus demselben Grunde ist es ungeschickt, sich bei
15
der wissenschaftlichen Betrachtung der Gefühle auf mehr, als auf ihre Form einzulassen, und ihren Inhalt zu betrachten, da dieser als gedacht, vielmehr die Selbstbestimmungen des Geistes in ihrer Allgemeinheit und N otw endigkeit, die Rechte und Pflichten, ausmacht. |
§. 473.
20
Das praktisiche Gefühl enthält das Sollen , seine Selbstbestimmung als an sich seyend, b ezo gen auf eine seyende Einzelnheit, die als an sich nichtig, und nur in der Identität mit jener als gültig, bestimmt ist. Da beide in dieser Unmittelbarkeit noch keine notwendige Identität haben, ist diese Beziehung des B e d ü rfnisses auf das Daseyn das G efühl des A ngenehm en oder U nangenehm en.
25
Vergnügen, Freude, Schmerz u.s.f., Schaam, Reue, Zufriedenheit u.s.w. sind te ils nur Modificationen des formellen praktischen Gefühls überhaupt, te ils aber durch ihren Inhalt, der die Bestimmtheit des Sollens ausmacht, verschieden. Die berühmte Frage nach dem U rsp rü n g e des U eb els in der Welt, 30 tritt, wenigstens in sofern unter dem Uebel zunächst nur das Unangenehme und der Sch m erz verstanden wird, auf diesem Standpunkte des formellen Praktischen ein. Das Uebel ist nichts anders als die Unangemessenheit des Seyns zu dem Sollen. Dieses Sollen hat viele Bedeutungen, und da die zufälligen Z w ecke gleichfalls die Form des Sollens haben, unendlich viele. 35 In Ansehung ihrer ist das Uebel nur das Recht, das an der Eitelkeit und Nichtigkeit ihrer Einbildung ausgeübt wird. Sie selbst sind schon das Uebel. Daß
438-439
SU BJECTIVER GEIST
347
es solche und alle andere der Idee unangemessene Einzelnheiten gibt, liegt in dem Urtheil des Begriffs in sich (lebendige Seele, Geist, Vernunft u.s.f.) und in das Seyn, und in seiner G le ich g ü ltig k e it gegen das u n m itte lbare Seyn überhaupt, welches durch ihn selbst zur freien Wirklichkeit entlassen, ebenso auf ihn bezogen bleibt, und als für sich seyend ihm nicht angemessen, gegen ihn und hiemit an sich das Nichtige ist; - ein Widerspruch, der das Uebel heißt. Im Todten ist kein Uebel noch | Schmerz, weil der Begriff in der unorganischen Natur seinem Daseyn nicht gegenüber tritt. Im Leben schon und noch mehr im Geiste ist diese Unterscheidung vorhanden, und tritt hiemit ein Sollen ein; und diese Negativität, Thätigkeit, Ich, die Freiheit, sind die Principien des Uebels und des Schmerzens. - Jacob B ö h m hat die Ichheit als die Pein und Q ual und als die Q u elle der Natur und des Geistes gefaßt.
ß) D I E T R I E B E .
§. 474. Das praktische So llen ist reelles Urtheil. Die u n m ittelb are selbst nur V orgefundene Angemessenheit der seyenden Bestimmtheit zum Bedürfniß ist für die Selbstbestimmung des Willens, eine Negation, und ihr unangemessen. Daß der Wille, d. i. die Einheit der Allgemeinheit und der Bestimmtheit, sich befriedige und für sich sey, soll die A ngem essen heit seiner innern Bestimmung und das Daseyn durch ihn gesetzt seyn. Der Wille ist der Form des Inhalts nach noch n atü rlich er Wille, wie im Bedürfnisse überhaupt, das aber als durch ihn zu befriedigend nun T rieb und N e ig u n g ist, und mit der nähern Bestimmtheit, daß die Totalität des praktischen Geistes sich in eine einzelne der beschränkten Bestimmungen legt, Leidenschaft.
§. 475. Die Neigungen und Leidenschaften haben dieselben Selbstbestimmungen zu ihrem Inhalte, als die praktischen Gefühle. Weil die einen wie die ändern unmittelbare Selbstbestimmungen sind, welche die Form der Vernünftigkeit noch nicht haben, so sind sie m an n ich faltige besondere. Sie haben die vernünftige Natur des Geistes einerseits zu ihrer Grundlage, andererseits aber als dem noch subjectiven, einzelnen Willen angehörig sind sie ebenso wesentlich mit Zufällig-
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ENCYCLOPÄDIE • PHILOSOPHIE DES GEISTES
439-441
keit behaftet, und verhalten | sich zum Individuum, wie zu einander, nach einer äußerlichen, unfreien Nothwendigkeit. Von den N eigu n gen gilt ganz dasselbe, was von den Gefühlen; sie sind Selbstbestimmungen des an sich freien Willens, der aber noch nicht im Inhalte seiner Selbstbestimmung als Intelligenz für sich frei, noch nicht allgemein und objectiv ist. Die L eid en sch aft enthält schon dies in ihrer Bestimmung, daß sie auf eine B eso n d erh eit der Willensbestimmung und die su b jectiv e Einzelnheit beschränkt ist, ihr Inhalt mag sonst seyn, welcher er will. Um dieses Formellen willen aber ist die Leidenschaft weder gut noch böse; diese Form drückt daher nur dies aus, daß ein Subject das ganze lebendige Interesse seines Geistes, Talentes, Charakters, Genusses in einen Inhalt gelegt habe. Es ist nichts Großes ohne Leidenschaft vollbracht worden, noch kann es ohne solche vollbracht werden. Es ist nur eine todte, ja zu oft heuchlerische Moralität, welche gegen die Form der Leidenschaft als solche loszieht. Aber von den N eigu n gen wird unmittelbar die Frage gemacht, welche gut und böse, ingleichen bis zu welchem G rade die Guten gut bleiben, und da sie B eson dere gegen einander und ihrer V iele sind, wie sie sich, da sie sich doch in Einem Subjecte befinden, und sich nach der Erfahrung nicht wohl alle befriedigen lassen, gegen einander wenigstens einschränken müssen. Es hat mit diesen vielen Trieben und Neigungen zunächst dieselbe Bewandniß, wie mit den Seelenkräften, deren Sammlung der theoretische Geist seyn soll; - eine Sammlung, welche nun mit der Menge von Trieben vermehrt wird. Die form elle Vernünftigkeit des Triebes und der Neigung besteht nur in ihrem allgemeinen Triebe, darin, nicht als Subjectives zu seyn, sondern durch die Thätigkeit des Subjects selbst ihre Subjectivität aufzuheben, realisirt zu werden. Ihre wahr |hafte Vernünftigkeit kann sich nicht in einer Betrachtung der äußern Reflexion ergeben, welche selbstständige Naturbestimmungen und unmittelbare Triebe voraussetzt und behält. Es ist aber vielmehr die immanente Reflexion des Geistes selbst, über ihre B e so n d erheit wie über ihre natürliche U n m itte lb a rk e it hinauszugehen, und ihrem Inhalte Vernünftigkeit und Objectivität zu geben, worin sie als nothw en d ige Verhältnisse und Rechte und P flich ten sind. Diese Objectivirung ist es denn, welche ihren Gehalt, so wie ihr Verhältniß zu einander, überhaupt ihre Wahrheit aufzeigt. Wie P lato , was die G erech tigk eit an und für sich sey mit wahrhaftem Sinne, auch in sofern er unter dem Rechte
18
sie sich]
so C2
O 1 O 2 O 3 ; sie
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SUBJECTIVER GEIST
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des G eistes seine ganze Natur befaßte, nur in der o b je ctiv e n Gestalt der Gerechtigkeit, nämlich der Construction des S taate s, als des sittlichen Lebens, dar stellen zu können zeigte. Welches also die guten, vernünftigen Neigungen und deren Unterordnung sey, verwandelt sich in die Darstellung, welche Verhältnisse der Geist hervorbringt, indem er als o b jectiv er Geist sich entwickelt; - eine Entwicklung, in welcher seine Selbstbestimmungen überhaupt die Form von Neigungen, so wie der Inhalt die Subjectivität, Zufälligkeit oder Willkühr verloren haben. Die Abhandlung der Triebe, Neigungen und Leidenschaften nach ihrem wahrhaften, sittlichen Gehalte ist daher wesentlich die P flic h tenlehre. Jenen bleibt nichts eigenthümliches, als die von dem Sittlichen abweichende Besonderheit, die bösen Triebe und Leidenschaften.
§. 476. Das S u b je ct ist die T h ä tig k e it der Befriedigung der Triebe, der formellen Vernünftigkeit, nämlich der Uebersetzung aus der Subjectivität in die Objectivität, in welcher jenes sich mit sich selbst zusammenschließt. Daß | die Sache, welche zu Stande gekommen ist, das Moment der subjectiven Einzelnheit und deren Thätigkeit enthalt, ist das Interesse. Es kommt daher nichts ohne Interesse zu Stande. Eine Handlung ist ein Zweck des Subjects und ebenso ist es seine Thätigkeit, welche diesen Zweck ausführt; nur durch dies, daß das Subject auf diese Weise in der uneigennützigsten Handlung ist, d. h. durch sein Interesse, ist ein Handeln überhaupt. - Den Trieben und Leidenschaften setzt man einerseits die schaale Träumerei eines Naturglücks gegenüber, durch welches die Bedürfnisse ohne die Thätigkeit des Subjects, die Angemessenheit der unmittelbaren Existenz und seiner innern Bestimmungen hervorzubringen, ihre Befriedigung finden sollen. Andererseits wird ihnen die Moralität entgegengesetzt. Aber Trieb und Leidenschaft ist nichts anderes als die Lebendigkeit des Subjects, nach welcher es selbst in seinem Zwecke und dessen Ausführung ist. Das Sittliche betrifft den Inhalt, der als solcher das A llg e m eine, ein Unthätiges, ist. An dem Subjecte hat er sein Bethätigendes, und diesem immanent ist er Interesse des Triebs, und die ganze wirksame Subjectivität in Anspruch nehmend, der Leidenschaft.
§. 477. Das Interesse und der Trieb oder Neigung haben einen vom Willen bestimmten, b eson d ern Inhalt. Die einfache Subjectivität des Willens steht zugleich
ENCYCLOPÄDIE • PHILOSOPHIE DES GEISTES
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442-443
über diesem seinem mannichfaltigen Inhalt und dem Widerspruch der Triebe. Sie ist so als denkender, und indem das Denken nur jenen mannichfaltigen Inhalt vor sich hat, als reflectiren der Wille, und damit als W illk ü h r bestimmt. Indem diese gegen die beschränkte Besonderheit der Triebe deren Allgemeinheit sich zum Zwecke macht, ist sie der Trieb nach G lü ck seligk eit. |
y)
D IE
W IL L K Ü H R
UND
D IE
G L Ü C K S E L IG K E IT .
§. 478. Die Glückseligkeit ist die durch das reflectirende Denken hervorgebrachte Vorstellung der Befriedigung aller Triebe, die in ihrer Besonderheit als n egativ gesetzt, und einer dem ändern ganz oder zum Theil aufgeopfert und vorgesetzt werden sollen. Die Begränzung derselben durch einander ist einerseits eine Vermischung von qualitativer und quantitativer Bestimmung; andererseits da die Glückseligkeit ihren affirm ativ en Inhalt allein in den Trieben hat, liegt in ihnen die Entscheidung, und es ist das subjective Gefühl und Belieben, was den Ausschlag geben muß. §. 479. Der Wille ist in dem allgemeinen Zwecke der Glückseligkeit von der Vereinzelung befreit, in der er befangen, als ein besonderer Trieb oder Leidenschaft ist. Eine solche Besonderheit ist in sofern nicht mehr unmittelbar, sondern erst die sein ige, indem er sich mit ihr zusammenschließt und sich dadurch bestimmte Einzelnheit und Wirklichkeit gibt. Er ist so auf dem Standpunkt, zwischen Neigungen zu w ählen zu haben, und ist W illkühr.
§. 480. Der Wille ist auf diese Weise für sich frei, indem er als die Negativität seines unmittelbaren Bestimmens in sich reflectirt ist; jedoch in sofern der Inhalt, in welchem sich diese seine formelle Allgemeinheit zur Wirklichkeit beschließ t, noch keine andere als eine unmittelbare Besonderheit ist, ist er nur als su b jectiv er und z u fä llig e r Wille w irklich. Als der W id ersp ru ch , sich in einer Beson-
25 unmittelbareh]
O 2 : unmittelbaren
O1O3: W irklichkeit
O1O2: unmittelbaren
26 W irklichkeit]
O 2 : W irklichlichkeit
443-444
SUBJECTIVER GEIST
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derheit zu verwirklichen, welche zugleich für ihn eine Nichtigkeit ist, und eine Befriedigung in ihr zu haben, aus der er zugleich heraus ist, ist er zunächst der | Proceß der Zerstreuung und des Aufhebens einer Neigung oder Genusses durch eine Andere und der Befriedigung, die dies eben so sehr nicht ist, durch eine andere ins U nendliche.
§. 481. Die Glückseligkeit ist die A llgem ein h eit des Inhalts, welche nur seyn soll. Die Wahrheit aber des besondern Inhalts, welcher eben so sehr Bestimmtheit ist, als a u fg eh o b en ist, und der abstracten E in zeln h eit, der Willkühr, welche sich darin eben so sehr einen Zweck gibt, als nicht gibt, ist die allgem ein e Bestimmtheit des Willens, d. i. sein Selbstbestimmen selbst, die Freih eit. Die Willkühr ist auf diese Weise der Wille als die reine Subjectivität, welche dadurch rein und concret zugleich ist, daß sie zu ihrem Inhalt und Zweck nur jene Bestimmtheit, die Freiheit selbst, hat. Der Geist in dieser Wahrheit seiner Selbstbestimmung, worin Begriff und Gegenstand identisch ist, ist objectiver Wille, obje c tiv e r Geist überhaupt. |
ENCYCLOPÄDIE • PHILOSOPHIE DES GEISTES
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Z
w e it e
A
b t h e il u n g
d e r
P
h il o s o p h ie
d e s
445-446
G
e is t e s
.
DER O B JEC TIV E GEIST.
§. 482. Der objective Geist ist die Einheit des theoretischen und praktischen; freier W ille, der für sich als freier W ille ist, indem der Formalismus, Zufällig-
5
keit und Beschränktheit seines bisherigen praktischen Inhalts sich aufgehoben hat. Durch das Aufheben der Vermittlung, die darin enthalten war, ist er die durch sich gesetzte u n m ittelb are E inzelnheit, welche aber ebenso zur allgem ein en Bestimmung, der Freih eit selbst, gereinigt ist. Diese allgemeine Bestimmung hat er nur, indem er sich denkt, W ille als freie In te llig e n z ist. io §. 483. Der Geist, der sich als frei weiß und diesen seinen Gegenstand will, d. i. sein Wesen zur Bestimmung und zum Zwecke hat, ist ü b erh au p t der vernünftige Wille, oder an sich die Idee, und darum nur der B e g r if f des absoluten Geistes. Diese abstracte Idee ist daher nur die Seite des D aseyn s der Vernunft, der 15 einzelne Wille als Wissen jener seiner Bestimmung, die seinen Inhalt und Zweck ausmacht und deren nur formelle Thätigkeit er ist. | §. 484. Weil dieser Wille nur die an sich seyende Idee und damit endlich ist, hat seine Objectivität zunächst die Unterschiede an ihr, a) daß die Freiheit seine innere Bestimmung und Zweck ist, und sich ß) auf eine äuß erliche Objectivität bezieht, welche sich spaltet in das Anthropologische der particulären Bedürfnisse, in die äußern Naturdinge, welche für das Bewußtseyn sind, und in das Verhältniß zu ändern Willen, welches zugleich ein Selbstbewußtseyn und ein Bewußtseyn derselben als verschiedener und particulärer ist. §. 485. y) Diese beiden Momente können ihrer Einseitigkeit wegen die subjective Seite des objectiven Willens genannt werden. Seine w ah rh afte O b je c tiv itä t ist,
20
25
446-447
OBJECTIVER GEIST
353
daß sein Begriff, die Freiheit, in der äußerlich objectiven Seite, dem endlichen Stoffe, realisirt, dieser als eine durch jenen bestimmte Welt sey, so daß er in ihr bei sich selbst, mit sich selbst zusammengeschlossen sey. Die Freiheit, zu einer Welt äußerlicher Existenz gestaltet, erhält die Form von Nothwendigkeit, deren substantiellen Zusammenhang die Freiheits-Bestimmungen, wie den erscheinenden Zusammenhang, denselben als Macht desselben, das A n erk an n tsey n , ausmacht, wodurch der vernünftige Wille nicht nur an sich, noch in n erlich , noch blos, wie das Natürliche, un m ittelbar ist, sondern sein Inhalt gewußt wird und g ilt, als p o sitiv e Gesetze und deren Sitte ist.
§. 486. Diese Realität als Daseyn des freien Willens überhaupt ist das R e c h t; als die vernünftigen und festen Willensbestimmungen in Beziehung auf den subjectiven Willen, in welchem allein sie als allgemeine ihr Daseyn haben können, sind sie die P flic h t, und als Gewohnheit | und Sinnesart in demselben Sitte. Dasselbe was ein Recht ist, ist an sich auch eine Pflicht, und was eine Pflicht ist, ist auch ein Recht. Denn ein Daseyn ist ein Recht nur auf den Grund des freien substantiellen Willens; derselbe Inhalt ist es, der in Beziehung auf den als subjectiv und einzeln sich unterscheidenden Willen Pflicht ist. Die Endlichkeit des objectiven Willens ist in sofern der Schein des Unterschieds der Rechte und Pflichten. Im Felde der Erscheinung sind Recht und Pflicht zunächst so Correlata, daß einem Rechte von meiner Seite eine Pflicht in einem Ä ndern entspricht. Aber dem Begriffe nach ist mein Recht an eine Sache nicht blos Besitz, sondern Besitz als E igen th u m , d.i. ein rechtlicher Besitz, und es ist P flic h t, die Sache als E igen th u m zu besitzen, welche in das Verhältniß der Erscheinung, nämlich in der Beziehung auf eine andere Person, gesetzt, sich zur Pflicht des Ä ndern m ein Eigenthum zu respectiren entwickelt. Die m o ralisch e Pflicht ist in mir als freiem Subject, zugleich ein Recht meines subjectiven Willens, meiner Gesinnung. Aber in sofern im Moralischen die Differenz von Recht und Pflicht auch für den Begriff eintritt, ist meine Pflicht durch das Recht beschränkt, was als das Recht anderer erscheint. Hier ist die unmittelbare Einheit dessen, was Pflicht ist, mit dem Rechte dazu (daß ich d arf, was ich moralisch soll) nur etwas Subjectives in mir, und die Differenz derselben, wie damit die Zufälligkeit ihrer Einheit, macht die Einseitigkeit des blos moralischen Standpunktes aus. Im Sittlichen ist beides zu
9 ist] so C 2
O 2 : sind
16 Rechti] O 2 : Necht O 3 : Recht
354
ENCYCLOPÄDIE • PHILOSOPHIE DES GEISTES
447-448
seiner Wahrheit, zu seiner absoluten Einheit gelangt, obgleich als in der Weise der Nothwendigkeit Pflicht und Recht durch V e rm ittlu n g in einander zurückkehren und [sich] zusammenschließen. Die Rechte des Familienvaters über die Mitglieder sind eben so sehr Pflichten gegen sie, wie die Pflicht des Gehorsams der Kinder ihr Recht, zu freien Menschen erzogen zu werden, |
5
ist. Die Strafgerechtigkeit der Regierung, ihre Rechte der Verwaltung u.s.f. sind zugleich Pflichten derselben zu strafen, zu verwalten u.s.f., wie die Leistungen der Staatsangehörigen an Abgaben, Kriegsdiensten u.s.f., Pflichten und ebenso ihr Recht an den Schutz ihres Privateigenthums und des allgemeinen substantiellen Lebens sind, in dem sie ihre Wurzel haben; alle Zwecke
10
der Gesellschaft und des Staats sind ihre eigenen, und nur der Weg der Vermittlung, durch welche ihre Pflichten als Ausübung und Genuß von Rechten an sie zurückkommen, macht die Erscheinung der Verschiedenheit aus, zu welchem Anschein die Weise kommt, in welcher der W erth bei dem Austausche mannichfaltige Gestalten erhält, ob er gleich an sich derselbe ist. Wer keine Rechte hat, hat keine Pflichten.
15
EIN T H EILU N G . §. 487. Der freie Wille ist: A. Zunächst u n m ittelb ar, und daher als ein zeln er, - die P erso n ; das Da-
20
seyn, welches diese ihrer Freiheit gibt, ist das E igen t hum. Das R echt als solches, das fo rm elle, abstracte Recht. B. In sich reflectirt, so daß er sein Daseyn innerhalb seiner hat, und hiedurch zugleich als p articu läre r bestimmt ist, das Recht des su b jectiv en Willens, - die M o ralität.
25
C. In der Einheit seines subjectiven und des objectiven Daseyns, - der sub stan tie lle Wille als die ihrem Begriffe gemäße Wirklichkeit im Subjecte und Totalität der Nothwendigkeit, - die S ittlich k e it. D a ich diesen Theil der Philosophie in meinen Grundlinien des Rechts (Berlin 1821.) ausgeführt habe, so kann ich mich hier kürzer, als über die ändern Theile fassen. |
3 [sich] zusammenschließen] O 3 : sich zusammenschließen 25 M o r a l i t ä t ]
O 2:
M oralität
O 1O 3:
M o r a lit ä t
1 1 eigenen] O 2 : eigene
vgl.
30
O3:
eigenen
449-450
OBJECTIVER GEIST
355
A. DAS RECH T, a. E
ig e n t h u m
.
§. 488. Der Geist in der Unmittelbarkeit seiner für sich selbst seyenden Freiheit ist Einzelner, aber der seine Einzelnheit als absolut freien Willen weiß; er ist Person, das Sich-Wissen dieser Freiheit, welche ganz abstract und leer ist, ihre Besonderheit, Bestimmtheit und Erfüllung noch nicht an ihr selbst, sondern an einer äußerlichen Sache hat. Diese ist gegen die Subjectivität der Intelligenz und der Willkühr als ein Willenloses ohne Recht, und wird von ihr zu ihrem Accidens, der äußerlichen Sphäre ihrer Freiheit gemacht, - Besitz.
§. 489. Das für sich blos praktische Prädicat des M ein igen , welches die Sache durch das Urtheil des Besitzes zunächst in der äußerlichen Bemächtigung erhält, hat hier die Bedeutung, daß Ich meinen persönlichen Willen hineinlege, der absolut ist. Durch diese Bestimmung ist der Besitz E igen th um , der als Besitz M ittel, als Daseyn der Persönlichkeit aber Z w eck ist. |
§. 490. In dem Eigenthum ist die Person mit sich selbst zusammengeschlossen. Aber die Sache ist zugleich eine abstract äußerliche, und Ich darin äußerlich. Diese Aeußerlichkeit ist näher, daß Ich als Person, die unendliche Beziehung meiner auf mich, die Repulsion meiner von mir selbst bin, und die höhere Seite meiner Realisirung in dem Seyn anderer Personen und meiner Beziehung auf sie habe.
§. 491. Die Sache ist die M itte, durch welche die Extreme, die in dem Wissen ihrer Identität als freier zugleich selbstständigen Personen sich zusammenschließen. Mein Wille hat für sie sein bestim m tes erkennbares Daseyn in der Sache durch
356
ENCYCLOPÄDIE • PHILOSOPHIE DES GEISTES
450-451
die unmittelbare körperliche Ergreifung des Besitzes oder durch die Formirung oder auch durch die bloße Bezeichnung derselben.
§. 492. Die subjective und zufällige Seite am Eigenthum ist, daß ich in diese Sache meinen Willen lege; in sofern ist mein Wille W illk ü h r, so daß ich ihn eben so gut darein legen kann, oder nicht, und herausziehen kann, oder nicht. In sofern aber mein Wille in einer Sache liegt, kann nur Ich selbst ihn herausziehen, und sie kann nur mit meinem Willen an einen ändern übergehen, dessen Eigenthum sie ebenso nur mit seinem Willen wird; - V ertrag.
b. V
e r t r a g
.
§. 493.
Die zwei Willen und deren Uebereinkunft im Vertrage sind als Innerliches verschieden von dessen Realisirung, | der L eistu n g. Die relativ-ideelle Aeußerung in der S tip u la tio n aber enthält das w irk lich e Aufgeben eines Eigenthums von dem einen, den Uebergang und die Aufnahme in den ändern Willen. Der Vertrag ist an und für sich g ü ltig und wird es nicht erst durch die Leistung des einen oder des ändern, was einen unendlichen R egreß oder unendliche Theilung der Sache, der Arbeit, und der Zeit in sich schlösse. Es ist eine äußerlich e (dem Z w an ge sich unterwerfende) Verbindlichkeit, welche der Wille eingeht, weil er nur Wille der abstracten Persönlichkeit und ein Wollen über diese und jene Sache ist. Und seine Innerlichkeit, welche hier nicht die moralische ist, ist in der Aeußerung der Stipulation vollständig und erschöpft. Seine Innerlichkeit ist im Reiche des Vorstellens, und das W o rt ist in diesem T hat und Sache. (§. 462.) §. 494. Wie in der Stipulation sich das Su b stan tielle des Vertrags von der Leistung als dem Aeußerlichen, das zur Folge herabgesetzt ist, unterscheidet, so wird damit an die Sache oder Leistung der Unterschied der unmittelbaren specifischen Beschaffenheit derselben von dem Su b stan tiellen derselben, dem W erthe gesetzt, in welchem jenes Qualitative sich in quantitative Bestimmtheit verändert;
OBJECTIVER GEIST
451-452
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ein Eigenthum wird so vergleichbar mit einem ändern und kann qualitativ ganz Heterogenem gleichgesetzt werden. So wird es überhaupt als abstracte, allgemeine Sache gesetzt.
§. 495. Der Unterschied aber im Vertrage, der zunächst von Person zu Person ist, geht aus dem Unterschied eines solchen Substantiellen, das jedoch zunächst nur als eine aus der Willkühr entstandene Uebereinkunft ist, von dem Acci | dentellen, in den höhern Unterschied des in jenem enthaltenen reinen Substantiellen, gegen jene Seite des zufälligen Willens, des an und für sich allgemeinen, des R echts als solchen gegen das U nrecht über.
C. D
a s
R
e c h t
a n
s ic h
g e g e n
d a s
U
n r e c h t
.
§. 496. Das Princip des Rechts, die Freiheit, indem sie sich D asey n also im Aeußerlichen gibt, fällt damit in m ehrere B ezieh un gen auf dasselbe und auf die ändern Personen. (§. 491. und 493.ff.) 1) Dadurch gibt es mehrere R ec h tsg rü n d e , von denen, indem das Eigenthum sowohl nach Seite der Person als der Sache ausschließend individuell ist, nur Einer an sich das R echte ist, die aber als g e g e n einander gemeinschaftlich als Schein gesetzt sind.
§. 497. Gegen diese Form des Scheins wird zugleich das Eine R ech t an sich, noch in unmittelbarer Einheit mit den verschiedenen Rechtsgründen, als affirmativ gesetzt, gewollt und anerkannt. Die Verschiedenheit liegt nur in der Subsumtion dieser Sache unter das Recht an sich durch den b eson d ern Willen dieser Personen; - das unbefan gen e U nrecht, - ein einfaches n e g a tiv e s U rth e il, welches den b ü rgerlich en R ech tsstreit ausdrückt, zu dessen Schlichtung ein d rittes Urtheil, das als das Urtheil des R echts an sich ohne Interesse bei der Sache ist, und das die Macht ist, sich gegen jenen Schein Daseyn zu geben, erfordert wird.
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ENCYCLOPÄDIE • PHILOSOPHIE DES GEISTES
452-454
§. 498. 2) Der Schein des Rechts ist vom Recht-an-sich verschieden; jener als solcher gegen das Recht-an-sich | vom besondern hiemit von b ösem Willen gewollt, die Anerkennung des Rechts von seinem Werthe getrennt, - gibt das Unrecht des B e tr u g s ; - das unendliche Urtheil als identisches, (§. 173.) - die formelle Beziehung gegen den Gehalt, d.i. gegen den W erth. (§. 494.) §. 499. 3) Der besondere Wille stellt sich als dem Recht-an-sich schlechthin Zufälliges in der Negation sowohl desselben selbst als dessen Scheins dar; - negativ unendliches Urtheil, (§. 173.) - ge w a ltth ä tig -b ö se r Wille, - das V erbrechen. §. 500. Diese Handlung ist als Verletzung des Rechts an und für sich nichtig, und als Wille und Denkendes stellt in ihr der Handelnde ein aber formelles und nur von ihm anerkanntes Gesetz auf, einen Schein, der für ihn gilt, er hat durch sie sich selbst zugleich darunter subsumirt. Die dargestellte Nichtigkeit dieser Handlung, die Ausführung dieses formellen Gesetzes und zugleich des Rechts an sich, zunächst durch einen su b jectiv e n einzelnen Willen, ist die R ache, welche, weil sie von dem Interesse u n m ittelb arer p articu lärer Persönlichkeit ausgeht, zugleich nur neue Verletzung, ins U nendliche fo rt, ist. Dieser Progreß hebt sich gleichfalls in einem dritten Urtheil, das ohne Interesse ist, der S trafe , auf. §. 501. Das sich Geltendmachen des Rechts an sich ist vermittelt a) durch das a ffir m ativ e Verhalten des besondern Willens (des Richters) zum Recht, - was zunächst zufällig ist, und
durch die Negation des gegen das Recht eben sowohl auch negativ sich verhalten könnenden besondern Willens, - durch den Z w an g, welcher in | dem Rechte des allgemeinen Willens, des Rechts an sich, gegen den particulären begründet, und dadurch möglich ist, daß der Wille sein Daseyn in einer äuß erlich en Sache hat. Mehr nicht als möglich aber ist der Zwang, in sofern Ich mich als frei aus jeder Existenz, ja aus dem Umfange derselben, dem Leben, herausziehen kann. Rechtlich aber ist der Zwang nur als das Aufheben eines ersten, unmittelbaren Zwangs. ß)
3 gew ollt] so C 2, s. Editorischer Bericht S. 452
O2: das gew ollt
vgl. O 3: gew ollt
OBJECTIVER GEIST
454-456
359
§. 502.
5
Die Realität des Rechts, welche sich der persönliche Wille zunächst auf unmittelbare Weise gibt, zeigt sich durch den subjectiven Willen, das dem Rechte Daseyn gebende Moment, vermittelt. Umgekehrt ist der subjective Wille als Macht über das Recht in dieser seiner Abstraction für sich ein Nichtiges, und hat wesentlich nur in der Identität mit dem allgemeinen Willen Wahrheit und Realität; -
M o ralität. Der Ausdruck N atu rrech t, der für die philosophische Rechtslehre gewöhnlich gewesen, enthält die Zweideutigkeit, ob das Recht als ein in unio m itte lb a re r N atu rw eise vorhandenes, oder ob es so gemeynt sey, wie es durch die Natur der Sache, d. i. den B e g r iff, sich bestimme. Jener Sinn ist der vormals gewöhnlich gemeynte; so daß zugleich ein N a tu rzu sta n d erdichtet worden ist, in welchem das Naturrecht gelten solle, wogegen der Zustand der Gesellschaft und des Staates vielmehr eine Beschränkung der Freiheit und eine Aufopferung natürlicher Rechte fordere und mit sich bringe. In der That aber gründen sich das Recht und alle seine Bestimmungen allein auf die freie P ersö n lich k eit, eine S e lb stb e stim m u n g , welche vielmehr das Gegentheil der N atu rb estim m u n g ist. Das Recht der Natur ist darum das Daseyn der Stärke und das Geltendmachen der Gewalt, und ein Naturzustand, | ein Zustand der Gewaltthätigkeit und des Unrechts, von welchem nichts Wahreres gesagt werden kann, als daß aus ihm h erauszu geh en ist. Die Gesellschaft ist dagegen vielmehr der Zustand, in wel-
15
20
chem allein das Recht seine Wirklichkeit hat; was zu beschränken und aufzuopfern ist, ist eben die Willkühr und Gewaltthätigkeit des Naturzustan25
des. |
B. D IE M O R A L IT Ä T . §. 503. Das freie Individuum im (unmittelbaren) Rechte nur P erson , ist nun als S u b 30 je c t bestimmt, - in sich reflectirter Wille, so daß die Willensbestimmtheit überhaupt als Daseyn in ihm, als die sein ige sey. Die Willensbestimmtheit ist näher theils die an sich seyende - der Vernunft des Willens, das an sich Rechtliche und
31
alsi] O2 : ihr
O3: als
360
ENCYCLOPÄDIE • PHILOSOPHIE DES GEISTES
456-457
Sittliche; - theils die natürliche des Bedürfnisses und Triebes; - theils das in der thätlichen Aeußerung vorhandene, sich begebende und sich derselben angehörig machende Daseyn. Der subjective Wille ist in sofern m o ralisch frei, als diese Bestimmungen innerlich als die seinigen gesetzt und von ihm gewollt werden. Seine thätliche Aeußerung ist mit dieser Freiheit H an d lu n g , und nur solches anerkennt er in deren Aeußerlichkeit als das seinige, und läßt es sich zurech nen. Diese su b jective oder m oralisch e Freiheit ist es vornehmlich, welche im europäischen Sinne Freiheit heißt. Nach dem Rechte derselben muß der Mensch überhaupt eine Kenntniß vom Unterschiede des Guten und Bösen überhaupt eigens besitzen, und die sittlichen wie die religiösen Bestimmungen sollen nicht nur als äußer | liehe Gesetze und Vorschriften ihren Anspruch an ihn machen und von ihm gehalten werden, sondern in seinem Herzen, Gesinnung, Gewissen, Einsicht u.s.f., ihre Zustimmung, Anerkennung oder selbst Begründung haben. Die Subjectivität des Willens in ihm selbst ist Selbstzweck, schlechthin wesentliches Moment.
a) D
V
e r
o r s a t z
.
§. 504. In sofern die Bestimmtheit der Handlung zunächst als unmittelbar das D a seyn betrifft, so ist das Meinige in sofern formell, als das äußerliche Daseyn auch se lb ststä n d ig gegen das Subject ist. Diese Aeußerlichkeit kann dessen Handlung verkehren und Anderes zum Vorschein bringen, als in dieser gelegen hat. Obgleich alle Veränderung als solche, welche durch die Thätigkeit des Subjects gesetzt wird, T h at desselben ist, so erkennt es dieselbe darum nicht als seine H an d lu n g , sondern nur dasjenige in der That, was in seinem W issen und W illen lag, was sein V orsatz war, als das Sein ige an, - als seine Schuld.
ß) D
ie
A
b s ic h t
u n d
d a s
W
o h l
.
§. 505. Die Handlung hat nach ihrem besondern Inhalt 1) in ihrer empirisch-concreten Aeußerlichkeit eine Mannichfaltigkeit besonderer Seiten und Zusammenhänge; das Subject muß die Handlung nach ihrer wesentlichen, diese Einzeln-
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OBJECTIVER GEIST
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heiten in sich befassenden Bestimmung gewußt und gewollt haben; - R echt der A bsicht. 2) Das Subject hat ebenso das Recht, daß die B e so n d e rh e it des Inhalts der Materie nach nicht eine äußerliche, sondern dessen eigene Besonderheit, seine Bedürfnisse, Interessen und Zwecke seyen, welche in Einen Zweck gleichfalls zusam|mengefaßt, sein W ohl ausmachen; - das R ech t des W ohls.
§. 506. Aber die Wesentlichkeit der Absicht ist zunächst die abstracte Form der Allgemeinheit, und an der empirisch-concreten Handlung kann diese und jene besondere Seite in diese Form gesetzt und damit als wesentlich zur Absicht gemacht oder die Absicht auf sie eingeschränkt werden. Ebenso ist das Wohl abstract, und kann in dies oder jenes gesetzt werden; es ist als diesem Subjecte angehörig überhaupt etwas Besonderes.
y) D
a s
G
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d a s
B
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.
§. 507. Die Wahrheit dieser Besonderheiten und das Concrete ihres Formalismus ist der a llg e m e in e , an und für sich seyende W ille , das Gesetz und die Substanz aller Bestimmtheit, daher der absolute E ndzw eck der W elt, das an und fü r sich G ute und die P flich t für das Subject, welches die E in sich t in das G ute haben, dasselbe sich zur A bsicht machen und durch seine Thätigkeit hervorbringen soll.
§. 508. Das G ute ist a) zwar das an ihm selbst bestimmte Allgemeine des Willens, und schließt so die Besonderheit in sich. Aber in sofern diese zunächst selbst noch abstract ist, ist kein Princip ihrer Bestimmung vorhanden. Es gibt deswegen überhaupt m an ch erlei Gutes und v ielerlei P flich ten , deren Verschiedenheit dialektisch gegen einander ist, und sie in C o llisio n bringt. Zugleich sollen sie in Uebereinstimmung stehen um der Einheit des Guten willen, und zugleich
8 Handlung] O 2 ’ Haudlung vgl. O 3 .* Welt,
(^.'H andlung
17 W e lt, das] O 2 ' W e lt d as
v g l.O i: E n d z w e c k , das
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ist jede als Pflicht und als | Gut absolut. Das Subject soll die Dialektik seyn, welche eine Verbindung derselben mit Ausschließung der ändern und damit [mit] Aufheben ihres absoluten Gehens beschließe.
§. 509. ß) Dem Subject, das im Daseyn seiner Freiheit wesentlich als ein B eso n deres ist, soll sein In teresse und W ohl wesentlicher Zweck und darum Pflicht seyn. Zugleich aber im Zwecke des G uten, welches das nicht Besondere, sondern nur Allgemeine des Willens ist, soll das besondere Interesse kein Moment seyn. Um dieser Selbstständigkeit beider Bestimmungen willen ist es gleichfalls zufällig, ob sie harmoniren. Aber sie sollen harmoniren, weil das Subject als Einzelnes und Allgemeines an sich Eine Identität ist. y) Das Subject ist aber nicht nur in seinem Daseyn Besonderes überhaupt, sondern es ist auch eine Form seines Daseyns, ab stracte Gewißheit seiner selbst, abstracte Reflexion der Freiheit in sich zu seyn. So ist es fähig, sich das Allgemeine zu einem Scheine, zu einem Besondern zu machen. Das Gute ist auf diese Weise als ein Zufälliges für das Subject gesetzt, welches sich hienach zu einem dem Guten Entgegengesetzten entschließen, böse seyn kann.
§. 510. 8) Die äußere Objectivität macht gegen die innerliche Seite das andere selbstständige Extrem, eine eigentümliche Welt für sich aus. Es ist daher zufällig, ob sie zu den subjectiven Zwecken zusammenstimmt, ob das G ute sich in ihr realisirt und das B ö se , der an und für sich nichtige Zweck, in ihr nichtig ist; - ferner ob das Subject sein Wohl in ihr findet, und näher ob das gu te Subject in ihr g lü ck lich , und das böse u n glücklich wird. Zugleich soll die Welt das Wesentliche, die gute Hand | lung in sich ausführen lassen, wie dem guten Subjecte die Befriedigung seines besondern Interesse gewähren, dem bösen aber versagen, so wie das Böse selbst zu nichte machen.
§. 511. Der allseitige Widerspruch, welchen dieses vielfache S o lle n , das wesentliche Seyn, welches doch zugleich nicht ist, ausdrückt, enthält die abstracteste Analyse
2-3 [mit] Aufheben] O 3 : mit Aufheben entgegengesetzten
O 3 : Entgegengesetzten
16 einem] O 2 : einer
O 3 : einem
17 Entgegengesetzten] O 2 :
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des Geistes in ihm selbst, sein tiefstes In-sich-gehen. Die Beziehung der sich widersprechenden Bestimmungen ist nur die abstracte Gewißheit seiner selbst, die U n en d lich k eit der Subjectivität, für welche der allgemeine Wille, das Gute, Recht und Pflicht eben sowohl ist, als nicht ist, und welche sich als das Wählende und Entscheidende weiß. Diese reine sich auf ihre Spitze stellende Gewißheit seiner selbst erscheint in den zwei unmittelbar in einander übergehenden Formen, des G ew issens und des Bösen. Jenes ist der Wille des G uten, welches aber in dieser reinen Subjectivität das nicht O b jective, nicht Allgemeine, das Unsagbare ist, und worüber das Subject sich in seiner E in zeln h eit entscheidend weiß. Das B ö se aber ist dieses selbe Wissen seiner Einzelnheit als des Entscheidenden, in sofern sie nicht in dieser Abstraction bleibt, sondern gegen das Gute sich den Inhalt eines subjectiven Interesses gibt. §. 512. Diese höchste Spitze des Phänom ens des Willens, der bis zu dieser absoluten Eitelkeit, - einem nicht-objectiven, sondern rein nur seiner selbst gewissen Gutseyn, und einer Gewißheit seiner selbst in der Nichtigkeit des Allgemeinen, - verflüchtigt ist, sinkt unmittelbar in sich zusammen. Das B ö se als die reine Reflexion der Subjectivität in sich gegen das Objective und Allgemeine, das | ihr nur Schein ist, ist dasselbe, was die gute G esinnung des ab strac ten Guten, welche der Subjectivität die Bestimmung desselben vorbehält; - das ganz abstracte Scheinen, das unmittelbare Verkehren und Vernichten seiner selbst. So aber in sich zusammenfallend ist dies Scheinen vielmehr dieselbe einfache Allgemeinheit des Willens, welche das Gute ist. Der Begriff der Subjectivität in dieser ihrer Identität mit demselben ist nur die unendliche Form, dessen Bethätigung und Entwicklung; es ist damit überhaupt der Standpunkt des V e rh ältn isse s und des Sollen s verlassen, und zur S ittlich k e it übergegangen. |
C. D IE S IT T L IC H K E IT . §. 513. Die S ittlic h k e it ist die Vollendung des objectiven Geistes, nicht nur die Wahrheit des Rechts und der Moralität, als ihre Einheit, sondern des subjectiven und
11 sondern] O 2: sodnern
O1O3: sondern
24 Form,] O2: Form
O 3 : Form,
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objectiven Geistes selbst. Sie ist nämlich die F reih eit als der allgem ein e vernünftige Wille, wie er in dem reinen G edanken der einzelnen Subjectivität, sein Wissen von sich und die Gesinnung, so wie seine Bethätigung und unmittelbare allgemeine W irk lich k eit zugleich als S itte hat, - die selbstbewußte F re ih eit zur N a tu r geworden.
§. 514. Die freie Su b stan z, in welcher das absolute So llen eben so sehr Seyn ist, hat als Geist eines V olkes Wirklichkeit. Ihre abstracte Diremtion ist die Vereinzelung in P ersonen, von deren Selbstständigkeit sie die innere Macht und Nothwendigkeit ist. Die Person aber weiß als denkende Intelligenz die Substanz als ihr eigenes Wesen, hört in dieser Gesinnung auf Accidenz derselben zu seyn; schaut sie als ihren absoluten | Endzweck in der Wirklichkeit ebenso als erreichtes D ie sse its an, als sie denselben durch ihre T h a tig k e it h e rv o rb rin g t, jedoch als etwas, das eben so sehr schlechthin ist, hiemit ohne die wählende Reflexion ihre Pflicht als das Ihrige und als Seyendes vollbringt und in dieser Nothwendigkeit sich selbst und ihre wirkliche Freiheit hat.
§. 515. Weil die Substanz die absolute Einheit der Einzelnheit und der Allgemeinheit der Freiheit ist, so ist die W irk lich k eit und T h ä tig k e it jedes E inzelnen, fü r sich zu seyn und zu sorgen, bedingt sowohl durch das vorausgesetzte Ganze, in dessen Zusammenhang allein vorhanden, als auch ein Uebergeben in ein allgemeines Product. - Die G esinnung der Individuen ist das W issen der Substanz und der Identität aller ihrer Interesse mit dem Ganzen, und daß die ändern Einzelnen gegenseitig sich nur in dieser Identität wissen und wirklich sind, - das V e rtra u e n , - die wahrhafte, sittliche Gesinnung.
§. 516. Die Beziehungen des Einzelnen in den Verhältnissen, zu denen sich die Substanz besondert, machen seine sittlich en P flich te n aus. Die sittliche Persönlichkeit, d. i. die Subjectivität, deren ganze Individualität von dem substantiellen Leben durchdrungen ist, ist T ugend. In Beziehung auf äußerliche Unmittelbarkeit, auf ein Sch ick sal, ist die Tugend ein Verhalten zum Seyn als nicht Negativem, und dadurch ruhiges Beruhen in sich selbst; - in Beziehung auf die substantielle Objectivität, das Ganze der sittlichen Wirklichkeit, ist sie Vertrauen,
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absichtliches Wirken für dieselbe und Fähigkeit für dieselbe sich aufzuopfern; in Beziehung auf die Zufälligkeit der Verhält |nisse mit ändern, zuerst Gerechtigkeit und dann wohlwollende Neigung; in welcher Sphäre und im Verhalten zu ihrem eigenen Daseyn und Leiblichkeit die Individualität ihren besondern Cha5
rakter, Temperament u.s.f. als T ugen d en ausdrückt.
§. 517. Die sittliche Substanz ist a. als unmittelbarer oder n atürlich er Geist, - die F a m ilie ; b. die relative Totalität der relativen Beziehung der Individuen als selbstständiio ger Personen auf einander in einer formellen Allgemeinheit, - die b ü rg e rliche G e se llsc h aft; c. die selbstbewußte Substanz als der zu einer organischen Wirklichkeit entwickelte Geist, - die S taatsv erfassu n g.
a. 15
D
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F
a m il ie
.
§. 518. Der sittliche Geist in seiner Unmittelbarkeit enthält das n atü rlich e Moment des Geschlechtsverhältnisses, aber erhoben in geistige Bestimmung; - die Einigkeit der Liebe und der Gesinnung des Zutrauens; - der Geist ist als Familie em p20
fin den d er Geist.
§. 519. 1) Der Unterschied der natürlichen Geschlechter erscheint ebenso zugleich als ein Unterschied der intellectuellen | und sittlichen Bestimmung. Diese Persönlichkeiten verbinden sich nach ihrer ausschließenden Einzelnheit zu Einer P er25 son ; die subjective Innigkeit zu substantieller Einheit bestimmt macht diese Vereinung zu einem sittlich en Verhältnisse; - zur Ehe. Die substantielle Innigkeit macht die Ehe zu einem ungetheilten Bande der Personen, - zu m o n o g am isch er Ehe; die körperliche Vereinigung ist Folge des sittlich geknüpften Bandes. Die fernere Folge ist die Gemeinsamkeit der persönlichen und particulären Interessen.
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§. 520. 2) Das Ei g ent hum der Familie als Einer Person erhält durch die Gemeinschaft, die es in Beziehung auf die verschiedenen Individuen hat, aus denen die Familie besteht, wie der Erwerb, die Arbeit und Vorsorge, ein sittlich es Interesse. §. 521. Die mit der natürlichen Erzeugung der Kinder verbundene, zunächst als ursprünglich (§. 519.) im Schließen der Ehe gesetzte Sittlichkeit realisirt sich in der zweiten Geburt der Kinder, der geistigen, - der Erziehung derselben zu selbstständigen Personen. §. 522. 3) Durch diese Selbstständigkeit treten die Kinder aus der concreten Lebendigkeit der Familie, der sie ursprünglich angehören, und sind bestimmt, eine neue solche wirkliche Familie zu stiften. Der Auflösung geht die Ehe wesentlich durch das n atü rlich e Moment, das in ihr enthalten ist, den Tod der Ehegatten zu; aber auch die Innigkeit, als die nur empfindende Substantialität ist an sich dem | Zufall und der Vergänglichkeit unterworfen. Nach dieser solcher Zufälligkeit gerathen die Mitglieder der Familie in das Verhältniß von Personen gegen einander, und damit erst treten, was diesem Bande an sich fremd ist, rech tlich e Bestimmungen in dasselbe ein.
b. D
ie
b ü r g e r l ic h e
G
e s e l l s c h a f t
.
§. 523. Die Substanz als Geist sich abstract in P ersonen (Familien oder Einzelne) besondernd, welche in selbstständiger Freiheit und zugleich als B eson dere für sich sind, verliert zunächst ihre sittliche Bestimmung, indem diese Personen als solche nicht die absolute Einheit, sondern ihre eigene Besonderheit und ihr Fürsichseyn in ihrem Bewußtseyn und zu ihrem Zwecke haben. Die Substanz wird auf diese Weise nur zu einem allgemeinen, vermittelnden Zusammenhange von selbstständigen Extremen und von deren besondern Interessen; —die in sich entwickelte Totalität dieses Zusammenhangs ist der Staat als bürgerliche Gesellschaft, oder als äußerer Staat.
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a. a. DAS SYSTEM DER BEDÜRFNISSE,
a) D ie V erm ittlu n g der B ed ü rfn isse.
§. 524. Die Besonderheit der Personen begreift zunächst ihre Bedürfnisse in sich. Die Möglichkeit der Befriedigung derselben ist hier in den gesellschaftlichen Zusammenhang | gelegt, welcher das allgemeine Vermögen ist, aus welchem alle diese Befriedigung erlangen. Die un m ittelbare Besitzergreifung (§. 488.) von äußern Gegenständen als Mitteln hiezu findet in dem Zustande, worin dieser Standpunkt der Vermittlung realisirt ist, nicht mehr oder kaum Statt; die Gegenstände sind Eigenthum. Deren Erwerb ist durch den Willen der Besitzer, der als besonderer die Befriedigung der mannichfaltig bestimmten Bedürfnisse zum Zwecke hat, einerseits bedingt und vermittelt, so wie andererseits durch die immer sich erneuernde Hervorbringung austauschbarer Mittel durch eigene A rbeit.
ß) D ie T h eilu n g der A rbeit.
§. 525. In die Besonderheit der Bedürfnisse scheint die Allgemeinheit zunächst so, daß der Verstand an ihnen unterscheidet und sie wie die Mittel für diese Unterschiede ins Unbestimmte vervielfältigt, und beides immer abstracter macht. Die Gewohnheit dieser Abstraction im Genüsse, Kenntniß, Wissen, und Benehmen macht die B ild u n g in dieser Sphäre - überhaupt die fo rm elle B ild u n g aus.
§. 526. Die damit zugleich abstractere Arbeit führt einerseits durch ihre Einförmigkeit auf die Leichtigkeit der Arbeit und Vermehrung der Production, andererseits zur Beschränkung auf Eine Geschicklichkeit und damit zur unbedingtem Abhän-
5 Diei] so C 2 , s. Editorischer Bericht S. 452 Allgemeinheit
O 2 : 1) Die
17 Allgemeinheit] O 2 : Allge-/gemeinheit
O3 :
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gigkeit von dem gesellschaftlichen Zusammenhange. Die Geschicklichkeit selbst wird auf diese Weise mechanisch und tritt in die Fähigkeit, an die Stelle menschlicher Arbeit die Maschine treten zu lassen. |
y) D ie Stände.
§. 527. Die concrete Theilung aber des allgemeinen Vermögens, das ebenso ein allgemeines Geschäft ist, in die besondern nach den Momenten des Begriffs bestimmten Massen, die eine besondere Subsistenzbasis und im Zusammenhange damit entsprechende Weisen der Arbeit, der Mittel der Befriedigung der Bedürfnisse, ferner der Zwecke und Interessen so wie der geistigen Bildung und Gewohnheit bilden, macht den U n tersch ied der Stände. - Die Individuen theilen sich denselben nach natürlichem Talent, nach Geschicklichkeit, Willkühr und Zufall zu. Solcher bestimmten, festen Sphäre angehörig, haben sie ihre wesentliche Existenz, als welche nur als etwas Besonderes ist, und in derselben ihre S ittlich k e it als R ech tsch affen h eit, ihr Anerkanntseyn und ihre Ehre. Wo bürgerliche Gesellschaft und damit Staat vorhanden ist, treten die Stände in ihrem Unterschiede ein; die Geschichte der Verfassungen ist die Geschichte der Ausbildung dieser Stände, der rechtlichen Verhältnisse der Individuen zu denselben, und ihrer zu einander und zu ihrem Mittelpunkte.
§. 528. Der su b stan tielle Stand hat an dem Boden ein natürliches und festes Vermögen, seine Thätigkeit erhält ihre Richtung und Inhalt durch Naturbestimmungen, und seine Sittlichkeit gründet sich auf Glauben und Vertrauen. Der zw eite Stand ist auf das Vermögen der Gesellschaft, auf das in Vermittlung, Vorstellung und in ein Zusammen der Zufälligkeiten gestellte Element, und das Individuum auf seine subjective Geschicklichkeit, Talent, Verstand und Fleiß angewiesen. Der d ritte | Stand hat die allgemeinen Interessen zu seinem Geschäfte und wie der zweite eine durch die eigene Geschicklichkeit vermittelte und wie der erste eine aber durch das Ganze der Gesellschaft gesicherte Subsistenz.
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b. b. DIE RE C H T SP F LE G E .
§. 529. In dem durch natürliches Bedürfniß und freie Willkühr vermittelten, zu allgemeinen Verhältnissen und einem notwendigen Gange erhobenen Systeme des Princips der zufälligen Besonderheit ist die für sich feste Bestimmung der Freiheit zunächst nur das fo rm elle Recht. 1) Das ihm in dieser Sphäre verständigen Bewußtseyns zukommende D aseyn ist, daß es als das feste Allgemeine zum Bewußt seyn gebracht, in seiner Bestimmtheit gew ußt und g e se tzt sey, als das Geltende; - das Gesetz. Das P o sitiv e der Gesetze betrifft nur ihre Form überhaupt als gültige und gewußte zu seyn, womit die Möglichkeit zugleich gegeben ist, von Allen auf gewöhnliche äußerliche Weise gewußt zu werden. Der Inhalt kann dabei an sich vernünftig oder auch unvernünftig und damit unrecht seyn. Aber indem das Recht als im bestimmten Daseyn begriffen ein entwickeltes ist und sein Inhalt sich, um die Bestimmtheit zu gewinnen, analysirt, so verfällt diese Analyse wegen der Endlichkeit des Stoffes in den Progreß in das schlecht-unendliche und deswegen kann die schließliche Bestimmtheit, die schlechthin wesentlich ist, nur auf eine zufällige und willkührliche Weise erhalten werden (ob drei Jahre, 10 Thaler u.s.f., oder nur 21/2, 23/4, 24/5 u.s.f. Jahre, und so fort ins Unendliche, das Gerechte wäre, | läßt sich auf keine Weise durch den Begriff entscheiden, und doch ist das Höhere, daß entschieden wird). So tritt von selbst, aber freilich nur an den Enden des Bestimmens, an der Seite des äußerlichen Daseyns, das Positive als Zufälligkeit und Willkührlichkeit ein. Es geschieht dies und ist in allen Gesetzgebungen von jeher von selbst geschehen; es ist nur nöthig ein bestimmtes Bewußtseyn hierüber zu haben gegen das vermeynte Ziel und Gerede, als ob nach allen Seiten hin das Gesetz durch Vernunft oder rechtlichen Verstand, durch lauter vernünftige und verständige Gründe bestimmt werden könne und sollte. Es ist die leere Meynung von V o llk o m m en h eit, solche Erwartung und Forderung an die Sphäre des Endlichen zu machen. Diejenigen, welchen G esetze sogar ein Uebel und Unheiliges sind, und die das Regieren und Regiertwerden aus natürlicher Liebe, angestammter Göttlichkeit oder Adelichkeit durch Glauben und Vertrauen für den ächten, die Herrschaft der Gesetze aber für den verdorbenen und ungerechten Zustand halten, übersehen den Umstand, daß die Gestirne u.s.f., wie auch das Vieh, nach Gesetzen und zwar gut regiert werden, - Gesetzen, welche aber
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in diesen Gegenständen nur innerlich, nicht für sie selbst, nicht als gesetzte Gesetze sind, daß der Mensch aber dies ist, sein Gesetz zu w issen, und daß er darum wahrhaft nur solchem gewußten Gesetze gehorchen kann, wie sein Gesetz nur als gew ußtes, wahrhaftes Gesetz seyn kann, sonst aber nur Zufälligkeit und Willkühr, oder wenigstens damit vermischt und verunreinigt seyn muß. Dieselbe leere Forderung der Vollkommenheit wird für das Gegentheil des Obigen, für die Meynung der Unmöglichkeit oder Unthunlichkeit eines Gesetzbuches gebraucht. Es tritt dabei ein weiterer Gedankenmangel ein, die wesentlichen und allgemeinen Bestimmungen mit | dem besondern Detail in Eine Classe zu setzen. Der endliche Stoff ist ins schlecht-unendliche fort bestimmbar; aber dieser Fortgang ist nicht, wie er im Raume z. B. vorgestellt wird, ein Erzeugen von Raumbestimmungen derselben Qualität als die vorhergehenden, sondern ein Fortgehen in Specielleres und immer Specielleres, durch den Scharfsinn des analysirenden Verstandes, der neue Unterscheidungen erfindet, welche neue Entscheidungen nöthig machen. Wenn diese solche Bestimmungen gleichfalls den Namen neuer Entscheidungen oder neuer G esetze erhalten, so nimmt im Verhältnisse des Weitergehens dieser Entwicklung das Interesse und der Gehalt dieser Bestimmungen ab. Sie fallen innerhalb der bereits bestehenden substantiellen, allgemeinen Gesetze, wie Verbesserungen an einem Boden, Thüre u.s.f. innerhalb des Hauses, und wohl etwas N eues, aber nicht ein Haus sind. Hat die Gesetzgebung bei einzelnen Bestimmungen angefangen und diese ihrer Natur nach immerfort vermehrt, so entsteht im Gegentheil das Bedürfniß eines ein fach e m Gesetzbuches, d.h. des Zusammenfassens jener Menge von Einzelnheiten in ihre allgemeinen Bestimmungen, welche zu finden und auszusprechen zu wissen dem Verstände und der Bildung eines Volkes ziemt; - wie in England diese Fassung der Einzelnheiten in allgemeine Formen, welche in der That erst den Namen von Gesetzen verdienen, erst kürzlich, vom Minister P eel, der sich dadurch den Dank, ja die Bewunderung seiner Landsleute gewonnen, angefangen worden ist.
§. 530. 2) Die positive Form der Gesetze, als Gesetze au sgesp ro ch en und bekannt g e m ach t zu seyn, ist Bedingung der äuß erlichen V erb in d lich k eit gegen
23 N atur] O 2 : Ratur
O 3 ; N atur
26-27 auszusprechen] O 2 : aussprechen
O 3 : auszusprechen
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dieselben, indem sie als Gesetze des strengen Rechts nur | den abstracten (d. i. selbst an sich äußerlichen) nicht den moralischen oder sittlichen Willen betreffen. Die Subjectivität, auf welche dieser nach dieser Seite ein Recht hat, ist hier nur das Bekanntseyn. Dies subjective Daseyn ist als Daseyn des An und für sich seyenden 5
in dieser Sphäre, des Rechts, zugleich o b jectiv es Daseyn, als allgemeines Gelten und Nothwendigkeit. Das Rechtliche des Eigenthums und der Privathandlungen über dasselbe erhält nach der Bestimmung, daß das Rechtliche ein Gesetztes, Anerkanntes und dadurch Gültiges sey, durch die F örm lich k eiten diese Seite allge m e in e r G arantie.
io
§. 531. 3) Die N o th w e n d ig k e it, zu welcher das objective Daseyn sich bestimmt, erhält das Rechtliche in der R ech tspflege. Das Recht-an-sich hat sich dem G erichte, dem individualisirten Rechte, als bew iesen darzustellen, wobei das Recht-an-sich von dem beweisbaren unterschieden seyn kann. Das Gericht er-
15
kennt und handelt im Interesse des Rechts als solchen, benimmt der Existenz desselben seine Zufälligkeit und verwandelt insbesondere sie, wie sie als Rache ist, in Strafe. (§. 500.) Die Vergleichung der beiden Arten oder vielmehr Momente, die Ueberzeugung der Richter über den Thatbestand einer Handlung in Beziehung
20
auf den derselben Beklagten, - durch die bloßen Umstände und Zeugnisse Anderer - und das Geständniß desselben, hat in neuern Zeiten viel Interesse erweckt, und macht die Hauptsache der Frage über die sogenannten G esch w o rn en gerich te aus. Es ist eine wesentliche Bestimmung, daß die beiden Bestandtheile eines richterlichen Erkenntnisses, das Urtheil über den T h atb e sta n d , und das Urtheil | als A nw endung des Gesetzes auf denselben, als an sich verschiedene Seiten, auch als versch ieden e Fu n ction en
25
ausgeübt werden; durch die genannte Institution sind sie auch verschieden qualificirten Collégien zugetheilt, deren das eine ausdrücklich nicht aus Individuen, die zum Fache der amtlichen Richter gehören, bestehen soll. So interessant dieser Umstand ist, so beruht er doch mehr auf außerwesentlichen
30
Rücksichten, und die Hauptsache bleibt die abgesonderte Ausübung jener an sich verschiedenen Seiten. Wichtiger aber ist, ob das Eingeständniß des eines Verbrechens Beschuldigten zur Bedingung eines Strafurtheils zu machen sey oder nicht. Die Institution des Geschwornengerichts abstrahirt von 35
dieser Bedingung. Das Geständniß aber ist als die höchste Spitze der Verge4
A n ] 0 2 .-an
O 3 : An
372
ENCYCLOPÄDIE • PHILOSOPHIE DES GEISTES
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wisserung anzusehen, welche ihrer Natur nach subjectiv ist; die letzte Entscheidung liegt daher in demselben; an diesen Punkt hat der Beklagte daher ein absolutes Recht für die Schließlichkeit des Beweises und der Ueberzeugung der Richter. - Unvollständig ist dies Moment, weil es nur Ein Moment ist; aber noch unvollkommener ist das andere eben so abstract genommen, das Beweisen aus bloßen Umständen und Zeugnissen. - E x tra o rd in ä re Strafen ist leicht für einen Unsinn zu erklären, und vielmehr zu flach, sich so an den bloßen Namen zu halten. Der Sache nach sind alle auf den Grund des Ausspruchs eines Geschwornengerichts verhängte Strafen, (- ein Eingeständniß, das hier auch Statt finden kann, ist dabei etwas Zufälliges und Außerwesentliches) das, was extraordinäre Strafen genannt worden sind.
§. 532. Die Rechtspflege hat die Bestimmung nur die abstracte Seite der Freiheit in der bürgerlichen Gesellschaft zur Nothwendigkeit zu bethätigen, aber diese Betätigung beruht | zunächst auf der particulären Subjectivität des Richters, deren selbst notwendige Einheit mit dem Recht-an-sich noch nicht vorhanden ist. Umgekehrt ist die blinde Notwendigkeit des Systems der Bedürfnisse noch nicht in das Bewußtseyn des Allgemeinen erhoben und von solchem aus betätigt.
C. c. DIE POLICEY
UND
DIE C O R P O R A T I O N .
§. 533. Die Rechtspflege schließt von selbst das nur der Besonderheit Angehörige der Handlungen und Interessen aus und überläßt der Zufälligkeit sowohl das Geschehen von Verbrechen als die Rücksicht auf die Wohlfahrt. In der bürgerlichen Gesellschaft ist die Befriedigung des Bedürfnisses und als des Menschen auf allgemeine Weise, d.i. die Sich erung dieser Befriedigung, der Zw eck. In der Mechanik aber der Notwendigkeit der Gesellschaft ist auf die mannichfaltigste Weise die Zufälligkeit vorhanden, sowohl in Rücksicht der Wandelbarkeit der Bedürfnisse selbst, an denen Meynung und subjectives Belieben einen großen A nteil haben, als durch die Localitäten, die Zusammenhänge eines Volkes mit ändern, durch Irrthümer und Täuschungen, welche in einzelne Räder gebracht werden können und das Ganze in Unordnung zu bringen vermögen, wie auch insbesondere durch die bedingte Fähigkeit des Einzelnen aus jenem allgemeinen Vermö-
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gen für sich zu erwerben. Der Gang jener Nothwendigkeit, da sie nur die Wirkungsweise der Besonderheiten als solcher ist, enthält nicht für sich den affirmativen Z w eck der Sicherung der Befriedigung, sondern kann in Ansehung desselben sowohl angemessen seyn oder auch nicht. |
§. 534. Das Bewußtseyn des wesentlichen Zwecks, die Kenntniß der Wirkungsweise der Mächte und wandelbaren Ingredienzien, aus denen jene Nothwendigkeit zusammengesetzt ist, und das Festhalten dieses Zwecks in dem Gange derselben als eines Mittels, hat ein erseits zum Concreten der bürgerlichen Gesellschaft das Verhältniß einer äuß erlichen Allgemeinheit; diese Ordnung ist als thätige Macht der äußerliche Staat, die Policey, welche, in sofern sie den substantiellen Staat über sich hat, als Staats-Policey erscheint; andererseits bleibt der Zweck substantieller Allgemeinheit und dessen Bethätigung in dieser Sphäre der Besonderheit auf das Geschäft besonderer Zweige und Interesse beschränkt - die C o r p o ratio n , in welcher der besondere Bürger als Privatmann die Sicherung seines Vermögens findet, eben so sehr als er darin aus seinem einzelnen Privatinteresse heraustritt, und eine bewußte Thätigkeit für einen relativen allgemeinen Zweck, wie in den rechtlichen und Standespflichten seine Sittlichkeit, hat.
c. D
er
St
a a t
.
§. 535. Der Staat ist die selbstbew uß te sittliche Substanz, - die Vereinigung des Princips der Familie und der bürgerlichen Gesellschaft; er ist das Sittliche, indem dieselbe Einheit, welche in der Familie in der Form des Gefühls als Liebe ist, sein Wesen, aber zugleich durch das zweite Princip des wissenden und aus sich thätigen Willens die Form gew uß ter Allgemeinheit erhält, so wie diese wissende Subjectivität jene Einheit und deren im Wissen sich entwickelnde Bestimmungen zum Inhalte und absoluten Zwecke erhält, d. i. für sich dies Vernünftige will. |
§. 536. Der Staat ist a) zunächst seine innere, sich auf sich beziehende Entwicklung, - das innere Staatsre ch t oder die V e rfa ssu n g ; er ist ß) besonderes Indi-
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viduum und so im Verhältnisse zu ändern besondern Individuen, - das äußere S ta a tsre c h t; y) aber diese besondern Geister sind nur Momente in der Entwicklung der allgemeinen Idee des Geistes, - die W eltgesch ich te.
a. INNERES STAATSRECH T.
§. 537. Das Wesen des Staates ist das an und für sich Allgemeine, des Wollens, das Vernünftige des Willens, aber als sich wissend und bethätigend schlechthin Subjectivität und als Wirklichkeit Ein Individuum. Sein W erk überhaupt besteht in Beziehung auf das Extrem der Einzelnheit als der Menge der Individuen in dem gedoppelten, einm al sie als Personen zu erhalten, somit das R echt zur n o t wendigen Wirklichkeit zu machen, und dann ihr W oh l, das zunächst jeder für sich besorgt, aber schlechthin eine allgemeine Seite hat, zu befördern, die Familie zu schützen und die bürgerliche Gesellschaft zu leiten, - das andre mal aber beides und die ganze Gesinnung und Thätigkeit des Einzelnen, als der für sich ein Centrum zu seyn strebt, in das Leben der allgemeinen Substanz zurückzuführen, und in diesem Sinne als freie Macht jenen ihr untergeordneten Sphären Abbruch zu thun. §. 538. Die G esetze sprechen die Inhalts-Bestimmungen der objectiven Freiheit aus. Erstens als unmittelbar | sind sie Schranken des unmittelbaren Subjects, der selbstständigen Willkühr und des besondern Interesses. Aber die Gesetze sind zw eitens absoluter Endzweck und das allgemeine W erk, so werden sie durch die Functionen der verschiedenen sich aus ihrer allgemeinen Besonderung weiter vereinzelnden Stän d e, und durch alle Thätigkeit und Privat-Sorge der E in zelnen hervorgebracht und indem sie die Substanz ihres Wollens und ihrer Gesinnung sind, als geltende Sitte dargestellt.
§. 539. Die V erfassu n g ist die Gegliederung der Staatsmacht, welche das Allgemeine zum Zwecke hat; sie enthält die Bestimmungen, auf welche Weise der vernünftige Wille, in sofern er nur an sich der allgemeine der Individuen ist, theils zum
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Verständniß seiner selbst komme und gefunden werde, theils durch die Wirksamkeit der Regierung und ihrer besonderen Zweige in Wirklichkeit gesetzt und darin erhalten und ebenso gegen deren zufällige Individualität als gegen die der Einzelnen geschützt werde. Sie ist die existirende G e re c h tig k e it, als die Wirklichkeit der F reih eit in der Entwicklung aller ihrer vernünftigen Bestimmungen.
io
F reih eit und G leich h eit sind die einfachen Kategorien, in welche häufig das zusammengefaßt worden ist, was die Grundbestimmung und das letzte Ziel und Resultat der Verfassung ausmachen sollte. So wahr dies ist, so sehr ist das Mangelhafte dieser Bestimmungen zunächst, daß sie ganz abstract sind, und in dieser Form der Abstraction festgehalten, sind sie es, welche alles Concrete, d. i. die Gegliederung des Staats, d. i. eine Verfassung überhaupt verwerfen. Es ist um dieser Mangelhaftigkeit willen vornehmlich, daß sie etwa mehr oder weniger ihre Wichtigkeit in der Vorstellung
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verloren haben und vergessen sind. Es hat aber In|teresse, sie näher zu betrachten, in sofern der Gedanke von selbst auf sie zurückkommt. Was zunächst die G leich h eit betrifft, so enthält der geläufige Satz, daß alle M enschen v on N a tu r gleich sind, den Misverstand, das Natürliche mit dem Begriffe zu verwechseln; es muß gesagt werden, daß von N a tu r die Mensehen vielmehr nur un gleich sind. Aber der B e g r if f der Freiheit, nicht als nur das A nsich, das Innere oder ein Gedachtes oder gar nur Gemeyntes, sondern e x istire n d , ist die abstracte Subjectivität als P e rso n , die des Eigenthums fähig ist; diese einzige abstracte Bestimmung der Persönlichkeit macht die wirkliche G leich h eit der Menschen aus. Daß aber diese Gleichheit vorhanden, daß es der M ensch ist, und nicht wie in Griechenland, Rom u.s.f. nur E in ig e Menschen, welcher als Person anerkannt ist und gesetzlich gilt, dies ist so wenig von Natur, daß es vielmehr nur Product und Resultat von dem Bewußtseyn des tiefsten Princips des Geistes und von der Allgemeinheit und Ausbildung dieses Bewußtseyns ist. - Daß die Bürger v o r dem G esetze gleich sind, enthält eine hohe Vv^alirlicit, aber ist eine Tavtologie, denn es ist damit nur der gesetzlich e Zustand überhaupt, daß die Gesetze herrschen, ausgesprochen. Aber die Gesetze drücken nur die an sich allgemeinen Bestimmungen der Vernunft des Willens aus; in Rücksicht auf das Concrete sind die Bürger vor dem Gesetze nur in dem
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gleich, worin sie sonst außerhalb desselben gleich sind. Nur die sonst auf welche Weise es sey zufällig zu Stande gekommene Gleichheit des Vermögens, des Alters, der physischen Stärke, des Talents, der Geschicklichkeit u.s.f. oder auch der Verbrechen u.s.f. kann und soll eine gleiche Behandlung derselben vor dem Gesetze —in Rücksicht auf Abgaben, Militärpflichtigkeit,
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ENCYCLOPÄDIE • PHILOSOPHIE DES GEISTES
478-480
Zulassung zu Staatsdiensten u.s.f. - Bestrafung u.s.f. im Concreten rechtfertigen. | Was die Freih eit betrifft, so wird dieselbe am nächsten theils im n egativ en Sinne gegen fremde Willkühr und gesetzlose Behandlung, theils im a ffirm a tiv e n Sinne der su b jectiven Freiheit sowohl einer großen Breite für die eigene Willkühr und Thätigkeit für seine besondern Zwecke als der eigenen Einsicht und der Geschäftigkeit und Theilnahme an allgemeinen Angelegenheiten genommen. Ehemals sind die gesetzlich bestimmten Rechte, sowohl Privat- als öffentliche Rechte einer Nation, Stadt u.s.f. die F reih eiten derselben genannt worden. In der That ist jedes wahrhafte Gesetz eine Freiheit, denn es enthält eine Vernunftbestimmung des objectiven Geistes, einen Inhalt somit der Freiheit. Dagegen ist nichts geläufiger geworden als die Vorstellung, daß jeder seine Freiheit in Beziehung auf die Freiheit der Ändern beschränken müsse, und der S taat der Zustand dieses gegenseitigen Beschränkens und die Gesetze die Beschränkungen seyen. In solchen Vorstellungen ist Freiheit nur als zufälliges Belieben und Willkühr aufgefaßt. - So ist auch gesagt worden, daß die modernen Völker nur oder mehr der G leich h eit als der Freih eit fähig seyen. Im Gegentheil ist zu sagen, daß eben die hohe Entwicklung und Ausbildung der modernen Staaten die höchste concrete U n gleich h eit der Individuen in der Wirklichkeit hervorbringt, hingegen durch die tiefere Vernünftigkeit der Gesetze und Befestigung des gesetzlichen Zustandes um so größere und begründetere Freiheit bewirkt. Je mehr Freiheit und Sicherheit des Eigenthums, die Möglichkeit seine Talente und guten Eigenschaften zu entwickeln und geltend zu machen u.s.f. befestigt ist, desto mehr erscheint sie sich von selbst zu v e rsteh en ; das Bewußtseyn und die Schätzung der Freiheit wendet sich dann vornehmlich nach dem su b jectiven Sinne derselben. Diese aber selbst, die Freiheit der nach allen | Seiten sich versuchenden und für besondere und für allgemeine geistige Interessen nach eigner Lust ergehenden Thätigkeit, die Unabhängigkeit der individuellen Particularität, wie die innere Freiheit, in der das Subject Grundsätze, eigene Einsicht und Ueberzeugung hat und hienach moralische Selbstständigkeit gewinnt, erwächst selbst nur unter der Bedingung jener objectiven Freiheit. Wenn damit die Menge von Bedürfnissen und die Schwierigkeit sie zu befriedigen, das Räsonniren und Besserwissen und dessen unbefriedigte Eitelkeit sich ins Unbestimmbare vergrößert, so gehört dies der preisgegebenen Particularität an, der es über-
375, 38-2 eine gleiche Behandlung ... rechtfertigen] O 2 O 3 : eine gleiche Behandlung ... fähig machen W iM M : einer gleichen Behandlung ... fähig machen
12 einen] 0 2: ein
0 3: einen
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OBJECTIVER GEIST
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lassen bleibt, sich in ihrer Sphäre alle möglichen Verwicklungen zu erzeugen und sich mit ihnen abzufinden; dies ist freilich das Feld der Beschränkungen, weil die Freiheit befangen in der Natürlichkeit, dem Belieben und der Willkühr ist. Was aber die p o litisch e Freiheit betrifft, nämlich als förmliche Theilnahme des Willens und der Geschäftigkeit auch derjenigen Individuen, welche sich sonst zu ihrer Hauptbestimmung die particulären Zwecke und Geschäfte der bürgerlichen Gesellschaft machen, an den öffentlichen Angelegenheiten des Staates, so ist es zum Theil üblich geworden, Verfassung nur die Seite des Staats zu nennen, die eine Theilnahme jener Individuen an den allgemeinen Angelegenheiten betrifft, und einen Staat, in welchem sie nicht förmlich Statt hat, als einen Staat ohne Verfassung anzusehen. Diese Bedeutung ist zu beschränkt, wenn unter Verfassung die Bestimmung der Rechte d. i. der Freih eiten überhaupt, und die Organisation der Verwirklichung derselben verstanden wird. Jene Theilnahme bestimmt sich durch das Mehr oder Weniger der Entwicklung der Vernünftigkeit des Staats, wovon weiter unten die Rede seyn wird. |
§. 540. Die G aran tie einer Verfassung, d. i. die Nothwendigkeit, daß die Gesetze vernünftig und ihre Verwirklichung gesichert sey, liegt zugleich in dem Geiste des gesammten Volkes, nämlich der Bestimmtheit, nach welcher es das Selbstbewußtseyn seiner Vernunft hat, (die Religion ist dies Bewußtseyn in seiner Substantialität), - und dann in der demselben gemäßen wirklichen Organisation als Entwicklung jenes Princips. Die Verfassung setzt jenes Bewußtseyn des Geistes voraus, und umgekehrt der Geist die Verfassung, denn der wirkliche Geist selbst hat nur das bestimmte Bewußtseyn seiner Principien, in sofern dieselben für ihn als existirend vorhanden sind. Die Frage, wem, welcher und wie organisirten Autorität, die Gewalt zukomme, eine V erfassu n g zu m achen, ist dieselbe mit der, wer den Geist eines Volks zu machen habe. Trennt man aber die Vorstellung einer Verfassung von der des Geistes so, als ob dieser wohl existire oder existirt habe, ohne die Verfassung, die ihm gemäß ist, zu machen, so beweist solche Meynung nur die Oberflächlichkeit des Gedankens über den Zusammenhang des Geistes, seines Bewußtseyns über sich und seiner Wirklichkeit. Was man
26 dieselben] so C 2 O 2 : dieselbe
O 3 : dieselben
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ENCYCLOPÄDIE • PHILOSOPHIE DES GEISTES
481-483
so eine Constitution m achen nennt, ist, um dieser Unzertrennlichkeit willen, in der Geschichte niemals vorgekommen, eben so wenig als das M achen eines Gesetzbuches; eine Verfassung hat sich aus dem Geiste nur entw ick e lt, und in der Entwicklung die durch den Begriff notwendigen Bildungsstufen und Veränderungen durchlaufen. Es ist der inwohnende Geist und die Geschichte - und zwar ist die Geschichte nur seine Geschichte, welche die Verfassungen gemacht haben und machen. |
§. 541. Die Erhaltung d. i. die fortdauernde Verwirklichung des Staats überhaupt und seiner Verfassung ist die R egierung. Ihre Organisation ist der allgem ein e Theil der Verfassung, d. i. derjenige, welcher sich auf die allgemeinen, über der Bestimmung der Familie und der bürgerlichen Gesellschaft stehenden Zwecke bezieht. Diese Organisation hat ihre Vernünftigkeit und damit ihre Vollkommenheit darin, daß sie in Gewalten unterschieden ist, wie deren Eigentümlichkeiten durch den Begriff bestimmt sind, und damit ebenso in dessen Subjectivität zur geistigen Einheit sich durchdringen. Da die nächsten Kategorien des Begriffs die der A llgem ein h eit und E in zeln h eit sind, und deren Verhältniß das der Su b su m tion der Einzelnheit unter die Allgemeinheit ist, so ist im Staate gesetzgeb en d e und au sü b en de Gewalt unterschieden worden, so daß die letztere sich wieder in R e g ie ru n g s- oder administrative Gewalt und in rich terlich e Gewalt teile, nach der Anwendung der Gesetze auf allgemeine oder auf Privat-Angelegenheiten. Weiter ist für ihr Verhältniß die T h eilu n g dieser Gewalten für das Wesentliche angesehen worden, d. i. ihre U n ab h ä n g ig k eit von einander, außer dem erwähnten Zusammenhange der Subsumtion des Besondern unter das Allgemeine. Es sind in diesen Bestimmungen die Elemente des Begriffs nicht zu verkennen, aber sie sind von dem Verstände zu einem Verhältniß der Unvernunft, statt zu dem Sich-mit-sich-selbst-Zusammenschließen des lebendigen Geistes verbunden. Daß die Geschäfte der allgemeinen Interessen des Staats in ihrem notwendigen Unterschiede von ein an der geschieden organisirt seyen, diese Theilung ist das eine absolute Moment der Tiefe und Wirklichkeit der Freiheit; denn diese hat nur so Tiefe als sie in ihre Unterschiede entwickelt und zu | deren Existenz gelangt ist. Das Geschäft des Gesetzgebens aber (und vollends mit der Vorstellung, als ob irgend wann eine Verfassung und die Grundgesetze - in einem Zustande, worein eine schon vorhandene Entwicklung der Unterschiede gelegt wird - erst zu machen wären) zur selbstständigen Gewalt und zwar
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OBJECTIVER GEIST
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zur ersten mit der nähern Bestimmung der Theilnahme Aller daran, und die Regierungsgewalt zur davon abhängigen nur ausführenden zu machen, dies setzt den Mangel der Erkenntniß voraus, daß die wahre Idee, und damit die lebendige und geistige Wirklichkeit der sich mit sich zusammenschließende Begriff, und damit die Subjectivität ist, welche die Allgemeinheit als nur eines ihrer Momente in ihr enthält. Die Individualität ist die erste und die höchste d u rch d rin gen d e B estim m u n g in der Organisation des Staates. Nur durch die Regierungsgewalt und dadurch daß sie die besondern Geschäfte, wozu auch das selbst besondere, für sich ab stracte Gesetzgeb ungs-Geschäft gehört, in sich begreift, ist der Staat Einer. - So wesentlich wie überall, und allein wahr ist das logische Verhältniß; was dessen Einheit desorganisirt, desorganisirt ebenso die Wirklichkeit.
§. 542. In der Regierung als organischer Totalität ist a) die S u b je c tiv itä t als die in der Entwicklung des Begriffs unendliche Einheit desselben mit sich selbst, der alles haltende, beschließende Wille des Staats, die höchste Spitze desselben, wie alles durchdringende Einheit, - die fürstliche Regierungsgewalt. In der vollkommenen Form des Staats, in der alle Momente des Begriffs ihre freie Existenz erlangt haben, ist diese Subjectivität nicht eine sogenannte m o ralisch e P erso n , oder ein aus einer M ajo rität hervor gehendes Beschließen, - Formen, in welchen die Einheit des beschließenden | Willens nicht eine w irk lich e Existenz hat - sondern als wirkliche Individualität, Wille Eines beschließenden Individuums; - M onarchie. Die monarchische Verfassung ist daher die Verfassung der entw ick elten Vernunft; alle andere Verfassungen gehören niedrigem Stufen der Entwicklung und Realisirung der Vernunft an. Die Vereinigung aller concreten Staatsgewalten in Eine Existenz wie im patriarchalischen Zustande, oder wie in der demokratischen Verfassung, der Theilnahme Aller an allen Geschäften, widerstreitet für sich dem Princip der T h e ilu n g der Gewalten, d. i. der entwickelten Freiheit der Momente der Idee. Aber eben so sehr muß die Theilung, die zur freien Totalität fortgegangene Ausbildung der Momente, in id eelle E in h eit, d.i. in S u b je c tiv itä t zurückgeführt seyn. Die gebildete Unterschiedenheit, die Realisirung der Idee enthält ebenso wesentlich, daß diese Subjectivität als reales Moment, zu w irk lich er Existenz gediehen sey, und diese W irk lich k e it ist allein Individualität des Monarchen, - die in Einer Person vorhandene Subjectivität des abstracten, letzten Entscheidens. Allen jenen Formen von einem gem ein sam en Beschließen und Wollen, das aus der Atomistik der
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ENCYCLOPÄDIE • PHILOSOPHIE DES GEISTES
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einzelnen Willen demokratisch oder aristokratisch hervorgehen und hervorgezählt werden sollte, klebt die Unwirklichkeit eines A b stractum s an. Es kommt nur auf die zwei Bestimmungen, Nothwendigkeit eines B e g riffsm o m e n ts und die Form der W irk lich k e it desselben an. Wahrhaft kann nur die Natur des speculativen Begriffs sich darüber verständigen. -
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Jene Subjectivität, indem sie das Moment des abstracten Entscheidens überhaupt ist, geht theils zu der Bestimmung fort, daß der N am e als solcher das Band und die Sanction ist, unter der überhaupt Alles geschieht, theils daß sie als die einfache Beziehung auf sich die Bestimmung der U n m itte lb ark e it und damit der N atu r an ihr | hat, hiemit die Bestimmung der
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Individuen für die Würde der fürstlichen Gewalt durch die E rb lich k eit festgestellt wird. §. 543. b) In der besondern Regierungsgewalt thut sich theils die T h eilu n g des Staatsgeschäfts in seine sonst bestimmten Zweige, die Gerechtigkeitspflege oder
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richterliche Gewalt, administrative und policeyliche Gewalt u.s.f., und damit die V erth eilu n g derselben an besondere Behörden hervor, welche für ihre Geschäfte an die Gesetze angewiesen, hiezu und deswegen sowohl Unabhängigkeit ihrer Wirksamkeit besitzen als zugleich unter höherer Beaufsichtigung stehen; theils tritt die Theilnahme M ehrerer an dem Staatsgeschäfte ein, die zusammen
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den allgemeinen Stand (§. 528.) ausmachen, in sofern sie zur wesentlichen Bestimmung ihres particulären Lebens ein Geschäft der allgemeinen Zwecke machen, an welchem individuell Theil nehmen zu können die weitere Bedingung die Ausbildung und die Geschicklichkeit hiefür ist.
§. 544.
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c) Die stän dische Behörde betrifft eine Theilnahme aller solcher, welche der bürgerlichen Gesellschaft überhaupt angehören und in sofern Privatpersonen sind, an der Regierungsgewalt und zwar an dem Allgemeinen der Interessen, welche nicht das Auftreten und Handeln des Staats als Individuums betreffen (wie Krieg und Frieden) und daher [nicht] nur der Natur der fürstlichen Gewalt für sich angehören, - und daher näher an der Gesetzgebung; womit die subjective Freiheit und Einbildung und deren allgemeine Meynung sich in einer existirenden Wirksamkeit zeige und die Befriedigung, etwas zu gelten, genieße. |
30 [nicht] nur] O 3 : nicht nur
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OBJECTIVER GEIST
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Die Einteilung der Verfassungen in D e m o k ratie , A risto k ra tie und M on arch ie gibt noch immer ihren Unterschied in Beziehung auf die Staatsgewalt aufs bestimmteste an. Der orientalische Despotismus kann etwa gleichfalls unter dem vagen Namen Monarchie befaßt werden, wie auch die Feudalmonarchie, welcher sogar der beliebte Name constitutioneller Monarchie nicht versagt werden kann. Der nähere Unterschied dieser Formen von der wahrhaften Monarchie beruht auf dem Gehalt der geltenden Rechtsprincipien, welche in der Staatsgewalt ihre Wirklichkeit und Garantie haben. Diese Principien sind die in den frühem Sphären entwickelten der Freiheit des Eigenthums und ohnehin der persönlichen Freiheit, der bürgerlichen Gesellschaft, ihrer Industrie und Gemeinden, und der regulirten von den Gesetzen abhängigen Wirksamkeit der besondern Behörden. Die am meisten streitige Frage ist, in welchem Sinne die Theilnahme der P riv a tp e rso n e n an den Staatsangelegenheiten zu fassen sey. Denn als P riv atp erso n en sind die Mitglieder von Ständeversammlungen zunächst zu nehmen, sie seyen nun als Individuen für sich oder als Repräsentanten V ie ler oder des V olk es geltend; das Aggregat der Privaten pflegt nämlich häufig das V o lk genannt zu werden. Als solches Aggregat ist es aber vulgus, nicht populus. Das Interesse jener Theilnahme ist weder in den Vorzug besonderer Einsicht überhaupt zu setzen, welchen die Privatpersonen vor dem Staatsbeamten besitzen sollen, - es ist notw endig das Gegenteil der Fall; - noch in den Vorzug des guten Willens für das allgemeine Beste, denn die Mitglieder der bürgerlichen Gesellschaft sind die, welche ihr besonderes Interesse und wie vornehmlich im Feudalzustande das ihrer privilegirten Corporation, zu ihrer nächsten Bestimmung machen. Wie z.B. von E n glan d , dessen Verfassung darum als die freiste angesehen wird, weil die Privatpersonen eine über |wiegende Theilnahme an dem Staatsgeschäfte haben, die Erfahrung notwendig zeigt, daß dies Land in der bürgerlichen und peinlichen Gesetzgebung, dem Rechte und der Freiheit des Eigentum s, den Veranstaltungen für Kunst und Wissenschaft u.s.f., gegen die ändern gebildeten Staaten Europa’s am weitesten zurück, und die objective Freiheit, d.i. vernünftiges Recht, vielmehr der formellen Freiheit und dem Privatinteresse (dies sogar in den der Religion gewidmet seyn sollenden Veranstaltungen und Besitztümern) aufgeopfert ist. - Das Interesse eines A nteils der Privaten an den öffentlichen Angelegenheiten ist zum Theil in die concretere und daher dringendere Empfindung allgemeiner Bedürfnisse zu setzen, wesentlich aber in das Recht, daß der gemeinsame Geist auch zu der Erscheinung eines äußerlich allgem ein en Willens in einer geordneten und ausdrücklichen Wirksamkeit für die öffentliche Angelegentlichkeit ge-
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ENCYCLOPÄDIE • PHILOSOPHIE DES GEISTES
487-488
lange, und durch diese Befriedigung ebenso eine Belebung für sich selbst empfange, als eine solche auf die Verwaltungsbehörden einfließt, welchen es hiedurch in gegenwärtigem Bewußtseyn erhalten ist, daß sie, so sehr sie Pflichten zu fordern, ebenso wesentlich Rechte vor sich haben. Die Bürger sind im Staate die unverhältnißmäßig größere Menge, und zwar eine Menge von solchen, die als Personen anerkannt sind. In ihnen stellt der freie Wille seine Existenz als Vielheit oder seiner Reflexions-Allgemeinheit dar, welcher in einem Antheil an der Staatsgewalt ihre Wirklichkeit gewährt wird. Es ist aber bereits als Moment der bürgerlichen Gesellschaft bemerklich gemacht worden (§. 527., 534.), daß die Einzelnen sich aus der äußerlichen in die substantielle Allgemeinheit, die besondere Gattung, - die Stande, erheben; und es ist nicht in der unorganischen Form von Einzelnen als solchen (auf d em ok ratisch e Weise des Wählens), sondern als organische | Momente, als Stände, daß sie in jenen Antheil eintreten. Ständeversammlungen sind schon in der Rücksicht mit Unrecht als die g e se tzg eb e n d e G ew alt bezeichnet worden, in sofern sie nur einen Zweig dieser Gewalt ausmachen, an dem die besondern Regierungsbehörden wesentlichen Antheil und die fürstliche Gewalt den absoluten der schließlichen Entscheidung hat. Ohnehin kann in einem gebildeten Staate das Gesetzgeben nur ein Fortbilden der bestehenden Gesetze und können sogenannte neue Gesetze, nur Extreme von Particularitäten seyn, deren Inhalt durch die Praxis der Gerichtshöfe schon vorbereitet oder selbst vorläufig entschieden worden. - Das sogenannte Fin an zgesetz, in sofern es zur Mitbestimmung der Stände kommt, ist wesentlich eine Regierungsangelegenheit und heißt nur uneigentlich ein Gesetz in dem allgemeinen Sinne, in welchem Gesetze von den Regierungsbeschlüssen, in sofern sie über beson d ere Angelegenheiten entscheiden, unterschieden werden. Denn die Finanzen betreffen wenn auch den Complex doch ihrer Natur nach nur die besondern immer neu sich erzeugenden veränderlichen Bedürfnisse. Würde dabei der Hauptbestandteil des Bedarfs als bleibend angesehen, - wie er es denn auch wohl ist, - so würde die Bestimmung über ihn mehr die Natur eines Gesetzes haben, das aber damit ein für allemal gegeben seyn sollte, und nicht jährlich oder nach wenigen Jahren immer von Neuem zu geben wäre; die nach Zeit und Umständen veränderliche Parthie betrifft in der That den kleinsten Theil des Betrags, und die Bestimmung über ihn hat um so weniger den Charakter eines Gesetzes. Das Interesse, welches in die Fähigkeit, den Finanzetat immer wieder von Neuem zu bewilligen, gelegt wird, daß nämlich die Ständever3 erhalten] so Cz
O 2 : erhalten,
O 3 : erhalten
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OBJECTIVER GEIST
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Sammlung daran ein Zwangsmittel gegen die Regierung und hiemit eine Garantie gegen Unrecht und Gewaltthätigkeit besitze, - dies | Interesse ist ein oberflächlicher Schein; indem die für den B estan d des Staats notw endige Veranstaltung der Finanzen nicht nach irgend ändern Umständen bedingt werden kann; so wenig als die Regierung die Veranstaltung der Rechtspflege nur immer auf eine beschränkte Zeit zugeben und anordnen könnte, um an der Drohung, die Thätigkeit solcher Anstalt zu suspendiren, und an der Furcht eines eintretenden Raubzustandes sich ein Zwangsmittel gegen die Privaten vorzubehalten. Uebrigens beruhen Vorstellungen von einem Verhältnisse, für welches Zwangsmittel in Händen zu haben nützlich und erforderlich seyn könnte, theils auf der falschen Vorstellung eines Vertragsverhältnisses zwischen Regierung und Volk, theils setzen sie die Möglichkeit einer solchen Divergenz des Geistes beider voraus, bei welcher überhaupt nicht an Verfassung und Regierung mehr zu denken ist. Die Einrichtung des Staats als eine bloße Verstandes-Verfassung, d. i. als den Mechanismus eines Gleichgewichts sich in ihrem Innern einander äußerlicher Mächte vorzustellen, geht gegen die Grundidee dessen, was ein Staat ist. §. 545. Der Staat hat auch die Seite, die unmittelbare Wirklichkeit eines einzelnen und n atü rlich bestimmten Volkes zu seyn. - Als einzelnes Individuum ist er ausschließ end gegen andere eben solche Individuen. In ihrem V erh ältn isse zu einander hat die Willkühr und Zufälligkeit Statt, weil das A llg em ein e des Rechts um der autonomischen Totalität dieser Personen willen, zwischen ihnen nur seyn so ll, nicht w irk lich ist. Diese Unabhängigkeit macht den Streit zwischen ihnen zu einem Verhältnisse der Gewalt, einem Z u stan d des K rie g e s, für welchen der allgemeine Stand sich zu dem besondern Zwecke der Erhaltung der Selbstständig|keit des Staats gegen andere, zum Stan d der T a p fe r k e it bestimmt. §. 546. Dieser Zustand zeigt die Substanz des Staates in ihrer zur abstracten Negativität fortgehenden Individualität, als die Macht, in welcher die besondere Selbstständigkeit der Einzelnen und der Zustand ihres Versenktseyns in das äußerliche Daseyn des Besitzes und in das natürliche Leben, sich als ein N ic h tig e s fühlt, und die Erhaltung der allgemeinen Substanz durch die Aufopferung dieses natürlichen und besondern Daseyns in der Gesinnung der Freiheit und Vereitlung des Eiteln sich mit sich selbst vermittelt.
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ENCYCLOPÄDIE • PHILOSOPHIE DES GEISTES
490-491
ßDAS ÄUSSERE ST A A TSR EC H T.
§. 547. Durch den Zustand des Krieges wird die Selbstständigkeit der Staaten auf das Spiel gesetzt, und nach Einer Seite die gegenseitige Anerkennung der freien Völ-
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kerindividuen bewirkt (§. 430.), und durch F ried e n s-V e rg le ich e , die ewig dauern sollen, sowohl diese allgemeine Anerkennung, als die besondern Befugnisse der Völker gegeneinander festgesetzt. (§. 493.) Das äußere Staatsrech t beruht theils auf diesen positiven Tractaten, enthält aber in sofern nur Rechte, denen die wahrhafte Wirklichkeit abgeht (§. 545.); theils auf dem sogenannten io V ö lk e rre ch te , dessen allgemeines Princip das vorausgesetzte A nerkanntseyn der Staaten ist, und daher die sonst ungebundenen Handlungen gegen einander so beschränkt, daß die Möglichkeit des Friedens bleibt; - auch die In | dividuen als Privatpersonen vom Staate unterscheidet; und überhaupt auf den Sitten beruht.
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TDIE W E LTG ESC H IC H TE .
§. 548. Der bestimmte Volksgeist, da er wirklich und seine Freiheit als Natur ist, ist nach dieser von besonderer geographischen und klimatischen Bestimmtheit; er ist auch in der Z e it und hat eine durch sein b eson d eres Princip bestimmte Entwicklung seines Bewußtseyns und seiner Wirklichkeit zu durchlaufen; - er hat eine G eschichte. Als beschränkter Geist ist nach dieser zweiten Seite seine Selbstständigkeit ein untergeordnetes; er geht in die allgem ein e W e ltg e sch ich te über, deren Begebenheiten die Dialektik der besondern Völkergeister, das W e ltg e ric h t, darstellt.
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§. 549. Diese Bewegung ist die Befreiung der sittlichen Substanz von ihren Besonderheiten, in denen sie in den einzelnen Völkern wirklich ist, - die That, wodurch sich der Geist zum Bewußtseyn, und damit zur Offenbarung und Wirklichkeit seines an und für sich seyenden Wesens bringt, und sich zum allgem ein en , zum
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OBJECTIVER GEIST
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W e ltg e ist wird. Indem sie die Entwicklung seines Selbstbewußtseyns in der Zeit ist, so sind deren einzelne Momente und Stufen die Völkergeister, deren jeder als einzelner und natürlicher in einer qualitativen Bestimmtheit, und daher nur Eine Stu fe auszufüllen und nur ein Geschäft der ganzen That zu vollbringen bestimmt ist. | Daß die Voraussetzung eines an und für sich seyenden Z w eck es und der sich aus ihm nach dem Begriffe entwickelnden Bestimmungen bei der Geschichte gemacht wird, ist eine a priorische Betrachtung derselben genannt und der Philosophie über a priorisches Geschichtschreiben Vorwurf gemacht worden. Daß der Geschichte und zwar wesentlich der Weltgeschichte ein Endzweck an und für sich zum Grunde liege und derselbe in ihr wirklich realisirt worden sey und werde, - der Plan der Vorsehung, - daß überhaupt V ern u n ft in der Geschichte sey, muß für sich selbst philosophisch ausgemacht werden. Tadel kann es nur verdienen, willkührliche Vorstellungen oder Gedanken vorauszusetzen und solchen die Begebenheiten und Thaten angemessen finden und vorstellen zu wollen. Dergleichen a priorischer Verfahrungsweise haben sich aber heut zu Tage vornehmlich solche schuldig gemacht, welche reine Historiker seyn zu wollen vorgeben und zugleich gelegentlich ausdrücklich gegen das Philosophiren theils überhaupt theils in der Geschichte sich erklären; die Philosophie ist ihnen allerdings eine lästige Nachbarin, als welche dem Willkührlichen und den Einfällen entgegen ist. Dergleichen a priorisches Geschichtschreiben ist in Deutschland und zwar zuweilen von einer Seite her, woher man es am wenigsten erwarten sollte, von der philologischen her vornehmlich, mehr eingerissen als in Frankreich und England, wo die Geschichtschreibung sich im Gegentheil mehr und mehr zu einem festen, reifen und verständigen Charakter gereinigt hat. Erdichtungen zu machen, wie die von einem Urzustände und dessen Urvolk, das im Besitz der wahrhaften Gotteserkenntniß und aller Wissenschaften, von Priestervölkern, und in speciellerem z. B. von einem römischen Epos, welches die Quelle der für historisch geltenden Nachrichten über die ältere Geschichte Roms gewesen sey u.s.f. ist an die Stelle der pragmatisirenden Erfindungen von psycho | logischen Gründen und Zusammenhängen getreten, und es kann scheinen, als ob es in einem weiten Kreise für das Erforderniß einer, aus den Quellen schöpfenden, ge le h rte n und geistreich en Geschichtschreibung angesehen werde, solche hohle Vorstellungen auszuhecken und sie aus einem gelehrten Auskehrigt entfernter äußerlicher Umstände, der beglaubigtsten Geschichte zu trotz, keck zu com18 Historiker] O 2 : Histo-/ker
O 3 : Historiker
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ENCYCLOPÄDIE • PHILOSOPHIE DES GEISTES
493-494
biniren. Die Forderung, daß die Geschichte nicht nach einem Z w ecke betrachtet werde, ist im Ganzen mit der noch mehr berechtigt scheinenden gleichbedeutend, daß der Geschichtschreiber mit U n p a rth e ilich k e it verfahre, - einer Forderung, welche insbesondere an die G eschichte der P h ilo so p h ie gemacht zu werden pflegt, als in welcher keine Zuneigung zu einer Vorstellung und Meynung sich zeigen, wie ein Richter für keine der beiden streitigen Partheien ein besonderes Interesse haben soll. In der That aber wird bei einem Richter zugleich angenommen, daß er sein Amt albern und schlecht verwalten würde, wenn er nicht eine Kenntniß des Rechts und ein Interesse, ja das ausschließende Interesse für dasselbe, wenn er es nicht zum Zwecke und alleinigen Zwecke hätte und wenn er sich des Urtheilens enthielte. Dies Erforderniß an den Richter kann man P arth eilich k eit für das Recht nennen und weiß sie hier sehr wohl von der ändern, der subjectiven Partheilichkeit, zu unterscheiden. Bei der an den Geschichtschreiber geforderten Unpartheilichkeit wird in dem nüchternen, selbstgefälligen Gerede darüber jener Unterschied verlöscht und werden beide Arten von Interessen verworfen, wenn verlangt wird, der Geschichtschreiber solle keinen bestimmten Zweck und Ansicht, nach welcher er die Begebenheiten aussondern, stellen und beurtheilen würde, mitbringen, sondern sie gerade in der zufälligen Weise, wie er sie vorfindet, in ihrer ganz particulären Bestimmtheit erzählen. So viel wird zugestanden, daß eine Geschichte einen G egen stand haben müsse, z. B. Rom, | dessen Schicksale, oder den Verfall der Größe des römischen Reichs. Es gehört wenig Ueberlegung dazu einzusehen, daß dies der vorausgesetzte Zweck ist, welcher den Begebenheiten selbst, so wie der Beurtheilung derselben zum Grunde liegt, welche Wichtigkeit, d. h. nähere oder entferntere Beziehung sie auf ihn haben. Eine Geschichte ohne solchen Zweck und ohne solche Beurtheilung wäre nur eine schwachsinnige Faselei, nicht einmal ein Kindermährchen, denn selbst die Kinder fordern in den Erzählungen ein Interesse, d. i. einen wenigstens zu ahnden gegebenen Zweck und die Beziehung der Begebenheiten und Handlungen auf denselben. In dem Daseyn eines Volkes ist der substantielle Zweck, daß es ein Staat ist, und als solcher sich erhält; alles andere hat nur Bedeutung in Beziehung hierauf, und die Particularitäten der Individuen sind am entferntesten von jenem der Geschichte angehörigen Gegenstand. Wenn in dem Charakter der wenigen großen Individuen einer Periode sich der allgemeine Geist einer Zeit abdrückt, und auch ihre Particularitäten noch die entferntem und trüben Medien sind, in welchen er noch in geschwächten Farben 36 Particularitäten] O 2 Particuläritäten
O 3 : Particularitäten
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OBJECTIVER GEIST
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spielt, so ist dagegen die Masse der sonstigen Einzelnheiten ein überflüssiger Plunder; die der Geschichte würdigen Gegenstände werden durch die ge-
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treue Aufsammlung solcher nur das in sich Unbedeutende charakterisirender Einzelnheiten gedrückt und verdunkelt; die Charakteristik des Geistes und seiner Zeit ist in den großen Begebenheiten enthalten. Es hat darum ein richtiger Sinn darauf geführt, dergleichen Schildereien des Particulären und das Auf lesen der Züge desselben in den R om an (wie die berühmten WalterScottschen und dergl. sind) zu verweisen; es ist für guten Geschmack zu halten, die Gemälde der unwesentlichen, particulären Lebendigkeit mit einem unwesentlichen Stoffe zu verbinden, wie ihn der Roman aus den Privatleidenschaften und subjectiven Leidenschaften nimmt. | Im Interesse der sogenannten Wahrheit aber die individuellen Kleinigkeiten der Zeit und der Personen in die Vorstellung der allgemeinen Interessen einzuweben ist nicht nur gegen Urtheil und Geschmack, sondern gegen den Begriff objectiver Wahrheit, in deren Sinne dem Geist nur Substantielles, nicht aber die Gehaltlosigkeit äußerlicher Existenzen und Zufälligkeiten das Wahre, und es vollkommen gleichgültig ist, ob solche Unbedeutenheiten förmlich historisch beglaubigt oder aber wie im Romane, charakteristisch erdichtet und diesem oder jenem Namen und Umständen zugeschrieben sind. Die Anforderung der U n p arth eilich k eit aber an die G eschichte der P h ilo so p h ie wie auch der R eligion theils überhaupt, theils an die Kirchengeschichte pflegt noch näher die ausdrückliche Ausschließung der Voraussetzung von einem objectiven Zwecke zu enthalten. Wie vorhin der Staat als die Sache genannt war, auf welchen das Urtheil die Begebenheiten in der politischen Geschichte zu beziehen hätte, so müßte hier die W ah rheit der Gegenstand seyn, auf welche die einzelnen Thaten und Begebenheiten des Geistes zu beziehen wären. Es wird aber vielmehr die entgegengesetzte Voraussetzung gemacht, daß jene Geschichten nur subjective Zwecke, d. i. nur Meynungen und Vorstellungen, nicht den an und für sich seyenden Gegenstand, die Wahrheit zum Grunde liegen haben, - und zwar aus dem einfachen Grunde, weil es keine Wahrheit gebe. Nach dieser Annahme erscheint das Interesse für die Wahrheit nur als eine Partheilichkeit im gewöhnlichen Sinne, nämlich für subjective Zwecke, für Meynungen und Vorstellungen, die als von gleicher Gehaltlosigkeit sämmtlich für indifferent gelten. Die geschichtliche Wahrheit selbst hat damit den Sinn nur von R ic h tig k eit, genauem Berichte des Aeußerlichen, ohne Urtheil als über diese Rich27 auf] O 2 : anf O 3 : auf
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ENCYCLOPÄDIE • PHILOSOPHIE DES GEISTES
495-497
tigkeit selbst, womit blos qualitative und quantitative, keine Urtheile der Notw endigkeit und des | Begriffs, (vergl. Anm. zu §. 172. u. 178.) zugelassen sind. In der That aber, wenn in der politischen Geschichte Rom oder das deutsche Reich u.s.f. ein wirklicher und wahrhafter Gegenstand und der Zweck sind, auf welchen die Erscheinungen zu beziehen und nach dem sie zu beurtheilen sind, so ist noch mehr in der allgemeinen Geschichte das geistige Leben der Wahrheit und der Freiheit, der allgemeine Geist und das Bewußtseyn desselben ein wahrhafter und wirklicher Gegenstand, Inhalt und ein Zweck, dem an und für sich alle ändern Erscheinungen dienen, so daß sie durch das Verhaltniß zu ihm, d. h. das Urtheil, in welchem sie unter ihn subsumirt sind und er ihnen inhärirt, allein ihren Werth so wie ihre Existenz selbst haben.
§. 550. Diese Befreiung des Geistes, in der er zu sich selbst kommt und sich verwirklicht, und das Geschäft derselben ist das höchste und absolute Recht. Das Selbstbewußtseyn eines besondern Volks ist Träger der diesmaligen Entwicklungsstufe des allgemeinen Geistes in seinem Daseyn, und die objective Wirklichkeit, in welche er seinen Willen legt. Gegen diesen absoluten Willen ist der Wille der ändern besondern Volksgeister rechtlos, jenes Volk ist das Weltbeherrschende; ebenso aber schreitet er über sein jedesmaliges Eigenthum als über eine besondere Stufe hinaus, und übergibt es dann seinem Zufall und Gericht.
§. 551. Indem solches Geschäft der Wirklichkeit als Handlung und damit als ein Werk E in zeln er erscheint, so sind diese in Rücksicht auf den substantiellen Inhalt ihrer Arbeit W e rk ze u g e, und ihre Subjectivität, die ihr Eigentümliches ist, ist die leere Form der Thätigkeit. Was sie daher | durch den individuellen Antheil, den sie an dem substantiellen von ihnen unabhängig bereiteten und bestimmten Geschäfte genommen, für sich erlangt haben, ist eine formelle Allgemeinheit subjectiver Vorstellung, - der R uhm , der ihre Belohnung ist.
§. 552. Der Volksgeist enthält überhaupt die Natur-Nothwendigkeit, er steht in der Weltlichkeit; seine in sich unendliche sittliche Substanz ist zugleich theils für sich eine besondere und beschränkte (§. 549. u. 550.), theils ist darum das obgleich zur
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OBJECTIVER GEIST
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Sitte und objectiven Freiheit untergegangene Wissen und Wollen der subjectiven Seite mit Zufälligkeit behaftet, und näher im Verhältnisse des Bewußtseyns und des Gegensatzes gegen eine selbstständige, äußerliche Natur. Aber es ist die lebendige Sittlichkeit selbst, in deren objectivem Wissen sich die Aeußerlichkeiten des W elt5 geistes und die Gegensätze der Endlichkeit, die er enthält, abstreifen und aufheben, so daß dies Wissen sich in sich zum W issen des ab so lu ten G eistes, als der ewig wirklichen Wahrheit erhebt, in welcher die Vernunft frei für sich und die Nothwendigkeit und Natur nur als seiner Offenbarung dienend und Gefäße seiner Ehre sind, io Von dem Formellen der Erhebung des Geistes zu Gott ist in der Einleitung zur Logik (vergl. insbesondere §. 51. Anm.) gesprochen worden. - In Ansehung der Ausgangspunkte dieser Erhebung hat K an t in sofern im Allgemeinen den richtigsten ergriffen, als er den Glauben an Gott aus der p ra k tischen V ern u n ft hervorgehend betrachtet. Denn der Ausgangspunkt 15 enthält implicite den Inhalt oder Stoff, welcher den Inhalt des Begriffs von Gott ausmacht. Der wahrhafte concrete Stoff ist aber weder das Seyn (wie im kosmologisehen), noch nur die zw eck | m äß ige T h ä tig k e it (wie im physicotheologischen Beweise), sondern der Geist, dessen absolute Bestimmung, die wirksame Vernunft, d. i. der sich bestimmende und reali20
sirende Begriff selbst, - die Freiheit ist. Daß die in dieser Bestimmung geschehende Erhebung des subjectiven Geistes zu Gott in der Kantischen Darstellung wieder zu einem P o stu late, einem bloßen S o lle n , herabgesetzt wird, ist die früher erörterte Schiefheit, den Gegensatz der Endlichkeit, dessen Aufheben in der Wahrheit jene Erhebung selbst ist, unmittelbar als wahr
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30
35
und gültig wieder herzustellen. Es ist früher von der V erm ittlu n g, welche die Erhebung zu Gott ist, gezeigt worden (§. 192. vergl. §. 204. Anm.), daß das Moment der N e g a tio n , als durch welche der wesentliche Inhalt des Ausgangspunktes von seiner Endlichkeit gereinigt wird und hiedurch frei hervorgeht, vornehmlieh zu beachten ist. Dies in der logischen Form abstracte Moment hat nun seine concreteste Bedeutung erhalten. Das Endliche, von dem hier ausgegangen wird, ist das sittliche Selbstbewußtseyn; die N e g a tio n , durch welche es seinen Geist zu seiner Wahrheit erhebt, ist die in der sittlichen Welt w irk lich vollbrachte Reinigung seines Wissens von der subjectiven Meynung und Befreiung seines Willens von der Selbstsucht der Begierde. Die wahrhafte Religion und wahrhafte Religiosität geht nur aus der Sittlichkeit
18 dessen] so C 2
O 2 : und dessen
O 3 : dessen
ENCYCLOPÄDIE • PHILOSOPHIE DES GEISTES
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hervor, und ist die denkende d. i. der freien Allgemeinheit ihres concreten Wesens bewußtwerdende Sittlichkeit. Nur aus ihr und von ihr aus wird die Idee von Gott als freier Geist gewußt; außerhalb des sittlichen Geistes ist es daher vergebens wahrhafte Religion und Religiosität zu suchen. |
ABSO LUTER GEIST
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D r it t e
Abt h e il u n g
d e r
Ph il o s o ph ie
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d e s
Ge ist e s.
D ER A BSO LU TE GEIST.
§. 553. Der B e g r if f des Geistes hat seine R ea litä t im Geiste. Daß diese in der Identi5 tät mit jenem als das W issen der absoluten Idee sey, hierin ist die notwendige Seite, daß die an sich freie Intelligenz zu ihrem Begriffe befreit sey, um die dessen würdige G estalt zu seyn. Der subjective und der objective Geist sind als der Weg anzusehen, auf welchem sich diese Seite der R e alität oder der Existenz ausbildet. io
§. 554.
Der absolute Geist ist ebenso ewig in sich seyende als in sich zurückkehrende und zurückgekehrte Id e n titä t; die Eine und allgemeine Su b stan z, als geistige, das Urtheil in sich und in ein W issen, für welches sie als solche ist. Die R elig io n , wie diese höchste Sphäre im Allgemeinen bezeichnet werden kann, ist 15 eben so sehr als vom Subjecte ausgehend und in demselben sich be| findend, als objectiv von dem absoluten Geiste ausgehend zu betrachten, der als Geist in seiner Gemeinde ist. Daß hier nicht und daß überhaupt Glaube dem Wissen nicht entgegengesetzt, sondern Glauben vielmehr ein Wissen ist, und jener nur eine beson20
dere Form von diesem, ist oben §. 63. Anm. bemerkt worden.
§. 555. Das subjective Bewußtseyn des absoluten Geistes ist wesentlich in sich Proceß, dessen unmittelbare und substantielle Einheit der G laube in dem Zeugniß des Geistes als die G ew iß heit von der objectiven Wahrheit ist. Der Glaube, zugleich 25 diese unmittelbare Einheit und [sie] als das Verhältniß jener unterschiedenen Bestimmungen enthaltend ist in der A ndach t, dem impliciten oder explicirtern Cultus, in den Proceß übergegangen, den Gegensatz zur geistigen Befreiung auf-
25 [sie] als] O 3 : sie als
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ENCYCLOPÄDIE • PHILOSOPHIE DES GEISTES
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zuheben, durch diese Vermittlung jene erste Gewißheit zu bew ähren und die concrete Bestimmung derselben, nämlich die Versöhnung, die Wirklichkeit des Geistes zu gewinnen.
a.
D IE K U N S T . §. 556. Die unmittelbare Gestalt dieses Wissens ist die der A nsch auung und V o rste llu n g des an sich absoluten Geistes als des Id eals, - der aus dem Geiste gebornen concreten Gestalt, in welcher die natürliche Unmittelbarkeit nur Z e ichen der Idee, zu deren Ausdruck so durch den einbildenden Geist verklärt ist, daß die Gestalt sonst nichts anderes an ihr zeigt; - die Gestalt der Schönheit. |
§. 557. Die sinnliche Aeußerlichkeit an dem Schönen, die Form der U n m itte lb a rk eit ist zugleich In h altsb estim m th eit und der Gott hat bei seiner geistigen zugleich die Bedeutung eines natürlichen Elements oder Daseyns. - Er enthält die sogenannte Einheit der Natur und des Geistes, - d. i. die un m ittelb are, indem dies die Form dieser Anschauung überhaupt ist; - somit nicht die geistige Einheit, d. i. nicht die, in welcher das Natürliche nur als Ideelles, Aufgehobenes gesetzt und der Inhalt in geistiger, wahrhafter Beziehung auf sich selbst wäre; es ist nicht der absolute Geist, welcher in dies Bewußtseyn eintritt. Nach der subjectiven Seite ist die Gemeinde wohl eine sittliche, weil sie ihr Wesen als geistiges weiß, und ihr Selbstbewußtseyn und Wirklichkeit hierin zur substantiellen Freiheit erhoben ist. Aber behaftet mit der Unmittelbarkeit ist die Freiheit des Subjects nur Sitte, ohne die unendliche Reflexion in sich, die G ew iß heit, ohne die subjective Innerlichkeit des Gew issens.
§. 558. Näher ist es um dieser nur unmittelbaren Einheit willen selbst, daß die Gestalt eine gleichgültige Aeußerlichkeit für sich, ein gemeines sinnliches Material ist, und auf diese Weise sie und ihre Bedeutung selbstständig auseinander fallen. Diese 29 Bedeutung] O 2 : Bedeutung
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ABSOLUTER GEIST
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Bedeutung, der Inhalt, ist wie die Gestalt ein endliches überhaupt, - ein beschränkter Volksgeist, der zugleich zwar unendlicher Reichthum nur in der Allgemeinheit des Gedankens gefaßt, nicht in solcher Einzelnheit des Gestaltens explicirt werden kann, und wenn zu weiterer Bestimmung fortgegangen wird, in eine unbestimmte Vielgötterei zerfällt. |
§. 559. Mit der wesentlichen Beschränktheit des Inhalts wird die Schönheit überhaupt nur zur Durchdringung der Anschauung oder des Bildes durch den geistigen Gedanken, zu etwas F o rm ellem , so daß der Inhalt des Gedankens oder die Vorstellung ebenso wie der Stoff, den er zu seiner Einbildung gebraucht, von der verschiedensten und selbst unwesentlichsten Art, und das Werk doch ein schönes Kunstwerk seyn kann.
§. 560. Die Einseitigkeit der U n m itte lb a rk e it an dem Ideale enthält die entgegengesetzte, daß es ein vom Künstler G em achtes ist. Das Subject ist zwar das rein Fo rm elle der Thätigkeit, und das K unstw erk nur dann Ausdruck des Gottes, wenn kein Zeichen von subjectiver B eso n derh eit darin, sondern der Gehalt des inwohnenden Geistes, sich ohne solche Beimischung und von deren Zufälligkeit unbefleckt empfangen und herausgeboren hat. Aber es ist hierin der Gegensatz vorhanden, daß die mit diesem inwohnenden Gehalte erfüllte Thätigkeit, die B e g e iste ru n g des Künstlers, wie eine in ihm fremde Gewalt als ein unfreies Pathos ist, das Produciren hiemit an ihm selbst die Form n atü rlich er Unmittelbarkeit, im G enie als diesem besondern S u b je cte hat, - und zugleich ein mit technischem Verstände und mechanischen Aeußerlichkeiten beschäftigtes Arbeiten ist. Das Kunstwerk ist daher eben so sehr ein Werk der freien Willkühr und der Künstler der Meister des Gottes.
§. 561. In jenem Erfülltseyn erscheint die V ersöhnung so als Anfang, daß sie unmittelbar in dem subjectiven | Selbstbewußtseyn vollbracht sey, welches so in sich sicher und heiter, ohne die Tiefe und ohne Bewußtseyn seines Gegensatzes gegen das an und für sich seyende Wesen ist, und das schöne Werk ist ein sinnliches äußerliches Ding und ein vom Subjecte gemachtes. Die Religion, ihrem Be-
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ENCYCLOPÄDIE • PHILOSOPHIE DES GEISTES
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griffe nach, fängt aber von dem Wissen der nur an sich seyenden Versöhnung an, und ist damit auf der Seite des Subjectes wesentlich Ausgehen von dem Gegensätze, und ist ein erst durch die Vermittlung hervorzubringendes Ueberwinden desselben; - sie liegt daher theils als eine Vergangenheit schon im Rücken der schönen Kunst (vergl. §. 341.), theils vorwärts derselben in der Zukunft.
§. 562. Die im Rücken der schönen Kunst liegende Religion zerfällt in mehrere, indem sie zu ihrem Inhalte die abstracten Momente haben kann, deren concrete Einheit der Geist ist; ihr Gott ist ein elementarisches oder concreteres N a tu rSeyn, oder das entgegengesetzte, das reine D enken. An dem einen wie an dem ändern ist die Subjectivität nur die oberflächliche Form von Persönlichkeit, weil der Gehalt nicht concret geistig ist. - Um dieser Bestimmung des Gegenstandes willen hat das Subject seine Freiheit nicht in demselben, sein Cultus ist zwar mit Ehrfurcht und Andacht, aber überwiegend mit dem Bewußtseyn der Nichtigkeit seines endlichen Daseyns und Selbstgefühls, und mit Aberglauben verbunden. Die Philosophie der Religion hat die logische Nothwendigkeit in dem Fortgang der Bestimmungen des als das Absolute gewußten Wesens zu erkennen, welchen Bestimmungen zunächst die Art des Cultus entspricht, wie ferner das weltliche Selbstbewußtseyn, das Bewußtseyn über das, was die höchste Bestimmung im Menschen sey, und hiemit die Natur der Sittlichkeit eines Volkes, das Princip seines Rechts, seiner wirklichen | Freiheit und seiner Verfassung, wie seiner Kunst und Wissenschaft, dem Princip entsprechen, welches die Substanz einer Religion ausmacht. Daß alle diese Momente der Wirklichkeit eines Volkes Eine systematische Totalität ausmachen und Ein Geist sie erschafft und einbildet, diese Einsicht liegt der weitern zum Grunde, daß die Geschichte der Religionen mit der Weltgeschichte zusammenfällt. Ueber den Zusammenhang der Kunst mit den Religionen ist die nähere Bemerkung zu machen, daß sie, indem wahrhaft schöne Kunst nur denjenigen Religionen angehören kann, in welchen die concrete Geistigkeit Princip ist. Aber auch in den Religionen, in welchen die Idee noch nicht in ihrer freien Bestimmtheit offenbar geworden und gewußt wird, thut sich wohl das Bedürfniß der Kunst hervor, um in Anschauung und Phantasie die Vorstellung des Wesens zum Bewußtseyn zu bringen, ja die Kunst ist vielmehr das einzige Organ, in welchem der untergeordnete Inhalt zum Bewußtseyn gebracht werden kann. Aber die Kunst ist mangelhaft; weil sie einen so man-
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gelhaften Gehalt hat, daß er die freie Geistigkeit noch nicht enthält, ist auch die Form und die Aeußerlichkeit selbst mangelhaft, daß sie in Endlichkeit und Selbstständigkeit gegen das Innere bleibt. Die Darstellung behält eine Seite der Geschmack- und Geistlosigkeit, weil das Innere selbst noch mit Geistlosigkeit behaftet ist, und daher nicht die Macht hat, das Aeußere frei zur Bedeutung und zur Gestalt zu durchdringen. Die schöne Kunst dagegen hat das Selbstbewußtseyn des freien Geistes und damit das Bewußtseyn der Unselbstständigkeit des Sinnlichen und blos Natürlichen gegen denselben zur Bedingung, sie macht dieses ganz nur zum Ausdruck desselben. Eben damit aber beweist ihr Eintreten den Untergang einer an sinnliche Aeußerlichkeit noch gebundenen Religion. Zugleich, indem sie der Religion die höchste Verklärung, Ausdruck und Glanz zu geben | scheint, hat sie dieselbe über diese Beschränktheit hinausgehoben. Das Genie des Künstlers
5
io
und der Zuschauer ist in der erhabensten Göttlichkeit des Kunstwerks mit 15
seinem Sinne und Empfindung einheimisch, befriedigt und heiter. Jene Religion aber, in welcher sich das Bedürfniß der schönen Kunst und eben deswegen erzeugt, hat in ihrem Princip ein gedankenloses und sinnliches Jenseits; die an d äch tig verehrten Bilder sind die unschönen Götzenbilder, als wunderthätige Talismane, die eine jenseitige Objectivität einschließen,
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und Knochen thun denselben oder selbst bessern Dienst, als solche Bilder. Die wahrhafte Objectivität, welche nur im Elemente des G edankens ist, dem Elemente, in welchem allein der reine Geist für den Geist, die Befreiung zugleich mit der Ehrfurcht ist, mangelt eben so sehr in dem Sinnlich-schönen des Kunstwerks, als in jener äußerlichen, unschönen Sinnlichkeit.
§. 563.
25
Die schöne Kunst hat aber auch ihr Vorwärts in der Zukunft der wahrhaften Religion; das beschränkte Daseyn der Idee geht an und für sich in die Allgemeinheit des Daseyns, die Form der Anschauung, des unmittelbaren an Sinnlichkeit gebundenen Wissens, in das sich in sich vermittelnde Wissen, in ein Daseyn, das 30 selbst das Wissen ist, das O ffen b aren über; so daß damit der Inhalt der Idee die Bestimmung des freien Wissens zum Princip hat, und als absoluter Geist für den Geist ist. Die wahrhafte Religion hat noch ein anderes Rückwärts als die Kunst, nämlich in der Erscheinung der wissenschaftlichen Folge, den Staat. Aber
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und] O 2 .* nnd
O 3 : und
ENCYCLOPÄDIE • PHILOSOPHIE DES GEISTES
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diese Ordnung gibt sich selbst wie überall im Speculativen die Bedeutung, daß das zunächst als Folgendes gestellte vielmehr das absolute Prius, die Wahrheit dessen ist, durch das es als vermittelt erscheint. So ist die Sitt |lichkeit der Ausgangspunkt zur Religion von der Wirklichkeit des subjectiven Bewußtseyns aus (§. 552.). Die Sittlichkeit ist der auf sein substantielles Inneres zurückgeführte Staat, dieser die Entwicklung und Verwirklichung derselben; die Substantialität aber der Sittlichkeit selbst und des Staats ist die Religion. Der Staat beruht nach diesem Verhältniß auf der sittlichen Gesinnung und diese auf der religiösen. Indem die Religion das Bewußtseyn der ab solu ten W ah rh eit ist, so kann was als Recht und Gerechtigkeit, als Pflicht und Gesetz, d. i. als wahr in der Welt des freien Willens gelten soll, nur in sofern gelten, als es T heil an jener Wahrheit hat, unter sie sub sum irt ist und aus ihr folgt. Das Religiöse ist aber nicht nur als G esinnung zu nehmen. Die Gesinnung gehört dem Selbstbewußtseyn als einzelnen an, ist darin durch Erziehung zu pflanzen und auf die mannichfache, psychologische Wirkungsweise zu ernähren und zu erhalten. Ihr Verhältniß zum Staat kann so betrachtet werden, daß dieser für sich sonst schon und aus irgend einer Macht und Gewalt existire, und das Religiöse als das Subjective der Individuen nur zu seiner Befestigung hinzuzukommen hätte. In der That aber liegt in der Natur des Ueberganges vom Staat zur Religion, daß diese die an und für sich sey ende B asis von jenem, die Quelle und Macht sey, welche ihn und seine Verfassung gegründet und hervorgebracht hat. In sofern aber die Religion (§. 562. Anm.) wie Staat und Kunst (§. 559.) etwas Formelles seyn kann, hat auch die ursprüngliche Harmonie von Religion und Staat verschiedene Bestimmungen, je nach dem substantiellen Principe, nämlich dem Bewußtseyn der Freiheit des Geistes, der identischen Grundlage beider. Der allgemeine Unterschied ist, ob die Unfreiheit oder die Freiheit des Geistes, diese Grundbestimmung ausmacht. Es kann dabei ferner die Unfreiheit der Form nach Statt | finden, obgleich der an sich seyende Inhalt der Religion der absolute Geist ist. Der letztere große Unterschied, um das Bestimmtere anzuführen, findet sich innerhalb der christlichen Religion selbst, in welcher nicht das Naturelement selbst den Inhalt des Gottes macht, noch auch ein solches in den Gehalt desselben als Moment eintritt, Sondern Gott, der im G eist und in der W ahrheit gewußt wird, der Inhalt ist. Und doch wird in der katholischen Religion zunächst in der Hostie Gott als äuß erliches D in g , der religiösen Anbetung präsentirt, (wogegen in der lutherischen Kirche die Hostie als solche erst und nur allein im Genüsse (d. i. in der Vernichtung der Aeußerlichkeit derselben) und im G lauben consecrirt und zum gegenwärtigen
ABSOLUTER GEIST
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Gotte erhoben wird). Aus jenem ersten und höchsten Verhältniß der Aeußerlichkeit fließen alle die ändern äußerlichen und damit ungeistigen und abergläubischen Verhältnisse; namentlich ein L ay en stan d , der das W issen der göttlichen Wahrheit, wie die Direction des W illen s und G ew issen s 5
von außenher und von einem ändern Stande empfängt, und selbst zum Besitze jenes Wissens nicht auf geistige Weise allein gelangt, sondern wesentlich dafür einer äußerlichen Consecration bedarf. Weiteres, die theils für sich theils darin geistlose Weise des Betens, daß das Subject auf die directe Richtung zu Gott Verzicht leistet, und Andere um das Beten bittet, - die
io
Richtung der Andacht an wunderthätige Bilder, ja selbst an Knochen, und die Erwartung von Wundern durch sie, - überhaupt die Gerechtigkeit durch äußerliche Werke, ein Verdienst, das durch die Handlungen soll erworben, ja sogar auf andere übergetragen werden können, u.s.f. - Alles dieses bindet den Geist unter ein A ußersichseyn, wodurch sein Begriff im Innersten verkannt und verkehrt, und Recht und Gerechtigkeit, Sittlichkeit und Gewissen, Zurechnungsfähigkeit und Pflicht in ihrer Wurzel ver|dorben sind. Solchem Princip und dieser Entwicklung der Unfreiheit des Geistes im Religiösen entspricht nur eine Gesetzgebung und Verfassung der rechtlichen und sittlichen Unfreiheit im Politischen. Consequenterweise ist die katholische Religion so laut als diejenige gepriesen worden und wird oft noch gepriesen, bei welcher allein die Festigkeit der Regierungen gesichert sey, in der That solcher Regierungen, welche mit Institutionen Zusammenhän-
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gen, die sich auf die Unfreiheit des rechtlich und sittlich frei seyn sollenden Geistes gründen. Gegen solches Außersich- und Zerrissenseyn sammelt sich das Bewußtseyn in seine freie Wirklichkeit; es erwacht die W eltw eish eit im Geiste der Regierungen und der Völker, d. h. die Weisheit über das, was in der Wirklichkeit an und für sich recht und vernünftig ist. So wird das, was in der Welt H e ilig k e it seyn soll, durch die S ittlic h k e it verdrängt. Statt des Gelübdes der Keuschheit gilt die Ehe als das Sittliche, und damit als das Höchste in dieser Seite des Menschen die F a m ilie ; statt des Gelübdes der Armuth (dem sich in Widerspruch verwickelnd, das Verdienst des Wegschenkens der Habe an die Armen d. i. die Bereicherung derselben entspricht) gilt die T h ätig k e it des Selbsterwerbs durch Verstand und Fleiß, und die R ech tsch affen h eit in diesem Verkehr und Gebrauch des Vermögens, die Sittlichkeit in der bürgerlichen Gesellschaft; statt des Gelübdes des Gehorsams gilt der G ehorsam gegen das G esetz und die gesetzlichen Staatseinrichtungen, welcher selbst die wahrhafte Freiheit ist, die S itt-
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1
wird).] O 2 : w ird .)
O3:
w ird).
ENCYCLO PÄDIE • PHILOSOPHIE DES GEISTES
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lich k eit im Staate. Mit dem Bedürfnisse des Rechtes und der Sittlichkeit tritt der Zwist derselben gegen die Religion der Unfreiheit ein. Es hälfe aber nichts, daß die Gesetze und die Staatsordnung zur vernünftigen Rechtsorganisation umgeschaffen würden, wenn nicht in der Religion das Princip der Unfreiheit aufgegeben wird. Beides ist unverträglich | mit einander; es ist eine thörigte Vorstellung, beiden ein getrenntes Gebiet anweisen zu wollen, in der Meynung, ihre Verschiedenheit werde sich gegenseitig ruhig verhalten und nicht zum Widerspruch und Kampf ausschlagen. Ohnehin können Grundsätze der rechtlichen Freiheit nur abstract und oberflächlich, und müssen daraus hergeleitete Staatsinstitutionen für sich unhaltbar seyn, wenn die Weisheit jener Principien die Religion so sehr miskennt, um nicht zu wissen, daß die Grundsätze der Vernunft der Wirklichkeit ihre letzte und höchste Bewährung in dem religiösen Gewissen, in der Subsumtion unter das Bewußtseyn der absoluten Wahrheit, haben. Wenn, auf welche Weise es geschehe, so zu sagen a priori eine Gesetzgebung, welche die Vernunftgrundsätze zu ihrer Grundlage hätte, aber im Widerspruche mit der auf Principien der geistigen Unfreiheit basirten Landesreligion, aufgedrungen worden wäre, so liegt die Bethätigung der Gesetzgebung in den Individuen der obersten Regierung als solcher und der ganzen sich durch alle Classen verzweigenden Verwaltung; es ist nur eine abstracte, leere Vorstellung, dieselben sich nur nach dem Sinne der Gesetzgebung und nicht nach dem Geiste ihrer Religion, in der ihr innerstes Gewissen und höchste Verpflichtung liegt, handelnd vorzuspiegeln. Die Gesetze erscheinen nur als ein von Menschen gemachtes, und deren Umänderung muß selbst gesetzlich berechtigt seyn; sie könnten, wenn sie auch sanctionirt und äußerlich eingeführt wären, dem Widerspruche und den Angriffen des religiösen Geistes gegen sie keinen dauerhaften Widerstand leisten. In P lato war die Erkenntniß über die Entzweiung bestimmter aufgegangen, die zu seiner Zeit zwischen der Religion und der Staatsverfassung einerseits, und andererseits den tiefern Anforderungen eingetreten war, welche die ihrer Innerlichkeit nun bewußt werdende Freiheit an die Religion und den politischen Zustand machte. | P lato faßt den Gedanken der tiefern Begründung der Verfassung und des Staatslebens auf die Idee, die an und für sich allgemeinen und wahrhaften Principien der ewigen Gerechtigkeit. Diese zu wissen und zu erkennen ist allerdings Bestimmung und Geschäft der Philosophie. Von diesem Gesichtspunkte her bricht P lato in die berühmte oder berüchtigte Stelle aus, worin er den S o k rate s es sehr emphatisch aussprechen läßt, daß P h ilo sop h ie und S taatsm ach t in Eines zusammenfallen, die Idee die Regentin seyn müsse, wenn das Unglück der
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Völker ein Ende sehen soll. P lato hat dabei die bestimmte Vorstellung gehabt, daß die Idee, welche freilich an sich der freie sich bestimmende Gedanke ist, auch nur in Form des Gedankens zum Bewußtseyn kommen könne; als ein Gehalt, welcher um wahr zu seyn, zur Allgemeinheit herausgehoben und in solcher gefaßt werden müsse. Um den platonischen Standpunkt mit dem Gesichtspunkte zu vergleichen, in welchem hier der Staat in Beziehung auf Religion betrachtet wird, so ist daran zu erinnern, zunächst, daß in den natürlichen Dingen, die Substanz derselben, die G attu n g, verschieden ist von ihrer Existenz, in welcher sie als Individuum ist; diese individuelle Existenz der Gattung ist aber zugleich von derjenigen unterschieden, welche die Gattung als solche für sich herausgehoben, in der Vorstellung und in Gedanken erhält. Diese andere Individualität, der Boden der freien Existenz der Substanz, ist das Selbst des denkenden Geistes. Der Gehalt der natürlichen Dinge erhält die Form der Allgemeinheit und Wesentlichkeit nicht durch sich; die Individualität dieser Dinge ist nicht an ihr selbst die Form, welche für sich das subjective Denken ist. Jener Gehalt kommt daher nur in der Philosophie zur Existenz für sich. Der menschliche Gehalt in seiner Substantialität hingegen ist der freie Geist, und kommt in ihm selbst, in seinem Selbstbe | wußtseyn, zur Existenz. Dieser absolute Gehalt, der in sich concrete Geist, ist eben dies, die Form, das Denken, selbst zu seinem Inhalte zu haben; zu der Höhe dieser Bestimmung hat sich A risto te le s in seinem Begriffe der Entelechie des Denkens, welches ist, über die platonische Idee emporgehoben. Das Denken nun enthält, und zwar um der angegebenen Bestimmung selbst willen,
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