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German Pages 200 Year 2011
Frauena¨rztliche Taschenbu¨cher Herausgeber: Thomas Ro¨mer, Andreas D. Ebert
Andreas D. Ebert
Endometriose Ein Wegweiser fu¨r die Praxis 3., komplett u¨berarbeitete Auflage mit einem Beitrag von Dr. Claus-Peter Cornelius und Dr. Christiane Niehues
DE GRUYTER
Professor Dr. med. Dr. phil. Dr. h. c. Andreas D. Ebert Direktor der Klinik fu¨r Gyna¨kologie und Geburtsmedizin Babyfreundliches Krankenhaus der WHO/UNICEF Schwerpunkt Gyna¨kologische Onkologie Deutsches Endometriosezentrum Berlin (DEZB) Stufe III Vivantes Humboldt-Klinikum Am Nordgraben 2, 13509 Berlin Tel.: +49 (30) 130 12 1261; Fax: +49 (30) 130 12 1262 [email protected] Das Werk entha¨lt 101 Abbildungen und 13 Tabellen. Die Buchreihe Frauena¨rztliche Taschenbu¨cher wurde von Prof. Dr. med. Wolfgang Straube, Rostock und Prof. Dr. Thomas Ro¨mer, Ko¨ln gegru¨ndet. ISBN 978-3-11-021622-6 e-ISBN 978-3-11-021623-3 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data Ebert, Andreas D., 1963Endometriose : Ein Wegweiser fu¨r die Praxis / by Andreas D. Ebert. p. cm. - - (FATB- - Frauena¨rztliche Taschenbu¨cher) Includes bibliographical references and index. ISBN 978-3-11-021622-6 (alk. paper) 1. Endometriosis. 2. Generative organs, Female- -Diseases. I. Title. RG483.E53E24 2011 618.1- -dc22
2010053319
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet u¨ber http://dnb.d-nb.de abrufbar. # 2011 Walter der Gruyter GmbH & Co. KG, Berlin/New York Der Verlag hat fu¨r die Wiedergabe aller in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen, Applikationen etc.) mit Autoren und Herausgebern große Mu¨he darauf verwandt, diese Angaben genau entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abzudrucken. Trotz sorgfa¨ltiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes ko¨nnen Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autoren bzw. Herausgeber und Verlag u¨bernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen und dergleichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass solche Namen ohne weiteres von jedermann benutzt werden du¨rfen. Vielmehr handelt es sich ha¨ufig um gesetzlich geschu¨tzte, eingetragene Warenzeichen, auch wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind. Printed in Germany Projektplanung und -durchfu¨hrung: Dr. Petra Kowalski Projektmanagement: Simone Pfitzner Herstellung: Marie-Rose Dobler Gesamtherstellung: Druckhaus „Thomas Mu¨ntzer“ GmbH, Bad Langensalza
„. . . John Albert Sampson died in 1946. He was the last one-man centre of excellence . . .“ Hans Evers in WES e-Journal 2010; 12: 1
Vorwort zur 3. Auflage Seit der zweiten Auflage dieses kleinen Buches im Jahre 2006 hat sich auf dem Gebiet der Endometriose viel getan – einer Erkrankung, die fu¨r die betroffenen Frauen und ihre frztInnen auch im 21. Jahrhundert noch eine menschliche und medizinische Herausforderung ist, weil sie weit in alle individuellen Lebensra¨ume hineinreichen kann. Die breite Diskussion in den Fachkreisen ist jedoch angestoßen und die o¨ffentlichen Aktivita¨ten laufen. National und international wird die Endometriose zunehmend nicht mehr nur als Frauenkrankheit mit volkswirtschaftlicher Relevanz („economic disease“) sondern bereits auch als „political disease“ wahrgenommen. Obwohl heute eine kausale Therapie noch nicht angeboten werden kann werden ftiologie und Pathogenese der Endometriose derzeit so aktiv erforscht, dass das Wissen u¨ber diese Erkrankung ta¨glich fast exponentiell wa¨chst. Die noch vor wenigen Jahren in Vortra¨gen und Publikationen dominierenden eberschriften, wie „Endometriose – die verkannte Krankheit“, „Endometriose – das unbekannte Frauenleiden“, „Endometriose – eine Krankheit ohne Lobby“ du¨rften heute u¨berwiegend der Vergangenheit angeho¨ren, ohne dass wir jedoch diese Mahnrufe allzu fru¨h vergessen sollten. Nach der Gru¨ndung der ersten Endometriosezentren, die u¨berwiegend auf Initiative der Stiftung Endometriose-Forschung, der Europa¨ischen Endometriose-Liga e. V. und der EndometrioseVereinigung Deutschland e. V. entstanden, findet der Endometriosezentrumsgedanke zur Fo¨rderung der Struktur- und Ergebnisqualita¨t sowie der Forschung und Ausbildung nun auch an den deutschen und deutschsprachigen Universita¨ten zunehmende Akzeptanz. Diese positive Entwicklung soll auch durch die nun vorliegende dritte, u¨berarbeitete Auflage des Wegweisers unterstu¨tzt werden. Auf die Auswahl pra¨gnanter Abbildungen und die inhalt-
VI
Vorwort
liche Verdichtung wurde weiterhin Wert gelegt, um den urspru¨nglichen Charakter des Wegweisers nicht zu verwa¨ssern. Ohne Unterstu¨tzung wa¨re die nebenberufliche Erarbeitung dieser 3. Auflage natu¨rlich nicht mo¨glich gewesen. An erster Stelle gilt mein innigster Dank meiner Frau Eva, die auch dieses Buchprojekt mit innovativer Geduld und intrinsischer Motivation humorvoll begleitete. Dem Walter de Gruyter Verlag, hier speziell Frau Dr. rer. nat. Petra Kowalski und Frau Simone Pfitzner, mo¨chte ich an dieser Stelle herzlich fu¨r das besta¨ndige Interesse an dem wichtigen Thema danken. Frau Dr. Christiane Niehues (Chefa¨rztin in Bad Salzuflen) und Herrn Dr. C. P. Cornelius (Chefarzt in Bad Schmiedeberg) bin ich fu¨r den wichtigen Beitrag u¨ber die Anschlussheilbehandlung und Rehabilitation sehr verbunden. Meinen „Endo“-Mitarbeiterinnen im Vivantes Humboldt-Klinikum Dr. med. Raida Dakkak, Dr. med. Gabriele Rosenow, Ulrike Thiel-Moder, Gabriele Mehlitz und Dr. med. Cordula von Kleinsorgen danke ich ebenso fu¨r die anhaltende Unterstu¨tzung in der Patientinnenbetreuung, der Lehre und der Forschung im Vivantes Humboldt-Klinikum wie meinen lieben Kolleginnen Dr. med. Gu¨lden Halis (heute Praxis fu¨r Fertilita¨t, Berlin), Dr. med. Julia Bartley und Priv.-Doz. Dr. med. Sylvia Mechsner (heute noch im Charite´-Campus Benjamin Franklin) aus den „guten alten“ Steglitzer Gru¨ndungszeiten des ersten Endometriosezentrums im Jahre 2000. Meinen KollegInnen Priv.-Doz. Dr. med. K. Kru¨ger (Humboldt-Klinikum, Ro¨ntgendiagnostik), Priv.-Doz. Dr. med. R.-M. Liehr (Humboldt-Klinikum, Gastroenterologie), Prof. Dr. med. U. Adam (Humboldt-Klinikum, Chirurgie), Dr. med. A. Freitag (Humboldt-Klinikum, Ana¨sthesiologie u. Schmerztherapie), Prof. Dr. med. Th. Papadopolous (Pathologie) sowie Frau Prof. Dr. rer. nat. UlrikeFriedericke Habenicht (Bayer-Pharma, Berlin) und Herrn Jo¨rg Ehrenpreis (Takeda, Deutschland) danke ich fu¨r die (fast) ta¨gliche Unterstu¨tzung beim Vorantreiben des „Endometriose-Projektes“ und bei der klinischen sowie der angewandten Grundlagenforschung. Wenn die Lektu¨re der „Endometriose“ das Interesse und den Wunsch der Leserinnen und Leser nach mehr Information weckt – der Zweck des Buches wa¨re fu¨r mich (fast) erfu¨llt! Berlin, im Mai 2011
Andreas D. Ebert
Vorwort zur 2. Auflage 2006 Die erste Auflage eines kleinen Ratgebers Endometriose war schon bald vergriffen, was einerseits den Herausgeber und den Verlag freute – andererseits aber auch deutlich belegte, wie dringend aktuelles Wissen u¨ber die Erkrankung Endometriose von frzten und betroffenen Frauen beno¨tigt wird. Aus diesem Grund haben der Verlag, die Partner aus der Industrie und ich entschieden, der ersten Auflage ein schnelles Update folgen zu lassen. Es war nicht immer leicht, dem Drang zu widerstehen, die Darstellung vieler Aspekte der Erkrankung doch breiter zu fassen. Letztlich u¨berwog aber die eberzeugung, dass auch eine kurze Zusammenfassung dem idealen Ziel eines Fachbuches nahe kommt – mit Nutzen fu¨r unsere Endometriosepatientinnen gelesen zu werden. Ich danke an dieser Stelle ausdru¨cklich dem Walter de Gruyter Verlag und Herrn J. Ehrenpreis (Takeda Pharma GmbH, Aachen) fu¨r ihre sta¨ndiges Interesse. Eva Mittank (L & R, Deutschland) danke ich fu¨r ihre besta¨ndige, besta¨rkende und aufmunternde Begleitung in Zeiten des Wandels. Meinen langja¨hrigen Mitarbeiterinnen vom Endometriose-Team Dr. Julia Bartley, Dr. Gu¨lden Halis, Dr. Sylvia Mechsner, Johanna Thode, Jessica Schwarz, Claudia Beutler, allen „Endo-Schwestern“ sowie meinen Kollegen PD Dr. Ch. Ko¨hler und Prof. Dr. A. Schneider, M.P.H., im Campus Benjamin Franklin der Charite´-Universita¨tsmedizin danke ich ebenso herzlich wie meinen Kollegen Prof. Dr. Th. Steinmu¨ller (Chirurgie), Dr. J. Hasselmann (Urologie), PD Dr. R.-M. Liehr (Gastroenterologie), Dr. J. Linke (Pathologie) und Dr. A. Freitag (Ana¨sthesiologie, Intensivmedizin und Schmerzmedizin) sowie meinem Team der Klinik fu¨r Gyna¨kologie und Geburtsmedizin des Vivantes Humboldt-Klinikums Berlin, die meine Arbeit jederzeit aktiv unterstu¨tzten und durch neugierige Fragen Bekanntes in Frage stellten und stellen. Zum Abschluss mo¨chte ich dankend betonen, dass auch dieses Buch ohne die weitsichtige und nachhaltige Unterstu¨tzung durch
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Vorwort
den Stifterverband fu¨r die Deutsche Wissenschaft, der die Gru¨ndung des Deutschen Endometriose Kompetenz- und ExpertenNetzwerkes (DEKEN) langfristig fo¨rderte und begleitete, nicht ha¨tte geschrieben werden ko¨nnen. Berlin, im Ma¨rz 2006
Andreas D. Ebert
Vorwort zur 1. Auflage 2003
„Enigma Endometriosis“, die „ra¨tselhafte Frauenkrankheit“, das „verkannte Frauenleiden“ – Millionen Frauen leiden weltweit in ihren fruchtbaren Jahren unter einer gutartigen Krankheit mit eindeutigen Tumoreigenschaften, die das Leben und die Tra¨ume einer Frau, ihre Partnerschaft oder ihre Familie, die Sexualita¨t und die berufliche Entwicklung durch Schmerzen und Unfruchtbarkeit u¨berschatten und auch zersto¨ren kann. Mit dem vorliegenden Band aus der Reihe Frauena¨rztliche Taschenbu¨cher sollen die Krankheit Endometriose und ihre vielfa¨ltigen Erscheinungsbilder weiter in das Bewusstsein von frzten und Betroffenen geru¨ckt werden. Die Erarbeitung dieses Buches wa¨re ohne die ideelle und materielle Unterstu¨tzung durch den Stifterverband fu¨r die Deutsche Wissenschaft unmo¨glich gewesen. Der Stifterverband fu¨r die Deutsche Wissenschaft ermo¨glichte die Gru¨ndung des virtuellen Endometriose-Forschungsinstitutes mit seinen Standorten Berlin (Leiter der Clinical Endometriosis Research Unit: Priv.-Doz. Dr. med. Dr. phil. A. D. Ebert) und Frankfurt am Main (Leiterin der Basic Endometriosis Research Unit: Frau Univ.-Prof. Dr. rer. nat. Anna Starzinski-Powitz), das seit dem 1. Ma¨rz 2001 als interdisziplina¨res Deutsches Endometriose Kompetenz- und ExpertenNetzwerk (DEKEN) national und international aktiv ist. Weitere großzu¨gige finanzielle Unterstu¨tzung fu¨r das vorliegende Buchprojekt erhielten wir von den Kollegen der Firma Takeda Pharma (Aachen), denen wir ausdru¨cklich danken und deren Engagement wir nicht hoch genug einscha¨tzen ko¨nnen, denn nur die gezielte Kooperation zwischen universita¨rer Forschung, Biotechnologie und Industrie wird prospektiv fu¨r unsere Patientinnen den Nutzen bringen, den sie sich von uns erhoffen. Fu¨r wertvolle Ratschla¨ge, tatkra¨ftige Hilfe und Unterstu¨tzung danken wir Frau Dipl.-Biol. Claudia Beutler (UKBF, Berlin), Priv.Doz. Dr. med. M. Entezami (Berlin), Prof. Dr. med. C. T. Germer
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Vorwort
(UKBF, Chirurgie), Dr. A. Hagen (UKBF, Berlin), Prof. Dr. med. J. Keckstein (LKH Villach/A), Prof. Dr. med. W. Ku¨hn (UKBF, Berlin), Frau Eva Mittank (Edwards, Deutschland), OA Dr. med. W. Pritze (UKBF, Berlin), Frau Prof. Dr. rer. nat. Anna Starzinski-Powitz (DEKEN, Frankfurt) und Prof. Dr. med. R. Tauber (UKBF, Berlin). Berlin, im Oktober 2002
Andreas D. Ebert
Inhalt
1.
Definition und Historie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1
2.
Utiologie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4
2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6
Transplantationstheorie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Metaplasie-Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tissue-Injury-and-Repair-(TIAR) Konzept . . . . . . . . Zell- und molekularbiologische Konzepte . . . . . . . Das Aromatase-Konzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Immunologische Theorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
4 4 5 8 9 12
3.
Epidemiologie und Risikofaktoren . . . . . . . . . . . . .
13
4.
Endometriose in der Adoleszenz . . . . . . . . . . . . . .
15
5.
Endometriose bei Ma¨nnern? Nichts ist unmo¨glich?
19
6.
Endometriose ist keine seltene „Orchideenkrankheit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
20
7.
Klinische Symptome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29
7.1 7.2 7.3
29 29
7.4 7.5 7.6
Dysmenorrho¨ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dyspareunie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dyschezie, Darmsymptome und Unterbauchschmerzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dysurie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ru¨cken- und Gliederschmerzen . . . . . . . . . . . . . . . Sterilita¨t und Kinderwunsch. . . . . . . . . . . . . . . . . . .
30 30 31 32
8.
Diagnostik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33
8.1 8.2 8.3 8.4 8.5 8.6
Anamnese (Minimum) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rektovaginale gyna¨kologische Untersuchung . . . . Ultraschall (inklusive Transrektalsonografie) . . . . . Labor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Laparoskopie: Visualisierung und Biopsie . . . . . . . Wichtige Zusatzuntersuchungen . . . . . . . . . . . . . . .
33 33 34 36 36 43
XII
Inhalt
Pathomorphologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
46
10.
Klinisch-operative Erscheinungsbilder . . . . . . . . .
51
10.1 10.1.1 10.1.2 10.1.3 10.1.4 10.1.5 10.1.6 10.1.7 10.2 10.2.1 10.2.2 10.2.3 10.2.3.1 10.2.3.2 10.2.3.3 10.2.3.4 10.2.3.5 10.2.3.6 10.2.3.7 10.2.3.8 10.2.3.9 10.2.3.10 10.2.3.11 10.2.4 10.2.4.1 10.2.4.2 10.2.5 10.2.5.1 10.2.5.2 10.2.5.3 10.2.5.4 10.2.5.5 10.2.5.6 10.3
Extragenitale Befunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Kutane Manifestation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Rektovaginale Endometriose. . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Intestinale Endometriose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Zwerchfellendometriose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Extragenitale Peritonealendometriose . . . . . . . . . . 60 Blasenendometriose. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 Ureterendometriose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Genitale Befunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Portioendometriose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Ovarielle Endometriose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Peritoneale Endometriose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Schwarze Endometrioseherde. . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Rote Endometrioseherde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 Vaskularisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 Blaue Endometrioseherde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 Weiß-narbige Endometriose . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 Polypo¨se Wachstumsmuster . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 Miliare Wachstumsmuster. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 Douglassekret und Douglasendometriose. . . . . . . 83 Typische Manifestationen am Blasendach . . . . . . 87 Endometriose am Uterusfundus . . . . . . . . . . . . . . . 89 Endometriose in der Fossa ovarica . . . . . . . . . . . . 89 Infiltration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 Sternfo¨rmige Einziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 Tiefe Endometriose. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 Verwachsungen und Verklebungen . . . . . . . . . . . . 96 Zarte Adha¨sionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 Derbe Adha¨sionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Blasendachverwachsungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 Obliteration des Douglas-Raumes . . . . . . . . . . . . . 99 Zersto¨rung der Genitalanatomie . . . . . . . . . . . . . . 101 Verklebte Fimbrientrichter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 Adenomyosis uteri et tubae . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
9.
Inhalt
11. 11.1 11.2
XIII
Stadieneinteilung der Endometriose . . . . . . . . . . . 109 rASRM-Stadieneinteilung (American Society of Reproductive Medicine, revised). . . . . . . . . . . . . . . 109 EEC-Stadieneinteilung (Endoscopic Endometriosis Classification) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110
12.
Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112
12.1 12.1.1
Chirurgische Therapie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peritoneale und ovarielle oberfla¨chliche Endometriose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ovarielle Endometriome (Endometriosezysten). . . Tiefe Endometriose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lymphknotenabsiedlungen und Fernmetastasen . . Hysterektomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Medikamento¨se Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gestagenmonotherapie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kombinierte orale Kontrazeptiva („Pille“). . . . . . . . Danazol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gonadotropin-Releasing-Hormon-Analoga (GnRH-Analoga) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Neue medikamento¨se Therapieansa¨tze . . . . . . . . . Schmerztherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Endometriose und Sterilita¨t . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alleinige medikamento¨se Therapie. . . . . . . . . . . . . Operative Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Assistierte Reproduktion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ovulationsinduktion und intrauterine Insemination In-vitro-Fertilisation (IVF) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI). . . Gamete Intrafallopian Transfer (GIFT) . . . . . . . . . . Psychosomatische Mitbetreuung und Rehabilitation Gyna¨kologische Anschlussheilbehandlung (AHB) und Anschlussrehabilitation (AR) nach Indikationsgruppe 11 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Formulierungshinweis fu¨r eine gyna¨kologische Anschlussheilbehandlung (AHB) bzw. Anschlussrehabilitation (AR) (nach Indikationsgruppe 11) . .
12.1.2 12.1.3 12.1.4 12.1.5 12.2 12.2.1 12.2.2 12.2.3 12.2.4 12.2.5 12.3 12.4 12.4.1 12.4.2 12.4.3 12.4.3.1 12.4.3.2 12.4.3.3 12.4.3.4 12.5 12.5.1 12.5.2
112 116 116 117 127 128 129 132 135 137 138 141 143 146 146 147 148 148 149 150 150 150 151 153
XIV
Inhalt
12.5.3 12.6 12.6.1 12.6.2 12.6.3 12.6.4 12.6.5 12.7
Formulierungshinweis fu¨r einen Antrag auf stationa¨re medizinische Rehabilitation . . . . . . . . . Komplementa¨re Therapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erna¨hrungsumstellung und Gewichtsreduktion . . Traditionelle Chinesische Medizin. . . . . . . . . . . . . Naturheilverfahren und Phytotherapie . . . . . . . . . Entspannungstechniken und Ko¨rpertherapien. . . . Homo¨opathie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Endometriose, Liebe und Sexualita¨t. . . . . . . . . . . .
13.
Endometriose, Krebs und maligne Entartung. . . . 166
14.
Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167
14.1 14.2 14.3 14.4 14.5
ENZIAN-Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Evidenz-Level und Evidenz-Beurteilung . . . . . . . . Praktische Stadieneinteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausgewa¨hlte Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wichtige Adressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
154 156 156 157 157 157 157 158
167 168 169 170 186
1. Definition und Historie
Unter dem Begriff „Endometriose“ versteht man eine Erkrankung der Geba¨rmutter, bei der es zur Absiedelung von Gewebe, das biologisch dem basalen Endometrium entspricht, aus dem Cavum uteri in den Bauchraum und selten auch zur Metastasierung in uterusferne Organe kommt. Endometrioseherde bestehen aus Dru¨sen, Stromazellen und glatter Muskulatur und werden von Nerven (Neurogenese), Lymph- und Blutgefa¨ßen (Angiogenese) versorgt. Dru¨sen, Stroma und Muskulatur in Endometriosela¨sionen exprimieren differentiell die xstrogen- und Progesteronrezeptoren, was ihr Ansprechen auf endokrine Therapieansa¨tze erkla¨rt. Obwohl die Endometriose als Erkrankung der Frau im reproduktionsfa¨higen Alter verstanden wird, konnte die Existenz einer pra¨menarchealen Endometriose histologisch bewiesen werden. Postmenarcheale Endometriosela¨sionen werden in 35 U/ml) sprechen eher fu¨r eine ungu¨nstige Prognose. CA-125 ist nicht als Screening-Marker geeignet. Bei ovariellen Endometriomen kann der CA-125-Wert erho¨ht sein (ESHRE guideline 2005, Ulrich et al.; Leitlinie fu¨r Diagnostik und Therapie der Endometriose 2010). Selten erreicht er jedoch Werte, wie sie beim Ovarialkarzinom typisch sind. 8.5 Laparoskopie: Visualisierung und Biopsie Visualisierung der Herde, Biopsie und pathomorphologische Untersuchung der Pra¨parate sind der Goldstandard der Endometriosediagnostik. Heute erfolgt die Visualisierung u¨berwiegend durch die Laparoskopie.
Immer die Dynamik und den zeitlichen Verlauf der Symptome beachten! # Wann war die erste Regel? War sie damals schon schmerzhaft? Fu¨hrte die Menstruation zu schmerzbedingtem Schulausfall? zu abususa¨hnlichen Schmerzmitteleinnahmen? zur Verabreichung oraler Kontrazeptiva? # Seit wann bestehen Symptome? Wie haben sie sich in Ihrer Qualita¨t u¨ber die Zeit entwickelt? # Die endometrioseassoziierten Beschwerden ko¨nnen zyklisch, azyklisch und chronisch auftreten. # Wann wurden von wem wo welche Vor-Operationen mit welchem Erfolg durchgefu¨hrt? Liegen OP-Protokolle vor?
Anamnese Die Anamnese ist die einzige Mo¨glichkeit die Patientin und ihre Beschwerden umfassend kennenzulernen und die Symptome in Einklang mit den diagnostischen Befunden, z. B. Vaginalsonografie oder MRT, zu bringen.
Unterbauchschmerzen # Zyklusabha¨ngig? # Zyklusunabha¨ngig? # Chronisch?
Blutungssto¨rungen # Regeltemposto¨rungen? # Regeltypussto¨rungen? # Hypermenorrhoe? # Zusatzblutungen? # Zykluskalender empfehlen!
Dyspareunie # Stellungsabha¨ngig? # Stellungsunabha¨ngig? # Libidoverlust? # Partnerschaftsprobleme? # Psychogene Dyspareunie?
Dysmenorrhoe # Prima¨r? Sekunda¨r?
Tabelle 3: Diagnostisches Minimum bei Verdacht auf tief-infiltrierende Endometriose. Es gibt keine aktuellen Leitlinienempfehlungen zur Diagnostik der Endometriose. Die Tatsache, dass keine Empfehlungen fu¨r eine Methode abgegeben werden kann, bedeutet nicht, dass dies als Empfehlung gegen diese Methode zu interpretieren ist.
8.5 Laparoskopie: Visualisierung und Biopsie
37
# Von wann bis wann wurde endokrine Therapien eingesetzt und mit welchem Erfolg? # Von wann bis wann wurden sonstige Therapien (Akkupunktur, TCM, Natruheilverfahren, Homo¨opathie etc.) eingesetzt und mit welchem Erfolg?
Tabelle 3 (Fortsetzung)
Gastrointestinale Symptome # Obstipation # Pseudodiarrhoe # Postprandiale Kra¨mpfe # Ha¨matochezie # Dyschezie # „Reizdarm“ # Perimentruelle Tenesmen und schmerzhafte Bla¨hungen # Perimenstruelle Stuhlwechsel? (z. B. von Obstipation zu Diarrhoe)
Urogenitalsymptome # Dysurie? Poliurie? Pollakisurie? # „Reizblase“? # Geha¨ufte Blasenentzu¨ndungen? # Mikroha¨matourie? # Makroha¨matourie? # Perimenstruelle Inkontinenz? # Harnstau? # „Interstitielle Zystitis“
# Ischialgiforme Beinschmerzen # Perimentruelle Ru¨ckenschmerzen
38 8. Diagnostik
Tabelle 3 (Fortsetzung)
Vortherapien # Kinderwunschtherapien? # Psychiatrische Therapien
Vorerkrankungen # Diabetes? # Hypertonus? # Depressionen? # Schilddru¨se? # Sonstige
Voroperationen? # Adnexoperationen # Endometriose-Operationen # Sonstige
Psychosomatische und psychiatrische Auffa¨lligkeiten # Fatique? # Depressive Symptome/Sto¨rungen # Angststo¨rungen? # Medikamentenabusus? # Sozialstatus? Soziale Probleme? # Partnerschaftsprobleme?
8.5 Laparoskopie: Visualisierung und Biopsie
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# Spekulumeinstellung – immer Fornix posterior et anterior vaginae zum makroskopischen Ausschluss einer bereits stattgefundenen Infiltration mitbetrachten! # Inspektion, ggf. Kolposkopie. Bei typischen Befunden in der Scheide kann eine Vaginalbiopsie in Lokalana¨sthesie sinnvoll sein. # Immer rektovaginale Palpation, ggf. auch als Narkoseuntersuchung. # Transvaginalsonografie: Ovarielle Endometriome? Adenomyosis uteri? Darmbefall? # Abdominalsonografie: Nierenultraschall und US mit voller Blase zur Abkla¨rung einer Blasenendometriose.
Sonografie
Medikamenteneinnahme # Orale Kontrazeptiva? # GnRH-Analoga? # Gestagene? # Sonstige Medikamente? (z. B. Antidiabetika? Antidepressiva? Andere?)
# Schilddru¨senbehandlungen # Sonstige
Gyna¨kologischer Status
Tabelle 3 (Fortsetzung)
40 8. Diagnostik
# CA 125, Urinstix, Bakteriologie, ggf. b-HCG, CRP Der Tumormarker CA125 erreicht bei Endometriose nur selten so hohe Werte, wie sie beim Ovarialkarzinom auftreten. Ausnahmen besta¨tigen die Regel. # Magnetresonanztomografie (besser als CT) exzellente Methode bei Verdacht auf Adenomyosis oder tief-infiltrierende Endometriose. Bei Verdacht auf Blaseninfiltration empfielt sich immer das MRT mit voller Blase, bei Verdacht auf Rektuminfiltration bringt die rektale KM-Fu¨llung sehr klare Befunde. MRT-Rektalspulen werden derzeit in Studien untersucht.
Bildgebende und invasive Diagnostik
# Transanalsonografie: Endosonografie in Kombination mit Rektosigmoideoskopie zum Ausschluss einer Rektumendometriose. Darmbefall? Welche Schichten? Wahrscheinlich besonders wichtig bei ho¨her gelegenen Infiltrationen der Rektosigma, die der tastende Finger nicht mehr erreicht.
Laborparameter
Tabelle 3 (Fortsetzung)
8.5 Laparoskopie: Visualisierung und Biopsie
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# i. v. Urogramm (bei Verdacht auf Ureterbeteiligung) # Zystoskopie ggf. mit Biopsie (z. B. Ausschluss einer interstitiellen Zystitis), aber nie eine transurethrale Resektion (TUR) zur Therapie einer Blasenendometriose durchfu¨hren lassen! # Rektosigmoidoskopie mo¨glichst zum Zeitpunkt der Menstruation („Blutstraße“ als Leitspur) # (operative) Laparoskopie mit histologischer Sicherung und Stadieneinteilung ist der Goldstandard der Diagnostik. Es gibt keine „diagnostische“ Laparoskopie bei Endometriose, die Laparoskopie ist immer operativ. # Bei zyklischem Bluthusten – Spiral-CT zum Ausschluss der extrem seltenen Lungenendometriose.
Merke: Bedingt durch die Ha¨rte des Knotens (Adenofibromyohyperplasie!) sind Schleimhautbiopsien (fast) immer negativ. Die Endometriose findet sich aber trotzdem unter der Darmmukosa (s. S. 54).
Tabelle 3 (Fortsetzung)
42 8. Diagnostik
8.6 Wichtige Zusatzuntersuchungen
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Die Laparoskopie dient der Diagnostik und der Therapie durch: # Inspektion, Stadieneinteilung, Entfernung typischer und atypischer Endometrioseherde mit histologischer Beurteilung (Exzision), Destruktion (Thermokoagulation, Laser, Ultraschall), # Inspektion, Stadieneinteilung, komplette Entfernung der Endometriosezysten mit histologischer Aufarbeitung (Stripping), # komplette Resektion von Adha¨sionen und Restauration der normalen tubo-ovariellen Verha¨ltnisse zur Verbesserung der Fertilita¨t (Laser, Ultraschall, stumpf, scharf); Pru¨fung der Tubendurchga¨ngigkeit (Chromopertubation), # Schmerzausschaltung (Laser, Koagulation, Ultraschall), # Rezidivrisiko-Minimierung durch komplette Herdentfernung oder Herddestruktion (Koagulation, Laser, Ultraschall). Eine Laparotomie erfu¨llt die gleichen Aufgaben, wobei Morbidita¨t und Krankenhausverweildauer ho¨her sind als bei der operativen Laparoskopie; postoperative Adha¨sionen finden sich o¨fter beim offenen Vorgehen. Es gilt aber: besser gut laparotomiert als schlecht laparoskopiert. 8.6 Wichtige Zusatzuntersuchungen Magnetresonanztomografie: pra¨operativer Einsatz bei schweren rektovaginalen Endometriosen, Rezidivdiagnostik, Diagnose oder Ausschluss einer Adenomyosis uteri (Abb. 9) Transrektalsonografie: essentiell bei Verdacht auf rektovaginale Endometriose. Rektosigmoidoskopie: bei Verdacht auf Darmbefall (Defa¨kationsschmerzen, Blutungen); mo¨glichst zum Zeitpunkt der Menstruation mit Biopsie (hohe Rate falsch-negativer Befunde: Endometriose respektiert Mukosa) Zystoskopie: bei Verdacht auf Blasenendometriose (Dysurie, Ha¨maturie, Polyurie); Biopsie. Cave: Transuretrale Operationen geben keinen Aufschluss u¨ber intraabdominale Gesamtsituation! Nierenultraschall: bei bekannter Endometriose und anhaltenden Ru¨cken- und Nierenschmerzen (Harnstau durch Ureterummauerung?, Parametriuminfiltration?); immer bei rektovaginaler Endometriose!
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8. Diagnostik
i. v. Urogramm: Harnleiterverlagerung? Nierenstau? Stumme Niere? Fehlanlagen? Doppelanlagen? Nieren-Funktionsszintigrafie: spielt eine wichtige Rolle, wenn bereits eine gestaute Niere vorliegt und nicht klar ist, ob diese noch arbeitet. Wichtige Frage: ist die Nephrektomie eventuell in das Therapiekonzept zu integrieren? Merke: Sollte bei einer ausgedehnten rektovaginalen Endometriose die Indikation zu einer CT- oder MRT-Untersuchung diskutiert werden, so ist aufgrund der ho¨heren Gewebespezifita¨t der MR-Tomografie der Vorzug zu geben. Der Radiologe braucht jedoch eine konkrete Beschreibung des gyna¨kologischen Befundes. Immer den Uterus mit der Fragestellung Adenomyosis uteri (Abb. 16a, b) mitbeurteilen lassen! Ovarialbefunde, z. B. ovarielle Endometriome, sind noch eine Doma¨ne der Vaginalsonografie!
Abb. 16: Adenomyosis uteri. (a) deutliche Adenomyosis uteri, gut zu erkennen an der Vorderwand-Hinterwandasymmetrie zu Gunsten der Vorderwand bei gefu¨llter Blase; (b) Hinterwandadenomyosis uteri mit deutlicher Asymmetrie zu Gunsten der Hinterwand (Pfeile).
8.6 Wichtige Zusatzuntersuchungen
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Abb. 17: Typische Kernspintomographiebilder von tief-infiltrierenden Darmendometriosen. (a), (b) langstreckiger Verlauf mit mindestens 2 Herden, die im Zervixbereich bzw. im cervicoisthmischen wbergang den Uterus kontaktieren; (c) Typische Infiltration des linken Parametriums mit Infiltration des Rektums bei Adenomyosis uteri; (d) ausgedehnte, fast blumenkohlartige Infiltration des Rektosigma (Pfeile).
9. Pathomorphologie
Diagnose: Mikroskopischer Nachweis von glandula¨ren Strukturen (Epithel) und endometroidem Stroma und pigmentbeladenen Makrophagen, wobei zwei Elemente vorhanden sein mu¨ssen (Abb. 19). Unterschiedliche Differenzierungen (Dezidualisierung/ Arias-Stella-Pha¨nomen des Stromas, sekretorische Umwandlung, Atrophie als Ausdruck einer endokrinen Modulation) sowie Metaplasien (squamo¨se, mucino¨se, glattmuskula¨re) sind mo¨glich. Die Endometriose ist ebenso durch Gefa¨ße, Lymphgefa¨ße und Nervenfasern charakterisiert. Bei peritonealen Endometrioseherden konnte durch verschiedene Arbeitsgruppen gezeigt werden, dass hier in 75% sensible Nervenfasern in oder an der Endometriose entlang laufen (s. Abb. 18a–d). Entsprechend der Lokalisation unterscheidet man eine Endometriosis genitalis externa, eine Endometriosis genitalis interna (Adenomyosis) sowie die Endometriosis extragenitalis. Makroskopisch werden Endometrioseherde an folgenden typischen Lokalisationen gefunden (Ha¨ufigkeit in absteigender Reihenfolge, modifiziert nach Ku¨hn & Pickartz):
Ovarien Excavatio rectouternia (Douglasperitoneum) sacrouterine Ligamente Peritoneum der Fossa ovarica Vorderwand des Colon rectosigmoideum Blasenperitoneum und Ligamenta rotunda Spatium rectovaginale Tuben und Mesosalpinx, Uterusserosa Zwerchfell, Blasenwand, Appendix und Dünndarm Nabel, Narben, Pleura, Lunge, Extremitäten Wachstumstypen: nodula¨r, vesikula¨r, polypo¨s, plaqueartig, zystisch.
9. Pathomorphologie
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Abb. 18: Die Endometriose wird gut von sensiblen Nervenfasern innerviert. Dargestellt sind hier die GAP-43 Expressionen (a) sowie die Expressionen vom Nervenwachstumsfaktor NGF (b). Die fluoreszenzmikroskopisch dargestellte NGF-Expression fu¨hrt zu einem gru¨nen Leuchten der gesamten Endometriosezelle (c). Typische, immunhistochemische Anfa¨rbung einer unterhalb des Endometrioseepithels im Stroma laufenden Nervenfaser (d, rot)
Intraoperative-makroskopische Beschreibung der Aktivita¨t von Endometrioseherden: # aktiv: rot, rosa, dunkelrot, weißlich-gelb, braun, glasig, # inaktiv: weiß-narbig, schwarz, blau, blauschwarz. Proliferationsmarker, z. B. Ki-67, sind wertvoll, um die tatsa¨chliche proliferative Aktivita¨t eines Endometrioseherdes zu objektivieren. xstrogen- bzw. Progesteronrezeptoren werden in Endometrioseherden exprimiert und entsprechen in ihrem Expressionsmuster dem der Zona basalis des eutopen Endometriums, nicht dem der Zona functionalis (Abb. 20).
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9. Pathomorphologie
Abb. 19: Epitheliale Zellen und Stroma –– Endometrioseherde sind definiert als das Auftreten von epithelialen Dru¨senzellen (DZ) sowie von Stromazellen (SZ) außerhalb des Cavum uteri. Außerordentlich ha¨ufig findet man auch peristromal glatte Muskelzellen (SM) in unmittelbarer Na¨he der DZ und SZ. Die pha¨notypische yhnlichkeit des Endometrioseherdes (unten links) mit einem fo¨talen Uterus, wie sie von Leyendecker im Tissue-Injury-And-Repair (TIAR)-Konzept betont wird, ist frappierend (unten rechts).
9. Pathomorphologie
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Abb. 20: Endometriose: Expression des Progesteron-Rezeptors (a), des xstrogen-Rezeptors (b) sowie geringe Expression des Proliferationsmarkers Ki-67 (c) in Dru¨sen- und Stromazellen.
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9. Pathomorphologie
Merke: Eine positive Histologie besta¨tigt das Vorliegen einer Endometriose –– eine negative Histologie schließt eine Endometriose jedoch nicht aus. Im Falle ovarieller oder tief-infiltrierender Herde muss eine histologische Sicherung erzwungen werden, um die Endometriose zu besta¨tigen –– und maligne Erkrankungen auszuschließen (ESHRE guideline 2005). Entartungsrisiko: