198 2 178MB
German Pages 132 Year 2008
Frauena¨rztliche Taschenbu¨cher Herausgeber: W. Straube und Th. Ro¨mer
Andreas D. Ebert
Endometriose Ein Wegweiser fu¨r die Praxis 2., u¨berarbeitete Auflage Endometriosezentrum und Clinical Endometriosis Research Unit Berlin (CERUB) des Deutschen Endometriose Kompetenz- und Experten-Netzwerkes (DEKEN)
de Gruyter Berlin . New York
Professor Dr. med. Dr. phil. Andreas D. Ebert Klinik fu¨r Gyna¨kologie und Geburtsmedizin Vivantes Humboldt-Klinikum, Akademisches Lehrkrankenhaus der Charite´ Am Nordgraben 2, 13509 Berlin Tel: 030/4194 1261 Fax: 030/4194 1262 [email protected] Das Werk entha¨lt 57 Abbildungen und 8 Tabellen. ISBN 13: 978-3-11-018984-1 ISBN 10: 3-11-018984-4 Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet u¨ber abrufbar. # Copyright 2006 by Walter der Gruyter GmbH & Co. KG, 10785 Berlin. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschu¨tzt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzula¨ssig und strafbar. Das gilt insbesondere fu¨r Vervielfa¨ltigungen, bersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Der Verlag hat fu¨r die Wiedergabe aller in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierungen, Applikationen etc.) mit Autoren und Herausgebern große Mu¨he darauf verwandt, diese Angaben genau entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abzudrucken. Trotz sorgfa¨ltiger Manuskriptherstellung und Korrektur des Satzes ko¨nnen Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autoren bzw. Herausgeber und Verlag u¨bernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen und dergleichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass solche Namen ohne weiteres von jedermann benutzt werden du¨rfen. Vielmehr handelt es sich ha¨ufig um gesetzlich geschu¨tzte, eingetragene Warenzeichen, auch wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind. Gesamtherstellung: Druckhaus Thomas Mu¨ntzer GmbH, Bad Langensalza – Umschlagentwurf: Martin Zech, Bremen Printed in Germany
Vorwort
Die erste Auflage eines kleinen Ratgebers Endometriose war schon bald vergriffen, was einerseits den Herausgeber und den Verlag freute – andererseits aber auch deutlich belegte, wie dringend aktuelles Wissen u¨ber die Erkrankung Endometriose von rzten und betroffenen Frauen beno¨tigt wird. Aus diesem Grund haben der Verlag, die Partner aus der Industrie und ich entschieden, der ersten Auflage ein schnelles Update folgen zu lassen. Es war nicht immer leicht, dem Drang zu widerstehen, die Darstellung vieler Aspekte der Erkrankung doch breiter zu fassen. Letztlich u¨berwog aber die berzeugung, dass auch eine kurze Zusammenfassung dem idealen Ziel eines Fachbuches nahe kommt – mit Nutzen fu¨r unsere Endometriosepatientinnen gelesen zu werden. Ich danke an dieser Stelle ausdru¨cklich dem Walter de Gruyter Verlag und Herrn J. Ehrenpreis (Takeda Pharma GmbH, Aachen) fu¨r ihre sta¨ndiges Interesse. Eva Mittank (L & R, Deutschland) danke ich fu¨r ihre besta¨ndige, besta¨rkende und aufmunternde Begleitung in Zeiten des Wandels. Meinen langja¨hrigen Mitarbeiterinnen vom Endometriose-Team Dr. Julia Bartley, Dr. Gu¨lden Halis, Dr. Sylvia Mechsner, Johanna Thode, Jessica Schwarz, Claudia Beutler, allen „Endo-Schwestern“ sowie meinen Kollegen PD Dr. Ch. Ko¨hler und Prof. Dr. A. Schneider, M.P.H., im Campus Benjamin Franklin der Charite´-Universita¨tsmedizin danke ich ebenso herzlich wie meinen Kollegen Prof. Dr. Th. Steinmu¨ller (Chirurgie), Dr. J. Hasselmann (Urologie), PD Dr. R.-M. Liehr (Gastroenterologie), Dr. J. Linke
VI
Vorwort
(Pathologie) und Dr. A. Freitag (Ana¨sthesiologie, Intensivmedizin und Schmerzmedizin) sowie meinem Team der Klinik fu¨r Gyna¨kologie und Geburtsmedizin des Vivantes Humboldt-Klinikums Berlin, die meine Arbeit jederzeit aktiv unterstu¨tzten und durch neugierige Fragen Bekanntes in Frage stellten und stellen. Zum Abschluss mo¨chte ich dankend betonen, dass auch dieses Buch ohne die weitsichtige und nachhaltige Unterstu¨tzung durch den Stifterverband fu¨r die Deutsche Wissenschaft, der die Gru¨ndung des Deutschen Endometriose Kompetenz- und Experten-Netzwerkes (DEKEN) langfristig fo¨rderte und begleitete, nicht ha¨tte geschrieben werden ko¨nnen. Berlin-Reinickendorf im Ma¨rz 2006
Andreas D. Ebert
Vorwort zur 1. Auflage 2003
„Enigma Endometriosis“, die „ra¨tselhafte Frauenkrankheit“, das „verkannte Frauenleiden“ - Millionen Frauen leiden weltweit in ihren fruchtbaren Jahren unter einer gutartigen Krankheit mit eindeutigen Tumoreigenschaften, die das Leben und die Tra¨ume einer Frau, ihre Partnerschaft oder ihre Familie, die Sexualita¨t und die berufliche Entwicklung durch Schmerzen und Unfruchtbarkeit u¨berschatten und auch zersto¨ren kann. Mit dem vorliegenden Band aus der Reihe Frauena¨rztliche Taschenbu¨cher sollen die Krankheit Endometriose und ihre vielfa¨ltigen Erscheinungsbilder weiter in das Bewusstsein von rzten und Betroffenen geru¨ckt werden. Die Erarbeitung dieses Buches wa¨re ohne die ideelle und materielle Unterstu¨tzung durch den Stifterverband fu¨r die Deutsche Wissenschaft unmo¨glich gewesen. Der Stifterverband fu¨r die Deutsche Wissenschaft ermo¨glichte die Gru¨ndung des virtuellen Endometriose-Forschungsinstitutes mit seinen Standorten Berlin (Leiter der Clinical Endometriosis Research Unit: Priv.-Doz. Dr. med. Dr. phil. A. D. Ebert) und Frankfurt am Main (Leiterin der Basic Endometriosis Research Unit: Frau Univ.-Prof. Dr. rer. nat. Anna Starzinski-Powitz), das seit dem 1. Ma¨rz 2001 als interdisziplina¨res Deutsches Endometriose Kompetenzund Experten-Netzwerk (DEKEN) national und international aktiv ist. Weitere großzu¨gige finanzielle Unterstu¨tzung fu¨r das vorliegende Buchprojekt erhielten wir von den Kollegen der
VIII
Vorwort
Firma Takeda Pharma (Aachen), denen wir ausdru¨cklich danken und deren Engagement wir nicht hoch genug einscha¨tzen ko¨nnen, denn nur die gezielte Kooperation zwischen universita¨rer Forschung, Biotechnologie und Industrie wird prospektiv fu¨r unsere Patientinnen den Nutzen bringen, den sie sich von uns erhoffen. Fu¨r wertvolle Ratschla¨ge, tatkra¨ftige Hilfe und Unterstu¨tzung danken wir Frau Dipl.-Biol. Claudia Beutler (UKBF, Berlin), Priv.-Doz. Dr. med. M. Entezami (Berlin), Prof. Dr. med. C. T. Germer (UKBF, Chirurgie), Dr. A. Hagen (UKBF, Berlin), Prof. Dr. med. J. Keckstein (LKH Villach/A), Prof. Dr. med. W. Ku¨hn (UKBF, Berlin), Frau Eva Mittank (Edwards, Deutschland), OA Dr. med. W. Pritze (UKBF, Berlin), Frau Prof. Dr. rer. nat. Anna Starzinski-Powitz (DEKEN, Frankfurt) und Prof. Dr. med. R. Tauber (UKBF, Berlin). Berlin im Oktober 2002
Andreas D. Ebert
Inhalt
1.
Definition und Historie
1
2. 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7
tiologie Transplantationstheorie Metaplasie-Theorie Endometriotic Disease Theory Archimetra-Konzept Immunologische Theorien Zell- und molekularbiologische Konzepte Aromatase-Konzept
3 3 3 4 4 4 5 6
3.
Epidemiologie und Risikofaktoren
10
4.
Endometriose ist keine seltene „Orchideenkrankheit“
12
5. 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6
Klinische Symptome Dysmenorrho¨ Dyspareunie Dyschezie, Darmsymptome und Unterbauchschmerzen Dysurie Ru¨cken- und Gliederschmerzen Sterilita¨t und Kinderwunsch
16 16 17 17
6. 6.1 6.2 6.3
Diagnostik Anamnese (Minimum) Rektovaginale gyna¨kologische Untersuchung Ultraschall (inklusive Transrektalsonografie)
19 19 20 20
15 15 15
X
Inhalt
6.4 6.5 6.6
Labor Laparoskopie: Visualisierung und Biopsie Zusatzuntersuchungen
20 21 22
7.
Pathomorphologie
24
8. 8.1 8.1.1 8.1.2 8.1.3 8.1.4 8.1.5 8.1.6 8.1.7 8.2 8.2.1 8.2.2 8.2.3 8.2.3.1 8.2.3.2 8.2.3.3 8.2.3.4 8.2.3.5 8.2.3.6 8.2.3.7 8.2.3.8 8.2.3.9 8.2.3.10 8.2.3.11 8.2.4 8.2.4.1 8.2.4.2 8.2.5
Operativ-klinische Erscheinungsbilder Extragenitale Befunde Kutane Manifestation Rektovaginale Endometriose Intestinale Endometriose Zwerchfellendometriose Extragenitale Peritonealendometriose Blasenendometriose Ureterendometriose Genitale Befunde Portioendometriose Ovarielle Endometriose Peritoneale Endometriose Schwarze Endometrioseherde Rote Endometrioseherde Vaskularisation Blaue Endometrioseherde Weiß-narbige Endometriose Polypo¨se Wachstumsmuster Miliare Wachstumsmuster Douglassekret und Douglasendometriose Typische Manifestationen am Blasendach Endometriose am Uterusfundus Endometriose in der Fossa ovarica Infiltration Sternfo¨rmige Einziehungen Tiefe Endometriose Verwachsungen und Verklebungen
28 28 28 29 33 34 35 36 39 40 40 41 46 47 48 48 49 50 51 51 54 56 58 60 60 62 63 65
Inhalt
XI
8.2.5.1 8.2.5.2 8.2.5.3 8.2.5.4 8.2.5.5 8.2.5.6 8.3
Zarte Adha¨sionen Derbe Adha¨sionen Blasendachverwachsungen Obliteration des Douglas-Raumes Zersto¨rung der Genitalanatomie Verklebte Fimbrientrichter Adenomyosis uteri et tubae
9. 9.1
Stadieneinteilungen (rASRM, EEC) 76 rASRM-Stadieneinteilung (American Society of Reproductive Medicine, revised) 76 EEC-Stadieneinteilung (Endoscopic Endometriosis Classification) 77
9.2 10. 10.1 10.1.1
Therapie Chirurgische Therapie Peritoneale und ovarielle oberfla¨chliche Endometriose 10.1.2 Tiefe Endometriose 10.1.3 Hysterektomie 10.2 Medikamento¨se Therapie 10.2.1 Gestagenmonotherapie 10.2.2 Kombinierte orale Kontrazeptiva („Pille“) 10.2.3 Danazol 10.2.4 GnRH-Analoga 10.2.5 Neue medikamento¨se Therapieansa¨tze 10.3 Schmerztherapie 10.4 Endometriose und Sterilita¨t 10.4.1 Alleinige medikamento¨se Therapie 10.4.2 Operative Therapie 10.4.3 Assistierte Reproduktion 10.4.3.1 Ovulationsinduktion und intrauterine Insemination 10.4.3.2 In-vitro-Fertilisation (IVF)
66 66 67 68 70 71 73
79 79 80 80 83 84 85 88 90 92 96 98 100 101 101 103 103 103
XII
Inhalt
10.4.3.3 Gamete Intrafallopian Transfer (GIFT) 10.4.3.4 Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) 10.5 Psychosomatische Mitbetreuung und Rehabilitation
104
10.6 10.6.1
106
10.6.2 10.6.3 10.6.4 10.6.5
Komplementa¨re Therapie Erna¨hrungsumstellung und Gewichtsreduktion Traditionelle Chinesische Medizin Naturheilverfahren und Phytotherapie Entspannungstechniken und Ko¨rpertherapie Homo¨opathie
11. 11.1 11.2 11.3 11.4
Anhang Evidenz-Level und Evidenz-Beurteilung Praktische Stadieneinteilung Ausgewa¨hlte Literatur Wichtige Adressen
109 109 111 112 118
12.
Autor
119
105 105
106 107 107 107 107
1. Definition und Historie
Bei dem Krankheitsbild der Endometriose handelt es sich um die Absiedelung und/oder die Neuentstehung von Gewebe außerhalb des Cavum uteri, das biologisch der basalen Geba¨rmutterschleimhaut a¨hnlich ist.
Historie Vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion u¨ber die Bedeutung von zivilisatorischen Einflu¨ssen, z. B. Umweltgiften, Tampons und Hormoneinnahmen, und der a¨tiologischen Unklarheit stellt sich die Frage, ob die Endometriose tatsa¨chlich eine Erkrankung der modernen Gesellschaft ist. Die derzeit a¨lteste bekannte morphologische Beschreibung geht auf die Jenenser Doktorarbeit von Shroen (1690) zuru¨ck. Danach folgten verschiedene Fallbeschreibungen. 1860 beschrieb von Rokitansky die extraovarielle Endometriose aufgrund des kombinierten Auftretens von Endometriumgewebe und glatter Muskulatur als Adenomyoma. Inspiriert von den Beobachtungen des Straßburger Gyna¨kologen Freund, lieferte von Recklinghausen ab 1893 verschiedene Arbeiten u¨ber Adenomyome. Cullen beschrieb 1896 eine Adenomyose des Ligamentum rotundum und Pfannenstiel (1897) die rektovaginale Endometriosis. Russell (1899) beschrieb die ovarielle Endometriose, wobei schon aus dem Jahre 1793 die Beschreibung einer En-
2
1. Definition und Historie
dometriosezyste von Crell aus Wittenberg vorliegt. Diese Befunde wurden von Pick (1905) untermauert. Meyer belegte die Narbenendometriose (1903) sowie den Sigmaund Lymphknotenbefall (1909). Der theoretische Hintergrund der sich ha¨ufenden Einzelbeobachtungen blieb unklar. Die Annahme, dass es sich bei diesen Geweben um Reste der Wolff’schen oder der Mu¨ller’schen Ga¨nge handelte (Recklinghausen, Cullen, Pfannenstiel, Pick), wurde lange diskutiert. Iwanoff (1898) entwickelte urspru¨nglich die coelomische oder Serosa-Metaplasie-Theorie, deren Hauptvertreter Meyer (1919, 1924) und spa¨ter Novak (1926) wurden. Einen weiteren Meilenstein lieferte Sampson (1921), der die retrograde Menstruation, die Struktur von Schokoladenzysten und die potentielle Invasivita¨t von Endometriosegewebe („misplaced epithelium of endometrial type“) akribisch darlegte. Hieraus entwickelte sich die Implantations-Theorie bzw. die Theorie der retrograden Menstruation. Wegweisend waren weiterhin die Arbeiten von Philipp und Huber (1939). Der aus dem Angelsa¨chsischen kommende Begriff Endometriose bu¨rgerte sich offensichtlich erst ab 1932 in der deutschen Fachliteratur ein (Movers 1971).
2.
tiologie
2.1 Transplantationstheorie (J. A. Sampson) Durch das physiologische Pha¨nomen der retrograden Menstruation gelangen vitale Zellen in die Bauchho¨hle und ko¨nnen sich dort (Douglas-Raum, Peritoneum, Ovarien) implantieren.
2.2 Metaplasie-Theorie (R. Meyer) Aus undifferenzierten Coelom-Zellen ko¨nnen sich unter dem Einfluss verschiedener Stimuli (z. B. Inflammations-
Abb. 1: Prof. Dr. John A. Sampson.
Abb. 2: Prof. Dr. Robert Meyer.
4
2.
tiologie
reize, Hormonschwankungen, Wachstumsfaktoren, mechanische Alterationen) Zellen mit endometriuma¨hnlicher Differenzierung entwickeln.
2.3 Endometriotic Disease Theory (Ph. Koninckx) Genetisch vera¨nderte Endometriumzellen mit modulierten biologischen Eigenschaften (Aggregation, Invasion, Proliferation, Migration, Angiogenese, survival pathways) fu¨hren zur Manifestation der Erkrankung. Verglichen mit dem normalen Endometrium zeigen Endometriosezellen eine etwas verzo¨gerte Reaktion auf die Sexualsteroide.
2.4 Archimetra-Konzept (G. Leyendecker, Abb. 3) Endometriose entwickelt sich aus dislozierten Fragmenten der Basalschicht des Endometriums mit Stammzellcharakter („paramesonephrisches embryonales Organogeneseprogramm“). Dadurch bilden „Endometrioseherde“ eigentlich die Komponenten des primordialen Uterus, der Archimetra (endometriales Epithel, Stroma und peristromale glatte Muskelzellen). Die prima¨re Dissemination wird durch Traumatisierung der Basalis durch uteriner Hyperperistalsis (Autotraumatisierung) mo¨glich, deren Ursachen untersucht werden. Ein basaler Hypero¨strogenismus wird postuliert.
2.5 Immunologische Theorien Endometriumzellen werden durch die verschiedenen ko¨rpereigenen Abwehr- und Reinigungsmechanismen nicht erkannt, nicht abgebaut oder nicht in ihrer Implantationskapazita¨t gehemmt. Dies wird auf Vera¨nderungen im origina¨ren Endometrium oder im peritonealen Kompartiment zuru¨ckgefu¨hrt. Zytokine (z. B. IL-1, IL-6, IL-8 und IL-11, TNFa u. a.), zellula¨re Elemente (z. B. natural killer cells,
2.6 Zell- und molekularbiologische Konzepte
5
Makrophagen), Wachstumsfaktoren sowie die lokalen Hormonkonzentrationen (z. B. 17b- stradiol, Progesteron, Insulin u. a.) im Douglassekret, im Peritoneum bzw. im Gewebe sollen eine Rolle spielen.
2.6 Zell- und molekularbiologische Konzepte Endometriosezellen zeigen Eigenschaften maligner Tumore: Invasivita¨t und Metastasierung. Eine Erkla¨rungsmo¨glichkeit besteht in der modulierten Expression von Adha¨sionsmoleku¨len (N-Cadherin) bei fehlender E-CadheEndometriotic lesion P450 A
Adenomyotic lesion P450 A
E
E
Proliferation Implantation Transtubal dissemination
Neurogenic? Endocrine? Endocrine disruptors? Hereditary?
Desquamation of fragments of basal endometrium
Paracrine effects of estrogen The basalis is an endocrine gland. Increased volume of the basalis P450A E OT
Infiltration of basal endometrium into the myometrium
Uterine auto-traumatization Hyperperistalsis/Dysperistalsis
Archimyometrium
Abb. 3: Das Archimetra-Konzept. Mit freundlicher Genehmigung von G. Leyendecker [Leyendecker et al., Ann NY Acad Sci 1034: 338–355 (2005)]. E ¼ strogen, OT ¼ Oxytocin
6
2.
tiologie
Abb. 4: Zell- und molekularbiologisches Konzept zur Entstehung der Endometriose (nach Anna Starzinski-Powitz).
rin-Expression (Abb. 4 und 5). Damit ist die Gewebeintegrita¨t gesto¨rt und der Weg fu¨r die Ablo¨sung von Zellen aus dem Gewebeverband frei (Abb. 4 und 5). Die Folge ko¨nnen Invasivita¨t und Metastasierung sein (StarzinskiPowitz et al. 2001).
2.7 Aromatase-Konzept Die Grundlagenforschung liefert wichtige Erkenntnisse fu¨r die Entwicklung neuer, spezifischer Therapiestrategien. So wurde ku¨rzlich die berexpression der Aromatase in Endometriosegewebe entdeckt (Abb. 6). Die Aromatase ist fu¨r die Konversion der C19-Androgene in strogen in verschiedensten menschlichen Geweben verantwortlich. Die Aromataseu¨berexpression hat eine versta¨rkte lokale stro-
2.7 Das Aromatase-Konzept
7
Abb. 5: Doppelimmunfluoreszensnachweis von N-Cadherin und Zytokeratin an Endometriosezellen: gru¨ne Fa¨rbung = N-Cadherin im Bereich der Zellmembran / rote Fa¨rbung = Zytokeratindarstellung (Zytoskelett) (nach Anna Starzinski-Powitz).
genbiosynthese zur Folge, die wiederum u¨ber die Hochregulation der Cyclooxygenase-2 (COX-2) eine Stimulation der Prostaglandin E2-Produktion nach sich zieht. Dadurch entsteht eine Art positiver Feedbackmechanismus zwischen beiden Systemen. Außerdem wurde ein Mangel der 17b-Hydroxysteroiddehydrogenase Typ II-Expression als weitere Anomalie in Endometriosegeweben beschrieben, was die lokale Umwandlung von stradiol in stron erschwert. Im Gegensatz zum normalen Endometrium fu¨hren diese molekularen Aberrationen zu einer steigen-
8
2.
tiologie
Abb. 6: Zusammenhang zwischen Aromatase (p450arom) und Prostaglandinsynthese (nach Sedar Bulun).
Abb. 7: COX-2-Expression in einem peritonealen Endometrioseherd (Julia Bartley, Berlin).
2.7 Das Aromatase-Konzept
9
den lokalen Konzentration von stradiol und Prostaglandin E2. In verschiedenen menschlichen Zelllinien sind strogene und Prostaglandine mit Zellproliferation, Migration, Angiogenese, Apoptoseresistenz und sogar Invasivita¨t assoziiert. Konsequenterweise werden die Aromatase und die COX-2 als therapeutische Ziele (Targets) angesehen. Spezifische Aromatase-Inhibitoren oder selektive COX-2-Blocker sind vielversprechende, fu¨r andere Indikationen eingefu¨hrte Substanzen, die in kontrollierten klinischen Studien auf Sicherheit und Wirksamkeit bei Endometriose gepru¨ft werden mu¨ssen, um das Spektrum der derzeit verfu¨gbaren Therapieoptionen zu erweitern (Abb. 7).
3. Epidemiologie und Risikofaktoren
Die Endometriose ist eine ha¨ufige Frauenkrankheit im reproduktionsfa¨higen Alter. Die gescha¨tzte Pra¨valenz* betra¨gt ca. 10–15%, d. h. bei einer gescha¨tzten Pra¨valenz von 10% kann man allein in Tabelle 1: Ha¨ufigkeiten der Endometriose –– –– –– ––
Sterilisation Unterbauchschmerzen Sterilita¨t junge Frauen ( 3 cm
Oberflächlich
1
2
4
Tief
2
4
6
Oberflächlich
1
2
4
Tief
4
16
20
Oberflächlich
1
2
4
Tief
4
16
20
Douglasobliteration
Partielle Obliteration
Komplette Obliteration
4
Ovar rechts
Ovar links
Tube rechts
Tube links
40
Verwachsungen
< 1/3
1/3-2/3
> 2/3
Zarte
1
2
4
Derbe
4
8
16
Zarte
1
2
4
Derbe
4
8
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Zarte
1
2
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Derbe
4*
8*
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Zarte
1
2
4
Derbe
4*
8*
16
Stadium:
Stadium I (1-5), Stadium II (6-15), Stadium III (16-40), Stadium IV (>40)
V. a. Adenomyosis: ja/nein Chrompertubation rechts Datum, Unterschrift
links
Namenskleber
111
112
11. Anhang
11.3 Ausgewa¨hlte Literatur Allen C, Hopewell S, Prentice A, Allen C: Non-steroidal anti-inflammatory drugs for pain in woman with endometriosis. Cochrane Database Syst Rev 2005: CD004753 American Society for Reproductive Medicine: Revised American Society for Reproductive Medicine classification of endometriosis: 1996. Fertil Steril 67 (1997) 817–821 Attar, E, Bulun SE: Aromatase and other steroidogenic genes in endometriosis: translational aspect. Hum Reprod Update 12 (2006) 49–56 Brosens IA, Brosens JJ: Redefining endometriosis: is deep endometriosis a progressive disease? Hum Reprod 15 (2000) 1–3 Bulun SE, Zeitoun KM, Takayama K, Sasano H: Molecular basis for treating endometriosis with aromatase inhibitors. Hum Reprod Update 6 (2000) 413–418 Canadian Consensus Conference on Endometriosis (CCCE). SOGC 21 (1999) No. 5 þ 6 Clement PB: History of gynaecological pathology. IX. Dr. John Albertson Sampson. Int J Gyn Pathol 20 (2001) 86–101 Ebert AD: Endometriose. In: Pschyrembel Therapeutisches Wo¨rterbuch, 3. Aufl., Walter de Gruyter, Berlin-New York 2005 Ebert AD (Hrsg): Endometriose. Ein Wegweiser fu¨r die Praxis. Walter de Gruyter, Berlin-New York 2003 Ebert AD, Bartley J, David M: Aromatase inhibitors and cyclooxygenase-2 (COX-2) inhibitors in endometriosis: new questions –– old answers? Eur J Obstet Gynecol RB 122 (2005) 144–150 Ebert AD, Halis G, Mechsner S: Endometriose –– Probleme der Diagnostik und Therapie. CME Prakt Fortb Gyna¨kologie (2005) 3: 54–67 Ebert AD, Starzinski-Powitz A: Aromatase und Cyclooxygenase-2 –– neue Ansa¨tze in der Endometriosetherapie? Gyna¨kologe 35 (2002) 250–254 ESHRE guideline: siehe Kennedy S et al.: ESHRE guideline for the diagnosis and treatment of endometriosis. Hum Reprod. 20 (2005): 2698–704
11.3 Ausgewa¨hlte Literatur
113
Fedele L, Bianchi S, Marchini M, Villa L, Brioschi D, Parazzini F: Superovulation with human menopausal gonadotropins in the treatment of infertility associated with minimal or mild endometriosis: a controlled randomized study. Fertil Steril 58 (1992) 28–31 Giudice LC, Kao LC: Endometriosis. Lancet 364, 2004, 1789–99 Go¨retzlehner G, Lauritzen Ch: Praktische Hormontherapie in der Gyna¨kologie, 3. Aufl., Walter de Gruyter, Berlin-New York 2000 Goldschmift AJW: Medizinische Statistik, 1. Aufl., Springer, Heidelberg 1996 Harada T, Iwabe T, Terakawa N: Role of cytokines in endometriosis. Fertil Steril 76 (2001) 1–10 Health Canada. The Canadian Guide to Clinical Preventive Health Care. The Canadian Task Force on the Periodic Health Examination. Minister of Supply and Services Canada (1994): 37 Hughes E: The effectiveness of ovulation induction and intrauterine insemination in the treatment of persistent infertility: a metaanalysis. Hum Reprod 12 (1997) 1865–1872 Hughes E, Fedorkow D, Collins J, Vandekerckhove P: Ovulation suppression for endometriosis (Cochrane Review). In: The Cochrane Library, Issue 2, 2001. Oxford: update software Hughes E, Fedorkow D, Collins J, Vanodekerckhove P (2004) Ovulation supression for endometriosis (Cochrane Review). In: The Cochrane Library, Issue 3, 2004. Chichester, UK Karck U: Endometriose. Gyna¨kologe 30 (1997) 581–594 Keckstein J: Endometriose. Die verkannte Frauenkrankheit, 2. Aufl., Diametric, Wu¨rzburg 2000 Keckstein J, Hucke J: Die endoskopischen Operationen in der Gyna¨kologie, 1. Aufl., Urban & Fischer, Mu¨nchen-Jena 2000 Kennedy S, Bergqvist A, Chapron C, D’Hooghe T, Dunselman G, Greb R, Hummelshoj L, Prentice A, Saridogan E; on behalf of the ESHRE Special Interest Group for Endometriosis and Endometrium Guideline Development Group: ESHRE guideline for the diagnosis and treatment of endometriosis. Hum Reprod. 20 (2005): 2698–704
114
11. Anhang
Knapp VJ: How old is endometriosis? Late 17th- and 18th-century European descriptions of the disease. Fertil Steril 72 (1999) 10–14 Koninckx PR, Kennedy SH, Barlow DH: Endometriotic disease: the role of peritoneal fluid. Hum Reprod Update 4 (1998) 741–751 Ku¨hn W, Pickartz H: Klinische Pathologie des weiblichen Genitale, 1. Aufl., Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 2001 Kunz G, Beil D, Huppert P, Noe M, Kissler S, Leyendecker G.: Adenomyosis in endometriosis––prevalence and impact on fertility. Evedence from magnetic resonance imaging. Hum Reprod. 20(8), 2005, 2309–16 Kurman RJ: Blaustein’s Pathology of the Female Genital Tract, 4. Aufl., Springer, New York-Heidelberg-Berlin 1994 Leyendecker G, Kunz G, Noe M, Herbertz M, Mall G: Endometriosis: a dysfunction and disease of the archimetra. Hum Reprod Update 5 (1998) 752–762 Leyendecker G, Kunz G, Noe M, Herbertz M, Beil D, Huppert P, Mall G: Die Archimetra als neues morphologisch-funktionelles Konzept des Uterus sowie als Ort der Prima¨rerkrankung bei Endometriose. Reproduktionsmedizin 15 (1999) 356–371 Leyendecker G, Herbertz M, Kuntz G: Neue Aspekte zur Pathogenese von Endometriose und Adenomyose. Frauenarzt 43 (2002) 297–307 Leyendecker G, Herbertz M, Kunz G, Mall G: Endometriosis results from the dislocation of basal endometrium. Hum Reprod 17 (2002) 2725–2736. Leyendecker G, Kunz G, Herbertz M, Beil D, Huppert P, Mall G, Kissler S, Noe M, Wildt L.: Uterine peristaltic activity and the development of endometriosis. Ann N Y Acad Sci, 1034, 2004, 338–55 Malik E, Kressin P, Buchweitz O, Diedrich K: Endometriose und Aktivita¨t. Gyna¨kologe 35 (2002) 232–237 Manolopoulos K, Tinneberg HR: Endometriosis and infertility. Zbl. Gyna¨kol 127 (2005) 325–328
11.3 Ausgewa¨hlte Literatur
115
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11.4 Wichtige Adressen Im Internet finden sich folgende wichtige Adressen mit zahlreichen Links, die rzten und Patientinnen Informationen u¨ber Endometriose sowie Kontaktadressen liefern: www.endometriose-sef.de (Stiftung Endometrioseforschung e.V.) www.endometriose.de (Europa¨ische Endometriose Liga e.V.) www.endometriose-vereinigung.de Selbsthilfegruppen)
(Website
der
deutschen
www.endometriosisassn.org (Website der amerikanischen Selbsthilfegruppen)
12. Autor
Professor Dr. med. Dr. phil. Andreas D. Ebert
1963 geboren in der Stoeckelschen Universita¨ts-Frauenklinik (Berlin) 1983–1990 Medizinstudium an der Charite´, HumboldtUniversita¨t zu Berlin 1986 Verteidigung der Diplomarbeit (Neuroanatomie) am Institut fu¨r Anatomie der Charite´, Berlin 1990 Verleihung der Approbation und des akademischen Grades „Diplom-Mediziner“ sowie Promotion zum Doktor der Medizin im Fachgebiet Onkologie an der Akademie der Wissenschaften, Berlin 1990–1991 Assistent an der Charite´-Klinik fu¨r Onkologie, Abteilung fu¨r Strahlentherapie 1991–2000 Assistent an der Frauenklinik des Universita¨tsklinikums Steglitz bzw. Benjamin Franklin der Freien Universita¨t Berlin 1991–1995 Studium der Neueren Geschichte, Technische Universita¨t Berlin; Promotion zum Doktor der Philosophie am Fachbereich I der Technischen Universita¨t Berlin
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12. Autor
1995/1996 DGGG-Forschungsstipendiat an der Klinik fu¨r Onkogyna¨kologie des Krebsforschungsinstituts St. Petersburg (Rußland); 1997 Facharzt fu¨r Gyna¨kologie und Geburtshilfe 1997–1999 DFG-Forschungsstipendiat im Laboratory of Tumor Immunology and Biology, Division of Cancer Biology, National Cancer Institute, National Institutes of Health, Bethesda, USA 2000 Oberarzt der UKBF-Frauenklinik, Habilitation und Verleihung der Venia legendi am Fachbereich Humanmedizin der FU Berlin; Gru¨nder des Endometriosezentrums Berlin als Teil des Deutschen Endometriose Kompetenzund Experten-Netzwerkes (DEKEN) 2001 Gescha¨ftsfu¨hrender Oberarzt der Klinik fu¨r Gyna¨kologie, Charite´-Campus Benjamin Franklin 2003 Fakultative Weiterbildung „Spezielle Operative Gyna¨kologie“ ( rztekammer Berlin) 2004 Wahl zum Sprecher der Kommission Uterus der Arbeitsgemeinschaft fu¨r Gyna¨kologische Onkologie (AGO) und Fakultative Weiterbildung „Spezielle Geburtshilfe und Perinatalmedizin“ ( K Berlin) 9/2005 Ernennung zum außerplanma¨ßigen Professor an der Berliner Charite´ 11/2005 Berufung zum Direktor der Klinik fu¨r Gyna¨kologie & Geburtsmedizin, Vivantes Humboldt-Klinikum, Berlin-Reinickendorf, Akademisches Lehrkrankenhaus der Charite´, und Bestellung zum EFQM-Assessor ( K Berlin, BL K, FH Wirtschaft Berlin) 12/2005 Zusatzqualifikation „ rztlicher Qualita¨tsmanager“ ( K Berlin)