Einführung in die altägyptische Literaturgeschichte III: Die demotische und gräko-ägyptische Literatur 9783825882228, 3825873404, 3825882225


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German Pages 248 [268] Year 2009

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Inhaltsverzeichnis
1. Demotisch und Literatur
2. Textträger und Überlieferung
3. Erzählungen
4. Poesie
5. Weisheitstexte
6. Diskursive und dialogische Texte
7. Prophetische Texte
8. An den Grenzen der Literatur
9. Schluß: Die demotische Literatur zwischen ägyptischer Tradition und internationalem Umfeld
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Einführung in die altägyptische Literaturgeschichte III: Die demotische und gräko-ägyptische Literatur
 9783825882228, 3825873404, 3825882225

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Joachim Friedrich Quack

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Die demotische und gräko-ägyptische Literatur

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Einführungen und Quellentexte zur Ägyptologie

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Einführung in die altägyptische Literaturgeschichte III: Die demotische und gräko-ägyptische Literatur 3., erneut veränderte Auflage von Joachim Friedrich Quack

Für Kim Ryholt

Inhaltsverzeichnis Vorwort ........................................................................................................... IX Vorwort zur zweiten Auflage ........................................................................ XII Vorwort zur dritten Auflage .......................................................................... XII 1. Demotisch und Literatur................................................................................ 1 2. Textträger und Überlieferung ........................................................................ 8 3. Erzählungen ................................................................................................. 18 3.1. Allgemeines .............................................................................................................. 18 3.2. Geschichten über die Götter ..................................................................................... 28 3.3. Geschichten über die Frühzeit und das Alte Reich .................................................. 31 3.4. Geschichten über das Mittlere Reich ....................................................................... 34 3.5. Geschichten über das Neue Reich ............................................................................ 36 3.6. Geschichten über die Dritte Zwischenzeit und die Spätzeit ..................................... 52 3.6.1. Bis zur 25. Dynastie .......................................................................................... 52 3.6.2. Der Inaroszyklus ............................................................................................... 55 3.6.3. Weitere Texte über die späte Libyerzeit und Spätzeit....................................... 75 3.7. Geschichten ohne erhaltene zeitliche Situierung ..................................................... 84

4. Poesie......................................................................................................... 106 5. Weisheitstexte ........................................................................................... 120 5.1. Allgemeines ............................................................................................................ 120 5.2. Das große demotische Weisheitsbuch .................................................................... 122 5.3. Der Brooklyner Weisheitstext ................................................................................ 134 5.4. Die Lehre des Chascheschonqi .............................................................................. 138 5.5. Kleinere und fragmentarische Lehren .................................................................... 148

6. Diskursive und dialogische Texte ............................................................. 159 6.1. Allgemeines ............................................................................................................ 159 6.2. Der Mythos vom Sonnenauge ................................................................................ 160 6.3. Das Ritual zum Eintritt in die Kammer der Finsternis ........................................... 172 6.4. Kleinere Kompositionen ........................................................................................ 181

7. Prophetische Texte .................................................................................... 188 7.1. Allgemeines ............................................................................................................ 188 7.2. Das Lamm des Bokchoris ...................................................................................... 190 7.3. Das Töpferorakel .................................................................................................... 193 7.4. Die demotische Chronik ......................................................................................... 196 7.5. Kleinere Fragmente und Nachleben ....................................................................... 200

8. An den Grenzen der Literatur.................................................................... 203 9. Schluß: Die demotische Literatur zwischen ägyptischer Tradition und internationalem Umfeld................................................................................. 212 Bibliographie ................................................................................................. 217 Register .......................................................................................................... 248

Vorwort Bislang ist die demotische Literatur ausgesprochen wenig erforscht worden. Ein Großteil der Aktivität galt der paläographischen und philologischen Erschließung der Handschriften an sich. Diskussion über übergreifende literaturgeschichtliche Fragen fand meist nur in geringem Maße innerhalb der Editionen sowie in seltenen Aufsätzen statt, eine eigene Monographie zum Thema insgesamt fehlt bis heute.1 Bezeichnend ist, daß in einem rezenten Sammelwerk zur ägyptischen Literatur2 von (ohne Bibliographie und Indizes) 627 Seiten gerade ein Spezialaufsatz von 13 Seiten (also etwa 2% des Werkes) der demotischen Literatur gewidmet ist, die außerhalb dieses Aufsatzes auch im Band kaum zitiert wird. Demotische Literatur ist in der Ägyptologie insgesamt unzureichend bekannt. Oft kann man auch lesen, das demotische Material sei spät und stark fremdbeeinflußt, also für Ägyptologen irrelevant. Diese bislang unglückliche Konstellation, für deren Änderung es immerhin in neuerer Zeit einige Anzeichen gibt, steht in bemerkenswertem Gegensatz zum vorhandenen Potential. Einerseits ist die Menge erhaltener literarischer Handschriften in demotischer Schrift erheblich umfangreicher als die aus allen anderen Epochen der ägyptischen Geschichte zusammengenommen. Andererseits ist dadurch, daß viele der Handschriften aus Siedlungsfunden stammen und dabei einige Orte eine sehr dichte Bezeugung aufweisen, eine für das Alte Ägypten einmalige Chance gegeben, fundierte Aussagen darüber zu machen, welche Textsorten und Gattungen in welcher Menge vorhanden waren. Schon aus diesem Grund ist eine Einbeziehung des Demotischen in Zukunft zwingende Voraussetzung für jede seriöse Beschäftigung mit ägyptischer Literatur überhaupt. Angesichts der derzeit großen Menge noch unpub-

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Den besten Einstieg dürften derzeit der Überblick mit Literaturangaben bei DEPAUW, Companion, S. 85-103 sowie die Beschreibungen und Übersetzungsproben bei HOFFMANN, Ägypten, S. 176-225 u. 283-294 darstellen. Übersetzungen einzelner demotischer Texte finden sich bei LICHTHEIM, Ancient Egyptian Literature III, S. 123-217 u. SIMPSON, Literature2, S. 443-529; umfangreiche französische Übersetzungen bieten AGUTLABORDERE/CHAUVEAU, Héros, magiciens et sages oubliés. 2 A. LOPRIENO (Hrsg.), Ancient Egyptian Literature. History and Forms, PÄ 10 (Leiden/New York/Köln 1996).

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Die demotische und gräko-ägyptische Literatur

lizierter Texte ist es auch jedem Forscher anzuraten, dabei selbst aktive philologische und paläographische Kompetenz zu erwerben. Die vorliegende Einführung stellt einen ersten Versuch dar, das bislang nur in Textpublikationen, Übersichtsartikeln und wenigen Spezialstudien durchgearbeitete Material in größerer Breite zu präsentieren. In Anbetracht der geringen nutzbaren Vorarbeiten sowie der Notwendigkeit, viel Basiswissen erstmals vermitteln zu müssen, ist der Schwerpunkt hier auf die Präsentation der vorhandenen Texte an sich gelegt, doch sollen auch übergreifende Fragen angeschnitten und Impulse für Spezialstudien gegeben werden. Durch die Möglichkeit, auch unpubliziertes Material in Augenschein zu nehmen, habe ich die Darstellung gelegentlich bereichern können, doch war eine vollständige Heranziehung der enormen Mengen meist unbearbeiteter Texte nicht möglich. Obgleich der Schwerpunkt dieser Arbeit auf den demotischen Texten liegt, habe ich mich bemüht, auch die gräko-ägyptische Literatur ausreichend heranzuziehen. Einerseits ergibt sich dies schon daraus, daß der Ägyptologiestudent (und oft auch der ausgebildete Fachwissenschaftler) wenig Chancen hat, an anderer Stelle viel über sie zu erfahren. Anderseits gibt es auch sachliche Gründe, die nicht zu übersehen sind. So sind einige der betreffenden Werke sicher oder wahrscheinlich als Übersetzungen ägyptischer Vorlagen anzusehen, die uns oft nicht mehr erhalten sind. In anderen Fällen, etwa beim Sesonchosisroman, ist zumindest eine Inspiration durch ägyptische Erzähltraditionen zu vermuten, zu deren Erhellung sie somit beitragen können. Bei den Literaturangaben habe ich versucht, die wesentlichen Bearbeitungen sowie wichtigere Einzelbemerkungen aufzunehmen. Vollständigkeit war weder angestrebt, noch dürfte sie in einer Einführung wirklich wünschenswert sein. In der Hoffnung, damit den Lesefluß zu fördern, habe ich alle Verweise in Form möglichst knapper Fußnoten gehalten – die vollständige Auflösung ist dann in der Bibliographie zu finden. In Sonderfällen, wo ich Publikationen anführe, die nicht eigentlich demotische Literatur thematisieren, ist in der Fußnote selbst der vollständige Titel angegeben und auf eine Aufführung im Literaturverzeichnis verzichtet worden. Der Umfang dieses Bandes ist bewußt so angelegt, daß in künftigen Auflagen noch Raum für neupublizierte Texte ist, ohne an anderer Stelle kürzen zu müssen.

Vorwort

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Schließlich sei darauf hingewiesen, daß mutmaßlich etwa zeitgleich mit dieser Einführung auch eine Anthologie der demotischen Literatur erscheinen soll, die Friedhelm Hoffmann und ich gemeinsam abgefaßt haben. Dort haben die besser erhaltenen unter den hier behandelten Texten auch die Chance, mehr für sich selbst zu sprechen. Gelegentliche Divergenzen in der Bewertung von Einzelpunkten im Vergleich zwischen der hier vorliegenden Einführung und dem betreffenden Werk möge man in die Kategorie der fruchtbaren Spannungen einordnen, die den Leser zum Weiterdenken in problematischen Fragen anregen sollen. Zu besonderem Dank verpflichtet bin ich verschiedenen Fachkollegen, insbesondere Didier Devauchelle, Hans-Werner Fischer-Elfert, Friedhelm Hoffmann, Richard Jasnow, Holger Kockelmann, Sandra Lippert, Kim Ryholt, Günter Vittmann und Karl-Theodor Zauzich, die mir bereitwillig Einblick in laufende Arbeiten gewährt haben. Weiterhin möchte ich Ludwig Morenz und Richard Parkinson danken, die sich als Testleser zur Verfügung gestellt haben. Ebenso waren Louise Gestermann und Christian Leitz als Herausgeber der Reihe mir durch fachliche ebenso wie technische Hinweise behilflich. Herrn Frank Weber vom LIT Verlag danke ich für die stets hilfreiche Betreuung.

Vorwort zur zweiten Auflage Nachdem die erste Auflage dieses Buches erfreulich regen Anklang gefunden hat, macht es der weiterhin intensive Fortschritt der Forschung ratsam, keinen einfachen Nachdruck mit allenfalls einzelnen Korrekturen vorzunehmen, sondern eine substantiell erweiterte Version vorzulegen. Einem in verschiedenen Rezensionen geäußerten Wunsch folgend habe ich diesmal auch eine feinere Aufgliederung der Kapitel unternommen, soweit mir das möglich schien, ohne den Text zu sehr zu zerfasern. Zu Dank verpflichtet bin ich diesmal besonders Jacco Dieleman, Richard Jasnow, Holger Kockelmann, Kim Ryholt, Rana Salim und William J. Tait, die es mir großzügig ermöglicht haben, in Bearbeitung bzw. im Druck befindliche Texte bereits heranziehen zu können. Für die verlegerische Betreuung danke ich diesmal Herrn Martin W. Richter. Um Mißverständnissen vorzubeugen, sei bemerkt, daß dieses Buch als dritter Teil einer Reihe von Einführungen in die ägyptische Literatur bestimmte grundlegende Diskussionen über ägyptische Literatur und ihre Abgrenzung, die im ersten Band geführt sind, als bekannt voraussetzt. Weiterhin ist die in der ersten Auflage angekündigte Anthologie inzwischen erschienen und liefert hinsichtlich der Details zu Bibliographie und Übersetzungsfragen Angaben, welche die bewußt auf das Wesentliche beschränkten Informationen dieser Einführung komplementieren sollen.3 Vorwort zur dritten Auflage Das weiterhin bestehende Interesse an diesem Werk hat eine dritte Auflage sinnvoll gemacht. Erneut ist der Text so überarbeitet, daß neu publizierte Texte ebenso wie neue Diskussionen bereits bekannter aufgenommen worden sind. Für die Möglichkeit, im Druck befindliche Publikationen bereits nutzen zu können, danke ich erneut Kim Ryholt. Die verlegerische Betreuung hat erneut Herrn Martin W. Richter übernommen.

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HOFFMANN, QUACK, Anthologie. Eine überarbeitete und erweiterte zweite Auflage ist in Vorbereitung.

1. Demotisch und Literatur Der Begriff „Demotisch“ stammt aus dem Griechischen und bezeichnet etymologisch gesehen die „volkstümliche“ (im Gegensatz zur „heiligen“ hieratischen) Schrift, gleichzeitig auch die in dieser Schrift niedergelegte Sprachstufe des Ägyptischen. Diese Doppeldefinition führt zu Spannungen, da demotische Sprache und demotische Schrift in beiden Richtungen nicht dekkungsgleich sind. Man hat gelegentlich in Ägypten demotische Sprache auch hieratisch oder sogar hieroglyphisch aufgezeichnet. Daneben gibt es sogar die Option, klassisch-ägyptische Texte in demotischer Schrift zu fixieren. Leicht vor den demotischen Texten setzen solche in einer ebenfalls stark verkürzten Kursive ein, nämlich dem sogenannten Abnormal-Hieratischen, das noch während der Saitenzeit wieder verschwindet. Lange Zeit ging man davon aus, daß in dieser Schriftform keinerlei literarischen Texte überliefert sind, doch deuten neueste Funde in eine andere Richtung, speziell der Anfang einer Erzählung auf einer Schreibtafel (s. S. 52) sowie ein möglicherweise literarischer Text über Petese (s. S. 95). Erstere bietet dadurch, daß auf der anderen Seite der Anfang der mittelägyptischen Lehre des Cheti steht, einen interessanten Fall von Berührung der Literatur verschiedener Epochen. Die frühesten bislang positiv bezeugten Texte in demotischer Schrift, nämlich die Verträge pRylands I und II, stammen aus dem Jahr 21 Psammetichs I. (644 v. Chr.). Hier finden sich noch viele Zeichengruppen, die dem Hieratischen sehr nahe stehen. Für literarische Texte ist der Gebrauch des Demotischen als Schriftform meist erst später positiv bezeugt, allerdings dürfte bereits der pHeidelberg D 679 (ca. 7.-6. Jhd. v. Chr.) als literarisch einzustufen sein (s.u. S. 182). Ein kleines Fragment einer sicher literarischen frühdemotischen Handschrift (pBerlin 23504, eventuell noch 26. Dynastie) läßt nur bedingt Schlüsse auf den Inhalt zu.4 Die frühesten größeren Bestände stammen aus Saqqâra und datieren ins 4.-3. Jhd. v. Chr. Sie zeigen bereits einen so großen Textbestand und so entwickelte phraseologische Normen, daß unbedingt mit einer länge4

Erwähnt bei JASNOW, Late Period Wisdom Text, S. 40, Anm. 63 und HOFFMANN, in: ROEDER, Erzählen, S. 362 u. 377. Nach Überprüfung an einem Photo vermute ich am ehesten, daß es sich um einen Weisheitstext handelt (s. S. 153).

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Die demotische und gräko-ägyptische Literatur

ren, uns heute nicht faßbaren Vorgeschichte demotischer Literatur gerechnet werden muß. Diese Vorgeschichte muß nicht zwingend auch in demotischer Schrift abgelaufen sein. Vielmehr scheint es gerade für die frühdemotische Phase typisch zu sein, daß literarische Kompositionen in ganz oder weitgehend demotischer Sprache graphisch noch hieratisch aufgezeichnet wurden. Gute Beispiele sind der pVandier (s. S. 84) und der Brooklyner Weisheitstext (s. S. 134). Die konkrete Umsetzung von Literatur in demotische Schrift läßt sich am pBerlin 23057 (etwa 30. Dynastie?) nachweisen. Er enthält in hieratischer Schrift Reste einer Komposition mutmaßlich divinatorischer Natur, die viel besser erhalten auch demotisch in der frührömerzeitlichen Handschrift pWien D 12006 überliefert wird.5 Man kann also postulieren, daß es eine frühe Phase demotischer Literatur gegeben hat, in der das graphische Medium des Hieratischen vorrangig zur Anwendung gekommen ist. Die betreffenden Kompositionen dürften die ungebrochene Fortführung der neuägyptischen Literatur darstellen. Etwa beim Magier Merire, dem Helden der (sprachlich protodemotischen) Erzählung im pVandier, kann man dies dadurch besonders gut nachweisen, daß ein ramessidisches Fragment mutmaßlich dieselbe Figur als Protagonisten zeigt.6 Die Tendenz zum Umschreiben dieser Art von Texten in rein demotische Formen kann derzeit nicht genauer fixiert werden. Spätestens in der Ptolemäerzeit dürfte sie im Wesentlichen abgeschlossen gewesen sein. Ursache hierfür war mutmaßlich der zunehmende Grad an Akzeptanz, den die demotische Schrift in der Gesellschaft auch für gehobene Verwendungen gewonnen hatte. In dieser Situation wird der folgerichtige nächste Schritt getan, der auch die Verschriftlichung religiöser Texte im Medium des Demotischen akzeptabel macht. Diese Texte, auf die im Detail einzugehen hier nicht möglich ist,7 lassen sich unterteilen. Einerseits gibt es traditionelle Ritualtexte, die ohne größere sprachliche Adaption lediglich in die jüngere Schriftform umgesetzt werden. Ziel dieser Maßnahme dürfte die erleichterte Rezitation im Kult ge5

STADLER, Isis, das göttliche Kind und die Weltordnung. KOENIG, SAUNERON, in: Livre du centenaire, S. 135-141, T. X-XI; POSENER, Papyrus Vandier, S. 17f. 7 Für eine Einführung in die demotische religiöse Literatur s. STADLER, Einführung. 6

Demotisch und Literatur

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wesen sein, da Demotischkenntnisse damals erheblich verbreiteter als Hieratischkenntnisse waren. Die betreffenden Handschriften dienten also primär der Andeutung der Aussprache und sind folglich oft sehr unhistorisch geschrieben, bzw. für viele Vokabeln und morphologische Formen gibt es im Standard-Demotischen keine Orthographie.8 Entsprechend bereiten die Texte auch der Forschung große Verständnisschwierigkeiten, so daß bislang wenig ediert ist. Andererseits gibt es eine ganze Reihe von religiösen Texten (meist funeräre Handschriften), die unter nur partieller Beeinflussung durch ältere Formulierungen neu komponiert werden. Sie sind entsprechend besser erforscht und zum Gutteil bereits wissenschaftlich bearbeitet. In ihnen liegt meist sprachlich Demotisch mit gewissen Beimischungen älterer Sprachformen vor. Dadurch, daß Demotisch in zunehmendem Maße salonfähig wurde, ist andererseits das Hieratische in seinem Anwendungsbereich zurückgedrängt worden. Dies wirft die Frage auf, inwieweit das Aufkommen einer neuen Literatur in demotischer Schrift auch mit dem Niedergang der klassischägyptischen Literatur in der Spätzeit zu tun hat. Während bis in die 25. und 26. Dynastie hinein noch etliche Kopien eine weitergehende Beschäftigung mit den klassischen Werken des Mittleren Reiches bezeugen, setzen diese Zeugnisse danach ganz aus.9 Spätestens für die Römerzeit, in der große Fundzusammenhänge aus Siedlungen vorliegen, kann man das Fehlen von Bezeugungen auch als positiven Beweis der Abwesenheit deuten. Somit wurde von den klassisch-ägyptischen Texten in nachsaitischer Zeit nur bewahrt, was als traditionelles Wissen und religiöses Erbe zwingend gebraucht wurde, und zwar meist weiter in hieratischer Schrift. Die „schöne Literatur“, soweit sie nicht direkt ins Demotische umgesetzt werden konnte, verlor in dem Augenblick, als Demotisch die normale Schriftform für sie wurde, 8

Zur Diskussion über diese Orthographie s. J.F. QUACK, Old Wine in new Wineskins? How to write Classical Egyptian rituals in more modern writing systems, in: A. DE VOOGT, J.F. QUACK (Eds.), The Idea of Writing II. Writing across Borders (Leiden/Boston 2011), 219-243; STADLER, Einführung, S. 118-122 sowie mehrere Beiträge in J.F. QUACK (Hrsg.), Ägyptische Rituale der griechisch-römischen Zeit, ORA 6 (Tübingen 2014) und zuletzt GH. WIDMER, Résurrection d’Osiris – naissance d’Horus. Les papyrus Berlin P.6750 et Berlin P.8765, témoignages de la persistance de la tradition sacerdotale dans le Fayoum á l’époque romaine, ÄOP 3 (Berlin/Boston 2015), S. 44-47.

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Die demotische und gräko-ägyptische Literatur

einen Großteil ihres Erbes aus der Vergangenheit. Man kann darüber spekulieren, inwieweit die neuen Gewichtungen bei den Schriftsystemen mit gesellschaftlichen Entwicklungen zu tun haben. Insbesondere die Perserzeit, die primär für die höchste Elite (also wohl die hauptsächlichen Nutzer hieratischer Literatur) einen Einschnitt bedeutet haben dürfte, muß als möglicher Katalysator der Entwicklung ins Auge gefaßt werden. In jedem Fall bedeutet dies, daß direkte Einflüsse der klassisch-ägyptischen (und wohl auch neuägyptischen) Literatur auf die demotische primär während der Saitenzeit plausibel sind. Diese Konstellation bedeutet einen wesentlichen Bruch mit den vorangehenden Epochen. In ihnen gab es auf literarischem Gebiet wohl etwa ab dem Neuen Reich eine Diglossie. Einerseits existierten die klassischen mittelägyptischen Werke, die mutmaßlich nur eine kleine Auswahl aller im Mittleren Reich umlaufenden literarischen Texte darstellten und in weitgehend fester Form als kanonisches Bildungsgut bzw. Unterrichtsmaterial tradiert wurden, vor allem in Gestalt von Lebenslehren. Andererseits gab es eine eher frei überlieferte volkssprachliche Literatur, die als tendenziell fluktuierende Größe existierte. Sie beginnt bereits spätestens im Mittleren Reich und setzt sich im Neuen Reich in besser faßbarer Entfaltung fort. Das Demotische ist zunächst nichts als die letzte Epoche dieser volkssprachlichen Literatur und setzt auch deren Traditionen fort, hat durch die mit seiner Niederschrift einhergehende grundsätzliche Umstrukturierung der Überlieferungsformen jedoch zum Verschwinden der alten Texte beigetragen. Als Folge hiervon stehen dem demotischen Schrifttum praktisch sämtliche literarischen Genera offen, und von diesen Möglichkeiten ist auch ausgiebig Gebrauch gemacht worden. Andererseits wird, ungeachtet von Versuchen sprachlicher Modernisierung während der Überlieferung, im Verlauf der Zeit eine neue Diskrepanz im Sprachgebrauch spürbar. Wenigstens in der Römerzeit gab es deutliche Differenzen zwischen der Alltagssprache, die etwa in den Narmouthis-Ostraka belegt ist, und dem literarischen Idiom, das auf damalige Leser mutmaßlich bereits leicht antiquiert gewirkt haben wird. Es ist prinzipiell denkbar, daß diese erneute Differenz zwischen Alltagssprache und 9

QUACK, ZÄS 130, 182f.

Demotisch und Literatur

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literarischem Gebrauch mit an einer letzten, bislang nur begrenzt faßbaren Entwicklung beteiligt war, nämlich der Übersetzung oder Nachdichtung ägyptischer Literatur in griechischer Sprache. Eine solche läßt sich spätestens in der Ptolemäerzeit fassen, im pOxy. 1381 wird sogar die Übersetzung eines Werkes über Imhotep bereits für die Zeit des Nektanebis, also Nektanebes I. angegeben (s. S. 182), wobei das Ziel deutlich ausgesprochen wird, dem ägyptischen Gott auch im griechischsprachigen Milieu mehr Achtung zu verschaffen. Ebenfalls religiösen Texten gelten auch die Übersetzungen des Mythos vom Sonnenauge im pBM 274 (s. S. 160), des Buches vom Tempel sowie (auf dem Verso der Handschrift) eines verwandten Textes über Tempelrecht im pWashington University inv. 138 + pOslo 2 (hier nicht behandelt).10 Für den Isishymnus des pOxy. 1380 können zumindest sehr ähnliche demotische Kompositionen nachgewiesen werden (s. S. 116), auch die memphitische Isisaretalogie (s. S. 115) gibt sich in einigen Versionen als Übersetzung aus. Texte wie die Hymnen des Isidoros (s. S. 118) zeigen dann die Weiterführung der Motivik in bereits originär griechischer Formulierung. Vermutlich ist auch pWashington University inv. 139 als griechische Übersetzung eines demotischen schöpfungstheologischen Textes zu verstehen.11 Nur griechisch erhalten, aber nach plausibler eigener Angabe aus dem Ägyptischen übersetzt ist das Töpferorakel (s. S. 193). Im Falle der hermetischen Literatur ist deutlich, wie sie nach Vorbildern in der Art des Rituals zum Eintritt in die Kammer der Finsternis (s. S. 172-181) unter starkem Einfluß griechischer Philosophie in ägyptischem Milieu entstanden ist. Unter den primär narrativen Texten ist zunächst Nektanebos’ Traum zu nennen, von dem eine griechische Übersetzung bereits in einer Handschrift der Ptolemäerzeit vorliegt (s. S. 82). Im Falle der griechischen Fragmente des Sesonchosis-Romans (s. S. 35) ist einstweilen nicht abzusichern, ob es sich direkt um eine Übersetzung der demotischen Fragmente über Sesostris handelt oder nur um ein freies Aufgreifen desselben Themas. Möglicherweise von einer demotischen Vorlage abhängig ist auch die Erzählung über König 10

J.F. QUACK, Translating the realities of cult: The case of the Book of the Temple, in: I. RUTHERFORD (Ed.), Greco-Egyptian Interactions. Literature, Translation, and Culture, 500 BCE-300 CE (New York 2016), S. 267-286. 11 H.J. THISSEN, Κμηφ – ein verkannter Gott, ZPE 112 (1996), S. 153-160, dort S. 156.

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Die demotische und gräko-ägyptische Literatur

Amen[o]ph[this] im pOxy. 3011 (s. S. 37), die wohl vorrangig Götter und ihre Handlungen thematisiert hat. Insgesamt ist insbesondere im Bereich der stärker religiös geprägten Texte eine rege Übersetzertätigkeit erkennbar, aber auch Erzählungen über die ägyptische Vergangenheit wurden umgesetzt oder frei aufgegriffen. Wenigstens im memphitischen Raum dürfte diese Umsetzung vielleicht schon im 4.-3., spätestens aber im 2. Jhd. v. Chr. einsetzen. Man mag sie versuchsweise damit parallelisieren, daß etwa in dieser Zeit auch die jüdische heilige Tradition in Form der Septuaginta ins Griechische übersetzt worden ist.12 In die umgekehrte Richtung, also vom Griechischen ins Demotische, sind bislang im literarischen Bereich keinerlei Belege für Übersetzungen bekannt geworden, die Frage von Einflüssen wird kontrovers diskutiert. Zeitlich vor den Kontakten zum Griechischen liegt die weniger intensiv bezeugte Verbindung zur aramäischen Literatur.13 Die Erzählung von Hor, Sohn des Pwenesch (s. S. 78), möglicherweise auch der Text von Scheich Fadl (s. S. 54) und eine prophetische Komposition (s. S. 190), sind aus dem Demotischen ins Aramäische übersetzt worden. In diesem Fall ist auch die umgekehrte Richtung sicher belegt, nämlich die Umsetzung der aramäischen Lehre des Achiqar ins Demotische (s. S. 148). Gerade bei dieser Lehre, daneben vor allem noch bei der Lehre des Jesus Sirach, werden Einflüsse auf die demotische Weisheitsliteratur postuliert, teilweise aber auch abgestritten. Das demotische Schrifttum ist – selbst unter Ausschluß der Verwaltungstexte – ungeheuer umfangreich. Schon aus Raumgründen soll hier eine Fokussierung auf die in engerem Sinne „schöne“ Literatur vorgenommen werden. Jedoch erweist es sich als nötig, aus manchen Randbereichen weitere Texte mit anzusprechen, insbesondere einige religiösen Kompositionen, die für Fragen poetischer Formen relevant sind und teilweise früher noch nicht einmal als religiös erkannt worden waren. Ebenso habe ich in einem speziellen Abschnitt mehrere Texte diskutiert, die äußerlich zunächst nicht literarisch er12

Vgl. die nicht immer unproblematischen Bemerkungen von B. STRICKER, De Brief van Aristeas. De hellenistische Codificaties der praehelleense Godsdiensten (Amsterdam 1956). 13 Dazu s. QUACK, in: KNOPPERS, LIPSHITS, OEMING (Eds.), Judah and the Judaeans, 375401.

Demotisch und Literatur

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scheinen, aber aufgrund bestimmter Beobachtungen nicht aus der Diskussion über Literatur ausgeklammert werden sollten. Gerade die Frage, wie man sie von den literarischen Texten effektiv abgrenzen oder auch mit zu ihnen ziehen könnte, soll als Anregung dienen, die Definition von Literatur an sich sowie speziell in Ägypten nicht aus den Augen zu verlieren.

2. Textträger und Überlieferung Primärer Träger demotischer Literatur ist der Papyrus. Literarische Handschriften in demotischer Schrift setzen spätestens in der Perserzeit ein, möglicherweise sogar schon im 7.-6. Jhd. v. Chr., in etwas größerer Fülle sind sie ab dem 4. Jhd. v. Chr. bezeugt. Die derzeitige Fundsituation bringt es mit sich, daß bei weitem die meisten Handschriften aus der Römerzeit stammen. Dabei sind sie bis tief ins 2. Jhd. n. Chr. in großer Zahl und Qualität vorhanden. Ob es im engeren Sinne literarische Texte auch noch im 3. Jhd. n. Chr. gegeben hat, ist derzeit nicht klar abzusichern, da es an absolut datierten Handschriften für das Definieren einer präzisen paläographischen Entwicklung fehlt. Literarische Papyri können teilweise einen beträchtlichen Umfang aufweisen. Für den Papyrus Krall kann bei verlorenem Anfang eine Länge des erhaltenen Bereiches von über 5 m angesetzt werden. Einige Handschriften, in denen die Kolumnen nicht nur aufsteigend vom Anfang her, sondern gleichzeitig auch noch absteigend vom Ende her durchgezählt waren, erlauben, einen Bestand bis über 100 Textkolumnen für bestimmte Kompositionen nachzuweisen. Daneben gab es selbstverständlich auch kürzere Werke, doch ist demotische Literatur tendenziell umfangreicher als die ältere ägyptische Literatur, setzt also mehr verfügbare Lese- oder Zuhörzeit bei den Rezipienten voraus. Bislang singulär ist der Fall der Petese-Erzählung und der in sie eingebetteten 70 Einzelerzählungen, die insgesamt einen solchen Umfang angenommen haben, daß sie auf mehrere verschiedene Rollen verteilt wurden (s. S. 95). Rubra als optisch hervorgehobene Abschnittsmarkierungen sind in literarischen Handschriften vergleichsweise selten, sie begegnen z.B. im Gedicht vom verkommenen Harfner (s. S. 108), im Ritual zum Eintritt in die Kammer der Finsternis (s. S. 172) und im Mythos vom Sonnenauge (s. S. 160), in einigen Kapitelüberschriften oder -zählungen des großen Weisheitsbuches (s. S. 122), im pKairo CG 30705 (s. S. 186) sowie nur für den Titel in der Kopenhagener Chascheschonqi-Handschrift (s. S. 138). In religiösen, magischen und wissenschaftlichen Texten sind sie häufiger.

Textträger und Überlieferung

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Speziell in einigen der Handschriften aus Saqqâra gibt es eine Form von Abschnittsmarkierung, bei der auf die letzte Zeile am Ende der Einheit ein kleiner Freiraum in der Kolumne folgt, bevor der nächste Abschnitt mit dem Beginn einer neuen Zeile einsetzt. Eine ähnliche Struktur weist ein römerzeitlicher Papyrus aus Tebtynis (pCarlsberg 79) auf, der u.a. Briefe im Wortlaut zitiert (s. S. 29). Auch im pCarlsberg 470 vs. sind derartige Phämnomene wahrnehmbar (s. S. 71). Verbalisierte Abschnittstitel gibt es einerseits im großen demotischen Weisheitsbuch (s. S. 122), in dem alle Einzelbereiche als (durchnumerierte) „Lehren“ mit einem fest definierten Thema bezeichnet werden, andererseits im Mythos vom Sonnenauge. Letzterer benutzt durchgehend die Formulierung „die kleinen …“ sowie einen Vermerk über die entsprechende Stimme. In der einzigen Handschrift, die Reste des Anfangs erhalten hat, sind diese Abschnittseinleitungen gesammelt und als eine Art von Inhaltsverzeichnis (wenn auch ohne Seitenzahlen als Verweise) in der Handschrift dem eigentlichen Text vorausgestellt worden. In einigen wenigen Texten, insbesondere in der ersten und zweiten SetneErzählung, werden beim Seitenübergang einige Wörter sowohl am Ende der alten als auch am Anfang der neuen Kolumne geschrieben. Angesichts der Regelhaftigkeit dieses Verfahrens in den Handschriften wird es sich nicht etwa um einen Textfehler durch aberratio oculi handeln, sondern um eine intentionale Erleichterung des Lesens oder eher Vortragens beim Seitenwechsel. Als Fangzeile ist sie etwa damit vergleichbar, wie in Esna beim Übergang zu einer neuen Säule innerhalb eines Ritualtextes kurze Abschnitte sowohl am Ende der einen als auch am Anfang der nächsten Aufzeichnungseinheit niedergeschrieben sind.14 Auch noch in frühneuzeitlichen Drucken gibt es vergleichbare Erscheinungen. Poesie wird im ältesten faßbaren Text, nämlich den Gesängen am Schluß des pRylands IX, noch in scriptio continua wiedergegeben (s. S. 106). Jüngere Handschriften zeigen fast immer eine stichische Abtrennung der Verse, wobei im Gedicht vom Harfner jede Zeile durch einen roten Punkt nochmals in zwei Halbverse aufgeteilt wird. Auch Weisheitstexte sind, mit Ausnahme 14

S. SAUNERON, Quatre campagnes à Esna. Esna 1 (Kairo 1959), S. 73-140.

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Die demotische und gräko-ägyptische Literatur

der späthieratischen Handschrift in Brooklyn, meist stichisch geschrieben. Im Falle des in den meisten Handschriften ebenfalls stichisch (in sehr langen Versen) geschriebenen Rituals zum Eintritt in die Kammer der Finsternis (s. S. 172) weist eine Handschrift (pBerlin 15531) schwarze Punkte innerhalb des Verses auf, ohne daß diese klar als Unterteilung in Halbverse interpretierbar sind.15 Frühdemotische und meist auch ptolemäische Handschriften setzen Kolumnen und Zeilen in freiem Layout, wobei die Seiten teilweise noch breiter als hoch sind, z.B. die demotische Chronik (wie in älterer Zeit üblich), oft jedoch bereits etwas höher als breit. Ab etwa der Römerzeit kommt die Sitte auf, durch Seitenbegrenzungslinien einen festen Rahmen vorzugeben (die erste Zeile steht meist auf dem oberen Strich) oder sogar für jede Zeile die Grundlinie mit dem Lineal zu ziehen. Dabei sind die Seiten üblicherweise höher als breit. Für besonders wichtige oder als wertvoll erachtete Texte verwendete man das Rekto einer noch ungebrauchten Papyrusrolle. Aus Sparsamkeitsgründen konnte man auch alte Rollen nach dem Auswaschen der ursprünglichen Beschriftung nochmals verwenden (Palimpsest) oder die freie Rückseite für die Aufzeichnung eines weiteren Textes nutzen. Besonders in der Römerzeit ist das Verso ausrangierter griechischer Akten gerne für die Niederschrift literarischer Texte gebraucht worden.16 Sofern das absolute Ende eines Textes erreicht ist, wird vom Abschreiber üblicherweise ein Kolophon gesetzt.17 Hier findet sich oft auch eine Angabe über den Inhalt, was einem üblichen antiken Brauch entspricht, den ausführlichen Titel am Ende des ganzen Werkes zu nennen.18 Besonders umfangreich ist das Kolophon zur Prophezeiung des Lammes (s. S. 190), das Regierungsjahr, Herrscher und Schreibernamen sowie das Thema des Werkes angibt: 15

JASNOW, ZAUZICH, Book of Thot, S. 109 u. 133f. Vgl. J.F. QUACK, Totenbuch und Getreideabrechnung, in: D. LUFT, J.F. QUACK (Hrsg.), Erscheinungsformen und Handhabungen Heiliger Schriften, MTK 5 (Berlin/New York 2014), S. 111-135. 17 LENZO MARCHESE, BIFAO 104, S. 367f. 18 E.G. TURNER, Greek Manuscripts of the Ancient World. Bulletin of the Institute of Classical Studies, University of London, Supplement 46 (1987), S. 13f.; H. BLANCK, Das Buch in der Antike (München 1992), S. 85. 16

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„Geschrieben. Das ist das Ende der Buchrolle. Geschrieben im Jahr 33 des Kaisers, 8. Mesore. Geschrieben von Chetba, Sohn des Heriu des Jüngeren, der Name seiner Mutter ist Chetba die Ältere. Siehe der Fluch, den Re gegen Ägypten gemacht hat ab Jahr 6 des Pharaos Bokchoris.“ Dem gleichen Schreiber können auch Verwaltungstexte sowie ein liturgischer religiöser Text zugewiesen werden.19 Im pKrall standen wohl vergleichbar viele Angaben, doch ist der Passus sehr schlecht erhalten. Setne I gibt ähnlich Schlußformel und Werkthema, bei der Datierung allerdings keine Herrscherangabe. Demgegenüber vermerkt Setne II viel kürzer „Dies ist das Ende dieses Buches – geschrieben“. Besonders knapp ist die Londoner Handschrift der Lehre des Chascheschonqi, wo einfach nur „Geschrieben“ ohne alles Weitere steht. Auffälligerweise sind in dieser Handschrift auch zwei Abschnittsenden (nach der narrativen Einleitung 4, 16 und nochmals nach dem Titel des Lehrkorpus 5, 19) durch denselben kurzen Vermerk markiert. Entsprechende knappe Notizen „Geschrieben“ dienen auch in den Krugtexten (s. S. 14) dazu, die Einzelstückchen voneinander zu trennen. Aus dem Rahmen fällt der pInsinger. Dort ist zwar zunächst „Das Ende der ‚Art, Wissen zu kennen’“ im Rahmen des Typus kurzer Kolophone eine normale Formulierung, anschließend folgt jedoch eine funeräre Formel. Durch sie wird der Text nicht nur zur Lektüre für Lebende, sondern gleichzeitig zum Totenpaß für das Jenseits – und angesichts der oft textkritisch mäßigen Qualität der Kopie kann man sogar vermuten, daß sie hauptsächlich unter letzterem Aspekt angefertigt wurde. Während manche literarische Handschriften verstreute Einzelfunde ohne bekannten Fundzusammenhang sind, gibt es immerhin einige Fundgruppen, die präzisere Detailanalysen ermöglichen. Aus Oberflächenfunden im Bereich der NR-Nekropole von Saqqâra stammen größere Mengen fragmentarischer Papyri etwa aus dem 4.-3. Jhd. v. Chr., die eine späte Nutzung des Geländes bezeugen. Darunter gibt es auch etliche literarische Handschriften in meist schlechter Erhaltung, hauptsächlich Erzählungen.20 19

ZAUZICH, Enchoria 6, S. 127f.; zur Person vgl. M. SCHENTULEIT, Satabus aus Soknopaiu Nesos: Aus dem Leben eines Priesters am Beginn der römischen Kaiserzeit, CdÉ 82 (2007), S. 101-125. 20 Veröffentlicht von SMITH, TAIT, Saqqâra Demotic Papyri I.

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Leider ohne präzisere Dokumentation läßt sich für einige literarische Handschriften der Ptolemäerzeit eine Herkunft aus Gebelein, d.h. mutmaßlich aus den Siedlungsbereichen feststellen (pKairo CG 30672; 30682; 30692; 30705; 30706; 30707; 30709; 30758; 30778; 30799; 30824-25). Soweit identifizierbar, handelt es sich um Erzählungen (u.a. Setne) und Weisheitslehren (u.a. eine Parallele zur Lehre des Chascheschonqi). Einige kleine Weisheitstexte aus mittelptolemäischer Zeit stammen aus dem Serapeum von Memphis,21 wo unter den Archiven der dortigen Katochoi22 neben vielen Verwaltungstexten (meist griechisch) sowie Traumaufzeichnungen (oft demotisch) auch der mutmaßlich aus dem Ägyptischen übersetzte Traum des Nektanebos gefunden wurde. Ein paar besser erhaltene Rollen stammen aus Grabfunden der spätptolemäischen, eventuell auch noch frührömischen Zeit in Achmim.23 Es sind zwei Weisheitslehren sowie eine Erzählung (Chascheschonqi, pInsinger und pSpiegelberg). Zwei davon (pSpiegelberg und pInsinger) sind Palimpseste (über getilgten demotischen Rechnungen), pInsinger ist durch ein aufgeklebtes griechisches Papyrusstück auf dem Rücken an einer schwachen Stelle verstärkt. Hier wäre zu fragen, inwieweit es sich um geschätzte Besitztümer handelte, die der Tote auch im Grab nicht missen wollte, um Anzeichen eines sozialen Ranges im Sinne einer „leisure-class“ oder um Objekte, deren Vorhandensein als verdienstvoll für das Jenseitsschicksal betrachtet wurde.24 Speziell der pInsinger bringt, wie erwähnt, nach dem Kolophon eine explizite funeräre Formel. Unsicher ist auch, ob es sich um eine lokale oder landesweite Sitte handelte. Jedenfalls sind dies, da die Fundumstände der Setne IErzählung (angeblich aus einem Grab aus christlicher Zeit) nicht ausreichend verbürgt sind, die einzigen gesicherten Fälle von demotischer Literatur in funerärem Kontext. Die Leidener Handschrift des Mythos vom Sonnenauge soll zwar ebenfalls aus einem Grab stammen, doch gehört sie in einen Fund21

AGUT-LABORDERE, Le sage et l’insensé, S. 65-72. Eine Personengruppe, die in ihrer Bewegungsfreiheit auf einen engen Bezirk beschränkt waren, für eine Diskussion der möglichen Hintergründe s. D. THOMPSON, Memphis under the Ptolemies. Second Edition (Princeton 2012), S. 197-246; LEGRAS, Reclus. 23 AGUT-LABORDERE, Le sage et l’insensé, S. 15-53. 24 Vgl. STADLER, ZÄS 130, S. 187-189, der allerdings zu einseitig nur die letzte Möglichkeit ins Visier nimmt. 22

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komplex von magischen Handschriften und trägt selbst auf dem Verso magische Texte in demotischer und griechischer Schrift, deren Bedeutung und nicht dem Interesse am literarischen Text sie ihre Deponierung und Erhaltung verdanken wird. Zudem ist über die genauen Fundumstände tatsächlich kaum etwas Substantielles bekannt.25 Schließlich die ergiebigste Quelle für demotische literarische Handschriften überhaupt sind zwei Siedlungsfunde im Umfeld von Tempeln in den Orten Soknopaiou Nesos (Dime)26 und Tebtynis.27 Das Fundmaterial ist weitestgehend römerzeitlich und zeigt einen reichen Textbestand bis weit ins 2. Jahrhundert n. Chr. hinein. Die in engem Fundverbund mit diesen demotischen Texten gefundenen religiösen Kompositionen dokumentieren gut, daß die Priesterschaft vorrangiger Träger der Literatur war.28 Angesichts der starken Einbindung der Ägypter in die Tempelorganisation, vielfach auf der Basis von Teilzeitarbeit, bedeutet dies aber noch nicht zwingend eine eng abgegrenzte soziale Gruppe, vielmehr dürften beträchtliche Teile mindestens der männlichen Bevölkerung eines Ortes Bindungen irgendeiner Form an einen Tempel gehabt haben. Zudem gibt es auch Indizien in anderen Texten wie dem pAmherst 43, daß literarische Handschriften in den Händen nichtpriesterlicher, aber zumindest auf lokaler Ebene sozial relativ hochstehender Personen waren.29 Auffällig ist, daß mehrfach die Existenz mehrerer Abschriften desselben Textes belegt ist. So gibt es aus Soknopaiou Nesos zwei Abschriften der Amazonen-Erzählung, aus Tebtynis zwei Kopien der Petese-Erzählung und 25

Vgl. W. BRASHEAR, in: ANRW II 18.5 (Berlin, New York 1995), S. 3402-3405. Der Überblick über die literarischen Handschriften von diesem Ort, den REYMOND, in: Fs Erzherzog Rainer, S. 42-60 bietet, ist wenig verläßlich, weshalb ich auf die Einbeziehung der wenigen dort genannten einschlägigen Texte verzichtet habe, zu denen ich nicht auf andersartige und bessere Informationen zurückgreifen konnte. Vgl. jetzt STADLER, in: CAPASSO, P. DAVOLI (Eds.), Soknopaios, S. 187-232, der allerdings zu wenig bereit ist, auch andere Duktustypen als die aus Urkunden bekannten für die literarischen Texte aus Soknopaiou Nesos zuzulassen. 27 RYHOLT, in: LIPPERT, SCHENTULEIT (Hrsg.), Tebtynis und Soknopaiou Nesos, S. 141170. 28 Hierzu paßt auch, daß auf dem Verso des pKairo CG 30646 (Setne I) hieratisches wob m|.tt „Priester ebenso“ erscheint, s. das Faksimile bei SPIEGELBERG, Die demotischen Denkmäler, Teil 2, S. 88. 29 Vgl. QUACK, in: WIDMER, JASNOW (Eds.), Festschrift NN. 26

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des Kampfes um den Panzer des Inaros, und mindestens drei des Streites um die Pfründe des Amun. Solche Erscheinungen zeigen an, daß die betreffenden Fundkomplexe wohl nicht die private Bibliothek eines einzelnen Priesters darstellen, sondern eine gemeinsame Lagerung für eine ganze Personengruppe. Literarische Ostraka in demotischer Schrift sind bislang ausgesprochen selten.30 Am bekanntesten sind die „Krugtexte“, einige ganze Krüge der Römerzeit, die als Schreibmaterial für Schülerübungen verwendet wurden.31 Auf ihnen wurden kurze literarische Stücke, gelegentlich auch scheinbar nichtliterarische Eingaben, notiert. Es handelt sich um Objekte, die den „Miscellanies“ des Neuen Reiches in gewisser Weise vergleichbar sind. Die narrativen Texte sind dabei möglicherweise teilweise nur Exzerpte längerer Kompositionen. Daneben gibt es auch kurze Weisheitstexte oder Auszüge daraus auf Ostraka. Gelegentlich kommen auch Schreibtafeln aus Holz oder Kalkstein zum Einsatz. Man muß allerdings betonen, daß als mutmaßliche Zeugnisse des Schulbetriebes vor allem Namenlisten und grammatische Übungen sowie lose Folgen von Einzelsätzen belegt sind.32 Die Kopie ganzer literarischer Werke speziell zum Zweck des Lese- und Schreibenlernens ist bislang schwer faßbar. Die einzigen Papyri, die derzeit mit größerer Plausibilität als Zeugnisse einer Schulabschrift literarischer Texte betrachtet werden können, sind drei Handschriften des Traums des Nektanebos, die alle von demselben ungeübten Schreiber stammen, davon zwei auch noch auf demselben Blatt, von denen die obere nach der ersten Zeile abgebrochen wird – ein kurzer Text mit Erwähnung des Thot, Herrn von Hermopolis, der Meerkatze (gwf) wird eingeschoben.33 Während viele der älteren ägyptischen Literaturwerke dominant in Schülerabschriften überliefert werden, handelt es sich bei den demotischen Textträgern meist um Bibliotheksabschriften oder Kopien interessierter privater 30

RYHOLT, in: KNUF, LEITZ, VON RECKLINGHAUSEN (Hrsg.), Fs Thissen, S. 434-436; zusätzlich QUACK, Or 84, S. 112-113. 31 SPIEGELBERG, Texte auf Krügen. 32 KAPLONY-HECKEL, SAK 1, S. 227-246; DEVAUCHELLE, in: Fs Lüddeckens, S. 47-59; TASSIER, in: Life in a Multi-Cultural Society, S. 311-315; ZAUZICH, in: FRANDSEN (Ed.), The Carlsberg Papyri 3, S. 27-52. 33 RYHOLT, in: The Carlsberg Papyri 10, S. 157-167, Taf. 20f.

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Leser. Funde aus Gräbern sind meist besser erhalten, doch machen gerade die quantitativ reichen Bestände aus Siedlungsfunden viel vom Reiz der demotischen Literatur aus. Entsprechend sind auch für die ältere ägyptische Literatur vorgetragene Theorien, sie diene hauptsächlich edukativen Zwecken im Zusammenhang der Schreiberschulung, speziell der Vermittlung kultureller Werte, für das demotische Material nicht geeignet. Die Herkunft der Handschriften bedingt, daß die Abschreibqualität im Allgemeinen gut ist. Textfehler in größerem Ausmaß sind selten; am ehesten sind sie im großen demotischen Weisheitsbuch zu fassen. Dafür ist der Wortlaut des Textes zumindest bei Erzählungen vergleichsweise wenig fixiert; bei mehrfach überlieferten Werken sind meist beträchtliche Abweichungen bis hin zu völligen Umformulierungen festzustellen. Derartige Änderungen dienen einerseits der Anpassung des Inhalts an den jeweiligen Geschmack, andererseits sind auch auf der syntaktischen Ebene sprachliche Modernisierungen feststellbar. Über die tatsächliche Nutzung und Rezeption der Literatur ist wenig direkt in Erfahrung zu bringen.34 Eine wichtige Frage wäre etwa, ob die Texte primär gelesen und somit von Einzelindividuen rezipiert wurden oder ob öffentliche Verlesungen oder sogar freie Vorträge ohne festes Basismanuskript üblich waren. Einige wenige Punkte der Texte selbst geben Auskünfte über Aufzeichnungs- oder Verwendungszusammenhänge, auch wenn sie alle eher aus dem Rahmen fallen. Im Papyrus Krall wird mutmaßlich angegeben, am Ende aller Ereignisse sei eine Stele darüber errichtet worden. Hier wird also eine Monumentalisierung postuliert, die bislang nirgends real belegt ist und angesichts des Umfanges der meisten Texte auch praktisch kaum durchführbar wäre. Setne II gibt einen Gutteil des Textes als Verlesung eines versiegelten Briefes aus. Jedoch wird dieser Brief nicht etwa als Rezeption von Literatur vorgetragen, sondern um sich in einem Magierwettstreit zu behaupten. In der Erzählung vom Schiffer wird der mündliche Vortrag durch einen Priester angegeben, durch den der zu Staatsgeschäften indisponierte König Amasis aufgeheitert und abgelenkt werden soll (s. S. 79). Ähnlich wird im 34

TAIT, in: ENMARCH, LEPPER (Eds.), Ancient Egyptian Literature, S. 251-260.

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Fall von Traurigkeit des Königs eine Geschichte erzählt, die ihn trösten soll (s. S. 102). Obgleich dies Spezialsituationen sind, kann man durchaus damit rechnen, daß wenigstens zu Zeiten einheimischer Dynastien bei Hofe ein echter Bedarf an Geschichtenerzählern bestand, die den König und seinen Hofstaat unterhalten sollten (wie man es in älterer Zeit schon aus dem Papyrus Westcar und der Prophezeiung des Neferti kennt). Am nächsten kommt einer realen Rezeptionssituation der Rahmen der Petese-Geschichten (s. S. 90). Dort trägt ein magisch erschaffener Pavian der Frau des Helden die einzelnen Erzählungen vor, und zwar anhand von schriftlichen Aufzeichnungen. Mit allem Vorbehalt kann somit der Vortrag, aber in Verbindung mit einer schriftlichen Tradierung, als realitätsnahes Bild einer Verwendung der demotischen Literatur, insbesondere der Erzählungen, angesehen werden. Gerade bei der narrativen Literatur, also dem quantitativ größten Bereich, ist dabei schwerpunktmäßig die Funktion der Unterhaltung anzunehmen. Für poetische Texte kann das Gedicht zum Fest der Trunkenheit für Bastet (pCarlsberg 69) Aufschlüsse liefern (s. S. 110). In ihm wird in einer Szene geschildert, wie der Sänger sein Lied der Menge vorträgt, die darauf mit Applaus reagiert und mehr verlangt. Ebenso setzt das Gedicht vom Harfner an einer Stelle voraus, daß der Dichter den Tempel der Mut direkt anspricht, somit also sein Werk bei einer religiösen Feier vorträgt. Auch die Angabe zu den poetischen Stücken am Ende des pRylands IX (s. S. 106), diese Gedichte seien von Amun inspiriert worden, als er bei einer Prozession erschien, sprechen dafür, daß Poesie primär für den mündlichen Vortrag bestimmt war, und zwar speziell im Rahmen des Festes. Je nach Natur des Festes können die Texte dabei einen mehr streng religiösen oder eher lockeren Inhalt gehabt haben. Auch die Situierung während der Prozession der Gottheit selbst oder abends beim Festmahl mag Unterschiede hervorrufen. Gerade diesem Sitz im Leben bei der Prozession würde es auch entsprechen, daß die griechischsprachigen Hymnen des Isidoros von Medinet Madi (s.u. S. 118) auf die Pfosten des Tores am Ende der Prozessionsstraße vor dem Tempel eingemeißelt sind. Schwieriger faßbar sind Verweise auf die reale Situation der Weisheitsliteratur. Die Rahmenhandlung der Lehre des Chascheschonqi zeigt immerhin an, daß ihre ideale Verwendung in der Erziehung der heranwachsenden Kin-

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der bestand, wird dort doch explizit angegeben, der Autor habe die Lehre geschrieben, weil er seinen Sohn nicht persönlich unterrichten konnte. Unter den mehr diskursiven Texten deutet der Mythos vom Sonnenauge durch gelegentliches Auftauchen von Personalpronomina der ersten Person sowie vor allem durch die Angabe von Stimmen für die beiden Protagonisten auf eine theatralische Aufführung zu Ehren der beteiligten Gottheiten (s. S. 160). Das Ritual zum Eintritt in die Kammer der Finsternis ist formal als Gespräch strukturiert (s. S. 172), wobei gerade seine Titelbezeichnung für eine tatsächlich Performanz spricht – allerdings kann man bei diesen beiden Kompositionen durchaus daran zweifeln, wie berechtigt die Einstufung als literarisch im engeren Sinne ist. Im „Lamm des Bokchoris“ ist an einer schlecht erhaltenen Stelle gegen Anfang erschließbar, daß einer der Protagonisten ein Buch mutmaßlich divinatorischer oder prophetischer Natur liest und darüber anscheinend einer Frau Mitteilungen macht (s. S. 190). Eventuell mag dies als Indiz gewertet werden, daß die prophetischen Werke mehr als Individuallektüre, weniger zum öffentlichen Vortrag intendiert waren – ihre relative Seltenheit und geringe Handschriftenbasis würde dazu passen. Potentiell in dieselbe Richtung gehen würde die Angabe im Töpferorakel, der König hätte die Prophezeiungen in einem Buch niederschreiben lassen und in seinem Schatzhaus allen Leuten zugänglich gemacht (s. S. 193) – also zum Lesen konzipiert, nicht aber zum öffentlichen Vortrag. Jedoch wird der originäre inspirierte Sprechakt, der den Inhalt dieser Texte ausmacht, in den nachprüfbaren Beispielen (Lamm des Bokchoris, Töpferorakel, wohl auch demotische Chronik) als mündlicher Vorgang verstanden.

3. Erzählungen 3.1. Allgemeines Ein sehr großer und bedeutsamer Teil der demotischen Literatur hat narrativen Charakter. Sofern der Anfang des Textes erhalten ist, beginnen sie meist mit der Formel „Es geschah in der Zeit des Königs X“, sind also in einen konkreten historischen Rahmen gesetzt. Oft tritt noch die Wendung „wobei Ägypten mit allem Guten vereint war“ hinzu. Ein weitergehender Titel, vor allem eine explizite Gattungszuweisung, ist an dieser Position nicht bezeugt. Jedoch kann etwa durch den Kolophon der ersten Setne-Erzählung der Gattungsbegriff s@y „Erzählung“ abgesichert werden. Teilweise können die Geschichten ohne weitere Einbettung erzählt werden, es gibt aber auch verschiedene Möglichkeiten der Rahmung. Eine Erzählung berichtet, wie König Amasis infolge eines Rausches nicht zu Regierungsgeschäften in der Lage ist und sich durch eine Erzählung unterhalten läßt; auch im pBM EA 69532 wird dem König eine Erzählung vorgetragen. In der zweiten Setne-Erzählung wird eine ausführliche Passage über einen ägyptischen Magier und seinen nubischen Rivalen in einer Rückblende als Brief eingeschaltet. Im Setne I wird eine lange Vorgeschichte als historischer Rückblick von einer der Beteiligten gesprochen. Auch die Setne-Geschichte des pCarlsberg 207 enthält zumindest eine längere Partie, die als Rede eines Geistes stilisiert wird, den Setne trifft. Die Petese-Erzählung schließlich gibt an, wie der Held in den letzten 35 Tagen seines Lebens pro Tag je eine gute und eine unanständige Erzählung abfassen läßt, die später ein Pavian seiner Frau vorträgt. Derartige Rahmenhandlungen führen ältere ägyptische Traditionen fort, insbesondere der pWestcar und der Schiffbrüchige sind hier zu nennen, während in neuägyptischen Erzählungen bislang nichts Vergleichbares aufgetaucht ist. Sie werden im Demotischen jedenfalls sehr virtuos eingesetzt.35 Umgekehrt dient in der Lehre des Chascheschonqi eine ausführliche Erzählung als Rahmen und Motivation für eine Weisheitslehre. Auch die aus dem Aramäischen übersetzte Lehre des Achiqar weist lange narrative Passagen auf. 35

TAIT, in: NORD, RYHOLT (Eds.), Fs Frandsen, S. 391-401.

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Typisch für die Erzählweise dieser Texte ist eine häufige Benutzung von festen Phrasen, die entweder gleichartige Sachverhalte auch gleich wiedergeben oder für bestimmte Abschnittsstrukturierungen rekurrierende Ausdrucksweisen benutzen. Teilweise sind die rein erzählerischen Partien eher knapp und ohne großen stilistischen Aufwand geschrieben, während es die wörtlichen Reden, insbesondere in Form von Dialogen, sind, welche die Handlung wesentlich voranbringen und an denen auch die ausschmückende Kunst des Autors jeweils ansetzt, so insbesondere im pVandier. Die SetneErzählungen formulieren meist unaufdringlich, bringen aber auch in den narrativen Partien eine feinere Gestaltungsfähigkeit, Aufmerksamkeit für Charaktere und ihr Verhalten, und etwa in der Tabubu-Episode einen raffinierten Spannungsbogen. Im Inaros-Zyklus ist eine größere Vorliebe für teilweise recht hyperbolische Naturvergleiche festzustellen, besonders in den Kampfschilderungen auch eine gewisse Menge Bombast. Beschreibungen von Landschaften oder Objekten bleiben meist zurückhaltend. Lediglich dort, wo ihre Nennung von größerer Relevanz für den Fortgang der Handlung ist, geht der Erzähler mehr in die Details.36 Ungewöhnlich ausführlich ist etwa die Beschreibung im pKrall, wie Inaros seine Kleidung und Rüstung anlegt. Auch die Schilderung des Anwesens der Tabubu in der ersten Setne-Erzählung enthält eine beachtliche Menge an Einzelheiten, die evident den Reichtum und üppigen Lebensstil demonstrieren sollen. Ganz ungewöhnlich, allerdings weniger eine Schilderung des Aussehens als eine theologische Ausdeutung der Bestandteile, ist die Passage über die Barke des Amun im pSpiegelberg. Soweit erkennbar, sind die Erzählungen (potentiell mit Ausnahme eingebauter Gebete) nicht metrisch geformt, sondern reine Prosatexte. Das Maß an Durchstilisierung mit rhetorischen Figuren bleibt üblicherweise begrenzt. Prinzipiell ist der Erzähler neutral eingestellt bzw. gibt nicht aus sich heraus einen parteiischen Standpunkt an. Die Bewertung der Handlungen wird somit zumindest vorderhand dem Leser überlassen, selbst wenn innerhalb des Textes einzelne Personen Urteile fällen. Z.B. heißt es im Setne I, als Setne auf 36

Vgl. JASNOW, in: HAWASS, RICHARDS (Eds.), Fs O’Connor, S. 433-448; und spezieller für die Beschreibung von Menschen, ihrer Kleidung u.ä. LAZARIDES, ENIM 6, S. 123-137.

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Tabubus Aufforderung eingeht, sie unter ihren Bedingungen und auf ihrem Grund und Boden zu treffen, daß sein Gefolge empört war. Der Erzähler vermeidet jedoch, Setne hier selbst explizit als verblendet oder töricht zu bezeichnen – und erzeugt diesen Eindruck beim Leser dadurch nur um so besser. Auch die Gefühle der Handelnden werden primär in deren Selbstäußerungen deutlich, sei es, daß sie weinen oder jubeln, sei es, daß sie Ängste oder Kümmernisse äußern oder ihre schlechte Laune kundtun.37 Lediglich die Phrasen „sein Herz war glücklich“ und „sein Herz verzagte“ sind mit einiger Häufigkeit als objektive Feststellungen des Erzählers belegt. Ganz ungewöhnlich ist es, wenn im pKrall 18, 3-7 der Erzähler mit der rhetorischen Frage „Wer hat je das Sumpfgebiet mit Vögeln, das Meer mit Fischen gesehen? Wer hat den Gazellensee mit der Familie des Inaros gesehen, indem sie wie Stiere brüllten, vor Kraft strotzten wie Löwen und wie Bären rissen?“ sich selbst einbringt und seine Leser- bzw. Zuhörerschaft direkt anspricht. Normalste Erzählperspektive ist die des allwissenden Erzählers in der dritten Person. Allerdings können Einzelpartien in unterschiedlichem Ausmaß eingefügt werden, in denen Aktanten in der ersten Person berichten, was sie erlebt haben, und dadurch wesentliche Beiträge zur Handlung liefern. Meist sind sie kurz, wie etwa, wenn Monthbaal im Kampf um den Panzer des Inaros berichtet, wie ihn ein Traumgesicht auf den Weg geschickt hat, oder im selben Text ein Krieger erzählt, was er beim Kuraufenthalt in Mendes gesehen hat. Ein wesentliches Element scheinen solche Rückblenden unter anderem im pSaqqâra 1 gewesen zu sein. Große Ausmaße nimmt diese Technik insbesondere in der ersten Setne-Erzählung ein, in der Ahweret eine sehr lange Rückblende liefert, die mindestens ein Drittel des gesamten Werkes ausgemacht haben muß (der Anfang ist verloren). Bemerkenswert ist daran zudem, daß Ahweret für den größeren Teil dessen, was sie berichtet, gar nicht handlungsbestimmende Protagonistin, teilweise sogar nicht einmal zugegen war. Ihr Brudergatte Naneferkaptah, der während ihrer Erzählung anwesend ist und mehr von den Ereignissen aus eigenem direktem Erleben hätte schildern können, überläßt jedoch ihr das Wort. Möglicher Grund ist hier, daß es sich um 37

Vgl. TAIT, in: NORD, KJØLBY (Eds.), ‘Being in Egypt’, S. 75-82.

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Ereignisse handelt, die in Trauer und Leid enden, und eine (Klage)frau hierfür als Vortragende gattungsgeeigneter schien.38 Ebenso ermöglicht es diese Außenperspektive leichter, auch Kritik an Naneferkaptahs nicht immer untadligem Verhalten zu äußern. Auch die Kopenhagener Setne-Erzählung (pCarlsberg 207) bringt erhebliche Bereiche als Erzählung eines Geistes, doch ist aufgrund der schlechten Erhaltung ihr Anteil an der Gesamtkomposition nicht abschätzbar. In der Erzählführung kann man teilweise eine ganz natürliche Raffung feststellen, wenn z.B. für die Handlung relevante Ereignisse erst nach Anreise der Helden eintreten. Hier sind Formeln wie ssw sbQ n# |:|r+ Xpr „einige Tage später“ (wörtlich „wenige Tage waren es, die geschahen“) üblich. Viel seltener ist eine Dehnung, wenn etwa das Anlegen der Rüstung durch einen Helden detailreich geschildert wird. Normalerweise wird der Erzählfaden einsträngig gehalten. Sofern mehrere Aktionen parallel laufen, widmet sich der Erzähler erst der einen, die er bis zu ihrem Abschluß führt, um danach mit der Formel |:|r+ n#y @r=w Xpr „während all dies geschah“ die zweite einzuführen. Nicht ganz selten werden bestimmte Handlungsabläufe, die sich in ähnlicher Form wiederholt ereignen, auch mit einer normierten und oft wörtlich gleichen Ausdrucksweise im Text wiederholt.39 Das Einwirken der Götter auf die menschlichen Angelegenheiten hält sich meist in engen Grenzen. Zwar rufen die Kämpfer der heroischen Erzählungen gerne toposhaft am Beginn eines Kampfes ihre persönlichen Gottheiten um Beistand an, jedoch wird nie explizit berichtet, daß sie dadurch zusätzliche Kraft gewonnen hätten, geschweige denn, daß (wie etwa in der Ilias) die Götter direkt mitkämpfen würden. Meist operieren sie indirekt über Dämonen, die auf die Erde gesandt werden.40 So werden im Kampf um den Panzer des Inaros zu Beginn der Erzählung zwei Dämonen von Osiris ausgeschickt, um die Protagonisten zweier Heldengeschlechter zum Kampf gegeneinander anzusta38

Vgl. auch VINSON, in: MCKECHNIE, GUILLAUME (Eds.), Ptolemy II Philadelphus, S. 303351, ders., in: RUTHERFORD (Ed.), Greco-Egyptian Interactions, 252-263, dessen Versuch, Ahweret in der Rolle der Isis zu sehen, mir auf zu vagen Ähnlichkeiten zu beruhen scheint und die realen erheblichen Unterschiede nicht ausreichend beachtet. 39 HOFFMANN, Kampf um den Panzer des Inaros, S. 15-127; TAIT, in: BECHTOLD, GULYÁS, HASZNOS (Eds.), Fs Luft, S. 279-285. 40 QUACK, in: EGO, MITTMANN (Hrsg.), Evil and Death, S. 385f.

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cheln; in der ersten Setne-Erzählung benutzt Thot nach Autorisierung durch den Sonnengott einen strafenden Dämon, Re selbst einen in der Fabel von der Katze und der Geierin im Rahmen des Mythos vom Sonnenauge. Daß dagegen im Kampf um den Panzer des Inaros Anubis auf der Erde agiert, indem er einen neugierigen Schreiber des Gottesbuches tötet, ist ziemlich ungewöhnlich, ebenso, wenn in der Bes-Erzählung Isis dem Frevler Bes direkt erscheint und ihn mit Aussatz schlägt.41 Auch in einer Erzählung der Krugtexte erscheint Isis dem Leidenden, der zu ihr fleht, direkt. In allen Fällen handelt es sich um Aktionen, die wohl zu wichtig und zu dringend waren, um sie jemand anderem anzuvertrauen. Normalster Weg der Kommunikation von der Sphäre des Übermenschlichen zur Erde ist dagegen der Traum. Dieser kann teilweise unprovoziert eintreten, wenn z.B. im Kampf um den Panzer des Inaros der Held Monthbaal durch eine Stimme im Traum aufgefordert wird, sich am Gazellensee einzufinden. Nach einer Feier sinkt Prinz Petechons in der Amazonen-Erzählung in Schlaf, und im Traum erscheint ihm der verstorbene Inaros, der ihn vor göttlichem Zorn warnt. Manchmal ist es aber so, daß ein Mensch die Gottheit explizit um Beistand anfleht und als Reaktion darauf in einer bewußten Inkubation eine Traumoffenbarung erhält. So gibt Thot in der zweiten SetneErzählung dem Magier Hor, Sohn des Panesche, kund, wie er den König retten kann; ebenso erteilt Hathor im pSaqqâra 2 vs. Merib Auskunft darüber, wie er zum verschollenen Herrscher gelangen kann. Auch in der Erzählung über König Wenamun (pCarlsberg 459) spielt provozierte Inkubation eine wesentliche Rolle. Allerdings erfolgt die Kommunikation mit den Geistern verstorbener Menschen in den Setne-Erzählungen, in denen sie häufig ist, immer direkt, ohne das Medium des Traums, ebenso redet Petese direkt mit einem Geist, den er in seinem Hof einfängt.42 Möglicherweise waren diese Verstorbenen in den Augen der Ägypter auf einer anderen ontologischen Ebene als die Götter angesiedelt. 41

QUACK, in: EGO, MITTMANN (Hrsg.), Evil and Death, S. 383f. Zu Geistern in demotischen Erzählungen vgl. ADAMS, in: CANNATA (Ed.), Current Research in Egyptology 2006, S. 10-17. 42

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Thematisch kann man zwei Hauptbereiche erkennen. Eine Traditionslinie kreist um Tempel und Priester,43 wobei Magie eine erhebliche Rolle spielt, oft auch Liebe und die Frage angemessener Gattinnenwahl.44 Der andere Strang hat seinen Sitz im heroischen Kriegertum und konzentriert sich auf Heldentaten. Von Letzterem ausgehend entwickelt sich auch eine mehr in die Romanze gehende Richtung. Da aber Wundererlebnisse in jedem Fall auftreten können, zudem die Helden meist mit dem Tempelkult institutionell verbunden sind, läßt sich keine scharfe Trennungslinie ziehen. Dennoch ist zu vermuten, daß die Themenauswahl etwas mit den Gesellschaftsklassen der Priester und der Krieger (oft libyscher Herkunft) zu tun hat, die wahrscheinlich die Hauptlesergruppen für die demotische Literatur waren. Zudem ist zu beachten, daß die priesterliche Einbindung der kämpfenden Helden sich auf den Rang eines einfachen wob-Priesters beschränkt, während die zauberkundigen Spezialisten den Rang eines Vorlesepriesters oder vergleichbare Qualitäten haben. Der ägyptische Herrscher wird nicht nur in der Datierung genannt, sondern spielt in vielen der Erzählungen auch eine mehr oder weniger große Rolle in der Handlung.45 Jedoch entspricht es einem durchgängigen Gattungsgesetz, daß der Herrscher nicht der positive Hauptprotagonist sein darf. Im Detail gibt es dabei genügend Spielraum für unterschiedliche Ausmalungen. So ist in den Setne-Erzählungen Pharao immer die unhinterfragte Autorität, im pVandier dagegen charakterschwach und von den Antagonisten beeinflußbar, im Inaros-Petubastis-Zyklus gegenüber den Eigenmächtigkeiten der großen Sippen relativ hilflos. Selbst im Sesostris-Roman, welcher der Konstellation eines Königs als Protagonisten am nächsten kommt, ist der agierende Held in der erzählten Zeit nur Prinz, Sohn seines regierenden Vaters. Erst die griechische Umsetzung dieser Tradition bei den Historikern (nicht in den erhaltenen Fragmenten des Sesonchosis-Romans) macht ihn als Herrscher gleichzeitig zum Haupthelden.

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Zu Priestern in Erzählungen s. DIELEMAN, Priests, Tongues, and Rites, S. 221-254; QUACK, in: ROEDER (Hrsg.), Magie, iV. 44 Speziell zu Liebe als Motiv demotischer Erzählungen s. QUACK, WdO 46, S. 66-70. 45 QUACK, in: LANFRANCHI, ROLLINGER (Eds.), Concepts of Kingship, S. 4-6. Vgl. auch LOPRIENO, BSFÉ 142, S. 4-24.

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Eigentlich dominierender Held und Protagonist ist in den demotischen Erzählungen dagegen ein herausragender Ägypter, meist ein Priester oder ein Vertreter eines Kriegergeschlechtes. Eine wichtige Eigenheit der narrativen Literatur ist ihre Tendenz, „Zyklen“ aufzubauen, in denen sich um einen gleichbleibenden Protagonisten verschiedene Erzählstoffe in oft nur loser Verbindung ranken können. In manchen Fällen ist es bei günstiger Überlieferungslage bereits gelungen, die Helden der demotischen Literatur als konkrete historische Persönlichkeiten nachzuweisen. Dies gilt etwa für Imhotep, den bekannten Weisen unter König Djoser, sowie für Setne, der auf Chaemwese, den Sohn Ramses’ II., zurückgeht. Auch ein hoher Finanzbeamter Horudja konnte als reale Person der Perserzeit nachgewiesen werden.46 In anderen Fällen, wie bei Petese, kann man zwar noch kein sicheres historisches Urbild aufzeigen, aber weitreichende Traditionslinien aufzeigen.47 Jedenfalls ist damit zu rechnen, daß die Helden der Erzählungen vielfach im Kern auf einst lebende Ägypter zurückgehen, deren Errungenschaften ihre Umwelt so beeindruckt haben, daß sie nicht dem Vergessen anheimfielen, sondern in zunehmender Ausschmückung und Verfremdung gegenüber der einstigen Wirklichkeit ein literarisches Eigenleben entwickelten. Als typische Gegenparte der Ägypter in der Literatur erscheinen vor allem die Assyrer und die Nubier bzw. Meroiten. Diese Konstellation entspricht den politischen Gegebenheiten zumal in der formativen Phase der demotischen Literatur während der Saitenzeit, daneben auch den späteren Kontakten zum meroitischen Reich. Zu beachten ist allerdings, daß gerade die Assyrer im Inaros-Zyklus teilweise nicht eigentlich Feinde sind, sondern eher Verbündete, die dem ägyptischen Kommando untergeordnet sind, insbesondere in der Amazonen-Erzählung. Auch dies ist eine Situation, die in der Geschichte der 26. Dynastie reale Hintergründe hat, obgleich die Ägypter dazu neigen, durch Einstufung der Assyrer als Untergebene die tatsächlichen Verhältnisse gerade umzudrehen. Insbesondere im Falle weiter zurückreichender historischer Rahmengebungen muß man damit rechnen, daß die Realität ganz anachroni46 47

YOYOTTE, CRAIBL 1989, S. 78. QUACK, CdÉ 77, S. 76-92; RYHOLT, The Petese Stories II, S. 13-16.

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stisch verfremdet wird, so etwa, wenn Djoser und Imhotep sich mit den Assyrern beschäftigen. Durch die Konfrontation mit auswärtigen Mächten ist bedingt, daß ein Gutteil der Handlungen im Ausland spielt,48 wobei ferne Länder bis hin nach Persien und Indien erscheinen. Hier zeigt sich der gewachsene geographische Horizont der hellenistischen Zeit. Tendenziell gibt es sicher mehr Fälle in der demotischen als in der älteren ägyptischen Literatur, daß narrative Texte Reisemotive haben bzw. im Ausland spielen. Dieses Ausland ist dabei üblicherweise auch eine reale geographische Größe, keineswegs formalisiert oder ins Phantastische bzw. Fiktive abgeglitten. Selbst das „Land der Frauen“ in der Amazonen-Erzählung ist in der Konzeption zeitgenössischer Geographen eine reale Größe; es steht auch in der Erzählung neben den ganz unzweideutigen Ortsangaben Syrien und Indien. Gerade die lange Komposition über die Heldentaten des Inaros zeigt mit der Nennung realer akkadischer und iranischer Personennamen sowie des persischen Berges Alwand eindrucksvoll eine recht gute Kenntnis selbst ferner Gegenden; auch „Naneferkasokar und die Babylonier“ (s. S. 52) präsentiert etliche fremdländische Personen mit ihren Namen. Ein reizvolles Motiv ist auch die Kenntnis ägyptischer kultureller Bräuche bei Fremden bzw. ihre Vermittlung. So scheint sich in der AmazonenErzählung die Königin Serpot gut mit der ägyptischen Sitte der Mumifizierung und den Opfern für die Toten auszukennen. In der Erzählung von Naneferkasokar und den Babyloniern erklärt der Titelheld seinen Gastgebern ausführlich bestimmte Sitten der Ägypter im Zusammenhang mit dem Jahresbeginn und unglückbringenden Tagen. Dieselbe Passage bezeugt auch, daß den Ägyptern der babylonische Jahresbeginn im Frühjahr bekannt war. Ebenso kennen sich die Ägypter in der zweiten Setnegeschichte gut genug mit den Eßgewohnheiten der Nubier aus, um deren Gesandten ihre übliche Kost bieten zu können, auch wenn die Ägypter von dieser wenig halten.49 Gerade die Frage der Eßgewohnheiten dient auch als Anzeiger innerägyptischer Oppositionen. In den heroischen Erzählungen des Inaros-Zyklus wird 48 49

VITTMANN, WZKM 96, S. 305-337. SAUNERON, Kush 7, S. 63-70; POPE, Azania 48, S. 486-489.

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bei der Konfrontation der Kämpfer in den Schmähreden die Herkunft und darauf beruhende Speisesitten angesprochen. Insbesondere werden die Mendesier als wnm #wS „Breifresser“ und die Leute aus Elephantine sowie die Nubier als wnm Qmê „Harzfresser“ bezeichnet.50 Eine über die rein paläographische Ansetzung der Handschriften hinausgehende Chronologie der erzählenden Literatur ist bislang nur in geringem Umfang entwickelt worden, obgleich erheblicher Bedarf daran bestünde, schon im Hinblick auf die vieldiskutierten Kontakte mit anderen Kulturen. Konkret ist die Amazonen-Erzählung auf die Zeit zwischen der Endphase der Ptolemäerzeit und 200 n. Chr., der Kampf um den Panzer des Inaros in die Zeit von 250 bis 50 v. Chr. gesetzt worden.51 Die herangezogenen Kriterien sind bislang relativ vage. Neben inhaltlichen Fragen spielen dabei sprachliche und orthographische Formen eine Rolle, die den Eindruck erwecken, für die Zeit der Niederschrift unüblich, in älteren Epochen jedoch normaler zu sein. Die Präzision der Datierungen wird in dem Maße wachsen, wie ein festerer Rahmen insbesondere hinsichtlich sprachlicher, aber auch inhaltlicher Kriterien aufgebaut werden kann. Eine besonders frühe narrative Handschrift ist der späthieratische pVandier (etwa Saitenzeit), der sprachlich bereits eher dem demotischen Bereich zuzuordnen ist, aber noch manche Relikte älterer Formen aufweist. Dem entspricht auch, daß mutmaßlich sein Hauptheld bereits in einem ramessidischen Fragment auftritt.52 Ebenfalls sehr früh ist eine Holztafel, die auf der einen Seite den Anfang einer abnormal-hieratischen Erzählung überliefert.53 Indirekt läßt sich frühdemotische narrative Literatur durch Übersetzungen nachweisen. Herodots Bericht (II, 111) über König Pheros setzt die Existenz derjenigen ägyptischen Erzählung voraus, die konkret als eine der 70 eingelegten Erzählungen in der Petese-Erzählung in einer römerzeitlichen Handschrift 50

Vgl. HOFFMANN, Kampf um den Panzer des Inaros, S. 162; AUFRÈRE, in: Encyclopédie religieuse de l’univers végétale III, S. 157-161; QUACK, ZDMG, iDr. 51 HOFFMANN, Ägypter und Amazonen, S. 29f.; ders., Panzer, S. 120-124. Der Rahmen nach unten wäre für die Amazonen-Erzählung auf jeden Fall knapper zu fassen, da die Handschrift paläographisch älter ist als der in späthadrianische Zeit datierte pKrall; HOFFMANN, in: ROEDER (Hrsg.), Erzählen in frühen Hochkulturen I, S. 372 setzt sie jetzt ins 1. Jhd. n. Chr. 52 POSENER, Papyrus Vandier, S. 17f.

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erhalten ist – die Rahmenhandlung an sich ist bereits in einem Fragment des 4. Jhds. v. Chr. nachweisbar. Aramäische Papyrusfragmente der Perserzeit bieten geringe Reste einer Erzählung über Hor, Sohn des Pwenesch, der als Held einer demotischen Erzählung der Römerzeit bekannt ist. Ohne erhaltene ägyptische Vorlage ist ein aramäischer Text, der Taharko (und eventuell Inaros) erwähnt und ebenfalls aus dem Ägyptischen übersetzt sein dürfte (s. S. 54).54 Umfangreicher faßbar wird die demotische narrative Tradition dann mit den Saqqâra-Papyri aus dem 4.-3. Jhd. v. Chr. Diese meist indirekten Zeugnisse zeigen, daß es bereits in frühdemotischer Zeit eine umfangreiche erzählerische Literatur gegeben hat, und zugleich, daß ein Urteil anhand der Datierung der zufällig erhaltenen konkreten Niederschriften sehr riskant ist.55 Hier soll deshalb rein pragmatisch der Versuch gemacht werden, die erzählerische Literatur anhand der Zeitstellung der in ihr enthaltenen Herrscher und historischen Persönlichkeiten zu ordnen. Dies wird zwar kaum der realen Entstehung der konkreten Erzählungen entsprechen, doch läßt sich daran zumindest ablesen, welche Personen aus welcher Zeit zum Kristallisationspunkt dichterischer Phantasie wurden. Gerade hieraus kann man in hohem Maße erschließen, wie die Ägypter der Spätzeit ihre eigene Vergangenheit gesehen haben.56 Dabei ist bezeichnend, daß aus den großen Epochen der älteren Geschichte nur vereinzelte Herrscher einen so bleibenden Eindruck gemacht haben, daß sich an sie dauerhaft lebendige Erzählungen knüpfen konnten – und auch diese oft mit wenig historischer Substanz. Dagegen ist für die jüngeren Epochen der ägyptischen Geschichte, ab der späteren Libyerzeit bis zur 30. Dynastie, die Dichte der Ereignisse und Personen, an die sich Erzählungen knüpfen, viel größer und die historische Treue mutmaßlich besser; eben für die Epochen, welche der formativen Phase der demotischen Literatur naheliegen oder sogar mit ihr identisch sind.

53

VITTMANN, Ä & L 16, S. 187-193 LEMAIRE, in: Studia Aramaica, S. 77-132. 55 Zum frühen Einsetzen demotischer narrativer Texte s. jetzt HOFFMANN, in: ROEDER (Hrsg.), Erzählen in frühen Hochkulturen, S. 351-384. 56 Vgl. RYHOLT, in: FITZENREITER (Hrsg.), Das Ereignis, S. 230-238. 54

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Diese gespaltene Situation, die zwischen einer verwaschenen Fernerinnerung und einer recht präzisen Naherinnerung scheidet, dürfte auch dem Niederschlag bei griechischen Historikern entsprechen. Was Herodot über die älteren Epochen schreibt, dürfte wesentlich auf indigen ägyptische Erzählungen zurückgehen und ist chronologisch verwirrt und inhaltlich unsubstantiell, während seine Angaben ab der 26. Dynastie erheblich präziser werden. Auch die erzählerischen Exkurse in Manethos Geschichtswerk werden auf ägyptische historische Romane zurückzuführen sein. 3.2. Geschichten über die Götter Den Anfang machen möchte ich, für Ägyptologen vielleicht überraschend, aber der sachlichen Konzeption der Texte gemäß, mit der Königsherrschaft der Götter auf Erden. Insbesondere muß sich hier die Frage aufdrängen, inwieweit die z.B. bei Diodor I, 17-20 berichtete Herrschaft des Osiris und sein siegreicher Heerzug durch alle Länder auf demotischen Erzählungen beruht. Es gibt jedenfalls heroische Erzählungen, deren Helden Götter sind, ohne daß sich ansonsten in Ausdrucksweise und Motiven wesentliche Unterschiede zu anderen Heldenerzählungen ergeben würden. Ein Kandidat für eine solche Einstufung ist ein ptolemäerzeitliches Fragment der ehemaligen Sammlung Michaelidis.57 Darin wird Osiris Wennefer mehrfach als „mein Herr“ angesprochen und agiert selbst, ebenso Anubis, der als sein Sohn erscheint. Ein unpublizierter Papyrus der Römerzeit in Kopenhagen (pCarlsberg 643) könnte Osiris als Anführer einer Armee zeigen, doch ist die genaue Interpretation noch unsicher.58 Immerhin sprechen Stellen wie „König des ganzen Landes Osiris Wennefer“ oder „mein Sohn Osiris, Herr der Götter“ dafür, daß es sich wirklich um Aktionen des lebenden Osiris handelt. Sonst treten Thot und Miysis auf, als Gegenspieler ist möglicherweise Apopis erwähnt. Ein winziges Bruchstück wohl dieser Handschrift könnte allerdings den Namen des Inaros zeigen. Dafür wäre zu beachten, daß nach der AmazonenErzählung Inaros ein Sohn des Osiris Wennefer ist. Da zudem auch Necho 57 58

BRESCIANI, Testi demotici, S. 8-11, T. 4. Ich bereite eine Neuedition vor. Kurz erwähnt bei QUACK, in: Fs Assmann, S. 343f.

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auftritt, wäre es denkbar, daß die mythischen Episoden tatsächlich Teil der Einführung des großen Inaros-Epos sind (vgl. S. 55). Osiris als mutmaßlicher Held, daneben aber auch weitere ägyptische Gottheiten wie z.B. Schu, der als „Vater seines Vaters“ bezeichnet wird, begegnen auch im pCarlsberg 460.59 Verschiedene Boten werden mit Briefen zu Geb und Schu ausgeschickt. Auch das Land Syrien wird erwähnt. Auch im pCarlsberg 284 dürften Kriegszüge der Götter geschildert sein.60 Möglicherweise in ähnlichem Zusammenhang steht ein ptolemäerzeitliches Fragment (pMarburg Inv. 39). Dort agiert Schu kämpferisch auf dem Schlachtfeld, auch Re wird erwähnt. In jedem Fall zeigt ein auf einer Übungstafel erhaltener Textanfang, wie ein Regierungsjahr des Re mit einem des Osiris verknüpft wird, der für 14 Jahre in den Kampf zieht.61 Einige unpublizierte Fragmente scheinen insbesondere im Umkreis des Todes des Osiris und der Suche nach seinem Leichnam bzw. dessen Teilen zu stehen.62 Im römerzeitlichen pCarlsberg 621 aus Tebtynis geht es darum, daß Isis und ihr Vater Thot nach Osiris suchen. Dabei erscheinen auch ausländische Ortschaften, u.a. Persien und das Land der Frauen, auch ein „Großer von Kabul“ dürfte erwähnt sein. Ein Großer der Millionen namens #ryn erscheint, zudem der Große des Ostens Apopis, auch die Apopis-Schlangen im Plural. Letztere dürften als die Giganten zu erkennen sein, die auch bei Diodor (I, 26, 6-7) als Gegner des Osiris genannt sind. Enger verwandt mit diesem Text, eventuell sogar eine zweite Handschrift derselben Komposition, ist der spätptolemäische oder frührömische pCarlsberg 79. Einerseits tritt hier als handelnde Gestalt #ry#n auf, der sicher mit dem #ryn von pCarlsberg 621 identisch ist. Assyrien und das Land Bachtan werden erwähnt, eventuell auch die Festung von Alwand. Die von #ry#n aufgeforderten assyrischen Edlen beobachten den Himmel und schließen daraus, daß der Stern des Osiris seine Bahn verlassen hat, auf den Tod des 59

Vorbericht KOCKELMANN, in: DEPAUW, BROUX (Eds.), Acts of the International Congress of Demotic Studies Leuven, S. 116-123. 60 Vorbericht KOCKELMANN, in: DEPAUW, BROUX (Eds.), Acts of the International Congress of Demotic Studies Leuven, S. 123-125. 61 SPIEGELBERG, ZÄS 50, S. 33f.; zur Deutung der Zahlen s. QUACK, in: FALK (Hg.), Vom Herrscher zur Dynastie, S. 48. 62 QUACK, in: RYHOLT, The Carlsberg Papyri 11, in Druck.

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Osiris. Apopis und die Giganten werden ebenfalls erwähnt. Mehrfach scheinen Briefe im Wortlaut zitiert. Ein mythologisches Fragment in Wien (pWien D 62 rt.)63 zeigt verschiedene Götter, die agieren und zwar vornehmlich an bestimmte Orte gehen, dabei teilweise auch bestimmte Gestalten annehmen. Eine Verbindung mit der griechischen Überlieferung über die Flucht der Götter vor dem Angriff des Typhon, wobei sie zur Tarnung Tiergestalt annehmen,64 wäre sehr spekulativ, ist aber nicht undenkbar. Während diese Erzählungen, abgesehen davon, daß ihre Protagonisten Götter sind, den heroischen Erzählungen nahestehen, setzen andere mythologische Texte die Akzente anders. Insbesondere der Horus- und Seth-Komplex, der seit dem Mittleren Reich immer wieder nachweisbar erzählerisch ausgestaltet wurde, ist im Demotischen mehrfach belegt. Ein spätptolemäisches Papyrusfragment (pBerlin 15549+1551+23727)65 enthält Reste einer Verhandlung über das Herrschaftsamt unter Einbeziehung der Göttin Neith. Horus beansprucht die Macht und wird darauf von Seth geschlagen, worüber Neith ergrimmt. Ein Brief wird an Re geschickt, vor dem dann der weitere Prozeß stattfindet. In der Verhandlung tritt auch der Ba von Mendes auf. Potentiell ähnlich gelagert im Plot ist ein schlecht erhaltenes römerzeitliches Fragment (pCarlsberg 676).66 Darin wird ein Plädoyer gehalten, etwas (wohl ein Herrschaftssymbol) auf den Kopf des Horus zu setzen, worauf ein männlicher Protagonist wütend mit dem Zerreißen seiner Kleider reagiert. Vermutlich handelt es sich hier um Seth, der seinerseits das Herrscheramt beansprucht. In diesem Text wird Seth explizit als Sohn des Re bezeichnet. In einer spätrömischen Handschrift, dem pWien D 6920-6922 rt.67 sind andere Aspekte der Handlung erhalten. Dort will Horus Seth in die Wüste verfolgen. Isis warnt ihn vor Wassermangel und verwandelt ihn magisch in 63

HOFFMANN, in: HOFFMANN, THISSEN (Hrsg.), Fs Zauzich, S. 252-257. Vgl. für das Motiv GRIFFITHS, Hermes 88, S. 374-376; L. STÖRK, Die Flucht der Götter, GM 155 (1996), S. 105-108. 65 Ediert von ZAUZICH, in: Fs Lüddeckens, S. 275-281, T. 38. Zu Details der Lesung s. QUACK, Enchoria 25, S. 39f. 66 Edition RYHOLT, The Carlsberg Papyri 10, S. 171-177, Taf. 22. 67 Ediert von HOFFMANN, SAK 23, S. 169-180, T. 3. 64

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einen schwarzen Stier, wobei sie verspricht, Regen zu bewirken und den Berg grünen zu lassen. So geschieht es auch, und Horus in Gestalt des Stieres findet einen Esel, der wohl die Form des Seth darstellt. Der weitere Streit der beiden um das Herrschaftsdiadem ist schlecht erhalten. Noch eine weitere demotische Fassung des Horus- und Seth-Stoffes, die bislang nicht publiziert ist, findet sich in einem Papyrus des 4. Jhds. v. Chr. aus Saqqâra. In ihm soll die Krönung sowohl des Horus als auch des Seth durch Thot und die jeweilige Reaktion der Isis darauf geschildert sein.68 Verschiedene Motive erinnern an das Denkmal memphitischer Theologie. Eventuell handelt es sich auch beim Ostrakon Kairo JdÉ 50266 um den Rest einer mythologischen Erzählung.69 Erwähnt wird dort, daß Isis einen lauten Schrei ausstößt und daß jemand in der Halle des Tempels von Koptos ruht. Es wäre reizvoll, hier eine Verbindung zur Trauer der Isis um Osiris in Koptos zu suchen, wie sie z.B. Plutarch, De Iside 14 beschrieben wird. 3.3. Geschichten über die Frühzeit und das Alte Reich Schlecht erhalten und entsprechend änigmatisch ist eine Komposition im pSaqqâra 2 vs., in der ein König auftritt, dessen Name mutmaßlich als Badja zu lesen ist.70 Dies würde der Form entsprechen, die der Name des ersten Herrschers der zweiten Dynastie in späteren Listen annimmt. Hauptheld ist der Ägypter Merib. Zu Beginn des erhaltenen Textes fleht er offenbar die Göttin Hathor an, ihm einen Weg in der Wildnis zu zeigen. Konkreter will er Details über den Verbleib des Königs erfahren. Eventuell wird diese Anrufung als Erzählung innerhalb einer wörtlichen Rede referiert, denn die Szene wandelt sich nun zum Königshof, wo die Fürsten und Großen Merib vorwerfen, für ein Unheil verantwortlich zu sein. Merib geht betrübt von dannen, erhält dann aber eine Traumoffenbarung der Göttin. Sie zeigt ihm, wie Pharao in der Wildnis lebt und sie ihm einen Löwen als Leibdiener zugesellt hat. Merib solle der Armee verkünden, daß ihr 68

TAIT, in: MORGAN, STONEMAN (Eds.), Greek Fiction, S. 209f. Abgebildet bei K. LEMBKE, C. FLUCK, G. VITTMANN, Ägyptens späte Blüte. Die Römer am Nil (Mainz 2004), S. 89. 70 SMITH, TAIT, Saqqâra Papyri I, S. 109-142. 69

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Herr in Sicherheit sei. Er solle auf einem Pferd ausziehen, das ohne Zügel oder Gebißstange ausgerüstet ist, um den König zu retten. Merib folgt dieser Anweisung und trifft mitten in der Nacht auf die Fürsten des Hofes. Er berichtet ihnen, was er im Traum von Hathor über die Wanderungen des Königs erfahren hat. Sie reagieren ablehnend; ihre Loyalität gilt offenbar eher einem Kämmerer, der den König erst eingesetzt hat. Die bisher gesprochenen Worte werden von einem Schreiber notiert, Kinder einer (nicht erhaltenen) Gruppe werden auf Vorschlag des Briefschreibers unter Zustimmung des Kämmerers inhaftiert, bis Pharao wiederkomme. Merib reitet davon. In der sechsten Stunde des Tages trifft er auf eine Gruppe von Tieren der Wildnis, unter denen auch der König sitzt. Merib wirft sich vor ihm nieder und verehrt auch die Göttin Hathor. Der König wirft dem Kämmerer vor, er sei es, der ihn inhaftiert habe – und damit bricht der Papyrus ab. Diese Erzählung, in welcher der ägyptische König bemerkenswert durch seine eigenen Landsleute gefährdet scheint, mag die Realitäten des komplexen Intrigenspiels am Hof andeuten, sie würde auf jeden Fall gut zur Situation des Badja als erstem Herrscher einer neuen Dynastie passen. Andererseits wird man auch die Frage stellen müssen, ob die Episode des unter Tieren lebenden Königs nicht wenigstens entfernte Verbindungen mit dem Bericht über den babylonischen Herrscher in der Wildnis aufweist, der im biblischen Text (Daniel Kap. 4) Nebukadnezar nennt, nach einem aramäischen Fragment aus Qumran (4Q 242) aber ursprünglich Nabonid zur Hauptperson hatte. Nur in Vorberichten faßbar sind größere Fragmente einer Erzählung, die um König Djoser und Imhotep kreist und im pCarlsberg 85 aus der Römerzeit überliefert ist.71 Die grundsätzliche Situation ist die, daß Djoser und Imhotep in Vorderasien nach den „42 Gottesgliedern“ suchen. Diese dürften als die 71

BARNS, Akten des VIII. Kongresses für Papyrologie, S. 33; D. WILDUNG, Imhotep und Amenhotep. Gottwerdung im alten Ägypten, MÄS 36 (München, Berlin 1977), S. 130f. Edition durch K. Ryholt in Vorbereitung; Vorbericht ders., in: Fs Larsen, S. 500-502; ders., in: WIDMER, DEVAUCHELLE (Éds.), Actes Paris, S. 305-315. Es wäre zu prüfen, ob die von WILDUNG, Imhotep und Amenhotep, S. 131f. genannten Stücke aus der Sammlung Michaelidis nicht doch zur selben Handschrift gehören; die für das Kopenhagener Stück gegebene Datierung ins 2.-3. Jhd. n. Chr. ist jedenfalls erheblich zu spät, eher dürfte es um die Zeitenwende anzusetzen sein. Vgl. auch Kairo CG 30778 (SPIEGELBERG, Demotische Denkmäler II, S. 160, T. LXI), wo Imhotep als Handelnder auftritt.

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Körperteile des Osiris zu identifizieren sein, die in späten Traditionen an die kanonische Zahl der Gaue Ägyptens angeglichen worden sind. Es kommt zu einem blutigen Kampf gegen die Assyrer, wobei letztere zu unterliegen drohen. Der assyrische König wendet sich an eine Frau, der er Vorwürfe macht – offenbar war der Kampf ihre Idee. Sie erklärt ihm, er solle sich keine Sorgen machen, und beginnt Zerk. Eine Statue des Geb wird magisch belebt und schließt sich den Reihen der Assyrer an. Imhotep erwidert dies, indem er eine Statue der Nut belebt und für Ägypten kämpfen läßt – und so geht es mit Paarungen magischer Gestalten weiter, bis die Zauberin schließlich eine hundert Ellen lange Schlange ausschickt, die aber ebenfalls besiegt wird, ebenso wird ein magisches Feuer gelöscht.72 Imhotep wendet sich dann an einen Ägypter namens Seschemnefertem, dem er offenbar sagt, er habe noch gar nicht ernsthaft gekämpft. Nach einer Lücke erfährt man, daß die Assyrer unterworfen sind und einen Tribut von Gold und Silber abliefern. Der Pharao zieht nach Osten weiter, wo sich ihm jede Stadt unterwirft. Schließlich werden an einem Ort namens on-bl die Gottesglieder gefunden, der möglicherweise als Ain-Bêl „Quelle des Bêl“ zu verstehen ist. Jedoch erhält Djoser in einem Traum die Botschaft, er solle sie nicht nach Ägypten zurückbringen, sondern ihnen vor Ort einen Tempel erbauen, da der Sonnengott beschlossen habe, sie sollten Zeit in Asien verbringen. Soweit der Erhaltungszustand ein Urteil zuläßt, soll offenbar ein Sohn des Osiris sie zurückbringen. Dies könnte sich auf Inaros beziehen, der tatsächlich als Sohn des Osiris bezeichnet wird und in anderen Geschichten gegen die Assyrer kämpft. Der König befolgt die Anweisungen. Nach der Rückkehr nach Ägypten feiert er ein Fest. Später besucht der König am Neujahrstag einen Tempel in Memphis und hört eine Stimme, die sein Interesse weckt. Er erfährt, daß es sich um Imhoteps jüngere Schwester Renpetneferet handelt. Sie wird zum Palast gebracht. Ein gewisser Osirsobek, der sowohl Magier als auch Haremsvorsteher ist, erwacht nun und tritt in der Verkleidung eines jungen Priesters vor sie. Er führt sie zu den Schreinen und behauptet, sie zu ihrem Vater zu bringen. Sie 72

Vgl. für einen strukturell ähnlichen Zauberwettkampf in der Erzählung von Enmerkar und dem Herrn von Aratta QUACK, in: ROEDER (Hg.), Magie, in Druck.

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hält ihn für einen Geist, weint und droht ihm mit Imhoteps Macht. Auf eine noch unklare Weise stirbt sie dann, und man meldet es Ptah – der mutmaßlich als ihr Vater verstanden wurde. Weitere Passagen sind nur in kleinen Fragmenten erhalten. In einigen geht es um Geister. Besonders der eines Haremsvorstehers (wohl Osirsobek) spielt eine Rolle und erklärt, er sei zu Unrecht getötet worden. Er beteuert auch, daß er eine vermißte Goldkette nicht genommen habe. In anderen Bruchstücken geht es um Pharaos Augenprobleme, die offenbar durch Imhotep behoben werden. Ein kleines Fragment erwähnt das Grab des Pharao (eventuell die Stufenpyramide). Noch eine andere Passage erwähnt, daß die Libyer ein Heerlager aufgeschlagen haben. Dies mag mit einer Notiz bei Manetho sachlich zusammengehören, daß in Djosers Zeit die Libyer gegen Ägypten rebellierten und infolge eines irregulären Verhaltens des Mondes erschreckt aufgaben. Eventuell kann ein kleines Fragment eines literarischen Textes (pTebtunis Tait 7), in dem Hardjedef erwähnt wird,73 als Rest einer Erzählung verstanden werden, die in die Zeit der 4. Dynastie gesetzt ist, doch reicht das Bruchstück für eine sichere Bewertung nicht aus. Im Rahmen der historischen Rückblende am Anfang des Inaros-Epos (s. S. 55) wird einmal König Cheops als Sohn des Mykerinos erwähnt.74 Ein winziges Fragment aus Saqqâra erwähnt Pharao Chefren.75 Anhand des erhaltenen Stückes läßt sich nicht einmal absichern, daß es sich tatsächlich um Literatur handelt und nicht z.B. um einen Verwaltungstext, der den Kult an der Pyramide dieses Herrschers betrifft. 3.4. Geschichten über das Mittlere Reich Ins Mittlere Reich gesetzt ist eine Erzählung über König Amenemhet und Prinz Sesostris, von der Reste dreier Handschriften aus Tebtynis erhalten sind

73

TAIT, Papyri from Tebtunis, S. 33-35, T. 2. RYHOLT, in: FITZENREITER (Hrsg.), Das Ereignis, S. 237. 75 SMITH, TAIT, Saqqâra Papyri I, S. 179, T. 15a (Nr. 15). 74

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(pCarlsberg 77+PSI Inv. D 92 rt., pCarlsberg 411 u. 412).76 Die Art der Generationsfolge macht es relativ wahrscheinlich, daß es sich jeweils um die ersten Herrscher dieses Namens der 12. Dynastie handelt. Die Ägypter sind mit ihrem Heer unterwegs und setzen sich hauptsächlich mit den Nubiern auseinander. In einem Bruchstück wird auch ein Aufbruch nach Arabien geschildert. Ein spätptolemäisches oder frührömisches Ostrakon in Leipzig (oLeipzig UB 2217) enthält den Anfang einer Erzählung über Sesostris und bildet wohl einen Teil derselben Erzähltradition.77 Mutmaßlich ist diese Tradition über die großen Herrscher des Mittleren Reiches auch in der Erzählung über die Heldentaten des Inaros rezipiert worden (vgl. S. 55). Ungeachtet des bislang nur fragmentiert und in geringem Umfang erhaltenen Textmaterials sind diese Stücke dadurch von besonderer Bedeutung, daß sie eine indigen ägyptische Quelle für die Erzählungen um den Heldenkönig Sesostris aufzeigen, der von den griechischen Historikern wie Herodot und Diodor mit immer weiteren Details ausgeschmückt wird.78 Für einige griechische Romanfragmente auf Papyrus, die Sesonchosis (wohl eine andere griechische Lautform desselben Namens) behandeln, muß damit auch erwogen werden, daß es sich um Übersetzungen oder freie Nachdichtungen aus dem Demotischen handelt.79 Die Personennamen deuten jedenfalls generell auf einen ägyptischen Hintergrund, und die Ausdrucksweise und Motivik lassen sich ohne Weiteres mit demotischer Erzähltradition verbinden. Das erste dieser Fragmente (pOxy. 1826) hat nur einzelne Wörter in jeder Zeile erhalten. Es geht um militärische Ausbildung, Sesonchosis ist offenbar nur Prinz, da sein Vater noch als lebend erwähnt wird. Im zweiten Fragment 76

Vorbericht bei WIDMER, in: RYHOLT (Ed.), Acts Copenhagen, S. 387-393; zu pCarlsberg 77 rt. vgl. A. JONES, M. PERALE, Two Astronomical Tables from the Tebtunis Temple Library, in: Comunicazioni dell’Istituto Papirologico «G. Vitelli» 9 (Florenz 2011), S. 39-51, dort S. 42f. mit Anm. 5; QUACK, in: COULON, GIOVANNELLI-JOUANNA, KIMMEL-CLAUZET (Éds.), Hérodote et l’Égypte, S. 63-66. Zu Sesostris und seinem Nachleben s. F. HOFFMANN, T. L. SAGRILLO, S. SCHOSKE (Hrsg.), Sesostris – Scheschonq – Sesonchosis: Ein internationaler Held und sein Nachwirken, CHANE. Leiden/Boston, in Druck. 77 RYHOLT, in: KNUF, LEITZ, VON RECKLINGHAUSEN (Hrsg.), Fs Thissen, S. 429-437, Taf. 80. 78 Dazu zuletzt IVANTCHIK, Historia 48, S. 395-441; LADYNIN, Cultural Heritage of Egypt and Christian Orient 5, S. 122-142; ders., in: RUTHERFORD (Ed.), Greco-Egyptian Interactions, S. 176-181. 79 Zuletzt behandelt von STEPHENS, WINKLER, Ancient Greek Novels, S. 246-266.

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(pOxy. 2466) kämpfen die Ägypter heldenhaft und siegreich gegen die Araber, deren Anführer Webelis mit nur wenigen Mann entkommen kann. Um gegen neue Angriffe des Feindes mit Verstärkungen anderer Stämme gewappnet zu sein, befestigen die Ägypter die Grenze mit Garnisonen. Das Fragment bricht damit ab, daß Sesonchosis von Thaimos (äg. Ç#+-n.|m=w) etwas erfährt; eine Gestalt dieses Namens taucht übrigens auch im pSaqqâra 3 auf, von dem nicht auszuschließen ist, daß es sich um eine demotische Version dieser Episode handelt (s.u. S. 101). Im dritten Fragment (pOxy. 3319) berichtet Sesonchosis zunächst, wie er den Vater eines Mädchens zu seinem Vasallen machte und, nachdem ihm versprochen war, das Mädchen heiraten zu können, zum Krieg aufbrach. Anscheinend hat er Mißgeschick erlitten und muß sich verkleiden, jedenfalls spricht er davon, daß seine Identität dem Mädchen nun enthüllt werden müsse. Sein Begleiter Pamounis (äg. Pa-AImn) rät dagegen zur Vorsicht, da ihr Vater gefährlich werden könne, er solle seine Tarnung beibehalten. Schließlich kommt Meameris, wohl das vorher erwähnte Mädchen, dorthin, wo Sesonchosis sich befindet und erblickt ihn (oder sein Spiegelbild im Wasser?). Bei einem jetzt folgenden Fest ist sie bedrückt und nimmt nur unwillig Dinge zu sich, so sehr geht die Erinnerung an das schöne Aussehen des Jünglings in ihr um. Ihr Verhalten wird bemerkt – und hier bricht der Text ab. 3.5. Geschichten über das Neue Reich Ein literarisches Fragment (pWien D 62 vs.)80 ist in die Regierungszeit des Menech-ib-Re Siamun gesetzt, was mutmaßlich eine unhistorische Schreibung für Men-Cheper-Re, den Thronnamen Thutmosis III. darstellt.81 Ein junger Türwächter kommt offenbar aufgewühlt in den Thronsaal, und Pharao fragt ihn, ob er unversehrt sei. Dabei spielt ein bestimmtes Datum eine Rolle.

80

HOFFMANN, in: HOFFMANN, THISSEN (Hrsg.), Fs Zauzich, S. 257-259; zu einem Detail der Lesung s. QUACK, AfP 51, S. 183. 81 Zur Schreibung des Namens s. JASNOW, GM 64, S. 33f, der zeigen kann, daß in drei Stelen der Ptolemäerzeit aus der memphitischen Nekropole ein Herrscher MnX-p#-Ro ÙHw.t|ms erscheint; VITTMANN, TUAT NF 8, S. 409 Anm. 349. Vgl. auch POPKO, in: POPKO, QUENOUILLE, RÜCKER (Hrsg.), Von Sklaven, Pächtern und Politikern, S. 84-100, der im Herscher der 2. Setne-Erzählung vielmehr eine versteckte Diffamierung eines nubischen

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Der Rest der Handlung verliert sich rasch im nicht erhaltenen Bereich. Derselbe Herrscher erscheint in der Rückblende innerhalb der zweiten SetneErzählung (s.u. S. 46). An dieser Stelle erwähnenswert ist eine Erzählung über Amen[o]ph[this], die griechisch im pOxy. 3011 überliefert ist.82 Bei ihm wird es sich vermutlich um einen der Könige dieses Namens (uns als Amenophis geläufig) aus der 18. Dynastie handeln. Die Wahrscheinlichkeit, daß dieser Text aus einer ägyptischen Vorlage stammt, ist angesichts der ägyptischen handelnden Person sowie der im Text enthaltenen ägyptischen Mythologie zumindest nicht gering. Erwähnt wird ein Weg, auf dem der große Gott Hermes (dieser Formulierung nach eindeutig der ägyptische Thot, nicht der griechische Gott) sowie die tausendnamige Isis gegangen sind, um den König der Götter (mutmaßlich Osiris) zu suchen. Dieser Weg führt anscheinend innerhalb von drei Tagen nach Memphis und ist bis Kniehöhe mit Wasser überschwemmt. Der angesprochene Amenophthis wird aufgefordert, hier voranzugehen und freut sich sehr. Damit bricht das Fragment ab. Möglicherweise kann dieser Text mit dem noch unpublizierten demotischen pCarlsberg 621 enger zusammengebracht werden, in dem ebenfalls Isis und Thot nach Osiris suchen (s.o. S. 29). Einer der umfangreicheren und besser bekannten Zyklen der demotischen Literatur kreist um Setne (oder Setem), den historischen Chaemwese, Sohn des Usermaatre (Ramses II.).83 Die in den demotischen Texten normale Namens-

Königs, wahrscheinlich des Piye, sehen will – mir scheint das zu sehr um die Ecke gedacht und für damalige Leser kaum erschließbar. 82 PARSONS, Oxyrhynchus Papyri XLII, S. 41-43; QUAEGEBEUR, RdÉ 37, S. 101; KUSSL, Papyrusfragmente, S. 178f., der auch diskutiert, ob pFreiburg 47 zum gleichen Text gehört. Die Theorie von STEPHENS, WINKLER, Ancient Greek Novels, S. 470, es handele sich um eine Königsnovelle, wird dem Charakter dieses Textes kaum gerecht, ganz abgesehen vom Problem der „Königsnovelle“ an sich (s. dazu J.F. QUACK, Pharao und Hofstaat, Palast und Tempel: Entscheidungsfindung, Öffentlichkeit und Entscheidungsveröffentlichung im Alten Ägypten, in: CHR. KUHN (Hrsg.), Politische Kommunikation und Öffentliche Meinung in der antiken Welt (Stuttgart 2012), S. 277-295). 83 Zu ihm s. F. GOMAA, Chaemwese, Sohn Ramses’ II. und Hoherpriester von Memphis, ÄA 27 (Wiesbaden 1973); S. SNAPE, Khaemwese and the Present Past. History and the Individual in Ramesside Egypt, in: M. COLLIER, ST. SNAPE (Eds.), Ramesside Studies in Honour of K.A. Kitchen (Bolton 2011), S. 465-473.

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form geht auf seinen Priestertitel stm zurück, während sein eigentlicher Eigenname selten genannt wird. Die besterhaltene Geschichte, die in der ptolemäerzeitlichen Handschrift (pKairo CG 30646) auch mit Seitenzahlen versehen ist (von ursprünglich sechs Seiten sind die vier hinteren erhalten), wird in der Forschung meist als Setne I bezeichnet.84 Im Kolophon wird sie als „Erzählung von Setne Chaemwese, Naneferkaptah, dessen Frau Ahweret und Sohn Merib“ bezeichnet. Der erhaltene Bereich beginnt damit, daß Setne in das Grab des Naneferkaptah, eines großen Magiers der Vergangenheit, eingedrungen ist, um sich von dort ein Zauberbuch zu nehmen. Dabei erscheint ihm der Geist der Ahweret, dessen Gemahlin, und erzählt ihre Lebensgeschichte. Sie und Naneferkaptah waren die beiden einzigen Kinder des Königs Meribptah, der sie in dynastischem Interesse jeweils mit Kindern von Generälen verheiraten wollte. Ahweret kann es jedoch durchsetzen, selbst Frau ihres geliebten Bruders zu werden. Als sie ihm einen Sohn Merib gebiert, scheint ihr Glück vollkommen. Naneferkaptah jedoch besitzt großes Interesse daran, in der Nekropole die alten Grabinschriften zu lesen. Ein Priestergreis, der ihn dabei beobachtet, verlacht ihn wegen seines Interesses an machtlosen Texten und verspricht ihm Hinweise über ein wirksames, von Thot selbst geschriebenes Zauberbuch, mit dessen Hilfe man Himmel, Erde, Unterwelt, die Berge und das Meer bezaubern und verstehen könne, was Vögel und Gewürm sprechen. Eine zweite Formel soll es selbst in der Unterwelt ermöglichen, Sonne und Mond am Himmel zu sehen. Gegen Zahlung einer hohen Summe für seine künftigen Beisetzungskosten sowie die steuerfreie Einsetzung der beiden Söhne als Priester verrät der Alte den geheimen Aufbewahrungsort des Buches im 84

Bearbeitet von GRIFFITH, Stories; GOLDBRUNNER, Verblendeter Gelehrter (mit Photographien); ältere Photographie bei SPIEGELBERG, Demotische Denkmäler II, T. XLIVXLVII. Einige Bemerkungen bei HOFFMANN, Enchoria 23, S. 52-61; BOTTA, in: Jerusalem Studies in Egyptology, S. 233-241; JASNOW, Enchoria 27, S. 73-81; RITNER, in: KNUF, LEITZ, VON RECKLINGHAUSEN (Hrsg.), Fs Thissen, S. 425-428. Übersetzung HOFFMANN, QUACK, Anthologie, S. 137-152 u. 343-345; VITTMANN, in: TUAT NF 8, S. 387-400. Vgl. auch VINSON, in: MCKECHNIE, GUILLAUME (Eds.), Ptolemy II Philadelphus, S. 303-351; ders., in KNUF, LEITZ, VON RECKLINGHAUSEN (Hrsg.), Fs Thissen, S.447-470; ders., in: DODSON, JOHNSTON, MONKHOUSE (Eds.), Fs W. J. Tait, S. 305-321. Zur neuzeitllichen Rezeption des Textes s. VINSON, Comparative Literature Studies 45, S. 289-315; ders., in: LIPPERT, STADLER, JAKOBEIT (Hrsg.), Gehilfe des Thot, S. 129-138.

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„Meer von Koptos“, wo es in einer Reihe von Kästen aus verschiedenen Substanzen verborgen ist und von einer Schlange bewacht wird, zudem befinden sich auf ein Ar (ca. 10, 5 km) Umkreis Schlangen und Skorpione. Trotz der eindringlichen Vorhaltungen seiner Frau will Naneferkaptah das kostbare Buch erwerben und läßt sich vom König ein Boot für die Reise nach Koptos geben. Dort angekommen, verbringt er mit den Priestern und seine Frau mit den Priesterinnen vier festliche Tage, bevor er sich für die gefährliche Expedition ausrüstet. Ein Boot mit Ruderern aus Wachs wird magisch in Aktion gebracht, und nach drei Tagen Fahrt kommt man ans Ziel. Durch Werfen von Sand trocknet Naneferkaptah den Fluß aus und sieht die Kästen. Die umgebenden Schlangen und Skorpione werden magisch unschädlich gemacht. Es wäre denkbar, daß das „Meer von Koptos“, das de facto kein Wasser, sondern nur Sand und gefährliche Tiere enthält, mit dem Wadi Hamamat zu identifizieren ist. Naneferkaptahs Kampf gegen die Wächterschlange85 gestaltet sich schwierig, da sie nach Zerteilung wieder zusammenwächst, bis zwischen die Teile gestreuter Sand dies verhindert. Nunmehr kann Naneferkaptah die Kästchen eines nach dem anderen öffnen und das Buch herausnehmen. Die Rezitation der beiden Formeln bringt tatsächlich die verheißenen Ergebnisse. Er rudert zurück nach Koptos und findet dort seine Frau, die seit Tagen nichts gegessen und getrunken hat und wie jemand wirkt, der in die Balsamierungswerkstatt gegeben wurde. Auch sie kann das Buch, das Quelle ihrer Gefahren war, lesen und die Wirkung erproben. Naneferkaptah schreibt eine Kopie des Textes auf einen neuen Papyrus, den er einweicht und dann trinkt, so daß er das Geschriebene auswendig kennt.86 Nach einem Festtag in Koptos bricht die Familie zurück nach Memphis auf. Währenddessen klagt Thot vor Re über den Diebstahl und erhält das Recht zur Rache. Ein strafender Dämon verursacht während der Rückreise, daß erst Merib, dann Ahweret von Bord fallen und ertrinken; sie werden in Koptos bestattet. Naneferkaptah fühlt sich außerstande, seinem Vater wieder 85

Vgl. zu ihr MELTZER, ZÄS 102, S. 78. Vgl. R.K. RITNER, The Mechanics of Ancient Egyptian Magical Practice, SAOC 54 (Chicago 1993), S. 107f.; C. KÜHNE, Papyrus trinken und Hieroglyphen essen - Praktiken der Schriftverinnerlichung in Ägypten, in: C. KÜHNE, K. OSCHEMA, J.F. QUACK (Hrsg.), Zerstörung von Geschriebenem, in Druck. 86

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vor die Augen zu treten, wickelt sich selbst mitsamt dem Buch in Binden und ertränkt sich im Fluß. An den Rudern hängend kommt er nach Memphis, wo er bestattet wird. Hier endet Ahwerets Bericht, mit dem sie klar machen will, daß sie aufgrund dessen, was sie durchgemacht haben, alleinigen Anspruch auf das Buch haben. Setne läßt sich durch die Leidensgeschichte der Familie nicht bewegen, sondern besteht darauf, das kostbare Buch für sich zu erhalten. Daraufhin fordert ihn Naneferkaptah zum Brettspiel heraus.87 Setne verliert drei Partien und wird bei jeder Niederlage tiefer in die Erde versenkt, zuletzt bis zu den Ohren. Nur sein Milchbruder Inaros, der ihm die magischen Amulette des Ptah besorgt, kann ihn noch retten; im Weggehen ergreift er das Zauberbuch, mit dem auch das Licht aus dem Grab verschwindet. Naneferkaptah tröstet Ahweret, er würde dafür sorgen, daß Setne das Buch zurückbringt, indem er einen gegabelten Stock in der Hand und ein Feuerbecken auf dem Kopf hat – offenbar eine Geste der Schuldanerkennung.88 Der König warnt Setne, er solle das Buch zurückbringen, doch Setne hört nicht auf ihn. Kurz darauf begegnet er auf der Straße einer wunderschönen Frau namens Tabubu. Durch einen Diener läßt er ihr ein Rendezvous antragen und bietet dafür 10 Stück Gold sowie Unterstützung bei eventuellen Klagen gegen Übergriffe anderer Leute. Letzteres ist eine konventionelle, auch sonst belegte Formel, die gleichartig ebenso im Streit um die Pfründe des Amun (s.u. S. 66) sowie im pBerlin 13588 (s.u. S. 77) erscheint. Während Tabubus Dienerin entrüstet über das Ansinnen ist, willigt sie selbst ein, allerdings unter ihren Bedingungen, wobei sie ihren Status als Priesterin (bzw. Priestertochter, bei ihrer Vorstellung 5, 2f. wird sie nur als Priestertochter, nicht selbst als Priesterin bezeichnet) betont. Sie will nicht zu ihm kommen, vielmehr soll er sie in

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Vgl. PICCIONE, in: Gs Baer, S. 197-204; W.J. TAIT, Were there Gamesters in Pharaonic Egypt?, in: I.L. FINKEL (Ed.), Ancient Board Games in perspective. Papers from the 1990 British Museum colloquium, with additional contributions (London 2007), S. 45-53, bes. S. 49f.; vgl. speziell SERRANO DELGADO, JANER 11, S. 94-108, der nähere Bezüge zu Rhamspinits Abstieg in die Unterwelt und Brettspiel (Herodot II 122) sucht; kritisch dazu QUACK, in: COULON, GIOVANNELLI-JOUANNA, KIMMEL-CLAUZET (Éds.), Hérodote et l’Égypte, S. 69-71. 88 MELTZER, NSSEA 7/1, S. 10f.

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ihrem Haus im Bubasteion aufsuchen. Zum Entsetzen seines Gefolges nimmt Setne das Angebot in dieser Form an. „Setne ließ sich ein Boot bringen. Er stieg an Bord und eilte nach Westen. Er kam zum Westen der Vorstadt. Dort fand er ein Haus, das sehr hoch und von einer Mauer umgeben war, das im Norden einen Garten hatte und an dessen Tor eine Bank war. Setne fragte: ‚Wessen Haus ist dies Haus?’ Man sagte ihm: ‚Das ist das Haus der Tabubu.’ Setne ging ins Innere der Umfassungsmauer. Er wandte seinen Blick dem Speicher des Gartens zu. Man meldete es vor Tabubu und sie kam hinab. Sie ergriff Setnes Hand und sagte ihm: ‚Beim Glück des Hauses des Propheten der Bastet, der Herrin von Anch-Taui, das du erreicht hast! Es wird sehr schön werden! Begib dich hinauf mit mir!’ Setne ging mit Tabubu auf der Treppe des Hauses hinauf. Er fand das Obergeschoß des Hauses gefegt und besprengt, wobei sein Fußboden mit echtem Lapislazuli und Türkis bestreut war und es viele Betten in ihm gab, die mit Byssos bezogen waren, dazu viele Becher aus Gold auf dem Tisch. Ein goldener Becher wurde mit Wein gefüllt und Setne in die Hand gegeben. Sie sagte ihm: ‚Möge es so sein, daß du etwas zu dir nimmst!’ Er sagte ihr: ‚Dazu bin ich nicht imstande.’ Es wurde Spezerei auf das Feuerbecken gegeben und Salben in Königsqualität vor ihn gebracht. Setne verbrachte einen schönen Tag mit Tabubu und hatte noch nie ihresgleichen gesehen. Setne sagte: ‚Laß uns vollenden, weswegen wir hierher gekommen sind!’ Sie sagte ihm: ‚Du wirst dein Haus erreichen können, das, in dem du bist. Ich bin eine Priesterin, ich bin keine geringe Frau. Wenn du das, was du wünschst, mit mir machen willst, sollst du mir einen Alimentationsvertrag und eine Geldbezahlungsurkunde über all dein Hab und Gut ausstellen.’ Er sagte ihr: ‚Laß den Schulschreiber bringen!’ Man brachte ihn sofort, und er ließ ihn für sie eine Alimentationsschrift und eine Geldbezahlungsschrift über all sein Hab und Gut ausstellen. Dann kam es dazu, daß man Setne meldete, seine Kinder seien unten. Er sagte, man solle sie heraufbringen. Tabubu erhob sich und legte einen Byssosschleier an. Setne sah dadurch alle Glieder an ihr, und seine Begierde wurde noch viel größer, als sie vorher gewesen war. Setne sagte: ‚Tabubu, laß uns vollenden, weswegen wir hierher gekommen sind!’ Sie sagte ihm: ‚Du wirst dein Haus erreichen können, das, in dem du bist. Ich bin eine Priesterin, ich bin keine geringe Frau. Wenn du das, was du wünschst, mit mir machen willst, sollst du deine Kinder meine Urkunde unterschreiben lassen. Laß sie nicht mit meinen Kindern über deine Besitztümer streiten!’ Er ließ seine Kinder bringen und die Urkunde unterschreiben. Setne sagte zu Tabubu: ‚Laß uns vollenden, weswegen wir hierher gekommen sind!’ Sie sagte ihm: ‚Du wirst dein Haus erreichen können, das, in dem du bist. Ich bin eine Priesterin, ich bin keine geringe Frau. Wenn du das, was du

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Die demotische und gräko-ägyptische Literatur wünschst, mit mir machen willst, sollst du deine Kinder töten lassen! Laß sie nicht mit meinen Kindern über deine Besitztümer streiten!’ Setne sagte: ‚Möge man ihnen die Strafe zufügen, die dir angemessen erscheint!’ Sie ließ seine Kinder vor seinen Augen töten und aus dem Fenster vor die Hunde und Katzen hinabwerfen. Sie fraßen ihr Fleisch, während er sie hörte und mit Tabubu trank. Setne sagte zu Tabubu: ‚Laß uns vollenden, weswegen wir hierher gekommen sind! Alle Dinge, die du gesagt hast, habe ich nun insgesamt für dich gemacht.’ Sie sagte ihm: ‚Begib dich zu diesem Speicher!’ Setne ging zum Speicher und legte sich auf ein Bett aus Elfenbein und Ebenholz, wobei seine Begierde ‚Gold empfing’. Tabubu legte sich neben Setne. Er streckte seine Hand aus, um sie zu berühren. Sie öffnete ihren Mund nach unten in einem lauten Aufschrei. Setne erwachte, wobei er in einem abgebrannten(??) Platz und sein Phallus in einer Pfütze(?) war89 und er keinerlei Kleider anhatte.“ (Setne I 5, 11-30).

In diesem Moment kommt der König in der Sänfte mit großem Gefolge vorbei. Setne erfährt, daß seine Kinder noch leben (offenbar war die ganze Tabubu-Episode eine Halluzination). Erst nachdem er von einem Diener wieder mit Kleidern versehen ist, kann er aufstehen und sich nach Memphis begeben, wo er seine Kinder erfreut umarmt. Der Pharao überzeugt ihn, daß er Naneferkaptahs Magie, die dies bewirkt hat, nicht gewachsen ist. Voll Reue kehrt er ins Grab des alten Magiers zurück und fragt, was er für ihn noch tun kann. Naneferkaptah wünscht sich, mit seiner in Koptos bestatteten Frau und Sohn real vereint zu sein. So macht sich Setne auf, dort nach ihren Gräbern zu suchen. Zunächst ist sein Unternehmen allerdings vergeblich. Naneferkaptah selbst nimmt daraufhin die Gestalt eines alten Priesters an und gibt ihm an, das Grab der gesuchten Personen befinde sich unter dem Haus des Polizeichefs, wie sein Urgroßvater es seinem Großvater als Überlieferung seines eigenen Urgroßvaters an seinen Großvater tradiert habe (also eine Überlieferungskette über sechs Generationen). Setne ist zunächst mißtrauisch, der Alte könne aus Groll gegen den Polizeichef so reden, doch erweist sich beim Abriß des Hauses die Richtigkeit dieser Angabe. So können die Leichen nach Memphis transportiert und alle vereint werden; das Grab samt dem darin befindlichen Zauberbuch wird zugeschüttet. 89

Vgl. hierzu auch BRUNSCH, EVO 11, S. 51-53; JASNOW, Enchoria 27, S. 79f.

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Ein in neuerer Zeit unternommener Versuch, in den Namen der Protagonisten Anspielungen auf Osiris und Isis zu finden,90 scheint mir eher problematisch. Die angeführten Verbindungspunkte sind oft eher unspezifisch, und teilweise stimmt auch die Faktenlage nicht. Möglicherweise Bruchstücke einer zweiten Handschrift mit dem Anfang des Textes oder auch eine andere Ausarbeitung desselben Stoffes enthält ein ptolemäerzeitliches Fragment aus Gebelein (pKairo CG 30692).91 In ihm trifft Setne auf den Geist eines verstorbenen Mannes, der einerseits über das traurige Schicksal von Verstorbenen klagt, andererseits ihn lehrt, wie er den Ort des Naneferkaptah erreichen und von dort ohne Gefahr wieder heraufkommen kann. Am nächsten Tag begibt er sich dann in der Nekropole von Memphis auf die Suche, während Weihen und Raben ihm vorausfliegen. Er läßt einen Verschlußstein entfernen und gelangt in ein Grab, wo er nach einer bestimmten Säule sucht; auch Darstellungen von Gottheiten spielen eine Rolle. Der Gesamtzusammenhang ist noch recht unklar. Eine noch unpublizierte Handschrift aus Tebtynis, die sich heute teilweise in Kopenhagen, teilweise in Florenz befindet, scheint der ersten Setne-Erzählung ähnlich zu sein.92 Auch hier erscheinen Naneferkaptah und Setne als Protagonisten, weiterhin treten Inaros, Haryotes und Men-ib-Ptah auf. Magie, Liebe und Abenteuer am Königshof zeichnen sich in den Fragmenten ab. Naneferkaptah wird auch in einem kleinen Papyrusfragment der Ptolemäerzeit erwähnt, das sich heute in Marburg befindet (pMarburg Inv. 38).93 Die Handlung spielt wenigstens teilweise im Königspalast; eine weibliche Gestalt spricht vom kleinen Bruder ihres Gatten. Weitere, noch unpublizierte Fragmente derselben Handschrift in Leiden (pLeiden Pap. Inst. 1004 und 1005) 90

VINSON, JNES 68, S. 283-303. SPIEGELBERG, Demotische Denkmäler II, S. 112-115, Taf. LI u. 145-148, Taf. LVIII. Vgl. ZAUZICH, Enchoria 6, S. 79-82, allerdings würde ich in Z. 12 „er kann nicht mit einer Frau schlafen, er kann keinen Sohn von sich in den Schoß nehmen“ übersetzen. 92 Publikation durch R. Jasnow in Vorbereitung, dem ich für Informationen danke; erwähnt von RYHOLT, in: LIPPERT, SCHENTULEIT (Hrsg.), Tebtynis und Soknopaiou Nesos, S. 155; VINSON, in: MCKECHNIE, GUILLAUME (Eds.), Ptolemy II Philadelphus, S. 308 Anm. 16. 93 QUACK, Enchoria 30, S. 71-74, Taf. 33. Weitere Fragmente derselben Handschrift, die sich im Papyrologischen Institut Leiden befinden, werde ich demnächst publizieren. 91

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bestätigen, daß es sich um eine im Erzählfluß ausführlicher angelegte Parallele zur ersten Setne-Erzählung handelt; konkret erhalten sind das Ende der Wettspielepisode und der Anfang der Tabubu-Episode. Ebenfalls in Kontakt zu Verstorbenen tritt Setem in der erst kürzlich veröffentlichten Erzählung des römerzeitlichen pCarlsberg 207.94 Zu Beginn des Fragmentes sieht man ihn im Gespräch mit einem Geist, der ihm seine Lebensgeschichte und die seiner Familie erzählt. Ein Prophet des Amun-Re hat offenbar unredliche Angelegenheiten entdeckt, die Petese betreffen, den Propheten der Isis von Abydos. Er droht, diese Dinge dem König zu melden, jedoch wird seine Familie bei einem Fest hinterhältig (vielleicht durch Gift) getötet, und er teilt dann ihr Schicksal. Dabei spielt offenbar eine bestimmte Pflanze eine Rolle. Der Geist gibt sich als Prophet des Sokar-Osiris zu erkennen und wohl als Sohn des getöteten Propheten. Er bittet um Rache für die Verbrechen an seinen Vorfahren. Setem berichtet seinem königlichen Vater, was er erfahren hat, und erhält die Erlaubnis, die geplante Strafaktion durchzuführen. Er fährt nach Abydos und lockt mit angeblichen Geschenken Petese samt seiner Sippe und seinen Freunden in den Tempel, wo sie gefesselt und mit dem Speer zu Tode gebracht werden. Anschließend bittet der Geist noch um eine würdige Bestattung für seine Eltern, die Überführung eines im Ausland gestorbenen Verwandten sowie um das Prophetenamt des Amun-Re für seinen ältesten Sohn. Ungeachtet schlechter Erhaltung sind die strukturellen Motive dieser Erzählung zum Setne I recht augenfällig. Die Begegnung mit den Geistern Verstorbener, die lange erzählerische Rückblenden bieten, die schrittweise Tötung einer Familie mit dem Vater als Abschluß ebenso wie die würdige Bestattung und Zusammenführung der toten Familie sind gemeinsam. Allerdings handelt Setne diesmal direkt entsprechend den Wünschen des Geistes, statt ihn töricht durch Zuwiderhandlung herauszufordern. Diese häufige Situierung der Setne-Geschichten in Gräbern sowie die Sorge um Neubestattung nicht angemessen versorgter Leichen gehen eindeu94

TAIT, in: FRANDSEN (Ed.), The Carlsberg Papyri 1, S. 19-46, Taf. 1-3; zusätzliche Fragmente und Neuanalyse sowie Übersetzung bei QUACK, RYHOLT, in: FRANDSEN, RYHOLT (Eds.), The Carlsberg Papyri 3, S. 141-163, Taf. 24-26.

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tig auf den Eindruck des realen Chaemwese zurück, der in Memphis viel in der Nekropole gearbeitet und auch alte Königsgräber hat restaurieren lassen. Die Geschichten stehen deutlich ganz in ägyptischer Tradition. Insbesondere ist hier an die neuägyptische Erzählung über Chonsemheb und den Geist zu denken. Sehr viel ferner steht dem dagegen die sogenannte zweite Setne-Erzählung.95 Zwar tritt auch in ihr Setem auf, eigentlicher Held ist aber Si-Osiris, sein Sohn, den seine Frau Meh(it-en)-Wesechet nach einer Traumoffenbarung zur Welt bringt, durch die ihr geraten wird, eine bestimmte Pflanze mitsamt ihren Wurzeln auszureißen und sich daraus eine Arznei zu machen. Der Knabe entpuppt sich als ausgesprochenes Wunderkind, das an Körper und Geist doppelt so schnell wächst wie normal. Eine erste größere Handlungsepisode ergibt sich, als Vater und Sohn das gleichzeitige Leichenbegängnis eines Reichen und eines Armen sehen und Setne die Situation des reichen, mit großer Klage betrauerten und mit vielen Beigaben versehenen Mannes höher schätzt. SiOsiris will ihn eines Besseren belehren und nimmt ihn auf eine Tour durch die Unterwelt mit, bei der sie der Reihe nach alle sieben Hallen der Unterwelt durchschreiten.96 Dort begegnen ihnen die traditionellen ägyptischen Unterweltsstrafen, Osiris und der Hof der Unterwelt, aber auch das Oknos- und das TantalosMotiv. Vor allem erleben sie, wie im Totengericht der reiche Mann als Sünder entlarvt und seine Grabausstattung dem armen, aber tugendhaften Toten übergeben wird, während man den reichen Sünder dazu verdammt, mit seinem Auge als Türangelstein zu dienen. Setne staunt über die Fähigkeit seines Sohnes. Dieser gibt ihm auch eine Auslegung der von ihm gesehenen Unterweltsstrafen. Diejenigen, die Seile flechten würden, während die Esel hinter ihnen 95

GRIFFITH, Stories; A. WOODS, A grammatical analysis of the late Demotic tale Setne II (papyrus BM EA 10822) (Dissertation Brown University 2006). Zu philologischen Details s. HOFFMANN, Enchoria 19/20, S. 11-14; QUACK, Enchoria 25, S. 45-47; Versuch einer Interpretation HOFMANN, in: Ancient Egypt and Kush, S. 201-233; GRIMAL, in: Hommages à Jean Leclant, volume 4, S. 97-108. Übersetzung HOFFMANN, QUACK, Anthologie, S. 118137 u. 340-343; VITTMANN, in: TUAT NF 8, S. 400-418. 96 Vgl. für die Unterweltsreise SERRANO DELGADO, JANER 11, S. 94-108; kritisch dazu QUACK, in: COULON, GIOVANNELLI-JOUANNA, KIMMEL-CLAUZET (Éds.), Hérodote et l’Égypte, S. 72-74

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sie auffräßen (Oknos-Motiv), seien Leute, die sich Tag und Nacht um ihren Lebensunterhalt bemühten, während ihre Frauen hinter ihrem Rücken alles ausgeben würden. Diejenigen, deren Speisen über ihnen hängen würden, während andere Leute vor ihnen Gruben graben würden, um sie nicht herankommen zu lassen (Tantalos-Motiv), seien solche, vor denen im Leben die Götter Gruben gegraben hätten, um sie ihren Lebensunterhalt nicht finden zu lassen. In beiden Fällen hätte man ihre Missetaten auf Erden zahlreicher als ihre Tugenden gefunden und entschieden, sie auch in der Unterwelt erleiden zu lassen, was ihnen auf Erden geschehen sei. Hieran schließt sich die generelle Ermahnung an, in der Unterwelt sei man wohltätig zu dem, der auf Erden wohltätig gewesen sei, aber böse zu dem, der selbst böse gewesen sei. Völlig unabhängig von dieser Episode beginnt ein neuer Handlungsstrang mit eigener Einleitungsformel, in der Usermaatre (Ramses II.) als regierender Herrscher explizit erwähnt wird. Am Hof erscheint ein Nubier, der an seinem Leib einen versiegelten Brief trägt und die Ägypter herausfordert, ihn ungeöffnet lesen zu können, andernfalls würde er die Demütigung Ägyptens mit sich nach Nubien nehmen. Alle ägyptischen Höflinge sind ratlos, und selbst Setne weiß keinen Ausweg, erbittet sich aber 10 Tage Bedenkzeit. Zu Hause legt er sich nur verzweifelt ins Bett. Sein Sohn fragt nach der Ursache. Setne hält ihn zwar für zu jung, um mit derartigen Dingen umgehen zu können, erzählt ihm aber doch die Lage. Si-Osiris aber lacht nur und demonstriert in der Bibliothek seines Vaters, wie er Bücher ungeöffnet lesen kann.97 Am Hof des Königs geht der Wunderknabe dann daran, den langen Brief vorzulesen. Dieser ist in die Zeit des Menech-Pre Siamun gesetzt, was eine unetymologische Schreibung für Men-Cheper-Re, den Thronnamen Thutmosis III. ist (s.o. S. 36). Allerdings zeigt sich die ganz unzuverlässige historische Vorstellung des Autors darin, daß dieser Herrscher im weiteren Verlauf 1500 Jahre vor Si-Osiris (und somit Ramses II.) angesetzt wird.

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Für derartige Zwecke ist im pLouvre E 3229 6, 25-7, 14 ein Zauberspruch überliefert. Vgl. QUACK, in: FRESE, KEIL, KRÜGER (Hrsg.), Verborgen, unsichtbar, unlesbar, S. 34-38. S. auch BERLEV, BiOr 55 (1998), Sp. 774f.

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Nach Angabe des Briefes hat der nubische Herrscher eines Tages drei nubische Magier dabei belauscht, wie sie damit prahlen, welche magischen Mittel sie gegen Ägypten einsetzen könnten: „Eines Tages geschah es, daß der Herrscher Nubiens in den Berggebüschen(?) des Amun spazieren ging. Da hörte er die Stimme von 3 nubischen Anführern, die im ‚Haus des Feindes’98 waren, wobei einer von ihnen sagte, nachdem er sagte ‚Nicht soll Amun Tadel an mir finden und der Herrscher Ägyptens mich bestrafen lassen!’ ‚Sonst würde ich meine Magie hinauf nach Ägypten werfen, und ich würde die Menge Ägyptens 3 Tage und 3 Nächte lang kein Licht, sondern nur Finsternis sehen lassen.’ Der nächste von ihnen sagte, nachdem er sagte ‚Nicht soll Amun Vorwurf gegen mich finden und der Herrscher Ägyptens mich bestrafen lassen!’ ‚Sonst würde ich meine Magie hinauf nach Ägypten werfen, und ich würde den Pharao Ägyptens nach Nubien bringen und ihn mit 500 Geißelhieben schlagen lassen angesichts des Herrschers (von Nubien), und ich würde ihn nach Ägypten zurückbringen lassen in 6 Stunden, bevor sie um sind.’ “ (4, 2-8).99

Von diesen Magiern wird Horus, der Sohn der Nubierin, der angibt, er könne den ägyptischen König nach Nubien bringen und vor dem dortigen Herrscher mit 500 Schlägen traktieren lassen, vom nubischen Herrscher aufgefordert, dies in die Tat umzusetzen. Dafür konstruiert er aus Wachs eine Bahre und Träger, die magisch belebt werden.100 Das Unternehmen wird zunächst erfolgreich durchgeführt. Die ahnungslosen ägyptischen Höflinge sind entsetzt, als sie am nächsten Morgen ihren König mit Peitschenstriemen vorfinden. Sein Hofmagier Horus, Sohn des Panesche, erkennt jedoch, daß nubische Magier verantwortlich sind. Er sichert den König mit Amuletten und begibt sich nach Hermoupolis, wo er in

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Wohl bewußte Verzerrung für pr-onX, das in der Spätzeit als „Haus des Lebendigen“ verstanden wurde, wie pSalt 825, 6, 7 zeigt. 99 Die Ergänzung des in der Handschrift ausgelassenen Textbereiches ergibt sich aus der nachfolgenden Rückfrage des Königs. 100 Die Theorie von R. MERKELBACH, Abrasax. Ausgewählte Papyri religiösen und magischen Inhalts, Band 5. Traumtexte (Wiesbaden 2001), S. 118-120, daß es sich um Traumsendungen handelt, ist für mich nicht nachvollziehbar.

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einer Inkubation von Thot den Hinweis erhält, wo in der Tempelbibliothek er ein vom Gott selbst geschriebenes magisches Werk finden werde. Gegen die Amulette des Horus, Sohn des Panesche, können die Zauberkünste des Nubiers nichts ausrichten, seine Figuren kehren unverrichteter Dinge zurück. Nunmehr dreht der Ägypter den Spieß um und läßt durch belebte Wachsfiguren seinerseits den nubischen Herrscher nach Ägypten bringen und vor dem Pharao verprügeln. Dieser ist gar nicht begeistert von der neuen Wendung und fordert Horus, Sohn der Nubierin, auf, ihn vor der Magie zu schützen. Da einfache Amulette nichts helfen und der nubische Herrscher ihm nach drei weiteren Nächten voller Prügel mit der Todesstrafe droht, muß der nubische Magier nach Ägypten ziehen, um den Gegenzauber zu lokalisieren. Er begibt sich zuerst zu seiner Mutter, die ihn dringend warnt. Sie setzt Warnzeichen fest, an denen sie erkennen kann, wenn er in Gefahr ist. Horus, Sohn der Nubierin, durchspäht nun magisch Ägypten von Norden (Balamun) her – gerade umgekehrt zur normalen Orientierung der Ägypter –, bis er nach Memphis kommt, wo er seinen Gegner erkennt. Die beiden Kontrahenten schmähen sich gegenseitig, wobei sie auf vergangene Treffen hinweisen. Die Details (der Ägypter soll den anderen vor dem Ertrinken gerettet, der Nubier ihn die Schakalsprache gelehrt haben) finden keinen Anknüpfungspunkt im Text selbst und könnten auf andere Erzählungen hinverweisen. Es kommt zum Zauberduell: „Der nubische Anführer bewirkte ein Zauberwerk: Er ließ das Feuer im Audienzhof hervorbrechen. Pharao und die Anführer Ägyptens riefen in einem großen Aufschrei und sagten: ‚Eile zu uns, oh Magier Horus, Sohn des Panesche!’ Horus, Sohn des Panesche, machte eine Formel, er ließ den Himmel oberhalb des Feuers einen dichten Regen machen und es erlosch im Nu. Der Nubier bewirkte ein anderes Zauberwerk: Er ließ eine große Trübung im Audienzhof entstehen. Niemand sah seinen Bruder oder seinen Nächsten. Horus, Sohn des Panesche, beschwor den Himmel und ließ ihn aufhören, mit dem üblen Wind zu dräuen, in dem er war. Horus, der Sohn der Nubierin, bewirkte ein anderes Zauberwerk: Er ließ ein großes steinernes Gewölbe von 200 Ellen Länge auf 50 Ellen Breite oberhalb des Pharao und der Anführer entstehen. Es kam daran, Ägypten ohne König, das Land ohne Herrscher zu lassen. Pharao blickte zum Himmel und sah das steinerne Gewölbe oberhalb von sich. Er öffnete seinen Mund in einem großen Schrei mit der Menge Ägyptens, die im Audienzhof war. Horus, Sohn des Panesche, rezitierte

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eine Formel und ließ ein Papyrusboot entstehen. Er ließ es das steinerne Gewölbe tragen. Es ließ sich mit ihm auf dem großen See, dem großen Wasser Ägyptens nieder“ (6, 13-21).

Der Nubier erkennt seine Unterlegenheit und will fliehen, doch kann Horus, Sohn des Panesche, ihn stellen. Er verwandelt ihn in eine Gans, über der ein Schlachter mit dem Messer steht. Nun treten die Warnzeichen in Aktion, und seine aufgerüttelte Mutter kommt herbei. Auch sie wird jedoch in die gleiche Lage gebracht. Um sich zu lösen, müssen beide einen Eid schwören, nie wieder nach Ägypten zu kommen. Der Sohn gewährt dies jedoch nur für 1500 Jahre. Nach erfolgreicher Lesung des verschlossenen Briefes demaskiert SiOsiris den Nubier, der vor ihm steht, als eben den Horus, Sohn der Nubierin. Er selbst aber sei niemand anderes als Horus, Sohn des Panesche, der die jetzige Situation vorausgesehen und von Osiris die Erlaubnis zur Wiedergeburt erhalten hat. Den Nubier verbrennt er magisch durch Feuer, er selbst aber verschwindet als Schatten. Setne ist über den Verlust seines Sohnes betrübt, seine Frau wird jedoch erneut schwanger und gebiert ihm einen Sohn User-MenRe,101 was eine phonetische Wiedergabe der Aussprache des Thronnames Ramses’ II., aber auch zahlreicher Herrscher der 20. Dynastie und der Dritten Zwischenzeit ist. Schon dadurch, daß Setne hier eine eher passive Rolle einnimmt und SiOsiris bzw. Horus, Sohn des Panesche, der wirkliche Held ist, werden Unterschiede zu den anderen Setne-Traditionen deutlich. Man wird überlegen müssen, ob hier eine ursprünglich eigenständige Tradition eines Meistermagiers erst später in den Sog der dominierenden Setne-Tradition geraten ist. Insbesondere kann man sich fragen, was für Beziehungen zwischen Horus, Sohn des Panesche, dem Protagonisten der eingeschalteten Episode aus der Vergangenheit, und Horus, Sohn des Pwenesch bestehen, der Held einer ägyptisch und aramäisch überlieferten Erzählung ist (s.u. S. 78).

101

Zur Lesung s. BERLEV, BiOr 55 (1998), Sp. 775; VITTMANN, DemNB Nachträge, S. 140 (zu S. 128); CHAUVEAU, BSFÉ 156, S. 30 Anm. 24.

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Griechischer Einfluß ist besonders in der Schilderung der Strafen der Unterwelt102 gesehen worden, wo man das Oknos- und Tantalos-Motiv als fremd empfunden hat. In neuerer Zeit wurde ein Vorstoß unternommen, diese Motive für ursprünglich ägyptisch zu erklären.103 Als Argument wurde angeführt, es gäbe bereits im Pfortenbuch einen Seilflechter im Jenseits. Zudem würde der strickefressende Esel in Ägypten als typhonisches Tier gut passen. Diese Theorie wurde aber zuletzt unter Hinweis auf die enge Gemeinsamkeit zwischen Pausanias 10, 29, 1-2 und Setne II 2, 16-18 abgelehnt, da Pausanias eben die beiden Strafen eng verbunden schildert, die auch bei Setne in auffällig ähnlichen Schilderungen nebeneinander stehen. Ebenso sei die Verurteilung zu sinnlosen Tätigkeiten griechisch, nicht ägyptisch.104 Bemerkenswert ist jedenfalls die Begründung für die Strafen. Sie bemüht sich deutlich, eine enge logische Beziehung zwischen Strafe und Vergehen herzustellen und damit die Konstellationen in den im Text zugrunde gelegten Rahmen des Tun-Ergehen-Zusammenhanges einzupassen. Allerdings bleibt gerade dadurch die Logik teilweise auf der Strecke, weil über die allgemeine Aussage hinaus, die Missetaten der betreffenden Leute seien zahlreicher als ihre Wohltaten gewesen, kein konkreter Anlaß für die Strafe vorhanden bleibt, während ein solcher wenigstens im griechischen Mythos über Tantalos klar erkennbar ist. Eben deshalb würde ich eher annehmen, daß hier ein Versuch vorliegt, vorgegebene griechische mythische Bilder kulturell zu adaptieren und mit neuen Hintergründen zu versehen. Dies wäre damit vergleichbar, wie etwa in den römerzeitlichen „Grabhäusern“ von Tuna el-Gebel auch griechische mythologische Motive neben ägyptischen Unterweltsdarstellungen in der Dekoration auftreten können. Die Kindheitsgeschichte des Si-Osiris wird wohl andersartig in knapper Form auch als Schülerübung auf einem Krug überliefert,105 wobei allerdings sein Name selbst nicht erhalten ist. Als Mutter eines Knaben, dessen Name in ei102

Zur Frage der sich hier begegnenden Traditionen einschließlich rabbinischer Parallelen s. QUACK, in: EGO, MITTMANN (Hrsg.), Evil and Death, S. 397-404. 103 HOFFMANN, ZPE 100, S. 339-346. 104 VITTMANN, ZÄS 125, S. 68f. Vgl. auch LAZARIDES, in: RUTHERFORD (Ed.), GrecoEgyptian Interactions, 198f. 105 SPIEGELBERG, Krugtexte, S. 18f., Tf. Vf.

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ner Lücke verloren ist, erscheint Mehit-(en)-Wesechet, also die aus Setne II bekannte Mutter des Si-Osiris. Auf die Standardformulierung über seine Geburt folgt speziell der Bericht, wie er in die Schule gegeben wurde. Soweit der lückenhafte Text es noch erkennen läßt, fragt seine Mutter explizit an, ob ihr Sohn dumm sei (eventuell aufgrund ausbleibender Lernerfolge). Der Lehrer erklärt offenbar, wie er selbst erst durch Schläge zu Fleiß gekommen sei. Der Verlust des Endes läßt im Unklaren, ob nach der Konzeption des Textes selbst der Sohn der Mehit-(en)-wesechet für Lernerfolge geprügelt werden mußte, was ein Trost für den normalen Schüler wäre, der sicher häufiger mit Schlägen konfrontiert wurde. An die Geschichten um Setne, Sohn Ramses II., sollte man sinnvollerweise andere Erzählungen anschließen, die zwar auch den Titel Setem u.ä. bringen, dem Träger jedoch einen andersartigen Personennamen beilegen. Im pSaqqâra 1 (s.u. S. 97-98) und pKairo CG 30758 erscheint ein solcher Priester namens Ptahhotep.106 Ob es sich um Reste derselben Erzählung handelt, ist nicht sicher. Im besser erhaltenen Stück aus Saqqâra scheint er jedenfalls nur eine Nebenrolle einzunehmen. pKairo CG 30758 wurde ursprünglich als Teil einer Parallele zur ersten Setne-Erzählung im pKairo CG 30692 angesehen (s. S. 43), was mir allerdings vom Duktus her wenig plausibel erscheint.107 Da in der ersten Zeile Ptahhotep mit seinem Namen ausdrücklich als Setem eingeführt wird, könnte es sich um die überhaupt erste Zeile des Textes handeln. Er erblickt ein im Wasser treibendes Papyrusstück, auf dem sich ein Spatz befindet. Ihm gegenüber bezeichnet sich jemand als Geist, der nicht gegessen und getrunken hat. Dann wird ein Boot mit Ruderern ausgerüstet, das dem Papyrus folgt, sie landen an einem Ort unsicherer Lesung.108 Eine mit Byssos und einem Goldring reich ausgestattete Gestalt tritt auf. Jemand grüßt einen anderen feierlich und klagt über die Menge seiner eigenen Leiden. Möglicherweise literarischer Natur ist auch ein fragmentarisches frühdemotisches Ostrakon aus Saqqara (DO Saqqara 3), das mit „Die Schriften des 106

SMITH, TAIT, Saqqâra Papyri I, S. 46; SPIEGELBERG, Demotische Denkmäler II, S. 145148, Tf. LVIII. 107 Skeptisch auch TAIT, in: FRANDSEN (Ed.), The Carlsberg Papyri 1, S. 34. 108 Gegen die Lesung der Edition kann es sich kaum um Gebelein handeln.

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Setem“ betitelt ist.109 Schließlich ist in einer der 70 Erzählungen der PeteseErzählung das Ende eines Textes erhalten, der Setem erwähnt (s.u. S. 91). 3.6. Geschichten über die Dritte Zwischenzeit und die Spätzeit 3.6.1. Bis zur 25. Dynastie Mutmaßlich als Beginn einer Erzählung zu bewerten sind einige Zeilen in abnormal-hieratischer Schrift auf einer Schreibtafel etwa der 25.-26. Dynastie.110 Genannt wird ein Djeddjehutiiuefanch, der als historische Person aus der 22. Dynastie bekannt ist. Leider endet die Niederschrift nach einer kurzen Beschreibung seiner wesentlichsten Eigenschaften Reichtum und Schönheit(?). Möglicherweise in die Regierungszeit des Piye111 gesetzt sind einige Fragmente einer Erzählung auf einem spätptolemäischen Papyrus (u.a. pBerlin 13640 und pCarlsberg 303), die als Helden einen Ägypter namens Naneferkasokar zeigt.112 Er befindet sich in Babylon, der „Große des Ostens“ tritt auf. Allerdings scheinen bereits „Satrapien“ genannt, also historische Zustände der Perserzeit vorausgesetzt zu sein. Weiterhin wird auch König Necho I., Sohn des Tefnachte genannt.113 Ein Handlungsstrang setzt ein, als der Große von Babylon Naneferkasokar am 28. Mesore dabei beobachtet, wie er Kleider flickt. Auf seine Frage hin gibt ihm Naneferkasokar eine Ausdeutung, seine Gruppe („wir“) hätten die Frauengewänder abgelegt und würden wieder als Krieger agieren. Nachdem der Große einen Eid geleistet hat, ihn nicht zu bestrafen, erklärt Naneferkasokar weiter, es gäbe keinen, der stärker als er sei. 109

RAY, Demotic Ostraca, S. 21-26; vgl. QUACK, Or 84, S. 112. VITTMANN, Ä&L 16 (2006), S. 187-193. 111 Im demotischen Text als Py# bezeichnet; zur Lesung des Namens des Herrschers der 25. Dynastie s. aber zuletzt C. RILLY, Une nouvelle interprétation du nom royal Piankhy, BIFAO 101 (2001), S. 351-368 und dagegen K. ZIBELIUS-CHEN, Zur Problematik der Lesung des Königsnamens Pi(anch)i, Der Antike Sudan 17 (2006), S. 127-133. 112 Bislang ediert ist nur ein größeres Bruchstück in Berlin, s. SPIEGELBERG, Fs Griffith, S. 171-180, Tf. 21. Zu den Kopenhagener Stücken und der Nennung des Herrschers s. ZAUZICH, in: FRANDSEN (Ed.), The Carlsberg Papyri 1, S. 6; kurzer Gesamtüberblick RYHOLT, in: Fs Larsen, S. 502-504. 113 RYHOLT, in: FEDER, MORENZ, VITTMANN (Hrsg.), Fs Grunert, S. 123-127. 110

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Bemerkenswert ist, daß Naneferkasokar den Fürsten von Babylon stets als „mein großer Herr“ anredet und ihm die Huldigungsformel „oh möge er die Lebenszeit des Re machen“ zugesteht, also deutlich loyal in seinen Diensten steht. Gleichzeitig erklärt er ihm ägyptische Bräuche, so den Jahresbeginn im ersten Monat der Überschwemmungszeit im Gegensatz zum ersten Monat der Aussaatzeit, der bei den Babyloniern der Neujahrstermin ist. Vermutlich erklärt er anschließend, warum bestimmte Tage (die Epagomenen?) bei den Ägyptern als unglückbringend gelten und man an ihnen keine Opfer in den Göttertempeln vollzieht und auch keinerlei Arbeit verrichtet. Es gäbe einen Wettkampf in Ägypten, bei dem der Stärkste vor Pharao einen Kranz erhalte; der Priester der thebanischen Mut scheint dabei eine Rolle zu spielen. Hier folgt ein Bericht über eine Reise des ägyptischen Heeres nach Syene, an der auch Naneferkasokar beteiligt war, und bei der es zu einem wegen schlechter Erhaltung nicht ganz klaren Zwischenfall kam. Nach Abschluß von Naneferkasokars Worten (die wohl auch erklären sollen, warum er während bestimmter Tage nicht zum Kampf antreten kann), werden 14 Fremde (Perser oder Babylonier?) aufgerufen – mutmaßlich sollen sie gegen Naneferkasokar zum Wettkampf antreten. Er scheint zu gewinnen, jedenfalls gehen der Fürst von Babylon und seine Großen betrübt fort, indem sie den verfluchen, der stärker als der ganze Bezirk von Babylon ist. Hiermit bricht das veröffentlichte Fragment ab. Wohl eine weitere Handschrift dieser Erzählung wird durch ein Ostrakon aus Edfu dargestellt, das einen gewissen Monthuhotep und seine Gefährten im Angesicht der babylonischen Armee zeigt.114 Zumindest eine kurze Passage läuft direkt parallel zu einem der noch unveröffentlichten Papyrusfragmente in Kopenhagen. In die 25. Dynastie ist wohl die Handlung des pCarlsberg 75 zu setzen,115 der darüber berichtet, wie nubische Anführer in den Gauen Ägyptens herrschen. Einer von ihnen hat seine Augen auf die Tochter eines Priesters der Neith von Sais geworfen. Allerdings erscheinen auch schon die Meder sowie wahrscheinlich Kyros. Der Text hat sich inzwischen als Parallele zu pCarlsberg 114 115

CHAUVEAU, BIFAO 91, S. 147-153. Unveröffentlicht, erwähnt von VOLTEN, ArOr 19, S. 72; RYHOLT, Story of Petese, S. 85.

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57+465 erwiesen. In letzterem Text wird u.a. berichtet, wie der Pharao davon träumt, daß sein Heil aus Athribis käme. Zudem gibt es in dieser Erzählung eine Kastrationsepisode, welche der in der Anosis-Erzählung (s. S. 79) in den Formulierungen ähnelt. Mutmaßlich aus dem Ägyptischen übersetzt ist ein aramäischer Text, der in einem Grab von Scheich Fadl mit Tinte auf die Wand geschrieben ist. Er nennt König Taharko, Necho sowie einen Protagonisten namens OrA,116 der eventuell als aramäische Form von Hareus zu deuten ist. Bemerkenswert ist besonders, daß darin offenbar der Name des Inaros (Lesung mit Lemaire und Vittmann) fällt, der ansonsten als Hauptperson eines Erzählzyklus, allerdings nicht mit diesen Herrschern verbunden, erscheint. Auch 40 Mann, die einmal erwähnt werden, könnten mit der Tradition der 40 Helden des Inaros zu verbinden sein. Am Anfang des erhaltenen Bereiches steht offenbar eine Liebesgeschichte, möglicherweise eine Rivalität zweier Männer um dieselbe Frau. Dabei spielt die Zahlung von 100 Silberstücken eine Rolle, eventuell als Angebot, um die Gunst der Betreffenden zu erlangen. Die Formulierungen des Liebesbegehrens zeigen dabei gewisse Ähnlichkeit mit pCarlsberg 159 vs, im Hinblick auf die Ähnlichkeit des Namens kann man auch Verbindungen zur Geschichte von Hareus’ Hochzeit im pCarlsberg 422 ziehen (s. S. 96).117 Im weiteren Verlauf tritt ein Eunuch namens Psammetich auf, 4 Festtage des Amun werden erwähnt, auch Atum, Herr von Heliopolis, eventuell erscheint der Assyrerkönig Assarhaddon. Die extrem schlechte Erhaltung fast aller Textbereiche läßt die Handlung leider nicht recht klarwerden. Man sollte aber zumindest anmerken, daß in der Anosis-Geschichte (s. S. 79) einerseits jemand namens Psammetich zum Eunuchen gemacht wird, andererseits auch ein Hareus als handelnde Person auftritt.

116

LEMAIRE, in: Studia Aramaica, S. 77-132; B. PORTEN, A. YARDENI, Textbook of Aramaic Documents from Ancient Egypt 4 (Jerusalem 1999), S. 286-299; VITTMANN, Ägypten und die Fremden, S. 104f.; HOLM, Aramaic Studies 5, S. 193-224. 117 QUACK, WdO 46, S. 69.

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3.6.2. Der Inaroszyklus Ein besonders großer Zyklus von Geschichten rankt sich um den Helden Inaros und dessen Familie. Diese Erzählungen spielen unter einem König Petubastis. Ihr historisches Umfeld ist jedoch nicht das der 22. Dynastie, sondern des späten 7. Jahrhunderts v. Chr. im Zeitpunkt um bzw. kurz vor der assyrischen Eroberung, d.h. der König ist Petubastis II., viele der Protagonisten sind aus den assyrischen Annalen bekannt. Gerade der Hauptheld war bislang nicht sicher faßbar, doch könnte er mit einem in den Assurbanipalinschriften genannten Herrscher von Athribis zu identifizieren sein, von dessen Name nur das auslautende [...]Xarau sicher lesbar ist.118 Daß Inaros aus Athribis stammt, ist inzwischen durch die vorangeschrittene Erschließung der Kopenhagener Handschriften definitiv gesichert, in denen er als Sohn des Baknanifu und Enkel des Petese erscheint.119 Damit gehört er in den Zusammenhang der Revolte gegen den Assyrerherrscher, an der auch Necho von Sais und Pekrur von Pi-Sopte beteiligt waren; letzterer erscheint auch prominent im Inaroszyklus, ersterer ist als Necho „geliebt von Neith“ in den Geschichten über den lebenden Inaros der regierende Pharao (und wird auch im Rückblick darauf pKrall 7, 21 erwähnt). Allerdings sind die konkreten Erzählungen öfters schon mit Realien späterer Zeit versehen; insbesondere solchen aus der Epoche des Perserreiches wie dem Gott Ahura Mazda und dem Berg Alwand. In der internen Logik der Abfolge an erster Stelle steht ein außerordentlich umfangreicher Text über die Heldentaten des lebenden Inaros, der in einer Reihe von Handschriften überliefert, aber bislang mit Ausnahme kleiner Fragmente noch nicht ediert ist.120 Ziemlich zu Beginn des Textes zeigt ein längerer Abschnitt zunächst die Götter als Akteure, dann erscheint Cheops, Sohn des Mykerinos sowie König [Amenemhet], Sohn des Sesostris, der als Rollenmodell dafür zu dienen scheint, wie ein früherer Herrscher Feinde

118

QUACK, in: ROLLINGER, TRUSCHNEGG (Hrsg.), Fs. Rollinger, S. 499-505. RYHOLT, in: Fs Larsen, S. 489. 120 Gesamtbearbeitung durch K. Ryholt in Vorbereitung; Vorbericht ders., in: Fs Larsen, S. 492-495. Bislang ediert sind SPIEGELBERG, Demotische Denkmäler III, S. 103-105, Tf. 59 (CG 50142); TAIT, Papyri from Tebtunis, S. 1-14, Tf. 1 (Nr. 1) u. 26f., Tf. 2 (Nr. 5). 119

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Ägyptens unterworfen hat.121 Eventuell gehören hierher auch die oben erwähnten Fragmente, welche Götter auf Heereszügen zeigen (s. S. 28). Ein längerer zusammengehöriger Bereich zeigt Assarhaddon bei der Beratung mit einem gewissen Sinuqi, Sohn des Nabuqen, einem Propheten des Bel und Priester des Nabu. Dieser rät ihm, Inaros einen Brief zu schreiben. Inaros befindet sich vor der Festung von Alwand (in Persien), doch ist der Ratgeber zuversichtlich, daß diese nicht fallen wird; sie gilt in dieser Erzählung als Kulmination fortifikatorischer Leistungen. Der Brief enthält dementsprechend offenbar herausfordernde Wendungen gegen den Ägypter. Anachronistisch schwört der assyrische Ratgeber in dieser Episode beim persischen Gott Ahura Mazda. In einem weiteren Fragment, dessen Position relativ zum anderen nicht gesichert ist, bietet eine assyrische Zauberin Assarhaddon an, den Ägypter zu ihm zu bringen, und verwandelt sich dann in einen Greifen. Ihr Schwur bei Arta/Alta, dem Feuer des Ostens, könnte sich auf den persischen Feuergott Atar beziehen. Während Inaros mit seiner Armee am Ufer des Roten Meeres lagert, erspäht er beim Blick auf das Meer eine heranfliegende Kreatur und fürchtet, es sei ein Greif, von dem er früher schon am Hof des meroitischen Königs gehört sowie Feder und Klaue gesehen hatte. Der jetzt herankommende 120 Ellen lange Greif verursacht Tod und Verwüstung in den ägyptischen Reihen, wird aber schließlich von Inaros mit einer Lanze mit Eisenspitze getötet. Aus Teilen seiner Haut stellt er eine Art Rüstung her, der Leichnam wird ins Meer geworfen. Der Kampf an sich wird als Duell zwischen Horus, groß an Kraft, und dem Großen des Ostens, Apopis auf eine mythologische Ebene gestellt. Ein anderes, sehr problematisches Fragment erwähnt Pekrur sowie die königlichen Schlafgemächer des Assarhaddon. Ein bereits veröffentlichtes Bruchstück enthält offenbar ein Gespräch zweier Höflinge. Dabei geht es unter anderem um eine Traumvision. Auch Gaugamela, das realiter der Ort der großen Schlacht Alexanders gegen Dareios III. war, scheint erwähnt zu werden. Ein wichtiges Motiv sind die 40 Helden, die Inaros auf seinen Kriegszügen begleiten. 121

RYHOLT, in: FITZENREITER (Hrsg.), Das Ereignis, S. 237.

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Ohne erkennbare Verbindungen mit dem Rest der Traditionen um den lebenden Inaros steht eine Handschrift (pCarlsberg 606) der Römerzeit.122 Athribis, die Heimat des Inaros, wird erneut erwähnt. Fürst Inaros begeht dort im Anschluß an ein Fest des Horus Chentechtai ein Gelage, bei dem er sich sehr betrinkt. Er läßt sich seine Rüstung in den Festsaal bringen. Danach opfert er und beschließt, sich von bestimmten Personen zu trennen. Dabei räsoniert er darüber, wie seine Gruppe die Leute aller Himmelsrichtungen zu Vasallen gemacht hat. Gewissermaßen ein Seitenzweig der Traditionen um Inaros ist die BesErzählung.123 Sie beginnt damit, daß Bes gemeinsam mit einem Gefährten namens Horudja, mit dem er Treueeide schwört, ein Mädchen entführt, das offenbar die Geliebte oder Frau des Letzteren ist, aber von einem reichen Nebenbuhler geraubt wurde. Die Befreiung gelingt, Bes wird aber selbst von Gelüsten nach der Frau erfüllt. Sie lehnt ihn ab, er aber ermordet hinterhältig ihren Geliebten. Darauf gibt sie vor, diesen bestatten und sich dann Bes hingeben zu wollen, nutzt die Gelegenheit jedoch tatsächlich zum Selbstmord. Zur Strafe wird Bes von Isis mit Aussatz geschlagen und muß sich in die nubischen Einöden zurückziehen. Hier scheint er an Aktionen der Nubier gegen die Ägypter beteiligt. Eine andere Episode zeigt Inaros, dem sprechende Tiere, besonders ein Esel, begegnen. Gerade dieser Text mit seiner Häufung von Liebes- und Verführungsmotiven sowie reißerischer Handlung mit emotionalen Höhepunkten muß für die Frage nach der Herausbildung des antiken Romans eine zentrale Rolle einnehmen. Durch seine Themenschwerpunkte wirkt er den griechischen Romanen besonders eng verbunden, selbst die Liebesgeschichte zwischen Petechons und Serpot in der Amazonen-Erzählung, die sich innerägyptisch am besten als Vergleich eignet, enthält keine derartigen Rivalitäten und tragischen Wendungen. Kontakte der beiden Kulturen in diesem Bereich sind wahrscheinlich. In welche Richtung allerdings die Einflüsse genau gegangen 122

Edition RYHOLT, The Carlsberg Papyri 10, S. 23-33, Taf. 4. Edition durch F. Hoffmann in Vorbereitung; kurzer Vorbericht ders., Ägypten, S. 205. Ediertes Fragment SPIEGELBERG, Demotische Denkmäler III, S. 97f. Tf. 59 (Kairo CG 50137); TAIT, Papyri from Tebtunis, S. 20-24, T. 2 (Nr. 3). Übersetzung eines Ausschnittes in HOFFMANN, QUACK, Anthologie, S. 55-59. 123

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sind bzw. ob veränderter Lesergeschmack zu konvergenten Entwicklungen geführt hat, wird sich erst nach einer vollständigen Vorlage der demotischen Fragmente diskutieren lassen, wobei auch Chronologiefragen noch genauerer Klärung bedürfen. Mit dem Tod des Inaros und den Problemen in deren Umfeld setzt die ausführliche Erzählung vom Kampf um den Panzer des Inaros ein, deren Haupthandschrift der pKrall ist, während pCarlsberg 456 insbesondere Material vom Anfang und Ende der Komposition überliefert.124 Die Ausgangssituation scheint ein Fest am 25. Choiak zu sein, also im Bereich der wesentlichen Feste für Osiris. Im Tempel von Memphis ist der tote Inaros bei König Nedjemibre125 aufgebahrt, während die Götter eine Beratung abhalten und beschließen, die beiden größten kriegerischen Sippen Ägyptens gegeneinander zum Streit anzustacheln. Dazu werden je zwei Dämonen ausgeschickt, von denen ein Paar Pami, Sohn des Inaros, ein anderes Wertamenne, den Helden von Mendes,126 mit Kampfeslust erfüllen soll. Der Schreiber des Gottesbuches bekommt offenbar durch den Einsatz seiner magischen Fähigkeiten diese Beratung mit. Damit er nichts von den Geheimnissen der Götter berichten kann, springt Anubis auf die Erde und reißt ihm das Herz aus der Brust. Pharao, der schon vorher nach Kräften bemüht war, Streit zu verhindern, ist hierüber nicht glücklich. Die Schreiber des Lebenshauses erwecken den Toten vorübergehend zum Leben, bevor er bestattet wird. Inzwischen führen die Dämonen ihren Auftrag aus. Pami wird während eines Festes in Heliopolis von unbändiger Kraft erfüllt und sieht sich und seine Familie als die größten Helden Ägyptens. Sein Zorn wird jedoch entflammt, als ihm ein Krieger berichtet, was er bei einem Genesungsaufenthalt in Mendes erlebt hat. 124

Neu ediert von HOFFMANN, Kampf um den Panzer des Inaros; zusätzlich RYHOLT, JEA 84, S. 151-169; ders., The Carlsberg Papyri 10, S. 73-88, Taf. 9f. Übersetzung HOFFMANN, QUACK, Anthologie, S. 59-87 u. 334-336. Die Theorien von SCHWARTZ, BIFAO 49, S. 6783 über gegenseitige Beeinflussung mit dem Kampf um die Pfründe des Amun und redaktionelle Entwicklung sind durch inzwischen verbessertes Textverständnis überholt. 125 Einziger positiv bezeugter Herrscher dieses Namens ist ein obskurer König der Zweiten Zwischenzeit. 126 BOLSHAKOV, SOUSHCHEVSKI, GM 164, S. 23 Anm. 70 identifizieren ihn unter Berufung auf Berlev mit dem kushitischen König Tanutamani; mit Recht kritisch dazu VITTMANN, DemNb Nachträge, S. 140; ders., WZKM 96, S. 308 Anm. 13.

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Was genau dies war, ist beim trümmerhaften Zustand des betreffenden Abschnittes nicht recht klar, doch kann es sich wohl nur darum handeln, daß Wertamenne, der General von Mendes, den Panzer des Inaros stehlen und in seine Residenz hat bringen lassen. Offenbar reist Pami selbst nach Mendes, um den Sachverhalt zu prüfen und den Panzer für sich zu reklamieren, wird aber nicht freundlich behandelt. Hierüber ist er um so ergrimmter, als er sich seiner großen Verdienste rühmen kann, da er entscheidend an der Abwehr des Assyrerherrschers Assarhaddon, Sohn des Sanherib127, beteiligt war. Wütend begibt er sich zu Pekrur, dem in Pi-Sopte residierenden Fürsten des Ostens, der auch sonst in diesem Zyklus immer als Vermittler auftritt. Dieser reagiert erbost und zieht gemeinsam mit Pami nach Tanis, um vor dem König zu klagen. Pharao Petubastis bestellt Wertamenne zu sich, um ein Urteil zu fällen. Dieser findet sich ein, macht aber im Gegenzug Pami Vorwürfe und scheint auch Inaros zu beleidigen. Die Stimmung eskaliert. Ein Vermittlungsversuch des Königs, der anbietet, Inaros in Busiris ein äußerst ehrenvolles Begräbnis auszurichten, das am Apis- und Mnevisstier sowie dem König selbst orientiert ist, kann die Gemüter nicht auf Dauer beruhigen, obgleich der Plan umgesetzt und Inaros am Dromos des Tempels des Osiris von Busiris beigesetzt wird. Pami beharrt darauf, den Panzer nach Heliopolis zu bekommen, sonst könne er nicht feiern, und vertritt seine Auffassung gemeinsam mit Pekrur erneut vor dem König, der gerade gehofft hatte, alle Streitigkeit beigelegt zu haben. Wertamenne reagiert traurig und schweigsam. Dies ruft eine um so heftigere Reaktion seines Kontrahenten hervor: „Pami trat in die Mitte vor Pharao, indem er sagte: ‚Lockenträger und Breifresser!128 Bist du wegen deiner kraftvollen Stärke gekommen? Kämpfe mit mir vor Pharao!’ Sobald die Schar Ägyptens es hörte, sagten sie: ‚Wertamenne ist es, der vor Pharao Krieg wünscht.’ Pami sagte: ‚Bei Atum, dem Herrn von Heliopolis, dem großen Gott, meinem Gott! Wäre nicht jenes Ansehen und die Würde des Pharao, der vor dir ist, würde ich es dich abkriegen lassen, denn ich bin in schlechter Laune.’ Wertamenne sagte: ‚Bei Mendes, dem großen Gott! Der 127

Letzterer in pseudo-etymologisierender Schreibung als wsX-rn=f angegeben. Historischer Hintergrund könnte der erste (erfolglose) Angriff Assarhaddons 674 v. Chr. sein. 128 Typische Schimpfwörter dieser Textgruppe, mit denen wohl der Angeredete als dummes Kleinkind typisiert werden soll.

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Die demotische und gräko-ägyptische Literatur Kampf, der im Bezirk entsteht, der Streit, der in der Stadt entsteht, der wird kommen als eine Sippe gegen die andere. Der Krieg wird auch mit einem gegen den anderen entstehen wegen des Panzers, ehe man ihn aus der Festung von Dju-Re herausbringen kann.’ Der Große des Ostens Pekrur sagte vor Pharao: ‚Ist schön, was durch Wertamenne angerichtet wird, und die Reden, die er führt? Pharao wird den Stärkeren unter uns sehen. Ich werde Wertamenne die Schändlichkeit der Dinge erkennen lassen, die er angerichtet hat und die er redet von Krieg gegeneinander. Ich werde ihn mit Krieg sättigen. Ich habe mich abgemüht, um Streit und Krieg in der Zeit des Pharao nicht entstehen zu lassen. Jedoch, da Pharao mich angestiftet(?) hat, werde ich Pharao den Krieg der beiden Schilde zeigen, indem du Zeuge dessen bist, was geschehen wird, indem du es vor Augen haben wirst. Die beiden Berge werden wanken. [Du wirst] den Himmel [sehen], wie er auf die Erde geworfen ist, und ihr Beben. Du wirst [die Stiere, die Leute von P]i-Sopte, und die Löwen, die Leute von Metelis und ihr Kämpfen sehen. Das Eisen, [das k]alt ist, wir werden es erwärmen!’“ (9, 5-20).

Die beiden Parteien beharren auf einem kriegerischen Duell, das sie und ihre Verbündeten gegeneinanderstellt. Hier zeigt sich die grundsätzliche Opposition zweier Machtgruppen unter den Kriegern und Fürsten Ägyptens. Auf der einen Seite stehen das in Tanis residierende Herrscherhaus und die ihm nahestehenden Geschlechter, die sich um ein Bündnis der vier „schweren“ Gaue von Tanis, Mendes, Natho und Sebennytos ranken. Ihnen entgegen treten die Sippe des Inaros und ihre Anhänger, die schwerpunktmäßig auf Athribis, Heliopolis, dem Ostgau und Elephantine basieren, aber auch an vielen anderen Orten Stützpunkte haben. Ein Kampf ist jetzt unausweichlich und wird auch für einen bestimmten Ort, nämlich den Gazellensee (wohl im Westdelta) festgelegt. Beide Protagonisten erhalten die Gelegenheit, brieflich in aller Ausführlichkeit ihre sämtlichen Verbündeten mit all ihren Kriegern dazu herbeizurufen. Auf Rat des Pekrur eilt Pami seiner Anhängerschaft voraus, damit nicht eventuell vor ihm eintreffende Gruppen unverrichteter Dinge wieder abziehen. Dadurch begibt er sich aber in eine gefährliche Situation, da er allein mit seinem Diener der großen Übermacht des Wertamenne gegenübersteht, dessen Streitmacht zuerst angekommen ist. Die Kriegerehre verbietet es Pami jedoch, die Herausforderung abzulehnen, so wenig er sich auch dabei wohl fühlt. Sein Diener muntert ihn auf, trifft jedoch, als er am Ufer auf Unterstützung ausharrt, zunächst nur die Flotte weiterer feindlicher Verbände. In

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größter Verzweiflung erblickt er endlich doch eigene Hilfstruppen. Pami faßt neuen Mut und besteht seinen Kampf siegreich. Die jeweils neu angekommenen Verstärkungen, nämlich Prinz Anchhor auf der Seite des Wertamenne und Petechons auf der Seite des Pami, liefern sich zunächst ein Schimpfduell, bei dem auch unter der Gürtellinie argumentiert wird, d.h. sie bezeichnen sich gegenseitig als Hurer, dessen Vater seine Mutter vergewaltigend geschwängert hätte. Inzwischen schließen Wertamenne und Pami einen Waffenstillstand. König Petubastis eilt herbei und beschwört Einhalt, bis alle eingeladenen Kämpfer auch eingetroffen sind. Hieran schließt sich eine ausführliche Szene an, wie nacheinander die Verbündeten beider Seiten eintreffen und ihre Landeplätze zugewiesen erhalten. Das eigentliche Kampffeld wird vorbereitet, insbesondere Tribünen für die hochrangigen Zuschauer bereitgestellt. Sehr sorgfältig und überlegt werden von Pekrur jeweils die Anführer beider Seiten einander als Kampfpaare zugeordnet, wobei er Wert auf Gleichmaß der Truppenstärke legt. Verspätet trifft noch ein starker Heerbann aus Syrien unter Monthbaal ein, einem weiteren Sohn des Inaros, der durch ein Traumgesicht aufgefordert wurde, zum Gazellensee zu eilen. Pekrur findet keinen passenden Gegner für ihn und vertraut ihm deshalb die Bewachung des Lagers an. Nun tobt der Kampf. Das Heer von Sebennytos unterliegt Pamis Verbündeten und läuft auf der Flucht gerade der Truppe des Monthbaal in die Arme. Dieser beginnt ein großes Gemetzel und läßt sich erst durch Vermittlung des Königs und des Pekrur davon abhalten. Währenddessen hat Pami Wertamenne besiegt und will ihn töten, doch hier gebietet nunmehr Monthbaal ihm Einhalt. „Monthbaal ließ die Trompete in seinem Heer ertönen. Sie wandten ihr Gesicht vom Schlachtfeld ab, indem sie wie jemand waren, der nicht gekämpft hatte. Sie kehrten in ihrer Spur zurück, bis sie zur Schlachtordnung zu dem Ort kamen, wo Pami war. Sie fanden ihn, wie er mit Wertamenne kämpfte. Pami brachte sich an ihn mit einem Wegreißen des Schildes, mit Stoßen des Schildbuckels, mit kraftvollem Arm. Er trat mit dem Fuß nach vorne aus und warf ihn zu Boden. Er erhob seine Hand mit seinem Schwert, wie um ihn zu vernichten. Monthbaal sagte: ‚Oh nein, mein Bruder Pami! Halt deine Hand zurück, bis wir erneut Rache an ihnen nehmen, denn der Mensch ist kein Schilf, das man abschneidet und es wächst (nach). Außerdem haben Pekrur, unser Vater, und Pharao Petubastis be-

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Die demotische und gräko-ägyptische Literatur fohlen, daß kein Krieg entsteht, und daß man alles macht, was Pharao hinsichtlich des Panzers sagen wird, um ihn wieder zu seinem Ort zu bringen’.“ (pKrall 23, 214).

Auch Petechons überwindet seinen Gegner, den Prinzen Anchhor. Hier bittet der König selbst um Gnade und bestätigt, daß die Anhänger des Inaros gesiegt haben und die stärksten Helden Ägyptens sind. Sehr verspätet trifft schließlich Minnebme, Sohn des Inaros, aus Elephantine ein. Er erblickt auf dem Schiff des Teos das gutbewachte Streitobjekt, nämlich den Panzer des Inaros und greift mit großer Macht an. Nochmals muß König Petubastis einschreiten, um das Gemetzel zu beenden. Er verfügt, daß nicht nur der Panzer des Inaros nach Heliopolis gebracht, sondern auch der Panzer des Harenacht, des Ahnherren des Wertamenne, der siegreichen Partei der Anhänger des Pami zugesprochen wird. Zum Abschluß werden alle Truppen in ihre Heimat entlassen, wobei Pami in Heliopolis feiern kann. Die Ereignisse werden auf einer Stele festgehalten. Das substantiell abweichende Ende des pCarlsberg 456 scheint ein Gespräch in der Unterwelt zu zeigen, in dem der verstorbene Inaros sich nochmals seiner Taten rühmt, die schriftlich festgehalten und nicht nur in den Gauen Ägyptens (konkret sind die 21 einer Landeshälfte erhalten), sondern bis Indien bekannt sind. Ein spezieller Zug dieser Erzählung, die sie auch gegenüber den sonstigen Vertretern des Inaros-Petubastis-Zyklus auszeichnet, ist die detaillierte Aufzählung Dutzender von Herrschern und Generälen beider Seiten. Dies führt für moderne Leser oft zu einer langatmigen Wiederholung und schwer zu überblickenden Parteigängerschaften. Hinsichtlich der antiken Rezeption zeigt es deutlich, daß die Erzählung aus einem Milieu stammt, das großen Wert auf die eigenen Taten und die der Ahnen legt, also eben den Kriegersippen angehört, deren Ideale sich hier entfalten. Heldenhafte Stärke und Tapferkeit auch in den widrigsten Umständen gehört dazu, ebenso ein Stolz, der es nicht erlaubt, Kränkungen seiner selbst und der Sippe ungesühnt zu lassen.129 Andererseits tritt eine große Ritterlichkeit zutage – man bemüht sich um faire Kampfpaare und gleiche Chancen. Ebenso ist das Ziel zwar der Sieg,

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nicht jedoch die Vernichtung der Gegner, vielmehr werden überwundene Feinde geschont. So wird zwar abstrakt öfters von einem großen Gemetzel gesprochen, es kommt jedoch kein einziger namentlich genannter Teilnehmer zu Tode. Dies ebenso wie die Anlage des Kampfplatzes machen die Auseinandersetzung mehr zu einer Extremsportart in der Art mittelalterlicher Turniere als zu einem echten Krieg. Derartige Heldentugenden sind bis zum Neuen Reich so nicht in der ägyptischen Literatur belegt. Plausibel erscheint es, sie als Werte und Ideal der neu ins Land eingedrungenen libyschen Kriegerklasse zu deuten – einige der am Kampf beteiligten Fürsten tragen auch eindeutig libysche Namen.130 Gleichzeitig spricht die Detailmenge in den Genealogien auch dafür, daß ein Kern der Erzählung schon sehr bald nach den historischen Ereignissen entwickelt wurde.131 Wohl ein Seitenzweig dieser Überlieferung bzw. in ähnlichem Zusammenhang stehend ist ein kleines Fragment auf einer frühptolemäischen Schreibtafel aus Kalkstein.132 Die Erzählung spielt in Heliopolis, ein namentlich nicht erhaltener Sprecher sagt: „Gibt es einen Gott wie Re, [gibt es eine Göttin wi]e Nebethetepet, gibt es einen Krieger [in Ägypten wie meinen] Vater, den Osiris König Inaros?“ Sprecher kann eigentlich nur Pami der Jüngere, Sohn des Inaros und Fürst von Heliopolis sein, die Situation dürfte ähnlich wie beim Festmahl in Heliopolis sein, das gegen Anfang des Kampfes um den Panzer des Inaros geschildert wird.

129

Zum Heldentum in diesen Texten s. auch BOLSHAKOV, SOUSHCHEVSKI, GM 164, S. 21-

31. 130

Zur Möglichkeit, in den Geschichten des Inaros-Zyklus libysche Einflüsse zu sehen, s. JANSEN-WINKELN, Or 69, S. 9f. 131 Das von M. DEPAUW, CdÉ 82 (2007), S. 170 in seiner Rezension zur ersten Auflage dieser Einführung aufgebrachte Gegenmodell, es handele sich um Erfindungen späterer Zeit, scheitert m.E. daran, daß in diesen Erzählungen soviel überprüfbar korrekte genealogische Angaben und historische Personen der Zeit auftauchen, wie man es sich ohne mühseligste Recherchen kaum erklären könnte – aber so eine Forschungsarbeit, die bei einem modernen Mediävisten wie Umberto Eco plausibel ist, kann man sich kaum für einen ptolemäerzeitlichen Ägypter vorstellen, zumal demotische Erzählungen sonst oft historisch wenig korrekt sind. 132 RAY, JEA 58, S. 247-251.

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Ebenfalls Pami wird in einem schlecht erhaltenen und schwer lesbaren Bruchstück der Sammlung Michaelidis genannt, das möglicherweise auch im Umfeld dieser Ereignisse anzusetzen ist.133 Galten diese Erzählungen hauptsächlich Pami dem Jüngeren, so werden die Heldentaten eines anderen Kriegers, nämlich des Petechons, Sohn des Pekrur, in der Erzählung über die Ägypter und Amazonen berichtet, die in zwei Wiener Papyri aus Soknopaiou Nesos erhalten ist.134 Zu Beginn der sehr fragmentarischen Handlung befinden sich die Ägypter bereits auf einem Heereszug in Vorderasien. Dort erreichen sie das Land der Frauen, das offenbar vage zwischen Syrien und Indien lokalisiert wird. Petechons, der Anführer der Ägypter, schlägt sein Lager auf; sein prunkvolles Zelt wird geschildert. Serpot, die Königin des Landes der Frauen, schickt ihre Schwester Aschtaschit als Spionin aus. Diese berichtet über die Natur der Feinde, speziell des Petechons. „Sobald Serpot, [die Königin des Landes] der Frauen, die Worte hörte, [sagte sie: ‚Hil]f mir, oh Isis, du große Göttin, Osiris, du großer Gott, [all] ihr großen Götter [des Landes der Frauen!] Wo [ist die] böse [Schlange] von Ägypter? Siehe, seit vielen Tagen hören wir von seinen Angelegenheiten, [indem er mit dem König] von Syrien [kämpft], indem er heute gegen einen Fürsten Krieg führt und morgen gegen einen anderen zu Feld zieht. Deren Götter konnten es [nicht] mit ihm aufnehmen. Werden wir es denn mit ihm aufnehmen können? Der gute Rat 133

BRESCIANI, Testi demotici, S. 4-8, Taf. 2-3 (davon Taf. 2 auf dem Kopf stehend abgedruckt). 134 Neue Edition HOFFMANN, Ägypter und Amazonen, zusätzlich HOFFMANN, Enchoria 22, S. 27-29, Taf. 3; französische Übersetzung bei CHAUVEAU, Égypte Afrique & Orient 29, S. 19-28; deutsche Übersetzung in HOFFMANN, QUACK, Anthologie, S. 107-117 u. 338-339. Vgl. ALMÁSY, in: ENDREFFY, GULYÁS (Eds.), Fourth Central European Conference of Young Egyptologists, S. 31-37; HOFFMANN, CRIPEL 27, 54-57. Die Annahme von COLLOMBERT, Enchoria 30, S. 141-143, Petechons sei allein unterwegs, ohne ägyptisches Heer, beruht vor allem auf der Verlesung von rA-o als wo#. Die von STADLER, Enchoria 29, S. 116 behauptete Ähnlichkeit der Schrift zu Handschriften aus Tebtynis, die er als Argument für eine Herkunft der betreffenden Handschrift von dort anführt, ist sachlich unzutreffend; zum betreffenden Duktus s. J.F. QUACK, On the regionalisation of Roman Period Egyptian hands, in: J. CROMWELL, E. GROSSMAN (Eds.), Scribal Repertoires in Egypt from the New Kingdom to the Early Islamic Period. Oxford Studies in Ancient Documents in Druck. Der neue Vorschlag von STADLER, in: CAPASSO, DAVOLI (Eds.), Soknopaios, S. 193-214 und 222f., diesen Duktustyp auf der Basis von pCarlsberg 159 vs. in Karanis zu lokalisieren, wäre schon aus sich heraus unsicher genug (auf dem griechischen Rekto wird Karanis in unklarem Zusammenhang erwähnt, die Handschrift ist aber eindeutig in Tebtynis gefunden worden) und scheitert m.E. daran, daß die Hand des pCarlsberg 159 vs. dem fraglichen Duktustyp nicht wirklich ähnelt.

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ist, daß wir ihnen zuvorkommen. [Kommt] ihnen [zuv]or, damit sie uns zuvorkommen! Möge man das Heer am Exerzierplatz ge[gen das] ägyptische [Heer] mustern, [möge man] die Trompete [blasen lassen] und das Horn im Land der Frauen und [all] seinen Be[zirken] sprechen lassen, [indem] man sagt: ‚Macht [eure Vorbereitung] zur Schlacht gegen ein Fremdland, das außerhalb von unserem liegt! Laßt keine [Verzögerung] eintreten! [Rasch, rasc]h, schn[ell, schnell!]’ Kurze [Zeit] darauf [wurde] das ganze Heer aller Frauen, die in den Bezirken des Landes der [Frauen waren, gemustert] und traf ein.“ (2, 21-29).

Serpot inspiziert ihre Truppen und führt sie gegen die Ägypter zur Schlacht. Nach dem Wechsel von Schmähreden kommt es zum offenen Kampf, bei dem Serpot Vernichtung in den gegnerischen Reihen verursacht. Am zweiten Kampftag rüstet Petechons sich persönlich und bringt die Amazonen in Schrecken. Serpot tritt ihm entgegen, ihr Duell dauert den ganzen Tag, ohne einen Sieger zu bringen, und wird schließlich vertagt. Offenbar verlieben sich die beiden Protagonisten im Verlauf der Auseinandersetzung ineinander, jedenfalls agieren sie fortan auf derselben Seite. Wo der Text wieder in besserer Erhaltung vorliegt, sieht man sie gemeinsam bei einem religiösen Fest, bei dem auch Brand- und Trankopfer für den toten Inaros dargebracht werden, dessen Ruhm bis ins Land der Amazonen gedrungen ist. Serpot erweist sich hier als Kennerin ägyptischer Bestattungsbräuche. Im weiteren Verlauf der Handlung kommt es zum Kampf mit den Indern. Mehrere Schlachtschilderungen folgen, ohne daß die Details der Handlung verläßlich nachzuverfolgen sind. Ein Wegführer namens Nik scheint eine zweifelhafte Rolle zu spielen. Das absolute Ende der Erzählung ist nicht erhalten. Letzte einigermaßen erkennbare Handlung ist, daß die Inder besiegt werden und ihr Anführer dem Fürsten Petechons anbietet, ihm reiche Gaben zu liefern – der Ägypter ist noch mißtrauisch und vermutet eine Falle. Dalley hat vorgeschlagen, daß die Tradition der Amazonen und ihrer Königin auf einem Mißverständnis neuassyrischer Palastreliefs beruhen könnte.135 In ihnen werden teilweise bartlose Eunuchen dargestellt, die eine spätere Zeit als Frauen gedeutet haben könnte, ebenso sei die damalige Tracht von Elamitern mit derjenigen von Indern späterer Zeiten verwechselt worden. Sie überlegt auch, ob der Name Serpot „Lotus“ der Heldin mit dem Namen Sosa135

DALLEY, in: ABUSCH u.a. (Eds.), Historiography, S. 157-159.

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ne der Tochter des Ninos bei Ktesias zusammenhängen könne, dem man unter Zugrundelegung des Hebräischen ebenfalls die Bedeutung „Lotus“ zuschreiben kann. Weiterhin wurde auch überlegt, ob es Verbindungen zwischen Serpot und Semiramis bzw. deren griechischer Legende bei Ktesias geben und Serpot sogar eine ägyptische Umdeutung des Namens Semiramis sein könnte.136 Neuer Stoff für Konflikte wird im Streit um die Pfründe des Amun geschildert, der im spätptolemäischen pSpiegelberg (aus Achmim) und mehreren fragmentarischen Handschriften der Römerzeit aus Tebtynis überliefert ist.137 Ausgangspunkt ist hier, daß König Petubastis mit seinem Hofstaat nach Theben zieht, um am Talfest teilzunehmen. Jedoch hat er Pami und Petechons als bekannte Streithähne nicht mit eingeladen, wozu ihn die Einflüsterungen des Teos veranlaßt haben. Offenbar soll in Theben dem Prinzen Anchhor ein Diadem verliehen werden, mutmaßlich, um sein Erbe zu bestätigen. Um die Details geht es in einem Gespräch mit dem ersten Propheten des Amun, wobei der Text leider schlecht erhalten ist. Auf der Westseite von Theben, wohin die Prozession gezogen ist, tritt ein junger Priester des Horus von Buto an ihn heran und erhebt Anspruch auf eine Pfründe des Amun, die der König gerade seinem Sohn Anchhor zugesprochen hat. Zur Begründung ordnet er die Teile der Barke in einer ausführlichen Aufzählung verschiedenen göttlichen Gestalten zu, die alle im Umfeld des Horus stehen, der die Totenliturgien für seinen Vater Osiris verrichtet. Schließlich behauptet er noch: „Mein ist die besagte Pfründe, sie gehörte meinem Vater.138 Der Prophet des Amun und die [Priester des Amun] haben nichts mit [ihr] zu schaffen“ (2, 4f.). Während die Priester erklären, von nichts zu wis136

ZAUZICH, in: FINCKE (Hrsg.), Fs. Wilhelm, S. 447-451. Als Edition noch unersetzt ist SPIEGELBERG, Sagenkreis des Königs Petubastis; wichtige neuere Literatur HOFFMANN, EVO 17, S. 145-153; ders., in: VLEEMING (Hrsg.), HundredGated Thebes, S. 43-60; ders., Enchoria 22, S. 30-39, Taf. 3-6; TAIT, in: FRANDSEN, RYHOLT (Eds.), The Carlsberg Papyri 3, S. 59-82. Einige sehr kleine zusätzliche Bruchstücke der Haupthandschrift bei AGUT-LABORDÈRE, Enchoria 29, S. 5-10; RYHOLT, in: DODSON, JOHNSTON, MONKHOUSE (Eds.), Fs Tait, S. 271-277. Übersetzung HOFFMANN, QUACK, Anthologie, S. 88-107 u. 336-338; STADLER, in: TUAT NF 8, S. 418-437. Vgl. auch SCHNEIDER, in: Fs Loprieno, S. 433-442. 138 Letzterer Satz versehentlich als Dittographie wiederholt. 137

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sen, gibt eine Orakelbefragung des Amun dem Anspruch des Horuspriesters recht. Prinz Anchhor erhebt Einspruch dagegen, wobei er von seinem Sohn Teos sekundiert wird: „Der junge Priester sagte: ‚Schweig mir, Teos! Bei Horus von Pe in Buto, meinem Gott! Amun wird nicht nach Theben übersetzen auf dieser Schiffahrt, auf der er ist, bis Anchhor, der Königssohn mir die Pfründe gibt, die er in Besitz hat.’ Prinz Anchhor sagte ihm: ‚Bist du gekommen, um die besagte Pfründe rechtmäßig zu nehmen, oder bist du gekommen, um sie im Kampf zu nehmen?’ Der junge Priester sagte: ‚Wenn man auf meine Stimme hört, werde ich sie rechtmäßig nehmen; wenn man nicht auf meine Stimme hört, werde ich sie im Kampf nehmen.’ Sobald er dies sagte, wurde Anchhor, der Sohn des Königs, zornig wie das Meer, seine Blicke glühten wie Feuer, sein Herz gebar ihm Staub wie der Berg des Ostens. Er sagte: ‚Bei Amun-Re von Karnak! Die besagte Pfründe, deretwegen du klagst, über die sollst du keine [Macht] haben! Ich werde sie wieder dem ersten Propheten des Amun zukommen lassen, bei dem sie früher war’“ (3, 6-20).

Der Konflikt eskaliert, und der junge Priester und Anchhor treffen im Zweikampf aufeinander. 13 bewaffnete Hirten aus den Sümpfen halten das ägyptische Heer davon ab, für den Prinzen Partei zu ergreifen. „Die 13 Hirten des Sumpflandes setzten sich nach unten in Bewegung zwischen das Heer, wobei sie mit ihren Panzern gegürtet waren, ihre Stierkopfhelme auf ihren Häuptern waren, ihre Schilde an ihre Arme geworfen waren und ihre Hände ihre Sichelschwerter trugen. Sie kamen zur Linken und Rechten des jungen Priesters, indem ihre Stimme ausschallte: ‚Wir binden uns hier eidlich vor Amun, dem großen Gott, der hier und heute erschienen ist, daß es keinen Menschen überhaupt unter euch gibt, der den Propheten des Horus von Pe in Buto etwas hören lassen wird, was er haßt, ohne daß wir den Erdboden sein Blut, den Glanz seiner Kraft trinken lassen würden.’ Der Schrecken vor den 13 Hirten drang in die Herzen Pharaos und des Heeres ein. Überhaupt niemand konnte seine Stimme zum Reden erheben. Der junge Priester eilte zu Prinz Anchhor hin, wie es ein Löwe wegen eines ... des Berges macht, wie eine Amme es mit ihrem Kleinkind macht. Er griff ins Innere seines Panzers, warf ihn zu Boden, band ihn [...] und warf ihn vor sich auf den Weg“ (4, 13-5, 6).

Der Priester entert gemeinsam mit seinen Hirten das heilige Schiff des Amun. Dort feiert er ein Fest, während der Königssohn gefangen unter Deck liegt.

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König Petubastis reagiert darauf mit einiger Verzweiflung. In einer Orakelkonsultation lehnt Amun es ab, das Heer einzusetzen, läßt sich aber eine temporäre Unterkunft in einem Byssoszelt bereiten. Pekrur, der Sohn des Petechons, wird als Vermittler engagiert. Der Priester fordert nun, daß man ihm eine Byssosbinde und goldene Talismane gebe und er die Barke gemeinsam mit seinen Hirten nach Theben übersetze, außerdem will er das Diadem(?) des Amun nach Buto mitnehmen. Da der König diese Forderungen ablehnt, tritt der (schon aus dem Kampf um den Panzer des Inaros bekannte) Heerführer Wertamenne auf. Er macht dem Priester Vorhaltungen über sein Verhalten und fordert ihn zum Zweikampf. Dabei ergeht es ihm allerdings nicht besser als dem Prinzen, dessen Schicksal im Schiffsbauch er infolge seiner Niederlage teilen darf. Nunmehr rät Pekrur angesichts der mißlichen Lage, das Orakel des Amun darüber zu befragen, wie die Sache ausgehen wird. Der Einsatz des Heeres wird erneut abgelehnt, ebenso aber auch, dem jungen Priester die Pfründe zu überlassen. Allerdings erhält Pharao die Verheißung, die Hirten würden Ägypten nicht erobern, sondern er werde den Sieg erhalten. Nunmehr werden die verschiedenen Helden Ägyptens zur Begutachtung vorgelegt, doch das Orakel wählt nur Petechons und Pami als geeignete Kämpfer aus. Da der König diese durch die Nicht-Einladung zum Fest gerade schwer beleidigt hat, ist er in einer schwierigen Situation. Der Große des Ostgaus, Pekrur, schreibt deshalb einen Brief, in dem die beiden Helden samt Gefolge herbeigebeten werden. Petechons ist über den Brief sehr erzürnt, d.h. über die Haltung des Petubastis ihm gegenüber, den er nicht als König anerkennen will. Nur die Achtung gegenüber der väterlichen Autorität des Pekrur sowie der Gedanke an Amun bewegen ihn, sich doch auf den Weg zu machen und auch Pami, den Sohn des Inaros, mitsamt seinen Helden mit sich zu nehmen. Während der König sehnsüchtig ihre Ankunft erwartet, trifft zunächst ein anderer Krieger ein, nämlich Minnebme, Fürst von Elephantine und Sohn des Inaros. Die Hirten laden ihn zu sich auf das Schiff, er aber lehnt dies unter Hinweis auf die Verbrechen gegen Amun ab, welche die Hirten begangen haben. Im Kampf gegen einen der Hirten behauptet sich Minnebme, in gegenseitigem Einverständnis erfolgt ein Waffenstillstand. Der König ehrt den er-

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folgreichen Krieger, der noch drei weitere Kampftage unbesiegt gegen seine Gegner antritt. Nun endlich treffen Petechons und Pami in Theben ein. Hier bricht leider die Haupthandschrift ab, so daß das Ende der Erzählung nicht sicher zu rekonstruieren ist. Die früher übliche Auffassung der Hirten als „Asiaten“ hat den Blick dafür verdunkelt, daß bei der Grundkonstellation des Streites um die Pfründe des Amun in starker literarischer Brechung die Motivik des Osirismythos aufgegriffen wird.139 Ein Jüngling, der zudem durch seinen Priestertitel explizit mit dem Horus im Delta verbunden ist und auf Horus als mythologische Rechtfertigung seiner Forderung verweist, erhebt vor der höchsten richterlichen Instanz (im Mythus der Götterkönig Re, in der Erzählung der Pharao) Anspruch auf ein Amt, das seinem Vater gehörte, aber dann von einem Mann mit mehr Macht und Gewalt als Rechtsanspruch für sich an sich genommen wurde. Auch die Unterstützung des Priesters durch Hirten des Deltas findet ihre mythische Parallele im pCarlsberg 69 (s.u. S. 112). Allerdings ist diese Grundkonstellation durch zahlreiche andere Motive überlagert. Dies zeigt sich schon darin, daß das Orakel des Amun einmal den Rechtsanspruch des Priesters bekräftigt (2, 14), später aber ablehnt, ihm die Pfründe geben zu lassen (10, 18). Grund hierfür ist mutmaßlich, daß man sekundär die Überlieferung von Osarsiph hereingebracht hat, der mit Hilfe der Hirten (Hyksos) zeitweise in Ägypten die Macht übernimmt, wie es in griechischen Texten überliefert ist.140 Außerdem darf wenigstens für die ptolemäische und römische Rezeptions- und Adaptionsphase des Textes nicht vergessen werden, daß es eine Tradition der BoukÒloi (Rinderhirten) gab, die

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QUACK, JEA 85, S. 164. Zur prinzipiellen Möglichkeit, in den Inaros-Texten mythische Motive zu sehen, s. bereits LUFT, Historisierung der Götterwelt, S. 226-231. Gegen SCHNEIDER, in: Fs Loprieno, S. 436, ist o#m im Demotischen ausschließlich als Berufsbezeichnung, nie als Ethnikon belegt. 140 Zu ihnen s. zuletzt D.B. REDFORD, Pharaonic King-Lists, Annals and Day-Books. A Contribution to the Study of the Egyptian Sense of History (Mississauga 1986), S. 276294; TH. SCHNEIDER, Ausländer in Ägypten während des Mittleren Reiches und der Hyksoszeit, Teil 1. Die ausländischen Könige, ÄAT 42 (Wiesbaden 1998), S. 76-98; J. Assmann, Moses der Ägypter. Entzifferung einer Gedächtnisspur (München/Wien 1998), S. 54-72; J. DILLERY, The First Egyptian Narrative History: Manetho and Greek Historio-

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bei Historikern und auch in griechischen Romanen als wilde Bandengruppen im Delta erscheinen und oft unter der Führung eines Priesters stehen.141 Besonders interessant als Vergleichsmaterial ist dabei die Konstellation in den Aithiopika des Heliodor, wo ein zu Unrecht seines Amtes beraubter Sohn eines Priesters als Anführer einer Räuberbande eben dieser Hirten auftritt. Leider fehlt mit dem verlorenen Ende des Textes einstweilen jeder Anhaltspunkt dafür, inwieweit die Ansprüche des jungen Priesters letztlich erfüllt werden. In neuerer Zeit wurde ein anderer Aspekt des Textes in Augenschein genommen, nämlich die differierenden theologischen Vorstellungen über das Talfest und seine Liturgien.142 Die vom jungen Priester thematisierte Verbindung mit den Libationen des Horus für Osiris entspricht einem realen Vordringen des Harsiese bei der theologischen Ausdeutung des Dekadenfestes. Ganz in ägyptischer Tradition steht auch das Verfahren des Priesters, die Teile des Schiffes auf Götter und ihre mythischen Aktionen zu beziehen. Insbesondere Totenbuchspruch 99 (und seine Vorläufer Sargtext-Spruch 397, 404 u. 405) zeigt gutes Vergleichsmaterial. Aus einer ähnlichen Situation wie im Streit um die Pfründe des Amun (oder dem Kampf um den Panzer des Inaros?) könnte auch ein schwer verständliches Bruchstück (heute pWien D 6920-6922 vs.) stammen, das Petechons und Pekrur, den Fürsten von Pi-Sopte, erwähnt.143 Auch Prinz Anchhor tritt wieder auf. Wenigstens ein Teil der Handlung spielt in Tanis, ein Streit der Sippe scheint erneut auszubrechen.

graphy, ZPE 127 (1997), S. 93-116, dort S. 102-109; Verbindungen zum demotischen Text zieht auch VITTMANN, WZKM 96, S. 313. 141 RUTHERFORD, ZPE 117, S. 206-208; ders., The Journal of Hellenic Studies 120 (2000), S. 106-121; ders., in: ANDORLINI u.a. (Hrsg.), Atti del XXII Congresso internazionale di papirologia Firenze, Band 2, S. 1145-1153. Vgl. G. ANDERSON, Ancient Fiction. The Novel in the Graeco-Roman World (London 1984); J.R. MORGAN, On the Fringes of the Canon. Work on the Fragments of Ancient Greek Fiction, ANRW II 34/4 (1998), S. 32933396. 142 TRAUNECKER, in: Hundred-Gated Thebes, S. 183-201. In Details aufgrund verbesserungsbedürftiger Übersetzungen zu korrigieren. 143 HOFFMANN, SAK 23, S. 180-196.

Erzählungen

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Noch später in der inneren Logik spielt eine Erzählung, in der auch der Große des Ostens Pekrur bereits verstorben ist. Von ihr ist im pCarlsberg 125 aus der Römerzeit, der aus Tebtynis stammt, nur ein kleines Fragment erhalten, mit mutmaßlich weiteren Parallelen in pCarlsberg 614 und 615.144 Fürst Petechons trifft darin auf einen Kalasiris-Krieger, mit dem er ein Duell um Diadem und Lanze des Inaros ausficht, in dem letzterer den Vorteil erringt, dann aber einen Waffenstillstand anbietet und mit seinem Gegner redet, den er als „mein Sohn“ aus einer Position der Überlegenheit heraus anredet. Er wirft ihm vor, daß er seinen Vater Pekrur in Bugem bestatten wolle, fern von seinem Geburtsort und dort, wo er keine Freunde habe. Etliche weitere Handschriften des Inaroszyklus sind noch unveröffentlicht.145 Nur bedingt als Inaros-Erzählung eingestuft werden kann ein sehr fragmentarischer Text, der im pCarlsberg 470 vs. überliefert ist.146 Erwähnt werden darin Inaros sowie goldene Schreine und andere Luxusgüter, auch die Kuschiten erscheinen. Allerdings ist die Situierung des Textes, der vornehmlich erste und zweite Person Singular gebraucht, unsicher; vielleicht handelt es sich um einen Austausch von Briefen. Die Erzählungen des Inaroszyklus als Hauptbeispiele heroischer Fiktion werden seit längerem in ihrer Beziehung zur griechischen Heldendichtung diskutiert, wobei vor allem an Einfluß der homerischen Epen gedacht wurde.147 Dabei wurde keineswegs direkte Abhängigkeit postuliert, wohl aber das Aufgreifen einzelner Ideen sowie teilweise eine gleichartige Entwicklung. Verschiedene Motive wurden speziell angesprochen. Der Panzer als Streitobjekt an sich wurde als unägyptisch aufgefaßt und etwa mit dem Streit um die Waffen des Achill verglichen. Die Aussendung der streiterregenden Dämonen durch Osiris könne damit parallelisiert werden, wie die griechischen Götter Boten aussenden. Die Zweikampfszenen mit vorausgehender verbaler Beschimpfung zeigten in beiden Kulturen prinzipielle Ähnlichkeit. Das Ein144

RYHOLT, The Carlsberg Papyri 10, S. 89-102, Taf. 11-13. Provisorische Aufzählung bei HOFFMANN, Panzer, S. 107. 146 RYHOLT, in: The Carlsberg Papyri 11, in Druck. 147 SPIEGELBERG, Sagenkreis, S. 10; VOLTEN, Akten des VIII. Papyrologenkongresses, S. 147-149; ALMÁSY, in: BECHTOLD, GULYÁS, HASZNOS (Eds.), Fs Luft, S. 1-6. Vgl. RUTHERFORD, in: RUTHEROFRD (Ed.), Greco-Egyptian Interactions, 83-106. 145

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treffen der verschiedenen Anführer am Kampfplatz wurde als dem Schiffskatalog der Ilias verwandt angesehen, auch die zwei Schauplätze, nämlich Schlachtplatz und Schiffslager, sah man als der Ilias ähnlich an. Man hat Ähnlichkeiten zwischen dem Gespräch das Pami mit seinem Diener Tjainefer vor der Schlacht und Hektors Abschied von Andromache sehen wollen. Der Groll des Pami und Petechons erschien als Parallele zum Zorn des Achill in der Ilias. Auch Schilderungen des Anlegens von Waffen wurden als ähnlich empfunden. In neuerer Zeit wurde jeder Einfluß abgestritten und ein Versuch unternommen, alle angesprochenen Details aus der ägyptischen Tradition abzuleiten bzw. Unterschiede zum griechischen Epos auszumachen.148 Dieser Ansatz ist seinerseits nicht unwidersprochen geblieben.149 Prinzipiell wird man kaum ausschließen können, daß nicht manches übernommen wurde oder zumindest Anregungen gegeben hat, da griechische Heldendichtung auch in Ägypten umlief und die indigene Oberschicht ab der Ptolemäerzeit dieser Sprache mächtig war, tatsächlich sogar Anzeichen festzustellen sind, wie Homer in Bildung oder Herkunft ägyptisiert wurde, um ihn für sich in Anspruch nehmen zu können.150 Andererseits können etliche Elemente sich auch in einer ähnlichen, vom Ethos der Kriegergeschlechter geprägten Umwelt konvergent entwickelt haben. Viele der aufgeführten Motive haben zudem nur sehr ungefähre Parallelen oder sind zu allgemein menschlich, um als Nachweis einer Beeinflussung auszureichen. Ein Kernproblem für Hoffmanns Argumentation eines indigenen Ursprungs ist jedoch, daß er vielfach Parallelen nur in königlichen Memorialinschriften nachweisen kann oder sogar andere InarosErzählungen heranzieht, um die ägyptische Herkunft von Motiven des pKrall nachzuweisen. Teilweise wurde ihm auch vorgeworfen, Motive aus ihren jeweiligen Kotexten geschnitten und in Einzelteile zerlegt zu haben. Vergleichsweise am sichersten scheint die Lage bei der Amazonen-Erzählung. In der Forschung wurde das Motiv des Landes der Frauen meist als Umsetzung der griechischen Vorstellung von den Amazonen verstanden. Speziell 148

HOFFMANN, Panzer, S. 49-78. THISSEN, SAK 27, 369-387; in dieselbe Richtung GOZZOLI, Writing of History, S. 274279. 150 QUACK, in: LUTHER (Hrsg.), Odyssee-Rezeptionen, 55-72. 149

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die Beziehung zwischen Petechons und Serpot wurde im Vergleich zur komplexen Konstellation von Achilleus und Penthesileia gesehen, die teilweise im griechischen Kulturraum auch mit Liebesmotiven versehen worden ist.151 Allerdings sollte man betonen, daß es spezifisch ägyptisch und ein markanter Unterschied zu allen griechischen Konzeptionen ist, daß die Liebe nicht erst im Augenblick des Todes gestanden wird, sondern im Leben ein Happy-End findet. Dies könnte mit dem Status der Frau in Ägypten zusammenhängen, die erheblich selbständiger als in Griechenland war, so daß kämpfende Frauen dort weniger extrem als Bruch sozialer Normen empfunden wurden. Jedenfalls wird die geographische Ausdehnung der Handlung kaum ohne das reale Erlebnis des Alexanderzuges sowie den Mythos von Dionysos’ Siegeszug bis Indien zu verstehen sein,152 ebenso schlagen sich auch die konkreten Handelsverbindungen zu Indien über die Häfen am Roten Meer nieder. Heikler ist die Frage hinsichtlich der heldenorientierten Motive. Klar ist, daß die Tradition der vom Pharao verschiedenen Kriegerhelden ein neues Element der ägyptischen Literatur darstellt. Es muß allerdings nicht auf fremden literarischen Einfluß zurückgehen, vielmehr dürfte der Hauptauslöser hierfür sein, daß ab der Dritten Zwischenzeit libysche Sozialorganisation und daran hängende Werte in Ägypten bestimmend wurden. Diese reduzierten aber das Königtum in seiner Rolle, während Krieger aufgewertet wurden – und ohne eine solche Konstellation hätte selbst ein fremder Einfluß der Heldendichtung kaum eine Chance gehabt, aufgenommen zu werden. In jedem Fall läßt sich keine umfangreichere Motivfolge der griechischen Epik realistisch mit Passagen der ägyptischen heroischen Erzählungen vergleichen, allenfalls kann man kleine Einzelzüge verwandt finden oder Ähnlichkeiten auf einer sehr generalisierten Ebene suchen. Von daher würde ich postulieren, daß die heroischen Erzählungen in Ägypten primär selbständig entstanden sind, nämlich als Ausdruck der Werte und Lebenserfahrungen der libyschen Kriegerklasse.153 Die weitere Entwicklung der Gattung ab der Ptolemäerzeit kann 151

Abgestritten von HOFFMANN, Ägypter und Amazonen, S.22-26; dagegen aber THISSEN, SAK 27, S. 383 und VITTMANN, ZÄS 125, S. 66. 152 RYHOLT, in: WHITMARSH, THOMSON (eds.), The Romance between Greece and the East, S. 59-78. 153 So bereits JANSEN-WINKELN, Or 69, S. 9f.

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allerdings nicht grundsätzlich von der griechischen Epik getrennt gehalten werden. Eindringen oder zumindest schärfere Ausprägung von Einzelmotiven ist denkbar, insbesondere im Fall der Amazonen-Erzählung, die mutmaßlich zu den jüngeren Kompositionen des Zyklus gehört. Dennoch sind mögliche griechische Einflüsse sicher kein bestimmender Faktor für diese Literaturwerke insgesamt. Umgekehrt hat sich aber gerade an einige Episoden des Inaroszyklus (sowie die Erzählung von Djoser und Imhotep) die Frage geknüpft, inwiefern ägyptische Erzählungen einen Einfluß auf die Herausbildung des griechischen Romans hatten.154 Als Motive, die in diese Richtung deuten könnten, wurden vor allem die Handlungsräume in exotischer Ferne, die Konstellation des Paares in gefährlichen Augenblicken, der Frau als Heldin und der Liebe auf den ersten Blick genannt. Hinzu kam der Versuch, die griechische Übersetzung von Nektanebos’ Traum als frühesten Vertreter griechischer fiktionaler Prosa an den Anfang der Entwicklung der Romangattung zu setzen. Die Reaktionen der klassischen Philologen auf diesen aus der Ägyptologie kommenden Vorstoß sind derzeit noch gespalten. Einerseits operieren Forscher, besonders Rutherford, mit der Idee, bestimmte Motive ägyptischer Erzählungen könnten in griechischen Romanen aufgegriffen worden sein.155 Andererseits gibt es auch zurückhaltende oder skeptische Stimmen.156 Sie argumentieren dahingehend, daß es wenig Belege für Transfer von ägyptischen Liebes- und Abenteuertexten ins Griechische gebe; auch der Sesonchosis-Roman ähnele mehr dem Ninos-Roman als ägyptischen Königschroniken. Ein solides Urteil wird sich erst fällen lassen, wenn mehr von den relevanten ägyptischen Texten ediert sind. Andererseits ist schon jetzt abzusehen, daß mindestens konvergente Entwicklungen anzusetzen sind, eventuell sogar direkte Einflüsse. Gerade beim Sesonchosis-Roman dürfte angesichts der nunmehr faßbaren demotischen Bruchstücke über Sesostris eine solidere Betrachtung möglich werden, welche 154

BARNS, Akten des VIII. Papyrologenkongresses, S. 29-36; HOFFMANN, Ägypten, S. 204; RUTHERFORD, in: WHITMARSH, THOMSON (eds.), The Romance between Greece and the East, S. 23-37. 155 S. Anm. 141. 156 STEPHENS, WINKLER, Ancient Greek Novels, S. 12-18 u. 249; C. RUIZ-MONTERO, The Rise of the Greek Novel, in: G. SCHMELING (Ed.), The Novel in the Ancient World (Leiden, New York, Köln 1996), S. 29-85, dort S. 71-76.

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über die relativ oberflächlichen strukturellen Ähnlichkeiten zum NinosRoman hinausgeht. 3.6.3. Weitere Texte über die späte Libyerzeit und Spätzeit Ebenfalls in spätlibyscher Zeit spielen dürfte die noch unveröffentlichte Erzählung von Nacht-Hor-Schena (pCarlsberg 400). Die Handschrift, von der etliche (auch größere) Fragmente erhalten sind, ist nach dem Kolophon ins Jahr 8 des Claudius (47/48 n. Chr.) datiert und stammt aus Tebtynis, wurde jedoch von einem Schreiber geschrieben, der in Soknopaiou Nesos ausgebildet worden ist.157 Am Anfang steht wohl die Geburt eines Kindes, das von einer Göttin im Traum angekündigt wird, eben Nachthor-Schena, Sohn des Pachereb. Weitere Helden sind Amenirdis, Anchwenefer, Peteonuris sowie General Scheschenqi. Die Äthiopier und das Heer der Leute des Ostens treten auf. Mutmaßlich ist der Hauptheld mit einem von zwei in den Assurbanipalannalen erwähnten und auch aus ägyptischen Quellen bekannten Herrschern des Namens Nacht-Hor-Na-Schenu zu identifizieren. Ein anderer Herrscher der spätlibyschen Zeit, nämlich Wenamun, der in Natho residiert und aus den Assurbanipal-Annalen bekannt ist, erscheint im pCarlsberg 459+PSI Inv. D 51.158 Die Erzählung spielt vorrangig im arabischen Raum. Eine Frau trifft dort auf einen Mann von den Hagar-Leuten, der auf einem Tier mit Kamelaugen reitet. Gemeinsam ziehen sie ins Land Lihyan. Als sie einen See erreichen und die Frau darin badet, nimmt der Hagaräer ihre Schönheit war. Sie schlafen miteinander und lieben sich. Nach der Ankunft in seinem Haus feiert der Hagaräer ein Fest mit seinen Dienern. Offenbar vergehen 2 Jahre. Währenddessen unternimmt Wenamun im Tempel des Miysis ein Opfer mit Inkubation, um in einem Traum Auskünfte zu erhalten. Es geht darum, Auskünfte über einen bestimmten Ort zu erhalten, wo man einen Gott (eventuell ein heiliges Tier) sucht. Als Folge des Traumes wird ein Zug ins Land 157

Kurz erwähnt von ZAUZICH, in: FRANDSEN (Ed.), The Carlsberg Papyri 1, S. 6; RYHOLT, Story of Petese, S. 86; ders., in: Fs Larsen, S. 489f u. 504f. 158 RYHOLT, The Carlsberg Papyri 10, S. 35-72, Taf. 5-8. Vgl. QUACK, WdO 46, S. 69 mit Anm. 47.

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Lihyan befohlen. Nach einigen Tagen erreicht man es und kommt zum Haus eben des fraglichen Hagaräers. Jemand, der Ägyptisch sprechen kann, hilft ihnen bei der Suche. Nach weiteren Traumvisionsinkubationen wird schließlich eine Frau schwanger und gebiert ein Kind. In einem weiteren Fragment spielt die Frage eines mißratenen Sohnes eine Rolle. Der Hagaräer befindet sich in Ägypten und bekundet seine Anerkennung für die Ägypter und ihre Götter, zudem erhält er Traumvisionen, aufgrund derer er ins Land Lihyan eilt. Ein weiteres Bruchstück zeigt einen Sprecher, der Pami den Jüngeren als seinen Bruder bezeichnet. Zudem wird von einem Geschenk des König Petubastis gesprochen. Nubische Lokalitäten und Gottheiten wie Amun von Meroe sind hier prominent. Da das Königreich von Lihyan vorrangig während der Ptolemäerzeit blühte, besteht einige Wahrscheinlichkeit, daß diese Erzählung in ihrer jetzigen Form auch erst aus dieser Zeit stammt. Die Erwähnung des Pami wirft die Frage auf, inwieweit es sich um einen weiteren Seitenzweig der Traditionen um Inaros und seine Familie handelt. Necho I. erscheint als Herrscher in den Fragmenten einer Erzählung, die im pCarlsberg 421+PSI Inv. D 15+pTebtunis Tait 9 überliefert ist.159 Als weitere Personen kommen dort Amyrtaios, Chaonnophris, Somtus, Peftjauhor und Peftuubastet vor. Als besondere Feinde erscheinen Leute aus dem Osten. Zumindest eine der auftretenden Gestalten hat eine Vorliebe für Krieger aus Natho. Ebenso ist Necho I. geliebt von Neith eine wichtige Figur im pBerlin 15682 vs.,160 der Assyrerherrscher Assarhaddon wird genannt. Wohl ein Fragment

159

RYHOLT, The Carlsberg Papyri 10, S. 103-130, Taf. 14-17. Durch die nunmehr erfolgte Zuweisung des pTebtunis Tait 9 sind die Theorien von KAMMERZELL, GM 127, S. 53-61 definitiv widerlegt. 160 ZAUZICH, in: FINKE (Hrsg.), Fs Wilhelm, S. 451-465; verbesserte Neuedition RYHOLT, in: LEPPER (Hg.), Forschung in der Papyrussammlung, S. 337-353. Vgl. QUACK, in: COULON, GIOVANNELLI-JOUANNA, KIMMEL-CLAUZET (Éds.), Hérodote et l’Égypte, S. 75. Unpublizierte weitere Fragmente der Handschrift sollen von Kim Ryholt und mir gemeinsam bearbeitet werden.

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derselben Handschrift liegt im pBrooklyn 47.218.21-B vor,161 noch weitere zugehörige Stücke sind pBerlin 23502, 23532 und 23533a sowie pPrag Wessely-Hopfner II 11 und 17. Dem Duktus nach ist der Text römerzeitlich und könnte aus Soknopaiou Nesos kommen. Auch hier erscheint ein Amyrtaios als einer der Protagonisten, daneben werden ein Hor-iir-au, Sohn des Pa-iirkap sowie ein Paibes genannt. Gruppen von Personen „der Rechten“ und „der Linken“ werden genannt, möglicherweise als antagonistische Gruppen. Ein Heerführer soll eine Personengruppe zur Revolte gebracht haben. Ein Teil der Ereignisse wird dem König als Brief vorgelesen. Als herrschender König läßt sich Psammetich ausmachen. Eine Audienz vor Pharao spielt eine wichtige Rolle, dabei scheint es zu einem heftigen Streit zwischen zwei Personen zu kommen. Auch ein Schiff (konkret des Amyrtaios) wird erwähnt. Gerade die Verbindung der Episode der Rebellion mit Heeresgruppen zur Rechten und zur Linken lädt zu einer Verbindung mit der Herodot II, 30 berichteten Episode ein, daß eine ägyptische Truppe rebelliert und sich den Äthiopiern angeschlossen hat. Sie werden als Asmach bezeichnet, was wohl eine phonetische Wiedergabe von smH „links“ darstellt. In die Saitenzeit gesetzt ist ein aus Kartonnage stammendes etwa spätptolemäisches Fragment, das in Abusir el-Melek gefunden wurde (pBerlin 13588),162 zu dem inzwischen im römerzeitlichen pCarlsberg 710163 eine direkte Parallele identifiziert wurde. Ein junger Priester, mit Namen wohl Keni, Sohn des Harsomtus-em-hat, wendet sich in schwieriger Lage an den König. Von seinem Vater her hat er Ansprüche auf Priesterämter im Tempel des Aseph von Herakleopolis und des Amun von Tjeben geerbt. Die Priesterschaft beider Tempel stößt ihn aber unter Hinweis auf seine jeweils andere Priesterstelle zurück, so daß er gar keine Einkünfte erhält. Der König entscheidet zu seinen Gunsten, und der Priester hebt noch hervor, wie er für den verstorbenen Vorgänger des Herrschers gehandelt hat. Er habe nämlich strikt die strengen Fastenregelungen befolgt und für den toten König einen Hymnus

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HUGHES, Catalog Brooklyn Museum, S. 13, Taf. 17; VITTMANN, Enchoria 30, S. 166. ERICHSEN, Neue demotische Erzählung; SMITH, OLP 22, S. 101-109. 163 RYHOLT, The Carlsberg Papyri 10, S. 131-141, Taf. 18. 162

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zum Atmen,164 also einen Totenpapyrus, geschrieben. Dabei fällt auch der Hinweis, daß der Tod des Psammetich östlich des Nildeltas mit dem Eintreffen einer Mondfinsternis zusammenfiel. Diese Angabe läßt sich astronomisch überprüfen und paßt tatsächlich zur Situation für Psammetich I., so daß hier mindestens gewisse Kristallisationspunkte der Erzählung ungebrochen tradiert sein müssen. Necho II. wird in demotischen Texten gerne durch das Epitheton p# SS von Necho I. unterschrieben. Die Orthographie mit dem Tierfelldeterminativ assoziiert zunächst das Wort „die Kuhantilope“, gemeint ist aber wohl eher das homophone alte Wort p# Ss# „der Weise“. Er erscheint einerseits in astrologischen Texten (s. S. 95), andererseits auch in einer Erzählung im römerzeitlichen pCarlsberg 710.165 Bei ihr handelt es sich mit einiger Wahrscheinlichkeit um eine zweite Handschrift der eben erwähnten Erzählung über den Tod Psammetichs I. Jedenfalls erscheint in der ersten teilweise erhaltenen Episode des Textes wieder Keni, Sohn des Harsomtus-em-hat, und Priester der Neith von Sais spielen eine Rolle. In der nur ansatzweise erkennbaren zweiten Episode geht es darum, daß der König ein großes Fest mit viel Wein gemeinsam mit den Höflingen feiert. Danach bricht der Text ab, doch kann man vermuten, daß der weitere Handlungsablauf wenigstens gewisse Ähnlichkeiten mit der Erzählung über Amasis’ Gelage aufwies (s.u.). König Psammetich II. Neferibre erscheint als Adressat eines der Briefe im Rahmen der „Krugtexte“, nämlich desjenigen mit der Fabel von der Schwalbe und dem Meer (s.u. S. 183-185). Wohl ebenfalls in die Saitenzeit gesetzt wird die Erzählung über Horus, Sohn des Pwenesch, die in einem aramäischen Papyrus der Perserzeit und demotischen Handschriften der Römerzeit bezeugt ist.166 Magische Wachsfiguren 164

Zur Lesung s. M. SMITH, Enchoria 13 (1985), S. 103f. RYHOLT, The Carlsberg Papyri 10, S. 136f. 166 ZAUZICH, Enchoria 8/2, S. 36; aramäischer Text bei B. PORTEN, A. YARDENI, Textbook of Aramaic Documents from Ancient Egypt 3 (Jerusalem 1993), S. 54f.; Diskussion PORTEN, in: Fs. Zauzich, S. 427-466; RYHOLT, in: FITZENREITER (Hrsg.), Das Ereignis, S. 235. 165

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werden eingesetzt, der nubische Herrscher tritt auf. Kernort der Handlung ist Heliopolis. Der Held kann mutmaßlich mit dem Horus, Sohn des Panesche aus der zweiten Setne-Erzählung identifiziert werden (s. S. 49) Im aramäischen Fragment geht es in einem Gespräch unter Beteiligung des Pharao um die Tötung der Söhne einer Person, dabei wird auch ausgesagt, die Knochen des Angesprochenen (des Königs) würden nicht in die Unterwelt hinabgehen. König Amasis erscheint in der Rahmenhandlung einer Erzählung, deren Anfang auf dem Verso des pBN 215 aus frühptolemäischer Zeit erhalten ist.167 Dort wird berichtet, wie Amasis sich gegen den Rat seines Hofes durchsetzt und bei einem Fest viel Wein einer bestimmten Sorte trinkt, folglich am nächsten Tag infolge eines Katzenjammers handlungsunfähig ist. Zur Ablenkung läßt er sich von einem Priester der Neith eine Geschichte erzählen. Darin geht es um einen Schiffer, der vom König Psammetich einen Eilauftrag erhält, aber aufgrund heftigen Gegenwindes nicht imstande ist, den Zeitplan einzuhalten. Er ist in großer Sorge, aber seine Frau scheint Rat zu wissen – leider bricht der Text hier ab. Die übliche Auffassung, er fürchte, der König werde sich in seiner Abwesenheit an seine Frau heranmachen, wird durch den Wortlaut des Textes nicht gedeckt. Die Vorliebe gerade des Amasis für alkoholische Getränke, wie sie in der Rahmenhandlung zutage tritt, paßt zu dem, was auch griechische Historiker über ihn berichten.168 In die Zeit des Amasis gesetzt ist auch ein Ostrakon aus Deir el-Bahri).169 Darin treten ein betrunkener Schiffer sowie eine sehr schöne Frau auf. Anscheinend werden auch einige seiner Werkzeuge geschildert. Kürzlich publiziert worden ist die Erzählung von Anosis, die in einer Handschrift aus Tebtynis (pCarlsberg 448 + PSI Inv. D 54) erhalten ist.170 In der 167

SPIEGELBERG, Demotische Chronik, S. 26-28, T. VI; HOFFMANN, Enchoria 19/20 (1992/93), S. 15-21; Übersetzung HOFFMANN, QUACK, Anthologie, S. 160-162 u. 347; STADLER, in: TUAT NF 8, S. 438f. Die übliche Bezeichnung „Amasis und der Schiffer“ verquickt Figuren der Rahmen- und der Haupthandlung. 168 QUAEGEBEUR, Ancient Society 21, S. 241-271. Vgl. AGUT-LABORDERE, in: MICHEL (éd.), L’alimentation dans l’Orient ancien, S. 411-415. 169 Unpubliziert, für Informationend anke ich Kim Ryholt.

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Erstedition wurde als König, unter dem die Ereignisse sich abspielen, Necho I. angesetzt. Dies ist durchaus unsicher, da an der einzigen Stelle, an der der Name Necho in den erhaltenen Bereichen vorkommt (Fr. 7, x+3), zum einen kein Epitheton erhalten ist, das eine Festlegung auf Necho I. rechtfertigen würde, zum anderen kein Titel „König“ o.ä. dem Namen vorangeht – gerade weil direkt dahinter der Papyrus abbricht, könnte auch ein mit Necho gebildeter basilophorer Personenname vorliegen. Dagegen erscheint an einer anderen Stelle (Fr. 2, 3) direkt hinter dem Titel pr-o# ein Wort, das von der Herausgeberin p# sDm-oS „der Diener“ gelesen wurde, was aber für den hinteren Teil nicht nachvollziehbar ist. Eher dürfte eine ab der Ptolemäerzeit häufig belegte tückische Schreibung für den Namen Psammetich vorliegen. Ob der erste, zweite oder dritte dieses Namens, bleibt zunächst unsicher. Da mehrere Charaktere potentiell mit Personen identifiziert werden können, die in die Zeit des Amasis datieren, wäre Psammetich III. zumindest denkbar. Hauptsächlicher Ort der Handlung sind Memphis und Heliopolis, aber auch Busiris spielt eine Rolle. In einer Passage, in der es um üppige Opfer an Ptah geht, werden auch die Inder, Meder, Assyrer und Nubier erwähnt. Ein vom König unterschiedener Psammetich, bei dem es sich um einen Krieger handelt, wird in der Erzählung als Sohn der Tai-gem-iir-Isis (vgl. PN I, 371, 23) 171 bezeichnet. Er wird durch Kastration mit einem eisernen Meißel zum Eunuchen gemacht, eventuell als Strafe für eine Vergewaltigung, zumindest angeblich mit Autorisierung des Königs. Als General Anosis aus Natho,172 Sohn des Horudja, der die Strafe durchführen ließ, dem König in der Thronsitzung darüber berichtet, ist dieser jedoch sehr entsetzt. Anosis begibt sich zum Ort des Arztes, wo sich der Krieger Psammetich befindet, informiert ihn, der König wolle ihn wieder sprechen, und läßt ihn in einer Sänfte zum Königshof bringen. 170

SÉRIDA, Castration Story. Meine Auffassung des Textes weicht u.a. infolge neuer Lesungen von Eigennamen in Teilbereichen erheblich ab. Eine genauere Argumentation werde ich an anderer Stelle geben. 171 Bei der Unaspyramide in Saqqara befindet sich das Grab eines Oberarztes Psammetich, Sohn der Ta-gem-iir-Isis. Angesichts der Seltenheit des Namens der Mutter wäre eine Identifizierung der Personen möglich. 172 Ein Anosis, Sohn des Horudja, ist als Zeuge auf dem thebanischen Papyrus Louvre E 7861 belegt.

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In unsicherer Relation hierzu steht ein anderes Fragment, in dem ein Kalasiris-Krieger (dessen Identität mit dem Krieger Psammetich möglich, aber nicht völlig sicher ist) zu Isis fleht und sie bittet, ihn wegen seiner Fähigkeit zu entlassen. Er betont, der König kenne seinen Namen. Dabei geht es auch um einen Isionomos, dessen Aussatz verächtlich werde, während die Schande des Sprechers sich in Ägypten verbreiten würde. Er bittet Isis, ihm so etwas nicht wieder zu sagen, denn es sei nicht sein Werk – wobei nicht wirklich klar ist, auf was sich letztere Aussage bezieht. Dabei spielt auch die rituelle Trauer um Osiris eine Rolle. Psammetich sucht eine Traumoffenbarung im Osiristempel von Busiris, während die Kastration in einem anderen Handlungsstrang als in der Zukunft liegend angekündigt wird – eventuell ist dieses Fragment vor diejenigen zu platzieren, die von ihrer realen Durchführung reden. Dabei erscheint ihm ein Mann mit einem Goldkranz und einer eisernen Waffe, bei dem es sich um Inaros handeln könnte (der ja dort bestattet worden war, s. S. 59). In einer eingebetteten Erzählung hört man von einem sehr reichen Priester des Re in Heliopolis, der einen liebreizenden Ziehsohn hat.173 Noch ein anderes Fragment wirft im Gespräch zwischen zwei Frauen die Frage auf, ob eine Frau, die eine bestimmte Zeit (zunächst ein Jahr, dann bis zu fünf) als Witwe verbracht habe, noch mehr Jahre oder sogar das ganze Leben so verbringen könne. Unsicher bleibt die Rolle einer Frau, deren Name wohl als Mehwechesit, also als Schreibung für Mehit-en-Wesechet zu lesen ist. Auch um mögliche Querverbindungen zu anderen literarischen Handschriften auszuloten, sei darauf hingewiesen, daß es in der aramäischen Erzählung aus Scheich Fadl (s. S. 54) zum einen einen Eunuchen names Psammetich gibt (Panel 5a), zum anderen eine Person OrA, die möglicherweise eine Wiedergabe des ägyptischen Namens Hareus darstellt – und auch im pCarlsberg 448 erscheint auch ein Hareus, der eventuell als Sohn des Tjainefer bezeichnet wird, was auch mögliche Verbindungen zum pCarlsberg 422 eröffnen würde (s. S. 96). Gerade mögliche Verbindungen zur Erzählung aus Scheich Fadl würden aller-

173

In Frg. 11, 15 muß gegen SÉRIDA, Castration Story, S. 24 aus syntaktischen Gründen das auch inhaltlich plausible [wn]-mtw=f wo xl ergänzt werden.

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dings, da dort u.a. Taharka erscheint, eher für eine Identifizierung des Königs im pCarlsberg 448 als Psammetich I. sprechen. Möglicherweise in frühpersische Zeit zu setzen ist die Handlung einer Erzählung, in der Horudja, ein hoher Finanzbeamter auftritt. Er ist als Charakter im pSaqqâra 9 (etwa 4. Jhd. v. Chr.) und in einem römerzeitlichen Bruchstück aus Tebtynis erwähnt.174 Letzteres Stück zeigt, daß die Handlung am Königshof spielt und irgendjemand inhaftiert ist. Mit Sicherheit werden die Perser, und zwar in der selteneren Bezeichnung Prs, im römerzeitlichen pCarlsberg 555 genannt, dessen schlechte Erhaltung allerdings genauere Aufschlüsse kaum zuläßt.175 Wahrscheinlich geht es um Kämpfe zwischen den Ägyptern und Persern. Eine Person namens Sema-tauiiirdis wird genannt. Die Heiligtümer von Balamun (oder Pelusium) spielen eine Rolle. Vielleicht ebenfalls in die achämenidische Epoche gesetzt ist ein anderes Bruchstück aus Saqqâra (pSaqqâra 8),176 in dem eine Person namens Asescheri sowie ein Dareios auftreten; letzterer allerdings ohne Kartusche geschrieben. Unsicher ist, ob ein Fragment aus Saqqâra, das Teos, den Sohn des Nektanebes, sowie die Perser erwähnt,177 als literarisch eingestuft werden kann, oder nur Teil eines zeitgenössischen Verwaltungstextes ist. In ersterem Fall wäre es als Beispiel einer nachweislich allenfalls wenig nach den realen Ereignissen einsetzenden narrativen Tradition von besonderem Interesse. Der letzte einheimische König Nektanebos II. erscheint literarisch in der Überlieferung von Nektanebos’ Traum. Die lange nur durch eine griechische Version auf einem Papyrus der Ptolemäerzeit (pLeiden I 396) bekannte Geschichte kann durch neu entdeckte demotische Handschriften der Römerzeit aus Tebtynis parallelisiert werden, von denen pCarlsberg 562 direkt zur grie174

SMITH, TAIT, Saqqâra Papyri, S. 168f., T. 13a; TAIT, Papyri from Tebtynis, S. 28-33, T. 2 (Nr. 6); zur Person s. YOYOTTE, CRAIBL 1989, S. 78. 175 Edition RYHOLT, The Carlsberg Papyri 10, S. 143-155, Taf. 19. 176 SMITH, TAIT, Saqqâra Papyri I, S. 166f., T. 12c (Nr. 8). 177 SMITH, TAIT, Saqqâra Papyri I, S. 188f., T. 15c.

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chischen Handschrift parallel geht, während eine Reihe von Handschriften desselben Schreibers (pCarlsberg 424, 499, 599+PSI Inv. D 60) die Handlung noch weiterführen.178 Demnach erscheint dem König im Traum eine Götterversammlung, bei der Onuris sich vor Isis über die unfertige Dekoration des Tempels von Per-Schu beschwert. Der König fragt erwacht nach, wie der Bau steht, und erhält die Auskunft, mit Ausnahme der Hieroglypheninschriften sei alles fertig. Nunmehr will er die fehlenden Inschriften anbringen lassen. In der Ratsversammlung wird der Graveur Petese aus Aphroditopolis einstimmig als der Fähigste ausgewählt und erhält seinen Lohn im Voraus. Damit geht er jedoch zunächst einmal in die Kneipe, und danach sieht er ein schönes Mädchen. Hier bricht der griechische Text ab. Die demotische Fassung setzt später wieder ein, als der König seinen Willen erklärt, dem offenbar schlechten Schicksal des Petese und den angekündigten auswärtigen Feinden nachzugehen. Man kann rekonstruieren, daß Petese zum Medium eines Götterorakels geworden ist und eine Unheilsprophezeiung über Ägypten ausgesprochen hat, woraufhin er gestorben ist. Hier bricht der Text endgültig ab, doch ist angesichts der historischen Realitäten davon auszugehen, daß es Nektanebos nicht mehr gelingt, den Wunsch der Götter umzusetzen, so daß er schließlich vor den einfallenden Persern fliehen muß. Hier liegt deutlich eine literarische Verarbeitung des Endes der einheimisch-ägyptischen Herrschaft vor. Es besteht einige Wahrscheinlichkeit, daß zumindest eine Fassung des Textes durch die Anknüpfung Alexanders des Großen an Nektanebos die Griechenherrschaft legitimieren und den Ägyptern akzeptabel machen wollte. Bemerkenswerterweise findet die am Anfang eingeforderte Fertigstellung der Dekoration in Sebennytos ihre reale Parallele

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S. zuletzt GAUGER, in: BLASIUS, SCHIPPER, Apokalyptik und Ägypten, S. 189-219 sowie RYHOLT, ebenda, S. 221-241; ders., The Carlsberg Papyri 10, S. 157-167, Taf. 20f.; HOFFMANN, QUACK, Anthologie, S. 162-165 u. 348; MATTHEY, in: BELAYCHE, DUBOIS (éds.), L’oiseau et le poisson, S. 310-315. Der Vorschlag von KOENEN, BASP 22, S. 171194 (übernommen von STEPHENS, WINKLER, Ancient Greek Novels, S. 15f. u. 470), den Text als Königsnovelle zu lesen, trifft die Sache nicht ausreichend; zudem wird der Begriff „Königsnovelle“ von der griechischen Papyrologie gerade zu dem Zeitpunkt aufgegriffen, wo die Ägyptologie zunehmend an seinem Wert zweifelt; vgl. zur Kritik zuletzt J.F. QUACK, Pharao und Hofstaat, Palast und Tempel: Entscheidungsfindung, Öffentlichkeit und Entscheidungsveröffentlichung im Alten Ägypten, in: Chr. KUHN (Hrsg.), Politische

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darin, daß auf einem Naos des Nektanebos aus diesem Ort nur die eine Hälfte der Inschriften graviert ist.179 In neuerer Zeit ist auch erwogen worden, daß (sozusagen im Gefolge der Nektanebos-Erzählung) der griechische Alexander-Roman, in dem der Makedonenkönig zum Sohn des Nektanebos gemacht wird und als Rächer und Befreier nach Ägypten kommt, auf demotische Vorlagen zurückgeht, zumindest für die Episoden um Nektanebos.180 Obgleich der definitive Beweis aussteht, ist die Theorie nicht unwahrscheinlich. Die einzige mir bekannte Erzählung, in der bereits die Griechen auftreten, befindet sich im pKairo CG 30799 – sofern es sich wirklich um einen literarischen Text handelt und nicht einfach um einen Brief oder eine Petition.181 3.7. Geschichten ohne erhaltene zeitliche Situierung Anders als die bisher behandelten Texte ist die im pVandier überlieferte Erzählung182 historisch weniger leicht zu verorten, da in ihr ein König c#-cbk „Sohn des Krokodilgottes Sobek“ auftritt, der so nicht konkret faßbar ist. Verschiedene Theorien zu seiner Deutung sind vorgeschlagen worden, so als Anspielung auf „Sohn des Schabaka“, also Schebitko,183 oder als Variante zum als Sasychis bekannten Herrscher der griechischen Historiographen.184 Eher dürfte es sich einfach um ein Epitheton handeln, das im Verlaufe der Tradierung den eigentlichen Namen verdrängt hat, so wie Thutmosis III. in zwei demotischen Erzählungen bereits den Beinamen Siamun trägt (s. S. 36 u. 46).

Kommunikation und Öffentliche Meinung in der antiken Welt (Stuttgart 2012), S. 277295. 179 RYHOLT, in: BLASIUS, SCHIPPER (Hrsg.), Apokalyptik, S. 240f. 180 JASNOW, JNES 56, S. 95-103. 181 SPIEGELBERG, Demotische Denkmäler II, S. 169f., T. LXIII. 182 POSENER, Papyrus Vandier. Deutsche Übersetzung FISCHER-ELFERT, BiOr 44, Sp. 5-21. Einige Bemerkungen QUACK, RdÉ 46, 163-170. Übersetzung HOFFMANN, QUACK, Anthologie, S. 153-160 u. 345-347. 183 FISCHER-ELFERT, BiOr 44, Sp. 15. 184 JASNOW, Enchoria 23, S. 179; LOPRIENO, BSFÉ 142, S. 17. Allerdings dürfte Sasychis nur eine schlechtere Überlieferungsform für Asachis darstellen, s. A. VON LIEVEN, Asychis or Sasychis, that is the Question, in: K. GEUS, E. IRWIN, TH. POISS (Hrsg.), Herodots Wege des Erzählens. Logos und Topos in den Historien, Zivilisationen & Geschichte 22 (Frankfurt 2013), S. 323-332.

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Die Handschrift stammt mutmaßlich aus der Saitenzeit und ist noch hieratisch geschrieben, sprachlich ist der Text jedoch weitgehend demotisch. Die Geschichte beginnt damit, daß Merire vorgestellt wird, der ein sehr fähiger Schreiber und Magier ist, dessen Existenz aber aus Neid von den anderen Magiern vor dem Pharao verborgen wird. Zu einer Krise kommt es, als Pharao krank wird. Er hat keinen Appetit, kann nicht schlafen und wirkt wie aus dem Fluß gestiegen (d.h. schweißtriefend vom Fieber).185 Die herbeigerufenen Magier finden als Präzedenzfall in ihren Aufzeichnungen gleichartige Symptome bei König Djedkare, mutmaßlich Asosi aus der 5. Dynastie.186 Damals habe sein namentlich nicht bekannter Hofmagier für ihn zusätzliche Lebenszeit erbitten können. Der König ist wütend und erwartet von seinen Magiern Gleiches. Sie aber geben an, niemand anders als Merire sei dazu in der Lage. Pharao ärgert sich zwar darüber, von diesem vorher nie etwas erfahren zu haben, lädt ihn aber zu sich und verlangt, er solle für ihn zusätzliche Lebenszeit erbitten. Merire ist betrübt und erklärt, er könne das zwar, müsse dann aber selbst sterben. Der König verheißt ihm, er werde für seinen Sohn sorgen, ihn in allen Tempeln ehren und seinen Namen nicht in Vergessenheit geraten lassen. „Merire war bedrückt. Er weinte, indem er wie aufgestautes Wasser war. Er sagte: ‚Mein großer Herr! Das was mir zuteil [geworden ist], ist die Situation des Balsamierers, den man [nur] für einen Tag herbeiruft. Sieh doch: Ich! Man sucht mich [umzu]bringen, ohne daß ich die Güte Pharaos, [meines Herrn] gesehen hätte. [Man sch]ickt mich zum Tod, während ich noch sehr jung bin.’“ (2, 1-3).

Die Verhandlung mit dem König geht noch weiter, wobei er letztlich seinen Willen durchsetzt, aber Merire etliche Zugeständnisse macht. Er muß schwören, Merires Frau Henutneferet zu versorgen und weder zuzulassen, daß ein Fürst sich ihr nähert, noch selbst ein Auge auf sie werfen. Außerdem sol-

185

Die von FISCHER-ELFERT, BiOr 44, Sp. 13f. vorgeschlagene Deutung, der König sei vergiftet worden, scheint mir nicht abgesichert – in einem ägyptischen Text hätte man das expliziter angegeben. 186 Zur Lesung s. VERHOEVEN, CdÉ 72, S. 5-9. Die von KAMMERZELL, GM 96, S. 45-52 vorgeschlagene Theorie, hier eine Parallele zum Bericht des Herodot über Mykerinos zu sehen, ist kaum zu halten, da Kammerzells Lesung des Königsnamens im Papyrus Vandier paläographisch ausgeschlossen ist und die sachlichen Parallelen wenig präzise und spezifisch sind.

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len die Kinder der Magier, die Merire jetzt in den Tod treiben, ihm mitgegeben werden. Nunmehr macht sich Merire für seine Verhandlung in der Unterwelt bereit. Gemeinsam mit dem König scheint er in Heliopolis ein spezifisches Ritual durchzuführen, bei dem Flechtwerk vor ihm ist und er den Boden mit den Füßen nicht berührt. Ein Wutausbruch des Königs gegen seine Magier führt dazu, daß Merire erneut verlangt, deren Frauen und Kinder sollten ihm mitgegeben werden. Außerdem verbürgt sich der König nochmals für die Einhaltung seiner Eide. Schließlich erreicht Merire es noch, die Statue der Hathor, Herrin des Roten Sees mit sich nehmen zu dürfen. In der Unterwelt angekommen,187 trifft Merire gleich auf Hathor, die Herrin des Westens. Sie fragt nach seinem Auftrag, und er gibt an, für den König zusätzliche Lebenszeit erbitten zu wollen. Daraufhin wird er vor den „großen lebenden Gott“ geführt, der als Herr der Unterwelt für diese Frage zuständig ist. Dieser erkundigt sich zunächst nach dem Zustand der Tempel, der Gerechtigkeit im Lande und dem Schutz der Witwen und Waisen. Offenbar erhält er auf alles zufriedenstellend positive Antworten. Daraufhin wird dem Pharao zusätzliche Lebenszeit gegeben, die seine bisherigen 25 Jahre auf 100 erhöht. Nunmehr möchte Merire wieder auf die Erde emporgehen, doch dies wird ihm verwehrt, so sehr er es auch, sei es nur für sieben Tage, wünscht. Er bittet Hathor, die jeweils zum Fest des 6. Mondmonatstages zur Erde emporsteigt, um Opferbrote zu empfangen, ihm Bericht über die Situation auf der Erde zu geben. Als sie zurückkommt, gibt sie ihm knapp und emotionslos Bericht: Der König hat Merires Frau zur großen königlichen Gemahlin gemacht, sein Haus genommen und seinen Sohn getötet.188 Anstifter hierzu waren die Magier am Hof. Merire formt hierauf aus Erde einen Mann, der durch die Mundöffnung magisch belebt wird. Dieser geht in seinem Auftrag auf die Erde, um die zu verfolgen, die Pharao zum Eidbruch veranlaßt haben. Er tritt zum schlafenden 187

Zur Frage der Unterweltsreise speziell SERRANO DELGADO, JANER 11, S. 94-108; kritisch dazu QUACK, in: COULON, GIOVANNELLI-JOUANNA, KIMMEL-CLAUZET (Éds.), Hérodote et l’Égypte, S. 71f. 188 Vgl. hierzu auch KUNZ, Theologische Zeitschrift 59, S. 300-311.

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Pharao und fordert ihn auf, die Magier ins Feuerbecken zu werfen. Erwacht sieht der König niemanden – offenbar ist Merires Golem für Menschen unsichtbar. Pharao läßt die Magier zunächst ins Gefängnis werfen. Nachdem der Erdmann ihn in der nächsten Nacht gleichartig ermahnt, werden sie aber doch durch Feuer hingerichtet. Nunmehr kehrt Merires magisches Geschöpf in die Unterwelt zurück, um ihm den Vollzug des Auftrags zu melden. Außerdem bringt er ihm einen Blumenstrauß mit, über den sich Merire ungemein freut. Der große lebende Gott dagegen ist verblüfft, vermutet er doch, Merire sei heimlich auf die Erde gegangen. Der weitere Verlauf der Geschichte ist aufgrund zusehends schlechterer Erhaltung der Handschrift nicht mehr klar zu verfolgen. Merire unterhält sich in der Unterwelt mit einem verstorbenen König Men-Ptah, bei dem in der Forschung eine unetymologische Form für Merenptah vermutet wurde. Außerdem werden vom König weitere Versprechen eidlich geleistet. Da eine Szene Merire mit ihm gemeinsam zeigt und er zudem wieder mit seiner Frau Henutneferet vereint ist, spricht einiges dafür, daß er letztlich aus der Unterwelt wieder emporsteigen konnte. Das Ende ist verloren. Der pVandier ist zunächst einmal rein durch seine Datierung für die demotische Literatur von außerordentlicher Bedeutung. Die Handschrift stammt etwa aus der Saitenzeit189 oder nicht viel später. Sprachlich steht der Text weitgehend im Rahmen des Demotischen, weist aber vereinzelt ältere Formen auf, graphisch ist er hieratisch.190 Die plausibelste Erklärung dürfte sein, daß hier noch Reste einer etwas älteren Formulierungsweise zu fassen sind und die Geschichte wenigstens als Plot, wenn schon nicht in der konkreten Umsetzung, ältere Vorläufer hat. Dem entspricht, daß der Held der Erzählung, der General Merire, bereits in einem ramessidischen Fragment (pDeir el-Medina 39) als Protagonist auftritt.191 Dadurch wird er zu einer Figur, welche die neuägyptische und die demotische Literatur miteinander verklammern und Kontinuität deutlich aufzeigen kann. Erwägenswert ist auch, inwieweit er – gerade angesichts der Bezeichnung des betreffenden Königs als „Sohn des Sobek“ – 189 190

VERHOEVEN, Untersuchungen zur späthieratischen Buchschrift, S. 329-337. QUACK, RdÉ 46, S. 163-170.

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damit zusammenhängen kann, daß es im pSallier IV vs. 1, 9 (Zeit Ramses’ II.) einen „Sobek des Merire“ gibt, also offenbar einen Kult, der von einem Mann namens Merire gestiftet worden ist. Dadurch, daß Merire Erde und nicht wie sonstige Magier Wachs benutzt, um sein magisch belebtes Geschöpf zu bilden, erscheint hier ein ferner Vorläufer des späteren Golem-Motivs.192 Man sollte den Unterschied in der Materialauswahl aber nicht zu hoch bewerten – in der Unterwelt wird Wachs einfach weniger leicht zu beschaffen gewesen sein. Das Motiv, daß einer seine Lebenszeit für den anderen hingeben kann, steht sicher in ägyptischer Tradition, da es in den Orakeldekreten der 3. Zwischenzeit entsprechende Passagen gibt. Auch die Inschrift des Chaliut von Gebel Barkal, Z. 11 scheint in diese Richtung zu gehen. Inwieweit es auch mit dem griechischen Alkestis-Motiv zu verbinden bzw. dieses aus dem Ägyptischen abzuleiten ist, bleibt eine offene Frage. Ursprünglich angenommene Oppositionsstellung zwischen der Lage der Tempel und dem einfachen Volk oder Gegensätze zwischen Priesterschaft und Militär dürften sich vor dem Hintergrund des tatsächlichen Wortlautes der Erzählung kaum halten lassen. Auffällig ist der besonders schwache Charakter des Königs, der sich von den Magiern leicht zu schlechten Handlungen verleiten läßt. Dennoch wird nie ihm direkt die Schuld gegeben, ähnlich wie in älterer Zeit im Zweibrüdermärchen das Göttermädchen den König zu Aktionen gegen Bata bringt, für die später nur es allein büßen muß. Vor kurzem veröffentlicht worden ist die umfangreiche Erzählung um Petese, den Sohn des Petetum.193 Haupthandschrift ist pCarlsberg 165 aus der Römerzeit, ein Fragment (pSaqqâra 4) stammt bereits etwa aus dem 4. Jhd. v. Chr. Der König, unter dem sie spielt, ist im Text nicht erhalten. Da in einer der Erzählungen, welche der Rahmenhandlung untergeordnet sind, ein Prinz Necho erscheint, kann sie aber frühestens in der Saitenzeit angesiedelt sein.

191

SAUNERON, KOENIG, in: Livre du centenaire, S. 135-141, T. X-XI. BRUNNER-TRAUT, SAK 16, S. 21-26. 193 RYHOLT, Story of Petese. Vgl. dazu die Rezension von HOFFMANN, OLZ 96, Sp. 38-44; VITTMANN, Enchoria 26, S. 193-197. Übersetzung HOFFMANN, QUACK, Anthologie, S. 167-175 u. 349-50. 192

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Am Beginn einer neuen Kolumne (vielleicht tatsächlich der ersten der Handschrift) wird der Protagonist der Haupthandlung eingeführt, nämlich ein weiser Priester (genauer Rang unsicher) des Atum von Heliopolis namens Petese, Sohn des Petetum. Er fängt im Hof seines Hauses einen Geist ein. Diesen befragt er über seine Lebenszeit. Der Geist will sich widersetzen, enthüllt aber schließlich doch die Wahrheit: Es ist vor Re beschlossen worden, Petese nur noch 40 Tage Lebenszeit übrig zu lassen. Aus Kummer wird er ganz krank, will aber seiner besorgt fragenden Frau Sachmet-neferet nichts verraten. Vielmehr will er die letzten Tage seines Lebens im Fest mit ihr verbringen. Währenddessen wird seine Bestattung bereits vorbereitet. Wohl um mehr Geld dafür zur Verfügung zu haben, wendet er sich an die Priester des AtumTempels, denen er verspricht, geheime Bücher zu verschaffen. Dafür will er allerdings 500 Silberstücke haben. Die Priester sind einverstanden und erhoffen eine Steigerung des Ansehens ihres Tempels, nicht jedoch der für die Tempelwirtschaft zuständige Lesonis Hareus, Sohn des Tjainefer. Petese zieht ohne Geld davon. Um seinen Forderungen Nachdruck zu verleihen, erschafft er in seinem Haus einen Falken und eine Katze aus Wach,194 die er magisch belebt und zum Haus des Hareus schickt. Dort kommt gerade eine Delegation von Leuten an, die „dem Falken“ zugehörig sind, einer Institution mit Bindung an den Tierkult des Falken, der seinem mit Horus zusammengesetzten Namen nach auch Hareus angehören dürfte. Angesichts aller Leute treiben die magischen Tiere des Petese ihr Unwesen, wobei die Katze den Falken fängt. Dies dürfte eine versteckte Drohung sein, da Petese als Priester des Re-Atum, der auch als großer Kater verstanden wird, mit der Katze, Hareus dagegen mit dem Falken verbunden ist. Hareus erkennt jedenfalls die Botschaft. Er stimmt nunmehr nicht nur zu, Petese die geforderten 500 Silberstücke geben zu lassen, sondern begibt sich selbst zu ihm, um ihn demütig um Verzeihung zu bitten. Zusätzlich zur verlangten Summe bietet er ihm selbst weitere 500 Silberstücke als Wiedergut-

194

Dazu RYHOLT, JEA 102, in Druck.

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machung an. Die beiden versöhnen sich offenbar, so daß Petese ungestört an seine weiteren Vorbereitungen gehen kann. Erneut erschafft er magische Gestalten aus Wachs, und zwar zunächst Vorlesepriester, Schreiber des Gottesbuches und vier Türhüter, die für seine Bestattungsrituale zur Verfügung stehen sollen. Daneben werden noch zwei Paviane erschaffen, die Bücher und Schreibpalette erhalten, um täglich Geschichten aufzuschreiben, die ihnen begegnen, 35 gute und 35 unanständige Geschichten, also eine für jeden verbleibenden Tag seines Lebens. Jedoch dienen sie wohl nicht zur Unterhaltung des Petese selbst, sondern sollen später aufgefunden bzw. seiner Frau vorgetragen werden. Für diese 70 Geschichten, die einer Frau vorgetragen werden, gibt es eine bemerkenswerte Parallele im indischen „Papageienbuch“ Śukasaptati.195 Petese verbringt den Rest seines Lebens in stetem Fest. Am Abend seines letzten Lebenstages geht er in den Keller, wickelt sich selbst in Byssos und seine Seele wird frei. Ohne daß irgendjemand es bemerkt, werden für ihn (wohl durch die belebten Wachsfiguren) alle Beisetzungsrituale durchgeführt. Seine Frau, der er nur bestimmte Anweisungen gegeben hat, sucht am nächsten Tag besorgt nach ihm und bringt Weihrauch, Myrrhe und Kyphi dar. Sie glaubt, er sei nur krank und könne durch Arzneien geheilt werden. Aus seinem Raum ertönt eine Stimme, die sie irrig für die seine hält. Das Ende der Rahmenhandlung ist nicht zusammenhängend greifbar. Nunmehr folgen wohl die Erzählungen, welche die Paviane gesammelt haben. Sie werden am Beginn jeweils durchnumeriert und als Geschichten zum Lob oder Tadel der Frauen eingestuft. Möglicherweise handelt es sich genau um die Komposition, auf welche im Gedicht vom verkommenen Harfner sowie im pInsinger unter dem Begriff „Tadel der Frauen“ angespielt wird (s. S. 108 u. 128). Der Pavian resümiert jeweils am Ende seines Vortrags im Stile von „Meine Schwester Sachmetneferet, siehe, dies war die Erzählung von … Morgen werden wir … machen“. Die erste teilweise erhaltene (mindestens eine geht ihr mutmaßlich voraus) spielt offenbar zur Zeit des Königs Usermaatre (Ramses II.?). Ein Vater Iahirdis gibt seinem Sohn den Auftrag, auf seine Mutter achtzugeben. Dieser 195

VITTMANN, Enchoria 30, S. 183.

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findet ihren Raum verschlossen vor und klettert auf einen hohen Perseabaum, von dem aus er durch das Fenster hineinschauen kann. Dabei sieht er seine Mutter, wie sie mit einem Krieger Ehebruch begeht. Sie bemerkt, daß der Sohn sie beobachtet und ist entsetzt – hier bricht der Text erst einmal ab. Am Anfang des Bereiches unsicherer Plazierung, der in der Erstedition irrig als Beginn der Handschrift überhaupt eingestuft wurde,196 steht ein Ehebruch mit Folgen. Die Frauen des Propheten des Atum und des Propheten der Göttin Nebethetepet erscheinen vor dem König, wobei die Frau des Propheten des Atum behauptet, die Frau des Propheten der Nebethetepet sei von ihrem Mann schwanger. Das Kind wird offenbar für seinen natürlichen Vater beansprucht – die Details sind aufgrund schlechter Erhaltung der Handschrift leider sehr unsicher. Gemäß ihren Wünschen wird es auch vor dem König beschlossen, und alle sind zufrieden. Anschließend wird durch den Auftritt eines Pavian, der zu Sachmetneferet spricht, klar der Anfang einer neuen Erzählung markiert. Es geht um die Geschichte eines gewissen Hareus. Dieser ist im Tempel für die wirtschaftlichen Belange zuständig, kann sich aber finanziell nicht über Wasser halten. Angesichts ständiger Not will er lieber alles riskieren und zieht in die Wüste aus. Dort findet er offenbar eine verborgene Oase, deren Einwohner ihm erlauben, vorhandene Schätze an sich zu nehmen. Hier bricht der Faden ab. Von einer weiteren Geschichte ist nur das letzte Ende erhalten, in dem Setne erscheint. Die darauffolgende Geschichte hat einen Propheten des Horus von Pe in Buto zum Helden, der ein weiser und bedeutender Mann, aber unverheiratet ist. Er sieht bei einem Fest im Tempel Nebetese, die Tochter des Propheten der Neith, und verliebt sich in sie. Die Werbung ist auch erfolgreich, und die beiden heiraten, doch stellt sich kein Kindersegen ein. Bei einer Inkubation erhält der Priester des Horus dann die Traumoffenbarung, er würde zwar einen Sohn haben, dieser müsse jedoch sterben, sobald er mit einer Frau schlafe.

196

Korrektur in RYHOLT, Petese Stories II, S. 148f.

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Obwohl er betrübt ist, schläft er mit seiner Frau und zeugt tatsächlich einen Sohn, der zu einem starken Mann heranwächst. Hier bricht der Text ab, so daß unklar ist, ob der Sohn sein Schicksal überwindet oder ihm verfällt. Eine zweite Papyrusrolle (pCarlsberg 324+394 + PSI Inv. D8+9), welche die Fortsetzung der gesammelten Geschichten enthält, ist erst nachträglich als Teil derselben Komposition erkannt worden.197 Die wohl erste darin erhaltene Erzählung ist eine Variante zur bei Herodot II, 111 überlieferten Geschichte um König Pheros, der infolge eines Sakrilegs erblindet.198 Im griechischen Text wird angegeben, er hätte sein Augenlicht erst zurückgewonnen, als er seine Augen mit dem Urin einer Frau gewaschen habe, die ihrem Mann stets treu gewesen sei. In der demotischen Fassung ist stattdessen von Tränen die Rede. Der erhaltene demotische Text setzt damit ein, daß der Pharao aufgrund einer Nachricht einen Wutanfall bekommt, die offenbar beinhaltet, er habe es verdient, daß man ihn auf einen Brandopferaltar gäbe. Er wirft ein Objekt (vielleicht eine Lanze), die einen Mann in die Brust trifft und tötet. Seine Frau ist darauf entsetzt und verhüllt ihr Haupt. Sie wird in den königlichen Harem gegeben, wo sie weint. Jemand verspricht, den Leichnam ihres Mannes nach Memphis zu bringen und für sein Begräbnis zu sorgen. Nach einer gewissen Lücke erhält Pharao im Traum eine Offenbarung, wie sein Augenlicht wiederhergestellt werden könne. Offenbar wurde ihm geraten, sie mit den Tränen einer tugendhaften Frau zu waschen, jedenfalls läßt er viele Frauen seiner Höflinge und Generäle herbeibringen, die zum Weinen gebracht werden. Ihre Tränen helfen jedoch ebensowenig wie die der 40 Frauen des Königsharems. Da sie sich somit nicht als tugendhaft erweisen, werden sie hingerichtet. Hier tritt Prinz Necho auf, der von einer tugendhaften Frau erzählt, die er in Herakleopolis getroffen hat. Sie wird zum Königshof gebracht und erhält anscheinend als Lohn einen goldenen Becher. Nachdem durch sie Pharaos Blindheit geheilt werden konnte, wird sie möglicherweise mit Prinz Necho verheiratet. 197

RYHOLT, Petese Stories II; vgl. VITTMANN, Enchoria 30, S. 182-185. QUACK, in: COULON, GIOVANNELLI-JOUANNA, KIMMEL-CLAUZET (Éds.), Hérodote et l’Égypte, S. 66-69; MINUNNO, GM 248, S. 103-109. 198

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Sofern man postuliert, daß am Beginn der Geschichte der König sein Auge auf die Frau eines anderen Mannes geworfen hat und sie ihm wegnehmen wollte, wäre die Blindheit, mit der er geschlagen wurde, gerade dadurch eine subtile Strafe, daß er selbst keine eigene Frau hat, die ihm treu ist. Möglicherweise kann man ein historisches Umfeld der Erzählung in der frühen Saitenzeit finden, in der das Königtum eine enge Verbindung mit einer mächtigen Familie von Herakleopolis eingegangen war. Unklar ist der Beginn der nächsten Geschichte, die weitgehend als Erinnerung in der ersten Person vorgetragen wird. Ein Prinz trifft sich mit einem Krieger. Sie stellen im Zweikampf fest, daß sie beide stark sind. Offenbar verbrüdern sie sich, und der Prinz bietet dem Krieger alles an, was er wünscht, ausgenommen ein bestimmtes Helmobjekt. Dieser aber erklärt, er sei nicht deshalb gekommen, sondern, um Eide zu leisten, daß sie sich stets beistehen würden. Sie verbringen gemeinsam einen Festtag. Dann wird der Prinz während des königlichen Thronbesteigungsfestes aufgefordert, seine Eide zu halten. Er kommt gerüstet und wird vom Krieger zum Prinzen von Hermoupolis gebracht. Ohne Fragen zu stellen, folgt er ihm zu einem großen Trinkraum, wo ein Mann mit einer Frau schläft, während ein Leichnam daliegt. Der Krieger erklärt, der Tote sei sein Vater und die Frau seine Mutter, die ein Frevler vergewaltigt habe, der seinem Haus viel Leid zugefügt habe. Nunmehr will er seinen Vater rächen. Der Prinz von Hermopolis erwacht und scheint seine Armee zu rufen – damit endet der Zusammenhang. Auf einem anderen Fragment sind Reste einer Geschichte über ein Krokodil zu lesen. Eine wunderschöne Frau kommt zum Fluß, fleht und weint. Das Krokodil kommt ans Ufer, nimmt sie ins Maul und springt in den Fluß. Möglicherweise bringt es sie zu seinem Lager auf einer Sandbank. Ein Ehepaar namens Pascherienmut und Hatmehit spielt in einer anderen Erzählung eine Rolle. Der Mann ist Diener in einer Taverne in Buto, wo auch seine Frau ausschenkt. Der Prophet des Horus von Buto sieht die Frau und begehrt sie. Er bringt sie gewaltsam in sein Haus und schläft mit ihr. Dann läßt er den Mann vor sich bringen, den er als Weisen erkennt. Offenbar will er ihn im Zusammenhang mit der Ankunft eines Falken hinhalten und redet ihn zunächst freundlich als „Mein Sohn“ an. Hatmehit erblickt ihren Mann und

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wird vom Propheten des Horus böse angeredet. Nunmehr durchschaut Pascherienmut die Dinge, wird aber vom Propheten eingesperrt. Mutmaßlich will seine Frau ihn befreien – und damit endet der erhaltene Zusammenhang. Als 18. Geschichte numeriert ist eine Erzählung, in der es um Ehebruch einer Frau des königlichen Harems geht. Sie wird durch den Offenbarungszauber einer anderen Frau entlarvt und deshalb aus dem Harem herausgeworfen. Die 19. Geschichte, die explizit zum Lob einer Frau sein soll, handelt von einem Kaufmann Petamun, der eine sehr schöne Tochter hat. Auch ein Mann namens Herinebtet taucht auf. Offenbar verheiratet er sich mit der Tochter des Kaufmanns. Nur geringe Reste sind von einer Erzählung über einen Propheten von Mendes und seine Kinder erhalten. Eine weitere Geschichte handelt von einem Mann wahrscheinlich mit dem Namen Merire, der verheiratet ist, aber die Tochter des Prinzen Udjahor erblickt. Offenbar begehrt er sie und will verhindern, daß der Prinz von seiner Ehe erfährt. Jedenfalls legt er seine Frau in einen Sarg und verschließt den Deckel. Den Sarg gibt er dem Nekropolenvorsteher, der damit anscheinend zum Familiengrab geht. Die Frau erwacht im Sarg und macht sich mutmaßlich bemerkbar, so daß die Träger sehr bestürzt sind, weil sie glauben, es sei eine Göttin. Die Frau ist ausgesprochen wütend – und dann bricht der Zusammenhang ab. Nur geringe Reste sind von der Geschichte über einen Händler Petemut erhalten, der wohl mit einer schönen Frau involviert ist. Viele Fragmente sind ganz ohne klar erhaltenen Zusammenhang. Heliopolis als Ort wird mehrfach genannt, auch ein Charakter namens Panebhetep erscheint. Die Art der Rahmung einer großen Anzahl von Geschichten ist ein sehr bemerkenswerter Zug. Sie kann einerseits auf älteren Vorläufern wie dem pWestcar aufbauen, andererseits verweist sie auch voraus auf manche Züge bis hin zu den Erzählungen aus Tausendundeiner Nacht. Mit diesen teilt sie auch eine ziemliche Vorliebe für erotische Stoffe. Die Einzelerzählungen sind durchaus vielfältig. Besonders zu beachten ist diejenige, in der vorhergesagt wird, daß ein Sohn beim ersten Geschlechtsverkehr sterben müsse. Leider ist

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das Ende der Geschichte nicht erhalten, so daß unklar bleibt, ob es z.B. durch Einschreiten gnädiger Götter zu einer Abwendung des Schicksals kommt oder hier doch einmal eine ägyptische Geschichte unglücklich ausgeht. Diese Grundfrage ebenso wie das fehlende Ende teilt die Erzählung mit der neuägyptischen Geschichte vom verwunschenen Prinzen. Wichtig ist auch die in diesem Fall besonders gut nachweisbare lange Laufzeit von Erzählungen. Wenigstens eine der Einzelerzählungen ist bereits bei Herodot im 5. Jhd. v. Chr. faßbar, die erste demotische Handschrift des Textes im 4. Jhd. v. Chr., die besser erhaltenen Abschriften im 2. Jhd. n. Chr. Petese selbst könnte in der narrativen Einleitung eines astrologischen Textes genannt sein (pCtYBR 422 vs. mit Parallele im pLund 2058).199 Dort wird berichtet, wie er in Heliopolis, als ein Stein aus einer Mauer fällt, im Loch ein astrologisches Buch findet, das angeblich von Imhotep, dem Sohn des Ptah, geschrieben ist. Dieses bringt er vor Pharao Nechepsos. Eine derartige Episode paßt gut zum Angebot des Petese, wertvolle Bücher zu beschaffen. Der Bericht über die Auffindung von Büchern entspricht etlichen ähnlichen Fundtopoi in religiösen und wissenschaftlichen Texten. Es gibt auch einen noch unpublizierten abnormal-hieratischen Papyrus (heute Queens College, Oxford), in dem ein „Oberhaupt“ Petese als Protagonist erscheint.200 Die Handschrift ist mit einiger Wahrscheinlichkeit als literarisch einzustufen, aber derzeit noch schwer verständlich. Daneben gibt es einige Indizien, daß Petese von Heliopolis in einen Traditionsstrom gerät, der ihn zu einem großen Weisen und Magier macht.201 So tritt in einem griechischen Papyrus ein Petese als Gesprächspartner des Platon auf, als dieser sich angeblich mit den Priestern von Heliopolis unterhält. Noch in griechischen alchemistischen Werken erscheint ein Petasios (teilweise als König von Armenien stilisiert), bei dem es sich um Petese handeln könnte. Peteses Gegenspieler Hareus (oder ein anderer Mann gleichen Namens) scheint Held einer eigenen Erzählung zu sein, von der Reste im pCarlsberg

199

QUACK, RYHOLT, in: The Carlsberg Papyri 11, in Druck. Edition durch H.-W. Fischer-Elfert in Vorbereitung. 201 QUACK, CdÉ 77, S. 76-92. 200

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159 vs. erhalten sind.202 Am Anfang steht die Übereinkunft zweier Männer, nämlich Hareus „der vom Geld“ und Hareus „der von den Kindern“. Hareus, Sohn des Hareus „vom Geld“ wird möglicherweise gegen 500 Silberstücke zur Adoption an Hareus „von den Kindern“ übergeben. Im Dromos des Tempels von Heliopolis nimmt Hareus die Tochter des Propheten des Atum wahr, die ihren Kopf aus dem Fenster streckt. Er verliebt sich auf der Stelle so sehr in sie, daß ihm die Sinneswahrnehmungen und die Beweglichkeit schwinden. Seinem Vater gegenüber will er zuerst nicht mit der Sprache heraus, doch dann bekennt er, er würde sofort sterben, wenn er nicht mit der Tochter des Propheten schlafen könne. Der Vater will dafür sorgen, daß er sie heiraten kann. Hareus ist ganz außer sich und geht abends zum Mädchen. Die beiden schlafen miteinander, und sie empfängt eine Tochter von ihm. Später unterhält sich der Protagonist Hareus, Sohn des Hareus „vom Geld“ mit den Kindern des Hareus „von den Kindern“, die ihn daran erinnern, ihr Vater habe ihn auf die Straße geworfen gefunden. Konkret geht es um die Geldsummen, welche ihre Väter geteilt haben; die Details sind schwer auszumachen. Jedenfalls ist Hareus betrübt über die Nachricht; seine Frau bringt ihn dazu, über die Sache zu reden. Der Rest verliert sich zunehmend im Dunkel. Ein weiterer unpublizierter Text, der pCarlsberg 422,203 zeigt Hareus, Sohn des Tjainefer, im Gespräch mit seinem Vater über eine Frau namens Tadinebethetepet, welche der Sohn heiraten will, obgleich der Vater widerspricht – offenbar gibt es Probleme (aufgrund einer Zukunftsvorhersage?) damit, sie schwängern zu können. Der Sohn kann sich jedoch durchsetzen, und der Vater wirbt erfolgreich um die Hand der Tochter des Propheten des Atum für seinen Sohn. Eine Beschreibung der Hochzeitsfeier folgt. Die Braut wird anscheinend schwanger, erlebt dann aber die Vision einer rätselhaften bekleideten Frau von Millionen [Ellen?], die ihr den Tod zu verkünden scheint. Die schlechte Erhaltung der Fragmente läßt leider viele Details der Handlung im Dunkeln. Außerdem ist ein sehr fragmentiertes Stück über Hareus als Schülerübung auf einem Krug erhalten.204 202

Edition RYHOLT, The Carlsberg Papyri 10, S. 1-21, Taf. 1-3; vgl. QUACK, WdO 46, S.

68. 203 204

RYHOLT, Story of Petese, S. 82; ders., Acts Copenhagen, S. 361-366, T. 13. SPIEGELBERG, Krugtexte, S. 20-23 , T.VII. Vgl. RYHOLT, Story of Petese, S. 82.

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Möglicherweise dieselbe Person könnte auch im pBerlin 23757 vs. zu erkennen sein, in dem ein Or-|w+ neben einem General Pamai auftritt.205 Es scheint vor allem um einen Vogel unklarer Natur sowie Essensfragen zu gehen. Der Bezug auf Atum in einem Schwur würde zum heliopolitanischen Hintergrund der Petese- und Hareus-Komplexe passen. Ferner sei darauf hingewiesen, daß im pCarlsberg 448 (s. S. 79-82) an einer Stelle (Fr. 11, Z. 17) eventuell eine Person Hareus, [Sohn des Tjai]nefer zu ergänzen ist. Andererseits gibt es ein griechisches Romanfragment, das Tjainefer als Protagonisten enthält, also eventuell den Vater des Hareus.206 Da es sich allerdings auch um den Vater des Chascheschonqi handeln könnte und die Handlung auch Bezüge zur Rahmenerzählung des Achiqar aufweist, wird das Stück unten S. 150 ausführlicher angesprochen. Im erhaltenen Textbereich nirgends bewahrt ist der Name des Herrschers, unter dem die umfangreiche Erzählung des pSaqqâra 1 (mit mutmaßlicher Parallele im pSaqqâra 1a) spielt.207 Einer der Haupthelden der Erzählung ist Djedseschep, der offenbar aufgrund unklarer Vorkommnisse in Ungnade fällt und mit seiner Frau fliehen muß. Eine Hofintrige ist wahrscheinlich, jedenfalls ist im Zusammenhang mit den Fürsten, Generälen und großen Männern von „Furcht“ die Rede. Zum Propheten von Wenchem wird eine andere Person ernannt, möglicherweise der oberste Schreiber des Moeris-Sees. Eine andere Person ist in weiblicher Begleitung unterwegs und hört durch das Gerede einiger Männer von Wenchem vom Unheil, das Djedseschep zugestoßen ist. Er selbst will sich dahin aufmachen und läßt seine Begleiterin unter beiderseitigen Tränen im Haus eines Türhüters des Horus von Letopolis zurück. Dort macht sie sich zunächst daran, das schmutzige Haus und sein Geschirr zu reinigen. Viele weitere Episoden bleiben im Unklaren. Wo die Handlung wieder etwas zusammenhängender einsetzt, scheint ein gewisser Hormaacheru herausgefunden zu haben, daß die Leichen von Djedseschep und seinen 205

Erwähnt von K.-TH. ZAUZICH, EVO 17, S. 331. Edition durch S. Lippert in Vorbereitung, s. vorläufig S. LIPPERT, Ein demotisches juristisches Lehrbuch. Untersuchungen zu Papyrus Berlin 23757 rto, ÄA 66 (Wiesbaden 2004), S. 18f. 206 RYHOLT, Story of Petese, S. 82. 207 SMITH, TAIT, Saqqâra Papyri I, S. 1-64 u. 65-69.

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Gefährten in einem zusammengefallenen Turm liegen. Er läßt sie dort herausholen, in Stoff hüllen und ihnen ein würdiges Totenfest bereiten. Der Prophet des Horus von Letopolis und seine Angehörigen werden zum Tode verdammt. Schließlich gelingt es Hormaacheru noch, die Frau des Djedseschep und einen Gefährten im Bereich der Nekropole von Memphis aufzufinden. Als Name eventuell dieser Frau ist Nanefersachmet bezeugt. So schlecht erhalten und entsprechend unklar diese Erzählung ist, so wird doch noch deutlich, daß sie angesichts ihres Umfangs (mindestens 16 großformatige Seiten) und ihres Inhaltes, in dem Hofintrigen, Verrat, Mord, Hinrichtungen, Liebe und schon fast detektivische Fähigkeiten zum Tragen kommen, als höchst bedeutendes Werk zu betrachten ist. Ein herausragender Zug scheint die starke Verlagerung der Handlung in wörtliche Reden zu sein, die in Rückblenden wichtige Ereignisse angeben. Ebenfalls im Verständnis sehr problematisch ist der pSaqqâra 2 rt.208 Erstes einigermaßen klar erkennbares Ereignis ist, daß eine Frau ein reich ausgestattetes Schlafgemach erbauen läßt. In ihm wird offenbar einem Mann oder männlichen Gott gehuldigt. Ein schädigender Dämon soll sich entfernen. Anschließend spricht dieselbe(?) Frau einen Falken an. Irgendetwas scheint schief zu gehen, möglicherweise im Zusammenhang mit einem Verstorbenen, jedenfalls geht die Frau weinend vor eine Isis-Statue. Sie wendet sich an sie, eventuell als Tochter einer wichtigen Person und als jemand, der kultischen Dienst verrichtet, während er fastet. Wohl als Antwort der Isis kommt die Feststellung, der Glanz der Götter könne den Menschen nicht enthüllt werden, ohne daß sie getötet würden. Sie (die sprechende Person) würde sich an einem einfachen Menschen rächen – und die Angesprochene solle Osiris nicht gering achten. Jedoch scheint eine Gruppe erwähnt zu werden, deren Salben stärker als jedes Töten seien. Die nachfolgend sprechende Person redet Isis als ihre Mutter an und sagt, daß sie sterben müsse. Ihre Ratschläge seien nicht weise gewesen und ihre Prophezeiungen nicht eingetroffen. Die angesprochene Person gibt bekannt, was dem Herrn des Abbildes geschehen ist (die modernen Forscher wissen es 208

SMITH, TAIT, Saqqâra Papyri I, S. 70-109.

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leider nicht). Nun erhebt sich eine Frau in der Gestalt der Isis, und dies wirft die Frage auf, ob sich hier eine irdische Frau als Isis ausgegeben hat, um andere Menschen zu beeinflussen. Sie verheißt derjenigen, die sie angesprochen hat, die göttliche Inspiration des Osiris (die potentiell positiv oder negativ gemeint sein kann). Sie habe ihr Isis in Person herbeigebracht. Ihnen beiden würde der Tod zustoßen, was der Weg von jedermann sei. Nunmehr wird eine Statue der Isis weggelegt, was die Interpretationsmöglichkeit eröffnet, daß es sich bei der vorangegangenen Szene um den Versuch einer Befragung der Zukunft mit Hilfe der Götter gehandelt hat. Während die beiden verweilen, erblicken sie einen großen geflügelten Skarabäus, der vom Himmel herabkommt und vor ihnen landet. Nach einer kurzen Lücke erhebt sich jemand, und sie erkennen Imhotep, der sich auf einem Steinblock niederläßt. Die beiden fallen vor ihm nieder. Eine, die vielleicht krank ist, redet Imhotep als ihren Herren an. Sie fragt ihn, ob er im Zusammenhang des Tötens Hand an Isis gelegt habe. Obwohl sie sagt, er sei als Schöngesichtiger gekommen und unter den Weisen des Thot, scheint es doch Zweifel an seinen Fähigkeiten zu geben, denn sie sagt, er sei nicht stärker als Isis gewesen, die stärker als jeder mächtige Gott gewesen sei. Es scheint etwas zu geben, was ein Gott einem Sterbenden gibt, und dies scheint auch die Bitte der Sprechenden an Imhotep zu sein. Sobald der Todesdämon(?) sie ergriffen habe, soll offenbar eine andere Person nicht in einer Notlage sein. Auch ihrer Dienerin solle er den Weg des Lebens gewähren; sie würde ihm danken. Der Gott blickt zu Boden – möglicherweise etwas skeptisch über die Möglichkeiten. Nun richtet die Dienerin das Wort an ihn und befragt ihn über seine Miene und sein Verhalten gegenüber seiner Sklavin. Diese solle doch für eine männliche Person ein Sokar-Fest und Gesänge durchführen lassen können. Der Gott tadelt sie; die betreffende Frau habe zu Lästerungen geschwiegen, und würde die Dienerin jetzt erneut lästern? Offenbar sieht er sich zu Hilfe nicht im Stande. Auf eine weitere Frage, wo er gewesen sei, gibt er an, im Westen(?) Osiris über Isis befragt zu haben. Die letzten Sätze erwähnen noch den Zorn der Sachmet und sind wenig klar. Tatsächlich dürfte der ganze Text, so faszinierend er auch unter dem Gesichtspunkt der Interaktion von Menschen und Göttern ist, derzeit aufgrund

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seiner schlechten Erhaltung nur sehr behutsam interpretiert werden können. Es ist kaum möglich, den Handlungsfaden zu erzählen, ohne bereits einige Vorannahmen unsicherer Natur zu machen. Die hier gebotene Interpretation geht davon aus, daß wenigstens zwei Frauen, eine davon in dienender Position zur anderen, im Interesse eines kranken oder vom Tod bedrohten Menschen in Kontakt mit den Göttern treten wollen, wobei Imhotep zwar tatsächlich erscheint, aber nicht wirklich helfen kann. Sie weicht verschiedentlich von der Deutung der Erstbearbeiter ab, ohne Anspruch auf größere Gewißheit erheben zu können. Gewisse thematische Verknüpfungen zu diesem Text zeigt ein noch unveröffentlichter literarischer Text der Ptolemäerzeit (pDemarée 5).209 Die erhaltenen Reste setzen damit ein, daß jemand mit einer weiblichen Person redet. Zunächst geht es darum, daß nach einer Geburt ein „Frauenfest“ gemacht worden sei; die Anwesenheit verschiedener Göttinnen (mindestens Neith und Hathor) bei einer Frau wird konstatiert, auch Sachmet erscheint. Osiris wird in Zusammenhang mit einem Gericht erwähnt. Ein Geist(?) klagt seiner Herrin gegenüber, eine Frau (oder Göttin?) habe ihn töten lassen. Auch ein Mädchen bzw. Dienerin tritt auf. Der Oberarzt(?) von Letopolis wird in unklarem Zusammenhang erwähnt; irgendwelche Personen werden zu Zungen und Leib des Todesdämons(?) gebracht. Jemand wird bestraft, während er einen Eid schreibt. Insgesamt läßt die trümmerhafte Erhaltung kaum ein fortlaufendes Verständnis zu. Am Hof Pharaos spielt ein Fragment, das im pSaqqâra 3 überliefert wird.210 Namentlich erwähnt wird ein gewisser Tjaimu sowie der „Herr des Ostens“. Auch ein Tempel spielt eine Rolle. Sonst aus der demotischen Literatur bekannt ist dieser Name zunächst als derjenige, der in Nektanebos’ Traum als Vater dieses Herrschers angegeben wird. Angesichts der Häufigkeit des Namens in der ägyptischen Spätzeit liegt aber kein Anlaß vor, engere Beziehungen dieser Texte zu postulieren. Potentiell denkbar, aber auch nicht abzusichern ist, daß es sich um den aus dem griechischsprachigen Sesonchosis209 210

Edition durch J. Dieleman in Vorbereitung. SMITH, TAIT, Saqqâra Demotic Papyri I, S. 143-148.

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Roman bekannten Thaimos handelt (s.o. S. 36) – die Erwähnung eines Großen des Ostens würde dazu gut passen. Ebenfalls nur als kleines Fragment erhalten ist der pSaqqâra 5.211 Soweit erhalten, wird hier die Erzählung in der 1. Person Singular wiedergegeben. Der Erzähler wird zunächst von einer anderen Person aufgefordert, für heute aufzuhören und morgen wieder zu kommen; dann würde jemand, dessen Auge vom Blut bitter sei, für jemanden/etwas sorgen. Der Tod des Gomohapis wird erwähnt. Die Erwähnung der „Insel des Oserapis“ sowie der Bastet zeigen deutlich memphitisches Lokalkolorit. Eine bestimmte Person wird sehr negativ geschildert; sie sei verbrecherisch und wandle nicht auf dem richtigen Weg. Leider ist die Erhaltung so schlecht, daß nicht einmal abgesichert werden kann, ob es sich wirklich um eine fiktive Erzählung und nicht um einen ausführlichen administrativen Bericht oder eine Petition handelt. Zahlreiche weitere Fragmente unter den Saqqâra-Papyri sind so schlecht erhalten, daß sich eine detaillierte Behandlung hier nicht lohnt; sie könnten wenigstens Bruchstücke von Erzählungen sein.212 Ohne erhaltene Nennung des Herrschernamens ist auch der Rest einer Zaubergeschichte im ptolemäerzeitlichen pHeidelberg 736 rt., in der ein Magier Hennau, Sohn des Hor und seine Vögel eine Rolle spielen sowie das Gefängnis von Sais erwähnt wird.213 Diesem Text verwandt ist eine Schülerübung auf einem Krug.214 Dort heißt der Magier Hi, Hor. Er ist im Gefängnis von Elephantine inhaftiert. Zwei Vögel, die er früher gerettet hatte, suchen ihn und erfahren von seinem Aufenthaltsort. Er verfaßt dann zwei Schriftrollen, welche die Vögel mitnehmen und in der Audienzhalle vor dem König niederlegen, wohl 211

SMITH, TAIT, Saqqâra Demotic Papyri I, S. 154-159. Vgl. SMITH, TAIT, Saqqâra Demotic Papyri I, S. 170-187 u. 190-197. Die ppSaqqâra 6 und 7 sind dagegen recht deutlich Reste magischer Beschwörungsformeln. 213 SPIEGELBERG, ZÄS 53, S. 30-33, T. VIII. 214 SPIEGELBERG, Krugtexte, S. 14f., T. I-IV. Inhaltlich besprochen von BETRÒ, in: NEGRI SCAFA, GENTILI (Hrsg.), Donum Natalicum, S. 23-35, deren Auffassung des Namens als Ägyptisierung von Achiqar ich allerdings nicht teile, da der Heidelberger Papyrus dafür spricht, ihn nicht als Hi-Hor, sondern als Hi, Sohn des Hor aufzufassen; vgl. QUACK, in: KNOPPERS, LIPSHITS, OEMING (Eds.), Judah and the Judeans in the Achaemenid Age, S. 388f. 212

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um ihn über die Lage und die Taten des Magiers aufzuklären. Sofern diese beiden Texte Reflexe derselben literarischen Tradition sind, weisen sie erhebliche Umänderungen auf.215 Vergleichsweise gut erhalten ist eine Seite des ptolemäerzeitlichen pBM EA 69532.216 Der König ist betrübt über den Tod eines Mädchens (seiner Tochter?), von dem er wünscht, er hätte sie retten können – es ist nicht ganz klar, ob er sie selbst aufgrund einer falschen Anschuldigung getötet hat. Seine Gesprächspartnerin (die Königin?) meint, er könne neue und schönere Frauen erzeugen. Der König begibt sich zum Haus der Leibdiener und verlangt nach dem Propheten der Mehit namens Padipep. Dieser tröstet ihn und meint, der Gott könne dem Leid Gutes nachfolgen lassen. Zur Illustration will er eine Geschichte erzählen. Hauptperson davon ist ein Priester des Re in Heliopolis namens Djedher. Dieser ist außerordentlich reich, besitzt viele Einkünfte und alles gelingt ihm wirtschaftlich. So kann er üppig speisen und trinken und sich Priester zu Gefährten machen sowie Sänger und Sängerinnen anstellen. Er hat zehn Söhne und zehn Töchter. Die Söhne werden zu Re-Priestern, während viele Männer um seine Töchter freien. Er aber akzeptiert nur solche, die ihren Wohnsitz in seinem Hausbereich nehmen. So hat er eine gewaltige Sippe um sich, und jeder in Heliopolis ist sein Klient. Einer der eifrigen Gäste träumt dann jedoch davon, Djedher sei vor Re gebracht worden, wo man ihn wegen seiner Verfehlungen verurteilt. Ein Dämon wird ausgeschickt, um ihn mitsamt seiner Sippe zu vernichten. An diesem Punkt bricht die Handschrift ab, wahrscheinlich kurz vor dem tatsächlichen Ende des Textes. Möglicherweise zur selben Handschrift gehören zwei weitere Fragmente (pBM EA 69531 a u. b). Von ihnen erzählt das erste, wie ein Schiff für eine eilige Mission ausgerüstet wird. In Elephantine findet man einen gewissen Bakrenef mit seinen Priesterkollegen. Ein junger Priester tritt auf, dem an-

215

RYHOLT, Story of Petese, S. 89. Edition TAIT, Enchoria 31, S. 113-143, Taf. 12-13. Übersetzung VITTMANN, in: TUAT NF 8, S. 441-444. 216

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scheinend der Tod durch Verbrennen droht. Das andere erwähnt die Frau eines Priesters, ein durchgehender Zusammenhang läßt sich kaum gewinnen. Noch eine Erzählung über Priester von Heliopolis und ihre Kinder findet sich im Papyrus PSI Inv. D 79 + pTebtunis Tait 14 vs. , auf dessen Vorderseite die Aufforderung zum Isislob erhalten ist (s. S. 116). Das Ende einer Erzählung und Reste des Kolophons sind auf dem Papyrus PSI Inv. 1730 vs. erhalten. Möglicherweise ist auch dieser Text im Umfeld der Priester von Heliopolis situiert; jedenfalls werden die Kinder des Hareus explizit erwähnt. Nur ein kurzer Auszug von wenigen Zeilen ist auf einer ptolemäerzeitlichen Schreibtafel aus Kalkstein (heute in Strasbourg) erhalten.217 Das wohl mitten aus einer Erzählung stammende Stück berichtet, wie der König bei den Bestattungsgrüften des Apisstieres einen Traum hat und vom Geist eines Verstorbenen aufgefordert wird, bestimmte religiöse Pflichten zu erfüllen. Weiter unten auf dem Schriftträger beginnt eine mythologische Erzählung, in der Osiris auf den Kampfplatz geht (s.o. S. 28). Noch unpubliziert sind einige Fragmente der Ptolemäerzeit aus Kartonnage, die aus Deir Rifeh stammen und heute im Petrie-Museum aufbewahrt werden.218 Sie gehören zu einem narrativen Text, der mutmaßlich den InarosErzählungen ähnlich war, jedenfalls erwähnt er mehrfach eine Armee. Genannt werden u.a. ein General, ein Tempel des Osiris sowie das Land der Nubier. Der erhaltene Bereich ist vor allem in der ersten Person Singular gehalten und dürfte den Bericht eines Höflings vor dem König darstellen.

217

SPIEGELBERG, ZÄS 50, S. 32-34, T. 1; ders. ZÄS 51, S. 137f. Vorbericht TAIT, in: ANDORLINI u.a. (Eds.), Atti del XXII Congresso internazionale di papirologia Firenze, Band 2, S. 1229-1233; eine provisorische Übersetzung durch H. Thompson findet sich in W.M.F. PETRIE, Gizeh and Rifeh (London 1907), S. 38f. Digitale Bilder sind über die Homepage des Petrie-Museums unter http:// www.petrie.ucl.ac.uk/index2.html suchbar. Einschlägig sind UC 32423, UC 32424, UC 32425, UC 32426, UC 32427, eventuell auch UC 55722, UC 55887, UC 5588. 218

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Ein unveröffentlichter ptolemäerzeitlicher Papyrus mit einer Erzählung befindet sich in Trier (S 109A).219 Angesichts häufiger Erwähnungen der Armee scheint sie in den Bereich der eher heroischen Erzählungen zu gehören; sicher ist, daß sie in Vorderasien spielt. Assyrische Namen kommen ebenso vor wie die Städte Babylon und Arbela. Da u.a. 1000 Streitwagengespanne erwähnt werden, handelt es sich wohl um einen recht substantiellen Krieg. Wohl in die Römerzeit datiert pMoskau I 1 б 82.220 Darin erscheint ein Siegelvorsteher, der sich mit einem Steinmetz unterhält. Dieser klagt, daß er eine Frau, die Mutter seiner Kinder gehabt habe. Nach dem Tod ihres Vaters habe dann jemand, eventuell der Wesir, sie in sein Haus bringen lassen und mit ihr geschlafen. Hier bricht das Fragment ab. Wohl römerzeitlich und dem Duktus nach eventuell aus Tebtynis, jedenfalls aus dem Fayum stammend ist der pTübingen 2025.221 Der trümmerhafte Erhaltungszustand läßt eine genauere Inhaltsbestimmung nicht zu, doch handelt es sich fast sicher um eine Erzählung. Möglicherweise als Erzählung zu klassifizieren ist auch der Papyrus Strasbourg 36(b) + 39(a).222 Auf einem Fragment wird jemand aufgefordert, zum Tempel zu eilen, ein zweites erwähnt die Stadt Busiris. Die Aufarbeitung der zahlreichen narrativen Fragmente, die unter den römerzeitlichen Papyri aus Tebtynis erhalten sind, steckt noch in den Anfängen. Einige kleine Fragmente, deren Detailbeschreibung nicht lohnt, sind bereits veröffentlicht.223 Die Menge der noch gänzlich unpublizierten Erzählungen aus dem TebtynisBestand ist erheblich; hier wird die Forschung unbedingt weitergehen müssen. Vorläufige Kalkulationen gehen von wenigstens sechzig verschiedenen Hand219

Veröffentlichung durch H. Kockelmann in Vorbereitung. Für die Erlaubnis, diesen Text hier erwähnen zu dürfen, danke ich Frau Prof. B. Kramer. 220 Unpubliziert, kurz erwähnt QQuack, WdO 46, S. 69. 221 Bislang unbearbeitet; Photographie in Hieroglyphenschrift und Totenbuch (Tübingen 1985), S. 77. 222 SPIEGELBERG, Demotische Papyrus Straßburg, S. 43, Taf. II. 223 TAIT, Papyri from Tebtunis, S. 41-45 (pTebtunis Tait 11 u. 12; letzterer eventuell nicht narrativ, sondern Fragment eines astrologischen Traktats); zu pTebtunis Tait 10 s.u. S. 103.

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schriften aus, teilweise allerdings mehrfache Kopien desselben Werkes.224 Davon sind etwa zwanzig dem Inaros-Zyklus zuzuweisen, was dessen herausragende Rolle innerhalb der ägyptischen erzählerischen Literatur hervorhebt. Sehr spät ist wohl eine noch unpublizierte literarische Handschrift (heute pBM EA 76674), die einen Harfner und die syrische Stadt Tunip erwähnt.225 Schließlich sei noch auf eine merkwürdige Erzählung im griechischen pMichigan inv. 3378 hingewiesen, da für sie teilweise eine Übersetzung nach einer demotischen Vorlage postuliert worden ist.226 Erhalten ist im Wesentlichen die Erscheinung einer Vision, wohl eines Geistes, der den Ich-Erzähler zum Zustoßen auffordert; und dieser schneidet sich glücklich und zufrieden die eigene Kehle durch, im Sterben erkennt er in der Erscheinung einen gewissen Severis. Sofern die Handlung auch nur halbwegs plausibel vorgeht und von einem wirklichen Tod die Rede ist, kann der Sprecher eigentlich nur als Geist seinen eigenen Tod infolge einer von ihm selbst erlebten Geistererscheinung schildern. Vergleichbar wäre am ehesten, wie Ahweret in der ersten Setne-Erzählung über ihren eigenen Tod berichtet, und eben diese Parallele sowie der für Ägypten in der Römerzeit bezeugte Name Severis sind auch von West als Hinweise auf mögliche ägyptische Vorlagen angesehen worden.

224

RYHOLT, in: LIPPERT, SCHENTULEIT (Hrsg.), Tebtynis und Soknopaiou Nesos, S. 154156. 225 Edition durch D. Devauchelle in Vorbereitung, dem ich für die Möglichkeit danke, diesen Text hier erwähnen zu dürfen. 226 BARNS, Akten des VIII. Kongresses für Papyrologie, S. 34; WEST, ZPE 51, S. 55-58; STEPHENS, WINKLER, Ancient Greek Novels, S. 422-428.

4. Poesie Demotische Poesie ist vergleichsweise wenig erforscht. Obgleich die Existenz einer metrischen Form an sich anerkannt ist, läßt sich über die konkrete Realisierung wenig Gesichertes aussagen. Da zudem auch die ältere ägyptische Metrik keineswegs als abschließend geklärt gelten kann, sind hier viele Fragen offen. Mutmaßlich war die Anzahl der Betonungen in einer Verseinheit relevant.227 Das traditionelle Mittel des Parallelismus membrorum ist auch im Demotischen aufzufinden. Festzuhalten ist, daß die allermeisten poetischen Kompositionen einen religiösen Hintergrund haben. Selbst solche, die in der älteren Forschung als „weltlich“ angesehen wurden, wie das Gedicht vom verkommenen Harfenspieler, erweisen sich bei genauerem Hinschauen oft als eingebettet in kultische Aktionen. Kandidaten für nichtreligiöse Anlässe sind vor allem das noch unveröffentlichte demotische Harfnerlied (s. S. 114) sowie die Panegyrik in den Ostraka des Hor (s. S. 118), außerdem noch die Schmähworte gegen eine Frau (s. S. 114). Bevor man aber einen zu scharfen Kontrast zwischen religiöser und weltlicher Poesie aufbaut, sollte man beachten, daß vielfach religiöse Feste Anlässe zu Gelagen waren, bei denen es durchaus locker zugegangen sein dürfte – und Kompositionen wie das Lied zum Fest der Trunkenheit für Bastet sowie eventuell auch das Gedicht vom verkommenen Harfenspieler, also solche mit religiösem Hintergrund, aber eher drastisch-derber Ausdrucksweise, könnten hier ihren Platz gehabt haben.228 Die ältesten Niederschriften von demotischer Poesie finden sich als eine Art Anhang zur Familiengeschichte des Petese auf dem pRylands IX (s.u. S. 203207).229 Diese wird von Auseinandersetzungen zwischen den Priestern von elHiba und einer Familie geprägt, welche in frühsaitischer Zeit das Prophetenamt und damit den Löwenanteil der Einkünfte des Tempels an sich ziehen kann. Als sich die Machtverhältnisse später wandeln, vertreiben die Priester 227

Vgl. THISSEN, Harfenspieler, S. 78f.; M. SMITH, JEA 86, S. 183; s. auch BRUNSCH, GM 155, S. 10f. 228 QUACK, WdO 46, S. 70-74. 229 VITTMANN, Papyrus Rylands IX, S. 198-203 u. 593-643; STADLER, Einführung, S. 7274.

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den Inhaber aus seinem Amt und setzen einen neuen Günstling ein; eine Stele des Stammvaters der alten Prophetenfamilie, auf der seine Titel angegeben waren, wird von ihnen ausgemeißelt. Angeblich soll dann Amun, der Herr des Tempels, als er sich diesen Inschriften näherte, den Vorsteher der Sänger zu drei Gedichten inspiriert haben. Inhalt ist hauptsächlich die Betonung der bösen Taten der Priester und die Aufforderung an den Gott, ihnen nicht gnädig zu sein.230 So heißt es: „Ein anderer Gesang: Amun, wenn man zu dir ruft, Dann wende dich nicht zur Gnade für die zigen! Ihre Herzen sind sündig, Ihre Augen sind böse, Ihre Sünden sind zahlreich. Ihre Münder sind freundlich in (der) Not, (Doch) grausam sind sie, wenn sie entkommen sind. Wer unter ihnen Erfolg hat, Nennt dich nicht Gott. Sie bauten sich ihre Häuser als Neubau, Während deines verfallen(?) ist. Sie zerlegten das Deine in Einzelteile, Und jedermann raubt für sich. Ihre Häuser, für die sie geraubt haben, wird man zerstören, Während deines feststeht. Mögest du sie abschlachten wie alles Vieh, mit dem sie ausgestattet waren! Wer von ihnen übrig bleiben wird, Den wirst du nur übrig lassen, um ihr Herz zu bedrücken. Du hast sie ihren Fälligkeitstermin nicht wissen lassen(?). Sie haben ihre Bäuche nicht im Zaum gehalten. Das, worin sie gegen dich raubgierig waren, Das sollen ihnen die Dämonen zwangsweise abnehmen. Was sie nicht für dein Opfergut gegeben haben, Das sollen die Dämonen verzehren(?). Sie haben nicht für dich gehandelt, als es Zeit gewesen wäre, Für was willst du sie erachten?“ (24, 5-12).

Diese Perspektive stellt einen beachtlichen Gegenpol zu dem sonst üblichen Brauch dar, daß ein Verfolgter und Bedrängter den Gott für sich selbst 230

QUACK, in: EGO, MITTMANN (Hrsg.), Evil and Death, S. 386-390.

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um Erbarmen anfleht. Die Aufzählung der Untaten der Priester stellt einen bewußt entwickelten Kontrast zur Tradition der Priestereide dar, in denen die Kandidaten bei der Weihe schwören mußten, bestimmte Vergehen nie begangen zu haben, andere Verhaltensweisen in Zukunft zu unterlassen. Ein sehr eigenwilliger Text ist die als „Gedicht vom verkommenen Harfner“ bekannte Komposition.231 Primär handelt es sich um eine Schmähschrift gegen einen Harfenspieler namens Horudja (Haryotes). Ihm wird ausführlich vorgeworfen, dreckig und gierig zu sein, gleichzeitig aber in seinen musikalischen Leistungen völlig unfähig. Sehr drastisch wird sein skandalöses Verhalten bei Festen geschildert, wo er sich uneingeladen herbeidrängt, vollfrißt und -säuft und darauf erst nach mehrfacher Aufforderung Musik bietet, die auch noch schlecht und thematisch unpassend ist. Insbesondere singt er auch vom „Tadel der Frauen“ (4, 9). Dieser Ausdruck, der gleichartig im Demotischen Weisheitsbuch auftritt (s. S. 128) und früher als Verweis auf Aphorismen verstanden (und von Thissen mit griechischen Gnomologien zusammengebracht) worden war, hat sich inzwischen als Verweis auf die in der PeteseErzählung“ enthaltenen eingeschachtelten Erzählungen von guten und schlechten Frauen erwiesen (s. S. 90).232 „Biographische“ Informationen über seine Tätigkeit an einigen Orten Oberägyptens schließen sich an. Das Gedicht zerfällt in wenigstens zwei Teile, von denen der zweite (ab 3, 1), mit Zwischenüberschrift versehene, speziell das Ende des Sängers behandeln will. Den göttlichen Zorn thematisiert das Ende des ersten erhaltenen Abschnittes: „Die Herrin des Hufeisensees erzürnte gegen ihn in ihrer Gestalt als Sachmet die Große. Er erlag ihrer Seuche, er verfiel ihrem Rasen, er wurde gefan[gen(?) von ihrer] Machtausübung, Ohne daß er je wieder die Harfe erheben wird in Gegenwart [der Herrin] Ägyptens.“ (2, 18-20)

Inkompetenz und Gier des Harfners sind etwa ausgemalt in: 231

Neuedition THISSEN, Harfenspieler. Wichtige Rezension SMITH, JEA 86, S. 173-187 mit weiteren Angaben; zuletzt COLLOMBERT, Égypte Afrique & Orient 29, S. 29-40. Übersetzung HOFFMANN, QUACK, Anthologie, S. 311-320 u. 370-372. 232 RYHOLT, Petese Stories II, S. 11f.

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„Er kann nicht singen, ausgenommen eins, seit man ihn geboren hat: ‚Ich hab Hunger, ich will trinken, gibt's was zu essen?’ Was für einer ist das, der vor ihm jubelte, während er auf Fleisch blickte? Hastiger geht er aufs Blut als eine Fliege, als ein Geier, der ein Aas gesehen hat. Er wird vier Tage wach verbringen können beim Betrachten von etwas Verdecktem. Wenn man ihm zuruft ‚Fleisch vom Grab’ – oder sonst jeden Ekel –, ist er da mit der Harfe voran, Ohne Kontrolle von ... und Speichel, wie jemand, der seinen Nachbarn besudelt, Außer nur dem, vor dem er Wein und Fleisch findet, und er geht dorthin, ohne eingeladen zu sein. Und er spricht mit der Festgesellschaft: ‚Ich kann nicht hungrig singen, Ich kann die Harfe nicht zum Vortrag heben, wenn ich mich nicht an süßem(?) Wein gesättigt habe.’“ (3, 14-4, 4).

Der konkrete Sinn und Verwendungszusammenhang ist nicht sicher, weil Anfang und Ende verloren sind. Einerseits enthält der Text als Invektive eine konkrete Zielsetzung gegen eine Einzelperson. Andererseits läßt sich nicht abschätzen, ob es bei der Behandlung dieser Person geblieben ist oder heute verlorene Passagen auch ein positives Gegenbild gezeichnet haben. Schlüssel für das Verständnis ist nicht zum wenigsten eine Zeile „Großes Lob dir, Tempel der Mut, Gottesanbetung für die Herrin Ägyptens“ (3, 4). Demnach dürfte das Gedicht eine liturgische Funktion gehabt haben; es könnte im Rahmen eines Festes als Beispiel dafür vorgetragen sein, wie die Göttin sich an jemandem rächt, der sich ungebührlich verhält. Ein wichtiges Indiz ist dabei das Wort bw als demotische Form des alten b#.w „Macht, göttlicher Zorn“, das gerade in der Überschrift des zweiten Textteils (3, 1) konkret gebraucht wird. Bei diesem Text ist in der Forschung die Frage griechischen Einflusses diskutiert worden. Neben unbestritten ägyptischen Elementen will Thissen speziell in der Figur des freß- und sauflustigen Mannes und einigen anderen

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Details Einflüsse griechischer Jambendichtung sehen.233 Andere Forscher haben widersprochen und sehen den Text rein in ägyptischer Tradition. Tatsächlich dürfte gerade die oben postulierte Situierung im ägyptischen Tempel erheblich dazu beitragen, die originär ägyptischen Hintergründe zu erhellen. Einerseits ist das Erzählen der Machterweise einer Gottheit ein traditionelles ägyptisches Gut, andererseits ist gerade in diesem Zusammenhang auch das Bekenntnis von Sünden zu Hause. Wesentlicher Unterschied des demotischen Textes ist vor allem, daß er in der objektiven Haltung der dritten Person über einen Frevler herzieht, der nicht bereut hat, während ältere ägyptische Texte in der ersten Person über die wiederkehrende Gnade der Göttin aufgrund ihrer Reue berichten. Bemerkenswert ist der bewußte und feine Gebrauch rhetorischer Stilmittel, z.B. wenn es heißt: „‚Es ist nicht wert, mir auf die Zunge zu kommen’ sagt ein Mann, um andere (erst recht) hören zu lassen“ (5, 4). Im formalen Aufbau zeichnet sich der Text dadurch aus, daß in jeder Zeile ein Doppelvers steht, der in der Mitte durch einen roten Punkt unterteilt wird. Manche der sonderbaren Elemente dieses Gedichtes lassen sich vielleicht durch einen noch unpublizierten poetischen Text besser verstehen, der im pCarlsberg 69 und wenigstens einer, eher zwei Parallelhandschriften auch nur fragmentiert überliefert ist.234 Äußerer Rahmen ist ein Fest der Trunkenheit zu Ehren der Göttin Bastet. Im Zusammenhang der teilweise recht derben Szenen bietet es sich an, Parallelen zur Schilderung des Festes von Bubastis zu ziehen, das Herodot II, 60 beschreibt. Beim Fest tritt offenbar ein Sänger auf, der im Namen einer „Menge“ spricht, die sich wohl über gemeinsame Feste definiert. Diese Gruppe steht in einer fundamentalen Opposition zu einer anderen, die sich durch das ganze Gedicht zieht. Dabei werden die „anderen“ Seth und seinen Taten zugeordnet, während die „wir“-Gruppe sich auf der 233

THISSEN, Harfenspieler, S. 14f.; gegen Widerspruch bekräftigt ders., SAK 27, 371f.; erneut abgelehnt von M. SMITH, JEA 86, S. 185-187. Vgl. auch SOFIA, Aegyptus 90, S. 6987 mit dem Vorschlag anderer griechischer Einflüsse, die aber nicht auf inzwischen bekanntgewordene ägyptische Parallelen wie den pCarlsberg 69 eingeht. 234 Edition durch Hoffmann und Quack in Vorbereitung; Kostprobe bei HOFFMANN, Ägypten, S. 223f.; HOFFMANN, QUACK, Anthologie, S. 305-311 u. 370. Mutmaßlich gehört pTebtunis Tait 10 zur Haupthandschrift; ebenso pBM EA 10861 (ex pMichaelidis 6).

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Seite des Horus sieht. So ganz koscher scheinen sie aber auch nicht zu sein, geben sie doch voller Entrüstung an, man habe sie als „Tänzer des Seth“ bezeichnet. Da die Abfolge der zahlreichen Einzelfragmente bislang nicht gesichert ist, kann hier nur ein provisorischer Überblick nach einer sachlich möglichst logischen Abfolge geboten werden. Am Anfang steht vielleicht eine Art „Einladung“, bei der für etliche Namen jeweils „Möge X kommen“ gesagt wird. Ein kleines Fragment235 könnte einen Teil der Anreiseszene darstellen. Sehr ausführlich wird die Zubereitung des Essens thematisiert, wobei ausführlich Getreideernte und Getreidemaße angesprochen werden, teilweise versetzt mit Festdaten. Hier bereits taucht das Thema der bösen Gestalt auf (meist als sl@ bezeichnet), die bei den Rationen bewußt übergangen wird. Anspielungen auf das Horusauge (dessen Teile als Hohlmaße verwendet werden) fehlen nicht, wobei auch der Masseverlust beim Backen thematisiert wird. Thot als Gott, der für Messen und Zählen verantwortlich ist, spielt hier eine Rolle, wobei seine Stadt Hermoupolis spielerisch mit acht Fladen(?) verbunden wird. Auch astronomische Anspielungen tauchen auf. Eine größere Rolle spielt „der von Letopolis“. Innerhalb dieses Abschnittes bemerkenswert ist eine Sektion, die schon fast an die neutestamentliche Speisung der 5000 erinnert: „Nefertem, der die beiden Länder schützt,236 ist es, der [zu ihnen(?)] gesprochen hat, sagend: ‚Wohlan, ihr Helden(?), ihr Leute unserer(?) [...]! Kommt, eßt mit uns gemeinsam Von meinen 100 Fladen(?) und weiteren [...]!’ Ich habe mich zu ihnen begeben, ich habe mit(?) ihnen(?) gegessen. Ich habe die Brotkrumen eingesammelt .[...] Sie ergaben noch ein Kakeis-Brot und ein Drittel davon, Macht ein Neuntel und ein Drittel davon. Ich gab sie an diese Kleine[n ...] Nefertem, der die beiden Länder schützt, ist es, der ein Kleinki[nd(?)] gewesen ist.“

Neben der Speise darf natürlich das Getränk nicht fehlen, und gerade aus dem Bereich des Einschenkens kommt ein gut erhaltener Abschnitt,237 in dem 235

Ediert bei BRESCIANI, Testi demotici, S. 13f., Taf. V c. Eventuell auch nicht Gott mit Epitheton, sondern Personenname. 237 Von dort stammt die bei HOFFMANN, Ägypten, S. 223f. zitierte Stelle. 236

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auch berichtet wird, wie der Sänger absetzt, Beifall erhält und zum Weitersingen aufgefordert wird. Vielleicht führt das weitere Schicksal der Speise im Körper zu Gedanken über die Physiologie und die Gefäße, die besonders extrem zu Ausfällen gegen eine andere Gruppe genutzt werden, deren Stammväter schlecht gemacht werden: „Ich werde es bekannt machen unter den 77 (Körpergefäßen), Daß er herauskam aus dem Gefäß, das sich zum Hinterteil erhebt, Welches zerreißt(?) die Bänder der Öffnung der (Gefäße?), die sich gewandt haben. Zu den beiden Lippen seines Afters(?). Und ihre gute Speise wird schlecht, bis sie ihn erreicht, Wobei ein Anteil nach links kommt unter der Reibefläche der (Hüft)gelenke(?), Aus der der Großvater seiner Väter herauskam, Indem er Übles ergoß aus der Hüfte; der Überschuß hat gestunken. Das Fischweib (ging) reihum bei den Männern der Kleinen Stadt. Die üble Hure, ihr Mund war für(?) die 73, Die zu sich hinzugefügt hatten mit Gewalt und mit Zwang Weg[en] der Gewaltanwendung ihres grausamen Vaters. Sie setzten die Fackel an seinen Mund, denn er hatte Diebstahl begangen. Ich werde kein Feuer an die Gebärmutter des Fischweibs geben, Um ihre Scheide zu erhitzen, die kälter als ... ist. Ihr schlechter Urin(?) stockte, sie starb, indem er in ihrem Herzen war. Ohne daß sie einen Arzt gefunden hätte, um für sie Heilmittel zu machen. Die Fäulnis(?) dieses schlechten Wassers und dieses schlechten Drecks, (das ist)(?) der böswillige Großvater dieses Demagogen. Die Prozeßgegnerschaft zu diesen Übeltätern, Sie steht zwischen ihren und meinen Vätern. Verseht die Nase mit dem guten Duft, Um die Gefäße zu erfreuen, die sich zu den Gliedern erheben!“

Von hier aus führt dann der Gedanke weiter zur mythischen Gegnerschaft zwischen Horus und Seth. Dabei werden auch die Hirten des Sumpfgebietes als Helfer des Horus genannt. Dies ist sachlich den 13 Hirten ähnlich, die im Streit um die Pfründe des Amun den Horuspriester unterstützen. Wohl als letzter Schritt des Geschehens, der es endgültig zu einer Orgie macht, ist die sexuelle Vereinigung von Mann und Frau zu werten. Ein leider schlecht erhaltenes Bruchstück lautet: „[...] sie [ka]m heran, um sich niederzulassen in ihrer Art des [...,]

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[Indem] ich ihr gegenüber sitze in einem entblößten Sitzen, [Indem ih]re Unterschenkel zurückgebeugt sind über ih[re ...] [Und(?)] der ... geht auf, um sich niederzulassen auf [...] [Und] er gibt Schamteil(?) gegen Schamtei[l(?) ...]“

In anderen Passagen wird in einer Art Rückblende von der Zeugung bestimmter beim Fest anwesender Personen berichtet, wobei Rede und Gegenrede von Mann und Frau strukturell dem Text über die Geburt des Gottkönigs entsprechen. Ein Fragment nicht ganz sicherer Zugehörigkeit zeigt einen Mann, der in geographischer Reihenfolge von Süden nach Norden es mit Vertreterinnen eines Gaues nach dem anderen treibt. Die endgültige literaturgeschichtliche Einordnung dieses bizarren Textes wird sicher noch weiterer Forschung bedürfen. Einerseits erscheint er oft derb bis obszön, andererseits wimmelt er von komplizierten theologischen Anspielungen, die es unmöglich machen, ihn als Ausfluß niederer Volksebenen zu werten; und seine Bezeugung in einer Textsammlung ägyptischer Priester sollte davor warnen, ihn für „unorthodox“ zu halten. Es mag sich um eine Art von Gelagepoesie handeln, die mit bestimmten Terminen bewußter Freizügigkeit verbunden ist, sozusagen „karnevalesken“ Phänomenen. Vergleichsweise eng mit dieser Komposition verwandt sind die beiden Ostraka Faculteit Letteren (K.U. Leuven) dem. 1 und 2.238 Sie thematisieren ebenfalls den Genuß von alkoholischen Getränken sowie sexuelle Vereinigung im Umkreis ausschweifender Feste für eine Göttin. Fragmente auf Papyrus, die teilweise direkt parallel gehen, befinden sich in Florenz und Kopenhagen.239 Sie zeigen in Teilbereichen Relikte älterer Sprachform sowie stehengebliebene hieratische Gruppen, was auf eine markant ältere Vorlage hindeuten könnte.

238

DEPAUW, SMITH, in: HOFFMANN, THISSEN (Hrsg.), Fs Zauzich, S. 67-93, Taf. 10, für den kulturellen Zusammenhang s. VON LIEVEN, in: METZNER-NEBELSICK u.a. (Hrsg), Ritual, S. 51f.; BRYAN, in: GALÁN, BRYAN, DORMAN (Eds.), Innovation and Creativity, S. 104123. Deutsche Übersetzung QUACK, in: TUAT NF 7, S. 270-272. Das ebenfalls zugehörige Ostrakon Sommerhausen 1 wird von JASNOW, ZAUZICH, Another Praise of the Goddess Ait (O. Sommerhausen 1) demnächst in einer Festschrift publiziert. 239 JASNOW, SMITH, Enchoria 32, S. 9-53, Taf. 2-3; dies., in: JASNOW, COONEY (Eds.), Fs Bryan, S. 239-282. Vgl. QUACK, in: COULON, GIOVANNELLI-JOUANNA, KIMMEL-CLAUZET (Éds.), Hérodote et l’Égypte, S. 77-79; ders., WdO 46, S. 71-73.

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Im Umkreis dieser Texte, die wenigstens teilweise extreme Beschimpfungen anderer Personen enthalten, mag auch ein merkwürdiger Text seinen Platz finden, der an der Grenze der Literatur steht. Auf einem Ostrakon finden sich Formulierungen, die im Titel als „Abschrift der Schmähungen der Tabiket“ angegeben werden.240 Die leider philologisch sehr schwer verständlichen Formulierungen ergehen sich in wüsten Tiraden. So heißt es etwa: „Man wird dein Fleisch faul sein lassen; man wird deinen Kopf strähnig und mit Beulen versehen sein lassen oben auf deinem miesen Gesicht. Deine Arme(?) sind wie Unterholz, [deine Bei]ne(?) wie Stoppeln unten an deinem Rumpf“. (oWien D 70, Z. 12-14).

Signifikante sprachliche Archaismen könnten darauf hindeuten, daß der Text vor seiner Niederschrift bereits eine längere Vorgeschichte hatte. Jedenfalls sollte man sich davor hüten, darin nur den unmittelbaren Ausfluß eines aktuellen Hasses z.B. nach dem Zerbrechen einer Beziehung zu sehen. Ob der Text, der nicht in stichischer Schreibung ausgelegt ist, poetisch geformt war, ist nicht endgültig klar, doch deuten Parallelismen und deutliche rhetorische Ausschmückung merklich darauf hin. Wie der pCarlsberg 69 in den Bereich der Gelagepoesie gehören dürfte ein bislang singuläres Fragment eines demotischen Harfnerliedes im pBerlin 23757 vs., das als Brief eines Gottesvaters Amenemope, Sohn des Hormaacheru stilisiert ist. Es fordert angesichts des sicheren Todes dazu auf, nun das Leben auf Erden zu genießen.241 Aufgrund seiner (auch sprachlich) chronologisch späten Stellung sollte dieser Text eher als die bekannten Texte des Neuen Reiches als Parallele für die bei Herodot, II, 78 überlieferte Sitte be-

240

ZAUZICH, Enchoria 18, S. 135-151, Taf. 23-25; zum Inhalt FISCHER-ELFERT, in: LIPPERT, STADLER, JAKOBEIT (Hrsg.), Gehilfe des Thot, S. 43-50. Vgl. auch BRUNSCH, Revue roumaine d’Égyptologie 2-3, S. 5-18, dessen von Zauzich abweichende Lesungen und Übersetzungen sämtlich nicht zu halten sind. 241 Vorgestellt von S. Lippert, Demotische Sommerschule Kopenhagen 2003. Es handelt sich dabei um die Komposition, die ZAUZICH, EVO 17, S. 330f. noch als Weisheitstext eingestuft hat. S. vorläufig S. LIPPERT, Ein demotisches juristisches Lehrbuch. Untersuchungen zu Papyrus Berlin P. 23757 rto, ÄA 66 (Wiesbaden 2004), S. 19; vgl. QUACK, in: COULON, GIOVANNELLI-JOUANNA, KIMMEL-CLAUZET (Éds.), Hérodote et l’Égypte, S. 79f.

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trachtet werden, daß bei Gastmählern das Bild eines Toten gezeigt und dabei zum Tafelgenuß aufgefordert wird. Kürzlich publiziert worden sind einige Zeilen einer poetischen Komposition, die auf der Vorderseite des pBerlin 8279 nachträglich zwischen die Zeilen einer sonst griechischen Akte geschrieben sind (auf dem Verso befindet sich eine demotische Planetentafel).242 Leider ist die erste Zeile, in der die Verwendung genauer angegeben war, schlecht erhalten; möglicherweise spricht sie vom Herauskommen des Gottes aus seiner Stadt. Der vorzutragende Text lautet: „Mein Herz ist erfreut, mein Herz ist erfreut, mein Herz, es jubelt mir zu, nachdem ich die Leute meiner Stadt – Variante: meiner Insel – gesehen habe, wie sie vor mir versammelt sind. Ich bin wie ein Alter angesichts seiner …“

Hier endet die Abschrift mitten im Satz. Weiter unten auf der Seite wird mutmaßlich diese Komposition als „Kopie des Buches, das man fand, das man abschrieb“ bezeichnet. Zumindest paßt die explizite Angabe einer Textvariante gut zu einer etwas längeren Überlieferungskette. Ungeachtet der sehr informellen Aufzeichnungsweise kann es sich also nicht um die Erstniederschrift des Dichters handeln. Eindeutig religiöse Poesie ist ebenfalls in demotischer Sprache abgefaßt worden. Prinzipiell besteht einige Wahrscheinlichkeit, daß die nur in griechischer Fassung bekannte memphitische Isisaretalogie eine Übersetzung aus dem Demotischen darstellt.243 Sie ist sprachlich sehr stark durchgeformt, indem jede neue Aussage als Selbstvorstellung der Göttin stilisiert wird, die erklärt „ich bin es, die … gemacht hat“ u.ä. Dabei beansprucht sie die Zuständigkeit für praktisch alle Bereiche des menschlichen Lebens. Auf jeden Fall gibt es mindestens einen ausführlichen demotischen poetischen Text mit einem Isislob.244 Er scheint nach dem Zeugnis des pCarlsberg 242

QUACK, in: LIPPERT, STADLER, JAKOBEIT (Hrsg.), Gehilfe des Thot, S. 89-94. QUACK, in: MEYER (Hrsg.), Egypt – Temple of the Whole World, S. 319-365; zum ägyptischen Hintergrund der griechischen und lateinischen Isistexte generell DOUSSA, in: Acts Copenhagen, S. 149-184. 244 QUACK, in: The Carlsberg Papyri 11, in Druck. 243

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652 vs. in eine narrative Rahmenhandlung unter Göttern eingebettet zu sein und wird von Thot, eventuell im Auftrag des Re, ausgesprochen; es ist nach Maßgabe eines Fragments sogar denkbar, daß er mit der Erzählung vom Kampf der Götter gegen die Giganten (s. S. 29) zusammengehört. pTebtunis Tait 14 + PSI Inv. D 79 rt. enthält weitere Passagen.245 Der einleitende Thema-Vers lautet „Ruft zu Isis!“ Dies wird variiert und ausgebaut, indem für Leute in bestimmten Situationen, in bestimmten geographischen Bereichen, schließlich in der ganzen Welt und sogar für die Tiere angegeben wird, was Isis für sie Gutes tun kann. Dabei wird von der Anrufung anderer Gottheiten ausdrücklich abgeraten. Es folgt eine ausführliche, von Süden nach Norden angeordnete Liste der Göttin in ihren verschiedenen Erscheinungsformen an verschiedenen Orten. Teil dieser Aufzählung könnte auch ein entsprechender Passus im pHamburg 33 vs. sein.246 Diese Liste der verschiedenen Göttinnen, die als Formen der Isis verstanden werden, verbindet den Text wiederum mit dem griechischen pOxyrhynchus 1380.247 Dieser Isishymnus wird teilweise auch in privaten Graffiti aufgegriffen,248 in denen sein Anfang zitiert und dann die reale Umsetzung auf den individuellen Fall des Aufzeichners angegeben wird. Geringe Reste eines Isishymnus zu einem Fest enthält auch der pHeidelberg 736 vs.249 Ein weiterer Hymnus an Isis, der im pWien D 6297+6329+10101 erhalten 250 ist, betont ihre Universalität und identifiziert sie – für demotische Texte bislang singulär – auch mit außerägyptischen (konkret griechischen und persischen) Göttinnen. Derzeit noch unpubliziert und in vier Handschriften aus Tebtynis überliefert (pCarlsberg 396, pCarlsberg 397, pCtYBR 414 vs., PSI Inv. 75) ist ein

245

TAIT, Papyri from Tebtunis, S. 48-53, wichtige Korrekturen bei SMITH, JEA 69, S. 199203; ders., Lexicographical Notes on Demotic Texts, Enchoria 13, S. 113f. Neuedition KOCKELMANN, Praising the Goddess, S. 31-36. 246 BRUNSCH, OrSu 36/37, S. 7-9; wichtige Korrekturen bei ZAUZICH, Enchoria 17 (1990), S. 165f. 247 TOTTI, Ausgewählte Texte, S. 62-75; JÖRDENS, in: TUAT NF 7, S. 289-295. 248 JASNOW, in: Fs Lüddeckens, S. 91-93, T. 17f.; KOCKELMANN, Praising the Goddess, S. 18-30; QUACK, in: TUAT NF 7, S. 266-268. 249 SPIEGELBERG, ZÄS 53, S. 33f., Taf. VIII; KOCKELMANN, Praising the Goddess, S. 6-10; QUACK, in: TUAT NF 7, S. 262.

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poetischer Text, der als Refrain jeweils „groß sei für mich Horus, mein Horus vom Weinstock“ benutzt. Zwei dieser Handschriften haben – für demotische Texte praktisch singulär – den Refrain als senkrechte Kolumne geschrieben, was sonst als Layout nur bei hieratischen Texten üblich ist. Auch im Mythos vom Sonnenauge (s.u. S. 160-172) finden sich speziell gegen Ende der Komposition einige hymnische Elemente. Ein erster Abschnitt findet sich anläßlich der Ankunft in Theben (pLeiden I 384 21, 20-31). Er enthält vor allem die immer wiederholte Aufforderung an Mut, einzutreffen, daneben werden in eher rätselhaften Anspielungen Aktionen von Amun und Chons angesprochen, also den restlichen Mitgliedern der thebanischen Triade. Länger ist ein Hymnus auf den Affen, der die Göttin heimgeholt hat. Er beginnt mit den Worten „Was für ein Gott bist du für mich?“ und beschreibt anschließend mit dem anaphorischen Einsatz „bist du …?“ in geographischer Anordnung von Süd nach Nord (beginnend mit Satis in Elephantine) jeweils die kultischen Aktionen des betreffenden Gottes, die sich mit Ausnahme von Edfu, wo sie vor Horus stattfinden, stets auf die weibliche Gottheit des Ortes beziehen (pLeiden I 384 22, 16-23, 18). Anschließend folgt offenbar ein weiterer anaphorisch organisierter Hymnus, von dem fast nichts erhalten ist. Im Gegensatz zur Anrufung an Mut sind diese beiden Hymnen auch graphisch durch stichisches Layout markiert. Gleichsam einen Blick in die Werkstatt des Dichters werfen kann man im Falle der Hymnen auf den Ostraka des Hor.251 Dabei handelt es sich um Notizen eines Mannes, der in der 1. Hälfte des 2. Jhds. v. Chr. für den Betrieb im Umfeld der heiligen Ibisse zuständig war. Er hatte auch Traumvisionen, derentwegen er im Zweifelsfall direkt an den Königshof Meldung erstattete. Eine enge religiöse Bindung besonders an Isis und Thot ist spürbar. In einer Sammlung von Anrufungen an Isis, dem Sprecher beizustehen (oHor 10),252 findet sich auch eine Notiz „dies ist ein guter Anfang“, die offenbar das Eigenurteil des Autors darstellt. Andere Anrufungen gelten Oserapis und Oser250

STADLER, Einführung, S. 112; ders., in: NAGEL, QUACK, WITSCHEL (Eds.), Entangled Worlds, in Druck. 251 RAY, Archive of Ḥor; QUACK, in: BLASIUS, SCHIPPER (Hg.), Apokalyptik, S. 243-252. 252 Neubearbeitung KOCKELMANN, Praising the Goddes, S. 11-17.

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mnevis (oHor 13). Neben den Invokationen an die Götter findet sich auch ein panegyrischer Text, der den König vor allem des Beistandes der Isis versichert (oHor 3). Er dient in seiner konkreten Einbettung als Vorspann zu einer Eingabe, in der Hor betont, wie er den Rückzug der feindlichen Truppen aufgrund einer Traumvision korrekt vorhergesagt habe. Es heißt darin unter anderem: „Isis schützt dich an jedem Ort, indem sie Worte spricht, daß du unter den Göttern und nicht unter den Menschen bist. Du bist geduldig, deine Rede ist gut. Du bist ehrfürchtig, was die Götter betrifft. Du bist einer mit wohltätigem Herzen zu den Menschen. Du hast den Rest deiner Sorge dauern lassen, […] Du sollst dich in jeder Sache Isis überlassen, du sollst dich Isis in jedem Anvertrauen anvertrauen! Du sollst zu keiner anderen Gottheit als Isis beten! Sie allein kennt dich. Sie ist die Einzige, die Millionen fürchten. Sie hat dich und all deine Väter versorgt“ (oHor 3, rt. 17-27).

Nicht unerwähnt lassen sollte man auch, daß es einige Götterhymnen gibt, die in Tempeln der griechisch-römischen Zeit in Hieroglyphen überliefert, ihrer Sprache nach jedoch als demotisch einzustufen sind. Insbesondere gilt dies für einen Hymnus auf Chnum als Schöpfergott in Esna253 und einige der Lieder auf die Geburt des Horus in Edfu.254 Sicher bereits im Original auf griechisch formuliert, aber relevantes Element ägyptischer Kultpraxis sind die Hymnen des Isidoros, die dieser am Eingang des Tempels von Narmouthis (heute Medinet Madi) eingraviert hat.255 Von ihnen sind drei an Isis-Ermouthis, die Hauptgöttin des Tempels gerichtet, ei-

253

QUACK, in: Fs Schenkel; STADLER, Einführung, S. 94-96. QUACK, Enchoria 27, S. 109 mit Anm. 53; ders., in: LEMBKE, MINAS-NERPEL, PFEIFFER (Eds.), Tradition and Transformation, S. 328. 255 Texteditionen VANDERLIP, Four Greek Hymns of Isidoros; BERNAND, Inscriptions métriques, S. 631-652; TOTTI, Ausgewählte Texte, S. 76-82. 254

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ner an den vergöttlichten Porromanres, also König N|-M#o.t-Ro (Amenemhet III.) aus der 12. Dynastie. Im Bereich der epigraphischen Poesie sind auch die bilinguen Votivhymnen des Moschion zu nennen.256 Niedergeschrieben sind sie auf einer Alabasterstele, die aus Xois stammt und deren Reste, soweit noch erhalten, sich teilweise in Kairo, teilweise in Berlin befinden. Sie dürfte aus der späteren Ptolemäerzeit stammen. Anlaß der Aufstellung war ein Heilwunder des Osiris am Fuß des Stifters. Bemerkenswert an diesem Text ist vor allem der äußere Aufbau. Der zentrale Bereich präsentiert kreuzworträtselartig in Feldern links griechisch, rechts demotisch die Einzelelemente eines Satzes, der diese Heilung nennt. Darum gruppieren sich teilweise griechisch, teilweise demotisch geschriebene Gedichte. Sie thematisieren vor allem die Schwierigkeit und Raffinesse der Anordnung des Textes. Die verschiedensprachigen Texte entsprechen sich oft nur näherungsweise, sind also keine exakt wörtlichen Übersetzungen. Der Versbau des demotischen Textes ist nicht endgültig klar, es dürften meist drei oder vier Hebungen pro stichische Zeile vorliegen. Bemerkenswert ist wenigstens ein klarer Fall von Enjambement, d.h. ein Wechsel von einem Vers zum nächsten mitten im Verlauf eines Satzes (G 7f.). Da kaum evidente Fälle des Parallelismus zu erkennen sind und zudem die Verse für ägyptische Verhältnisse eher ungewöhnlich lang wirken, ist mit der Einwirkung griechischen Stils auf die demotische Version zu rechnen.

256

Letzte und eindeutig beste Edition VLEEMING, Some Coins, S. 199-209.

5. Weisheitstexte 5.1. Allgemeines Die Lehrtexte sind der derzeit am besten untersuchte Bereich der demotischen Literatur.257 Allerdings ist man von einem abschließenden Urteil noch weit entfernt. Ein erstes großes Problem ist bereits die zeitliche Ansetzung der Texte, wobei die gewählten Lösungen erheblichen Einfluß darauf haben, welche Möglichkeiten von Kontakten zu anderen Kulturen in welche Richtungen man zuläßt.258 Für die Lehren gibt es zwei verschiedene demotische Bezeichnungen, nämlich sb#.t (altes sb#y.t) und mtr.t. Eine nicht ganz unumstrittene These versucht, diese Begriffe so zu unterscheiden, daß sb#.t die theoretische Lehre, mtr.t dagegen das Zeugnis praktischer Erfahrung sei.259 In einem wichtigen äußeren Punkt unterscheiden sich demotische Lehren von den älteren Weisheitstexten. Letztere haben eine klare Maximenstruktur, in der ein Punkt mit Ge- und Verboten sowie begründenden und weiterführenden Aussagen linear abgehandelt wird. Demgegenüber zersetzt sich dieser Aufbau in den demotischen Texten zugunsten einer loseren Organisation, deren Hauptpunkt ist, daß jeder Spruch bzw. jede Zeile syntaktisch in sich genügsam ist; bestenfalls gelegentlich verweisen Suffixe auf ein Wort des vorangehenden Satzes. Innerhalb dieser Form gibt es wiederum zwei Untertypen. Einerseits kann ein Thema für eine Sektion explizit vorgegeben werden. Dieses wird dann mit einigen Ratschlägen, vor allem Verboten sowie vorwiegend mit einer großen Menge generalisierender Feststellungen umrissen. Auch hier ist aber die Abfolge der Sätze oft nicht unabweislich, sondern Bestand und

257

Fundamental ist LICHTHEIM, Late Egyptian Wisdom Literature; in neuerer Zeit DEVAUCHELLE, in: La sagesse biblique, S. 217-228; HOUSER WEGENER, Cultural Continuity; THISSEN, in: EGBERTS, MUHS, VAN DER VLIET (Hrsg.), Perspectives on Panopolis, S. 249-260; AGUT-LABORDÈRE, Le sage et l’insensé; in vergleichender Betrachtung mit den griechischen Gnomologien LAZARIDES, Wisdom in Loose Form; s. auch LAZARIDES, in: RUTHERFORD (Ed.), Greco-Egyptian Interactions, S. 201-203. Zu möglichen Interaktionen mit anderen Textsorten vgl. LAISNEY, Or 83, S. 76-89. 258 Vgl. hierzu QUACK, in: Acts Copenhagen mit einer Tendenz zu frühen Ansätzen. 259 So zuletzt THISSEN, in: EGBERTS, MUHS, VAN DER VLIET (Hrsg.), Perspectives on Panopolis, S. 253-255 mit Verweisen.

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Reihenfolge könnten ohne schwerwiegende Folgen geändert werden und erfahren tatsächlich in der Textüberlieferung einige Varianz. Die zweite Möglichkeit besteht darin, zunehmend unter Verzicht auf jede evidente thematische Sortierung lockere Folgen von Einzelsprüchen zu bilden, die oft nur durch Stichwort- oder Lautassoziationen zusammengehalten werden. Dabei kann auch in mehrfach überlieferten Werken (Chascheschonqi) große Varianz der Abfolge festgestellt werden, oder aber Einzelsprüche tauchen ähnlich in verschiedenen Sammlungen auf, deren Unterschiede zu groß sind, um sie noch als Fassungen desselben Basistextes werten zu können. Bei diesen Texten kann man kaum von einer fest fixierten Größe sprechen. Vielmehr dürfte jede Handschrift eine potentiell neue Realisierung sein, die aus einer verfügbaren Gesamtmasse auswählt, hinzufügt, wegläßt und umstellt. Diese Einzelzeiligkeit der demotischen Lehren hat Lichtheim als Entlehnung fremder Formelemente aufgefaßt und zum Ausgangspunkt genommen, inhaltlich nach Formulierungen und Geisteshaltungen zu suchen, die Übernahme von Gedankengut aus anderen Kulturen zeigen. Die Reaktion der Forschung war eher skeptisch. Tatsächlich ist zwar die Dominanz von Einzelzeilen neu, ihre Existenz an sich läßt sich aber über die neuägyptische Lehre „nach alten Schriften“260 und den pRamesseum II zurückverfolgen, zudem zeigt der Brooklyner Weisheitstext, dessen Entstehung in der Saitenzeit fast sicher ist, dieses Element bereits in einem solchen Maße, daß die meisten von Lichtheim vermuteten Parallelen (insbesondere aus hellenistischen Gnomologien) chronologisch kaum als Auslöser in Frage kommen – eher wird es sich hier um ein überregionales Zeitgeistphänomen (oder sogar Einflüsse ägyptischer und vorderasiatischer Traditionen auf Griechenland) handeln. Die typische Situation einer Lehre ist die Erziehung eines Sohnes. Besonders elaboriert wird dies in der Rahmenhandlung der Lehre des Chascheschonqi thematisiert. Auch der pLouvre N 2414 und das oBM 50627, also die beiden einzigen sonstigen demotischen Lehren, bei denen der Anfang des Werkes erhalten ist, zeigen diese Situierung. Dagegen werden die griechisch260

Edition HAGEN, JEA 91, S. 125-164, dort S. 153f. zu den Verbindungen mit den demotischen Lehren.

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sprachigen Unterweisungen des Amenotes nicht an eine spezifizierte Zielgruppe gerichtet, sondern beginnen nach dem Titel direkt mit Anweisungen. In der religiösen Ausrichtung läßt sich eine bemerkenswerte Weiterentwicklung feststellen. Ältere Weisheitslehren sprechen meist vorrangig von „Gott“, ohne sich auf einen konkreten Namen festzulegen. Beginnend bereits mit der spätneuägyptischen Lehre des Amenemope und besonders ausgeprägt in der saitenzeitlichen Weisheitslehre im Brooklyn Museum sowie im Papyrus Insinger gibt es zwar weiterhin etliche generelle Aussagen, die sich nicht auf eine konkrete Gottheit festlegen, daneben werden aber in nicht geringem Ausmaß individuelle Namen etwa von Re, Thot, Isis und Horus genannt.261 Das soziale Umfeld ist weitgehend das kleiner lokaler Gemeinschaften,262 auch wenn gelegentlich durchaus Verweise auf den königlichen Hof erscheinen. Im Falle von Tebtynis, wo sich ein einigermaßen repräsentativer Eindruck gewinnen läßt, ist es offensichtlich, daß Weisheitstexte erheblich seltener als Erzählungen sind. Zusätzlich zur reinen Statistik der Fragmentmenge kommt hinzu, daß bei Weisheitskompositionen tendenziell mehr Kopien desselben Werkes an einem Ort verfügbar sind. Man kann bei ihnen also eine vergleichbar stärkere Normierung auf einige wenige Kompositionen feststellen – obgleich die Menge der insgesamt belegten Werke dieser Gattung im Demotischen immer noch umfangreich genug ist. 5.2. Das große demotische Weisheitsbuch Der wohl populärste und verbreitetste demotische Weisheitstext ist das große Weisheitsbuch, das am vollständigsten im spätptolemäischen pInsinger,263 261

Vgl. LAZARIDIS, in: GOYON, CARDIN (Ed.), Proceedings Ninth International Congress of Egyptologists, S. 1091-1099. 262 Vgl. AGUT-LABORDERE, in: GORRE, KOSSMANN (éds.), Espaces et territoires, S.107122. 263 Als Gesamtbearbeitung noch immer unersetzt, obgleich sehr verbesserungsbedürftig, ist LEXA, Papyrus Insinger. Bei ihm nicht aufgenommene Bruchstücke vom Anfang der Rolle bei BOESER, OMRO 3, Tf. I; SOBHY, JEA 16, Tf. VIII; AGUT-LABORDÈRE, in: WIDMER, DEVAUCHELLE (Éds.), Acts Paris, S. 1-28; zu den unveröffentlichten Stücken in Philadelphia s. ZAUZICH, Enchoria 8/2, S. 34f.; ders. bei LICHTHEIM, Late Egyptian Wisdom Literature, S. 107-109; HOUSER WEGNER, in: Acts ICE Cambridge, S. 569-574; zur Rekonstruktions des Anfangs s. COLLOMBERT, in: LIPPERT, SCHENTULEIT, STADLER (Hrsg.), Fs

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daneben aber auch in wohl acht bislang bekannten (römerzeitlichen) Parallelhandschriften vorliegt.264 Während die meisten Handschriften bei oft etwas besseren Lesarten mit dem pInsinger recht eng übereinstimmen, zeigt speziell der pCarlsberg 2 eine ganz abweichende Fassung, die im Wortlaut erheblich verändert und oft stark abgekürzt ist, sozusagen eine zweite Auflage der Komposition. Allerdings gibt es auch unter den übrigen Versionen öfters sinnverändernde Varianten. Dabei dürfte der Originaltext meist schärfere Töne anschlagen, die manchen Rezipienten zu weit gingen und deshalb abgemildert wurden. Eine mehrfach belegte Variante ist etwa der Austausch negierter und nicht negierter Aussagen. Typisch ist, wie „Er bringt dem Frevler den Schaden, wenn kein Schutz hinter ihm steht“ (pInsinger 11, 16) neben „[er bringt dem Frevler Schaden], (selbst) wenn sein Schutz hinter ihm steht“ (pBerlin 29007, Z. 4) überliefert ist. Dabei fließt die erste Aussage leichter im Lichte des Tenors des betreffenden Abschnittes, in dem es generell um den Wert der Protektion geht (die somit selbst negativ bewerteten Figuren helfen würde). Die zweite Variante fügt sich dagegen besser in die Tendenz der Lehre, den Frevler grundsätzlich negativ zu bewerten (dem somit selbst die sonst nützliche Protektion nicht helfen würde). Der ägyptische Originaltitel der Lehre lautete nach der (in der Lesung nicht ganz unproblematischen) Schlußformulierung im pInsinger wohl „Die Art, Kenntnis zu wissen“. Nach etlichen sprachlichen und graphischen Archaismen sowie sachlichen Gesichtspunkten (mutmaßlich Erwähnung der Gottesgemahlin des Amun von Theben) ist eine Entstehung in der Saitenzeit nicht unplausibel.265

Vittmann, S. 51-65. Letzte Übersetzungen H.-J. THISSEN, in: TUAT III/2 (Gütersloh 1991), S. 280-317; HOFFMANN, QUACK, Anthologie, S. 239-273 u. 361-364. 264 Editionen: VOLTEN, Kopenhagener Texte; ders., Das demotische Weisheitsbuch; BOTTI, VOLTEN, AcOr 25, S. 29-42; ZAUZICH, Enchoria 5, S. 119-122; PEZIN, CRIPEL 8, S. 8998; QUACK, Enchoria 28, 85-88, Tf. 11, ders., The Carlsberg Papyri 11, in Druck. Vgl. QUACK, in: Fs El-Aguizy, S. 331-334 u. 345 Abb. 1-2 für eventuell ebenfalls zu dieser Komposition zugehörige Bruchstücke. 265 QUACK, in: RYHOLT (Ed.), Acts Copenhagen, S. 332-336. Das Gegenargument von BLASIUS, in: DREYER/MITTAG (Hrsg.), Lokale Eliten, S. 169 Anm. 116, die Erwähnung des vorptolemäisch unüblichen „Geldes“ spräche mindestens für eine Aktualisierung der Inhal-

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Die Struktur des Werkes ist sehr fixiert, indem jede der 25 Lehren mit einer Nummer versehen ist und sogar die Anzahl der Zeilen angegeben wird, um den Text gegen Überlieferungsfehler zu sichern. Allerdings haben diese Maßnahmen nicht verhindern können, daß der pCarlsberg 2 einige Sektionen umstellt und die Zeilenzahlen seinem verringerten Bestand anpaßt. Zudem zeigen im pInsinger selbst gelegentliche Unstimmigkeiten zwischen Summierung und realem Bestand, daß Fehler eingetreten sind. Die „Lehren“ behandeln jeweils (in unterschiedlicher Ausführlichkeit) ein vorgegebenes Thema. Dabei wird dieses mehr durch eine Reihe von Einzelaussagen umrissen als in einer stringenten diskursiven Analyse abgehandelt. Typisch ist auch die Neigung des Autors, manche Gedanken, die sich für schöne Ausführungen eignen, über das notwendige Maß hinaus zu entfalten. Zudem ergreift er gerne Gelegenheiten, auch eigentlich zu anderen Lehrthemen gehörende Sätze einzuflechten, wo sie ihm in den Zusammenhang zu passen scheinen, was die Präzision der Gedankenführung teilweise mindert, dafür aber die innere Verklammerung des Werkes erhöht. Während jede „Lehre“ zunächst eine einheitliche Tendenz verfolgt und ihren Standpunkt auch durchhält, gibt es am Ende jeweils einen paradoxen Umschlag. Sprachlich wird er dadurch gekennzeichnet, daß mit wn „es gibt“ sowie mn „es gibt nicht“ Ausnahmetatbestände eingeräumt werden. Ebenso werden Sätze, die an sich die Essenz der Belehrung wiedergeben, gerade negiert. Dies ist allerdings kaum als einfache Aufhebung der vorher angeratenen Verhaltensmuster zu werten. Vielmehr geht es darum, die Unerforschlichkeit der Welt darzustellen, in der Gott über das Schicksal schalten kann und normgerechtes Verhalten zwar ratsam ist, aber nicht per Automatismus zum Erfolg führt. Diese paradoxen Lehrschlüsse dürften für die antiken Leser dennoch eine Provokation dargestellt haben. Der Vergleich der verschiedenen Handschriften zeigt hier teilweise spürbare Texteingriffe, die vor allem allzu schockierende Aussagen eliminieren bzw. entschärfen. Als Beispiel dienen mag zunächst eine Passage (Ende der 10. Lehre), die in beiden Handschriften relativ knapp ist. Im pInsinger lautet sie: te, ist so nicht zutreffend. „Geld“ in Form von Silberwerten normierten Gewichts ist schon in der Saiten- und Perserzeit in ägyptischen Verträgen ganz normal.

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„Mancher wurde nicht erzogen und versteht doch, einen anderen zu belehren. Mancher versteht zu lehren und kann doch nicht danach/davon leben. Es ist nicht (notwendigerweise) ein wahrer Sohn, der die Lehre annimmt, weil man ihn erzogen hat. Es ist der Gott, der das Herz gibt und den Sohn gibt und den Charakter gibt.“ (pInsinger 9, 16-19).

Im pCarlsberg 2 wird daraus mit leichten Varianten: „Mancher wurde nicht erzogen und belehrt doch einen anderen. Mancher [kennt] viele Lehren und kann auch nicht von/nach einer davon leben. Es ist nicht (notwendigerweise) [ein wahrer] Sohn, der die Lehre aufgrund der Erziehung annimmt. „Es ist der Gott, der das Herz gibt und den Sohn gibt und den guten Charakter gibt“ (pCarlsberg 2, 5, 12-14).

Dagegen kann ein längerer paradoxer Schluß deutlich gekürzt werden. Herausgegriffen sei: „Mancher lebt von wenig, um zu sparen, und wird doch arm. Mancher kann nichts und das Schicksal gibt Reichtümer. Es ist nicht (notwendigerweise) der sparsame Weise, der ein Vermögen(?) findet. Es ist auch nicht (notwendigerweise) der Verschwender, dem Armut zuteil wird. Der Gott gibt Reichtümer im Überfluß ohne Einkommen. Aber er erzeugt auch Armut in der Börse ohne Ausgaben.“ (pInsinger 7, 13-18).

Daraus wird im pCarlsberg 2, 3, 20-22 ganz kurz: „Mancher müht sich nicht ab und das [Schick]sal gibt Reich[tümer.] Das Schicksal gibt [Reichtum im] Speicher ohne Einkommen“.

Neben Detailänderungen ist dabei vor allem das Wegfallen aller unerwarteten Umschläge zum Negativen auffällig, die offenbar für die Rezipienten schwerer zu schlucken waren als positive Überraschungen. Als Schlußzeile jeder Lehre findet sich „Das Schicksal und das Geschick, das kommt – es ist der Gott, der es leitet“ bzw. als Variante „Schicksal und Geschick kommen und gehen in dem, was er (Gott) ihnen befohlen hat“. Dabei ist die Auffassung der Terminologie in der Forschung nicht einheitlich. Während der erste Begriff (Sy) einhellig als „Schicksal“ verstanden wird, deutet Thissen den zweiten (sXn) nicht als „Geschick“, sondern als „Zufall“.266 Dabei sieht er den Refrain in einer Diskussion über Eigenverantwortlichkeit und Determinismus, wie er in der griechischen Philosophie zur Zeit der Nie-

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derschrift der Handschrift aktuell war. Problematisch erscheint mir jedoch die Deutung als „Zufall“ insofern, als im Demotischen sXn auch als Terminus für Ereignisse dient, die durch Zeichen im Sinne divinatorischer Zukunftsdeutung angekündigt werden, was wenigstens mit dem deutschen Begriff von Zufall schwer zu vereinbaren ist. Im ganzen Verlauf des Textes werden gute und schlechte Typen von Menschen miteinander konfrontiert. Dabei wird eine ausgefeilte Terminologie verwendet. Zentraler positiver Begriff ist der rmç rX „der Weise“, dem der lX „Tor“ gegenübergestellt wird. Mehr religiös geprägt ist der rmç n nçr „Mann Gottes, Frommer“, dem der s#b# „Frevler“ gegenübersteht. Andere negative Begriffe sind etwa der xnê „Hitzkopf“ und der swg „Dummkopf“ – letzterer im Gegensatz zum lX derjenige, dem es nicht an intellektuellen Fähigkeiten an sich, sondern nur an Unterricht mangelt. Sprachlich ist besonders auffällig, daß für Verbote nicht der normale negierte Imperativ gebraucht wird, sondern das zur Negation von Infinitiven dienende tm. Sie dürften so zu verstehen sein, daß damit jeweils die infinitivische Konstruktion der Lehrüberschrift „die Art, … (nicht) zu tun“ fortgesetzt wird. Stilistisch bemerkenswert ist eine sehr ausgeprägte Tendenz, wenigstens ein, gelegentlich sogar zwei substantivische Elemente aus dem eigentlichen Satz herauszuziehen und an den Zeilenanfang zu stellen; an ihrer syntaktischen Position werden sie dann durch ein Personalpronomen wieder aufgegriffen. Der Anfang des Werkes ist schlecht erhalten, bislang erst teilweise veröffentlichte Reste einer Handschrift in Florenz (mit pCarlsberg 5 zusammengehörig), die wohl die untere Hälfte der 1. Seite darstellen, zeigen ein „negatives Sündenbekenntnis“, in dem der Autor im Stile von Kap. 125 des Totenbuches angibt, verschiedene Verfehlungen nicht begangen zu haben. Die 1. Lehre soll sich mit dem Werk des Gottes beschäftigen (Fragment Florenz 2, Z. 10). Mutmaßlich hierher gehört ein Fragment, das Aussagen über die Tätigkeit verschiedener Götter enthält und dabei auch spezifische Kompetenzen definiert, etwa die des Imhotep für die Heilung von Krankhei266

THISSEN, in: Perspectives on Panopolis, S. 259; ders., Enchoria 28, S. 98-102.

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ten.267 Die 2. Lehre behandelte offenbar berufliche Tätigkeit und Erwerb des nötigen Lebensunterhaltes.268 Die 3. Lehre trägt den Titel „Der Weg, dir ... Lohn entstehen zu lassen, um nicht auf den Besitz eines anderen zu vertrauen.“ Hier geht es um die Mehrung des eigenen Vermögens. Eine Art Exkurs behandelt die heiligen Rinder, bei deren Entdeckung in ihren Herden die jeweiligen Hirten auf reiche Belohnung hoffen können.269 Der Inhalt der 4. und 5. Lehre ist einstweilen unbekannt. Mitten in der 6. Lehre setzt der erhaltene Bereich des pInsinger ein. In ihr ging es wohl um ein ehrendes Verhalten gegenüber den Eltern. Die 7. Lehre behandelt „Die Art, in jeder Angelegenheit erprobt zu sein und nichts zu tun außer dem, was [sich gehört],“ wobei eine Parallelhandschrift „erprobt“ durch „gemäßigt“ ersetzt. In ihr geht es speziell darum, sich nicht durch unüberlegtes und vorschnelles Verhalten Nachteile zu schaffen. Hervorzuheben ist eine längere Passage, in der davor gewarnt wird, aufgrund von Fehlverhalten mit verschiedenen negativen Typenbezeichnungen belegt zu werden.270 Die 8. Lehre lautet „Sei nicht gierig, damit du nicht der Armut anheimfällst“. Neben der Warnung, aufgrund zu aufwendigen Lebensstils arm zu werden, steht auch die medizinische Position im Raum, übermäßiger Speisegenuß würde Beschwerden verursachen. Als Vorwegnahme der nachfolgenden Lehre werden die Mahnungen zum zurückhaltenden Essen mit solchen vor ungezügeltem Sexualtrieb kombiniert. Die 9. Lehre betrifft „die Art, dich nicht als Tor zu verhalten, damit man dich nicht von der Haustür abweist“.271 Ungeachtet des recht allgemein klingenden Titels geht es speziell darum, sich nicht zu erotischen Abenteuern hinreißen zu lassen – mutmaßlich speziell unter dem Aspekt, bei Besuchen in anderer Leute Häusern kein Auge auf die Frau oder Töchter des Hauses zu werfen. Gegenüber den Mahnungen an die Adresse des Mannes nehmen al267

Publikation HOUSER WEGNER, in: Fs Silverman, S. 337-350, die m.E.zu Unrecht die Zugehörigkeit dieses Fragments zum pInsinger bestreitet. Vgl. ZAUZICH, Enchoria 32, 86100 mit verbesserter Bearbeitung. 268 COLLOMBERT, in: Fs Vittmann, S. 54-58. 269 QUACK, IBAES IV, S. 122f. 270 Vgl. dazu auch CHAUVEAU, in: ZIVIE-COCHE, GUERMEUR (Éds.), Hommages à Jean Yoyotte, S. 305-311. 271 Vgl. DIELEMAN, SAK 25, S. 22-29.

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lerdings die anschließenden Passagen, die über die Ambivalenz der Frauen handeln, eher mehr Raum ein. Dabei wird auch auf die aus der PeteseErzählung bekannten Geschichten zum Tadel der Frauen Bezug genommen (s. S. 108). In ihnen soll das Werk von Mut und Hathor walten, d.h. wohl die eheliche treue Liebe ebenso wie ungezügelte Triebe. Unter Bezugnahme auf astrologische Terminologie heißt es, die „Edle“ und die „Dämonin“ wirkten auf Erden unter den Frauen. Bezeichnend für Weltsicht ebenso wie für intendiertes Publikum ist, daß an die Adresse des Mannes Warnungen gerichtet werden, die Frau dagegen nur als Objekt, nicht als Rezipient der Lehre auftritt. Die 10. Lehre behandelt „die Art, nicht abzulassen in der Erziehung deines Sohnes“. In ihr findet sich u.a. der Spruch „eine steinerne Statue ist ein törichter Sohn, den sein Vater nicht erzogen hat“. Generell wird zu strenger Erziehung geraten, bei der auch der Stock als Disziplinierungsmittel nicht fehlen soll. In der 11. Lehre geht es um „die Art, dir Protektion zu verschaffen, damit man dich nicht unterdrückt“. Einerseits wird angeraten, für die eigene Sicherheit auch materielle Aufwendungen zu treiben – einschließlich moralisch etwas dubioser Ratschläge wie „Wer bei einer Anklage Schmiergeld (wörtlich „Opferspeise“) gibt, ist es, der unverhört Recht behält.“ Daneben nehmen vor allem Ratschläge für das rechte Verhalten gegenüber einem Vorgesetzten breiten Raum ein. Jedoch setzt der Autor letztlich doch die größten Hoffnungen auf die Gottheit, wenn er sagt: „Es gibt keine wahre Protektion außer dem Werk Gottes“. Die 12. Lehre „Vertrau nicht demjenigen, dessen Herz du nicht kennst, damit er dich nicht hinterhältig unterdrückt“ betrifft Ratschläge zur richtigen Auswahl von Freunden. Dabei wird betont, daß erst in kritischen Situationen eine wirkliche Prüfung des Charakters möglich ist: „Man erkennt das Herz eines Mannes in seinem Charakter nicht, wenn man ihn nicht in Mission geschickt hat. Man erkennt das Herz eines Weisen nicht, wenn man ihn nicht bei einem Handelsgeschäft erprobt hat. Man erkennt das Herz eines ehrlichen Menschen nicht, wenn man ihn nicht bei einer Abrechnung um Rat gefragt hat.

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Man erkennt eines vertrauenswürdigen Menschen nicht, wenn man nicht um Gut von ihm nachgesucht hat. Man erkennt das Herz eines Gefährten nicht, wenn man ihn nicht in Gefahr um Rat gefragt hat. Man erkennt das Herz eines Bruders nicht, wenn man nicht in Bedrängnis (zu ihm) gefleht hat. Man erkennt das Herz eines Sohnes nicht, bis zu der Zeit, wo man um Gut von ihm nachsucht. Man erkennt das Herz eines Dieners nicht, wenn sein Herr nicht attackiert wird. Man erkennt das Herz einer Frau niemals, ebenso wie den Himmel“ (pInsinger 12, 1422).

In der 13. Lehre „Vertraue einem Dieb nicht, damit du nicht in Bedrängnis gerätst“ wird dasselbe Thema spezifischer abgehandelt. Betont wird, wie man Strafen mittragen muß bzw. sogar allein Prügel empfängt, während der Gefährte sich mit der Beute davonmacht. Die 14. Lehre „Laß keinen Geringen Macht ausüben, damit er dich nicht dem Ruf der Dummheit anheimfallen läßt“ rät dazu, streng aufzutreten, wenn man selbst Macht über andere hat. Insbesondere Toren sollen nicht mit Autoritätspositionen versehen werden, zudem sei ihnen gegenüber immer auch der strafende Stock angebracht. Die 15. Lehre „Sei nicht geizig, damit dein Name nicht in Spott und Schande steht“ bekämpft vor allem den Geiz.272 Verschiedene Gründe werden für einen großzügigen Umgang mit dem Vermögen angegeben, der sowohl Aufwendungen für die Heimatstadt als auch Speisespenden bei Festen beinhaltet. Einerseits würde es der Gott einem vergelten bzw. man vom Schicksal dafür belohnt werden, andererseits erhalte man dadurch soziales Ansehen und könne seinerseits mit Unterstützung rechnen. Bemerkenswert ist die Anweisung „Wenn du Besitz erlangst, forme den Anteil des Gottes – das ist der Anteil der Armen“, der eine religiös organisierte Fürsorge zu implizieren scheint. Als Gegenpol hierzu fordert die 16. Lehre „Laß deinen Körper nicht leiden, wenn du (etwas) im Speicher hast“ dazu auf, es sich auch selbst gut ge-

272

Vgl. AGUT-LABORDERE, in: BAROIN, MICHEL (Éds.), Richesse et Sociétés, S. 53-60.

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hen zu lassen. In ihr findet sich auch die berühmte Beschreibung der Lebensalter: „Er (der Mensch) verbringt 10 (Jahre), indem er jung ist, bevor er Leben und Tod erkennt. Er verbringt weitere 10 (Jahre), indem er die Arbeit und die Lehre annimmt, von der er wird leben können. Er verbringt weitere 10 Jahre, indem er spart und Besitz erwirbt, um davon zu leben. Er verbringt weitere 10 Jahre bis zum reifen Alter, bevor sein Herz Einsicht erlangt. Bleiben 60 Jahre in der gesamten Lebenszeit, die Thot dem Mann Gottes zugeschrieben hat. Einer unter Millionen, wenn der Gott segnet, ist es, der sie erreicht, wenn das Schicksal gewogen ist.“ (pInsinger 17, 22-18, 4).

Eine weitere Abschweifung betrifft das Scheitern des Sünders beim Totengericht, das als konkret durchgeführtes Ritual bei der Bestattung gedacht scheint.273 Betont wird auch, wer immer nur spare, würde sein Vermögen lediglich einem anderen hinterlassen. An das Thema des Lebensgenusses knüpft auch die 17. Lehre „Mach dir nicht übermäßig Sorgen, damit du nicht durcheinander gerätst“ an. Darin wird empfohlen, auch in schwieriger Lage nicht verzweifelt zu sein, sondern hartnäckig zu bleiben. Als Parallele wird auf die mythische Situation verwiesen, in der Re, Horus und Isis jeweils nach Schicksalsschlägen bzw. einer Flucht vor Rebellen am Ende glücklich wurden.274 Die bei einem solchen Verhalten nötige Geduld führt zur 18. Lehre „Die Art, geduldig zu sein, bis du nachgedacht hast, damit du dich nicht peinlich benimmst“. Verwandte Themen bespricht auch die 19. Lehre „Die Art, deine Rede ruhig zu machen“. Sie empfiehlt generell ein zurückhaltendes, unaufdringliches Verhalten. Spezifischer ist die 20. Lehre „Achte eine Kleinigkeit nicht gering, damit du nicht an ihr leidest.“ Anhand vieler Beispiele wird ausgeführt, wie scheinbar geringe Phänomene bedeutende Wirkungen haben, die sich gegen denjenigen richten können, der sie nicht ausreichend beachtet. 273

QUACK, Enchoria 25, S. 27-38; ders., Enchoria 34, S. 105-118; abgestritten von STADLER, SAK 29 (2001), S. 331-348; ders., ZÄS 130 (2003), S. 186-196. 274 Für eine mögliche Anspielung auf diese Passage im pWien D 12006 s. STADLER, Isis, das göttliche Kind und die Weltordnung, S. 52 u. 169.

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Gleichsam eine Zusammenfassung der vorherigen Anweisungen findet sich in der 21. Lehre „Die Art, dich nicht daneben zu benehmen, damit du nicht gering geachtet wirst“. Ausgehend von dem Spruch „In einer Stadt, wo du keine Familie hast, ist dein Herz deine Familie“ zeigt sie auf, welche Verhaltensweisen man vermeiden soll, um nicht sozial unter Druck zu geraten bzw. schlecht angesehen zu sein. Mit der 22. Lehre „Die Art, den Ort, wo du leben kannst, nicht zu verlassen“ kommt man wieder zu spezifischeren Fragen.275 Ausführlich wird dargelegt, wie ein Ortsfremder Mißtrauen begegnet und überall die unerfreulichsten Aufgaben erhält. Es sei vorteilhaft, selbst unter schwierigen Bedingungen in der Heimat zu bleiben, statt anderswohin zu gehen. Diese Regeln beziehen sich sicher nicht auf eine Reise ins Ausland, sondern auf innerägyptische Binnenwanderung. Die 23. Lehre „Entbrenne nicht, damit der Gott dir nicht Strafe entflammt“ scheint auf die Lehren zu Geduld und ruhigem Verhalten zurückzuverweisen, betont aber tatsächlich weit mehr den religiösen Aspekt. Damit bereitet sie die 24. Lehre „Die Art, die Größe des Gottes zu kennen, damit sie in deinem Herzen ist“ vor, die einen Höhepunkt des Werkes darstellt. Betont wird die Allwissenheit des Gottes, dessen Pläne oft erst im Nachhinein klar werden. Als Beweis für die Bedeutung des Gottes werden besonders seine Werke in der Natur angesehen, so daß sich hier eine ausführliche Schilderung seiner Schöpfungstätigkeit findet. Diese Ausführungen sind mit Hiob, Kap. 38 verglichen worden.276 Zum Abschluß des Werkes findet sich die 25. Lehre „Die Art, dich vor der Vergeltung zu hüten, damit kein Teil von ihr dich erreicht“. Sie mahnt nochmals dazu, verschiedene Arten von Fehlverhalten zu vermeiden und betont dabei besonders, wie darauf jeweils eine angemessene Vergeltung erfolgt. Eindringlich wird beschrieben, wie die Vergeltung in allen Situationen wirkt. Der sonst übliche Abschluß jeder Lehre mit Paradoxa, einer Formel über das Wirken des Schicksals sowie die Zeilensummierung fehlt hier. Dafür bietet der Autor nochmals ein negatives Sündenbekenntnis, schlägt also die 275

Vgl. AGUT-LABORDERE, in: GORRE, KOSSMANN (éds.), Espaces et territoires, S.117119.

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Brücke zurück zur Einleitung. Sätze des Vertrauens auf die Gottheit sowie speziell auf den Apis- und Mnevisstier schließen das Werk ab. Zum Abschluß der konkreten Handschrift des pInsinger findet sich, wie oben schon erwähnt (S. 12), eine Passage, die aus dem funerären Phrasenschatz stammt und die Nutzung des Papyrus als Grabbeigabe zeigt. Insgesamt ist erkennbar, daß es sich um eine Komposition handelt, die innerhalb der Einzellehren einen eher lockeren, nicht sequentiellen Charakter trägt. Die stringente Komposition einer Maxime der älteren ägyptischen Weisheitsliteratur wird also nicht fortgeführt. Dennoch ist das Werk diesen noch durch die Vorgabe thematischer Einheiten verpflichtet. Ebenso teilt es mit ihnen die Art, die einzelnen Teilbereiche in einer assoziativen Technik aneinanderzureihen, die oft stimmige, aber nie zwangsläufige Abfolgen bildet. Letzteres zeigt sich auch darin, daß im pCarlsberg 2 die Abfolge der Maximen teilweise eine andere ist. In ihm folgt auf die 13. Lehre die 18., dann die 21., darauf die 14. sowie die 22., schließlich die 15. Aufgrund schlechter Erhaltung ist nicht mehr feststellbar, wie die noch ausstehende 16. und 17. Lehre sowie Lehre 22-25 angeordnet waren. Im Ganzen ist diese Abfolge nicht besser, aber sicher ebenfalls als akzeptable Präsentation anzusehen. Die Situation des Empfängers ist offenbar primär die eines Beamten. Normalfall ist, daß er einen Vorgesetzten über sich hat, doch kann er im Zweifelsfall auch Untergebenen Weisungen erteilen bzw. Autorität an andere Personen delegieren. Der Rat, Besitz sowohl zum eigenen Wohlleben als auch zum Nutzen der Allgemeinheit einzusetzen, paßt am ehesten auf jemanden, der nicht ganz unvermögend ist. Schon immer aufgefallen sind die starken religiösen Bezüge des Werkes. Der Autor vertraut einerseits sehr auf das Werk Gottes, insbesondere die letztliche Belohnung des weisen, frommen und anständigen Menschen. Andererseits glaubt er nicht mehr an einen reinen Automatismus, sondern rechnet mit Ausnahmen bzw. erst lange verspätet erfolgender Vergeltung. Manche Passagen des Werkes zeigen eine beeindruckende Spiritualität, während andere ganz dem weltlichen Nutzen verpflichtet sind. Dies stellte offenbar für Autor und Leser keinen Gegensatz dar. 276

SCHNEIDER, Theologische Zeitschrift 47, S. 108-124.

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Etliche Sprüche berühren sich in den Formulierungen etwas enger mit der intertestamentalen jüdischen Lehre des Jesus Sirach, so daß die Frage einer tatsächlichen Beeinflussung dieser Werke diskutiert worden ist.277 Neben der Etablierung von Kontakten an sich spielt dabei die Datierung eine zentrale Rolle, weil es darauf ankommt, ob der demotische Text, dessen Handschriften nicht älter als das 1. Jhd. v. Chr. sind, tatsächlich vor dem im 2. Jhd. v. Chr. entstandenen jüdischen Text entstanden oder jünger und damit potentiell von ihm abhängig ist. Nach der hier vertretenen chronologischen Ansetzung sollte allenfalls Ben Sira vom demotischen Weisheitsbuch beeinflußt sein können, und eine solche (indirekte?) Beeinflussung ist schon deshalb a priori nicht unplausibel, weil Ben Sira auch aus einem anderen ägyptischen Weisheitstext, nämlich der „Berufssatire“ Motive aufgegriffen hat (allerdings wohl durch eine vermittelnde Quelle).278 Ferner hat Lichtheim postuliert, daß die Behandlung verschiedener Themen eine Abhängigkeit von der stoischen Philosophie zeige. Die im Zentrum der Ethik stehende Dichotomie zwischen Weisem und Narren sei vergleichbar bedeutsam auch in der stoischen Lehre aufzufinden. Die Analogie von natürlicher und moralischer Ordnung und die innere Disposition werde durch die Anführung von Beispielen aus dem Bereich von Substanzen, Tieren und Menschen in einer Art aufgezeigt, die in der älteren ägyptischen Weisheitsliteratur ohne Parallele sei, dagegen erstaunlich gut zur stoischen Lehre von der Verbindung aller Dinge passe (tatsächlich werden jedoch Tierparallelen zumindest im Schlußdialog der Lehre des Ani ausgeführt). Peripatetische Einflüsse wurden einerseits im Konzept vermutet, daß der Weise fehlbar und von Leidenschaften affiziert sein könne, andererseits in der Betonung des rechten Maßes. Insgesamt sieht Lichtheim eine eklektische Aufnahme griechischer Moralphilolosophie. Dabei sucht sie nicht so sehr nach exakten Beziehungen oder Zitaten aus einem bestimmten Text, sondern mehr die Gemeinsamkeiten von moralischen Lehren und Grundkonzepten der hellenistischen Zeit, seien sie ägyptisch, griechisch oder jüdisch. 277

SANDERS, Ben Sira. ST. JÄGER, Altägyptische Berufstypologien, LingAeg SM 4 (Göttingen 2004), S. 305317; QUACK, in: KNOPPERS, LIPSHITS, OEMING (Eds.), Judah and the Judeans, S. 392f. 278

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Lichtheims Schlüsse hinsichtlich internationaler Einflüsse auf die demotische Literatur wurden verschiedentlich angezweifelt und in manchen Details auch erfolgreich widerlegt. Die ausführlichste Auseinandersetzung damit, nämlich Houser Wegners Dissertation,279 greift in der Argumentation allerdings methodisch zu kurz, indem ihr die Existenz des Themas an sich in älterer Weisheitsliteratur als Beleg indigener Herkunft ausreicht. Tatsächlich ist es aber logisch alles andere als unplausibel, daß man zu einem Thema, das einen umtreibt, auch einmal Formulierungen aus fremden Kulturen aufgreift, wenn man sie treffend findet. Andererseits hat Lichtheim gerade für den pInsinger keine Einzelformulierungen von wirklich schlagender Ähnlichkeit nachgewiesen. Hier wird man auch beachten müssen, daß insbesondere in der Stoa schon angesichts der orientalischen Herkunft ihrer wesentlichen Gründerväter das Aufgreifen orientalischen Gedankengutes (bzw. dessen unbewußte Anwendung) alles andere als überraschend wäre. Insgesamt wäre ich deshalb mit dem Postulat fremder Einflüsse auf die Komposition des großen demotischen Weisheitsbuches eher zurückhaltend. Eine dem Papyrus Insinger ähnliche Lehre, die ebenfalls numerierte Kapitel als Organisationseinheiten benutzt und als Vetitiv tm verwendet, ist noch weitgehend unveröffentlicht.280 Ein bereits ediertes Fragment fordert u.a dazu auf, die alten Leute nicht zu belästigen und gibt die Regel „Belehre nicht zur Sünde, verbreite Tugend!“ (pLille dém. 34, x+13). 5.3. Der Brooklyner Weisheitstext Sicher von der Rahmenhandlung her in die Saitenzeit gesetzt ist eine Lehre, die in einer nicht viel späteren hieratischen Handschrift (pBrooklyn 47.218.135) erhalten ist.281 Unbeschadet der Schrift ist die Sprache des Tex-

279

HOUSER WEGNER, Cultural Continuity. Ein Fragment in Lille bei DE CENIVAL, CRIPEL 12, S. 93-96; weitere Stücke in Wien, Berlin und Kopenhagen; Edition durch G. Vittmann in Vorbereitung. 281 Editio princeps JASNOW, Late Hieratic Wisdom Text; neue Kommentare und Übersetzungen QUACK, WdO 24, S. 5-19; VERHOEVEN, in: ASSMANN, BLUMENTHAL (Hrsg.), Literatur und Politik, S. 256-259; WINAND, CdÉ 73, S. 42-53; VERNUS, Sagesses de l’Égypte pharaonique, S. 441-452; HOFFMANN, QUACK, Anthologie, S. 230-238 u. 360f. Einzelbemerkungen bei M. LICHTHEIM, Moral Values in Ancient Egypt, OBO 155 (Frei280

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tes, abgesehen von einigen Einzelbereichen insbesondere in der ersten Kolumne, bereits dem Demotischen zuzurechnen. Mutmaßlich liegt eine saitische Komposition vor, die für Einzelpassagen auf ältere Formulierungsmodelle zurückgreift. Das hohe Alter der Handschrift macht sie einerseits zu einem wichtigen direkten Nachweis literarischer Aktivität in der Saitenzeit. Andererseits erhält sie dadurch auch eine Art Brückenfunktion zwischen den älteren Weisheitslehren und den demotischen Kompositionen. In der ersten, sehr fragmentarischen Kolumne wird möglicherweise von einem Zug nach Nubien berichtet, außerdem fällt der Name des Königs Apries. Die ersten etwas zusammenhängender lesbaren Passagen berichten von einem stark abgeschirmten, unzugänglichen Ort. Wo dieser ist, und was sich dort genau befindet, wird leider im erhaltenen Bereich nicht recht klar. Mit dem rubrizierten „Die Geschöpfe des Re – Pharao ist ihr Hirte“ (2, 8f.) beginnt ohne weitere Titelangabe das Lehrkorpus. Es muß erwogen werden, ob die vorangehenden Teile wirklich eine Art von Rahmenerzählung waren oder nicht eine Digression innerhalb des Werkes, wie noch weitere später auftauchen. Es folgt jedenfalls ein Lobpreis auf den tapferen Anführer, z.B.: „Ein Millionenheer vermag nicht, durch Raub [zu erbeuten]. Vor dem Anblick eines Tapferen fallen sie um.“ (2, 10). Daraus wird dann das Verhältnis des Diensttuenden zu seinem Herrn und Vorgesetzten entwickelt, das eines der Hauptthemen der Komposition ist. Loyalität und gute Arbeit werden hoch gepriesen. „Wer seinen Herrn von [Anfang an] anbetet, [der ist es, den] er mehr als sein eigenes Fleisch liebhaben wird, und er wird [ihm] täglich [Speise geben] angesichts der Liebe [zu ihm], und er wird seine Leute für ihn arbeiten lassen wie [...]“ (2,15f.) oder „Ein Fürst vergilt es dem, der seine Arbeit gut ausführt. Wer seinen Dienst fleißig verrichtet, den wird er den Freunden vorziehen.“ (2, 18). Hier scheint ein schlecht erhaltener Bereich über Gott und Vergeltung eingeschoben, bevor der Text sich wieder dem Dienstverhältnis zuwendet, jetzt speziell in der Situation dessen, der mit einer Botschaft ausgeschickt ist. Eiligkeit und Korrektheit der Übermittlung werden betont. Eine Digression burg/Göttingen 1997), S. 69-76; H.-W. FISCHER-ELFERT, Die Lehre eines Mannes für seinen Sohn, ÄA 60 (Wiesbaden 1999), S. 401-404.

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über Mißerfolg schließt sich an: „Wer unter Mißgeschick leidet, den[kt] nicht an den Gott, so daß er den Tod erfleht, indem sein Herz verzagt ist. Er erhebt sich nicht; das Leben ist ihm geschei[tert.]“ (3,10f.). Nunmehr geht es um das Verhältnis zu höheren Beamten, insbesondere zum Wesir, vor dem man zittern soll. Dessen Kompetenzen werden ausführlich gerühmt, auch hinsichtlich der Unterscheidung von Weisen und Toren. Ein schöpfungstheologischer Abschnitt untermauert die Ausführungen, wobei die Rolle des Thot als Wesir des Schöpfergottes sowie das Gefolge, das Re gegen Apopis rechtfertigt, thematisiert werden. Wo der Text nach einer Lücke wieder zusammenhängender einsetzt, geht es um den Preis des Fleißigen und vor allem Weisen bzw. Erfahrenen. Damit kontrastiert wird das Kind: „Mit seinem Mund ist ein [kleiner] Knabe gelehrt, während sein Herz [töricht ist]. Er rennt täglich zum Schicksalsschlag.“ (4,6f.). Es folgen gute Ratschläge für das tägliche Leben. Kinder sollen gezeugt werden, wobei der Satz „Liebe dein Haus, erwähle dir viele Haremsfrauen!“ (4, 8) ein wörtliches Zitat aus der weitaus älteren Lehre des Hardjedef ist. Reichtum ist erwünscht, aber mit Einschränkungen: „Der gerechte Besitz vergeht nicht, aber ein Räuber kann seinem Sohn nichts weitergeben.“ (4, 10). Betrachtungen über die Vielfalt der Menschen und die Wandlungen des Lebens schließen sich an. Das schlechte Schicksal des Frevlers wird ausführlich dargelegt. Von Diebstahl wird entschieden abgeraten, insbesondere mit Komplizen: „Wer mit seinem Diener gemeinsam stiehlt, kann ihn das Schicksal nicht erreichen lassen. Man gibt ihn auf den Hügel, wobei er festlich gestimmt ist, nachdem er seinen (des Herrn) Besitz genommen und vor seinen Augen mit seiner Frau geschlafen hat, während er schweigt und nichts sagen kann.“ (5, 4f.). Vermischte Belehrungen gehen nochmals auf die vorsichtige Haltung gegenüber dem Vorgesetzten ein. Anschließend fällt die bislang älteste bekannte Ausformulierung der goldenen Regel: „Was du dir anzutun haßt, tu es keinem anderen zur Vergeltung an!“ (5, 7f.). Weitere Lehren betonen die Notwendigkeit von Fleiß und die Belehrung und Erziehung des Sohnes. Im Folgenden scheint die Abfolge der Sätze besonders unklar und wenig strukturiert. U.a. geht es darum, Frauen sexuell nicht zu vernachlässigen, Diener ausreichend

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zu versorgen, damit sie eifrig und dienstwillig sind, sowie um störrische Esel(?) und Pferde. Die letzte erhaltene Kolumne widmet sich vorrangig dem Thema der Landwirtschaft, deren Wichtigkeit als Grundlage des Lebens herausgestrichen wird, und zwar unter Verwendung erotischer Bilder. „Der Gatte des Feldes ist sein Bauer auf [ihm], es gebiert ihm Speise und Versorgung. Ein Feld ist Türkis, ein guter Brunnen für den, der seine Art kennt, Fett für den, der es bearbeitet, aber Granit für den, der es plündert.“ (6, 8-10). Entsprechend sollen auch Regelungen aufgestellt werden, die dem Pächter das Leben so angenehm machen, daß er gerne und gut arbeitet. Insbesondere soll man, damit schädliche Folgen von Jahren schlechter Nilüberschwemmung ausgeglichen werden, Verträge über mehrere Jahre laufen lassen. Mit „Der Bauer ist der Oberste aller Berufe. Ihm dient man; seine Hände sind ihr Lebensatem“ (6, 18) endet der erhaltene Bereich. Diese Aussage stellt eine bemerkenswerte Umkehrung sonstiger Werte in ägyptischen Lehren dar, die eher dazu tendieren, dem Schreiber den höchsten Rang zu geben. Allerdings gibt es auch in älterer Zeit bereits eine Tradition, gegenüber den Landpächtern rücksichtsvoll zu sein, etwa in der Loyalistischen Lehre. Die schlechte Erhaltung vieler Passagen sowie etliche philologische Schwierigkeiten machen eine abschließende Bewertung des Textes noch relativ problematisch. Einigermaßen faßbar ist die reale soziale Situation des typischen Adressaten. Er ist in die Beamtenhierarchie integriert, aber auf einer unteren Ebene, wo er normalerweise Vorgesetzte vor sich hat, selbst jedoch auch schon einen Diener. Sein Besitz ist prinzipiell ausreichend, doch bedarf es ständiger Anstrengung, um gut über die Runden zu kommen. Wenigstens ein Teil der Einkünfte stammt aus Ackerland, wobei die verfügbare Fläche so groß ist, daß mindestens Teile an andere Leute verpachtet werden müssen. Dies ist insgesamt die Situation der Mittelklasse. Religiös ist der Glaube an Gott und das Schicksal ungebrochen, auch die Mythen haben als fundierende Sinnstiftung der realen Welt ihre volle Kraft erhalten. Die Menge konkret mit Namen genannter Gottheiten ist eher größer als in den meisten anderen Weisheitslehren. Von höherer Spiritualität ist allerdings nichts zu spüren.

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Die erste positive Bezeugung der später im Mittelmeerraum in vielen Variationen weitverbreiteten goldenen Regel ist literaturgeschichtlich von einigem Interesse. Möglicherweise liegt der Ausgangspunkt dieses Spruches tatsächlich in Ägypten, da er in der griechischen Literatur erstmals bei Herodot bezeugt ist,282 der ihn bei seiner Ägyptenreise gehört haben könnte. In der Textanordnung zeigt sich bereits eine weitgehende Aufgabe der alten Maximenstruktur. Zwar sind Themen noch in gewisser Konsequenz der Abfolge behandelt, doch gerade die für den Autor besonders zentralen Aussagen über das Verhältnis zu Vorgesetzten drängen sich immer wieder vor. Etliche aphoristische Einzelsätze tauchen ohne klare Anknüpfungspunkte auf. Es scheint, als sei der Autor teilweise noch der thematischen Bündelung verpflichtet, ähnlich wie sie im pInsinger auftritt, also bereits ohne stringente Abfolge der Einzelaussagen. Daneben geht die Tendenz aber bereits in die Richtung loserer Assoziationen, wie sie dann voll entfaltet in der Lehre des Chascheschonqi sowie kleineren Kompositionen auftritt. 5.4. Die Lehre des Chascheschonqi Die Lehre des Chascheschonqi283 zeichnet sich durch eine besonders ausführliche narrative Einleitung aus.284 Diese ist im römerzeitlichen pCarlsberg 304 offenbar sogar für sich allein als Literaturwerk aufgezeichnet worden. Die beiden Handschriften weichen teilweise erheblich voneinander ab, insbesondere hat die Kopenhagener für einige Partien einen viel ausführlicheren Text, während die Fassung des BM-Papyrus abgekürzt ist. Die Haupthandschrift 282

A. DIHLE, Die goldene Regel. Eine Einführung in die Geschichte der Vulgärethik (Göttingen 1962), S. 96-101; B.U. SCHIPPER, Ein ägyptischer Beleg für die „Goldene Regel“, in: ST.J. WIMMER, G. GAFUS (Hrsg.), „Vom Leben umfangen“. Ägypten, das Alte Testament und das Gespräch der Religionen, ÄAT 80 (Münster 2014), S. 345-355. 283 So die reale Aussprache der Zeit; in der deutschen Literatur meist Anchscheschonqi, in der englischsprachigen Onkhsheshonqy genannt. 284 Edition der Haupthandschrift durch GLANVILLE, Instructions of Onkhsheshonqy, wichtige Korrekturen bei STRICKER, OMRO 39 (1958), S. 56-79; neuere Übersetzung THISSEN, in: TUAT III/2 (Gütersloh 1991), S. 280-317; HOFFMANN, QUACK, Anthologie, S. 273-299 u. 365-368; speziell zur Einleitung s. H. S. SMITH, Serapis 6, S. 133-156; Überblick bei DEVAUCHELLE, Égypte Afrique & Orient 29, S. 41-52. Parallelhandschrift in Kopenhagen bei RYHOLT, in: RYHOLT, FRANDSEN (Ed.), The Carlsberg Papyri 3, S. 113-140, T. 16-23; ders., in: RYHOLT (Ed.), The Carlsberg Papyri 11, in Druck. Zusätzliche Fragmente der Einleitung werde ich demnächst publizieren.

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(pBM EA 10508) stammt aus spätptolemäischer Zeit. Daneben gibt es einige fragmentarische Parallelhandschriften bzw. Texte, die wenigstens teilweise gleiche Sprüche verwenden. Von ihnen stammt die älteste aus frühptolemäischer Zeit, eine weitere ist mittelptolemäisch,285 ebenso dürfte eine noch unpublizierte Version aus Tebtynis in die Ptolemäerzeit zu setzen sein. 286 Mehrere Ostraka enthalten Sprüche, die wenigstens teilweise parallel gehen (s. S. 154f.) Die Handlung ist den Personennamen sowie der potentiellen Rettung des Pharao durch Neith nach in die Saitenzeit gesetzt. Angesichts mancher sprachlich archaischer Merkmale ist eine Entstehung des Kernes auch etwa in dieser Zeit oder wenig später plausibel, doch muß man beachten, daß es sich bei diesem inhaltlich so vage strukturierten Weisheitskorpus nicht um einen fixierten Text handelt, sondern mutmaßlich ebenso alte Traditionen aufgegriffen wie auch in der Überlieferung immer wieder neues Material eingebracht oder altes ausgeschieden werden konnte. Daher ist eine einheitliche Datierung des Gesamtwerkes kaum angängig.287 Zu Beginn der Rahmenhandlung wird berichtet, wie zwei befreundete Priester Söhne bekommen. Von diesen macht Harsiese, Sohn des Ramose, am Hof des Pharao als Leibarzt Karriere und wird einer der einflußreichsten Männer, auch seine Brüder (bzw. in einer anderen Handschrift Söhne) werden steuerfrei als Priester eingesetzt. Währenddessen befindet sich Chascheschonqi, Sohn des Tjainefer, als Wab-Priester des Re in Heliopolis in eher bescheidenen Verhältnissen. Er sucht seinen alten Freund auf, um sich von ihm während seiner dienstfreien Zeit aushalten zu lassen. Die Sache geht gut, bis Harsiese sich von anderen Höflingen in einen Mordanschlag gegen Pharao verwickeln läßt. Chascheschonqi, den er ins Vertrauen zieht, rät ihm dringend ab, unternimmt aber nichts weiter. Dagegen meldet ein Leibwächter, der vom Dach aus alles mithört, in der Hoffnung auf eine große Belohnung die Verschwörung dem König. Am nächsten Morgen hält Pharao Gericht. Harsiese 285

PEZIN, Enchoria 11 (1982), S. 59-61; SMITH, JEA 44 (1958), S. 121f. DI CERBO, in: HOFFMANN, THISSEN (Hrsg.), Fs Zauzich, S. 110 u. 118. 287 QUACK, in: RYHOLT (Ed.), Acts Copenhagen, S. 336-342. Vgl. auch BLASIUS, in: DREYER, MITTAG (Hrsg.), Lokale Eliten, S. 167 Anm. 113, dessen Verweis auf die Datierung der erhaltenen Textzeugen kein valides Argument darstellt. 286

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wird verbrannt, Chascheschonqi, der nur eine lahme Entschuldigung dafür vorbringt, daß er nichts gemeldet hat, wird in Festungshaft genommen. Da er keine Hoffnung auf Amnestie sieht, will er seinen Sohn schriftlich belehren. Zwar erhält er eine Schreibpalette, jedoch keinen Papyrus, so daß er seine Lehren auf Krugscherben notiert. Diese fiktive Aufzeichnungssituation korrespondiert gut mit dem Zustand des Textes, der keine lang durchkomponierten Abschnitte zeigt, sondern lose durch Assoziationen verbundene Einzelsätze mit nur selten über mehrere Zeilen zu verfolgenden klaren Zusammenhängen. Dem entspricht auch, daß fragmentarische Parallelen bei identischem Wortlaut Unterschiede in der Abfolge zeigen und manche Sprüche auch in anderen Werken fast wörtlich wiederholt werden. Am Anfang der Lehrsprüche steht eine Sektion, in der jeder Satz mit der Anapher „Wenn Re einem Land zürnt“ eingeleitet wird. Thematisiert wird jeweils eine Umkehrung der normalen Verhältnisse, z. B. „Wenn Re einem Land zürnt, macht er seine Kleinen groß und seine Großen klein“ (5, x+9). Formal erinnert die Sektion an Omenliteratur, sachlich wirkt sie dem aus der Literatur des Mittleren Reiches bekannten „Sonst-Jetzt-Schema“ verwandt. Die bunte Vielfalt des eigentlichen Lehrkorpus läßt sich nicht leicht auf eine kurze Inhaltsangabe reduzieren. Generell gilt, daß es sich um eine lose Folge von Einzelsätzen handelt. Gelegentlich wird ein Thema über mehrere Zeilen verfolgt, doch sind solche größeren Einheiten eher selten. Üblich ist, daß Assoziationen von Stichwörtern, teilweise auch Lautähnlichkeiten, die Sätze locker miteinander verbinden. Den größten Raum nehmen direkte Anweisungen ein, die als Verhalten praktisch umsetzbar sind, z.B. „Frage nach allem, damit du es erfährst!“ (6, x+7). Daneben finden sich aber auch Aufforderungen, von denen anzunehmen ist, daß sie eher in allegorischer Ausdeutung Einsichten geben als wörtlich umgesetzt werden sollten,288 so „Wenn du in der Nacht durstig bist, laß deine Mutter dir zu trinken geben“ (21, x+23). Eine solche Anweisung ist direkt genommen vor allem für einen Säugling relevant, der aber nicht ernstlich als

288

Vgl. QUACK, in: WIDMER, DEVAUCHELLE (Éds.), Actes Paris, S. 284-285.

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Lehrempfänger in Frage kommt. Gemeint sein wird eher abstrakt, jeweils die logische Quelle zum Beheben von Mängeln zu finden und zu nutzen. Auch „Wenn man dich um Kleie ausschickt und du Weizen findest, kauf nicht!“ (15, x+21) ist zwar in manchen Situationen direkt praktisch anwendbar, wird aber meist eher generell zu nehmen sein, daß man die der Situation angemessenen Dinge kaufen soll, nicht solche, die auf einer theoretischen Ebene besser erscheinen. Wie solche Aufforderungen auch ins Sprichwortartige umschlagen können, zeigt etwa die Aufforderung „Töte keine Schlange, wenn du dann ihren Schwanz übrig läßt!“ (11, x+8), die ähnlich auch in der Amazonen-Erzählung 9, 8 erscheint.289 Dort, und das dürfte auch realiter die intendierte Anwendung gewesen sein, geht es nicht um die Reptilienjagd, sondern um den Umgang mit feindlichen Menschen. Neben den als positiver oder negierter Imperativ formulierten Aufforderungen gibt es manche Sprüche, die als Aussagesätze formuliert sind, aber doch nur zu deutlich zu bestimmten Handlungen auffordern, wie etwa „Ein Sklave, den man nicht schlägt, in dessen Herz ist der Fluch groß“ (7, x+18). In anderen Fällen ist der Verschlüsselungsgrad höher, aber dennoch vielleicht durchschaubar. Ein Beispiel ist etwa „Ein Affe, der Früchte liebt, haßt den, der sie ißt“ (23, x+15). Dem Autor wird es kaum speziell darauf ankommen, das Verhalten von Affen naturkundlich zu erforschen. Vielmehr soll hier wohl in konkret-plastischer Form die generelle Regel nahegebracht werden, daß man nicht die speziellen Vorlieben anderer Leute bedrohen soll, will man nicht riskieren, ihre Abneigung zu finden. Auch die Formulierung „Wer sich schämt, mit seiner Frau zu schlafen, bekommt keine Kinder“ (21, x+14) soll kaum sexuellen Aufklärungsunterricht leisten, sondern eher plastisch illustrieren, daß bestimmte Aktionen erforderlich sind, will man gewünschte Resultate erhalten. In solchen Fällen ist es schwer, die Grenze zum allgemein umlaufenden Sprichwort zu finden.290 Es gibt im Text jedenfalls mehrere Sätze, die ganz 289

JASNOW, Enchoria 15, S. 203. Zu den demotischen Sprichwörtern besonders in Lehren s. GRANDL, in: 2nd Interdisciplinary Colloquium on Proverbs, S. 205f.; ders., in: 4th Interdisciplinary Colloquium on 290

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den Anschein davon haben bzw. teilweise direkt mit Sprichwörtern anderer Kulturen parallelisiert werden können. Der Satz „Wer eine sch[limme] Grube gräbt, [fällt] in sie hinein.“ (26, x+21) ist bereits innerägyptisch im pSpiegelberg 11, 22f. nachzuweisen und entspricht gut unserem „Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein.“ Der Spruch „Es geschieht nichts außer dem, was der Gott befiehlt.“ (22, x+25) ist sogar noch zweimal belegt, nämlich pSaqqâra 1 9, 25 und Mythus Leiden 14, 29f. In anderen Fällen ist der Nachweis schwieriger, aber eine Vermutung möglich. Eine Wendung „Bei Nacht gibt es keinen Königssohn.“ (19, x+7) wirkt z.B. wie eine Variante zu unserem Spruch „Bei Nacht sind alle Katzen grau“. Die Weltsicht des Textes ist durchaus praxisorientiert und deutlich auf den eigenen Vorteil bedacht. Gut zeigt sich das in der Aufforderung „Gib deinem Arbeiter ein Brot, empfang (den Wert von) zweien von seinen Armen“ (22, x+19). Das schließt allerdings nicht aus, daß man, eine gesicherte Finanzlage vorausgesetzt, eine gewisse Großzügigkeit gegenüber der Familie oder auch generell den Armen zeigen soll. Dahinter steckt dann der Wunsch, entsprechendes Prestige zu erringen, bzw. die Erkenntnis, daß derartige Aktionen allgemein erwartet werden, so daß ein sozialer Druck besteht. Ausgedrückt wird ein relativ hoher Anspruch in diesem Bereich etwa in der Aussage „Wenn du hundert Männern eine Wohltat erweist und einer davon sie anerkennt, ist kein Teil von ihr verloren gegangen.“ (14, x+9). Quelle potentieller Einkünfte scheint, darin den traditionellen ägyptischen Mustern entsprechend, hauptsächlich Land- und Viehbesitz zu sein.291 Dem entsprechen auch die vielfältigen Sprachbilder aus dem Bereich der Landwirtschaft, die früher irrig dazu geführt haben, den Text als „Bauernweisheit“ abzustempeln. Die Hochschätzung dieses Arbeitsbereiches zeigt etwa die Formulierung „Schöner ist das Gesicht dessen, der über (seinem) Feld niedergesunken ist, als das dessen, der die Zeit in der Stadt verbracht hat“ (9, x+15). Gegenüber dem Beruf des Kaufmanns, der nicht selbst produziert, sondern Zwischengewinne erzielt, sind jedenfalls Vorbehalte erkennbar, wie etwa Proverbs, S. 502-505; ders., Enchoria 32, S. 5-8. Vgl. auch LAZARIDES, in: WIDMER, DEVAUCHELLE (Éds.), Actes Paris, S. 157-171.

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„Mach dir keinen Kaufmann zum Gefährten; er lebt, um sich eine Portion abzuzweigen“ (28, x+4) zeigt. Eine bemerkenswerte Verbindung zur älteren ägyptischen Weisheitstradition zeigt sich im Bereich der Erwerbstätigkeit in dem Spruch „Erzieh deinen Sohn zum Schreiben, zum Pflügen, zum Fischen und zum Vogelfang für ein Jahr, in dem die Überschwemmung ausbleibt, damit er den Profit seiner Tätigkeit findet!“ (17, x+23), der praktisch wörtlich aus der Lehre des Prinzen Hardjedef übernommen ist; Verbindungen zu dieser Passage zeigen sich auch im Ritual zum Eintritt in die Kammer der Finsternis.292 Wie sehr der Weise in diesem Text nicht einfach der zurückgezogene, kontemplativ lebende Mann ist, sondern jemand, der sehr konkret auf seinen eigenen Vorteil bedacht ist, illustriert am besten der zynische Spruch: „Ein Tor, der mit einem Weisen gehen will, ist eine Gans, die mit ihrem Schlachtmesser gehen will“ (22, x+12). Eine solche Haltung, die unumwunden die Schattenseiten der realen Verhältnisse erkennt, ist auch sonst gut greifbar, so in „Wenn du stark bist, wirf deine Dokumente in den Fluß; wenn du schwach bist, wirf sie auch!“ (18, x+6) oder „Wenn man dir für Unkenntnis Rationen gibt, dann mach dir Erziehung zum Abscheu!“ (19, x+25). Eine nicht eben freundliche Art der Menschenkenntnis offenbart auch „Schweigen verbirgt Dummheit“ (23, x+4). Ungeachtet dieser relativ harten Weltsicht wird die Perspektive des Autors doch dadurch gemildert, daß er bestimmte moralische Grundsätze aufstellt. Er kennt Formulierungen der goldenen Regel, so „Tu keinem Menschen etwas Böses an, um es dir von einem anderen antun zu lassen“ (12, x+7) und „Tu keinem anderen an, was du haßt, um es einen anderen dir antun zu lassen!“ (15, x+23). Die Passage: „D[iene dein]em Gott, damit er dich beschirmt! Diene deinen Brüdern, damit dir guter Ruf zuteil wird! Diene einem Weisen, damit er dir dient! Diene demjenigen, der dir dienen wird! Diene jedermann, damit du dich nützlich machst! Diene deinem Vater und deiner Mutter, damit du als Wohltäter giltst!“ (6, x+1-6). 291 292

Vgl. AGUT-LABORDERE, in: BAROIN, MICHEL (Éds.), Richesse et Sociétés, S. 62-64. QUACK, ARG 9, S. 293f.

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zeigt allerdings auch, daß hier nicht rein abstrakte ethische Ideale vorliegen, sondern jeweils eine konkrete Gegenleistung erwartet wird. Man tut also in der Perspektive des Autors das Gute nicht rein um seiner selbst willen, sondern, weil es sich auf lange Sicht für einen selbst als vorteilhaft erweist. Vergleichsweise ungewöhnlich ist die Passage: „[Manch ...] ist bitter zu trinken. [Manch ... ist geeignet,] einen Mann hinauszuwerfen. [Manch] Stock ist geeignet, ihn herbeizuholen. Manche Haft ist geeignet, am Leben zu erhalten. Manche Freilassung ist geeignet zu töten. Mancher spart, ohne (es wieder)zufinden. Sie alle sind in der Hand des Schicksals, des Gottes.“ (26, x+2-x+7).

Sie steht in ihren paradoxen Feststellungen sowie der Betonung der absoluten Macht des Schicksals den Lehrschlüssen des pInsinger nahe und dürfte auch nicht ohne Beeinflussung durch diesen Text entstanden sein. Ein Kontakt zum großen demotischen Weisheitsbuch zeigt sich auch in der Aussage „Besser ist eine Statue aus Stein als ein törichter Sohn.“ (21, x+20), die das Bild des unerzogenen Sohnes als steinerne Statue (pInsinger 8, 22) wieder aufnimmt. Allerdings ist ein Zweifel daran, daß eine Handlung wirklich zur erwarteten Konsequenz führt, innerhalb des Textes eher isoliert. Sonstige Sprüche deuten dagegen darauf hin, daß für den Autor die Ursache-Wirkung-Beziehungen volle Gültigkeit besaßen. Besonders deutlich zeigt sich diese Sicht in der Satzfolge: „Kein Zahn wackelt und sitzt dann wieder fest. Kein Neger entledigt sich (seiner) Haut. Kein Gefährte scheidet allein dahin. Kein Weiser findet Verlust. Kein Tor findet Profit. Es gibt keinen, der den ihm Übergeordneten kränkt, ohne daß er der Gekränkte wäre. Es gibt keinen, der seinen Reisegefährten im Stich läßt, ohne daß der Gott es mit ihm abrechnet. Es gibt keinen, der List anwendet, ohne daß man ihn überlisten würde. Es gibt keinen, der sündigt und dann tugendhaft herauskommt“ (21, x+4-12).

Verschiedene Sprüche widmen sich den zwischenmenschlichen Beziehungen. In einer Sippenbindung kann man selbst stolz auf die Erfolge und

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Rangstellungen der Verwandten sein. Beispielhaft konkretisiert wird dies im Spruch „Wär doch mein Bruder ein Kavallerist; wenn er aufsitzt, würde ich angeben.“ (10, x+11). Allerdings hat das gute Verhältnis gegenüber Blutsverwandten seine Grenzen, wie „Übergib deinen Besitz nicht deinem jüngeren Bruder, so daß er sich dir dadurch gegenüber als älterer Bruder aufspielen könnte!“ (13, x+10) demonstriert. Ein Spruch „Geh nicht zu deinem Bruder, wenn es dir elend geht; du sollst zu deinem Gefährten gehen!“ (16, x+4) zeigt, daß Freundschaft höher als leibliche Verwandtschaft gewertet wurde. Die einzigen Verwandten, die unumwunden positiv dastehen, sind die Eltern. Sehr viel problematischer gestaltet sich die Frage der Beziehungen zu Ehefrauen.293 Die gegenüber der Mutter sehr viel geringere Wertschätzung der Frau äußert sich etwa in: „Eröffne dein Herz nicht deiner Frau; was du ihr gesagt hast, (landet) auf der Straße! Eröffne dein Herz nicht deiner Frau oder deinem Dienstmann! Du sollst es deiner Mutter eröffnen; eine Frau ist ein ...“ (13, x+16-18).

Ungeachtet des lexikalisch unsicheren letzten Wortes ist der Kontrast zwischen Mutter und Gattin unübersehbar. In direktem Anschluß daran findet sich eine weitere Passage, die über mehrere Zeilen zusammenhängt: „Eine Frau kennt ihre Angelegenheit (genau). Eine Frau unterrichten ist wie ein Maß Sand, das an seiner Seite aufgeschlitzt ist. Ihre Ersparnisse sind Diebesgut. Was sie heute mit ihrem Mann treibt, treibt sie morgen mit jemand anderem.“ (13, x+19-22).

Im Lichte des Gesamtzusammenhanges wird dabei auch die erste Zeile nicht etwa positiv zu verstehen sein, sondern eher die geistige Beschränkung der Frau auf ein einziges Interesse (nämlich mutmaßlich den Wunsch nach Sex) zum Ausdruck bringen. Insgesamt erscheinen in diesem Abschnitt die hauptsächlichen Punkte, die immer wieder als negative Stereotype im Text zum Ausdruck kommen: Frauen seien intellektuell unfähig, wirtschaftlich unzuverlässig und erotisch stets auf Befriedigung aus, unabhängig davon, ob es sich um ihren rechtmäßigen Mann handelt oder nicht. Im Lichte des Mißtrauens gegenüber der Kompetenz der Frau zeigt auch „Ein Mann, der keinen 293

Vgl. DIELEMAN, SAK 25, S. 11-22; SOFIA, Philologia Antiqva 4, S. 155-175.

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Besitz hat, dessen Frau ist seine Teilhaberin.“ (18, x+14) eher die Einstellung, wenn man ohnehin nichts habe, könne eine Frau als Teilhaberin auch nichts mehr schief gehen lassen. Das schließt nicht aus, daß der Autor mit der gelegentlichen Existenz von guten Frauen rechnet, wie „Der Segen von Besitz ist eine weise Frau.“ (8, x+22) zeigt. Kehrseite des Bildes von der erotisch allzeit begehrenden Frau sind die an den Mann gerichteten Warnungen davor, sich auf ein Liebesverhältnis mit einer verheirateten Frau einzulassen. Am drastischsten werden die Folgen in „Wer eine Frau liebt, die einen Gatten hat, den tötet man auf ihrer Türschwelle.“ (23, x+7) ausgemalt. An die Frauen ergehen dagegen keinerlei Warnungen und auch keine sonstigen Anweisungen – sie sind offenbar nicht als Rezipienten des Textes vorgesehen. In ein solches eher negatives Bild der Frauen paßt auch die Anweisung „Schicke keine Dirne in deinem Auftrag; sie geht nur zu ihrem eigenen!“ (6, x+12). Bezeichnend ist, wie der Autor sich dem menschlichen Charakter widmet, indem er sein Wesen und seinen Nutzen in einer Folge von vier Aussagen umreißt: „Der Charakter eines Menschen ist seine Familie. Der Charakter eines Menschen ist sein Bündnispartner. Der Charakter eines Menschen ist in seinem Angesicht. Der Charakter eines Menschen ist ein Glied von ihm“ (11, x+11-14).

Gegenüber der Gottheit besteht eine als ganz selbstverständlich angesehene Verpflichtung zum Dienst, so etwa „Säume nicht, deinem Gott zu dienen!“ (7, x+14). Dabei besteht auch die Erwartung, daß dieser für seinen Verehrer sorgen kann, die sich in „Überlaß dein Geschick dem Gott!“ (11, x+23) ausdrückt. Diese Einstellung beruht auf der Erwartung, daß letztlich doch das fromme Verhalten dasjenige ist, das belohnt wird, wie es in negativer Formulierung in „Sage nicht: ‚Der Frevler gegen Gott lebt heute’; auf das Ende sollst du achten!“ (11, x+21) dicht vorher gesagt wird. Wechselwirkung mit der Realität zeigt sich darin, daß gerade der letzte Spruch der Lehre „Ermatte nicht, zum Gott zu rufen; er hat seine Stunde zu

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hören.“ praktisch wörtlich identisch in einer Anrufung an den verstorbenen Buchis-Stier zitiert wird (Ostrakon Bucheum 167, rt. 9f.).294 In der neueren Diskussion wurde die Frage nach möglichen fremden Einflüssen in diesem Text intensiv und kontrovers diskutiert. Auslöser war die Untersuchung durch Miriam Lichtheim.295 Sie erkannte viele enge Berührungspunkte insbesondere zur aramäischen (und später in viele andere Sprachen übersetzten) Lehre des Achiqar, aber auch zu Gnomologien des Hellenismus. Insbesondere zu Achiqar konnte sie acht Fälle aufzeigen, in denen Sätze oder Folgen von Sätzen mit auffällig ähnlichem Inhalt auftreten. Ein gutes Beispiel ist etwa „Kränke den gemeinen Mann nicht! Wenn Kränkung geschieht, geschieht Schlägerei. Wenn Schlägerei geschieht, geschieht Tötung.“ (22, x+21-23). In der syrischen Achiqar-Fassung heißt es „Stehe nicht unter denen, die streiten! Denn aus Auslachen entsteht Streit, und aus Streit entsteht Kampf, und aus Kampf entsteht Tötung.“ Die Verbindung wird dabei dadurch noch evidenter, daß im pBerlin 15658 rt., dessen Duktus darauf hindeutet, daß es sich um das Spruchkorpus zur demotischen Übersetzung des Achiqar handelt, eben die bei Chascheschonqi belegte Formulierung in Resten erhalten ist.296 Ebenso ist die Formulierung „Besser ist ein kleines Vermögen, das zusammengesammelt ist, als ein großes, das zerstreut ist.“ (23, x+9) bei Achiqar fast exakt gleich aufzufinden. Hier halte ich eine Beeinflussung für plausibel, zumal Achiqar nachweislich ins Ägyptische übersetzt wurde. Dabei scheint die Lehre des Chascheschonq von einer Version abhängig gewesen zu sein, die tendenziell mehr den späteren Textversionen als dem reichsaramäischen Papyrus ähnelte.297 Problematischer sind die Beziehungen zu griechischen Gnomologien, die Lichtheim ebenfalls aufführt. Einerseits sind gute wörtliche Übereinstimmungen hier seltener, andererseits handelt es sich meist um international so

294

Bei G. MATTHA, in: R. MOND, O. H. MYERS (Hrsg.), The Bucheum, Volume II. The Inscriptions (London 1934), S. 56 ist das entscheidende Wort wnw.t verlesen worden. Vgl. die Neuübersetzung durch QUACK, in: TUAT NF 7, S. 269f. 295 LICHTHEIM, Late Egyptian Wisdom Literature, S. 13-52. 296 QUACK, in: RYHOLT (Ed.), Acts Copenhagen, S. 340 mit Anm. 74; ders., in: KNOPPERS, LIPSHITS, OEMING (Eds.), Judah and the Judeans in the Achaemenid Age, S. 380; BETRÒ, in: CONTINI, GROTTANELLI (Hrsg.), Il saggio Ahiqar, S. 180.

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verbreitete Ideen, daß der Versuch einer monokausalen Zurückführung auf eine dezidierte (und dann auch noch ägyptenfremde) Quelle wenig aussichtsreich wirkt. Speziell von Walcot wurde vermutet, daß der ägyptische Text von Hesiods „Werke und Tage“ beeinflußt ist.298 Hauptargument dafür war die besondere Betonung des bäuerlichen Elementes. Jedoch fehlt es einerseits an wirklich schlagenden Parallelen in den Formulierungen, andererseits ergeben sich die landwirtschaftlichen Sprachbilder, wie oben dargelegt, aus der sozialen Situation des Lehrempfängers, zudem ist eine Beschäftigung mit der Landwirtschaft in ägyptischen Lehrtexten inzwischen durch die loyalistische Lehre und den Brooklyner Weisheitstext klarer in eine lange Tradition gestellt worden. Den Lehren des Chascheschonqi eng verwandt ist ein noch unpublizierter, etwa spätptolemäischer Papyrus in Berlin (pBerlin 15709 rt).299 5.5. Kleinere und fragmentarische Lehren Den eindeutigsten Fall einer aus einer fremden Sprache ins Ägyptische übernommenen Komposition stellt die Weisheitslehre des Achiqar dar. Von dieser ursprünglich aramäisch abgefaßten Kombination aus Erzählung und Sprüchen sind Reste wenigstens einer demotischen Handschrift erhalten. Davon sind zwei Fragmente der Rahmenhandlung publiziert.300 Mutmaßlich zu dieser Handschrift gehörende weitere Fragmente sowohl von der Erzählung als auch den Sprüchen sind noch unveröffentlicht.301 Die Übersetzung dürfte in die 297

QUACK, in: KNOPPERS, LIPSHITS, OEMING (Eds.), Judah and the Judeans in the Achaemenid Age, 385-388. 298 WALCOT, JNES 21, S. 215-219. 299 Erwähnt von ZAUZICH, in: FRANDSEN (Ed.), The Carlsberg Papyri 3, S. 28. 300 Kairener Fragment abgebildet bei SOBHY, JEA 16, T. VII (D); bearbeitet bei ZAUZICH, in: Folia rara, S. 182f., Abb. 2; Berliner Fragment bei ZAUZICH, in: Folia rara, S. 183f. Abb. 1. Neubearbeitung BETRÒ, in: CONTINI, GROTTANELLI (Hrsg.), Il saggio Ahiqar, S. 177-191; mit übergreifenden Bemerkungen QUACK, in: KNOPPERS, LIPSHITS, OEMING (Eds.), Judah and the Judeans in the Achaemenid Age, 376-385. Zusammengehörigkeit zu einer Handschrift ist möglich, insbesondere sofern die Photographie des Kairener Stückes gegenüber dem Original etwas verkleinert ist. 301 Das substantiellste Stück der Lehrsektion, nämlich pBerlin 15658 rt., ist bei JASNOW, Hieratic Wisdom Text, S. 40 Anm. 62; QUACK, in: Acts Copenhagen, S. 340; ders., in: KNOPPERS, LIPSHITS, OEMING (Eds.), Judah and the Judeans in the Achaemenid Age, S.

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Saiten- oder Perserzeit fallen. Dabei handelt es sich nur um eine von zahlreichen weiteren Übertragungen in fremde Sprachen, so das Syrische (im Grunde eine direkte Weiterentwicklung der aramäischen Version), Arabische, Armenische, Türkische, Rumänische und Slawische; ein Teilbereich ist auch in die griechische Äsop-Vita aufgenommen worden.302 Für letztere besteht einige Wahrscheinlichkeit, daß die Übertragung nicht aus dem Aramäischen erfolgte, sondern über eine demotische Zwischenstufe. Die aramäische Fassung berichtet im Prinzip davon, wie Achiqar, der Ratgeber des assyrischen Königs Sanherib und seines Nachfolgers Assarhaddon, keinen eigenen Sohn hat und deshalb seinen Neffen Nadin an Kindes Statt aufnimmt. Um ihn auf sein Amt vorzubereiten, gibt er ihm zunächst eine Reihe guter Ratschläge, eben das eigentliche Lehrkorpus. Nadin aber schwärzt durch gefälschte Briefe Achiqar beim König an und bewirkt, daß er hingerichtet werden soll. Der Henker Nabusumiskun ist jedoch Achiqar von früher zu Dank verpflichtet und richtet statt seiner einen Sklaven hin, während er den Weisen in der Hoffnung auf bessere Zeiten versteckt. Tatsächlich ergibt sich die Gelegenheit zur Rehabilitation, als der ägyptische König die Assyrer zu einem magischen Wettkampf auffordert. Nur Achiqar ist imstande, ihnen zum Sieg zu verhelfen. Wieder in Amt und Würden eingesetzt, trägt er Nadin eine lange Scheltrede vor, an deren Ende dieser platzt und stirbt. Obgleich die bislang bekannten demotischen Fragmente wenig umfangreich sind und aus sich heraus kein fortlaufendes Verständnis der Handlung ermöglichen, spielen sie insofern eine große Rolle, als die Übersetzung des 378-381 und BETRÒ, in: CONTINI, GROTTANELLI (Hrsg.), Il saggio Ahiqar, S. 179-181 erwähnt. 302 Für die späteren Fassungen ist F. C. CONYBEARE, J. RENDEL HARRIS, A. SMITH LEWIS, The Story of Aḥiḳar (Cambridge2 1913) immer noch als Ganzes nicht ersetzt; vieles jetzt bei CONTINI, GROTTANELLI (Hrsg.), Il saggio Ahiqar; letzte Bearbeitungen der altaramäischen Fassung I. KOTTSIEPER, Die Geschichte und die Sprüche des Weisen Achiqar, in: TUAT III/2 (Gütersloh 1991), S. 320-347; B. PORTEN, A. YARDENI, Textbook of Aramaic Documents from Ancient Egypt 3 (Jerusalem 1993), S. 23-53; NIEHR, Aramäischer Aḥiqar; WEIGL, Aramäische Achiqar-Sprüche; vgl. weiter I. KOTTSIEPER, The Aramaic Tradition: Ahiqar, in: L.G. PERDUE (Ed.), Scribes, Sages, and Seers. The Sage in the Eastern Mediterranean World (Göttingen 2008), S. 109-124; E. BRAIDA, Il Romanzo del saggio Ahiqar: una proposta stemmatica, in: FR. M. FALES, G. F. GRASSI (Eds.), Camsemud 2007. Proceedings of the 13th Italian Meeting of Afro-Asiatic Linguistics Held in Udine, May 21st‒24th, 2007 (Padua 2010), S. 49-64.

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Achiqar das evidente Medium ist, wie manche thematischen, teilweise bis in die Formulierungen gehenden Ähnlichkeiten zwischen Chascheschonqi und der Achiqartradition zustande kommen konnten. Umgekehrt ist allerdings auch schon postuliert worden, daß die ursprüngliche aramäische Achiqarfassung nicht ohne Einflüsse ägyptischer Erzählungen geblieben ist.303 Allerdings geht das bislang geltend gemachte Material nicht darüber hinaus, daß Autobiographien von Beamten in Ägypten üblich, in Assyrien dagegen unbelegt sind,304 sowie auf die reine Tatsache, daß etliche demotische Erzählungen auch die Assyrer erwähnen. Jedoch dürfte schon der Versuch, in diesen Texten Ägypter und Assyrer als Verbündete mit den Nubiern als gemeinsamen Gegnern zu sehen, dem Material kaum gerecht werden, so daß eher Skepsis angebracht ist. Weitere angebliche motivische Ähnlichkeiten zu ägyptischen Texten verschiedenster Zeitstufen bleiben zu unspezifisch, um als Nachweis realer Kontakte zu taugen. Angesichts seiner potentiellen Verbindungen zu den narrativen Passagen der Lehre des Chascheschonqi und des Achiqar sei hier ein fragmentarisches Stück gräko-ägyptischer Literatur auf Papyrus (in einer speziellen Mischung von Prosa und Vers gehalten) genannt, auch wenn es wenigstens in seinen erhaltenen Bereichen keine weisheitlichen Passagen aufweist, sondern rein erzählerisch ist. Im Text geht es darum, daß ein weiser Mann namens Tinouphis (anscheinend ein Prophet), der eigentlich hingerichtet werden sollte, vom Henker versteckt und durch einen Sklaven ersetzt wird.305 Dabei spielt eine Ehebrecherin eine Rolle, außerdem treten Magoas und Sosias auf. Diese Konstellation ist dem aramäischen Achiqar prinzipiell vergleichbar. Der Eigenname des Helden geht dagegen sicher auf ägyptisches Ç#y-nfr zurück, was u.a. auch der Name des Vaters des Chascheschonqi ist. Er eröffnet in jedem Fall die Option, daß es sich um eine Übersetzung bzw. freie Adaption eines

303

DALLEY, in: ABUSCH u.a. (Eds.), Historiography, S. 149-161; BETRÒ, in: CONTINI, GROTTANELLI (Hrsg.), Il saggio Ahiqar, S. 184-187. Kritisch dazu QUACK, in: KNOPPERS, LIPSHITS, OEMING (Eds.), Judah and the Judeans in the Achaemenid Age, S. 383-385. 304 NIEHR, Aramäischer Aḥiqar, S. 12 macht dagegen geltend, in Syrien seien sie belegt. 305 HASLAM, in: Papyri Turner, S. 35-45; STEPHENS, WINKLER, Ancient Greek Novels, S. 400-408; zur Interpretation s. KUSSL, in: HOLZBERG (Hrsg.), Äsop-Roman, S. 23-30.

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ägyptischen Textes handelt, darüber hinaus ist zu beachten, daß auch Chascheschonqi die Situation des in Haft befindlichen Weisen mit Achiqar teilt. Im pLouvre N 2414, der mittelptolemäisch ist und aus dem Bereich des Serapeums von Memphis stammt,306 ist eine Lehre enthalten, die ein Pa-Wer-Djel seinem geliebten Sohn übergeben haben soll. Die Meinungen sind geteilt, ob dies ein (sonst unbelegter) Personenname oder ein Titel ist – letzteres ist im Vergleich zum oBM 50627 (s.u. S. 155) vielleicht vorzuziehen. Im Element @l kann man vielleicht einen Verweis auf die Stadt ç#rw (Sile) erkennen, die in der mittelägyptischen Lehre des Cheti als Herkunftsort der Lehrautorität genannt ist. In den erhaltenen drei Kolumnen befinden sich etliche Parallelen zur Lehre des Chascheschonqi. Mit diesem Text teilt er auch den relativ lose organisierten Aufbau, bei dem nur gelegentlich ein Gedanke über zwei oder mehr Zeilen entwickelt wird. Im Sprachgebrauch finden sich einzelne Archaismen neben sehr jungen Bildungen, die schon Elemente des Spätdemotischen vorwegnehmen. Es ist möglich, daß der Kopist ein in Ägypten gebürtiger Grieche war. Eventuell handelt es sich um ein Exzerpt oder die Zusammenstellung umlaufender Lehrsprüche. Auffällig ist, daß der Text auf einem Papyrus steht, dessen fragmentarischer Anfang zunächst den demotischen Entwurf einer Eingabe an den König enthält. Ein wichtiges Thema des Textes ist, zu seinem Wort zu stehen und nichts anzukündigen, was man doch nicht tut, so bereits bei der ersten, fast identisch bei Chascheschonqi auftretenden Maxime „Wer vor dem Gott etwas verheißt, es aber nicht gibt, der gibt es ihm in seiner Schande“ (1, 2). Von Verleumdung wird mehrfach abgeraten. Den Vorgesetzten soll man nicht verfluchen, ebenso wird generell Bescheidenheit empfohlen. Daneben steht allerdings mehrfach der Rat, Kränkungen nicht ungerächt zu übergehen: „Verzeih keine Kränkung, dann entsteht Respekt und Ehrfurcht!“ (2, 7).

306

VOLTEN, in: Studi Rossellini II, S. 271-280; HUGHES, in: Fs Williams, S. 51-67; letzte Übersetzung THISSEN, TUAT III/2, S. 277-280; HOFFMANN, QUACK, Anthologie, S. 299301 u. 368-369; zur Lehrautorität s. JASNOW, Enchoria 27, S. 202f.; AGUT-LABORDÈRE, Le sage et l’insensé, S. 68-70.

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Die demotische und gräko-ägyptische Literatur

Diese Haltung gilt auch gegenüber der Ehefrau, von der es wenig freundlich heißt: „Verzeih keine Kränkung durch deine Frau; verprügle sie, laß sie ihren Besitz nehmen!“ (2, 8f.). Vor außerehelichen Beziehungen wird auch in diesem Text gewarnt. Ebenso wird der Sohn recht von oben behandelt und ihm auch das Recht auf freie Wahl der Ehefrau abgesprochen „Laß deinen Sohn sich keine Ehefrau nach seinem eigenen Gusto nehmen; vielmehr sollst du ihn nicht ins Unglück stürzen lassen!“ (3, 4f.). Praktische Welterfahrung ist spürbar: „Achte deine Dokumente nicht gering; nur um stark zu sein, sind sie alt geworden.“ (2, 5f.) Die Rolle der Religion ist recht gering, Gott kommt nur im oben zitierten ersten Lehrsatz explizit vor, sowie einmal, wo davor gewarnt wird, einen Vorgesetzten beim Gott zu verfluchen. Ebenfalls aus dem Serapeumsbereich stammt der pLouvre N 2377 vs.307 Die demotischen Maximen (vor allem eine gut erhaltene Kolumne) sind dabei, teilweise über Palimpsestspuren, in den freien Raum zwischen griechischen Texten gesetzt. In seiner losen Aufeinanderfolge von Warnungen und Sprüchen, die sich oft über Assoziationen bzw. ähnliche Satzkonstruktionen verbinden, ähnelt auch er der Lehre des Chascheschonqi. Mit ihr vergleichbar ist auch ein typischer Zynismus, z.B. „Es gibt keine Schönheit bei der Tat dessen, den zu tadeln man nicht imstande ist.“ (x+2, 3). Praktisch-elementar scheinende Weisheit äußert sich etwa im Spruch „Wer seinen Mund füllt und nicht hinunterschlucken kann, der soll ein wenig davon herausnehmen!“308 (x+2, 10). Hier mag allerdings eine tiefergehende allegorische Ausdeutung dahinterstehen. Vor Verbrechen wird aus ganz praktischen Erwägungen gewarnt: „Stiehl gemeinsam mit einem geringen Mann, dann schläft er vor deinen309 Augen mit deiner Frau!“ (x+2, 12). Ebenso wird von gutmütiger Nachsicht abgera-

307

WILLIAMS, in: Fs Hughes, S. 254-266; HOFFMANN, QUACK, Anthologie, S. 301-302 u.369. 308 Zur Übersetzung s. JASNOW, BiOr 44, Sp. 108. 309 So zu emendieren, im Papyrus fälschlich „seinen“. Vgl. DIELEMAN, SAK 25, S. 41, Anm. 98.

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ten: „Verzeih das Verbrechen an einem Bund Stroh, dann wird es zu(m Verbrechen an) einem Ochsen!“ (x+2, 13). Religion erscheint nur zweimal explizit, jeweils in der Aufforderung „er möge zu Re flehen“ (x+2, 8f.), die an Leute gerichtet wird, die glauben, mit Leid oder schwerer Arbeit nicht fertig werden zu können. Aus demselben Fundzusammenhang stammt der schlechter erhaltene pLouvre N 2380 vs.310 Auch hier scheinen eher lose organisierte Sprüche im Stile des Chascheschonqi vorzuliegen; in einem Fall ist sogar eine direkte Parallele zu fassen.311 Noch frühdemotisch ist das Fragment pBerlin 23504, das am ehesten als Weisheitstext einzustufen ist.312 Bestrafende und belohnende Vergeltung durch die Gottheit scheinen angesprochen. Relativ schlecht erhalten sind Lehren, die sich auf dem Verso des römerzeitlichen pAshmolean 1984.77 befinden.313 Anders als die meisten anderen Weisheitshandschriften zeigt er keine stichische Schreibung. Hier spielt die Religion eine recht erhebliche Rolle, schon in den ersten erhaltenen Zeilen erscheint mehrfach die Aufforderung „diene dem Gott“. Wie bei Chascheschonqi findet sich der Spruch „Eins sind die Gedanken des Gottes, ein anderes die Gedanken der Menschen.“ Daneben finden sich viele gute Worte darüber, sich friedlich und freundlich zu verhalten, keinen Streit anderer Leute anzufachen und Familien nicht wegen eines einzelnen Frevlers zu verdammen. Warnungen vor Verfälschung der Meßgeräte finden ihre engste Parallele in der spätneuägyptischen Lehre des Amenemope. Bemerkenswert sind Aufforderungen zum Schutz von Pflanzen und (speziell heiligen) Tieren. Sie be-

310

WILLIAMS, in: Fs Hughes, S. 267-270. JASNOW, Enchoria 11, S. 111. 312 Meine Beschreibung basiert auf einer Photographie, die ich Verena Lepper verdanke. 313 Ediert von JASNOW, Enchoria 18, S. 43-54, T. 9-11. Übersetzung HOFFMANN, QUACK, Anthologie, S. 302-304 u. 369-370. 311

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rühren sich interessanterweise mit Lehren, welche die antike Tradition Pythagoras zuschreibt (Porphyrius, Leben des Pythagoras, § 39).314 Ein Papyrusfragment aus Tebtynis heute in Oxford (Fayum-Box 24, Folder 28) enthält fragmentarische Reste eines Weisheitstextes.315 Ein Satz scheint direkt zur Lehre des Chascheschonqi parallel zu gehen. Kurze isolierte Weisheitssprüche sind auch in die Krugtexte geraten.316 Im Rahmen der Briefform findet sich der Vorwurf „Du hast nicht auf meine Lehren gehört“ (A 14). Weiterhin zitiert der Abschnitt offenbar aus der Lehre des Amenemope (20, 4-6): „Laß nicht dein Herz dich steuern! Schlecht ist die Zunge eines Mannes, die ihn steuert wie das Ruder das Schiff.“ (A 14-15). Schlecht erhaltene Weisheitssprüche finden sich auch auf einem wohl römerzeitlichen Fragment aus der ehemaligen Sammlung Michaelidis (heute pBM EA10862)).317 Die verläßlich lesbaren Bereiche reichen für eine Beurteilung des Inhaltes kaum aus. Ein mutmaßlich zugehöriges Fragment in Kopenhagen (pCarlsberg 895) ist noch unpubliziert. Vermutlich ebenfalls weisheitlicher Natur ist ein kleines Bruchstück der Ptolemäerzeit (pKairo CG 30672).318 Genauere Details sind nicht erkennbar. Ebenso läßt ein Papyrus in Oxford (B 3.6/3 F (TB))319 über die Einstufung als weisheitlich hinaus kaum inhaltliche Details erkennen. Zwei Ostraka aus Deir el-Medina und eines im Louvre (oDém Louvre 598) enthalten Weisheitssprüche. 320 Im oDém. Deir el-Medina 1-1 findet sich eine direkte Parallele zur Lehre des Chascheschonqi. Das oDém. Deir el-Medina 1-2 besteht aus einer Abfolge rein von Verboten. 314

Vgl. QUACK, in: WIDMER, DEVAUCHELLE (Éds.), Actes Paris, S. 288. QUACK, in: Fs El-Aguizy, S. 334-335 u. 343 Abb. 3. 316 SPIEGELBERG, Krugtexte, S. 16f., T. Vf. (Z. 13-15); THISSEN, in: Fs Zauzich, S. 583586. 317 BRESCIANI, Testi demotici, S. 1-4, T. 1; LICHTHEIM, Late Egyptian Wisdom Literature, S. 102f.; QUACK, in: Fs El-Aguizy, S. 339-343 u. 347 Abb. 6. 318 SPIEGELBERG, Demotische Denkmäler II, S. 102f.; AGUT-LABORDÈRE, Le sage et l’insensé, S. 77f. 319 QUACK, in: Fs El-Aguizy, S. 336-338 u. 346 Abb. 4. 320 DEVAUCHELLE, WIDMER, in: KNUF, LEITZ, VON RECKLINGHAUSEN (Hrsg.), Fs Thissen, S. 167-172, Taf. 44-45. 315

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Ein wohl frühptolemäisches Ostrakon aus Saqqara (DO Saqqara 10) enthält zwei direkt zur Lehre des Chascheschonqi parallele Aussagen sowie eine sonst unbezeugte.321 Ein Ostrakon aus Elkab ist nur provisorisch bearbeitet; es enthält eine fast direkte Parallele zu Chascheschonqi 11, 11.322 Auch im Museum Kairo gibt es ein schlecht erhaltenes demotisches Ostrakon (JdÉ 50444), das zweifellos die Abschrift eines Weisheitstextes enthält.323 Aus Deir el-Bahri stammt das römerzeitliche oBM 50627.324 Es zeichnet sich dadurch aus, daß die Lehrautorität (ein Schreiber des Lebenshauses) und der Lehrempfänger (sein sehr kleiner Sohn) bewußt anonym gehalten sind. Das kurze erhaltene Stück beginnt mit Warnungen vor außerehelichem Geschlechtsverkehr und Straßenfrauen (d.h. Dirnen). Jedes neue Thema wird mit der Floskel „dies ist etwas anderes“ eingeleitet. Sinnvollerweise im Zusammenhang hiermit zu erwähnen ist ein ebenfalls aus Deir el-Bahri stammendes griechisch geschriebenes Ostrakon, das eine Lehre enthält, die dem weisen Amenhotep (gr. Amenotes), Sohn des Hapu, zugeschrieben wird.325 Es wird ins 3. Jhd. v. Chr. datiert und ist im Umfeld des lokalen Heiligtums mit seinem Amenhotep-Kult zu verstehen. Die am besten erhaltenen ersten drei Aufforderungen lassen sich mit Sprüchen aus der Tradition der griechischen „Sieben Weisen“ verbinden. Sie lauten „Üb Bedachtsamkeit mit Gerechtigkeit aus! Verehre gleichartig Götter und Eltern! Nimm dir Zeit zum Denken, doch vollende rasch, was du tust!“ Die weiteren Sätze scheinen vor allem in der Tradition des Isokrates zu stehen, allerdings beruhen hier Oikonomides’ Ergänzungen der Lücken bereits erheblich auf dem Postulat solcher Beziehungen, während Totti (ohne Kenntnis der älteren Be321

RAY, Demotic Ostraca, S. 53-55; für die Identifizierung sowie wichtige Verbesserungen in der Lesung s. QUACK, Or 84, S. 113. 322 Erwähnt mit Literatur bei DEVAUCHELLE, in: La sagesse biblique, S. 218 Anm. 2; transliteriert und übersetzt bei JASNOW, BiOr 44, Sp. 108. 323 Die Kenntnis und eine provisorische Abschrift verdanke ich K. Ryholt. 324 WILLIAMS, in: Fs Hughes, S. 270f. noch ohne Kenntnis des heutigen Aufbewahrungsortes; LICHTHEIM, Late Egyptian Wisdom Literature, S. 103f. 325 OIKONOMIDES, Sarapis 5, S. 43-47; LICHTHEIM, Late Egyptian Wisdom Literature, S. 104-106; TOTTI, Ausgewählte Texte, S. 121f.; A. ŁAJTAR, Deir el-Bahari in the Hellenistic and Roman Periods. A Study of an Egyptian Temple based on Greek Sources (Warschau 2006), S. 399-403.

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arbeitung) den Text teilweise gar nicht, teilweise abweichend rekonstruiert. Angesichts seiner frühen Datierung dürfte das Werk eher spezifisch für eine griechische Leserschaft bestimmt sein, doch bleibt unsicher, ob sein Autor ein Grieche war, der seine eigenen Traditionen in die Fremde projizierte, oder ein griechisch gebildeter Ägypter, der griechischen Pilgern im Heiligtum ägyptische Kultur näherbringen wollte, indem er deren Traditionen mit ägyptischer Autorenschaft versah – Letzteres ist wohl näherliegend. Jedenfalls handelt es sich um Aufforderungen, die zwar ihren konkreten Formulierungen nach in griechischer Tradition stehen, inhaltlich aber durchaus auch Parallelen in der spätägyptischen Weisheit finden können. Als griechischsprachiger Text mit starkem ägyptischen Hintergrund ist auch die Inschrift des Sansnos im Tempel von Kalabscha zu erwähnen, die etwa aus dem 2.-3. Jhd. n. Chr. stammt.326 Sie sei hier im vollen Wortlaut gebracht: „Verehre das Göttliche, opfere allen Göttern! Tritt an jedes Heiligtum mit Proskynema heran! Halte am höchsten die Heimischen und verehre Isis und Sarapis, die größten der Götter als Retter, Gute, Wohlgesinnte, Wohltäter!“

Inhaltlich steht dieser Text an der Grenze zwischen einem Weisheitstext, in dem die Aufforderung zur Verehrung der Götter durchaus ihren Platz haben kann, und einem Text der Kultpropaganda, zu dem er durch die Nennung spezifischer Favoriten wird. Ägyptisch ist zunächst der Name des Autors Sansnos (cn-sn.w „die zwei Brüder“) und seines Vaters Pseno[…]327 (P#-Sr|n-.[…] „der Sohn des .[…]); auch die bevorzugten Götter passen dazu. Griechisch ist dagegen die Sprache und die mit ihr einhergehende metrische Form, in diesem Fall ein jambischer Trimeter.

326

BERNAND, Inscriptions métriques, S. 573-576; OIKONOMIDES, Sarapis 5, S. 48-50; TOTTI, Ausgewählte Texte, S. 123. 327 Als denkbare Ergänzungen bieten sich vor allem Psenosiris und Psenoubastis an.

Weisheitstexte

157

Als Photographie veröffentlicht, aber noch nicht bearbeitet, ist ein weisheitliches Fragment in Lille.328 Wenigstens einer der besterhaltenen Sätze scheint mit einer Aussage der Lehre des Chascheschonqi enger verbunden. Wohl ebenfalls ein Weisheitstext, allerdings in etwas ungewöhnlicher Art, ist der römerzeitliche pOxy. inv. 79/103-104 (inzwischen in Berkeley).329 Dort wird jeweils ein mehr bildhaft-konkreter knapper Spruch, der meist als Bedingungssatz gehalten ist, durch Aufforderungen und Verbote ausgedeutet und normalerweise auch in abstraktere Geltung überführt. Die jeweils sektionseinleitenden Sätze sind optisch markiert, indem sie weiter nach außen gerückt sind, während die kommentierende Sektion rechts in der Kolumne stets etwas mehr Platz freiläßt. Als Abschnittsanfang findet sich etwa der Satz „Wenn eine Kuh ihren Schwanz ins Wasser tunkt, …“. Ausgedeutet wird dies mit „Laß eine Frau nicht tun, was sie will; du sollst sie von dir abhängig machen!“. Offenbar wird die Frau als Kuh verstanden, was für uns wenig freundlich scheint, aber in Ägypten nicht mit den heutigen negativen Konnotationen verbunden war, da es dort nicht den Begriff der „dummen Kuh“ gibt, wohl aber Göttinnen wie Hathor oder Neith, die mit Kuhkulten verbunden waren. Dieses Werk erinnert in seiner speziellen Vorgehensweise etwas an die Art der Belehrung, die von antiken Autoren dem Pythagoras zugeschrieben wurde, daß er nämlich in geheimnisvoller und symbolischer Weise Lehren erteilt habe (Porphyrius, Leben des Pythagoras, § 36 u. 41f.). Zusammen mit sonstigen motivischen Übereinstimmungen zwischen den pythagoräischen Akousmata und spätägyptischer Weisheitsliteratur sollte dies ein Anlaß sein, die antiken Traditionen, Pythagoras habe von den ägyptischen Priestern gelernt, wieder etwas ernster zu nehmen. Ebenfalls eher ungewöhnlich ist ein Papyrus der frühen Ptolemäerzeit (pAmherst 43 rt.).330 Es handelt sich um einzelne Sätze, von denen jeder mit „er sagte“ eingeleitet wird. Über den Bezug des „er“ sind bestenfalls Mutmaßun328

DE CENIVAL, CRIPEL 7 (1985), T. 13, mittlere Reihe, Mitte; vgl. QUACK, in: Acts Copenhagen, S. 336 Anm. 44. 329 QUACK, in: WIDMER, DEVAUCHELLE (Éds.), Actes Paris, S. 267-298. Ungeachtet der Inventarnummer stammt das Stück wohl aus Tebtynis. Ein kleines zusätzliches Fragment publiziert in QUACK, in: Fs El-Aguizy, S. 338-339 u. 346 Abb. 5

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Die demotische und gräko-ägyptische Literatur

gen möglich. Der besterhaltene und verständlichste Spruch ist „Auch wenn es dem Menschen möglich wäre, dem Krieg zu entkommen, würde er es mit dem Tod nicht aufnehmen.“ In einzelnen Fällen gibt es Berührungen zu Sprüchen der Lehre des Chascheschonqi. Ganz rätselhaft und noch weitgehend unveröffentlicht ist der „Eseltext“.331 In ihm werden isolierte Aufforderungen typischerweise mit einem Esel zusammengebracht, an dem bestimmte Aktionen erfolgten oder nicht – was dann ausgedeutet wird. Mit einiger Wahrscheinlichkeit handelt es sich um einen Ritualtext gegen Seth, der in nach dem Anfangslaut alphabetisch sortierten Sätzen strukturiert ist, die in wenistens einer Handschrift (pBerlin 8278) auch noch kommentiert werden.332 Insofern handelt es sich nicht um einen Weisheitstext, aber seine Erwähnung an dieser Stelle scheint mir nicht sinnlos, da er früher als solcher aufgefaßt worden ist.

330

QUACK, in: GH. WIDMER, R. JASNOW (Eds.), Festschrift NN, in Druck. Ein Bruchstück wohl TAIT, Papyri from Tebtunis, S. 53-56, Taf. 4 Nr. 15. Auszüge eventuell im Ostrakon Hor 14, s. QUACK, in: BLASIUS, SCHIPPER (Hrsg.), Apokalyptik und Ägypten, S. 248; unveröffentlichte Fragmente befinden sich in Florenz. Vgl. auch pKairo CG 30705, s. S. 174. Eventuell gehört auch das von JASNOW, in: LIPPERT, STADLER, JAKOBEIT (Hrsg.), Gehilfe des Thot, S. 55-60 veröffentllichte Fragment pWien D 13766 zu dieser Komposition; es würde dann eine zweite Handschrift des kommentierten Textes darstellen. 332 F. GAUDARD, Pap. Berlin P, 8278 and Its Fragments: Testimony of the Osiris Khoiak Festival Celebration during the Ptolemaic Period, in: V. LEPPER (Hrsg.), Forschung in der Papyrussammlung. Eine Festgabe für das Neue Museum, ÄOP 1 (Berlin 2012), S. 269286. 331

6. Diskursive und dialogische Texte 6.1. Allgemeines Neben den Weisheitslehren im engeren Sinne, die üblicherweise dadurch gekennzeichnet sind, daß eine Lehrautorität direkt Empfehlungen und Verhaltensvorschriften an einen Lehrempfänger (meist seinen Sohn) richtet, gibt es eine Reihe weiterer Kompositionen, die man zumindest vage einem „weisheitlichen“ Diskurs zuordnen kann. Eine klare Gattungsdefinition fällt nicht leicht, so daß man Gefahr läuft, eine ähnlich schlecht definierte Gruppe wie die mittelägyptische „Spruchliteratur“ zu kreieren. Versuchsweise sollen hier als Kernkomponente solche Texte zusammengestellt werden, bei denen im Dialog wesentliche Fragen des Lebens angeschnitten und durchdacht werden. Da dabei gelegentlich Fabeln als Exemplifikationen auftauchen, sind auch Handschriften hier untergebracht, in denen Fabeln ohne eindeutige dialogische Situierung überliefert sind. Ferner habe ich einen aretalogischen Text, dessen didaktische Zielsetzung explizit ist, mangels klarer Alternativen ebenfalls in diesem Kapitel untergebracht. Die Situierung der spekulativ-diskursiven Texte, über deren reale Rolle in der Kultur bislang kaum etwas bekannt ist, dürfte mit einigen Problemen verbunden sein. Auffällig ist vor allem, daß wenigstens der Mythos vom Sonnenauge und das Ritual zum Eintritt in die Kammer der Finsternis in einer Anzahl von Handschriften erhalten sind, die deutlich über das Maß sonstiger literarischer Überlieferung, ausgenommen allenfalls das große Weisheitsbuch, hinausgeht. Auch wenn diese Texte (insbesondere der Mythos vom Sonnenauge) bislang in der Ägyptologie als Literatur gelesen wurden und deshalb hier auch mit behandelt sind, dürften gegenüber anderen Literaturwerken abweichende Rezeptionen und Verwendungen zu postulieren sein. Situationen, in denen man sich ihren konkreten Einsatz denken kann, sind einerseits „initiatorische“ Prozesse im Tempel, in denen Wissen und Kommentierungsfähigkeit abgefragt wurden, andererseits ein rituelles „Erklären der Schwierigkeiten“ im Anschluß an Feste. Dabei sind auch die Indizien für eine szenische Aufführung zu beachten.

160

Die demotische und gräko-ägyptische Literatur 6.2. Der Mythos vom Sonnenauge

Einer der komplexesten demotischen Texte überhaupt ist der sogenannte Mythos vom Sonnenauge, der in wohl wenigstens 9-10 (teilweise noch unveröffentlichten) demotischen Papyri sowie Fragmenten einer griechischen Übersetzung bezeugt ist.333 Es besteht einige Wahrscheinlichkeit, daß hieroglyphische Fragmente von einer Kapelle der Kuschitenzeit zu einer Frühform dieses Werks oder zumindest einer ähnlichen Komposition gehören.334 Daneben ist auch schon diskutiert worden, ob ein ramessidisches Ostrakon mit einer Erzählung von zwei Schakalen (oDeM 1598 I) Verbindungen zur Fabel von den zwei Schakalen im Mythos vom Sonnenauge aufweist.335 Das Augenmerk der Forschung hat sich bislang vorrangig auf einige darin überlieferte Tierfabeln gerichtet. Tatsächlich sind diese jedoch nur ein kleinerer Teil, welcher der Funktion des Ganzen untergeordnet ist. Im Kern handelt es sich um einen religiösen Text, wobei eine mythologische Grundhandlung mit spekulativer Theologie ausgedeutet und erweitert wurde. Grundgerüst ist ein Mythos, der in der Forschung meist als „Mythos vom Sonnenauge, das in der Ferne war“ u.ä. bezeichnet wird und durch kürzere Erwähnungen und Andeutungen aus vielen Tempeltexten bekannt ist.336 333

Texteditionen pLeiden I 384 SPIEGELBERG, Mythus; DE CENIVAL, Mythe; pLille dém. 31 DE CENIVAL, CRIPEL 7, S. 95-115; dies., CRIPEL 9, S. 55-70; dies., CRIPEL 11, S. 141-44, T. 16; pTebtunis Tait 8 TAIT, Papyri from Tebtunis, S. 35-37, T. 3; griechische Version TOTTI, Ausgewählte Texte, S. 168-182; vgl. THISSEN, in: FISCHER-ELFERT, RICHTER (Hrsg.), Literatur und Religion im Alten Ägypten, S. 126-163; PRADA, in: SCHUBERT (Hg.), Actes du 26e Congrès international de papyrologie, S. 627-634; WEST, in: WHITMARSH, THOMSON (eds.), The Romance between Greece and the East, S. 79-90; SIGNORETTI, in: GAGOS u.a. (eds.), Proceedings of the Twenty-Fifth International Congress of Papyrology, S. 725-732; FEDER, in: TORALLAS TOVAR, MONFERRER-SALA (Eds.), Cultures in Contact S. 3-12. Unveröffentlicht sind u.a. pCarlsberg 249 (gehört mit pLille dém. 31 zusammen), pCarlsberg 484, pCarlsberg 485 + PSI Inv. D 82, pCarlsberg 600 + PSI Inv. D 91, PSI Inv. D 100, PSI Inv. D 101, PSI Inv. D 104 + pCarlsberg 790 und PSI Inv. D 105 + pCarlsberg 208. Übersetzung HOFFMANN, QUACK, Anthologie, S. 195-229 u. 356360. 334 COLLOMBERT, in: Fs Neveu, S. 63-72; VON LIEVEN, in: DEVAUCHELLE, WIDMER (Éds.), Actes du IXe congrès international des études démotiques Paris, S. 173-181. 335 JASNOW, Enchoria 18, S. 209; QUACK, WdO 30, S. 139f.; ablehnend CHR. LEITZ, Auseinandersetzungen zwischen Baba und Thoth, in: H. BEHLMER (Hrsg.), … Quaerentes Scientiam. Festgabe für Wolfhart Westendorf zu seinem 70. Geburtstag überreicht von seinen Schülern (Göttingen 1994), S. 103-117, dort S. 109 Anm. 36. 336 H. JUNKER, Die Onurislegende (Wien 1917).

Diskursive und dialogische Texte

161

Die Tochter des Sonnengottes, Tefnut (die vor allem mit Hathor, aber auch mit den meisten anderen weiblichen Gottheiten gleichgesetzt werden kann), trennt sich aus nicht völlig klaren Gründen von ihrem Vater und zieht nach Nubien. Von dort wird sie zurückgeholt, und zwar in den Tempeltexten vor allem durch ihren Bruder Schu (bzw. dessen lokale Ausprägung Onuris) in Begleitung des Gottes Thot. Mutmaßlich liegt dem Mythus ein natürlicher astronomischer Vorgang zugrunde. Im Allgemeinen wird in der Forschung eine Verbindung mit der Verschiebung der Sonnenbahn angenommen, sehr viel wahrscheinlicher ist jedoch, daß die Unsichtbarkeitsphase des Sirius (Sothis) zugrunde liegt. Dieser sehr helle Stern, der in der ägyptischen Kultur gerne als weibliche Gottheit (vor allem Isis und Hathor) angesehen wurde, ist jedes Jahr für etwa siebzig Tage unsichtbar, ehe er zum ersten Mal in der Morgendämmerung kurz vor Sonnenaufgang erscheint, was als Wiederbegegnung mit dem Sonnengott religiös ausgedeutet wird.337 Die Verbindung der Göttin mit Katzengestalten führt dazu, daß sie im demotischen Text meist als „die nubische Katze“ bezeichnet wird. Daneben erscheint aber, speziell im hinteren Teil des Textes, die Bezeichnung „die Göttin“, welche auch in der griechischen Übersetzung üblich ist. Als Tefnut benannt wird sie nur ganz zu Anfang und zu Ende des Textes dort, wo speziell die Beziehung zu Re wichtig ist. Mit der Rückkehr nach Ägypten wandelt sich ihre Tiergestalt, sie wird zunächst (in Elkab) eine Geierin, danach (in Theben) eine Gazelle. Der Gesprächspartner der Göttin erscheint als „kleiner Hundsaffe“ (Xm n wnS kwf), in der griechischen Übersetzung λυκόλυγξ, was wohl einen speziellen Affen bezeichnet. Mit dem Übergang von Nubien nach Ägypten verwandelt er sich in eine einfache Meerkatze (kwf) (ab 21, 4) bzw. nach dem griechischen Text einen Luchs (λύγξ) (F II, 61). Er vertritt den Gott Thot der Tempelversionen, wird im Text aber nicht mit ihm gleichgesetzt, sondern als dessen Sohn bezeichnet (22, 11-12).338

337

Vgl. J.F. QUACK, A Goddess Rising 10.000 Cubits into the Air ... or only one Cubit, one Finger?, in: J. STEELE, A. IMHAUSEN (Eds.), Under One Sky. Mathematics and Astronomy in the Ancient Near East, AOAT 297 (Münster 2002), 283-294. 338 Für die Tiergestalten vgl. QUACK, in: HERB, RIEMER, FÖRSTER (Eds.), Desert Animals, S. 341-361; PRADA, ZPE 189, S. 111-114.

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Die demotische und gräko-ägyptische Literatur

Der Text ist relativ komplex strukturiert, indem er in Kapitel unterteilt ist, die jeweils einen eigenen Titel haben. Ursprünglich waren sie wohl auch numeriert, dies ist jedoch gerade in der Haupthandschrift, dem pLeiden I 384, nicht mehr gut bewahrt. Die Kapiteltitel sind in der Form „Die kleinen …“ strukturiert, wobei das variable Element Substantive sind, die offenbar geistige Tätigkeiten oder Zustände bezeichnen, sofern sie lexikalisch überhaupt klar sind. Es folgt noch „ihre/seine Stimme ebenso“. Das Personalpronomen bezieht sich dabei auf den jeweils primär sprechenden Protagonisten, also die Katze oder den Affen. Möglicherweise sind diese Stimmvermerke Indizien dafür, daß der Stoff szenisch aufgeführt wurde. Dafür sprechen könnte auch, daß bereits in der Grundschicht des Textes erratische Belege der 1. Person Singular andeuten, daß ein Erzähler die narrativen Bereiche vorträgt und dabei gelegentlich z.B. die Göttin vor dem Publikum als „meine Herrin“ bezeichnet. Die Komposition muß ausgesprochen lang gewesen sein; Parallelen zwischen der Leidener Handschrift und einer noch unpublizierten, mit Seitenzahlen versehenen Handschrift aus Tebtynis deuten darauf hin, daß in der Leidener Handschrift lediglich etwa ein Drittel des ursprünglichen Textes erhalten ist. Vorrangig disputieren die beiden Tiere tiefsinnig über die Welt, nur gelegentlich bringen längere narrative Passagen die Handlung voran. Die Fabeln, welche der Hundsaffe erzählt und anschließend ausdeutet, sind dabei nur eines der Elemente, die als Gesprächsstoff eingebracht werden. Sie stehen auch nicht als einfache Aussageblöcke für sich, sondern sind stets durch vorangehende oder nachfolgende Erörterungen in einen Deutungsrahmen gestellt, der sowohl Wendungen ins Allgemein-Abstrakte wie auch Anwendungen auf die konkrete Situation der beiden Protagonisten enthält. Man wird dem Befund am besten gerecht, wenn man spekulative Theologie als Hauptgegenstand der Unterhaltung bezeichnet. Ein wesentlicher Ansatz ist dabei, Konstellationen auf die Interaktion von Katze und Affe auszudeuten. Teilbereiche des pLeiden I 384 (soweit erhalten, nicht der anderen Handschriften) sind mit einem Textkommentar versehen, der eine weitere Auslegungsschicht hinzufügt. Dabei ist gelegentlich die Technik nachweisbar, komplexe Lautspiele über eine nicht explizit erwähnte Zwischenstufe zu konstituieren. Z.B. wird H#.t-pH „Anfang

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und Ende“ über ein nur gedachtes pH-H#.t „Riegel“ als ôn|.t „Riegel“ ausgedeutet.339 Vom Anfang der Komposition (hierhin gehört pLille dém. 31) sind nur das Inhaltsverzeichnis und geringe Reste der ersten Kolumne erhalten. Die Trennung der Tefnut von ihrem Vater ist dort bereits vollzogen, der kleine Hundsaffe verspricht, sie zurückzuholen. Wo der Papyrus besser erhalten ist, sind die beiden bereits in ein Gespräch vertieft. Die Katze beschreibt zunächst, wie ihre Wohnräume wohleingerichtet sind und all ihre Diener wetteifern, ihr verschiedene Speisen zukommen zu lassen (sozusagen eine verbalisierte Güterprozession), dies geht jedoch in eine Klage über, es würden des öfteren spitze Fischgräten im Futter auftauchen, die in der Kehle stecken bleiben könnten. Obgleich der Affe betont, sie sei eine bedeutende Person, fühlt sich die Katze als allerelendestes und beschimpftes Geschöpf. Der Affe versucht, sein eigenes Schicksal als ähnlich darzustellen und schmeichelt der Katze generell. Diese erörtert das menschliche Geschick in einem Passus voller Bootsmetaphorik: „Der Mensch mit seinem Geschick ist wie ein Boot, das im Fahrtwind [segelt]. Sein Geschick ist wie das sichere Ufer(?) [...] Bestattung. Der Wind zum Kentern(?), dessen Richtung, Farbe und [...] man nicht kennt, [...] Die Änderungen des Windes sind wie die Schicksalsschläge. Der Gott ist wie der Schiffer, der es steuert. Sein Herz ist sein Steuerruder [...] sein [...] wiederum. Wer wohltätig ist in seinem Erfolg, den läßt er an das sichere Ufer kommen. Wer aber grausam ist, der gleitet aus. Sein ... ist sein ... [...] sofort. Der Gott ist der ... der Fähre. Sein Werk ist, täglich zu leiten. Tägliche Leitung besorgt er. Derjenige, dem er zürnt, den wirft er hinaus; derjenige, dem er gnädig ist, den holt er herein.“ (Mythus Lille A 32-37).

Die Katze betont ihre Sehnsucht nach ihrer alten Heimat Ägypten und bittet den Affen, mit ihr dorthin zurückzukehren. Der Affe hebt ihre Furchtbarkeit hervor und wünscht sich, sie würde in ihrer besänftigten Gestalt bleiben. An dieser Stelle bricht der erhaltene Text erst einmal ab. Mutmaßlich kommen die beiden Tiere nur langsam in Gang, da sie sich mehr unterhalten als wirklich weiterzuwandern. Wo der Text mit der Haupthandschrift (pLeiden I 384 rt.) wieder einsetzt, sind zunächst Reste einer Passage erhalten, in 339

Vgl. LIPPERT, Enchoria 27, S. 88-100.

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Die demotische und gräko-ägyptische Literatur

welcher der Affe in theoretischen Formulierungen beschreibt, wie böse Taten, insbesondere Raub, vergolten werden. Es folgt ein praktisches Exempel in Form der Fabel von der Katze und der Geierin. Diese hat Parallelen zu Texten verschiedener Nachbarvölker, im akkadischen Etana-Mythus ebenso wie bei Archilochos und noch bis in die europäische Neuzeit.340 Inhalt ist, daß eine Katze unter einem Baum Junge hat, auf dem eine Geierin ihr Nest hat. Um unbesorgt auf Futtersuche gehen zu können, schließen die beiden Muttertiere einen Pakt, in der Abwesenheit der anderen nicht über deren Junge herzufallen. Aus nicht restlos klaren Motiven fühlt sich die Geierin dann zurückgesetzt (eventuell schnappt ihr ein Katzenjunges etwas weg) und sieht sich berechtigt, den Pakt zu brechen und die Katzenjungen zu verspeisen. Die Katze erbittet vom Sonnengott Vergeltung, die ihr auch zuteil wird. Konkret erscheint ein Dämon, den die Geierin in Gestalt eines Syrers wahrnimmt, der Fleisch brät. Die Geierin raubt dieses, ohne zu bemerken, daß daran noch glühende Kohlen hängen, die ihr Nest in Flammen setzen und ihre Jungen verbrennen. Als praktische Lehre aus diesem Vortrag zieht die nubische Katze in der Rahmenhandlung den Schluß, dem Affen einen Eid zu schwören, ihn nicht zu töten oder töten zu lassen. Der Affe stimmt einen Lobgesang auf den Sonnengott an, der den Tag bei verschiedenen fremden Völkern (in Arabien, Nubien und Kreta) verbringt und doch allzeit in Ägypten ist. Anschließend tadelt er die Katze als unreifes Baby und spricht in änigmatischen Wendungen von einer besonders erfreulichen Sache (oder Speise?), mutmaßlich mit erotischen Obertönen. Er beschwört auch ihre Liebe zu ihrem Bruder Schu. Die Katze reagiert insofern befremdlich, als sie einerseits sehr erfreut ist, ihm andererseits vorwirft, er würde Böses ersinnen, doch will sie mit Gutem vergelten. Im Dialog mit der Katze diskutiert der Affe dann die Macht der Heimatliebe, die an Göttern, Menschen und Zugvögeln demonstriert wird. Er betont auch, es würde keine Beschimpfung für einen Mann darstellen, wenn er mit

340

WILLIAMS, The Phoenix 10, S. 70-77. Für Anspielungen auf diese Fabel im pWien D 12006 4, 17-20 u. 5, 9-12 s. STADLER, Isis, das göttliche Kind und die Weltordnung, S. 65, 69 u. 182-185. Zum akkadischen Text s. zuletzt M. HAUL, Das Etana-Epos. Ein Mythos von der Himmelfahrt des Königs von Kiš, GAAL 1 (Göttingen 2000); zum Vergleich der

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dem Mist verbunden würde, solange er nur in seiner Heimat seinen Lebensunterhalt verdiene. Anschließend wird die Heimat als idealer Ort für Tod und Bestattung zuerst kurz im Stil einer Verklärung angesprochen, dann theoretisch am Beispiel von Krokodilen und Schlangen durchgeführt, die ebenfalls zum Sterben ihren Heimatort aufsuchen würden. Rasch wird das Konzept der Heimat auch auf Pflanzen ausgeweitet, die nur in bestimmten Gegenden gedeihen. Dabei werden speziell der Papyrus als Sumpfpflanze und der Malachit als ebenso grünes Pendant aus dem Gebirge kontrastiert. Beide werden auch theologisch mit dem Konzept der Besänftigung der Gefährlichen Göttin verbunden. Gerade diese Passage ist besonders stark mit Kommentarelementen durchsetzt. „Die Berge grünen mit echtem Malachit, so wie die Papyrusstaude(?), die wächst. – Er vergleicht den Malachit, der ein Stein ist, der im Berg entsteht, mit der Papyrusstaude(?), die im Wasser wächst. ‚Malachit’ aber sagt er zum Stein, den man an das Auge gibt – welches Sachmet und Bastet ist – um es schön zu machen, um es zu besänftigen; welcher der Malachit aus Glasfluß ist, der in den Amuletten des ‚Besänftigens der Sachmet’ verwendet wird, mitsamt dem Papyrusstengel, mit dem man sie friedlich stimmt, bedeutend: ‚Du bist die Herrin des Malachit und des Papyrus.’ Das ist der Papyrusstengel, der in der Hand jeder Göttin ist, bedeutend: ‚Wir, wir sind die Herren der Dokumente’ – welche Papyrusrollen sind – so wie das Mekes-Szepter, welches in der Hand der männlichen Götter ist, in welchem das Protokoll des Landes ist, bedeutend: ‚Wir, wir sind die Herren des Landes.’ Wenn er zu ihm ‚Staude’ sagte, so deshalb, weil es der Name der Flamme ist. So wie die Papyrusstaude, die man abschneidet, wenn sie angewachsen ist, so die Flamme, die man vermindert, wenn sie zu sehr brennt. Wenn er den Malachit und keinen anderen Stein genannt hat, so deshalb, weil der ‚oberägyptische Malachit’ das Ebenbild der Schlange ist. Er ist der Stein, wie die Berge keinen grüneren hervorbringen. Wenn er ‚Papyrus’ genannt hat, so deshalb, weil es nichts Grüneres im Wuchs als ihn gibt, und nichts, was in Ägypten gemeiner wäre. Das ist eine Darlegung, die er für die Göttin macht, bedeutend: ‚Die Berge mit ihren Wundern sind nicht gleichwertig(?) mit der Sache, im Vergleich zu der es nichts Gemeineres in Ägypten, in deinem Land gibt.’ Er sagt aus, daß der Stein

Fassungen HERRMANN, ZPE 172, S. 43-49. Vgl. auch LAZARIDES, in: RUTHERFORD (Ed.), Greco-Egyptian Interactions, 196f.

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Die demotische und gräko-ägyptische Literatur Malachit nicht im Wasser wächst und der Papyrus nicht im Berg.“ (Mythus Leiden 6, 3-21).341

Als nächstes behandelt der Affe die Biene und ihren Stock, der aus Mist und nicht aus Stein gebaut wird – dennoch sei die Biene nicht verächtlich, und die Kuh als Produzent des Mistes sei mit Neith verbunden, diese wiederum wird über ihr Heiligtum Ow.t-b|.t („Haus der Biene“) in Sais mit der Biene kombiniert, wobei auch eine Hieroglyphe beschrieben und allegorisch ausgedeutet wird. Außerdem deutet der Affe den Kater als Sonnengott, die Katze als Auge und Uräusschlange. Mit einer schmeichelnden Bemerkung, wie sehr sie groß, er dagegen gering und furchtsam sei, schließt der Affe seine langen Erörterungen. Die Katze wird dadurch von heftigem Heimweh erfaßt. Zunächst deutet sie den Hundsaffen in Verbindung mit dem Mond aus, der für die Fruchtbarkeit verantwortlich sei. Sich selbst sieht sie als Gebärmutter, gleichzeitig aber auch als die Göttin (Nechbet oder Bastet), die in Gebärnöten angerufen werden solle, nicht etwa Amun. Integriert ist die Beschreibung eines Amulettes mit Geierkopf an einem und Sistrum am anderen Ende. In einem weiteren theologischen Denkmodell sieht die Katze sich und den Affen in Verbindung mit Chronologie und Astronomie, Letzteres in Form eines Sternbildes des bogenschießenden Affen, das man tatsächlich in antiken astrologischen Traktaten nachweisen kann. Dabei wird auch die (real existierende) Möglichkeit angesprochen, das Wort „Jahr“ mit dem Zeichen der Geierin zu schreiben, ebenso wird erläutert, daß es keine männlichen Geier gäbe. Die Konzeption, sich den Sternen als Rudermannschaft des Sonnengottes anzuschließen bzw. am Ritual des „Eintrittes in den Mond“ teilzunehmen (an dem Schu und Tefnut tatsächlich teilhaben), schließt diese Gedanken ab, anschließend beendet die Katze ihre lange Rede mit einigen Mahn- und Lehrsprüchen zum Thema Katze. Offenbar haben die Reden die Katze tief getroffen, jedenfalls bricht sie in heftige Tränen aus. Der Affe fragt sie nach dem Grund ihrer Trauer, führt dann aber detailliert aus, wie in Ägypten alle Leute leiden und sich nach der 341

Vgl. inhaltlich AUFRÈRE, in: Encyclopédie religieuse de l’universe végétal III, S. 125134.

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Wiederkehr der Göttin sehnen. Er betont, wie schön die Präsenz der Göttin mit all ihren Eigenschaften sei. Dann aber schlägt seine Rede um, er nimmt eine bedrohliche Haltung der Katze (wie eine Geierin gegenüber Aas) ihm gegenüber wahr und gerät in Furcht. Er fragt, ob er etwas Verletzendes gesagt habe, bietet sich freiwillig als Opfer an und wünscht, die Katze möge mit ihm friedlich nach Ägypten kommen. Zur Exemplifizierung ihrer beider Situation will er die Fabel von der Freundschaft des Weihs mit der Geierin erzählen. Diese wird jedoch, kaum begonnen, schon abgebrochen, da der Affe eine schreckliche Veränderung der Katze wahrnimmt. Sie verwandelt sich in eine furchterregende, sechs Ellen lange342 Löwin, welche am hellichten Tage Finsternis verursacht. Der Affe gerät in größte Furcht und stimmt ein Loblied auf die Göttin an, dessen Stichworte allesamt Objekte evozieren, die mit der Besänftigung zu tun haben. Er betont, daß kein Gott und keine Göttin ihr seiner Meinung nach gleichkomme. Gleichzeitig bietet er an, wenn er jetzt verschont werde, würde er seinerseits die Göttin aus ihrer Gefahr erretten. Lachend beendet die Katze ihren Zorn. Der Affe erzählt nun die Fabel vom Seh- und Hörvogel.343 Den Ausgangspunkt bildet ein Gespräch von zwei Geierinnen, die als Seherin und Hörerin bezeichnet werden, mit alternativem Namen auch Iirif und Irisnef, wobei Letzteres eine phonetische Schreibung für das Epitheton des Ptah rs|-|nb=f „südlich seiner Mauer“ darstellt, während Ersteres noch ungedeutet ist. Aufgrund ihrer strikten Befolgung von Speiseregeln sind sie in ihren jeweiligen Domänen der Wahrnehmung vollkommen. Dies äußert sich an einem konkreten Beispiel. Nach vorheriger Meldung durch einen anderen Hörvogel können sie anhand eigener Beobachtungen den Verlauf einer „Nahrungskette“ beobachten, in der Schmeißfliege, Gecko, Skink, Schlange, Falke, Meeräsche, Wels, Löwe und Greif aufeinander folgen und jeweils das vorhergehende Tier auffressen. Dies wird als jeweilige Vergeltung aufgefaßt, in der eine Tötung 342

Irrig will STALDER, in: Fs Vittmann, S. 521-538 hier eine sechs Ellen hohe Löwin ansetzen. Tatsächlich gibt Q(#)y im Demotischen stets die längste Dimension des beschriebenen Objekts an (vgl. F. HOFFMANN, BiOr 52 (1995), Sp. 586), was bei Löwinnen zweifelsfrei die Länge ist. 343 Zu ihr s. TAIT, AcOr 37, S. 27-44; MORENZ, Enchoria 24, S. 38-42. Für eine mutmaßliche Anspielung im pWien D 12006 s. STADLER, Isis, das göttliche Kind und die Weltordnung, S. 61 u. 177f.

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mit der anderen bestraft wird, bis hin zum Greifen, der als Werkzeug der Vergeltung und Abbild des Todes selbst keiner Macht unterliegt. Als Sinnbild seiner Macht über die verschiedenen Kategorien von Tieren wird das Aussehen des Greifen geschildert: „Sein Schnabel ist der eines Falken(?), seine Augen sind die eines Menschen, seine Glieder sind die eines Löwen, seine Ohren sind die Schuppen des ...-Fisches des Meeres, sein Schwanz ist der einer Schlange. Die fünf belebten Wesen, die auf [Erden] sind – wenn er sie in dieser Art darstellt, so deshalb, weil er Macht ausübt über alles, was auf Erden ist, wie der Tod, der Vergelter, welcher wiederum der Hirte von allem ist, was jetzt(?) auf Erden ist.“ (Mythus Leiden 15, 2-6).

Der Affe resümiert noch den Kernpunkt der Fabel, daß nämlich vor dem Sonnengott nichts verborgen bliebe und er jede gute und böse Tat vergelte. Der Handschrift nach ergreift jetzt die Katze das Wort, aber tatsächlich kann den verwendeten Suffixen und dem Inhalt nach nur weiter der Affe sprechen. Er betont den nicht abwaschbaren Makel der Blutschuld und findet ihn in den Kleidern symbolisiert, welche die Katze trägt. Man würde die Kleider von Göttern und Menschen mit dem Blut der Mörder markieren, um sie durch das Zeichen der Vergeltung, potentiell selbst nach dem Tod, zu erfreuen. Diese Bemerkung klingt im „naturalistischen“ Rahmen zunächst merkwürdig, da die Katze natürlich keine Kleider trägt, dürfte sich aber auf die roten Gewänder beziehen, welche Gottheiten im Kult erhalten, wobei ihre Darreichung konkret mit dem Erscheinen der feurigen Göttin verbunden wird. Tatsächlich wird in einem Ritualtext auch einmal die rote Farbe des Stoffes mit dem Niedermetzeln von Frevlern verbunden (Urk. VI, 143, 12f.). Passend zu diesem kultischen Kontext preist der Affe die Katze als diejenige, über welche die Vergeltung keine Macht habe und die niemals sterbe. Die Katze versichert ihm, sie würde ihn niemals töten oder töten lassen, da er ihr nichts Böses getan, sondern nur ihr Herz von der Trauer befreit habe. Der Affe beantwortet dies (ohne markierten Sprecherwechsel) noch mit einem Gedicht, das den Aufgang der Sonne im Zusammenhang mit dem Einsetzen der Überschwemmung und dem Erscheinen der Sothis evoziert, also auf die grundsätzliche Konstellation der Fernen Göttin verweist. Nunmehr verspricht der Affe, der Katze den Weg nach Ägypten zu zeigen und den Weg von 120 Tagen (also einem Drittel des Jahres) in vieren (oder dreien, die Lesung ist

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nicht ganz sicher) vollbringen zu lassen. Sofern die Lesung „vier“ richtig ist, würde also genau jede Monatsstrecke an einem Tag zurückgelegt werden. Bevor die beiden sich aber tatsächlich in Bewegung setzen, erzählt der Affe noch die Fabel von den beiden Schakalen. Diese sind eng befreundet und werden einmal von einem jagenden Löwen verfolgt. Statt zu fliehen, bleiben sie ruhig stehen. Als der Löwe nach dem Grund für dieses merkwürdige Verhalten fragt, geben sie an, Flucht sei doch aussichtslos, aber wenn sie sich nicht abmühten, würden sie dem Löwen besser schmecken. Beeindruckt von diesem Verhalten läßt der Löwe sie frei laufen. Statt langer Exegesen erklärt der Affe hier nur kurz, er würde niemals fern von der Katze sein, aber sein eigenes Land mehr als ihre Häuser lieben. Dies wird nicht direkt aufgegriffen, vielmehr geht die Katze zunächst auf das frühere Versprechen des Affen ein, er würde sie erretten. Dies scheint ihr sachlich wenig plausibel. Zur Verdeutlichung trägt der Affe die Fabel vom Löwen und der Maus vor. Diese ist an sich aus mehreren Kulturen, u.a. auch bei Äsop bekannt, im Ägyptischen hat sie jedoch bezeichnende Elemente, die in Griechenland fehlen, und zwar insbesondere einen kritischen Blick auf das Wirken des Menschen gegenüber den Tieren. Dies zeigt sich in der langen einleitenden Passage, die in den Parallelen anderer Kulturen fehlt. Demnach gab es einen starken Löwen, der verschiedenen Tieren begegnete, die alle durch den Menschen gelitten hatten: Dem Panther wurde die Haut abgezogen, Pferd und Esel gemeinsam unter ein Joch gesteckt, ebenso Stier und Kuh, dem Bären hinterlistig Krallen und Reißzähne ausgezogen und schließlich ein anderer Löwe mit der Tatze in einem aufgekeilten Baumstamm gefangen. Der Löwe will sich für diese Taten am Menschen rächen, so sehr ihn auch alle Tiere vor dessen Verschlagenheit warnen. Hier setzt der Kern ein, der auch in den Parallelen bekannt ist: Der Löwe begegnet einer Maus, die er zunächst verspeisen will. Sie weist ihn darauf hin, bei ihrer Kleinheit würde es für ihn doch keinen Unterschied machen, auch wenn er sie leben ließe, zudem verspricht sie, ihn ihrerseits aus Gefahr zu retten. Ohne dies recht ernst zu nehmen, läßt der Löwe sie doch laufen. Doch gerade so tritt es ein. Der Löwe fällt in eine Fallgrube des Jägers und wird gefesselt. Nachts kommt aber die Maus zu ihm, zernagt seine Riemen, und beide gemeinsam fliehen in die Wildnis. Der Affe als Erzähler zieht daraus die Lehre, die Katze solle bei der

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Suche nach Futter darauf achten, daß sie niemals von Strafe ereilt werde. Die Katze ist über ihn begeistert, und gemeinsam brechen sie nach Ägypten auf. Als Schwierigkeit erweist sich nun, daß sie verschiedenen fruchttragenden Bäumen begegnen. Der Affe springt auf jeden, verspeist dort die Früchte und sieht vom Wipfel aus sehnsuchtsvoll auf sein Land. Die Katze lockt ihn jeweils herab, indem sie verspricht, sie würde ihn mit den jeweiligen Produkten der Bäume versehen, d.h. insbesondere, er könne von den Früchten essen, den Saft trinken, mit Salben eingerieben werden und Möbelstücke aus dem Holz erhalten, auch Musik hören, die mit Instrumenten aus diesem Holz erzeugt würde. Der Affe betont jeweils die Liebe zu seiner eigenen Heimat, kommt aber dennoch herab. Ausdrücklich als Überlieferung einer anderen Handschrift eingeführt findet sich nun ein Bericht, die Göttin habe sich in eine Geierin verwandelt und sei mit dem Affen nach Elkab geflogen, was auch als Ätiologie für ihre Gestalt als Geierin, d.h. Nechbet in Elkab, gilt. Nach einem Weiterflug nach Theben verwandelt sie sich in eine Gazelle. Als die beiden dort gegenüber der Stadt übernachten, will eine Rotte des Apopis über sie herfallen. Der Affe bemerkt dies rechtzeitig, weckt die Göttin und flieht mit ihr auf die Fähre, mit der sie sich im Schilf verbergen. Hier erkennt die Göttin die Berechtigung des Versprechens des Affen, er würde sie vor Gefahr retten. Dieses Ereignis wird explizit als Ursache für die aktuellen Festgebräuche in Theben angegeben. Insbesondere der Begrüßungsgesang für die Göttin wird wörtlich zitiert (s.o. S. 117).344 Die Göttin zieht nun in der Gestalt der Tefnut weiter, und die Nachricht von ihrer Ankunft erreicht ihren Vater Re, der ihr voll Freude aus Heliopolis nach Memphis entgegenkommt. Dort wird erneut, diesmal im Tempel der Hathor, Herrin der Sykomore, ein Fest gefeiert, und die Göttin wird nicht müde, die Fähigkeiten des kleinen Hundsaffen anzupreisen. Dieser erweist sich als Sohn des dreimal großen Gottes Thot. Re läßt ihm ein Lotusopfer und große Ehren zuteil werden. Insbesondere wird ein Lobgesang auf ihn verfaßt, der in stichischer Schreibung das letzte erhaltene Element der Handschrift bildet – mutmaßlich fehlt auch nicht mehr viel bis zum Schluß. Inhalt des Gedichtes 344

Vgl. QUACK, in: THIERS (Éd.), Documents de théologies thébaines tardives, 135-146.

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ist ein Preis der (vorwiegend rituellen) Tätigkeiten des Affen vor der Göttin an verschiedenen Orten (s.o. S. 117) sowie möglicherweise noch ein weiterer Hymnus. Es dürfte deutlich sein, daß die Fabeln, die bislang im Zentrum der forscherischen Aufmerksamkeit standen, nur eines unter mehreren möglichen Elementen ist, welche die diskursiven Partien des Textes charakterisieren. Daneben sind gleichwertig auch Dialoge bzw. monologische theoretische Erörterungen möglich. Tatsächlich mündet sogar meist der Vortrag einer Fabel in eine tiefergehende Interpretation. Diese zeigt zum einen, mit welchem Sinn die Fabel zu lesen ist, zum anderen transponiert sie deren konkret-gegenständliche Lehre in abstrakte Regeln. Gerade dieser Ansatz ist geistesgeschichtlich von besonderem Interesse, da ägyptische Weisheit traditionell in konkreten Fallbeispielen operiert, nicht mit allgemeingültigen Regeln. Beachtlich ist, wie der lange Text immer wieder Kohärenz erreicht, indem Motive früherer Passagen später wieder aufgegriffen werden. Dabei können verschiedene Phänomene auftreten. Einerseits wird etwa die Beschreibung der Katze, wie ihre Kultdiener und Tempelbeschäftigten für sie sorgen (Lille B 44-A 6), wieder aufgegriffen, wenn der Affe deren Auftreten seinerseits schildert (Leiden 13, 8-10). Das Versprechen des Affen, die Göttin zu erretten (Leiden 13, 16-19), erfüllt sich beim Angriff des Apopis tatsächlich (Leiden 21, 10-16). Gleichzeitig ist, indem die Katze ihn nach der Möglichkeit eines solchen Versprechens fragt, die er dann in der Fabel vom Löwen und der Maus exemplifiziert, eine Verklammerung erreicht, die klarer macht, daß auch die Fabeln von den Geiern und vom Löwen und den Schakalen mit ihrer Lehre, Stärke gegenüber anderen nicht zu mißbrauchen, im Textganzen auf das Verhältnis der beiden Protagonisten anzuwenden sind. Umgekehrt kommt das Motiv der Liebe des Affen zu seinem südlichen Heimatland, das schon vor der Fabel vom Löwen und der Maus erwähnt worden war (Leiden 16, 31f.), erst wirklich zur Geltung, als die beiden nach dem Ende der Fabel aufbrechen und den Bäumen begegnen (Leiden 19, 24-21, 2). Andererseits können Formulierungen auch gewendet wieder auftauchen. So heißt es zunächst „Wer Hunger hat, der verläßt seine Stadt; wer dagegen gesättigt ist, der bleibt in ihr.“ (Mythus Lille A 38), dagegen später gerade gegenteilig „Denn wer Hunger hat, der sucht seine Heimat, und wer satt ist,

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verachtet sie nicht.“ (Mythus Leiden 8, 1). Ägyptisch unterscheiden sich die Formulierungen des ersten Teils nur in einem Konsonanten, der als Labiallaut auch noch jeweils ähnlich klingt (bS versus wX#, das in der Römerzeit als wS gesprochen wurde). Bemerkenswerterweise sind beide Aussagen aber im jeweiligen Argumentationszusammenhang schlüssig, so gegenteilig sie auch klingen. Dessen ungeachtet zeigen einige Details doch deutlich den Redaktionsprozeß, der mutmaßlich zu ständigen Erweiterungen und Umarbeitungen des Textes geführt hat. Schon die Angabe von Variantenlesarten verschiedener Vorlagenhandschriften zeigt die konkrete Arbeit am Text. Noch viel deutlicher wird dies in der Geierfabel, deren teilweise kaum klar nachvollziehbare Details, insbesondere bei der Beschreibung der Nahrungskette, danach wirken, als seien zwei verschiedene Fassungen ohne ausreichende Sorgfalt ineinandergearbeitet. Hier zu erwähnen ist, daß nach der Angabe bei Diogenes Laertios VIII, 89, der auf Eratosthenes beruht, der griechische Gelehrte Eudoxos „Hundedialoge“ abgefaßt bzw. nach Meinung anderer Autoren von Ägyptern in ihrer Sprache abgefaßte Dialoge ins Griechische übersetzt habe. Dabei hat man in der Forschung bereits an den Mythos vom Sonnenauge gedacht, von dem ja realiter eine griechische Übersetzung existiert.345 Unabhängig davon, ob diese These zutrifft, dürfte es sich bei dem betreffenden Werk um eine Komposition in der Art der in diesem Abschnitt behandelten dialogisch-diskursiven Texte gehandelt haben. 6.3. Das Ritual zum Eintritt in die Kammer der Finsternis Ebenfalls ein vorrangig dialogischer Text ist das Ritual zum Eintritt in die Kammer der Finsternis, das in der Erstedition eher unglücklich als Thotbuch bezeichnet wurde,346 sogar in höherem Maße als der Mythus vom Sonnenau345

VON BISSING, Forschungen und Fortschritte 25, S. 225-230; abweichend GRIFFITHS, The Classical Quarterly NS 15, S. 75-78, der m.E. wenig plausibel an die Auseinandersetzung zwischen Thot und Baba im pJumilhac denkt. 346 JASNOW, ZAUZICH, The Ancient Egyptian Book of Thot; dazu QUACK, SAK 36, S. 249295; ders., ARG 9, S. 259-294; HOFFMANN, BiOr 65, Sp. 86-92. Neue englische Übersetzung JASNOW/ZAUZICH, Conversations in the House of Life; dazu Rezension QUACK, En-

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ge, da eine eigentliche Rahmenhandlung wohl gar nicht vorgesehen war. Es handelt sich um ein Gespräch zwischen einer Person, die als „Weisheitsliebender“ (mr+-rX) bezeichnet wird, und seinem Mentor und Examinator, der als Xr=f n Hsr.t („so sagt er, nämlich Heseret“) oder Xr=f n Hs-rX („so sagt er, der das Wissen lobt“) bezeichnet wird. Daneben kommen noch einige andere Gestalten als Abfrager vor, insbesondere ein „Öffner auf seiner Standarte“ (wp+ ôp-#.t=f), aber auch ein „Er hat die Seelen gefangen“ (grg=f-n#-b.w). Gegen die Erstedition sind diese Gestalten nicht einfach als der Gott Thot zu identifizieren, sondern werden in Ausdrücken der sozialen Unterordnung ihm gegenüber präsentiert bzw. reden in der 3. Person von ihm. Möglicherweise ist die Situation im pr-onX während spezieller Anlässe (z.B. Feste) gedacht. Das Werk ist in etwa 25-30 Papyri überliefert, war somit ein fundamental wichtiger Text in den späten Tempeln. Darunter befindet sich auch eine sprachlich ebenfalls demotische, jedoch hieratisch geschriebene Handschrift. Im Vordergrund steht der immer wieder hervorgehobene Wert des Wissens und die Intention, den Leser mit nützlichem schreiberkundlichem, gelehrtem und theologischem Wissen zu versehen. Dabei wird auch mit bildlich-übertragener Symbolik gearbeitet, wenn etwa eine Amme auftritt, an deren Brüsten der Weisheitsliebende saugen will, um mit der Sprache ernährt zu werden. Die Art des Gesprächs, das nach einem Initiationsverhör wirkt, sowie auch die harten Prüfungen, die auf sich zu nehmen der Kandidat bereit ist, sprechen dafür, den Text insgesamt als Begleittext zu einer Initiation in die Schreibkunst bzw. wohl spezieller geheimes Sonderwissen anzusehen. Die Komposition ist in (relativ langen) Versen strukturiert und in der Mehrzahl der Zeugen auch durch stichische Schreibung äußerlich klar gegliedert. Die choria in Druck; neue deutsche Übersetzung QUACK, TUAT NF 9, in Druck. Vgl. auch STADLER, Einführung, S. 177-187; JASNOW, in: RUTHERFORD (Ed.), Greco-Egyptian Interactions, S. 317-356; E.P. BUTLER, Opening the Way of Writing: Semiotic Metaphysics in the Book of Thot, in: A.D.DECONICK, G. SHAW, J.D. TURNER (Eds.), Practicing Gnosis. Ritual, Magic, Theurgy and Liturgy in Nag Hammadi, Manichaean and Other Ancient Literature. Essays in Honor of Birger A. Pearson, Nag Hammadi and Manichean Studies 85, Leiden/Boston 2013, S. 215-247; R.G.G. PEREIRA, Some remarks on the Book of Thoth concerning Seshat, Shai and the "invention" of the hermetic Agathos Daimon, in T. LEKOV, E. BUZOV (Eds.), Cult and belief in ancient Egypt: proceedings of the Fourth International Congress for Young Egyptologists, 25-27 September 2012, Sofia (Sofia 2014), S. 49-55; LAISNEY, Or 83, S. 82-88.

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Sprache ist nicht nur bildhaft, sondern auch nur mit großen Einschränkungen als Demotisch zu bezeichnen. Tatsächlich tauchen allenthalben Formen und Lexeme auf, die eher dem Klassisch-Ägyptischen oder allenfalls Neuägyptischen zuzurechnen sind. Man kann überlegen, ob bewußter Archaismus vorliegt, eine erhebliche Verwendung älterer Quellen oder eine inkonsequente Übersetzung einer generell älteren Vorlage. Mutmaßlich ist auf einem der Fragmente der Beginn des Textes erhalten, nämlich „[Die Wort]e, die einen Jüngling lernen lassen und einen Sohn des Wn-|m# zum Fragen bringen. / [...] Schutz, Priester des Osiris Neferhotep, des großen Gottes, ... / [...] seinen Leib darbringen dem Neb-Hetep, ... der Seschat in [all ihren] Namen, / [...] der ‚Löserin der beiden Hörner’, Vorschrift zum Eintreten in die Kammer der Finsternis.“ Dabei ist Osiris Neferhotep mutmaßlich als vergöttlichter Weiser zu verstehen. Eine weitere, wohl ähnlich zu bewertende Gestalt ist ein dem Lebenshaus Zugehöriger namens Nebhetep, als dessen Gehilfe der Kandidat gelegentlich bezeichnet wird; ferner wird später im Text auch ein Nebwenenef erwähnt, bei dem es sich kaum um jemand anderen als den Wesir Ramses’ II. handeln kann. Die „Kammer der Finsternis“ spielt immer wieder eine Rolle im Text. Offenbar erwacht der Kandidat zunächst in bzw. vor ihr. Vom Examinator wird er gleich nach seiner Identität befragt und erwidert: „Ich, der Weisheitsliebende, bin es, den er gebunden hat; die Sprachkunst des Ibis ist es, die mich gebunden hat, um [mich] abzutasten“. Der Fragesteller warnt den Kandidaten zunächst vor einem leichtfertigen Betreten und zeigt ihm die Risiken auf. „Wenn du wie Myrrhe duftest, dann tritt nicht in das Lebenshaus! Geile Stiere sind es, die in [ihm] sind. / Gibt es für dich eine Frau? Hast du Töchter? Dann gib acht! / [...] dich; oder ist es ein Vater, der dich ausgeschickt hat? Die Lehre des Knaben(?) ist es, die es wert ist, dich zu mustern“. Hierauf antwortet der Kandidat und erklärt seine Bereitschaft, Entbehrungen auf sich zu nehmen: „Ich kenne die Tabus, die in der Kammer der Finsternis herrschen, ich bin gekommen frei von ihnen. Ich habe mir den Wein zum Abscheu gemacht, ich habe den Duft von Myrrhe vergessen. Siehe, meine Kleider sind zerlumpt, ich bin begierig!“

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So-sagt-er,-der-das-Wissen-lobt sagte: „Die Ibisse, die hier sind, ihre Nahrung ist mühselig, ihr Leben ist problematisch. Sie sättigen sich nicht an Brot, sie betrinken sich nicht mit Wein, sie salben sich nicht mit Salböl. Ihr Tabu ist, den Namen des Beilagers zu nennen. Pfeildämonen(?) sind es, die an ihrem Mund bleiben, und Schlangen auf ihren Lippen. Ihre Opfergaben sind Hunde, ihre Nahrung Esel, ihre Früchte die Reptilien. Wirst du leben können mit denen, die in ihren Erdlöchern sind? Was ist ihre Art, ihnen zu dienen?“ Der Weisheitsliebende sagte: „Ich werde ihre Schreibnäpfe waschen, ich werde die Kapitel/Schreibtafeln ..., ich werde den Staub der Kästen entfernen. Ich werde die Reste auffüllen, ich werde die Fackel anzünden, ich werde Holzkohle bereitstellen für die Tempelhäuser. Ich werde die Steine brechen(?), ich werde die Kästen umarmen, ich werde [...] erzeugen. Ich werde die Kästen(?) empfangen, ich werde auf die Stimme herbeieilen, ich werde [die Türen(?)] öffnen. Ich werde die Schriftrollen auf dem Weg hinter ihnen tragen, ich werde [...]“ So-sagt-er,-der-das-Wissen-lobt sagte: „Hast du einen Traum? Sieh sie, die Kammer der Fin[sternis! Ich werde dein] Schiffer [sein].“

Hiernach ist der Text zunächst einmal für einen nicht genau abschätzbaren Bereich verloren (bzw. allenfalls unplazierbare Kleinfragmente erhalten). Wo schließlich wieder ein verständlicher und kontinuierlicher Zusammenhang einsetzt, erhält der Kandidat Ermahnungen für sein Verhalten, insbesondere aber eine Ermunterung zum Lernen. Dabei changiert der Text auch zwischen dem konkreten Fangen von Vögeln und Fischen und einem abstrakten Erjagen des Wissens, was zweifellos dadurch befördert wird, daß in einer religiösen Tradition Thot wesentlich beim Vogelfang beteiligt ist. Die wichtigen Bücher werden hier und immer wieder im Text als „Seelen des Re“ bezeichnet. Die Jagdmetaphorik scheint sich in einer schlecht erhaltenen Passage noch weiter fortzusetzen. Sie eröffnet übrigens ganz neue und bislang nie erahnte Optionen, wie man die Darstellungen von Vogel- und Fischfang in den ägyptischen Gräbern verstehen kann bzw. die Ägypter in der Spätzeit sie ausgedeutet haben könnten. In einer faszinierenden, aber auch philologisch schwierigen Passage wird die Frage nach dem Wissen von Tieren gestellt, denen der Schöpfergott Intelligenz gegeben hat.

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Die demotische und gräko-ägyptische Literatur „So-sagt-er,-der-das-Wissen-lobt sagte: „Leitest du den an, der zu handeln versteht, oder ist es eine Belehrung des Weisen, die man vornimmt? Ist es der Vater, der seinem Sohn Gestalt gibt, oder der Zwang des Stockes, oder ist es der Schulmeister, der ihn belehrt? Schmerz für Herz und Zunge ist, was einen Kundigen erzeugt. Das Feld, das seine Erzeugnisse hervorbringt, die ein Bassin(?) erzeugen wird, ist es ein Sprießen(?) des Saatgutes, das es(?) ihm erzeugt? Was für eine Vorbereitung(?) ist es, die ein Starker einsetzen(?) kann? Was sind die Netze, die Fallen aus echtem Lapislazuli? Ist es ein Vater, der sie anleitet, oder ist es ein Weiser, der unterrichtet? Die Wildtiere und die Vögel, ihnen wird eine Lehre zuteil; was für ein Kapitel ist es, das sie gelesen haben? Das Wild, das auf den Bergen ist, hat es keine Anleitung? Das Kapitel und das Schreibgerät sind der Fall, der darüber Macht gewonnen hat.“

Nach einigen schwer verständlichen Versen geht es offenbar zur Fürsorge für die Schreiberschüler sowie deren günstigem Geschick über. Es wird noch weiter ausgemalt, wie Thot (als „Herz des Re“ bezeichnet) für sie sorgt. Eine ausführliche Exhortation zur Lehre schließt sich an. Hier geht es auch um Erleuchtung im wörtlichen (und übertragenen) Sinne. Dabei wird eine Progression des Kandidaten in Form einer Schiffahrt ausgemalt. Sein Ziel ist u.a., die Sternbilder bei Nacht zu lernen und Kontrolle über seinen Körper zu gewinnen. Dabei wird er auch mit einer Reihe heiliger Schriften bekannt. Hier bittet der Kandidat um Information, um an den Brüsten der Amme saugen zu können, welche die Sprachen nährt. Er erhält die Anweisung, zu Jahresbeginn am Portal zu flehen und ihr die Portale seines Herzens zu eröffnen, dann würde sie in seinem Magen Platz nehmen. Die kleine Zahl von nur 120 Anrufungen, die dafür nötig seien, wird damit kontrastiert, wie der Schakal 7077mal zu ihr gerufen habe, ohne daß sie gekommen sei. Auf eine weitere Frage, was Schreiben sei, erfolgt eine sehr poetische Antwort, die offenbar die Feldbestellung metaphorisch für die geistige Tätigkeit des Intellektuellen nimmt. Weitere Bilder beschreiben die Schrift als ein Meer mit (Schreib)binsen am Ufer, in dem der Schüler schwimmen soll. Es folgt eine Behandlung der sieben Binsen, die dem Pflug ähneln in den sieben Feldern dessen, der die beiden Länder kennt (d.h. Thot). Die betreffenden sakralen Lokalitäten werden genau beschrieben, wobei eine Analogie zwischen dem

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Schreiben und der Feldbestellung gezogen wird. Zudem wird der Kandidat über die korrekte Haltung des Schreibgeräts belehrt. Nachdem der Schüler seinen Wunsch zum Lernen geäußert hat, gibt ihm der Lehrer zunächst kurz Anweisungen im Stile von Weisheitslehren. Der Kandidat reagiert darauf mit einer Dankesrede, in der er die (sozialen) Vorteile betont, die er der guten Erziehung verdankt. Er betont, wie sehr er dem Lehrer danken will, und zwar spezifisch in Memphis beim Fest des Imhotep vor Osiris Neferhotep. Auch für sich selbst hat er Wünsche: „Nachdem ich ein Kind gewesen bin, möge mein Name dauern, möge ich unter die Kundigen eintreten! Möge man mich auf den Weg der Seelen des Re geben, die Weisen der ersten Urzeit! Ich habe mich mit Wissen vollgerafft, ich habe mich als Monument versammelt, und ich bin eins geworden mit den Gehilfen! Ich habe die Aktion des ... des Nennens meines Namens in der Finsternis gemacht, während ich mit den Seelen kämpfte. Möge man mir die Wege des Gehens zum Per-anch öffnen, so daß ich mich vor Seschat auf meinen Bauch werfe! Möge man mir den Weg des Wandelns öffnen, möge ich den Pfad mit meinen Sohlen beschreiten! Ich habe die Beliebtheit des großen Gottes, des Herrn der Heden-Pflanze erblickt, ich habe die Anbetungen dessen nachgeahmt, der vorne Schwingen hat. Ich habe den Ibis auf seinem Kraut erblickt, der das Land mit seinen Klauen geordnet hat. Ich habe den Pavian gesehen, der mit der Schlange vereint ist, der das Land mit seiner Setzwaage gerichtet hat. Ich habe die Vogelfalle der Majestät des Isden gesehen, ich habe die Geheimnisse des Thot gepriesen.“

Der Meister erwidert darauf mit der Darlegung, Meister der Seelen des Re sei ein Ibis. Er habe zehn oberägyptische sowie neun unterägyptische Geierinnen (letztere mit ihren Jungen) erschaffen, und sowohl er als auch die Geierinnen würden der Lehre und den Seelen des Re huldigen. Er verstand die Sprache der Paviane, der Ibisse und der Hunde. Der Kandidat setzt diese Beschreibung in ähnlichem Stil fort und bemerkt u.a. noch, er habe die Gedanken des Esels geschaffen. Ein neuer Gesprächspartner namens „er hat die Gedanken geschaffen“ bietet bemerkenswerte Informationen über Tiere, anscheinend in Verbindung mit Architektur des pr-onX und teilweise auch Sternen. Leider ist diese Sektion relativ schlecht erhalten. An dieser Stelle tritt

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eine neue Gestalt namens wpy-ôp-#.t=f „der Öffner auf seiner Standarte“ auf. Er befragt den Kandidaten zunächst, wie er so weit gekommen sei und wer ihn eingelassen habe. Statt materieller Geschenke wird ein lauteres Herz als wichtig angesehen. „Der Öffner auf seiner Standarte sagte: „Du hast dein Leben ins Gleichgewicht gebracht, du hast deinen Platz erklommen; deine ganze Gestalt, möge man mich sie kennenlernen lassen!“ Der Weisheitsliebende sagte: „Denken, Beschirmen, Erwägen, Erziehen, Beraten, sich auf die Wahrheit Verlassen.“ Der Öffner auf seiner Standarte sagte: „Komm, dann erziehe ich dich, bevor du gequält wirst, bevor du in die Hürde(?) eintrittst.“

Die Beschreibung der körperlichen und geistigen Befindlichkeit des Kandidaten scheint sich in einigen schlecht erhaltenen Versen noch fortzusetzen. Bemerkenswert ist, wie dabei von Eingeweiden die Rede ist, welche den Gliedern Fett geben. Als Antwort darauf, ob die Lehre eines Vaters oder das Werk des Wissenden der beiden Länder ihn initiiert habe, gibt der Kandidat an, ihn hätten die Netze der Schentait gefangen und das Fangnetz der Seschat erjagt. Er betont, wie der Geschmack der Rezepte der Schrift alles übertrifft, die Würzkraft des Salzes ebenso wie sexuelle Höhepunkte. Anschließend wird vom Kandidaten beschrieben, wie verschiedene Tiere ihm Objekte gaben, die primär aus dem Schreiberbereich stammen, aber von ihnen als Ausrüstung des Fischers ausgedeutet werden. Der Text setzt sich mit einem Oszillieren zwischen Jagd- und Schifffahrtsbegrifflichkeit und Lernen fort. Dabei gibt der Sprecher auch an, er habe zwanzig Jahre beim Segeln auf den Teichen verbracht. Dann erreicht er ein Portal, wo sich anscheinend ein Block aus Türkis befindet. Der Öffner auf seiner Standarte fragt den Kandidaten sehr detailliert aus, so muß er seine Kenntnis einer Reihe von schutzbringenden Gestalten nachweisen. Am Eingang zum pr-onX scheint sich auch eine Geierin zu befinden. Nunmehr kann der Kandidat eintreten und berichtet davon: „Ich enthüllte ein geschütztes Meer, dessen Umkreis mit Türkis bewachsen war, wobei 9 Barken auf ihm auf- und abfuhren, wobei ihre „Seelen“ (d.h. Bücher) ihr Fundament waren, ihre Binsen neue Worte hervorbrachten, ihre Wärterinnen und Ammen Ichneumone(?) waren.

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Ich nahm eine Lampe in meine Hand, um das Innere des Platzes vor ihr(?) zu erkennen. Ich gelangte in sein Inneres, ich erreichte einen Speicher des Lebens, der schwamm(?), ohne daß er sich auflöste(?). Ich fand sechs Ruderer, die dasaßen, indem sie vereint waren, indem sie in einer Redeweise priesen, indem sie die Herzen vereinten mit denen von Ober- und Unterägypten zu den Ländern, welches ihre Herrin ist. Siehe, sie haben keinen Feind, sie verbergen sich nicht, während sie eine krankhafte Fundierung niedertreten(?), während sie einen Leidenden heilen, für den es kein Buch gibt, indem sie Sünden mit ihren Aussprüchen abwischen, indem sie einen Mann vor seinem Schicksal retten, während sein Tod hinter ihm dasteht.“

Hier haben wir also eine Gruppe, welche körperliche Leiden ebenso wie Sünden heilen kann.347 Es wird betont, wie die Reden dieser Gestalten schwierig seien, aber sie selbst die Lösung bieten würden. Der Kandidat dringt offenbar weiter im Per-anch vor und tritt auch in Kontakt mit verschiedenen Tieren, wobei auch das Stichwort der „Geierin“ auftaucht, das dazu geführt hat, daß dieser Bereich des Textes in der Erstedition als „Geiertext“ speziell kategorisiert wurde, er läßt sich jedoch ohne eine ganz verlorene Zeile nahtlos an den Rest der Komposition anbinden. Tatsächlich geht es am Anfang zunächst generell um den Kontakt des Kandidaten zu verschiedenen Tieren, wobei der Kandidat wünscht, die Götter des Per-anch zu verehren. Er wird daraufhin gefragt, ob er die verschiedenen, einzeln aufgeführten Tiere gesehen habe. Der Kandidat bejaht dies, wieder mit einer detaillierten Aufzählung, bei der auch Ritualhandlungen wie die Vernichtung des roten Nilpferdes angesprochen werden. Ein starker Bezug auf das Königtum und die Kronen ist wahrnehmbar. Für das Per-anch werden 42 Hügel definiert, auf denen ebenso viele Geierinnen geboren haben. Der Kandidat beansprucht, Wissen über sie zu haben und führt dies auf eine Frage hin auch aus: Nunmehr werden in geographischer Abfolge von Süden nach Norden für jeden Gau Ägyptens eine Geierin mit ihren Jungen in typischer Pose beschrieben, die jeweils eine Anspielung auf Spezifika des betreffenden Gaues ent347

QUACK, in: EGO, MITTMANN (Hrsg.), Evil and Death, S. 400f.

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hält. Am Versende gibt es auch eine explizite Auflösung, welche angibt „das ist Gau X“. Leider sind die meisten Verse schlecht erhalten. Im Anschluß daran gibt es einen Vermerk: „Der König, der älteste Bruder der Schentait, und(?) Seschat, das sind die Geierin und ihr Junges. Die Brust des Wissens, welche die Wissenden säugt, ist es, die bei ihnen als Amme ist. Das Tier, das zuerst Wissen erlangt hat, der Esel, ist es, der den Weg vor ihm leitet. Der wissende Ibis, der die Alten ausgeschickt hat, ist es, welcher der Größte der Großen ist. Er ist es gewißlich, der seinem Vater und seiner Mutter – Variante: Vorvater – prophezeit hat, indem er .[..].“

Neue, noch unpublizierte Textfunde führen dazu, daß mit einiger Wahrscheinlichkeit das absolute Ende der Komposition identifiziert werden kann. Vermutlich wird hier (in einer Rede des Kandidaten) zunächst noch einmal das Werk des Thot thematisiert, wobei Wortspiele eine wichtige Rolle einnehmen: Kämpf für ihn voran! Wer es liebt zu kämpfen, zu dem wird er kommen. Das Recht auf dem Haus dessen, der auf dem Thron sitzt – wer es liebt, der wird es bezaubern. Als er Leben schuf unter dem Kopf des Menschen, da machte er es im Hinblick auf Wasser und die Reste(?). Als er „Gefilde“ als Namen des Feldes nannte, da sagte er es im Hinblick auf die Kühe, die pflügen. Als er „Stier“ als Name der Überschwemmung nannte, da sagte er es im Hinblick auf die Stiere, die sich anstrengen. Als er „Rest“(?) als Name der Kräftigen(?) nannte, da sagte er es im Hinblick auf die Dreschtenne mit Frucht. Die Gerste, welche ... erschaffen hat für das Feld, ihr Name ist ... von Gold. Lapislazuli und Malachit – die vortrefflichen Länder werden sie hervorbringen als Schilf(?).

Der Frager fordert den Kandidaten eindringlich auf, sich die Lehre einzuverleiben. Schließlich wird das Personal des Pr-onX thematisiert, das in drei Gruppen unterteilt wird, von denen die erste gibt, die zweite der Kraft und die dritte der Magie zugeordnet ist. Eine lange Litanei mit Segenswünschen für diese Personen scheint den Text zu beschließen. Unter den unplazierten Fragmenten sei zumindest noch auf zwei Fragmente hingewiesen, deren Stichwörter, etwa „Skarabäus“, „Zwergin“, „die

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acht Chnume“, und vor allem die vier Frösche und vier Schlangen sowie die Erwähnung der Strahlen der Sonne darauf hindeuten, daß hier eine Kosmogonie wesentlich hermopolitanischer Prägung thematisiert wird. Nicht nur die allgemeine Situation, sondern spezieller noch die Tatsache, daß in der Komposition wenigstens einmal Thot, der Große, der Große, der Große erwähnt wird, machen eindeutig, daß dieses Werk für das Verständnis der späteren griechischsprachigen hermetischen Literatur von Relevanz ist. Die demotische Komposition zeigt einige gleiche Grundstrukturen, steht aber noch viel eindeutiger rein im Bereich der ägyptischen Tradition. Hierbei ist auch ihre mutmaßlich erheblich frühere Entstehung zu berücksichtigen. Dennoch kann sie einen Beitrag zum Verständnis auch des realen ägyptischen Anteils an den Hermetika leisten, der in der Forschung früher unterschätzt wurde. 6.4. Kleinere Kompositionen Zu diesen dialogischen Texten kann man eventuell eine weitere Komposition stellen, die außerordentliche Probleme aufgibt. Es handelt sich um zwei fragmentarische Kolumnen (unsicherer Abfolge) eines Papyrus etwa aus der 26.27. Dynastie, der einen Basistext in weitgehend mittelägyptischer Sprache und eine hieratisch geschriebene, sprachlich aber frühdemotische Übersetzung enthält (pBM EA 69574).348 Der äußeren Form nach handelt es sich um ein Gespräch zwischen zwei Männern, die sich als „Brüder“ bezeichnen. Ihre Aussagen bewegen sich teilweise im Bereich der Aufstellung von allgemeingültigen Regeln, etwa „Was schwarz ist, wird nicht weiß.“ (Fr. A, 4) oder „Ein weiser Mann lebt von seinem Geschäft.“ (Fr. B, 1), andererseits gibt es auch Aufforderungen, etwa „Setze Weisheit vor mich!“ (Fr. B, 6). Einige Stichwörter verweisen auf ein bäuerliches Milieu bzw. spezieller Hirten als Gesprächspartner. Es könnte sich um einen Text handeln, der im weitesten Sinne dem Weisheitsdiskurs zuzuordnen ist. Allerdings liegt sicher nicht die normale Situation der Lehre eines Vaters für seinen Sohn vor.

348

QUACK, JEA 85, S. 153-164, T. XXIIf.

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Ebenfalls heikel in der Deutung ist der pHeidelberg D 679,349 der paläographisch etwa ins 7.-6. Jhd. v. Chr. zu datieren ist und möglicherweise als ältester überhaupt bekannter demotischer literarischer Text anzusehen ist. In den wenigen erhaltenen Zeilen erkennt man einen Dialog zwischen einer Frau und ihrem Bruder oder eher Geliebten/Ehemann, in dem es offenbar um Fragen sexueller Erfüllung und Leistungsfähigkeit geht. Möglicherweise ist die bewußt anonym stilisierte Komposition als Witz zu betrachten. Sehr problematisch und in seinen Implikationen noch nicht recht faßbar ist der große Imhotep-Text. Kernkonstellation ist offenbar ein Gespräch zwischen dem Pharao (im erhaltenen Bereich nie mit Namen genannt) und Imhotep. Dabei spielen die Tempelarchitektur und ihre theologische Ausdeutung eine wichtige Rolle.350 Vermutlich zu diesem Werk gehört auch eine Passage, die nach der Ära des Seth datiert und das Verhalten unfrommer Menschen gegenüber den Ägyptern und speziell den Tempeln und ihren Büchern schildert (eventuell eine Erinnerung an die Hyksos).351 Möglicherweise aus demselben Werk stammen die langen diskursiven Passagen, in denen Mythen beschrieben und erklärt werden, die besonders um die Weltentstehung nach „hermopolitanischer“ Theologie sowie die Rolle von Ptah und Memphis kreisen und auch den Namen des Imhotep erwähnen.352 Weiterhin ist es möglich, daß auch eine Übertragung dieses Textes ins Griechische existiert hat. Hier ist die sogenannte Aretalogie des Imouthes-Asklepios aus dem pOxy. 1381 relevant.353 Von ihr erhalten ist hauptsächlich die Einleitung des Übersetzers. Am Anfang steht der Wunsch des Königs Nektanebis (I.), anhand eines Buches mehr über die unfrommen Leute zu erfahren, die vom Tempel abgefallen sind. Er gibt Nechautes den Befehl, dieses Buch zu suchen, was dieser auch innerhalb von 28 Tagen schafft. Aus Freude über die Lektüre belohnt er die 349

QUACK, in: COLLOMBERT, LEFÈVRE, POLIS, WINAND (Eds.), Aere perennius, S. 593610. 350 Kurze Bemerkungen bei QUACK, Archiv für Religionsgeschichte 2, S. 19; ders., in: LEPPER (Hg.), Persönlichkeiten, S. 54-57. 351 Kurz erwähnt bei QUACK, in: FALK (Hrsg.), Vom Herrscher zur Dynastie, S. 47f. 352 Edition durch ERICHSEN, SCHOTT, Fragmente memphitischer Theologie; etliche zusätzliche Bruchstücke sind noch unpubliziert. Vgl. STADLER, Einführung, S. 47-51. 353 TOTTI, Ausgewählte Texte, S. 36-45. Neue deutsche Übersetzung A. JÖRDENS, in: TUAT NF 5, S. 318-321.

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beteiligten Priester mit dem Prophetenamt sowie den Tempel des Asklepios mit reichen Landschenkungen. Der sprechende Ich-Erzähler macht sich nun an eine Übersetzung ins Griechische, fühlt sich aber zunächst der Aufgabe nicht gewachsen. Nunmehr wird erst seine Mutter von einer Krankheit geschlagen, aber durch den Gott geheilt, dann er selbst. Während seines Leidens erscheint seiner Mutter im Traum Imouthes in übermenschlicher Größe und mit einem Buch in der linken Hand; als Folge des Eingriffes im Traum wird der Erzähler geheilt. Jetzt kann er sich der übersetzerischen Aufgabe nicht mehr entziehen. Zunächst erklärt er noch seine Vorgehensweise, Lücken zu füllen und Überflüssiges zu entfernen, hofft auf das Wohlwollen der Gottheit und ergeht sich daran, daß nunmehr alle des Griechischen mächtigen Personen Imouthes (also den ägyptischen Imhotep) ehren werden. Der eigentliche Text des Buches beginnt damit, daß in der Zeit des Mencheres (also Mykerinos) Ägypten frei von Krieg und reich gesegnet war, weil der König sich besonders um die Gräber des Asklepios, Sohn des Hephaistos, des Pouoros (oder Horos?), Sohn des Hermes, und des Kalhebis, Sohn des Apollon, gekümmert habe. Es wird noch ein Orakel des Asklepios an den König angekündigt, dann bricht der erhaltene Bereich des Papyrus ab. Innerhalb der Gruppe der Krugtexte findet sich die Fabel von der Schwalbe und dem Meer.354 Sie ist als Brief stilisiert, den ein arabischer Fürst namens Auski an König Psammetich (II.) Neferibre, Sohn des Necho, geschrieben hat. Man hat vorgeschlagen, im Absender den indischen Herrscher Aśoka (3. Jhd. v. Chr.) zu erkennen, doch spricht die korrekte Identifizierung seines ägyptischen Partners chronologisch dagegen, zudem müßte man, da der Sprecher explizit als „Fürst von Arabien“ bezeichnet wird, Indien jedoch in den demotischen Texten mit seinem eigenen Namen auftaucht, eine erhebliche Umgestaltung in der Tradierung postulieren.355 Nach den einleitenden Höflich-

354

SPIEGELBERG, Krugtexte, S. 16f.; COLLOMBERT, Acts Copenhagen, S. 59-76; BETRÒ, Studi Ellenistici 12, S. 115-125. Übersetzung HOFFMANN, QUACK, Anthologie, S. 194-195 u. 355-356; VITTMANN, TUAT NF 8, S. 440f. 355 Der von VITTMANN, in: TUAT NF 8, 440 Anm. 508 unternommene Versuch zur Verteidigung der Identifizierung ist insofern problematisch, als Aśoka zwar angibt, Gesandt-

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keitsfloskeln berichtet der Absender darüber, was der Schwalbe zugestoßen ist. Diese hatte ihr Nest am Meeresufer gebaut. Täglich, wenn sie zur Futtersuche wegflog, bat sie das Meer, auf ihre Jungen zu achten. Eines Tages aber brandete das Meer auf und trieb das Nest davon. Die Schwalbe drohte daraufhin dem Meer, wenn es ihre Jungen nicht herausgäbe, würde sie es mit ihrem Schnabel ausschöpfen und den Ufersand an seine Stelle tragen. Dies versucht sie dann tatsächlich, und der Brief schließt mit der Notiz, wenn die Schwalbe das Meer gedemütigt habe, würde sie glücklich nach Arabien zurückkehren – jedenfalls dürfte dies die plausibelste Deutung der vorhandenen Zeichen sein. Man hat die Fabel früher meist als Zeichen verstanden, daß auch kleine Geschöpfe die Macht hätten, sich zur Wehr zu setzen. Demgegenüber versteht Collombert sie, teilweise aufgrund abweichender Übersetzung, vielmehr so, daß man seine Stärke nicht überschätzen solle. In seiner Auffassung steht der Versuch der Schwalbe als Zeichen für sinnlose Selbstüberschätzung. Dies wird auch als politische Botschaft verstanden, wenn der Pharao sich anmaße, Arabien erobern zu wollen, würde er keinen Erfolg haben. Daß eine Belehrung mit auch politischer Stoßrichtung intendiert war, dürfte unabhängig von der genauen Bewertung nicht zu bezweifeln sein. Auch sofern es der Schwalbe gelingen sollte, ihre Drohung auszuführen, wäre dies eine Warnung vor zu schrankenloser Macht, in diesem Falle dessen, der wie das Meer agiert. Bemerkenswert ist in diesem Fall, wie schon bei einigen Fabeln des Mythos vom Sonnenauge, die reiche Überlieferung des Motivs in anderen Kulturen. Besonders ins Auge gefallen ist eine Passage des indischen Pañcatantra. Dort verläuft die Handlung ähnlich, ist allerdings durch den explizit herausgestrichenen Hochmut des Vogels auf eine etwas andere Basis gesetzt. Am Ende greifen die Götter ein und sorgen dafür, daß das Meer die Eier herausrückt. Da diese Fabel nicht zum ältesten Bestand des Pañcatantra gehört, dürfte eine Entlehnung allenfalls aus dem ägyptischen Raum nach Indien vorliegen. Eine viel knappere jüdische Überlieferung stellt dagegen heraus, der Vogel sei töricht, wenn er den Versuch unternehme, gegen das Meer anzukommen. Schließlich ist in Plutarchs Bericht über das Gastmahl der Sieben Weisen, schaften an die hellenistischen Königshöfe geschickt zu haben, bislang jedoch jeder Beleg dafür fehlt, daß er in Ägypten in Erinnerung behalten wurde.

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dort in den Rahmen eines Briefes des ägyptischen Königs Amasis gelegt, zumindest das Motiv enthalten, das Meer auszutrinken. Ebenfalls in einer Einkleidung als Brief unter den Krugtexten überliefert ist der Bericht des Chalamenti über seine Erlebnisse,356 der explizit an all diejenigen gerichtet ist, die leiden, bedrückt sind und täglich den Tod erflehen. Der Ich-Erzähler, ein Syrer mit ägyptischem Namen („So wahr König Lamenti lebt“) ist als Schneider(?) in Punub im ägyptischen Delta tätig. Dort geht es ihm schlecht, er leidet Hunger und wandert durch die Stadtquartiere. Dann hört er vom Geburtstag seines jüngeren Bruders Horudja, geht zu dessen Haus und bittet um ein Stück Brot. Dieser hetzt jedoch eine Gruppe von Leuten auf ihn, die ihn entblößen, verprügeln und für tot wegtragen. In dieser Situation erlebt er die Erscheinung der Göttin Isis, der Großen, der Gottesmutter, der großen Göttin über sich. Mutmaßlich bezieht sich diese Angabe konkret auf eine himmlische Erscheinung, entweder den Siriusstern oder den Mond. Er fleht sie an, den Rechtsstreit zwischen ihm und seinem Bruder zu kennen. In diesem Moment findet er ein wertvolles Goldobjekt und überschüttet die Göttin mit Dank. Damit endet der Krug, und von der Geschichte ist zumindest nicht mehr überliefert. Das Werk ist zunächst als Aretalogie zu verstehen und in den Rahmen hellenistischer Wundererzählungen einzuordnen. Ziel ist offensichtlich, die Macht der Isis zu propagieren, die für ihre gläubigen Anhänger auch in schwierigsten Situationen helfend eingreift. Darüber hinaus geht es generell um das Ausharren in Not, und gerade zur Demonstration dieses Wertes verwendet der Autor mit „Wer lebt, dessen Kraut wächst.“ einen Spruch, der identisch in der Lehre des Chascheschonqi erscheint. In der vorliegenden Form muß sich die Frage stellen, ob es sich nur um einen Auszug aus einem eigentlich längeren Werk handelt. Extrem schwer deutbar sind zwei außerordentlich schlecht erhaltene Passagen, die sich auf der Rückseite der „Demotischen Chronik“ befinden.357 Vom Herausgeber wurden sie als „Tiergeschichten“ gedeutet, doch beruht diese 356

SPIEGELBERG, Krugtexte, S. 18-21; THISSEN, in: HOFFMANN, THISSEN (Hrsg.), Fs Zauzich, S. 587-594. Übersetzung HOFFMANN, QUACK, Anthologie, S. 178-180 u. 351.

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Einstufung im Wesentlichen nur darauf, daß sich als „Überschrift“ vor jedem Stück der Name eines Vogels befindet – und dieser mag eher eine „Alphabetposition“ markieren als mit dem Kern der Handlung zu tun haben.358 Im ersten Stück geht es darum, daß eine Menschengruppe in die Sümpfe zieht und dort u.a. nachts von den Mücken aufgefressen wird, so daß sie Ach und Weh zu ihren Göttern rufen, die dies geschehen ließen. Das zweite Stück spielt im Schilfdickicht. Neben den Leiden der Männer werden auch die ihrer schönen Frauen und Kinder geschildert. Betteln erweist sich als erfolglos. Anscheinend müssen die Frauen ihre Körperglieder den Blicken geringer Männer preisgeben, während ihre Kinder auf den Straßen und Gassen herumziehen und täglich nach dem Tod rufen. Zur Bewertung des Textes muß man noch beachten, daß er in der Handschrift auf Auszüge aus Tempelregelungen folgt, deren letzte, unter Kambyses festgelegte, es den Tempeln selbst auferlegt, für die bislang staatlich gelieferten Naturalien zu sorgen. Es könnte sich also um eine phantasievolle Ausmalung handeln, wie die Priester selbst mit ihren Familien in den Sümpfen arbeiten müssen. Allerdings ist dieser Bezug nicht sicher, da die Komposition im Vergleich zu den restlichen Stücken auf dem Papyrus auf dem Kopf steht. Möglicherweise steht dieses Stück auch in der Tradition der Berufstypologien. Eher noch rätselhafter ist der pKairo CG 30705.359 Auch dort sind die Abschnitte dadurch markiert, daß ein (als Rubrum markierter) Vogelname davorsteht. Vom Inhalt des Textes ist aufgrund der starken Abreibung der Oberfläche kaum etwas zusammenhängend erhalten. Tiernamen sind häufig, ins357

SPIEGELBERG, Demotische Chronik, S. 34. Die spätägyptische Alphabetreihenfolge wurde mit Vogelnamen memoriert. Vgl. ZAUZICH, in: The Carlsberg Papyri 3, S. 30; J.F. QUACK, Die spätägyptische Alphabetreihenfolge und das ‘südsemitische’ Alphabet, LingAeg 11 (2003), S. 163-184; F. GAUDARD, Le P. Berlin 8278 et ses fragments. Un « nouveau » texte démotique comprenant des noms de lettres, in: I. REGEN, F. SERVAJEAN (Éds.), Verba manent. Recueil d’études dédiées à Dimitri Meeks, CENiM 2 (Montpellier 2009), S. 165-169; ders., Birds in the Ancient Egyptian and Coptic Alphabet, in: R. BAILLEUL-LESUER (Ed.), Between Heaven and Hell. Birds in Ancient Egypt (Chicago 2012), S. 65-70; D. DEVAUCHELLE, L’alphabet des oiseaux (O. dém. DelM 4-2), in: A.M. DODSON, J.J. JOHNSTON, W. MONKHOUSE (Eds.), A Good Scribe and an Exceedingly Wise Man. Studies in Honour of W. J. Tait, GHP Egyptology 21 (London 2014), S. 57-65. 359 SPIEGELBERG, Demotische Denkmäler II, S. 125-127. pKairo CG 30706 u. 30707 könnten zur selben Handschrift gehören. 358

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besondere ein Esel wird oft erwähnt. Ob irgendwelche Beziehungen zum änigmatischen Eseltext (s. S. 158) bestehen, muß offenbleiben. Problematische Bruchstücke von Papyri mit vielen Tiernamen stellen die Papyri Kairo CG 30824 und 30825 dar.360 Ob es sich tatsächlich um Fabeln handelt, ist keineswegs sicher.

360

SPIEGELBERG, Demotische Denkmäler II, S. 125-127 u. 182.

7. Prophetische Texte 7.1. Allgemeines Die prophetischen bzw. teilweise auch als „apokalyptisch“ eingestuften Texte sind in jüngster Zeit auf verstärktes Interesse gestoßen.361 Dennoch sind keineswegs alle Probleme gelöst. Als Gattungsbezeichnung ist im „Lamm des Bokchoris“ durch das Kolophon der Begriff sHwy „Verfluchung“ bezeugt. Dieser greift speziell die Unheilsankündigungen auf, die in den konkreten Kompositionen tatsächlich den größten Umfang einnehmen. Auf diese Weise werden die meist kurzen, aber für die Wertung der Gesamtkomposition entscheidenden Heilsverheißungen am Schluß hintangesetzt. Unsicher ist, inwieweit die Ägypter den Begriff „Verfluchung“ tatsächlich als globale Beschreibung für alle in der modernen Forschung zusammengestellten Kompositionen verstanden und sie in ihren Augen tatsächlich eine einheitliche Gattung gebildet hätten. Schon der griechisch überlieferte Titel ¢polog…a „Verteidigungsrede“ des „Töpferorakels“ geht in ganz andere Bahnen. Insbesondere die „Demotische Chronik“, in welcher die Ausdeutung auch der Vergangenheit eine erhebliche Rolle spielt, und die als „technische“ Auslegung eines änigmatischen Grundtextes anders vorgeht als die inspirierten Vorhersagen der sonstigen Texte, erweist sich als Problemfall der Einstufung. In der modernen Forschung wird es als relevant angesehen, ob man die einschlägigen ägyptischen Texte als „apokalyptisch“ oder nur „prophetisch“ einstufen kann. Als wesentliches Unterscheidungskriterium wird dabei betrachtet, ob die Vorhersagen unter eschatologischem Blickwinkel gegeben werden, also mit dem Eintreten ihrer Vorhersagen das Ende der Geschichte erreicht ist. Dieses Kriterium für Apokalyptik im engeren Sinne ist bei keinem der ägyptischen Texte erfüllt; es ließe sich erst für den lateinisch und koptisch überlieferten hermetischen Traktat Asklepius nachweisen. Ein großes Problem bleibt, welche Kreise und aus welchen Motiven heraus Interesse an dieser Art von Texten hatten. Einerseits ist eine politische Stoßrichtung kaum zu bezweifeln, andererseits muß es jenseits des Auftrag361

S. die Beiträge in BLASIUS, SCHIPPER, Apokalyptik und Ägypten; GOZZOLI, Writing of History, S. 283-304; QUACK, in: MARTIN, SIEG (Hg.), Zukunftsvisionen, S. 83-106.

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gebers auch Gruppen gegeben haben, welche diese Kompositionen teilweise noch für längere Zeit nach ihrer ursprünglichen Entstehung weitertradiert, mutmaßlich in einigen Bereichen auch redaktionell überarbeit und vielleicht nach ihren Erfahrungen mit neuen Lese- und Deutungsmöglichkeiten verknüpft haben. So etwas ist eigentlich nur vorstellbar, wenn man sich die politische Lage auch ganz anders und erfreulicher als den aktuellen Zustand denken konnte. Zu beachten ist, daß die aktive Stoßrichtung der meisten Texte relativ schwach ist. Lediglich die „Demotische Chronik“ könnte sich noch in einem Sinne lesen lassen, daß sie (zumindest in ihrer ältesten Fassung) direkt der Propagierung einer bestimmten politischen Richtung in einer konkreten Zeit diente. Schon beim Lamm des Bokchoris und erst recht beim Töpferorakel bleibt dagegen die Wendung zum Besseren eigentümlich unpersönlich, ohne aktiven Helden – und sofern die Bezüge zu Jahren (Länge der Regierung?) auf konkrete Herrscher Bezug nehmen, könnten sie erst nach deren Tod nachgeprüft werden. Damit kann man diese Texte auch als ein Dokument lesen, das Unbehagen mit den derzeitigen Zuständen, aber Mangel an konkreten Gegenansätzen zeigt. Auch wenn diese Art von Literatur aufgrund ihrer historischen Bedeutsamkeit sowie der Anknüpfbarkeit an die jüdisch-christliche Apokalyptik relativ großes Interesse gefunden hat, handelt es sich in Ägypten eher um ein Randphänomen. Die Zahl der Kompositionen ist vergleichsweise gering, und auch diese sind meist in nur einer Handschrift belegt, abgesehen von den griechischen Fassungen des Töpferorakels. Unter den reichen Handschriftenbeständen aus Tebtynis und Soknopaiou Nesos findet sich je nur eine Handschrift eines derartigen Werkes. Einerseits mag dies ein Hinweis darauf sein, daß es sich in gewissem Sinne doch um Dissidentenliteratur handelte, bzw. zumindest um Werke, die tendenziell weniger frei zirkulierten. Andererseits ist hier vielleicht auch ein Schluß auf das Leserinteresse möglich. Die griechischen Handschriften des Töpferorakels stammen vor allem aus dem späten 2. und 3. Jahrhundert n. Chr., und es ist denkbar, daß im Zuge der zunehmenden Krisen des römischen Reiches in dieser Zeit das Interesse an Texten angewachsen ist, die eine letztliche und dauerhafte Wendung der Verhältnisse zum Besseren verheißen.

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Die demotische und gräko-ägyptische Literatur

Bereits ein Fragment, das auf einem aramäischen Papyrus des 5. Jhds. v. Chr. erhalten ist,362 kann eventuell als Rest der Übersetzung eines derartigen Textes in ägyptischer Sprache angesehen werden. Lange Zeit über ist es, da es auf dem Verso der Handschrift steht, die auch die aramäische Fassung der Erzählung von Hor, Sohn des Pwenesch, überliefert (s. S. 78), als Teil dieser Komposition angesehen worden. Jedoch gibt es keine offensichtlichen Bezüge zwischen den beiden Werken. Im Text wird der Zusammenbruch des Rechtes und der sozialen Ordnung angekündigt. Erwähnungen der Götter Ägyptens sowie der Stadt Tanis sprechen dafür, daß der Text in Ägypten spielt und folglich mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auch aus dem Ägyptischen übersetzt ist. So schlecht erhalten diese Reste auch sind, so sind sie doch chronologisch von erheblicher Bedeutung, da sie deutlich vor dem Einsetzen der jüdischen Apokalyptik liegen, und auch älter als die sonst erhaltenen demotischen Texte dieser Art sind, abgesehen eventuell von einer frühen Form des „Lammes des Bokchoris“, sofern eine ältere Fassung davon bereits in der Saiten- oder Perserzeit existiert hat. 7.2. Das Lamm des Bokchoris Leider im vorderen Bereich sehr fragmentarisch überliefert ist eben dieses „Lamm des Bokchoris“, das in einer Handschrift (pWien D 10000) aus Soknopaiou Nesos aus der Zeit des Augustus überliefert wird.363 Mit dem Kolophon ist die Themenangabe „der Fluch, den Re über Ägypten gemacht hat seit dem Jahr 6 des Pharao Bokchoris“ (3, 12) erhalten. Die zugrundeliegende Situation ist offenbar die, daß ein gewisser Psinyris eine Schriftrolle mit unheilvollen Prophezeiungen liest oder eher in sie schreibt, was ein Lamm verkündet. Die genauen Umstände sind wenig klar, frühere Deutungen, seine Frau

362

B. PORTEN, A. YARDENI, Textbook of Aramaic Documents from Ancient Egypt 3 (Jerusalem 1993), S. 56f.; PORTEN, in: HOFFMANN, THISSEN (Hrsg.), Fs Zauzich, S. 427-466; dort S. 433f. auch zur Abtrennung von der Erzählung des Hor, Sohn des Pwenesch. Vgl. QUACK, in: MARTIN, SIEG (Hg.), Zukunftsvisionen, S. 88f. 363 Edition ZAUZICH, in: Fs Erzherzog Rainer, S. 165-174, T. 2; letzte Übersetzung und Kommentierung THISSEN, in: BLASIUS, SCHIPPER (Hrsg.), Apokalyptik, S. 113-138; HOFFMANN, QUACK, Anthologie, S. 181-183 u. 351-353; Detailbemerkungen QUACK, in:

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würde Zwillinge gebären, es aber ungeachtet der angekündigten Unheilszeit nicht über sich bringen, die Kinder in den Fluß zu werfen, beruhen auf einer Fehllesung sowie einer problematischen Ergänzung. Es folgt die oft nur unzusammenhängend lesbare Beschreibung einer zukünftigen Unheilszeit. In einem ersten Abschnitt scheint nur innerägyptisch das Recht und die Religion verletzt zu werden. Anschließend wird das Eindringen der Meder (d.h. Perser) angekündigt. Eine änigmatische Anspielung findet sich in „Der von 2 (Jahren?), welcher nicht unserer ist. Der von 55 (Jahren?) ist es, den unser Gekrönter [...].“ (2,5). Diese Zahlen werden im Töpferorakel wieder aufgegriffen (s. S. 194). Es folgen düstere Unheilsprophezeiungen, die sowohl innenpolitische Rechtsunsicherheit als auch außenpolitische Niederlagen ansprechen: „Ein Mann wird mit seinem Gefährten vor Gericht gehen, und man wird Besitz vom Mächtigeren von ihnen nehmen, um ihm Recht zu geben(?). Wehe und Verderben über den kleinen(?) Knaben! Man wird ihn ins Land Syrien verschleppen angesichts seines Vaters und seiner Mutter. Wehe und Verderben über die [Frauen], die kleine(?) Knaben gebären werden! Man wird sie vor ihren Augen ins Land Syrien verschleppen.“ (2, 9-13).

Anschließend werden die wichtigeren religiösen Zentren Ägyptens zum Weinen aufgefordert, dann heißt es „Das Lamm vollendete die Verwünschungen gegen sie alle.“ (2, 19). Mit diesem Satz werden also die vorangehenden Ankündigungen einem prophetischen Lamm in den Mund gelegt. Psinyris fragt es, ob er dies selbst ansehen müsse, worauf das Lamm nicht direkt antwortet, sondern vielmehr mit „Dies wird geschehen, während ich als Uräus auf dem Haupt des Pharao bin, der nach der Vollendung von 900 Jahren existieren wird.“ (2, 20f.) zur Beschreibung einer Heilszeit übergeht, die in der Handschrift weitgehend erhalten ist. Nunmehr wird das Recht wieder etabliert: „Die Wahrheit wird aufblühen. Die Lüge wird vergehen, Recht und Gesetz werden in Ägypten entstehen.“ (2, 22). Außenpolitisch werden die Ägypter sich an Ninive rächen und nach Syrien ziehen, von wo sie Götterkapellen zurückbringen werden. Überall wird Freude herrschen unter dem kleinen Rest noch lebender Ägypter. JÖRDENS, QUACK (Hrsg.), Ägypten zwischen innerem Zwist und äußerem Druck, S. 103131; ders., in: MARTIN, SIEG (Hg.), Zukunftsvisionen, S. 89-93.

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Mit dem Ende seiner Aussagen stirbt das Lamm. Der Bericht über seine Aussagen wird vor König Bokchoris gebracht, der auf Anfrage erfährt, die Dinge würden noch vor seinem Tod eintreten. Er ordnet an, das Tier wie einen Gott zu bestatten. Es fällt nicht leicht, Entstehungssituation und politische Stoßrichtung dieses Textes zu erfassen. Zu sehr scheinen sich in ihm die verschiedenen Fremdherrschaften Ägyptens auf einen Horizont zusammenzuprojizieren. Die Erwähnung Ninives in Assyrien verweist auf die assyrische Eroberung Ägyptens, andererseits werden auch die Meder, d.h. Perser als Invasoren genannt, ohne klaren Zusammenhang werden sogar die Griechen einmal erwähnt. Schließlich spricht die Situierung des Unheils ab der Regierungszeit des Bokchoris dafür, auch die kuschitische Machtübernahme mit in Betracht zu ziehen. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, daß entweder die Unheilssektion kontinuierlich fortgeschrieben und erweitert ist oder es zumindest einzelne Redaktions- und Aktualisierungsphasen gegeben hat. Neuerdings versucht man, die Erwähnung des Meders spezifischer auf den Seleukidenkönig Antiochus IV. zu deuten, der während des 6. syrischen Krieges in Ägypten einfiel, jedoch dürfte es plausibler sein, dieses Wort vielmehr im sonst belegten Sinne als persische Eroberer zu verstehen. Es besteht eine gewisse Möglichkeit, daß die 55 Jahre des positiven Herrschers auf Psammetich I. zu beziehen sind, der tatsächlich so lange regierte; möglicherweise ist ein saitischer Urtext immer wieder fortgeschrieben und überarbeitet worden. Gerade angesichts der langen Frist von 900 Jahren bis zum Ende des Unheils (die zur Zeit der Niederschrift unserer Handschrift noch nicht abgelaufen sind), ist der Horizont der Heilszeit in seiner faßbaren Stufe der erhaltenen Handschrift wohl nicht konkret situiert, sondern eschatologisch. Die sonderbare Situation, daß ein Lamm mit menschlicher Stimme spricht, ist bei einer Reihe klassischer Autoren gerade für die Zeit des Bokchoris bezeugt. Eindeutige Nachwirkung des Textes kann man auch daraus erkennen, daß im Töpferorakel die Passage über die Herrscher von 2 und 55 Jahren unter expliziter Quellenangabe zitiert wird.

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7.3. Das Töpferorakel Eben dieses Töpferorakel364 bzw. genauer die „Verteidigungsrede des Töpfers“ kann man, obgleich es bislang nur in griechischer Sprache belegt ist, sinnvoll hieran anschließen, zumal es sich in wenigstens einer Handschrift als Übersetzung aus dem Ägyptischen ausgibt. Es gibt keinen Grund, dieser Angabe zu mißtrauen. Es liegt in mindestens drei griechischen Papyri vor, zwei weitere enthalten möglicherweise eine überarbeitete Form desselben Stoffes. Die Unterschiede der Lesarten sind teilweise beträchtlich, so daß man schon von verschiedenen Rezensionen gesprochen hat. Der Rahmen ist leider nur sehr fragmentarisch erhalten. Offenbar ist ein Töpfer auf einer Insel tätig, auf der sich auch ein Isis- und Osiristempel befindet. Seine Tätigkeit an diesem Ort erscheint den Leuten zunächst blasphemisch, er beruft sich jedoch auf die Aufforderung des Hermes. In einem Gerichtsverfahren vor König Amenophis rechtfertigt er sich und verkündet Dinge, die der König aufgrund ihrer Bedeutung schriftlich niederlegen läßt. Der Inhalt dieser Reden ist zunächst eine Unheilsprophezeiung. Negative Gestalten sind die sogenannten „Gürtelträger“, die als „Typhonier“ eingeordnet werden. Es geht um die Gründung einer neuen Stadt am Meeresufer, in der Alexandria zu erkennen ist. Sie wird sehr schlecht bewertet; ein Gottloser soll sich gegen Ägypten und den Libanon wenden. Es folgt die Schilderung einer Katastrophe. Geringe Nilflut und ein Verblassen der Sonne verderben die Ernte; es wird Kampf um die Nahrung geben, auch innerhalb von Sippen wird gekämpft. Hier werden die Gürtelträger sich selbst vernichten. Ein allen verhaßter Herrscher soll aus Syrien kommen, nach einer der Handschriften auch einer aus Äthiopien. Hier schließt sich das Zitat aus dem Lamm des Bokchoris an, der von zwei Jahren sei nicht der Vertreter der Wir-Gruppe des Textes gewesen, aber (so nur in einer Handschrift), der von 55 Jahren würde an den Griechen die vorhergesagten Übel in Erfüllung bringen.

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Letzte Bearbeitung KOENEN, in: BLASIUS, SCHIPPER (Hrsg.), Apokalyptik, S. 139-187; Detailbemerkungen QUACK, in: JÖRDENS, QUACK (Hrsg.), Ägypten zwischen innerem Zwist und äußerem Druck, 103-131; ders., in: MARTIN, SIEG (Hg.), Zukunftsvisionen, S. 93-96; LADYNIN, in: RUTHERFORD (Ed.), Greco-Egyptian Interactions, S. 163-185. Zuammenfassung HOFFMANN, QUACK, Anthologie, S. 192-193 u. 354-355.

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Dies ist das Stichwort für eine erneute Unheilsprophetie. Sie scheint jedoch primär gegen die Griechen und andere Fremde in Ägypten gerichtet, denen Leid, Herumziehen in der Fremde und Tod von Kindern angekündigt werden. Umsturz der sozialen Verhältnisse (Befreiung der Sklaven) sowie besonders Brüche der bisherigen sexuellen Tabus stehen im Mittelpunkt. Mit einer nochmaligen Ankündigung, die Gürtelträger würden sich selbst vernichten, geht der Text zur Heilsankündigung über. Die ägyptischen Götter, speziell Agathos Daimon und Kmeph, kehren von der Stadt am Meer nach Memphis zurück, die Götterstatuen werden nach Ägypten zurückgebracht. Ägypten würde erstarken, von Helios würde ein Herrscher von 55 Jahren kommen, so daß es eine ausgesprochene Heilszeit gebe. Auch die Naturzyklen würden wieder zu ihrer korrekten Ordnung zurückfinden. Nach Abschluß seiner Prophezeiungen verstirbt der Töpfer und wird vom König in Heliopolis bestattet. Seine Reden werden im Schatzhaus deponiert und allen Menschen zugänglich gemacht. Möglicherweise eine andere Redaktion dieses Textes fordert speziell zu Angriffen gegen die Juden auf, Heliopolis scheint für sie von besonderer Bedeutung zu sein. Die Bewertung dieses Textes fällt u.a. aufgrund der schlechten Erhaltung nicht leicht. Hinzu kommt das Kernproblem, wie die im Text unter Berufung auf das Lamm des Bokchoris angekündigten Herrscher von 2 bzw. 55 Jahren zu identifizieren sind. Bislang hat man meist im Anschluß an Koenen im Herrscher von zwei Jahren den einheimischen Gegenkönig Harsiese gesehen, den Koenen auch (ohne Absicherung durch sonstige Quellen) mit dem aus Äthiopien kommenden Feind identifizieren wollte. Der andere Herrscher wurde als bewußte Ablehnung des Ptolemaios VIII. Euergetes II. angesehen, der nur 54 Regierungsjahre gehabt habe. Anders hat Thissen ursprünglich bei „dem der zwei“ an eine phonetische Andeutung für „den der Schwester“ als Bezeichnung Ptolemaios’ VIII. gedacht, diese Deutung aber selbst später in Zweifel gezogen,365 und phonetisch ist sie in der Tat problematisch. Für „den der 55“ dachte er gerade an Harsiese, indem er 55 als griechische Zahlschreibung ne verstanden und als Form 365

THISSEN, in: BLASIUS, SCHIPPER (Hrsg.), Apokalyptik, S. 124.

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für „Theben“ aufgefaßt hat. Bei genauer Umkehrung der Zuweisung ergeben sich also dieselben Protagonisten wie in Koenens Ansatz. Mir scheint es aber um zu viele Ecken gedacht, wenn man in einem demotischen Text wie dem Lamm des Bokchoris für die demotische Ziffernschreibung erst eine griechische Zahlnotation durch Buchstaben einsetzen und diese dann wieder als ägyptisches Word phonetisch interpretieren soll. Hinzu kommt, daß die historische Existenz des angeblichen ägyptischen Gegenkönigs Harsiese in neuerer Zeit von der Forschung erheblich in Zweifel gezogen worden ist. Eine ganz abweichende Deutung stammt von Meyer, der auf die 55 Regierungsjahre Psammetichs I. verweist, der somit in einer frühen Redaktionsstufe des „Lammes“ als Heilsgestalt ausgedeutet wäre; ähnlich will Gozzoli die 55 Jahre auf Psammetich I., die zwei dagegen auf Tanutamani beziehen.366 Diese disparaten Ansätze dürften insgesamt eher zeigen, daß das Terrain für Deutungen sehr unsicher ist und man gut daran tut, sich nicht zu sehr auf eine festzulegen und daraus weitergehende Schlüsse zu ziehen. Ein Kernproblem ist auch, daß eine Deutung der Zahlen als Gesamtlänge der Regierung immer erst nach dem Tod der betreffenden Person möglich ist, so daß in dieser Perspektive der Heilskönig zu Lebzeiten gar nicht derjenige sein kann, der sich eindeutig als solcher erweist. Man kann folglich mit dem Text keine Meinungsbildung zu seinen Gunsten betreiben, sondern sich nur auf ihn als legitimierende Gestalt beziehen. Insgesamt dürfte die Interpretation, wenigstens im ursprünglichen Zusammenhang (also dem Lamm des Bokchoris) gingen die Zahlen auf die Saitenzeit zurück, zumindest nicht unplausibel sein. Das Töpferorakel dürfte allerdings eher bereits eine Neulesung bzw. Projektion in die Zukunft darstellen. Auffällig ist die Schwäche der Ägypter, was Eigeninitiative angeht. War im „Lamm des Bokchoris“ noch davon die Rede, die Ägypter würden siegreiche Feldzüge nach Vorderasien unternehmen, so hofft das Töpferorakel nur noch darauf, die Negativgestalten der „Gürtelträger“ würden sich selbst vernichten und die Götter nach Memphis zurückkehren. Insofern kann die Schrift in ihrer jetzigen Form zwar vielleicht denen Trost bringen, die mit den aktuellen Verhältnissen unzufrieden sind und auf Besserung hoffen, als echte Oppo366

GOZZOLI, Writing of History, S. 294f.

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sitionsliteratur mit einer Stoßrichtung zur Erhebung, welche das Heil in die eigene Hand nimmt, ist sie jedoch kaum geeignet. 7.4. Die demotische Chronik Ein rätselhaftes und eigenwilliges Werk stellt die sogenannte „Demotische Chronik“ dar.367 Die wohl unterägyptische bzw. eher memphitische Handschrift (pBN 215 rt.) stammt etwa aus dem späteren 3. Jhd. v. Chr. Entgegen der irreführenden modernen Bezeichnung handelt es sich keineswegs um eine Chronik, sondern um eine (fiktive) Ausdeutung eines zunächst ahistorischen Basistextes auf teilweise vergangene, teilweise künftige Ereignisse. Rätselhaft dunkle knappe, sprachlich teilweise etwas archaische Aussprüche, die in Kapitel organisiert sind, erhalten einerseits eine modernisierende sprachliche Umsetzung, andererseits eine inhaltliche Interpretation auf die politischen Ereignisse im späten Ägypten. Einige Indizien deuten darauf hin, daß der Text seiner (nicht erhaltenen) Rahmenhandlung nach in die Zeit des Nektanebes sowie seines Sohnes und zeitweiligen Mitregenten Teos gesetzt ist; dieser Herrscher wird auch mit „du“ angesprochen, d.h. es muß eine Form von Audienz bei Hof geschildert worden sein. Eventuell ist ein bestellter Deutungsspezialist aufgetreten, der einen rätselhaften Textfund erläutern soll, ähnlich wie das Menetekel im biblischen Danielbuch. Entsprechend sind die Ereignisse von der Perserherrschaft bis Nektanebes als Vergangenheit betrachtet, alles Weitere dagegen in die Zukunft gesetzt. Die Erwähnung einer Herrschaft der Griechen „für lange Zeit“ zeigt, daß die aktuelle Komposition (zumindest in der letzten Redaktionsstufe) nicht vor dem 3. Jhd. v. Chr. liegen kann, also wenig vor der aktuellen Niederschrift der Handschrift. Leider ist der Anfang der Handschrift verloren, so daß Titel und situative Einbindung fehlen. Der erhaltene Text setzt im 6. Kapitel ein und geht zunächst bis zum 9. Kapitel einigermaßen klar chronologisch vor. Kurz genannt 367

Edition SPIEGELBERG, Demotische Chronik, eine Neubearbeitung durch Johnson ist angekündigt. Letzte Übersetzungen mit weiteren Verweisen FELBER, in: BLASIUS, SCHIPPER (Hrsg.), Apokalyptik und Ägypten, S. 65-111; HOFFMANN, QUACK, Anthologie, S. 183-191 u. 353-354; QUACK. in: YOUNGER (Ed.), The Context of Scripture 4, in Druck. Zur Deutung s. QUACK, in: WITTE, DIEL (Hrsg.), Orakel und Gebete, S. 23-51; ders., in: BÖRM (Hg.), Antimonarchic Discourse, S. 25-43; AGUT-LABORDÈRE, JESHO 54, S. 627645.

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erscheinen die Herrscher von der 28. Dynastie (Amyrtaios) bis zur Mitte der 30. Dynastie (Teos). Nach ihnen wird ein zukünftiger Herrscher vorausgesagt, über den man erheblich mehr erfährt. Hier taucht eine Verbindung mit Herakleopolis auf, das im ganzen Abschnitt sehr prominent ist, daneben in dieser Sektion auch mit Memphis. Vergleichsweise historisch spezifisch ist eine Passage: „Der Mond überquert den Fluß (Basistext). Der Herrscher wird das ganze Land durchqueren (Ausdeutung); d.h. der Herrscher, der nach ihnen sein wird, wird Ägypten verlassen (historische Spezifizierung). Man wird links an die Stelle von rechts setzen (Basistext). Rechts ist Ägypten, links ist Syrien (Ausdeutung). D.h.: Derjenige, der nach Syrien gehen wird – welches links ist –, den wird man an die Stelle dessen setzen, der in Ägypten sein wird – welches rechts ist (Spezifizierung und Erläuterung der Zuweisungen).“ (2,11-13).

Diese Angaben dürften sich darauf beziehen, daß während des großen Syrienfeldzuges des Teos die Revolte des Nektanebos losbrach. Nunmehr wird ausführlich auf den zukünftigen Herrscher eingegangen, der als Prophet aus Herakleopolis gesehen wird. Von ihm werden religiösrituell korrekte Handlungen erwartet. Auch seine künftige Rebellion, die in einigen Details angekündigt wird, erweckt mehr den Anschein eines Rituals als realer Geschichte, z.B.: „Mein ist die Titulatur im 3. Monat der Aussaat-Zeit (Basistext). D.h.: Er wird offenbar, gekrönt mit dem goldenen Diadem im 3. Monat der Aussaat-Zeit (Ausdeutung). Das bedeutet Machtausübung durch ihn im 3. Monat der AussaatZeit (Konkretisierung).“ (3, 10).

Diese Sektion schließt mit religiösen Glücksbildern: „Die Witwe des Djed-Pfeilers, man hat ihr ... empfangen (Basistext). D.h.: Die Witwe des Djed-Pfeilers hat ihre Trauer beendet (Ausdeutung). D.h. Isis wird herzensfroh sein über den zukünftigen Herrscher (Konkretisierung). Glücklich ist ihr Herz, das derer von Atfih (Basistext); d.h. das Herz der Einen(?), d.h. Isis, welche die Herrin von Atfih ist (Ausdeutung). Das bedeutet Herzenszufriedenheit gegenüber dem zukünftigen Herrscher, weil er das Gesetz nicht mißachten wird (Konkretisierung).“ (3, 13-16).

Historisch sehr auffällig ist, daß die zweite Fremdherrschaft der Perser sowie die griechische Herrschaft nur an einer Stelle ganz kurz erscheinen. Mit Kapitel 10 beginnt die Darlegung wieder von vorne, ab Amyrtaios. Hier wird über die Herrschaft jedes Königs spezifisch etwas gesagt. Vor allem

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werden sie daran gemessen, inwieweit sie das Recht und die Religion geachtet haben. Damit wird auch ihr politischer Erfolg und die Übergabe der Herrschaft an den Sohn verbunden, so etwa: „Heute ist, was entstanden ist (Basistext); d.h. der zweite Herrscher, der nach den Medern auftrat – d.h. Pharao Neferites (I.) (Ausdeutung). Da er das, was er tat, in Gewissenhaftigkeit tat, ließ man seinen Sohn ihm nachfolgen. Man gab ihm selbst aber nur eine kurze Spanne wegen vieler Sünden, die man in seiner Zeit beging (Historische Konkretisierung).“ (3, 20f.).

Hier wird nicht mit Kritik am als aktuell gedachten Herrscher Nektanebes gespart. Mittels obskurer Zahlenspiele wird seine Herrschaft auf 19 Jahre festgelegt. Über den konkreten Horizont des ersten Durchgangs hinaus wird auch für den auf Teos folgenden Herrscher (also Nektanebos) eine Zeit von 18 Jahren ermittelt, anschließend breit ausgemalt die Ankündigung der zweiten Perserherrschaft und ihrer Greuel. „Ich liebe Tag 1 mehr als Tag 30 (Basistext). Was er damit sagt: Schöner ist das erste Jahr als das letzte Jahr in den Zeiten, die sie verbringen werden (Ausdeutung), d.h. die Meder (Konkretisierung). Regen auf den Stein. Der Himmel wird rein sein (Basistext). D.h.: Sie werden die Ägypter abschlachten, während die Sonne sie sieht (Ausdeutung). Das ist das Opfer(?) des Sonnengottes. Wenn er sagt ‚Der Himmel wird rein sein’, so heißt das: ‚Die Sonne wird sie sehen.’ Wenn er sagt: ‚Regen auf den Stein’, so heißt das: ‚Man wird die Menschen zum Gemetzel treiben’. Wasser bedeutet Mensch. Der Stein bedeutet Gemetzel (Konkretisierung und Erläuterung).“ (5, 1-4).

Es schließen sich lange Ermahnungen an König Nektanebes an, der sich nicht in Sicherheit wiegen, sondern gut herrschen soll; auch auf die Persergefahr wird hingewiesen: „Gärtner, tu deine Arbeit (Basistext)! D.h.: Pharao, tu deine Arbeit (Ausdeutung)! Er sagt es in Bezug auf Pharao Nektanebes, d.h. sein Werk der Gier (Konkretisierung).“ (5, 18).

Letztlich werden Nektanebes immer wieder Vorhaltungen über seine Gier gemacht und das Ende der einheimischen Herrschaft angekündigt: „Der große Strom, sein Anfang möge groß sein in Elephantine, er möge die Bäcker nähren (Basistext)! Das sagt man in Bezug auf Pharao Nektanebes (Erläuterung). D.h.: Man wird die Barbaren kommen lassen, um in Ägypten Herr zu sein nach euch. Die Überschwemmung wird hoch sein in seiner Zeit. Die Bäcker werden leben in seiner Zeit (Ausdeutung).“ (6, 14-16).

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Am Ende des erhaltenen Textes wird dann die Herrschaft der Griechen angesprochen: „Es wird wieder geschehen in selbiger Zeit, daß es die Griechen sind, welche nach Ägypten kommen werden. Sie werden sich für lange Zeit Ägyptens bemächtigen.“ (6, 19f.).

Dieses Werk ist eindeutig eine Komposition mit starker politischer Stoßrichtung. Ein Kernproblem jeder Interpretation ist bereits das Fehlen von Anfang und Ende, wodurch die letztlichen Intentionen wenig klar sind. Hinzu kommt das weitere Problem, ob die beiden Sequenzen der Behandlung der letzten indigenen Herrscher von Anfang an nebeneinander standen, ob es sich um konkurrierende Ausdeutungen unterschiedlicher Zentren handelte (Herakleopolis spielt nur in der ersten eine Rolle, in der zweiten vorrangig Memphis) oder ob es sich um zwei eigentlich verschiedene Fassungen handelte. Dies führt unbedingt auf die Frage, ob das Werk aus einem Guß ist und als Gesamtheit interpretiert werden kann, oder ob redaktionelle Schichten abzutrennen sind. Prinzipiell nicht undenkbar wäre z.B., daß die erste Sektion ursprünglich einfach ein gegen Nektanebes und seinen Sohn Teos gerichteter Propagandatext war,368 der primär mit der Rebellion und Herrschaftsübernahme des Nektanebos zu tun hat – er wäre dann durch eine leichte Umschreibung zum Herrscher, der nach den Persern und Griechen herrschen wird, von einem späteren Redaktor in eschatologische Lesungen überführt worden. Die zweite Sektion hat ebenfalls eine deutliche Stoßrichtung gegen Nektanebes, ist allerdings durch die viel stärkeren Bezüge eindeutig fortgeschrieben worden. Leider fehlt hier gerade der Bereich, von dem man Aufschlüsse über eventuelle Hoffnungen des letzten Bearbeiters erhoffen könnte. In der Forschung wurde der Text einerseits mit Propaganda zugunsten der Fürstenfamilie von Herakleopolis verbunden und damit für antigriechisch erklärt.369 Spätere Arbeiten betonten dagegen die Stellung gegen die Perser sowie das Idealbild des ägyptischen Königtums, das der Text entwirft.370 Eine Außenseiterposition wollte die konkrete politische Situation unter den ein368

HUSS, Makedonischer König, S. 143-163. SPIEGELBERG, Demotische Chronik, S. 6. 370 JOHNSON, JSSEA 13, 161-171; dies., in: Fs Lüddeckens, S. 107-124. 369

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heimischen Gegenkönigen Haronnophris und Chaonnophris wiedererkennen.371 Zuletzt wurde sogar der Versuch gemacht, den Text als Literatur zugunsten der Ptolemäer zu lesen.372 Dabei wurde Ptolemaios I. als derjenige betrachtet, dessen Aufstand geschildert sei. Diese Ansätze sind mit dem Problem behaftet, daß der Text eben im ältesten Kern aus der 30. Dynastie stammen könnte, zudem gerade die Bereiche, aus denen man die Einstellung gegenüber den Griechen entnehmen könnte, in der Handschrift weitestgehend verloren sind. Speziell gegen die Deutung als proptolemäische Propaganda für Ptolemaios I. spricht, daß derjenige, welcher den Aufstand leiten soll, als „Mann aus Herakleopolis“ bezeichnet wird, was kaum auf Ptolemaios I. zu beziehen ist, und er zudem nach den Griechen herrschen soll. Jenseits der komplexen und wohl beim heutigen Stand kaum lösbaren historischen Probleme ist die Vorgehensweise literarisch beachtenswert. Ein rätselhafter Basistext, der im Wesentlichen aus dem Tempelbetrieb kommen könnte, wird stark subjektiv-allegorisch umgesetzt, wobei oft noch Konkretisierungen und gelegentlich sogar Erläuterungen der Deutungsprinzipien auftreten (z.B. „Der Stein bedeutet Gemetzel“). Insofern berührt sich diese Komposition mit der Textgattung der Kommentare. Auffällig ist die Herrscherbewertung in der zweiten Sektion. Viele der ägyptischen Herrscher werden negativ bewertet. Man hat oft auf die Ähnlichkeit zur jüdischen (besonders deuteronomistischen) Geschichtstheologie hingewiesen, in der ebenfalls Erfolg und Mißerfolg der Herrscher mit ihrer Frömmigkeit verbunden wurde.373 Zu fragen wird aber sein, inwieweit echte Einflüsse vorliegen oder nicht unabhängige Parallelentwicklungen aus der gleichartigen Situation heraus, mit einem katastrophalen Scheitern des eigenen Staates umgehen zu müssen. 7.5. Kleinere Fragmente und Nachleben Erst kürzlich veröffentlicht worden ist ein bislang unbekannter prophetischer Text aus Tebtynis (pCarlsberg 399 + PSI Inv. D 17 + pTebtunis Tait 13), des-

371

MEYER, Saeculum 48, S. 192f. Dafür ist die erhaltene Handschrift eher schon zu alt. FELBER, in: BLASIUS, SCHIPPER (Hrsg.), Apokalyptik, S. 106-110. 373 GRIFFITHS, Divine Verdict, S. 176-183. 372

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sen Handschrift etwa in das frühe 2. Jahrhundert n. Chr. zu datieren ist.374 Von ihm sind leider nur einzelne Fragmente erhalten, deren Position zueinander nicht absolut gesichert ist. Das umfangreichste Fragment bietet vor allem Schilderungen einer verkehrten Welt, in der jeder gegen jeden kämpft, wobei auch die Schwachen die Starken potentiell besiegen können. Auch das Verhältnis zu den Göttern zerbricht: „Sie werden die Feste ihrer Götter vergessen, ihre Götter ihrerseits werden sie vergessen. Sie werden flehen, sie werden vor [dem Gott] weinen, sie werden sagen: ‚Weshalb ließ er dies geschehen?’ Er aber wird ihre Stimme nicht hören.“ (pCarlsberg 399 A 1, 2-4).

Auch der normale Lauf der Jahreszeiten gerät durcheinander. Ein weiteres Fragment erwähnt Alexandria und die Zerstörung von Memphis. Dagegen gehören andere Stücke bereits in den Bereich von Heilsvorhersagen, folglich mutmaßlich zum hinteren Teil der Komposition. Einerseits wird hier der Wiederaufbau eines Tempels nach dem Muster von Memphis thematisiert. Daneben verheißt der Text einen Machthaber, der Herr über jedes Land sein wird, möglicherweise ist auch von einem Kriegszug gegen Syrien die Rede. Die ausgesprochen lückenhafte Überlieferung macht es einstweilen schwer, das Werk konkret einzuordnen. Deutlich ist, daß es in seinen Themen engere Verbindungen sowohl zur mittelägyptischen Prophezeiung des Neferti als auch zu sonstigen demotischen prophetischen Texten aufweist. Eine präzisere historische Einordnung und damit ein Verständnis der Intentionen sind kaum möglich. Auffällig und besonders hervorzuheben ist das Thema der Erbauung eines neuen idealen Tempels. Nicht eigentlich als prophetischer Text einzuordnen ist der Traum des Nektanebos. Zwar beinhaltet er mutmaßlich eine Unheilsankündigung für den König, welche dieser nicht mehr abwenden konnte. Dennoch handelt es sich im Kern um eine narrative Darstellung, die Motive der ägyptischen Geschichte aufgreift und literarisch ausschmückt. Deshalb ist dieser Text oben bei den Erzählungen behandelt worden (s. S. 82f.).

374

QUACK, in: BLASIUS, SCHIPPER (Hrsg.), Apokalyptik, S. 253-274, T. IX-XVI.

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Zwei Werke sollten wenigstens kurz genannt werden, die eigentlich nicht mehr in den Bereich dieser Einführung fallen, aber gut als Weiterentwicklung der betreffenden Kompositionen lesbar sind. Das eine ist die „Apokalypse“, die im Rahmen des hermetischen „Vollkommenen Logos“ ursprünglich griechisch abgefaßt war, heute aber abgesehen von Einzelzitaten nur noch lateinisch im Traktat Asklepius (24-26) sowie in koptischer Übersetzung NH VI 70, 3-74, 16 erhalten ist.375 Hermes verkündet seinem Schüler Tat düster, wie in einer zukünftigen Zeit Ägypten von den Göttern verlassen würde. Fremde würden kommen und herrschen, den Ägyptern würde man ihre Gottesverehrung verbieten. Von Ägyptens Religion würden nur Fabeln und Worte auf Stein übrig bleiben. Überall würden die Menschen sterben, alle bisherigen Wertungen moralischer Art würden sich umkehren. Am Ende des Greisenalters der Welt würde der Schöpfergott aber in einem Kataklysmos die Welt wieder zu ihrer ursprünglichen schönen Form bringen. Das Aufgreifen älterer ägyptischer Traditionen in diesem Text ist inzwischen allgemein anerkannt. Die zweite relevante Komposition ist die Elias-Apokalypse, welche möglicherweise ursprünglich jüdisch war und später christlich überarbeitet wurde.376 Der Text behandelt vorrangig das Leid, das über Ägypten kommen wird. Dabei erscheint ein einheimischer Herrscher aus Heliopolis als derjenige, der zwischenzeitlich zumindest eine kurze Phase besserer Zustände bringt. Weitere Passagen schildern das Erscheinen des Antichristen und die Verfolgung der Heiligen bis hin zum jüngsten Gericht. Motivische Einflüsse älterer ägyptischer Texte, insbesondere des Töpferorakels und des Lammes des Bokchoris, sind in der Forschung schon mehrfach vermutet worden.

375

Kritische Edition des lateinischen Textes A. D. NOCK, A.-J. FESTUGIÈRE, Corpus Hermeticum II. Traités XIII-XVIII, Asclepius (Paris 1946), S. 326-333; koptischer und lateinischer Text bei D. M. PARROT, Nag Hammadi Codices V, 2-5 and VI, NHS XI (Leiden 1979), S. 395-451; MAHÉ, Hermès en Haute-Égypte, tome II. (Quebec 1982). 376 Koptischer Text bei PIETERSMA, COMSTOCK, ATTRIDGE, Apocalypse of Elijah; Übersetzung und ausführlicher Kommentar unter Einbeziehung demotischer Texte FRANKFURTER, Elijah in Upper Egypt. Vgl. QUACK, in: MARTIN, SIEG (Hg.), Zukunftsvisionen, S. 101f.

8. An den Grenzen der Literatur In diesem Kapitel sollen eine Reihe von „semiliterarischen“ Texten und Problemfällen gesammelt werden. Gerade da, wo ihre eindeutige Bewertung Schwierigkeiten bereitet, können sie potentiell Aufschlüsse bieten, was genau literarische von nichtliterarischen Texten unterscheidet. Bei weitem der substantiellste von ihnen, gleichzeitig der längste bisher bekannte frühdemotische Text ist der pRylands IX aus dem 9. Jahr Dareios’ I.377 Am Anfang steht eine längere Rahmenhandlung. Ein gewisser Ahmose reist nach Teudjoi, dem heutigen El-Hiba, weil er von dort Getreidelieferungen erhalten soll, die nicht eingetroffen sind. Auf seine Nachfrage teilt ihm der zuständige Wirtschaftsverwalter des Tempels mit, es gäbe nichts, und Petese, Sohn des Udjasomtus, könne ihm mitteilen, wie die Stadt ruiniert worden sei. Dieser weigert sich zunächst und deutet an, er würde nur Auskunft geben, wenn ihm der Schutz durch den Finanzchef Ägyptens sicher sei. Ahmose foltert ihn, indem er ihn stundenlang in der Sonne stehen läßt, und erhält so die gewünschte Auskunft. Danach entläßt er Petese, der nach Hause reist. Wenige Tage später wird sein vertraulicher Bericht jedoch von Pakep nach Teudjoi gebracht. Als Reaktion wird Petese samt seinen Brüdern und seinem Sohn inhaftiert, der Wirtschaftsverwalter des Tempels abgesetzt. Einer der Gefangenen kann entfliehen, als die Wachen bei einem Fest betrunken sind. Der neue Finanzverwalter läßt die restlichen zusammenschlagen und will einen alten Turm über ihnen zum Einsturz bringen. Nur das Erscheinen eines Zeugen, der mit Enthüllungen droht, rettet sie, doch braucht Petese, der schon alt ist, drei Monate lang ärztliche Behandlung. Er macht sich nach Memphis auf, um Klage zu erheben. Als er nach 7 Monaten endlich beim Finanzchef Ägyptens vorgelassen worden ist, kann er nicht mehr als eine Tracht Prügel gegen die verantwortlichen Priester erreichen; diese bestechen aber den Zuständigen und erreichen es, vor Gericht entlassen zu werden. Petese 377

Edition GRIFFITH, Rylands Papyri I, T. XXIII-XLVII; II, T. 21-42: III, S. 60-112 u. 218-253; Neubearbeitung VITTMANN, Papyrus Rylands 9; dazu noch CHAUVEAU, BiOr 61, Sp. 19-41; Übersetzung HOFFMANN, QUACK, Anthologie, S. 22-54 u. 331-333; VITTMANN, in: TUAT NF 8, S. 351-386. Vgl. inhaltlich JAY, in: HAIKAL (Ed.), Fs El-Aguizy, S. 229247.

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Die demotische und gräko-ägyptische Literatur

erhebt währenddessen erstmals konkretere Forderungen. Das Prophetenamt des Tempels von Teudjoi gehöre eigentlich ihm von seinen Vätern her; die Priester hätten es ihnen nur bei einer günstigen Gelegenheit entrissen. Auf Aufforderung schreibt Petese dies nieder, findet aber wenig Interesse, lediglich eine vage Zusicherung, man würde ihn schützen. Wieviel diese wert ist, spürt er gleich, als er nach Hause reist und erfährt, sein Haus sei von den Priestern in Brand gesteckt worden. Ein Versuch, sie zur Rechenschaft zu ziehen, endet durch erneute Bestechung ergebnislos. Nunmehr geht der Papyrus dazu über, in einer langen Schilderung das Verhältnis der Vorfahren des Petese zu den Priestern von Teudjoi über mehrere Generationen zu verfolgen. Es beginnt damit, daß im Jahr 4 Psammetichs I. (660 v. Chr.) ein gewisser Petese als „Schiffsmeister“ das ganze „Südland“ Ägyptens von der südlichen Wachstation von Memphis bis Assuan unter sich hat. Sein gleichnamiger Neffe (Petese I.) dient ihm als Assistent und wird auf Initiative seines Onkels vom König ausgezeichnet und zum gleichrangigen Verwalter des Südlandes gemacht. Bei einer Inspektion entdeckt er in Teudjoi einen bedeutenden, aber vom Personal verlassenen Tempel, dessen letzter Priester Petese mitteilt, dessen Vorfahren seien früher hier Priester gewesen. Petese kann für den Tempel rückwirkende Steuerfreiheit bewirken und stattet ihn mit Silber- und Goldgeräten, Tempelland und Priestern aus. Er läßt zwei Statuen von sich selbst im Tempel aufstellen. Der alte Schiffsmeister überschreibt ihm nun das Amt des Propheten in diesem Tempel; er selbst greift einen thebanischen Priester namens Horudja auf, den er zu seinem Schwiegersohn macht. Zudem kann er sich vom König als Dank für seine erfolgreiche Verwaltungstätigkeit weitere Prophetenstellen gewähren lassen. Während er Horudja mit seiner Tochter Neithemhet in Teudjoi leben läßt, zieht er selbst nach Theben. Als im Jahre 18 des Psammetich der alte Schiffsmeister stirbt, läßt Petese sich dessen Sohn Somtutefnacht als nunmehrigen Juniorpartner zur Seite stellen. Ein Jahr später läßt sich Petese aus dem Dienst entlassen, ohne weitere Belohnungen zu wünschen – oder wird in der Realität als nicht mehr erwünscht höflich abgeschoben. Die bedeutende Stellung des Petese, der über seinen Schwiegersohn tatsächlich ein Fünftel der gesamten Tempeleinkünfte für sich beansprucht, während die 80 Priester im Tempel sich in den Rest teilen müssen, geht nicht gut.

An den Grenzen der Literatur

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Nach einigem Murren entlädt sich der Zorn der Priester im Jahre 31 Psammetichs I. Eine bestellte Bande erschlägt Horudjas Söhne, als sie den Familienanteil eintreiben wollen. Der Oberste der libyschen Truppen läßt nunmehr das Haus des Horudja und seiner Frau bewachen, während die Priester fliehen, außer zweien, die vor dem König hingerichtet werden. Durch Amnestieversprechen kann Petese die Flüchtlinge zu einer Versammlung bewegen. Dort erläutert er ihnen die Berechtigung seiner Ansprüche und fordert, daß diese zur Absicherung auf einer Stele im Tempel niedergeschrieben werden. Die beiden toten Knaben werden bestattet. Petese setzt seinen Sohn Udjasomtus (I.) als Nachfolger auf seinen Priesterämtern in Teudjoi ein. Nunmehr scheint alles gut zu gehen, bis im Jahre 4 Psammetichs II. Petese (II.), Sohn des Udjasomtus und Enkel des älteren Petese von den Priestern geschickt in die scheinbar ehrenvolle Rolle gedrängt wird, den Pharao mit dem Blumenstrauß des Tempels auf einem Kriegszug nach Syrien zu begleiten. Währenddessen gehen die Priester zu Horudja, einem Propheten des Sobek, und geben an, der betreffende Prophetenanteil sei eigentlich staatlich und der ältere Petese habe ihn sich widerrechtlich angeeignet. Sie überschreiben nunmehr vier Opferanteile davon auf den Sohn des Horudja namens Ptahnefer, die restlichen 16 teilen sie unter sich auf. Nach seiner Rückkehr erhebt Petese (II.) Klage, doch die Krankheit und der bald folgende Tod des Königs verhindert seinen Erfolg. Die priesterlichen Einkünfte bleiben für die Familie verloren. Ein neuer Schub der Handlung ergibt sich im Jahr 15 des Amasis. Der Feldvorsteher Ägyptens hat einen persönlichen Feind namens Hormaacheru, Sohn des Ptahirdis, dem er zu schaden sucht. So fragt er auch in Teudjoi, ob dieser dort Besitzungen habe. Ein Gauschreiber gibt ihm an, Hormaacheru sei mit den Priestern von Teudjoi eng befreundet. Um ihn so indirekt zu treffen, konfisziert der Feldvorsteher erhebliche Teile der Tempeläcker. Die Priester wollen sich wehren und bestechen dafür Chelchons, einen Favoriten des Königs, indem sie dessen Bruder Psammetichmenenpe eine Prophetenstelle überschreiben. Dafür muß zunächst Nikau, Sohn des Ptahnefer, dem die Stelle vorher zugeschoben worden war, verzichten, was er auch tut. Hinsichtlich des konfiszierten Landes wird ein Kompromiß erzielt. Jedoch steht noch das Problem im Raum, daß die früheren Besitzrechte der Petese-Familie bekannt sind

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und von dieser noch eine förmliche Verzichtserklärung gewünscht wird. Udjasomtus (II.), Sohn des inzwischen verstorbenen Petese (II.) wird vor der bevorstehenden Zwangsaktion gewarnt und flieht mit seiner Familie nach Hermopolis. Die Priester von Teudjoi demolieren daraufhin sein Haus und meißeln die Inschriften aus, auf denen Petese (I.) seine Priestertitel und damit seine Anrechte hatte verewigen lassen; seine Statuen werden ins Wasser geworfen. Udjasomtus animiert nun seinen Sohn Petese (III.), den Schreiber des vorliegenden Textes, sich dem Rechnungsschreiber Imhotep anzudienen, damit dieser, wenn er die Tüchtigkeit des Sohnes bemerkt, die Familie protegiert. Zunächst scheint der Plan zu gelingen, und Petese kann mit vielen Soldaten nach Teudjoi kommen, wo er die Brüder des gerade abwesenden verantwortlichen Finanzchefs festnehmen läßt. Da aber die Gefahr droht, daß der einflußreiche Chelchons den Priestern von Teudjoi zum Sieg verhilft, kommt nur ein Kompromiß zustande, bei dem die Priester Petese einen Teil des Wertes seines Hauses erstatten und sich für den Rest verbürgen. Die Geldsumme reicht nur für einen teilweisen Wiederaufbau. Solange noch Amasis regiert, erhält der zuletzt eingesetzte Prophet Psammetichmenenpe weiter seine Einkünfte. Nach der Eroberung Ägyptens durch Kambyses ignorieren die Priester ihn jedoch und machen einen Pascherieniah zum Propheten. Damit endet der eigentliche Bericht des Petese. Angefügt sind zunächst die Inschriften auf den beiden Stelen des Petese (I.) mit allen Titeln, zudem noch Lieder, die Amun bei einer Prozession inspiriert haben soll, und die gegen die Priester gerichtet sind (s.o. S. 106). Der Papyrus Rylands IX dürfte prinzipiell als nichtliterarisches Dokument zu bewerten sein, mutmaßlich die Kopie des Entwurfes für eine juristische Eingabe. Sein nichtliterarischer Charakter ergibt sich vielleicht am deutlichsten daraus, daß er aus einem Archivzusammenhang stammt, der acht weitere Urkunden derselben Familie umfaßt. Weiterhin kann man noch bemerken, daß in demotischen Erzählungen einerseits Vorgänge üblicherweise nicht über derart viele Generation berichtet werden, zudem am Ende meist ein befriedigender bzw. eindeutig positiver Abschluß steht. Dagegen wären die angesprochenen Themen an sich auch mit einem literarischen Text kompatibel. Streit um Priestereinkünfte ist mindestens im

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Streit um die Pfründe des Amun sicher belegt, Mord und Intrigenspiel etwa in der Kopenhagener Setne-Erzählung (pCarlsberg 207) oder dem pSaqqâra 1 faßbar. Die Detailverliebtheit des Erzählers geht über das für seine Sache unbedingt Nötige deutlich hinaus. Auffällig ist auch die Erzählhaltung, die unreflektiert eine allwissende Position einnimmt. Dabei werden auch Intrigen, Geheimberatungen und Bestechungen der Gegenseite, von denen Petese doch bestenfalls Mutmaßungen haben oder Gerüchte verbreiten kann, ganz objektiv und mit vielen Details als Fakten berichtet, wie es der Autor einer fiktiven Erzählung machen würde. Das zeigt vielleicht auch, wie Lektüregewohnheiten und daran geschulter Erzählgeschmack das eigene Formulieren beeinflussen können. Andererseits muß dieser Befund zumindest die bedenkliche Frage aufwerfen, was geschehen wäre, wenn man den pRylands IX als Einzelfund, vielleicht auch noch in fragmentarischem Zustand aufgefunden hätte. Wäre die Forschung im Stande gewesen, ihn als Originaldokument, nicht als Fiktion zu erkennen? Vor allem sollte ein solcher Text im Hinblick auf neuägyptische Texte wie den Wenamun und den Moskauer literarischen Brief als Prüfstein dienen, welche Merkmale tatsächlich ausreichend sind, um Kompositionen als fiktionale Literatur einzustufen, die selbst die Formelemente von Dokumenten oder ihren Abschriften annehmen. Ziemlich änigmatisch ist eine Passage, die in den Krugtexten überliefert ist.378 Der Absender wendet sich an eine mutmaßlich höhergestellte Person, die im Text immer nur als „Briefschreiber“ bezeichnet wird, ähnlich wie in älterer Zeit der Empfänger eines Briefes mit „dein Schreiber“ umschrieben wird. Offenbar fürchtet der Absender, aufgrund seines Sohnes getötet zu werden. Die Hintergründe bleiben im Dunkeln, eventuell hat dieser Sohn ein derartiges Verbrechen begangen, daß „Sippenhaft“ angemessen scheint. Zunächst betont der Absender, es sei gar nicht sein Sohn. Vielmehr sei dessen Mutter bereits schwanger in sein Haus gekommen, er habe ihren Sohn, den sie sonst getötet hätte, nur großziehen lassen. Ferner zählt er seine Reichtümer, speziell Immobilien, auf und bietet an, man solle all diese quittieren und ihm dafür das

378

Text A2; SPIEGELBERG, Krugtexte, S. 14-17; LEXA, ArOr 17 (1949), S. 124-130.

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Leben geben. Ob dies als Bestechungsversuch oder nur als Wiedergutmachung für entstandenen Schaden durch den Sohn zu werten ist, bleibt unklar. Für sich genommen könnte man diesen Text ohne weiteres als echtes Dokument im Rahmen eines Gerichtsverfahrens ansehen. Was ihn heraushebt, ist allerdings sein Überlieferungszusammenhang. Der Brief ist als eines unter mehreren Stücken auf einem Krug überliefert, der offenbar als Material für Schreibübungen gedient hat. Die restlichen Stücke sind alle als literarisch einzustufen. Dies eröffnet zumindest die Möglichkeit, daß aus einer längeren Erzählung nur eine kurze Einzelpassage extrahiert wurde, anhand derer der Schüler bestimmte administrative Floskeln und Fragen der Textorganisation lernen konnte. Alternativ wäre aber auch nicht undenkbar, daß es sich um ein echtes Aktenstück handelt, das später in den Schulunterricht überführt worden ist. Hinsichtlich dieser Problemstellung ist der Text ähnlich gelagert wie manche Passagen der neuägyptischen „Miscellanies“, bei denen man sich oft fragen kann, ob Originalakten sekundär in das Schulkorpus gewandert sind oder für Übungszwecke von vornherein Musterbriefe ohne realweltlichen Bezug komponiert wurden. Eine ähnliche Problemstellung ergibt sich bei einer sehr fragmentarischen Sammlung von Briefen, die auf der Rückseite des Papyrus Berlin 13639 überliefert sind, der auf der Vorderseite eine Schulübung enthält.379 Es dürfte sich eher um eine Gruppe von Musterbriefen als um Entwürfe realer Korrespondenz handeln. Der hohe Prozentsatz ungewöhnlicher Namen oder sonst schwieriger Ausdrücke spricht zusätzlich für eine Verwendung im Schulkontext. Wohl als Schülerübung zu verstehen ist ein Rest einer Kolumne (mit Kolumnentrenner zur nächsten Seite) auf dem Rekto des römerzeitlichen Papyrus Hamburg 33, der auf dem Verso eine Version des Isislobes (s. S. 116) enthält.380 Darin wird ein Schwert in verschiedenen Aktionen wie etwa „[das] Schwert gibt Sieg“ (Z. 5) oder „[das] Schwert pflückt Lotusknospen“ (Z. 6) beschrieben.

379

ZAUZICH, in: RYHOLT (Ed.), Acts Copenhagen, S. 395-401, T. 15f.

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Ebenfalls mutmaßlich aus dem Schulbetrieb stammt das Ostrakon Berlin 12902.381 Der Ich-Sprecher betont in einer langen Abfolge, wie er bestimmte Tiere, Menschen und Pflanzen nicht in Situationen gefunden hat, die man bei ihnen erwarten könnte, z.B. „Die Fischer sind nicht am Ufer gelandet, die Jäger haben nichts gefangen …, ich habe kein gefallenes Pferd gefunden, ich habe keinen störrischen Esel gefunden“. Mitten darin findet sich eine Anrufung „Wende dich zurück zu mir, oh mein großer Herr!“, die schon fast den Eindruck erweckt, daß man es hier mit einer religiösen Petition an eine Gottheit zu tun hat. Aus einem geschlossenen Fundkomplex stammen etwa 1500 Ostraka, die im Tempelbereich von Medinet Madi (Narmouthis) gefunden wurden.382 Sie gehören mutmaßlich in den Schulbetrieb (auf einem Ostrakon, oDN 44, steht einfach „die Schule“) und zeigen interessante Interaktionen zwischen Griechisch und Demotisch, wobei griechische Vokabeln (in griechischer Schrift) in den demotischen Text eingeschoben werden können. In einigen Fällen ist die praktische Natur evident, wenn etwa befohlen wird, zu bestimmten Orten zu gehen und von dort Dinge zu holen – schon fast wie heutige Einkaufszettel. Es können auch für längere Zeiten Reiserouten und Dienstpensa festgelegt werden, wenn Schüler im Lande herumreisen sollen. Für literarische Fragestellungen können nur einige Einzelfälle genauer betrachtet werden. Manche der Stücke enthalten Verhaltensvorschriften oder eigene Erklärungen darüber, was man tun und lassen will. So findet man als Anweisung für kultische Reinheit: „Geh zum Tempel, tauch ein an deinem Platz!“ (oDN 78, 6-9);

als generelle Verhaltensregel: „Ich werde keinem Mann Ratschläge in seinen Angelegenheiten erteilen, ausgenommen nur das (astrologische?) ‚Wissen’; ich werde über meine Stärke und

380

BRUNSCH, OrSu 36-37, S. 5-7; wichtige Verbesserungen bei ZAUZICH, Enchoria 17, S. 163-165. 381 SPIEGELBERG, Demotica I, S. 18-22; ders., Demotica II, T. 2. 382 BRESCANI, PERNIGOTTI, BETRÒ, Ostraka demotici da Narmuti I; GALLO, Ostraca demotici e ieratici II; BRESCIANI, MENCHETTI, MESSERI, PINTAUDI, in: ELDAMATY, TRAD (Hrsg.), Egyptian Museum Collections, S. 163-174; MENCHETTI, EVO 22-23, S. 137-153; ders., EVO 26, S. 23-31; ders., Ostraka demotici e bilingui.

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Die demotische und gräko-ägyptische Literatur Schwäche und meine Lebensweise keinem Mann erzählen, ich werde nicht nach seinen eigenen fragen!“ (OMM 307, 1-6; EVO 26, S. 28f.).

Als Maxime ist ein Spruch zweimal mit gewissen Varianten überliefert, nämlich: „Er hütet sein Herz, nämlich der Mann, der gegen ihn klagen wird, wenn er von ihm mißhandelt ist. Er erhebt ungerechte Anklage, damit er nicht gegen ihn (etwas) verbreitet.“ (oDN 25; ähnlich 26).

Ein anderer Text wurde kürzlich als Schülerbeschimpfung erkannt:383 „Glaubt nicht in euren Herzen, daß ihr wissender als ich seid! Ihr seid dumm. Ich dagegen bin weise. Es gibt Blindheit in meinen Augen, in euren eigenen Augen dagegen gibt es keine Blindheit.“ (oDN 20).

Relevant scheinen diese Ostraka primär für das angemessenere Verständnis von Weisheitstexten. Auch dort gibt es Anweisungen, Verhaltensvorschriften und generelle Maximen. Sie werden lediglich meist stärker ins Allgemeingültige gewendet und in größere Kompositionszusammenhänge eingebettet. Dennoch kann man hier gut sehen, wie eine direkt-praktische Belehrung von Schülern im Unterricht (vielleicht auch vor dem Hintergrund des Elementarunterrichts im Schreiben) aussehen kann, aus der sich potentiell eine durchkomponierte Lehre entwickeln könnte. Bezeichnend ist auch, daß sich im griechischsprachigen Material desselben Fundkomplexes auch Spruchgut im Stile der Worte der sieben Weisen findet.384 Ein rätselhafter Text ist das sogenannte Late Demotic Gardening Agreement, das auf einem Krug etwa aus dem 3. Jhd. n. Chr. überliefert ist.385 Zunächst ist es ganz als Pachtvertrag stilisiert, in dem minutiös aufgelistet wird, welche Tätigkeiten der Pächter durchführen soll. Mehrere Dinge sind allerdings auffällig. Zunächst einmal ist in dieser späten Zeit ein echter Vertrag ohne griechische Version (wenigstens in Kurzfassung) kaum denkbar. Zudem fehlen eine Datierung oder Zeugenunterschriften. Ferner ist gerade der enorme Detailreichtum der Anweisungen ohne Parallele, etwa in der Angabe der exakten

383

ZAUZICH, Enchoria 28, S. 174f. J. ALTHOFF, D. ZELLER, Die Worte der sieben Weisen griechisch und deutsch (Darmstadt 2006), S. 75f.; E. BRESCIANI u.a., Narmouthis 2006. Documents et objects découverts à Medinet Madi en 2006 (Pisa 2010), S. 74-76. 384

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Bewässerungsmenge unter Festlegung des Maßes auf ein Hin genau. Manche Punkte sind völlig bizarr. So wird die Gartenbesitzerin aufgefordert, bei eventuellen Besuchen gegen Sonnenschein ein Kopftuch zu tragen, wegen der Steine festes Schuhwerk, wegen der Hyänen eine Lanze und wegen der Wölfe ein Schwert mitzunehmen. Daran schließt sich noch eine Naturbeschreibung an, wo im Areal die Frösche und ein Ichneumon Nachwuchs bekommen haben. Ferner soll die Eigentümerin den Kot des Pächters dreimal täglich auf bestimmte Pflanzenrückstände untersuchen dürfen. Schließlich werden zwar für die Bezahlung je nach gewünschter Geld- oder Sachentschädigung präzise Vorkehrungen festgelegt, nie jedoch der tatsächliche Geldwert. Insgesamt kann man sich des Eindruckes nicht erwehren, daß es sich hier kaum um einen realen Vertrag handelt, sondern vielleicht um ein Produkt der Schulung, für das ein bewußt abstruser und von seltenen Worten und Inhalten wimmelnder Text gewählt wurde, um nichts auszulassen, dem ein Schreiber realiter begegnen könnte. Auch die Möglichkeit einer bewußten Parodie ist nicht auszuschließen. Zumindest erwähnt sei ein nur angedeuteter Versuch, darin ein originelles Stück Liebesliteratur zu sehen.386

385

Edition durch PARKER, JEA 26, S. 84-113; VLEEMING, Demotic Graffiti, S. 400-414; als literarisch betrachtet von RAY, in: Pyramid Studies, S. 183; DEPAUW, Companion, S. 96; JASNOW, Enchoria 27, S. 67. 386 T.Q. MRSICH, Rechtsgeschichtliches zur Ackerverpachtung auf Tempelland nach demotischem Formular, ÖAW, Phil.-hist. Kl., Sitzungsbericht 703 (Wien 2003), S. 85.

9. Schluß: Die demotische Literatur zwischen ägyptischer Tradition und internationalem Umfeld Die übergreifenden Diskussionen zur demotischen Literatur sind derzeit in einem großen, eigentlich übertriebenen Ausmaß von einer einzigen Frage dominiert, nämlich der nach dem Weiterführen indigener Traditionen versus Fremdbeeinflussung. Demgegenüber tritt teilweise in den Hintergrund, daß unabhängig von diachronen Einflüssen einfach die Texte als synchron funktionierende Kompositionen betrachtet werden müssen. Ihre Fülle zeigt, daß es hier eine blühende literarische Tradition gab, die sich in immer neuen Werken ausdrückte und lange Zeit über bei ihrem Lese- oder Zuhörerpublikum auch großen Anklang fand. Sofern fremde Einflüsse vorhanden sind, sollten sie also grundsätzlich so bewertet werden, daß es sich um Inhalte, Formulierungen oder Formelemente handelt, die den ägyptischen Geschmack der Spätzeit getroffen haben. Tatsächlich zeigt sich in der demotischen Literatur gerade die generelle kulturelle Fähigkeit der Ägypter, geistige Produkte zu erzeugen, die selbst da, wo sie Anregungen von auswärts aufnehmen und in ihr System einbauen, unverkennbar ägyptisch bleiben. Darin geben sie weitaus getreuer und repräsentativer Einblick in die Denkweise des späten Ägypten als etwa die hieroglyphischen Tempeltexte, bei denen unter der Masse überkommener liturgischer Traditionen das geistig Neue viel schwerer zu greifen ist. Die Diskussion über fremde, insbesondere griechische Einflüsse konzentriert sich derzeit auf zwei Textgruppen, die nicht unbedeutend sind, innerhalb der Gesamtmenge der demotischen Literatur jedoch nur einen kleineren Teil darstellen. Einerseits sind unter den Erzählungen in der zweiten SetneErzählung bzw. deren erstem Teil Einflüsse griechischer Mythen, vor allem aber in den Inaros-Petubastis-Erzählungen Einwirkungen der griechischen Epik, insbesondere Homers vermutet worden. Hiervon halte ich die Einflüsse auf die zweite Setne-Erzählung für relativ plausibel; bei den Inaros-Texten ist vor allem die Amazonen-Erzählung mutmaßlich griechisch beeinflußt, für die anderen Werke sind allenfalls allgemeine Verbindungen und vielleicht Konvergenzen auszumachen. Umgekehrt wird die Rolle der ägyptischen Erzähltradition bei der Herausbildung des griechischen Romans neu zu hinterfragen sein.

Schluß

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Andererseits wird die gesamte Weisheitsliteratur in ein größeres Beziehungsgeflecht eingepaßt, bei dem vorderasiatische Lehren (insbesondere Achiqar) ebenso wie griechische hellenistische Gnomologien relevant sind. Urteilt man sowohl nach der mutmaßlichen Chronologie der Kompositionen wie nach der spezifischen Ähnlichkeit von Formulierungen, erweist sich Achiqar als plausibelster Kandidat, der ja auch nachweislich ins Demotische übersetzt wurde. Im restlichen Bereich fällt es schwer, die ägyptischen Werke in konkreter Abhängigkeit von einem bestimmten fremden Werk zu sehen. Hier wird man andere Modelle entwickeln müssen, wie es zu thematischen Verbindungen im ganzen nahöstlich-mittelmeerischen Raum kommen konnte. Ähnliche Antworten auf ähnliche Lebensbedingungen können ebenso eine Rolle gespielt haben wie Kulturkontakte, in denen ein gemeinsames geistiges Milieu entwickelt wurde. Ebenso sind viele der Fabeltexte auch in anderen Kulturen nachzuweisen. Die konkreten Linien sind dabei im Einzelnen schwer zu verfolgen. Gerade bei Verbindungen zu Vorderasien muß sich dabei auch die Frage erheben, ob der betreffende Text eventuell schon im Neuen Reich nach Ägypten gekommen ist. In keinem Fall ist aber ein demotisches Literaturwerk so erheblich in Formulierungen oder Inhalten fremdbeeinflußt, daß dadurch sein ägyptischer Charakter in Frage gestellt würde. Auch in älterer Zeit gibt es ja durchaus schon Fälle, in denen etwa literarische Verbindungen zu Vorderasien diskutiert werden. Deshalb sollte die Forschung auch nicht in patronisierender Weise versuchen, durch Leugnen aller fremden Einflüsse die demotische Literatur aufzuwerten. Unabhängig davon sollte es aber deutlich sein, daß die Transfers von der ägyptischen zur griechischen Seite erheblich intensiver sind als umgekehrt – direkte griechische Übersetzungen ägyptischer Werke sind inzwischen recht gut belegbar, in die umgekehrte Richtung jedoch nicht.387 Dies dürfte auch da387

Bei anderen Textgattungen sind Übersetzungen bzw. Beeinflussungen vom Griechischen her allerdings plausibel gemacht worden, s. z.B. J.F. QUACK, Ein Fragment eines demotischen ethnographischen Textes (PSI Inv. D 88), Enchoria 32 (2010/2011), 81-85, Taf. 1; ders., Ein ethnographischer Traktat, in: K. RYHOLT (Ed.), The Carlsberg Papyri 11. Demotic Literary Texts from Tebtunis and beyond, iDr.

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mit zusammenhängen, daß Griechischkenntnis bei Ägyptern der Oberschicht weit verbreitet war, Ägyptischkenntnisse bei Griechen aber wohl nicht in gleicher Weise. Erster und wesentlichster Quell für die demotische Literatur war zweifellos die ältere ägyptische Tradition. Dies betrifft zunächst die Gattungen, von denen eigentlich alle problemlos als Weiterführung bestehender Modelle erkennbar sind. Einzige Ausnahme sind vielleicht die diskursiven dialogischen Texte, bei denen potentiell mündliche Vorläufer denkbar sind – auch manche religiösen Texte, welche Abfragespiele bringen (z.B. TB 17), sollten in Betracht gezogen werden. Am konkretesten ist der Brückenschlag der Epochen im Falle der Traditionen um den Meistermagier Merire, die sowohl in einem neuägyptischen Fragment der Ramessidenzeit als auch in einer hieratisch geschriebenen, sprachlich aber protodemotischen Fassung auftauchen. Dennoch hat natürlich die Literatur der Spätzeit und griechisch-römischen Zeit ihr eigenes Gesicht und ist mit derjenigen älterer Epochen nicht einfach austauschbar. Hier kommt als wesentlicher weiterer Faktor hinzu, daß die gewandelten Lebensverhältnisse der Spätzeit auch in der Literatur ihre Spuren hinterlassen. Zitate und Anspielungen auf ältere Literaturwerke sind gelegentlich mit mehr oder weniger Sicherheit faßbar.388 Dabei wird allerdings die Kernfrage sein müssen, bis wann die Klassiker wirklich bekannt waren. Da man die demotischen Werke methodisch korrekt keinesfalls einfach nach dem Alter der Handschriften klassifizieren darf, könnten gerade die überzeugendsten Parallelen (z.B. Verbindungen der Lehre des Amenemope zum pAshmolean 1984.77 Verso und den Krugtexten; Aufnahme des Hardjedef im Brooklyner Weisheitstext und bei Chascheschonqi) auf eine Rezeption in saitischer Zeit zurückgehen, als noch mehr hieratische literarische Handschriften im Umlauf waren. In diesem Zusammenhang gilt es, die frühen Perioden, insbesondere die Saitenzeit, weit mehr als bisher in der Forschung üblich als wichtige und for388

Letzte Diskussion JASNOW, in: Fs Wente, S. 193-210; die von ihm S. 204f. gezogenen Verbindungen zwischen pSaqqâra 23 sowie dem Mythos vom Sonnenauge und Sinuhe halte ich beide nicht für ausreichend spezifisch, um Kenntnis des mittelägyptischen Werkes nachzuweisen.

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mative Phase der demotischen Literatur wahrzunehmen. In ihrem Umfeld spielen die meisten der historisch situierten Texte, und die Erinnerung an konkrete Ereignisse ist auch recht gut. Gerade hier hat man einmalige Chancen, zu verfolgen, wie Geschichte zu Geschichten wird. Bei den Erzählungen lassen sich für die Tendenz, den König in mehr oder weniger großer Intensität an der Handlung zu beteiligen, Parallelen in älterer Zeit finden. pWestcar, die Erzählung von König Neferkare und General Sisene, der Streit zwischen Apophis und Seqenenre Ta’o, Thutmosis und die Einnahme von Joppe sowie die ramessidische Erzählung über den König und eine Göttin liegen als typologische Vorläufer auf der Hand. Auch in der SinuheErzählung spielt der König eine wichtige Rolle, obgleich dieser Text durch seine Stilisierung als Autobiographie ein Sonderfall der ägyptischen Erzählliteratur ist. Zumindest für die Zauberer und ihre magischen Handlungen gibt ebenfalls der pWestcar einen plausiblen Vorläufer ab. Für diese Komponenten ist die Ableitung von älteren ägyptischen Motiven nie bestritten worden. Ganz anders sieht es mit den „heroischen“ Kompositionen aus, in denen Heldentaten individueller Kämpfer im Mittelpunkt stehen, also vor allem der Inaros-Zyklus. Diese Motivik ist für Ägypten zweifellos neu, da bisher nur der König als kriegerischer Held dargestellt worden war und solche Kompositionen auch kaum im Fokus des Interesses der erzählenden Literatur gestanden haben. Allerdings wird hier weniger eine fremde literarische Beeinflussung vorliegen; eher beruht die Thematik auf dem Lebensgefühl der neu ins Land gedrungenen libyschen Kriegergeschlechter. Unter den Weisheitslehren dürften die behandelten Themen an sich weitestgehend Parallelen in der älteren Zeit haben, deutlich modifiziert wird aber die Form, bei der das, was früher allenfalls exotische Ausnahme war, zur Normalität wird. Die Auflösung der alten kasuistischen Strukturen führt zum einen zum gedanklichen Umreißen eines fest definierten Themas, zum anderen zur völlig lockeren laut- und stichworthaften Assoziation freier Einzelsätze. Die Veränderungen der generellen Denkweise, die dahinter stehen, harren noch einer genaueren Erhellung, doch dürfte ihre Analyse viel zum Verständnis spätzeitlicher ägyptischer Mentalität beitragen.

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Sehr viel besser als in allen älteren Epochen sind diskursive Texte faßbar – was auch mit der vergleichsweisen Häufigkeit von Kommentartexten in dieser Zeit zusammenpaßt. Sie haben als Zeugnis für die geistige Durchdringung der Welt und den Umgang mit der langen eigenen Tradition sehr viel mehr Aufmerksamkeit als bisher verdient. Die prophetischen Texte nehmen in der Spätzeit offenbar zu, jedenfalls verglichen mit dem Neferti als einzigem gut faßbaren Vertreter älterer Zeit. Gerade diese Textgattung wird in besonderem Maße als Produkt des politischen Umfeldes bewertet werden müssen, d.h. sie zeugen von politischer Instabilität und der Konzeption einer alternativen Politik. Dennoch tut man gut daran, die eher marginale Rolle dieser Textgattung innerhalb des Gesamtspektrums ägyptischer Literatur nicht aus den Augen zu verlieren. Insgesamt läßt sich somit die demotische Literatur dahingehend begreifen, daß die überkommenen Traditionen weitergeführt werden. Ein gewisses Maß von auswärtigen Anstößen, vor allem aber die konkrete Situation der Spätzeit bedingt dann, wie die aktuelle Ausprägung und Modifikation sich gestaltet. Dabei bleibt noch ein wichtiger Aspekt bestehen, der in diesem Buch bislang kaum zur Sprache gekommen und mangels ausreichender Ansatzpunkte auch schwer zu thematisieren ist, nämlich die innerdemotische Entwicklung. Die hier beschriebenen Werke dürften sich auf die Zeit von wenigstens 700 v. Chr. bis 200 n. Chr. verteilen, und die äußere Situation ist in dieser Zeit sicher keineswegs gleich geblieben. Man wird in Zukunft nach Möglichkeiten suchen müssen, durch eine verfeinerte Chronologie Entwicklungstendenzen innerhalb der demotischen Literatur zu erfassen bzw. in günstigen Fällen vertieft analysieren müssen, wie länger überlieferte Texte im Verlauf ihrer Tradierung auch modifiziert und für Lesungen einer veränderten Zeit adaptiert wurden. In jedem Fall sollte nach der hier dargebotenen Präsentation klar sein, wie reich und für ein Gesamtbild sowohl der ägyptischen Literatur überhaupt als auch für eine Geistesgeschichte der Spätzeit unverzichtbar die demotische und gräko-ägyptische Literatur ist.

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Register Demotische und abnormal-hieratische Handschriften und Kompositionen Abnormal-hieratischer Papyrus Queens College 95 Amasis und der Schiffer 79 Amazonen-Erzählung 13, 24, 26, 28, 57, 64–65, 72, 141, 212 Anosis-Erzählung 79 Bes-Erzählung 22, 57 Brooklyner Weisheitstext 2, 10, 121, 122, 134–38, 148, 214 Bruchstück der Sammlung Michaelidis 64 Demotische Chronik 10, 17, 185, 188, 189, 196–200 Djoser-Erzählung 32, 74 Erste Setne-Erzählung 9, 11, 18, 19, 20, 38–42, 44, 105 Eseltext 158, 187 Fragment Michaelidis 28 Fragmente Deir Rifeh 103 Fragmente von einer Kapelle der Kuschitenzeit 160 Großes demotisches Weisheitsbuch Siehe pInsinger Harfner 8, 9, 16, 108–10 Heldentaten des Inaros 55 Horus und Seth 30 Horus vom Weinstock 117 Horus, Sohn des Pwenesch 78 Hymnus auf Chnum, Esna 118 Imhotep-Text 182 Inaros-Zyklus 19, 23, 24, 25, 55–75, 103, 105, 212, 215 Kampf um den Panzer des Inaros 14, 21, 26, 58–63 Krugtexte 11, 14, 50, 78, 96, 101, 154, 183, 207, 214 Lamm des Bokchoris 10, 17, 188, 189, 190–92, 193, 195 Late Demotic Gardening Agreement 210 Lehre des Achiqar 18, 148–50 Lehre des Chascheschonqi 8, 11, 12, 16, 18, 121, 138–48, 150, 151, 152, 153, 154, 157, 158, 185, 214 Lieder auf die Geburt des Horus, Edfu 118 Mythos vom Sonnenauge 5, 8, 9, 12, 17, 22, 117, 159, 160–72, 172, 184, 214

Naneferkasokar und die Babylonier 25, 52 Narmouthis-Ostraka 4, 209 Nektanebos’ Traum 5, 82, 201 oDém Louvre 598 154 oDém. Deir el-Medina 1-1 154 Ostraka Hor 106, 117 Ostrakon aus Edfu 53 Ostrakon Berlin 12902 209 Ostrakon BM 50627 121, 151, 155 Ostrakon Bucheum 167 147 Ostrakon DO Saqqara 3 51 Ostrakon DO Saqqara 10 155 Ostrakon Elkab 155 Ostrakon Faculteit Letteren (K.U. Leuven) dem. 1 113 Ostrakon Faculteit Letteren (K.U. Leuven) dem. 2 113 Ostrakon Hor 14 158 Ostrakon Kairo JdÉ 50266 31 Ostrakon Kairo JdÉ 50444 155 Ostrakon Leipzig UB 2217 35 Ostrakon Wien D 70 114 Ostrakon Deir el-Bahri 79 pAmherst 43 rt. 157 pAshmolean 1984.77 vs. 153, 214 pBerlin 8278 158 pBerlin 8279 115 pBerlin 13588 40, 77 pBerlin 13639 vs. 208 pBerlin 13640 52 pBerlin 15531 10 pBerlin 15549+1551+23727 30 pBerlin 15658 rt. 147, 148 pBerlin 15709 rt. 148 pBerlin 23057 2 pBerlin 23502 77 pBerlin 23504 1, 153 pBerlin 23532 77 pBerlin 23533a 77 pBerlin 23757 vs. 97, 114 pBM EA 10508 139, siehe auch Lehre des Chascheschonqi pBM EA 10861 110 pBM EA 10862 154 pBM EA 69531 a 102 pBM EA 69531 b 102

Register pBM EA 69532 18, 102 pBM EA 69574 181 pBM EA 76674 105 pBN 215 79 pBN 215 rt. Siehe Demotische Chronik pBrooklyn 47.218.21-B 77 pBrooklyn 47.218.135 Siehe Brooklyner Weisheitstext pCarlsberg 2 123, 132 pCarlsberg 5 126 pCarlsberg 57+465 54 pCarlsberg 69 16, 69, 110–13 pCarlsberg 75 53 pCarlsberg 77+PSI Inv. D 92 rt. 35 pCarlsberg 79 9, 29 pCarlsberg 85 32 pCarlsberg 125 71 pCarlsberg 159 vs. 54, 64, 96 pCarlsberg 165 88 pCarlsberg 207 18, 21, 44, 207 pCarlsberg 249 160 pCarlsberg 284 29 pCarlsberg 303 52 pCarlsberg 304 138 pCarlsberg 324+394 92 pCarlsberg 396 116 pCarlsberg 397 116 pCarlsberg 400 75 pCarlsberg 411 35 pCarlsberg 412 35 pCarlsberg 421+PSI Inv. D 15+pTebtunis Tait 9 76 pCarlsberg 422 54, 96 pCarlsberg 424 83 pCarlsberg 448 79, 97 pCarlsberg 456 58, 62 pCarlsberg 459 22 pCarlsberg 459+PSI Inv. D 51 75 pCarlsberg 460 29 pCarlsberg 470 vs. 71 pCarlsberg 484 160 pCarlsberg 485 + PSI INv. D 82 160 pCarlsberg 499 83 pCarlsberg 555 82 pCarlsberg 562 82 pCarlsberg 599+PSI Inv. D 60 83 pCarlsberg 600 + PSI Inv. D 91 160 pCarlsberg 606 57 pCarlsberg 614 71 pCarlsberg 615 71 pCarlsberg 621 29, 37

249

pCarlsberg 643 28 pCarlsberg 652 vs. 116 pCarlsberg 676 30 pCarlsberg 710 77, 78 pCtYBR 414 vs. 116 pCtYBR 422 vs. 95 pDemarée 5 100 Petese-Erzählung 8, 13, 16, 18, 26, 52, 88–95, 108 pHamburg 33 rt. 208 pHamburg 33 vs. 116 pHeidelberg D 679 1, 182 pHeidelberg D 736 rt. 101 pHeidelberg D 736 vs. 116 pInsinger 8, 11, 12, 122–34, 138, 144 pKairo CG 30646 13, 38 pKairo CG 30672 12, 154 pKairo CG 30682 12 pKairo CG 30692 12, 43, 51 pKairo CG 30705 8, 12, 158, 186 pKairo CG 30706 12, 186 pKairo CG 30707 12, 186 pKairo CG 30709 12 pKairo CG 30758 12, 51 pKairo CG 30778 12, 32 pKairo CG 30799 12, 84 pKairo CG 30824 12, 187 pKairo CG 30825 12, 187 pKairo CG 50137 57 pKairo CG 50142 55 pKrall 8, 11, 15, 19, 20, 26, 58, 72 pLeiden I 384 117, 142, 160, 162, 163, siehe auch Mythus vom Sonnenauge pLeiden Pap. Inst. 1004 43 pLeiden Pap. Inst. 1005 43 pLille dém. 31 160, 163 pLille dém. 34 134 pLouvre E 3229 46 pLouvre N 2377 vs. 152 pLouvre N 2380 vs. 153 pLouvre N 2414 121, 151 pLund 2058 95 pMarburg Inv. 38 43 pMarburg Inv. 39 29 pMichaelidis 1 154 pMichaelidis 6 110 pMoskau I 1 б 82 104 pOxy. inv. 79/103-104 157 pPrag Wessely-Hopfner II 11 77 pPrag Wessely-Hopfner II 17 77 pRylands I 1

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Die demotische und gräko-ägyptische Literatur

pRylands II 1 pRylands IX 9, 16, 106, 203–7 pSaqqâra 1 20, 51, 97, 142, 207 pSaqqâra 1a 97 pSaqqâra 2 rt. 98 pSaqqâra 2 vs. 22, 31 pSaqqâra 3 100 pSaqqâra 4 88 pSaqqâra 5 101 pSaqqâra 6 101 pSaqqâra 7 101 pSaqqâra 8 82 pSaqqâra 9 82 pSaqqâra 15 34 pSaqqâra 23 214 pSaqqâra, unpubliziert 31 PSI Inv. 75 116 PSI Inv. 1730 vs. 103 PSI Inv. D 54 79 PSI Inv. D 79 rt. 116 PSI Inv. D 79 vs. 103 PSI Inv. D 8+9 92 PSI Inv. D 100 160 PSI Inv. D 101 160 PSI Inv. D 104 + pCarlsberg 790 160 PSI Inv. D 105 + pCarlsberg 208 160 pSpiegelberg 12, 19, 66, 142, siehe auch Streit um die Pfründe des Amun pStrasbourg 36(b) + 39(a) 104 pTebtunis Tait 1 55 pTebtunis Tait 3 57 pTebtunis Tait 5 55 pTebtunis Tait 6 82 pTebtunis Tait 7 34 pTebtunis Tait 8 160 pTebtunis Tait 10 104, 110 pTebtunis Tait 11 104

pTebtunis Tait 12 104 pTebtunis Tait 14 rt. 116 pTebtunis Tait 14 vs. 103 pTebtunis Tait 15 158 pTrier S 109A 104 pTübingen 2025 104 pVandier 2, 19, 23, 26, 84–88 pWien D 62 rt. 30 pWien D 62 vs. 36 pWien D 6920-6922 rt. 30 pWien D 6920-6922 vs. 70 pWien D 10000 190 pWien D 12006 2, 130, 164 pWien D 13766 158 Ritual zum Eintritt in die Kammer der Finsternis 8, 17, 143, 159, 172–81 Schreibtafel aus Kalkstein, Fitzwilliam Museum 63 Schreibtafel aus Kalkstein, Strasbourg 103 Schreibtafel, abnormal-hieratisch 1, 26, 52 Sesostris-Erzählung 35 Sesostris-Roman 23 Setne I Siehe Erste Setne-Erzählung Setne II Siehe Zweite Setne-Erzählung Setne-Erzählungen 12, 19, 23 Streit um die Pfründe des Amun 14, 40, 66–70, 112 Thotbuch Siehe Ritual zum Eintritt in die Kammer der Finsternis Traum des Nektanebos 14 Weisheitliches Fragment in Lille 157 Zweite Setne-Erzählung 9, 11, 18, 22, 25, 37, 45–50, 51, 79, 212

Klassisch-ägyptische und neuägyptische Handschriften und Kompositionen Berufssatire 133 Chonsemheb und der Geist 45 Denkmal memphitischer Theologie 31 Einnahme von Joppe 215 Erzählung über den König und eine Göttin 215 Geburt des Gottkönigs 113 Geschichte vom verwunschenen Prinzen 95 König Neferkare und General Sisene 215 Königliche Memorialinschriften 72 Lehre „nach alten Schriften“ 121

Lehre des Amenemope 122, 153, 154, 214 Lehre des Ani 133 Lehre des Cheti 151 Lehre des Hardjedef 136, 143, 214 Loyalistische Lehre 137 Miscellanies 14, 208 Moskauer literarischer Brief 207 oDeM 1598 I 160 Orakeldekrete 88 pDeir el-Medina 39 87 Pfortenbuch 50

Register pRamesseum II 121 Prophezeiung des Neferti 16, 201, 216 pSallier IV 88 pWestcar 16, 18, 94, 215 Sargtext Spruch 397 70 Sargtext Spruch 404 70 Sargtext Spruch 405 70 Schiffbrüchiger 18 Sinuhe-Erzählung 215

251

Streit zwischen Apophis und Seqenenre 215 Totenbuch, Kap. 17 214 Totenbuch, Kap. 99 70 Totenbuch, Kap. 125 126 Wenamun 207 Zweibrüdermärchen 88

Griechische und koptische Autoren, Inschriften und Papyri Alexander-Roman 84 Archilochos 164 Äsop 169 Äsop-Vita 149 Diodor 28, 29, 35 Diogenes Laertios 172 Elias-Apokalypse 202 Eudoxos 172 Gnomologien 108, 121, 147, 213 Griechische Jambendichtung 110 Griechischer Roman 57, 74, 212 Heliodor, Aithiopika 70 Hellenistische Wundererzählungen 185 Hermetische Literatur 5, 181 Herodot 26, 28, 35, 40, 85, 92, 95, 110, 114, 138 Herodot, II, 30 77 Hesiod, Werke und Tage 148 Homer 72, 212 Homerische Epen 71 Hymnen des Isidoros 5, 16, 118 Ilias 21 Inschrift des Sansnos 156 Isokrates 155 Ktesias 66 Lehre des Amenotes 122, 155 Manetho 28, 34 Memphitische Isisaretalogie 5, 115 Nektanebos’ Traum 12, 74, 82, 100

Ninos-Roman 74 Pausanias 50 pBM 274 5 Peripatetische Philosophie 133 pFreiburg 47 37 Platon 95 pLeiden I 396 82 Plutarch 184 Plutarch, De Iside 31 pMichigan inv. 3378 105 Porphyrius, Leben des Pythagoras 154, 157 pOslo 2 5 pOxy. 1380 5, 116 pOxy. 1381 5, 182 pOxy. 1826 35 pOxy. 2466 36 pOxy. 3011 6, 37 pOxy. 3319 36 pWashington University inv. 138 5 pWashington University inv. 139 5 Pythagoräische Akousmata 157 Sesonchosis-Roman 5, 23, 35, 74, 101 Stoische Philosophie 133 Töpferorakel 17, 188, 189, 193, 195, 202 Traktat Asklepius 188, 202 Votivhymnen des Moschion 119 Worte der sieben Weisen 210

Sumerische, akkadische, hebräische und aramäische Texte 4Q 242 32 Aramäischer prophetischer Text 190 Daniel 196 Daniel Kap. 4 32 Enmerkar und der Herr von Aratta 33 Erzählung von Hor, Sohn des Pwenesch 6, 190

Etana-Mythus 164 Hiob, Kap. 38 131 Jesus Sirach 6, 133 Lehre des Achiqar 6, 97, 147, 150, 213 Text von Scheich Fadl 6, 54, 81

Indische Texte Pañcatantra 184 Śukasaptati 90

Götternamen Agathos Daimon 194 Ahura Mazda 55, 56 Amun 16, 19, 47, 54, 66, 76, 77, 107, 117, 123, 166, 206 Amun-Re 44, 67 Anubis 22, 28, 58 Apisstier 59, 103, 132 Apollon 183 Apopis 28, 29, 56, 136, 170, 171 Arta/Alta, Feuer des Ostens 56 Aseph 77 Asklepios 183 Atar 56 Atum 54, 59, 91, 96, 97 Ba von Mendes 30 Bastet 16, 41, 101, 110, 165, 166 Bata 88 Bel 56 Chnum 118 Chons 117 Dionysos 73 Geb 29, 33 Harsiese 70 Hathor 22, 31, 32, 86, 100, 128, 161, 170 Helios 194 Hephaistos 183 Hermes 37, 183, 193, 202 Horos 183 Horus 30, 31, 56, 66, 69, 91, 111, 112, 117, 118, 122, 130 Horus Chentechtai 57 Horus vom Weinstock 117 Horus von Letopolis 97 Horusauge 111 Imhotep 95, 99, 177, 182, 183 Isis 22, 29, 30, 31, 37, 44, 57, 64, 81, 83, 98, 116, 117, 122, 130, 156, 161, 185, 193 Isis-Ermouthis 118 Kalhebis 183

Kmeph 194 Mehit 102 Mendes 59 Miysis 28, 75 Mnevisstier 59, 132 Mut 16, 109, 117, 128 Nabu 56 Nebethetepet 63, 91 Nechbet 166, 170 Neferhotep 174 Nefertem 111 Neith 30, 53, 78, 79, 91, 100, 139, 166 Nut 33 Onuris 83, 161 Oserapis 117 Osermnevis 118 Osiris 21, 28, 29, 33, 37, 58, 64, 66, 81, 98, 100, 103, 119, 193 Porromanres 119 Pouoros 183 Ptah 34, 40, 80, 95, 167, 182 Re 22, 29, 30, 39, 63, 69, 81, 89, 102, 116, 122, 130, 136, 139, 161, 170, 190 Re-Atum 89 Sachmet 99, 100, 108, 165 Sarapis 156 Satis 117 Schlange 181 Schu 29, 161, 166 Seschat 174, 177, 178 Seth 30, 31, 110, 112 Sobek 84, 87, 205 Sokar 99 Sokar-Osiris 44 Sothis 161, 168 Tat 202 Tefnut 161, 163, 166, 170 Thot 14, 22, 28, 29, 31, 37, 38, 39, 48, 99, 111, 116, 117, 122, 130, 136, 161, 170, 175, 176, 181 Typhon 30

Königsnamen Alexander 56, 83 Amasis 15, 18, 79, 185, 205, 206

Amenemhet 34 Amenemhet III. 119

Register Amenophis 193 Amenophthis 6, 37 Amyrtaios 197 Antiochus IV. 192 Apries 135 Aśoka 183 Assarhaddon 54, 56, 59, 76, 149 Assurbanipal 55, 75 Badja 31 Bokchoris 11, 17, 190, 192 Chaonnophris 200 Chefren 34 Cheops 34 Dareios 82 Dareios I. 203 Dareios III. 56 Djedkare 85 Djoser 24, 25, 32, 74 Haronnophris 200 Harsiese 194 Kambyses 186, 206 Kyros 53 Lamenti 185 Menech-ib-Re Siamun 36 Menech-Pre Siamun 46 Men-Ptah 87 Merenptah 87 Meribptah 38 Mykerinos 34, 85, 183 Nabonid 32 Nebukadnezar 32 Nechepsos 95 Necho 54, 55, 183

Necho I. 52, 76, 80 Necho II. 78 Nedjemibre 58 Neferites I. 198 Nektanebes I. 5, 82, 182, 196, 198, 199 Nektanebos II. 82, 197, 198, 199 Penthesileia 73 Petubastis 59, 66, 76 Petubastis II. 55 Pheros 26, 92 Piye 52 Psammetich 77, 79 Psammetich I. 78, 82, 195, 204 Psammetich II. 78, 183, 205 Psammetich III. 80 Ptolemaios I. 200 Ptolemaios VIII. Euergetes II. 194 Ramses II. 24, 37, 46, 90, 174 Sanherib 59, 149 Sasychis 84 Schabaka 84 Schebitko 84 Semiramis 66 Serpot 25, 64 Sesostris 34, 74 Sisobek 84 Taharko 27, 54 Tanutamani 58, 195 Tefnachte 52 Teos 82, 196, 198, 199 Thutmosis III. 36, 46 Wenamun 75

Eigennamen Achilleus 72, 73 Achiqar 101, 149 Ahmose 203 Ahweret 20, 38, 105 Amenemope 114 Amenhotep 155 Amenirdis 75 Amyrtaios 76 Anchhor 62, 66, 70 Anchwenefer 75 Anosis 79, 80 Aschtaschit 64 Asescheri 82 Auski 183 Bakrenef 102

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Bes 22, 57 Chaemwese 24, 37, 45 Chalamenti 185 Chaonnophris 76 Chascheschonqi 97, 139, 150 Chelchons 205, 206 Chetba 11 Chetba die Ältere 11 Cheti 1 Djeddjehutiiuefanch 52 Djedher 102 Djedseschep 97 Gomohapi 101 Hapu 155 Hardjedef 34

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Die demotische und gräko-ägyptische Literatur

Harenacht 62 Hareus 54, 89, 91, 95, 96, 97, 103 Harsiese 139 Harsomtus-em-hat 77, 78 Haryotes Siehe Horudja Hatmehit 93 Hennau 101 Henut-neferet 85, 87 Herinebtet 94 Heriu 11 Hi 101 Hi-Hor 101 Hor 22, 27, 101 Hor-iir-au 77 Hormaacheru 97, 114, 205 Horudja 24, 57, 80, 82, 108, 185, 204, 205 Horus 47, 49, 78 Iahirdis 90 Imhotep 24, 25, 32, 74 Inaros 20, 27, 28, 33, 40, 54, 55, 63, 71, 81 Isidoros 16, 118 Keni 77, 78 Magoas 150 Meameris 36 Mehit-en-Wesechet 45, 51, 81 Merib 22, 31, 38 Merire 2, 85, 87, 94, 214 Minnebme 62, 68 Monthbaal 20, 22, 61 Monthuhotep 53 Nabuqen 56 Nabusumiskun 149 Nacht-Hor-Na-Schenu 75 Nacht-Hor-Schena 75 Nadin 149 Naneferkaptah 20, 38 Naneferkasokar 52 Nanefersachmet 98 Nebetese 91 Nebhetep 174 Nebwenenef 174 Nechautes 182 Necho 92 Neferhotep 177 Nefertem 111 Neithemhet 204 Nik 65 Nikau 205 Ninos 66

Osarsiph 69 Osirsobek 33 Pachereb 75 Padipep 102 Paibes 77 Pa-iir-kap 77 Pakep 203 Pamai 97 Pami 58, 63, 64, 66, 72 Pami der Jüngere 76 Pamounis 36 Panebhetep 94 Panesche 22, 47 Pascherieniah 206 Pascherienmut 93 Pa-Wer-Djel 151 Peftjauhor 76 Peftuubastet 76 Pekrur 55, 56, 59, 60, 61, 64, 70 Petamun 94 Petechons 22, 64, 66, 70, 71, 72 Petemut 94 Peteonuris 75 Petese 1, 22, 24, 44, 83, 88, 203 Petese I. 204 Petese II. 205 Petese III. 206 Petetum 88 Psammetich 54, 80 Psammetichmenenpe 205, 206 Pseno[…] 156 Psinyris 190 Ptahhotep 51 Ptahirdis 205 Ptahnefer 205 Pwenesch 27, 49, 78 Ramose 139 Renpetneferet 33 Sachmet-neferet 89, 91 Sansnos 156 Satabus Siehe Chetba Scheschenqi 75 Sema-taui-iirdis 82 Seschemnefertem 33 Sesonchosis 35 Setem 51 Setne 20, 24, 91 Severis 105 Sinuqi 56 Si-Osiris 45, 46, 51 Somtus 76

Register Somtutefnacht 204 Sosane 66 Sosias 150 Tabiket 114 Tabubu 19, 20, 40 Tadinebethetepet 96 Tai-gem-iir-Isis 80 Teos 62, 66 Thaimos 36, 101 Tinouphis 150

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Tjaimu 100 Tjainefer 89, 96, 97, 139, 150 Udjahor 94 Udjasomtus 203 Udjasomtus I. 205 Udjasomtus II. 206 User-Men-Re 49 Webelis 36 Wertamenne 58, 60, 68

Ortsnamen Abydos 44 Achmim 12, 66 Ain-Bêl 33 Alexandria 193, 201 Anch-Taui 41 Aphroditopolis 83 Arabien 35, 75, 164, 183 Arbela 104 Assuan 204 Assyrien 29, 33, 192 Atfih 197 Athribis 55, 57, 60 Babylon 52, 104 Bachtan 29 Balamun 48, 82 Berg Alwand 25, 29, 55 Bubasteion 41 Bugem 71 Busiris 59, 80, 81, 104 Buto 66, 91, 93 Deir el-Bahri 155 Dime Siehe Soknopaiou Nesos Dju-Re 60 Edfu 117, 118 Elephantine 60, 68, 101, 102, 117, 198 El-Hiba 106, 203 Elkab 170 Gaugamela 56 Gazellensee 60 Gebelein 12, 43 Heliopolis 54, 58, 59, 60, 62, 63, 79, 80, 81, 86, 94, 95, 96, 102, 103, 139, 170, 194, 202 Herakleopolis 77, 92, 93, 197, 199 Hermoupolis 93, 111 Hufeisensee 108 Indien 25, 62, 64, 73, 183 Insel des Oserapis 101

Kabul 29 Kalabscha 156 Karnak 67 Koptos 31, 39, 42 Kreta 164 Land der Frauen 25, 29, 64 Letopolis 100, 111 Libyen 34 Lihyan 75, 76 Medinet Madi 16, 118, 209 Meer von Koptos 39 Memphis 33, 37, 39, 40, 42, 43, 45, 48, 58, 80, 92, 98, 170, 182, 194, 195, 197, 199, 201, 203, 204 Mendes 20, 58, 59, 60, 94 Meroe 76 Meroitisches Reich 24 Metelis 60 Moeris-See 97 Natho 60, 75, 76, 80 Ninive 191 Nubien 76, 135, 164 Ostgau 60 Pe 67, 91 Pelusium 82 Per-Schu 83 Persien 25, 29, 56 Pi-Sopte 55, 59, 60, 70 Punub 185 Roter See 86 Rotes Meer 56, 73 Sais 53, 78, 101, 166 Saqqâra 1, 9, 11, 51, 82 Sebennytos 60, 61, 83 Serapeum von Memphis 12, 151 Sile 151 Soknopaiou Nesos 13, 64, 75, 77, 189, 190

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Die demotische und gräko-ägyptische Literatur

Sümpfe 186 Syene 53 Syrien 25, 29, 64, 191, 201 Tanis 59, 60, 70, 190 Tebtynis 13, 34, 66, 75, 82, 104, 116, 122, 139, 154, 157, 189 Theben 66, 117, 123, 170, 195, 204

Tjeben 77 Tuna el-Gebel 50 Tunip 105 Wenchem 97 Xois 119

Poetische und überlieferungsgeschichtliche Fragen Abschreibqualität 15 Alltagssprache 4 Beschreibungen 19 Bibliotheksabschriften 14 Chronologie 26 Dialoge 19, 171, 172 Diglossie 4 Dissidentenliteratur 189 Erzählführung 21 Erzählperspektive 20 Fabeln 159, 162, 171, 184 Fangzeile 9 Feste Phrasen 19 Funeräre Handschriften 3 Grabfunde 15 Individuallektüre 17 Inhaltsverzeichnis 163 Klassische Werke des Mittleren Reiches 3 Kolophon 10, 12, 18, 38, 75, 188, 190 Kolumnenschreibung 117

Kommentar 162, 165, 200, 216 Kristallisationspunkt 27 Laufzeit von Erzählungen 95 Lautspiele 162 Maximenstruktur 120 Metrik 106 Monumentalisierung 15 Ostraka 14 Private Kopien 15 Rahmenhandlung 18 Rezeption 15 Rückblenden 20 Schreibtafeln 14 Schulbetrieb 14 Schülerabschriften 14 Scriptio continua 9 Siedlungsfunde 15 Szenische Aufführung 162 Textlayout 10 Volkssprachliche Literatur 4 Vortrag 16, 17

Sachen allgemein 42 Gottesglieder 32 Adoption 96 Affe 117, 141 Amnestie 140 Amulett 48, 166 Andenken 85 Ära des Seth 182 Aretalogie 185 Assurbanipal-Annalen 75 Assyrer 24, 33, 80, 149 Astrologie 128 Astronomie 166 Äthiopier 75 Augenprobleme 34 Ausland 25 Aussatz 57, 81 Babylonier 53 Bär 169

Barke des Amun 66 Bekenntnis von Sünden 110 Besänftigung der Gefährlichen Göttin 165 Beschimpfungen 61, 65, 114 Bestattung 44 Bestattungsbräuche 65, 90, 98 Bestechung 204, 205, 208 Biene 166 Binse 176 Blindheit 93 Blumenstrauß 87, 205 Blutschuld 168 Bootsmetaphorik 163 Brand- und Trankopfer 65 Brandstiftung 204, 205 Brettspiel 40 Brief 15, 18, 46, 77

Register Byssos 41, 90 Choiak 58 Dämonen 21, 39, 58, 98, 102 Dekadenfest 70 Determinismus 125 Deuteronomistische Geschichtstheologie 200 Diadem 66, 68, 71 Dirne 155 Dynastiewechsel 32 Edelsteine 41 Ehebruch 91, 94, 104, 127, 145, 146, 152, 155 Ehefrau 145 Eheurkunde 41 Eid 49, 57, 93, 100, 108, 164 Eidbruch 86 Eingreifen der Götter 21 Einschenken 111 Einsetzung als Priester 38, 44, 77 Epagomenen 53 Erbe 66, 77 Erbrecht 41 Erzählen der Machterweise 110 Erzählungen aus Tausendundeiner Nacht 94 Erziehung 16, 136 Esel 31, 45, 57, 137, 169, 177, 187 Eßgewohnheiten der Nubier 25 Fabel 213 Falke 89, 93, 98, 167 Fastenregelungen 77 Fest 16 Fest des 6. Mondmonatstages 86 Fischfang 175 Fischgräten 163 Fischweib 112 Flucht der Götter 30 Frauenfest 100 Frosch 181 Gans 49 Gazelle 170 Gecko 167 Gefängnis 101 Geheime Bücher 89 Geier 177, 179 Geierin 166 Geister 22, 34, 44, 51, 89, 100, 103, 105 Geiz 129 Gelage 106, 110 Gelagepoesie 113

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Geographischer Horizont 25 Geschichtenerzähler 16 Geschlechtsverkehr 75, 92, 94, 96, 112, 136, 152, 155, 164, 178 Gesellschaftsklassen 23 Gift 44, 85 Goldene Regel 138, 143 Goldkette 34 Golem 87, 88 Götterorakel 83 Gottesgemahlin des Amun 123 Göttlicher Zorn 108 Grabbeigaben 12, 132 Grabinschriften 38 Greif 56, 167 Griechen 84, 192, 196, 199 Griechische mythische Motive 50 Gürtelträger 193 Hagaräer 75 Halluzination 42 Haremsfrauen 136 Haremsvorsteher 33 Harfner 105, 108 Heilige Tiere 127, 153 Heimatliebe 164 Helden als historische Persönlichkeiten 24 Helm 93 Hermopolitanische Kosmogonie 181, 182 Heroisches Kriegertum 23 Himmelsbeobachtung 29 Hinrichtung 92 Hirten 69, 181 Hirten des Sumpfgebietes 67, 112 Hofintrige 97 Hohlmaße 111 Hund 42 Hundsaffe 161 Hure 112 Hyksos 69, 182 Ibis 117, 177 Imouthes 183 Inder 80 Initiatorische Prozesse 159 Inkubation 75, 81 Interaktion von Menschen und Göttern 99 Isionomos 81 Jahresbeginn 25, 53, 176 Juden 194

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Die demotische und gräko-ägyptische Literatur

Kalasiris-Krieger 71, 81 Kamel 75 Kammer der Finsternis 174 Kämmerer 32 Kastration 80 Katoikoi 12 Katze 42, 89, 161 Kaufmann 94, 142 Klagefrau 21 Kriegerehre 60 Kriegerideale 62 Krokodil 93 Kuh 157, 166, 169, 180 Kuraufenthalt 20, 58 Lamm 191 Landwirtschaft 137, 142, 148, 180 Lanze 71, 92 Lanze mit Eisenspitze 56 Leisure-class 12 Libyerzeit 27 Liebe 23, 98 Lotusopfer 170 Löwe 31, 167, 169 Löwin 167 Magie 23 Magier 86 Magische Texte 13 Malachit 165, 180 Maus 169 Meder 80, 191, 198 Meer 184 Meerkatze 14 Meroiten 24 Mist 165, 166 Mond 166, 185 Mondfinsternis 78 Mord 98, 205 Mordversuch 203 Mücken 186 Mumifizierung 25 Mundöffnung 86 Musik 170 Nahrungskette 167 Nekropolenvorsteher 94 Nilpferd 179 Nubier 24, 80, 103 Nubische Magier 47 Oberarzt 100 Offenbarungszauber 94 Oknos- und Tantalos-Motiv 45 Omenliteratur 140

Opfer 80 Orakelbefragung 67 Orgie 112 Ortsfremde 131 Osirisleichnam 29 Osirismythos 69 Pacht 137, 210 Palimpsest 10, 12 Panegyrik 106 Panther 169 Paradoxe 124, 144 Pavian 90, 91, 177 Perser 53, 82, 191, 192, 199 Pferd 32, 137, 169 Physiologie 112 Polizeichef 42 Priester 23, 102 Prozession 16 Religiöse Fürsorge 129 Revolte 77 Ritual des „Eintrittes in den Mond“ 166 Rituelles Erklären der Schwierigkeiten 159 Rolle des Herrschers 23 Rote Gewänder 168 Rüstung 56 Sand 39 Sänger 102 Sarg 94 Satrapien 52 Säule 43 Schakal 169 Schakalsprache 48 Schatz 91, 185 Schicksal 95 Schiffer 79 Schlange 39, 167, 177 Schmeißfliege 167 Schmiergeld 128 Schöpfungstheologie 136 Schreiber des Gottesbuches 58, 90 Schreiberschulung 15 Schrein 33, 71 Schuldanerkennung 40 Schule 51 Schwalbe 184 Schwangerschaft 96 Selbstmord 57 Sexuelle Erfüllung 182 Sichelschwert 67 Siegelvorsteher 104

Register Sippe 102, 144, 193 Sippenhaft 207 Sirius 185 Sistrum 166 Skarabäus 99 Skorpion 39 Sonst-Jetzt-Schema 140 Spatz 51 Speiseregeln 167 Speisung der 5000 111 Spezereien 41, 90 Steinmetz 104 Sternbild des bogenschießenden Affen 166 Stier 31, 169 Stierkopfhelme 67 Streitwagengespanne 104 Stufenpyramide 34 Tabu 174 Talfest 66, 70 Talisman 68 Taverne 83, 93 Tempelarchitektur 182 Tempelbibliothek 48 Thronbesteigungsfest 93 Tierkult 89 Tod durch Feuer 87, 92, 103, 140 Todesdämon 99, 100 Töpfer 193 Totengericht 45, 130 Totenpapyrus 78 Totenpaß für das Jenseits 11 Tränen 92 Traum 12, 22, 31, 45, 56, 61, 75, 81, 91, 103, 118 Trunkenheit 57 Tun-Ergehen-Zusammenhang 50 Türhüter 90, 97 Türkis 178 Typen von Menschen 126 Überlieferungskette 42, 115 Unerforschlichkeit der Welt 124 Unterweltstrafen 45, 50 Uräus 166, 191 Vergangenheit, Aufnahme der 27 Vergewaltigung 80, 93 Vision 96 Vogel 101 Vogelfang 175 Vorlesepriester 90 Wachs 39, 47, 48, 78, 88, 89, 90

Warnzeichen 48 Weih 167 Wein 78, 79 Wels 167 Witwe 81 Witwen und Waisen 86 Witz 182 Zauberbuch 38 Zauberduell 48 Zauberin 56 Zweikampf 61, 65, 68, 71, 93

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Die vorliegende Einführung stellt die literarischen Werke Ägyptens aus der Zeit von ca. 700 v. Chr. bis 300 n. Chr. inhaltlich und mit Textauszügen vor. Dabei wird auch die einschlägige Sekundärliteratur angegeben. Neben den Werken in der demotischen Sprachstufe des Ägyptischen werden auch auf Papyrus überlieferte griechischsprachige Kompositionen berücksichtigt, bei denen die Vermutung besteht, daß sie aus dem Ägyptischen übersetzt oder XQP ¼I[RVKUEJGP -QORQUKVKQPGP DGGKPƀW²V UKPF #WUH×JTNKEJG Indizes erleichtern den Zugriff auf die Informationen.

Lit

978-3-8258-8222-8

ISBN 3-8258-7340-4

Lit www.lit-verlag.de

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