Ein freies Votum über die Nichtzulassung Dr. Rupp’s zur fünften Hauptversammlung des evangelischen Vereins der Gustav-Adolf-Stiftung 9783111688244, 9783111300870


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Rupp's Nichtzulassung
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Ein freies Votum über die Nichtzulassung Dr. Rupp’s zur fünften Hauptversammlung des evangelischen Vereins der Gustav-Adolf-Stiftung
 9783111688244, 9783111300870

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K Jürgens über

ttuyp’s MchtzulaMng.

Cin freies Votum über die

Nichtzulassung Dr. tiupp’0 zur

des

evangelischen Vereins der Gustav-Adolf-Stiftung.

Bon

K. Jürgens.

Berlin. Verlag von Beit und Comp.

«iöetttt man hört oder lieft, was über die rupvische Sache derzeit (ich schreibe in den letzten Tagen des Novembers 1846) gesprochen und geschrieben wird, so geht es Einem wie ein Mühl­ rad im Kopse herum. Man sollte ganz dumm davon werden. Wer spricht gern mit, wo eine babylonische Sprachenverwirrung herrscht? Man suhlt sich versucht, die Ohren sich zuzuhalten, voll Widerwillens sich abzuwenden und die Schwätzer sich selbst zu überlassen. Nur läßt man ihnen dann auch Die Vereins­ zukunft, und sie sind im besten Zuge, nicht weniger als Alles daran zu verderben. Dies Ausscheiden und Drohen mit Aus­ scheiden, weil man die eigne Ansicht nicht sofort durchzusetzen vermag, diese Ungebärdigkeit gegenüber einem in zweifelhafter Sache gefaßten Mehrheitsbeschlüsse, dies unduldsame Toben gegen Intoleranz, dies oberflächliche unklare Gerede und alleinrecht­ haberische Herumdrehen auf Gemeinplätzen und diese Taubheit gegen Gründe, dies liberale Mausheldenthum, diese Ungezogen­ heiten in Versammlungen, diese Appellationen an die urtheilslosen Massen, denen der Hergang falsch dargestellt wird, und an «die Leidenschaft! Diese und ähnliche nur zu gehäufte Er­ scheinungen! Die Weise, wie man die Sache vielfach mündlich, in Tagsblättern, Flugschriften und Versammlungen besprochen und behandelt hat, ist wahrhaft kindisch und skandalös. Man mag über Kindereien und Aergernisse je nach Umständen lächeln, hinwegsehen. Aber der Ausdruck: „kindisch" bezieht sich hier, wie sich von selbst versteht, auf die Auffassung und Behandlung 1

r öffentlicher Angelegenheiten, und eS ist kein Spaß, bei solchen Sachen, und in solcher Zeit, so Viele sich kindisch anstellen zu sehen.

Die Aergernisse,

welche gegeben werden,

beträchtlich und ebenso widerlich.

sind an sich

Außerdem kommen so ernste,

würdige und wichtige Gegenstände bei ihnen in Betracht und leiden durch sie unsäglich.

Mit Einem Worte, die Weise, wie

die Nichtzulassung Dr. Rupp's nur gar zu oft besprochen und behandelt wurde und wird, ist so schädlich wie schimpflich.

Der

evangelische Verein der Gustavadolf-Stiftung ist die kostbarste hoffnungsreichste Blüthe, die das evangelische Princip und Kirchen­ thum seit dreihundert Jahren hervorgetrieben.

Er wird schwer

dadurch gefährdet; und nicht er allein, sondern die Kirche selbst sammt ihrem Freiheitsgrundsatze und ihren günstigeren Aussich­ ten, insbesondre das lebendiger erwachte und dem Ziele näher gekommene, gerade auch durch den evangelischen Verein näher gekommene Streben nach einer bessern Gestaltung unsers KirchenthumS wird dadurch gefährdet, deren Nothwendigkeit sich aber­ mals aufdringt, eben indem die ruppische Sache und die Wen­ dung, welche sie genommen, auch die evangelische Kirche so recht in ihrer Jammergestalt erscheinen läßt.

Lassen wir den Verein

zu Grunde gehen, so arbeiten wir allen Widersachern deö Pro­ testantismus in die Hände, so werden wir für den Spott und Hohn nicht zu sorgen haben, und was das Schlimmste ist, er wird uns mit Recht treffen, Schmach aus uns. sehr,

wir

laden

selbst

unauslöschliche

Ich fürchte aber mit vielen Andern recht

daß der Verein verloren ist,

wenn wir unS nicht noch

besinnen und in andere Bahnen einlenken. Ich nenne mein Votum ein freies,

einmal weil ich mich

in meiner Ansicht und meiner Beurtheilung des Gegenstandes vollkommen unbefangen weiß.

Ich befand mich zur Zeit der

berliner Hauptversammlung im Auslande, hörte von deren Be­ schlüssen und von dem ganzen Vorgänge erst bei meiner Rück­ kehr, zuerst von Katholischen, die mir mit unverholener Schaden­ freude und mit Hohn erzählten, innerhalb der protestantischen

3

Welt, deren Geistesfreiheit so ruhmredig gepriesen werde, sei ein Glaubens- und Ketzergericht gehalten. Mit dem Zornrufe, daß man in Berlin ein Ketzergericht gehalten habe, empfingen mich sodann Freunde, Meinungs- und Gesinnungs- und Streitgenos­ sen. Ich hatte längst gefürchtet, daß es die Reaktionspartei der „Gläubigen", die in Preußen, näher in Berlin, einen ihrer vornehmsten Mittelpunkte hat, über kurz oder lang ein Mal zu irgend einem beträchtlichen Exceß bringen würde. Ich bin von jeher der Behandlung abgeneigt gewesen, welcher man Seitens des preußischen Staats- und Kirchenregimettts die evangelische Kirche seit der Agendeneinführung bis zu den in Königsberg ergriffenen Maaßregeln unterworfen. Ich habe an dem Kampfe dawider, an dem Kampfe für eine freie Gestaltung der Kirche seit einer langen Reihe von Jahren bis zur neuesten Zeit eifri­ gen Antheil genommen. WaS ich zunächst über die ruppische Angelegenheit zu lesen wie zu hören Gelegenheit hatte, lautete entschieden wider die Majorität der berliner Hauptversammlung und den durch sie herbeigeführten Beschluß. Es kam Alles zusammen, mich dawider voreinzunehmen. Allein ich bin denn doch zu gut protestantisch, um auf Glauben zu glauben, eS sei wenn oder was eS sei. ES steht unwandelbar bei mir fest, daß ich ungefangen sein will von Ansichten und Systemen, Meinungen Vieler oder Weniger, von Menschenansehen welcher Art eS sei. Auf den bisherigen Haupt­ versammlungen war die freie Richtung so stark und stets sieg­ reich gewesen. Ich wußte, daß sie überhaupt die entschieden vorherrschende ist. Sollte sie bei den Wahlen zur neuesten Hauptversammlung urplötzlich zurückgetreten sein? Ich hörte und las sehr bald schon aus den für-ruppischen Aeußerungen und Darstellungen heraus, daß man der Sache weder so gewiß sei noch so unbedingt Recht habe, wie man glaubte. Eine ge­ nauere Prüfung setzte mich darüber ganz außer Zweifel, und ich prüfte in so ruhiger Gemüthsverfassung, wie man sie haben kann bei großer Betrübniß über die Sache, welcher die Prü1*

i fung gilt.

Ich hatte und habe keine vorgefaßte durch den ersten

Eindruck bestimmte Ansicht, keine frühere Aeußerung, keine vor­ hergegangene Parteinahme zu vertheidigen, keinen Anlaß, für ein voreiliges Votum neue Gründe aufzusuchen, um mich darin zu bestärken oder nicht Unrecht zu haben.

In dem Verzeichniß

der Abgeordneten zur berliner Hauptversammlung fand ich auf der einen Seite gerade so viele Namen von Solchen, die mir befreundet und werth sind oder die ich ehre, wie auf der andern. Ich stehe zu keinem einzigen von ihnen oder zu irgend einem der bei der Sache so oder anders Betheiligten in irgend einer Beziehung, welche mich hätte veranlassen können, einer Persön­ lichkeit zu Liebe oder Leid mein Urtheil auch nur im mindesten so oder anders zu wenden.

Ich stehe als Braunschweiger auf

einem neutralen Gebiete, und das einen, unbefangene Umschau sehr begünstigenden Standpunkt darbietet. steht

bei uns in der Meinung,

Wir befinden Lehrfreiheit.

Die Symbolfreiheit

principiell und gesetzlich fest.

uns im völligsten Genusse der Gedanken- und Wir werden darin nicht geängstet, nicht bedroht. -

Jch will nicht sagen, daß wir nicht auch unsre Vorurtheile u. d. gl. hätten, allein wir stehen fern von den Schauplätzen der kirch­ lichen Wirren, die anderwärts offenbar Viele wirr machen, aus welchen anderwärts eine Unruhe hervorgeht und irreguläre un­ sichre Verhältnisse und Stellungen folgen, in welchen es freilich viel schwerer ist, sich eine feste unverworrene Ansicht und Hal­ tung zu bewahren. Ich nenne mein Votum ein freies, weil es aus wohlüber­ legten Gründen abweicht von den Erklärungen und Beschlüssen de-

Hauptvereins, welchem ich

angehöre und

vieler

andrer

Hauptvereine, weil ich es offen und frei einer Ansicht, welche im Augenblick die Mehrzahl für sich zu haben scheint, und zu­ mal dem Terrorismus entgegenstelle, der von nicht Wenigen im Heerhaufen der „Liberalen" wider ihre Meinungsgegner geübt wird — von nicht Wenigen, welche sich freisinnig dünken, weil sie in Wahrheit oder auch nur vermeintlich,

eine freisinnige

5

Ansicht verfechten und wider Unfreisinnigkeit kämpfen, aber als wirklich Unfreie nur nachsprechen; welche selbst thun, was sie schelten; Recht und Gerechtigkeit nur fordern und nicht gewäh­ ren; statt Grundsätzlichkeit die gröbste Unfolgerichtigkeit bewei­ sen; unterdrücken, indem sie über Unterdrückung klagen; die ärgste Unduldsamkeit üben, während sie gegen Intoleranz deklamiren und weder wissen, was Toleranz noch was Intole­ ranz ist. Ich werde nicht wenig ihnen MißbeliebigeS sagen. bin

wohlmeinend

gewarnt,

meinen

ehrlichen

Ich

Namen

eines

„Liberalen" bei der Lage der Dinge nicht zu kompromittiren. Allein das kümmert mich wenig.

Ich weiß meine

Ueberzeu­

gung als eine freie, ich weiß mich ohnehin in Uebereinstimmung mit

einer guten Anzahl unzweifelhaft Freigesinnter.

Ich ver­

traue auf die Kraft der Wahrheit und bin fest überzeugt, ihr näher zu sein als Viele, die sich im Alleinbesitze derselben wäh­ nen.

Ich vertraue auf den gesunden Verstand und auf das

Billigkeitsgefühl meiner deutschen Landsleute.

Der holzmindener

Kreisverein hielt in meinem Wohnorte eine Versammlung vor der braunschweiger vom 26. November (1846) da die Erfahrung gemacht,

und ich habe

daß mein Wort eine gute Statt

fand, die Ansicht von Manchen ausdrückte, Andre gewann und so viel ich weiß,

von Niemandem den Vorwurf der Unfreisin­

nigkeit mir zuzog.

Einige einzelne für-ruppische Eiferer blieben

freilich bei ihrer vorgefaßten Meinung,

drangen jedoch damit

nicht durch und zogen schließlich ihre in der ersten Hitze gestell­ ten Anträge zurück.

So findet mein Wort auch wohl in größe­

ren Kreisen eine gute Statt, und Achtungswerthe und Urtheilsfähige zu was die

forderten

mich

veröffentlichen. mir

als

gleiche

einschüchtern

auf,

mein

Votum

Mit um

so

leichterem

Pflicht erscheint,

oder

eint

lassen,

ähnliche sich

eben

jetzt,

Ansicht

scheuen

ihre

durch

den

Druck

Herzen thue ich, wo Manche,

hegen,

wanken,

Ueberzeugung

die sich

auSzu-

6 sprechen- *)

Ich thue, was mir eben jetzt als Pflicht erscheint,

ohne Furcht, daß die Fehme der lautesten, der unduldsamsten, auf die Massen sich stützenden „Liberalen" über den ergehe, der eS wagt, gegen ihre Majestäten, die Meinung des Tags und der Massen einzureden. Ich mag ihnen jetzt und in dieser Sache so wenig schmeicheln als ich eö jemals gethan, so wenig als den Höhen. Ich habe keinen übergebührlichen Respekt vor ihnen. Ich habe mir ihr Mißfallen wohl schon mehr als ein Mal zugezogen und eS recht gut ertragen können. Ich bin gern mit ihnen wie mit anderen Gewaltigen in Uebereinstimmung und bemühe mich, so viel Recht ist, darum. Will es aber nicht angehen, so denke ich gut lutherisch: eS bleibt schon mit unS beim Alten, nämlich daß sie auf mich schelten und ich nichts drauf gebe. So kriegerisch dieß lauten mag: ich bin doch aufs Höchste nur zum Kriege gerüstet, aber lediglich auf Frieden bedacht. So sehr Manche die härtesten Worte wegen ihres Benehmenbei dem Vorgänge verdienen, ich denke von Niemandem NachtheiligeS zu sagen, das nicht um der Sache willen schlechterdings gesagt werden muß, am wenigsten zu schimpfen oder zu verdäch­ tigen, als welche Ungehörigkeiten ich eben beendigen helfen möchte. Selbst dem allerschlechtesten Tagsgeschrei soll sein Recht werden, ja Lob widerfahren. Meine Ansicht ist freilich eine zu entschiedne und meine Sinnesart zu wenig danach angethan, daß ich auf Verständigung und Frieden hinwirken möchte durch das falsche Vermittlungsstreben, das Unausgleichbares ausgleichen und an keiner Seite anstoßen will. Dennoch aber will ich nicht Partei nehmen, am wenigsten einseitig. Man erwarte keine Schutzschrist für die berliner Majorität, die mich gar nichts angeht. Ich werde meine Meinung über die berliner Verhand­ lungen und Beschlüsse in Dr. Rupp's Sache nur sagen, sofern *) Nicht Alle.

Eine Ausnahme macht namentlich Biedermann im Herold

Nr. 81, 84, 85.

7

e- mein Zweck erfordert, meine Ansicht über die Maaßnahmen zu begründen, die mir die richtigen und nöthigen erscheinen zur Beilegung deS Streites und zum Besten und zur Erhaltung des Vereins. Ich werde mich auf die Frage erst weiter unten einlassen, ob der Centralvorstand und die Hauptversammlung befugt waren, eine Prüfung der Vollmacht Dr. Rupp's auch in Beziehung auf seine persönliche Befähigung, vorzunehmen. Sprechen wir zuerst von dem Materiellen, das doch das Wichtigere ist und bleibt. Hat man, jene Befugniß vorausgesetzt, dem Dr. Rupp mit Recht die persönliche Befähigung zur Theilnahme an einer Vereinsversammlung aberkannt, und weiter, soll der Beschluß aufrecht erhalten werden? Vor allen Dingen ist da nun daran zu erinnern, bezüg­ lich festzustellen, daß der Verein nach seinen Satzungen ein evangelisch-kirchlicher ist. Denn er ist nach § 1 eine Ver­ einigung derjenigen Glieder der evangelisch-protestantischen Kirche, denen die Noth ihrer Brüder, die der Mittel des kirchlichen Lebens entbehren und deshalb in Gefahr sind der Kirche ver­ loren zu gehen, zu Herzen geht, und hat zum Zwecke, der Noth dieser Glaubensgenossen abzuhelfen. Hiermit ist der kirchliche Charakter deS Vereins deutlich und völlig erwiesen. Ein noch Mehreres ergeben die Verhandlungen, welche der Aufstellung der Statuten vorhergegangen sind. Es müßte eigentlich ganz überflüssig sein, auch nur ein Wort darüber zu verlieren. Allein die ganze Sache ist so verwirrt, daß geradezu Alles, was bei ihr in Betracht kommt, zweifelhaft gemacht ist Man sieht es den Behauptungen, Argumentationen und Erpektorationen Vieler deutlich an, daß sie aus einer gänzlichen Verkennung des Grund­ wesens des Vereins herfließen. Nicht Wenige sind dem letzteren brigetreten und judiciren über die ruppische Angelegenheit, indem sie nicht daran dachten oder xS vergessen haben, daß der Verein rin kirchlicher ist, und großentheils daher der Schaden der vielen Fehlschlüsse und Irrungen, falschen Ansichten und grundlosen

8 Beschuldigungen,

so

vieler unnöthiger

Ereifenmg

und fehl­

schießender Leidenschaftlichkeit. Ist der Verein ein evangelisch-kirchlicher,

so ist er kein

„allgemeiner Humanitätsverein", kein „freier evangelischer Liebes­ bund", nicht bloß, wie man wohl gesagt hat, ein Verein von „Freunden der evangelischen Kirche", in dem Sinne,

daß ihm

jeder als Mitglied angehören kann, der sich nur zum evangeli­ schen Grundsätze der Liebe bekennt, gleichviel welchem religiösen Glauben oder welcher Kirche oder Gemeinde er angehört. Viel­ mehr beschränken die Satzungen die Mitgliedschaft noch dazu ganz ausdrücklich auf Mitglieder der evangelisch -protestantischen Kirche.

Daher ist auch die Behauptung,

es komme bei der

Mitgliedschaft im Vereine nur auf die Liebe,

nicht auf den

Glauben oder aber das Bekenntniß an, unwahr, wenn sie un­ beschränkt verstanden wird, denn in diesem Falle würden Be­ kenner und Angehörige aller Religionen und Kirchen Mitglieder sein dürfen, was mit § 1 geradezu unvereinbar ist.

Sie ist nur

wahr, sofern man den Sinn damit verbindet, es komme bei der Frage,

ob Jemand Vereinsmitglied sein könne, nicht auf seine

besonderen lutherischen oder reformirten, seine individuellen An­ sichten, seine Glaubensrichtung an, sofern er sich nur — worin die Befähigung zur Vereinsmitgliedschaft liegt — als Mitglied der evangelischen Kirche dargestellt,

oder doch — wir werden

sogleich darauf zurückkommen — in dem mit ihr übereinstimmt, was allen evangelischen Kirchen gemeinsam und wesentlich ist. Allerdings ist der Verein ein Liebesbund, insofern er den An­ gehörigen der getrennten evangelischen Konfessionen ihre kirch­ liche

Gemeinschaft

zum Bewußtsein

bringt,

die

Einheit der

evangelischen Kirche bei ihren inneren Gegensätzen äußerlich dar­ stellt und ihre, in Lehr- und Meinungsverschiedenheiten einander gegenüberstehenden oder auch bekämpfenden Glieder durch Liebes­ gemeinschaft und That einigt.

Noch vor wenigen Jahren hätte

man so etwas kaum zu hoffen gewagt, jetzt will man wohl gar Intoleranz darin finden, weil freilich Ziel und Maaß darjn ist.

9 Es versteht sich wohl von selbst, daß die Abgeordneten zur Hauptversammlung,

die über alle wichtigern

und

wichtigsten

Vereinsangelegenheiten zu berathen und zu beschließen hat, Ver­ eins- und Kirchenmitglieder sein müssen.

Indeß enthält § 10

der Satzungen auch eine Dahin lautende unzweifelhafte Bestim­ mung.

Es folgt daraus, daß Jemand, gleichfalls um die Ab­

geordneten-Befähigung zu besitzen, Mitglied der evangelischen Kirche sein muß. Vorausgesetzt nun, daß der Deputirte des Centralvorstands und die Hauptversammlung Auftrag und Recht hatten, die Voll­ machten der als Abgeordnete Erscheinenden auch in materieller Beziehung zu prüfen, so war es nicht unbefugt, intolerant u. s. w. sondern ihr Recht und ihre Pflicht, jeden Abgeordneten auszu­ schließen, bei welchem die persönliche Befähigung nach richtigem Urtheile nicht

gefunden

wurde.

Das war ihre Schuldigkeit,

und wenn sie dieselbe der denkbar größesten und weichmüthigsten Liebe und Duldsamkeit, der berechtigtsten wärmsten persönlichen Theilnahme für den oder die Auszuschließenden zum Trotz hät­ ten üben müssen.

Es war die Pflicht ihrer Stellung, war ihre

Pflicht gegen den Verein, die am höchsten stehende Pflicht der Liebe des Ganzen.

Sie hatten ihren Auftrag den Satzungen

gemäß zu erfüllen, diese zu beobachten: daS war ihre erste Pflicht. Als es kund geworden, daß man Dr. Rupp zum Abge­ ordneten gewählt, erhoben sich im Schooße des Centralvorstands Zweifel, ob derselbe die erforderliche Befähigung besitze.

Diese

Zweifel kamen in der Hauptversammlung zur Sprache.

Man

rathschlagte, und das Ergebniß war der Beschluß, Dr. Rupp sei nicht zuzulassen.

Bei der Frage, ob dieser Beschluß zu bil­

ligen oder zu mißbilligen sei, kommt es aus das Gewicht und den Werth der Entscheidungsgründe an.

Sieht man sich nach

diesen im Protokolle der berliner Hauptversammlung (der Sitzung vom 7. September) um, so ergiebt sich,

daß in letzterer viel

Verständiges und zur Sache Gehöriges gesprochen i't, doch aber auch viel zu wenig.

Ich wenigstens finde die Verhandlungen

10 ein gute- Theil konfuser und unzulänglicher,

als ich sie von

einer Versammlung solcher Männer erwartet hätte.

Man sieht

deutlich, die Leidenschaften waren von Anfang im Spiele, Ge« fühle wirkten mehr als klare Ansichten und Gründe.

Der Vor­

wurf trifft übrigen- die Mehrheit wie die Minderheit, und diese wohl im höheren Maaße. Es kam darauf an, ob Dr. Rupp als Mitglied der evan­ gelischen Kirche, und zwar im Sinne der Satzungen, anzuer­ kennen

sei.

Die letzteren

enthalten indeß keine ausdrückliche

Bestimmung darüber, wer als Kirchenmitgli'ed gelten soll und wer nicht.

Nur § 2 bietet einen'Anhalt dar,

indem er über

die Wirksamkeit des Vereins sich dahin ausspricht,

daß dieselbe

lutherische, reformirte und unirte, sowie solche Gemeinden um­ fasse, welche ihre Uebereinstimmung mit der evangelischen Kirche sonst glaubhaft nachweisen.

Im Sinne der Satzungen besteht

also, wie von der einen Seite behauptet wird, die evangelische Kirche in den genannten drei großen evangelischen Konfessionen, und es folgt daraus, daß jedes Vereinsmitglied einer derselben angehören-muß; Niemandem kann im Vereine die Mitgliedschaft zuerkannt werden, der nicht innerhalb des Kreises steht, auf welchen derselbe seine Wirksamkeit beschränkt. darauf,

Man beruft sich

daß § 1 und 2 in unzertrennlichem Zusammenhange

ständen und daß bei Aufstellung des Statuts, laut den darüber gepflogenen Verhandlungen, die Meinung dahin gegangen sei, mit Ausnahme der Waldenser als Schirmverwandter die Sekten nicht unterstützen zu wollen.

Man sagt weiter, unter den Ge­

meinden, welche ihre Uebereinstimmung sonst glaubhaft nachwei­ sen könnten,

wären laut den Verhandlungen über das Statut

solche zu verstehen, welche unfraglich der lutherischen oder reformirten Kirche angehörten, sich aber in der Lage befänden, kein Zeugniß einer anerkannten Landeöbehörde darüber

beibringen

zu können. Ich kann nicht umhin, diese Auslegung deö Statuts als richtig, und die darauf gestützte Ausschließung eines, weder der

11 lutherischen, noch der reformirten oder unirten Kirche angehö­ renden Individuums als konsequent und satzungsgemäß anzuer­ kennen.

ES giebt auch, wie mir daucht, sehr gute Gründe für

daS Statut so wie nicht

gelten

eS

ist.

Indeß wollen Manche dieselben

lassen und nennen es engherzig und intolerant,

waS denn auch wenigstens Schein für sich hat.

Nur darf man

auf keinen Fall die wirkliche oder vermeinte Unduldsamkeit der Satzungen denen aufbürden, welche dieselben nach ihrem besten Wissen und Gewissen folgerichtig anwendeten. aber noch

eine Seite, welche

Die Sache hat

hier in Betracht zu ziehen ist.

Wollten die Gründer deö Vereins und viele der ihm Beitre­ tenden nur die der lutherischen, reformirten und unirten Kirche Angehörigen im Sinne des Vereins als Kirchenmitglieder und als fähig der Unterstützung des Vereins und der Vereins-Mit­ gliedschaft anerkennen, so sieht man doch nun wohl, daß viele und vielleicht noch mehr Andre dem Vereine sich angeschlossen haben in der Meinung, daß alle mit den Lutherischen, Refor­ mirten und Unirten aus gleichem Glaubensgrunde Stehende un­ terstützt werden und der Mitgliedschaft fähig sein sollten.

Man

kann freilich streng genommen von Jedem, der einem Vereine beitritt, fordern, daß er die Vereinssatzungen kenne und richtig verstehe.

Er darf aus einem Mißverständnisse derselben weder

Rechte, noch Forderungen oder Beschuldigungen herleiten wollen. Allein man wird gestehen müssen, daß ein richtiges Verständniß der Satzungen und eine volle Würdigung namentlich der Gründe, auf welchen der fragliche wichtige Punkt beruht, doch nicht so ganz einfach und leicht ist.

ES gehörte dazu ein, eben auch

nicht Jedermann zuzumuthendeö Studium der Verhandlungen, die der Aufstellung deS Statuts vorhergegangen. große Mehrheit ist,

Wohl die

bewegt von einem frischen Gefühle und

einer allgemeinen Idee herzugetreten, woneben absolute Klar­ heit mangelte.

Viele der Aufforderungen zum Beitritt enthiel­

ten so viel Unklares und Irreleitendes als Wohlgemeintes.

Die

Meisten machten sich nur mit den Satzungen bekannt und hiel-

12

ten sich an den Wortsinn des Zusatzes im 2. §. „so wie solche Gemeinden, welche ihre Uebereinstimmung mit der evangelischen Kirche sonst glaubhaft nachweisen." Auf diesen im offenbaren Wortsinne zu nehmenden Zusatz stützt sich nun eine mildere Auslegung, nach welcher gleichfalls 8 2 auf 8 1 bezogen und gefolgert wird, die Theilnahme am Vereine müsse sich so weit erstrecken als seine Wirksamkeit; er wolle auch Solche unterstützen, die nur ihre Uebereinstimmung mit den Lutherischen, Reformirten und Unirten glaubhaft nach­ weisen könnten, erkenne sie demnach als Mitglieder der evange­ lischen Kirche an und gestehe ihnen damit das Recht der Vereinsmitgliedschast zu. Aber freilich handelte es sich nun in Rupp's Falle immer noch um den Nachweis seiner Ueberein­ stimmung mit der evangelischen Kirche, der indeß Vielen sehr leicht zu liefern däuchte. Die strengere Auslegung des Statuts und deren Begrün­ dung ist von der anderen Seite mehr ignorirt und beschrieen als mit Gründen bestritten. Ja, auch die zweite mildere Aus­ legung will man sich nicht gefallen lassen, die man doch dank­ bar acceptiren sollte, wenn sich Dr. Rupp's Uebereinstimmung mit der evangelischen Kirche wirklich so leicht nachweisen laßt. Allein man behauptet hartnäckig, die Bestimmung des 8 2 be­ ziehe sich lediglich auf die Wirksamkeit des Vereins, nicht auf die Theilnahme oder das Recht zur Theilnahme an demselben, und keineswegs könne deshalb daraus hergeleitet wer­ den, daß Jemand, um satzungsgemäß als Mitglied der evange­ lischen Kirche zu gelten, entweder der lutherischen, reformirten oder unirten Kirche angehören, oder aber (was dann weiter folgt) seine Uebereinstimmung mit derselben, der evangelischen Kirche, sonst glaubhaft nachweisen müsse. Ich finde das nicht weniger sophistisch als verkehrt, und halte die entgegengesetzte Meinung für die richtigere, die man vielfach mit vielen Gründen unterstützt hat. Mir däucht indeß, man bedarf dieser Deduktionen gar nicht. Wenn sich 8 2

13

auf 1 auch nicht bezieht und der Absicht nach gar nichts ent« halten soll über die Kirchenmitgliedschaft, so — versteht es sich von selbst, daß Jeder, den man als Mitglied der evangelischen Kirche erkennen und anerkennen soll, entweder einer der drei großen Körperschaften, an welche wir, wenn nicht allein, doch zunächst und vorzugsweis denken, wenn von der evangelischen Kirche die Rede ist, angehören, oder aber seine Uebereinstimmung mit dieser sonst glaubhaft nachweisen muß. Wer sich im erste­ ren Falle befindet, besitzt ein sichres Kennzeichen, wer im zwei­ ten, besitzt es nicht, zumal wenn er einer noch ganz neuen ab­ weichenden Gemeinde angehört, welcher jede Art von Anerken­ nung ihrer Mitgliedschaft oder Verwandtschaft Seitens der evangelischen Kirche bislang fehlt. Er muß also den Nachweis liefern. Man kann doch nicht fordern, denn es wäre wider­ sinnig, daß in einem Vereine, dessen Satzungen nur Evange­ lische als Mitglieder haben wollen ohne Weiteres Alle zuge­ lassen werden müßten, denen es beliebte, sich evangelisch zu nennen, während sie von den anerkannten großen Konfessionen sich absondern oder fern halten. Von Anfang haben auch Solche sich evangelisch genannt, die von den Evangelischen perhorrescirt wurden und ihnen feindselig gegenübertraten. Und warum sollte jener Nachweis erlassen werden? Wer nicht in­ nerhalb der drei großen Konfessionen steht, aus deren Mitte der Verein hervorgewachsen, dem fällt naturgemäß, wenn er dem letzteren angehören will, die Last des erforderlichen Nachweises zu, und wer mit der evangelischen Kirche wirklich übereinstimmt, muß ihn auch liefern können, und wird dieß weit leichter als anderwärts in einer Versammlung des evangelischen Vereins vermögen. Dr. Rupp gehörte, als er in der Hauptversammlung er­ schien, weder der lutherischen oder reformirten, noch der unirten Kirche an. Er war hinübergetreten zu einer abgesonderten, der sogenannten freien Gemeinde zu Königsberg. Nach der strengeren Auslegung des Statuts war seine Zulassung somit

14

»»fraglich unstatthaft. Halten wir uns indeß an die mildere. Er hatte dann doch jedenfalls seine fortwährende Uebereinstimmung mit der evangelischen Kirche glaubhaft nachzuweisen. Er durfte nicht etwa fordern, daß eine Ausnahme bei ihm gemacht werde. So viel persönliche Sympathien man für einen Ausgeschiedenen haben und wie sehr man von der Ueberzeugung durchdrungen sein mag, daß er bis dahin den allerwahrhaftesten Gliedern der Kirche angehört: man kann denn doch nicht behaupten, eine stch von letzterer absondernde Gemeinde oder ein Mitglied einer sol­ chen sei nothwendig in Uebereinstimmung mit ihr geblieben- Es können stch Einzelne und Gemeinden von ihr trennen und in Uebereinstimmung mit ihr bleiben. Aber auch das Gegentheil kann geschehen, sie können sich von der Uebereinstimmung mit ihr bei ihrer Trennung oder in ihrer Absonderung entfernen, können ihr sogar feindlich entgegentreten. Vergangenheit und Gegenwart liefern Beispiele vom Einen wie vom Andern. Die Mitglieder des Vereins sind Mitglieder der Kirche, deren Bestes ihnen angelegen sein muß. Die evangelische Kirche hat ein dringendes Interesse, ihre Verbindung mit Allen, welche ihr angehören oder mindestens in Uebereinstimmung mit ihr sich befinden, zu befestigen, oder eine solche Verbindung zu suchen, wo sie nicht mehr oder noch nicht stattfindet. Eben dazu kann der Verein ein treffliches Werkzeug werden. Allein es läuft auch ihrem wohlverstandenen Interesse zuwider, in eine wesen­ hafte Einigung — von Frieden und Verträglichkeit, Toleranz und Rechtsachtung ist hier nicht die Rede — mit Solchen zu treten, die nicht wahrhaft mit ihr übereinstimmen, so daß sie Nlchtübereinstimmende als Mitglieder anerkennte und in ihrem Rathe mit rathen ließe. So etwas taugt nie, eine solche Eini­ gung hält nicht, verwirrt nur; und die evangelische Kirche hat Verworrenheit in ihrem Schooße schon mehr als zu viel, das kirchliche Bewußtsein ist bei ihren Mitgliedern ohnehin schon gar zu sehr geschwächt, und der Verein will es stärken. Ge­ meinden oder Sekten, welche nicht mit ihr übereinstimmen, ha-

IS bett sogar ein betn ihrigen entgegenlaufende- Interesse, ja eS kann nur ausnahmsweise in ihrem Interesse liegen, selbst solche Ge­ meinden oder Sekten, welche ihren GlaubenSgrund theilen, zu un­ terstützen, oder sie als angehörig anzuerkennen. Sie hat also — und jeder in ihr und für sie wirkende Einzelne oder Verein — hat Vorsicht zu üben, wo es sich um Anerkennung oder Nichtanerkennung eigentlicher Theilnahme an ihr handelt, und eine vernünftige Vorsicht kann bei allem Bestreben, das Zer­ streute zu sammeln, nicht schaden. ES bleibt also dabei, Dr. Rupp mußte feine Uebereinstimmung mit der evangelischen Kirche glaubhaft nachweisen. Aber noch mehr, man war gemüßigt, diesen Nachweis ge­ rade von ihm noch bestimmter zu fordern, als eS wohl bei man­ chem andern, gleichfalls außer den drei großen Konfessionen Stehenden nöthig gewesen wäre. Denn in seinen bisherigen öffentlichen Aeußerungen und [feinem Verhalten lag doch nicht wenig Widersprechendes, Haltloses, Zweideutiges. Der Lärm, den er über das athanasische Glaubensbekenntniß anfing, er­ scheint mir gar zu schwach motivirt, und deutet auf Mißver­ ständnisse über das, was die evangelische Kirche in wichtigen Beziehungen lehrt und von ihren Lehrern fordert. Sie nimmt den Eingang desselben gar nicht in dem strengen Sinne, in welchem er ihn ohne Noth nahm, um sich so sehr darüber zu ereifern, daß er sie, so lange sie jenes Bekenntniß annehme, wie doch geschieht, für eine unchristliche erklärte. Ich will die Aeuße­ rung nicht gar zu scharf, will sie bloß al- Ausdruck eines leb­ haften Eifers um das wahre evangelische Christenthum interpretiren: allein — ich kann keine sonderliche Toleranz darin fin­ den, und eS erscheint mir doch etwas verkehrt, daß Jemand die Uebereinstimmung mit einer Kirche behauptet, welcher er die Christlichkeit abspricht, deren Zustand er für unheilbar hält, so daß er an ihr — am gemeinen Wesen dem er angehörte — verzweifelt, sie aufgiebt. Es erscheint mir etwas sonderbar, daß ein unter solchen Umständen Ausgeschiedener Aufnahme in eine

16

Versammlung von Mitgliedern dieser Kirche sucht und fordert, welche zusammentreten, um den Aufbau, die Erhaltung und Be­ festigung derselben zu fördern, um über Angelegenheiten und Mittel derselben zu berathen und zu verfügen. Sodann Dr. Rupp's Abtreten von der Landeskirche und sein Zurücktreten, oder aber seine schwankenden Erklärungen darüber, ob er der Landeskirche noch angehöre oder angehören wolle: Erklärungen, welche mit der Proklamation der freien Gemeinde offenbar im Widerspruche standen. Dann weiter und namentlich seine Verbindung mit dieser Gemeinde, die ein Glau­ bensbekenntniß von sehr zweifelhaft evangelischem Inhalt aufge­ stellt hatte, auf welches wir zurückkommen wollen, in deren Mitte offenkundig große Uneinigkeit eben auch über den von ihr ein­ zunehmenden religiösen Standpunkt herrschte, welche Verhandlun­ gen zweifelhaften Ausgangs gepflogen, ob sie Taufe und Abend­ mahl beibehalten, Juden ohne Taufe aufnehmen wolle oder nicht u. s. f. Wir haben es vor Augen, und es zeigte sich schon seit einer längeren Zeit, daß es so kommen würde, zu welchen Extravaganzen in Principien und im Verhalten andere ähnliche freie Gemeinden und der ähnliche rongische Deutschkatholicism gelangen. Wo proklamirt wird, man stehe über dem Judenthume und Christenthume, oder aber, man wolle gar keine ab­ geschlossene Konfession, keine Kirche sein; oder, die jetzige Re­ form lasse jeden Glauben gewähren, und fordere nur, daß sich jedes Mitglied die Verdammung fremder Glaubensanstcht ent­ halte; sie beabsichtige, alle aus der katholischen und protestanti­ schen Kirche Austretende zu einer großen Nationalkirche zu ver­ einigen; wo eine so arge Begriffsverwirrung, eine solche Glau­ bensschwäche herrscht, daß man von einer Kirche spricht die doch keine Glaubensgemeinschaft sein soll; wo daneben Ansichten kund­ gegeben werden, die dem Christenthume selbst, wie es innerhalb aller christlichen Kirchen verstanden wird, ebenso schwere wie un­ begründete Vorwürfe machen und ihm den Krieg ankündigen, ganz im Tone derer, welche vor einiger Zeit dem christlichen

17 und dem Gottesglauben offen absagten — da können und sollen wir die vollkommenste Duldsamkeit üben gegen die Abweichenden und Widersacher,

vermögen doch aber

unmöglich

kirchliche

Gemeinschaft mit ihnen zu pflegen. Nach den Kundgebungen Dr. Rupp's und seiner freien Ge­ meinde lag aber die Frage nicht gar zu fern, ob sie von Ex­ travaganzen solcher Art

sich

fern halten würde.

Dr. Rupp

hatte Hinneigungen dazu an den Tag gelegt. Kundige mußten schon darin Irrungen erblicken, daß er das Gemeindeleben auf den Grundlagen der thätigen Bruderliebe (so evangelisch das an sich selbst ist) und der sittlichen Freiheit neu und selbständig erbauen wollte. Seine Bemühungen, das Du einzuführen, deu­ teten auf ein schwärmerisches Element, einen Mangel an reifer Beurtheilung und

Haltung hin.

Ja er war in Differenzen

mit den anderen Stiftern der freien Gemeinde gerathen, in de­ ren

eigenem Schooße Mißverständnisse

über seinen

religiösen

Standpunkt stattgefunden, Mißtrauen gegen ihn rege geworden war, ein Mißtrauen, das sogar zu einer Anklage gegen ihn von Seiten eines Theils der Gemeinde geführt hatte. Wie hätte man hiernach ein so unbedingtes Vertrauen zu ihm hegen, so ohne Weiteres seine Uebereinstimmung mit der evangelischen Kirche als dürfen?

ausgemacht voraussetzen können und

Sie erschien eben zweifelhaft nach allgemein bekannten

und besprochenen Vorgängen. Warum soll man im Rathe über Angelegenheiten der evangelischen Kirche den zweifelhaften Freund ohne alle Erwägung zulassen?

Man sagt wohl: der Eine, und

wäre er selbst Feind gewesen, was konnte es schaden? Ich ent­ gegne: was konnte es nützen?

Und nützen soll doch jeder Ab­

geordnete. Die Satzungen verlangen im Vereine und der Haupt­ versammlung Glieder der Kirche, denen die Noth der Glau­ bensgenossen zu Herzen geht.

Nur von Solchen erwartet der

Verein den besten Rath in seinen Angelegenheiten, nur Solche haben die allgemeine Vermuthung für sich, daß sie denselben ge­ ben werden, und daran ist festzuhalten, so wenig man mag laug-

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nen wollen, daß in manchem Falle selbst ein Nichtprotestant oder Nichtchrist am allerbesten rathen würde. Dies entscheidet nicht, denn sonst müßte die Bestimmung ganz wegfallen, daß die Mit­ glieder Evangelische sein sollen. Sodann liegt es wohl hin­ reichend am Tage, wenn Angehörige abgetrennter Gemeinden erscheinen und zugelassen werden, daß man die Vereinsmittel für letztere benutzen möchte, was weder zweckmäßig noch ehrlich er­ scheint. Weiter handelte es sich auch nicht um die Frage, ob man bei Dr. Rupp eine Ausnahme machen dürfe oder wolle, sondern um seine Forderung, sein angebliches Recht, zugelassen zu werden. Was sollte man thun? Seine Kundgebungen und Verhältnisse ignoriren um des Friedens willen, um den Vor­ wurf zu vermeiden, daß man ein Jnquisitionsgericht halte? Aber man kann nur Frieden haben, so lange der Nachbar will und Dr. Rupp wollte nicht. Wäre es nicht Schwäche, wäre es rathsam gewesen, Satzungswidrigkeiten zu dulden, um nur keinen Unfrieden zu haben? Wer konnte solchen Zank, solche Beschul­ digungen voraussehen? Es war kein Gedanke an ein Jnquiriren nach Dr. Rupp's Uebereinstimmung mit der evangelischen Kirche, sondern die Zweifelhaftigkeit derselben war etwas Noto­ risches. Hätte man dennoch ignoriren wollen, so waren Proteste eingelaufen, und das Allerschlimmste, die Wahl Dr. Rupp's hatte nach allen Umständen das Aussehen und zum Ueberfluß war der Gedanke öffentlich ausgesprochen, seine fest erwartete Zulassung solle gelten als eine Entscheidung des Vereins und gewissermaßen der in ihm sich darstellenden evangelischen Kirche fast aller deutschen Länder gegen das preußische Kirchenregiment in einer dem Vereine durchaus fremden Sache, was offenbar seinem Interesse zuwiderlief; als eine Art offizieller kirchlicher Anerkennung der Ansichten und Grundsätze Rupp's. Man nahm also den Verein als einen kirchlichen und nahm ihn dann wie­ der als allgemeinen Humanitätsverein und wollte seinen kirch­ lichen Charakter nicht anerkennen. Man provocirte die Haupt­ versammlung, sich zu einem „Glaubensgerichte" zu machen, und

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schilt sie, daß sie eS gethan, Man sagt, sie hätte Rupp zulassen sollen, um sich nicht als Glaubensgericht zu gerittn, d. h. sehr schlau, sie hätte einen thatsächlichen glaubensrichterlichen Aus­ spruch — denn so war man bereit, die Zulassung Rupp'ö zu deuten — thun sollen, wie man ihn haben wollte. Die Frage der Zulassung oder Nichtzulassung des Letztem war demnach zur Principienfrage geworden, und man kann daher um so weni­ ger sagen, eS hätte darüber hinweggegangen werden sollen. Also: Dr. Rupp mußte seine Uebereinstimmung mit der protestantischen Kirche glaubhaft nachweisen, bezüglich, die Be­ denken aus dem Wege räumen, welche sich gegen seine Zulassung erhoben hatten. Der Deputirte und die übrigen Mitglieder deS CentralvorstandS verließen sich, wie es scheint, zu sehr darauf, daß die letzteren notorisch waren. Sie und überhaupt Diejenigen, welche gegen die Zulassung Dr. Rupp's stimmten, hätten die daraus hervorgehenden Gründe seiner Nichtzulassung deutlicher vor Augen stellen können und sollen, um den Verhandlungen bestimmtere Anhaltspunkte zu geben. Eben so sehr und in ganz ähnlicher Weise fehlten die Füsprecher Rupp'S und er selbst. Dr. Rupp war nicht bloß aus der Landeskirche ausgeschieden, son­ dern einer abweichenden Gemeinde beigetreten. Diese Gemeinde mußte doch ein Bekenntniß haben, sie hatte ein solches, und das Einfachste, Natürlichste und Nöthigste wäre gewesen, daß man dasselbe vorgelegt hätte, um — etwa unter Zurückweisung von allen Bezugnahmen auf diese oder jene nicht-offiziellen Aeußeßungen oder Kundgebungen Dr. Rupp's, wie das Gerücht und die Blätter sie verbreitet — um, sage ich, den erforderlichen Nachweis dadurch zu führen.