Edgar Degas 9781780426105, 1780426100

Degas bezog seine wichtigsten Motive aus dem lebendigen Paris der Epoche und lernte die knftigen Impressionisten wahrsch

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English Pages 82 [81] Year 2014

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Edgar Degas
 9781780426105, 1780426100

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Edgar

Degas

© Confidential Concepts, worldwide, USA ISBN: 978-1-78042-610-5 © Sirrocco, London, (deutsche Fassung)

Weltweit alle Rechte vorbehalten Soweit nicht anders vermerkt, gehört das Copyright der Arbeiten den jeweiligen Fotografen. Trotz intensiver Nachforschungen war es aber nicht in jedem Fall möglich, die Eigentumsrechte festzustellen. Gegebenenfalls bitten wir um Benachrichtigung.

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Edgar Degas

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twa zu der Zeit, als der berüchtigte "Salon des Refusés" von 1863 einen Wendepunkt in der französischen Malerei markierte, malte Degas ein Selbstbildnis, das kaum weniger als das eines potentiellen Revolutionärs hätte aussehen können. Degas wirkt darauf wie der vollkommene Bourgeois, oder, in den Worten des kubistischen Malers André Lhote, wie "ein verheerend unbestechlicher Buchhalter". Degas trägt die uniforme Begräbniskleidung der männlichen Großbürger im 19. Jahrhundert, die sie in den Worten Baudelaires wie "ein enormes Gefolge der vom Leichengräber bestellten Totenkläger" aussehen ließ, und lüftet höflich seinen Zylinder, während er vorsichtig den forschenden Blick des Betrachters erwidert. Ein einige Jahre zuvor aufgenommenes Foto, das sich in der Bibliothèque Nationale in Paris befindet, zeigt eine ähnliche Darstellung, obwohl seine Haltung darauf angespannter und verlegener als auf dem Gemälde wirkt. Auf dem Foto hält Degas seinen Zylinder mit einer Geste über seinen Schoß, die unbeabsichtigt an den Bauern in Millets Angelus erinnert. Dali deutete die unbequeme Pose des Bauern provokativ als den Versuch, eine aufkommende Erektion zu verbergen. Degas' verlegener, gehemmter Ausdruck deutet ebenfalls auf ein Element sexueller Scham hin. Jede Spekulation über seine Sexualität hätte für den Maler, der einmal äußerte, er wolle "vornehm und unerkannt" sein, eine unverzeihliche und irrelevante Frechheit dargestellt. Dennoch haben Degas' eigenartige Themenwahl, seine Pose des unverbesserlichen Frauenhassers und gerade auch der Mangel an konkreten Hinweisen auf seine persönlichen Beziehungen solche Spekulationen von Beginn an genährt. Schon 1869 verriet Manet der impressionistischen Malerin Berthe Morisot, mit der Degas gerade einen etwas bizarren und wenig überzeugenden Flirt unterhielt, über ihn, dass "er nicht fähig ist, eine Frau zu lieben, geschweige denn, ihr seine Liebe zu gestehen oder irgendetwas in dieser Angelegenheit zu unternehmen." Im gleichen Jahr beschrieb Berthe Morisot in einem Brief an ihre Schwester ironisch, wie Degas "kam und neben mir saß, angeblich, um mir den Hof zu machen, aber dies beschränkte sich auf einen langen Kommentar zu Salomons Spruch 'Die Frau ist das Elend des Gerechten'." Gerüchte über eine sexuelle oder emotionale Beziehung mit einer anderen begabten Malerin, der Amerikanerin Mary Cassatt, können ebenfalls mit großer Sicherheit unberücksichtigt bleiben, auch wenn der Umstand, dass Cassatt Degas' Briefe an sie verbrannte, den Eindruck erwecken könnte, dass es doch etwas gab, das sie verbergen wollte. Degas' Unfähigkeit, eine ernst zu nehmende Beziehung mit einem Mitglied des anderen Geschlechts aufzubauen, ist auf eine ganze Reihe möglicher Ursachen zurückgeführt worden, zum Beispiel auf den Tod seiner Mutter, als er in dem besonders empfindsamen Alter von 13 Jahren war, auf eine frühe, unerwiderte Liebe und auf Impotenz als Folge einer Geschlechtskrankheit.

1. Selbstporträt, um 1863. Öl auf Leinwand, 92,1 x 66,5 cm. Calouste Gulbenkian Museum, Lissabon.

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2. Edgar Degas, um 1860. Fotografie. Bibliothèque Nationale, Paris. 3. Monsieur und Madame Edmondo Morbilli, um 1865. Öl auf Leinwand, 116,5 x 88,3 cm. The Museum of Fine Arts, Boston, Schenkung von Robert Treat Paine II, 1931.

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Die letztgenannte Theorie stützt sich auf eine scherzhafte Unterhaltung zwischen Degas und einem seiner Modelle gegen Ende seines Lebens und braucht nicht sonderlich ernst genommen zu werden. Im Jahr 1858 begann Degas' intensive und sentimentale Freundschaft mit dem Maler Gustave Moreau. Heutige Leser mögen in Degas emotionalem Ton in seinen Briefen an den älteren Künstler einen Hinweis auf ein homosexuelles Element in ihrer Beziehung sehen. "Eigentlich sende ich Dir dies, um mir selbst dabei zu helfen, geduldiger auf Deine Rückkehr zu warten, während ich gleichzeitig auf einen Brief von Dir hoffe. ... Ich hoffe sehr, Du wirst Deine Rückkehr nicht hinauszögern. Du hast versprochen, dass Du nicht länger als zwei Monate in Venedig und Mailand verbringen würdest." Aber während Moreaus Bilder eine Atmosphäre latenter oder gar offener Homosexualität aufweisen, findet sich in Degas' Werken überhaupt nichts Vergleichbares. Es gibt Berichte darüber, wie Degas gegen Ende seines Lebens sanft und entspannt mit Modellen und Tänzerinnen plauderte, aber so wie viele andere großbürgerliche Männer im 19. Jahrhundert fand er es vermutlich schwierig und Angst einflößend, mit Frauen aus seiner eigenen Klasse zu verkehren. Die schockierendsten seiner frauenfeindlichen Sprüche vermitteln deutlich den Eindruck, dass er Angst hatte: "Tee in einer beliebten Teestube zu nehmen, schreckt mich mehr als alles andere in der Welt. Man denkt, man befindet sich in einem Hühnerhaus. Warum müssen sich die Frauen so viel Mühe geben, so hässlich auszusehen und so vulgär zu sein?" Oder: "Oh! Die Frauen können mir niemals vergeben, sie hassen mich, sie können fühlen, dass ich sie ihrer Waffen beraube, ich zeige sie ohne ihre Koketterie, wie Tiere, die sich reinigen! ... Sie sehen in mir den Feind. Zum Glück, denn wenn sie mich mögen würden, wäre das mein Ende!" Die großbürgerlichen Frauen, die Degas porträtierte, besitzen Gesichter, anders als seine Tänzerinnen, Prostituierten, Wäscherinnen, Hutmacherinnen und Badenden, die üblicherweise Stereotypen oder buchstäblich gesichtslos sind. Diese großbürgerlichen Frauen mögen zwar intelligent, vernünftig und sensibel wirken, sie sind aber dennoch ein grimmiger Haufen ohne Wärme oder Sinnlichkeit. Viele von Degas' weiblichen Verwandten scheinen in einer Melancholie ohne Gefühl und Liebe erstarrt zu sein. Seine Nichten Giovanna und Giulia Bellelli (S. 8) wenden sich ohne die leiseste Andeutung schwesterlicher Zuneigung oder Intimität voneinander ab. Das düsterste dieser Bilder ist Degas' Porträt seiner Tante, der Herzogin von Montejasi Cicerale und ihrer beiden Töchter, in dem die unversöhnliche alte Frau durch eine unüberbrückbare physische und psychische Kluft von ihren beiden Töchtern getrennt zu sein scheint.

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4. Die Familie Bellelli, 1858-67. Öl auf Leinwand, 200 x 250 cm. Musée d'Orsay, Paris.

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5. Place de la Concorde (Der Graf Lepic und seine Töchter), 1876. Öl auf Leinwand, 79 x 118 cm.

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6. Schmollen, um 1869-71. Öl auf Leinwand, 32,4 x 46,4 cm. The Metropolitan Museum of Art, New York, Vermächtnis von Mrs H. O. Havemeyer, Sammlung H. O. Havemeyer. 7. Die Büglerin, um 1880. Öl auf Leinwand, 81 x 66 cm. Walker Art Gallery, Liverpool.

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8. Interieur, um 1868-69. Öl auf Leinwand, 81 x 116 cm. Philadelphia Museum of Art, Philadelphia.

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Die Thematik der Spannung und der Feindschaft zwischen den Geschlechtern findet sich in vielen von Degas' ehrgeizigen Werken aus den 1860er Jahren, sowohl in den der Genremalerei ähnlichen Darstellungen des zeitgenössischen Lebens wie Schmollen (S. 10) und Interieur (S. 13) (früher bekannt als Die Vergewaltigung und wahrscheinlich durch Zolas Roman Thérèse Raquin inspiriert), als auch in detaillierten historischen Gemälden wie Junge Spartanerinnen fordern Knaben zum Wettkampf heraus (S. 16) und Mittelalterliche Kriegsszene oder Das Unglück von Orléans (S. 14). Das letztgenannte Bild, das reißerischste und sensationslüsternste, das Degas jemals malte, zeigt, wie Reiter Pfeile auf eine Gruppe junger Frauen abschießen, deren Körper allerdings weder Blut noch Wunden aufweisen und deren Posen eher an sexuelle Erregung als an Todesqualen denken lassen. Von der Zeit an, da Degas in den 1870er Jahren seine künstlerische Reife erlangte, sind alle seine Frauendarstellungen - mit der gelegentlichen Ausnahme einiger Porträts großbürgerlicher Frauen - durch eine Atmosphäre der Prostitution befleckt. Im Paris des 19. Jahrhunderts nahm die Prostitution eine Vielzahl unterschiedlicher Formen an, von den schlampigen Straßenmädchen, denen es nur um eine warme Mahlzeit ging, bis hin zu der "Grande Horizontale", die ein Vermögen für ihre Dienste verlangen konnte. Tatsächlich galt jede Frau, die gezwungen war, ihr Heim zu verlassen um Geld zu verdienen, als anfällig für die Versuchung, ihren Körper zu verkaufen. Vor diesem Hintergrund konnten Degas' Darstellungen von Sängerinnen, Tänzerinnen, Zirkusartistinnen und sogar Hutmacherinnen und Wäscherinnen für seine Zeitgenossen lüsterne Andeutungen enthalten, die heute nicht immer unmittelbar erkennbar sind. Paris konsolidierte während der "Zweiten Republik" (1852-1871) seinen Ruf als die europäische Hauptstadt der sinnlichen Genüsse. Dass die käufliche Liebe für ausländische Besucher eine der Hauptattraktionen dieser Stadt darstellte, macht Jacques Offenbachs für die Weltausstellung von 1867 geschriebene Operette La Vie Parisienne (Pariser Leben) überdeutlich. Das von Degas' engem Freund Ludovic Halévy und seinem Partner Henri Meilhac verfasste Libretto feiert schamlos den Ruf der Stadt als das "moderne Babylon" und als Hauptstadt der käuflichen Liebe. Unter den dargestellten Figuren befinden sich eine "Grande Horizontale" mit dem schockierenden, vielsagenden Namen Métella, eine hübsche Handschuhmacherin namens Gabrielle, die direkt aus einem von Degas' Pastellen über Hut- und Putzmacherinnen stammen könnte, ein brasilianischer Millionär, der sein Vermögen an Pariser Flittchen verschleudern möchte und eine schwedische Baronin, die sich danach sehnt, eine Sängerin namens Thérèsa (über die wir später noch berichten werden) zu hören, mit ihrem Gatten, der sich mit Genüssen "jusque-là!" vollstopfen will.

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Die Prostitution stellte während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eines der wesentlichen Themen französischer Schriftsteller und Künstler dar. Das literarische Interesse an der Prostitution erreichte in den Jahren um 1880 seinen Höhepunkt. Edmond de Goncourt veröffentlichte 1877 La Fille Elisa und Emile Zola 1880 Nana. Guy de Maupassant machte sich im gleichen Jahr mit Boule de Suif einen Namen und ließ im Jahr darauf die reizende Erzählung La Maison Tellier ("Das Haus der Madame Tellier", siehe S. 29) folgen. Degas' Hinweise auf den Pariser Handel mit weiblichem Fleisch waren häufig äußerst diskret ein flüchtiger Blick auf die schwarze Herrenhose inmitten der Opernkulissen oder die auffälligen Federn auf dem Hut einer Kurtisane auf der Pferderennbahn, als ihr Wagen aus dem Blickfeld verschwindet. Zuweilen ist es auch nicht mehr als eine deutlich greifbare Atmosphäre, die von Männern aus Degas' Klasse und mit seinen Vorlieben identifiziert worden wäre. Diese trübe Welt sich verkaufender Frauen und beutesuchender Männer in Zylindern wird zwar

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auf faszinierende, aber auch gleichzeitig recht sensationslüsterne Weise von zwei anonym erschienenen Pariser Publikationen der 1880er Jahre beleuchtet, der Zeit, in der Degas sich auf dem Höhepunkt seines künstlerischen Schaffens befand. Ces Demoiselles de l'Opéra, 1887 publiziert und angeblich von "un vieil abonné" ("einem alten Abonnenten") verfasst, präsentiert eine Übersicht der zu dieser Zeit aktiven Tänzerinnen der neuen Pariser Oper und wirft zugleich einen nostalgischen Blick auf die 1860er Jahre, als auch Degas sich für das Ballett, damals noch im alten Haus in der Rue Le Peletier, zu interessieren begann. Der Ton des Buches ist durch einen Hang zum Tratsch und eine etwas abgemilderte Lüsternheit gekennzeichnet. Dabei interessiert sich der "vieil abonné" offenbar mehr für die körperlichen Reize der Tänzerinnen und die pikanten Details ihres Privatlebens als für die Feinheiten ihrer Tanztechnik. In der Beschreibung der Mademoiselle Eugénie Fiocre, der einzigen von Degas gemalten identifizierbaren Tänzerin, heißt es, sie habe "eine Nase, für die ein Regenschirm hätte angefertigt werden sollen (Degas' Studien dokumentieren, dass sie eine kurze, aufwärts gerichtete und außergewöhnlich schöne Nase hatte). Aber was für eine Figur - man sollte vor ihr auf die Knie fallen - und hinter ihr!" Ces Demoiselles de l'Opéra übermittelt lebhaft den Ton der koketten Unterhaltungen von Degas mit den jungen Tänzerinnen, die ihm Modell standen. Daniel Halévy, der Sohn von Degas' altem Freund, notierte, dass Degas, wenn er mit Tänzerinnen zusammen war, "... sie alle reizend findet, für alles, was sie tun, Entschuldigungen findet und über alles lacht, was sie sagen."

9. Mittelalterliche Kriegsszene oder Das Unglück von Orléans, 1865. Öl auf Papier auf Leinwand, 81 x 147 cm. Musée d'Orsay, Paris. 10. Halbnackte Frau, auf dem Rücken liegend, 1865. Farbstift, 22,8 x 35,6 cm. Musée d'Orsay, Paris.

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11. Junge Spartanerinnen fordern Knaben zum Wettkampf heraus, 1860-62. Öl auf Leinwand, 109 x 155 cm. National Gallery, London.

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12. Junge Spartanerin, um 1860. Farbstift auf Papier, 22,9 x 36 cm. Musée d'Orsay, Paris. 13. Beim Pferderennen, 1876-77. Öl auf Leinwand, 66 x 81 cm. Musée d'Orsay, Paris.

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Der "vieil abonné" berichtet mit der gleichen liebevollen Nachsicht über die Eigenheiten, die "Bonmots" und kleinen Dummheiten der Tänzerinnen. So hören wir zum Beispiel, dass das einzige hervorstechende Charaktermerkmal der Léontine Beaugrand darin bestand, dass sie unbändig Schokolade liebte und wie "la petite Paillier" sich empörte, als ein Bewunderer ihr das Kompliment machte, sie sehe aus wie eine Boucher, weil sie sich mit einem Schlachter (frz. "boucher") verglichen glaubte. The Pretty Women of Paris erschien 1883 in englischer Sprache. Der Titelseite zufolge handelt es sich um einen "Vollständigen Wegweiser und Führer zu Genüssen für Besucher der fröhlichen Stadt". Die Informationen, die zu den Pariser Frauen geboten werden, sind so umfassend und detailliert, dass sie unmöglich von einem einzelnen Mann zusammengestellt worden sein können. Der Ton hingegen ist das ganze Buch hindurch gleich bleibend - zotig und häufig frauenverachtend. Der Leser gewinnt den Eindruck, unmittelbar auf all die namen- und gesichtslosen Frauen zu treffen, von den gefeierten Tänzerinnen bis hin zu Putzmacherinnen und Wäscherinnen, die Degas' Werk bevölkern. Auf der ersten Seite begegnen wir Ellen Andrée, die für Degas' Der Absinth (S. 28) Modell stand: "Eine sehr hübsche Blondine, mit geringem künstlerischen Talent, obwohl ihr Körper für eine so kleine Frau großartig proportioniert ist. Ihre Hauptliebhaber zählen zu den Künstlern der Hauptstadt, für die sie oft Modell gestanden hat. Sie ist in vielen Posen fotografiert worden, allerdings stets völlig unbekleidet. Diese lebensechten Studien kann man überall in Paris für wenig Geld erstehen. Sie ist sehr einfach und gutherzig, kann aber nur mit Mühe lesen und schreiben, da ihre Bildung schwer vernachlässigt worden ist. Sie ist ungefähr 24 Jahre alt."

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14. Der Star oder Tänzerin auf der Bühne, 1879-81. Pastell auf Monotypie, 58 x 42 cm. Musée d'Orsay, Paris. 15. Die Probe auf der Bühne, um 1874. Pastell, 55,3 x 72,3 cm. The Metropolitan Museum of Art, New York, Sammlung H. O. Havemeyer.

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16. Tänzerinnen, um 1893. Öl auf Leinwand, 85 x 75,5 cm. Musée d'Orsay, Paris. 17. Mademoiselle Lala im Zirkus Fernando, 1879. Öl auf Leinwand, 117 x 77,5 cm. National Gallery, London.

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18. Orchestermusiker, 1870-71. Öl auf Leinwand, 62 x 49 cm. Städtisches Kunstinstitut, Frankfurt.

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Vermutlich unterschätzten die Autoren sowohl ihr Alter als auch ihre Intelligenz und schauspielerische Begabung. Sie war wahrscheinlich noch nicht einmal 16 Jahre alt, als sie 1876 Degas für die triste Prostituierte in Der Absinth Modell stand, sie war geistreich genug, um sich in den 1870er Jahren im Café de la Nouvelle Athènes in dem wilden Kreis Degas' und seiner Freunde zu behaupten, und sie brachte es zu einer langen und herausragenden Theaterkarriere. Weiter hinten in jenem Handbuch finden wir Thérèse Bréval, die "für eine Weile ein Ballettmädchen war, es aber bald leid war, für so geringen Lohn ihre Beine in die Höhe zu werfen" und Marie Folliot, "früher Verkäuferin in einem Hutgeschäft, aber ihre Schönheit ließ sie zum Angriffsziel eines Verführers werden" sowie Blanche de Labarre, die in der Unterwäscheabteilung eines großen Ladens beschäftigt war, wo "... die Gewohnheit, den Kundinnen ständig Korsetts an- und auszuziehen, offensichtlich Auswirkungen auf ihre Moral hatte und sie anschließend bereitwillig ihre eigenen aufschnüren ließ". Hier treffen wir auch auf Amélie Latour, "eine einfache Wäscherin", die "... den Kunden und Kundinnen die gewaschene Wäsche nach Hause lieferte, die ihr im Gegenzug dafür häufig ihr Unterkleid und ihren Unterrock verwüsteten" sowie auf die Zirkusartistin Océana, "... eine Artistin, die doppelte Saltos ohne einen Fetzen am Leib vorführt, ein großartiger Anblick für einen müde gewordenen Lüstling" und auf die Gräfin Letischeff, die "... begann, sämtliche Renntage im Umkreis von Paris zu frequentieren" ebenso wie auf Glady und Marie Magnier, die alle beide ihr Leben, genau wie Henri Murgers Mimi, mit der Herstellung künstlicher Blumen begannen. Degas schuf seine unmittelbarsten und unverhülltesten Darstellungen der Prostitution in den späten 1870er Jahren in einer Serie von Bordell-Monotypien, die in seinem Werk in vielerlei Hinsicht eine Sonderstellung einnehmen. Zu der Zeit, als Degas mit diesen Bildern beschäftigt war, befand sich das Pariser Bordell bereits im Niedergang und nur noch einige wenige altmodische Großbürger suchten hier ihre Zerstreuung. The Pretty Women of Paris zählte 99 Pariser Bordelle und weitere sieben aus den Vororten auf. Die in diesem Buch im Einzelnen beschriebenen 183 Frauen gingen ihrer Tätigkeit allesamt außerhalb eines Bordells nach. Fanny Robert beispielsweise begann ihre Laufbahn in einem Bordell in Marseille, aber sie wurde "von einem reichen Wüstling gerettet und nach Paris gebracht". Das Leben einer registrierten Prostituierten in einem lizensierten Bordell war sicherlich recht hart. Die Frauen unterlagen zwar regelmäßigen ärztlichen Untersuchungen, sie mussten aber zusätzlich zu der Schinderei bei der Arbeit weitere kleinliche und erniedrigende Regelungen über sich ergehen lassen. Wie die erzählende Literatur der Zeit und "realistische" Kabarettlieder zeigen, war das Leben im Bordell allerdings auch nicht ohne seine ganz spezifischen Entschädigungen und Reize.

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19. Tänzerinnen in den Kulissen, um 1878-80. Pastell und Tempera auf Papier, 69,2 x 50,2 cm. The Norton Simon Museum of Art, Pasadena. 20. Bei der Hutmacherin, um 1882-86. Pastell auf Papier, 100 x 111 cm. Art Institute, Chicago.

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Das Lied En Maison der Damia, die man "la tragédienne de la chanson" ("Die Tragödin des Chansons") nannte, erzählt von einem jungen Mädchen, das durch die Heirat mit einem Bourgeois aus dem Bordell gerettet wird, jedoch schon bald die Freiheiten und kleinen Gewohnheiten des Bordelllebens vermisst. Degas' Prostituierte sehen weder unterdrückt noch unglücklich aus. Die Bordellszenen sind die überschwänglichsten Bilder, die er schuf. Sie weisen einen bodenständigen Humor und eine Lebensfreude auf, die man sonst in seinem Werk nicht findet. Die Frauen lümmeln mit gespreizten Beinen in entspannter Haltung auf Plüschpolstern herum und fühlen sich in ihrer Nacktheit oder Halbnacktheit und der gegenseitigen Nähe offensichtlich wohl. Im Gegensatz hierzu wirken die schwarz gekleideten Frauen mit ihrer starren Körpersprache in Degas' Porträts nahezu deprimiert und unterdrückt. Das gutmütige und warmherzige Verhalten der Frauen in den Bordell-Monotypien nimmt die Stimmung in Guy de Maupassants berühmter Kurzgeschichte Das Haus der Madame Tellier von 1881 vorweg, in der die Prostituierten ein junges Mädchen kurz vor ihrer Erstkommunion mit ihrer Wärme und Zuneigung überschütten. "Alle Frauen waren begierig, sie zu liebkosen und suchten ein Objekt für diese Beweise der Zuneigung, eine Gewohnheit ihres Standes, die sie auch die Enten im Eisenbahnwaggon hatte küssen lassen." Zu den reizendsten dieser Monotypien gehört Der Geburtstag der Madame (S. 39), die Degas mit Pastellfarben überarbeitete. Auf ihr wird eine korpulente und respektabel in Schwarz gekleidete Dame, die wie eine Karikatur der Witwe von Windsor (Königin Victoria) wirkt, von Mädchen umringt, die, abgesehen von Schuhen und lavendelfarbenen Strümpfen, unbekleidet sind und ihr Blumensträuße überreichen. Einmal mehr werden wir an die Geschichte Das Haus der Madame Tellier erinnert, in der die Frauen des Hauses "... ihre Arme um Madame Tellier warfen und sie drückten, als ob sie eine nachsichtige Mutter voller Freundlichkeit und Wohlwollen sei." Die stämmigen Frauen in diesen Monotypien repräsentieren einen anderen physischen Typus, ja fast eine andere Spezies als die statuen-ähnlichen Wäscherinnen, die schlankeren Tänzerinnen und die großbürgerlichen Frauen in ihren engen Korsetts. Dieser kräftigere Typ Frau war bei den Freiern des 19. Jahrhunderts zweifellos sehr populär. Das Adjektiv "füllig" wird in The Pretty Women of Paris stets mit großer Billigung gebraucht. Viele der Frauen werden in einer Art und Weise beschrieben, die stark an Degas erinnert. Marie Kolb ist "eine freundliche kleine Fettkugel" und Blanche Querette "ein äußerst lüsterner Knödel und jeder Teil ihres fleischigen Körpers ist anbetungswürdig." Berthe Laetitia ist "klein, und ihre wohl gerundete Gestalt ist außerordentlich entwickelt, all ihre Knochen werden von festem und elastischem Fleisch bedeckt und ihre Brüste und Pobacken sind wahre Sehenswürdigkeiten."

21. In einem Café, auch: Der Absinth, 1875-76. Öl auf Leinwand, 92 x 68 cm. Musée d'Orsay, Paris.

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22. Porträt von Mademoiselle E(ugénie) F(iocre), anlässlich des Balletts "Die Quelle", 1867-68. Öl auf Leinwand, 103 x 145 cm. Brooklyn Museum, New York.

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23. Warten, um 1882. Pastell auf feinem Papier, 48,2 x 61 cm. The J. Paul Getty Museum, Malibu and the Norton Simon Museum, Pasadena. 24. Tänzerin mit Blumenstrauß, grüßend, um 1877. Pastell auf Papier, 75 x 78 cm. Musée d'Orsay, Paris.

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Marie Martin ist "eine schöne, dunkle, spanisch aussehende, matronenhafte Frau, mit Halbkreisen wie das Frauenzimmer eines niederländischen Seemanns und Hüften und einem monumentalen Hintern, die einen Türken wie eine Flasche Ginger Ale an einem heißen Tag hochgehen lassen würden." Berthe Mallet ist "genau die richtige Frau für einen Mann, der es liebt, in einer Masse weißen Fleisches zu versinken." Eine ganze Reihe dieser Monotypien, wie auch viele seiner späteren Pastelle, und die Szenen "Toilettes" in Öl illustrieren, wie sehr große und fleischige Pobacken Degas faszinierten. Auch diese Vorliebe teilte er mit den Autoren von The Pretty Women of Paris, die über die "enormen, faszinierenden Pobacken" von Ernestine Desclauzes in Begeisterung geraten. Zu Zulmar Bouffar, dem brillanten Operettenstar, der die Rolle der schönen Handschuhmacherin in Offenbachs Pariser Leben kreierte, teilen sie uns mit, dass "ihre schönsten Teile ihre hinteren Schönheiten sind und selbst die Hottentot-Venus sich nicht eines solchen, wie von einem Bildhauer geschaffenen Paares marmorner Pobacken rühmen kann."

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25. Im Salon, um 1876-77. Monotypie, 15,9 x 21 cm. Musée Picasso, Paris.

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26. Ruhepause, um 1876-77. Monotypie, 15,9 x 21 cm. Musée Picasso, Paris.

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27. Der Tanzkurs von Monsieur Perrot, 1873-75. Öl auf Leinwand, 85 x 75 cm. Musée d'Orsay, Paris.

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Die Frauen in Degas' Bordellen unterscheiden sich nicht nur hinsichtlich ihrer physischen Proportionen und ihren Gesichtern von den glatten, idealisierten Akten, die im Pariser Salon ausgestellt wurden, sondern auch durch die offene Darstellung üppiger Schamhaare. An keiner Stelle wird die sexuelle Schizophrenie des 19. Jahrhunderts augenfälliger als in dem Kontrast zwischen der haarlosen Perfektion der akademischen Akte des 19. Jahrhunderts und dem Genuss, mit dem The Pretty Women of Paris das Schamhaar der Frauen äußerst minutiös und detailliert beschreibt. Auf diese Weise lernen wir, dass Bacri "... sich des besten Busches rühmen kann, der jemals unterhalb des Nabels eines Verbrecherliebchens wuchs" und dass der "Mons Veneris" der Laure Decroze "... von einem wunderbaren, weichen, lockigen, kastanienbraunen Busch geschützt wird." "Der hübsche Körper und die wallenden goldenen Locken" von Emilie Kessler "werden mit Sicherheit die Begierde eines jeden Mannes wecken, besonders wenn er die Entdeckung macht, dass ihr lockiger Busch in einem seltenen und angenehmen Gegensatz so schwarz wie die Nacht ist." Die Bordell-Monotypien sind durch ein karikaturistisches und leicht satirisches Element gekennzeichnet, das praktisch einzigartig in Degas' Werk ist. Dies kommt am deutlichsten zum Ausdruck in Degas' Verspottung der verlegenen und wie immer in schwarze Uniformen der "bestellten Totenkläger des Bestatters" gekleideten Freier in ihren Melonen oder Zylindern. In Der ernste Kunde etwa streckt eine kurvenreiche Prostituierte (deren Körper fast allein durch Degas' Fingerabdrücke modelliert ist) ihre Hand aus, um einen schüchternen Kunden mit einer Melone zu ermutigen. In zahlreichen dieser Bilder findet die berüchtigte, geistreiche Schärfe und Bündigkeit, die Degas in Unterhaltungen an den Tag legte, in der verdeckten und knappen Art, in der er die Gegenwart oder das Nahen eines Freiers andeutet, ein visuelles Pendant. Im Salon (S. 34) zeigt, wie ein Kunde in schwarzem Anzug, Zylinder und steif gestärktem Kragen einen Raum voller Prostituierter betritt, die sich ihm in ausgesprochen provokativen Posen anbieten. In Ruhepause (S. 35) und Der Kunde sehen wir nicht mehr als die Nase des Kunden und einen schmalen Streifen des schwarzen Stoffes seiner Hose. Eine der aufreizendsten der Bordell-Monotypien Zwei Frauen (Szene in einem Bordell, S. 51), kombiniert zwei männliche Fantasien - lesbische Liebe und Liebe zwischen Mitgliedern verschiedener Rassen. Wenn wir den Autoren von The Pretty Women of Paris Glauben schenken, war die lesbische Liebe oder, in ihren altmodischen Worten, der "Tribadismus", unter den Pariser Prostituierten weit verbreitet, obwohl sie in ihrer überhitzten Fantasie das Ausmaß wahrscheinlich überschätzt haben.

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28. Die Kupplerin, um 1876-77. Monotypie, 16,5 x 11,8 cm. Bibliothèque d'Art et d'Archéologie, Paris, Stiftung Jacques Doucet. 29. Der Geburtstag der Madame, 1876-77. Monotypie, 11,5 x 15,9 cm.

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Diese lesbischen Begegnungen werden in dem Buch mit jener eigenartigen Mischung aus moralischer Entrüstung und seibernder Anzüglichkeit beschrieben, die noch heute häufig genug in einem Großteil der populären britischen Presse die Haltung gegenüber der Sexualität charakterisiert. Wir lesen von den für französische Prostituierte typischen "abstoßenden Zärtlichkeiten" und den "sapphischen Verbindungen, die bei den Pariser Unglücklichen im Allgemeinen so beliebt sind", sowie von Janvier, "einer unersättlichen Anhängerin der lesbischen Liebe", die "ihre Beute auf den Fluren der Oper wie ein Mann verfolgt". Des Weiteren wird von Nina Melcy berichtet, der Geliebten eines britischen Parlamentariers, die "ihr eigenes Geschlecht anbetet, allerdings nur, wenn gerade eine wichtige Debatte im Parlament stattfindet", wie auch von Juliette Grandville, die "häufig bei Tag Sappho und bei Nacht Messalina" ist und "mit den ruhmreichen Spuren der Erregung eines Mädchen, das ihr zum Opfer gefallen ist, auf ihren fiebrigen rubinroten Lippen in die Arme ihres männlichen Verehrers eilt." Das Schauspiel lesbischer Liebe erregte ganz eindeutig viele Männer des 19. Jahrhunderts. Zu Thérèse Bréval heißt es, dass "... das Schauspiel, wie sie ein Mitglied ihres eigenen Geschlechts liebt, eine sehr beliebte Ablenkung nach dem Essen ist." Noch näher an Degas' Monotypien ist die Beschreibung, wie Laure Heymann die schwarze Gräfin Mimi Pegère liebt: "Es ist großartig, die blonde Laure in der schlangenähnlichen Umarmung der lüsternen kleinen Sappho zu sehen, die als geborene Haitianerin schwarz wie Kohle ist." In der Aufzählung der lizensierten Bordelle von Paris beschreibt The Pretty Women of Paris die Adresse Rue de Charbanais 12 als "... das beste Bordell der Welt. Jedes Zimmer ist ohne Rücksicht auf die Kosten in einem anderen Stil dekoriert. ... Sogar eine Negerin befindet sich im Haus. Es ist ein beliebter Zufluchtsort der oberen Zehntausend, und viele Damen, sowohl der Gesellschaft als auch außerhalb derselben, kommen, alleine oder auch mit ihren Liebhabern, wegen lesbischer Abwechslungen hierher." Die Bordell-Monotypien gehören zu den intimsten und persönlichsten von Degas' Werken. Nur selten behandelte er das Thema der Prostitution in seinen größeren und öffentlichen Bildern ähnlich direkt und offen. Eine Ausnahme davon stellt allerdings Frauen auf einer Café-Terrasse. Abend dar, das Degas 1877 im Rahmen der Dritten Impressionistischen Ausstellung zeigte. Wie bei Der Geburtstag der Madame (S. 39) handelt es sich um ein Pastell, das allerdings in einem deutlich größeren Format über eine Monotypie gemalt worden ist. Es zeigt mit fröhlichen Federhüten ausstaffierte und modisch gekleidete Prostituierte dabei, wie sie ihrem Geschäft nachgehen und auf einem belebten, gasbeleuchteten Boulevard Passanten anzulocken versuchen. Diese Frauen hätten leicht die Schwestern sein können, die de Lamothe in The Pretty Women of Paris als im Gaslicht "äußerst attraktiv" aussehend und als "gewissenhafte, allabendliche Besucher der modischen Cafés auf den Boulevards" beschrieb.

30. Im Theater, um 1880. Pastell auf Papier, 55 x 48 cm. Privatsammlung.

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31. Ruhepause auf dem Bett, um 1876-77. Monotypie, 16,1 x 12 cm, Sammlung JeanClaude Roumand, Paris. 32. "Der sich am meisten umdrehte, war der Marquis Cavalcanti", 1880. Illustration der Familie Cardinal von Luduvic Halévy. Monotypie, 21,5 x 16 cm.

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33. Pauline und Virginie im Gespräch mit Bewunderern, um 1880. Illustration der Familie Cardinal von Ludovic Halévy, Monotypie, 21,5 x 16,5 cm. Fogg Art Museum, Cambridge, Massachusetts, Vermächtnis von Meta und Paul Sachs. 34. Im "Café des Ambassadeurs", 1885. Pastell auf Radierung, 26,5 x 29,5 cm. Musée d'Orsay, Paris.

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Sobald der Winter naht, "packen sie ihre Bidets ein, um nach Nizza zu gehen, wo sie alle Betrachter mit ihrem äußerst modischen Aufputz und ihrem eleganten Auftreten erstaunen". Der Herr in Zylinder und dunklem Anzug, der hastig nach rechts verschwindet, ist offensichtlich ein potentieller Kunde. Die von einer Säule zweigeteilte Frau zur Linken, die sich von ihrem Sitz erhebt, antwortet wahrscheinlich auf seine verstohlene Einladung. Am auffälligsten ist die Prostituierte im Zentrum, die in einer unverschämten und provokativen Geste, die häufig kommentiert und vielfach interpretiert worden ist, ihren Daumen an ihre Zähne hält. Wir wissen durch Guy de Maupassants Kurzgeschichte Spiel mit dem Feuer von einer ehrbaren Frau, die mit katastrophalen Konsequenzen von ihrem Balkon aus die Aufmerksamkeit eines männlichen Passanten erregt, und dass schon eine kaum wahrnehmbare Geste auf der Straße ausreichte, um einen erotischen Handel abzuschließen. Wenn wir den Autoren von The Pretty Women of Paris glauben können, war es kein sonderlich

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35. Konzert im "Café des Ambassadeurs", um 1876. Monotypie, 37 x 27 cm. Musée des Beaux-Arts, Lyon.

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großer Sprung vom Bordell zum Opernhaus. "Alle Frauen in der Nationalakademie der Musik sind käufliche Huren, und es wäre ein eigenes Buch zu jenem Bauwerk nötig, das nicht mehr als ein gigantisches Freudenhaus ist, wollte man ihre Biografien nachzeichnen. Alle, vom gerade erst 20 Jahre alt gewordenen Ballett-Lehrling bis hin zur hochbezahlten Hauptsängerin, sind hier für Geld zu haben - wobei der Preis von einem Abendessen und einem neuen Paar Stiefel bis hin zu Hunderten Pfund Sterling reichen kann." Mit einem leicht nostalgisch verklärten Blick beschwört auch der "vieil abonné" die sexuell aufgeladene Atmosphäre des alten Opernhauses in der Rue Le Peletier herauf. "Dann, wenn man die Tür des Foyers durchschritten hat, die über die Treppen zu den Kulissen führt, flattern sie in diesem Treppenhaus umher - hüpfend, erzählend, summend, lachend, Liebesbriefe öffnend, an Blumensträußen schnuppernd, Süßigkeiten oder Äpfel naschend -, der vollständige Schwarm dieser reizenden Kreaturen, die Liebeleien und der Genuss des damaligen Paris, die das Licht, die Bewegung, das Leben und die Freude des armen alten Gebäudes waren." In den letzten 30 Jahren des 19. Jahrhunderts, als Degas die Bilder der Tänzerinnen malte und zeichnete, befand sich das Ballett in einer künstlerischen Talsohle und weit entfernt von der angesehenen und erhabenen Kunstform, die es seit den Zeiten Diaghilews geworden war. Der Schriftsteller Edmond de Goncourt notierte, nachdem er Degas 1874 in seinem Atelier besucht hatte, in seinem Tagebuch, dass Degas in der Lage war, unterschiedliche Ballettpositionen vorzuführen. Der Anblick des konservativen und sich bereits in mittleren Jahren befindlichen Degas bei der Vorführung von Pirouetten muss eigenartig gewesen sein. Jedoch faszinierten ihn vermutlich weniger die Tanztechniken als Vielmehr die erotische Atmosphäre hinter der Bühne. Er malte nur selten eine tatsächliche Aufführung, und wenn er es doch tat, wird die Illusion stets durch das Eindringen der banalen "Wirklichkeit" beeinträchtigt, etwa die Spitze eines Instrumentes, die aus dem Orchestergraben hervorragt oder ein flüchtiger Blick auf die schwarze Hose des in den Kulissen wartenden "Beschützers" der Haupttänzerin. Obwohl die Atmosphäre des Handels mit weiblichem Fleisch hinter der Bühne überall greifbar ist, verleiht Degas ihr nur in dem intimeren Medium der Monotypie einen deutlicheren Ausdruck. In den späten 1870er Jahren, ungefähr zu der Zeit also, als er seine Bordell-Monotypien schuf, verwendete Degas dieses Medium auch für eine Reihe spitzer und geistreicher Illustrationen für Ludovic Halévys Geschichten über die Töchter der Familie Cardinal, Pauline und Virginie, zwei junge Tänzerinnen in der Oper, und ihre raffinierten Eltern, Monsieur und Madame Cardinal, die die tänzerischen und erotischen Karrieren ihrer Töchter förderten. Halévy ist heute in erster Linie als Henri Meilhacs Co-Librettist für die geistreichsten Operetten Jacques Offenbachs und für Bizets Oper Carmen bekannt, die erstmals jene Mädchen aus der Arbeiterklasse auf die Opernbühne brachte, die Degas so faszinierten.

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36. Das Lied über den Hund, um 1876-77. Gouache und Pastell auf Monotypie, 57,5 x 45,4 cm. Privatsammlung.

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37. Café-Sängerin oder Die Sängerin mit dem Handschuh, um 1878. Pastell auf Leinwand, 52,8 x 41 cm. Fogg Art Museum, Cambridge.

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38. Das Bad, um 1880. Monotypie, 21,3 x 16,4 cm. Statens Museum for Kunst, Kopenhagen, Den Kongelige Kobberstik, Samling Kobenhavn. 39. Zwei Frauen (Szene in einem Bordell), um 1879-80 oder 1876-77. Monotypie. Katherine Bullard Fund, Museum of Fine Arts, Boston.

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Aber zwischen 1870 und 1880 erfreute er sich mit seinen Geschichten über die Familie Cardinal in Frankreich einer enormen Beliebtheit. In Ces Demoiselles de l'Opéra bestätigt der "vieil abonné" die Wirklichkeitstreue von Halévys Darstellung der skrupellosen Mutter, die die Jungfräulichkeit ihrer Tochter mit Argusaugen bewacht, nur um sie gegen das höchste Gebot versteigern zu können. Neben den "hohen" Kunstformen Oper und Ballett (wie heruntergekommen sie auch gewesen sein mögen) genoss Degas auch das volkstümliche Café-Konzert, das in den 1870er Jahren seinen Höhepunkt erreichte. In den Arbeiten der späten 1870er Jahre wie "Im Café des Ambassadeurs" (S. 47) und Das Lied über den Hund (S. 48) (beide Pastelle über Monotypien) fängt Degas sehr lebendig die angeregte, gasbeleuchtete Atmosphäre der Café-Konzerte mit ihren auffällig gekleideten Prostituierten ein, die sich auf der Suche nach Kunden ihren Weg durch die Menge bahnen. The Pretty Women of Paris zufolge stellten die Café-Konzerte für die Prostituierten nicht nur reiche Jagdgründe dar, sondern viele gingen auch selbst auf die Bühne, um sowohl ihre "Verbindungen" zu vermehren als auch um ihre Reize zur Schau zu stellen. Perrine beispielsweise "ziert das Varieté mit ihrer Anwesenheit, jedoch nur für die Zwecke der Prostitution, da sie nur eine pfeifende, schrille, leise Stimme hat." Das Lied über den Hund zeigt den berühmtesten Star der Café-Konzerte der damaligen Zeit, Thérésa. Degas schwärmte für sie: "Sie öffnet ihren großen Mund und heraus kommt die üppigste, feinste, witzigste und sanfteste Stimme, die es gibt." Thérésa verdiente angeblich 30.000 Francs im Jahr und besaß ein großartiges Haus in Asnières, so dass sie finanziell nicht auf die Prostitution angewiesen war. Aber The Pretty Women of Paris zufolge "... wird Thérésa hin und wieder von reichen Fremden aufgesucht, die aus reiner Neugier einige Stunden mit ihr verbringen." Wir werden auch darüber informiert, dass "... ihre unersättliche Gier nach aktivem Tribadismus der Fluch ihres Lebens ist" und "... die Lüstlinge, die ihren Körper genießen wollen, nichts zu bezahlen brauchen, wenn sie der unersättlichen Sappho ein frisch aussehendes Mädchen zum Opfer darbringen." In den 1880er Jahren begann Degas die großartige Serie der sich waschenden, trocknenden und kämmenden "Toilettes"-Frauen, die eine seiner größten Leistungen darstellt. Diese "Toilettes" markieren einen bemerkenswerten Bruch mit der Tradition der Post-Renaissance, den weiblichen Akt als ein glorifiziertes “Pin-up” darzustellen, das dem männlichen Betrachter seine Reize bewusst vorführt. Degas erklärte dem irischen Schriftsteller George Moore, worum es ihm ging: "Bislang ist der Akt immer in Posen dargestellt worden, die ein Publikum voraussetzen, aber diese Frauen von mir sind ehrbare, einfache Menschen, die sich nur für ihren physischen Zustand und für nichts anderes interessieren. Hier ist noch eine; sie wäscht ihre Füße. Es ist, als ob man durch ein Schlüsselloch schaut."

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40. Sich abtrocknende Frau, um 1890-95. Pastell auf Papier, 65 x 63 cm. National Gallery of Scotland, Edinburgh. 41. Nach dem Bad, 1890-93. Pastell, 66 x 52,7 cm. The Norton Simon Art Foundation, Pasadena.

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42. Der Badezuber, 1885-86. Pastell auf Papier, 70 x 70 cm. Hill-Stead Museum, Farmington, Connecticut. 43. Frau mit Handtuch, 1898. Pastell auf Papier, 95,4 x 75,5 cm. Metropolitan Museum of Art, New York, Sammlung H. O. Havemeyer.

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44. Frau bei ihrer Toilette, um 1894. Pastell, 83 x 62 cm. Galerie Beyeler, Basel. 45. Nackte Frau, sich ihren Fuß abtrocknend, 1885-86. Pastell auf Papier, 54,3 x 52,4 cm. Musée d'Orsay, Paris.

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46. Das Bad: Frau bei der Toilette, um 1887. Kohle und Pastell, 58 x 35,5 cm. Privatsammlung. 47. Aus dem Bad steigende Frau, um 1877. Pastell auf Monotypie, 16 x 21,5 cm. Musée d'Orsay, Paris.

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48. Das Morgenbad (Die Bäckersfrau), 1885-86. Pastell, 67 x 52 cm. Stiftung Henry und Rose Pearlman. 49. Der Badezuber, um 1880. Monotypie.

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50. Nackte, sich kratzende Frau, 1879-83. Monotypie, 27,6 x 37,8 cm. British Museum, London.

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51. Sich kämmende Frauen, 1875-76. Öl auf Leinwand, 34,5 x 47 cm. Phillips Collection, Washington.

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52. Sich kämmende nackte Frau, um 1879-85. Monotypie, 31,3 x 27,9 cm. Louvre, Paris. 53. Sich kämmende nackte Frau, um 1886-88. Pastell auf Papier, 78,7 x 66 cm. Sammlung Mr und Mrs A. Alfred Taubmann.

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Degas verleiht in diesen "Toilettes" keinem seiner Modelle individuelle Gesichtszüge. Ihre Gesichter sind entweder verborgen oder verschwommen und nicht klar zu erkennen. Degas stellt eher die Frau an sich als eine bestimmte Frau dar. Er beobachtet ihr Verhalten mit der Pseudo-Objektivität eines Wissenschaftlers, der einen primitiven Stamm oder eine andere Spezies erforscht. In dem heutigen moralischen und politischen Klima erscheint eine solche Einstellung beunruhigend. Degas selbst bemerkte: "Ich habe die Frau vielleicht zu häufig als Tier angesehen." Ein anderer Grund, warum Degas es vermied, die Gesichter seiner Modelle wiederzugeben, mag seine Abscheu gegenüber den glatten und anzüglichen weiblichen Akten gewesen sein, die im Pariser Salon ausgestellt wurden. Die Obszönität dieser Bilder liegt weniger in der Nacktheit als vielmehr in den koketten, aufreizenden Gesichtsausdrücken. Es gab Stimmen, die Degas' "Toilettes" als Angriffe auf die Frau im Allgemeinen und eine Verleugnung der Sinnlichkeit bezeichneten. Sogar Joris Karl Huysmans, der Degas' Werk außerordentlich bewunderte, teilte diese Ansicht und behauptete, Degas habe "... seinem Jahrhundert die gröbste Beleidigung ins Gesicht" geschleudert, "... indem er die Frau gestürzt habe, das Idol, das stets so sanft behandelt worden war und das er demütigt, indem er sie nackt in der Badewanne, in den erniedrigenden Posen ihrer intimen Toilette zeigt". Für Huysmanns hatte Degas "... die Verachtung des Fleisches" verherrlicht, "... wie kein anderer Künstler es seit dem Mittelalter gewagt hat." Viele dieser "Toilettes" sind jedoch weit von der Verachtung des Fleisches entfernt, sondern besitzen vielmehr eine mächtige, wenn auch sublimierte Erotik. Sowohl die Farbgebung als auch die Linienführung sind umso sinnlicher aufgeladen, je weiter die Serie voranschreitet. Die Rituale des Waschens können an sich schon sinnlich aufgeladen sein, wie das Buch The Pretty Women of Paris belegt, in dem die persönliche Hygiene der Frauen voller Begeisterung detailliert beschrieben wird. Clara Dermigny bot ihren Kunden erotische Bücher zum Lesen an, "... während sie sich durch ihre vorbereitenden Waschungen für sie fertig machte" und Elina Denizane wurde "Fleur-de-Bidet" genannt, "... weil sie stets rittlings auf diesem praktischen Möbelstück saß, das in der Toilette einer Französin eine so wichtige Rolle spielt." Es ist kein Zufall, dass das Thema der Toilette zuerst in der Reihe von Monotypien über das Bordell aus den späten 1870er Jahren bearbeitet wird. In Bewunderung wird der Voyeurismus auf komische Weise durch den Auftritt eines korpulenten Mannes in mittleren Jahren offengelegt, der unter der Badewanne hervorzukriechen scheint. In einem anderen Druck der Serie beobachtet ein dunkel gekleideter Mann ruhig, wie eine nackte Frau ihr Haar kämmt. Bilder wie Das morgendliche Bad (S. 66) im Art Institute of Chicago oder Das Bad im Carnegie Museum of Art in Pittsburgh, auf dem ein Bett an prominenter Stelle im Vordergrund steht, enthalten verdeckte Hinweise auf "vorbereitende

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Waschungen". In beiden Fällen scheint der Betrachter selbst die Szene vom Bett aus zu beobachten, obwohl die Waschungen vielleicht eher als postkoital zu bezeichnen wären, da das jeweilige Bett bereits zerwühlt ist. Die Akte, die ihr Haar kämmen, gehören zu den sinnlichsten, die der vom Frauenhaar faszinierte Degas je gemalt hat. Es gibt Berichte darüber, dass er stundenlang glücklich das Haar seiner Modelle kämmte. In einer der seltsameren Episoden seiner Laufbahn versetzte er die Familie seines Freundes Ludovic Halévy in Aufruhr, als er in einem förmlichen Brief um die Erlaubnis bat, Geneviève Halévy (die Witwe des Komponisten Georges Bizet) mit offenem Haar sehen zu dürfen. Zahlreiche Künstler und Schriftsteller des späten 19. Jahrhunderts teilten diesen Haarfetischismus. Die Romanautorin Mrs. Gaskell berichtet von Dante Gabriel Rossettis Faszination von Frauenhaar und beschreibt, wie er "... wie die Katze, die sich in eine Dame verwandelte, aus dem Bett sprang und einer Maus hinterherlief", wenn eine Frau mit schönem Haar den Raum betrat. Munch, Mucha und Toorop gehören ebenfalls zu den auf Frauenhaar fixierten Künstlern jener Zeit. Die Literatur des späten 19. Jahrhunderts ist ebenfalls prall gefüllt mit dem als sexuellem Symbol eingesetzten Frauenhaar. Pierre Louys Gedicht Haar (das Debussy zu einem bewundernswerten Lied inspirierte) drückt die klaustrophobische Erotik des Eingehülltseins in die Haare einer Frau aus. Am bekanntesten ist aber die Szene in Maurice Maeterlincks Schauspiel Pelléas et Mélisande, in der sich Mélisande aus dem Fenster ihres Schlafzimmers herauslehnt und ihr volles Haar über den unten stehenden Pelléas fallen lässt. Auch wenn Degas' Kunst von Anfang bis Ende von einer Atmosphäre der Prostitution durchzogen wird, bleibt sie letzten Endes doch von jeglicher Schäbigkeit unberührt. In seiner vom Salon von 1846 inspirierten, bekannten Essayserie untersucht Baudelaire, warum die Abbildung erotischer Themen häufig so bedrückend und enttäuschend ist. Er meinte, dass der entscheidende Mangel meistens "das Fehlen von Aufrichtigkeit und die Naivität" sei. Aber er glaubte fest daran, dass es möglich sei, aus solchen Gegenständen große Kunst zu machen. "Alle Dinge werden durch das Genie geweiht, und würden diese Gegenstände mit der erforderlichen Sorgfalt und Reflexion behandelt, würden sie in keiner Weise durch jene abstoßende Obszönität beschmutzt, die lediglich Draufgängertum, nicht aber Wahrhaftigkeit ist". Es ist genau Degas’ "naive" Wahrhaftigkeit und jenes Element der Reflexion, das ihn befähigt, einfaches Metall in reines Gold zu verwandeln. Wie Renoir gegenüber dem Kunsthändler Vollard über die Monotypie Der Geburtstag der Madame (S. 39) bemerkte: "Wenn man sich einem solchen Gegenstand nähert, kommt häufig Pornografie heraus. Man muss Degas sein, um dem Geburtstag der Madame eine Atmosphäre der Freude, kombiniert mit der Würde eines ägyptischen Basreliefs verleihen zu können."

54. Das morgendliche Bad, um 1895. Pastell auf Papier, 70 x 43 cm. Art Institute, Chicago.

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55. Hinter der Bühne, um 1898. Pastell auf Papier, 60 x 67 cm. Puschkin-Museum, Moskau. 56. Pas de Deux, um 1877-78. Monotypie, 29 x 28,3 cm. Harvard Art Museum, Cambridge, Massachusetts.

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57. Frau vor einem Spiegel, um 1877. Öl auf Leinwand, 39 x 31,7 cm. The Norton Simon Museum of Art, Pasadena. 58. Zwei Tänzerinnen, um 1895. Pastell, 100 x 92 cm. Gemäldegalerie, Dresden.

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59. Große Arabeske, um 1892-96. Bronze, Höhe 46,2 cm. The Norton Simon Museum of Art, Pasadena.

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60. Frau, in einem Sessel sitzend und sich die linke Achsel waschend, um 1900-05. Bronze, Höhe 31,5 cm. The Art Institute of Chicago.

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LEBENSLAUF BIOGRAPHY 1834: Hilaire Germain Edgar de Gas, genannt Degas, wird am 19. Juli in Paris in eine gutbürgerliche Bankiersfamilie hineingeboren.

1855: Nach einem Studium am Collège Louis-le-Grand tritt er an der Schule für Bildende Künste in das Atelier von Lamonthe ein, wo er Unterricht von Ingres und Flandrin erhält.

1853-1859: Er fertigt seine ersten Werke an: Selbstbildnisse und Porträts von Familienmitgliedern sowie viele Kopien von Gemälden im Louvre.

1856-1860: Um sich auf den Römischen Zeichenpreis vorzubereiten reist Degas nach Italien, wo er die Werke Florentiner Maler entdeckt und inbrünstig kopiert; außerdem fertigt er Reproduktionen von zahlreichen Altarfiguren und Fresken mit Bleistift oder Öl an. Er besucht Abendkurse in der Villa Medicis und lernt einige Maler kennen, darunter Gustav Moreau, mit dem ihm bald eine tiefe Freundschaft verbinden wird.

1858-1859: Degas beginnt die Arbeit an einem großen Gemälde à la Holbein oder Van Dyck; das Bild Die Familie Bellelli zeigt seinen Onkel, seine Tante und ihre beiden Töchter. Es ist das Meisterwerk seiner Lehrjahre.

1860: Degas malt Porträts, die an den Ingres'schen Linearismus erinnern, und historische Bilder (Semiramis baut Babylon, 1861)

62. Kleine Tänzerin von vierzehn Jahren, um 1879-81. Bronze, teilweise gefärbt, Rock aus Baumwolle, Satinband, Holzsockel, Höhe 95,2 cm.

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1860-62: Degas malt Pferde und beginnt sich dann für den Tanz und die Oper zu interessieren. Durch sein soziales Umfeld und seine musikalischen Freunde entdeckt er die unechte und bunte Welt der Pferderennen und das Theater. Er konzentriert sich dort auf die ausgefallenen Dinge. 1865: Er stellt zum ersten Mal im Salon mit seinem Bild Mittelalterliche Kriegsszene aus. 1872-1873: Während einer Reise nach New Orleans, Herkunftsort seiner Familie mütterlicherseits, formuliert Degas sein künstlerisches Projekt: "Die naturalistische Bewegung den großen Schulen würdig machen." Im Louvre hatte Degas Edouard Manet kennen gelernt, dessen bürgerliche Geschmäcker und künstlerische Vorlieben er teilte. Beide interessieren sich für gewisse naturalistische Themen, Degas lehnt jedoch verbissen den Landschaftskult, die Notwendigkeit der Freiluftmalerei und die Arbeit am Motiv ab. 1878: Degas' Stimmung verfinstert sich nach einem Konkurs, der seine Familie ruiniert. Er kann seine Schulden bezahlen, ist aber finanziell schwer angeschlagen und wird pessimistisch und jähzornig wie nie zuvor. 1890: Degas fertigt Monotypien von kleinen Tälern und Wiesen an, die ihm noch von einer Reise in das Burgund in Erinnerung geblieben sind. Auf Grund nachlassender Sehkraft malt er seine Gemälde in immer groberen Pinselstrichen und seine Pastelle werden 63. Kleine Tänzerin von vierzehn Jahren, um 1879-81. Bronze, teilweise gefärbt, Rock aus Baumwolle, Satinband, Holzsockel, Höhe 95,2 cm.

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gewagter und blitzender. 1910: Erblindet, isoliert und verbittert flüchtet sich Degas in seiner Einsamkeit in die Bildhauerei, die er seit 1868 ausübt. 1917: Degas stirbt an einem Gehirnschlag.

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63. Frau, sich das linke Bein waschend, um 1900-03. Bronze, Höhe 20 cm.

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64. Die Masseuse (Gruppe), um 1900-03. Bronze, Höhe 43 cm.

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INDEX DER WERKE 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31. 32.

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Selbstporträt, um 1863 Edgar Degas, um 1860, Fotografie Monsieur und Madame Edmondo Morbilli, um 1865 Die Familie Bellelli, 1858-67 Place de la Concorde (Der Graf Lepic und seine Töchter), 1876 Schmollen, um 1869-71 Die Büglerin, um 1880 Interieur, um 1868-69 Mittelalterliche Kriegsszene oder Das Unglück von Orléans, 1865 Halbnackte Frau, auf dem Rücken liegend, 1865 Junge Spartanerinnen fordern Knaben zum Wettkampf heraus, 1860-62 Junge Spartanerin, um 1860 Beim Pferderennen, 1876-77 Der Star oder Tänzerin auf der Bühne, 1879-81 Die Probe auf der Bühne, 1874 Blaue Tänzerinnen, um 1893 Mademoiselle Lala im Zirkus Fernando, 1879 Orchestermusiker, 1870-71 Tänzerinnen in den Kulissen, um 1878-80 Bei der Hutmacherin, um 1882-86 In einem Café, auch: Der Absinth, 1875-76 Porträt von Mademoiselle E(ugénie) F(iocre), anlässlich des Balletts "Die Quelle", 1867-68 Warten, um 1882 Tänzerin mit Blumenstrauß, grüßend, um 1877 Im Salon, um 1876-77 Ruhepause, um 1876-77 Der Tanzkurs von Monsieur Perrot, 1873-75 Die Kupplerin, um 1876-77 Der Geburtstag der Madame, 1876-77 Im Theater, um 1880 Ruhepause auf dem Bett, um 1876-77 "Der sich am meisten umdrehte, war der Marquis Cavalcanti", 1880

S. 4 S. 6 S. 7 S. 8 S. 9 S. 10 S. 11 S. 13

33. Pauline und Virginie im Gespräch mit Bewunderern, um 1880 34. Im "Café des Ambassadeurs", 1885

S. 45

35. Konzert im "Café des Ambassadeurs", um 1876

S. 47

36. Das Lied über den Hund, um 1876-77

S. 48

37. Café-Sängerin oder Die Sängerin mit dem Handschuh, um 1878 38. Das Bad, um 1880

S. 15 S. 16 S. 18 S. 19 S. 20 S. 21 S. 22 S. 23 S. 25 S. 26 S. 27 S. 28 S. 30 S. 32 S. 33 S. 34 S. 35 S. 37 S. 38 S. 39 S. 40 S. 42

S. 49 S. 50

39. Zwei Frauen (Szene in einem Bordell), um 1879-80 oder 1876-77

S. 14

S. 44

S. 51

40. Sich abtrocknende Frau, um 1890-95

S. 52

41. Nach dem Bad, 1890-93

S. 53

42. Der Badezuber, 1885-86

S. 54

43. Frau mit Handtuch, 1898

S. 55

44. Frau bei ihrer Toilette, um 1894

S. 56

45. Nackte Frau, sich ihren Fuß abtrocknend, 1885-86

S. 57

46. Das Bad: Frau bei der Toilette, um 1887

S. 58

47. Aus dem Bad steigende Frau, um 1877

S. 59

48. Das Morgenbad (Die Bäckersfrau), 1885-86

S. 60

49. Der Badezuber, um 1880

S. 60

50. Nackte, sich kratzende Frau, 1879-83

S. 61

51. Sich kämmende Frauen, 1875-76

S. 62

52. Sich kämmende nackte Frau, um 1879-85

S. 64

53. Sich kämmende nackte Frau, um 1886-88

S. 65

54. Das morgendliche Bad, um 1895

S. 66

55. Hinter der Bühne, um 1898

S. 68

56. Pas de Deux, um 1877-78

S. 69

57. Frau vor einem Spiegel, um 1877

S. 70

58. Zwei Tänzerinnen, um 1895

S. 71

59. Große Arabeske, um 1892-96

S. 72

60. Frau, in einem Sessel sitzend und sich die linke Achsel waschend, um 1900-05

S. 73

61. Kleine Tänzerin von vierzehn Jahren, um 1879-81

S. 74

62. Kleine Tänzerin von vierzehn Jahren, um 1879-81

S. 77

63. Frau, sich das linke Bein waschend, um 1900-03 S. 78 S. 43

64. Die Masseuse (Gruppe), um 1900-03

S. 79