Die Wertschätzende Organisation [1. Aufl.] 9783839402238

Die Akzentuierung des Positiven ist ein Grundsatz, der im geschäftlichen Alltag von Organisationen oft verloren geht. We

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German Pages 196 [195] Year 2015

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Table of contents :
Inhalt
Vorwort
Ressource
Die Wertschätzende Organisation
Einleitung zur amerikanischen Originalausgabe
1. Auf dem Weg zum Wertschätzenden Organisieren
2. Wertschätzung im Prozess der Bedeutungserzeugung
3. Leiten als kollaboratives Teilnehmen
4. Jede Stimme erheben: Der belebende Prozess
5. Von der Bewertung zur Wertschätzung
6. Organisation im Kontext: Vom Feindlichen zum Wertschätzenden
7. Ein Angebot zum Schluss
Diskurs
Beratung wertschätzend organisieren – Kommentar und Praxis
Wertschätzung als Produktivkraft – ein Kommentar
Menschenwertschätzungskunst. Wertschätzendes Organisieren als rekursive Konstitution
Innere und äußere Dialoge. Zur Nutzung des Modells der inneren Polyphonie in der Beratung von Organisationen
Das wertschätzende Unternehmen
Vom aktuellen Stress der Organisationen zum Stretch in ihre Zukunft
Bis hierhin gerne! Doch wie weiter? Leicht polemische Einwürfe
Der Fokus liegt auf Kommunikation
Referenzen
Literaturverzeichnis
Kommentierte Literaturempfehlungen
Autorinnen und Autoren
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Die Wertschätzende Organisation [1. Aufl.]
 9783839402238

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Klaus G. Deissler/Kenneth J. Gergen (Hg.) Die Wertschätzende Organisation

DiskurSys | Herausgegeben von Klaus G. Deissler

2004-06-23 14-59-14 --- Projekt: T223.diskursys.deissler.wertschätzende organisation / Dokument: FAX ID 00e056045460304|(S.

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) T00_01 schmutztitel.p 56045

2004-06-23 14-59-14 --- Projekt: T223.diskursys.deissler.wertschätzende organisation / Dokument: FAX ID 00e056045460304|(S.

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) T00_02 vakat.p 56045460792

Klaus G. Deissler/Kenneth J. Gergen (Hg.)

Die Wertschätzende Organisation

DiskurSys | Ressourcen zur Beratungspraxis | Band 1

2004-06-23 14-59-16 --- Projekt: T223.diskursys.deissler.wertschätzende organisation / Dokument: FAX ID 00e056045460304|(S.

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) T00_03 innentitel.p 5604546

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Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. © 2004 transcript Verlag, Bielefeld Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung und Innenlayout: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Lektorat & Satz: more! than words, Bielefeld Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 3-89942-223-6 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff.

2004-06-23 14-59-17 --- Projekt: T223.diskursys.deissler.wertschätzende organisation / Dokument: FAX ID 00e056045460304|(S.

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) T00_04 impressum.p 56045461

Inhalt

Vorwort ...................................................................................................... 7

Ressource Harlene Anderson/David Cooperrider Kenneth J. Gergen/Mary M. Gergen/Sheila McNamee Diana Whitney Die Wertschätzende Organisation ......................................................... 19 Einleitung zur amerikanischen Originalausgabe ................................. 19 1. Auf dem Weg zum Wertschätzenden Organisieren ......................... 20 2. Wertschätzung im Prozess der Bedeutungserzeugung ................... 27 3. Leiten als kollaboratives Teilnehmen ................................................. 33 4. Jede Stimme erheben: Der belebende Prozess ................................. 37 5. Von der Bewertung zur Wertschätzung ............................................ 46 6. Organisation im Kontext: Vom Feindlichen zum Wertschätzenden ........................................................................ 51 7. Ein Angebot zum Schluss ................................................................... 57

Diskurs Klaus G. Deissler/Karl-Heinz Kose Beratung wertschätzend organisieren – Kommentar und Praxis ........ 61

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Thomas Keller/Roswitha Schug Wertschätzung als Produktivkraft – ein Kommentar ........................... 73 Matthias Freitag Menschenwertschätzungskunst. Wertschätzendes Organisieren als rekursive Konstitution ....................................................................... 85 Lothar Eder Innere und äußere Dialoge. Zur Nutzung des Modells der inneren Polyphonie in der Beratung von Organisationen ............ 98 Bernhard Dreibus Das wertschätzende Unternehmen ...................................................... 114 Rolf Klatta Vom aktuellen Stress der Organisationen zum Stretch in ihre Zukunft ...................................................................................... 132 Bernd Schmid Bis hierhin gerne! Doch wie weiter? Leicht polemische Einwürfe ................................................................. 148 Walter Schwertl Der Fokus liegt auf Kommunikation ................................................... 156

Referenzen Literaturverzeichnis ............................................................................... 175 Kommentierte Literaturempfehlungen ................................................ 185 Autorinnen und Autoren ..................................................................... 189

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Vorwort

Als Herausgeber freue ich mich, Ihnen den ersten Band einer neuen Buchreihe vorstellen zu können. Die Reihe trägt den Titel »DiskurSys – Ressourcen zur Beratungspraxis«. Um den Hintergrund dieser Buchreihe verständlich zu machen, möchte ich zunächst einige allgemeinere Fragen stellen und beantworten, die diese Reihe betreffen, z.B.: Wo siedeln sich die »Gegenstandsbereiche« dieser Reihe an und welche Fragestellungen sollen in dieser Reihe behandelt werden? Also zunächst ein paar kurze einleitende Sätze.

I. DiskurSys Was soll der Name DiskurSys sagen? Wie man unschwer erkennen kann, setzt sich der Name aus zwei bekannten Begriffen zusammen: »Diskurs« und »System«. Der Begriff System hat sich in der Beratungsszene durchgesetzt; er gehört inzwischen unverzichtbar zum Sprachgebrauch – unabhängig von der Beratungsschule, der sich eine Beraterin oder ein Berater zugehörig fühlen. Mit »System« wird meist eine Einheit beschrieben, die ein beobachtender Sprecher von einem das System umgebenden Kontext unterscheidet – ob er nun von einem Baum, einer Maschine oder einem Gebilde spricht, das sich aus mehreren Menschen oder Menschengruppen zusammensetzt. Im Prinzip könnte man alles als »systemisch« bezeichnen, was sich als Gebilde, das aus einer Vielzahl von Elementen besteht, beschreiben lässt. Was oft ausgelassen wird, sind zwei Arten von »Beziehungsaspekten«: Zum einen ist mit diesem Aspekt die Form gemeint, wie sich solche Gebilde zusammensetzen, nämlich die Art der Beziehungen der

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8 | Klaus G. Deissler Elemente untereinander. In diesem Sinne umfasst der Begriff »systemisch« also weniger ein System von Elementen, sondern vielmehr ein System von Beziehungen zwischen den Elementen. Der Begriff »System« ist also eine Abkürzung für »Beziehungssystem«. Die andere Art des »Beziehungsaspekts« beinhaltet, wie sich die Beschreibenden auf das Gebilde, das sie beschreiben, beziehen: Tun sie beispielsweise so, als sei das, was sie beschreiben, unabhängig vom Prozess der Beobachtung oder Beschreibung selbst, oder beziehen sie sich selbst in die Betrachtung mit ein? Als systemisch i.e.S. oder als relational möchte ich insbesondere solchen Beschreibungen Gültigkeit zuweisen, die beiden Beziehungsaspekten gerecht werden: Beschreibungen von Systemen von Beziehungen, die die beschreibende Position als AutorInnen oder BeobachterInnen dieser Beschreibungen einbeziehen. Diese Haltung kann man auch als (systemisch-)selbstreflexiv oder radikal-relational bezeichnen. (All dies sage ich hier ausdrücklich, weil heutzutage auch das als »systemisch« verkauft wird, was mehr oder weniger relationales Denken [Denken in Beziehungen] und/oder den Autor der Beschreibung aus der Betrachtung ausschließt). Langer Rede kurzer Sinn: Die Veröffentlichungen in der Reihe DiskurSys orientieren sich an den Begriffen systemisch und relational, wie sie eben beschrieben wurden. »Diskurs« ist der zweite Begriff, dem in dieser Buchreihe Rechnung getragen werden soll. Er hat bereits eine längere, vielfältige Geschichte. So kann er beispielsweise eine schriftliche oder mündliche Form der Darstellung kennzeichnen, die ein wissenschaftliches Thema zum Inhalt hat. Andererseits kann er dazu dienen, Kommunikationsformen zu beschreiben, bei der sich mehrere Personen am Gespräch beteiligen. Wie immer man ihn auch verwenden mag, er impliziert immer eine sprachliche Auseinandersetzung, die sich um einen thematischen Schwerpunkt herum organisiert. Während man systemischem Denken noch vorwerfen kann, dass es menschliche Systeme als technologische Systeme beschreibe und sie der sprachlichen Koordination und damit dem spezifisch Menschlichen entkleide, kann man dies bei dem Begriff Diskurs sicher nicht tun. Durch den Begriff Diskurs soll also vor allem eines hervorgehoben werden: Menschliche Koordination ohne Sprache wäre eine rein dinghafte, körper- oder technologiebezogene Koordination, die bar jeder Sinn- oder Bedeutungserzeugung vonstatten ginge (da sie keine Sprache aufweist). Anders gesagt: Durch den Begriff »Diskurs« soll vor allem auch betont werden, dass es weder menschliche Koordination noch

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kreative Leistungen und soziale Konstruktionen ohne Sprache gibt. Dies betrifft für unseren Diskussionszusammenhang insbesondere menschliche Selbstorganisation, die unterschiedlichsten Beratungsformen und sozialen Konstruktionsprozesse. Zusammenfassend kann man also sagen, dass der Begriff DiskurSys lebendige menschliche Kommunikations- und Konstruktionssysteme umfasst, die sich neben anderen Kommunikationsformen durch sprachliche Koordination und darüber hinaus Sinn- und Bedeutungserzeugung in Beziehungen gestalten.

II. Ressourcen zur Beratungspraxis Seit den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts ist der Bedarf an qualitativ hochwertigen Beratungsformen, die sich außerhalb therapeutischer Kontexte definieren, exponentiell gestiegen. Ziel solcher Beratungsformen ist es nicht nur, die finanziellen und emotionalen Kosten (z.B. eskalierende Konflikte) für die Beteiligten zu mindern, sondern insbesondere Formen der aktuellen Zusammenarbeit zu optimieren, Zukunftsperspektiven zu entwerfen und realisierbare Wege zu schaffen, z.B. ökonomische Erfolge zu sichern und/oder vorzubereiten und unterschiedliche Zukunftsvorstellungen zu gestalten und zu koordinieren. Wenn man sich die diesbezügliche deutschsprachige Beratungsszene anschaut, fällt einem zunächst der chaotische Wildwuchs auf. Diese Eigenschaft ist nicht notwendigerweise negativ, sondern sie trägt auch zur Kreativität und Reichhaltigkeit des Angebotsspektrums bei. So findet man alle möglichen und exotischen Beratungsmodelle, die unterschiedlichsten Qualifikationen der Berater, die riesige Spannbreite der Honorare für mehr oder minder transparente Beratungsaufträge und leidenschaftliche Diskussionen um das Für und Wider der Legitimation solcher Aufträge. Was einige Kollegen jedoch kritisieren, ist die Tatsache, dass sich die bundesdeutsche Beraterszene als provinziell erweise. Dies zeige sich etwa daran, dass eine Vielzahl von BeraterInnen keine oder nur eine mangelnde Qualifikation besitze, dass interkulturelle Kommunikation für viele Berater ein Fremdwort sei und dass sie sich deshalb erst gar nicht am Diskurs um die Entwicklung und Qualität der Beratungsmodelle im internationalen Rahmen beteiligen könnten oder wollten. Andererseits gibt es – auch im internationalen Vergleich – qualitativ

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10 | Klaus G. Deissler hochwertige, gut etablierte Formen der Beratung, die sich über die Jahrzehnte oder erst in jüngerer Zeit entwickelt, verbreitet und als nützlich bewährt haben. Dazu zählen beispielsweise Mediation, systemische Beratung in und mit Organisationen sowie Beratung von und mit Familienunternehmen. Oft wird bei Beratungsformen übersehen, dass ihre Qualität und damit ihre Effizienz und ihr zeitüberdauernder Erfolg entscheidend von der Qualität der Zusammenarbeit zwischen den zu Beratenden und den BeraterInnen abhängt. Die neue Buchreihe »DiskurSys – Ressourcen zur Beratungspraxis« setzt genau an diesem Punkt an: • Im Zentrum jedes Buches steht je ein Beitrag, der als innovative Ressource für Beratungsformen, bei denen die Qualität der Zusammenarbeit und die Effizienz des Beratungsprozesses im o.g. Sinne im Vordergrund stehen. • Unter der Rubrik Diskurs wird diese Ressource von angesehenen Fachleuten diskutiert, kritisch gewürdigt und auf ihre praktische Brauchbarkeit hin überprüft. • Das jeweilige Buch wird mit Referenzen abgerundet: hier finden die Leserinnen und Leser Literaturempfehlungen, Internetlinks und Email-Adressen der Autorinnen und Autoren.

III. Die wertschätzende Organisation Zur »konstruktionistischen« Sprache der Ressource Beim Lesen der Ressource des ersten Bandes der neuen Buchreihe werden der Leserin oder dem Leser die stilistischen Besonderheiten der Sprache der AutorInnen auffallen. Möglicherweise wird die eine oder der andere sie sogar als Stolpersteine im Lesefluss empfinden und dazu neigen, eine schlechte Übersetzung zu beklagen. So sprechen die AutorInnen beispielsweise von »Selbsten«, »Zukünften«, von »Kollaboration« und beispielsweise von der »Einladung zu bestimmten Beziehungsformen«. Natürlich hätte ich als Übersetzer und Herausgeber dieser Ressource die Freiheit gehabt, »Selbste« einfach mit »Selbst«, »Zukünfte« mit

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»Zukunft«, »Kollaboration« mit »Kooperation« und »Einladung zu Beziehungen« beispielsweise mit »Herstellung von Beziehungen« zu übersetzen. Der Text wäre dadurch in der deutschen Sprache lesbarer gewesen, dafür hätte er aber an Substanz verloren. Warum ist das so? Die AutorInnen des Artikels gehören zu dem Kreis von KollegInnen, die einer postmodernen erkenntnistheoretischen Position zugerechnet werden können. Was heißt das? In verschiedenen Veröffentlichungen begegnet einem der Begriff die »Postmoderne« oder das Adjektiv »postmodern«. Meist bezeichnet der Begriff »Postmoderne« eine geschichtliche Periode, das, was nach der »Moderne« kommt. Davon unterscheidet sich jedoch die »postmoderne« erkenntnistheoretische Position oder Haltung. Mit letzterer ist eine Haltung gemeint, die sich insbesondere durch drei Merkmale auszeichnet: • Innere Vielstimmigkeit: Damit ist die Auffassung gemeint, dass ein Mensch kein einheitliches (monolithisches) Selbst hat, sondern sich aus vielen Selbsten bzw. eigenständigen Anteilen des Selbst zusammensetzt, die sich in unterschiedlichen Kontexten zeigen (ein Mensch kann gleichzeitig ein liebevoller Familienvater, rücksichtsloser Geschäftsmann und verträumter Gärtner sein). Diese unterschiedlichen Selbste können in unterschiedlicher Qualität miteinander im Gespräch sein. • Äußere Vielstimmigkeit: Damit ist die Auffassung gemeint, dass die Autoren eine skeptische Haltung gegenüber »großen Erzählungen« haben (Theorien, Lebensauffassungen und Überzeugungsgebilden mit totalisierendem Charakter und Wahrheitsanspruch). Dem gegenüber stehen die »kleinen Erzählungen« (Beschreibungen, Darstellungen, Codifizierungen), die in das Gespräch der äußeren Stimmen eingehen und die jeweils Gültigkeit für die Personen haben, die sie einnehmen und in dem Gesprächskontext, in dem sie stattfinden, ihre Bedeutung hervorbringen. • Konstruierte Wirklichkeiten: Damit ist gemeint, dass die Wirklichkeiten, so wie sie sich uns darstellen, von uns selbst gemacht werden. Die AutorInnen des Aufsatzes vertreten noch zusätzlich die Besonderheit, dass wir diese Wirklichkeiten in Beziehungen herstellen, dass die Wirklichkeiten also sozial konstruiert werden. Diese Position nennt sich »sozialkonstruktionistisch«. Wenn man so will, werden die Wirklichkeiten durch das Verweben äußerer und innerer Vielstimmigkeiten sozial hergestellt.

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12 | Klaus G. Deissler Wenn von Selbsten und Zukünften gesprochen wird, hat dies also mit der erkenntnistheoretischen Haltung der Autoren zu tun. Ähnlich verhält es sich, wenn die Autoren an manchen Stellen von »Einladung«, anstatt z.B. von »Verpflichtung« sprechen, oder wenn sie das Adjektiv »kollaborativ« und nicht »kooperativ« gebrauchen. So haben beide Begrifflichkeiten mit Beziehungsformen und Organisationsformen zu tun, die den Kontext der Freiwilligkeit und Kreativität fördern möchten und dem des Zwangs und der Unterdrückung spontaner Ausdrucksformen und Beziehungsformen skeptisch gegenüberstehen. Wenn es gelingt, MitarbeiterInnen von Organisationen zu wertschätzender Zusammenarbeit einzuladen – so die wichtigste Annahme der AutorInnen – werden Kräfte entfesselt und Möglichkeiten eröffnet, die neue Leistungsund Kreativitätspotenziale ermöglichen. Dabei spielt die Idee der freiwilligen Zusammenarbeit (Kollaboration) im Unterschied zur erzwungenen (Kooperation im Sinne von »compliance« [engl. = Unterwerfung]) eine entscheidende Rolle: Erst wenn es gelingt, das freiwillige Arbeitsengagement zu fördern, kann eine Organisation ihr optimales Leistungspotenzial entfalten. Dies ist die Kernaussage der »Ressource«; wie dies im Einzelnen geschehen kann, wird in dem Aufsatz beschrieben.

Vom »wertschätzenden Erkunden« zum »wertschätzenden Organisieren« In diesem Abschnitt möchte ich ein paar Hinweise geben, die sich um den zentralen Begriff der »Wertschätzung« drehen. Übersetzung und Verwendung wichtiger Begriffe Auf dem deutschen Beratungsmarkt hat sich inzwischen eine Methode etabliert, die sich auch »AI« = »Appreciative Inquiry« nennt (deutsch: »WE« = »Wertschätzendes Erkunden«). Diese Begriffe werden unterschiedlich ausgesprochen – je nachdem, ob man (englisches) Englisch oder amerikanisches Englisch benutzt. Zudem steht die Abkürzung »AI« auch für »amnesty international«. Als Herausgeber und Übersetzer der »Wertschätzenden Organisation« stand ich vor der Frage, ob ich die Sache nun noch verkomplizieren und eine zusätzlich neue »englisch-amerikanische« Abkürzung und einen amerikanischen Begriff in die deutsche Sprache einfügen sollte – nämlich »AO« für »Appreciative Organization« (deutsch: »WO« = »Wertschätzende Organisation«). Ich habe mich dagegen entschieden und habe alle Begriffe konsequent ins

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Deutsche übersetzt. Ich sehe darin folgende Vorteile: die Entwirrung des deutsch-amerikanischen Kauderwelschs, die Verdeutlichung und Unterscheidung der einzelnen Begriffe und die Einladung derjenigen deutschsprachigen Leser, sich mit den vorgestellten Ideen auseinander zusetzen, die sich bisher nicht mit dem »InsiderDenglish« (»DeutschEnglisch für Eingeweihte«) anfreunden mochten oder konnten. Wertschätzendes Erkunden Beim Wertschätzenden Erkunden handelt es sich um eine Beratungsmethode, die im Organisationsberatungsbereich insbesondere mit dem Namen David Cooperrider (einer der Autoren der »Ressource«) verbunden wird. Sie ist keine ursprünglich therapeutische Methode, wie oft und irreführenderweise angenommen. Die gegenwärtige Tendenz ist eher umgekehrt: da das Wertschätzende Erkunden im Beratungsbereich so erfolgreich angewandt werden kann, versuchen inzwischen einige Therapeuten, es für Psychotherapie nutzbar zu machen. Kurz gesagt, handelt es sich beim Wertschätzenden Erkunden um eine ressourcenorientierte Beratungsmethode, die mit Hilfe positiver Geschichten, Bilder und Metaphern aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bestimmte Zielsetzungen von Organisationen ermöglichen und/oder erreichen kann. Dem Wertschätzenden Erkunden als Oberbegriff steht eine Methode im engeren Sinne gegenüber; man kann sie im Deutschen als »Wertschätzendes Befragen« bezeichnen. Dabei handelt es sich um eine mit den Beteiligten vorbereitete Interview-, Gesprächsführungs- oder Moderationsmethode, in der jeweils zwei oder mehrere Partner sich wechselseitig hinsichtlich positiver Ereignisse befragen. Das Ergebnis sind Berichte, Erzählungen, Sinnbilder etc., in denen beispielsweise die Zusammenarbeit zwischen den Mitarbeitern einer Firma gut geklappt hat und die dann weiter genutzt werden können, um Zukunftsformen guter Zusammenarbeit zu planen und durchzuführen. Das interessante an dieser Methode ist aus meiner Sicht, dass das, was systemischen Therapeuten unter den Begriffen »positive Konnotation« (Mailänder Schule), »Komplimente« (»lösungsorientierte Kurzzeittherapie«) und »Respekt« oder »Wertschätzende Haltung« usw. bekannt ist, eine Entsprechung im Bereich der Beratung von und mit Organisationen hat. Darüber hinaus ist bemerkenswert, dass diese Methode erfolgreich für zielgerichtete Fragestellungen angewandt werden kann.

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14 | Klaus G. Deissler Wertschätzendes Organisieren Wenn man so will, ist die Wertschätzende Organisation ein Kind des Wertschätzenden Erkundens. Dies kann man so sehen, da die Wertschätzende Organisation aus dem Wertschätzenden Erkunden heraus entstanden ist. Hier wird der Gedanke in die Praxis umgesetzt, dass die Prinzipien des Wertschätzenden Erkundens im alltäglichen Leben einer Organisation umgesetzt und erfolgreich angewandt werden – insbesondere, dass die Orientierung am Positiven oder an erfolgreichen Beispielen der Vergangenheit und Gegenwart eher positive »Zukünfte« hervorbringen, als das Beklagen von Fehlern und Misserfolgen. Die Ressource handelt von diesem Organisationsprinzip. Dabei lässt sich noch eine kleine, aber wichtige Unterscheidung hervorheben: Was in der allgemeinen Diskussion von dynamischen Systemen als Unterschied zwischen Struktur und Prozess beschrieben und diskutiert wird, ist im Rahmen unserer Themenstellung der Unterschied zwischen »Wertschätzender Organisation« und »Wertschätzendem Organisieren«. Wertschätzendes Organisieren beschreibt sozusagen die Prozesse, die die Wertschätzenden Organisation hervorbringt und als Struktur hinter sich lässt. Wichtig ist dabei, dass das Wertschätzende Organisieren sich ständig fortsetzen muss, um die Form der Wertschätzenden Organisation hervorzubringen und zu erhalten. Mit dieser Überlegung gelangen wir zu einer entscheidenden Frage, der sich alle Beratungsformen, insbesondere diejenigen, die in Organisationen Anwendung finden, stellen müssen: Wie können wir dazu beitragen, dass die Prozesse, die z.B. durch Wertschätzendes Erkunden ausgelöst wurden, langfristig aufrechterhalten werden, und wie können die entworfenen Zukünfte auf diese Weise gesichert werden? Dies ist genau die Thematik, mit der sich die Ressource auseinandersetzt. Mit diesen einleitenden Sätzen möchte ich somit alle Leserinnen und Leser einladen, dieses Buch mit Vergnügen und einem Schuss Kritik, Selbstkritik und Inspiration zu lesen und sich am Prozess des reflektierenden Handelns im Sinne wertschätzender sozialer Organisations- und Konstruktionsprozesse zu beteiligen. Ich bin sicher, dass sich daraus Diskurse entwickeln, die zur konstruktiven Transformation von Organisationsprozessen unserer Gesellschaft und ihrer Einrichtungen beitragen werden.

2004-06-23 14-59-18 --- Projekt: T223.diskursys.deissler.wertschätzende organisation / Dokument: FAX ID 00e056045460304|(S.

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Vorwort | 15

IV. Danksagung An der Realisierung dieses Buchs haben so viele Kolleginnen und Kollegen mitgearbeitet und ihre Ideen fördernder und/oder kritischer Art beigesteuert, dass es müßig wäre, sie hier alle zu nennen, zumal die Gefahr bestünde, die eine oder den anderen zu vergessen. Ein paar wenige möchte ich jedoch hervorheben: Ausdrücklich bedanken möchte ich mich bei Kenneth J. Gergen, der als Mitherausgeber die Publikation in dieser Form ermöglicht und unterstützt hat, und den Co-Autoren dieses Buches, die einen wichtigen Teil ihrer Arbeit in die Realisierung unseres Projekts investiert und durch ihre Reflexionen zum Erfolg unseres Projekts beigetragen haben. Schließlich gehört mein besonderer Dank Gero Wierichs vom transcript Verlag in Bielefeld, ohne dessen kreative Unterstützung und fachmännische Umsetzung der Ideen in den Verlagsalltag dieses Buch nicht möglich gewesen wäre.

Klaus G. Deissler Marburg, im Mai 2004

2004-06-23 14-59-18 --- Projekt: T223.diskursys.deissler.wertschätzende organisation / Dokument: FAX ID 00e056045460304|(S.

7- 15) T01_01 deissler, vorwort (ü

2004-06-23 14-59-18 --- Projekt: T223.diskursys.deissler.wertschätzende organisation / Dokument: FAX ID 00e056045460304|(S.

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) vakat 016.p 56045461648

Ressource

2004-06-23 14-59-18 --- Projekt: T223.diskursys.deissler.wertschätzende organisation / Dokument: FAX ID 00e056045460304|(S.

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) T02_00 respekt.p 5604546184

2004-06-23 14-59-19 --- Projekt: T223.diskursys.deissler.wertschätzende organisation / Dokument: FAX ID 00e056045460304|(S.

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) vakat 018.p 56045461920

Die Wertschätzende Organisation | 19

Die Wertschätzende Organisation Harlene Anderson/David Cooperrider Kenneth J. Gergen/Mary M. Gergen/Sheila McNamee Diana Whitney

Einleitung zur amerikanischen Originalausgabe 1 Auf den folgenden Seiten beschreiben wir2 eine neu entstehende Form der Organisation, die in zweierlei Hinsicht optimal ist: zum einen für die Teilhaber der Organisationen, und zum anderen für den Erfolg dieser Organisationen in der gegenwärtigen Welt. Wir nennen sie Wertschätzende Organisation3. Die Wertschätzende Organisation birgt unsere Träume in sich, und die Prozesse, die wir hier beschreiben, haben für uns eine gelebte Gültigkeit. Wir haben uns für die Wertschätzende Organisation engagiert und zu ihrer Umsetzung beigetragen, und die Ergebnisse versetzten uns in »organisatorische Begeisterung«. In diesem Buch versuchen wir, unsere Ideen und Erfahrungen in eine integrierte Vision Wertschätzender Organisation zusammenzubringen und diese Vision als Einladung zu neuen Träumen, Entwürfen und Bestimmungen anzubieten. Wir hoffen, dass Sie diese Angebote genießen werden und sie Ihnen auch als Quellen für neue, bereicherndere und effektivere Zukünfte dienen. Harlene Anderson/David Cooperrider Kenneth J. Gergen/Mary M. Gergen Sheila McNamee/Diana Whitney

2004-06-23 14-59-19 --- Projekt: T223.diskursys.deissler.wertschätzende organisation / Dokument: FAX ID 00e056045460304|(S.

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20 | Anderson/Cooperrider/Gergen/Gergen/McNamee/Whitney

1. Auf dem Weg zum Wertschätzenden Organisieren Die Absicht dieser Publikation besteht darin, der Leserin und dem Leser einen kurzen Überblick über eine neue Art der Organisation zu geben – eine Organisation, die auf die Anforderungen des 21. Jahrhunderts reagiert. In dieser Welt beschleunigter und komplexer Veränderungen ist das alte, hierarchisch organisierte Militärmodell nicht mehr effizient. Der Prozess des Wertschätzenden Organisierens hingegen ist optimal an die neu entstehenden Bedingungen angepasst. Einfach ausgedrückt, beruht Wertschätzendes Organisieren auf der Annahme, dass ständiges Erzeugen und miteinander Teilen von Bedeutung entscheidend für das volle Engagement von Individuen4 und damit für die Effizienz einer Organisation ist. In diesem Kapitel fokussieren wir die Bedingungen, die den Prozess Wertschätzenden Organisierens fördern.

Organisationen im Stress Wir leben in einer Periode enormer Veränderungen. Ob wir dies mit »Informationszeitalter«, »postmoderner Ära« oder »Chaoskontext« bezeichnen – es gibt eine breite Übereinstimmung darin, dass die Zeiten sich rapide ändern. Betrachten Sie einige der wichtigsten Herausforderungen: • Organisationen sind zunehmend fragmentiert – durch geographische Expansion und Diversifikation von Funktionen. • Information akkumuliert schneller, wird komplexer und ist schneller überholt. • Möglichkeiten der Anpassung werden von der Geschwindigkeit der Veränderung ökonomischer Bedingungen, verschiedener politischer Leitlinien des Staates und der öffentlichen Meinung überholt. Langzeitplanung wird zunehmend ineffizient. • Neue Organisationen verändern ständig ihre Konkurrenz- und Kooperationsbereiche. • Die persönliche Verbundenheit mit Organisationen vermindert sich. Bande, die sich durch Vertrauen und langfristiges Verständnis gebildet haben, lösen sich auf. • Das Meinungsklima kann sich jeden Moment ändern, und die Bandbreite der Meinungen, für die eine Organisation sensibel sein muss, erweitert sich ständig.

2004-06-03 11-19-25 --- Projekt: T223.diskursys.deissler.wertschätzende organisation / Dokument: FAX ID 01b254382278728|(S.

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Die Wertschätzende Organisation | 21

• Erhöhte Anforderungen an die Arbeitsplatzdemokratie sind allgegenwärtig. Dies sind heutzutage große Herausforderungen, mit denen Organisationen konfrontiert sind. In dem Maße, in dem wir aber verstehen, dass »wir die Organisationen sind«, wird unsere Reaktion auf den Stress, der durch rapide Veränderungen entsteht, entscheiden, wie und ob sich unsere Organisationen wandeln oder ob sie sich dem Verfall gegenüber sehen.

Traditionelle Organisationen in Gefahr Die erwähnten dramatischen Veränderungen versetzen traditionelle Organisationen in Krisen. Traditionelle Organisationen sind als solide Strukturen in Form von Pyramiden etabliert. Anweisungen bewegen sich in solchen Organisationen von der Spitze zur Basis, und Informationen werden in umgekehrter Richtung weitergebeben. Die Beteiligten können beschrieben werden als Individuen, die miteinander konkurrieren, um befördert zu werden. Feste Grenzen trennen die Organisation von der Außenwelt. Betrachten wir die Herausforderungen, denen solche Organisationen ausgesetzt sind: • Diejenigen, die das Sagen haben, versuchen, eine einzige Sichtweise der Organisation, ihrer Ziele und rationalen Begründung ihrer Funktionsweise zu etablieren. Gleichzeitig zirkulieren innerhalb und außerhalb der Organisation vielfältige Sichtweisen und Begründungen. • Die Kontrolle von oben nach unten untergräbt die Initiative derer, die sich auf den unteren Stufen der Rangordnung befinden, über die Zukunft der Organisation zu beraten. • Da hierarchische Strukturen Konkurrenz erhöhen, neigen Individuen dazu, nur solche Informationen weiterzugeben, die ihnen selbst Vorteile erbringen. • Die Diversifikation von Funktionen fördert das Unwissen über die Bereiche, für die die Mitarbeitenden nicht zuständig sind. Entscheidungen innerhalb funktionaler Einheiten werden oft eigennützig gefällt und mit anderen funktionalen Gruppen wenig koordiniert. • Eine festgefügte Organisationsstruktur begünstigt starre Kommunikationsflüsse. Unterschiedliche Sichtweisen werden möglicherweise nie miteinander konfrontiert.

2004-06-03 11-19-25 --- Projekt: T223.diskursys.deissler.wertschätzende organisation / Dokument: FAX ID 01b254382278728|(S.

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22 | Anderson/Cooperrider/Gergen/Gergen/McNamee/Whitney • Aus der Trennung bedeutungserzeugender Prozesse innerhalb der Organisation von Sinngemeinschaften außerhalb ihrer Mauern resultiert eine strikte Grenzdefinition, die zwischen dem unterscheidet, was sich innerhalb und was sich außerhalb der Grenzen der Organisation befindet. Die Organisation läuft Gefahr, blind zu werden gegenüber dem Bedeutungskontext, von dem ihre Zukunft abhängt. Festgelegte Kommunikationsflüsse engen die Sicht der Entscheidungsträger ein. Zu eigennützigen Haltungen und Aktivitäten wird auf allen Ebenen eingeladen. Die Kontrolle nimmt zu, und das Zuhören hört auf. Dies führt dazu, dass diejenigen, die von den wenigen Erfolgreichen isoliert sind, sich in Bereichen der Organisation sammeln, die unbeachtet bleiben und von denjenigen, die die Verantwortung tragen, vernachlässigt werden.

Am Wertschätzenden Organisieren teilnehmen Die gegenwärtigen Bedingungen begünstigen signifikante Transformationen der Formen organisationalen Lebens. Vier Grundideen stellen die Richtungen dieser Transformationen dar: 1. Die Welt ist sozial konstruiert Wir leben in Bedeutungswelten. Konstruktionen wie »Gehälter«, »Prämienprogramme«, »Produktionsziele« und »Verschlankung« statten uns mit Organisationsstrukturen aus. Mit Hilfe dieser Bedeutungskonstruktionen werden Menschen, Ereignisse und Organisationen geschätzt oder verachtet. Erst wenn etwas in einer Organisation Bedeutung für uns hat, wird es uns motivieren, kommandieren oder belasten. Es gibt keine Probleme oder Lösungen außerhalb von Bedeutungskontexten. Indem wir diese Position annehmen, verweigern wir uns der realistischen Sichtweise der Welt »so, wie sie ist« zugunsten »konstruierter Welten«. 2. Konstruktionen informieren Handlungen Wir handeln gemäß der Bedeutungen, die wir der Welt geben. Eine Organisation als schätzenswert, ihre Ziele als wertvoll, die eigenen Pflichten als vernünftig, die eigenen Kollegen und Kolleginnen als achtenswert und die eigene Identität als von anderen wertgeschätzt zu konstruieren, kommt einer Einladung zu nachhaltigem Engagement im Organisationsleben gleich.

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3. Wirklichkeiten werden in Beziehungen produziert Die Konstruktionen beginnen nicht im privaten Geist. Sie werden innerhalb von Beziehungen erzeugt, angefangen vom frühen Familienleben bis zum allerletzten Gespräch. Vermittels unserer Beziehungen – also Gespräche, Gesten, und Handlungen – bestimmen wir, was wirklich und wertvoll für uns ist. Vermittels unserer Beziehungen erzeugen wir das, was wir Rationalität nennen, das, was wichtig wird und das, was wertvoll ist oder nicht. 4. Bedeutung wird durch Wertschätzung erzeugt Bedeutung wird durch den Akt der Wertschätzung geboren. Das heißt, Worte oder Handlungen haben keine Bedeutungen an sich; Bedeutung erfordert die Zustimmung eines anderen. Wertschätzung ist die Grundlage der Kreativität: das wesentliche Element der Koordination, der Harmonie und des Bedeutungswachstums. Wertschätzung muss in dreierlei Hinsicht verstanden werden: • erstens als eine tiefe Aufmerksamkeit gegenüber der Natur und dem Wert des komplexen Potenzials, Worte oder Handlungen zu interpretieren; • zweitens als die Bestätigung und der Wert der Bedeutung von Worten und Handlungen und • drittens als das Hinzufügen zur Bedeutung und zu dem Wert von Worten und Handlungen. Indem wir die Worte und Handlungen des Anderen wertschätzen, erhöhen wir ihren Wert innerhalb unserer Beziehungen, innerhalb der Organisation und der Welt.

Die Wertschätzende Organisation aufbauen Diese vier Ideen eröffnen die Ausrichtung für spannende Transformationen im Organisieren. Beziehungen stehen im Zentrum, sie sind miteinander verbunden, informieren und wertschätzen sich wechselseitig. Eine Wertschätzende Organisation um diese vier grundlegenden Ideen herum aufzubauen, legt nahe, dass uns enormer Nutzen aus folgenden Gedanken und Handlungen erwächst:

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24 | Anderson/Cooperrider/Gergen/Gergen/McNamee/Whitney Erkennen relationaler Interdependenzen Nur mit anderen zusammen wird Bedeutung erschaffen. Identität und Potenzial werden relational verwirklicht, Wert wird in Beziehung hergestellt und die Organisation gewinnt ihren Zusammenhalt. Ohne die anderen verfällt Bedeutung, Werte gehen verloren, Identität wird vernichtet und die Organisation verliert ihre Dynamik. Für eine Organisation ist es zentral, die Natur ihrer Beziehungsnetze im Blickpunkt zu haben. Neue Verbindungen ersinnen Neue Verbindungen fördern die Kreativität innerhalb einer Organisation. Für die Wertschätzende Organisation steht die Ermutigung vielfältiger Beziehungen über breit gestreute und unterschiedliche Gruppierungen im Zentrum. Jede Beziehung eröffnet die Möglichkeit, Bedeutungen, die in der Ferne erzeugt wurden, in die stärker ortsgebundenen Bedeutungen zu integrieren. Dieses Verschmelzen hilft, voneinander getrennte Gruppen zu koordinieren und gemeinsame Zukünfte aufzubauen. Dies ist genau das Gegenteil von der Aufrechterhaltung der »alten Männernetzwerke« gegen Außenstehende. Ermutigen von Bindungen Erhöhter Respekt und Anteilnahme fördert wechselseitiges Vertrauen in die Integrität des anderen. Zutrauen fördert Beziehungen. »Aus dem Auge« muss nicht »aus dem Sinn« heißen. Wenn Bedeutungen gemeinsam erzeugt werden, muss man Kollegen und Kolleginnen vertrauen, dass sie diese in andere Beziehungen hineintragen. Wertschätzende Organisationen legen Wert darauf, für die Mitglieder aller Interessengruppierungen Gelegenheiten zu eröffnen, die Bindungen fördern und Vertrauen schaffen. Solche Ereignisse bieten reichlich Gelegenheit zu gemeinsamer positiver Kommunikation, die oft die Erkenntnis bestimmter Ähnlichkeiten zwischen den Teilnehmern fördert. Dialog fördern Im Dialog verfestigen wir (beide) das Bekannte und erzeugen neue Bedeutung im Angesicht des Unbekannten, das sich vor uns öffnet. Durch Dialog sensibilisieren wir uns für vielfältige Realitäten und lernen, über diese und verschiedene Beziehungen hinweg zu verhandeln. Die Förderung der Gelegenheiten für ein dialogisches Klima der Kreativität ist das Ziel der Wertschätzenden Organisation.

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Imagination ermutigen Die Sprache des Wünschenswerten, der Träume, der Visionen und der Ideale inspiriert das Wachsen neuer Bedeutungen, neuen Denkvermögens und neuer Handlungen. Im Dialog des Imaginativen werden neue Welten hervorgebracht. Im Jetzt handeln Veränderung ist unvermeidbar. Sich zu sehr an vergangene Konstruktionen oder an das Bild einer erwünschten Zukunft zu klammern, fördert die mangelnde Sensibilität für die Komplexität der Gegenwart. Dies bedeutet allerdings, weder die Vergangenheit noch die Zukunft zu missachten. Vergangenheit und Zukunft werden vielmehr elegant in die Fäden des gegenwärtigen Gesprächs eingewoben. Das Gespräch niemals beenden Die fest gefügten, endgültigen und oft großartig erscheinenden Schlussfolgerungen von heute erscheinen morgen oft merkwürdig. Schlussfolgerungen und Verpflichtungen sind notwendig, aber sie müssen im Sinne ihrer zeitgebundenen Gesprächsbedingungen verstanden werden. In dem Maße, in dem Verstehenszusammenhänge und Wünsche verschwinden und neue Bedeutungen ihren Platz einnehmen, müssen Folgerungen und Verpflichtungen reformiert werden. Die Lebensfähigkeit innerhalb einer Organisation zu erhalten, erfordert ständige Gespräche.

Die Früchte des Wertschätzenden Organisierens Wertschätzendes Organisieren erbringt einen Nutzen, den man nur selten in starren, hierarchischen Organisationen feststellen kann. Neue Konstruktionen ermöglichen neue Beziehungen, die reich sind an neuen Gelegenheiten. Diese Beziehungen bringen sinnstiftende Quellen zusammen, die bisher ungenutzt geblieben sind. Aus unserer Sicht trägt Wertschätzendes Organisieren folgende Früchte: Innovation Wenn Sichtweisen und Werte innerhalb der Organisation freier über alle Ebenen hinweg zirkulieren, werden vielfältige Rationalitäten evident. Das Überschneiden dieser vielfältigen Rationalitäten fördert Kreativität. Neue Ideen und Innovationen, die vorher zurückgehalten bzw. nicht gehört wurden, werden nun geäußert und auch wahrgenommen.

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26 | Anderson/Cooperrider/Gergen/Gergen/McNamee/Whitney Kontingenzplanung ersetzt fixierte Verfahrensanweisungen. Ambiguität wird eher akzeptiert und geschätzt als diskreditiert. Flexibilität Durch fortgesetzte Dialoge wird ständig neue Information hervorgebracht, und Pläne und Praktiken werden empfänglicher für sich ändernde Situationen. Da das Prozesskonzept das traditionelle Modell der hierarchischen Organisationsstruktur ersetzt, ist man auf Bewegung vorbereitet. Ersatzprojektgruppen5 werden zu machtvollen und sensiblen Veränderungsmodulen innerhalb der Organisation. Im Gegensatz zu einer einzigen »besten Struktur« wird Bewegung zur Lebensform. Integration Eine erfolgreiche Organisation ist diejenige, die eine Diversität an Sichtweisen innerhalb ihrer Grenzen integriert. Das Zirkulieren identischer Meinungen entspricht dem Einatmen muffiger Luft. Wenn eine Vielfalt von Ideen und Informationen frei innerhalb einer Organisation zirkuliert, werden beschränkte Entscheidungen reduziert. Lokale Entscheidungen reflektieren die sich ständig ausdehnenden Bereiche der Bedeutung. Tiefenverständnis ist niemals hinreichend, um Entscheidungen zu treffen; Weite ist ebenfalls notwendig. Zusammenarbeit Weil das Wachsen von Bedeutung immer wertschätzende Beziehungen erfordert, werden kollaborative Entscheidungsprozesse bevorzugt. Man versteht die Begrenztheit ortsgebundener Realitäten und Werthaltungen sowie die Notwendigkeit der Interdependenz. Den anderen zu negieren heißt, die eigenen Potenziale zu mindern. Zugehörigkeit Weil man wertschätzend mit denjenigen arbeitet, die unterschiedlichen Einheiten und Ebenen der Organisation angehören, werden sie einem persönlich bekannt und ihr Erfolg wird zum eigenen Erfolg. Sie sind keine Antagonisten, sondern Protagonisten in der Geschichte, die gemeinsam geschrieben wird. Engagement Weil man geschätzt wird, engagiert man sich in der Organisation. Man sitzt nicht da und wartet auf Anordnungen, sondern verfolgt organisati-

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onale Ziele proaktiv. Indem man hilft, Visionen und ihren Wert zu erzeugen, werden sie zum Ausdruck der eigenen Identität. Koordination mit der »Außenwelt« Diese Haltung verwischt die Grenzen zwischen der Organisation und der Außenwelt. Indem man die Bandbreite der am Dialog Teilnehmenden erweitert und ihre unterschiedlichen Logiken wertschätzt, wird die Organisation vollständiger in die sie umgebende Kultur integriert. Um genauer zu erkunden, wie wertschätzendes Sich-Beziehen zur Stärke und Nährung der Organisation beiträgt, lesen Sie bitte weiter.

2. Wertschätzung im Prozess der Bedeutungserzeugung Sie erhalten eine Nachricht von dem Vorgesetzten ihrer Organisation, die besagt, dass Sie Ihre Ausgaben um 20 % senken müssen. Diese Nachricht lässt Ihnen viele Optionen. Sie können beispielsweise umgehend Schritte einleiten, die Ausgaben zu senken, Sie können Ihr Handeln aufschieben, bis Sie »herausfinden, um was es eigentlich geht« oder Sie können diese Nachricht als »reines Säbelrasseln« interpretieren. Tatsächlich ist die Anordnung, die Ausgaben zu senken, erst dann eine Anordnung, wenn Sie ihr diese Bedeutung verleihen. Diese Nachricht umfasst viele Optionen, und indem Sie ihr einen bestimmten Sinn zuweisen und eine Option wählen, erhält die Botschaft im Gegensatz zu einer anderen eine bestimmte Bedeutung. Der Vorgesetzte hat keine Bedeutung erzeugt, noch taten Sie es; beides war notwendig – die Botschaft und ihre Interpretation. Der wichtige Punkt besteht darin, dass die Bedeutungserzeugung etwas ist, das wir miteinander in Interaktion und von Tag zu Tag tun. Bedeutungen werden nicht innerhalb eines individuellen Geistes erzeugt, sondern in sozialen Prozessen. Nicht ein einzelnes Individuum in einer Organisation kontrolliert die Bedeutung; alle nehmen teil – sogar durch Schweigen. Nicht jede Bedeutungserzeugung ist fruchtbar. Bittere Auseinandersetzungen und Anklagen tragen zur Bedeutungserzeugung bei, deren Ergebnisse oft im Desaster enden. Individuen leben bzw. sterben, je nach dem, wie sich diese Prozesse entfalten. Die große Herausforderung besteht dann darin, solche Prozesse zu suchen und zu fördern, die

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28 | Anderson/Cooperrider/Gergen/Gergen/McNamee/Whitney zum pulsierenden und effektiven Leben von Organisationen beitragen. Insbesondere stellt sich die Frage, welche Handlungen Wertschätzendes Organisieren gewährleisten. Wir wollen diese Handlungen im Sinne von Gesprächspartnerschaften betrachten.

Gesprächspartnerschaften Mit Gesprächspartnerschaften meinen wir Formen von Beziehungen, in welchen der wertschätzende Prozess Vertrauen, Offenheit und Verständnis hervorbringt. Gesprächspartnerschaften werden geschätzt, weil sie persönlich fruchtbar sind und zur Blüte der Organisation beitragen. Aus unserer kollektiven Erfahrung heraus erachten wir Folgendes als lebenswichtig für die Entwicklung dieser Partnerschaften. Den anderen schätzen Das Schlüsselmerkmal von Gesprächspartnerschaften besteht möglicherweise in der Fähigkeit, in den Worten und Taten des anderen Wertvolles zu finden. Wenn wir glauben, dass Bedeutung im Geist eines einzelnen Individuums hervorgebracht wird, neigen wir dazu, »Fehler zu finden«, wenn wir auf andere reagieren. »Was wäre, wenn sie mit ihren Ideen auf meinen herumtrampeln?«, oder: »Was wäre, wenn ihre Ideen besser als meine sind?«, könnten wir fragen. Wenn wir erkennen, dass Bedeutung ko-konstruiert ist, bekommt wechselseitiges Wertschätzen eine große Bedeutung. Nichts entsteht ohne wechselseitiges Involviertsein. In praktischer Hinsicht ist es hier hilfreich, sich auf andere zu beziehen, indem wir positiv zuhören. Positiv zuhören spielt auf wertschätzend sein an: aufmerksam und respektvoll zu sein; zu verstehen geben, dass der andere etwas Wertvolles zu sagen hat; dem oder den anderen Gesprächsraum öffnen, ihre Sichtweise voll zum Ausdruck kommen zu lassen, ohne sie frühzeitig zu unterbrechen; eher positive als beurteilende Kommentare oder Fragen anbieten und versuchen, dem anderen im vollen Ausmaße zuzuhören und ihn zu verstehen. Positives Zuhören lädt den anderen zur Gesprächspartnerschaft ein. Dem anderen aus dieser Position zuhören, gewährleistet, dem anderen eine positive Bedeutung zu geben und ermutigt Gegenseitigkeit. Dadurch wird positives Zuhören auch bei dem anderen ermutigt. Für die generative Bedeutungserzeugung ist es charakteristisch, dass sich der Bereich der Übereinstimmung erweitern kann, während sich Bereiche der Nichtübereinstimmung »auflösen«.

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»Nicht-Wissen« kultivieren In der traditionellen Organisation steht individuelles Expertentum hoch im Kurs. Der ideale Manager sollte im Besitz vollständigen Wissens sein, fehlerfreie Ideen haben und Klarheit in seiner Ausdrucksweise zeigen. In einer Welt vielfältiger Meinungen, Argumente und Werte ist eine solche Ausdruckssingularität problematisch. Experten in diesem Sinne laufen Gefahr, Scheuklappen zu entwickeln, und wenn einmal eine autoritäre Feststellung getroffen wurde, ist es für sie schwierig, sich davon zurückzuziehen, selbst wenn diese offensichtlich kurzsichtig war. Für andere könnte sich dann die Frage stellen: »Soll ich meine Information weitergeben? Er oder sie könnte meinen Beitrag nicht würdigen.« Gesprächspartnerschaft hingegen wird dadurch ermutigt, dass man sich Beziehungen in der Haltung des Nicht-Wissens annähert. Damit meinen wir eine Haltung der intensiven Neugier und des Interesses an den Ideen des anderen. Anstatt mit einer vorgefertigten Meinung in das Gespräch zu gehen, heißt dies, anderen Raum und Zeit zu geben, sich auszudrücken, sowie die Sicherheit, wertgeschätzt zu werden. Gespräche erfordern es des Öfteren, dass bestimmte wichtige Kommentare paraphrasiert werden, um zu überprüfen, ob man das gehört hat, was der andere wollte, das man hören sollte, und um Fehlannahmen zu vermeiden. Wenn effiziente Manager sich an einem Gespräch beteiligen, haben sie möglicherweise Ergebnisse im Kopf, die sie bevorzugen. Wenn sie jedoch die nicht-wissende Orientierung kultivieren, werden sie typischerweise viele andere gute Ideen und Einsichten, die ausgetauscht werden, vorfinden. Das optimale Ergebnis wird sich als Infomationsverschmelzung darstellen, die aus der Einladung zu erweiterten Beziehungen erwächst. Vielfältige Selbste erkunden Traditionellerweise haben wir großen Wert auf individuelle Kohärenz gelegt. »Gutes Denken« war charakterisiert durch Konsistenz und Integration. Wenn wir jedoch erkennen, dass Bedeutung aus Beziehungen erwächst, erkennen wir auch die Unzulänglichkeiten dieser Tradition. In der gegenwärtigen Welt nehmen wir an einer zuvor nie da gewesenen Menge realer oder vermittelter Beziehungen teil. Dies hat zur Folge, dass wir vielfältige, sich widersprechende Ideen, Einsichten und Rationalitäten in uns tragen. Die Forderung nach Kohärenz würde von uns verlangen, viele unserer inneren Stimmen zum Schweigen zu bringen und die Intelligenz, die in vielen unserer Beziehungen erzeugt wird, zu

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30 | Anderson/Cooperrider/Gergen/Gergen/McNamee/Whitney unterdrücken. Durch achtsames Teilen vielfältiger Selbste wird das Eingehen von Gesprächspartnerschaften bereichert. Sowohl für uns selbst als auch für unsere Partnerinnen und Partner heißt dies in der Praxis, über die erste, gut gestaltete Idee in einem Gespräch hinauszugehen. »Für die Sache gibt es eine Sichtweise«, könnten wir sagen, »gibt es jedoch auch andere Arten, sie zu verstehen?« Hier ist es sinnvoll, darüber nachzudenken, was andere dazu sagen und welche Einsichten sie anbieten würden. Oft ist es nützlich, Gesprächsbeiträge nicht als »mein Eigentum, das verteidigt werden muss«, zu behandeln, sondern als »Versuchsballons«, mit denen wir eine Weile spielen, bevor eine Entscheidung getroffen wird. Sollte ein anderer sich dadurch am Gespräch beteiligen, dass er als »starker Vertreter« einer Idee auftritt, sollte man dem Gespräch in eine Richtung verhelfen, in der der oder die Betreffende mögliche Bedenken oder »Grauzonen« ausdrücken kann. Wir-Erzählungen fördern Wenn wir die ko-konstruierte Natur der Realitäten anerkennen, die wir erzeugen, bewegt sich unsere Aufmerksamkeit weg von den individuellen Gesprächspartnern und hin zur Koordination zwischen ihnen. Gute Entscheidungen sind Teamleistungen. In späteren Kapiteln werden wir viel darüber zu sagen haben, wie die Einheit des »wir« lebendig gemacht werden kann. Als Einleitung möchten wir die Wichtigkeit der Erzählungen im Herstellen von Gesprächspartnerschaften hervorheben; dabei sollten einander solche Geschichten mitgeteilt werden, die beschreiben »was wir erreicht haben«, »wie wir einer Herausforderung begegnet sind«, »wie wir schlechte Zeiten gemanagt haben«, »Zeiten, in denen wir gut zusammengearbeitet und gespielt haben«. Indem solchen Geschichten Wert und Wichtigkeit verliehen wird, wird die Vergangenheit in einer Weise konstruiert, dass sie gegenwärtige Beziehungen verstärkt. Wenn wir diese Erzählungen nutzen, spüren wir das Band zwischen uns, das Hoffnung erweckt und uns in unseren Absichten ermutigt.

Praxisbeispiel: »Wir-Erzählungen« sind nicht nur wichtig für kleine Beziehungen, von Angesicht zu Angesicht. Sie können auch für ganze Organisationen wichtig sein. Ein Beispiel: Das Lager einer großen Fabrik, das an einem großen Fluss lag, fing Feuer. Dies verschmutzte den Fluss, was wiede-

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rum zu einem großen Aufschrei der betroffenen Gemeinde führte. Als Reaktion darauf reinigte das Unternehmen nicht nur den Fluss stromabwärts, sondern initiierte Anstrengungen, den Fluss auch stromaufwärts wieder zu säubern. Der nun wieder saubere Fluss wurde ein Vorzeigestück der Gemeinde, und das Unternehmen wurde für seine Anstrengungen gelobt. Das Unternehmen veröffentlichte die Geschichte als Teil seiner Firmendokumentation. Die negative Ursprungsgeschichte, bei der es sich zunächst um einen »schwarzen Flecken« in der Geschichte des Unternehmens handelte, wurde in eine Geschichte umgewandelt, die Stolz und Inspiration beinhaltete.

Vieles in der vorangegangenen Diskussion unterstützt den Wert der Gleichheit in Beziehungen und favorisiert in diesem Sinne auch die gegenwärtige Bewegung zu mehr Demokratie am Arbeitsplatz und zu flachen Organisationen. Wir erkennen aber auch das Bedürfnis vieler Organisationen nach hierarchischen Strukturen. Nicht alle Mitarbeitenden können zu allen Entscheidungen beitragen, und Integrations- oder Überblickspositionen können oft wesentlich sein. Nichtsdestoweniger brauchen wir Hierarchie nicht mit der altmodischen Sicht einer Autorität von oben nach unten gleichzusetzen. Vielmehr können Managerinnen und Manager ihre Position effizient verschieben, indem sie die Leistungen der anderen nicht mehr von oben herab dirigieren, sondern zum gemeinsamen Erbringen von Leistungen anregen. Zum Beispiel kann sich ein Abteilungsleiter, der nach dem traditionell-autoritären Modell »andere dazu bringt, das zu tun, was ich will«, dahin bewegen, seine Mitarbeitenden zu Gesprächen und Handlungen einzuladen, koordinierte Leistungen zu erbringen.

Transformativer Dialog Aus unserer Sicht mündet das Herstellen guter Gesprächspartnerschaften in etwas ein, das wir Transformativen Dialog nennen. Diese Form des Dialogs steht im Gegensatz zum »monologischen«, in dem alle Individuen ihre Position verteidigen, ohne wirklich jemand anderem zuzuhören. Solche Gespräche sind wie parallel nebeneinander stehende Wolkenkratzer ohne Fenster, Türen oder Verbindungsbrücken. Im Transformativen Dialog hingegen kann es passieren, dass die Gesprächsteil-

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32 | Anderson/Cooperrider/Gergen/Gergen/McNamee/Whitney nehmer am Ende des Gesprächs nicht mehr dieselben sind, die sie am Anfang waren.

Praxisbeispiel: »Als hochrangiger Geschäftsführer begebe ich mich, ausgestattet mit einer guten Idee, was das Beste sei, in Sitzungen. Die Zukunft erscheint mir klar, und ich bin sicher, dass mein Plan der beste für jedermann sei. Wenn ich in dieser Position bleibe, ist es auch klar, dass das Ganze in einem Desaster endet. Es ist unvermeidlich, dass mein Plan gegen den Plan eines anderen gerichtet ist. Verteidige ich meine Position, tut dies auch mein Kollege. Manchmal kommen mir persönliche Gefühle dazwischen. Wenn die Idee meines Kollegen die Oberhand behält, fühle ich mich persönlich besiegt, und ich freue mich heimlich, wenn das Ganze schlecht ausgeht. Wenn ich andererseits zu einer Sitzung gehe und ich offen und begierig bin, zu lernen, was andere denken, und mich an ihrem Erfindungsreichtum erfreue, beflügelt dies die Sitzung. Natürlich bringe ich meine Lieblingsidee mit, aber ich betrachte sie nicht als mein eigenes Kind. Es ist nur eine Idee, und es ist wichtig, dass sie zu dem Mix dazu getan wird. Der Mix bedeutet alles« (Persönliche Mitteilung).

Der Transformative Dialog ist enorm wichtig für die Überlebensfähigkeit der Organisationen in der gegenwärtigen Welt. Die Teilnehmenden gehen nicht nur mit dem, was sie in die Gespräche eingebracht haben, aus den Gesprächen hervor, sondern auch mit Sichtweisen und Werten der Partnerinnen und Partner. Sie werden fähig sein, die Welt nicht nur mit ihren eigenen Augen zu sehen, sondern auch mit den Augen der anderen. In gewissem Sinne werden sie zu »Multipersonen« – gestärkt und flexibel in ihren Beziehungen. Der entscheidende Punkt des Transformativen Dialogs besteht nicht darin, Organisationen zu erzeugen, in denen alle übereinstimmen. Unterschiede werden nicht unterdrückt, denn in den Unterschieden liegen die Potenziale für erweiterte Sensibilitäten und neue Kreationen. Transformativer Dialog ermöglicht vielmehr allen Teilnehmenden, die Unterschiede zu verstehen und wertzuschätzen und die Vielfalt der Sichtweisen als Quellen für den Umgang mit neuen Herausforderungen zu nutzen. Wenn Bedeutungserzeugung, Gesprächspartnerschaften und Transformativer Dialog sich in einer Organisation ausbreiten, wird die Organisationseffizienz maximiert, und die Möglichkeiten der Individuen, Gruppen und der Organisation werden erweitert. Es entsteht ein neuer Sinn dafür, den anderen wert-

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zuschätzen, »Nicht-Wissen« zu kultivieren, unsere vielfältigen Selbste zu erkunden, sie mit anderen zu teilen und neue, transformative WirErzählungen lebendig werden zu lassen.

3. Leiten als kollaboratives Teilnehmen 6 Wertschätzendes Organisieren favorisiert ein neues Leitungsparadigma. Die traditionellen Betonung von Individuen, die andere kommandieren und kontrollieren, wird ersetzt durch wertschätzendes Leiten (Führen), das durch Formen kollaborativen Teilnehmens gekennzeichnet ist. Der Wechsel zum kollaborativen Teilnehmen zeigt sich in neuen Büchern zur teilnehmenden, transformierenden und visionären Leitung. In unserer eigenen Arbeit haben wir überall das Wegfallen des alten Leitungsparadigmas und seiner Praktiken festgestellt. Wir haben beobachtet, wie Männer und Frauen gleichermaßen ihre Organisation, ihre Verkäufer und ihre Kunden zu organisationsbezogenen Prozessen des Planens und Handelns einladen. Wir haben Vorstandsvorsitzende, Direktoren und Finanzchefs gesehen, wie sie sich an einem Tisch gleichberechtigt mit Endverkäufern gegenübersaßen und sich am Wertschätzenden Erkunden und an der Innovation beteiligten. Wir wurden Zeugen, wie Frauen und Männer in Entscheidungspositionen sagten: »Ich habe nicht alle Antworten, und ich vertraue darauf, dass wir die Sache gemeinsam hinkriegen.« Wir haben Menschen gesehen, die ihre Macht, ihre Ressourcen und Beziehungen darauf verwandt haben, anderen zu ermöglichen, ihre Träume am Arbeitsplatz zu verwirklichen. Wir glauben, dass kollaboratives Teilnehmen der Schlüssel zur Leitung von Wertschätzenden Organisationen ist. In welcher Weise geschieht dies und was sind die wichtigsten Charakteristika kollaborativer Teilnahme? Dieses Kapitel eröffnet die Diskussion.

Der relationale Unterschied Die meisten Theorien, die sich mit Leiten oder Führen beschäftigen, fokussieren die Kompetenzen des Individuums – Eigenschaften oder Verhaltensweisen, die manche Leute mehr als andere besitzen. Leitung wird ständig als Summe individueller Fertigkeiten beschrieben, gelehrt und praktiziert. Auf einer relationalen Theorie des Organisierens basierend, bietet kollaboratives Teilnehmen einen alternativen Weg an, Führung und Leitung einen Sinn zu geben. Das definierende Kernstück

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34 | Anderson/Cooperrider/Gergen/Gergen/McNamee/Whitney dieser Theorie besteht darin, dass Leitung in Beziehungsmustern geboren wird. Es gibt keine Leitenden, solange andere nicht gewillt sind, mit ihnen zusammenzuarbeiten, und es gibt keine Gefolgsleute, solange die Leitenden sie nicht effizient zu solchen Beziehungen einladen. Dementsprechend wird Leitung als individuelle Eigenschaft ersetzt durch die Beschäftigung mit Beziehungsmustern: dem Einbeziehen, der Koordination und der Ko-Konstruktion. Wenn letztere sich behaupten, bewegen wir uns in Richtung der Wertschätzenden Organisation. Als kollaborative Teilnahme kann wertschätzendes Leiten auf jeder Ebene der Organisation ausgeübt werden. Vorgesetzte können günstige Gelegenheiten anbieten, solche Prozesse in Gang zu setzen. Letztlich kann jedoch jedes Mitglied einer Organisation kollaboratives Teilnehmen einleiten.

Leiten durch kollaboratives Teilnehmen Wie kann kollaboratives Teilnehmen von den Mitgliedern einer Organisation verwirklicht werden? Die folgenden Punkte gehören nach unserer Erfahrung zu den bedeutungsvollsten. Interessenvertreter heraussuchen Kollaboratives Teilnehmen beginnt, wenn Leute fragen, wer sonst noch in eine Entscheidung oder Initiative mit einbezogen werden soll. Wer sind die relevanten und betroffenen Parteien in dieser Situation oder bei diesem Unterfangen? Wen sollte man einbeziehen, um die am besten koordinierten und wechselseitig inspirierenden Ergebnisse zu schaffen? Es ist auch wichtig zu fragen, ob irgendjemand über das Ergebnis der Entscheidung bestürzt oder erschrocken sein könnte oder gegen veränderte Bedingungen opponieren könnte. Es ist klug, sie ebenfalls in den Entscheidungsprozess einzubeziehen. Natürlich ist es nicht immer praktikabel, all diejenigen zu berücksichtigen, die ein Interesse am Entscheidungsprozess haben. Bei solchen Situationen lädt die kollaborative Orientierung zu Diskussionen aus der Perspektive der Betroffenen ein: Sollten sie nicht anwesend sein, stellt sich die Frage, welche Auffassungen sie vertreten würden, wenn sie hätten teilnehmen können. Wenn zukünftige Koordinationsmöglichkeiten nicht als Einflussgrößen in den Entscheidungsprozess einbezogen werden, können die Ergebnisse ineffizient sein.

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Werteverschiedenheit und Unterschied Das I-Ching, ein bekanntes Buch chinesischer Weisheit, definiert Opposition als eine notwendige Bedingung für Einheit. Um eine Einheit herzustellen, muss es etwas geben, was geeint werden soll – ein Gegensatz von Kräften. Ein ähnliches Prinzip findet in der kollaborativen Teilnahme Anwendung. Damit Zusammenarbeit entstehen kann, muss es Mittel geben, die Unterschiede, die Verschiedenheit und die Vielfalt, die es unvermeidlicherweise zwischen verschiedenen Interessenvertretern geben muss, zusammenzubringen. Kollaborative Teilnahme gedeiht, wenn die Menschen den Wert von Unterschieden und der Verschiedenheit der Ideen, Erfahrungen und Praktiken anerkennen. Kollaboratives Teilnehmen lädt zu spezifischen wertschätzenden Praktiken ein. Wir hören den Ideen der anderen oft mit einem Problemfokus zu: Was ist das, was wir nicht mögen? Eine wertschätzende Haltung beim Zuhören heißt, nach dem zu suchen, was ein positiver Beitrag sein könnte: Wie kann dieser Vorschlag hilfreich, kreativ und bedeutungsvoll sein? Auf diese Weise kann der positive Beitrag in endgültige Entscheidungen eingewoben werden; das, was problematisch ist, kann zurückgelassen werden. Gleichzeitig werden sich die Teilnehmenden gehört und in der Politik und den Handlungen der Organisation repräsentiert fühlen.

Praxisbeispiel: Wenn Leitung zur relationalen Aktivität wird, ändern sich die Organisationen. Die Angestellten eines Betriebes, der diese Ansätze verfolgte, wurden gefragt: »Was ist das Beste an unserer gegenwärtigen ›Organisation‹?« Unter den Antworten gab es Kommentare zur Leitung: »Die Leitung ist bereit, ›große‹ Entscheidungen für die Belegschaft zu öffnen und zuzuhören, was die Leute für die Durchführung ihres Jobs brauchen. Sie haben keine Angst vor den Antworten, die sie erhalten. Sie sind bereit, ein Risiko einzugehen, bei dem etwas Neues herauskommen kann.« Eine andere Antwort war: »Unsere Organisation ermutigt ›Leitung‹, die ohne ›Titel‹ auskommt. Leute mit Ideen werden ermutigt, Gruppen zu leiten und ihre Ideen zu artikulieren. Wir bekommen Unterstützung für selbstorganisierte Komitees, Aufgabenteams und für das Zusammenarbeiten als ›vereinte Mitbürger‹.«

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36 | Anderson/Cooperrider/Gergen/Gergen/McNamee/Whitney Wertegemeinsamkeit und Gemeinschaft Kollaboratives Teilnehmen kann durch die Suche nach Gemeinsamkeiten unter den Unterschieden gefördert werden, während gleichzeitig die Unterschiede wertgeschätzt werden. Was sind die gemeinsamen Ziele, Hoffnungen und Werte innerhalb einer Gruppe? Durch das Fokussieren auf Gemeinsamkeiten kommen Parteien zusammen, die sonst getrennt bleiben würden. Der Wechsel vom antagonistischen Arbeiten zur vereinten kollaborativen Zielsetzung wird gefördert. Wenn das Wertschätzen von Beziehungen gefördert wird, maximiert sich das persönliche Engagement. Das Wertschätzen der Gemeinschaft der Teilnehmenden wird auch durch Rituale oder besondere Ereignisse gefördert. Kleine Feiern des »Wir« sollten oft vorkommen. Gruppentreffen können auf nützliche Weise durch soziale Ereignisse ausgeweitet werden, um Gemeinsamkeiten der Teilnehmer auch außerhalb der Arbeit zu erkunden. Demgemäß sollten sich die Beteiligten auch am Planungs- und Initiierungsprozess für Möglichkeiten der Wertschätzung von Beziehungen engagieren, die Erfolg hervorbringen. Es wird ebenfalls zu einer holistischen Orientierung eingeladen. Die Wertschätzung sollte nicht auf die Beziehungen von Angesicht zu Angesicht begrenzt werden. Holistisch zu denken heißt, den Wertschätzungsprozess auf sich mehr und mehr erweiternde Beziehungskontexte auszudehnen, zum Beispiel: wertschätzen, wie unser Team oder unsere Funktionseinheit sich mit anderen koordiniert, wie sich unsere Organisationsebene zu den Ebenen darüber und darunter verhält und wie die Organisation sich auf die Außenwelt bezieht. Beschuldigungspraktiken überwinden Leitung durch kollaboratives Teilnehmen bedeutet, die Beschuldigungssprache zu vermeiden. Holistisches Wertschätzen heißt, dass es wahrscheinlich gute Gründe dafür gibt, wenn andere scheinbar dumme oder unüberlegte Entscheidungen fällen. Anstatt andere als zweitrangig Vollstreckende anzusehen, ist es nützlicher, die Beziehungsbedingungen zu erkunden, aus denen die vermeintlich zweitrangige Leistung erwuchs. Gewöhnlich tun Menschen das, was sie für das Beste halten, aus unterschiedlichen Beziehungen heraus, deren Teil sie sind. Wenn wir andere beschuldigen, entfremden wir sie uns meist auch. Diejenigen, die beschuldigen, entwickeln ein fehlgeleitetes Gefühl der Überlegenheit, und das Ergebnis ist meist ein Antagonismus innerhalb der Organisation. Kollaboratives Teilnehmen leidet, wenn das Spiel der Beschuldigung

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beginnt. Wenn andere sich dümmlich zu verhalten scheinen, ist es auch klug zu erwägen, wie man durch seine eigenen Verhaltensweisen zu den Beziehungspraktiken beigetragen hat, aus denen solche Handlungen erwachsen. So kann beispielsweise ein Anfänger, der eine Aufgabe ausführen soll, eine Fehlentscheidung treffen, wenn er keine ausreichende Unterstützung und Führung erhält. Wenn ein angemessener Beratungsprozess installiert worden wäre, hätte dies vermieden werden können. Diese Ausführungen beschreiben die Kennzeichen und die Verhaltensweisen, des Übergangs zur Leitung als kollaborative Teilnahme – wenn auch nicht erschöpfend. Denn während der Charakter der Beziehungen sich über die Zeit wandelt, werden sich solche Praktiken selbst wiederum ändern.7

4. Jede Stimme erheben: Der belebende Prozess Hatten Sie jemals einen Lehrer, der etwas Außergewöhnliches an Ihrer Arbeit fand, der irgendwie Möglichkeiten in Ihnen sah, derer Sie sich kaum selber bewusst waren? Solche Erfahrungen können lebensverändernd sein. Wir sehen uns plötzlich in einer neuen, anderen und inspirierenden Weise. Für manche wurden so lebenslange Karrieren in Gang gesetzt. Nun stellen Sie sich vor, wie diese Fülle von Möglichkeiten innerhalb einer Organisation nicht nur zu bestimmten Zeitpunkten, sondern in unseren alltäglichen Beziehungen miteinander ausgeschöpft wird. Das ist Wertschätzendes Organisieren in Aktion. Einen anderen wertzuschätzen heißt, den Wert dieser Person anzuerkennen. Es ist eine Art, dem anderen eine Stimme zu geben, ein Weg, seine möglichen Stärken, Potenziale, Fähigkeiten und die neuen Zukünfte, zu denen er oder sie beiträgt, anzuerkennen und zu entfesseln. Wertzuschätzen heißt auch, den »Wert zu erhöhen«. (Im Englischen)8 sagen wir beispielsweise, die »Wirtschaft hat ihren Wert ›wertgeschätzt‹«. Beides miteinander verbunden – Wertschätzung als »Stimme verleihen« und Wertschätzung als eine »Wertsteigerung« – legt nahe, dass die Vitalität der Organisation durch die Bejahung von Handlungen erzeugt wird. Darüber hinaus kann Wertschätzung innerhalb von Beziehungen der Schlüsselbestandteil für das Bündeln von Stärken und Erzeugen effektiver persönlicher und organisationaler Zukünfte sein. Anders als in den Organisationen der Vergangenheit vorgesehen, stellen vielfältige und neu erwachsende Koordinationen den Stoff des

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38 | Anderson/Cooperrider/Gergen/Gergen/McNamee/Whitney Alltagslebens dar. Überall finden wir Netzwerke, Allianzen, funktionsübergreifende Teams, Partnerschaften, Gittergruppierungen, Ensembles, Zellen, befristete Projekte, virtuelle Gemeinschaften – fast alles, außer Pyramiden. In Wertschätzenden Organisationen besteht das Ziel darin, Beziehungen zu erzeugen, die nicht halblaut sind, sondern eine volle Stimme haben und vital, koordiniert und effektiv sind. Unser besonderes Augenmerk gilt hier den Gruppenbeziehungen. Deshalb fokussieren wir zuerst das tägliche Gruppenfunktionieren auf der Mikroebene. Dann erkunden wir die spannenden Entwicklungen in der gesamten Gruppenorganisation. Diese Kernbereiche sind nicht allumfassend gemeint; indem eine vollstimmige Organisation erzeugt wird, sollte die Aufmerksamkeit letztlich auf das gerichtet sein, was die IakotaIndianer durch ein Gebet ehren: All meine Beziehungen.

Wertschätzendes Organisieren in der kleinen Gruppe Wenn wir über das Funktionieren der kleinen Gruppe nachdenken, wird vieles von dem relevant, was wir in den vorangegangenen Kapiteln gesagt haben. Um seine Wichtigkeit nochmals hervorzuheben und zusammenzustellen, bleibt das Folgende für Wertschätzendes Organisieren in der Gruppe ausschlaggebend: • • • • • • •

die Kommunikation der anderen schätzen, unterschiedliche Standpunkte würdigen, potenzielle Interessenvertreter in den Dialog einbeziehen, vielfältige Selbste erkunden, »Nicht-Wissen« kultivieren, Wir-Erzählungen fördern, Beschuldigungspraktiken überwinden.

Nun müssen wir diese Grundlagen des Wertschätzenden Organisierens ausdehnen. Zuerst werden wir eine Reihe spezifischer Gruppenpraktiken betrachten, die vollstimmige Beziehungen begünstigen; danach wenden wir uns dem Funktionieren der Gruppe im Rahmen des weiteren Organisationskontextes zu.

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Zukunftsentwürfe: Wertschätzendes Erkunden9 als alltägliche Praxis Wertschätzendes Erkunden (WE) wird typischerweise als eine spezifische Praxis einer Intervention in Organisationen angesehen. Wir neigen dazu, es als eine Praxis anzusehen, die in entscheidenden Phasen einer Organisation relevant wird, zum Beispiel in einer Krise, einer Reorganisationsinitiative oder wenn ein neuer Plan auf den Weg gebracht werden soll. Die spektakulären Ergebnisse des Wertschätzenden Erkundens, die sich in kleinen wie großen, profitorientierten wie freiwilligen10 Organisationen über den ganzen Globus zeigen, sind inzwischen gut dokumentiert.11 Aber lassen Sie uns fragen: Warum müssen die Prinzipien des Wertschätzenden Erkundens auf besondere Gelegenheiten begrenzt sein? Ist es innerhalb des Wertschätzenden Erkundens nicht möglich, eine Bandbreite von Ressourcen zu finden, die man innerhalb einer Gruppe ständig anwenden kann? Unsere eigene Erfahrung antwortet mit einer lauten Bejahung. Lassen Sie uns mit der Problemsprache beginnen. Viele Gruppen sehen es als ihr Ziel an, Probleme zu lösen. Die Produktion liegt danieder, das Marketing ist ineffektiv, der Außendienst ist langsam, die Regierung mischt sich ein usw. Die Gruppe glaubt, »unser Auftrag« besteht darin, »das Problem zu lösen«. Wie wir in Kapitel 1 vorgeschlagen haben, wird die Gruppe das, was real und wichtig ist, definieren, wenn ihre Mitglieder miteinander sprechen. Wenn sie über »das Problem« sprechen, wird es ständig an Größe und im Detail zunehmen. Das Problem wird am Ende den »ganzen Raum ausfüllen«. In dem Maße, wie das Problem an Dimension und Implikation zunimmt, erscheint es umso belastender und unbehandelbarer. Energien trocknen aus und die Gruppentreffen werden zu lästigen Pflichtübungen. Wir möchten die Problemsprache nicht vollständig abschaffen; aber betrachten wir, was dabei herauskommt, wenn wir die Problemsprache durch die Sprache der Möglichkeiten12 ersetzen. Würden alle Probleme einer Organisation gelöst werden, wäre die Organisation dann perfekt? Nein, weil es nicht der Mangel an Problemen ist, der uns Energie verleiht, sondern die Vision der Möglichkeit, etwas, das wir wertschätzen und uns wünschen. Wertschätzendes Erkunden legt großen Wert auf die Sprache der Möglichkeit, und so kann diese Sprache zum Schlüsselmerkmal des täglichen Gruppenprozesses werden. Dadurch wird eine Form der Aufmerksamkeit gewonnen, Energien werden frei gesetzt

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40 | Anderson/Cooperrider/Gergen/Gergen/McNamee/Whitney und die Gruppe kann mit Begeisterung voranschreiten, um neue Zukünfte zu erzeugen.

Praxisbeispiel: »Ich lehre an einer Universität, in der unser Fachbereich von allen Hauptfachstudenten verlangt, ein Abschlussexamen abzulegen. Dieses umfassende Examen soll dazu dienen, dass alle Graduierten das Fachwissen grundlegend beherrschen. Wir haben jedoch in den letzten Jahren festgestellt, dass die Studierenden diesem Examen zunehmend weniger Aufmerksamkeit widmen. Sie legen das Examen ab, aber mit dem geringst möglichen Aufwand. Der Fachbereich hat sich im letzten Jahr ein halbes Dutzend Mal zusammengesetzt, um über das Problem zu sprechen und es zu lösen. Unsere Lösung bestand darin, die Prüfungsfragen interessanter für die Studierenden zu machen. Das Ergebnis unseres Herumbastelns war, dass sich nichts änderte. Wenn wir uns das nächste Mal in diesem Jahr treffen, werden wir hoffentlich anfangen, neue Möglichkeiten ins Auge zu fassen. Ist es wirklich das Examen, das uns so wichtig ist oder sind es eher andere, vitalere Erziehungsvisionen? Und teilen die Studierenden die Visionen des Lehrkörpers? Können wir zusammenkommen und unsere Visionen erkunden? Ich glaube, hier gibt es wirklich Möglichkeiten. Das ›Examen oder die Studierenden als das Problem‹ anzusehen, standen dem Erschaffen einer neuen, spannenden Erziehungserfahrung im Wege, die sowohl vom Lehrkörper als auch von den Studierenden wertgeschätzt werden wird.«

Lassen Sie uns nun überlegen, wie andere Schlüsselmerkmale des Wertschätzenden Erkundens in das tägliche Gruppenfunktionieren integriert werden können. Entdeckungen ermutigen Die traditionelle Problemfokussierung lässt Gruppen oft blind für ihre Stärken und Potenziale zurück. In dem Maße wie das »Problem« an Größe zunimmt, schwindet der Optimismus. Die Entdeckungsphase des Wertschätzenden Erkundens legt großen Wert auf positive Erfahrungen: die Entdeckung der Wurzeln des Optimismus’ in der Vergangenheit, positive Energie und ein Gefühl der Stärke. Die befreiende Kraft dieser Erkundung kann auch in das tägliche Gruppengeschehen eingeführt werden. Die Zeit kann für das Aufspüren vergangener Erfolge, von Ressourcen, die die Gruppenmitglieder mit an den Tisch brin-

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gen und/oder Zeiten, als die Gruppe effektiv funktionierte, genutzt werden. Auf diese Weise wird die Geschichte der Gruppe auch als ein Modell für das aufgezeigt, was jetzt möglich ist. Zum Beispiel kann sich eine Gruppe, die sich der Herausforderung gegenüber sieht, ein neues Produkt auf den Markt zu bringen, vergangene Produkteinführungen vergegenwärtigen und sich durch Geschichtenerzählen erinnern, wie die Ergebnisse erfolgreich erreicht wurden. Ergänzt durch Vision und Energie, werden die bedeutsamen Elemente dieser Geschichten in die Planung der neuen Produkteinführung einbezogen. Visionen erzeugen Wenn wir die Welt im Sinne von »Problemen« definieren, begrenzen wir auch die Diskussion dessen, was als »Lösungen« betrachtet werden kann. Wenn »mein Problem« in einer freiwilligen Organisation in der »Unregelmäßigkeit der Beteiligung der Freiwilligen« besteht, wird mein Fokus, Wege erhöhter Beteiligung zu finden, eingeengt. Geht man hingegen von Diskussionen der Entdeckung aus, kann die Gruppe zu einer erweiterten Vision des Erwünschten eingeladen werden: Welche Organisationsform kann man sich vor dem Hintergrund vitalisierender Beziehungserfahrungen vorstellen? Welche Arten von Aktivitäten und Herausforderungen würden bei den Teilnehmenden jetzt neue Energien freisetzen? Was würde sie fördern? Möglicherweise würden solche Visionen auch einen positiven Einfluss auf die zukünftige, aktive Teilnahme haben. Zukünfte entwerfen Bei einer Vision, die die Gruppe vitalisiert, ist es wichtig, darauf zu achten, wie sie implementiert wird. In diesem Fall unterscheiden sich die Gruppenaktivitäten, die das Wertschätzende Organisieren bevorzugt, nicht von denen der klassischen Planung. Vielleicht leitet sich der einzige bedeutsame Unterschied vom Einbeziehen ab, das vorher herausgestellt wurde. Weil Gruppenpläne sich auf viele andere auswirken, ist es zu diesem Zeitpunkt sinnvoll, die Bandbreite der Beteiligung zu erweitern. Kann die Vision in einer Weise geteilt werden, dass sie auf breiter Ebene angenommen wird? Wie können andere zur Vision beitragen, sie erweitern oder sie schärfer herausarbeiten, so dass sie Erfolg hervorbringt? Massive Anti-AIDS-Programme, die diese Epidemie besiegen sollten, waren im Wesentlichen deshalb erfolglos, weil sie darin versagt haben, die bedrohte Bevölkerung zu konsultieren. Gute Ideen für Men-

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42 | Anderson/Cooperrider/Gergen/Gergen/McNamee/Whitney schen der westlichen Kultur sind schlechte Ideen für Menschen aus anderen Kulturen. Die Herausforderung besteht darin, alle Seiten in effektiver Weise zusammenzubringen. Vermittlung absichern Es gibt eine starke Gruppentendenz, eine Aufgabe als beendet zu betrachten, sobald Entscheidungen getroffen und die Verantwortlichkeiten etabliert wurden. Vom Standpunkt des Wertschätzenden Organisierens erkennen wir jedoch an, dass jedes Gruppenmitglied an anderen Beziehungen teil hat, die Zeit und Aufmerksamkeit erfordern. Wertschätzendes Organisieren erfordert es, die Aufmerksamkeit auf die Notwendigkeit zukünftiger Diskussionspunkte zu richten, durch welche die Implementierung und die Ergebnisse abgeschätzt werden können. Diese Diskussionen können auch dazu dienen, die Gruppenmitglieder mit der Art vertraut zu machen, wie ein Plan geändert werden kann, wenn er verschiedene Sektoren der Organisation durchläuft. Die eigene Vision kann in einer Vielfalt von Arten »geformt« werden, wenn andere Gruppen ihre Potenziale verhandeln. Ergebnisse bestimmen Eine letzte Form der Aktivität, für die Wertschätzendes Organisieren wirbt, besteht darin, Ergebnisse zu reflektieren. Wir empfehlen insbesondere, dass die Gruppe zusammenkommt, nachdem ein Plan umgesetzt wurde, um seine Wirksamkeit und seinen Einfluss zu überprüfen. Dies ist teilweise ein Lernschritt: Es ist wichtig, die Art und Weise abzuschätzen, wie eine gemeinsame Vision funktioniert hat. An diesem Punkt werden jedoch auch Keime für neue Geschichten und Erzählungen gepflanzt, die zukünftigen Gruppendiskussionen Energie geben werden.

Gruppe und Organisation koordinieren Hier wollen wir die Betrachtungsebene wechseln: von spezifischen Beziehungspraktiken innerhalb einer Gruppe hin zum Funktionieren einer Gruppe innerhalb einer Organisation als Ganzem. Zwei Herausforderungen Wertschätzenden Organisierens erfordern unsere Aufmerksamkeit:

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Zur Selbstorganisation In dem Maße, wie die hier beschriebenen wertschätzenden Prozesse in Bewegung sind, finden wir, dass wir den selbst-organisierenden Prozessen sehr vertrauen können. Wenn es starke und direktiv Leitende in einer Gruppe gibt, Individuen also, die mit Autorität über das sprechen, was zu tun sei, gibt es eine Neigung, die Teilnahme der anderen abzuwürgen. Stimmen gehen verloren, dialogisches Wachstum ist beschnitten, die Begeisterung reduziert und die Teilnehmer nehmen wenig mit, um es mit anderen zu teilen. Manchmal erschöpft sich ihre Teilnahme sogar in Ablehnung. Wir finden also, dass Gruppenmitglieder über eine große Bandbreite von Situationen ihre eigene interne Organisation bilden, von ihren eigenen Ressourcen zehren und wertvolle und wichtige Entscheidungen treffen können. Wir betonen nochmals die Wichtigkeit wertschätzender Prozesse, um diese Ziele zu erreichen. Übergeordnetes Teilen In einer Hinsicht sind Gruppen, die lebendig und effektiv sind, gefährlich. Dies ist so, da sie auf enthusiastische Weise zu dem Glauben gelangen können, hinsichtlich ihrer Entscheidungen »im Recht« zu sein. Sie sehen sich selbst als »die Autorität« über alle anderen an, die weiß, was getan werden muss. In diesem Sinne kann eine Gruppe in der selben geistig verschlossenen Art fungieren, wie sie oft die Leitenden der Organisationen älteren Stils auszeichnete. Es gibt Mittel, diese Tendenz der Kristallisierung der Gruppenrealitäten auszugleichen. Stimmen von außerhalb einzubringen, ist ein wichtiger Schritt. In anderen Kapiteln dieses Buches haben wir die Notwendigkeit betont, vielfältige und konfligierende Standpunkte lebendig zu halten, so dass eine vollständige Stabilität niemals erreicht wird. Im letzten Abschnitt werden wir den Wert der Ambiguität behandeln.

Praxisbeispiel: In einer weltweit agierenden Organisation, in der wir beratend tätig waren, waren die ranghöheren Geschäftsführer tief besorgt über den Mangel an Koordination zwischen der Muttergesellschaft und ihren nachrangigen Ablegern, die über 50 Länder verstreut waren. Viele der Tochtergesellschaften liefen nach Einschätzung des lokalen Managements gut und erfüllten die Pläne. Manchmal missachteten die Filialen dabei sogar die Direktiven der Muttergesellschaft, da sie fanden, dass diese die ortsgebundenen Gegebenheiten nicht verstand. Die Geschäftsführer der Muttergesell-

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schaft fanden ihrerseits, dass die Tochtergesellschaften sich zu provinzlerisch verhielten und das vollständige Geschäftskonzept nicht verstanden. Beeinflusst durch Wertschätzendes Denken, fokussierte der Beratungsprozess auf die weit gefächerten Teile »der besten Kommunikationspraktiken« zwischen Mutter- und Tochtergesellschaften. Es wurden Pläne angestoßen, Handlungsweisen zu entwickeln, die auf diesen Praktiken beruhten.

Nach unserer Auffassung klappt Selbstorganisation am besten, wenn Menschen von gemeinsamen Zielen und Visionen geleitet werden. Sobald diese Gemeinsamkeit besteht, könnten wir sagen, dass jede Gruppe auf jeglicher Stufe innerhalb einer Organisation sich in jeglicher Weise selbst organisieren und die Praktiken anwenden kann, die sie bevorzugt. Solange ihre Visionen konsistent mit den übergeordneten Zielen und Visionen sind, besteht Veranlassung zu vertrauen. Die Entwicklung und das Teilen übergeordneter Visionen stellt eine besondere Herausforderung dar und kann in diesem Kontext nicht vollständig behandelt werden. Die Diskussion, die folgt, enthält jedoch viel von dem, was wir spannend finden.

Gesamtgruppen organisieren: Der Wertschätzende Erkundungsgipfel13 Stellen Sie sich 2.500 Menschen auf einem Strategieplanungstreffen höchster Ebene vor, nicht nur, um etwas abzusegnen, das bereits vorgeplant wurde, sondern um gemeinsam und interaktiv eine neue Strategie, Vision, Richtung und Veränderung zu ko-konstruieren. Dies würde niemals bei traditionellen Organisationsmodellen vorkommen, bei denen das Erstellen einer Strategie einen Prozess von oben nach unten darstellt. Die meisten Unternehmen führen Strategieplanungssitzungen mit einer kleinen Gruppe von Menschen durch – üblicherweise ist das die Spitze der Organisation. Von höchster Ebene verfasst und geplant, wird die Veränderung als »kommunikatives Ausrollen« initiiert und die Ebenen nach unten durchgedrückt. Diese Art des Kleingruppenentscheidungsprozesses basiert auf der Annahme, dass hinsichtlich der Größe die effektivste Gruppe aus sechs bis acht Leuten besteht. Aber dieser Ansatz gestattet die Frage: effektiv für was? Wenn die Idee darin besteht, die Barrieren zwischen den Abteilungen und Organisationseinheiten niederzureißen, ist eine Gruppe der

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Größe von 150 für eine Strategieplanung über drei Tage effektiver als eine Gruppe von sechs bis acht Personen. Wenn man die kollektive Intelligenz eines gesamten Systems nutzbar machen möchte, ist vielleicht sogar eine Gruppe von mehr als 500 Leuten effektiver. Und wenn das Ziel darin besteht, einen strategischen Plan zu entwickeln, der nicht in der Implementierung stecken bleibt, ist möglicherweise eine Gruppe von mehr als 1.000 Leuten die effektivste Lösung. Dies sind einige der Annahmen, die sich hinter der Großgruppenmethode, die sich »Wertschätzender Erkundungsgipfel« nennt, verbergen. Es ist eine Planungsmethode, die an irgendeinem Ort zwischen 25 und 2.500 Leuten zusammen bringt, die sich von Angesicht zu Angesicht in einer Sitzung von drei bis vier Tagen begegnen. Die Großgruppenplanung in Form des Wertschätzenden Erkundungsgipfels (oder ein ähnlicher Prozess wie die Zukunftskonferenz) ist eine der aufregendsten Entwicklungen unserer jüngsten Erfahrungen. Und ihre Ergebnisse sind dramatisch. Der Schlüssel zum Erfolg scheint in der Grenzüberschreitung zu liegen, im Zusammenbringen von Menschen jeglicher Ebene und Funktion sowie jeglicher Interessengruppe, in die auch Nutzer einbezogen werden, die Interesse an externen Partnerorganisationen haben. Was wir herausgefunden haben, ist, dass das Beste im Menschen zum Vorschein kommt, wenn sie die Ganzheit und Vollstimmigkeit des Systems erfahren, dessen Teil sie sind: Die Fähigkeit zum Dialog erhöht sich, kreatives Visionieren verbessert sich, eine bessere Geschäftslogik wird erzeugt und eine gewaltige Energie freigesetzt. Wertschätzende Erkundungsgipfel wurden weltweit in Fabriken, High-Tech-Unternehmen, Verbraucherorganisationen, medizinischen Zentren und Universitäten durchgeführt. Sie wurden genutzt, um den Durchbruch gewerkschaftlichen Partnerschaftsmanagements zu bewerkstelligen, strategische Allianzen zwischen verschiedenen Unternehmen zu formieren, eine jährliche Strategieplanung durchzuführen und als offenes Forum für kulturelle Veränderung zu dienen.

Praxisbeispiel: Bei Nutrimental Foods in Brasilien wurde die Fabrik für vier Tage geschlossen, um die 750 Beschäftigten mit Kunden und Zulieferern zusammenzubringen, um eine neue Geschäftsvision zu entwickeln. Ein Jahr später war der Gewinn um 200 % gestiegen, die Abwesenheit vom Arbeitsplatz um 300 % gesunken und das Unternehmen führt diese Art des

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Gipfels nun jedes Jahr durch! Dasselbe passierte bei Roadway Express, dem zweitgrößten Transportunternehmen der USA. Über zwei Jahre brachte Roadway über 200 Menschen für drei Tage in ihrer Chicago Heights Station zum strategischen Dialog zusammen. Obwohl es den Rahmen dieser Abhandlung überschreitet, das »wie« zu beschreiben, ist es wichtig, hervorzuheben, dass diese Treffen sich aus Dockarbeitern, Gewerkschaftsführern, Bereichsmanagern, Kunden, LKW-Fahrern und Mitarbeitern anderer Unternehmen zusammensetzte. In diesem Fall wurde der Durchbruch dadurch erreicht, dass über 50 Jahre feindlicher Beziehungen aufgegeben wurden. Jeder wurde eingeladen, sich an der Analyse der höchsten Ebene der Buchhaltung zu beteiligen, zu Veränderungen an der Auslieferungsanlage der Kundenprodukte beizutragen, eine neue Partnerschaft zwischen Gewerkschaft und Betriebsleitung zu konzipieren und die Pläne für das Betriebskapital sowie die Entscheidungsgremien des Unternehmens neu zu entwerfen.

Der Wertschätzende Erkundungsgipfel lässt die relationale Basis des Organisationslebens scharf hervortreten. Organisationen sind in erster Linie und vor allen Dingen Zentren menschlicher Bezogenheit. Beziehungen werden an Stellen lebendig, wo es ein wertschätzendes Auge gibt, wenn Menschen das Beste im jeweils anderen und im Ganzen sehen, wenn sie ihre Träume und unmittelbare Betroffenheiten auf bestätigende Weise teilen und wenn sie vollstimmig miteinander verbunden sind, um nicht nur neue Welten hervorzubringen, sondern auch bessere. Indem man dafür sorgt, dass jede Stimme gehört werden kann, wird ein belebender Prozess in Gang gesetzt.

5. Von der Bewertung zur Wertschätzung Die Bewertung individueller Leistung war ein nicht hinterfragter Teil organisationalen Lebens. Rituale der Bewertung werden nicht nur erwartet und regelmäßig durchgeführt, sondern sie werden auch typischerweise gefordert. Wie anders, fragen wir, können wir wissen, dass Individuen zum Auftrag der Organisation beitragen? Tatsächlich glauben wir, dass viele Individuen weniger motiviert wären und die Qualität ihrer Arbeit nachlassen würde, wenn wir die Bewertung abschaffen würden. Aber wie zutreffend ist diese Annahme? Stimmt es, dass die

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Leistung ohne ihre individuelle Einschätzung wirklich nachlassen würde? Ist es möglich, dass die Einschätzung der effektiven Leistung sogar schadet? Betrachten wir die Auswirkungen der individuellen Einschätzung auf den Organisationsprozess: • Angst vor Bewertung: Wenn wir uns Sorgen um die Bewertung durch andere machen, bringen wir möglicherweise nur solche Dinge zum Ausdruck, die Anerkennung finden, Sichtweisen, die oft nur die Meinung der Leute kopieren, die uns bewerten. • Da unsere Welt sozial konstruiert ist, ist unser Wohlergehen in Gefahr, wenn wir bewertet werden. Auf diese Weise ermutigen uns Bewertungen, zuerst nach uns selbst zu sehen. Was gut für Beziehungen oder die Organisation ist, wird zweitrangig. • »Andere als Bedrohung«: Individuelle Bewertung stimuliert den Sinn für Wettbewerb. Auf diese Weise können die guten Leistungen anderer als bedrohlich angesehen werden. Was passiert, wenn andere besser bewertet werden, als man selbst? Wenn man sich durch andere bedroht fühlt, könnte man sogar versuchen, sie zu behindern. • »Ich bin autonom«: Individuelle Bewertung betont die individuelle Autonomie. »Es ist das Ich, das letztlich Entscheidungen treffen und autonom handeln muss«, glauben wir allmählich. Die Meinung anderer zu akzeptieren legt dann nahe, dass man zu schwach ist, für sich selbst zu denken. Die Tradition der individuellen Bewertung untergräbt den wertschätzenden Prozess und seine Möglichkeiten. Wertschätzendes Organisieren hängt fundamental von der Achtung der Sichtweisen der anderen ab. Daher schlagen wir einen entscheidenden Wechsel in der organisationalen Haltung vor, nämlich den Wechsel vom Bewerten zur Wertschätzung. Der Begriff »Bewertung« bedeutet, »einen Wert zu fixieren oder festzustellen; die Bedeutung, die Wichtigkeit oder die Bedingung von etwas zu bestimmen«. Es bedeutet, dass wir uns immer in einem Mangel wiederfinden – dem Mangel an Perfektion. Beim Wertschätzen liegt die Betonung jedoch auf dem, was geschätzt wird. Wenn wir von anderen geschätzt werden, • kommunizieren wir offen und begeistert; Meinungen, Ideen und Information zirkulieren frei, verschiedenartige Ideen werden integriert,

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48 | Anderson/Cooperrider/Gergen/Gergen/McNamee/Whitney und die Organisation wird flexibel und kreativ im Angesicht ständigen Wandels, • gibt es einen Grund für engagierte Teilnahme, für Verpflichtung und die Motivation, bei der Arbeit mehr als nur das Nötigste zu tun, • trauen wir anderen und schätzen sie und • sind wir eher bereit, Risiken einzugehen. Was bedeutet der Wechsel von der Bewertung zur Wertschätzung hinsichtlich der Praxis? Wie wir es sehen, wird dadurch in zwei großen Bereichen für Innovation geworben: dem Wertschätzen von Personen und dem Wertschätzen von Beziehungen.

Personen wertschätzen Personen wertzuschätzen, ermutigt kooperative und kreative Teilnahme am Leben in der Organisation. Diese Teilnahme ist dann maximal, wenn jeder sich von anderen gewürdigt und geschätzt fühlt. Im Folgenden werden einige der Praktiken dargestellt, die nach unserer Erfahrung für eine Organisation nutzbringend sind und es ermöglichen, Schritte in diese Richtung zu gehen: • Mitglieder einer Organisation einladen zu berichten, was sie gut in ihrem Job machen und was ihnen Spaß macht. Regelmäßiges Fragen dieser Art sorgt dafür, dass der Nutzen der Wertschätzung für das Individuum und seine Beiträge für die Organisation vorrangig bleiben. • Gleichgestellte Kolleginnen und Kollegen sowie Vorgesetzte danach fragen, was der Einzelne am besten macht und welchen Beitrag er für die Organisation leistet. Teilen Sie diese Meinungen dem Einzelnen mit. Zu verstehen, wie die Mitglieder einer Organisation ihre eigene Gegenwart wechselseitig schätzen, kann eine enorme Wirkung haben. Bedenken Sie den Unterschied zwischen umfassender Wertschätzung und Bewertung! • Kollektive Formen der Anerkennung entwerfen, in der die Organisation einzelne Individuen für ihre Beiträge auszeichnet. Die Ehrung als Angestellter des Monats dient diesem Zweck. • Die Einzelnen bitten, die Talente und Stärken zu artikulieren, die sie in die Organisation einbringen, und zu überlegen, wie man sie am besten in der Arbeit nutzen kann.

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• In Gruppen diskutieren, wie sich die Einzelnen am besten unterstützen können, um Leistungs- und Operationsziele zu erreichen. Hier werden die Individuen für die Art, wie sie mit anderen zusammenarbeiten können und wie sie sie wertschätzen können, sensibilisiert. • Individuen bitten, zu beschreiben, wie sie von anderen, mit denen sie eng zusammenarbeiten, unterstützt werden. Wenn diese Beschreibungen anderen mitgeteilt werden, tragen sie zu produktiven Bindungen und zur Möglichkeit bei, andere ständig zu unterstützen. • Das Anerkennen der Zeit, die innerhalb einer Organisation gebraucht wurde, positive Beziehungen über Ebenen, Abteilungen und Orte hinweg herzustellen, ist wertvoll für die Gesamtorganisation. Können wir es wagen, Bewertungsrituale durch solche der Wertschätzung zu ersetzten? Hier stellt sich der Skeptiker die Frage: »Bei aller Betonung der Wertschätzung – wie werden die Leute ihre Mängel kennen lernen, jene Leistungsaspekte, die verbessert werden müssen?« Das ist eine gute Frage. Der Einwand macht deutlich, dass Bewertungsrituale aus der Distanz und aus Misstrauen heraus geboren werden. Sie informieren eine Person darüber, dass er oder sie nicht wirklich akzeptiert wird und dass ständige Überprüfung notwendig ist. Im Gegensatz dazu lädt die Wertschätzung das Individuum in eine Beziehung des Vertrauens und der Sicherheit ein. Nach unserer Erfahrung locken Beziehungen dieser Art das Beste der Menschen hervor. Wenn Individuen wertgeschätzt werden, neigen sie eher dazu, sensibel gegenüber den Bedürfnissen und Wünschen derjenigen zu sein, mit denen sie zusammenarbeiten. Sie werden selbst herausfinden, wie sie in den Augen der anderen Mängel aufweisen, weil sie sich um die anderen kümmern. Anstatt auf Bewertung widerspenstig und ärgerlich zu reagieren, werden sie selbst danach trachten, ihre Defizite zu korrigieren. Mit anderen Worten: Belohnungen bringen fast immer bessere Ergebnisse hervor als Bestrafungen. Ist es daher nicht wert, das Risiko einzugehen, sich innerhalb Organisationsbeziehungen auf eine wertschätzende Haltung hin zu bewegen?

Praxisbeispiel: Vor kurzem arbeitete ein Konsultationsteam mit einem Unternehmen zusammen, das kurz zuvor fusioniert hatte. Der neue Generaldirektor, ein Mann mit enormem Schwung und Antrieb, der von einigen Mitarbeitern willkommen geheißen und von anderen als Bedrohung ange-

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sehen wurde, wollte die Beziehungen zwischen den Gruppen verbessern. Er bat das Konsultationsteam, einen Rahmen zu schaffen, in dem neue Gespräche über die Zukunft des Unternehmens gefördert werden sollten. Die Sitzung begann mit der Bitte an die Teilnehmenden, eine Geschichte beruflichen Erfolges erzählten. Der Erfolg konnte groß oder klein sein, bedeutsam oder unbedeutend, solange er einen Moment in ihrem beruflichen Leben darstellte, in dem sie sich in ihrer Arbeit wohl fühlten. Nachdem Geschichten in Kleingruppen erzählt wurden, kam das Team zusammen, um sie zu diskutieren. Als sie einander so zuhörten, begannen sie zu erzählen, wie sie sich wechselseitig wertschätzten. Sie waren auch der Ansicht, dass mehr Feste, bei denen sie ihre Leistungen feiern könnten, wertvoll für die Produktivkräfte der Organisation sein würden. Sie schlossen daraus, dass sie gerne zusammenarbeiteten und dass sie sich bemühten, etwas zu erwerben, das sie »Teamhaltung« nannten. Als Ergebnis des Wertschätzenden Prozesses waren sie in der Lage, ein Forum des Vertrauens zu erzeugen, dem neue Organisationsmöglichkeiten entspringen konnten.14

Beziehungen wertschätzen Traditionelle Bewertung fokussiert auf die Kompetenzen des Individuums. Wir schlagen die Sichtweise vor, dass die Realitäten der Organisation, ihre Rationalitäten und die Motivation aus den Beziehungen erwachsen, die das Taufbecken für alles darstellen, das für das Individuum bedeutsam und wertvoll ist. Deshalb ist es wichtig, dass sich der Prozess des Wertschätzens auf Beziehungen innerhalb der Organisation zentriert. Hier stellen wir eine Reihe von Praktiken vor, die auf unserer Erfahrung beruhen und diesem Ziel dienen: • Individuen, die zusammenarbeiten, dazu einladen, dass sie ihre Geschichten über erfolgreiche Erfahrungen in Gruppen, in denen sie gearbeitet haben, erzählen und berichten, wie diese Gruppen erfolgreich waren. Laden Sie zu Diskussionen darüber ein, wie die derzeitige Gruppe die Ideale, die in den Geschichten eingebettet sind, realisieren kann! • Kollegen und Kolleginnen dazu einladen, ihre Visionen über ideale Beziehungen innerhalb der Gruppe zu erzählen, und zwar über solche Formen von Beziehungen, die ein optimales Funktionieren er-

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möglichen. Laden Sie die Gruppe dazu ein, zu erkunden, wie sie diese Ideale in Handlungen umsetzen kann! Paare von Individuen, die zusammen arbeiten, dazu einladen, einzuschätzen, wie ihre Beziehung am besten funktioniert. Wann ist die Beziehung am produktivsten? Wie könnten sie Wege finden, diese Zeiten auf eine konstantere Weise herbeizuführen und eine umfassende relationale Wertschätzung in Betracht zu ziehen? Leute dazu einladen zu beschreiben, was sie als Mitglied einer Arbeitsgruppe oder einer Abteilung einer Organisation besonders lobenswert finden. Diese Wertschätzungen mit anderen Mitgliedern der Gruppe teilen. Leute dazu einladen zu betrachten, wie sie als Gruppe funktionieren; unter welchen Umständen gedeiht die Gruppe, unter welchen Umständen ist sie bedroht? Gruppen dazu einladen, außergewöhnliches Funktionieren der Gruppe kollektiv anzuerkennen. Zum Beispiel die Ankündigung der »Angestellten des Monats« durch die Ankündigung der »Gruppe des Monats« ergänzen.

Zusammengefasst gibt es eine Vielzahl von Praktiken, die es einer Organisation ermöglichen, von der Bewertungsorientierung zu der Wertschätzung von Individuen und Beziehungen, von denen die Individuen ein Teil sind, zu wechseln. Wir würden uns freuen, von Erfahrungen der Leserinnen und Leser dieses Buches zu hören. Dies können Erfahrungen mit Praktiken sein, die hier vorgestellt wurden, oder solche, die sie selbst erfunden haben. Die Perspektiven sind weit und aufregend.

6. Organisation im Kontext: Vom Feindlichen zum Wertschätzenden Traditionellerweise treffen wir eine klare Unterscheidung zwischen der Organisation und der externen Welt, zwischen dem »Innen« und »Außen«. Für bestimmte Zwecke ist dies sicher eine nützliche Unterscheidung. Dies ist jedoch nicht immer der Fall. Die Unterscheidung zwischen »uns« und »ihnen« erzeugt auch gegnerische Beziehungen. So werden wir in Praktiken der Verdächtigung und der Verteidigung hineingezogen. Für bestimmte Zwecke ist es aber lebenswichtig, die Unterscheidung zu verwischen. Lassen Sie uns Folgendes überlegen:

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52 | Anderson/Cooperrider/Gergen/Gergen/McNamee/Whitney • Jedes Mitglied einer Organisation nimmt auch an anderen Beziehungen außerhalb der Organisation teil. Die Teilnehmenden sind nur teilweise »in« der Organisation. Beziehungen innerhalb der Organisation machen einen Unterschied zu dem, was außerhalb der Organisation passiert, und umgekehrt. • Für den Erfolg einer Organisation ist es lebenswichtig, am Fluss der Meinungen, Haltungen und Handlungen außerhalb beteiligt zu sein. Wenn letztere nicht ernst genommen und vom Leben der Organisation aufgenommen werden, kann die Organisation nicht überleben. Tatsächlich sind Organisation und Umwelt tiefgründig miteinander verwoben. Es ist wesentlich, dieses ausgedehnte Feld der Beziehung zu fördern. Wenn wir uns diesen Beziehungen wertschätzend annähern, verbessern wir ihre Koordination. Wenn wir wertschätzend handeln, bewegt sich die Organisation nicht gegen eine andersartig und widerspenstig erscheinende Welt, sondern in einer Weise mit dieser Welt, dass beide davon einen Vorteil haben.

Schritte zur kontextuellen Koordination Wie kann der wertschätzende Prozess auf Außenbeziehungen ausgedehnt werden? Wenn wir Folgendes vorschlagen, zehren wir von unserer Erfahrung. Wertschätzendes Zuhören Als erster Schritt in Richtung Koordination ist es wichtig, so viele Kommunikationskanäle wie möglich zu öffnen. Auf diese Weise beginnen wir, das Meer von Bedeutungen wertzuschätzen, in dem die Organisation lebt. Wir beginnen zu erkennen, in welcher Weise die Organisation der Gemeinschaft außerhalb zuhört: denjenigen, denen sie dient; denjenigen, die die Familien der Beschäftigten versorgen; der unmittelbaren Gemeinde, die sie umgibt; dem Geschäftsumfeld, den protestierenden Aktivisten, Lobbyisten, den öffentlichen Meinungsmachern, den Machern der Regierungspolitik und sogar der globalen Gemeinschaft im Allgemeinen. Während die Kommunikationskanäle geöffnet werden, ist es wichtig, damit zu beginnen, eine Gewohnheit des Zuhörens auszubilden: die Gewohnheit des Wertschätzenden Zuhörens. Wir haben bereits stark ausgebildete Gewohnheiten des Bewertenden Zuhörens, indem wir uns fragen, ob dies oder jenes korrekt sei, ob wir das, was gesagt wurde,

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mögen oder nicht usw. Wenn wir jedoch wertschätzend zuhören, bemühen wir uns zu verstehen, warum es für Menschen wichtig ist, sich genau in der Weise auszudrücken, wie sie es tun: Welches Interesse haben sie, welche Werte und Traditionen werden repräsentiert? Durch Wertschätzendes Zuhören gewinnen wir einen Sinn für die Legitimität dessen, was gesagt wird, vom Standpunkt desjenigen, der es sagt. Wertschätzendes Zuhören hat sich bereits die Charakteristika des positiven Zuhörens, das wir früher beschrieben haben, einverleibt. Das Ergebnis ist eine Art Respekt, aus welchem Koordination erwachsen kann. Transformativer Dialog Eine Haltung Wertschätzenden Zuhörens sollte idealerweise mit dem Versuch gepaart sein, die Visionen und Grundprinzipien, die eine Organisation leiten, nach außen zu kommunizieren. Viele Organisationen tun dies durch Informationen oder Werbekampagnen (bekannt als Public Relations). Während die Kampagnen vom Potenzial her positiv sind, sind sie doch sehr begrenzt. Die Menschen nehmen im Allgemeinen an, dass die Organisation ihr Gesicht für die Öffentlichkeit aufpoliert und ihre Fehler versteckt. Öffentlichen Verlautbarungen kann nicht vollständig getraut werden. Unsere Empfehlung besteht darin, wo immer möglich produktive Dialoge zu verfolgen. Im Transformativen Dialog treffen sich das Innere und das Äußere in einer Weise, die wechselseitiges Verständnis und Wertschätzung fördert. Sichtweisen können erkundet, ihre Bedeutung enthüllt und Neuland betreten werden. Es ist wichtig, dass die Meinungen und Ideen im Kontext verstanden werden; sie gehören ganzheitlich zum jeweiligen Menschen.

Praxisbeispiel: Wir können die Ergebnisse Transformativen Dialogs am Beispiel einer europäischen Organisation, die von der Presse attackiert wurde, aufzeigen. Jedes Mal, wenn die Organisation versuchte, sich öffentlich zu verteidigen, wurden Mängel von der Presse festgestellt und die Attacken intensiviert. Dann jedoch luden Vertreter des Unternehmens Pressemitglieder ein, ihre interne Sitzung zu besuchen, bei der es um den umstrittenen Sachverhalt ging und bei der ein Meinungsaustausch über kritische Fragen stattfinden sollte. Das Ergebnis war, dass die Presse den Respekt und das Vertrauen der Organisation erwarb, so dass ihre Kritiken ernst genommen wurden.

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54 | Anderson/Cooperrider/Gergen/Gergen/McNamee/Whitney Antagonismus in Zusammenarbeit umwandeln Jede Organisation wird Personen benennen können, die sich bezüglich ihrer Bemühungen antagonistisch zeigen. Sich in einer solchen Weise auszudrücken, sollte nicht abgewertet werden. Sie ist teilweise nützlich, da sie eine Organisation auf ihre verletzlichen Stellen hinweisen können. Aber anstatt Antagonismus einfach nur anzuerkennen und die Gründe für sein Existieren zu würdigen, sollten Anstrengungen unternommen werden, zu lebenstüchtigeren Beziehungsformen zu gelangen – nicht gegen, sondern mit ihm. Manchmal kann durch die Art produktiven Dialogs, wie er gerade beschrieben wurde, zu einer Bewegung hin zu solchen Beziehungsformen einladen. Wertschätzendes Befragen kann ein besonders effektives Mittel sein, um Antagonismus in Zusammenarbeit umzuwandeln. Hier gibt es keine Grenze für kreatives Potenzial.

Praxisbeispiel: In einem beeindruckenden Fall wurde eine Organisation wegen bestimmter Forschungsmethoden von einer Anti-Vivisektionsgruppe verurteilt und von Streikposten umstellt. Es gab keine Möglichkeit, zu einer Übereinstimmung hinsichtlich der grundsätzlichen Ideen, um die es ging, zu kommen. Anstatt jedoch größeren Antagonismus anzuheizen, lud die Organisation die Demonstrationsgruppe ein, mit ihr gemeinsam eine öffentliche Ausstellung zu veranstalten, in der beide Seiten der Angelegenheit dargestellt werden konnten. So konnte Antagonismus durch wechselseitiges Erkunden ersetzt werden. Die Mitglieder der beiden Gruppen arbeiteten auch effektiv und wertschätzend zusammen. Was noch wichtig war: Später entwickelte die Organisation eine interne Gruppe, die die Sichtweisen der Demonstranten in ihren Sitzungen repräsentierte.

Ambiguität wertschätzen In einer traditionellen Organisation wird höchster Wert auf Klarheit gelegt: klare Ziele, Strategien und Politik. In der Wertschätzenden Organisation beginnen wir, den Wert der Ambiguität schätzen zu lernen. Zum Beispiel wird das Ausdrücken von Meinungen und Werten von innerhalb und außerhalb der Organisation unvermeidlich zu Konflikten führen; die Mahlzeit des einen ist das Gift des anderen. Indem wir die Wertschätzung der Ambiguität kultivieren, bleiben wir sensibel für die Weise, wie verschiedene Ziele, Strategien und politische Linien potenziell begrenzt sind. So sind wir besser für eine Zukunft vorbereitet, die

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sich in nicht vorhersehbarer Weise entwickeln wird. Die Meinungen von Minderheiten können hervortreten, und wir hören willentlich und neugierig zu, wie sich das Klima der Meinungen entfaltet. Mag sein, dass wir möchten, dass ein Programm klar dargestellt wird, aber wir verstehen, dass diese Klarheit eine notwendige Vereinfachung darstellt, die vorläufig nützlich ist.

Praxisbeispiel: Wir haben die Effizienz der Kultivierung der Wertschätzung für Ambiguität in mehreren Organisationen kennen gelernt. Es ist zum Beispiel typisch für pharmazeutische Unternehmen, miteinander um Marktanteile zu konkurrieren. Bei einem Unternehmen konnten wir jedoch feststellen, dass sie ihre Konkurrenten zu kooperativen Diskussionen über die Beziehung zwischen der Pharmaindustrie und der Regulierungsbehörde der Regierung einlud. Zusammenarbeit und Wettbewerb gingen Hand in Hand. Wir haben auch ein Unternehmen beobachtet, das verschiedene politische Linien in verschiedenen Ländern verfolgte, wenn es mit schwierigen politischen Fragen konfrontiert wurde. So haben zwei politische Linien die eindimensionale Option ersetzt.

Globale Beziehungen Es wird viele Organisationen geben, die davon profitieren, dass sie die wertschätzende Haltung des Organisierens auf globale Beziehungen im Allgemeinen ausdehnen. Wir glauben tatsächlich, dass das Wertschätzende Organisieren im Rahmen globaler Beziehungen ihre größten Effekte erzielen kann. Es gibt eine starke Tendenz bei Muttergesellschaften, sich selbst als »allwissende Autoritäten« zu sehen. Dadurch werden Stimmen, die von anderen Teilen der Welt kommen, zum Schweigen gebracht, und engagierte Beteiligung wird sabotiert. Die Art der Prozesse, die wir in diesem Buch entworfen haben, führen im Gegensatz dazu zur vollstimmigen Organisation, die besonders mit Vitalität und Effizienz im neuen globalen Kontext ausgestattet ist. Natürlich sind heutzutage elektronische Beziehungen entscheidend, globale Organisationen aufrecht zu erhalten. Arten des Wertschätzenden Organisierens müssen entsprechend verändert werden. Der Mangel von Beziehungen von Angesicht zu Angesicht stellt in diesen Kontexten eine spezielle Herausforderung dar. Nonverbale Signale, die wichtige Anzeichen von Gefühlen transportieren, können entscheidend sein für

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56 | Anderson/Cooperrider/Gergen/Gergen/McNamee/Whitney den Ausdruck von Wert und Bestätigung. Wir sind der festen Überzeugung, dass alle Formen des Organisierens durch eine bedeutsame Von-Angesicht-zu-Angesicht-Komponente ergänzt werden sollte; dies betrifft vor allem globale Formen, in denen kulturelle Unterschiede vergrößert erscheinen und die Gefahr für Missverständnisse erhöht ist.

Praxisbeispiel: Organisationen bemühen sich um die Frage, wie sie den Austausch unterschiedlicher Sichtweisen erleichtern können. Schritt eins besteht darin, Gelegenheiten zu schaffen, dass sich Menschen direkt begegnen können. Es ist fast mysteriös, wie sich das Interagieren in alltäglichen Aktivitäten positiv darauf auswirkt, wie sie sich später aufeinander beziehen – zum Beispiel über das Internet, Telefon oder andere Kommunikationsmittel. Ein Forschungsprojekt, das an der University of Michigan School of Business durchgeführt wurde, zeigte, dass Mitglieder verschiedener Teams, die sich am Anfang der Teambildung trafen, später wesentlich produktiver hinsichtlich ihrer Aufgabenstellung arbeiteten als diejenigen, die sich vorher nicht trafen. Durch das Sprechen über Alltagsangelegenheiten, gemeinsame Mahlzeiten, gemeinsame Freizeitaktivitäten oder einfach nur gemeinsames Beisammensein scheinen Menschen Vertrauen und gemeinsame Ziele zu entwickeln und sich miteinander zu identifizieren. Diese Gefühle schmieren die Zahnräder zukünftiger Beziehungen. Die Person, die Ihren Kunstgeschmack oder Ihre Sportbegeisterung teilt, die Ihnen in einer schwierigen Situation half oder mit einer Sonnenschutzlotion aushalf, kann als vertrauenswürdiges Teammitglied angesehen werden, selbst wenn die Ansichten hinsichtlich bestimmter Themen auseinander gehen. Anstatt jemanden einen üblen Kerl zu nennen, kann man sagen, er oder sie falle etwas aus dem Rahmen. Hier kann der produktive Dialog beginnen.

Wir finden es auch sinnvoll, in globalen Kontexten von Wissensnetzen zu sprechen: das sind breit gestreute Gespräche, die kontinuierlich neues Wissen und Einsichten hervorbringen. Es gibt ein Sinti-Sprichwort, das lautet: »Geschichten haben Flügel und sie fliegen von einer Bergspitze zur anderen.« Nicht nur Geschichten haben solche Fähigkeiten, sondern auch Slogans, Volkslieder, visuelle Bilder und gute Ideen. Wenn Kreativität aus der neuen Zusammensetzung zweier oder mehrerer Elemente resultiert, dann ist das Wissensnetz eine enorme Quelle für kreatives Potenzial. Lebenstüchtigkeit und Fähigkeit der Koordination

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einer globalen Organisation können sehr wohl von der Beteiligung an erweiterten Wissensnetzen abhängen. Zusammengefasst verlangt der Übergang von der Orientierung an der Feindseligkeit hin zur Wertschätzenden Orientierung innerhalb des Lebens einer Organisation von uns, die Unterscheidung zwischen »Innen-« und »Außenbeziehungen« zu verwischen. Beide sind miteinander verwoben und wechselseitig voneinander abhängig. Wertschätzende Organisationen erlauben transformativen und produktiven Dialogen, wechselseitiges Verständnis und Gespräche zu fördern. Diese wiederum bringen den Nutzen erweiterter Zusammenarbeit hervor.

7. Ein Angebot zum Schluss Während sich das 21. Jahrhundert entfaltet, wird der Ruf nach Wertschätzendem Organisieren stärker. Neue Formen der Zusammenarbeit und das Gefühl dafür, dass unsere Arbeit bedeutsam, wertvoll und wesentlich ist, werden in neue Organisationsformen eingebettet. Wir, die Autorinnen und Autoren, bieten die Ressourcen in diesem Buch nicht als fixierte und endgültige Verkündigungen Wertschätzenden Organisierens an. Sie sollten vielmehr als Beratungsangebote und Einladungen zum Handeln angesehen werden. Jede Organisation ist einzigartig, und die Bedingungen des Organisationslebens sind ständig in Bewegung. Wir hoffen jedoch, dass diese Angebote selbst wertschätzend wirken und dem Organisationsleben Hoffnung und Begeisterung verleihen. Aufgrund unserer eigenen Erfahrungen glauben wir, dass die dargestellten Ressourcen Sensibilitäten erhöhen und viel versprechende Handlungslinien nahe legen. Und am allerwichtigsten: Diese Aktionen können eine Art der Flexibilität und Koordination verkörpern, die die Lebenskraft und Überlebensfähigkeit von Individuen und Organisationen erhält. Übersetzung: Klaus G. Deissler, Marburg

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Anmerkungen 1 | Der Text erschien erstmalig 2001 unter dem Titel »The Appreciative Organization« (Focus Book Series, Taos Institute Publications). 2 | Die Autorinnen und Autoren dieses Aufsatzes sind die Gründerinnen und Gründer des Taos-Instituts (vgl. Anm. 11). 3 | Hervorhebung vom Übersetzer. 4 | Hervorhebung vom Übersetzer. 5 | »Ersatz« im amerikanischen Original (Anm. des Übersetzers). 6 | Die Frage, warum hier von »Kollaboration« im Unterschied zu »Kooperation« gesprochen wird, wurde im Vorwort des Herausgebers diskutiert (Anm. d. Übersetzers). 7 | Um mehr über Leitungspraktiken zu erfahren, die zum Wertschätzenden Organisieren beitragen, siehe den weiteren Beitrag zu unserer FocusBuchserie: Schiller, M./Holland, B.M./ Riley, D. (Hg.). (2001): Appreciative Leaders. In the Eye of the Beholder (http://www.taosinstitute.net/publishing/publi shing.html). 8 | Vom Übersetzer hinzugefügt. 9 | Über Sinn und Unsinn der Übersetzung des »Appreciative Inquiry« (AI) ins Deutsche wurde viel geschrieben und diskutiert. M.E. tut man der Verbreitung dieses »Verfahrens« keinen Gefallen, wenn man die amerikanische Bezeichnung beibehält (wie dies viele Autoren vorschlagen): Selbst für viele versierte Englisch sprechende Deutsche bleibt dieser Begriff ein Zungenbrecher – zumal die amerikanische Aussprache sich von der Englischen nochmals unterscheidet … Ich ziehe es vor, AI mit »Wertschätzendem Erkunden« (WE) zu übersetzen, da es den Prozesscharakter der Aktivität mehr betont als der Begriff »Erkundung«. Die spezifische Methode, die innerhalb des Wertschätzenden Erkundens angewandt wird und sich auf wechselseitiges Interviewen bezieht und im Amerikanischen ebenfalls als AI bezeichnet wird, übersetze ich als »Wertschätzendes Befragen«, da es sich dabei um Wertschätzendes Erkunden im engeren Sinne handelt (Anm. d. Übersetzers). 10 | Im Deutschen würden wir eher »non-profit« sagen (Anm. d. Übersetzers). 11 | Siehe http://www.taosinstitute.net für erhältliche Bücher und Artikel. 12 | Hervorhebung vom Übersetzer. 13 | Engl.: AI-Summit. 14 | Die Beraterinnen Diana Whitney und Amanda Trosten-Bloom haben dieses Projekt und den Ansatz des Wertschätzenden Erkundens in der Veränderung des Gesamtsystems beschrieben. Das Buch heißt »Positive Change at Work« (Lakeshore Communications, Cleveland, Ohio, 2002).

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Diskurs

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Beratung wertschätzend organisieren – Kommentar und Praxis Klaus G. Deissler/Karl-Heinz Kose

In den folgenden Abschnitten werden wir wie folgt vorgehen: 1) Zunächst geben wir eine Zusammenfassung, die sich eng an die vorgegebene Ressource hält. In der Zusammenfassung versuchen wir, das zu paraphrasieren, was die AutorInnen in der Ressource sagen. Dabei geht es uns darum, den Text inhaltlich möglichst gut zu verstehen. Darüber hinaus machen wir ein paar Anmerkungen zur Form des Artikels. 2) Danach werden wir ein paar Aspekte dessen aufzeigen, was der Text nicht sagt. 3) Im nächsten Schritt stellen wir unsere eigenen Ideen von Beratungsgesprächen dar, setzen diese in Bezug zu der Ressource und verdeutlichen sie anhand mehrerer Beratungsbeispiele.

1. »Die Wertschätzende Organisation«: Was sagen uns die Autoren? Auf dem Weg zur wertschätzenden Organisation Die Autoren gehen im ersten Abschnitt von der Kritik herkömmlicher Organisationen, ihrer Nachteile und den gegenwärtigen Schwierigkeiten aus. Dabei wird prognostiziert, dass die tradierten, klassisch-hierarchisch strukturierten Organisationsformen den Anforderungen des 21. Jahrhunderts nicht gewachsen sein werden und keine angemessenen Antworten mehr haben. Sie sehen das Wertschätzende Organisieren als mögliche Alternative an, um notwendige, fortwährende, signifikante

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62 | Klaus G. Deissler/Karl-Heinz Kose Transformationsprozesse in Gang zu halten. Diese Prozesse werden durch zentrale Ideen verständlich: Die Welt wird als sozial konstruiert beschrieben. Das, was konstruiert wird, wird dem gemäß in Beziehungen konstruiert – es sind also relationale Prozesse. Was hervorgebracht wird, sind insbesondere Bedeutungswelten, in denen wir leben, denen wir uns zugehörig fühlen oder die wir ablehnen. Diese Bedeutungswelten bzw. -konstruktionen beeinflussen unser Handeln. Eine besondere Form relationaler Prozesse ist die Wertschätzung, sie bringt Kreativität, (harmonische) Koordination und Bedeutungszuwächse hervor. Auf diesen zentralen Ideen baut die Wertschätzende Organisation auf, in der folgende Handlungsprinzipien wichtig sind: • Anerkennen relationaler Interdependenzen, • neue Beziehungen und Bindungen ermutigen, • zu Dialogen einladen und jene aufrechterhalten, die das Bekannte bestätigen und neue Bedeutung fördern, • »im Jetzt Handeln«, indem man die Fäden der Vergangenheit und der Zukunft in das gegenwärtige Gespräch einwebt. Den Nutzen Wertschätzenden Organisierens sehen die Autoren in Innovation, Flexibilität, Integration, Zusammenarbeit, Zugehörigkeit, Engagement und Koordination mit der Außenwelt. In den folgenden Abschnitten werden Prozesse und Vorgehensweisen diskutiert, durch die sich das Wertschätzende Organisieren realisieren lässt.

Wertschätzung im Prozess der Bedeutungserzeugung Der Prozess der Bedeutungserzeugung realisiert sich durch Wertschätzung in Gesprächspartnerschaften und durch transformative Dialoge. In den Gesprächspartnerschaften wird der jeweils andere wertgeschätzt durch wechselseitiges wertschätzendes Zuhören; Nicht-Wissen im Sinne von Neugier und Interesse an den Ideen der anderen wird gefördert; vielfältige Selbste, die es ermöglichen, unterschiedliche Beziehungen zu realisieren, werden erkundet, und Wir-Erzählungen, die erfolgreiche Ereignisse der Zusammenarbeit beinhalten, werden gefördert. Diese Gesprächspartnerschaften münden in transformative Dialoge ein. In transformativen Dialogen verändern sich die Beziehungen der Gesprächs-

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partner, neue Bedeutungen werden erzeugt und neue Formen der Zusammenarbeit entstehen.

Leiten als kollaboratives Teilnehmen Als neues Paradigma favorisieren die Autoren »Leiten als kollaboratives Teilnehmen«; dabei erwächst Leiten aus Beziehungsmustern und realisiert sich in Beziehungen. Leitung als individuelle Eigenschaft wird ersetzt durch das Einbeziehen von Interessenvertretern und Engagierten mit unterschiedlichen Werten und Meinungen, die sich unabhängig von Positionen gleichberechtigt austauschen. Dabei fördert kollaboratives Teilnehmen über die Wertschätzung der Unterschiede hinaus Gemeinsamkeiten, die sich als Gemeinschaftserleben in Ritualen des »Wir« realisieren. Wo die Beschuldigungssprache sich auszubreiten droht und Trennendes fokussiert wird, stellt Wertschätzendes Erkunden und Organisieren eine konstruktive Alternative dar, in der auch positive Gründe für Minderleistungen gehört werden.

Jede Stimme erheben – der belebende Prozess Die wichtigste Begleiterscheinung Wertschätzenden Organisierens besteht in seinen vitalisierenden Wirkungen und der Entfesselung von Möglichkeiten und Energien. Dabei soll jeder seine Stimme erheben können, um »vollstimmige Beziehungen« und Wertsteigerungen zu fördern. Aspekte der Wertsteigerung sind: neue Koordination und Stärkung multipler Beziehungen, Ersetzen der Problemsprache durch die Sprache der Möglichkeiten, Freisetzen von Energien durch Erfolgsgeschichten und Entwürfe zukünftiger Möglichkeiten. Die Durchführung von Entscheidungen wird abgesichert durch Verlagerung der Verantwortung in Beziehungen und Festlegung von zukünftigen Diskussionen, in denen die Ergebnisse eingeschätzt und reflektiert werden. Eine besondere Herausforderung des Wertschätzenden Organisierens stellt die Koordination zwischen Gruppen und der Gesamtorganisation dar. Dabei verhindert »übergeordnetes Teilen« die Dominanz einzelner Gruppen über andere oder die Optimierung einer Gruppe auf Kosten anderer. Die Idee der Wertschätzenden Selbstorganisation transportiert gleichzeitig die Idee der Vielstimmigkeit zwischen verschiedenen Gruppen. Die Vielstimmigkeit innerhalb einer Gruppe wird

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64 | Klaus G. Deissler/Karl-Heinz Kose zum Regulativ gegenüber dominanten Stimmen, wenn »Menschen von gemeinsamen Zielen und Visionen geleitet werden« (S. 44). Diese Form der Koordination ist auch anwendbar für große Gesamtgruppen; die Autoren nennen dies »Wertschätzenden Erkundungsgipfel«.

Von der Bewertung zur Wertschätzung Die AutorInnen sehen in der Bewertung von (individueller) Leistung den Vergleich mit einer »perfekten« Größe. Da diese perfekte Größe nicht erreicht wird, wird also unausgesprochen der Mangel betont. Die Bewertung leitet sich von einer distanzierten Position des Misstrauens ab. Dem gegenüber steht die Wertschätzung, die sich an dem orientiert, was positiv ist und erreicht wurde. Die Wertschätzung entspricht einer relationalen Haltung des Vertrauens und der Sicherheit. Personen wertzuschätzen heißt, sich in Beziehung zu der Person begeben, die wertgeschätzt wird. Da Wertschätzung also in Beziehungen stattfindet, sind die Beziehungen wertzuschätzen. Die traditionelle Bewertung fokussiert auf der Kompetenz des Einzelnen oder der einzelnen Gruppe, während Wertschätzung den Erfolg der Beziehungen betont. Damit fördert Wertschätzung ein freies Zirkulieren von Ideen und Meinungen, relationales Engagement, Vertrauen und Risikobereitschaft.

Organisation im Kontext: Vom Feindlichen zum Wertschätzenden In der herkömmlichen, meist nicht hinterfragten Betrachtungsweise wird ein Innen und ein Außen der Organisation unterschieden. Bei näherer Betrachtung lässt sich die informelle Verwobenheit von Beziehungen innerhalb und außerhalb der Organisation erkennen. Wertschätzendes Organisieren bezieht die Außenbeziehungen mit in die Betrachtung ein und versucht, sie nutzbar zu machen und zu koordinieren. Dies gelingt durch wertschätzendes Zuhören, transformativen Dialog, Wertschätzung von Ambiguität und Umwandlung von Antagonismen in Zusammenarbeit. Diese Prozesse münden in eine Verwischung der Innen- und Außengrenzen und respektieren deren wechselseitige Abhängigkeit und Verwobenheit. Auf globale Beziehungen ausgeweitet, verspricht das Wertschätzen-

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de Organisieren positive Effekte: Vielstimmigkeit von Mutter- und Tochtergesellschaften, die Herstellung und Betonung der Notwendigkeit von persönlichen Begegnungen und die Herstellung von breit gestreuten Gesprächsnetzen, die als Wissensnetze verstanden werden können.

Ein Angebot zum Schluss Die AutorInnen sehen ihre Darstellung nicht als »fixierte und endgültige Verkündigungen wertschätzenden Organisierens« an, sondern als »Beratungsangebote und Einladungen zum Handeln« (S. 57).

2. Anmerkungen zur Form Der Text ist in einer konstruktionistischen Sprache geschrieben, die den Leser dazu einlädt, die Aussagen mit den eigenen Praxisfeldern und theoretischen Überlegungen zu vergleichen und eigene Konstruktionen zu entwickeln und in Gesprächen neue Bedeutungen entstehen zu lassen. Man mag vermissen, dass in den Beschreibungen wenig Problemdarstellungen und Lösungswege enthalten sind. Der Artikel nutzt eher die Sprache der Möglichkeiten, die sich nicht an der vorherrschenden Dichotomie von Problemen und Lösungen orientiert. Diese Form der Darstellung wird sowohl anhand der vielfältigen theoretischen Überlegungen als auch durch die eingestreuten Praxisbeispiele deutlich.

3. Was die AutorInnen nicht sagen Der Aufsatz macht keine Aussage darüber, wie sich das Wertschätzende Organisieren auf moderne Management- und Koordinationsmethoden auswirkt. Es werden keine Rezepte vorgestellt, und auf Ausführungsanweisungen wird verzichtet. Die Frage, wie traditionelle Organisationen sich in Wertschätzende Organisationen transformieren können, und wie die Übergänge gestaltet werden können, bleibt offen. Die Haltung von Beratern, die Wertschätzendes Organisieren vermitteln, wird nur implizit deutlich, sie wird jedoch nicht explizit beschrieben. Des Weiteren bleibt offen, ob die TeilnehmerInnen an Wertschätzenden Organisationsprozessen eine besondere Schulung benötigen oder nicht. Dadurch stellt sich die wichtige Frage, wie die Übergänge zum Wertschätzenden Organisieren gelingen können.

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4. Unsere eigenen Ideen und Beratungsformen Wir verstehen unsere Form der Beratung als gemeinsames, wechselseitig wertschätzendes Organisieren von transformativen Gesprächsformen. Dabei fassen wir Gesprächsformen als Kommunikationsformen auf, die auch die nichtverbalen Anteile umfassen.

Gemeinsam Organisieren Unter gemeinsamem, wechselseitig wertschätzendem Organisieren verstehen wir, dass Kunden und Berater Vorschläge für die Formen der Gespräche machen können, und dass diese anschließend gemeinsam beraten und entwickelt werden. Dies unterstützen wir u.a. durch prozessorientierte Fragen, z.B.: • Geschichte des Gesprächs: Wie ist es zu dem Gespräch gekommen? Wer hatte die Idee für das Gespräch? Wie kam es zu dem Auftrag für das Gespräch? Wer hat aus welchem Grund zu dem Gespräch eingeladen? • Beteiligte am Auftragssystem: Welche Personen sind an der gegebenen Auftragsstellung (Auftrag, Thema, Fragestellung, Problem usw.) beteiligt oder engagiert? Gab es besondere Initiatoren für den Auftrag? Fehlt jemand, ist noch jemand wichtig, der nicht anwesend ist? • Zielvorgaben: Welche Ziele, die der Anlass der jeweiligen Zusammenkunft sind, werden von den beteiligten Personen definiert? Welche Möglichkeiten sollen für die Zukunft eröffnet werden? Gibt es besondere Wünsche für das Gespräch? • Gesprächsformen, die einen Unterschied machen (transformative Gesprächsformen i.e.S): Wie sollen die Gespräche organisiert werden, um die definierten Ziele zu erreichen? Gibt es bereits positive Erfahrungen mit bestimmten Gesprächsformen? (Dabei erscheinen uns solche Gesprächsformen nützlich, die einen Unterschied zu bisherigen machen; z.B. stellt die Idee der gleichberechtigten Vielstimmigkeit häufig bereits einen Unterschied zu bisherigen Gesprächsformen dar). • Gesprächsformen, in denen die erreichten Ziele verbindlich, nachhaltig und verantwortlich in Beziehungen umgesetzt und realisiert werden: Wie stellen Sie üblicherweise Verbindlichkeit und Nachhaltigkeit sicher? Was ist davon zu übernehmen? Welche zusätzlichen Verabredungen sind nötig? Wann sollen wir das Erreichte bewerten?

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Transformative Gesprächsformen Unter transformativen Gesprächsformen verstehen wir diejenigen, die von Wandel begleitet werden, die einen Wandel bewirken und die sich selbst im ständigen Wandel befinden. Wie kann man diese Gesprächsformen realisieren? Neben der oben genannten gleichberechtigten Vielstimmigkeit sind weitere notwendige Bedingungen aus unserer Sicht folgende: • Respekt vor dem unterschiedlichen Engagement der Beteiligten, • Wertschätzung der Bedeutungen des bisher Geleisteten, • Wertschätzung der Beziehungen, in denen diese Bedeutungen entstanden sind, • Förderung der Koordination innerer und äußerer Dialoge, • Einladung zu neuen Formen von Beziehungen, in denen der Wandel von Bedeutungen und Zielen unterstützt wird.

Sprache der Möglichkeiten Problem- und Lösungssprache werden als Ausgangspunkte aufgefasst, die in die konstruktionistische Sprache der Möglichkeiten einmünden. Das Aufkeimen dieser Sprache wird von Transformationen begleitet, in denen man über die anfänglichen Anlässe der Zusammenkunft – z.B. Problembeschreibungen – hinausgeht. Hier trifft sich unser Ansatz mit dem Wertschätzenden Organisieren. Für uns als Berater hat das bisher Gesagte die folgenden Implikationen.

5. Wertschätzende dialogische Beratungspraxis Bedeutungserzeugung durch Wertschätzung In der Beratungssituation erzeugen wir mit dem Auftraggeber bzw. den Kunden zusammen, das heißt in Beziehung mit ihnen, neue Bedeutungswelten. Aus der Position der Neugier und des Nicht-Wissens explorieren wir wertschätzend zuhörend »positive Wir-Erzählungen«. Dazu laden wir ein, indem wir z.B. fragen: »Wann wird die Beratung ein Erfolg sein?« »Wann gab es in der Vergangenheit ihrer Firma Phasen,

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68 | Klaus G. Deissler/Karl-Heinz Kose in denen sie erfolgreich zusammengearbeitet haben?« Oder: »Was können wir gemeinsam tun, um eine erfolgreiche Beratungsbeziehung herzustellen, in der die gewünschten Ziele unterstützt oder erreicht werden können?«

Beratungsbeispiel: Besonders zeigte sich dies in einem Beratungsauftrag mit dem Leiter einer Großküche, die ca. 1000 Kunden täglich mit drei Mahlzeiten versorgt. Die wechselseitige Wertschätzung in der Zusammenarbeit zwischen Berater und Küchenleiter stärkte das Vertrauen, die Kreativität und die Risikobereitschaft. So wurde es möglich, Zutrauen in neue Gesprächskontexte zu schaffen: kontinuierliche Gespräche mit dem Auftraggeber wurden durchgeführt, die Mitarbeitervertreter wurden in den Veränderungsprozess einbezogen, die Gründung eines erweiterten Leitungsteams (5 Personen) wurde beschlossen und durchgeführt und eine Gesamtveranstaltung mit allen Mitarbeitern einschließlich Vorstand (28 Personen) konnte realisiert werden. Ziel des Beratungsprozesses war es, die Arbeitszusammenhänge neu zu koordinieren, einen Cateringservice aufzubauen und die Mitarbeiter in den Veränderungsprozess einzubeziehen. Die Mitglieder des erweiterten Leitungsteams erarbeiteten mit ihren Mitarbeitern ein Konzept, das in der Gesamtveranstaltung vorgestellt wurde. Verabredet wurde in einem halben Jahr eine weitere Gesamtveranstaltung, in der das Erreichte dargestellt werden soll. U.a. wirkte sich die wechselseitige Wertschätzung zwischen Berater und Leiter der Küche ansteckend auf die anderen Mitarbeiter aus, die in dem Prozess engagiert waren.

Kollaboratives Leiten »Leiten« sehen wir nicht als individuelle Eigenschaft; sie erwächst vielmehr aus Beziehungsmustern und ist damit eine Beziehungsbeschreibung, die der relationalen Verantwortlichkeit verpflichtet ist. Somit entsteht kollaboratives Leiten aus wechselseitiger Verbindlichkeit, die sich durch Verlässlichkeit, Vertrauen und Zuversicht in zukünftige Zusammenarbeit auszeichnet. Traditionelles Leiten basiert auf individuellen Leitungsqualitäten eines Leiters, der andere Individuen bewertet, kontrolliert und führt. Kollaboratives Leiten entsteht aus einer wertschätzenden Haltung, die

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sich in Beziehungen realisiert. Sie erkennt das an, was erreicht wurde, und die Beziehungen, in denen es geleistet wurde.

Beratungsbeispiel: Die inoffizielle Leiterin einer Beratungsfirma vergab den Auftrag, beratend bei einem Teamkonflikt tätig zu werden. Der Konflikt kristallisierte sich um die so genannte Minderleistung eines älteren Teammitgliedes. Verschiedene »Lösungsansätze« wurden seitens des Teams praktiziert – u.a. kollegiales Coaching. Durch die Organisation von Gesprächsformen, in denen Vielstimmigkeit ermöglicht wurde, in denen alle Stimmen also gleichermaßen und gleichberechtigt gehört wurden, konnten die unterschiedlichen Beiträge der Teammitglieder zum Team und das gemeinsame Interesse am wirtschaftlichen Überleben des Gesamtteams zutage treten und wertgeschätzt werden. Während des Beratungsprozesses zeigten sich verschiedene Teammitglieder gegenüber dem Beratungstempo sehr »ungeduldig« und sagten beispielsweise: »Ihr seid bei eurer Beratung viel zu langsam und nehmt Euch zu viel Zeit, um Fragen zu stellen.« Nachdem das Beratungsziel nach zwei Dritteln der geplanten Zeit erreicht worden war, entstand folgender Aphorismus: »Ihr kommt langsam schnell zum Ziel.« Als Ergebnis konnte z.B. das Thema »Angst vor Minderleistung im Alter« und »die Altersversorgung der Teammitglieder« enttabuisiert und zusammen mit dem beratenden Team neu reflektiert werden. Die Mitglieder der Beratungsfirma konnten ihre Beziehungen untereinander neu gestalten. Indem die Leistungen des älteren Kollegen anerkannt und wertgeschätzt wurden, konnte dieser sich neue Geschäftsbereiche erschließen. Die Verhärtung um die Bedeutung »leistungsfähig oder unfähig«, »gesund oder krank« und »wertvoll oder unwert« traten durch die wechselseitige Wertschätzung in den Hintergrund, und neue Beziehungsformen wurden möglich, ohne die Unterschiede zu negieren. Unsere Lesart eines Teils des Beratungsprozesses besteht darin, dass das (inoffizielle) »individuelle Leiten« der Auftraggeberin sich in ein »kollaboratives Leiten« transformierte. Sowohl der ältere Kollege als auch die Leiterin konnten sich wechselseitig in ihren Beziehungen und Leistungen wertschätzend anerkennen.

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Vitalisierung Organisationen können als Zentren menschlicher Bezogenheit betrachtet werden (s. Ressource, S. 46). In diesen Zentren werden multiple Beziehungen koordiniert. Diese können im einzelnen wie folgt benannt werden: • • • •

Beziehungen zwischen inneren und äußeren Dialogen, Beziehungen innerhalb und zwischen unterschiedlichen Gruppen, Beziehungen zwischen Gruppen und der Gesamtorganisation und Beziehungen zwischen Organisation und Kontext.

Wenn man Organisationen in dieser Weise beschreibt, beginnt man zu ahnen, welche Potenziale an Produktivität, Kreativität und Vitalität in ihnen schlummern. Erstarrte Strukturen, die sich oft in Klagen und Problemsprachen äußern, sind geeignet, diese Energien zu ersticken. BeraterInnen sehen sich häufig mit der Aufgabe konfrontiert, durch ihre Tätigkeit in Zusammenarbeit mit den Auftraggebern zur Entfesselung der Vitalitäten und zum Freisetzen von Energien beizutragen. Wie kann dies geschehen? Wir halten folgende Maßnahmen für möglich, um diese Prozesse anzuregen: • Umwandlung der dichotomisierenden Sprache von Problemen und Lösungen in die Sprache der Möglichkeiten. Dies kann z.B. durch Erfolgsgeschichten, Zukunftsentwürfe, Zielbeschreibungen und Visionen geschehen. • Entfesselung der Vielstimmigkeit durch Organisieren von Gesprächsformen, die den Beteiligten im Beisein der anderen Raum geben, ihre Stimme zu äußern. • Schaffung einer multiauralen Kultur durch Gesprächsformen, in der die vielen Stimmen unterschiedlich gehört und damit vielfältig verstanden werden können. • Koordination der erreichten Vielfalt durch Gesprächsformen, die Reflexionen und Verständnis ermöglichen. • Verlagerung der Verantwortung für die Durchführung von Entscheidungen in Beziehungen (z.B. die Festlegung der Reflexionsprozesse zur Wertschätzung der Ergebnisse).

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Beratungsbeispiel: Eine international operierende Beratungsfirma mit vielen Standorten und Repräsentanten in Deutschland hatte das Problem, die unterschiedlichen Filialen zu koordinieren. Diese fühlten sich von der Zentrale stiefmütterlich behandelt und vernachlässigt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Filialen selbst fühlten sich andererseits nicht sonderlich an die Muttergesellschaft gebunden. Diese Problemlage veranlasste die Leitung der Beratungsfirma, uns als Berater für einen Tag zu einer Jahrestagung der Beratungsfirma hinzuzuziehen, bei der auch die genannten Probleme behandelt werden sollten. Zu einer vereinbarten Zeit wurde der Leiter der Beratungsfirma im Beisein seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (ca. 20 Personen) von einem Mitglied unseres dreiköpfigen Beratungsteams bezüglich seiner Sichtweise des Problems, seines Auftrags usw. interviewt. Dieses Gespräch wurde von den beiden anderen Mitgliedern des Beratungsteams reflektiert, und der Leiter nahm anschließend zu dieser Reflexion Stellung. Danach wurden die Mitglieder der Beratungsfirma dazu eingeladen, das Gespräch zu kommentieren und eigene Ziele für die Beratung zu formulieren. Diese wurden wiederum von dem Beratungsteam reflektiert, indem die Wünsche und Kommentare der MitarbeiterInnen in neue Bedeutungszusammenhänge gestellt wurden. Die Ermöglichung der Vielstimmigkeit bei der Problembeschreibung, der wechselnde Rhythmus zwischen Sprechen und Zuhören sowie die durch Reflexionen geschaffenen neuen Bedeutungszusammenhänge wirkten außerordentlich vitalisierend auf die Beratungsfirma. Die Mitglieder der Firma übernahmen im Anschluss die Verantwortung für eine neue Form ihrer Selbstorganisation, indem sie im fließenden Übergang begannen, ihre Probleme selbstständig im Beisein der Berater zu besprechen und Möglichkeiten für die Zukunft zu entwickeln. Der Beratungsprozess wurde abgeschlossen durch eine Reflexionsrunde des Beratungsteams, in der der gemeinsame Beratungsablauf als sehr gelungen gewürdigt wurde.

Ein weiteres Beratungsbeispiel für die Organisation von Gesprächen bestand in einem Auftrag, Selbstregulation als Werksprozess in einem Motorenwerk einer Automobilfirma zu fördern. Zur Einschätzung der Umsetzung wurde mit dem Auftraggeber eine teilnehmende Evaluierung vereinbart. Dazu wurden Vertreter aller beteiligten Gruppen zu einem »sounding

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board« eingeladen. Im Beisein von Werksmanagement, Betriebsrat und Beratern (ca. 75 Personen) berichteten die Gruppen über ihre Fortschritte. In einem Stuhlkreis in der Mitte reflektierten anschließend Betriebsrat und Werksmanagement. Für die Berater stellte diese Form des Gesamtgruppengesprächs eine Möglichkeit dar, die Umsetzungsverantwortlichkeit in den betrieblichen Beziehungen zu belassen.

6. Zusammenfassung und Ausblick Wie wir hoffen gezeigt zu haben, ergänzen sich »Wertschätzendes Organisieren« und unsere dialogische Form der Beratung, die wir hier als »wertschätzendes dialogisches Beraten« bezeichnet haben. Sie stellen eine Einladung dar, mit Hilfe einer sozialkonstruktionistischen Verstehensweise und praktischer Beratungsformen transformative Prozesse in Organisationen in Gang zu bringen. Wenn wir Organisationen in erster Linie als Zentren menschlicher Bezogenheit verstehen, kommt der Vitalisierung beziehungsverantwortlicher Kommunikation eine herausragende Bedeutung zu. Die wertschätzende dialogische Beratungspraxis scheint uns geeignet, Qualität und Ökonomie betrieblicher Produktions-, Dienstleistungs- und Verwaltungsprozesse anzuregen und zu fördern. Uns erscheint die Qualifikation der Berater und damit die Beratungshaltung im Sinne relationaler Verantwortung einen zentralen Stellenwert zu haben. Eng damit verknüpft sehen wir die Qualifikation der Berater, in Zusammenarbeit mit den Auftraggebern transformative Gesprächsformen gestalten zu können. Wir hoffen, mit unserem Beitrag die Leserin und den Leser neugierig gemacht zu haben, und wollen dazu einladen, zu der Weiterentwicklung und Transformation unserer Ideen und Praktiken beizutragen.

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Wertschätzung als Produktivkraft – ein Kommentar 1 Thomas Keller/Roswitha Schug

Spontan sind wir von dem Text »Die Wertschätzende Organisation« sehr angetan. Er bringt etwas zum Ausdruck, was wir als langjährige Mitarbeiter großer Organisationen (Großkrankenhäuser und staatliches Schulamt), aber auch als Berater und Therapeuten schon lange fühlten und dachten. Er knüpft an Traditionen an, die einerseits aus der neueren Psychotherapie stammen, andererseits aus einer neuen Berater- und Mangementbewegung, die unter Begriffen wie »Wertschätzendes Erkunden«2 (Appreciative Inquiry) oder »Wertschätzende Führung« (Appreciative Leadership) langsam auch bei uns bekannt wird, und schließlich aus der sozialpsychologischen Strömung des »Sozialen Konstruktionismus«. Wenn wir auch nicht alles verstehen, so scheint er uns einen großen Bogen im Hinblick auf das ganze Leben von Organisationen zu schlagen und ein hervorragender Ausgangspunkt für weitergehende Erkundungen in alle Richtungen zu sein. Die Bedeutung des Themas leuchtet unmittelbar ein, lehrt uns unsere Alltagserfahrung doch, wie kränkend und verletzend entwertendes Verhalten sein kann – in Organisationen besonders dann, wenn es vom Chef oder von Kollegen kommt. Wenn es uns tief getroffen hat, kann eine längere Verstimmung und Lähmung die Folge sein. Auf Dauer können wir uns zurückziehen, sogar seelisch oder körperlich krank werden – oder das Feld verlassen und unser Glück anderswo suchen. Der deutsche Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel beschäftigte sich in den ersten Jahren des 19. Jahrhunderts am Beginn seiner Lauf-

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74 | Thomas Keller/Roswitha Schug bahn in Jena (eher nebenbei) mit dem Begriff der »Anerkennung« in einem vertieften Sinne als einer wichtigen Kategorie in den Beziehungen der Menschen untereinander (vgl. Keller 2000). Er entwarf in groben Strichen einige wenig ausgearbeitete Skizzen (die auch noch auf unterschiedliche Texte verteilt sind [vgl. Hegel 1967, 1969, 1986]) eines Modells, das etwa folgendermaßen formuliert werden kann: Wenn wir einander als Personen gegenüberstehen, bedürfen wir der wechselseitigen Anerkennung, da wir – gesellschaftlich gesehen – voneinander abhängen und miteinander auskommen müssen. Dieser Prozess der Anerkennung vollzieht sich, indem wir den Anderen als einen in seiner »Totalität« uns selbst Vergleichbaren in unser Bewusstsein aufnehmen und darin »aufheben«. Dies ist ein von beiden Seiten aktiver Vorgang: »Jeder setzt sich im Bewusstsein des anderen, hebt die Einzelnheit des anderen auf, oder jeder setzt in seinem Bewusstsein den anderen als eine absolute Einzelnheit des Bewusstseins. Dies ist das gegenseitige Anerkennen überhaupt […]« (1986: 217). Das kann unter Umständen ein mühevoller Prozess sein, dem Menschen sich (wie ein Blick auf die nicht endenden nationalen und internationalen Konflikte lehrt) nicht ohne weiteres aussetzen. Hegel unterscheidet drei Bereiche von Anerkennung: • die Liebe in Freundschaft, Partnerschaft und Familie, »das unmittelbare Anerkanntsein« (1969: 213), • Ehre, Respekt, Wertschätzung unter den Mitgliedern einer Gesellschaft: »Jeder will dem Anderen gelten; es ist Jedem Zweck, im Anderen sich anzuschaun« (1969: 210), und • das Recht, »dies allgemeine abstrakte Anerkanntsein« im Hinblick auf uns als Staatsbürger (1969: 213). Er entfaltet in diesem Zusammenhang etwas, das man heute als Ansätze einer sozialpsychologischen Theorie bezeichnen kann, und Axel Honneth (1992) entwickelte in unseren Tagen daraus eine interessante Verstehensmöglichkeit für soziale Konflikte. Uns ist ein starkes Streben – gewissermaßen ein Hunger – nach »Anerkanntsein« zu Eigen. Dies bezieht sich nicht nur auf den Erhalt unseres Lebens, auf unsere Fähigkeiten, Arbeit und unseren Besitz, sondern auf alles, was unsere Person für uns ausmacht. Verweigert oder kündigt ein für uns relevanter Mensch auch nur einen Teil dessen, was uns bedeutsam ist, sind wir empört, fühlen uns verletzt, gekränkt, außer uns, erregt, beleidigt, ge-

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reizt usw. und versuchen, die volle Anerkennung wiederherzustellen oder sonst einen Ausgleich zu erlangen. Wenn dies misslingt, können dauerhafte Ressentiments entstehen und unser weiteres Leben überschatten. Warum ist uns dieses Anerkanntsein so wichtig, warum empfindet jemand solche »Begierde«? Um, so Hegel, »sein Selbstgefühl sich zu geben« (1969: 209). Offenbar ist es nicht nur eine Voraussetzung dafür, dass wir mit den anderen in Frieden leben können, sondern auch dafür, ein gutes Verhältnis zu uns selbst herzustellen und zu unterhalten, also zufrieden zu leben: »Ich bin mir Inhalt und Zweck, d.h. ich bin mir positiv. Mein Ich soll ebenso positiv sein« (1969: 210). Die Zusammenhänge zwischen erlebter Wertschätzung, eigenem Selbstbewusstsein und den entwickelten Fähigkeiten, ein zufriedenes, aktives, erfülltes Leben zu führen, liegen auf der Hand. Ebenso, dass wir die, mit denen wir kooperieren wollen, »in uns aufnehmen« müssen, nämlich ihre Sichtweisen und Interessen. Einen erheblichen Teil unserer kostbaren Lebenszeit verbringen wir an Arbeitsplätzen oder mit der Vorbereitung darauf. Die hier erlebte Lebensqualität kann also nicht wichtig genug eingeschätzt werden. Ein Schlagwort wie »Work-Life-Balance« spiegelt wieder, dass hier nicht nur persönliche Interessen der Einzelnen im Spiel sind, sondern auch solche der gesamten Gesellschaft, da zum Beispiel die Vereinbarkeit von Arbeit und Familie wesentliche Auswirkungen auf unsere Nachkommenschaft und damit die Zukunft aller hat.

1. Wertschätzung und Kultur In jeder Kultur, sei sie lokal oder überregional, gibt es Elemente der Wertschätzung und der Entwertung. Diese befinden sich im Fluss. Seit wir über diese Fragen nachdenken, scheint unsere Sensibilität für die entwertenden Elemente unserer Kultur zu wachsen – und damit unser Wunsch, Wertschätzung wo immer möglich zu fördern. Wertschätzender Umgang unter Politikern etwa, die gegenüber den Wählern in Konkurrenz stehen, scheint eher die Ausnahme zu sein, könnte sich aber für unser Land segensreich auswirken. Und: An unseren Arbeitsplätzen sehen wir Bereiche, in denen mehr Arbeitszufriedenheit, Kreativität und Engagement zu herrschen scheinen als in anderen.

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76 | Thomas Keller/Roswitha Schug Oder: Jene Schulen der 50er Jahre, die ich (TK) aus meiner Kindheit und Jugend in Erinnerung habe, unterschieden sich in dieser Hinsicht sehr negativ von den Schulen, die ich erfreulicherweise bei meinen Kindern sehe. Aber auch hier kann noch viel getan werden. Ein Beispiel: Gängige Meinung ist, dass Bewertungen notwendig sind, um bestimmte Ziele zu erreichen; z.B. ist es ein Ziel der Grundschule, dass am Ende des 2. Schuljahres alle Kinder schreiben und lesen können. Um den aktuellen Leistungsstand kontrollieren und beiden Seiten, Lehrerinnen und Lehrern und den Schülerinnen und Schülern ein Feedback über den Lernprozess geben zu können, werden u.a. Diktate geschrieben. Dies sieht in der Regel so aus, dass die Schüler das Diktat, das sie geschrieben haben, in der Weise korrigiert zurück erhalten, dass alle falsch geschriebenen Wörter rot angestrichen werden, und in der Regel steht eine Note darunter. Bei Schülerinnen und Schülern, die Schwierigkeiten beim Rechtschreiben haben, gibt es meist viel Rot und eine schlechte Note. Die Kinder erleben so einen Misserfolg, was sich negativ auf die Leistungsmotivation auswirkt, sie haben weniger Lust auf die weitere Beschäftigung mit dem Rechtschreiben oder dem Schreiben überhaupt. Positivere Erfahrungen hat man mit folgendem Vorgehen gemacht: Die Rückmeldung an das Kind lautet z.B.: »Du hast 53 von 80 Wörtern richtig geschrieben.« Der richtig geschriebene Diktattext wird beigefügt, und die im Schülerdiktat falsch geschriebenen Worte werden hier grün unterstrichen. Diese Art des Vorgehens wirkt sich sehr viel positiver auf das Lernverhalten der Kinder aus, vor allem, weil im Fokus nicht die Fehler stehen, sondern die erbrachte Leistung des Kindes. Die Kinder fühlen sich und ihre Leistung wertgeschätzt und sind motivierter für die nächsten Lernschritte. Die weite Verbreitung entwertender Umgangsformen speist sich nach unserem Eindruck nicht nur aus der Absicht, andere zu erwünschtem Verhalten zu bewegen oder sie davon abzuhalten, unerwünschte Verhaltensweisen zu zeigen (problematische Kritik). Sie entstehen auch aus der oft zu beobachtenden Neigung, »sich selbst hoch zu ziehen, indem man andere hinunter zieht«, also den eigenen Wert durch Entwertung der Anderen zu stärken. Die Autoren von »Die Wertschätzende Organisation« empfehlen den gegenteiligen Weg: durch eine Organisationskultur gegenseitiger Wertschätzung können alle gewinnen. Das ist einfach zu verstehen,

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aber nicht ganz leicht zu verwirklichen, besonders wenn dafür ganz Neues gelernt werden muss.

2. Wertschätzung und Ökonomie In Zeiten des Primats der Ökonomie kann sich eine Kultur, die in wertschätzenden Umgangsformen einen zentralen Wert sieht, nur dann behaupten und weiter entfalten, wenn daraus mindestens kein Wettbewerbsnachteil für ein Unternehmen und eine ganze Gesellschaft entsteht. Sonst verkommen diese Werte zum Luxus, den wir uns in harten Zeiten nicht mehr leisten können. Das heißt auch, dass die Kommunikationskultur einer Organisation nicht nur effektiv, sondern auch effizient sein, also auch den zeitlichen Aufwand in Grenzen halten muss. Nicht selten sehen wir Menschen, von denen wenig Wertschätzung auszugehen scheint, die aber in Wirtschaft und/oder Politik enorm erfolgreich sind. Verdanken sie ihren Erfolg nicht auch ihrem rücksichtsloseren Umgang mit Mitarbeitern, Kooperationspartnern und Konkurrenten? Mag sein. Gottlob gibt es aber Hinweise, dass gelebte Wertschätzung ebenfalls ein Erfolgsrezept sein kann, hoffentlich auf Dauer sogar ein besseres. Ein Unternehmen kann nur dann überleben, wenn es sich stetig auf sich ändernde Umweltbedingungen einstellt. Damit wird es unvermeidlich zu einer lernenden Organisation. Nach der Meinung von Gerrit Popke3 setzt das dafür nötige Wissensmanagement gegenseitiges Vertrauen voraus, damit implizites (Herrschafts-)Wissen zum wirtschaftlichen Wohl des Unternehmens kontinuierlich in explizites (Kollektiv-) Wissen transformiert wird. Auf der Grundlage von qualitativen Inhaltsanalysen impliziter Unternehmensleitbilder nennt er drei zugrunde liegende kommunikative Tugenden, die für ihn unverzichtbare Voraussetzung für ein Unternehmen sind, das sich als lernende Organisation sieht: Authentizität, Wertschätzung und Ausgewogenheit. »Wertschätzung ist nichts anderes als Dialog (die Förderung des internen und externen Argumentationsaustausches), Anerkennung (die Rücknahme der eigenen Position zugunsten des als gleichberechtigt anzusehenden Gegenübers) und Machtreduktion (Orientierung an willkürvermeidender, argumentationsorientierter Machtfreiheit).« Die Bedeutung von Mitarbeiterzufriedenheit wird in allen Quali-

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78 | Thomas Keller/Roswitha Schug tätsmanagementsystemen hervorgehoben. Nicht nur die Alltagserfahrung, sondern auch zahlreiche Studien zeigen, dass diese (abgesehen von einer angemessenen Vergütung) mit Information über und Einbeziehung in die Belange der Organisation, Entfaltungs- und Entwicklungsmöglichkeiten und einem durch Respekt und Anerkennung geprägten Führungsstil des Managements zusammenhängt. Mitarbeiterzufriedenheit schlägt sich unmittelbar nieder in Loyalität zum Arbeitgeber (niedrige Fluktuation, damit geringere Verluste wertvoller Mitarbeiter, weniger Kosten durch Einarbeitung neuer Kräfte), stärkerem Engagement und geringerem Krankenstand, mittelbarer in Umsatzwachstum, Reklamationsquote u.a.m. Eine interessante Studie der amerikanischen Firma Walker Information aus dem Jahr 20034, in der über 2000 Mitarbeiter unterschiedlicher Organisationen der USA befragt worden waren, ergab Hinweise darauf, dass nur ein Drittel der Befragten sich von ihren Arbeitgebern wertgeschätzt fühlten. Die übrigen äußerten Unzufriedenheit, waren entweder auf dem Absprung oder fühlten sich an ihrem Arbeitsplatz wie in einer Falle gefangen. Weniger als die Hälfte der Befragten empfanden, dass ihre Firmen ihre Ideen schätzten. Es wurde deutlich, dass die Arbeitszufriedenheit mit einer besseren Kundenbindung für das Unternehmen einherging, da ein besserer Service zufriedenere Kunden zur Folge hat, besonders, wenn diese sich ebenfalls wertgeschätzt sehen. Die Verknüpfung von Mitarbeiterzufriedenheit und Kundenzufriedenheit kann als sich gegenseitig verstärkend angesehen werden. Eine 2002 veröffentlichte Untersuchung des Gallup-Forschungsinstituts5 führte zu der Aussage, nur 15 % der Arbeitnehmer in Deutschland seien beruflich »wirklich engagiert«, 70 % »passiv unengagiert« und der Rest sogar »aktiv unengagiert«. Die meisten der rund 1000 befragten Personen gaben »schlechtes Management« als wichtigsten Grund für das fehlende Engagement am Arbeitsplatz an; unter anderem seien ihre Vorgesetzten nicht an ihnen und ihren Ansichten und Meinungen interessiert. Aus diesen Einschätzungen schließt Gallup auf einen enormen volkswirtschaftlichen Schaden in Höhe von mehreren 100 Milliarden Euro jährlich, der Deutschland etwa gegenüber den USA, aber auch anderen Ländern benachteilige.

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Die Bertelsmann-Stiftung (1997) befragte 1997 400 Mitglieder des Bundesverbandes junger Unternehmer (BJU), dabei handelte es sich überwiegend um Klein- und Mittelbetriebe mit weniger als 100 Mitarbeitern. Als wesentlichen Erfolgsfaktor gaben 86 % der Befragten eine gut funktionierende Unternehmenskultur an: Diese verbessere in erster Linie die Anpassungsfähigkeit des Unternehmens an sich verändernde Rahmenbedingungen, stelle die Beteiligung, die Freiräume und die Selbstverantwortlichkeit des einzelnen Mitarbeiters in den Mittelpunkt und betone die Wahrnehmung von gesellschaftlicher Verantwortung durch das Unternehmen. Als bedeutsam für die Rolle der Mitarbeiter wurde die Übergabe bzw. Übernahme von mehr Kompetenz und Verantwortung (Empowerment), Identifikation mit den Unternehmenszielen, Motivation und eine höhere Qualifikation angesehen. Führungsund Unternehmensgrundsätze wurden als wesentliche Bausteine einer solchen Kultur betrachtet.

3. Traditionen der Wertschätzung in deutschen Unternehmen Natürlich gibt es auch in unserer Wirtschaft Traditionen der Wertschätzung.

Ein Beispiel:6 Im Jahr 1950 wurde die »Arbeitsgemeinschaft Partnerschaft in der Wirtschaft e.V.« (AGP) gegründet, der heute 2500 vorwiegend mittelständische Unternehmen (50-1000 Mitarbeiter) angehören. Es handelt sich um solche Betriebe, die Mitarbeiterkapitalbeteiligung oder -gewinnbeteiligung und/oder Mitwirkungs- bzw. Mitentscheidungsmodelle praktizieren. Unter betrieblicher Partnerschaft wird eine vertraglich vereinbarte Form der Zusammenarbeit zwischen Unternehmensleitungen und Mitarbeitern verstanden, die »allen Beteiligten ein Höchstmaß an Selbstentfaltung ermöglichen und durch verschiedene Formen der Mitwirkung und Mitbestimmung bei entsprechender Mitverantwortung einer Fremdbestimmung entgegenwirken soll.« Eine Studie der GH/Universität Kassel in Kooperation mit der AGP in 1995 ergab Wachstum bei Umsatz, Rendite und Arbeitsproduktivität in einem guten Prozentsatz der teilnehmenden Unternehmen bei unterdurchschnittlichem Krankenstand. Die finanziellen Anreize wurden als wichtig

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angesehen, die so genannten »weichen« Faktoren wie kooperativer Führungsstil, Motivation der Mitarbeiter und ihre Identifikation mit den Unternehmenszielen erschienen als noch wichtiger für den Erfolg: 85 % der teilnehmenden Unternehmen sahen die Unternehmenskultur als entscheidenden Erfolgsfaktor an, da diese eine Anpassungsfähigkeit des Unternehmens an sich verändernde Rahmenbedingungen ermögliche; als wesentlicher Teil davon wurde die Kommunikationskultur angesehen.

Ein weiteres Beispiel: Reinhold Würth, einer der erfolgreichsten Unternehmer unseres Landes – er baute aus der Schraubengroßhandlung seines Vaters in vier Jahrzehnten einen weltweiten Konzern mit einem Jahresumsatz von mehreren Milliarden Euro auf – war stets Protagonist einer Unternehmenskultur, die der Lebensqualität der Mitarbeiter große Aufmerksamkeit schenkt. Er sieht im praktizierten »corporate spirit« wesentliche, für die Zukunft vielleicht entscheidende Wettbewerbsfaktoren und prophezeit einen »Kampf zwischen unterschiedlichen Unternehmenskulturen«: »Wenn Hersteller, Konsumenten und Arbeitnehmer die Wahl haben, sich diesem oder jenem Unternehmen zuzuwenden, dann werden sie sich für dasjenige mit der am höchsten entwickelten Unternehmenskultur entscheiden« (Würth o.J.). Seine Beschreibung der konkreten Gestaltung der damit verbundenen Prozesse ist eindrucksvoll: Ein hoch entwickeltes System von Kongressen und Konferenzen mit geschäftlichen und kulturellen Veranstaltungen bringt Führungskräfte (einschließlich ihrer Lebenspartner) aus unterschiedlichen Unternehmensbereichen und Ländern regelmäßig zusammen. Der Erfahrungsaustausch wird gefördert. Die »Firmenphilosophie« ist schriftlich formuliert und enthält Sätze wie: »Die Unternehmenskultur der WürthGruppe ist geprägt von gegenseitigem Vertrauen, von Berechenbarkeit, Ehrlichkeit und Geradlinigkeit nach innen und außen.« Oder: »Dank und Anerkennung für die und Respekt vor der Leistung der Mitarbeiter sind selbstverständliche Basisvoraussetzungen für die Weiterentwicklung des Unternehmens.« Aber genauso auch betriebswirtschaftliche Leitlinien wie: »Wachstum ohne Gewinn ist tödlich.« und »Die Marketing- und Verkaufsabteilung bleibt auch in Zukunft »primus inter pares«.«

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4. Kritik, Konkurrenz und Härte Die folgenden Themen vermissen wir in dem Text, der hier zur Diskussion steht. Überall, wo Menschen arbeiten, passieren Fehler und Pannen. Menschen haben unvermeidlich auch Schwächen. Wie kann man wertschätzend damit umgehen? Es muss möglich sein, sie offen anzusprechen, auch unter Nennung von Verantwortlichkeiten. Wichtig erscheint uns hier, Menschen nicht durch persönliche Vorwürfe zu demütigen, schon gar nicht in Gegenwart anderer. Ferner die Bereitschaft der Führungskräfte zur Selbstkritik: Wertschätzende Kritik muss in alle Richtungen möglich sein, besonders auch von »unten« nach »oben«. Gelegentlich ist von einer »fehlerfreundlichen Kultur« die Rede, kein schlechter Begriff in diesem Zusammenhang. Die klassischen Evaluations- und Feedbackfragen (Was war/ist gut? Was war/ist schlecht? Was hat gefehlt bzw. was fehlt?) lassen sich auch wertschätzend formulieren: • Was war/ist nützlich (hilfreich, weiterführend, inspirierend usw.)? • Was hätte anders/(noch) besser gemacht werden können? Was können wir anders/(noch) besser machen? • Was hätte noch geschehen können? Was können wir noch tun? Manchmal muss man aber auch zur Kenntnis nehmen, dass jemand nicht oder nicht mehr am richtigen Platz sitzt. Überall, wo Menschen kooperieren, können auch Konkurrenz- oder Rivalitätsaspekte auftreten: Wer ist der Bessere? Wer steht der Chefin am nächsten? Wer bekommt mehr Geld? Wer bekommt den begehrten Job (und wer nicht)? – Einerseits heißt es, Konkurrenz könne »das Geschäft beleben« (manche Chefs lieben es, Mitarbeiter auszuspielen, es kommt aber selten auf Dauer viel Gutes dabei heraus), andererseits können solche Situationen die Kooperation stark in Mitleidenschaft ziehen, sogar dazu führen, dass man sich gegenseitig behindert, entwertet oder sogar insgeheim Fallen stellt. Was kann man tun, um vermeidbare Rangeleien zu verhindern? Möglichst Klarheit schaffen: Besondere Vertrauenspositionen lassen sich formal markieren (z.B. offizieller Stellvertreter), das kann auch bei Gehaltsfragen bedeutsam sein. Man kann festlegen, wann, wie und von

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82 | Thomas Keller/Roswitha Schug wem nach welchen Kriterien (z.B. Teamgeist) über die vakante Position entschieden wird. Und es empfiehlt sich, den Erfolg des Teams (der Abteilung usw.) i.A. höher zu bewerten und anzuerkennen als den der Einzelperson (Ausnahmen sind möglich) und bei der Anerkennung von Einzelleistungen immer die Bedeutung des beteiligten Teams mit zu würdigen. Man kann besondere Leistungen besonders würdigen, dabei muss man aber darauf achten, niemanden zu vergessen und für »die anderen« keine Entwertung entstehen zu lassen. Gewinnorientierte Organisationen leben auf einem gnadenlosen Markt, der v.a. Wertschätzung für möglichst gute Produkte und Dienstleistungen zu einem möglichst günstigen Preis zeigt. Diese Härte muss sich irgendwie im Alltag der Organisation widerspiegeln, wenn diese ihren Bestand auf Dauer sichern will. Im schlimmeren Fall kann es notwendig sein, sich von einem Teil der Mitarbeiter zu trennen. Das Thema »wertschätzende Kündigung« kann bitter sein und erfordert von den Akteuren ganz besonderes Verantwortungsbewusstsein.

Ein Beispiel (vgl. Peace 1992): 1980 wollte sich der Westinghouse-Konzern nach einer tief greifenden Marktänderung von seiner britischen Tochter Synthetic Fuels trennen. Da kein Käufer in Sicht war, drohte die Stilllegung. Der damalige Generaldirektor William Peace setzte alles daran, das Unternehmen doch noch für potenzielle Käufer attraktiv zu machen, es erschien ihm dafür unvermeidlich, die bereits ausgedünnte Belegschaft um weitere 10 % abzubauen, und zwar um solche Positionen, die für den Verkauf und in den Augen eines Erwerbers wenig bedeutsam erscheinen würden. Er versammelte alle auf der Liste stehenden Personen, eröffnete ihnen persönlich die Situation und stellte sich dem sehr emotionalen Gespräch, in dem alle mit ihrer Empörung und ihrem Schmerz zu Wort kamen. »Dieser Zeitabschnitt […] war zweifellos einer der quälendsten, die ich je erlebt habe.« Er erläuterte die Situation aufrichtig. »Dann bat ich sie darum, nicht ihren Vorgesetzten die Schuld zu geben, auch nicht mit sich selbst zu hadern und unsere Entscheidung in keiner Weise als Urteil über ihren persönlichen Wert zu begreifen. Wenn sie jemanden für schuldig erklären wollten, sollten sie, bitte sehr, mich dafür anklagen.« Anschließend bemerkte er bei den verbliebenen Mitarbeitern eine unerwartete Veränderung: Sie »ließen eine frische Entschlossenheit erkennen, den Laden zusammenzuhalten«, obwohl

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manche schon Angebote anderer Firmen hatten. Es wurde ein Käufer gefunden, und die Hälfte der Entlassenen konnte wieder eingestellt werden; alle kamen ohne Ausnahme, auch jene, die schon andere Stellen gefunden hatten. »Der Erfolg jenes Treffens, davon wurde ich zunehmend überzeugter, war jedoch auch der Tatsache zu danken, dass ich mich der Kritik und den Gefühlen aus Wut, Enttäuschung und Ablehnung von Seiten der durch uns Gekündigten ausgesetzt hatte.«

Wir haben Gründe zu der Vermutung, dass »wertschätzend gekündigte« Menschen leichter wieder Arbeit finden, da sie in ihrem Selbstwert weniger verletzt wurden.

5. Schlüsse Eine Zunahme von Wertschätzung in unseren Organisationen wird nicht nur für diese von Nutzen sein, sie muss auch vielfältige positive Früchte für unsere ganze Gesellschaft tragen. Wie können wir uns hier engagieren? Jeder kann sich an seinen Arbeitsplatz für die Weiterentwicklung der Umgangsformen einsetzen, und überall können sich kleinere oder größere »Inseln der Wertschätzung« herausbilden, von denen unweigerlich eine Ausstrahlung in benachbarte Bereiche ausgehen wird. Ein Kernstück der Organisationskultur ist die Führungskultur (nicht mit »Technik« gleichzusetzen). Sie wird gefördert, indem Positionen nicht nur nach fachlichen, sondern auch nach entsprechenden menschlichen Qualitäten besetzt werden. Führungskräfte können sich durch Seminare weiterbilden, z.B. in »Appreciative Leadership«. Es können Netzwerke für den Erfahrungsaustausch gegründet werden. Die ganze Organisation oder Bereiche können sich – auch durch Einbeziehung externer Berater – entwickeln, z.B. unter Verwendung der Methoden von »Wertschätzendem Erkunden«. Wir sind dabei.

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Anmerkungen 1 | Wir danken Roswita Königswieser und Klaus Deissler für wertvolle Hinweise. 2 | Eine von Klaus Deissler für das Deutsche vorgeschlagene Formulierung. 3 | In: Forum Wirtschaftsethik 1/2000. G. P., Jg. 1967, ist Diplom-Kaufmann, Wissenschaftler und Mitarbeiter einer Venture Capital Gesellschaft in Berlin. 4 | Quellen: International Herald Tribune, 3.9.03, S. 15; www.walkerinfo. com. 5 | Quellen: Neue Zürcher Zeitung, 25.9.02; www.gallup.de. 6 | Unternehmenskultur und Mitarbeiterbeteiligung als Standortvorteil: Vorbild für »Bündnis für Arbeit« (www.agpev.de).

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Menschenwertschätzungskunst. Wertschätzendes Organisieren als rekursive Konstitution Matthias Freitag

Boss: »I’ve been saying for years that ›employees are our most valuable asset.‹ It turns out that I was wrong. Money is our most valuable asset. Employees are ninth.« Employee: »I’m afraid to ask what came in eighth.« Boss: »Carbon Paper.« (Adams 1997: 53)

Prolog »In Organisationen tobt das Leben. Weit von jenen anämischen Gebilden entfernt, die in der althergebrachten Forschung unter dem Namen ›Organisationsstruktur‹ ihr schattenhaftes Dasein fristen und von oben bis unten vermessen werden, sind sie in Wirklichkeit Arenen heftiger Kämpfe, heimlicher Mauscheleien und gefährlicher Spiele mit wechselnden Spielern, Strategien, Regeln und Fronten. Der Leim, der sie zusammenhält, besteht aus partiellen Interessenkonvergenzen, Bündnissen und Koalitionen, aus side payments und Beiseitegeschafftem, aus Kollaboration und auch aus Résistance, vor allem aber: aus machtvoll ausgeübtem Druck und struktureller Gewalt; denn wer wollte glauben, dass dieses unordentliche Gemenge anders zusammen- und im Tritt gehalten werden könnte? Die Machiavellis der Organisation sind umringt von Bremsern und

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86 | Matthias Freitag Treibern, change agents und Agenten des ewig Gestrigen, Märtyrern und Parasiten, grauen Eminenzen, leidenschaftlichen Spielern und gewieften Taktikern: Mikropolitiker allesamt. Sie zahlen Preise und stellen Weichen, errichten Blockaden oder Springen auf Züge, geraten aufs Abstellgleis oder fallen die Treppe hinauf, gehen in Deckung oder seilen sich ab, verteilen Schwarze Peter und holen Verstärkung, suchen Rückendeckung und Absicherung, setzen Brückenköpfe und lassen Bomben platzen, schaffen vollendete Tatsachen oder suchen das Gespräch« (Küpper/Ortmann 1988: 7).

Der Kontrapunkt: Wertschätzung? Sind es wirklich nur machtvoller Druck und strukturelle Gewalt, die Organisationen zusammenhalten können? Wo, bitte, bleibt das Positive? Könnte Wertschätzung, Wertschätzendes Erkunden,1 Wertschätzendes Organisieren,2 positives Denken oder gar ein »Management by Love« (Gerken, zit. n. Ortmann 1995: 95) das Gemenge zusammen und im Tritt halten? Ein Blick in vier verbreitete deutsche Lehrbücher der Organisationstheorien: der Begriff Wertschätzung findet sich nicht in den Stichwortverzeichnissen (Kieser 2001; Ortmann/Sydow/Türk 1997; Weick/Lang 2001, 2003). Bei verwandten Themen der Organisationsforschung, etwa der rekursiven Entwicklung (Verstärkung) von Vertrauen und Kooperation (vgl. Freitag/Bleicher/Schöne 1997), wird deutlich, dass dieses Phänomen durchaus Beachtung findet: »positives Denken« (und Handeln) führt zu mehr Positivem (vgl. Ortmann 1995: 95). Der aus der Sozialpsychologie bekannte Rosenthaleffekt belegt eindrucksvoll, dass Erwartungen Wirklichkeiten erzeugen können, womit sich auch ökonomische Phänomene erklären lassen.3 Als Beispiel der Anwendung von »positivem Denken« gab es im letzten Jahrzehnt in der Organisationsberatung Ansätze, das Salutogenesekonzept von Antonovsky (1979) bezogen auf organisationale Prozesse zu verwenden.4 Auf dem Beratermarkt hat seit den 80er Jahren, als die Methode »Appreciative Inquiry«5 in den USA von David Cooperrider (1986) im Rahmen seiner Dissertation an der Case Western Reserve University entwickelt wurde, die Methode des Wertschätzenden Erkundens international selbst hohe Wertschätzung erfahren und wird in den unterschiedlichsten Kontexten angewandt,6 beispielsweise in der Organisationsentwicklung in großen Unternehmen, in staatlichen sowie nichtstaatlichen Organisationen (NGOs7), in Organisationen des Bildungsbereiches, in Kirchen8 in der Teamentwicklung und der Gemeinde-

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oder Regionalentwicklung9 und sogar in Kindergruppen10. Selbst in staatlichen Förderprogrammen11 findet das Thema Anklang. In Deutschland findet das Thema Wertschätzendes Erkunden zunehmend Beachtung: Seit 2001 gibt es dazu ein anwendungsorientiertes deutsches Lehrbuch (zur Bonsen/Maleh 2001), zahlreiche theoretische Arbeiten (z.B. Grieger 2001), regelmäßige Publikationen in Zeitschriften für Personal- und Organisationsentwickler (z.B. Manager-Seminare: Maleh 2000, zur Bonsen 2002), Diskussionsgruppen im Internet12 sowie zahlreiche Möglichkeiten, dazu Weiterbildungen zu besuchen13. Wertschätzendes Erkunden stand 2000 im deutschsprachigen Raum nach einer Befragung von Beratern (Weber 2002: 267) an sechster Stelle in der Häufigkeit der Anwendung von Großgruppenverfahren. Diese Fakten sprechen deutlich dafür, dass Wertschätzung in der Praxis des Organisierens und vor allem auf dem Markt der Organisationsberatung eine signifikante Aufmerksamkeit erfährt.

Großgruppenverfahren und systemische Beratung – eine Liebeshochzeit? Wertschätzendes Erkunden wird zum Methodenkanon der Großgruppenverfahren gezählt,14 zu welchem unter anderem noch das wohl am meisten verbreitete Verfahren Open Space Technology sowie Future Search und Real Time Strategic Change gehören (vgl. Holman/Devane 1999; vgl. die synoptische Übersicht bei Freitag 2002: 220-227). Die historischen Wurzeln der Großgruppenverfahren liegen fern von Familientherapie und systemischer Beratung, aber in den »Genogrammen« (vgl. Leith 2001: 815) beider Richtungen lassen sich einige gemeinsame Vorfahren konstruieren, so etwa die Gestaltpsychologie, die Feldtheorie Kurt Lewins sowie frühe Systemtheorien (die General System Theory der 40er Jahre und die Soziotechnische Systemtheorie von Fred Emery und Eric Trist).16 So waren es auch Berater außerhalb der »systemischen Gemeinde«, die diese Verfahren in Deutschland einführten, etwa Katrina Petri (1996) und Michael M. Pannwitz17 die Open Space Technology, Matthias zur Bonsen und sein Team18 verschiedene Großgruppenverfahren (vor allem Future Search, Real Time Strategic Change, Open Space, Appreciative Inquiry, inzwischen auch World Café) und Walter Bruck19 das Verfahren Appreciative Inquiry. Roswita Königswieser, eine der herausragenden Persönlichkeiten

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88 | Matthias Freitag der systemischen Organisationsentwicklung im deutschsprachigen Raum, markierte mit dem Buch »Das Feuer großer Gruppen. Konzepte, Designs, Praxisbeispiele für Großgruppenveranstaltungen« (Königswieser/ Keil 2000) die Hinwendung der Systemischen Beratung zu den Großgruppenverfahren. Die deutschsprachige Auflage des Klassikers von Holman/Devane (1999) »Change Handbook« mit einem Vorwort von Fritz Simon, erschienen 2002, ist ein weiteres Indiz dafür, dass diese Verfahren inzwischen in der systemischen Beratung angekommen sind. Systemische Institute bieten Weiterbildungen zu diesen Verfahren an, integrieren sie in ihre Curricula,20 so auch der Autor selbst als Lehrender des sächsischen Instituts für Systemische Beratung und Therapie/ Familientherapie, oder bieten Begleitung als Dienstleistung an.21 Trotz der genannten geringen historischen Verwandtschaft gibt es erhebliche Gemeinsamkeiten: Großgruppenverfahren können »als systemische Interventionen verstanden werden, die den Prinzipien anderer Interventionsformen der systemischen Beratung folgen«, so Simon (2002: 2). Um es am Beispiel der Open Space Technology anschaulich zu machen (vgl. Freitag 2002): • Wertschätzung: Tragendes Element, beispielsweise durch die Eröffnungsworte des Begleiters (vgl. Pannwitz 2003), durch die explizite Wertschätzung verschiedener Arten der Mitarbeit (»Hummeln« oder »Schmetterlinge«), oder durch wertschätzende Umdeutungen: »Wenn keiner zu meinem Anliegen hinzukommt, habe ich als Experte Gelegenheit, mich ganz alleine dem Thema zu widmen.« • Ressourcenorientierung: Es gilt beispielsweise: »Die, die da sind, sind genau die Richtigen.« • Lösungsorientierung: Es gilt unter anderem: »Was immer auch geschieht, es ist das Einzige, was geschehen kann. Ich nehme die Möglichkeiten wahr, die sich auftun, anbieten, jetzt deutlich werden.« • Haltung des Begleiters: Seine Aufgabe ist es, die Selbstorganisation des Klientensystems zu ermöglichen: er hat die Prozesskompetenz, z.B. zur »Schaffung einer Kultur von Sicherheit und Vertrauen in Raum und Zeit« (Petri 1999: 150), aber interveniert nicht in inhaltlichen Fragen. • Rolle von Ritualen: Viele Elemente sind ritualisiert, z.B. der Gang im Inneren des Kreises bei der Eröffnung oder die »talking-stick«-Zeremonie beim Abschluss.

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Trotz der angeführten Gemeinsamkeiten zeigt die gegenwärtige Praxis der Großgruppenverfahren, dass deren Anbieter und systemische Berater im Allgemeinen größtenteils zu verschiedenen Communities gehören, die sich bisher nur wenig überlappen. Um die Frage der Kapitelüberschrift zu beantworten: Von einer Liebeshochzeit würde ich nicht sprechen, allenfalls von einer Freundschaft im frühen Stadium. Die Mitgift der Großgruppenverfahren ist dabei, dass sie einen systemischen Zugang für ein neues Feld der systemischen Beratung mitbringen; die systemische Beratung kann mittels ihrer Theoriefundierung zu einer Einbettung der Verfahren in komplexe organisationale Interventionsdesigns beitragen. Die intensivere Liaison zwischen systemischer Beratung und dem Wertschätzenden Erkunden wird im nächsten Kapitel angesprochen.

Wertschätzendes Erkunden: Grundlagen, Prinzipien, Werkzeuge Für das Wertschätzende Erkunden sind es naturgemäß die Prinzipien Wertschätzung, Lösungs- und Ressourcenorientierung, die stark an die Lösungsorientierte Kurzzeittherapie erinnern. Nicht von ungefähr gleichen sich die »Geburtsjahrgänge« (zumindest die Druckfassungen betreffend), wird doch für die Dissertation von Cooperrider wie auch für den Artikel von de Shazer und KollegInnen »Brief therapy: focused solution development«, der erste in der Tradition der »Solution Focused Brief Therapy«, das Jahr 1986 angegeben. In der Geschichte des Wertschätzenden Erkundens, die Watkins/Mohr (2001: 15-21) in sehr anschaulicher Form zusammengetragen haben, fehlt allerdings ein Hinweis darauf, dass Cooperrider die Arbeiten von Steve de Shazer et al. kannte. Die im vorliegenden Band dargestellten vier Grundideen des Wertschätzenden Organisierens können auch zu den Grundideen der systemischen Beratung gezählt werden: • • • •

die Welt ist sozial konstruiert, Konstruktionen informieren Handlungen, Wirklichkeiten werden in Beziehungen produziert, Bedeutung wird durch Wertschätzung erzeugt.

Die Struktur des Wertschätzenden Erkundens besteht aus drei Ebenen (Watkins/Mohr 2001: 37): dem »Boden« der theoretischen Grundan-

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90 | Matthias Freitag nahmen, der »DNA« von fünf Prinzipien und fünf generischen Prozessen sowie der Praxis mit vielfältigen Aktivitäten, Anwendungen, Methoden (vgl. Abbildung 1). Abbildung 1: Struktur des Wertschätzenden Erkundens (in Anlehnung an Watkins/Mohr 2001: 37)

Die Praxis des Wertschätzenden Erkundens: Aktivitäten, Anwendungen, Methoden ... Die ›DNA‹ des Wertschätzenden Erkundens Fünf Prinzipien: - Konstruktionismus - Simultanität - Poetik - Antizipation - Prinzip des Positiven

Fünf Prozesse: - Wähle das Positive als Fokus des Erkundens! - Erkunde Geschichten, die von belebenden Kräften handeln! - Finde Themen in diesen Geschichten und wähle Inhalte für zukünftige Erkundungen! - Schaffe geteilte Bilder einer erwünschten Zukunft! - Finde innovative Wege, diese Zukunft zu erschaffen!

Der ›Boden‹ des Wertschätzenden Erkundens: - Soziologie des Wissens/Sozialkonstruktionismus - Chaostheorie/Komplexitätstheorien, Theorien der Selbstorganisation - Forschung zur Kraft von positiven Bildern

Die fünf genannten Prinzipien nach Cooperrider et al., auf denen Wertschätzendes Erkunden aufbaut, sind in Tabelle 1 dargestellt. Tabelle 1: Fünf Prinzipien des Wertschätzenden Erkundens Konstruktionismus

Grundlage ist die Theorie des Sozialkonstruktionismus von Gergen22 (z.B. 1985), vgl. auch Cooperrider/Whitney/Stavros (2003: 13-14). Watkins/Mohr (2001: 16) weisen darauf hin, dass die Publikation von Gergen (1982) »Towards Transformation in Social Knowledge« erheblichen Einfluss auf das Denken von Cooperrider hatte.

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Simultanität

»Inquiry is intervention« (Cooperrider/ Whitney 2000: 18). Erkunden bewirkt nicht eine Veränderung, sondern ist bereits eine Veränderung.

Poetik

Organisationen sind wie ein Gedichtbuch offen für vielfache Interpretationen und werden von vielen Autoren »geschrieben« (Cooperrider/Whitney 2000: 18).23

Antizipation

Das Bild von der Zukunft leitet das Verhalten in der Gegenwart. Positive Bilder der Zukunft und positive Kommunikation über die Zukunft führen schließlich auch zu einer solchen positiven Zukunft (Cooperrider/Whitney 2000: 19).

Prinzip des Positiven

»Positive Image, Positive Action«, so ein Titel von Cooperrider (1990). Positive Bilder und Kommunikation führen zu positiven Resultaten.

Nach Cooperrider 1994, Cooperrider/Shrivastva 1987, Cooperrider/Whitney 2000; vgl. auch Watkins/Mohr 2001: 37; Grieger 2001: 16-20)

Zur Praxis der Umsetzung von Veränderungen in Organisationen (in Abbildung 1 oberste Ebene) wurden im Kontext des Wertschätzenden Erkundens verschiedene Prozessmodelle vorgeschlagen (vgl. die Übersicht von Watkins/Mohr 2001: 42-47)24, welche auf den dargestellten Prinzipien aufbauen und Operationalisierungen (Methoden/Techniken) enthalten. Das Bekannteste ist das 4-D-Modell (vgl. Cooperrider/Whitney 2000: 7; Cooperrider/Whitney/Stavros 2003: 38-42, 87-206): • • • •

Discovery: erkunden, verstehen und wertschätzen, was bereits da ist, Dream: visionieren, was sein könnte, Design: gestalten und vereinbaren, was sein soll, Destiny: planen, was künftig sein wird.

Cooperrider/Whitney/Stavros (2003: 87-206) liefern umfangreiche und hilfreiche Materialien (auch auf CD-ROM)25 zur konkreten Ausgestaltung des 4-D-Modells. Ein vergleichbarer »Werkzeugkasten« in deutscher Sprache steht bisher noch aus.

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92 | Matthias Freitag Im folgenden Kapitel soll Wertschätzendes Erkunden vor dem Hintergrund des Praxisfeldes des Autors und anhand einer von der systemischen Organisationsberatung bisher kaum rezipierten Theorie, der Strukturationstheorie, dargestellt werden.

Wertschätzendes Erkunden strukturationstheoretisch gewendet Wertschätzendes Erkunden wird heute, wie auch die Open Space Technologie, vom Autor im Kontext Kooperationsentwicklung zwischen kleinen und mittleren Unternehmen eingesetzt.26 Aufgabe der Kooperationsentwicklung ist es primär, den Aufbau adäquater Koordinationsstrukturen im Netzwerk zu unterstützen (z.B. hinsichtlich Kommunikation, Entscheidungsfindung, Konfliktmanagement). Kooperationsentwicklung beginnt zwischen der Geschäftsführung der Unternehmen und bezieht schrittweise Mitarbeiter in den Prozess ein. Die Strukturationstheorie27 (Giddens 1984) dient dabei als Theorierahmen. Organisationen können, Ortmann folgend, als soziale Systeme beschrieben werden, die aus sozialen Handlungen bestehen, welche sich am vergangenen, gegenwärtigen oder zukünftigen Handeln anderer orientieren (Ortmann 1995: 49). Dies impliziert, dass es im Handeln Regelmäßigkeiten gibt, durch die Erwartungen herausgebildet werden können. »Die Regelmäßigkeit sozialer Praktiken basiert auf Regeln (und Ressourcen), die ihrerseits nur in und durch regelmäßige Praktiken Existenz erhalten« (ebd.: 49). Dieser rekursive28 Konstitutionszusammenhang nach Giddens (1984) eröffnet zwei zentrale Bezugspunkte: Handeln und Struktur,29 wobei Handeln von den Strukturen der Organisation erst ermöglicht, aber auch restringiert wird. »Handeln erfolgt im Medium von Strukturen, wird durch Strukturen ermöglicht und beschränkt […], und es hat eben jene Strukturen zum Resultat, die es sodann ermöglichen und beschränken« (Ortmann 1995: 296). Die Rekursion rührt daher, dass die meisten Modalitäten in unserem Handeln sich nicht durch das Handeln verbrauchen, sondern »reproduzieren, steigern oder destruieren können: die Deutungsschemata, mit deren Hilfe wir die Welt interpretieren, ja: interpretativ hervorbringen; die Normen, mittels derer wir unser Handeln rechtfertigen, und die Ressourcen, derer wir uns […] bedienen« (ebd.: 89). Die Reproduk-

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tion umfasst Replikation und Veränderung30 (vgl. ebd.: 90). Was so als Struktur erzeugt wird, sind Regeln und Ressourcen. Die Zirkel der Rekursivität31 können sich in beide Richtung drehen: in konstruktiver, wertschätzender Richtung und in destruktiver Richtung. Wertschätzendes Erkunden ist der Versuch, dem Zirkel Schwung hin zur konstruktiven, wertschätzenden Richtung zu geben, indem bewusst auf positive, Kraft spendende Aspekte der Vergangenheit und Gegenwart fokussiert wird. »Die Drehbewegung der Rekursion kann aber, einmal in bestimmter Richtung in Gang gebracht, um so schwerer zum Stoppen gebracht werden, je mehr sie sich durch komplexe arbeitsteilige, organisierte Prozesse hindurch vollzieht. Organisationen sind nichts anders als organisierte Rekursion, organisierte rekursive Schleifen menschlicher Praxis« (ebd.: 94). Prozesse wie das Wertschätzende Erkunden dürfen deshalb nicht punktuell angewandt werden, sondern eingebettet in Praktiken der ganzen Organisation32 als Praxis des Wertschätzenden Organisierens. Nach Ortmann kann diese Idee, die Zirkel der Rekursivität in Richtung auf Konstruktives, Positives zu drehen, »selbst kaum ernst genug genommen werden« (ebd.: 95), allerdings geht es nicht (nur) um »positives Denken«, sondern um »Enactment«33, »dann allerdings mag es gelingen, die unwiderstehliche Produktivität positiver, produktiver ›kreativer Zirkel‹ auf den Wegen der Strukturation fruchtbar zu machen. Strukturen bedeuten Restriktion und Ermöglichung« (ebd.: 95). Dies sei am Beispiel der Vertrauensentwicklung illustriert, welche wesentlich ist für die Kooperationsentwicklung: »Ein Blick, ein Wort, ein erster Schritt – und je eine freundliche Reaktion, die den je nächsten Schritt ermöglicht oder gar hervorlockt: so tastend und probierend, die Fühler ausstreckend und erst einmal wieder ins Schneckenhaus sich zurückziehend, vor allem aber und konstitutiv: auf den anderen und seine Antworten angewiesen, entwickeln [sic] Menschen jene Zirkularität doppelter Kontingenz, entwickeln sie vielleicht: Vertrauen. In Organisationen tragen […] deren Strukturen zur rekursiven Konstitution und Stabilisierung resp. Destabilisierung von Ver- oder Mißtrauen massiv bei« (Ortmann 1995: 87).

Dazu leistet das Wertschätzende Organisieren, wie es in diesem Band dargestellt wird, in der Praxis des Autors einen wertvollen Beitrag. Die Strukturen, welche zur Stabilisierung von Vertrauen im Prozess beitragen, sind beispielsweise explizite Regeln,34 die das Netzwerk sich gibt und deren Verletzung sanktioniert wird. So entwickelt sich aus dem an-

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94 | Matthias Freitag fänglichen personalen Vertrauen ein Systemvertrauen in das Funktionieren des Systems »Netzwerk«. Neben dem bisherigen Fokus des Wertschätzenden Erkundens auf wertschätzende Handlungen wird folglich hier vorgeschlagen, Wertschätzendes Organisieren als Erweiterung des ursprünglichen Konzeptes im Sinne der Strukturationstheorie als rekursive Konstitution von Handlungen und Strukturen zu begreifen. Dabei geht es nicht um die Suche des einen richtigen Schlüssels (Sprache, Interpretation, Theorie) für ein Schloss (Welt), sondern immer auch »um die Konstitution von Welt im Handeln und Sprechen: um die Suche nach der richtigen Welt für unsere Schlüssel« (Ortmann 2003a: 17). Um den Kreis zu schließen und auf das Anfangszitat von Adams zurückzukommen: Durch das Wertschätzende Organisieren wird nicht der Code der Wirtschaft geändert – nach wie vor wird gelten: »the business of business is business«, die elementare Operation im Wirtschaftssystem ist weiterhin Geld,35 im Wirtschaftskontext ist der Mensch »Mittel. Punkt.«36 Das Wertschätzende Organisieren bietet jedoch gerade in diesem Kontext die Chance, Handlungen und Strukturen positiv zu gestalten sowie zu nutzen, damit die Potenziale von Menschen in Organisationen und die Potenziale der Organisation selbst zur Entfaltung kommen, so dass in Organisationen mehr inspirierendes und konstruktives Leben toben kann.

Anmerkungen 1 | Ich folge mit dieser Übersetzung von »Appreciative Inquiry« der Argumentation von Deissler in diesem Band: »Erkunden« trifft den Prozesscharakter besser als das bisher etablierte Nomen »Erkundung«. Allerdings hat sich im deutschen Sprachraum bisher am stärksten der Begriff »Erkundung« etabliert, neben freien Übersetzungen wie »Wertschätzende Unternehmensentwicklung«, »Positives Fragen«, »Expansion des Positiven« (vgl. zur Bonsen/Maleh 2001: 16), »Wertschätzende Organisationsentwicklung« (Grieger 2001). Allerdings, so zur Bonsen/Maleh (2001: 16) hat noch keine der Übersetzungen allgemeine Zustimmung gefunden. 2 | Auch hier wird nicht die substantivierte Variante »Wertschätzende Organisation« gewählt, vgl. Weick 1985: Der Prozess des Organisierens. »Organisieren« wird als »Ringen um die Absorption von Unsicherheit und Mehrdeutigkeit, um die Entfaltung, Bearbeitung, Verschiebung und oszillierende Verände-

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Menschenwertschätzungskunst | 95 rung von Paradoxien mit der Zuflucht zu immer nur vorläufigen ›Lösungen‹ mit eingebauten Folgeproblemen« verstanden (Ortmann 2003a: 14). 3 | Bemerkenswerterweise wurde der aus der Sozialpsychologie bekannte Rosenthaleffekt/Pygmalion Effekt/die Self-fulfilling-Prophecy herangezogen, um die Entwicklung und den Crash der Internetökonomie zu erklären: Erfolgserwartungen, aber auch Befürchtungen haben eine »wirklichkeitserschaffende Macht«, vgl. etwa http://www.wissensnavigator.com/interface2/trading/markets/self_ fullfilling_prophecy/ [sic!]. Auch Cooperrider (1990) geht davon aus, dass sich soziale Systeme in die Richtung bewegen, die von der Vorstellungskraft ihrer Mitglieder bestimmt wird. 4 | Nach einer Idee von James Reason in der Arbeitsgruppe »Forschungsstelle Systemsicherheit« an der Technischen Universität Berlin. 5 | Die Frage, ob Wertschätzung eine »Methode« bzw. »Technik« oder eine »Haltung« darstellt, beantwortet Cooperrider: it »is a philosophy, it’s a methodology for working with organizations, and it’s an intervention theory« (Cooperrider, zitiert nach Grieger 2001: 13). So lehnte Cooperrider auch ab, ein »Manual« dazu zu verfassen (Hammond 1998: 4), dies erledigte dann Sue A. Hammond (1998). Zur Struktur des Wertschätzenden Erkundens vgl. Abbildung 1. 6 | Vgl. z.B. Cooperrider/Whitney/Stavros 2003: I; Watkins/Mohr 2001: XXXV, Hammond/Royal 2001; siehe auch die zahlreichen Beispiele im »AI Practitioner« http://www.aradford.co.uk/pagefiles/resources.htm 7 | Z.B. Rotes Kreuz: Bergel 2003. 8 | Z.B. Paddock 2003. 9 | Z.B. Ashford/Patkar 2001, Elliot 1999, beide online verfügbar. 10 | Wedekind/Kessemeier/Seitz/Hecht 2002: »Eine Wir-Werkstatt. Für Kinder, die sich auf Ihre Stärken besinnen«, ein sehr liebenswert gestaltetes Beispiel! Vgl. auch »Das Reporter Spiel« vom NIK e.V., Bremen (Burr-Fulda/Burr 2004). 11 | http://www.inqa.de/veranstaltungen/zukunftsforum_workshops.cfm. 12 | http://www.schnellerwandel.de, vgl. auch die englischsprachige Liste: http://mailman.business.utah.edu:8080/mailman/listinfo/ailist 13 | Z.B. http://www.wb-consult.de/ 14 | Natürlich ist es, wie die oben genannten Beispiele schon zeigen, auch in kleinen Gruppen und Paaren anzuwenden. Die Großgruppenvariante wird »Appreciative Inquiry Summit« genannt, vgl. die Darstellung in diesem Band. 15 | Leith (2001: 8) stellt die historischen Wurzeln der Großgruppenverfahren Open Space Technology, Real Time Strategic Change und Future Search anschaulich in einem Flussdiagramm dar. 16 | Simon (2002: 1) hebt allerdings die »kompromisslose Pragmatik« der Großgruppenverfahren hervor und konstatiert einen »gewissen Nachholbedarf« an Theoriebildung (2002: 3). Wie u.a. die Darstellung von Leith (2001: 8) zeigt, lässt sich die Theorietradition der Verfahren durchaus (re-)konstruieren. Allerdings ist die Bedeutung, die man der Theorie in beiden Kontexten zumisst, auch nach meiner Beobachtung durchaus unterschiedlich: Systemische Beratung hält

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96 | Matthias Freitag sich an das schöne Lewin’sche Motto »nichts ist praktischer, als eine gute Theorie«, während Anwender von Großgruppenverfahren das Motto eher auf den Kopf stellen mit »nichts ist theoretischer, als eine gute Praxis«. Das von Simon angeführte Beispiel, dass dem Teilnehmer gesagt werde, »wie er den Filzstift zu halten hat« (2002: 1), ist allerdings eine deutsche »Erfindung« aus der Tradition der Moderationsmethoden (vgl. Neuland 1995: 166). Es muss allerdings ein Unterschied gemacht werden: In seiner expliziten theoretischen Begründung hebt sich das Wertschätzende Erkunden von den übrigen Methoden ab. Zu diesem Verfahren wird auch in signifikantem Umfang universitäre Forschung betrieben (vgl. etwa die Dokumentationen unter http:// appreciativeinquiry.cwru.edu/). Uneingeschränkt stimme ich Simon (2002: 3) in der Aussage zu, dass Großgruppenverfahren in komplexe organisationale Interventionsdesigns einzubinden sind, was auch ausdrücklich von den Auftraggebern von Großgruppenverfahren gewünscht wird (vgl. Weber 2002: 270). Dazu kann gerade die systemische Beratung erhebliche Ressourcen beitragen. 17 | http://www.michaelmpannwitz.de 18 | http://www.all-in-one-spirit.de 19 | http://www.wb-consult.de 20 | So beispielsweise die Simon, Weber and Friends GmbH, vgl. http:// www.simon-weber.de 21 | Vgl. z.B. das Aachener Institut für Beratung und Supervision IBS, vgl. http://www.ibs-networld.de/ferkel/juli-2003-nachrichten-openspaceaachen.shtml 22 | Zum konstruktionistischen Fundament des Wertschätzenden Erkundens vgl. Insunza 2002. 23 | Hammond (1998: 6) berichtet, dass Cooperriders Frau Nancy, eine Künstlerin, die Idee des »wertschätzenden Auges« einbrachte, welches Organisationen als Ausdruck von Schönheit und Geist betrachtet. 24 | Z.B. das 4-I-Modell (Initiate, Inquire, Imaging, Innovate), vgl. Watkins/ Mohr 2001: 45. 25 | Zur konkreten Gestaltung eines solchen Prozesses vgl. auch Grieger 2001: 27. 26 | Zur Kooperationsentwicklung vgl. Freitag/Bleicher/Schöne 1998, Winkler/Freitag 2000. Zur speziellen Rolle von Wertschätzendem Erkunden in der Kooperationsentwicklung vgl. Cummings 1990. 27 | Strukturation im Doppelsinn von Strukturieren und Strukturiertheit, Prozess und Resultat, Erzeugen und Erzeugnis 28 | Wie es Ortmann (1995: 86) so trefflich formuliert: »Rekursiv, das ist, wenn Sie Ihrer Freundin hinterherjagen, weil Sie Ihnen wegläuft, weil Sie ihr hinterherlaufen; wenn Sie übel drauf sind, weil Ihnen Ihre Umgebung nicht gefällt, weil Sie übel drauf sind …«. Das Rekursivste ist der Erfolg: Nichts ist erfolgreicher (ebd.: 88) – der Gewinner gewinnt die Ressourcen, um auch morgen erfolgreich zu sein und gewinnt sogar die Macht, Erfolg zu definieren. Eine weitere rekursive Konstitution: »Der Herr macht den Knecht zum Knecht, insofern die-

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Menschenwertschätzungskunst | 97 ser den Herrn zum Herrn macht, was der Knecht nur tut, insofern der Herr ihn zum Knecht macht« (ebd.: 90). 29 | Das sei am Beispiel der Geschichte der drei Schiedsrichter von Simon (zit. bei Weick 1985: 9) illustriert: »Man erzählt, dass drei Schiedsrichter über die Frage des Pfeifens von unvorschriftsmäßig ausgeführten Schlägen uneins waren. Der erste sagte: ›Ich pfeife sie, wie sie sind.‹ Der zweite sagte: ›Ich pfeife sie, wie ich sie sehe.‹ Der dritte und cleverste Schiedsrichter sagte: ›Es gibt sie überhaupt erst, wenn ich sie pfeife.‹« Strukturationstheoretisch geht es nicht alleine um die Kontruktion der Welt »unvorschriftsmäßiger Schlag« durch den Pfiff des dritten Schiedsrichters (Handlung), sondern um die Vergangenheit seiner Regeln und Ressourcen als Strukturen sowie die Folgen, die der Pfiff für die Regeln und Ressourcen in der Zukunft hat (Struktur und Handlung). Vgl. auch die dazu unterschiedliche Interpretation von Hoffman (2000). 30 | Ortmann (2003) bezieht Derridas Konzepte der différrance und des supplements auf diesen Prozess: »Regeln werden in ihrer und durch ihre Anwendung erfüllt, ergänzt, modifiziert, ausgesetzt, ja: ersetzt und unter Umständen pervertiert. [Supplement]« Das heißt aber, dass Regeln einer beständigen Verschiebung und Veränderung, einer Drift in den und durch die Passagen der Anwendung unterliegen, einer lautlos gleitenden Bewegung und stillen Kraft, für die Derrida das Kunstwort différance erfunden hat: Selbstdekonstruktion von Regelwerden» (Ortmann 2003b: 12-13). 31 | Die Zirkel der Rekursivität sind sozusagen die erwähnte Self-Fulfilling Prophecy als sich selbst verstärkender Prozess gedacht. 32 | Siehe Anmerkung 16: die Forderung von Fritz Simon, Großgruppenverfahren in komplexe systemische Interventionsdesign einzupassen. 33 | Man beachte die etymologischen Zusammenhänge: »Regeln anwenden, Ressourcen verwenden: Immer scheint es um das Wenden zu gehen, das in situ statt hat – notwendigerweise« (Ortmann 2003b: 227). 34 | Beispielsweise die Regel, dass Insiderinformationen aus dem Netzwerk nicht opportunistisch für eigene Unternehmenszwecke gegen die Interessen der anderen Netzwerkmitglieder genutzt werden dürfen. 35 | »Im Unternehmen steht Geld bzw. Kapital im Mittelpunkt. Das ist schon von Karl Marx registriert worden und durch liberale Wirtschaftstheoretiker wie den Nobelpreisträger Milton Friedman oder links-ideologisch unverdächtige Sozialwissenschaftler wie Niklas Luhmann in Erinnerung gerufen worden« (Neuberger 1990). 36 | Dies rekurriert auf die inzwischen berühmte Anmerkung Neubergers: »Der Mensch ist Mittel. Punkt.«, mit welcher er das Motto »der Mensch ist Mittelpunkt« für das Personalwesen als leeren Slogan zu entlarven sucht (Neuberger 1990).

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Innere und äußere Dialoge. Zur Nutzung des Modells der inneren Polyphonie in der Beratung von Organisationen 1 Lothar Eder

Du bist dir nur des einen Triebs bewusst; O lerne nie den andern kennen! Zwei Seelen wohnen, ach!, in meiner Brust, Die eine will sich von der andern trennen Johann Wolfgang von Goethe: Faust, der Tragödie erster Teil Inneres ist mit Äußerem nicht nur erfahrungsmäßig verbunden, sondern auch logisch. […] Wer eine Seele hat, muß des Schmerzes, der Freude, des Kummers etc., etc. fähig sein. Und soll er dazu auch fähig sein zu erinnern, Entschlüsse zu fassen, sich etwas vorzunehmen, so braucht er den sprachlichen Ausdruck. Ludwig Wittgenstein: Das Innere und das Äußere Sein bedeutet, sich dialogisch zueinander verhalten. Wenn der Dialog aufhört, hört alles auf. Michail Bachtin: Probleme der Poetik Dostoevskijs

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1. Organisation und Dialog Organisationsberatung und Organisationsentwicklung, soweit sie sich nicht mit den betriebswirtschaftlichen oder den logistischen Aspekten einer Organisation beschäftigen, widmen sich ihren sozialen und psychologischen Seiten: der Identität, der Kultur einer Organisation, ihren Strukturen, den Hierarchien, den Kommunikationsflüssen und -regeln, den inneren und äußeren Beziehungen. Damit befinden sie sich in einem eher weichen Realitätsbereich. Zwar gibt es offizielle Strukturen und Hierarchien, die für alle Beteiligten sichtbar und transparent und über ein Organigramm darstellbar sind (z.B.: Wer ist in leitender Funktion? Wer nimmt Weisungen von wem entgegen? usw.). Andere, wesentliche Bereiche der Interaktion innerhalb einer Organisation hingegen sind abhängig von den Beiträgen, den Perspektiven, den Bewertungen und den Bedeutungszuweisungen der beteiligten Personen. Wirklichkeit und Bedeutung, so ein Kernpunkt des von Kenneth Gergen entworfenen Sozialen Konstruktionismus (vgl. Gergen 2002), werden sozial, über soziale Interaktion erzeugt, sie sind eingebettet in Beziehungen. Damit werden die Qualität von Beziehungen – hier im Organisationskontext – in den Fokus gerückt und zu einem wesentlichen Kriterium für das Engagement der Beteiligten und die Effizienz der Organisation. Ein kurzer Blick auf die Problemseite verdeutlicht dies: Der sogenannte menschliche Faktor, das Verhältnis zu Kollegen und Vorgesetzten am Arbeitsplatz, wird von einer Vielzahl von Erwerbstätigen als sehr bedeutend eingeschätzt. Ein schlechtes Betriebsklima, etwa ein mangelhaftes Einvernehmen mit Vorgesetzten, werden als Quelle für psychische Belastung erlebt und führt zu verminderter Leistung und Fehlzeiten (vgl. u.a. Bauer 2002: 218-19). Dies ist der Punkt, an dem Anderson et al. mit ihrem Modell der Wertschätzenden Organisation ansetzen. Ein zentraler Aspekt ihres Konzeptes heißt »jeder Stimme Raum geben«. Damit entwerfen sie zum einen ein Organisationsmodell, das von Multiperspektivität und Polyphonie gekennzeichnet ist. Jedes Mitglied der Organisation ist wichtig, seine Stimme soll gehört werden. Durch diese, man könnte sagen: Operation der Wertschätzung steige (so Anderson et al.) das Engagement der Einzelnen und damit die Effizienz der Organisation. Jeder Leser, jede Leserin mit einer irgendwie gearteten Organisationserfahrung (und das dürften alle sein, der Autor eingeschlossen) wird dies spontan nachvollziehen können. Wenn meine Stimme, meine Meinung, meine Befind-

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100 | Lothar Eder lichkeit zählen, wenn sie wahrgenommen, gesehen, gehört werden, von Bedeutung sind, wirkt sich dies positiv auf mein Befinden und mein Engagement aus. Damit ist zum Zweiten implizit auch eine normative Perspektive entworfen: Eine »gute«, funktionierende, erfolgreiche Organisation ist diejenige, welche eben diese Aspekte berücksichtigt. Auf der Handlungsebene ist demnach die grundlegende Figur diejenige des Dialogs, des dialogischen Prinzips. Gefragt ist somit nach der Form dieses Dialogs: Wie kann der Dialog nützlich gestaltet werden? Anderson et al. schlagen hier die Form des Transformativen Dialogs vor (vgl. Gergen et al. 2003), der u.a. folgende Kennzeichen trägt: 1.

2.

3.

4.

Polyphonie und Multiperspektivität: Die Vielfalt von Sichtweisen und Stimmen wird als Ressource, nicht als Hindernis der Organisation angesehen. Jede Stimme zählt und bekommt Raum, sie wird von den anderen Beteiligten gehört. Über diese Operation der Wertschätzung kann eine andere Wir-Erzählung entstehen. Auf der Ebene der Zeitorganisation unterschiedlicher Haltungen entsteht eine Entzerrung: nacheinander statt gleichzeitig, also ein eher diachrones als synchrones Muster;2 dies wird oft als entstressend erlebt. Ein Nebeneinander von Sichtweisen statt Konkurrenz oder Kampf um die eine, »richtige« Sichtweise. Aus systemischer Sicht wird damit ein Muster des Sowohl-als-auch, anstatt eines Entweder-oder von Sichtweisen eingeführt.3

In der Erörterung dieses dialogischen Modells werden meist Verbindungen zu philosophischen und literarischen Traditionen hergestellt. Zum einen diejenige zur postmodernen Philosophie insbesondere Lyotards und der von ihm entworfenen Polyphonie verschiedener kleiner, statt (nach deren von Lyotard konstatiertem Scheitern) der einen, der »großen« Erzählung (vgl. Deissler 2000). Zum anderen diejenige zur Literatur(-wissenschaft). Hier wird v.a. auf Michail Bachtin Bezug genommen, dessen vordergründiger Untersuchungsgegenstand die polyphone Romanstruktur Dostojewskis ist (vgl. Bachtin 1985, Deissler 2000 und Zitterbarth 2000). Bachtin geht jedoch in seiner Perspektive weiter und entwirft das Dialogische als grundlegendes Kennzeichen des (menschlichen) Seins: »Sein bedeutet, sich dialogisch zueinander verhalten. Wenn der Dialog aufhört, hört alles auf« (1985: 285). Der Bezug zu systemischen Beratungskonzepten ist augenfällig. Dort ist nicht

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mehr das Individuum Fokus der Problemanalyse und der Lösungsfindung; der Ort von Problem und Lösung ist die Kommunikation, das Beziehen unterschiedlicher Positionen und Sichtweisen und deren Verhandlung. Systemisches Vorgehen bedeutet nicht zuletzt, diese Positionen miteinander zu verknüpfen, also den Dialog anzuregen oder die Regeln und Muster des Dialogs zu modifizieren.4

2. Die innere Organisation: Monolog und Dialog Entwicklungsgeschichtlich hat systemische Therapie und Beratung ihr Augenmerk also weg vom Individuum hin auf Interaktion und Kommunikation gerichtet. Gemäss dem Motto »Unterschiede, die Unterschiede machen« war dies eine entscheidende Unterschiedsbildung zu Beratungs- und Therapieformen, die sich lediglich auf das Individuum bezogen. Somit ist das systemische Beratungsmodell gewissermaßen prädestiniert für die Arbeit mit Organisationen, soweit dies die o.g. Bereiche der weichen Realität anbelangt. Nicht zuletzt aus pragmatischen Gründen, anfangs mit einer Art schlechtem systemischen Gewissen, da die Arbeit mit einzelnen zunächst nicht als lege artis und zunftgemäß galt, haben sich systemische Therapeuten und Berater mit der Zeit dem Individuum zugewandt. Auch die Theorie- und Modellbildung bezog damit immer mehr die Person und damit das Psychische mit ein.5 Hier sind, unter anderen, die so genannten narrativen Ansätze zu nennen, die sich mit der von einer Person generierten Erzählung, deren Wechselwirkungen mit dem Erleben und Bewerten, damit auch mit bestimmten Textmerkmalen befassen. Eine Kernfrage dieses Ansatzes lautet also: Wie wird erzählt? Man kann zwei weitere Fragen aufwerfen, die im Kontext von Beratung eine Bedeutung haben: 1.

2.

Welche (nützliche) Funktion hat das Erzählen (in Gegenwart eines anderen, z.B. eines Beraters), und welche Bedingungen sind dafür hilfreich? Wer spricht? Z.B. bei Ambivalenzkonflikten scheint es, als ob eine Person unterschiedliche Positionen bezöge, die ihrerseits in der Beratung als konsistente Einheiten behandelt werden können, die eine Stimme bekommen und mit denen »verhandelt« werden kann.

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102 | Lothar Eder Beide Fragen, die nach der Funktion und diejenige nach den zwei oder mehr Seelen des Sprechers, welche auf das Konzept der so genannten inneren Konferenz6 weist, werden nachfolgend behandelt.

Über die allmähliche Verfertigung von Gedanken, Bewertungen und Positionen beim Reden L’idée vient en parlant Heinrich von Kleist Man kann ein Auto nicht von innen anschieben Roland Berger

Am Ende eines Therapie- oder Beratungsprozesses frage ich Kunden meist, was für sie in den Gesprächen hilfreich war. Eine Antwort, die ich auf diese Frage oft bekomme (und ich weiß von Kollegen, denen es ähnlich geht) hat mich anfangs nicht nur erstaunt, sondern auch in gewisser Weise enttäuscht. V.a. zu Beginn meiner Beratertätigkeit war ich überzeugt, dass ein möglichst kunstfertiger Gebrauch von systemischen Fragen, von Metaphern und Verschreibungen den Grundstein für erfolgreiche Veränderungsprozesse bei Klienten legen. Diese aber antworteten auf meine Frage sinngemäß: »Es hat mir geholfen, dass ich mal über alles sprechen konnte, und dass mir jemand zugehört hat.« Diese Einschätzung gibt einen Hinweis auf Bedeutung und Funktion des Sprechens in Anwesenheit eines anderen (hier eines Beraters) selbst. Sie ist jedoch meist verknüpft mit dem Hinweis, dass die Haltung und Position des Beraters, nämlich nicht zu bewerten, Fragen zu stellen und eine »neutrale Person« (i.e. kein Familienmitglied, Freund etc.) zu sein, eine wichtige Rolle gespielt hat. Dies könnte man bereits, in Anknüpfung an die Ausführungen weiter oben, als Operation der Wertschätzung begreifen. Dem Vorgang des (moderierten) Sprechens, des Erzählens, kommt also, so könnte man schließen, an sich bereits eine nützliche Funktion zu, es kann per se hilfreich sein für das Ordnen von vorher Ungeordnetem, für das Entwickeln von alternativen Bewertungen, Perspektiven und Handlungsoptionen. Dies ist gleichsam Voraussetzung und Grundlage für die »zuhörenden Künste« Beratung und Therapie. Und obwohl es mit den privaten Erfahrungen vieler Menschen korrespondiert (»… nachdem ich mit meinem Freund U. gesprochen habe, ging es mit besser, konnte ich die Dinge anders sehen …«), werden Beratungsaufträge

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von Kunden häufig anders formuliert: »Ich (wir) erzähle(n) Ihnen erst mal, was los ist, damit Sie Bescheid wissen, und mir (uns) raten können.« Auch Berater selbst haben häufig den Anspruch an sich selbst, Lösungen anbieten zu müssen, und sehen im Sprechen der Kunden vornehmlich die Funktion, sie zu unterrichten, sie mit diagnostischer Information auszustatten. Die Idee von der Nützlichkeit des Sprechens für den Sprecher selbst findet sich auch außerhalb und historisch vor der wissenschaftlichen Hinwendung auf das Psychische. In seinem (unvollendeten) als Brief verfassten Aufsatz »Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden« unterrichtet etwa Heinrich von Kleist (1777-1811) seinen Freund Rühle von Lilienstern über eine für seine Zeit offenbar sehr erstaunliche Beobachtung: »Wenn du etwas wissen willst und es durch Meditation nicht finden kannst, so rate ich dir, mein lieber, sinnreicher Freund, mit dem nächsten Bekannten, der dir aufstößt, darüber zu sprechen. Es braucht nicht eben ein scharfdenkender Kopf zu sein auch meine ich es nicht so, als ob du ihn darum befragen solltest: nein! Vielmehr sollst du es ihm selber allererst erzählen: Ich sehe dich zwar große Augen machen, und mir antworten, man habe dir in früheren Jahren den Rat gegeben, von nichts zu sprechen, als nur von Dingen, die du bereits verstehst. […] Oft sitze ich […] und erforsche, in einer verwickelten Streitsache, den Gesichtspunkt, aus welchem sie wohl zu beurteilen sein möchte. […] Und siehe da, wenn ich mit meiner Schwester davon rede, […] so erfahre ich, was ich durch ein vielleicht stundenlanges Brüten nicht herausgebracht haben würde. Nicht, als ob sie es mir, im eigentlichen Sinne sagte; denn sie kennt weder das Gesetzbuch, noch hat sie […] studiert. Aber weil ich doch irgend eine dunkle Vorstellung habe, die mit dem, was ich suche, von fern her in einiger Verbindung steht, so prägt, wenn ich nur dreist damit den Anfang mache, das Gemüt, während die Rede fortschreitet, […] jene verworrene Vorstellung zur völligen Deutlichkeit aus, dergestalt, dass die Erkenntnis, zu meinem Erstaunen, mit der Periode fertig ist« (1982: 810).7

Dass es Kleist bei seinem Vorschlag nicht nur um Unterstützung der Gedanken, sondern auch um den emotionalen Bereich – er nennt ihn »Gemütsakten« – geht, wird auch an einer späteren Stelle des Textes deutlich. Er sieht letztlich Sprechen, Denken und Fühlen als miteinander verknüpft an:

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104 | Lothar Eder »Ein solches Reden ist ein wahrhaft lautes Denken. Die Reihen der Vorstellungen und ihrer Bezeichnungen gehen neben einander fort, und die Gemütsakten für eins und das andere kongruieren. Die Sprache ist alsdann keine Fessel, etwa wie ein Hemmschuh an dem Rade des Geistes, sondern wie ein zweites, mit ihm parallel fortlaufendes, Rad an einer Achse« (ebd.: 812).

Kleists Aufsatz ist nicht nur ein Plädoyer für das Sprechen, den sprachlichen Ausdruck, als Form der Problemlösung, sondern auch eines für den Gesprächspartner. Der Ausdruck, das zur Sprache bringen, braucht den anderen, der im besonderen Fall ein Berater sein kann. Damit ist der Kontext geschaffen, in dem die eigene Stimme Raum bekommt.

Guck mal, wer da spricht – das Modell der inneren Polyphonie Mehr Erfahrung, als auf einen Standpunkt geht, macht man schnell. Martin Walser, Meßmers Reisen

Die Kunst, in der das Dialogische beheimatet ist, ist zuallererst das Drama, das Theater. Dort findet man zwei Kategorien des Sprechens: den Dialog und den Monolog.8 Beide finden sich im Kontext von Beratung. Wenn eine Person (ein Beratungskunde) in Anwesenheit eines zuhörenden, moderierenden anderen (eines Beraters) spricht, handelt es sich streng genommen nicht um ein dialogisches, vielmehr – wie sich später zeigen wird, zumindest vorerst – um ein monologisches Geschehen. Der Berater gehört ja nicht zu den dramatis personae, er steht außerhalb, ist kein Mitglied des Systems. Und der Sprecher spricht ja nicht zuvorderst mit den anderen, er spricht in deren Gegenwart. Die von Anderson et al. vorgeschlagene Form des Transformativen Dialogs ist damit zunächst eine Unterbrechung des ursprünglichen Dialogs. Wenn ein Berater beispielsweise alle anwesenden Mitglieder eines Teams auffordert, nacheinander ihre Sichtweisen zu einem bestimmten Thema oder Problem zum Ausdruck zu bringen, während die übrigen jeweils zuhören, entsteht eine neue Form des Sprechens. Ziel ist dabei, auch bislang nicht zur Sprache gekommene Aspekte in die Kommunikation einfließen und dadurch Unterschiede entstehen zu lassen. Damit wird zunächst die Form des Dialogs verlassen und etwas erzeugt, das dem so genannten Beiseite sprechen, dem à part auf der Theaterbühne ähnelt. Das Innere des Sprechers, möglicherweise auch das, was lange ohne Worte war, findet nun Ausdruck (vgl. Szondi 1965: 136).

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Was aber findet der Sprecher vor, wenn er seinen Innenraum, seine innere Bühne betritt? Nun, gelegentlich zwei oder mehr Seelen, die nun ihrerseits sich in einem irgendwie gearteten Dialog befinden. Und auch dieser kann Fokus und Schauplatz von Beratung sein. Deutlich wird dies beispielsweise bei Ambivalenzkonflikten, die sich sowohl in der äußeren als auch in der inneren Kommunikation zeigen können. Weiter unten wird dies exemplarisch ausgeführt. Systemische Beratungsverfahren, die sich, fast möchte man sagen: in diesen Innenraum vorwagen, übertragen Beschreibungen und Vorgehensweisen, die aus der Arbeit mit Familien und Organisationen bekannt sind, auf das innere Geschehen, damit auf das Psychische. Diese Arbeit wird unterschiedlich benannt; es ist von der inneren Familie, der inneren Konferenz oder der inneren Organisation die Rede. Gemeinsam ist allen das Modell einer inneren Stimmenvielfalt oder Polyphonie. Sie entspricht im Grunde der Alltagsbeobachtung, dass man in bestimmten Situationen unterschiedliche Haltungen, Bewertungen und Handlungstendenzen (eben die zwei Seelen) bei sich selbst entdeckt, die gewissermaßen miteinander dialogisieren und gelegentlich auch miteinander in Konflikt geraten. Ähnlich der Arbeit mit äußeren, sozialen Systemen, werden die Mitglieder des inneren Systems als konsistente Einheiten aufgefasst. Die von außen beobachtbaren Handlungen der Person können somit als Ergebnis eines inneren Verhandlungsprozesses betrachtet werden. Aus pragmatischen Gründen scheint in diesem Zusammenhang einiges für die Verwendung des Begriffes der inneren Organisation zu sprechen: Die Mitgliedschaft einer »Stimme« in der Konferenz ist häufig reversibel, diese kann potenziell verabschiedet werden oder »ausscheiden«. Die Zugehörigkeit zu einer Familie dagegen ist irreversibel, aus meiner Familie kann ich nicht austreten, ich kann mich lediglich unterschiedlich in ihr positionieren. Ein zweiter Aspekt spricht für die Organisationsmetapher: Die Person selbst kann als »Vorsitzender« der Konferenz benannt werden, der seinerseits die einzelnen Stimmen hört, Konferenzen einberuft und Auswahlen vornimmt, was das Bewerten und Handeln anbelangt. Es ist möglich, im Beratungsprozess darüber zu sprechen, welche Gewichtung einzelne Stimmen derzeit haben, ob diese beibehalten oder verändert werden soll, welche Stimme in der augenblicklichen Gesprächssituation gleichsam als Sprecher der Gesamtorganisation fungiert (erfahrungsgemäß wechselt dieser mehrmals im Gesprächsverlauf), ob eine bestimmte Stimme mehr als bislang gehört werden soll etc.

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106 | Lothar Eder Auch hier können folglich die Prinzipien der Wertschätzenden Organisation Einzug halten: • Jede Stimme der inneren Organisation erhält Raum. • Es geht darum, jede Position als berechtigt zu betrachten, Pluralität und Multiperspektivität als zentrale Ressource zu implementieren. Dadurch kann eine neue (innere) Organisationskultur entstehen. • Wirklichkeit und Bedeutung werden über Interaktion, den Dialog (neu) erzeugt. • Durch den Prozess des Wertschätzenden Dialogisierens wird Wachstum angeregt, die Organisation (in diesem Fall die Person) wird handlungsfähiger. Wie die Beratungsarbeit mit der inneren Organisation, des inneren Dialogisierens, konkret aussehen kann, soll im nachfolgenden Abschnitt beispielhaft gezeigt werden. Dabei wird auch auf die Verknüpfung innerer und äußerer Dialoge eingegangen.

3. Innere und äußere Dialoge in der Beratung Ich behandle mich mit Geduld, weil ich weiß, dass ich mit mir zusammenbleiben muss, bis dass der Tod uns scheidet. Peter Hoeg: Spiegelbild eines jungen Mannes im Gleichgewicht Und sicherlich suche ich dann immer noch, und weit ungeduldiger, erwartungsvoller als eben noch, da ich ihn um Auskunft bat, meinen Weg, ich biege in eine Straße ein … aber … in eine meines Herzens … Marcel Proust: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

Die Arbeit mit der inneren Organisation, der inneren Polyphonie in der Beratungssituation, erfordert keine große Inszenierung. Der Einstieg kann en passant erfolgen, resultierend aus den Beschreibungen der Beteiligten in Verknüpfung mit den Überlegungen des Beraters. Natürlich ist zu beachten, dass man in der Verwendung dieses Konzepts nicht dem Law of Instrument verfällt: Nur weil man den Hammer als Werkzeug so gerne mag, ist nicht jedes Problem automatisch ein Nagel.

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Im Folgenden möchte ich exemplarisch einige Hinweise aufführen, die aus meiner Erfahrung als erfolgversprechende Einladungen für die Verwendung des Modells verstanden werden können: • Die Kundenerzählung enthält Anzeichen eines nicht befriedigend ausgehandelten Ambivalenzkonflikts. Es gibt Indikatoren für ein Entweder-oder-Muster, die Lexik enthält wiederholte Formulierungen von »ja, aber«. • Es gibt nonverbale, paraverbale, gestische Hinweise: während der Erzählung nimmt der Kunde z.B. unterscheidbare Körperhaltungen ein, die mit entsprechenden und unterscheidbaren Erzählinhalten korrespondieren. • Der Kunde wendet sich in seiner Erzählung zwar an den/die Zuhörer, sie wirkt aber in sich dialogisch. Er formuliert unterschiedliche Positionen, die scheinbar aufeinander bezogen sind; ein Teil seiner Aufmerksamkeit scheint in diesem inneren Dialog gebunden. • Der Berater selbst hat im Gespräch mit dem/den Kunden den Eindruck, dass eine wichtige Position nicht besetzt ist. Dies kann der Fall sein, wenn etwa ein Klinikteam, in dem über hohe Belastung geklagt wird, nur davon spricht, wie sehr man sich vergeblich bemühe, den Patienten zu helfen, und der Berater die Hypothese hat, dass die Bedürfnisseite der Teammitglieder, die Abgrenzungsseite gegenüber den Patienten, keine Stimme hat.

Fallbeispiel 1: Zwischen Müssen und Dürfen oder: Schlaflos im Rhein-Neckar-Delta Im ersten Beispiel geht es um ein Coaching. Der Coachingkunde ist ein Mann Ende dreißig, sein Anliegen ist es, seinen weiteren beruflichen und privaten Weg zu reflektieren und Alternativen zu entwickeln.9 Diese seien dringend notwendig, er schlafe seit geraumer Zeit sehr schlecht, könne nicht mehr abschalten, seine Arbeit wachse ihm über den Kopf und sein Privatleben, derzeit ohne Partnerschaft, sei nicht befriedigend. Im gemeinsamen Erkunden mit ihm zeigt sich eine sehr leistungsorientierte, ehrgeizige Seite. Er ist im Management einer sozialen Einrichtung tätig, hat seine Stelle selbst entwickelt, daraus resultieren vielerlei Verantwortungen, die zeitlich kaum zu bewältigen seien. Zudem würden viele Anliegen von Mit-

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arbeitern und Klienten der Einrichtung an ihn herangetragen. Er sei versucht, überall Lösungen anzubieten, stoße dabei aber an Grenzen der Kooperation. Seine Partnersuche in den letzten Jahren sei erfolglos gewesen, er habe sich um potenzielle Partnerinnen immer sehr bemüht, sei letztendlich aber immer abgewiesen worden. Im Prozess wird vom Berater artikuliert, dass die Seite der Leistung, des Bemühens und der Verantwortung offenbar sehr starkes Gewicht habe, er fragt nach der anderen Seite, die für Bedürfnisse und für Abschalten zuständig ist. Hier wird also so getan, als ob es diese Seite bereits gebe, sie muss nicht neu entwickelt oder hinzugefügt werden. Beide Seiten werden nun als Einheiten herausgearbeitet, die Sitz und Stimme in der inneren Konferenz haben. Dabei zeigt sich, dass die Gewichtung der Leistungs- und Verantwortungsstimme bei achtzig Prozent liegt, diejenige der Bedürfnisstimme bei zwanzig. Zudem hat die Leistungsstimme einen direkteren Draht zum »Vorsitzenden der Konferenz«, hier gibt es kurze Kommunikationswege, finden gleichsam zwischendurch Konferenzen und Abstimmungen statt, in welche die Bedürfnisstimme nicht einbezogen ist. Diese fristet in der bildhaften Beschreibung des Beratungskunden eine Existenz am Rande der Organisation, drängt aber bei bestimmten Gelegenheiten mit Gewalt nach vorne und übernimmt, aus Sicht des Kunden, überfallartig das Kommando über sein Erleben. Konkret zeigt sich dies z.B. daran, dass in Freizeitphasen ein hoher Mangel an Bedürfnisausgleich und emotionaler Versorgung erlebt wird, der kurzfristig nicht kompensiert werden kann und wiederum zu Anspannung führt. In einem weiteren Schritt wird der Kunde nun eingeladen, seine beiden Stimmen in der Vorstellung sich artikulieren und in Dialog treten zu lassen. Es wird ihm angeboten, sie sich auf einer Bühne agierend vorzustellen und sich selbst im Zuschauerraum zu platzieren. Diese Intervention schafft Außenperspektive, sie lässt den Beratungskunden aus dem Geschehen heraustreten und eine – entspanntere – Zuschauerperspektive einnehmen. Dadurch, dass nun beide Stimmen Raum bekommen, verändert sich die dialogische Struktur des inneren Systems. Dieser Prozess kann hier aus Platzgründen nur stark verkürzt wiedergegeben werden. Die Bedürfnisstimme formuliert – für den Klienten erstmals in dieser Form hörbar – ihre Position (»mehr Pausen, früher nach Hause gehen, mehr Verantwortung an Mitarbeiter und Klienten delegieren« etc.), ebenso die Leistungsstimme, die ein »ja, aber« und ein »es muss doch…« artikuliert. Hieraus resultiert eine neue Verhandlungskonstellation: Es macht einen Unterschied, ob die Be-

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dürfnisstimme gleichrangiges Mitglied der Konferenz ist, oder ob sie – wie vordem – zwischenzeitliche Palastrevolutionen anzetteln muss, um Gehör zu bekommen. Der Prozess muss nicht in einer Sitzung zu einem eindeutigen Abschluss gebracht werden. In diesem Fall war es so, dass, nach einer Reflektionspause, der Kunde berichtete, während der Pause habe sich der Dialog der beiden Stimmen fortgesetzt. Er habe für sich beschlossen, der Bedürfnisstimme mehr Beachtung zu schenken, zudem fühle er sich deutlich entspannter als zu Beginn des Gespräches. Erfahrungsgemäss sind solche metaphorischen Erkundungen sehr einprägsam und können bei späteren Gesprächen wieder aufgenommen werden. In den folgenden Sitzungen berichtet der Kunde von zwischenzeitlichen Konferenzen mit seinem inneren System. Er gehe mittlerweile öfter mal früher von der Arbeit nach Hause, delegiere mehr Aufgaben an andere. Am Ende der Zusammenarbeit mit ihm stand eine zweimonatige private Reise unmittelbar bevor, die er nutzen wollte, um mit freiem Kopf für sich weitere Perspektiven entstehen zu lassen.

Fallbeispiel 2: Das Überich, das Anti-Überich, ihr Besitzer und das Team Der Kontext ist hier eine Supervisionssitzung mit einem psychiatrischen Klinikteam, zu dem Mitarbeiter/innen der Pflege, der Sozialarbeit, eine Psychologin und ein Stationsarzt gehören. Die Supervisionssitzungen finden seit geraumer Zeit in regelmäßigen Abständen statt. Zweimal, jeweils nach einem Jahr, hatte der Supervisor eine neue Kontraktierung mit dem Team vorgenommen. Es ging um die Frage der Fortsetzung der Supervision, um Bestandsaufnahme und über mögliche weitere Schwerpunkte. Die meisten Mitarbeiter/innen plädierten für eine Fortsetzung, auch der Stationsarzt; jedoch äußerte er sich auch skeptisch: Es müsse eigentlich mehr bei der Supervision herauskommen, wie man den Patienten besser helfen könne, sonst sitze man hier nur herum und betreibe Nabelschau, während »draußen« die eigentlichen Probleme vernachlässigt würden. Er äußert in der hier dargestellten Sitzung ein Anliegen, das er zunächst als Problem formuliert: »Ich habe nie richtig Zeit hier auf Station, kann nichts in Ruhe machen. Ich sollte Einzelgespräche mit den Patienten

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führen, dazu komme ich so gut wie nie, weil immer etwas anderes dazwischen kommt. Auch jetzt kann es sein, dass ich gleich raus muss aus der Supervision: eine Frau ist von außerhalb einbestellt für ein Gutachten, ich werde gleich benachrichtigt, wenn sie kommt, ich muss mich dann gleich um sie kümmern, damit sie nicht wieder davon läuft.« Der Berater/Supervisor konnotiert an dieser Stelle zunächst positiv, dass man unter Live-Bedingungen mit dem Problem arbeiten könne. Nach seinen Zielen befragt, äußert der Stationsarzt, er würde gerne mehr Zeit haben, in Ruhe Therapiegespräche mit seinen Patienten zu führen. Das ginge jedoch nicht, denn er müsse (über Telefon oder Piepser) immer erreichbar sein, falls etwas passiere. So würde er während der Gespräche auch häufig wegen vielerlei Anliegen angerufen und unterbreche diese dann. Der Supervisor, der stillschweigend annimmt, dass Therapiegespräche ohne Unterbrechung durch entsprechende Organisation möglich sind, verlagert mit seiner Frage den Fokus auf den inneren Dialog: »Das klingt ja so, als ob da eine Seite in Ihnen sehr darauf drängt, dass Sie immer erreichbar sind.« Der Stationsarzt nimmt das Angebot bereitwillig an und artikuliert: »Ja, meine Überich-Stimme, die lässt das nicht zu … das ist ja auch vernünftig«; und auf die Frage, ob es denn auch eine andere Seite gebe: »Ja, so eine Art ›Anti-Überich-Stimme‹, die will es ja anders machen … und überlegt auch schon, aber …« In der darauf folgenden Sequenz wird über die Organisationsstruktur der beiden Stimmen gesprochen. Dabei beschreibt der Stationsarzt, dass in seinem Arbeitsalltag die Anti-Überich-Stimme etwa zwanzig Prozent einnehme, während im Augenblick, da darüber gesprochen werde, der Anteil wesentlich höher sei.10 Wichtig zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang, dass es von großer Bedeutung ist, die Bloßstellungsgrenze gegenüber Beratungskunden nicht zu überschreiten. Dies gilt besonders in einer Gruppenkonstellation wie hier, auch und v.a. gegenüber leitenden Mitarbeitern. Anders ausgedrückt: man sollte aus seinen Beratungskunden keine Patienten machen (wollen). Im weiteren Prozess wird nun seitens des Beraters offen gelassen, ob eine Verschiebung des Gewichtungsverhältnisses möglich und praktikabel sein wird. Vielmehr wird darüber gesprochen, welche Auswirkungen eine Veränderung der Gewichtung zu Gunsten der »Anti-Überich-Stimme« haben würde. Dazu wird eine »Veränderungsfee« eingeführt, die hypothetisch für die nächsten vier Wochen für eine stabile Verhaltensveränderung i.S. eines stärkeren Anti-Überich sorgt. Hier ist gleichsam die Schnittstelle des inneren Dialogs zu den äußeren Dialogen, die anwesenden Teammit-

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glieder werden nun ebenfalls nach ihrer Sicht der Dinge befragt. Der Stationsarzt selbst äußert, nach vier Wochen sei alles eine Katastrophe, die Patienten seien nicht richtig versorgt, er habe vielerlei Vorwürfe von Kollegen zu gewärtigen, für die Patienten allerdings, für die er sich Zeit genommen habe, sei es gut. Die anderen Teammitglieder, die während des Zuhörens ihre wohlwollende Ungeduld kaum verbergen konnten, widersprechen heftig. V.a. die Pflegemitarbeiterinnen bekunden, sie wären über diese Veränderung glücklich, weil dies auch für sie im Stationsalltag wesentlich mehr Klarheit und Struktur brächte. Es sei dann für alle Beteiligten klar, wann der Stationsarzt im Gespräch und damit für andere Patienten nur im äußersten Notfall erreichbar sei; dadurch sei auf der Station wesentlich mehr Ruhe zu erwarten als bislang. Auch von Seiten der Sozialarbeiterin kommt ein begrüßender Kommentar. Allerdings ginge ihr sicherlich auch etwas verloren, äußert sie. Bislang habe der Stationsarzt jederzeit ein offenes Ohr für ihre Belange gehabt, dies würde sich dann ja vielleicht verändern.

4. Diskussion Durch die Arbeit mit der inneren Organisation, so wurde versucht zu zeigen, werden neue dialogische Räume geschaffen, die für die Problemlösung in der Beratung von Nutzen sind. In der Exploration dieses Innenraums zusammen mit Kunden können einzelne Stimmen als unterscheidbare Einheiten wahrgenommen und somit als Ressource genutzt werden. Erst durch diese Unterschiedsbildung wird das Potenzial jeder einzelnen Stimme für die »Gesamtorganisation« erschlossen. Dem liegt auch eine Veränderung auf der Ebene der zeitlichen Organisation zu Grunde. Aus der konkurrierenden Gleichzeitigkeit (synchrone zeitliche Organisation) verschiedener innerer Positionen entsteht durch die Arbeit mit der inneren Polyphonie ein Nacheinander (diachrone zeitliche Organisation), in der jede Stimme für sich Geltung bekommt. In der Betrachtung der inneren Organisationsstruktur zeigt sich häufig ein Merkmal, das im klinisch-therapeutischen Bereich als Exkommunikation eines Systemmitglieds bezeichnet wird (vgl. Retzer 1996a: 198 ff.). Dies bedeutet, angewandt auf die innere Organisation, dass eine Stimme, wie in den zwei Fallbeispielen, »offiziell« wenig Gehör findet. Über den Dialogprozess wird also ein (Re-)Integrationseffekt erzielt, die Strukturen der inneren Kommunikation verändern sich. Dadurch

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112 | Lothar Eder entsteht auch eine andere innere Organisationskultur; aus einem vormaligen Entweder-oder hin zu einem Kommunikationsmuster des Sowohl-als-auch, in dem Zuhören und Verhandeln an die Stelle von Konkurrenz treten. Die Ressourcen der (inneren) Organisation sind dadurch weniger in Konflikten gebunden, an ihre Stelle kann ein dialogisches Wachstum nach innen und nach außen treten. Letztendlich, so findet es sich v.a. im zweiten Fallbeispiel angedeutet, sind innere Dialoge mit äußeren verknüpft, machen Unterschiede im inneren Dialogisieren Unterschiede in der äußeren Kommunikation möglich. Eine innere (Organisations-)Kultur, die durch Kooperation und Verhandeln antagonistischer Tendenzen charakterisiert ist, wird sich im Verhalten nach außen, anderen gegenüber, auswirken. Eine Reduktion unproduktiver Konflikte setzt Ressourcen frei, es entsteht eine größere Vielfalt von Möglichkeiten im äußeren Handeln, ja man kann annehmen, dass inneres dialogisches Wachstum sich nach außen fortsetzt und umgekehrt.

5. Zusammenfassung Der Aufsatz versucht zu zeigen, wie das Phänomen innerer Dialoge im Beratungskontext genutzt werden kann. Das Modell der inneren Organisation, in dem verschiedene Anteile miteinander kommunizieren, wird erläutert. Diskutiert werden in diesem Zusammenhang auch Funktion und Bedeutung des zur Sprache Bringens innerer Positionen. Es werden Korrespondenzen der Arbeit mit der inneren Polyphonie mit dem Modell der Wertschätzenden Organisation aufgezeigt. Schließlich werden Aspekte der Verknüpfung innerer und äußerer Dialoge erörtert.

Anmerkungen 1 | Für die wertvollen, dialogisch entstandenen Anregungen danke ich der Schauspielerin und Regisseurin Barbara Wachendorff, Klaus G. Deissler und Hans-Peter Frings, Chefdramaturg am Nationaltheater Mannheim. 2 | Vgl. hierzu Simon und Retzer (1998) und Eder (2003). 3 | Zur Konfliktorganisation im so genannten Tetralemma vgl. Simon und Retzer 1998: 205-208). 4 | Schon aus ökonomischen Gründen muss auf eine eingehendere Erörterung hier verzichtet werden. Die Anwendung dieses Prinzips in der systemi-

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Innere und äußere Dialoge | 113 schen (Familien-)Therapie und der Beratung u.a. von Organisationen ist andernorts vielfach dargestellt. 5 | Dass hierbei auch noch andere Beweggründe eine Rolle gespielt haben mögen, belegt der Untertitel eines Aufsatzes von Peter Gester: You can never kiss a system (1990). 6 | Mein ausdrücklicher Dank gilt Gunther Schmidt, der mich im Ausbildungsrahmen ausführlich mit dem Konzept der inneren Konferenz vertraut gemacht hat. Entsprechend haben meine Ausführungen hierzu ihren Ausgangspunkt in seinen Konzepten und Ideen. 7 | In Vorgriff auf psychologische und systemische Zeiten scheint es fast, als ob Kleist hier der Nützlichkeit einer Haltung des Nicht-Wissens das Wort redet. Zum anderen kann man offenbar auch als nicht so kluger Berater erleichtert sein: man ist dennoch nützlich. 8 | Eine weitere Form, der Chor, ist hier vernachlässigt. 9 | Die Daten und Zusammenhänge sind hier wie im zweiten Beispiel soweit verändert, dass Rückschlüsse auf reale Personen nicht möglich sind. 10 | Dies kann, wenn es streng genommen auch nur eine anekdotische Evidenz mit sich bringt, als Beleg genommen werden dafür, dass das Hören, das Beachten einer Stimme bereits eine unterschiedsbildende Operation darstellt.

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114 | Bernhard Dreibus

Das wertschätzende Unternehmen Bernhard Dreibus In meiner langjährigen Erfahrung als Mitarbeiter, Berater und Unternehmer habe ich die besondere Wirksamkeit wertschätzender Unternehmenskultur oft erlebt und mitgestaltet. Dabei ist mir eine große Vielfalt von Unternehmenskulturen, welche aus unterschiedlichen historischen Ansätzen stammen, begegnet, wobei Mischformen heute dominieren. Um Transparenz in die Formenvielfalt zu bringen, beginne ich mit einem historischen Rückblick der Unternehmenskulturen. Daran schließt die Betrachtung der wesentlichen Faktoren des wertschätzenden Unternehmens an. Diese werden dann mit drei Beispielen aus meiner Beratungspraxis vertieft. Abschließend erfolgt die Auseinandersetzung mit den Grenzen des wertschätzenden Ansatzes und dessen Nachhaltigkeit.

Wertschätzende Unternehmenskultur – ein postmodernes Produkt oder alter Wein in neuen Schläuchen? In den Nachkriegsjahren haben sich Organisationen sehr stark an seit Jahrhunderten überlieferten Strukturen orientiert. Es wurden – angelehnt an »alte Werte« – Handwerks- und Organisationsstrukturen patriarchalisch durch den Chef bzw. den Vorgesetzten weiter gepflegt. Entscheider und Ausführender waren klar getrennt durch traditionelle Hierarchieebenen. Die vorgeschriebenen Hierarchien bestimmten die Kommunikations- und Entwicklungswege. Die Rollen waren entsprechend gestaltet in der klaren Zweiteilung von Entscheidern und Ausführenden, die in einem einseitigen Abhängigkeitsverhältnis standen.

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Das wertschätzende Unternehmen | 115

Ein Dialog zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern war nicht vorgesehen. Diese tradierte Unternehmenskultur entstammt einer Epoche mit nur geringen sozialen Veränderungen. In den 70er Jahren wurde verstärkt nach neuen Ansätzen gesucht, eine Marktorientierung der Unternehmen erfolgte, der Fokus wurde auf »den Partner« ausgerichtet. Gerade in der Kommunikation zwischen Unternehmen wurde ein partnerschaftlicher Ansatz verstärkt propagiert. Ein Dialog erfolgte in der Außenkommunikation mit Lieferanten und Kunden. In der Kommunikation innerhalb des Unternehmens entwickelte sich ein Bewusstsein für Defizite. In den 80er Jahren waren Unternehmen durch die Einführung und den Umgang mit neuen Technologien vor neue strukturelle Aufgaben gestellt. Das Unternehmen verstand sich als ein in sich geschlossener Organismus, welcher sich an genau definierten Stellen nach außen zeigte. Zwei Strömungen in der Unternehmenskultur wurden sichtbar: • der wertschätzende Ansatz in der Außenkommunikation, • der defizitorientierte Ansatz in der Innenkommunikation. In der Außenkommunikation wurde ein wertschätzender Ansatz gepflegt und auch gefordert. Den Begriff »Problem« gab es in der Außenkommunikation zum Beispiel in dem Berateransatz im ersten Schritt nicht mehr. Im Vertrieb und im Beratungsbereich wurde das »Problem« als Unwort gebrandmarkt, da die negativen Konnotationen des Begriffs zu Abwehrreaktionen führten. Eine typische Antwort von Kunden auf Fragen nach Problemen war: »Haben Sie Probleme, wir haben keine!« Dies hatte zur Folge, dass in den 80er Jahren in den Unternehmen eine starke Strömung von kundenzentrierten und lösungsorientierten Ansätzen entstand. Bestehendes sollte ausdrücklich gewürdigt werden, und Prozesse mit den Kunden sollten durch neue Angebote und Lösungen initiiert werden. In der Unterscheidung zur Außenkommunikation orientierte sich die Innenkommunikation weiterhin an Defiziten und Problemen. Nicht der Gewinn, sondern die Kostenreduktion stand im Mittelpunkt der Unternehmensentwicklung. So wurde der wertschätzende Ansatz leider nicht erfolgreich umgesetzt, weil ab einer gewissen Integrationstiefe im Unternehmen die alleinige Problemlösung im Vordergrund stand. Die

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116 | Bernhard Dreibus lösungsorientierte, wertschätzende Sicht, die man nach außen signalisierte, war somit nur der vordergründige, imageträchtige Köder im Umgang mit Firmenkunden und den Mitbewerbern am Markt. Diese wertschätzende »Fassadensprache« schlägt sich dann zum Beispiel in den Arbeitszeugnissen nieder, welche sogar vom Gesetzgeber in dieser Form vorgeschrieben werden. Zu Beginn der 90er Jahre kam der lösungsorientierte Ansatz der Kommunikation innerhalb von Unternehmen hinzu. Man richtete sich stark ressourcenorientiert aus, wobei jedoch der Ressourcenmangel im Vordergrund stand. Ansätze wie das Pain-Chain-Management etablierten sich, nämlich die Fragestellung: Wo ist das größte Problem, das größte Defizit im Unternehmen? Dies ist der Beratungsansatz, welcher als Beratungseinstieg bis heute am meisten verwendet wird. Er zielt auf eine möglichst hohe Investitionsbereitschaft des Kunden für die Problemlösung, welches natürlich auch den höchsten Gewinn für den Berater verspricht. Am Ende der 90er Jahre wurde der Schwerpunkt des wertmanagenden Ansatzes, welcher Wertorientierung und Wertschöpfung in den Vordergrund stellt, immer mehr durch eine wertschätzende Haltung ergänzt.

Wertschätzende Organisation, wertschätzendes Unternehmen: Darstellung der Ausgangslage Der neue Impuls beim wertschätzenden Unternehmen liegt in der Entwicklung von Visionen auf der Basis der Erfolge der Vergangenheit. Defizite werden jetzt umgedeutet in willkommene, sinngebende Inhalte. Dabei geben transparente Kommunikationsformen den Weg frei für würdigende und wertschätzende Konfliktlösungen. Dadurch wird der Wandel über die Wahlfreiheit hinweg zur Gestaltungsfreiheit der Beteiligten ausgelöst und getragen. Aufgrund der hohen Wirksamkeit des Ansatzes kann zu jedem Zeitpunkt und von jedem Beteiligten der Prozess zur wertschätzenden Unternehmenskultur ausgelöst werden. Hierbei kann die »postmoderne Vielstimmigkeit« als Schlagwort eines Workflow-orientierten Unternehmens verstanden werden, das die Persönlichkeit des einzelnen Mitarbeiters einfordert, ja herausfordert. Dies kann im Idealfall als positive Vision einer nicht-entfremdeten Ar-

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Das wertschätzende Unternehmen | 117

beit verstanden werden, in der unternehmerische Interessen und die Einzelinteressen der Beschäftigten in einer positiv konfliktfähigen Sphäre gemeinsamer Ziele aufgehoben sind. So verstanden, haben wertschätzende Unternehmen gleichsam eine wertoptimierende und wertschöpfende Komponente. Der Begriff »Wertoptimierung« kann auf das Kreativpotenzial der Mitarbeiter bezogen werden, das schließlich den messbaren Erfolg bzw. die Gewinnorientierung eines Unternehmens, die hier als »Wertschöpfung« verstanden werden soll, erst garantiert. Eingebunden in diese Rationalitätsform moderner Unternehmenskultur sind aber nicht nur die internen Mitarbeiter. Ein solches Konzept setzt gleichermaßen auf Anregung von außen, indem es das Kreativpotenzial etwa von Lieferanten und Firmenkunden ebenso mit einbindet. Das schafft nicht nur eine neue Qualität im gegenseitigen Vertrauensverhältnis, sondern ermöglicht es, die Fähigkeiten externer Partner für die eigenen Interessen zu gewinnen. Ein wertschätzendes Unternehmen präsentiert sich somit nach außen immer als ein offenes System, geistesgegenwärtig für den innovativen Impetus, der als ein Rückkopplungseffekt direkt in die Prozesse der Entscheidungsfindung bei der operativen Planung eines solchen Unternehmens einfließt. Ein Erfolgsfaktor wertschöpfender Unternehmen liegt mithin in einer Firmenphilosophie, die den einzelnen Mitarbeiter – ob intern oder extern – nicht zum verlängerten Arm einer instrumentellen Vernunft operativen Denkens degradiert – als Erfüllungsgehilfe oder Befehlsempfänger –, sondern den »aufrechten Gang« als Chance individueller Entfaltung begreift und damit das Engagement im persönlichen Interesse und letztlich im Firmeninteresse fördert. Der soziale Erfahrungsraum einer solchermaßen strukturierten Arbeitswelt gleicht einem Orchester, in dem jeder Instrumentalist auch als Solist agieren könnte, ohne sich jedoch in den Vordergrund spielen zu müssen. Die »balance of power« im konzertanten Miteinander, das die Inszenierung einer reibungslosen Aufführung im Blick hat, stellt sich über eine gleichberechtigte und gleichwertige Teilhabe am gemeinsamen Ziel her, wobei der Kapellmeister diese Stimmigkeit vieler Einzelner zu einem gemeinsamen Klangkörper hin dirigiert. Misstöne sind hier nicht in jedem Fall eine Folge persönlichen Versagens, sondern in letzter Konsequenz Ausdruck mangelnder oder fehlgeleiteter Kommunikation. Dass es bei diesem Prozess um Verständigung, um eine freie Verabredung gemeinschaftlicher Handlungsabsichten geht, die immer wieder aufs Neue überprüft und korrigiert werden müssen, macht deutlich, dass ein wertorientiertes

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118 | Bernhard Dreibus Management fundamental auf einer wertschätzenden kommunikativen Kompetenz beruht. Sie ist gleichsam der archimedische Punkt, an dem sich eine moderne Unternehmenskultur ablesen lässt.

Abgrenzung zur Ausgangslage Es sind oftmals nicht die Sachverhalte, an denen sich eine defizitäre Firmenstruktur und letztlich ein ineffizienter und damit zu kostenintensiver Arbeitsprozess identifizieren lässt. Die meisten Problemfelder in einem hierarchisch organisierten Unternehmen beruhen auf kommunikativen Missverständnissen; in der Regel lassen sich die Verständigungsmodalitäten selbst als Erfolgshürde ausmachen. Nicht die objektive Realität eines Sachverhaltes, einer zu bewältigenden Aufgabe am Arbeitsplatz und die an ihm Beteiligten tragen somit das Konfliktpotential in sich, sondern in vielen Fällen der sprachliche, interpretatorische Zugang zur Wirklichkeit, in dessen Tiefenstruktur sich eine negative Grammatik der Gefühle und des Denkens aufzeigen lässt. Eingespielte (Miss-)Verständigungsrituale in der kommunikativen Alltagspraxis weisen oftmals zurück auf mangelnde kommunikative Fähigkeiten der Belegschaft oder auf Schwierigkeiten, Standpunkte und Haltungen wertschätzend neben andere Meinungen zu stellen, ohne dabei die Hierarchien zu untergraben. Dazu gehören alle eindimensionalen Kommunikationsformen, die appellativen und restriktiven Charakter haben – Anweisungen oder Befehle »von oben« – ebenso wie eine oftmals damit einhergehende, auf Fehlerinquisition ausgerichtete Haltung des Managements, die die internen oder externen Mitarbeiter einem System permanenter Reglementierung und Sanktionierung aussetzt. In bedenklicher Weise fühlt man sich hier an Erziehungsmethoden der bürgerlichen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts erinnert, in denen Lob und Tadel sich als patriarchalische Geste darstellt, als Korrektiv auf dem Weg in eine andressierte Schein-Mündigkeit. Letztlich gipfelt eine solche antiaufklärerische Erziehungsarbeit im funktionierenden Bürger, der seine ökologische Nische am Arbeitsplatz und in der Gesellschaft zugewiesen bekommt. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass eine restriktive Sprachregelung und die damit implementierte (Denk-)Haltung jedes Unternehmen in dem Bestreben, seine wirtschaftliche Kapazität zu steigern, paralysiert. Weder fühlt sich der einzelne Mitarbeiter motiviert, noch entkommt er der Beziehungsfalle im Macht-Ohnmacht-Szenario zwi-

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schen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, die in einer streng asymmetrischen Kommunikation ihren Ausdruck findet. Das unternehmerische Resultat heißt zwar nicht Stagnation auf der ganzen Linie, aber jene auf diese Weise erzielten Erfolge eines Unternehmens können allenfalls als Teilerfolge nach außen hin verbucht werden. Blickt man auf die oftmals hohe Fluktuation am Arbeitplatz – Hire-and-fire-Methoden –, auf demotivierte Mitarbeiter und schließlich auf den in seinen Abläufen gehemmten Arbeitsprozess selbst, kann man nur erahnen, mit welch einem horrenden Verlust an menschlichen und nicht zuletzt auch finanziellem Potenzial diese Pyrrhussiege am Markt errungen werden. Nun zielt aber Unternehmensentwicklung auf den Erhalt und die Erhöhung von Profit. Unternehmen mit nicht genau definierten Zielen, die an der Würdigung dieses Aspektes vorbeigehen, haben in der Regel nur eine kurze Lebensdauer. In einer zunehmend komplexen Wirtschaftswelt ist es für ein Unternehmen daher notwendig, alle ihm zur Verfügung stehenden Ressourcen optimal zu nutzen. Eine der wertvollsten und teuersten Ressourcen ist der Mitarbeiter, dessen fachliches Potenzial sowie das sensible Beziehungsgeflecht zu Kunden und Lieferanten. Dieses Humankapital in die Unternehmensentwicklung zu integrieren und seine Leistungsfähigkeit zu steigern, ist ein logischer Schritt bei der Ressourcenoptimierung. Die Förderung eines erwachsenen, mündigen Umgangs mit den Mitarbeitern, mit Lieferanten und Firmenkunden zeichnet ein wertschätzendes Unternehmen aus.

Wertewelt und Wellness-Faktor Arbeit Wenn wir berücksichtigen, dass vom Bewusstsein der kommunikativen Selbstorganisation eines Unternehmens die Chancen seines erfolgsorientierten Marktauftritts entscheidend abhängen, dann erhält das Modell einer wertschätzenden Unternehmenskultur seine Evidenz. Die Ressourcenoptimierung durch eine Umwertung und Dekonstruktion traditioneller Kommunikationsmuster setzt nun genau jenen Prozess in Gang, der ein Optimum an notwendiger Liberalität im Umgang mit den Mitarbeitern, Flexibilität bezüglich der Arbeitsorganisation und Effizienz im Hinblick auf die unternehmerischen Ziele erzeugt, die in ihrer Gesamtheit zum Wesenszug eines erfolgreichen modernen Unternehmens gehören. Die Aufweichung starrer Kommunikationsmuster

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120 | Bernhard Dreibus (Macht-Ohnmacht-Szenarien), die Entzauberung der (Miss-)Verständnisrituale, setzt eine Dynamik frei, die wesentlich zur Entkrampfung sozialer Arbeitsbeziehungen beiträgt und das Problembewusstsein von einer ausschließlich persönlichen Verantwortlichkeitsebene – »ich werde für die Fehler im Betrieb haftbar gemacht« – auf eine vernünftige, lösungsorientierte, aber auch konfliktfähige Ebene hebt, auf der sich alle am Arbeitsprozess Beteiligten jenseits von Überwachen und Strafen treffen. Die Mitarbeiter eines Betriebs werden in einem Klima gegenseitiger Achtung und Wertschätzung nicht wie Delinquenten behandelt, die sich ständig einer Regelverletzung schuldig machen und auch dafür abgemahnt werden könnten. Sie gehören vielmehr als gleichwertig Stimmberechtigte zu einem Team, das an der ihm transparenten Entwicklung und Realisierung unternehmerischer Zukunftsperspektiven beteiligt ist. Ein wertschätzendes Management kann dabei die Rolle des »primus inter pares« spielen. Dieses kann den Weg von der Wahlfreiheit zur Gestaltungsfreiheit anregen, die Ergebnisse kanalisieren und zu einer zielorientierten Unternehmenspraxis führen. Hierarchien sind hier wohlbemerkt nicht außer Kraft gesetzt, sie werden aber durch eine Kultur gegenseitiger Wertschätzung auf der Kommunikationsebene entmystifiziert. Der Ausgang des Mitarbeiters aus seiner systembedingten Unmündigkeit schafft Platz für ein visionäres Denken, das eigene Interessen, Wünsche und Zielvorstellungen in einen gemeinschaftlichen Diskurs einfließen lässt und an das Unternehmen bindet. Verlässt man die Ebene einer Sprache, die gerade noch dazu dient, »Bescheid zu sagen«, erntet man nicht das übliche »wird gemacht« eines Vollzugsbeamten, sondern kreative Antworten, die das Unternehmen weiterbringen. Die Grammatik der Macht, die den Bodensatz eines kontrollierenden Systems bildet und auf der psychosozialen Seite ein Klima des gegenseitigen Misstrauens erzeugt, wird ersetzt durch einen möglichst repressionsfreien, offenen Diskurs aller, mit der Maßgabe größtmöglicher identifikatorischer Angebote. Die visionäre Konstruktion des größten gemeinsamen Nenners, des »Wir«-Gefühls, ist ein wesentlicher Aspekt jeder »corporate identity«. Ein Betrieb, in dem sich der Einzelne aufgehoben fühlen kann, weil er als Persönlichkeit wertgeschätzt wird und seinerseits die Grundhaltung wertschätzenden Verhaltens in der Umsetzung gemeinsamer Ziele kultiviert, verliert den kühlen Charakter des bloßen mechanischen Funktionalismus.

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Das wertschätzende Unternehmen | 121

An die Stelle des Betriebs tritt die Unternehmenskultur, die ein Gefühl der Geborgenheit und Sympathie signalisiert.

Die Frage nach dem Nutzen eines wertschätzenden Unternehmens Der wertschätzende Ansatz zeichnet sich neben einer hohen Wirksamkeit auch durch einen kurzen Umsetzungszeitraum aus. Da keine besondere Investition getätigt werden muss, kann es zusätzlich eine sehr kostengünstige Konzeption sein. Es geht in erster Linie »nur« um eine Veränderung der Haltung.

Nutzen wertschätzender Unternehmenskultur • hohe Entwicklungs- und Integrationsgeschwindigkeit für Visionen und Strukturveränderungen, • schnelle Lösungen bei abgegrenzten Aufgabenstellungen, • kostengünstig, da die bestehende Infrastruktur optimiert wird, • hohe Flexibilität den Aufgabenstellungen gegenüber, • volle Integration der »Stakeholder« mit einer optimalen Abschöpfung ihrer Ressourcen, • Minimierung des Unternehmensrisikos durch die umfassende Aktivierung der »Stakeholder«, • Optimierung von Ressourcen (des Humankapitals), • hohe Motivation und Bindung von Mitarbeitern, Kunden, Lieferanten und Partnern, • Gesundheit und Zufriedenheit.

Erfolgstreiber: Die Kriterien für den Unternehmenserfolg Die Erfolgstreiber für das Management liegen in einer wertschätzenden Unternehmenskultur auf der Wahrnehmung, Wertschätzung und Würdigung vieler Sichtweisen, welche durch das Management lösungsorientiert gelenkt werden. Durch die multiperspektivische Strategie wird eine Entscheidungssicherheit erreicht. Die Erfolgstreiber für den Mitarbeiter bestehen in der Wahrnehmung seiner Entwicklungs- und Mitwirkungs-

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122 | Bernhard Dreibus möglichkeiten; diese vergrößern sich noch einmal durch seine Wertschätzung dem Management gegenüber, das ihm seinerseits daraufhin den Freiraum zur Entfaltung seines persönlichen Potenzials zu seiner vollen Befriedigung gewährt. Die Erfolgstreiber für die Stakeholder, d.h. für alle an dem Prozess beteiligten Personen und Organisationen, bestehen in dem wertschätzenden Dialog, der jede Seite durch die Vielstimmigkeit der beleuchteten Faktoren in eine höhere Wertigkeit stellt. Die Erfolgstreiber für die Shareholder – das sind im Regelfall die Unternehmer – sind die notwendig zu treffenden Strategien zur Unterstützung der Einführung einer wertschätzenden Unternehmenskultur. Diese kann als schneller und kostengünstiger Prozess direkte und messbare Erfolge bzw. Gewinne erzielen. Dies ist eine ebenso sinnvolle wie kostengünstige Alternative zu der üblichen materiellen Form von Wertschätzung, die in der Regel über eine Gehaltserhöhung erfolgt.

Eine Veränderung der Haltung Die Veränderung der Haltung von einem autoritativ ausgerichteten Bewusstsein hin zu einer sozialen Verhaltensform gleichberechtigter Partner, welche im Dialog wertgeschätzt werden und sich ihrerseits selber wertschätzen, beginnt sich zu etablieren. Wertschätzende, prozessorientierte Fragen, welche auch die sinngebende Würdigung von Defiziten beinhalten, sind eingebettet in eine Interviewtechnik, welche darauf abzielt, Vielstimmigkeit zu würdigen und zu erzeugen, um dabei durch Fragestellungen die Lösung bzw. Lösungsorientierung zu forcieren. Dieses Ensemble von Haltung und Technik zielt auf die positive Beeinflussung des Dialoges im Sinne aller.

Fallbeispiele

Beispiel 1: Beispiel für einen durch Wertschätzung ausgelösten Veränderungsprozess: Integration einer neuen Technologie In der Tätigkeit als technischer Berater stand eine Zusammenfassung von 28 Servern für eine Handelskette an. Diese wurden bisher eigenständig in

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den jeweiligen Abteilungen verwaltet. Die technische Ausführung dieser Serverkonsolidierung lag auf einem Niveau, welches durch das Unternehmen selbst hätte ausgeführt werden können. Jedoch hatte das Unternehmen schon mehrere externe Berater engagiert, welche bisher an dieser Aufgabe gescheitert waren. Der Auftrag für die technische Beratung umfasste eine Zeitdauer von vier Tagen. Am Ende dieser Frist wurde als Ziel eine erfolgreiche Serverkonsolidierung von 28 Servern auf einen Zentralserver erwartet. Die Tätigkeit begann mit einem Gespräch bei dem direkten Ansprechpartner, welcher in einer leitenden Funktion auch für dieses Projekt die Verantwortung trug. Mit der Fragestellung, was bisher unternommen wurde und wie dieser Auftrag erfolgreich beendet werden könne, wurde als Lösungsweg nur die »feindliche Übernahme« der Abteilungsserver gesehen, da die Administratoren der Server in den jeweiligen Abteilungen sowohl vielfältige technische Probleme als auch Prozess-Probleme ins Feld führten. Da damit mehrere weitere Projekte verbunden waren, welche ebenso stockten, waren inzwischen auch zeitliche Nöte entstanden, welche dieses und weitere strategische Projekte gefährdeten. Bei der Fragestellung, was bisher schon im Projekt erfolgreich war und wie im Detail die bisherigen Lösungsansätze und natürlich der Widerhall dieser Ansätze bei den Abteilungsadministratoren aussahen, wurde direkt auf die Abteilungen und deren Administratoren verwiesen. Dies könne nur in den Abteilungen selbst erfragt werden. Deshalb wurden daraufhin weitere Gespräche in den jeweiligen Abteilungen mit den einzelnen Administratoren gesucht. Hier stand die Lösung mit Hilfe wertschätzender Prozessfragen wieder im Vordergrund: • • • • • •

Was war an der bisherigen Konzeption sinnvoll? Wie würde er (als Berater) dieses Projekt angehen? Wann ist das Projekt für das Unternehmen von Nutzen? Wann würde es für den Administrator von Nutzen sein? Was müsste eintreten, damit er diese Schritte unterstützen kann? Gibt es unbenannte Faktoren, die zu einer Vereinfachung führen könnten? • Gibt es noch einen Tipp, den er geben kann?

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Nach den Interviews stellte sich schnell heraus, dass es mehrere, scheinbar unlösbare Aufgaben gab. Ein technisches Problem war nicht lösbar, konnte jedoch in einem »workaround« ohne Nachteile umgangen werden. Zusätzlich standen noch eine Vielzahl von Prozess- und Hierarchieaufgaben im Raum, welche sich teilweise gegenseitig bedingten und deshalb ausschlossen. Insbesondere die Themenkreise Kompetenz, Zuständigkeit, Betriebssicherheit und Verfügbarkeiten waren offensichtlich nicht miteinander zu vereinbaren. Nachdem bei jeder betroffenen Abteilung, teilweise per Telefon, die Administratoren ihre Gedanken zu dem Projekt »Serverkonsolidierung« mitgeteilt hatten, verdichtete sich das Bild, dass die genannten Gründe schützende Vorwände waren, welche den drohenden Arbeitsplatzverlust von ca. der Hälfte der Mitarbeiter verzögern sollten. In dem darauf folgenden Gespräch mit dem vorgesetzten Projektleiter wurde die Frage nach den weiteren Entwicklungsperspektiven der Abteilungsadministratoren von ihm zusammengefasst: • Ca. 40 % der Administratoren werden weiterhin für ihre alte Aufgabe benötigt. • Mit dem Projekt werden mehrere kostengünstige Lösungen eingeführt, welche von dem freiwerdenden Personal verwaltet werden sollen. • Dieses Personal wird nicht ausreichen, und es werden für diese Projekte noch weitere Stellen geschaffen. • Das Stocken des Projektes gefährdet nicht nur die zukünftigen Entwicklungen, sondern auch die bestehenden Stellen, da die Lösungen bei weiterer Verzögerung in eine erheblich teurere, aber alternativ schon bestehende Lösung integriert werden. Es folgten nun Gespräche mit kleinen Gruppen von Administratoren mit den folgenden Fragestellungen: • Wie werden die bestehenden Administrationsaufgaben zur Zeit gelöst? • Welche Aufgaben stehen mit und nach Abschluss des Projektes an? • Welche Entwicklungsperspektiven für Ihre Arbeit sehen Sie in und nach dem Projekt? • Was wünschen Sie sich von dem Projekt?

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Ein Ergebnis des Gespräches war eine teilweise ausgeprägte Verunsicherung über die weiteren Aufgaben und die Sicherheit des Arbeitsplatzes. Einige sahen Entwicklungspotenziale für neue Arbeitsschwerpunkte. Um einen einheitlichen Informationsstand herzustellen, wurden nach Rücksprache mit der Projektleitung alle beteiligten Administratoren und die Projektleitungen zu einer gemeinsamen Gesprächsrunde durch den Berater eingeladen. Der Berater bat die Projektleitung, über die Perspektiven nach dem erfolgreichen Abschluss des Projekts »Serverkonsolidierung« zu reden. Hier wiederholte die Projektleitung die strategische Bedeutung für das Unternehmen und stellte die daraus resultierenden Projekte dar, ebenso wie die Optionen der daraus folgenden personellen Entwicklung, welche ein erhebliches Entwicklungspotenzial der Administratoren umfasste. Danach erfolgte eine Fragerunde der Administratoren an die Projektleitung mit der Frage: »Gibt es noch Fragen, welche zu einem erfolgreichen Abschluss des Projektes notwendig sind?« Nach der ersten Runde waren sämtliche Bedenken bezüglich Arbeitsplatzgefährdung ausgeräumt und viele der in Einzelgesprächen erwähnten Hemmnisse genannt. Nach einer kleinen Pause wurde die zweite Runde mit der Fragestellung eröffnet: »Wie kann aus der Erfahrung mit bislang erfolgreichen Projekten ein Gelingen dieser Aufgabe gesichert werden?« Die Frage löste an dieser Stelle einen starken Selbstorganisationsimpuls bei den Administratoren aus, welcher zur Folge hatte, dass am nächsten Tag (dem vierten) erste Tests mit einem lauffähigen Zentralserver vorgenommen wurden, welche durch den Berater begleitet wurden. Das Projekt wurde erfolgreich abgeschlossen.

Die Nützlichkeit der Beratung lag hier in der Kombination von Expertenwissen über EDV-Strukturen und der Verknüpfung zur prozessorientierten, wertschätzenden Haltung. Das Expertenwissen half, Vorwände von Einwänden zu unterscheiden und die Zahl der Lösungsoptionen zu reduzieren. Die wertschätzende Haltung ermöglichte in einer wertschätzenden, prozessorientierten Kommunikation die Vorwände zu würdigen, um damit Raum zu schaffen für Lösungswege, die gemeinsam aus den bestehenden Ressourcen und Erfahrungen entwickelt werden konnten, wobei durch den Berater aus den Fragen und Antworten heraus ein Gesprächsdesign erfolgte, in dem Prozesse angeregt wurden unter der Fragestellung: Wer spricht wie, wann, warum, mit wem?

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126 | Bernhard Dreibus An diesem Beispiel verdeutlicht sich, dass eine wertschätzende Kommunikation nicht nur schnelle Lösungen herbeiführen kann, sondern auch – in Verbindung mit der Einführung von technischen Neuerungen – neben einer Investitionssicherung die Prävention von Fehlinvestitionen, die Verkürzung von Einführungszeiten und damit eine Erhöhung der Produktivität zur Folge hat. Dies bedeutet für das Unternehmen: Gewinn. Die bewusste Wertschätzung in der Kommunikation – insbesondere bei technisch und sozial kritischen Innovationen –, die ausdrückliche Wertschätzung bei den Bedenken sowie die darauf folgende Fokussierung auf bestehende Erfahrungen mit erfolgreichen Lösungen sind wesentliche Erfolgstreiber einer wertschätzenden Unternehmenskultur. Denn der Nutzen einer wertschätzenden Unternehmenskultur besteht bei der Einführung von neuen Technologien in der konstruktiven Auflösung von berechtigten Bedenken, Sorgen und Widerständen durch wertschätzende Kommunikation. Gerade bei der Einführung von neuen Technologien ist die Konfrontation und die damit verbundene stark bewahrende Haltung hoch. Ebenso werden oft technische Einführungen von sozialen Veränderungen begleitet. Gerade deshalb ist es wichtig, Betroffene, Erneuerer und Bewahrer dauerhaft in einen konstruktiv-wertschätzenden Dialog zu bringen. Über diesen wertschätzenden Dialog wird sichergestellt, dass lösungsorientiert jeder Prozessbeteiligte einen »guten« Raum in der Unternehmenskommunikation erhält, welcher es ihm ermöglicht, aktiv ein Erfolgstreiber für den Prozess zu werden. Gerade die Reaktivierung und Erhaltung von Mitarbeiterpotenzial ist durch die wertschätzende Unternehmenskultur gegeben. Das Mobilisieren von Projektbeteiligten, die in chronifizierten, defizitorientierten Strukturen verharren, ist auch ein Ziel dieses Ansatzes.

Beispiel 2: Das Entlassungsgespräch Im Rahmen der Prozessbegleitung eines Familienunternehmens in ein wertschätzendes Unternehmen stand die Entlassung eines Mitarbeiters an. Es lagen große Bedenken vor, das der wertschätzende Ansatz hier schnell den Beigeschmack von Zynismus und Unangemessenheit entfaltet.

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Im Rahmen der Transparenz wurde dieser Gedanke vom Inhaber des Unternehmens bei dem Entlassungsgespräch ebenso artikuliert wie die Klarheit zur Notwendigkeit der Handlung. Die offensichtlichen Defizite, welche zur Entlassung führten, wurden genannt und sinngebend-wertschätzend neu gedeutet. In einer hilfreichen Interpretation wurde die Kündigung als Bestandteil eines sinnhaften Gesamtprozesses betrachtet, in welchem auch die Leistung des Mitarbeiters für das Unternehmen wertgeschätzt wurde. Gemeinsam würdigte man sein Potenzial und entwarf mögliche weitere Entwicklungswege für den Mitarbeiter. Dieser war durch den wertschätzenden Prozess zu Anmerkungen inspiriert, die dem Unternehmen hilfreich waren. Der Mitarbeiter erhielt zusätzliche Entwicklungsperspektiven sowie durch die wertschätzende Reflexion eine gute Basis, sich besser und passender am Arbeitsmarkt zu positionieren. Das Unternehmen erhält sich die Option, weiterhin auf den ehemaligen Mitarbeiter zurückgreifen zu können. Dieser kann somit trotz seines Ausscheidens aus dem Unternehmen mit seinem Know-how das Unternehmen noch einmal nachhaltig bereichern.

Gerade in dem sensiblen Bereich des Personalwesens und dem heute oft zwingenden Weg zum Arbeitsgericht kann mit dem wertschätzenden Ansatz eine für beide Seiten sinngebende und nützliche Alternative entwickelt werden, ohne die Klarheit der Situation verlieren zu müssen.

Beispiel 3: Vertrieb Für einen Autohersteller wurde eine Kommunikationssoftware durch ein Softwarehaus angepasst. Im Rahmen dieser Anpassung traten bei den angeschlossenen Autohäusern wiederholt Fehler in der Software auf, welche nicht nachvollziehbar und somit für das Softwarehaus nicht zu beheben waren. Der Organisationsberater, der von dem Unternehmen zur Lösung dieser Problematik engagiert war, initiierte ein Gespräch aller Beteiligten, d.h. die Lieferanten der Datenbank, die projektbeteiligten Mitarbeiter des Softwarehauses, die Auftaggeber wie die Anwender.

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Das Gespräch wurde von dem Berater moderiert, der jeden Teilnehmer nach seinen Erfahrungen mit dem Thema ebenso befragte wie nach den Lösungsansätzen. Das Ergebnis war: Die Anwender hatten gar keine Verwendung für das Programm. Der Fehler war strukturell, der Auftrag wurde storniert. Der Berater wies auf die versammelte Kompetenz hin und fragte bei den Kunden nach, wofür ihm diese Kompetenz noch zusätzlich nützlich sein könne. Darauf entwickelte der Auftraggeber mit den Anwendern ein Bedarfsprofil für eine kaufmännische Softwarelösung, diskutierte die Realisierung und beauftragte diese umgehend. Aus dieser Produktentwicklung entstand schließlich das heutige Schlüsselprodukt für das Softwarehaus.

Dieses Beispiel ist nicht nur ein »Turnaround«, sondern widerlegt auch das klassische Verkäuferklischee: »Der Kunde wird über den Tisch gezogen.« Die Zeiten eines solchen Geschäftsgebarens sind gerade beim Handel mit größeren Investitionsgütern vorbei. Hier herrscht zunehmend ein kooperatives, transparentes Miteinander, in welchem der Kunde motiviert wird, an der Lösung seines Wunsches aktiv mitzuarbeiten bzw. die Lösung mitzugestalten. Da bei den komplexen Aufgabenstellungen – der Erfassung der Bedürfnisse, der Wünsche und Vorstellungen, der Realisierung und Machbarkeit – zum Teil sehr große Unterschiede zu finden sind, ist gerade eine wertschätzende, lösungsorientierte Kommunikation der Garant für ein erfolgreiches Geschäft. An der Schnittstelle von unterschiedlichen Bedürfnissen und Zielen – der Kunde mit dem besten Ergebnis, der Vertrieb mit dem besten Gewinn – stellt die wertschätzende Kommunikation eine angemessene Würdigung beider Bedürfnisse sicher und erzeugt in diesem Bereich zusätzlich die erwünschte Nachhaltigkeit. Ob bei der Einführung einer neuen Software, einer neuen Produktionsanlage oder nur beim Kauf eines Standardproduktes (z.B. LKW oder Bus) – der Kunde wird als wertvoller Bestandteil des verkaufenden Unternehmens wertgeschätzt, und dieser wiederum schätzt das Unternehmen aufgrund seiner Anpassungsleistung an seine Wünsche. Gerade über den Vertrieb etablieren sich zunehmend erfolgreich wertschätzende Unternehmen, welche in dieser Unternehmenskultur auch die Chance zur Anpassung an die Kundenbedürfnisse und damit eine Sicherung und Weiterentwicklung ihres Potenzials sehen.

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In der heutigen Zeit steht die Unternehmensführung aufgrund der gestiegener Komplexitäten vor dem Dilemma, Entscheidungen zu fällen, ohne die Grundlagen bzw. die Folgen der Entscheidung übersehen zu können. Hier ist der wertschätzende Ansatz sehr hilfreich, da er aus Mitarbeitern und sogar aus Lieferanten und Kunden Berater für die firmeneigenen Visionen und Strategien macht, welche aufgrund der Menge der hier versammelten Erfahrungskapazitäten grobe Fehlentwicklungen ausschließen und durch Rückkoppelung das Ergebnis konstant optimieren.

Grenzen Der wertschätzende Ansatz benötigt große Klarheit, um von den üblichen »weichschätzenden« Tendenzen abgegrenzt zu werden. Gerade der »weichschätzende« Ansatz gipfelt gerne in undifferenzierter Lobhudelei. Diesem folgt schnell der Vorwurf der Beliebigkeit. Große Klarheit, welche auch große Härte transportieren kann, ist notwendig, um überhaupt den Raum für die wertschätzende Haltung zu schaffen. Ebenso ist der wertschätzende Ansatz in Situationen, in denen direktes, singuläres Handeln erfordert wird, schnell deplaziert. Auch die Nachhaltigkeit ist eines der großen Fragezeichen, welche der wertschätzende Ansatz in Unternehmen hinterlässt. Gerade stark wertschätzende Unternehmen machen sich mit viel Energie auf den Weg und erliegen dabei, oft unabhängig von der Unternehmensgröße, dem »Schaukelstuhl-Effekt«: Mit viel Energie nach vorne schwingen – beim Ausruhen wird automatisch wieder zurück geschwungen. Die Verpuffung von Energie ist hoch, die Verpuffung von Kooperation und Motivation auch. Der Gefahr eines Verlustes der Nachhaltigkeit muss bewusst entgegengetreten werden, da gerade der wertschätzende Ansatz eine hohe Motivation und Engagement bei den Beteiligten auslöst. Wenn diese Energie ohne Nachhaltigkeit bleibt, verliert diese Haltung an Kraft, und die Energie entwickelt sich in Richtung Frustration. Ein anderer Aspekt in der geringen Erzeugung von Nachhaltigkeit bei der Wertschätzung in Unternehmen kann damit zusammenhängen, dass es nur eine geringe Bereitschaft gibt, auch Defiziten gegenüber eine wertschätzende und vor allem sinngebende Haltung einzunehmen. In der Praxis haben sich jene wertschätzenden Unternehmen am erfolgreichsten etabliert, welche neben der wertschätzenden Haltung, die besonderes bei der Entwicklung von Visionen und Strategien sehr

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130 | Bernhard Dreibus schnell wirksam ist, zusätzliche Verfahren oder Strukturen etabliert haben, um die Fortsetzung der wertschätzenden Erfolge nachhaltig zu sichern. Hier sind Veränderungsagenten (»Change Agents«) hilfreiche Personen, welche extern den Prozess langfristig begleiten, oder intern speziell für diese Aufgabe ausgebildet sind. In den letzten Jahren hat sich ebenso die Balanced Scorecard nach Kaplan und Norton (1997) als ergänzendes Element etabliert, welche der wertschätzenden Unternehmenskultur ein erfolgssicherndes Instrumentarium zur Seite stellt. Sie bildet eine erfolgreiche Ergänzung zum wertschätzenden Ansatz, insbesondere deswegen, weil bei ihr als einfaches Management- und Steuerungskonzept der Schwerpunkt in der nachhaltigen Umsetzung liegt. Auf der Basis von Kennzahlen von vier Bereichen werden eben vier virtuelle Karteikarten mit den Themen »Finanzwirtschaft«, »Geschäftsprozesse«, »Mitarbeiter/Lernen« und »Kunde« erstellt. Diese werden im Regelfall um je fünf Unterpunkte ergänzt, welche über einen wertschätzenden Kommunikationsprozess (Visionen und Strategien) gefunden und von jedem Beteiligten unter mehreren Faktoren fortlaufend bewertet werden. Diese Bewertungen der unternehmensweit gleichen Faktoren und Unterpunkte werden von dem Einzelnen in Bereiche, Abteilungen und in einer Unternehmenskennzahl zusammengefasst. Diese Kennzahlen und Zielgrößen, welche immer auch einen finanziellen Bezug haben, konzentrieren die relevanten Erfolgs- und Unternehmensfaktoren auf eine prozessorientierte Ursache-Wirkung-Kette. Die Integration dieses Konzeptes in kaufmännische Software (z.B. bei SAP) und die damit verbundene Akzeptanz vereinfacht die Einführung dieser Konzepte in Unternehmen. Aus diesem wertorientierten Managementsystem leitet sich aber auch im Rückschluss die wertschätzende Kommunikation ab, um die Stakeholder bei der erfolgreichen Einführung optimal zu integrieren und damit die Wirksamkeit des wertorientierten Ansatzes zu erhöhen. Die Wirksamkeit ist dann sehr hoch, wenn ein Veränderungsbedürfnis vorhanden ist.

Zusammenfassung Dieser Beitrag stellt den Weg zum wertschätzenden Unternehmen in einen historischen Rahmen. Damit zeigt er die logische und notwendige Entwicklung zur wertschätzenden Unternehmenskultur durch den Nutzen für Mitarbeiter und Management auf. Dabei wird diese Kultur als

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sinnvolle Ergänzung zum wertorientierten Management verstanden, die sich insbesondere in einer wertschätzenden Haltung ausdrückt. So werden z.B. Manager und Mitarbeiter als gleichberechtigte Partner im Dialog betrachtet. Aufgrund der hohen Virulenz der wertschätzenden Haltung kann zu jedem Zeitpunkt und von jedem Beteiligtem der Ansatz erfolgreich initiiert werden. Die Frage »Wer wertschätzt wen, wie und warum?« wird dabei als entscheidend betrachtet.

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Vom aktuellen Stress der Organisationen zum Stretch in ihre Zukunft Rolf Klatta

Vorbemerkungen Organisationen sehen zuvorderst ihre Ziele. Immer wenn unterschiedliche Meinungen, Konflikte und Probleme auftauchen, wird geschaut, ob sich die Beteiligten denn noch an diesen orientieren. In der Politik wird nach Geschlossenheit gerufen. Die Lösung der Fragen scheint bei der möglichst gleichförmigen Akzeptanz von Werten und Regeln zu liegen, die von wichtigen Vorfahren oder aktuellen Vorsitzenden proklamiert wurden. Unterschiedlichkeit und Vielfalt wird eher als schädlich und kontraproduktiv gesehen. Mein Interesse an dieser recht durchgängigen Wahrheit von Organisationen und dem vorliegenden Text »Die Wertschätzende Organisation« entspringt einer etwa 30-jährigen ehren- und hauptamtlichen Tätigkeit, meist als direkter Vorgesetzter, Vorsitzender oder anderer Funktionsträger in so genannten Non-Profit-Organisationen (NPO), konkret in Jugendverbandsarbeit, Partei- und Zweckverbandstätigkeit, ebenso wie in Bildungseinrichtungen in freier, wohlfahrtsverbandlicher oder wirtschaftsnaher Trägerschaft. Eine wissenschaftliche Würdigung ist daher von mir nicht zu erwarten, sondern eher eine, die den zur Diskussion stehenden Text neben Management- und Organisationstheorien und psychologische Handlungsanleitungen für Führungskräfte stellt. Im Mittelpunkt stehen dabei folgende zentralen Aspekte:

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• die von der Organisation ausgehenden Leistungen an die Klienten, • die unmittelbare Personalführung, • die Kooperation mit anderen Leistungserbringern und den Auftraggebern, meist öffentliche Institutionen, • Betriebe als Abnehmer und Empfänger der Dienstleistungen • sowie der wirtschaftliche Erhalt dieser Einrichtungen.

Nicht individuell umsetzbar, sondern einnehmbar Die Autorengruppe um Kenneth Gergen, schon auffällig in dieser Größe, hat den Text sicher in der Weise komponiert, wie sie es im Inhalt von der internen Sicht – dort sehe ich zunächst das Zwiegespräch – bis zur Öffnung der organisationsbezogenen Grenzen »zu Gesprächen in globalen Kontexten von Wissensnetzwerken« (Ressource, S. 51) beschreibt. Positiv ist die völlige Reduzierung auf einen wesentlichen Ansatz, der persönlich, aber nicht individuell umsetzbar und als Haltung einnehmbar ist. Ausgehend vom Begriff des Wertschätzens im Rahmen sozialer Bedeutungserzeugung, wird als konstituierendes Element von Handeln in Organisationen eine von Anfang an klare, ethisch vertretbare Haltung eingenommen. Es wird ein Handlungs- und Kommunikationsrahmen vorgestellt, der unabhängig von der aktuellen Situation und strukturellen Ausprägungen • einfach, • transparent und • nachvollziehbar ist und erfolgsorientiert sein muss, da er alle Beteiligten der Wertschöpfungskette beachtet und damit in Strategie und Umsetzung einbezieht. Die Dichte und Vielfalt der Vorschläge sind auf der sprachlichen (und damit Bilder und Vorstellungen erzeugenden) Ebene wie – von der inhaltlichen Gliederung des Themas her – in einem sich ausweitenden Bezugsrahmen verknüpft. Beim Lesen entstehen – neben der als stringent zu bezeichnenden thematischen Entwicklung – Gefühle sich wiederholender, aber erweiternder Muster aus musikartiger Erfahrung, wie sie beispielsweise beim Hören von Phil-Glass-Kompositionen auftreten. Abstraktion und minimalistische Beispiele lassen den Text selbst beim mehrfachen Lesen nur in Umrissen erinnerbar und erzählbar

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134 | Rolf Klatta werden. Sein Grundgedanke und die Intentionen dagegen kommen voll an und landen offenbar zunächst im Vorbewusstsein, wo sie auf Glaubensbekenntnisse und appellartige Erinnerungen aus früheren Zeiten treffen. In einem pragmatischeren und engeren Rahmen des Einzel- und Teamgespräches als Führungskraft hat Schulz von Thun »Metakommunikation als wichtige Grundlage der Zusammenarbeit« (Schulz von Thun 2001: 123) beschrieben: »Ist die Aussprache noch kein fester Bestandteil der Teamkultur, so muss sie behutsam eingeführt werden. Es muss berücksichtigt werden, dass eine Kultur des Schweigens und Duldens, wie sie z.B. durch eine langjährige Einweg-Kommunikation von oben nach unten entstanden sein kann, nicht von heute auf morgen in ein offenes ›metakommunikatives Klima‹ verwandelt werden kann« (ebd.: 129). Schwarz nennt für den Bereich der NPO neben der klaren Steuerung durch Management by Objectives (MBO) und Management by Exceptions (MBE) Partizipation als »Gestaltungsvariable für die gesamte Organisation« (Schwarz 1992: 94f.), und weiter: »So wirken sich partizipatorische Strukturen im Verbandsbetrieb auf die Selbständigkeit (als Effizienzkriterium) und damit auf die sozio-emotionale Befindlichkeit aller Mitarbeitenden aus. Als echte Partizipation wird (nur) eine Kombination von Wert- und Ressourcenansatz bezeichnet. • Die Human-Values-Strategie ist unmittelbar mit dem Effizienzkriterium »Empfänglichkeit« gekoppelt. Den von einem Entscheid Betroffenen wird die Möglichkeit geboten, in Mitsprache und Meinungsbildungsverfahren ihre Werte (Interessen, Bedürfnisse, Befürchtungen) zu äußern, die – sofern tragbar – vom Entscheider verwertet werden sollen. • Die Human-Resources-Strategie tendiert in die Richtung Verbesserung der Entscheidungsqualität aufgrund der Annahme, dass in vielen Fällen die Betroffenen auch die Zuständigen, d.h. Fähigen sind, also wesentliche Sachbeiträge in den Problemlösungsprozess mit einbringen und damit dessen sachliche Effizienz fördern können.« Aber er formuliert zu diesem personalorientierten Organisations-, Führungs- und Problemlösungsansatz auch Kritik (ebd.: 321): »Der im anglo-amerikanischen Raum entwickelte personale Ansatz der OE stößt dann sehr rasch an seine Grenzen, wenn er verabsolutiert und als einzige Methode der Systementwicklung praktiziert wird. Denn er richtet sich einseitig auf

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Vom aktuellen Stress der Organisationen | 135 den Menschen aus und vernachlässigt die Situation, den Kontext, in dem die Menschen arbeiten. Die Arbeitssituation wird eben nicht nur von den menschlichen Beziehungen zu Vorgesetzten, Kollegen oder Untergebenen geprägt, sondern in erheblichem Maße durch die Arbeitsorganisation bzw. die Strukturen und angewandten Technologien. Durch die Aufbauorganisation und Ablaufregelungen werden ja Arbeitsinhalt und Freiheitsgrad der einzelnen Stelle weitgehend determiniert. Den gleichen Effekt zeigen die verwendeten Technologien (in Produktion, Administration). Zu entwickeln sind demnach alle bestimmenden Elemente der Organisationskultur.«

Gründe, die für die vorgeschlagene Haltung sprechen Eine Wende der Sicht von Organisationen trat für mich 1977 mit dem Begriff »dialogisches Handeln« ein. Ich war Vorstand eines Jugendverbandes, der seinen traditionellen Wurzeln entwachsen war und dank eines fehlenden Erwachsenenverbandes sich auf freie Jugendinitiativen, Schülergruppen und selbstorganisierte Jugendzentren in immer stärkerem Maß bezog. Diese arbeiteten meist isoliert in der Provinz mit viel Energie, aber wenig Austausch und Unterstützung ehrenamtlich. Der Begriff »dialogisch« wurde von einem Jugendforscher eingeführt, der, ehemals selbst in seiner Jugend aktiver Pfadfinder traditioneller Art und »Stammesführer« – bekannt waren seine stets weißen Socken und kurzen Lederhosen –, als Berater und Moderator die Verbandsentwicklung unterstützte: »[…] geht es beim bedürfnisorientierten Ansatz darum, eine politische Jugendarbeit zu entwickeln, die sowohl bei der Wahl ihrer Methoden und Inhalte, als auch bei der Formulierung ihrer Ziele ausgeht von den jeweils von den Jugendlichen im Rahmen ihrer gleichaltrigen Gruppen artikulierten und ausgehandelten Bedürfnisse. […] Dabei bleibt sie jedoch nicht stehen, sondern versucht gemeinsam mit den Jugendlichen Durchsetzungsmöglichkeiten zu erkunden und zu realisieren, die die […] emanzipatorischen Impulse dieser Bedürfnisse aufnehmen, weiterentwickeln und auf möglichst vielen Ebenen Geltung verschaffen […]. Da dies mit pädagogischen Mitteln allein nicht möglich ist, geht es zugleich auch um die Entwicklung einer an den gleichen Prinzipien orientierten bedürfnisorientierten dialogischen Politik – jenseits der hierzulande üblichen administrativen, manipulativen oder formaldemokratischen, aber auch jenseits avantgardistischer Wege« (Damm 1980: 26).

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136 | Rolf Klatta Heiß umstritten war im Jugendverband die Frage, wo denn die Grenze zwischen einem »echten« Mitglied und einer assoziierten Gruppierung (ohne Mitspracherechte) verlief – also etwa die zwischen innen (in der Organisation Jugendverband) und außen. Diese Trennung wurde zunehmend schwieriger, je mehr das Innere (der Jugendverband) an Quantität in Form klassischer Mitglieder, in Gruppen und Untergruppen sortiert, mit Mitgliedsausweis, langer Zugehörigkeit und interner Karriere abnahm. Damit korrespondierte bis dahin die Bedeutung in der klassischen Aufgabe eines Jugendverbandes, nämlich Erziehungs- und Entwicklungsräume für Jugendliche anzubieten und diese als feste Mitglieder zu binden. Dagegen wuchs die neue Rolle als Anbieter von Möglichkeiten an die o.g. selbstorganisierten Jugendzentrumsgruppen mit der vorhandenen Infrastruktur (Räume, Häuser, Zeltplätze). Des Weiteren wurden regionale und überregionale Austauschtreffen mit Hilfe von Hauptamtlichen durchgeführt, die eine bessere Kommunikation ermöglichten. Dadurch konnte der Jugendverband der Stärkung der eher eigengesteuerten Entwicklung und Aufrechterhaltung der eigenständigen Gruppen und Initiativen dienen. Dies bot die Möglichkeit, einen neuen, besonderen Part in Form von Vernetzung, Erfahrungsaustausch und Reflektionshilfe innerhalb einer breiten Bewegung zu spielen. Der dialogische Ansatz führte zu einer eher gleichberechtigten und hierarchiefreien Kommunikation und verdrängte eine die Antwort habende und vorgefertigte wie anpassende Organisationsphilosophie und verlangte nach einer passenden Arbeitsstruktur. In der nun neu entstehenden Aufbauorganisation drückte sich das in einem Nebeneinanderbestehen von klassischen und hierarchischen Rollen des Vereinswesens in Form der Mitgliederversammlung, eines Vorstandes und den hauptamtlichen Mitarbeitern zu einem neuen Gremium, dem sogenannten »Arbeitsausschuss« mit projektorientierter Kommunikation als eigentlichem Planungs- und Beschlussgremium aus. Dort trafen sich, paritätisch besetzt, Vertreter der Vereinsmitglieder wie der Initiativ- und Projektgruppen. Beschlüsse wurden nun nicht mehr per Kampfabstimmung und durch vorherige Fraktionierung, sondern als Arbeitskonsens ohne prinzipialistischen Charakter herbeigeführt und später von den formellen Vereinsgremien als Beschluss übernommen und umgesetzt. Es trat etwas Neues hinzu, was uns damals nicht bewusst war: eine Prozessorientierung nahm Beschlüssen das Endgültige und schaffte damit die Vorbedingung dazu, immer wieder Erfahrungen wie Veränderungen in das organisierte Handeln einfließen zu lassen.

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Die Grenzen der Organisation waren unscharf geworden. Als Vorsitzender hatte ich diese Rolle zwar gegenüber anderen Organisationen weiter inne (z.B. den Förderinstitutionen, Ministerien, bei Rechtsgeschäften), aber im Inneren war diese Rolle nur funktionaler Teil der Struktur »Arbeitsausschuss«, und ich war dort der Repräsentant für die Finanzen, den Rahmen und die Gremienvertretung nach außen. Die das Handeln steuernden Rollen waren viel breiter gestreut und differenzierter angelegt und wurden durch regionale und projektinhaltbezogene Zielgruppen gefördert. Die Organisation hat dies nun bis heute nahezu 30 Jahre lang bundesweit ausgehalten und besteht mit Wachstum und einem Bedeutungszuwachs breiter als zuvor in ähnlicher Form. Heute sprechen wir auch in den Non-Profit-Organisationen – in einer solchen bin ich leitend tätig – von Kunden, Märkten und Mitarbeitern, und von Linien-, Stabs- und Matrixstrukturen der Organisation. Eine ähnliche Sicht, wie oben geschildert, fand ich wieder, als vor wenigen Jahren ein extern zugezogener Unternehmensberater (der Inhaber einer größeren Beraterorganisation) unserem Führungskreis das Bild einer Aufbauorganisation an das Flipchart malte: eine Pyramide mit Hierarchie und klaren Außengrenzen, an deren Kopf oben er sich befindet, während seine vielen Berater, am breiten Fußende unten angesiedelt, mit den Kunden im Markt reden und agieren. Seine geäußerte Überzeugung war, dass er die Verbindung nach draußen, die Schnittstelle zwischen den Beratern und den Kunden, nicht als unten und damit als weniger bedeutsam, sondern als lebenserhaltende Zone der Organisation betrachte, da hier die Einbettung zur Umsetzung der Unternehmensziele und die Realisierung des notwendigen Umsatzes zum Erhalt der Organisation durch das Beauftragungsverhältnis erfolgte. Seine Rolle als Hierarchiespitze sei hilflos ohne diese Verbindung. Das Hierarchiebild vom Vordenker und Lenker sei da unpassend.

Was ist dann aber zum Erfolg, Erhalt und Wachstum einer Organisation führendes Handeln und Aushandeln? Die Erreichung der Ziele einer Organisation, insbesondere die gemeinnütziger Organisationen, die sich ja auf gesellschaftlichen Nutzen beziehen, sind nur in Kooperationen erreichbar. Die klassische kooperative Beziehung ist die zwischen dem – meist öffentlichen – Auftraggeber

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138 | Rolf Klatta und der NPO. Die Zielgruppe, ob als Teilnehmer, Klienten oder Schüler benannt, ist in der Regel als Empfänger oder Adressat der Dienstleistung in Form von Hilfen, Beratung oder Beschulung definiert. Weitere, meist für die Klienten wie die Zielerreichung wichtige Beteiligte (Eltern, Arbeitgeber, Ausbilder) werden schon konzeptionell weniger beachtet und, oft als Störfaktoren, die es zu neutralisieren gilt, betrachtet, an den Prozessen zur Lösung von Problemen und der Zielerreichung ansonsten wenig beteiligt. Der vorliegende Text von Anderson et al. schlägt hier nun zu Recht vor, dass eine NPO, die ihre Grenzen als offener und die Einbeziehung von Klienten und wichtigen Dritten als wünschenswert wahrnimmt, damit bereits eine Wertschätzung in Form ernstgenommener Beteiligung erzeugt. Dem sonst mit dem Empfängerstatus der Klienten verbundene Aufwand und den vielfachen Widerständen und Schwierigkeiten wird durch dieses Umgewichten der Beteiligung ihr bestimmender Charakter genommen. Plötzlich tauchen Vorschläge, Ideen und Energien auf, die den Zielerreichungsprozess unterstützen, erweitern und verstärken.

Ein Beispiel aus unserer aktuellen Projektpraxis Die Beschäftigungssicherung von Menschen mit Behinderungen ist eine Aufgabe, die das Integrationsamt beim Landeswohlfahrtsverband an NPO als Fallbeauftragung mit weiteren Aspekten wie Information und Prävention bei Arbeitgebern vergibt. Unser Ansatz, die Arbeitgeber und ihre betrieblichen wie verbandlichen Strukturen mit an den Problemlösungsprozessen zu beteiligen, führt zu einer erweiterten Sicht. Sie führt von der engen, individuellen Fragestellung, bezogen auf den Klienten (der einzelne Beschäftigte mit Behinderung), zu einer Perspektive, die seinen Vorgesetzten und ein größeres System Beteiligter mit ihren erweiterten Möglichkeiten mit in das Problemsystem einbezieht. Dabei zeigt sich, dass die leibhaftige Einbeziehung dieser Rollen nicht für alle Fachdienste selbstverständlich ist. Diese kann erst als gemeinsame und entwicklungsfähige Aufgabenstellung im Rahmen von Personalführung, betrieblicher Kultur, Personalentwicklung und Anforderungen aus dieser Sicht an den Auftraggeber (hier: das Integrationsamt) formuliert und bearbeitet werden. Sowohl betriebsbezogen wie regional-öffentlich gelingt es, Betriebe dazu zu gewinnen, ihr Handeln, ihre Problemstellungen und Lösungs-

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vorschläge zusammen mit den unterschiedlichen Beteiligten zu besprechen, ohne dass es zum Austausch von Schuldzuweisungen kommt. Im Gegenteil: Es werden neue Vorschläge unter der Einbeziehung von Arbeitnehmer, Berater (NPO), Auftraggeber (Integrationsamt), Schwerbehinderten-Vertrauensperson, Betriebsrat, Betriebsarzt und anderen betrieblichen und außerbetrieblichen Helfern und wichtigen Beteiligten entwickelt und in gemeinsamen Treffen ausgetauscht. Während eines dieser Treffen, die innerhalb einer der beteiligten Organisationen stattfand, um ihre Haltung zu dem Thema abzustimmen und neue Informationen auszutauschen, zeigte es sich, dass es auch innerhalb von Organisationen selbst ein Wertschätzungsgefälle von »innen« nach »außen« gibt. Die angereisten Vertreter der Vor-Ort-Stellen waren es bisher nicht gewohnt, dass sie bei Veranstaltungen in ihrer Zentrale einen vorbereiteten Arbeitsrahmen, eine ihre Situation und Interessenlagen berücksichtigende Moderation sowie eine organisierte Bewirtung vorfanden. Obwohl sie die schwierige Einzelarbeit vor Ort zu leisten haben, wurde ihr Status durch die Vorgaben des internen Apparates bisher eben nur als »außen« Tätige (tlw. mit Behinderungen) wahrgenommen, obwohl gerade dort außen die Legitimation der Organisation vollzogen wird. Die Veranstaltung wertschätzte ihre Außenrolle für die Organisation und schaffte damit gleichzeitig ein größeres Gehör für die Fragen der Realität von »außen« nach »innen« in die Organisation hinein.

Da die NPO hier als Moderatorin und somit nur als Einladende agieren kann, entstand ein Markt, auf dem als Währung die Wertschätzung in Form eines echten Dialoges angeboten wird. Der Preis ist die Beteiligung und damit die Offenheit, sich Neues anzuhören und mitzuwirken.

Der Alltag von Organisationen In den traditionellen Organisationen – hierzu können öffentliche Institutionen, gesellschaftlich wichtige Verbände, Kirchen und Parteien, aber auch Traditionsbetriebe gezählt werden – existiert ein solcher Markt meist nicht, da Positionen und Macht einen Austausch aus Sicht der Rolleninhaber nicht wichtig erscheinen lassen und Anweisungen und Kontrolle als Instrumente höher im Kurs stehen, da sie erfolgreicher zu sein scheinen.

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140 | Rolf Klatta Die meisten NPO sind Teil einer gesellschaftlich bedeutsamen Organisation und haben dort und daher ihre Sinnstiftung. Aktuell, insbesondere aus Gründen der Knappheit öffentlicher Kassen und damit dem Versiegen bisheriger Förderungen ihrer Arbeit, wird ein Agieren auf dem Markt als Dienstleister zur Überlebensfrage dieser NPO. In den Organisationen stehen sich zur Zeit daher häufig Positionen, die die Sinnstiftung vertreten, und diejenigen, die die marktbezogenen Prozesse zu gestalten haben und diese erweitern wollen und müssen, diametral gegenüber. Dabei gibt es zwei Richtungen in der Diskussion: Die Sinnstiftung wird in der Regel durch hierarchisch höher stehende Positionen vertreten, während die Marktorientierung von »außen« zu den eher ausführenden Stellen gelangt und damit von unteren Positionen in der Organisationshierarchie vertreten wird. Die markt- bzw. kundenbezogene Ausrichtung – gerade von NPO – geschieht damit nicht von »oben« her, sondern aus den operativen Einheiten, von »unten« heraus. Folglich bestehen in der Organisation zwei Wahrheiten neben- bzw. übereinander: 1. 2.

die Wahrheit der Tradition, der Werte und der Hierarchie, die Wahrheit des aktuellen Marktes und der Kunden.

Diese Differenz der Wahrheiten verhindert mehr als der tatsächliche Druck des Marktes, der als Zeit- und Ergebnisdruck auf den Führungskräften lastet, die die persönliche Führung im operativen Aufgabenbereich wahrnehmen, eine gleichzeitig vorhandene Kultur wertschätzender Gespräche und Führung. Sie führt sogar eher zum Gegenteil: der Bestätigung der von »innen« heraus agierenden Hierarchen. Die am deutlichsten Zeit und Ressourcen bindende Form von Kommunikation, gerade in den traditionell strukturierten Organisationen, ist das »Sich-Positionieren« von Hierarchen (hierarchisch höher stehenden Personen). Dazu werden prägende Geschichten von wichtigen Personen aus der Vergangenheit der Organisation immer wieder in Führungsrunden und internen Gremiensitzungen eingebracht. Da die traditionelle Organisation eher erreichte Positionen und nicht langfristige Ergebnisse belohnt, ist diese Form der Selbstpositionierung für deren Inhaber zweckmäßig, für die anderen Beteiligten aber eher ein weitschweifiges Erzählen von bereits häufig Gehörtem. Als Inhaber der Geschichte weist sich der Positionsinhaber zugleich als loyaler und damit berechtigter Vertreter der Organisation und Hierarchie aus. Würde er darauf ver-

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zichten (diese Anteile in meiner eigenen Position sind natürlich auch vorhanden), bekäme er Gefühle von Angst vor Illoyalität, glaubte selbst nicht mehr an seine übertragene, die Organisation repräsentierende Position, die ihn dort hinstellt, von wo her er nun agiert. Drei Effekte gehen davon aus: 1.

2.

3.

Die Wirkung ist bei den Zuhörern ein Gefühl, dass die Vergangenheit die Gegenwart und die Zukunft im Griff hat. Hier gilt nicht der Markt der Informationen von außen als Bereicherung der Entscheidungsfindung, sondern als Währung dient die Innenpositionierung, um den Preis des Verlustes einer differenzierten und notwendig vollständigen Realitätswahrnehmung. Trotz aller vorhandenen modernen Managementkenntnisse und -techniken (wie z.B. Moderationsmethoden etc.) wird durch einen »Frontalunterricht« gegenseitiger Austausch und Ideenaufnahme verhindert. Dies führt zu einem Entwertungsgefühl der anderen Beteiligten, wenn sie mit Hierarchen sprechen wollen, da ein Großteil der verfügbaren Zeit von diesen »blockiert« wird, indem sie weder zuhören noch durch wertschätzende Aufmerksamkeit die Handlungen der Organisation steuern. Aus der Sicht eines operativ Verantwortlichen mit breiter Führungsspanne sehe ich den im vorliegenden Text »Die Wertschätzende Organisation« vorgeschlagenen Gesprächen eine dann entstehende Zeitnot durch die Scylla interner Gremien und die Charybdis eigener Steuerungs- und Controllingbeanspruchungen entgegengestellt.

Auch wenn die strategische Effektivität von vielen Gesprächen mit Organisationsmitarbeitern verschiedener Ebenen vorstellbar und einsichtig ist, so ist es in der aktuellen Situation vieler Organisationen zunächst eine eher zusätzliche Zeit erfordernde, gegen die Routine laufende Handlung und könnte damit eine zu wenig genutzte Kommunikation bleiben. Als mögliches und erlebtes Gegenbeispiel, wie eine Organisation wertschätzend mit ihren Mitarbeitern, Klienten, Kunden und Auftraggebern umgehen kann, biete ich das Beispiel einer Zukunftskonferenz an, die von unserem Bildungswerk 1997 an zwei Tagen mit 64 Personen aus Ministerien, Arbeits- und Integrationsämtern, IHK und Arbeitgeber- wie auch Gewerkschaftsinstitutionen, freiberuflichen Dozenten und Zulieferern (z.B. Grafikern), arbeitslosen Lehrgangsteil-

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142 | Rolf Klatta nehmern, Mitarbeitern aus Verwaltung, Fachpersonal und Führung stattfand, und die unter dem Motto stand: Herausforderungen, Antworten, Lösungen – Bildungs-, Beratungs-, und Forschungsarbeit bis ins Jahr 2010. Aus der Dokumentation (Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft e.V. 1997: 3):

Warum eine Zukunftskonferenz? Das Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft e.V. wird 1997 25 Jahre alt. Aus diesem Anlass wollen wir einen Entwurf der Zukunft vorlegen, der im Rahmen einer Zukunftskonferenz am 16. und 17. Juni 1997 in Bad Nauheim erstellt wurde. Wir halten diesen Anlass für geeignet, entsprechend unserem Rahmen als Bildungsträger und unserem politischen Auftrag als Teil der Unternehmerverbände, keine akademische Feierlichkeit, sondern eine der Sache angemessene Thematik in den Mittelpunkt zu stellen. Besonders wichtig ist es uns, gemeinsam mit bildungswerksinternen und -externen Partnern zu erarbeiten, wohin sich unsere Aktivitäten künftig unter Berücksichtigung wirtschaftlicher und arbeitsmarktpolitischer Anforderungen entwickeln müssen. Wir haben daher 64 TeilnehmerInnen zu der Konferenz eingeladen, die sich zur Hälfte aus Vertretern von Ministerien, Arbeitsverwaltung, Betrieben, Kurs- und Seminarteilnehmern und weiteren Kooperationspartnern zusammengesetzt haben. Die andere Hälfte waren MitarbeiterInnen aller Hierarchiestufen des Bildungswerkes. Wir haben es ganz bewusst darauf angelegt, nicht nur »im eigenen Saft zu schmoren«, sondern eine ganze Reihe von externen Impulsgebern in die Erarbeitung unserer Visionen und Pläne mit einzubeziehen. Im Folgenden wird dokumentiert werden, wie in wechselnden kleinen Gruppen zusammengearbeitet und die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft betrieblicher und beruflicher Bildung untersucht worden ist. Alle Beteiligten waren über die zwei Tage sehr aktiv, mit großer Ausdauer und Kreativität sowie einer Fülle von inhaltlichen Anregungen an dieser Konferenz beteiligt. Wir glauben, dass die Ergebnisse dieser Zukunftskonferenz wichtige Anregungen für unsere zukünftige Arbeit gegeben ha-

2004-06-03 11-19-35 --- Projekt: T223.diskursys.deissler.wertschätzende organisation / Dokument: FAX ID 01b254382278728|(S. 132-147) T03_06 klatta, vom aktuelle

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ben und uns wertvolle Begegnungen mit unseren Partnern und Auftraggebern gebracht haben. […] Unsere Aufgabe ist es nun, die Vorschläge aufzugreifen und uns den Herausforderungen der nächsten 25 Jahre mit Antworten und Lösungen zu stellen. Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft e.V. im September 1997 Der Geschäftsführer

Nicht nur war es fast allen unerklärlich, wie eine solche Zusammenkunft von wichtigen und weit gestreuten Personen für zwei Tage zu einem Termin erreicht werden konnte; es war auch eine begeisternde Arbeitsatmosphäre, in einem Raum ca. 16 Stunden in wechselnden Gruppen mit 8 mal 8 Personen aus anderen Institutionen an gemeinsamen Ideen zur Entwicklung der eigenen Organisation zu arbeiten. Ungewöhnliche Offenheit und unkonventionelle Ideen waren Resultat dieses Austausches. Als Ergebnis bleibt eine gemeinsame Erfahrung und die Identifikation von Zielen, die nun in weiterer und intensiver Zusammenarbeit angesteuert werden. Die Erfahrungen sprechen dafür, sich als Einlader eines Marktes zu sehen, auf dem Mitarbeiter, Kollegen, Kunden und Partner zu einem Meinungsaustausch und Erfinden von Neuem zusammenkommen. Hierzu eignen sich aber keine »ergebnisorientierten« 90-Minuten-Sitzungen, sondern eher Klausurtagungen von mindestens einem Tag Länge.

Organisationen am Abgrund Trotz durchdachter Aufbauorganisation und funktionierenden Gremien sowie formal korrekten Regularien und Abläufen, können Organisationen an den Rand des Scheiterns geraten oder von kriminellen Verflechtungen betroffen sein. Parteien, Fußballvereine, Konzerne und auch NPO sind innerhalb der letzten Jahre, wie in den Medien dokumentiert, in unvorstellbare Affären verstrickt. Offensichtlich sind diese dann so lösungsunfähig, dass nur der Abstieg, der Rücktritt von Ämtern, Karriereende mit gerichtli-

2004-06-03 11-19-35 --- Projekt: T223.diskursys.deissler.wertschätzende organisation / Dokument: FAX ID 01b254382278728|(S. 132-147) T03_06 klatta, vom aktuelle

144 | Rolf Klatta cher Verurteilung und Haft, zuweilen auch Selbstmord den eingeschlagenen Kurs beenden konnten.

Fallbeispiel: Der Fall einer großen Wohlfahrtsorganisation vor einigen Jahren, bei dem z.B. ein Landes- und ein Bundesminister und ein Bischof zurücktreten mussten und der Geschäftsführer mit weiteren Beteiligten in Haft kamen, beinhaltete alle zuvor genannten Aspekte. Der materielle Schaden in Höhe von mehreren 100 Millionen Euro kann noch als niedrig gegenüber dem immateriellen Schaden des Vertrauensverlustes in die NPO und ihre Einrichtungen bewertet werden.

Regelmäßig steht bei diesen Affären die Machtkonzentration von Einzelnen im Mittelpunkt und wird von den betroffenen anderen Organisationsmitarbeitern als Problem benannt. Machtausübung in Form von Entwertung der umgebenden internen Organisation und von Einfluss auf oft ähnlich positionierte Personen in anderen kooperierenden Organisationen, routinierte Gesetzesverstöße ohne Schuldbewusstsein und unter Beihilfe anderer Verantwortlicher zum Zweck privater und/oder institutioneller Vorteilsnahme bilden die Basis solcher Affären. Die übersteigerte Vorstellung von Gestaltungskraft und Machbarkeit durch den Einzelnen wertet gleichzeitig andere in der Organisation vorhandene Ideen, Fähigkeiten und Lösungsvorschläge gering und wird damit als persönliche Entwertung von Mitarbeitern wahrgenommen. Sie blendet Kooperation, Beteiligung und Einbeziehung in Gesprächspartnerschaften aus und verweigert sich damit der Wahrnehmung eines »Eingebettetseins« als Voraussetzung von Wirksamkeit von Dienstleistungen oder wirtschaftlichem Erfolg. Anstatt eines Marktes findet sich Diktatur. Diese verlässt die Realität synergetischer Wirkungszusammenhänge und verliert damit auch jeden Blick für die vielfältigen und unterschiedlichen Bedeutungsbildungen einer Organisation, die in wertschätzenden Beziehungen erzeugt werden.

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Was kann der Text für die Führung von Organisationen leisten? Ich glaube, dass die Beteiligung von Mitarbeitern und damit die Bereitstellung von Zeit und Budget eine größere Gewähr für besseres und langfristiges Bestehen von Organisationen bietet, als dies enge Führung und detaillierte Vorgaben leisten können. Dafür gibt es zwei Gründe: 1. 2.

Die eigene Handlungsverantwortung schafft die Basis für angepasste Lösungen auf Basis intrinsischer Motivation. Eine detaillierte Führung kann ohnehin nicht geleistet werden, da es zu viele Variablen im Alltag gibt.

Der Glaube, durch strikte Anwendung von Managementtechniken sehr schnell beste Ergebnisse zu produzieren, stellt sich in der Realität immer wieder als Bluff heraus: Sowohl in der aktuellen Managementliteratur als auch in unserer unmittelbaren regionalen Umgebung finden sich ausreichend Beispiele hochgelobter »Manager des Jahres«, deren Organisationen nicht einmal fünf Jahre später in Konkurs gegangen waren. Maßstab einer Organisation ist die langfristige Überlebensfähigkeit durch Anpassung an den Markt, da nur hier Nutzen/Ertrag und optimierte Ausrichtung sich messen lassen. Dialogorientierte Arbeitsweisen, die zu den o.g. Vorteilen auch noch die immer wichtiger werdenden Wissensressourcen in einen nutzvollen Zusammenhang bringen, werden beispielsweise durch das Projekt der Forschungsstelle des Bildungswerkes »Dialog in der lernenden Organisation« in dem »im Rahmen eines Teamentwicklungsprozesses […] Kooperation und Vernetzung, die durch die Fähigkeiten zum Dialog ausgebaut werden sollen«, erprobt und geübt (Lau-Villinger 2001: 2ff). Allerdings zu glauben, die umgesetzten Denkweisen und Handlungen Wertschätzenden Organisierens wären entweder Voraussetzung oder Bedingung für den Erfolg einer Organisation, oder Abwesenheit Wertschätzenden Handelns würde irgendwann zum Scheitern führen, halte ich dennoch für nicht darstellbar. Auf Grund der Vielfalt organisationeller Bedingungsfaktoren lassen sich Entwicklungen – ähnlich dem Wetter – weder mittelfristig noch zwingend vorhersagen oder erklären: Es wird eben nur unwahrscheinlicher, dass Organisationen mit we-

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146 | Rolf Klatta nig interner und externer Kooperation, mangelnder gemeinsamer Bedeutungserzeugung und fehlender wertschätzender Haltung langfristig überlebensfähig sein werden. Einerseits haben eingeführte Organisationsrituale einen erhöhten Zeitverbrauch, und andererseits herrscht in Organisationen »Dringlichkeitssucht« (vgl. Covey 1998), die verhindern das »Wichtige« kontinuierlich zu verfolgen. Dies legt es m.E. nahe, dass es eine Chancen- und Energiereserve von mindesten 50 bis 60 % innerhalb der Organisationen gibt, die durch die vorgeschlagenen Gespräche zu erschließen wären. Aber offenbar wehren sich die Organisationen aus einer vergangenheitsorientierten Festlegung hierarchischen Handelns und seiner Positionierung gegen solche Gespräche. Das Handeln, das mit dem Festhalten an den alten Zielen begründet wird, ist aber für die Organisation offenbar eher ein Schritt in Richtung ihres Unterganges, oder wie es C.N. Parkinson ausdrückte: »Die Perfektion eines geplanten Aufbaus wird nur von Einrichtungen erreicht, die unmittelbar vor dem Kollaps stehen« (Parkinson 2003: 2065). Eine neue, organisationsübergreifende »Co-Evolution« ist allerdings auf der Basis von Beteiligten unterschiedlicher Organisationen vorstellbar, indem von Beteiligten über Organisationsgrenzen hinweg multiindividuell erzeugte Muster kultureller Verständigung und organisiertem Handelns umgesetzt werden. Dies kann als notwendiges Aushandeln in den Märkten gewertet werden. Schon jetzt ist häufig ein übereinstimmendes, bedeutungserzeugendes Denken und Handeln von Trägern unterschiedlicher Organisationszugehörigkeit, aber mit gleichen Aufgabenfeldern eher umsetzbar, als unterschiedliche Funktionsträger innerhalb einer Organisation zu konstruktiven Beziehungen zu gewinnen. Marktmechanismen zwischen Organisationen sind anscheinend eher selbstverständlich als in Organisationen. Die Bedeutung eines gemeinsam konstruierten Kontextes innerhalb einer Organisation ist vermutlich nicht einmal durch die Erfahrungen des Scheiterns von Organisationen selbst, sondern nur durch die des eigenen Scheiterns, wie sie zur Zeit viele junge Manager im IT- und Bankenbereich erleben, integrierbar. Auch die Demokratie in Deutschland ist beispielsweise nicht ausreichend durch eine Umformung der Organisationen und die Einübung demokratischer Rituale seitens der Besatzungsmächte stabilisiert worden (vgl. Hübner/Klatta/Swoboda 1991: 17ff). Erst durch die nach individueller Freiheit strebenden, in einer selbstgewählten Lebensform sich zu realisieren suchenden Studenten und jungen Menschen ab Mitte der 60er Jahre ist eine – sowohl auf theoretischer Grundlage von Marcuse

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und der Frankfurter Schule, als auch durch die materiellen Entwicklungen des Welthandels, der Globalisierung und der Tertiarisierung – als demokratischer Aushandlungsprozess unmittelbar erlebbare Basis für viele entstanden. Der Aufstieg kommunikativer Handlungen anstelle geprägter Rollenmuster als bedeutender ökonomischer und strategischer Faktor in der Gleichzeitigkeit von Individualisierung und Globalisierung macht es wahrscheinlich, dass das Konzept der Wertschätzenden Organisation modische Trends überleben wird. Strategieentwicklung in Form von Co-Evolution darzustellen und mit der Veröffentlichung dazu beizutragen, wertschätzende Vorschläge hier zu fördern, hat eine gesellschaftliche wie kulturelle Dimension. Die Gegenthese dazu ist zumindest aktuell widerlegt: Einer der Autoren der erfolgreichen und egomanischen Bücher à la »Wie werde ich (allein) reich in 10 Schritten« befindet sich z.Zt. in Haft.

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148 | Bernd Schmid

Bis hierhin gerne! Doch wie weiter? Leicht polemische Einwürfe Bernd Schmid

Ich kann den Zielen und Wertorientierungen des Wertschätzenden Organisierens nur zustimmen. Auch die Beschreibungen des Wandels und der Herausforderung an Organisationen kann ich so teilen. Mir scheint es dabei um zweierlei zu gehen: zum einen sind mechanistische und autoritär-hierarchische Organisationsmentalitäten und ein entsprechender Umgang mit Menschen abzulösen. Zum anderen brauchen wir ganz neue Einstellungen, Wirklichkeitskonstruktionen und Steuerungsprinzipien, um mit Komplexität umzugehen. Ich glaube, dass komplexe Organisationen nicht mehr durchorganisierbar sind, sollen sie nicht auf industrielle, durch Menschen vollzogene, aber im Wesen automatisierte Abläufe reduziert werden. Dies scheint mir grundsätzlich so zu sein, aber auch praktisch. Es scheint mir wichtig anzuerkennen, dass Kompetenzen und Ressourcen im Verhältnis zum Gestaltungsbedarf sehr gering sind. Der David der Organisationskompetenz steht einem Goliath an Steuerungsproblemen gegenüber. Sicher sind diese Probleme nicht durch bessere Konstruktionen von Organisationen und deren Umsetzung allein zu lösen, sondern es müssen die handelnden Menschen in Selbstorganisationsprozessen auf allen Ebenen und über die Ebenen hinweg zusammenwirken (vgl. Schmid/Messmer 2003d). Dazu gehört Organisationsentwicklung durch Kultur. Und selbstverständlich wünschen wir uns dabei einen sensiblen, würdigenden, die Sinnbedürfnisse gewinnenden Umgang mit den Menschen, die Leistung und wesentliche Lebenszeit einbringen. Ich habe diese spezielle

2004-06-03 11-19-35 --- Projekt: T223.diskursys.deissler.wertschätzende organisation / Dokument: FAX ID 01b254382278728|(S. 148-155) T03_07 schmid, bis hierher

Bis hierhin gerne! Doch wie weiter? | 149

Perspektive des Stakeholder Value »Lifespender Value« (vgl. Schmid 1997a) genannt. Zur Organisationskultur gehören allerdings nicht nur würdigende und kooperative Haltungen und eine entsprechende Kommunikationskultur, sondern auch die Entwicklung von Expertisen bezüglich theoretischer Modelle, Inhaltskonzepte, Organisationsmodelle, Strategien und Methoden der Organisationssteuerung sowie bezüglich des Zusammenspiels von Kommunikationsfachleuten mit anderen Fachleuten. Ich habe die Sorge, dass durch Betonung von Wertschätzendem Organisieren allein diese unabdingbaren Beiträge zum Fortschritt aus dem Blickfeld geraten. Wäre dies der Fall, würde man zu einer Polarisierung zwischen »weltfremder Humanität« und »inhumanem Expertentum« eher beitragen, anstatt die Komplementaritäten zu betonen. Widerspruch erwecken in mir vollmundige Formulierungen, wie sie gleich im ersten Satz des vorliegenden Textes von Anderson et al. auf Seite 20 zu finden sind: »Die Absicht dieser Publikation besteht darin, der Leserin und dem Leser einen kurzen Überblick über eine neue Art der Organisation zu geben – eine Organisation, die auf die Anforderungen des 21. Jahrhunderts reagiert.«

Meines Erachtens handelt es sich nicht um eine neue Art von Organisation, sondern um Haltungen, die Organisationskultur mit prägen, was dann in einer späteren Formulierung »Das ist Wertschätzendes Organisieren in Aktion.« (Ressource, S. 37) schon treffender gekennzeichnet wird. Aber wie kann man angesichts so erhabener Werte so kleinlich sein? Ich fürchte, dass diesen Werten ohne differenzierte Betrachtung von Implikationen und Konsequenzen eher ein Bärendienst erwiesen wird, wenn sie mit Begeisterung, aber nicht anschlussfähig an Schlüsselfiguren der Wirtschaft in Europa vorgetragen werden. Nun entspricht es sicher eher einer US-amerikanischen Mentalität als uns Europäern, visionäre Ideen mittels Kampagnen unter die Menschen zu bringen und über Begeisterung für die Ideen zumindest zeitweilig Aufbruchstimmung zu erzeugen. Ich werde bei Vertretern dieser Mentalität vermutlich schnell in der Ecke der sophisticated germans landen, wenn ich meine, dass ich das, was im Text beschrieben wird, mit weiteren Perspektiven sowie differenzierten Modellen und Vorgehensweisen gepaart sehen möchte. Ich kenne einige als Experten in vielerlei Hinsicht gut ausgebildete Berater, die mit hoher professioneller Kompetenz auch unter dem Etikett »Wertschätzende Organisation« arbeiten, und ich kann mir auch vorstellen, dass vieles, was in der Zeit liegt und

2004-06-03 11-19-35 --- Projekt: T223.diskursys.deissler.wertschätzende organisation / Dokument: FAX ID 01b254382278728|(S. 148-155) T03_07 schmid, bis hierher

150 | Bernd Schmid wünschenswert ist, unter diesem Etikett marktgängig gemacht werden kann. Ich bin aber auch davon überzeugt, dass für Erfolg – zumindest bei europäisch geprägten Organisationen – zusätzlich feld- und fachspezifische Kenntnisse und Kompetenzen unerlässlich sind. So sind z.B. in vielen großen Organisationen noch nicht einmal die klassische Personalverwaltung, die Personalentwicklung und die Organisationsentwicklung miteinander koordiniert und können komplementär arbeiten oder sich auch nur in ihrem Wirklichkeitsverständnis aneinander anschließen (vgl. Dietz 1998). Hierfür praxistaugliche Modelle zu entwickeln, überfordert ein einzelnes Unternehmen. Daher muss übergreifend Expertise aufgebaut werden. Und es hat also nicht nur mit fehlender Bereitschaft oder Vision etc. zu tun, sondern mit fehlenden Instrumenten, mit nicht durchdachten Struktur- und Prozessmodellen sowie mit rudimentären Vorstellungen über die Drehbücher, mithilfe derer aus Sicht verschiedener Experten und Zuständigkeiten erfolgreich solche Integrationen konzipiert und implementiert werden können. Natürlich brauchen wir, um die vielen ungelösten Probleme anzugehen, respektvolle Begegnungen, Interesse an Träumen, Wirklichkeitserleben und Visionen der anderen, das Zuhörenkönnen und den Dialog mit dem Organisationsumfeld, statt noch verbreiteterer Burgenmentalitäten. Aber wir brauchen auch die Entwicklung von Expertise. Wir benötigen kluge Modelle z.B. für das Ineinandergreifen von zentraler Steuerung mit vernetzter dezentraler Selbststeuerung. Wir brauchen ein dazu passendes Verständnis von Führung, von Verantwortung und der Verteilung von Arbeitslasten und Gratifikationen. Auch bedarf es z.B. neuer Modelle für die Steuerung und Kultur von Teams, die global agieren und sich persönlich nur selten begegnen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass so komplexe Entwicklungen durch noch so offene und wohlwollende Begegnungen von interessierten Beteiligten geleistet werden können. Hierzu sind jahrzehntelange Entwicklungen von Wirtschaftssektoren, Fachdisziplinen und Berufsständen erforderlich. Als Kommentator des Textes »Die Wertschätzende Organisation« bin ich aufgefordert, eigene Ideen/Theorien und Praxisbeispiele einzubringen, um ergänzende und alternative Vorstellungen plausibel zu machen. Ich habe in den letzten 20 Jahren dazu einen Beitrag geleistet und in zahlreichen Schriften veröffentlicht. Dass die dort beschriebenen Modelle und Ideen für Berater im Organisationsbereich bedeutsam sind, zeigt sowohl unsere eigene Praxis als auch die Resonanz von

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ca. 1200 Fachleuten im Bereich Organisation, die sich im Rahmen unserer Weiterbildungsprogramme in Theorie und Praxis damit auseinandergesetzt haben. Ich verweise auf einige dieser Darstellungen jeweils im Text. Interessierte Leser möchte ich z.B. hinweisen auf eine Serie in der Zeitschrift »Lernende Organisation« zu Instrumenten der Organisations- und Personalentwicklung. Dort werden beispielsweise relevante Steuerungsperspektiven für Systemlösungen dargestellt (vgl. Schmid/ Messmer 2003a), Perspektiven und relevante Fragestellungen der Teamentwicklung (vgl. Schmid/Messmer 2003b und c), Steuerungsperspektiven für die Passung von Person und Organisation (vgl. Schmid/ Messmer 2003e) oder Perspektiven auf typische Probleme und Ansatzmöglichkeiten in unterschiedlichen Phasen von Entwicklungskrisen (vgl. Schmid/Messmer 2004). Zur Konzeptionalisierung von Fragen der Unternehmenskultur und der darauf bezogenen Professionskultur (vgl. Schmid 2002a) sowie der Didaktik und der Arbeit mit Modellen in der Professionalisierung (vgl. Schmid 2001a und 2003f) habe ich ebenfalls Arbeiten veröffentlicht.1 Nun zurück zum Text und zu meiner kritischen Auseinandersetzung damit. Nach dem oben kommentierten ersten Satz geht es wie folgt weiter: »In dieser Welt beschleunigter und komplexer Veränderungen ist das alte, hierarchisch organisierte Militärmodell nicht mehr effizient. Der Prozess des Wertschätzenden Organisierens hingegen ist optimal an die neu entstehenden Bedingungen angepasst« (S. 20).

Auch hier zeigt sich Polarisierung, als wäre jedes hierarchisch geführte Unternehmen autoritär-militaristisch, und als würde Wertschätzendes Organisieren allein schon das evolutionäre Heil bringen. Ähnlichen Idealisierungen ist man z.B. bei der flächendeckenden Einführung von Gruppenarbeit im Produktionsprozess aufgesessen. Es hat sich dann aber herausgestellt, dass stärker selbständig organisierte Gruppenarbeit in bestimmten Bereichen und für bestimmte Mitarbeiter in einem bestimmten Umfeld effizient und befriedigend ist, für andere aber eben nicht. Durch die undifferenzierte Umsetzung der Idee hat man der Leistungsfähigkeit der Unternehmen und den Mitarbeitern nicht unbedingt einen Dienst erwiesen. »Auf der anderen Seite vom Pferd gefallen ist auch nicht geritten.«2 Dass es für diesen wie für fast jeden Ansatz be-

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152 | Bernd Schmid geisternde Beispiele gibt, ist kein hinreichendes Gütekriterium. Risiken und Nebenwirkungen müssen auch hier benannt und Fehlschläge dürfen insbesondere dann, wenn der Ansatz generell empfohlen wird, nicht vertuscht werden. Mir wäre es lieber, wenn man die Vielschichtigkeit und z.T. Widersprüchlichkeit der Materie anerkennen würde, anstatt kurzlebige Gegenkulte zu stilisieren und so Missstände zu schaffen. Pionieridentität wird mithilfe abgrenzender Schematisierung geschaffen, anstatt dass die klassischen Systeme in ihrer Existenzberechtigung und Weiterentwicklung gewürdigt würden. Dies ruft schnell verständliche Allergien hervor. Vergleichbare Erscheinungen, aus denen wir lernen können, gab es auch im systemischen Lager. Wir dachten in der ersten Begeisterung, dass wir mit der Verbreitung von ein paar neuen Erkenntnismodellen und systemischen Haltungen wie Rekursivität, Ressourcen- und Lösungsorientierung, Wirklichkeitsvielfalt und Respekt schon auf der höherwertigen Seite wären. Die mechanistischen Verständnisse der Zusammenhänge und das Denken in Eigenschaften wollten wir als veraltet hinter uns lassen. Mittlerweile haben diese Ansätze die Seminarräume und Tagungssäle verlassen und versuchen, sich konkret in der Gesellschaft zu bewähren. Dabei haben wir erkannt, dass vieles Weitere zu bedenken ist und manch klassische Ansätze auch nicht so schlecht waren. Mit der Relativitätstheorie, so interessant und modern sie ist, kann man keine Solaranlagen bauen. In den Darstellungen zu »Wertschätzendem Organisieren« werden neue Vorwegannahmen angeboten, wie z.B. die Höherwertigkeit von Selbstorganisation, für die es eben genauso gegenteilige Erfahrungen zu nennen gilt. So heißt es auf Seite 43: »In dem Maße, wie die hier beschriebenen wertschätzenden Prozesse in Bewegung sind, finden wir, dass wir den selbst-organisierenden Prozessen sehr vertrauen können. Wenn es starke und direktive Leitende in einer Gruppe gibt, Individuen also, die mit Autorität über das sprechen, was zu tun sei, gibt es eine Neigung, die Teilnahme der anderen abzuwürgen. Stimmen gehen verloren, dialogisches Wachstum ist beschnitten, die Begeisterung reduziert und die Teilnehmer nehmen wenig mit, um es mit anderen zu teilen.«

Wie sieht es mit in Zurückgezogenheit geschriebenen genialen Drehbüchern aus, mit einer Theaterinszenierung durch einen begnadeten Regisseur, der sensibel für den Geist der Aufführung und die Möglichkei-

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ten der Spieler ist, aber nicht gerade mitbestimmungsfreudig allen zu einem Spiel ihrer Wahl verhilft? Dennoch kann Bedeutendes zum Ausdruck kommen und können alle Beteiligten am Ende beglückt sein. Mittlerweile werden z.B. die einseitigen Annahmen, dass Wohlfühlen und Angstfreiheit auch Leistung und Engagement steigern, in Studien relativiert und als »Wohlfühlpsychologie« (Degen 2003: 35) gegeißelt, die weder der Leistung noch der Zufriedenheit dient. Auf Seite 44 heißt es zum »Wertschätzenden Erkundungsgipfel«: »Stellen Sie sich 2.500 Menschen auf einem Strategieplanungstreffen höchster Ebene vor, nicht nur, um etwas abzusegnen, das bereits vorgeplant wurde, sondern um gemeinsam und interaktiv eine neue Strategie, Vision, Richtung und Veränderung zu ko-konstruieren. Dies würde niemals bei traditionellen Organisationsmodellen vorkommen, bei denen das Erstellen einer Strategie einen Prozess von oben nach unten darstellt. Die meisten Unternehmen führen Strategieplanungssitzungen mit einer kleinen Gruppe von Menschen durch – üblicherweise ist das die Spitze der Organisation. Von höchster Ebene verfasst und geplant, wird die Veränderung als ›kommunikatives Ausrollen‹ initiiert und in die Ebenen nach unten durchgedrückt.«

Auch hier scheint mir ein Mythos zu wirken, den ich hinterfragen möchte. Ich habe erhebliche Zweifel, dass die massenhafte Beteiligung von später Mitwirkenden und Betroffenen Garant für gute Strategien und Leistungssteigerung ist. Schon gar nicht kann ich mir vorstellen, wie so etwas bei notwendigen weitreichenden Umstrukturierungen, Schließungen und Entlassungen vonstatten gehen soll. Zumindest ist der Ressourceneinsatz für die oben vorgeschlagenen Großveranstaltungen enorm und muss verantwortet werden. Und wenn solche Prozesse unfruchtbar bleiben oder Hoffnungen enttäuscht werden, kann die Lage schlechter sein als zuvor. Es gibt sicher genauso viele Beispiele, in denen von kleinen kompetenten Gruppierungen hervorragende Entwicklungsarbeit für das ganze Unternehmen geleistet wird. Dass in der Vorbereitung und beim Vollzug sensibel Dialog mit Betroffenen und Beteiligten gehalten werden sollte, soweit daraus Erkenntnisgewinne und innovative Ideen erwachsen, ist nur vernünftig. Entscheidend ist, dass das daraus erwachsende Entwicklungskonzept durchdacht ist und mit den erreichbaren Möglichkeiten unter den realistischen Umständen sich als realisierbar und zukunftsfähig erweist. Wenn dies der Fall ist, ist es Aufgabe aller, das Konzept in Führungs- und Kooperationsbeziehungen auszufüllen und umzusetzen. Dies ist etwas anderes als ein propagan-

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154 | Bernd Schmid distisch aufgemachtes »Ausrollen« von irgendwo oben beschlossenen strategischen Vorgaben (vgl. Schmid/Hipp 1997b). Begeisterung und Engagement sind die eine Sache, Kompetenz und Entscheidungsberechtigung sind eine andere. Mittlerweile hat sich die aus einem durchaus sympathischen Beratermilieu erwachsene Haltung des »Nichtwissens« zu »geteiltem oder gemeinsamem Expertentum« weiterentwickelt (vgl. Deissler 2000). Diese Haltungen sind wahrscheinlich angemessen, wenn prinzipiell die richtigen Akteure auf der Bühne sind und das notwendige Wissen für notwendige Entwicklungen verfügbar ist. Doch wer soll entscheiden, wenn dies nicht der Fall ist, und Strukturen, Akteure sowie Wissensbedarf ganz neu bestimmt werden müssen – insbesondere, wenn damit Privilegien oder gar wirtschaftliche Existenzfragen neu geregelt werden? Auch für solche Vorgänge müssen Vorgehensweisen gefunden werden, die Würde und Wertschätzung berücksichtigen. Guter Wille ist hier viel, aber wir stehen am Anfang solcher Entwicklungen. Wir sollten den Fachleuten auf diesem Gebiet unsere Mitarbeit anbieten. Mehr können wir ehrlicherweise nicht in Aussicht stellen. Doch auch wenn hinreichend Ressourcen vorhanden sind, behindern diese sich ohne Autoritätsstruktur leicht gegenseitig. Viele Organisationen desintegrieren eben auch wegen der babylonischen Vielfalt, für deren ordnende Ausrichtung nicht gesorgt wird. Ich habe selbst die Entwicklung z.B. im Weltunternehmen Hewlett Packard in den letzten 20 Jahren mitverfolgen können. Unter besten Bedingungen galt das Unternehmen in Deutschland lange Zeit als Vorzeigeunternehmen in Sachen Partizipation, Freiheit, Selbstverwirklichung und Betriebsklima. Als die Bedingungen jedoch schlechter wurden, gingen viele dieser Errungenschaften unter, ja zeigten sogar ihre zynische Kehrseite. Man hatte einer Schönwetterkultur gehuldigt und versäumt, rechtzeitig und nachhaltig eine auch schlechtwettergeeignete Unternehmenskultur zu entwickeln. Viele Verantwortliche in Unternehmen sowie Fachleute und Fachinstitute arbeiten seit Jahrzehnten an kontinuierlichen Entwicklungen und ringen mit wirklich nicht einfachen Fragestellungen. Ich wünsche mir keine Neuauflage der Berater- oder Managermentalität vergangener Jahrzehnte zurück, aus der heraus fehlende Expertise und Verantwortung einfach durch sympathischer wirkende Spontaneität und Begegnungsfreude ersetzt wird. Die heutigen Krisen sind auch durch verschleppte Entwicklungen von dringend benötigter Expertise verursacht.

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Besonders in den Soft-Factor-Bereichen müssen wir uns in die Pflicht nehmen, weil fehlende Anstrengungen zu leicht mit interessantem Gerede überdeckt werden. Ich wünsche mir also all das, wofür unter dem Etikett »Wertschätzendes Organisieren« geworben wird, kombiniert mit sophisticated Anstrengungen in Richtung fachlicher Expertise, mit Verantwortung für nachhaltige Entwicklungen jenseits des Pioniercharmes – also mit der Mentalität derer, die Kirchen gebaut haben, wohlwissend, dass diese zur Taufe ihrer eigenen Kinder nicht fertig werden würden.

Anmerkungen 1 | Alle Schriften, auch Falldarstellungen und Praxisberichte (vgl. Schmid/Hehmann 1999 und Schmid/Fauser 1998), können kostenlos von der Serviceplattform der Website des Instituts für systemische Beratung, Wiesloch heruntergeladen werden unter www.systemische-professionalitaet.de. Dort stehen auch zahlreiche Tondokumente im MP3-Format kostenlos zur Verfügung. 2 | Originalton – Sprüche aus dem Institut für systemische Beratung von Bernd Schmid. Bezug möglich über das Institut für systemische Beratung, Wiesloch.

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156 | Walter Schwertl

Der Fokus liegt auf Kommunikation Walter Schwertl

Unternehmerisches Handeln sollte auf sinnvollen Egoismus statt auf unwahrscheinlichen Altruismus aufgebaut werden. S.J. Schmidt

Vorbemerkung Dem Herausgeber Klaus G. Deissler, im systemischen Felde bekannt für immer wieder neue, kreative Überlegungen, ist es zu danken, dass die Auseinandersetzung mit dem Konzept der Wertschätzenden Organisation in dieser Form geführt werden kann. Im folgenden Beitrag soll nicht dem zu diskutierenden Konzept ein neues hinzugefügt werden, sondern es wird darum gehen, ob man Organisationen eine solche Voraussetzungslast und Engführung wie Wertschätzung aufbürden kann. Die Antwort ist zunächst verblüffend einfach: ja man kann. Der Text von Anderson et al. beweist es. Wir müssen uns aber fragen, ob es sinnvoll ist. Sinnvoll für Entscheidungsträger, sinnvoll für Berater der Entscheidungsträger. Der Beitrag wird über Paraphrasierungen hinausgehen. Obwohl anfangs nicht beabsichtigt, entwickelte sich innerhalb des Beitrags eine deutliche Gegenposition. Der Leser sei also gewarnt: mit Zustimmung ist nicht zu rechnen; kritischer Diskurs kann zugesichert werden.

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Organisation – was ist das? Wozu dient das? Im Folgenden wird unter einer Organisation ein soziales Gebilde, genauer ein soziales System (Luhmann 1984) verstanden. Im Gegensatz zu anderen sozialen Systemen (z.B. einem Gespräch im Aufzug) ist das soziale System »Organisation« von z.T. sehr großer Beständigkeit. Organisationen verfügen oft über sehr dauerhafte formale Strukturen; diese regeln alle Kommunikationen. Die mit höchstem Sozialprestige belegte Frage »Wer berichtet wem?« ist Ausdruck hiervon. S.J. Schmidt formuliert dies so: Macht hat, wer mit (s)einem Wort entscheidet, gegen das es keine Berufung gibt (Schmidt 2000). In fast allen Definitionen von Organisationen werden die Zielgerichtetheit und die Zweckbezogenheit als wesentliches Bestimmungsmerkmal hervorgehoben (Kieser/Herbert 1992). Weick (1985) spricht davon, die Spannweite der Möglichkeiten zu verkleinern und die Zahl der Ergebnisse, mit denen gerechnet werden muss, zu verringern. Diesem Gedanken folgend, wären instruktive Interventionen immer das ideale Mittel, um bei entsprechenden Strukturen ein ideales Ergebnis zu erreichen, aber genau dies ist nicht erreichbar. Die Hoffnung, mittels Organisationsstruktur und Verhaltenssteuerung die jeweiligen Ziele optimal zu erreichen, ist zwar kaum ausrottbar, dennoch wissen alle Praktiker, dass es nicht gelingt.1 Hiermit ist die für alle Organisationen wichtigste Frage im Fokus: Wie können in Anbetracht der Unmöglichkeit, instruktiv zu intervenieren, die Ziele einer Organisation erreicht werden und erhalten bleiben? Zielabweichungen werden je nach Nachhaltigkeit geahndet, toleriert oder als unabdingbar hingenommen. Organisationen gleichen sich nur bei oberflächlicher und grobrastriger Betrachtung. Die Dauer ihrer Existenz (Katholische Kirche vs. Internet-Start-up-Unternehmen), ihre Art, Zweckgerichtetheit (Atomkraftwerk vs. Werbeagentur) und ihre quantitative Ausprägung (Global Player vs. Handwerksbetrieb) verdeutlichen: es gibt nicht die Organisation. Jede Organisation stellt zum Zeitpunkt der Betrachtung ein Unikat dar. Zweckgerichtetheit, Größe und Entwicklung beachtend, stellt sich die Frage nach der Koppelung zwischen dem Aktanten2 und dem Konstrukt Organisation. Schein (Schein 1995) kennzeichnet diese Koppelung als einen psychologischen Vertrag, der die gesamten Muster von Rechten, Pflichten und letztlich auch von Freiheitsgraden regelt. Juristen würden ebenfalls

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158 | Walter Schwertl einen Vertrag, wenn auch im Rahmen bestimmter Gesetzlichkeiten (z.B. BGB) sehen. Wichtig für die folgende Diskussion ist: Wertschätzung mag ein angenehmes, gelegentlich vorhandenes, vielleicht sogar gewünschtes Beiwerk sein, aber sie ist nicht Vertragsgegenstand. Warum sollte der Inhaber eines Unternehmens, also einer Organisation, Wertschätzung garantieren? Letztlich handelt es sich um eine Vereinbarung, die Arbeitsleistung gegen Entlohnung als substantiellen Austausch zum Inhalt hat. Jede Durchsicht der Literatur über Organisationen führt zum Konzept der Rationalität. Dies bedeutet, unabhängig davon, wie hoch in der Praxis die Abweichung davon ist: Organisationen sind auf ein Ziel erdacht, gemeint, geplant, kalkuliert und entworfen worden. Dies bedeutet: trotz aller Eigenkonstruktion von Wirklichkeit der Feuerwehrleute löschen sie Brände. Autobauer bauen trotz Radikalem Konstruktivismus funktionierende Autos, und eine Organisation Verlag verlegt über Konstruktivismus schreibende Autoren. Organisationen bzw. ihre Konzepte sind eben nicht auf Wertschätzung ausgerichtet, sondern auf Erfüllung der Funktion.3 Wie zu zeigen sein wird, stellt sich spätestens im Bereich von Management von Dissens (Zwingmann/Schwertl et al. 2000) die Frage, wie mit Abweichungen umgegangen wird. Wenn ein Schiedsrichter kontinuierlich zu Gunsten einer Fußballmannschaft pfeift (seine Darlegung der Motive kann hier vernachlässigt werden), wird die Wertschätzung entzogen, und es werden Sanktionen folgen. Geschieht dies nicht, würde letztlich das Spiel seine Regeln verlieren und sich als geregeltes Interaktionsgebilde auflösen. Die Fußballmannschaften könnten sich dann selbst neu erfinden und eine neue Liga gründen. Diese hätte letztlich wieder Regeln zur Folge usw. Jede Form von Interaktion verfügt implizit oder explizit über Regeln, wie mit Abweichungen umgegangen wird. Spätestens in diesem Grenzmanagement, wenn die Schaffung von Unterschieden nicht mehr wegdelegierbar ist, überdehnt sich das Konzept der Wertschätzenden Organisation. Wertschätzung wird dadurch zu einem Konzept, das seine Aktanten überfordert, wenn es befolgt wird. In Anspielung auf den berühmten Satz von Heraklith, man könne nicht zweimal in den selben Fluss springen, lässt sich formulieren: Man kann nicht zweimal in der selben Organisation interagieren. Leider ist dieser Satz aber so brauchbar wie er unbrauchbar ist. Innerhalb des Gesamtflusses Organisation existieren sehr stabile Formen als Sprache. Verwal-

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tungssprache neben den Geheimcodes der Juristen ebenso wie die Sprache der Controller seien als Beispiele genannt. Wirklichkeiten werden durch Sprache geschaffen. Dies bedeutet, wenn der Gebrauch der Sprache durch die Möglichkeit der Regeldefinition bestimmt wird, lassen sich sehr stabile Wirklichkeitskonstruktionen schaffen.4 Die (theoretischen) Möglichkeiten der Abweichung (also Eigenkonstruktionen) bleiben erhalten, aber sie haben keine Praxisrelevanz. Dies bedeutet, sie sind vielleicht für den philosophierenden Organisationstheoretiker, aber nicht für die Aktanten wichtig. Organisationen sind mehr oder weniger geordnete Kommunikationsprozesse. Diese Rohmaterialien (Weick 1985) sind Ausdruck der unterschiedlichen und trotzdem ineinandergreifenden Interessen und Verhalten von Individuen. Sie sind eine höchst fragile Balance von miteinander im Wettstreit liegenden Widersprüchen. Diese Prozesse ordnen wie ein Flussbett die unterschiedlichen Interessensströme. Werden diese widersprüchlichen Interessen durch ein Wertschätzungsgebot belegt, wird nur kommuniziert, was als Wertschätzung gilt. Die widersprüchlichen Interessen, die durch das Gebot nicht verschwinden, bleiben nicht kommunizierbar, d.h. ungesteuert. Beispiele unterschiedlicher, nicht kommunizierter Interessenslagen sind z.B. der Wettbewerb um den Etat, die Besetzung spezifischer hierarchischer Positionen, der Kampf um begrenzte Ressourcen wie Manpower oder um die Nachfolge. Es gibt Organisationen, in denen die so genannte Verteidigung des Etats Teil eines alljährlich wiederkehrenden Rituals darstellt. Ein stabiles Management von Dissens gehört zu den wichtigsten Ressourcen erfolgreicher Organisationen (Baecker 2003).

Zusammenfassung • Organisationen sind zielgerichtet. • Sie haben implizite oder explizite Zweckbezogenheit: z.B. Bücher zu verlegen. • Sie haben die Aufgabe, die Spannweite der Möglichkeiten zu verkleinern: z.B. keine Tageszeitungen zu verlegen. • Instruktive Interventionen in das soziale System Organisation sind nicht möglich. • Die Dauer ihrer Existenz, Zweckgerichtetheit und quantitative Ausprägung erlauben nur kontextspezifische Aussagen. Die Organisation gibt es nicht! • Das Verhältnis Person-Organisation ist vertraglich geregelt.

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160 | Walter Schwertl • Trotz permanentem Wandel von Organisationen existieren sehr stabile Sprachmuster. • Ein stabiles Management von Dissens gehört zu den wichtigsten Ressourcen erfolgreicher Organisationen.

Das Konzept der Wertschätzenden Organisation Der Begriff der Wertschätzung entstammt dem Sprachgebrauch von (Psycho-)Therapeuten, er findet sich vor allem bei Rogers (Rogers 1972). Der Sprachstil und der Gebrauch von therapeutischen Begriffen als zentrale Bestimmungsstücke eines Konzeptes signalisieren eine Tendenz zur Therapeutisierung von organisationalem Geschehen. Diese auch in anderen Zusammenhängen sichtbare Mode verkennt die Grundfunktionen von Organisationen (s.o.). Es muss bezweifelt werden, dass eine solche Tendenz zielführend für die heute relevanten Probleme von Organisationen ist; wahrscheinlich ist sie Ausdruck einer großen Verunsicherung. Diese ergibt sich vor allem aus dem Scheitern technisch gebauter Konzepte. Der große Traum, Organisationen wie eine Maschine zu verstehen, die – bei richtigem Bau und gerechter Bedienung – auch wie eine triviale Maschine (Foerster 1985) funktioniert ist, zerplatzt. Die Hoffnung, man könne auf interne Kommunikation verzichten, hat sich nicht erfüllt. Das Konzept der Wertschätzenden Organisation bietet hierfür keine präzisen Antworten. Warum soll eine Organisation, deren Zielgerichtetheit globale Geschäftsoperationen (z.B. Microsoft), Beherrschung des Weltmarktes und Errichtung oder Verteidigung einer Monopolstellung sind, eine wertschätzende Organisation werden? Diese Wertschätzung müsste der Zielgerichtetheit und der Reduktion der Verhaltensbreite dienen. Dies erreicht man jedoch wesentlich effektiver über den Vertrag, der die Organisationsmitgliedschaft regelt. Dort, wo wir in solchen Organisationen Wertschätzung finden, ist sie Mittel zum Zweck. Die Frage, wie die Organisation zu sein hätte (z.B. wertschätzend oder nicht wertschätzend), wird im Folgenden verändert. Es wird nach der Grundoperation von Organisationen gefragt. Organisationen sind eine Erscheinungsform von sozialen Systemen. Das konstituierende Merkmal von sozialen Systemen sind Kommunikationen. Diese kommen in sehr unterschiedlichen Formen vor. Luhmann (Luhmann 1984) differenziert in Gesellschaft, Organisation und Interaktion. Folgt man dieser Überlegung, so sind Kommunikationen die Grundoperationen.

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Ob zum Ziele der Zweckorientierung oder zur Reduktion von Handlungsfreiheiten – es gilt: soziale Systeme wie z.B. Organisationen sind, was sie sind; sie sind nicht reduzierbar auf die Art und Weise, wie ein Beobachter sie gerne hätte. Organisationen stehen als Gebilde nicht in einem Kontext unabhängigen Raum. Sie sind offene Systeme, die mit ihrer Umwelt in ständiger Wechselwirkung stehen. Sie geben Produkte oder Dienstleistungen ab und nehmen Inputs auf, die sie intern transformieren. Hier sind gesetzliche Rahmenbedingungen, Vorstellungen über Freiheitsgrade hinsichtlich Umgangsformen, Führungsstile, ungeschriebene, aber höchst wirksame Regeln usw. von Interesse. Anders formuliert: Unternehmen operieren trotz aller Globalisierungsrhetorik in einer kulturellen Matrix. Das vorgelegte Konzept der Wertschätzenden Organisation bezieht sich ausschließlich auf amerikanische Verhältnisse und entsprechende Kritiken. Hinsichtlich organisationalen Geschehens (z.B. Sanktionsmöglichkeiten, Arbeitnehmerrechte, Führungsstile, generierte Werte) sind die kulturellen Differenzen zwischen Deutschland und USA wesentlich größer als die Sprachmode der Anglizismen in Form von »Denglish« vermuten lassen.5 Akzeptiert man die formulierten Funktionen von Organisationen, so ist die Durchsetzung einer Sichtweise und Zielgerichtetheit keine Gefahr, sondern in gewissem Umfang eine Notwendigkeit.6 Über weite Strecken liest sich das Konzept wie ein Versuch, mittels der altehrwürdigen Idee der Wertschätzung Organisationen ihr z.T. hässliches Gesicht zu nehmen. Das Konzept, oder mindestens Teile davon, sind für einzelne Organisationen hilfreich. Es hätte dann aber einer genauen Zuordnung und Differenzierung bedurft. Die moralische Forderung (»man muss Kollegen vertrauen«; Ressource, S. 24) ist zunächst sympathisch. Eine Organisation, in der Vertrauen hoch ausgeprägt ist, kann sich glücklich schätzen. Sie braucht weder Interventionen der Verantwortlichen noch Berater. Eine Organisation zeigt ihre Funktionalität aber erst dann, wenn Vertrauen nicht gegeben ist. Hier depotenziert sich das Konzept in sich: Einerseits ist von unterschiedlichen Sichtweisen und deren Wertschätzung die Rede. Würde man dies ernst nehmen, müsste selbstverständlich auch Misstrauen, Sabotage, Rebellion, Destruktivität u.a.m. als eine mögliche Sichtweise wertgeschätzt werden. Verhaltens- und Handlungssicherheit würden damit allerdings nicht gefördert, sondern sehr erschwert werden. Dirk Baecker (2003) verdeut-

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162 | Walter Schwertl licht, wie die Aufforderung, keine Fehler zu machen, dazu führt, dass alle Energie in das Aufspüren nicht erlaubter Fehler fließt und genau dies wiederum zu Fehlern führt usw.7 Ein ähnliches Paradoxon beinhaltet die Vorgabe der Wertschätzung. Wenn wir Wertschätzung denken, müssen wir das Gegenteil (also etwas, das es nicht geben darf) mitdenken. Es entsteht Nicht-Wertschätzung, die es wiederum nicht geben darf usw. Immer wieder wird auf den Zuwachs an Kreativität verwiesen, aber diese Kreativität ist, wenn überhaupt, nur zielgerichtet erwünscht.8 Organisationen sind auch dazu da, Arbeitsleistungen, die keinen kreativen Spielraum lassen (z.B. Fließbandarbeit), zu managen. Die Kultivierung von Nicht-Wissen als generelle Haltung zum Aufbau von Wertschätzender Organisation anzusehen, ist für diverse Akteure von Organisationen höchst risikohaft. Diese Haltung ist als Beraterhaltung sehr erfolgreich. Sie erhöht die Chancen, die Sichtweisen des Anderen genauer und detaillierter zu erfahren. Sie dient der Rollenstabilität von Fragenden und Antwortenden innerhalb eines Beratungsprozesses. Transferiert man diese Haltung in einen Kontext, in dem das Kommunizieren von Wissen oft Überleben bedeutet, ist es kontraproduktiv. Nicht-Wissen ist manchmal eine hilfreiche Haltung, und in manchen Kontexten ist diese schädlich. Die Kunst besteht darin, diese Kontexte auseinander zuhalten. Die Hervorhebung von Teamleistung rechtfertigt sich vielleicht durch persönliche Vorlieben, aber nicht durch bessere Ergebnisse. Der größere Zeitverbrauch, die Störanfälligkeit im Interaktionsbereich gleichen die partiell besseren Ergebnisse wieder aus. Hier ist zu differenzieren, wann Teamarbeit die bessere Wahl ist (Schwertl 2000). Die Bewertung von Menschen durch generelle Wertschätzung zu ersetzen (Ressource, S. 46ff.), führt wieder zur Ausgangsfrage zurück. Organisationen basieren immer, wenn auch nicht nur, auf einem wirtschaftlichen Vertrag, in dem die Entgeltung einer definierten Arbeitsleistung geregelt wird. So wie der Mitarbeiter sein Gehalt zählt (bewertet!), wird seine Arbeitsleistung beurteilt. Wertschätzung bedeutet, diese unterschiedlichen Interessen und Handlungen zu respektieren. Verlässt man dieses Prinzip, zerstört man eine robuste vertragliche Grundlage.

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Zusammenfassung • Um das Konzept der Wertschätzenden Organisation zu beurteilen, müsste geklärt werden, für welche Organisationsformen es Relevanz beansprucht. • Über weite Strecken wirkt es wie ein Psychotherapeutisierungskonzept organisationaler Zusammenhänge. Die damit verbundenen Probleme und Konsequenzen sind selbstredend. • Eine der inhaltlichen Hauptschwächen ergibt sich aus der Nichterörterung von Abweichungen und daraus resultierenden paradoxen Sackgassen. Der Lackmustest wirkt nicht, wenn sich alle Beteiligten wertschätzen, ihre Ziele erreichen, den Profit maximieren, die Qualität hochhalten und pünktlich liefern, sondern wenn sie genau dies nicht tun! • Versteht man die Ausführungen als Konzept für Berater, so sind viele Einzelteile, Sichtweisen und auch angedeutete Techniken hilfreich. Die Vorstellungen, wie Beratung zu sein hätte, ist jedoch nicht gleichzusetzen mit Vorstellungen, wie eine Organisation sein sollte. • In Anbetracht der Vielfalt von Organisationen und ihrer jeweiligen Zweckbestimmungen und kulturellen Einbettungen ist gegenüber generalisierten Forderungen, wie Organisationen zu sein hätten, Skepsis angebracht. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt empfiehlt es sich, eine andere Frage zu stellen: Wenn Organisationen soziale Systeme und damit Kommunikationen sind, kommt dem Fokus Kommunikation eine herausragende Bedeutung zu (Schwertl 2000). Wir benötigen Vorstellungen und Konzepte, die alle Ebenen eines Systems, d.h. ihre Grundoperationen abbilden (Schein 1998). Mit anderen Worten: Führungskräfte und Berater brauchen Kommunikative Kompetenz (Schwertl 2001).

Kommunikative Kompetenz Für praxisnahe, aber theoretisch fundierte Abhandlungen über Kommunikation ist der Grat der Begehbarkeit extrem schmal. Auf der einen Seite droht der Absturz in die Trivialliteratur über glückliches Dialogisieren. Die andere Seite führt ins Dickicht praxisferner Theorie. Für das Konzept Kommunikative Kompetenz wurden Parameter entwickelt. Jeder einzelne Parameter kann fokussiert werden. Immer

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164 | Walter Schwertl wenn dies geschieht, werden die anderen Parameter zur Umwelt. Die Parameter bedingen sich gegenseitig, sie können wie ein Netzwerk an Koordinaten verstanden werden.

Eine passende Brille wählen Im Folgenden wird der Fokus auf jene Aktanten gerichtet, die innerhalb einer Organisation Einfluss auf Kommunikationsformen nehmen und dieses auch zu verantworten haben. Die scheinbar unbegrenzte Weite einer solchen Einflussnahme ist durch die zu erreichenden Ziele eingegrenzt. Beratung ist somit immer Kommunikation mit einer spezifischen Bestimmung (z.B. Beratung zur Erstellung eines Personalentwicklungskonzeptes für ein bestimmtes Unternehmen mit spezifischen Vorgaben). Die Einflussnahme von Führungskräften ist trotz allem systemtheoretischen Widerspruch zielgerichtet, idealtypisch sogar exakt auf das Ziel der Organisation geortet. Berater und Führungskräfte verfügen immer über Vorannahmen, von denen sie denken, dass sie zur Zielerreichung hilfreich sind. Diese, im Folgenden »Referenzsystem« genannten Vorannahmen können mehr oder weniger elaborierte, wissenschaftliche Theorien sein. Es kann sich daher um erprobte Praxiskonzepte, um ideologisch-metaphysische Glaubenssätze oder schlichtweg um bisher erfolgreich verkaufte beliefs handeln. Diese häufig impliziten Referenzsysteme sind während der Verhandlungen zum Auftrag in geeigneter Form bekannt zu geben. In der Sprache des Handwerkers formuliert, heißt das kundzutun, mit welchem Handwerkszeug der Veränderungsprozess initiiert und beeinflusst werden sollte und wie das Kunst(Hand-)Werk am Ende der Arbeit auszusehen hat.

Kommunikation oder: Wenn Alltägliches besonders sein soll S.J. Schmidt (2000) folgend lässt sich formulieren: Wir können mit anderen nur reden, aber nicht mit ihnen denken. Operationen innerhalb eines sozialen Systems können daher nur Vollzug von Kommunikation bedeuten. Wir können nicht die Gedanken anderer fühlen, die Gefühle anderer denken oder auf die neuronalen Feuerungen anderer antworten. Wir haben als Aktanten innerhalb von Organisationen nichts als Kommunikationen zur Verfügung. Die Kernkompetenz ist daher als eine besondere Befähigung im Dickicht von Kommunikation verstehbar. Reden wir von Kommunikation, so meinen wir gerade nicht Begriffe wie Sender, Empfänger und Transport der Information. Eine solche

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Sichtweise wäre eine reine Signalübertragungstheorie (Shannon and Weaver 1949) und keine Kommunikationstheorie. Für eine Kommunikationstheorie taugt sie nicht: Kommunikation ist kein Postpaket, das von einem Sender entgegengenommen und einem Empfänger übergeben wird. Die Bedeutung des Gesagten bleibt beim Sender. Der Empfänger wiederum liest die Information mit seinen individuellen Bedeutungszuweisungen. Zwischen beiden entsteht ein gemeinsam bestückter, eigener und jeweils individueller Bedeutungskosmos, der sich von den Sinnwelten der beteiligten Einzelpersonen unterscheidet. Dies bedeutet, Verstehen ist nicht das Resultat korrekter Signalübertragung, sondern das Ergebnis der Konsensbildung der Beteiligten. Was die angesprochene Person versteht, ist von der sprechenden Person nicht kontrollierbar. Dies wird bestimmt von dem, was vorher gesagt worden ist und davon, was die verstehende Person wie aufnimmt. Die Codierung ist systemspezifisch; die Kriterien dafür werden durch das System autonom behandelt. Die Bedeutungszuweisung kann so sein, wie der Gesprächspartner dies wünscht, sie kann aber auch anders ausfallen. Verstehen ist Teil von Kommunikation. Dieses aber ist determiniert durch den Empfänger und nicht durch den Urheber einer Mitteilung. Eine Steuerung der Codierung eines anderen Systems ist nicht möglich, da Systeme bezüglich ihrer Operationen von außen nicht steuerbar sind (Maturana/Varela 1987). In diesem Sinne ist auch das Verhalten anderer nicht steuerbar. Der Grad zwischen zu hoher Abstraktion (also Praxisferne) und unbrauchbaren, kontextunspezifischen Küchenrezepten ist sehr schmal. Des Weiteren ist alle Reflexion oder Abhandlung über Kommunikation mit besonderen Voraussetzungslasten versehen. • Erfolgreich zu kommunizieren wird als eine Fähigkeit angesehen, die sich zunächst jedermann selbst zuschreibt. Dies wird verständlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die Erkenntnis, über diese Fähigkeit nicht zu verfügen, hochkomplexe Reflexion voraussetzt. Wir laufen hier permanent in ein Paradoxon hinein. Hochkomplexe Reflexionen setzen entsprechende kommunikative Fähigkeiten voraus. Fehlen diese, kann es keine Reflexionen geben, also kann es keine (Selbst-)Erkenntnisse über das Fehlen von Kommunikationsfähigkeiten geben. • Um über die Kunst des medizinischen Operateurs reflektieren zu können, brauchen wir vielleicht Anschauungsmaterial (z.B. Videos, Photos, Live-Beobachtung), Berichte oder anderes sowie die Fähigkeit zu menschlicher Kommunikation. In jedem Falle gibt es eine Diffe-

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166 | Walter Schwertl renz zwischen dem Reflexionsgegenstand (medizinische Operation) und dem Medium der Reflexion (Kommunikation). Für die Reflexion von Kommunikation haben wir diese hilfreiche Differenz nicht zur Verfügung. Die Begrenzung unserer Fähigkeit zu kommunizieren können wir nicht überlisten, wir schieben sie ständig vor uns her.

Dialoge fördern Ähnlich wie im Konzept Wertschätzende Organisation wird Kooperationskulturen der Vorzug gegeben, die Voraussetzung für Dialoge sind. Diese können sich aber nur in spezifischen Kommunikationen manifestieren. (Die Behauptung, »wir kooperieren«, ist eben nur eine Behauptung.) Wir sehen daher in der Fähigkeit zu Dialogen ein Keyword für Kommunikative Kompetenz. Dialoge sind aber nicht immer das Mittel der Wahl. Innerhalb einer Organisation gibt es unzählige Situationen, in denen die Voraussetzungen für Dialoge nicht vorhanden sind. Führungsinterventionen können nicht immer dialogisch erfolgen. Im Alltag führen wir Diskussionen, verteidigen Standpunkte, stellen Forderungen auf, verdächtigen unsere Gegenüber oder operieren mit als Wahrheiten deklarierten Behauptungen. Wir investieren viel Zeit und Energie, unseren Standpunkt durchzusetzen und unsere Interpunktionen mit dem Signum der Allgemeingültigkeit adeln zu lassen. Kurz: Wir sprechen die Wahrheit! Mitterer (zit. n. Schmidt 2000), spricht in diesem Zusammenhang von Wahrheitsterrorismus. Dialoge hingegen sind ganz spezifische (häufig, aber nicht immer erfolgreiche) Interaktionsprozesse, die sich durch folgende Aspekte auszeichnen: • Die unterschiedlichen Interpunktionen des Gegenübers werden akzeptiert. • Kommunikationspartner verrechnen das Gesagte nach ihrer eigenen Logik. Das Ergebnis kann daher von der Erwartung abweichen. Einen archimedischen Punkt hinsichtlich Richtigkeit gibt es nicht. • Es gibt nicht eine gültige Wirklichkeit, sondern nur Konsensbildungen durch die Aktanten. Wir verzichten auf lineare Erklärungsmuster, die immer auch Schuldzuweisung implizieren. • Organisationen benötigen Entscheidungen und entsprechende Verantwortlichkeiten. Nicht jede Entscheidung kann Zustimmung finden.

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• Entwertungskulturen sollten durch einen Wettbewerb um die besten Ideen modifiziert werden. Dialogische Kommunikationsprozesse ersetzen den verbalen Wettstreit oder den Krieg der Worte durch sokratische Dialogformen. Nicht der verbale Siegertyp, sondern der zurückgenommene Sokrates fungiert hier als Vorbild.

Den vereinbarten Inhalten verpflichtet sein Jede Art von Gespräch entwickelt eine eigene Dynamik. Diese Dynamik ist auch (aber eben nicht nur!) von Affekten beeinflusst, die diesem Dialog unterlegt sind oder während diesem Dialog entstehen. Die Wortwahl, der gesamte Bereich nonverbaler Gestik, Stimme, Tonfall und der Kontext des Gespräches nehmen Einfluss, ohne dass damit Kausalitätsannahmen unterstellt werden. Die angestellten Überlegungen gelten für jegliche Art von Gespräch. Was aber unterscheidet professionelle Interaktionsprozesse von anderen? Bei einem privaten Abendessen mag es als erfolgreich verbucht werden, wenn die Dialoge wenig gesteuert, quasi spontan und ohne sichtbare Mühe von Thema zu Thema wandern. Solange der Zweck (z.B. ein schönes Gespräch zu einem guten Abendessen) erfüllt wird, kann dies als erfolgreich verbucht werden. Von Beratern und Führungskräften wird besondere Kompetenz hinsichtlich Gestaltung und damit auch Steuerung eines Dialogs erwartet. Das Erzeugen angenehmer Gefühle, wohliger Stimmungen ist hier erstens nicht ausreichend, zweitens oft nicht möglich, drittens nicht gewollt und viertens allzu häufig zeitlich nicht realisierbar. Gespräche in formellen Kontexten sind terminiert und großem Zeitdruck ausgesetzt. Sie unterliegen impliziter oder auch expliziter Effizienzkontrolle, die Partner generieren den Dialog zunächst aus rationalen Erwägungen. Relativierungen von Effizienzüberlegungen und Rationalität oder starke Akzentuierung von Emotionen (Psychotherapeutisierung organisationaler Prozesse) sind hier nicht zielführend. Auch wenn Interaktionen in professionellen Kontexten nicht frei von Emotionen und manchmal wenig rational ablaufen, sind sie absichtsvoll und zweckorientiert angelegt. Der sich entfaltenden Dynamik muss eine inhaltliche Struktur gegeben und von den Aktanten unterlegt werden, die dann als Management der Grenzen (Zwingmann/Schwertl et al. 2000) dient. Diese Struktur muss idealtypisch immer dann wirken, wenn die Grenzen der Vereinbarung in Ge-

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168 | Walter Schwertl fahr sind und thematische Entgleisung droht. Jedes Gespräch, jede Konferenz ist wie ein Projekt zu verstehen und entsprechend zu managen. Damit wird deutlich, dass der Einsatz eines adäquaten (möglichst sparsamen) Aufwands für die Steuerung Teil Kommunikativer Kompetenz ist.

Konstruktiv bleiben Aktanten bestimmen (und verantworten damit!), welche Inhalte sie zum Gegenstand von Dialogen machen. Sie treffen eine Entscheidung und werden nach dieser Entscheidung den einen oder den anderen Weg weiter verfolgen. Die kommunikative Leistung zur Steuerung von Organisationen besteht nun darin, solche Entscheidungen zu favorisieren, die weitere konstruktive Beschreibungen ermöglichen. Werden defizitäre Beschreibungen, Fehlendes oder Nichtgewolltes konstant zum Inhalt, so entsteht die Notwendigkeit zu intervenieren. S.J. Schmidt (Schmidt 2000) operiert an dieser Stelle mit dem altehrwürdigen Konzept Vertrauen. Vertrauen erleichtert die Schaffung konsensueller Wirklichkeiten. Damit reduziert sich die Wahrscheinlichkeit des Misslingens von Kommunikation; die Erhaltung konstruktiver Inhalte wird gefördert. Vertrauen ist vor allem immer dann nicht zu bewahren bzw. zu erwerben, wenn Interessensausgleich, d.h. ein entsprechendes Management von Dissens (Zwingmann/Schwertl et al. 2000) nicht möglich ist. Wenn unterschiedliche Standpunkte oder Interessen nicht mehr Inhalt von Kommunikation sind, können diese Differenzen nicht verhandelt werden. Die Etablierung von Kommunikationsverboten gilt es daher zu verhindern und vorhandene Interessensdifferenzen zum Inhalt von Kommunikation zu machen. Wir teilen Inhalte mit Menschen, denen wir vertrauen, und wir vertrauen jenen, mit denen wir Inhalte teilen. Diese Aussage wird allerdings im alltäglichen organisationalen Geschehen eingeschränkt, denn Interaktionen starten zu einem bestimmten Zeitpunkt. Interessensdifferenzen können aber zu einem früheren Zeitpunkt, mit anderen Aktanten in anderen Kontexten entstanden sein. Dies bedeutet, bestimmte Interaktionsformen garantieren uns keineswegs Harmonie und das Fehlen von Differenzen. Ein weiterer Aspekt besteht darin, Kommunikationen immer wieder auf die zu lösende Aufgabe zu zentrieren, und wenn zu große thematische Abweichungen auftreten, entsprechende Markierungen, also Steuerungsangebote zu machen. Die Fokussierung auf konstruktive Beschreibungen, ein gutes

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Management von Grenzen und die Konzentration auf inhaltliche Vereinbarungen fördern das Gelingen von Kommunikation.

Kundenorientierung als Grundhaltung Dieser Parameter bezieht sich zunächst auf eine Haltung und ist erst in Folge auch eine kommunikative Fähigkeit. Jemand als Kunden zu bezeichnen, lässt sehr unterschiedliche Interpretationsmuster zu. Wenn im Folgenden von Kunden die Rede ist, impliziert dies immer eine grundsätzliche Annahme über das (menschliche) Wesen in Form des Gegenübers. Anspruchsvoll formuliert: Kundenorientierung gibt Auskunft über das unterlegte Menschenbild. Im althochdeutschen Wortstamm kundare (für kundig sein) ist indirekt jene Vorstellung angelegt, die sich bei S.J. Schmidt wie folgt liest: »Es bedeutet, von Zwangsberatungen und interventionistischen Modellen bewusst auf Modelle der Selbstorganisation umzustellen, denn nur mit solchen Modellen kann man den Operationsbedingungen kognitiver wie kommunikativer Systeme erfolgreich Rechnung tragen« (Schmidt 2000: 137).

Auf Modelle von Selbstorganisation des Kunden umzustellen, bedeutet, dass sie ihre Entscheidungen selbst treffen, dazu in der Lage sind und diese auch verantworten. Hier sind nicht mehr Motivationsszenarien oder Manipulation, sondern die Verhandlung das Mittel der Wahl. Kundenorientierung wird somit zu einem bestimmenden Kulturelement, zur Basis des Kommunikationsstils. Solche Vorstellungen beschränken sich nicht nur auf externe Kunden, sie wirken ebenso intern. Interne Kundenmodelle führen in ihren operativen Details wiederum zu Anforderungen, wie sie im Konzept Kommunikativer Kompetenz zum Ausdruck kommen.

Differenzen erfolgreich managen Die Leistungsfähigkeit von Kommunikation innerhalb einer Organisation wird dann relevant, wenn Differenzen, also Dissens zu bewältigen sind. Management von Dissens (Zwingmann/Schwertl et al. 1998) meint aber keineswegs die Einebnung von Differenzen. Es bedeutet: finden und handhaben von Kommunikationsformen, mit deren Hilfe Lösungen des jeweiligen Problems gefunden werden können. Solche

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170 | Walter Schwertl Lösungen (viele Lösungen für ein Problem) werden dann tragfähig sein, wenn sie für die Beteiligten akzeptabel sind. Anders formuliert: Es gilt, den Beteiligten so wenig wie möglich und so viel wie nötig zuzumuten. Dies provoziert den Ruf nach Kochbuchrezepten (»wenn… dann…«) und Simplifizierungsstrategien (»eine Lösung für alle Probleme«).9 Kommunikative Kompetenz bedeutet eben auch, auf Kommunikationsprozesse zu vertrauen und Ungewissheiten zu ertragen. Wer die Dinge vorher und möglichst alleine zu konzipieren versucht, vertraut eben weniger auf Kommunikation, sondern auf die Durchsetzung via Macht und Manipulation. Er versucht, die Operationsbedingungen von Kommunikation zu ignorieren. Kurzfristige, z.T. rein kosmetische Erfolge sind dabei keineswegs ausgeschlossen, sondern wahrscheinlich. Die zukunftsweisenden Aufgaben, basierend auf flachen Hierarchien, Netzwerken, weitgehend selbstgesteuerten Einheiten, fordern aber ein Höchstmaß an Kommunikation und Kooperation. Erfolg beginnt bei der Beachtung von Operationsbedingungen von Kommunikation. Wir müssen daher als Berater konsequenter über Kommunikationsdesigns nachdenken. Dies heißt, den Aufmerksamkeitsfokus auf die Gestaltung der Rahmenbedingungen (und nicht nur auf Inhalte) zu richten. Diese bestimmen weitgehend den Verlauf und die Sinngestaltung. Die dafür notwendigen Grundideen finden sich häufig in kulturellen Selbstverständlichkeiten, ja Banalitäten, die für diesen Zweck kaum reflektiert werden und daher als Ressource wenig genützt werden (die Einhaltung von Verhaltensstandards signalisiert Zugehörigkeit oder Fremdheit zur jeweiligen Kohorte!). Zur bewussten Gestaltung solcher Kommunikationskontexte existieren erste, noch rudimentäre Versuche. Die hier genannten Autoren (Deissler/Keller/Schug 1996; Zwingmann/Schwertl et al. 2000) operieren im Rahmen klinischer Reflexionsgruppen mit unterschiedlichen Designs. Die Erfahrungen sind jedoch nicht einfach auf Unternehmen übertragbar. Königswieser (1996) zeigt, wie gerade in Prozessen, die von Kommunikationsabbruch bedroht sind, durch Kontextgestaltung die Dialogfähigkeit erhalten werden kann.

Ein Ausblick Den im Konzept der Wertschätzenden Organisation enthaltenen Zielvorstellungen wie Partizipation der Beteiligten, Nutzung vorhandener Ressourcen, Förderung von Dialogen usw. ist nicht zu widersprechen. Sie sind als Beraterforderungen state of the art. Aber diese Zielvorstel-

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lungen, und hier beginnen die Differenzen, belegen als Generalforderung Organisationen mit einer nicht bewältigbaren Voraussetzungslast. Organisationen haben andere Aufgaben, als Wertschätzung zu konzipieren, und dem ist Rechnung zu tragen. Es ist zu begrüßen, wenn sie erreicht wird, aber als Zielmarkierung ist sie unbrauchbar. Die Krise technischer Organisationsmodelle macht eine verstärkte Hinwendung auf den Fokus Kommunikation notwendig. Ein solcher Fokus ist vor allem dann viel versprechend, wenn – wie ausgeführt – Organisationen als soziale Systeme verstanden werden. Die Therapeutisierung von organisationalem Geschehen wird ebenso wie die Nicht-Behandlung von Dissens als nicht hilfreich angesehen.

Anmerkungen 1 | Dies gilt für den jungen Koch, der die Zwiebeln goldgelb rösten soll, sie aber zu Brei verkocht, wie für Soldaten einer Kommandoeinheit, die nicht töten wollen. 2 | Um der systemtheoretischen Diskussion, ob Menschen oder Kommunikationen die Elemente eines sozialen Systems darstellen (Krüll/Luhmann et al. 1987) zu entkommen, sei von Aktanten die Rede (Schmidt 2000). 3 | Als Beispiel: Der Leiter der Organisation ABC-Verlag schätzt seinen Autor XY sehr. Aufbauend auf diesem Wertschätzen ist vieles möglich, aber die Substanz besteht darin, dass der Autor XY seine Manuskripte vertragsgerecht dem Verlag zur Verfügung stellt. Die Basis ist nicht Wertschätzung, sondern Manuskript gegen Bezahlung. 4 | Die Regeln der Katholischen Kirche gaben über viele Jahrhunderte vor, dass nur wer sich dem Diktat des großen Latinums beugte und bereit war, seine Messen in lateinischer Sprache zu zelebrieren, Priester werden durfte. Ob gewollt oder ungewollt, trug somit jeder Pfarrer dazu bei, die Differenz zu den Gläubigen zu erhalten. 5 | Die Probleme großer Merger wie z.B. DaimlerChrysler zeigen dies sehr deutlich. Dort, wo Global Player erfolgreich sind, dezentralisieren sie, d.h. sie passen die Organisationen an die jeweiligen Kulturregeln an. 6 | Die in die Kritik geratene Bundesanstalt für Arbeit mag als dramatisches Beispiel dafür dienen, wenn eine Organisation ihre ursprüngliche Aufgabe nicht mehr erfüllt. 7 | Monströse Dienstanweisungswerke sind ein Papier gewordenes Beispiel dafür. 8 | Die Kreativität des Tormanns einer Organisation Fußballmannschaft besteht darin, ein Tor der Gegner zu vermeiden; kreative Ausbrüche, die diesem Ziele nicht dienen (z.B. Besuch des gegnerischen Torwarts), sind höchst uner-

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172 | Walter Schwertl wünscht. Sie werden nicht nur nicht wertgeschätzt, sondern sehr wahrscheinlich bestraft. 9 | Heinz von Foerster beschreibt dies leicht ironisch so: »Heinz von Foersters Theorem 1: Je tiefer das Problem, das ignoriert wird, desto größer die Chancen, Ruhm und Erfolg einzuheimsen« (Foerster 1985: 17).

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Referenzen

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) T04_00 respekt.p 5438228064

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Kommentierte Literaturempfehlungen | 185

Kommentierte Literaturempfehlungen Klaus G. Deissler

Inzwischen ist die Literatur, die sich mit dem Wertschätzenden Erkunden und seinen Grundlagen beschäftigt, so umfangreich, dass selbst Kenner den Überblick verlieren können. V.a. Internetrecherchen machen dies deutlich. Sicher finden die LeserInnen in unserem Literaturverzeichnis eine umfangreiche Liste an Veröffentlichungen, die sich direkt oder indirekt mit dem Thema des Buches auseinandersetzen. An dieser Stelle möchte ich als Herausgeber der »Wertschätzenden Organisation« einige Hinweise für diejenigen geben, die einen Einstieg in verschiedene Themen suchen, mit denen sich unser Buch beschäftigt.

I. Deutschsprachige Veröffentlichungen zum Wertschätzenden Erkunden (WE) Grieger, G. (2001): Appreciative Inquiry – Wertschätzende Organisationsentwicklung, Paderborn. Dieses Buch gibt eine kurze Einführung (91 S.) in das Wertschätzende Erkunden. Während die Grundlagen und Methode des WE relativ gut dargestellt sind, ist die Darstellung des theoretischen Rahmens etwas veraltet.

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186 | Klaus G. Deissler zur Bonsen, M./Maleh, C. (2001): Appreciative Inquiry (AI): Der Weg zu Spitzenleistungen, Weinheim. Dieses Buch gilt für viele KollegInnen als das deutsche Standardwerk des WE. Es gibt eine einfache und übersichtliche Einführung in das WE. Die Darstellung der theoretischen Grundlagen ist ebenfalls einfach – teilweise zu sehr vereinfachend, dafür aber gut zu lesen.

II. Praxis der Beratung von Systemen als Wandel, der durch Dialogformen inspiriert wird Deissler, K.G. (2000): »›Ich, mein Problem, und die anderen‹. Von Ich-Erzählungen, Beziehungsgeschichten, transformativen Dialogen und Gesprächen im Dialog«, in: Familendynamik 25/4: 411-449. Dieser Artikel geht zunächst auf den Stand der »systemischen Diskussion« im Jahr 2000 ein. Es wird eine Vielzahl von Erzählund Gesprächsformen diskutiert, die Möglichkeiten aufzeigen, vielfältige und unterschiedliche Formen »transformativer« Gespräche zu ko-konstruieren. Diese werden anhand vielfältiger Beispiele erörtert und im Kontext postmoderner Ideenbildung reflektiert. Gergen, K.J./McNamee, S./Barett, F. (2003): »Transformativer Dialog«, in: Zeitschrift für systemische Therapie 21/03, S. 69-89. Ausgehend vom Vergleich verschiedener Gesprächs- bzw. Dialogformen zeigen die Autoren, wann ein Dialog »transformativ«, d.h. »wandelnd« wirkt. Es wird eine Anzahl von Ressourcen aufgezeigt, die zum »wandelnden« Charakter von Gesprächen beitragen können. Der Artikel ist (nur) zum Teil identisch mit dem Abschnitt über »transformative Dialoge« in Gergens Buch »Konstruierte Wirklichkeiten« (s. IV.).

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III. Vielstimmigkeit; innere, äußere, offene Dialoge; Soziale Poesie Bachtin, M. (1985): Probleme der Poetik Dostoevskijs, Frankfurt a.M. Obwohl dieses Buch vergriffen ist, stellt es den »dialogischen Meilenstein« der Beratungs- und Therapiepraxis dar. Viele KollegInnen fragen sich, woher beispielsweise die Begriffe »innerer, äußerer und offener Dialog« oder »Polyphonie« (lat.: Multivokalität, dt.: Vielstimmigkeit) stammen. In diesem Buch finden die aufmerksamen Leser die Antworten. Deissler, K.G./McNamee, S. (Hg.) (2000): Phil und Sophie auf der Couch. Die soziale Poesie therapeutischer Gespräche, Heidelberg. Dieses Buch ist an der Schnittstelle zwischen Philosophie und Beratung (bzw. Therapie) anzusiedeln. Es werden so unterschiedliche Konzepte reflektiert wie »Soziale Poesie und Beratung«, »Kollaborative Sprachsysteme und Beziehungen«, »Beziehung, Vorurteil und (sprachliche) Verhexung« … um nur einige zu nennen.

IV. Sozialkonstruktionistische Grundlagen »wertschätzender Ansätze« Gergen, K.J. (2002): Konstruierte Wirklichkeiten, Stuttgart. Ken Gergen hat viele Artikel und Bücher geschrieben und seine Ideen zum Sozialen Konstruktionismus kenntnis- und ideenreich beschrieben. Das genannte Buch ist ein umfassendes Werk, das seine Ideen zusammenfasst, vertieft und weiterführt. Es ist all denjenigen zu empfehlen, die eine qualitativ hochwertige Auseinandersetzung mit dem Thema wünschen. Insunza, D. (2002): Das sozialkonstruktivistische Fundament der Appreciative Inquiry, Basel. Obwohl sich der Autor im Titel und im Text auf das das Adjektiv »sozialkonstruktivistisch« festlegt (vgl. hierzu die Ausführungen von Gergen zum Unterschied zwischen Sozialem Konstruktionismus und Konstruktivismus [Gergen, 2002]), ist diese Arbeit bei der theoretischen Auseinandersetzung mit dem WE (AI) hilfreich, da einfach und verständlich geschrieben.

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188 | Klaus G. Deissler

V. Postmodernismus und Organisation Lyotard, J.F. (1994): Das postmoderne Wissen. Ein Bericht, Wien. Lyotard gilt als der »Vater« postmoderner Ideen in den Bereichen Philosophie, (und inzwischen auch) Beratung und Therapie. In diesem Buch begründet er seine skeptische Haltung gegenüber den »großen Erzählungen«, die dazu neigen, einzelne Menschen zu totalisieren bzw. terrorisieren. In diesem Buch entwickelt er eine Idee davon, wie Gespräche aussehen können, die eher »kleinen Erzählungen« verpflichtet sind. Er nennt sie »Paralogie«. Schreyögg, G. (Hg) (1999): Organisation und Postmoderne. Grundfragen – Analysen – Perspektiven, Wiesbaden. Dieses Buch stellt ein umfangreiches Werk postmodernistischer Ideen dar, wie sie im Bereich der Organisationsberatung vertreten werden. Der Leser sollte keine einheitliche Ideenbildung im Rahmen dieses Buches erwarten. Es ist der Idee der »kleinen Erzählungen« verpflichtet und stellt somit ein reichhaltiges Ideenreservoir dar. Weitere wichtige Hinweise finden Sie auf den Internetseiten der Autorinnen und Autoren der Beiträge zu diesem Buch (vgl. S. 189ff).

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Autorinnen und Autoren | 189

Autorinnen und Autoren

Harlene Anderson, Ph.D., ist eine der Gründungsmitglieder des Houston-Galveston Instituts. Sie ist international bekannt für ihre Anwendung der postmodernen/sozialkonstruktionistischen Theorie der Zusammenarbeit, die sich in einer vielseitigen Praxis ausdrückt Dies schließt Theorie, Forschung und Organisationsentwicklung ein. Sie ist Autorin zahlreicher Publikationen im Bereich Beratung und Konsultation und hat u.a. das Buch Das therapeutische Gespräch. Der gleichberechtigte Dialog als Perspektive der Veränderung, Stuttgart, veröffentlicht. E-Mail: [email protected] Internet: http://www.harlene.org/ http://www.houstongalvestoninstitute.org/ http://www.taosinstitute.net/

David Cooperrider, Ph.D., ist die zentrale Figur der Bewegung des Wertschätzenden Erkundens. Er ist Professor an der Weatherhead School of Management, Case Western Reserve Universität in Cleveland, Ohio. Zusammen mit Jane Dutton hat er u.a. das Buch The Organizational Dimensions of Global Change: No Limits to Cooperation (1999) veröffentlicht und ist darüber hinaus Autor zahlloser weiterer Artikel und Bücher (s.a. Literaturverzeichnis). Er arbeitet weltweit als Berater zahlreicher Organisationen, z.B. von religiösen Organisationen, Organen der Regierung und größeren Einrichtungen.

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190 | Autorinnen und Autoren E-Mail: [email protected] Internet: http://weatherhead.cwru.edu/wsom/profiles/cooperriderd.html http://ai.cwru.edu/ http://www.taosinstitute.net/

Klaus G. Deissler, Dr. phil., Dipl.-Psych., gehört zu den Wegbereitern und Mentoren systemischer und postmoderner Beratungs- und Therapieformen. Zu seinen wichtigsten Publikationen gehören Phil und Sophie auf der Couch (2000, hg. zus. mit Sheila McNamee), Sich selbst erfinden? (1997), Menschenskind, wie kann man systemische Therapiekontexte konstruieren (1988) und Beiträge zur systemischen Therapie (1985). Seit 1976 ist er als Berater, Psychotherapeut und Weiterbildungsleiter tätig, gibt seit 1992 die Zeitschrift für Systemische Therapie und Beratung heraus und ist seit 1999 Gastprofessor an der Medizinischen Hochschule Havanna. Er ist leitender Geschäftsführer des Weiterbildungsinstituts »viisa« in Marburg. E-Mail: [email protected] Internet: http://www.deissler.org http://www.marburger-beratergruppe.de http://www.mics.de

Bernhard Dreibus ist selbstständiger Kaufmann und leitet ein Familienunternehmen, mit den Schwerpunkten Vertrieb, Service, Consultant und Schulung in der Informationstechnologie. Er ist zertifizierter Berater für Informationstechnologien (MCSE, LPI, CSE) und ist regelmäßig für verschiedene Firmen (z.B. IBM) ebenso wie für Planetopia/SAT1 tätig. Darüber hinaus arbeitet er als systemischer Berater in verschiedenen Unternehmensbereichen sowie in psychosozialen Kontexten. E-Mail: [email protected] Internet: http://www.IN-SYSTEM.de

Lothar K. Eder, Dipl.-Psych., ist psychologischer Psychotherapeut, Verhaltenstherapeut und systemischer (Familien-)Therapeut; er ist zudem geschäftsführender Vorstand, Lehrtherapeut und Supervisor der Mannheimer Gesellschaft für Systemische Therapie, Supervision und Weiter-

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Autorinnen und Autoren | 191

bildung e.V. (MAGST) sowie Lehrer der Deutschen Qigong Gesellschaft (DQGG). Darüber hinaus ist er als Therapeut, Berater, Supervisor und Coach in eigener Praxis tätig. E-Mail: [email protected] Internet: http://www.magst.de

Matthias Freitag, Dipl.-Psych., systemischer Berater und Therapeut (SG), ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Technischen Universität Chemnitz, SFB »Hierarchielose regionale Produktionsnetze«, und Lehrender des »Sächsischen Instituts für Systemische Beratung und Therapie/Familientherapie«. Seine Arbeitsschwerpunkte sind systemische Organisationsberatung sowie interorganisationale Kooperationsentwicklung. Zu seinen wichtigsten Publikationen gehören From Accident to Organisational Learning (1997), Open Space (2002) sowie Die Repertory Grid Methode (2004). E-Mail: [email protected] Internet: http://www.mfreitag.de http://www.sis-ev.de

Kenneth J. Gergen, Ph.D., ist Mustin Professor für Psychologie am Swarthmore College (USA) und Direktor des Taos Instituts. Er ist eine zentrale und international renommierte Figur in der Entwicklung der sozialkonstruktionistischen Theorie und ihrer Anwendung in Praktiken des sozialen Wandels in Organisationen, Therapie, Erziehung und Religion. Seine bedeutendsten Bücher sind Realities and Relationships. Soundings in Social Construction (1994), Das übersättigte Selbst (dt. 1996), und Konstruierte Wirklichkeiten: Eine Hinführung zum Sozialen Konstruktionismus (dt. 2002). E-Mail: [email protected] Internet: http://www.swarthmore.edu/SocSci/kgergen1 http://www.taosinstitute.net/

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192 | Autorinnen und Autoren Mary M. Gergen, Ph.D., ist Professorin für Psychologie und Frauenforschung an der Penn State Universität, Delaware County. Sie beschäftigt sich mit der Beziehung zwischen sozialem Konstruktionismus und feministischer Theorie. Ihr bekanntestes Buch ist Feminist Reconstruction in Psychology: Narrative, Gender, and Performance (2001). Zusammen mit Kenneth Gergen moderiert sie einen Newsletter und eine Webseite für die Stärkung des positiven Alterns. Mary Gergen leitet eine Bewegung, die Aspekte der darstellenden Psychologie mit sozialem Erkunden zusammenbringt. E-Mail: [email protected] Internet: http://mary.gergen.socialpsychology.org/ http://www.taosinstitute.net/

Thomas Keller ist Berater und Arzt (Facharzt für Psychotherapeutische Medizin). Er ist seit 30 Jahren in großen Kliniken in den Bereichen Therapie und Management tätig, die meiste Zeit als Chefarzt. Darüber hinaus arbeitet er seit langen Jahren als Lehrbeauftragter, Seminarleiter, Lehrtherapeut (viisa/SG) und Lehrender Supervisor (SG), ist Vorstandsmitglied des Verbandes internationaler Institute für Systemische Arbeitsformen (viisa), Marburg, Gründungsvorsitzender des Langenfelder Instituts für systemische Praxis und Forschung, sowie Mitbegründer von Kölner Gruppe und Partner. Weitere Arbeitsschwerpunkte: beratende Tätigkeit in Supervision, Coaching und Organisationsentwicklung, Redaktionsmitglied der Zeitschrift für Systemische Therapie und Beratung. Er ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen. E-Mail: [email protected] Internet: http://www.koelnergruppe.de http://www.mics.de

Rolf Klatta, Dipl.-Päd., ist seit 1987 beim Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft (BWHW) e.V. in Darmstadt tätig. Er ist Projektleiter in den Bereichen »Berufsvorbereitung und Benachteiligtenförderung« sowie für die »Integration von Rehabilitanden und Menschen mit Behinderungen ins Arbeitsleben« und »Fachkräftefortbildung« zuständig. Verschiedene Vereine im Bildungs- und Sozialbereich wurden von ihm mitbegründet. Nebenamtlich ist er immer wieder als Teamer und Refe-

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Autorinnen und Autoren | 193

rent für unterschiedliche Organisationen tätig und hat Lehraufträge an der TU Darmstadt im Feld Berufspädagogik und an der FH Darmstadt im Bereich Sozialmanagement. E-Mail: [email protected] Internet: http://www.bwhw.de

Karl-Heinz Kose, Dipl.-Psych., ist seit langen Jahren als Lehrbeauftragter, Seminarleiter und Lehrtherapeut (viisa/SG) tätig. Er ist Leiter des »Instituts für Systemische Studien Braunschweig« sowie Organisationsberater und externer Coach für Volkswagen. Seine Arbeitsschwerpunkte sind: Gestaltung von sozialen Hintergrundsprozessen für Veränderungen und Transformationen durch Koordinierung von Gesprächsformen in Großgruppen. Er ist seit 2004 Gastprofessor an der Medizinischen Hochschule Havanna. E-Mail: [email protected] Internet: http://www.mics.de

Sheila McNamee, Ph.D., ist Professorin für Kommunikation an der Universität von New Hampshire. Der Schwerpunkt ihrer Arbeit liegt auf sozialem Wandel innerhalb vielfältiger Kontexte, einschließlich Organisationen, Erziehung, Gesundheitswesen, Psychologie und Gemeinden. Neben Büchern über Therapie als soziale Konstruktion verfasste sie zusammen mit Kenneth Gergen Relational Responsibility: Resources for Sustainable Dialogue (1998) und mit Klaus G. Deissler Phil und Sophie auf der Couch (2000). E-Mail: [email protected] Internet: http://pubpages.unh.edu/~smcnamee/ http://www.taosinstitute.net/

Bernd Schmid, Dr. phil., Dipl.-Psych., leitet seit 1984 das »Institut für systemische Beratung« in Wiesloch, Deutschland. Er studierte Wirtschaftwissenschaften und promovierte in Erziehungswissenschaften und Psychologie. Er ist Lehrtrainer verschiedener Gesellschaften im Bereich Psychotherapie, Coaching, Supervision, systemische Beratung so-

2004-06-03 11-19-39 --- Projekt: T223.diskursys.deissler.wertschätzende organisation / Dokument: FAX ID 01b254382278728|(S. 189-195) T04_03 autoren (üa1).doc.co

194 | Autorinnen und Autoren wie Organisations- und Personalentwicklung und berufenes Mitglied der Systemischen Gesellschaft. Er ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen in Schrift und Ton. E-Mail: [email protected] Internet: http://www.systemische-professionalitaet.de

Roswitha Schug, Dipl.-Psych., Dipl.-Päd., arbeitet seit 1981 als Schulpsychologin im Staatlichen Schulamt in Darmstadt; in diesem Kontext ist sie u.a. auch auf dem Gebiet der Organisationsberatung und -entwicklung tätig. Sie ist Lehrtherapeutin und lehrende Supervisorin (viisa/SG), gehört dem Vorstand des Verbandes internationaler Institute für systemische Arbeitsformen (viisa), Marburg, an und ist Redaktionsmitglied der Zeitschrift für systemische Therapie und Beratung. E-Mail: [email protected] Internet: http://www.mics.de

Walter Schwertl, Dr. phil., Dipl.-Psych., studierte nach einer Handwerkertätigkeit auf dem zweiten Bildungsweg Soziologie und Psychologie. Er ist Gründer des Instituts für systemische Theorie und Praxis Frankfurt und seit 1999 Gesellschafter und Geschäftsführer von K3 Beratergruppe Frankfurt. Seine Arbeitsschwerpunkte sind: interne Kommunikation von Organisationen, Familienunternehmen. Er ist Autor zahlreicher Publikationen. E-Mail: [email protected] Internet: http://www.k3-frankfurt.de

Diana Whitney, Ph.D., ist Präsidentin der Gesellschaft für Positiven Wandel. Sie ist eine international anerkannte Beraterin und Leiterin der (Fach-)Bereiche für wertschätzendes Erkunden, positiven Wandel und Spiritualität. Sie hat mehrere Bücher mitverfasst, u.a. Positive Change @ Work (2001, zus. mit Amanda Trosten-Bloom). Daneben ist sie Mitherausgeberin von The Appreciative Inquiry Handbook (2003), Appreciative Inquiry and Organizational Transformation (2003) und Appreciative

2004-06-03 11-19-39 --- Projekt: T223.diskursys.deissler.wertschätzende organisation / Dokument: FAX ID 01b254382278728|(S. 189-195) T04_03 autoren (üa1).doc.co

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Inquiry: Rethinking Human Organization. Toward a Positve Theory of Change (2000). E-Mail: [email protected] Internet: http://www.positivechange.org/ http://www.taosinstitute.net/

2004-06-03 11-19-39 --- Projekt: T223.diskursys.deissler.wertschätzende organisation / Dokument: FAX ID 01b254382278728|(S. 189-195) T04_03 autoren (üa1).doc.co