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German Pages 844 Year 2022
Dirk Lippold Die Unternehmensberatung
Dirk Lippold
Die Unternehmens beratung Von der strategischen Konzeption zur praktischen Umsetzung 4., überarbeitete und erweiterte Auflage
ISBN 978-3-11-078550-0 e-ISBN (PDF) 978-3-11-078553-1 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-078556-2 Library of Congress Control Number: 2022935354 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2022 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com
If you can do it, teach it. If you can teach it, write about it.
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Inhaltsverzeichnis
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Geleitwort Ein vielleicht überraschendes Beispiel zum Einstieg: Wie kaum ein anderes Unternehmen hat sich IBM in den letzten 50 Jahren grundlegend gewandelt – vom Hersteller von Schreibmaschinen und Großrechnern über den Anbieter von Systemen der mittleren Datentechnik und PCs bis zum Beratungsunternehmen. Zum Beratungsunternehmen? Ja, IBM ist in der Tat die weltweit größte Unternehmensberatung – wenn auch nicht unbedingt eine typische Unternehmensberatung. Doch was sind eigentlich typische Unternehmensberatungen, und wie haben sie sich über die Jahre entwickelt? Und vor allem: Was sind erfolgreiche Unternehmensberatungen? Wie sehen ihre Geschäftsmodelle aus? Wie sind sie organisiert? Was ist ihr Nutzen? Welche Marketing-Philosophie und welche Personalpolitik verfolgen sie? Kurzum: Was sind die Erfolgsfaktoren moderner Beratungsunternehmen? Dirk Lippold liefert praxiserprobte Antworten auf diese und andere Fragen vor dem Hintergrund der komplexen Tätigkeitsfelder moderner Unternehmensberatungen. Der besondere Nutzen ist die ständige, themenbezogene Verknüpfung von Theorie und Praxis. „Die Unternehmensberatung“ ist aber kein Werk zum „Runterlesen“, sondern vielmehr ein praxisorientierter Leitfaden, der als Grundlage – ja fast als Nachschlagewerk – für die verschiedenen Facetten des Beratungsgeschäfts dient. Jedes der sechs Kapitel orientiert sich an den sechs Erfolgsfaktoren im Beratungsgeschäft und bietet dem Strategen, dem Key-Account-Manager, dem Marketer, dem Personalmanager, dem Projektleiter oder dem Studierenden eine eindrucksvolle Grundlage für die weitere Arbeit. So ist beispielsweise das 4. Kapitel ein nahezu vollständiges Glossar aller wichtigen Management- beziehungsweise Beratungsansätze. Insgesamt liegt hier ein Praxishandbuch vor, das ich mit voller Überzeugung als Grundlagenwerk für unsere Beratungsbranche bezeichnen möchte. Dies erfährt auch deshalb eine ganz besondere Bedeutung, weil die Profession der Unternehmensberater in Deutschland bekanntlich kein Berufsrecht und damit keine vorgeschriebenen Ausbildungswege kennt. Besonders erfreut bin ich darüber, dass dieses Grundlagenwerk von einem Autor vorgelegt wird, mit dem ich über 25 Jahre intensiv zusammengearbeitet habe. Seiner besonderen Fähigkeit, einzelfallbezogene Aspekte und Phänomene zu typologisieren und auf eine allgemeine Grundlage zu stellen, verdanken wir den hier gewählten Ansatz. Mit dieser induktiven Vorgehensweise gibt er unserer Profession einen Rahmen, in dem neben dem Beratungstyp Strategieberatung, dem ja ohnehin bislang die meiste (theoretische) Beachtung geschenkt wird, nun auch eine gleichwertige Auseinandersetzung mit dem umsatzstärkeren Beratungstyp IT-Beratung erfolgen kann. Ich wünsche allen interessierten Lesern viel Freude beim Gewinnen neuer Erkenntnisse über eine Branche, die über Jahrzehnte so vielfältig, aufregend, spannend, lehrreich und erfolgreich wie kaum ein anderer Wirtschaftszweig war und mit Bestimmtheit auch in Zukunft bleiben wird. Antonio Schnieder Präsident des Bundesverbandes Deutscher Unternehmensberater BDU e.V.
Vorwort zur 4. Auflage Mit den ersten drei Auflagen konnte „Die Unternehmensberatung“ mehr als 210.000 Downloads verzeichnen. Damit hat sich der Titel innerhalb weniger Jahre wohl zum erfolgreichsten Consulting-Buch im deutschsprachigen Raum entwickeln. Die vorliegende 4. Auflage wird nunmehr vom Verlag De Gruyter verlegt. Für die wertvolle Unterstützung bei diesem Transformationsprozess bedanke ich mich sehr herzlich bei Dr. Stefan Giesen. Die neue Auflage wurde in allen Abschnitten überarbeitet, verbessert und auf deutlich über 800 Seiten erweitert. Die grundsätzliche Konzeption und die Kapitelstruktur wurden beibehalten. Sie machen den besonderen Nutzen „des Standardwerks für angehende und praktizierende Unternehmensberater“ (Lünendonk) aus. Das Buch wendet sich aber nicht nur an angehende und praktizierende Unternehmensberater. Insbesondere als Glossar eignet es sich für junge Berater und Neugierige, die einen Blick über den Tellerrand in eine Branche werfen wollen, die immer noch deutlich schneller wächst als die Gesamtwirtschaft. Besonders profitieren auch Kunden, die mit Beratern zusammenarbeiten und wissen wollen, wie diese „ticken“, von den vielen Insights des Buches, die sich in über 150 praxisbezogenen Inserts niederschlagen. Der außerordentliche Umfang und die vielen Details sind vor allem Lehrende und Lernende geschuldet, die für eine qualifizierte Unterstützung der Vor- und Nachbereitung ihrer einschlägige Consulting-Veranstaltungen suchen. Das Beratungsgeschäft hat viele Dimensionen, denen man sich aus mehreren Blickwinkeln nähern kann. In dieser Abhandlung werden zwar alle Perspektiven angesprochen, es dominiert jedoch eindeutig die phasenbezogene Perspektive des Beratungsprozesses. Dies gilt ganz besonders für Marketing und Vertrieb, für die Beratungstechnologien sowie für das Personalmanagement. Danken möchte ich meinen Studierenden für viele konstruktive Gespräche und Rückmeldungen zu Inhalt und Aufbereitung des Buchs. Ein besonderer Dank gilt Herrn André Horn für die formale und inhaltliche Unterstützung bei der professionellen Umsetzung des Manuskripts. Zur besseren Lesbarkeit wird für alle Personen das generische Maskulinum verwendet.
Berlin, im März 2022
Dirk Lippold
Vorwort zur 3. Auflage „Wer Erfolg haben will, muss sich verändern“ – dieses Postulat sollte in besonderem Maße auch für Lehrbücher gelten, die den Anspruch erheben, „state-of-the-art“ zu sein. Und hier ist es insbesondere der digitale Wandel, der nicht nur ein aktuelles und zentrales Beratungsthema bei den Kundenunternehmen ist, sondern auch spürbare Auswirkungen auf die Consultingbranche selbst hat. Hier werden die Berater zum Vordenker in eigener Sache, denn jeder Consultant muss sich fragen, ob die klassischen Geschäftsmodelle des „People Business“ noch weiter so funktionieren oder was ein disruptiver Wettbewerber tun würde, wenn er im Beratungsmarkt Zeichen setzen wollte. Mit den kommenden Generationen, die es gewohnt sind, digital und virtuell zu interagieren, wächst die Akzeptanz für digitale und agile Zusammenarbeit und für entsprechende, innovative Beratungsleistungen. Wie also wird sich die Beratung in Zukunft verändern? Wo liegen die Chancen der Digitalisierung, wo gibt es Grenzen? Wie geht die Beratung mit agilen Tools und Organisationen um? Welche Technologietrends treiben die Entwicklung voran? Kurzum: Wo also steht die Beratungsbranche im digitalen Transformationsprozess? Mit der dritten Auflage werden Antworten auf diese und ähnliche Fragen gegeben und damit den besonderen Anforderungen des Megatrends Digitalisierung in den unterschiedlichen Beratungsfeldern Rechnung getragen. Folgende Themenbereiche finden neu Eingang in das Lehrbuch oder wurden grundlegend überarbeitet:
Die technologische Perspektive wird den Dimensionen des Beratungsverständnisses hinzugefügt. Auf dem Weg zur digitalen Beratung wird „Consulting 4.0“ kritisch hinterfragt. Der digitalen Transformation und ihre Auswirkungen auf die Unternehmensberatung wird ein neues Kapitel gewidmet. Der digitalen werblichen Kommunikation und ihrem Einfluss auf den Erfolgsfaktor „Marketing/Vertrieb“ wird eine besondere Bedeutung geschenkt. Agile Methoden und Tools werden im Erfolgsfaktor „Beratungstechnologie“ behandelt. Digitale Führungskompetenzen und ihre Auswirkungen auf den Erfolgsfaktor „Personal und Management“ werden ausführlich im fünften Kapitel behandelt. Grundlagen, Vorteile und Voraussetzungen der agilen Organisation werden im sechsten Kapitel diskutiert.
Trotz der grundlegenden Überarbeitung und Erweiterung ist die bewährte Gliederung des Lehrbuchs geblieben. Sie orientiert sich an den wesentlichen, funktional ausgerichteten Erfolgsfaktoren des Beratungsgeschäfts. Mein Dank gilt den Studierenden meines Kurses „Consulting & Change Management“ an der Humboldt-Universität zu Berlin. Sie haben mit ihren qualifizierten Anregungen und Hinweisen wesentlich zur Verbesserung der 3. Auflage beigetragen. Ein besonderer Dank gebührt Frau Juliane Wagner, die das Projekt verlagsseitig unterstützt hat. Berlin, im Februar 2018
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Vorwort zur 2. Auflage Seit der ersten Auflage sind erst zwei Jahre vergangen. Ganz offensichtlich hat sowohl die praktische als auch die theoretische Auseinandersetzung mit dem Phänomen „Unternehmensberatung“ in dieser umfassenden Form einen erfreulichen Zuspruch gefunden. Aufgrund der besonderen Dynamik der Beratungsdisziplin wurde die zweite Auflage in vielen Erfolgsfaktoren überarbeitet, aktualisiert und insbesondere im Bereich der IT-orientierten Beratung deutlich erweitert. Die bewährte Struktur, die sich an den wesentlichen, funktional ausgerichteten Erfolgsfaktoren des Beratungsgeschäfts orientiert, ist geblieben. Somit ist jedes Kapitel in sich abgeschlossen und kann quasi als „Buch im Buch“ betrachtet werden. Auf diese Weise ist es möglich, das Grundlagenwerk einerseits nicht nur zur Unterstützung, sondern als Fundament einer „Consulting-Lehre“ und andererseits als Handbuch und Glossar für viele Fragen und Problemstellungen in der täglichen Beratungspraxis zu verwenden. Die schrittweise Verbesserung dieser Auflage verdanke ich nicht zuletzt der kritischen Lektüre von Kollegen und Studierenden. Mein besonderer Dank gilt Frau Eva-Maria Fürst, die das Projekt verlagsseitig gefördert und vertrauensvoll betreut hat. Berlin, im August 2015
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Vorwort zur 1. Auflage Knapp 100.000 Berater sind es, die in Deutschland einen Umsatz (2012) von gut 22 Milliarden Euro erzielen. Doch nicht nur zahlenmäßig ist die Zunft der Unternehmensberater ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Ihr Einfluss strahlt in alle Branchen aus. Sie wächst schneller als das Sozialprodukt. Sie zählt zu den begehrtesten Einstiegsbranchen für junge Hochschulabsolventen. An mehr als 30 deutschen Hochschulen werden inzwischen Bachelor- und Masterstudiengänge für Consulting angeboten. Gleichzeitig sind aber auch die Anforderungen an die Qualität der Beratungsprojekte und an den messbaren Erfolg von Beratungsleistungen gestiegen. Besonders die größeren Kundenunternehmen haben die Beschaffung von Beratungsleistungen professionalisiert und orientieren sich mehr und mehr an objektiven Auswahlkriterien. Auch die Institutionalisierung des Inhouse Consulting in diesen Unternehmen hat den Wettbewerbsdruck auf die Beratungshäuser weiter erhöht. Diese Situation erfordert von den Beratungsanbietern, dass sie sich ebenfalls stärker professionalisieren. Hierzu zählt die Entwicklung von Gestaltungskonzepten für die strategische Ausrichtung ebenso wie die Professionalisierung von Marketing und Vertrieb, von Personalrecruiting, -einsatz und -bindung, von Controlling und Organisation sowie die qualitätsorientierte Leistungserstellung, kurzum: die Beherrschung der Erfolgsfaktoren des Beratungsgeschäfts. Da sowohl die theoretische als auch die praktische Auseinandersetzung mit diesen Themen vergleichsweise jung, wenig fortgeschritten und nahezu ausschließlich auf die Aspekte der Strategie- und Organisationsberatung beschränkt ist [vgl. Nissen 2007, S. 9], soll die vorliegende Ausarbeitung die Lücke schließen und einen entsprechenden Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit der Beratungsbranche insgesamt leisten. Die strikte Orientierung an den o. g. Erfolgsfaktoren kennzeichnet daher die Struktur dieser Abhandlung. Ein besonderes Augenmerk gilt der IT-orientierten Beratung, deren geschätzter Anteil am Gesamtumsatz der Unternehmensberatungen mehr als 65 Prozent beträgt und bislang wenig thematisiert worden ist. Dabei steht aber nicht so sehr die theoretische Fundierung der Beratungsleistung im Vordergrund, sondern mehr der praxisorientierte Leitfaden, der sich sowohl an Studierende mit Beratungsaffinität (Was erwartet mich in einem Beratungsunternehmen und was erwartet es von mir?) als auch an den Berater mit Blick über den Tellerrand wendet (Wie machen es die Anderen?). Wertvolle Impulse soll der „Leitfaden mit theoretischem Hintergrund“ insbesondere für all jene liefern, die im Beratungsgeschäft Verantwortung tragen. Eine zusätzliche Motivation ist schließlich der glückliche Umstand, dass zu zwei der fünf Erfolgsfaktoren einer Unternehmensberatung ein spezifischer Ansatz mit hohem Nutzenpotenzial vorgestellt werden kann: für den Erfolgsfaktor Marketing/Vertrieb die Marketing-Gleichung und für den Erfolgsfaktor Personal die Personalmarketing-Gleichung. Ich möchte mich bei all jenen Kollegen, Mitarbeitern und Studierenden bedanken, die mich zur „Niederschrift“ dieser Gedanken und Erkenntnisse rund um die Unternehmensberatung motiviert haben. Ein ganz besonderer Dank gilt meiner Frau Petra, die mir den entsprechenden Freiraum dazu eingeräumt hat. Berlin, im Juli 2013
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Inhaltsübersicht 1.
Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung ................................................. 1 1.1 Berufsfeld Beratung ................................................................................................................4 1.2 Perspektiven und Dimensionen der Beratung .......................................................................29 1.3 Entwicklung der Beratungsbranche .......................................................................................64 1.4 Struktur der Beratungsbranche ..............................................................................................80 1.5 Inhalte ausgewählter Beratungsbereiche ...............................................................................92 1.6 Angrenzende Bereiche der Unternehmensberatung ............................................................102
2.
Konzeption und Gestaltung der Unternehmensberatung ....................................... 127 2.1 Marktorientierte Unternehmensplanung..............................................................................129 2.2 Ausprägungen des Beratungsmanagements ........................................................................135 2.3 Analyse der Einflussfaktoren und Trends im Beratungsgeschäft ........................................143 2.4 Stand der digitalen Transformation in der Unternehmensberatung .....................................171 2.5 Das Zielsystem der Unternehmensberatung ........................................................................185 2.6 Strategie und Umsetzung.....................................................................................................220
3.
Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung .............................................. 228 3.1 Die Marketing-Gleichung für Unternehmensberatungen ....................................................231 3.2 Segmentierung – Optimierung des Kundennutzens ............................................................240 3.3 Positionierung – Optimierung des Kundenvorteils .............................................................260 3.4 Kommunikation – Optimierung der Kundenwahrnehmung ................................................275 3.5 Vertrieb – Optimierung der Kundennähe ............................................................................329 3.6 Akquisition – Optimierung der Kundenakzeptanz ..............................................................341 3.7 Betreuung – Optimierung der Kundenzufriedenheit ...........................................................374
4.
Leistung und Technologie der Unternehmensberatung ............................................. 387 4.1 Grundlagen des Beratungsprozesses ...................................................................................390 4.2 Phasenstruktur von Beratungsprojekten ..............................................................................400 4.3 Beratungstechnologien zur Informationsbeschaffung und -auswertung ..................................409 4.4 Beratungstechnologien zur Analyse und Zielsetzung .........................................................430 4.5 Beratungstechnologien zur Problemlösung .........................................................................463 4.6 Beratungstechnologien zur Implementierung......................................................................518
5.
Personal und Management der Unternehmensberatung ........................................ 549 5.1 Die Personalmarketing-Gleichung für Unternehmensberatungen .............................................552 5.2 High Potentials als bevorzugte Zielgruppe der Recruiter..........................................................556 5.3 Personalakquisition – Optimierung der Personalgewinnung...............................................563 5.4 Personalauswahl und -integration – Optimierung der Bewerberakzeptanz .........................604 5.5 Personalvergütung – Optimierung der Gerechtigkeit ..........................................................621 5.6 Personalführung – Optimierung der Wertschätzung ...........................................................634 5.7 Personalbeurteilung – Optimierung der Fairness ................................................................674 5.8 Personalentwicklung – Optimierung der Forderung und Förderung ...................................687 5.9 Personalfreisetzung – Optimierung der Erleichterung ........................................................698
6.
Controlling und Organisation der Unternehmensberatung .............................................. 713 6.1 Controlling als Konzept der Unternehmensführung............................................................715 6.2 Unternehmenscontrolling ....................................................................................................721 6.3 Projektcontrolling ................................................................................................................729 6.4 Organisationsstrukturen von Beratungsunternehmen..........................................................733 6.5 Agile Organisation ..............................................................................................................746 6.6 Auslagerung von Organisationseinheiten ............................................................................756 6.7 Change Management ...........................................................................................................762
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Inhaltsverzeichnis Geleitwort ...................................................................................................................................... VII Vorwort zur 4. Auflage ................................................................................................................ VIII Vorwort zur 3. Auflage .................................................................................................................. IX Vorwort zur 2. Auflage ................................................................................................................... X Vorwort zur 1. Auflage .................................................................................................................. XI
1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung ............................................................1 1.1 Berufsfeld Beratung ................................................................................................................4 1.1.1 Motivation.................................................................................................................................. 4 1.1.2 Begriffliche Abgrenzungen........................................................................................................ 7 1.1.3 Einstieg in die Unternehmensberatung ...................................................................................... 9 1.1.3.1 Studiengang Consulting ............................................................................................. 9 1.1.3.2 War for Talents ........................................................................................................ 11 1.1.3.3 Hochschulqualität .................................................................................................... 13 1.1.3.4 Bachelor-/Mastersystem .......................................................................................... 15 1.1.3.5 Studienrichtung ........................................................................................................ 17 1.1.3.6 Karriereförderung .................................................................................................... 18 1.1.4 Berufsbild des Unternehmensberaters ..................................................................................... 19 1.1.4.1 Berufsausübung und vertragliche Grundlagen......................................................... 19 1.1.4.2 Unternehmensberatung und Ethik ........................................................................... 21 1.1.4.3 Certified Management Consultant ........................................................................... 23 1.1.4.4 BDU und seine Berufsgrundsätze ............................................................................ 23 1.1.5 Erfolgsfaktoren der Unternehmensberatung ............................................................................ 25 1.2 Perspektiven und Dimensionen der Beratung ...................................................................29 1.2.1 Dienstleistungsperspektive ...................................................................................................... 30 1.2.1.1 Abgrenzung zwischen Dienstleistungen und Sachleistungen .................................. 30 1.2.1.2 Leistungstypologien................................................................................................. 32 1.2.2 Institutionelle Perspektive........................................................................................................ 35 1.2.2.1 Beratungsträger........................................................................................................ 35 1.2.2.2 Beratungsadressaten ................................................................................................ 36 1.2.2.3 Beratungsobjekte ..................................................................................................... 37 1.2.3 Funktionale Perspektive........................................................................................................... 38 1.2.4 Systembezogene Perspektive ................................................................................................... 42 1.2.4.1 Beratungssystem ...................................................................................................... 42 1.2.4.2 Kunden-Berater-Beziehung ..................................................................................... 43 1.2.4.3 Beraterrollen und Kundenerwartungen.................................................................... 44 1.2.5 Prozessbezogene Perspektive................................................................................................... 47 1.2.5.2 Phasen des Beratungsprozesses ............................................................................... 49 1.2.5.3 Prozessberatung vs. Inhaltsberatung ........................................................................ 51 1.2.6 Instrumentell-methodische Perspektive ................................................................................... 51 1.2.7 Technologische Perspektive..................................................................................................... 53 1.2.7.1 Individuelle, flexible Technologie ........................................................................... 54 1.2.7.2 Standardisierte Technologie (Tools)........................................................................ 54 1.2.7.3 Starre Technologie (Beratungsprodukte) ................................................................. 55
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1.2.8
Theoretische Perspektive ......................................................................................................... 57 1.2.8.1 Property-Rights-Theorie .......................................................................................... 58 1.2.8.2 Principal-Agent-Theorie .......................................................................................... 59 1.2.8.3 Transaktionskostentheorie ....................................................................................... 60 1.2.8.4 Informationsökonomik ............................................................................................ 62
1.3 Entwicklung der Beratungsbranche ...................................................................................64 1.3.1 Initialisierung und Professionalisierung .................................................................................. 64 1.3.2 Internationalisierung und Differenzierung ............................................................................... 66 1.3.3 Boom und Überhitzung ............................................................................................................ 71 1.3.4 Konsolidierung und Erholung .................................................................................................. 72 1.3.5 Consulting 4.0 .......................................................................................................................... 75 1.3.5.1 Erklärungsansätze zu Consulting 4.0 ....................................................................... 76 1.3.5.2 Wege zur digitalen Beratung ................................................................................... 77 1.4 Struktur der Beratungsbranche ...........................................................................................80 1.4.1 Allgemeine Branchenkennzahlen ............................................................................................ 80 1.4.2 Struktur der Nachfrageseite – Branchenanalyse ...................................................................... 82 1.4.3 Struktur der Angebotsseite – Beratungsfelder ......................................................................... 83 1.4.4 Das Consulting-Kontinuum ..................................................................................................... 83 1.4.4.1 Dreiteilung des Unternehmensberatungsmarktes .................................................... 84 1.4.4.2 BDU-Systematik ...................................................................................................... 84 1.4.4.3 Plan-Build-Run-Modell ........................................................................................... 85 1.4.4.4 Lünendonk-Systematik ............................................................................................ 87 1.4.4.5 BITP-Anbietergruppe – Konzept der Gesamtdienstleistungen................................ 89 1.5 Inhalte ausgewählter Beratungsbereiche..............................................................................92 1.5.1 Strategieberatung ..................................................................................................................... 92 1.5.1.1 Anlässe der Strategieberatung ................................................................................. 92 1.5.1.2 Ebenen der Strategieberatung .................................................................................. 93 1.5.1.3 Typische Aufgaben der Strategieberatung ............................................................... 94 1.5.2 Organisations- und Prozessberatung ........................................................................................ 95 1.5.2.1 Abgrenzung zu anderen Beratungsfeldern ............................................................... 96 1.5.2.2 Beziehungen zwischen Organisations- bzw. Prozessberater und Kunden ............... 96 1.5.2.3 Ansätze in der Organisations- und Prozessberatung................................................ 97 1.5.3 IT- und Technologieberatung .................................................................................................. 98 1.5.3.1 Besonderheiten der IT- und Technologieberatung .................................................. 98 1.5.3.2 IT-Spezialberatungen............................................................................................... 99 1.5.3.3 Technology Services................................................................................................ 99 1.5.4 IT-Outsourcing....................................................................................................................... 100 1.6 Angrenzende Bereiche der Unternehmensberatung ......................................................102 1.6.1 Consulting und Software ....................................................................................................... 102 1.6.2 Consulting und Wirtschaftsprüfung ....................................................................................... 104 1.6.2.1 Aufgaben des Wirtschaftsprüfers........................................................................... 105 1.6.2.2 Von den Big Eight zu den Big Four ...................................................................... 106 1.6.3 Consulting und Steuerberatung .............................................................................................. 114 1.6.4 Consulting und Outsourcing .................................................................................................. 115 1.6.5 Consulting und Inhouse Consulting ....................................................................................... 116 1.6.6 Consulting und Personalberatung .......................................................................................... 122 1.6.6.1 Personalberatung im engeren Sinn ........................................................................ 125 1.6.6.2 Personalberatung im weiteren Sinn ....................................................................... 125
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2. Konzeption und Gestaltung der Unternehmensberatung .................................................127 2.1 Marktorientierte Unternehmensplanung...........................................................................129 2.1.1 Bezugsrahmen und Planungsprozess ..................................................................................... 129 2.1.2 Wertschöpfungskette der Unternehmensberatung ................................................................. 132 2.2 Ausprägungen des Beratungsmanagements ..................................................................135 2.2.1 Wertorientiertes Beratungsmanagement ................................................................................ 135 2.2.2 Qualitätsorientiertes Beratungsmanagement.......................................................................... 136 2.2.3 Risikoorientiertes bzw. professionell-ethisches Beratungsmanagement ............................... 139 2.3 Analyse der Einflussfaktoren und Trends im Beratungsgeschäft ..................................143 2.3.1 Externe Einflussfaktoren – das Makro-Umfeld der Unternehmensberatung ......................... 143 2.3.1.1 Demografische Einflüsse ....................................................................................... 145 2.3.1.2 Makro-ökonomische Einflüsse .............................................................................. 146 2.3.1.3 Sozio-kulturelle Einflüsse ...................................................................................... 149 2.3.1.4 Technologische Einflüsse ...................................................................................... 153 2.3.1.5 Ökologische Einflüsse ........................................................................................... 164 2.3.1.6 Politisch-rechtliche Einflüsse ................................................................................ 166 2.3.2 Chancen-Risiken-Analyse ..................................................................................................... 167 2.3.3 Interne Einflussfaktoren – das Mikro-Umfeld der Unternehmensberatung ........................... 168 2.3.4 Stärken-Schwächen-Analyse ................................................................................................. 169 2.4 Stand der digitalen Transformation in der Beratung .......................................................171 2.4.1 Ausgangssituation und betriebliche Einflussbereiche der Digitalisierung ............................. 171 2.4.2 Digitalisierungsperspektiven der Beratung ............................................................................ 176 2.4.3 Klassische Beratungsleistungen vs. digitale Beratungstechnologie .......................................... 177 2.4.4 Reifegradmodell der Virtualisierung ..................................................................................... 178 2.4.5 Digitale Beratungsansätze...................................................................................................... 179 2.4.7 Nutzung und kundenseitige Akzeptanz digitaler Beratungstechnologien.............................. 182 2.5 Das Zielsystem der Unternehmensberatung ...................................................................185 2.5.1 Unternehmensführung ........................................................................................................... 186 2.5.1.1 Grundlagen der Unternehmensführung ................................................................. 186 2.5.1.2 CSR und nachhaltige Unternehmensführung......................................................... 187 2.5.2 Unternehmensverfassung ....................................................................................................... 190 2.5.3 Unternehmenseigentümer ...................................................................................................... 191 2.5.3.1 Partnerschaftsmodell.............................................................................................. 192 2.5.3.2 Investorenmodell ................................................................................................... 193 2.5.4 Unternehmenskultur............................................................................................................... 195 2.5.4.1 Grundlagen der Unternehmenskultur..................................................................... 195 2.5.4.2 Generationenverbindende Arbeitskultur als Erfolgsfaktor .................................... 198 2.5.5 Unternehmensidentität ........................................................................................................... 199 2.5.6 Unternehmensleitlinien und -grundsätze ............................................................................... 200 2.5.7 Unternehmenszweck .............................................................................................................. 203 2.5.8 Unternehmensziele – formale Ausrichtung............................................................................ 207 2.5.9 Unternehmensziele – inhaltliche Ausrichtung ....................................................................... 208 2.5.9.1 Geschäftsfelddefinition – Bestimmung der Beratungsfelder ................................. 209 2.5.9.2 Spezialisierung nach Funktionen bzw. Beratungsthemen...................................... 211 2.5.9.3 Spezialisierung nach Branchen .............................................................................. 212 2.5.9.4 Innovationsberatung als Beispiel einer querschnittsorientierten Beratung ............ 213 2.5.9.5 Spezialisierung nach der Kundengröße ................................................................. 217 2.5.9.6 Strategieberatung vs. IT-Beratung ......................................................................... 218 2.6 Strategie und Umsetzung ...................................................................................................220 2.6.1 Notwendigkeit der Strategieentwicklung............................................................................... 220 2.6.2 Kritische Ressourcen der Unternehmensberatung ................................................................. 221 2.6.3 Entwicklungsstrategien – die wichtigsten strategischen Stoßrichtungen ............................... 222 2.6.4 Umsetzung der strategischen Entwicklungsoptionen............................................................. 224 2.6.4.1 Organisches Wachstum ......................................................................................... 224 2.6.4.2 Wachstum durch Akquisitionen............................................................................. 225 2.6.4.3 Konsolidierung ...................................................................................................... 226
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Inhaltsverzeichnis
3.1 Die Marketing-Gleichung für Unternehmensberatungen................................................231 3.1.1 Die Marketing-Wertschöpfungskette ..................................................................................... 231 3.1.2 Konzeption, Aufbau und Elemente der Marketing-Gleichung .............................................. 231 3.1.2.1 Entstehung von Wettbewerbsvorteilen im Beratungsgeschäft............................... 232 3.1.2.2 Vom Markt honorierter Wettbewerbsvorteil ......................................................... 233 3.1.2.3 Organisatorische Implikationen ............................................................................. 235 3.1.3 Abgrenzung zwischen B2C- und B2B-Marketing ................................................................. 236 3.1.4 Marketingziele ....................................................................................................................... 238 3.2 Segmentierung – Optimierung des Kundennutzens .......................................................240 3.2.1 Aufgabe und Ziel der Segmentierung .................................................................................... 240 3.2.2 Kaufverhalten im B2B-Bereich ............................................................................................. 243 3.2.2.1 Organisationaler Einkauf ....................................................................................... 243 3.2.2.2 Das Buying Center und seine Akteure................................................................... 244 3.2.3 Segmentierungspraxis ............................................................................................................ 246 3.2.3.1 Makrosegmentierung ............................................................................................. 247 3.2.3.2 Mikrosegmentierung .............................................................................................. 252 3.2.4 Segmentbewertung................................................................................................................. 254 3.2.4.1 Segmentvolumen und -potenzial ........................................................................... 254 3.2.4.2 Wettbewerbsintensität............................................................................................ 255 3.2.4.3 Preisniveau............................................................................................................. 255 3.2.4.4 Kapitalbedarf ......................................................................................................... 256 3.2.5 Geschäftsfeldplanung............................................................................................................. 256 3.2.6 Segmentierungsstrategien ...................................................................................................... 257 3.3 Positionierung – Optimierung des Kundenvorteils .........................................................260 3.3.1 Aufgabe und Ziel der Positionierung ..................................................................................... 260 3.3.2 Die Leistung als Positionierungselement ............................................................................... 262 3.3.3 Der Preis als Positionierungselement..................................................................................... 265 3.3.3.1 Preispolitische Grundlagen im Beratungsgeschäft ................................................ 265 3.3.3.2 Gestaltung der Honorarsätze (Preisstrategie)......................................................... 267 3.3.3.3 Gestaltung der Projektkalkulation (Preistaktik) ..................................................... 271 3.4 Kommunikation – Optimierung der Kundenwahrnehmung ...........................................275 3.4.1 Aufgabe, Ziel und Dimensionen der Kommunikation ........................................................... 275 3.4.2 Klassische vs. digitale Kommunikation ................................................................................. 277 3.4.3 Kommunikationsmodell......................................................................................................... 279 3.4.3.1 Bewusstseinsprogramm ......................................................................................... 281 3.4.3.2 Imageprogramm..................................................................................................... 282 3.4.3.3 Leistungsprogramm ............................................................................................... 282 3.4.3.4 Kundenprogramm .................................................................................................. 282 3.4.4 Interne Kommunikation ......................................................................................................... 283 3.4.5 Überblick Kommunikationsinstrumente ................................................................................ 284 3.4.6 Klassische Kommunikationsinstrumente ............................................................................... 287 3.4.6.1 (Klassische) Werbung............................................................................................ 287 3.4.6.2 Öffentlichkeitsarbeit .............................................................................................. 288 3.4.6.3 Sponsoring ............................................................................................................. 290 3.4.6.4 Messen und Events ................................................................................................ 292 3.4.7 Digitale Kommunikationsinstrumente ................................................................................... 296 3.4.7.1 Website Advertising .............................................................................................. 298 3.4.7.2 Social Media Advertising ...................................................................................... 299 3.4.7.3 Advertorials ........................................................................................................... 302 3.4.7.4 Display Advertising ............................................................................................... 303 3.4.7.5 E-Mail Advertising ................................................................................................ 305 3.4.7.6 Keyword Advertising............................................................................................. 307 3.4.7.7 Affiliate Advertising .............................................................................................. 309
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3.4.8
XIX
Kommunikationsmedien ........................................................................................................ 310 3.4.8.1 Printmedien ............................................................................................................ 311 3.4.8.2 Außenwerbung....................................................................................................... 312 3.4.8.3 Klassische elektronische Medien ........................................................................... 313 3.4.8.4 Digitale Medien ..................................................................................................... 314 3.4.9 Mediaplanung und -kontrolle................................................................................................. 320 3.4.9.1 Mediaanalyse ......................................................................................................... 321 3.4.9.2 Festlegen des Mediabudgets .................................................................................. 321 3.4.9.3 Verteilung des Mediabudgets (Streuplanung) ....................................................... 322 3.4.9.4 Messung der Kommunikationswirkung (Werbeerfolgskontrolle) ......................... 323 3.4.9.5 Erfolgsmessung im Online-Marketing................................................................... 324 3.4.10 Kommunikationsverhalten von Strategie- und IT-Beratungen ............................................. 328 3.5 Vertrieb – Optimierung der Kundennähe..........................................................................329 3.5.1 Aufgabe und Ziel des Vertriebs ............................................................................................. 329 3.5.2 Vertriebsformen ..................................................................................................................... 330 3.5.2.1 Direkter Vertrieb .................................................................................................... 330 3.5.2.2 Indirekter Vertrieb ................................................................................................. 332 3.5.3 Vertriebskanäle ...................................................................................................................... 335 3.5.4 Vertriebsorgane...................................................................................................................... 336 3.5.5 Vertriebliche Qualifikationen ................................................................................................ 337 3.5.6 Vertriebskooperationen .......................................................................................................... 339 3.6 Akquisition – Optimierung der Kundenakzeptanz...........................................................341 3.6.1 Aufgabe und Ziel der Akquisition ......................................................................................... 341 3.6.2 Akquisitionsbegriffe .............................................................................................................. 342 3.6.2.1 Selling Center ........................................................................................................ 342 3.6.2.2 Targeting, Cross Selling und Key Accounting ...................................................... 344 3.6.3 Der organisationale Kaufprozess ........................................................................................... 345 3.6.4 Akquisitionszyklus (Sales Cycle) .......................................................................................... 348 3.6.4.1 Leadmanagement ................................................................................................... 349 3.6.4.2 Opportunity Management ...................................................................................... 350 3.6.5 Akquisitionscontrolling ......................................................................................................... 354 3.6.5.1 Effizienzsteigerung im Vertrieb............................................................................. 354 3.6.5.2 Kennzahlen im Vertrieb ......................................................................................... 356 3.6.6 Das Akquisitionsgespräch...................................................................................................... 358 3.6.6.1 Voraussetzungen für den Akquisitionserfolg......................................................... 358 3.6.6.2 Gesprächsvorbereitung .......................................................................................... 361 3.6.6.3 Gesprächseröffnung ............................................................................................... 361 3.6.6.4 Bedarfsanalyse ....................................................................................................... 362 3.6.6.5 Nutzenargumentation............................................................................................. 363 3.6.6.6 Einwandbehandlung .............................................................................................. 363 3.6.6.7 Gesprächsabschluss ............................................................................................... 364 3.6.7 Angebots- und Vertragsgestaltung ......................................................................................... 365 3.6.7.1 Vertragliche Grundlagen ....................................................................................... 365 3.6.7.2 Dienstvertrag vs. Werkvertrag ............................................................................... 367 3.6.7.3 Aufwandsbezogene Vergütung vs. Festpreis ......................................................... 369 3.6.7.4 Allgemeine Auftragsbedingungen ......................................................................... 370 3.6.7.5 Angebotstypen ....................................................................................................... 372 3.7 Betreuung – Optimierung der Kundenzufriedenheit .......................................................374 3.7.1 Aufgabe und Ziel der Betreuung............................................................................................ 374 3.7.2 Grundlagen der Kundenbeziehung ........................................................................................ 375 3.7.3 Customer Relationship Management ..................................................................................... 377 3.7.4 Kundenbindungsprogramme .................................................................................................. 380 3.7.5 After-Sales im Produktgeschäft ............................................................................................. 381 3.7.5.1 Benutzergruppen .................................................................................................... 382 3.7.5.2 Benutzertreffen ...................................................................................................... 383 3.7.5.3 Referenzbesuche .................................................................................................... 383 3.7.6 Kundenlebenszyklus .............................................................................................................. 385
XX
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4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung ...................................................387 4.1 Grundlagen des Beratungsprozesses ..............................................................................390 4.1.1 Beratungstechnologie............................................................................................................. 390 4.1.2 Problemlösung als Kern der Beratungsleistung ..................................................................... 392 4.1.3 Systematisierung der Beratungsansätze ................................................................................. 394 4.1.3.1 Systematik von Fink .............................................................................................. 395 4.1.3.2 Systematik von Macharzina/Wolf ......................................................................... 395 4.1.3.3 Systematik von Andler .......................................................................................... 396 4.1.3.4 Systematik von Bea/Haas ...................................................................................... 397 4.1.3.5 Hier zugrundeliegende Systematik ........................................................................ 398 4.2 Phasenstruktur von Beratungsprojekten .........................................................................400 4.2.1 Akquisitionsphase .................................................................................................................. 400 4.2.1.1 Prozessschritte und Beratungstechnologien der Akquisitionsphase ...................... 400 4.2.1.2 Risiken in der Akquisitionsphase .......................................................................... 401 4.2.2 Analysephase ......................................................................................................................... 402 4.2.2.1 Prozessschritte und Beratungstechnologien der Analysephase ............................. 402 4.2.2.2 Risiken in der Analysephase .................................................................................. 403 4.2.3 Problemlösungsphase............................................................................................................. 404 4.2.3.1 Prozessschritte und Beratungstechnologien der Problemlösungsphase ................. 404 4.2.3.2 Risiken in der Problemlösungsphase ..................................................................... 405 4.2.4 Implementierungsphase ......................................................................................................... 405 4.2.4.1 Prozessschritte und Beratungstechnologien der Implementierungsphase.............. 405 4.2.4.2 Risiken in der Implementierungsphase .................................................................. 406 4.3 Beratungstechnologien zur Informationsbeschaffung ....................................................409 4.3.1 Kommunikationstechniken .................................................................................................... 409 4.3.1.1 Workshop............................................................................................................... 409 4.3.1.2 Moderation............................................................................................................. 411 4.3.1.3 Diskussion ............................................................................................................. 412 4.3.1.4 Kartenabfrage ........................................................................................................ 412 4.3.1.5 Präsentation ........................................................................................................... 414 4.3.2 Techniken zur Informationsbeschaffung und -darstellung .................................................... 415 4.3.2.1 Auswertung von Sekundärdaten ............................................................................ 416 4.3.2.2 Darstellung von Sekundärdaten (Company Profiling) ........................................... 416 4.3.2.3 Primärerhebungen .................................................................................................. 418 4.3.3 Prognosetechniken ................................................................................................................. 421 4.3.3.1 Prognosetechniken auf Basis von Befragungen..................................................... 422 4.3.3.2 Prognosetechniken auf der Basis von Indikatoren ................................................. 425 4.3.3.3 Prognosetechniken auf der Basis von Zeitreihen ................................................... 426 4.3.3.4 Prognosetechniken auf der Basis von Funktionen ................................................. 427 4.4 Beratungstechnologien zur Analyse und Zielsetzung ....................................................430 4.4.1 Tools zur Umwelt-, Wettbewerbs- und Unternehmensanalyse.............................................. 430 4.4.1.1 SWOT/TOWS-Analyse ......................................................................................... 430 4.4.1.2 Ressourcenanalyse ................................................................................................. 432 4.4.1.3 Konzept der Kritischen Erfolgsfaktoren ................................................................ 433 4.4.1.4 7-S-Modell ............................................................................................................. 433 4.4.1.5 Five-Forces-Modell ............................................................................................... 435 4.4.1.6 Analyse der Kompetenzposition ............................................................................ 440 4.4.1.7 Stakeholderanalyse ................................................................................................ 441 4.4.1.8 Wertkettenanalyse.................................................................................................. 442 4.4.1.9 Benchmarking........................................................................................................ 445 4.4.2 Tools zur Zielformulierung .................................................................................................... 448 4.4.2.1 Zielvereinbarung nach dem SMART-Prinzip ........................................................ 448 4.4.2.2 Kennzahlensysteme ............................................................................................... 449 4.4.2.3 Mittel-Zweck-Schema zur Zielbildung.................................................................. 454 4.4.2.4 Balanced Scorecard ............................................................................................... 457 4.4.3 Tools zur Problemstrukturierung ........................................................................................... 458 4.4.3.1 Aufgabenanalyse.................................................................................................... 460 4.4.3.2 Kernfragenanalyse ................................................................................................. 460
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4.4.3.3
XXI
Sequenzanalyse...................................................................................................... 462
4.5 Beratungstechnologien zur Problemlösung ....................................................................463 4.5.1 Planungs- und Kreativitätstechniken ..................................................................................... 463 4.5.1.1 Brainstorming ........................................................................................................ 463 4.5.1.2 Brainwriting ........................................................................................................... 464 4.5.1.3 Methode 635 .......................................................................................................... 464 4.5.1.4 Synektik ................................................................................................................. 465 4.5.1.5 Bionik .................................................................................................................... 466 4.5.1.6 Morphologischer Kasten........................................................................................ 466 4.5.1.7 Mind Mapping ....................................................................................................... 467 4.5.1.8 Osborn-Methode .................................................................................................... 468 4.5.2 Tools zur Strategiewahl ......................................................................................................... 469 4.5.2.1 Erfahrungskurve .................................................................................................... 470 4.5.2.2 Lebenszyklusmodelle ............................................................................................ 471 4.5.3 Portfoliotechniken.................................................................................................................. 473 4.5.3.1 BCG-Matrix (4-Felder-Matrix).............................................................................. 473 4.5.3.2 McKinsey-Matrix (9-Felder-Matrix) ..................................................................... 476 4.5.3.3 ADL-Matrix (20-Felder-Matrix)............................................................................ 477 4.5.4 Tools zur Formulierung der strategischen Stoßrichtungen .................................................... 480 4.5.4.1 Wachstumsstrategien ............................................................................................. 480 4.5.4.2 Strategien in schrumpfenden Märkten ................................................................... 485 4.5.4.3 Wettbewerbsstrategien ........................................................................................... 488 4.5.4.4 Markteintrittsstrategien .......................................................................................... 492 4.5.5 Beratungsprodukte ................................................................................................................. 496 4.5.5.1 Gemeinkostenwertanalyse ..................................................................................... 497 4.5.5.2 Zero-Base-Budgeting............................................................................................. 499 4.5.5.3 Nachfolgeregelung................................................................................................. 500 4.5.5.4 Mergers & Acquisitions ......................................................................................... 504 4.5.5.5 Business Process Reengineering............................................................................ 506 4.5.6 Modellierungstools im Geschäftsprozessmanagement .......................................................... 512 4.5.6.1 Ereignisorientierte Prozesskette (EPK) ................................................................. 513 4.5.6.2 Business Process Model and Notation (BPMN) .................................................... 514 4.5.6.3 Vergleich beider Modellierungstools..................................................................... 514 4.6 Beratungstechnologien zur Implementierung .................................................................518 4.6.1 Projektmanagement-Tools ..................................................................................................... 518 4.6.1.1 Phasen im Projektmanagement .............................................................................. 518 4.6.1.2 Prince2 ................................................................................................................... 519 4.6.1.3 PMBoK .................................................................................................................. 523 4.6.1.4 Besondere Aspekte des Projektmanagements ........................................................ 526 4.6.2 Agile Tools ............................................................................................................................ 527 4.6.2.1 Das Agile Manifest ................................................................................................ 527 4.6.2.2 Scrum ..................................................................................................................... 530 4.6.2.3 Design Thinking .................................................................................................... 533 4.6.2.4 IT-Kanban.............................................................................................................. 535 4.6.3 Qualitätsmanagement-Tools .................................................................................................. 537 4.6.3.1 Fehlersammelliste .................................................................................................. 538 4.6.3.2 Histogramm ........................................................................................................... 539 4.6.3.3 Kontrollkarte .......................................................................................................... 540 4.6.3.4 Ursache-Wirkungsdiagramm ................................................................................. 541 4.6.3.5 Pareto-Diagramm................................................................................................... 542 4.6.3.6 Korrelationsdiagramm ........................................................................................... 544 4.6.3.7 Flussdiagramm....................................................................................................... 545 4.6.4 Tools zur Evaluierung............................................................................................................ 546 4.6.4.1 Kundenzufriedenheitsanalyse ................................................................................ 546 4.6.4.2 Auftragsbeurteilung ............................................................................................... 548 4.6.4.3 Anschlussakquisition ............................................................................................. 548
XXII
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5. Personal und Management der Unternehmensberatung ...................................................549 5.1 Die Personalmarketing-Gleichung für Unternehmensberatungen ......................................552 5.1.1 Die personale Wertschöpfungskette ...................................................................................... 552 5.1.2 Analogien zum klassischen Marketing .................................................................................. 553 5.2 High Potentials als bevorzugte Zielgruppe der Recruiter ...............................................556 5.2.1 Wodurch sich High Potentials auszeichnen ........................................................................... 556 5.2.2 Kompetenz, Intuition und Haltung ........................................................................................ 557 5.2.3 High Potentials und Talente ................................................................................................... 559 5.3 Personalakquisition – Optimierung der Personalgewinnung ........................................563 5.3.1 Segmentierung des Arbeitsmarktes........................................................................................ 564 5.3.1.1 Personalbedarfsplanung und Fluktuation............................................................... 564 5.3.1.2 Stellenbeschreibung und Anforderungsprofil ........................................................ 567 5.3.1.3 Personalbeschaffungswege .................................................................................... 569 5.3.1.4 Analyse des Arbeitsmarktes .................................................................................. 571 5.3.1.5 Auswahl und Relevanz der Marktsegmente .......................................................... 572 5.3.1.6 Wettbewerbsintensität............................................................................................ 575 5.3.2 Positionierung im Arbeitsmarkt ............................................................................................. 576 5.3.2.1 Bewerbernutzen und Bewerbervorteil ................................................................... 576 5.3.2.2 Positionierungselemente als Kriterien bei der Arbeitgeberwahl............................ 577 5.3.2.3 Employer Branding................................................................................................ 581 5.3.2.4 Candidate Journey ................................................................................................. 582 5.3.3 Signalisierung im Arbeitsmarkt ............................................................................................. 584 5.3.3.1 Signalisierungsinstrumente .................................................................................... 585 5.3.3.2 E-Recruiting........................................................................................................... 588 5.3.3.3 Effektivität und Effizienz von Recruiting-Kanälen ............................................... 593 5.3.4 Kommunikation mit dem Bewerber....................................................................................... 594 5.3.4.1 Kommunikationsmaßnahmen ................................................................................ 595 5.3.4.2 Social Media .......................................................................................................... 600 5.4 Personalauswahl und -integration – Optimierung der Bewerberakzeptanz .................604 5.4.1 Personalauswahlprozess......................................................................................................... 604 5.4.2 Instrumente der Personalauswahl .......................................................................................... 605 5.4.2.1 Bewerbungsunterlagen .......................................................................................... 605 5.4.2.2 Vorauswahl ............................................................................................................ 609 5.4.2.3 Bewerbungsgespräch ............................................................................................. 611 5.4.2.4 Assessment Center ................................................................................................. 614 5.4.2.5 Unterstützung durch Bewerbermanagementsysteme ............................................. 614 5.4.3 Rekrutierungsunterschiede zwischen Strategie- und IT-Beratung ......................................... 615 5.4.4 Personalintegration ................................................................................................................ 616 5.4.5 Personaleinsatz....................................................................................................................... 618 5.5 Personalvergütung – Optimierung der Gerechtigkeit .....................................................620 5.5.1 Funktionen der Personalvergütung ........................................................................................ 621 5.5.2 Komponenten der Personalvergütung .................................................................................... 622 5.5.2.1 Fixe und variable Vergütung ................................................................................. 622 5.5.2.2 Vergütungsniveau der Consultingbranche ............................................................. 624 5.5.2.3 Zusatzleistungen .................................................................................................... 625 5.5.2.4 Cafeteria-System.................................................................................................... 627 5.5.2.5 Deferred Compensation ......................................................................................... 627 5.5.2.6 Zusatzleistungen für die Generation Z................................................................... 628 5.5.3 Aspekte der Entgeltgerechtigkeit ........................................................................................... 629 5.5.3.1 Gerechtigkeitsprinzipien ........................................................................................ 630 5.5.3.2 Gerechtigkeitsdimensionen.................................................................................... 631 5.5.4 Anforderungsgerechtigkeit und Karrierestufe ....................................................................... 631 5.5.5 Marktgerechtigkeit und Gehaltsbandbreiten .......................................................................... 632 5.5.6 Leistungsgerechtigkeit und variable Vergütung .................................................................... 633 5.5.6.1 Bemessungsgrundlagen der variablen Vergütung ................................................. 633 5.5.6.2 Zusammensetzung der variablen Vergütung ......................................................... 634 5.5.6.3 Zielarten variabler Vergütung................................................................................ 635
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XXIII
5.6 Personalführung – Optimierung der Wertschätzung ......................................................637 5.6.1 Bedeutungswandel in der Personalführung............................................................................ 638 5.6.1.1 Verhalten von Individuen ...................................................................................... 638 5.6.1.2 Verhalten von Teams ............................................................................................. 643 5.6.2 Aspekte und Dimensionen der Führung................................................................................ 646 5.6.2.1 Führungsprozess .................................................................................................... 646 5.6.2.2 Führungsaufgaben.................................................................................................. 648 5.6.2.3 Führungsinstrumente ............................................................................................. 651 5.6.2.4 Führungsstil ........................................................................................................... 654 5.6.3 Klassische Führungsansätze und -theorien ............................................................................ 655 5.6.3.1 Erfolg als gemeinsamer Maßstab ........................................................................... 655 5.6.3.2 Eigenschaftsorientierte Führungsansätze ............................................................... 657 5.6.3.3 Verhaltensorientierte Führungsansätze .................................................................. 657 5.6.3.4 Situative Führungsansätze ..................................................................................... 657 5.6.3.5 Kognitive Ansätze der Führungsforschung ........................................................... 658 5.6.4 Neue Führungsansätze und -konzepte ................................................................................... 658 5.6.4.1 Einflussfaktoren neuer Führung............................................................................. 659 5.6.4.2 Ausprägungen neuer Führung................................................................................ 660 5.6.5 Zur Vereinbarkeit alter und neuer Führungskonzepte .......................................................... 665 5.6.5.1 New Work und Homeoffice................................................................................... 665 5.6.5.2 Neues Führungsverständnis ................................................................................... 666 5.6.5.3 Führung mit Begeisterung und Offenheit .............................................................. 667 5.6.5.4 Hybride Führungskraft........................................................................................... 668 5.6.5.5 Zur Demokratisierung von Führung ...................................................................... 669 5.6.5.6 Unverhandelbare Führungsaspekte ........................................................................ 671 5.7 Personalbeurteilung – Optimierung der Fairness ...........................................................673 5.7.1 Beteiligte und Formen der Personalbeurteilung..................................................................... 674 5.7.2 Beurteilungsfehler.................................................................................................................. 676 5.7.2.1 Intrapersonelle Einflüsse ....................................................................................... 678 5.7.2.2 Interpersonelle Einflüsse ....................................................................................... 678 5.7.3 Kriterien der Personalbeurteilung .......................................................................................... 679 5.7.3.1 Systematisierung nach den Bezugsgrößen ............................................................. 679 5.7.3.2 Systematisierung nach dem zeitlichen Horizont .................................................... 680 5.7.3.3 Systematik nach dem Grad der Quantifizierung .................................................... 682 5.7.4 Das Beurteilungsfeedback ..................................................................................................... 684 5.7.5 Kritische Würdigung des Year End Reviews ........................................................................ 685 5.8 Personalentwicklung – Optimierung der Forderung und Förderung ............................686 5.8.1 Aufgabe und Ziel der Personalentwicklung ........................................................................... 686 5.8.2 Qualifikation und Kompetenz ................................................................................................ 688 5.8.3 Führungskräfteentwicklung ................................................................................................... 691 5.8.4 Weitere Aspekte der Führungskräfteentwicklung.................................................................. 693 5.8.4.1 Führungs- und Fachlaufbahn ................................................................................. 693 5.8.4.2 Coaching ................................................................................................................ 694 5.8.4.3 Mentoring .............................................................................................................. 695 5.8.5 Genderspezifische Personalentwicklung................................................................................ 695 5.9 Personalfreisetzung – Optimierung der Erleichterung ...................................................697 5.9.1 Rahmenbedingungen der Personalfreisetzung ....................................................................... 697 5.9.2 Personalfreisetzung ohne Personalabbau ............................................................................... 700 5.9.2.1 Versetzung ............................................................................................................. 700 5.9.2.2 Arbeitszeitverkürzung............................................................................................ 700 5.9.3 Personalfreisetzung mit Personalabbau ................................................................................. 702 5.9.3.1 Indirekte Personalfreisetzung ................................................................................ 702 5.9.3.2 Direkte Personalfreisetzung ................................................................................... 703 5.9.4 Die Kündigung....................................................................................................................... 705 5.9.4.1 Kündigung aus eigenem Antrieb ........................................................................... 705 5.9.4.2 Arbeitgeberinduzierte Kündigung ......................................................................... 707 5.9.5 Entlassungsgespräch und Austrittsinterview ......................................................................... 710
XXIV
Inhaltsverzeichnis
6. Controlling und Organisation der Unternehmensberatung..................................................712 6.1 Controlling als Konzept der Unternehmensführung .......................................................714 6.1.1 Der Controlling-Begriff ......................................................................................................... 714 6.1.2 Controlling als Informationsfunktion .................................................................................... 715 6.1.3 Controlling als Steuerungsfunktion ....................................................................................... 717 6.1.4 Controlling als Koordinationsfunktion .................................................................................. 718 6.2 Unternehmenscontrolling ..................................................................................................720 6.2.1 Kostenstrukturen von Beratungsunternehmen ....................................................................... 720 6.2.1.1 Modellrechnungen für die Strategieberatung......................................................... 722 6.2.1.2 Modellrechnungen für die IT-Beratung ................................................................. 724 6.2.2 Zusammenfassung der wichtigsten Modellparameter............................................................ 726 6.3 Projektcontrolling ................................................................................................................728 6.3.1 Projekte und Projektergebnisrechnung .................................................................................. 728 6.3.2 Varianten der Projektergebnisrechnung ................................................................................. 729 6.3.2.1 Projektergebnisrechnung als Vollkostenrechnung (Variante 1) ............................ 729 6.3.2.2 Projektergebnisrechnung als Proportionalkostenrechnung (Variante 2)................ 730 6.3.2.3 Projektergebnisrechnung als Einzelkostenrechnung (Variante 3) ......................... 730 6.3.2.4 Projektergebnisrechnung Deckungsbeitragsrechnung (Variante 4) ....................... 731 6.4 Organisationsstrukturen von Beratungsunternehmen ...................................................732 6.4.1 Organisationsansätze und Anforderungen von Beratungsunternehmen ................................ 732 6.4.1.1 Funktionale Organisation....................................................................................... 732 6.4.1.2 Objektorientierte Organisation .............................................................................. 733 6.4.1.3 Matrix- und Tensororganisation ............................................................................ 734 6.4.2 Kriterien für die Wahl von Strukturformen ........................................................................... 737 6.4.3 Modell einer Organisationsstruktur für Beratungsunternehmen ............................................ 738 6.4.3.1 Kern-Matrix-Struktur............................................................................................. 738 6.4.3.2 Enabling-Struktur .................................................................................................. 740 6.4.3.3 Arbeitsstruktur ....................................................................................................... 743 6.5 Agile Organisation ..............................................................................................................745 6.5.1 Softwareentwicklung als Modell für Organisationsentwicklung ........................................... 745 6.5.2 Unterschiede zur klassischen Organisation............................................................................ 748 6.5.3 Bewertung .............................................................................................................................. 749 6.5.4 Datengetriebene Agilität ........................................................................................................ 752 6.6 Auslagerung von Organisationseinheiten........................................................................755 6.6.1 Shared Service Center............................................................................................................ 755 6.6.2 Geografische Auslagerung von Organisationseinheiten (X-Shoring).................................... 757 6.6.3 Rechtliche Auslagerung von Organisationseinheiten (Outsourcing) ..................................... 758 6.7 Change Management ..........................................................................................................761 6.7.1 Ursachen und Aktionsfelder von Change .............................................................................. 761 6.7.2 Promotoren und Opponenten ................................................................................................. 764 6.7.3 Veränderung und Widerstand ................................................................................................ 765 6.7.4 Veränderung und Reaktionstypen .......................................................................................... 767 6.7.5 Erfolgsfaktoren von Change-Projekten.................................................................................. 768
Literatur ........................................................................................................................................772 Abbildungsverzeichnis ...............................................................................................................792 Insertverzeichnis .........................................................................................................................801 Sachwortverzeichnis...................................................................................................................805
1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung 1.1 Berufsfeld Beratung ....................................................................................................... 4 1.1.1 Motivation............................................................................................................................4 1.1.2 Begriffliche Abgrenzungen..................................................................................................7 1.1.3 Einstieg in die Unternehmensberatung ................................................................................9 1.1.3.1 Studiengang Consulting .......................................................................................9 1.1.3.2 War for Talents ...................................................................................................11 1.1.3.3 Hochschulqualität ...............................................................................................13 1.1.3.4 Bachelor-/Mastersystem .....................................................................................15 1.1.3.5 Studienrichtung ..................................................................................................17 1.1.3.6 Karriereförderung ...............................................................................................18 1.1.4 Berufsbild des Unternehmensberaters ...............................................................................19 1.1.4.1 Berufsausübung und vertragliche Grundlagen ...................................................19 1.1.4.2 Unternehmensberatung und Ethik ......................................................................21 1.1.4.3 Certified Management Consultant ......................................................................23 1.1.4.4 BDU und seine Berufsgrundsätze ......................................................................23 1.1.5 Erfolgsfaktoren der Unternehmensberatung ......................................................................25 1.2 Perspektiven und Dimensionen der Beratung .......................................................... 29 1.2.1 Dienstleistungsperspektive ................................................................................................30 1.2.1.1 Abgrenzung zwischen Dienstleistungen und Sachleistungen ............................30 1.2.1.2 Leistungstypologien ...........................................................................................32 1.2.2 Institutionelle Perspektive..................................................................................................35 1.2.2.1 Beratungsträger ..................................................................................................35 1.2.2.2 Beratungsadressaten ...........................................................................................36 1.2.2.3 Beratungsobjekte ................................................................................................37 1.2.3 Funktionale Perspektive .....................................................................................................38 1.2.4 Systembezogene Perspektive .............................................................................................42 1.2.4.1 Beratungssystem .................................................................................................42 1.2.4.2 Kunden-Berater-Beziehung ................................................................................43 1.2.4.3 Beraterrollen und Kundenerwartungen ..............................................................44 1.2.5 Prozessbezogene Perspektive ............................................................................................47 1.2.5.2 Phasen des Beratungsprozesses ..........................................................................49 1.2.5.3 Prozessberatung vs. Inhaltsberatung ..................................................................51 1.2.6 Instrumentell-methodische Perspektive .............................................................................51 1.2.7 Technologische Perspektive ..............................................................................................53 1.2.7.1 Individuelle, flexible Technologie......................................................................54 1.2.7.2 Standardisierte Technologie (Tools) ..................................................................54 1.2.7.3 Starre Technologie (Beratungsprodukte) ...........................................................55 1.2.8 Theoretische Perspektive ...................................................................................................57 1.2.8.1 Property-Rights-Theorie .....................................................................................58 1.2.8.2 Principal-Agent-Theorie .....................................................................................59 1.2.8.3 Transaktionskostentheorie ..................................................................................60 1.2.8.4 Informationsökonomik .......................................................................................62 1.3 Entwicklung der Beratungsbranche ........................................................................... 64 1.3.1 Initialisierung und Professionalisierung ............................................................................64 1.3.2 Internationalisierung und Differenzierung .........................................................................66 1.3.3 Boom und Überhitzung ......................................................................................................71 1.3.4 Konsolidierung und Erholung ............................................................................................72 1.3.5 Consulting 4.0 ....................................................................................................................75 1.3.5.1 Erklärungsansätze zu Consulting 4.0 .................................................................75 1.3.5.2 Wege zur digitalen Beratung ..............................................................................77
2
1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
1.4 Struktur der Beratungsbranche .................................................................................. 80 1.4.1 Allgemeine Branchenkennzahlen ......................................................................................80 1.4.2 Struktur der Nachfrageseite – Branchenanalyse ................................................................81 1.4.3 Struktur der Angebotsseite – Beratungsfelder ...................................................................82 1.4.4 Das Consulting-Kontinuum ...............................................................................................83 1.4.4.1 Dreiteilung des Unternehmensberatungsmarktes ...............................................83 1.4.4.2 BDU-Systematik ................................................................................................84 1.4.4.3 Plan-Build-Run-Modell ......................................................................................85 1.4.4.4 Lünendonk-Systematik .......................................................................................87 1.4.4.5 BITP-Anbietergruppe – Konzept der Gesamtdienstleistungen ..........................89 1.5 Inhalte ausgewählter Beratungsbereiche ..................................................................... 92 1.5.1 Strategieberatung ...............................................................................................................92 1.5.1.1 Anlässe der Strategieberatung ............................................................................92 1.5.1.2 Ebenen der Strategieberatung .............................................................................93 1.5.1.3 Typische Aufgaben der Strategieberatung .........................................................94 1.5.2 Organisations- und Prozessberatung ..................................................................................95 1.5.2.1 Abgrenzung zu anderen Beratungsfeldern .........................................................96 1.5.2.2 Beziehungen zwischen Organisations- bzw. Prozessberater und Kunden .........96 1.5.2.3 Ansätze in der Organisations- und Prozessberatung ..........................................97 1.5.3 IT- und Technologieberatung ............................................................................................98 1.5.3.1 Besonderheiten der IT- und Technologieberatung .............................................98 1.5.3.2 IT-Spezialberatungen .........................................................................................98 1.5.3.3 Technology Services ..........................................................................................99 1.5.4 IT-Outsourcing.................................................................................................................100 1.6 Angrenzende Bereiche der Unternehmensberatung .............................................. 102 1.6.1 Consulting und Software .................................................................................................102 1.6.2 Consulting und Wirtschaftsprüfung .................................................................................104 1.6.2.1 Aufgaben des Wirtschaftsprüfers .....................................................................105 1.6.2.2 Von den Big Eight zu den Big Four .................................................................106 1.6.3 Consulting und Steuerberatung ........................................................................................114 1.6.4 Consulting und Outsourcing ............................................................................................115 1.6.5 Consulting und Inhouse Consulting .................................................................................116 1.6.6 Consulting und Personalberatung ....................................................................................122 1.6.6.1 Personalberatung im engeren Sinn ...................................................................125 1.6.6.2 Personalberatung im weiteren Sinn ..................................................................125
1.1 Berufsfeld Beratung
3
1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
Es muss gute Gründe dafür geben, dass der Beratungsmarkt immer noch deutlich schneller wächst als die Wirtschaft und dass Konzerne dazu übergegangen sind, eigene interne Unternehmensberatungsgruppen aufzubauen. Was macht die Faszination des Beratungsgeschäfts aus? Was spricht für den Einsatz von Unternehmensberatern? Welchen Nutzen, welchen Mehrwert bieten Beratungsleistungen? Warum drängen so viele Hochschulabsolventen in dieses Tätigkeitsfeld? Aber: Warum wird der Unternehmensberatung gleichzeitig mit so viel Skepsis begegnet? Das 1. Kapitel gibt Antworten auf diese Fragen und stellt sie in einen Gesamtzusammenhang mit folgenden Aspekten:
Beruflicher Einstieg in die Unternehmensberatung Aussagen zum Studiengang ‚Consulting‘ als Grundlage für den Einstieg Aussagen über die Erfolgsfaktoren der Unternehmensberatung Aussagen über die verschiedenen Perspektiven und Dimensionen der Unternehmensberatung Aussagen über Beratungsfunktionen, Beraterrollen und Anforderungen der Kundenunternehmen an die Beratungstätigkeit Aussagen über das vermeintliche ‚Consulting 4.0‘ und die Digitalisierung der Beratungsbranche Aussagen über Entwicklung und Struktur des deutschen und des internationalen Beratungsmarktes Aussagen über die Abgrenzung zu Bereichen wie Softwareerstellung, Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung, Outsourcing und Personalberatung Aussagen über Inhouse Consulting und das Verhältnis zur externen Beratung Aussagen über Ethik und Berufsbild des Unternehmensberaters.
4
1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
1.1 Berufsfeld Beratung 1.1.1 Motivation Nur wenige Professionen haben es so hautnah mit den aktuellen Herausforderungen von Wirtschaft und Gesellschaft zu tun wie die der Unternehmensberater. Nur wenige Professionals wissen über Trends in Management, Technologie und Organisation ähnlich gut Bescheid wie Berater. Diese gehören einer Branche an, die sich wie kaum eine andere dynamisch bewegt und täglich vor neue Herausforderungen gestellt wird. Sie, die dieses Business betreiben, erleben hautnah mit, wie sich Unternehmen, ganze Branchen und Märkte in kurzer Zeit bewegen und verändern. Die Begleitung des Wandels (engl. Change) ist das tägliche Brot des Beraters. Für die Kunden ist dies eine hochprofessionelle Dienstleistung, über die man kurzfristig nicht verfügt und sie deshalb vorübergehend ins Unternehmen holt. Mit der Nachfrage nach externer Lösungskompetenz für strategische und operative Fragen ist zugleich auch das unternehmerische Konzept arbeitsteiliger Spezialisierung verbunden. Eine solche Arbeitsteilung funktioniert immer dann, wenn Neutralität, Objektivität und Unabhängigkeit sowie Kompetenz, analytische Brillanz und innovative Kreativität zu den Vorgaben eines jeden Beraters zählen. Dank solcher hohen Standards, verbunden mit den entsprechenden Arbeitsergebnissen, konnte sich die Beratungsbranche in den letzten dreißig Jahren zu einer der attraktivsten Industrien entwickeln, die um ein Vielfaches schneller wächst als die Wirtschaft insgesamt [vgl. Berger 2004, S. 1]. Attraktiv – aber nicht nur für Stake- und Shareholder, sondern auch für Hochschulabsolventen: Die Beratungsbranche hat sich in sehr kurzer Zeit zum attraktivsten Arbeitgeber für High Potentials entwickelt. Nach einer Trendenz-Studie ist sie bereits im Jahre 2006 die meist genannte Wunschbranche der BWL-Hochschulabsolventen. Nahezu jeder zweite BWL-Studierende sieht in der Unternehmensberatung den idealen Karriereeinstieg. Eine Abwechslungsreiche, herausfordernde Tätigkeit, gutes Arbeitsklima, selbstständiges Arbeiten, hervorragende Weiterbildungsmöglichkeiten und gute Bezahlung werden mit dem Berufsbild des Beraters in Verbindung gebracht (siehe Abbildung 1-01). Wunschbranche für den Berufseinstieg Anzahl der Nennungen in Prozent*
38
48
Assoziationen mit dem Berufsbild „Consultant“ • Abwechslung
41
• Gutes Arbeitsklima • Herausfordernde Tätigkeit • Selbstständiges Arbeiten • Weiterbildungsmöglichkeiten • Engagierte Teammitglieder
11
• Gute Bezahlung … und last but not least: • Idealer Karriereeinstieg
Behörden
Universität Forschung
Industrie
Consulting
* Mehrfachnennungen möglich
[Quelle: Trendence 2006]
Abb. 1-01:
Wunschbranche für den Berufseinstieg von BWL-Studierenden
1.1 Berufsfeld Beratung
5
Heute sind es in Deutschland knapp drei Millionen Studierende, von denen wiederum (als größte Gruppe) die Wirtschaftswissenschafter (angehende Betriebswirte, Volkswirte, Wirtschaftsingenieure, Wirtschaftsinformatiker) ein Sechstel, also rund eine halbe Million ausmachen. Von diesen knapp 500.000 Studierenden haben 2018 nach einer repräsentativen Umfrage von EY unter 2.000 Studierenden der Wirtschaftswissenschaften erstaunliche 48 Prozent – also knapp die Hälfte – Consulting bzw. Beratung/Prüfung als Wunschbranche genannt. Und selbst bei den angehenden Juristen liegt Beratung/Prüfung mit 44 Prozent aller Befragten an zweiter Stelle nur knapp hinter dem öffentlichen Dienst (45 Prozent) (siehe Insert 1-01).
Insert 1-01:
Attraktive Branchen für Wirtschaftswissenschaftler und Juristen
Die Beratungsbranche hat sich also in sehr kurzer Zeit zu einem der attraktivsten Arbeitgeber insbesondere für High Potentials entwickelt. Nahezu jeder zweite von ihnen sieht in der Unternehmensberatung den idealen Karriereeinstieg. Eine abwechslungsreiche, herausfordernde Tätigkeit, gutes Arbeitsklima, selbstständiges Arbeiten, hervorragende Weiterbildungsmöglichkeiten und gute Bezahlung werden mit dem Berufsbild des Beraters in Verbindung gebracht.
6
1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
Für viele Hochschulabsolventen ist dieser Berufseinstieg auch deshalb ideal, weil er eine streng praxisorientierte Grundausbildung erhält und sich prinzipiell nicht gleich zu Beginn seines Berufslebens auf eine Branche oder auf einen Funktionsbereich festlegen muss. Die beraterische Grundausbildung erhält der Berufsanfänger in größeren Beratungsunternehmen schwerpunktmäßig durch Training-off-the-job-Maßnahmen, d. h. durch spezielle, nicht fakturierbare Ausund Fortbildungsmaßnahmen, die teilweise in eigenen Trainingszentren oder Hochschulen („Corporate Universities“) durchgeführt werden. In kleineren Beratungsunternehmen erfolgt diese Grundausbildung zum Berater dagegen regelmäßig im Rahmen von Training-on-the-jobMaßnahmen. Den offensichtlichen Vorzügen dieser Profession stehen außerordentlich hohe Anforderungen an Mobilität und Flexibilität als Nachteil gegenüber. Besonders im Fokus steht dabei eine Work-Life-Balance, die vor allem die weiblichen Berater vor hohe Herausforderungen stellt. Überdies ist es eine Tatsache, dass nahezu jedes Beratungsprojekt überall angesiedelt ist, nur nicht am eigenen Standort. Und doch ist der Anteil weiblicher Consultants, die von diesen Nachteilen in der Regel besonders betroffen sind, in den letzten Jahren signifikant gestiegen. Aus Sicht der Unternehmensberatungen befindet sich dieser Anteil aber immer noch auf deutlich zu niedrigem Niveau. So beträgt der weibliche Anteil auf Leitungsebene 14 Prozent, 26 Prozent bei den Senior Consultants und 41 Prozent bei den Berufseinsteigern (siehe Abbildung 1-02). Über alle Ebenen hinweg beträgt der Anteil weiblichen Mitarbeiter in der Beratungsbranche 39 Prozent [vgl. BDU 2022, S. 8]. Anteile weiblicher und männlicher Mitarbeiter in der Unternehmensberatung 2021
14%
Management
86%
26%
Senior Consultants
74%
41%
Junior Consultants
67%
Backoffice 0% [Quelle: BDU 2022, S. 8]
Abb. 1-02:
59%
10%
20%
30%
33% 40%
weiblich
50%
60%
70%
80%
90%
100%
männlich
Mitarbeiter in der Unternehmensberatung nach dem Geschlecht 2021
Es ist zwar eine Tatsache, dass Frauen aus familiären Gründen häufiger Abstriche in Bezug auf den eigenen Beruf und die eigene Karriere machen als Männer. Aber besonders die High Potentials unter den weiblichen Arbeitnehmern werden immer wichtiger und damit begehrter für die Unternehmensberatungen. Um Frauen an das Unternehmen zu binden und besser zu integrieren, achten immer mehr Beratungsunternehmen neben einer familienfreundlichen Gestaltung der Arbeitszeiten gezielt auf die Förderung der Karriere von weiblichen Arbeitnehmern.
1.1 Berufsfeld Beratung
7
1.1.2 Begriffliche Abgrenzungen Ebenso wie das Wesen des Marketing im Grunde nichts anderes als Differenzierung ist, so ist das Wesen des Consulting im Kern nichts anderes als Change, also Veränderung, oder noch deutlicher: Verbesserung (engl. Improvement). Schließlich wird die Beratungsleistung zumeist dann in Anspruch genommen, wenn es sich um die externe Begleitung betrieblicher Veränderungen handelt, die zu einer Verbesserung der Unternehmenssituation führen soll. In diesem Sinne auch die Definition von Peter Block: „Eine Beratung ist nichts anderes als der Versuch, eine Situation zu verändern oder zu verbessern, wobei jedoch der Berater keinen direkten Einfluss darauf hat, inwieweit seine Veränderungsvorschläge in die Tat umgesetzt werden. Bewirkt man direkte Veränderungen, ist man Manager, nicht Berater (...)” [Block 2000, S. 11]. Demnach lässt sich knapp formulieren: Consulting ist die externe Unterstützung zur erfolgreichen Bewältigung des Wandels. Aufgrund der nahezu unendlich vielen Facetten der Tätigkeiten einer Unternehmensberatung ist es fast unmöglich, eine umfassende Definition dieser Dienstleistung vorzunehmen. Dennoch lassen sich einige Eckpunkte (als konstitutive Merkmale) zur definitorischen Eingrenzung festhalten: Art der Tätigkeit: überwiegend entgeltliche, individuelle und höherwertige professionelle Dienstleistung; Durchführende(r) der Tätigkeit: eine oder mehrere (qualifizierte) Person(en); Adressat der Tätigkeit: Unternehmen/Organisationen; Inhalt der Tätigkeit: in Abhängigkeit des Kundenwunsches die Identifikation, Definition und Analyse von Problemstellungen sowie unabhängige Empfehlung, Planung, Erarbeitung, Umsetzung und Kontrolle von Problemlösungen; Ziel der Tätigkeit: Verbesserung der Fähigkeit des Kunden, das zugrunde liegende Problem zu lösen; Gegenstand der Tätigkeit: Strategien, Organisation, Prozesse, Verfahren und Methoden des Kundenunternehmens; Dauer der Tätigkeit: zeitliche Befristung der Dienstleistung; Voraussetzung der Tätigkeit: Expertise und Erfahrung. Daraus lässt sich in Anlehnung an Fink [vgl. 2009a, S. 3] und Nissen [vgl. 2007, S. 3] der Begriff der Unternehmensberatung wie folgt fassen: Unternehmensberatung ist eine eigenverantwortlich, zeitlich befristet, auftragsindividuell und zumeist gegen Entgelt erbrachte professionelle Dienstleistung, die sich an Unternehmen/Organisationen mit dem Ziel richtet, Problemstellungen zu identifizieren und zu analysieren und/oder Handlungsempfehlungen zu erarbeiten, um den Kunden bei der Planung, Erarbeitung und Umsetzung von Problemlösungen zu unterstützen bzw. dessen Fähigkeiten zur Bewältigung des zugrunde liegenden Problems zu verbessern.
8
1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
Dieser Definition liegt sowohl ein transitives als auch ein reflexives Beratungsverständnis zugrunde. Mit dem transitiven Beratungsverständnis ist die Erteilung eines Ratschlags verbunden, d. h. der Berater hilft seinem Kunden mit fachlichem Rat und Sachverstand aus einer Problemsituation. Konstitutiv für das transitive Beratungsverständnis ist die Informationsasymmetrie, also das ungleich verteilte Wissen zwischen den an einem Beratungsprozess beteiligten Personen. Das reflexive Beratungsverständnis unterstreicht die partnerschaftliche Interaktionsbeziehung zwischen den beteiligten Personen und zielt auf die Förderung und Wiederherstellungskompetenz des Kunden, ohne diesem die eigentliche Problemlösung abzunehmen [vgl. Jeschke 2004, S. 13 f.]. Formal ist die Beratung von Unternehmen bzw. Organisationen eine professionelle Dienstleistung. Der Dienstleistungsbegriff dient im Wesentlichen zur Abgrenzung von Sachleistungen (Produkten). Inhaltlich hat das Tätigkeitsfeld des Consultings viele Aspekte. Es reicht im Kern von der klassischen Managementberatung über die Prozess- und IT-Beratung bis hin zum Outsourcing. Diese Kerngebiete sind auch Gegenstand der hier vorliegenden Abhandlung. Schließlich soll noch auf die im angelsächsischen Raum gebräuchliche Bezeichnung Professional Service Firms hingewiesen werden. Professional Service Firms, die zunehmend als eigenständige Gruppe innerhalb der Dienstleistungsunternehmen wahrgenommen werden, erbringen professionelle Dienstleistungen (engl. Professional Services) wie beispielsweise die Unternehmensberatung „ … also Dienstleistungen, die in hohem Maße auf individuelle Kundenbedürfnisse zugeschnitten sind und in meist enger Zusammenarbeit mit dem Kunden unter Einbringung ausgeprägten Fachwissens und Erfahrung hochqualifizierter Mitarbeiter erbracht werden“ [Müller-Stewens et al. 1999, S. 23]. Demnach sind Beratungsunternehmen eine Teilmenge der Professional Service Firms, zu denen auch Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaften, Anwaltskanzleien oder Investmentbanken gehören. Fragt man nach den verschiedenen Anbietergruppen von Beratung, so ist es grundsätzlich unerheblich, ob diese Kerndienstleistungen von Einzelberatern oder von Beratungsunternehmen mit 500 und mehr Mitarbeitern angeboten werden. Auch spielt es keine Rolle, ob diese Beratungsleistungen zum Randportfolio von Finanzdienstleistungsunternehmen, von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften oder von branchenfremden Großunternehmen zählen. Ebenfalls unerheblich ist es, ob diese Dienstleistung als Inhouse Consulting, von Hochschullehrern bzw. Wissenschaftlern oder von studentischen Beratungsgruppen erbracht werden [zu den Berührungspunkten von Wissenschaft und Beratung siehe insbesondere Deelmann 2007, S. 45]. Fragt man weiterhin nach den verschiedenen Ausrichtungen der Beratungsleistungen, so kann der Berater als Generalist oder als Spezialist auftreten. Als Spezialist ist wiederum eine sektorale (branchenbezogene), eine funktionale oder eine thematische Ausrichtung möglich. Weitere denkbare Gegensatzpaare bei der Leistungserbringung sind die Methoden- vs. Produktorientierung, die Projektdurchführung in gemischten oder in autonomen Teams und die Auftragsdurchführung in Form der konkreten Umsetzung (Realisierung) oder lediglich als Realisierungsbegleitung.
1.1 Berufsfeld Beratung
9
Hinsichtlich der Größenordnung und Internationalität von Beratungsunternehmen lässt sich feststellen, dass Auftragsvolumen, Laufzeit und Umfang von Projekten besonders in Verbindung mit der Informations- und Kommunikationstechnik eine Dimension erreicht haben, die das klassische Problemlösungsgeschäft weit hinter sich lassen. So sind gerade im Bereich der Informationsverarbeitung und Systemintegration, in dem der Kunde (z. T. länderübergreifende) Komplettlösungen erwartet, Projekte in zweistelliger Millionenhöhe keine Seltenheit mehr. Solche Projekte können nur von (IT-) Beratungsgesellschaften gestemmt werden, die auch über entsprechende personelle und international ausgerichtete Ressourcen verfügen. Insofern reicht die organisatorische Größenordnung auf der Angebotsseite des Beratungsgeschäfts vom Einzelberater bis zum global aufgestellten Beratungsunternehmen mit deutlich mehr als 100.000 Mitarbeitern. Auf der Grundlage dieser Verständigung über die verschiedenen Anbietergruppen und Ausrichtungen von Beratungsleistungen werden die Begriffe Unternehmensberatung, Beratung und Consulting weitgehend synonym behandelt. Zum Kernberatungsgebiet gehören nach unserem Verständnis die
Strategie- und Managementberatung, Organisations- und Prozessberatung, IT- und Technologieberatung, individuelle Softwareentwicklung, IT-Systemintegration und das IT-Outsourcing.
An das Kernberatungsgebiet angrenzende Bereiche wie Steuerberatung, Wirtschaftsprüfung, Personalberatung, Rechtsberatung, Engineering-Beratung, Standardsoftwareerstellung und vermarktung u. a. werden zwar immer wieder gestreift, zählen aber nicht unbedingt zum Betrachtungsschwerpunkt, der – wenn man denn eine Schwerpunktsetzung vornimmt – eher bei größeren Management- und IT-Beratungsunternehmen liegt. Daher werden die Strategieberatung und die IT-Beratung auch immer wieder als polarisierende und beispielgebende Beratungsfelder (Beratungstypen) herangezogen. 1.1.3 Einstieg in die Unternehmensberatung Aus Sicht vieler Interessenten, die mit dem beruflichen Einstieg in die Unternehmensberatung liebäugeln, stellen sich zunächst zwei Fragen:
Wo kann ich Consulting studieren, d. h. welche Hochschule bietet überhaupt einen Consulting-Studiengang an? Welcher Weg ist der ideale Einstieg in die Unternehmensberatung?
1.1.3.1 Studiengang Consulting
Im Zuge der Bologna-Reform wurden knapp 17.000 verschiedene Studiengänge geschaffen, davon mehr als 2.500 Studiengänge in den Wirtschaftswissenschaften. Darunter sind allerdings
10
1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
lediglich ganze 23 (!) Consulting-Studiengänge zu finden. Diese werden von 20 verschiedenen Hochschulen angeboten [www.studycheck.de]. Besonders bemerkenswert ist, dass lediglich zwei staatliche Universitäten (Bochum und Hamburg) Consulting in ihr Studienprogramm aufgenommen haben. Die übrigen 21 Consulting-Studiengänge entfallen ausschließlich auf Fachhochschulen, darunter sechs Privathochschulen. Bei den „Privaten“ kostet das gesamte Studium zwischen 9.500 und 31.000 Euro. Diese Gebühr ist abhängig von der Anzahl der Semester. Die Regelstudienzeit beim Bachelor beträgt sechs bis sieben Semester und beim Master drei bis vier Semester. Vier Hochschulen bieten jeweils zwei Consulting Studiengänge an, wobei nur die Hochschule Albstadt-Sigmaringen sowohl einen Bachelor- als auch einen Masterstudiengang offeriert. Angesichts dieses Nachfrageüberhangs stellt sich die Frage, ob die „Staatlichen“ den enormen Bedarf an qualifizierter Consulting-Ausbildung nicht erkannt haben oder nicht erkennen wollen. Verwiesen sei in diesem Zusammenhang auf den Handelsblatt-Artikel vom 12. Juli 2021: „Die Berater-Lücke: Consultants und Wirtschaftsprüfer wollen fast 27.000 Stellen neu besetzen“. EY, PwC und Deloitte planen je mit rund 5.000 Neueinstellungen, McKinsey und BCG mit über 1.000. Accenture, die weltweit größte Consultingfirma, deckt in Deutschland einen Teil ihrer Nachfrage an jungen Consultants über die Hochschule Accadis in Bad Homburg mit dem Studiengang ‚Business-IT-Consulting‘ ab. Bemerkenswert ist weiterhin, dass der Begriff „Consulting“ nicht als Solitär in der Bezeichnung des jeweiligen Studiengangs zu finden ist. Die Studiengänge heißen vielmehr (richtigerweise):
Strategic Management Consulting Business IT-Consulting Digital Technology & Consulting Wirtschaftsinformatik mit Schwerpunkt Data Science & Consulting Business Analytics, Controlling & Consulting Business Consulting & Digital Management
Im Insert 1-02 sind die wichtigsten Daten der einzelnen Hochschulen, die einen ConsultingStudiengang anbieten, zusammengestellt.
1.1 Berufsfeld Beratung
Insert 1-02:
11
Deutsche Hochschulen, die den Studiengang ‚Consulting‘ anbieten
1.1.3.2 War for Talents
Um im Wettbewerb um die besonders qualifizierten Bewerber – und das ist die Hauptzielgruppe der Unternehmensberatungen – bestehen zu können, gehen die Berater mehr und mehr dazu
12
1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
über, geeignete Bewerber quasi als Kunden genauso zu umwerben wie die potenziellen Käufer ihrer Dienstleistungen. So setzen insbesondere die größeren Beratungsunternehmen neben Online-Anzeigen das gesamte Spektrum an Kommunikationsmaßnahmen wie Jobmessen, Career Camps, Vergabe von Praktika, Hochschulbotschafter, Referral-Programme etc. ein, um im „War for Talents“ erfolgreich zu sein [vgl. Lippold 2021, S. 127]. Dabei stoßen die personalsuchenden Unternehmensberatungen auf drei besondere Herausforderungen [vgl. Deelmann/Krämer 2020, S. 28]:
Die Anforderung an Bewerber hinsichtlich Wissen, Kompetenzen und Qualifikationen wachsen.
Ansprüche bzw. Erwartungen der Bewerber an Work-Life-Balance, Lebensplanungen und Wertvorstellungen verändern sich (Stichwort: Wertewandel).
Unternehmensberatungen konkurrieren künftig nicht nur mit prestigeträchtigen Industrieund Dienstleistungsunternehmen um die Top-Talente, sondern verstärkt auch mit Startups, die die Möglichkeit bieten, innerhalb kürzester Zeit im Job zu wachsen und Erfahrungen zu sammeln.
Gute Prädiktoren zur Identifizierung von Hochleistern („High Potentials“) sind die Hochschulqualität, Fachrichtung und Fächerkombination, Auslandsaufenthalte, erhaltene Stipendien, Anzahl und Qualität von Praktika, eine zweite Fremdsprache und Aktivitäten außerhalb der Hochschule [vgl. Lippold 2021, S. 127]. Letztlich sind es aber vier herausragende Qualifikationen, die von den personalsuchenden Beratungsunternehmen im Bewerbungsschreiben erwartet werden:
Überdurchschnittlicher Notendurchschnitt
Berufserfahrung (bei Hochschulabsolventen belegt durch funktionsorientierte Praktika oder Praktika in der Beratung und im Ausland)
Berufsausbildung mit Masterabschluss (BWL, VWL, Wirtschaftsingenieur, Informatik und zunehmend Mathematik und Physik)
Außeruniversitäres Engagement.
Diese Qualifikationen sind quasi die Eintrittskarte zum Vorstellungsgespräch. Bei dem Gespräch an sich geht es dann aber um die Persönlichkeit des Kandidaten und nicht mehr um Zeugnisnoten oder Ausbildungsabschlüsse. Im Insert 1-03 sind die fünf wichtigsten Stufen des Bewerbungsprozesses ausführlich dargestellt.
1.1 Berufsfeld Beratung
13
Insert
Warum der Unterschied zwischen Wissen, Kompetenzen und Qualifikationen für Bewerber so wichtig ist Für den beruflichen Einstieg als Consultant ist es nicht entscheidend, ob man sich als Hochschulabsolvent oder nach einem berufsbegleitenden Studium über den zweiten Bildungsweg bewirbt. Wichtig ist einzig und allein, dass man die Chance zu einem Vorstellungsgespräch bei einem Beratungsunternehmen seiner Wahl erhält. Dann hat man alles Weitere selbst in der Hand. Also, es geht um die Eintrittskarte zu einem Vorstellungsgespräch. Um zu erkennen, welche Voraussetzungen für die Eintrittskarte und welche für das Interview gelten, sollte man sich den Unterschied zwischen den nicht unerheblichen Anforderungen in den Bereichen Wissen, Kompetenzen und Qualifikationen deutlich machen. 1.Stufe
2. Stufe
3. Stufe
4. Stufe
5. Stufe
Auswahl des Beratungsunternehmens
Bewerbung
Bewerbungsscreening
Erste und ggf. zweite Bewerbungsrunde
Finale Auswahl und Angebot
über Online-Börsen Recruiting-Messen FirmenKarriereseiten Persönliche Kontakte
Lebenslauf Musskriterien (Noten, Praxis, Sprachen) Gesamtbild Ggf. Telefoninterview
Cases* Brainteaser ** Personal Fit Ggf. Gruppenaufgabe Ggf. Präsentation
Einstiegsgehalt und sonstige Leistungen Einstiegszeitpunkt und Einstiegsort Konkrete Position
Initiative beim Bewerber
Initiative beim Bewerber
Initiative beim Unternehmen
Initiative mehr oder weniger bei beiden
Initiative mehr oder weniger bei beiden
Anschreiben Lebenslauf Qualifikationen Zeugnisse
* Cases: Simulierte Fragestellung aus dem Beratungsalltag; Beispiel: „Deutsche Textilkette will den chinesischen Markt erobern“ ** Brainteaser: Überprüfung der Fähigkeit, Schätzungen vorzunehmen; Beispiel: „Wieviel Straßenbahnen gibt es in Zürich“
Die Wünsche der Beratungsfirmen hinsichtlich • Kompetenzen (z.B. Dienstleistungsdenken, Teamfähigkeit, analytisches Denkvermögen) und • Wissen (z.B. Präsentations- und Moderationstechniken, Wissen um Zukunftstrends) können zumeist nur im direkten Kontakt – also im Vorstellungsgespräch – herausgefunden werden. Qualifikationen dagegen sind eher formal und müssen zwingend durch Zeugnisse etc. im Vorfeld belegt werden. Das Wichtigste sind also zunächst die Qualifikationen (erstes Ziel). Sie entscheiden darüber, ob man die Eintrittskarte zu einem Vorstellungsgespräch bekommt. Das zweite Ziel ist dann der gute Eindruck, den man beim Bewerbungsgespräch hinterlassen sollte. Hier entscheidet nicht mehr die Qualifikation, sondern einzig und allein ihre Persönlichkeit, in die Ihr Gegenüber möglichst tief „eintauchen“ möchte. Einstellungen, Werte, Interessen, Talente, Motivation, Integrität, Loyalität sind Eigenschaften, die das Unternehmen erst später – aber dann mit aller Wucht – zu spüren bekommt. Beratung ist schließlich „People Business“ und daher legt jede Beratungsorganisation sehr viel Wert darauf, die passenden
Insert 1-03:
Mitarbeiter zu finden. Letztlich läuft der Einstiegsprozess in die Unternehmensberatung in fünf Stufen ab, die in der Abbildung zusammengefasst aufgeführt sind. Schließend noch sechs Tipps für den angehenden Unternehmensberater bzw. die angehende Unternehmensberaterin: 1.Tipp: Gute Abschlussnoten (mind. eine Eins vor dem Komma) 2.Tipp: Freude an den MINT-Fächern haben (Stichwort: Digitalisierung) 3.Tipp: Praktika nach Bachelorabschluss und vor Masterbeginn bei bekannten Firmen durchführen 4.Tipp: Belegen Sie eine Vorlesung/Übung zum Thema “Business Consulting & Change Management” 5.Tipp: Auslandsaufenthalt mit Praktikum verbinden. Ohne Englisch geht gar nichts. 6.Tipp: Bauen Sie sich ein Netzwerk auf. Karriere machen Sie zumeist nicht ohne einen Godfather. [Quelle: Lippold 2021b, Deelmann/Krämer 2020, s. 59 f.]
Beruflicher Einstieg als Consultant
1.1.3.3 Hochschulqualität
Die besuchte Hochschule bzw. die Hochschulart wird insbesondere von größeren Unternehmensberatungen immer noch gerne als Auswahlkriterium herangezogen, obwohl es zunehmend an Aussagekrft verliert. Das hängt ursächlich mit der Entwicklung und Struktur der Hochschullandschaft zusammen. In Deutschland gibt es derzeit insgesamt 424 Hochschulen, darunter 107 Universitäten und 213 Fachhochschulen (siehe Abbildung 1-02).
14
1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
Anzahl der Hochschulen in Deutschland nach Hochschularten 2020 250
213 200 Staatlich 150
Privat
53% 107
100
50
21% 47%
79%
52 23% 77%
30
16
6
0
[Quelle: Statista 2020]
Abb. 1-03:
Anzahl der Hochschulen in Deutschland nach Hochschularten 2020
Unter den Hochschulen gewinnen die privaten Institutionen seit der Bologna-Reform zunehmend an Bedeutung. So haben sich die nichtstaatlichen Universitäten seit 1990 auf 23 Institutionen nahezu verdoppelt und die Anzahl der privaten Fachhochschulen ist von 21 um mehr als das Fünffache auf 113 gestiegen. Angesichts dieser Flut an Universitäten und Fachhochschulen zeigen sich viele Recruiting-Abteilungen überfordert. Daher sind viele Recruiter dazu übergegangen, ihre High Potentials eher an Universitäten und weniger an Fachhochschulen zu suchen. Und auch unter den Universitäten gibt es bei den personalsuchenden Unternehmen interne Ranglisten. So werden immer wieder die beiden Münchener Universitäten (LMU und TU) und Mannheim speziell für Wirtschaftswissenschaftler genannt. Für Wirtschaftsingenieure und Informatiker kommen die TH Karlsruhe und die RWTH Aachen hinzu. Bei den privaten Universitäten werden am häufigsten die WHU Koblenz, die EBS in Östrich-Winkel und die ESCP in Berlin genannt. Die personalsuchenden Unternehmen ernennen für die genannten Universitäten sogenannte Universitätsbotschafter, die zu den jeweiligen Lehrstühlen Kontakt halten und und Wochenendworkshops oder Sommerakademien (jeweils mit entsprechenden Case-Studies) organisieren. Insert 1-04 gibt einen tieferen Einblick in die Bedeutung der Art und des Standortes der Hochschule als Einstellungskriterium im Berwerbungsprozess.
1.1 Berufsfeld Beratung
Insert 1-04:
15
Ruf der eigenen Hochschule
1.1.3.4 Bachelor-/Mastersystem
Vor mehr als 20 Jahren wurde die Bologna-Reform verabschiedet. Das zweistufige Bachelorund Mastersystem ist der Kern der Reform. Abbildung 1-04 zeigt das neue System, das diverse Auswirkungen für die betriebliche Personalbeschaffung und -auswahl aufzeigt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Bachelor-MasterKonzept für alle Studiengänge – mit Ausnahme der Medizin und der Rechtswissenschaft – gilt. In der Medizin und in der Rechtswissenschaft gilt nach wie vor das System des ersten und zweiten (in Medizin dritten) Staatsexamens [vgl. Wagner/Herlt 2010, S. 305 ff.].
16
1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
Berufstätigkeit
Weg (1) bzw. Praktika Weg (2) BachelorStudium
Berufstätigkeit
Weg (2)
MasterStudium Konsekutiv/ weiterbildend 2. Zyklus
Weg (2)
Berufstätigkeit
1. Zyklus Weg (3)
Weg (3)
Berufstätigkeit
MasterStudium Konsekutiv Weg (4)
2. Zyklus
Weg (4)
Promotion 3. Zyklus
Weg (4)
Berufstätigkeit
[Quelle: modifiziert nach Wagner/Herlt 2010, S. 306]
Abb. 1-04:
Überblick über das Bachelor-/Mastersystem
Drei Dinge wollte die Bologna-Reform erreichen: Die Studienabschlüsse sollten europaweit vergleichbarer, die Studierenden international mobiler und die Abschlüsse auf den Bedarf der Wirtschaft abgestimmt werden. Besonders mit dem dritten Ziel ging das Bestreben einher, die Studienzeit zu verkürzen und die Berufsfertigkeit zu erhöhen. Schließlich wurde den deutschen Hochschulabsolventen immer wieder vorgeworfen, dass sie im internationalen Vergleich zu alt seien und dass die deutschen Hochschulen sie zu wenig auf die Erfordernisse in der Praxis vorbereiten würden. Bologna sah daher den Weg (1) für 90 Prozent aller Bachelor vor, d.h. der Bachelor-Abschluss sollte für die überwältigende Mehrheit aller Studierenden ausreichen. Sehr schnell stellte sich aber heraus, dass über 50 Prozent aller fertigen Bachelor die Wege (2), (3) oder (4) einschlugen. Hauptleidtragende sind somit die fertigen Bachelor, die – um wettbewerbsfähig zu sein – zunehmend gezwungen sind, nun auch noch den Master draufzusatteln. Damit wurde das dritte Ziel deutlich verfehlt, denn der Wirtschaft lag ursprünglich sehr daran, die Studienzeit zu verkürzen und die Studierenden schneller für den Arbeitsmarkt fit zu bekommen. Auch für das Personalmanagement ist es selbstverständlich, dass man die Top-Talente nur unter den MasterAbsolventen finden kann [vgl. Lippold 2019a]. Das in der Regel drei Jahre dauernde Bachelor-Studium ist auf breiter Front verschult und von den Inhalten her sehr verdichtet. Das führt dazu, dass ein Praktikum oder ein Auslandsaufenthalt nur noch schwer durchführbar sind. Ebenso ist das „Jobben“, also das Nebenher-Arbeiten immer schwieriger. Einerseits erfolgt hierdurch eine stärkere Konzentration auf das (Fach-)Studium, andererseits ist das Anwenden sozialer Kompetenzen unter Umständen stark eingeschränkt. Allen Bachelor-Absolventen, die noch einen Master draufsatteln wollen bzw. müssen, ist der Weg (2) zu empfehlen – also zwischen Bachelor und Master eine Pause einzulegen. Diese Zäsur
1.1 Berufsfeld Beratung
17
sollte dann mit einer ersten Festanstellung oder einer Werkstudententätigkeit oder einem vernünftigen Praktikumsplatz ausgefüllt werden. 1.1.3.5 Studienrichtung
Unterschiede gibt es auch bei den Studienrichtungen der rekrutierten Hochschulabsolventen. Hier wird die Vielfalt an Studiengängen, die kaum mehr zu überblicken ist, noch gravierender. Insgesamt bieten die deutschen Hochschulen über 18.600 Studiengänge an, davon rund 9.000 Bachelorstudiengänge und etwa 8.000 Masterstudiengänge. Allein in der wirtschaftswissenschaftlichen Fächergruppe hat die Bologna-Reform zu einem ausdifferenzierten Angebot von über 2.500 (!) Studiengängen geführt. Da ein solches Angebot bedient werden will, legt es die Vermutung nahe, dass damit ein ernstzunehmender Teil der jungen Menschen den praktischen Berufen entzogen wird, nur um dem akademischen Trend zu folgen. High Potentials werden von den Beratungsunternehmen zunehmend bei den Informatikern, Mathematiken, Ingenieuren und Physikern gesucht. Bei den Betriebs- und Volkswirten, der eigentlichen Recruitingsquelle für Führungsnachwuchskräften, sind zumeist nur die Hochschulabsolventen mit der „eins vor dem Komma“ im Fokus der Unternehmen. Da solch besonders qualifizierte Bewerber zumeist die Wahl zwischen den Angeboten mehrerer Unternehmen haben, können sie auch besonders selbstbewusst bei ihrer Arbeitsplatzwahl auftreten. Somit stehen sich auf dem Arbeitsmarkt für High Potentials zwei Partner „auf Augenhöhe“ gegenüber. Doch nicht nur für Hochschulabsolventen, sondern auch für berufserfahrene Ingenieure und Naturwissenschaftler, die mit einem MBA ihre Karriere beschleunigen wollen, ist die Consultingbranche ausgesprochen attraktiv. Nach einer Umfrage des Staufenbiel-Instituts peilen mehr als 70 Prozent aller MBA-Absolventen in Europa einen Job im Consulting an. Damit ist der Beratungsbereich die beliebteste Einstiegsbranche für MBA-Absolventen (siehe Abbildung 105). In welche Branchen wollen MBA-Absolventen einsteigen? Consulting
71%
IT/Telekommunikation
66%
Banking und Finanzdienstleister
62%
Pharma/Medical/Health Care
58%
Energie- und Versorgungswirtschaft
56%
Dienstleistungen (Sonstige) Industrie (Sonstige)
48% 42%
Automotive
39%
Elektroindustrie
39%
Handel
39%
[Quelle: Staufenbiel 2012]
Abb. 1-05:
Einstiegsbranchen der MBA-Absolventen in Europa
Mehrfachnennungen
18
1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
1.1.3.6 Karriereförderung
Auch bei der Karriereförderung lassen sich Unterschiede zwischen High Potentials und „normalen“ Talenten ausmachen. Das vorherrschende Karriereprinzip bei McKinsey, Boston Consulting und Co., die ja überwiegend nach High Potentials suchen, ist das Up-or-Out-Prinzip. Danach soll die nächsthöhere Karrierestufe (engl. Grade) innerhalb eines vorgegebenen Zeitraums (engl. Time in Grade) erreicht werden, ansonsten muss der Berater das Unternehmen verlassen. Das Up-or-Out-Prinzip lässt sich am besten anhand einer pyramidalen Personalstruktur erläutern. Die Personalpyramide ist ein hierarchisches Modell der Personalstruktur einer Beratung. Zwischen dem Boden und der Spitze lassen sich verschiedene Karrierestufen identifizieren, z.B. Analyst Consultant, Consultant, Senior Consultant, Managing Consultant, Senior Manager und Partner. Die Bezeichnungen der einzelnen Karrierestufen variieren allerdings von Beratungsunternehmen zu Beratungsunternehmen (leicht). Unabhängig von der Bezeichnung werden den einzelnen Karrierestufen unterschiedliche Kompetenzen und Fähigkeiten zugeordnet [vgl. Deelmann/Krämer 2020, S. 72 ff.]. Berater, die sich zwei bis drei Jahre auf einer Karrierestufe befinden (engl. Time in Grade), müssen sich in der nächsten Beförderungsrunde anhand verbindlicher Parameter für die nächsthöhere Stufe qualifizieren. Bei einer Nicht-Qualifikation erfolgt eine „Weiterentwicklung außerhalb der Beratung“. Abbildung 1-06 verdeutlicht das Prinzip.
Partner / Vice President Senior Manager / Principal / Director Managing Consltant / Project Manager Senior Consultant
Consultant up Analyst Consultant / Junior Consultant
out
[Quelle: in Anlehnung an Deelmann/Krämer 2020, S. 75]
Abb. 1-06:
Personalpyramide und Up-or-Out-Prinzip
Andere Unternehmen hingegen orientieren sich eher am Prinzip Grow-or-Die, d. h. der Mitarbeiter entwickelt sich mit dem Unternehmen weiter und steigt in der Hierarchie nach oben. Andernfalls bleibt der Mitarbeiter auf der erreichten Stufe stehen, ohne dass eine zwangsweise Freisetzung erfolgt. In Abildung 1-07 sind wichtige personalpolitische Merkmale zur Auswahl von High Potentials und „normalen“ Talenten gegenübergestellt [vgl. Nissen/Kinne 2008, S. 100].
1.1 Berufsfeld Beratung
19
Kriterium
High Potentials
„Normale“ Talente
Intensität der Rekrutierungsinstrumente
Größenabhängig
Größenabhängig
Akzeptanzquote
Sehr niedrig
Niedrig
Komplexität des Auswahlverfahrens
Komplex, aufwändig
Einfacher gehalten
Studienfächer
Sehr gemischt, aber Noten-abhängig
Überwiegend BWL/VWL
Image-Fokus
Elite
Dienstleister
Karriereprinzip
Up-or-Out
Grow-or-Die
[Quelle: Nissen/Kinne 2008, S. 102]
Abb. 1-07:
Gegenüberstellung personalpolitischer Merkmale
1.1.4 Berufsbild des Unternehmensberaters 1.1.4.1 Berufsausübung und vertragliche Grundlagen
Die Berufsbezeichnung „Unternehmensberater“ ist gesetzlich nicht geschützt, d. h. der Berufsstand der Unternehmensberater hat kein Berufsrecht. Im Gegensatz zum Beruf und den Dienstleistungen des Wirtschaftsprüfers, Rechts- und Steuerberaters, des Arztes, Rechtsanwalts oder Apothekers kennt der Unternehmensberater keine vorgeschriebenen Ausbildungswege (z. B. Berufsbild) und keine förmliche Berufszulassung. Es gibt kein Berufsregister mit einer klaren Berufsbezeichnung für betriebswirtschaftlich-kaufmännische Berater im Rahmen einer Berufsordnung. Die Unternehmensberatung stellt keine gesetzliche Vorbehaltsleistung einer definierten Berufsgruppe dar, so dass nur diese eine Beratung durchführen dürfte. Folglich bestehen in Deutschland – bspw. im Gegensatz zu Österreich oder Kanada – keine Zulassungsbeschränkungen aufgrund fehlender Qualifikationsvoraussetzungen. Somit kann prinzipiell jeder „Schuhputzer mit Visitenkarte“, jeder „Schiffschaukelbremser mit Wochenendkurs“ und jeder „Studierende mit LinkedIn-Account“ beraten (siehe Insert 1-05). Die Gründe, warum der Beruf des Unternehmensberaters nicht nach eindeutigen Regeln ausgeübt werden kann, sind vielfältig [vgl. Hesseler 2011, S. 75]:
Große Beratungsunternehmen stellen – entgegen dem Maßstab einer betriebswirtschaftlichen Ausbildung – zu mehr als 50 Prozent Physiker, Mathematiker, Psychologen und Mediziner ohne BWL-Hintergrund ein. Eine dreijährige Berufserfahrung ist selten Voraussetzung für die Berufsausübung. Es fehlt eine hauptberuflich beratende Tätigkeit als durchgehender Bezugspunkt (z. B. 150 Beratungstage plus 30 Tage Fortbildung im Jahr). Und letztlich: Die enorme Bandbreite der Beratungstätigkeit, die von der Strategieberatung bis zur Auftragsprogrammierung reicht, macht ein Ausbildungskonzept für die Profession Unternehmensberatung nahezu unmöglich.
20
Insert 1-05:
1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
Der „Studierende mit LinkedIn-Account“
Obwohl die Tätigkeit der Unternehmensberatung von jeder natürlichen oder juristischen Person ausgeübt werden kann, gelten auch für Unternehmensberater rechtliche Schranken, und zwar nicht aufgrund berufsspezifischer, sondern allgemeingültiger Gesetze. Die Vorschriften des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG), das 2008 das Rechtsberatungsgesetzes (RBerG) abgelöst hat, richten sich zwar im Wesentlichen auf die rechtsberatenden Tätigkeiten der Anwaltschaft, sie können aber auch in Einzelfällen mit der Berufsausübung des Unternehmensberaters in Berührung kommen. Dies gilt beispielsweise für die Fördermittelberatung oder die Sanierungsberatung. In derartigen Fällen ist eine rechtliche Beratung dann erlaubt, wenn sie als Nebenleistung zu einer betriebswirtschaftlichen Hauptleistung erbracht wird. Die Grenzen der Zulässigkeit hängen dabei stets vom Einzelfall ab. Eine ähnliche Beschränkung der Berufstätigkeit gilt in Bezug auf das Steuerberatungsgesetz (StBerG). Auch hier richtet sich das Gesetz im Wesentlichen auf die geschäftsmäßige Hilfeleistung des Steuerberaters. Erlaubt ist dem Unternehmensberater eine beschränkte Hilfeleistung in steuerlichen Angelegenheiten nur dann, wenn sie in unmittelbarem Zusammenhang zu
1.1 Berufsfeld Beratung
21
einem (Unternehmensberatungs-) Geschäft erfolgt und nur eine untergeordnete Tätigkeit darstellt. Allerdings ist auch hier anhand des Einzelfalls zu prüfen, ob eine erlaubte oder unerlaubte steuerliche Nebenberatung vorliegt. Die Art und Weise der vertraglichen Zusammenarbeit zwischen dem Unternehmensberater und seinem Kunden unterliegt grundsätzlich keinen besonderen Vorschriften, auch nicht im Hinblick auf die Form. Denkbar sind daher auch Verträge per Handschlag, ohne ausdrückliche Fixierung. Auch in der Wahl des Vertragstyps sind Berater und Kunden frei. In Betracht kommen insbesondere der Dienstvertrag (§§ 611 ff. BGB) und der Werkvertrag (§§ 631 ff. BGB). Ob Dienstvertragsrecht oder Werkvertragsrecht oder auch beides gemischt zur Anwendung kommt, hängt vom Vertragsinhalt bzw. Vertragsgegenstand ab. Für die reine Beratungsleistung ist regelmäßig der Dienstvertrag üblich. Beim Dienstvertrag, dessen Honorar sich in der Regel an Stunden- oder Tagessätzen orientiert, wird die Dienstleistung an sich und nicht der Erfolg der Dienstleistung geschuldet bzw. honoriert. Demzufolge kennt das Dienstvertragsrecht auch keine Gewährleistung. Bei einem Werkvertrag schuldet der Berater hingegen die Erstellung eines bestimmten Werkes (z. B. ein Gutachten oder eine Anwendungssoftwarelösung) oder die Veränderung einer Sache (z. B. Modifikation einer Softwarelösung). Mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelungen ist es auch den Vertragspartnern überlassen, welcher Mindestinhalt bei einer Unternehmensberatung geschuldet sein soll. Denkbar sind indes auch Mischformen der beiden Vertragstypen. Im Zweifel entscheidet über die vertragliche Ein- bzw. Zuordnung das wirtschaftlich Gewollte in Verbindung mit dem tatsächlich Abgewickelten. 1.1.4.2 Unternehmensberatung und Ethik
Die Beratungsbranche hat sich zu einem festen Bestandteil unserer Volkswirtschaft entwickelt. Während vor gar nicht so langer Zeit die Beauftragung von Unternehmensberatern als ein Zeichen für das Versagen des Managements galt, ist die Zusammenarbeit mit Beratern – zumindest bei größeren Unternehmen – heute zur alltäglichen Normalität geworden [vgl. Armbrüster/Kieser 2001, S. 689]. Trotzdem haftet dem Unternehmensberater immer noch etwas Dubioses, Windiges an. Das hat sicher damit zu tun, dass sich jeder Unternehmensberater nennen kann. Unter dieser Bezeichnung braucht man bloß – so scheint es vielen – ein wenig rhetorisches Geschick und selbstbewusstes Auftreten, um Geschäfte mit den Problemen anderer zu machen. Gleichzeitig umgibt die renommierteren Consultingfirmen die Aura der Elite, klingen ihre Tagessätze und Gewinnmargen frappierend hoch und treten ihre Mitarbeiter gelegentlich mit Allüren auf, die gestandenen Unternehmensführern allzu selbstbewusst und neunmalklug erscheinen, zumal viele der Consultants häufig eher grün und theoretisch wirken [Sommerlatte 2004, S. 14]. Die ungeschützte Berufsbezeichnung des Titels „Unternehmensberater“ (oder „Betriebsberater“, „Wirtschaftsberater“ etc.) einerseits und die niedrigen Markteintrittsschranken andererseits führen immer wieder dazu, dass inkompetente und unseriöse Personen („schwarze Schafe“) im Beratungsmarkt akquirieren. Solche schwarzen Schafe haben dem Ruf des Unternehmensberaters durchaus geschadet, gleichwohl haben sie der Attraktivität der Branche keinen
22
1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
Abbruch getan. In den meisten Fällen konnten die laienhaften oder auch betrügerischen Vorgehensweisen von den Standesorganisationen hinlänglich dokumentiert werden, so dass eine eindeutige Identifizierung solcher schwarzen Schafe möglich wurde [vgl. Niedereichholz 2010, S. 14]. Es mag aber auch damit zu tun haben, dass es sich bei Beratungsleistungen – wie in Abschnitt 1.2.8 erläutert – um Kontraktgüter handelt, bei denen die Vereinbarung über Leistung und Gegenleistung, die ja in der Zukunft liegen, unter extrem großer Unsicherheit erfolgt. Kontraktgüter erfordern daher von beiden Transaktionspartnern spezifische Investitionen und insbesondere Vertrauen. Überdies sorgt die sog. „Enthüllungsliteratur“ in Form von Insider-Romanen dafür, dass hin und wieder zweifelhafte Methoden der Beratungsbranche in die breitere Öffentlichkeit geraten. Zusammen mit Berichten über gescheiterte Großprojekte mit involvierten namhaften Beratungsunternehmen wird auf diese Weise ein Negativbild einer „gesinnungslosen“ Beratungsindustrie gezeichnet, deren einziger Wert der eigene Profit zu sein scheint. Damit wird das moralische Dilemma deutlich, vor dem die Beratungsunternehmen stehen können: Da nicht nur ihre Kunden, sondern auch sie selber im Wettbewerb stehen, besteht die potenzielle Gefahr, „gegen den Kunden“ zu beraten. Nicht das zu lösende Kundenproblem, sondern die eigene Umsatzund Gewinnmaximierung rückt dann in den Vordergrund. In einer solchen Situation, in der sich das ethisch verantwortungsvolle Handeln betriebswirtschaftlich nicht rechnet, aber in der sich Unternehmensethik überhaupt erst bewähren muss, kommt es für eine verantwortungsvolle und professionelle Beratungsbranche darauf an, sich nicht bloß opportunistisch zu verhalten, sondern sich an vorher reflektierten und festgeschriebenen Geschäftsprinzipien zu orientieren [vgl. Hagenmeyer 2004, S. 1 f. und 13; Ulrich 2001, S. 44]. Dies hat der BDU als Branchenverband erkannt und – um „schwarze Schafe“ und „Trittbrettfahrer“ fernzuhalten – ethische Geschäftsprinzipien (BDU-Berufsgrundsätze, siehe Abschnitt 1.8.4) formuliert, die sich an Kriterien wie fachlicher Kompetenz, Seriosität, Objektivität, Neutralität, Vertraulichkeit und fairem Wettbewerb orientieren. Umso mehr sollten sich die Kundenunternehmen aufgefordert sehen, grundsätzlich nur Beratungsunternehmen zu beauftragen, die sich den BDU-Berufsgrundsätzen verpflichtet fühlen. Vielen Berufsethikern gehen die Maßnahmen des BDU allerdings nicht weit genug. Da es eine berufsrechtlich abgesicherte Berufsbezeichnung nicht gibt (und sicherlich nicht geben wird), fordert Michael Hessler, dass allein berufsethische Normen Beratungsdienstleistungen – also die konkrete Arbeit des Beraters – legitimieren sollen. Dafür sollten auf der Grundlage berufsethischer Basisnormen wie
Glaubwürdigkeit, Vertrauenswürdigkeit, Zuverlässigkeit, Verantwortung, Berufswürdigkeit, Integrität und Objektivität
1.1 Berufsfeld Beratung
23
die Anforderungen an die Beratungsqualität (Effizienz, Effektivität, Reputation) sowie ein entsprechender organisatorischer Rahmen für die Umsetzung in Rollen, Tugenden und Kompetenzen entwickelt werden [vgl. Hesseler 2011, S. 179 ff.]. 1.1.4.3 Certified Management Consultant
Eine weitere Maßnahme des BDU, die o. g. Defizite zu kompensieren, ist die Verleihung des Titels Certified Management Consultant als Qualitätsnachweis des International Council of Management Consulting Institutes (ICMCI) mit dementsprechenden Verhaltenskodex an nachweislich erfahrene Unternehmensberater mit speziellem Expertenwissen, exzellenten Leistungen, langjähriger Erfahrung und Verpflichtung zu ethischem Handeln. Allerdings darf nicht übersehen werden, dass im BDU lediglich ein Bruchteil der praktizierenden Unternehmensberater Mitglied sind. Verbände, die nur eine relativ kleine Gruppe von „Berufsangehörigen“ repräsentieren, können naturgemäß nur eingeschränkt flächendeckende, verbindliche ethische Gestaltungsrichtlinien organisieren und umsetzen [vgl. Hesseler 2011, S. 73]. Die Dachorganisation ICMCI wurde zum Zweck der Förderung eines einheitlichen Standards für Unternehmensberater gegründet. Der Standard gilt inzwischen in rund 45 Ländern. Insgesamt sind mehr als 10.000 Managementberater als Certified Management Consultant zertifiziert. Das Zertifizierungsverfahren wird weltweit koordiniert. Die einzelnen Länderorganisationen unterziehen sich internationalen Audits. In Deutschland verleiht das Institut der Unternehmensberater IdU im BDU den Titel CMC/BDU. 1.1.4.4 BDU und seine Berufsgrundsätze
Da es kein Berufsrecht für Unternehmensberater gibt, fehlt es auch an einer Berufsgerichtsbarkeit. Umso mehr kommt dem Vertrauensverhältnis zwischen dem Berater und seinem Kunden eine außerordentlich große Bedeutung zu. Der Beitritt zu einem Berufsverband ist eine Möglichkeit, diese Vertrauensbasis und den Qualifikationsnachweis unter Beweis zu stellen. Der Bundesverband Deutscher Unternehmensberater BDU e.V. mit Sitz in Bonn ist der Wirtschafts- und Berufsverband der Unternehmensberater und Personalberater in Deutschland. Der BDU ist der größte Unternehmensberater-Verband in Europa und Mitglied im europäischen Beraterdachverband FEACO (Fédération Européenne des Associations de Conseils en Organisation) mit Sitz in Brüssel und im International Council of Management Consulting Institutes (ICMCI), der weltweiten Vereinigung zur Qualitätssicherung in der Unternehmensberatung mit Sitz in den USA. Im Verband, der bereits 1954 gegründet wurde, sind rund 13.000 Berater organisiert, die sich auf 530 Mitgliedsfirmen verteilen. Die Mitgliedsunternehmen im BDU besitzen einen Marktanteil von rund 25 Prozent am Gesamtbranchenumsatz. Der BDU hat derzeit 14 Fachverbände, in denen sich die Mitglieder zur Weiterbildung und zum fachlichen Erfahrungsaustausch treffen. Um der Aufnahme von „Schwarzen Schafen“ vorzubeugen, ist eine Mitgliedschaft im BDU erst nach fünf Jahren nachweisbarer Beratungserfahrung möglich. Im Rahmen des Aufnahmeverfahrens werden u. a. Qualifikation, Zuverlässigkeit und Referenzen überprüft. So muss der
24
1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
Aufnahmekandidat mindestens drei Kundenreferenzen nachweisen. Zum Aufnahmeritual zählen weiterhin zwei Aufnahmegespräche mit bestehenden Mitgliedern, die Vorlage eines Gewerbezentralregisterauszugs sowie bei Einzel-Unternehmen ein polizeiliches Führungszeugnis. Wichtige Aufgaben des BDU bestehen darin, die wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen der Beratungsbranche positiv zu beeinflussen und Qualitätsmaßstäbe durch Berufsgrundsätze zu etablieren, um den Leistungsstandard der Branche zu erhöhen und weiterzuentwickeln (siehe Insert 1-06). Diesen Berufsgrundsätzen, die durch ein Ehrengericht kontrolliert werden, unterliegen alle BDU-Mitglieder.
Insert 1-06:
Berufsgrundsätze des Bundesverbandes Deutscher Unternehmensberater
Ebenso wie seine Mitglieder unterliegt auch der BDU einem permanenten Wandel. So spaltete sich Anfang der 1990er Jahre mit der Fachgruppe „Informationstechnik“ der größte BDU-Fachverband ab und gründete den Bundesverband Informationstechnik BVIT e.V., dem sich alle maßgebenden IT-Dienstleistungsunternehmen in Deutschland anschlossen. Aufgrund ihrer besonderen Herausforderungen – auch und besonders in ihrer Position zu den damaligen Hardware-Herstellern – fanden sich diese IT-Beratungsunternehmen durch den aus ihrer Sicht sehr „unternehmens- und personalberatungslastigen“ BDU nicht mehr ausreichend repräsentiert.
1.1 Berufsfeld Beratung
25
Dem BVIT war allerdings keine lange Lebensdauer vergönnt, denn bereits 10 Jahre nach seiner Gründung schloss er sich dem ebenfalls neugegründeten „Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien“ Bitkom e.V. an. Abbildung 1-08 gibt einen Überblick über den „Verschmelzungsprozess“ der Verbände im Umfeld der Kommunikations- und Informationstechnik.
BDU
Fachgruppe Management Fachgruppe Personal
BDU
Fachgruppe Informationstechnik Fachgruppe Rechenzentren
BVIT UVI BVB Bitkom VDMA (Fachverbände Informationstechnik)
ZVEI (Fachverband Kommunikationstechnik)
1990
Abb. 1-08:
2000
BDU BVIT UVI BVB VDMA ZVEI
Bundesverband Deutscher Unternehmensberater Bundesverband Informationstechnik Unternehmensverband Informationssysteme Bundesverband Informations- und Kommunikations-Systeme Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie
Gründungsverbände des Bitkom
1.1.5 Erfolgsfaktoren der Unternehmensberatung Die bisherige Betrachtung zeigt das Consulting als faszinierende Branche mit Wachstumsambitionen, die den Wandel begleitet, manchmal sogar initiiert und damit die Hand am Puls der Zeit hat. Insbesondere für Einsteiger sind diese Aussichten äußerst attraktiv, zumal die Eintrittsbarrieren in manchen Beratungssegmenten schon deshalb relativ niedrig sind, weil es keine gesetzliche Reglementierung des Berufsstands gibt. Auf der anderen Seite ist das Consulting eine äußerst wettbewerbsintensive Branche, deren Segmente immer umkämpfter geworden sind. Klassische Unternehmensberater konkurrieren heute mit Investmentbankern, Programmierbüros, Werbe- und PR-Agenturen, Ingenieurbüros, studentischen Beratungsgruppen und Lehrstühlen von Universitäten. So einfach jedoch der Markteintritt sein mag, behaupten wird sich langfristig nur, wer sich durch Wettbewerbsvorteile auszeichnen kann [vgl. Berger 2004, S. 10]. Erfolgsfaktoren im Wettbewerb sollten vier Eigenschaften erfüllen [vgl. Barney 1991, S. 105 f.]:
26
1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
Sie sind für das Unternehmen wertvoll, da sie einen positiven Einfluss auf Umsatz und Gewinn haben. Sie sind unter gegenwärtigen und künftigen Wettbewerbern selten. Sie sind schwer nachzuahmen. Sie sind nicht oder kaum zu ersetzen.
Diese vier Eigenschaften werden in der Literatur auch als VRIO-Eigenschaften (engl. V = valuable, R = rare, I = inimitable, 0 = organizationally oriented) bezeichnet. Im Wesentlichen sind es fünf Bereiche, in denen sich Erfolgsfaktoren im Wettbewerb um das Beratungsgeschäft generieren bzw. begründen lassen:
Unternehmenskonzept Marketing und Vertrieb Qualität und Professionalität der Leistungserbringung Personaleinsatz und -management Controlling und Organisation.
Die fünf Bereiche bestimmen zugleich auch Struktur und Gliederung dieser Abhandlung. Unternehmenskonzept. Der Erfolg eines Beratungsunternehmens steht und fällt mit seiner grundsätzlichen Unternehmenskonzeption, d. h. mit seinem Geschäftsmodell. Auf folgende Fragen sollte eine Antwort gefunden werden: In welchen Marktsegmenten soll das Beratungsunternehmen welche Leistungen anbieten? Wer sind die Zielgruppen und Zielpersonen? Welche Spielregeln (Preisniveau, Wettbewerbsintensität, Kapitalbedarf) herrschen in diesen Segmenten? Welches sind die wesentlichen Einflussfaktoren und Trends, die zu berücksichtigen sind? Welche Ziele sollen kurz-, mittel- und langfristig verfolgt werden? Welche Alleinstellungsmerkmale zeichnet das Unternehmen aus? Eine detaillierte Einführung in diesen Fragenkomplex, der die Grundlagen für alle weiteren internen und externen Aktivitäten legt, wird im 2. Kapitel vorgenommen. Marketing und Vertrieb. Wie kann aus dem Leistungsangebot des Beratungsunternehmens ein Wettbewerbsvorteil generiert werden, der auch vom Markt bzw. den (potenziellen) Kunden honoriert wird? Dies ist die kritische Frage, die über Erfolg oder Misserfolg der Geschäftstätigkeit entscheidet. Daher sind alle Aktivitäten zur Segmentierung des Marktes, zur Positionierung, Kommunikation, Vertrieb und Akquisition des Leistungsportfolios von erfolgskritischer Bedeutung für das Beratungsgeschäft. Größere Beratungsgesellschaften haben überdies erkannt, dass das Leistungsprofil durch erfolgreiche Branding-Aktivitäten noch einen zusätzlichen Nutzen erfahren kann, da eine hervorragend eingeführte Marke ein weiteres Differenzierungsmerkmal ist und für eine bestimmte Leistungsqualität steht. Der Erfolgsfaktor „Marketing und Vertrieb“ mit seinen verschiedenen Aktionsfeldern und Aktionsparametern ist Gegenstand der ausführlichen Darstellung im 3. Kapitel. Qualität und Professionalität der Leistungserbringung. Qualität und Professionalität in der Beratung zeichnen sich im ersten Schritt dadurch aus, dass man nur solche Aufträge annimmt, die man auch erfüllen kann. Wettbewerbsrelevante Voraussetzung für eine anerkannte Leis-
1.1 Berufsfeld Beratung
27
tungsqualität sind tiefgehende Branchen- und Methodenkenntnisse. Nicht nur größere, international agierende Beratungsunternehmen müssen in der Lage sein, inhaltliche und methodische Kompetenz in homogener Qualität zu erbringen. Jeder „gelernte“ Berater verfügt heute über einen Baukasten von Beratungswerkzeugen (engl. Toolset), der es ihm ermöglicht, Problemlösungen im Sinne des Kunden zu erarbeiten. Professionelle Beratung zeichnet sich darüber hinaus durch weitgehende Objektivität und Neutralität aus. Ein wesentlicher Aspekt jeder Beratung ist Vertrauen – Vertrauen in die Verschwiegenheit und Vertrauen in die sorgfältige Erfüllung eines Auftrags. Ethische Fragestellungen sind daher von zentraler Bedeutung für die Consulting-Branche [vgl. Berger 2004, S. 12]. Produkte und Prozesse der Leistungserbringung (engl. Delivery) sowie das methodische Rüstzeug des Beraters sind Inhalt des 4. Kapitels. Personaleinsatz und -management. Neben den Kundenbeziehungen sind die Mitarbeiter mit ihren Fähigkeiten, ihrem Wissen und ihrer Motivation das eigentliche Kapital von Beratungsgesellschaften. Der oft geäußerte Anspruch, dass der Berater „besser“ als der Kundenmitarbeiter sein sollte, kann nur dann erfüllt werden, wenn die besten Mitarbeiter rekrutiert werden. Dieses Kapital der hervorragend ausgebildeten Mitarbeiter gilt es durch abwechslungsreiche und spannende Projekte zu pflegen und durch die permanente Einstellung von Top-Talenten zu mehren. Nur so kann die notwendige Zirkulation von Ideen gewährleistet, neues Wissen ans Unternehmen gebunden und der interne Wettbewerb um Spitzenleistungen sichergestellt werden. Flexibilität und hohe Geschwindigkeit bei der Personalgewinnung und -bindung sowie beim Personaleinsatz zählen zu den wichtigsten Fähigkeiten, die ein Unternehmen aufweisen muss [vgl. Berger 2004, S. 13]. Im 5. Kapitel werden alle wichtigen Aktionsfelder und -parameter für die Personalbeschaffung und die Personalbetreuung aufgezeigt und entsprechende Maßnahmen diskutiert. Controlling und Organisation. Infrastrukturelle Einrichtungen wie Controlling und Organisation zählen unter dem Aspekt der Wertschöpfung nach Porter zwar nicht zu den Primäraktivitäten eines Unternehmens, dennoch haben sie für die Unternehmensberatung einen signifikanten Stellenwert. Da sich Beratungsleistungen – im Gegensatz zu Produkten – nicht beliebig vervielfältigen lassen, kommt der Ressource „Zeit“ und der damit verbundenen Überlegung, dass man im Beratungsgeschäft einen Personentag immer nur einmal (und nicht mehrfach) verkaufen kann, eine besondere Bedeutung zu. Das heutige Beratungsgeschäft, in dem klassische Formen der Beratung immer mehr von größeren Projekten verdrängt werden, ist ohne moderne Controlling-Instrumente gar nicht denkbar. Die erfolgreiche Umsetzung solcher Projekte erfordert eine angemessene Projektorganisation. Überhaupt zeichnen sich Beratungsunternehmen durch eine hohe Flexibilität und Mobilität aus, die durch entsprechende organisatorische Vorkehrungen erleichtert werden können [vgl. Stolorz 2005, S. 12]. Im 6. Kapitel werden die besonderen Aspekte des Controllings und der Organisation von Unternehmensberatungen behandelt. Grundsätzlich ist dieses Lehrbuch durch ein empirisch-induktives Vorgehen gekennzeichnet. Ausgehend von praktisch feststellbaren Sachverhalten und durch Rückgriff auf Theorien und Konzepte wird versucht, Gestaltungsoptionen in Form von praktisch-normativen Aussagen für
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1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
die Unternehmensberatungspraxis aufzuzeigen. Auf der Grundlage einer systematischen Analyse der historischen Entwicklung, der aktuellen Situation und identifizierter Entwicklungstendenzen der Beratungsbranche greift die vorliegende Arbeit unternehmensrelevante Problemstellungen vorwiegend in den erfolgskritischen Bereichen Unternehmensführung, Marketing und Vertrieb, Leistungserstellung, Personal, Controlling und Organisation auf, um diese anhand vorliegender Konzepte und Erfahrungen zu diskutieren und Lösungsansätze vorzustellen [vgl. auch Jeschke 2004, S. 5].
1.2 Perspektiven und Dimensionen der Beratung
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1.2 Perspektiven und Dimensionen der Beratung Heute sind es rund 25.000 Beratungsunternehmen in Deutschland mit insgesamt 230.000 Beschäftigten, die einen Jahresumsatz von über 34,6 Mrd. Euro erzielen. Damit zählt der deutsche Beratungsmarkt seit je her weltweit zu den bedeutendsten und größten. Er unterscheidet sich jedoch von der Struktur her deutlich von anderen Märkten. Weltweit gesehen lag der Anteil der Top-10 Beratungsunternehmen am geschätzten Gesamtmarktvolumen von 257 Mrd. € im Jahr 2019 bei rund 45 Prozent, in Deutschland hingegen bei lediglich 22 Prozent. Der deutsche Consultingmarkt ist mittelständisch, ja fast atomistisch strukturiert und wird nicht von wenigen großen Unternehmensberatungen dominiert [Quelle: BDU 2021, S. 4 f.]. Die Beratungsbranche stellt einen Wirtschaftszweig dar, dessen Bedeutung für die Gesamtwirtschaft nicht hoch genug eingeschätzt werden kann, weil er durch seine Tätigkeit in praktisch alle anderen Branchen ausstrahlt. Umso mehr überrascht es, „dass die intensive wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Besonderheiten dieser Disziplin vergleichsweise jung und wenig fortgeschritten ist“ [Nissen 2007, S. 9]. Hinzu kommt, dass sich die (wenigen) wissenschaftlichen Veröffentlichungen zur Unternehmensberatung nahezu ausschließlich mit den Aspekten der Strategie- und Organisationsberatung befassen. Der IT- und Technologieberatung – immerhin der umsatzstärkste Bereich im Consulting Business – wird in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung kaum oder gar keine Beachtung geschenkt. Auch beeinflusst die Beratungspraxis derzeit mehr die Lehre als die Forschung in der Unternehmensberatung. So sind – nach dem Consulting als wissenschaftliche (Teil-)Disziplin anerkannt wurde – die etwas mehr als 20 Consulting-Studiengänge im Masterund Bachelorbereich eher aufgrund des Nachfragedrucks eingerichtet worden. Und auch die klassischen Universitätslehrstühle nähern sich dem Thema Consulting eher von angrenzenden Funktions- und Themenbereichen wie Unternehmensführung, Marketing, Controlling, Human Resources oder Supply Chain Management als aus dem Beratungskern heraus. Nicht nur die neu eingerichteten Consulting-Studiengänge benötigen eine stärkere theoretische Fundierung, auch die Beratungspraxis kann durch eine kontinuierliche, wissenschaftliche Begleitung fundamentale Fehlannahmen (wie z. B. die strikte Unabhängigkeit oder Neutralität der Berater) oder Lücken der praktischen Unternehmensberatung korrigieren bzw. vermeiden. Das vorliegende Lehrbuch hat allerdings nicht die Ambition, diese Lücke zu schließen. Es ist keine forschungsorientierte Literatur. Im Gegenteil, es handelt sich um eine „Leitfadenliteratur“ mit dem Anspruch, Theorie und Praxis zu verbinden. Um die zentralen Wesensmerkmale der Unternehmensberatung zu „clustern“, ist es erforderlich, die verschiedenen Perspektiven, die die unterschiedlichen Aspekte des Consultings strukturiert zusammenfassen, herauszuarbeiten. Unter Perspektiven sind die (z.T. auch theoretischen) Sichtweisen auf den Untersuchungsgegenstand Unternehmensberatung zu verstehen. Sie sollen einen möglichst strukturierten Einblick in die verschiedenen Dimensionen der Profession Unternehmensberatung liefern. Unterschieden werden folgende Perspektiven [siehe auch Hesseler 2011, S. 22 ff.]:
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1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
Dienstleistungsperspektive. Bei dieser Perspektive steht die Abgrenzung zwischen Dienst- und Sachleistung sowie die Unterscheidung zwischen institutioneller und funktioneller Dienstleistung im Vordergrund. Institutionelle Perspektive. Hier wird der dreidimensionale Anwendungsraum der Unternehmensberatung mit Beratungsträger, Beratungsadressat und Beratungsobjekt untersucht. Funktionale Perspektive. Diese Perspektive stellt die eigentlichen Aufgaben bzw. Tätigkeitsfelder einer Unternehmensberatung den Mittelpunkt der Betrachtung. Systembezogene Perspektive. Das Beratungssystem als Ganzes, die Kunden-BeraterBeziehung sowie die einzelnen Beraterrollen kennzeichnen die systembezogenen Perspektive. Prozessbezogene Perspektive. Die Phasen des Beratungsprozesses sowie die Unterscheidung zwischen Prozess- und Inhaltsberatung bestimmen die Sichtweise dieser Perspektive. Instrumentell-methodische Perspektive. Hier werden die Unterschiede zwischen Beratungskonzept, Beratungsmethode und Beratungsprodukte herausgearbeitet. Technologische Perspektive. Drei Ausprägungen der Beratungstechnologie (flexible, standardisierte und starre Technologie) werden hinsichtlich ihrer Vor- und Nachteile bzw. ihrer Konsequenzen beim Beratereinsatz untersucht. Theoretische Perspektive. Diese Perspektive befasst sich mit den Theorien der (neuen) Institutionenökonomik und deren Beschreibung bestimmter Gesetzmäßigkeiten der Dienstleistung Unternehmensberatung.
1.2.1 Dienstleistungsperspektive Es besteht allgemeiner Konsens darüber, dass Beratungsleistungen im Rahmen eines interaktiven, problemlösungsbezogenen und auftragsindividuellen Beratungsprozesses von qualifizierten Personen unter Einbeziehung der Mitarbeiter des Kundenunternehmens erbracht werden [vgl. Jeschke 2004, S. 18]. Beratungsleistungen sind demnach professionelle Dienstleitungen (engl. Professional Services) und damit People Business. Da auch die IT-(Beratungs-)Dienstleistungen zum Untersuchungsgegenstand gehören, drängt sich die Frage auf, wie sich Dienstleistungen von Produkten (besonders) im IT-Umfeld abgrenzen. 1.2.1.1 Abgrenzung zwischen Dienstleistungen und Sachleistungen
Dienstleistungen werden häufig anhand der folgenden drei Merkmale gekennzeichnet [vgl. stellvertretend Meffert/Bruhn 1995, S. 23 ff.]:
1.2 Perspektiven und Dimensionen der Beratung
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Potenzialorientierung. Die Dienstleistung besteht aus der Vermarktung von Leistungsversprechen (im Sinne von Fähigkeit und Bereitschaft zur Erbringung einer Dienstleistung). Prozessorientierung. Der Leistungserstellungsprozess ist gekennzeichnet durch die Integration von internen und externen Produktionsfaktoren sowie durch die Synchronisation von Erbringung und Inanspruchnahme einer Tätigkeit. Ergebnisorientierung. Das Leistungsergebnis ist immateriell und intangibel. Die Abgrenzung zwischen Dienstleistungen und Sachleistungen auf dieser Grundlage ist allerdings nicht unproblematisch, da alle drei Kriterien bestimmte Ausnahmen nicht erfassen bzw. auch für Sachleistungen zutreffen. Aber auch die von Mugler und Lampe [1987, S. 478] vorgelegte und von Hagenmeyer [2002, S. 362 f.] übernommene Definition der Unternehmensberatung als eine „Dienstleistung, die durch (I) Externalität, (II) Unabhängigkeit und (III) Professionalität gekennzeichnet ist“ kann unter Einbeziehung und besonderer Berücksichtigung der IT-Beratung nicht immer zielführend sein, denn:
Externalität bedeutet, dass das Inhouse Consulting zwangsläufig aus der Betrachtung des Untersuchungsgegenstands Unternehmensberatung ausscheiden müsste. Sicherlich ist es erstrebenswert, wenn der Berater dem Kundenunternehmen eine Sichtweise anbieten kann, die sich von der üblichen und notwendigerweise vorhandenen „Betriebsblindheit“ unterscheidet, dennoch können unzählige (IT-)Beratungsfälle aufgezählt werden, bei denen „Betriebsblindheit“ für die Beauftragung keine Rolle spielt.
Unabhängigkeit ist ebenfalls nicht in jedem Fall für den Berater erforderlich. Wie kann bspw. ein SAP-Berater unabhängig bzw. neutral sein, wenn er vielleicht doch nur die SAPSoftware kennt und beherrscht? Sicherlich, für die Auswahlberatung eines ERP-Systems (ERP = Enterprise Resource Planning) sollte möglichst ein Berater beauftragt werden, der seine Sichtweise unabhängig von persönlichen und organisationsinternen Interessen, d. h. ausschließlich zum Wohle des Kunden aus einer objektiven Position formulieren kann. Doch wenn es um die Einführungsberatung von konkreter ERP-Software geht, kann der Berater seine Neutralität gegenüber anderen, vielleicht konkurrierenden Softwaresystemen durchaus ablegen.
Professionalität ist für den Berater in der Tat unentbehrlich, denn sie macht die Kernkompetenz eines Beraters aus. Unter Professionalität sind „das Wissen und die Fähigkeit zu verstehen, die man – weitgehend unabhängig vom konkreten Bearbeitungsthema – zur Mitgestaltung und Steuerung von Beratungsprozessen benötigt, um sich und dem Klienten die notwendigen Freiräume zur Problembearbeitung zu sichern” [Titscher 2001, S. 31].
Somit bleibt festzuhalten, dass eine vollständige und überschneidungsfreie Abgrenzung von Dienst- und Sachleistungen anhand von rein definitorischen Ansätzen auf der Grundlage von sogenannten konstitutiven Merkmalen doch erhebliche Probleme aufwirft. Im Sinne eines geschlossenen Theoriegebäudes ist dagegen der typologische Ansatz eher geeignet, das Abgrenzungsproblem zwischen Dienst- und Sachleistungen transparent zu machen. Im Unterschied zu den rein definitorischen Ansätzen besteht der Vorteil der Typologie darin, dass die als relevant erachteten Ausprägungen eines Merkmals nicht eineindeutig bestimmt werden müssen, sondern
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1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
als Kontinuum zwischen ihren Extremausprägungen dargestellt werden können. Typologien verwenden somit keine konstitutiven Beschreibungsmerkmale sondern Kriterien, die für das jeweilige Ziel der Typologiebildung die höchste Aussagekraft besitzen [vgl. Meffert/Bruhn 1995, S. 30 f.].
1.2.1.2 Leistungstypologien
Auf Grundlage dieser Überlegungen haben Engelhardt et al. [1993, S. 416] eine Leistungstypologie vorgelegt, die auf zwei Dimensionen beruht und die zu vier Grundtypen von Leistungen führt (siehe Abbildung 1-09). Die beiden Dimensionen sind Integrationsgrad, d.h. die Integration des externen Faktors in den betrieblichen Leistungsprozess sowie Immaterialitätsgrad des Leistungsergebnisses.
Integrativitätsachse
Integrativ
Leistungstyp II
Leistungstyp I
Sondermaschine Integrationsgrad
Unternehmensberatung
Leistungstyp III
Leistungstyp IV
Reproduziertes Teil
Datenbankdienst
Autonom Prozessdimension
Materialitätsachse
Materiell Immateriell
Ergebnisdimension
Immaterialitätsgrad
Abb. 1-09:
Leistungstypologie nach Engelhardt et al. [1993]
Auf der Integrativitätsachse geht es um die Gestaltung des Leistungsprozesses. Sie beschreibt die Prozessdimension. Danach sind Leistungen integrativ, wenn der Kunde an der Erstellung der Leistung in irgendeiner Form mitwirkt. Man spricht dabei auch von der Notwendigkeit zur Integration eines externen Faktors als Grundlage der Leistungserstellung. Ein solcher externer Faktor kann der Kunde selbst, ein Gegenstand des Kunden oder auch nur ein Kundenwunsch sein, der für die Erstellung der Dienstleistung wesentlich ist. Auf der Materialitätsachse geht es um das Leistungsergebnis. Sie beschreibt die Ergebnisdimension. Leistungen sind dann immateriell, wenn die Leistungsergebnisse nicht „greifbar“ sind.
1.2 Perspektiven und Dimensionen der Beratung
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Die Extremfälle dieser Typologie können wie folgt charakterisiert werden [vgl. Meffert/Bruhn 1995, S. 31]:
Der erste Leistungstyp beschreibt Problemlösungen, die nahezu ausschließlich immaterielle Leistungsergebnisse beinhalten und die unter starker Integration des externen Faktors erstellt werden (z. B. Unternehmensberatung).
Der zweite Leistungstyp beinhaltet demgegenüber in hohem Maße materielle Leistungsergebnisse, die vom Anbieter unter Mitwirkung externer Faktoren erstellt werden (z. B. eine im Kundenauftrag erstellte Sondermaschine).
Beim dritten Leistungstyp handelt es sich um Problemlösungen, die durch ein materielles Leistungsergebnis bei gleichzeitig weitgehend autonom gestaltetem Leistungserstellungsprozess gekennzeichnet sind (z. B. die klassischen Konsumgüter von Automobilen bis hin zu Lebensmittelprodukten).
Für den vierten Leistungstyp sind ebenfalls autonome Prozesse bei der Leistungserstellung kennzeichnend, wobei das Leistungsergebnis hier jedoch immaterieller Natur ist (z.B. Datenbankdienste oder Softwareprodukte).
Beratungsleistungen sind somit in hohem Maße immateriell und integrativ. Integrativ deshalb, weil die Problemlösungen im engen Kontakt mit den Kundenunternehmen (als externer Faktor) erarbeitet werden. Immateriell deshalb, weil Beratungsleistungen nun einmal (physisch) nicht „greifbar“ (engl. tangible) sind. Diese Zuordnung bedeutet jedoch nicht unbedingt, dass Beratungsleistungen vollständig ohne materielle Bestandteile auskommen müssen. So können Beratungsergebnisse auf Papier oder auf Folien zusammengefasst werden. Noch differenzierter ist die Leistungstypologie, die Meffert [1994] vorschlägt und die auf der Typologie von Engelhardt et al. aufsetzt. Sie führt zwar hinsichtlich der Abgrenzung von Dienst- und Sachleistungen zu keinem unmittelbar höheren Erkenntnisgewinn, zur Abgrenzung von Produkten und Dienstleistungen in der IT-nahen Software kann sie jedoch wichtige Anhaltspunkte liefern. Meffert behält die Immaterialitätsdimension bei und zerlegt die Integrationsdimension in die beiden folgenden Teildimensionen Interaktionsgrad, der sich auf jegliche Form der Einbindung des externen Faktors in den Leistungserstellungsprozess bezieht, und Individualisierungsgrad, der ein Kontinuum zwischen Standard- und Individualleistungen aufspannt. Lässt man den bereits diskutierten Immaterialitätsgrad unberücksichtigt, so ergibt die Leistungstypologie von Meffert die in Abbildung 1-10 gezeigte Darstellung. Auch in dieser Typologie nimmt die Unternehmensberatung eine Extremposition ein. Beratung ist hiernach eine Leistung, die durch eine hohe Interaktivität und gleichzeitig durch eine hohe Individualität gekennzeichnet ist.
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1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
Individualitätsgrad Customized
Standardsoftware mit hohem Modifikationsanteil
Standardsoftware Standardisiert
Unternehmensberatung IndividualsoftwareErstellung
Standardsoftware mit hohem Beratungsanteil Interaktionsgrad
Unabhängig Interaktiv
Abb. 1-10:
Leistungstypologie im Softwareumfeld
Auf der Grundlage dieser Leistungstypologie lassen sich nun auch relativ unproblematisch Produkte und Dienstleistungen im Softwareumfeld abgrenzen. Ob es sich bei einer Softwareentwicklung um ein Produkt oder um eine Dienstleistung handelt, hängt davon ab, ob der Kunde als externer Faktor in den Softwareerstellungsprozess eingebunden ist oder nicht. Bei der individuellen Softwareentwicklung handelt es sich regelmäßig um eine Dienstleistung, da hier einerseits die Interaktion mit dem Kunden und andererseits die individuelle Kundenorientierung im Sinne einer „Customization“ wesentlich sind. Standardsoftware oder auch „Packaged Software“ zeichnet sich dagegen durch (Kunden-)Unabhängigkeit und ein hohes Maß an Standardisierung aus, weil sie weitestgehend ohne Zutun des Kunden erstellt wird. Damit ist Standardsoftware eine Sachleistung oder ein IT-Produkt. Wird Standardsoftware mit einem hohen Modifikationsanteil oder mit einem hohen Beratungsanteil (Installationsberatung) installiert, so handelt es sich nach dieser Darstellung um eine Mischform. In diesem Zusammenhang ist noch auf den für das Beratungsgeschäft wichtigen Unterschied zwischen funktioneller und institutioneller Dienstleistung hinzuweisen. Als funktionelle Dienstleistungen sind jene immateriellen und integrativen Leistungen zu verstehen, die ein Unternehmen zur Absatzförderung seiner selbsterstellten Sachgüter – quasi als „Neben“-Funktion – zusätzlich anbietet und erbringt. Beispiele für solche „Auch-Dienstleister“ sind Softwarehäuser, die im Umfeld ihrer Standardsoftwareprodukte auch Beratungsleistungen wie Hotline-Service oder Einsatzunterstützung anbieten. Demgegenüber werden institutionelle Dienstleistungen von „Nur-Dienstleistern“ (z. B. Beratungsunternehmen) erbracht – und zwar als Hauptfunktion zum Absatz von Sachleistungen, Nominalgütern und Dienstleistungen. Insofern liegt für Standardsoftware (im B2B-Bereich) das Verständnis einer investiven Sachleistung mit funktionellen Dienstleistungsanteilen zugrunde. Die Entwicklung von Individualsoftware ist dagegen eine institutionelle Dienstleistung. Beratungsleistungen, die im Umfeld von Standardsoftware erbracht werden (z. B. Einsatzberatung, Installationsunterstützung, Modifikationsservice), können sowohl funktionelle Dienstleistungen (wenn sie vom Softwareproduzenten
1.2 Perspektiven und Dimensionen der Beratung
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durchgeführt werden) als auch institutionelle Dienstleistungen sein (wenn sie von einem Beratungsunternehmen erbracht werden). „Entwicklungsgeschichtlich“ betrachtet haben sich die allermeisten Softwarehäuser von einem institutionellen Dienstleister zu einem funktionalen Dienstleister entwickelt, denn sehr häufig werden kundenbezogene Individuallösungen, die besonders leistungsfähig und funktional von allgemeinem Interesse sind, standardisiert und als Softwareprodukte einem größeren Kundenkreis zugänglich gemacht [vgl. Lippold 1998, S. 35 f. unter Bezugnahme auf Forschner 1988, S. 14 ff.]. 1.2.2 Institutionelle Perspektive Zur Charakterisierung des Gegenstandsbereichs Unternehmensberatung wird zumeist zwischen einer institutionellen und einer funktionalen Perspektive unterschieden. Institutionelle Aspekte befassen sich einerseits mit dem Träger der Beratung – also dem Berater bzw. dem Beratungsunternehmen – und andererseits mit dem Adressaten der Beratungsleistung, also dem Kunden. Um den „dreidimensionalen Anwendungsraum der Unternehmensberatung“ zu vervollständigen, kommt neben Beratungsträger und Beratungsadressat schließlich noch das Beratungsobjekt als inhaltlicher Gegenstand der Beratungsdienstleistung hinzu [vgl. Hesseler 2011, S. 25 f.].
1.2.2.1 Beratungsträger
Beratungsträger sind diejenigen Personen bzw. Organisationen, die die Beratungsleistung anbieten und durchführen. Konstitutives Merkmal der Beratungsträger ist deren spezifische Qualifikation bzw. Sachverstand, obgleich das Kriterium der Qualifikation – aufgrund fehlender rechtlicher Grundlagen für die anerkannte Berufsausbildung – häufig nur schwer zu operationalisieren ist [vgl. Jeschke 2004, S. 21]. Aufgrund des freien Marktzugangs hat sich in Deutschland eine Vielzahl von Beratungsträgern etabliert. Die bislang vorgelegten Systematiken zur Strukturierung der Angebotsseite beziehen sich in der Regel auf quantitative oder zumindest leicht abgrenzbare Ordnungskriterien, die dann auch in den einschlägigen Marktstudien verwendet werden. Dies sind hauptsächlich Träger- bzw. organisationsbezogene Kriterien wie
Zielmarktbezogene Unternehmensgröße (z. B. Mittelstandsberatung, regionale Beratung, nationale Beratung, internationale Beratung),
Unternehmensträger (z. B. Unternehmensberatung, Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung, Verbandsberatung, studentische Beratung, Institutsberatung, Inhouse Beratung),
Organisationsform (z. B. Einzelberater, Beratungsunternehmen, Corporate Consulting Company, Entrepreneurial Consulting Company, Semi-public Consulting Company) und
Rechtsform (z. B. GmbH, AG, KG, OHG).
Mindestens ebenso interessant und aussagekräftig können mehr qualitative Kriterien sein. Solche Merkmale beziehen sich eher auf Leistungsinhalte bzw. Portfolioinhalte wie
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1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
Beratungsumfang (Spezialist, Generalist, Full-Service-Beratung),
Funktionale Ausrichtung (z. B. Marketing-, Controlling-, HR- oder Logistikberatung),
Branchenorientierte Ausrichtung (z. B. Bankenberatung, Speditionsberatung) und
Querschnittsorientierte Beratung (z. B. Strategieberatung, IT- und Technologieberatung, Organisations- und Prozessberatung, Sanierungsberatung, Innovationsberatung, Nachfolgeberatung).
Damit ergibt sich die Darstellung in Abbildung 1-11, in der die verschiedenen Ausprägungen der Beratungsträger nach Unternehmensmerkmalen und nach Leistungsmerkmalen aufgeführt sind. Eine tiefergehende Betrachtung dieser verschiedenen Ausprägungen wird in Abschnitt 1.3 vorgenommen. Anmerkung: Bisher vorgelegte Systematiken differenzieren im Wesentlichen entweder in funktions-/bereichsspezifische und in funktionsübergreifende Beratung [vgl. Caroli 2007, S. 111] oder in Beratungsträger der Kernbranche bzw. in Wettbewerber als Beratungsträger [vgl. Niedereichholz 2010, S. 16] und können damit lediglich nur einen Teilausschnitt aller Beratungsträger-Bezeichnungen erfassen. Beratungsträger
Träger- bzw. unternehmensbezogene Kriterien
Zielmarktbezogen • Mittelstandsberatung • Regionale Beratung • Nationale Beratung • Internationale Beratung • • •
Unternehmensträger
Organisationsform
• Unternehmensberatung • Wirtschaftsprüfung • Steuerberatung • Verbandsberatung • (Hochschul-)Institutsberatung • Studentische Beratung • Inhouse Beratung
• Einzelberater • Beratungsunternehmen • Corporate (Consulting) Company • Entrepreneurial (Consulting) Company • Semi-public (Consulting) Company
• • •
Leistungsbezogene Kriterien
Rechtsform • GmbH • AG • OHG • KG • • •
Leistungsumfang • Spezialist • Generalist • Fachberatung • Full-ServiceBeratung • • •
• • •
Funktionale Ausrichtung • Marketingberatung • Logistikberatung • Controllingberatung • IT-Beratung • HR-Beratung • • •
Branchenorientierte Ausrichtung
Querschnittsorientierte Ausrichtung
• Bankenberatung • Speditionsberatung • Textilberatung • Handelsberatung
• Strategieberatung • Managementberatung • IT- Beratung • Technologieberatung • Organisationsberatung • Prozessberatung • Sanierungsberatung • Innovationsberatung
• • •
• • •
Abb. 1-11:
Systematisierung der Beratungsträger
1.2.2.2 Beratungsadressaten
Als Beratungsadressaten werden alle Arten von Unternehmen bzw. Organisationen, privatoder nicht-privatwirtschaftlicher Natur, verstanden, die Beratungsleistungen beauftragen oder beauftragen können. Diese Unternehmen bzw. Organisationen lassen sich – ähnlich wie die
1.2 Perspektiven und Dimensionen der Beratung
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Beratungsträger – nach Betriebsgröße, Branche, Rechtsform etc. klassifizieren. Sie bilden die Zielgruppe der Beratungsträger. Eine gewichtige Zielgruppe können Klein- und Mittelunternehmen (KMU) sein, die sich durch relativ leicht erfassbare quantitative Merkmale wie Umsatz- und Mitarbeiterzahlen beschreiben lassen. Hier ist dann lediglich die immer wieder zu Diskussionen führende Unter-, vor allem aber Obergrenze von KMUs zu definieren. Solche quantitativen Merkmale beschreiben allerdings nur Symptome, die – trotz objektiven Bedarfs – die geringe Nachfrage nach Beratungsleistungen (vor allem IT-Beratung und Nachfolgeberatung) nicht erklären können. Zumeist handelt es sich dabei um Familienunternehmen, die sich durch nur schwer erfassbare qualitative Wesensmerkmale (z. B. patriarchalischer Führungsstil, ausgeprägtes Preisbewusstsein, Zusammengehörigkeitsgefühl und gemeinsame Geisteshaltung sowie Wertestabilität der Unternehmerfamilie) auszeichnen und die zu einer höheren Beratungsresistenz führen können. Insofern ist es vor allem die Analyse der qualitativen Kriterien, die ein bedarfsgerechtes Beratungsangebot initiieren kann [vgl. Hesseler 2011, S. 25 f.]. Innerhalb eines jeden Unternehmens sind es wiederum verschiedene Zielpersonen, die dem Berater als Interaktionspartner und Auftraggeber dienen. Solche Zielpersonen sind zumeist Führungskräfte, die allgemein als Management (Top-Management, mittleres Management) bezeichnet werden. Entsprechend wird auch häufig der Begriff Managementberatung (manchmal auch Führungsberatung) verwendet. Führungskräfte lassen sich aber auch in Form einer konkreten hierarchischen Rolle wie Vorstand, Geschäftsführer, IT-Leiter, Einkaufsleiter, Marketingleiter etc. charakterisieren. 1.2.2.3 Beratungsobjekte
Die dritte Dimension im Anwendungsraum Unternehmensberatung sind die Beratungsobjekte, die den Gegenstand der Problemlösung beschreiben. Das Beratungsobjekt kann sehr eng mit dem Beratungsträger korrelieren, weil es dem Träger häufig seinen Namen verleiht. Beispiele hierfür sind:
Beratungsobjekt: Nachfolgemanagement ↔ Beratungsträger: Nachfolgeberater bzw. Nachfolgeberatung;
Beratungsobjekt: Strategie bzw. strategisches Management ↔ Beratungsträger: Strategieberater bzw. Strategieberatung;
Beratungsobjekt: Logistik bzw. Logistikmanagement ↔ Beratungsträger: Logistikberater bzw. Logistikberatung.
Neben der möglichen Verwechslungsgefahr zwischen Beratungsträger und Beratungsobjekt kommen noch die Vielfältigkeit, Interdependenz und Veränderbarkeit der Beratungsfelder bzw. Beratungsthemen hinzu, so dass es schwerfällt, fest abgrenzbare Objekte im Anwendungsraum der Beratungsleistungen zu definieren. Der Bundesverband Deutscher Unternehmensberater BDU e. V. sucht einen pragmatischen Ausweg, in dem er seine Fachverbände nach den Auftragsschwerpunkten seiner Mitgliedsfirmen ausrichtet und auf diese Weise zu einer Auflistung vorwiegend relevanter Beratungsobjekte gelangt [vgl. Hesseler 2011, S. 31 f.]:
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1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
Unternehmensführung + Controlling Management + Marketing Informationsmanagement + Logistik Personalmanagement Change Management Integrative Unternehmensprozesse Finanzierung Gründung, Entwicklung, Nachfolge Sanierung und Insolvenz Outplacement Öffentlicher Sektor Healthcare.
Die Liste der BDU-Fachverbände vervollständigt noch die Personalberatung, die hier aber nicht Gegenstand der Betrachtung ist. 1.2.3 Funktionale Perspektive Warum gibt es die Unternehmensberatung? Was sind ihre Aufgaben? Was ist die Existenzberechtigung der Beratungsunternehmen? Was macht das Spezifische einer Beratungsleistung aus? Was erwartet der Kunde, wenn er einen Berater hinzuzieht? Die Beratungsforschung beantwortet diese Fragen im Wesentlichen mit folgenden sieben Funktionen [vgl. Kraus/Mohe 2007, S. 268 und 271 sowie Jeschke 2004, S. 50 ff.]: Wissenstransferfunktion. Diese Funktion dominiert in der Beraterliteratur und entspricht im Wesentlichen auch der Selbstbeschreibung der Branche. Der Berater verfügt über das erforderliche Fakten-, Erfahrungs- und Methodenwissen und setzt dieses zur Lösung von Problemen beim Kunden ein. Prüfungsfunktion. Mit der Transferfunktion einher geht häufig die Prüfungsfunktion. So wird der Unternehmensberater zur quasi-empirischen Überprüfung von Annahmen, Realitätsnähe und Exaktheit praktisch-normativer Handlungen (z. B. als Gutachter) eingesetzt. Kapazitätsausgleichsfunktion. Bei dieser Funktion geht es um abrufbare Beratungskapazitäten, die das Kundenunternehmen selbst nicht hat bzw. kurzfristig nicht wirtschaftlich aufbauen kann. Impulsfunktion. Von der Beratungspraxis gehen zunehmend Impulse auf betriebswirtschaftliche Entwicklungsrichtungen aus. Unternehmensberater setzen sich frühzeitig mit einzel- und gesamtwirtschaftlichen Trends auseinander, erfassen anwendungsorientierte Anforderungen der Kundenunternehmen an betriebswirtschaftliche Modelle und ITTechnologien und geben so Impulse zur Initiierung von Innovationen. Politikfunktion. Diese (latente) Funktion spielt immer dann eine Rolle, wenn der Berater zur Unterstützung des Auftraggebers bei der Durchsetzung bereits feststehender Vorstellungen herangezogen wird.
1.2 Perspektiven und Dimensionen der Beratung
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Durchsetzungsfunktion. Im Rahmen dieser Funktion wird der Berater zur aktiven Mobilisierung von Unterstützung und zur Konsensfindung bei noch nicht feststehenden Vorstellungen des Kunden eingesetzt. Legitimationsfunktion. Hier werden insbesondere sehr namhafte Beratungshäuser beauftragt, um bestimmten Ideen oder Projekten ihren guten Ruf bei der Durch- und Umsetzung zu verleihen. Interpretationsfunktion. Im Rahmen dieser Funktion bietet der Berater als Gesprächspartner („soundboard“) neue Interpretationsweisen an und hilft, die Aktionen des Managements zu reflektieren. Innerhalb dieser Auflistung ist die Wissenstransferfunktion, die den Berater als Vermittler fundierten (theoretischen) Wissens (an die Praxis) kennzeichnet, von zentraler Bedeutung. Neben dieser dominierenden Funktion des Wissenstransfers sind die übrigen Funktionen eher latente Funktionen, die kaum im Mittelpunkt der Außendarstellung stehen, aber dennoch zur Inanspruchnahme von Beratungsleistungen motivieren können [vgl. Kraus/Mohe 2007, S. 271]. Ein etwas differenzierterer Ansatz, der zunächst drei „engpassorientierte Typen“ von Unternehmensberatung unterscheidet, ordnet diesen drei Beratungstypen jeweils drei Beratungsfunktionen zu [vgl. Caroli 2007, S. 115 ff.]: Der erste Beratungstyp, die instrumentelle Beratung, dient dem Kundenunternehmen als zusätzliche Handlungskapazität. Die instrumentelle Beratungsbeziehung ist somit eine Delegationsbeziehung, bei der der Berater die Rolle einer externen Stabsabteilung einnimmt. Dieser Beratungstyp ist durch folgende Funktionen gekennzeichnet:
Managementfunktion Sanierungsfunktion Stabsfunktion.
Die konzeptionelle Beratung als zweiter Beratungstyp dient dem Kunden primär als Zusatzexpertise. Sie soll dem Kundenunternehmen helfen, neue zweckmäßige Problemlösungen zu finden, die sonst außerhalb des Erfahrungshorizonts des Kunden gelegen hätten. Dieser Beratungstyp ist gekennzeichnet durch eine Sparringsbeziehung und zeichnet sich durch folgende Funktionen aus:
Interventionsfunktion Moderationsfunktion Orientierungsfunktion.
Der dritte Beratungstyp ist die symbolische Beratung. Hier nutzt der Kunde die Beratung als zusätzlichen Urteilsmaßstab. Die symbolische Beratung lässt sich auch als Schiedsbeziehung auffassen, da das Urteil des Beraters zweckmäßige Handlungsalternativen ermöglichen soll, zu deren Auswahl dem Management des Kundenunternehmens allein die Vertrauensbasis gefehlt hätte. Folgende Funktionen sind Grundlage der symbolischen Beratung:
Konfirmationsfunktion Legitimationsfunktion Schlichtungsfunktion.
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1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
Abbildung 1-12 liefert einen Überblick über die Beratungsfunktionen im Kontext der drei Beratungstypen.
Beratungstyp
Instrumentelle Beratung
Konzeptionelle Beratung
Symbolische Beratung
Beratungsfunktion
• Managementfunktion • Sanierungsfunktion • Stabsfunktion
• Interventionsfunktion • Moderationsfunktion • Orientierungsfunktion
• Konfirmationsfunktion • Legitimationsfunktion • Schlichtungsfunktion
Nutzen der Beratungsbeziehung
Zusätzliche Handlungskapazität
Zusatzexpertise
Zusätzlicher Urteilsmaßstab
Wesen der Beratungsbeziehung
Unternehmensberatung als Kapazitätsausleihe (Wirtschaftlichkeitskalkül)
Unternehmensberatung als Erfahrungstransfer (Entwicklungskalkül)
Unternehmensberatung als Vertrauensgrundlage (Objektivierungskalkül)
Art der Beratungsbeziehung
Delegationsbeziehung
Sparringsbeziehung
Schiedsbeziehung
Beratungsansatz
Capacity-based Consulting
• Content-based Consulting • Experience-based Consulting • Process-based Consulting
Arbitration-based Consulting
[Quelle: in Anlehnung an Caroli 2007, S. 117]
Abb. 1-12:
Beratungsfunktionen im Kontext
In diesem Kontext sind auch die fünf grundsätzlichen Beratungsansätze von Unternehmensberatern aufgeführt. Diese Beratungsansätze sind im Einzelnen [vgl. Sommerlatte 2004, S. 2 f.]: Capacity-based Consulting. Häufig werden Leistungen, die nicht zur Beherrschung des laufenden Geschäfts gehören und für die das Unternehmen über keine oder nur geringe eigenen Kapazitäten verfügt, an Externe verlagert. Berater erfüllen hierbei die Funktion abrufbarer Bearbeitungskapazitäten. Das Projektmanagement, für das kein eigener Manager abgestellt werden kann, ist ein typisches Beispiel. Letztlich zählt aber auch die SAP-Einführungsunterstützung, die aus Kapazitätsgründen zeitlich begrenzt in Anspruch genommen wird, zu diesem Dienstleistungsansatz, der vorwiegend dem Beratungstyp instrumentelle Beratung zuzuordnen ist. Content-based Consulting. Bei diesem Ansatz geht es um die Beschaffung von Kenntnissen und Expertisen, über die man selber nicht verfügt. Typische Beispiele sind Methodenberatung, Benchmarkings, Aufbau eines E-Business-Systems, Customer Relationship Management etc. Das Content-based Consulting zählt zum Beratungstyp der konzeptionellen Beratung. Experience-based Consulting. Hierbei handelt es sich um die Einbringung von Erfahrungen bei der Lösung von Aufgaben und Problemen und der Realisierung neuer Vorhaben. Dazu zählen insbesondere Restrukturierungsvorhaben, Umgestaltung oder Roll-out von ERP-Systemen, Akquisitions- und Fusionsvorhaben. Dieser Beratungsansatz wird ebenfalls überwiegend zum Beratungstyp der konzeptionellen Beratung gezählt.
1.2 Perspektiven und Dimensionen der Beratung
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Process-based Consulting. Will das Unternehmen schließlich einen beschlossenen Veränderungsprozess unter zuverlässiger, externer Führung realisieren, so werden regelmäßig Berater beauftragt, die sich auf Problemlösungs-, Interaktions- und Moderationsmethoden spezialisiert haben. Auch das Process-based Consulting ist ein gutes Beispiel für die konzeptionelle Beratung. Arbitration-based Consulting. Besteht Unsicherheit bei der Bewertung bestimmter Entscheidungen, wird häufig eine neutrale Sichtweise gesucht. In solchen Fällen wird auf das unabhängige und neutrale Urteil eines externen Beraters gesetzt. Das Arbitrationbased Consulting ist eindeutig dem Beratungstyp der symbolischen Beratung zuzuordnen. In Abbildung 1-13 sind die verschiedenen Dienstleistungsansätze des Beratungsgeschäfts im Überblick dargestellt. Situation beim Kundenunternehmen
Mehrwert durch Unternehmensberater
Content-based Consulting
Methodische, organisatorische, IT- oder sonstige Expertise ist für bestimmte Aufgabenstellungen nur unzureichend vorhanden
Spezifische Kenntnisse und kreative Impulse von außen
• Methodenberatung • Benchmarkings • Aufbau eines E-BusinessSystems • Customer-RelationshipManagement
Experience-based Consulting
Bestimmte Erfahrungen bei der Realisierung neuer Vorhaben nur unzureichend vorhanden
Spezifische Erfahrungen für bestimmte Vorhaben von außen
• Restrukturierungsvorhaben • Roll-out von ERPSystemen • Akquisitions- und Fusionsvorhaben
Capacity-based Consulting
Eigene Mitarbeiter können den Ressourcenbedarf für bestimmte Projekte nicht oder nur unzureichend abdecken
Abbau von Kapazitätsengpässen
• Projektmanagement • Wartung und Pflege von ERP-Systemen • Business Process Outsourcing
Arbitration-based Consulting
Entscheidungssituationen/ Veränderungsprozesse sollen ohne Betriebsblindheit oder Interessenkonflikte bewältigt werden
Objektivität des Unparteiischen
Auswahl- und Entscheidungsprozesse für den Einsatz neuer ITSysteme
Process-based Consulting
Wichtige Entscheidungs-, Führungs- und Veränderungsprozesse sollen begleitet und kritisch hinterfragt werden
Kritische Begleitung des Veränderungsprozesses
Alle Veränderungsprozesse
Beratungsansatz
Beispiele
[Quelle: in Anlehnung an Sommerlatte 2004, S. 2 f.]
Abb. 1-13:
Dienstleistungsansätze im Beratungsgeschäft
Darüber hinaus soll nicht verschwiegen werden, dass es auch gute Gründe geben kann, warum in manchen Situationen der Einsatz von Unternehmensberatern nicht sinnvoll ist bzw. ernsthaft in Frage gestellt werden sollte. Hierzu zählen bspw. Situationen, wenn sich der Ruf nach Beratern so eingebürgert hat, dass kaum noch ein Vorhaben ohne externe Hilfe entschieden und umgesetzt werden kann. Dadurch verliert die eigene Unternehmensführung an Akzeptanz, ja es entsteht bei den Mitarbeitern sogar der Eindruck der Degradierung. Auch in jenen Situationen, wenn die jeweils laufenden Projekte durch die Berater dazu benutzt werden, immer neue Prob-
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1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
lemstellungen zu identifizieren und ins Bewusstsein der Kunden zu rücken, um damit Folgeaufträge zu generieren, ist zumindest Vorsicht seitens der Kundenunternehmen geboten [vgl. Sommerlatte 2004, S. 10 f.]. 1.2.4 Systembezogene Perspektive Die systembezogene Perspektive befasst sich mit dem Beratungssystem, mit der Kunden-Berater-Beziehung sowie mit den Beraterrollen und die Erwartungen der Kunden an diese Rollen. 1.2.4.1 Beratungssystem
Das Beratungssystem setzt sich aus Interaktion und Kommunikation von Beratungsträger (Berater) und Beratungsadressat (Kunde bzw. Interessent) zusammen. Das Zusammenwirken zwischen Beratungsträger und Beratungsadressat ist maßgebend für den Beratungserfolg. Folgende Teilsysteme des Beratungssystems sind zu unterscheiden [vgl. Hesseler 2011, S. 36 f.]: Das Beratungssystem im weiteren Sinne (i.w.S.) setzt sich zusammen aus den Beziehungen zwischen dem
Kunden-/Interessentensystem, das aus der Organisation des Kunden insgesamt und vor allem auch aus der Organisation des Kunden (Interessenten) in der Akquisitionsphase z.B. als Buying Center (Influencer, Gatekeeper, Decider, Buyer, User) besteht und dem Beratersystem im Allgemeinen, das die Organisation des Beratungsunternehmens insgesamt sowie seine vertriebliche Organisation (z. B. in Form eines Selling Centers) in der Akquisitionsphase meint.
Das Beratungssystem im engeren Sinne (i.e.S.) ist eingebettet in das Beratungssystem (i.w.S.) und bezieht sich auf die konkrete Systemumgebung des Beratungsprojekts. Es besteht aus dem
Kunden-/Auftraggebersystem, das sich aus den in das Beratungsprojekt eingebundenen Personen des Auftraggebers (Projektleiter, Projektmitarbeiter, User etc.) zusammensetzt und dem Beratersystem, zu dem alle Personen/Berater zählen, die in das Beratungsprojekt eingebunden sind (z. B. Projektmanager, Projektmitarbeiter, Berater etc.).
In Abbildung 1-14 sind die entsprechenden Teilmengen und Beteiligten am Beratungssystem dargestellt.
1.2 Perspektiven und Dimensionen der Beratung
43
Beratungssystem i. e. S.
Kunden-/ Interessenten -system
Kunden-/ Auftraggeber -system
Organisation des Kundenunternehmens (Buying Center)
• Lenkungsausschussteilnehmer • Projektleiter • Interner Koordinator • Projektmitarbeiter • User
Organisation des Beratungsunternehmens (Selling Center)
• Lenkungsausschussteilnehmer • Projektleiter • Projektmanager • Projektmitarbeiter • Berater
Beratungssystem i. w. S.
Beratersystem im Allgemeinen
Beratersystem
[Quelle: in Anlehnung an Hesseler 2011, S. 36 f.]
Abb. 1-14:
Das Beratungssystem und seine Teilmengen
1.2.4.2 Kunden-Berater-Beziehung
Der Grad der Wechselbeziehung zwischen den Teilsystemen untereinander und der Austausch der Beziehungen zwischen Beratungssystem und Beratungsumgebung sind ebenfalls Teil des gesamten Beratungssystems und mitverantwortlich für den letztendlichen Beratungserfolg. Im Beratungsprozess arbeiten im Idealfall Kunde und Berater zusammen. Je nach Auftragsart, Geheimhaltungspflicht und Komplexität der Aufgabe ist die Kunden-Berater-Beziehung unterschiedlich intensiv [vgl. Hesseler 2011, S. 37 f.]. Das Intensitätskontinuum reicht von
Auftragspol A: Berater führt Auftrag autark aus (reiner Konzeptlieferanten wie z.B. Gutachten, Expertenrat, Schiedsfunktion) bis Auftragspol B: Berater und Kunde arbeiten kontinuierlich und intensiv zusammen (Realisierungsprojekte wie z.B. Prozessoptimierungen, Systemintegration, Change Management).
Zwischen den beiden Auftragspolen spannt sich ein breites Spektrum weiterer Zusammenarbeitsformen, deren konkrete Ausprägung von Faktoren wie Realisierungsgrad, Einflussnahme, Projektverantwortung (siehe hierzu auch Abschnitt 4.6.1.4). Insert 1-07 veranschaulicht eine zeitgemäße Kunden-Berater-Beziehung bei größeren Veränderungsvorhaben. Es wird darin deutlich, dass sich sowohl inhaltliche als auch formale Aspekte der Kunden-Berater-Beziehung im Zeitablauf verändern können.
44
1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
Insert
Kunden-Berater-Beziehung – Partnerschaft mit Ergebnis- und Umsetzungsverantwortung Die zurückliegenden Jahre des Booms, der Überhitzung, der Konsolidierung und der Erholung haben die Sicht der Kundenunternehmen auf Beratungsleistungen und insbesondere auf die Form der Zusammenarbeit nachhaltig verändert. Dies hängt vorwiegend mit Veränderungen auf der Kundenseite zusammen. Die Kundenunternehmen haben in dreierlei Hinsicht kräftig „aufgerüstet“: • Von den größeren Unternehmen wurden hauseigene Beratungseinheiten aufgebaut, die sich in einigen Bereichen zu ernsthaften Wettbewerbern der externen Beratung entwickelt haben. • Viele ehemalige Berater wurden in Linienfunktionen der Kundenunternehmen eingestellt, so dass externe Expertise in einigen Unternehmen ein wenig an Bedeutung verloren hat. • Und schließlich haben die Auftraggeber professionelle Einkaufsabteilungen etabliert, die – insbesondere unter dem Aspekt der Preisverhandlungen – ein gewichtiges Wort bei der Auftragsvergabe mitzureden haben. Unter diesen Rahmenbedingungen ergeben sich – insbesondere bei größeren Veränderungsvorhaben – folgende drei Hauptanforderungen an eine erfolg-
reiche Kunden-Berater-Beziehung: • Berater müssen heutzutage in der Lage sein, Veränderungsprozesse komplett inhaltlich auszugestalten und sie anschließend zu managen. Sie werden daran gemessen, dass sich langfristige und nachhaltige Veränderungen einstellen, deren Wirkung nachvollziehbar und somit quantifizierbar ist. Bei erfolgreicher Arbeit dankt dies der Kunde mit einem hohen Maß an Treue. • Eine weitere Anforderung an eine moderne Kunden-Berater-Beziehung ist die Ergebnisverantwortung für den gesamten Veränderungsprozess. Werkverträge sind hierbei die üblichen Instrumente. Transformationsbegleiter sind somit die größeren Unternehmensberatungshäuser, die häufig im Sinne von Generalunternehmen agieren und die ihrerseits wiederum Dienstleister mit einbinden können. • Das dritte Element ist der ausgelagerte Betrieb von Prozessen und Systemen. In diesem Fall wird Beratung häufig nicht alleine „eingekauft“, sondern sie ist Bestandteil der Outsourcing-Dienstleistungen. Darüber hinaus sind Berater zunehmend in Business Process Outsourcing (BPO)-Projekte eingebunden, indem sie dabei helfen, Geschäftsprozesse aus den Kundenunternehmen herauszulösen.
[Quelle: Schulte 2006, S. 48 f.]
Insert 1-07:
Zeitgemäße Kunden-Berater-Beziehung bei größeren Veränderungsvorhaben
1.2.4.3 Beraterrollen und Kundenerwartungen
Ein Teil des Beratungssystems sind die Erwartungen des Kunden an die beauftragte Leistung. Werden die Kundenerwartungen erfüllt oder gar übertroffen, spricht man von Kundenzufriedenheit. Die Erwartungen des Kunden sind somit der Ausgangspunkt der Beratungsleistung. Insofern ist es nur konsequent, dass der Berater den Erwartungswert seiner Leistungen hinterfragt. Da bei einer Dienstleistung die Erwartungen immer an bestimmte Personen gerichtet sind, ist es anschaulicher, die Erwartungen an bestimmten Rollen festzumachen und den Mehrwert dieser Rollen zu hinterfragen. Folgende Rollen sollen hier beispielhaft erläutert werden [vgl. überwiegend Eichen/Stahl 2004, S. 3 ff.]: Der Irritierende. In der Rolle des Irritierenden unterbricht der Berater Routinen und stört Bestehendes. Das können Strukturen, Weltbilder, mentale Modelle, soziale Schemata, Einstellungen, Normen oder Regeln sein, kurz alles, was der Berechenbarkeit der Organisation dient. Seinen Mehrwert stiftet der Irritierende durch Perspektiven, die das Kundenunternehmen selbst vielleicht nie verfolgt hätte. Der Mentor. Mit der Rolle des Mentors verbindet man einen erfahrenen Ratgeber und Helfer. Er führt das Kundenunternehmen durch schwierige Themen (Markt, Technologie) und besticht
1.2 Perspektiven und Dimensionen der Beratung
45
durch das breite Spektrum seiner Kompetenzen. Er hilft, wahrgenommene Komplexität zu bewältigen. Sein Mehrwert entsteht aus intensiver Beobachtung, aktivem Zuhören und gemeinsamer Reflexion. Der Konzeptlieferant. Der Konzeptlieferant bietet Werkzeuge (engl. Tools) an, die – sofern sie zu den Problemen passen – als kostengünstige Lösung einen erheblichen Mehrwert bieten können. Allerdings ist beim Konzeptlieferanten die Versuchung groß, dass das Verkaufen der Tools über die Beratung gestellt wird. Der Schamane. Der Schamane ist Mittler zwischen der gruppengemeinsamen Alltagsrealität und der transzendenten Welt. Er steht besonders den beiden Problemfeldern von Organisationen sehr nahe: der Zukunft und der Kultur. Sein Mehrwert kann darin liegen, dass er die Kräfte jenseits der Ratio zu wecken weiß. Der Benchmarker. Benchmarking, d. h. das Lernen von den Besten und das Gucken über den Tellerrand, ist die ureigene Disziplin des Beraters. Aufgrund seiner Branchenkenntnisse verfügt keiner über so viel Benchmark-Know-how wie der Berater. Der Mehrwert des Benchmarkers liegt darin, dass das Kundenunternehmen Einsicht in das Wettbewerberumfeld bekommt und von den Besten lernen kann. Der Umsetzer. Der Umsetzer stellt sein Handeln über das Denken. Er ist der Macher unter den Beratern. Im Gegensatz zum Konzeptlieferanten kann das Konzept beim Macher durchaus auch vom Kunden selbst oder ggfs. auch von anderen Beratern kommen. Und anders als beim Mentor pocht er auf eine rasche Umsetzung, die den Mehrwert seiner Aktivitäten darstellt. Der Spiegel. Von Zeit zu Zeit ist es unumgänglich, dass Organisationen einen Blick in den Spiegel werfen. Berater halten diesen Spiegel sehr gerne vor, weil sich im Spiegelbild einer Organisation immer Abweichungen vom Idealzustand finden lassen. Die Rolle des Spiegels hat insbesondere den Mehrwert, dass ein Problembewusstsein in der Organisation geschaffen wird. Der Legitimator. Häufig gibt es Ideen im Kundenunternehmen, die weder auf fremden Konzepten beruhen noch einer Umsetzung durch andere bedürfen. Doch da der „Prophet im eigenen Lande“ nichts zählt, ist es sehr schwierig, solche Ideen umzusetzen. Hier springt der Berater als Legitimator ein. Sein Mehrwert liegt darin, dass er der Idee oder dem Projekt seinen guten Ruf leiht. Der Change Agent. Unternehmen auf neue Trends und Zukunftsmärkte vorzubereiten, das ist die Aufgabe von Change Agents. Mit dieser Rolle wird der Berater zum Brückenbauer zwischen Wissenschaft und Praxis. Mit seinen profunden IT-Kenntnissen spürt er neue Entwicklungen auf und hilft dabei, den Anwendungsbezug verständlich zu machen und diese Trends in Innovationsfelder und neue Produkte zu transferieren. Der Zeitarbeiter. Zeitweise geht es den Kundenunternehmen einfach nur darum, vorhandene Kapazitätsspitzen abzudecken bzw. auszugleichen, ohne gleich neue Mitarbeiter, die man nach Projektabschluss nicht mehr benötigt, einstellen zu müssen. Hier ist die Rolle des Beraters als Zeitarbeiter gefragt. Dieser arbeitet zwar nicht konzeptionell, sein Mehrwert liegt aber in der Beseitigung von Kapazitätsengpässen.
46
1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
Der Moderator. Die Rolle des Beraters als Moderator ist mehr auf der Managementebene angesiedelt. Der Moderator hat nicht den Ehrgeiz und Willen, dem Kunden neues Wissen beizubringen. Ihm geht es vielmehr um eine neutrale Einflussnahme und Steuerung, um Arbeitsgruppen in die Lage zu versetzen, effektiv und effizient zu arbeiten. Der Coach. Coaching ist ein Mittel zur Förderung der Entwicklung von Führungskräften und Mitarbeitern und vereinfacht in der Regel dadurch angestoßene Veränderungsprozesse. Der Coach zieht diverse Gesprächstechniken und seine professionelle Erfahrung heran, um den Coachee dabei zu unterstützen, dessen gesetzten Ziele zu erreichen. Der Gutachter. Der Gutachter wird besonders in Zweifelsfällen herangezogen. Er bewertet Geschäftsvorfälle und stellt so etwas wie eine letzte, unumstößliche Instanz dar. Sein Mehrwert besteht hauptsächlich darin, Projektergebnisse gegenüber einem interessierten Kreis zu plausibilisieren und zu evaluieren. In Abbildung 1-15 sind die Beraterrollen nach Wesen, Mehrwert und nach ihrer Bedeutung im Rahmen des Plan-Build-Run-Modells (siehe Abschnitt 1.4.4) zusammengefasst.
Rolle
Wesen
Mehrwert
Irritierender
Stört Bestehendes
Erweitert und verändert Perspektiven
+
Mentor
Hört zu, regt an, nimmt an der Hand
Hilft Komplexität zu bewältigen
+
Konzeptlieferant
Bietet Werkzeuge an
Liefert „kostengünstige“ Lösungen
Schamane
Sorgt sich um das Spirituelle
Weckt Kräfte jenseits der Ratio
+
Benchmarker
Guckt über Tellerrand
Bringt Einsicht in Wettbewerberumfeld
+
Umsetzer
Der „Macher“ unter den Beratern
Bringt Dinge in Bewegung
Spiegel
Hilft die „blinden Flecken“ zu entdecken
Schafft Problembewusstsein
+
Legitimator
Erteilt den „rubber stamp“
Beruhigt Zweifler und Kritiker
+
Change Agent
Vermittelt zwischen zwei Welten
Macht Erkenntnisse nutzbar
+
Zeitarbeiter
Arbeitet nicht konzeptionell
Beseitigt Kapazitätsengpässe
Moderator
Schafft Neutralität
Bringt Effizienz in Arbeitsgruppen
+
Coach
Bewertet Geschäftsvorfälle
Plausibilisiert Projektergebnisse
+
Gutachter
Bewertet Geschäftsvorfälle
Plausibilisiert Projektergebnisse
+
Plan
Bedeutung für Run Build
+
+
+
+
+
+ +
+
[Quelle: Eichen/Stahl 2004, S. 4]
Abb. 1-15:
Beraterrollen
Alle hier aufgeführten Rollen sind nicht überschneidungsfrei und damit häufig auch nicht isoliert zu sehen. So kann ein Berater durchaus in mehrere Rollen schlüpfen. Ein Change Agent kann irritieren, spiegeln oder umsetzen. Oder er kann als Mentor, Schamane oder Legitimator agieren.
1.2 Perspektiven und Dimensionen der Beratung
47
1.2.5 Prozessbezogene Perspektive
Da die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen von der schnellen, fehlerfreien, flexiblen und effizienten Abwicklung der auf den Kunden gerichteten Geschäftsprozesse abhängt, gewinnt die Prozessorientierung in allen Branchen zunehmend an Bedeutung – so auch in der Beratungsbranche. Die grundlegende Prozessidee besteht darin, einen 90-Grad-Shift der Organisation vorzunehmen. Durch den Wechsel der Perspektive dominieren bei der Prozessorganisation nicht mehr die Abteilungen mit ihren Abläufen, sondern der Fokus liegt auf Vorgangsketten bzw. Prozessen, die auf den Kunden ausgerichtet sind (siehe dazu ausführlich die Prozessidee in Insert 1-08). Prozesse wiederum bilden eine Folge von weiteren Prozessen im Unternehmen und werden durch Anforderung des Kunden für den Kunden umgesetzt. Unter Kunden sind dabei sowohl externe als auch interne Kunden zu verstehen. Jeder Prozess liefert Ergebnisse, mit denen der anschließende Prozess weiterarbeitet. Das Verhältnis zwischen aufeinander folgenden Prozessen ist eine Kunde-Lieferant-Beziehung. Mit dem letzten Prozess der Prozesskette erfolgt die Erstellung der betrieblichen Leistung für den Kunden. Die Dienstleistungsproduktion in der Beratung, also die Erstellung der Problemlösung, ist ein Prozess, der durch einige Besonderheiten charakterisiert ist. Ein Kennzeichen ist die Unbestimmtheit des Erstellungsprozesses, die unmittelbaren Einfluss auf den Phasenverlauf einer Beratung ausübt. Die Interdependenzen zwischen Unbestimmtheit und Phasenkonzept des Beratungsprozesses sollen im Folgenden aufgezeigt werden.
48
Insert 1-08:
1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
Die Prozessidee
1.2 Perspektiven und Dimensionen der Beratung
49
1.2.5.1 Unbestimmtheit als Charakteristikum von Beratungsprozessen
Die relevanten Komponenten der Dienstleistungsproduktion (also des Leistungserstellungsbzw. Beratungsprozesses) sind [vgl. Schade 2000, S. 88]:
der Input,
der Transformationsprozess (individuelle Beratungstechnologien sowie Wirkung der Zusammenarbeit zwischen Berater und Kundenunternehmen) und
der Output.
Eine Besonderheit bei Beratungsprozessen ist nun, dass diese Bestandteile in der Regel indeterminiert sind, d. h. die Komponenten der Dienstleistungsproduktion im Beratungsbereich können noch verschiedene, im Voraus nicht bekannte Ausprägungen annehmen und sind daher in hohem Maße unbestimmt [vgl. Schade 2000, S. 88 ff. und Gerhard 1987, S. 105 ff.]: Die Unbestimmtheit des Inputs ist u. a. darin begründet, dass möglicherweise bestimmte Informationen, die für den Projektverlauf von Bedeutung sind, bei Projektbeginn noch nicht bekannt sind bzw. vorliegen oder auch (sowohl auf der Berater- als auch auf der Kundenseite) zurückgehalten werden. Die Indeterminiertheit des Transformationsprozesses ist in erster Linie auf die hohe Flexibilität der Beratungsdurchführung, auf die Unwägbarkeiten bei der Zusammenarbeit zwischen Kunden- und Beraterteams, auf Einflüsse des Umfeldes sowie auf mögliche Erkenntniszuwächse während des Projektablaufs zurückzuführen. Die Unbestimmtheit des Outputs ist wiederum Folge des indeterminierten Inputs und des flexiblen Transformationsprozesses, d. h. auch der Output kann ex ante nicht exakt geplant werden, wenn Input und Transformationsprozess unbestimmt sind. Die Unbestimmtheit des Beratungsprozesses kann sich negativ, aber auch positiv auf den Beratungsauftrag auswirken. Die negative Sicht besteht darin, dass der Transformationsprozess schlecht steuerbar ist. Die positive Sicht bezieht sich auf den Vorteil einer höheren Flexibilität.
1.2.5.2 Phasen des Beratungsprozesses
Beratungsprojekte bestehen regelmäßig aus mehreren, technologisch unterschiedlichen und aufeinander aufbauenden Phasen. In Theorie und Praxis wird eine Vielzahl von Phasenmodellen vorgestellt, diskutiert und gehandhabt. Letztendlich liegen die Unterschiede dieser Prozessmodelle im Wesentlichen in der Anzahl der Phasen und weniger in inhaltlichen Überlegungen. Hier soll ein idealtypischer Beratungsprozess, der aus vier Prozessphasen und acht Prozessschritten besteht und damit einem Modellvorschlag von Schade [2000] sehr ähnelt, als Grundlage für die Diskussion der Prozess-Perspektive dienen:
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1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
Akquisitionsphase mit den Prozessschritten Kontakt und Information und Angebotsund Vertragsgestaltung Analysephase mit den Prozessschritten Ist-Analyse und Zielformulierung Problemlösungsphase mit den Prozessschritten Soll-Konzept und Realisierungsplanung Implementierungsphase mit den Prozessschritten Realisierung/Umsetzung und Evaluierung/Kontrolle. Das so beschriebene Phasenmodell (siehe Abbildung 1-16) zeichnet sich gegenüber anderen Modellansätzen dadurch aus, dass hier die Akquisitionsphase, deren Aktivitäten in aller Regel nicht fakturiert werden können, mit zum Beratungsprozess gezählt wird. Das Prozessmodell hat u. a. die Aufgabe, der oben skizzierten Unbestimmtheit des Beratungsprozesses und den damit verbundenen Informationsproblemen gerecht zu werden. Konkret bedeutet dies, dass das Kundenunternehmen nach Abschluss einer Phase die zusätzliche Option hat, das Beratungsunternehmen zu wechseln oder insgesamt aus dem Projekt auszusteigen. Das führt dann in der Praxis dazu, dass ein großer Prozentsatz der so definierten Beratungsprojekte naturgemäß bereits nach der Akquisitionsphase beendet ist, da das Beratungsunternehmen den Zuschlag nicht erhält.
* Prozessphase Prozessschritt
Abb. 1-16:
Akquisitionsphasephase Kontakt- und Information
Angebotsund Vertragsgestaltung
Analysephase Ist-Analyse
Zielformulierung
****
***
**
Problemlösungsphase Soll-Konzept
Realisierungsplanung
Implementierungsphase Realisierung/ Umsetzung
Evaluierung/ Kontrolle
• Information, Orientierung, Recherchen • Vorkontakte • Kontaktgespräch • Akquisitionsgespräch • Identifikation Problembereich • Angebotslegung • Angebotspräsentation • Auftragsentscheidung • Beratungsvertrag
• Planung • Informationsbeschaffung und -vertiefung • Zielformulierung • Zwischenpräsentation Lösungsalternativen • Auswahl Lösungsalternativen
• Konzeptentwicklung • Entwicklung, Diskussion, Bewertung von Problemlösungsalternativen • Erarbeiten Aktionsplan • (Abschluss-) Präsentation • Entscheidung nach Umsetzungsbedingungen
• Umsetzungsplanung • Umsetzungsdurchführung • Praxiserprobung • Optimierung • Einführung • Erfolgskontrolle • Zufriedenheitscheck
* Der häufigste Fall
** Manchmal bleibt es dabei
*** Vielfach noch die Regel
**** Trend
Phasenmodell eines idealtypischen Beratungsprozesses
Innerhalb der fakturierten Phasen kommt es durchaus vor, dass das Projekt bereits nach der Analysephase beendet wird. Sehr viel häufiger ist aber ein Projektende nach Abschluss der Problemlösungsphase anzutreffen. So sind in der Praxis immer wieder Kundenunternehmen anzutreffen, die für den strategischen Teil eines Projektes eine Managementberatung und für die Realisierung eine Umsetzungsberatung (engl. Transformation Consulting) beauftragen. Um diesem „hybriden“ Projektvergabeverhalten entgegenzuwirken, sind namhafte Strategieund Managementberatungen dazu übergegangen, auch die Umsetzungsberatung in ihr Bera-
1.2 Perspektiven und Dimensionen der Beratung
51
tungsportfolio aufzunehmen. Ebenso bauen größere IT-Beratungsgesellschaften, deren Kernkompetenz bislang ausschließlich die IT-basierte Umsetzung war, verstärkt das Angebot an strategischer Beratung aus. Gleichzeitig sehen diese Beratungsgesellschaften in der verstärkten Bearbeitung von strategischen Komponenten die Möglichkeit, auch den Vertriebsweg über die Geschäftsleitungen und nicht nur ausschließlich über den CIO (Chief Information Officer) zu beschreiten. 1.2.5.3 Prozessberatung vs. Inhaltsberatung
Ein weiterer Aspekt der prozessbezogenen Perspektive ist die Unterscheidung zwischen Inhalts- und Prozessberatung. Bei der inhaltsbezogenen Beratung besteht die Aufgabe des Beraters zumeist darin, die inhaltliche Lösung eines Problems zu entwickeln und dem Kundenunternehmen in Form eines Gutachtens zur Implementierung zu übergeben. Durch die Einbindung inhaltsorientierter Berater erlangt der Kunde unmittelbaren Zugriff zu neuem Wissen und einen Vorschlag zur Problemlösung. Der Berater nimmt somit die Rolle eines Lösungsfinders ein. Im Gegensatz dazu wird in der Prozessberatung die inhaltliche Lösung des zugrundeliegenden Problems von der Kundenorganisation selbst entwickelt und implementiert. Der Berater übernimmt in diesem Fall lediglich die Funktion des Moderators und bringt Methoden und Denkweisen in den Prozess ein. Bei der prozessorientierten Beratung geht es also letztlich darum, die Lernfähigkeit der Kundenorganisation zur selbständigen Findung von Problemlösungen zu entwickeln (Transferfunktion). In der Praxis wird es im Rahmen eines Beratungsprojektes häufig zu einer Vermischung beider Beratungsarten kommen [vgl. Bamberger/Wrona 2012, S. 16 ff.]. 1.2.6 Instrumentell-methodische Perspektive Problemlösungen als Ziel des Beratungsprozesses sind zumeist eingebettet in Beratungskonzepte, die „als allgemeine, theoretisch oder auch empirisch begründete Regeln verstanden werden (und) … als konditionale normative Denkmodelle … vornehmlich der Ideologiebildung im Rahmen meinungsbildender Diskurse (dienen)“ [Fink 2009a, S. 7]. Beispiele für erfolgreiche Beratungskonzepte auf Strategieebene sind die Leitgedanken des Shareholder Value, die Konzepte des Portfoliomanagements, der Kernkompetenzen oder der Mergers & Acquisitions, das Konzept des Outgrowing, die Ideen des Lean Management oder des Business Process Reengineering. Solche Beratungskonzepte, die aufgrund ihrer Zielpersonen auch als Managementkonzepte bzw. -ansätze bezeichnet werden, haben gerade in den letzten Jahren Hochkonjunktur. In diesem Zusammenhang ist auch von Managementmoden, die in der Literatur zum Teil heftig kritisiert werden, die Rede [vgl. Jeschke 2004, S. 52 f.]. Insert 1-09 macht die „inflationäre“ Entwicklung der Beratungs- bzw. Managementansätze deutlich. Obendrein widersprechen sich diese Ansätze zum Teil oder es handelt sich um „alten Wein in neuen Schläuchen“.
52
1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
Insert
Managementansätze im Wandel Managementbzw. Beratungsansätze Mobilisation Comp. Intelligence Six-Sigma EFQM CAD = Computer Aided Design Reengineering CAM = Computer Aided Manufacturing Change Management CIM = Computer Integrated Manufacturing Balanced Scorecard NC = Numerically Controlled (Maschinensteuerung) Lean Management CNC = Computerized Numerically Controlled Just in Time FFS = Flexible Fertigungssysteme Strategic Alliance PPS = Produktions-, Planungs- und Steuerungssystem Outsourcing TQM = Total Quality Management Lean Production EFQM = European Foundation for Quality Management Simultaneous Engineering Fractal Organisation Kanban Kaizen Centralisation TQM Quality Management Quality Assurance Dezentralisierung CIM Automatisierung Roboter Mechanisierung Motivation CAD, CAM, FFS, PPS Taylorismus NC, CNC, DNC 1910
1920
1930
1940
1950
Phase 1
Phase 2
technologischer Ansatz
humanistischer Ansatz
1960
Bei den Managementansätzen, mit denen man sich mit Beginn der Industrialisierung auseinandergesetzt hat, lassen sich drei Entwicklungsstufen mit unterschiedlichen Schwerpunkten ausmachen: In der Phase 1 (technologischer Ansatz), vom 19. Jahrhundert bis ca. 1930, dominierten Aspekte der Produktivität und der Effizienzsteigerung sowie Fragen der Vereinfachung und Standardisierung. Bereits lange vor Frederick Winslow Taylor [1911] hatte Charles Babbage [1832] die Vorteile der Arbeitsteilung erkannt. Die Phase 2 (humanistischer Ansatz), von 1930 bis ca. 1960, war geprägt von Managementtheorien, die humane und soziale Faktoren betonten. Die Bedeutung der Moti-
Insert 1-09:
1970
1980
1990
2000
2010
Phase 3 strategischer Ansatz
vation von Mitarbeitern für den Unternehmenserfolg wurde erkannt. Hierfür stehen Namen von Wissenschaftlern wie Abraham Maslow [1940 – Bedürfnispyramide], Frederick Herzberg [1939 – Studie über Motivatoren und Hygienefaktoren] und Douglas McGregor [1960 – Aussagen zu Menschenbildern und ihre Implikationen]. In der Phase 3 (strategischer Ansatz), von 1960 bis heute, wurden zahlreiche Ansätze zur Unternehmensführung entwickelt und Managementwerkzeuge veröffentlicht. Die Schlagworte reichen von Dezentralisierung in den 60er-Jahren über Qualitätsmanagement in den 70ern zu Business Reengineering und Change Management in den 90er Jahren. [Quelle: Wagner, R. 2007, S. 1 ff.]
Beratungsansätze im Zeitablauf
Ideen und Konzepte reichen allerdings nicht aus, um konkrete Aufträge bearbeiten zu können. Hierzu bedarf es spezifischer Beratungsmethoden, also bestimmter Verfahren, die dazu geeignet sind, die in den Beratungskonzepten propagierten Ideen zu operationalisieren. Dabei stehen dem Berater grundsätzlich zwei Vorgehensweisen zur Verfügung: Er kann für jeden Kunden einen individuellen Lösungsweg entwickeln oder auf standardisierte Problemlösungsverfahren zurückgreifen. Bei einer individuellen Problemlösung wird – salopp formuliert – das Rad in jedem Projekt aufs Neue erfunden, während bei einer standardisierten Lösung bewährte Aktivitätsfolgen (Routinen) auf ein nächstes Projekt übertragen und genutzt werden. Bei der Standardisierung greift der Berater zur Problemlösung auf ein vorstrukturiertes methodisches Instrumentarium im Sinne eines Methodenbaukastens (engl. Toolbox) zurück. Tools sind standardisierte Analyse-Werkzeuge, die zu teilstandardisierten Beratungsleistungen führen. Beispiele sind die Wettbewerbsanalyse nach Porter, das Lebenszykluskonzept, Portfoliomodelle oder die Stärken-/Schwächenanalyse [vgl. Fink 2009a, S. 7 f.].
1.2 Perspektiven und Dimensionen der Beratung
53
Die Vorteile standardisierter Beratungsmethoden liegen zunächst in der Verkürzung der Beratungsdauer und damit in der Senkung der Beratungskosten, ohne dass es zu (nennenswerten) Qualitätseinbußen kommt. Standardisierte Beratungsleistungen weisen zudem eine vergleichsweise geringe Personenbindung auf, so dass neue Mitarbeiter schneller eingearbeitet und kreative Fähigkeiten an anderer Stelle effektiver eingesetzt werden können. Standardisierte Beratungsleistungen lassen sich darüber hinaus leichter positionieren und kommunizieren als individuelle Leistungen. Auf diese Weise ist bei den Beratungsunternehmen eine Vielzahl von standardisierten Beratungsprodukten entstanden. Beratungsprodukte sind die ausgeprägteste Form der Standardisierung und ermöglichen es dem Berater, für bestimmte Problemlösungen eine Art „Marke“ aufzubauen und sich vom Wettbewerb abzuheben. Beispiele dafür sind die Gemeinkostenwertanalyse (GWA) von McKinsey, die 4-Felder-Matrix der Boston Consulting Group oder das Economic Value Added-Modell (EVA) von Stern Stewart [vgl. Rüschen 1990, S. 53, Schade 2000, S. 254 und Fink 2009a, S. 8]. Die Nachteile standardisierter Beratungsansätze können darin gesehen werden, dass sie zumeist erhebliche Forschungs- und Entwicklungskosten verursachen und zudem Konjunktur- und Modezyklen unterliegen. Beratungsprodukte folgen einem ausgeprägten Lebenszyklus und veralten in aller Regel schneller als eine Beratungsspezialisierung auf Branchen oder Funktionsbereiche [vgl. Fink 2009a, S. 7 f. und Schade 2000, S. 263]. Abbildung 1-17 versucht Beratungskonzepte, -methoden und -produkte anhand von Charakteristika und Beispielen voneinander abzugrenzen.
Charakteristika
Beispiele
Beratungskonzept
Beratungsmethode
Beratungsprodukt
• Gedankengerüst • Konditionales, normatives Denkmodell • Dient der Ideologiebildung
• Beratungsverfahren • Operationalisierung des Beratungskonzeptes • Toolbox
• Standardisierter Beratungsansatz zur Problemlösung • Positionierung als „Marke“
Shareholder Value-Konzept
Finanzwirtschaftliches Instrumentarium zur wertorientierten Unternehmensführung
Economic Value Added (EVA) als eingetragenes Warenzeichen von STERN STEWART
Portfoliokonzept
• • • •
• BCG-Matrix (4 Felder) • MCKINSEY-Matrix (9 Felder) • ARTHUR D. LITTLE-MATRIX (20 Felder)
Lebenszyklusmodelle Portfolio-Matrix Erfahrungskurve Ableitung von Normstrategien
[Quelle: in Anlehnung an Fink 2009a, S. 7 ff.]
Abb. 1-17:
Charakteristika und Beispiele für Beratungskonzept, -methode und -produkt
1.2.7 Technologische Perspektive Die technologische Perspektive hat eine hohe Verwandtschaft zur instrumentell-methodischen Perspektive. Auch hier geht es um den Standardisierungsgrad von Beratungsleistungen – diesmal aber nicht um Methoden, sondern um die eingesetzten Technologien.
54
1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
Unter Beratungstechnologie werden alle Tool- und Know-how-Komponenten zusammengefasst, die Berater nutzen, um ihre Kunden zu beraten. Dies schließt auch das Erfahrungswissen des Beraters mit ein. Hinsichtlich des Standardisierungsgrades lässt sich Beratungstechnologie unterteilen in
individuelle, flexible Technologie, standardisierte Technologie (Tools) und starre Technologie (Beratungsprodukte).
1.2.7.1 Individuelle, flexible Technologie
Die Individualität der Beratungsleistung und die damit unmittelbar verbundene Orientierung des Beraters an der spezifischen Situation des Kunden ist ein wichtiger Baustein erfolgreicher Unternehmensberatung. Eine hohe Individualität, die mit einer situationsspezifischen Arbeitsweise des Beraters einhergeht, lässt sich dann erreichen, wenn das Wissen nicht und nur sehr schwer kodiert werden kann. Nicht-kodierbares Wissen bezeichnen Berater auch als „stilles“ Wissen, das – wenn überhaupt – nur durch persönliche Kommunikation, Demonstration oder „learning by doing“ übertragbar ist [vgl. Schade 2000, S. 255 unter Bezugnahme auf Teece 1986, S. 29]. Zum „stillen“ Wissen einer Unternehmensberatung zählen die Erfahrungen, die mit Mitarbeitern eines bestimmten Unternehmens oder in einer bestimmten Branche oder in einem bestimmten Funktionsbereich gemacht worden sind. „Stilles“ Wissen ist nicht so leicht kopierbar. Dies stellt im Innenverhältnis zwar einen Nachteil dar, da so neue Mitarbeiter nicht so leicht an die angebotenen Leistungsprogramme herangeführt werden können. Im Außenverhältnis ist dies jedoch ein erheblicher Vorteil, denn die Nicht-Imitierbarkeit führt zu Alleinstellungen und spart Entwicklungskosten (für Produkte und Tools). Mit dem Einsatz einer flexiblen Technologie sichert sich der Unternehmensberater Handlungsspielräume bei der Auftragsdurchführung. Konkret bedeutet dies, dass es bei Zieldefinitionen, bei der Personaleinsatzplanung, bei Projektfortschrittskontrollen und auch bei den Honorarzahlungen relativ hohe Freiheitsgrade gibt. „Die Flexibilität einer Beratungstechnologie ist umso wichtiger, je stärker sich Umweltrisiken auf die Ziele des Beratungsprojektes auswirken, je wahrscheinlicher Änderungen der Problemwahrnehmung sind und je geringer die Menge ergänzend einsetzbarer Kliententechnologien innerhalb und außerhalb des Beratungsteams ist“ [Schade 2000, S. 249]. 1.2.7.2 Standardisierte Technologie (Tools)
Beratungstools sind Werkzeuge, die vornehmlich im Rahmen der Analyse- und Problemlösungsphase zum Einsatz kommen. Dieser „Werkzeugkasten“ setzt sich bei den Strategieberatern aus häufig modifizierten oder kombinierten Techniken zusammen. Dazu zählen z.B. die Wettbewerbsanalyse nach Porter, Stärken-/Schwächenanalyse, Szenariotechnik, Lebenszykluskonzept, Portfoliomodelle und Kreativitätstechniken. Diese Instrumente bestimmen oftmals die Art der Problemlösung mit, indem sie die Aufmerksamkeit auf ganz bestimmte Aspekte richtet.
1.2 Perspektiven und Dimensionen der Beratung
55
Durch den jeweilig benötigten Informationsbedarf dieser Techniken ist zugleich oftmals auch die Vorgehensweise vorbestimmt. Insofern lässt sich im Zusammenhang mit dem Einsatz von Tools auch von einer teilstandardisierten Beratungsleistung sprechen [vgl. Schade 2000, S. 254].
1.2.7.3 Starre Technologie (Beratungsprodukte)
Die ausgeprägteste Form der Standardisierung ist das Beratungsprodukt. Ohne kodiertes Wissen, d. h. ohne Tools oder Beratungsprodukte, können Beratungsunternehmen nur sehr schwer wachsen. Insbesondere bei der Suche und Einstellung neuer, noch nicht qualifizierter Berater ist die Übertragung kodierten Wissens nicht so langwierig und schwierig wie bei der Übertragung „stillen“ Wissens. Beratungsprodukte sind aufgrund ihres Signalcharakters besser zu kommunizieren (und damit zu vermarkten) als individuelle, weitgehend namenlose Leistungen. Der potenzielle Kunde erhält ein konkreteres Bild, als dies bei flexibleren Leistungsangeboten der Fall ist. Auch stellen Beratungsprodukte (sowie auch Zertifizierungen) ein glaubwürdiges Signal für die Qualität der Leistung und des Beratungsunternehmens dar. Neben Marketing- und Wachstumsaspekten hat der Standardisierungsgrad der Beratungstechnologie Auswirkungen auf die Anreizstruktur. So sind Zurechnungs- und Anreizprobleme umso geringer, je starrer die Technologie ist. Ein Beratungsprodukt ist in hohem Maße selbstbindend und erzeugt beim Berater eine hohe Identifikation mit dem Produkt. Je starrer die Technologie des Beraters ist, desto leichter sind Zielsetzungen, Personaleinsatzplanungen, Projektfortschrittskontrollen und Ergebniszurechenbarkeiten durchzuführen. Beratungsprodukte und teilstandardisierte Leistungen erreichen im Allgemeinen eine deutlich höhere Effizienz als individuelle, flexible Technologien, die wiederum in aller Regel die Zielsetzung der Effektivität besser sicherstellen. Die wichtigsten Vor- und Nachteile dieser unterschiedlichen Beratungstechnologien (Technologietypen) sollen anhand der Kriterien Kommunizierbarkeit, Imitierbarkeit, Handlungsspielraum, Wachstum und Preisniveau kurz dargestellt werden [vgl. Schade 2000, S. 256 ff.]: Kommunizierbarkeit. Beratungsprodukte sind aufgrund ihres Signalcharakters in jedem Fall besser zu kommunizieren als individuelle, weitgehend namenlose Leistungen. Der potenzielle Kunde erhält ein konkreteres Bild, als dies bei flexibleren Leistungsangeboten der Fall ist. Auch stellen Beratungsprodukte (sowie auch Zertifizierungen) ein glaubwürdiges Signal für die Qualität der Leistung und des Beratungsunternehmens dar. Imitierbarkeit. Beratungsprodukte und Tools sind immer besser kopierbar als „stilles“ Wissen. Dies stellt im Innenverhältnis einen beträchtlichen Vorteil dar, da so neue Mitarbeiter leichter an die angebotenen Leistungsprogramme herangeführt werden können. Im Außenverhältnis ist dies allerdings ein erheblicher Nachteil, denn die Imitierbarkeit durch Wettbewerber ist leichter möglich.
56
1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
Handlungsspielraum. Mit dem Einsatz einer starren Technologie (ein Beratungsprodukt) verzichtet der Unternehmensberater freiwillig auf Handlungsspielräume. Konkret bedeutet dies, dass es bei Zieldefinitionen, bei der Personaleinsatzplanung, bei Projektfortschrittskontrollen und auch bei den Honorarzahlungen kaum Freiheitsgrade gibt. Wachstum. Ohne kodiertes Wissen können Beratungsunternehmen nur sehr schwer wachsen. Insbesondere bei der Suche und Einstellung neuer, noch nicht qualifizierter Berater ist die Übertragung kodierten Wissens nicht so langwierig und schwierig wie bei der Übertragung stillen Wissens. Preisniveau. Grundsätzlich steigt die Preisbereitschaft des Kunden mit der Effizienz der Beratungstechnologie, mit seiner Wertschätzung für diese Beratungsleistung und mit den Opportunitätskosten der eigenen Mitarbeiter. Daher kann man vereinfachend davon ausgehen, dass Unternehmensberater ein umso höheres durchschnittliches Preisniveau erzielen können, je standardisierter ihre Problemlösungstechnologien sind. In Abbildung 1-18 sind die Konsequenzen dieser drei Technologietypen auf verschiedene Kriterien optisch zusammengefasst.
Individualleistung
Tools
Produkte
(Flexible Technologie)
(Standardisierte Technologie)
gering
mittel
hoch
gering
mittel
hoch
hoch
mittel
gering
gering
mittel
hoch
hoch
mittel
gering
gering
mittel
hoch
gering
mittel
hoch
gering
mittel
hoch
Kommunizierbarkeit • Signalcharakter der Leistung • Positionierbarkeit des Unternehmens
(Starre Technologie)
Imitierbarkeit der Leistungen Handlungsspielraum bzgl. • Zieldefinition • Preisstellung • Personaleinsatz-planung Effizienz
Effektivität
Operationalität der Anreizstruktur
Wachstum des Beratungsunternehmens
Erzielbares Preisniveau
[Quelle: in Anlehnung an Schade 2000, S. 256 ff. 9]
Abb. 1-18:
Auswirkungen unterschiedlicher Beratungstechnologien
Strategieberatungen haben naturgemäß früher damit begonnen, auftragsindividuell entwickelte Vorgehensweisen als Beratungsprodukte zu entwickeln und zu vermarkten, als IT-Be-
1.2 Perspektiven und Dimensionen der Beratung
57
ratungsgesellschaften. Zu solchen Beratungsprodukten zählen – neben den klassischen Beratungs- bzw. Managementansätzen der BCG-Matrix, McKinsey-Matrix und der ADL-Matrix – unter anderem folgende Beratungsansätze [siehe Fink 2004]: Economic Value Added (EVA) von Stern Stewart Value Building Growth von A. T. Kearney Business Transformation von Capgemini Consulting CRM-Value-Map von Deloitte Consulting. Zwischenzeitlich werden aber auch von den IT-Beratungsgesellschaften gezielt (IT-) Beratungsprodukte entwickelt, die aber – mit wenigen Ausnahmen – noch bei weitem nicht den Bekanntheitsgrad und Einfluss erzielt haben wie Produkte der großen Strategieberater. Die bekanntesten Beispiele in diesem Bereich sind die Prozessmodellierungstools EPK (im Rahmen des ARIS-Frameworks) und BPMN (Business Process Model and Notation). 1.2.8 Theoretische Perspektive Um Zusammenhänge und Wirkungsweisen im Beratungsgeschäft erkennen zu können, sind gedankliche Gebilde von Bedeutung, die geeignet sind, Phänomene der Realität zu erklären. Solche Gedankenkonstrukte werden als Theorien bezeichnet. Theorien treffen Aussagen über Ursache-Wirkungsbeziehungen und identifizieren Gesetzmäßigkeiten, die über den Einzelfall hinausgehen [vgl. Kuß 2013, S. 47 und Lippold 2015a, S. 17]. So will man in der Beratung eben verstehen, wie eine Auftragserteilung zustande gekommen ist, wie verstärktes Marketing ankommt und wie sich Kundenzufriedenheit auf Nachfolgeaufträge auswirkt. Davon ausgehend kann man dann Maßnahmen planen und realisieren, die zu den angestrebten Wirkungen führen. In diesem Sinne wird Theorie hier nicht als reine, zweckfreie Erkenntnisgewinnung auf hohem Abstraktionsniveau verstanden, sondern als empirischrealistische Theorie, also als angewandte Wissenschaft. Ihr Abstraktionsgrad ist entsprechend geringer als der einer reinen Theorie [vgl. Lippold 2015b, S. 2]. Für eine ökonomische Beschreibung bestimmter Gesetzmäßigkeiten der Dienstleistung Unternehmensberatung gibt die (Neue) Institutionenökonomik wesentliche Anhaltspunkte. Im Gegensatz zur neoklassischen Theorie befasst sich die Institutionenökonomik (engl. Institutional Economics) mit der Unvollkommenheit realer Märkte und mit den Einrichtungen (Institutionen), die zur Bewältigung dieser Unvollkommenheit geeignet sind. Institutionen sind gewachsene oder bewusst geschaffene Einrichtungen, die quasi die Infrastruktur einer arbeitsteiligen Wirtschaft bilden. Märkte, Unternehmen, Haushalte, Verträge und Gesetze sind ebenso Institutionen wie Handelsbräuche, Kaufgewohnheiten, Geschäftsbeziehungen oder Netzwerke [vgl. Kaas 1992b, S. 3]. Eine aus Sicht der Institutionenökonomik grundlegende Unterscheidung ist die in Austauschgüter und Kontraktgüter. Diese Differenzierung, die auf Kaas [1992a] zurückgeht, ist wichtig für die Beschreibung und das Verständnis der Dienstleistung Unternehmensberatung. Austauschgüter sind fertige, standardisierte Produkte, die auf Vorrat gefertigt werden. Im Gegensatz dazu liegen bei Kontraktgütern zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses die Leistungen
58
1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
noch nicht vor, d. h. das Kontraktgut existiert zum Zeitpunkt des Kaufes noch gar nicht. Daher kann die Qualität und die Eignung von Kontraktgütern für die Lösung des Kundenproblems häufig nur unzureichend eingeschätzt werden. In der Regel handelt es sich dabei um hochspezifische und komplexe Leistungen. Beratungsleistungen zählen in geradezu idealtypischer Weise zu solchen Kontraktgütern [vgl. Schade 2000, S. 26 f. unter Bezugnahme auf Alchian/Woodward 1988 und Schade/Schott 1993]. Vereinfachend werden folgende Teildisziplinen zur Institutionenökonomik gezählt: Property-Rights-Theorie Principal-Agent-Theorie Transaktionskostentheorie Informationsökonomik. 1.2.8.1 Property-Rights-Theorie
Die Property-Rights-Theorie setzt sich – angesichts der Knappheit von Gütern – mit der Regelung von Handlungs- und Verfügungsrechten über Ressourcen auseinander. Die Theorie besagt, dass nicht die physischen Eigenschaften eines Gutes, sondern die bestehenden Rechte an diesem Gut und seiner Nutzung für dessen Wert und Austauschrelation maßgeblich sind. Somit beschäftigt sich dieser Ansatz mit der Übertragung von Rechten, ein Gut zu benutzen, dessen Form zu verändern, sich den Ertrag aus der Nutzung zu sichern und die genannten Rechte zu veräußern [vgl. Gümbel/Woratschek 1995, Sp. 1010 f.]. Die Handlungs- und Verfügungsrechte zwischen Berater und Kunde werden durch Beratungsverträge geregelt. Ihre Gestaltung ist eine zentrale Aufgabe der Angebots- und Vertragsgestaltung. Besonders bei Beratungsleistungen, die in der Zusammenarbeit zwischen Berater und Kundenunternehmen entstehen, kann es zu Zurechnungsproblemen kommen. Hier kann die Property-Rights-Theorie als ein Instrument der Analyse und Effizienzbeurteilung von Beratungsverträgen zu definierten Leistungsversprechen und den damit verbundenen Verfügungsrechten ebenso herangezogen werden wie zur Begrenzung der Gefahren individueller Nutzenmaximierung durch opportunistisches Verhalten [vgl. Jeschke 2004, S. 141 f.]. Für das Kundenunternehmen ist die zentrale Frage, wie es seine spezifischen Investitionen vor opportunistischem Verhalten der Berater schützen kann. Hierfür bieten sich vier Institutionen an [vgl. Kaas/Schade 1995, S. 1072]: Vertragliche Regelungen. Diese Institution kann Risiken verteilen, Reaktionsweisen auf zukünftige Ereignisse festlegen sowie erfolgsabhängige Mechanismen bei Terminoder Budgeteinhaltung vorsehen. Langfristige Geschäftsbeziehungen. Auf Dauer angelegte Kontakte führen zu Erfahrungen, die opportunistisches Verhalten eindämmen und Transaktionskosten senken können, da die Risiken aus Geschäftsbeziehungen mit immer neuen Beratern ausgeschlossen werden können.
1.2 Perspektiven und Dimensionen der Beratung
59
Reputation. Auf Kontraktgütermärkten stellt die Reputation eine zentrale Institution dar. Sie wird als Signal für Kompetenz interpretiert und kann durch schlechte Nachrede beschädigt werden. Berater müssen daher massiv an ihrer Aufrechterhaltung interessiert sein. Netzwerk von Geschäftsfreundschaften. Die von Vertrauen geprägte Beziehung mit geschäftlichem Interesse kann als weitere Institution zur Verbreitung von Reputation und zur Reduzierung von Ungewissheit interpretiert werden, denn für den Unternehmensberater wird opportunistisches Verhalten in einem solchen Falle deutlich unattraktiver. 1.2.8.2 Principal-Agent-Theorie
Die Principal-Agent-Theorie behandelt mögliche Zielkonflikte, die aus einem Vertragsverhältnis zwischen mindestens zwei Personen hervorgehen. Es kann sich dabei um Arbeits- oder Kaufverträge, aber auch um Beziehungen handeln. Typische Beispiele sind die Vertragsverhältnisse von Eigentümer und Manager, von Arbeitgeber und Arbeitnehmer oder von Käufer und Verkäufer. Eine Principal-Agent-Beziehung ist gekennzeichnet durch asymmetrisch verteilte Informationen und opportunistisches Verhalten. Das zentrale Problem dieses Ansatzes ist die Berücksichtigung von Kooperationsrisiken und die Gestaltung von geeigneten Anreizund Kontrollsystemen. Aus der Sicht der Principal-Agent-Theorie, die auch maßgebend für die Entwicklung des Kontraktgütermarketings ist, wird ein Beratungsprojekt als Kooperation zwischen Prinzipalen (= Kunde) und Agenten (= Berater) aufgefasst. Dabei geht es für den Kunden darum, gemeinsam „mit dem Beratungsunternehmen vertragliche Regelungen zu finden, die neben der Definition konkreter Beratungsziele auch Reaktionsformen auf nicht erwartete Entwicklungen eines Beratungsprojekts festschreiben sowie Vertragsbestandteile zu vereinbaren, die ein Beratungsunternehmen durch Vertragsstrafen oder erfolgsorientierte Honorarzahlungen an dem Risiko sowie den Chancen eines Beratungsprojekts beteiligen“ [Jeschke 2004, S. 146]. Von besonderer Bedeutung für eine solche Vertragsgestaltung ist das Konzept der Informationsasymmetrie, bei dem vier unterschiedliche Konstellationen unterschieden werden können [vgl. Stock-Homburg 2013, S. 479]: Verdeckte Eigenschaften (engl. Hidden characteristics), d. h. dem Prinzipal sind wichtige Eigenschaften des Agenten bei Vertragsabschluss unbekannt; Verdeckte Handlungen (engl. Hidden action), d. h. der Prinzipal kann die Leistungen des Agenten während der Vertragserfüllung nicht beobachten bzw. die Beobachtung ist mit hohen Kosten verbunden; Verdeckte Informationen (engl. Hidden information), d. h. der Prinzipal kann die Handlungen des Agenten zwar problemlos beobachten, aufgrund fehlender Kenntnisse oder Informationen jedoch nicht hinreichend beurteilen; Verdeckte Absichten (engl. Hidden intention), d. h. dem Prinzipal sind Absichten und Motive des Agenten in Verbindung mit der Vertragserfüllung verborgen.
60
1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
Bei den Konstellationen Hidden action und Hidden information besteht das Problem des subjektiven Risikos (engl. Moral hazard). Das Problem gründet sich darin, dass der Prinzipal auch nach Vertragserfüllung nicht beurteilen kann, ob das Ergebnis durch qualifizierte Anstrengungen des Agenten erreicht wurde, oder ob (bzw. wie sehr) andere Faktoren das Ergebnis beeinflusst haben. Um die Vertragsprobleme zwischen den Akteuren – also bspw. zwischen Hersteller und Zulieferer, zwischen Hersteller und Händler, zwischen Hersteller und Handelsvertreter oder zwischen Hersteller und Hersteller – grundsätzlich zu lösen, bieten sich drei Möglichkeiten an [vgl. Göbel 2002, S. 110]:
Reduktion der Informationsasymmetrie Auflösung von Zielkonflikten Aufbau vertrauensbildender Maßnahmen.
Abbildung 1-19 zeigt beispielhaft, welche Maßnahmen zur Lösung von Agency-Problemen in der vor- und der nachvertraglichen Phase zur Verfügung stehen.
Informationsasymmetrie senken Prinzipal Screening
= Informationsgewinnung, die von der weniger informierten Seite ausgeht
Vorvertragliche Phase
Nachvertragliche Phase
Monitoring
Agent Signaling = Informations-
angebot, das von der (besser) informierten Seite ausgeht
Reporting
Ziele harmonisieren Prinzipal
Vertrauen bilden
Agent
Prinzipal
Agent
Verträge zur Auswahl vorlegen
Self-Selection Reputation
Screening in Bezug auf Vertrauenswürdigkeit
Reputation signalisieren
Anreizverträge gestalten
Commitment/ Bonding Reputation
Vertrauensvorschuss, Extrapolation guter Erfahrungen
Sozialkapital aufbauen
[Quelle: Göbel 2002, S. 110]
Abb. 1-19:
Lösung von Agency-Problemen
Allerdings ist die Anreiz- und Kontrollstruktur bei der Durchführung von Beratungsprojekten, an denen ja zum Teil (ganze) Teams sowohl auf der Kunden- als auch auf der Beraterseite beteiligt sind, häufig wesentlich komplizierter als die Delegationsbeziehung zwischen einem einzelnen Agenten und einem einzigen Prinzipal, die in den klassischen Agency-Modellen unterstellt wird. Dies ist vor allem auf das Informationsparadoxon zurückzuführen. Es besagt, dass der Kunde den Nutzen einer Beratungsleistung erst dann beurteilen kann, wenn er diese in Anspruch genommen hat. Eine Rückgabe der Beratungsleistung bei Unzufriedenheit ist nicht möglich [vgl. Schade 2000, S. 47 und 51]. 1.2.8.3 Transaktionskostentheorie
Der Kerngedanke des Transaktionskostenansatzes ist die effiziente Bewertung und Koordination dauerhafter Austauschbeziehungen („Transaktionen“), wobei ökonomische Fragestellungen als Probleme der Aushandlung und Durchsetzung von Verträgen formuliert werden. Als
1.2 Perspektiven und Dimensionen der Beratung
61
Transaktionskosten werden jene Kosten bezeichnet, die im Vorfeld und/oder im Verlauf einer Austauschbeziehung entstehen. Transaktionskosten können in externe Kosten (Kosten der Marktinanspruchnahme) und in interne Kosten (Kosten der Organisationsnutzung) unterteilt werden. Überwiegen für die Transaktionen zwischen Wirtschaftssubjekten die externen Transaktionskosten, so entstehen Unternehmen. Insofern versucht man mit dem Transaktionskostenansatz auch die Existenz von Unternehmen und Märkten zu erklären. Die Entscheidung eines Unternehmens für oder gegen den Einsatz eines externen Beraters ist bspw. eine typische Makeor-buy-Entscheidung [vgl. Gümbel/Woratschek 1995, Sp. 1013 f.]. In Abhängigkeit von der Vertragsphase einer Geschäftstransaktion kann zwischen folgenden Arten von Transaktionskosten unterschieden werden [vgl. Jeschke 2004, S. 143 unter Bezugnahme auf Williamson 1990, S. 59 ff.]: Anbahnungskosten sind aus Sicht der Unternehmensberatung sämtliche Kosten, die mit der Suche und Gewinnung attraktiver Kunden verbunden sind. Vereinbarungskosten treten für beide Vertragsparteien in der Vertragsabschlussphase auf und resultieren aus der Notwendigkeit, Verträge aushandeln zu müssen. Abwicklungskosten fallen in Verbindung mit der Umsetzung von Verträgen bzw. von Verhandlungsergebnissen an. Kontrollkosten fallen ebenfalls für beide Vertragspartner an und entstehen durch die Überprüfung der Einhaltung von Verträgen und vereinbarter Bedingungen innerhalb der Durchführungsphase einer Transaktion. Anpassungskosten schließlich können für beide Partner während der Durchführungsphase anfallen, weil Verträge ex-ante nicht alle vertragsrechtlichen Risiken berücksichtigen können. Kosten für Change Requests sind demnach typische Anpassungskosten. Die Make-or-buy-Entscheidung ist die eigentliche Domäne des Transaktionskostenansatzes. Der Ansatz empfiehlt, diese Entscheidung durch einen Vergleich der Produktions- und Transaktionskosten abzusichern. Beim Kauf fallen die Transaktionskosten in Form der Marktbenutzungskosten an, beim Selbstmachen in Form von Hierarchie- oder Bürokratiekosten. Weiterhin nimmt der Theorieansatz an, dass die Transaktionskosten mit zunehmender Spezifität ansteigen, da spezifische Güter und Dienstleistungen in gewisser Weise einmalig und nicht ohne weiteres austauschbar sind, wie etwa das Technologie-Knowhow einer bestimmten Unternehmensberatung. Solange es um austauschbare Güter und Dienstleistungen geht, für die es viele Anbieter gibt, überwacht der Markt die Agenten ausreichend. Die Prinzipale können durch einen Vergleich der Agenten die Informationsasymmetrie senken, der Agent hat starke Anreize sich zufriedenstellend zu verhalten, weil er sonst ausgetauscht werden kann. Dann sollte man die Leistungen kaufen. Bei spezifischen Leistungen gestaltet sich die Suche am Markt deutlich aufwendiger, die Verhandlungen sind komplizierter, weil möglicherweise kein Marktpreis vorliegt. Hier befürchtet Williamson ein nachvertragliches „Hold up“, also einen Erpressungsversuch des Agenten. Ist der Abnehmer auf diesen einen Lieferanten angewiesen („Lock-in“-Ef-
62
1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
fekt), könnte dieser in Nachverhandlungen versuchen, die Vertragskonditionen zu seinen Gunsten zu ändern. Unter diesen Umständen sollte die Leistung besser selbst erbracht werden [vgl. Göbel 2002, S. 14 f. unter Bezugnahme auf Williamson 1990, S. 60 ff.].
1.2.8.4 Informationsökonomik
Die ‚Neue Informationsökonomik‘ durchdringt den Property-Rights- und den Transaktionskostenansatz, in dem sie sich mit der Frage befasst, wie Märkte funktionieren, die durch Unsicherheit und asymmetrische Informationen unter den Marktteilnehmern charakterisiert sind. So befasst sich die Informationsökonomik vor allem mit den Voraussetzungen und Konsequenzen der Marktunsicherheit. Diese ist dadurch gekennzeichnet, dass die Anbieter nur unvollkommene Informationen über die Zukunftserwartungen, Bedürfnisse und Restriktionen der Nachfrager haben und dass diese wiederum nicht alle Produkte, Qualitäten und Preise der Anbieter kennen [vgl. Kaas 1995, Sp. 972]. Informationsunsicherheit bzw. Informationsasymmetrie kommt aus Sicht der anbietenden Beratungsunternehmen dadurch zum Ausdruck, dass ihnen nur unvollkommene Informationen über aktuelle und zukünftige Beratungsbedarfe sowie über die Entscheidungsstrukturen innerhalb der Kundenunternehmen vorliegen. Aus Sicht der nachfragenden Kundenunternehmen sind die Informations- und Unsicherheitsprobleme Ausdruck unvollständiger Informationen über die Qualität und Leistungsfähigkeit der Anbieter von Beratungsleistungen [vgl. Jeschke 2004, S. 139]. Angesichts dieser – zugegebenermaßen – sehr verkürzt wiedergegebenen Grundgedanken der ‚Neuen Institutionenökonomik‘ können Beratungsunternehmen als Institutionen bezeichnet werden, die sich in Märkten, die durch Informationsasymmetrie gekennzeichnet sind, auf die Beschaffung, Erstellung und den Vertrieb von Unsicherheit reduzierenden Informationen spezialisiert haben. Aufgrund dieser Spezialisierung und der Übertragbarkeit von Informationen sind Berater in der Lage, diese Leistungen wirtschaftlicher als andere Institutionen anzubieten. Durch die Nutzung der Informationsprodukte wird das Kundenunternehmen in eine bessere Umweltsituation versetzt. Aber nicht der Eintritt einer bestimmten Umweltsituation wird verhindert. Vielmehr wird die Wahrscheinlichkeit verringert, dass sich eine bestimmte Handlungsalternative nicht realisieren lässt. Das Kundenunternehmen wird durch die zusätzlichen entscheidungsrelevanten Informationen davor bewahrt, Handlungsalternativen auszuwählen, deren Realisierungswahrscheinlichkeit nicht sehr hoch ist. Die Informationsprodukte der Berater tragen insofern zur Steigerung des Kundenunternehmenswertes bei [vgl. Höselbarth/Schulz 2005, S. 201 f.]. In Abbildung 1-20 sind die Beziehungen zwischen den einzelnen Teildisziplinen der (Neuen) Institutionenökonomik dargestellt.
1.2 Perspektiven und Dimensionen der Beratung
63
Neoklassik
Neue Institutionenökonomik
Bewertungskomponente
Rechtskomponente
Property Rights
Informationsökonomik
Transaktionskostenansatz
Spezialfall:
Principal-AgentAnsatz [Quelle: in Anlehnung an Gümbel/Woratschek 1995, Sp. 1010]
Abb. 1-20:
Komponenten der Neuen Institutionenökonomik
64
1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
1.3 Entwicklung der Beratungsbranche Die Beratungsbranche – und hier ist zunächst die Branche der Managementberatungen gemeint – hat im Laufe ihres Bestehens fünf wesentliche Entwicklungsstadien durchlebt [vgl. auch Fink 2009a, S. 14 ff.]: Initialisierung Professionalisierung Internationalisierung und Differenzierung Boom und Überhitzung Konsolidierung und Erholung. Die wesentlichen Eckpfeiler und Firmengründungen in diesen Phasen sind in Abbildung 1-21 dargestellt. Marktvolumen (stilisiert)
Konsolidierung und Erholung Boom und Überhitzung
Initialisierung
Professionalisierung
• Beratende Ingenieure • Lediglich regionale Bedeutung – vor allem in New York und Chicago
Internationalisierung und Differenzierung
• 1933: Geschäftsbanken wird die betriebswirtschaftliche Beratung der Kunden untersagt
• Amerikanisierung des Managements • Strategieberater entstehen • Wirtschaftsprüfer gründen IT-Beratungsbereiche
• Immer mehr Großunternehmen setzen Berater ein
1962 ADV/ORGA 1914 BOOZ & COMPANY
MBP
1926 MCKINSEY 1886
1926 A.T. KEARNEY
ARTHUR D. LITTLE1
1900 Gegründet als
Abb. 1-21:
1920
1945
KIENBAUM
1950
1969 KPMG CONSULTING3 1967 ROLAND BERGER
1957
1962 BCG 1958 DIEBOLD
Dotcom Y2K Euro
1989 ACCENTURE4
Restrukturierung
1969 SCS 1967 CAPGEMINI2
1960
1970
1973 BAIN
1980
1990
2000
2010
1
Griffin & Little 2 Sogeti 3 Deutsche Treuhand-Unternehmensberatung (heute BearingPoint) 4 Andersen Consulting
[Quelle: in Anlehnung an Fink 2009a, S. 16]
Historie der Beratungsbranche
1.3.1 Initialisierung und Professionalisierung Historisch betrachtet sind Unternehmensberatungen das Ergebnis arbeitsteiliger Prozesse, die sich in Wirtschaftssystemen mit zunehmender Komplexität herausbilden. Entsprechend schnell ist die Beratungsbranche vor allem in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts gewachsen. Ihre Ursprünge reichen bis zum Ende des 19. Jahrhunderts zurück, als in den USA die ersten Unternehmensberatungen entstanden [vgl. Berger 2010, S. 1].
1.3 Entwicklung der Beratungsbranche
65
Als Geburtsjahr der heutigen Unternehmensberatung gilt das Jahr 1886. Es ist das Gründungsjahr der Firma Arthur D. Little, die sich später zu einer Managementberatung im heutigen Sinn entwickelte und allgemein als das älteste Beratungsunternehmen gilt. 1886 ist aber auch das Gründungsjahr von Unternehmen, die heute noch Weltgeltung haben: Sears Roebuck, CocaCola und Johnson & Johnson. Begonnen hatte der Bostoner Chemiker Arthur Dehon Little gemeinsam mit seinem Partner Roger Griffin zunächst mit chemischen und technischen Analysen von Farben, Ölen, Fetten, Seifen und Nahrungsmitteln, bevor es dann – viele Jahre später – auch betriebswirtschaftliche Beratungsleistungen anbot. So nimmt neben Arthur D. Little auch die 1914 in Chicago als Spezialist für Marktstudien gegründete Firma Booz & Company für sich in Anspruch, das älteste Beratungsunternehmen zu sein. Es ist historisch gesehen allerdings kaum möglich, den Beginn der Initialisierungsphase exakt festzulegen. Auch andere Pionierunternehmen wie McKinsey oder A. T. Kearney, die das Feld der Managementberatung in den 1920er erschlossen und später ab den 1930er Jahren dominieren sollten, gingen nahezu ausnahmslos aus kleinen Partnerschaften und Kanzleien hervor [vgl. Fink 2009a, S. 14 f. und Fink/Knoblach 2006, S. 38]. Mit Beginn der anschließenden Professionalisierungsphase hat ein Datum eine besondere Bedeutung erlangt: Am 9. April 1930 erschien in der Business Week ein Artikel, der die Leser des Magazins zum ersten Mal auf eine neue Branche hinwies. James O. McKinsey, Wirtschaftsprofessor an der University of Chicago, wies in dem Beitrag darauf hin, dass ein neuer Typ des Management-Helfers benötigt werde, der die Unternehmen sicher durch das Dickicht professioneller Dienstleistungen führen könne – der Management Consultant. Doch die Managementberater dieser Zeit verzeichneten noch verhaltene Wachstumsraten. Der Grund lag darin, dass Beratungsleistungen in den USA zunächst eine Domäne der Banken waren. Das sollte sich ab 1933 ändern. Die US-Regierung reagierte auf den großen Börsencrash mit einem Verbot der Universalbanken. Mit dieser gesetzlichen Trennung von Geschäfts- und Investmentbanken war es den Banken nun nicht mehr möglich, ihre bisherigen betriebswirtschaftlichen Beratungs- und Reorganisationsaktivitäten fortzuführen. In der Folge prosperierte das Geschäft vieler junger Beratungsfirmen, da sich die Kundenunternehmen mit entsprechenden Aufgabenstellungen nun nicht mehr an die Banken, sondern an Berater wandten. Während des zweiten Weltkriegs übernahmen viele Berater Projekte der amerikanischen Regierung bzw. der US Navy. Inhaltlich betätigten sich Berater wie Frederick Taylor und viele Nachfolger als externe Experten für Effizienz im Arbeitsprozess. Im Mittelpunkt standen Zeit- und Bewegungsstudien, mit denen sie Arbeitsabläufe analysierten und die Wirtschaftlichkeit vieler Unternehmen verbesserten [vgl. McKenna 1995, S. 51 ff.]. In den 1950er Jahren wurde diese Form der Unternehmensberatung, die sich vornehmlich an die Fertigungsbereiche produzierender Unternehmen wandte, durch Beratung abgelöst, die sich auf die Unternehmensorganisation als Ganzes sowie auf strategische Fragen konzentrierten. Auf der Grundlage dieses ganzheitlichen Ansatzes bildete sich in der Beratungsbranche eine klare Hierarchie heraus, die von drei Unternehmen angeführt wurde: Booz, Allen & Hamilton sowie Cresap, McCormick & Partner und McKinsey & Company. Alle drei Firmen hatten ihren Ursprung in Chicago, alle drei Firmen rekrutierten ihre Nachwuchskräfte unter den besten Absolventen der Harvard Business School [vgl. Fink 2004, S. 7 und Armbrüster/Kieser 2001, S. 689].
66
1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
1.3.2 Internationalisierung und Differenzierung Ende der 1950er/Anfang der 1960er Jahre begannen die führenden US-Managementberatungen ihre Aktivitäten auch auf den europäischen Markt auszuweiten. Im Zuge dieser Internationalisierung von Beratungsleistungen stießen sie in Deutschland auf bis dahin insgesamt 2.000 bis 3.000 Berater und damit auf keinen nennenswerten Wettbewerb (siehe Abbildung 1-03). Einzig die Unternehmensberatung Kienbaum, die im Oktober 1945 von Gerhard Kienbaum in Gummersbach gegründet wurde, verfügte bereits 1960 über mehrere Geschäftsstellen im Bundesgebiet und ein Auslandsbüro in Wien. Die verzögerte Entwicklung des europäischen Beratungsmarktes und die dadurch immer noch geringe Beratungsintensität ist vornehmlich auf folgende Gründe zurückzuführen [vgl. Berger 2004, S. 2]:
In Europa dominierten lange Zeit Banken und unternehmensbezogene Dienstleister wie Wirtschaftsprüfer, Steuerberater oder Rechtsanwaltskanzleien den Beratermarkt.
In einzelnen europäischen Ländern bestimmten Verbände das Beratungsgeschehen, in Deutschland bspw. die REFA-Organisation.
Die Unternehmenslandschaft ist in vielen Ländern Europas – im Gegensatz zu den USA – durch mittelständische Familienunternehmen und andere nicht börsenorientierte Unternehmensformen geprägt. Diese Struktur begünstigt nicht unbedingt die Inanspruchnahme von Beratungsleistungen.
Durchschlagskräftiger und erfolgreicher als die Managementberatungen waren in Deutschland zu dieser Zeit die DV-orientierten Beratungsunternehmen, allen voran der 1957 von Hoesch gegründete Mathematische Beratungs- und Programmierdienst (kurz: MBP) in Dortmund und die ADV/ORGA in Wilhelmshaven, die Friedrich A. Meyer im Jahr 1962 gründete. Aufgrund ihrer Größe und ihrer bundesweiten Geschäftsstellenstruktur konnten diese beiden Unternehmen einen beachtlichen Teil der seinerzeit von deutschen Unternehmen vergebenen individuellen Programmieraufträge auf sich vereinigen. Wesentliche Erfolgsfaktoren und zugleich Akquisitionshilfen für diese Programmierprojekte waren die in den Projekten eingesetzten Programmiertools: „Vorelle“ (Vorübersetzer für Entscheidungstabellen) von MBP und „NPG“ (Generator für normierte Programmierung) von ADV/ORGA, die in kurzer Zeit mehrere Hundert Installationen aufweisen konnten. Mit den beiden Produkten, die zur Kategorie der systemnahen Software zählen und die zu Beginn der 1970er Jahre die Installationslisten mit deutlichem Vorsprung anführten, waren MBP und ADV/ORGA die Protagonisten für die später so erfolgreichen Standardsoftwareprodukte. Der eigentliche Durchbruch gelang allerdings nicht mit Systemsoftwareprodukten, die zu dieser Zeit von den Hardwareherstellern immer noch im Bundling (also zusammen mit der Hardware) angeboten wurden, sondern mit Anwendungssoftwareprodukten wie R/2 bzw. R/3 von SAP [vgl. Leimbach 2011, S. 373 ff.]. Später gesellte sich die Scientific Control Systems (SCS) dazu, die von der British Petrol (BP) 1969 in Hamburg ins Leben gerufen wurde. Diese „Großen Drei“ dominierten in den 1970er Jahren die DV-Beratungsszene und waren nahezu auf jeder „Short List“ für größere Planungsund Realisierungsaufträge in der boomenden Datenverarbeitung vertreten. Doch trotz dieser Erfolge wuchs der Beratungsmarkt in Deutschland von 1970 bis 1980 um lediglich 1.500 auf
1.3 Entwicklung der Beratungsbranche
67
rund 5.000 Berater. Dagegen hat sich die Anzahl der Berater von 1980 bis 2020 um das 32Fache auf rund 162.000 erhöht (siehe Abbildung 1-22). Anzahl Berater 200.000 162.000
150.000
138.000
100.000
101.000 76.000
72.000
50.000 46.900 2.500
3.500
1965
1970
5.000
1975
1980
1985
1990
1995
2000
2005
2010
2015
2020
Jahr
[Quelle: BDU 2008, 2010, 2012, 2015, 2018, 2020, 2021, 2022]
Abb. 1-22:
Entwicklung der Berateranzahl in Deutschland
Weitere Beratungsunternehmen, die in den 1970er und 1980er signifikante Marktanteile im DV- bzw. IT-Markt erzielen konnten, waren die Organisation Plaut (Lugano), die Münchner Softlab, das Wiesbadener EDV Studio Ploenzke, die Berliner PSI sowie die beiden Stuttgarter Firmen IKOSS und ACTIS. Ihre jeweilige Geschäftsidee und ihre „Gratwanderung“ zwischen Software und Beratung sind in Insert 1-10 skizziert. Langfristig konnten sich die drei großen DV-Dienstleister der 1970er Jahre (MBP, ADV/ORGA und SCS) allerdings nicht durchsetzen. Das hing vornehmlich damit zusammen, dass sich diese Unternehmen sowohl im IT-Beratungsgeschäft mit Schwerpunkt Individualsoftwareentwicklung als auch im Standardsoftwaregeschäft, das sich zunehmend als höchst attraktives Geschäftsfeld entwickelte, gleichermaßen positionieren wollten. Da beiden Geschäftsarten sehr unterschiedliche Geschäftsmodelle zugrunde liegen, gerieten diese Anbieter mehr und mehr zwischen die Stühle. Unternehmen, die diese „Stuck-in-the-middle“-Position vermieden, waren die Gewinner (siehe hierzu Abbildung 1-23). Zu ihnen zählten auf der einen Seite die „reinen“ Softwarehäuser wie SAP oder die Software AG, die sich ausschließlich auf die Entwicklung und Vermarktung von Standardsoftware konzentrierten, und auf der anderen Seite die von den großen Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaften ins Leben gerufenen IT-Beratungsabteilungen, die sich wiederum in der Hauptsache auf die Einführung der großen Anwendungssoftwaresysteme (vor allem der SAP) konzentrierten und sich aus der Standardsoftwareentwicklung vollständig heraushielten [vgl. Lippold 1998, S. 259].
68
1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
Rentabilität
Produktgeschäft
Reiner Produktanbieter
niedrig
Abb. 1-23:
Projektgeschäft
“zwischen den Stühlen”
Reiner (IT-) Dienstleister
hoch
Individualitätsgrad
„Stuck-in-the-middle”-Position vieler deutscher IT-Beratungsunternehmen
1.3 Entwicklung der Beratungsbranche
69
Insert Softwarehäuser und Berater – zwischen Spezialisierung und Generalisierung Softlab. Zu den Unternehmen, die ähnlich wie MBP und ADV/ORGA eher eine hybride Strategie verfolgten, zählt Softlab. 1971 von Klaus Neugebauer, Gerhard Heldmann und Peter Schnupp aus privaten Mitteln gegründet, arbeitete das Unternehmen anfänglich vor allem als IT-Dienstleister für Großunternehmen in München. Im Vordergrund standen dabei Unteraufträge von Siemens zur Entwicklung von Software. Besonders hilfreich war hierbei ein für den Eigenbedarf konzipiertes Softwareprogramm, das die Softwareentwickler in die Lage versetzte, die meisten Entwicklungsschritte direkt am TerminalArbeitsplatz durchzuführen. Dies führte zu einer deutlichen Steigerung der Produktivität. Ursprünglich noch als Programm-Entwicklungs-Terminal-System (PET) bezeichnet, gelang es ab Ende der 1970er Jahre, diese Entwicklungsumgebung als PET/ Maestro auch in den USA erfolgreich zu vermarkten. Doch trotz dieses Erfolges blieb Softlab vor allem ein IT-Dienstleistungsunternehmen, das 1992 von BMW als Alleingesellschafter übernommen und 2008 auf die Cirquent GmbH verschmolzen wurde. Im selben Jahr gingen die Mehrheitsanteile an die japanische NTT Data. Plaut. Als interessantes Beispiel für ein Beratungsunternehmen, das auch IT-Dienstleistungen anbietet, kann die Unternehmensberatung Plaut mit Sitz in Lugano (Schweiz) angeführt werden. Gegründet wurde das Unternehmen bereits 1946 von HansGeorg Plaut, der mit seinen Arbeiten zur Durchsetzung der modernen Grenz- und Plankostenrechnung einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung der Unternehmensberatung und Betriebswirtschaft geleistet hatte. Plaut erkannte die Möglichkeiten der Datenverarbeitung für seine Zwecke, denn oftmals wurde der Einsatz dieser Verfahren erst durch die Nutzung von Datenverarbeitungstechnologien ermöglicht. So fanden die betriebswirtschaftlichen Konzepte von Plaut Eingang in die SAP Software. EDV Studio Ploenzke. Eine eher gemischte Strategie verfolgte anfänglich das 1969 von Klaus C. Plönzke, einem Mitarbeiter der IBM, gegründete EDV Studio Ploenzke. Während in den 1970er Jahren das Angebot von der Datenerfassung, der Beratung bei der Konzeption und Implementierung von DVSystemen über die Programmierunterstützung bei Individualprojekten bis hin zum Angebot eigener Softwarepakete reichte, änderte sich dieses Bild zu Beginn der 1980er Jahre deutlich. So positionierte sich das Unternehmen als IT-Dienstleister, der sich vor allem auf Beratung und Unterstützung von individuellen Kundenprojekten für kommerzielle Anwendungen konzentrierte. Die eigenen Softwareprogramme hatte man vom Markt zurück genommen und im Gegenzug spezialisierte man sich auf die Beratung und Unterstützung bei der Auswahl und Anpassung anderer Softwarepakete. Von 1995 bis 1999 verkaufte Plönzke sein Unternehmen sukzessive an die amerikanische Computer Sciences Corporation (CSC).
PSI. Im Gegensatz dazu war die heutige PSI AG, die 1969 von sechs ehemaligen Mitarbeitern der AEG als Gesellschaft für Prozesssteuerung und Informationssysteme gegründet wurde, von Beginn an als Dienstleistungsunternehmen mit einem deutlichen Schwerpunkt für System- und Softwareentwicklung und weniger Organisationsberatung positioniert. Doch nicht nur in der Schwerpunktsetzung „Industrieautomatisierung“, sondern auch in einem anderen Bereich unterschied sich die PSI von vielen Unternehmensberatungen: Geprägt von der enttäuschen-den Erfahrung der Firmengründer mit der Struktur eines Großkonzerns und beeinflusst vom Zeitgeist der späten 1960er Jahre in Berlin, verschrieb sich das Unternehmen der gleichberechtigten Behandlung aller Mitarbeiter. Dementsprechend wurde ein Gesellschaftsvertrag erarbeitet, der neben Kapital- und Erfolgsbeteiligung auch die Mitbestimmung und die Aufnahme neuer Mitgesellschafter regelt. So wurde eine Unternehmensstruktur etabliert, die durch verschiedene Gremien wie Gesellschafterversammlung, Verwaltungsrat, Geschäftsleitung und Managementversammlung genossenschaftliche Züge aufwies. Die geschäftliche Organisation gliederte sich im Lauf der Zeit in die zwei Schwerpunktbereiche Energie und Industrie. Im Industriesegment stand vor allem die Konzeption und Entwicklung von Software für den Einzel- und Auftragsfertiger im Vordergrund. 1986 erfolgte die Markteinführung des Standardsoftwareprodukts PIUSS-O für den Bereich der Produktionsplanung und -steuerung. Im Bereich Energie fokussierte sich PSI auf die Konzeption und Entwicklung von Steuerungssystemen. Somit gelang es dem Unternehmen, mit einer eher ungewöhnlichen Gesellschaftskonstruktion und einer starken Fokussierung auf Prozesssteuerung eine erfolgreiche Position im Markt zu besetzen. IKOSS und ACTIS. Die in Stuttgart gegründeten Firmen IKOSS und ACTIS waren Spin-Offs der Universität Stuttgart. Die Geschäftsidee von IKOSS beruhte auf den Arbeiten von John Argyris zur Theorie der finiten Elemente. Die darin verwendeten numerischen Methoden zur Berechnung von Flugzeugflügelfestigkeiten und die dazu entwickelten Programme fanden in der Luft- und Raumfahrtindustrie großes Interesse. 1978 übernahmen ein norwegischer Wirtschaftsprüfer als stiller Teilhaber sowie Peter Beyer als Geschäftsführer das Unternehmen. In der Folge erweiterte Beyer das Tätigkeitsspektrum durch organisches Wachstum sowie durch Übernahmen. Doch dieses Wachstum schuf letztlich auch Probleme, da die Eigenkapitalentwicklung trotz der guten geschäftlichen Entwicklung nicht mithalten konnte. Demgegenüber hatte sich die von Günther Stübel gegründete ACTIS, ein Akronym für Angewandte Computertechnik und Informationssysteme, von Beginn klar auf die kommerzielle Datenverarbeitung spezialisiert. Eine weitere Besonderheit war auch die Anwendung des EDI-Qualitätsstandards. Beide Unternehmen – IKOSS und ACTIS – wurden 1994 von der französischen SligosGruppe (heute: Atos) übernommen. [Quelle: in Anlehnung an Leimbach 2011, S. 295 ff.]
Insert 1-10:
Softwarehäuser und Berater zwischen Spezialisierung und Generalisierung
70
1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
Zurück zu den amerikanischen Managementberatungen: Einer der ersten amerikanischen Unternehmensberater, der seine Präsenz in Europa und speziell in Deutschland ausbaute, war John Diebold. Er gründete 1958 die Diebold Group, die er 1991 an Daimler-Benz verkaufte und die heute unter Detecon firmiert. Deutlich erfolgreicher waren aber die namhaften US-Managementberatungen (vor allem McKinsey, Booz Allen Hamilton, Athur D. Little, A. T. Kearney sowie die Boston Consulting Group), die ab den 1960er Jahren den weltweiten Markt für Beratungsleistungen dominierten. Damit trugen sie in erheblichem Maße dazu bei, dass sich die amerikanischen Managementpraktiken in aller Welt verbreiteten und es in der Folge auch zur Amerikanisierung des europäischen Managements kam [vgl. Fink 2004, S. 8]. Parallel zur Internationalisierung der amerikanischen Managementberatungen wurden auch die ersten kontinentaleuropäischen Beratungsunternehmen gegründet – darunter Roland Berger und Sogeti, die Vorgängergesellschaft von Capgemini. Die beiden Firmengründer verfolgten allerdings unterschiedliche Sachziele: Während Roland Berger die Strategieberatung anstrebte, setzte Serge Kampf als Gründer von Sogeti auf das DV-orientierte Beratungsgeschäft. An dem unterschiedlichen Geschäftsmodell dieser beiden Unternehmen, die im selben Jahr (1967) gegründet wurden, wird die Differenzierung des Leistungsangebotes im Beratungsmarkt besonders deutlich. Zwei weitere Unternehmen stehen stellvertretend für die Differenzierungsbestrebungen sowohl im deutschen, als auch im internationalen Beratungsmarkt: die Boston Consulting Group (BCG) und Accenture, das Nachfolgeunternehmen von Andersen Consulting. Die BCG – 1962 in Boston gegründet – vertraute auf gut ausgebildete Berater. Im Gegensatz zu den meisten Wettbewerbern, die einen Ansatz als Generalist verfolgten, versuchten die BCG-Berater nicht, vorgefertigte Managementmethoden auf die spezifische Situation eines Kunden zu übertragen. Vielmehr wurde jedes Kundenproblem grundlegend analysiert und – gemeinsam mit dem Kunden – individuell gelöst. Der Berater wurde zum Partner des Kunden, Problemlösungen wurden in gemeinsamen Teams erarbeitet. „Soft skills“ wie Präsentationsund Moderationstechniken gewannen an Bedeutung [vgl. Fink 2009b, S. 12]. Doch nicht nur junge Strategieberatungsgesellschaften mit neuen Beratungsansätzen wurden von der Attraktion des Beratungsgeschäfts angezogen. Auch die großen, teilweise bereits weltweit tätigen „reinen“ Wirtschaftsprüfer richteten zunehmend Beratungsabteilungen ein und folgten damit dem Siegeszug der Computertechnologie. Bereits 1954 etablierte Arthur Andersen als erste Wirtschaftsprüfungsgesellschaft eine „IT-Practice“, die den Elektrokonzern General Electric bereits im selben Jahr bei der Einführung einer computergestützten Gehaltsabrechnung unterstützte. In den 1980er Jahren überstieg das Wachstum des Beratungsgeschäfts von Arthur Andersen das der Wirtschaftsprüfung deutlich. So kam es 1989 zu einem für die Prüfungsbranche bedeutsamen Schritt: Arthur Andersen wurde unter dem Dach der neugeründeten Holding Andersen Worldwide in zwei Geschäftsbereiche aufgeteilt – in einen Wirtschaftsprüfungsbereich, der weiterhin unter Arthur Andersen firmierte, und in einen Beratungsbereich namens Andersen Consulting (AC). Zwischenzeitlich hat sich AC vollständig von den ehemaligen Mutter- und Schwestergesellschaften, die im Jahre 2000 als Folge der Bilanzmanipulationen des Energiekonzerns Enron („Enron-Skandal“) zerschlagen wurden, gelöst und firmiert
1.3 Entwicklung der Beratungsbranche
71
heute mit seinen weltweit über 600.000 Mitarbeitern unter dem Namen Accenture [vgl. Fink 2009a, S. 25 f.]. 1.3.3 Boom und Überhitzung Die Entstehung der Europäischen Union, die Globalisierung der Wirtschaft sowie die Möglichkeiten der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien und die damit verbundene Restrukturierung ganzer Branchen – nicht zuletzt auch im Auftrag der Treuhandanstalt im wiedervereinigten Deutschland – führten in den 1990er Jahren zu einem prosperierenden Geschäft für die Beratungsbranche. Auf diesen Veränderungsdruck reagierten die Consultingunternehmen mit innovativen Ansätzen wie Portfoliomanagement oder Business Process Reengineering [vgl. Berger 2004, S. 7]. In Abbildung 1-24 sind die wesentlichen Merkmale dieses Beratungsbooms zusammengestellt.
Boom
Schrittmacher des Booms
Überhitzung
Konsolidierung
• Entstehung der Europäischen Union • Internationalisierung des Wettbewerbs • Anforderungen der internationalen Kapitalmärkte • Durchbruch neuer Technologien (insbesondere der Informations- und Kommunikationstechnologien) • Marktkonsolidierung durch Fusionen und Übernahmen und der daraus entstehende Bedarf an Post-Merger-Integration • Wertewandel bei Konsumenten und Mitarbeitern
Erholung
Auf den Veränderungsdruck reagieren die Consulting-Firmen mit innovativen methodi-schen Ansätzen wie: • Portfoliomanagment • Lean Management • Business Process Reegineering • Value Based Management
Beherrschendes Thema: „Change Management”
Abb. 1-24:
Merkmale des Beratungsbooms
Zu diesen günstigen Umweltfaktoren kam dann Ende des Jahrzehnts der Aufstieg der New Economy, die Neuausrichtung zahlreicher Computersysteme auf das neue Jahrtausend und die Umstellungsvorbereitungen der europäischen Wirtschaft auf den Euro hinzu. Kaum eine Branche wurde so nachgefragt wie der Beratungsbereich und hier ganz besonders das IT-nahe Consulting. Dies führte zu überschwänglichem Optimismus bei vielen Beratungsunternehmen und hatte ein Ansteigen der Tagessätze und der Gehälter zur Folge. Außerdem reagierte die Branche mit einem massiven Ausbau der Beratungskapazitäten. Während die deutsche Beratungsbranche in diesen Boomjahren eine durchschnittliche jährliche Wachstumsrate von 10 Prozent verzeichnen konnte, wuchs die deutsche Wirtschaft im gleichen Zeitraum lediglich um jährlich drei Prozent. In Abbildung 1-25 sind die wesentlichen Merkmale dieser Überhitzungsphase im Überblick dargestellt.
72
1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
Boom
Dotcom-Boom
Überhitzung
Konsolidierung
Erholung
• Aufstieg der New Economy • Steigende Nachfrage nach Consulting aufgrund massiver Investitionen von Old und New Economy
Y2K-Hysterie
• Hoher Bedarf an IT-Consulting im Rahmen der Y2K-Umstellung und der damit verbundenen Modernisierung der IT-Systeme
Euro-Vorbereitung
• Hoher Bedarf an IT-Consulting im Rahmen der Euro-Einführung
Überhitzung führt bei den Consulting-Firmen zu: • Überschwänglichem Optimismus • Ansteigen der Tagessätze und Gehälter • Massivem Ausbau der Kapazitäten
Beherrschende Themen: „Wachstum” und „E-Business”
Abb. 1-25:
Merkmale der Überhitzungsphase
1.3.4 Konsolidierung und Erholung Als die Börsenblase platzte und die Weltwirtschaft zu Beginn des neuen Jahrtausends in eine tiefe Krise fiel, hatte auch die Beratungsbranche dieser Entwicklung wenig entgegenzusetzen. Im Gegenteil, führende Consulting-Firmen mussten erhebliche Umsatzeinbußen und z. T. sogar Verluste hinnehmen. Sie wurden von ausbleibenden Aufträgen, von Budgetkürzungen und von vorübergehenden Vertrauensverlusten hart getroffen (siehe Abbildung 1-26). Der Wegfall der Euro- und der Jahrtausend-Umstellungsprojekte konnte nicht durch neue Projekte kompensiert werden. Für viele Beratungsunternehmen war dies eine völlig neue Erfahrung. Nun galt es, entsprechende Strategien, die den Kundenunternehmen in solchen Situationen immer wieder aufgezeigt wurden, für das eigene Unternehmen umzusetzen [vgl. Fink 2009a, S. 26]. Die ersten Maßnahmen zielten auf den nachhaltigen Abbau von Kapazitäten. Da die Beratungsunternehmen bezüglich der Unternehmensgröße quasi mit ihren Mitarbeitern „atmen“, wurde innerhalb kürzester Zeit die auf Hochtouren laufende Recruiting-Maschine abgestellt und ein Einstellungsstopp verkündet. Gleichzeitig wurde in den größeren Beratungseinheiten ein Großteil der in der Probezeit befindlichen Mitarbeiter gekündigt. Neben den wirtschaftlichen Zwängen kam der Druck zur Konsolidierung aber noch aus einer anderen Richtung: Die amerikanische Börsenaufsichtsbehörde SEC hatte wiederholt die Unvereinbarkeit von Prüfung und Beratung angemahnt. Um hier nicht in einen Zugzwang zu geraten, trennten sich die großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften von ihren Beratungstöchtern. So übernahm Capgemini die Beratungssparte von Ernst & Young mit weltweit rund 18.000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 3,6 Mrd. Euro. PricewaterhouseCoopers verkaufte seine Tochter PwC Consulting mit rund 30.000 Beratern an IBM, nachdem zuvor eine Übernahme durch Hewlett Packard und auch ein IPO gescheitert waren. KPMG schließlich führte ein Management-Buy-Out für seine Consulting-Tochter unter dem neuen Namen BearingPoint durch.
1.3 Entwicklung der Beratungsbranche
Überhitzung
Boom
Platzen der DotcomBlase
73
Konsolidierung
Erholung
• Hohe Erwartungen in die New Economy können nicht erfüllt werden • Investitionen in neue Geschäftsmodelle und New Economy-Firmen stellen sich als Fehlinvestitionen heraus
Abschluss der Y2K-/ Euro-Umstellungen
• Wegfall von Y2K- und Euro-bezogenen Projekten kann nicht durch neue Projekte kompensiert werden
Platzen der Dotcom-Blase führt bei den ConsultingFirmen zu:
Genereller Konjunktureinbruch
• Deutsche Wirtschaft stagniert, Wachstum 2001: 1,2%; 2002: 0%; 2003: -0,2%; 2004: 1,2%
Druck durch die Globalisierung
• Verschärfter globaler Wettbewerb setzt Kunden unter Druck und führt zu Kostenreduzierungsprogrammen
• Vertrauensverlust in die und innerhalb der Consulting-Branche • Sinken der Tagessätze • Stillstand im Recruiting • Abbau von Kapazitäten
Zentraler Einkauf
• Kunden bündeln Consulting-Einkauf, um Kosten zu reduzieren
Beherrschende Themen: „Kostenreduktion“ und „Restrukturierung“
Abb. 1-26:
Merkmale der Konsolidierungsphase
Ab 2005 erholte sich die Wirtschaft auf breiter Front, so dass sich die Investitionsstaus auflösten. Insbesondere die zurückgestellten Einführungen von ERP-Systemen kamen wieder auf die Agenda der Unternehmen. Die Begleitung und Umsetzung weltweiter SAP- oder OracleRollouts bestimmten die Leistungserbringung (engl. Delivery) der großen, global agierenden IT-Dienstleister wie Accenture, IBM und Capgemini. Aber auch im Bereich der Strategieberatung machte sich die Erholung der Wirtschaft bemerkbar. Die Industrie investierte wieder vermehrt in Wachstums- und Effizienzprojekte. Hinzu kamen erhöhte Aktivitäten im Merger & Acquisitions-Bereich – seit je her eine Domäne der Strategieberater in enger Zusammenarbeit mit den Wirtschaftsprüfern. Im Vordergrund der Erholungsphase standen Maßnahmen, die einen messbaren ökonomischen Nutzen für das Kundenunternehmen liefern. Wertorientierung und damit die Identifizierung der erfolgsrelevanten Werttreiber in Verbindung mit einer starken Prozessorientierung waren und sind die Erfolgsfaktoren im neuen Jahrtausend. Auf die Ende 2008 folgende Bankenkrise mit ihren gesamtwirtschaftlichen negativen Auswirkungen war die Beratungsbranche dann deutlich besser vorbereitet. Die Beratungsunternehmen hatten aus der letzten Krise in den Jahren 2002/2003 gelernt und die eigenen Strukturen wesentlich effizienter und flexibler auf die Marktveränderungen eingestellt. Personalentlassungen konnten daher weitestgehend vermieden werden, es wurde aber durch Kurzarbeit flexibilisiert. Darüber hinaus wurden Einstellungsstopps ausgesprochen bzw. Einstellungen nur bei Ersatzbedarf vorgenommen. Um die Kosten im Griff zu halten, wurden besonders bei den großen Consulting-Firmen verstärkt Bestandteile des Beratungsprozesses – zum Beispiel Anwendungsmodifikationen, Knowledge Management, Research oder Benchmarking – nach Indien oder Osteuropa ausgelagert. Obwohl bestimmte Aufgabenfelder von der Krise weniger berührt
74
1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
wurden oder sogar Konjunktur hatten (Outsourcing, Restrukturierung (z. B. Roland Berger bei Opel)), hat das schwierige Marktumfeld zu einer gewissen Marktbereinigung geführt, bei der 2009 die Zahl der Branchenteilnehmer um 2,5 Prozent auf rund 13.260 (2008: 13.600) zurückgegangen ist. Der größte Teil der Marktaustritte war im Segment der Beratungsfirmen mit weniger als 250.000 Euro Umsatz (Einzelberater) zu verzeichnen [Quelle: BDU 2010, S. 6]. Abbildung 1-27 gibt einen Überblick über die wichtigsten Merkmale der Erholungsphase.
Überhitzung
Boom
Volkswirtschaftliche Erholung
Weiterentwicklung des Consulting
Konsolidierung
Erholung
• Auflösung des Investitionsstaus • Industrie investiert wieder vermehrt in Wachstums- und Effizienzprojekte • Erhöhte M&A-Aktivitäten führen zu mehr Consulting-Bedarf • Wirtschaftswachstum 2005: 0,8%, 2006: 2,9%, 2007: 2,5% • Messbare Ergebnisse stehen immer mehr im Mittelpunkt des Consulting • Kunden erwarten auch die Implementierung von erarbeiteten Konzepten • Partnerschaftliche Einbeziehung des Kunden wird erwartet
Die Erholung führt bei den Consulting-Firmen zu: • Positiver Stimmung innerhalb der Branche • Wiederbelebung des Recruiting • Tendenzielles Steigen der Tagessätze in ausgewählten Services
Beherrschende Themen: „Wertorientierung“ und „Transformation“
Abb. 1-27:
Merkmale der Erholungsphase
Deutlich schneller und dynamischer als erwartet, hat die deutsche Consultingbranche nach dem Krisenjahr 2009 wieder ein nahezu zweistelliges Umsatzplus erzielt und damit den Anschluss an die Phase mit kräftiger Branchenkonjunktur und zweistelligen Wachstumsraten – speziell der Jahre 2004 bis 2008 – erreicht. Die Beratungsbranche profitierte dabei stark von der Sonderrolle der deutschen Wirtschaft als Konjunkturlokomotive in Europa. Gute Exportzahlen, eine weiter verbesserte Binnenkonjunktur sowie ein belebter Arbeitsmarkt haben in den letzten beiden Jahren für ein günstiges Investitionsklima in deutschen Firmen gesorgt. Auch der in Europa schwächelnde Automobilabsatz konnte den positiven Gesamteindruck nicht trüben, da die Nachfrage nach den Modellen deutscher Hersteller in den USA und Asien zum Teil kräftig angezogen hat. Der gute Zustand der deutschen Industrie und Wirtschaft und die damit einhergehenden Erfolgsfaktoren haben weltweit mittlerweile Vorbildcharakter. In vielen Branchen standen Beratungsprojekte im Vordergrund, in denen es bei den Kundenunternehmen einerseits um die Verteidigung der Gewinne und andererseits um die gezielte Festigung oder Ausdehnung der Marktposition ging. Die Kundenunternehmen haben den guten Konjunkturverlauf in Deutschland mit vielfach vollen Auftragsbüchern strategisch genutzt, um mit gezielten Produkt- und Prozessinnovationen die Zukunftsfähigkeit zu sichern und Wettbewerbsvorteile auszubauen. Unternehmensberater unterstützen ihre Kunden dabei durch strukturierte Analysen, um die durch den enormen Anstieg der Informationsvielfalt entstandene
1.3 Entwicklung der Beratungsbranche
75
Komplexität abzubauen oder die Geschäftschancen in Auslandsmärkten strategisch und operational zu erhöhen [vgl. BDU 2013, S. 4 f.]. Abbildung 1-28 zeigt den Umsatzverlauf der deutschen Beratungsbranche seit 1997. Es wird deutlich, dass nach der Konsolidierung in der Phase der Erholung fast wieder an die Wachstumsraten des Booms (trotz eines kurzfristigen Einbruchs im Zuge der Bankenkrise und der Corona-Pandemie) angeknüpft wird. Doch unabhängig von den drei Konsolidierungsphasen unterstreicht die Umsatzentwicklung des Gesamtmarktes im Consulting die im Vergleich zur Gesamtwirtschaft besondere Wachstumsdynamik dieser Branche. So ist die Consultingbranche innerhalb der letzten zehn Jahre um 85 Prozent gestiegen. In den letzten 20 Jahren hat sich das Marktvolumen sogar nahezu verdreifacht [vgl. BDU 2022, S.8]. Umsatz Mrd. Euro 45
Boom und Überhitzung 40
Konsolidierung
10,3%
Erholung
38,1
36,2 34,6
33,8
7,3%
35
31,5 29,0 27,0
30
10%
23,7
-2%
25
20,6
10%
25,2
22,3
18,2 17,6 18,9
20
16,4 13,2 14,7
15 10,9 10
8,4
12,2 12,9 12,3 12,2 12,3
9,6
5
0 97
98
99
00
01
02
03
04
05
06
07
08
09
10
11
12
13
14
= Ø jährliche Wachstumsrate (CAGR)
Abb. 1-28:
15
16
17
18
19
20
21
Jahr
[Quelle: BDU 2022]
Entwicklung des Branchenumsatzes von 1997 – 2021
1.3.5 Consulting 4.0 „Vier-Punkt-Null“ gibt es inzwischen zu genüge: Arbeit 4.0, Technologie 4.0, Mittelstand 4.0, ja sogar Deutschland 4.0. Und jetzt auch noch Consulting 4.0? Alles begann mit Industrie 4.0 und das hat seinen Grund: Die Dampfmaschine brachte die erste industrielle Revolution. Elektrizität und Fließband läuteten die zweite Revolution ein und die Automatisierung durch IT und Elektronik löste die dritte industrielle Revolution aus. Als Fortsetzung dieser Entwicklung wurde in Deutschland mit der kommenden Verschmelzung von Industrie und Informationstechnik der Begriff Industrie 4.0 als vierte industrielle Revolution eingeführt. Auch wenn solche einschneidenden Entwicklungsschritte im Consulting bei weitem nicht so klar definierbar oder abgrenzbar sind, so existieren doch Erklärungsversuche, warum man jetzt auch gerne von Consulting 4.0 sprechen möchte [vgl. Lippold 2017e].
76
1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
1.3.5.1 Erklärungsansätze zu Consulting 4.0
Der einfachste Erklärungsansatz definiert Consulting 4.0 als Inhaltsberatung für Industrie 4.0. Doch was ist dann mit Consulting 2.0 und 3.0? Ein erster „sprungfixer“ Erklärungsansatz über vier Entwicklungsfolgen hinweg könnte wie folgt aussehen:
Consulting 1.0 für den klassischen Lösungsberater Consulting 2.0 für den Prozessberater Consulting 3.0 für den heutigen Prozess- und Fachberater mit hoher sozialer Kompetenz Consulting 4.0 steht dann für alles, was mit digitaler Transformation, Big Data, Analytics und Expertise Industrie 4.0 zu tun hat.
Das halten viele jedoch für zu kurz gesprungen. Etwas mehr technologisches Know-how verknüpft mit rudimentärer Strategieexpertise, aber sonst weitermachen wie bisher – das rechtfertigt doch nicht einen so anspruchsvollen Begriff wie Consulting 4.0. Also kommt noch eine weitere „sprungfixe“ Entwicklungsfolge für den Beratungsbereich ins Spiel – diesmal jedoch deutlich digitaler [vgl. Werth et al. 2016, S. 59]:
Consulting 1.0 ist die computergestützte Beratung (mit Excel, PowerPoint etc.,) Consulting 2.0 meint die computerunterstützte Beratung (z.B. mit branchenspezifischen Softwaretools) Consulting 3.0 als computergesteuerte Beratung, d.h. der Consultant berät zwar weiter beim Kunden, aber der Computer sagt ihm, was und wie er zu beraten hat Consulting 4.0: Der Computer übernimmt die digital erbrachte Beratung total auf Knopfdruck – digitale Überwachung, Steuerung und Durchführung, eben wie bei Industrie 4.0 mit der Smart Factory.
Da es seit Jahren bei einem Großteil der Beratungsfälle immer um dieselben Fragen wie Bestands- und Kostensenkung, Prozessoptimierung, Mergers & Acquisitions, Strukturänderungen etc. geht, lassen sich solche Aufträge auch immer häufiger durch einen Computer erledigen. Der Trend zum „Productized Consulting“, also dort wo Standardisierung und Modularisierung die Dienstleistung zu einem Produkt machen, ist demnach in vollem Gange. Und was ist mit der Remote-Beratung, die eine deutlich flexiblere Arbeitsgestaltung erlaubt und dadurch die bislang für untrennbar gehaltene Beziehung von Reisetätigkeit und Beraterdasein aufweicht? Doch Consulting 4.0 sollte mehr sein, als die Digitalisierung der Beratungsbranche nach innen und außen. Die Frage ist doch, ob das Consulting angesichts der digitalen Transformation nicht auch vor einer größeren Umwälzung steht. Sicher, die neuen technologischen Entwicklungen machen auch vor den Beratungsunternehmen nicht halt, aber das war immer so. Diesmal sind Berater gefragt, die erkennen und vor allem wissen, dass durch die neuen technologischen Möglichkeiten disruptive Geschäftsmodelle oder wenigstens doch neue attraktive Anwendungsfelder bei den Kundenunternehmen entstehen. Gefragt ist ein Berater-Typ, der es den Kundenunternehmen ermöglicht, innovative Lösungen, die größtenteils durch die digitale Transformation möglich werden, zu einem angemessenen Preis-Leistungsverhältnis anzubieten
1.3 Entwicklung der Beratungsbranche
77
und umzusetzen. Aber rechtfertigt dieser Beratertyp bereits die Bezeichnung Consulting 4.0, obwohl es streng genommen zuvor gar kein Consulting 2.0 oder 3.0 gab? Vielleicht warten wir auf den RoboConsultant, der mit Zugriff auf alle Datenbestände der Welt Business-Prozesse und -Strategien automatisiert perfekt plant und umsetzt. Nein, aber unter dem Aspekt, dass immer mehr Kunden digitale und datenbasierte Geschäftsmodelle entwickeln und auch die Steuerung von Prozessen insgesamt an Komplexität zunimmt, müssen sich Beratungen noch stärker mit Technologie auseinandersetzen. Beratungen sind daher gefordert, sich ganz besonders dem Thema „Big Data“ zu öffnen, ihre bisherigen Geschäftsmodelle zu überprüfen und ihre Technologiekompetenz massiv zu erhöhen. Ganz besonders erwarten die Kundenunternehmen von ihren Beratungsdienstleistern den Einsatz modernster Analysetechnologien, um die komplexen Zusammenhänge in ihren Märkten verstehen zu können und Antworten auf die Herausforderung „digitaler Wandel“ zu erhalten. Und die damit verbundene Veränderung der Beratungsbranche erfolgt unter der Überschrift „Consulting 4.0“ [vgl. Lünendonk-Studie 2016]. Die Berater sind also für ihre Kunden das Werkzeug zur Digitalisierung. Somit liegt die Frage nahe, warum das Werkzeug nicht selbst digitalisiert ist. Zwar können wir uns kaum Berater ohne Laptop, Tablet oder Smartphone und schon gar nicht ohne PowerPoint-Präsentation vorstellen, aber dadurch hat sich die Ausführung von Beratungsleistungen bislang nicht grundlegend verändert [vgl. Greff/Werth 2015, S. 31]. Doch kann die Digitalisierung nicht auch zur (grundlegenden) Transformation der Beratung beitragen? Besonders deshalb, weil für den Kunden die Leistung des Beraters, also die Problemlösung entscheidend ist und nicht der Berater selbst. Schließlich entwickeln sich aus vielen „traditionellen“ Dienstleistungsformen vermehrt neue, auf Informationstechnologie basierende Dienstleistungen mit neuen Wertschöpfungskomponenten. Warum soll das nicht auch in einer Branche möglich sein, die seit Jahren Digitalisierung in anderen Branchen initiiert, fördert und begleitet? Warum sollen die Berater mit solchen Technologien nicht auch die eigenen Prozesse optimieren und die für die Entwicklung neuer Geschäftsideen verwenden? Auf dem Weg zur digitalen Beratung müssen letztendlich verschiedene Dimensionen unterschieden werden [vgl. Braun 2017; Werth et al. 2016]. 1.3.5.2 Wege zur digitalen Beratung
Digitalisierung der Beratungsthemen. In diesem Schritt geht es für die Berater darum, die neuen Technologien (E-Business, Web 2.0, Industrie 4.0, Big Data etc.) für die Kundenunternehmen nutzbar zu machen und damit deren Wachstum und Effizienz zu steigern. Besonders die klassischen Strategie- und Prozessberater laufen hier Gefahr, die lukrativen Digitalisierungsthemen an IT-Berater und spezialisierte Beratungen zu verlieren. Einige Strategieberatungen haben daher mit dem Aufbau von digitalen Geschäftsbereichen und Joint Ventures reagiert, um ihre digitale Kompetenz zu erweitern. Digitalisierung der Beratungsprozesse. Berater sollten auch im eigenen Unternehmen für eine durchgängige Unterstützung der Geschäftsprozesse unter Einsatz moderner IT-Technologien sorgen. Hier liegt ein großes Optimierungspotenzial durch die Digitalisierung. So existiert
78
1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
oft kein zeitgemäßes CRM-System zur effizienten Ansprache und Verfolgung der Kundenkontakte. Auch erfolgt keine einfache Zeiterfassung auf dem iPhone mit automatisierter Schnittstelle zur Reisekostenabrechnung. Viele Prozesse im Consulting könnten heute mit Hilfe von Apps deutlich effizienter und eleganter ablaufen, um wertvolle Beraterzeit einzusparen. Auch ist es heute möglich, passende Beraterprofile einfach anhand relevanter Skills und Branchenkompetenzen über eine App direkt auf dem Smartphone zu selektieren. Digitalisierung des Beraterwissens. Wissen ist eine der Hauptressourcen von Beratern. Es ist zunehmend verfügbar und über Smartphones und Tablets von jedem jederzeit nutzbar. Somit werden auch die Kundenunternehmen deutlich besser informiert sein und den Consultant stärker herausfordern. Wissen wird immer mehr zu Commodity. Anbieter wie Amazon, Apple, Facebook, SAP und insbesondere Google verfügen über exzellente Daten, die früher nur durch aufwändige Forschung gesammelt werden konnten. Für die Unternehmensberatung stellt sich allerdings die Frage, ob die Wissensträger auch unbedingt im Unternehmen vorhanden sein müssen. Im Gegenteil, die Leistungstiefe kann auch bei Beratungen gesenkt werden, denn durch das Entstehen von Beratermarktplätzen und digitalen Consulting-Plattformen eröffnen sich auch für klassische Unternehmensberatungen ganz neue Möglichkeiten. Digitalisierung der Beratungsgeschäftsmodelle. Unabhängig davon, dass in der Beratung digitale Content-Plattformen und Auswahl-Portale inzwischen zu deutlich mehr Transparenz führen, bringt die Digitalisierung auch neue Wettbewerber und damit u.U. auch neue Geschäftsmodelle für klassische Consultants. So kann das Modell der Peer2Peer-Beratung aufgrund einer besseren Expertenvernetzung an Einfluss gewinnen. Hierbei kann sich bspw. der Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens mit anderen Geschäftsführern austauschen und beraten lassen. Online-Plattformen für Freelancer mit speziellem Know-how erleichtern Unternehmensberatern den Sprung in die Selbstständigkeit durch höhere Transparenz. Überhaupt entwickelt sich Freelance-Consulting zu einer Arbeitsform, die sich etablieren und den Markt dauerhaft ergänzen kann. Eine weitere Angebotsform ist die Idee des Crowd-Consulting, bei dem sich Berater zu Netzwerken zusammenschließen. Durch die Möglichkeiten der modernen IT können solche Netzwerke zu professionellen virtuellen Unternehmensberatungen heranreifen und damit in Zukunft ein ernsthafter Wettbewerb zur klassischen Unternehmensberatung darstellen. Schließlich können auch neue Mitspieler wie Google, Amazon oder Facebook den Beratungsmarkt betreten. Diese Firmen verfügen über sehr gute Informationen zu Kaufverhalten, Demographie, Logistikströmen etc. Es ist denkbar, dass solche Daten aggregiert genutzt werden können, um sie Unternehmen zum Beispiel zur Optimierung ihrer Werbung oder Marketingplanung zur Verfügung zu stellen. Die Digitalisierung bietet also einerseits viele neue Betätigungsfelder für Consultants, andererseits müssen sich klassische Beratungsunternehmen mit den Folgen der Digitalisierung für die eigene Organisation auseinandersetzen. Digitalisierung der Beratungsleistungen. Es gibt verschiedene Ausprägungen der digitalen Beratung. Ein bekannter, bereits realisierter Ansatz ist die Remote-Beratung. Internet-basierte Kommunikation ermöglicht dabei eine durchgängige Erreichbarkeit unabhängig von Zeit und Ort. Ein typisches Beispiel ist Videoconferencing. Remote-Beratung bietet insbesondere eine Möglichkeit zur Einsparung von Reisekosten und Reisezeiten. Ein weiteres Beispiel sind die
1.3 Entwicklung der Beratungsbranche
79
McKinsey Solutions, die eine Sammlung von Software as a Service Lösungen darstellen und als eine der disruptivsten Neuerungen im Beratungsgeschäft gelten. Ihr Hauptfokus liegt auf einer breiten Datenbereitstellung und Datenanalyse. Ein großer Schritt in Richtung digitaler Beratungsdienstleistungen ist die Entwicklung eines eConsulting Store. Hierbei handelt es sich um einen Online-Shop als vollintegrierte Weblösung, die sowohl den Verkauf als auch das Fulfillment (also die Disposition und Abwicklung) digitaler Beratungsdienstleistungen ermöglichen soll. Die besondere Herausforderung liegt hierbei in der Abbildung des Fulfillmentprozesses, der im Vergleich zum Verkaufsprozess deutlich aufwändiger zu gestalten ist. Das Konzept des eConsulting Store wurde prototypisch für den Bereich des ARIS-Prozessmodellierungstools implementiert [vgl. Werth et al. 2016, S. 62 ff.]. Unabhängig davon, ob das Digitalisierungs-Know-how nun für den Einsatz beim Kundenunternehmen oder für den Eigenbedarf benötigt wird, der Kampf um die digitalen Beratungstalente ist in vollem Gange.
80
1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
1.4 Struktur der Beratungsbranche 1.4.1 Allgemeine Branchenkennzahlen Auftragsbezogene Kennzahlen zum Beratungs- und IT-Markt auf internationaler Ebene liefern in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen Analysten- und Research-Unternehmen wie Forrester, Gartner, PAC oder IDC. Speziell für den deutschen Beratungsmarkt führt der Bundesverband Deutscher Unternehmensberater BDU jährliche Marktumfragen zur Struktur und Entwicklung der Beratungsbranche durch. Die Ergebnisse dieser Marktstudien fließen in die vom BDU jährlich veröffentlichten „Facts & Figures“ ein. Sie bilden auch die Grundlage der nachfolgenden Strukturanalyse. Der BDU teilt dabei den deutschen Consultingmarkt in die vier sogenannten „klassischen“ Beratungsfelder ein: Strategieberatung Organisations- und Prozessberatung IT-Beratung Human Resources Beratung. Hinter diesen „klassischen“ Beratungsfeldern verbergen sich die in Abbildung 1-29 dargestellten Tätigkeitsbereiche.
Strategieberatung
Organisations- und Prozessberatung
• Corporate Strategy
• Projektmanagement
• Business Development & Innovation
• Prozessoptimierung & Performance
• Marketing- und Vertriebsstrategie
• Beschaffung & Supply Chain Management
• Corporate Finance • Sanierungsberatung • Corporate (Social) Responsibility, (nachhaltiges) Wirtschaften • Nachfolgeberatung
Management
• Change Management
Human Resources Beratung
IT-Beratung • IT Anwendungen & Infrastruktur • IT Governance & Compliance • IT Datenschutz & Datensicherheit
• Management Diagnostik & Development • HR-Strategie • Talent Management • Employer Branding • Vergütungsberatung
• Finanz - und Prozess Controlling • Reorganisation & Post Merger Integration • CRM & Vertrieb [Quelle: BDU Facts & Figures 2021]
Abb. 1-29:
Tätigkeitsbereiche der vier „klassischen“ Beratungsfelder
Nicht berücksichtigt werden im Rahmen dieser BDU-Marktstudien solche Unternehmen, deren Schwerpunkte in den beratungsnahen Feldern Outsourcing, Softwareentwicklung oder Personalberatung (Suche, Auswahl und Gewinnung von Fach- und Führungskräften) liegen.
1.4 Struktur der Beratungsbranche
81
Inhaltlich gesehen zeigt die Einteilung des Consultingmarktes in die „klassischen“ vier Beratungsfelder allerdings eine wesentliche Schwäche auf, denn unter den vielen funktionalen Beratungsfeldern (wie z. B. Marketingberatung, Controlling-Beratung, Logistik-Beratung etc.) wird hier lediglich die Human Resources Beratung aufgeführt. Es soll in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben, dass es ausgesprochen schwierig ist, „harte“ Zahlen für den Beratungsmarkt zu ermitteln. Zum einen beruhen die Umfragen auf individuellen, kaum überprüfbaren Angaben der Unternehmen. Zum anderen sind die einzelnen Beratungsfelder nur sehr schwer abgrenzbar. Auch hängen die Zuordnungen der Umsätze sehr häufig vom jeweiligen wirtschaftlichen Schwerpunkt des Beratungsunternehmens ab. Der Gesamtumsatz des Unternehmensberatungsmarktes betrug 2021 rund 38,1 Milliarden Euro. Damit hat sich die Wachstumsdynamik der Branche (siehe auch Abbildung 1-28) nach einem schwächeren Vorjahr fortgesetzt. Während das Geschäftsjahr 2020 noch durch ein Minus von 3,2 Prozent und durch große Unterschiede in der Geschäftsentwicklung der einzelnen Marktteilnehmer gekennzeichnet war, so verlief das Jahr 2021 für den Großteil der Beratungsunternehmen deutlich positiver. Etwa 26.000 Beratungsgesellschaften bieten in Deutschland „klassische“ Beratungsleistungen an. Die Mehrzahl aller Berater ist als Einzelberater tätig. 2021 waren insgesamt rund 219.000 Mitarbeiter in der „klassischen“ Consultingbranche beschäftigt. Die Zahl der eigentlichen Berater („Professionals“) betrug in diesem Bereich rund 162.500 (siehe Abbildung 1-30).
Unternehmensberatung
Umsatz in Mrd. Euro Anzahl Unternehmen
ab 50 Mio. € Umsatz
1 bis 50 Mio. € Umsatz
bis 1 Mio. € Umsatz
Gesamt
16,6
14,5
7,0
38,1 (+10,3%)
175
3.375
22.500
26.050
Anzahl Mitarbeiter
78.500
65.500
59.500
219.000
Anzahl Berater
51.500
65.500
45.500
162.500 [Quelle: BDU 2022]
Abb. 1-30:
Wichtige Kennzahlen zum Beratungsmarkt 2021
Mit diesen Branchenkennzahlen ist zugleich auch eine wesentliche strukturelle Schwäche der deutschen Beratungsbranche aufgezeigt. Über 86 Prozent aller „klassischen“ Beratungsunternehmen erzielen nicht einmal einen Jahresumsatz von einer Millionen Euro, d. h. der Anbietermarkt für Unternehmensberatung ist so stark zersplittert, dass man von einer „atomistischen“ Konkurrenz sprechen kann. Im Gegenzug kann für den „klassischen“ Unternehmensberatungsmarkt eine extrem hohe Konzentration festgestellt werden. So erzielen die 175 größten Beratungsunternehmen – das sind weniger als ein Prozent aller Beratungsunternehmen – allein 43 Prozent des gesamten „klassischen“ Branchenumsatzes.
82
1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
1.4.2 Struktur der Nachfrageseite – Branchenanalyse Die größte Nachfragegruppe im Markt für Beratungsleistungen ist das verarbeitende Gewerbe, gefolgt vom Finanzdienstleistungssektor und dem Öffentlichen Bereich. Knapp ein Drittel des Gesamtumsatzes der „klassischen“ Unternehmensberaterbranche entfällt 2021 auf die verschiedenen Branchen des verarbeitenden Gewerbes. Absolut entspricht dies einem Umsatz von 12 Milliarden Euro. Den größten Anteil hat dabei der Fahrzeugbau mit einem Auftragsvolumen von 4,5 Milliarden Euro. Auf das verarbeitende Gewerbe folgt der Finanzdienstleistungsbereich mit einem Anteil von 24,6 Prozent. Die Anteile der beiden Hauptgruppen dieses Bereichs – die Banken- und die Versicherungsbranche – halten sich in etwa die Waage. Zusammen wurden im Finanzdienstleistungsbereich Beratungsleistungen im Wert von mehr als neun Milliarden Euro beauftragt. Nachfrageimpulse gehen für die Unternehmensberater auch vom Public Sector aus. Mit 10 Prozent ist der öffentliche Bereich der drittgrößte Auftraggeber im Rahmen dieser Branchenanalyse. Es folgen die Energie- und Wasserversorger mit 8,8 Prozent und die TIMESBranche (Times = Telekommunikation, Informationstechnik, Medien, Entertainment und teilw. Security) mit 8,5 Prozent. An der Spitze der Umsatztreiber in der Consultingbranche steht die Gesundheitswirtschaft mit einem Umsatzplus von 15,5 Prozent gegenüber 2020. Es folgen die Energiewirtschaft mit einem Wachstum von 14,5 Prozent und die TIMES-Branche mit 13,5 Prozent. Das zentrale Thema der kommenden Jahre in der Energiewirtschaft wird nach Ansicht der Branchenbeobachter die Transformation hin zu einer CO2-freien Energieversorgung sein [vgl. BDU 2022]. Abbildung 1-31 gibt einen Überblick über die Anteile der Kundenbranchen am beauftragten Beratungsvolumen im Jahr 2021. Sonstige
Verarbeitendes Gewerbe (insgesamt)
Healthcare
davon:
Verkehr- und Gastgewerbe
0,3
Professional Services Groß- und Einzelhandel TIMES
Energie- und Wasserversorger
4,4
Fahrzeugbau Chemie/Pharma Maschinenbau Konsumgüterindustrie Sonstige
3,4 3,8
4,7
31,6
8,5
% 8,8
Finanzdienstleister (insgesamt) 10,0
Public Sector
24,6
davon: Versicherungen Kreditinstitute
[Quelle: BDU 2022]
Abb. 1-31:
11,8% 5,7 % 5,6 % 5,4% 3,2 %
Aufteilung des Beratungsmarktes nach Kundenbranchen 2021
12,6% 12,1 %
1.4 Struktur der Beratungsbranche
83
1.4.3 Struktur der Angebotsseite – Beratungsfelder Das größte Beratungsfeld ist die Organisations- und Prozessberatung mit einem Anteil von 43,9 Prozent, gefolgt der Strategieberatung mit 25 Prozent und der IT-Beratung (Softwarenentwicklung/Systemintegration) mit 22,1 Prozent. Abbildung 1-32 liefert einen Überblick über die Anteile der wichtigsten Beratungsfelder am Gesamtmarktumsatz 2021.
HR-Beratung (ohne Personalsuche) (insgesamt) davon: Diagnostik & Development HR-Strategie Talent Management Employer Branding
3,1 % 2,2 % 1,8 % 1,2 %
9,0 %
22,1 %
IT-Beratung (insgesamt)
%
25,0 %
davon: IT Anwendungen & Infrastruktur IT Governance & Compliance IT Datenschutz & Sicherheit
11,0 % 2,1 % 1,5 % [Quelle: BDU 2022]
Abb. 1-32:
Organisations-/ Prozessberatung (insgesamt)
43,9 %
davon: Projektmanagement Prozessoptimierung Beschaffung und SCM Change Management Vertrieb und CRM
13,3 % 10,6 % 5,1 % 3,2 % 1,7 %
Strategieberatung (insgesamt) davon: Corporate Strategy Business Development Marketing & Vertrieb Corporate Finance
8,8 % 5,5 % 3,6 % 3,3 %
Aufteilung des Gesamtmarktumsatzes nach Beratungsfeldern 2021
Das Beratungsfeld Organisations- und Prozessberatung hat ein Volumen von 16,7 Mrd. Euro und ein Umsatzplus von 11 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Hauptumsatztreiber ist der Bereich Beschaffung und Supply Chain Management mit einem Umsatzplus von 13,5 Prozent gefolgt vom Change Management mit 11,5 Prozent. Die Strategieberatung verzeichnet ein Umsatzplus von 10 Prozent gegenüber 2020. Wachstumsstärkste Bereiche in diesem Beratungsfeld sind die Marketing- und Vertriebsstrategie sowie Corporate Finance mit je 12,5 Prozent Umsatzsteigerung. Das Wachstum der IT-Beratungsleistungen beträgt 9 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Hauptwachstumstreiber sind hier IT-Datenschutz und -Datensicherheit (+ 15 Prozent) und IT-Governance und Compliance (+14,5 Prozent). Die Human-Resources-Beratung, die hier – wie bereits erwähnt – als einziges funktionales Beratungsfeld aufgeführt ist, verzeichnet ein Umsatzwachstum von 11,5 Prozent. Haupttreiber dieses Geschäftsfeldes ist Management-Diagnostik und -Development mit 14 Prozent. 1.4.4 Das Consulting-Kontinuum Es hat immer wieder Versuche gegeben, den Unternehmensberatungsmarkt mit seinen verschiedenen Beratungsfeldern so zu strukturieren, dass eindeutige Zuordnungen bzw. Abgrenzungen möglich sind. Diese Abgrenzungen werden aber immer schwieriger. Das ist vor allem auf die besondere Dynamik der IT-nahen Beratungsbereiche zurückzuführen.
84
1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
1.4.4.1 Dreiteilung des Unternehmensberatungsmarktes
Am bekanntesten ist die Dreiteilung des Unternehmensberatungsmarktes. Danach unterscheidet man die Bereiche
Managementberatung, IT-Beratung und Personalberatung.
Während die Managementberatung Unternehmen im Bereich der strategischen und organisatorischen Führung sowie bei der Realisierung von Veränderungsprozessen unterstützt, fokussiert sich die IT-Beratung auf die Planung, Entwicklung und Implementierung sowie auf den Betrieb von informationstechnischen Systemen. Bei der Personalberatung stehen die Akquisition von Führungskräften, die Personalentwicklung, das Outplacement sowie die Gehalts- und Vertragsgestaltung im Mittelpunkt [vgl. Fink 2009a, S. 3 ff.]. Abbildung 1-33 zeigt die Dreiteilung des Unternehmensberatungsmarktes. Unternehmensberatung
IT-Beratung
• Planung, Entwicklung und Implementierung von IT-Systemen
Managementberatung
Personalberatung
• Executive Search
Strategieberatung
Organisationsberatung
Transformationsberatung
• Betrieb von ITSystemen
Abb. 1-33:
• Personalentwicklung • Outplacement • Gehaltssysteme
Dreiteilung des Unternehmensberatungsmarktes
1.4.4.2 BDU-Systematik
Ein weiterer „Abgrenzungsversuch“ ist die vom Bundesverband Deutscher Unternehmensberater BDU vorgenommene Einteilung in die vier „klassischen“ Beratungsfelder (siehe Abbildung 1-28)
Strategieberatung, Organisations- und Prozessberatung, IT-Beratung und Human-Resources-Beratung (HR-Beratung).
sowie den beratungsnahen Dienstleistungsbereichen
IT-Outsourcing, Softwareentwicklung/Systemintegration und Personalberatung.
1.4 Struktur der Beratungsbranche
85
Gegenüber den Kern-Beratungsfeldern lässt sich vorbringen, dass sich Organisations- und Prozessberatung nicht oder nur sehr schwer von der IT-Beratung trennen lässt. Außerdem weist die Human-Resources-Beratung als funktionsorientierte Beratungsleistung eine ganz andere logische Dimension auf, als die übrigen drei Beratungsfelder. Somit stellt die HR-Beratung in gewisser Weise ein „Fremdkörper“ innerhalb dieser „klassischen“ Beratungsfelder dar. Und auch die beratungsnahen Dienstleistungen geraten wie „Äpfel“ und „Birnen“ ein wenig durcheinander. So ist die Personalberatung mit seinen Hauptausprägungen „Executive Search“ und „Personalvermittlung“ ein derart eigenständiges Business, dass es in diese Systematik gar nicht aufgenommen werden sollte. IT-Outsourcing und Softwareentwicklung/Systemintegration sind dagegen Beratungsfelder, die sich unmittelbar aus dem Beratungsgeschäft entwickelt haben. Ganz besonders das Softwaregeschäft wäre ohne die Keimzelle IT-Beratung gar nicht denkbar. Ohnehin sind die Grenzen zwischen Softwareentwicklung und IT-Beratung fließend. Softwareentwicklung im Kundenauftrag ist eine Dienstleistung. Das vermarktungsfähige Ergebnis der Entwicklung von Standardsoftware wird dagegen als Produkt (engl. Packaged Software) bezeichnet. Darüber hinaus gibt es im Umfeld von Standardsoftware wiederum ein großes Spektrum produktbezogener Dienstleistungen. Aufgrund dieser fließenden Grenzen zwischen IT-Produkten und -Dienstleistungen sind Aussagen über Umsatzvolumen und -entwicklung des IT-Dienstleistungsmarktes mit Vorsicht zu interpretieren. Dennoch hat die BDU-Systematik schon deshalb eine besondere Relevanz, weil eine Vielzahl von Statistiken zu Größenordnung und Entwicklung der einzelnen Beratungsfelder auf der Grundlage dieser Systematik herausgegeben werden. Ebenso wie es eine allumfassende und allen Ansprüchen genügende Systematisierung von ITDienstleistungen (als Teilmarkt des Beratungsgeschäfts) nicht gibt, so existiert auch keine allgemein akzeptierte Systematisierung des Unternehmensberatungsgeschäfts insgesamt. Vielmehr gibt es zur oben vorgestellten Systematik des BDU noch Alternativen, die – aus anderen Perspektiven heraus – interessante Einblicke in die IT-Dienstleistungslandschaft bieten können.
1.4.4.3 Plan-Build-Run-Modell
So nutzen viele Anbieter bei der Vorstellung ihres Dienstleistungsportfolios die Aufteilung des Consulting-Kontinuums nach „Plan“, „Build“ und „Run“. Dabei stehen Plan (manchmal auch als „Think“ bezeichnet) für Strategieberatung, Build für Umsetzungsberatung (Transformation bzw. Process Consulting) und Run (manchmal auch als „Operate“ bezeichnet) für IT-Outsourcing. Diese Einteilung, die ursprünglich aus der Systematisierung der IT-Dienstleistungen stammt, ist nicht ohne Grund so populär, bietet sie doch ein einfaches und verständliches Schema für die komplexe Welt der IT-und Beratungsdienstleistungen. Abbildung 1-34 gibt einen Überblick über das Consulting-Kontinuum mit entsprechend zugeordneten Beratungsfirmen.
86
1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
„Plan“ Strategieberatung
„Build“
„Run“
Umsetzungsberatung (Transformation/Process Consulting)
Outsourcing
Consulting Continuum McK, BCG, RB, ATK, etc.
BearingPoint, CSC, etc.
Multinationals
Strategie-Spezialisten
EDS, HP, ADP, Atos, etc.
Outsourcing-Spezialisten
IBM Global Services, Accenture, Capgemini
Global Players
Abb. 1-34:
Das Consulting-Kontinuum
Eine grafisch etwas andere Darstellung mit inhaltlich ähnlicher Struktur wie das „Plan-BuildRun“-Modell bieten die Darstellungen der internationalen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, um ihr Advisory-Angebot im Rahmen des Consulting-Kontinuums visuell zu positionieren (siehe Abbildung 1-35).
Strategiemarkt
Advisory Services
BusinessPerformanceMarkt
Systemintegrationsund Outsourcing-Markt [Quelle: ERNST & YOUNG]
Abb. 1-35:
Unternehmensberatungsmarkt aus Sicht der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften
Eine weitere, sehr populäre Einteilung ist die Untergliederung in
Strategieberatung, Beratungsleistungen der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, Full Services/Business Innovation/IT, (Beratungs-)Boutiquen und Inhouse Consulting.
Zwar ist die Zuordnung einzelner Beratungshäuser relativ problemlos durchzuführen, andererseits gibt es kein übergeordnetes Merkmal, das diese Einteilung eindeutig beschreibt. In Insert
1.4 Struktur der Beratungsbranche
87
1-11 ist diese Zuordnung anhand von typenprägenden Beratungsunternehmen vorgenommen worden.
Insert 1-11:
Typenprägende Beratungsunternehmen (Auswahl)
1.4.4.4 Lünendonk-Systematik
Noch deutlich differenzierter ist die vom Marktforschungs- und Marktanalyse-Dienstleister Lünendonk vorgenommene Systematisierung des Beratungs- und Dienstleistungsmarktes. Im Mittelpunkt steht dabei die Unterteilung der gesamten Beratungs- und IT-Service-Wertschöpfungskette in sechs Geschäfts- und IT-Prozesse:
Strategieberatung Organisations- und Prozessberatung IT-Beratung (Prozesse, Technologien, Infrastruktur) IT-Systemintegration IT-System-Betrieb Betrieb kompletter Geschäftsprozesse (BPO).
Entlang dieser Wertschöpfungskette werden dann die nach Lünendonk relevanten Anbieterkategorien im Beratungs- und IT-Dienstleistungsmarkt zugeordnet:
88
1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
Strategie- und Managementberater IT-Beratungs- und Systemintegrationsunternehmen IT-Service-Provider BPO-Spezialanbieter Business Innovation/Transformation Partner (BITP).
So erstreckt sich nach dieser – zugegebenermaßen etwas IT-lastigen Betrachtungsweise – das Angebot der BITP-Unternehmen über die gesamte Beratungs- und IT-Service-Wertschöpfungskette, während sich das Angebot der Strategie- und Managementberater auf die Strategieberatung, die Organisations- und Prozessberatung und auf Teile der IT-Beratung konzentriert. Abbildung 1-36 gibt einen Überblick über die Einteilung und Zuordnung des Beratungs- und IT-Dienstleistungsmarktes nach der Lünendonk-Systematik.
1
3 Strategie- und Managementberater
Strategieberatung
Organisationsund Prozessberatung
IT-Beratung (Prozesse, Technologien, Infrastruktur)
IT-Service-Provider
IT-Systemintegration
IT-SystemBetrieb
Betrieb kompletter Geschäftsprozesse (BPO)
2 IT-Beratungs- und Systemintegrationsunternehmen
BPOSpezialanbieter
Business Innovation/Transformation Partner (BITP)
Abb. 1-36:
Die Lünendonk-Systematik
Auf der Grundlage dieser Systematik werden auch die Lünendonk-Listen ® abgegrenzt. In den Inserts 1-12 bis 1-14 sind die verschiedenen Rankings, die sich aufgrund der Systematik für die einzelnen Marktsegmente ergeben, abgebildet. Insert 1-12 zeigt bereits das Dilemma der Abgrenzungsproblematik, denn neben den sachlichinhaltlichen Zuordnungsschwierigkeiten kommen auch noch regionale Aspekte hinzu. So weist Lünendonk zu Recht darauf hin, dass die großen internationalen Beratungsunternehmen, die weder ihre Gründungshistorie noch ihre Kapitalmehrheit in Deutschland haben, ihre Umsätze bei großen, global agierenden Unternehmen grenzüberschreitend und aus unterschiedlichen Niederlassungen heraus realisieren. Fazit nach Lünendonk: Die Abgrenzung zwischen den einzelnen Beratungs- und IT-Dienstleistungs-Märkten wird immer schwieriger. Es gibt nicht einen Markt für Consulting, sondern mehrere Teilmärkte, deren Leistungen sich teilweise überschneiden und letztlich nach dem
1.4 Struktur der Beratungsbranche
89
Schwerpunktprinzip zugeordnet werden müssen. Hinzu kommt, dass sich ein Ranking ausschließlich nach Beratungsumsätzen in Deutschland bei den internationalen Anbietern nicht mehr sinnvoll abbilden lässt.
Insert 1-12:
Führende Managementberatungen in Deutschland
1.4.4.5 BITP-Anbietergruppe – Konzept der Gesamtdienstleistungen
Letztlich soll noch auf eine Besonderheit bei der Strukturierung der Unternehmensberatungslandschaft eingegangen werden. Der Marktforschungs- und Marktanalysedienstleister Lünendonk beobachtet schon seit einigen Jahren, dass die Kunden ihre Strategien bei der Vergabe von Beratungs- und IT-Projekten deutlich verändert haben. So vergeben sie Organisationsprojekte häufig nur noch in Kombination mit IT-Beratung, d. h. sie erwarten von ihren Dienstleistern für viele Themen ein Gesamtangebot von Beratung, ICT-Technologie und Outsourcing, das alle oder zumindest viele Anforderungen aus einer Hand abdecken kann. Dabei spielt die
90
1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
Fähigkeit von Dienstleistungspartnern eine wichtige Rolle, Projekte mit unterschiedlichen Inhalten von der Konzeption bis zur Umsetzung zu begleiten. Und mittlerweile vergeben auch große mittelständische Unternehmen in hohem Maße Projekte an Beratungsunternehmen, die alles aus einer Hand anbieten. Für eine solche Art der Geschäftsbeziehung und Projektumsetzung bedarf es einer speziellen Anbietertypologie: der des Gesamtdienstleisters. Sie bieten in ihrem Leistungsportfolio einen kunden- und projektspezifischen Mix aus Management- und ITBeratung, Realisierung, IT-Outsourcing und Business Process Outsourcing (BPO) an. Die Anbietergruppe, die dieses Konzept – nämlich der Auftritt als Gesamtdienstleiter – verfolgt, wird als Business Innovation/Transformation Partner (BITP) bezeichnet [vgl. Lünendonk 2013/2014, S. 6 f.].
Insert 1-13: Top 25 IT-Beratungs- und Systemintegrationsunternehmen in Deutschland
1.4 Struktur der Beratungsbranche
91
Folgende Kompetenzen bilden den Kern des Anforderungsprofils dieser Anbietergruppe [vgl. Lünendonk 2013/2014, S. 6 f.]:
Branchenkompetenz Fachkompetenz Technologiekompetenz Innovationsfähigkeit Umsetzungs- und Transformationskompetenz Nachweisbare Erfahrung im jeweiligen Ausschreibungs-Scope Soft Skills der Projektmitarbeiter Im Mittelstand: Anbieter- und Auftraggeber-Management agieren auf Augenhöhe Fähigkeit zur Umsetzung internationaler Projekte.
Um eine eindeutige Zuordnung für einen Business Innovation/Transformation Partner (BITP) zu erreichen, muss das Dienstleistungsunternehmen mehr als 60 Prozent seines Umsatzes mit Beratung und Dienstleistungen erwirtschaften. Von diesen Umsätzen entfallen jeweils mindestens zehn Prozent auf die vier Leistungskategorien
Management- beziehungsweise IT-Beratung Systemrealisierung beziehungsweise -integration Betrieb von IT-Systemen (IT-Outsourcing) Betrieb von Geschäftsprozessen (BPO).
Ein weiteres Kriterium für einen Business Innovation/Transformation Partner ist, dass er mindestens eine Milliarde Euro Gesamtumsatz weltweit erwirtschaftet und eine globale Beratungsund Delivery-Organisation nachweisen kann [vgl. Lünendonk 2013/2014, S. 7 f.].
Insert 1-14:
Führende IT-Service-Unternehmen in Deutschland
92
1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
1.5 Inhalte ausgewählter Beratungsbereiche Um einerseits die Beratungstätigkeiten als solche ein wenig griffiger zu beschreiben und andererseits die Vielfalt dieser Profession aufzuzeigen, sollen im folgenden Abschnitt die Tätigkeitsprofile einiger ausgewählter Beratungsbereiche dargestellt werden. Als Beispiele sollen die drei größten klassischen Beratungsfelder herangezogen werden. Sie machen – bezogen auf die BDU-Statistik Facts & Figures 2021 – einen Umsatzanteil von über 90 Prozent des deutschen Beratungsmarktes aus. Es handelt sich hierbei um die Profile der
Strategieberatung (Anteil: 25,0 Prozent), Organisations- und Prozessberatung (Anteil: 43,7 Prozent) und IT- Beratung (Anteil: 22,4 Prozent).
Das Outsourcing ist in den Facts & Figures nicht explizit aufgeführt, da es nicht zu den klassischen Beratungsfeldern gehört. Insbesondere bei den größeren, international agierenden Beratungshäusern ist das Outsourcing aber eine feste Umsatzgröße, die teilweise bis zu 30 Prozent des Gesamtumsatzes dieser Unternehmen ausmacht. Aufgrund dieser Bedeutung sollen die Outsourcing-Inhalte hier ebenfalls mit aufgeführt werden. 1.5.1 Strategieberatung Die Strategieberatung gilt als die „Königsdisziplin“ im Consulting. Ihre Themen betreffen den Kernbereich aller Unternehmensaktivitäten, die Unternehmensstrategie, und sind daher ganz oben im Top-Management der Kundenunternehmen angesiedelt. Das bedeutet gleichzeitig, dass Vorstände und Geschäftsführer zu den wichtigsten Ansprechpartnern von Strategieberatern zählen. Der persönliche Kontakt zur Führungsriege des Kunden erfordert nicht nur sicheres Auftreten, sondern Gewandtheit und eloquentes Auftreten sowie einen hohen Informationsstand über Markt und Wettbewerb. Die Unternehmensstrategie als langfristiger Plan zur Erreichung unternehmerischer Ziele ist zukunftsorientiert und damit mit großer Unsicherheit behaftet. Daher gilt es, Märkte und Einflussfaktoren zu verstehen und Veränderungen rechtzeitig zu antizipieren. Zielkunden, Leistungsversprechen und Geschäftsmodelle sind regelmäßig Gegenstand der Strategiefestlegung. Im Allgemeinen wird die Unternehmensstrategie in verschiedene Einzelziele und -aufgaben aufgefächert, um wirksam werden zu können. Die damit gebundene Managementkapazität wird durch den Einsatz von Strategieberatern ergänzt. 1.5.1.1 Anlässe der Strategieberatung
Mit der Beauftragung von Strategieberatern verfolgt das Top-Management eines Unternehmens das Ziel, eine unvoreingenommene Perspektive für das Unternehmen zu gewinnen und evtl. verschiedene Auffassungen über die Weiterentwicklung des Unternehmens zu diskutieren. Grundsätzlich sind es vier Anlässe, die bei der Beauftragung eines Strategieberaters unterschieden werden können [vgl. auch Hüttmann/Müller-Oerlinghausen 2012, S. 20; Schneider, J. 2014]:
1.5 Inhalte ausgewählter Beratungsbereiche
93
Strategiebewertung (engl. Strategic Review). Hier wird die intern entwickelte Strategie wird von externen Experten überprüft und kritisch hinterfragt. Stichhaltigkeit, Konsistenz und Widerspruchsfreiheit der bestehenden Strategie stehen im Vordergrund der Evaluierung. Anlässe für eine Überprüfung können sinkende Erträge, rückläufige Nachfrage, neue erfolgversprechende Geschäftsideen oder auch anstehende Investitionen sein. Weiterentwicklung/Anpassung von Strategien (engl. Strategic Redesign). Aufgrund veränderter interner oder externer Rahmenbedingungen (z. B. Marktsättigung, neue Technologien, neue Gesetze, Auslauf von Patenten, Verlust wichtiger Mitarbeiter) hilft der Berater dem Management bei der Anpassung der Strategie durch Analysen und als erfahrener Sparringspartner. Neuentwicklung von Strategien (engl. Strategic Renewal). Hier bietet der Strategieberater profunde Unterstützung bei der Neudefinition des allgemeinen Unternehmensziels, die eine strategische Neuformierung und eine Anpassung der Wertschöpfungskette nach sich ziehen kann. Die Notwendigkeit für eine neue Unternehmensausrichtung ergibt sich im Zusammenhang mit Neugründungen, Fusionen, Übernahmen oder Eigentümerwechsel. Strategieumsetzung (engl. Strategic Transformation). Jede Strategieentwicklung sollte die Umsetzung im Unternehmen und die Durchsetzung im Markt zum Ziel haben. Der Erfolg hängt dabei in hohem Maße von der Entschlossenheit des Managements und von der Veränderungsbereitschaft der Mitarbeiter ab. Damit die Strategien für Mitarbeiter richtungsweisend und umsetzbar werden, ist der strategische Plan in Stoßrichtungen für die einzelnen Unternehmensbereiche zu übersetzen und mit konkreten Maßnahmen zu hinterlegen. Hierbei lässt sich das Management von externen Beratern in der Weise unterstützen, dass diese den Umsetzungsvorgang absichern, erleichtern und beschleunigen. Die methodische Kompetenz des Beraters, der über Erfahrungen mit dem Einsatz der in Kapitel 4 aufgezeigten Beratungstechnologien verfügen sollte, ist dabei von besonderem Nutzen. Neben der Einführung und Anwendung dieser Instrumente zählt auch die Durchführung von Kommunikations- und Schulungsmaßnahmen im Umfeld des Veränderungsprozesses zum festen Bestandteil der Strategieberatung. 1.5.1.2 Ebenen der Strategieberatung
Neben den Anlässen bei der Beauftragung lassen sich verschiedene Ebenen der Strategieberatung unterscheiden:
Unternehmensstrategie (engl. Corporate Strategy) Geschäfts(bereichs)strategie (engl. Business Strategy).
Auch wenn häufig der Unterschied zwischen Unternehmensstrategie und Geschäfts(bereichs)strategie sehr akademisch erscheint, so werden den beiden Ebenen unterschiedliche Aspekte zugeordnet: Unternehmensstrategie. Im Rahmen der Unternehmensstrategie – also auf der obersten Unternehmensebene (z. B. Konzernebene) – sind Vision und Mission ebenso festzulegen wie die Auswahl der einzubeziehenden Geschäftsfelder (Geschäftsportfolio). Außerdem muss auf dieser Ebene die Aufteilung der Mittel auf die einzelnen Geschäftseinheiten (engl. Allocation of
94
1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
Resources) vorgenommen werden. Trendanalysen, Szenariotechnik, Analyse der Kompetenzposition, Portfolio-Management, Wertmanagement, Mergers & Acquisitions und Outgrowing sind hier wichtige Arbeitsbereiche. Geschäfts(bereichs)strategie. Sie ist auf der Ebene selbständig planender und operierender Geschäftseinheiten angesiedelt. Sie befasst sich mit der Auswahl von Marktsegmenten und der Positionierung von Geschäftseinheiten. Wichtige Arbeitsbereiche in Verbindung mit der Geschäftsstrategie sind die Umwelt- und Unternehmensanalyse, die Analyse von Branchen- und Technologietrends, die Bewertung strategischer Wettbewerbsvorteile sowie die Identifikation und Evaluierung strategischer Optionen. 1.5.1.3 Typische Aufgaben der Strategieberatung
Das Aufgabenspektrum eines Strategieberaters ist so vielfältig, dass es hier nur im Rahmen einiger typischer Aufgaben wieder gegeben werden kann [vgl. Hüttmann/Müller-Oerlinghausen 2012, S. 20 f.; Schneider, J. 2014]: Bestandsaufnahme. Zu Beginn eines Projektes werden gemeinsam mit den Kundenmitarbeitern die Ist-Situation analysiert und erste Aussagen zu Trends erarbeitet. Hier kommen dem Berater die Aufgabe der eindeutigen Projektformulierung sowie die Klärung der Strategieebene zu. Die Ergebnisse der Bestandsaufnahme sollten grundsätzlich mit dem Kunden abgestimmt werden, so dass von der gleichen Faktenbasis ausgegangen wird. Sehr häufig werden Teile der Bestandsaufnahme bereits in der Akquisitionsphase vorgenommen. Problemerkennung und -strukturierung. Aufbauend auf der Faktenbasis müssen die Probleme eingegrenzt und priorisiert werden. Die Identifikation und Darstellung von Ursache-Wirkungs-Verhältnissen, Korrelationen und Hebelwirkungen kann dabei eine wichtige Rolle spielen. Beratung impliziert auch die grundsätzliche Klärung und Überprüfung der Unternehmensziele und häufig auch ihre Neuformulierung im Dialog mit der Unternehmensführung. Strategieberatung kann daher auch Anlass zur Revision von Unternehmenszielen sein. Auswahl relevanter Informationen. Aus Sicht des Beraters muss rasch Klarheit über die vorhandene bzw. notwendige Informationsbasis gewonnen werden. Der Berater stellt Schlüsselinformationen zusammen, überprüft diese auf ihre Relevanz und fasst sie in einer Situationsbeschreibung zusammen. Eventuelle Fehlinterpretationen müssen frühzeitig eliminiert werden. Auf diese Weise kann im Einvernehmen mit dem Kundenunternehmen eine gemeinsame Wissensbasis für die Hypothesenbildung und die strategische Analyse eingerichtet werden. Hypothesenentwicklung. Auf der Grundlage der Erfahrungen auf Kunden- und Beraterseite werden erste Hypothesen formuliert. Die Hypothesenentwicklung ist eine bewährte Technik, um systematisch die Vorgehensweise im Projekt zu fokussieren und die gesteckten Projektziele zu erreichen. Analyse und Bewertung. Um die erarbeiteten Hypothesen zu testen und sich ein deutlicheres Bild von den erfolgversprechenden Strategien zu machen, werden gezielte Untersuchungen von Marktforschungsdaten (z. B. Umsatzzahlen, Marktanteile), Interviews oder Tests genutzt und ausgewertet. In diesem Aufgabenbereich ist vor allem die methodische Kompetenz des Beraters
1.5 Inhalte ausgewählter Beratungsbereiche
95
gefragt. Die externe Analyse bezieht sich auf die Position des Kundenunternehmens im wirtschaftlichen Umfeld, die Stellung und das Verhalten der Wettbewerber, die Machtverhältnisse von Kunden und Lieferanten, die Möglichkeit des Auftretens neuer Marktteilnehmer oder von Substitutionsprodukten. Die interne Analyse zielt auf die Kosten- und Ertragsposition des Unternehmens ab und bezieht vorhandene Kernkompetenzen mit ein. Wesentlich ist auch die Analyse der Wertschöpfungskette in Bezug auf Markterfordernisse und Zielgruppen sowie die Bewertung einzelner Geschäftsbereiche bezüglich Umsatz- und Marktanteilsentwicklung. Auch zu erwartende konjunkturelle Verläufe sowie strukturelle Trends bzw. Brüche sind zu erfassen (z.B. technologische Entwicklungen, demografische Veränderungen) und ggf. zu Szenarien zu verdichten. Szenarioentwicklung. Bestimmte Parameter (z. B. Umsatz, Kosten) werden bei verschiedenen Annahmen simuliert, um über geeignete Szenarien zu einer Abschätzung von Chancen und Risiken zu gelangen und zu prüfen, ob die Ziele des Top-Managements durch die entwickelte Strategie erreichbar sind. Potenzielle Risiken (z.B. das Nichteintreten von Annahmen, Gegenreaktionen von Wettbewerbern) werden in ihren möglichen Auswirkungen als Varianten berücksichtigt. Falls mehrere Zukunftsszenarien in Betracht gezogen werden, sind deren Parameter zu einer weiteren Auffächerung der zu erwartenden Ergebnisse einzusetzen. Schließlich ist die reale Umsetzbarkeit jeder Variante zu prüfen. Liegen mehrere plausible Zukunftsszenarien vor, so ist es erforderlich, alle Handlungsalternativen vor dem Hintergrund dieser Szenarien durchzuspielen und so auf ihre Robustheit und ihr Wertsteigerungspotenzial zu überprüfen. Entscheidungsvorbereitung. Die gesammelten Erkenntnisse müssen konsolidiert und für das Management aufbereitet werden. Zwar trägt das Management des Kundenunternehmens die verantwortliche Entscheidung zugunsten einer strategischen Option, aber der Berater muss in der Lage sein, Empfehlungen abzugeben und diese nachvollziehbar quantitativ und qualitativ zu begründen. Hierzu gehört in erster Linie die finanzielle Bewertung jeder Alternative, im Fall einer Geschäftsstrategie etwa in Form eines Geschäftsplans (Business Plan). Umsetzungsplanung. In diesem Aufgabenbereich werden alle Schritte für eine erfolgreiche Umsetzung der verabschiedeten strategischen Option genau festgelegt. Wer macht was bis wann? Um das Umsetzungsteam optimal für die anstehenden Aufgaben vorzubereiten, kann der externe Berater eine Vielzahl von detaillierten Umsetzungsplänen bereitstellen.
1.5.2 Organisations- und Prozessberatung Die Organisations- und Prozessberatung ist mit einem Anteil von 43,7 Prozent das größte Beratungsfeld in Deutschland (siehe Abbildung 1-31). Es befasst sich mit Fragen der Aufbau- oder Ablauforganisation sowie Prozessen. Die Organisations- und Prozessberater setzen auf eine bestehende oder neu erarbeitete Strategie eines Unternehmens auf. Zielsetzung dabei ist, die Leistungs- und Anpassungsfähigkeit der Kundenunternehmen durch die Gestaltung oder Neugestaltung der Strukturen und Prozesse zu verbessern, ohne die Unternehmensleitlinien und -vision in Frage zu stellen. Generell steht im Vordergrund, die Strukturen und Prozesse effektiver
96
1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
(„Doing the right things“) und/oder effizienter („Doing things right“) zu gestalten [vgl. Hartel 2008, S. 5].
1.5.2.1 Abgrenzung zu anderen Beratungsfeldern
Im Gegensatz zur Strategieberatung, die die Überprüfung und vor allem Gestaltung von Geschäftsmodellen und Geschäftsfeldern zum Gegenstand hat, bewegt sich die Organisations- und Prozessberatung innerhalb gegebener Potenziale und damit auf der Umsetzungsebene. Insofern setzt die Organisationsberatung auf den Konzepten der Strategieberatung auf. Daher erfolgt der Kontakt zwischen Unternehmensberater und Kundenunternehmen nicht auf Ebene des TopManagements, sondern in der Regel auf der mittleren bis unteren Führungsebene. Im Unterschied zur IT- und Technologieberatung, die sich mit der Überprüfung und Gestaltung von Architekturen, Systemen und Anwendungen befasst, steht bei der Organisations- und Prozessberatung nicht das IT-System, sondern die Geschäftsanforderungen an das IT-System im Vordergrund. Die IT ist also der „Enabler“ für effiziente Strukturen und Prozesse und sollte somit auf dem Organisations- und Prozesskonzept aufsetzen. Damit ergibt sich in gewisser Weise die logische (Aufsatz-) Kette: Strategieberatung → Organisations- und Prozessberatung → IT- und Technologieberatung [vgl. Hiob 2012, S. 25]. Konkret bedeutet diese begriffliche Abgrenzung bzw. Zuordnung, dass die Einführungs-, Modifikations- und Umfeldberatung von ERP-Systemen (z. B. SAP oder Oracle) zur Organisations- und Prozessberatung zählt, während die auftragsbezogene Programmierung von Modifikationen in der SAP- oder Oracle-Software der IT- und Technologieberatung zugerechnet werden muss.
1.5.2.2 Beziehungen zwischen Organisations- bzw. Prozessberater und Kunden
Erfolgsentscheidend für die Organisations- und Prozessberatung ist das Gleichgewicht zwischen Konzeption und Umsetzung. Der Berater muss stets eine Brücke schlagen von der theoretisch-konzeptionellen Ideallinie hin zur Machbarkeit. Doch nicht nur die „fachliche Passung“ ist wesentlich für den Erfolg von Projekten. Ebenso wichtig sind die „menschliche Passung“ und die gegenseitige Wertschätzung von Berater und Kunde. Edgar H. Schein hat diese besondere Beziehung des Organisations- und Umsetzungsberaters zu den Mitarbeitern des Kundenunternehmens als Grundpfeiler einer erfolgreichen Prozessberatung ausgemacht und dabei drei wesentliche „Operationsmodi“ identifiziert [vgl. Schein 2003, S.23 ff.]: Der Expertenmodus, d. h. dem Kunden wird gesagt, was er zu tun hat; der Kunde kauft Informationen ein, die er selbst nicht erheben kann. Der Arzt-Patient-Modus, d. h. der Berater soll die Organisation des Kundenunternehmens „checken“ und Bereiche herausfinden, die zu optimieren sind; die Analyse der Ursache und die anschließende „Behandlung“ des Problems stehen im Vordergrund.
1.5 Inhalte ausgewählter Beratungsbereiche
97
Der Prozessberatungsmodus, d. h. der Kunde wird in den Prozess einbezogen. Allerdings weiß er bei Projektbeginn nur, dass etwas, unter zu Hilfenahme eines Beraters, zu verbessern ist. Welche Art von Hilfe nötig ist, wird gemeinsam erarbeitet.
1.5.2.3 Ansätze in der Organisations- und Prozessberatung
Idealtypisch können vier Grundformen der Unternehmensberatung unterschieden werden, auf die Organisations- und Prozessberater gegenüber dem Kunden zurückgreifen können, um die Vorgehensweise in Projekten zu bestimmen [vgl. Deelmann 2012, S. 13 ff.]: Gutachterliche Beratung. Diese Form der Beratung ist relativ interaktivitätsarm und dient vornehmlich dem Wissenstransfer und der Erkenntnisvermittlung. Vor dem Hintergrund einer fixierten Zielsetzung und verschiedener Handlungsalternativen nimmt der Berater die Rolle eines neutralen Sachverständigen ein. Auf diese Weise können wissenschaftliche Erkenntnisse in das Kundenunternehmen transferiert werden. Die durch das Beratungsprojekt betroffenen Personen sind an der Erstellung der Empfehlungen nicht oder nur wenig beteiligt. Auch wird der Berater an der Umsetzung seiner Empfehlungen zumeist nicht beteiligt. Das Management des Kundenunternehmens sieht die beratene Organisation als Mittel zur Realisierung der von ihm formulierten Ziele. Expertenberatung. Im Gegensatz zur gutachterlichen Beratungstätigkeit wird hier von Führungskräften und Beratern gemeinsam ein Problemlösungsprozess initiiert. Ein Organisationsvorschlag wird durch beide Gruppen erstellt und gemeinsam festgelegt. Die betrachtete Kundenorganisation wird dabei als offenes, zielgerichtetes und soziales System betrachtet, bei dem Menschen, Maschinen und Technologien zusammenwirken. Entscheidungen sind bei dieser Beratungsform das Ergebnis eines arbeitsteiligen Prozesses der Problemformulierung, Informationsbeschaffung, Suche und Bewertung von Alternativen, Realisierung und Kontrolle. Wie bei der gutachterlichen Beratungstätigkeit sind hier die eigentlich Betroffenen – in der Regel sind dies die Mitarbeiter des Kundenunternehmens – nicht oder nur zu einem geringen Umfang beteiligt. Organisationsentwicklung. Dieser Beratungsansatz ist eher passiv und unterscheidet sich von den beiden vorgenannten Ansätzen dadurch, dass es die Mitarbeiter des Kunden selbst sind, die das vorliegende Problem angehen, Entscheidungen treffen und eine Veränderung der Organisation vorantreiben. Im Zentrum dieser Beratungsform steht die Vorstellung des lernfähigen Menschen. Der Berater zieht sich teilweise zurück und fungiert als Experte für die Initiierung des Lernens der Organisation bzw. der einzelnen Beteiligten. Er dient ihnen als Coach bei den Lernprozessen. Seine Rolle versucht der Berater umzusetzen, indem er organisatorische Verhaltensmuster z. B. durch Reflexion oder Spiegelung abbildet. Systemische Beratung. Der Berater agiert als sogenannter „Beobachter zweiter Ordnung“, der versucht, den Sinn und die zentralen Werte und Normen des Kundensystems zu verstehen. Die systemische Beratung hat ihre Wurzeln vor allem in der neueren Systemtheorie. Während der Berater beim Ansatz der Organisationsentwicklung selber reflektiert, unterstützt der systemische Berater den Kunden bei seiner Selbstreflexion. Der systemische Berater hilft dem Kunden
98
1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
bei der Erarbeitung einer neuen Problemsicht und macht ihn auf sogenannte latente Strukturen aufmerksam. Während in der (wissenschaftlichen) Literatur die Ansätze der Organisationsentwicklung und systemischen Beratung dominieren, folgen in der Praxis die meisten Berater ganz offensichtlich dem Ansatz der gutachterlichen Beratung und noch stärker der Expertenberatung. 1.5.3 IT- und Technologieberatung Die IT- und Technologieberatung weist sicherlich die größte Bandbreite und Vielfalt der hier explizit aufgeführten Beratungsfelder auf. Sie reicht von der Erstellung unternehmenskritischer Individualsoftware über die Implementierung von Standardsoftware oder Web-basierten Anwendungen bis hin zur Systemintegration und zu Fragen der Optimierung von IT-Architektur und -Infrastruktur. Verbindendes Element aller Dienstleistungskomponenten der IT- und Technologieberatung (engl. Technology Services) ist die Informationstechnologie.
1.5.3.1 Besonderheiten der IT- und Technologieberatung
Informationstechnologie ist eine Querschnittsfunktion mit vielen Berührungspunkten zu allen Unternehmensbereichen und -funktionen. Die IT- und Technologieberatung erfordert vom Berater ein hohes technisches Verständnis und eine Affinität zu IT-Themen. Ein besonderes Merkmal ist das hohe Veränderungstempo in der IT. Immer wieder werden neue Grenzen mit der Informations- und Kommunikationstechnik durchbrochen. Trends wie Cloud Computing oder das schnelle Vordringen der Smartphones und Tablets erfordern immer wieder das Überdenken und Anpassen der IT-Strategien der Unternehmen. Gefragt ist hier die Bewertung von Chancen und Risiken neuer Techniken gepaart mit dem Wissen um die Möglichkeiten und Grenzen verschiedener IT-Technologien und Produkte. Eine besondere Herausforderung ist es dabei, die innovative Technik mit gewachsenen IT-Systemen zu verbinden. Die Freischaltung neuer Systeme ist immer mit besonderen Risiken verbunden. Hier ist die Fachkompetenz des externen Beraters ganz besonders gefragt. Trotz der hohen Veränderungsgeschwindigkeit und ihrer Auswirkungen ist die Informationsund Kommunikationstechnik niemals Selbstzweck, sie dient vielmehr als Werkzeug für die Verbesserung von Arbeitsabläufen, für die Schaffung neuer Produkte und Dienstleistungen und zur Erreichung der Unternehmensziele schlechthin. Technologieberatung bedeutet nicht nur, die richtigen Plattformen zur Verfügung zu stellen, sondern die optimale Verbindung der Kommunikationskanäle sicher zu stellen. Sie verbindet umfangreiche Technologie-Expertise und strategische Fähigkeiten, um Kunden bei der Entwicklung und Umsetzung einer integrierten, zukunftsfähigen IT-Strategie bestmöglich zu unterstützen. Das Leistungsspektrum reicht dabei von der Idee und Planung über die Auswahl und Optimierung von IT-Infrastruktur und ITAnwendungen bis zum laufenden Management der IT-Lösungen [vgl. Wamsteker 2012, S. 24].
1.5 Inhalte ausgewählter Beratungsbereiche
99
1.5.3.2 IT-Spezialberatungen
Allerdings sind nur die größeren Beratungsgesellschaften in der Lage, große Teile dieses Leistungsspektrums abzudecken. Kleinere Unternehmensberatungen haben sich auf klar umrissene Aufgabenstellungen im IT-Umfeld spezialisiert. Zu den Themenfeldern solcher IT-Spezialberater zählen u. a.:
IT-Strategie- und Umsetzungsberatung (engl. IT Strategy & Transformation), d. h. der IT-Berater vereint IT- und Unternehmensstrategien und hilft, IT-Strategie und -Investitionen an Kriterien und Anforderungen auszurichten, die für das Management relevant sind; IT-Infrastrukturberatung (engl. IT Infrastructure Consulting), d. h. der Infrastrukturberater unterstützt Unternehmen dabei, komplexe IT-Infrastruktur durch kosteneffiziente und flexible Lösungen zu ersetzen; IT-Netzwerkberatung (engl. Network Transformation), d. h. der IT-Berater unterstützt eine grundlegende Neuformierung der Netz-Infrastruktur, um kosteneffizientere, flexibler skalierbare, sicherere und verlässlichere Netzwerke zu ermöglichen; IT-Performanceberatung, d. h. der IT- und Technologieberater hilft Unternehmen bei der Bewertung, Diagnose und Optimierung der Leistungsfähigkeit ihrer Anwendungen, der Anwendungsentwicklung und Testverfahren; IT-Architekturberatung, d. h. der Berater definiert die IT-Vision, Prinzipien, Standards und Planung, die Unternehmen dabei helfen, ihre Schlüsseltechnologien auszuwählen, einzuführen und zu aktualisieren; IT-Sicherheitsberatung (engl. IT-Security), d. h. externe Berater unterstützen Unternehmen, ihre Daten zu sichern, Identitäten zu schützen und vertrauliche Beziehungen mit Kunden, Auftraggebern und Partnern zu pflegen.
1.5.3.3 Technology Services
Größere Unternehmensberatungen, die nahezu die gesamte Bandbreite der IT- und Technologieberatung abdecken, teilen die Technology Services in folgende vier Bereiche auf: Softwareentwicklung und Systemintegration (engl. Customer Solution Management), d.h. die Entwicklung von individuellen Softwarelösungen, das Software-Qualitätsmanagement sowie die Integration der Lösungen in die bestehende Systemlandschaft; Daten- und Informationsmanagement (engl. Business Information Management), d. h. die richtige Interpretation von Daten, damit die Kundenorganisation einen wirklich geschäftlichen Nutzen aus den vielfältigen Datenbeständen zieht. Beispiele dafür sind das Data Warehousing oder die elektronische Akte und deren Archivierung;
100
1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
Technologie- und Architekturmanagement (engl. Business Technology), d. h. mit intelligenten Architekturen, Netzwerken und Infrastrukturen die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der Kundenunternehmen steigern; Anwendungsmanagement (engl. Application Management), d. h. die Implementierung von Standard-Anwendungssoftware (z. B. SAP, Oracle, Microsoft) inklusive integrierbarer ergänzender Lösungen, um Geschäftsergebnisse nachhaltig und messbar zu verbessern. Abbildung 1-37 liefert eine beispielhafte Darstellung der wichtigsten Technology Services eines Full-Service-Anbieters für IT- und Technologieberatung.
Technology Services
Entwicklung und Integration (Custom Solution Development)
Anwendungen (Application Management)
• Entwicklung von individuellen Kundenlösungen
• Costumer Relationship Management (SAP, Oracle Siebel)
• Softwarequalitätsmanagement
• Human Resources Management (SAP, Oracle Peoplesoft)
• Software Testing • Systemintegration • Software-as-a-Service (SaaS)
• Financial (SAP, Oracle) • Supplier Relationship Management (SAP, Oracle) • Lifecycle Management für SAP-, Oracle- und Open SourceAnwendungen • Service Oriented Package Based Solutions (= Kombination von individuellen und Standardsoftwarekomponenten)
Abb. 1-37:
Daten und Informationen
Technologie und Architektur
(Business Information Management)
(Business Technology)
• Data Warehousing
• Hard- und Softwarearchitektur
• Dokumentenmanagement
• Netzwerktechnologie • Infrastruktur
• Datenqualitätsmanagement
• Industrialisierung (= potentialgerechte Differenzierung der Prozesse nach Individualisierung und Standardisierung)
• Datenmanagement
• Elektronische Akten und Archivierung • OnlineKundenkommunikation • SAP Business Intelligence • Social Media Analyse • Analytics (= frühzeitige Bereitstellung relevanter Informationen für das Management) • Digital Experience Services
• Cloud Services (= dynamische Bereitstellung von IT-Kapazitäten) • Workplace Enablement (= Optimierung von technologie-gestützten Arbeitsplätzen) • Service Oriented Architecture (SOA)
Technology Services eines Full-Service-Anbieters (Beispiel)
1.5.4 IT-Outsourcing Der Anteil des Beratungsfeldes IT-Outsourcing, das nach den BDU-Statistiken nicht zu den Kern-Beratungsfeldern zählt, beträgt sechs Prozent vom gesamten Beratungsmarkt in Deutschland – mit steigender Tendenz (Wachstum 2014/2013: 10 Prozent). Eine Abgrenzung zu den klassischen Beratungsfeldern wird in Abschnitt 1.6.4 vorgenommen. Aufgrund der verschiedenen Anforderungen von Outsourcing-Kunden an ein Outsourcing-Projekt haben sich auch sehr unterschiedliche organisatorische Formen des IT-Outsourcings herausgebildet:
1.5 Inhalte ausgewählter Beratungsbereiche
101
Komplettes Outsourcing, d. h. die gesamte Unternehmens-IT inklusive der IT-Architektur wird an einen Dienstleister ausgelagert. Die Auslagerung umfasst dabei auch die Asset- und Hardwareübernahme bzw. -bereitstellung. Der Outsourcing-Dienstleister übernimmt die Gesamtverantwortung für alle IT-Leistungen, einschließlich Personalmanagement, Einkauf, Finanzierung, Wartung und Entsorgung [vgl. Bohlen 2004, S. 56]. Selektives Outsourcing, d. h. nicht alle Bereiche der IT eines Unternehmens, sondern nur ein oder mehrere Teilbereiche werden ausgelagert und auf einen Outsourcing-Dienstleister übertragen. Wichtige Bereiche hierbei sind das Application Management (Hosting, Betrieb, Konfiguration und Optimierung inklusive Wartung der unternehmenskritischen Anwendungssoftware) oder das Infrastructure Management (IT-Architektur, Netzwerkwartung, Systemtechnik, Hardwaretechnik und Infrastrukturbetreuung). Business Process Outsourcing, d. h. ein kompletter Geschäftsprozess (z. B. Buchhaltung) wird an einen externen Dienstleister übertragen, der die gesamte Verantwortung für diesen Prozess übernimmt. Eine sehr wichtige Funktion bei der Durchführung von Outsourcing-Projekten kommt dem Service Level Agreement (SLA) zu, das die verhandelten Service Levels für ein OutsourcingPaket in einer schriftlichen, standardisierten Vereinbarung zwischen dem IT-Dienstleister und seinem Kunden dokumentiert. In Service Level Agreements werden die angeforderten und zu liefernden Serviceleistungen besonders in Bezug auf Qualität, Quantität und Kosten spezifiziert. Darin werden beispielsweise die maximale Reaktionszeit auf Störmeldungen, die Verfügbarkeit von technischem Personal oder der Minimaldurchsatz von Rechnern und Leitungen geregelt.
102
1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
1.6 Angrenzende Bereiche der Unternehmensberatung 1.6.1 Consulting und Software Die in Abschnitt 1.1.2 vorgenommene Abgrenzung zwischen Sachgütern und Dienstleistungen ist auch maßgebend für die Abgrenzung von Softwarehäusern und IT-Beratungsunternehmen. Während Softwarehäuser ihre Produkte auftragsunabhängig und damit für den anonymen Markt produzieren, befassen sich IT-Beratungsunternehmen schwerpunktmäßig mit der Erstellung von auftragsbezogener Individualsoftware oder der Modifikation und Einführung von Standardsoftware. Das Abgrenzungskriterium ist also, ob der Kunde (als externer Faktor) in den Softwareerstellungs-, -modifikations- oder -einführungsprozess eingebunden ist oder nicht. Die Abgrenzung von Sach- und Dienstleistungen darf aber nicht dazu führen, beide Komponenten als völlig verschiedene oder unvereinbare Dinge anzusehen. Im Gegenteil, die Problemlösungskraft von Standard(anwendungs)software besteht ja gerade in einer engen Verzahnung von Sach- und Dienstleistung [vgl. Wolle 2005, S. 125]. Ähnlich einer Zwiebel besteht das Softwarepaket zumeist aus mehreren Schalen: Neben dem reinen Programm-Code und dem Help-System zählen hierzu die Anwenderdokumentation, eine Demo-Version, eine Testinstallation, die Software-Wartung (inkl. Hotline-Service) sowie die Benutzerschulung (siehe hierzu das „Schalenmodell“ in Abbildung 1-38).
Modifikationsservice Integrationsberatung Organisationsberatung Einführungsberatung Schulung Hotline/Wartung Testinstallation Demo-Version Dokumentation Softwareprogramm inkl. Help-System
Programmcode
Domäne der Softwarehäuser
Domäne der IT-Beratungsunternehmen
[Quelle: in Anlehnung an Lippold 1998, S. 35]
Abb. 1-38:
Standardsoftware als Kombination aus Sach- und Dienstleistung
Neben diesen mehr oder weniger obligatorischen Angebotskomponenten kommen bei Softwarepaketen, deren Einsatz besonders einschneidende organisatorische Veränderungen nach sich ziehen (wie z. B. bei ERP-Systemen), noch weitere „Schalen“ wie Einführungs-, Organisations- und Integrationsberatung sowie die Übernahme von evtl. erforderlichen Modifikationen hinzu. Und genau an dieser Stelle setzt häufig die Arbeitsteilung zwischen Softwarehäusern
1.6 Angrenzende Bereiche der Unternehmensberatung
103
und IT-Beratungsunternehmen an. Während sich Softwarehäuser auf die Entwicklung und Wartung ihrer Softwareprodukte konzentrieren, übernehmen IT-Beratungsunternehmen die organisatorische Einführung, Anpassung und Schulung der Produkte. Diese Arbeitsteilung ist insbesondere bei den ERP-Systemen von SAP und ORACLE zu beobachten. Aber auch in anderen Anwendungsgebieten wie z. B. im Product Lifecycle Management (PLM) werden Entwicklung und organisatorische Einführung häufig unter getrennter Verantwortung durchgeführt (siehe hierzu das Beispiel in Insert 1-15).
Insert 1-15:
Arbeitsteilung im Softwareumfeld (Beispiel aus dem PLM-Bereich)
Zur weiteren Verdeutlichung des Zusammenspiels von Sach- und Dienstleistungen im Softwareumfeld soll der in Abbildung 1-39 gezeigte Marketing-Verbund-Kasten herangezogen werden. Auf der linken Seite des Kastens werden die angebotenen Sachleistungen von oben nach unten abgetragen, auf der anderen Seite die angebotenen Dienstleistungen von unten nach oben gemessen. Auf diese Weise lässt sich in der Senkrechten darstellen, in welchem Umfang
104
1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
sich ein bestimmter Auftrag aus Sach- und Dienstleistungen zusammensetzt, um für einen (potenziellen) Kunden eine vollständige Problemlösung zu bedeuten. Dabei darf die Begrenzungslinie nicht als Diagonale durch den Marketing-Verbund-Kasten dargestellt werden, denn es ist kaum möglich, die investive Sachleistung Software ohne jegliche Dienstleistung (z. B. Hotlineoder Modifikationsservice) abzusetzen. Daher beginnt die Begrenzungslinie etwas oberhalb der linken unteren Ecke des Kastens. Andererseits zeigt das Beispiel der auftragsbezogen erstellten Software, bei dem der externe Faktor Kunde vollständig eingebunden ist, dass eine Absatzleistung zu 100 Prozent nur aus Dienstleistungen bestehen kann. Daher endet die Begrenzungslinie direkt im oberen rechten Eckpunkt. Außerdem sollen die in Abbildung 1-39 gezeigten Beispiele den engen Verbund zwischen Sach- und Dienstleistungen veranschaulichen [vgl. Lippold 1998, S. 38 f. unter Bezugnahme auf Hilke 1989, S. 7 f.].
Sachleistungen
Dienstleistungen
Tabellenkalkulation
Finanzbuchhaltungspaket
Branchenpaket
ERPSystem
Individualsoftware
[Quelle: Lippold 1998, S. 38]
Abb. 1-39:
Der Marketing-Verbund-Kasten für Software
Aufgrund dieser engen Verzahnung zwischen Sach- und Dienstleistung, die ja nicht nur für Software, sondern für jegliche beratungsbedürftigen Sachleistungen (Produkte) zutrifft, kommt Michael Kleinaltenkamp zu der Einschätzung, „dass es bis heute keine eindeutige Trennung zwischen Sach- und Dienstleistung und damit auch keine eindeutige Abgrenzung des Dienstleistungsbegriffs gibt … (und) … vermutlich gar nicht geben kann“ [Kleinaltenkamp 2001, S. 40]. 1.6.2 Consulting und Wirtschaftsprüfung Im Gegensatz zum Unternehmensberater ist der Beruf des Wirtschaftsprüfers (WP) nicht nur geschützt, sondern sogar ein öffentliches Amt. Um sich Wirtschaftsprüfer nennen zu dürfen, muss ein angehender Prüfer hohe Hürden überspringen. Das Wirtschaftsprüferexamen gilt als eines der schwersten Examina überhaupt und es gibt einige Voraussetzungen, die gegeben sein müssen, um überhaupt zu dem Examen zugelassen zu werden. Studierende mit Hochschulabschluss müssen mindestens vier Jahre Berufserfahrung vorweisen, während Absolventen mit über
1.6 Angrenzende Bereiche der Unternehmensberatung
105
acht Semestern Regelstudienzeit noch mindestens drei Jahre im Beruf gewesen sein müssen. Ohne Hochschulabschluss muss man mindestens zehn Jahre Prüfungstätigkeiten nachweisen können, um überhaupt die Möglichkeit zu haben, an dem Examen teilzunehmen. 1.6.2.1 Aufgaben des Wirtschaftsprüfers
Heute gibt es rund 14.700 Wirtschaftsprüfer in Deutschland. Damit hat sie ihren bislang höchsten Wert erreicht. Rund die Hälfte aller deutschen Wirtschaftsprüfer ist zwischen 45 und 59 Jahre alt [Quelle: Statista 2021]. Die wesentliche Aufgabe der Wirtschaftsprüfer ist es, den Jahresabschluss (inklusive der Buchführung) auf die Einhaltung der relevanten Vorschriften (beispielsweise der nationalen und internationalen Rechnungslegungsstandards, Aktiengesetz, Vorschriften des Gesellschaftsvertrags beziehungsweise der Satzung) zu überprüfen und Bestätigungsvermerke über die Vornahme und das Ergebnis solcher Prüfungen zu erteilen. Im Rahmen des Jahresabschlusses, zu dessen Prüfung alle mittelgroßen und großen Unternehmen verpflichtet sind, ist der Lagebericht dahingehend zu untersuchen, ob er mit dem Abschluss des Unternehmens im Einklang steht, insgesamt ein zutreffendes Bild der Lage des Unternehmens vermittelt und die Chancen und Risiken der künftigen Entwicklung zutreffend darstellt. Diese Prüfungen sind ausschließlich dem Wirtschaftsprüfer vorbehalten („Vorbehaltsaufgaben“). Die Aufgabe eines Wirtschaftsprüfers ist aber nicht auf die Prüfung von Jahresabschlüssen und Bilanzen sowie auf die Analyse der wirtschaftlichen Situation eines Unternehmens beschränkt. Gemäß § 2 der Wirtschaftsprüferordnung (WPO) ist der Wirtschaftsprüfer zusätzlich befugt, in Steuerangelegenheiten zu beraten sowie Gutachter- und treuhänderische Aufgaben zu übernehmen. Auch lässt die Wirtschaftsprüferordnung ausdrücklich alle Tätigkeiten eines Wirtschaftsprüfers zu, die die Beratung in wirtschaftlichen Angelegenheiten zum Gegenstand haben (vgl. WPO, § 43, Abs. 4, Nr. 1). Dies hat in den letzten dreißig Jahren zu einer deutlichen Verschiebung der Tätigkeitschwerpunkte von Wirtschaftsprüfungsunternehmen in Richtung Unternehmensberatung geführt. Nicht zuletzt aufgrund dieses breiten Aufgabenspektrums gilt der Beruf des Wirtschaftsprüfers als herausragend und die Wirtschaftsprüfung als die Kerndisziplin der Betriebswirtschaftslehre. Doch gerade in der jüngsten Zeit hat sich die „heile Welt“ rund um den Wirtschaftsprüfer ein wenig verdunkelt. Denn obwohl das Geschäft mit Jahresabschlüssen, Firmenbewertungen, Gutachten und Steuergestaltungen immer noch wächst, hat sich der Kampf um die Mandate massiv verschärft. Dies kommt in einem enormen Preiskampf zum Ausdruck. Als Ursachen können verschiedene Aspekte angeführt werden:
Prüfungstätigkeiten sind Standarddienstleistungen (engl. Commodity) und damit weitestgehend austauschbar, d. h. die jeweiligen Prüfungsgesellschaften haben in diesem Geschäftsfeld kaum Möglichkeiten, sich vom Wettbewerb zu differenzieren.
Größere Unternehmen und Konzerne sind dazu übergegangen, die Prüfungsaufträge grundsätzlich auszuschreiben. Das erhöht den Wettbewerb und drückt den Preis.
Staatliche und halbstaatliche Auftraggeber sind per Gesetz gezwungen, grundsätzlich den preiswertesten Anbieter zu nehmen.
Bei Unternehmen führen immer häufiger die geschulten Einkaufsabteilungen – und nicht das Rechnungswesen – die Preisverhandlungen mit dem Prüfer.
106
1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
Schließlich bestehen im Prüfungssegment ganz offensichtlich Überkapazitäten auf Seiten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften.
Fazit: Wenn Wirtschaftsprüfer ein Unternehmen länger betreuen, werden sie häufig zu gesuchten Beratern, die bei vielen Fragen und Problemstellungen weiterhelfen können. Auf Grund der genauen Kenntnisse des Unternehmens wissen Wirtschaftsprüfer, welche betriebswirtschaftlichen, steuerlichen und rechtlichen Konsequenzen sich bei bestimmten Fragestellungen ergeben würden. Hier sind also deutliche Überschneidungen zum Aufgabenspektrum eines Unternehmensberaters zu sehen. Während das Schwergewicht des Wirtschaftsprüfers bei solchen Fragestellungen mehr die retrograde Prüfung und Analyse ist, liegt der Hauptbeitrag eines Unternehmensberaters mehr in der Gestaltung unternehmerischer Maßnahmen, die nach vorne gerichtet sind.
1.6.2.2 Von den Big Eight zu den Big Four
Ein weiterer wichtiger Aspekt sind die Konzentrationsbestrebungen der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften auf internationaler Ebene, die es einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft erlauben, ihre Mandanten auch über die Ländergrenzen hinaus zu betreuen. So entstand bereits in den 1980er Jahren der Begriff der Big Eight, der die damals größten acht international dominierenden Wirtschaftsprüfungsgesellschaften bezeichnete (siehe Abbildung 1-40). Die Big Eight waren aus Zusammenschlüssen einer Vielzahl von regionalen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften entstanden. In den 1990er Jahren wurden aus den Big Eight dann die Big Six, nachdem Ernst & Whinney mit Arthur & Young zu Ernst & Young und Deloitte, Haskins & Sells mit Touche Ross zu Deloitte & Touche fusionierten. Aus den Big Six wurden 1998 die Big Five, als sich Price Waterhouse mit Coopers & Lybrand zu PricewaterhouseCoopers zusammenschloss. Als Folge des Enron-Skandals im Jahr 2001 fusionierten die selbständigen Ländergesellschaften von Arthur Andersen mit unterschiedlichen Gesellschaften. In Deutschland schloss sich der größte Teil des Unternehmens mit Ernst & Young zusammen. Zugleich ging das Unternehmen, dessen Namen so etwas wie der Gattungsbegriff für Wirtschaftsprüfungsgesellschaften war, als eigenständige Gesellschaft bzw. Marke unter. Aus den Big Five wurden die Big Four.
1.6 Angrenzende Bereiche der Unternehmensberatung
107
„Big Eight“
„Big Six“
„Big Four“
1980er Jahre
1990er Jahre
ab 2001
Anzahl der von den Big Four geprüften DAX-30 Unternehmen
Ernst & Whinney Ernst & Young Arthur Young
Ernst & Young (EY)
6
Arthur Andersen
Arthur Andersen
Peat Marwick International
KPMG
KPMG
12
Deloitte & Touche
Deloitte
1
PwC
11
Deloitte, Haskins & Sells Touche Ross Price Waterhouse
Price Waterhouse
Coopers & Lybrand
Coopers & Lybrand
Abb. 1-40:
Zusammenschlüsse der großen internationalen WP-Gesellschaften
In Deutschland entfallen auf die „großen Vier“ etwa 80 Prozent des Prüfungsgeschäfts (engl. Assurance) mit den 160 wichtigsten Aktiengesellschaften. Im DAX, dem deutschen Star-Index der 30 größten und liquidesten Unternehmen, sind die Big Four schon seit Jahren unter sich. Insert 1-16 gibt einen Überblick über die Größenverhältnisse der 25 umsatzstärksten WP-Gesellschaften in Deutschland.
108
Insert 1-16:
1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaften in Deutschland
Durch die Vergrößerung des Dax auf 40 Unternehmen wird sich die Situation auch nicht großartig ändern. Wenn es Änderungen gibt, dann sind dies Verschiebungen der Mandate innerhalb des Oligopols, die hervorgerufen werden durch die EU-Rotationspflicht. Allerdings ist es der Hamburger Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BDO, die Nummer fünf unter den deutschen Wirtschaftsprüfern, gelungen, das DAX-Oligopol zu brechen (siehe hierzu die Ausführungen im Insert 1-17). 100 Prozent beträgt dieser Anteil sogar bei den 30 DAX-Unternehmen, wobei hier eher von einer Big Two-Situation gesprochen werden müsste, denn 23 DAX-Unternehmen werden allein von KPMG (12) und PWC (11) geprüft. Allerdings wird in diesem Tagesgeschäft kaum noch Wachstum erzielt. Im Gegenteil, Jahr für Jahr erzielen die Big Four weniger Honorare aus den reinen Jahresabschlussprüfungen bei den DAX-Unternehmen. Allein 10 Millionen Euro hat Siemens beim Prüferwechsel von KPMG zu EY) für die Erstellung des Jahresabschlusses gespart. Trotzdem hat der Kampf um diese „Blue Chips“ der deutschen Wirtschaft an Intensität
1.6 Angrenzende Bereiche der Unternehmensberatung
109
eher zu- als abgenommen. Keiner will diese "Leuchtturmmandate" verlieren, sie sind gut fürs Image, und sie bringen weitere Einnahmequellen – etwa bei der Beratung. Denn der Gewinn dieser Prüfungsmandate sichert nicht nur eine jahrelange Auslastung, sondern bietet überdies die Chance für zusätzliche, prüfungsnahe Beratungsaufgaben. Denn wer gut prüft, den verpflichten die Unternehmen auch gern als Berater.
Insert 1-17:
BDO bricht Dax-Oligopol der Big Four
Die Quelle der Marktmacht der Big Four ist und bleibt die Prüfung. Ihre DAX-Mandate sind also Türöffner für weitere attraktive Beratungsprojekte. So sind die Tagessätze für strategische
110
1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
Beratung zum Teil doppelt so hoch wie die für reine Prüfungsarbeiten. Ein Viertel ihrer Gesamthonorare zahlen die führenden Konzerne schon jetzt für Beratungsleistungen am Rande der eigentlichen Abschlussprüfung [vgl. Handelsblatt vom 19.01.2011]. Mit welch harten Bandagen im Prüfungssegment gekämpft wird, macht eine Studie deutlich, die am Lehrstuhl für internationale Rechnungslegung und Wirtschaftsprüfung der Universität Tübingen durchgeführt wurde. Danach sind „Fee Cutting“ und „Low Balling“ an der Tagesordnung. „Fee Cutting“ bedeutet, dass wechselwilligen Kunden besonders niedrige Eingangshonorare, die unter den Sätzen für Folgeprüfungen liegen, angeboten werden. „Low Balling“ liegt vor, wenn die Prüfer im harten Preiskampf bei den Honoraren unter ihren Kosten bleiben. Die Studie kommt schließlich zum Fazit, dass der Wettbewerb auf dem Markt für Erstprüfungen zu einer Verdrängung kleinerer Wirtschaftsprüfer führt, die kein Fee Cutting betreiben [vgl. Wild 2010, S. 513 ff.]. Angesichts dieser Marktsituation ist es also nicht verwunderlich, dass der Wirtschaftsprüfer immer stärker beratungsnahe Aktivitäten übernimmt. Diese Aktivitäten, zu denen die Beratung bei Unternehmenstransaktionen und Finanzierungen, die Einsatzberatung bei Systemen des Finanz- und Rechnungswesens, die Gestaltung von Management- und Kontrollsystemen, Restrukturierungen sowie die Aufklärung wirtschaftskrimineller Sachverhalte zählen, werden als prüfungsnahe Beratung (engl. Advisory) bezeichnet. Mittlerweile nimmt diese prüfungsnahe Beratung einen nicht unbeträchtlichen Anteil am Gesamtumsatz von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften ein (siehe Insert 1-18). Da mit dem organischen Consulting-Wachstum naturgemäß keine allzu großen Umsatzsprünge zu bewerkstelligen ist, widmen sich die WP-Gesellschaften in den letzten Jahren verstärkt den Zukäufen von Consulting-Firmen im Umfeld von Advisory und Consulting Services. Besonders PwC ist mit der weltweiten Übernahme der Managementberatung Booz & Company und deren Markenwechsel zu Strategy& (gesprochen: Strategy and) in den Blickpunkt gerückt. Doch nicht nur im Bereich der Strategieberatung, sondern auch in der IT-Beratung wurde PwC fündig: Mit der Duisburger Cundus AG geht PwC künftig bei Business Intelligence und Data Analytics in die beraterische Offensive. Derweil verstärkte sich KPMG mit BrainNet, Dr. Geke & Associates sowie TellSell Consulting. EY wiederum erweiterte das Beratungsportfolio durch den Zukauf der Unternehmensberatung J&M Management Consulting AG, das sich auf das Supply Chain Management, insbesondere die Optimierung von Lieferketten und operativen Prozessen, spezialisiert hat. Außerdem hat sich EY durch die Digitalberatung Etventure und die Strategieberatung Parthenon verstärkt. Und auch das Unternehmen Deloitte, das sich im Gegensatz zu den anderen Big Four zu Beginn dieses Jahrtausends nicht von seiner Consulting-Sparte trennte, verstärkt die ohnehin starke Beratungsexpertise unter anderem durch den Erwerb der Monitor Group.
1.6 Angrenzende Bereiche der Unternehmensberatung
Insert 1-18:
111
Umsatzaufteilung der Big-Four-Gesellschaften in Deutschland
Aus systematischer Sicht lässt sich das fachliche Know-how der prüfungsnahen Beratungsleistungen zur Beantwortung transaktionsorientierter, regulatorischer und prozessorientierter Fragestellungen wie folgt bündeln [vgl. Klees 2012, S. 29 f.]: Transaktionsorientierte Beratung bei der
Durchführung von Unternehmenskäufen, -verkäufen und -fusionen (engl. Mergers & Acquisitions), Begleitung von Börsengängen (engl. Initial Public Offering – IPO), vertraglichen Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Hand und privatrechtlich organisierten Unternehmen (engl. Public Private Partnership – PPP),
112
1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
Prüfung, Analyse und Bewertung von Unternehmen insbesondere im Hinblick auf die wirtschaftlichen, rechtlichen, steuerlichen und finanziellen Verhältnisse (engl. Due Dilligence), Erarbeitung und Umsetzung von Restrukturierungsmaßnahmen, Sanierungskonzepten und strategischer Neuformierung (engl. Restructuring).
Regulatorische Beratung bei der
Umstellung von HGB auf internationale Rechnungslegungsstandards IFRS und US-GAAP (engl. Conversion), Implementierung von Rating- oder Risikomanagement-Systemen (Basel II, Solvency II), Erfüllung von Compliance-Anforderungen in den Bereichen Rechnungslegung, interne Kontrollsysteme und Informationstechnologie (engl. Corporate Governance).
Prozessorientierte Beratung bei der
Konzeption und Realisierung von Planungs-, Informations-, Steuerungs- und Controllingsystemen, Prävention und Aufklärung von Wirtschaftskriminalität (Forensic), Begleitung des Finanzierungs-, Treasury & Working Capital Managements.
Bei ihrer Beratungstätigkeit profitieren die Wirtschaftsprüfer nicht nur von ihrer hervorragenden fachlichen Ausbildung, sondern auch – und dies gilt naturgemäß in besonderem Maße für die Big Four-Gesellschaften – von der zunehmend international geprägten Organisationsstruktur. Diese stellt eine kontinuierliche Präsenz in vielen Ländern sicher, so dass die Berater mit den jeweiligen regionalen Besonderheiten vertraut sind. Eine weitere Besonderheit ist die zumeist langjährige Beziehung zu seinen Kunden (Mandanten), die dem Wirtschaftsprüfer ein besonderes Verständnis für das jeweilige Geschäftsmodell verschafft. Während die „klassischen“ Strategieberatungen vorwiegend Konzerne und große Unternehmen im Angebotsfokus haben, ermöglicht der von den Wirtschaftsprüfern verfolgte, eher analytische bzw. „zahlengetriebene“ Beratungsansatz, der große Teile der heutzutage wesentlichen Problemfelder abdeckt, dass vor allem auch mittelständische Unternehmen von den Wirtschaftsprüfern aus einer Hand bedient werden [vgl. Klees 2012, S. 30]. Abschließend zur Abgrenzung zwischen Consulting und Wirtschaftsprüfung sollen die Hintergründe der bereits zuvor erwähnten Erweiterung des DAX auf 40 Unternehmen in Insert 1-19 thematisiert werden.
1.6 Angrenzende Bereiche der Unternehmensberatung
Insert 1-19:
DAX 40: So investieren Anleger in den deutschen Leitindex
113
114
1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
1.6.3 Consulting und Steuerberatung Ebenso wie die Wirtschaftsprüfung zählt auch die Steuerberatung zu den freien Berufen und ebenso wie der Beruf des Wirtschaftsprüfers ist auch der Beruf des Steuerberaters geschützt. Um den Titel „Steuerberater“ zu erlangen, muss nach deutschem Recht auch ein Examen abgelegt werden, das die allermeisten Wirtschaftsprüfer auf ihrem Weg zum WP-Examen ebenfalls ablegen. Die Aufgaben eines Steuerberaters, die im Steuerberatungsgesetz (StBerG) geregelt sind, gehen weit über die reine Hilfestellung in Steuersachen hinaus. Insbesondere bei betriebswirtschaftlichen Beratungen gewinnt die Unterstützung durch den Steuerberater zunehmend an Bedeutung. Zu den Vorbehaltsaufgaben des Steuerberaters – also zu den Aufgaben, die ausschließlich dem Steuerberater vorbehalten sind – zählen die Steuerdeklarationsberatung, d. h. Hilfestellung bei der Erfüllung der dem privaten oder betrieblichen Steuerpflichtigen auferlegten Steuererklärungspflichten, Steuerrechtsdurchsetzungsberatung, d. h. sämtliche Aufgaben und Hilfestellungen bei Auseinandersetzungen mit der Finanzbehörde und der Finanzgerichtsbarkeit, und die Steuergestaltungsberatung, d. h. die optimale Gestaltung steuerrelevanter Sachverhalte im Sinne des Mandanten. Wie Abbildung 1-41 erkennen lässt, kann der Wirtschaftsprüfer den Steuerberater substituieren, da die Themenfelder, die der Steuerberater bearbeitet auch im Aufgabenbereich des Wirtschaftsprüfers liegen. Andersherum kann keine Substitution stattfinden, da der Wirtschaftsprüfer zusätzliche Qualifikationen benötigt. Die Unternehmensberatung jedoch kann sowohl vom Wirtschaftsprüfer, als auch vom Steuerberater und vom Unternehmensberater ausgeführt werden. Ein Unternehmensberater kann aber weder eine steuerrechtliche Beratung abgeben noch eine Jahresabschlussprüfung durchführen. Bei den großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften war die Steuerberatung (engl. Tax) nach der Abschlussprüfung traditionell das zweitgrößte Umsatzsegment. Wie aber Insert 1-18 zeigt, wird dem Steuerberatungsumsatz diese Position zunehmend vom Beratungsumsatz streitig gemacht.
1.6 Angrenzende Bereiche der Unternehmensberatung
115
Wirtschaftsprüfung Steuerberatung
• Vorbehaltsaufgabe der steuerlichen Beratung und Vertretung (Steuerdeklarations-, Steuerrechtsdurchsetzungs-, Steuergestaltungsberatung) • „Nicht-Vorbehalts“-Abschlussprüfungen • Sonstige „Nicht-Vorbehalts“-Prüfungen • Tätigkeit als Wirtschafts- und Unternehmensberater • Tätigkeit als Gutachter und Sachverständiger • (Begrenzte) Rechtsberatungsbefugnis • Sonstige Nebenbefugnisse
Abb. 1-41:
• „Vorbehalts“-Abschlussprüfungen • Sonstige „Vorbehalts“-Prüfungen • Sachverständigentätigkeit auf den Gebieten der wirtschaftlichen Betriebsführung unter Berufung auf den Berufseid
Aufgabenarten der Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung
1.6.4 Consulting und Outsourcing Richtigerweise müsste die Abgrenzung, um die es in diesem Abschnitt geht, “Consulting und IT-Outsourcing” heißen, denn die teilweise oder vollständige Auslagerung der betrieblichen Informationsverarbeitung an einen Dienstleister ist Gegenstand der hier diskutierten Abgrenzung zur „klassischen“ Beratung. Ohnehin ist das IT-Outsourcing Vorreiter beim Fremdbezug von bislang intern (aus Sicht der Kundenunternehmen) erbrachten Leistungen. Hierbei dominierte zunächst das infrastrukturorientierte Outsourcing (Hardware, IT-Netze). Aktuell gewinnen aber das anwendungsbezogene Outsourcing (engl. Application Management) und das prozessorientierte Outsourcing (engl. Business Process Outsourcing) zunehmend an Bedeutung im Rahmen des IT-Outsourcings. Bei allen Varianten des IT-Outsourcings ist allerdings auf einen Unterschied zu den klassischen Beratungsleistungen hinzuweisen: Während der Berater „im Normalfall“ dem Kunden keine Entscheidung abnimmt, sondern nur Hilfe zur Selbsthilfe leistet und damit mit seiner Dienstleistung die Entscheidung des Kunden lediglich vorbereitet, trägt der Berater beim Outsourcing die volle Verantwortung für Realisierung und Umsetzung. Beim Outsourcing als Beratungsleistung entfällt also die Freiheit und Pflicht des Kunden zur Entscheidung über die Realisierung der Beraterempfehlungen. Hier übernimmt der IT-Berater von vornherein die volle Verantwortung für alle an ihn ausgelagerten Aufgaben und Prozesse. Die Hauptgründe für das IT-Outsourcing der Kundenunternehmen sind zumeist Kostensenkung, Konzentration auf das Kerngeschäft sowie fehlendes oder mangelndes Know-how im ITBereich. Da viele, insbesondere größere IT-Beratungsunternehmen genau über diese Ressourcen als Kernkompetenz verfügen, ist die Dienstleistung als fester Bestandteil des Leistungsangebots und als „Run“ in das Plan – Build – Run-Modell aufgenommen worden (siehe Abschnitt 1.4.4.3).
116
1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
Eine grundsätzliche Einschätzung aus Sicht der Kundenunternehmen darüber, ob zentrale Unterstützungsleistungen und -prozesse in eigener Regie lokal, als Shared Service Center oder als Fremdbezug in Form eines Business Process Outsourcing organisiert werden sollten, liefert Abbildung 1-42. Danach wird der Entscheidungsprozess anhand der beiden Parameter „Reifegrad der Prozesse“ und „Kosteneinsparungspotenzial“ bestimmt. Je höher der Reifegrad (engl. Maturity), also die Stabilität der Prozesse ist und je höhere Kosteneinsparungen (engl. Cost Savings) angestrebt werden, umso mehr spricht für eine „Buy“-Entscheidung in Form eines Business Process Outsourcing.
Kosteneinsparungen
= Buy = Make
Business Process Outsourcing • Vergabe von bisher intern erbrachten Leistungen an Dritte • Hohe Anforderungen an den Reifegrad der Prozesse • Höhere Kosteneinsparungen möglich Shared Service Center • Einrichtung eines Shared Service Center in eigener Regie • Mindestanforderungen an den Reifegrad der Prozesse nötig • Größere Kosteneinsparungen möglich Interne Leistungserbringung • Zentrale oder lokale Leistungserbringung • Geringe Anforderungen an den Reifegrad der Prozesse • Kaum Kosteneinsparungen möglich
Reifegrad der Prozesse [Quelle: Capgemini Consulting]
Abb. 1-42:
Parameter für „Make-or-buy“-Entscheidungen bei Support-Funktionen
1.6.5 Consulting und Inhouse Consulting Inhouse Consulting ist noch ein relativ junges Phänomen, das sich in der deutschen Konzernlandschaft aber bereits weitgehend durchgesetzt hat. „Die größten Wettbewerber von Roland Berger, McKinsey und Boston Consulting sind die Klienten, die natürlich zuerst versuchen, Probleme selbst zu lösen, statt Berater damit zu beauftragen.“ [Gaitanides/Ackermann 2002, S. 302]. Inzwischen sind es deutlich über 100 Unternehmen, die über eine eigene Beratungsabteilung verfügen. Die Motive für die Gründung von Inhouse-Beratungen in Deutschland sind vielschichtig. Anlass sind sicherlich Kostenüberlegungen, denn ab einer bestimmten Unternehmensgröße ist der dauerhaft angestellte Berater kostengünstiger als das Engagement externer Unternehmensberater. Doch das Kostenargument bildet nur einen Teil der Motivation. Neben der Kostenersparnis ist es der Wissensvorsprung, den Inhouse Consultants gegenüber externen Beratern haben. Schließlich sind hauseigene Berater mit dem Unternehmen und seinen formel-
1.6 Angrenzende Bereiche der Unternehmensberatung
117
len und informellen Strukturen und Besonderheiten bestens vertraut. Kürzere Zeiten der Einarbeitung in die spezifischen Aufgabenstellungen sind die Folge. Oftmals ist auch die Akzeptanz von internen Beratern bei den Mitarbeitern des eigenen Hauses größer als von externen Beratern [vgl. Galal et al. 2010, S. 14]. Betont wird aber immer wieder, dass Inhouse Consultants nicht eingesetzt werden, um die externen Berater zu ersetzen. Im Gegenteil, den Vorteilen der besseren Unternehmenskenntnis bei den Internen steht der oft so wichtige Blick von außen bei den Externen gegenüber. Somit bewegen sich interne und externe Berater auf Augenhöhe. Somit sollte je nach Projekt immer wieder neue entschieden werden, ob die externe, die interne oder die Zusammenarbeit zwischen den Partnern der bessere Weg ist. In Abbildung 1-43 werden die Vor- und Nachteile interner bzw. externer Beratung aus Sicht der Kunden ausführlich dar- und gegenübergestellt. Dabei stehen die Beurteilungskriterien „Strategische Kommunikation“, „Netzwerk“, Nachwuchsförderung“ und „Problemdistanz bzw. Konfliktfähigkeit“ im Vordergrund dieses idealtypischen Vergleichs [vgl. Deelmann et al. 2007, S. 247]. Interne Beratung Vorteil (aus Kundensicht)
Externe Beratung
Nachteil (aus Kundensicht)
Vorteil (aus Kundensicht)
Nachteil (aus Kundensicht)
Strategische Kommunikation
Geringere Einsetzbarkeit
Eigene Betroffenheit kann strategische Kommunikation verhindern
Einsetzbarkeit für Kapitalmarktkommunikationen gut (good guy–bad guy-Spiele)
Zunehmend Beratereinschätzungen in Medien als Strategische Kommunikation entmystifiziert
Netzwerk
Interne Netzwerke (laterale und informale Netzwerke)
Beschränkte Kontaktbasis
Überbetriebliches Netzwerk, Kooperationen in der Wertschöpfungskette, Verbände
Akquise durch Alumni-Netzwerke mit höherer Beauftragungswahrscheinlichkeit
Nachwuchsförderung
Interne Nachwuchsförderung (Identifikation von zukünftigen Führungskräften)
Zumeist schlechteres Image als externe Beratungen
Identifikation von potenziellen Mitarbeitern (Recruiting)
I.d.R. keine Möglichkeit der Abwerbung
Problemdistanz-/ Konfliktfähigkeit
Realistischere Einschätzung von Erfolgswahrscheinlichkeiten und Grenzen der entwickelten Lösungen
Betriebsblindheit, Politisierungen und Eigeninteressen. Konflikte werden personalisiert und in der Hierarchie unwahrscheinlich
Höhere Neutralität durch geringere Eigenbetroffenheit (nur Auftragsprolongation) Konflikte können ausgetragen werden (wenn Anschlussauftrag nicht zentral)
Bei wiederholten Projekten ebenfalls Betriebsblindheit. Teilweise Probleme durch Distanz nicht gänzlich erkennbar. Problemdefinition durch Lösungsangebote
[Quelle: Deelmann et al. 2007, S. 247]
Abb. 1-43:
Idealtypischer funktionaler Vergleich zwischen interner und externer Beratung
Die Mehrheit der Inhouse-Beratungen besteht als GmbH oder als selbständige Stabstelle, die zumeist dem Vorstand oder der Geschäftsführung angegliedert ist [vgl. Galal et al. 2010, S. 14]. Durch die Etablierung einer internen Unternehmensberatung werden folgende Funktionen wahrgenommen [vgl. Leker et al. 2007, S. 148]:
118
1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
Problemlösungsfunktion, d. h. die Unterstützung bei Problemstellungen im Unternehmen durch Lösungsvorschläge Koordinationsfunktion, d. h. die Angleichung unterschiedlicher Zielsetzungen und der Herstellung einer Verbindung zwischen Hierarchiestufen und Funktionsbereichen im Unternehmen Kommunikationsfunktion, d. h. durch bereichsübergreifende Projekte wird der Informationsaustausch von Unternehmenseinheiten gefördert, die ansonsten nicht miteinander in Berührung stehen Wissensfunktion, d. h. die systematische und zentrale Dokumentation der innerbetrieblichen Wissenspotenziale einerseits und die Wissensförderung der Linien-Mitarbeiter durch stetigen Wissenstransfer andererseits Innovationsfunktion, d. h. die Möglichkeit, Innovationen im Unternehmen anzustoßen, voranzutreiben und zu bewerten Organisationsentwicklungsfunktion, d. h. der interne Berater kann Einstellungen im Unternehmen beeinflussen und Umdenkungsprozesse initiieren Personalentwicklungsfunktion, d. h. die Intention, Mitarbeiter der internen Beratungseinheit weiterzubilden und zu fördern und damit internen Management-Nachwuchs aufzubauen. Einer Marktstudie unter Federführung der Bayer Business Consulting ist es zu verdanken, dass zwischenzeitlich auch verlässliches Datenmaterial zu Entwicklung, Struktur und Ausrichtung dieses prosperierenden Marktes zur Verfügung steht (siehe Insert 1-20). Nach dieser Studie haben mehr als zwei Drittel (21 Firmen) der 30 DAX-Unternehmen eine Inhouse Consulting Unit etabliert. Bei Unternehmen mit mehr als fünf Milliarden Euro Jahresumsatz liegt der Anteil sogar bei etwa 50 Prozent. Insgesamt verfügen 100 bis 150 deutsche Unternehmen über eine eigene Consulting-Einheit. Dies entspricht einer Zahl von bundesweit etwa 2.000 bis 2.600 Beratern. Bei einem durchschnittlichen Jahresumsatz von 220.000 bis 275.000 Euro erzielen deutsche Inhouse Consulting-Einheiten einen geschätzten Gesamtumsatz von 450 bis 640 Millionen Euro pro Jahr. Die wichtigsten strategischen Gründe für den Aufbau einer eigenen Beratungseinheit sind:
Reduktion von Kosten gegenüber der Beauftragung externer Beratungen Entwicklung interner Strategien Aufbau von internem Management-Nachwuchs Einführung neuer, externer Manager in den Konzern Bildung einer schnellen, umsetzungsstarken und allseits akzeptierten „Eingreiftruppe“.
Der Studie zufolge berichtet die Mehrzahl der Inhouse Consulting Einheiten direkt an Geschäftsführung oder Vorstand und erhält somit eine hohe Sichtbarkeit vor dem Management. Das relativ junge Durchschnittsalter der Berater – mehr als die Hälfte aller Inhouse Consultants sind jünger als 35 Jahre – und die Verweildauer von durchschnittlich drei Jahren zeigt, dass
1.6 Angrenzende Bereiche der Unternehmensberatung
119
sich Inhouse Consulting Units als Talentpool in den Unternehmen etabliert haben. Ein weiteres Indiz für den hohen Stellenwert solcher Beratungsabteilungen sind die Bildungsabschlüsse der Inhouse Consultants: Über 90 Prozent verfügen über einen Master- oder Diplom-Abschluss, 20 Prozent sind promoviert oder weisen einen MBA-Abschluss auf.
Insert Inhouse Consulting: Unterschiedliche Einsatzgebiete für interne und externe Berater Im Rahmen der Marktstudie „Der Inhouse Consulting Markt in Deutschland“ wurden Führungskräfte von 20 Inhouse Consulting Einheiten in Deutschland befragt. Die Ergebnisse dieser Stichprobe wurde um eine Befragung unter Unternehmensentscheidern ergänzt. Auf die Frage, in welchen Situationen eher mit einem externen Berater und in welchen Situationen eher mit einem internen Berater zusammengearbeitet werden sollte, kann ein Bild gezeichnet werden, das folgende Rückschlüsse auf Beauftragungsmuster zulässt: Bevorzugter Einsatz des externen Beraters. Die Auftraggeber nennen auf die Frage nach Gründen für die Projektvergabe an externe Berater beispielsweise „politische Themen“, „Projekte, die spezielles Know-how benötigen“ oder „sehr ressourcenintensive Projekte“. Die Befragung ergab, dass externe Berater besonders bei sensiblen Spezialthemen wie zum Beispiel Restrukturierungen, Benchmarking (16 Prozent), Marktthemen wie beispielsweise Markterschließungen (12 Prozent) oder bei sehr ressourcenintensiven Projekten eingesetzt werden. Weitere Projekte, bei denen die befragten Auftraggeber eher mit externen Beratern zusammenarbeiten würden, sind Projekte mit hohen Anforderungen an IT-Spezialthemen, M&A-Projekte oder mit strategischem Fokus. Bitte nennen Sie spontan 3 Gründe/Situationen in denen Ihr Konzern intuitiv eher mit externen Beratern zusammenarbeiten würde. * 27%
Sensible Spezialthemen ( z. B. Restrukturierung) Benchmarking
16%
Markt-Themen
12%
Kapazitätsbedarf
8%
IT-Spezialwissen
8%
M&A Strategie
8% 6% * Es wurden in Summe 48 Grunde/Situationen genannt
Bevorzugter Einsatz des internen Beraters. Inhouse Consultants werden dagegen bevorzugt für Projekte mit kurzfristigem Beratungsbedarf, strategischer Ausrichtung oder bei Bedarf an speziellen Vorkenntnissen des Unternehmens (alle 16 Prozent) beauftragt. Die Auftraggeber nannten außerdem „Projekte, die wiederholt werden müssen“: Die Aussage verdeutlicht das Ziel, Know-how intern aufzubauen. Als weiterer Grund wurden Implementierungen genannt, da die Inhouse Consulting Units besser vernetzt sind. Diese Unterschiede in der Vergabe von Projekten unterstützen die Merkmale von Inhouse Consulting Einheiten: Durch ihre Nähe zum Management des Unternehmens werden interne Berater besonders für die Arbeit an Projekten mit direktem Unternehmensbezug, aber auch bei datensensiblen Themen angefragt. Bitte nennen Sie spontan 3 Gründe/Situationen in denen Ihr Konzern intuitiv eher mit internen Beratern zusammenarbeiten würde. * Kurzfristiger Beratungsbedarf
16%
Strategie
16%
Spezielle Unternehmenskenntnisse erforderlich
16%
Daten-sensible Themen
12%
Umsetzungsthemen 8%
Alle Themen ohne Ausnahme
8%
[Quelle: Bayer 2009, S. 16; Galal et al. 2010, S. 11-30]
Insert 1-20:
12%
M & A, Post Merger Integration
* Es wurden in Summe 25 Gründe/Situationen genannt
Unterschiedliche Einsatzgebiete für interne und externe Berater
120
1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
Die Inhouse Consulting Studie zeigt weiter, dass der Fokus des Leistungsportfolios von Inhouse Consulting Einheiten vornehmlich auf den Feldern Strategie/Organisation sowie Operations/Prozess liegt. Finance (11 Prozent der Beratungsleistungen) und IT oder Marketing (acht Prozent der Beratungsleistungen) spielen eine untergeordnete Rolle. Vor allem große Einheiten arbeiten bei über 60 Prozent der Projekte in einem internationalen Kontext. Inhouse Consulting lässt sich aufgrund seiner zunehmend strategischen Ausrichtung als Strategieberatung einordnen. Da Inhouse Consultants zunehmend am Markt nicht nur mit namhaften Generalisten, sondern zudem mit erfolgreich etablierten, funktionalen Spezialisten konkurrieren, unterliegen externe und interne Beratungsleistungen im Einkauf den gleichen Kriterien. So wird häufig eine zentrale Einkaufsabteilung in den Beauftragungsprozess eingebunden. Außerdem werden Angebote von konkurrierenden Wettbewerbern eingeholt. Insert 1-05 gibt einen Eindruck darüber, in welchen Situationen externe oder eher interne Berater beauftragt werden. Professionelle Inhouse Consulting Units offerieren Leistungen auch an Kunden außerhalb des eigenen Konzerns. Im Durchschnitt machen externe Projekte 10 bis 15 Prozent der Gesamtprojekte aus. Die Studie kommt darüber hinaus zu der Erkenntnis, dass die Meinung der Inhouse Berater hinsichtlich ihrer externen Konkurrenz überwiegend positiv ist. Während 40 Prozent sich als Co-Worker einschätzen, beurteilen 20 Prozent die externen Berater als Partner. Nur 20 Prozent der Befragten gaben an, das Verhältnis sei konkurrierend. Die Größe der Einheiten hatte keinen Einfluss auf die Einschätzung. Für einen detaillierten Einblick wurden die Inhouse Consultants bezüglich ihrer Selbsteinschätzung gegenüber externen Beratern befragt. In Bezug auf
Implementierungsorientierung, Kundenzufriedenheit, Akzeptanz im Unternehmen, Durchsetzungsfähigkeit im Konzern und Karrieremöglichkeiten
haben sich die Inhouse Consultants als gleich oder besser eingestuft. Besonders interessant ist, dass die Sichtweisen der Auftraggeber und die Selbsteinschätzung der Inhouse Consulting Units im Wesentlichen übereinstimmen. Besonders positiv heben die Auftraggeber die Branchenkenntnisse der internen Berater hervor. Auch rechnen die Studienteilnehmer mit einem deutlichen Wachstum bei intern zu vergebenen Beratungsleistungen: Über 60 Prozent der Befragten prognostizieren ein Wachstum von bis zu 20 Prozent. Allerdings herrscht insgesamt immer noch eine geringe öffentliche Wahrnehmung von Inhouse Consulting Units. Dies hat naturgemäß eine geringe Akzeptanz und Attraktivität für potenzielle Bewerber zur Folge, obwohl gerade die Karrierechancen in diesen internen Beratungseinheiten als besonders gut eingestuft werden. Abschließend soll noch auf folgende Grundfrage eingegangen werden: Ist es wirtschaftlicher, eine dispositive, originär unternehmerische Aufgabe intern zu lösen oder über den externen Markt zu erbringen? Die Transaktionskostentheorie kann Hinweise zur (theoretischen) Auflösung dieses Make-or-buy-Problems liefern. Im Falle einer externen Beauftragung entstehen beim Kundenunternehmen Transaktionskosten ex ante für den Such- und Auswahlprozess (Bedarfsbeschreibung/Pflichtenheft, Anbietersuche, Angebotseinholung, Anbietervorauswahl,
1.6 Angrenzende Bereiche der Unternehmensberatung
121
Vertragsverhandlungen, Vertragsabschluss). Ex post ergeben sich Transaktionskosten für das Monitoring des Beratungsprojekts sowie für Änderungsanträge (engl. Change request). Im Fall einer Inhouse Beratung entstehen Transaktionskosten ex ante im Zusammenhang mit Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen, mit entsprechenden Anreiz- und Vergütungssystemen, mit zusätzlichen Personaleinstellungen oder internen Versetzungen. Ex post fallen ebenfalls Transaktionskosten für das Monitoring des Projekts sowie für die Aufrechterhaltung der Einsatzbereitschaft des Teams an. Letztlich sind es Kriterien wie die Häufigkeit der nachgefragten Beratungsprojekte, die Opportunitätskosten des Investments einer Inhouse Consulting-Einheit, die Einzigartigkeit der erwarteten Aufgaben sowie die entsprechenden Transaktionskosten, an denen entlang ein theorie-basierter Vergleich darüber vorgenommen werden sollte, in welchen Fällen eine interne Lösung oder eine externe Lösung wirtschaftlicher ist [vgl. Armbrüster 2006, S. 45 und 103]. Unterstellt man bei einem solch theorie-basierten Vergleich den (nicht ganz realistischen) Fall, dass ein Gleichgewicht zwischen interner und externer Qualität und Leistung (engl. Performance) besteht, dann ist zumindest die Unterscheidung zwischen fixen und variablen Kosten ein wesentlicher Gesichtspunkt. So sind die Kosten für die externe Beratung vollständig variabel; sie variieren mit der Anzahl der Projekte bzw. mit der Anzahl der Beratungstage. Im Gegensatz dazu sind die Kosten bei der Inhouse Beratung weitgehend fix bzw. sprungfix [vgl. Theuvsen 1994, S. 71 f.]. Abbildung 1-44 veranschaulicht diesen (theoretischen) Kostenvergleich zwischen einer institutionalisierten internen Beratungseinheit und der Inanspruchnahme einer externen Beratung. Costs External consultancy
Internal consultancy Permanent maintenance costs Preparation costs
Break-even point
Number of Consulting cases
[Quelle: Ambrüster 2006, S. 104 unter Bezugnahme auf Theuvsen 1994, S. 72]
Abb. 1-44:
Kostenvergleich zwischen interner und externer Beratung
122
1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
1.6.6 Consulting und Personalberatung Der Personalbeschaffungsmarkt in Deutschland ist stark fragmentiert. Er wird von Anbietern verschiedener Typen und unterschiedlicher Größen besetzt. Bezeichnungen wie Personalberater, Personalvermittler, Head Hunter und andere beschreiben ein Geflecht unterschiedlicher Leistungen, das nur schwer zu durchschauen ist. Insbesondere der Begriff „Personalberater“ wird im Markt höchst unterschiedlich verwendet [vgl. Lünendonk-Whitepaper 2013, S. 9]. Rund 2.000 Personalberatungsgesellschaften mit über 6.850 Personalberatern sind es (siehe Abbildung 1-45), die in Deutschland mehrheitlich nicht Personalberatung, sondern lediglich Personalsuche anbieten. Im Gegensatz zur Unternehmensberatung lässt sich bei der Personalberatung das Beratungsobjekt nicht aus dem Wortsinn ableiten. „Das Beratungsobjekt ist nicht das Personal. Vielmehr leitet sich der Inhalt dieses Begriffs aus der Funktionalität und seiner Zweckorientierung ab, nämlich als externer Dienstleister nachfragende Unternehmen in personalpolitischen Fragestellungen zu beraten“ [Neudeck 2016, S. 49].
Abb. 1-45:
Anzahl der Personalberater in Deutschland bis 2020
In diesem Zusammenhang sei die Frage erlaubt, ob sich das Beratungsobjekt der Personalberatung nicht doch aus dem Wortsinn ableiten ließe. Warum unterstützen Deutschlands Personalberater zwar Unternehmen bei der Suche nach Fach- und Führungskräften, aber warum nicht auch Bewerber wie Hochschulabsolventen bei der Suche nach Einstiegsjobs mit Perspektive? Wer führt denn eigentlich für die vielen Absolventen mit Bachelor- oder Masterabschluss eine fundierte Berufseinstiegsberatung und damit eine wirkliche Personalberatung durch? Die Bundesagentur? Oder wären nicht doch die Personalberater mit ihrem Instrumentarium (Eignungsdiagnostik etc.) und ihren spezifischen Marktkenntnissen die geeigneteren Marktteilnehmer? Weitere Einzelheiten zu dieser Überlegung gibt Insert 1-21.
1.6 Angrenzende Bereiche der Unternehmensberatung
123
Insert Warum sind Hochschulabsolventen eigentlich kein Geschäftsmodell für Personalberater? Ein Denkanstoß Rund 2.000 Personalberatungsgesellschaften sind es, die hierzulande Personalberatung anbieten. Nein, sie bieten mehrheitlich nicht Personalberatung, sondern lediglich Personalsuche an! Sie suchen Führungskräfte und Spezialisten im Auftrag personalsuchender Unternehmen. Doch wer führt eigentlich für die vielen Hochschulabsolventen mit Bachelor- oder Masterabschluss eine fundierte Berufseinstiegsberatung durch? Die Bundesagentur? Oder wären nicht doch die Personalberater mit ihrem Instrumentarium (Eignungsdiagnostik etc.) und ihren Marktkenntnissen die geeigneteren Marktteilnehmer? Also: Warum kümmern sich unsere Personalberatungen nicht um die vielen zigtausend frischgebackenen Bachelor und Master, die Jahr für Jahr – Bologna sei’s gedankt (oder geschuldet?) – unsere Hochschulen verlassen und dann auf einen als absurd zu bezeichnenden Arbeits-markt treffen. Warum absurd? Weil es immer wieder heißt: Deutschland hat einen akuten Mangel an Fachkräften. Gehören Bachelor und Master (besonders im wirtschaftswissenschaftlichen Bereich) nicht zu den Fachkräften? Doch, und sogar eher zu den Fach- als zu den Führungsnachwuchskräften. Denn sie müssen heutzutage in vielen Fällen Sachbearbeiteraufgaben übernehmen, für die früher ein ausgebildeter Industriekaufmann zuständig war. Sie müssen häufig unzählige Bewerbungen schreiben, um überhaupt die Chance zu einem Vorstellungsgespräch zu bekommen. Und wenn sie schließlich – oftmals nach monatelanger Suche – endlich einen Job gefunden haben, stellt sich leider allzu häufig heraus, dass der Job weder Eignung noch Neigung entsprach. Die vielen tausend MBA-Studierenden, die berufsbegleitend, also nach Feierabend ihre Freizeit opfern, um sich “employable” (beschäftigungsfähig) für eine neue Bewerbung zu machen, sind ein Beleg für die unzähligen unzufriedenen akademischen Berufsanfänger. Wohlgemerkt, es geht hierbei nicht (nur?) um die High-Potentials, die sich ohnehin ihre Jobs auf dem absurden Bewerbermarkt aussuchen können. Nein, es geht um den durchschnittlich begabten Bachelor oder Master, der sehr lange warten muss, bis er zum ersten Bewerbungsgespräch eingeladen wird und dann mangels Alternativen nehmen muss, was gerade daher kommt. Es geht nicht darum, dass die Personalberater nun total umschwenken.
Insert 1-21:
Nein, Executive Search bzw. Personalsuche in allen Ehren, aber Personalberater sind eben auch “Berater” und wer benötigt (Einstiegs-)Beratung mehr als unsere Hochschulabsolventen? Zwei Gründe lassen sich ausmachen, warum die Zielgruppe der Hochschulabsolventen bei den Personalberatern offensichtlich kein Gehör findet: Erstens geht es der Personalberatungsbranche aufgrund der guten konjunkturellen Lage derzeit auffallend gut, so dass überhaupt kein Leidensdruck besteht, über neue Geschäftsmodelle nachzudenken. Zweitens sind die bestehenden Auftraggeber der Personalberater, also die Unternehmen, naturgemäß wesentlich solventer als frischgebackene Bachelor oder Master, die bislang von ihren Eltern unterstützt wurden oder ihr Studium durch Nebenjobs selbst finanziert haben. Der erste Grund kann sich schneller ändern, als uns allen lieb ist, und zum zweiten Grund ließe sich einwerfen, dass Größenvorteile von der Anzahl her gesehen (economies of scale) vielleicht doch auf der Seite der Hochschulabsolventen liegen. Es müssten ganz einfach nur Bezahl- bzw. Honorarmodelle (vielleicht sogar mit Erfolgsbeteiligung!) gefunden werden, die das „Massengeschäft“ der Beratung und Vermittlung von Hochschulabsolventen höchst profitabel gestalten. Mit ein wenig Kreativität und Phantasie ließen sich hier Erfolgs- und Phasenmodelle (z.B. über mehrere Arbeitgeber hinweg) gestalten, die zu einer echten Win-winSituation für Personalberater und Hochschulabsolventen gleichermaßen führt. Wichtig ist, dass es sich bei diesem Geschäftsfeld um eine Personalvermittlung und um eine Personalberatung handelt. Bausteine aus der Eignungsdiagnostik und dem Outplacement sind bei wirklich qualifizierten Personalberatern zu genüge vorhanden. Warum solche Leistungsprofile nicht auch bei denjenigen einsetzen, die es wirklich nötig haben und wo der Leidendruck besonders hoch ist: bei unseren frischgebackenen Hochschulabsolventen? Und nicht zuletzt wäre damit auch ein volkswirtschaftlicher Nutzen verbunden, der angesichts einer zunehmenden Orientierungslosigkeit unserer Generation Z vielleicht gar nicht hoch genug bewertet werden kann. Vom Arbeitgeber auch zum Arbeitnehmer als Auftraggeber der Personalberatungsbranche. Ein Paradigmenwechsel – aber einer, der sich lohnen könnte! Für den Einzelnen, für die Branche und für die Gesellschaft. [Quelle: Lippold 2017b]
Hochschulabsolventen als Geschäftsmodell für Personalberater
124
1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
Frischgebackene Bachelor müssen teilweise bis zu 50 Bewerbungen schreiben, um zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden. MBA-Studierende, die berufsbegleitend, also nach Feierabend ihre Freizeit opfern, um sich beschäftigungsfähig (engl. employable) für eine neue Bewerbung zu machen, sind ein Beleg für die unzähligen unzufriedenen akademischen Berufsanfänger. Warum also sind Bewerber mit Bachelor- und Masterabschluss nicht ein Geschäftsmodell für Personalberater? Es geht nicht darum, dass die Personalberater nun total umschwenken. Executive Search bzw. Personalsuche in allen Ehren, aber Personalberater sind eben auch „Berater“ und wer benötigt (Einstiegs-)Beratung mehr als die zigtausenden Hochschulabsolventen? [vgl. Lippold 2017b] Der Gesamtumsatz der Personalberatungsbranche beträgt 2,3 Mrd. Euro (siehe Abbildung 146) und die Anzahl der durch die Personalberater besetzten Positionen beträgt jährlich über 70.000.
Abb. 1-46:
Umsatz der Personalberatungsbranche 2000 bis 2020
(Bisherige) Kernaufgabe einer Personalberatung ist also die Suche und Auswahl von Fach- und Führungskräften im Auftrag von Unternehmen. Die herausragende Bedeutung der Personalrekrutierung wird auch darin deutlich, dass der Anteil der Suchaufträge am Gesamtumsatz der Personalberatungsbranche seit Jahren konstant zwischen 80 und 90 Prozent schwankt [Quelle: diverse BDU-Pressemitteilungen]. Entsprechend lässt sich die Personalberatung in zwei Bereiche unterteilen [vgl. Neudeck 2016, S. 53]:
Personalberatung im engeren Sinn Personalberatung im weiteren Sinn.
1.6 Angrenzende Bereiche der Unternehmensberatung
125
1.6.6.1 Personalberatung im engeren Sinn
Die engere Begriffsauslegung definiert einen Angebotsumfang, der durch die Suche und Auswahl von Bewerbern und Kandidaten für höhere Positionen in der Wirtschaft gekennzeichnet ist. Suche und Auswahl erfolgen dabei durch einen Berater, der außerhalb des suchenden Unternehmens steht. Im angelsächsischen Raum wird diese Personalfunktion auch als Executive Search bezeichnet. Sie umfasst sowohl die Rekrutierung (print/online) als auch die Suche und Auswahl von qualifiziertem Personal über das Instrument der Direktansprache. Allerdings wird der Begriff des Executive Search heutzutage ausschließlich im Zusammenhang mit der Direktansprache verwendet. Innerhalb des Leistungsspektrums der Personalberatungen im engeren Sinn hat sich folgende Personalberatertypologie herauskristallisiert: Global Player. Zu den größten und bekanntesten Personalberatungen zählen Korn/Ferry, Egon Zehnder, Heidrick & Struggles, Spencer Stuart und Russel Reynolds, die sich durch internationale Präsenz mit entsprechenden Niederlassungen weltweit auszeichnen. Internationale Netzwerke. Das sind jene Personalberatungen, die zwar keine eigenen Büros in unterschiedlichen Ländern haben, aber sich internationalen Personalberaternetzwerken angeschlossen haben. Boutiquen und Spezialisten. Hierzu zählen kleine Personalberatungen mit teilweise nicht mehr als fünf bis zwanzig Beschäftigten, die sich auf bestimmte Branchen, Funktionsbereiche oder Suchmethoden spezialisiert haben. Einzelkämpfer auf Top-Niveau. Hierbei handelt es sich um jene Beraterpersönlichkeiten, die sich auf exklusivem Niveau auf die Besetzung von Vorstands-, Geschäftsführungs- und Aufsichtsratspositionen konzentrieren. 1.6.6.2 Personalberatung im weiteren Sinn
Das Angebot der Personalberatung im weiteren Sinn umfasst Dienstleistungen für weite Teile des betrieblichen Personalwesens. Dieses Angebotsprofil geht demnach weit über die reine Suche und Auswahl von qualifiziertem Personal hinaus. Dazu zählen u.a.
Optische und inhaltliche Beschreibung von Stellenanzeigen (print/online) Beratung über Fragen der betrieblichen Altersversorgung Beratung hinsichtlich Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten Hilfestellung bei Problemen des Arbeitsrechts Vorbereitung und Durchführung von Assessment-Centern Einführung und Modifikationen von Entgeltsystemen Umsetzung von Personalentwicklungsmaßnahmen Outplacement-Beratung.
Gerade in diesen Bereichen sind die Überschneidungen zur HR-Beratung der „klassischen“ Unternehmensberatung sehr hoch. Insert 1-22 zeigt die Wertschöpfungskette der einzelnen Personaldienstleistungen und ist eine gute Navigationshilfe durch das Geflecht der verschiedenen Teilaspekte, die im Zusammenhang mit dem Begriff „Personalberatung“ stehen.
126
Insert 1-22:
1. Grundlagen und Nutzen der Unternehmensberatung
Wertschöpfungskette der Personaldienstleistungen
Abbildung 1-47 zeigt die umsatzstärksten Personalberatungsunternehmen weltweit für die Jahre 2018 bis 2020. Die dort aufgeführten Unternehmen bieten durchweg die gesamte Leistungsbreite der Personalberatung an (Personalberatung im weiteren Sinn).
Abb. 1-47:
Die umsatzstärksten Personalberatungsunternehmen weltweit
127
2. Konzeption und Gestaltung der Unternehmensberatung 2.1 Marktorientierte Unternehmensplanung...........................................................................129 2.1.1 Bezugsrahmen und Planungsprozess ..................................................................................... 129 2.1.2 Wertschöpfungskette der Unternehmensberatung ................................................................. 132 2.2 Ausprägungen des Beratungsmanagements ..................................................................135 2.2.1 Wertorientiertes Beratungsmanagement ................................................................................ 135 2.2.2 Qualitätsorientiertes Beratungsmanagement.......................................................................... 136 2.2.3 Risikoorientiertes bzw. professionell-ethisches Beratungsmanagement ............................... 139 2.3 Analyse der Einflussfaktoren und Trends im Beratungsgeschäft ..................................143 2.3.1 Externe Einflussfaktoren – das Makro-Umfeld der Unternehmensberatung ......................... 143 2.3.1.1 Demografische Einflüsse ....................................................................................... 145 2.3.1.2 Makro-ökonomische Einflüsse .............................................................................. 146 2.3.1.3 Sozio-kulturelle Einflüsse...................................................................................... 149 2.3.1.4 Technologische Einflüsse ...................................................................................... 153 2.3.1.5 Ökologische Einflüsse ........................................................................................... 164 2.3.1.6 Politisch-rechtliche Einflüsse ................................................................................ 166 2.3.2 Chancen-Risiken-Analyse ..................................................................................................... 167 2.3.3 Interne Einflussfaktoren – das Mikro-Umfeld der Unternehmensberatung ........................... 168 2.3.4 Stärken-Schwächen-Analyse ................................................................................................. 169 2.4 Stand der digitalen Transformation in der Beratung .......................................................171 2.4.1 Ausgangssituation und betriebliche Einflussbereiche der Digitalisierung............................. 171 2.4.2 Digitalisierungsperspektiven der Beratung ............................................................................ 176 2.4.3 Klassische Beratungsleistungen vs. digitale Beratungstechnologie .......................................... 177 2.4.4 Reifegradmodell der Virtualisierung ..................................................................................... 178 2.4.5 Digitale Beratungsansätze...................................................................................................... 179 2.4.7 Nutzung und kundenseitige Akzeptanz digitaler Beratungstechnologien.............................. 182 2.5 Das Zielsystem der Unternehmensberatung ...................................................................185 2.5.1 Unternehmensführung ........................................................................................................... 186 2.5.1.1 Grundlagen der Unternehmensführung ................................................................. 186 2.5.1.2 CSR und nachhaltige Unternehmensführung ........................................................ 187 2.5.2 Unternehmensverfassung ....................................................................................................... 190 2.5.3 Unternehmenseigentümer ...................................................................................................... 191 2.5.3.1 Partnerschaftsmodell ............................................................................................. 192 2.5.3.2 Investorenmodell ................................................................................................... 193 2.5.4 Unternehmenskultur............................................................................................................... 195 2.5.4.1 Grundlagen der Unternehmenskultur..................................................................... 195 2.5.4.2 Generationenverbindende Arbeitskultur als Erfolgsfaktor .................................... 198 2.5.5 Unternehmensidentität ........................................................................................................... 199 2.5.6 Unternehmensleitlinien und -grundsätze ............................................................................... 200 2.5.7 Unternehmenszweck .............................................................................................................. 203 2.5.8 Unternehmensziele – formale Ausrichtung............................................................................ 207 2.5.9 Unternehmensziele – inhaltliche Ausrichtung ....................................................................... 208 2.5.9.1 Geschäftsfelddefinition – Bestimmung der Beratungsfelder ................................. 209 2.5.9.2 Spezialisierung nach Funktionen bzw. Beratungsthemen ..................................... 211 2.5.9.3 Spezialisierung nach Branchen .............................................................................. 212 2.5.9.4 Innovationsberatung als Beispiel einer querschnittsorientierten Beratung ............ 213 2.5.9.5 Spezialisierung nach der Kundengröße ................................................................. 217 2.5.9.6 Strategieberatung vs. IT-Beratung ......................................................................... 218 2.6 Strategie und Umsetzung ...................................................................................................220 2.6.1 Notwendigkeit der Strategieentwicklung............................................................................... 220 2.6.2 Kritische Ressourcen der Unternehmensberatung ................................................................. 221 2.6.3 Entwicklungsstrategien – die wichtigsten strategischen Stoßrichtungen............................... 222 2.6.4 Umsetzung der strategischen Entwicklungsoptionen ............................................................ 224 2.6.4.1 Organisches Wachstum ......................................................................................... 224 2.6.4.2 Wachstum durch Akquisitionen ............................................................................ 225 2.6.4.3 Konsolidierung ...................................................................................................... 226
128
2. Konzeption und Gestaltung der Unternehmensberatung
2. Konzeption und Gestaltung der Unternehmensberatung
Ein wesentliches Merkmal von Gestaltungskonzepten der Unternehmensführung ist die marktorientierte Betrachtung der Planung, Analyse und Strategieformulierung. Hier zeigt die Unternehmensberatungsbranche, die zumeist von Funktions-, Technologie- oder Branchenspezialisten dominiert wird, häufig eine strukturelle Schwäche: Es mangelt an Marketing-Kompetenz. Daher wird im Kapitel 2 ein Bezugsrahmen für ein Gestaltungskonzept vorgestellt, das vornehmlich marktorientierte Aspekte berücksichtigt und folgende Bestandteile enthält:
Aussagen über Bezugsrahmen und Prozess der marktorientierten Unternehmensplanung Aussagen über die Wertschöpfungskette der Unternehmensberatung Aussagen über Einflussfaktoren und Tendenzen im Beratungsgeschäft Aussagen über die Identifikation von Chancen und Risiken sowie Stärken und Schwächen der Unternehmensberatung Aussagen über den Stand der digitalen Transformation in der Unternehmensberatung Aussagen über digitale Beratungsansätze Aussagen über das Zielsystem der Unternehmensberatung Aussagen über die formale Ausrichtung der Unternehmensberatung Aussagen über Unternehmensführung, Unternehmensverfassung und Unternehmenseigentümer(modelle) Aussagen über eine generationenverbindende Unternehmenskultur Aussagen über Unternehmensidentität und Unternehmensleitlinien Aussagen über Unternehmensvision und Unternehmensmission Aussagen über die inhaltliche Ausrichtung der Unternehmensberatung Aussagen über die zu bearbeitenden Beratungsfelder.
2.1 Marktorientierte Unternehmensplanung
129
2.1 Marktorientierte Unternehmensplanung 2.1.1 Bezugsrahmen und Planungsprozess Eine erfolgversprechende Unternehmenskonzeption ist im ersten Schritt das Ergebnis einer systematischen Umwelt- und Unternehmensanalyse. Eine solche Analyse identifiziert und bewertet die Chancen und Risiken der relevanten Märkte einerseits sowie die Stärken und Schwächen des Beratungsunternehmens andererseits. Die Verdichtung und Verzahnung dieser Daten und Informationen führt zum sogenannten konzeptionellen Kristallisationspunkt, der den Ausgangspunkt für Zielbildung, Strategiewahl und Vorgehensmodell sowie für den auszuwählenden Maßnahmen-Mix darstellt [vgl. Becker 2009, S. 92 f.]. In Abbildung 2-01 sind die Zusammenhänge zwischen Umwelt- und Unternehmensanalyse sowie Unternehmensplanung dargestellt.
Umweltanalyse
Unternehmensanalyse
(Chancen/Risiken)
(Stärken/Schwächen)
Verdichtung
SWOT-Analyse "Wo stehen wir?"
Verdichtung
Verzahnung Konzeptioneller Kristallisationspunkt
Marktorientierte Unternehmensplanung
Ziele Strategien
(Maßnahmen-) Mix
Philosophie "Wo wollen wir hin?" Struktur "Wie kommen wir dahin?" Prozess "Mit welchen Maßnahmen?"
[Quelle: in Anlehnung an Becker 2009, S. 93]
Abb. 2-01:
Marktorientierte Unternehmensplanung
Da die relevanten Märkte einer Unternehmensberatung keine statischen Gebilde sind, sondern dynamische Strukturen aufweisen, gibt es auch nicht ein Unternehmenskonzept und damit auch nicht ein Erfolgsrezept für das Beratungsmanagement, sondern verschiedene Optionen, um auf die unterschiedlichen Rahmenbedingungen zu reagieren. In Insert 2-01 ist ein Blogbeitrag wiedergegeben, der diese „Sanduhr“ mit einzelnen Maßnahmen am Beispiel für Start-ups „mit Leben füllt“. An dem Beispiel wird auch die besondere Bedeutung des konzeptionellen Kristallisationspunkts deutlich.
130
Insert 2-01:
2. Konzeption und Gestaltung der Unternehmensberatung
Der konzeptionelle Kristallisationspunkt
Mit Abbildung 2-01 ist zugleich auch die Grundlage für den generellen Bezugsrahmen einer marktorientierten Unternehmensplanung gelegt. Die Abfolge des Planungsprozesses orientiert
2.1 Marktorientierte Unternehmensplanung
131
sich an folgenden Phasen [vgl. Lippold 2015a, S. 33, ff. sowie dazu auch Bidlingmaier 1973, S. 16 ff.]: Situationsanalyse (Wo stehen wir?) Zielsetzung (Wo wollen wir hin?) Strategie (Wie kommen wir dahin?) Mix (Welche Maßnahmen müssen dazu ergriffen werden?) Abbildung 2-02 zeigt diese vier Phasen als generellen Bezugsrahmen der marktorientierten Unternehmensplanung. Situationsanalyse 1. Phase
Umwelt-/Marktanalyse Chancen und Risiken
2. Phase
Sachziele Zielmarkt-Definition
Wo stehen wir?
Unternehmensanalyse Stärken und Schwächen
Festlegen der Ziele Wo wollen wir hin?
Formalziele Größe der Zielerreichung
Festlegen der Strategie Wie kommen wir dahin?
3. Phase
4. Phase
Leistungserstellung Delivery
Marketing Vertrieb
Investition Finanzierung
Personal Organisation
Maßnahmen
Maßnahmen
Maßnahmen
Maßnahmen
[Quelle: Lippold 2015c, S. 3]
Abb. 2-02:
Bezugsrahmen der Unternehmensplanung
In der ersten Phase geht es um die Situationsanalyse, d.h. um eine Analyse der wesentlichen externen und internen Einflussfaktoren auf das Beratungsunternehmen. Die Situationsanalyse gliedert sich in die Umweltanalyse (engl. External Analysis) und in die Unternehmensanalyse (engl. Self Analysis) [vgl. Aaker 1984, S. 47 ff. und S. 113 ff.]. Die Umweltanalyse betrachtet wichtige unternehmensexterne Rahmenbedingungen und ihre Auswirkungen auf das Unternehmens- und Marketingumfeld. Die Unternehmensanalyse liefert eine systematische Einschätzung und Beurteilung der strategischen, strukturellen und kulturellen Situation des Unternehmens. Das Ergebnis der Analysephase, die in der Praxis regelmäßig als SWOT-Analyse (Strengths, Weaknesses, Opportunities, Threats) durchgeführt wird, ist eine Darstellung der Ausgangssituation.
132
2. Konzeption und Gestaltung der Unternehmensberatung
An die umwelt- und unternehmensanalytisch aufbereitete Situationsanalyse schließt sich der Zielbildungsprozess als zweite Phase an. Hier werden die wesentlichen Zielgruppen, das Leistungsangebot der Unternehmensberatung und die zum Einsatz kommenden Ressourcen vorgeplant. In der dritten Phase wird auf der Grundlage des unternehmerischen Zielsystems die Strategie festgelegt. Sie hat die Aufgabe, Entscheidungen für die wichtigsten Unternehmensfunktionen (z. B. Leistungserstellung/Delivery, Marketing/Vertrieb, Investition/Finanzierung, Personal/ Organisation) und den entsprechenden Ressourceneinsatz zu kanalisieren und Erfolgspotenziale aufzubauen bzw. zu erhalten. In der vierten Phase des Planungsprozesses geht es darum, für die einzelnen Aktionsfelder der Unternehmensberatung einen Handlungsrahmen zu entwickeln, in dem die für das operative Handeln relevanten Maßnahmen und Prozesse zusammengefasst und im Sinne bestimmter Anforderungskriterien optimiert werden können. Dieser Handlungsrahmen, der auf der Wertschöpfungsstruktur einer Unternehmensberatung aufbaut, bildet den Hauptgegenstand dieses Lehrbuchs und wird im folgenden Abschnitt einführend behandelt. 2.1.2 Wertschöpfungskette der Unternehmensberatung Die Wertschöpfungskette (Wertkette) eines Unternehmens umfasst die Wertschöpfungsaktivitäten in der Reihenfolge ihrer operativen Durchführung. Diese Tätigkeiten schaffen Werte, verbrauchen Ressourcen und sind in Prozessen miteinander verbunden. Die in Abbildung 2-03 gezeigte Darstellung der Wertschöpfungskette geht auf Michael E. Porter [1986] zurück und unterscheidet Primäraktivitäten und Sekundäraktivitäten: Primäraktivitäten (Kern- oder Hauptprozesse) sind Eingangslogistik, Produktion, Ausgangslogistik, Marketing und Vertrieb sowie Kundendienst. Sekundäraktivitäten (Unterstützungsprozesse) stellen Beschaffung, Forschung und Entwicklung, Personalmanagement und Infrastruktur dar. Aus der Kostenstruktur und aus dem Differenzierungspotenzial aller Wertaktivitäten lassen sich bestehende und potenzielle Wettbewerbsvorteile eines Unternehmens ermitteln. Durch die „Zerlegung“ eines Unternehmens in seine einzelnen Wertschöpfungsaktivitäten kann jeder Prozess auf ihren aktuellen und ihren potenziellen Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens hin durchleuchtet werden [vgl. Porter 1986, S. 19].
2.1 Marktorientierte Unternehmensplanung
133
Unternehmensinfrastruktur Personalmanagement
Sekundäre Aktivitäten
Technologieentwicklung Gewinnmarge
Beschaffung
Primäre Aktivitäten
Abb. 2-03:
Eingangslogistik
Produktion
Marketing und Vertrieb
Ausgangslogistik
Kundendienst
Wertschöpfungskette für Industriebetriebe nach P ORTER
Das oben dargestellte Grundmodell von Porter bezieht sich in seiner Systematik allerdings schwerpunktmäßig auf die Wertschöpfungskette von Betrieben des verarbeitenden Gewerbes. Überträgt man den Ansatz von Porter auf die Wertschöpfungskette von Beratungsunternehmen, so ergibt sich ein grundsätzlich anderes Bild. Allerdings ist vorauszuschicken, dass es den Wertschöpfungsprozess einer Unternehmensberatung gar nicht gibt. Zu unterschiedlich sind die Ausprägungen der Beratungsunternehmen mit ihren einzelnen Wertketten. So sieht der Wertschöpfungsprozess einer Managementberatung anders aus als der eines IT-Beratungsunternehmens und die Wertkette einer lediglich national agierenden Logistikberatung ist unterschiedlich zu der einer internationalen aufgestellten Outsourcing-Beratung. Ein idealtypischer (weil linearer und einfacher) Wertschöpfungsprozess, an dem entlang ein Beratungsunternehmen seine Wertaktivitäten organisiert, ist:
Akquisition, Projektplanung, Ressourcenbeschaffung und -einsatz, Projektabwicklung und Nachfolgeaufträge.
Mit dieser zeitlichen Abfolge ist aber noch nicht die eigentliche (vernetzte) Struktur der Hauptbzw. Kernprozesse einer (typischen) Unternehmensberatung wiedergegeben. Der Prozess Akquisition ist beispielsweise im Hauptprozess Marketing/Vertrieb eingebettet und der Prozess Ressourcenbeschaffung stellt zweifellos einen wichtigen Teil(prozess) des Hauptprozesses Personalmanagement dar. In Abbildung 2-04 sind diese Beziehungen derart dargestellt, dass sich daraus folgende Haupt- bzw. Kernprozesse (Primäraktivitäten) einer typischen Wertschöpfungsstruktur für Beratungsunternehmen ableiten lassen:
Beratung (Leistungserstellung/Delivery), Marketing/Vertrieb und Personalmanagement.
134
2. Konzeption und Gestaltung der Unternehmensberatung
Personalmanagement
Struktur Personalbeschaffung
Zeitliche Abfolge der Beratung
Struktur
Akquisition
Personalführung
Projektplanung
Personalbeurteilung
Ressourcenbeschaffung und -einsatz
Segmentierung
Positionierung
Kommunikation
Vertrieb
Akquisition
Betreuung
Abb. 2-04:
Nachfolgeaufträge
Projektabwicklung
Projektplanung
Marketing/Vertrieb
Personalfreisetzung
Personalentwicklung
Projektabwicklung
Beratung (Leistungserstellung/Delivery)
Zeitliche Abfolge und Struktur der Kernprozesse im Beratungsgeschäft
Diese drei Primäraktivitäten bilden zugleich auch die zentralen Kapitel 3, 4 und 5 dieses Lehrbuchs. Es handelt sich dabei um die direkt wertschöpfenden Prozesse, die die Kundenzufriedenheit beeinflussen und Differenzierungsmerkmale gegenüber dem Wettbewerb besitzen. Die sekundären Aktivitäten sind nicht wertschöpfend und können nochmals in Führungs- und in Unterstützungsprozesse unterteilt werden. Zu den Führungsprozessen sollen hier folgende Aktivitäten gezählt werden:
Strategisches Management (Teil des 2. Kapitels) und Controlling (Kapitel 6).
Die Unterstützungsprozesse, die für die Ausübung der Hauptprozesse notwendig sind, lassen sich unterteilen in:
Unternehmensinfrastruktur (Finanz- und Rechnungswesen, IT-Support etc.), Wissensmanagement (engl. Knowledge Management), (Beratungs-)Produkt- und Toolentwicklung (Teil des 4. Kapitels) und Qualitätsmanagement (engl. Quality Management).
Die Unterstützungsaktivitäten liefern somit einen indirekten Beitrag zur Erstellung der Beratungsleistung. Abbildung 2-05 liefert einen Gesamtüberblick über die (typischen) Haupt-, Führungs- und Unterstützungsprozesse einer Unternehmensberatung.
2.2 Ausprägungen des Beratungsmanagements
Führungsprozesse
Sekundäre Aktivitäten
135
Strategisches Management Controlling
Unternehmensinfrastruktur Unterstützungsprozesse
Wissensmanagement Produkt- und Tool-Entwicklung
Gewinnmarge
Qualitätsmanagement Personalmanagement
Primäre Aktivitäten
Hauptprozesse
3
Marketing/Vertrieb
Abb. 2-05:
5
4
Beratung (Leistungserstellung/Delivery
Kapitel 2 des Buches Kapitel 3 des Buches Kapitel 4 des Buches Kapitel 5 des Buches Kapitel 6 des Buches
Wertschöpfungskette für Beratungsunternehmen
Sowohl die Hauptprozesse als auch die Prozesse der Sekundäraktivitäten lassen sich unterteilen in Prozessphasen, Prozessschritte etc. Prozesse können so auf unterschiedlichen Ebenen in verschiedenen Detaillierungsgraden betrachtet werden.
2.2 Ausprägungen des Beratungsmanagements 2.2.1 Wertorientiertes Beratungsmanagement Mit der Analyse der Wertschöpfungskette ist zugleich auch die Grundlage für ein wertorientiertes Beratungsmanagement gelegt. Es steht für eine betont quantitative Ausrichtung der Aktionsparameter, der Prozesse und der Werttreiber am Unternehmenserfolg [vgl. DGFP 2004, S. 27]. Aktionsparameter sind Stellschrauben, die dem Management zur Verbesserung der Effizienz und Effektivität innerhalb eines Aktionsfeldes zur Verfügung stehen. Im Vordergrund steht also die aktive Beeinflussung erfolgswirksamer Maßnahmen im Sinne der angestrebten Aktionsfeldziele. Prozesse haben drei verschiedene Rollen: als Kunde eines vorausgehenden Prozesses, als Verarbeiter der erhaltenen Leistungen und als Lieferant des folgenden Prozesses. Werttreiber sind betriebswirtschaftliche Größen, die einen messbaren ökonomischen Nutzen für den Unternehmenserfolg liefern. Sie operationalisieren Aktionsparameter und Prozesse in messbaren Größen und beeinflussen unmittelbar den Wert des Unternehmens.
136
2. Konzeption und Gestaltung der Unternehmensberatung
Das inhaltliche Rahmenkonzept des wertorientierten Beratungsmanagements geht von den Aktionsparametern aus, ordnet diesen die betreffenden Prozesse zu und zeigt für jeden Prozess die jeweils relevanten Werttreiber auf. In Abbildung 2-06 sind die konzeptionellen Zusammenhänge zwischen Aktionsparameter, Prozesse und Werttreiber dargestellt.
Aktionsfeld 1
Aktionsfeld 2
Aktionsfeld 3
…
Aktionsparameter
…
Prozesse
…
Werttreiber
…
Aktionsfeld n
Unternehmenswert [Quelle: DGFP 2004, S. 25 (modifiziert)]
Abb. 2-06: Zusammenhänge zwischen Aktionsparameter, Prozesse und Werttreiber Da die einzelnen Markt- und Umfeldbedingungen für jedes Beratungsunternehmen unterschiedlich sind, kann es auch kein einheitliches Standardkonzept für das wertorientierte Beratungsmanagement geben. Jedes Unternehmen muss daher sein eigenes wertorientiertes Konzept für die Primär- und Sekundäraktivitäten entwickeln. 2.2.2 Qualitätsorientiertes Beratungsmanagement Die Bedeutung des Qualitätsmanagements (QM) in der Unternehmensberatung ist unbestritten. Aufgrund der Informationsasymmetrie zwischen Anbieter und Nachfrager im Beratungsgeschäft kann eine dauerhafte Kundenbeziehung nur erreicht werden, wenn die Qualität der erbrachten Beratungsleistungen die Kundenerwartungen dauerhaft erfüllt oder sogar übertrifft. Qualität und Reputation zählen zu den entscheidenden Kriterien bei der Auswahl einer Beratungsgesellschaft. Damit wird das Qualitätsmanagement zu einer zentralen Aufgabe des Beratungsmanagements [vgl. Nissen 2007, S. 235 unter Bezugnahme auf Effenberger 1997, S. 230 f.]. Die Qualität als bewertete Beschaffenheit einer Leistung (wie z. B. Zuverlässigkeit, Fehlerfreiheit oder Schnelligkeit) ist aber nicht nur ein wichtiges Argument zur Entscheidung für einen fähigen Anbieter. Im Zusammenhang mit der prozessorientierten Betrachtungsweise ist der Qualitätsgedanke auch zum zentralen Konstrukt eines Managementansatzes geworden: Total
2.2 Ausprägungen des Beratungsmanagements
137
Quality Management (TQM), das eine Optimierung aller Unternehmensprozesse unter dem Aspekt der Qualität anstrebt. Ohne hier detailliert auf die ganzheitliche Handlungs- und Denkhaltung von TQM eingehen zu wollen, sollen die drei wichtigen TQM-Faktoren, die für jedes Qualitätsmanagement von Bedeutung sind, kurz genannt werden [vgl. auch Schmitt/Pfeifer 2010 und Rothlauf 2010, S. 69 ff.]: Kundenorientierung, d. h. der Kunde bestimmt letztendlich, ob die Dienstleistung qualitativ zufriedenstellend ist, Mitarbeiterorientierung, d. h. jeder Mitarbeiter ist in den Qualitätsprozess einzubeziehen, denn eine auf Vorbeugung basierende Qualitätsstrategie benötigt das Engagement aller am Wertschöpfungsprozess beteiligten Mitarbeiter, Prozessorientierung, d. h. jede Aktivität muss als Prozess betrachtet werden und beinhaltet somit ein ständiges Verbesserungspotenzial. Aufgrund der hohen Personalintensität und Interaktivität der Leistungserbringung sollte das Qualitätsmanagement in Beratungsunternehmen direkt am Beratungsprozess ansetzen. Nissen [2007] schlägt sogar vor, das Qualitätsmanagement im Rahmen des Geschäftsprozessmodells einer Unternehmensberatung als Hauptprozess anzusehen, dem hier allerdings nicht gefolgt wird. Grundsätzlich können vier Prozessphasen des Qualitätsmanagements unterschieden werden [vgl. Nissen 2007, S. 237 f.]:
1. Schritt: Qualitätsplanung, die sich mit der Planung, Konkretisierung und Gewichtung von Qualitätsanforderungen an die Beratungsleistungen befasst. Diese münden ein in formal fixierte Qualitätsstandards und im Unternehmen kommunizierte Qualitätsgrundsätze, zu denen bspw. auch die berufsethischen Grundsätze des BDU zu zählen sind. 2. Schritt: Qualitätslenkung, die alle Aktivitäten beinhaltet, um die definierten Qualitätsanforderungen zu erfüllen. Unterschieden werden dabei mitarbeiterbezogene Instrumente (z. B. Rekrutierungskriterien, Projektstaffing-Kriterien) Personalentwicklungsmaßnahmen, Zielvereinbarungen), kulturbezogene Instrumente (z. B. Kundenorientierung, Veränderungsbereitschaft) und organisationsbezogene Instrumente (z. B. Qualitätsmanager, Arbeitsanweisungen und Prozessvorgaben). 3. Schritt: Qualitätsprüfung, die feststellt, ob die definierten Qualitätsanforderungen (insbesondere an den Beratungsprozess) in der Praxis umgesetzt werden. Dabei ist zu unterscheiden zwischen externen Methoden der Qualitätskontrolle (z. B. Kundenbefragungen) und internen Aufgaben der Qualitätsprüfung (z. B. Projektkontrollen, Mitarbeitergespräche). 4. Schritt: Qualitätsdarlegung, die darauf abzielt, nach innen und außen Vertrauen in die eigene Qualitätsfähigkeit zu schaffen. Zu diesen vertrauensbildenden Maßnahmen
138
2. Konzeption und Gestaltung der Unternehmensberatung
zählen die Zertifizierung nach DIN EN ISO 9000 ff., die Durchführung von Qualitätsaudits sowie die Erstellung von QM-Handbüchern. Abbildung 2-07 zeigt die vier Teilprozesse des Qualitätsmanagements in Verbindung mit den Hauptprozessen eines Beratungsunternehmens.
Personalprozesse
Mitarbeiterorientierung Qualitätsprozesse Hauptprozesse
Qualitätsplanung
Qualitätslenkung
Qualitätsprüfung
Kundenorientierung Marketing- und Vertriebsprozesse
Qualitätsdarlegung
Unterstützungsprozesse
Prozessorientierung Beratungsprozesse
[Quelle: in Anlehnung an Nissen 2007, S. 236]
Abb. 2-07:
Teilprozesse des Qualitätsmanagements
Allerdings sind diese Erkenntnisse in der Praxis noch nicht flächendeckend umgesetzt. Besonders bei kleineren Beratungsunternehmen (< 20 Beschäftigte) besteht ein Nachholbedarf. So haben lediglich 44 Prozent der befragten kleineren Unternehmensberatungen ein formales Qualitätsmanagementsystem im Einsatz. Bei den größeren Beratungsfirmen (> 200 Beschäftigte) sind es immerhin drei Viertel, bei denen ein Qualitätsmanagement vorliegt, und die Hälfte dieser Firmen verfügt über eine QM-Zertifizierung. Bei den kleineren Firmen sind dagegen noch nicht einmal 20 Prozent zertifiziert. Abbildung 2-08 zeigt zwar eine inhaltsgleiche Darstellung wie Abbildung 2-07, jedoch sind hier die oben aufgeführten Teilprozesse des Qualitätsmanagements in die Wertschöpfungskette für Beratungsunternehmen analog zur Darstellung in Abbildung 2-05 integriert.
2.2 Ausprägungen des Beratungsmanagements
Sekundäre Aktivitäten
139
Produkt- und Tool-Entwicklung
Unterstützungsprozesse
Qualitätsmanagement Qualitätsplanung
Qualitätslenkung
Personalrekrutierung
Personalbetreuung
Qualitätsprüfung
Qualitätsdarlegung
Gewinnmarge
Personalmanagement
Primäre Aktivitäten
Hauptprozesse
Beratung (Leistungserstellung/Delivery)
Abb. 2-08:
ProjektStaffing
Personalfreisetzung
Marketing und Vertrieb
Integration der Teilprozesse des Qualitätsmanagements in die Wertkette
Da die Einführung eines Qualitätsmanagementsystems in aller Regel ein komplexes Unterfangen ist, haben die größeren Beratungsunternehmen einen deutlichen Einsatz- und Anwendungsvorsprung. Dies ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen. Zum einen wird es mit steigender Unternehmensgröße einfacher, QM-Spezialisten auszulasten. Auch besteht hier die Chance auf einen größeren Nutzen aufgrund von Skaleneffekten. Schließlich kann ein positiver Zusammenhang zwischen der Größe des Beratungsunternehmens und der Größe seiner Kundenunternehmen angenommen werden. Je größer der Kunde, umso eher werden Audits durchgeführt und umso eher wird Wert auf ein dokumentiertes Qualitätsmanagement gelegt [vgl. Nissen 2007, S. 243 und 245]. 2.2.3 Risikoorientiertes bzw. professionell-ethisches Beratungsmanagement Da der Beratungsberuf in Deutschland rechtlich nicht geschützt ist und somit auch verbindliche ethisch-moralische Regeln fehlen, erschöpft sich Beratungsethik auf ein „Beratungsverständnis als Ergebnis einer selbstdefinierten beruflichen Zuständigkeit im Spektrum zwischen einer ausschließlich betriebswirtschaftlichen Ausrichtung zur Stärkung der asymmetrischen Verteilung von Wissen und Marktchancen im Beratungsprozess (…) und einer (…) Unternehmensberatung, die die systemische Kommunikation und Symmetrie in den Beziehungen der beteiligten Akteure betont“ [Hesseler 2011, S. 19].
140
Insert 2-02:
2. Konzeption und Gestaltung der Unternehmensberatung
Unternehmensberatung und Ethik
2.2 Ausprägungen des Beratungsmanagements
141
Zusammen mit dem Risikomanagement (engl. Risk Management) nimmt der Umgang mit professionell-ethischen Risiken in Beratungsprojekten eine zentrale Rolle im Beratungsgeschäft ein. Schließlich ist die Beschäftigung mit (moralischen) Risiken ein Zeichen professioneller Kompetenz. Voraussetzung für ein funktionierendes, tragfähiges Risikomanagement ist ein in der Unternehmenskultur verankertes Risikobewusstsein (Risikokultur), das Entscheidungen zur praktischen Risikovorsorge und die Grundlage für die Akzeptanz oder Nicht-Akzeptanz von Projektrisiken im Rahmen von Toleranzwerten schafft. Eine so definierte Risikokultur kann in drei Schritten implementiert werden [vgl. Hesseler 2011a, S. 105 ff.]:
Risikoanalyse Risikogestaltung Risikocontrolling.
Risikoanalyse. Ziel der Risikoanalyse ist die Identifikation, Dokumentation und Bewertung der die Projektziele tangierenden bedeutsamen Risiken hinsichtlich Risikowahrscheinlichkeit (z.B. Gefährdung des qualitativen Nutzens) und Schadenswahrscheinlichkeit/-höhe (z.B. Reputation). Risikoidentifikation. Zunächst müssen risikobehaftete Aktivitäten gebündelt werden, um die Wirkungen moralischer Risiken zu erkennen. Es folgt die genaue Ermittlung der Auswirkungen auf Meilensteine bzw. Endtermin mit Hilfe von Alternativbetrachtungen. Die Ergebnisse werden für weitere Expertenbewertungen verwendet und der Risikokatalog nach Risikoarten abgestimmt. Risikodokumentation. In diesem Teilschritt erfolgt eine Beschreibung und zeitliche Einordnung der Risiken. Außerdem müssen mögliche Abhängigkeiten zu anderen Risiken und Vorgängen sowie die Auswirkungen der Risiken auf Kosten, Termine und Ergebnisqualität dokumentiert werden. Risikobewertung. Schließlich müssen mehrere Einzelrisiken hinsichtlich eines gleichartigen Merkmals zusammengefasst werden. Auf Basis der Analyse des Gesamtrisikoumfangs wird dabei die relative Bedeutung mehrerer Einzelrisiken bestimmt. Risikogestaltung. Ziel der Risikogestaltung sind die Konzipierung und Einleitung geeigneter Maßnahmen zur Vorbeugung oder Minimierung von möglichen (moralischen) Schäden. Dabei stehen die Teilschritte Risikoklassifikation, -selektion und -handhabung im Vordergrund. Risikoklassifikation. Die identifizierten und bewerteten Risiken werden mit Hilfe der Merkmalsausprägungen „hohe Eintrittswahrscheinlichkeit“ und „Schadenshöhe nach dem Grad der Behandlungsbedürftigkeit“ klassifiziert. Risikoselektion. Es folgt eine übersichtliche, zielorientierte und effiziente Sortierung der Projektrisikosituationen auf Grundlage der einzuleitenden Maßnahmen im Risikofall. Risikohandhabung. Je nach Klassifizierung der bewerteten Risiken sollten entweder ursachenbezogen-präventive Maßnahmen entsprechend der Risikoplanung oder auswirkungsbezogen-korrektive Maßnahmen für behandlungsbedürftige Risiken (Risikovorsorge für Risikoüberwälzung) eingeleitet werden.
142
2. Konzeption und Gestaltung der Unternehmensberatung
Risikocontrolling. In diesem dritten und letzten Schritt soll festgestellt werden, ob die wesentlichen Risiken erkannt und richtig bewertet wurden und ob sich entschiedene Maßnahmen als wirksam und geeignet erweisen werden. Weiterhin muss das Risikocontrolling die Umsetzung der Maßnahmen überwachen und die Risiken im Projektablauf frühzeitig erkennen. Außerdem muss Sorge dafür getragen werden, dass die gebündelten Erkenntnisse für neue Projekte auf Grundlage der evaluierten Ergebnisse genutzt und dass Vorgehensregeln entwickelt werden. Generell ist das Risikocontrolling so etwas wie ein Krisenmanagement. Als wichtige, vorzuschaltende Regel im Risikomanagement gilt, dass das Gesamtrisiko grundsätzlich auf alle Projektbeteiligten aufzuteilen ist. So sollte die Verantwortung für Projektrisiken auf Schuldige in den unteren Hierarchien beim Beratungsunternehmen nicht reduziert werden. Auch muss dem Kundenunternehmen als Auftraggeber ein Teil der Verantwortung zugeschrieben werden. Eine weitere Empfehlung ist die Bildung überschaubarer und begrenzbarer Risiken, damit die Zielverantwortung der Projektleitung und die Ergebnisverantwortung des Beratungsmanagements zusammenwirken können [vgl. Hesseler 2011a, S. 108].
2.3 Analyse der Einflussfaktoren und Trends im Beratungsgeschäft
143
2.3 Analyse der Einflussfaktoren und Trends im Beratungsgeschäft Um effektive Unternehmensstrategien entwickeln und umsetzen zu können, muss das Beratungsmanagement zunächst den Kontext analysieren, in welchem das Unternehmen agiert, und die wichtigsten Einflussfaktoren dieser Umgebung identifizieren. Grundsätzlich können solche Einflussfaktoren Auswirkungen in zwei Richtungen haben. Zum einen auf die Kundenunternehmen und damit indirekt auf das Leistungsprofil der Unternehmensberatung und zum anderen direkt auf das Beratungsunternehmen selber. Abbildung 2-09 gibt einen Überblick über die verschiedenen Einflussfaktoren einer Unternehmensberatung.
Globales Umfeld
Demografische Umwelt
Technologische Umwelt
Soziokulturelle Umwelt
Makroökonomische Umwelt
Ökologische Umwelt
Wettbewerbs- und Marktumfeld
Politischrechtliche Umwelt
Strategisches Management
Führungsprozesse
Controlling Unternehmensinfrastruktur
Bewerber
Wissensmanagement
Unterstützungsprozesse
Produkt- und Tool-Entwicklung
Gewinnmarge
Kunden
Qualitätsmanagement Personalmanagement Hauptprozesse Marketing/Vertrieb
Beratung (Leistungserstellung/Delivery
Kooperationspartner
Wettbewerber Sonstige Stakeholder
Abb. 2-09:
Einflussfaktoren auf das Marketing einer Unternehmensberatung
2.3.1 Externe Einflussfaktoren – das Makro-Umfeld der Unternehmensberatung Die externen Einflussfaktoren, also das Makro-Umfeld des Beratungsunternehmens, lassen sich nach dem DESTEP-Prinzip in sechs Einflussgruppen unterteilen [vgl. Runia et al. 2011, S. 57]. DESTEP ist ein englisches Akronym für: Einflüsse der demografischen Umwelt (engl. Demographic environment) Einflüsse der makro-ökonomischen Umwelt (engl. Economic environment) Einflüsse der sozio-kulturellen Umwelt (engl. Social-cultural environment) Einflüsse der technologischen Umwelt (engl. Technological environment) Einflüsse der ökologischen Umwelt (engl. Ecological environment) Einflüsse der politisch-rechtlichen Umwelt (engl. Political environment). Gebräuchlich ist aber auch das Akronym PESTLE, das für nahezu die gleichen Inhalte bzw. Abkürzungen lediglich eine andere Reihenfolge verwendet. Der einzige Unterschied besteht
144
2. Konzeption und Gestaltung der Unternehmensberatung
darin, dass bei der PESTLE-Systematik die demografische Umwelt der sozio-kulturellen Umwelt zugeordnet wird und die politische-rechtlichen Faktoren in zwei Einflussbereiche aufgeteilt werden (siehe hierzu das Insert 2-03).
Insert 2-03:
DESTEP oder PESTEL – was ist das denn?
2.3 Analyse der Einflussfaktoren und Trends im Beratungsgeschäft
145
2.3.1.1 Demografische Einflüsse
Das Wachstum der Weltbevölkerung, die Alterung und Schrumpfung der Bevölkerung im Westen, wachsende Migrationsströme und demografische Verwerfungen kennzeichnen wichtige demografische Einflüsse. Fertilität, Mortalität und Migration sind auch die drei zentralen Einflussfaktoren für die Bevölkerungsentwicklung in Deutschland (siehe Insert 2-04).
Insert 2-04:
Altersaufbau der Bevölkerung in Deutschland
Die Wirkungen von Migration für die demografische Entwicklung sind komplex. Kurzfristig ändert sich die Altersstruktur in Industrieländer wie Deutschland in Richtung einer Verjüngung, weil die überwiegende Zahl der Zugewanderten jünger ist als die der Fortgezogenen. Langfristig dürfte sich dieser Verjüngungseffekt allerdings abschwächen. Von Bedeutung sind aber auch die Aufweichung der traditionellen Geschlechterrollen, die zunehmend wichtigere Rolle von Frauen im Erwerbsleben sowie die Aufwertung sozialer und kommunikativer Kompetenzen. Für das Familien- und Erwerbsleben gleichermaßen spielen die Work-Life-Balance sowie neue Familien- und Lebensformen eine immer größere Rolle. Angesprochen sind der Trend zur
146
2. Konzeption und Gestaltung der Unternehmensberatung
Kleinfamilie und die Zunahme nomadischer Haushaltsformen sowie die Verschiebung der Aufmerksamkeit von der Arbeits- in die Privatsphäre auf der anderen Seite [vgl. Lippold 2016, S. 120]. Aus diesem demografischen Wandel lassen sich für Unternehmensberatungen mindestens zwei Herausforderungsdimensionen ableiten [vgl. Kohlbacher et al. 2010, S. 30 f.]: Die internen Herausforderungen, die durch das steigende Durchschnittsalter der Mitarbeiterschaft induziert werden, berühren insbesondere das Personalmanagement, die Gestaltung interner Prozesse sowie die mit der Leistungserstellung häufig einhergehende hohe Anforderung an die Mobilität der Berater. Die externen Herausforderungen, die durch einen ständig wachsenden Anteil der älteren Menschen an der Gesamtbevölkerung hervorgerufen werden, betreffen im Wesentlichen die Produktentwicklung sowie das Marketing und den Vertrieb der Kundenunternehmen. Hierbei geht es für die Berater darum, gemeinsam mit ihren Kunden, Produkte und Dienstleistungen zu finden und so auszustatten, dass sie den spezifischen Bedürfnissen dieser wachsenden Kundschaft entsprechen und erfolgreich vermarktet werden können.
2.3.1.2 Makro-ökonomische Einflüsse
In diesem Umweltbereich wird betrachtet, welche Einflussfaktoren auf das Angebots- und Nachfrageverhalten der Güter- und Kapitalmärkte einer Volkswirtschaft wirken. Besonders wichtig sind jene Faktoren, die zur Verschärfung der Wettbewerbssituation, d. h. zum Wandel der Konkurrenzverhältnisse im internationalen und globalen Kontext führen. Hierzu zählt insbesondere die Innovation als zentraler Wachstumstreiber und Wettbewerbsfaktor. Veränderungen der Absatz- und Beschaffungsmärkte und spezifische Branchentendenzen (z.B. Wachstumsrate einer Branche), Einkommensverteilung, Geldvermögen, Sparquote, Inflationsrate, Arbeitslosenquote, Zinsniveau und Kaufkraftentwicklung sind weitere Rahmenbedingungen. In die Kategorie spezifische Branchentendenzen fällt auch der Trend zur Optimierung der Dienstleistungstiefe, d. h. die Frage, inwieweit bestimmte Aktivitäten der zentralen Dienste (Marketing, Personal, Controlling etc.) ausgelagert und durch andere Unternehmen wahrgenommen werden können (Outsourcing). Die zentralen Zielsetzungen in Verbindung mit Outsourcing bestehen darin, sich auf Kernkompetenzen zu konzentrieren und Kosten zu reduzieren. Nach der Optimierung der Produktivität, die als erste Revolution der Wertschöpfung bezeichnet wird, und nach der Optimierung der Fertigungstiefe (zweite Revolution der Wertschöpfung) geht es bei der Optimierung der Leistungstiefe, der dritten Revolution der Wertschöpfung, um die Reduzierung von Ineffizienz und Ineffektivität auf der Verwaltungsebene. In Insert 2-05 sind die drei Wertschöpfungsrevolutionen im Zusammenhang dargestellt. Bei der aktiven Umsetzung dieser dritten Revolution sind die Beratungsunternehmen mehr denn je gefragt. Werden diese Dienstleistungsinnovationen nicht realisiert, ist zu befürchten, dass weitere Unternehmen aus Deutschland abwandern, weil sie ihre Profitabilität nur noch durch Reduktion der Overhead-Kosten verbessern können. Das global wachsende Bildungsniveau, die
2.3 Analyse der Einflussfaktoren und Trends im Beratungsgeschäft
147
daten- und wissensbasierte Wertschöpfung und lebenslanges Lernen sind weitere Einflüsse, die in diese Rubrik fallen und unter dem Stichwort „wissensbasierte Ökonomie“ zusammengefasst werden können.
148
2. Konzeption und Gestaltung der Unternehmensberatung
Während die Herstellkosten in Relation zum Umsatz zumindest stabil geblieben sind, haben sich die Verwaltungskosten im Verhältnis zum Umsatz schrittweise erhöht. Dieses Ungleichgewicht nimmt die dritte Revolution der Wertschöpfung zum Ausgangs-
punkt. Die untenstehende Grafik verdeutlicht den Zusammenhang zwischen der Entwicklung der Herstell- und Verwaltungskosten im Verhältnis zum jeweiligen Umsatz bei ausgewählten deutschen Unternehmen.
115
Verwaltungskosten rel. zum Umsatz
110
105
100 Herstellungskosten rel. zum Umsatz 95
1998
1999
2000
2001
2002
Veränderung zum Vorjahr (indexiert): Altana, Bayer, BMW, EON, SAP, Schering, Siemens, VW [Quelle: Fink 2004] In der nachstehenden Grafik sind die wesentlichen Effekte bei der Optimierung der Fertigungstiefe und bei der Optimierung der Leistungstiefe dargestellt. Während bei der Reduktion der Fertigungstiefe der
Großteil der Fertigungsprozesse von Zulieferern abgedeckt wird, werden die Verwaltungsprozesse von externen Dienstleistern wahrgenommen.
Fertigungstiefe
Leistungstiefe
70% Verwaltungsprozesse werden von Dienstleistern abgedeckt
Fertigungsprozesse werden von Zulieferern abgedeckt
25%
1970 [Quelle: Fink 2004]
Insert 2-05:
2000
Optimierung der Dienstleistungstiefe
2004
2010
2.3 Analyse der Einflussfaktoren und Trends im Beratungsgeschäft
149
2.3.1.3 Sozio-kulturelle Einflüsse
Die sozio-kulturellen Einflussfaktoren befassen sich mit Trends, die die Werte und Normen von Gesellschaften beeinflussen. Von besonderem Einfluss sind soziale und kulturelle Disparitäten. Diese kommen in der zunehmenden Polarisierung zwischen Arm und Reich und in der Konkurrenz und Hybridisierung von Wertesystemen zum Ausdruck. Hinzu kommt, dass sich prekäre Lebensverhältnisse zum Massenphänomen entwickeln. Ein weiterer wichtiger sozio-kultureller Einflussfaktor ist die Umgestaltung der Gesundheitssysteme. Bestimmungsfaktoren hierfür sind die stark wachsenden Gesundheitsausgaben, die Reorganisation des Gesundheitssektors und neue Ansätze in Therapie und Diagnose. Das steigende Gesundheitsbewusstsein und die zunehmende Selbstverantwortung der Bevölkerung führen zu einer vermehrten Privatisierung der Kosten. Unter den sozio-kulturellen Einflüssen spielt die zunehmende Urbanisierung eine wichtige Rolle. Urbane Agglomerationen führen zu Strukturproblemen in ländlichen Regionen. Die Entwicklung angepasster Infrastrukturlösungen und eine nachhaltige Stadtentwicklung mit neuen Wohn-, Lebens- und Partizipationsformen wird unsere Zukunft mitbestimmen. Nach dem Zukunfts- und Trendforscher Matthias Horx sind es vier sogenannte Megatrends, die unser künftiges sozio-kulturelles Umfeld beeinflussen werden (siehe Abbildung 2-10):
Erstarken des weiblichen Geschlechts mit Auswirkungen auf Kaufverhalten und Design Trend zur Kleinfamilie und Zunahme nomadischer Haushaltsformen Veränderung der Altersstruktur mit gravierenden Auswirkungen auf das Kaufverhalten Zunehmender wirtschaftlicher und kultureller Einfluss Asiens.
Abb. 2-10:
Vier Megatrends im sozio-kulturellem Umfeld
Speziell für Beratungsunternehmen sind diese Megatrends nicht nur von mittelbarem, sondern auch von direktem Einfluss. Dabei lassen sich die Megatrends Frauen und Alterung auch unter dem Label „demografischer Wandel“ zusammenfassen.
150
2. Konzeption und Gestaltung der Unternehmensberatung
Beim Megatrend Frauen sind es die zunehmenden Karriereambitionen weiblicher Führungskräfte und Mitarbeiterinnen, auf das mit entsprechenden Karriere- und Diversity-Programmen reagiert werden sollte. Besonders im Fokus steht hierbei die aktuelle Diskussion über die Frauenquote in den Führungsetagen deutscher Unternehmen. Dies gilt übrigens in gleicher Weise für den immer noch verschwindend geringen Frauenanteil im Top-Management von Unternehmensberatungen. Während sich bei den Hochschulabsolventen als Berufseinsteiger der Anteil von Frauen und Männern noch in etwa die Waage hält, scheiden im Laufe der Beratungskarriere deutlich mehr Frauen als Männer aus den Unternehmen aus. Hier sollte das Personalmanagement in der Diskussion eine Vorreiterrolle einnehmen und die allzu hohen Mobilitätsansprüche an Beraterinnen auf ein vernünftiges Maß begrenzen. Auch sollte es gelingen, durch HomeOffice-Vereinbarungen oder Ähnliches das gerade in der Beraterbranche sehr häufig anzutreffende „Ich-muss-die-Welt-retten-Syndrom“ einzuschränken. Beim Megatrend Individualisierung ist für die Unternehmensberatung als Arbeitgeber vor allem der Wandel der allgemeinen Wertvorstellungen (Wertewandel) im Hinblick auf Eigenschaften wie Loyalität und Disziplin von Bedeutung. Auch die Verschiebung der Aufmerksamkeit von der Arbeits- in die Privatsphäre steht unter dem Begriff Work-Life-Balance ganz oben auf der Agenda des Personalmanagements einer Unternehmensberatung. Der Megatrend Alterung bezieht sich in erster Linie auf die Veränderungen der Altersstruktur und ihre Auswirkung auf die Arbeitskräfteverfügbarkeit. Daraus lassen sich zwei Dimensionen einer zukunftsweisenden Personalpolitik für Beratungsunternehmen ableiten: Zum einen eine veränderte Lebensphasenplanung der Mitarbeiter (siehe Abbildung 2-11) und zum anderen die nachhaltige Sicherung der Beschäftigungsfähigkeit (engl. Employability). Konkret bedeutet der demografische Wandel neben älter werdenden Belegschaften eine absolut sinkende Zahl an verfügbaren Erwerbspersonen und eine Verknappung an qualifizierten Fach- und Führungskräften sowie an jüngeren Arbeitskräften. Da gerade Unternehmensberatungen zu den Branchen gehören, die sich durch ein relativ geringes Durchschnittsalter auszeichnen, wird hier ein Umdenken erforderlich sein.
1960
Jugend und Ausbildung
2010+
Jugend und Ausbildung
0
10
Erwerbsleben Familienleben
Postadoleszenz
20
Erwerbsleben Familienleben
30
40
[Quelle: www.zukunftsinstitut.de]
Abb. 2-11:
Ruhestand
Von der drei- zur fünf-phasigen Biografie
Zweiter Aufbruch
50
60
Ruhestand
70
80 Jahre
2.3 Analyse der Einflussfaktoren und Trends im Beratungsgeschäft
151
Beim Megatrend Asien sind insbesondere Länder und Regionen wie Indien, China und Vietnam angesprochen, die seit Jahren als attraktive und kostengünstige Alternative zu den traditionellen High-Tech- und Service-Standorten der westlichen Welt gelten. Auch dort finden globale Unternehmen mittlerweile ein wachsendes Reservoir hochqualifizierter Fachkräfte vor. Dies gilt nicht nur für die globalen Wertschöpfungsketten im Bereich der Hardware- und ChipProduktion, deren Schwerpunkt heute bereits Asien ist. Im Zentrum dieser auch für die Unternehmensberatung relevanten Entwicklungen stehen vor allem
die Internationalisierung von Software-Entwicklung und IT-Dienstleistungen,
der Aufbau sogenannter Shared Services Center in Niedriglohnregionen, in denen Unternehmen Verwaltungstätigkeiten wie z.B. Buchhaltung, Reisekostenabrechnung u.ä. konzentrieren (Business Process Outsourcing),
die Internationalisierung der F&E-Abteilungen großer Unternehmen, die nun auch in Niedriglohnregionen eigene Entwicklungsstandorte etablieren.
Der Bereich Software-Entwicklung und IT-Dienstleistungen erweist sich dabei als Vorreiter der Globalisierung der Dienstleistungswirtschaft. In diesen Feldern lassen sich deshalb neue Muster der Globalisierung, des Welthandels und internationaler Arbeitsteilung idealtypisch erkennen [vgl. Boes et al. 2011, S. 6 ff.]. Hinweise, wie diese Potenziale der Globalisierung auch für Beratungsunternehmen genutzt werden können, finden sich insbesondere in Indien. Hier haben sich Unternehmen wie Tata Consultancy Systems (TCS), Infosys oder Wipro in der westlichen Welt als sogenannte Outsourcer einen Namen gemacht. Sie übernehmen IT-Routine-Aufgaben wie den Betrieb eines Rechenzentrums, aber auch komplette Prozesse wie etwa das Rechnungsmanagement für große und mittelgroße Unternehmen. Die IT-Dienstleister profitieren dabei von niedrigeren Nebenkosten in Indien. Aber auch die großen IT-Dienstleister, die nicht indischen Ursprungs sind, beschäftigen zwischenzeitlich mehr Beschäftigte auf dem asiatischen Kontinent als in ihren Ursprungsländern. Zu den Einzelheiten dieser Entwicklung siehe Insert 2-06.
152
2. Konzeption und Gestaltung der Unternehmensberatung
Insert
Indien: Von der „verlängerten Werkbank“ zum Knotenpunkt eines neuen globalen Produktionsmodells für IT-Dienstleistungen
Entwicklung der Beschäftigtenzahlen internationaler IT-Dienstleistungsunternehmen 2001- 2020 600.000
Accenture 500.000
Beschäftigte
TCS 400.000
300.000
Capgemini Infosys
200.000
Wipro Atos
100.000
T-Systems 0 2001
2004
2007
2010
2013
2016
2018
2020
[Quelle: Annual Reports 2001, 2004, 2007, 2010, 2013, 2016, 2018, 2020]
In einem rasanten Entwicklungsprozess ist Indien in den vergangenen Jahren zu einem Boomland für ITDienstleistungen avanciert. Nahezu alle wichtigen IT-Dienstleister besitzen heute große Dependancen in Indien mit mehreren Tausend Mitarbeitern, die auch in den letzten Jahren rapide Wachstumsraten verzeichneten. Insbesondere die Marktführer im Bereich der ITDienstleistungen, Accenture, IBM und Capgemini, stocken ihre indischen Tochterfirmen personell sehr schnell auf. Heute beschäftigen Accenture und Capgemini in Indien bereits mehr Angestellte als in den USA, der indische Standort von IBM ist gleichzeitig zum größten Auslandsstandort von „Big Blue“ geworden. Ebenfalls hohe Wachstumsraten der Beschäftigtenzahlen sind – wenn auch von einem deutlich niedrigeren Niveau aus – auch für Niederlassungen europäischer IT- Unternehmen wie SAP oder Siemens zu verzeichnen. Auch die Entwicklungsabteilungen von klassischen Industrieunternehmen wie General Electrics oder Bosch können
Insert 2-06:
mittlerweile auf große Entwicklungsstandorte in Indien zurückgreifen. Vor allem aber haben sich in Indien in einem rasanten Entwicklungsprozess eigenständige, global wettbewerbsfähige IT-Dienstleistungsunternehmen herausgebildet. Deren wichtigste Vertreter Infosys, Wipro und Tata Consulting Systems (TCS) haben heute bereits zu den traditionellen Marktführern westlicher Herkunft aufgeschlossen bzw. die wichtigsten europäischen Unternehmen wie z.B. Capgemini, Atos oder T-Systems hinsichtlich der Beschäftigtenzahl überholt. So beschäftigt das größte Unternehmen, TCS, aktuell rund 488.000 Mitarbeiter, Infosys ca. 260.00 und Wypro etwa 200.000. Lediglich Accenture mit zur Zeit über 500.000 Mitarbeitern ist nach diesem Kriterium noch größer als das größte indischen Unternehmen (siehe Grafik). Angesichts der im selben Zeitraum insgesamt rückläufigen oder stagnierenden Beschäftigungsentwicklung vieler europäischer Unternehmen wird hier der Bedeutungsgewinn der indischen IT-Industrie greifbar.
Entwicklung führender internationaler IT-Dienstleistungsunternehmen (Teil 1)
Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Umsatzzahlen. Stellt man die Umsatzwachstumsraten zusammen mit der Umsatzrendite in einer sogenannten Rendite-Wachstums-Matrix dar, so zeigen sich zwei Cluster: Den einen Cluster bilden die westlichen IT-Dienstleister mit durchschnittlicher Rendite und einem sehr unterschiedlichen Umsatzwachstum, das von einem Minus-Wachstum bis zu einem respektablen Wachstum bei Capgemini von über 12 Prozent reicht. Der zweite Cluster setzt sich zusammen aus den drei großen indischen IT-Dienstleister mit beachtlich hohen Renditezahlen, an die die westlichen IT-Dienstleister bei weitem nicht heranreichen (siehe Insert 2-07).
2.3 Analyse der Einflussfaktoren und Trends im Beratungsgeschäft
153
Insert
Rendite-Wachstums-Matrix 2019/20 für führende IT-Dienstleister Umsatzrendite in %
20
TCS
Wipro
Infosys Indische IT-Dienstleister 15
Westliche IT-Dienstleister
Accenture
10
Atos Capgemini 5
T-Systems
0 -10
-5 0 5 = Größe entsprechend der Umsatzgröße 2020
10
Umsatzwachstum in %
[Quelle: Errechnet aus Annual Reports 2019/2020] Die großen indischen IT-Firmen verfügen mittlerweile über langjährige Erfahrungen mit global verteilter Erbringung von IT-Dienstleistungen. Begonnen wurde zunächst mit dem sogenannten Bodyleasing indischer IT-Fachkräfte. Danach folgte eine Phase der Offsite-Produktion, d. h. indische Firmen etablierten kleine Marketingstandorte in der Nähe wichtiger Kunden, während die Leistungen selbst weiterhin in Indien erstellt wurden. Hier konnten jedoch zunächst nur einfache Projekte mit definierten Funktionalitäten ausgeführt werden, die kein aufwändigeres Projektmanagement erforderten. Erst danach wurden global verteilte Onsite-offsite-Modelle entwickelt. Um die Koordination und Problemlösung zu verbessern, wurden Projektmanager und Mitarbeiter vor Ort beim Kunden eingesetzt, während große Bereiche des operativen Projektgeschäfts in Indien selbst verrichtet wurden. Dadurch sollten die Kostenvorteile der Entwicklung in einem Niedriglohnland mit Managementpräsenz beim Kunden verbunden werden. In diesem Prozess haben die indischen IT-Firmen gelernt, nicht
Insert 2-07:
nur einfache Projekte durchzuführen, sondern immer komplexere. So wurden die großen indischen Firmen in der Folge zu strategischen Partnern für komplexe SAP-Lösungen. Große indische IT-Dienstleister erbringen also keineswegs nur einfache IT-Dienstleistungen. Sie haben sich nicht auf ihre Kostenführerschaft verlassen, sondern frühzeitig auch auf Qualität gesetzt. Seit einigen Jahren verfolgen sie aufbauend darauf das Ziel, höherwertige Dienstleistungen zu erbringen. Die enge Partnerschaft dieser Unternehmen mit den großen Standardsoftware-Herstellern wie zum Beispiel SAP ist in diesem Zusammenhang von besonderer strategischer Bedeutung für sie. In diesen Kontext fällt auch die Ankündigung von INFOSYS, künftig auf der Wertschöpfungskette weiter nach oben zu klettern und über die reine Informationstechnologie hinaus auch Beratungsleistungen anzubieten. Prozesskosten- und Lieferkettenoptimierung stehen dabei ganz oben auf der Angebotsliste der Inder. [Quelle: BOES et al. 2011, S. 37 ff. und Handelsblatt 17.12.2011]
Entwicklung führender internationaler IT-Dienstleistungsunternehmen (Teil 2)
2.3.1.4 Technologische Einflüsse
Die technologische Entwicklung ist sicherlich der Einflussfaktor, der unser Umfeld am stärksten formt und gestaltet. Zu den technischen Innovationen, die die Rahmenbedingungen für unsere Unternehmen besonders prägen, zählen die neuen Kommunikationsmittel. Im Mittelpunkt
154
2. Konzeption und Gestaltung der Unternehmensberatung
stehen dabei die enormen Potenziale, die das Internet den Unternehmen und ihren Kunden bietet. Aber auch neue Produktionsverfahren, die gravierende Änderungen im Leistungserstellungsprozess mit sich bringen, sowie vor allem Produkt- und Dienstleistungsinnovationen wirken sich auf Unternehmen nahezu aller Branchen aus. Ein Großteil der heute alltäglichen Produkte war vor wenigen Jahrzehnten noch gänzlich unbekannt: Flachbildschirme, Personal Computer, MP3-Player, Digitalkameras, Mobiltelefone und vieles andere mehr. Die Liste ließe sich beliebig fortführen. Neue Technologien schaffen neue Märkte und Absatzmöglichkeiten. Häufig ersetzt auch eine neue Technologie eine ältere. Insert 2-08 verdeutlicht, wie in der Unterhaltungselektronik innerhalb weniger Jahre die analoge Technologie vollends durch die digitale verdrängt wurde.
Insert 2-08:
Digital verdrängt analog
2.3 Analyse der Einflussfaktoren und Trends im Beratungsgeschäft
155
Nach der Theorie des russischen Wirtschaftswissenschaftlers Nicolai D. Kondratieff kommen etwa alle 50 Jahre Schlüsseltechnologien und Grundrohstoffe zum Durchbruch, die die gesamte Produktionskette weltweit verändern und gleichzeitig einen weltweiten Wirtschaftsschub auslösen. Diese langfristigen Konjunkturbewegungen werden auch als Kondratieff-Wellen oder -zyklen bezeichnet. Insert 2-09 gibt einen Überblick über die in Wellen verlaufenden Schwankungen. Die Kondratieff-Wellen sind aber nicht zu verwechseln mit den industriellen Revolutionen. Gleichwohl verlaufen sie im Zeitablauf fast parallel mit teilweise den gleichen Kriterien.
Insert 2-09: Kondratieff-Wellen vs. Industrielle Revolutionen Grundlegende technische Fortschritte waren in der Vergangenheit stets die Folge einer zentralen Erfindung. Die Dampfmaschine brachte die erste industrielle Revolution. Elektrizität und Fließband läuteten die zweite Revolution ein und die Automatisierung durch IT und Elektronik löste die dritte industrielle Revolution aus. Als Fortsetzung dieser Entwicklung wurde in Deutschland mit der kommenden Verzahnung von Industrie und Informationstechnik der Begriff „Industrie 4.0“ als vierte industrielle Revolution eingeführt (siehe Insert 2-10).
156
Insert 2-10:
2. Konzeption und Gestaltung der Unternehmensberatung
Industrie 4.0
Motor des Wachstums für die Beratungsbranche sind nicht so sehr die klassischen betriebswirtschaftlichen Themen der Strategieberatung, sondern vornehmlich IT-orientierte Themen von Cloud Computing über Big Data/Analytics bis hin zur IT-Security. Aufbauend auf den Möglichkeiten der zunehmenden Digitalisierung zeichnet sich darüber hinaus ein Trend zum Online-Vertrieb und zu Online-Services ab. Haben sich Beratungsgesellschaften früher besonders stark durch ihr Image, ihre Reputation und das spezifische Wissen und die langjährige Erfahrung einzelner Berater positioniert und versucht, sich dadurch vom Wettbewerb zu differenzieren, relativieren sich diese Kriterien angesichts der besonderen Herausforderungen der Digitalisierung. Als Erfolgsfaktoren für Beratungsprojekte gewinnen digitale Kompetenzen zunehmend an Bedeutung. Dies ist das Ergebnis einer Lünendonk-Umfrage unter 103 Managementberatern (siehe Insert 2-11).
2.3 Analyse der Einflussfaktoren und Trends im Beratungsgeschäft
Insert 2-11:
157
Erfolgsfaktoren für Beratungsprojekte
Zu den relevanten Technologiethemen, die das Wachstum der Beratungsbranche bestimmen, zählen:
Big Data Mobile Computing IT-Security Cloud Computing ERP-Systeme Konvergenzlösungen (ICT).
Big Data. Wer im Internet unterwegs ist, hinterlässt jede Menge Datenspuren, die mit den richtigen Auswertungsmethoden ziemlich genaue Rückschlüsse über das Konsum- und Freizeitverhalten, über Hobbies, Vorlieben und Gewohnheiten zulassen. Die Datenspuren liefern auch schlüssige Prognosen darüber, wofür wir uns morgen interessieren und welche Güter wir kaufen werden. Das Internet ist aber nur eine von vielen Datenquellen. Telekommunikation ist eine
158
2. Konzeption und Gestaltung der Unternehmensberatung
weitere. Andere Daten stammen von Marktforschern oder fallen quasi nebenher beim Betrieb von Maschinen oder technischen Gebrauchsgütern an. Big Data heißen solche Datensammlungen, die ständig wachsen (siehe Insert 2-12). Big Data beschreibt die Fähigkeit, große Datenmengen (Volume) aus unterschiedlichen Quellen und mit unterschiedlicher Struktur (Variety) in hoher Geschwindigkeit (Velocity) zu sammeln, zu verarbeiten, zu speichern und mit guter Qualität (Veracity) und der Zielsetzung eines wirtschaftlichen Nutzens (Value) auszuwerten. Mit den 5 Vs sind zugleich auch die fünf charakteristischen Merkmale von Big Data genannt.
Insert 2-12:
Wachstum der Datenmengen über die Zeit
Big Data umfasst demnach alle Konzepte, Methoden, Technologien, IT-Architekturen sowie Tools, mit denen sich die Informationsflut in Bahnen lenken lässt. Unternehmen sehen sich mit diesem rapiden Anstieg des Datenvolumens konfrontiert. Ursachen dafür sind ein ganzes Bündel von Technologien – Sensorik, RFID, Ambient Intelligence, Smartphones – und die immer stärkere Nutzung von Social-Media-Anwendungen. In Insert 2-13 ist dargestellt, auf welche Datenquellen, die ja letztlich für die Datenmenge undvielfalt verantwortlich sind, Unternehmen heutzutage zugreifen können.
2.3 Analyse der Einflussfaktoren und Trends im Beratungsgeschäft
159
Entstanden sind Big Data-Analysen im Zuge des Fortschritts in der Informationstechnik mit nahezu unbegrenztem Speicherplatz und einer immer höheren Rechengeschwindigkeit. Big Data-Technologien werden in sehr vielen Bereichen eingesetzt, u.a. im Hochwasserschutz, in der Verkehrsplanung und -überwachung, in der Forensik, in der medizinischen Forschung und Diagnostik sowie in Wirtschaftszweigen, mit deren Produkten und Services private Verbraucher besonders oft konfrontiert werden. Insgesamt wird die Datenwirtschaft die Geschäftsmodelle vieler Branchen unserer Industrie- und Dienstleistungslandschaft verändern. Die vielen Einsatzmöglichkeiten dürfen allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass Big Data nicht frei von Risiken ist, wenn es um personenbezogene Daten geht oder, wenn Kausalzusammenhänge falsch interpretiert werden.
Insert 2-13:
Datenquellen, die zum rasanten Datenwachstum führen
Mobile Computing. Die Verschmelzung von Telekommunikationsterminal und Computer zum Smartphone oder Tablet, den derzeit am weitesten verbreiteten Mobilgeräten, hat zu völlig neuen Nutzungsmöglichkeiten geführt. Mobile Computing ist die Internetnutzung mit Geräten wie Smartphones oder Tablets. Unternehmen stehen damit vor der Herausforderung, organisationsinterne Daten bzw. Anwendungen auf mobilen Geräten sicher und verlässlich zugänglich zu machen. Geschäftsprozesse werden also unterstützt und optimiert, in dem das IT-System des Unternehmens mit mobilen
160
2. Konzeption und Gestaltung der Unternehmensberatung
Endgeräten verbunden wird, so dass in vielen Bereichen (z.B. Vertrieb) ortsunabhängig gearbeitet werden kann (Stichwort: Bring Your Own Device (BYOD)). Noch in den Anfängen stehen derzeit Anwendungen des Mobile Payment. Neben den Beratungsunternehmen stellen sich zahlreiche andere Anbietergruppen wie Finanzinstitute, Internetunternehmen oder Mobilfunkanbieter strategisch und operativ für diesen interessanten Zukunftsmarkt auf. Aufgrund seiner Multifunktionalität hat das Smartphone in zweifacher Hinsicht eine besondere Rolle als Markttreiber übernommen. Auf der einen Seite vertreibt das Smartphone im Sinn der Substitution Produkte wie digitale Kompaktkameras, mobile Navigationsgeräte und MP3-Player vom Markt (siehe Insert 2-14).
Insert 2-14:
„Die Opfer des Smartphone-Booms“
2.3 Analyse der Einflussfaktoren und Trends im Beratungsgeschäft
161
Zum anderen treibt es den Markt an, da durch die Vernetzung zu anderen Geräten neue Anwendungs- und damit Wachstumsfelder entstehen. In den Smartphones sind eine Vielzahl von Sensoren und Kommunikationsschnittstellen eingebaut. Neben den für die Mobiltelefonie notwendigen Komponenten wie Mikrofon, Lautsprecher und dem Touchscreen als Bedienelement ist für diese Geräte auch die Schnittstelle zum Mobilfunknetzwerk typisch. Für Verbraucher ist diese Schnittstelle vor allem deshalb wichtig, weil das Smartphone immer mehr verfügbare Daten bündelt und alle Informationen auf einem Bildschirm zusammenfassen kann – ob es die Paketverfolgung nach der Onlinebestellung ist, die intelligente Türsprechanlage, die auf dem Smartphone anzeigt, wer klingelt oder die Datenaufbereitung vom FitnessTracker. Das Smartphone steht also nicht für sich allein, sondern entfaltet seine volle Wirkung erst mit dem vernetzten Gerät, mit dem es kommuniziert. Unter dem Aspekt der Nutzungsdauer hat das Smartphone andere Endgeräte wie Laptop, PC und Tablet-PC längst überholt. IT-Sicherheit. Die zunehmende Flexibilisierung und Automatisierung von Geschäftsprozessen erhöht für Unternehmen das Risiko, Opfer von IT-basierten Angriffen zu werden. Gut die Hälfte aller Unternehmen in Deutschland sind häufig oder gelegentlich das Ziel von Datendiebstahl, Wirtschaftsspionage oder Sabotage. Im industriellen Bereich sind es sogar mehr als zwei Drittel (siehe Insert 2-15). Die Abwehr solcher Schädigungsversuche setzt hohe Anforderungen an betriebliche IT-Sicherheitssysteme. Diese müssen zunehmend effektiv, transparent und flexibel sein. Im Bereich der technischen IT-Sicherheit ist der Schutz über Virenscanner, Firewalls und einen PasswortSchutz für Geräte inzwischen in allen Unternehmen angekommen. Aber bei der IT-Sicherheit reicht dieser Basisschutz nicht mehr aus. Die Cyber-Attacken werden zunehmend komplexer und beschränken sich nicht mehr nur auf den Bereich Cyber. Es werden offene Quellen aus dem Internet und der Presse ausgewertet und sogenanntes Social Engineering eingesetzt, um geschickt Zugänge zu den Informationsnetzen zu legen. Häufig werden diese ausgefeilten Angriffe gar nicht erkannt und der Abfluss von wertvollem Know-how bleibt unbemerkt. Deshalb sind zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen notwendig. Bislang verschlüsselt aber nur etwas weniger als die Hälfte (45 Prozent) aller Unternehmen Daten auf Datenträgern und lediglich 40 Prozent verschlüsseln ihre elektronische Kommunikation per E-Mail. Die Anzahl der Unternehmen, die eine Absicherung des internen Netzwerks gegen Datenabfluss von innen (engl. Data Leakage Prevention) und über spezielle Angriffserkennungssysteme (engl. Intrusion Detection) verfügen, ist noch viel geringer [vgl. Bitkom 2016a]. Nicht zuletzt die spektakulären Angriffe auf die IT-Sicherheit großer Konzerne haben vielen Unternehmen klargemacht, dass sie größere Anstrengungen zur Sicherung ihrer Systeme und Daten betreiben müssen. Durch die vermehrte Nutzung von Smartphones und Tablets wächst auch die Zahl der Angriffe aus dem mobilen Internet. Beratungsunternehmen unterstützen ihre Kunden bei Analyse und Prävention von Sicherheitslücken.
162
Insert 2-15:
2. Konzeption und Gestaltung der Unternehmensberatung
Datenklau, Spionage, Sabotage: Zwei Drittel der Industrie betroffen
Cloud Computing. Dieser Einflussfaktor hat sich innerhalb weniger Jahre zur Basis-Technologie der Digitalisierung entwickelt. 2016 haben bereits 65 Prozent aller Unternehmen in Deutschland Cloud Computing eingesetzt. Im Jahr 2014 waren es erst 44 Prozent. Gab es bislang noch ein großes Gefälle zwischen großen und kleinen Unternehmen, hat sich der Anteil der Cloud-Nutzer inzwischen stark angeglichen. Die bedarfsgerechte Nutzung von IT- Leistungen über Datennetze bietet enorme Vorteile. Cloud Computing macht die betrieblichen Prozesse effizienter und ermöglicht die Entwicklung neuer, digitaler Geschäftsmodelle. Cloud Computing bezeichnet aus Sicht der Anwender die bedarfsgerechte Nutzung von IT-Leistungen wie beispielsweise Software, Speicherplatz oder Rechenleistung über Datennetze. Das Datennetz kann ein unternehmens- bzw. organisationsinternes Intranet (engl. Private Cloud Computing) oder das öffentliche Internet (engl. Public Cloud Computing) sein. Der Trend in den Unternehmen geht seit einigen Jahren dahin, den Betrieb von Private Clouds an externe IT-Dienstleister zu vergeben [vgl. Bitkom 2017a].
2.3 Analyse der Einflussfaktoren und Trends im Beratungsgeschäft
163
Cloud Computing ist die Bereitstellung und Nutzung von IT-Leistungen nach Bedarf über Datennetzte (in der „Wolke“) anstatt auf lokalen Rechnern. Internetanwendungen wie E-Mail, soziale Netzwerke oder Videodienste laufen bereits fast ausschließlich in der Cloud. Cloud Services haben einen großen Sprung in die Unternehmenswelt gemacht. Sie werden unter anderem dazu genutzt, mobile Strategien voranzutreiben, bei denen die Schnittstellen zwischen Mitarbeitern, Geschäftspartnern oder auch Kunden neu definiert und verknüpft werden. ERP-Systeme. Das volle Potenzial der Digitalisierung entfaltet sich erst dann, wenn ein zentraler Taktgeber sämtliche Prozesse und Anwendungen steuert und diese in den betriebswirtschaftlichen Kontext des Unternehmens integriert. Denn ohne eine Verbindung zwischen Dienstleistungen, Waren- und Wertefluss macht die smarteste Fabrik keinen Sinn. Diese Aufgabe übernehmen moderne ERP-Systeme. Und auch bei der Art und Weise, wie wir künftig arbeiten, bieten ERP-Systeme ebenfalls wertvolle Unterstützung, da sie mit ihren Werkzeugen und aussagekräftigen Informationen einen elementaren Beitrag zur Prozessführung leisten [vgl. Bitkom 2017b]. ERP-Systeme sind also nicht nur die zentrale Software zur Steuerung der horizontalen und vertikalen Wertschöpfungsketten, sondern gleichzeitig auch die Datendrehscheibe im Unternehmen. Sie bündeln als Rückgrat der Organisation alle Unternehmensfunktionen. In den achtziger Jahren war die Anzahl der Lines of Program-Code Messgröße für den Wert eines Systems. Heute sind es die von einem System erfassten Daten und daraus gewonnenen Informationen. Praktisch alle für ein Unternehmen relevanten Stammdaten können im ERP-System verwaltet werden. Das gleiche gilt für die darauf aufbauenden Bewegungsdaten [vgl. Bitkom 2016b]. ERP-Systeme (engl. Enterprise Resource Planning) sind integrierte Standardsoftwaresysteme für die tragenden betriebswirtschaftlichen Anwendungen eines Unternehmens. Die ERP-Teilsysteme sind zwar jeweils funktional ausgerichtet, über eine gemeinsame Datenbasis ermöglichen sie aber die Integration dieser Teilsysteme. Typische Einsatzfelder sind Produktionsplanung und -steuerung (PPS), Einkauf- und Materialwirtschaft bzw. Logistik, Vertrieb, Kostenrechnung und Controlling sowie Personal. Die Einsatz- und Umfeldberatung von ERP-Systemen ist seit Jahren eine der größten Einkunftsquellen der IT-Beratung. Konvergenzlösungen im ICT-Bereich. Die Nutzung von Konvergenzlösungen, die durch das Zusammenwachsen von Telekommunikation und IT entstehen, differiert zum Teil erheblich. Konvergenzlösungen im ICT-Bereich (engl. Information and Communication Technology) begünstigen das Zusammenwachsen von IT- und Kommunikationssystemen. Insgesamt ist die Bewertung der Unternehmen, die konkrete Konvergenzlösungen nutzen, jedoch außerordentlich positiv. Besonders die Kostenreduzierung, die Beschleunigung von Abläufen und ein optimierter Kundenservice sind die Vorteile, die mit Konvergenzlösungen verbunden sind. Andererseits ist der Kenntnisstand der nicht aktiven Firmen teilweise gering. Anwendungsbeispiele für Konvergenzlösungen gibt es u.a. in folgenden Bereichen:
164
2. Konzeption und Gestaltung der Unternehmensberatung
Machine-to-Machine-Communication (M2M) Business Process Outsourcing (BPO) SaaS – Software as a Service (z.B. Softwarelösungen zur Teamarbeit über das Intranet/Internet, Videokonferenzsysteme) Webkonferenzen Company Net-Zugang über UMTS Virtual Backup & Restore.
ICT-Sourcing-Beratungen werden seit Jahren von Unternehmen des gehobenen Mittelstandes und Großunternehmen beauftragt, wenn es um die Partnersuche für IT-Outsourcing oder technologisch komplexe IT-Projekte geht. Die ICT-Sourcing-Berater begleiten den Prozess von der Planung bis zur Vergabe. Zu den Leistungen gehört neben dem Markt- Screening und der abschließenden Empfehlung für einen oder wenige IT-Provider auch die Gestaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen der Zusammenarbeit. 2.3.1.5 Ökologische Einflüsse
Natürliche Umwelteinflüsse haben i. d. R. keine direkten Auswirkungen auf Ziele und Strategien von Beratungsunternehmen, es sei denn, dass die Umweltberatung zum ausgewiesenen Leistungsprofil des Beratungsunternehmens zählt. Heute sind es etwa 500 Consulting-Unternehmen, die sich auf die Beratung in Energie- und Umweltfragen spezialisiert haben. Fünf Tendenzen sollen hier skizziert werden, die im Umweltbereich besondere Auswirkungen auf Unternehmensberatungen mit dem Geschäftsfeld Umweltberatung haben:
Verknappung der natürlichen Ressourcen in Verbindung mit steigenden Energiekosten Einsatz erneuerbarer Energien Neue Antriebstechnologien im Automobilbereich Zunehmende Umweltverschmutzung Umweltpolitische Interventionen staatlicher Institutionen.
Besondere Bedeutung kommt der Entwicklung alternativer Energiequellen wie Wind- und Solarenergie zu. Die Sicherstellung einer zuverlässigen, wirtschaftlichen und umweltverträglichen Energieversorgung ist eine der großen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Dabei werden nach der beschleunigten Energiewende in Deutschland (Ausstieg aus der Kernenergie) die erneuerbaren Energien eine herausragende Rolle spielen. Bei den erneuerbaren Energien stehen deutsche Unternehmen und Forschungseinrichtungen mit ihrer Innovationskraft weltweit an der Spitze. Erstmals wurde mehr Strom aus erneuerbaren Energien in das Stromnetz eingespeist als aus konventionellen Energieträgern (siehe Insert 216). Die mit der beschleunigten Energiewende in Deutschland verbundenen Ziele bieten Industrie- und Beratungsunternehmen eine Vielzahl von Betätigungsfeldern. Die Schaffung energieeffizienter Technologien in Verbindung mit Antriebstechniken, die sich hinsichtlich Energieart oder konstruktiver Lösung von den auf dem Markt verbreiteten Antriebstechniken unterscheiden, gehört ebenfalls zu den wichtigen Aufgabenfeldern industrieller Forschungsabteilungen. So arbeitet die Automobilindustrie intensiv an neuen Antriebstechno-
2.3 Analyse der Einflussfaktoren und Trends im Beratungsgeschäft
165
logien und energiesparenden Kompaktwagen. Unternehmen, die sich auf die Beratung der Automobilsparte konzentrieren, werden nicht an einer intensiven Auseinandersetzung mit neuen Antriebstechnologien, sei es der Hybridantrieb oder der Elektroantrieb, vorbeikommen. Auch die Entsorgung chemischer und nuklearer Abfälle und die Verschmutzung der Umwelt durch Materialien, die biologisch nicht abbaubar sind, stellen die Kundenunternehmen vor erhebliche Herausforderungen. Die Einhaltung von Umweltrichtlinien stellt zwar zunächst eine Belastung dar, sie bietet aber auch die Chance, neue Absatzpotenziale zu erschließen. Ob es sich um die Förderung der Erforschung der klimafreundlichen Nutzung von Biomasse, um die Förderung von Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet von Energiespeichertechnologien oder um Marktanreizprogramme für erneuerbare Energien handelt, auch hier finden Beratungsunternehmen eine Vielzahl von attraktiven Tätigkeitsgebieten.
Insert 2-16:
Bruttostromerzeugung nach Energieträgern
166
2. Konzeption und Gestaltung der Unternehmensberatung
2.3.1.6 Politisch-rechtliche Einflüsse
Es existiert eine Vielzahl von Gesetzen, die das Wettbewerbsverhalten, die Produktstandards, den Urheber- und Markenschutz aber auch den Verbraucherschutz regeln und damit von erheblicher Bedeutung für die Kundenunternehmen der Unternehmensberatungen sind. Die Liberalisierung des europäischen Strommarktes und die Deregulierung des Telekommunikationsmarktes sind Beispiele für politisch-rechtliche Einflüsse, die dem Management vieler Kundenunternehmen neue Chancen und Perspektiven eröffnet haben. Hier können Beratungsunternehmen mit entsprechender Expertise wertvolle Hilfestellung für ihre Kunden leisten. Aber auch kommunalpolitische Rahmenbedingungen und die spezifische(n) Standortsituation(en) des Unternehmens, die durch die (jeweilige) regionale Infrastruktur bestimmt wird (werden), zählen zu den politisch-rechtlichen Einflussfaktoren. Politisch-rechtliche Rahmenbedingungen, die unmittelbaren Einfluss auf die Beratungsunternehmen selbst haben, sind für große Teile der Beratungsbranche weniger von Bedeutung. Allerdings sind die Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaften, die teilweise eigene Beratungsgesellschaften unterhalten, zum Teil sehr massiv von politisch-rechtlichen Einflüssen betroffen. Zum einen sind hier die Bestrebungen der amerikanischen Börsenaufsichtsbehörde (SEC) zu nennen, nach denen sich die vier großen internationalen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften (Big-Four: KPMG, PWC, EY, Deloitte) vollends von ihren angeschlossenen Beratungseinheiten trennen sollen. Ausgangspunkt war hier der Enron-Skandal, der dazu führte, dass die großen Audit-Gesellschaften (Ausnahme: Deloitte) mehr oder weniger halbherzig ihre eigenständig geführten Beratungshäuser verselbständigten oder an andere Unternehmen verkauften. Die Trennung der Wirtschaftsprüfer von den Consultants sollte dabei insbesondere den Konflikt mit dem sogenannten Sarbanes-Oxley Act of 2002 (auch SOX, SarbOx oder SOA genannt) vermeiden. Es handelt sich dabei um ein US-Bundesgesetz, das 2002 als Reaktion auf die Bilanzskandale von Enron und Worldcom von Paul Sarbanes und Michael Oxley verfasst wurde. Das Sarbanes-Oxley Act verbietet den Wirtschaftsprüfungsgesellschaften Prüfungs- und Beratungsdienstleistungen gleichzeitig bei demselben Kunden zu erbringen. Diesen möglichen Konflikt haben die Big-Four aber sehr unterschiedlich interpretiert. Zwei der Big-Four haben ihren Beratungsbereich veräußert (PwC und EY), KPMG hat die Consulting-Abteilung als BearingPoint verselbständigt und Deloitte hat das Thema „ausgesessen“ und ihre Beratung behalten. Zum anderen gelten für die Auditoren die Bestimmungen der Wirtschaftsprüferordnung (WPO), nach denen ihnen nur ein „Marketing mit Handschellen“ (z. B. keine „marktschreierische“ Werbung) erlaubt ist. Abbildung 2-12 fasst die unternehmensexternen Einflussfaktoren – also das Makro-Umfeld der Unternehmensberatung – zusammen. Gleichzeitig zeigt die Zusammenstellung Auswirkungen bzw. Ansatzpunkte für interne und externe Beratungsinitiativen.
2.3 Analyse der Einflussfaktoren und Trends im Beratungsgeschäft
167
Das Makro-Umfeld der Unternehmensberatung Ausprägungen
Mögliche Auswirkungen auf/durch …
Verknappung der natürlichen Ressourcen
Beratungsinhalte
Steigende Energiekosten
Beratungsinhalte
Zunehmende Umweltverschmutzung
Beratungsinhalte
Megatrend Asien
Kostenstrukturen
Megatrend Individualisierung
Wertewandel, Work-Life-Balance
Megatrend Frauen
Karriere- und Diversity-Programme, Frauenquote
Megatrend Alterung
Employability, veränderte Lebensphasenplanung
Makroökonomische Einflüsse
Optimierung der Dienstleistungstiefe
Beratungsinhalte, Outsourcing
Globalisierung
Beratungsinhalte
Politischrechtliche Einflüsse
Forderung der SEC
Trennung von Audit und Consulting
Wirtschaftsprüferordnung
„Marketing mit Handschellen“
Wettbewerbsorient. Innovationsrichtung
Neue Geschäftsmodelle, Tools, Methoden, Produkte
Kundenorientierte Innovationsrichtung
Innovationsberatung, Innovationsprozessberatung
Ökologische Einflüsse
Sozio-kulturelle Einflüsse
Demografische Einflüsse
Technologische Einflüsse
Abb. 2-12:
Das Makro-Umfeld der Unternehmensberatung
2.3.2 Chancen-Risiken-Analyse Nachdem das Makro-Umfeld – also die externen Einflussfaktoren – der Unternehmensberatung gesichtet worden ist, geht es nun darum, auf dieser Grundlage mögliche Chancen und Risiken für das definierte Beratungsgeschäft zu identifizieren und daraus strategische Stoßrichtungen zu definieren. Chancen bzw. Möglichkeiten (engl. Opportunities) sind alle Situationen und Trends, die sich positiv auf die Entwicklung des Unternehmens auswirken bzw. die Nachfrage nach bestimmten Beratungsinhalten unterstützen. Risiken bzw. Bedrohungen (engl. Threats) sind demgegenüber alle Situationen, die sich schädlich auf das Unternehmen auswirken. Typische Fragen in diesem Zusammenhang können sein [vgl. Andler 2015, S. 288 f.]:
Welche Auswirkungen haben die (ökologischen, sozio-kulturellen, makro-ökonomischen, politisch-rechtlichen und technologischen) Einflussfaktoren auf Beratungsinhalte, Mitarbeiter, Manager, Kunden und Kostenstrukturen?
Ist die Unternehmensberatung durch solche Veränderungen verletzlich?
Wie intensiv ist der Wettbewerb?
Wie wahrscheinlich ist es, dass neue Wettbewerber in die definierten Beratungsfelder eindringen werden?
Wie sicher ist die gegenwärtige Marktposition des Unternehmens?
Welche konkreten Auswirkungen haben neue Technologien auf das Unternehmen insgesamt, auf Beratungsinhalte, Prozesse, Zielgruppen etc.?
168
2. Konzeption und Gestaltung der Unternehmensberatung
Mit dem Umfang der Chance nimmt in der Regel auch die Höhe des Risikos zu und umgekehrt. Daher wird in der Unternehmensberatungspraxis dem Risiko unter dem Thema Risikomanagement (engl. Risk Management) eine besondere Bedeutung beigemessen. 2.3.3 Interne Einflussfaktoren – das Mikro-Umfeld der Unternehmensberatung Dem Makro-Umfeld, also den unternehmensexternen Faktoren, auf die das Unternehmen keinen Einfluss hat, werden sodann die unternehmensinternen Faktoren gegenübergestellt. Hierbei handelt es sich prinzipiell um eine Analyse der Beratungsbranche und damit um eine Betrachtung des Mikro-Umfeldes. Sie lässt sich sinnvoller Weise in Rahmenbedingungen, die von Marktstruktur, Marktvolumen und -potenzial gesetzt werden, sowie in Einflüsse der Kunden und des Wettbewerbs unterteilen. Eine grundsätzliche Analyse und Beschreibung des Beratungsmarktes ist bereits in Abschnitt 1.4 vorgenommen worden. In diesem Zusammenhang sollen lediglich die wichtigsten Einflussfaktoren des Mikro-Umfeldes zusammengefasst und den Einflüssen des Makro-Umfeldes gegenübergestellt werden. Marktstruktur. Bei der Analyse der Marktstruktur geht es um Ein- und Austrittsbarrieren für Marktsegmente, in denen die Unternehmensberatung tätig ist. Prinzipiell gelten für das Geschäftsfeld der Strategie- und Managementberatung ebenso wie für das Marktsegment der international tätigen IT-Beratungen relativ hohe Markteintrittsbarrieren. Niedrige Barrieren liegen eher bei den kleineren Nischenanbietern vor, die sich auf eine bestimmte Branche oder auf einen bestimmten Funktionsbereich konzentrieren. Auch für Unternehmen, die mit einigen wenigen Mitarbeitern als verlängerte Werkbank bei der Einführung oder Anpassung von ERPSystemen agieren, liegen relativ niedrige Eintrittsbarrieren vor. Marktaustrittsbarrieren dürften bei nahezu allen Geschäftsmodellen der Beratungsbranche relativ niedrig sein. Marktvolumen und -potenzial. Der BDU gibt für 2012 den Umsatz der Beratungsbranche in Deutschland mit rund 22 Mrd. Euro an. Für die Größe des weltweiten Consulting-Marktes gibt es allerding keine verlässlichen Daten. Die Umsatzeinbußen, die der deutsche Beratungsmarkt als Folge der weltweiten Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise 2009 erlitten hatte, konnte die Branche im Jahr 2010 wieder wettmachen. Insgesamt gilt die Beratungsbranche als eine der attraktivsten Wirtschaftsbereiche mit jährlichen Wachstumsraten, die immer noch im zweistelligen Bereich liegen. Kunden. Als Beratungskunden kommen grundsätzlich alle Unternehmen in Frage. Das Beratungsgeschäft ist somit ein typisches B2B-Geschäft. Wesentliche Kundenanforderungen sind Seriosität, Qualität, Quantifizierbarkeit und Nachhaltigkeit der Beratungsleistungen. Obwohl die Preisbereitschaft in der Regel bei Großunternehmen höher ist als bei kleineren und mittleren Kundenunternehmen, sind es aber gerade die größeren Unternehmen, die mit der Einrichtung von Inhouse Consulting-Einheiten diesen hohen Kosten zunehmend aus dem Wege gehen wollen. Wettbewerb. Zahl und Struktur der Wettbewerber im Beratungsmarkt ändert sich von Marktsegment zu Marktsegment. Grundsätzlich ist der Beratungsmarkt in seiner Gesamtheit ein atomistischer Markt. Selbst die größeren Beratungsunternehmen verfügen nicht über Marktanteile,
2.3 Analyse der Einflussfaktoren und Trends im Beratungsgeschäft
169
die im zweistelligen Bereich liegen. In bestimmten Marktsegmenten (z. B. bei großen, weltweiten SAP-Rollouts) liegt eine oligopolistische Angebotsstruktur vor, da nur sehr wenige Beratungsunternehmen in der Lage sind, eine Nachfrage dieser Größenordnung zu befriedigen. In Abbildung 2-13 sind wichtige Einflussfaktoren des Mikro-Umfeldes zusammengestellt. Das Mikro-Umfeld der Unternehmensberatung
Marktstruktur
Marktvolumen und -potential
Kunden
Wettbewerb
Abb. 2-13:
Merkmal
Mögliche Ausprägungen
Markteintrittsbarrieren
Hoch, in bestimmten Marktsegmenten sehr hoch
Marktaustrittsbarrieren
Generell nicht sehr hoch
Anzahl Kunden
Gesamter B2B-Bereich
Marktwachstum
Überdurchschnittlich
Preisniveau
Relativ Hoch
Kapitalbedarf
Hoch für internationale Marktpräsenz, niedriger für Nischenanbieter
Kundenanforderungen
Hoch in Richtung Qualität, Quantifizierbarkeit und Nachhaltigkeit
Preisverhalten
Verhandlungsbedarf nimmt zu
Anzahl Wettbewerber
Atomistische Angebotsstruktur, in Märkten mit hohem Volumen eher oligopolistisch
Wettbewerbsintensität
Hoch (insbesondere bei Ausschreibungen)
Das Mikro-Umfeld der Unternehmensberatung
2.3.4 Stärken-Schwächen-Analyse Im Anschluss an die Sichtung der internen Einflussfaktoren – also des Mikro-Umfeldes – der Unternehmensberatung geht es nun darum, die Stärken und Schwächen des Unternehmens zu analysieren und daraus entsprechende Strategien abzuleiten. Ebenso wie bei der Chancen-Risiken-Analyse gibt es auch bei der Stärken-Schwächen-Analyse keinen allgemeinverbindlichen Kriterienkatalog mit entsprechenden Gewichtungsmodalitäten etc. Hilfreich für die StärkenSchwächen-Analyse ist vielmehr eine vorherige Identifikation der entscheidenden Erfolgsfaktoren. Solche Faktoren sind in jedem Beratungsunternehmen gut bekannt und können daher schnell abgerufen werden. Anhand der wichtigsten Erfolgsfaktoren können dann alle Stärken und Schwächen abgeprüft werden. Die Stärken (engl. Strengths) sind dabei jene Faktoren, die dem Unternehmen zu einer relativ starken Wettbewerbsposition verhelfen, während die Schwächen (engl. Weaknesses) das Unternehmen daran hindern, Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Untersucht wird bei einer StärkenSchwächen-Analyse die Position (Fähigkeiten und Ressourcen) des eigenen Unternehmens oder Geschäftsbereichs im Vergleich zu dem/den stärksten Wettbewerber(n). Alle identifizierten Stärken und Schwächen sind also relativ. Diese Relationen gewinnen häufig erst durch ein Benchmarking (Vergleich mit Wettbewerbern oder Branchenstandards) einen Aussagewert.
170
2. Konzeption und Gestaltung der Unternehmensberatung
Durch die Einschätzung der erhobenen Merkmale durch den Befragten entsteht ein StärkenSchwächen-Profil, das die Potenziale und den Verbesserungsbedarf des Unternehmens abbildet. Diese Analyse ist nicht nur für den Marketing-Bereich relevant. Auch für den Personalbereich, die Organisation oder für das Delivery kann die Analyse wichtige Hinweise geben. Eine Stärken-Schwächen-Analyse kann sowohl von den eigenen Mitarbeitern als auch von Außenstehenden durchgeführt werden. Sie ist eine empirische Grundlage zur Definition von Strategien wie auch von Qualitätsverfahren. In Abbildung 2-14 ist beispielhaft eine Stärken-Schwächen-Analyse abgebildet, wobei die Kriterienbereiche Unternehmen (allgemein), Markt/Marketing, Leistungserbringung/Delivery, Finanzen sowie Management und Personal des eigenen Unternehmens mit den zwei stärksten Wettbewerbern verglichen werden. Wichtig dabei ist, dass die einzelnen Kriterien von den Befragten in gleicher Weise interpretiert werden. So ist bspw. das Kriterium Kapitalstruktur/Anteilseigner dahingehend auszulegen, ob es sich um eine Partnerschaft, um eine Kapitalgesellschaft mit fremden Anteilseignern oder um eine Personengesellschaft handelt. Bereich
Kriterium
Stärke
Beispiele:
+++
Beurteilung ++
Unternehmen (allgemein)
Beschäftigtenentwicklung
Image/Reputation Preisniveau Kommunikation im Markt Service Offerings Leistungserbringung/ Delivery
Innovationspotential
Investitionsbereitschaft Kapitalstruktur/Anteilseigner
Management und Personal
Qualität der Mitarbeiter Fluktuationsrate
Eigenes Unternehmen
Abb. 2-14:
Erster Wettbewerber
Qualität der Führungskräfte
---
Kundenzufriedenheit Kundennähe
Finanzen
--
Kostenentwicklung
Markt/Marketing
-
+
Umsatzentwicklung
Schwäche
Zweiter Wettbewerber
Stärken-Schwächen-Analyse (fiktives Beispiel)
In der Unternehmenspraxis werden Unternehmensanalyse und Umweltanalyse miteinander kombiniert und als SWOT-Analyse (SWOT = Strengths, Weaknesses, Opportunities, Threats) durchgeführt. Die SWOT-Analyse stellt also Chancen und Risiken aus dem Makro-Umfeld sowie Stärken und Schwächen aus dem Mikro-Umfeld in einen Zusammenhang. Sie zählt neben der BCG-Matrix zu den am meisten verwendeten Beratungstools und wird daher in Abschnitt 4.4.1 näher beleuchtet.
2.4 Stand der digitalen Transformation in der Beratung
171
2.4 Stand der digitalen Transformation in der Beratung 2.4.1 Ausgangssituation und betriebliche Einflussbereiche der Digitalisierung Bevor untersucht wird, wie der Stand der Digitalisierung in der Beratung beurteilt werden kann, soll zunächst das digitale Angebot der deutschen Beratungsunternehmen untersucht werden. Dabei geht es aber nicht um die Art und Weise wie die Beratungsdienstleistung als solche im Zusammenhang mit den Möglichkeiten der Digitalisierung erbracht wird, sondern um den Beratungsinhalt unterteilt nach Digital Consulting Services, Digital Agency Services und Digital Technology Services [Quelle: Lünendonk 2020]. Digital Consulting Services Unterstützung bei der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle und Innovationsberatung Technologieberatung für Emerging Technologies wie Artificial Intelligence, Data Analytics, IoT etc. Entwicklung von Strategien zur Verbesserung der Digital Experience entlang der Customer Journey auf Basis von Customer Insights Unterstützung beim Aufbau agiler Organisationsstrukturen und Beratung zur Einführung von agilen Vorgehens-modellen Prozessberatung und Process Redesign Digital Agency Services Kreation, Konzeption und Design von digitalen Kunden-Touchpoints (Webseiten, Online-Shops, Customer Service-Portale, Apps etc.) Entwicklung und Umsetzung von Multi-Channel-Strategien Digital Marketing Services z.B. Performance-Marketing, Data-Driven-Marketing, Marketing-Automation, Online-Kampagnen, Content Management, SEO, SEA UX-Design für Digital Workplace, Business Software, Frontends von Kunden-Touchpoints Planung, Umsetzung und Steuerung von Content-Strategien sowie Online-Kampagnen (z.B. für Auto Konfiguratoren oder im E-Commerce) Digital Technology Services Technische Umsetzung digitaler Lösungen, vor allem Backend-Integration Software- und Systemintegration (im Rahmen von Digital Experience Projekten) Entwicklung und Integration von digitalen Plattformen für Kommunikation, Marketing und Vertrieb (z.B. Customer Experience Plattformen, E-Business, IoT-Plattformen mit Kundenbezug) Entwicklung von Connected Experiences Lösungen, z.B. im Auto oder beim Shopping Wie Insert 2-17 zeigt, sind die Berater das Werkzeug zur Digitalisierung ihrer Kunden. Aber warum ist das Werkzeug selbst nicht oder noch nicht digitalisiert? Denn im Gegensatz zu anderen Branchen, gab es in der Beratungsbranche in der Vergangenheit keine grundlegenden Veränderungen [vgl. Werth et al. 2016, S. 57].
172
Insert 2-17:
2. Konzeption und Gestaltung der Unternehmensberatung
Führende Anbieter von Digital Experience Services 2020
2.4 Stand der digitalen Transformation in der Beratung
173
Zur weiteren Bestimmung der Ausgangssituation zum Stand der digitalen Transformation in der Beratung zählt eine kurze Bestandaufnahme der Nutzung digitaler Beratungstechnologien im Beratungsalltag (siehe Insert 2-18).
Insert 2-18:
Nutzung digitaler Beratungstechnologien im Beratungsalltag
Digitalisierung verspricht den Kundenunternehmen Effizienz, Weiterentwicklung und Wettbewerbsvorteile in angestammten und neuen Märkten. Dazu ist in vielen Betrieben eine Überarbeitung der gesamten Wertschöpfungskette notwendig: Digitale Informationen müssen gesammelt, verarbeitet und in marktfähige Angebote übertragen werden. Dazu ist ein Management ist gefragt, das diesen Prozess verstehen, anstoßen, steuern und überwachen muss. Und hierzu sind wiederum Berater gefragt, die das Management der Kundenunternehmen dabei unterstützen
174
2. Konzeption und Gestaltung der Unternehmensberatung
und die verschiedenen Wechselwirkungen zwischen Digitalisierung einerseits und Unternehmensführung, Unternehmenskultur, Generationenwechsel, Marketing/Vertrieb, sozialen Medien und Organisation andererseits berücksichtigen und einordnen kann [vgl. Lippold 2020]. Digitalisierung und Unternehmensführung. Die Umsetzung der Digitalisierung wird ohne das richtige Management nicht funktionieren. Manager mit digitalem Know-how sind heiß begehrt und stehen ganz oben auf den Gehaltslisten. Das hat mit dem Bedarf, aber auch mit den besonderen Führungskompetenzen zu tun. Gleichzeitig funktioniert die richtige Unternehmensführung in modernen Unternehmen nicht ohne digitale Transformation, deren Ursache der technische Fortschritt ist. Digitalisierung und Unternehmenskultur. Die digitale Transformation ist nicht nur ein Führungs-, sondern auch ein Kulturthema, denn im Bereich der Arbeitskultur kommt es regelmäßig entweder zu den größten Abstoßungen oder zu den größten Adoptionen gegenüber einer neuen Technologie. Es geht also um eine generationenverbindende Kommunikations- bzw. Unternehmenskultur. Dabei geht es nicht mehr darum, digital zu werden – wir sind es bereits. Digitalisierung und Generationenwechsel. Nicht nur die Generation Y (ab Jahrgang 1980), die geprägt ist vom Internetboom und Smartphone-Hype, ist in der Arbeitswelt angekommen, sondern auch die Generation Z (ab Jahrgang 1995) setzt die ersten Schritte in die berufliche Praxis. Die intelligenten und technikaffinen jungen Arbeitnehmer („Digital Natives“) wurden demokratisch erzogen und arbeiten dann am effektivsten, wenn sie ihre Erfahrungen in die betrieblichen Prozesse mit einbringen können. Digitalisierung und Personalführung. Geht man von der (herkömmlichen) Führungskompetenz zur digitalen Führungskompetenz über, so kommen zwei Kompetenzen hinzu: die Medienkompetenz und die interkulturelle Kompetenz. Auf Basis dieser beiden zusätzlichen Kompetenzen sollte Führung mit Begeisterung und Offenheit praktiziert werden. Besonders spannend ist dabei die Frage, wie das Erfolgsmodell der hybriden Führungskraft aussieht. Digitalisierung und Marketing/Vertrieb. Neue Produkt- und Serviceangebote einerseits und die enormen Möglichkeiten von Big Data und mobilen Endgeräten andererseits machen deutlich, wie stark Marketing/Vertrieb und hier insbesondere der Kommunikationsbereich mit seinem Internet-Zugang von der Digitalisierung profitiert. Trotzdem werden die klassischen Kommunikationsmedien nicht auf der Strecke bleiben. Digitalisierung und soziale Medien. Der digitale Wandel verändert das Mediennutzenverhalten aller Stakeholder und stellt die klassischen Printmedien zusehends in den Schatten. Insbesondere der Boom sozialer Medien führt zu neuen Anforderungen, aber auch zu neuen Möglichkeiten bei der Mitarbeiter-, Führungskräfte- und Unternehmenskommunikation. Digitalisierung und Organisation. Das wichtigste Instrument, um das Handeln der Mitarbeiter im Sinne der Unternehmensziele unter Berücksichtigung der Digitalisierung zu koordinieren, ist die Organisation. Sie bestimmt, wie die einzelnen Unternehmenseinheiten bei der Aufgabenerfüllung verfahren sollen und wie sich jede Einheit bei ihrer Aufgabenerfüllung mit anderen Einheiten abstimmen soll.
2.4 Stand der digitalen Transformation in der Beratung
175
Fragt man die deutschen Unternehmen selbst, wie sie beim Thema Digitalisierung aufgestellt sind, so werden die Erfolge bei der digitalen Transformation skeptisch beurteilt (siehe dazu Insert 2-19).
Insert 2-19:
„Deutsche Wirtschaft läuft der Digitalisierung hinterher“
Ganz offensichtlich hängen Digitalisierungsgrad und Unternehmensgröße zusammen. Je größer das Unternehmen ist, desto positiver fällt die Selbsteinschätzung aus. Während sich von Unternehmen in der Größenordnung von 20 bis 99 Mitarbeitern 34 Prozent als Digitalisierungsvorreiter einstufen, sind es bei Firmen mit 100 bis 499 Mitarbeitern bereits 38 Prozent. Bei 500 bis 1.999 Mitarbeitern steigt der Anteil auf 47 Prozent, unter Firmen mit 2.000 und mehr Mitarbeitern betrachten sich gar 71 Prozent als Pioniere der digitalen Transformation. Allerdings gibt nur etwa jedes dritte Unternehmen (38 Prozent) an, eine zentrale Digitalstrategie für das gesamte Unternehmen zu verfolgen. 37 Prozent haben zumindest für ausgewählte Unternehmensbereiche Strategien zur Digitalisierung entwickelt, aber jedes vierte Unternehmen (23 Prozent) verfügt über keinerlei Digitalstrategie. Auch hierbei haben große Unternehmen und Konzerne die Nase vorn. Während Firmen mit mehr als 2.000 Mitarbeitern auf jeden Fall über eine Digitalstrategie verfügen, haben von den kleineren Unternehmen zwischen 20 und 99 Mitarbeitern 28 Prozent kein Konzept für den digitalen Wandel ihres Geschäftsmodells (siehe im Einzelnen dazu Insert 2-20).
176
Insert 2-20:
2. Konzeption und Gestaltung der Unternehmensberatung
„Jedes vierte Unternehmen verzichtet auf eine Digitalstrategie“
2.4.2 Digitalisierungsperspektiven der Beratung Aus Sicht der Beratung hat die digitale Transformation aber nicht nur kundenseitige Aspekte. Auch Unternehmensberatungen selbst stehen vor der Herausforderung, das eigene Geschäftsmodell zu überdenken. Um wettbewerbsfähig zu bleiben müssen Chancen technologiebasierter Beratungsansätze genutzt werden. Durch virtualisierte Prozesse, durch ein digital ergänztes Leistungsportfolio und durch angepasste Organisationsstrukturen können Kostensenkungspotenziale freigesetzt werden. Kundenanforderungen lassen sich besser abdecken und gleichzeitig die Work-Life-Balance von Mitarbeitern verbessern [vgl. Nissen/Werth 2018, S. 8]. Digitalisierung darf also nicht nur als Beratungsprodukt oder Beratungsgegenstand gesehen werden. Es muss auch betrachtet werden, ob und wie Beratung selber digitalisiert werden kann. Somit ergeben sich drei Perspektiven einer Unternehmensberatung auf die Digitalisierung (siehe Insert 2-21).
2.4 Stand der digitalen Transformation in der Beratung
177
Insert
Drei Perspektiven der Beratung auf die Digitalisierung 1 Digitalisierung ausschließlich als Beratungsgegenstand oder -produkt
2 Digitalisierung als pragmatischer Weg, die eigene Effizienz zu steigern
In der ersten Perspektive wird die Digitalisierung „nur“ als Beratungsgegenstand oder Beratungsprodukt gesehen. Gemeint ist ausschließlich die Kundenorientierung wie z.B. die Erstellung einer Digitalisierungsstrategie im Rahmen eines Kundenprojekts. Die zweite Perspektive sieht die Möglichkeiten der Digitalisierung als einen pragmatischen Weg, um die eigene Beratungseffizienz zu steigern. Ein Beispiel
Insert 2-21:
3 Digitalisierung als Vorstufe zu einer signifikanten Veränderung des eigenen Geschäftsmodells
dafür ist die Nutzung von Videokonferenzen anstelle von Präsenzmeetings. In der dritten Perspektive betrachtet der Berater die Digitalisierung als Vorstufe zu einer signifikanten Veränderung des eigenen Geschäftsmodells. Ein naheliegendes Beispiel ist der Ersatz von menschlicher durch computerisierte Arbeitsleistung. [Quelle: Deelmann 2019, S. 1]
Drei Perspektiven der Beratung auf die Digitalisierung
Zum aktuellen Stand der digitalen Transformation im Beratungsmarkt hat der Bundesverband Deutscher Unternehmensberater (BDU) 2017 in Kooperation mit der Technischen Universität Ilmenau und dem AWS-Institut eine Online-Befragung unter BDU-Beratern und deren Kunden durchgeführt. Im Fokus standen dabei die Veränderungen am Geschäftsmodell unter Berücksichtigung digitaler Beratungsansätze und Abrechnungsmodelle. Im Folgenden werden hierzu einige Ergebnisse dargestellt. 2.4.3 Klassische Beratungsleistungen vs. digitale Beratungstechnologie „Alles, was sich digitalisieren lässt, wird auch digitalisiert.“ Diese Maxime wird von den Kundenunternehmen der Berater immer wieder verkündet. Doch welche Schritte unternehmen Consulting-Firmen selbst, um die Digitalisierung für Ihr eigenes Geschäft zu nutzen? Welcher Beratertyp dominiert derzeit die Beratungslandschaft? Ist es eher noch der klassische Face-to-Face-Berater oder hat sich bereits der Digital Enthusiast durchgesetzt? Die Antwort ist ebenso wenig überraschend wie eindeutig. Der klassische Face-to-Face-Berater beherrscht nach wie vor das Beratungsgeschehen (siehe Insert 2-22).
178
2. Konzeption und Gestaltung der Unternehmensberatung
Insert
Mehrheit der Berater sind klassische Face-to-Face-Berater Face-to-Face Berater
33,3%
Mischform Berater
Digital Enthusiast
34,2%
24,8%
2,7% Eher Face-to-Face Face-to-Face Berater Berater
Mischform Berater
Sind Berater eher durch Face-to-Face-Berater oder durch Digital Enthusiasts geprägt? Als Digital Enthusiasts sind hier Berater gemeint, die für neuartige Technologien hochsensibilisiert und jederzeit bereit sind, ihr Beraterverhalten durch digitale Technologien zu verändern. Die Auswertung der Ergebnisse zeigt, dass die Mehrheit der Befragten eher noch der klassischen Face-to-Face-Beratung zuzurechnen ist. Dabei ist der Anteil derer, die sich als Digital Enthusiast oder als Vorstufe dieser einordnen, im Beratungsfeld IT-Beratung mit 9,5%
Insert 2-22:
Eher Digital Enthusiast
1,4% Digital Enthusiast
am höchsten. In der Strategieberatung sowie in der Organisations- und Prozessberatung liegen die Anteile der Digital Enthusiasts bei 3,6% bzw. 1,7%. Die Verteilung kann auf den unterschiedlich starken thematischen Bezug zu digitalen Technologien der verschiedenen Beratungsfelder, sowie auf die Altersstruktur der Stichprobe mit geringem Anteil jüngerer Beraterinnen und Berater zurückgeführt werden. [Quelle: Nissen/Werth 2018, S. 8]
Mehrheit der Berater sind klassische Face-to-Face-Berater
2.4.4 Reifegradmodell der Virtualisierung Digitale Beratungstechnologien, also die Virtualisierung von Beratungsleistungen stellen einen Transformationsprozess dar, bei dem im einfachsten Falle einzelne Beratungsleistungen und in der höchsten Ausbaustufe das gesamte Geschäftsmodell der Unternehmensberatung digital transformiert werden. Nissen/Seifert [2016] definierten ein entsprechendes Reifegradmodell der Virtualisierung mit vier Stufen (siehe Insert 2-23). In einer BDU-Vergleichsstudie von Anfang 2016 befanden sich die befragten Beratungsanbieter noch mehrheitlich auf den Stufen 1 und 2 dieses Reifegradmodells [vgl. Nissen/Werth 2018, S. 17].
2.4 Stand der digitalen Transformation in der Beratung
179
Insert
Entwicklung des Reifegrad-Levels der Berater Reifegrad
Reifegrad
4
4
Geschäftsmodell basiert auf digitalen Beratungstechnologien; Berater arbeitet nur noch in kritischen Phasen direkt mit dem Kunden zusammen
3
Digitale Beratungstechnologien als fester BestandTeil des Geschäftsmodels; persönlicher Beratereinsatz als Ausnahme, der gezielt gesteuert wird
48,1%
2
Projekte, bei denen Berater und Kunden örtlich getrennt zusammenarbeiten; die meisten Projekte basieren jedoch auf der persönlichen Interaktion.
26,4%
1
Traditionelle Beratungsprozesse, bei denen Berater mit dem Kunden vor Ort zusammenarbeiten; seltene Nutzung von Technologien wie Chat, Videokonferenzen oder Sharepoints
3
47,0%
2
1
45,0 %
BDU Studie 2016
BDU Studie 2017
26,4% der befragten Berater gaben an, dass der Fortschritt der Virtualisierung in ihrem Unternehmen dem Level 1 entspricht. 48,1% identifizieren sich am ehesten mit dem Level 2 und 23,1% mit Level 3. Immerhin 2,4% der Befragten gaben an, den höchsten Reifegrad (Level 4) erreicht zu haben. Im Vergleich zur Marktsituation Ende 2015 ist
der Anteil von Level 3 somit deutlich gestiegen, nämlich von 7,0% auf 23,1%. Gleichzeitig weist Level 1 einen Rückgang von 18,6% auf. Level 2 blieb weitgehend unverändert. Bei Level 4 gab es mehr als eine Verdopplung, wenn auch auf niedrigem Niveau. [Quelle: Nissen/Werth 2018, S. 18]
Insert 2-23: Entwicklung des Reifegrad-Levels der Berater 2.4.5 Digitale Beratungsansätze Im Gegensatz zum Reifegradmodell unterscheiden Werth/Greff [2018] vier digitale Beratungsansätze: Core-Only Consulting Plattform Consulting Self-Service Consulting Algorithmic Consulting Grundlage dieser vier Ansätze ist eine Typologisierung digitaler Dienstleistungen, bei denen der Fokus in der Verringerung des Personaleinsatzes bzw. in einer Vergrößerung des IT-Einsatzes liegt [vgl. Leimeister 2012, S. 39]. In vielen Fällen kann der Faktor Mensch allerdings nicht beliebig durch Informations- und Kommunikationstechnologien substituiert werden. Aber auch hier kann Digitalisierung helfen, indem Tätigkeiten, die ursprünglich ein Mitarbeiter ausgeführt hat, nunmehr über eine digitale
180
2. Konzeption und Gestaltung der Unternehmensberatung
Schnittstelle an den Kunden übertragen werden. Somit sind die beiden Dimensionen Mitarbeitereinsatz und die Selbstbeteiligung des Kunden maßgebend für die Beschreibung digitaler Dienstleistungen. Auf dieser Grundlage lassen sich digitale Dienstleistungen wie in Abbildung 2-15 klassifizieren und entsprechend auf digitale Beratungsleistungen übertragen [vgl. Werth et al. 2016, S. 58]. Insert
Digitale Dienstleistungen Virtualisierte Beratungsgespräche
Online Self Services
Remote Meetings
Formularbasierte Assessments
Core-Only Consulting
Self-Service Consulting
Online Streams
Vollautomatisierung
Live Webinare
Algorithmische Analysen
Plattform Consulting
Algorithmic Consulting
hoher
hohe
Selbstbeteiligung Kunde
geringe/ keine
geringer/kein Mitarbeitereinsatz
[Quelle: in Anlehnung an Werth et al. 2016, S. 58 und Nissen/Werth 2016, S. 43 ff.]
Abb. 2-15:
Klassifizierung digitaler Dienstleistungen
Core-Only Consulting. Unter diesem Beratungsansatz werden die informationsbasierten Segmente von Beratungsservices, die oft nicht im Kernbereich der Beratungsleistung liegen, von den Segmenten getrennt, die eine persönliche Kommunikation mit dem Kunden erfordern. Auf diese Weise erhält der Anbieter die Möglichkeit, diese Segmente mit Hilfe von Informationsund Kommunikationstechnologien effizient und skalierbar zu realisieren. Beispiele hierfür sind die Kommunikation über Audio-/ Videokonferenzen, die Terminfindung über Doodle oder die Rechnungsstellung über webbasierte Portale. Der Core-Only Beratungsansatz ist vergleichsweise einfach umzusetzen und automatisiert vor allem Unterstützungsfunktionen im Umfeld der eigentlichen Beratung [vgl. Nissen/Werth 2018, S. 18]. Plattform Consulting. Der Plattform Consulting Beratungsansatz ist charakterisiert durch die Auslagerung von Ressourcen und Nutzung von Potenzialen einer Sharing Economy. Der Ansatz wird realisiert durch den Einsatz und die Nutzung digitaler Marktplätze zur Auswahl ge-
2.4 Stand der digitalen Transformation in der Beratung
181
eigneter Beraterinnen und Berater (engl. people-oriented mediation) oder alternativ die Vermittlung von Beratungsprodukten (engl. product-oriented mediation). Ein Beispiel ist die Vermittlung von Freelancern über digitale Marktplätze (bspw. Clarify.fm). Beratungsunternehmen, die dieses Geschäftsmodell umsetzen, profitieren vor allem von der erfolgreichen Vermittlung. Sie werden von beiden Nutzerrollen – Kunden sowie Anbieter von Beratungsleistungen – bezahlt. Hierbei lassen sich auch über eingebettete Remote-Komponenten (z. B. Bildschirmübertragungen oder Videoübertragungen) kleinteilige Beratungsdienstleistungen auf Stunden- oder sogar Minutenbasis anbieten [vgl. Nissen/Werth 2018, S. 43]. Self-Service Consulting. Der Self-Service Beratungsansatz stellt digitale Beratungslösungen, wie bspw. Beratungs-Apps oder digitale Assessments zur Einschätzung der aktuellen Situation und Problemanalyse für Klienten bereit. Diese werden von den Kunden weitgehend autonom genutzt. Ein Beispiel ist BestPrax.de als Online-Benchmarking für Zahnarztpraxen. Der Kunde berät sich selbst. Zwar nicht wörtlich genommen, sondern maschinell unterstützt, aber dem Grunde nach übernimmt der Kunde (Teil-)Aufgaben des Beraters. Auf Basis der Kundenangaben werden während des Self-Service Prozesses automatisch Berichte generiert, Probleme identifiziert und nächste Schritte empfohlen [vgl. Nissen/Werth 2018, S. 43]. Algorithmic Consulting. Der vierte Beratungsansatz automatisiert einzelne Beratungsaufgaben, wie etwa die Analyse und Aufbereitung großer Datenmengen und strukturierte Darstellung der Ergebnisse in Form von Präsentationsfolien oder Prozessmodellen. Hierbei kommen beispielsweise Techniken des Data und Process Mining zum Einsatz (Beispiele: Lösungen von Inspirient und Celonis). Durch die Aufnahme und Zerlegung von spezifischen Beratungsprozessen werden Prozessbestandteile sichtbar, die tatsächlich automatisierbar sind. Hier kann ein Algorithmus die Arbeit menschlicher Berater ersetzen und sogar verbessern [vgl. Nissen/Werth 2018, S. 44]. Insert 2-24 zeigt, mit welchem Anteil die vier digitalen Beratungsansätze in den einzelnen Beratungsfeldern zum Einsatz kommen. Der relativ geringere Einsatz der Ansätze Plattform Consulting, Consulting Self-Services und Algorithmic Consulting erscheint widersprüchlich zum vorher dargestellten Fortschritt der Virtualisierung, bei dem sich die Mehrheit der Befragten bereits in Level zwei bis drei des Reifegradmodells einordneten. Die Ergebnisse zur Verwendung digitaler Beratungsansätze deuten eher auf einen niedrigeren Virtualisierungsgrad in deutschen Beratungshäusern hin als zuvor angegeben. Generell lässt sich feststellen, dass Berater aus den IT-nahen Beratungsfeldern digitale Beratungsansätze am häufigsten nutzen.
182
Insert 2-24:
2. Konzeption und Gestaltung der Unternehmensberatung
Digitale Beratungsansätze nach Beratungsfeldern
2.4.7 Nutzung und kundenseitige Akzeptanz digitaler Beratungstechnologien In der BDU-Studie „zum aktuellen Stand der digitalen Transformation im deutschen Markt für Unternehmensberatung“ wurde auf der Kundenseite die Bereitschaft zur Nutzung der digitalen Beratungsansätze erfragt (siehe Insert 2-25). Der Core-Only Beratungsansatz erfährt auch bei den Kunden die höchste Nutzungsbereitschaft. Es folgen die Algorithmic, Self-Service und Plattform Consulting Ansätze. Diese Reihenfolge ist jedoch unterschiedlich zum tatsächlichen Einsatz auf Beraterseite. Auch wenn algorithmische und Self-Service Ansätze nur in geringem Maße angeboten werden, so besteht doch auf Kundenseite eine stärkere Nutzungsbereitschaft für diese digitalen Beratungsansätze. Ganz offensichtlich wird das Potenzial dieser Beratungsansätze von den Beratungsanbietern derzeit noch unterschätzt [vgl. Nissen/Werth 2018, S. 18].
2.4 Stand der digitalen Transformation in der Beratung
183
Insert
Kundenseitige Bereitschaft zum Einsatz digitaler Beratungstechnologien hoch
niedrig
5,0 4,5 4,0 3,5 3,0 2,5 2,0 1,5 1,0
3,9 3,0
Core-Only Consulting Plattform Consulting (IKT-Tools) (Marktplätze)
Um auch konkreter die Kundenakzeptanz bezüglich der Geschäftsmodelle in der digitalen Beratung zu untersuchen, wurde die Bereitschaft zur Nutzung derartiger Konzepte bei den Kunden abgefragt. Als Vergleich wurden die Kommunikationstechnologie (IKT-Tools) und Kollaborationstools genutzt, welche als tendenziell etabliert angesehen werden. Über alle befragten Kunden hinweg ist die Offenheit
Insert 2-25:
3,1
3,2
Self-Service Consulting
Algorithmic Consulting
und Akzeptanz für alle Arten von digitalen Beratungsangeboten groß, insbesondere hinsichtlich für den Einsatz von Kommunikationstools (Videokonferenzen etc.), die es dem Berater erlauben, sich auf seine Kernberatungskompetenz zurückzuziehen. [Quelle: Nissen/Werth 2018, S. 18]
Bereitschaft zum Einsatz digitaler Beratungstechnologien
Angesichts der Ergebnisse der Kundenbefragung im Rahmen der BDU-Studie besteht generell kein Zweifel daran, dass bereits heute eine Nachfrage nach digitaler Beratung besteht. Die Autoren der Studie bezeichnen dies als erstaunlich, da digitale Beratung im Alltag der Beratungsbranche noch nicht etabliert ist. Eine Mehrheit der Kunden sieht also bereits heute in der Summe Vorteile, welche einen Einsatz digitaler Beratung in ihrem konkreten Fall begründen würden. Daher wurden die teilnehmenden Kunden in der Studie gebeten, Qualitätsfaktoren der klassischen Beratung und der digitalen Beratung auszuwählen und in Relation zu setzen. Das Ergebnis zeigt Insert 2-26. Es gibt Auskunft über die Erwartungshaltung bezüglich der Qualitätsfaktoren. Insbesondere vier Werte sind hier hervorzuheben, die sich teilweise um mehr als 50 Prozent zur Wertbasis unterscheiden [vgl. Nissen/Werth 2018, S. 34 f.].
184
Insert 2-26:
2. Konzeption und Gestaltung der Unternehmensberatung
Qualitätsfaktoren digitaler und klassischer Beratungsleistungen
2.5 Das Zielsystem der Unternehmensberatung
185
2.5 Das Zielsystem der Unternehmensberatung Nachdem die externen und internen Einflussfaktoren der Unternehmensberatung analysiert und ggf. Verbesserungspotenziale identifiziert sind, ist der konzeptionelle Kristallisationspunkt (siehe Abschnitt 2.1.1) erreicht. Im nächsten Schritt muss erarbeitet werden, wie und mit welchen Inhalten das Beratungsgeschäft betrieben werden soll. Dabei sind definierte Ziele unerlässlich: Sie steuern die Aufmerksamkeit aller Beteiligten in eine einheitliche Richtung und helfen ihnen dabei, ihre Aktivitäten zu fokussieren und untereinander abzustimmen. Formal und inhaltlich werden verschiedene Zielvorstellungen unterschieden. Der Aufbau eines solchen Zielsystems lässt sich aus Gründen der Anschauung als eine Art Pyramide darstellen, in der gleichzeitig eine hierarchische Ordnung zum Ausdruck kommt. An der Spitze der Zielpyramide steht die Unternehmensphilosophie mit den allgemeinen Wertvorstellungen (engl. Basic Beliefs), die im Sinne eines „Grundgesetzes“ Ausdruck dafür sind, dass Unternehmen neben ihrer einzelwirtschaftlichen Verantwortung auch eine gesamtwirtschaftliche Aufgabe zukommt [vgl. Becker 2009, S. 29]. Die allgemeinen Wertvorstellungen eines Unternehmens bilden den Rahmen für die Unternehmenskultur, die Unternehmensidentität, die Unternehmensleitlinien sowie die Grundlagen für den Unternehmenszweck. Den eigentlichen Kern des Zielsystems bilden die Unternehmensziele, die dann weiter in Teilziele (z. B. Funktions- oder Aktionsbereichsziele, Aktionsfeldziele etc.) heruntergebrochen werden. Abbildung 2-16 gibt einen Überblick über das hierarchische Zielsystem des Unternehmens.
Allgemeine Wertvorstellungen • Unternehmenskultur • Unternehmensidentität • Unternehmensleitlinien Sachziele • Vision • Mission Formalziele • Gewinn • Wachstum • Rentabilität z. B. Marketingziele für • Marktanteil • Image • Kundenzufriedenheit z. B. Ziele für • Segmentierung • Positionierung • Kommunikation
Unternehmensphilosophie Unternehmenszweck
Unternehmensziele
Aktionsbereichsziele
Aktionsfeldziele
[Quelle: in Anlehnung an Bea/Haas 2005, S. 69]
Abb. 2-16:
Die Zielpyramide des Unternehmens
Bevor auf die Komponenten der Unternehmensphilosophie näher eingegangen wird, sollen zunächst die wichtigsten Überlegungen zu Unternehmensführung, Unternehmensverfassung und Unternehmenseigentümer vorgestellt werden.
186
2. Konzeption und Gestaltung der Unternehmensberatung
2.5.1 Unternehmensführung Eine Unternehmensberatung ist in aller Regel ein sehr komplexes, vor allem aber dynamisches Gebilde. In ihm arbeiten Menschen, die sich ständig mit unterschiedlichen Situationen auseinandersetzen müssen und die durchaus auch unterschiedliche Ziele verfolgen können. Damit das Beratungsunternehmen als Ganzes funktionieren kann, muss das Handeln der Mitarbeiter koordiniert und auf ein gemeinsames Ziel ausrichtet werden: den nachhaltigen Erfolg des Unternehmens. 2.5.1.1 Grundlagen der Unternehmensführung
Diese Koordinierungs- und Steuerungsfunktion übernimmt die Unternehmensführung bzw. das Management. Die Führungskräfte auf der oberen Führungsebene (engl. Top Management) sind dadurch gekennzeichnet, dass sie Führungsaufgaben für das Gesamtunternehmen wahrnehmen. Hierzu zählt insbesondere die Geschäftsführung bei der GmbH bzw. der Vorstand bei der Aktiengesellschaft [vgl. Hungenberg/Wulf 2015, S. 20]. In diesem Zusammenhang soll kurz auf die englischen Management-Bezeichnungen eingegangen werden. Vor allem börsennotierte Start-ups und international operierende Unternehmen werben zunehmend mit angelsächsischen Jobtiteln – stets mit einem „C“ für Chief als Kürzel – um Führungs- bzw. Führungsnachwuchskräfte. Hier der sicherlich nicht vollständige CXO-Katalog [vgl. Lippold 2021, S. 17 f.]: Chief Executive Officer (CEO). Bei Großunternehmen bzw. Konzernen ist der CEO der Vorstandsvorsitzende, bei kleineren Unternehmen der Firmenchef. Chief Operating Officer (COO). Als Vorstand des operativen Geschäfts ist der COO für alle Betriebsabläufe und operative Entscheidungen des Unternehmens zuständig. Chief Financial Officer (CFO). Als Finanzvorstand einer Aktiengesellschaft bzw. als kaufmännischer Geschäftsführer einer GmbH obliegen dem CFO die Verwaltung der Geldmittel, das Controlling und die Finanzplanung des Unternehmens. Chief Human Resources Officer (CHRO). Er ist der Personalchef eines Unternehmens bzw. der Personalvorstand einer börsennotierten Gesellschaft. Chief Procurement Officer (CPO). In deutschen Unternehmen entspricht die Funktion ungefähr dem Leiter Einkauf/Beschaffung. Chief Marketing Officer (CMO). Der CMO) ist der Hauptverantwortliche für das Marketing eines Unternehmens. Er ist in der Regel Mitglied des Vorstands oder der Geschäftsführung und ist verantwortlich für Strategieentwicklung und Unternehmensauftritt. Chief Information Officer (CIO). Als. IT-Leiter (Leiter Informationstechnik) nimmt er in einem Unternehmen die Aufgaben der strategischen und operativen Führung der Informationstechnik (IT) wahr. Somit ist der CIO unternehmensweit auch der erste Ansprechpartner für die digitale Transformation.
2.5 Das Zielsystem der Unternehmensberatung
187
Chief Knowledge Officer (CKO). Dieser Chief nimmt die Rolle des Wissensmanagers wahr. In der Unternehmensberatung, deren Kerngeschäft sich durch wissensbasierte Lösungen oder Dienstleistungen auszeichnet, soll er eine Kultur des Wissensaustauschs etablieren und fördern. Chief Content Officer (CCO). Der CCO verantwortet die Inhalte der verschiedensten internetorientierten Marketing-Maßnahmen, zum Beispiel die Inhalte der Firmenwebsite oder die unternehmensbezogenen Social Media-Aktivitäten. In Abbildung 2-17 sind die hierarchischen Beziehungen der einzelnen Chiefs dargestellt, wobei betont werden muss, dass die Über- bzw. Unterstellungen insbesondere von der Größe und dem Produktportfolio des Unternehmens abhängen. Besonders interessant ist das „Zusammenspiel“ zwischen dem CEO und dem COO. Während der CEO eher generelle und vor allem strategische Entscheidungen innerhalb und für das Unternehmen trifft, leitet der COO das operative Geschäft des Unternehmens. Das bedeutet, dass er verantwortlich ist für die Qualität und die Wettbewerbsfähigkeit der Produkte beziehungsweise Dienstleistungen, die das Unternehmen am Markt anbietet. Dazu koordiniert er sämtliche operativen Teilbereiche des Unternehmens.
CEO
COO
CFO
Financial
CMO
Marketing
CHRO
Human Resources
CDO
Digitalisierung
CIO
CPO
Information
Procurement
CKO
Knowledge
CCO
Content
Abb. 2-17:
Mögliche hierarchische Ausprägungen der einzelnen CXO’s
2.5.1.2 CSR und nachhaltige Unternehmensführung
Corporate Social Responsibility (CSR) ist ein Konzept, das den Unternehmen als Grundlage dient, um freiwillig soziale und ökologische Belange in ihre Unternehmenstätigkeit und in die Beziehungen zu den Stakeholdern zu integrieren. Der Dreiklang von sozialer, ökologischer und wirtschaftlicher Verantwortung des Unternehmens wird auch als Triple-Bottom-Line bezeichnet [vgl. Schneider/Schmidpeter 2015, S. 44 f.]: Soziale Verantwortung sieht vor, die Interessen der Mitarbeiter zu respektieren und ihnen eine langfristige Perspektive im Unternehmen zu bieten. Ökologische Verantwortung beinhaltet die Reduzierung des Ressourcen- und Energieverbrauchs, aber auch die Entwicklung umweltverträglicher Innovationen. Ökonomische Verantwortung ist bspw. die ständige Verbesserung der Wertschöpfungskette, die Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit sowie die Gewinnerzielung. Einen ausführlichen Überblick über die einzelnen Teilaspekte und Notationen im Zusammenhang mit CSR und der Triple-Bottom-Line liefert Insert 2-27.
188
Insert 2-27:
2. Konzeption und Gestaltung der Unternehmensberatung
Die Triple-Bottom-Line
2.5 Das Zielsystem der Unternehmensberatung
189
CSR umfasst demnach das Bekenntnis des Managements, Umwelt- und Sozialbelange freiwillig über die bestehenden Verpflichtungen hinaus in unternehmerische Entscheidungen einzubeziehen. Betont werden die Verantwortung für die gesamte Wertschöpfungskette und der ständige Dialog mit den Stakeholdern, wobei den Mitarbeitern eine besondere Aufmerksamkeit zukommt. CSR ist keine zusätzliche Aktivität im Katalog unternehmerischer Aktivitäten, sondern eine bestimmte Denkhaltung, das Kerngeschäft zu betreiben. Es geht nicht darum, was mit den Gewinnen gemacht wird, sondern wie die Gewinne zu erzielen sind: umweltverträglich, sozial verantwortlich und zugleich ökonomisch erfolgreich. Wir bezeichnen eine solche Denkhaltung als nachhaltig und sprechen somit von nachhaltiger Unternehmensführung. CSR ist zugleich der zentrale von drei Bausteinen, die zusammen den Oberbegriff Corporate Responsibility (CR) ausmachen, d.h. CR ist die unternehmerische Verantwortung für jeden Einfluss, den die Unternehmenstätigkeit auf die Gesellschaft und die Umwelt hat (siehe Insert 2-28).
Insert 2-28:
Corporate Social Responsibility-Verständnis von Ernst & Young
Der zweite Baustein ist Corporate Citizenship (CC). Darunter fallen bspw. die finanzielle Unterstützung humanitärer Projekte, Unternehmensstiftungen oder auch die verschiedenen Spielarten des Sponsorings (Sport-, Kultur-, Sozio-, Umweltsponsoring). Auch das Corporate Volunteering gehört hierzu: Unternehmen stellen ihre Mitarbeiter für den Einsatz in sozialen
190
2. Konzeption und Gestaltung der Unternehmensberatung
oder ökologischen Projekten frei oder unterstützen ihr bereits bestehendes freiwilliges Engagement. Häufig wird Corporate Citizenship mit Unternehmensverantwortung, also mit CSR selbst gleichgesetzt, aber solche guten Taten sind keine Belege für CSR, sondern „nur“ für bürgerliches Engagement. Der dritte Baustein ist Corporate Governance (CG), der für deutsche Unternehmen im Deutschen Corporate Governance Kodex konkretisiert ist. CG beschäftigt sich mit den verbindlichen Spielregeln „guter und verantwortungsvoller Unternehmensführung“ wie Steuer- und Wirtschaftsgesetzen oder auch mit den ethischen Grundsätzen und moralischen Werten, an denen Unternehmensleitung und Mitarbeiter ihr Handeln ausrichten sollen. Da Werte und Gesetze je nach Branche, Land oder Selbstverständnis unterschiedlich sein können, muss sich jedes Unternehmen individuell damit auseinandersetzen, wie es deren Einhaltung sicherstellen kann [vgl. Ruter/Stäber 2009; Schneider/Schmidpeter 2015, S. 45 f.]. Damit stellt sich die Frage, wie sich CG von der oben beschriebenen Unternehmensverfassung unterscheidet. Die Unternehmensverfassung ist primär für die „Binnenordnung“ des Unternehmens zuständig; CG dagegen befasst sich eher mit Fragen der (rechtlichen und faktischen) Einbindung des Unternehmens in sein Umfeld befasst. Bei der CG liegt der Schwerpunkt auf großen börsennotierten (Aktien-)Gesellschaften, wohingegen das Konzept der Unternehmensverfassung auf alle Formen eines Unternehmens angewandt werden kann. 2.5.2 Unternehmensverfassung Als Verfassung wird die grundlegende, rechtwirksame Ordnung eines sozialen Systems – also eines Staates, einer Institution oder eben eines Unternehmens – bezeichnet. Eine Unternehmensverfassung hat somit die Aufgabe, die organisatorischen Grundlagen des Unternehmens zu klären. Sie macht Aussagen zu den relevanten Organen, deren Befugnisse und Zusammensetzung sowie zur Verteilung von Aufgaben und Verantwortung innerhalb des Unternehmens. Da die Unternehmensverfassung nur zu Teilen auf gesetzlichen Vorgaben, wie etwa dem Gesellschafts-, Arbeits-, Mitbestimmungs-, Wettbewerbs-, oder Verbraucherschutzrecht beruht, basieren diese Aussagen auch auf privatrechtlichen Vereinbarungen zwischen den Unternehmensträgern in Form von Gesellschaftsverträgen, Satzungen, Geschäftsordnungen, Geschäftsverteilungsplänen oder Unternehmensverträgen. Hinzu kommen Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen [vgl. Hungenberg/Wulf 2015, S. 69 ff.]. Von zentraler Bedeutung für die Unternehmensverfassung ist die Frage, wie die Eigentümer an der Leitung und Kontrolle ihres Unternehmens beteiligt werden sollen. Gesellschaftsrechtliche Regelungen finden sich dazu – je nach Rechtsform – in unterschiedlichen Gesetzen, so zum Beispiel im Handelsgesetzbuch, im GmbH-Gesetz oder im Aktiengesetz. Diese Gesetze sehen je nach Unternehmenstyp unterschiedliche Einflussmöglichkeiten der Eigentümer auf die Leitung und Kontrolle ihres Unternehmens vor. Grundsätzlich sind es drei verschiedene Organe, mit deren Hilfe die Eigentümer Einfluss auf ihr Unternehmen ausüben können: Leitungsorgan (verantwortlich für die Führung des Unternehmens) Kontrollorgan (zuständig für die Kontrolle der Unternehmensführung) Gesellschafterorgan (vertreten durch die Eigentümer des Unternehmens zur Entscheidung grundlegender Fragen, wie Gewinnverwendung oder Satzungsänderungen
2.5 Das Zielsystem der Unternehmensberatung
191
Alle drei Organe sind jedoch nicht für jeden Unternehmenstyp vorgeschrieben. Nimmt man das Einzelunternehmen aus, so lassen sich drei Unternehmensgrundtypen ableiten (siehe Abbildung 2-18). Zum ersten Grundtyp zählt die Offene Handelsgesellschaft (OHG), bei der Leitungs- und Gesellschafterorgan zusammenfallen und insofern auch kein Kontrollorgan erforderlich ist. Zum zweiten Grundtyp gehören die Kommanditgesellschaft (KG) und die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), sofern diese aufgrund ihrer Größe noch keinen besonderen Mitbestimmungsregeln unterliegt. Dieser Grundtyp ist durch eine Trennung von Leitungs- und Gesellschafterorgan gekennzeichnet. Die Bildung einer Gesellschafterversammlung, welche die Interessen der Anteilseigner vertritt, ist dagegen vorgesehen. Zum dritten Grundtyp der Unternehmensverfassung zählen unter anderem die mitbestimmungspflichtige GmbH, die Aktiengesellschaft (AG) und die Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA). Bei diesem Grundtyp existiert aufgrund der jeweiligen Unternehmensgröße ein eigenständiges Leitungs-, Kontroll- und Gesellschafterorgan [vgl. Hungenberg/Wulf 2015, S. 63 ff.].
Gesellschafterorgan
Kontrollorgan
Leitungsorgan
Gesellschafter (-versammlung)
OHG
KG, GmbH nicht-mitbestimmungspflichtig AG, KGaA, GmbH mitbestimmungspflichtig
Aufgaben (Beispiele)
Gesellschafterversammlung
Hauptversammlung
Geschäftsführung
Aufsichtsrat
• Satzung beschließen
• Unternehmensführung überwachen
• Finanzielle Fragen regeln
• Unternehmensführung bestellen
Vorstand
Unternehmensführung
[Quelle: Hungenberg/Wulf 2015, S. 64]
Abb. 2-18:
Grundtypen der Unternehmensverfassung von Gesellschaften
2.5.3 Unternehmenseigentümer Die Analyse der Eigentumsfrage ist auch vor dem Hintergrund interessant, dass in den vergangenen Jahren einige Unternehmensberatungen bereits tiefgreifende Veränderungen aufgrund des Wechsels ihrer Eigentumsform durchlaufen haben. Zu nennen sind hier insbesondere das Management Buy-out von Roland Berger Strategy Consultants (als Rückkauf der Anteile von der Deutschen Bank 1998) und von A. T. Kearney (als Rückkauf der Anteile von EDS 2006) sowie im umgekehrten Fall die Übernahme der Partneranteile von Ernst & Young Consulting durch die Aktiengesellschaft Capgemini S. A. im Jahr 2000.
192
2. Konzeption und Gestaltung der Unternehmensberatung
Letztlich sind es zwei große, homogene Eigentumsgruppen von Beratungsgesellschaften, die im Folgenden näher untersucht werden sollen: Partnerschaftsmodell: Gründer und Mitarbeiter als Eigentümer Investorenmodell: unternehmensexterne Kapitalgeber (inkl. Kunden und Lieferanten) als Eigentümer (Investoren). In der Beziehung zwischen dem Beratungsunternehmen und den beiden Eigentümergruppen treten prinzipiell zwei Kostenarten auf: Transaktionskosten und Governance-Kosten. Transaktionskosten entstehen bei Tauschprozessen zwischen dem Unternehmen und seinen Eigentümern. Governance-Kosten entstehen den Eigentümern durch die Kontrolle bzw. Überwachung des Managements, durch die Erzielung kollektiver Entscheidungen (z. B. über die Gewinnverwendung) und durch die Übernahme von Eigentümerrisiken. Nach Henry Hansmann ist die optimale Allokation von Eigentumsrechten nun diejenige, die die Summe aller Transaktionsund Governance-Kosten über alle Gruppen von Vertragsparteien (also Unternehmensberatung einerseits und Eigentümer andererseits) hinweg minimiert [vgl. Richter/Schröder 2007, S. 164 f. unter Bezugnahme auf Hansmann 1996]. 2.5.3.1 Partnerschaftsmodell
Beim Partnerschaftsmodell geht es um Unternehmen, die sich im Eigentum der leitenden Angestellten (Partner) befinden. Diese Partner verfügen einerseits über den Gewinn der Gesellschaft, andererseits legen sie die Corporate Governance fest. Die Partnerschaft bietet den Beratungsunternehmen (besser: den Partnern) die Vorzüge höherer Leistungsanreize, gegenseitiger Kontrolle sowie der unmittelbaren Beteiligung an den unternehmerischen Chancen und Risiken. Das Partnerschaftsmodell (engl. Professional Partnership Model)) ist dann besonders geeignet, wenn wenig Anlagekapital benötigt wird. Dies ist regelmäßig bei der Strategie- oder Managementberatung der Fall [vgl. Nissen/Kinne 2008, S. 92 f.]. Einer empirischen Untersuchung aus dem Jahre 2003 zur Folge, bei der die Allokation der Eigentumsrechte an den 50 renommiertesten Managementberatungen weltweit untersucht wurde, sind 58 Prozent der befragten Unternehmen im Eigentum von Partnerschaften, 40 Prozent im Eigentum von unternehmensexternen Kapitalgebern (Investoren) und zwei Prozent der untersuchten Managementberatungen sind Gründereigentum. Und auch Ausgründungen von Beratungsunternehmen aus Konzernen werden zunehmend als Partnerschaften organisiert [vgl. Richter/Schröder 2007, S. 162 unter Bezugnahme auf Lerner 2003]. Sind also Gründer und Mitarbeiter Miteigentümer an Beratungsunternehmen, so handelt es sich in der Regel um Partnerschaften, wobei nur ein geringer Teil der Mitarbeiter in den Genuss einer solchen Partnerschaft kommt (Senior-Berater). Durch die Übertragung der Eigentumsrechte an diese Senior-Berater kann eine gleiche Interessensrichtung zwischen Unternehmensberatung und Partner hergestellt werden, so dass die Transaktionskosten reduziert werden. Partner haben geringere Anreize, sich opportunistisch zu verhalten, da sie sich dadurch letztlich nur selbst schaden können. Für jüngere Mitarbeiter (Junior-Mitarbeiter) dient die Aussicht auf Aufnahme in die Partnerschaft zugleich als Anreiz, so dass sich auch hier die Tendenzen zu opportunistischem Verhalten reduzieren. Durch diese vergleichsweise eingeschränkte Zuteilung der
2.5 Das Zielsystem der Unternehmensberatung
193
Eigentumsrechte werden die Transaktionskosten, die sich aus der Informationsasymmetrie und dem opportunistischen Verhalten ergeben, allerdings nicht vollständig reduziert [vgl. Richter/Schröder 2007, S. 171 ff.]. Bedeutender sind aber in jedem Fall die Governance-Kosten, die bei einer Partnerschaft durch die spezifische Allokation von Eigentumsrechten an eine ausgewählte Gruppe anfallen. Diese Governance-Kosten entstehen zum einen durch die relativ hohe Fluktuation der Mitarbeiter auf den unteren Hierarchiestufen (engl. Grade). Würde man diesen Junior-Beratern ebenfalls Eigentumsrechte zuteilen, so wäre der administrative Aufwand dafür bei weitem zu hoch. Zum anderen besitzen jüngere Mitarbeiter in der Regel nicht ausreichend viel ungebundenes Kapital, das ihnen erlauben würde, auch die Risiken einer solchen Partnerschaft zu tragen. Generell lässt sich feststellen, dass ein partnerschaftliches Governance-Modell einerseits zu einer erhöhten Heterogenität zwischen Junior- und Senior-Beratern und andererseits zu einer erhöhten Homogenität der Partner (Senior-Berater) untereinander führt. Die Homogenität der Partnerschaft ist auch darauf zurückzuführen, dass Partner im Laufe ihrer Karriere einen internen Sozialisierungsprozess durchlaufen, der zu einer zunehmenden Internationalisierung der Werte und Kulturmerkmale der Unternehmensberatung führt. Dies hat zur Konsequenz, dass die Neueinstellung von Mitarbeitern auf Senior-Managementebene vergleichsweise selten ist [vgl. Covaleski et al. 1998, S. 293 ff. und Steiner 2000, S. 85 ff.]. 2.5.3.2 Investorenmodell
Das Investorenmodell ist besonders beliebt bei IT-Beratungsgesellschaften, die hohe Investitionen in Hard- und Software sowie in die Rauminfrastruktur tätigen müssen. Um den relativ hohen Kapitalbedarf dieser IT-orientierten Beratungsunternehmen zu decken, werden zumeist externe Kapitalgeber gesucht und die Unternehmen als Kapitalgesellschaft organisiert. Bei solchen Gesellschaften sind Eigentum und Führung ganz oder teilweise getrennt, d.h. die Führung liegt bei angestellten Managern ohne nennenswerte Kapitalanteile. Daher wird diese Organisationsform in der angelsächsischen Literatur als Managed Professional Business bezeichnet. Neben dem Kapitalbedarf kommt noch ein weiteres Argument hinzu, dass die Tendenz der Allokation der Eigentumsverhältnisse bei IT-Beratungsgesellschaften eher in Richtung Kapitalgesellschaften geht: Vertraulichkeit. Sie kann dann besonders gut gewährleistet werden, wenn kein Kapitalgeber an dem Beratungsunternehmen beteiligt ist, dem die Beratung rechenschaftspflichtig ist. Daher ist das Partnerschaftsmodell hier besonders gut geeignet. Bei der ITBeratung spielt dagegen die Vertraulichkeit eine weniger wichtige Rolle als in der Strategieberatung, da bspw. die Einführung einer Standardsoftware eine wenig vertrauliche Dienstleistung darstellt [vgl. Nissen/Kinne 2008, S. 93]. In der Gruppe der Investoren sind sämtliche externen Kapitalgeber als Eigentümer zusammengefasst. Hierunter zählen nicht nur reine Kapitalinvestoren, sondern auch Stakeholder in Form von Kunden oder Lieferanten. Besonders die Variante, dass eine Unternehmensberatung einem Kunden oder einem spezifischen Interessenvertreter gehört, ist in der Praxis häufig zu beobachten. Folgende Eigentümergruppen können identifiziert werden [vgl. Niedereichholz 2010, S. 15 ff.]:
194
2. Konzeption und Gestaltung der Unternehmensberatung
Finanzdienstleister, die ihre Firmenkunden über finanzwirtschaftlichen Fragen hinaus beraten wollen (historische Beispiele: Deutsche Bank mit der DGM – Deutschen Gesellschaft für Mittelstandsberatung, Roland Berger & Partner; IKB Consult; Gerling Consulting Gruppe) Großunternehmen, die ihre internen Servicebereiche ausgliedern oder die bestimmte Dienstleistungen (z.B. als Inhouse Consulting) bevorzugt von einer Tochtergesellschaft einkaufen (Beispiele: Lufthansa Systems; BASF IT Services; Bayer Business Services; Porsche Consulting; historische Beispiele: Bremer Vulkan mit VSS – Vulkan Software Services; ThyssenKrupp mit Triaton) Internationale IT-Anbieter, die angelockt von hohen Wachstumsraten immer stärker in den Dienstleistungsbereich drängen (Beispiele: IBM Global Business Services mit der Übernahme von PricewaterhouseCoopers Consulting; HP mit der Übernahme von EDS und Triaton) Internationale Wirtschaftsprüfungsgesellschaften (Big-Four-Gesellschaften), die aus ihren gesättigten Märkten heraus nach Diversifikationsmöglichkeiten suchen und – nachdem sie sich in einer ersten Welle von ihren profitablen Beratungsgesellschaften getrennt hatten (siehe auch 1.6.2 und 2.3.1.6) – nun dazu übergehen, wieder eigene ConsultingEinheiten aufzubauen und ihren Audit- und Tax-Bereichen anzugliedern; Verbände, die ihren Mitgliedern über ausgegliederte Tochtergesellschaften Beratungsleistungen (Branchenstudien, Betriebsvergleiche, Außenwirtschaftsberatung etc.) anbieten (Beispiel: BBE Handelsberatung). In allen genannten Fällen ist das Management des Beratungsunternehmens nicht identisch mit den Eigentümern. Das bedeutet, dass externe Eigentümer vor dem Problem der Bewertung des Geschäftsverlaufs und der Kontrolle des Managements stehen. Dies liegt vor allem an der Informationsasymmetrie zwischen dem Management der Unternehmensberatung und den externen Kapitalgebern. Somit entstehen für externe Kapitalgeber als Eigentümer relativ hohe Governance-Kosten. Bei der Übertragung der Eigentumsrechte entstehen gegenläufige Effekte. Normalerweise entwickelt eine Beratungsfirma keinen erhöhten Kapitalbedarf. Es benötigt Humankapital und nur in relativ geringem Umfang IT-Systeme, Logistik (Fuhrpark) und Rauminfrastruktur – es sei denn, das Beratungsunternehmen verfolgt nicht das „klassische Beratungsmodell“, sondern weitet sein Anbot auf infrastrukturintensivere Dienstleistungen wie Outsourcing oder auf kapitalintensivere internationale Märkte aus. Ist der externe Kapitalgeber ein Kunde der Unternehmensberatung, so werden die Transaktionskosten zunächst signifikant reduziert, da innerhalb ein- und desselben Unternehmens(verbundes) die Gefahr des opportunistischen Verhaltens begrenzt wird. Andererseits nehmen die Transaktionskosten in der Beziehung zwischen dem Beratungsunternehmen und anderen, potenziellen Kunden, die nicht Eigentümer sind, zu und erreichen teilweise prohibitive Ausmaße. Das liegt daran, dass potenzielle Kunden häufig nicht bereit sind, mit einer dem Wettbewerber gehörenden Unternehmensberatung zusammenzuarbeiten [vgl. Richter/Schröder 2007, S. 165 ff.]. Fazit: Die Eigentümerform der Partnerschaft ist dem Investorenmodell nur dann überlegen, wenn sie an bestimmte Bedingungen geknüpft ist. Zu diesen Bedingungen zählen ein moderater
2.5 Das Zielsystem der Unternehmensberatung
195
Kapitalbedarf sowie eine weitgehend homogene Interessenlage zwischen Management und Beratern. 2.5.4 Unternehmenskultur Jedes Unternehmen – und damit auch jede Unternehmensberatung – verfügt über eine Unternehmenskultur. Diese wird nicht einfach erfunden oder verordnet, sondern (vor)gelebt. Sie entsteht mit der Unternehmensgründung und ist je nach Entwicklungsgeschichte des Unternehmens mehr oder weniger ausdifferenziert. Häufig liegen die Ursprünge einer Unternehmenskultur beim Unternehmensgründer (z. B. Thomas Watson bei IBM, Steve Jobs bei Apple, Bill Gates bei Microsoft, Serge Kampf bei Capgemini, Friedrich A. Meyer bei ADV/ORGA, Roland Berger), die mit ihren Visionen und Ideen, mit ihren Wertvorstellungen, Eigenarten und Neigungen als Vorbilder für nachfolgende Managergenerationen dienen. Kulturprägend wirken aber auch Krisen und einschneidende Veränderungen sowie die Art und Weise, wie diese gemeistert werden, neue Geschäftsmodelle, die Branche und das (regionale) Umfeld eines Unternehmens, die Art der Kunden, der Investoren etc. [vgl. Buss 2009, S. 176 ff.]. Welchen Beitrag kann die Unternehmenskultur zur Wettbewerbsfähigkeit leisten? Besteht ein Zusammenhang zwischen Unternehmenskultur und wirtschaftlichem Erfolg? Bevor diese Fragen erörtert werden, soll aufgezeigt werden, was Unternehmenskultur ist und was sie bewirken kann. 2.5.4.1 Grundlagen der Unternehmenskultur
Die Unternehmenskultur (engl. Corporate Culture) besteht zunächst aus einem unsichtbaren Kern aus grundlegenden, kollektiven Überzeugungen, die das Denken, Handeln und Empfinden von Führungskräften und Mitarbeitern maßgeblich beeinflussen und die insgesamt typisch für das Unternehmen sind (innere Haltung). Diese grundlegenden Überzeugungen beeinflussen die Art, wie die Werte nach außen gezeigt werden (äußere Haltung). Gleichzeitig sind sie maßgebend für die Verhaltensregeln („so wie man es bei uns macht“), die an neue Mitarbeiter und Führungskräfte weitergegeben werden und die als Standards für gutes und richtiges Verhalten gelten. Diese Regeln zeigen sich für alle sichtbar an Artefakten wie Ritualen, Statussymbolen, Sprache, Kleidung etc. [vgl. Sackmann 2004, S. 24 ff.]. Abbildung 2-19 zeigt die verschiedenen Ebenen unternehmenskultureller Aspekte.
196
2. Konzeption und Gestaltung der Unternehmensberatung
Artefakte
Regeln
Gezeigte Werte (äußere Haltung)
Grundlegende Überzeugungen (innere Haltung)
Für jeden sichtbare Manifestationen (wenn auch nicht immer eindeutig interpretierbar) wie z. B. Statussymbole, Rituale, Sprache, Kleidung u. ä.
Bekannte Spielregeln und Standards für Verhalten wie z. B. Art des Umgangs miteinander, mit Kunden, mit Lieferanten, mit Geldgebern etc.
Öffentlich, nach außen postuliert (nicht unbedingt gelebt)
Unbewusst und als selbstverständlich genommen; steuern Wahrnehmung , Prioritäten, Prozesse, Denken und Verhalten [Quelle: Sackmann 2004, S. 27 in Anlehnung an Schein 1995, S. 30]
Abb. 2-19:
Unternehmenskulturelle Aspekte auf verschiedenen Ebenen
Die Unternehmenskultur ist in vielfacher Hinsicht von besonderer Bedeutung. Sie ist sowohl für das Unternehmen selbst als auch für die Mitarbeiter sinnstiftend. Als unsichtbare Einflussgröße erfüllt die Unternehmenskultur fünf zentrale Funktionen, die für das Bestehen und Funktionieren eines Unternehmens notwendig sind [vgl. Sackmann 2004, S. 27 ff.]: Reduktion von Komplexität. Die von der Unternehmenskultur vorgegebenen kollektiven Denkmuster dienen als Filter für die Wahrnehmung und bewirken eine schnelle Vorsortierung vorhandener Informationsfülle in „relevant“ und „nicht relevant“. Ohne den Mechanismus der Komplexitätsreduktion wäre sinnvolles Handeln in einem bestimmten Zeitumfang also gar nicht möglich. Koordiniertes Handeln. Die Unternehmenskultur stellt Mitarbeitern und Führungskräften ein gemeinsames Sinnsystem bereit, das sinnvolle gemeinsame Kommunikationsprozesse und damit abgestimmtes Handeln erst möglich macht. Die Bedeutung eines solchen gemeinsamen Sinnsystems wird bei der Zusammenarbeit von Menschen, die aus unterschiedlichen Kulturkreisen stammen, besonders deutlich. Identifikation. Die grundlegenden Überzeugungen und Annahmen, die der Unternehmenskultur innewohnen, hat Einfluss auf das Ausmaß an Identifikation von Mitarbeitern mit ihrem Unternehmen. Je nach konkreter Ausgestaltung der Unternehmenskultur kann die Identifikation hoch, mittel oder gering sein. Sie wirkt damit auf die Motivation und die Bereitschaft der Mitarbeiter, sich für das Unternehmen einzusetzen. Kontinuität. Die in der Unternehmenskultur enthaltene kollektive Lerngeschichte erlaubt routiniertes Handeln und schreibt die in der Vergangenheit erfolgreichen Erfolgsrezepte in der Gegenwart und Zukunft weiter fort. Damit muss nicht jeder Arbeitsgang neu überdacht und erst entwickelt werden. Integrationskraft. Jede Unternehmenskultur übt eine mehr oder weniger starke Integrationskraft aus, die dann zu Tragen kommt, wenn Bedrohungen aufkommen oder wenn unterschiedliche Kulturen oder Subkulturen zusammengeführt werden (sollen).
2.5 Das Zielsystem der Unternehmensberatung
197
Differenziert man die Beratungslandschaft nach der Eigentümerstruktur, so lassen sich – wie in Abschnitt 2.5.3 gezeigt – zwei weitgehend homogene Governance-Formen unterscheiden: das Partnerschaftsmodell (engl. Professional Partnership Model) und das Investorenmodell mit angestellten Führungskräften (engl. Managed Professional Business). Bezogen auf die Unternehmenskultur fungiert das Professional Partnership Model vorwiegend als „One firm“-Kultur mit großer Bedeutung professioneller Verhaltensmaßstäbe (z. B. Wahrung strikter Unabhängigkeit gegenüber den Kunden). Bei Unternehmen des Managed Professional Business dagegen haben die Kulturen der einzelnen Unternehmensbereiche eine stärkere Bedeutung. Auch dominiert hier mehr die Dienstleistungskultur, d. h. das grundsätzliche Selbstverständnis als Erbringer qualifizierter Services [vgl. Richter et al. 2005, S. 3]. Kultur kann als Wettbewerbsfaktor und/oder als sozialer Verantwortungsträger fungieren. Es lässt sich vermuten, dass der Einfluss und die spezielle Bedeutung von Unternehmenskultur bei wissensbasierten Firmen, bei denen Wissen als Produkt oder als Dienstleistung eine zentrale Rolle spielt (wie bei Beratungsunternehmen), besonders groß ist. So kann eine starke Unternehmenskultur für international ausgerichtete Beratungsunternehmen einen bedeutenden Erfolgsfaktor darstellen. Hier sind das koordinierte Handeln und die Integrationskraft besonders wichtig für ein erfolgreiches Auftreten auf den internationalen Märkten. Eine herausragende Rolle spielt die Unternehmenskultur auch bei Unternehmenszusammenschlüssen (engl. Merger). Hier ist die behutsame Integration verschiedener Unternehmenskulturen ein entscheidender, allerdings häufig unterschätzter Erfolgsfaktor. Nicht selten ist das Scheitern einer Unternehmenszusammenlegung darauf zurückzuführen, dass es offensichtlich nicht gelungen ist, verschiedene Unternehmenskulturen harmonisch miteinander zu verschmelzen. Diese Vermutung lässt sich jedenfalls aus der Analyse gescheiterter Mergers & Acquisitions (M&A)-Projekte ableiten. Vielfach sind es nicht ökonomische Defizite, sondern die mangelhafte Berücksichtigung weicher Faktoren, die zu Integrationsproblemen führen. Diese Problematik stellt sich aber nicht nur bei internationalen, sondern auch bei nationalen M&A-Projekten, da auch Unternehmen aus demselben Kulturkreis durchaus unterschiedliche „Binnenkulturen“ aufweisen können [vgl. Macharzina/Wolf 2010, S. 731 f.]. Teilweise sehr differenzierte Erfahrungen mit Unternehmensfusionen, bei denen unterschiedlich starke Unternehmenskulturen aufeinanderprallen, haben Price Waterhouse beim Zusammenschluss mit Coopers & Lybrand, Ernst & Young (bei der Übernahme von Arthur Andersen in Deutschland), Capgemini (bei der Übernahme von Ernst & Young Consulting) oder auch Deloitte (bei der missglückten Fusion mit Roland Berger) gemacht. In diesen oder vergleichbaren Fällen kann davon ausgegangen werden, dass besonders starke Unternehmenskulturen ceteris paribus die größeren Chancen haben, sich bei Unternehmenszusammenführungen erfolgreich durchzusetzen. Doch nicht nur bei Unternehmenszusammenschlüssen, sondern auch im Umgang mit älteren Mitarbeitern oder bei der Handhabung der Work-Life-Balance bietet die Unternehmenskultur wichtige Ansatzpunkte.
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2. Konzeption und Gestaltung der Unternehmensberatung
Auf der anderen Seite kann eine starke Unternehmenskultur aber auch einige Nachteile aufweisen. Neben einem Mangel an Flexibilität tendieren Kulturen zur „Abschließung“, sie blockieren „Neues“ und können Verkrustungen bilden. Damit können Innovationsbarrieren einhergehen. Einen Überblick über die verschiedenen Strategien einer möglichen Kulturintegration gibt Insert 2-29.
Insert 2-29: Strategien der Kulturintegration
2.5.4.2 Generationenverbindende Arbeitskultur als Erfolgsfaktor
Im Gegensatz zu der schon digital geprägten Generation Y wächst die nachfolgende Generation Z seit ihrer Geburt als „Digital Natives“ auf. Dieser Lern- und Lebensmodus ist an die sogenannte VUCA-Welt (V = volatility, U = uncertainty, C = complexity, A = ambiguity) bereits
2.5 Das Zielsystem der Unternehmensberatung
199
angepasst. Für traditionelle Führungskräfte und Unternehmen sind die „Digital Natives“ allerdings eine immer größere Herausforderung. Die Bindung bei ihnen besteht nicht mehr zum Unternehmen, sondern zu interessanten Projekten und zu mitreißenden Führungspersönlichkeiten. Digitale Transformation beschränkt sich nicht auf Technologien, sondern auf kulturelle Gestaltungs- und hybride Arbeitsräume, auf digitale Kulturen und Werte. „Was es bedarf, ist eine kompetenzbasierte, generations- und kultursensible Führung fernab der bloßen Statussymbolik, die alle fünf Generationen begeistert und verbindet, damit alle an der gemeinsamen Arbeitsumgebung arbeiten und fortlaufend hybride (analoge wie digitale) Kompetenzen entwickeln" [Ciesielski/Schutz 2016, S. 3]. Die digitale Transformation ist also ein Kultur- und ein Leadership-Thema. Es geht nicht mehr darum, digital zu werden – wir sind es bereits. In der Arbeitskultur kommen aber nicht nur die Generationen Y und Z, sondern auch die Baby Boomer und die Generation X zusammen. Die Frage ist also vielmehr, wie es gelingen kann, eine generationenübergreifende, besser generationenverbindende Kommunikations-bzw. Unternehmenskultur zu leben. Denn im Bereich der Arbeitskultur kommt es regelmäßig zu den größten Abstoßungs- oder Assimilationserscheinungen gegenüber einer neuen Technologie. Die unterschiedlichen mentalen Modelle und Wertvorstellungen der jeweiligen Generationen zu ignorieren und mit Kündigungen zu reagieren, kann angesichts der demografischen Entwicklung nicht funktionieren und ist keine Lösung. Nur eine generationengerechte Unternehmensführung wird zum wettbewerbsbestimmenden Erfolgsfaktor für die Zukunft [vgl. Möller et al. 2015, S. 127]. Um generationengerecht und generationenverbindend zu führen und zu agieren, schlagen Ciesielski/Schutz [2015, S. 58] drei Wege vor:
Bei der Führungskräfteentwicklung sollte der Irrweg Talentmanagement durch individuelle Talententfaltungsformate ersetzt werden. Es kommt darauf an, individuelle Führungspersönlichkeiten zu entwickeln und nicht standardisierte Führungsklone als Vorgesetzte vom Fließband zu produzieren.
Die Generation Z arbeitet auf hohem Aktivitätsniveau gerne, aber mit reduzierter Verantwortung, da sie von Kindheit an durch ihre Helikopter-Eltern und in ihrer Umwelt gelernt haben, die Verantwortung stets bei anderen zu sehen. Für die Unternehmen und ihre Führungskräfte bedeutet dies, dass der Generation Z Verantwortung in kleinen Schritten und behutsam anerzogen werden muss. Führungskräfte werden damit im Sinne eines konstruktiven Lernbegleiters gefordert werden.
Es gilt nicht länger uneingeschränkt der schlichte Satz „Die Jungen lernen von den Älteren“. Führungskunst ist es jetzt, die Kompetenzen der einzelnen Generationen im Alltag so zu erfassen und zu kombinieren, dass sie auch im Ganzen zur Entfaltung kommen können. Hierbei können völlig neue Rollenbilder entstehen und zusammenwirken.
2.5.5 Unternehmensidentität Als Unternehmensidentität (engl. Corporate Identity) wird die strategisch geplante und operativ eingesetzte Selbstdarstellung und Verhaltensweise eines Unternehmens nach innen und außen auf der Basis einer festgelegten Unternehmensphilosophie und -zielsetzung bezeichnet.
200
2. Konzeption und Gestaltung der Unternehmensberatung
Auf der Basis eines einheitlichen Unternehmens(leit)bildes soll über die Entwicklung eines „Wir-Bewusstseins“ das Corporate Identity-Konzept nach innen eine Unternehmenskultur etablieren und sicherstellen. Nach außen soll mit dem Corporate Identity-Konzept bei den verschiedenen Adressatenkreisen wie Kunden, Presse, Kapitalgeber, Lieferanten etc. der Aufbau eines Unternehmensimages ermöglicht werden [vgl. Birkigt/Stadler 1992, S. 18]. Corporate Identity (CI) drückt sich in vier Komponenten aus:
Corporate Behavior, Corporate Design, Corporate Communication und Corporate Governance.
Betrachtet man Corporate Culture als Fundament der Unternehmensphilosophie, dann bilden die vier CI-Komponenten quasi den Aufbau und werden unter dem Dach der Corporate Identity zusammengefasst. Abbildung 2-20 veranschaulicht diese Sichtweise und liefert eine kurze Darstellung und Beschreibung der Ziele der vier CI-Komponenten.
Corporate Identity
Beschreibung
Ziel
Corporate Behavior
Corporate Design
Corporate Communication
Corporate Governance
Widerspruchsfreies Verhalten innerhalb der Organisation und gegenüber Externen
Visuelle Darstellung nach innen und außen (konsequente Anwendung auf alle Kommunikationsmedien)
Integrierte, geplante und gezielte Kommunikation (organisations- und umweltbezogen)
• Funktionsfähige Unternehmensführung • Wahrung der StakeholderInteressen • Risikomanagement
• Höhere Motivation nach innen • Besseres Image nach außen
Optische Profilierung
Informationsvermittlung und Entscheidungssteuerung
Verantwortliche, auf langfristigen Erfolg ausgerichtete Unternehmensführung
Corporate Culture
Abb. 2-20:
Die CI-Komponenten
Aus Sicht des Marketing-Verantwortlichen haben die Corporate Communications, die sich durch einen integrierten Einsatz aller Kommunikationsinstrumente des Unternehmens auszeichnen, sowie das Corporate Design, das das äußere Erscheinungsbild des Unternehmens (von Visitenkarten über Briefbögen und Werbeanzeigen bis hin zum Gebäudeschriftzug) zum Gegenstand hat, die höchste praktische Bedeutung. 2.5.6 Unternehmensleitlinien und -grundsätze Unternehmenskultur und Unternehmensidentität finden ihren Niederschlag in den Unternehmensleitlinien. Derartige Leitbilder sind Orientierungshilfen für das Verhalten der Mitarbeiter
2.5 Das Zielsystem der Unternehmensberatung
201
gegenüber den Partnern des Unternehmens. Sie werden daher auch als Verhaltensrichtlinien (engl. Policy) bezeichnet [vgl. Bea/Haas 2005, S. 69 f.]. Viele Unternehmen fassen ihre Leitlinien als Unternehmensgrundsätze in Broschüren, Handbüchern oder auf Websites zusammen. Beispiele hierfür sind
der internationale Verhaltenskodex der KPMG und die globalen Unternehmenswerte („Seven Values“) von Capgemini.
Der Verhaltenskodex der internationalen Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft KPMG zählt zu den bekanntesten Beispielen für die Formulierung von Unternehmensgrundsätzen (siehe Insert 2-30). Insert
Unsere Werte Was uns so einzigartig macht? Vor allem sind es unsere mehr als 140.000 Mitarbeiter in mehr als 146 Ländern, die alle nach gemeinsamen Werten handeln. Sie bilden die Basis des Erfolgs von KPMG. Mit Wissen Werte schaffen: Aus dieser Maxime entsteht für uns eine Verantwortung, der wir gegenüber unseren Mandanten, der Geschäftswelt und unseren Mitarbeitern gerecht werden müssen. Weltweit die gleiche hohe Qualität für unsere Kunden Wir beschäftigen Mitarbeiter aus unterschiedlichen Nationen und Kulturen. Durch unser Handeln wollen wir unserem Unternehmen bei aller Vielfalt einer globalen Organisation ein einheitliches Gesicht geben. Kunden von KPMG können deshalb überall auf der Welt die gleiche hohe Qualität, Vertrauenswürdigkeit und Verlässlichkeit erwarten. Wir haben uns auf eine Reihe gemeinsamer Werte verständigt. Sie bestimmen unsere Unternehmenskultur und sind uns Verpflichtung im persönlichen und professionellen Verhalten:
Wir achten den Einzelnen. Wir handeln integer. Wir arbeiten zusammen. Wir gehen den Tatsachen auf den Grund und bieten nachvollziehbare Lösungen. Wir kommunizieren offen und ehrlich. Wir gehen mit gutem Beispiel voran. Wir fühlen uns der Gemeinschaft gegenüber verpflichtet
Insert 2-30:
Der internationale Verhaltenskodex von KPMG
Während der Wertekanon von KPMG als Verpflichtung für das persönliche und professionelle Verhalten aller Mitarbeiter gegenüber Kunden und sonstigen Stakeholdern formuliert sind, haben die sieben Werte des internationalen Beratungs- und IT-Dienstleistungsunternehmens Capgemini mehr den Charakter einer Aufzählung von Eigenschaften, die die Art der Beziehungen der Mitarbeiter untereinander regeln sollen oder zumindest als erstrebenswert erscheinen lassen (siehe Insert 2-31). In jedem Fall bestimmen derartige Unternehmensgrundsätze und Wertvorstellungen in hohem Maße die Unternehmenskultur, die ja insbesondere unter dem Aspekt von Unternehmenszusammenschlüssen oder Übernahmen eine ganz besondere Rolle spielen. So ist bspw. immer wieder festzustellen, dass partnergeführte Unternehmensberatungen ganz anders „ticken“ als Beratungsunternehmen, deren Anteilseigner betriebsfremde Shareholder sind.
202
Insert 2-31:
2. Konzeption und Gestaltung der Unternehmensberatung
Die globalen Unternehmenswerte von Capgemini
2.5 Das Zielsystem der Unternehmensberatung
203
2.5.7 Unternehmenszweck Der Unternehmenszweck gibt vor, welche Art von Leistungen das Unternehmen im Markt erbringen und anbieten soll. Er gibt Antwort auf die Frage. „Was ist unser Geschäft und was wird zukünftig unser Geschäft sein?“ Die damit angesprochene Mission einerseits und Vision andererseits müssen durch bestimmte Leistungen verwirklicht und „gelebt“ werden, damit sie zu starken Marken-, Produkt- bzw. Unternehmenskompetenzen sowie zu Wettbewerbsvorteilen führen. Die wichtigsten Fragen zur Mission, die die „klare Absicht des Unternehmenszwecks“ beschreibt, und zur Vision als „ehrgeizige Zukunftsvorstellung“ eines Unternehmens liefert Abbildung 2-21 [vgl. Becker 2009, S. 40]. Besonders die Vision verfügt über wesentliche unternehmerische Funktionen und Effekte. Sie ist die treibende Kraft zur Durchsetzung des Wandels und hat die Aufgabe, den Mitarbeitern ein unternehmerisches Zukunftsbild vorzugeben, Komplexität zu beherrschen und gerade in unsicheren Zeiten eine Orientierung und Richtung zu weisen. Zudem setzt eine tragfähige Vision bei den Organisationsmitgliedern in hohem Maße Kreativitäts- und Innovationspotenziale frei [vgl. Menzenbach 2012, S. 13 f.]. Unternehmenszweck
Mission • • • •
Was sind wir? Warum existieren wir? Wofür stehen wir? Woran glauben wir?
„Klare Absicht“
Vision • Wo müssen wir hin? • Wie müssen wir uns weiterentwickeln? • Wie können wir Existenz und Wachstum sichern? • Wovon träumen wir?
„Ehrgeizige Zukunftsvorstellung“
[Quelle: Becker, J. 2019, S. 43 und 46]
Abb. 2-21:
Fragen zu Mission und Vision
Im Zusammenhang mit dem Begriff Unternehmenszweck hat in jüngster Zeit ein weiterer Anglizismus Beachtung gefunden: Purpose. Prinzipiell ist Purpose (engl. Zweck, Sinn) nichts Anderes als alter Wein in neuen Schläuchen. Allerdings stellt Purpose mehr den intrinsischen Aspekt des Unternehmenszwecks in den Vordergrund. Damit wird die Sinnfrage, die insbesondere die jungen Generationen Y und Z angesichts ihrer täglichen Arbeit wiederholt stellen, zum gemeinsamen, verbindenden Gedanken zwischen Arbeitnehmern und dem Unternehmen [vgl. Lippold 2021, S. 124]. Insert 2-32 zeigt die Unterschiede zwischen dem Unternehmenszweck und Purpose in einem Blog-Beitrag ausführlich auf. Der Unternehmenszweck beschreibt gleichzeitig das Sachziel des Unternehmens. Während das Sachziel den Markt definiert, in dem das Unternehmen tätig sein will, legen die Formalziele
204
2. Konzeption und Gestaltung der Unternehmensberatung
die Dimensionen der Zielerreichung (Gewinn, Umsatz etc.) und das Ausmaß ihrer Erfüllung (Maximierung, Minimierung) fest [vgl. Bidlingmaier 1973, S. 25]. Theodore Levitt weist in seinem berühmt gewordenen Beitrag zur „Marketing-Kurzsichtigkeit“ (engl. Marketing Myopia) darauf hin, dass Entscheidungen über Sachziele besonders weitreichende, wenn nicht gar existenzielle Auswirkungen haben. So gingen z. B. die amerikanischen Eisenbahnen davon aus, ausschließlich im Eisenbahngeschäft tätig zu sein. Sie übersahen, dass ihr Geschäft nicht nur das Transportgeschäft zur Schiene, sondern auch das zu Wasser und zu Luft ist. So mussten sie trotz steigender Nachfrage nach Transportleistungen immer mehr Umsatzrückgänge und damit einen zunehmenden Bedeutungsverlust hinnehmen [vgl. Levitt 1960, S. 45 ff.].
Insert 2-32:
Unterschied zwischen Unternehmenszweck und Purpose
Die besondere Tragweite des Sachziels zeigt sich an einem Beispiel außerhalb der Beratungsbranche sehr deutlich: bei der Entwicklung des Daimler-Konzerns in den 1990er Jahren. Unter
2.5 Das Zielsystem der Unternehmensberatung
205
dem Vorstandsvorsitzenden Edzard Reuter definierte sich Daimler als „Integrierter Technologiekonzern“ mit den Sparten Automobil (Mercedes-Benz), Elektrotechnik (AEG, Olympia) und Luft- und Raumfahrt (MBB, Fokker, Dornier). „Zurück zur Kernkompetenz Automobil“ hieß dann die Devise unter Reuters Nachfolger Jürgen Schrempp, der die Elektronik- und Luftfahrtsparte verkaufte und mit dem amerikanischen Automobilkonzern Chrysler fusionierte. Hier wurde also das Sachziel innerhalb sehr kurzer Zeit grundlegend verändert. Zwischenzeitlich hat sich Daimler wieder von Chrysler getrennt, ohne jedoch den Fokus auf das Kerngeschäft „Automobil“ aufzugeben [vgl. Lippold 2015a, S. 66]. Aber auch die Beratungsbranche selbst ist schon „Opfer“ falscher Sachziel-Definitionen geworden. So haben viele Unternehmen den Spagat zwischen Unternehmensberatung und Softwarehaus nicht bewältigt, d. h. das Sachziel wird in diesem Fall nicht zu eng, sondern zu weit gefasst: viele Unternehmen wollen sowohl beraten als auch Software erstellen und anbieten. Die Erklärung liegt darin, dass die (anfangs noch individuelle) Software zumeist im ITBeratungsgeschäft entstanden ist und dann die Beratungserlöse dazu „herhalten“ müssen, die Softwareentwicklung marktreif zu gestalten. Das führt schließlich dazu, dass nach der Erstellung der marktreifen Software das neue Geschäft nicht separat betrieben wird, sondern beide Geschäftsmodelle parallel nebeneinander praktiziert werden. Da aber allein die Vermarktung von Projektleistungen (Beratung) und die Vermarktung von Produkten (Software) völlig anderen Gesetzmäßigkeiten unterliegen, sind diese „hybriden“ Unternehmen vor allem finanziell überfordert. ADV/ORGA, SCS und MBP sind prominente Beispiele für falsche Sachziel-Ambitionen (siehe auch 1.3.2). Daraus lässt sich die These ableiten, dass Unternehmen entweder dann überdurchschnittlich erfolgreich sind, wenn sie sich voll auf das Projektgeschäft oder voll auf das Produktgeschäft konzentrieren. IT-Beratungshäuser dagegen, die sowohl dem Produkt- als auch dem Projektgeschäft nachgehen und daher auch einen (halbherzigen) Mix aus Produkt- und Dienstleistungsmarketing betreiben, weisen eine unterdurchschnittliche Rentabilität aus [vgl. Lippold 1998, S. 257 ff.]. In Abbildung 2-22 ist die hypothetische Beziehung zwischen Rentabilität und Standardisierungsgrad dargestellt. Sie darf als eine mögliche Erklärung für die Marketing-Schwäche der deutschen Softwarebranche besonders in den 1980er und 1990er Jahren gelten.
206
2. Konzeption und Gestaltung der Unternehmensberatung
zunehmender Standardisierungsgrad
Hohe Anforderungen an • Vertrieb • Betreuung
Reiner (IT-) DienstLeister (Beratung)
Projektgeschäft
Produktanbieter und (IT-) Dienstleister
Produktgeschäft Reiner Produktanbieter (Software)
Hohe Anforderungen an • Kommunikation • Distribution
zunehmender Individualitätsgrad Rentabilität
Reiner (IT-) Dienstleister
“zwischen den Stühlen”
Reiner Produktanbieter
Standardisierungsgrad niedrig
hoch
[Quelle: Lippold 1998, S. 260]
Abb. 2-22:
Zusammenhang zwischen Standardisierungsgrad und Rentabilität
Der Unternehmenszweck findet häufig – gepaart mit einer konsequent kundenorientierten Kernaussage – seinen Niederschlag in der Kommunikationspolitik als sogenannte Tagline, die im „Untertitel“ der Unternehmensmarke geführt wird. Beispiele für solche Taglines sind:
BearingPoint: EY (Ernst & Young): Accenture: KPMG: Droege: Capgemini:
„To get there. Together.“ “Building a better working world” „High performance. Delivered.“ „Cutting through complexity“ „Advisory & Capital“ „Consulting. Technology. Outsourcing“ und „People matter. Results count.”
Heute verwendet allerdings nur noch EY eine Tagline. Die Taglines der Beratungsgesellschaften lassen sich in zwei Kategorien einteilen. Eine Gruppe der Untertitel beschreibt das „Was“ der Beratungstätigkeit (z. B. Roland Berger, Droege), die andere Kategorie das „Wie“ (z. B. EY, Accenture). Capgemini bedient sich sogar des „Was“ und des „Wie“. Darüber hinaus besteht für Beratungsunternehmen die Möglichkeit, das Sachziel unmittelbar in die Firmenbezeichnung, also direkt in den Unternehmensnamen einzubeziehen. Beispiele dafür sind:
Camelot Management Consultants Kienbaum Management Consultants Roland Berger Strategy Consultants
2.5 Das Zielsystem der Unternehmensberatung
207
Capgemini Consulting Steria Mummert Consulting IFH Retail Consultants Erfolgsketten Management Wilkes-Stange BMU Beratungsgesellschaft Mittelständischer Unternehmen UBG Unternehmensberatung für das Gesundheitswesen USL Unternehmensberatung Spedition und Logistik
Besonders wertvoll ist die Übernahme des Sachziels in die Firmierung immer dann, wenn das Beratungsunternehmen noch sehr jung und/oder noch nicht so bekannt ist. Auch wird dieses Prinzip immer dann angewendet, wenn ein Unternehmen, das einen anderen Geschäftsschwerpunkt hat, ein neues Geschäftsfeld im Bereich der Unternehmensberatung etablieren möchte. 2.5.8 Unternehmensziele – formale Ausrichtung In jedem Unternehmen gibt es eine Vielzahl von Zielen: Bereichsziele, Marketingziele, Personalziele etc. Entscheidend ist, dass es sich dabei nicht um autonome Ziele handelt. Sie müssen vielmehr aus den obersten Unternehmenszielen abgeleitet werden. Daher ist die Kenntnis der Unternehmensziele (engl. Objectives oder Corporate Goals) unerlässlich für Management und Mitarbeiter. Als typische Unternehmensziele werden immer wieder genannt:
Gewinn/Rentabilität Marktanteil/Marktposition Umsatz/Wachstum Unabhängigkeit/Sicherheit Soziale Verantwortung Prestige/Image.
Die Diskussionen darüber, welche Ziele im Rahmen dieses Zielkatalogs die höchste Priorität haben, führen in aller Regel zu dem Ergebnis, dass Gewinn- bzw. Rentabilitätsziele eine dominierende Bedeutung haben [vgl. Becker 2009, S. 16 und 61]. Ziele erfüllen ihre Steuerungsund Koordinationsfunktion umso besser, je klarer und exakter sie bestimmt werden. Daher müssen zweifelsfreie Angaben über
Zielinhalt, Zielausmaß und Zeitspanne der Zielerfüllung
vorliegen. Ist der Zielbildungsprozess nicht von Beginn an auf messbare Größen ausgerichtet, verliert eine zielgesteuerte Führung von vornherein an Effizienz [vgl. Bidlingmaier 1973, S. 138]. Insbesondere größere Beratungsunternehmen sind in mehrere Geschäftsbereiche untergliedert, so dass die Unternehmensziele weiter heruntergebrochen werden müssen. Sollten keine Geschäftsbereiche vorliegen, so werden die Unternehmensziele zumindest in Funktionsbereichsziele (engl. Functional Objectives) bzw. Aktionsbereichsziele wie z. B. Marketingziele, Personalziele oder Finanzierungsziele zerlegt [vgl. Bea/Haas 2005, S. 70 f.].
208
2. Konzeption und Gestaltung der Unternehmensberatung
Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch die Frage, wer eigentlich die obersten Unternehmensziele festlegt – die Shareholder oder die Stakeholder der Unternehmensberatung? (siehe hierzu die Überlegungen in Insert 2-33).
Insert 2-33: Shareholder oder Stakeholder?
2.5.9 Unternehmensziele – inhaltliche Ausrichtung Wie bereits mehrfach erwähnt, gibt es nicht den Beratungsmarkt und damit auch nicht die typische Unternehmensberatung. Zu unterschiedlich sind die Beratungssegmente, zu unterschiedlich sind die Kundenanforderungen in diesen Segmenten und zu unterschiedlich die Möglich-
2.5 Das Zielsystem der Unternehmensberatung
209
keiten, diese Segmente zu bedienen. Die hochdifferenzierte Beratungslandschaft ist nichts anderes als das Spiegelbild der vielfältigen Ausprägungen unternehmerischer Tätigkeit und den damit verbundenen Anforderungen. Ein Beratungsunternehmen, das sich auf solch einem heterogenen Markt behaupten will, muss zwei Aufgaben erfolgreich bewältigen. Zum einen muss es ein Leistungsangebot entwickeln, das dem des Wettbewerbs überlegen ist, und zum anderen muss diese Überlegenheit im Markt kommuniziert werden. Kass bezeichnet die erste Aufgabe als Leistungsfindung und die zweite Aufgabe als Leistungsbegründung [vgl. Kaas 2001, S. 106]. Zur Aufgabe der Leistungsfindung stellt sich für jedes Beratungsunternehmen die Frage, ob es als Strategie-, Management-, Marketing-, HR-, Controlling-, Outsourcing-, Innovations-, Sanierungsberatung oder vielleicht als Mittelstandsberatung agieren will. Ferner ist im Rahmen der Leistungsfindung festzulegen, für welche Branchen und für welche Unternehmensgrößen diese Beratungsleistungen schwerpunktmäßig angeboten werden sollen. Gefragt ist also das Sachziel des Beratungsunternehmens. Um ihren Kunden dieses Sachziel und die damit verbundene Kompetenz zu vermitteln, wird es eben sehr häufig in der Tagline mitgeführt (siehe zuvor). Die Sachzielbestimmung geht einher mit der Segmentierung des Zielmarktes, die Gegenstand weiterführender Überlegungen in Hauptabschnitt 3.2 ist. An dieser Stelle soll lediglich ein grober Überblick über die inhaltlichen Ausrichtungsmöglichkeiten der Unternehmensberatung gegeben werden. 2.5.9.1 Geschäftsfelddefinition – Bestimmung der Beratungsfelder
Die Festlegung der Sachziele eines Unternehmens (und damit die Leistungsfindung) geht einher mit der Geschäftsfelddefinition (engl. Defining the business). Nach Derek F. Abell lassen sich die Geschäftsfelder durch folgende drei Dimensionen abbilden [vgl. Abell 1980, S. 30]:
Customer Functions (Funktionsbereiche/Probleme) Customer Groups (Branchen/Kundensegmente) Alternative Technologies (Technologien).
Wilhelm Hill hat dieses Modell auf die Unternehmensberatung übertragen und interpretiert die drei Dimensionen wie folgt [vgl. Hill 1990, S. 178]:
Funktionen/Probleme: die unterschiedlichen Kundenbedürfnisse Kundensegmente: Branchen bzw. Unternehmenstypen Technologien: spezifische Methoden der Analyse und Prognose.
Aus Gründen der praktischen Handhabbarkeit und der realen Bedeutung unterschiedlicher Geschäftsfelder erscheint folgende Einteilung, die auf den drei Dimensionen von Abell aufbaut, zweckmäßiger:
Funktionsorientierte Gliederung (z. B. Marketingberatung, HR-Beratung, Logistikberatung, Controllingberatung)
210
2. Konzeption und Gestaltung der Unternehmensberatung
Branchenorientierte Gliederung (z. B. Healthcare-Beratung, Bankenberatung, AutomotiveBeratung)
Querschnittsorientierte Gliederung (z. B. Innovationsberatung, Sanierungs- und Insolvenzberatung, IT- und Organisationsberatung)
Kundengrößenorientierte Gliederung (z. B. Beratung für Konzerne und Großunternehmen, Mittelstandsberatung).
Eine solche, durchaus logische Einteilung der Beratungsbranche hat sich allerdings nicht durchgesetzt. Die „klassische Einteilung“ des BDU sieht eine Untergliederung des Kern-Beratungsmarktes in vier Beratungsfelder vor (siehe ausführlicher Abschnitt 1.4.3):
Strategieberatung, Organisations-/Prozessberatung, IT-Beratung sowie Human Resources-Beratung.
Zu den beratungsnahen Dienstleistungen werden dann noch
Softwareentwicklung/Systemintegration, Outsourcing und Personalberatung (Executive Search)
gezählt. Hintergrund dieser Marktaufteilung ist sicherlich die recht praktikable Erhebung und Zuordnung der entsprechenden Marktdaten sowie eine gewisse „historische Bedingtheit“. Anderseits ist die BDU-Gliederung logisch nicht nachvollziehbar, denn man muss sich fragen, warum es lediglich eine funktional ausgerichtete Beratung, nämlich die Human Resources-Beratung, gibt. Ebenso könnte man doch auch eine eigenständige Logistik- und Marketing-Beratung in die BDU-Einteilung aufnehmen. Aus Sicht des Verfassers haben sich die in Abbildung 2-23 aufgeführten Beratungsthemen, die dann zu Beratungsfeldern ausgebaut wurden, als relativ eigenständig erwiesen. Dabei ist auffällig, dass die Beratungsfelder mit wenigen Ausnahmen vorwiegend querschnittsorientiert, d. h. funktions- und branchenneutral ausgerichtet sind. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt bereits eine Befragung von 39 BDU-Beratern aus dem Jahre 1990, nach der zwei Drittel der Berater die Unternehmensberatung primär funktions- und branchenübergreifend durchführen. Die wichtigsten inhaltlichen Schwerpunkte bildeten die Organisation- und EDV-Beratung, gefolgt von der Marketingberatung [vgl. Meffert 1990, S. 183]. Dennoch hat eine Ausrichtung nach Funktionen, Beratungsthemen, Branchen oder nach der Unternehmensgröße der Kundenunternehmen den Vorteil, dass sich solch eine Spezialisierung in der Regel leichter kommunizieren und damit besser vermarkten lässt. Eine Unternehmensberatung, die sich auf ein bestimmtes Beratungsthema spezialisiert hat, kann leichter ein Markenbild aufbauen und sich damit besser profilieren als ein Generalist.
2.5 Das Zielsystem der Unternehmensberatung
211
Die Chancen und Risiken der individuellen Leistungsfindung hängen von zahlreichen Bestimmungsfaktoren ab, z. B. von der Intensität des Wettbewerbs, vom Preisniveau und vom Umfang und Potenzial der definierten Beratungsfelder (siehe auch Abschnitt 3.2.4). Beratungsthema
Beratungsfeld
Ausprägungen und Inhalte
Strategie
Strategieberatung (Managementberatung)
• Corporate Strategy • Corporate Finance • Marketing- und Vertriebsstrategie
Organisation
Organisationsberatung (Prozessberatung)
• Prozessoptimierung und Performance Management Change Management • CRM und Vertrieb • Beschaffung und Supply Chain Management
IT (Informationstechnik)
IT-Beratung (IT-Consulting)
• Systemberatung • Systemintegration
Innovation
Innovationsberatung
• Technologieberatung • Business Development und Innovation
Fusion
Fusionsberatung
• M&A-Beratung • Post-Merger-Integration
Gründung
Gründungsberatung
• Entwicklungsberatung • Nachfolgeberatung
Steuerung
Steuerungsberatung
• Controlling-Beratung • Finanz- und Prozesscontrolling
Sanierung
Sanierungsberatung
• Restrukturierungsberatung • Insolvenzberatung • Turnaround-Beratung
HR (Human Resources)
HR-Beratung
• • • • •
Digitalisierung
Digitalisierungsberatung
• Digital Consulting Services • Digital Agency Services • Digital Technology Services
…
…
Abb. 2-23:
HR-Strategie Vergütungsberatung Talent Management Management Diagnostik und Development Outplacement-Beratung
…
Übergang von Beratungsthemen zu Beratungsfeldern
2.5.9.2 Spezialisierung nach Funktionen bzw. Beratungsthemen
Die Spezialisierung auf eine bestimmte Funktion bzw. auf ein Beratungsthema hat nicht nur den Vorteil der leichteren Vermarktungsfähigkeit, auch weist Christian Schade theoretisch nach, dass sich ein Beratungsspezialist ceteris paribus auf der Umsatzseite besser entwickelt als ein Generalist [vgl. Schade 2000, S. 240 ff.]. Und wenn man zusätzlich in Erwägung zieht, dass sich mit der Festlegung der funktionalen Schwerpunkte auch die Möglichkeit zur Entwicklung und Vermarktung von Beratungsprodukten ergibt, wird leicht ersichtlich, welche Durchschlagskraft eine Orientierung nach Funktionen oder nach Beratungsthemen haben kann. Beratungsprodukte können dabei als wiederholbare standardisierte Vorgehensweisen zur Lösung eines (Standard-)Problems bezeichnet werden [vgl. Niedereichholz 2010, S. 55].
212
2. Konzeption und Gestaltung der Unternehmensberatung
Zwei Beispiele für Beratungsunternehmen, die erfolgreich funktionale Schwerpunkte setzen, sollen hier genannt werden: Zum einen handelt es sich um die 4Flow Consulting, die sich mit ihren 180 Mitarbeitern auf dem Gebiet der Logistikberatung einen Namen gemacht hat. Zum anderen ist es Simon, Kucher & Partners mit Fokus auf Marketing-, Vertriebs- und PricingStrategien. Im Bereich der Preispolitik gilt das Unternehmen sogar als Weltspitze. 2.5.9.3 Spezialisierung nach Branchen
Einer alten angloamerikanischen Regel zur Folge wird die Branchenorientierung mit Standbeinen verglichen, auf denen man jederzeit feststehen sollte. Die funktionale Spezialisierung von Beratungsunternehmen sind dagegen eher Spielbeine, die zur Not auch einmal in anderen Branchen tätig sein können. Branchenorientierung heißt für den Berater, dass er die Entwicklung, die Besonderheiten, das Selbstverständnis, das Preisgefüge und die psychologischen Befindlichkeiten der Branche aus eigener Erfahrung kennt. Er ist in dieser Branche bekannt, verfügt über ein Netzwerk von persönlichen Kontakten zu wichtigen Akteuren und den Meinungsführern der Branche [vgl. Niedereichholz 2010, S. 53 ff.]. Unter der Vielzahl der in unserer Wirtschaft existierenden Branchen hat sich das verarbeitende Gewerbe mit seinen Untergruppen (Wirtschaftsabteilungen) als größtes Reservoir eigenständiger Branchen entwickelt. Ob es sich um die Textilbranche, die Mineralölindustrie, den Maschinenbau oder die Elektroindustrie handelt, in jedem Fall handelt es sich um Wirtschaftssektoren mit einer sehr hohen Eigenständigkeit, die eben auch eigenständige Anforderungen an die dienstleistende Beratungsbranche hat. Hier kann es also für die Unternehmensberatung ratsam sein, sich – wenn es das individuelle Leistungsportfolio und das dahinterstehende Know-how zulässt – auf die Bearbeitung bestimmter Branchen zu konzentrieren. Es wird immer wieder die Frage diskutiert, ob Branchen mit geringeren Wachstumsaussichten und ihrem möglichen Bedarf an Sanierungs- und Reorganisationsberatung ein besseres Umsatzpotenzial bieten als Unternehmen in Wachstumsbranchen. Hierzu gibt es keine empirisch fundierten Daten. Auf der anderen Seite lässt sich ebenso argumentieren, dass Kundenunternehmen mit Wachstumsaussichten eher bereit sind, in externe Dienstleistungen zu investieren als Unternehmen mit weniger guten Perspektiven. Selbst Unternehmen, denen es ausgesprochen gut geht, haben zumindest eines: Wachstumsschmerzen. Und diese zu beheben, kann ein wichtiger Baustein im Angebotsportfolio einer Unternehmensberatung sein. Abbildung 2-24 gibt einen Überblick über die Struktur der Wirtschaftszweige in Deutschland, so wie es die amtliche Statistik sieht. Dabei wird deutlich, dass sich im verarbeitenden Gewerbe die größte Anzahl eigenständiger Branchen befindet.
2.5 Das Zielsystem der Unternehmensberatung
Abschnitt
213
Bezeichnung (verkürzt)
A
Land- und Forstwirtschaft, Fischerei
Abteilung (verkürzt)
B
Bergbau, Steine, Erden
10 Nahrungs- und Futtermittel
22 Gummi- und Kunststoffwaren
11 Getränkeherstellung
23 Glas und Keramik
12 Tabakverarbeitung
24 Metallerzeugung
13 Textilien
25 Stahl- und Leichtmetallbau
C
Verarbeitendes Gewerbe
D
Energieversorgung
E
Wasser, Abwasser, Umweltverschmutzung
14 Bekleidung
26 Herstellung von DV-Geräten
F
Baugewerbe
15 Lederwaren und Schuhe
27 Elektronische Ausrüstungen
16 Holz und Korbwaren
28 Maschinenbau
17 Papier und Pappe
29 Herstellung von Kraftfahrzeugen
18 Druck und Vervielfältigung
30 Sonstiger Fahrzeugbau
G
Handel
H
Gastgewerbe
I
Verkehr
19 Mineralölverarbeitung
31 Herstellung von Möbeln
J
Information und Kommunikation
20 Chemische Erzeugnisse
32 Herstellung von sonst. Waren
K
Finanz- und Versicherungsdienstleistungen
21 Pharmazeutische Erzeugnisse
33 Reparatur und Installation
M
Freie Dienstleistungen
O
Öffentliche Verwaltung
. . . . . . . . .
Q
Gesundheitswesen . . .
Abb. 2-24:
Gliederung der amtlichen Systematik der Wirtschaftszweige (Ausschnitt)
2.5.9.4 Innovationsberatung als Beispiel einer querschnittsorientierten Beratung
Auch für Beratungsunternehmen nimmt der Innovationsdruck ständig zu. Beratungsleistungen werden immer vergleichbarer. Bewährte Beratungs- und Management-Tools sind für jeden leicht zugänglich. Gleichzeitig nehmen die Anforderungen und Erwartungen der Kundenunternehmen hinsichtlich der Quantifizierbarkeit und Nachhaltigkeit an die Beratungsleistungen ständig zu. Viele Consulting-Firmen sehen daher nur die Möglichkeit, sich durch Innovationen am Markt zu differenzieren. So zeigt eine Umfrage unter den BDU-Beratern aus dem Jahre 2011, dass nach Ansicht der befragten Berater Beratungsmandate mit der Zielsetzung Differenzierung und Innovation zur Steigerung des Kundenumsatzes stärker nachgefragt werden. Auch nehme die Notwendigkeit, neue Beratungsthemen und -ansätze zu entwickeln, deutlich zu. Commodity-Anbieter gerieten dagegen immer mehr unter (Preis-)Druck [Quelle: BDU 2011]. Generell sind es zwei Stoßrichtungen, die der Berater hinsichtlich seiner Innovationsausrichtung verfolgen kann: eine wettbewerbsorientierte und/oder eine mehr kundenorientierte Stoßrichtung. Bei der wettbewerbsorientierten Ausrichtung ist das Innovationspotenzial z. B. mit neuen Geschäftsmodellen, neuen Methoden und Tools oder neuen Beratungsprodukten auf die Wettbewerbsfähigkeit des Beratungsunternehmens ausgerichtet. Im Gegensatz dazu ist die mehr kundenorientierte Stoßrichtung auf Beratungsinhalte (z. B. Innovationsberatung, Innovationsprozessberatung) ausgerichtet. Letztlich führen diese innovativen Beratungsinhalte, die eine Erhöhung der Wertschöpfung des Kunden zum Ziel haben, dann auch wieder zu einer stärkeren Differenzierung auf dem Beratermarkt (siehe Abbildung 2-25).
214
2. Konzeption und Gestaltung der Unternehmensberatung
Innovationsrichtungen des Beraters
Wettbewerbsorientierte Innovationsrichtung
Kundenorientierte Innovationsrichtung
• Neue Geschäftsmodelle
• Innovationsberater
• Neue Methoden/Tools
• Innovationsprozessberater
• Neue Beratungsprodukte („Service Offerings“)
• Innovationsumsetzungsberater
Ziel: Differenzierung auf dem Beratermarkt
Abb. 2-25:
Ziel: Erhöhung der Wertschöpfung des Kunden
Innovationsausrichtungen des Beraters
Versucht man die kundenorientierten Innovationsrichtungen, nämlich
die Innovationsberatung, die Innovationsprozessberatung und die Innovationsumsetzungsberatung
den Phasen des idealtypischen Innovationsprozesses eines Kundenunternehmens zuzuordnen, so erhält man die in Abbildung 2-26 dargestellte Struktur.
Unbefriedigte Bedürfnisse/ Marktpotential
F&E
Zulieferer Partner
PilotMarketing Eigene Herstellung
Marketing & Sales Kunden Distributoren
Auseinandersetzung mit Lead-Users, Kosten-NutzenOptimierung
Roll-out Generierung von Ideen und Konzepten
Bewertung und Auswahl von Ideen
Definition von Produkten, Prozessen, Verfahren, Technologieauswahl
Entwicklung, Prototyping
F&E-Institute Berater …..
Neue technologische Möglichkeiten
Innovationsberatung
KompetenzPlattform
Lizenzen Querbefruchtungen Neue Anwendungen Neue Märkte …..
TBM
(Innovations-) Prozessberatung
Quelle: Modifiziert nach HdU Sommerlatte 2010
Abb. 2-26:
Kommerzialisierung
Innovationsprozess und beraterische Unterstützung
(Innovations-) Umsetzungsberatung
2.5 Das Zielsystem der Unternehmensberatung
215
Die Innovationsberatung unterstützt die Kundenunternehmen schwerpunktmäßig in der ersten Phase des Innovationsprozesses. Inhalte sind die Generierung von Ideen und Konzepten sowie die Koordination externer Entwicklungs- bzw. Innovationspartner des Kundenunternehmens. Die Impulse in dieser Phase können vom Markt (als unbefriedigte Bedürfnisse) oder auch durch neue technologische Möglichkeiten ausgehen. Die Innovationsprozessberatung konzentriert sich auf
die Bewertung und Auswahl von Ideen, die Definition von Produkten, Prozessen, Verfahren und Technologieauswahl sowie auf die Entwicklung und das Prototyping.
Diese Phase ist das Kernstück des Innovationsprozesses. Im Mittelpunkt steht die Durchführung einer Wirtschaftlichkeitsanalyse um festzustellen, ob die geplanten Umsätze, Kosten und Gewinne den Unternehmenszielen entsprechen. Sobald die Marktfähigkeit der Innovation attestiert ist, kann die Produktentwicklung (ggf. mit einem vorgeschalteten Prototyping) eingeleitet werden. Aufgabe der Innovationsumsetzungsberatung ist die Unterstützung des Kundenunternehmens bei der Markteinführung bzw. Kommerzialisierung der Innovation. Hier geht es um Fragen des Make-or-buy, der Lizensierung, der nationalen oder auch internationalen Einführung. In Insert 2-34 sind weitere Aspekte des Innovationsbegriffs wie Innovationsobjekte, Innovationsgrad und Innovationstreiber zusammengetragen.
216
2. Konzeption und Gestaltung der Unternehmensberatung
Insert
Aspekte des Innovationsbegriffs Nicht nur aus einzelwirtschaftlicher Sicht sind Innovationen notwendig, um die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen zu sichern. Auch gesamtwirtschaftlich gesehen besteht kein Zweifel darüber, dass in den westlichen Industrieländern die inter-nationale Wettbewerbsfähigkeit nur durch Innovationen gewährleistet werden kann, da insbesondere Schwellenländer technisch-funktionale Wettbewerbsvorteile immer schneller imitieren können. So ist es auch kein Wunder, dass der Begriff der Inno-vation in den letzten Jahren zu einem bedeutenden Schlagwort geworden ist [vgl. Meffert et al. 2008, S. 408]. „Innovation is the use of new knowledge to offer a new product or service that costumers want. It is invention and commercialization.” [Afuah 1998, S. 13] Diese Definition fasst den unter den vielen in der Literatur angebotenen Auslegungen des Innovationsbegriffs am besten zusammen, weil sie die beiden wesentlichen Bestandteile – nämlich „kun-denwertige Neuheit“ und „Markterfolg“ – vereint. Der Innovationsbegriff ist allerdings nicht nur auf Produktinnovationen (im Sinne von Sachgütern) beschränkt, sondern bezieht auch Neuheiten
Objekt der Innovation
Grad der Innovation
Treiber der Innovation
im Bereich der Entwicklung von Prozessen (→ Prozessinnovationen), Dienstleistungen (→ Service-Innovationen), Organisationen (→ Organisationsinnovationen) und Geschäftsmodellen (→ Geschäftsmodellinnovationen) als Innovationsobjekte mit ein. Eine weitere Unterscheidung von Innovationen kann unter dem Aspekt des Innovationsgrades vorgenommen werden. Danach ist zwischen Imitationsinnovationen, Anpassungsinnovationen und Basis-innovationen zu differenzieren. Schließlich kann noch nach dem Treiber der Innovation zwischen markt- und technologie-induzierten Innovationen unterschieden werden. Marktgetriebene Innovationen (engl. Market Pull) gehen von bislang nicht erfüllten Kundenbedürfnissen aus, während technologiegetriebene Innovationen (engl. Technology Push) in der Regel auf naturwissenschaftlich-technische Entwicklungen zurückzuführen sind [vgl. Homburg/Krohmer 2009, S. 542]. Die untenstehende Abbildung liefert einige Beispiele zu den verschiedenen Innovationstypen.
Innovationstypen
Beispiele
Produktinnovation
Gameboy (Nintendo), Kinder-Überraschungsei (Ferrero), I-Phone (Apple)
Prozessinnovation
Automatische Hochregallagersteuerung, RFID-Technologie im Handel
Serviceinnovation
Online-Banking für Privatkunden
Organisatorische Innovation
Einführung von Telearbeit im Unternehmen
Geschäftsmodellinnovation
IKEA-Geschäftsmodell (ein Teil der Wertschöpfung wird zum Kunden ausgelagert)
Imitationsinnovation
Generika in der pharmazeutischen Industrie
Anpassungsinnovation
Anwendungsmodifikationen für SAPStandardsoftware
Basisinnovation
Hybrid-Antrieb in der Automobilindustrie
Market Pull
SMART-Kleinwagen von Daimler
Technology Push
Digital-Kameras [Quelle: Lippold 2012, S. 119 f.]
Insert 2-34:
Aspekte des Innovationsbegriffs
2.5 Das Zielsystem der Unternehmensberatung
217
2.5.9.5 Spezialisierung nach der Kundengröße
Eine Überlegung, die sich in diesem Zusammenhang stellt, ist die Frage nach der Größe der zu bedienenden Kundenunternehmen. Häufig ist die Branchenfokussierung auch unmittelbar an die Entscheidung geknüpft, auf welchen Unternehmensgrößen der Schwerpunkt der Beratung liegen soll. Da der Erfahrungssatz gilt, dass ein Konzernberater unter fachlich-inhaltlichem Aspekt auch immer in der Lage sein sollte, ein mittelständisches Kundenunternehmen zu beraten, ist die Frage nicht aus Sicht des eigenen Leistungsspektrums, sondern eher grundsätzlich zu beantworten. So hat bspw. ein Nischenanbieter gute Chancen, seine Leistungen sowohl in Konzernunternehmen als auch im Mittelstand erfolgreich zu platzieren. Darüber hinaus gibt es aber auch eine Reihe von Beratungsinhalten, die in erster Linie ausschließlich oder doch überwiegend von mittelständischen Unternehmen nachgefragt werden. Dazu zählen bspw. das Nachfolgemanagement oder das Kooperationsmanagement. Dennoch muss betont werden, dass größere Kundenunternehmen in aller Regel einem Beratereinsatz positiver gegenüberstehen als kleinere Unternehmen. Das mag auf der einen Seite mit den (relativ hohen) Kosten pro Beratertag zusammenhängen, auf der anderen Seite gehört die Beauftragung von Beratern zum selbstverständlichen Tagesgeschäft, also zur Normalität eines großen Kundenunternehmens, während mittelständische Unternehmen in dieser Frage doch immer noch Berührungsängste zeigen. Wahrscheinlich lässt sich aber diese psychologische Begründung nicht vom Kostenargument trennen. So ist in diesem Zusammenhang die Frage zu stellen, ob es nicht ein Mengen-/Preisverhältnis in Abhängigkeit von der Unternehmensgröße (zumindest im IT-nahen Beratungsgeschäft) existiert. Abbildung 2-27 soll diesen Zusammenhang im Beratungsgeschäft rund um den Einsatz von Software verdeutlichen: Im Mittelpunkt der Darstellung steht die Betriebsgrößenpyramide als Basisdreieck. Die Betriebsgrößenpyramide sagt aus, dass es nur sehr wenige sehr große Unternehmen und sehr viele kleinere Unternehmen gibt. Je kleiner die Kundenunternehmen sind, desto geringer wird auch der Preis sein, der für eine Softwareeinheit erzielt werden kann. Dies ist insofern plausibel, weil ERP-Softwareanbieter wie SAP und Oracle ihre Produkte vornehmlich nach der Anzahl der User bepreisen, d. h. ein größeres Unternehmen, das (naturgemäß) sehr viele User hat, zahlt für ein und dieselbe Software einen höheren Preis als ein kleineres Unternehmen mit weniger Softwarenutzern. Dies ist bei beliebig reproduzierbaren Softwareprodukten (also bei Produkteinheiten) weniger problematisch, denn geringere Preise lassen sich durch entsprechende Mengen kompensieren. Anders sieht es dagegen bei den Dienstleistungseinheiten aus, die in Form von Einführungs-, Installations- und Beratungsleistungen regelmäßig mit dem Softwareprodukteinsatz verbunden sind. Serviceeinheiten sind weder beliebig reproduzierbar noch beliebig teilbar. Sie basieren auf einer Kalkulation (Stunden- oder Tageshonorare), die sich zum überwiegenden Teil aus den Personal- und Arbeitsplatzkosten eines Beraters zusammensetzen. Diese Überlegung begründet auch die Erfahrung, dass in kleineren Betrieben (mit ebenso kleinen IT-Budgets) auf eine Produkteinheit nur Bruchteile einer Serviceeinheit entfallen, dagegen in Großbetrieben der Serviceanteil (meistens in Form von Modifikationen) häufig deutlich über dem entsprechen Produktanteil liegt. Ebenso ist aus dieser Überlegung abzuleiten, dass in Klein- und Mittelbetrieben nahezu ausschließlich Standardsoftware zum
218
2. Konzeption und Gestaltung der Unternehmensberatung
Einsatz kommt. Software mit hohen Individualanteilen ist für diese Marktsegmente unwirtschaftlich [vgl. Lippold 1998, S. 127].
Preis/Softwareeinheit
Serviceeinheit
1
1
Großbetriebe Betriebsgröße
Produkteinheit
Anzahl Betriebe [Quelle: Lippold 1998, S. 128]
Abb. 2-27:
Mengen-/Preisverhältnis in Abhängigkeit vom Zielmarkt
2.5.9.6 Strategieberatung vs. IT-Beratung
Unter allen Beratungsfeldern nehmen die Strategieberatung und die IT-Beratung eine in jeder Hinsicht dominierende und gleichzeitig polarisierende Rolle ein, ohne dass eine akzeptierte Trennlinie zwischen beiden Disziplinen vorhanden ist. Beide Beratungsfelder sind in gewisser Weise systembildend bzw. prägend für einen Großteil aller Beratungsunternehmen. Daher sollen nachfolgend beide Bereiche kurz charakterisiert und Unterscheidungskriterien identifiziert werden. Strategieberatung hat die langfristigen Potenziale und Wettbewerbsvorteile der Kundenunternehmen im Blick. Die Beratungsleistung befasst sich mit der Entwicklung von Zukunftsbildern zur dauerhaften Sicherung des Unternehmenserfolgs des Auftraggebers. Die IT-Beratung ist dagegen primär operativ ausgerichtet. Ihr Ziel liegt in der Verbesserung des Einsatzes der Informationsverarbeitung. Dabei steht die Erhöhung der Effektivität und Effizienz im Mittelpunkt der Leistungserstellung. Überlegenes Wissen oder Ressourcenknappheit können hierbei ausschlaggebend für die Beauftragung sein [vgl. Nissen/Kinne 2008, S. 90 f.]. Hinsichtlich der Tätigkeitschwerpunkte wird bei der Strategieberatung in den Beratungsphasen Analysieren, Planen, Konzipieren deutlich mehr Umsatz generiert als in den Phasen Umsetzen, Implementieren. Bei den IT-Beratungsunternehmen ist es genau umgekehrt. Auftraggeber für die Strategieberatung ist zumeist die Geschäftsführung. Auftraggeber der IT-Beratung sind dagegen mehrheitlich die Fachbereiche sowie die IT-Abteilung der Kundenunternehmen. Während die Kundenstruktur der IT-Beratung nahezu das gesamte Spektrum von den
2.5 Das Zielsystem der Unternehmensberatung
219
kleineren Unternehmen bis hin zu den Großunternehmen umfasst, nehmen – nicht zuletzt aufgrund deutlich höherer Tagessätze – nur mittelgroße und große Kundenunternehmen die Leistungen der Strategieberatung in Anspruch. Im IT-Beratungsbereich herrscht auch häufig eine Spezialisierung nach einer oder wenigen Branchen vor. Bei der Strategieberatung ist solch eine Branchenspezialisierung dagegen eher selten. Auch bei den Eigentumsverhältnissen zeichnen sich Unterschiede ab. Strategieberatungen tendieren eher zur Partnerschaft, IT-Beratungsgesellschaften eher zur Kapitalgesellschaft (siehe hierzu auch Abschnitt 2.3.5) [vgl. Nissen/Kinne 2008, S. 92]. In Abbildung 2-28 sind wichtige Merkmale von Strategieberatung und IT-Beratung gegenübergestellt. Kriterium
Strategieberatung
IT-Beratung
Ziel/Aufgabe
Analyse und Verbesserung strategischer Wettbewerbspositionen
Verbesserung der Effektivität und Effizienz der Informationsverarbeitung
Gründe für Auftragsvergabe
Überlegenes Wissen
Überlegenes Wissen oder Ressourcenknappheit
Tätigkeitsschwerpunkte
Analysieren, Planen, Konzipieren
Umsetzen, Implementieren
Auftraggeber
Überwiegend Geschäftsführung
Überwiegend Fachbereiche oder IT-Abteilung
Kundenstruktur
Große und mittelgroße Unternehmen
Alle Unternehmensgrößen
Ø Tagessatz
Eher > 1.500 Euro
Eher < 1.500 Euro
Branchenspezialisierung
Eher nicht
Häufig
Eigentumsverhältnis
Eher Partnerschaft
Eher Kapitalgesellschaft [Quelle: in Anlehnung an Nissen/Kinne 2008, S. 102]
Abb. 2-28:
Gegenüberstellung von Strategie- und IT-Beratung
220
2. Konzeption und Gestaltung der Unternehmensberatung
2.6 Strategie und Umsetzung 2.6.1 Notwendigkeit der Strategieentwicklung Im letzten Schritt der marktorientierten Unternehmensplanung werden die Strategien festgelegt und durch entsprechende Maßnahmen umgesetzt, denn „Berater brauchen wie jede andere Unternehmung eine Markt-Leistungsstrategie“ [Hill 1990, S. 177]. Strategien bestimmen die grundsätzliche Ausrichtung eines Unternehmens im Markt. Sie legen zugleich fest, welche Ressourcen zu ihrer Verfolgung aufgebaut und eingesetzt werden sollen. Im Beratungsgeschäft sind dies vornehmlich Entscheidungen über die Anzahl und Ausprägung der einzustellenden Mitarbeiter. Die besonderen Merkmale strategischer Entscheidungen sind [vgl. Hungenberg/Wulf 2011, S. 107 ff.]: Strategien beanspruchen eine längerfristige Gültigkeit und geben unter den sich ständig ändernden Rahmenbedingungen einen stabilen Entwicklungspfad vor. Strategien sind darauf ausgerichtet, den langfristigen Erfolg eines Unternehmens zu sichern. Strategien zielen darauf ab, Erfolgspotenziale und Wettbewerbsvorteile aufzubauen und zu verteidigen. Strategien werden in der Unternehmensberatung zumeist auf drei Ebenen gestaltet: auf der Ebene des Gesamtunternehmens (= Unternehmensstrategie bzw. Unternehmensentwicklungsstrategie), auf Geschäftsfeldebene (= Geschäftsfeldstrategie) und auf Ebene einzelner Funktionsbereiche (z. B. Marketing- oder Personalstrategie). Ringlstetter/Kaiser/Kampe begründen die Notwendigkeit der Strategieentwicklung in der Unternehmensberatung in erster Linie mit dem natürlichen Drang zum Wachstum. Antriebskräfte sind dabei die zunehmende Wettbewerbsintensität der Unternehmensberater einerseits und die Anreizsysteme und Karriereversprechungen in der Beratung anderseits. Die stetige Zunahme der Anbieter im Beratungsgeschäft und die Ausweitung des Angebotsspektrums von bereits etablierten Firmen (IT-Dienstleister steigen in die Strategieberatung ein und umgekehrt) sind Kennzeichen der zunehmenden Wettbewerbsintensität. Unternehmensberatungen müssen aber auch deshalb wachsen, weil die Anreiz- und Karrieresysteme in der Beratung so ausgelegt sind, damit das Verhältnis zwischen den (nach Karriere strebenden) Junior-Beratern und den Senior-Beratern bzw. Managern rentabel bleibt [vgl. Ringlstetter et al. 2007, S. 182 f.]. Strategien bilden den Rahmen für das unternehmerische Handeln und sind damit ein zentrales Bindeglied („Scharnierfunktion“) zwischen den Zielen und den laufenden operativen Maßnahmen. Ziele bestimmen die Frage des „Wohin“, Strategien konkretisieren die Frage des „Wie“, und der Mix legt den Instrumentaleinsatz („Womit“) und damit den eigentlichen Handlungsprozess fest [vgl. Becker 2009, S. 140 ff.; Kotler et al. 2007, S. 88 f.]. Die besonders deutlich von Jochen Becker [1993] herausgearbeitete Trennung von Zielen („Philosophie“), Strategien („Struktur“) und Maßnahmen-Mix („Prozess“) lässt sich in der Praxis allerdings kaum durchhalten. Zu eng sind die Verflechtungen zwischen Strategie- und Prozessebene. So ist es weder möglich, Strategien und Maßnahmen eindeutig voneinander zu
2.6 Strategie und Umsetzung
221
trennen, da ein und dieselbe Entscheidung sowohl strategisch als auch maßnahmenorientiert ausgerichtet sein kann [vgl. Backhaus 1990, S. 206], noch lässt sich eine eindeutige Zuordnung der Instrumentalbereiche (Maßnahmen-Mix) zur strategisch-strukturellen Ebene bzw. zur taktisch-operativen Ebene vornehmen. Selbst Becker [2009, S. 485] räumt ein, dass der Maßnahmen-Mix auch als die taktische Komponente der Strategie aufgefasst werden kann. Mit der Marketing-Gleichung in Kapitel 3 und der Personalmarketing-Gleichung in Kapitel 5 werden hier zwei Ansätze verfolgt, die als Vorgehensmodelle Strategie und Maßnahmen-Mix im Rahmen ihrer Aktionsfelder integriert betrachten. Abbildung 2-29 enthält eine synoptische Zuordnung der beiden Vorgehensmodelle zu den Konzeptionsebenen Strategie und Maßnahmen-Mix, d. h. die beiden Konzeptionsebenen fließen zu jeweils einem Vorgehensmodell zusammen.
„Philosophie“ Ziele
„Struktur“ Strategie
Vorgehensmodell für die Aktionsfelder der
„Prozess“ Maßnahmen-Mix
• MarketingGleichung • PersonalmarketingGleichung
[Quelle: Darstellung modifiziert nach Becker 1993, S. 120]
Abb. 2-29:
Das Schichtenmodell der Unternehmenskonzeption
2.6.2 Kritische Ressourcen der Unternehmensberatung Es wird auf drei kritische Ressourcen hingewiesen, die die einzuschlagenden Strategien der Unternehmensentwicklung und damit die strategischen Stoßrichtungen der Unternehmensberatung maßgeblich beeinflussen [vgl. Ringlstetter et al. 2007, S. 182 f.]:
Wissen (engl. Knowledge), d. h. die Wertschöpfung von Beratung erfordert weniger den Einsatz von Maschinen oder Kapital, sondern vielmehr das Fachwissen, die Erfahrung und die Problemlösungsfähigkeit der Mitarbeiter. Die häufig komplexen und unstrukturierten Problemstellungen der Kundenunternehmen ermöglichen im relevanten Wissensbereich einen Vorsprung gegenüber dem Kunden- und Wettbewerberwissen.
Kundenbeziehung (engl. Customer Relationship), d. h. die Erstellung einer komplexen Beratungsleistung setzt eine (zumeist) multipersonelle Interaktion zwischen Beratern und
222
2. Konzeption und Gestaltung der Unternehmensberatung
Kundenmitarbeitern voraus. Nur durch die Interaktion können Beratungsanbieter Kenntnisse über die spezifische Situation des Kunden gewinnen und eine kundenspezifische Problemlösung erstellen. Die Kundenbeziehung ist also der Schlüssel sowohl zu einer erfolgreichen Interaktion mit dem Kunden, als auch zu einer erfolgreichen Integration des Kunden als externer Faktor in den Prozess der Leistungserstellung (siehe auch 1.1.2).
Reputation, d. h. aufgrund der Unsicherheit gegenüber der Beratungsleistung, deren Qualität sich ja erst nach Auftragsabschluss zeigt, orientieren sich die Kundenunternehmen beim Kauf häufig am Qualitätsmerkmal Reputation. Eine hohe Reputation ist daher oftmals Türöffner und Voraussetzung für lukrative Beratungsprojekte.
Abbildung 2-30 zeigt die Zusammenhänge zwischen den Charakteristika von Beratungsleistungen und den kritischen Ressourcen von Unternehmensberatungen auf. Unsicherheit Charakteristika von Beratungsleistungen
Kritische Ressourcen von Unternehmensberatungen
Komplexe und unstrukturierte Problemstellung
Kundenspezifität
Vorsprung im relevanten Wissensbereich
Interaktion/ Integration
Wissen
Kundenbeziehung
Reputation [Quelle: Ringlstetter et al. 2007, S. 181]
Abb. 2-30:
Kritische Ressourcen von Unternehmensberatungen
2.6.3 Entwicklungsstrategien – die wichtigsten strategischen Stoßrichtungen Auf der Grundlage der oben erläuterten kritischen Ressourcen des Beratungsgeschäfts bieten sich in Anlehnung an Ansoff [1966, S. 132] prinzipiell vier Optionen für die strategische Entwicklung von Unternehmensberatungen an [vgl. auch Ringlstetter/Bürger 2003]: Kundendurchdringungsstrategie, d. h. mit dem bestehenden Leistungsprogramm die bestehenden Kundengruppen weiter durchdringen; Kundenentwicklungsstrategie, d. h. mit dem bestehenden Leistungsprogramm neue Kundengruppen gewinnen; Leistungsentwicklungsstrategie, d. h. mit neuen Leistungen die bestehenden Kundengruppen weiter entwickeln; Diversifikationsstrategie, d. h. mit neuen Leistungen neue Kundengruppen gewinnen.
2.6 Strategie und Umsetzung
223
In diesem Zusammenhang muss erwähnt werden, dass die oben beschriebenen strategischen Optionen allesamt den Wachstumsstrategien zuzuordnen sind. In schwierigen konjunkturellen Zeiten oder in Phasen der strategischen Neuformierung kann durchaus eine Konsolidierungsstrategie – verbunden z. B. mit Einstellungsstopps – die erfolgversprechendere Alternative darstellen. Kundendurchdringung. Unabhängig von einer Verfolgung weiterer Strategien müssen sich alle Unternehmensberatungen kontinuierlich um die weitere Durchdringung ihrer Kundenbasis und damit um die Stärkung ihres Kerngeschäfts bemühen. Kontinuierlich deshalb, weil wissensintensive Beratungsleistungen regelmäßig kurze Lebenszyklen haben bzw. bestimmten Moden unterliegen. Um Bestleistungen (engl. Service Excellence) erbringen zu können, ist ein kontinuierlicher Innovationsprozess erforderlich. Die Stärkung des Kerngeschäfts kann dabei durch Fokussierung auf funktionale Kompetenzen oder durch Branchenspezialisierung erfolgen. Branchenspezialisierung kann sich immer dann als sinnvoll erweisen, wenn das Wissen in einer Wettbewerbssituation um die jeweiligen Best Practices einer Branche von größerer Bedeutung ist als das reine Methodenwissen [vgl. Ringlstetter et al. 2007, S. 185 f.]. Leistungsentwicklung. Bei dieser strategischen Stoßrichtung findet die angestrebte Umsatzausweitung vornehmlich im Kundenstamm statt. Neue, mit dem Kerngeschäft verwandte Beratungsleistungen werden den bestehenden Kunden angeboten. Eine solche Strategie orientiert sich am Wunsch der Kunden nach einem Rundumservice „aus einer Hand“. Unter dem Schlagwort One-Stop Shopping gelingt es dem Berater durch Customer Leverage bzw. Cross Selling gleichzeitig verschiedene Projekte zu verkaufen und den Honorarumsatz entsprechend zu steigern. Da Unternehmensberatungen in starkem Maße von den spezifischen Problemstellungen ihrer Kundenunternehmen abhängig sind, kann eine Ausweitung des Leistungsspektrums negative Auswirkungen eines „kränkelnden“ Teilbereichs auf den Gesamtumsatz ggf. kompensieren [vgl. Scott 2001, S. 38]. Kundenentwicklung. Die angestrebte Umsatzausweitung findet durch die Gewinnung neuer Kundengruppen statt. Mit dieser Strategie des Knowledge Leverage wird die vorhandene Wissensbasis und Problemlösungskapazität einer größeren Anzahl von Kunden zugänglich gemacht. Neue Kundengruppen können bspw. durch eine stärkere internationale Ausrichtung gewonnen werden. Mit dieser häufigsten Ausprägung der Kundenentwicklungsstrategie können Unternehmensberatungen ihren Kundenunternehmen einen sogenannten Seamless global Service bieten. Dabei handelt es sich um die Möglichkeit, weltweit mit der gleichen Beratung zusammenzuarbeiten. Neben der Internationalisierung ist auch das verstärkte Bemühen um den Mittelstand oder um öffentliche Unternehmen eine Option, neue Kundengruppen zu erschließen. Bei dieser strategischen Ausrichtung kann man von einer Positionierung nach dem Motto One firm fits all sprechen [vgl. Ringlstetter et al. 2007, S. 184 f.]. Diversifikation. Nach der Ansoff‘schen Produkt-Markt-Matrix sieht der vierte Quadrant eine Umsatzausweitung durch neue Leistungen (Produkte) bei neuen Kundengruppen vor. Diese strategische Stoßrichtung ist im Beratungsgeschäft bislang sehr selten wahrgenommen worden. Eine Ausnahme dabei bildet der Einstieg der großen, internationalen IT-Dienstleistungs- und Beratungsunternehmen in das Outsourcing-Geschäft. In Abbildung 2-31 sind die strategischen Stoßrichtungen im Überblick dargestellt.
224
2. Konzeption und Gestaltung der Unternehmensberatung
Neue Leistungen
Leistungsentwicklung
Diversifikation
• Ausweitung des Umsatzes durch Ausweitung des Leistungsprogramms
• Umsatzausweitung durch neue Leistungen auf neuen Märkten
• Client Leverage
• Beispiel: Unternehmensberatung bietet Outsourcing an
• Cross Selling • „One-Stop Shopping“
Bestehende Leistungen
Kundendurchdringung
Kundenentwicklung
• Stärkung des Kerngeschäfts • Customer- und Knowledge-Leadership
• Ausweitung des Umsatzes durch Entwicklung neuer Kundenbeziehungen
• Fokussierung auf funktionale oder branchenbezogene Kompetenzbereiche
• Knowledge Leverage • „Seamless global Service“
• Service Excellence
• „One firm fits all“
Bestehende Kundengruppen
Neue Kundengruppen
[Quelle: in Anlehnung an Ringlstetter et al. 2007, S. 184]
Abb. 2-31:
Strategische Stoßrichtungen im Beratungsgeschäft
2.6.4 Umsetzung der strategischen Entwicklungsoptionen Zur Umsetzung der möglichen strategischen Stoßrichtungen bieten sich grundsätzlich drei Wege an:
Internes (organisches) Wachstum, Externes Wachstum (Wachstum durch Akquisitionen) und Konsolidierung.
2.6.4.1 Organisches Wachstum
Organisches Wachstum liegt dann vor, wenn das Unternehmen aus eigener Kraft wächst. Im Mittelpunkt steht dabei die Gewinnung neuer Mitarbeiter. Dies erfolgt zum einen über die Rekrutierung von Hochschulabsolventen und zum anderen über die Abwerbung von erfahrenen Beratern anderer Unternehmen. Unternehmen wie Accenture, McKinsey oder Boston Consulting Group haben ihr Wachstum in den letzten Jahren nahezu ausschließlich organisationsintern organisiert. Organische Wachstumsprogramme, die ihre Ausgangsbasis im Kundenstamm sowie im bestehenden Leistungsspektrum haben, ermöglichen möglicherweise einen höheren Cash Return als Akquisitionen [vgl. Scott 2001, S. 46]. Weitere Vorteile des organischen Wachstums stehen in unmittelbaren Zusammenhang mit der Unternehmenskultur. So lassen sich junge Hochschulabsolventen langsam an das Unternehmen heranführen, besser „formen“ und erfolgreich integrieren, denn in einem frühen Entwicklungs-
2.6 Strategie und Umsetzung
225
stadium sind die Chancen, einen Mitarbeiter vollkommen in die Kultur des Unternehmens einzubinden, am größten. Daher sind die Firmenkulturen organisch gewachsener Unternehmen in aller Regel auch besonders stark gefestigt [vgl. Shah/Kraatz 2002, S. 9]. Auf der anderen Seite ist die Entwicklungsgeschwindigkeit beim organischen Wachstum im Allgemeinen nicht so hoch wie bei Akquisitionen, da die Wachstumsoption durch die Anzahl der fakturierbaren Professionals begrenzt ist. Diese Wachstumsbeschränkungen können auf zwei Wegen überwunden werden. Zum einen durch die verstärkte Rekrutierung von Hochschulabsolventen, Doktoranden und Absolventen von MBA-Programmen, zum anderen durch Abwerben von praxiserfahrenen Professionals (engl. Lateral Hiring) von anderen Unternehmen, bestenfalls von anderen Unternehmensberatungen [vgl. Ringlstetter et al. 2007, S. 186]. Beiden Wegen sind allerdings auch wiederum enge Grenzen gesetzt. Insbesondere der Absolventenmarkt für High Potentials ist hart umkämpft (Stichwort: War for Talents), denn nicht nur Unternehmensberatungen, sondern Unternehmen aus den verschiedensten Branchen suchen motivierte, hochqualifizierte Nachwuchskräfte. Hier sind es McKinsey und der Boston Consulting Group gelungen, durch sogenannte „Exotenprogramme“ neue, zielgruppengerechte Humanressourcenmärkte zu erschließen. So wurden neben den klassischen Absolventen der Wirtschaftswissenschaften auch Mathematiker, Physiker, Chemiker, Mediziner oder gar Theologen mit hervorragenden Abgangsnoten angesprochen, um sie als Mitarbeiter zu gewinnen. Ein solches Programm, bei dem die Einhaltung des Qualitätsniveaus eine wichtige Rolle spielt, setzt allerdings erhebliche Investitionen in die Selektion, Ausbildung und Integration der passenden Mitarbeiter voraus. Aber auch der Weg über das Lateral Hiring ist nicht unproblematisch. Zwar verfügen diese erfahrenen Professionals, die bereits einige Karrierestufen durchlaufen haben, über ein gutes Netzwerk an Kundenbeziehungen und über entsprechende Expertise in bestimmten Geschäftsbereichen, anderseits können solche „Rainmaker“, die zumeist gleich auf Partnerebene einsteigen, nicht mehr so leicht integriert und – im Sinne des akquirierenden Unternehmens – „sozialisiert“ werden. Zusätzlich vermindern solche Quereinsteiger die Aufstiegschancen der anderen Berater und können so zu erheblichen Motivationsverlusten führen [vgl. Ringlstetter et al. 2007, S. 188]. 2.6.4.2 Wachstum durch Akquisitionen
Die Übernahme von PwC Consulting durch IBM Global Services oder der Zusammenschluss von Capgemini und Ernst & Young Consulting sind Beispiele dafür, wie aus Akquisitionen neue Key Player im internationalen Beratungsmarkt entstehen können. Aber auch kleinere Übernahmen wie z. B. BIW (Weinstadt), Abacus (Düsseldorf) oder Dr. Höfner & Partner (München) jeweils durch Ernst & Young Consulting zeigen, dass Wachstum immer wieder durch Akquisitionen bzw. Verschmelzungen erzeugt werden kann. Wichtig dabei ist nun, dass bei einer Unternehmensakquisition aus 1 + 1 mindestens 2 oder gar 2,5 werden. Dazu sind zwei Schritte erforderlich. Zum einen ist zu prüfen, ob der geplante Zusammenschluss (engl. Merger) einen „strategischen Fit“ ergibt, d. h. ob der Kundenstamm oder das spezifische Leistungsspektrum des Übernahmekandidaten zur Steigerung der Service Excellence beitragen. Ein gutes Beispiel hierfür ist der Merger zwischen Capgemini und Ernst & Young Consulting. Während Capgemini vorwiegend in Europa und hier besonders gut in
226
2. Konzeption und Gestaltung der Unternehmensberatung
Frankreich, Großbritannien und Skandinavien aufgestellt war, erzielte Ernst & Young Consulting mehr als die Hälfte des Umsatzes in den USA und in Deutschland. Neben diesem geografischen Fit waren es zudem die vielen Ernst & Young-Mandate bei Großunternehmen, die Capgemini vertrieblich nutzen wollte. Der zweite, mindestens genau so wichtige Schritt ist eine erfolgreiche Integration des akquirierten Unternehmens, denn nur so lassen sich das hinzugewonnene Wissen und die neuen Kundenbeziehungen optimal nutzen. Nicht nur sachliche, sondern vor allem psychologische Argumente sollten einen Merger vorbereiten und begleiten. So kann eine Unternehmensakquisition bspw. als reine „Übernahme“ oder auch als „Merger-unter-Gleichen“ deklariert und umgesetzt werden. Immer wieder sind es personenspezifische Widerstände, die den Integrationsprozess gefährden oder den geplanten Zusammenschluss sogar verhindern. Beispiele dafür sind die Übernahme der Strategieberatung A. T. Kearney durch den IT-Dienstleister und Outsourcing-Spezialisten Electronic Data Systems (EDS) sowie der gescheiterte Merger zwischen Deloitte und Roland Berger. Während die dauerhaften Widerstände und kulturellen Auseinandersetzungen letztlich dazu führten, dass EDS seine teuer erworbene Strategieeinheit wieder abstoßen musste, sprach sich bei Roland Berger nahezu die gesamte Partnerschaft gegen die „von oben“ geplante Fusion aus, so dass der Merger erst gar nicht zu Stande kam. Hier zeigen sich neben den psychologischen Widerständen auch verfahrenstechnische Hindernisse, so dass bei Akquisitionen von Professional Service Firms, die sehr häufig als Partnerschaft organisiert sind, unbedingt gesellschaftsrechtliche Vorschriften geprüft und berücksichtigt werden sollten. So ist bspw. eine Übernahme gegen den Willen der Partner in den meisten Fällen kaum möglich [vgl. Ringlstetter et al. 2007, S. 190 f.]. Generell sind es drei Voraussetzungen, die den Erfolg einer Merger-Integration bestimmen: Merger-Bedarf, d. h. es muss die grundsätzliche Erkenntnis und Überzeugung im erweiterten Führungskreis (Management/Partnerschaft) herrschen, dass ein Zusammenschluss zu einer besseren Unternehmenssituation führt und damit wettbewerbsrelevant ist; Merger-Fähigkeit, d. h. sowohl die Führungskräfte als auch die Mitarbeiter müssen das Potenzial besitzen, den Merger erfolgreich umzusetzen (Post-Merger-Integration); Merger-Bereitschaft, d. h. bei allen Beteiligten und Betroffenen muss der Willen vorhanden sein, einen Merger erfolgreich durchzuführen. Gerade die Merger-Bereitschaft ist es, die sehr stark von der Unternehmenskultur geprägt ist und häufig der Schlüssel für eine erfolgreiche Post-Merger-Integration darstellt. Der Weg dazu führt häufig nur über ausreichende Information und Kommunikation. 2.6.4.3 Konsolidierung
Bleiben wichtige geplante Auftragseingänge aus, bestehen Vertrauensverluste bei einigen Key Accounts oder flacht die Konjunktur insgesamt ab, dann stellt eine Konsolidierungsstrategie
2.6 Strategie und Umsetzung
227
– im Gegensatz zu den oben beschriebenen Wachstumsstrategien – häufig eine erfolgversprechende Option dar. Eine Besinnung auf die kritischen Erfolgsfaktoren und die eigenen Stärken können dann durchaus „selbstheilende“ Kräfte freisetzen. Restrukturierungsmaßnahmen, die in aller Regel mit einem Image- bzw. Reputationsverlust verbunden sind und daher eher als „Neuformierungen“ bezeichnet werden sollten, können dazu führen, bestimmte Bestandteile der Unterstützungsprozesse (Knowledge Management, Accounting, Research, Graphics, Benchmarking) nach Osteuropa oder Fernost zu verlagern. Diese Maßnahmen werden häufig von Einstellungsstopps begleitet bzw. Neueinstellungen werden nur bei Ersatzbedarf vorgenommen, Auch wird in solchen Situationen darüber nachgedacht, ob das Unternehmen nicht selbst auch zum strategischen Fit eines (stärkeren) Wettbewerbers passt.
228
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung 3.1 Die Marketing-Gleichung für Unternehmensberatungen................................................231 3.1.1 Die Marketing-Wertschöpfungskette ..................................................................................... 231 3.1.2 Konzeption, Aufbau und Elemente der Marketing-Gleichung .............................................. 231 3.1.2.1 Entstehung von Wettbewerbsvorteilen im Beratungsgeschäft............................... 232 3.1.2.2 Vom Markt honorierter Wettbewerbsvorteil ......................................................... 233 3.1.2.3 Organisatorische Implikationen ............................................................................. 235 3.1.3 Abgrenzung zwischen B2C- und B2B-Marketing ................................................................. 236 3.1.4 Marketingziele .......................................................................................................................... 238 3.2 Segmentierung – Optimierung des Kundennutzens .......................................................240 3.2.1 Aufgabe und Ziel der Segmentierung .................................................................................... 240 3.2.2 Kaufverhalten im B2B-Bereich ............................................................................................. 243 3.2.2.1 Organisationaler Einkauf ....................................................................................... 243 3.2.2.2 Das Buying Center und seine Akteure................................................................... 244 3.2.3 Segmentierungspraxis ............................................................................................................ 246 3.2.3.1 Makrosegmentierung ............................................................................................. 247 3.2.3.2 Mikrosegmentierung .............................................................................................. 252 3.2.4 Segmentbewertung ................................................................................................................ 254 3.2.4.1 Segmentvolumen und -potenzial ........................................................................... 254 3.2.4.2 Wettbewerbsintensität............................................................................................ 255 3.2.4.3 Preisniveau............................................................................................................. 255 3.2.4.4 Kapitalbedarf ......................................................................................................... 256 3.2.5 Geschäftsfeldplanung............................................................................................................. 256 3.2.6 Segmentierungsstrategien ...................................................................................................... 257 3.3 Positionierung – Optimierung des Kundenvorteils .........................................................260 3.3.1 Aufgabe und Ziel der Positionierung ..................................................................................... 260 3.3.2 Die Leistung als Positionierungselement ............................................................................... 262 3.3.3 Der Preis als Positionierungselement..................................................................................... 265 3.3.3.1 Preispolitische Grundlagen im Beratungsgeschäft ................................................ 265 3.3.3.2 Gestaltung der Honorarsätze (Preisstrategie) ........................................................ 267 3.3.3.3 Gestaltung der Projektkalkulation (Preistaktik) ..................................................... 271 3.4 Kommunikation – Optimierung der Kundenwahrnehmung ...........................................275 3.4.1 Aufgabe, Ziel und Dimensionen der Kommunikation ........................................................... 275 3.4.2 Klassische vs. digitale Kommunikation ................................................................................. 277 3.4.3 Kommunikationsmodell......................................................................................................... 279 3.4.3.1 Bewusstseinsprogramm ......................................................................................... 281 3.4.3.2 Imageprogramm..................................................................................................... 282 3.4.3.3 Leistungsprogramm ............................................................................................... 282 3.4.3.4 Kundenprogramm .................................................................................................. 282 3.4.4 Interne Kommunikation ......................................................................................................... 283 3.4.5 Überblick Kommunikationsinstrumente ................................................................................ 284 3.4.6 Klassische Kommunikationsinstrumente ............................................................................... 287 3.4.6.1 (Klassische) Werbung............................................................................................ 287 3.4.6.2 Öffentlichkeitsarbeit .............................................................................................. 288 3.4.6.3 Sponsoring ............................................................................................................. 290 3.4.6.4 Messen und Events ................................................................................................ 292 3.4.7 Digitale Kommunikationsinstrumente ................................................................................... 296 3.4.7.1 Website Advertising .............................................................................................. 298 3.4.7.2 Social Media Advertising ...................................................................................... 299 3.4.7.3 Advertorials ........................................................................................................... 302 3.4.7.4 Display Advertising ............................................................................................... 303 3.4.7.5 E-Mail Advertising ................................................................................................ 305 3.4.7.6 Keyword Advertising ............................................................................................ 307 3.4.7.7 Affiliate Advertising .............................................................................................. 309 3.4.8 Kommunikationsmedien ........................................................................................................ 310 3.4.8.1 Printmedien............................................................................................................ 311 3.4.8.2 Außenwerbung....................................................................................................... 312
3.4.8.3 Klassische elektronische Medien ........................................................................... 313 3.4.8.4 Digitale Medien ..................................................................................................... 314 3.4.9 Mediaplanung und -kontrolle................................................................................................. 320 3.4.9.1 Mediaanalyse ......................................................................................................... 321 3.4.9.2 Festlegen des Mediabudgets .................................................................................. 321 3.4.9.3 Verteilung des Mediabudgets (Streuplanung) ....................................................... 322 3.4.9.4 Messung der Kommunikationswirkung (Werbeerfolgskontrolle) ......................... 323 3.4.9.5 Erfolgsmessung im Online-Marketing................................................................... 324 3.4.10 Kommunikationsverhalten von Strategie- und IT-Beratungen ............................................. 328 3.5 Vertrieb – Optimierung der Kundennähe..........................................................................329 3.5.1 Aufgabe und Ziel des Vertriebs ............................................................................................. 329 3.5.2 Vertriebsformen ..................................................................................................................... 330 3.5.2.1 Direkter Vertrieb.................................................................................................... 330 3.5.2.2 Indirekter Vertrieb ................................................................................................. 332 3.5.3 Vertriebskanäle ...................................................................................................................... 335 3.5.4 Vertriebsorgane...................................................................................................................... 336 3.5.5 Vertriebliche Qualifikationen ................................................................................................ 337 3.5.6 Vertriebskooperationen .......................................................................................................... 339 3.6 Akquisition – Optimierung der Kundenakzeptanz...........................................................341 3.6.1 Aufgabe und Ziel der Akquisition ......................................................................................... 341 3.6.2 Akquisitionsbegriffe .............................................................................................................. 342 3.6.2.1 Selling Center ........................................................................................................ 342 3.6.2.2 Targeting, Cross Selling und Key Accounting ...................................................... 344 3.6.3 Der organisationale Kaufprozess ........................................................................................... 345 3.6.4 Akquisitionszyklus (Sales Cycle) .......................................................................................... 348 3.6.4.1 Leadmanagement ................................................................................................... 349 3.6.4.2 Opportunity Management ...................................................................................... 350 3.6.5 Akquisitionscontrolling ......................................................................................................... 354 3.6.5.1 Effizienzsteigerung im Vertrieb ............................................................................ 354 3.6.5.2 Kennzahlen im Vertrieb......................................................................................... 356 3.6.6 Das Akquisitionsgespräch...................................................................................................... 358 3.6.6.1 Voraussetzungen für den Akquisitionserfolg ........................................................ 358 3.6.6.2 Gesprächsvorbereitung .......................................................................................... 361 3.6.6.3 Gesprächseröffnung ............................................................................................... 361 3.6.6.4 Bedarfsanalyse ....................................................................................................... 362 3.6.6.5 Nutzenargumentation............................................................................................. 363 3.6.6.6 Einwandbehandlung .............................................................................................. 363 3.6.6.7 Gesprächsabschluss ............................................................................................... 364 3.6.7 Angebots- und Vertragsgestaltung......................................................................................... 365 3.6.7.1 Vertragliche Grundlagen ....................................................................................... 365 3.6.7.2 Dienstvertrag vs. Werkvertrag ............................................................................... 367 3.6.7.3 Aufwandsbezogene Vergütung vs. Festpreis ......................................................... 369 3.6.7.4 Allgemeine Auftragsbedingungen ......................................................................... 370 3.6.7.5 Angebotstypen ....................................................................................................... 372 3.7 Betreuung – Optimierung der Kundenzufriedenheit .......................................................374 3.7.1 Aufgabe und Ziel der Betreuung............................................................................................ 374 3.7.2 Grundlagen der Kundenbeziehung ........................................................................................ 375 3.7.3 Customer Relationship Management ..................................................................................... 377 3.7.4 Kundenbindungsprogramme .................................................................................................. 380 3.7.5 After-Sales im Produktgeschäft ............................................................................................. 381 3.7.5.1 Benutzergruppen .................................................................................................... 382 3.7.5.2 Benutzertreffen ...................................................................................................... 383 3.7.5.3 Referenzbesuche .................................................................................................... 383 3.7.6 Kundenlebenszyklus .............................................................................................................. 385
230
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Das Marketing ist unbestritten einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren der Unternehmensberatung. Roland Berger fokussiert diesen Erfolgsfaktor sogar ausschließlich auf das Branding, also auf eine gut eingeführte Marke [vgl. Berger 2004, S. 10 ff.]. Das scheint aber bei genauerer Betrachtung der Abläufe und Aktivitäten einer Unternehmensberatung zu kurz gegriffen. Im Gegenteil, Marketing und Vertrieb sind die ganz entscheidenden Faktoren einer erfolgreich operierenden Beratungseinheit – wenn auch das Branding, also eine solide Marke, in vielen Fällen die Initialzündung für spätere Aufträge sein kann. Es soll hier also nicht alleine auf die Initialzündung bei der Auftragsvergabe abgehoben werden, sondern neben den strategischen Marketingaktivitäten – wie Segmentierung und Positionierung als Grundlage der Kommunikation mit dem Kunden – auch die vertrieblichen Aktivitäten – wie das erfolgreiche Akquisitionsgespräch und die Kundenbetreuung – betrachtet werden. Zur Systematisierung der Wertschöpfungskette Marketing und Vertrieb im Beratungsbereich dient die Marketing-Gleichung, deren Beschreibung sich in den allgemeinen Teilen auf die Ausführungen von Lippold [2015a und 2015d] bezieht. Die Anwendung der Marketing-Gleichung für die Unternehmensberatung liefert:
Aussagen über Kundennutzen und Kundenvorteil von Beratungsleistungen Aussagen über die Segmentierung des Beratungsmarktes Aussagen über die wirkungsvolle Positionierung in den ausgewählten Beratungssegmenten Aussagen über den Einsatz der klassischen Kommunikationsinstrumente Aussagen über den Einsatz der digitalen Kommunikationsinstrumente Aussagen über Vertriebsstrukturen des Beratermarktes Aussagen über die Effektivität und Effizienz von Akquisitionsprozessen im Beratungsgeschäft Aussagen über einen nachhaltigen Betreuungsprozess in der Unternehmensberatung.
3.1 Die Marketing-Gleichung für Unternehmensberatungen
231
3.1 Die Marketing-Gleichung für Unternehmensberatungen Die Idee der Marketing-Gleichung beruht auf zwei Grundüberlegungen. Zum einen ist es die Darstellung und Analyse der Wertschöpfungs- und Prozessketten eines Unternehmens, zum anderen ist es die Erkenntnis, dass nur der vom Markt honorierte Wettbewerbsvorteil maßgebend für den nachhaltigen Gewinn eines Unternehmens ist. 3.1.1 Die Marketing-Wertschöpfungskette Die Aufgaben von „Marketing und Vertrieb“ zählen zu den Primäraktivitäten und damit zu den Kernprozessen einer Unternehmensberatung (siehe auch Abschnitt 2.1.2). Die Primäraktivitäten lassen sich nun – ebenso wie die Prozesse der Sekundäraktivitäten – weiter unterteilen in Prozessphasen, Prozessschritte etc. Für die erste Unterteilung in Prozessphasen erhält man das in Abbildung 3-01 dargestellte Schema. Prozessstruktur
Primäre Aktivitäten (Kernprozesse)
Unternehmensprozesse
Marketing und Vertrieb
Kernprozesse
Prozessphasen
Abb. 3-01:
Segmentierung
Positionierung
Leistungserbringung
Kommunikation
Sekundäre Aktivitäten (Unterstützungsprozesse)
Personalmanagement
Vertrieb
Akquisition
Betreuung
Prozessstruktur der Marketing-Wertschöpfungskette in der Beratung
3.1.2 Konzeption, Aufbau und Elemente der Marketing-Gleichung Die zentrale Marketing-Idee ist es, die Vorteile des eigenen Unternehmens auf die Bedürfnisse vorhandener und potenzieller Kunden auszurichten. Die Bestimmungsfaktoren dieser Vorteile sind für die Unternehmensberatung das Leistungsportfolio, die besonderen Fähigkeiten und Erfahrungen, die genutzten Tool- und Know-how-Komponenten sowie die Innovationskraft, kurzum: die eingesetzte Problemlösungs- bzw. Beratungstechnologie, die die Differenzierungsvorteile und damit das Akquisitionspotenzial des Beratungsunternehmens ausmacht. Bereits Wroe Alderson, einer der herausragenden Marketing-Theoretiker des 20. Jahrhunderts, nimmt in seinem umfassenden Entwurf zu einer generellen Marketing-Theorie die zentrale Idee zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen vorweg: „Der Ansatz der Differenzierungsvorteile, …, geht davon aus, dass niemand in einen Markt eintritt, wenn er nicht die Erwartung hat, einen gewissen Vorteil für seine Kunden bieten zu
232
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
können und dass Wettbewerb in dem dauernden Bemühen um die Entwicklung, Erhaltung und Vergrößerung solcher Vorteile besteht.“ [Alderson 1957, S. 106 zit. nach Kuß 2013, S. 233]. Die spezifische Besonderheit im Beratungsgeschäft liegt nun darin, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil des Wettbewerbsvorteils nicht nur von der Technologie des Beraters, sondern auch von der verfügbaren Technologie und den Mitarbeitern des jeweiligen Kundenunternehmens bestimmt ist, da die Problemlösung, auf die der Wettbewerbsvorteil abzielt, in aller Regel vom Kunden und dem Berater gemeinsam erstellt wird [vgl. Lippold 2018a]. 3.1.2.1 Entstehung von Wettbewerbsvorteilen im Beratungsgeschäft
Wie lässt sich die Entstehung von Wettbewerbsvorteilen bzw. des Akquisitionspotenzials im Beratungsgeschäft (theoretisch) erklären? Hierzu soll in Anlehnung an Christian Schade ein Vektorenmodell dienen, dem die Auffassung zugrunde liegt, „dass sich ein idealtypisches Beratungsprojekt als temporäre Koproduktion durch ungleiche Partner auffassen lässt“ [Schade 2000, S. 68]. In diesem Modell werden die Arbeitsweisen, die von Kundenmitarbeitern und Unternehmensberatern zur Problemlösung eingesetzt werden, als unterschiedliche lineare Problemlösungstechnologien aufgefasst. Beide Problemlösungstechnologien kommen zum Einsatz, d. h. die Problemlösung wird von den Kunden und den Unternehmensberatern gemeinsam erstellt. Diese Technologien stellen Vektoren in einem Raum dar, der durch nutzenstiftende Eigenschaften des Beratungsergebnisses beschrieben wird. Dazu zählen bspw. die Breite (Anzahl der untersuchten Unternehmensfunktionen) oder Tiefe (Detaillierungsgrad) der erarbeiteten Problemlösung. Wettbewerbsvorteile ergeben sich nun aus der Passform der Technologien in Verbindung mit dem Verlauf der Indifferenzkurven der Nutzenfunktion des Kunden, die das unterschiedlich erreichbare Nutzenniveau darstellen. In Abbildung 3-02 sind vier Technologien abgebildet: die Beratungstechnologien dreier konkurrierender Unternehmensberater A, B und C sowie die (vorhandene) Technologie des Kunden.
Eigenschaft 1
Berater C
BPOpt
Kunde
Nutzenniveau U3 Nutzenniveau U2
Berater B
Nutzenniveau U1
Berater A
[Quelle: in Anlehnung an Schade 2000, S. 82]
Abb. 3-02:
Darstellung von Wettbewerbsvorteilen im Vektorenmodell
Eigenschaft 2
3.1 Die Marketing-Gleichung für Unternehmensberatungen
233
Betrachtet man zunächst den jeweils alleinigen Einsatz der Technologien des Kunden sowie der Berater A und B, so erreichen sie für den Kunden jeweils dasselbe Nutzenniveau U1. Auf diese Weise ist weder ein Wettbewerbsvorteil für Berater A oder B zu erkennen, noch ist begründbar, warum überhaupt ein Berater eingesetzt werden soll. Betrachtet man jedoch den gleichzeitigen Einsatz der Kundenmitarbeiter und eines Unternehmensberaters, so ist die Zusammenarbeit mit einem Berater durchaus sinnvoll und vorteilhaft: Es liegt eine Nutzensynergie vor. Während der Kunde durch eine Zusammenarbeit mit dem Berater A ein Nutzenniveau U3 erreichen kann, führt die Kooperation mit dem Berater B lediglich zu einem Nutzenniveau von U2. Berater A verfügt also über einen (fachlichen) Wettbewerbsvorteil [vgl. Schade 2000, S. 83]. Der wesentliche Aspekt des Ergebnisses besteht nun darin, dass gerade Berater B, dessen Beratungstechnologie fast genau die gleiche Eigenschaftsmischung wie die des optimalen Beratungsprojektes BPopt aufweist, nicht zum Zuge kommt. Vielmehr wird deutlich, dass Wettbewerbsvorteile vor allem dadurch erreicht werden können, dass sich die Technologien zwischen Unternehmensberatern und Kundenunternehmen ergänzen. Die Betrachtung der reinen Eignung unterschiedlicher Berater im Hinblick auf das zu lösende Problem ist also häufig „zu kurz gesprungen“, um die Wettbewerbsvorteile im Beratungsgeschäft zu verstehen. Das Beispiel in Abbildung 3-02 zeigt vielmehr, dass sich ein hohes Nutzenniveau und damit Wettbewerbsvorteile in Folge erst durch das Matching unterschiedlicher Technologien ergeben. Ein ähnlich hohes Nutzenniveau kann in dem Beispiel nur noch der Berater C erreichen, der zwar (nur) über eine Technologie mit nahezu identischer Eigenschaftsmischung wie das Kundenunternehmen verfügt, der diese Technologie aber deutlich besser beherrscht und damit einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Beratern generiert. Somit sind es zwei Arten von Wettbewerbsvorteilen, die durch das Vektorenmodell aufgezeigt werden können: zum einen eine Beratungstechnologie, die relativ weit von der verfügbaren Technologie des Kundenunternehmens angesiedelt ist und durch ein Matching zu einem hohen Nutzenniveau führt, zum anderen durch eine Beratungstechnologie, die zwar in die gleiche Richtung wie die Technologie des Kunden zeigt, die dieser aber deutlich überlegen ist. 3.1.2.2 Vom Markt honorierter Wettbewerbsvorteil
Dieser Wettbewerbsvorteil (an sich), der durch das unterschiedliche Nutzenniveau bestimmt wird, ist aber letztlich ohne Bedeutung, wenn er nicht auch von den Kundenunternehmen wahrgenommen wird. Erst die Akzeptanz im Markt sichert den nachhaltigen Gewinn. Genau diese Lücke zwischen dem Wettbewerbsvorteil an sich und dem vom Markt honorierten Wettbewerbsvorteil gilt es zu schließen. Damit sind gleichzeitig auch die beiden Pole aufgezeigt, zwischen denen die Marketing-Wertschöpfungskette einzuordnen ist. Eine Optimierung des Marketingprozesses führt somit zwangsläufig zur Schließung der Lücke [vgl. Lippold 2010a, S. 3 f.]. Voraussetzung für die angestrebte Optimierung ist, dass der Marketingprozess in seine Aktionsfelder Segmentierung, Positionierung, Kommunikation, Vertrieb, Akquisition und Betreuung zerlegt wird und diese jeweils einem zu optimierenden Kundenkriterium („Variable“) zugeordnet werden:
234
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Segmentierung zur Optimierung des Kundennutzens Positionierung zur Optimierung des Kundenvorteils Kommunikation zur Optimierung der Kundenwahrnehmung Vertrieb zur Optimierung der Kundennähe Akquisition zur Optimierung der Kundenakzeptanz Betreuung zur Optimierung der Kundenzufriedenheit
Entsprechend lässt sich folgende Gleichung im Sinne einer Identitätsbeziehung ableiten: Honorierter Wettbewerbsvorteil = fachlicher Wettbewerbsvorteil + Kundennutzen + Kundenvorteil + Kundenwahrnehmung + Kundennähe + Kundenakzeptanz + Kundenzufriedenheit Dabei geht es nicht um eine mathematisch-deterministische Auslegung des Begriffs „Gleichung“. Angestrebt wird vielmehr der Gedanke eines herzustellenden Gleichgewichts (und Identität) zwischen dem Wettbewerbsvorteil an sich und dem vom Kunden honorierten Wettbewerbsvorteil. Mit anderen Worten, hinter dieser Begriffsbildung steht die These, dass das Gleichgewicht durch die Addition der einzelnen, an Kundenkriterien ausgerichteten Aktionsfelder erreicht werden kann [vgl. Lippold 1998, S. 9 f.]. Zur Veranschaulichung dieser Gleichgewichtsbeziehung dient die in Abbildung 3-03 vorgenommene Darstellung in Form einer Waage.
Abb. 3-03:
Marketing-Waage
Der ganzheitliche Ansatz der Marketing-Gleichung, der die einzelnen Aktionsfelder in einen zeitlichen und inhaltlichen Wirkungszusammenhang stellt, ist zudem in Abbildung 3-04 dargestellt. In dieser Abbildung wird auch deutlich, dass die einzelnen Aktionsfelder zugleich die Hauptprozessphasen der Vermarktung darstellen.
3.1 Die Marketing-Gleichung für Unternehmensberatungen
235
Marketing-Prozessphasen Wettbewerbsvorteil • Leistungen • Fähigkeiten • Know-how • Innovationskraft
Segmentierung
Positionierung
Kommunikation
+ Kundennutzen
+ Kundenvorteil
+ Kundenwahrnehmung
Nachhaltiger Gewinn
Vertrieb
Akquisition
Betreuung
+ Kundennähe
+ Kundenakzeptanz
+ Kundenzufriedenheit
=
Vom Markt honorierter Wettbewerbsvorteil
Kundenkriterien © Dialog.Lippold
Abb. 3-04:
Die Marketing-Gleichung im Überblick
3.1.2.3 Organisatorische Implikationen
Mit der Marketing-Gleichung liegt ein praxisorientierter Ansatz vor, der auf eine (mehr theoretische) Trennung von Strategie und Mix verzichtet, gleichwohl aber ein Vorgehensmodell und einen Handlungsrahmen für die zielgerichtete Maßnahmenplanung und den entsprechenden Mitteleinsatz darstellt. Auf dem Fundament der Marketing-Gleichung werden für jede Prozessphase die entscheidenden Aktionsparameter und Werttreiber sichtbar gemacht. Gleichzeitig zeigt die Marketing-Gleichung sehr deutlich, welche Wertschöpfungsphasen aus organisatorischer Sicht dem Marketingmanagement und welche dem Vertriebsmanagement zugerechnet werden (siehe Abbildung 3-05). Danach sind die Phasen Segmentierung und Positionierung organisatorisch dem strategischen Marketing und die Phase Kommunikation dem operativen Marketing zuzuordnen. Die Phasen Vertrieb, Akquisition und Betreuung sind dagegen Domänen des Vertriebsmanagements.
Marketingmanagement Strategisches Marketing Segmentierung
• Vertikal • Horizontal • Regional • Betriebsgröße • Technologie
Positionierung
• Produkt/ Leistung • Preis
Vertriebsmanagement Lead-Entwicklung (Sales)
Operatives Marketing Kommunikation
• Intern/extern • Print/online • Website • Advertising • Kampagnen • Events
Distribution
• Vertriebsorgane • Vertriebskanäle • Vertriebsformen
Akquisition
• LeadManagement • Verkaufsgespräch • Angebot/ Vertrag
(Bestands-) Kundenentwicklung Betreuung
• Kundenwert • Kundenbindung • Kundenbeziehung © Dialog.Lippold
Abb. 3-05:
Systematik der Marketing-Gleichung
236
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Die Durchführung der Akquisition, also des persönlichen Verkaufs, obliegt in funktionaler Hinsicht der Verantwortung der Verkaufsorganisation. Hier kommt die in der Praxis übliche organisatorische Trennung zwischen Marketing und Vertrieb zum Ausdruck – und zwar sowohl im B2C- als auch im B2B-Marketing. So wird das Marketing von Konsumgütern vom Produkt- oder Brandmanagement unter Federführung der Marketingleitung wahrgenommen. Die sehr personal- und kostenintensive Verkaufsorganisation, deren Kern sich aus Reisenden und Handelsvertretern des Außendiensts zusammensetzt, ist dagegen dem Vertriebsleiter unterstellt. Um das Kundenpotenzial bei Großkunden (z. B. Warenhäuser oder Ketten) optimal ausschöpfen zu können (Achtung: B2B-Anteil der Konsumgüterhersteller), sind Key Account Manager in Verbindung mit Category Managern ebenfalls der Vertriebsleitung zugeordnet [vgl. Runia et al. 2011, S. 286]. Im B2B-Marketing hängt – mehr noch als im B2C-Bereich – die konkrete Ausgestaltung von Marketing und Sales von der Größe des Unternehmens, der Beratungs- und Erklärungsbedürftigkeit der Produkte und Dienstleistungen und der individuellen Kundenstruktur ab. Während die strategischen Marketingfragen zumeist in der Geschäftsführung (teilweise mit externer Unterstützung von Beratern oder des Marketings) behandelt werden, liegen die operativen Marketingaufgaben mit dem Kampagnen- und Event-Management vollständig in der Verantwortung der Marketingleitung. Das Lead- und Kundenmanagement ist – mit Unterstützung der KeyAccount-Manager – wiederum der Vertriebsleitung zugeordnet. 3.1.3 Abgrenzung zwischen B2C- und B2B-Marketing Neben der methodisch wichtigen Einführung in die Marketing-Gleichung ist noch ein weiterer Aspekt zu berücksichtigen: die Zuordnung des Marketing von Unternehmensberatungen zum Business-to-Business (B2B-)Marketing. Diese Zuordnung ist deshalb von Bedeutung, weil die gängige Zuordnung des Beratungsmarketings zum Dienstleistungsmarketing eine weitgehend homogene Gestaltung der Marketingaktivitäten nicht leisten kann und daher aus MarketingSicht nicht zielführend ist. Das ist darauf zurückzuführen, dass sich der Dienstleistungssektor aus so unterschiedlichen Anbietern wie Banken, Versicherungen, Transportunternehmen, Steuerberatungen, Reinigungsunternehmen, Gaststätten und eben auch Unternehmensberatungen zusammensetzt. Nicht zuletzt diese Inhomogenität des Dienstleistungsbereichs hat wohl dazu geführt, dass sich die Praxis an einer Marketing-Typologie orientiert, die auf den unterschiedlichen Käufergruppen aufbaut: Business-to-Consumer (B2C) – Marketing Business-to-Business (B2B) – Marketing Das B2C-Marketing wendet sich ausschließlich an den Endkonsumenten als Kunden, während sich das B2B-Marketing an Unternehmen und sonstige Organisationen richtet. Die Stellung des Kunden im Wirtschaftsablauf ist somit das wesentliche Unterscheidungskriterium zwischen B2C und B2B. Mit dieser Einteilung lässt sich das unterschiedliche Kaufverhalten der einzelnen
3.1 Die Marketing-Gleichung für Unternehmensberatungen
237
Käufergruppen dahingehend systematisieren, dass es typenübergreifend eine differenzierte, innerhalb eines Typs aber weitgehend einheitliche Ausrichtung der Marketingaktivitäten zulässt. Konkret bedeutet dies, dass sich die Marketing-Konzeptionen von Unternehmen des B2C-Bereichs teilweise grundsätzlich von denen der Unternehmen des B2B-Bereichs unterscheiden, sich innerhalb der jeweiligen Bereiche aber weitgehend ähneln. Das Konsumgütermarketing ist nahezu ausnahmslos dem B2C-Marketing zuzuordnen. Die Bedarfsdeckung von Unternehmen und Organisationen mit Ver- und Gebrauchsgütern (z. B. für Betriebskantinen) kann vernachlässigt werden. Ebenso eindeutig ist die Zuordnung der Vermarktungsaktivitäten des Industriegüterbereichs zum B2B-Marketing, das ohnehin den Begriff des Industriegütermarketings zunehmend ersetzt. B2B-Marketing ist breiter gefasst als das Industriegütermarketing, da es die Vermarktung von Konsumgütern gegenüber dem Handel und vor allem – und das ist hier entscheidend – die Vermarktung von Dienstleistungen gegenüber organisationalen Kunden mit einbezieht [vgl. Homburg/Krohmer 2006, S. 332 unter Bezugnahme auf Backhaus/Voith 2004, Baumgarth 2004 und Kleinaltenkamp 2000]. Weniger eindeutig ist hingegen die Zuordnung des Dienstleistungsmarketing. Der Dienstleistungssektor ist geprägt von einer Vielfalt von Dienstleistungsarten, die entweder nur Personen (z. B. Friseur), nur Unternehmen/Organisationen (z. B. Unternehmensberatung) oder beiden Käufergruppen (z. B. Banken/Versicherungen) angeboten werden. Abbildung 3-06 liefert eine Zuordnung der güterbezogenen Segmente zu den beiden Käufergruppen (Konsumenten bzw. Unternehmen/Organisationen).
B2C-Marketing Business-to-Consumer
B2B-Marketing Business-to-Business
Beispiele:
Konsumgüter
• • • •
Nahrungsmittelindustrie Verbrauchsgüterindustrie Gebrauchsgüterindustrie IT- und Kommunikationsindustrie Beispiele:
Beispiele:
Dienstleistungen
• • • •
Banken Versicherung Transport- und Verkehr Steuerberatung
• Unternehmensberatung • Wirtschaftsprüfung • Werbeagentur (aber auch Banken, Versicherungen, Transport und Verkehr, Steuerberatung)
Beispiele: • • • •
Industriegüter
© Dialog.Lippold
Abb. 3-06:
Maschinenbau Anlagenbau Zulieferindustrie IT- und Kommunikationsindustrie
Zielgruppe:
Zielgruppe:
Letztkonsument
Unternehmen/Organisationen
Zuordnung der güterbezogenen Segmente zu B2C und B2B
238
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Allerdings weist die Darstellung in Abbildung 3-06 in ihrer Zuordnung immer noch eine Ungenauigkeit auf. So ist der Konsumgüterbereich hier eindeutig dem B2B-Marketing zugeordnet. Das ist aber schon deshalb nicht korrekt, weil im Konsumgüterbereich der persönliche Verkauf des Herstellers überall dort zum Tragen kommt, wo die eigene Vertriebsorganisation im Rahmen der Distributionskanäle direkt auf den nächsten Verwender trifft. So muss ein Markenartikelhersteller beispielsweise mit dem Zentraleinkauf von Warenhäusern oder Handelsketten über Abnahmemengen sowie Preise und Konditionen verhandeln oder Jahresgespräche über Verkaufsförderungsaktionen führen. Solche Jahresgespräche zielen allerdings nicht auf den direkten Verkauf der Produkte. Sie sind vielmehr eine Vorstufe, um z.B. mit der Listung eines neuen Produkts in den Handelsbetrieben oder im Rahmen einer Weihnachtsaktion erst die Möglichkeit für das Herstellerunternehmen eröffnet, dass die Produkte in die Regale kommen und dann in größeren Stückzahlen verkauft werden können. 3.1.4 Marketingziele Deutlich werden auch die Unterschiede zwischen B2B und B2C auch bei der Zuordnung der Marketingziele. Marketingziele
Geltungsbereich
B2C Marktökonomische Ziele
B2B
Marktanteil Marktdurchdringung Preispositionierung Image Bekanntheitsgrad
Marktpsychologische Ziele
Käuferreichweite Kaufintensität Kundenzufriedenheit Kundenbindung
Vollumfängliche Bedeutung
Teilweise Bedeutung
Kaum oder geringe Bedeutung
© Dialog.Lippold
Abb. 3-07:
Marketingziele
Marketingziele - sowohl für B2C als auch für B2B – lassen sich grundsätzlich in marktökonomische Ziele (z. B. Marktanteil, Marktdurchdringung) und marktpsychologische Ziele (z. B. Image, Bekanntheitsgrad) einteilen [vgl. Becker, J. 2019, S. 65 ff.]. In Abbildung 3-07 sind diese Ziele mit ihrem Geltungsbereich für das B2C- bzw. das B2B-Marketing aufgeführt. Eine zielgesteuerte Führung im Marketingbereich verlangt, dass die Marketingziele operational definiert sind und damit eindeutigen Messvorschriften unterliegen. Dieser Forderung ist bei den marktökonomischen Zielen leicht Rechnung zu tragen. Die marktpsychologischen Ziele sind jedoch an ökonomisch determinierten Sollgrößen nicht zu messen. Diese nicht-monetären Ziele lassen sich mit dem Instrumentarium der Marktforschung aber durchaus operationalisieren
3.1 Die Marketing-Gleichung für Unternehmensberatungen
239
(z. B. Kundenbefragung) und können damit in ein zielgesteuertes Führungsmodell einbezogen werden [vgl. Bidlingmaier 1973, S. 138 f.].
240
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
3.2 Segmentierung – Optimierung des Kundennutzens 3.2.1 Aufgabe und Ziel der Segmentierung Der Beratungsmarkt ist keine homogene Einheit. Er besteht aus einer Vielzahl von Kundenunternehmen, die sich in ihren Zielsetzungen, Anforderungen, Wünschen und Kaufmotiven hinsichtlich des Einsatzes von Beratungsleistungen z. T. deutlich voneinander unterscheiden. Unterteilt man die Menge der potenziellen Kunden derart, dass sie in mindestens einem relevanten Merkmal übereinstimmen, so erhält man Kundengruppen, die als Teilmärkte bzw. Segmente bezeichnet werden. Eine solche Segmentierung ist immer dann anzustreben, wenn die Marktsegmente einzeln effektiver und effizienter bedient werden können als der Gesamtmarkt [vgl. Kotler et al. 2007, S. 357]. Im Rahmen des Vermarktungsprozesses ist die Segmentierung, d. h. die Auswahl attraktiver Marktsegmente für die Geschäftsfeldplanung der Unternehmen, das erste wichtige Aktionsfeld (siehe Abbildung 3-08). Von besonderer Bedeutung ist dabei das Verständnis für eine kundenorientierte Durchführung der Segmentierung, denn der Vermarktungsprozess sollte grundsätzlich aus Sicht der Kunden beginnen. Daher steht die Kundenanalyse, die sich mit den Zielen, Problemen und Nutzenvorstellungen der potenziellen Kunden befasst, im Vordergrund der Segmentierung. Die hiermit angesprochene Rasterung der Kundengruppen erhöht die Transparenz des Marktes, lässt Marketing-Chancen erkennen und bietet die Möglichkeit, Produkt- und Leistungsmerkmale feiner zu differenzieren [vgl. Kotler 1977, S. 165].
Aktionsfelder
Nachhaltiger Gewinn
Wettbewerbsvorteil • Leistungen • Fähigkeiten • Know-how • Innovationskraft
Segmentierung + Kundennutzen
Positionierung + Kundenvorteil
Kommunikation
Vertrieb
+ Kundenwahrnehmung
+ Kundennähe
Akquisition
+ Kundenakzeptanz
Betreuung
+ Kundenzufriedenheit
=
Vom Markt honorierter Wettbewerbsvorteil
© Dialog.Lippold
Abb. 3-08:
Segmentierung als erstes Aktionsfeld der Marketing-Gleichung
Ein Marktsegment ist eine Zielgruppe mit einer weitgehend homogenen Problemlandschaft und Nutzenvorstellung [vgl. Tüschen 1989, S. 44]. An jedes Segment ist somit die Forderung zu stellen, dass es in sich betrachtet möglichst gleichartig (homogen) und im Vergleich zu anderen Segmenten möglichst ungleichartig (heterogen) ist. Dementsprechend sollte ein hohes Maß an Identität zwischen einer bestimmten Art und Anzahl von Käufern (Zielgruppe) einerseits und der angebotenen Beratungsleistung einschließlich ihres Vermarktungskonzeptes andererseits erzielt werden [vgl. Becker, J. 2019, S. 248]. Aufgabe der Segmentierung ist es, alle relevanten Zielgruppen und deren Nutzenvorstellung über die angebotenen Leistungen zu bestimmen. Die Segmentierung hat demnach die Optimierung des Kundennutzens zum Ziel [vgl. Lippold 2018b]:
3.2 Segmentierung – Optimierung des Kundennutzens
241
Kundennutzen = f (Segmentierung) → optimieren! Durch die Marktsegmentierung soll die heterogene Struktur der Käufer aufgelöst werden, d. h. der Markt eines Unternehmens ist in homogene Käufergruppen zu zerlegen, um ihn entsprechend bearbeiten zu können [vgl. Strothmann/Kliche 1989, S. 67]. Bei der Segmentierung handelt es sich um einen kreativen Akt, der letztlich Zielgruppen mit möglichst homogenem Bedarf und einheitlichem Kaufverhalten identifizieren soll. Eine wesentliche Hilfestellung leisten hierbei die vielfältigen Methoden der Marktforschung. Vom Aufgabenspektrum her betrachtet, lässt sich die Marktsegmentierung in die Marktsegmenterfassung (Informationsseite) und in die Marktsegmentbearbeitung (Aktionsseite) einteilen. Auf der Informationsseite stehen das Kaufverhalten der Unternehmen und deren Analyse über die Marktforschung im Vordergrund. Die Aktionsseite ist geprägt von der Segmentbestimmung und -auswahl sowie der segmentspezifischen Bearbeitung, die jedoch den anderen Aktionsfeldern des Vermarktungsprozesses vorbehalten ist (siehe Abbildung 3-09).
Marktsegmentierung
Informationsseite: Marktsegmenterfassung
Kaufverhalten
Marktforschung
der Kundenunternehmen
• Informationsgewinnung
Aktionsseite: Marktsegmentbearbeitung
Bestimmung und Auswahl der Beratungssegmente
• Informationsverarbeitung
Segmentspezifische Bearbeitung • Positionierung • Kommunikation • Vertrieb • Akquisition • Betreuung
[Quelle: Darstellung in Anlehnung an Freter 1983, S. 14]
Abb. 3-09:
Aufgabenspektrum der Marktsegmentierung
Der Beratungsmarkt ist kein monolithischer Block. Er umfasst mehr Einsatz- und Anwendungsfelder, mehr Käufergruppen, mehr Anwendungsfunktionen und mehr technologische Gestaltungsmöglichkeiten, als ein Unternehmen überhaupt abdecken kann [vgl. Tüschen 1989, S. 38]. Der Gesamtmarkt aller Kundenunternehmen und Organisationen muss also in Teilmärkte (Segmente) aufgeteilt werden, damit diese individuell mit Marketingmaßnahmen bearbeitet werden können. Die Aufteilung hat so zu erfolgen, dass die einzelnen Segmente Unternehmen und Organisationen enthalten, die ähnliche Eigenschaften aufweisen und nach gleichen Gesichtspunkten einkaufen. Die Marktsegmentierung muss sicherstellen, dass Leistungen, Preise, Vertriebswege und Kommunikationsmaßnahmen zu den spezifischen Anforderungen der identifizierten Kundengruppen passen. Damit wird deutlich, welche bedeutende Rolle die Segmentierung des Zielmarktes auch im Beratungsmarketing einnimmt [vgl. Lippold 2021a]. Neben der Forderung nach Homogenität der ausgewählten Zielgruppen sind noch weitere Anforderungen an ein effektives Segmentieren zu stellen [vgl. Meffert et al. 2008, S. 190]:
242
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Messbarkeit. Die Segmente müssen hinsichtlich Potenzial und Volumen mit den vorhandenen Marktforschungsmethoden messbar und erfassbar sein. Relevanz. Ein Marktsegment sollte hinsichtlich seiner Größe und seines Gewinnpotenzials ausreichend dimensioniert sein, damit sich ein segmentspezifisches Marketingprogramm lohnt. Erreichbarkeit. Die Segmente müssen eine gezielte Ansprache ermöglichen und somit für segmentspezifische Marketingaktivitäten erreichbar sein. Trennbarkeit. Die Segmente müssen vom Marketingkonzept her trennbar und damit einzeln ansprechbar sein („Scharfschützen-Konzept“). Stabilität. Die Marktsegmente sollten über einen längeren Zeitraum stabil und innerhalb einer ökonomischen Mindestzeit ausschöpfbar sein. Wirtschaftlichkeit. Der sich aus der Segmentierung ergebende Nutzen sollte größer sein als die für die Ausarbeitung der segmentspezifischen Marketingaktionen anfallenden Kosten. Das Grundmodell der Segmentierung unterscheidet zwei Segmentierungsarten:
die eindimensionale Segmentierung und die mehrdimensionale Segmentierung.
Wird nur ein Segmentierungsmerkmal (z. B. die Unternehmensgröße) als kaufrelevant erachtet, so handelt es sich um eine eindimensionale Segmentierung. Werden dagegen zwei oder mehrere Segmentierungsmerkmale (z. B. die Unternehmensgröße und zusätzlich die Branche der Kundenunternehmen) berücksichtigt, spricht man von einer mehrdimensionalen Segmentierung. Abbildung 3-10 fasst die verschiedenen Arten der Segmentierung im Überblick zusammen. Segmentierungsarten
Eindimensionale Segmentierung B
A
B
A
A
C
C
z.B. Unternehmensgröße (3 Klassen: A, B, C)
C
[Quelle: Darstellung in Anlehnung an Kotler et al. 2007, S. 357]
Abb. 3-10:
Segmentierungsarten
Mehrdimensionale Segmentierung B1 A1 B1 B1 A2 C1 B2 A2 C2 B2 C2
z.B. Unternehmensgröße (3 Klassen: A, B, C) und 2 Branchen
3.2 Segmentierung – Optimierung des Kundennutzens
243
3.2.2 Kaufverhalten im B2B-Bereich Das Kaufverhalten von Organisationen (Unternehmen und Behörden) weicht in vielerlei Hinsicht vom Kaufverhalten der Konsumenten in den Endverbrauchermärkten ab. Unternehmen erwerben Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, technische Anlagen, Ersatzteile, Werkzeugmaschinen, Produktkomponenten, Telekommunikationseinrichtungen und Beratungsleistungen, um eigene Produkte und Dienstleistungen erstellen und anbieten zu können. Behörden bzw. öffentliche Institutionen kaufen Güter und Dienstleistungen ein, um die ihnen übertragenen Aufgaben zu erstellen. Das Verständnis für die Besonderheiten organisationaler Kaufentscheidungen ist für die Marktsegmentierung im B2B-Bereich und damit im Beratungsgeschäft eine wichtige Voraussetzung. Die Besonderheiten des B2B-Marketings ergeben sich aus der Markt- und Nachfragestruktur, aus dem spezifischen Wesen des organisationalen Einkaufs sowie aus der Komplexität im organisatorischen Zusammenspiel zwischen Lieferanten und Kunden [vgl. Kotler et al. 2007, S. 315]. Abbildung 3-11 liefert einen Überblick über die Besonderheiten der B2B-Märkte.
Struktur von Markt und Nachfrage
Wesen des organisationalen Einkaufs
Komplexität im organisatorischen Zusammenspiel
• Weniger und größere Käufer
• Multipersonalität
• Geografische Käuferkonzentration
• Multiple Verkaufskontakte
• Komplexe Zusammenhänge (z.B. Systemkauf)
• Abgeleitete Nachfrage
• Professionelles Einkaufsmanagement und hoher Formalisierungsgrad
• Unbeständige Nachfrage • Besondere Bedeutung von Dienstleistungen
• Multiorganisationalität
• Reziprozität • Langfristigkeit der Geschäftsbeziehung • Hoher Grad der persönlichen Interaktion der Geschäftspartner
[Quelle: Kotler et al. 2007, S. 315]
Abb. 3-11:
Charakteristika des organisationalen Kaufverhaltens
3.2.2.1 Organisationaler Einkauf
Das B2B-Marketing hat es in der Regel mit weniger, aber größeren Kunden als das B2C-Marketing zu tun. Auch ist häufig eine geografische Konzentration bestimmter Branchen zu beobachten (Zulieferer in Baden-Württemberg, Chemische Industrie entlang des Rheins, Werften in Norddeutschland). Eine weitere Besonderheit ist, dass sich die Nachfrage nach industriellen Gütern und Dienstleistungen letztlich aus der Nachfrage nach Konsumgütern ableitet. Auch wird die Gesamtnachfrage im B2B-Bereich durch Preisschwankungen weniger stark beeinflusst. Insbesondere bei komplexen Industriegütern und -dienstleistungen mit einem hohen Investitionsvolumen sind die Nachfragerhythmen eher unregelmäßig. Auch ist in solchen Fällen der Dienstleistungsanteil (z. B. Beratung) von besonderer Bedeutung für den Kaufabschluss. Organisationale Kaufentscheidungen haben zumeist mehrere Mitwirkende (Mitarbeiter aus Einkauf, Fachabteilung, Management). Auch ist der Verkaufsprozess im B2B-Bereich zeitlich
244
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
länger anzusetzen als beim B2C-Marketing. So sind aufgrund der Vielzahl der beteiligten Akteure auf der Einkaufsseite und aufgrund der komplexen Leistungen in der Regel mehrere Kontaktbesuche erforderlich, um letztlich den Auftrag zu erhalten. Eine weitere Besonderheit ist die Vielzahl von weiteren Organisationen, die insbesondere bei komplexen Gütern und Leistungen sowohl auf der Anbieterseite (z. B. als Subunternehmen) als auch auf der Nachfragerseite (z. B. Ingenieurbüros) in den Verkaufsprozess eingebunden sind. Charakteristisch für den B2B-Bereich ist weiterhin ein professionelles Beschaffungsmanagement mit einem hohen Formalisierungsgrad (Einholung von Alternativangeboten, Ausschreibungen). Komplexe technische Zusammenhänge bei einer Vielzahl von industriellen Gütern bestimmen das B2B-Marketing, das die Aufgabe hat, Leistungsdaten und technische Informationen verständlich aufzubereiten. Eine weitere Besonderheit im B2B-Bereich ist, dass die einkaufende Organisation häufig solche Lieferanten auswählt, die umgekehrt auch bei ihr einkauft (Reziprozität). Aufgrund des Einkaufsvolumens und der damit verbundenen Einkaufsmacht, ist dem anbietenden Unternehmen besonders an einer engen, langfristigen und auch persönlichen Geschäftsbeziehung gelegen. 3.2.2.2 Das Buying Center und seine Akteure
Während Konsumenten ihre Kaufentscheidungen in der Regel individuell fällen, wirken im B2B-Bereich mehrere Personen als Entscheider oder Entscheidungsbeteiligte mit. Ein solches Gremium wird als Buying Center bezeichnet. Es weist den Beteiligten verschiedene Rollen im Hinblick auf die Auswahlentscheidung zu [vgl. Webster/Wind 1972, S. 72 ff.]: Initiatoren (engl. Initiator) regen zum Kauf eines bestimmten Produktes an und lösen den Kaufentscheidungsprozess aus. Initiatoren müssen nicht zwingend die späteren Nutzer der Lösung sein, sondern können aus den verschiedensten betrieblichen Funktionsbereichen kommen. Informationsselektierer (engl. Gatekeeper) strukturieren Informationen über das zu beschaffende Produkt vor, bringen diese in das Buying Center ein und steuern den organisationsinternen Informationsfluss. Diese Personengruppe ist häufig den Fachbereichen, also denjenigen Bereichen, in denen das Produkt (die Lösung) zum Einsatz kommt, zuzuordnen. Beeinflusser (engl. Influencer) sind formal zwar nicht am Beschaffungsprozess beteiligt, verfügen aber als Spezialisten über besondere Informationen. Insbesondere über die Vorgabe gewisser Mindestanforderungen kann ihre (informelle) Teilnahme am Auswahlprozess mitentscheidend sein. Beeinflusser sind bspw. im Qualitätsmanagement oder in (Normen-)Ausschüssen zu finden. Entscheider (engl. Decider) sind jene Organisationsmitglieder, die aufgrund ihrer hierarchischen Position letztlich die Kaufentscheidung treffen. Das monetäre Volumen des Auftrags ist zumeist ausschlaggebend dafür, auf welcher Hierarchieebene die Auftragsvergabe entschieden wird.
3.2 Segmentierung – Optimierung des Kundennutzens
245
Einkäufer (engl. Buyer) besitzen die formale Kompetenz, Lieferanten auszuwählen und den Kaufabschluss zu tätigen. Einkäufer führen die Einkaufsverhandlungen unter kaufmännischen und juristischen Aspekten. In größeren Organisationen gehören Einkäufer einer Beschaffungs- oder Einkaufsabteilung an. Benutzer (engl. User) sind schließlich jene Personen, die die zu beschaffenden Güter und Dienstleistungen einsetzen bzw. nutzen werden. Da ein Einsatz gegen den Widerstand der User nur sehr schwer durchsetzbar ist, haben diese Organisationsmitglieder eine Schlüsselstellung im Rahmen des Auswahl- und Entscheidungsprozesses. Buying Center bilden sich informell und sind in der Regel nicht organisatorisch verankert. Daher sind Umfang und Struktur dieses Einkaufsgremiums auch nur sehr schwer zu erfassen. Es lässt sich aber die These vertreten, dass die Anzahl der jeweils Beteiligten am Buying Center vom Wert, von der Komplexität und vom Einfluss des zu beschaffenden Produkts bzw. der Problemlösung auf Prozesse und Organisation sowie vom Informationsbedarf über das Investitionsobjekt abhängt. Auch kann nicht festgeschrieben werden, ob teilweise mehrere Rollen von einer Person und ob die einzelnen Rollen teilweise von mehreren Personen wahrgenommen werden. Gleichwohl haben empirische Untersuchungen gezeigt, dass die Funktion der einzelnen Rollen vom Grundsatz her bei jeder komplexen Beschaffungsmaßnahme ausgeübt wird. Daher ist es für einen vertriebsverantwortlichen Berater besonders wichtig, dass für jedes Akquisitionsprojekt die entsprechende Rollenverteilung auf der Kundenseite ausfindig gemacht wird [vgl. Lippold 1998, S. 135]. Bei Investitionsprojekten, die einen nicht unerheblichen Einfluss auf das Veränderungsmanagement (engl. Change Management), also auf Struktur und Prozesse des beschaffenden Unternehmens haben, können die Akteure des Buying Center auch nach Promotoren oder Opponenten unterschieden werden, je nachdem, ob sie das Beschaffungsobjekt (z. B. Einführung eines ERP-Systems) eher fördern und unterstützen oder eher behindern und verlangsamen. Je nach Art des Einflusses im Buying Center können Promotoren bzw. Opponenten weiter unterteilt werden [vgl. Homburg/Krohmer 2009, S. 143 f.]: Machtpromotoren bzw. -opponenten beeinflussen das Buying Center aufgrund ihrer hierarchischen Stellung in der Organisation. Fachpromotoren bzw. -opponenten haben Einfluss aufgrund ihrer entsprechenden fachlichen Expertise und ihres besonderen Informationsstands. Prozesspromotoren bzw. -opponenten beeinflussen den Entscheidungsprozess aufgrund ihrer formellen und informellen Kommunikationsbeziehungen in der Organisation. Sie unterstützen bzw. behindern den Kaufprozess, in dem sie organisatorische und fachliche Barrieren überwinden oder errichten und Verbindungen zwischen Macht- und Fachpromotoren bzw. -opponenten herstellen. Abbildung 3-12 gibt einen Überblick über Beziehungen und Beiträge von Macht-, Prozess- und Fachpromotoren. Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass sich die Promotoren- bzw. Opponentenrolle sowohl auf den Beschaffungsvorgang insgesamt (also auf die Problemlösung an sich) als auch auf bestimmte Auswahlalternativen (also auf das Produkt A oder B) beziehen kann.
246
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Die Kenntnis der Rollenstruktur und die Identifikation der verschiedenen Akteure eines Buying Center stellen zentrale Ansatzpunkte für das B2B-Marketing und insbesondere für den Projektvertrieb dar. Die unterschiedlichen Vorgehensweisen und Maßnahmen im Rahmen des Aktionsfeldes Akquisition sollten sehr stark geprägt sein von den unterschiedlichen Bedürfnissen und Anforderungen der verschiedenen Akteure im Buying Center.
Freigabe von Ressourcen, Unterstützung
Beiträge des Machtpromotors
Beiträge des Prozesspromotors
Beiträge des Fachpromotors
Bewertung des Erfolgspotentials
Ideengenerierung
Sicherung des strategischen Fit
Arbeitsteilung, Rollenzuweisung, Zeiteinteilung
Ideenüberprüfung
Überwinden von Opposition
Zusammenführung der Teilprozesse, Konfliktmanagement
Eigentliche Problemlösung
Entscheidung
Motivation, Erklärung, Instruktion
Realisierung
[Quelle: Reger 2009, S. 26]
Abb. 3-12:
Beziehungen und Funktionen von Macht-, Prozess- und Fachpromotoren
3.2.3 Segmentierungspraxis Für das Anwendungsfeld des B2B-Marketings gibt es eine Reihe von Segmentierungsansätzen, die sich wie folgt gruppieren lässt [vgl. Backhaus/Voeth 2014, S. 124 ff.]: Einstufige Ansätze, die lediglich einzelne Kriterien wie z. B. die Größe der Kundenunternehmen für die Segmentierung heranziehen; Mehrstufige Ansätze, die in einem stufenweisen Filterungsprozess Kriterien für das organisationale Beschaffungsverhalten festlegen (z. B. zunächst die Unternehmensgröße, dann die Organisationsstruktur); Mehrdimensionale Ansätze, die im Prinzip die gleichen Kriterien wie mehrstufige Ansätze verwenden, jedoch nicht stufenweise, sondern gleichzeitig; Dynamische Ansätze, die Veränderungen von Kundenbedürfnissen und -präferenzen nachvollziehen. Diese Segmentierungsansätze sollen hier jedoch nicht weiterverfolgt werden. Zur Identifizierung von Marktsegmenten im Beratungsbereich wird stattdessen ein Ansatz gewählt, der das mehrstufige mit dem mehrdimensionalen Modell unter dem Aspekt der Praktikabilität und Umsetzbarkeit kombiniert und auf zwei wesentliche Kategorien von Segmentierungskriterien reduziert. Es handelt sich hierbei zum einen um den segmentierungs-strategischen Gesichtspunkt
3.2 Segmentierung – Optimierung des Kundennutzens
247
der Abgrenzung von Organisationsgruppen anhand von Organisationscharakteristika (organisationsbezogene Kriterien) und zum anderen um den segmentierungs-taktischen Gesichtspunkt des tatsächlichen Organisationsverhaltens bei der Kaufentscheidung [vgl. Becker 2009, S. 280 f., der darüber hinaus noch organisationsmitglieder-bezogene Kriterien als dritte Kategorie anführt; diese dritte Kategorie ist hier jedoch erst im Rahmen des Aktionsfeldes Akquisition relevant]. Damit sind zugleich auch die beiden Segmentierungsstufen genannt [vgl. auch Wind/Cardozo 1974]: Makrosegmentierung zur Abgrenzung von Kundengruppen mit homogener Problemlandschaft und Nutzenvorstellung (→ segmentierungs-strategischer Aspekt) und Mikrosegmentierung zur Auswahl und Ansteuerung der an der Kaufentscheidung beteiligten Personen innerhalb der ausgewählten Kundengruppe (→ segmentierungs-taktischer Aspekt). 3.2.3.1 Makrosegmentierung
Die (strategisch ausgelegte) Makrosegmentierung konzentriert sich problembezogen auf eine effiziente Aufteilung des Gesamtmarktes in möglichst homogene Teilmärkte. Dabei wird eine Beschreibung und Abgrenzung der Kundengruppen mit Hilfe folgender organisationsbezogener Kriterien vorgenommen, die in etwa den „demografischen“ Kriterien im B2C-Bereich entsprechen [vgl. Lippold 1998, S. 111]:
Vertikale Märkte (Branchen) Horizontale Märkte (Funktionen) Räumliche Märkte (Regionen) Betriebsgröße (Umsatz, Anzahl der Beschäftigten, Bilanzsumme etc.) Technologie (Hardware, Betriebssystem, Datenbanksystem, Netze etc.).
Diese Segmentierungskriterien definieren und beschreiben den „strategischen Aktivitätenraum“ des Unternehmens [vgl. Becker, J. 1993, S. 244]. Vertikale Segmentierung. Aus Sicht vieler Unternehmensberatungen ist die vertikale Segmentierung, d. h. die Aufteilung des Marktes nach Branchen maßgebend. Die Branchenorientierung empfiehlt sich vornehmlich für Anbieter, die ihr wichtigstes Kundenpotenzial im Mittelstand sehen und daher eine vertikale Gliederung ihres Produkt- und Leistungsangebotes anstreben. Neben der generellen Branchenzugehörigkeit (Industrie, Handel, Banken, Versicherungen, Transport, Verkehr, sonstige Dienstleistungen und Öffentlicher Bereich) ist vor allem die Differenzierung innerhalb dieser Wirtschaftsbereiche besonders aussagekräftig. Im industriellen Bereich beispielsweise kann weiter unterschieden werden nach Wirtschaftsabteilungen wie chemische Industrie, Maschinen- und Anlagenbau, Elektroindustrie, Nahrungs- und Genussmittelindustrie etc. oder nach Fertigungsarten wie Auftrags- und Einzelfertiger, Serienfertiger, Massenfertiger und Prozessfertiger.
248
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Häufig bietet erst eine solch umfassende Differenzierung (z. B. anhand eines Segmentierungsbaumes wie in Abbildung 3-13 dargestellt) Anhaltspunkte dafür, welche primären Zielgruppen ausgewählt, oder welche Organisationsgruppen als weniger relevant ausgeschlossen werden sollen [vgl. Lippold 1993, S. 226].
Gesamtmarkt
Vertikal
Industrie
Auftragsfertiger
Einmalfertiger
Horizontal
Baugewerbe
KleinSerienfertiger
Einzelfertiger
Regional
Handel
Betriebsgröße
Transport/ Verkehr
GroßSerienfertiger
Banken/ Versicherungen
Massenfertiger
Variantenfertiger
Technologie
…
Sonstige Dienstleistungen …
Prozessfertiger
Mischfertiger
…
…
[Quelle: Lippold 1993, S. 112]
Abb. 3-13:
Beispiel für einen Segmentierungsbaum
Eine besonders aussagekräftige Segmentierung im Bereich der Fertigungsindustrie hat die Unternehmensberatung UBM (heute: Oliver Wyman) für ihre Kunden entwickelt. Dabei werden die beiden Merkmale Stabilität des Produktionsprozesses und Komplexität des zu fertigenden Produktes zueinander in Beziehung gesetzt. Die Stabilität des Produktionsprozesses korreliert sehr stark mit der Anzahl der produzierten Erzeugnisse und wird mit den Ausprägungen niedrig, mittel und hoch auf der Abszisse abgetragen. Auf der Ordinate werden die verschiedenen Komplexitätsstufen des Produktes dargestellt. Je komplexer das zu fertigende Produkt ist, desto höher sind auch die Anforderungen an die Stücklistenorganisation. Auf diese Weise lassen sich dann Industriesegmente wie Einmal-, Einzel-, Varianten-, Massen-, Wiederhol- oder Prozessfertiger voneinander abgrenzen [vgl. Lippold 2021b]. Abbildung 3-14 zeigt das Ergebnis dieser Abgrenzung in Form einer Matrix. Eine solche Segmentierung ist besonders hilfreich für Unternehmen, die gezielt Produkte oder Dienstleistungen für die so identifizierten Marktsegmente anbieten (z. B. IT-Beratungshäuser, die sich auf die Einführung von ERP-Systemen für die Produktionsplanung und -steuerung spezialisiert haben).
3.2 Segmentierung – Optimierung des Kundennutzens
249
Produktkomplexität Einmalfertigung • Schiffbau • Hütten- und Walzeinrichtungen • Sondermaschinen • Groß-Werkzeugmaschinen
Komplexe Produkte
Baugruppen, Produkte mittlerer Komplexität
Einzelfertigung (Auftrag) • Kessel- und Behälterbau • Sonstiger Maschinenbau • Elektro-Sondermaschinenbau
Teile, einfache Produkte
Variantenfertigung nach Auftrag • Luft- und Raumfahrt • Schienenfahrzeugbau • Werkzeug-, Textil- und Verpackungsmaschinen
niedrig
Massenfertigung (Montage)
• Landmaschinen • Baumaschinen • Feinmechanik • Getriebe
• Zulieferer • Konsumelektronik • Büro- und Informationstechnik
Wiederholfertigung
Linienfertigung
• Betonfertigteile • Schleifmittel, Werkzeuge • Gießereien, Schmieden • Druckereien
• Lampen, Leuchten • Metallblechwaren • Kunststoff, Gummiwaren • Bekleidung, Textil • Keramik, Optik
Diskontinuierlicher Prozess
Kontinuierlicher Prozess
mittel
[Quelle: UBM 1989]
Abb. 3-14:
• Montagewerke der Automobilhersteller
Variantenfertigung nach Programm
• Nahrungsmittelindustrie • Getränkeindustrie • Feinchemie • Pharmaindustrie
Prozessgüter
Automobilmontage
• Raffinerien • Metallerzeugung • Glas, Zement • Papiererzeugung • Grundstoffchemie
hoch
Fertigungsindustrie
Prozessindustrie
Stabilität des Produktionsprozesses
Segmentierung der Fertigungsindustrie
Ein Beispiel für die Bestimmung relevanter Zielgruppen in der Mittelstandsberatung liefert Abbildung 3-15. Danach werden die beiden Merkmale Unternehmensperformance (mit den Ausprägungen niedrig, mittel und hoch) und Unternehmenszugehörigkeit (mit den Ausprägungen Entrepreneurial Companies, Corporate Companies und Semi-public Companies) zueinander in Beziehung gesetzt. Die so identifizierten Marktsegmente reichen von „erfolgreichen“ und „innovativen“ Unternehmen, über „Start-ups“ bis hin zu „Sanierungsfällen“ und „Insolvenzen“. Auf diese Weise lässt sich bspw. der spezifische Bedarf an Unternehmensberatungsleistungen für die einzelnen Marktsegmente ableiten [vgl. Lippold 2010, S. 7]:
Fokussierte Expertenberatung für erfolgreiche und innovative Unternehmen. Hier geht es vornehmlich darum, festgestellte Stärken gezielt auszubauen und Wachstumsschmerzen zu vermeiden.
Ganzheitliche Beratung für Wachstumsunternehmen, Privatisierungsfälle, „Stuck-in-themiddle“-Unternehmen und „Start-ups“. Hier sollten Potenziale aus ganzheitlicher Sicht gehoben werden und auch strukturell unterlegt werden.
Schnelle und zielsichere Umsetzungsberatung für Restrukturierungs- und Sanierungsfälle sowie Insolvenzen. Bei dieser Zielgruppe, die sich zumeist in einer Schieflage befinden, sollte das Kernproblem möglichst schnell in Angriff genommen werden, um die Unternehmensexistenz nicht zu gefährden.
250
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Erfolgreiche Unternehmen
Implikationen für Beratung
hoch Unternehmensperformance
Innovative Unternehmen
Fokussierte Expertenberatung
Wachstumsunternehmen mittel
Privatisierungsfälle
Stuckin-the-middle
Ganzheitliche Beratung
Start-ups Restrukturierungsfälle Sanierungsfälle
niedrig
Schnelle und zielsichere Umsetzungshilfe
Insolvenzen Semi-public Companies
Corporate Companies
Entrepreneurial Companies
Unternehmenszugehörigkeit [Quelle: Lippold 2010, S. 7]
Abb. 3-15:
Segmentierungsansatz für die Mittelstandsberatung
Horizontale Segmentierung. Die horizontale Segmentierung kann dann für Beratungsunternehmen von Interesse sein, wenn die angebotenen Dienstleistungen eine Kaufrelevanz für bestimmte betriebliche Funktionsbereiche haben (z. B. Beratung für Materialwirtschaft/Logistik, Controlling-Beratung, CRM-Beratung). Zu den relevanten Funktionsbereichen zählen
Materialwirtschaft/Logistik, Produktionsplanung und -steuerung, Personalwirtschaft, Finanzwirtschaft, Informationstechnik/Informationssysteme, Kostenrechnung/Controlling und Marketing/Vertrieb.
Regionale Segmentierung. Bei der räumlichen Marktaufteilung geht es darum, ob und inwieweit die Käufergruppen regional begrenzt, überregional und/oder in verschiedenen Auslandsmärkten aktiv bearbeitet werden sollen. Bei jüngeren Unternehmensberatungen mit Wachstumsambitionen verläuft die Entwicklung des Absatzgebietes häufig recht unkontrolliert. Sie beginnt mit einem lokalen Absatzgebiet, dem eine regionale und teilweise auch internationale Markterschließung folgt. Häufig stagniert diese Entwicklung, wenn das Unternehmen auf konkurrierende Wettbewerbszonen anderer Unternehmen stößt und keine Ressourcen zur Überwindung bereitstehen oder geplant sind [vgl. Schildhauer 1992, S. 68]. Segmentierung nach der Betriebsgröße. Eine weitere Segmentierung kann nach der Größe der Kundenunternehmen vorgenommen werden. Hierfür bietet sich eine Klassifizierung nach
3.2 Segmentierung – Optimierung des Kundennutzens
251
der Beschäftigtenzahl, nach der Umsatzgröße oder – vornehmlich bei Banken und Versicherungen – nach der Bilanzsumme an. Die Betriebsgröße ist immer dann von besonderer Bedeutung, wenn es sich um den Verkauf von Projekten mit sehr großem Volumen handelt. So sind kleinere und mittelgroße Organisationen tendenziell weniger bereit, solche komplexen Lösungen zu beauftragen. Hier werden eher standardisierte Leistungen akzeptiert. Ein Beispiel dafür ist der jahrelange Versuch der SAP, ihr ERP-Softwaresystem R/3, das nahezu in jedem deutschen Großunternehmen eingesetzt ist, auch im Mittelstand zu positionieren. Während größere Unternehmen durchaus bereit und in der Lage sind, die Einführungs- und Beratungskosten im Umfeld des Softwaresystems zu bezahlen, sind mittelständische Unternehmen weniger geneigt, diese Zusatzkosten zu tragen. Segmentierung nach technologischen Aspekten. Für viele Unternehmen – insbesondere aus dem High-Tech-Bereich – ist die systemtechnische Infrastruktur der Kundenunternehmen ein wichtiges Segmentierungsmerkmal. Differenzierungen können hier insbesondere nach Technologiekomponenten wie Hardware, Betriebssystem oder Datenbanksystem vorgenommen werden. Allerdings verlieren solche technologischen Merkmale zunehmend an Bedeutung, weil Unternehmen immer mehr auf technologische Standards, Industriestandards oder Quasistandards setzen. So ist bspw. im Betriebssystembereich die verstärkte Verbreitung von UNIX und Windows NT unübersehbar. Eine weitere Segmentierungsmöglichkeit auf Ebene der Makrosegmentierung ist die Aufteilung des Zielmarktes nach Innovationstypen, die ebenfalls dem Technologiekriterium zugeordnet werden können. Danach ist zu unterscheiden zwischen folgenden drei Segmenten [vgl. Strothmann/Kliche 1989, S. 75]:
HIPs: MIPs: NIPs:
Unternehmen mit hohem Innovationspotenzial Unternehmen mit mittlerem Innovationspotenzial Unternehmen mit niedrigem Innovationspotenzial.
Als Kriterium zur Bestimmung des jeweiligen Innovationspotenzials kann der innerbetriebliche Technologieeinsatz herangezogen werden, wie z. B. Unternehmen mit einem hohen Einsatzstand von Kommunikations- und Fertigungseinrichtungen. Wichtig bei der Durchführung der Segmentierung ist, dass sich die Unternehmen nicht nur in ein oder zwei Kriterien (Dimensionen) festlegen. Erst eine mehrdimensionale Marktausrichtung, die bspw. eine Konzentration auf wenige Branchen und Funktionen oder auf bestimmte Betriebsgrößen in einem räumlich definierten Marktgebiet vorsieht, kann der Gefahr einer möglichen Verzettelung der knappen Entwicklungs- und Marketingkapazitäten begegnen. Umgekehrt kann die mehrdimensionale Segmentierung aber auch dazu führen, dass das Potenzial eines aus der Schnittmenge mehrerer Merkmale gewonnenen Marktsegments für eine intensive Bearbeitung nicht ausreicht [vgl. Lippold 1993, S. 227]. In Abbildung 3-16 sind beispielhaft vier Segmentierungsdimensionen dargestellt.
252
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Branchen wie • Automotive • Banken • Konsumgüter
Zielsegment
Regionen wie • national • international • global
Betriebsgröße wie • Großunternehmen • Mittelgroße Unternehmen • Kleinere Unternehmen
Funktionen wie • Marketing/Vertrieb • Forschung und Entwicklung • Logistik © Dialog.Lippold
Abb. 3-16:
Mehrdimensionale Segmentierung im B2B-Bereich
3.2.3.2 Mikrosegmentierung
Der Segmentierung auf Mikroebene (Unternehmensebene) liegt eine andere logische Dimension zugrunde als der Makrosegmentierung. Während in der Makrosegmentierung die strategisch bedeutsame Auswahl des zu bearbeitenden Marktausschnitts (Zielgruppe) getroffen wird, legt die Mikrosegmentierung fest, welche Zielpersonen innerhalb der zuvor definierten Zielgruppe angesprochen werden sollen [vgl. Lippold 2021c]. Als Kriterien zur Abgrenzung der Mikrosegmente können Merkmale der an der Kaufentscheidung beteiligten Personen, wie Stellung in der Hierarchie, Zugehörigkeit zu bestimmten Funktionsbereichen oder persönliche Charakteristika, herangezogen werden. Für das B2B-Marketing und damit für das Beratungsmarketing ist diese Multipersonalität von besonderer Bedeutung. Folgende Zielpersonenkonzepte sollen vorgestellt werden [vgl. Lippold 1998, S. 130 ff.]: Hierarchisch-funktionales Zielpersonenkonzept Buying Center Promotoren-Opponenten-Konzept Kommunikationsorientiertes Zielpersonenkonzept. Hierarchisch-funktionales Zielpersonenkonzept. Als eine sehr pragmatische Abgrenzung von Personen, die bei der Auswahl insbesondere von IT-orientierten Dienstleistungen (z. B. ERP-Einführungsberatung, SOA) beteiligt sind, hat sich das hierarchisch-funktionale Zielpersonenkonzept erwiesen. Es geht davon aus, dass in den Beschaffungsprozess des Kundenunternehmens drei Funktionsbereiche involviert sein können [vgl. Hansen et al. 1983, S. 52]:
Geschäftsleitung, IS-/IT-Management (CIO) und Fachabteilung.
3.2 Segmentierung – Optimierung des Kundennutzens
253
Die Funktionsträger dieser drei Gruppen können wiederum drei Hierarchiestufen zugeordnet werden: Geschäftsleitung der obersten, IT-Management und Leiter der Fachabteilung der mittleren und IT-Mitarbeiter und Sachbearbeiter der untersten Managementebene. Bei den Mitgliedern der Geschäftsleitung handelt es sich in erster Linie um Entscheidungsträger. Als Machtpromotoren verfügen sie über das hierarchische Potenzial, eine Beschaffungsentscheidung durchzusetzen. In kleineren Kundenunternehmen ist dies der Unternehmer selbst bzw. die Geschäftsführung, in größeren Unternehmen das Management der ersten und zweiten Führungsebene. Bei Kundenunternehmen mit einer eigenen IT-Abteilung kann das IT-Management ein wichtiger Fach- aber auch Machtpromotor sein, den der Anbieter in jedem Fall in seinen Akquisitionsprozess einzubeziehen hat. Diese Zielpersonen sind ständig darum bemüht, alle technischwirtschaftlichen Details aufzunehmen, die sie in die Lage versetzen, mit dieser spezifischen Energie auf Entscheidungs- und Innovationsprozesse einzuwirken [vgl. Strothmann/Kliche 1989, S. 81]. Gemeinsam mit dem IT-Management sind auch die Zielpersonen der Fachabteilungen der Gruppe der Fachpromotoren zuzuordnen. Sie bereiten nicht nur den Entscheidungsprozess vor, sondern sie sind letztendlich auch die Personengruppe, die die auszuwählende Problemlösung nutzen soll. Buying Center. Die Funktionsweise des Buying Center und die verschiedenen Rollen seiner Akteure sind bereits in Abschnitt 3.2.2 vorgestellt worden. Von besonderer Bedeutung für das B2B-Marketing ist es, die Mitglieder des Buying Center zu identifizieren und diese in ihrem Rollenverhalten zu analysieren. Promotoren-Opponenten-Konzept. Ebenso wie das Buying Center-Konzept sind die Zielpersonen, die dem Promotoren-Opponenten-Konzept angehören, bereits in Abschnitt 3.2.2 erläutert worden. Wichtig ist auch hier, dass sich Macht-, Fach- und Prozesspromotoren auf der einen Seite sowie Macht-, Fach- und Prozessopponenten auf der anderen Seite auch tatsächlich identifizieren lassen. Kommunikationsorientiertes Zielpersonenkonzept. Neben den oben skizzierten Zielpersonenkonzepten als Segmentierungsansätze im Mikrobereich, die für den Abschnitt 3.6 Akquisition von grundlegender Bedeutung sind, soll hier noch auf das kommunikationsorientierte Zielpersonenkonzept als vierte Abgrenzungsmöglichkeit von Zielpersonen im Beratungsmarketing hingewiesen werden. Es handelt sich dabei um eine Klassifizierung der Zielpersonen innerhalb einer Anwendergruppe nach ihrem Verhältnis und Kenntnisstand gegenüber dem kommunizierenden Beratungsunternehmen. Danach ist zu unterscheiden zwischen Indifferenten, Sensibilisierten, Interessierten und Engagierten, bezogen auf deren Einstellung zum kommunizierenden Unternehmen. Da dieser Ansatz der Mikrosegmentierung auf die Optimierung der Kundenwahrnehmung abzielt, wird er im Abschnitt 3.4 Kommunikation behandelt und dort als Grundlage des Kommunikationsmodells vorgestellt.
254
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
3.2.4 Segmentbewertung Wenn die Bedürfnisse, Ziele, Probleme und Erwartungen der anzusprechenden Zielgruppe transparent sind, dann ergeben sich daraus unmittelbar die qualitativen Anforderungen an die anzubietenden Beratungsleistungen. Um jedoch den Mitteleinsatz für die Vermarktung planen zu können, werden Angaben über den quantitativen Bedarf jeder Zielgruppe bzw. jedes Marktsegments benötigt. Damit stellt sich die Frage nach der Attraktivität der zu bearbeitenden Marktsegmente. Zur Bewertung und Absicherung der Attraktivität von Marktsegmenten können folgende Kriterien herangezogen werden [vgl. Tüschen 1989, S. 48 ff.]:
Segmentvolumen und -potenzial Wettbewerbsintensität Preisniveau Kapitalbedarf.
3.2.4.1 Segmentvolumen und -potenzial
Segmentvolumen und Segmentpotenzial stellen das Mengengerüst der Nachfrage auf Basis der Anzahl der aktuellen und potenziellen Kunden dar (siehe Abbildung 3-17).
Segmentanteil = Anteil eines Unternehmens am aktuellen Segmentvolumen
Segmentwachstum
Segmentvolumen = effektiver Umsatz aller Unternehmen im Marktsegment Segmentpotenzial = maximal erreichbarer Umsatz im Marktsegment © Dialog.Lippold
Abb. 3-17:
Segmentbezogene Zielgrößen einer quantitativen Nachfragebeurteilung
Dieses Mengengerüst erlaubt eine erste Einschätzung, ob es sich überhaupt um ein tragfähiges Marktsegment handelt. Im ersten Schritt wird also die Anzahl der Betriebe ermittelt, die der Zielbranche angehören, eine bestimmte Betriebsgröße aufweisen und in einer definierten Region ansässig sind. Zusätzlich können je nach Art der Beratungsleistungen auch technologische Kriterien zur Eingrenzung des insgesamt erreichbaren Marktpotenzials herangezogen werden [vgl. Tüschen 1989, S. 48]. Der (wertmäßige) Segmentanteil eines Unternehmens ergibt sich aus dem Verhältnis des Umsatzes, der mit den eigenen Kunden im aktuellen Segment erzielt wird, zum gesamten Segmentvolumen. Segmentvolumen und Segmentpotenzial werden in wachstumsintensiven Marktsegmenten stärker auseinanderfallen als in gesättigten Segmenten.
3.2 Segmentierung – Optimierung des Kundennutzens
255
3.2.4.2 Wettbewerbsintensität
Mit der aktuellen Größe eines Marktsegments wächst auch die Anzahl der Wettbewerber, so dass das insgesamt erreichbare Segmentpotenzial im zweiten Schritt durch die Wettbewerbsintensität relativiert werden muss. Segmente, die bspw. von international agierenden Anbietern bearbeitet werden, dürften als sehr wettbewerbsintensiv einzustufen sein. Ein transparentes Angebot und hohe Anforderungen an Stabilität, Qualität und Funktionalität kennzeichnen solche wettbewerbsintensiven Märkte. Anders sieht es hingegen in Marktnischen aus, die hinsichtlich des Segmentpotenzials weniger attraktiv sind: Hier werden sich größere Anbieter kaum engagieren. Auch in Segmenten mit sehr individuell geprägten Kundenproblemen ist die Wettbewerbsintensität aufgrund der intransparenten und weniger gut vergleichbaren Leistungsangebote eher niedrig einzuschätzen. Unter dem Aspekt der Bewertung neuer Marktsegmente ist die Berücksichtigung von Segmentbarrieren als Gesamtheit aller hemmenden Einflussfaktoren für den Eintritt in das Marktsegment von besonderer Bedeutung [vgl. Tüschen 1989, S. 49 f.]. Darüber hinaus gilt die generelle Empfehlung, dass ein jüngeres Unternehmen nicht zu viele Marktsegmente für sich definieren sollte, da dazu die Investitionskraft in der Regel nicht ausreicht. Die Erfahrung zeigt, dass die Markteintrittsschranke bzw. Marktsegmentbarriere etwa so hoch ist, wie die bisherigen Investitionen des Markt(segment)führers. Andererseits werden die Eintrittsbarrieren durch den Technologiewandel permanent verändert und das bietet wiederum besondere Chancen für neue Service Offerings [vgl. Lippold 1998, S. 127]. 3.2.4.3 Preisniveau
Im dritten Schritt ist das Preisniveau des Segments auszuloten. Die Preisstellung in Verbindung mit dem Absatzpotenzial (an Beratungsprojekten) liefert eine erste Abschätzung für die Umsatzplanung. Hierbei ist zu beobachten, dass häufig ein Mengen-/Preisverhältnis in Abhängigkeit vom Zielmarkt (differenziert nach der Betriebsgröße) existiert. D. h. je kleiner die Kundenunternehmen sind, desto kleiner wird i. d. R. auch der Preis sein, der für eine Beratungs- bzw. Serviceeinheit erzielt werden kann. In einem Produktgeschäft (also mit nahezu beliebig reproduzierbaren Produkten) wäre dies weniger problematisch, denn geringere Preise lassen sich durch entsprechende Mengen kompensieren. Nicht so bei den Serviceeinheiten, die z. B. in Form von Einführungs-, Installations- und Beratungsleistungen häufig mit dem Produkteinsatz verbunden sind. Serviceeinheiten sind weder beliebig reproduzierbar noch beliebig teilbar. Sie basieren auf einer Kalkulation (Stunden- oder Tageshonorare), die sich zum überwiegenden Teil aus den Personal- und Arbeitsplatzkosten zusammensetzen. Diese Überlegung begründet auch die Erfahrung in der Software- und Beratungsbranche, dass in kleineren Betrieben auf eine Produkteinheit nur Bruchteile einer Serviceeinheit entfallen, dagegen in Großbetrieben der Serviceanteil (meistens in Form von Modifikationen) häufig deutlich über dem entsprechen Produktanteil liegt [vgl. Lippold 1998, S. 128].
256
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
3.2.4.4 Kapitalbedarf
Ein weiteres Kriterium für die Attraktivität eines Segments ist der mit seiner Bearbeitung verbundene Finanzmittelbedarf. Bei solchen Investitionsüberlegungen tut sich das Management von Beratungsunternehmen im Vergleich zu Produktionsunternehmen etwas leichter. Investitionen in bestimmte Marktsegmente bedeuten im Consulting zumeist Investitionen in das Knowhow der Mitarbeiter und nicht in Maschinen und Anlagen. Entscheidet man sich dafür, ein neues Marktsegment zu bearbeiten, so steht das Beratungsmanagement vor der Entscheidung, in die Beschaffung neuer Mitarbeiter mit den entsprechenden Skills oder in das Know-how bestehender Mitarbeiter durch gezielte Ausbildungsmaßnahmen zu investieren. In Abbildung 3-18 ist das Konzept der mehrstufigen Segmentierung in Form der zielgruppenbezogenen Makrosegmentierung einerseits und der darauf aufbauenden zielpersonenorientierten Mikrosegmentierung andererseits grafisch dargestellt.
Makrosegmentierung (zielgruppenorientiert)
1. Stufe
Zielgruppen
Segmentierungsdimensionen • Vertikale Märkte • Horizontale Märkte • Regionale Märkte • Betriebsgröße • Technologie
Segmentierungskriterien • Segmentvolumen • Segmententwicklung • Wettbewerbsintensität • Preisniveau • Kapitalbedarf
Mikrosegmentierung (zielpersonenorientierte Beispiele)
2. Stufe
Zielpersonen
HierarchischFunktional: • Vorstand/GF • Finanzmanagement • Sonst. Fachbereiche • Shareholder • Stakeholder
Buying Center: • Gatekeeper • Influencer • Decider • Buyer • User
Kommunikationsorientiert: • Indifferente • Sensibilisierte • Interessierte • Engagierte
PromotorenOpponenten-Modell: • Fachpromotoren/ -opponenten • Machtpromotoren/ -opponenten • Prozesspromotoren/ -opponenten © Dialog.Lippold
Abb. 3-18:
Das Konzept der mehrstufigen Segmentierung im B2B-Bereich
3.2.5 Geschäftsfeldplanung Unter organisatorischen Gesichtspunkten und unter dem Aspekt einer gezielteren Marktbearbeitung ist die Segmentierung zugleich Grundlage der Geschäftsfeldplanung bzw. -bestimmung (engl. Defining the Business). Die für das eigene Leistungsangebot als relevant erachteten Segmente werden als strategische Geschäftsfelder (SGF) bezeichnet. Sie sind im Beratungsgeschäft eine Kombination aus Leistungsangebot und Markt (Zielgruppe). Sie erfüllen eigene Marktaufgaben, indem sie jeweils originäre Kundenprobleme lösen. Sie weisen gegenüber anderen Segmenten eine hinreichende Eigenständigkeit auf und haben eigene Ertragsaussichten [vgl. Tüschen 1989, S. 43; Müller 1995, Sp. 761 und Szyperski/Winand 1979, S. 197].
3.2 Segmentierung – Optimierung des Kundennutzens
257
Ausgangspunkt der Geschäftsfeldplanung ist das bestehende Angebot bzw. Leistungsprofil der Unternehmensberatung, das den identifizierten Marktsegmenten gegenübergestellt wird. Auf diese Weise erhält man eine zweidimensionale Leistungs-/Markt-Matrix, in der jene Leistungs/Markt-Kombinationen ausgewählt werden, die das Unternehmen momentan bedient. Auf der Grundlage der als besonders strategisch erachteten Kriterien (z. B. eine bestimmte Technologie oder Kundengruppe) werden sodann einzelne Leistungs-/Markt-Kombinationen zu strategischen Geschäftsfeldern zusammengefasst [vgl. Müller-Stewens/Lechner 2001, S. 114 ff.]. Das organisatorische Gegenstück zu markt(segment)orientierten Geschäftsfeldern bilden strategische Geschäftseinheiten (SGE). Eine strategische Geschäftseinheit entsteht durch die interne Segmentierung eines Unternehmens und ist für die Bearbeitung eines oder mehrerer Geschäftsfelder zuständig [vgl. Müller-Stewens/Lechner 2001, S. 121]. Eine – zumindest vertrieblich ausgerichtete – Organisation nach Geschäftsfeldern in Form von Geschäftseinheiten verkürzt die Wege zum Kunden, weil sie neben den eigenen Produkten bzw. deren Funktionalitäten auch die Bedürfnisse der Kunden in den Mittelpunkt stellt. In Abbildung 3-19 sind die Stufen der Geschäftsfeldplanung dargestellt.
Markt Strategische Geschäftsfelder SGF
Leistungsgruppen
Leistungsgruppen
Marktsegmente
Unternehmen
SGF 1
SGF 2
SGF 3
SGF 4 SGF 5
Leistungs-/Markt-Matrix
Strategische Geschäftseinheiten SGE
Abgrenzung Geschäftsfelder
SGE 1
SGE 2
SGE 3
bearbeitet
bearbeitet
bearbeitet
SGF 1
SGF 2
SGF 3
SGF 4
SGF 5
Bildung von Geschäftseinheiten
[Quelle: modifiziert nach Müller-Stewens/Lechner 2001, S. 117]
Abb. 3-19:
Stufen der Geschäftsfeldplanung
3.2.6 Segmentierungsstrategien Die Bildung von Geschäftsfeldern als Ergebnis der Segmentierung wirft zugleich die Frage nach der Anzahl der zu bearbeitenden Geschäftsfelder bzw. Marktsegmente und damit den Grad der Abdeckung des Marktes auf. Grundsätzlich lassen sich die in Abbildung 3-20 dargestellten fünf typische Marktbearbeitungsmuster unterscheiden [vgl. Becker 2009, S. 448 f. unter Bezugnahme auf Abell 1980]:
258
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Gesamtmarktabdeckung. Hierbei geht es um die Abdeckung aller relevanten Teilmärkte mit jeweils darauf abgestimmten Leistungsalternativen. Für den Beratungsbereich ist dieses Marktbearbeitungsmuster kaum relevant, denn selbst die großen internationalen Beratungsunternehmen werden kaum eine Gesamtmarktabdeckung (z. B. inklusive Mittelstandsberatung) anstreben. Das bekannteste Beispiel für den B2B-Bereich ist die IBM im Computermarkt in den 1990er Jahren. Marktspezialisierung. Dieses Marktbearbeitungsmuster sieht die vollständige Abdeckung eines Teilmarktes mit einem „kompletten“ Programm vor (Beispiele: AutomotiveBeratung, Bankenberatung, Beratung für die Bekleidungsindustrie). Leistungsspezialisierung. Bei der Leistungsspezialisierung geht es um die vollständige Abdeckung eines Leistungsbereichs (Beispiele: Marketingberatung, CRM-Beratung, Sanierungsberatung). Selektive (differenzierte) Spezialisierung. Dieses Marktbearbeitungsmuster sieht die Bearbeitung ausgewählter Teilmärkte zur Ausschöpfung möglichst attraktiver Leistungs/Markt-Kombinationen vor (Beispiele: CRM-Beratung für SAP-Anwender, Strategieberatung für den Mittelstand). Nischenspezialisierung. Bei der Nischenspezialisierung geht es um die Konzentration auf einen (kleinen) Teilmarkt aufgrund spezieller Kompetenzen und/oder besonderer Attraktivität der Nische (Beispiele: Hochregallagersteuerung, Life-Cycle-Managementberatung in der Automobilindustrie).
M1
M2
M3
M1
M2
M3
M1
L1
L1
L1
L2
L2
L2
L3
L3
L3
Gesamtmarktabdeckung M1
M2
Marktspezialisierung
M3
M1
L1
L1
L2
L2
L3
L3
M2
M2
M3
Leistungsspezialisierung
M3
L = Leistung
Selektive Spezialisierung
M = (Teil-)Markt
Nischenspezialisierung [Quelle: Becker 2009, S. 448]
Abb. 3-20:
Idealtypische Marktbearbeitungsmuster
In diesem Zusammenhang müssen auch zwei typische Risiken der Marktsegmentierung genannt werden. Zum einen handelt es sich um die Gefahr der Übersegmentierung, zum anderen um die Gefahr der Überkonzentration.
3.2 Segmentierung – Optimierung des Kundennutzens
259
Bei der Übersegmentierung (engl. Oversegmentation) besteht das Risiko darin, dass Märkte „künstlich“ zu stark aufgeteilt werden. Diese Gefahr ist vornehmlich dann gegeben, wenn eine Unternehmensberatung (zu) viele Service Offerings mit unterschiedlichen Marketingprogrammen in einem Zielmarkt vorhält. Eine Überkonzentration (engl. Overconcentration) ist vor allem dann gegeben, wenn sich ein Unternehmen zu sehr auf ein Segment konzentriert [vgl. Becker, J. 2019, S. 291].
260
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
3.3 Positionierung – Optimierung des Kundenvorteils 3.3.1 Aufgabe und Ziel der Positionierung Die Positionierung ist das zweite wichtige Aktionsfeld im Vermarktungsprozess (siehe Abbildung 3-21). Sie zielt darauf ab, innerhalb der definierten Segmente bzw. Geschäftsfelder eine klare Differenzierung gegenüber dem Leistungsangebot des Wettbewerbs vorzunehmen. Die Einbeziehung des Wettbewerbs und seiner Stärken und Schwächen ist also ein ganz entscheidendes Merkmal der Positionierung [vgl. Lippold 2018c].
Aktionsfelder
Nachhaltiger Gewinn
Wettbewerbsvorteil • Leistungen • Fähigkeiten • Know-how • Innovationskraft
Segmentierung + Kundennutzen
Positionierung + Kundenvorteil
Kommunikation
Vertrieb
+ Kundenwahrnehmung
+ Kundennähe
Akquisition
+ Kundenakzeptanz
Betreuung
+ Kundenzufriedenheit
=
Vom Markt honorierter Wettbewerbsvorteil
© Dialog.Lippold
Abb. 3-21:
Positionierung als zweites Aktionsfeld der Marketing-Gleichung
Jedes Unternehmen tritt in seinen Marktsegmenten in aller Regel gegen einen oder mehrere Wettbewerber an. In dieser Situation reicht es nicht aus, ausschließlich nutzenorientiert zu argumentieren. Neben den reinen Kundennutzen muss vielmehr der Kundenvorteil treten. Der Kundenvorteil im Consulting definiert sich als der Vorteil, den der Kunde beim Erwerb der Leistung gegenüber der des Wettbewerbers hat. Wer überlegenen Nutzen (= Kundenvorteil) bieten will, muss die Bedürfnisse, Probleme, Ziele und Nutzenvorstellungen des Kundenunternehmens sowie die Vor- und Nachteile bzw. Stärken und Schwächen seines Leistungsangebotes gegenüber denen des Wettbewerbs kennen. Die Positionierung zielt also auf die Optimierung des Kundenvorteils ab: Kundenvorteil = f (Positionierung) → optimieren! Die wesentlichen Fragen in diesem Zusammenhang sind:
Wie differenziert sich das eigene Angebot von dem des Wettbewerbs? Welches sind die wichtigsten Alleinstellungsmerkmale?
Bei der Beantwortung geht es allerdings nicht so sehr um die Herausarbeitung von Wettbewerbsvorteilen an sich. Entscheidend sind vielmehr jene Leistungsvorteile, die für den Kunden interessant sind und einen besonderen Wert für ihn haben. Ein Unternehmen kann diesen Wert, dieses "Mehr an Nutzen bieten, indem es besser, neuer, schneller oder preisgünstiger ist" [Kotler et al. 2007, S. 400]. Leistungsvorteile müssen also ein Bedürfnis bzw. ein Problem der Zielgruppe befriedigen bzw. lösen. Vorteile, die diesen Punkt nicht treffen, sind von untergeordneter Bedeutung. Unternehmen, die es verstehen, sich im Sinne des Kundenproblems positiv vom Wettbewerb abzuheben, haben letztendlich die größeren Chancen bei der Auftragsvergabe.
3.3 Positionierung – Optimierung des Kundenvorteils
261
Positionierung ist also die Schaffung einer klaren Differenzierung aus Kundensicht und besteht in der Reduktion auf die wichtigsten Ausprägungen des Kundenvorteils. Das führt zu einer Konzentration auf jene Leistungsmerkmale, die aus Kundensicht eine klare Differenzierung gegenüber dem Wettbewerb bewirken. Damit führt die Positionierung zur Bestimmung des Kommunikationsinhaltes, denn jegliche Kommunikation mit dem Kunden sollte auf dessen Vorteil ausgerichtet sein [vgl. Grosse-Oetringhaus 1986, S. 3]. Nachdem der Unterschied zwischen Kundennutzen und Kundenvorteil herausgearbeitet worden ist, sind in diesem Kontext noch weitere Begriffe, die teilweise synonym zum Kundenvorteil verwendet werden, abzugrenzen [vgl. Backhaus/Voeth 2014, S. 19 ff.]: Ein Netto-Nutzen-Vorteil ist dann gegeben, wenn der Nutzen für den Nachfrager größer ist als der Preis. Bei diesem Konstrukt fehlt allerdings die Wettbewerbskomponente. Das Akronym USP (Unique Selling Proposition) beschreibt das Alleinstellungsmerkmal eines Produktes bzw. der Leistung. Der USP betont zwar den Wettbewerbsbezug, nicht aber den Preis, der vom Nachfrager zu zahlen ist. Value Proposition ist der Wert (engl. Value) von Nutzenelementen, die ein Nachfrager im Austausch für den gezahlten Preis bekommt. Die Differenz zwischen Wert und Preis entspricht dem Netto-Nutzen-Vorteil. Beim Wettbewerbsvorteil, der sich neben Leistungs- bspw. auch aus Kosten- oder Standortvorteilen zusammensetzen kann, dominiert die Wettbewerbskomponente die Kundenkomponente. Der Wettbewerbsvorteil an sich zählt nicht, entscheidend ist, dass er auch vom Kunden wahrgenommen wird. Damit wirken Wettbewerbsvorteile nur mittelbar. Das Konstrukt des komparativen Konkurrenzvorteils (KKV) fasst beide Perspektiven, also die Kundenkomponente und die Wettbewerbskomponente zusammen. Der KKV besteht aus einer (kundenorientierten) Effektivitätsposition (mit den Merkmalen Bedeutsamkeit und Wahrnehmung) und einer (wettbewerbsorientierten) Effizienzposition (mit den Merkmalen Verteidigungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit). Obwohl der KKV, der speziell für das Industriegütermarketing entwickelt worden ist [Backhaus], sicherlich das umfassendste Konstrukt in diesem Kontext darstellt, soll hier weiterhin an der einfacheren Begrifflichkeit des Kundenvorteils festgehalten werden. Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten, die Stärken von Beratungsunternehmen in Kundenvorteile umzusetzen: Entweder mit dem Leistungsvorteil oder mit dem Kosten- bzw. Preisvorteil. Die Positionierung von Leistungsvorteilen ist häufig sehr viel schwieriger als die von Preisvorteilen, da der Preis- oder Kostenvorteil ceteris paribus objektivierend wirkt. Das Kriterium der leistungsbezogenen Differenzierung kann daher nur der Alleinstellungsanspruch sein, denn die Einzigartigkeit wird im Wettbewerbsvergleich ebenfalls objektivierend beurteilt. Prinzipiell bietet jeder Leistungsparameter Chancen, Kundenvorteile zu erzielen. Entscheidend für die Durchsetzung von Kundenvorteilen ist, dass sich der Kommunikationsinhalt auf Einzigartigkeit, Verteidigungsfähigkeit und auf jene Leistungseigenschaften konzentrieren sollte, die der Kunde besonders hoch gewichtet [vgl. Grosse-Oetringhaus 1986, S. 3 und 41].
262
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Hinzu kommt bei der Positionierung von Dienstleistungen noch ein weiterer Aspekt: Da sich das Kundenunternehmen im Vorfeld einer Auftragsvergabe häufig sehr schwer tut, einen Vergleich von Leistungen durchzuführen, die erst in der Zukunft erbracht werden, wird es sich anderer Vergleichskriterien bedienen. Hierzu zählt in erster Linie der Berater selbst, der die Leistung verkauft bzw. präsentiert und ggf. später auch ausführt. Insofern kommt zum reinen Leistungsvorteil noch der Vertrauensvorteil, den sich der Berater durch seine Persönlichkeit erwerben kann. 3.3.2 Die Leistung als Positionierungselement Ein Beratungsunternehmen sollte ein Marktsegment letztlich nur dann als attraktiv für sich einschätzen, wenn es sich aufgrund seiner eigenen Leistungspotenziale einen oder mehrere Wettbewerbsvorteil(e) verspricht. Hierzu ist es im Rahmen der Positionierung erforderlich, sich ein genaues Bild über die Erfolgs- oder Schlüsselfaktoren – bezogen auf die Anforderungen der jeweiligen Marktsegmente – zu verschaffen. Solche Erfolgsfaktoren wirken stark differenzierend und zeigen Potenziale auf, um sich vom Wettbewerb innerhalb der Segmente abheben zu können. Eine der Hauptaufgaben für das Marketing besteht demnach darin, diese Alleinstellungsmerkmale ausfindig zu machen, gegenüber dem Markt zu kommunizieren und damit Präferenzen zu bilden. Die Differenzierungsmöglichkeiten können je nach Branche sehr unterschiedlich sein. In einigen Branchen können solche Kundenvorteile relativ leicht gewonnen werden, in anderen ist dies nur sehr schwer möglich. Ersatzweise können dann Leistungsmerkmale herangezogen werden, die für sich genommen zwar keinen Alleinstellungsanspruch rechtfertigen, sehr wohl aber in ihrer Kombination einen Kundenvorteil darstellen. Für das B2B-Marketing (und damit im Wesentlichen auch für das Beratungsmarketing) schlagen Backhaus/Voeth einen Ansatz vor, der die besonderen Ressourcen, Fähigkeiten und Kompetenzen des Anbieters zur Positionierung berücksichtigt. Als Differenzierungsmöglichkeiten werden dabei
Potenzialunterschiede, Prozessunterschiede und Programmunterschiede
im Vergleich zum Wettbewerb herangezogen (siehe Abbildung 3-22). Zu den Potenzialunterschieden als Quelle für den Kundenvorteil zählen z. B. ein patentrechtlich geschütztes Wissen ebenso wie der Zugang zu dominanten Technologien, ein exklusives Vertriebssystem oder besonders fähige Mitarbeiter. Wettbewerbsrelevante Prozessunterschiede ergeben sich insbesondere beim Management der Supply Chain, bei den Prozessketten des Product Lifecycle sowie beim Customer Relationship Management. Hier stellt sich allerdings die Frage, wie solche Prozessketten im Hinblick auf Effektivität und Effizienz und vor allem im Vergleich zum Wettbewerb gemessen bzw. beurteilt werden sollen.
3.3 Positionierung – Optimierung des Kundenvorteils
263
Potenzialunterschiede
Prozessunterschiede
Programmunterschiede
z. B. • Kapitalausstattung • Technologiezugang • Mitarbeiterkompetenz • F&E-Kompetenz • Wissensmanagement • Lieferantennetzwerk • Vertriebssystem
z. B. • Supply Chain Management • Customer Relationship Management • Product Lifecycle Management
z. B. • Produktangebot (Komponenten, Module) • Systemangebot (Systemengineering, Systemtechnologie) • Dienstleistungsangebot (Beratung, Installation, Wartung, Outsourcing)
[Quelle: Backhaus/ Voeth 2014, S. 148 ff.]
Abb. 3-22:
Differenzierungsmöglichkeiten im B2B-Bereich
In den Programmunterschieden dokumentiert sich der vom Kunden wahrgenommene Marktauftritt eines Anbieters. Unternehmen, die bspw. nur als Komponentenlieferant, nur als Systemanbieter oder nur als Dienstleister auftreten, werden sich im Markt anders positionieren als Unternehmen, die über die vollständige Programmbreite verfügen [vgl. Plinke 1995, S. 68]. So bieten viele ERP-Softwarehäuser neben dem Softwareprodukt auch die entsprechenden Beratungsleistungen wie Einführungsunterstützung, Anwendungsberatung, Customizing, Anwenderschulungen etc. an. Dagegen hat sich SAP jahrelang als reines Softwarehaus positioniert, während international operierende IT-Beratungsunternehmen wie Accenture, Capgemini oder Bearing Point als SAP-Berater (z. B. für internationale SAP-Rollouts) agieren. Die in Abbildung 3-22 aufgezeigten Differenzierungsmöglichkeiten machen deutlich, wie vielfältig die Gestaltungsansätze für das B2B-Marketing sind, um Erfolgsfaktoren und damit Kundenvorteile für eine erfolgreiche Positionierung herauszuarbeiten. Darüber hinaus bieten die spezifischen Wettbewerbsverhältnisse und Kundenanforderungen innerhalb einer Branche weitere Differenzierungsmöglichkeiten. Ein Beispiel dafür sind die Differenzierungsmerkmale für Beratungsleistungen im Umfeld von ERP-Software (z. B. SoftwareModifikationen), die sich an folgenden Anwenderbedürfnissen orientieren können (siehe Abbildung 3-23):
Funktionaler Nutzen (der Modifikationen) Zukunftssicherheit (der Modifikationen) Stabilität (der Modifikationen) Serviceleistungen Kundennähe.
Häufig besteht der Bedarf, die so gewonnene Positionierung auch zu lokalisieren. Dazu werden die verschiedenen miteinander im Wettbewerb stehenden Leistungen in einem sog. Eigenschafts- oder Merkmalsraum angeordnet.
264
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Funktionaler Nutzen
Zukunftssicherheit
Stabilität
Serviceleistungen
Kundennähe
Funktionsbreite
Portabilität
Anzahl Modifikationen
Organisationsberatung
Anzahl Geschäftsstellen
Funktionstiefe
Image, Reputation
Anzahl Referenzen
Einsatzunterstützung
Anzahl Servicestellen
Integrationsfähigkeit
Finanzkraft
Zuverlässigkeit
Customizing
Internationale Präsenz
Anwenderschulung Hot-Line Wartung
[Quelle: Lippold 1998, S. 159]
Abb. 3-23:
Kaufentscheidende Differenzierungsmerkmale für ERP-Beratungsleistungen
Abbildung 3-24 zeigt ein Beispiel für einen Merkmalsraum mit fünf Eigenschaften, die kaufentscheidend für die Beauftragung von ERP-Beratungsleistungen sein können. Als Eigenschaften sind hierbei die fünf Anwenderbedürfnisse aus Abbildung 3-23 über den Merkmalsraum für drei Positionierungsobjekte (Leistungsangebot A, B und C) gespannt. Funktionalität
Zukunftssicherheit
Leistungsangebot C
Kundennähe
Leistungsangebot A
Leistungsangebot B
Serviceleistungen [Quelle: Lippold 2012, S. 119]
Abb. 3-24:
Stabilität
Beispiel für ein Positionierungsmodell mit fünf Dimensionen
Sind die Erfolgsfaktoren identifiziert und beherrschbar, so müssen die Leistungs- und Unternehmensstärken gegenüber den potenziellen Kunden argumentiert (→ Kundenvorteil) und damit zu strategischen Wettbewerbsvorteilen ausgebaut werden. Der strategische Wettbewerbsvorteil sollte drei Kriterien erfüllen [vgl. Simon 1988, S. 465]:
Der Vorteil muss ein für den Kunden wichtiges Leistungsmerkmal betreffen.
Der Vorteil muss vom Kunden tatsächlich wahrgenommen werden.
Der Vorteil sollte vom Wettbewerb nicht schnell einholbar sein, d. h. er muss eine gewisse Dauerhaftigkeit aufweisen.
3.3 Positionierung – Optimierung des Kundenvorteils
265
Wohlgemerkt, es handelt sich hierbei um grundlegende Wettbewerbsvorteile bei der Positionierung. Weitere Entscheidungskriterien bei der Auftragsvergabe, die zumeist erst in der Akquisitionsphase zum Tragen kommen und vorwiegend in den an der Akquisition beteiligten Personen begründet sind, können sein [vgl. Niedereichholz 2010, S. 307]:
Fachliche Qualifikation und persönliche Überzeugungskraft der Berater Sympathie und Vertrauen zu den für das Projekt vorgesehenen Beratern Problemverständnis und Vorstellungen der Berater über mögliche Problemlösungen Fundiertes, sachgerechtes Angebot Terminplanung und Vorschläge zur Projektorganisation (Teambildung) Transparenz des Preis-Leistungs-Verhältnisses Honorarbildung und Modalitäten.
3.3.3 Der Preis als Positionierungselement Zunächst stellt sich die Frage, ob sich der Preis als Positionierungselement im Consulting überhaupt eignet. Schließlich verbinden die Kunden im B2B-Bereich – sicherlich noch mehr als im B2C-Bereich – mit jedem Preis auch eine bestimmte Qualität. Unterstellt man allerdings – unabhängig vom Preis – eine annähernd gleiche Qualität bei der Auftragsdurchführung, dann können preispolitische Maßnahmen immer dann eine erhebliche akquisitorische Wirkung ausüben, wenn die Einkaufsabteilungen das „letzte Wort“ bei der Auftragsvergabe haben. 3.3.3.1 Preispolitische Grundlagen im Beratungsgeschäft
Unabhängig von diesen grundlegenden Aspekten einer Preispositionierung muss im Beratungsgeschäft unterschieden werden zwischen
dem Honorar eines Beraters als Stunden- oder Tagessatz (wobei in der Praxis immer seltener auf Stundenbasis abgerechnet wird) und
dem Angebotspreis für ein Projekt, in den das Honorar der leistenden Mitarbeiter des Beraters einfließt.
Wenn also vom Preisniveau oder genereller von Preisstellung gesprochen wird, dann kann es sich dabei nur um den Vergleich der Stunden- oder Tageshonorare von Mitarbeitern verschiedener Beratungsunternehmen handeln. Diese Beraterhonorare werden dann vergleichbar, wenn sie auf der Basis bestimmter Kriterien (z. B. Grade oder Level eines Beraters, Berufserfahrung, Branche, Umfeld der Lösung) ausdifferenziert werden. Insert 3-01 liefert ein Beispiel für die Transparenz solcher Beraterhonorare im IT-Bereich. Anmerkung: Obwohl die Tagessätze nicht mehr ganz „tauffrisch“ sind, zeigen die Relationen die unterschiedlichen Wertansätze der Solutions.
266
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Insert Beraterhonorare im Vergleich
So viel darf ein Consultant kosten BI-Berater verdienen am besten. Für auf Business Intelligence (BI) spezialisierte Consultants können Dienstleister hohe Tagessätze verlangen. Das geht aus der aktuellen Analyse von Pierre Audoin Consultants (PAC) hervor. Kategorisiert nach Beratungslösungen (Solutions) zeigt sich, dass BI-Spezialisten mit einem mittleren Tagessatz von 1075 Euro die Nase vorn haben. Über dem Durchschnitt liegen ferner spezialisierte Berater mit Branchenkenntnissen (1040 Euro) und CRM-Profis (980 Euro). Experten für Supply-Chain-Management positionieren sich mit 890 Euro im unteren
Mittelfeld. Für IT-Berater im Personalbereich sind die Preise etwas gefallen (885 Euro pro Tag), da "HR ein Commodity-Thema geworden ist", so die PAC-Analysten. "Nur in wenigen Bereichen wie Employee-Self-Services oder Talent Management können noch bessere Tagessätze erreicht werden." Auch Finance und Accounting (F&A) hat eine hohe Marktreife erreicht, in den Projekten geht es vor allem darum, gesetzliche Änderungen umzusetzen oder Akquisitionen zu integrieren. IT-Berater, die auf F&A spezialisiert sind, erhalten daher einen durchschnittlichen Tagessatz (960 Euro).
Durchschnittliche Tagessätze nach Beratungslösungen (Solutions)* Business Intelligence (BI)
1075
Spezifische Branchenlösungen
1040
Customer Relationship Management (CRM)
980
Finance & Accounting (F&A)
960
Supply Chain Management (SCM)
890
Human Resources (HR)
885
Manufactoring Resources Planning (MRP)
885 *Preise in Euro pro Acht-Stunden ohne Nebenkosten
SAP-Berater dürfen sich weiterhin über Spitzenlöhne freuen. Welche Tagessätze IT-Berater erzielen, hängt auch von der Plattform ab, auf die sie sich spezialisiert haben. Wer im SAP-Umfeld als Berater unterwegs ist, gehört nicht nur zu den am stärksten umworbenen Kandidaten auf dem ITArbeitsmarkt, sondern auch zu den teuersten. So liegt der Tagessatz eines SAP-Beraters im Mittel bei 990 Euro und damit über dem Durchschnitt. Dieses hohe Preisniveau führen die Analysten darauf zurück, dass SAP in deutschen Unternehmen stark repräsentiert ist und im Umfeld der Software viele innovative Projekte umgesetzt werden. Oft werde SAP-Software schon im Rahmen von Pilotprojekten früh-zeitig eingeführt, obwohl sie für den allgemeinen Markt noch nicht freigegeben sei. Davon könnten erfahrene SAP-Berater finanziell profitieren. Einen überdurchschnittlichen Tagessatz von 1000 Euro am Tag können ebenfalls spezialisierte Oracle-Berater in Rechnung stellen. In dem Fall ist den Analysten zufolge der Grund die geringe Verbreitung von Oracle-Applikationen: Weil diese in Deutschland noch kaum eingesetzt würden, gebe
es auch nur wenige Berater, die sich darauf spezialisiert hätten. Die vorhandenen Ressourcen seien daher rar und teuer. Berater, die im IBM-Großrechner-Umfeld unterwegs sind, bewegen sich mit einem Tagessatz von 960 Euro genau im Mittelfeld. Laut PAC wirken auf diesen Markt gegenläufige Kräfte ein. Einerseits laufen auf in vielen Banken Kernanwendungen, die den Beratungsmarkt beflügeln. Andererseits gibt es viele Alt-Anwendungen auf Großrechnern. Hier wird nur begrenzt in Innovationen und externe IT-Berater investiert. Unterdurchschnittlich ist der Tagessatz eines auf Microsoft spezialisierten Beraters. Da die Software vor allem im Mittelstand vertreten ist und dort weniger Komplexität herrscht als in Konzernen, spiegelt sich das in den Tagessätzen wider. Generell machen die PAC-Analysten einen anhaltenden Off-shoringTrend aus: Je einfacher sich eine Leistung in Billiglohnländer verlagern lässt, desto größer ist der Preisdruck auf die Beraterhonorare. Das betrifft vor allem die Themen Entwicklung, Testen und Applikations-Management – egal auf welcher Softwareplattform.
Durchschnittliche Tagessätze nach Plattformen* Oracle
1000
SAP
990
IBM Mainframe Micosoft
960 890 *Preise in Euro pro Acht-Stunden ohne Nebenkosten
[Quelle: Computerwoche vom 20.01 und 08.02.2012]
Insert 3-01:
Beraterhonorare im Vergleich
3.3 Positionierung – Optimierung des Kundenvorteils
267
Die grundsätzliche Gestaltung solcher Honorarsätze, die dann bspw. auch in einer Preisliste zu finden sind, hat mehr den Charakter einer Preisstrategie und ist mit der Preislagenstrategie im B2C-Marketing zu vergleichen. Einen entsprechenden Kriterienkatalog zum Aufbau einer solchen Preisliste für das Beratungsfeld der IT-Beratung bietet Abbildung 3-25. Job Level (Grade)
Berufserfahrung
Beratungsart
Plattformen
Branchen
Solutions
Junior Consultant
< 2 Jahre
IT-Beratung
Microsoft Business Solutions
Manufacturing
Finance & Administration
Consultant
2-3 Jahre
Projektleitung
Microsoft Infrastructure
Financial Services
Human Resources
Senior Consultant
3-5 Jahre
Entwicklung
SAP
Public Sector
Business Intelligence
Manager
5-8 Jahre
Implementierung
IBM Middleware
Retail
Manufacturing Resources Planning
Senior Manager/ Principal
> 8 Jahre
Testing
IBM Mainframe
Telecom, Transport & Logistics
Costumer Relationship Management
Infrastructur Services
Ocacle
Application Management
Supply Chain Management Branchenspezifische Lösungen [Quelle: PAC Preisdatenbank IT-Services 2011/2012]
Abb. 3-25:
Kriterien für Honorarsätze von IT-Beratern
Dagegen lassen sich die Preise von Projekten nicht so ohne weiteres vergleichen, weil in die Projektkalkulation neben den Tages- bzw. Stundenhonoraren auch die Bearbeitungsdauer mit einfließt. Die Bearbeitungsdauer hängt wiederum hauptsächlich von der Qualifikation und der Erfahrung des Beraters ab. Insofern entziehen sich Projekte in der Regel einer grundsätzlichen Preisniveau- bzw. Preislagenbeurteilung. Die Gestaltung von Projektpreisen hat damit mehr den Charakter einer Preistaktik. 3.3.3.2 Gestaltung der Honorarsätze (Preisstrategie)
Preisstrategische Überlegungen einer Unternehmensberatung beziehen sich also vornehmlich auf die Festlegung der Tageshonorare für ihre Berater – kategorisiert nach Beratungsfeldern, nach der Erfahrung, nach der Branche etc. Bei der Entscheidung über die optimale Preisstrategie geht es nicht so sehr um die Preise selbst und ihre kurzfristige Wirkung. Vielmehr geht es darum, Preis-Leistungs-Positionen festzulegen, um damit langfristig Kapazitäten auszulasten. Es handelt sich also nicht um eine isolierte Preisfrage, sondern um eine langfristige Entscheidung über die richtige Kombination von Preis und Qualität auf dem Markt [vgl. Meffert et al. 2008, S. 504]. In der BDU-Studie „Honorare in der Unternehmensberatung 2019“ werden die Kriterien der Preisgestaltung ausführlich behandelt. Danach legen vier von fünf Unternehmen ihre Tagessätze auf Basis ihrer eigenen Kosten oder aufgrund von Marktpreisen fest. Bei den Strategieberatungsunternehmen stellen Marktpreise bei 49 Prozent der befragten Unternehmen das meistgenutzte Kriterium dar, wohingegen 29 Prozent der Strategieberatungen die eigenen Kosten als
268
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
vorrangiges Kriterium zur Berechnung der Tagessätze nutzen. Bei den IT-Beratungsunternehmen ist es nahezu umgekehrt: 46 Prozent der IT-Beratungen geben an, die Tagessätze auf Basis der eigenen Kriterien zu kalkulieren. 35 Prozent der IT-Beratungen rechnen dagegen zu Marktpreisen ab [vgl. BDU 2019]. Zu den vorrangigen Kriterien zur Kalkulation der Tagessätze gibt Insert 3-02 Auskunft.
Insert Kriterien zur Preisgestaltung der Tagessätze IT-Beratungen
Strategieberatungen
22%
Marktpreise
49% 29%
19% 35%
Eigene Kosten Sonstiges
46%
[Quelle: BDU 2019]
Ein fast gegensätzliches Bild zeichnet sich bei den Schwerpunkten IT-Beratung und Strategieberatung ab. Bei der IT-Beratung liegt der Schwerpunkt auf der kostenorientierte Kalkulation; bei der Strategieberatung dominieren die Marktpreise bei der Bestimmung der Tagessätze. Lediglich jedes
Insert 3-02:
fünfte Unternehmen gibt an, seine Tagessätze auf Basis sonstiger Kriterien zu kalkulieren. Zu diesen gehören unter anderem Erfahrungswerte, die Zahlungsbereitschaft des Kunden, die Wertschöpfung beim Kunden oder das individuelle Interesse am Kunden, respektive am Auftrag.
Vorrangige Kriterien zur Preisgestaltung der Honorarsätze
Aus der (fast schon trivialen) Preispositionierungsmatrix in Abbildung 3-26 mit dem relativen Preis und der relativen Leistung als Ordinaten ergeben sich die Optionen aus folgenden drei Positionierungsstrategien für eine dauerhafte Grundausrichtung:
Niedrigpreisstrategie Mittelpreisstrategie Hochpreisstrategie (auch Premiumstrategie).
Die Niedrigpreispositionierung ist eine Kombination aus einer relativ niedrigen Leistungsqualität und einem relativ niedrigen Preis. In diesem unteren Markt zielt die Niedrigpreisstrategie auf die Realisierung des geringsten Preises bei einer Mindestqualität der Leistung. Insbesondere für Beratungsunternehmen, die sich gerade gegründet haben, oder für Einzelberater ist dies die einzige Möglichkeit, in Marktsegmente einzudringen. Ein höheres Niveau sieht die Mittelpreisstrategie vor. Sie verbindet eine Standardqualität mit mittleren Preisen. Dies ist vor allem für mittelgroße Beratungsunternehmen ohne großen Overhead die gängige Praxis.
3.3 Positionierung – Optimierung des Kundenvorteils
269
Relatives Leistungsniveau
Hochpreisstrategie (Premiumstrategie)
hoch
Mittelpreisstrategie
mittel
niedrig
Niedrigpreisstrategie Relatives Preisniveau niedrig
mittel
hoch [Quelle: in Anlehnung an Sebastian/Maessen 2003, S. 6]
Abb. 3-26:
Preispositionierungsstrategien
Bei der Hochpreisstrategie, die auch als Premiumstrategie bezeichnet wird, fällt die Durchsetzung eines relativ hohen Preises mit einer (vermuteten) hohen Qualität des Leistungsangebots zusammen. Hier steht nicht der Preis, sondern der vom Kunden subjektiv empfundene Wert der Leistung (engl. Value Pricing) bzw. der Zusammenarbeit mit dem Beratungsunternehmen im Vordergrund. Beispiele hierfür sind die internationalen Managementberatungen wie McKinsey oder BCG. Neben diesen drei Standardstrategien der Preispositionierung, die im Korridor eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen Preis und Leistung angesiedelt sind, besteht (zumeist zeitlich begrenzt) die Möglichkeit, diesen Korridor zu verlassen. Eine weitere preisstrategische Option für Unternehmensberatungen ist die Anwendung der Preisdifferenzierung. Grundlage von Preisdifferenzierungsstrategien ist das Phänomen, dass verschiedene Kunden bzw. Kundengruppen unterschiedliche Zahlungsbereitschaften für identische bzw. nahezu identische Produkte bzw. Dienstleistungen aufweisen. Zentrales Ziel der Preisdifferenzierung ist eine Gewinnsteigerung durch Abschöpfung der unterschiedlichen Zahlungsbereitschaften. Eine Gewinnsteigerung lässt sich dadurch erreichen, indem ausgehend von den beim Einheitspreis kaufenden Nachfragern zwei zusätzliche Nachfragegruppen besser erschlossen werden: Zum einen solche Nachfrager, die bereit wären, einen höheren Preis für das Produkt bzw. die Dienstleistung zu zahlen; zum anderen jene Nachfrager, deren Preisbereitschaft unterhalb des Einheitspreises liegt [vgl. Meffert et al. 2008, S. 511 und Fassnacht 2003, S. 485]. In Insert 3-03 ist ein Beispiel für Anwendung und Wirkungsweise der Preisdifferenzierung im beratungsnahen Softwaregeschäft dargestellt.
270
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Insert Preisdifferenzierung in der Praxis Ein Beispiel aus dem Produktgeschäft des ITBeratungsbereichs soll die Wirkung der Preisdifferenzierung verdeutlichen (siehe untere Grafik). Anbieter von Softwareprodukten ziehen häufig die Anzahl der mit dem System arbeitenden Benutzer (User) zur Preisdifferenzierung heran. Bei einem Einheitspreis von p0 wird man alle Kunden mit relativ kleinen IT-Budgets nicht erreichen und darüber hinaus bei jenen (Groß-) Anwendern, die aufgrund ihres höhe-
ren IT-Budgets auch einen höheren Preis akzeptieren würden, auf entsprechenden Mehrumsatz bzw. Gewinn verzichten. Mit einer nach User-Größenklassen ausgerichteten Preisdifferenzierung mit p1 für Unternehmen mit mehr als 32 Usern, p0 für Unternehmen zwischen 16 und 32 Usern und p2 für Unternehmen mit weniger als 16 Usern lässt sich die Preisbereitschaft wesentlich besser ausschöpfen und den Erlös eines Unternehmens nachhaltig steigern. Preis
Preis
Ohne Preisdifferenzierung
Mit Preisdifferenzierung User > 32
P1 Zusätzliche Kunden
16 < User < 32
P0
P0
Umsatz bei Einheitspreis p0 für alle User
User < 16
P2
x0
Anzahl Produkte
Zusätzliche Kunden
x1
x0
x2
Anzahl Produkte
[Quelle: Lippold 1998, S. 161
Insert 3-03:
Ausschöpfung der Preisbereitschaft durch Preisdifferenzierung bei Software
Den Vorteilen der Preisdifferenzierung stehen allerdings auch Nachteile gegenüber. So sind insbesondere Kannibalisierungseffekte und Irritationen im Kaufverhalten bei zu großen Preisunterschieden in ihren Auswirkungen auf Erlöse und Kosten gegen zu rechnen. Ferner ist darauf zu achten, dass die Märkte bzw. Marktsegmente, zwischen denen die Preise differenziert werden sollen, voneinander deutlich getrennt sind und dass die Komplexität der Preisvielfalt kontrollierbar bleibt [vgl. Sebastian/Maessen 2003, S. 7]. Grundsätzlich kann zwischen der zeitlichen, der quantitativen, der regionalen und der qualitativen Preisdifferenzierung unterschieden werden. Alle vier genannten Preisdifferenzierungsformen haben unterschiedliche Relevanz für das Beratungsgeschäft: Die zeitliche Preisdifferenzierung, bei der die Preise in Abhängigkeit vom Kaufzeitpunkt variiert werden, hat im Beratungsgeschäft kaum Bedeutung. Die quantitative Preisdifferenzierung, bei der in Abhängigkeit der abgenommenen Menge ein jeweils anderer Preis gefordert wird, ist im Consulting ebenfalls unüblich, da sich Beratungsleistungen weder beliebig multiplizieren, noch teilen lassen. Lediglich bei Projekten mit sehr großem Volumen kann aufgrund der dann gewährleisteten hohen Auslastungen ein („Mengen“-)Nachlass eingeräumt werden.
3.3 Positionierung – Optimierung des Kundenvorteils
271
Regionale Preisdifferenzierungen können dann stattfinden, wenn sich Projekte über verschiedene Ländergrenzen erstrecken (z. B. internationale SAP-Roll-outs). Aufgrund unterschiedlicher Kaufkraftrelationen wird dann für einzelne Länder unterschiedlich kalkuliert. Die qualitative Preisdifferenzierung hat für das Beratungsgeschäft die größte Relevanz. So gelten i. d. R. für ein und dieselbe Beratungseinheit im Großkundengeschäft (Konzerne) andere Preise als im Mittelstand. Viele Unternehmensberatungen haben daher auch zwei Preislisten – eine für Großkunden und eine für mittelständische Kunden. 3.3.3.3 Gestaltung der Projektkalkulation (Preistaktik)
Preistaktische Überlegungen beziehen sich vornehmlich auf die Preisfindung bzw. -festsetzung im Rahmen der Projektkalkulation. Prinzipiell lassen sich bei der Preisgestaltung von Projekten vier Grundformen unterscheiden [vgl. Fohmann 2005, S. 62]: Projekt nach Aufwand (engl. Time & material project), d. h. der Kunde bezahlt das Beratungsunternehmen für die abzuliefernden Projektergebnisse auf der Basis des Arbeitsaufwandes (Zeit- und Materialaufwand), den der Berater bei seinem Kundeneinsatz für die Bearbeitung des Projektgegenstandes bzw. für die Erstellung der Projektergebnisse eingesetzt hat (praktisch nur Dienstvertrag). Das Risiko einer evtl. Aufwandsüberschreitung trägt der Kunde. Der Kunde zahlt also für jeden geleisteten Tag (bzw. Stunde). Als Bemessungsgrundlage dient neben der Zeit ein Tageshonorar (z.B. Tagessatz von 1.080,-- Euro) oder (seltener) ein Stundenhonorar (z.B. Stundensatz von 90,-- Euro). Die Höhe des jeweiligen Honorarsatzes richtet sich nach Beratungsart und Branche sowie nach der Qualifikation und der Erfahrung des Beraters. Die Berechnungsgrößen werden üblicherweise vor Projektbeginn vereinbart. Die Honorarsätze dienen u. a. zur Abdeckung der reinen Personalkosten (fixes und variables Gehalt, Sozialkosten), der allgemeinen Verwaltungskosten, der im Projekt anfallenden Spesen und des kalkulatorischen Gewinns des Beratungsunternehmens (siehe hierzu auch die Abschnitte 6.2.1 bis 6.2.3). Der Kunde übernimmt das alleinige Risiko für das Beratungsprojekt, da die Honorarzahlung unabhängig von den Projektergebnissen ist. Projekt mit Festpreis (engl. Fix price project), d.h. der Kunde zahlt eine feste Vergütung, die auf Basis einer Abschätzung des Zeitaufwands, der für das Beratungsprojekt zu erwarten ist, und eines kostenbezogenen Zeitmaßstabes (z. B. Tagessatz) vereinbart wird (Werkvertrag zum Festpreis; seltener Dienstvertrag zum Festpreis). Die zeitliche Abschätzung wird zumeist auf der Grundlage eines Pflichtenheftes vorgenommen. Die Garantie eines Festpreises wird regelmäßig vor Projektbeginn vom Berater gegeben, der allein das Risiko der evtl. Überschreitung des geplanten Arbeitsaufwands trägt. Der Festpreis kann immer nur einvernehmlich geändert werden. Eine solcher Änderungsantrag (engl. Change request), der die Auswirkungen auf die vereinbarten Aufwände und damit auf die Kalkulation des Festpreises spezifiziert, kann von einem der Vertragsparteien nachträglich gestellt werden. Projekt nach Aufwand mit Obergrenze, d.h. diese Vergütungsform ist eine Kombination aus Zeithonorar mit einem Pauschalbetrag als Obergrenze, innerhalb derer ein am zeitlicher Ressourceneinsatz orientiertes Zeithonorar berechnet wird. Ist bei dieser Mischform die Obergrenze erreicht, kann ggf. neu verhandelt werden.
272
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Projekt zum Erfolgshonorar, d.h. die Vergütung des Beraters erfolgt in Abhängigkeit von einer bestimmten zu vereinbarenden Erfolgsgröße (z.B. 10 Prozent der monatlichen Einsparung im Kundenunternehmen nach Umsetzung der Beratungsergebnisse). Diese Honorarform ist bis in die jüngste Zeit tabuisiert worden, da es nach deutschem Recht keine Definition des Erfolgs und auch keine anderweitigen parametrisierten Regelungen gibt. Als nachteilige Folgen werden ein möglicher Missbrauch („Verleiten Erfolgshonorare den Berater zu kundenschädlichem Verhalten?“) sowie große Anforderungen an die vertraglichen Festlegungen gesehen. Angesichts der Vorteile des Erfolgshonorars (Förderung von Innovation, Unternehmertum, Risikobereitschaft und Finanzierungsvorteil für das Kundenunternehmen) zeichnet sich aber ein Wandel der Einstellung zu dieser Honorarform ab [vgl. Hesseler 2011a, S. 86 f.]. Praktizierte Abrechnungsweise bei Projekten. Die BDU-Studie „Honorare in der Unternehmensberatung 2019“ gibt neben der Preisgestaltung beim Tageshonorar ebenfalls Auskunft über die praktizierte Abrechnungsweise bei Projekten. Die befragten Unternehmen geben – wie nicht anders zu erwarten – an, durchgeführte Projekte primär auf zwei Arten abzurechnen: Aufwandsbasiert oder auf Grundlage eines zuvor vereinbarten Festpreises. Nur ein geringer Prozentsatz der Beratungsunternehmen gibt zusätzlich an, erfolgsbasierte Komponenten bei der Abrechnung zu berücksichtigen. Unterschiede werden erst bei Betrachtung der einzelnen Beratungsfelder deutlich. Bemerkenswert ist, dass jede dritte Strategieberatung auf die festpreisbasierte Abrechnungsweise zurückgreift, wohingegen mit einer Häufigkeit von 63 Prozent die aufwandsbasierte Abrechnung im Vergleich zu den IT-Beratungen deutlich weniger Anwendung findet (siehe Insert 3-04).
Insert Abrechnungsweise von Projekten IT-Beratungen
Strategieberatungen
3%
5% 11% Aufwandsbasiert
32%
Festpreis
63%
Sonstiges (z.B. Bonus)
86%
[Quelle: BDU 2019] [Quelle: BDU 2019]
Wie die praktizierten Abrechnungsweisen in Projekten zeigen, dominiert im Beratungsgeschäft eindeutig die aufwandsbezogenen Abrechnung. Besonders bei IT-Beratungen gibt nur noch etwa jedes zehnte Unternehmen an, Projekte mit einem zuvor vereinbarten Preis in Rechnung zu stellen. Erfolgsabhängige Bonusvereinbarungen beschreiben einen zusätzlichen finanziellen Anreiz bei Ausgang
Insert 3-04:
eines Projektes. Auf solch eine Vereinbarung greifen jedoch nur wenige Beratungsunternehmen zurück. Von denjenigen Unternehmen, die Bonusvereinbarungen als Bestandteil ihrer Vergütung nutzen, ist die Bonusvereinbarung nahezu in allen Fällen monetärer Form. Umsatzbeteiligungen stellen eine Ausnahme dar und werden nur in seltenen Einzelfällen genutzt.
Praktizierte Abrechnungsweise von Projekten
3.3 Positionierung – Optimierung des Kundenvorteils
273
In Abbildung 3-27 sind die grundsätzlichen Unterschiede zwischen dem Tageshonorar eines Beraters gemäß Preisliste und der Preisbildung von Beratungsprojekten dargestellt (siehe in diesem Zusammenhang auch Abschnitt 3.6.7). „Die Kalkulation von Beratungsprojekten erfolgt einfach, pragmatisch und nicht immer nach der betriebswirtschaftlichen Lehre“ [Niedereichholz 2010, S. 266]. In aller Regel handelt es sich bei der Angebotskalkulation aber um eine kostenorientierte Preisfindung, d. h. die Angebotspreise werden auf der Grundlage von Kosteninformationen getroffen. Diese stellen die Kostenrechnung zur Verfügung. Das Kalkulationsgerüst ergibt sich aus den geschätzten Zeiten der Auftragsdurchführung, aus den direkten Personalkosten (Honorarsätze unterschieden nach Projektleiter, Consultant etc.), weiteren direkt zurechenbaren Kosten wie IT-Servicekosten, Kommunikationskosten, Hilfspersonalkosten, Reisekosten etc. und dem allgemeinen Verwaltungsaufwand (Overhead). In allen Projekten stellen die Personalkosten den größten Aufwandsblock dar.
Tageshonorar
Projektpreis
• Langfristig • Preisstrategie
• Kurzfristig • Preistaktik
Kriterien der Preisbildung
• • • •
• Honorarsätze • Projektdauer • Projektrisiko
Grundlage
Preisliste
Grundform der Vertragsgestaltung
Time & Material
Gestaltungsrahmen
Grade Erfahrung Branche Beratungsart etc.
Projektkalkulation
Time & Material mit Obergrenze
Festpreis
Erfolgshonorar © Dialog.Lippold
Abb. 3-27:
Gegenüberstellung von Tageshonorar und Projektpreis
Eine sehr vereinfachte Personalkostenkalkulation nach Projektphasen ist in Abbildung 3-28 dargestellt.
274
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Projektleiter
Senior Consultant
Consultant
Junior Consultant
Projektassistenten
Gesamt
Zeitbedarf in Zeitbedarf in Zeitbedarf in Zeitbedarf in Zeitbedarf in Zeitbedarf in Personentagen Personentagen Personentagen Personentagen Personentagen Personentagen (1) Voruntersuchung (2) Ist-Analyse (3) Sollkonzeption (4) Realisierungsplanung (5) Realisierung (6) Summe Personentage (7) Tagessatz je Kategorie (8) Personalkosten (6)x(7) [Quelle: Niedereichholz 2010, S. 272]
Abb. 3-28:
Formblatt für die Personalkostenkalkulation nach Projektphasen
Preistaktische Maßnahmen können nun darin liegen, dass mit entsprechenden Risikozuschlägen oder – im umgekehrten Fall – bei Auslastungsproblemen mit geringeren Gewinnzuschlägen kalkuliert wird. Dieser Spielraum wird allerdings dann etwas eingeengt, wenn der Auftraggeber auf eine Offenlegung der Kalkulation besteht. Dies ist regelmäßig bei öffentlichen Aufträgen der Fall.
3.4 Kommunikation – Optimierung der Kundenwahrnehmung
275
3.4 Kommunikation – Optimierung der Kundenwahrnehmung 3.4.1 Aufgabe, Ziel und Dimensionen der Kommunikation Kommunikation im Marketing besteht in der systematischen Bewusstmachung des Kundenvorteils und schließt damit unmittelbar an die Ergebnisse der Positionierung an. Die Positionierung gibt der Kommunikation vor, was im Markt zu kommunizieren ist. Die Kommunikation wiederum sorgt für die Umsetzung, d.h. wie das Was zu kommunizieren ist. Sie führt zum Aufbau eines umfassenden Meinungsbildungsprozesses mit dem Ziel, dass der Kunde von seinem Vorteil bei den kommunizierten Merkmalen überzeugt ist. Die Kommunikation ist damit das dritte wesentliche Aktionsfeld im Rahmen des Vermarktungsprozesses (siehe Abbildung 3-29) und zielt auf die Optimierung der Kundenwahrnehmung ab [vgl. Lippold 2018d]: Kundenwahrnehmung = f (Kommunikation) → optimieren! Kommunikationssignale haben im Beratungsmarketing die Aufgabe, einen Ruf aufzubauen und innovative Leistungsvorteile glaubhaft zu machen. Unverzichtbare Elemente sind daher Seriosität, Glaubwürdigkeit und Kompetenz in den Aussagen und Darstellungen. Dazu ist es erforderlich, dass die Signale mehrere Quellen (Unternehmens-, Mitarbeiter-, Vertriebssignale) haben und in sich konsistent sind. Gleichzeitig muss sich das kommunizierende Unternehmen bewusstmachen, dass die Signale auf mehrere Empfänger mit unterschiedlichen Voraussetzungen und Zielen stoßen [vgl. Lippold 1998, S. 166].
Aktionsfelder
Nachhaltiger Gewinn
Wettbewerbsvorteil • Leistungen • Fähigkeiten • Know-how • Innovationskraft
Segmentierung + Kundennutzen
Positionierung + Kundenvorteil
Kommunikation
Vertrieb
+ Kundenwahrnehmung
+ Kundennähe
Akquisition
+ Kundenakzeptanz
Betreuung
+ Kundenzufriedenheit
=
Vom Markt honorierter Wettbewerbsvorteil
© Dialog.Lippold
Abb. 3-29:
Kommunikation als drittes Aktionsfeld der Marketing-Gleichung
In diesem Kontext sei angemerkt, dass für die Bezeichnung des äußeren Kommunikationsprozesses eines Unternehmens der Begriff „Signalisierung“ (statt Kommunikation) schärfer ist, da es bei der Signalisierung – im Gegensatz zur Kommunikation – nicht notwendigerweise zu einer Interaktion (zwischen Sender und Empfänger) kommen muss. Schließlich führt der Einsatz aller „klassischen“ Kommunikationsmittel nicht zu einer Interaktion zwischen Unternehmen und Zielgruppe. Jedoch wird hier infolge der zunehmenden Bedeutung der Online-Kommunikation, deren besondere Stärke gerade in der Interaktion zwischen Anbieter und Nachfrager liegt, der weiter gefasste Kommunikationsbegriff für die (werbliche) Außendarstellung eines Unternehmens verwendet. Die Grundstruktur der werblichen Kommunikation ist in Abbildung 3-30 dargestellt. Die zu übermittelnde Kommunikationsbotschaft wird vom Sender in ein verschlüsseltes Signal (Text,
276
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Bild, Ton etc.) übersetzt und mit Hilfe eines Kommunikations- bzw. Werbeträgers (z. B. Anzeige oder TV-Spot) an die Empfänger als Zielgruppe herangetragen. Die Entschlüsselung (Decodierung) des Signals und die dadurch ausgelöste Wirkung muss nicht zwingend mit der vom Kommunikationssender beabsichtigten Wirkung übereinstimmen. Vielmehr kann es sein, dass der Kommunikationsempfänger die Entschlüsselung der Botschaft im Hinblick auf seine eigenen Wertvorstellungen, Erfahrungen und Bedürfnisse vornimmt.
Kommunikationskonzept des Unternehmens
Sender
Transport des Signals durch Ton, Bild, Text
Verschlüsselung der Botschaft
Botschaft
Codierung
Entschlüsselung des Signals durch den Empfänger
Decodierung
Verarbeitungsinterpretation durch den Empfänger
Empfänger
Medien Umweltinduzierte Störungen
Störpegel
Konkurrenzinduzierte Störungen
Feedback
Reaktion Messung des Kommunikationserfolgs [Quelle: Bruhn 2007, S. 41]
Abb. 3-30:
Schematische Darstellung des Kommunikationssystems
Ziel des kommunizierenden Unternehmens muss es also sein, solche Störungen zu minimieren, indem die Botschaft so verschlüsselt wird, dass sie vom Empfänger in dem beabsichtigten Sinne verstanden wird. Störungen können vor allem auch durch Wettbewerbsaktivitäten (wettbewerbsinduzierte Störungen) oder durch Veränderung der Umweltbedingungen (umweltinduzierte Störungen) hervorgerufen werden. So hat bspw. der amerikanische Telekommunikationskonzern AT&T mit dem Slogan „We hear you“ versucht, Kundennähe zu demonstrieren. Die Interpretation durch die Kommunikationsempfänger änderte sich aber unmittelbar im Zuge der Watergate-Affäre, nach der dieser Slogan als „Wir hören Ihre Gespräche ab“ ausgelegt wurde [vgl. Bruhn 2007, S. 39 f.]. Die Kommunikation eines Unternehmens ist komplex. Konkrete Aufgabenstellungen und Verantwortlichkeiten für die Akteure des Marketing gehen in die verschiedensten Richtungen. Integrierte Kommunikationskonzepte beinhalten Entscheidungen über folgende Dimensionen [vgl. Meffert 1998, S. 689 ff.]:
Objektdimension (Idee, Unternehmen, Leistungsprogramm, Kunden) Ausrichtungsdimension (personell, zeitlich, räumlich etc.) Instrumentedimension (Werbung, Messen, PR etc.) Mediadimension (z. B. Printmedien vs. elektronische Medien) Gestaltungsdimension (Inhalte, Botschaft)
3.4 Kommunikation – Optimierung der Kundenwahrnehmung
277
In Abbildung 3-31 sind die verschiedenen Dimensionen des Kommunikationskonzepts zusammengestellt.
ObjektDimension
AusrichtungsDimension
InstrumenteDimension
MediaDimension
• Idee signalisieren (Bewusstseinsprogramm)
• Personale Ausrichtung (einzelgerichtet – massengerichtet)
• Beiträge in Printmedien (Fachartikel, Interviews) • Beiträge in OnlineMedien • Werbung in Printmedien (Anzeigen) • Werbung in OnlineMedien • Radio- und Fernsehwerbung • Herausgabe von ENewsletter • Herausgabe von Print-Newsletter • Sponsoring • Direktmarketing • Event-Marketing • Messe-Marketing
• Klassische elektronische Medien (TV/Hörfunk)
• Unternehmen signalisieren (Imageprogramm) • Leistung signalisieren (Leistungsprogramm) • Kaufentscheidun g absichern (Betreuungsprogramm)
• Zeitliche Ausrichtung (pulsierend – kontinuierlich) • Räumliche Ausrichtung (regional – national – international)
• Printmedien (Tageszeitungen/ Publikumszeitschriften/Fachzeitschriften/Beilagen / Verzeichnisse, Plakate) • Neue elektronische Medien (Banner/Suchmaschinen/ E-Mail)
GestaltungsDimension Inhalte: • Verständlichkeit • Informationen in „Echtzeit“ • Größtmögliche Offenheit (vollständig, eindeutig) • Wahrheit • Widerspruchfreiheit Botschaft: • Rational – emotional • Imitativ - innovativ
(jeweils nach Intensität)
[Quelle: Inhalte in Anlehnung an Meffert 1998, S. 689 ff.]
Abb. 3-31:
Dimensionen des Kommunikationskonzepts
Da die digitale Transformation auch die werbliche Kommunikation revolutioniert, ist es von besonderer Bedeutung, die Unterschiede zwischen der klassischen und der digitalen werblichen Kommunikation zu kennen, um entsprechende Entscheidungen treffen zu können [vgl. Lippold 2017, S. 186 f.]. 3.4.2 Klassische vs. digitale Kommunikation Die klassische Kommunikation im Marketing richtet sich an eine Zielgruppe, die sich im Rahmen der Marktsegmentierung selektieren lässt. Diese Selektion geht aber nicht soweit, dass jeder Empfänger der Werbebotschaft identifiziert werden kann. Die Zielpersonen bzw. Zielgruppen werden überwiegend durch Massenmedien angesprochen, wobei zum Teil große Streuverluste in Kauf genommen werden. Die klassische Kommunikation kann daher auch als Signalisierung, also als Kommunikation in eine Richtung bezeichnet werden (siehe oben). Dagegen ist die Botschaft der digitalen Kommunikation an einzelne, individuell bekannte Zielpersonen gerichtet. Zumindest wird der Aufbau einer solchen individuellen Beziehung zwischen dem Absender und dem Empfänger der Botschaft angestrebt. Statt einer Signalisierung (also eines Monologs) besteht das Ziel in einer interaktiven Kommunikation, also in einem Dialog. Während die klassische Kommunikation mehr das Ziel verfolgt, Image und Bekanntheitsgrad aufzubauen, wird bei der digitalen Kommunikation eine Reaktion (engl. Response) des Angesprochenen und eine langfristige Kundenbeziehung angestrebt.
278
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
So macht die Werbung im Internet zwischenzeitlich mehr als ein Viertel des gesamten Nettowerbekuchens aus und liegt damit nur noch knapp hinter der Fernsehwerbung. Damit verschiebt sich auch bei den Unternehmen die Aufmerksamkeit zunehmend von der klassischen Werbung zur Internet-Werbung. Während früher Werbeflächen rar, Produktionskosten hoch und der finanzielle Aufwand einer einzigen Kampagne enorm war, so bietet das weltweite Web eine bislang nicht gekannte Flexibilität. In der klassischen Werbung hingegen müssen Werbebotschaften und Inhalte einprägsam, zügig und möglichst punktgenau bei den Zielpersonen ankommen, damit sich die Investition in Werbung lohnt. Jeder vergeudete Versuch kostet dem werbenden Unternehmen sehr viel Geld. Diese Umstände haben sich spätestens mit der Einführung des Web 2.0 grundgrundlegend geändert. Im Vergleich zur klassischen Werbung lässt das Internet Versuche zu, ist unglaublich flexibel und ermöglicht sowohl in finanzieller Sicht als auch im Hinblick auf die Kundenansprache einen deutlich größeren Spielraum. Hinzu kommt, dass die sozialen Netzwerke Perspektiven für das Kommunikationsverhalten bieten, die in der klassischen Werbung nicht möglich sind. Der große Vorteil der Internet-Werbung schließlich liegt in den leicht kalkulierbaren Kosten, die sich nicht annähernd auf dem Niveau der Kosten für die klassische Werbung bewegen. Zur Verdeutlichung sind die wichtigsten Unterschiede zwischen klassischer und digitaler werblicher Kommunikation in Abbildung 3-32 dargestellt. Neben den Veränderungen auf der Angebotsseite findet aber auch ein Wandel auf der Kundenseite statt. Aus dem passiven Umgang mit der klassischen Werbung sind Dank der digitalen Kanäle ein aktives Erfassen und ein effektiver Dialog mit dem werbenden Unternehmen entstanden. Die Bindung, die dadurch zwischen Kunde und Unternehmen entsteht, kann mit den Instrumenten der klassischen Werbung naturgemäß nicht erreicht werden. Damit ist aber nicht das Ende der klassischen Werbung eingeleitet. Der Kunde wünscht sich Flexibilität. Er möchte sowohl digitale als auch klassische Kanäle nutzen. Cross mediale Kampagnen sprechen den Kunden über beide Kommunikationswege an und nutzen damit die Potenziale beider Kommunikationswelten [vgl. Holland 2015, S.7].
3.4 Kommunikation – Optimierung der Kundenwahrnehmung
279
Klassische (werbliche) Kommunikation
Digitale (werbliche) Kommunikation
Häufig verwendete Synonyme
(Klassische) Werbung
Internet-Werbung, Online-Werbung, Internet-Marketing, Online-Marketing, Dialog-Marketing
Ziel
• Bekanntheit, Image • Einseitige Transaktion (Kunde kauft Produkt/Leistung)
• Reaktion (Response) • Langfristige Kundenbeziehung (Kundenbindung)
Zielgruppe
Eher Massenmarkt
Eher Einzelperson
Medien
Massenmedien
Internet
Kommunikationsfluss
In eine Richtung
In beide Richtungen (Dialog)
Kommunikationswirkung
• Hohe Streuverluste • Aufbau von Markenimages und präferenzen
• Geringe Streuverluste • Individuelle Kundenbetreuung, geringe Kosten in Relation zur Wirkung
Erfolgsmessung
Über Befragungen (aufwendig)
Web Analytics (einfach und genau)
Paradigma/Philosophie
• Economies of Scale • Mass Production
• Economies of Scope • Customized Production
Kundenverständnis
• Anonymer Kunde • Relative Unabhängigkeit Verkäufer/Kunde
Interdependenz Verkäufer/Kunde
Marketingverständnis
Transaktionsmarketing
Beziehungsmarketing [Quelle: in Anlehnung an Holland 2015, S. 8]
Abb. 3-32:
Unterschiede zwischen klassischer und digitaler (werblicher) Kommunikation
3.4.3 Kommunikationsmodell Um die Empfänger, d.h. die Zielgruppe der Signale, in ihrer unterschiedlichen Konditionierung mit den jeweils richtigen Kommunikationsinhalten anzusprechen, sollte zunächst ein Kommunikationsmodell aufgestellt werden. Ein solches Modell stellt die Struktur der Kommunikationsprozesses (Ziele, Strategien, Zielgruppe, Zielpersonen etc.) dar und ist die Grundlage für die zu kommunizierenden Inhalte. Die Kommunikationsinhalte (Botschaften) wiederum bilden in ihrer Gesamtheit das Kommunikationsprogramm (Bewusstseins-, Image-, Leistungs, Kundenprogramm), das dann von den Kommunikationsinstrumenten (Werbung, PR, Online-Marketing, Direct-Marketing, Messen, Events etc.) umgesetzt und an die Zielgruppe/person herangetragen werden muss (siehe Abbildung 3-33). Neben seiner strukturbildenden Funktion hat das Kommunikationsmodell zugleich eine wichtige Aufgabe für die Implementierung einer nachhaltigen Markenstrategie. Wer eine starke Produkt- und/oder Unternehmensmarke in seinen definierten Marktsegmenten etabliert und weiterentwickelt, kann der Herausforderung, Aufträge in diesen Zielsegmenten zu gewinnen, leichter begegnen. Diese Erkenntnis gilt nicht nur für das B2C-Marketing. Auch im B2B-Bereich und hier ganz besonders im Beratungsmarketing kann eine starke Unternehmensmarke zu niedrigeren Kosten in der vertrieblichen Basisarbeit (z. B. bei der Kontaktgewinnung oder bei der Beraterauswahl für die Short-list) führen.
280
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Eine solche Markenstrategie wirkt sich zudem auch positiv im Personalbereich aus. Eine bekannte, attraktive Arbeitgebermarke (engl. Employer Branding) erleichtert die Gewinnung von qualifizierten Mitarbeitern auf dem Bewerbermarkt und wirkt sich positiv auf den Verbleib der Mitarbeiter im Unternehmen aus. Employer Branding beugt auch der Abwanderung von Potenzial- und Leistungsträgern vor. Dieses Phänomen tritt verstärkt auf, sobald die Chancen zum Wechseln zunehmen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Konjunktur wieder anspringt [vgl. Lippold 2011, S. 50 f.]. Signalisierungsmodell Signalisierungsprogramme
• • • • • • •
Signalisierungsinstrumente
Zielgruppe Zielpersonen Ziel Strategie Taktik Prozess
• Bewusstseinsprogramm • Imageprogramm • Leistungsprogramm • Betreuungsprogramm
Ergebnis
• • • • • •
Werbung / PR Prospekte Infoveranstaltungen Seminare/Vorträge
Zielgruppe/ -person
Messen/Kongresse Online-Marketing
UMSETZUNG INHALT
STRUKTUR [Quelle: Lippold 1998, S. 167]
Abb. 3-33:
Die Kommunikation: Von der Struktur über die Inhalte zur Umsetzung
Kommunikationsmodelle haben die Aufgabe, den Kommunikationsprozess mit allen Anspruchsgruppen (engl. Stakeholder) eines Unternehmens zu strukturieren und in seiner Komplexität zu vereinfachen. Zur Verdeutlichung dieser Aufgabenstellung dient ein Kommunikationsmodell, das IBM in ähnlicher Form erfolgreich eingeführt hat [vgl. IBM 1984]. Im Vordergrund des Kommunikationsmodells steht eine Typologisierung der Signalempfänger innerhalb der definierten Zielgruppe. Diese Typologisierung ist keine fachbezogene Bestimmung der unterschiedlichen Zielgruppen, wie dies bei der Segmentierung der Fall ist, sondern grenzt die Signalempfänger innerhalb der Zielgruppe nach ihrer Stellung, ihrem Verhältnis und Kenntnisstand gegenüber dem Beratungsunternehmen ab. Das Modell unterteilt die gesamte Zielgruppe in Indifferente, Sensibilisierte, Interessierte und Engagierte bezüglich ihrer Einstellung zur signalisierenden Unternehmensberatung (siehe Abbildung 3-34).
3.4 Kommunikation – Optimierung der Kundenwahrnehmung
281
Interessenten
Zielgruppe
Kunden
Zielpersonen
Indifferente
Sensibilisierte
Interessierte
Engagierte
Ziel (=Politik)
Indifferente sensibilisieren
Sensibilisierte interessieren
Interessierte engagieren
Engagierte betreuen
Strategie (=Pläne)
Idee signalisieren
Unternehmen signalisieren
Leistungen signalisieren
Kaufentscheidung absichern
Taktik (=Maßnahmen)
Bewusstseinsprogramm
Imageprogramm
Leistungsprogramm
Kundenprogramm
Prozess
Wahrnehmungsprozess
Meinungsbildungsprozess
Entscheidungsprozess
Betreuungsprozess
Ergebnis
Aufmerksamkeit
Vertrauen/ Glaubwürdigkeit
Kaufakt
Bestätigung
[Quelle: Lippold 1998, S. 170 in Anlehnung an IBM 1984]
Abb. 3-34:
Elemente eines Kommunikationsmodells
3.4.3.1 Bewusstseinsprogramm
Den größten Teil dieser Zielgruppenzugehörigen (= Zielpersonen) bilden die Indifferenten. Sie stehen dem Beratungsunternehmen mit seinem Leistungsprogramm uninformiert und uninteressiert gegenüber. Kommunikationsziel muss es hier sein, die Indifferenten zu sensibilisieren. Das heißt, diesen Zielpersonen muss beispielsweise die Idee, dass eine neue Problemlösung (gegenüber einer konventionellen Lösung) oder ein neuer Beratungsansatz Vorteile bietet, nahegebracht werden. Ist die Idee kommuniziert, die Botschaft angekommen, dann ist das erste Kommunikationsziel Indifferente sensibilisieren erreicht, bzw. das signalisierende Unternehmen hat seinen Beitrag dazu geleistet. Alle Maßnahmen, die diesem ersten Kommunikationsziel dienen, spiegeln sich in einem Bewusstseinsprogramm wider. Damit ist ein Wahrnehmungsprozess eingeleitet, der bei den Zielpersonen Aufmerksamkeit erzeugt. Unternehmensberatungen, die lediglich die generellen Vorteile einer Zusammenarbeit mit ihnen kommunizieren wollen und keine explizit neue Lösung anbieten, sollten sich allerdings gleich auf die zweite Gruppe der Zielpersonen, also auf die Sensibilisierten konzentrieren. Ein Bewusstseinsprogramm sollte demnach immer nur dann durchgeführt werden, wenn eine wirklich innovative Lösung signalisiert werden soll. Ein solches Programm hat in erster Linie die Aufgabe, einen latenten Bedarf bei den potenziellen Kundenunternehmen für die Innovation zu wecken. Im Beratungsbereich und insbesondere im Bereich der informationstechnischen Dienstleistungen werden immer wieder neue Anwendungsfelder erschlossen, so dass sich Unternehmensberatungen, die sich auf solch innovativen Anwendungsfeldern engagieren, die Notwendigkeit eines Bewusstseinsprogramms in ihre kommunikationspolitischen Überlegungen einbeziehen müssen [vgl. Lippold 1998, S. 171]. Ein Bewusstseinsprogramm ist allerdings auch immer mit erheblichen Kosten verbunden, da die Ansteuerung der Indifferenten erfahrungsgemäß mit erheblichen Streuverlusten verbunden ist. Daher sind in der Regel nur größere Unternehmen in der Lage, ein Bewusstseinsprogramm konsequent und nachhaltig durchzuführen. Andererseits sind es häufig kleinere Unternehmen,
282
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
die besonders innovativ sind und die auf der Grundlage dieser Innovation ihre Wettbewerbsfähigkeit aufbauen wollen. In einer solchen Situation können Kooperationspartner oder der Einsatz besonders effizienter Kommunikationsinstrumente hilfreich sein. 3.4.3.2 Imageprogramm
Die zweite Gruppe der Zielpersonen ist bereits für die Idee sensibilisiert. Hier gilt es, das Interesse dieser Sensibilisierten auf das eigene Unternehmen zu lenken. Das zweite Signalisierungsziel lautet also Sensibilisierte interessieren. Den Sensibilisierten ist deutlich zu machen, dass unter allen Unternehmensberatungen im definierten Marktsegment keiner mehr Vertrauen verdient als das signalisierende Unternehmen. Die hierzu erforderlichen Kommunikationsmaßnahmen werden in einem Imageprogramm zusammengefasst. Ziel des Imageprogramms ist es, einen Meinungsbildungsprozess in Gang zu setzen, bei dem Vertrauen und Glaubwürdigkeit im Fokus stehen sollten. Während das Bewusstseinsprogramm für viele Beratungshäuser lediglich eine Option darstellt, gehört das Imageprogramm zum festen Bestandteil des Kommunikationskonzepts. Es hat die Aufgabe, die Aufmerksamkeit der Zielgruppe auf die Leistungsfähigkeit des signalisierenden Unternehmens zu lenken und deren Meinung positiv zu beeinflussen. Gegenstand des hier geforderten Imageprogramms ist die positive Beeinflussung des Unternehmensimages - nicht jedoch primär eines Produkt- oder Leistungsimages. Diese Abgrenzung ist deshalb besonders wichtig, weil die Betonung der generellen Leistungsstärke einer Unternehmensberatung häufig wirksamer ist als die Verwendung bestimmter Leistungsinformationen. Der Grund für die besondere Relevanz des Unternehmensimages von Beratungshäusern liegt darin, dass es nahezu unmöglich ist, eine allgemein anwendbare Leistungskonfiguration zu entwerfen und diese mit werblichen Maßnahmen zu kommunizieren. Es kommt vielmehr darauf an, die Kompetenz des Anbieterunternehmens als Ganzes als Beweis für die Leistungsfähigkeit herauszustellen [vgl. Strothmann/Kliche 1989, S. 140]. 3.4.3.3 Leistungsprogramm
Die dritte Gruppe innerhalb des Kommunikationsmodells sind jene Zielpersonen, die sich bereits konkret für bestimmte Leistungen des Beratungsunternehmens interessieren. Um diese Interessierten für das Unternehmen zu engagieren, muss der Kaufentscheidungsprozess dahingehend beeinflusst werden, dass sich der Interessent für das ihm angebotene Produkt entscheidet. Die Maßnahmen, die hierzu erforderlich sind, werden in einem Leistungsprogramm gebündelt. Ziel dieses Programms ist letztlich der Kaufakt. Das Leistungsprogramm ist letztlich maßgebend für den Großteil der Marketingaktivitäten. Es gibt vor allem Hinweise dafür, welche Kommunikationsinstrumente wann und in welchem Umfang zum Einsatz kommen sollen (siehe hierzu im Einzelnen die von den Unternehmensberatungen bevorzugten Instrumente in Abschnitt 3.4.2.8). 3.4.3.4 Kundenprogramm
Das vierte und letzte Kommunikationsziel richtet sich an die Engagierten. Sie sind vielleicht die wichtigste Zielgruppe, da sie sich aus den Kunden formiert. Denn knapp zwei Drittel des
3.4 Kommunikation – Optimierung der Kundenwahrnehmung
283
Jahresumsatzes von Unternehmensberatungen werden durch Projekte mit bestehenden Kunden im Rahmen von Folgeprojekten generiert. Nur etwas mehr als ein Drittel des Jahresumsatzes kommt aus Projekten mit neuen Kunden. Der Anteil des Umsatzes, der mit neuen Kunden und damit durch die Knüpfung neuer Geschäftskontakte erwirtschaftet wird, nimmt mit wachsender Größe der Unternehmensberatungen stetig ab. So wird bei größeren Beratungshäusern nicht mehr als 25 Prozent des jährlichen Umsatzes mit neuen Kunden getätigt [vgl. BDU-Benchmarkstudie 2011, S. 26]. Besonders wichtig ist der Kunde deshalb, weil nicht nur sein Neu- sondern auch sein Ersatzbedarf ein erhebliches Absatzpotenzial darstellt. Die Engagierten tragen entscheidend dazu bei, dass das Unternehmen jetzt und in Zukunft erfolgreich ist. Kurzum: Der Kunde ist in seiner Kaufentscheidung zu bestätigen. Das Kommunikationsziel für die Kernzielgruppe lautet daher Engagierte betreuen. Das hierzu erforderliche Maßnahmenbündel ist das Kundenprogramm. Im Rahmen des Aktionsfeldes Kommunikation nimmt das Kundenprogramm eine Sonderstellung ein. Während das Bewusstseinsprogramm, das Imageprogramm und das Leistungsprogramm den Kaufabschluss vorbereiten, kommt das Kundenprogramm erst nach dem Kauf bzw. der Beauftragung der Leistung zum Einsatz. Bewusstseins-, Image- und Produktprogramm zählen demnach zur Pre-Sales-Phase; das Kundenprogramm ist demgegenüber Teil der Post-SalesAktivitäten. Es hat die Aufgabe, die Entscheidung des Kunden zu bestätigen und evtl. auftretende kognitive Dissonanzen [Festinger 1957] zu beseitigen. Dem Kunden soll das Gefühl vermittelt werden, auch nach dem Kaufentscheid vom Anbieter umworben zu sein und als Kunde behandelt zu werden. Nur ein in seiner Entscheidung bestärkter Kunde wird Anschlussaufträge vergeben und zukünftig Referenzen abgeben. Das Kundenprogramm ist somit ein wesentlicher Bestandteil des Aktionsfeldes Betreuung und soll engagierte Fürsprecher für das Beratungsunternehmen gewinnen [vgl. Lippold 1998, S. 177 f.]. 3.4.4 Interne Kommunikation In den vorangegangenen Abschnitten ist von der Kommunikation, die nach außen gerichtet ist, die Rede. Doch es gibt nicht nur die Kommunikation mit dem Kunden, sondern auch die Kommunikation mit den Mitarbeitern. Diese Kommunikation, die nach innen gerichtet ist und die häufig auch als Unternehmenskommunikation bezeichnet wird, befindet sich in einem tiefgreifenden Umbruch. Der digitale Wandel verändert das Mediennutzungsverhalten aller Stakeholder und führt zu neuen Herausforderungen besonders für die Mitarbeiter- und Führungskräftekommunikation. Besonders die klassischen Printmedien werden zusehends von Bildern und Bewegtbildern (Videos, Webcasts, Infografiken etc.) in den Schatten gestellt. Besonders Endgeräte wie Smartphones und Tablets gewinnen über mobil zugängliche Medienkanäle bei Mitarbeitern ohne festen PS-Arbeitsplatz zunehmend an Bedeutung. Nach wie vor bleibt aber – auch im digitalen Zeitalter – der persönliche Dialog zwischen Unternehmensführung und Mitarbeitern die wichtigste Kommunikationsform. Allerdings stößt die direkte Kommunikation bei international agierenden Unternehmen zwangsläufig an Grenzen. Daher sind die konsequente Digitalisierung der internen Kommunikation und der unternehmensweite Einsatz von Social Media eine besondere Herausforderung und Zielsetzung für die Unternehmenskommunikation.
284
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Aus dem früheren Prinzip „Print Only“ wird somit ein „Digital First“ und – für schwer erreichbares Personal – in der nächsten Stufe ein „Mobile First“. Ebenso wird aus dem gedruckten Mitarbeitermagazin ein multimediales Mitmach-Magazin [vgl. Eberle 2016, S. 159 ff.]. Vor dem Hintergrund des digitalen Wandels kommt der internen Kommunikation eine ganz besondere Rolle zu, weil sie den Prozess der digitalen Transformation in jedem Unternehmen steuern und inhaltlich begleiten sollte. Damit wird die Unternehmenskommunikation zum „Treiber einer neuen, crossmedialen Unternehmenskultur“ [Fischer/Knaup 2016, S. 145]. 3.4.5 Überblick Kommunikationsinstrumente Eine beliebte Klassifizierung der Vielzahl von Kommunikationsinstrumenten ist die Einteilung in Above-the-line-Instrumente und in Below-the-line-Instrumente. Allerdings gibt es in der Literatur keine einheitliche Festlegung dieser beiden Begriffe. Die Definitionen reichen von der Unterteilung in „klassische“ und „neue“ Kommunikationsinstrumente bis hin zu der Festlegung, dass Below-the-line-Kommunikation darauf abzielt, „eine kleine Gruppe von Konsumenten zielgenau, kostengünstig und weitgehend konkurrenzlos zu erreichen“ und für sie „keine Werbezeiten in den Massenmedien gebucht werden“ [marketinglexikon.ch]. Sehr sinnvoll ist eine Unterteilung, nach der zu den Above-the-line-Instrumenten die (klassische) Werbung, die Online-Werbung und die Direktwerbung gehören (also alle Instrumente, in denen die Begrifflichkeit „Werbung“ vorkommt). Below-the-line-Instrumente zielen dagegen auf Maßnahmen ab, die vom Konsumenten (B2C) bzw. den Zielpersonen von organisationalen Beschaffungseinheiten (B2B) nicht ohne weiteres als werbliche Beeinflussung wahrgenommen werden. Dazu zählen die Öffentlichkeitsarbeit, Verkaufsförderung, Product Placement und Product Publicity, Sponsoring sowie Messen und Ausstellungen. Abbildung 3-35 verdeutlicht diese sinnvolle Trennung zwischen Above-the-line- und Below-the-Line-Instrumenten [vgl. auch Eckardt 2010, S. 163 f.]. Kommunikationsinstrumente
Above-the-line-Instrumente
Klassische Werbung
OnlineWerbung
DirektWerbung
Below-the-line-Instrumente
Verkaufsförderung
Öffentlichkeitsarbeit
Sponsoring
ProductPlacement ProductPublicity
Messen Ausstellungen Events © Dialog.Lippold
Abb. 3-35:
Kommunikationsinstrumente nach der wahrgenommenen Beeinflussung
Prinzipiell stehen der Unternehmensberatung alle denkbaren Kommunikationsinstrumente zur Verfügung. Da Beratungsunternehmen in aller Regel nur etwa ein bis maximal drei Prozent ihres Jahresumsatzes für Werbung im weitesten Sinne (also für Kommunikationsmaßnahmen) budgetieren und dann zumeist noch nicht einmal ausgeben, ist es wenig verwunderlich, dass
3.4 Kommunikation – Optimierung der Kundenwahrnehmung
285
kostenintensivere Kommunikationsinstrumente wie Fernseh- oder Radiowerbung so gut wie gar nicht im Fokus der Marketingleiter von Beratungsunternehmen stehen. Insofern stellen sich zwei grundsätzliche Fragen:
Welche Kommunikationsinstrumente setzt die Beratungsbranche bevorzugt ein? Wie beurteilt die Branche die Effizienz der eingesetzten Kommunikationsinstrumente?
Um die Bedeutung und Effizienz der eigenen Marketingmaßnahmen am branchenspezifischen Maßstab zu messen, hat der BDU 195 Marktteilnehmer aus der gesamten Unternehmensberatungsbranche im Juni/Juli 2011 befragt. Im Rahmen dieser Marktforschung wurden u. a. Kennzahlen über die Häufigkeit und Effizienz einzelner Kommunikationsinstrumente erfasst. Die Ergebnisse sind in Insert 3-05 (Häufigkeit) und Insert 3-06 (Effizienz) wiedergegeben. Insert
Verwendungshäufigkeit von Kommunikationsinstrumenten
Im Rahmen der BDU-Benchmarkstudie wurde die Verwendungshäufigkeit von elf verschiedenen Kommunikationsinstrumenten erfasst. Bei der Berechnung wird die Anzahl der Unternehmensberatungen, die ein Instrument verwenden, ins Verhältnis zur Gesamtanzahl der Unternehmensberatungen gesetzt. Die Benchmarks werden für Unternehmensberatungen in zwei verschiedenen Größenklassen (kleiner bzw. größer 2,5 Mio. Jahresumsatz) widergegeben. Die untenstehende Grafik zeigt, dass nahezu das gesamte Spektrum an verfügbaren Marketinginstrumenten von den Unternehmensberatungen verwendet wird, wobei keines der befragten Unternehmen Radio- und Fernsehwerbung einsetzt. Das Kommunikationsverhalten zwischen den großen und den kleinen Unternehmensberatungen unterscheidet sich zum Teil sehr deutlich.
Die wichtigsten Kommunikationsinstrumente für die größeren Unternehmensberatungen sind Beiträge in Printmedien (Fachartikel, Interviews), Direkt- und Eventmarketing-Maßnahmen sowie die Herausgabe von E-Newsletter. Alle vier Kommunikationsinstrumente werden von mehr als der Hälfte aller größeren Beratungshäuser eingesetzt. Bei den kleinen Beratungsunternehmen, die insgesamt deutlich weniger Marketingmaßnahmen ergreifen, ist es lediglich das Direktmarketing, das von mehr als der Hälfte praktiziert wird. Werbung und der Versand von Newslettern wird bevorzugt online abgewickelt. Aufwendige Kommunikationsinstrumente wie Event- und Messemarketing werden nur von den größeren Unternehmensberatungen häufiger eingesetzt. Sponsoring wird von einem Drittel aller grösseren Beratungen praktiziert. 78%
Beiträge in Printmedien
46% 55% 53%
Direktmarketing
55%
Eventmarketing
13% 53%
E-Newsletter
25% 43%
Online-Werbung
36% 35%
Messemarketing
16% 33%
Beiträge in Online-Medien
30% 33%
Sponsoring
24% 30%
Anzeigen
23% 18%
Print-Newsletter Radiowerbung
Beratungsunternehmen > 2,5 Mio. Umsatz
7%
Beratungsunternehmen < 2,5 Mio. Umsatz
0% 0%
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
[Quelle: BDU-Benchmarkstudie 2011, S. 34 f.]
Insert 3-05: Verwendung von Kommunikationsinstrumenten in der Beratungsbranche
286
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Insert Effizienz der Kommunikationsinstrumente Die Kennzahl „Effizienz der Kommunikationsinstrumente“ stellt dar, inwieweit Unternehmensberatungen die einzelnen Kommunikationsinstrumente für effizient in der Erreichung ihrer Marketingziele einschätzen. In der BDU-Benchmarkstudie wurde die Effizienz jeder Marketingaktivität auf einer Skala von eins bis fünf beurteilt, wobei eine Unterscheidung zwischen größeren und kleineren Unternehmensberatungen hier keine signifikanten Ergebnisunterschiede lieferte. Insgesamt wird von den befragten Unternehmensberatungen der Großteil der Marketinginstrumente eher als effizient eingeschätzt. Veröffentlichungen in Printmedien
(4,08) und Direktmarketing (4,05) sind die effizientesten Marketinginstrumente. Online-Medien werden als effizientes Marketingmedium bewertet. Darunter wird auch dem Versenden von elektronischen Newslettern (3,41) sowie dem Schalten von Werbung in Online-Medien (3,05) eine recht hohe Effizienz zugeschrieben. Als weniger effizient werden gedruckte Newsletter (2,98) und Werbung in Printmedien (2,18) eingeschätzt. Event- (3,20), Messe-Marketing (2,87) oder Sponsoring (2,51) werden eher neutral bewertet. Radio- und Fernsehwerbung ist für die Unternehmensberatungen das ineffizienteste Kommunikationsinstrument (1,62).
Effizienz der Kommunikationsinstrumente auf einer Skala von 1 (ineffzient) bis 5 (sehr effizient), Mittelwert Beiträge in Printmedien
4,08
Direktmarketing
4,05
Beiträge in Online-Medien
3,75
E-Newsletter
3,41
Eventmarketing
3,20
Online-Werbung
3,05
Print-Newsletter
2,98
Messemarketing
2,87
Sponsoring
2,51
Anzeigen
2,18
Radiowerbung
1,62
0,00
1,00
2,00
3,00
4,00
5,00
[Quelle: BDU-Benchmarkstudie 2011, S. 36]
Insert 3-06: Effizienz von Kommunikationsinstrumenten in der Beratungsbranche Infolge des rasanten Bedeutungszuwachses der digitalen Kommunikation lassen sich die Kommunikationsinstrumente auch in klassische und digitale Instrumente unterteilen. Zu den klassischen Kommunikationsinstrumenten zählen:
Klassische Werbung Verkaufsförderung Öffentlichkeitsarbeit Sponsoring Product Placement Product Publicity Veranstaltungen (Messen, Ausstellungen, Events).
3.4 Kommunikation – Optimierung der Kundenwahrnehmung
287
Davon sind besonders die klassische Werbung, die Öffentlichkeitsarbeit, das Sponsoring sowie Messen und Events von einiger Relevanz für Unternehmensberatungen und sollen hier erläutert werden (siehe Abschnitt 3.4.6). Im Bereich der digitalen Kommunikationsinstrumente sind folgende werbliche Kommunikationsinstrumente anzusiedeln:
Website Advertising Social Media Advertising Advertorials (Kombination aus advertisement & editorial) Display Avertising (Bannerwerbung) E-Mail-Advertising (Newsletter) Keyword Advertising (Suchmaschinenmarketing) Affiliate Marketing.
Die genannten digitalen Kommunikationsinstrumente werden in Abschnitt 3.4.7 skizziert. 3.4.6 Klassische Kommunikationsinstrumente 3.4.6.1 (Klassische) Werbung
Die klassische Werbung wird auch als Mediawerbung bezeichnet und ist eine Form der unpersönlichen Kommunikation, bei der mit Werbemitteln (z. B. Anzeigen, Rundfunk- oder Fernsehspots) durch Belegung von Werbeträgern (z. B. Zeitschriften, Rundfunk oder Fernsehen) versucht wird, unternehmensspezifische Zielgruppen zu erreichen und zu beeinflussen [vgl. Bruhn 2007, S. 356]. Die Bedeutung der Kommunikationsinstrumente und hier insbesondere der Werbung ist im Beratungsbereich allerdings deutlich niedriger einzuschätzen als im B2C-Bereich. Dies zeigen auch die Ergebnisse der BDU-Benchmarkstudie, die den klassischen Anzeigen in ihrer Effizienz nur den vorletzten Platz einräumt. Die Radiowerbung wird sogar nur auf dem letzten Platz geführt. Dennoch hat die klassische Werbung auch im Beratungsmarketing ihren Stellenwert. Sie muss allerdings im engen Zusammenhang mit dem Aktionsfeld Akquisition gesehen werden. So spielt in der Beratung das Zusammenwirken von unpersönlicher Kommunikation und persönlichem Verkauf eine wesentlich größere Rolle als im B2C-Marketing. Die Aufnahme von Werbebotschaften wird sehr stark von Image- und Kompetenzschwerpunkten bestimmt, die von persönlichen Verkaufs-, Informations- und Beratungsleistungen bei den Zielgruppen geschaffen wurden [vgl. Becker 2009, S. 581]. Hinzu kommt, dass die erheblich geringere Zahl an potenziellen Zielpersonen im Beratungsgeschäft einen wesentlich gezielteren Einsatz von Werbeträgern und Werbemitteln erfordert und damit die Mediawerbung u. U. zu großen Streuverlusten führen kann [vgl. Godefroid/Pförtsch 2008, S. 368].
288
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Dies zeigt sich naturgemäß bei der Fernsehwerbung, die von den Beratungsunternehmen so gut wie gar nicht wahrgenommen wird. Lediglich Accenture hatte vor Jahren einmal im Umfeld der RTL-Formel 1-Übertragungen geworben. Eine weitere Besonderheit ist bei den Fragen nach der Gestaltungsart (emotional/rational) und dem Grundmuster der Gestaltungsform zu beachten. So überwiegen im B2B-Marketing eher die rationale Gestaltungsart und die problemlösungs-orientierte Gestaltungsform. Das hängt in erster Linie mit dem Informationsverhalten der in den Unternehmen/Organisationen agierenden Zielgruppen zusammen. Sie sind aufgrund ihrer Rollen gehalten, sich rational im Sinne der Zielsetzungen des eigenen Unternehmens zu verhalten [vgl. Becker 2009, S. 581]. Als (nahezu klassisches) Beispiel für eine sehr text-lastige und rationale Gestaltungsart ist die Anzeige der IBM in Insert 3-07 (linkes Bild) anzusehen. Dass es jedoch auch emotionale Gestaltungsarten von Anzeigen gibt, zeigt die an die Zielgruppe des Mittelstands gerichtete Anzeige der SAP (rechtes Bild in Insert 3-07).
Insert 3-07: Werbung im B2B-Marketing 3.4.6.2 Öffentlichkeitsarbeit
Während alle bislang diskutierten werblichen Maßnahmen auf die Absatzaktivierung und auf die Kundenbeziehungen ausgerichtet sind, wendet sich die Öffentlichkeitsarbeit (engl. Public
3.4 Kommunikation – Optimierung der Kundenwahrnehmung
289
Relations (PR)) mit ihren Aktivitäten an alle Anspruchsgruppen (engl. Stakeholder) des Unternehmens. Ziel der PR ist es, diese Gruppen (z. B. Kunden, Aktionäre, Lieferanten, Mitarbeiter, öffentliche Institutionen) über das Unternehmen zu informieren und auf diese Weise Vertrauen aufzubauen und zu erhalten. Dabei gehen die Anforderungen dieser Anspruchsgruppen heutzutage deutlich über die Profilierung des Produkt- und Leistungsprogramms hinaus und stellen die gesellschaftliche Verantwortung des Unternehmens – Corporate Social Responsibility (CSR) – in den Mittelpunkt. So muss eine glaubwürdige und nachhaltige Öffentlichkeitsarbeit (verkürzt auch Pressearbeit genannt) den Nachweis dieser Verantwortung in Form von sicheren Arbeitsplätzen, Engagement für die Umwelt, Weiterbildungsangeboten u. a. erbringen [vgl. Becker 2009, S. 600 f.]. In den meisten Beratungen ist die Öffentlichkeitsarbeit in der Kommunikationsabteilung (Unternehmenskommunikation) organisatorisch verankert und wendet sich an zwei Zielgruppen: Unternehmensinterne Öffentlichkeit (interne Zielgruppen: Mitarbeiter, Eigentümer, Management, Betriebsrat), Externe Öffentlichkeit (externe Zielgruppen: Kunden, Presse und Journalisten, Lieferanten, Fremdkapitalgeber, Verbraucherorganisationen, Staat und Gesellschaft). In Abbildung 3-36 sind wichtige PR-Maßnahmen den entsprechenden Ansprechpartnern der internen und externen Kommunikation zugeordnet.
Interne Kommunikation
Externe Kommunikation
Mitarbeiter
Kunden
Presse und Journalisten
• Mitarbeiterzeitschriften
• Kundenzeitschriften
• Prospekte, Flyer, Broschüren
• Image-Broschüren
• Berichte, Protokolle, Rundschreiben
• Prospekte, Flyer
• Pressemitteilungen (Pressemeldung, Presseerklärung, Pressebericht, Factsheets)
• Mailings
• Themenexposées
• Q & A-Papiere
• Pressemappen
• Online-Newsletter und -Informationsdienste
• Pressedienste und Newsletter
• PR- und Werbeanzeigen
• PR-Anzeigen
• Plakate
• Interviews
• Beilagen für Zeitschriften
• Pressekonferenz, gespräch, -empfang
• Briefe und E-Mails • Online-Newsletter und -Informationsdienste über Intranet • Aushänge, Plakate
• Kataloge
Geschäftspartner, Investoren etc. • Geschäftsbericht • Umweltbericht • (Image-) Broschüren, Prospekte, Flyer • Mailings • Online-Newsletter und -Informationsdienste • PR- und Werbeanzeigen
• Journalistenreisen • Presseseminar [Quelle: Lippold 2012, S. 203]
Abb. 3-36:
Wichtige PR-Maßnahmen und ihre Zielgruppen
Grundlage und sicherlich das wichtigste Instrument der klassischen PR-Arbeit ist die Pressemitteilung. Hauptanlässe für die Herausgabe von Pressemitteilungen sind bei größeren Unternehmensberatungen:
290
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Neue Leistungen, neue Kunden, neue Projekte Personalveränderungen Jahresabschlüsse Großaufträge Messebeteiligungen Jubiläen Wichtige Besuche Soziales Engagement (Sozialbilanz) Krisenkommunikation.
Neben Pressemitteilungen bilden Pressekonferenzen sowie der persönliche Dialog mit Journalisten und Medienvertretern die Grundlage für eine den Unternehmenszielen entsprechende Berichterstattung im redaktionellen Teil der Medien. Die Nutzung von Web 2.0-Applikationen und Suchmaschinen haben aber nicht nur die Möglichkeiten der Kommunikation durch das Internet für Unternehmen und Kunden, sondern auch für die eigenen Mitarbeiter des Unternehmens erheblich erweitert. Diese können ihre Meinungen nun auch fernab von Presse- und Kommunikationsabteilungen veröffentlichen. Zukünftig werden also immer mehr Mitarbeiter freiwillig oder unfreiwillig zu Botschaftern ihres Unternehmens bzw. der Unternehmensmarke. Auf diese (weitgehend unkontrollierbaren) Kommunikationswege müssen sich die Verantwortlichen für die Unternehmenskommunikation einstellen und vorbereiten [vgl. Lippold 2011, S. 71]. 3.4.6.3 Sponsoring
In engem Zusammenhang mit der Öffentlichkeitsarbeit hat sich mit dem Sponsoring ein vergleichsweise neues Kommunikationsinstrument etabliert. Sponsoring bedeutet die systematische Förderung von Personen, Organisationen oder Veranstaltungen im sportlichen, kulturellen, sozialen oder ökologischen Bereich zur Erreichung von Marketing- und Kommunikationszielen. Anders als bei Spenden beinhaltet Sponsoring das Prinzip von Leistung und Gegenleistung, d. h. der Sponsor stellt seine Fördermittel in der Erwartung zur Verfügung, dass der Gesponserte ihn bei dessen Aktivitäten ausdrücklich nennt. Entsprechend wird von einem Sponsorship gesprochen, wenn Sponsor und Gesponserter ein konkretes Projekt in einem bestimmten Zeitraum gemeinsam durchführen [vgl. Bruhn 2007, S. 411]. Bei der Auswahl des Sponsorings bzw. Sponsorships sollte darauf geachtet werden, dass ein Mindestmaß an Gemeinsamkeit zwischen Sponsor und gesponsertem Bereich gegeben ist, damit sich positive Imagekomponenten übertragen lassen (Imagetransfer). Insert 3-08 zeigt in diesem Zusammenhang das Beispiel des Sportsponsorings der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG. Als langjähriger Hauptsponsor des Golfprofis Phil Michelson verspricht sich KPMG die Übertragung der Werte des erfolgreichen Golfstars (Vision, Fokus, Disziplin, Anpassungsfähigkeit, Leidenschaft und Ausdauer). Gerade im Sportbereich hat das Sponsoring allerdings den Nachteil, dass sich eine veränderte öffentliche Meinung auch auf die Sponsoren auswirken
3.4 Kommunikation – Optimierung der Kundenwahrnehmung
291
kann, so wie dies im Radsport (Stichwort „Doping“) oder bei Tiger Woods (Stichwort „SexSkandal“) geschah. Mögliche Ziele der Sponsoring-Aktivitäten sind die Erhöhung des Bekanntheitsgrades, die Aktualisierung des Images oder die Dokumentation gesellschaftlicher Verantwortung. Folgende Sponsoring-Bereiche kommen in Frage [vgl. Bruhn 2007, S. 414 ff]:
Insert 3-08:
KPMG sponsert den Golfprofi Phil Michelson
In Abbildung 3-37 sind den einzelnen Sponsoring-Bereichen verschiedene Sponsoring-Maßnahmen zugeordnet. Sportsponsoring • Trikotsponsoring • Bandenwerbung • Breitensportförderung • Leistungssportförderung • Sponsoring von Meisterschaften
Kultursponsoring
Soziosponsoring
• Förderung von Kunstausstellungen • Konzertförderung • Förderung von Musikwettbewerben • Vergabe von Stipendien • Gründung eigener Stiftungen
Umweltsponsoring
Mediensponsoring
• Förderung sozialer Einrichtungen (wie Kinderhilfswerk)
• Förderung von Umweltschutzaktionen
• Unterstützung von Menschenrechtsorganisationen
• Förderung von Umweltprojekten
• Förderung von Fernseh- und Rundfunksendungen
• Gründung eigener Stiftungen
• Förderung von Natur/Artenschutzaktionen
• Förderung von (Fernseh-)Filmen • Förderung von Internetauftritten
[Quelle: Lippold 2012, S. 204]
Abb. 3-37:
Sponsoring-Bereiche und Sponsoring-Maßnahmen (Auswahl)
Da die Dokumentation gesellschaftlicher Verantwortung eine der Ziele des Sponsorings ist, lässt sich Sponsoring – zumindest das Sozio-, Kultur- und Umweltsponsoring – auch als strategisches Instrument von Corporate Social Responsibility (CSR) verstehen und nutzen. (Zur Abgrenzung zwischen Sponsoring und CSR siehe detailliert Lippold 2015a, S. 270 f.)
292
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
In vielen Beratungsunternehmen ist Sponsoring ein fester Bestandteil der CSR-Aktivitäten und damit auch fester Bestandteil des Kommunikationsbudgets. Es werden Hochschulen, Stiftungen, soziale Zwecke oder andere gemeinnützige Projekte unterstützt. Auch hier gibt die BDU-Benchmarkstudie einen guten Überblick darüber, welche CSR- bzw. Sponsoringaktivitäten von den Unternehmensberatungen bevorzugt wahrgenommen werden (siehe Insert 3-09).
Insert Corporate Social Responsibility (CSR) Die Übersicht über die verschiedenen Corporate Social Responsibility (CSR)-Aktivitäten zeigt, welche CSR-Aktivitäten von Unternehmensberatungen wahrgenommen werden. Die einzelnen Quoten errechnen sich aus dem Verhältnis der Anzahl von Unternehmensberatungen, die eine entsprechende CSR-Aktivität durchführen, zur Anzahl aller befragten Unternehmensberatungen. Ein Großteil der Unternehmensberatungen engagiert sich im sozialen Bereich. Knapp die Hälfte der Unternehmensberatungen (46 Prozent) geht ihrer gesellschaftlichen Verantwortung dabei im Bereich der sozialen Einrichtungen nach.
Studierende und Hochschulen werden von einem Drittel der Unternehmensberatungen unterstützt. Durch umweltverträgliches Handeln versuchen 19 Prozent der Unternehmensberatung ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden. Im kulturellen Bereich sowie im Breitensport werden jeweils 14 Prozent der Unternehmensberatungen als Unterstützer aktiv. Zudem engagiert sich gut jede zehnte Unternehmensberatung auf verschiedentliche Weise in Stiftungen. Zwischen den verschiedenen Beratungsschwerpunkten und -größen wurden keine wesentlichen Unterschiede festgestellt.
Häufigkeit von CSR-Aktivitäten, Mittelwert Soziale Einrichtung
46%
Hochschulförderung
34%
Umwelt
19%
Kultur
14%
Breitensport
14%
Stiftungen
11% 0%
10%
20%
30%
40%
50%
[Quelle: BDU-Benchmarkstudie 2011, S. 37]
Insert 3-09:
Corporate Social Responsibility-Aktivitäten in der Beratungsbranche
3.4.6.4 Messen und Events
Messen haben im B2B-Marketing einen hohen Stellenwert. Sie ermöglichen eine direkte Kundenansprache und dienen der Bekanntmachung von neuen Lösungen und Leistungen ebenso wie der Anbahnung und Pflege von Kunden- bzw. Geschäftsbeziehungen. Die besondere Bedeutung von Messen und Ausstellungen für den B2B-Bereich bestätigt eine TSN-Emnid-Umfrage aus dem Jahr 2019 unter 500 ausstellenden Unternehmen. Danach sind Messen und Ausstellungen nach der eigenen Homepage und dem Außendienst das wichtigste Instrument im
3.4 Kommunikation – Optimierung der Kundenwahrnehmung
293
Kommunikationsmix der befragten Unternehmen. Da allerdings lediglich ausstellende Unternehmen befragt wurden, ist es wenig erstaunlich, dass die Messebeteiligung im Rahmen des B2B-Kommunikationsmix derart hochgerankt wird. Insert 3-10 gibt einen Überblick über den Stellenwert von Messen im Rahmen der B2B-Kommunikationsinstrumente.
Insert 3-10:
Messen im Kommunikations-Mix
Die begriffliche Abgrenzung zwischen Messen und Ausstellungen ist nicht trennscharf vorzunehmen. Messen sind fachlich, zeitlich und geografisch festgelegte Veranstaltungen, bei denen mehrere Anbieter ihr Produkt- und Leistungsangebot den Fachbesuchern (Einkäufern) präsen-
294
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
tieren. Ausstellungen sind i. d. R. dem breiten Publikum zugänglich und verfolgen vornehmlich Werbe- und Informationsziele; z. T. dienen Ausstellungen – ebenso wie Messen – aber auch dem Produktverkauf [vgl. Becker, J. 2009, S. 538 f.]. Deutschland ist weltweit der größte Messeplatz; von den 10 umsatzstärksten Messen der Welt befinden sich fünf in Deutschland (Frankfurt, München, Köln, Düsseldorf, Hannover). Jährlich werden in Deutschland zwischen 150 und 170 internationale Messen und Ausstellungen durchgeführt. Von den für 2020 geplanten 165 Veranstaltungen konnten allerdings 100 Messen aufgrund der Corona-Pandemie nicht stattfinden, so dass auch die weiteren Statistiken zu Ausstellern und Besuchern wenig Aussagekraft haben [Quelle: AUMA 2021]. Normalerweise kommt eine Messebeteiligung nur für Unternehmen in Betracht, die Produkte (und nicht unbedingt Dienstleistungen) anbieten und diese einer breiten Abnehmergruppe bekannt machen wollen. Trotzdem zieht auch die Beratungsbranche – und hier insbesondere größere IT-Beratungsunternehmen – eine Messebeteiligung immer häufiger in Erwägung. Dabei kommen folgende Formen einer Messebeteiligung in Betracht:
Beteiligung mit einem eigenen Messestand, Beteiligung mit einem Messestand als Unteraussteller z. B. von Hardware- oder Softwarehäusern oder als Katalysator zwischen IT-Herstellern und Anwendern.
Ein wichtiges Augenmerk sollten die Beratungshäuser auf die Wirtschaftlichkeit einer Messebeteiligung legen, da die Zielgruppe nur mit einem hochkonzentrierten, aber erheblichen Aufwand sehr gut erreicht werden kann. So haben in der Vergangenheit einige wichtige Anbieter (zumindest vorübergehend) auf die Präsenz bei der CeBIT verzichtet, da augenscheinlich Kosten und Nutzen nicht mehr in einem ausgewogenen Verhältnis zueinanderstehen [vgl. Godefroid/Pförtsch (2008), S. 377]. Eine detaillierte Aufstellung der Verteilung aller Messekosten für ein durchschnittliches Messejahr liefert Insert 3-11. Hat sich das Beratungsunternehmen für eine Messebeteiligung entschieden, so kann eine intensive Messevorbereitung erfolgsentscheidend sein. Dazu zählen spannend aufgemachte Messeeinladungen ebenso wie ein intensives Training der Messemannschaft. Es gibt kaum eine andere Gelegenheit an einem Ort in so kurzer Zeit so viele Gespräche mit so vielen Kunden und Interessenten zu führen. Wichtigstes Kapital der Messebeteiligung sind schließlich die Messebesuchsberichte, in der für Nachfassaktionen die wichtigsten Gesprächsinhalte und vereinbarten Folgeaktivitäten festgehalten werden. Neben einer etwaigen Messebeteiligung kommt für viele Beratungsunternehmen auch die Durchführung von bestimmten Events in Betracht. Besonders bewährt hat sich das Format eines „Kamingesprächs“, bei dem ein Gastredner in ein bestimmtes Thema, das entweder von allgemeinem oder von besonderem fachlichen Interesse ist, einführt und damit die Diskussion für weiterführende, teilweise auch bilaterale Gespräche anregt. Wie die Erfahrung zeigt, „steht und fällt“ eine solche Veranstaltung mit dem Namen und dem Thema des Gastredners sowie mit der Auswahl einer entsprechenden „Location“.
3.4 Kommunikation – Optimierung der Kundenwahrnehmung
295
Ein Event soll bestimmten Zielpersonen (Verbraucher, Händler, Einkäufer, Meinungsführer, Mitarbeiter) ziel- und konzeptkonforme Kommunikationsinhalte und Präsentationen emotional und erlebnisorientiert vermitteln. Events haben keinen direkten Verkaufscharakter. Zielsetzung ist vielmehr, über eine hohe Aufmerksamkeit in einen Dialog mit den Zielpersonen zu treten, emotionale Erlebnisse zu vermitteln und Aktivierungsprozesse anzustoßen. Events haben üblicherweise eine begrenzte Reichweite, können aber – nicht zuletzt auch über die Teilnahme von Multiplikatoren – Grundlage für ein breit gestreutes Kommunikationsprogramm z.B. über Produktneuheiten ein.
Insert 3-11:
Durchschnittliche Verteilung der Kosten einer Messebeteiligung
296
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
3.4.7 Digitale Kommunikationsinstrumente Aufgrund der rasch zunehmenden und immer intensiveren Nutzung des Internets haben sich die digitalen Kommunikationsinstrumente als feste Größe im Kommunikationsmix der Unternehmen durchgesetzt. Inzwischen bewegen sich die Umsätze im Markt für Digitale Werbung auf die 10 Milliarden zu (siehe Insert 3-12). Die Umsatzzahlen für die verschiedenen Segmente gelten schwerpunktmäßig für das B2C-Marketing, wenngleich das Internet auch bei der Suche nach Anbietern von Beratungsleistungen, also vor allem als Entscheidungshilfe vor dem Kauf eine zunehmende Rolle spielt.
Insert 3-12:
Umsatzentwicklung für Digitale Werbung nach Segmenten 2017 bis 2024
Die verschiedenen digitalen Kommunikationsinstrumente, die für die werbliche Beeinflussung der Kunden zur Verfügung stehen und für die oftmals die Begriffe Online-Werbung oder Internet-Werbung synonym benutzt werden, sollen hier unter dem Aspekt vorgestellt werden,
3.4 Kommunikation – Optimierung der Kundenwahrnehmung
297
welche Zielsetzung verfolgt wird: Awareness-Ziele oder Response-Ziele [siehe dazu im Folgenden Mühlenhoff/Hedel 2015, S. 525 ff.]. Beim Ziel Awareness geht es um Image, Bekanntheit oder auch Einstellung. Im Vordergrund steht somit die Kommunikationsleistung der Online-Werbung. Hierzu ist es erforderlich, eine möglichst hohe Bruttoreichweite in der Zielgruppe zu verfolgen. Das auszuwählende Kommunikationsinstrument soll kommunizieren und nicht primär zu Klicks anregen. So will man bspw. das Markenimage verbessern oder die Markenbekanntheit steigern. Die Kommunikationsleistung spielt somit auch im Beratungsgeschäft die entscheidende Rolle. Lautet das Ziel dagegen Response, so wird eine quantitativ messbare Interaktion angestrebt, die den User von der Werbeträgerseite auf die sogenannte „Landing page“ bringt (KampagnenSites oder die Homepage des Werbetreibenden). Hier geht es also um die Interaktionsleistung der digitalen Werbung. Die Steigerung der Klickrate und des Kaufinteresses steht hierbei im Vordergrund. Was dann nach dem Klick in Teilnahme, Order oder Ähnliches umgewandelt wird, ist eine Frage der überzeugenden Produktleistung und der Landing Page selbst. Die Interaktionsleistung steht also für das B2B-Geschäft nicht unbedingt im Vordergrund [vgl. Roddewig 2003, S. 15]. Werden nun die vielfältigen digitalen Kommunikationsinstrumente innerhalb der beiden Zielsetzungsgegenpole nach der Nähe zu den Zielen Awareness und Response geordnet, so ergibt sich die Darstellung in Abbildung 3-38.
Digitale (werbliche) Kommunikationsinstrumente (Online Advertising)
Website Advertising
Social Media Avertising
Advertorials
Display Advertising
E-Mail Advertising
Keyword Advertising
Affiliate Advertising
Awareness (Kommunikationsleistung) Response (Interaktionsleistung) [Quelle: in Anlehnung an Mühlenhoff/Hedel 2015; S. 526]
Abb. 3-38:
Instrumente der digitalen werblichen Kommunikation
Damit lässt sich der Kunde kommunikativ auf seiner individuellen Reise bis zur Konversion respektive Kaufentscheidung begleiten. Aufgrund der rasch zunehmenden und immer intensiveren Nutzung des Internets hat sich die Online-Werbung als feste Größe auch im Kommunikationsmix der Unternehmensberatungen durchgesetzt. Dies bestätigen auch die Ergebnisse der BDU-Benchmarkstudie, die der OnlineWerbung deutliche Vorteile gegenüber der klassischen Werbung einräumt (siehe Insert 3-03 und 3-04). Die Online-Werbung ist allerdings nicht überschneidungsfrei zu anderen Kommu-
298
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
nikationsinstrumenten abzugrenzen. So kann die Banner-Werbung auch der klassischen Werbung, das E-Mail-Newsletter dem Direktmarketing und die veröffentlichte Pressemitteilung auf der Homepage der PR zugeordnet werden [vgl. Meffert et al. 2008, S. 662]. Und um die Verwirrung vollständig zu machen: Da Online-Werbung eine Kombination aus Text, Bild und Toninhalten auf digitaler Basis ist, lassen sich sämtliche Werbeinhalte, die zuvor in den klassischen Medien getrennt angeboten wurden, auch auf Online-Umgebungen übertragen [vgl. Unger et al. 2004, S. 311].
3.4.7.1 Website Advertising
Im Bereich der Kommunikation sind es die maßgeschneiderten Botschaften über alle Kommunikationsinstrumente und -kanäle hinweg, die das größte Änderungs- und Erfolgspotenzial darstellen. Dabei ist Künstliche Intelligenz (engl. Artificial Intelligence – AI) die Schlüsseltechnologie. Im Mittelpunkt stehen User Experiences in Echtzeit und individuell erstellte Inhalte für den Konsumenten [vgl. hierzu Bergemann 2019, S. 311 ff.]. Das beginnt mit der Website, die zum werblichen Standardrepertoire eines Unternehmens zählt und in der Regel einen interaktiven Charakter aufweist. Website Advertising ist ein Werbeformat, bei der die Unternehmenswebsite der Werbeträger ist. Hier informieren sich Kunden, Interessenten und Bewerber über den potenziellen Anbieter einer Problemlösung, über dessen Marken, über die Eigenschaften einer Leistung sowie über das Umfeld des Unternehmens wie z.B. Karrieremöglichkeiten. Die Website eines Anbieters hat sich in den letzten Jahren „zum wichtigsten Kontaktpunkt mit dem Kunden etabliert“ [Wirtz 2013, S. 570]. Die Unternehmenswebsite ist die Mutter aller Online-Plattformen. Wird man im Web nicht gefunden, so schwindet das Interesse am Unternehmen. Die Unternehmenswebsite verfolgt das Ziel, Interessenten in Kunden zu verwandeln. Und auch Kunden und sonstige Stakeholder wollen ihr Unternehmen im Web finden und sich dort weiter informieren. So verwundert es niemanden, dass das Zentrum der Kommunikation heutzutage die Internetseite oder der Online-Shop des Unternehmens bildet. Die Startseite der Website wird als Homepage bezeichnet. Vor dem Hintergrund, dass eine Unternehmenspräsenz im Internet in vielen Bereichen selbstverständlich ist und damit per se auch kein Wettbewerbsvorteil sein kann, sind die Anforderungen an die Qualität einer Website deutlich gestiegen. Eine Zielgruppengerechte Gestaltung und ein Angebot an relevanten und aktuellen Inhalten sind die Bestimmungsfaktoren für eine qualitativ hochwertige Website. Zudem sollten Ansätze zur Individualisierung genutzt und dabei wichtige funktionelle Aspekte (z. B. übersichtliche Struktur und intuitive Navigation) berücksichtigt werden. Entscheidend dabei ist, dass stets zwei unterschiedliche Zielgruppen parallel zu berücksichtigen sind: einerseits Interessenten, Kunden, Lieferanten oder Bewerber (Stakeholder), andererseits die Leseroboter der Suchmaschinen, welche die Inhalte für die spätere Suche indizieren.
3.4 Kommunikation – Optimierung der Kundenwahrnehmung
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Gute Websites haben zur leichten Wiedererkennung und zur einfachen Orientierung eine einheitliche Designlinie, die der Corporate Identity folgt und mit der übergeordneten Marketingstrategie abgestimmt ist. Die Struktur des Online-Angebots bestimmt darüber hinaus maßgeblich, wie gut Nutzer auf der Seite navigieren können. Schließlich zeichnet sich gutes Website-Design dadurch aus, dass dem Nutzer eine gute Zugänglichkeit (engl. Accessibility) zur Website ermöglicht wird. Gleichzeitig muss die Website in allen gängigen Browsern (Internet Explorer, Firefox, Opera, Chrome, Safari) und auf allen gängigen Systemen (auch über mobile Endgeräte) darstellbar sein [vgl. Binckebanck 2015, S. 242].
3.4.7.2 Social Media Advertising
Social Media Ads spielen aufgrund ihrer hohen Reichweite und vielfältigen Segmentierungsmöglichkeiten eine zunehmend wichtige Rolle, um heute im Internet gefunden und wahrgenommen zu werden. Viele Social Media Plattformen wie Facebook, Twitter oder YouTube besitzen durch die Userprofile und das Tracking des Userverhaltens hervorragende Möglichkeiten, um Zielgruppen für die Werbemaßnahmen der Unternehmen zu identifizieren und nutzbar zu machen. Social Media Advertising ist ein Werbeformat im Internet, bei dem die Werbeanzeige auf das Sozialverhalten der Nutzer eingeht und als dessen Informationsgrundlage die Struktur des sozialen Netzwerks des Nutzers dient. Die Social Media Portale bieten eine Vielzahl attraktiver Anzeigenformate und Anzeigenmechaniken, darunter auch die Aussteuerung nach demografischen und psychografischen Attributen. Für die Marketingleiter ist die Beantwortung der Frage wichtig, welche Social Media-Kanäle man nutzen soll. Hierzu ist zunächst eine Kategorisierung der verschiedenen Social Media-Plattformen erforderlich: An erster Stelle zu nennen sind die sozialen Beziehungs- und Bildernetzwerke, die sich nicht grundsätzlich auf ein bestimmtes Thema oder einen Nutzerkreis festlegen, sondern ein möglichst breites Spektrum an Usern ansprechen. Hierzu zählen u.a. Facebook, Google+, Instagram und Pinterest. Facebook ist mit weltweit 35 Milliarden Visits pro Monat das erfolgreichste Netzwerk überhaupt. Damit wird Facebook 14 Mal mehr aufgerufen als Twitter, die Nummer zwei unter den sozialen Netzwerken, die allerdings einer anderen Netzwerk-Gruppe angehört. Und auch in Deutschland ist Facebook mit seinen 28 Millionen Nutzern am beliebtesten. Derzeit können auf Facebook 38 unterschiedliche Werbeformen gebucht werden [vgl. Mühlenhoff/Hedel 2015. S. 526]. Plattformen wie Twitter und Tumblr zählen zu den Blogging-Netzwerken. Besonders Twitter wird inzwischen von vielen Unternehmen, Organisationen, Medien, Promis, Politikern u. a. genutzt. In beiden Netzwerken können registrierte Nutzer Inhalte unterschiedlichster Art teilen (News, Links, Bilder, Videos). Mitglieder, die einem Profil folgen, sehen diese Inhalte auf ihrer Timeline – ganz ähnlich wie bei Facebook. Aber auch Nutzer, die nicht auf der Plattform angemeldet sind, können die Accounts und alle Inhalte einsehen.
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3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Bei den sozialen Bildnetzwerken stehen Fotos und Video im Fokus. Kommentare sind eher ergänzendes Beiwerk. Spitzenreiter bei den Foto-Sharing-Netzwerken sind Instagram mit 4,2 und Pinterest mit rund 3 Millionen Nutzern. Durch die geschickte Nutzung von sozialen Bildnetzwerken können Unternehmen potenzielle Kunden auf sich aufmerksam machen. Bilder und Videos bieten gegenüber Texten den Vorteil, dass man Botschaften und vor allem das Branding sehr viel direkter vermitteln kann. Professionelle Netzwerke wie Xing oder LinkedIn dienen gezielt dem Austausch zwischen Geschäftspartnern, Mitarbeitern sowie zwischen Bewerbern und Unternehmen. Sie bieten die Vorzüge und Kommunikationsmöglichkeiten eines Social Networks, setzen dabei jedoch im Gegensatz zu Facebook ganz auf Seriosität der Inhalte. Wie die Ergebnisse einer weltweiten Umfrage unter nahezu 5.000 Marketingleitern zeigen, klafft das Nutzungsverhalten zwischen B2C- und B2B-Firmen deutlich auseinander. So setzen Zweidrittel aller B2C-Unternehmen Facebook als das bevorzugte Medium ein, während dies im B2B-Bereich lediglich 46 Prozent sind. Dafür präferieren immerhin 33 Prozent aller B2BFirmen das berufliche Netzwerk LinkedIn, das im konsumentennahen B2C-Bereich lediglich von vier Prozent der Befragten bevorzugt genutzt werden (siehe Insert 3-13). Die Abbildung zeigt aber auch in Ansätzen das zielgruppengerechte Vorgehen bei den Firmen, die erkannt haben, dass ihre geschäftlichen Kunden eben nicht so punktgenau mit Facebook zu erreichen sind und daher eher ein berufliches Netzwerk bevorzugen.
Insert 3-13:
Bevorzugte Social-Media-Kanäle von B2C- und B2B-Unternehmen
3.4 Kommunikation – Optimierung der Kundenwahrnehmung
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Unter den beruflichen Netzwerken gibt es im deutschsprachigen Raum ein Kopf- an KopfRennen zwischen Xing (17 Millionen Nutzer) und LinkedIn (14 Millionen User). Während sich Xing bewusst auf den DACH-Raum beschränkt, ist LinkedIn eine globale Plattform. Ein Teil der Xing-Nutzer pflegt den aktiven Kontakt zu anderen Mitgliedern, der andere Teil benutzt das Netzwerk eher als digitales Adressbuch. Xing dient vornehmlich dem Ausbau des beruflichen Netzwerkes, der Jobsuche und Kontaktverwaltung. International ist LinkedIn mit seinen weltweit über 645 Millionen registrierten Nutzer wesentlich bedeutungsvoller. Aber auch im deutschsprachigen Raum hat LinkedIn – wenn man die Anzahl der Visits zugrunde legt – Xing bereits überholt. LinkedIn ist in drei Säulen gegliedert: den Bereich Network, der dem Auf- und Ausbau des eigenen Netzwerkes dient, den Bereich Opportunity, der Unterstützung bei der Weiterbildung und beruflichen Neuorientierung bieten soll, sowie den Bereich Knowledge, der den internen Nachrichtendienst und die Wissensvermittlung durch andere Mitglieder umfasst. Soziale Netzwerke ermöglichen registrierten Nutzern, eigene Profile zu erstellen und diese mit anderen Nutzern zu vernetzen. Der Fokus sozialer Netzwerke kann entweder auf privaten Kontakten (beispielsweise Facebook) oder geschäftlichen Kontakten (beispielsweise Xing oder LinkedIn) liegen. Die meisten sozialen Netzwerke sind vornehmlich werbefinanziert. Solche Plattformen erlauben es Unternehmen zudem, eigene Unternehmensseiten zu pflegen. Nutzer, die ihr privates Profil mit diesen Seiten verlinken, können dann auf der Seite des Unternehmens veröffentlichte Inhalte bewerten, kommentieren, im eigenen Netzwerk weiterverbreiten oder eigene Postings erstellen. Viele Unternehmen haben soziale Medien zunächst für die externe Kommunikation eingesetzt. Inzwischen nutzen Unternehmen aber auch verstärkt eine Social Software für interne Zwecke, um Austausch und Zusammenarbeit unter den Mitarbeitern zu verbessern. Insbesondere vervollständigt Social Media die E-Mail-Kommunikation, da viele Anfragen auf diesen Kanälen schneller und transparenter beantwortet werden können als über die klassische Mail. Zudem ergänzen Social Media in vielen Unternehmen inzwischen die bislang üblichen Intranets. Ein wichtiger Unterschied zum klassischen Intranet ist dabei die Art und Weise, wie Inhalte entstehen und geteilt werden. Jeder Mitarbeiter kann gleichzeitig Sender und Empfänger sein. Aus dem internen Redakteur wird ein Community-Manager [vgl. Bitkom-Pressemitteilung v. 29.04.2015]. Schließlich seien noch die Videonetzwerke erwähnt. Hier ist YouTube mit seiner enormen Reichweite der Branchenprimus. Nicht nur YouTube-Kanäle von Prominenten und Unternehmen haben teilweise hunderttausende und mehr Abonnenten – dank innovativer Ideen und Inhalte konnten sogar schon manche YouTuber aus ihrem Hobby einen Beruf machen. Ebenfalls für die Social-Media-Werbung interessant ist die Videoplattform Vimeo – vor allem, wenn man technisch und/oder ästhetisch anspruchsvolle selbstproduzierte Videoinhalte vermarkten möchte. Die Website sieht nicht nur aufgeräumter und erwachsener aus als YouTube, sondern hat auch inhaltlich eine entsprechende Ausrichtung. Zwischenzeitlich wird auch die „zweite Generation“ an Social-Media-Plattformen immer populärer, die – häufig auch über eine Mobile App – Trends wie geolokale Dienste oder die zunehmende Visualisierung von Beiträgen aufgreifen und spezialisierte Social-Media-Marketing-
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3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
maßnahmen möglich machen. Die zielgerichtete Optimierung einer Internetpräsenz auf möglichst weite Verbreitung in Social-Media-Netzwerken bezeichnet man als Social Media Optimization (SMO). Social Media ist also auf dem besten Weg, sich vom Kommunikationskanal zum Wertschöpfungsfaktor zu entwickeln. Dazu werden in der Regel drei Phasen durchlaufen [vgl. BitkomPräsentation v. 9.5.2012]: In der ersten Phase wird mit dem Einsatz von sozialen Medien experimentiert. Erfahrungen über Technologie und Gesetze müssen gesammelt werden. Die zweite Phase sieht einen strukturierten Einsatz der sozialen Medien vor, der vor allem durch Marketing (Werbung, PR) getrieben ist. Außerdem werden mehr Ressourcen für die Prozesse und für die Kommunikation bereitgestellt. In Phase drei werden soziale Medien in die internen Prozesse und Strukturen der Unternehmen eingebunden. Damit wird Social Media zu einem wichtigen Wertschöpfungsfaktor. Beispiele sind die Integration sozialer Netzwerke in den Kundenservice, die Zusammenarbeit von Projekt-Teams auf Basis von social Software oder die Einbindung von externen Interessengruppen in den Innovationsprozess. Die Stichworte lauten hier Open Innovation und Crowd Sourcing. Eine moderne Unternehmensführung sollte wissen, wo der Mehrwert von Social-Media-Maßnahmen liegt, wie sie diese systematisch planen und dadurch erfolgreich Kunden binden sowie neue Kunden erreichen können. Fazit: Die Nutzung von Web 2.0-Anwendungen haben nicht nur die Kommunikationsmöglichkeiten für Unternehmen, sondern auch für Kunden erheblich erweitert. Denn mit dem aktiven Einsatz sozialer Medien betreten die Unternehmen nicht nur einen, sondern – je nach Mitarbeiterzahl – Tausende von Kommunikationskanälen. Damit verlieren die Unternehmen die absolute Kontrolle über ihre Kommunikation. Sie stehen vor der Herausforderung, die Kunden aktiv einzubeziehen und auf diese zu hören. Im Social Web reicht es nicht mehr, einseitig Botschaften zu verbreiten. Stattdessen rückt der Dialog mit den Interessengruppen in den Vordergrund. Darauf müssen sich die Unternehmen einstellen [vgl. Eckardt 2010, S. 165]. 3.4.7.3 Advertorials
Das Marketing für Beratungsgesellschaften steht vor der Herausforderung, erklärungsbedürftige Produkte und Leistungen vermarkten zu müssen, die zumeist noch für jeden Kunden individuell zugeschnitten werden müssen. Auf Kundenseite besteht zudem ein ganz anderer Informationsbedarf, wenn ein hohes Investitionsvolumen für Beratungsleistungen getätigt und ein aus mehreren Personen gebildetes Buying Center überzeugt werden muss. In solchen Fällen muss B2B-Werbung informativ sein und zugleich Nutzen kommunizieren. Hier setzt ein gutes Advertorial an. Denn während Anzeigen und Banner nur einen Impuls liefern, sich mit einem Thema auseinanderzusetzen, liefert das Advertorial die Information gleich mit. Ein Advertorial ist die redaktionelle Aufmachung einer (getarnten) Werbeanzeige, die den Anschein eines redaktionellen Beitrages erwecken soll. Der Begriff ist eine Verschmelzung von advertisement & editorial.
3.4 Kommunikation – Optimierung der Kundenwahrnehmung
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Print-Advertorials gibt es seit Jahrzehnten. Das Prinzip bei den Online-Advertorials bleibt das gleiche: es geht um Werbung, die sich dem redaktionellen Umfeld anpasst. Ansonsten bietet das Online-Advertorial die gleichen Stärken wie andere digitale Werbung: Zielgenauigkeit, wenig Streuverluste und relativ hohe Aufmerksamkeit beim User. Zudem hilft die Nennung des Unternehmens sowie die Verlinkung in einem Online Advertorial der Suchmaschinenoptimierung – denn der Link stammt von einem Fachmedium, das in der Regel auch Ihr Thema sowie Ihre Branche behandelt. Aber es stimmt, im Vergleich zur redaktionellen Berichterstattung (die in der Regel von den Redakteuren angepasst wird und deren Platzierung nicht so hochwertig ist) ist das Online Advertorial natürlich kostspieliger. Das B2B-Marketing steht vor der Herausforderung, den Informationsbedarf auf der Käuferseite zu decken. Dieser Informationsbedarf ist immer dann besonders hoch, wenn erhebliche Investitionen getätigt werden müssen. In einer solchen Situation müssen die einzelnen Personen des Buying Center größtmöglich rational überzeugt werden. B2B-Werbung muss deshalb informativ und nützlich angelegt sein. Hier setzt ein gutes Advertorial an. Denn während Anzeigen und Banner lediglich einen Impuls geben können, um sich mit einem Thema auseinanderzusetzen, liefert das Advertorial die Information gleich mit. Advertorials gehen damit auf die Interessen und Bedürfnisse einer Zielperson des Buyer Center ein und sind damit wohl das effektivste Werbeformat für das Content-Marketing [vgl. Furth/Griebsch 2021]. Auch bei diesem Kommunikationsinstrument liegen die Vorteile gegenüber einer klassischen Werbeanzeige auf der Hand: Es handelt sich letztlich um „getarnte“ Werbung im Blickfeld des Users. Es bietet dem werbenden Unternehmen die Möglichkeit, den potenziellen Kunden direkt und zielgruppengerecht anzusprechen, denn der Leser bekommt Informationen innerhalb seines gewohnten, redaktionellen Umfeldes präsentiert und ist so wesentlich aufnahmebereiter, als er es bei offensichtlicher Werbung wäre. Ein weiterer Vorteil eines Advertorials unter dem Gesichtspunkt der Suchmaschinenoptimierung ist die zusätzliche Verlinkung auf die eigene Website, die damit im Ranking nach oben steigt. Allerdings ist hier gegenüber Google eine offensichtliche Kennzeichnung als Sponsored Post erforderlich [vgl. Mühlenhoff/Hedel 2015, S. 527]. 3.4.7.4 Display Advertising
Display Advertising, auch als Bannerwerbung bezeichnet, ist die Einblendung von Werbemitteln auf Webseiten Dritter, wobei diese per Hyperlink mit dem Internetangebot des Werbetreibenden verknüpft ist. Es geht also um alle Werbeanzeigen, die auf Websites im Internet gebucht werden können. Display Advertising ist auf fast jeder Webseite zu finden und kann in Textform, Bild oder als Video an den unterschiedlichsten Stellen vorkommen. Dieses digitale Kommunikationsinstrument bildet das Zentrum der Online-Werbung. Es lässt sich nochmals in In-Stream Video Ads (Online Video Advertising) und in In-Page Ads sowie in Sonderformen unterteilen. Zur Gruppe der In-Page Ads zählt vor allem der Banner als derzeit am weitesten verbreitete Werbeform. Das Banner ist eine grafische Darstellung mit der Möglichkeit zur Interaktion, die durch eine Verknüpfung bzw. Verbindung (engl. Link) zu einer anderen Website ermöglicht wird. Eine Differenzierung der Vielzahl von existierenden Bannern kann nach der Funktionalität (z. B.
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3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
statische, animierte oder transaktive Banner), der Software bzw. Programmiersprache (DHTML-, Java-, Flash- und Shockwave-Banner) oder nach dem Erscheinungsbild (z. B. Blend Banner, Bouncing Banner, Expanding Banner, Flying Banner, PopUp Banner) vorgenommen werden [vgl. Roddewig 2003, S. 16 ff.]. Es würde den Rahmen sprengen, die Vielseitigkeit der Möglichkeiten von Formaten und Platzierungen von Werbebannern zu beschreiben. Stattdessen sind in Insert 3-14 einige StandardBannerformate mit der entsprechenden Pixel-Angabe beispielhaft dargestellt.
Insert 3-14:
Beispiele für Standard-Bannerformate mit Pixel-Angabe
3.4 Kommunikation – Optimierung der Kundenwahrnehmung
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Das große Angebot an Werbeflächen, das zumeist nur zu einem geringen Teil voll ausgelastet ist, wirkt sich deutlich auf die Preise aus. Als Abrechnungsmodelle dominieren einerseits der auf Reichweite/Awareness basierende Tausender-Kontakt-Preis (TKP) und andererseits der auf Interaktion (und damit auf Response) ausgerichtete Cost-per-Click (CPC). Display Advertising kann demnach sowohl für Awareness- als auch Response-Kampagnen eingesetzt werden. Banner haben zudem den großen Vorteil, dass sie in thematisch passenden Umfeldern geschaltet werden und damit zielgruppengenau ausgesteuert werden können. So kann die Anzeige wird mithilfe von Keywords automatisch dem Inhalt der Website zugeordnet werden. Noch spezifischer ist das Placement-Targeting, bei dem bestimmt werden kann, in welchen Umfeldern die Werbeanzeige ausgespielt und positioniert wird. Im Rahmen von Response-Kampagnen ist es durch Re-Targeting möglich, eine noch genauere Platzierung der Werbeinhalte, basierend auf der bisherigen Customer Journey des Users, vorzunehmen. So kann ein Nutzer, der durch einen Besuch der Webseite bereits Interesse bekundet hat, durch das Banner erneut mit dem Produkt konfrontiert werden. Ziel ist es hier, das Interesse des Nutzers weiter zu steigern, um somit die Steigerung der Klick- oder Konversionsraten zu erhöhen [vgl. Mühlenhoff/Hedel 2015, S. 528].
3.4.7.5 E-Mail Advertising
E-Mail Advertising bezeichnet den „klassischen“ elektronische Brief, der sowohl individuell zur Erzeugung von Response als auch als Massen-E-Mail insbesondere auch für die Verbreitung von Werbebotschaften (Awareness) eingesetzt wird. Dies geschieht in der Regel durch die Versendung eines regelmäßigen Newsletters. Dabei verursachen E-Mails im Vergleich zu traditionellen postalischen Mailings einen reduzierten Zeit- und Kostenaufwand. Einen hohen Stellenwert nimmt der Einsatz von E-Mail Advertising im Rahmen der Kundenbindung, Kundenakquisition und dem Vertrieb ein. Werblich gesehen entspricht dies dem Adresskauf bzw. bezahlten Platzierungen, um dem Instrument auch in der werblichen Ansprache seinen Platz zu geben. Beim E-Mail-Marketing müssen zwingend rechtliche Vorgaben beachtet werden, da es andernfalls schnell zu Abmahnungen und empfindlichen Strafen kommen kann. Denn E-Mails dürfen nur auf ausdrücklichen Wunsch der Kunden und nach deren Zustimmung versandt werden. Neben der Qualität der Adressdaten spielt die Gestaltung des Werbemittels eine entscheidende Rolle. Ein klares und übersichtliches Layout, das dem Leser auf den ersten Blick zu erkennen gibt, welcher Vorteil sich aus dem Beworbenen ergibt. Die grafische Gestaltung sollte dem Corporate Design des Unternehmens entsprechen. Um der bereits angesprochenen Seriosität Ausdruck zu verleihen, sollte auch eine Abmeldemöglichkeit vom Werbemittel integriert sein. Die teilweise übermäßige oder thematisch nicht auf das Interessenspektrum des Empfängers abgestimmte Verwendung (Spam-E-Mails) hat die grundsätzliche Haltung der Nutzer zur Werbeform E-Mail in den letzten Jahren erheblich negativ beeinflusst. Wie auch bei allen anderen Werbemaßnahmen sollte beim E-Mail-Marketing der Erfolg verfolgt („getrackt“) werden: Öffnungsraten, Klicks, Abmeldungen und Bounces liefern Aufschluss darüber. Anhand der gewonnenen Daten sollte eine Auswertung erfolgen, die wiederum der Optimierung der laufenden sowie der folgenden Kampagnen dient [vgl. Mühlenhoff/Hedel 2015, S. 530].
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3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
E-Mail Advertising ist Teil der Direktwerbung und beruht ausschließlich auf der Arbeit mit digitalen Nachrichten. Die Entwicklung der Direktwerbung begann mit dem reinen Postversandgeschäft (Direct-Mail), wobei Direct-Mail einen Distributionskanal darstellte. Die Versandhändler stellten den Kunden Kataloge oder Prospekte zur Verfügung, aus denen Waren bestellt werden konnten, die dann per Post zugestellt wurden. Direct-Mail bedeutet den Versand von Werbebriefen (Mailings). Aus diesem haben sich die Direktwerbung und daraus schließlich das E-Mail Advertising (manchmal fälscherweise auch als E-Mail Marketing oder Dialog Marketing bezeichnet) entwickelt [vgl. Holland 2015, S. 4]. Das Direktmarketing (auch als Direktwerbung bezeichnet) umfasst alle Kommunikationsmaßnahmen, die darauf ausgerichtet sind, durch eine gezielte Einzelansprache einen direkten Kontakt zum Adressaten herzustellen [vgl. Dallmer 2002, S. 11]. Wichtigste Zielsetzung des Direktmarketings für Unternehmensberatungen ist die gezielte Information von Interessenten und die intensivere Betreuung bestehender Kunden (→ Kundenbindung). Nach der Art der Interaktion zwischen Anbieter und Nachfrager lassen sich drei Erscheinungsformen des Direktmarketings unterscheiden [vgl. Bruhn 2007, S. 387 f.]:
Passives Direktmarketing Reaktionsorientiertes Direktmarketing Interaktionsorientiertes Direktmarketing.
Passives Direktmarketing liegt vor, wenn Kunden bzw. Interessenten mit adressierten Informationsschreiben angesprochen werden. Dies kann z. B. in Form von E-Mails, von E-Newslettern oder von Informationsschreiben und Newslettern in gedruckter Form erfolgen. Diese passive Form der Direktwerbung ist für Unternehmensberatungen durchaus interessant. Beim reaktionsorientierten Direktmarketing wird mit der direkten und individuellen Ansprache des Kunden/Interessenten die Möglichkeit einer Reaktion gegeben. Dies kann in Form sog. Mail Order Packages oder online erfolgen. Diese Form des Direktmarketings wird häufig für Einladungen zu bestimmten Veranstaltungen des Beratungsunternehmens (z. B. Messen, Seminare, Kamingespräche) eingesetzt. Die dritte Erscheinungsform ist das interaktionsorientierte Direktmarketing. Durch die individuelle Kundenansprache über das Telefon treten Anbieter mit selektierten Personen in einen unmittelbaren Dialog. Bei den genannten drei Erscheinungsformen werden Werbebriefe (engl. Mailings) per Post oder Fax, E-Mails (per Internet) und Telefonate (Telefonmarketing) eingesetzt. Besonderes Kennzeichen des Telefonmarketings, mit dessen Durchführung Call Center beauftragt werden, ist der persönliche, direkte Kontakt mit dem Kunden bzw. Interessenten. Beim sogenannten Outbound-Telefonmarketing wird eine ausgesuchte Zielperson direkt durch den Anbieter oder durch eine Vermittlungsagentur (Call Center) kontaktiert, um Produkte oder Serviceleistungen anzubieten bzw. Informationen zu erfragen. Im B2B-Bereich werden Unternehmen, zu denen eine Geschäftsbeziehung besteht, telefonische Nachfassaktionen (z.B. nach dem Versand einer Seminareinladung) durchgeführt. Auch kann das Outbound-Telefonmarketing
3.4 Kommunikation – Optimierung der Kundenwahrnehmung
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im Rahmen der Marktforschung genutzt werden, um Kundendaten für den Aufbau und die Pflege einer Kundendatenbank zu erfragen. Beim sogenannten Inbound-Telefonmarketing, das häufig durch die Einrichtung eines Servicetelefons unterstützt wird, nimmt die Zielperson von sich aus telefonischen Kontakt zum Anbieter auf. Auslöser solcher Kontaktaufnahmen können für Beratungsunternehmen Beschwerden oder der Wusch zur Kontaktaufnahme sein. Eine wichtige Voraussetzung für ein zielgruppengerechtes Direktmarketing ist die Verfügbarkeit von leistungsfähigen Kundendatenbanken. Das Database-Marketing ermöglicht eine individualisierte Kunden- und Interessentenansprache, wobei die Daten über Kunden und Interessenten in einer Datenbank systematisch organisiert sind. In dieser Datenbank müssen alle erforderlichen Daten gespeichert, aktualisiert und jederzeit segmentspezifisch abrufbar sein. Der Trend geht dabei mehr und mehr zum Aufbau von E-Mail-Datenbanken, um selektierte Zielpersonen direkt über das Internet anzusprechen. Die Gefahr des E-Mail-Marketings besteht allerdings darin, dass immer mehr Personen, die unaufgefordert E-Mails erhalten, Bedenken hinsichtlich Datenschutz und Privatsphäre äußern. Daher kommt dem sogenannten Permission Marketing eine immer größere Bedeutung zu; d. h. dem Kunden/Interessenten bleibt die Entscheidung überlassen, ob er Informationen über das Unternehmen erhalten möchte oder nicht [vgl. Bruhn 2007, S. 395 f.].
3.4.7.6 Keyword Advertising
Beratungsunternehmen verbinden häufig ihr Beratungsangebot und ihre Website mit Suchbegriffen, die für ihr Angebot relevant sind. Diese als Keyword Advertising bezeichnete OnlineWerbeform schließt Streuverluste weitgehend aus und zeichnet sich durch eine hohe Kostentransparenz aus, da der Werbende nur dann bezahlt, wenn ein Interessent auf das entsprechende Suchergebnis klickt (Pay per Click). Keyword Advertising oder auch Suchmaschinenwerbung (engl. Search Engine Advertising – SEA) ist eine Internet-Werbeform, bei der Textanzeigen auf den Webseiten neben und über den Suchergebnissen, abhängig von den individuellen Schlüsselwörtern (Keywords), angezeigt werden. Eine Schlüsselstellung in der Online-Werbung erhält das Suchmaschinen-Marketing auch dadurch, dass die Suchmaschinen mit deutlichem Abstand die beliebtesten Startseiten im Internet sind, d.h. mehr als die Hälfte der Internet-Nutzer öffnet zunächst eine Suchmaschine als Startseite ihres Internet-Browsers, wenn sie online geht (sieh Insert 3-15).
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3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Insert 3-15: Die beliebtesten Startseiten ins Web Mit Suchmaschinenwerbung sind sämtliche Werbemöglichkeiten gemeint, die Suchmaschinen gegen Bezahlung anbieten. Dazu räumen die meisten Suchmaschinen neben den Suchergebnissen die Möglichkeit ein, Textanzeigen zu platzieren. Die Anzeigen erscheinen jeweils, wenn bei der Websuche ein Suchbegriff benutzt wird, der für das werbetreibende Unternehmen relevant und im Vorfeld definiert worden ist (Beispiel: Eine Unternehmensberatung schaltet Anzeigen für den Begriff „Business Process Reengineering“).
3.4 Kommunikation – Optimierung der Kundenwahrnehmung
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Das Search Engine Advertising (SEA) ist die eine Teilkomponente des Suchmaschinen-Marketing (engl. Search Engine Marketing – SEM). Die andere Komponente ist die Suchmaschinen-Optimierung (engl. Search Engine Optimization – SEO). Mit der Suchmaschinen-Optimierung zielt das Unternehmen darauf ab, die eigene Website möglichst weit vorne in den „organischen“ Suchergebnissen zu platzieren. Dadurch wird in der Regel eine Steigerung der Besucherfrequenz angestrebt. Dabei wird versucht, die eigene Website den Algorithmen der Suchmaschinen bestmöglich anzupassen. Allerdings werden diese Algorithmen und deren genau Zusammensetzung, die laufend optimiert bzw. verändert werden, von den Suchmaschinen nicht bekannt gegeben [Quelle: Marketing.ch 2011]. Das Suchmaschinen-Marketing ist also in zwei Bereiche unterteilt:
Suchmaschinen-Optimierung (engl. Search Engine Optimization – SEO) Suchmaschinen-Werbung (engl. Search Engine Advertising – SEA).
3.4.7.7 Affiliate Advertising
Beim Affiliate Advertising handelt es sich mehr um eine Online-Vertriebskooperation als um eine Werbeform im eigentlichen Sinne. Die Teilnehmer dieser Kooperation sind der Merchant (Anbieter) und Affiliate (Partner). Der Merchant stellt dem Affiliate Werbemittel (in der ursprünglichen Form) oder Teile seines Angebots zur Verfügung, die dann auf den Webseiten des Affiliate (z. B. Amazon) eingebunden werden. Es entsteht eine Win-Win-Situation für beide Parteien: Der Merchant kann seine Vertriebsreichweite sowie seine Markenpräsenz steigern, der Affiliate erhält dafür eine Provision. Je nach Vereinbarung entstehen dem Merchant nur Kosten für eine von ihm festgelegte Leistung. Dies kann in Form einer Umsatzbeteiligung (Pay per Order), einer Vergütung für einen neuen Besucher (Pay per Click) oder für eine Registrierung (Pay per Lead) erfolgen [vgl. Roddewig 2003, S. 52 f.]. Ein wichtiges Kriterium für den Merchant bei der Auswahl des Affiliate ist, dass die UserStruktur des zukünftigen Partners mit der eigenen Zielgruppe übereinstimmt. Auch sollte das Akquisitorische Potenzial ausreichen, um eine solche Partnerschaft zu begründen. Allerdings ist die Einsatzbreite des Affiliate Marketing im B2B-Geschäft überschaubar. Abbildung 3-39 zeigt den funktionalen Ablauf des Affiliate Marketing.
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Abb. 3-39:
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Funktionaler Ablauf des Affiliate Marketing
3.4.8 Kommunikationsmedien Der nächste Abschnitt befasst sich mit Fragen der Mediadimension, also mit der Auswahl geeigneter Werbeträger. Danach stehen dem Werbeplaner grundsätzlich sowohl klassische als auch digitale Kommunikationsmedien (Werbeträger) zur Verfügung. Hinsichtlich der Bedeutung dieser Werbeträger geben die Netto-Werbeeinnahmen bzw. Werbeaufwendungen der erfassbaren Werbeträger einen ersten Hinweis (siehe Insert 3-16). Pandemiebedingt sanken die Netto-Werbeeinnahmen der Medien in 2020 um fünf Prozent gegenüber 2019. Den einzigen, dafür aber umso größeren Lichtblick stellte die digitale Werbung dar. Hauptprofiteure waren hier allerdings vor allem die Megaplattformen. Tageszeitungen und Publikumszeitschriften verlieren seit 2006 Jahr für Jahr an Marktanteil. In der Summe erzielten die Medien Internet, Fernsehen, Print, Direktwerbung, Außenwerbung, Radio und Kino Nettoeinnahmen in Höhe von 23.756,4 Mio. Euro. Der Einnahmerückgang der Werbeträger – mit Ausnahme der digitalen Werbung – war durch die pandemiebedingten Maßnahmen wie die Lockdowns unvermeidlich. Kino- und Geschäftsschließungen, abgesagte Messen und Events, eine Reise- und Transportbranche auf maximal reduzierter Sparflamme sowie eine eingeschränkte Gastronomie, zogen Werbebudgetkürzungen oder -stopps nach sich. Das Online-Wachstum ist jedoch nicht allein durch die pandemischen Umstände und ein hierauf ausgerichtetes digitales Marketing zu erklären. Die bereits zuvor strukturell gegebenen Shifts von Budgets in den Online-Werbemarkt setzen sich temporal verstärkt fort – dies aber nicht gleichmäßig [Quelle: Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft ZAW 2021].
3.4 Kommunikation – Optimierung der Kundenwahrnehmung
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Allerdings wird die Abgrenzung der relevanten Medienmärkte zunehmend schwieriger, da sich Medien, Informationstechnologie und Telekommunikation immer stärker aufeinander zu bewegen. Die Annäherung der zugrundeliegenden Technologien (→ Digitalisierung) und das Zusammenwachsen der Medienmärkte insgesamt wird auch als Konvergenz im Informationsund Kommunikationsbereich bezeichnet [vgl. Wirtz 2009, S. 44 f.].
Insert 3-16:
Nettowerbeeinnahmen erfassbarer Werbeträger in Deutschland 2019 und 2020
3.4.8.1 Printmedien
Die wichtigsten Untergruppen der Printmedien bilden Zeitungen und Zeitschriften. Zeitungen werden vorwiegend nach der Erscheinungshäufigkeit (täglich/wöchentlich) und nach dem Verbreitungsgebiet (regional/überregional) differenziert. In Deutschland gibt es 340 Zeitungen, darunter 318 Tageszeitungen, 16 Wochen- und sechs Sonntagszeitungen. Zusammen haben sie eine Auflage von rund 14,79 Millionen Exemplaren [Quelle: BDZV 2021].
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3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Die etwa 7.000 deutschen Zeitschriftentitel werden in Publikums- und in Fachzeitschriften unterteilt. 2020 erschienen insgesamt 1.335 Publikumszeitschriftentitel. Während Publikumszeitschriften einen gewissen Unterhaltungscharakter aufweisen und sehr breite, aber auch sehr spezielle Lesergruppen ansprechen, dienen die zumeist periodisch erscheinenden Fachzeitschriften eher der Vermittlung von Informationen und Wissen. Laut der Deutschen Fachpresse wurden im Jahr 2020 insgesamt 5.696 Fachzeitschriften in Deutschland angeboten. Zeitschriften eignen sich u. a. aufgrund der besseren Druckqualität besser zur Vermittlung emotionaler Sachverhalte als Zeitungen. Zum Aufbau eines Images werden gerne überregionale Tageszeitungen und Publikumszeitschriften belegt. Darüber hinaus fungieren Verzeichnis-Medien wie Adressbücher und Kataloge sowie sonstige Printmedien wie Karten und Kalender als Werbeträger. Abbildung 3-40 enthält eine Übersicht über wichtige Printmedien bzw. Werbeträger.
Zeitungen
Zeitschriften (Magazine)
• Regionale Tageszeitungen (Wilhelmshavener Zeitung, Nordsee-Zeitung)
• Publikumszeitschriften
• Überregionale Tageszeitungen (Bild, FAZ) • Wochenzeitungen (Die Zeit, Bayernkurier) • Sonntagszeitungen (WamS, BamS)
- General-Interest-Z. (Spiegel, Stern) - Special-Interest-Z. (Reise, Lifestyle, Sport, Auto, Wohnen, Teenager, Frauen)
• Anzeigenblätter
• Fachzeitschriften (Architektur, Literatur, Betriebswirtschaft, Kultur, Technik)
Verzeichnis-Medien
Sonstige Printmedien
• Adressbücher
• Karten
• Kataloge
• Geografische Karten und Pläne
• Bücher
• Prospekte
• Kompendien
• Kalender
• Jahrbücher
• Plakate
• Lexika
• Poster © Dialog.Lippold
Abb. 3-40:
Printmedien im Überblick
Das Werbemittel der Printmedien sind Anzeigen, deren Formate und Platzierungsmöglichkeiten vielfältig sind. Standardanzeigen sind zumeist schwarz-weiß oder vierfarbig. Die Platzierung kann auf der Titelseite, der Rückseite oder im Textteil erfolgen. Der Anzeigenpreis berücksichtigt sowohl die Größe bzw. das Format, die Platzierung und entsprechende Farbaufschläge. 3.4.8.2 Außenwerbung
Zur Außenwerbung (engl. Out-of-Home Media) zählen alle Werbeformen, deren Werbeträger im öffentlichen Raum platziert sind. Bei den Werbenden erfreut sich die Außenwerbung, die ja über einen bestimmten Zeitraum immer präsent ist, zunehmender Beliebtheit. Sie hat den Vorteil, dass sie eine relativ hohe Reichweite und auch eine hohe Kontakthäufigkeit bei der mobilen Bevölkerung erreicht – insbesondere dann, wenn sie strategisch günstig platziert ist. Zudem
3.4 Kommunikation – Optimierung der Kundenwahrnehmung
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ist die Außenwerbung ein preiswertes Medium, das eine geografische Segmentierung ermöglicht [vgl. Schweiger/Schrattenecker 2005, S. 285 f.]. Grundsätzlich können die vielfältigen Ausprägungen dieser Werbeträgergruppe in stationäre und mobile Außenwerbung eingeteilt werden. Stationäre Außenwerbung umfasst insbesondere Plakatsäulen, Plakatwände, Lichtwerbung an Gebäuden, Prismen-Anlagen, elektronische Videoboards oder Rollenwechselsysteme. Mobile Außenwerbung ist vor allem die Verkehrsmittelwerbung. Sie kommt als so genannte Traffic Boards im Außenbereich von Zügen, Bussen, Straßenbahnen, Taxis etc. zum Einsatz. Eine Sonderform der Außenwerbung sind Ambient Media. Charakteristisch für dieses relativ neue Medium ist, dass unkonventionelle und traditionell nicht als Werbeträger, die als solche betrachtet werden, eingesetzt werden. Beispiele sind Werbeflächen auf dem Kopf von Zapfpistolen an der Tankstelle, im Eingangsbereich von Kinos oder Restaurants platzierte Pappaufsteller oder Werbeflächen auf den Klapptischen im Flugzeug [vgl. Meffert et al. 2008, S. 654]. 3.4.8.3 Klassische elektronische Medien
Nach den Printmedien repräsentieren die klassischen elektronischen Medien die zweite große Gruppe der Werbeträger. Sie umfassen die drei Mediengattungen Fernsehen, Hörfunk und Kino. Da sie für das B2B-Marketing weniger relevant und nur in Ausnahmefällen zu empfehlen sind, sollen sie hier nur der Vollständigkeit halber aufgeführt werden. Fernsehwerbung ist aufgrund ihrer Kombinationsmöglichkeiten aus Bild, Ton und Text sehr vielschichtig und aufmerksamkeitsstark. Das Fernsehen bietet sehr gute Möglichkeiten für emotionale Werbeauftritte und wird erfolgreich für die kurzfristige Bekanntmachung von Produkten, Leistungen und Marken eingesetzt. Die Fernsehwerbung hat in den letzten zwei Jahrzehnten einen starken Aufschwung erfahren. Insbesondere die zahlreichen privaten Fernsehsender, die sich zu 100 Prozent aus Werbung finanzieren, haben zu diesem Boom beigetragen. Das Werbemittel im Rahmen der Fernsehwerbung ist der TV-Spot, dessen Länge zwischen fünf und 90 Sekunden variieren kann. Die Produktionskosten eines TV-Spots sind deutlich höher als bei einer Printanzeige. Die Gestaltungselemente der Hörfunk- oder Radiowerbung beschränken sich auf das akustisch Wahrnehmbare: Sprache, Rhetorik, Musik, Gesang und Geräusche. Die Zulassung privater Rundfunksender hat das Angebot an Werbezeiten für diesen Werbeträger ebenfalls deutlich steigen lassen. Das Werbemittel der Hörfunkwerbung ist der Radio-Spot, der deutlich günstiger als ein TV-Spot produziert werden kann. Da das Radio im Vergleich zum Fernsehen mehr ein Hintergrundmedium darstellt und zudem die geografischen Reichweiten im Normalfall deutlich unter denen des Fernsehens liegen, sind auch die Schaltungskosten für einen Radio-Spot vergleichsweise gering. Die Kinowerbung hat aufgrund des allgemeinen Rückgangs der Kinobesuche an Bedeutung verloren, obwohl dieser Werbeträger alle Vorteile der Gestaltungsmöglichkeiten auf sich vereinigt, die auch die Fernsehwerbung auszeichnet. Das klassische Werbemittel der Kinowerbung ist der Werbefilm, dessen Spieldauer 44 bis 440 Sekunden dauert. Der Werbefilm bietet daher noch mehr Wirkungsmöglichkeiten als der TV-Spot [vgl. Bruhn 2007, S. 359 f.].
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3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
3.4.8.4 Digitale Medien
Der Online-Werbemarkt verzeichnet – im Gegensatz zu den meisten Printmedien – seit Jahren kontinuierlich hohe Zuwachsraten. Ein unmittelbarer Vergleich der Marktanteile von Print- und Online-Medien zeigt, dass sich bei annähernd gleichem Marktvolumen die Marktanteile der Online-Medien sukzessive zu Lasten der Print-Medien verschieben. In diesem Zusammenhang wird auch von einem Kannibalisierungseffekt in der Medienbranche gesprochen. Dieser Effekt, der also die Substitutionsbeziehung zwischen verschiedenen Angeboten eines Unternehmens charakterisiert, ist in Insert 3-17 ersichtlich. Darin geht deutlich hervor, dass sich das Internet sukzessive zum entscheidenden Medium für die Verbreitung von Nachrichten entwickelt. Daher sollte die Furcht vor der vermeintlichen Kannibalisierung der Printmedien vorbei sein. Zeitungsverleger und Redakteure sollten im Internet also keine Gefahr, sondern ein wichtiges Mittel der Kommunikation sehen, das weit über die reine Ergänzung der traditionellen Medien hinausgeht. Es ist heute bereits abzusehen, dass das Internet das umfassendere Medium, also das Basismedium sein wird. Texte, Fotos, Illustrationen, Bewegtbilder, also Fernsehen werden in ihm eine Heimat finden. Daher ist der Online-Journalismus das Feld der größten Dynamik innerhalb der Medienbranche. Hier gibt es Wachstum, Investitionen und perspektivisch auch einen sicheren Zuwachs an Arbeitsplätzen [vgl. OVK 2019].
Insert 3-17:
Marktanteilsverschiebungen zwischen Tageszeitungen und Online-Medien
3.4 Kommunikation – Optimierung der Kundenwahrnehmung
315
Eine erste Antwort der Verlage auf den Siegeszug der Online-Medien ist die Maßnahme, dass Tageszeitungen und Publikumszeitschriften dazu übergegangen sind, neben ihrem Printmedium auch ein aktuelles Online-Angebot mit teilweise gleichen Inhalten vorzuhalten. Das Internet als Werbeträger bietet eine Reihe von Vorteilen gegenüber den klassischen Medien. So ist das Kommunikationsangebot im Internet 24 Stunden am Tag und international verfügbar. Als aktives und dialogfähiges Medium ermöglicht es die direkte Kommunikation mit den Kunden. Es bietet rasche Reaktionsmöglichkeiten und Informationen können jederzeit aktualisiert und modifiziert werden. Das Internet ist das einzige Medium, das unmittelbar Nutzungsdaten liefert, da es ständig Leistungszahlen mitprotokolliert. Die Leistungsmessung kann serverseitig oder nutzerseitig vorgenommen werden [vgl. Schweiger/Schrattenecker 2005, S. 287 ff.]: Bei der serverseitigen Methode werden alle Nutzungsvorgänge über die Verbindungsdaten, die in einem Serverprotokoll, den so genannten Log-Files, erfasst werden, aufgezeichnet. Die Auswertung und Analyse der Log-Files liefert eine Fülle von Kennzahlen wie z. B. Anzahl Visits, Page Impressions, Ad Impressions, Ad Clicks. Allerdings geben diese Kennzahlen keinerlei Auskunft über Anzahl, demografische Struktur und Motive der Besucher. Eine weitgehend vollständige Aufstellung und Erläuterung serverseitiger Kennzahlen zur Beurteilung der Leistungsstärke von Websites ist in Abschnitt 3.4.9.5 aufgeführt. Die nutzerseitigen Methoden setzen dagegen direkt beim Besucher auf und liefern nicht nur Daten über Zahl, Struktur und Motive der User bestimmter Websites, sondern auch eine qualitative Bewertung der besuchten Websites. Zu den nutzerseitigen Methoden zählen klassische Befragungen wie z.B. Telefonumfragen über die beliebtesten Websites, Online-Befragungen oder Internet-Panels, mit denen täglich aufgezeichnet wird, wer wie lange welche Websites besucht. Zu den wichtigsten nutzerseitigen Kennzahlen von Websites zählen Unique Visitors und Reichweiten. Hauptvorteile der Internet-Werbung sind die guten Individualisierungsmöglichkeiten und die exakte Werbeerfolgskontrolle in Form von Klickraten und Online-Käufen. Hinzu kommt, dass der Internet-Nutzer die Möglichkeit zur direkten Interaktion mit dem werbetreibenden Unternehmen wahrnehmen kann. Bei den Zielgruppen der Internet-Kommunikation hat man lange Zeit zwischen Nutzern stationärer Angebote und mobiler Angebote unterschieden. Doch da die stationäre und mobile Internetnutzung immer mehr verschmelzen, ist diese Unterscheidung nicht mehr relevant. Aus Verbrauchersicht ist vor allem der unmittelbare Zugriff auf wichtige digitale Informationen wichtig. Aufgrund der zur Verfügung stehenden Gerätevielfalt – vom stationären PC über Laptop, Tablet bis hin zum Smartphone – gibt es für jede Nutzungssituation die passende Zugriffsoption [Quelle: OVK-Report für digitale Werbung 2019/01]. Das Internet ist fester Bestandteil im Leben der Deutschen, deren Gesamtbevölkerung ab 14 Jahren rund 70 Millionen Personen umfasst. Der Anteil der Internetnutzer in Deutschland ist in den letzten Jahren weiter gestiegen und liegt nun bei 92 Prozent (siehe Insert 3-18). Europaweit sind 85 Prozent der erwachsenen Bevölkerung online. Das zeigen Daten der europäischen Statistikbehörde Eurostat. Am höchsten ist der Anteil der Online-Bevölkerung demnach in Dänemark mit 98 Prozent. Luxemburg folgt mit 97 Prozent auf dem zweiten Platz. Deutschland liegt
316
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
mit 92 Prozent auf Rang sechs, wie die Grafik von Statista zeigt. Am geringsten ist der Wert in Bulgarien, wo nur 65 Prozent der erwachsenen Bevölkerung das Internet nutzen.
Insert 3-18:
EU: Wer nutzt das Internet?
Gemessen an den Page Views erzielte Googles Browser Chrome mit 62,5 Prozent den größten Marktanteil führender Browser in Europa (Stand: November 2019). Mozillas Firefox kam im selben Monat auf einen Marktanteil von rund 13,5 Prozent. Auch weltweit ist Chrome der meistgenutzte Browser. Berücksichtigt wird bei diesen Werten lediglich die Nutzung über Desktop- und Notebook-PCs. Auch die Nutzung des Internets über mobile Endgeräte unterwegs wird immer beliebter in Europa. Während sich der Anteil dieser mobilen Internetnutzer
3.4 Kommunikation – Optimierung der Kundenwahrnehmung
317
in Europa im Jahr 2012 noch auf 36 Prozent belief, lag dieser Anteil im Jahr 2019 bei 75 Prozent [Quelle: Statista Research Department 10.11.2021]. Analysiert man den Anteil der deutschen Internetnutzer nach Altersgruppen so zeigt sich, dass in den Altersgruppen zwischen 14 und 49 Jahren hinsichtlich der Internetnutzung kaum Unterschiede auszumachen sind. Diese Altersgruppen zählen nahezu 100 Prozent zu den Internetnutzern (siehe Insert 3-19). Doch selbst in den Altersgruppen über 50 Jahre ist der Anteil der Internetnutzer stetig gestiegen und beträgt selbst bei den über 70-Jährigen mehr als 50 Prozent. Dieser hohe Anteil ist nicht zuletzt auf den ständig wachsenden Anteil der mobilen Endgeräte zurückzuführen.
Insert 3-19:
Anteil der Internetnutzer nach Altersgruppen in Deutschland
Die Digitalisierung hat die Art und Weise, wie Menschen miteinander kommunizieren, sich informieren oder einkaufen, nachhaltig verändert. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Angebotsoptionen stationär oder mobil genutzt werden. Wichtig ist die Schnelligkeit und unmittelbare Verfügbarkeit von digitalen Services: Ob mit der Nutzung von Suchmaschinen (93,7 Prozent), dem Senden und Empfangen von privaten E-Mails (87,7 Prozent) oder dem Zugriff auf Wetterinformationen (73,6 Prozent). Auch der digitale Zugriff auf internationale bzw. regionale
318
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
und lokale Nachrichten, der Online-Einkauf und Online-Banking sind für die Mehrheit ganz selbstverständliche Tätigkeiten (siehe Insert 3-20). Weitere Top-Nutzungsschwerpunkte im Internet sind Aktivitäten in sozialen Netzwerken, das Ansehen von Videos und Filmen sowie die Newsletter-Lektüre – letztlich ist heute in allen Lebenslagen der Zugriff auf das Internet ganz selbstverständlich geworden [Quelle: OVK-Report für digitale Display-Werbung 2019/01].
Insert 3-20: Nutzungsschwerpunkte stationärer oder mobiler Internet-Angebote Mit Hilfe mobiler Dienste (engl. Mobile Services) können nicht nur werbliche Texte und Bilder als SMS (Short Message Services) oder MMS (Multimedia Messaging Services) auf mobile Endgeräte (z. B. Mobiltelefone, Smartphones, Handhelds) von Kunden gesendet werden, auch mobile Web-Anwendungen und Apps erlauben eine personalisierte Zielgruppenansprache. Sie ermöglichen die Kommunikation und Transaktion mit Kunden an jedem Ort und zu jeder Zeit und bieten Mitarbeitern mobile Services wie etwa den Zugriff auf Unternehmensprozesse von unterwegs. So überrascht es auch nicht, dass die monatlichen Nettowerbeinvestitionen in Mobile-DisplayWerbung 2015 zum ersten Mal durchgängig im zweistelligen Millionenbereich lagen und dabei jeweils deutlich den Vorjahreswert übertrafen. Besonders herausragend war das vierte Quartal, dass auf die Relevanz der mobilen Werbung für das Weihnachtsgeschäft schließen lässt. Überhaupt zeigt die enorme Bandbreite der mobil genutzten Inhalte, dass sich das Smartphone zum allgegenwärtigen Begleiter in vielen Lebenslagen entwickelt hat (siehe Insert 3-21).
3.4 Kommunikation – Optimierung der Kundenwahrnehmung
Insert 3-21:
319
Aktivitäten der mobilen Internetnutzer
Darüber hinaus zeichnet sich ab, dass sich mobile Endgeräte und entsprechende Anwendungen mit großer Wirkung auch im Unternehmensumfeld und damit auch im Beratungsmarketing durchsetzen. Besonders den Apps (engl. Application Software) kommt eine besondere Bedeutung zu, denn nahezu alle Smart-Phone-User nutzen die kleinen Programme auf ihrem mobilen Endgerät. Smartphones und Tablets entwickeln sich somit zum primären Zugangskanal der Unternehmen zu ihren Kunden und gleichzeitig zu einem zentralen Instrument im Service und Vertrieb. Immer mehr Produktions- und Dienstleistungsunternehmen setzen auf Tablet-Anwendungen zur Unterstützung der eigenen Vertriebs- und Servicemitarbeiter. Dabei werden CRM-Systeme, Informationen zum Bestellvorgang, Produkt- und Ersatzteilkataloge sowie Vertragsformulare mobil verfügbar gemacht und mit verbesserten, interaktiven Darstellungen angereichert. Dies zielt ebenfalls auf eine Verbesserung der Beratungs- und Servicequalität beim Kunden [vgl. Bitkom 2012, S. 7]. Die Kommunikation über Terminal Systeme kann sowohl für die externe, als auch für die interne, also an Mitarbeiter gerichtete Kommunikation relevant sein. In der externen Kommunikation kommen interaktiv bedienbare Terminal Systeme primär am Point of Purchase (PoP) zum Einsatz. Diese Endgeräte werden durch das kommunizierende Unternehmen (z. B.
320
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Lufthansa-Check-in-Terminals) bereitgestellt und bieten eine zielgruppenspezifische Werbeplattform für dritte Unternehmen [vgl. Bruhn 2007, S. 454 f.]. Auch für das interne Kommunikationsmanagement ergeben sich zusätzlich über die Plattform Intranet, also das unternehmenseigene Internet, verschiedenste Konzepte, um das Informationsmanagement zu verbessern. Zwar werden die klassischen internen Kommunikationsmittel wie Schwarzes Brett, Betriebsversammlung, Mitarbeiterzeitungen und -zeitschriften, Gespräche und Mitarbeiterbesprechungen auch weiterhin ihre Bedeutung haben, aber im Gegensatz zu den Mitarbeitern auf den Büroetagen verfügen bspw. gewerbliche Mitarbeiter in der Regel nicht einmal über einen Intranet-Zugang. Abhilfe schaffen hier geeignete Terminals, die als Mitarbeiter-Infosysteme an festgelegten Standorten beispielsweise in Fertigungsbereichen, Kantinen, Pausenräumen oder sogar auf dem Werksgelände aufgestellt werden. Aber auch für Besucher können in Empfangshallen, Schulungs- und Präsentationsräumen entsprechende System Terminals aufgestellt werden.
3.4.9 Mediaplanung und -kontrolle Der Erfolg von Kommunikationsmaßnahmen hängt nicht nur von Inhalt und Umsetzung der Botschaft, sondern in hohem Maße auch von deren Verbreitung ab. Damit sind Fragen der Mediaplanung und -selektion aufgeworfen. Die Mediaplanung ist Teil der (umfassenderen) Kommunikationsplanung und befasst sich mit der Analyse, den Zielen, der Strategie, der Verteilung und der Kontrolle des Mediaeinsatzes. Häufig wird im Zusammenhang mit der Mediaplanung auch von Werbeplanung gesprochen, die teilweise etwas enger (Beschränkung auf den Einsatz der Above-the-line-Instrumente) oder teilweise auch etwas weiter gefasst (Formulierung und Gestaltung von Werbebotschaften als Teil der Werbeplanung, nicht jedoch als Teil der Mediaplanung) ist. Abbildung 3-41 bildet die einzelnen Phasen der Mediaplanung in idealtypischer Reihenfolge ab und zeigt den Abstimmungsbedarf mit anderen Bereichen der Kommunikationsplanung.
Abstimmung mit Kommunikations- und Werbezielen
Mediakonzept
Mediaanalyse
Zielgruppenplanung
Festlegen der Mediaziele
Festlegen des Mediabudgets
Mediastrategie
Mediaselektion
Mediafrequenz und -timing
Werbeerfolgskontrolle
Unterstützung durch Marktforschung © Dialog.Lippold
Abb. 3-41:
Phasen der Mediaplanung
3.4 Kommunikation – Optimierung der Kundenwahrnehmung
321
3.4.9.1 Mediaanalyse
Der Planungsprozess beginnt mit der Mediaanalyse, die das informative Fundament der Mediaplanung darstellt. Hier werden im Rahmen einer Situationsanalyse die mediarelevanten Chancen und Risiken sowie internen Stärken und Schwächen ermittelt, denn ohne Kenntnis des Ist-Zustandes, ist kaum zu beurteilen, wie der gewünschte Soll-Zustand aussehen soll. Das Ergebnis der mediabezogenen SWOT-Analyse sind Aufgabenstellungen, die notwendige Ansatzpunkte für mediabezogene Strategien und Maßnahmen aufzeigen. Die Mediaanalyse ist Aufgabe der Marktforschung, die relevante Daten über die Zielgruppen sammelt, prüft und analysiert, um Ansatzpunkte für die Mediakonzeption zu erhalten. Die Zielgruppenplanung wiederum ist Ausgangspunkt für die spätere Mediaselektion. Hierbei ist das Kommunikationsbudget so zu verteilen, dass eine Wirkungsmaximierung des Budgets im Hinblick auf die angestrebten Ziele erreicht wird. Die Umsetzung der Kommunikations- und Werbeziele in konkrete Mediaziele (z. B. Erzielung einer bestimmten Reichweite bei der Zielgruppe „Entscheider“) ist dabei Voraussetzung für die anschließende Mediaselektion, also über die Entscheidung, welche Medien (Werbeträgergruppen und Werbeträger) belegt werden sollen. 3.4.9.2 Festlegen des Mediabudgets
Die Mediabudgetierung ist eng mit den individuellen Zielen des Unternehmens verbunden. Die Herausforderung besteht darin, die Höhe der Mediaaufwendungen exakt so festzulegen, dass die vom Unternehmen definierten Kommunikationsziele erreicht werden. Grundsätzlich lassen sich die Budgetierungsmethoden in analytische und in heuristische Ansätze unterteilen. Während sich die analytischen, also theoretischen Ansätze an ökonomischen Werbereaktionsfunktionen ausrichten, zeichnen sich die heuristischen Verfahren durch ihren Pragmatismus aus. In der Praxis haben sich daher fünf Methoden der Budgetbestimmung, die ausnahmslos zu den heuristischen Ansätzen gehören, durchgesetzt [vgl. Bruhn 2014, S. 214 ff.]: Die Ausrichtung am Prozentsatz einer Bezugsgröße wie z.B. Absatz, Umsatz oder Gewinn. In der Praxis ist am häufigsten die Ausrichtung am Umsatz zu beobachten. Die durchschnittlichen Prozentsätze liegen je nach Branche zwischen 0,5 und 5 Prozent vom Umsatz. In der Markenartikelindustrie liegt der Durchschnittswert bei rund 10 Prozent mit Spitzenwerten von 25 Prozent (Kosmetik) und 30 Prozent (Reinigungsmittel). Bei einer Ausrichtung an einer Residualgröße ergibt sich das Mediabudget als Restgröße aus den vorhandenen finanziellen Mitteln nach Deckung der sonstigen Kosten und einem entsprechenden Gewinnzuschlag. Bei der Werbeanteils-Marktanteils-Methode orientiert sich das Mediabudget am vergangenen oder geplanten Marktanteil des Unternehmens. Die Wettbewerbs-Paritäts-Methode richtet sich an den Gepflogenheiten der Wettbewerber aus.
322
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Die Ziel-Aufgaben-Methode legt die Höhe des Mediabudgets nach den angestrebten Kommunikationszielen fest, wobei die finanzielle Situation und die Wettbewerbsbedingungen des Unternehmens berücksichtigt werden. Diese Methode ist sicherlich die sinnvollste aller Budgetierungsansätze, weil sie die Budgetbestimmung logisch begründet. Sie setzt aber eine schlüssige Zielplanung mit operationalen (messbaren) Zielen und eindeutig bestimmbaren Werbemittel und -träger voraus. 3.4.9.3 Verteilung des Mediabudgets (Streuplanung)
Nach der Bestimmung der Höhe des Mediabudgets erfolgt die Verteilung des Budgets auf die einzelnen Medien (Werbeträgergruppen), die in zwei Stufen geschieht. Während die Intermediaselektion im Rahmen der Mediastrategie die Entscheidung über die Auswahl der Werbeträgergruppen (z. B. Zeitschriften versus Zeitungen oder Print versus Online) trifft, werden im Rahmen der Intramediaselektion einzelne Werbeträger innerhalb einer Mediagruppe festgelegt (also bestimmte Zeitschriften innerhalb der Kategorie „Zeitschriften“). Grundsätzliches Ziel der Streuplanung ist, einen Mediaplan zu finden, der eine maximale Wirkung des Mediabudgets ermöglicht. Die Verteilung des Budgets erfolgt dabei nach sachlichen Kriterien sowie zeitlich innerhalb der Planperiode. Nach sachlichen Kriterien muss entschieden werden, welcher Teil des Mediabudgets für welche Werbeobjekte (Produkte, Marken, Dienstleistungen) und damit auch für welche Medien (Werbeträger, -mittel) aufgewendet werden soll. Das wesentliche Entscheidungsproblem der Streuplanung liegt in der Zielgruppenerreichbarkeit. Den ausgewählten Zielgruppen und Marktsegmenten stehen Medianutzereigenschaften (z. B. Leserschaft, Hörerschaft, Seherschaft) gegenüber. Aufgabe der Streuplanung ist es nun, eine möglichst hohe Affinität zwischen den Zielgruppen des Unternehmens (bzw. seiner Produkte und Leistungen) und den Mediennutzern zu erreichen. Bei einer hohen Übereinstimmung zwischen beiden Personengruppen kann eine Minimierung von Streuverlusten erwartet werden [vgl. Bruhn 2014, S. 217 f.]. Zur Beurteilung der für die Streuplanung bzw. für bestimmte Werbekampagnen in Frage kommenden Medien werden zwei Kriterien herangezogen: Kontaktmaßzahlen und Kontaktgewichtungen. Zu den wichtigsten Kontaktmaßzahlen, die Informationen über die Anzahl von Kontakten eines Mediums mit seiner Nutzerschaft liefern, zählen in den klassischen Mediabereichen: Auflage der Medien (Druck-, Vertriebs- oder Verkaufsauflage im Printbereich; Anzahl der Fernseh- oder Hörfunkteilnehmer; Anzahl Anschlagflächen in der Außenwerbung) Reichweite der Medien (Leser pro Ausgabe (LpA) bzw. Leser pro Nummer (LpN)) Bruttoreichweite (Summe der Einzelreichweiten mehrerer Medien oder mehrerer Ausgaben eines Mediums) Nettoreichweite (Anzahl der Personen, die von einer Mediakombination mindestens einmal erreicht werden)
3.4 Kommunikation – Optimierung der Kundenwahrnehmung
323
Gross Rating Point (GRP) = (Bruttoreichweite/Anzahl der Zielpersonen) x 100, wobei die Bruttoreichweite die Anzahl der Kontakte angibt, die mit einer Werbemaßnahme (Belegung eines Mediums oder mehrerer Medien) realisiert werden. Kontaktgewichtungen dienen der Bewertung von Medien hinsichtlich ihrer Eignung für die spezifischen Kommunikationsziele des Unternehmens. Solche Gewichtungen werden individuell vom Unternehmen vorgenommen und haben das Ziel, eine möglichst objektive Bezugsbasis für die Mediaselektion zu liefern. Naturgemäß stellen die Gesamtkosten, die mit dem Einsatz spezieller Medien verbunden sind, einen wesentlichen Bestimmungsfaktor für die Mediaplanung dar. Diese Kosten setzen sich aus den Produktionskosten für die Werbemittel (z. B. eine Anzeige) und den Streukosten der Werbeträger (z. B. Schaltung dieser Anzeige in der FAZ) zusammen. Die Streukosten unterschiedlicher Medien können relativ einfach anhand der so genannten Tausenderpreise ermittelt und zum Vergleich herangezogen werden: Tausend-Leser-Preis =
𝐊𝐨𝐬𝐭𝐞𝐧 𝐞𝐢𝐧𝐞𝐫 𝐒𝐜𝐡𝐚𝐥𝐭𝐮𝐧𝐠 × 𝟏.𝟎𝟎𝟎 𝐖𝐞𝐫𝐛𝐞𝐭𝐫ä𝐠𝐞𝐫𝐤𝐨𝐧𝐭𝐚𝐤𝐭 (𝐋𝐞𝐬𝐞𝐫)
Tausend-Leser-Preis (gewichtet) =
𝐊𝐨𝐬𝐭𝐞𝐧 𝐞𝐢𝐧𝐞𝐫 𝐒𝐜𝐡𝐚𝐥𝐭𝐮𝐧𝐠 × 𝟏.𝟎𝟎𝟎 𝐋𝐞𝐬𝐞𝐫 ×𝐀𝐧𝐭𝐞𝐢𝐥 𝐝𝐞𝐫 𝐙𝐢𝐞𝐥𝐠𝐫𝐮𝐩𝐩𝐞
Der gewichtete Tausend-Leser-Preis ist die aussagekräftigere Preisbasis für einen Werbeträgervergleich, da hier berücksichtigt wird, dass in den seltensten Fällen die Leserschaft einer Zeitung oder Zeitschrift mit der Werbezielgruppe zu 100 Prozent übereinstimmt. Ist die Entscheidung für die Auswahl bestimmter Medien gefallen, sind der zeitliche Einsatz der Medien sowie der Einsatz der Werbemittel zu planen. Das Timing des Medieneinsatzes hängt von der Zielsetzung der Kommunikationsmaßnahmen bzw. Werbekampagne ab. Soll bspw. ein Service Offering mit Hilfe eines Newsletters möglichst vielen Personen bekannt gemacht werden, so bietet sich ein starker Impuls an. Geht es jedoch darum, einen Markennamen sukzessive und nachhaltig aufzubauen oder ein Image zu pflegen, so wird ein kontinuierlicher Medieneinsatz notwendig ein [vgl. Schweiger/Schrattenecker 2005, S. 188 f.]. 3.4.9.4 Messung der Kommunikationswirkung (Werbeerfolgskontrolle)
Jede Organisation sollte Marketing-Kampagnen – ebenso wie andere Arten von Investitionen im Unternehmen – unter Rentabilitätsgesichtspunkten betrachten, idealerweise sowohl vorausschauend als auch zurückblickend. Der Prozess der Mediaplanung schließt somit mit der Kontrolle der Kommunikationswirkung ab. Die Werbewirkungsforschung befasst sich dabei mit jeglicher Art von Reaktionen, die die von der Werbung berührten Personen auf Reize der Werbemittel zeigen. Grundsätzlich lassen sich Kommunikationswirkungen anhand der ökonomischen und der psychologischen Zielerreichung überprüfen. Die Erfolgskontrolle der ökonomischen Kommunikationswirkung befasst sich mit den Kosten einer Kommunikationsmaßnahme, die den Absatz- bzw. Umsatzveränderungen als Kommunikationswirkung gegenübergestellt werden. Die grundsätzliche Problematik ökonomischer Wirkungskontrollen besteht darin, dass sich die Wirkungsleistung häufig nicht eindeutig auf
324
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
die einzelne Kommunikationsmaßnahme zurückführen lässt. Diese Zurechnungs- und Abgrenzungsprobleme sind darauf zurückzuführen, dass sich der Wirkungsfaktor in der Praxis nur sehr schwer isolieren lässt. Die Testmethoden der psychologischen Wirkungsforschung lassen sich in zwei Gruppen aufteilen. Zum einen gibt es Tests, die vor dem Einsatz der Kommunikationsinstrumente eingesetzt werden und der Wirkungsprognose dienen (Pre-Test). Die Tests der anderen Gruppe werden erst nach dem Werbemitteleinsatz angewendet und dienen der Wirkungskontrolle (Post-Test). Der Pre-Test liefert Anhaltspunkte für die Entscheidung, welches Werbemittel oder welche Kampagne auszuwählen ist, um einen möglichst großen Werbeerfolg zu erzielen. Außerdem soll er Hinweise dafür geben, wie die Wirkung eines Werbemittels oder einer Kampagne ausfallen wird. Diagnose und Prognose stehen also im Vordergrund von Pre-Tests. Eine wirkliche Kontrolle, also eine Beurteilung des Wirkungsgrades bestimmter Kommunikationsmaßnahmen kann nur der Post-Test leisten. Durch den Vergleich mit den operativ festgelegten Kommunikationszielen kann im Nachhinein festgestellt werden, welche Effekte die Kommunikationsmaßnahme tatsächlich bewirkt hat und welcher Zielerreichungsgrad realisiert werden konnte. 3.4.9.5 Erfolgsmessung im Online-Marketing
Die Nutzung von Online-Angeboten durch Internetnutzer sagt viel darüber aus, wie die Gestaltung dieser Angebote auf den Nutzer wirkt. Diese Gestaltung immer wieder zu prüfen und den Optimierungsprozess stetig voranzutreiben, ist eine der wichtigsten Aufgaben von Unternehmen, die eine Onlinepräsenz betreiben. Der große Vorteil von Marketingmaßnahmen im Internet ist, dass die Basis, auf der sie ausgeführt werden, nämlich das Internet selbst bzw. die Website, die durch das Internet präsentiert wird, nicht nur die notwendige technische Grundlage zur Durchführung der Marketingmaßnahmen darstellt, sondern auch ein gutes Kontrollinstrument für deren Nutzung ist. Sobald ein Internetnutzer eine Website betritt, findet zwischen ihm und dem Server, auf dem sie platziert ist, ein Austausch von Daten statt. Diese Daten beinhalten eine Fülle von Informationen, die dokumentieren, wie sich der Nutzer der Website verhalten hat bzw. wie er sich auf ihr bewegte. Die bei diesem Prozess anfallende Datenmenge nennt man Traffic. Der Begriff Web Analytics kann als Oberbegriff der folgenden Teilbereiche des Datenmanagements verstanden werden: Daten sammeln, Daten speichern, Daten verarbeiten und Daten auswerten [vgl. Düweke/Rabsch 2012, S. 749]. Für die Datensammlung im Online-Marketing ist das Page Tagging das maßgebliche Verfahren. Beim Page Tagging wird der Quelltext, also die Übersetzung der Maschinensprache des Computers, genutzt, um darin einen kleinen Zusatzcode (den sog. Tag) zu verstecken. Damit ist es möglich, die verwendete Spracheinstellung, Anzahl der getätigten Klicks, Mausbewegungen und Cursor-Position, Tastatureingaben etc. zu erfassen [vgl. Heßler/Mosebach 2013, S. 374 f.]. Die Logfile-Analyse ist eine der ersten Formen der Dokumentation und Auswertung des Nutzerverhaltens im Internet. Ein Logfile ist ein Textdokument, das alle Aktionen beinhaltet, die
3.4 Kommunikation – Optimierung der Kundenwahrnehmung
325
der Server im Zusammenhang mit der angemeldeten URL (Uniform Resource Locator) an einem Tag protokolliert hat. Dementsprechend enthalten Logfiles Daten wie z.B. Datum und Uhrzeit des Aufrufs, sämtliche abgerufenen Dateien, Typ des verwendeten Browsers (z.B. Firefox), IP-Adresse des Internetnutzers sowie Status der Anfrage (z.B. erfolgreiche Anfrage oder Serverfehler) [vgl. Amthor/Brommund 2010, S. 45 ff.]. Die beschriebenen Methoden zur Erfassung und Dokumentation des Verhaltens von Internetnutzern liefern lediglich Rohdaten. Um diese für die Beurteilung des Erfolgs oder die zukünftige Steuerung einer Marketingmaßnahme verwertbar zu machen, müssen sie aufbereitet werden. Ein wesentliches Instrument für die Erfolgskontrolle ist der Einsatz eines Ad-Servers bestehend aus speziellen Softwareprogrammen (Reporting-Tools), die die Abwicklung, Steuerung und statistische Aufbereitung von komplexen (Banner-)Kampagnen erlauben. Diese Aufbereitung erfolgt in Form von Kennzahlen (engl. Key Performance Indicators – KPIs). Im Einzelnen sind folgende Kennzahlen zur Beschreibung der Qualität für die Werbeplatzvermarktung von Websites von Bedeutung [vgl. Roddewig 2003, S. 152 ff.]: Visit: Ein ununterbrochener Nutzungsvorgang eines Besuchers auf einer Website, unabhängig von Verweildauer und Anzahl der aufgerufenen Seiten; Hit: Zugriff eines Browsers auf ein Element der Website (enthält eine Website drei Bilder und zwei Tabellen, so werden fünf Hits erzeugt); Page-Impressions (früher Page-Views): Anzahl der aufgerufenen Seiten einer Website (Page-Impressions sind zusammen mit den Visits das wichtigste Messkriterium); Ad-Impressions (früher Ad-Views): Anzahl der Sichtkontakte mit einer Werbebotschaft; Ad-Clicks: Anzahl der Nutzer, die dazu animiert werden konnten, das Werbemittel anzuklicken; Click-Through-Rate: Prozentualer Anteil der Ad-Clicks an der Gesamtzahl der Ad-Impressions; Unique Visitor: Bestimmter User, der in einem bestimmten Zeitraum eine Website aufgerufen hat (Voraussetzung für diese Messung ist, dass der User über seine IP-Adresse identifiziert werden konnte); Unique Identified Visitors: Identified Visitor, der neben seiner Identifizierung durch seine IP-Adresse auf der Website registriert ist bzw. ein Kundenkonto besitzt. Die folgenden kundenbezogenen Kennzahlen geben Aufschluss darüber, wie stark eine Marketingmaßnahme im Bereich Online-Marketing das Interesse eines Kunden für ein Unternehmen geweckt bzw. verstärkt hat und ob sie zu einer Neukundengewinnung führen konnte [vgl. Amthor/Brommund 2010, S. 104f.]:
326
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Ansprache: Summe aller Nutzer, die die Möglichkeit haben, auf ein bestimmtes OnlineAngebot aufmerksam zu werden, also der Wert der potenziellen Reichweite dieses Angebots (Betreibt ein Unternehmen eine eigene Website und E-Mail-Marketing, so setzt sich die Ansprache aus der Anzahl der Page-Impressions und den versendeten E-Mails zusammen); Akquisition: Klickt ein Kunde eine Werbeanzeige an, die ihn auf eine Website führt, auf der er sich daraufhin aufhält und ihr Produktangebot studiert, stellt dies einen Akquisitionsprozess dar (Gemessen werden kann dies durch die Anzahl der Page-Impressions und der Besuchsdauer dieses einen speziellen Nutzers); Conversionrate: Anteil der Besucher einer Website, die zu Käufern wurden, sich registrierten oder eine vergleichbare erwünschte Handlung erbracht haben (Geht es z. B. um einen Online-Shop, so ist der Kauf eines Produkts die gewünschte Handlung, geht es um eine Unternehmenswebsite, die über Produkte informieren soll, so stellt der Download eines Produktkatalogs die gewünschte Handlung dar). Wenn Werbemittel im Rahmen von Online-Werbung, Electronic Commerce, Social-MediaMarketing, Suchmaschinenwerbung oder Affiliate-Marketing auf externen Plattformen präsentiert werden, können zur Kostenkontrolle folgende Kennzahlen angesetzt werden [vgl. Kreutzer 2012, S. 187 f.]: Cost-per-Click (CPC): Abrechnungsform für eine Werbetätigkeit auf Basis der erzielten Klicks; Cost-per-Mille (CPM): Abrechnungsform für eine Werbetätigkeit auf Basis von 1.000 erzielten Kontakten oder Ad-Impressions; Cost-per-Order (CPO): Abrechnungsform für eine Werbetätigkeit auf Basis der erzielten Verkäufe; Cost-per-Conversion (CPC): Abrechnungsform für eine Werbetätigkeit auf Basis der vereinbarten Handlungen (z. B. Registrierungen); Kosten pro Zeitintervall: Abrechnungsform für eine Werbetätigkeit auf Basis eines bestimmten Zeitintervalls (Die Kosten beziehen sich nicht auf eine bestimmte Aktivität des Nutzers, sondern des Werbepartners. Für die Schaltung eines Online-Werbemittels können – unabhängig von der erzielten Nutzungsintensität – pro Tag, Woche oder Monat vereinbarte Beträge fällig werden). In Abbildung 3-42 sind die oben beschriebenen Kennzahlen des Online-Marketings zusammengefasst.
3.4 Kommunikation – Optimierung der Kundenwahrnehmung
Kennzahl
Messkriterium
Visit
Ununterbrochener Nutzungsvorgang eines Besuchers auf einer Website
Hit
Jeder Zugriff eines Browsers auf ein Element der Website
Page-Impressions
Anzahl der Seitenabrufe
Ad-Impressions
Anzahl der aufgerufenen Seiten einer Website
Ad-Clicks
Häufigkeit des Anklickens einer Werbebotschaft (z. B. Banner)
327
Kennzahlen zur Qualität der Werbeplätze:
Click-Through-Rate (CTR)
Verhältnis der Ad-Clicks zu den Ad-Impressions (in Prozent)
Unique Visitor
Bestimmte Person, die innerhalb einer gewissen Zeit, eine oder mehrere Webseiten aufruft
Unique Identified Visitor
Bestimmte Person, die auf der Website registriert ist bzw. er ein Kundenkonto besitzt
Ansprache
Wert der potentiellen Reichweite eines Online-Angebots
Akquisition
Anzahl Kunden, die durch Anklicken einer Werbeanzeige zum Online-Angebot geführt werden
Conversionrate
Prozentualer Anteil der Besucher einer Website mit einer gewünschten Handlung
Cost-per-Click (CPC)
Abrechnungsform für eine Werbetätigkeit auf Basis der erzielten Klicks
Cost-per-Mille (CPM)
Abrechnungsform für eine Werbetätigkeit auf Basis von 1.000 erzielten Kontakten
Cost-per-Order (CPO)
Abrechnungsform für eine Werbetätigkeit auf Basis der erzielten Verkäufe
Cost-per-Conversion (CPC)
Abrechnungsform für eine Werbetätigkeit auf Basis der vereinbarten Handlungen
Kosten pro Zeitintervall
Abrechnungsform für eine Werbetätigkeit auf Basis eines bestimmten Zeitintervalls
Kennzahlen zur Neukundengewinnung:
Kennzahlen zur Kostenkontrolle:
[Quellen: Roddewig 2003, S. 152 ff., Amthor 2010, S. 104f., Kreutzer 2012, S. 187 f.]
Abb. 3-42:
Wichtige Kennzahlen in der Online-Werbung
Im Bereich der Online-Werbung werden direkte Messungen im Moment des Geschehens vorgenommen. Im Print-Bereich sind entweder frei zugängliche oder eigens in Auftrag gegebene Studien der Mediennutzung die Grundlage für die Berechnung der angesprochenen Größen. Daher handelt es sich hier eher um eine nachträgliche Bewertung bzw. Einschätzung des Erfolgs als um eine direkte, konkrete Messung wie es bei der Online-Werbung möglich ist. Durch die Nutzung des Internets als technische Grundlage seiner Durchführung hat das OnlineMarketing die Möglichkeit, eine Vielzahl von Messungen vorzunehmen, die im Print-Marketing nicht durchführbar sind. Die Identifizierung eines Nutzers im Moment des Kontakts mit einer Werbeanzeige oder einer Website (Unique Visitors oder Unique Identified Visitors) ist im Print-Marketing nicht möglich. Wissen über technische Eigenschaften, geografische Daten oder zeitliche Nutzung von Online-Angeboten lassen in der Online-Werbung eine stetige Optimierung dieser Angebote zu. In der Print-Werbung ist ab dem Zeitpunkt des Drucks einer Anzeige keine Optimierung mehr durchführbar. Auch die Verteilung der verursachten Kosten ist in der Online-Werbung exakt kontrollierbar. Oft kommen Abrechnungsmodelle zum Einsatz, bei denen nur dann Kosten entstehen, wenn ein Nutzer eine bestimmte Handlung (z.B. ein Klick oder ein Kaufabschluss) getätigt hat. Durch eine Reihe von Kennzahlen (z.B. CPC, CPM oder CPL) ist eine Kostenkontrolle gut durchführbar.
328
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
3.4.10 Kommunikationsverhalten von Strategie- und IT-Beratungen Zwischen den Kommunikationsaktivitäten der beiden Beratungsfelder bestehen z. T. erhebliche Unterschiede. Während viele IT-Beratungsgesellschaften in Anzeigen mit ihrer Dienstleistungsqualität werben, liegt der inhaltliche Fokus der Anzeigenwerbung von Strategieberatungen eindeutig auf der Personalbeschaffungsseite. Damit soll den Kundenunternehmen gezeigt werden, dass immer nur die Besten gesucht und eingestellt werden und damit von vornherein eine hohe Dienstleistungsqualität sichergestellt ist. Teilt man – in Anlehnung an Barchwitz/Armbrüster – die Beratungsunternehmen hinsichtlich ihres Kommunikationsverhaltens in vier Gruppen ein, so ergibt sich folgende Typologie [vgl. Barchwitz/Armbrüster 2007, S. 225 ff.]:
Marketing-Verweigerer nutzen die Kommunikationsmöglichkeiten mit Ausnahme des Online-Marketings so gut wie gar nicht;
Direktvermarkter, d. h. dieser Typ setzt vor allem auf Direktmarketing mit Mailings, Telemarketing, schriftliche Direktansprache und Gruppenmailings;
Publizisten nutzen vor allem Veröffentlichungen (Fachartikel, Fachzeitschriften, Fachbücher, Studien, Fallbeschreibungen etc.) und Medienkooperationen, um auf sich aufmerksam zu machen;
Marketing-Profis verwenden nahezu alle Kommunikationsmöglichkeiten, die das moderne Marketing bietet.
Ordnet man die beiden Beratungsfelder diesen vier Typen zu, so liegt der Schwerpunkt der ITBeratungen bei den Direktvermarktern und bei den Publizisten. In der Neukundenakquisition nehmen insbesondere die größeren IT-Berater sogar die Rolle der Marketing-Profis mit Mailings, Anzeigenwerbung, Messen und Ausstellungen, Zertifizierungen und Sponsoring ein. Strategieberatungen hingegen zählen nach Ansicht von Barchwitz/Armbrüster vor allem zu den Publizisten.
3.5 Vertrieb – Optimierung der Kundennähe
329
3.5 Vertrieb – Optimierung der Kundennähe 3.5.1 Aufgabe und Ziel des Vertriebs Der Vertrieb ist das vierte Aktionsfeld im Rahmen des Vermarktungsprozesses von Beratungsleistungen (siehe Abbildung 3-43). Es umfasst im Wesentlichen die Festlegung der Vertriebsformen, die Wahl der Vertriebskanäle und der jeweils einzuschaltenden Vertriebsorgane. Der Vertrieb zielt somit auf die Optimierung der Kundennähe: Kundennähe = f (Vertrieb) → optimieren! Die Notwendigkeit zur Optimierung der Kundennähe und dem damit verbundenen Aufbau einer schlagkräftigen Vertriebsorganisation ergibt sich zwangsläufig durch den Wunsch nach Ausweitung des potenziellen Kundenkreises.
Aktionsfelder
Nachhaltiger Gewinn
Wettbewerbsvorteil • Leistungen • Fähigkeiten • Know-how • Innovationskraft
Segmentierung
Positionierung
+ Kundennutzen
+ Kundenvorteil
Kommunikation
Vertrieb
+ Kundenwahrnehmung
+ Kundennähe
Akquisition
+ Kundenakzeptanz
Betreuung
+ Kundenzufriedenheit
=
Vom Markt honorierter Wettbewerbsvorteil
© Dialog.Lippold
Abb. 3-43:
Vertrieb als viertes Aktionsfeld der Marketing-Gleichung
Es sei angemerkt, dass dieses vierte Aktionsfeld in der „Original“-Terminologie der MarketingGleichung nicht als „Vertrieb“, sondern als „Distribution“ bezeichnet wird. Damit soll eine zu starke Nähe (und Verwechslung) des Begriffs „Vertrieb“ mit dem Begriff „Akquisition“ (als fünftes Aktionsfeld) vermieden werden. Im Rahmen der Marketingkonzeption von Beratungsleistungen ist der Begriff „Distribution“ allerdings zumindest irreführend, wenn nicht sogar fehl am Platz, so dass hier der Begriff „Vertrieb“ gewählt wird. Im Mittelpunkt des Aktionsfeldes Vertrieb steht der Aufbau eines leistungsfähigen und schlagkräftigen Vertriebssystems, das die institutionelle und strukturelle Grundlage der Auftragsgewinnung darstellt. Die Komponenten des Vertriebssystems sind:
Vertriebsformen (direkter/indirekter Vertrieb) Vertriebskanäle (Einkanal-/Mehrkanalsystem) Vertriebsorgane (interne/externe Organe).
Abbildung 3-44 gibt einen Überblick über die Komponenten des Vertriebssystems. Für das Beratungsgeschäft ist ein Großteil dieser Optionen weitgehend ohne Bedeutung, es sei denn, dass das Beratungsunternehmen gleichzeitig auch im Produktgeschäft (z. B. mit selbstentwickelter Software) tätig ist.
330
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Vertriebssystem
Vertriebsformen • Direkter Vertrieb • Indirekter Vertrieb
Vertriebsskanäle • Einkanalsystem • Mehrkanalsystem
Vertriebsorgane • Unternehmensinterne Organe • Unternehmensexterne Organe © Dialog.Lippold
Abb. 3-44:
Elemente eines Vertriebssystems
3.5.2 Vertriebsformen Die Vertriebsform steht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den Vertriebskanälen und -organen und betrifft die Auswahlentscheidung zwischen direktem und indirektem Vertrieb. 3.5.2.1 Direkter Vertrieb
Eindeutig vorherrschende Vertriebsform im Beratungsgeschäft ist der direkte Vertrieb. Er ist dadurch gekennzeichnet, dass der Anbieter den Absatz seiner Leistungen in eigener Regie, also mit seinen unternehmenseigenen Vertriebsorganen durchführt. Einer der Hauptgründe für den Vertrieb über die eigene Organisation liegt in der absoluten Loyalität der eigenen Vertriebsmitarbeiter, die sich ausschließlich für die Vermarktung des eigenen Produkt- und Leistungsprogramms einsetzen können und müssen. Ein weiteres Argument für den Direktvertrieb ist die erforderliche Kenntnis beim Vertrieb dieser höchst erklärungsbedürftigen Dienstleistungen. Um hochgesteckte Vertriebsziele zu erreichen, reicht es häufig nicht aus, die Vertriebsorganisation rein zahlenmäßig auf- bzw. auszubauen. Es ist vielmehr zusätzlich zu gewährleisten, dass die Vertriebsmitarbeiter den hohen Informations- und Beratungsansprüchen mit einem umfassenden Wissensstand und hinreichender Qualifikation entsprechen [vgl. Strothmann/Kliche 1989, S. 17 f.]. Den Vorteilen des direkten Vertriebs stehen allerdings auch kosten- und kapazitätsmäßige Nachteile gegenüber. Die Personalkosten für die eigene Vertriebsorganisation müssen im Wesentlichen als fix angesehen werden, da eine kapazitätsmäßige Personalanpassung an Marktbzw. Nachfrageschwankungen nur in sehr engen Grenzen möglich ist. Da sich im Beratungsgeschäft ein (komplexes) Kundenproblem manchmal nicht allein mit den Leistungen (und Produkten) eines einzelnen Anbieters lösen lässt, ist der Direktvertrieb zudem gezwungen, in Generalunternehmerschaften oder ähnliche Vertragskonstruktionen einzusteigen [vgl. Godefroid/Pförtsch 2008, S. 260]. Generell lässt sich aber festhalten, dass Beratungsunternehmen, die ausschließlich das Projektgeschäft betreiben, eindeutig den Direktvertrieb präferieren.
3.5 Vertrieb – Optimierung der Kundennähe
331
Auch der Online-Vertrieb, der seinem Wesen nach dem direkten Vertrieb zuzuordnen ist, gelangt zunehmend in den Fokus des B2B-Marketings. Schließlich beschäftigen sich immer mehr Hersteller mit der Digitalisierung ihres Vertriebs und insbesondere der Vertriebskanäle. Diese werden beim Handel mit Geschäfts- und Firmenkunden immer wichtiger, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können. Bisherige Untersuchungen im Umfeld des E-Commerce beschränken sich hauptsächlich auf das Geschäft mit den privaten Endverbrauchern. Jedoch gewinnt der B2B-E-Commerce, also der Handel zwischen Unternehmen über das Internet, in den letzten Jahren stark an Bedeutung und rückt immer stärker in das Blickfeld der Unternehmen, Dienstleister oder auch der Plattformanbieter [vgl. Wittmann et al. 2019]. Um den B2B-E-Commerce und seine Herausforderungen näher zu analysieren, hat ibi research unter 165 B2B-Experten eine Umfrage durchgeführt, die neben der Bedeutung der E-Shops, der B2B-Marktplätze sowie der Trends im B2B-Handel auch den Status quo im Online-Verkauf untersucht. Danach verkaufen bereits 82 Prozent der Unternehmen ihre Produkte und Dienstleistungen online und jedes fünfte Unternehmen generiert im Internet bereits mehr als 50 Prozent des Umsatzes. Die bedeutendsten Vertriebskanäle sind Abwicklung schriftlicher Bestellungen (57 Prozent), der eigene Online-Shop (52 Prozent) und der Direktvertrieb durch den Außendienst. Zu den 18 Prozent der Befragten, die ihre Leistungen nicht online verkaufen, zählen zu einem Großteil allerdings (noch) die Beratungshäuser (siehe Insert 3-22).
Insert 3-22:
Anteil der Online-Verkäufe im B2B-Bereich
Nach Einschätzung der Befragten werden im Jahr 2025 mehr als die Hälfte der B2B-Verkäufe online getätigt werden. Die stärksten Treiber für den Online-Verkauf sind die Digitalisierung von Prozessen, der erwartete Zusatzumsatz und die Gewinnung neuer Kundengruppen (siehe Insert 3-23).
332
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Insert 3-23:
Die größten Motivatoren für den Online-Verkauf im B2B-Bereich
3.5.2.2 Indirekter Vertrieb
Demgegenüber schaltet der Anbieter beim indirekten Vertrieb bewusst unternehmensfremde, rechtlich selbständige Vertriebsorgane ein. Diese Vertriebsform ist für Beratungsunternehmen, die Software anbieten und damit im Produktgeschäft tätig sind, eine überlegenswerte Alternative. So liegt bei der Erstellung von Standardsoftware ein ganz anderes Geschäftsmodell zugrunde als bei der individuellen Softwareentwicklung. Entsprechend ist der Absatz von Standardsoftware typischerweise über ein Vertriebspartnernetz organisiert. Hierzu bieten sich folgende Vertriebswege an:
Vertrieb über Händler/Distributoren Vertrieb über Value-Added-Reseller (VARs).
Zwischen den Begriffen „Händler“ und „Distributor“ soll im B2B-Geschäft nicht differenziert werden, weil beide Absatzmittler das gleiche Geschäftsmodell verfolgen: Sie kaufen vom Softwarehersteller Produktlizenzen ein und verkaufen diese nahezu unverändert an andere Händler oder an Endkunden weiter. Neben dem Vertrieb der Softwareprodukte übernimmt der Händler/Distributor auch die Beratung und Betreuung der Kunden und ggf. die entsprechende Werbung und Verkaufsförderung. Der Vertrieb über Händler/Distributoren ist für das Softwarehaus i. d. R. immer dann vorteilhaft, wenn es sich um ein relativ geringes Umsatzvolumen pro Transaktion und um geografisch große Märkte handelt, die sich mit einem Direktvertrieb wirtschaftlich nicht sinnvoll abdecken lassen [vgl. Godefroid/Pförtsch 2008, S. 265 ff.].
3.5 Vertrieb – Optimierung der Kundennähe
333
Der indirekte Vertrieb über Value-Added-Reseller geht einen Schritt weiter als der Vertrieb über Distributoren. Während der Distributor das Softwareprodukt weitgehend unverändert anbietet, „veredelt“ der VAR das Produkt durch wesentliche eigene Komponenten und bietet dem Käufer eine vollständige Lösung an, bei der er die Software des Herstellers „mitverkauft“ und dafür eine Vermittlungsprovision erhält. Der entscheidende Unterschied zum Distributor besteht darüber hinaus darin, dass der VAR auf Rechnung des Softwareherstellers verkauft und damit nicht Eigentümer der Ware wird [vgl. Godefroid/Pförtsch 2008, S. 268]. Der Vertrieb von kundenindividueller Software erfolgt dagegen regelmäßig über persönliche Kontakte, also über den direkten Vertriebsweg. Doch selbst im Umfeld der Standardsoftware kann es eine Vielzahl produktbezogener Dienstleistungen (Einführungs-, Umfeld-, Organisations- und Wartungsdienstleistungen) geben, die sich sinnvollerweise nur über den direkten Vertriebsweg vermarkten lassen. Gerade in diesem Bereich hat sich eine Vielzahl von IT-Dienstleistern etabliert. Zudem besteht die Möglichkeit, „Software as a Service“ (SaaS) zu liefern. Abbildung 3-45 liefert einen Überblick über die wichtigsten Vertriebsformen im Beratungsund Softwaregeschäft.
Direkter Vertrieb
Indirekter Vertrieb
Projektgeschäft
Produktgeschäft
Software
Beratung
Individualsoftware und produktbezogene Dienstleistungen
Standardsoftware
SaaS
Package Software © Dialog.Lippold
Abb. 3-45:
Vertriebsformen im Beratungs- und Softwaregeschäft
Beim SaaS-Modell wird die Software im Rechenzentrum des Anbieters betrieben und Funktionalitäten über das Internet zur Nutzung angeboten. Aus dem Softwareprodukt wird ein Service und damit ist auch hier der direkte Vertriebsweg dominierend. Neben den klassischen Softwarehäusern bieten insbesondere größere IT-Beratungsunternehmen diese Form der Dienstleistung vermehrt an. Im Gegensatz zum herkömmlichen Software-Lizenzgeschäft, bei dem der Kunde für die Installation der Software eine komplette IT-Infrastruktur (Hardware, Betriebssystem, Datenbanksystem etc.) benötigt, wird beim SaaS-Modell die Software und die IT-Infrastruktur bei einem externen IT-Dienstleister und vom Kunden als Service genutzt. Für die Nutzung wird ausschließlich ein internetfähiger PC sowie die Internetanbindung an den externen IT-Dienstleister benötigt. Der Zugriff auf die Software wird über einen Webbrowser reali-
334
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
siert. Experten gehen sogar davon aus, dass in wenigen Jahren der größte Teil der Geschäftsanwendungen im SaaS-Modell betrieben werden. So hat das Marktforschungsunternehmen Gartner für 2011 bereits einen SaaS-Umsatz von 12,1 Milliarden US-Dollar weltweit errechnet (siehe hierzu die ausführliche Darstellung in Insert 3-24). Insert
Gartner: SaaS Growth Shows No Signs of Slowing Gepostet von Ann All 14.09.2011 12:35:00 The enterprise software market saw some ups and lots of downs during the recession and slow recovery. One category that experienced surprisingly strong growth was software-as-a-service, with SaaS vendors in 2010 adding large enterprises to their client rosters and taking away business from onpremise software companies. Earlier this summer Gartner predicted SaaS will account for some 15 percent of enterprise application purchases by 2015, up from 10 percent today. SaaS growth shows no signs of slowing. According to Gartner (again), global SaaS revenue should hit $12,1 billion this year, a 20.7 percent jump from revenue of $10 billion in 2010. Gartner cites growing familiarity with SaaS, interest in cloud computing, growth in platform-as-a-service developer communities and stilltight budgets as among the drivers for SaaS adoption. North America is the biggest SaaS buyer. Gartner expects North American SaaS revenue to reach $7.7 billion in 2011, an 18.7 percent increase from last year's revenue of $6.5 billion. Looking ahead, Gartner predicts that number will grow to $12.9 billion in 2015. While North American companies no doubt like to save money, ease and speed of deployment are their top two reasons for SaaS adoption, followed by lower total cost of ownership, according to the Gartner research. North American companies also value SaaS' ability to lower capital expense more highly than their global counterparts do, says Gartner Research Director Sharon Mertz.
Insert 3-24:
CRM is the top SaaS application across all regions, almost surely due to the dominant position of Salesforce.com. North Americans are more likely than other regions to use SaaS Web conferencing, e-learning and travel booking. Other regions are far behind North America in SaaS adoption. SaaS revenue should reach $2.7 billion this year in Western Europe, up 23.3 percent from 2010 revenue of $2.2 billion. Gartner expects that number to hit $4.8 billion in 2015. The market is growing more quickly in Eastern Europe, Gartner believes SaaS revenue will grow to $131.4 million in 2011, up 29.8 percent from 2010 revenue of $101.2 million. Gartner predicts that number will grow to $270.1 million in 2015. For Asia-Pacific, Gartner projects SaaS revenue of $768.3 million this year, up 27.7 percent from 2010 revenue of $601.8 million. It believes SaaS revenue will reach $1.7 billion in 2015. Australia, New Zealand, Hong Kong, Singapore and South Korea are the leading adopters in Asia-Pacific. While Gartner categorizes the Latin American SaaS market as "embryonic," it says revenue is on pace to total $328.4 million in 2011, a 23.5 percent increase from 2010 revenue of $266 million. It expects that number to rise to $694.2 million in 2015. It's worth noting that this kind of growth is what lands enterprise software in Gartner's famous (or infamous) "Trough of Disillusionment." If SaaS follows Gartner’s usual Hype Cycle technology adoption trajectory, it will spend some time in the trough before emerging into the Slope of Enlightenment and Plateau of Productivity.
Gartner-Prognose über die SaaS-Entwicklung
Der obenstehende Post aus dem Jahre 2011 war keinesfalls eine optimistische Schätzung. Wie Insert 3-25 zeigt, hat sich der weltweite Umsatz mit Software-as-a-Service bis heute sprunghaft entwickelt. Führende Anbieter der reinen Software sind Salesforce (9,3 Prozent Marktanteil), Microsoft (8,7 Prozent) und SAP mit 4,7 Prozent Marktanteil. Es folgen Oracle mit 4,0 Prozent
3.5 Vertrieb – Optimierung der Kundennähe
335
und Google mit 3,8 Prozent. Am SaaS-Markt für Business-Anwendungen partizipieren größere IT-Beratungsunternehmen ähnlich wie im Markt für traditionelle Lizenzsoftware.
Insert 3-25: Prognose zum Umsatz mit Software-as-a-Service weltweit bis 2022 3.5.3 Vertriebskanäle Vertriebskanäle entstehen durch die Auswahl und Kombination der obigen Vertriebswege. Die Festlegung der Vertriebskanäle ist strukturell-bindend, d. h. sie ist kurz- und mittelfristig nur mit erheblichem organisatorischem Aufwand und entsprechenden Kosten revidierbar. Entscheidungen im Zusammenhang mit der Auswahl der Vertriebskanäle haben also Grundsatzcharakter [vgl. Becker, J. 2009, S. 528]. Vornehmlich im B2C-Marketing hat sich eine Vielzahl von Distributionskanälen herausgebildet. Begünstigt durch die Möglichkeiten der OnlineVermarktung nutzen diese Unternehmen mehrere Distributionskanäle für den Absatz ihrer Produkte. Solche Mehrkanalsysteme (engl. Multi-Channel) sind in sehr unterschiedlichen Branchen zu finden (z. B. Fluggesellschaften, Automobilhersteller, Versicherungsgesellschaften). Für das Beratungsgeschäft sind solche Mehrkanalsysteme allerdings weniger von Bedeutung. Hier dominiert eindeutig das Einkanalsystem, d. h. der direkte Vertriebskanal für das Projektgeschäft. Lediglich IT-Beratungsgesellschaften, die neben Beratungsleistungen gleichzeitig
336
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
auch Standardsoftware in ihrem Angebotsportfolio haben, verfügen in der Regel über zwei Vertriebskanäle: zum einen den direkten Vertriebskanal für das Projektgeschäft und zum anderen den indirekten Vertrieb über Absatzmittler (siehe Abbildung 3-46).
IT-Beratungsunternehmen
Projektgeschäft
Produktgeschäft
IT-Beratungsunternehmen
Anbieter
Abb. 3-46:
Absatzmittler
Kunde
Händler/Distributoren/VARs
Kunde
Kunde
[Quelle: Schögel/Pernet 2008]
„Standard“-Vertriebskanäle von IT-Beratungsunternehmen
3.5.4 Vertriebsorgane Zu den Vertriebsorganen zählen alle unternehmensinternen und unternehmensexternen Personen, Abteilungen und Institutionen, die an den Vertriebsaktivitäten der Unternehmensberatung beteiligt sind. Bei der unternehmensinternen Vertriebsorganisation geht es um die zentrale Frage, ob der Vertrieb aus dem Leistungsbereich heraus wahrgenommen wird oder ob der Vertrieb über eine eigenständige organisatorische Einheit erfolgen soll. Größere Beratungsunternehmen bevorzugen in der Regel den „institutionellen“ Ansatz, d. h. die Akquisition von Neukunden, die Pflege des vorhandenen Kundenstamms, die Betreuung von Vertriebspartnern (z. B. Händler) sowie das Key Account Management (Betreuung von Groß- bzw. Schlüsselkunden) werden von einer hierfür vorgesehenen organisatorischen Einheit wahrgenommen. Für diesen „arbeitsteiligen“ Ansatz spricht die Erfahrung, dass ein ausgebildeter Vertriebsmitarbeiter mit dem entsprechenden fachlichen Hintergrund erfolgreicher an der Vertriebsfront agiert als ein Nur-Berater. Außerdem lässt sich der Vertriebsmitarbeiter zeitlich problemloser in die Vertriebsprozesse einbinden als der Berater, der sich aus den laufenden Projekten immer wieder „freischaufeln“ muss. Demgegenüber steht das immer wieder hervorgebrachte Argument, dass der Vertriebsmitarbeiter zum Overselling neigt, d. h. er verkauft Projekte, die zu knapp kalkuliert oder fachlich nicht genügend abgesichert sind. Mit einem gemeinsamen Verkaufsteam im Sinne eines „Selling Centers“ (siehe Abschnitt 3.6.2), das sich sowohl aus Vertriebs- als auch aus Fachmitarbeitern zusammensetzt, kann dieser Gefahr begegnet werden. Kleinere Beratungsunternehmen sind allerdings aus Kosten- oder Kapazitätsgründen häufig nicht in der Lage, eine separate Vertriebsabteilung aufzubauen. In solchen Fällen bietet es sich an, dass die erfahrenen (Fach-)Berater (z. B. Senior Manager) die Führung des Accounts (engl. Lead) übernehmen.
3.5 Vertrieb – Optimierung der Kundennähe
337
Bei den unternehmensexternen Vertriebsorganen, die letztlich nur für Beratungsunternehmen interessant sind, die gleichzeitig auch im Produktgeschäft tätig sind, handelt es sich vornehmlich um Distributoren und Value-Added-Reseller (VAR). 3.5.5 Vertriebliche Qualifikationen Alle bislang genannten vertrieblichen Aufgaben machen nur ansatzweise deutlich, welche vergleichsweise hohen Anforderungen an die Qualifikation des Vertriebsmanagements von Unternehmensberatungen zu stellen sind. Im Geschäft mit komplexen Beratungsleistungen ist neben dem erforderlichen betriebswirtschaftlichen Anwendungswissen häufig auch ein sehr fundiertes systemtechnisches Know-how erforderlich. Da derartige Ansprüche meist schon bei Kontaktaufnahme an den Vertriebsmitarbeiter gestellt werden, müssen die Anbieter darauf bedacht sein, dass gleich zu Beginn des Auswahl- und Entscheidungsprozesses die Kompetenz des Vertriebsmitarbeiters eine Assoziation zur Leistungsstärke des Anbieterunternehmens auf dem Gebiet der nachgefragten Problemlösung auslöst. In diesen Kontext ist auch die Erfahrung einzuordnen, dass der Verkäufer die Sache (also die Leistung) zunächst immer über die (eigene) Person verkauft [vgl. Lippold 1993, S. 233]. Mitarbeiter eines Direktvertriebs treten dem Kunden i. d. R. mit einem größeren Problemverständnis gegenüber als eine indirekte Vertriebsorganisation, deren Beratungsleistung häufig zu wünschen übriglässt. Wesentlicher Vorteil des Direktvertriebs ist seine Akzeptanz als kompetenter Problemlöser, denn nur für die Vertriebsmitarbeiter der eigenen Organisation lassen sich ein umfassender Wissensstand und eine hinreichende Qualifikation sicherstellen. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass im B2B-Bereich in aller Regel der direkte Vertrieb vorherrscht. Zu dem fachlichen Informationsanspruch, den die Entscheidungsgremien auf der Kundenseite an den Vertrieb stellen, kommen noch die typischen kaufmännischen Gesprächsthemen wie Preise, Fertigstellungstermine, Zahlungsmodalitäten bis hin zu juristischen Feinheiten der Angebots- und Vertragsgestaltung hinzu. Darüber hinaus hängt der Erfolg des persönlichen Verkaufs neben der Persönlichkeit in hohem Maße von der Fachkompetenz (→ Fachebene) und den interaktionsbezogenen Fähigkeiten (→ Beziehungsebene) des Verkäufers ab. Ein wichtiger Erfolgsfaktor ist dabei die angemessene Veränderung des Verkäuferverhaltens innerhalb einer Interaktion mit dem Kunden. Eine derartige flexible Vorgehensweise während des Verkaufsgesprächs wird auch als Adaptive Selling bezeichnet [vgl. Homburg/Krohmer 2009, S. 867 ff.]. In Abbildung 3-47 sind die entsprechenden Kompetenzen eines Key Account Managers beispielhaft in einer Matrix zusammengestellt.
338
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Emotion
hoch
Kundenkompetenz =
Soziale Kompetenz (social skills)
Soziale und fachliche Kompetenzen (Akzeptanz als Problemlöser)
Inkompetenz
Fachkompetenz
Leistungen auf der Beziehungsebene
niedrig
niedrig
Rationalität
hoch
Leistungen auf der Sachebene © Dialog.Lippold
Abb. 3-47:
Kompetenzen des Key Account Managers
Ein weiterer Ansatz zur systematischen Einordnung des Verkäuferverhaltens ist in dem sogenannten GRID-System zu sehen. In diesem „Verkaufsgitter“ werden die unterschiedlichen Ausprägungen im Verkaufsstil auf der Basis von zwei Kriterien erfasst. Das eine Kriterium beschreibt das Bemühen um den Kunden, das andere Kriterium zeigt das Interesse am Kaufabschluss auf [vgl. Becker, J. 2009, S. 547 f.]. Abbildung 3-48 zeigt eine vereinfachte Darstellung dieses Verkaufsgitters. hoch Menschlich orientiert
Problemorientiert
Verkaufstechnischorientiert
Interesse am Kunden
Nimm es – oder lass es
Umsatzorientiert
niedrig niedrig
Interesse am Verkauf
[Quelle: Blake/Mouton 1972, S. 14]
Abb. 3-48:
Das Verkaufsgitter (GRID-System)
hoch
3.5 Vertrieb – Optimierung der Kundennähe
339
Die aufgeführten Ansätze zur Einordnung des Verkäuferverhaltens weisen im Prinzip jedoch den Nachteil auf, dass jeweils nur zwei Verhaltensdimensionen (Kriterien) in Betracht gezogen werden. 3.5.6 Vertriebskooperationen Obwohl nach wie vor der direkte Vertriebsweg im Beratungsgeschäft vorherrscht, gibt es aus Sicht des einzelnen Beratungsunternehmens mehrere Optionen, Leistungen (und Produkte) auch indirekt zu vertreiben. Aufgrund der Komplexität und Erklärungsbedürftigkeit dieser Leistungen sind die indirekten Vertriebswege vornehmlich durch zwischenbetriebliche Kooperationen gekennzeichnet. Hierzu zählt neben dem Vertrieb über Händler/Distributoren oder Value-Added-Reseller (VARs) – der naturgemäß nur für Softwarehäuser in Frage kommt – vor allem die Bildung von strategischen Allianzen. Die strategische Allianz (auch: strategische Partnerschaft) ist eine besonders intensive Form der Kooperation, bei der beide Partner das Ziel einer langfristigen Steigerung der Rentabilität und Ertragskraft (z. B. durch gemeinsame Markterschließung) verfolgen. Das Management von strategischen Partnerschaften spielt für IT-Beratungsunternehmen eine deutlich wichtigere Rolle als für Strategieberatungen. Typisch sind hier Service-, Software- und Hardwarepartnerschaften. Hardwarepartner sind die großen Hardwarehersteller wie IBM oder HP, die durch ein ausgeprägtes Partnering versuchen, Unternehmensberater im Sinne eines „verlängerten Vertriebsund Marketingarms“ an sich zu binden und damit ihre Hardware als zumeist austauschbares Gut (engl. Commodity) mit der Business Excellence des Beraters zu verknüpfen. Softwarepartner sind in aller Regel die Hersteller von Standardanwendungssoftware (z. B. SAP oder Oracle), die ihren Partnern günstige Lizenzmodelle bieten oder Kunden vermitteln, die bereits Lizenzen bei ihnen erworben haben. Auf diese Weise können Beratungsunternehmen am starken Vertriebsnetz der Softwarehäuser partizipieren. Als Certified Partner bietet sich den ITBeratern überdies die Möglichkeit, sich auf gemeinsamen Messen zu präsentieren. Partnerschaften existieren aber auch bei Strategieberatungen – allerdings weniger mit Hard- oder Softwarepartnern, sondern mit IT-Beratern, die sich als Implementierungspartner immer dann anbieten, wenn die Strategieberatung ihre Kundenunternehmen nur bis zur Umsetzungsphase begleiten. So lag die Umsetzungsquote bei Strategieberatungen 1998 noch bei etwa 50 Prozent, d. h. lediglich die Hälfte aller strategischen Beratungen nahm für sich in Anspruch, den Wandel von der Konzeptberatung zur Umsetzungsberatung vollzogen zu haben [vgl. Nissen/Kinne 2008, S. 97 f. unter Bezugnahme auf Fritz/Effenberger 1998, S. 110]. Gleich, ob es sich um eine Vertriebspartnerschaft oder um eine strategische Allianz, ob es sich um ein inländisches oder um ein übernationales Engagement handelt, eine Partnerschaft muss von beiden Seiten „gelebt“ und ernst genommen werden. Sie ist nicht zum „Nulltarif“ zu bekommen und sollte immer wieder überprüft werden. Ziel einer Partnerschaft – sei es als vertikale Kooperation mit Hardware- oder Softwareherstellern oder als horizontale Kooperation zwischen Wettbewerbern – ist die Schaffung einer Win-Win-Situation für alle Beteiligten.
340
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Generell können folgende Kriterien für eine erfolgversprechende Vertriebskooperation herangezogen werden [vgl. Lippold 1998, S. 217]: Es sollte Konsens über die Beurteilung und Einschätzung der Marktsegmententwicklung (Chancen, Risiken) bestehen. Es ist ein ernsthaftes Engagement beider Partner zur gegenseitigen Unterstützung erforderlich (Vertriebsschulungen, Vertriebssupport). Die Marketing-Strategien beider Partner sollten mittel- und langfristig zusammenpassen oder sich ergänzen. Das gemeinsame Marktpotenzial sollte erfolgversprechend sein. Synergien können genutzt und umgesetzt werden, d. h. eins plus eins sollte größer als zwei werden. Qualität, Kompetenz und Anspruch beider Partner sollten übereinstimmen. Beispiele für Vertriebskooperationen liefert der Beratungs- und Softwarebereich in ausreichender Anzahl. Dennoch sind viele Partnerschaften, die zu Beginn der Liaison teilweise sogar als „strategisch“ angekündigt wurden, nach kurzer Zeit wieder vom Markt verschwunden. In jedem Fall sollten klare Kooperationsvereinbarungen geschaffen werden. Zu den wichtigsten Punkten eines vertrieblich orientierten Kooperationsvertrages zählen [vgl. Lippold 1998, S. 217 f.]: Klare Aufgaben- und Zieldefinition sowie eine ebenso deutliche Abgrenzung des angestrebten Zusammenwirkens, um mögliche Interessenkonflikte zu vermeiden; Genaue Festlegung und Abgrenzung der einzelnen Marktsegmente, denen sich der jeweilige Partner widmet; Regelungen über das vertriebliche Vorgehen bei Doppelkontakten; Regelungen über Provisions- und Lizenzaufteilungen beim gemeinsamen vertrieblichen Vorgehen; Schaffung gemeinsamer Kontrollgremien; Vertragsdauer, Vertragskündigung, ggf. Erwerb und Verkauf von Kapitalanteilen. Es wird häufig sehr viel Zeit in die vertraglichen Vereinbarungen einer Vertriebspartnerschaft bzw. einer strategischen Allianz investiert. Insbesondere Provisions- und Lizenzaufteilungsmodelle werden sehr intensiv und teilweise akademisch verhandelt. Doch nur, wenn neben der Sach-, Kultur- und Marktidentität auch der gute Wille aller Mitarbeiter auf Dauer vorhanden ist, werden beide Vertragsparteien Nutznießer der Vertriebsallianz sein – unabhängig davon, welche Lizenzaufteilungen vereinbart worden sind.
3.6 Akquisition – Optimierung der Kundenakzeptanz
341
3.6 Akquisition – Optimierung der Kundenakzeptanz 3.6.1 Aufgabe und Ziel der Akquisition In vielen Branchen – und dazu zählt auch die Beratungsbranche – ist der persönliche Verkauf (engl. Personal Selling) hauptverantwortlich für den Markterfolg. Um dieser besonderen Bedeutung des persönlichen Verkaufs gerecht zu werden, wird die Akquisition als eigenständiges Aktionsfeld der Marketing-Gleichung behandelt. Bei der (persönlichen) Akquisition geht es darum, die vorhandenen Kundenkontakte zu qualifizieren und in Aufträge umzumünzen. Die Akquisition ist das fünfte Aktionsfeld im Vermarktungsprozess (siehe Abbildung 3-49) und zielt auf die Optimierung der Kundenakzeptanz: Kundenakzeptanz = f (Akquisition) → optimieren! Insbesondere bei erklärungsbedürftigen Produkten und Leistungen zählt der persönliche Verkauf zu den wirksamsten, aber zugleich auch zu den teuersten Kommunikationsinstrumenten. Die Akquisition ist vielleicht das wichtigste Aktionsfeld nicht nur der Marketing-Gleichung, sondern im Beratungsunternehmen insgesamt, da sie die Auslastung des Unternehmens und seiner Berater bestimmt. Bei der Systematisierung der Aktionsfelder der hier zugrundeliegenden Marketing-Gleichung bestehen hinsichtlich der persönlichen Akquisition durchaus Abgrenzungsprobleme. So ließe sich die persönliche Akquisition bzw. der persönliche Verkauf auch im Zusammenhang mit dem Aktionsfeld Kommunikation oder mit dem Aktionsfeld Vertrieb behandeln.
Marketing-Aktionsfelder WettbewerbsVorteil • Leistungen • Fähigkeiten • Know-how • Innovationskraft
Segmentierung
Positionierung
Kommunikation
+ Kundennutzen
+ Kundenvorteil
+ Kundenwahrnehmung
Nachhaltiger Gewinn
Vertrieb
Akquisition
Betreuung
+ Kundennähe
+ Kundenakzeptanz
+ Kundenzufriedenheit
=
Vom Markt honorierter Wettbewerbsvorteil
Kundenkriterien © Dialog.Lippold
Abb. 3-49:
Akquisition als fünftes Aktionsfeld der Marketing-Gleichung
Im Rahmen des Aktionsfeldes Akquisition sollten folgende Fragen behandelt werden [vgl. Lippold 1998, S. 220]:
Wie läuft der organisationale Kaufprozess ab? Wie kann der Akquisitionsprozess strukturiert werden? Wie lässt sich die Effizienz des persönlichen Verkaufs steigern? Für welche Marketing-Aktivitäten sollte dieses teure Instrument eingesetzt werden? Wie lässt sich die Abschlussquote erhöhen? Wie kann der Akquisitionszyklus verkürzt werden?
342
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Die wesentliche Aufgabe des persönlichen Verkaufs besteht darin, den kundenseitig verlaufenden Auswahl- und Entscheidungsprozess so zu beeinflussen, dass letztlich der Auftrag gewonnen wird. Eine zweite Aufgabe des persönlichen Verkaufs besteht in der Pflege bestehender Kundenbeziehungen. Dies hat für den Anbieter deshalb eine besondere Bedeutung, weil der bereits erbrachte Nachweis der Leistungsfähigkeit sowohl für das Folgegeschäft (bei demselben Kunden) als auch für das Neugeschäft eine verkaufsauslösende Wirkung hat. Dieses sog. ReferenzSelling ist damit ein aktiver Bestandteil des Aktionsfeldes Akquisition. Schließlich obliegt dem persönlichen Verkauf auch die Aufgabe, Informationen zu gewinnen. Der (potenzielle) Kunde ist als Informationsquelle für die Marktforschung von besonderer Bedeutung. Ob es sich dabei um Informationen über Leistungen, Aktionen und Vorgehen der wichtigsten Wettbewerber, um die Aufnahme spezifischer Kundenanforderungen oder um Informationen über bestimmte betriebswirtschaftliche oder technologische Ausrichtungen der Kundenunternehmen handelt, in jedem Fall bietet das Verkaufsgespräch eine Fülle von Ansatzpunkten für das eigene Leistungsportfolio. 3.6.2 Akquisitionsbegriffe Ebenso wie das Marketing sind auch Systematik, Begriffe und Vorgehensweise des klassischen “Verkaufens” sehr stark von der englischsprachigen Literatur geprägt. Begriffe wie Selling Center, Targeting, Cross Selling und Key Accounting stehen auf der vertrieblichen Tagesordnung. 3.6.2.1 Selling Center
Quasi als Antwort auf das Buying Center der Kundenunternehmen (siehe Abschnitt 3.2.2) hat sich auf der Angebotsseite das Selling Center als multipersonale Form der Akquisition für größere Projekte etabliert. Teammitglieder im Vertrieb von komplexen Leistungen (und Produkten) können Verkäufer, Key Account Manager, System- und Anwendungsspezialisten oder die Geschäftsführung selbst sein. Gerade die Geschäftsführung ist häufig in der Lage, evtl. vorhandene Defizite im Qualifikationsprofil durch ihre hierarchische Stellung wettzumachen. Mit dieser Teambildung kann man dem vielfältigen Informationsanspruch der Einkaufsseite ein entsprechendes Gewicht auf der Verkaufsseite gegenüberstellen [vgl. Backhaus/Voeth 2010, S. 37 ff.] In Insert 3-26 sind die Teammitglieder des Buying Center den entsprechenden Vertriebsrepräsentanten des Selling Center beispielhaft gegenübergestellt [vgl. auch Bänsch 2002, S. 207 ff.]. Die Darstellung kann als typisch für die meisten größeren Akquisitionsprozesse besonders im Geschäft mit komplexen Produkten und Leistungen (z. B. Beratungsprojekte, High Tech-Produkte, Anlagen, Systeme) angesehen werden. Eine etwas vereinfachte Form des Selling Center ist die Bildung eines Tandems, bestehend aus einem Kunden- und einem Konzeptmanager, aus einem anwendungsorientierten und einem systemorientierten Verkäufer oder aus einem strategie- und einem umsetzungsbetonten Berater. Der Vorteil einer solchen Tandemlösung liegt in der Einsparung von Kosten unter Aufrechterhaltung eines arbeitsteiligen Vorgehens.
3.6 Akquisition – Optimierung der Kundenakzeptanz
Insert 3-26:
343
Wenn sich Buying Center und Selling Center gegenüberstehen
Selling Center bilden sich – ebenso wie Buying Center – informell und sind in der Regel nicht organisatorisch verankert. Daher sind Umfang und Struktur dieses Verkaufsgremiums auch nur
344
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
sehr schwer zu erfassen. Es lässt sich aber die These vertreten, dass die Anzahl der jeweils Beteiligten am Selling Center im Wesentlichen von folgenden Faktoren abhängt:
Wert bzw. Größe und Komplexität des Verkaufsobjektes Einfluss des Produkts bzw. der Problemlösung auf Prozesse und Organisation beim Kunden Größe des Anbieters.
Auch kann nicht festgeschrieben werden, ob teilweise mehrere Rollen von einer Person und ob die einzelnen Rollen teilweise von mehreren Personen wahrgenommen werden. In Abbildung 3-50 sind Anbieter- und Kundenseite im Akquisitionsprozess mit ihren jeweiligen Center-Mitgliedern beispielhaft dargestellt. Dabei wird deutlich, dass sich in Abhängigkeit der Prozessphase die Zusammensetzung des jeweiligen Centers ändern kann.
Anbieter Verkäufer
Selling Center
Verkäufer
Erstkontakt
Buying Center
Fachbereichsleiter
Anwendungsspezialist
Problemanalyse
IT-Leiter Fachbereichsleiter
Anwendungsspezialist Systemspezialist
Lösungsentwurf
Key Account Manager
Geschäftsführer
Verkäufer
Key Account Manager
Anwendungsspezialist
Angebotspräsentation
IT-Leiter
IT-Leiter
Fachbereichsleiter
Fachbereichsleiter
User
User
verkäufer
Nachverhandlung
Geschäftsführer Fachbereichsleiter Einkäufer
Kunde [Quelle: in Anlehnung an Menthe/Sieg 2013, S. 76]
Abb. 3-50:
Buying Center und Selling Center im Akquisitionsprozess (Beispiel)
3.6.2.2 Targeting, Cross Selling und Key Accounting
Die gezielte akquisitorische Auswahl und Bestimmung von Unternehmen, die einem bestimmten zielgruppen-orientierten Profil entsprechen, wird als Targeting bezeichnet. Das Besondere an einem Targetingprozess ist die systematische Herangehensweise und das gezielte Nachfassen unter bestimmten Vorgaben, so dass auch das Ergebnis entsprechend gemessen werden kann.
3.6 Akquisition – Optimierung der Kundenakzeptanz
345
Unter Cross Selling wird die Ausdehnung der bestehenden Kundenbeziehung bzw. der Produktverkäufe einer Geschäftseinheit des Anbieters auf die Produkte und Leistungen anderer (benachbarter) Geschäftseinheiten des Anbieters verstanden. Wenn also Kundenunternehmen des Strategiebereichs einer Unternehmensberatung auch für den Technologiebereich empfohlen werden oder wenn Prüfungsmandate einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft künftig auch für Steuerberatungsleistungen akquiriert werden, so sind dies klassische Cross Selling-Maßnahmen. Absatz-, Umsatzerfolg und Gewinn des Unternehmens hängen häufig stark davon ab, ob es gelingt, bestimmte Schlüsselkunden (engl. Key Accounts) zu gewinnen und zu halten. Mit solchen Schlüsselkunden (= Großkunden) wird ein nicht unbeträchtlicher Teil des Gesamtumsatzes erzielt. Die Analyse-, Planungs-, Verhandlungs-, Steuerungs- und Koordinationsprozesse, die im Zusammenhang mit der Betreuung von Schlüsselkunden durchzuführen sind, werden als Key Accounting bezeichnet. Diese Aufgaben werden vom sog. Key Account Manager wahrgenommen. Das Key Account Management zählt somit zu den wichtigsten Aufgaben des Aktionsfeldes Akquisition [vgl. Becker, J. 2009, S. 542 f.]. In Abbildung 3-51 sind die unterschiedlichen Zielrichtungen beim Targeting, Cross Selling und Key Accounting am Beispiel eines Unternehmens dargestellt. Strategische Geschäftseinheit A
Strategische Geschäftseinheit B CrossSelling =
Verkaufen (Empfehlen) der Produkte einer anderen Geschäftseinheit (hier aus Sicht der Geschäftseinheit A)
Kunden
NichtKunden
Key Accounts bzw. Key Accounting = Targeting = Zielkundenbestimmung und -gewinnung
Abb. 3-51:
Schlüsselkundengewinnung und -betreuung
[Quelle: Lippold 2015, S. 359]
Wichtige Akquisitionsbegriffe
3.6.3 Der organisationale Kaufprozess Der Kaufprozess im B2B-Bereich läuft grundsätzlich rationaler, systematischer, formeller und langfristiger ab als im B2C-Bereich. Doch ebenso wie bei Konsumgütern gibt es auch beim (Ein-)Kauf von Beratungsleistungen keinen festgeschriebenen Prozess. Zur besseren Veranschaulichung ist es aber auch hier hilfreich, den organisationalen Kaufprozess in Phasen zu
346
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
unterteilen. Das in Abbildung 3-52 dargestellte Phasenmodell ist idealtypisch für die Beauftragung bei Projekten mit größerem Volumen; es können Phasen wegfallen, übersprungen werden oder auch die Reihenfolge kann variieren [vgl. Homburg/Krohmer 2009, S. 146].
Bedarfserkennung
• Problemerkennung
Bedarfsbeschreibung
• Produkt-/ Leistungsspezifikation
Anbietersuche
• Lieferantensuche
Angebotseinholung
Anbietervorauswahl
• Angebots• Wahl des präsentation Lieferanten
Verhandlungen
• Auftragsmodalitäten
Vertragsabschluss
Leistungserbringung und bewertung
• Endgültige Vergabeent- • Evaluierung scheidung
[Quelle: Homburg/Krohmer 2009, S. 146]
Abb. 3-52:
Phasen des organisationalen Kaufprozesses
Ausgangspunkt des organisationalen Kaufprozesses ist die Phase der Bedarfserkennung. Hier geht es um die Analyse und Definition des grundsätzlichen Bedarfs. Die Bedarfsauslösung kann durch interne oder durch externe Anregungen erfolgen. Während intern der Bedarf zumeist durch einen Angehörigen der Kundenorganisation (Initiator) ausgelöst wird, erfolgen externe Anregungen zum Beratungsbedarf durch Benchmarks, Reference Selling, Hinweise durch Key Account Manager, Direkt-Marketingaktionen oder durch Fachmessen. Nach der grundsätzlichen Bedarfserkennung erfolgt die Bedarfsbeschreibung. In dieser Phase werden die gewünschten Leistungseigenschaften spezifiziert. Bei komplexen Dienstleistungen geschieht dies sehr häufig in Form eines Pflichten- oder Lastenheftes, das die genauen Leistungsspezifikationen enthält. Im Rahmen des Buying Center spielen diejenigen Akteure eine wichtige Rolle, die über das entsprechende produkt- und leistungsspezifische Wissen verfügen (z. B. Beeinflusser und Nutzer). Im Rahmen der dann folgenden Anbietersuche geht es um die Identifikation der in Frage kommenden Berater (Lieferanten). Branchenverzeichnisse, Online-Kataloge und Portale, vor allem aber Empfehlungen und Referenzen spielen bei der Beraterauswahl eine wichtige Rolle. Bisherige Erfahrungen des Kunden mit dem Anbieter sowie die allgemeine Reputation des Beratungsunternehmens sind insbesondere immer dann wichtige Auswahlkriterien, wenn es sich um die Beauftragung von größeren Projekten handelt, die einen nicht unerheblichen Einfluss auf Struktur und Prozesse der einkaufenden Organisation haben. Gatekeeper, Beeinflusser und Nutzer sowie Promotoren und Opponenten sind hierbei besonders aktive Mitwirkende im Buying Center. Im nächsten Schritt steht die Angebotseinholung im Vordergrund. Aus Sicht des potenziellen Lieferanten geht es vor allem darum, die Nutzenkriterien und Vorteile des eigenen Angebotes besonders herauszustellen. Angebote sind damit Marketingdokumente, deren Erstellung durchaus sehr aufwändig sein kann. Bestimmte Beschaffungsvorhaben und dies gilt insbesondere für öffentliche Aufträge, müssen ausgeschrieben werden (EU-Richtlinien). Bei der Angebotseinholung und -bewertung wirken in der Regel Nutzer und Einkäufer der Kundenorganisation mit.
3.6 Akquisition – Optimierung der Kundenakzeptanz
347
Auf der Grundlage der vorliegenden Angebote wird eine Anbietervorauswahl getroffen, an der aus dem Buying Center ebenfalls Nutzer und Einkäufer schwerpunktmäßig beteiligt sind. Häufig werden die potenziellen Lieferanten auch zu einer förmlichen Präsentation ihres Angebots gebeten. Solche Wettbewerbspräsentationen (engl. Pitch) sind in vielen Branchen üblich und bedeuten für die konkurrierenden Beratungsunternehmen eine nicht unerhebliche Vorleistung. Ergebnis dieser Qualifizierung ist zumeist eine sogenannte Shortlist. Diese enthält nur noch eine sehr kleine Anzahl von Anbietern, die sämtliche Mindestvoraussetzungen (engl. Order Qualifications) erfüllen. Mit den Unternehmen, die auf der Shortlist stehen, wird nun in die Phase der Verhandlungen eingetreten. Hier werden alle Auftragsmodalitäten wie Art, Qualität, Umfang und Dauer des Projektes, der Preis inkl. Fahrtkosten, Spesen, Ergänzungsleistungen, Gewährleistungsaspekte sowie Lieferungs- und Zahlungsbedingungen verhandelt. Aus dem Buying Center wirken Einkäufer, Nutzer und Entscheider als zentrale Akteure auf der Einkaufsseite mit. Die Verhandlungsphase mündet ein in den Vertragsabschluss mit dem Lieferanten, der bei sehr komplexen Projekten auch als Generalunternehmer fungieren kann. An der Auftragsvergabe bzw. am Vertragsabschluss direkt beteiligt sind in der Regel Einkäufer und Entscheider. In der abschließenden Phase der Leistungserbringung und -bewertung geht es um die Erfüllung der vertraglich festgelegten Leistungen sowie um deren Beurteilung. Bei größeren Projekten oder Investitionsvorhaben (z. B. Entwicklung von Individualsoftware) werden Leistungserbringung (engl. Delivery) und deren Bewertung auch in zeitlichen Abschnitten durchgeführt. Maßgeblich hierfür sind Meilensteinpläne, die dem Nutzer bzw. Anwender die Möglichkeit bieten, Zwischenkontrollen durchzuführen und ggf. – bei Schlechterfüllung – den Lieferanten zu wechseln. In Insert 3-27 ist der Einkaufsprozess für Beratungsleistungen der Daimler AG als Beispiel für den Einkauf von Dienstleistungen dargestellt.
348
Insert 3-27:
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Der Einkaufsprozess für Beratungsleistungen bei Daimler
3.6.4 Akquisitionszyklus (Sales Cycle) Der Akquisitionszyklus (engl. Sales Cycle) befasst sich mit den vertrieblichen Aktivitäten innerhalb eines Zeitraumes, der sich vom Erstkontakt mit einem Interessenten bzw. Kunden bis zum Auftragseingang oder der Ablehnung eines Angebotes erstreckt. Besonderes Merkmal von Beratungsleistungen und stark erklärungs- und unterstützungsbedürftigen Produkten ist ein relativ langer Akquisitionszyklus. Neben Entscheidungstragweite und Risiko dürfte die Länge des Akquisitionszyklus von der Anzahl der am Entscheidungsprozess beteiligten Personen (bzw. von der Größe des Buying Centers) abhängen. Im Geschäftskundenbereich und bei Systemprodukten kann der Sales Cycle durchaus mehrere Monate oder auch ein Jahr dauern [vgl. Lippold 1993, S. 233]. Die beiden Prozesse, die den Akquisitionszyklus bestimmen, sind der Leadmanagement-Prozess sowie der eigentliche Akquisitionsprozess, wobei die Grenze zwischen dem Leadmanagement und den nachfolgenden Sales-Prozessen, die zuweilen auch als Opportunity Management bezeichnet werden, nicht klar zu ziehen ist.
3.6 Akquisition – Optimierung der Kundenakzeptanz
349
Abbildung 3-53 gibt einen Überblick über die verschiedenen Begrifflichkeiten und Prozesse im Vertriebsmanagement.
Marketingmanagement Strategisches Marketing Segmentierung
Lead Generierung
Positionierung
Lead Erfassung
Vertriebsmanagement Lead-Entwicklung (Sales)
Operatives Marketing Kommunikation
Lead Qualifizierung
Distribution
Lead Transfer
Leadmanagementprozess
(Bestands-) Kundenentwicklung
Akquisition
Opportunity Management
Akquisitionsgespräch
Betreuung
Angebot/ Vertrag
Akquisitionsprozess
Akquisitionszyklus
© Dialog.Lippold
Abb. 3-53:
Begrifflichkeiten und Prozesse im Vertriebsmanagement
3.6.4.1 Leadmanagement
In Anlehnung an das englische Wort „Lead“, das für Hinweis oder Anhaltspunkt steht, wird die systematische Kundenidentifizierung und -verfolgung als Leadmanagement bezeichnet. Dabei ist das Leadmanagement nicht auf Interessenten bzw. Neukunden beschränkt, denn auch bei bestehenden Kunden können sich neue Geschäftspotenziale ergeben. Leadmanagement ist die Generierung, Qualifizierung und Priorisierung von Interessenbekundungen der Kunden mit dem Ziel, dem Sales werthaltige Kontakte bereitzustellen [vgl. Leußer et al. 2011, S. 632]. Der Leadmanagement-Prozess umfasst die Stufen
Lead Generierung, Lead Erfassung, Lead Qualifikation und Lead Transfer (Übergang des Leads in den Vertrieb zur Kundengewinnung).
Die erste Phase im Prozess ist die Lead Generation. Hier werden erste Informationen von Interessenten gesammelt werden, die als Ausgangspunkt für eine Kundengewinnung dienen. Zur Erstellung eines Leads kommt es über verschiedene Kontaktkanäle, wie z.B. Web, Telefon, E-Mail, Filialen, Marketing-Kampagnen etc. Initialzündung der Lead Generation ist somit das Kampagnen-Management, für das das Marketing (und nicht der Vertrieb) verantwortlich zeichnet [vgl. Bitkom 2010, S. 18 f.]. Über diese Kanäle erhält das Unternehmen die Daten des Interessenten (Anschrift, Branche, Unternehmensgröße etc.). Je nach Channel der Werbekampagne erfolgt die Antwort des Kun-
350
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
den auf unterschiedliche Weise (Ausfüllen von Web-Formularen oder gedruckten Antwortkarten, Anrufe bei einer Hotline, Besuche in einer Filiale etc.). Diese Daten werden in der Lead Erfassung zusammengetragen. Nach der Lead Erfassung reichert der Vertrieb die Leads mit weiteren Informationen wie demografische und psychografische Daten an. Im Rahmen der Lead Qualifizierung erfolgt eine Klassifizierung der Leads nach der Dringlichkeit der Bearbeitung. Besonders wichtig ist auch eine Einschätzung der Abschlusswahrscheinlichkeit. Damit sollen die wirklich ernsthaften Kontakte herausgefiltert werden. Der mangelhafte Erfolg vieler Vertriebsorganisationen gerade im Geschäft mit komplexen Produkten und Leistungen (B2B) ist ganz offensichtlich darauf zurückzuführen, dass ein Großteil der teuren Vertriebsressourcen mit der Verfolgung sogenannter „Luftnummern“ vergeudet wird. Nur durch eine gezielte Qualifizierung der Kontakte, in der bewusst Schwellenwerte gesetzt werden, lassen sich Akquisitionen kostengerechter und damit rentabel gestalten. Eine gute Möglichkeit für eine Qualifizierung von Kontakten ist die ABC-Analyse, die in Abbildung 3-54 dargestellt ist. In dem Beispiel dienen der Status des Akquisitionsprozesses, das voraussichtliche Datum der Auftragserteilung und die Einschätzung der eigenen Chancen als Kriterien und damit als Schwellen für die jeweilige Bewertung und Einstufung der Kontakte.
AKontakt
B-Kontakt
C-Kontakt
D-Kontakt
• Akquisitionsprozess im Prinzip abgeschlossen • Verbindliches Angebot ist abgegeben • Entscheidung fällt innerhalb von drei Monaten • Erfolgswahrscheinlichkeit > 50% • Preisinformation ist abgegeben • Pflichtenheft/Workshop durchgeführt • Entscheidung fällt innerhalb von 9 Monaten • Erfolgswahrscheinlichkeit 10 – 50% • Interessent ist qualifiziert (zielgruppenkonform)
• Interessent noch nicht qualifiziert
[Quelle: Lippold 1998, S. 229]
Abb. 3-54:
ABC-Analyse bestehender Kontakte im B2B-Bereich (Beispiel)
Die im Marketing generierten und im Vertrieb qualifizierten Kontakte müssen nun in den Sales Prozessen weiterbearbeitet werden. Dazu ist es erforderlich, die Leads an diejenigen Vertriebsmitarbeiter weiterzuleiten, die diese bearbeiten sollen (Lead Transfer). 3.6.4.2 Opportunity Management
Sales Prozesse gliedern sich in das Opportunity Management sowie das Angebots- und Auftragsmanagement. Teilweise wird das Opportunity Management aber auch dem Leadmanagement zugerechnet und als Lead Verfolgung bezeichnet. Das Opportunity Management beschreibt die systematische Identifikation und Nutzung konkreter Verkaufschancen (engl. Opportunities) mit dem Ziel, diese zu bearbeiten und in ein Angebot und einen Auftrag zu verwandeln [vgl. Jost 2000, S. 334].
3.6 Akquisition – Optimierung der Kundenakzeptanz
351
Letztlich geht es im Opportunity Management also darum, die Leads zeitnah in Abschlüsse umzumünzen. Nimmt der Vertrieb bspw. zu spät mit den Interessenten Kontakt auf, kann sich die sogenannte Konversionsrate (engl. Conversion rate), d. h. die Quote der Geschäftsabschlüsse im Vergleich zu allen Leads, deutlich verschlechtern. Daher haben stark vertriebsorientierte Unternehmen elektronische Eskalationssysteme für Fristüberschreitungen installiert. Das Opportunity Management unterstützt die Vertriebsmitarbeiter durch Analysen zum Status einer Opportunity, der jederzeit abgefragt werden kann, um einen aktuellen Gesamtüberblick über bestehende Verkaufschancen (Abschlusswahrscheinlichkeiten, erwartetes Abschlussvolumen und -datum) zu erhalten. Unterstützt werden die Vertriebsmitarbeiter durch grafische Pipeline-Analysen, in denen die einzelnen Opportunities in den verschiedenen Stufen des Akquisitionszyklus dargestellt werden [vgl. Leußer et al. 2011, S. 143]. Heutzutage übernehmen moderne Customer Relationship Management-Systeme (CRMSysteme wie z. B. Oracle Siebel, SAP CRM) die Analyse und Verfolgung bestehender Kontakte. Dabei erfolgt die Verwaltung und Dokumentation von Geschäften in Anbahnung nach den einzelnen Stufen (engl. Stages) des Sales Cycle. Auf diese Weise ist es möglich, Vertriebsanalysen, Auftragswahrscheinlichkeiten und Erfolgsquotenmessungen je Kontaktstufe vorzunehmen. Ein so eingerichtetes Pipeline Performance Management erlaubt überdies periodenspezifische Vertriebsprognosen anhand der Bewertung der ungewichteten oder gewichteten Vertriebspipeline auf jeder Kontaktstufe. In Abbildung 3-55 ist der Sales Cycle auf der Grundlage von sieben Kontaktstufen beispielhaft dargestellt.
Stage 1
Market Planning (PMP)
Stage 2 2.1 2.2 2.3 2.4
Abb. 3-55:
“Drive to” Campaign Focal Point Follow-up/Lead Identification Pre-Qualification
Stage 3
Qualification
Stage 4
Winning Strategy
Stage 5
Finalizing Solution
Stage 6
Proposing
Stage 7
Formalizing Agreement
Business Leadership Global Marketing Global Sales Sector Marketing Formal Handover from Marketing to Sales (Conversion 2 to 3)
Sales
© Dialog.Lippold
Beispiel eines Sales Cycle
Der Sales Cycle hat die Form eines „Vertriebstrichters“ (engl. Sales Funnel). Während in Stufe (Stage) 1 sämtliche Kontakte als Leads des Unternehmens erfasst sind, verdünnt sich der Trichter stufenweise bis zur Stufe 7, in der nur noch jene Kontakte enthalten sind, die eine hohe Auftragswahrscheinlichkeit besitzen und bei denen die Akquisition prinzipiell abgeschlossen ist. Es hat sich dabei durchgesetzt, die einzelnen Kontaktstufen eines Sales Cycle in Form eines „Vertriebstrichters“ (engl. Sales Funnel) abzubilden. Allerdings ist diese Bezeichnung im Grunde genommen verwirrend (siehe Insert 3-28).
352
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Insert 3-28: Der Sales Funnel hat ausgedient Insert 3-29 liefert mit „The Collaborative Selling Wheel“ ein Beispiel dafür, wie das beratungsunternehmen Capgemini seinen Sales Cycle in die Praxis umsetzt.
3.6 Akquisition – Optimierung der Kundenakzeptanz
Insert 3-29: „The Collaborative Selling Weel“ von Capgemini
353
354
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
3.6.5 Akquisitionscontrolling 3.6.5.1 Effizienzsteigerung im Vertrieb
Der direkte Vertriebsweg ist zweifellos der bedeutendste Kostenfaktor im Vermarktungsprozess von Beratungsleistungen. Mögliche Ansatzpunkte, um die Wirtschaftlichkeit im Vertrieb zu steigern, sind:
Straffung der administrativen Abläufe Förderung der Zusammenarbeit zwischen Vertrieb und Beratung Vereinfachung des Berichtswesens Einsatz des Internets für vertriebsunterstützende Maßnahmen Abbau von Hierarchieebenen.
Jede Stunde, die der Vertriebsmitarbeiter mit vertrieblich unproduktiven Tätigkeiten verbringt, fehlt für die qualifizierte Vertriebsarbeit [vgl. Bittner 1994, S. 180 f.]. Abbildung 3-56 zeigt als Beispiel die Ergebnisse einer Untersuchung, die das Software- und Beratungsunternehmen ADV/ORGA in den 80er Jahren durchgeführt hat und zum Anlass nahm, seine Vertriebsorganisation neu zu formieren [vgl. Lippold 1998, S. 231 ff.]. Ist Vertrieblich unproduktive Tätigkeiten • • • • •
Administration „Luftnummern“ verfolgen Mitarbeiter-Disposition Reklamationen bearbeiten Interne Meetings
Ziel 10 %
50 %
20 %
Vertriebliche Basisarbeit • • • • • •
Pflichtenhefte bearbeiten/koordinieren Termine abstimmen Informationen zusammenstellen Nachfass-Aktionen Adressenpflege Angebote/Verträge
20 % 70 %
Qualifizierter Vertrieb • • • •
Kundenkontakte vor Ort Präsentationen/Demos Vertriebsveranstaltungen Vertragsverhandlungen
30 %
[Quelle: Lippold 1998, S. 232]
Abb. 3-56:
Tätigkeiten eines Vertriebsbeauftragten im Software- und Beratungsbereich
Um die oben bereits angesprochenen „Luftnummern“ rechtzeitig zu erkennen, bietet es sich an, bereits direkt im Verkaufsgespräch oder im Vertriebsaudit Akquisitionsschwellen zu setzen. In Insert 3-30 sind mögliche Fragen zusammengestellt, die in diesem Zusammenhang einen scheinbar ersthaften Kontakt mit hoher Auftragswahrscheinlichkeit entlarven können [vgl. Lippold 1993, S. 233]:
3.6 Akquisition – Optimierung der Kundenakzeptanz
Insert 3-30:
355
Vier Fragen zur Überprüfung der Ernsthaftigkeit eines Akquisitionskontaktes
Sollten keine zufriedenstellenden Antworten auf diese oder ähnliche Fragen – wie in Insert 328 dargestellt – gegeben werden, so ist die Ernsthaftigkeit des Vertriebskontakts mehr als in Frage gestellt. Ggf. ist der Kontakt aus der Auftragserwartung zu streichen.
356
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Der stärkste Hebel zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit im Vertrieb ist im Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien zu sehen. Im Vordergrund stehen hierbei die bereits oben erwähnten CRM-Systeme, die konsequent auf die Kunden und die systematische Gestaltung der Kundenbeziehungen ausgerichtet werden müssen.
3.6.5.2 Kennzahlen im Vertrieb
Für den Vertriebsbereich bietet sich eine ganze Reihe wichtiger Kennzahlen (engl. Key Performance Indicators – KPIs) als Steuergrößen bzw. verdichtete Informationen über quantifizierbare Tatbestände im Akquisitionsprozess an. Allerdings gibt es nicht die „besten Kennzahlen“ oder das „beste Kennzahlensystem“ – zu unterschiedlich sind Ziele und Strategien einzelner Unternehmen und Branchen. Kennzahlen sind unternehmensindividuell und sollen Potenzial für Verbesserungen aufzeigen und nicht als pure Kontrolle missverstanden werden. Kennzahlen sollten nicht isoliert betrachtet werden. Ihre größte Aussagekraft entfalten sie erst im Gesamtzusammenhang des Kennzahlensystems in einer langfristigen Entwicklung. Für eine erfolgreiche Vertriebssteuerung ist es daher wichtig, die für das Unternehmen wirklich relevanten Kennzahlen auszuwählen und zeitnah zur Verfügung zu stellen. Denn mit einem effektiven Vertriebskennzahlensystem besitzt das Unternehmen ein umfassendes Informationsinstrument für sämtliche Absatz-, Kunden-, Wettbewerbs- und Marktsituationen. Vertriebskennzahlen bilden die Zielvorgaben für einzelne Vertriebsprozesse und steuern somit die Vertriebsorganisation als Ganzes als auch den einzelnen Vertriebsbeauftragten [vgl. Bitkom 2006, S. 2 ff.]. Vertriebskennzahlen füllen in erster Linie drei Funktionen aus. Sie dienen
als die Grundlage für die Vertriebsplanung,
dem Controlling als Grundlage für das Aufspüren von Verbesserungspotenzialen und
der Motivation der Mitarbeiter, indem sie die einzelnen Vertriebsleistungen bewerten und vergleichen und damit Basis für die Berechnung von variablen Vergütungsanteilen sind.
Um die Vielzahl der zur Verfügung stehenden Vertriebskennzahlen besser einordnen zu können, sollen eine ausgewählte Anzahl entlang des Akquisitionszyklus mit den Phasen Lead Generierung, Lead Qualifizierung und Akquisitionsprozess aufgeführt werden. Darüber hinaus lassen sich noch Kennziffern aus den anfallenden Akquisitionskosten bilden. Abbildung 3-57 liefert den entsprechenden Überblick.
3.6 Akquisition – Optimierung der Kundenakzeptanz
Phase des Akquisitionszyklus Lead Generierung
Lead Qualifizierung
Akquisitionsprozess (Abschluss)
Kennziffer
Ziel
• Rücklaufquote (Feedback) pro Vertriebs-/ Marketingaktion
• Erfolg der Aktionen erhöhen
• Prozentualer/absoluter Anteil von Messe-/ Event-/Aktionsaufwendungen am Marketingbudget
• Marketingkosten ergebnisorientiert steuern
• Veranstaltungsindex bestehend aus Hausmessen/Ausstellungen/Roadshow, Messen, Präsentationen, Demo's etc.
• Erfolgsorientiertes Eventmanagement
• Adress-/Bedarfs-qualifiziertes Potenzial zu Gesamtpotenzial
• Direktmarketingkosten optimieren
• Gewonnene Prospects, d. h. das Verhältnis der Anzahl der bearbeiteten Leads in einer Kategorie mit hoher Abschlusswahrscheinlichkeit zur nächst niedrigeren Stufe
• Messung und Steuerung des Lead-Qualifizierungsprozesses
• Forecast Sales Pipeline
• Planbarkeit AEs erhöhen
• Realisierte Auftragseingangs-, Umsatz-, DBQuote, d. h. Anzahl Mitarbeiter zu Auftragseingang, Umsatz, DB
• Erhöhung der Vertriebsproduktivität
• Angebotserfolgsquote, d. h. die Anzahl der erfolgreichen Angebote im Verhältnis zu allen abgegebenen Angeboten
• Angebotserfolge erhöhen
• Total Contract Value (TCV) abgegebener Angebote
• Transparenz der TCV-Entwicklung
• Auftragsverlustquote, d. h. Anzahl der nicht erzielten Aufträge im Verhältnis zu allen abgegebenen Angeboten
• Anzahl der Aufträge aus Angeboten erhöhen
• Gewährte Rabatte/Erlösschmälerungen zu Brutto-Auftragseingang/Umsatz-Auftragswerten
• Einhaltung geplanter Marktpreise
• Neukundenquote, d. h. Anzahl der Aufträge bei Erstkunden im Verhältnis zur Anzahl aller Aufträge innerhalb einer definierten Periode
• Entwicklung des Neugeschäfts
• Entwicklung des Kundenbestands („Schlagzahl“)
• Erhöhung der Angebotsattraktivität
• Abschlussquote (engl. Conversion rate), d. h. Anzahl aller erzielten Aufträge im Verhältnis zur Gesamtzahl der Auftragserwartungen innerhalb einer definierten Periode
• Klarheit über die erfolgreichen Zielkundensegmente erhalten
• Auftragsquote, d. h. Anzahl der erzielten Aufträge pro 10 Kundenbesuche
• Verbesserung der Vertriebseffektivität
• Zeitlicher Anteil der Vertriebskontakte im Verhältnis zur gesamt verfügbaren Arbeitszeit
• Produktivität der Vertriebsmitarbeiter optimieren
[Quelle: Bitkom 2006, S. 13 ff. ; Görgen 2014, S. 56]
Abb. 3-57:
357
Ausgewählte Akquisitionskennzahlen
358
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
3.6.6 Das Akquisitionsgespräch 3.6.6.1 Voraussetzungen für den Akquisitionserfolg
Das wesentliche Ziel des persönlichen Verkaufs besteht darin, den Auswahl- und Entscheidungsprozess beim Kunden so zu beeinflussen, dass letztlich der Verkaufsabschluss realisiert wird. Drei Voraussetzungen sind für den Akquisitionserfolg eines Verkäufers im Beratungsgeschäft unabdingbar:
Der Vertriebsmitarbeiter muss sein Beratungsangebot mit seinen Leistungsmerkmalen und dem daraus folgenden Nutzen für das Kundenunternehmen kennen.
Der Vertriebsmitarbeiter muss den objektiven Bedarf und die subjektiven Bedürfnisse der Kunden so gut kennen, dass er beurteilen kann, mit welchem Leistungsprogrammausschnitt er den Bedarf/die Bedürfnisse am besten befriedigen kann.
Der Vertriebsmitarbeiter muss in der Lage sein, durch angemessenes Verhalten das Kundenunternehmen zu der Überzeugung kommen zu lassen, dass bei ihm seine Wünsche am besten erfüllt werden.
Da die vom Kunden gewünschte Beratungsleistung (= Anforderungsprofil) häufig mit dem (Erst-)Angebot des Beratungsunternehmens (= Leistungsprofil) nicht übereinstimmt bzw. nicht deckungsgleich ist, ist es Aufgabe des Vertriebsmitarbeiters, Abweichungen zu analysieren, zu bewerten und zu priorisieren. Abweichungen treten immer dann auf, wenn aus Kundensicht ein Teil der Beratungsleistung die Anforderungen nicht abdeckt, oder dann, wenn die angebotene Leistung mehr bietet als nachgefragt bzw. honoriert wird (siehe Abbildung 3-58).
Vom Kunden gewünschte Produktleistung (→ Anforderungsprofil)
Aus Kundensicht fehlende Produktleistung (Anforderungsprofil > Leistungsprofil)
Underengineering Tendenz zu Modifikation
Angebotenes Produkt (→ Leistungsprofil)
Anforderungsprofil = Leistungsprofil
Vom Kunden nicht honorierte Produktleistung (Anforderungsprofil < Leistungsprofil)
Overengineering Tendenz zur Überforderung des Kunden © Dialog.Lippold
Abb. 3-58:
Gegenüberstellung von Anforderungsprofil und Leistungsprofil
Beim Akquisitionsgespräch lassen sich nach den Gesprächsphasen das Kontaktgespräch, das Vertiefungsgespräch und das Abschlussgespräch unterscheiden. Nach dem Gesprächsinhalt kann zwischen dem Fachgespräch und dem (reinen) Informationsgespräch differenziert werden.
3.6 Akquisition – Optimierung der Kundenakzeptanz
359
Besonders wichtig ist die Einteilung des Verkaufsgesprächs nach dem Standardisierungs- bzw. Strukturierungsgrad (siehe Abbildung 3-59). Ein standardisiertes Gespräch wird in aller Regel nur im Telefonverkauf (vornehmlich durch Call Center) durchgeführt. Der persönliche direkte Vertriebskontakt wird im Beratungsgeschäft in Form eines nicht-standardisierten Gesprächs wahrgenommen. Verlässt sich der Verkäufer dabei ausschließlich auf seine Intuition und seine „Tagesform“, so wird er ein nicht-strukturiertes Gespräch führen. Eine solche unvorbereitete Gesprächsform ist allerdings nicht zu empfehlen, denn angesichts unterschiedlicher Zielsetzungen zwischen Käufer und Verkäufer sollte ein Verkaufsgespräch gut vorbereitet und zuvor gedanklich strukturiert sein. Daher wird für den Vertrieb von komplexen Beratungsleistungen immer das strukturierte Verkaufsgespräch die Grundlage für einen erfolgreichen Abschluss bilden. Arten des Akquisitionsgesprächs
Nach dem Standardisierungsgrad
Nach den Gesprächsphasen
Nach dem Gesprächsinhalt
• Kontaktgespräch • Vertiefungsgespräch • Abschlussgespräch
• Fachgespräch • Informationsgespräch Standardisiertes Gespräch
Strukturiertes Akquisitionsgespräch
© Dialog.Lippold
Abb. 3-59:
Nicht-standardisiertes Gespräch
Nicht-strukturiertes Gespräch
Arten des Akquisitionsgesprächs
Im Folgenden werden sechs Phasen des Verkaufsgesprächs unterschieden (siehe Abbildung 360).
Segmentierung
Lead Generierung
Gesprächsvorbereitung
Positionierung
Lead Erfassung
Gesprächseröffnung
Kommunikation
Lead Qualifizierung
Bedarfsanalyse
Vertrieb
Lead Transfer
Nutzenargumentation
Akquisition
Opportunity Management
Akquisitionsgespräch
Einwandbehandlung
Betreuung
Angebot/ Vertrag
Gesprächsabschluss
© Dialog.Lippold
Abb. 3-60:
Phasen des Akquisitionsgesprächs
360
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Diese Phasen werden im Laufe eines Verkaufsgesprächs durchlaufen und stellen einen vorgedachten Gesprächsaufbau im Sinne eines strukturierten Verkaufsgesprächs dar [vgl. Heitsch 1985, S. 181 ff.]. Wesentlich dabei ist, dass diese Phasen nicht zwingend in obiger Reihenfolge durchlaufen werden müssen. Auch kann es sein, dass die eine oder andere Phase übersprungen werden kann. So wird ein Abschlussgespräch andere Schwerpunkte bei den Gesprächsphasen legen als ein Kontaktgespräch oder ein Informationsgespräch. Prinzipiell sollte sich aber jeder Verkäufer im Vorfeld eines Verkaufsgesprächs darüber im Klaren sein, dass die in diesen Phasen zu berücksichtigenden Punkte im Verkaufsgespräch auch tatsächlich auf ihn zukommen. Insert 3-31 liefert eine kurze Zusammenfassung über die sechs Bausteine (Phasen), die den Vertriebserfolg ausmachen.
Insert 3-31:
Sechs Bausteine des Verkaufsgesprächs
3.6 Akquisition – Optimierung der Kundenakzeptanz
361
3.6.6.2 Gesprächsvorbereitung
Vorbereitung ist vorgedachte Wirklichkeit, d. h. durch eine sorgfältige Vorbereitung lassen sich die Erfolgschancen im Verkaufsprozess erhöhen. In der Phase der Gesprächsvorbereitung sollte sich der Vertriebsmitarbeiter über die Situation seines Gesprächspartners (Zielsetzungen, Erwartungshaltung, Einfluss auf die Kaufentscheidung) informieren. Gleichzeitig muss der Vertriebsmitarbeiter die Situation seines eigenen Unternehmens im Hinblick auf die spezifische Kundensituation reflektieren (Kundenzufriedenheit, Kaufhistorie etc.). Auch muss er seine eigenen Vertriebsziele und seine Vorgehensweise abstecken sowie evtl. Konfliktstoffe ins Kalkül ziehen. Was bei der Gesprächsvorbereitung im Einzelnen zu beachten ist und welches die wichtigsten Punkte dieser Phase sind, ist in Abbildung 3-61 zusammengetragen.
Was bei der Gesprächsvorbereitung zu beachten ist
Wichtige Punkte der Gesprächsvorbereitung
Die Bedeutung der Gesprächsvorbereitung
• Wer ist mein Kunde und was will er erreichen?
• Sorgfältige Vorbereitung, nicht auf eigene Intuition verlassen
• Durch sorgfältige Vorbereitung Erfolgschancen erhöhen
• Was möchte ich erreichen, wenn es gut läuft?
• In die Lage des Partners versetzen
• Misserfolgssituation mindern
• Was möchte ich erreichen, wenn ich merke, dass ich nicht weiterkomme?
• Gesprächsziel definieren • Grobe Vorgehensweise vordenken
• Bedeutung von Intuition und Tagesform verringern
• Hilfsmittel planen (Demo, PC, Beamer, Präsentationsunterlagen)
• Zeit sparen • Stress vermindern
• Mentale Einstellung auf Fragen und Einwände
• Denn: Vorbereitung ist vorgedachte Wirklichkeit
• Wo treffen sich Kundeninteressen mit meinen eigenen? • Wo liegt Konfliktstoff? • Wie will ich vorgehen? [Quelle: Lippold 2015a, S. 376]
Abb. 3-61:
Die Gesprächsvorbereitung im Überblick
3.6.6.3 Gesprächseröffnung
Die Gesprächseröffnung ist deshalb so wichtig, weil der erste Eindruck, den sich ein Gesprächspartner von seinem Gegenüber macht, sehr viel nachhaltiger ist, als die Zeitabschnitte, die dann folgen. So haben Verhaltensforscher nachgewiesen, dass es max. 30 Sekunden dauert, bis zwei wissen, ob sie sich sympathisch sind oder nicht. Der erste Eindruck bestimmt das Akquisitionsgespräch also in hohem Maße, wobei auch “Kleinigkeiten” wie z.B. Kleidung zählen. Hinzu kommt, dass es wesentlich leichter ist, einen guten Eindruck aufrechtzuerhalten als einen negativen Eindruck aufzuheben und positiv neuzugestalten. Da es dem Gesprächspartner an Erfahrung mit seinem Gegenüber mangelt, wird er alles an Vorurteilen und Augenblickseindrücken heranziehen, um sich ein Urteil über sein Gegenüber zu bilden [vgl. Heitsch 1985, S. 275]. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass der Vertriebsmitarbeiter auf seine Sprache, Gestik, Mimik und Körperhaltung besonders achtet. Auch muss er sich ein genaues Bild von der Gesprächsatmosphäre, von der Rollen- und Machtverteilung seiner Gesprächspartner und von der eigenen Situation im Gespräch machen [vgl. Homburg/Krohmer 2009, S. 862].
362
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Die wichtigsten Punkte der Gesprächseröffnung sind in Abbildung 3-62 festgehalten.
Was bei der Gesprächseröffnung zu beachten ist
Wichtige Punkte der Gesprächseröffnung
Besonderheiten der Gesprächseröffnung
• Verhaltensforscher haben nachgewiesen, dass es max. 30 Sekunden dauert, bis zwei wissen, ob sie zueinander passen oder nicht • Der erste Eindruck bestimmt das Verkaufsgespräch (auch “Kleinigkeiten”, z.B. Kleidung, zählen) • Es ist wesentlich leichter, einen guten Eindruck aufrechtzuerhalten als einen negativen Eindruck aufzuheben und positiv neuzugestalten
• Lernbereitschaft herstellen • Positive Erwartungshaltung wecken
• Da es dem Gesprächspartner an Erfahrung mit seinem Gegenüber mangelt, wird er alles an Vorurteilen und Augenblickseindrücken heranziehen, um sich ein Urteil über sein Gegenüber zu bilden! • Versuchen Sie nicht, zurückzurudern – es wird dann meistens nur schlimmer!
• "Selbstmorderöffnungen" vermeiden • Grund und Nutzen des Besuches nennen • Zeitlichen und inhaltlichen Rahmen nennen • Positiv bleiben, auch wenn es am Anfang nicht so recht läuft
© Dialog.Lippold
Abb. 3-62:
Gesprächseröffnung im Überblick
3.6.6.4 Bedarfsanalyse
Der Bedarfsanalyse kommt bei Erst- und Kontaktgesprächen eine besondere Bedeutung zu. Hier geht es darum, die Kaufmotive des Kunden zu ergründen. Diese Kaufmotive sind personenbezogen und haben einen Einfluss auf die einzusetzenden Argumente des Verkäufers. Ist das dominante Kaufmotiv des Ansprechpartners bspw. Sicherheit, so sollte der Vertriebsmitarbeiter mit Formulierungen wie „ … das sichert Ihnen …“ oder „…das gewährleistet Ihnen …“ verstärkt den Sicherheitsaspekt ansprechen. Ist das Kaufmotiv dagegen Kosten oder Gewinn, so sind Verbalisierungen wie „ … das bringt Ihnen …“ oder „ … damit erreichen Sie …“ wirkungsvolle Formulierungen. In dieser Phase gilt es, konzentriert aktiv (z. B. in Form von Fragen) oder passiv (z. B. in Form von signalisierter Zuwendung und Interesse) zuzuhören. Der Einsatz von Fragetechniken (offene und geschlossene Fragen) steht im Zentrum der Bedarfsanalyse, denn wer fragt, führt das Gespräch. Abbildung 3-63 gibt einen Überblick über wichtige Punkte dieser Phase. Was bei der Bedarfsanalyse zu beachten ist
Wie bei der Bedarfsanalyse vorzugehen ist
Fragetechniken bei der Bedarfsanalyse
• Kunde erwirbt nur Produkte/ Leistungen die seine subjektiven Bedürfnisse und seinen objektiven Bedarf befriedigen (Bedarf sind konkretisierte Bedürfnisse)
• Konzentriert passiv zuhören Ungeteilte Aufmerksamkeit zuwenden Körpersprache einsetzen Interesse signalisieren
• Offene Fragen (W-Fragen) wer, wann, wo, womit, was, wozu, weshalb, welche, wie, ... erfragen Meinungen lassen sich nicht mit Ja oder Nein beantworten
von deren Nutzen/Vorteil er überzeugt ist • Kaufmotive des Kunden ergründen, damit nutzen-orientiert argumentiert werden kann
• Aktiv zuhören Paraphrasieren Verbalisieren Kontrollierter Dialog Fragen stellen Wer fragt, führt das Gespräch!
[Quelle: Lippold 2015a, S. 378]
Abb. 3-63:
Bedarfsanalyse im Überblick
• Geschlossene Fragen beginnen mit einem Verb und lassen sich mit Ja oder Nein beantworten haben lenkende Wirkung können unbedenklich verwendet werden, um sich einer Übereinstimmung zu versichern
3.6 Akquisition – Optimierung der Kundenakzeptanz
363
3.6.6.5 Nutzenargumentation
Die Nutzenargumentation im Rahmen des Verkaufsgesprächs (engl. Benefit Selling) sollte vor dem Hintergrund erfolgen, dass der Kunde keine Leistungen oder Produkte erwerben will, sondern den Nutzen bzw. den Vorteil, den er sich von den Leistungen erhofft. D. h. die verwendeten Argumente müssen den Nutzen von Leistungsmerkmalen anschaulich und glaubhaft machen. Solche Merkmals-/Nutzen-Argumentationen werden dann zu schlagenden Argumenten, wenn sie zusätzlich die Motivlage des Ansprechpartners treffen („Der Köder soll dem Fisch schmecken und nicht dem Angler“). In Abbildung 3-64 ist an einem einfachen Beispiel illustriert, wie nachteilig eine Argumentation, die sich auf reine Leistungseigenschaften konzentriert (engl. Character Selling), im Vergleich zu einer Merkmals-/Nutzen-Argumentation wirkt. Und das kann darunter verstanden werden:
Character Selling
“Wir haben eine Qualitätskontrolle”
Merkmal
Benefit Selling
„Unsere Qualitätskontrolle
• • • • • • •
Die haben's wohl sehr nötig! Das sagen alle, um mehr verlangen zu können. Das verteuert das Ganze. Fein, dann wird ja alles störungsfrei laufen. Gut, dann haben wir ja richtig entschieden. Der spricht von Selbstverständlichkeiten. Da schlupft auch noch was durch.
Verb
Nutzen
Motiv
spart
unnötige Reklamationskosten.“
Geld
erhöht
die Funktionssicherheit.“
Sicherheit
steigert
Ihren Ruf als qualitativer Marktführer.“
Ansehen
[Quelle: Lippold 2015a, S. 378]
Abb. 3-64:
Gegenüberstellung von Character Selling und Benefit Selling
Wichtig bei der Nutzenargumentation ist darüber hinaus, dass der Verkäufer diskutierte Leistungsmerkmale zweiseitig argumentiert. Dadurch erhöht er die Glaubwürdigkeit seiner Aussagen, denn nur Vorteile gibt es nicht. Dem erwarteten Nutzen stehen zumindest immer Kosten gegenüber. Ferner sollten Fachausdrücke vermieden werden (es sei denn, der Kunde spricht sie aus). Auch sollte der Vertriebsmitarbeiter die Lernbereitschaft des Kunden nicht überfordern, sondern die Argumente zusammenfassen, Zwischenergebnisse festhalten und die vom Gesprächspartner akzeptierten Argumente wiederholen. Auch sollte man mit der Argumentation erst dann fortschreiten, wenn Einigkeit über ein wichtiges Argument erzielt worden ist. 3.6.6.6 Einwandbehandlung
Einwände sind für jeden Verkäufer lästig. Sie ziehen seine Glaubwürdigkeit in Zweifel oder zeigen, dass der Kunde die Argumente nicht verstanden hat oder nicht verstehen will. In jedem Fall verzögern Einwände das Verkaufsgespräch. Ursachen für Einwände können sein, dass die gegebenen Informationen nicht verstanden werden. Es kann aber auch sein, dass der Gesprächspartner die Information sehr wohl verstanden hat, diese aber anders bewertet. Schließlich kann
364
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
es auch sein, dass der Kunde im Vorfeld des Verkaufsgesprächs andere Informationen hatte, die ihn zu anderen Schlüssen kommen lässt. Ziel der Einwandbehandlung ist es, eine gemeinsame Informationsbasis zwischen Verkäufer und Kunden zu schaffen, d. h. es sollte eine Einigung über die Bewertung der Informationen geben, ohne dass es Sieger oder Besiegte gibt. Die Einwandbehandlung wird in den einschlägigen Vertriebstrainings und Verkäuferschulungen immer wieder geprobt. Bewährte Einwandbehandlungstechniken – wie in Abbildung 365 gezeigt – stehen dabei im Vordergrund. Bei der Behandlung von Einwänden geht es letztlich nicht darum, wer Recht hat. Selbst wenn der Verkäufer immer Recht bekommt, unterliegt er mindestens einmal: Wenn er die Unterschrift unter den Vertrag nicht bekommt. Was bei der Einwandbehandlung zu beachten ist
Wie bei der Einwandbehandlung vorzugehen ist
• Einwände sind lästig. • Einwände ziehen die Glaubwürdigkeit in Zweifel oder zeigen die Begriffsstutzigkeit des Kunden. • Einwände verzögern sie das Verkaufsgespräch.
• Einwand vorwegnehmen • "Ja—Aber"—-Methode • Bumerang-Methode, bei der ein Einwand in ein positives Argument umgewandelt wird (… ja, gerade deshalb …“) • "Gesetzt—den—Fall—dass“ • Wiederholen und versachlichen • Verbalisieren von Emotionen • "Pro-und-Kontra"-Methode • Einwände zusammenfassen
Ursachen für Einwände • Informationen wurden nicht verstanden. • Informationen wurden verstanden, werden aber anders bewertet. • Kunde hat andere Informationen und lassen ihn zu anderen Schlüssen kommen.
Ziele der Einwandbehandlung • Schaffung einer gemeinsamen Informationsbasis • Einigung über deren Bewertung (ohne dass es Sieger oder Besiegte gibt!) • Bei der Behandlung von Einwänden geht es nicht darum, wer Recht hat. Selbst wenn der Verkäufer immer Recht bekommt, unterliegt er mindestens einmal: wenn er die Unterschrift unter den Vertrag nicht bekommt!
© Dialog.Lippold
Abb. 3-65:
Einwandbehandlung im Überblick
3.6.6.7 Gesprächsabschluss
Für den Kunden kommt die Entscheidung fast immer zu früh, denn es besteht in aller Regel – trotz bester Argumente – immer noch ein Stück Restunsicherheit. Trotzdem: Wenn alle Fragen geklärt sind und keine Einwände mehr bestehen, ist die Zeit für eine Entscheidung reif. Häufig sendet der Kunde auch bereits Kaufsignale, z. B. wenn er sehr häufig und unaufgefordert zustimmt oder Fragen stellt, die erst nach dem Kauf relevant sind. Weitere Kaufsignale können sein, dass sich der Kunde über die Erfahrung anderer Kunden (= Referenzen) informiert, um die eigene Entscheidung final abzusichern. Ein recht zuverlässiges Kaufsignal ist auch, wenn der Kunde bereits nach Zahlungsterminen fragt oder sich mit Details beschäftigt, die ebenfalls erst nach dem Kaufabschluss zu Tragen kommen. Wenn der Kunde ungeduldig wird, sollte man darauf verzichten, seine noch so guten Argumente fortzuführen. Der Kunde entscheidet! Häufig muss dem Gesprächspartner beim Abschluss über die Schwelle hinweg geholfen werden. Hierzu bietet sich dem Verkäufer die direkte Aufforderung („Ich meine, wir sind uns einig, was meinen Sie?“) oder die indirekte Aufforderung („Was steht aus Ihrer Sicht einer Entscheidung noch im Wege?“) an.
3.6 Akquisition – Optimierung der Kundenakzeptanz
365
Sollte allerdings keine Entscheidung erreichbar sein, so müssen die Teilergebnisse gesichert und das weitere Vorgehen vereinbart werden (z. B. Aktionsplan, Referenzbesuch, Termin bei der Geschäftsführung). Generell stellt der Gesprächsabschluss für jeden Vertriebsmitarbeiter eine besondere Herausforderung dar. Die Anforderung, die in diesem Zusammenhang an die Qualifikation des erfolgreichen Verkäufers zu stellen ist, betrifft seine Abschlusssicherheit. Da ganz offensichtlich die Dauer der Auswahl- und Entscheidungsprozesse mit der Komplexität der einzusetzenden Lösung zunimmt, droht häufig die Gefahr, dass sich die Prozesse schier endlos und für beide Seiten unbefriedigend hinziehen. Die wichtigsten Punkte beim Gesprächsabschluss sind in Abbildung 3-66 zusammengefasst. Kaufsignale, die beim Gesprächsabschluss zu beachten sind
Wie beim Gesprächsabschluss vorzugehen ist
Die wichtigsten Punkte beim Gesprächsabschluss
•
• Direkte Aufforderung zur Entscheidung • ("Ich meine, wir sind uns einig, was meinen Sie?) • Indirekte Aufforderung zur Entscheidung ("Was steht einer Zusammenarbeit noch im Wege?) • Bei Nichteinigung einen Aktionsplan vereinbaren (Referenzbesuch, Termin bei der Geschäftsleitung)
• Für den Kunden kommt die Entscheidung fast immer zu früh (Restunsicherheit) • Trotzdem: Wenn alle Fragen geklärt sind und keine Einwände mehr bestehen, ist die Zeit für eine Entscheidung reif • Dem Gesprächspartner über die Schwelle hinweghelfen • Falls keine Entscheidung erreichbar, Teilergebnisse sichern und weiteres Vorgehen vereinbaren
• • • • •
Kunde stimmt häufig ohne Aufforderung zu Kunde stellt Fragen, die erst nach dem Kauf wichtig werden Kunde fragt nach der Erfahrung anderer Kunden (Referenzen), um eigene Entscheidung abzusichern Kunde beschäftigt sich bereits mit Details Kunde formuliert immer öfter Zustimmung Kunde fragt nach Zahlungsterminen
© Dialog.Lippold
Abb. 3-66:
Gesprächsabschluss im Überblick
3.6.7 Angebots- und Vertragsgestaltung Das Aktionsfeld Akquisition wird in der Regel mit der Angebots- und Vertragsgestaltung abgeschlossen. Die Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes kann mündlich („Senden Sie uns doch bitte ein Angebot zu“) oder formal als „Request for Proposal – RfP“ erfolgen. 3.6.7.1 Vertragliche Grundlagen
Mit der Abgabe eines Angebots existiert aber noch kein Vertrag. Ein Vertrag kommt grundsätzlich erst durch die Übereinstimmung von Antrag und Annahme zustande. Da der Antrag sowohl vom Auftragnehmer als auch vom Auftraggeber ausgehen kann, kommt ein Vertrag zustande durch
Angebot des Auftragnehmers und Auftrag (Bestellung) des Auftraggebers oder durch Auftrag (Bestellung) des Auftraggebers und Auftragsbestätigung des Auftragnehmers.
In der Beratungsbranche ergeben sich somit für den Vertragsabschluss folgende Möglichkeiten:
Der Berater macht ein Angebot, das Kundenunternehmen erteilt den Auftrag rechtzeitig und ohne Abänderungen. Damit ist der Vertrag zustande gekommen.
366
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Der Berater unterbreitet ein Angebot, das Kundenunternehmen bestellt zu spät oder mit Abänderungen (Erweiterungen oder Einschränkungen). Die verspätete Annahme des Antrages oder eine Annahme mit Änderungen gelten als neuer Antrag. Der Vertrag kommt erst durch Annahme des neuen Antrags zustande.
Das Kundenunternehmen erteilt einen Auftrag ohne vorhergehendes Angebot, der Berater bestätigt den Auftrag. Der Vertrag kommt mit der Annahme des Auftrages zustande.
Da es sich bei dem Angebot von Beratungsunternehmen in aller Regel um ausgesprochen erklärungsbedürftige Leistungen handelt, wäre die Abfassung und Unterzeichnung eines formellen (schriftlichen) zweiseitigen Vertrages, in dem das Kundenunternehmen die Rechtsposition des Beraters ausdrücklich zur Kenntnis nimmt, der beste Weg zur Eingrenzung der vertraglichen Rechte und Pflichten beider Vertragspartner. Wie heißt es so schön: „Die besten Verträge sind die, die in der Schublade bleiben können.“ Nun zeigt die Praxis allerdings immer wieder, dass eben nicht alle Verträge in der Schublade bleiben – auch nicht in der Beratungsbranche. In solchen Fällen, d. h., wenn Konfliktsituationen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer auftreten, dann stellen gute Verträge so etwas wie ein „Krisenmanagement“ dar. Das Ergebnis schlechter Verträge sind dagegen ganz oder teilweise „uneinbringliche Forderungen“. Die Lehre daraus lautet: Wer in Verträgen für Konfliktlösungen vorgesorgt hat, kann sich erlauben, Konflikte geschäftspolitisch großzügig zu klären. Wie die Praxis aber auch immer wieder zeigt, werden solche zweiseitig entwickelten Vertragsentwürfe im Allgemeinen eingehenden, vor allem aber zeitraubenden Prüfungen durch die Rechtsabteilungen der Kundenunternehmen unterzogen. Im Sinne einer zügigen Vertragsabwicklung haben sich daher viele Beratungsunternehmen nicht für die Aushandlung eines formellen zweiseitigen Vertrages, sondern mit dem Aufbau und der Vorlage eines ausführlichen Angebots auf der Basis von Angebotsbausteinen mit entsprechenden Mustertexten für eine etwas elastischere Vorgehensweise entschieden. Zwar handelt es sich dabei aus juristischer Sicht nur um den zweitbesten, allerdings deutlich schnelleren Weg der Vertragsgestaltung:
Der potenzielle Auftraggeber, also das Kundenunternehmen, erhält vom Berater zunächst ein ausführliches, schriftliches Angebot, an das der Berater sechs Wochen gebunden ist.
Das Kundenunternehmen erteilt dem Berater einen schriftlichen Auftrag, in dem es sich auf das ihm vorliegende Angebot bezieht. Sollte das Kundenunternehmen den Auftrag zu spät, d. h. nach Ablauf von sechs Wochen, oder mit Abänderungen erteilen, so gilt dies wieder als neuer Antrag. Die Reaktion des Beraters auf ein solches Vorgehen muss entweder die Formulierung eines neuen Angebotes oder die Bestätigung dieser Bestellung sein.
Das Kundenunternehmen erhält in jedem Fall eine abschließende Auftragsbestätigung vom Berater.
Somit orientieren sich die Rechtsgeschäfte dieses vereinfachten Verfahrens an der dreistufigen Kette: „Angebot – Auftrag (Bestellung) – Auftragsbestätigung“.
3.6 Akquisition – Optimierung der Kundenakzeptanz
367
Sollte ein Kundenunternehmen dem Berater einen schriftlichen Auftrag erteilen, indem es von dem vorliegenden Angebot abweicht, so muss der Berater sofort, prompt und unverzüglich reagieren, da Schweigen als Bestätigung der Abänderung betrachtet werden kann. Derartige Abweichungen können sein:
Geänderte Preise Veränderte Termine Einkaufsbedingungen des Auftraggebers als Grundlage der Bestätigung Haftungserweiterungen Änderungen der Gewährleistungsfristen Geänderte Zahlungsbedingungen Änderung des Gerichtsstandes.
Abbildung 3-67 verdeutlicht die unterschiedlichen Möglichkeiten, bei denen ein Vertrag im Beratungsgeschäft zustande kommen kann.
Berater unterbreitet Angebot
Kunde erteilt Auftrag (Bestellung)
Berater unterbreitet Angebot
Kunde erteilt Auftrag mit Änderungen
Berater unterbreitet neues Angebot
Kunde erteilt Auftrag (Bestellung)
Vertrag
Kunde erteilt Auftrag (Bestellung)
Berater bestätigt Auftrag (Auftragsbestätigung)
Vertrag
1
2
3
Vertrag
Änderungen hinsichtlich • Preisen • Terminen • Bedingungen • Haftung • Gewährleistung etc.
Geübte Praxis: Dreistufige Vertragskette
4
Angebot
Bestellung
Auftragsbestätigung
Vertrag
© Dialog.Lippold
Abb. 3-67:
Möglichkeiten des Vertragsabschlusses in der Beratungsbranche
3.6.7.2 Dienstvertrag vs. Werkvertrag
Die nächste wichtige Frage, die sich im Zusammenhang mit der Vertragsgestaltung stellt, ist die Frage nach der schuldrechtlichen Zuordnung des Vertrages. Handelt es sich bei der Beratungstätigkeit also um einen Dienstvertrag oder um einen Werkvertrag?
368
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Die Abgrenzung ist im Wesentlichen dahingehend vorzunehmen, dass ein Dienstvertrag dann vorliegt, wenn die Tätigkeit selbst geschuldet wird, ein Werkvertrag dagegen dann, wenn der Erfolg der Tätigkeit geschuldet wird. Beim Werkvertrag ist das Tätigwerden lediglich Mittel zum Zweck der Vertragserfüllung, beim Dienstvertrag dagegen die fachlich qualifizierte Tätigkeit die Vertragserfüllung selbst. Praktisch gesehen hängt die vertragliche Zuordnung vom Grad der Aufgabenstellung ab: Liegt eine klar abgegrenzte, wohldefinierte Aufgabenstellung vor, bei der entsprechende Voraussetzungen und Vorleistungen zu erfüllen sind, so handelt es sich regelmäßig um einen Werkvertrag. Sind diese Bedingungen nicht erfüllt, so dass sich der Berater nicht in der Lage sieht bzw. auch gar nicht sehen kann, den Erfolg seiner Tätigkeit zu garantieren, ist die rechtliche Basis der Dienstvertrag. Reine Beratung ist also regelmäßig eine Dienstleistung. Besonders bei der IT-nahen Dienstleistung wird der Berater allerdings nicht umhinkommen, für bestimmte Tätigkeitsbereiche einen Werkvertrag nach §§ 631 ff. BGB abzuschließen. Dies gilt insbesondere für die softwaretechnische Realisierung oder für klar umrissene Aufgabenstellungen wie z. B. die Erstellung eines Gutachtens oder die Anfertigung eines Organisationshandbuches. Im Gegensatz zum Dienstvertrag ist der Berater beim Werkvertrag im Rahmen der Gewährleistung zur Mängelbeseitigung oder Nachbesserung verpflichtet. Ob Dienstvertragsrecht oder Werkvertragsrecht oder beides gemischt gilt, darüber entscheidet im Zweifel das Gericht, für das letztlich nicht die gewählte Bezeichnung des Vertrages maßgebend ist, sondern das wirtschaftlich Gewollte in Verbindung mit dem tatsächlichen Abgelieferten [vgl. Niedereichholz 2010, S. 315 unter Bezugnahme auf Fischer/Küster 1994]. Viele Kundenunternehmen wünschen unbedingt den Werkvertrag auf Festpreisbasis. Sie nehmen lieber einen entsprechenden Risikozuschlag in Kauf, wollen dafür aber Klarheit hinsichtlich der Preisstellung und des Fertigstellungstermins bekommen. Auf der anderen Seite kann der Kunde beim Werkvertrag nicht mehr lenkend auf die Aufgabenstellung und Zielsetzung, die sich im Zeitablauf ja durchaus ändern kann, Einfluss nehmen. Damit gibt der Kunde das Heft bei der Auftragsdurchführung vollständig aus der Hand, was ihm sicherlich in den meisten Fällen nicht angenehm sein dürfte. Im Zweifelsfall ist demnach der Dienstvertrag für beide Seiten die bessere Lösung: Für das Kundenunternehmen deshalb, weil es das Projekt besser steuern kann, für den Berater deshalb, weil er beim Dienstvertrag keine Gewährleistungsverpflichtung eingeht. Eine Gegenüberstellung von Dienst- und Werkvertrag liefert Abbildung 368.
3.6 Akquisition – Optimierung der Kundenakzeptanz
369
Dienstvertrag
Werkvertrag
§ 611 ff. BGB
§ 631 ff. BGB
Gegenstand
Leistung von Diensten (Arbeit)
Herstellung eines körperlichen oder unkörperlichen Werks
Kennzeichen
tätigkeitsbezogen
erfolgsbezogen (§ 631 Abs. 2)
Beispiele
• Beratung und Unterstützung, z.B. bei Erstellung eines Pflichtenhefts • Supportleistungen (Hotline) • Schulung
• • • •
Vergütung
i.d.R. nach Aufwand, laufend zu entrichten
• i.d.R. Festvergütung, fällig mit Abnahme (§ 641) • Anspruch auf Abschlagszahlungen (§ 632a)
Abnahme
nicht erforderlich
(Haupt-)Pflicht des Auftraggebers (§ 640)
Mitwirkung des Auftraggebers
grundsätzlich nicht geschuldet
Obliegenheit, § 642 BGB
Rechtsfolgen bei Mängeln
• keine Sachmängelgewährleistung • Schadensersatz nach allgemeinen Regeln (§ 280) • ordentliche Kündigung (§ 621) • außerordentliche Kündigung (§ 626)
• Sachmängelgewährleistung inkl. Schadensersatz (§ 634) • freie Kündigung (§ 649) • ggf. außerordentliche Kündigung (§ 314)
Dauerschuldverhältnis:
Vertragsdauer und Beendigung
• auf bestimmte Zeit (§ 620 Abs. 1) • auf unbestimmte Zeit (§ 620 Abs. 2) • außerordentliche Kündigung möglich (§ 626)
Erstellung eines Pflichtenhefts Software-Erstellung oder Anpassung Implementierung Erstellung eines Pflichtenhefts
bis zur Vollendung des Werks: • Kündigungsrecht des Auftraggebers (§ 649) • Kündigungsrecht des Beraters (§ 642) • außerordentliche Kündigung möglich (§ 314)
[Quelle: Schneider-Brodtmann 2007, S. 25 ff.]
Abb. 3-68:
Gegenüberstellung von Dienst- und Werkvertrag
3.6.7.3 Aufwandsbezogene Vergütung vs. Festpreis
Häufig wird unterstellt, dass ein Werkvertrag auch immer eine fixe Vergütung erfordert, während der Dienstvertrag zwingend mit einer aufwandsbezogenen Vergütung in Verbindung gebracht wird. Das muss aber nicht so sein, denn der Gestaltungsfreiheit der Vertragsparteien sind keine Grenzen gesetzt, d. h. die Ausprägung eines Vertragsverhältnisses ist grundsätzlich unabhängig von der Art der Vergütung. So kann ein Werkvertrag durchaus vorsehen, dass sich die Vergütung nach der Höhe des Aufwands bemisst. Ebenso kann ein Dienstvertrag eine Pauschalvergütung beinhalten. Wird ein Werkvertrag zu einem Festpreis abgeschlossen, so übernimmt der Berater neben der Ergebnisverantwortung auch das Risiko, dass sein Aufwand den vereinbarten Festpreis nicht übersteigt. Umgekehrt hat das Kundenunternehmen beim Festpreis das Risiko, dass im Festpreis viele Reserven zugunsten des Beraters einkalkuliert sind, so dass diese Reserven bei optimalem Projektverlauf einen Extraprofit für den Berater darstellen. Als Alternative wird daher häufig eine Vergütung nach Aufwand mit einer Obergrenze vereinbart, die nicht überschritten werden darf. Zwar hat das Kundenunternehmen hierbei die Chance, keine Risikoprämie für das Einhalten des Festpreises zahlen zu müssen, für den Berater gibt es aber keinen Anreiz, mit seinem Aufwand unter der Höchstgrenze zu bleiben [vgl. Clifford Chance 2004, S. 6 f.].
370
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Insbesondere bei IT-Projekten setzen sich in der Praxis zunehmend gemischt-typische Verträge durch. Die werkvertragliche Komponente umfasst dabei die Realisierung (Entwicklung, Customizing, Modifikationen) und ggf. die Installation von Software und Datenbanken. Mit dem Projekt einhergehende Schulungsleistungen sowie sonstige Beratungs- und Unterstützungsleistungen sind dagegen dienstvertragliche Komponenten. In Abbildung 3-69 sind wichtige Preisgestaltungsmodelle dargestellt.
Leistungen/Preiselemente
Preisgestaltungsmodelle
Realisierung z. B. • • • •
Entwicklung Customizing Modifikationen Installation
Festpreis
Festpreis
Dienstleistungen z. B. • • • •
Einführungsberatung Schulungen SW-/Hardware-Auswahl Projektcontrolling
Festpreis
Ausgaben (Expenses) z. B. • • • •
Nach Aufwand Nach Aufwand mit Obergrenzen
Nach Aufwand ohne Obergrenzen
Reisekosten Spesen Kommunikationskosten Externe Dienstleistungen
[Quelle: in Anlehnung an Niedereichholz 2010, S. 277]
Abb. 3-69:
Preiselemente und Vertragstypen bei IT-Projekten
Aus werkvertraglicher Sicht besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang die Leistungsbeschreibung. Sie bildet letztlich die Grundlage für die Festlegung der vereinbarten Beschaffenheit der bereitzustellenden Leistung i. S. d. §§ 434 Abs. 1, 633 Abs. 2 BGB. Die Leistungsbeschreibung, die in der Regel in einem Pflichtenheft festgelegt ist, ist somit die Basis für die Prüfung, ob die erbrachte Leistung frei von Sachmängeln ist [vgl. Schneider-Brodtmann 2007, S. 21 ff.]. 3.6.7.4 Allgemeine Auftragsbedingungen
Was nützen die besten Verträge, wenn sie sich gegenüber wirtschaftlich übermächtigen Auftraggebern nicht durchsetzen lassen? Sich der Bedeutung solcher guten, allseits akzeptierten Verträge bewusst, hat der BDU bereits sehr frühzeitig Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGBs) für seine Mitgliedsfirmen erarbeitet und als „ Allgemeine Beratungsbedingungen der Unternehmensberatungen“ dem Bundeskartellamt zur Genehmigung vorgelegt. Solche Geschäftsbedingungen stellen quasi das „Kleingedruckte“ dar und regeln rechtliche Tatbestände wie Haftung oder Gewährleistung. Sie werden dem Angebot beigefügt und erlauben dem Kundenunternehmen, sich nach einmaliger Prüfung des rechtlichen Rahmens direkt auf den sachlichen Inhalt eines Angebots zu konzentrieren. Dieses Bedingungswerk des BDU, das inhaltlich der Strategieberatung zuzuordnen ist, enthält folgende Abschnitte:
3.6 Akquisition – Optimierung der Kundenakzeptanz
371
Nach § 1 (Geltungsbereich) gelten die Allgemeinen Beratungsbedingungen für Verträge, „deren Gegenstand die Erteilung von Rat und Auskünften durch den Auftragnehmer an den Auftraggeber bei der Planung, Vorbereitung und Durchführung unternehmerischer oder fachlicher Entscheidungen und Vorhaben“ ist. Damit nimmt der Berater dem Kundenunternehmen keine Entscheidung ab, sondern agiert ausschließlich als Helfer zur Selbsthilfe und Vorbereiter von Entscheidungen des Kunden. Die Entscheidung, ob die Beraterempfehlungen auch umgesetzt werden sollen, bleibt ausschließlich dem Kunden vorbehalten [vgl. Niedereichholz (2010), S. 314]. Der § 2 (Vertragsgegenstand; Leistungsumfang) weist darauf hin, dass die im Vertrag (Angebot) vereinbarte und bezeichnete Beratungstätigkeit und „nicht die Erzielung eines bestimmten wirtschaftlichen Erfolges oder die Erstellung von Gutachten oder anderen Werken“ Gegenstand des Auftrages ist. Unerheblich ist, ob und wann der Kunde die Empfehlungen umsetzt. Damit soll deutlich gemacht werden, dass es sich von vornherein um einen Dienstvertrag nach §§ 611 ff. BGB handeln soll, denn der Berater haftet im Rahmen dieses Vertrages nicht für den aus seiner Arbeit erwarteten Erfolg. Mit § 3 (Leistungsänderungen; Schriftform) wird dem Umstand Rechnung getragen, dass das Kundenunternehmen im Zeitablauf einer Beratung – insbesondere bei längeren und komplexeren Projekten – immer wieder zu neuen Erkenntnissen gelangt. Dadurch kann es zu Planungskorrekturen und zu Änderungen der ursprünglichen Zielsetzungen kommen. Solche Fälle, deren Mehraufwand angemessen zu vergüten ist, müssen protokolliert und von beiden Seiten schriftlich bestätigt werden. In § 4 (Schweigepflicht; Datenschutz) ist geregelt, dass der Berater zeitlich unbegrenzt verpflichtet ist, „über alle als vertraulich bezeichneten Informationen oder Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse des Auftraggebers, die ihm im Zusammenhang mit dem Auftrag bekannt werden, Stillschweigen zu wahren“. Die Weitergabe an Dritte darf nur mit schriftlicher Einwilligung des Kunden erfolgen. Der Berater ist aber befugt, die ihm anvertrauten Daten unter Beachtung der Datenschutzbestimmungen (z. B. für Benchmarks) zu verarbeiten.
Der § 5 (Mitwirkungspflichten des Auftraggebers) macht deutlich, dass der Berater bei der Durchführung des Auftrags auf eine umfassende Unterstützung des Kundenunternehmens und seiner Mitarbeiter angewiesen ist. In § 6 (Vergütung; Zahlungsbedingungen; Aufrechnung) wird betont, dass die Vergütung des Beraters entweder „nach den für die Tätigkeit aufgewendeten Zeiten berechnet (Zeithonorar) oder als Festpreis schriftlich vereinbart“ wird. Die Zahlung eines Erfolgshonorars ist in jedem Fall ausgeschlossen, da es den Dienstleistungscharakter in Frage stellen kann. Eine Aufrechnung gegen Forderungen des Beraters auf Vergütung und Auslagenersatz ist nur mit rechtskräftig festgestellten Forderungen zulässig. Gemäß § 7 (Haftung) haftet der Berater grundsätzlich für Schäden, die von ihm vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht wurden. Bei leichter Fährlässigkeit tritt der Berater für die von ihm (mit-)verursachten Schäden nur dann ein, „wenn und soweit diese auf der Verletzung sol-
372
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
cher Pflichten beruhen, deren Erfüllung die ordnungsgemäße Durchführung des Vertrags überhaupt erst ermöglicht und auf deren Einhaltung der Auftraggeber regelmäßig vertrauen darf“. Die Haftungshöhe ist für den einzelnen Schadensfall auf 250.000 Euro begrenzt. Gemäß § 8 (Schutz des geistigen Eigentums) darf das Kundenunternehmen die vom Berater gefertigten Berichte, Organisationspläne, Entwürfe, Zeichnungen, Aufstellungen, Berechnungen etc. nur für die vertraglich vereinbarten Zwecke verwenden und nicht ohne ausdrückliche Zustimmung verbreiten. In § 9 (Treuepflicht), der sich auf die Mitarbeiter beider Vertragspartner bezieht, verpflichten sich Berater und Kundenunternehmen zur gegenseitigen Loyalität. „Sie informieren sich unverzüglich wechselseitig über alle Umstände, die im Verlauf der Projektausführung auftreten und die Bearbeitung nicht nur unerheblich beeinflussen können“. Der § 10 (Höhere Gewalt) enthält keine beratungsspezifischen Besonderheiten. In § 11 (Kündigung) ist geregelt, dass – sofern nichts anderes vereinbart ist – der Auftrag durch den Kunden jederzeit, durch den Berater mit einer Frist von 14 Tagen zum Monatsende gekündigt werden kann. Hierbei handelt es sich allerdings um eine Regelung, die nicht unbedingt als ausgewogen bezeichnet werden kann, so dass sich der Berater in jedem Fall um eine Einzelfallregelung bemühen sollte. Der § 12 (Zurückbehaltungsrecht; Aufbewahrung von Unterlagen) gibt vor, dass der Berater bis zur vollständigen Begleichung seiner Forderungen ein Zurückbehaltungsrecht an den ihm überlassenen Unterlagen hat. In § 13 (Sonstiges) sind schließlich ein mögliches Abtretungsrecht an den Vertragsrechten sowie der Gerichtsstand geregelt. Schließlich wird darauf hingewiesen, dass Änderungen der Bedingungen oder des Vertrages in jedem Fall schriftlich erfolgen müssen. 3.6.7.5 Angebotstypen
Es existieren nahezu genauso viele Angebotstypen wie es Beratungsleistungen gibt. Viele Beratungsunternehmen haben sich einen Vorrat an Standardtextbausteinen für die verschiedenen Angebotstypen zugelegt, um eine möglichst einheitliche und zeitsparende Angebotsgestaltung vornehmen zu können. Mit solch einem Reservoir an Textbausteinen ist es für Vertriebs- und Fachmitarbeiter relativ leicht, ein individuelles (maßgeschneidertes) Angebot zusammenzustellen. Wichtige Angebotstypen für die „klassische“ Unternehmensberatung sind: Angebotstyp „Situationsanalyse“ (auch: Schwachstellenanalyse) → Dienstvertrag Angebotstyp „Analyse/Planung“ (auch: Strategische Planung) → Dienstvertrag Angebotstyp „Realisierung“ (vor allem Gutachten) → vorwiegend Werkvertrag Angebotstyp „Unterstützung“ → Dienstvertrag Angebotstyp „Rahmenplanung“ → Dienstvertrag.
3.6 Akquisition – Optimierung der Kundenakzeptanz
373
Speziell für die IT-nahe Unternehmensberatung kommen folgende Angebotstypen in Betracht: Angebotstyp „Projektplanung und Beratung“ → vorwiegend Dienstvertrag Angebotstyp „Hard- und Softwareüberlassung“ → vorwiegend Kauf- bzw. Nutzungsvertrag Angebotstyp „Anpassung von Standardsoftware“ → vorwiegend Werkvertrag Angebotstyp „Erstellung von Individual-Software“ → Werkvertrag Angebotstyp „Implementierung und Schulung“ → Dienstvertrag Angebotstyp „Betrieb von Hard- und Software“ → spezifischer Outsourcing-Vertrag Angebotstyp „Wartung und Pflege“ → Wartungsvertrag. Die Standard- und Individualtexte für die o. g. Angebotstypen sollten folgenden Gliederungspunkten zugeordnet werden: Ausgangssituation (obligatorisch für jedes Angebot) Aufgabenstellung und Zielsetzung (obligatorisch für jedes Angebot) Lösungsidee (sollte nur dann aufgenommen werden, wenn entsprechende Vorüberlegungen gemacht wurden) Vorgehensweise (kann beim Angebotstyp ‚Unterstützung‘ entfallen) Projektdurchführung (mit möglichen Hinweisen auf Projektverantwortung, Entscheidungs- und Abstimminstanzen sowie Projektmanagement) Arbeitsort, Sachmittel, Arbeitszeit (obligatorisch für jedes Angebot) Daten, Test, Entwicklungsumgebung (nur beim Angebotstyp ‚Realisierung‘) Zeitlicher Rahmen (obligatorisch für jedes Angebot) Personaleinsatz (obligatorisch für jedes Angebot) Honorare und Konditionen (obligatorisch für jedes Angebot).
374
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
3.7 Betreuung – Optimierung der Kundenzufriedenheit 3.7.1 Aufgabe und Ziel der Betreuung Die Betreuung ist das sechste und letzte wichtige Aktionsfeld im Rahmen des Vermarktungsprozesses von Beratungsleistungen (siehe Abbildung 3-70). Da die Marketingaktivitäten eines Unternehmens nicht mit dem Auftragseingang enden, zielt die Betreuung auf die Optimierung der Kundenzufriedenheit ab: Kundenzufriedenheit = f (Betreuung) → optimieren! Die Komponente Betreuung unterscheidet sich insofern von den übrigen Aktionsfeldern der Marketing-Gleichung, weil sie erst nach der Auftragsvergabe zur Wirkung gelangt. Innerhalb des Vermarktungsprozesses ist sie der Post-Sales-Phase zuzuordnen.
Marketing-Aktionsfelder Wettbewerbsvorteil • Leistungen • Fähigkeiten • Know-how • Innovationskraft
Segmentierung
Positionierung
Kommunikation
+ Kundennutzen
+ Kundenvorteil
+ Kundenwahrnehmung
Nachhaltiger Gewinn
Vertrieb
Akquisition
Betreuung
+ Kundennähe
+ Kundenakzeptanz
+ Kundenzufriedenheit
=
Vom Markt honorierter Wettbewerbsvorteil
Kundenkriterien © Dialog.Lippold
Abb. 3-70:
Die Betreuung als sechstes Aktionsfeld der Marketing-Gleichung
Dem Aktionsfeld Betreuung kommt in zweifacher Hinsicht eine besondere Bedeutung zu [vgl. Lippold 1998, S. 237 f.]: Zum einen ist die vorhandene Kundenbasis immer dann das am leichtesten zu erreichende Absatzpotenzial für das Folgegeschäft, wenn es gelingt, die bisherige Beziehung zur Zufriedenheit des Kunden zu gestalten. Im B2C-Marketing lässt sich die Kundenzufriedenheit relativ leicht an den unmittelbaren Wiederholungskäufen festmachen. Im Beratungsmarketing mit komplexen Leistungen ist dies dann der Fall, wenn das Projekt aufwandsgerecht durchgeführt wird, der Funktionsumfang den Erwartungen entspricht und das Kundenunternehmen auch nach dem Projekteinsatz das Gefühl hat, jederzeit kompetent (und bevorzugt) betreut zu werden. Mit den daraus resultierenden Folgeaufträgen wächst das Unternehmen mit seinem Kunden. Kurzum: Die verkauften Leistungen sollten dem abgegebenen Nutzen- und Qualitätsversprechen entsprechen und damit Wiederholungsaufträge initiieren. Zum anderen ist ein gut betreuter Kunde in idealer Weise auch immer eine Referenz für das Neugeschäft, d. h. zur Gewinnung neuer Kunden. Besonders im Beratungsgeschäft sind Referenzen in einem Markt, dessen Entscheidungsprozesse häufig vom Kaufmotiv Sicherheit geprägt sind, in vielen Fällen ein wesentlicher Schritt zur Absicherung der Kaufentscheidung.
3.7 Betreuung – Optimierung der Kundenzufriedenheit
375
In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass dem Aktionsfeld Betreuung in der Marketingliteratur im Rahmen des marketingpolitischen Instrumentariums (Marketing-Mix) generell keine sehr große Bedeutung beigemessen worden ist. Im Mittelpunkt stand das „NeukundenMarketing“ und nicht das „Bestandskunden-Marketing“. Erst mit dem Aufkommen der Idee des Customer Relationship Managements (CRM) ist die Beziehung zu den Bestandskunden stärker in das Bewusstsein der verschiedenen Marketingansätze gerückt. Um die Betreuung, d. h. um die Bearbeitung der Bestandskunden zu optimieren, ist es erforderlich, sich zunächst mit den Aspekten des Kundenbeziehungsmanagements zu befassen.
3.7.2 Grundlagen der Kundenbeziehung Das Beziehungsmarketing (engl. Relationship Marketing), das eine Zeit lang unter dem Begriff Beziehungsmanagement diskutiert wurde, wird inzwischen als Customer Relationship Management (CRM) immer stärker als ein wesentlicher, erfolgsbestimmender Marketingansatz gesehen. Das Beziehungsmarketing hat seinen Ursprung im B2B-Bereich und hier insbesondere im System- und Anlagengeschäft, wo besonders vielschichtige und intensive Kundenbeziehungen typisch sind. Prinzipiell steht das Beziehungsmarketing im Gegensatz zum Transaktionsmarketing. Beim Transaktionsmarketing steht die „übliche instrumentelle, eher auf den kurzfristigen Erfolg ausgerichtete Einwegbetrachtung“ [Meffert et al. 2008, S. 41] – also der reine Verkaufsakt – im Vordergrund. Das Beziehungsmarketing betrachtet dagegen die Austauschbeziehungen zwischen Anbieter und Nachfrager prozessual und ganzheitlich. Damit wird es beeinflusst von den betriebswirtschaftlichen Zusammenhängen zwischen Kundenbindung und Gewinnerzielung. Abbildung 3-71 zeigt die wesentlichen Unterschiede zwischen dem Transaktions- und dem Beziehungsmarketing auf. Die Gegenüberstellung darf aber nicht so verstanden werden, dass das Beziehungsmarketing dem Transaktionsmarketing immer und in jeder Weise überlegen ist. Die Entscheidung, ob Transaktionsmarketing oder Beziehungsmarketing der bessere Weg ist, hängt auch von den Wünschen und Vorstellungen des einzelnen Kunden ab. Eine Vielzahl von Kunden schätzt ein umfassendes Leistungsangebot des Beratungsunternehmens und bleibt lange Zeit Stammkunde. Andere Kunden hingegen zielen auf Kostenvorteile und wechseln bei niedrigeren Kosten sofort den Anbieter. Insofern ist das Beziehungsmarketing nicht bei allen Kunden der richtige Ansatz, da sich die hohen Aufwendungen der Beziehungspflege nicht immer bezahlt machen. Bei Kunden jedoch, die sich gern auf ein bestimmtes Leistungspaket festlegen und zudem eine kontinuierliche und gute Betreuung erwarten, ist das Beziehungsmarketing ein außerordentlich wirkungsvolles Instrument [vgl. Kotler et al. 2007, S. 842 unter Bezugnahme auf Anderson/Narus 1991, S. 95 ff.].
376
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Transaktionsmarketing
Beziehungsmarketing
Orientierung am kurzfristigen Transaktionserfolg
Orientierung am langfristigen Beziehungserfolg
• Priorität der kurzfristigen Kundenabschöpfung • Wachstum durch neue Kunden • Transaktionsorientierte Sicht der Kundenbeziehung
• Langfristige Ausschöpfung aller Kundenpotentiale • Wachstum durch Kundenbindung • Evolutorisches Verständnis der Kundenbeziehung
Prioritäten des Produkterfolges
Priorität des Kundenerfolgs
• Umsatz und Marktanteil als oberste Marketing-Ziele • Gesamtmarkt – oder Segmentbetrachtung • Kontrolle der Vorteilhaftigkeit von Transaktionen
• Kundennähe, -zufriedenheit und -bindung als Ziele • Individuelle Steuerung von Kundenbeziehungen • Vertrauen in Fairness der Geschäftsprozesse
Aktionistische Marketingprozesse
Interaktive Marketingprozesse
• Breitangelegte Kommunikation • Standardisierte Marketingaktivitäten • Klare Grenzen zum Kunden
• Dialog-Kommunikation • Individualisierte Marketingaktivitäten • Integration des Kunden © Dialog.Lippold
Abb. 3-71:
Transaktionsmarketing vs. Relationship Marketing
Die Akquisition von Folgeaufträgen und die Steigerung des Umsatzes mit Kunden, für die bereits Beratungsaufgaben wahrgenommen wurden (engl. Repeat Business), sind für alle Unternehmensberatungen von hoher Bedeutung. Wie eine Untersuchung der Universität Mannheim aus dem Jahre 2003 zeigt, werden rund 80 Prozent des gesamten Umsatzes von Beratungsunternehmen aller Sparten mit Aufträgen bei bestehenden Kunden erzielt (siehe Insert 3-32). Damit wird zugleich deutlich, dass die nachhaltige Pflege der Kundenbeziehung zugleich auch zur Steigerung des Unternehmenswertes beiträgt [vgl. Becker, J. 2009, S. 631]. Auch das Beratungsmarketing hat erkannt, dass eine auf Dauerhaftigkeit angelegte Beziehungspflege von besonderer Bedeutung für den Geschäftserfolg ist. Grundvoraussetzung einer dauerhaften Beziehung ist der Aufbau von Vertrauen. So verwundert es auch nicht, dass die Deutsche Bank ihren Slogan „Vertrauen ist der Anfang von allem“ zur Grundlage ihrer Geschäftsbeziehung gemacht hat. Beratung hat fast ausschließlich mit Vertrauen zu tun – Vertrauen in die Verschwiegenheit (= Vertraulichkeit), aber auch Vertrauen in die professionelle Erfüllung eines Auftrags [vgl. Berger 2004, S. 12]. Der Wert einer Geschäftsbeziehung ist auch deshalb für den Beratungsbereich von besonderer Bedeutung, weil die Unsicherheit gegenüber der Leistung einer Beratung immer dann am geringsten ist, wenn der betreffende Kunde bereits in einem Projekt mit dem Berater zusammengearbeitet hat und wenn diese (positive) Zusammenarbeit auf das neue Projekt übertragen werden kann. So ist es auch wenig verwunderlich, dass Kundenunternehmen häufig, überwiegend oder sogar ausschließlich einen bestimmten Berater zur Lösung betrieblicher Probleme heranziehen [vgl. Schade 2000, S. 200 f.].
3.7 Betreuung – Optimierung der Kundenzufriedenheit
377
Insert Repeat Business: Die Bedeutung von Folgeaufträgen für das Beratungsgeschäft - Aus dem Ergebnisbericht einer Befragung im Frühjahr 2003* Die Akquisition von Aufträgen bei bestehenden Kunden ist für Beratungsunternehmen aller Sparten von großer Bedeutung, da durchschnittlich 80 Prozent des Umsatzes durch Aufträge von Kunden, für die bereits Beratungsaufgaben wahrgenommen wurden, generiert werden. Es ergeben sich sowohl Anschlussaufträge aus bestehenden Projekten, die einen engen zeitlichen und inhaltlichen Bezug zum Vorgängerprojekt aufweisen, als auch neue Aufträge
von Kunden, für die bereits in anderen Unternehmensbereichen oder zu einem früheren Zeitpunkt eine Beratungstätigkeit ausgeübt wurde. Insbesondere bei IT-Beratungen spielen Folgeaufträge aus laufenden Projekte mit durchschnittlich 58 Prozent Umsatzanteil eine sehr große Rolle. HR-Beratungen und IT-Beratungen weisen den höchsten durchschnittlichen Repeat Business-Anteil von fast 90 Prozent auf.
Frage: Welchen Anteil am Gesamtumsatz erzielten Sie im Jahr 2002 durch a) Folgeaufträgen aus laufenden Projekten und b) durch neue Aufträge mit bestehenden Projekten? IT-Beratung
58%
HR-Beratung
87%
29%
86%
45%
41%
Finanzberatung
45%
37%
82%
Strategieberatung
45%
37%
82%
Organisationsberatung
43%
0%
79%
36%
20%
40%
* An der im Frühjahr 2003 von der Universität Mannheim (Prof. A. Kieser) durchgeführten Befragung zum Thema „Beratungsmarketing und Projektorga-
Folgeaufträge aus laufenden Projekten Neue Aufträge mit bestehenden Kunden
60%
80%
100%
nisation von Unternehmensberatungen“ haben 180 von über 1.000 angeschriebenen Unternehmensberatungen teilgenommen.
[Quelle: Kieser 2003, S. 20 f.]
Insert 3-32:
Repeat Business im Beratungsgeschäft
Eine gute Geschäftsbeziehung ist darüber hinaus auch Ursprung einer Referenz. Speziell im Beratungsgeschäft kann zwischen Personen-Referenzen und Know-how-Referenzen unterschieden werden. Know-how-Referenzen beziehen sich auf die Beratungsleistungen an sich und stellen einen wichtigen Grund dafür, dass ein Anbieter nach entsprechenden Vorgesprächen und Angebotspräsentation den letztendlichen Zuschlag erhält. Personen-Referenzen werden von Personen abgegeben, die positive Erfahrungen mit dem Berater gemacht haben und entweder bereit sind, sich als Referenz nennen zu lassen (passive Referenz) oder aktiv als Referenz wirksam zu werden (aktive Referenz) [vgl. Schade 2000, S. 216 f.]. 3.7.3 Customer Relationship Management Customer Relationship Management (CRM) steht für die konsequente Ausrichtung aller Unternehmensprozesse auf den Kunden. Der Kerngedanke des CRM ist die Steigerung des Unternehmens- und Kundenwerts durch das systematische Management der existierenden Kundenbeziehungen. Mit CRM lassen sich besonders wertvolle Kundengruppen identifizieren und mit gezielten Maßnahmen der Kundenbindung (engl. Customer Retention) an das Unternehmen
378
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
binden. Dies wird durch Konzepte wie Loyalitätsmaßnahmen, Personalisierung und Dialogmanagement erreicht [vgl. Rapp 2000, S. 42 f.]. Wie eine CRM-Untersuchung aus dem Jahre 2009 zeigt, sind die Erhöhung der Kundenbindung, der Aufbau von Kundenwissen und die Steigerung der Vertriebseffizienz die Hauptziele der 110 befragten Unternehmen (siehe Insert 3-33). Bei dieser CRM-Untersuchung handelt es sich allerdings nicht um eine Befragung innerhalb der Zielgruppe der Beratungsunternehmen. Da der größte Teil der befragten Unternehmen jedoch dem B2B-Bereich zuzuordnen ist, können die Erkenntnisse dieser Untersuchung durchaus auf Beratungsunternehmen übertragen werden. Ohnehin zählt die CRM-Beratung bei vielen Beratern zum Leistungsportfolio und was für die Kundenunternehmen richtig ist, sollte auch für die Anbieter von CRM-Konzepten gelten.
Insert CRM: Ziele und Analyse-Tools – Ergebnisse des CRM-Barometers 2009/2010 – Die von Capgemini durchgeführte Studie zum Thema Customer Relationship Management sucht Antworten auf die Fragen, ob, wie und in welchem Maße CRM die Situation der Unternehmen tatsächlich verbessern kann. Die Ergebnisse basieren auf der schriftlichen Befragung von Marketing- und CRM-Verant-
wortlichen in 98 Unternehmen mit Sitz in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die Ziele, die mit CRM verfolgt werden, sowie die Analyse-Tools, mit denen die CRM-Aktivitäten gemessen werden sollen, stehen im Mittelpunkt der beiden nachstehenden Grafiken.
Welche Ziele verfolgt Ihr Unternehmen mit der Umsetzung von CRM? Erhöhung der Kundenbindung
76%
Aufbau von Kundenwissen
49%
Steigerung der Vertriebseffizienz
49%
Cross-Selling
44%
Erreichung eines höheren Marktanteils
30% 0%
20%
40%
60%
80%
100%
Welche CRM-Analysetools werden in Ihrem Unternehmen technologisch unterstützt und aktiv genutzt? Effizienzmessung (Marketing/Vertrieb/Service)
67% 49%
Profitabilitätsmessung (Kunde, Produkte) Data Mining (Mustererkennung, Cross-Selling Potenziale)
43%
Kundenwertbestimmung (z. B. Umsatzanalyse, Kundenlebenszyklusrechnung etc.)
39% 14%
Kein Einsatz analytischer Tools 0% [Quelle: CRM-Barometer 2009/2010, S. 6 u. 12]
Insert 3-33:
CRM-Ziele und -Analysetools
20%
40%
60%
80%
3.7 Betreuung – Optimierung der Kundenzufriedenheit
379
Generell beruht der Erfolg von CRM auf der Beantwortung folgender strategischer Fragen [vgl. Rapp 2000, S. 46 f.]: Welche Kunden sind die profitabelsten in der Dauer der Kundenbeziehung und wie unterscheiden sich diese in ihrem Verhalten und ihren Prozessen? Welche Leistungen und Personalisierungsangebote müssen geboten werden, damit sie dem Unternehmen langfristig verbunden bleiben? Wie können ähnliche neue profitable Kunden nachhaltig gewonnen werden? Wie lässt sich ein differenziertes Leistungsangebot für unterschiedliche Kunden entwickeln ohne die Kosten zu erhöhen? Zur Beantwortung dieser Fragen benötigen Unternehmen differenzierte Daten über ihre Kunden. Diese sind zumeist in mehr oder weniger strukturierter Form (als numerische Daten, als Fließtext, als Grafiken etc.) in verschiedenen Kunden- oder Produktdatenbanken des Unternehmens vorhanden. Für Zwecke des Customer Relationship Management müssen diese Daten in geeigneten IT-gestützten CRM-Systemen zusammengefügt werden, um die notwendigen Kundeninformationen herausfiltern zu können. Wesentliche Instrumente dazu sind Data Warehouse- und Data Mining-Systeme [vgl. Becker, J. 2009, S. 633]. Beim Data Warehouse handelt es sich um ein speziell für die Entscheidungsfindung aufgebautes Informations- bzw. Datenlager, in dem Daten aus unternehmensweiten, operativen ITSystemen (Call Center, Internet, Vertrieb etc.) gesammelt, transformiert, konsolidiert, gefiltert und fortgeschrieben werden. Das Data Mining wiederum dient nun dazu, aus diesem Datenberg wertvolle Informationen zu extrahieren, um Aussagen im Sinne der Kundenorientierung und Gewinnmaximierung treffen zu können [vgl. Rapp 2000, S. 73 ff.]. Wie die Umfrageergebnisse des CRM-Barometers 2009/2010 weiter zeigen, wird die Vielzahl der gesammelten Daten von der Mehrheit der befragten Unternehmen analytisch ausgewertet. So nehmen zwei Drittel der befragten Unternehmen eine Effektivitätsmessung in Marketing, Vertrieb und Service vor. Hier wird die Profitabilität von Marketingkampagnen oder die Effektivität von Vertriebs- und Serviceprozessen gemessen (siehe Insert 3-31). Die Umsetzung von CRM-Maßnahmen ist allerdings nicht frei von Problemen und Herausforderungen. Keine klare Zielsetzung und zu viele Aktivitäten, die nicht priorisiert wurden, sind bei 55 Prozent der befragten Unternehmen das entscheidende Umsetzungsproblem [Quelle: CRM-Barometer 2009/2010, S. 8]. CRM muss nicht zwingend als ein umfassendes Maßnahmenpaket im Rahmen eines Großprojektes eingeführt werden. Oft ist es effektiver, die Umsetzung – entsprechend der unternehmerischen Priorisierung und der Gesamtstrategie – in Einzelteile zu zerlegen. Geschieht dies, können zahlreiche CRM-Aktivitäten auch parallel mit Erfolg umgesetzt werden. Diese Vorgehensweise hat neben dem Vorteil des geringeren Umsetzungsrisikos auch den Vorzug, dass die Mitarbeiter CRM als schrittweisen Veränderungsprozess erkennen und dadurch den eingeschlagenen Weg nicht nur mitgehen, sondern im Idealfall sogar aktiv unterstützen [vgl. CRM-Barometer 2009/2010, S. 7 f.].
380
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Schließlich noch ein weiterer Aspekt, der beim Auf- und Ausbau eines nachhaltigen CRM – zumindest in weiten Teilen des B2C- und B2B-Marketings – zukünftig eine bedeutende Rolle spielen wird: der Trend zur Kommunikation über Social Media. Bereits in wenigen Jahren wird es selbstverständlich sein, Kundenanfragen über Blogs zu beantworten oder Podcasts zur Erläuterung der Produktnutzung online anzubieten. Ob dies auch im sehr erklärungsbedürftigen Beratungsgeschäft der Fall sein wird, bleibt allerdings abzuwarten. 70 Prozent der Teilnehmer einer Detecon-Studie zum „Kundenservice der Zukunft“ glauben, dass Social Media ein bedeutender Servicekanal der Zukunft ist. Unternehmen werden künftig wesentliche Prozesse des Kundenservice über öffentliche Dialoge abwickeln und Kundenbindung auf einer neuen, viel persönlicheren Ebene etablieren. Social Media wird so immer mehr zu einer Herausforderung im Rahmen des Zufriedenheits-, Beschwerde- und Kündigungsmanagements – zum Social CRM. Diesen Austausch aktiv zu gestalten, ihn zu moderieren, wird ein wichtiges Merkmal des Kundenservice der Zukunft sein [vgl. Detecon 2010, S. 4]. 3.7.4 Kundenbindungsprogramme Um die Stabilität der Geschäftsbeziehung und damit ihre Wettbewerbsposition zu verbessern, tun Unternehmensberater gut daran, wenn sie auch nach dem Projektende Maßnahmen zum Aufbau und zum langfristigen Erhalt der Kundenbindung einsetzen. Zu solchen Maßnahmen im After-Sales (zuweilen auch als Post-Sales bezeichnet) zählen vor allem Kundenbindungsprogramme, wie sie seit Jahren im Konsumgüterbereich obligatorisch sind. Kundenbindungsprogramme zeichnen sich im B2B-Marketing dadurch aus, dass sie sich wesentlich stärker personifizieren lassen. Die Anzahl der Kunden/Organisationen und damit auch die Anzahl der Zielpersonen für Bindungsmaßnahmen sind im Gegensatz zum Konsumgüterbereich zumeist sehr überschaubar. Aus diesem Grunde werden Bonusprogramme, Kundenkarten und das Couponing im B2B-Marketing weniger eingesetzt. Zu den wichtigsten Kundenbindungsmaßnahmen im B2B-Geschäft zählen hingegen
Kundenveranstaltungen, Kunst- und Sportveranstaltungen, Kundenclubs sowie Kundenzeitschriften.
Zu Kundenveranstaltungen wird in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen ein relativ kleiner Kreis aus Geschäftskunden eingeladen. Besonders bewährt hat sich auch hier die Form des Kamingesprächs, bei dem zu Beginn der Veranstaltung ein politisches oder wirtschaftliches Thema von allgemeiner Bedeutung referiert wird. Ein solches Referat bietet den Aufhänger für Diskussionen und für das anschließende Get-together. Die Exklusivität der Veranstaltung vermittelt bei den eingeladenen Gästen den Eindruck, besonders bevorzugt behandelt zu werden. Eine ähnliche Zielsetzung verfolgen Kunst- und Sportveranstaltungen. Auch hier steht im Hintergrund, bewusst geschäftsfremde Themen (wie Ballett, Theater, Malerei, Konzert oder Sport) zum Anlass für ein Get-together auszusuchen. Besonders die VIP-Bereiche bei großen Sportveranstaltungen (Fußball, Basketball, Handball, Eishockey) bieten eine gute Gelegenheit, unmittelbar mit dem Kunden ins Gespräch zu kommen. Besonders nachgefragt sind in jüngster
3.7 Betreuung – Optimierung der Kundenzufriedenheit
381
Zeit Einladungen zu firmeneigenen Golfturnieren. Sehr häufig sind diese Veranstaltungen, die von unternehmensfremden Organisatoren initiiert und durchgeführt werden, in engem Zusammenhang mit den Sponsoring-Aktivitäten des Unternehmens zu sehen (siehe hierzu auch Abschnitt 3.4.6.3). Kundenclubs, die ihren Ursprung im Endkundensegment haben (z. B. Dr. Oetker-Back- Club), werden zunehmend von Softwarehäusern (und bislang weniger von Beratungsunternehmen) als Bindungsmaßnahme ins Leben gerufen. Solche Clubs bieten einem ausgewählten Segment exklusive Leistungen und Services an. Durch regelmäßige Kontakte und eine intensive Kommunikation bauen sie eine emotionale Bindung zum Unternehmen auf. Eine weitere, sehr häufig angewendete Kundenbindungsmaßnahme sind Kundenzeitschriften, die einem ausgewählten Verteilerkreis zugänglich gemacht werden. Informationen über neue Managementansätze, Kundenlösungen, Service Offerings und Aktivitäten im Bereich des Corporate Social Responsibility (CSR) bilden den Inhalt dieser teilweise sehr hochwertig aufgemachten Zeitschriften.
3.7.5 After-Sales im Produktgeschäft Für Beratungsunternehmen, die mit einem Bein auch im (Standard-)Softwaregeschäft tätig sind, bietet sich in der After-Sales-Phase eine Reihe von Möglichkeiten an, das Absatzpotenzial bei bestehenden Kunden zu nutzen, obwohl viele Unternehmen dem akquisitorischen Potenzial im Kundenstamm häufig nicht die gleiche Bedeutung wie dem Neugeschäft beimessen. Erst wenn sich das Wachstum verlangsamt, das Innovationspotenzial erlahmt oder der Wettbewerb bereits eine neue Produktgeneration einführt, wenden sich die Softwareunternehmen verstärkt dem Folgegeschäft in der eigenen Kundenbasis zu. Das Absatzpotenzial bei bestehenden Kunden ist wiederum in zweierlei Hinsicht von strategischer Bedeutung [vgl. Lippold 1998, S. 238 ff.]: Zum einen besteht die Möglichkeit, im Rahmen der bereits installierten Produktleistung zusätzliche Leistungen wie Ergänzungskomponenten, Organisationsberatung u. ä. m. zu verkaufen. Diese Vorgehensweise bietet sich immer dann an, wenn der Kunde zunächst lediglich ein Basissystem oder nur bestimmte Teilkomponenten erworben hat. Zum anderen bietet der aktuelle Kundenkreis eine ideale Basis, um in dieser Zielgruppe die nächste Produktgeneration zu akquirieren. Da sich eine neue Produktgeneration i. d. R. weniger durch gravierende organisatorische, sondern mehr durch technologische Neuerungen auszeichnet, lässt sie sich innerhalb dieser Zielgruppe wesentlich leichter, d. h. ohne große Eingriffe in die bestehende Aufbau- und Ablauforganisation, einführen. Naturgemäß reicht das Absatzpotenzial im bestehenden Kundenstamm für sich genommen nicht aus. Als Plattform für die Ausweitung auf neue Segmente und Zielgruppen sowie zur Überbrückung schwerfälliger Anlaufphasen ist es aber sehr gut geeignet. Zu den wichtigsten Instrumenten, die im Rahmen der After-Sales-Phase für das Softwaregeschäft sinnvoll und nützlich sind, zählen
382
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
die Zusammenarbeit mit Benutzergruppen, die Organisation von Benutzertreffen sowie die Organisation von Referenzbesuchen.
3.7.5.1 Benutzergruppen
Verfügen Produkte über eine hinreichend große Installationszahl und darüber hinaus über einen entsprechend großen (strategischen) Stellenwert bei den Anwenderunternehmen, so kommt es häufig zur Bildung von Benutzergruppen (engl. User-Groups). Dabei geht es zunächst um einen informellen Informations- und Erfahrungsaustausch unter Fachleuten der Anwenderunternehmen, die in regelmäßigen Zeitabständen zusammentreffen. Im Zusammenhang mit der Systemeinführung wird in diesen Gruppen vor allem auch erörtert, inwieweit die Hersteller ihren werblichen und verkaufspolitischen Versprechungen gerecht geworden sind. Die damit vorgenommene Bewertung des Anbieterunternehmens kann dessen Image u. U. erheblich beeinflussen. Softwareunternehmen sind somit vor die Entscheidung gestellt, ob sie die User-Groups zum Gegenstand ihres Marketing machen sollen oder nicht [vgl. Strothmann/Kliche 1989, S. 119]. Hat sich das Herstellerunternehmen für eine aktive und konstruktive Mitarbeit in diesen Anwendergremien entschieden, so kann es die Zusammenkünfte der Anwender dazu nutzen, kompetente Referenten für Fachvorträge abzustellen und damit zum Abbau der kognitiven Dissonanz beizutragen. Insofern bietet die Benutzergruppe einerseits eine ideale Möglichkeit für den Absatz evtl. Zusatzleistungen (Erweiterungsmodule, Ergänzungsbausteine, Beratungsleistungen) und andererseits dient sie als Referenz zur Gewinnung neuer Kundenpotenziale [vgl. Baaken/Launen 1993, S. 168]. Die Einrichtung einer User-Group muss allerdings nicht nur positive Wirkungen auf das Anbieter-Image haben, sondern kann auch Risiken für das Unternehmen in sich bergen. So kann der Einfluss der Benutzer dazu führen, dass der Anbieter seine Entwicklungspolitik entgegen den ursprünglichen Planungen verändern muss. Ggf. müssen eliminierungswürdige Teilsysteme (Module) auf Druck der User in der Produktpalette verbleiben oder bestimmte Produktfunktionen ins Angebot aufgenommen werden, ohne dass jemals eine Amortisierung der Entwicklungskosten in Aussicht steht [vgl. Baaken/Launen 1993, S. 168 f.]. Besonders hinzuweisen ist schließlich auf die Möglichkeit, sich mit der Etablierung einer Benutzergruppe zugleich auch eine wichtige Informationsquelle zu erschließen, die für das Gebiet der Marktforschung von erheblichem Wert ist. Erhebungen innerhalb der Anwenderschaft können nicht nur wichtige Hinweise für die Weiterentwicklung des Produktes liefern, sondern auch evtl. Unzulänglichkeiten in der Einführungsphase oder in der Funktionalität aufzeigen [vgl. Strothmann/Kliche 1989, S. 121].
3.7 Betreuung – Optimierung der Kundenzufriedenheit
383
3.7.5.2 Benutzertreffen
Unabhängig davon, ob für ein Produkt eine Benutzervereinigung existiert oder nicht, in jedem Fall bietet sich zur Intensivierung der Kundenbetreuung die periodische Organisation und Durchführung von Benutzertreffen an. In diesen Veranstaltungen kann der gastgebende Hersteller sein gesamtes Marketing-Instrumentarium gezielt und ohne Streuverluste einsetzen. Der Veranstaltungserfolg hängt entscheidend von der Programmgestaltung ab. Themen- und Referentenauswahl sind dabei ebenso wichtig wie Organisation und Inhalt des Rahmen- und Beiprogramms. Insbesondere durch das Angebot themen- bzw. problembezogener Workshops, die den Benutzern die Möglichkeit zum Informations- und Erfahrungsaustausch bieten, kann es dem Veranstalter gelingen, eine besonders starke Bindung zum Geschäftskunden herzustellen. Zweifellos sind Benutzertreffen neben ihrer Funktion als Informationsbörse zugleich auch immer Verkaufsveranstaltungen. So sind Vorträge über die künftige Unternehmens- und Entwicklungsstrategie ebenso fester Programmbestandteil wie die Präsentation neuer Programmbausteine oder die Vorstellung eines Kooperationspartners mit seinem ergänzenden Produktund Leistungsangebot. Darüber hinaus kann ein Benutzertreffen in ähnlicher Form der Informationsbeschaffung dienen wie eine User-Group. Entsprechend konzipierte Fragebögen, die im Rahmen der Veranstaltung ausgeteilt werden, können dabei wichtige Aufschlüsse über zukünftige Benutzeranforderungen und damit über Teilaspekte der einzuschlagenden Entwicklungsstrategie geben.
3.7.5.3 Referenzbesuche
Insbesondere im Geschäft mit komplexen Produkten und Leistungen gehört der Nachweis von Referenzen zu einem der wichtigsten Marketing-Bestandteile überhaupt. Als Referenzen werden Kunden bezeichnet, bei denen ein Produkt oder Projekt erfolgreich und zur Zufriedenheit des Kunden durchgeführt wurde. Die Nachfrage nach Referenzen drückt in besonderem Maße das hohe Sicherheitsbedürfnis des potenziellen Anwenders bei der Beschaffung von Produkten oder Systemen aus. Grundsätzlich ist zu unterscheiden zwischen aktiver und passiver Form des Referenznachweises [vgl. Strothmann/Kliche 1989, S. 122]. Eine aktive Referenzpolitik liegt dann vor, wenn auf Referenzunternehmen bereits hingewiesen wird, ohne dass ein darauf gerichtetes Kundeninteresse erkennbar ist. Die aktive Form des Referenznachweises setzt voraus, dass der Anbieter über eine hinreichend große Anzahl von Kunden verfügt, bei denen das Produkt zur Zufriedenheit der Benutzer eingeführt wurde und die jederzeit bereit sind, Auskunft über die Tauglichkeit des Systems - auch gegenüber möglichen Wettbewerbern - zu geben. Wird bei der Angabe von Referenzen Zurückhaltung geübt und werden Referenzadressen nur dann genannt, wenn der potenzielle Kunde darauf besteht, so wird von einer passiven Referenzpolitik gesprochen. Die passive Form des Referenznachweises ist in der Praxis wesentlich häufiger anzutreffen, weil die meisten Anwender (trotz allgemeiner Zufriedenheit mit dem installierten Produkt) i. d. R. nicht bereit sind, einem Dritten ohne entsprechende „Vorwarnung“ durch den Anbieter Auskunft über die Installation zu geben [vgl. Strothmann/Kliche 1989, S. 122].
384
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Besonders wirkungsvoll sind Referenzanwender, die ihre Räumlichkeiten zur Besichtigung oder zum Test des bei ihnen installierten Produkts durch den potenziellen Kunden zur Verfügung stellen. Ein solcher Besichtigungstermin sollte jedoch sehr gut vorbereitet sein, da Komplikationen bei der Vorführung das Entscheidungsrisiko der potenziellen Investoren nicht gerade abbauen hilft [vgl. Baaken/Launen 1993, S. 170]. Dies alles setzt voraus, dass sich Anbieter eine Datei von potenziellen Referenzanwendern anlegen. In dieser Referenzdatei sollten alle Funktionsbausteine, die der jeweilige Anwender im Einsatz hat, aufgeführt sein. Weiterhin sollten die technologische Infrastruktur sowie Strukturmerkmale, wie Unternehmensgröße und Branchenzugehörigkeit, in der Datei festgehalten werden. In der Systematik der Referenzdatei spiegeln sich somit im Prinzip nichts anderes wider als die Kriterien der Makrosegmentierung (siehe auch Abschnitt 3.2.3), die der Festlegung des relevanten Marktausschnittes dienen. Eine solche Systematik ist insbesondere deshalb von Bedeutung, weil viele potenzielle Kunden bei einem Referenzbesuch besonderen Wert auf eine vergleichbare Systemumgebung legen. Der Referenznehmer verspricht sich davon den Vorteil, den Systemeinsatz unter ähnlichen Bedingungen zu erleben [vgl. Strothmann/Kliche 1989, S. 124]. Unter dem Gesichtspunkt unterschiedlicher Branchenanforderungen kommt der Etablierung eines Lead User pro Branche eine besondere Bedeutung zu. Als Lead User werden Referenzkunden bezeichnet, die den Produktentwicklungsprozess aktiv mitgestalten und somit Einfluss auf das Entwicklungsergebnis nehmen. Besonders wichtig bei der Auswahl der Lead User ist, dass diese zu den typischen Vertretern ihrer Branche gehören und über ein entsprechend positives Image verfügen [vgl. Baaken/Launen 1993, S. 170 unter Bezugnahme auf von Hippel 1986, S. 791-805]. In Abbildung 3-72 sind die wichtigsten Instrumente im After-Sales-Geschäft im Überblick dargestellt. Gründung von Benutzergruppen (User-Groups)
Organisation von Benutzertreffen
Organisation von Referenzbesuchen
• Informeller Erfahrungsaustausch unter Fachleuten (User)
• Intensivierung der Kundenbetreuung durch periodische Organisation von Zusammenkünften
• Aktive Referenzpolitik:
• Gesamtes MarketingInstrumentarium kann ohne Streuverluste eingesetzt werden
• Passive Referenzpolitik
• Eine aktive und konstruktive Mitarbeit des Herstellers bietet sich an • Ideale Möglichkeit um Zusatzbausteine und Ergänzungsleistungen anzubieten • Einbindung der User in die künftige Entwicklungspolitik • Erheblicher Wert für die Marktforschung
• Neben der Funktion als Informationsbörse zugleich auch Verkaufsveranstaltung • Ggf. auch Einbindung von Kooperationspartnern
- Setzt voraus, dass genügend zufriedene Kunden bereit sind, Auskunft zu geben - In der Praxis wesentlich häufiger anzutreffen - Viele Kunden sind nicht bereit, ohne entsprechende Vorwarnung Auskunft zu geben • Besonders wirkungsvoll, wenn der Kunde seine Räumlichkeiten für den Referenzbesuch zur Verfügung stellt © Dialog.Lippold
Abb. 3-72:
Instrumente im After-Sales-Geschäft
3.7 Betreuung – Optimierung der Kundenzufriedenheit
385
3.7.6 Kundenlebenszyklus Trotz aller bindungserhaltenden und -steigernden Maßnahmen halten Geschäfts- bzw. Kundenbeziehungen nicht ewig. Ähnlich wie bei Produkten unterliegt auch die Kundenbeziehung einem Lebenszyklus. Der Kundenbeziehungs- bzw. Kundenlebenszyklus (engl. Customer Lifecycle) beschreibt idealtypisch die verschiedenen Phasen einer (langfristigen) Geschäftsbeziehung. Nach diesem Konzept, das Steuerungsansätze zur systematischen Kundenbindung in den Mittelpunkt stellt, können sechs Phasen unterschieden werden [vgl. Becker, J. 2009, S. 632 ff. und Dwyer et al. 1987, S. 15]:
Anbahnungsphase Explorationsphase Expansionsphase Reife- bzw. Gefährdungsphase Kündigungsphase Revitalisierungsphase.
Zielgruppe der Anbahnungsphase sind Interessenten, die bislang noch keine Kunden sind. Im Mittelpunkt steht das Interessentenmanagement, dessen Ziel die Anbahnung von neuen Geschäftsbeziehungen ist. In dieser Phase kommen vornehmlich die Kommunikationsinstrumente des Beratungsunternehmens zum Einsatz (Werbung, Direktmarketing, Messen, Fachartikel etc.). Die Explorationsphase beschreibt die frühe Entwicklung der Kundenbeziehung. Im Mittelpunkt steht das Neukundenmanagement, das in der Regel durch geringfügige Umsätze bei hohen (kundenbezogenen) Kosten gekennzeichnet ist. Erst-, Kontakt- und Informationsgespräche der Vertriebsmitarbeiter des Beratungsunternehmens kennzeichnen diese Phase. Inhaltlich steht hierbei die Bedarfsanalyse im Vordergrund. Bei der Expansionsphase geht es um die Stärkung einer stabilen Kundenbeziehung mit signifikant steigenden Umsätzen und sinkenden Kosten. Im Mittelpunkt steht das Zufriedenheitsmanagement. Die Expansion einer Kundenbeziehung ist die typische Aufgabe eines Key Account Managers. Die Reifephase einer Kundenbeziehung ist zugleich auch die Phase der höchsten Gefährdung. Einer hohen Kundenbindung mit minimalen Kosten und maximalen Umsätzen kann hier die Gefahr sich beschwerender Kunden gegenüberstehen. Beschwerdemanagement bzw. Kündigungspräventionsmanagement ist hier die zielführende Managementaufgabe des Beratungsvertriebs. Ziel der Kündigungsphase sollte es sein, dass der Kunde seine Kündigungsabsicht überdenkt und ggf. zurücknimmt. Ein hierfür eingesetztes Kündigungsmanagement kann dieses Ziel unterstützen. Die Revitalisierungsphase ist auf die Wiederanbahnung einer stabilen Geschäftsbeziehung ausgerichtet. Das hierzu eingesetzte Rückgewinnungsmanagement ist demnach ein Spezialfall des Kundenbeziehungsmanagements.
386
3. Marketing und Vertrieb der Unternehmensberatung
Damit konzentrieren sich die Aufgaben des Vertriebsmanagements einer Unternehmensberatung im Rahmen des Kundenlebenszyklus auf die drei Schwerpunkte Interessentenmanagement, Kundenbindungsmanagement und Rückgewinnungsmanagement. In Abbildung 3-73 sind die Phasen des Kundenlebenszyklus sowie die entsprechenden Managementaufgaben dargestellt.
Anbahnungsphase
Phase
Anbahnung von neuen Geschäftsbeziehungen
Ziel
Kundenbezogene Umsätze und Kosten Managementaufgabe
Interessentenmanagement
Interessentenmanagement
Explorationsphase
Expansionsphase
Festigung von neuen Geschäftsbeziehungen
Stärkung von stabilen Geschäftsbeziehungen
Stabilisierung gefährdeter Geschäftsbeziehungen
Geringe Umsätze – hohe Kosten
Steigende Umsätze – sinkende Kosten
Maximale Umsätze – minimale Kosten
Neukundenmanagement
Zufriedenheitsmanagement
Beschwerdemanagement
Kundenbindungsmanagement
[Quelle: modifiziert nach Becker 2009, S. 632 unter Bezugnahme auf Stauss 2000, S. 15]
Abb. 3-73:
Reifephase (Gefährdungsphase)
Phasen des Kundenlebenszyklus
Kündigungsphase
Revitalisierungsphase
Rücknahme von Kündigungen
Wiederanbahnung der Geschäftsbeziehung
Kündigungsmanagement
Revitalisierungsmanagement
Rückgewinnungsmanagement
3.7 Betreuung – Optimierung der Kundenzufriedenheit
387
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung 4.1 Grundlagen des Beratungsprozesses ..............................................................................390 4.1.1 Beratungstechnologie............................................................................................................. 390 4.1.2 Problemlösung als Kern der Beratungsleistung ..................................................................... 392 4.1.3 Systematisierung der Beratungsansätze ................................................................................. 394 4.1.3.1 Systematik von Fink .............................................................................................. 395 4.1.3.2 Systematik von Macharzina/Wolf ......................................................................... 395 4.1.3.3 Systematik von Andler .......................................................................................... 396 4.1.3.4 Systematik von Bea/Haas ...................................................................................... 397 4.1.3.5 Hier zugrundeliegende Systematik ........................................................................ 398 4.2 Phasenstruktur von Beratungsprojekten .........................................................................400 4.2.1 Akquisitionsphase .................................................................................................................. 400 4.2.1.1 Prozessschritte und Beratungstechnologien der Akquisitionsphase ...................... 400 4.2.1.2 Risiken in der Akquisitionsphase .......................................................................... 401 4.2.2 Analysephase ......................................................................................................................... 402 4.2.2.1 Prozessschritte und Beratungstechnologien der Analysephase ............................. 402 4.2.2.2 Risiken in der Analysephase .................................................................................. 403 4.2.3 Problemlösungsphase............................................................................................................. 404 4.2.3.1 Prozessschritte und Beratungstechnologien der Problemlösungsphase ................. 404 4.2.3.2 Risiken in der Problemlösungsphase ..................................................................... 405 4.2.4 Implementierungsphase ......................................................................................................... 405 4.2.4.1 Prozessschritte und Beratungstechnologien der Implementierungsphase ............. 405 4.2.4.2 Risiken in der Implementierungsphase .................................................................. 406 4.3 Beratungstechnologien zur Informationsbeschaffung ....................................................409 4.3.1 Kommunikationstechniken .................................................................................................... 409 4.3.1.1 Workshop .............................................................................................................. 409 4.3.1.2 Moderation............................................................................................................. 411 4.3.1.3 Diskussion ............................................................................................................. 412 4.3.1.4 Kartenabfrage ........................................................................................................ 412 4.3.1.5 Präsentation ........................................................................................................... 414 4.3.2 Techniken zur Informationsbeschaffung und -darstellung .................................................... 415 4.3.2.1 Auswertung von Sekundärdaten ............................................................................ 416 4.3.2.2 Darstellung von Sekundärdaten (Company Profiling) ........................................... 416 4.3.2.3 Primärerhebungen .................................................................................................. 418 4.3.3 Prognosetechniken ................................................................................................................. 421 4.3.3.1 Prognosetechniken auf Basis von Befragungen..................................................... 422 4.3.3.2 Prognosetechniken auf der Basis von Indikatoren ................................................. 425 4.3.3.3 Prognosetechniken auf der Basis von Zeitreihen ................................................... 426 4.3.3.4 Prognosetechniken auf der Basis von Funktionen ................................................. 427 4.4 Beratungstechnologien zur Analyse und Zielsetzung ....................................................430 4.4.1 Tools zur Umwelt-, Wettbewerbs- und Unternehmensanalyse.............................................. 430 4.4.1.1 SWOT/TOWS-Analyse ......................................................................................... 430 4.4.1.2 Ressourcenanalyse ................................................................................................. 432 4.4.1.3 Konzept der Kritischen Erfolgsfaktoren ................................................................ 433 4.4.1.4 7-S-Modell ............................................................................................................. 433 4.4.1.5 Five-Forces-Modell ............................................................................................... 435 4.4.1.6 Analyse der Kompetenzposition ............................................................................ 440 4.4.1.7 Stakeholderanalyse ................................................................................................ 441 4.4.1.8 Wertkettenanalyse ................................................................................................. 442 4.4.1.9 Benchmarking........................................................................................................ 445 4.4.2 Tools zur Zielformulierung .................................................................................................... 448 4.4.2.1 Zielvereinbarung nach dem SMART-Prinzip ........................................................ 448 4.4.2.2 Kennzahlensysteme ............................................................................................... 449 4.4.2.3 Mittel-Zweck-Schema zur Zielbildung.................................................................. 454 4.4.2.4 Balanced Scorecard ............................................................................................... 457 4.4.3 Tools zur Problemstrukturierung ........................................................................................... 458 4.4.3.1 Aufgabenanalyse ................................................................................................... 460
388
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
4.4.3.2 Kernfragenanalyse ................................................................................................. 460 4.4.3.3 Sequenzanalyse...................................................................................................... 462 4.5 Beratungstechnologien zur Problemlösung ....................................................................463 4.5.1 Planungs- und Kreativitätstechniken ..................................................................................... 463 4.5.1.1 Brainstorming ........................................................................................................ 463 4.5.1.2 Brainwriting ........................................................................................................... 464 4.5.1.3 Methode 635 .......................................................................................................... 464 4.5.1.4 Synektik ................................................................................................................. 465 4.5.1.5 Bionik .................................................................................................................... 466 4.5.1.6 Morphologischer Kasten........................................................................................ 466 4.5.1.7 Mind Mapping ....................................................................................................... 467 4.5.1.8 Osborn-Methode .................................................................................................... 468 4.5.2 Tools zur Strategiewahl ......................................................................................................... 469 4.5.2.1 Erfahrungskurve .................................................................................................... 470 4.5.2.2 Lebenszyklusmodelle ............................................................................................ 471 4.5.3 Portfoliotechniken.................................................................................................................. 473 4.5.3.1 BCG-Matrix (4-Felder-Matrix) ............................................................................. 473 4.5.3.2 McKinsey-Matrix (9-Felder-Matrix) ..................................................................... 476 4.5.3.3 ADL-Matrix (20-Felder-Matrix)............................................................................ 477 4.5.4 Tools zur Formulierung der strategischen Stoßrichtungen .................................................... 480 4.5.4.1 Wachstumsstrategien ............................................................................................. 480 4.5.4.2 Strategien in schrumpfenden Märkten ................................................................... 485 4.5.4.3 Wettbewerbsstrategien........................................................................................... 488 4.5.4.4 Markteintrittsstrategien .......................................................................................... 492 4.5.5 Beratungsprodukte ................................................................................................................. 496 4.5.5.1 Gemeinkostenwertanalyse ..................................................................................... 497 4.5.5.2 Zero-Base-Budgeting............................................................................................. 499 4.5.5.3 Nachfolgeregelung................................................................................................. 500 4.5.5.4 Mergers & Acquisitions......................................................................................... 504 4.5.5.5 Business Process Reengineering............................................................................ 506 4.5.6 Modellierungstools im Geschäftsprozessmanagement .......................................................... 512 4.5.6.1 Ereignisorientierte Prozesskette (EPK) ................................................................. 513 4.5.6.2 Business Process Model and Notation (BPMN) .................................................... 514 4.5.6.3 Vergleich beider Modellierungstools..................................................................... 514 4.6 Beratungstechnologien zur Implementierung .................................................................518 4.6.1 Projektmanagement-Tools ..................................................................................................... 518 4.6.1.1 Phasen im Projektmanagement .............................................................................. 518 4.6.1.2 Prince2 ................................................................................................................... 519 4.6.1.3 PMBoK .................................................................................................................. 523 4.6.1.4 Besondere Aspekte des Projektmanagements........................................................ 526 4.6.2 Agile Tools ............................................................................................................................ 527 4.6.2.1 Das Agile Manifest ................................................................................................ 527 4.6.2.2 Scrum ..................................................................................................................... 530 4.6.2.3 Design Thinking .................................................................................................... 533 4.6.2.4 IT-Kanban.............................................................................................................. 535 4.6.3 Qualitätsmanagement-Tools .................................................................................................. 537 4.6.3.1 Fehlersammelliste .................................................................................................. 538 4.6.3.2 Histogramm ........................................................................................................... 539 4.6.3.3 Kontrollkarte.......................................................................................................... 540 4.6.3.4 Ursache-Wirkungsdiagramm ................................................................................. 541 4.6.3.5 Pareto-Diagramm................................................................................................... 542 4.6.3.6 Korrelationsdiagramm ........................................................................................... 544 4.6.3.7 Flussdiagramm....................................................................................................... 545 4.6.4 Tools zur Evaluierung............................................................................................................ 546 4.6.4.1 Kundenzufriedenheitsanalyse ................................................................................ 546 4.6.4.2 Auftragsbeurteilung ............................................................................................... 548 4.6.4.3 Anschlussakquisition ............................................................................................. 548
3.7 Betreuung – Optimierung der Kundenzufriedenheit
389
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
In diesem Kapitel geht es um den eigentlichen Inhalt der Beratung, d. h. um den Leistungserstellungsprozess und das Leistungsergebnis einer Unternehmensberatung. Die Rede ist also vom Kernbereich der „Produktion“ von Beratungsleistungen. Die zu liefernde Leistung (engl. Delivery) ist die Existenzberechtigung der Unternehmensberatung. Es gibt aber nicht nur eine (klar umrissene) Leistung einer Unternehmensberatung, sondern eine Vielzahl inhaltlich unterschiedlicher Leistungen. Für die Erstellung dieser extrem vielfältigen Leistungen und den damit verbundenen Problemlösungen steht dem Berater eine Vielzahl von Methoden, Konzepten und ggf. auch Produkten zur Verfügung. Entlang den einzelnen Phasen der Strategischen Planung soll eine relevante Auswahl dieser Hilfsmittel und Werkzeuge (engl. Tools) vorgestellt und erläutert werden. Im Mittelpunkt stehen dabei Analyse-Tools sowie Tools zur Ziel- und Strategieformulierung. Diesen vorangestellt werden allgemeine Darstellungstools zur Problemerkennung und -analyse sowie zur Visualisierung und Interpretation von Daten, wie sie der Berater immer wieder verwendet. Damit verbunden sind:
Aussagen über Grundlagen des Beratungsprozesses Aussagen über die Wirkungsweise von Techniken und Tools zur Situationsanalyse Aussagen über die Wirkungsweise von Techniken und Tools zur Zielformulierung Aussagen über die Wirkungsweise von Techniken und Tools zur Strategiewahl Aussagen über die Implementierung von Wachstums-, Wettbewerbs-, Konsolidierungsund Markteintrittsstrategien.
390
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
4.1 Grundlagen des Beratungsprozesses Sicherlich ist kein Erfolgsfaktor im Beratungsgeschäft so schwer zu beschreiben und zu erklären wie die Beratungsleistung an sich. Zu unterschiedlich sind die Beratungsinhalte und die Beratungsprozesse. Zu verschieden ist das Zusammenspiel von Leistungspotenzial, Leistungsprozess und Leistungsergebnis von Beratungsauftrag zu Beratungsauftrag. Daher kann hier nur der Versuch unternommen werden, auf die Besonderheiten des Leistungserstellungsprozesses hinzuweisen sowie Beratungskonzepte, -methoden und -produkte, die in den Leistungserstellungsprozess einfließen, zu systematisieren und zu erläutern. Als Dienstleistung gehört die Beratung zu jenen Angeboten, bei denen Informations- und Unsicherheitsprobleme sowohl auf der Kunden- als auch auf der Lieferantenseite groß sind. Beratungsleistungen sind immateriell und integrativ. Daher können sie nicht auf Vorrat gefertigt werden. Für den Kunden hat dies zur Folge, dass er kein fertiges, überprüfbares Produkt bestellt, sondern dass die Beauftragung zunächst nur auf der Grundlage eines Leistungsversprechens erfolgt [vgl. Kaas 2001, S. 109]. Der Schlüssel zu einem erfolgreichen Wettbewerbskonzept für Unternehmensberater liegt in einem genauen Verständnis des Beratungsprozesses, also der Dienstleistungsproduktion. Zu diesem Kernbereich zählen die Entwicklung, Formalisierung, Speicherung, Bereitstellung, der Transfer, aber auch der Schutz von Wissen. Angesprochen sind damit auch die verschiedenen Aspekte des Managements von Wissen (engl. Knowledge Management) als Grundlage der Leistungserstellung von Beratungsunternehmen [vgl. Bamberger/Wrona 2012, S. 21]. Die Entwicklung, Speicherung und Diffusion des „Kernrohstoffes“ Information bzw. Wissen ist die Grundlage und Voraussetzung des Erfolgsfaktors Beratungstechnologie, der im Mittelpunkt dieses Kapitels steht. 4.1.1 Beratungstechnologie Beratungsleistungen sind also nicht nur immateriell und integrativ, sondern auch – wie in Abschnitt 1.2.5.1 gezeigt – indeterminiert, d. h. unbestimmt. Diese Zusammenhänge sind von zentraler Bedeutung für die Gestaltung der Beratungsaufträge und hier insbesondere für die Problemlösungstechnologie des Beraters (= Beratungstechnologie) sowie für die vertragliche Ausgestaltung (Dienstvertrag vs. Werkvertrag). Unter Beratungstechnologie werden alle Tool- und Know-how-Komponenten zusammengefasst, die Berater nutzen, um ihre Kunden zu beraten. Dies schließt auch das Erfahrungswissen des Beraters mit ein. Hinsichtlich des Standardisierungsgrades lässt sich Beratungstechnologie unterteilen in
individuelle, flexible Technologie, standardisierte Technologie (Tools) und starre Technologie (Beratungsprodukte).
4.1 Grundlagen des Beratungsprozesses
391
Die wichtigsten Vor- und Nachteile dieser unterschiedlichen Beratungstechnologien (Technologietypen) sollen anhand der Kriterien Kommunizierbarkeit, Imitierbarkeit, Handlungsspielraum, Wachstum und Preisniveau kurz dargestellt werden [vgl. Schade 2000, S. 256 ff.]: Kommunizierbarkeit. Beratungsprodukte sind aufgrund ihres Signalcharakters in jedem Fall besser zu kommunizieren als individuelle, weitgehend namenlose Leistungen. Der potenzielle Kunde erhält ein konkreteres Bild, als dies bei flexibleren Leistungsangeboten der Fall ist. Auch stellen Beratungsprodukte (sowie auch Zertifizierungen) ein glaubwürdiges Signal für die Qualität der Leistung und des Beratungsunternehmens dar. Imitierbarkeit. Beratungsprodukte und Tools sind immer besser kopierbar als „stilles“ Wissen. Dies stellt im Innenverhältnis einen beträchtlichen Vorteil dar, da so neue Mitarbeiter wesentlich leichter an die angebotenen Leistungsprogramme herangeführt werden können. Im Außenverhältnis ist dies allerdings ein erheblicher Nachteil, denn die Imitierbarkeit führt gemeinsam mit den hohen Entwicklungskosten dazu, die Produkte und Tools intensiv zu nutzen und damit einen hohen Auslastungsgrad der einzelnen Berater zu erreichen. Handlungsspielraum. Mit dem Einsatz einer starren Technologie (ein Beratungsprodukt) verzichtet der Unternehmensberater freiwillig auf Handlungsspielräume. Konkret bedeutet dies, dass es bei Zieldefinitionen, bei der Personaleinsatzplanung, bei Projektfortschrittskontrollen und auch bei den Honorarzahlungen kaum Freiheitsgrade gibt. Wachstum. Ohne kodiertes Wissen, d. h. ohne Tools oder Beratungsprodukte, können Beratungsunternehmen nur sehr schwer wachsen. Insbesondere bei der Suche und Einstellung neuer, noch nicht qualifizierter Berater ist die Übertragung kodierten Wissens nicht so langwierig und schwierig wie bei der Übertragung stillen Wissens. Preisniveau. Grundsätzlich steigt die Preisbereitschaft des Kunden mit der Effizienz der Beratungstechnologie, mit seiner Wertschätzung für diese Beratungsleistung und mit den Opportunitätskosten der eigenen Mitarbeiter. Daher kann man vereinfachend davon ausgehen, dass Unternehmensberater ein umso höheres durchschnittliches Preisniveau erzielen können, je standardisierter ihre Problemlösungstechnologien sind. In Abbildung 4-01 sind die Konsequenzen dieser drei Technologietypen auf verschiedene Kriterien optisch zusammengefasst. Strategieberatungen haben früher damit begonnen, auftragsindividuell entwickelte Vorgehensweisen als Beratungsprodukte zu entwickeln und zu vermarkten, als IT-Beratungsgesellschaften. Zu solchen Beratungsprodukten zählen – neben den klassischen Beratungs- bzw. Managementansätzen der BCG-Matrix, McKinsey-Matrix und der ADL-Matrix – folgende Beratungsansätze [siehe Fink 2004]:
Economic Value Added (EVA) von Stern Stewart Value Building Growth von A. T. Kearney Business Transformation von Capgemini Consulting CRM-Value-Map von Deloitte Consulting.
392
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
Zwischenzeitlich werden aber auch von den IT-Beratungsgesellschaften gezielt (IT-)Beratungsprodukte entwickelt, die aber – mit wenigen Ausnahmen – noch bei weitem nicht den Bekanntheitsgrad und Einfluss erzielt haben wie Produkte der großen Strategieberater. Das bekannteste Beispiel in diesem Bereich ist das Prozessmodellierungstool ARIS der Software AG [vgl. Nissen/Kinne 2008, S. 95 f.]. Individualleistung
Tools
Produkte
(Flexible Technologie)
(Standardisierte Technologie)
gering
mittel
hoch
gering
mittel
hoch
hoch
mittel
gering
(Starre Technologie)
Kommunizierbarkeit • Signalcharakter der Leistung • Positionierbarkeit des Unternehmens
Imitierbarkeit der Leistungen
Handlungsspielraum bzgl. • Zieldefinition • Preisstellung • Personaleinsatzplanung
Wachstum des Beratungsunternehmens gering
mittel
hoch
gering
mittel
hoch
Erzielbares Preisniveau
[Quelle: in Anlehnung an Schade 2000, S. 256 ff. 9]
Abb. 4-01:
Konsequenzen unterschiedlicher Beratungstechnologien
4.1.2 Problemlösung als Kern der Beratungsleistung Von einer Unternehmensberatung wird erwartet, dass sie ihrem Auftraggeber handlungsorientierte Ratschläge unterbreitet, die zu einer Problemlösung im Sinne des Kunden führen. Die Problemlösung ist somit Ziel und Kern der beauftragten Beratungsleistung. Eine befriedigende Problemlösung kann nur dann erzielt werden, wenn das Problem korrekt definiert ist und die Informationen, die zur Lösung erforderlich sind, vorliegen. Ein Problem beruht im betriebswirtschaftlichen Sinne auf einer Abweichung von einem angestrebten Soll- zu einem realisierten Ist-Zustand und gibt ganz allgemein Anlass zum Handeln. Diese Abweichung muss nicht nur negativer, sondern kann durchaus auch positiver Natur sein. Wenn ein Unternehmen bspw. ein Umsatzwachstum von 10 Prozent geplant hat, tatsächlich jedoch einen Anstieg um 25 oder 30 Prozent realisiert, dann hat es bestenfalls Wachstumsschmerzen und damit eben auch ein Problem, das zum Handeln Anlass geben kann. Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass ein Problem nicht unabhängig von den Personen ist, die es
4.1 Grundlagen des Beratungsprozesses
393
definieren; d. h. ein Problem als solches gibt es nicht. Erst wenn eine Person in einer bestimmten Situation vor dem Hintergrund ihrer individuellen Zielsetzungen einen Handlungsdruck empfindet, wird diese Situation zu ihrem Problem [vgl. Fink 2009, S. 43 f.]. Da sich in aller Regel beim Kundenunternehmen die Manager eines Problems annehmen, sind denn auch die Managementprobleme die Objekte der Beratung und die Lösung dieser Probleme das Ziel der Beratungstätigkeit. Allerdings wäre es zu kurz gesprungen, wenn man nur jene Probleme, die in den Verantwortungsbereich der obersten Leitungsebenen eines Unternehmens fallen, als relevant für eine beraterische Unterstützung ansieht. Auch auf unteren Unternehmensebenen wird eine Unterstützung durch den Berater durchaus praktiziert (z. B. bei der Einführungsunterstützung von ERP-Systemen). Daher wird hier im Folgenden auch nicht von Managementproblemen, sondern ganz allgemein von Problemen, und im weiteren Verlauf auch nicht von Managementkonzepten, -methoden oder -produkten, sondern von Beratungskonzepten, -methoden und -produkten gesprochen. Wichtig ist zuvor die Unterscheidung zwischen Problem und Aufgabe. So ist eine schwierige Unternehmenssituation für das Management oder für betroffene Mitarbeiter eines Unternehmens zumeist ein Problem; für den externen Berater dagegen ist sie eine (ggf. schwierige) Aufgabe, das Unternehmen bei der Lösung des Problems zu unterstützen. Bei gleicher Zielsetzung sind also die Probleme eines Kunden nicht unmittelbar auch die Probleme des Beraters. Dieser ist persönlich weniger stark involviert als der Kunde selbst und auch die Problemlösung sieht er schon deshalb nicht als Problem, sondern als lösbare Aufgabe an, weil er über das geeignete methodische Rüstzeug oder auch über entsprechende Kapazitäten verfügt [vgl. Fink 2009, S. 46]. Versucht man die verschiedenen Formen und Ausprägungen von Problemen zu systematisieren, so ist die Unterscheidung der folgenden drei Typen von Problemen hilfreich [vgl. Gomez/Probst 1999, S. 17 ff.]: einfache, komplizierte und komplexe Probleme. In Abbildung 4-02 sind die Charakteristika und möglichen Lösungstechniken dieser drei Problemtypen dargestellt.
Problemtyp
Charakteristik
Lösungstechniken
Einfache Probleme
• Wenig Einflussfaktoren • Wenig Verknüpfungen • Stabile Beziehungen
„Gesunder Menschenverstand“
Komplizierte Probleme
• Viele Einflussfaktoren • Viele Verknüpfungen • Stabile Beziehungen
z. B. Methoden des Operations Research
Komplexe Probleme
• Viele Einflussfaktoren • Viele Verknüpfungen • Instabile Beziehungen
• Vernetztes Denken • Systemtheorie • Kybernetik
[Quelle: Fink 2009, S. 48 f.]
Abb. 4-02:
Charakteristika und Lösungstechniken von Problemtypen
394
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
Unabhängig davon, ob es sich um ein einfaches, um ein kompliziertes oder um ein komplexes Problem handelt, kann das Grundschema eines idealtypischen Problemlösungsprozesses als Informationsverarbeitungsprozess verstanden werden, der mit der Gegenüberstellung von Sollund Ist-Zustand beginnt. Um das aus dieser Diskrepanz resultierende Problem zu lösen, wird die Ist-Situation analysiert und darauf aufbauend Alternativen zur Veränderung der Situation entworfen. Die sich daraus ergebenden Konsequenzen werden ermittelt und bewertet und zeigen so Entscheidungen bzw. Handlungen zur Lösung des Problems auf [vgl. Brauchlin 1978, S. 77]. Drei grundsätzliche Problemlösungsansätze lassen sich dabei unterscheiden [vgl. Fink 2009, S. 49 ff.]: Psychologische Ansätze, die effektive Lösungsschritte in Form begründeter Lern- und Denkschritte aufzeigen; Analytische Ansätze, die ein Problem in möglichst kleine Teilaspekte aufspalten, um durch Verknüpfung der einzelnen Lösungsteile zu einer Gesamtlösung zu gelangen; Holistische Ansätze, die die Problemlösung aus einem ganzheitlichen Prinzip ableiten und die einzelnen Aspekte eines Problems als ein netzartiges System mit komplexen wechselseitigen Abhängigkeiten und Rückkopplungen verstehen.
4.1.3 Systematisierung der Beratungsansätze Wenn hier von Beratungsansätzen die Rede ist, dann sind damit zugleich auch immer Managementansätze gemeint, denn die Beratungsansätze richten sich – zumindest in der Managementberatung – an das Management als Beratungsträger. Die Tools und Techniken, auf die der Berater (und damit das Management) zurückgreifen kann, sind so zahlreich und so unterschiedlich konzipiert, dass es ein schwieriges Unterfangen ist, Ordnung in diese Vielfalt zu bringen. Einige Techniken sind sehr einfach, andere wiederum sehr komplex konzipiert. Manche Techniken stellen lediglich einen Formalismus, ein Schema dar. Andere Techniken wiederum beruhen auf empirischen Studien und haben gesetzesähnlichen Charakter [vgl. Bea/Haas 2005, S. 50 und 58]. Wie lässt sich die Vielzahl von Beratungs- bzw. Managementansätzen systematisieren? Die Mehrzahl der in der Literatur vorgestellten Systematiken orientiert sich an den verschiedenen Strategien, für deren Entwicklung und Formulierung schließlich ein Großteil der Beratungsansätze konzipiert wurde. Zu dieser (strategieorientierten) Kategorie zählen die Systematik von Fink sowie der Ansatz von Macharzina/Wolf. Die Systematiken von Andler sowie von Bea/Haas orientieren sich dagegen mehr am Prozess und am Anwendungsbezug der Planung. Alle vier Systematiken sollen hier kurz vorgestellt werden. Darüber hinaus wird hier eine Systematik vorgeschlagen, die sich an den Phasen des Beratungsprozesses orientiert. Diese Systematik ist zugleich auch die Grundlage für die Einordnung der im Kapitel 4 vorgestellten Beratungsansätze und -tools.
4.1 Grundlagen des Beratungsprozesses
395
4.1.3.1 Systematik von Fink
Ein Beispiel für die Strategieorientierung ist die Systematik von Dietmar Fink [2009], die auf der ersten Gliederungsstufe zwischen wertorientierten Strategien (auf Unternehmensebene) und Wettbewerbsstrategien (auf Geschäftsbereichsebene) unterscheidet. Auf der zweiten Gliederungsstufe wird dann zwischen Konzepten, Methoden und Produkten differenziert und diesen werden dann die konkreten Beratungsansätze (bei Fink: Managementansätze) zugeordnet. Fink fasst also die verschiedenen Managementansätze als Instrumente der Strategieentwicklung auf. Diese Systematik ist zwar in sich schlüssig, jedoch ausschließlich auf das Beratungsgebiet der Strategieberatung ausgerichtet. Darüber hinaus werden so wichtige Beratungstools wie die Wertkettenanalyse oder das Benchmarking nicht berücksichtigt. Abbildung 4-03 fasst diese Systematik synoptisch zusammen.
Wertorientierte Strategien
Wettbewerbsstrategien
(auf Unternehmensebene)
(auf Geschäftsbereichsebene)
Konzepte
• • • • • •
Shareholder Value Stakeholder Management Portfoliomanagement Kernkompetenzen Mergers & Acquisitions Outgrowing
• • • •
Methoden
• • • • • •
Priorisierung der relevanten Stakeholder Abgrenzung strategischer Geschäftsfelder Analyse strategischer Geschäftsfelder Analyse der Kompetenzposition Analyse potenzieller Akquisitionsobjekte Bewertungspotentieller Akquisitionsobjekte
• Umweltanalyse • Unternehmensanalyse • Identifikation und Bewertung strategischer Optionen
Produkte
Abb. 4-03:
• • • • •
Economic Value Added Cashflow Return on Investment Valuation-Pentagramm Marktwachstum/Marktanteil-Portfolio Marktattraktivität/WettbewerbsstärkePortfolio • Marktlebenszyklus/WettbewerbspositionPortfolio • Merger Endgames
Strategische Wettbewerbsvorteile Coopetition Business Process Reengineering Customer Relationship Management
• Ambition Driven Strategy • Value Growth • Net Promotor Score
Systematik von Fink
4.1.3.2 Systematik von Macharzina/Wolf
Kaus Macharzina und Joachim Wolf [2010] teilen die verschiedenen Managementkonzepte und -ansätze in Instrumente der Strategieformulierung und in Techniken der Unternehmensführung auf. Bei den Instrumenten der Strategieformulierung gehen sie in drei Arbeitsschritten vor (siehe Abbildung 4-04): 1) Strategisch orientierte Gegenwarts- und Zukunftsbeurteilung (Wo stehen wir?) 2) Entwicklung der strategischen Stoßrichtung (Wo wollen wir hin?) 3) Festlegung der (Produkt-/Markt-) Strategie (Wie kommen wir dahin?) Bei den Techniken der Unternehmensführung wird zwischen
396
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
Kostenmanagementtechniken und Prognose- und Planungstechniken
unterschieden. Macharzina/Wolf weisen darauf hin, dass aus der Fülle der existierenden Techniken der Unternehmensführung nur diejenigen dargestellt werden, bei denen ein praktisches Problemlösungspotenzial nachgewiesen worden ist [vgl. Macharzina/Wolf 2010, S. 817]. Instrumente der Strategieformulierung
Techniken der Unternehmensführung
Abb. 4-04:
Strategisch orientierte Gegenwarts- und Zukunftsbetrachtung
Entwicklung der strategischen Stoßrichtung
• Umweltanalyse • Unternehmensanalyse • Modell der Wertschöpfungskette • Branchenstruktur- und Wettbewerbsanalyse (Five Forces) • Chancen-GefahrenAnalyse • Koopetitionsmodell • Gap-Analyse • Strategische Frühaufklärung • Benchmarking • VRIO-Konzept
• Space-Analyse • Produkt-Markt-Matrix • TOWS-Analyse
Kostenmanagementtechniken
Prognose- und Planungstechniken
• • • •
• Prognosetechniken • Kreativitätstechniken • Bewertungstechniken
Zero-Base-Budgeting Gemeinkostenwertanalyse Produktwertanalyse Kanban
Festlegung der (Produkt-/Markt) Strategie • Marktwachstum/ Marktanteil-Portfolio • Marktattraktivität/Wettbewerbsstärke-Portfolio • Weiterführende Marktportfolios • Technologieportfolio
Systematik von Macharzina/Wolf
4.1.3.3 Systematik von Andler
Einen sehr weitgehenden Systematisierungsansatz, der nahezu alle bekannten Tools und Techniken berücksichtigt, liefert Nicolai Andler [2015]. Als Richtschnur dient der Problemlösungsprozess mit den formalen Phasen (Prozessstufen)
Diagnose, Zielformulierung, Analyse und Entscheidungsfindung.
Diesen Phasen werden nun insgesamt mehr als 100 Tools und Techniken zugeordnet. Zweck der Tools in der Prozessstufe Diagnose ist, die gegenwärtige Situation abzubilden, alle relevanten Informationen zu beschaffen und neue Ideen zu entwickeln. Die Tools und Techniken der Prozessstufe Zielformulierung dienen dazu, den gewünschten Endzustand zu definieren. In der Prozessstufe Analyse sind alle Tools und Techniken zusammengefasst, die eine Organisationsstruktur analysieren, die sich mit Aspekten von Technologie und Systemen befassen und die
4.1 Grundlagen des Beratungsprozesses
397
die Möglichkeiten prüfen, eine starke Marktposition aufrechtzuhalten oder auszubauen. Tools der Phase Entscheidungsfindung bewerten, priorisieren und vergleichen die vorgeschlagenen Problemlösungsalternativen. In dieser Systematisierung fehlen allerdings gängige Beratungskonzepte wie Business Process Reengineering, Gemeinkostenwertanalyse etc. Abbildung 4-05 gibt einen Überblick über die einzelnen Problemlösungsschritte und relevante Kategorien von Tools, wobei auch hier nur die Tools und Techniken aufgeführt sind, die über ein nachgewiesenes Problemlösungspotenzial verfügen.
Diagnose
Situationsdefinition • Stakeholder Analyse • Silo • Mind map Informationsbeschaffung • Interview • Expertenbefragung • Desk Research
Zielformulierung
• • • • •
SMART 3 P-Äußerungen Ziel-Gitter Charta SNAP
Kreativität • Brainstorming • Methode 6-3-5 • Attribute Listing • Merlin-Technik • Morphologie • Pareto-Diagramm (80:20Regel) • ABC-Tool
Abb. 4-05:
Entscheidungsfindung
Analyse
Organisationsanalyse • Organisationsstruktur • Kontroll-Spanne • Struktur vs. Prozesse • Kräftebild Systemanalyse • Prozessanalyse • EinheitenBeziehungsdiagramm • Technologie- und Systemlandkarte • Logische Datenbeziehungen
• • • • • • •
Entscheidungsbaum Argumenten-Waage Kreuz der Annahmen Polaritäten-Tool Nutzwertanalyse Kartesische Koordinaten Risikoanalyse
Strategieanalyse • Modell der Wertschöpfungskette • Kritische Erfolgsfaktoren • SWOT/TOWS • Five Forces • Lebenszyklus • Portfolio-Matrix
Systematik von Andler
4.1.3.4 Systematik von Bea/Haas
Franz Xaver Bea und Jürgen Haas [2005] konzentrieren sich in ihrer Systematik auf den Einsatz von Planungstechniken entlang den Komponenten des strategischen Planungsprozesses und stellen auf diese Weise einen konkreten Anwendungsbezug der einzelnen Planungstechniken her. Dies sind im Einzelnen:
Techniken der Zielbildung, Techniken der Umweltanalyse, Techniken der Unternehmensanalyse, Techniken der Strategiewahl und Techniken der Strategieimplementierung.
In Abbildung 4-06 sind diese Planungstechniken den Komponenten der strategischen Planung zugeordnet. Die strategische Planung hat in den letzten Jahren eine Renaissance erfahren und ist aus den Planungs- und Strategieabteilungen insbesondere der größeren Kundenunternehmen nicht mehr
398
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
wegzudenken. Hinzu kommt, dass die strategische Planung wohl das betriebswirtschaftliche Betätigungsfeld ist, auf dem die sachlichen und auch personellen Verflechtungen von Theorie und Praxis am weitesten fortgeschritten sind.
Zielbildung
• Kennzahlensysteme • Deduktive Zielauflösung
Unternehmensanalyse
Umweltanalyse
• • • • • • • • •
Marktanalyse Branchenanalyse Indikatorenanalyse Stakeholder-Ansatz Chancen-/RisikoAnalyse Prognoseverfahren Szenario-Analyse Früherkennungssysteme Konzept der Schwachen Signale
• • • • • • • • • • • • • •
Abb. 4-06:
Potenzialanalyse Ressourcenanalyse Wertkettenanalyse Stärken-SchwächenAnalyse Wettbewerbsanalyse Benchmarking PIMS-Studie ProduktlebenszyklusAnalyse ErfahrungskurvenAnalyse Preiserfahrungskurven-Analyse Strategische Kostenanalyse Target Costing Prozesskostenrechnung Lebenszyklusorientierte KER
Strategiewahl
• Portfolio-Analyse • Planungsmodelle
Strategieimplementierung • Budgetierung • Balanced Scorecard • Synoptische und inkrementelle Planung • Retrograde, progressive, zirkuläre Planung
Systematik von Bea/Haas
4.1.3.5 Hier zugrundeliegende Systematik
Die hier verwendete Systematik soll sich an den einzelnen Phasen eines typischen Beratungsprozesses orientieren. Als Beispiel dient der in Abschnitt 1.2.5 vorgestellte Beratungsprozess mit den Prozessphasen:
Akquisitionsphase Analysephase Problemlösungsphase Implementierungsphase.
Ein so definierter Beratungsprozess ist im Allgemeinen typisch für mittlere und größere Aufträge sowohl in der Strategie- als auch in der Umsetzungsberatung. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass die einzelnen Phasen in der Realität in ganz unterschiedlichen Formen durchgeführt werden. Während die Analysephase und die Problemlösungsphase praktisch in jedem Beratungsprojekt vorkommen und damit als konstitutive Bestandteile einer Beratungsleistung aufgefasst werden können, nehmen die Angebotsphase und die Implementierungsphase eine Sonderrolle in Bezug auf Umfang und Form der Zusammenarbeit ein. So reicht das Spektrum der Angebotsphase von der Angebotsabgabe auf der Basis eines Telefongesprächs bis hin zu bezahlten Vorstudien. Ebenso unterschiedlich sind die Durchführungsformen bei der
4.1 Grundlagen des Beratungsprozesses
399
Implementierungsphase, die von der einfachen Projektbegleitung über die gemeinsame Umsetzung im Team mit dem Kunden bis hin zur vollverantwortlichen Realisierung und Umsetzung durch den Berater reichen. Abbildung 4-07 liefert für diese Phasen einen ersten Überblick über Beratungsinhalte, Beratungsvorgehen und Beratungstechnologien.
Kernprozess
Marketing/Vertrieb (hier: Akquisition)
Prozessphase
Akquisitionsphase
Prozessschritt
Beratungsinhalte und -vorgehen
Kontakt- und Information
Angebotsund Vertragsgestaltung
Analysephase
Ist-Analyse
Zielformulierung
Problemlösungsphase Soll-Konzept
Realisierungsplanung
Informationsbeschaffung
Informationsbeschaffung und -vertiefung
Generierung der eigentlichen Problemlösung
• Kontaktgespräche • Informationsgespräche • Recherchen
• Interviews • Standardisierte Fragebögen • Eigene Beobachtungen • Literaturstudium
• Entwicklung, Diskussion, Bewertung und Empfehlung von Gestaltungsalternativen • Entwurf einer SollKonzeption • Erarbeitung eines präzisen Aktionsplans
Angebotslegung • Ausgangssituation/ Problemstellung • Zielsetzung • Vorgehensweise • Zeitlicher Rahmen • Verantwortlichkeiten • Honorarvolumen Angebotspräsentation Tools zur Informationsbeschaffung und -darstellung • Kommunikationstools
Beratungstechnologien
Leistungserstellung / Delivery (hier: Projektplanung und -durchführung)
• Tools zur Informationsbeschaffung und -darstellung • Prognosetools
Zielformulierung (Zwischen-) Präsentation der Analyseergebnisse und Zielsetzungen
(Abschluss-) Präsentation
Tools zur Analyse und Zielsetzung
Problemlösungstools • Planungs- und Kreativitätstechniken • Tools zur Strategiewahl • Portfoliotechniken • Tools zur Formulierung von strategischen Stoßrichtungen • Beratungsprodukte • Tools zur Geschäftsprozessmodellierung
• Tools zur Umwelt-, Wettbewerbs- und Unternehmensanalyse • Tools zur Zielformulierung • Tools zur Problemstrukturierung
Implementierungsphase Realisierung/ Umsetzung
Evaluierung/ Kontrolle
Umsetzung des SollKonzepts mit den Alternativen • Berater als Umsetzungsbegleiter • Berater im Team mit dem Kunden • Berater als vollverantwortlicher Umsetzer
Tools zur Implementierung • ProjektmanagementTools • Agile Tools • Tools zur Evaluierung • Tools zur Qualitätssicherung
© Dialog.Lippold
Abb. 4-07:
Systematik der hier vorgestellten Beratungstools und -konzepte
400
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
4.2 Phasenstruktur von Beratungsprojekten Bevor die Beratungstechnologien im Einzelnen vorgestellt werden, müssen die Beratungsprojekte so strukturiert werden, dass nicht nur eine formale, sondern auch eine inhaltliche Zuordnung der Technologien möglich wird. Als Strukturierungsansatz dient das in Abschnitt 1.2.5 (Abbildung 1-10) vorgestellte Prozessmodell eines idealtypischen Beratungsprojektes mit den Phasen
Akquisition, Analyse, Problemlösung und Implementierung.
Die Vorstellung einer jeden Phase wird so vorgenommen, dass zunächst die Prozessschritte als Untermenge der Beratungsphase kurz erläutert werden. Es folgt eine kurze Aufzählung der jeweils zugeordneten Beratungstechnologien sowie eine Beschreibung der wichtigsten Risiken, die innerhalb der jeweiligen Phase auftreten können. 4.2.1 Akquisitionsphase Akquisitionsprozess und Sales Cycle einer Unternehmensberatung sind bereits an anderer Stelle (siehe Abschnitt 3.6.4) ausführlich beschrieben worden. In diesem Abschnitt geht es um die besondere Bedeutung der Akquisitionsphase für die spätere Projektabwicklung und den Einsatz der in dieser Phase benötigten Tools und Techniken sowie um die besonderen Risiken dieser Phase. 4.2.1.1 Prozessschritte und Beratungstechnologien der Akquisitionsphase
Die Akquisition eines Beratungsprojektes setzt sich in aller Regel aus den beiden Prozessschritten Kontakt- und Informationsbeschaffung und Angebots- und Vertragsgestaltung zusammen und ist quasi das Gegenstück zum Einkaufsprozess der Kundenunternehmen (siehe Abschnitt 3.6.3). Die Besonderheit der Akquisitionsphase liegt darin, dass beide Prozessschritte im Normalfall nicht Teil des eigentlichen Projektes sind. Die Akquisitionsphase liegt zeitlich vor der Leistungserstellung (engl. Delivery) und wird in der Regel vom Kundenunternehmen nicht bezahlt. Dennoch ist sie bei Kontraktgütern für den Verlauf und das Ergebnis des Projektes von enorm wichtiger Bedeutung. Zum einen wird in dieser Phase entschieden, ob der Berater den Auftrag für die Projektdurchführung überhaupt erhält. Zum anderen werden hier die Erwartungshaltungen beider Partner im Hinblick auf das letztlich angestrebte Projektergebnis festgelegt. Prozessschritt: Kontakt- und Informationsbeschaffung. Vorgehen und Inhalt dieses Prozessschrittes hängen sehr davon ab, ob es sich um einen Erstkontakt, d. h. um ein potenzielles Neugeschäft, oder um ein mögliches Folgegeschäft handelt. Beim Neugeschäft ist das Beratungsproblem zu Beginn dieser Phase in der Regel noch nicht oder nur unvollständig bekannt, so dass hier die Informationsbeschaffung, die zumeist über Kontakt- und Informationsgespräche sowie gezielte Recherchen erfolgt, überwiegt. Gerade bei Erstkontakten und der besonderen Bedeutung einer Neukundengewinnung können die Investitionen des Beraters in dieser Phase
4.2 Phasenstruktur von Beratungsprojekten
401
recht erheblich sein. Diese Akquisitionsinvestitionen sind naturgemäß dann verloren, wenn der Berater bei der Vergabe des Projektes nicht zum Zuge kommt. Um in einem solchen Fall das anbietende Beratungsunternehmen finanziell nicht zu überfordern, können sich Berater und Kundenunternehmen (insbesondere bei komplexeren Beratungsprojekten) anstelle eines klassischen Angebots auch auf eine bezahlte Vorstudie einigen. Bei einem möglichen Folgegeschäft (z. B. als Anschlussauftrag) hat der Anbieter bereits den Nachweis seiner Leistungsfähigkeit erbracht. Auch liegen in einem solchen Fall zumeist mehr Informationen über die Problemstellung beim Kundenunternehmen als bei einem Erstkontakt vor. Teilweise wird die Problemstellung auch mit dem Kunden gemeinsam erarbeitet. Dies ist sehr häufig dann der Fall, wenn es sich bei dem Kundenunternehmen um einen Key Account handelt und der Key Account Manager versucht, den kundenseitig verlaufenden Auswahl- und Entscheidungsprozess so zu beeinflussen, dass er letztlich den Auftrag gewinnt. Prozessschritt: Angebots- und Vertragsgestaltung. Im Mittelpunkt dieses Prozessschrittes steht die Ausarbeitung eines aussagekräftigen, verkaufsauslösenden Angebots, das Aussagen über die Problemstellung, Zielsetzung, Vorgehensweise, zeitlichen Rahmen, Verantwortlichkeiten und Honorarvolumen enthält, und/oder die Erstellung und Durchführung einer Angebotspräsentation sowie die zweiseitige Vertragsgestaltung. Detaillierte Hinweise über Angebotsformen, Angebotsstruktur und Erfolgsfaktoren der Angebotslegung sowie über die entsprechenden Rechtsgrundlagen sind bereits in Abschnitt 3.7.6. gegeben worden. Beratungstechnologien der Akquisitionsphase. Inhaltlich gesehen steht die Akquisitionsphase ganz im Zeichen einer generalistischen Informationsbeschaffung [Schade 2000, S. 188]. Daher herrschen in dieser Phase die Beratungstechnologien zur Informationsbeschaffung und darstellung vor. Die wichtigste Informationsquelle ist dazu der mögliche Auftraggeber, also der potenzielle Kunde mit seinen Mitarbeitern. Zu den Beratungstechnologien, die in dieser Phase zum Einsatz kommen können, zählen in erster Linie: Kommunikationstechniken wie Workshop, Moderation, Diskussion, Kartenabfrage, Präsentation Techniken zur Informationsbeschaffung und -darstellung wie Sekundärauswertungen (z. B. Company Profiling) und Primärerhebungen auf der Basis von Befragungen und Beobachtungen Prognosetechniken auf der Basis von Befragungen, von Indikatoren, von Zeitreihen und von Funktionen. Die genannten Beratungstechnologien befinden sich allerdings logisch nicht auf der gleichen Ebene. So ist das Company Profiling eher eine Darstellungstechnik auf der Grundlage von sekundärstatistischen Daten, während bspw. Befragungen und Beobachtungen klassische Erhebungsmethoden der Marktforschung darstellen. 4.2.1.2 Risiken in der Akquisitionsphase
Obgleich die Akquisitionsphase nicht dem eigentlichen Beratungsprozess angehört, sind die Risiken im Vorfeld der Leistungserstellung durchaus umfangreich und können erhebliche Auswirkungen auf das spätere Vertragsverhältnis haben.
402
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
Eine besondere Gefahr ist gleich zu Beginn der Kontaktaufnahme gegeben. Hier werden häufig überzogene und falsche Kompetenz- und Leistungsversprechen abgegeben, so dass beim Kunden eine zu hohe Erwartungshaltung aufgebaut wird. Auch kann der enorme Auftragsdruck dazu führen, dass Projekte akquiriert werden, die man unter „normalen Umständen“ vielleicht gar nicht weiterverfolgt hätte, weil das Anforderungsprofil des Kundenunternehmens mit dem Leistungsprofil des Beraters keine allzu große Schnittfläche aufweist. Weitere Risiken liegen naturgemäß darin, dass der Kunde gewisse Informationen zurückhält oder dass der Berater nicht in ausreichendem Maße in der Lage ist, eine zielführende Bedarfsanalyse zu führen. Hektisches, unsensibles oder gar keine Nachfragen kennzeichnen allzu oft das unsichere Verhalten des Beraters im Akquisitionsgespräch und führen so zu einer unzuverlässigen Informationsbasis hinsichtlich Aufgaben, Projektablauf, Terminen, sachlichen und personellen Einsatzmitteln, Zusammensetzung des Projektteams etc. Hohe Risiken sind naturgemäß mit dem Prozessschritt Angebots- und Vertragsgestaltung verbunden. Insbesondere die Angebots- bzw. Projektkalkulation kann durch falsche Einschätzung der zu erbringenden Eigenleistungen, der einzuholenden Fremdleistungen, der umsatzabhängigen Kosten, der Projektmanagementkosten etc. eine besonders hohe Risikoposition einnehmen [vgl. Hesseler 2011a, S. 11 f.]. 4.2.2 Analysephase Die Analysephase setzt unmittelbar nach dem Vertragsabschluss auf. Auch in dieser Phase stehen die einzuholenden Informationen im Vordergrund. Die Beschaffung, Vertiefung und Analyse der Informationen konzentrieren sich aber bereits auf das in der Angebotsphase spezifizierte Beratungsproblem. Interviews, standardisierte Fragbögen und Beobachtungen – letztlich also die Methoden der Marktforschung – dominieren den Informationsbeschaffungsteil in der Analysephase. 4.2.2.1 Prozessschritte und Beratungstechnologien der Analysephase
Die Analysephase setzt sich aus den beiden Prozessschritten Ist-Analyse und Zielformulierung zusammen. Prozessschritt: Ist-Analyse. Inhalt und Umfang der Ist-Analyse hängen vom Problembereich ab. Dieser kann das Unternehmen in seiner Gesamtheit oder einzelne Teilbereiche betreffen. Dabei ist darauf zu achten, dass der risiko- und entscheidungsarme Analyseteil nicht unnötig ausgedehnt wird, sondern der Umfang dieses Prozessschrittes in einem angemessenen Verhältnis zum Umfang der Problemlösungsphase steht [vgl. Niedereichholz 2008, S. 8]. War die Akquisitionsphase noch durch eine generalistische Informationsbeschaffung gekennzeichnet, sollte die in dieser Phase eingesetzte Problemlösungstechnologie eher als projektbezogene oder zielgerichtete Informationsbeschaffung bezeichnet werden. Auch sind diese Technologien in der Regel weniger flexibel als die Beratungstechnologien, die in der Angebotsphase eingesetzt werden. Das liegt daran, dass sich die zielgerichtete Informationsbeschaffung recht gut standardisieren lässt [vgl. Schade 2000, S. 194].
4.2 Phasenstruktur von Beratungsprojekten
403
Prozessschritt: Zielformulierung. Zwischen der Ist-Analyse und der Soll-Konzeption ist der Prozessschritt der Zielformulierung eingefügt. Die Zielformulierung nimmt die Ergebnisse der Ist-Analyse und hier vornehmlich der Umfeldanalyse sowie der Stärken-/Schwächenanalyse auf und schafft eine einvernehmliche Grundlage für die weiteren Projektschritte. Hierbei geht es je nach Problemlösungsbereich um die Festlegung von
Unternehmens- oder Bereichszielen, Formal- oder Sachzielen, Funktionsbereichs- oder Aktionsbereichszielen, qualitativen oder quantitativen Zielen sowie strategischen oder operativen Zielsetzungen.
Sollten die Ergebnisse der Analyse und die daraus resultierenden Zielformulierungen nicht den Vorstellungen des Auftraggebers entsprechen (z. B. weil der Berater nichts als „nebulöse“ Vorstellungen präsentiert), so besteht hier häufig noch die Option des Aussteigens [vgl. Schade 2000, S. 195 f.]. Beratungstechnologien der Analysephase. Die in dieser Phase eingesetzten Problemlösungstechnologien lassen sich in drei Kategorien einteilen. Zum einen sind es Informationsbeschaffungstools, wie sie bereits in der Akquisitionsphase zum Einsatz kommen und daher an dieser Stelle nicht noch einmal erläutert werden sollen (vornehmlich Befragungen, Darstellungs- und Prognosetechniken). Des Weiteren handelt es um standardisierte Tools zur Umwelt-, Wettbewerbs- und Unternehmensanalyse wie SWOT/TOWSAnalyse, Five-Forces-Modell, Analyse der Kompetenzposition, Wertkettenanalyse und Benchmarking, Tools zur Zielformulierung wie das SMART-Prinzip, Kennzahlensysteme, Zielsysteme und Balanced Scorecard sowie um Tools zur Problemstrukturierung wie Aufgaben-, Kernfragen- und Sequenzanalyse. 4.2.2.2 Risiken in der Analysephase
Der Prozessschritt Ist-Analyse ist die eigentliche Startphase des Beratungsprojektes. Risiken liegen hauptsächlich in lückenhaften oder falschen Auftragsinformationen und in einer ungeklärten Zusammensetzung von Fach- und Informationsteam. Auch erfolgt zuweilen keine systematische Projekt-Start-up-Sitzung mit einer sorgfältigen Prüfung aller Auftragsinformationen. Ständige Umwidmung der Ziele, mangelnde Sozialkompetenz des Projektleiters oder sogar der „Neuverkauf“ des Projektes zählen zu den weiteren Risiken. Im Prozessschritt Zielformulierung besteht ein besonderes Risiko darin, dass zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber keine gemeinsame Vereinbarung über die angestrebten Ziele einschließlich harter Kriterien wie z. B. Messbarkeit getroffen werden. Auch erfolgt häufig keine Dokumentation der (Zwischen-)Ergebnisse, so dass eine mühsame Rekonstruktion der gedanklichen Richtschnur zur Orientierung, Planung, Koordination und Erfolgsmessung erforderlich wird [vgl. Hesseler 2011a, S. 14].
404
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
4.2.3 Problemlösungsphase Wichtige Voraussetzung für einen befriedigenden Verlauf der Problemlösungsphase ist, dass das Problem in den ersten beiden Phasen (Akquisitionsphase und Analysephase) korrekt definiert wurde, die richtigen Informationen zur Verfügung stehen und die Ziele der Problemlösungsphase einvernehmlich bestimmt sind. 4.2.3.1 Prozessschritte und Beratungstechnologien der Problemlösungsphase
Die Problemlösungsphase ist in der Regel die Kernphase eines Beratungsprojekts. Sie lässt sich in die Projektschritte Soll-Konzept und Realisierungsplanung unterteilen. Prozessschritt: Soll-Konzept. Bei diesem Prozessschritt handelt es sich um einen kreativen Prozess, der aufzeigen soll, wie man von einem analysierten, unbefriedigenden Ist-Zustand zu einem Zustand gelangt, der für den Auftraggeber wünschenswert ist. Bei komplexeren Auftragsinhalten sind dabei häufig mehrere Lösungsalternativen plausibel. Sie müssen entwickelt, diskutiert und auf ihren Zielerreichungsgrad hin bewertet werden. Die Gestaltungsalternative mit dem höchsten Zielerreichungsgrad und einem möglichst niedrigem Risikowert ist dann das zur Umsetzung empfohlene Soll-Konzept [vgl. Niedereichholz 2008, S. 205]. In diesem Zusammenhang wird immer wieder diskutiert, ob die Analyse- und insbesondere die Problemlösungsphase als Dienst- oder als Werkvertrag vergeben werden soll. Nur wenn es sich um eine klar abgegrenzte Aufgabenstellung handelt (z. B. die Erstellung eines Gutachtens), bei der das Kundenunternehmen während der Projektlaufzeit weder mitwirkt noch eingreift und wo während des Projektes durch die Berücksichtigung zusätzlicher, neuer Erkenntnisse kein Mehraufwand entsteht, kann der Berater ohne weitere große Prüfungen einem Werkvertrag zustimmen. In allen anderen Fällen muss zunächst von den Rahmenbedingungen eines Dienstvertrages ausgegangen werden. Prozessschritt: Realisierungsplanung. Im Prozessschritt der Realisierungsplanung wird die beste Gestaltungsalternative der Soll-Konzeption in einen Maßnahmenkatalog umgesetzt und ein präziser Aktionsplan erarbeitet. Kernstück der Realisierungsplanung ist somit ein Maßnahmenplan, der nach Bereichen geordnet sämtliche Termine, Verantwortlichkeiten, Umsetzungskosten (meist in bewerteten Personen-Tagen) und ggf. eine Machbarkeitsprüfung (engl. Feasibility Study) enthält. Bei IT-Realisierungsprojekten kommen zur Maßnahmenabsicherung noch die Risikoanalyse sowie die Maßnahmenwirkungskontrolle hinzu. Begleitet wird die Realisierungsplanung schließlich von einer Reihe von Qualitätssicherungsmaßnahmen, die bspw. bei der Machbarkeitsprüfung kontrolliert, ob eine Maßnahme nicht nur personell, sondern auch finanziell, betrieblich und sozial durchführbar ist. Im Rahmen der Abschlusspräsentation werden dann die weiteren Schritte zur Umsetzung des Lösungsvorschlags unterbreitet [vgl. Niedereichholz 2008, S. 301 ff.]. Beratungstechnologie der Problemlösungsphase. Die in der Problemlösungsphase eingesetzte Beratungstechnologie dient vornehmlich der Generierung von Gestaltungsalternativen. Im Vordergrund stehen hierbei:
4.2 Phasenstruktur von Beratungsprojekten
405
Planungs- und Kreativitätstechniken wie Brainstorming, Brainwriting, Methode 635, Synektik, Bionik, Morphologischer Kasten Tools zur Strategiewahl wie Erfahrungskurve, Produktlebenszyklusmodelle Portfoliotechniken wie BCG-Matrix, McKinsey-Matrix, ADL-Matrix Tools zur Formulierung der strategischen Stoßrichtung (Wachstumsstrategien, Wettbewerbsstrategien, Markteintrittsstrategien) wie Produkt-Markt-Matrix Beratungsprodukte wie Gemeinkostenwertanalyse, Zero-Base-Budgeting, Nachfolgeregelung, Mergers & Acquisitions, Business Process Reengineering Tools zur Geschäftsprozessmodellierung wie EPK und BPMN. 4.2.3.2 Risiken in der Problemlösungsphase
In der Problemlösungsphase besteht ein hohes Risiko darin, dass die personellen Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten für den kompetenten Personaleinsatz nicht oder nur ungenügend vorgenommen werden. Zu spätes Einziehen von Meilensteinen und keine Unterscheidung zwischen Zeit- und Terminplanung erzeugen regelmäßig Stress bei allen Projetbeteiligten. Häufig erfolgt keine exakte Berechnung des Bruttozeitbedarfs einschließlich der zusätzlichen ungeplanten Aufgaben mit Risikozuschlag, z.B. hinsichtlich Konfliktgesprächen, Abstimmung mit Betriebsrat oder nicht geplanten Nebentätigkeiten (wie z.B. Zwischenpräsentationen/-berichte, unvorhergesehener Ausfall der IT-Infrastruktur, unproduktive Nebenzeiten z.B. für Akquisitionen außerhalb des Projekts). Manchmal führen auch „dreiste“ Nachforderungen des Kunden während des Projekts zu einer Gefährdung des Zeitplans [vgl. Hesseler 2011a, S. 14 f.].
4.2.4 Implementierungsphase Der Zweck der abschließenden Implementierungsphase besteht darin, die in der Problemlösungsphase verabschiedeten und abgesicherten Maßnahmen termin- und kostengerecht umzusetzen, in der Praxis zu erproben und Auswirkungen auf andere Bereiche zu analysieren. In den meisten Fällen übernimmt der Kunde in dieser Phase wieder die Hauptverantwortung, obwohl in diesem Projektabschnitt über den endgültigen ökonomischen Erfolg des Projektes entschieden wird. 4.2.4.1 Prozessschritte und Beratungstechnologien der Implementierungsphase
Die Implementierungsphase besteht in der hier gezeigten idealtypischen Form aus den beiden Prozessschritten Realisierung/Umsetzung und Evaluierung/Kontrolle. Prozessschritt: Realisierung/Umsetzung. Die Beteiligung des Beraters an diesem Prozessschritt kann in sehr unterschiedlicher Weise geschehen. Folgende Realisierungsformen können unterschieden werden [vgl. Niedereichholz 2008, S. 335 f.]:
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4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
Vollrealisierung: Das Beratungsunternehmen übernimmt alleine die Durchführung aller Maßnahmen. Gemeinsame Realisierung: Der Berater setzt gemeinsam im Team mit dem Kunden die Lösung um. Realisierungsbegleitung: Der Berater begleitet das Kundenunternehmen bei der Realisierung und Einführung der Problemlösung in dem er dem Kunden beratend, kontrollierend oder modifizierend zur Seite steht. Unterstützung auf Anforderung: Eine weitere Realisierungsform kann darin bestehen, dass der Berater nur zur Lösung besonderer Probleme oder nur auf Anforderung zur Verfügung steht. Hotline-Service: Auch besteht die Möglichkeit, während der Umsetzung einen HotlineService einzurichten, so dass der Projektleiter des Beratungsunternehmens jederzeit für Fern-Diagnosen zur Verfügung stehen kann. Prozessschritt: Evaluierung/Kontrolle. Dieser letzte Prozessschritt im Rahmen eines Projektes ist von besonderer Bedeutung für die weitere Beziehung zwischen Kunde und Berater. Selbst wenn es in den Phasen zuvor Probleme und Meinungsverschiedenheiten gegeben hat oder es sogar in der gemeinsamen Arbeit zu Konflikten gekommen ist, der Berater sollte alles daran setzen, den Auftrag in einer positiven Grundstimmung abzuschließen. Bei der abschließenden Evaluierung geht es zum einen um die Bewertung des Beratungserfolgs (Beratungsnutzen) und zum anderen um den Beratungsprozess und hier insbesondere um die Beurteilung der Zusammenarbeit zwischen Beratungs- und Kundenteam. Letztlich mündet die Evaluierung in die Beantwortung der Fragen, ob der Kunde mit der Leistung des Beraters und ob der Berater selbst mit der Durchführung und den Ergebnissen dieses Auftrages zufrieden war [vgl. Niedereichholz 2008, S. 345]. Beratungstechnologie der Implementierungsphase. Zur Sicherstellung der Qualität in der letzten Auftragsphase haben die meisten Beratungsunternehmen Checklisten erstellt, die vom Projektleiter sukzessive abgearbeitet werden. Die darüber hinaus eingesetzte Beratungstechnologie in der Implementierungsphase bezieht sich in erster Linie auf folgende Tools: Projektmanagement-Tools wie Prince2 oder PMBoK Qualitätsmanagement-Tools wie Fehlersammelliste, Histogramm, Kontrollkarte, Ursache-Wirkungsdiagramm, Pareto-Diagramm, Korrelationsdiagramm, Flussdiagramm Agile Tools (z. B. Scrum) Tools zur Evaluierung wie Kundenzufriedenheitsanalyse, Auftragsbeurteilung, Abschlussakquisition. 4.2.4.2 Risiken in der Implementierungsphase
Eine der größten Gefahren in der Implementierungsphase besteht darin, dass die einzelnen Arbeitspakete nur „irgendwie“ koordiniert werden. Keine Berücksichtigung von Widerständen,
4.2 Phasenstruktur von Beratungsprojekten
407
Ängsten und Reibungsverlusten sind die Folgen. Ein weiteres Risiko ist die mangelnde oder zu späte Kommunikation der Lösung vor der Implementierung. Die kommunikative Schieflage erzeugt eine Misstrauenskultur mit fehlender Offenheit, Einzelkämpfertum, Dienst nach Vorschrift und Schlechtreden des Projektes gegenüber Dritten. Schließlich kann es zu einem Kompetenzgerangel zwischen Beratungs- und Kundenunternehmen im Hinblick auf die Realisierungsverantwortung kommen. Auch der letzte Prozessschritt, die Evaluierung und Kontrolle, birgt einige Risiken in sich, die hauptsächlich auf unklare Vorstellungen vom Procedere des Abschlusses zurückzuführen sind. So ist häufig keine Fehlerkultur erkennbar, d. h. die eigenen Fehler und Schwächen im Projektablauf werden nicht offengelegt. Stattdessen werden in solchen Fällen „geschönte“ Präsentationen und Abschlussberichte vorgetragen und der eigene Erfolg gesundgebetet. Der unprofessionelle Umgang mit Misserfolg führt zu Schuldzuweisungen an Sündenböcke und offenes Abstreiten der Verantwortung. Schließlich erfolgt auch keine Dokumentation der Erfahrungen für nachfolgende Projekte („lessons learnt“) [vgl. Hesseler 2011a, S. 16 f.]. Wenn man diesen Phasenverlauf für Beratungsprojekte zugrunde legt, so ergibt sich zusammenfassend die in Abbildung 4-08 dargestellte Übersicht einer Zuordnung von Beratungstechnologien zu Beratungsphasen. Die Zuordnung ist dabei nach dem Schwerpunktprinzip erfolgt, da einige Beratungstechnologien durchaus in mehreren Beratungsphasen zum Einsatz kommen können. Die so gegliederten Beratungstechnologien werden in den nächsten Abschnitten vorgestellt und kurz erläutert.
408
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
Prozessphase
Prozessschritt
Kontakt- und Informationsbeschaffung
Akquisitionsphase Angebotsund Vertragsgestaltung
Ist-Analyse
Analysephase Zielformulierung
Soll-Konzept
Problemlösungsphase Realisierungsplanung
Realisierung/ Umsetzung
Implementierungsphase Evaluierung/ Kontrolle
Abb. 4-08:
Beratungstechnologie • Kommunikationstools z.B.
• • • •
Workshop Diskussion Kartenabfrage Präsentation
• Tools zur Informationsbeschaffung und –darstellung z.B.
• Auswertung von Sekundärdaten • Darstellung von Sekundärdaten (Company Profiling) • Primärerhebungen
• Prognosetools z.B.
• • • • • • •
Repräsentativbefragung Panelbefragung Expertenbefragung Delphi-Methode Szenariotechnik Trendextrapolation Regressionsanalyse
• Tools zur Umwelt-, Wettbewerbs- und Unternehmensanalyse z.B.
• • • • •
SWOT/TOWS-Analyse Five-Forces-Modell Analyse der Kompetenzposition Wertkettenanalyse Benchmarking
• Tools zur Zielformulierung z.B.
• • • •
SMART-Prinzip Kennzahlensysteme Mittel-Zweck-Schema Balanced Scorecard
• Tools zur Problemstrukturierung z.B.
• Aufgabenanalyse • Kernfragenanalyse • Sequenzanalyse
• Planungs- und Kreativitätstechniken z.B.
• • • •
• Tools zur Strategiewahl z.B.
• Erfahrungskurve • Produktlebenszyklusmodelle
• Portfoliotechniken z.B.
• BCG-Matrix (4-Felder-Matrix) • McKinsey-Matrix (9-Felder-Matrix) • A.D.Little-Matrix (20-Felder-Matrix)
• Tools zur Formulierung der strategischen Stoßrichtung z.B.
• • • •
Wachstumsstrategien Konsolidierungsstrategien Wettbewerbsstrategien Markteintrittsstrategien
• Beratungsprodukte z.B.
• • • • •
Gemeinkostenwertanalyse Zero-Base-Budgeting Nachfolgeregelung Mergers & Acquisitions Business Process Reengineering
• Tools zur Geschäftsprozessmodellierung z.B.
• EPK • BPMN
• ProjektmanagementTools z.B.
• Prince2 • PMBoK
• QualitätsmanagementTools z.B.
• • • • • • •
• Agile Tools z.B.
• Scrum
• Tools zur Evaluierung z.B.
• Kundenzufriedenheitsanalyse • Auftragsbeurteilung • Anschlussakquisition
Brainstorming, Brainwriting Methode 635 Synektik/Bionik Morphologischer Kasten
Fehlersammelliste Histogramm Kontrollkarte Ursache-Wirkungsdiagramm Pareto-Diagramm Korrelationsdiagramm Flussdiagramm
Zuordnung der Beratungstechnologien zu Beratungsphasen
4.3 Beratungstechnologien zur Informationsbeschaffung
409
4.3 Beratungstechnologien zur Informationsbeschaffung Die Beratungstechnologien zur Informationsbeschaffung und -darstellung sind hier der Akquisitionsphase zugeordnet, gleichwohl werden sie in gleicher Weise auch in der Analysephase eingesetzt. Unter dem besonderen Gesichtspunkt der Akquisition geht es bei diesen Beratungstechnologien darum, sich ein erstes umfassendes („generalistisches“) Bild über den (möglichen) Auftraggeber und über seine Problemfelder zu verschaffen. Für die Qualität und Aussagekraft dieses „Bildes“ ist die Verfügbarkeit von Daten und somit die Informationsbeschaffung eine wichtige Grundlage. Relevante Daten müssen aber nicht nur beschafft, sondern auch ausgewertet und für die jeweiligen Zielpersonen entsprechend dargestellt werden. Grundlage aller Beratungstechnologien sind – unabhängig von der jeweiligen Beratungsphase – die verschiedenen Kommunikationstechniken, die daher zuerst vorgestellt werden sollen. 4.3.1 Kommunikationstechniken Während der gesamten Akquisitionsphase und während des gesamten Analyseverlaufs, wie auch später beim Problemlösungs- und Umsetzungsprozess muss der Berater immer wieder Kommunikationstechniken einsetzen. Die vielleicht wichtigste und umfassendste Kommunikationsform ist der Workshop. Wichtig deshalb, weil der Workshop die Möglichkeit bietet, sich mit mehreren Personen in Ruhe auf ein Thema zu konzentrieren und die Workshop-Ergebnisse zugleich auch immer Gruppenergebnisse sind. Umfassend deshalb, weil im Rahmen eines Workshops auch nahezu alle anderen Kommunikationstechniken wie
Moderation, Diskussion, Kartenabfrage und Präsentation
zum Einsatz kommen können. Daher steht der Workshop auch im Mittelpunkt dieses Abschnitts. 4.3.1.1 Workshop
Workshops sind Arbeitstreffen, in denen sich Personen in einer ungestörten Atmosphäre einem speziellen Thema widmen. Die Leitung übernimmt ein Moderator, die Teilnehmer sind Betroffene oder Beteiligte und das Workshop-Ergebnis sollte über den Workshop hinaus wirken. Inhaltlich kann unterschieden werden zwischen
Informations-Workshop, Problemlösungs-Workshop, Konfliktlösungs-Workshop, Konzeptions-Workshop und Entscheidungs-Workshop.
410
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
Workshops machen Sachverhalte und Positionen sichtbar und dienen dem Austausch von Erfahrungen, Meinungen und Ideen. Sie können Kontakte herstellen, Vertrauen aufbauen, gemeinsame Erlebnisse schaffen und den Teamgeist fördern. Allerdings gibt es keine fertige Rezeptur für den Workshop. Jeder Workshop hat seine eigene Dramaturgie. Ein möglicher Workshop-Ablauf, der sich stark an der klassischen Moderationsmethode orientiert, kann aus folgenden 10 Schritten bestehen [vgl. Lipp/Will 2008, S. 20 ff.]: Schritt 1:
Vorbereitungsphase
Schritt 2:
Eröffnung
Schritt 3:
Informationsphase
Schritt 4:
Zielphase
Schritt 5:
Ideensuche und Ordnung
Schritt 6:
Vertiefung
Schritt 7:
Präsentation und Diskussion der Ergebnisse
Schritt 8:
Bewerten und Entscheiden
Schritt 9:
Maßnahmenkatalog
Schritt 10: Schlusspunkt und Nachsorge. Wichtig ist, dass Workshops immer auch praxisorientiert, unterhaltsam und abwechslungsreich sind. Dabei hilft ein häufiger Wechsel von Einzel-, Gruppen- und Plenumsarbeiten. Grundsätzlich ist es aber ratsam, folgende drei Punkte fest in jeden Workshop-Ablauf aufzunehmen [www. karrierebibel.de/workshop-methoden]: Abfrage der Erwartungshaltung. Um als Workshop-Verantwortlicher keine unliebsamen Überraschungen zu erleben, sollte gleich zu Beginn eines jeden Workshops folgende Frage gestellt werden: „Was müsste heute passieren, damit Sie am Ende des Workshops sagen können, es hat sich gelohnt?“ Oder: „Welche Fragen sollen heute auf jeden Fall beantwortet werden?“ Der Vorteil der Erwartungsabfrage ist, dass die Teilnehmer zufrieden sind, wenn alle interessierenden Fragen behandelt worden sind. Paarinterview. Viele Moderatoren verwenden das sogenannte Paarinterview als Kennenlernübung: Damit sich alle Teilnehmer kennenlernen, stellen sich immer zwei Teilnehmer gegenseitig und danach immer der jeweils andere Teilnehmer sein Pendant der Gruppe vor. Abschlussfeedback. Während sich die ersten beiden Punkte auf die Eingangsphase beziehen, ist das Abschlussfeedback naturgemäß dem Ende des Workshops zuzuordnen. Allerdings wird dieser Punkt sehr häufig vernachlässigt. Fehlt dieser letzte Schritt, ist der Nutzen des Workshops so gut wie verpufft, da die gesamte Arbeit in kürzester Zeit vergessen ist. Ohne etwas Handfestes, das zuhause noch einmal angesehen werden kann, bleibt kaum etwas über Monate in Erinnerung. Insofern müssen am Ende eines Workshops die Ergebnisse zusammengefasst und dokumentiert werden. Diese Aufgabe kann schriftlich oder in Form eines Foto-Protokolls erfolgen. Wichtig ist dabei, dass die Ergebnisse weiter verwertbar sind und den Teilnehmern und Verantwortlichen zeitnah zugehen.
4.3 Beratungstechnologien zur Informationsbeschaffung
411
4.3.1.2 Moderation
Die Moderation ist ein klassisches Kommunikationstool (bzw. Kommunikationstechnik). Sie dient der zielorientierten Steuerung von Personen, die zur Diskussion, Bearbeitung und Lösung spezifischer Sachverhalte in einer Gruppe zusammenkommen. Die wichtigste Rolle hat der Moderator. Um mit allen Gruppenmitgliedern einen erfolgreichen Lernprozess zu gestalten, fallen dem Moderator steuernde und anregende Moderationsaufgaben zu [www.karrierebibel.de/moderationstechniken]:
Er fördert den Gedankenaustausch. Er strukturiert Prozesse. Er aktiviert und motiviert die Teilnehmer. Er achtet auf Einhaltung der Spielregeln. Er schafft Transparenz. Er nutzt vorhandene Potenziale. Er begrenzt Wortbeträge und hält Zeitlimits ein. Er fasst Ergebnisse zusammen und sichert sie.
Der Moderator vereint somit zahlreiche Rollen. Er ist Organisator, Kommunikator, Vermittler, Zeitwächter, Spielmacher, Motivator und Steuermann. Dazu sind Neutralität, Durchsetzungsvermögen, soziales Fingerspitzengefühl und Empathie wichtige Voraussetzungen. Eine erfolgreiche Moderation setzt einen geregelten Rahmen voraus. Die wichtigsten Spielregeln der Moderation sind: Ausreden lassen, damit sich jeder Teilnehmer ernst genommen fühlt. Jeder Teilnehmer arbeitet aktiv mit, denn der Moderator alleine wird nicht zu einer Lösung kommen. Andere Meinungen tolerieren, denn gute Teamarbeit lebt von Alternativen. Akzeptieren von Kritik, die immer sachlich und fair geäußert werden muss. Auf Augenhöhe sein, d.h. in einer Teamarbeit sind die Vorschläge aller Beteiligten gleichwertig zu behandeln. Zeit im Blick behalten, um das Abschweifen der Diskussionen zu vermeiden. Bei der Wahl des Moderators sollte man besonders sorgfältig vorgehen. Es gibt es unterschiedliche Varianten [vgl. Lipp/Will 2008, S. 167 ff.]: Der Chef moderiert selbst. Vorteilhaft ist, dass der Vorgesetzte seine Mitarbeiter und die Inhalte sehr genau kennt. Daher sind keine langen Vorgespräche erforderlich. Das „Mittendrin“ sein kann aber auch genau das Problem sein, denn meistens ist ja gerade die Führungskraft das eigentliche Problem. Zumindest hat sie einen Anteil daran. Insofern ist der moderierende Chef häufig die schlechteste Variante.
412
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
Ein Externer moderiert. Ein Moderator, der von außen kommt, ist nicht betriebsblind und bringt den nötigen Abstand mit. Er beherrscht Spielregeln und Aufgaben der Moderation. Fehlende Sachkenntnis ist häufig weniger das Problem, das eher in einer gemeinsamen Terminfindung liegt. Auch sind externe Moderatoren teurer. Der Moderator kommt aus einer anderen Abteilung. Die Variante des „internen Externen“ ist sehr beliebt. Solche Moderatoren haben entsprechende Erfahrung, einen Workshop zu führen, beherrschen das Thema, ohne inhaltlich verstrickt zu sein. Sie kennen zudem die Organisation, den Arbeitsstil und sind flexibel einsetzbar. Die Einsatzgebiete der Moderation sind vielfältig. Überall dort, wo Personen interaktiv Probleme analysieren, Lösungsalternativen erarbeiten, Entscheidungen vorbereiten und treffen wollen, bietet die Moderation eine wirkungsvolle Hilfestellung an. 4.3.1.3 Diskussion
Workshops leben vom Informationsaustausch. Die Diskussion ist dafür eine gebräuchliche Methode. Allerdings ist es wichtig, dass sich Diskussionen nicht endlos hinziehen und dass dieselben Personen nicht ständig dasselbe sagen. Dafür benötigt man klar umrissene Fragestellungen, einen Moderator, der die Diskussion leitet, aber nicht führt und einige Spielregeln. Zu solchen Spielregeln zählen das
Mitvisualisieren der Diskussion, so dass alle Teilnehmer das gleiche Verständnis haben, Redezeitbegrenzungen, die vorher vereinbart wurden und Signalkarten, deren unterschiedliche Farben z. B. „Zustimmung“ oder „Widerspruch“ signalisieren [vgl. Lipp/Will 2008, S. 61 ff.].
Folgende Diskussionsformen können unterschieden werden:
Diskussion nach einem Vortrag (für Verständigungsfragen) Gruppen- oder Rundgespräch (für Informations- und Meinungsaustausch) Podiumsdiskussion (für Meinungsaustausch) Streitgespräch (gegenseitige offene Kritik) Panelgespräch (Mehrfachbefragung eines bestimmten Personenkreises).
4.3.1.4 Kartenabfrage
Unter dem Aspekt der Informationsgewinnung nimmt die Kartenabfrage eine besondere Rolle ein, da in Gruppen zumeist mehr Ideen und mehr Know-how vorhanden sind, als normalerweise vermutet wird. Die Kartenabfrage hat den Vorteil, dass nicht nur die rhetorisch geschickten Teilnehmer oder die Vielredner, sondern alle Teilnehmer „zu Wort“ kommen. Kein Beitrag geht verloren. Alle Karten sollten gut lesbar geschrieben sein und an eine Sammel-Pinnwand geheftet werden. Wichtig ist schließlich, dass der Moderator Karte für Karte von der SammelPinnwand abnimmt und – thematisch geordnet – an eine zweite, noch leere Ordnungs-Pinnwand heftet. Sind alle Karten geordnet, so ergeben sich „Cluster“, die zum besseren Verständnis mit einer Überschrift, die den thematischen Zusammenhang wiedergeben soll, versehen werden [vgl. Lipp/Will 2008, S. 75 ff.].
4.3 Beratungstechnologien zur Informationsbeschaffung
413
Die Kartenabfrage wird auch sehr häufig als Pinnwandmoderation bezeichnet (siehe Insert 4-01).
Insert 4-01:
Beispiele für Pinnwandmoderationen
Jede Kartenabfrage sollte mit einer eindeutigen Frage beginnen. Beispiel: „Was sind die wichtigsten Aufgaben unserer Abteilung?“ oder „Was sind die Ziele unseres Geschäftsbereichs?“ oder „Was könnte jemanden hindern, mit unserem Unternehmen Kontakt aufzunehmen?“ und „Welches sind die drei Hauptgründe, warum unser Bereich in diesem Jahr seine Umsatzziele verfehlt hat?“ und „Welche Lösungsansätze sehen wir, um in diesem Geschäftsjahr zu reüssieren?“ Die Durchführung einer Kartenabfrage umfasst folgende Schritte:
Fragestellung visualisieren. Hier geht es darum, das Ziel der Abfrage zu erklären. Methode erklären. Die wichtigsten Punkte, die bei der Kartenabfrage eine Rolle spielen, sollen den Teilnehmern noch einmal kurz vor Augen geführt werden. Karten und Filzstifte austeilen. Durch eine Begrenzung der Karten („Jeder nur 3 Karten“) kann von Beginn an eine Fokussierung auf wichtigste Beiträge erreicht werden. Ideen/Antworten auf Karten schreiben. Halbsätze in max. drei Zeilen und Druckschrift haben sich hier bewährt.
414
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
Karten anpinnen. Die Karten sollten zunächst an einer Pinwand ungeordnet angepinnt werden und dann ist zu klären, ob alle Teilnehmer das gleiche Verständnis vom Inhalt der Karten haben. Ordnen und Gruppieren der Karten. Moderator und Teilnehmer erarbeiten übersichtliche und möglichst überschneidungsfreie Cluster. Gewichten. Nachdem die Cluster benannt wurden, können sie durch eine Mehr-PunktAbfrage gewichtet werden (nicht die einzelnen Karten, sondern die Cluster).
4.3.1.5 Präsentation
Bei einer Präsentation geht es um die Kommunikation von Botschaften, um z. B. die Ergebnisse eines Workshops zusammenfassend darzustellen. Eine Botschaft, die verstanden wird, basiert zu einem Großteil auf einem überzeugenden Einsatz von Stimme und Körpersprache. Denn die überzeugendste Botschaft verpufft, wenn sie die Zuhörerschaft nicht richtig erreicht. Erst die richtige "Verpackung" der Botschaft sorgt dafür, dass sie ihre Wirkung voll entfaltet und bei den Zuhörern im Gedächtnis haften bleibt. Zu dieser Verpackung zählt der Einsatz verschiedener Medien. Gerade bei komplexen Themen fällt es den Zuhörern schwer, auf Dauer konzentriert zu bleiben. Das Visualisieren solcher Themen fördert die Konzentration, denn optische Reize regen das Interesse an. Außerdem können Inhalte visuell vereinfacht werden, so dass sie besser im Gedächtnis bleiben. Für eine Präsentation eignen sich besonders folgende Medien:
Flip-Charts Tafeln/Whiteboards Moderationswände.
Diese Medien sind dynamisch und bieten sehr gute Interaktionsmöglichkeiten mit den Zuhörern (z. B. durch das gemeinsame Sammeln von Argumenten). Nachteilig ist allerdings, dass der Redner seiner Zuhörerschaft oft den Rücken zudrehen muss. Auch gibt es je nach Handschrift Schwierigkeiten mit der Leserlichkeit oder zu wenig Platz für die Darstellung auf diesen Hilfsmitteln. Die Powerpoint-Präsentation ist für viele das Programm schlechthin, um Präsentationen zu halten. Powerpoint hat sich inzwischen so sehr durchgesetzt, dass man dazu neigt, andere Formen eines Vortrags überhaupt nicht mehr in Betracht zu ziehen. So gibt es heutzutage in den Seminarräumen kaum noch Overhead-Projektoren, obwohl diese jahrzehntelang nahezu das einzige Medium waren, um komplexe Sachverhalte verständlich und visuell ansprechend „rüber“ zu bringen. Die Powerpoint-Präsentation per Beamer als Präsentationsmedium hat die Overhead-Präsentation vollends abgelöst. Sicherlich, Powerpoint ist nicht das leistungsfähigste Präsentationsprogramm, aber es ist das Programm, das sich im Markt der Präsentationssoftware-Systeme durchgesetzt hat. Bevor man beginnt, eine Powerpoint-Präsentation vorzubereiten, sollte man sich überlegen, ob Powerpoint für den eigenen Vortrag auch tatsächlich das beste „Werkzeug“ ist. Ein Vortrag,
4.3 Beratungstechnologien zur Informationsbeschaffung
415
ein Referat oder eine Kundenveranstaltung wird durch den Einsatz von Powerpoint nicht automatisch besser. Es kann einen Vorteil gegenüber der „klassischen“ Methode mit OverheadFolien und Overhead-Projektor darstellen, insbesondere, wenn man farbige Fotos, Grafiken, Animationen oder Videos zeigen möchte. Allerdings verführt Powerpoint sehr leicht dazu, schnell und unbedacht eine Präsentation per „Copy and paste“ zusammen zu stellen. Das Werkzeug Powerpoint ist in jedem Fall mit Bedacht einzusetzen und nicht weil es irgendwie „Stateof-the-art“ ist. 4.3.2 Techniken zur Informationsbeschaffung und -darstellung Datenquellen können Primärdaten, Sekundärdaten oder eine Mischung aus beiden sein. Primärdaten sind Daten, die speziell für eine bestimmte Fragestellung (erstmalig) erhoben werden. Sekundärdaten basieren auf vorhandenem Informationsmaterial, das bereits für einen anderen Zweck erhoben wurde. Aus diesen Begriffen leitet sich auch die Einteilung der Marktforschung in Primärforschung (engl. Field Research) und Sekundärforschung (engl. Desk Research) ab [vgl. Lippold 2012, S. 87]. Insert 4-02 zeigt eindrucksvoll, für welche Themenbereiche Unternehmensberater die Daten nutzen, die ihnen sowohl die Primär- als auch die Sekundärforschung bereitstellen.
Insert 4-02:
Wofür Berater Daten nutzen
416
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
4.3.2.1 Auswertung von Sekundärdaten
Da Sekundärdaten in der Regel schneller und kostengünstiger beschafft werden können als Primärdaten, wird der Berater zunächst versuchen, auf Sekundärdaten zurückzugreifen. Als externe Informationsquellen bieten sich an: Internet. Im weltweit größten Informationsspeicher (World Wide Web) sind über Suchmaschinen (z. B. Google, Yahoo, Bing) zeitnah und häufig kostenlos umfassende Informationen zu den verschiedensten Themen verfügbar. Online-Datenbanken. Kommerzielle Online-Datenbanken (z. B. Genios, EBSCO, DataStar) haben einen Zugriffsschwerpunkt auf Wirtschaftsdatenbanken bis hin zum Volltext von Zeitungen und Zeitschriften. Wirtschaftsforschungsinstitute. Neben den klassischen Marktforschungsinstituten (z. B. GfK, A. C. Nielsen, Infratest) hat sich bspw. für den Bereich der Informationstechnologie eine Reihe von Market Research-Firmen (z. B. Gartner, Forrester, PAC, IDC, Lünendonk) etabliert, deren Analysen und Rankings insbesondere für IT-Dienstleistungsunternehmen von Bedeutung sind. Informationsdienste. Medien- und Informationsdienste sowie Informationsbroker (z. B. Hoppenstedt, Reuter, VWD) beschaffen firmenspezifische Informationen, erschließen sie systematisch und bereiten diese anwendergerecht auf. Verbände/IHK. Wirtschaftsverbände und -organisationen, Behörden sowie Wirtschaftsmagazine bieten (zumeist auch über ihre Webseiten) eine Vielzahl von branchenspezifischen Informationen und Berichten an. Sonstige. Nützliche Informationen finden sich zudem in der Wirtschafts- und Fachpresse, in Messekatalogen, Branchenverzeichnissen und Nachschlagewerken (z. B. Statistisches Jahrbuch mit speziellen Fachserien). Neben diesen externen Daten bieten aber auch interne Informationsquellen, d. h. Informationen aus den verschiedenen Bereichen und Abteilungen des Kundenunternehmens wichtige Informationen. Zu diesen unternehmensinternen Quellen zählen Absatz- und Umsatzstatistiken, Außendienstberichte, Kundendateien sowie Berichte früherer Primär- und Sekundäruntersuchungen. Die Schreibtischforschung hat den großen Vorteil, dass es einem jederzeit die Freiheit und die Entscheidungsmöglichkeit erlaubt, die Recherche zu beginnen, zu verändern, zu unterbrechen oder zu beenden, wann immer man möchte. Die Sekundärdatenanalyse ist immer dann das richtige Tool, wenn Informationen zu Themen benötigt werden, die bereits untersucht wurden [vgl. Andler 2015, S. 142 f.]. 4.3.2.2 Darstellung von Sekundärdaten (Company Profiling)
Auf der Grundlage der ausgewählten Sekundärdaten sind leistungsfähige Beratungsunternehmen dazu übergegangen, das Unternehmensprofil (engl. Company Profile) des relevanten Kundenunternehmens nach einem standardisierten Format zu erstellen. Dieses Company Profiling
4.3 Beratungstechnologien zur Informationsbeschaffung
417
dient allen Beteiligten des Beratungsunternehmens als Grundlage für ein qualifiziertes Angebot oder für einen schnellen Einstieg in ein bereits laufendes Kundenprojekt. Ein Company Profile, das man auch als „Unternehmenssteckbrief“ bezeichnen kann, beschreibt in einer strukturierten Form das Kundenunternehmen mit allen relevanten Merkmalen wie z.B. Eigentümer, Management, Organigramme, Geschäftsbereiche, Umsatzstruktur und -entwicklung, Produktportfolio, Kunden- und Lieferantenstruktur, Mitbewerber, SWOT-Analyse (siehe Abbildung 4-09).
Sektionen und Schlüsselelemente definieren die Struktur des Unternehmensprofils
Wichtige Entwicklungen und Initiativen
Anzahl der Sektionen definieren den Umfang des Unternehmenprofils
Sektion hoch
Unternehmensentwicklung
Generelle Informationen
Schlüsselelemente Firmenname
Ort des Hauptsitzes
…
Financial performance Organisation Management und Eigentümer
Produkte und Leistungen Internationale Aktivitäten
Vorstand/ Geschäftsführung
Aufsichtsrat
…
Forschung & Entwicklung
Lieferanten Unternehmenswerte
niedrig
Kunden
Portfolio Analyse
Unternehmenskennzahlen
...
Marketing Mix Wertkette SWOT Market position and competitive landscape
Weitere mögliche Sektionen
Unternehmensumsatz (5 Jahresüberblick)
.
. niedrig .
Gewinn (5 Jahresüberblick)
...
… hoch
Anzahl der Schlüsselelemente definieren die Tiefe einer Sektion
Unternehmensstrategie Empfehlungen
Abb. 4-09:
Quelle: in Anlehnung an Capgemini
Beispielformat für ein Company Profile
Das Company Profiling kann neben seiner Funktion als Informationstool zugleich auch als Ausbildungstool für neue Mitarbeiter (insbesondere Hochschulabsolventen) herangezogen werden. Da Hochschulabsolventen nicht sofort in Kundenprojekten eingesetzt werden sollten, können sie sich auf diese Weise „im Hintergrund“ in relevante Kundenunternehmen und Branchen sowie in die Handhabung von Werkzeugen wie SWOT oder Benchmarking einarbeiten. Darüber hinaus ist die Erstellung eines Company Profils eine ideale Übung, um möglichst viele und umfassende Informationen über einen neuen, strategisch wichtigen Vertriebskontakt (engl. Lead) zu bekommen. Auch im Falle eines personellen Wechsels in einem Projekt leistet das Company Profiling gute Dienste, um die Einarbeitung der neuen Mitarbeiter in die Umgebung des Kundenunternehmens zu erleichtern.
418
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
4.3.2.3 Primärerhebungen
Zu den wichtigsten Methoden der Primärerhebung zählen die Befragung, die Beobachtung, das Experiment (Test) sowie als Sonderform das Panel. Für die Informationsbeschaffung im Rahmen der Akquisitionsphase ist grundsätzlich nur die Befragung (engl. Survey Method) von Bedeutung. Es kann zwischen Befragungsformen (auch: Befragungsstrategie) und Arten der Fragestellung (auch: Befragungstaktik) unterschieden werden [vgl. Schäfer/Knoblich 1978, S. 276 ff.]. In Abbildung 4-10 sind die strategischen und taktischen Elemente einer Befragung gegenübergestellt. Befragungsstrategie. Im Rahmen der Befragungsstrategie ist die grundlegende Entscheidung darüber zu treffen, ob die Befragung mündlich, schriftlich, telefonisch oder per Internet (Online) durchgeführt werden soll. Befragung
Befragungsstrategie (Befragungsformen) • • • •
Mündliche Befragung Schriftliche Befragung Telefonische Befragung Online-Befragung
Befragungstaktik (Art der Fragestellung) • • • •
Offene und geschlossene Fragen Direkte und indirekte Fragen Vortrags- und Vorlagefragen Ergebnis- und instrumentelle Fragen [Quelle: Lippold 2015a, S. 133]
Abb. 4-10:
Strategische und taktische Elemente einer Befragung
Die mündliche Befragung ist im Rahmen der Akquisitions- und Analysephase, bei der die (Kunden-) Informationen durch einen Berater erhoben werden, sicherlich die bedeutsamste Befragungsform. Das Interview kann entweder auf Grundlage eines standardisierten Fragebogens, bei dem die Fragen in Form, Inhalt und Reihenfolge festgelegt sind, oder als freies (nicht-standardisiertes) Interview durchgeführt werden. Beim freien Interview ist dem Interviewer lediglich das Ziel der Befragung vorgegeben. Diese Methode hebt mehr auf die Gewinnung qualitativer Tatbestände und weniger auf die Generierung quantitativer Sachverhalte ab. Die schriftliche Befragung dagegen, bei der die Befragungsteilnehmer die Fragebögen auf dem Postweg erhalten, ist für Akquisitions- und Analysezwecke des Beraters weniger geeignet. Eine besondere Form der mündlichen Befragung ist die telefonische Befragung, bei der die Befragten per Telefon kontaktiert und befragt werden. Die Kosten dieser sehr zeitsparenden Befragungsform sind geringer als bei der reinen mündlichen Befragung. Allerdings ist es sehr schwer, bestimmte Kundenzielgruppen – insbesondere Entscheider – telefonisch zu erreichen. Zunehmender Beliebtheit erfreuen sich Online-Befragungen, die als Sonderform der schriftlichen Befragung aufgefasst werden können. Bei diesen Befragungen haben die Adressaten die Möglichkeit, einen Online-Fragebogen oder einen per E-Mail zugeschickten Fragebogen auszufüllen. Die mit dieser Informationsbeschaffungsform einhergehende Anonymität kommt in der Analysephase beim Kunden allerdings nicht immer gut an.
4.3 Beratungstechnologien zur Informationsbeschaffung
419
Abbildung 4-11 fasst die wesentlichen Vor- und Nachteile dieser vier Befragungsformen zusammen. Mündliche Befragung • Hohe Erfolgsquote • Fragebogenumfang kaum eingeschränkt
Vorteile
• Möglichkeit von Rückfragen • Befragungssituation kontrollierbar
• Relativ hohe Kosten
Nachteile
• Beeinflussung durch Interviewer möglich (Interviewereffekt)
Schriftliche Befragung • Relativ niedrige Kosten • Keine Beeinflussung durch Interviewer
Telefonische Befragung • Geringere Kosten als bei mündlicher Befragung • Zeitersparnis
OnlineBefragung • Kostengünstig • Zeitersparnis • Kein Interviewereinfluss
• Erreichbarkeit großer Fallzahlen
• Geringer Interviewereinfluss
• Geringe Rücklaufquote
• Fehlender Sichtkontakt zum Interviewer
• Rücklaufquoten teilweise gering
• Fragebogenumfang ist eingeschränkt
• Schwierige Erreichbarkeit bestimmter Zielgruppen (z. B. Manager)
• Eingeschränkte Repräsentativität
• Keine Möglichkeit von Rückfragen
• Hohe Reichweite • Automatische Erfassung der Daten
• Befragungssituation nicht kontrollierbar
• Befragungssituation nicht kontrollierbar [Quelle: Lippold 2015a, S. 134]
Abb. 4-11:
Vor- und Nachteile quantitativer Befragungsformen
Befragungstaktik. Nachdem im Rahmen der Befragungsstrategie die grundlegende Entscheidung über die Befragungsform getroffen worden ist, geht es bei der Befragungstaktik um die Fragestellung an sich. Nach Art der Fragestellung kann unterschieden werden zwischen
offenen und geschlossenen Fragen, direkten und indirekten Fragen, Vortrags- und Vorlagefragen sowie Ergebnis- und instrumentellen Fragen.
Bei der Art der Fragenformulierung kann grundsätzlich zwischen offenen und geschlossenen Fragen differenziert werden. Die gebräuchlichsten Fragestellungen sind geschlossene Fragen, da sie am leichtesten auszuwerten sind. Bei geschlossenen Fragestellungen werden die Antwortmöglichkeiten vorgegeben. Offene Fragen lassen dagegen alle möglichen – also auch vom Berater zuvor nicht bedachten – Antwortkategorien zu. Die besondere Problematik dieser Art der Fragestellung liegt in der nachträglichen Kategorisierung und Quantifizierung der individuellen Antworten und Reaktionen [vgl. Schäfer/Knoblich 1978, S. 289 ff.]. Eine weitere grundsätzliche Unterscheidung kann in direkte und indirekte Fragen vorgenommen werden. Die direkte Fragestellung, bei der der Befragte aufgefordert wird, Auskünfte über seine Person oder sein Verhalten zu geben, stand lange Zeit im Mittelpunkt der Marktforschung. Bei Fragen insbesondere aus dem Prestigebereich oder bei tabuisierten Themen kann es jedoch zu Antwortverzerrungen kommen. Daher wird in diesen Bereichen heute die indirekte Fragestellung bevorzugt. Beispiel: Anstatt zu fragen „Haben Sie schon an einer SAP-
420
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
Schulung teilgenommen?“ (direkte Frage), wird man eher folgende Formulierung wählen: „Haben Sie demnächst vor, an einer SAP-Schulung teilzunehmen?“ (indirekte Frage). Bei einer Bejahung der indirekten Frage, die ja einer Verneinung der direkten Fragestellung gleichkommt, hat der Befragte nicht das Gefühl, bloßgestellt zu sein. Besonders interessante Varianten der indirekten Fragestellung liefert auch das Insert 4-03.
Insert 4-03: „Woher weiß man, dass sich nur jeder Zweite täglich die Zähne putzt?“
4.3 Beratungstechnologien zur Informationsbeschaffung
421
Ferner kann zwischen Vortrags- und Vorlagefragen unterschieden werden. Vortragsfragen werden der Auskunftsperson vorgelesen und sind die Regel bei Befragungen in der Akquisitions- und Analysephase. Vorlagefragen liegen dem Befragten in lesbarer Form vor und sind die Grundlage der schriftlichen und der Online-Befragung. Neben den Sachfragen, die den Hauptteil einer Befragung darstellen, werden zusätzlich instrumentelle Fragen zur Steuerung der Befragung eingesetzt. Dazu zählen Kontakt- und Eisbrecherfragen zur Einleitung in das Interview, Filterfragen, Kontrollfragen und Plausibilitätsfragen zur Überprüfung der Konsistenz der Antworten sowie Fragen zur Person. 4.3.3 Prognosetechniken Die Prognose (Vorhersage) ist eine Wahrscheinlichkeitsaussage über Ereignisse, Zustände oder Entwicklung in der Zukunft. Prognosen basieren auf Daten der Vergangenheit sowie bestimmten Annahmen über die Zukunft. Vorhergesagt werden können Umsätze, Absatzmengen (Stückzahlen), Marktanteile, Lagerbestände, Aktienkurse, die Gewinnentwicklung einer Aktiengesellschaft, das Wetter, die Unterhaltskosten eines neuen PKWs, die Ergebnisse einer Landtagswahl etc. Prognosetechniken bzw. Prognoseverfahren lassen sich auf verschiedene Arten einteilen. Hinsichtlich des Prognosehorizonts (Fristigkeit) lassen sich kurz-, mittel- und langfristige Prognosen unterscheiden. Darüber hinaus unterscheidet man qualitative und quantitative Techniken sowie nach der Erstellungsperspektive in Top-Down und Bottom-Up. Nach dem Gegenstand, auf den sich die Prognose bezieht, unterteilt man in Wirkungsprognosen, Lageprognosen und Entwicklungsprognosen. Im Rahmen der hier getroffenen Auswahl an Prognosetechniken soll nach der Art der Datenbasis unterschieden werden [vgl. Bea/Haas 2005, S. 279 ff.]:
Prognosetechniken auf der Basis von Befragungen Prognosetechniken auf der Basis von Indikatoren Prognosetechniken auf der Basis von Zeitreihen Prognosetechniken auf der Basis von Funktionen.
Abbildung 4-12 gibt einen Überblick über die einzelnen Prognosetechniken nach Art der Datenbasis.
422
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
Prognosetechniken
auf der Basis von Befragungen • • • • •
Repräsentativbefragung Panelbefragung Expertenbefragung Delphi-Methode Szenariotechnik
auf der Basis von Indikatoren Beispiele: • Fehlerquoten • Reklamationen • Fluktuationsraten • Umsatzanteile auf Auslandsmärkten
auf der Basis von Zeitreihen • Verfahren der Mittelwertbildung • Verfahren der gleitenden Durchschnitte • Exponentielle Glättung • Trendextrapolation
auf der Basis von Funktionen • Regressionsanalyse • Ökonometrische Modelle
© Dialog.Lippold
Abb. 4-12:
Wichtige Prognosetechniken im Überblick
4.3.3.1 Prognosetechniken auf Basis von Befragungen
Prognosen auf der Basis von Befragungen zählen zu den qualitativen Prognosetechniken. Die Repräsentativbefragung stellt eine Prognosetechnik dar, bei der aus einer repräsentativen Grundgesamtheit eine Stichprobe von Personen gezogen wird, die dann zu einem bestimmten Themenkomplex befragt werden. Repräsentativbefragungen kommen vor allem im Marketingbereich vor. So wird bspw. im Rahmen von Verbraucherbefragungen das Nachfrageverhalten von Konsumenten in bestimmten Situationen ermittelt und zur Prognose von Absatzzahlen verwendet. Die Ergebnisse von Repräsentativbefragungen zu Prognosezwecken sind zum Teil deutlich besser als die Ergebnisse einfacher quantitativer Prognosetechniken (z. B. lineare Extrapolationen). Antwortverweigerungen, Unerreichbarkeit von Stichprobenmitgliedern oder Verfälschungen/Verzerrungen durch den Interviewer (engl. Interviewer Bias) sind mögliche methodische Schwächen und damit nicht ganz unproblematisch für dieses Instrument der qualitativen Prognose. Im Marketingumfeld kommen Repräsentativbefragungen auch häufig in Form von Panelbefragungen zum Einsatz. Dabei handelt es sich um Untersuchungen, bei denen ein bestimmter, gleichbleibender und repräsentativer Personenkreis (z. B. Konsumenten oder Händler) in regelmäßigen Zeitabständen Informationen über gleiche oder gleichartige Erhebungsmerkmale (z. B. Preis, Marktanteil, Warenbewegungen) liefern soll. Der Vorteil dieser Form der Befragung liegt darin, dass Veränderungen wirtschaftlicher Größen (z. B. Marktanteilsverschiebungen) besser prognostiziert werden können als bei einer einmaligen Repräsentativbefragung. Allerdings können auch die Ergebnisse von Panelbefragungen durch methodische Probleme wie Paneleffekt, Panelsterblichkeit und Panelerstarrung eingeschränkt werden [vgl. Lippold 2012, S. 96]. Bei der Expertenbefragung werden nicht jene Personen, die die künftige Entwicklung der interessierenden wirtschaftlichen Größen direkt beeinflussen (z. B. Käufer), sondern Dritte, nämlich Experten befragt. Experten begründen mit ihrem Spezialwissen die fachliche Autorität zur Einschätzung zukünftiger Entwicklungen. Dabei ist es die Güte der verfügbaren Informationen sowie die Fähigkeit, aus diesen Informationen die entsprechenden Schlüsse zu ziehen und in Empfehlungen umzusetzen, die einen Experten ausmachen. Solche Personen sind allerdings
4.3 Beratungstechnologien zur Informationsbeschaffung
423
rar, so dass für die Mehrzahl von Expertenbefragungen immer nur sehr wenige Personen angesprochen werden können. Ein wichtiger Anwendungsfall der Expertenbefragung ist die Prognose der Einführungschancen von neuen Produkten, insbesondere im B2B-Bereich [vgl. Macharzina/Wolf 2010, S. 838]. Eine besondere Form der Expertenbefragung ist die Delphi-Methode. Hierbei handelt es sich um eine schriftliche, mehrphasige und anonyme Befragung von Experten, die zu Beginn der 1960er Jahre von der amerikanischen Rand Corporation entwickelt wurde. Bei jeder neuen Fragerunde werden die Experten, die aus unterschiedlichen Fachdisziplinen stammen, über die Ergebnisse der vorherigen Runde informiert. Experten, deren Antworten stark von den Mittelwerten abweichen, werden aufgefordert, ihre Antworten zu begründen. Diese Begründungen dienen allen Teilnehmern in der nächsten Runde dazu, ihre abgegebene Meinung zu überprüfen und gegebenenfalls zu ändern. Durch den beschriebenen organisatorischen Rahmen nutzt die Delphi-Methode das Wissen mehrerer Experten mit kontrollierter Informationsrückkopplung. Durch die Wahrung der Anonymität wird gleichzeitig eine Beeinflussung der Experten untereinander ausgeschlossen. Trotz dieser Vorteile sind die Ergebnisse durch ein hohes Maß an Subjektivität gekennzeichnet. Nicht auszuschließen ist auch, dass Wunschvorstellungen der Experten in das Prognoseergebnis einfließen. Namensgeber der Methode ist das Orakel von Delphi, das in der Antike Ratschläge für die Zukunft erteilte. Insert 4-04 zeigt die Delphi-Methode als temporär konfiguriertes Expertensystem, das heute vor allem in der Zukunftsforschung zur Abschätzung von Technologiefolgen eingesetzt wird. Experten sind auch die Input-Geber bei der Szenariotechnik. Ein Szenario ist die Beschreibung einer zukünftigen Situation und des Pfades, der zu dieser Situation führt. Ziel der Szenariotechnik ist demnach, mögliche alternative Situationen der Zukunft (Zukunftsbilder) sowie die Wege, die zu diesen zukünftigen Situationen führen, zu analysieren und zusammenhängend darzustellen. Szenarien stellen hypothetische Folgen von Ereignissen auf, um auf kausale Prozesse und Entscheidungsmomente aufmerksam zu machen. Neben der Darstellung, wie eine hypothetische Situation in der Zukunft zustande kommen kann, werden Varianten und Alternativen dargestellt und aufgezeigt, in welchem Prognosekorridor sich die künftige Entwicklung voraussichtlich einpendeln wird. Der Prognosekorridor, der das Gesamtbild der künftigen Handlungssituationen eines Unternehmens wiedergibt, wird begrenzt durch die alternativen Ausprägungen für den günstigsten und den ungünstigsten Eintrittsfall.
424
Insert 4-04:
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
Die Delphi-Methode
Abbildung 4-13 zeigt ein anschauliches Bild zur Darstellung von Szenarien in Form eines sich öffnenden Trichters, dessen Spannweite durch das positive Extrem-Szenario (Best Case) einerseits und durch das negative Extrem-Szenario (Worst Case) andererseits gekennzeichnet ist. Auf der Schnittfläche des Trichters befinden sich alternative Szenarien. In der Mitte befindet sich das Trendszenario, das dem Ergebnis einer Trendextrapolation entspricht. Alternative A zeigt ein anderes, für plausible erachtetes Szenario. Durch Eintritt eines Störereignisses zum Zeitpunkt t1 und der Reaktion zum Zeitpunkt t2 führt dieses Szenario zum Alternativszenario A‘ [vgl. Bea/Haas 2005, S. 288 f.]. Die Szenariotechnik, die in den 1950er Jahren im Rahmen militärstrategischer US-Studien entwickelt wurde, betrachtet einen langfristigen Planungshorizont, wobei keine Extrapolation der Vergangenheit in die Zukunft, sondern eine vorausschauende Betrachtung unter Berücksichtigung relevanter Einflussfaktoren vorgenommen wird. Dabei geht sie von einer beschränkt vorhersehbaren Zukunft aus und kann auch spekulative Entwicklungen in Form von Störereignissen berücksichtigen. Wie kaum eine andere Prognosetechnik ist sie in der Lage, Interdependenzen zwischen den Einflussgrößen der künftigen Umweltentwicklung in den Vordergrund zu stellen. Allerdings hängt die Güte der Prognose – wie letztlich bei allen qualitativen Prognoseverfahren – auch hier von subjektiven Einschätzungen der ausgewählten Experten ab.
4.3 Beratungstechnologien zur Informationsbeschaffung
425
Extremszenario (Best Case)
Störereignis
Szenario A
Ausgangssituation
Szenario A‘ Trendszenario
Reaktion
Gegenwart
t1
t2
Extremszenario (Worst Case)
Zukunft
© Dialog.Lippold
Abb. 4-13:
Szenariotechnik
4.3.3.2 Prognosetechniken auf der Basis von Indikatoren
Bei diesen Prognosetechniken wird die künftige Entwicklung der zu prognostizierenden Größe aus einer vergleichbaren Entwicklung in einem anderen Bereich abgeleitet. Indikatoren sind quasi Vorboten, die Hinweise für die Entwicklung der eigentlich interessierenden, jedoch nur eingeschränkt beobachtbaren Größen in der Zukunft geben. Der Indikator ist ein quantitativer Ausdruck, der der Prognosegröße zeitlich vorgelagert sowie schnell und problemlos zu ermitteln ist. Zwischen Indikator und Prognosegröße besteht aber kein Ursache-Wirkungszusammenhang, sondern die Gültigkeit eines „Symptomgesetzes“, d. h. die vorgelagerte Entwicklung des Indikators ist symptomatisch für die Entwicklung der Prognosegröße. Daher ist es von zentraler Bedeutung, dass die gewählten Indikatoren gute „Frühinformationseigenschaften“ besitzen. Prognosen auf der Basis von Indikatoren werden besonders häufig in der Volkswirtschaft abgegeben. Der Geschäftsklimaindex des Ifo-Instituts oder der Konsumklimaindex der GfK sind typische Frühindikatoren in diesem Bereich. Frühindikatoren im direkten Unternehmensbereich sind bspw.
Fehlerquoten oder Reklamationen für das Beobachtungsfeld „Leistungsprozess“, Fluktuationsraten für das Beobachtungsfeld „Unternehmenskultur“ oder Umsatzanteile auf Auslandsmärkten für das Beobachtungsfeld „Marktpotenzial“.
Mit dieser Art der betriebswirtschaftlichen Frühwarnsysteme gehen die Prognosen auf Basis von Indikatoren zwar deutlich über die Kennzahlensysteme des klassischen Rechnungswesens hinaus, durch den monokausalen Zusammenhang zwischen dem Indikator und der Prognosegröße bleiben die Prognoseergebnisse aber stark eingeschränkt.
426
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
4.3.3.3 Prognosetechniken auf der Basis von Zeitreihen
Verfahren der Zeitreihenanalyse dienen der Abschätzung von Gesetzmäßigkeiten, die sich aus der zeitlichen Abfolge von Beobachtungswerten ergeben. Eine Zeitreihe ist demnach eine Folge von zeitlich hintereinander erhobenen Beobachtungswerten eines Merkmals. Die einfachste Form der Zeitreihenanalyse ist das Verfahren der Mittelwertbildung. Hierbei wird aus der Berechnung des einfachen arithmetischen Mittels aus einer Reihe von Vergangenheitswerten direkt ein Prognosewert abgeleitet. Eine weitere Prognosetechnik auf der Basis von Zeitreihen ist die Methode der gleitenden Durchschnitte. Es handelt sich dabei um ein Verfahren zur Glättung von Zeitreihen. Typische Beispiele für Zeitreihen sind:
Monatliche Arbeitslosenzahlen der Bundesagentur für Arbeit Quartalsumsätze eines DAX-Unternehmens Jährliche Produktionsmengen eines Smartphone-Herstellers.
Die Glättung von Zeitreihen setzt voraus, dass innerhalb der Zeitreihe (kurzfristige) Schwankungen zyklisch auftreten (z. B. das Weihnachtsgeschäft im Einzelhandel) und dass die Werte gleiche Abstände aufweisen (Jahr, Monat, Woche, Tag). Ein gleitender Durchschnitt wird aus einer gleichbleibenden Anzahl zeitlich benachbarter Beobachtungswerte als Folge von arithmetischen Mitteln berechnet und dem in der Mitte des jeweiligen Zeitintervalls liegenden Zeitpunkt zugeordnet. Das Zeitintervall kann dabei sowohl aus einer geraden, als auch aus einer ungeraden Zahl von Werten bestehen. Wichtig ist, dass das Zeitintervall mit dem zugrundeliegenden Zyklus übereinstimmt. Soll die Gleichgewichtung der Vergangenheitswerte aufgehoben und die aktuellen Daten stärker berücksichtigt werden, so kann man die gleitenden Durchschnitte unterschiedlich gewichten (Verfahren der gewogenen gleitenden Durchschnitte). Der Vorteil gegenüber der Regressionsmethode liegt darin, dass man keinerlei Vorwissen über den Funktionstyp des Trends benötigt. Die größte Schwierigkeit der Methode liegt in der richtigen Auswahl des Zyklus. Bei der Trendextrapolation wird versucht, den bisherigen Datenverlauf (Trend) durch eine Funktion zu beschreiben, deren Verlauf dann in die Zukunft fortgeschrieben wird. Hierbei wird die vorherzusagende Größe (z. B. Preise, Umsätze, Kosten) allein anhand des Kriteriums der Zeit ermittelt. Es wird also bewusst darauf verzichtet, die unterschiedlichen Einflussfaktoren, die für den Verlauf der vorherzusagenden Größe ausschlaggebend sind, einzeln auszuweisen. Dabei geht die Trendextrapolation von der Grundannahme aus, dass die in der Vergangenheit wirkenden Einflussfaktoren auch in der Zukunft gelten. Bevor der Trend für eine Zeitreihe berechnet werden kann, muss zunächst über den Funktionstyp – linear, exponentiell oder logistisch – entschieden werden (siehe Abbildung 4-14). Ist die Entscheidung über den Funktionstyp gefallen, so erfolgt das Anpassen der Trendfunktionen an eine Zeitreihe durch Schätzen der Parameter (a, b, ...) auf der Basis dieser Daten. Dazu wird zumeist die Methode der kleinsten Quadrate verwendet (siehe dazu auch den nächsten Abschnitt).
4.3 Beratungstechnologien zur Informationsbeschaffung
Linearer Trend
427
Exponentieller Trend
Logistischer Trend y
y
y 𝒚(𝒕) = 𝒂 + 𝒃𝒕
𝒚(𝒕) =
𝒚 𝒕 =
𝑺 𝟏 + 𝒆𝒂
𝒃𝒕
𝒂𝒃𝒕
t
t
t
y (t): Prognosegröße z. B. Absatz; t: Perioden (t = 1…n); a, b: Parameter der Funktion S: Sättigungsgrenze für y; e: Basis der natürlichen Logarithmen © Dialog.Lippold
Abb. 4-14:
Funktionstypen der Trendextrapolation
Das methodische Kernproblem der Trendextrapolation liegt in der Wahl der „richtigen“ Trendfunktion sowie darin, dass die einzelnen Verursachungs- bzw. Einflussfaktoren nicht isoliert analysiert werden. Insofern erscheint das Verfahren zur Prognose von diskontinuierlichen Entwicklungen, denen heute eine Schlüsselbedeutung zukommt (Bankenkrise, Eurokrise), nur bedingt geeignet [vgl. Macharzina/Wolf 2010, S. 843]. 4.3.3.4 Prognosetechniken auf der Basis von Funktionen
Die Regressionsanalyse ist das wichtigste Verfahren, um funktionale bzw. kausale Zusammenhänge auszudrücken. Je nachdem, ob die Prognose auf der Grundlage einer oder mehrerer Einflussgrößen erfolgt, sind einfache und multiple Regressionsmodelle zu unterscheiden. Ebenso wie bei der Zeitreihenanalyse wird auch bei der Regressionsanalyse von einer Extrapolierbarkeit der Vergangenheitswerte in die Zukunft ausgegangen. Bei der Einfachregression wird unterstellt, dass das erste Merkmal (X) unabhängig und das zweite Merkmal (Y) vom ersten Merkmal abhängig ist. Diesen Zusammenhang beschreibt die Regressionsfunktion y = f(x) . Welches Merkmal unabhängig und welches abhängig ist, richtet sich nach der vermuteten Kausalität. In der Betriebswirtschaft ist die erklärte (abhängige) Variable Y sehr häufig eine Zielgröße (Gewinn, Umsatz), während die erklärende (unabhängige) Variable X eine Instrumentgröße (Preis, Werbeausgaben) ist (siehe Abbildung 4-15). Als Regressionsfunktion wird meist eine lineare Funktion gewählt, weil dies die einfachste Form der Abhängigkeit ist: y=a+bx. Eine solche Funktion hat allerdings nur approximativen Charakter, d. h. dass beim Einsetzen von tatsächlichen zweidimensionalen Beobachtungswerten (xt, yt)
(t = 1,2, …)
428
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
fast immer eine Abweichung ut zwischen dem Beobachtungswert der abhängigen Variablen yt und dem Funktionswert f (xt) auftritt. Unter Berücksichtigung dieser empirischen Abweichung lautet das lineare Regressionsmodell yt = a + b xt + ut
(t = 1,2,…).
Beispiel
Unabhängige Variable
Abhängige Variable
Umsatzentwicklung in Abhängigkeit von Werbemaßnahmen
► Werbebudget
► Umsatz
Anzahl Seminarteilnehmer in Abhängigkeit von Nachfassaktionen
► Anzahl Nachfassaktionen
► Anzahl Seminarteilnehmer
Umsatzentwicklung in Abhängigkeit vom Messebudget
► Messebudget
► Umsatz
Umsatzentwicklung in Abhängigkeit von der Conversion-Rate
► Conversion-Rate
► Umsatz © Dialog.Lippold
Abb. 4-15:
Anwendungsbeispiele der Regressionsanalyse
Im Rahmen der Regressionsanalyse sind nunmehr zwei Fragen zu beantworten [vgl. Wewel 2011, S. 102]:
Wie können die beiden Regressionskoeffizienten a und b, die als Lageparameter den Verlauf der Geraden beschreiben, optimal passend zu den vorliegenden Beobachtungswerten bestimmt werden?
Wie lässt sich die Aussagefähigkeit der ermittelten Regressionsfunktion und damit die Güte der Prognosen, die aus der Funktion abgeleitet werden, beurteilen?
Zur optimalen Anpassung der beiden Lageparameter a und b wird die Methode der kleinsten Quadrate angewandt, nach der die Summe der quadrierten Fehler minimiert wird. Im Streuungsdiagramm wird also diejenige Gerade gesucht, deren Summe der quadrierten senkrechten Abstände zu den einzelnen Beobachtungswerten am kleinsten ist. Für das lineare Regressionsmodell bedeutet das: 𝑢 =
(𝑦 − 𝑎 − 𝑏𝑥 ) → min!
Nach einigen Umformungen erhält man folgende Werte für die beiden Regressionsparameter: a = 𝑦 – b 𝑥̅ und
b=
∑ ∑
̅ ̅
4.3 Beratungstechnologien zur Informationsbeschaffung
429
Die Schätzformel für b, die den Anstieg der Regressionsgeraden angibt, zeigt folgenden Zusammenhang zur Korrelation der Merkmale X und Y: Steigende Regressionsgerade
↔
positive Korrelation
Fallende Regressionsgerade
↔
negative Korrelation
Horizontale Regressionsgerade ↔
keine Korrelation
Derartige Regressionsgeraden können allerdings nur dann zu Prognosezwecken verwendet werden, wenn der Funktionsverlauf aus den Daten richtig spezifiziert werden kann und die zukünftigen Werte der unabhängigen Variablen zeitnah für die Prognose ermittelt werden können bzw. vorliegen. Außerdem zeigt sich immer wieder, dass sich die abhängigen und unabhängigen Variablen in der Unternehmenspraxis gegenseitig beeinflussen. So ist einerseits der Umsatz von der Höhe der Werbeausgaben abhängig; andererseits richten viele Unternehmen ihre Werbeetats nach dem erzielten Umsatz aus. Ein ähnlicher doppelseitiger Zusammenhang besteht auch zwischen dem Unternehmensgewinn und den F&E-Aufwendungen. Können solche Wirkungsbeziehungen nicht mit der Regressionsanalyse gelöst werden, müssen sie in einem Simulationsmodell formuliert und programmiert werden. Mehrgleichungsmodelle sind Bestandteil weiterführender ökonometrischer Verfahren. Der Erfolg von Mehrgleichungsmodellen zu Prognosezwecken ist allerdings wie bei allen ökonometrischen Verfahren in erster Linie von der Güte der Schätzung der unabhängigen (nicht durch das Modell bestimmten) Variablen abhängig, so dass sich das Prognoseproblem lediglich auf eine frühere Stufe vorverlagert, nicht jedoch prinzipiell gelöst wird. Deshalb scheinen Prognosen auf der Grundlage von Befragungen aufgrund ihrer Offenheit gegenüber einem breiten Spektrum von unterschiedlichen Informationen am ehesten geeignet, strategisch relevante Veränderungen frühzeitig zu erkennen [vgl. Macharzina/Wolf 2010, S. 841; Bea/Haas 2005, S. 286].
430
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
4.4 Beratungstechnologien zur Analyse und Zielsetzung Ein Großteil der in der Akquisitionsphase vorgestellten Tools und Techniken wird – wie immer wieder betont – regelmäßig auch in der Analysephase eingesetzt. Nahezu ausschließlich in der Analyse und Zielsetzung werden dagegen die Tools zur Umwelt-, Wettbewerbs- und Unternehmensanalyse sowie die Tools zur Zielformulierung verwendet. 4.4.1 Tools zur Umwelt-, Wettbewerbs- und Unternehmensanalyse Die Tools zur Umwelt-, Wettbewerbs- und Unternehmensanalyse zählen zu den beliebtesten und bekanntesten Managementwerkzeugen. Ziel dieser Werkzeuge ist es, Verbesserungspotenziale zu identifizieren. Hierzu werden im Folgenden mit
der SWOT/TOWS-Analyse, der Ressourcenanalyse, dem Konzept der kritischen Erfolgsfaktoren, dem 7-S-Modell, dem Five-Forces-Modell, der Analyse der Kompetenzposition, der Stakeholderanalyse, der Wertkettenanalyse und dem Benchmarking
Konzepte vorgestellt, die sich durch Benutzerfreundlichkeit und einen recht hohen Anwendungsnutzen auf dem Gebiet der Situationsanalyse eines Unternehmens auszeichnen. 4.4.1.1 SWOT/TOWS-Analyse
Eines der bekanntesten Hilfsmittel für eine solche Systematisierung ist die SWOT-Analyse. Hier werden in einem ersten Schritt Stärken (engl. Strengths) und Schwächen (engl. Weeknesses), die in der Unternehmensanalyse identifiziert wurden, gegenübergestellt und eine StärkenSchwächen-Analyse erstellt. Stärken machen ein Unternehmen wettbewerbsfähiger. Dazu zählen die besonderen Ressourcen, Fähigkeiten und Potenziale, die erforderlich sind, um strategische Ziele zu erreichen. Schwächen sind dagegen Beschränkungen, Fehler oder Defizite, die das Unternehmen vom Erreichen der strategischen Ziele abhalten. Dieser Teil der SWOT-Analyse, der sich aus einer kritischen Betrachtung des Mikro-Umfeldes ergibt, ist gegenwartsbezogen. Der zweite Schritt der SWOT-Analyse bezieht sich auf das Makro-Umfeld des Unternehmens. Er ist in die Zukunft gerichtet und stellt die identifizierten Chancen und Möglichkeiten (engl. Opportunities) den Risiken bzw. Bedrohungen (engl. Threats) gegenüber (Chancen-RisikenAnalyse). Möglichkeiten bzw. Chancen sind alle vorteilhaften Situationen und Trends im Umfeld eines Unternehmens, die die Nachfrage nach bestimmten Produkten oder Leistungen unterstützen. Bedrohungen bzw. Risiken sind dagegen die ungünstigen Situationen und Trends, die sich negativ auf die weitere Entwicklung des Unternehmens auswirken können. Das Ergebnis dieser beiden Analysen ist ein möglichst vollständiges und objektives Bild der Ausgangssituation (Wo stehen wir?).
4.4 Beratungstechnologien zur Analyse und Zielsetzung
431
Die SWOT-Analyse ist eines der ältesten Tools für die Strategieentwicklung. Sie stellt eine gute Übersicht und Zusammenfassung der Ausgangssituation sicher. Das SWOT-Tool bietet allerdings keine konkreten Antworten, sondern stellt lediglich Informationen zusammen, um darauf aufbauend Strategien zu entwickeln. Darüber hinaus sind positive Nebeneffekte bei der Durchführung der SWOT-Analyse – wie Kommunikation und Zusammenarbeit – mindestens ebenso wichtig wie die erzielten Ergebnisse [vgl. Andler 2008, S.178]. Abbildung 4-16 zeigt das Grundmodell der SWOT-Analyse mit beispielhaften Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken. Unternehmensanalyse Mikro-Umfeld • Eigenes Unternehmen • Kunden • Wettbewerber • Lieferanten • Absatzmittler • Öffentlichkeit
Umweltanalyse Makro-Umfeld • Natürliche Umwelt • Sozio-kulturelle Umwelt • Makro-ökonomische Umwelt • Politisch-rechtliche Umwelt • Technologische Umwelt
Stärken (Strengths)
Schwächen (Weeknesses)
• Starker Markenname
• Hohe Produktionskosten
• Flächendeckendes Vertriebsnetz
• Schwache Marktposition
• Hohe Produktfunktionalität
• Schwache F&EKompetenzen
• Guter Werbeauftritt
• Mangelnde Internationalität
Chancen (Opportunities) • Wachsender Markt in China • Potentiale bei zugehörigen Dienstleistungen • Patentgenehmigungen stehen bevor • Stärkstem Wettbwerber droht Übernahme
• Interner Blickwinkel • Gegenwartsbezogen
Bedrohungen (Threats) • Wettbewerb durch neue asiatische Firmen • Verstärkte ökologische Auflagen • Hauptlieferant ist in wirtschaftlichen Schwierigkeiten
• Externer Blickwinkel • Zukunftsbezogen
• Ersatzprodukte gewinnen zunehmend an Marktanteilen © Dialog.Lippold
Abb. 4-16:
Das Grundmodell der SWOT-Analyse
Während die SWOT-Analyse rein deskriptiver Natur ist, wird mit der TOWS-Analyse die Entwicklung strategischer Stoßrichtungen angestrebt. Die TOWS-Analyse kann somit als Weiterentwicklung der SWOT-Analyse angesehen werden. Sie zeigt, wie die unternehmensinternen Stärken und Schwächen mit den externen Bedrohungen und Chancen kombiniert werden können, um daraus vier grundsätzliche Optionen zu entwickeln: SO-Strategien basieren auf den vorhandenen Stärken eines Unternehmens und zielen darauf ab, die Chancen, die sich im Unternehmensumfeld bieten, zu nutzen. ST-Strategien basieren ebenfalls auf den vorhandenen Stärken. Sie haben aber das Ziel, diese Stärken zu nutzen, um drohende Risiken abzuwenden oder doch mindestens zu minimieren. WO-Strategien sollen interne Schwächen beseitigen, um die bestehenden Chancen nutzen zu können. Auf diese Weise sollen die betreffenden Schwächen in Stärken transformiert werden, um dann mittelfristig eine SO-Position zu erlangen. WT-Strategien haben schließlich das Ziel, die Gefahren im Umfeld durch einen Abbau der Schwächen zu reduzieren. Die Kombination aus Schwächen und Risiken ist zweifellos für ein Unternehmen die gefährlichste Konstellation, die es zu vermeiden gilt.
432
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
Die TOWS-Struktur kann hilfreich bei der Strukturierung und Entwicklung alternativer Strategien sein. Daher ist der TOWS-Ansatz vom Einsatzbereich her gesehen nicht den „Tools der Situationsanalyse“, sondern den „Tools zur Strategiewahl“ zuzurechnen. Durch die unmittelbare Verbindung zum Grundmodell der SWOT-Analyse ist der TOWS-Ansatz bereits an dieser Stelle aufgeführt. In Abbildung 4-17 ist das TOWS-Diagramm wiedergegeben, das die vier Kombinationen und strategischen Richtungen beschreibt.
Stärken
(Strengths)
Chancen
(Opportunities)
Bedrohungen
(Threats)
Schwächen
(Weeknesses)
SO-Strategien:
WO-Strategien:
Stärken nutzen, um aus den Chancen Vorteile zu generieren
Möglichkeiten nutzen, um die Schwächen zu überwinden
ST-Strategien:
WT-Strategien:
Stärken nutzen, um Risiken abzuwenden
Schwächen reduzieren, um Bedrohungen zu vermeiden
© Dialog.Lippold
Abb. 4-17:
TOWS-Diagramm
4.4.1.2 Ressourcenanalyse
Die Ressourcenanalyse ist quasi der „kleine Bruder“ der SWOT-Analyse, denn im Mittelpunkt steht die Erstellung eines Stärken-Schwächen-Profils, das ja auch Teil der SWOT-Analyse ist. Im Gegensatz zur SWOT-Analyse befasst sich die Ressourcenanalyse aber ausschließlich mit den unternehmensspezifischen Stärken und Schwächen (und nicht mit den Chancen und Risiken), die denen der stärksten Wettbewerber gegenübergestellt werden. Dieses Wissen über die eigenen Fähigkeiten und Grenzen, ggf. differenziert nach Unternehmensbereichen oder nach Produktgruppen, legt Verbesserungspotenziale offen und kann gezielt zu Lösungsansätzen herangezogen werden [vgl. Kerth et al. 2011, S. 110 f.]. Die Ressourcenanalyse besteht im Kern aus einem Profilvergleich, bei dem ausgewählte Erfolgsfaktoren (Fähigkeiten und Ressourcen) des eigenen Unternehmens in Relation zu den wichtigsten Wettbewerbern bewertet werden. Durch die Einschätzung der erhobenen Merkmale durch den Befragten entsteht ein Stärken-Schwächen-Profil, das die Potenziale und den Verbesserungsbedarf des Unternehmens abbildet. Diese Analyse ist nicht nur für den MarketingBereich relevant. Auch für den Personalbereich, die Organisation oder für die Produktion kann
4.4 Beratungstechnologien zur Analyse und Zielsetzung
433
die Analyse wichtige Hinweise geben. Eine Ressourcenanalyse kann sowohl von den eigenen Mitarbeitern verschiedener Verantwortungsbereiche als auch von Außenstehenden (Kunden, Berater) durchgeführt werden. In Abbildung 2-14 ist ein fiktives Stärken-Schwächen-Profil abgebildet, wobei die Kriterienbereiche Unternehmen (allgemein), Markt/Marketing, Produktion, Vertrieb, Finanzen sowie Management und Personal der eigenen Unternehmensberatung mit den zwei stärksten Wettbewerbern verglichen werden. Wichtig dabei ist, dass die einzelnen Kriterien von den Befragten in gleicher Weise interpretiert werden.
4.4.1.3 Konzept der Kritischen Erfolgsfaktoren
Die Analyse der kritischen Erfolgsfaktoren ähnelt der Ressourcenanalyse sehr stark. Während die Ressourcenanalyse in Prinzip alle Bereiche und Teilbereiche mit ihren Ressourcen und Möglichkeiten untersucht und dann in einem Stärken-Schwächen-Profil ausgewählten Wettbewerbern gegenüberstellt, konzentriert sich das Tool der kritischen Erfolgsfaktoren lediglich auf ausgewählte Ressourcen. Dabei handelt es sich vornehmlich um solche Faktoren, die auch wirklich kritisch bzw. entscheidend für den Erfolg eines Unternehmens sind. Typische Beispiele von kritischen Erfolgsfaktoren sind [vgl. Andler 2015, S. 278]:
Management (Führungsstil, Motivation, digitale Kompetenz etc.) Marketing (Image, Markenbildung, Corporate Identity, Reputation etc.) Technologie (Zugriff bzw. Zugang zu Technologien, wichtige Patente, F & E etc.) Personal (Talentmanagement, Personalentwicklung, Mitarbeiterbindung, Empowerment etc.) Produkte/Dienstleistungen (Breite und Tiefe des Angebots, Funktionalität, Integration, Marktanteil etc.) Herstellung (Qualität nach ISO 9000, Zuverlässigkeit, Stabilität der Prozesse, Lieferzeiten etc.) Finanzen (Finanzielle Stärke, Investitionsbereitschaft, Rechtsform, Zugang zum Kapitalmarkt etc.) Entscheidend ist dann letztlich, dass sich der eine oder andere dieser Erfolgsfaktoren zu einem wirklichen USP (engl. Unique Selling Proposition) ausbauen lässt.
4.4.1.4 7-S-Modell
Das vom Beratungsunternehmen McKinsey entwickelte 7-S-Modell (“Seven-S-Framework”) liefert eine Übersicht über die Zusammenhänge und Abhängigkeiten von sieben Faktoren, die den Unternehmenskontext beschreiben. Die drei harten Faktoren Strategy, Structure und Systems bilden das Erfolgskonzept, das ein Unternehmen von anderen unterscheidet. Diese Erfolgsfaktoren sind in der Regel greifbar und in Form von Strategiepapieren, Plänen, Dokumentationen, Organigrammen etc. konkret (quasi als „Hardware“) dargelegt. Hinzu kommen vier
434
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
weiche Faktoren Style, Skills, Staff und Shared Values (quasi als „Software“), die man bislang als nicht beeinflussbare, irrationale, intuitive oder informelle Elemente der Organisation abgetan hatte. Dennoch haben diese Faktoren mindestens genau so viel mit dem Erfolg (oder Misserfolg) des Unternehmens zu tun wie die formalen Strukturen und Strategien, denn sie verkörpern das interne Führungskonzept. Sie unterstützen die harten Erfolgsfaktoren, sind aber materiell weniger greifbar und schwieriger zu beschreiben. Alle Faktoren sind miteinander vernetzt, wobei effektiv arbeitende Unternehmen eine ausgeglichene Balance zwischen diesen sieben Elementen aufweisen [vgl. Peters/Waterman 1984, S. 30 ff.]. Abbildung 4-18 veranschaulicht die sieben Faktoren des 7-S-Modells grafisch.
Structure
Strategy
Systems
Shared Values
Skills
Style
Staff
Abb. 4-18:
Faktoren des 7-S-Modells
Zum besseren Verständnis sollen die 7 S einzeln erläutert werden [vgl. Kerth et al. 2011, S. 65]:
Strategie (engl. Strategy) beschreibt die Ziele und Handlungsweisen zur Sicherung des langfristigen Unternehmenserfolgs.
Struktur (engl. Structure) umfasst die vorliegende Aufbauorganisation und Koordination aller sachlich-hierarchischen Zusammenhänge des Unternehmens.
Prozesse (engl. Systems) sind die primären und unterstützenden Prozesse zur Umsetzung der Strategien in den gegebenen Strukturen (IT-Steuerungssysteme, Abwicklungsprozesse, Controlling, Routinen etc.).
Führungsstil (engl. Style) umfasst die Maßstäbe, nach denen das Management Prioritäten setzt und arbeitet. Dazu zählen die Verhaltensweisen der Führungskräfte ebenso wie die Kultur des Unternehmens.
4.4 Beratungstechnologien zur Analyse und Zielsetzung
435
Mitarbeiter (engl. Staff) sind die Menschen im Unternehmen mit ihren individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten.
Spezialkenntnisse (engl. Skills) sind die besonderen Fähigkeiten des Unternehmens selbst, unabhängig von den Einzelpersonen, also das, was das Unternehmen am besten kann – seine Kernkompetenzen.
Selbstverständnis (engl. Shared Values) bezieht sich auf die Kernüberzeugungen und grundlegenden Ideen sowie die gemeinsamen Werte der Organisation und beinhaltet damit den Existenzgrund und die Vision des Unternehmens.
Nachdem die Inhalte der harten und weichen Faktoren analysiert worden sind, müssen in einem zweiten Schritt die Beziehungen und Abhängigkeiten zwischen den Faktoren ermittelt werden. Hierzu ist es hilfreich, die Faktoren in Form einer Matrix abzubilden und die Beziehungen und Konflikte in jeder Kombination zu benennen. Die Beziehungsmatrix soll Aufschluss darüber geben, inwieweit die vorhandenen Fähigkeiten und Werte zur tatsächlich angestrebten Strategie passen [vgl. Kerth et al. 2011, S. 67].
4.4.1.5 Five-Forces-Modell
Ein weiterer Ansatz zur Systematisierung der Situationsanalyse ist das Five-Forces-Modell von Michael E. Porter. Dieses Konzept der Branchenstrukturanalyse stellt folgende fünf Wettbewerbskräfte (engl. Five Forces) als zentrale Einflussgrößen auf die Rentabilität einer Branche in den Mittelpunkt der Analyse [vgl. Porter 1995, S. 25 ff]:
Verhandlungsmacht der Kunden Verhandlungsmacht der Lieferanten Rivalität der Wettbewerber untereinander Bedrohung durch künftige Anbieter Bedrohung durch Substitutionsprodukte.
Die Verhandlungsstärke der Abnehmer wirkt sich direkt auf die Rentabilität einer Branche aus. Dies gilt vor allem dann, wenn die Konzentration auf dem Absatzmarkt besonders hoch ist und die Produkte nur wenig differenziert und damit leicht austauschbar sind. Ein Beispiel dafür ist der Preisdruck von großen Handelsunternehmen/Handelsketten, den diese aufgrund ihrer starken Verhandlungsposition auf Konsumgüterhersteller ausüben. Je stärker die Verhandlungsmacht der Lieferanten auf einem Markt ausfällt, desto geringer ist der Gewinnspielraum auf der Abnehmerseite. Eine starke Verhandlungsmacht ist immer dann zu erwarten, wenn eine relativ geringe Anzahl von Lieferanten in einem bestimmten Marktsegment einer großen Anzahl von Abnehmern gegenübersteht. Ein Beispiel hierfür ist der Verhandlungsdruck der Anbieter klassischer Markenartikel auf den Facheinzelhandel, für den die betreffenden Inputgüter von hoher Bedeutung sind und eine Substitution durch Ersatzprodukte nur bedingt möglich ist. Die Rivalität der Wettbewerber untereinander wird vor allem beeinflusst durch die Anzahl der Marktteilnehmer, durch die Marktgröße und durch die Stellung der Branche im Lebenszyklus. So ist eine hohe Wettbewerbsintensität vor allem dann zu erwarten, wenn
436
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
die in der Branche vorhandenen Kapazitäten nicht ausgelastet sind, sich die Produkte bzw. Dienstleistungen nicht stark differenzieren, ein Anbieterwechsel ohne große Umstellungskosten vorgenommen werden kann und hohe Marktaustrittsbarrieren bestehen, die dazu führen, dass unrentable Kapazitäten im Markt verbleiben [vgl. Fink 2009, S. 178 f.].
Die Bedrohung durch neue Anbieter hat dann Einfluss auf die Rentabilität einer Branche, wenn potenzielle Anbieter auch tatsächlich in den Markt eintreten. Denn mit steigender Anzahl der Wettbewerber sinkt der durchschnittliche Anteil eines Anbieters am Branchenumsatz bzw. Branchengewinn. Für den Zugang neuer Anbieter spielen die Markteintrittsbarrieren eine wichtige Rolle. Diese sind umso höher, je stärker die Käuferloyalität, je ausgeprägter die Produktdifferenzierung, je schwieriger der Zugang zu bestehenden Distributionssystemen und je höher die Umstellungskosten auf der Abnehmerseite sind. Ein aktuelles Beispiel für das Bedrohungspotenzial neuer Anbieter ist der zunehmende Drang der Hardwarehersteller in das IT-Beratungsgeschäft. Die Bedrohung durch Substitutionsprodukte oder durch neue Technologien ist umso größer, je besser das Preis-/Leistungsverhältnis gegenüber den brancheneigenen Produkten ausfällt. Ähnlich wie bei den Markteintrittsbarrieren ist auch hier zu untersuchen, wie gut sich die Branche oder einzelne Unternehmen gegen Ersatzprodukte zur Wehr setzen können. Die Bedrohung der Handys durch Smartphones ist das derzeit wohl markanteste Beispiel für diese Wettbewerbskraft. Andere Beispiele sind Kunststoff vs. Glas, Kontaktlinsen vs. Brillen, digitale vs. analoge Technologien. Abbildung 4-19 stellt die fünf Triebkräfte des Branchenwettbewerbs im Zusammenhang dar.
Potentielle Mitbewerber Beeinflusst durch Angebot und Nachfrage, Produktionskosten sowie Preiselastizität
Lieferanten
Verhandlungsmacht
Der Substitutionseffekt treibt die Ablöse und Erneuerung von Produkten an
Bedrohung durch Markteintritt neuer Konkurrenten
Mitbewerber Rivalität/ Rivalität/ Konkurrenz Konkurrenz
Bedrohung durch Ersatzprodukte
Beeinflusst durch die Höhe Markteintrittsschranken
Beeinflusst durch Angebot und Nachfrage, Kundenverhalten und Preiselastizität
Verhandlungsmacht
Kunden
Beeinflusst durch Marktstrukturen, Anzahl der Marktteilnehmer , Marktgröße und Steigerungsrate
Ersatzprodukte © Dialog.Lippold
Abb. 4-19:
Das Five-Forces-Modell von Porter
4.4 Beratungstechnologien zur Analyse und Zielsetzung
437
Ist die entsprechende Einschätzung für alle fünf Triebkräfte durchgeführt, kann es im nächsten Schritt darum gehen, den Einfluss der fünf Marktkräfte besser zu kontrollieren und ggf. zu reduzieren. Dabei geht es im Einzelnen um Maßnahmen
zur Minderung der Verhandlungsmacht der Abnehmer (z. B. durch Etablierung von Partnerschaften mit den Käufern, Erhöhung der Anreiz- und Bonussysteme, Einsatz von Supply Chain Management),
zur Einschränkung der Verhandlungsmacht der Lieferanten (z. B. durch Bildung von Allianzen, Verwendung von Supply Chain Management, Vorwärtsintegration (Aufkauf eines Lieferanten)),
zur Eindämmung der Wettbewerbsrivalität (z. B. durch Vermeiden von Preiskämpfen, Aufkauf von Wettbewerbern, Neuorientierung auf andere Marktsegmente),
zur Minderung der Gefahr durch Neueinsteiger (z. B. durch Patente und Schutz des geistigen Eigentums, Allianzen mit Lieferanten und Vertriebspartnern, Schaffung einer starken Marke) und
zur Vermeidung der Gefahr durch Substitute (z. B. durch Wahrung der Produkt- und Urheberrechte (Warenzeichen), Allianzen oder direkte Kooperation mit dem Substitute-Hersteller, Erhöhung der Produktwechselkosten) [vgl. Andler 2015, S. 294 ff.].
Porters Branchenstrukturanalyse ist eine veritable Methode zur Einschätzung der Attraktivität und des Wettbewerbs in einer Branche. Sie ist ein sehr guter Startpunkt, um ein besseres Verständnis und einen Einblick in wichtige Trends und Triebkräfte einer Branche zu erhalten. Trotzdem werden Porters Five Forces aus den verschiedensten Gründen kritisch diskutiert (siehe hierzu Insert 4-05).
438
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
Insert Sind Porters Five Forces noch gültig? von Dagmar Recklies Innerhalb des letzten Jahrzehnts und beeinflusst durch die sich entwickelnde Internet-Ökonomie wurden Porters Ideen zunehmend in Frage gestellt. Die Kritik führt dabei an, dass sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen inzwischen grundlegend geändert haben. Der Siegeszug des Internet und der vielfältigen E-Business-Anwendungen haben die Dynamik nahezu aller Branchen stark beeinflusst. Tatsächlich stellen Porters Theorien auf die in den 80ern vorherrschende wirtschaftliche Situation ab. Diese war gekennzeichnet durch starken Wettbe-werb, zyklische Konjunkturentwicklungen und ein relativ stabiles Marktumfeld. Porters Modelle stellen hauptsächlich auf eine Betrachtung der aktuellen Situation (Kunden, Lieferanten, Wettbewerber etc.) sowie auf vorhersehbare Entwicklungen (neue Markt-teilnehmer, Substitute) ab. Wettbewerbsvorteile ergeben sich danach aus einer dauerhaften Stärkung der eigenen Position innerhalb des Fünf-Kräfte-Systems. Damit können die Modelle nicht auf extrem dynamische Entwicklungen oder Transformationsprozesse ganzer Branchen eingehen. Tatsächlich sind in den letzten Jahren mit der Digitalisierung, Globalisierung und Deregulierung neue Triebkräfte zur Wirkung ge-kommen, die von Porters Theorien nur unzureichend einbezogen werden. In dem
heutigen Markt-geschehen, das sehr stark von dem rasanten Fortschritt der Informationstechnologie geprägt ist, kann eine erfolgreiche Strategie nicht mehr allein auf Basis von Porters Modellen entwickelt werden. Wenn man aus alledem jedoch schlussfolgert, dass Porters Modelle heute zur Strategiefindung nicht mehr geeignet sind, muss man auch bedenken, dass eine Strategie nie nur auf einigen ausgewählten Managementmodellen basieren sollte. Strategieentwicklung muss stets auf einer sorgfältigen Analyse aller internen und externen Faktoren sowie ihrer möglichen Veränderungen aufbauen. Dies ist keine neue Erkenntnis. Außerdem hat das Umschlagen der Dotcom-Euphorie in zahlreiche Crashs schmerzhaft gezeigt, dass die wirtschaftlichen Grundgesetze auch für die New Economy bzw. die Informationsökonomie gelten. Genau darin liegt die dauerhafte Bedeutung von Porters Modellen. Porter ist Wirtschaftswissenschaftler. Sein Modell der Fünf Kräfte basiert letztlich auf den Gesetzen der Mikroökonomie, die es anschaulicher und allgemeiner darstellt. Porter spricht von der Attraktivität einer Branche, die durch die fünf Triebkräfte beeinflusst wird; in der Mikroökonomie beeinflusst die Konstellation bzw. Ausprägung der Faktoren die Gewinnmaximierung bzw. Monopolgewinne.
Porters 5 Wettbewerbskräfte
Teilgebiete der Mikroökonomie
Verhandlungsstärke der Lieferanten
Angebots- und Nachfragetheorie; Produktionsund Kostentheorie; Preiselastizität
Verhandlungsstärke der Kunden
Angebots- und Nachfragetheorie; Konsumverhalten; Preiselastizität
Konkurrenz zwischen vorhandenen Wettbewerbern
Marktstrukturen; Anzahl der Marktteilnehmer; Marktgröße und Wachstumsraten
Bedrohung durch Ersatzprodukte
Substitutionsgesetz; Substitutionseffekte
Bedrohung durch neue Wettbewerber
Markteintrittsbarrieren
Illustration am Rande: In einer Vorlesung, an der die Autorin teilnahm, gab der Professor seine ganz persönliche Beurteilung zu Porters Modellen zum Besten: „Porters Fünf Kräfte Modell ist banal. Das ist nichts als Mikroökonomie. Der Mann hat sich ein paar Jahre in einer Bibliothek eingeschlossen
und ein paar Unternehmen analysiert und hat es dann geschafft, die ganze Mikroökonomie in einem einzigen völlig simplen Modell zusammenzufassen. Deshalb sind nun alle anderen Wirtschaftswissenschaftler sauer auf ihn – weil sie sich ärgern, dass ihnen selbst so etwas Offensichtliches nicht eingefallen ist.“ [Quelle: Recklies 2001, verkürzt]
Insert 4-05:
Sind Porters Five Forces noch gültig?
Ein wichtiger Kritikpunkt besteht darin, dass es sich lediglich um eine Momentaufnahme der untersuchten Wettbewerbskräfte handelt, dynamische Veränderungen jedoch nicht zum Tragen kommen. Dieser Dynamik wird aber mit der Verbindung zu Lebenszyklusmodellen Rechnung getragen. Solche Modelle gehen auf der Grundlage von empirischen Untersuchungen davon
4.4 Beratungstechnologien zur Analyse und Zielsetzung
439
aus, dass eine Branche – ebenso wie Produkte – im Zeitablauf verschiedene Phasen durchläuft, in denen sich der Gesamtumsatz – wie im oberen Teil der Abbildung 4-20 gezeigt – entwickelt. Es ist ersichtlich, dass sich die einzelnen Phasen – Einführung, Wachstum, Reife und Rückgang – durch unterschiedliche Wachstumsraten charakterisieren lassen. Befindet sich nun eine Branche in einer Wachstumsphase, in der die Umsätze stark ansteigen, ist es für ein Unternehmen bspw. möglich, in den betreffenden Markt einzudringen, ohne dass sich der Umsatz seiner relevanten Wettbewerber reduzieren muss. In einer reifen oder alternden Branche wird meistens mit wesentlichen „härteren Bandagen“ um das verbleibende Umsatzpotenzial konkurriert. Verbindet man das Lebenszykluskonzept mit den Five Forces, so lässt sich die Dynamik der Branchenstruktur wie in Abbildung 4-20 dargestellt beschreiben.
Einführung
Wachstum
Reife
Sättigung/ Rückgang
Absatz Lebenszyklus der Branche
t Verhandlungsmacht der Abnehmer
Hoch
Gering
Ansteigend
Hoch
Verhandlungsmacht der Lieferanten
Gering
Ansteigend
Hoch
Gering
Rivalität der Wettbewerber
Gering, da Unsicherheit sehr groß
Zunehmende Abhängigkeit
Oligopolistisches Verhalten ohne Wettbewerbskampf
Hohe Rivalität falls Austritt nicht möglich
Bedrohung durch neue Anbieter
Unsicherheit und Risiko der Innovation als Eintrittsbarriere
Eintritt vieler neuer Wettbewerber
Neueintritt nur unter günstigen Kostenbedingungen
Eintritt ist relativ unattraktiv
Bedrohung durch Ersatzprodukte
Hoch
Gering
Ansteigend
Hoch
[Quelle: Müller-Stewens/Lechner 2001, S. 104]
Abb. 4-20:
Verbindung der Five Forces mit dem Lebenszykluskonzept
Das Konzept des Branchenlebenszyklus wird in der wissenschaftlichen Literatur ebenso kritisch diskutiert wie Porters Five Forces. Zwar ist unstrittig, dass Branchen – ebenso wie Produkte oder Dienstleistungen – einen Lebenszyklus durchlaufen, allerdings ist es nahezu unmöglich, die Lebenszyklusphase zu bestimmen, in der sich eine Branche oder ein Geschäftsfeld gerade befindet. Das ist darauf zurückzuführen, dass sich nähere Erkenntnisse über den konkreten Verlauf der Lebenszykluskurve in aller Regel erst rückblickend gewinnen lassen. Eine fundierte Prognose im Hinblick auf die Verweildauer einer Branche oder eines Geschäftsfeldes in den einzelnen Zyklusphasen ist im Vornhinein kaum möglich [vgl. Fink 2009, S. 180].
440
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
4.4.1.6 Analyse der Kompetenzposition
Will sich ein Unternehmen in einem neuen Geschäftsfeld engagieren, so muss es prüfen, ob die entsprechend erforderlichen Kompetenzen bereits im Unternehmen vollumfänglich vorhanden sind oder ob diese durch Akquisitionen, Fusionen oder Partnerschaften ergänzt werden müssen. Zur Analyse der Kompetenzposition eines Unternehmens bietet sich die in Abbildung 4-21 dargestellte Vier-Felder-Matrix an. Auf der Abszisse ist die relative Kompetenzstärke eines Unternehmens im Vergleich zu seinen relevanten Wettbewerbern in dem betrachteten Geschäftsfeld erfasst. Das damit angeführte Kriterium der Kernkompetenz (engl. Core Competences) besagt, dass die entsprechende Kompetenz nur schwer imitierbar und vor dem Zugriff durch Wettbewerber geschützt sein muss. Hamal/Prahalad definieren Kernkompetenz als „the collective learning in the organization, especially how to coordinate diverse production skills and integrate multiple streams of technology”. Sie führen weiter aus, dass sich Wettbewerbsvorteile vor allem aus der Fähigkeit ergeben, solche Kombinationsprozesse schneller und preiswerter vornehmen und damit Kernkompetenzen besser als andere Unternehmen bündeln zu können [vgl. Hamal/Prahalad 1990, S. 79 ff.]. Kundenwert
Kompetenzlücken hoch
niedrig
Kernkompetenzen
Option:
Option:
Selektives In-/Outsourcing
Insourcing
Standardkompetenzen
Kompetenzpotenziale
Option:
Option:
Outsourcing
Selektives In-/Outsourcing
schwach
hoch
Relative Kompetenzstärke
[Quelle: Hinterhuber 1996, S. 130 und 132]
Abb. 4-21:
Portfolio der Kompetenzen und Handlungsoptionen
Auf der Ordinate ist der Kundenwert einer Kompetenz abgetragen. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass der Nutzen einer Kernkompetenz von den Kunden durchaus unterschiedlich wahrgenommen wird. Als Grundlage für die Bestimmung des Kundenwertes dienen Umwelt- und Unternehmensanalysen, aus denen die externen Erfolgsfaktoren des Wettbewerbs in dem betrachteten Geschäftsfeld hervorgehen (z. B. ein attraktiver Preis). Auf der Grundlage der relativen Kompetenzstärke einerseits und des Kundenwertes der betrachteten Kompetenzen
4.4 Beratungstechnologien zur Analyse und Zielsetzung
441
anderseits lassen sich die vier in Abbildung 4-26 dargestellten Kompetenzkategorien ableiten [vgl. Fink 2009, S. 181 ff. und Hinterhuber 1996, S. 130 f.]: Standardkompetenzen sind Kompetenzen mit geringem Kundenwert und einer schwachen Kompetenzsituation. Sie besitzen aus Sicht des Marktes keine große Bedeutung und werden von den Wettbewerbern mindestens genauso gut wie das analysierte Unternehmen beherrscht. Gleichwohl dienen Standardkompetenzen zur Aufrechterhaltung des normalen Geschäftsbetriebes. Kompetenzlücken sind Kompetenzen, bei denen das analysierte Unternehmen eine vergleichsweise schwache Position besitzt, die jedoch eine hohe Bedeutung im Markt haben. Kompetenzpotenziale sind Kompetenzen, bei denen das Unternehmen leistungsfähiger als seine Wettbewerber eingestuft wird, denen der Markt jedoch (noch) eine geringere Bedeutung beimisst. Die geringe Marktrelevanz kann aber auch darauf zurückgeführt werden, dass es sich um Kompetenzen handelt, die in der Vergangenheit für den Markterfolg des analysierten Unternehmens maßgebend waren, deren Bedeutung sich aber durch Marktverschiebungen, die vom Unternehmen nicht mit vollzogen wurden, im Zeitablauf verringert haben. Kernkompetenzen sind schließlich jene Kompetenzen, die das betrachtete Unternehmen besser beherrscht als seine Wettbewerber und die am Markt von großer Bedeutung sind. Diese Systematik gibt nicht nur Anhaltspunkte darüber, ob ein Unternehmen die erforderlichen Kompetenzen besitzt, um in einem bestimmten Geschäftsfeld erfolgreich zu konkurrieren, sondern es können auch Entscheidungen darüber abgeleitet werden, ob vorhandene Kompetenzen ausgelagert oder fehlende Kompetenzen ergänzt werden sollen. So müssen bspw. Optionen untersucht werden, ob Kompetenzlücken aus eigener Kraft geschlossen werden können oder ob hierzu Akquisitionen oder Partnerschaften erforderlich (Insourcing) sind. Ebenso muss geprüft werden, ob vorhandene, aber nicht wettbewerbsrelevante Kompetenzen von außen bezogen werden können. Häufig können solche Standardkompetenzen zu attraktiven Kosten von spezialisierten Partnerunternehmen eingekauft werden (Outsourcing). Auf diese Weise lassen sich dann interne Kapazitäten für die wettbewerbsrelevanten Kernkompetenzen freisetzen [vgl. Fink 2009, S. 183 f.]. 4.4.1.7 Stakeholderanalyse
Stakeholder sind Personen oder Personengruppen, die Interessen oder Ansprüche gegenüber einem Unternehmen haben (z. B. Aktionäre (Shareholder), staatliche Stellen, Arbeitnehmer, Gewerkschaften, Verbände, Kunden, Lieferanten). Solche Anspruchsgruppen können Einfluss auf Entscheidungen im Unternehmen nehmen und im Gegenzug Ressourcen zur Zielerreichung und Strategieumsetzung bereitstellen. Die Stakeholderanalyse zielt darauf ab, diese Interessengruppen zu identifizieren und deutlich zu machen, gegenüber welchen Stakeholdern das Unternehmen positioniert werden sollte und worauf das Management dabei achten muss. Das Instrument ermöglicht es, konsequent eine
442
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
Außenperspektive einzunehmen und dadurch zu Beginn von Strategiefindungsprozessen einer gewissen Betriebsblindheit vorzubeugen. Besonders bei sensiblen Projekten (z. B. Integrationsoder Veränderungsprojekte) wird die Stakeholderanalyse eingesetzt, um die beteiligten und betroffenen Gruppen angemessen einzubeziehen [vgl. Kerth et al. 2011, S. 148 f.]. Um zu bestimmen, welche Stakeholder von besonderer Bedeutung für ein Unternehmen sind, ist auf deren Ansprüche und Beiträge abzustellen. Dabei bietet sich eine Einteilung in interne und externe Anspruchsgruppen an. Abbildung 4-22 zeigt eine allgemeine Übersicht, die als Grundlage für eine unternehmensspezifische Stakeholderanalyse herangezogen werden kann. Stakeholder
Interne Anspruchsgruppen
Externe Anspruchsgruppen
Beitrag
Anspruch
für das Unternehmen
an das Unternehmen
Sorge/Risiko
gegenüber dem Unternehmen
Eigenkapitalgeber (Shareholder)
Eigenkapital
Einkommen, Gewinn
Wertverlust
Management
Kompetenz, Leistung, Engagement
Gehalt, Tantieme
Arbeitsplatzverlust
Mitarbeiter
Arbeitskraft
Soziale Sicherheit
Arbeitsplatzverlust
Fremdkapitalgeber
Fremdkapital
Zinsen
Schuldnerausfall
Lieferanten
Termingerechte Lieferung, gute Qualität
Einkommen, Gewinn
Forderungsausfall
Kunden
Kauf, Markentreue, Referenz
Gute Produkte, gutes PreisLeistungsverhältnis
Überteuerter Preis, schlechte Qualität
Staat, Politik
Infrastruktur, Rechtssicherheit
Steuern, Sozialleistungen sichere Arbeitsplätze
Regelverstöße
Gesellschaft
Akzeptanz, Image
Unterstützung (Stichwort: CSR)
Abwälzung Kosten
[Quelle: in Anlehnung an Ulrich/Fluri 1995, S. 79]
Abb. 4-22:
Beiträge und Ansprüche der Stakeholder
4.4.1.8 Wertkettenanalyse
Auch bei der Wertkettenanalyse geht es um eine Systematisierung der Ausgangssituation von Unternehmen mit dem Ziel, Prozessoptimierungen vorzunehmen. Sie untersucht alle kostenund gewinntreibenden Prozesse und Teilprozesse und gibt Antwort auf die Frage: Wo entstehen welche Kosten und welcher Mehrwert wird dabei geschaffen? Die Wertkettenanalyse basiert auf der Annahme, dass jedes vorherige Glied (Aktivität) in der Wertkette einen Mehrwert bzw. eine Wertschöpfung für das nachfolgende Glied bietet. Wertschöpfung bezeichnet den Prozess des Schaffens von Mehrwert, der wiederum die Differenz zwischen dem Wert der Abgabeleistungen und der übernommenen Vorleistungen darstellt [vgl. Müller-Stewens/ Lechner 2001, S. 287].
4.4 Beratungstechnologien zur Analyse und Zielsetzung
443
Konzeptionelle Grundlagen. Das Konzept der Wertkette (engl. Value chain), das in Abschnitt 2.1.2 bereits einführend behandelt wurde, entspricht im Kern der traditionellen betrieblichen Funktionskette Beschaffung – Produktion – Absatz. Neu am Wertketten-Konzept ist jedoch der Grundgedanke, „den Leistungsprozess zum Gegenstand strategischer Überlegungen zu machen und die Prozesse der Wertkette als Quellen für Kosten- oder Differenzierungsvorteile gegenüber Wettbewerbern zu betrachten“ [Bea/Haas 2005, S. 113]. Entscheidend für das Unternehmen ist daher die Frage, ob die vorhandenen Ressourcen zielorientiert eingesetzt werden. Dies gilt einmal nach innen, d. h. hinsichtlich der Optimierung ihres Beitrags zur Wertschöpfung des Unternehmens und andererseits nach außen, d. h. in Bezug auf die Entwicklung und den Erhalt von relativen Wettbewerbsvorteilen und den damit verbundenen Nutzenpotenzialen. Die Idee der strategischen Kostenanalyse auf Wertkettenbasis gründet demzufolge auf der Tatsache, dass die einzelnen Wertaktivitäten einerseits Abnehmernutzen schaffen und andererseits Kosten verursachen. Als strategische Richtung von Wertschöpfungsmodellen kommen daher grundsätzlich Kostenminimierung oder Nutzen- bzw. Erlösmaximierung in Frage. Wird Kostenminimierung als Zielsetzung gewählt, werden im Rahmen der Wertkettenanalyse Rationalisierungspotenziale gesucht und als Konsequenz Prozesse bzw. Wertschöpfungsstufen eliminiert. Ist die Wertkettenanalyse wiederum eher Nutzen- bzw. Erlöszielen verpflichtet, so werden insbesondere jene Aktivitäten verfolgt, die sich möglicherweise positiv auf das Erlöswachstum auswirken. Abgrenzung relevanter Aktivitäten. In der Praxis wird die Abgrenzung der einzelnen Wertaktivitäten von Unternehmen zu Unternehmen und von Geschäftseinheit zu Geschäftseinheit variieren. Das liegt daran, dass sich die Bestimmung einer Wertkette häufig als sehr aufwändig erweist, so dass bei einer standardisierten Analyse der Erkenntnisgewinn bisweilen in keiner Relation zum notwendigen Aufwand steht. Es müssen also vorab jene Aktivitäten/Prozesse ausgewählt werden, die einen großen Teil des Ressourceneinsatzes ausmachen und gleichzeitig bedeutende Beiträge zur Wertschöpfung und zur Sicherung der Wettbewerbsposition bringen. Bei dieser Abgrenzung sind folgende Prinzipien zu berücksichtigen [vgl. Bea/Haas 2005, S. 113]:
Abgrenzung von Aktivitäten nach Kostenantriebskräften (engl. Cost drivers) Fokussierung auf Aktivitäten mit nennenswertem Anteil an den Gesamtkosten Abgrenzung von Aktivitäten mit hohem Kostenwachstum Abgrenzung von Aktivitäten, bei denen der Wettbewerb überlegen ist.
In der Praxis reicht es häufig nicht aus, lediglich die unternehmenseigenen Wertketten mit den dahinterliegenden Ressourcen zu analysieren, um Wettbewerbsvorteile zu identifizieren. In einer hocharbeitsteiligen und komplexen Wirtschaft muss das Gesamtsystem gesehen werden, mit dem die eigenen Wertketten vernetzt sind. Innerhalb eines solchen Wert(ketten)systems (engl. Value System) gibt es eine Vielzahl an möglichen Leistungsbeziehungen. So ist es z. B. im Falle eines Mischkonzerns denkbar, dass einzelne Produktionsketten dieselben Vorleistungen beziehen und die daraus realisierbaren Verbundeffekte Wettbewerbsvorteile begründen.
444
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
Konzeption von Wertschöpfungsmodellen. Um die Wertketten einer unternehmerischen Einheit konzeptionell zu erfassen und zu analysieren, bedarf es einer geeigneten Form der Darstellung. Man benötigt also ein Wertschöpfungsmodell, das aufzeigt, welcher Wert mit welchem Prozess geschaffen wird. Im Hinblick auf den Detaillierungs- und Vernetzungsgrad des Wertschöpfungsmodells bieten sich grundsätzlich zwei Optionen an [vgl. Müller-Stewens/Lechner 2001, S. 311.]:
Einfache, im Regelfall lineare Modelle mit wenig Aktivitäten Modelle mit komplexen Strukturen, die den Netzwerkcharakter der einzelnen Prozesse betonen.
Welche der beiden Alternativen gewählt werden sollte, hängt in erster Linie von der spezifischen Situation des Unternehmens und seiner Wettbewerbslandschaft ab. Ein hoher Standardisierungsgrad der Leistung bzw. der dahinterliegenden Prozesse spricht eher für einfachere Strukturen. Komplexe Prozesse und eine hohe Wettbewerbsintensität verlangen dagegen nach einer Modellarchitektur, die Strukturen mit einem hohen Grad an Vernetzung zwischen den einzelnen Aktivitäten abbilden kann. Zuordnung von Kosten zu Aktivitäten. Sobald das Prozessmodell, die Prozessschritte und Sequenzen für die Wertketten bestimmt sind, müssen jeder Aktivität als Kettenglied die vollen Kosten und andere angebrachte Leistungsindikatoren zugefügt werden. Dabei sind (Aktivitäts) Einzelkosten wie Löhne und Betriebsmittel den entsprechenden Aktivitäten direkt zuzurechnen. (Aktivitäts-) Gemeinkosten wie Gehälter im Support-Bereich oder Anlagen sind anteilig jenen Aktivitäten zuzuordnen, die sie verursachen. Allerdings ist bei dieser Kostenzuordnung, die sowohl in absoluten Zahlen als auch in Prozentangaben erfolgen kann, keine rechnerische Präzision erforderlich [vgl. Bea/Haas 2005, S. 325]. In Abbildung 4-23 ist ein fiktives Beispiel aus dem verarbeitenden Gewerbe für die Zuordnung von Kosten zu einzelnen Teilprozessen in Form von Prozentangaben dargestellt.
Einkauf 15%
Logistik und Lagerhaltung 5%
Fertigung 35%
Ausgangslogistik 5%
Marketing 6%
Vertrieb 10%
Kundendienst 4%
Qualitätskontrolle 2%
Personal 8%
IT 7%
Finanzen 3% [Quelle: in Anlehnung an Andler 2015, S. 275]
Abb. 4-23:
Beispiel für die Kostenverteilung einer Wertschöpfungskette in der Industrie
4.4 Beratungstechnologien zur Analyse und Zielsetzung
445
Die Grenze zwischen den primären Aktivitäten (Kernaktivitäten) und den sekundären Aktivitäten (Supportaktivitäten) ist fließend und hängt hauptsächlich von der Branche und den jeweiligen Unternehmen ab. Eine Aktivität, die wettbewerbsrelevant oder einfach nur überlebenswichtig ist, wird generell als Kernaktivität bezeichnet. Hier wird die Abschätzung des Beitrags einzelner Ressourcen bzw. Ressourcenkombinationen zur gesamten Wertschöpfung des Unternehmens noch relativ einfach sein. Schwieriger ist die qualitative und quantitative Evaluierung von Ressourcen und Prozessen, die im Rahmen der Wertkette des Unternehmens unterstützende Aktivitäten darstellen und damit auf verschiedenen Stufen der Kette in unterschiedlichem Ausmaß wirken. Aber auch hier sollte das Zurechnungsproblem pragmatisch angegangen werden. Zuordnung von Nutzen zu Aktivitäten. Aktivitäten verursachen nicht nur Kosten, sie stiften in aller Regel auch Nutzen. Dessen Erfassung ist ebenso wichtig wie die der Kosten, da nicht selten Aktivitäten zur Diskussion stehen, deren Beibehaltung oder Eliminierung in Abhängigkeit vom Kosten-Nutzen-Verhältnis getroffen wird. Dieses Vorgehen ist allerdings bei den Support-Aktivitäten nur mit gewissen Einschränkungen möglich. Hier sollte man insbesondere beachten, dass es trotz des allgemein herrschenden Fabels der Berater für Kosteneinsparungen im „Overhead“ ein Niveau gibt, unter dem weitere Kostensenkungsmaßnahmen nur noch Nachteile und negative Auswirkungen auf den Kundennutzen hat [vgl. Andler 2015, S. 272 ff.]. Um den Beitrag von Ressourcen bzw. Wertaktivitäten im Rahmen des Wertschöpfungsprozesses und damit die Effizienz von einzelnen Prozessen richtig einschätzen zu können, müssen Vergleiche herangezogen werden. In diesem Zusammenhang bedient man sich u.a. des Instruments des Benchmarking, das Gegenstand des nächsten Abschnitts ist.
4.4.1.9 Benchmarking
Ein weiterer Ansatz zur Analyse und Verbesserung der Situation eines Unternehmens ist das Benchmarking. Diese Methode ist darauf gerichtet, durch systematische und kontinuierliche Vergleiche von Unternehmen oder Unternehmensteilen das jeweils beste als Referenz zur Produkt-, Leistungs- oder Prozessverbesserung herauszufinden. Die Benchmarking-Durchführung beruht auf der Orientierung an den besten Vergleichsgrößen und Richtwerten („Benchmark“ = Maßstab) einer vergleichbaren Gruppe. Als Vergleichsgruppen können das eigene Unternehmen, der eigene Konzern, der Wettbewerb oder sonstige Unternehmen herangezogen werden. Daraus lassen sich folgende vier Benchmarking-Grundtypen, die in Abbildung 4-24 dargestellt sind, ableiten [vgl. Fahrni et al. 2002, S. 23 ff.]: Internes Benchmarking (“Best in Company“) Konzern-Benchmarking (“Best in Group”) Konkurrenz-Benchmarking (“Best in Competition”) Branchenübergreifendes Benchmarking (“Best Practice”). Die Benchmarking-Methode entstand in den 70er Jahren bei Rank Xerox angesichts des zunehmenden Konkurrenzdrucks durch japanische Kopiergerätehersteller.
446
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
Heute zählt das Benchmarking zu den beliebtesten Methoden der Unternehmensanalyse. Bei der Vorgehensweise sollten folgende Phasen eingehalten werden:
Auswahl des Analyseobjekts (Produkt, Methode, Prozess) Nominierung des Benchmarking-Teams Auswahl des Vergleichsunternehmens Datengewinnung Feststellung der Leistungsdifferenzen und ihrer Ursachen Festlegung und Durchführung der Verbesserungsschritte.
Ein richtig durchgeführtes Benchmarking hilft, die eigenen Stärken und Schwächen besser einzuschätzen und von den besten Unternehmen zu lernen. Über das Benchmarking haben viele Unternehmen den kontinuierlichen Prozess der Verbesserung zu einem festen Bestandteil ihrer Unternehmenskultur gemacht. Durch die gewonnenen Informationen sind solche Unternehmen eher in der Lage, ihre Produkte, Leistungen und Prozesse zu optimieren und dadurch ihre Wettbewerbsposition zu verbessern. Allerdings ist es für viele Unternehmen häufig nicht ganz leicht, Benchmark-Daten in der gewünschten Form zu erhalten. Hier leistet das Beratungsunternehmen mit seinem BenchmarkKnow-how (als Kernkompetenz) entsprechende Hilfestellung. Es ist den Strategieabteilungen der Kundenunternehmen (Inhouse Consulting) naturgemäß deutlich überlegen, weil es in aller Regel über eine Vielzahl von Benchmark-Zahlen aus den Branchen- und Funktionsbereichen seiner Kunden verfügt.
fremde
KonzernBenchmarking (Best in Group)
Branchenübergreifendes Benchmarking (Best Practice)
eigene
Branche
Internes Benchmarking (Best in Company)
KonkurrenzBenchmarking (Best in Competition)
Unternehmen [Quelle: Fahrni et al. 2002, S. 23 ff.]
Abb. 4-24:
eigene
fremde
Benchmarking-Grundtypen
Zur Überprüfung von strukturellen Effizienzen wird das Benchmarking sehr gerne auch im Personalsektor angewendet. Die Kennzahl, die am häufigsten im Personalbereich benutzt wird, ist die Betreuungsquote. Sie drückt die Anzahl von Mitarbeitern eines Unternehmens aus, die im Durchschnitt von einem Mitarbeiter aus dem Personalbereich (HR-Mitarbeiter) betreut werden.
4.4 Beratungstechnologien zur Analyse und Zielsetzung
447
In Insert 4-06 ist ein entsprechendes Beispiel für ein branchenübergreifendes Benchmarking aus dem HR-Barometer von Capgemini Consulting dargestellt.
Insert Verteilung der HR-Betreuungsquote*
Mollig
Fett
Schlank
25% 22% 18% 15%
8% 6% 4% 2%
unter 20
20 - 59
60 - 79
80 - 99
100 - 119
120 - 139
140 - 159
über 160
* Betreuungsquote = Anzahl aller Mitarbeiter/Anzahl HR-Mitarbeiter; n = 98 Im Rahmen des alle zwei Jahre von Capgemini Consulting durchgeführten HR-Barometers ist die Ermittlung der Betreuungsquote ein fester Bestandteil. Im Fokus des HR-Barometers stehen mittelgroße, große und sehr große Unternehmen aus Deutschland, der Schweiz und Österreich. In ihrer Gesamtheit repräsentieren die befragten Unternehmen die gesamte Bandbreite der Wirtschaft. Bei 73 Prozent der Antworten wurde der Fragebogen vom „obersten Personaler“ (Personalvorstand, Arbeitsdirektor, Personalleiter, Head Global HR, Head Corporate HR) selbst beantwortet. Da die Betreuungsquote so etwas wie der „BodyMass-Index“ (BMI) der Personalwirtschaft ist, unterscheidet das HR-Barometer drei Cluster: • „Fette“ Personalbereiche: Betreuungsquoten von 59 und kleiner; • „Mollige“ Personalbereiche: Betreuungsquoten zwischen 60 („stark mollig“) und 99 („leicht mollig“); • „Schlanke“ Personalbereiche: Betreuungsquoten von 100 und größer. Nach den Benchmark-Ergebnissen des HR-Barometers von 2011, an der 98 Unternehmen teilnahmen, gibt ein Drittel der teilnehmenden Unter-
nehmen an, eine Betreuungsquote von 1:100 oder darüber zu haben und damit in die Kategorie „schlank“ zu fallen. Vor allem schlanke, gut durchdachte Prozesse, die durch IT unterstützt werden, gezieltes und sinnvolles Outsourcing sowie die Konzentration auf die wesentlichen HRThemen helfen, ein solches Ziel zu erreichen. Am anderen Ende der Skala hat mehr als ein Viertel der Unternehmen eine Betreuungsquote von eins zu unter 60 und ist damit der Kategorie „fett“ zuzuordnen. Bei 6000 Mitarbeitern wären das über 100 HR-Mitarbeiter! Eine Zahl, die nicht so ohne weiteres zu erklären sein dürfte. 40 Prozent der befragten Unternehmen verfügen über einen „molligen“ Personalbereich. Eine solche Betreuungsquote zwischen 1:60 und 1:100 ist sicherlich differenzierter zu sehen. In Unternehmen, die nicht outsourcen, in denen Personalthemen in hohem Maße erfolgskritisch sind, lässt sich für eine solche HR-Stärke im Personalbereich möglicherweise Rückhalt finden. Trotzdem gilt auch hier: Ein HR-Bereich, der seine eigene Personalstärke bzw. das Input-Output-Verhältnis stets kritisch hinterfragt, wird sich Handlungsspielräume erhalten und sich Akzeptanz sichern. [Quelle: HR-Barometer 2011, S. 53 ff.]
Insert 4-06:
Benchmarking Betreuungsquote
448
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
4.4.2 Tools zur Zielformulierung Ein Problem ist – wie in Abschnitt 4.1.3 beschrieben – die Lücke zwischen einem angestrebten Soll- und einem realisierten Ist-Zustand und übt bei einem Entscheider einen subjektiven Handlungsdruck aus. Während mit Hilfe der Analysetools in aller Regel Einigkeit über den Ist-Zustand erzielt werden kann, gibt es bezüglich des Soll-Zustands durchaus unterschiedliche Vorstellungen, die sich in unscharfen Absichtserklärungen oder einfach nur im Wunsch nach Veränderung artikulieren. Um ein Problem zu lösen, bedarf es also einer präzisen Angabe, wie der angestrebte Soll-Zustand aussehen soll. Die Formulierung eindeutiger Ziele ist demnach Ausgangspunkt des Problemlösungsprozesses [vgl. Fink 2009, S. 63]. In der Betriebswirtschaftslehre ist die Zielformulierung also eine Voraussetzung für betriebliches Entscheiden. Zielsetzungen beginnen meistens mit Fragen wie: „Was wollen wir erreichen oder was wollen wir vermeiden?“ Die Antworten können lauten: „Wir wollen den Umsatz erhöhen“ oder „die Produktionskosten sollen gesenkt werden“. Das sind die Ziele bzw. die gewünschten Ergebnisse. Im Folgenden sollen Tools beschrieben werden, die solche Antworten identifizieren, verstärken, spezifizieren und definieren können [vgl. Andler 2015, S. 245]. 4.4.2.1 Zielvereinbarung nach dem SMART-Prinzip
Damit Ziele eine Motivations- und Koordinationsfunktion einnehmen können, sollten sie bestimmten Anforderungen genügen, die im sogenannten SMART-Prinzip verankert sind. SMART ist ein Akronym für „Specific Measurable Accepted Realistic Timely“ und dient als Kriterium zur eindeutigen Definition von Zielen im Rahmen einer Zielvereinbarung (Abbildung 4-25).
Buchstabe
Englische Bedeutung
Englische Alternativen
Deutsche Bedeutung
S
Specific
Significant, Stretching, Simple
Spezifisch
M
Measurable
Meaningful, Motivational, Manageable
Messbar
A
Accepted
Appropriate, Achievable, Agreed
Akzeptiert
R
Realistic
Reasonable, Relevant, Result-based
Realistisch
T
Time-specific
Time-oriented, Time framed, Time-based
Terminierbar © Dialog.Lippold
Abb. 4-25:
Das SMART-Prinzip
Vielleicht ist es ein wenig zu hochgegriffen, die Anwendung der SMART-Kriterien als Tool zu bezeichnen, aber letztlich ist das SMART-Prinzip eine gute Führungshilfe, um die Qualität und Vollständigkeit der festgelegten Ziele zu verbessern. Insofern ist das SMART-Tool eher eine
4.4 Beratungstechnologien zur Analyse und Zielsetzung
449
Richtlinie, um die Qualitätsanforderungen für die Zielformulierung einheitlich zu implementieren und Stabilität/Vollständigkeit zu gewährleisten [vgl. Andler 2015, S. 258 f.]. Ein Ziel ist immer dann „smart“, wenn es folgende fünf Bedingungen erfüllt: S – spezifisch:
Spezifisch meint, dass Ziele hinsichtlich der betroffenen Bereiche, oder Produkte eindeutig definiert sein müssen, d. h. nicht vage formuliert, sondern so präzise wie möglich.
M – messbar:
Messbar hebt auf die Operationalisierung der Ziele ab, d. h. die Ziele sollten möglichst in Zahlen festgelegt sein.
A – akzeptiert:
Die Ziele müssen mit den Empfängern vereinbart und von diesen akzeptiert werden.
R – realistisch:
Realistisch, aber anspruchsvoll besagt, dass die Ziele zum Leistungsvermögen des betroffenen Bereichs passen müssen, gleichwohl idealerweise etwas höher anzusetzen sind als das gegenwärtige Leistungsniveau.
T – terminierbar: Zu jedem Ziel gehört eine klare Terminvorgabe, bis wann das Ziel erreicht sein muss. Entscheidend ist also letztlich, qualitative Größen messbar zu machen und in quantitative Beurteilungsgrößen zu überführen. Für jede Zielformulierung, die dem SMART-Prinzip genügen soll, werden also operationalisierbare und empirisch überprüfbare Indikatoren gesucht, die eindeutig quantifizierbar sind. Beispiele für eine Führungskraft bzw. einen Mitarbeiter im Vertriebsbereich sind:
(Bereichs-)Ergebnis Anzahl akquirierter Kunden Anzahl durchgeführter Kundenbesuche Auftragseingang Umsatz Anzahl Reklamationen Fehlzeiten u.v.a.m.
4.4.2.2 Kennzahlensysteme
Kennzahlen eignen sich in besonderem Maße, um strategische Ziele konkretisieren und einordnen zu können. Durch ihre Klarheit und Präzision bieten sie die Voraussetzungen für eine eindeutige Kontrolle der Zielerreichung. Damit gehen Kennzahlen in ihrer Aussagekraft deutlich über das SMART-Prinzip hinaus, das lediglich die Art und Weise der Zielformulierung vorschreibt. Kennzahlen helfen dem Management eines Unternehmens (und seinen Beratern) darüber hinaus, potenzielle Übernahmekandidaten zu identifizieren und diesen einer ersten Analyse zu unterziehen. In der betriebswirtschaftlichen Literatur wird eine Vielzahl von Systema-
450
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
tiken für Kennzahlen und Kennzahlensysteme zur Beurteilung der Attraktivität eines Unternehmens angeboten. Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich auf die Systematik von Fink [2009], weil sie den täglichen Grundanforderungen des Beraters am nächsten kommt. Grundsätzlich kann zwischen statischen und dynamischen Größen unterschieden werden. Während sich statische Kennzahlen auf einen bestimmten Zeitpunkt beziehen, decken dynamische Kennzahlen einen bestimmten Zeitraum ab. Einen entsprechenden Überblick über statische und dynamische Kennzahlen und deren Ausprägungen liefert Abbildung 4-26.
Kennzahlen
Dynamische Kennzahlen
Statische Kennzahlen
Vermögensstruktur
Vertikale Bilanzanalyse der Aktiva
Kapitalstruktur
Vertikale Bilanzanalyse der Passiva
Liquidität
Horizontale Bilanzanalyse
Erfolgskennzahlen
Orientierung am Gewinn oder am Unternehmenswert
Aktivitätskennzahlen
Werden meist unter Einbezug des Umsatzes vorgenommen
[Quelle: in Anlehnung an Fink 2009, S. 184 ff.]
Abb. 4-26:
Kennzahlensystematik
Statische Kennzahlen. Folgende Kennzahlen, die aus der Bilanz eines Unternehmens entnommen werden können, zählen zu den wichtigsten statischen Größen:
Vermögensstruktur Kapitalstruktur Liquidität.
Die Vermögensstruktur eines Unternehmens gibt die bilanzielle Zusammensetzung des Betriebsvermögens (Aktiva) an. Als Kennzahl wird entweder die Anlagenintensität, die den Anteil des Anlagevermögens (Gebäude, Maschinen und sonstige Einrichtungen) am Gesamtvermögen angibt, oder die Umlaufintensität, d. h. der Anteil des Umlaufvermögens (Bankguthaben, Forderungen und sonstige Außenstände) am Gesamtvermögen, herangezogen. Unternehmen mit einer relativ geringen Anlagenintensität können sich aufgrund der niedrigen Fixkostenbelastung und einer vergleichsweise geringen Kapitalbindung leichter an Beschäftigungsschwankungen anpassen als anlagenintensive Unternehmen. Anderseits kann gerade bei Industrieunternehmen ein relativ niedriges Anlagevermögen darauf hinweisen, dass ein Unternehmen mit älteren, abgeschriebenen Anlagen operiert und damit u. U. den Anschluss an den technischen Fortschritt verliert. Äquivalent zur Vermögenstruktur auf der Aktivseite der Bilanz bezieht sich die Kapitalstruktur eines Unternehmens auf die Zusammensetzung des Kapitals, das auf der Passivseite ausge-
4.4 Beratungstechnologien zur Analyse und Zielsetzung
451
wiesen wird. Sie beschreibt das Verhältnis von Eigen- zu Fremdkapital im Vergleich zum Gesamtkapital und gibt Aufschluss über die Finanzierung eines Unternehmens. Wichtige Kennzahlen sind die Eigenkapitalquote, die das Verhältnis vom Eigenkapital zum Gesamtkapital angibt, und die Fremdkapitalquote, die den Anteil des Fremdkapitals am Gesamtkapital ausdrückt. Je höher die Eigenkapitalquote (bzw. je niedriger die Fremdkapitalquote) ist, desto höher sind die finanzielle Sicherheit und die Unabhängigkeit des Unternehmens. Eine weitere wichtige Kennzahl der Kapitalstruktur ist der Verschuldungsgrad, der das Verhältnis zwischen Fremd- und Eigenkapital angibt. Je niedriger der Verschuldungsgrad ist, desto geringer ist die Abhängigkeit des Unternehmens von fremden Geldgebern. Kennzahlen, die die Liquidität eines Unternehmens ausdrücken, basieren auf einer horizontalen Bilanzanalyse, d. h. die Vermögensseite wird mit der Kapitalseite verglichen. Grundsätzlich werden dabei drei Liquiditätsgrade unterschieden: Bei der Liquidität 1. Grades, die auch als Barliquidität (eng. Liquidity Ratio oder Cash Ratio) bezeichnet wird, werden die Zahlungsmittel (Kassenbestände und Bankguthaben) den kurzfristigen Verbindlichkeiten gegenübergestellt. Die Liquidität 2. Grades (engl. Net Quick Ratio oder Acid Test Ratio – ATR) gibt den Anteil des monetären Umlaufvermögens (Zahlungsmittel + Wertpapiere + Forderungen) an den kurzfristigen Verbindlichkeiten wider. Die Liquidität 3. Grades (engl. Current Ratio) ist das Verhältnis des kurzfristigen Umlaufvermögens (Zahlungsmittel + Wertpapiere + Forderungen + Vorräte) zu den kurzfristigen Verbindlichkeiten. Für die Liquiditätsrelationen gilt grundsätzlich, dass die Liquidität (und damit die Sicherheit) eines Unternehmens umso größer ist, desto höher die Werte der obigen Kennzahlen ausfallen. In der Praxis sollte die Liquidität 1. Grades nicht größer als 0,2 sein, da kurzfristige Liquiditätsengpässe normalerweise ohne Schwierigkeiten durch Bankkredite abgedeckt werden können. Bei der Liquidität 2. Grades wird ein Wert von eins (engl. One-to-one Rate) angestrebt, da bei einer ATR kleiner eins ein Teil der kurzfristigen Verbindlichkeiten nicht durch kurzfristig zur Verfügung stehendes Vermögen gedeckt ist. Nach der sogenannten „Bankers Rule“ sollte die Liquidität 3. Grades den Mindestwert von zwei anstreben (engl. Two-to-One Rate). Bei der Analyse der genannten statischen Strukturkennzahlen – Vermögensstruktur, Kapitalstruktur und Liquidität – sollte einschränkend berücksichtigt werden, dass es sich immer um vergangenheitsbezogene Daten handelt, die sich zum Zeitpunkt der Analyse bereits maßgeblich verändert haben können. Einen vollständigen Überblick über die statischen Kennzahlen liefert Abbildung 4-27.
452
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
Statische Kennzahlen
Vermögensstruktur
Anlagenintensität =
Anlagevermögen Gesamtvermögen
Umlaufvermögen
Umlaufintensität = Gesamtvermögen
Anlagenkoeffizient =
Anlagevermögen Umlaufvermögen
Kapitalstruktur
Eigenkapital
Eigenkapitalquote = Gesamtkapital
Fremdkapitalquote =
Fremdkapital Gesamtkapital Fremdkapital
Verschuldungsgrad = Eigenkapital
Liquidität
Zahlungsmittel
Liquidität 1. Grades = kurzfr. Verbindlichkeiten
Liquidität 2. Grades =
monetäres Umlaufverm. kurzfr. Verbindlichkeiten kurzfr. Umlaufvermögen
Liquidität 3. Grades = kurzfr. Verbindlichkeiten
[Quelle: in Anlehnung an Fink 2009, S. 186]
Abb. 4-27:
Statische Kennzahlen
Dynamische Kennzahlen. Anders als die statischen Kennzahlen basieren die dynamischen Kennzahlen nur zum Teil auf Daten einer Bilanz. So werden die Daten bei der dynamischen Betrachtung mehreren aufeinander folgenden Bilanzen entnommen und zueinander in Beziehung gesetzt oder mit Stromgrößen aus der Gewinn- und Verlustrechnung, die ja als solche bereits periodische Bewegungen erfassen, kombiniert. Dynamische Kennzahlen werden üblicherweise in Erfolgskennzahlen und Aktivitätskennzahlen unterteilt. Bei den Erfolgskennzahlen wiederum werden absolute und relative Größen unterschieden. Zu den wichtigsten absoluten Erfolgskennzahlen zählen der Bilanzgewinn, der Jahresüberschuss und der Cashflow. Der Gesetzgeber sieht grundsätzlich eine Aufstellung der Bilanz mit Ausweis des Postens „Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag“ vor. Dieser ist das GuV-Ergebnis nach Steuern und bezeichnet den Gewinn vor dessen Verwendung. Zur Berechnung des Bilanzgewinns wird der Jahresüberschuss bzw. der Jahresfehlbetrag
um den Gewinn- oder Verlustvortrag des Vorjahres korrigiert, um Entnahmen aus Kapital- und Gewinnrücklagen erhöht und um Einstellungen in die Gewinnrücklagen vermindert.
Da der Bilanzgewinn demnach durch Entnahmen bzw. Einstellungen in die Rücklagen beeinflusst werden kann, ist er keine adäquate Kennzahl eines Unternehmens in einer bestimmten Periode. Der Bilanzgewinn dient bei Aktiengesellschaften in erster Linie als Grundlage für den Gewinnverwendungsvorschlag, den Vorstand und Aufsichtsrat zur Ausschüttung an die Anteilseigner unterbreiten. Fazit: Der Jahresüberschuss ist das, was die Aktiengesellschaft verdient hat, der Bilanzgewinn ist das, was sie davon an die Aktionäre abgibt. Besser als der Bilanzgewinn kennzeichnet der Jahresüberschuss den Periodenerfolg einer Aktiengesellschaft. Als Ergebnis der Gewinn- und Verlustrechnung fließen in die Berechnung des Jahresüberschusses sämtliche Erträge und Aufwendungen der laufenden Periode ein. Es beinhaltet das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit (Betriebs- und Finanzergebnis), außerordentliche Erträge und Aufwendungen und die Auswirkungen der Steuern vom Einkommen und Ertrag.
4.4 Beratungstechnologien zur Analyse und Zielsetzung
453
Mit zunehmender Internationalisierung der Rechnungslegung haben sich im deutschen Sprachgebrauch weitere wichtige Varianten von Periodenergebnisgrößen durchgesetzt:
EBT – Earnings before Taxes EBIT – Earnings before Interest and Taxes EBITDA – Earnings before Interest, Taxes, Depreciation and Amortization
sowie der Cashflow als zahlungsstromorientierte Größe. Die konkrete Anwendung und Ausgestaltung hängt vor allem von den jeweils zugrundeliegenden Rechnungslegungsvorschriften (HGB, US-GAAP, IFRS) und den intern verwendeten Planungs- und Kostenrechnungssystemen ab. Statt einer Interpretation ist in Abbildung 4-28 die Herleitungen dieser Größen aus den bereits bekannten Kennzahlen vorgenommen worden.
Herleitung von EBT, EBIT und EBITDA
Herleitung des Cashflow
+ + =
Bilanzgewinn (bzw. Bilanzverlust) Zuführung zu den Rücklagen Auflösung von Rücklagen Gewinnvortrag aus der Vorperiode Verlustvortrag aus der Vorperiode Jahresüberschuss
+ + =
Abschreibungen Zuschreibungen Erhöhung der langfristigen Rückstellungen Verminderung der langfristigen Rückstellungen Cashflow
Jahresüberschuss + = + =
Steueraufwand Steuererträge EBT Zinsaufwand Zinserträge EBIT (Operativer Gewinn)
+ Abschreibungen Zuschreibungen = EBITDA [Quelle: in Anlehnung an Fink 2009, S. 188 f.]
Abb. 4-28:
Herleitung von EBT, EBIT, EBITDA und Cashflow
Aus diesen absoluten Kennzahlen lassen sich nun zur externen Analyse eines Unternehmens verschiedene relative Erfolgskennzahlen bilden, die eine Beurteilung der Rentabilität und Wirtschaftlichkeit des Kapitaleinsatzes ermöglichen. Dazu wird eine Relation zwischen den absoluten Erfolgsgrößen und dem Mitteleinsatz hergestellt. Zu den wichtigsten Rentabilitätskennziffern zählen die Eigenkapitalrentabilität und die Gesamtkapitalrentabilität. Bei der Berechnung beider Größen kann der Jahresüberschuss oder auch der Cashflow angesetzt werden. Das Verhältnis von Eigenkapitalrentabilität zu Gesamtkapitalrentabilität ist der sogenannte Leverage-Faktor. Neben diesen klassischen Rentabilitätskennziffern hat sich vor allem bei international agierenden Unternehmen der Return on Investment (RoI) als alternative Kennzahl für die Messung der Rentabilität des Kapitaleinsatzes durchgesetzt. Neben den Erfolgskennzahlen bilden die Aktivitätskennzahlen die zweite Untergruppe dynamischer Kennzahlen. Aktivitätskennzahlen stellen die Verbindung von Bestands- und Stromgrößen her und beschreiben dementsprechend häufig das Verhältnis zwischen dem Umsatz und den zur Ausübung der operativen Tätigkeit benötigten Vermögenswerten (z. B. Anlagevermögen, Vorräte etc.). Diese Umschlagskoeffizienten geben dabei an, wie häufig eine Vermögensposition in einer Periode umgeschlagen wurde. Die Interpretation dabei lautet, dass ein höherer
454
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
Koeffizient einen effizienteren Einsatz der unternehmensspezifischen Ressourcen bedeutet. Um einen gegebenen Umsatz zu erreichen, muss das Unternehmen somit weniger Ressourcen einsetzen [vgl. Coenenberg 2003, S. 911]. Weitere Aktivitätskennzahlen, die nach demselben Muster gebildet werden können, sind:
Umsatz pro Mitarbeiter;
Zahlungsziele, die ein Unternehmen seinen Kunden einräumt oder bei seinen Lieferanten in Anspruch nimmt;
Investitionsquote.
In Abbildung 4-29 sind wichtige dynamische Kennzahlen, unterteilt in Erfolgskennzahlen und Aktivitätskennzahlen, zusammengestellt. Dynamische Kennzahlen
Erfolgskennzahlen Absolute Größen
Relative Größen
Bilanzgewinn Jahresabschluss Cashflow EBT EBIT EBITDA
Abb. 4-29:
Aktivitätskennzahlen
Eigenkapitalrentabilität =
Jahresüberschuss (Cashflow) Eigenkapital
Lagerumschlagshäufigkeit =
Umsatz Ø Lagerbestand
Umschlag Anlagevermögen = Jahresüberschuss (Cashflow) + Fremdkapitalzinsen Gesamtkapitalrentabilität = Gesamtkapital Eigenkapitalrentabilität
Leverage-Faktor = Gesamtkapitalrentabilität
Eigenkapitalumschlag =
Umsatz Ø Anlagevermögen
Umsatz Ø Eigenkapital
Umsatz pro Mitarbeiter =
Umsatz Ø Anzahl der Beschäftigten
u. v. a. m.
Dynamische Kennzahlen (Beispiele)
4.4.2.3 Mittel-Zweck-Schema zur Zielbildung
Die verschiedenen Ziele, die in einem Unternehmen verfolgt werden, können als Elemente eines komplexen mehrstufigen Zielsystems aufgefasst werden, die in vertikaler und in horizontaler Beziehung zueinanderstehen. Werden die Einzelaufgaben und Aufgabenkomplexe stets in Verbindung mit diesen Zielen vorgegeben, so spricht man vom Organisationskonzept der zielgesteuerten Unternehmensführung (engl. Management by objektives) [vgl. Bidlingmaier 1973, S. 134]. Damit die zielgesteuerte Unternehmensführung ihre Koordinationsfunktion wahrnehmen kann, muss ein solches Zielsystem geordnet werden. Das wohl bekannteste Zielordnungsschema ist das 1922 von der Firma DuPont entwickelte Kennzahlensystem, das in Abbildung 4-30 dargestellt ist.
4.4 Beratungstechnologien zur Analyse und Zielsetzung
455
Kapitalrentabilität KR = UR x KU
Umsatzrentabilität UR = G / U
Gewinn G = UE – UK
Umsatzerlöse UE
Kapitalumschlag KU = U / GK
Gesamtkapital GK = EK + FK
Umsatz U
Eigenkapital EK
Umsatzkosten UK
Fremdkapital FK
[Quelle: in Anlehnung an Fink 2009, S. 66]
Abb. 4-30:
Das DuPont-Kennzahlensystem
Das DuPont-Kennzahlensystem basiert auf einer funktionalen Mittel-Zweck-Beziehung, d. h. bis auf das oberste Ziel nimmt jedes Ziel sowohl die Rolle eines Mittels als auch die eines Zweckes ein. Untergeordnete Ziele sind Mittel zum Erreichen der Ziele auf der nächst höheren Stufe. Der Zweck ist somit die Realisierung der höherrangigen Ziele. Für nachrangige Ziele stellen sie wiederum den übergeordneten Zweck dar. Dieses Mittel-Zweck-Schema ist charakteristisch für alle hierarchisch strukturierten Zielsysteme [vgl. Fink 2009, S. 66]. Nach Edmund Heinen [1966, S. 126 ff.] können dabei grundsätzlich zwei Varianten unterschieden werden:
das deduktiv orientierte Mittel-Zweck-Schema und das induktiv orientierte Mittel-Zweck-Schema.
Das deduktiv orientierte Mittel-Zweck-Schema ergibt sich aus den Beziehungen zwischen Ober-, Zwischen- und Unterzielen, in dem die Gesamtkapitalrentabilität als Oberziel dargestellt ist (siehe Abbildung 4-31).
Gesamtkapitalrentabilität
Umsatzbruttorentabilität
Gesamtkapital
Gewinn
Kosten
Soziale Bestrebungen
Wirtschaftlichkeit Produktivität
Kapitalumschlag
Eigenkapital
Umsatz
Marktanteil (Branchenumsatz)
Marktmacht Prestige
Liquidität (strukturell)
Fremdkapital
Unabhängigkeit (finanzwirtschaftlich)
Kapitalerhaltung (reale)
[Quelle: Heinen 1976, S. 128]
Abb. 4-31:
Deduktiv orientiertes Mittel-Zweck-Schema der wichtigsten Unternehmensziele
456
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
Allerdings ist dabei anzumerken, dass nicht auf allen Stufen des Schemas eine starke und eindeutige Mittel-Zweck-Beziehung vorliegt. Dies wird deutlich an den beiden Beziehungsketten Gewinn – Umsatz – Kosten sowie Eigenkapital – Marktmacht/Prestige. Die zweite MittelZweck-Beziehung wird üblicherweise deutlich schwächer ausgeprägt sein als die erste [vgl. Macharzina/Wolf 2010, S. 216]. Das Beispiel in Abbildung 4-31 zeigt zwar, dass aus der Gesamtkapitalrendite nahezu alle wesentlichen Zielinhalte abgeleitet werden können. Dennoch kann bezweifelt werden, dass die „Steigerung der Gesamtkapitalrentabilität“ das letztendliche Ziel des Erwerbsstrebens darstellt. Daher hat Heinen dem deduktiv orientierten ein induktiv orientiertes Mittel-Zweck-Schema gegenübergestellt, das die Eigenkapitalrentabilität als zentrales Unternehmensziel ansetzt und zudem Zielkonflikte, Mehrfachziele und kausale Beziehungen von gleichrangigen Zielen stärker berücksichtigt (siehe Abbildung 4-32).
Einkommenserzielung
Unabhängigkeit
Soziale Prinzipien
Liquiditätssicherung
Prestige
Machtsteigerung
Kapitalerhaltung Wachstum
Eigenkapitalrentabilität
Gewinnstreben
Umsatzstreben
Wirtschaftlichkeitsstreben
Absatzsteigerung
Produktivitätssteigerung Ziele mit Konkurrenzbeziehung
[Quelle: Heinen 1976, S. 130]
Abb. 4-32:
Induktiv orientiertes Mittel-Zweck-Schema der wichtigsten Unternehmensziele
Unterziele dieses Systems sind die Absatz- und Produktivitätssteigerung, die beide ein Suboptimierungsziel zum Umsatzstreben bzw. zum Produktivitätsstreben darstellen. Umsatz- und Produktivitätsstreben, zwischen denen partielle Zielkonflikte auftreten können, sind wiederum Mittel zur Gewinnerzielung. Eine Gewinnsteigerung dient grundsätzlich der Liquiditätssicherung, der Steigerung der Eigenkapitalrentabilität sowie dem Kapitalwachstum. Während das Mittel-Zweck-Verhältnis zwischen Gewinn und Eigenkapitalrentabilität eindeutig ist, führt die Gewinnerhöhung nicht automatisch zu einer Erhöhung der Liquidität sowie zur Kapitalerhaltung bzw. Wachstum. Die Eigenkapitalrentabilität als betriebswirtschaftliches Oberziel dient in erster Linie der Einkommenserzielung des Individuums und ermöglicht die Verwirklichung zahlreicher Imperative „höherer Ordnung“. Dazu zählen finanzielle Unabhängigkeit, soziale
4.4 Beratungstechnologien zur Analyse und Zielsetzung
457
Verantwortung sowie Macht- und Prestigestreben. Aus dem so geordneten induktiv orientierten Zielsystem wird darüber hinaus deutlich, welche Ziele in einer Konkurrenzbeziehung zueinanderstehen können [vgl. Heinen 1976, S. 129 ff.].
4.4.2.4 Balanced Scorecard
In der Praxis werden Unternehmensziele zunehmend mit der von Kaplan/Norton [1992] entwickelten Balanced Scorecard systematisiert und dann sukzessive auf Bereichs-, Abteilungsund Mitarbeiterebene herunter gebrochen. Damit liefert die Balanced Scorecard, in der quantitativ bewertbare Beurteilungskriterien formuliert werden, ein Modell zur Entwicklung von Zielsystemen, „das der zeitlichen Verzögerung zwischen ökonomischer Aktivität und ökonomischen Erfolg Rechnung trägt und damit die Probleme älterer Kennzahlensysteme überwinden hilft“ [Macharzina/Wolf 2010, S. 221]. Grundgedanke der Balanced Scorecard ist die Umsetzung von Visionen und Strategien des Unternehmens in operative Maßnahmen. Das dazu entwickelte Kennzahlenraster der Balanced Scorecard umfasst insgesamt vier Dimensionen (siehe Abbildung 4-33):
Finanzdimension
(Financial performance) Ziele
Kennzahlen
Vorgaben
Maßnahmen
Kundendimension
Prozessdimension
(Customer)
Ziele
Kennzahlen
Vorgaben
(Internal business process) Vision und Strategie
Maßnahmen
Ziele
Kennzahlen
Vorgaben
Maßnahmen
Potenzialdimension (Learning and growth)
Ziele
Kennzahlen
Vorgaben
Maßnahmen
[Quelle: Horváth 2002, S. 264 ff.]
Abb. 4-33:
Die vier Dimensionen des Balanced Scorecard
Diese vier Dimensionen, die jeweils unterschiedliche Sichten auf die Unternehmensziele widerspiegeln, lassen sich im Einzelnen folgendermaßen erklären:
458
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
Finanzwirtschaftliche Dimension (Sicht des Aktionärs bzw. Investors): Bei dieser Aktionärsperspektive spielen Ziele wie Liquidität und Rentabilität eine entscheidende Rolle. Kundenbezogene Dimension (Sicht des Kunden): Bei dieser Perspektive geht es darum, Unternehmensziele aus der Sicht des Kunden zu formulieren. In diese Kategorie gehören Ziele wie Kundenzufriedenheit oder Marktanteil. Prozessbezogene Dimension (Sicht nach innen auf die Geschäftsprozesse): Ziele der internen Perspektive sind Produktivität und Geschwindigkeit der internen Prozesse. Potenzialbezogene Dimension (Sicht aus der Lern- und Entwicklungsperspektive): In dieser Perspektive der Neuausrichtung geht es um die Weiterentwicklung des Unternehmens im Sinne einer kontinuierlichen Verbesserung und Innovationsfähigkeit. Ein wichtiges Ziel ist hier die Mitarbeiterzufriedenheit. Die Balanced Scorecard ermöglicht einen wesentlich umfassenderen Überblick über Unternehmen, als dies Finanzkennzahlen leisten können, denn sie betrachtet Unternehmen nicht nur aus der finanziellen, sondern aus drei weiteren Perspektiven. Insbesondere aus der potenzialbezogenen Dimension (Perspektive der Neuausrichtung) wird deutlich, dass die Balanced Scorecard als Grundlage für eine Neuformierung dienen kann. Aber nicht nur Ziele einer Reorganisation sondern auch die Verbindung der Balanced Scorecard mit der klassischen Zielvereinbarung führt zwangsläufig dazu, auch in die Zielvereinbarung verstärkt quantitative Ziele als sogenannte Key Performance Indicators (KPIs) zu übernehmen. Durch diese ganzheitliche Zielentwicklung kann jeder einzelne Mitarbeiter seinen Anteil am Erreichen der Team-, Bereichs- und Gesamtunternehmensziele verfolgen. Wenn das strategische Ziel des Unternehmens z.B. die Steigerung der Kundenzufriedenheit ist, könnte ein Servicemitarbeiter als persönliches Ziel die Erhöhung der Anzahl seiner Kundenkontakte ableiten. Mit der Kopplung von Führungs- und Anreizsystemen ist auch eine wichtige Voraussetzung für die Einführung von variablen, leistungsabhängigen Vergütungsbestandteilen gegeben. In Kombination mit einem garantierten fixen Vergütungsanteil kann der variable Vergütungsanteil die erbrachten Leistungen angemessen honorieren. Die Höhe des variablen Entgeltbestandteils hängt dabei vom Ausmaß ab, mit dem die in der Balanced Scorecard definierten Zielvorgaben bzw. Kennzahlen erreicht werden. Das variable Entgelt ist bei der beschriebenen Vorgehensweise sowohl vom Grad der individuellen Zielerreichung als auch vom Erfolg auf Gruppen- und Unternehmensebene abhängig. Die Kennzahlen der Balanced Scorecard liefern dabei für alle drei Ebenen (Team-, Bereichs-, Unternehmensebene) die entsprechenden Erfolgsindikatoren. 4.4.3 Tools zur Problemstrukturierung Sind die Ziele und Wertvorstellungen identifiziert und im Zuge der Zielbildung in eine widerspruchsfreie und stabile Rangordnung gebracht, dann muss das Problem möglichst exakt erfasst und strukturiert werden. Im Folgenden werden mit
4.4 Beratungstechnologien zur Analyse und Zielsetzung
459
der Aufgabenanalyse, der Kernfragenanalyse und der Sequenzanalyse
drei Analysearten vorgestellt, die nach dem sogenannten Pyramidenprinzip zur Strukturierung komplexer Gedankengänge aufgebaut sind. Entwickelt wurde das Prinzip Ende der 1960er Jahre von der damaligen McKinsey-Beraterin Barbara Minto mit dem Ziel, die Struktur und Klarheit von Geschäftsdokumenten und insbesondere Präsentationen auf der Grundlage logischer Gestaltungsregeln zu verbessern. Heute hat sich das Pyramidenprinzip („Minto-Pyramide“) aufgrund seiner stringenten inhaltlichen Logik in vielen Beratungsunternehmen als Standard durchgesetzt („to make it minto“). Die Gestaltungsregeln des Pyramidenprinzips sehen vor, dass zunächst alle Teilaspekte eines Problems und ihre Abhängigkeiten untereinander erfasst werden. Danach werden über- und untergeordnete Problemaspekte gezielt herausgearbeitet und in Beziehung zueinander gesetzt, so dass eine geordnete Problemstruktur entsteht, die eine systematische Analyse der Einzelaspekte und deren Auswirkungen auf den Gesamtzusammenhang ermöglicht. Dieses Prinzip führt dazu, dass die betrachteten Aspekte die Form einer Pyramide annehmen, wobei der Hauptaspekt oder das Ausgangsproblem oder die entscheidende Frage immer die Spitze der Pyramide einnehmen. Die Pyramidenspitze wird dann Stufe für Stufe in seine Teilaspekte (Teilprobleme) herunter gebrochen (siehe beispielhaft Abbildung 4-34).
Problem
Teilproblemstufe 1
Teilproblemstufe 2 [Quelle: in Anlehnung an Fink 2009, S. 69]
Abb. 4-34:
Problemstrukturierung mit Hilfe des Pyramidenprinzips
Zum zentralen Gestaltungsprinzip zählt dabei, dass jede einzelne Stufe die sogenannte MECE-Bedingung erfüllen muss. ME („mutually exclusive“) ist sie dann, wenn sich die einzelnen Teilaspekte inhaltlich nicht überschneiden. CE („collectively exhaustive“) ist die Problemstruktur, wenn die auf jeder Stufe angeordneten Teilaspekte das auf der nächst höheren Stufe stehende Problem jeweils vollständig abdecken. Diese Gestaltungsregeln lassen sich auf
460
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
viele betriebswirtschaftliche Problem- und Fragestellungen anwenden – etwa zur Gliederung von Absatzmärkten, zur Strukturierung von Zielgruppen, zur Analyse von Kundengruppen, zur Klärung von Weisungsbefugnissen und Hierarchien oder zur Analyse von finanziellen Strukturen [vgl. Fink 2009, S. 68 f.].
4.4.3.1 Aufgabenanalyse
Mit Hilfe der Aufgabenanalyse, der einfachsten Variante einer Pyramidenstruktur, lassen sich nahezu beliebige Zusammenhänge stufenweise in immer feinere Teilaspekte untergliedern. Dabei werden die einzelnen Elemente bzw. Teilaspekte als Aufgaben so formuliert, dass sie dazu beitragen, die übergeordnete Aufgabe zu erfüllen. Ausgehend von der Spitze der Pyramide, an der bspw. die Ergebnisverbesserung eines Unternehmens als Gesamtaufgabe steht (siehe Abbildung 4-35), gelangt man zur jeweils nächsten Stufe, indem das Wie oder das Was herausgearbeitet wird. Die Frage „Wie kann das Ergebnis verbessert werden?“ führt entweder zu einer Erhöhung des Umsatzes oder zu einer Senkung der Kosten. Was könnte wiederum getan werden, um den Umsatz zu erhöhen? Es kann der Produktmix verbessert, die Produktverkäufe und/oder der Produktpreis erhöht werden. Wie lassen sich die Produktverkäufe steigern? Indem der Absatz der bestehenden Produkte erhöht wird und/oder neue Produkte auf den Markt gebracht werden. Die Aufgabenstruktur wird schließlich soweit herunter gebrochen, bis auf der untersten Stufe konkrete Ansatzpunkte für eine Problembzw. Aufgabenlösung vorliegen und eine weitere Untergliederung nicht mehr sinnvoll ist [vgl. Fink 2009, S. 69 f.]. Betriebswirtschaftliches Ergebnis verbessern
Umsatz erhöhen
Produktmix verbessern
Produktverkäufe erhöhen
Absatz bestehender Produkte erhöhen
Nutzungsintensität erhöhen
Neue Kunden gewinnen
Kosten senken
Produktpreis erhöhen
Neue Produkte einführen
Neue Produkte in bestehenden Märkten
Neue Produkte in neuen Märkten
Fixe Kosten senken
Variable Kosten senken
Materialkosten senken
Beschaffungspreis reduzieren
Materialverbrauch reduzieren
Fehlerkosten senken
Fehlerquote reduzieren
Aufwand der Fehlerbehebung senken
[Quelle: Fink 2009, S. 70]
Abb. 4-35:
Beispiel einer Aufgabenanalyse
4.4.3.2 Kernfragenanalyse
Der Unterschied zwischen Aufgabenanalyse und Kernfragenanalyse liegt darin, dass die einzelnen Elemente der Pyramide nicht als Aufgaben, sondern als Fragen formuliert werden. Bei
4.4 Beratungstechnologien zur Analyse und Zielsetzung
461
der Kernfragenanalyse werden zwei Varianten unterschieden: die deduktive und die dichotome. Die deduktive Kernfragenanalyse verläuft analog zur Vorgehensweise der Aufgabenanalyse, d. h. die Ausgangsfrage wird von Stufe zu Stufe in immer detailliertere Teilfragen herunter gebrochen. Abbildung 4-36 liefert eine beispielhafte deduktive Struktur einer Fragenanalyse, wobei die Ausgangsfrage zu beantworten ist, ob die Vertriebsleistung eines Unternehmens verbessert werden muss [vgl. Fink 2009, S. 70 f.]. Muss die Vertriebsleistung verbessert werden? Arbeitet der Vertrieb effektiv?
Werden die richtigen Produkte angeboten?
Arbeitet der Vertrieb effizient?
Werden die richtigen Kunden angesprochen?
Können neue Produkte das Sortiment verbessern?
Ist das Niveau der Erstkaufrate angemessen?
Ist die Zahl der angesprochenen Neukunden ausreichend?
Existieren weitere attraktive potentielle Kundensegmente? Sind die bestehenden Kundensegmente attraktiv?
Ist das bestehende Produktsortiment konkurrenzfähig?
Ist das Niveau der Wiederkaufrate angemessen?
Ist die Ansprache potenzieller Neukunden angemessen?
Ist die Intensität der Betreuung von Bestandskunden ausreichend? Ist die Art der Ansprache von Bestandskunden angemessen?
[Quelle: Fink 2009, S. 71]
Abb. 4-36:
Beispiel einer deduktiven Kernfragenanalyse
Bei der dichotomen Kernfragenanalyse werden sowohl die Ausgangsfrage an der Spitze der Pyramide als auch die einzelnen Teilfragen jeweils als Ja/Nein-Fragen formuliert. Die unterste Stufe der Pyramide besteht aus konkreten Handlungsoptionen (siehe Abbildung 4-37). Entspricht die Vertriebsleistung den Vertriebszielen? Nein
Ja
Arbeitet der Vertrieb effektiv? Nein
Ja
Werden die richtigen Produkte angeboten? Nein
Arbeitet der Vertrieb effizient? Ja
Ja Werden die Produkte den richtigen Kunden angeboten? Nein
Produktsortiment überarbeiten
Kundenstruktur überarbeiten
Nein Werden dem Vertrieb die richtigen Anreize gesetzt?
Ja
Kundenansprache überarbeiten
Ja
Vertriebsziele überarbeiten
Anreizhöhe überarbeiten
[Quelle: Fink 2009, S. 72]
Abb. 4-37:
Beispiel einer dichotomen Kernfragenanalyse
Nein
Anreizstruktur überarbeiten
Zurzeit kein Handlungsbedarf
462
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
4.4.3.3 Sequenzanalyse
Die anspruchsvollste Variante des Pyramidenprinzips ist die Sequenzanalyse, die neben der logischen Struktur eines Problems auch die Reihenfolge berücksichtigt, in der mögliche Lösungsschritte umgesetzt werden müssen. In Abbildung 4-38 ist eine beispielhafte Sequenzanalyse dargestellt. Die Stufe unterhalb der Pyramidenspitze besteht aus mehreren Ja/Nein-Fragen, die entlang einer vorgegebenen Sequenz zu beantworten sind. In dem Beispiel wird zunächst geklärt, ob das Produkt richtig positioniert ist. Wenn dies der Fall ist, dann ist es sinnvoll, sich mit der Verfügbarkeit zu befassen. Ist diese in ausreichendem Maße vorhanden, muss im nächsten Schritt der Bekanntheitsgrad des Produktes überprüft werden. Die sequenzielle Struktur der Fragen setzt sich nicht nur horizontal, sondern auch vertikal auf den nachgelagerten Stufen in der gleichen Weise fort. Sollte keine der aufgestellten Analyselinien ein Problem offenlegen, so beginnt die Analyse erneut mit dem ersten Schritt – der Überprüfung des Zielmarktes und des Kundennutzens [vgl. Fink 2009, S. 72 f.]. Entspricht die Vertriebsleistung den Vertriebszielen? Feedback Ja
Ja
Ja
Ja
Ja
Ist das Produkt richtig positioniert?
Ist das Produkt ausreichend verfügbar?
Ist das Produkt ausreichend bekannt?
Werden Erstkäufe ausreichend stark forciert?
Werden Wiederkäufe ausreichend stark forciert?
Nein
Nein
Nein
Nein
Nein
Bekanntheit der Attribute
Verpackung
Produktablehnung
Displays
Preisablehnung
Werbeausgaben
Promotion-Typ
Nutzungsintensität
Zielmarkt
Außendienst
Kundennutzen
Verkaufsbedingungen
Produktspezifikation
Region
Werbewirkung
Verkaufspreis
Vertriebskanal
Media-Mix
Promotion-Timing
Nutzungsanlässe
Marke
Packungsgröße
Regionaler Mix
Promotion-Effektivität
Konsumentenprofil
[Quelle: Fink 2009, S. 73 unter Bezugnahme auf Holland 1972]
Abb. 4-38:
Beispiel einer Sequenzanalyse
Zu den Vor- und Nachteilen des Pyramidenprinzips merkt Fink an, dass einerseits die zugrunde liegende Problemstruktur „auf einen Blick“ veranschaulicht wird „und die Komplexität der Lösungsfindung durch einen klaren, logischen Aufbau (…) handhabbar“ gemacht werden kann. Andererseits sei „die mithilfe des Pyramidenprinzips entwickelte Problemstruktur, wenn sie einmal aufgestellt wurde, relativ starr“ und Diskontinuitäten und überraschende Entwicklungen seien kaum fassbar. Dennoch ist das Pyramidenprinzip „das in der Beratungspraxis vermutlich meistgenutzte Verfahren zur Strukturierung von Managementproblemen“ [Fink 2009, S. 74 f.].
4.5 Beratungstechnologien zur Problemlösung
463
4.5 Beratungstechnologien zur Problemlösung Nachdem die verschiedenen Verfahren und Tools zur Zielformulierung als Ausgangspunkt des Problemlösungsprozesses beschrieben wurden, geht es nun um den Problemlösungsprozess an sich. Dabei soll nicht verschwiegen werden, dass ein Berater sehr häufig ein ganz anderes Problem- und auch Problemlösungsverständnis hat als seine Kunden. Um ein Problem zu lösen – also um die Lücke zwischen Soll und Ist zu schließen – hat sich in der Praxis eine ganze Reihe von Problemlösungsmethoden etabliert, von denen im Folgenden die aus Beratersicht wichtigsten Ansätze vorgestellt werden sollen. Dabei sollte berücksichtigt werden, dass „standardisierte Problemlösungsmethoden oder Beratungsprodukte (…) in der Regel nichts anderes als Flussdiagramme des Phasenablaufs eines bestimmten Lösungsvorgehens (sind), das sich in der Praxis über Jahre oder gar Jahrzehnte hinweg als sinnvoll, realisierbar und erfolgreich erwiesen hat“ [Niedereichholz 2008, S. 208]. 4.5.1 Planungs- und Kreativitätstechniken Eine wichtige Rolle im Rahmen des Problemlösungsprozesses nehmen Kreativitätstechniken ein. Dabei steht die Suche nach alternativen und innovativen Ideen im Vordergrund. Aus dem nahezu unbegrenzten Katalog an Kreativitätstechniken (= Techniken der Ideenfindung) sollen hier kurz sechs grundlegende Techniken, dessen Anwendung vom Berater immer wieder erwartet wird, vorgestellt werden:
Brainstorming Brainwriting Methode 635 Synektik Bionik Morphologischer Kasten Mind Mapping Osborn-Methode
4.5.1.1 Brainstorming
Die Brainstorming-Technik stützt sich auf das Prinzip der Assoziation, um möglichst viele problembezogene Ideen hervorzubringen. Es handelt sich dabei um die Methode eines gemeinsamen Nachdenkens innerhalb einer Problemlösungsgruppe. Alex F. Osborne, der Erfinder der Methode, benannte sie nach ihrem Wesen, nämlich „using the brain to storm a problem“. Durch Ablauf, bei dem während der Brainstorming-Sitzung von den Teilnehmern keinerlei Kritik an den Ideen Anderer geübt werden darf, sollen möglichst viele Ideen entwickelt werden, d. h. Quantität geht vor Qualität. In Abbildung 4-39 sind die Vorgehensweise sowie die wichtigsten Regeln zusammengefasst. Als Einsatz- bzw. Anwendungsgebiet wird häufig die Werbung genannt. Brainstorming kommt aber ebenso mit mehr oder weniger Erfolg bei der Produktentwicklung oder allgemein bei der Ideenfindung in den unterschiedlichsten Bereichen zum Einsatz.
464
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
Brainstorming gilt als leicht zu erlernende, einfach durchzuführende Kreativitätstechnik, deren Einsatz zudem nur mit geringen Kosten verbunden ist. Die Güte der Ergebnisse ist allerdings sehr von der Zusammensetzung der Teilnehmer abhängig. Auch besteht die Gefahr von gruppendynamischen Konflikten bei unterschiedlichen hierarchischen Ebenen der Teilnehmer.
Problem
Vorbereitungsphase
• Zusammenstellung einer Gruppe von 5 bis 12 Personen • Gruppe kann aus Mitarbeitern, Experten, Laien oder Experten anderer Disziplinen bestehen („je heterogener, desto kreativer“) • Moderator bereitet ggf. Anschauungsmaterial vor und führt die Gruppe in das Problem ein
Durchführungsphase
Regeln für die Teilnehmer • Keine Kommentare, Korrekturen und Kritik • Viele Ideen in kürzester Zeit (Zeitrahmen 15 – 30 Min.) • „Spinnen“ erlaubt • Kombinieren und Aufgreifen von bereits geäußerten Ideen Regeln für den Moderator • Überwacht Regeleinhaltung • Dokumentiert die Ideen • Stellt Fragen • Schafft Verbindungen zu früheren Ideen
Auswertungsphase
Problemlösung
• Sämtliche Ideen werden vorgelesen, bewertet und sortiert bzw. klassifiziert • Aussortieren von problemfernen Ideen • Bewertung und Auswertung kann in derselben Diskussion durch dieselben Teilnehmer erfolgen oder von anderen Fachleuten getrennt vorgenommen werden
© Dialog.Lippold
Abb. 4-39:
Vorgehensweise und Regeln der Brainstorming-Methode
4.5.1.2 Brainwriting
Brainwriting ist im Prinzip die schriftliche Variante des Brainstormings. Das Besondere beim Brainwriting ist, dass jeder Teilnehmer in Ruhe Ideen sammeln und diese schriftlich festhalten kann. Auch sind im Gegensatz zum Brainstorming die Anonymität und damit die Gleichwertigkeit der Ideen gewährleistet. Beim Brainwriting wird wie beim Brainstorming darauf geachtet, dass alle Faktoren, die den Prozess der Ideenfindung hemmen, ausgeschaltet werden. Die Teilnehmer sollen ohne jede Einschränkung Ideen produzieren und diese mit anderen Ideen kombinieren. Im Idealfall inspirieren sich die Teilnehmer während des Schreibprozesses gegenseitig mit ihren Ideen, die sie dann weiterentwickeln können. Ebenso wie beim Brainstorming gibt es auch beim Brainwriting verschiedene Techniken und Ausprägungen. 4.5.1.3 Methode 635
Die Methode 635 ist die bekannteste Form der Brainwriting-Techniken. Danach besteht die Gruppe aus sechs Teilnehmern, die jeweils ein gleich großes Blatt Papier erhalten (siehe Abbildung 4-40). Dieses ist mit drei Spalten und sechs Zeilen in 18 Kästchen aufgeteilt. Jeder Teilnehmer wird aufgefordert, in der ersten Zeile drei Ideen (je Spalte eine) zu einem bestimmten Problemfeld zu formulieren. Jedes Blatt wird nach angemessener Zeit − je nach Schwierigkeitsgrad der Problemstellung etwa drei bis fünf Minuten − von allen gleichzeitig, im Uhrzeigersinn weitergereicht. Der Nächste soll versuchen, die bereits genannten Ideen aufzugreifen, zu ergänzen und weiterzuentwickeln. Diese Ideen werden so lange weitergereicht, bis jeder Teilnehmer sämtliche Blätter eingesehen hat, d. h. jede Idee wird fünf Mal weitergereicht. Sechs
4.5 Beratungstechnologien zur Problemlösung
465
Teilnehmer mit je drei Ideen und fünf Mal weiterreichen - daher die Bezeichnung der Methode [vgl. Rohrbach 1969, S. 73 ff.].
Jeder Teilnehmer trägt drei Ideen/ Vorschläge ein
Ideen / Vorschläge 1
2
3
Teilnehmer 1
Teilnehmer 2
Teilnehmer 3
Teilnehmer 4
Teilnehmer 5
Teilnehmer 6
© Dialog.Lippold
Abb. 4-40:
Das Arbeitspapier der Methode 635
Die Methode, die 1968 der Unternehmensberater Bernd Rohrbach entwickelt hat, wird bei Spannungen oder Schwierigkeiten in der Gruppe wie beispielsweise bei dominanten Gruppenmitgliedern eingesetzt. Komplexe Ideen, die schwierige Denkprozesse erfordern, sind ebenfalls Anwendungsbeispiele. Der Vorteil der Methode liegt in der Fülle von Ideen in kurzer Zeit (ca. 30 Minuten). Die Ideen werden nicht zerredet, sondern jeder Teilnehmer kann selbständig arbeiten und sich von den Ideen der anderen anregen lassen. Nachteilig kann sein, dass zu wenig Zeit bleibt, um seine Ideen klar darzulegen und dass viele Redundanzen auftreten. 4.5.1.4 Synektik
Die Synektik zählt zu den verfremdenden Kreativitätstechniken, bei denen die Suche nach ähnlichen oder vergleichbaren Strukturen und Mustern in anderen Erfahrungsbereichen im Vordergrund steht. Mit dieser Analogiebildung sollen problemfremde Strukturen übertragen bzw. sachlich nicht zusammenhängende Wissenselemente kombiniert werden. Aus diesem Vorgang leitet sich auch der Name der Methode ab: Synektik (griech. synechein = etwas miteinander in Verbindung bringen, verknüpfen). William Gordon entwickelte diese Methode 1944 auf der Grundlage intensiver Studien über Denk- und Problemlösungsprozesse. Bei der Synektik entfernen sich die Teilnehmer bewusst vom eigentlichen Problem. Es geht darum, Wissen aus völlig anderen Sachbereichen (Natur, Technik, Politik, Gesellschaft) mit dem Ausgangsproblem zu verknüpfen und daraus kreative Lösungsmöglichkeiten abzuleiten. Das Grundprinzip der Synektik heißt: „Mache Dir das Fremde vertraut und verfremde das Vertraute.“ Begonnen wird daher mit einer gründlichen Problemanalyse. Danach erfolgt die
466
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
Verfremdung der ursprünglichen Problemstellung durch Bildung von Analogien. Es wird versucht, durch Analogieschlüsse neue und überraschende Lösungsansätze zu finden (Fallschirm – Pusteblume; Regenschirm – Fliegenpilz). Insgesamt besteht die Methode aus zehn Schritten, wobei der letzte Schritt in die Entwicklung von konkreten Lösungsansätzen mündet. Die Synektik stellt regelmäßig höhere Anforderungen an die Gruppe als andere Kreativitätsmethoden, denn der Verfahrensablauf ist zeitintensiver und durch die vielen Schritte komplizierter. Zudem muss das Prinzip der Strukturübertragung bzw. -kombination geübt werden, bis es effizient beherrscht wird. Die Synektik ist zwar trainingsintensiv, für geübte Anwender jedoch sehr effektiv. 4.5.1.5 Bionik
Weniger anspruchsvoll angelegt ist die Bionik, die ebenfalls zu den verfremdenden Kreativitätstechniken zählt. Bionik beschäftigt sich mit der Entschlüsselung von Erfindungen der Natur und ihre innovative Umsetzung in die Technik. Das Wort Bionik ist ein Kofferwort und kombiniert die Begriffe Biologie und Technik und bringt damit zum Ausdruck, wie für technische Anwendungen Prinzipien verwendet werden können, die aus der Biologie abgeleitet werden. Im Laufe der Evolution hat die Natur viele optimierte Lösungen für bestimmte mechanische, strukturelle oder organisatorische Probleme hervorgebracht. Die Bionik analysiert diese vorhandenen natürlichen Lösungen zunächst. Anschließend können die gefundenen Prinzipien aufbereitet und in einer abstrahierten Form der Technik zugänglich gemacht werden. Die Bionik stellt keine Blaupausen für die Technik bereit, sondern lebt vom Austausch von Experten aus verschiedenen Fachrichtungen. So können interdisziplinär Naturwissenschaftler und Ingenieure mit Architekten, Philosophen oder Designern zusammenarbeiten. Als großer Vordenker und Protagonist der Bionik gilt Leonardo da Vinci. Beispiele für Entsprechungen von technischen Entwicklungen und Natur sind:
Regentropfen als Vorbild für die Lupe Saugnäpfe, die auch bei Kraken und Käfern vorkommen Strahltriebwerk, das dem Rückstoßprinzip bei Quallen und Tintenfischen entspricht Propeller, deren Funktionsweise der Flügelfrucht des Ahorns entspricht etc.
4.5.1.6 Morphologischer Kasten
Die morphologische Methode ist eine systematisch-strukturierende Kreativitätstechnik. Sie versucht, eine Darstellung aller theoretisch denkbaren Kombinationen und Variationen von Lösungen zu einem gegebenen Problem zu finden. Die bekannteste morphologische Technik ist der von dem Schweizer Physiker Fritz Zwicky (1898 – 1974) entwickelte morphologische Kasten. Die Methode des morphologischen Kastens eignet sich besonders gut bei der Produktentwicklung. Dabei werden für verschiedene Parameter alle denkbaren Kombinationsmöglichkeiten an Merkmalsausprägungen dargestellt und auf ihre Eignung hin überprüft. Viele der Möglichkeiten werden aufgrund technischer oder wirtschaftlicher Gegebenheiten sinnlos sein. Doch möglicherweise werden auch zukunftsträchtige Kombinationsmöglichkeiten erkannt, an die bisher
4.5 Beratungstechnologien zur Problemlösung
467
noch niemand gedacht hat. Diese sind anhand von geeigneten Kriterien (Preis, Funktion, Herstellkosten, Absatzchancen, bestehende Konkurrenzprodukte etc.) weiter zu analysieren. Wenn diese in besonders hohem Maße Kundenerwartungen und zugleich technisch herstellbar sind, ist der Weg frei für eine Produktinnovation. In Abbildung 4-41 ist ein anschauliches Beispiel eines morphologischen Kastens für ein zu entwickelndes Lastfahrzeug dargestellt. Dabei wird deutlich, dass die Methode die Nutzung des Kastens als Ordnungsgerüst vorsieht, indem die verschiedenen Teillösungsansätze zusammengetragen werden und so ein Gesamtlösungssystem entwickelt werden kann [vgl. Macharzina/Wolf 2010, S. 856].
Parameter
Erscheinungsformen / Ausprägungen
Karosseriematerial
Aluminium
Stahl
Kunststoff
Holz
Treibstoff
Benzin
Diesel
Sonnenenergie
Gas
Anzahl Sitzplätze
1
2
3
Mehr als 3
Lage des Lastraums
Hinten
Vorne
Auf dem Dach
Andere Stelle
Fortbewegungsart
Räder
Luftdruck
Raupen
Kufen
Zubehör
GPS
Standheizung
Telefon
Klimaanlage
Preisniveau
Niedrig
Mittel
Hoch
Sehr hoch
… [Quelle: Scherer 2007, S. 60]
Abb. 4-41:
Beispiel eines morphologischen Kastens
4.5.1.7 Mind Mapping
Mind Mapping ist eine Arbeitsmethode, die zum Erschließen und visuellen Darstellen eines Themengebietes, zum Planen oder für Mitschriften genutzt werden kann. Tony Buzan entwickelte die Methode in den 1970er Jahren auf der Grundlage von gehirnphysiologischen Hypothesen. Mind Mapping ist eine spezielle Art, sich übersichtliche Notizen zu machen. Hierbei soll das Prinzip der Assoziation helfen, Gedanken frei zu entfalten und die Fähigkeit des Gehirns zur Kategorisierung zu nutzen. Die Mindmap wird nach bestimmten Regeln erstellt und gelesen (siehe Insert 4-07). Den Prozess bzw. das Themengebiet bzw. die Technik bezeichnet man als Mind Mapping.
468
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
Im Gegensatz zur klassischen linearen Struktur der Aufzeichnungen, ist die Mindmap eine auf den ersten Blick übersichtliche Gedanken(land)karte, die das zentrale Thema sofort erkennbar machen soll. Im Zentrum der Darstellung steht das Thema als wesentlicher Aspekt. Von da aus verzweigen sich alle Gedanken. In dieser Darstellung der Verzweigungen kann man übersichtlich lernen, planen und organisieren, auch Referate und Präsentationen strukturieren [Quelle: www.methodenpool.uni-koeln.de/download/mindmapping.pdf]. Insert Marktforschung Zielgruppen Geschäftsfelder Kundennutzen Produkt Leistung Preis Kundenvorteil
Dynamisch
Vorgehensmodell
Segmentierung
Positionierung Handlungsrahmen
Werbung
Kommunikation
PR Sales Promotion Kundenwahrnehmung Kooperationen Allianzen Vertriebswege Kundennähe
MarketingGleichung
Distribution
Targeting Cross Selling Akquisitionscontrolling Kundenakzeptanz
Akquisition
Prozessorientiert Kundenorientiert
Leistungsfähiges Framework Ergänzung der instrumentellen Perspektive Klare Zuordnungen
Strukturierungstool
Identitätsbeziehung
Vorteile
Optimiert MarketingAktionsfelder
Nicht mathematischdeterministisch Gleichgewicht („Waage“)
Macht Aktionsparameter und Werttreiber sichtbar Macht Beziehung zwischen Marketing und Vertrieb sichtbar
Betreuung
Kundenbindung Kundenwert Service Kundenzufriedenheit
Schafft Verbindung zwischen Strategie- und Prozessebene
Gebrauchsanleitung für die Erstellung einer Mind Map Das Thema wird mit einem möglichst passenden Oberbegriff in die Mitte der Mindmap gesetzt. Dann wird das Thema in einzelne Unterpunkte aufgesplittet, die durch Linien mit dem Oberbegriff verknüpft werden. Ideen,
Insert 4-07:
Schlüsselwörter und Assoziationen zu den einzelnen Unterpunkten werden angefügt. Zwischenzeitlich gibt es auch entsprechende Software, die diesen Weg der visuellen Unterstützung erleichtert bzw. automatisiert.
Darstellung einer Mind Map
4.5.1.8 Osborn-Methode
Die Osborne-Methode ist eine Technik, die durch Umstrukturierung eines Problems durch bestimmte Fragen neue Lösungen generieren soll. Der amerikanische Werbefachmann Alexander Osborn entwickelte in den 1950er Jahren die Methode, die einen Fragenkatalog nutzt, der neun Komplexe umfasst. Diese Technik eignet sich besonders dann, wenn es um die Weiterentwicklung bestehender Ideen, Produkte, Projekte etc. geht. Die Fragenliste kann beliebig ergänzt werden. Ziel der Osborn-Methode ist es, andere Aspekte zu gewinnen und gemeinsam neue Möglichkeiten zu entwickeln. Entscheidend ist, dass jede Frage der Liste beantwortet und bis zum Ende durchdacht
4.5 Beratungstechnologien zur Problemlösung
469
wird. Erst wenn einem nichts mehr zu einer Frage einfällt, sollte zur nächsten Frage gewechselt werden. Beispiel: Es geht um ein neues Produkt oder Projekt (z.B. im Rahmen von Brainstorming generiert). Dabei müssen im Rahmen der neun Komplexe folgende Fragen nacheinander durchgegangen werden [Quelle: www.blueprints.de/artikel/kreativitaet/die-osborn-methode]: 1. Alternative Verwendung: Wofür kann das Produkt/Projekt noch verwendet werden? Kann es anders eigesetzt werden? Gibt es weitere Zielgruppen? 2. Anpassen: Weist das Problem auf andere Ideen hin? Was kann nachgeahmt werden? Ist es etwas anderem ähnlich? 3. Verändern: Was lässt sich ändern? Welche Eigenschaften, Inhalte lassen sich umgestalten? Gibt es andere Möglichkeiten der Darstellung? 4. Vergrößern: Lässt sich etwas vergrößern, erweitern? Kann etwas verlängert werden? Wie fügt man etwas hinzu? 5. Verkleinern: Was kann weglassen werden? Was kann verkürzt, verkleinert werden? Was macht das Produkt/Projekt kleiner, kompakter, kürzer? 6. Umformen/ersetzen: Was kann ersetzt werden? Übungen und Instrumente neu gruppieren? Wie kann man die Reihenfolge ändern? Was lässt sich austauschen? 7. Umkehren/Umstellen/Ins Gegenteil verkehren: Wie verschlechtert man das Produkt/ Projekt? Wie kann man Ursache und Wirkung vertauschen? Kann der Ablauf umgekehrt werden? 8. Kombinieren: Können Ideen kombiniert werden? Ist eine Mischung mit anderen Inhalten möglich? Lassen sich unterschiedliche Produkte/Projekt verbinden? 9. Transformieren: Kann die Reihenfolge oder Struktur verändert werden? Gibt es andere Darstellungsformen? Diese analytische Vorgehensweise schafft Transparenz über Ursachen und Wirkungen der Problemelemente. Sie intensiviert den Entwicklungsprozess von Lösungsalternativen oder Alternativen. Die Methode ist einfach und leicht verständlich. Sie kann sowohl in der Einzel- als auch in der Gruppenarbeit eingesetzt werden [vgl. Schawel/Billing 2014, S.183 f.]. 4.5.2 Tools zur Strategiewahl Im nächsten Schritt der strategischen Planung geht es um die Auswahl und Festlegung der richtigen Unternehmensstrategie. Hierzu bieten sich mit den Konzepten der Erfahrungskurve und dem Produktlebenszyklus zwei Tools zur Wahl der richtigen Markteintritts- (und Marktaustritts-)strategie an. Darauf aufbauend hat die Portfoliotechnik mit ihren verschiedenen Ausprägungen und Varianten eine zentrale Bedeutung bei der Bestimmung von Produkt-MarktStrategien erlangt.
470
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
4.5.2.1 Erfahrungskurve
Im Zusammenhang mit der Wahl der richtigen Markteintrittsstrategie spielen die Erkenntnisse über den sog. Erfahrungskurveneffekt eine wichtige Rolle. Aufgrund von empirischen Untersuchungen hat die Boston Consulting Group festgestellt, dass die auf die Wertschöpfung bezogenen preisbereinigten Stückkosten eines Produkts konstant um 20 bis 30 Prozent zurückgehen, wenn sich im Zeitablauf die kumulierte Produktionsmenge verdoppelt. In Abbildung 4-42 ist der Kostenverlauf in Abhängigkeit von der kumulierten Menge einmal bei linearer Skaleneinteilung und einmal bei logarithmischer Einteilung des Ordinatenkreuzes dargestellt. Besonders deutlich wird das Phänomen der Erfahrungskurve mit konstanten Änderungsraten der Kosten bei einem logarithmisch gewählten Ordinatensystem [vgl. Becker 2019, S. 422 f.]. Kosten je Stück 10
Lineare Ordinaten
8
bei 20% Rückgang
6 4 2 bei 30% Rückgang 0
1
2
4
6
8
10
12
14
16
Kumulierte Menge (Erfahrung)
Kosten je Stück 10
bei 20% Rückgang
8
Logarithmische Ordinaten
4 bei 30% Rückgang 2
1
1
2
4
8
16
Kumulierte Menge (Erfahrung)
[Quelle: Becker 2019, S. 423]
Abb. 4-42:
Kosten-Erfahrungskurve bei linear und logarithmisch eingeteilten Ordinaten
Die Ursache der Stückkostendegression ist vornehmlich auf zwei Faktoren zurückzuführen. Zum einen ist es die Lernkurve, die davon ausgeht, dass bei steigendem Produktionsvolumen Lerneffekte in Form von
geringeren Ausschüssen, besserer Koordination der Arbeitsabläufe, effizienterer Planung und Kontrolle sowie durch einen höheren Ausbildungsgrad der Mitarbeiter
erzielt werden. Zum anderen sind es Skaleneffekte (engl. Economies of Scale), die davon ausgehen, dass ein Unternehmen bei wachsender Ausbringungsmenge von sinkenden Kosten profitiert (u. a. bei Einkauf und Lagerhaltung). Diese auch als „Gesetz der Massenproduktion“ bekannten Größendegressionseffekte, die besagen, dass mit einer Erhöhung des Inputs eine
4.5 Beratungstechnologien zur Problemlösung
471
überproportionale Erhöhung des Outputs realisiert werden kann, wirken einerseits als Kostensenkungs- und andererseits als Erlöserhöhungspotenziale [vgl. Müller-Stewens/Lechner 2001, S. 199]. 4.5.2.2 Lebenszyklusmodelle
Lebenszyklusmodelle untersuchen und beschreiben die Verbreitung und das wettbewerbsstrategische Potenzial von Produkten und Dienstleistungen im Zeitablauf. Dabei wird die Annahme zugrunde gelegt, dass sich ein Produkt (oder eine Dienstleistung) nicht unendlich lang verkaufen lässt, sondern dass es einem Lebenszyklus unterliegt, dessen Länge und Verlauf im Voraus nicht bekannt sind, dessen Existenz aber prinzipiell endlich ist. Abbildung 4-43 zeigt den idealtypischen Verlauf von Absatz- und Gewinnkurve über die Lebensdauer eines Produkts. Im Rahmen des Lebenszyklusmodells können vier Phasen unterschieden werden:
Einführung Wachstum Reife Sättigung bzw. Rückgang.
Einführung
Wachstum
Absatz Gewinn
Sättigung/ Rückgang
Reife
Lebenszykluskurve
Absatz
Gewinn t
Absatz
niedrig
starke Zunahme
Absatzmaximum
fallend
Gewinn
Verlust
steigend
rückläufig
erste Verluste
Kundenprofil
Innovatoren
frühe Adopter
große Mehrheit
Nachzügler
Wettbewerber
wenige
zunehmend
haben sich etabliert
ziehen sich zurück
Marketingziele
Produktbekanntheit steigern
Marktanteil vergrößern
Marktanteil verteidigen
Ausgaben minimieren
[Quelle: Kotler et al. 2011, S. 666]
Abb. 4-43:
Der Produktlebenszyklus
In der Markteinführungsphase wächst der Absatz langsam. Gewinne entstehen aufgrund der hohen Einführungskosten noch nicht und die Anzahl der Wettbewerber ist gering. Auch ist das Marktpotenzial noch nicht überschaubar und die Entwicklung der Marktanteile ist nicht vorhersehbar.
472
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
Die Wachstumsphase ist durch eine starke Zunahme des Absatzes gekennzeichnet. Erste Gewinne werden erzielt und weitere Wettbewerber treten in den Markt ein. In dieser Phase gilt es, den eigenen Marktanteil signifikant zu vergrößern. In der anschließenden Reifephase verlangsamt sich das Absatzwachstum. Die Gewinne geraten unter Druck, der Wettbewerb hat sich etabliert. Das Produkt muss durch erhöhte Marketingaufwendungen gegen den Wettbewerb verteidigt werden. In der Sättigungsphase geht der Absatz zurück und die Gewinne brechen ein. Wettbewerber ziehen sich zurück. Das Unternehmen steht vor der Frage, ob das Produkt auslaufen und durch einen Nachfolger ersetzt werden soll, oder ob das Produkt durch weitere Verbesserungen (engl. Relaunch) noch einmal reanimiert werden kann. Nicht jedes Produkt folgt zwangsläufig diesem idealtypischen Verlauf des Lebenszyklusmodells. Einige Produkte verschwinden sehr schnell wieder vom Markt, andere können nach Eintritt in die Sättigungsphase durch Relaunching-Maßnahmen in eine neue Wachstumsphase gebracht werden. Das Konzept des Produktlebenszyklus lässt sich auf ganze Produktklassen (z. B. Fernseher oder Autos), auf eine Produktkategorie (z. B. Flachbildschirme oder Sportwagen) oder eben auf einzelne Produkte/Leistungen anwenden. Dabei haben Produktklassen naturgemäß den längsten Lebenszyklus. Darüber hinaus wird das Lebenszykluskonzept auch für ganze Märkte bzw. Branchen unterstellt (siehe hierzu auch Abschnitt 4.4.1 (Five Forces)). Da sich in der Regel nicht bestimmen lässt, in welcher Phase des Lebenszyklus sich das Produkt zum aktuellen Zeitpunkt befindet, eignet sich das Modell nur bedingt für die Vorhersage von Erfolgsaussichten eines Produkts oder zur Entwicklung einer Marketingstrategie. Dennoch kann die Lebenszyklusanalyse durchaus als Beschreibungsmodell zur Unterstützung marketingstrategischer Entscheidungen herangezogen werden [vgl. Kotler et al. 2011, S. 669]. Als ein Beispiel hierfür kann der verspätete Markteinstieg einer neuen Produktgeneration oder Produktgruppe herangezogen werden. Lässt sich die in Abbildung 4-44 dargestellte zeitliche Verzögerung der Markteinführung der Produktgruppe B (also B2 statt B1) und der damit verbundene Umsatzausfall (Gesamtumsatzkurve 2 statt 1) nicht kompensieren, so kann das Unternehmen in erhebliche Schwierigkeiten geraten. Eine Kompensation für dieses Time-to-Market-Problem könnte hier nur durch eine Verlängerung des Lebenszyklus der Produktgruppe A erreicht werden z. B. durch Kundenbindungsmaßnahmen, laufende Überprüfung der Kundenzufriedenheit und eine anwender- statt technologieorientierte Marketingpolitik (vgl. Lippold 1998, S. 149 unter Bezugnahme auf Wimmer et al. 1993, S. 20).
4.5 Beratungstechnologien zur Problemlösung
473
Umsatz
Gesamtumsatzkurve 1 Gesamtumsatzkurve 2
Umsatzausfall
Produktgruppe A
B1
B2
C
Zeit [Quelle: Lippold 1998, S. 149]
Abb. 4-44:
Lebenszyklusanalyse bei verspätetem Markteinstieg
4.5.3 Portfoliotechniken Mit seinen verschiedenen Varianten hat die Portfoliotechnik, die auf den grundlegenden Annahmen des Lebenszykluskonzepts und der Erfahrungskurve beruht, unter den vorliegenden Tools zur Bestimmung von Produkt-Markt-Strategien eine zentrale Bedeutung erlangt. Die strategieorientierte Portfoliotechnik wurde ursprünglich zur optimalen Aufteilung des Vermögens auf verschiedene Anlageformen wie Geldvermögen, Wertpapiere und Sachgegenstände zum Zweck der Ertragsmaximierung und Risikominimierung für den Anleger entwickelt. Dieses Grundkonzept wurde dann später zu einer systematischen Analyseform für Mehrproduktunternehmen weiterentwickelt. Es setzt eine klare Abgrenzung der Produktlinien mit einer Aufgliederung des Produktspektrums in strategische Geschäftseinheiten voraus. Zur Bildung von strategischen Geschäftseinheiten und zur Abgrenzung von strategischen Geschäftsfeldern wird auf Abschnitt 3.2.5 verwiesen. Folgende Varianten des absatzmarktorientierten Portfolios sollen hier vorgestellt werden:
4-Felder-Matrix der Boston Consulting Group (BCG) (auch als Marktanteils-Marktwachstums-Portfolio bezeichnet)
9-Felder-Matrix von McKinsey (auch als Marktattraktivitäts-Wettbewerbsstärke-Portfolio bezeichnet)
20-Felder-Matrix von Athur D. Little (ADL) (auch als Marktlebenszyklus-Wettbewerbsposition-Portfolio bezeichnet).
4.5.3.1 BCG-Matrix (4-Felder-Matrix)
In ihrer einfachsten Form als 4-Felder-Matrix werden das Marktwachstum und der relative Marktanteil als Ordinaten sowie deren Unterteilung in „niedrig“ und „hoch“ benutzt, um die
474
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
Produkte in die Matrix einzuordnen. Die Verbindung zwischen dem Lebenszykluskonzept, der Erfahrungskurve und der Portfolio-Analyse verdeutlicht Abbildung 4-45. Somit findet sich der Grundgedanke in der 4-Felder-Matrix wieder, dass für die zeitliche Entwicklung eines Produkts ein idealtypischer Lebenszyklus angenommen wird, der sich im Uhrzeigersinn vom linken oberen zum linken unteren Quadranten der Matrix spannt. Je nach Positionierung in der Marktanteils-Marktwachstums-Matrix ist jedes Produkt einem der vier folgenden Felder zugeordnet: Fragezeichen (engl. Question marks) sind Produkte, die sich in der Einführungsphase befinden. Ihr relativer Marktanteil sowie das Marktwachstum sind gering, die Stückkosten dagegen hoch. Sterne (engl. Stars) sind Produkte, die sich in der Wachstumsphase befinden. Sie verfügen sowohl über einen hohen relativen Marktanteil als auch über ein hohes Marktwachstum. Zudem sind die Stückkosten gering. Melkkühe (engl. Cash cows) befinden sich in der Reifephase des Lebenszyklus. Sie zeichnen sich durch einen hohen relativen Marktanteil und niedrige Stückkosten aus. Allerdings ist das Marktwachstum gering. Arme Hunde (engl. Poor dogs) sind solche Produkte, die bereits länger auf dem Markt sind und sich in der Sättigungsphase befinden. Sie verfügen über einen niedrigen relativen Marktanteil, hohe Stückkosten und nur noch über ein geringes Marktwachstum.
Marktwachstum Absatzvolumen
„Question marks"
„Stars"
PortfolioModell
hoch
niedrig
Lebenszyklus-Modell Zeit
Das Erste „Cash cows"
„Poor dogs" niedrig
hoch
Relativer Marktanteil
Kosten/ Stück
Erfahrungskurven-Modell
Kumulierte Ausbringungsmenge
[Quelle: Gläser 2008, S. 782]
Abb. 4-45:
Theoretische Grundlagen der Marktanteils-Marktwachstums-Matrix
4.5 Beratungstechnologien zur Problemlösung
475
Die Portfolio-Analyse als 4-Felder-Matrix wurde von der Boston Consulting Group vornehmlich zur optimalen Positionierung von strategischen Geschäftseinheiten (SGEs) eines Unternehmens entwickelt. Für die Verteilung der SGEs in den vier Quadranten werden folgende Parameter herangezogen [vgl. Becker 2019, S. 424 f.]:
Umsatz (grafisch verdeutlicht als unterschiedlich große Kreise, die der jeweiligen Umsatzbedeutung der SGE entsprechen)
Relativer Marktanteil (als Marktanteil der eigenen SGE, dividiert durch den Marktanteil des stärksten Wettbewerbers; dabei bedeutet die vertikale Trennlinie 1,0 auf der Abszisse, dass eine SGE, die rechts von dieser Trennlinie positioniert ist, einen relativen Marktanteil > 1 hat und damit Marktführer ist)
Zukünftiges Marktwachstum (wobei sich die horizontale Trennlinie bei verändertem Marktwachstum im Laufe der Zeit auch verschieben kann).
In Abbildung 4-46 ist die Ableitung eines Portfolios für ein Beispiel-Unternehmen mit fünf strategischen Geschäftseinheiten auf unterschiedlichen Märkten dargestellt.
a) Ausgangsdaten für Portfolio-Erstellung
SGE 1
SGE 2
SGE 3
SGE 4
SGE 5
Marktwachstum
12 %
5%
25 %
3%
15%
Marktanteil eigene SGE
15 %
45 %
23 %
5%
19 %
Marktanteil stärkster Wettbewerber
21 %
29 %
20 %
35 %
25 %
Relativer Marktanteil
0,71
1,55
1,15
0,14
0,76
Umsatzanteil
30 %
25 %
20 %
15 %
10 %
b) Darstellung des MarktanteilsMarktwachstums-Portfolios
30% „Question marks" Marktwachstum (p.a.)
„Stars" SGE 3
SGE 5 15%
„Cash cows" SGE 1
SGE 2
SGE 4
„Poor dogs" [Quelle: in Anlehnung an Haedrich/Tomczak 1996, S. 114]
Abb. 4-46:
0
1,0
Relativer Marktanteil 2,0
Ableitung eines Portfolios für ein Beispiel-Unternehmen
Auf der Grundlage dieser Portfolio-Ableitung lassen sich nunmehr Strategieempfehlungen als sogenannte Normstrategien unmittelbar ableiten. Die Normstrategien für die 4-Felder-Matrix lassen sich wie folgt auf den Punkt bringen:
476
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
Neue Produkte sollten energisch unterstützt werden, damit sie zu Stars werden. Stars reifen zu Cows. Die von den Cows erwirtschafteten Finanzmittel sollten genutzt werden, um aus Question marks Stars zu machen. Die Dogs sind zu eliminieren. Grundsätzlich basieren diese Normstrategien auf der Idee, ein Portfolio von Geschäftseinheiten durch Zuteilung von Finanzmittelüberschüssen aus erfolgreichen Einheiten an andere, vielversprechende Geschäftseinheiten zu managen. Eine erfrischend andere Sichtweise der klassischen BCG-Matrix ist in Abbildung 4-47 der herkömmlichen Normstrategie gegenübergestellt. Die Gegenüberstellung macht deutlich, dass eine sklavische Anwendung und Interpretation der Normstrategie durchaus zu irreführenden strategischen Empfehlungen führen kann.
Normstrategien
Alternative Handlungsempfehlungen
„Question marks“
„Stars“
„Question marks“
„Stars“
• Schwache Position in einem Wachstumsmarkt
• Starke Position in einem schnell wachsenden Markt
• Der Wachstumsmarkt wird bald viele Neueinsteiger haben
• Wachsender Markt zieht Konkurrenten an
• Kann mit genügend Investitionen zum Star werden
• Investieren, da hier die Zukunft liegt, selbst wenn kurzfristig keine Gewinne eintreten
• Markt verlassen und an einen „gläubigen“ Käufer verkaufen
„Poor dogs“
„Cash cows“
„Poor dogs“
„Cash cows“
• Schwache Position in einem stagnierenden Markt • Marktanteile können nur von Konkurrenten kommen – abstoßen!
• Investitionen lohnen nicht, da Markt kaum wächst
• Trotz Stagnation kann es Potential geben
• Aufgrund der guten Ausgangslage sollte das Geschäft revitalisiert werden, anstatt das Geld in hungrige Stars zu investieren
• Überschüssiges Geld lieber in Stars investieren
• Gezielt gute Schnäppchen auswählen und vorsichtig attackieren
• Von den Fehlern der anderen lernen • Aufkaufen der Konkurrenten/Produkte, die den Markt verlassen
[Quelle: Andler 2015, S. 318 unter Bezugnahme auf Glass 1996]
Abb. 4-47:
Normstrategien und alternative Handlungsempfehlungen für die BCG-Matrix
Neben der grundsätzlichen Kritik, dass die Portfolio-Technik einen idealtypischen Kurvenverlauf des Lebenszyklus quasi als gesetzmäßig unterstellt, richtet sich die Hauptkritik an der Portfolio-Analyse als 4-Felder-Matrix vornehmlich auf die Reduktion aller Einflussfaktoren auf den Marktanteil (als hochverdichtete Größe der Unternehmensbedingungen) und auf das Marktwachstum (als hochverdichte Größe der Umweltbedingungen). Innovationen, Technologien, Verbundeffekte, Allianzen u. ä. werden nicht berücksichtigt. 4.5.3.2 McKinsey-Matrix (9-Felder-Matrix)
Die kritische Auseinandersetzung mit der 4-Felder-Matrix hat zur Entwicklung weiterer Ausprägungen der Portfolio-Analyse geführt. Besonders hervorzuheben ist die Marktattraktivitäts-Wettbewerbsstärke-Matrix, die McKinsey in Zusammenarbeit mit General Electric (GE) entwickelt hat. Um die Komplexität des Analysefeldes stärker zu berücksichtigen, wird die Matrix in neun (statt vier) Felder unterteilt. Zusätzlich stellen die beiden Ordinaten jeweils Aggregate einer durch den Anwender selbst zu bestimmenden Menge quantifizierbarer Variablen dar. So wird die Umweltordinate Marktwachstum aus der 4-Felder-Matrix durch ein Faktorenbündel mit der Bezeichnung Marktattraktivität ersetzt. Die Marktattraktivität setzt sich
4.5 Beratungstechnologien zur Problemlösung
477
aus Faktoren wie Marktwachstum, Marktprofitabilität, Marktvolumen, Preisniveau oder Wettbewerbsintensität zusammen. Die Unternehmensordinate relativer Marktanteil aus der 4-Felder-Matrix wird durch das Faktorenbündel Wettbewerbsstärke ersetzt. Hierzu zählen Faktoren wie Marktanteil, Marktanteilswachstum, Kosten- bzw. Preisposition, Profitabilität oder Kapazitäten. Das grundsätzliche Problem besteht hierbei allerdings in der Erfassung und vor allem Gewichtung der Faktoren [vgl. Müller-Stewens/Lechner 2001, S. 229 f.]. Unter der Voraussetzung, dass die angesprochenen Faktoren für jede Geschäftseinheit tatsächlich vorliegen, können mit der 9-Felder-Matrix Normstrategien weitaus differenzierter durchgeführt werden. Dazu hat McKinsey die 9-Felder-Matrix in zwei grundlegende Zonen aufgeteilt (siehe Abbildung 4-48). Die Zone rechts oberhalb der Matrix-Diagonalen legt Wachstumsbzw. Investitionsstrategien (Zone der Mittelbindung) und die Zone links unterhalb der MatrixDiagonalen legt Abschöpfungs- bzw. Desinvestitionsstrategien (Zone der Mittelfreisetzung) nahe [vgl. Becker 2019, S. 432 f.].
Kriterien für Marktattraktivität
Investitions- oder Wachstumsstrategie
Selektives Vorgehen
Selektives Wachstum
Investition und Wachstum
Selektiver Ausbau
Ausbau mit Investitionen
Position verteidigen
Zone der Mittelbindung mittel
Marktanteil Marktanteilswachstum Kostenposition Profitabilität Kapazitäten
Marktattraktivität
Kriterien für Wettbewerbsstärke • • • • •
hoch
Marktwachstum Marktprofitabilität Marktvolumen Preisniveau Wettbewerbsintensität
Ernten
Selektives Vorgehen
Selektives Wachstum
Nischen suchen Rückzug erwägen
Wachstumsbereiche identifizieren
Stark investieren Position halten
Zone der Mittelfreisetzung gering
• • • • •
Ernten
Ernten
Desinvestition Rückzug planen
Investitionen minimieren
Selektive Strategie Abschöpfungs- oder Desinvestitionsstrategie
gering
mittel
Selektives Vorgehen Verteidigen und Schwerpunkt verlagern hoch
Wettbewerbsstärke
© Dialog.Lippold
Abb. 4-48:
Normstrategien der 9-Felder-Matrix von McKinsey
Neben den allgemeinen Kritikpunkten gegenüber Portfolio-Analysen und gegenüber Normstrategien ist es vor allem die Kritik an der Komplexität der Analyse und der vorgelagerten Datenbeschaffung, die gegenüber der McKinsey-Matrix vorgebracht werden. Vor allem die Gewichtung der einzelnen Faktoren, aus denen sich die Marktattraktivität und die Wettbewerbsstärke zusammensetzt, ist immer wieder kritisiert worden. Andererseits ist ein Gewichtungsprozess unvermeidbar, wenn der Einschätzung einer strategischen Geschäftseinheit mehrere Bewertungsfaktoren zugrunde gelegt werden sollen [vgl. Fink 2009, S. 221]. 4.5.3.3 ADL-Matrix (20-Felder-Matrix)
Ein weiterer Portfolio-Ansatz ist die Marktlebenszyklus-Wettbewerbsposition-Matrix, die in den 1970er Jahren von der Managementberatung Arthur D. Little entwickelt wurde. Der Ansatz greift die Grundidee der BCG- und der McKinsey-Matrix auf, indem zur Einschätzung von
478
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
strategischen Geschäftseinheiten einerseits die unternehmensexternen, nicht beeinflussbaren Kräfte der Unternehmensumwelt (Marktattraktivität) und andererseits die spezifischen Stärken eines Unternehmens (Wettbewerbsstärke) berücksichtigt werden. Im Gegensatz zur BCG-Matrix werden zur Bestimmung der Wettbewerbsstärke nicht ein quantitatives Kriterium wie der relative Marktanteil, sondern – vergleichbar mit dem McKinsey-Ansatz – mehrere Ausprägungen der Wettbewerbsposition herangezogen. Dabei werden die fünf Stufen „dominant“, „stark“, „günstig“, „haltbar“ und „schwach“ unterschieden. Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass die Marktattraktivität nicht durch das Kriterium „Marktwachstum“ abgebildet wird, sondern unmittelbar durch die Lebenszyklusphase, in der sich die Geschäftseinheit befindet. Bei fünf Wettbewerbspositionen und vier Phasen des Marktlebenszyklus (Einführung, Wachstum, Reife, Rückgang) ergeben sich insgesamt 20 Matrixfelder. Den Matrixfeldern werden sodann die in Abbildung 4-49 dargestellten 20 Normstrategien zugeordnet. Die Liste dieser Strategieempfehlungen ähnelt durchaus den Normstrategien der BCG- und der McKinsey-Matrix, wobei die ADL-Matrix die Umweltkonstellationen in Form der Lebenszyklusphasen stärker ausdifferenziert.
Wettbewerbsposition
Lebenszyklusphase Einführung
Wachstum
Reife
Rückgang
Dominant
Marktanteil hinzugewinnen oder mindestens halten
Position halten, Marktanteil halten
Position halten, mit der Branche wachsen
Position halten
Stark
Investieren, um Position zu verbessern; Marktanteilsgewinnung (intensiv)
Investieren, um Position zu verbessern; selektive Marktanteilsgewinnung
Position halten, mit der Branche wachsen
Position halten oder ernten
Günstig
Selektive oder volle Marktanteilsgewinnung; selektive Verbesserung der Wettbewerbsposition
Versuchsweise Position verbessern; selektive Marktanteilsgewinnung
Minimale Investition zur Instandhaltung; Aufsuchen einer Nische
Ernten oder stufenweise Reduzierung des Engagements
Haltbar
Selektive Verbesserung der Wettbewerbsposition
Aufsuchen und Erhalten einer Nische
Aufsuchen einer Nische oder stufenweise Reduzierung des Engagements
Stufenweise Reduzierung des Engagements oder Liquidierung
Schwach
Starke Verbesserung oder Rückzug
Starke Verbesserung oder Liquidierung
Stufenweise Reduzierung des Engagements
Liquidierung
[Quelle: Bea/Haas 2005, S. 156 unter Bezugnahme auf Dunst 1983, S. 59]
Abb. 4-49:
Normstrategien der 20-Felder-Matrix von Arthur D. Little
Die Berater von Arthur D. Little nutzen die Marktlebenszyklus-Wettbewerbsposition-Matrix aber nicht nur zur Ableitung von Normstrategien, sondern auch zur Leistungsanalyse, d. h. zur Überwachung der Implementierung. Das zu diesem Zweck von ADL zusätzlich entwickelte Instrument, der sogenannte Ronagraph (abgeleitet von RONA = Return on Net Assets), bildet auf der Ordinate den RONA (also die Nettokapitalrendite) einer Geschäftseinheit und auf der
4.5 Beratungstechnologien zur Problemlösung
479
Abszisse den Anteil der von einer Geschäftseinheit erwirtschafteten und von ihr selbst weiterverwendeten finanziellen Mittel ab (siehe Abbildung 4-50). Bei einem Wert von 100 Prozent werden sämtliche Mittel in die betreffende Geschäftseinheit reinvestiert. Ist der Wert über 100 Prozent, wird die Geschäftseinheit zu einem Mittelverbraucher, bei einem Wert unter 100 Prozent zu einem Mittelfreisetzer. Ein negativer Wert bedeutet, dass eine Veräußerungs- oder Liquiditätsstrategie verfolgt wird. Entsprechend können im Ronagraph eine Subventionierungs-, eine Beitrags- und eine Liquidierungszone unterschieden werden [vgl. Fink 2009, S. 230 f.].
Nettokapitalrendite (RONA) Reife
Geschäftseinheit B
Wachstum Geschäftseinheit A
Entstehung
CashflowVerwendung
Rückgang
Geschäftseinheit C
Subventionszone
300%
200%
Beitragszone
100%
Liquidierungszone
0%
[Quelle: Fink 2009, S. 231 unter Bezugnahme auf Hax/Majluf 1991]
Abb. 4-50:
Der Ronagraph
Die am Portfolio-Ansatz von Arthur D. Little geübte Kritik richtet sich neben der „Gesetzeshypothese“ eines idealtypischen Lebenszyklusverlaufs vor allem auf die generellen Schwierigkeiten einer Orientierung an Normstrategien, insbesondere weil hier die Vielzahl der Handlungsempfehlungen die Gefahr einer allzu mechanischen Ableitung strategischer Vorgehensweisen in sich bergen. Hinzu kommt, dass einige Strategietypen nicht überschneidungsfrei und präzise formuliert sind [vgl. Fink 2009, S. 231 f.]. Fazit: Portfolio-Matrizen wurden maßgeblich von Unternehmensberatungen entwickelt und zählen zu den bekanntesten Instrumenten der Strategielehre. So ist es auch nicht verwunderlich, dass die Portfolio-Analyse auch heute noch mit der Managementberatung assoziiert wird. Zweifelsohne hat die Portfolio-Analyse Beiträge von bleibendem Wert für die unternehmerische Praxis geliefert. Gleichwohl birgt ihre Anwendung aber auch Gefahren, die sich insbesondere aus Fehlinterpretationen, Simplifizierung oder durch Lücken im verfügbaren Datenmaterial ergeben können [vgl. Scherr et al. 2012, S. 86].
480
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
4.5.4 Tools zur Formulierung der strategischen Stoßrichtungen Strategien werden bewusst gestaltet und sind somit geplant. Der Prozess der Strategieformulierung ist vernunftgeleitet. Strategien sind der Weg, der zum Ziel führen soll. Sie werden aus den Unternehmenszielen abgeleitet und bilden das Fundament für die Maßnahmenrealisierung. Da sich die Beschäftigung mit Unternehmensstrategien in erster Linie auf den Typ der modernen diversifizierten Großunternehmen (Konzerne) bezieht, hat sich folgende Unterscheidung eingebürgert [vgl. Macharzina/Wolf 2010, S. 256 und 265 ff. unter Bezugnahme auf Hofer/Schendel 1978, S. 18 f.]: Gesamtunternehmensstrategien (engl. Corporate Strategies) Geschäftsbereichsstrategien (engl. Corporate Unit Strategies) Funktionsbereichsstrategien (engl. Functional Area Strategies). Diese Gliederung soll hier allerdings nicht weiterverfolgt werden, weil eine Abgrenzung zwischen Unternehmen und Geschäftsbereich im Hinblick auf einzuschlagende strategische Stoßrichtungen nicht zielführend erscheint. Das wird besonders daran deutlich, dass Wettbewerbsstrategien, die ja eine wesentliche inhaltliche Ausrichtung der Geschäftsbereichsstrategien sind, genauso gut von Unternehmen, die über keine Geschäftsbereiche verfügen, verfolgt werden können. Stattdessen werden hier folgende Strategien, die zum Rüstzeug eines jeden Beraters zählen, kurz behandelt: Wachstumsstrategien Strategien in schrumpfenden Märkten Wettbewerbsstrategien Markteintrittsstrategien.
4.5.4.1 Wachstumsstrategien
Um die groben Ausrichtungsdimensionen der Produkte bzw. strategischen Geschäftseinheiten eines Unternehmens zu bestimmen, kann die sog. Produkt-Markt-Matrix von Ansoff herangezogen werden. Die danach generell möglichen strategischen Stoßrichtungen (Ansoff [1966, S. 132] spricht von Wachstumsvektoren) lassen sich durch vier Produkt/Markt-Kombinationen (Marktfelder) beschreiben (siehe Abbildung 4-51). Die finale strategische Stoßrichtung für jedes Produkt/jede Dienstleistung bzw. jede Geschäftseinheit wird auch als Marktfeldstrategie bezeichnet [vgl. Becker 2019, S. 148 ff.]. Diese bietet vier Optionen an: Marktdurchdringungsstrategie (gegenwärtiges Produkt/gegenwärtige Dienstleistung im gegenwärtigen Markt) Marktentwicklungsstrategie (gegenwärtiges Produkt/gegenwärtige Dienstleistung in einem neuen Markt)
4.5 Beratungstechnologien zur Problemlösung
481
Produktentwicklungsstrategie (neues Produkt/neue Dienstleistung im gegenwärtigen Markt) Diversifikationsstrategie (neues Produkt/neue Dienstleistung in einem neuen Markt). Um die prinzipielle Entscheidung, welches oder welche Marktfelder auszuwählen sind, kommt kein Unternehmen herum. Typisch für die Produkt-Markt-Entscheidung ist, dass einzelne, aber auch mehrere Marktfelder besetzt werden können. Dies kann gleichzeitig geschehen, oder aber in einer bestimmten Abfolge [vgl. Becker 2019, S. 148].
Produktentwicklung
Diversifikation
Marktdurchdringung
Marktentwicklung
Produktstrategie
Neues Produkt
Gegenwärtiges Produkt
Gegenwärtiger Markt
Neuer Markt
Marktstrategie © Dialog.Lippold
Abb. 4-51:
Produkt-Markt-Matrix nach Ansoff
Marktdurchdringungsstrategie. Das Strategiefeld der Marktdurchdringung wird auch als die „marketingstrategische Urzelle eines Unternehmens“ [Becker 2019, S. 148] bezeichnet, weil es die nahe liegende Strategierichtung des Unternehmens ist. Ansatzpunkte für die Ausschöpfung des gegenwärtigen Marktes mit den gegenwärtigen Produkten sind [vgl. Kotler et al. 2007, S. 106]: Erhöhung der gegenwärtigen Produktnutzungsrate bei bestehenden Kunden, z. B. durch Verbesserung des Produkts (Produktmodifikationen), Beschleunigung des Ersatzbedarfs durch künstliche Veralterung (engl. Planned Obsolescence) oder Vergrößerung der Verkaufseinheit (Familienflasche bei alkoholfreien Getränken) Kunden vom Wettbewerb gewinnen, z. B. durch wettbewerbsorientierte Preisstellung (entsprechende Preissenkung oder -anhebung) Akquisition von Neukunden, z. B. durch die Wahl neuer Vertriebswege (z. B. OnlineVertrieb), Schaffung eines Einstiegsprodukts oder aktivierender Probiergelegenheiten bei Nahrungsmitteln.
482
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
Die Beispiele der strategischen Ansatzpunkte machen deutlich, dass Unternehmen latente Potenziale für bestehende Produkte/Leistungen in bestehenden Märkten auf drei verschiedenen Basiswegen ausschöpfen können [vgl. Becker 2019, S. 148]:
Intensivierung der Produktnutzung Abwerben von Kunden des Wettbewerbs Gewinnung von Neukunden.
In Abbildung 4-52 sind die wichtigsten Anknüpfungspunkte für eine Marktdurchdringungsstrategie zusammengefasst.
Ansatzpunkte
• Absatz bei vorhandenen Kunden steigern • Nicht-Kunden aktivieren • Kunden vom Wettbewerb gewinnen
Maßnahmen
• • • •
Beispiele
• Twix – „Raider heißt jetzt Twix, … sonst ändert sich nix“ • Coca Cola - Familienflasche • Produktmodifikationen im Automobilbereich
Marktdurchdringung
Neue Produktvarianten/Modifikationen Werbung intensivieren Neue/zusätzliche Vertriebswege (z. B. Internet) Aggressive Preispolitik
[Quelle: Lippold 2015a, S. 184]
Abb. 4-52:
Grundlagen der Marktdurchdringungsstrategie
Marktentwicklungsstrategie. Diese strategische Stoßrichtung zielt darauf ab, ein bestehendes Produkt künftig auch in anderen, bislang nicht genutzten Märkten bzw. Marktsegmenten zu etablieren. Anknüpfungspunkte für Markterweiterungen sind [vgl. Meffert et al. 2008, S. 262]: Gebietserweiterungen, d.h. räumliche Ausdehnung auf Märkte, die bislang noch nicht bearbeitet wurden (z. B. Softwarehäuser, die ihre Produkte jetzt auch europaweit anbieten) Gewinnung neuer Marktsegmente durch speziell auf bestimmte neue Zielgruppen abgestimmte Produktvarianten (z. B. SAP-Software für den Mittelstand). Abbildung 4-53 liefert einen Überblick über wichtige Anknüpfungspunkte bei der Marktentwicklungsstrategie.
4.5 Beratungstechnologien zur Problemlösung
Ansatzpunkte
• Neue Kunden außerhalb bisheriger Märkte erreichen • Neue Anwendungen und damit neue Märkte für die eigene Technologie entwickeln
Maßnahmen
• Gebietserweiterung (national → international) • Neue Marktsegmente (funktional und kundenspezifisch)
Beispiele
• SAP für den Mittelstand • Lady-Protector von Wilkinson für die Nassrasur bei Frauen • Markenverjüngung (Jägermeister)
Marktentwicklung
483
[Quelle: Lippold 2015a, S. 186]
Abb. 4-53:
Grundlagen der Marktentwicklungsstrategie
Produktentwicklungsstrategie. Die Strategie der Produktentwicklung ist Folge einer systematischen Innovationspolitik, die durch die verschärften Wettbewerbsbedingungen geradezu erzwungen wird. Als Ansatzpunkte bieten sich an [vgl. Becker 2019, S. 156 f.]: Schaffung von Innovationen im Sinne echter Marktneuheiten, d. h. originäre Produkte, die es ursprünglich überhaupt nicht gab Quasi-neue Produkte, d. h. neuartige Produkte, die an bestehende Produkte/Produktleistungen anknüpfen Me-too-Produkte, d. h. Nachahmungsprodukte, die sich vom Original zumeist nur im Äußeren oder ggf. im Preis unterscheiden (z. B. Zweitmarken von Konsumgüterherstellern). Abbildung 4-54 zeigt wichtige Ansatzpunkte für die Produktentwicklungsstrategie.
Produktent-
Ansatzpunkte
wicklung
Maßnahmen
Beispiele
• Erweitern des Funktionsumfangs • Verbessern der technischen Leistungsfähigkeit • „Kosmetische“ Produktverbesserungen • Funktionale Breite und/oder Tiefe verbessern (neue Produkt-Generationen) • Aufbau von Zweitmarken
• Notebooks, Automobile, Flachbildschirme, Digitalkameras, Mobiles, … • Zweitmarkenpolitik vieler Konsumgüterhersteller (Melitta, Henkel)
[Quelle: Lippold 2015a, S. 187]
Abb. 4-54:
Grundlagen der Produktentwicklungsstrategie
Diversifikationsstrategie. Für die strategische Stoßrichtung Diversifikation, die das Angebot neuer Produkte auf bisher vom Unternehmen nicht bearbeiteten Märkten bezeichnet, können wiederum drei Stoßrichtungen unterschieden werden [vgl. Meffert et al. 2008, S. 262 f.]:
484
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
Horizontale Diversifikation, d. h. die Erweiterung des bestehenden Produktprogramms auf verwandte Branchen der gleichen Wirtschaftsstufe (z. B. Programmerweiterung eines PKW-Herstellers durch leichte LKWs, Hersteller von Schokoladentafeln erweitert sein Angebot durch Schokoladenaufstrich) Vertikale Diversifikation, d. h. die Ausweitung des bisherigen Produktprogramms durch Zukauf von Betrieben vor- oder nachgelagerter Wirtschaftsstufen (Unternehmensberater steigen ins Outsourcing-Geschäft ein) Laterale Diversifikation, d. h. Vorstoß in völlig neue Produkt- und Marktgebiete, wobei die neuen Produkte in keinem sachlichen Zusammenhang zum bisherigen Produktangebot stehen (Zigarettenhersteller engagiert sich im Buchmarkt). Gelegentlich wird diese Strategie auch als konglomerate Diversifikation bezeichnet. Die Abgrenzung dieser drei Arten der Diversifikation ist nicht immer eindeutig. Auch besteht keine Einigkeit darüber, wie wenig verwandt oder wie weit entfernt ein neues Produkt – bezogen auf das bisherige Programm – sein muss, um überhaupt von einer echten Diversifikation sprechen zu können [vgl. Becker 1993, S. 140]. Abbildung 4-55 gibt einen Überblick über die Stoßrichtungen der Diversifikationsstrategie.
Diversifikation
Horizontal
• Ausdehnung der Geschäftstätigkeit auf verwandte Branchen (Beispiel: Hersteller von Schokoladentafeln produziert jetzt auch Schokoladenaufstrich)
Vertikal
• Wachstum in vor- oder nachgelagerte Wirtschaftsstufen des eigenen Geschäfts (Beispiel: Unternehmensberatungen steigen ins OutsourcingGeschäft ein)
Lateral
• Sprung in ein (für das Unternehmen) völlig neues Gebiet (Beispiele: Tabakkonzerne treten in neue Märkte ein; Tchibo – jede Woche eine neue Welt)
[Quelle: Lippold 2015a, S. 188]
Abb. 4-55:
Stoßrichtungen der Diversifikationsstrategie
Es soll in diesem Zusammenhang erwähnt werden, dass Private-Equity-Unternehmen – häufig auch als Finanzinvestoren bezeichnet – mit ihren Portfolio-Unternehmen ebenfalls als diversifizierte Unternehmen interpretiert werden können. Bekannte Private-Equity-Gesellschaften sind die Blackstone Group, die Carlyle Group, Kohlberg, Kravis, Roberts & Co. (KKR) oder Apollo Management. Diese Gesellschaften halten Unternehmen wie Dunkin‘ Donuts, A.T.U. (Auto-Teile-Unger), Norwegian Cruise Line oder Hilton Hotels in ihren Portfolios. Allerdings besteht von vornherein die Absicht, die gekauften Unternehmen nach einiger Zeit möglichst gewinnbringend wieder zu veräußern [vgl. Hungenberg/Wulf 2011, S. 140].
4.5 Beratungstechnologien zur Problemlösung
485
4.5.4.2 Strategien in schrumpfenden Märkten
Während den Wachstumsstrategien seit jeher eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird, hat sich die betriebswirtschaftliche Literatur bislang nur wenig mit der Stagnation oder Schrumpfung von Märkten befasst. Doch genauso wie das Wachstum verlangt auch die Schrumpfung von Märkten, die in demografischen und technologischen Entwicklungen, im Wertewandel oder in veränderten staatlichen Rahmenbedingungen begründet sein können, ein strategisches und rational gestaltetes Vorgehen. Als Grundlage der Formulierung von Schrumpfungsstrategien sollten die Umwelt- und Unternehmensfaktoren analysiert und prognostiziert werden, die sich auf die Vorteilhaftigkeit der möglichen Schrumpfungsstrategien auswirken. In Bezug auf die externen Unternehmensdaten sollten diese oder ähnliche Fragen beantwortet werden (vgl. Welge/Al-Laham 1992, S. 344):
Lassen die Ursachen des Nachfragerückgangs (z.B. Marktsättigung, demografische Entwicklungen, technologische Verbesserungen oder Innovationen, Wertewandel oder Veränderungen rechtlich-politischer Bedingungen wie Subventionen, Gesetzgebung) Rückschlüsse auf mögliche Trendwenden oder verbleibende Marktpotenziale zu?
Bestimmt die Geschwindigkeit und der Verlauf des Schrumpfungsprozesses sowie die daraus resultierende 'Restnachfrage' die Gewinnpotenziale der Branche und die Marktaustritte?
Inwieweit bedingt die Differenzierbarkeit des Produktes, ob Nachfragenischen (über markentreue Käufer) aufgebaut werden können?
Beeinflusst die Nachfragemacht des Handels die eigene Position bei Preisverhandlungen?
Als unternehmensinterne Größen sind die Differenzierbarkeit des Produktes, die Wettbewerbsposition des Unternehmens, die Güte der Wahrnehmung des Schrumpfungsprozesses sowie die Austrittsbarrieren relevant. Besonders die Austrittsbarrieren eines Marktes bestimmen in hohem Maße die Möglichkeiten eines Ausstiegs in stagnierenden oder schrumpfenden Märkten. Dabei können im Wesentlichen folgende Barrieren unterschieden werden [vgl. Becker 1993, S. 140]:
Vorhandene Betriebsmittel mit hoher Spezifität (z. B. Spezialanlagen mit Aussicht auf nur geringe Liquidationserlöse, weil der Interessentenkreis zu klein ist)
Hohe Austrittskosten (z. B. wegen Konventionalstrafen aufgrund langfristiger Verträge, Sozialplan oder zu hoher Garantieleistungen auf Produkte)
Negative Verbundwirkung auf andere Geschäftsbereiche
Emotionale Barrieren (Weigerung zum Eingeständnis des Misserfolgs, persönliche Identifikation des Managements oder der Anteilseigner mit aufzugebendem Bereich).
Die genannten Austrittsbarrieren können hoch oder niedrig sein. Dabei ergeben sich auch Beziehungen zu den (ursprünglichen) Eintrittsbarrieren (siehe Abbildung 4-56).
486
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
Business mit dauerhaft niedriger Rentabilität
hoch
Risikoreiches Business
– chronisches Überangebot
– rentabel, wenn keine Überkapazitäten bestehen
„Mausefalle“
„Goldener Käfig“
Bsp.: Fluglinien
Bsp.: Automobilbranche
Business mit hohem Wettbewerb
Dauerhaft rentables Business
Austrittsbarrieren
niedrig
– marginale Rentabilität
„Flohmarkt“
„Goldgrube“
Bsp.: Sprachakademien
Bsp.: Strategieberatung
[Quelle: in Anlehnung an Becker 1993, S. 568]
Abb. 4-56:
niedrig
Eintrittsbarrieren
hoch
Konstellationen von Marktbarrieren
Die Ausstiegsmöglichkeiten aus einem Markt hängen somit auch von den Ursprungsbedingungen ab. Je niedriger die Eintrittsbarrieren in einem Markt ursprünglich waren, desto mehr Anbieter gehörten in der Regel später diesem Markt an und umso schwieriger ist die Realisierung einer mehr „passiven Strategie des Überlebenden“, weil zu viele andere Wettbewerber den Markt erst verlassen müssen, ehe er wirksam zu Gunsten des eigenen Verbleibens entlastet wird [vgl. Becker 2019, S, 752]. Grundsätzlich bestehen in schrumpfenden bzw. stagnierenden Märkten die Möglichkeiten zur Umsetzung einer Stabilisierungsstrategie oder einer Schrumpfungsstrategie (Desinvestitionsstrategie). Während sich bei der Stabilisierungsstrategie die Optionen einer Haltestrategie oder einer Konsolidierungsstrategie ergeben, besteht bei der Schrumpfungsstrategie die Möglichkeit der Veräußerung oder der Liquidation. Abbildung 4-57 gibt einen Überblick über die genannten strategischen Stoßrichtungen. Strategien in schrumpfenden Märkten
Desinvestitionsstrategie
Stabilisierungsstrategie
Haltestrategie
(Schrumpfungsstrategie)
Konsolidierungsstrategie
Verkauf © Dialog.Lippold
Abb. 4-57:
(Sell-off)
Strategien in schrumpfenden Märkten
Veräußerung
Liquidation
Verselbständigung
Management Buy-out
(Spin-off)
4.5 Beratungstechnologien zur Problemlösung
487
Stabilisierungsstrategie. Die Strategie ist dadurch charakterisiert, dass weder eine Ausweitung noch einer Schrumpfung des Produkt-/Leistungsprogramms erfolgt. Stabilisierungsstrategien umfassen zwei Ausprägungen [vgl. Welge/Al-Laham 1992, S. 292 f.]: Bei Halte- oder Normalstrategien wird der gegenwärtige Zustand beibehalten und auf die Verfolgung weiterer Strategien verzichtet. Konsolidierungsstrategien zielen dagegen auf die Effizienz der Aktivitäten und damit auf eine Verbesserung der Ertragssituation. Konsolidierungsstrategien stellen somit Rationalisierungsbemühungen in den Vordergrund. Sie verzichten bewusst auf Wachstum. Daher werden solche Strategien häufig nach Phasen der Prosperität eingeschlagen. Folgende Maßnahmenbündel sind denkbar:
Abbau von Überkapazitäten Kostensenkungsmaßnahmen, z.B. durch Reduktion von Lägern und Lagerbeständen Unterlassung von Neuinvestitionen Verbesserung der Organisationsstruktur und der Prozessabläufe Reduktion von Produktvarianten Einschränkung von Serviceleistungen.
Desinvestitionsstrategien. Bei diesen Strategien erfolgt eine Reduzierung des Produkt- und Leistungsprogramms. Überlegungen zur Desinvestition sind insbesondere dann anzustellen, wenn die Nachfrage auf dem Absatzmarkt abnimmt und damit eine externe Schrumpfung vorliegt. Mit dem Aufkommen des Shareholder Value und der Beschränkung auf Kernkompetenzen kann es allerdings auch bei anderen Marktkonstellationen sinnvoll sein, eine interne Schrumpfung, z.B. durch Konzentration auf Kernkompetenzen und Verringerung der Fertigungstiefe, vorzunehmen. Bei der externen Schrumpfung kommt es häufig zu einem intensiven Preiswettbewerb und wachsendem Preisbewusstsein der Kunden. Sinkende Auftragseingänge und mangelnde Kapazitätsauslastungen sowie Ertragsprobleme sind die Folge. In derartigen Situationen stehen dem betroffenen Unternehmen folgende Desinvestitionsformen zur Verfügung [vgl. Bea/ Haas 2005, S. 182 ff.]:
Veräußerung des Desinvestitionsobjektes Liquidation, d. h. Aufgabe des Desinvestitionsobjektes.
Bei der Veräußerung des Desinvestitionsobjektes (Unternehmen, Geschäftsbereich, Produktgruppe, Produkt) bieten sich wiederum drei Möglichkeiten an: Sell-off, d. h. ein Unternehmensteil wird an ein anderes Unternehmen verkauft. Spin-off, d. h. ein Unternehmensteil wird aus dem Unternehmensverbund herausgelöst und rechtlich verselbständigt. Management Buy-out, d. h. das bisherige Management des Unternehmens übernimmt das Unternehmen oder einen Unternehmensteil.
488
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
Im Gegensatz zur Veräußerung des Desinvestitionsobjektes, bei der der betreffende Unternehmensteil erhalten bleibt, handelt es sich bei der Liquidation um die vollständige Aufgabe bzw. Stilllegung dieser Geschäftstätigkeit.
4.5.4.3 Wettbewerbsstrategien
Der Produkt- bzw. Leistungsvorteil auf der einen und der Preisvorteil auf der anderen Seite bilden die beiden grundsätzlichen Alternativen zur Beeinflussung des Abnehmerverhaltens und damit zur Erzielung eines Wettbewerbsvorteils. Demzufolge können die Unternehmen zwischen zwei grundlegenden Wettbewerbshebeln bzw. Mechanismen der Marktbeeinflussung wählen [vgl. Becker 2019, S. 180]: Qualitätswettbewerb (engl. Non-Price Competition) Preiswettbewerb (engl. Price Competition). Das Denken in Wettbewerbsvorteilen ist die zentrale Idee der beiden grundlegenden Strategiemuster: Präferenzstrategie Preis-Mengen-Strategie. Beide strategischen Beeinflussungsformen von Märkten bezeichnet Jochen Becker als Marktstimulierungsstrategien. Die Präferenzstrategie verfolgt das Ziel, durch den Einsatz von nichtpreislichen Wettbewerbsmitteln eine bevorzugte Stellung bei den Abnehmern zu erzeugen. Die Preis-Mengen-Strategie dagegen konzentriert alle Marketingaktivitäten auf preispolitische Maßnahmen [vgl. Becker 2019, S. 180]. In der Strategiesystematik von Michael E. Porter [1995, S. 63 ff.] werden die beiden Alternativen als
Qualitätsführerschaft (Differenzierungsstrategie) und Kostenführerschaft (aggressive Preisstrategie)
bezeichnet. Sie bilden die Eckpfeiler der Porterschen Wettbewerbsstrategien und entsprechen damit im Prinzip den Marktstimulierungsstrategien. Wenn es auch im Detail Unterschiede zwischen beiden Strategiesystematiken geben mag [zur Diskussion über diese Unterschiede siehe insbesondere Becker 2009, S. 180 und Meffert et al. 2008, S. 299], so gehen doch beide Ansätze von zwei identischen Wettbewerbsvorteilen aus: dem Produkt- bzw. Leistungsvorteil einerseits und dem Preisvorteil andererseits. Diese Wettbewerbsvorteile nehmen Kunden entweder in Form von Leistungsunterschieden, d. h. bessere Leistung bei gleichem Preis, oder in Form von Preisunterschieden, d. h. niedrigerer Preis bei gleicher Leistung, wahr. Daher sind auch in Abbildung 4-58 beide Ansätze zu einer Grafik zusammengefasst. Auf der Seite des Qualitätswettbewerbs ist die Alleinstellung (engl. Unique Selling Proposition = USP) eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Präferenzstrategie bzw. Quali-
4.5 Beratungstechnologien zur Problemlösung
489
tätsführerschaft, denn besonders die Einzigartigkeit der Leistung begründet aus Sicht des Kunden einen Wettbewerbsvorteil. Quellen der Alleinstellung können unterschiedliche Faktoren sein:
Objektiv beurteilbare Faktoren wie spezielle Funktionalitäten oder Ausstattungen eines Produktes oder ein flächendeckendes Händler- und Servicenetz;
Subjektiv empfundene Faktoren wie die Aktualität der Markenführung oder ein exklusiver Ruf (Image). Qualitätswettbewerb
Preiswettbewerb
Strategiebezeichnung nach BECKER
Präferenzstrategie
Preis-Mengen-Strategie
Marktstimulierungsstrategien
Strategiebezeichnung nach PORTER
Qualitätsführerschaft (Differenzierungsstrategie)
Kostenführerschaft (aggressive Preisstrategie)
Wettbewerbsstrategien
Wettbewerbsvorteil
Produkt- bzw. Leistungsvorteil
Preisvorteil
Ziel
Gewinn vor Umsatz/Marktanteil
Umsatz/Marktanteil vor Gewinn
Charakteristik
• Hochpreiskonzept über den Aufbau von Präferenzen durch Image, Design, Qualität, Service etc. • Erarbeitung eines „monopolistischen Bereichs“ • Kundenfindung/-bindung durch klares Markenimage
• Niedrigpreiskonzept durch Verzicht auf Aufbau echter Präferenzen, dafür Preisvorteil • Kundenfindung/-bindung allein über aggressive Preispolitik • Kostenvorsprung u.a. durch Skaleneffekte, Verbundeffekte, Erfahrungskurveneffekte
Hauptzielgruppe
Markenkäufer
Preiskäufer
Wirkungsweise
„Langsam-Strategie“ – Aufbau einer Markenpräferenz ist langwierig
„Schnell-Strategie“ – angestrebtes Preisimage kann relativ schnell geschaffen werden
Dominanter Bereich
Marketingbereich
Produktionsbereich
[Quelle: Becker 2009, S. 231 f.]
Abb. 4-58:
Unterschiede zwischen Qualitäts- und Preiswettbewerb
Unternehmen, die eine Preis-Mengen-Strategie und damit die Kostenführerschaft verfolgen, verfügen über Produkte, die sie günstiger anbieten, obwohl sich diese materiell kaum von den Wettbewerbsprodukten unterscheiden. Um diesen Preisvorteil auch dauerhaft im Markt halten zu können, muss das Unternehmen zugleich auch Kostenführer sein. Beim Preiswettbewerb steht also die Realisierung eines Kostenvorsprungs (Erfahrungskosten-, Skalen- und Verbundeffekte) im Vordergrund einer erfolgreichen Preis-Mengen-Strategie. Porter betont in diesem Zusammenhang, dass Unternehmen sich eindeutig für eine der beiden Optionen entscheiden müssen, da sonst die Gefahr eines „Stuck in the Middle“, also einer Zwischenposition ohne klare Wettbewerbsvorteile, drohe [vgl. Porter 1986, S. 38 f.]. Abbildung 4-59 verdeutlicht diesen Zusammenhang. Allerdings stellt sich die Frage, ob eine einmalige Entscheidung zwischen Kostenführerschaft und Qualitätsführerschaft (Differenzie-
490
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
rung) ausreicht, um den langfristigen Erfolg zu sichern. Ist es nicht vielmehr naheliegend, angesichts der laufenden Veränderungen im Markt- und Wettbewerbsumfeld auch eine Veränderung der strategischen Stoßrichtung bzw. eine Kombination beider Optionen vorzunehmen? Die hiermit angesprochenen hybriden Wettbewerbsstrategien verstoßen zwar auf den ersten Blick gegen die klassische Zweiteilung, wenn Unternehmen jedoch zum richtigen Zeitpunkt zwischen Kostenführerschaft und Differenzierung wechseln, können sie Wettbewerbern durchaus überlegen sein [vgl. Müller-Stewens/Lechner 2001, S. 201].
Rentabilität
Qualitätsführerschaft
Kostenführerschaft
“zwischen den Stühlen”
Leistungsvorteile
Kostenvorteile
[Quelle: Porter 1995]
Abb. 4-59:
Die „Stuck-in-the-Middle“-Position
Mit jeder Wettbewerbsstrategie ist auch die Entscheidung über die Breite der Marktbearbeitung verbunden, da bei weitem nicht alle Unternehmen in der Lage sind, eine Abdeckung des Gesamtmarktes vorzunehmen. Somit stellt sich in einer zweiten Dimension die Frage nach der Fokussierung auf bestimmte Kundengruppen oder auf abgegrenzte Regionen. Solche Fokusoder Nischenstrategien sind damit – neben der Differenzierung und Kostenführerschaft – der dritte generische Strategietyp nach Porter. Wesentlicher Vorteil dieser Konzentration ist, dass sich der Produzent voll und ganz auf die speziellen Anforderungen der Kunden im speziellen Marktsegment ausrichten kann. Besonders kleine und mittlere Anbieter fokussieren sich auf einzelne Segmente, während größere Wettbewerber zumeist versuchen, den Markt breit anzugehen. Auch bei der Nischenstrategie stehen den Anbietern zwei Optionen zur Verfügung,
der Differenzierungs- und der Kostenfokus (siehe Abbildung 4-60).
4.5 Beratungstechnologien zur Problemlösung
491
Kostenvorteile
Leistungsvorteile Gesamtmarktabdeckung
Qualitätsführerschaft
Kostenführerschaft
Differenzierungsstrategie
Aggressive Preisstrategie
Nischenstrategie
Teilmarktabdeckung (Nische)
Selektive Qualitätsführerschaft
Selektive Kostenführerschaft
(Qualität – Nische)
(Preis – Nische)
Differenzierungsfokus
Kostenfokus
[Quelle: Porter 1995]
Abb. 4-60:
Wettbewerbsstrategien nach Porter
Der Differenzierungsfokus empfiehlt sich dann, wenn ein Unternehmen ein spezifisches Bedürfnis, das Gesamtmarktanbieter nicht gut genug befriedigen können, besser bedienen kann. Ebenso kann es sein, dass ein Unternehmen einen Kostenvorsprung gegenüber den Gesamtmarktanbietern in Form einer selektiven Kostenführerschaft zu realisieren vermag [vgl. Müller-Stewens/Lechner 2001, S. 204]. Neben der Art des Wettbewerbsvorteils (Leistungs- oder Kostenvorteil) und der Breite der Marktbearbeitung (Gesamt- oder Teilmarktabdeckung) hat noch eine dritte Dimension Bedeutung: die Art der Marktbearbeitung. Im Kern geht es dabei um die Ausgestaltung des Geschäftssystems (also der Wertschöpfungskette). In welcher Form soll das Geschäftssystem zu dem angestrebten Wettbewerbsvorteil beitragen? Versucht ein Unternehmen, seinen Wettbewerbsvorteil mit einem Geschäftssystem zu realisieren, das kaum von den Geschäftssystemen der Wettbewerber abweicht, dann spricht man vom „alten Spiel“. Ein „neues Spiel“ wird dagegen gespielt, wenn das Unternehmen sein Geschäftssystem andersartig gestaltet als dies bislang in der Branche üblich war (Beispiel: Das IKEA-Geschäftssystem in der Möbelbranche) [vgl. Hungenberg/Wulf 2011, S. 163 f.]. Stellt man nun alle Handlungsmöglichkeiten entlang der drei genannten Dimensionen dar, so erhält man das sogenannte strategische Spielbrett, das in Abbildung 4-61 dargestellt ist.
492
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
der Wettbewerbs Wo wird vorteil angestrebt?
Gesamtmarkt Teilmarkt
Wie soll der Wettbewerbsvorteil erreicht werden?
Leistungsvorteil
Preisvorteil
angestrebt? WelcherwirdWettbewerbsvorteil
Abb. 4-61:
[Quelle: Hungenberg/Wulf 2011, S. 163]
Strategisches Spielbrett
4.5.4.4 Markteintrittsstrategien
Nachdem die Fragen geklärt sind, welcher Wettbewerbsvorteil wo und in welcher Art und Weise erreicht werden soll, kann die Entwicklung und Auswahl der Markteintrittsstrategie erfolgen. Dabei sind vor allem die Entscheidungen über den Markteintrittszeitpunkt sowie über die Form des Markteintritts von strategischer Bedeutung. Strategien für den Markteintrittszeitpunkt. Die technologie-orientierten strategischen Stoßrichtungen beim Markteintritt (engl. Time-to-Market) sind die Pionierstrategie und die Nachfolgerstrategie. Letztere unterteilt sich wiederum in Strategien des frühen Nachfolgers und des späten Nachfolgers (siehe Abbildung 4-62). Die Pionierstrategie (engl. First-to-Market), bei dem das Unternehmen mit dem neuen Produkt als Erstes in den Markt eintritt, hat zunächst einmal den Vorteil einer kurzzeitigen Monopolstellung. Damit hat der Pionier – zumindest vorübergehend – die Möglichkeit, den Preis abzuschöpfen und Marktstandards zu setzen. Der Schwerpunkt dieser Strategie liegt zunächst in der Markterschließung, später in der Verteidigung der Marktposition. So kann der Pionier wirksame Markteintrittsbarrieren erzeugen und in der Regel das Produkt über einen längeren Zeitraum absetzen als die Nachfolger. Dem hohen Chancenpotenzial sind jedoch die Nachteile eines Pioniers gegenüberzustellen, die vor allem aus den hohen Kosten und dem Zeitaufwand für die Forschung und Entwicklung, den hohen Kosten der Markterschließung (von denen auch die nachfolgenden Unternehmen profitieren), dem Markt- bzw. Nachfragerisiko und dem technologischen Risiko bestehen.
4.5 Beratungstechnologien zur Problemlösung
493
Wahl des Markteintritts
Pionierstrategie
Folgerstrategie
Chancen • Möglichkeit zur Schaffung von Standards • Nutzung von preispolitischen Spielräumen • Kostenvorteile durch Vorsprung auf der Erfahrungskurve Risiken
Früher Folger Chancen
Chancen
• Erste Markterfahrungen liegen vor
• Anlehnung an bereits vorhandene Standards
• Geringeres Markteintrittsrisiko als beim Pionier • Markt ist noch nicht verteilt
• Hohe Markterschließungskosten • Ungewissheit über weitere Marktentwicklung • Gefahr von Technologiesprüngen durch Wettbewerber
Risiken • Bereits aufgebaute Markteintrittsbarrieren (durch Pionier)
• Niedrigere F&E-Aufwendungen • Kostengünstige Me-tooProduktion • Größere Sicherheit über weitere Marktentwicklung
• Zwang zu Eigenständigkeiten im Vermarktungskonzept
Risiken
• Ggf. erste Preiszugeständnisse erforderlich
• Image- und Kompetenznachteile
[Quelle: in Anlehnung an Becker 2019, S. 379 ff.]
Abb. 4-62:
Später Folger
• Bereits verteilter Markt • Gefahr von größeren Preiskämpfen
Typische Markteintrittsmuster
Der frühe Folger (engl. Second-to-Market) tritt vergleichsweise kurz nach dem Pionier in den Markt ein und kann unmittelbar an das Pionier-Konzept anknüpfen. Der frühe Folger hat durchaus gute Marktchancen, muss aber bereits mit ersten Preiszugeständnissen rechnen. Die Strategie des frühen Folgers bringt die Vorteile mit sich, ähnliche, wenn auch geringer ausgeprägte Absatz-, Kosten- und Preisvorteile wie der Pionier erreichen und langfristig einen relativ großen Marktanteil erzielen zu können. Gleichzeitig werden aber die anfangs hohen Risiken des Pioniers vermieden. Aus dem beobachtbaren Verhalten des Pioniers und der Kunden können zusätzliche Erkenntnisse für den eigenen späteren Markteintritt gewonnen werden. Das Risiko der Strategie des frühen Folgers ist darin zu sehen, dass der Pionier zunächst so hohe Eintrittsbarrieren errichtet (z.B. Patentanmeldung oder Limit-Preis-Angebote), dass ein Markteintritt unattraktiv wird. Der späte Folger (engl. Later-to-Market) verfügt entweder noch nicht über das technologische Know-how oder er scheut das hohe Markterschließungsrisiko. Dadurch riskiert er einen schärferen Preiswettbewerb und muss Image- und Kompetenznachteile in Kauf nehmen. Die Strategie hat den Vorteil, dass der späte Folger von den Entwicklungsbemühungen der Vorgänger profitieren und deren Fehler vermeiden kann. Risiken bestehen allerdings in den bis dahin aufgebauten hohen Markteintrittsbarrieren und der Schwierigkeit, noch Marktanteile zu erringen. In Abbildung 4-62 sind einige bekannte Beispiele aus der dem Bereich der Informationstechnologie und Telekommunikation (ITK-Branche) aufgeführt, in denen nicht immer die Pionierstrategie „das Rennen“ gemacht hat.
494
Insert 4-08:
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
Beispiele für Innovationsführer und Innovationsfolger in der ITK-Branche
Die Diskussion der Vor- und Nachteile verdeutlicht, dass es keine Markteintrittsstrategie gibt, die ausschließlich Vorteile mit sich bringt. Zwar sind die Erfolgsaussichten der späten Folger schon aufgrund der hohen Markteintrittsbarriere insgesamt als geringer einzustufen, dennoch können auch sie von den technologie- bzw. marketing-konzeptionellen Fehlern des Pioniers bzw. frühen Folgers profitieren. Die Wahl der richtigen Markteintrittsstrategie hängt von verschiedenen Faktoren ab und ist in hohem Maße situationsabhängig. Risikofreudige Unternehmen mit ehrgeizigen Wachstumszielen werden eher Pionierkonzepte verfolgen. In der Konsumgüterbranche, deren Forschungsund Entwicklungsaufwand im Schnitt deutlich geringer ist als bei Industriegütern, haben Folger mindestens genauso gute Chancen wie Pioniere. Neben Risikobereitschaft und strukturellen Branchenbedingungen spielt auch der Grad der Innovation eine beeinflussende Rolle bei der Wahl der Timing-Strategie. So setzen echte Pionierstrategien vor allem auf Basisinnovationen mit großen Ertragschancen unter Inkaufnahme eines hohen Risikos (siehe hierzu Insert 4-09) [vgl. Becker 2019, S. 380 ff.].
4.5 Beratungstechnologien zur Problemlösung
495
Insert
Umsatz- und Gewinnentwicklung Apple
Mio USD
350.000
300.000 Umsatz Gewinn iPad
250.000
iPhone 200.000 iPod 150.000 iBook 100.000 iMac G4
Power Mac
50.000 Apple I
Apple II
Lisa
Mac
NeXTStep iMac G3
[Quelle: APPLE Geschäftsberichte]
Kaum ein Unternehmen ist so abhängig von seiner Timeto-market-Strategie wie Apple. An dem Umsatzverlauf sieht man sehr deutlich, welche Produkte jeweils zu neuem Wachstum geführt haben und in welchen Jahren Umsatzrückgänge zu verzeichnet waren, weil keine neuen, marktfähigen Produkte angeboten werden konnten. Besonders beeindruckend ist der Umsatzverlauf seit
Insert 4-09:
2003, wo durchschnittliche jährliche Wachstumsraten von 40 Prozent an der Tagesordnung sind. Dass solch ein extremes Wachstum aber nicht jedes Jahr durchzuhalten ist, zeigen die jüngsten Umsätze. Apple steht demnach vor der Herausforderung, kurz- bis mittelfristig eine weitere Produktgeneration anbieten zu müssen.
Umsatz- und Gewinnentwicklung Apple 1981 bis 2016
Strategien für die Form des Markteintritts. Bei der Planung des Markteintritts ist neben dem Zeitpunkt auch die Form festzulegen. Hierbei kann grundsätzlich zwischen einem internen und einem externen Wachstumsweg unterschieden werden. Beim internen Eintritt versucht das Unternehmen, durch eigene Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten sein Leistungsprogramm zu erweitern und die entsprechenden innovativen Produkte in bekannte oder neue Märkte einzuführen. Dieser Eigenaufbau wird auch als interne Eintrittsstrategie im engeren Sinne bezeichnet. Interne Eintrittsstrategien im weiteren Sinne sind dagegen der Kauf von Lizenzen und Patenten sowie die Aufnahme von Handelswaren [vgl. Becker 2019, S. 310 f.]. Ein externer Markteintritt liegt vor, wenn ein Unternehmen nicht selbständig, sondern zusammen mit einem bereits auf dem betreffenden Markt agierenden Unternehmen tätig wird. Für
496
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
diese Art des Markteintritts besteht zum einen die Möglichkeit der Unternehmensakquisition, d.h. des Erwerbs von oder der Beteiligung an Unternehmen bzw. Unternehmensteilen (Unternehmenskauf). Zum anderen kann der Markteintritt über eine Kooperation erfolgen, z.B. über ein Joint Venture, eine strategische Allianz oder über sonstige Formen vertraglich geregelter partnerschaftlicher Zusammenarbeit (Partnerkauf) [vgl. Welge/Al-Laham 1992, S. 308] Die internen und externen Markteintrittsstrategien sind in Abbildung 4-63 hinsichtlich ihrer Wirkungen auf die Auswahlkriterien Zeit, Kosten, Organisationsprobleme und Risiko charakterisiert. Realisierungsformen des Markteintritts
Interne Markteintrittsstrategien
Externe Markteintrittsstrategien
Auswahlkriterien
Eigene Forschung und Entwicklung (= Eigenaufbau)
Lizenzübernahme (= Know-howKauf)
Aufnahme von Handelsware (= Produktkauf)
Kooperation in Form von Joint Ventures (= Partnerkauf)
Unternehmensbeteiligung/-zusammenschluss (= Unternehmenskauf)
Zeitfaktor
langsam
schnell
schnell
ziemlich schnell
ziemlich schnell
Kosten
hoch
ziemlich niedrig
ziemlich niedrig
niedrig
niedrig
Organisationsprobleme
wenige
praktisch keine
praktisch keine
wenige
zahlreiche
Risiko
groß
klein
klein
relativ groß
relativ groß
[Quelle: Becker 2009, S. 172]
Abb. 4-63:
Interne und externe Markteintrittsstrategien
Auch hier gibt es nicht den Königsweg, obwohl der interne Markteintritt im weiteren Sinne (also Lizenzübernahme oder die Produktaufnahme als Handelsware) im Durchschnitt die besten Wirkungen auf die vier Auswahlkriterien zeigen. Der Markteintritt mit selbst entwickelten Produkten weist die geringsten organisatorischen Anforderungen auf. Dagegen stehen allerdings erhebliche Zeit- und Kostennachteile gegenüber den externen Markteintrittsstrategien. 4.5.5 Beratungsprodukte Die „höchste“ Form der Standardisierung ist das Produkt. Beratungsprodukte sind somit die ausgeprägteste Form der Standardisierung und lassen sich am leichtesten im Markt kommunizieren (siehe auch Abschnitt 4.1.3). Im Folgenden sollen unter der Vielzahl von existierenden Beratungsprodukten fünf Beispiele vorgestellt werden:
Gemeinkostenwertanalyse (GWA) Zero-Base-Budgeting (ZBB) Nachfolgeregelung Mergers & Acquisitions (M&A) Business Process Reengineering.
4.5 Beratungstechnologien zur Problemlösung
497
4.5.5.1 Gemeinkostenwertanalyse
Fragt man in der Beratungsszene nach bekannten Beratungsprodukten, so wird zuerst immer wieder die Gemeinkostenwertanalyse (GWA) genannt. Sie ist wohl weltweit nicht nur das bekannteste, sondern auch eines der effektivsten Produkte im Beratungsumfeld. Die Gemeinkostenwertanalyse (engl. Overhead Value Analysis – OVA) wurde zu Beginn der 1970er Jahre von zwei McKinsey-Partnern in New York entwickelt und zur Sanierung von mehreren Unternehmen erfolgreich eingesetzt. Es zeigte sich, dass gerade im Gemeinkostenbereich, der bis dahin kaum angetastet wurde, ein erhebliches Kosteneinsparungspotenzial besteht. Bereits 1985 wurde die GWA in mehr als 100 deutschen Unternehmen eingesetzt. Es wird davon ausgegangen, dass der aus der Analyse unmittelbar hervorgegangene materielle Nutzen über die Höhe des Kostensenkungspotenzials zwischen 10 Prozent und 20 Prozent des ursprünglichen Gemeinkostenvolumens liegt [vgl. Macharzina/Wolf 2010, S. 828 unter Bezugnahme auf Roever 1985, S. 20 f.]. Die GWA ist ein von Beratern begleitetes Interventionsprogramm mit dem Ziel der Kostensenkung im Verwaltungsbereich von Unternehmen durch
den Abbau nicht zielgerichteter, d. h. unnötiger Leistungen (= Effektivität) und
eine rationellere Aufgabenerfüllung (= Effizienz), d. h. erhaltenswerte Leistungen sollen kostengünstiger erstellt werden.
In einem systematischen Prozess, der aus drei Phasen besteht (siehe Abbildung 4-64), wird nach dem Prinzip der Wertanalyse untersucht, ob in den einzelnen Gemeinkostenstellen Kosten und Nutzen der erbrachten Leistungen in einem sinnvollen Verhältnis zueinander stehen. Hauptziel des Prozesses ist die Senkung der Gemeinkosten um bis zu 40 Prozent. McKinsey knüpft den Erfolg der GWA (also die Senkung der Gemeinkosten um bis zu 40 Prozent) an einige wesentliche Bedingungen [vgl. Schwarz 1983, S. 5 f.]: Die GWA muss höchste Priorität im Unternehmen haben und von den obersten Führungskräften uneingeschränkt unterstützt werden. Die GWA dient nicht der Vergangenheitsbewältigung und kennt keine „heiligen Kühe“ und Tabus. Die GWA erfordert den Zugang zu allen Unterlagen und die Analyse sämtlicher KostenNutzen-Verhältnisse. Die GWA soll nur von den besten Mitarbeitern durchgeführt werden. Ausgehend von der jeweiligen Zielsetzung (z. B. 15 oder 20 Prozent Gemeinkostensenkung) wird in der Vorbereitungsphase der organisatorische Rahmen des Projekts festgelegt. Dazu zählt neben der Bestimmung der Untersuchungseinheiten und des Projektteams vor allem die Ernennung der Hauptbeteiligten des Verfahrens. Hierzu zählen in erster Linie der GWA-Verantwortliche, ein Lenkungsausschuss, der aus Mitgliedern der Geschäftsleitung gebildet wird, die Leiter der Untersuchungseinheiten sowie die begleitenden externen Berater. In der vorbe-
498
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
reitenden Phase werden auch die notwendigen Informations- und Schulungsmaßnahmen festgelegt. Ein weiterer wichtiger Punkt ist das Einfrieren des gegenwärtigen Personalbestandes, das mit einem sofortigen Einstellungsstopp verbunden ist.
Vorbereitungsphase
• Festlegung des organisatorischen Rahmens
Analysephase
• Erfassung und Strukturierung von Leistungen und Kosten
Bestimmung eines GWAKoordinators
Effektivitätsprüfung aller Leistungen
Einrichtung eines Lenkungsausschusses
Effizienzprüfung der verbleibenden Leistungen
Abgrenzung der Untersuchungseinheiten (UE)
• Entwicklung von Einsparungskonzepten und -ideen
Benennung der Leiter der Untersuchungseinheiten (LUE)
• Bewertung der Realisierbarkeit der Konzepte und Ideen
Bildung der Projektteams
Erstellen des Zeitplanes
• Festlegen der Schulungs- und Informationsmaßnahmen
Informationsprogramm für alle Betroffenen
Schulungsprogramm für Projektteams und Leiter der Untersuchungseinheiten (LUE)
Überprüfung nach Wirtschaftlichkeits- und Risikokriterien (ABC-Analyse)
Festlegung einer Rangordnung
Realisierungsphase
• Zuordnung der Maßnahmen auf Stellen und Personen • Maßnahmenumsetzung
Umsetzen der Personalmaßnahmen
Umsetzen der Sachmaßnahmen
• Fortschrittskontrolle • Abweichungsanalyse
• Aufstellung von Aktionsprogrammen für ausgewählte Vorschläge
Entwurf eines Terminplanes
Festlegung der Umsetzungsverantwortlichen © Dialog.Lippold
Abb. 4-64:
Ablauf der Gemeinkostenwertanalyse
In der anschließenden Analysephase haben die Leiter der Untersuchungseinheiten anzugeben, welche Leistungen für wen erbracht werden und welche Kosten dadurch entstehen. Danach erfolgt eine Gegenüberstellung von Ist-Kosten und Ist-Beitrag (Nutzen) sowie die Antizipation eines bewusst unrealistischen (hypothetischen) Kostensenkungsziels, um die Suche nach Reduktionsmöglichkeiten bewusst zu intensivieren. Danach werden Einsparungsvorschläge erarbeitet und nach Wirtschafts- und Risikokriterien überprüft. Schließlich werden die von der obersten Führungsebene akzeptierten und entschiedenen Ideen in Handlungsprogramme sowie in einen Terminplan gefasst und die Umsetzungsverantwortlichen bestimmt [vgl. Macharzina/Wolf 2010, S. 830]. In der Realisierungsphase erfolgt die faktische Umsetzung der Handlungsprogramme. Der Lenkungsausschuss bestimmt einen Realisierungsverantwortlichen, der die verabschiedeten Maßnahmen in laufenden Fortschrittskontrollen durch Soll-Ist-Vergleiche absichert. In besonderen (Not-) Fällen muss er in Abstimmung mit dem Lenkungsausschuss Maßnahmenkorrekturen durchführen. Die Reaktionen auf die von McKinsey durchgeführten Gemeinkostenwertanalysen sind unterschiedlich. Gegner der GWA führen an, dass Änderungen in der Organisationsentwicklung harmonisch und nicht wie bei der GWA abrupt und unter Druck verlaufen sollten. Auch seien Freistellungen der besten Mitarbeiter für die Durchführung der GWA häufig nicht möglich. Schließlich wird angeführt, dass die Berater von McKinsey durch ihre aggressive Vorgehensweise zu viel Unruhe ins Unternehmen bringen. Die Befürworter der Methode berufen sich vor allem auf die nachgewiesenen Einsparungen sowie auf zusätzliche Effekte wie eine erhöhte
4.5 Beratungstechnologien zur Problemlösung
499
Schlagkraft durch Abbau von Bürokratie und die Sammlung von zusätzlichen Ideen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit über die reine Kostensenkung hinaus [vgl. Schwarz 1983, S. 13 ff.]. 4.5.5.2 Zero-Base-Budgeting
Neben der Gemeinkostenwertanalyse ist das Zero-Base-Budgeting (ZBB) das zweite wichtige Verfahren der Gemeinkostensenkung. Während die GWA ausschließlich auf eine Kostensenkung innerhalb der Gemeinkostenbereiche abzielt, will die Null-Basis-Budgetierung hingegen nicht nur unnötige Tätigkeiten erkennen und eliminieren und damit Kosten senken, sondern über Ressourcenumverteilungen zu einer Effizienzsteigerung des Gesamtunternehmens gelangen. Im Vergleich zur GWA werden Strukturen, Aufgaben und Prozesse im Unternehmen noch radikaler in Frage gestellt. Die Null-Basis-Budgetierung wurde in den 1960er Jahren von Peter Phyrr (Texas Instruments) erarbeitet. Die Methode besteht aus einem neun Stufen umfassenden Analyse- und Planungsprozess, der von jeder Führungskraft abverlangt, dass sie ihr Budget vollständig und detailliert begründet (siehe Abbildung 4-65). Wie auch bei einer Unternehmensgründung geht man bei der Budgetvergabe von der „Basis Null“ aus, d. h. die bisherigen Festlegungen werden vollständig in Frage gestellt. Dazu hat der Manager jeweils zu begründen, warum überhaupt welche Kosten verursacht werden [vgl. Weber 2006, S. 291].
1. Phase
Formulierung der strategischen und operativen Ziele und Festlegung der verfügbaren Mittel
2. Phase
Aufteilung der übertragenen Aufgaben auf die Einheiten
3. Phase
Festlegung der Leistungsniveaus für die Einheiten
4. Phase
Ermittlung kostengünstiger Alternativen
5. Phase
Zusammenfassung zu Entscheidungspaketen
6. Phase
Erstellung der Rangordnung von Entscheidungspaketen
7. Phase
Budgetschnitt: Teilung des Budgets auf die Pakete
8. Phase
Planung der Maßnahmen
9. Phase
Umsetzung und Überwachung
[Quelle: modifiziert nach Macharzina/Wolf 2010, S. 825 f.]
Abb. 4-65:
Der Zero-Base-Budgeting-Prozess
Der Analyse- und Planungsprozess des ZBB zeigt noch einen weiteren wesentlichen Unterschied zur GWA: Während die GWA das Kostensenkungsziel „Top-down“ vorgibt, ist es beim ZBB genau umgekehrt. Hier wird von Null ausgehend – also „Bottom-up“ – Schritt für Schritt ermittelt, welche Pakete realisiert werden sollen (Budgetschnitt). Abbildung 4-66 soll diesen Unterschied verdeutlichen. Die ZBB-Methode findet seit Jahren eine breite Anwendung in den USA, vor allem in den öffentlichen Verwaltungen, zunehmend aber auch im privatwirtschaftlichen Bereich. In Deutschland gilt die Methode aufgrund des großen Arbeitsaufwandes, der für den exakten Ablauf der Phasen betrieben werden muss, immer noch als begrenzt praxistauglich. Andererseits sind die Akzeptanzprobleme geringer als bei der GWA, da das ZBB nicht primär auf die Senkung von Personalkosten abzielt. Trotzdem kann es zu Motivationsproblemen kommen, da das
500
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
ZBB große organisatorische und auch personelle Veränderungen mit sich bringen kann [vgl. Stelling 2005, S. 252]. Bei einem direkten Vergleich der beiden Gemeinkostensenkungstechniken kommen Macharzina/Wolf [2010, S. 829] zu dem Ergebnis, dass „das Zero-Base-Budgeting im Hinblick auf die konzeptionelle Geschlossenheit der Gemeinkosten-Wertanalyse überlegen“ ist.
Top Down
Kostensenkungsziel
Kostenschnitt
Gemeinkostenwertanalyse
Zero-BaseBudgeting Bottom up
[Quelle: Stelling 2005, S. 252]
Abb. 4-66:
Unterschiedliche Vorgehensweisen von GWA und ZBB
4.5.5.3 Nachfolgeregelung
Mit der Regelung seiner Nachfolge muss sich jeder Unternehmer zwangsläufig früher oder später befassen. Nachfolgeregelung wird als Synonym für den Begriff Unternehmensnachfolge verwendet und beschreibt den Prozess der Übergabe der Leitung eines typischerweise mittelständischen Unternehmens an einen Nachfolger. Da die Nachfolgeregelung aus Sicht des Beraters zu den wiederholbaren, standardisierten Problemlösungsprozessen zählt, lässt sich die Nachfolgeregelung ebenfalls den Beratungsprodukten zuordnen. Zwar gibt es eine Vielzahl von individuellen Varianten und Gestaltungsmöglichkeiten einer Nachfolgeregelung, jedoch ist das Ablaufschema, also das Phasenkonzept bzw. das Flussdiagramm für die beraterische Unterstützung von Fall zu Fall nahezu identisch und damit standardisierbar. Die Nachfolgeregelungsberatung umfasst folgende Schwerpunkte [vgl. Niedereichholz 2008, S. 240]:
Suche und Auswahl eines Nachfolgers Regelung der schrittweisen Führungsübergabe Planung der Übergangsregelungen Einsetzen eines Beirats
4.5 Beratungstechnologien zur Problemlösung
501
Vermeidung unnötiger Liquiditätsabflüsse (z. B. vorweggenommene Erbfolge durch Schenkung).
Der Standardprozess für die beraterische Unterstützung der Nachfolgeregelung besteht in der Regel aus folgenden fünf Phasen, die zusätzlich in Abbildung 4-67 aufgelistet sind [vgl. Niedereichholz 2008, S. 241 ff.]: In der Vorbereitungsphase sammelt der Berater zunächst sämtliche Informationen über das Unternehmen, über den Unternehmer und sonstige beteiligte Personen. Mit dem Unternehmer werden eine gemeinsame Definition der Ziele sowie ein Projektplan über das weitere Vorgehen festgelegt. Zusätzlich wird ein Beirat gebildet, der sich aus dem Unternehmer, den betroffenen Familienangehörigen sowie Externen (Steuerberater, Rechtsanwalt, Berater) zusammensetzt. Vorbereitungsphase
• Sammlung aller wichtigen Informationen über Unternehmer und Unternehmen • Gemeinsame Festlegung der Ziele • Gemeinsame Festlegung eines Projektplans mit zeitlichen Eckwerten
Ist-Analyse
• Analyse der Stärken und Schwächen • Analyse der Chancen und Risiken • Meinungsbild aller Betroffenen einholen • Überprüfung von Nachfolgealternativen
• Einrichtung eines Beirats
Soll-Konzept
• Auflistung verschiedener Lösungsalternativen (siehe detaillierte Aufstellung) • Auswahl der besten Lösungsalternative • Aufstellen Maßnahmenkatalog • Aufbau vertrauensbildender Maßnahmen inkl. NotfallKonzept für die Übergangszeit
Implementierungsphase
• Einarbeitung des Nachfolgers • Verbesserung der Unternehmensperformance • Umfassende Klärung aller Rechtsund Steuerfragen
Coaching/ Nachbereitung • Berater als Coach • Wahrnehmung der Beiratsfunktion • Ggf. Abbau emotionaler Spannungen
• Ablösung des Inhabers
[Quelle: modifiziert nach Niedereichholz 2008, S. 241]
Abb. 4-67:
Prozessphasen der Nachfolgeregelung
In der anschließenden Ist-Analyse werden die Stärken und Schwächen sowie die Chancen und Risiken des Unternehmens unter dem besonderen Aspekt der Finanzkraft bzw. des Finanzierungspotenzials analysiert. Darüber hinaus verschafft sich der Berater ein Meinungsbild aller betroffenen Personen und stellt Nachfolgealternativen gegenüber. Mit dem Soll-Konzept beginnt der konzeptionelle Teil des Prozesses. Zunächst werden - sofern der Nachfolger nicht bereits feststeht – die verschiedenen Lösungsalternativen zur Regelung der Nachfolge aufgelistet. Neben der familieninternen Nachfolgeregelung gibt es eine Reihe externer Alternativen (siehe auch Abbildung 4-68):
Verkauf Verpachtung Vermietung Management-Buy-Out Management-Buy-In Stiftung Gang an die Börse
502
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
Nach Auswahl der besten Lösungsalternative wird ein Maßnahmenkatalog für den Übergangsprozess aufgestellt. Flankierend werden vertrauensbildende Maßnahmen festgelegt. Auch sollte ein Notfallplan für den Fall aufgestellt werden, dass der Unternehmer vor Vollzug der eigentlichen Nachfolgeregelegung verstirbt. Die Umsetzungsphase ist geprägt von der Einarbeitung des Nachfolgers sowie vom Willen aller Beteiligten, die Unternehmensperformance und damit die Attraktivität des Unternehmens zu verbessern. Auf diese Weise lassen sich eine Verunsicherung und nachlassende Motivation der Mitarbeiter angesichts des bevorstehenden Inhaberwechsels vorbeugen. Schließlich erfolgt die Ablösung des Inhabers, der auf eine weitere Einflussnahme verzichtet. In der letzten Phase des Coaching bzw. der Nachbereitung übernimmt der Berater eine reine Coachingfunktion. Auch sollte der Berater den Vorsitz des Beirats weiterhin wahrnehmen, um damit bei evtl. aufkommenden emotionalen Spannungen besser eingreifen bzw. schlichten zu können.
4.5 Beratungstechnologien zur Problemlösung
Vorweggenommene Erbfolge Übertragung durch Gründung einer Gesellschaft
• •
Erblasser überträgt zu seinen Lebzeiten Vermögen auf seine zukünftigen Erben Vorteil u. a.: Steuern sparen durch mehrfache Ausschöpfung der Erbschaftssteuerfreibeträge
•
Schrittweise Übertragung eines Unternehmens an Familienmitglieder oder familienexterne Personen durch Gründung einer Personen- oder Kapitalgesellschaft Nachfolger wird am Betrieb beteiligt und somit zum Mitgesellschafter Vorteil: Übergabe kann in Etappen erfolgen
• •
Verkauf gegen Einmalzahlung
• • •
Verkauf des Unternehmens gegen einmalige Zahlung an einen Nachfolger Käufer hat ab sofort freie Verfügungsgewalt Vorteil: Verkäufer ist nicht von dem unternehmerischen Geschick des Nachfolgers abhängig
Verkauf gegen Ratenzahlung
• •
Aufteilung des Kaufpreises, die dem Nachfolger die Finanzierung erleichtert Zahlungen erstrecken sich über einen im voraus eindeutig festgelegten Zeitraum
•
Veräußerungsrente stellt angemessene Gegenleistung für das übertragende Unternehmen dar Versorgungsrente dient dazu, den Lebensunterhalt des ausscheidenden Unternehmers zu sichern Beide Formen können als Leibrente (Laufzeit hängt vom Leben einer oder mehrerer Personen ab) oder Zeitrente (feste Laufzeit) gestaltet werden
Verkauf gegen Rente
Verkauf gegen dauernde Lasten
Verpachtung
• • • • • • •
Vermietung
ManagementBuy-Out (MBO) ManagementBuy-In (MBI)
• •
• • •
Übernahme des Unternehmens von externen Managern Vorteil: Mit dem neuen Eigentümer kommen neue Impulse in das Unternehmen Nachteil: Die Einarbeitungszeit ist länger
•
Charakteristisch ist die juristische Trennung des Stiftungsvermögens vom Stifter und dessen Nachkommen Erben sind von Unternehmensnachfolge ausgeschlossen, also praktisch "enterbt" Das Unternehmen zerfällt nicht in einzelne Erbteile, sondern bleibt durch die Stiftung erhalten Die Stiftung ist eine vielfältig ausgestaltbare Rechtsform mit steuerlichen Vorteilen
• •
• •
Abb. 4-68:
Dem Nachfolger werden lediglich die Betriebsräume zur Nutzung gegen Entgelt überlassen Im Unterschied zur Verpachtung kauft der Nachfolger z. B. die Einrichtung und die Maschinen
•
•
Gang an die Börse (Going Public)
Ist der Unternehmer nicht oder noch nicht bereit, das Eigentum sofort an den Nachfolger zu übertragen, besteht die Möglichkeit, das Unternehmen zu verpachten Dem Unternehmer können somit laufende Einnahmen gesichert werden.
Wird kein Nachfolger innerhalb der Familie gefunden, besteht die Möglichkeit, das Unternehmen an das eigene Management zu veräußern Vorteil: Der neue Eigentümer kennt sich bestens im Unternehmen aus
• •
Stiftung
Eine dauernde Last besteht aus wiederkehrenden Aufwendungen über einen Mindestzeitraum von zehn Jahren Orientierung z. B. an der Umsatzhöhe oder an den Lebenshaltungskosten des Verkäufers
Um im Zuge der Nachfolgeregelung die Einheit von Kapitaleigner und Geschäftsführung aufzulösen, bietet sich die Möglichkeit, das Unternehmen in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln Die Börseneinführung eines Unternehmens ist jedoch an Mindestvoraussetzungen geknüpft: Jahresumsatz bei produzierenden Unternehmen grundsätzlich höher als 25 Mio. Euro, gute Ertragssituation, etablierte Marktstellung, gute Perspektiven der Unternehmensentwicklung Die Börseneinführung ist ein langwieriger Prozess Voraussetzung u. a.: Es muss ein umfangreiches Informationssystem sowie eine klare Organisations- und Führungsstruktur geschaffen werden
Varianten der Nachfolgeregelung
503
504
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
4.5.5.4 Mergers & Acquisitions
Im Falle des Eintritts in ein neues Geschäftsfeld oder der Ausweitung eines bestehenden Geschäftsfeldes stellt sich die Frage, ob diese Wachstumsstrategien aus eigener Kraft oder durch den Erwerb des bereits bestehenden Geschäfts eines anderen Unternehmens erfolgen sollen. Damit erlangen Fragestellungen, die den Kauf von oder die Fusion mit anderen Unternehmen oder deren Geschäftseinheiten betreffen, eine besondere Bedeutung. Spiegelbildlich gesehen gilt das Gleiche für den Fall, dass – falls es das eigene Portfolio nahe legt – eine vorhandene Geschäftseinheit aufgegeben bzw. veräußert werden soll. Alle Aspekte, die mit dem Erwerb, dem Verkauf oder dem Zusammenschluss von Unternehmen oder Unternehmenseinheiten zusammenhängen, werden dem angelsächsischen Begriff Mergers & Acquisitions (M&A) zugeordnet. Neben Unternehmensberatern sind hier vor allem Investmentbanken sowie Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaften zur Unterstützung des jeweiligen Managements aktiv [vgl. Fink 2009, S. 157]. Folgende Transaktionsformen werden unter dem Begriff M&A zusammengefasst [vgl. Schramm 2011, S. 5]:
Kauf oder Verkauf von Unternehmensteilen (z. B. im Rahmen einer Auktion oder eines Carve-outs bzw. Spin-offs)
Erwerb aus einer Insolvenz
Beteiligungserwerb mit Mehr- oder Minderheitsbeteiligung im weiteren Sinne
Börsengang
Joint Venture.
Ähnlich wie das Beratungsprodukt Nachfolgeregelung lassen sich auch die M&A-Aktivitäten durch einen standardisierbaren Prozess beschreiben. Folgende Phasen (siehe Abbildung 4-69) sind dabei relevant [vgl. Wöhler/Cumpelik 2006, S. 455 ff.; Schramm 2011, S. 5 ff.]: Grundsätzliches Ziel einer M&A-Transaktion ist immer die nachhaltige Sicherung oder Steigerung des Unternehmenswertes. Dazu können verschiedene Strategien (Wachstum, Kostenoptimierung, Risikoreduktion) verfolgt werden. Ausgangspunkt des M&A-Prozesses ist die Formulierung einer Strategie, die in einem Masterplan zur Weiterentwicklung des Unternehmensportfolios ihren Niederschlag findet. Aus dem Masterplan geht hervor, welche Geschäftseinheiten (engl. Business Units) verstärkt werden sollen und welche künftig nicht mehr zum Kerngeschäft gehören und zu veräußern sind. Dabei ist M&A neben dem organischen Wachstum oder einer Partnerschaft mit anderen Unternehmen immer nur eine Lösungsoption. Im Mittelpunkt der nächsten Phase steht das Screening von attraktiven Kaufobjekten. Bei der Suche kann das Unternehmen aktiv und systematisch vorgehen oder eher – falls Investmentbanker oder Berater mit möglichen Kaufoptionen an das Unternehmen herantreten – eine passive Rolle einnehmen. Wichtig bei diesem Prozess ist, dass alle Akquisitionsideen erfasst, bewertet und die Höhe des Transaktionswertes überschlägig quantifiziert werden. Das Top-Management entscheidet letztlich darüber, welche Ideen abgelehnt werden und welche im Rahmen einer M&A-Shortlist weiterverfolgt werden sollen.
4.5 Beratungstechnologien zur Problemlösung
Strategie
505
Transaktionsprozess
Screening
Post-MergerIntegration
Kernfrage:
Wohin soll sich das Unternehmen langfristig entwickeln?
Welche Zielunternehmen kommen grundsätzlich in Frage?
Ist das Zielunternehmen kaufbar und wenn ja, zu welchem Preis?
Wie können Synergien gehoben und der Wert gesteigert werden?
Wesentliche Schritte:
• Analyse Ausgangssituation • Bestimmung der strategischen Position • Ableitung M&A-Bedarf
• Fokussierung des Suchfeldes • Identifikation attraktiver Akquisitionskandidaten
• Kontaktaufnahme mit Zielunternehmen • Durchführung Due Diligence und Verhandlungsprozess
• Integration des Zielunternehmens • Alternativ: Stärkung des Unternehmens als eigenständige Einheit
Endprodukt:
Masterplan
M&A-Shortlist
Kaufvertrag
Leistungsverbesserung
Ansprache Target
Prozessplanung
Wesentliche Schritte:
• Zielunternehmen identifizieren
• Ansprache Zielunternehmen
• Markt- und Wettbewerbsanalyse
• Klärung Transaktionsstruktur
• Wirtschaftliche Grobanalyse
• Festlegung der Rahmenbedingungen
• Vorläufige Unternehmensbewertung Endprodukt:
Outside-In-Analyse
Due Diligence • Identifizierung wesentlicher Werttreiber • Fokussierte Due Diligence
Verhandlung und Vertrag • Vertragsverhandlung • Übereinkunft mit Zielunternehmen
• Ausarbeitung Business Case
Due DiligenceBericht
• Finanzierung • Kommunikation • Erfüllung aller Vertragsvorbedingungen • Überprüfung Garantien
• Finale Unternehmensbewertung Shortlist
Closing
Signing
Übergang Unternehmen
[Quelle: Wöhler/Cumpelik 2006, S. 455 und 457]
Abb. 4-69:
Ganzheitlicher M&A-Prozessansatz
Mit der Entscheidung über die Weiterverfolgung bestimmter M&A-Ideen bzw. -Projekte beginnt der eigentliche Transaktionsprozess. Nachdem das Zielunternehmen identifiziert und eine grobe Schätzung des Wertsteigerungspotenzials vorgenommen wurde, erfolgt die Ansprache des Zielunternehmens bzw. dessen Eigentümern. Ist eine Einigung über die gemeinsame Fortsetzung und über das Timing der Transaktion erzielt, wird mit der Durchführung einer Due Diligence, die den Kern der Transaktionsphase darstellt, begonnen. Die Due Diligence ist eine fokussierte Analyse eines Unternehmens oder Unternehmensteils, um einen Gesamteindruck der wirtschaftlichen Lage, der Zukunftsaussichten und der Risiken zu bekommen. Sie dient vor allem einer Abschätzung der wertbestimmenden Faktoren, die den Kaufpreis wesentlich beeinflussen, und bildet damit die Grundlage für den anschließenden Verhandlungsprozess. Bei der Vertragsgestaltung werden die finanziellen, steuerrechtlichen und rechtlichen Aspekte der Transaktion zusammengeführt. Die Vertragsunterzeichnung (engl. Signing) dokumentiert die Übereinkunft mit dem Zielunternehmen. Mit dem rechtlichen Abschluss und dem juristischen Inkrafttreten des Vertrags (engl. Closing) wird schließlich ein Schlusspunkt hinter die Transaktion gesetzt. Die Erkenntnisse, die in der Transaktionsphase gewonnen wurden, fließen in die Phase der Post-Merger-Integration ein. Damit können die Zeiträume, innerhalb derer die Integration stattfinden soll, die Integrationstiefe, die Integrationsreihenfolge sowie die begleitende Organisation leichter festgelegt werden. Das vielleicht wichtigste Thema in der Integrationsphase ist
506
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
die Analyse der Unternehmenskulturen. Hierbei trägt insbesondere eine konsistente und zielgerichtete Kommunikation entscheidend zur Akzeptanz und Unterstützung der Transaktion durch die Führungskräfte und Mitarbeiter bei. Kulturelle Differenzen und Gemeinsamkeiten (z. B. bei Werten, Führungsverhalten oder Anreizstrukturen) sollten umgehend benannt und untersucht werden. Schließlich sind solche Führungskräfte auszuwählen, deren Verhalten im Einklang mit der gewünschten Zielkultur stehen und die maßgeblich zur erwünschten Veränderung beitragen können. Gerade in der Integrationsphase ist der Unternehmensberater besonders stark eingebunden. Andere Externe (Investmentbanker, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater) sind in dieser Phase so gut wie keine Konkurrenz (siehe Abbildung 4-70).
Management
Investment Bank
Berater
Wirtschaftsprüfer Steuerberater
Strategieformulierung Identifikation möglicher Übernahmekandidaten Analyse der möglichen Übernahmekandidaten Kommerzielle Beurteilung Finanzielle Beurteilung Ermittlung des Transaktionswertes Festlegung der Akquisitionstaktik Strukturierung der Finanzen Planung der Integrationsphase Integration des übernommenen Unternehmens
[Quelle: Fink 2009, S. 160]
Abb. 4-70:
Stärke der Einbindung:
Hoch
mittel
niedrig
Die Rolle des Unternehmensberaters im M&A-Transaktionsprozess
4.5.5.5 Business Process Reengineering
Das Geschäftsprozessmanagement – und damit die Prozessidee – hat über das Business Process Reengineering von Hammer/Champy Eingang in die moderne Managementlehre gefunden. Die Prozessidee besteht darin, gedanklich einen 90-Grad-Shift der Organisation vorzunehmen (siehe Abbildung 4-71). Durch den Wechsel der Perspektive dominieren bei der Prozessorganisation nicht mehr die Abteilungen die Abläufe, sondern der Fokus liegt auf Vorgangsketten bzw. Prozessen, die auf den Kunden ausgerichtet sind. Ein Prozess ist eine Struktur, deren Aufgaben durch logische Folgebeziehungen miteinander verknüpft sind. Jeder Prozess wird durch einen Input initiiert und führt zu einem Output, der einen Wert für den Kunden schafft. Innerhalb des Prozesses werden Vorgaben (= Input) in Ergebnisse (= Output) umgewandelt. Geschäftsprozesse betrachten die einzelnen Funktionen in Unternehmen also nicht isoliert, sondern als wertsteigernde Abfolge von Funktionen und
4.5 Beratungstechnologien zur Problemlösung
507
Aufgaben, die über mehrere organisatorische Einheiten verteilt sein können [vgl. Schmelzer/Sesselmann 2006].
Abb. 4-71:
Der 90-Grad-Shift
Prozesse wiederum bilden eine Folge von Prozessen im Unternehmen und werden durch Anforderungen des Kunden für den Kunden umgesetzt. Unter Kunden sind dabei sowohl externe als auch interne Kunden zu verstehen. Jeder Prozess liefert Ergebnisse, mit denen der anschließende Prozess weiter arbeitet. Das Verhältnis zwischen aufeinander folgenden Prozessen ist eine Kunde-Lieferant-Beziehung. Mit dem letzten Prozess der Prozesskette erfolgt die Erstellung der betrieblichen Leistung für den Kunden. Die Prozesskette ist linear und Teil der betrieblichen Wertschöpfungskette. Die Durchführung von Prozessschritten wird durch Informationen gesteuert. Die Verbesserung der Prozesse wird heutzutage durch betriebswirtschaftliche Software vorgenommen. Jedem Prozess kommen damit drei verschiedene Rollen zu: Der betrachtete Prozess ist Kunde von Materialien und Informationen eines vorausgehenden Prozesses. Der betrachtete Prozess ist Verarbeiter der erhaltenen Leistungen. Der betrachtete Prozess übernimmt die Rolle eines Lieferanten gemäß den Anforderungen des nachfolgenden Prozesses und gibt die erstellten Ergebnisse weiter. Bei der prozessorientierten Organisation eines Unternehmens wird versucht, Prozessziele und die hieraus resultierenden Ergebnisse in den Vordergrund zu stellen. Diese sind im Regelfall nicht deckungsgleich, wenn man sie mit den Abteilungs- bzw. Bereichszielen und -ergebnissen der klassischen Organisation vergleicht. Der zunehmende Zwang zur Dezentralisierung im Hinblick auf Markt- und Kundennähe, zur Umgestaltung der Produktpalette, zur Reduktion des Verwaltungsaufwands, zur Verflachung
508
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
der Hierarchien u. ä. führt in immer kürzeren Abständen zur Verlagerung oder zum Wegfall von Aufgaben und zu neuen Schnittstellen in der Organisation. Diesem permanenten Wandel wird das herkömmliche Organisationsverständnis mit hochgradig zentralistischen und arbeitsteiligen Strukturen aber nicht mehr gerecht. Gefragt sind also weniger stör- und krisenanfällige Organisationsformen, wie dies bei der Prozessorganisation der Fall ist [vgl. Doppler/ Lauterburg 2005, S. 37 und S. 55]. Die vier Grundaussagen (engl. Essentials) des Business Process Reengineering (BPR) sind: Business Process Reengineering orientiert sich an den entscheidenden Geschäftsprozessen. Die Geschäftsprozesse müssen auf die Kunden (interne und externe Kunden) ausgerichtet sein. Das Unternehmen muss sich auf seine Kernkompetenzen konzentrieren. Die Möglichkeiten der aktuellen Informationstechnologie zur Prozessunterstützung müssen intensiv genutzt werden. Business Process Reengineering bedeutet fundamentales Umdenken und radikales Neugestalten von Geschäftsprozessen, um dramatische Verbesserungen bei bedeutenden Kennzahlen wie Kosten, Qualität, Service und Durchlaufzeit zu erreichen. Beim Business Process Reengineering geht es nicht um marginale Veränderungen, sondern um Quantensprünge. Verbesserungen von 50 Prozent und mehr sind gefordert. Das bedeutet nicht nur die Abkehr vom rein funktionalen Denken, sondern neue Management- und Teamkulturen sind erforderlich [vgl. Hammer/Champy 1994, S. 12 und S. 113 f.]. Lag in der Vergangenheit das Hauptaugenmerk des Managements auf leicht quantifizierbaren und vor allem finanziellen Elementen, so bietet die Prozessanalyse eine Plattform für einen ganzheitlichen und integrativen Ansatz, der sich auch als Transformation bezeichnen lässt. Transformation ist die Neugestaltung der „genetischen Struktur“ eines Unternehmens. Dabei gibt es kein Patentrezept. Jede Transformation erfordert einen spezifischen Weg, einen individuellen Transformationspfad. Das bedeutet, dass unterschiedliche Unternehmensbereiche auch unterschiedlich stark von Veränderungen betroffen sind [vgl. Schnieder 2004, S. 233 ff.]. Business Process Reengineering befasst sich mit den Arbeitsabläufen und versucht diese aus Sicht des Geschäftes, d. h. aus Kundensicht zu optimieren. Business Process Reengineering soll helfen, die traditionelle funktionsorientierte Organisationsentwicklung zu überwinden. Es beschränkt sich nicht nur auf die Arbeitsabläufe in den klassischen betrieblichen Funktionsbereichen, sondern es beschäftigt sich intensiv mit den Kundenbedürfnissen. Demzufolge werden die Prozesse an den Anforderungen der (externen und internen) Kunden ausgerichtet und nicht an den Anforderungen der Organisation [vgl. Gadatsch 2008, S. 12]. Kundenorientierung ist also die zentrale Leitlinie des Geschäftsprozessmanagements. Je besser und effizienter ein Unternehmen seine Geschäftsprozesse beherrscht und die Kundenanforderungen erfüllt, umso wettbewerbsfähiger wird es sein. Beispiele für die wichtigsten Geschäftsprozesse eines Industrieunternehmens liefert Abbildung 4-72. Die dort aufgeführten Geschäftsprozesse haben jeweils einen Bezug zum Kunden.
4.5 Beratungstechnologien zur Problemlösung
509
Prozesse in Unternehmen müssen schnell, kundenorientiert und qualitativ hochwertig ablaufen. Die „Entschlackung“ eines häufig als hinderlich (weil zu teuer) empfundenen Verwaltungsapparates (engl. Overhead) steht daher oftmals ganz oben auf der Liste des Handlungsbedarfs.
Anforderung (von)
Externe Kunden (Lieferanten)
Ergebnis (bis)
Kundenproblem
Innovationsprozess
Produktidee
Produktidee
Produktplanungsprozess
Pflichtenheft
Pflichtenheft
Produktentwicklungsprozess
Produkt
Produkt
Vertriebsprozess
Kundenauftrag
Kundenauftrag
Auftragsabwicklungsprozess
Lieferung
Serviceprozess
Lösung
Lieferung (problembehaftet)
Externe Kunden
[Quelle: Darstellung modifiziert nach Schmelzer/Sesselmann 2006]
Abb. 4-72:
Geschäftsprozesse in Industrieunternehmen mit Serienprodukten
Vier zentrale Begriffe (die vier „R“) sind es, die die Regeln im Umfeld des Business Process Reengineering vorgeben [vgl. Schnieder 2004, S. 234 ff.]: Beim Renew (Erneuerung) geht es um verbesserte Schulung und organisatorische Einbindung von Mitarbeitern in das Unternehmen. Neue Fähigkeiten sollen erworben und die Motivation der Mitarbeiter verbessert werden. Revitalize (Revitalisierung) zielt auf die gesamte Überarbeitung und Neugestaltung der Geschäftsprozesse ab. Ziel der Revitalisierung ist die Verbindung der Organisation zu ihrem Wettbewerbsumfeld sowie Wachstum in existierenden Geschäften und Innovation neuer Tätigkeiten. Beim Reframe (Einstellungsveränderung) sollen herkömmliche Denkmuster abgelegt werden und neue Wege bei der Prozessgestaltung beschritten werden. Neue Visionen und Entschlusskraft stehen hierbei im Vordergrund. Restructure (Restrukturierung) hat die Neugestaltung bzw. Änderung des Aktivitätenportfolios zum Ziel. Mit der Restrukturierung soll ein wettbewerbsfähiges Niveau finanzieller Performance erreicht werden. Amerikanische und deutsche Unternehmensberatungen trugen wesentlich dazu bei, das Prozessbewusstsein zu verbreiten. So hat fast jedes Beratungsunternehmen zwischenzeitlich seine eigenen Methoden und Techniken zur Prozessorganisation entwickelt. Es verwundert daher auch nicht, dass sich für ein und dieselbe Idee eine ganze Reihe synonymer Begriffe etabliert
510
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
haben: Business Process Redesign, Business Reengineering, Process Innovation, Core Process Redesign, Process Redesign und Business Engineering. Im Gegensatz zu dieser Begriffsvielfalt rund um das Business Process Reengineering gibt es aber noch weitere, teilweise ergänzende Ansätze, die sich im „magischen“ Dreieck von Qualität, Zeit und Kosten mit etwas anderen Zielsetzungen bei der Prozessbetrachtung bewährt haben [siehe hierzu insbesondere die ausführliche Darstellung bei Schmelzer/Sesselmann 2006]. Eine Beschreibung dieser Beratungs- bzw. Managementansätze würde den hier vorgegebenen Rahmen sprengen. Stattdessen sind in Abbildung 4-73 einige Ansätze mit ihren zentralen Fragestellungen aufgeführt.
Business Process Reengineering
Six Sigma Wie kann ein Prozess im Sinne des Kundennutzens verbessert werden?
Total Quality Management
Haben wir die richtigen Prozesse?
Wie optimieren wir die richtigen Prozesse unter dem Aspekt der Qualität?
Qualität
Target Cost Management
Kaizen Wie können Prozesse ständig weiter verbessert werden?
Time Based Management Wie können die Durchlaufzeiten verbessert werden?
Kunde Zeit
Kosten
Welche Kosten können wir uns für Produkte und Prozesse leisten?
Lean Management Simultaneous Engineering Welche Prozesse müssen chronologisch, welche parallel laufen unter dem Aspekt der Durchlaufzeit?
Wie werden wir flexibler, schneller und effizienter unter dem Aspekt von Strukturen und Prozessen?
[Quelle: in Anlehnung an WISS 2001, S. 9]
Abb. 4-73:
Beratungsansätze (Auswahl) bei der Prozessgestaltung
Geschäftsprozesse, die zu Prozessketten verknüpft sind und deren Output idealerweise einen höheren Wert für das Unternehmen darstellt als der ursprünglich eingesetzte Input, werden als Wertschöpfungsketten (Wertketten) bezeichnet. Zu den bekanntesten Wertschöpfungsketten zählen: CRM (Customer Relationship Management) beschreibt die Geschäftsprozesse zur Kundengewinnung, Angebots- und Auftragserstellung sowie Betreuung und Wartung. PLM (Product Lifecycle Management) beschreibt die Geschäftsprozesse von der Produktportfolio-Planung über Produktplanung, Produktentwicklung und Produktpflege bis hin zum Produktauslauf sowie Individualentwicklungen. SCM (Supply Chain Management) beschreibt die Geschäftsprozesse vom Lieferantenmanagement über den Einkauf und alle Fertigungsstufen bis zur Lieferung an den Kunden ggf. mit Installation und Inbetriebnahme.
4.5 Beratungstechnologien zur Problemlösung
511
Wichtige Beiträge für die organisatorische Gestaltung der Geschäftsprozesse leisten prozessorientierte ERP-Systeme (ERP = Enterprise Resource Planning). Das bekannteste ERP-System ist SAP R/3, das sowohl in Deutschland als auch international in diesem Anwendungsgebiet Marktführer ist. Insert 4-10 gibt einen Überblick über die Marktanteile im weltweiten ERP-Markt.
Insert 4-10:
Marktanteile im weltweiten ERP-Markt 2017
ERP-Systeme drängen Individualsoftware, die eigens für ein bestimmtes Anwendungsgebiet entwickelt wird, immer stärker zurück. Maßgebend dafür sind die hohen Entwicklungs- und Wartungskosten sowie die mangelnde Portierbarkeit von Individualsoftware über die Unternehmensgrenzen hinaus. ERP-Systeme wurden zunächst nahezu ausschließlich für Großunternehmen konzipiert, heute gewinnen sie auch in mittleren Betrieben zunehmend an Bedeutung.
512
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
In Abbildung 4-74 ist der Zusammenhang zwischen internen und externen Informationssystemen skizziert. SCM Kunde 1 Lieferant Stufe 2
Händler 1
MIS
Lieferant Stufe 3
Kunde 3 Händler 2 Kunde 4
Lieferant Stufe 1 Lieferant Stufe 4
Kunde 2
Management Informationssysteme
ERP-Systeme
Kunde 5 Händler 3
FIBU
KORE
MAWI
PPS
…
HR
Kunde 6 Kunde 7
Lieferant Stufe n
[Quelle: in Anlehnung an Meffert et al. 2008, S. 833 f.]
Abb. 4-74:
Händler m
Data Warehouse Integrierte Datenbasis
Kunde r
CRM
Zusammenhang zwischen internen und externen Informationssystemen
4.5.6 Modellierungstools im Geschäftsprozessmanagement Im Rahmen des Geschäftsprozessmanagements (engl. Business Process Management – BPM) werden Abläufe in Unternehmen beschrieben, dokumentiert, optimiert und überwacht. Zur standardisierten Beschreibung von Prozessen werden grafische Modellierungsmethoden verwendet. Aufgrund des hohen Standardisierungsgrades werden diese Modellierungsmethoden hier den Beratungsprodukten zugeordnet. Sie haben den Vorteil gegenüber mathematischen Beschreibungssprachen, dass sie sich auch für Fachanwender aus betriebswirtschaftlichen Abteilungen leicht erschließen. Modellierungsmethoden geben zur Beschreibung der Realität eine spezifische Notation vor. Eine Notation legt fest, mit welchen Symbolen die verschiedenen Elemente von Prozessen dargestellt werden, was die Symbole bedeuten und wie sie kombiniert werden können. Ergebnis der Modellierung sind Prozessmodelle, aus denen sich die betriebswirtschaftliche Bedeutung auch für die sogenannten „business people“ herauslesen lässt [vgl. Kocian 2011, S. 5 unter Bezugnahme auf Scheer 1995, S. 16 und Allweyer 2009, S. 2 ff.]. Die standardisierte Beschreibung von Prozessen hat mehrere Vorteile bzw. Zielsetzungen [vgl. Kocian 2011, S. 5]:
Grafische Prozessmodelle bieten insbesondere fachlichen Anwendern sowie Anwendungsentwicklern eine grafische Basis für die gemeinsame Kommunikation. Prozessdokumentationen lassen zur ISO-Zertifizierung und damit zum Qualitätsmanagement nutzen. Die Definition von Abläufen dient dazu, Gesetze und Vorschriften im Rahmen von Compliance Management (to comply = befolgen) Rechnung zu tragen.
4.5 Beratungstechnologien zur Problemlösung
513
Schließlich ist es zukünftig vermehrt das Ziel, aus Prozessmodellen ausführbare, d.h. maschinenlesbare Prozesse zu generieren.
Im Folgenden sollen die beiden Notationen ereignisgesteuerte Prozesskette (EPK) (das „deutsche“ Modell) sowie Business Process Model and Notation (BPMN) (das „amerikanische“ Modell) als Darstellungsmethoden kurz vorgestellt werden. Beide Methoden haben ein großes Benutzerpotenzial 4.5.6.1 Ereignisorientierte Prozesskette (EPK)
Die EPK-Methode wurde 1992 von einer Arbeitsgruppe unter Leitung von August-Wilhelm Scheer an der Universität des Saarlandes im Rahmen eines von der SAP finanzierten Forschungsprojektes zur Beschreibung von Geschäftsprozessen entwickelt und in das ARISFramework (ARIS = Architecture of Integrated Information Systems) integriert [Vgl. Scheer 1998, S. 20.] Die Methode beschreibt den logischen Tätigkeitsfluss durch eine Folge von Funktionen und Ereignissen sowie durch logische Operatoren. Insert 4-11 gibt einen Überblick über die Hauptelemente – also Ereignis, Funktion, Organisationseinheit, Informationsobjekt und Operatoren – der EPK-Notation.
Insert 4-11:
Notationselemente der ereignisgesteuerten Prozessketten (EPK)
514
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
4.5.6.2 Business Process Model and Notation (BPMN)
Business Process Model and Notation (BPMN 2.0) wurde in der Version 2.0 offiziell im Januar 2011 durch die Object Management Group (OMG) veröffentlicht. Entwickelt wurde die „Business Process Modeling Notation“ (Bezeichnung bis zur Version 1.2) maßgeblich von Stephen A. White, einem Mitarbeiter von IBM.BPMN ist eine sogenannte Spezifikation, die von der Webseite der OMG kostenfrei heruntergeladen werden kann (Open Source). Die Spezifikation zur BPMN definiert alle Symbole sowie die Regeln, nach denen sie kombiniert werden dürfen, um graphische Prozessmodelle zu erstellen. Sie regelt Syntax und Semantik. Die Syntax ist das System an Regeln, wie die Symbole kombiniert werden dürfen. Die Semantik legt die Bedeutung von Symbolen und ihren Beziehungen fest [vgl. Kocian 2011, S. 6]. Die grafischen Elemente der BPMN werden eingeteilt in: Flow Objects – die Knoten (Activity, Gateway und Event) in den Geschäftsprozessdiagrammen Connecting Objects – die verbindenden Kanten in den Geschäftsprozessdiagrammen Pools und Swimlanes – die Bereiche, mit denen Aktoren und Systeme dargestellt werden Artifacts – weitere Elemente wie Data Objects, Groups und Notations zur weiteren Dokumentation. Eine entsprechende Übersicht über die grafischen Elemente der BPMN-Methode liefert Insert 4-12.
4.5.6.3 Vergleich beider Modellierungstools
In Insert 4-13 ist ein einfaches Anwendungsbeispiel „Auftragsbearbeitung“ mit beiden Methoden grafisch dargestellt. Einen ausführlichen Vergleich der beiden Methoden hat Claudia Kocian anhand folgender Kriterien vorgenommen [vgl. Kocian 2011, S. 25 ff.]:
Ziel und Anspruch der Methoden Verbreitung und Standardisierung der Methoden Erlernbarkeit und Akzeptanz der Methoden.
4.5 Beratungstechnologien zur Problemlösung
Insert 4-12:
Basiselemente der BPMN 2.0
515
516
Insert 4-13:
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
Anwendungsbeispiel „Auftragsbearbeitung“ mit EPK und BPMN (Vergleich)
4.5 Beratungstechnologien zur Problemlösung
517
Ziel und Anspruch. Zielsetzung der EPK-Methode ist es, im Rahmen des Fachkonzeptes und der Anforderungsanalyse Prozessketten grafisch darzustellen. Der Schwerpunkt der EPK-Methode liegt auf der Abbildung des Kontrollflusses von Prozessen, der beschreibt, in welcher logischen Reihenfolge Vorgänge ausgeführt werden sollen. Die erste Ordnungsdimension ist die logische Abfolge der Funktionen. Organisationseinheiten werden als ausführende Verantwortliche den Funktionen zugeordnet. Die BPMN-Methode verwendet dagegen als erste Ordnungsdimension die Organisationseinheiten in Form der Swimlanes. Diesen Swimlanes werden dann die Aktivitäten bzw. Funktionen zugeordnet, die durch Sequenz- oder Nachrichtenflüsse verbunden werden. Die EPK-Methode wurde zur Zeit der monolithischen ERP-Systeme entwickelt und unterstützt vor allem unternehmensinterne Prozesse sehr gut. Unternehmensübergreifende, d. h. kollaborative Prozesse können durch den fehlenden Nachrichtenfluss schlecht abgebildet werden. Die BPMN-Methode bietet hier mehrere Modellierungsmöglichkeiten durch den Nachrichtenfluss zwischen Lanes in Business Process Diagrammen oder durch weitere Diagrammtypen wie Choreographiediagramm. Verbreitung und Standardisierung. Die EPK-Methode hat sich in der Unternehmenspraxis im deutschsprachigen Raum als federführende Methode zur grafischen Modellierung von Prozessen etabliert. Zwar konnte sie sich nicht als formeller Standard durchsetzen, kann aber als wichtiger und angesehener de-facto-Standard betrachtet werden. Sicherlich hat die modellgestützte Konfiguration des SAP R/3-Systems zu ihrer schnellen Verbreitung in der Wirtschaftspraxis geführt. Dadurch liegen zahlreiche Prozessreferenzmodelle in Form der EPK vor. Mit der Übernahme durch die Object Management Group (OMG) im Jahre 2005 gewann die BPMN erstmals an Aufmerksamkeit, da die Unterstützung durch ein weltweit wirkendes Standardisierungsgremium ein wichtiger Erfolgsfaktor für eine Methode ist. Die Übernahme der BPMN durch die OMG ist ein Zeichen für die Relevanz einer industriellen und weltweiten Standardisierung im Bereich der Prozessbeschreibung. Die OMG hat mittlerweile 800 Mitglieder und entwickelt international anerkannte Standards. Die Standardisierung hat zahlreiche Veröffentlichungen in der Wissenschaft sowie Projekte in vielen Unternehmen bewirkt [vgl. Gadatsch 2008, S. 96 ff. und 202 ff.]. Erlernbarkeit und Akzeptanz. Die EPK-Methode ist leicht erlernbar und eignet sich gut für die Erstellung und Diskussion von Prozessmodellen zwischen Mitarbeitern von Fachabteilungen und IT-Spezialisten. Sie ist in unterschiedlichen Schwierigkeitsstufen darstellbar und verwendbar. Die EPK-Methode unterscheidet nicht streng zwischen Leistungs-, Kontroll- oder Nachrichtenfluss. Diese Vereinfachungen haben zur Akzeptanz der Methode beigetragen. BPMN umfasst in der Version 2.0 mehr als 100 Modellierungselemente. Dadurch verleitet BPMN zum überdetaillierten Modellieren. Eine Folge des großen Symbolumfangs und der daraus resultierenden Modelle ist, dass die entstehenden Modelle umfangreich und schwer verständlich sind. Auch der Leser des Modells benötigt die Legende für die Bedeutung der Symbole. Dies widerspricht der Zielsetzung von semantischen Modellen: grafische Darstellung sollen anschaulich sein und das Verständnis des betriebswirtschaftlichen Sachverhalts erleichtern. Auch existieren kritische Stimmen zur Benutzerfreundlichkeit von BPMN [vgl. Allweyer 2010 und Scheer 1998, S. 18 ff.]. Fazit: Während das BPMN-Modell eine effektivere Anwendung zulässt, steht beim EPK-Modell die Anwenderfreundlichkeit im Vordergrund.
518
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
4.6 Beratungstechnologien zur Implementierung Die letzte Phase eines typischen Beratungsprozesses ist die Implementierungsphase, die sich aus den Prozessschritten Realisierung/Umsetzung und Evaluierung/Kontrolle zusammensetzt. Die Beratungstechnologien, die dem Berater für diese Phase zur Verfügung stehen, lassen sich demnach in Projektmanagement- und Qualitätsmanagement-Tools sowie in Tools zur Evaluierung unterteilen. In diesem Zusammenhang gewinnen besonders in jüngster Zeit agile Tools und -Techniken zunehmend an Bedeutung. Obgleich alle oben genannten Tools grundsätzlich allen Phasen des Beratungsprozesses zuzuordnen sind, sollen sie hier – dem Schwerpunktprinzip folgend – im Rahmen der Implementierungs- bzw. Realisierungsphase einer Problemlösung behandelt werden. 4.6.1 Projektmanagement-Tools Das Projektmanagement befasst sich allgemein mit der Planung, Steuerung und Kontrolle von Projekten und ist damit eine zentrale Aktivität im Beratungsgeschäft. Somit sind Tools für das Projektmanagement zu wertvollen Instrumenten für jeden Projektmanager geworden. Mit ihrer Hilfe lassen sich Projekte so strukturieren, dass der Projektfortschritt jederzeit abrufbar ist und die individuellen Fortschritte aller Projektbeteiligten dokumentiert werden können. Verzögerungen und/oder Budgetüberschreitungen werden rechtzeitig sichtbar gemacht, so dass geeignete Gegenmaßnahmen eingeleitet werden können. Angesichts der Vielzahl der zur Verfügung stehenden Projektmanagement-Tools, die von verschiedensten Unternehmen angeboten werden, soll hier jedoch auf eine Einzeldarstellung verzichtet werden. Stattdessen sollen im Folgenden ein weit verbreiteter methodischer Ansatz (Prince2) sowie eine Systematik (PMBoK), die eine „Zusammenfassung des Wissens der Fachrichtung Projektmanagement“ enthält, herausgegriffen werden, um den derzeitigen Stand der Projektmanagement-Anwendung und -Forschung skizzieren zu können. In einem weiteren Unterabschnitt werden sodann noch einige wesentliche Aspekte aus der täglichen Projektmanagement-Praxis beleuchtet. Zuvor sollen aber die Projektmanagement-Phasen im Projektablauf kurz besprochen werden. 4.6.1.1 Phasen im Projektmanagement
Der Prozess der Erstellung von Beratungsleistungen kann in einem Phasenablauf abgebildet werden, der von der Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen Beratern und Mitarbeitern des Kundenunternehmens in einem Beratungsumfeld bestimmt wird. Diesen Ablauf unterstützt das Projektmanagement zeitlich und methodisch in den einzelnen Phasen. Ebenso wie man den Ablauf eines Projektes (also das Was) als Phasenmodell darstellen kann, so lässt sich auch das Projektmanagement (also das Wie) als Phasenablauf beschreiben. Abbildung 4-75 liefert eine grafische Übersicht über die Ablaufphasen im Management von Beratungsprojekten. Unterstützt werden die einzelnen Phasen von projektbegleitenden und projektübergreifenden Maßnahmen wie Qualitäts-, Vertrags-, Risiko-, Änderungs- und Informationsmanagement.
4.6 Beratungstechnologien zur Implementierung
Analyse des Projektbedarfs, Projektentscheidung und Projektauftrag
Projekt-Start-up mit Entscheidungen und Schaffung einer Arbeitsbasis (Organisation)
Projektplanung für die Realisierung (Teilplanungen, Gesamtprojektplanung)
519
Bearbeitung des Projektgegenstands und Projektcontrolling (Überwachung und Steuerung)
Projektabschluss, Erfolgsbewertung und Transfer der Projektergebnisse
Projektbegleitende/-übergreifende Maßnahmen: Q u a l i tä ts m an a ge m e n t Ve r t r ag s m a na ge m e nt Ri s i k om a n age me n t Ä nd e r u n gs m an a ge m e n t I n f or ma tio ns m a n ag e me nt [Quelle: Hesseler 2011, S. 53]
Abb. 4-75:
Ablaufphasen im Management von Beratungsprojekten
4.6.1.2 Prince2
Prince2 (Projects in Controlled Environments) ist eine der bekanntesten und am weitesten verbreiteten Projektmanagement-Methoden. So wurden bis Ende 2010 mehr als 750.000 Prince2Zertifikate ausgestellt, davon allein 500.000 in Europa. In Großbritannien, wo die Methode 1989 mit dem Namen Prince im Auftrag der Regierung speziell für IT-Projekte entwickelt und 1996 als allgemeine Management-Methode mit der Bezeichnung Prince2 veröffentlicht wurde, hat sie sich zum De-facto-Standard für das Projektmanagement entwickelt. Die Weiterentwicklung der Methode erfolgt nach dem Best-Practice-Gedanken. Eigentümer der Methode ist das Office of Government Commerce (OGC), das auch die Akkreditierung für Prince2-Schulungsanbieter vornimmt. Die Verwendung der Methode steht jedem frei [vgl. OGC 2013]. Prince2 ist ein prozessorientiertes Vorgehensmodell innerhalb eines strukturierten Rahmens (engl. Framework), das den Mitgliedern des Projektmanagementteams konkrete Handlungsempfehlungen liefert. Es besteht aus vier integrierten Bausteinen [vgl. OGC 2009, S. 11 ff.]: Sieben Grundprinzipien, die das Fundament der Methode bilden und daher nicht verändert werden dürfen; Sieben Themen, die auch als Wissensbereiche zu verstehen sind und jene Aspekte des Projektmanagements beschreiben, die bei der Abwicklung eines Projekts kontinuierlich behandelt werden müssen; Sieben Prozesse, die alle Aktivitäten definieren, die für das erfolgreiche Lenken, Managen und Liefern eines Projekts erforderlich sind; Anpassung an die Projektumgebung, die als standardisierter Baustein deshalb erforderlich ist, weil Prince2 in allen Projekten (unabhängig von Größe und Branche) angewendet werden kann.
520
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
Abbildung 4-76 zeigt die vier integrierten Prince2-Bausteine im Zusammenhang. Anpassen an die Projektumgebung 7 Grundprinzipien • • • • • • •
Fortlaufende geschäftliche Rechtfertigung Lernen aus Erfahrungen Definierte Rollen und Verantwortlichkeiten Steuern über Managementphasen Steuern nach dem Ausnahmeprinzip Produktorientierung Anpassen an die Projektumgebung
7 Themen • • • • • • •
Business Case (Warum?) Organisation (Wer?) Qualität (Was?) Pläne (Wie? Wieviel? Wann?) Risiken (Was ist wenn?) Änderungen (Was sind die Auswirkungen?) Fortschritt (Wo gehen wir hin? Sollen wir weitermachen?)
7 Prozesse • • • • • • •
• Anpassen der Themen • Anpassen der Terminologie • Anpassen der Beschreibungen für Managementprodukte • Anpassen der Rollenbeschreibungen • Anpassen der Prozesse • Anpassungen für besonders kleine Projekte
Vorbereiten eines Projekts Lenken eines Projekts Initiieren eines Projekts Steuern einer Phase Managen der Produktlieferung Managen eines Phasenübergangs Abschließen eines Projekts © Dialog.Lippold
Abb. 4-76:
Die vier integrierten Bausteine von Prince2
Grundprinzipien. Die sieben Grundprinzipien, auf denen die gesamte Philosophie von Prince2 aufbaut, lassen sich wie folgt zusammenfassen [vgl. OGC 2009, S. 11 ff.]: Fortlaufende geschäftliche Rechtfertigung, d. h. ein Prince2-Projekt dokumentiert seine Rechtfertigung in einem Business Case, der während der Projektlaufzeit seine Gültigkeit behalten muss. Lernen aus Erfahrungen, d. h. während der gesamten Laufzeit eines Prince2-Projekts werden Erfahrungswerte gesammelt, aufgezeichnet und in diesem sowie in späteren Projekten umgesetzt. Definierte Rollen und Verantwortlichkeiten, d. h. ein Prince2-Projekt hat definierte und vereinbarte Rollen und Verantwortlichkeiten innerhalb einer Organisationsstruktur, in der die Interessen des Unternehmens, der Benutzer und der Lieferanten vertreten sind. Steuern über Managementphasen, d. h. die Planung, Überwachung und Steuerung eines Prince2-Projektes ist nach Phasen gegliedert. Steuern nach dem Ausnahmeprinzip, d. h. ein Prince2-Projekt definiert für jedes Projektziel bestimmte Toleranzen, die den Handlungsrahmen für delegierte Befugnisse festlegen, so dass bei Überschreiten der Toleranzgrenzen unverzüglich die nächst höhere Managementebene informiert wird und über das weitere Vorgehen entscheiden kann.
4.6 Beratungstechnologien zur Implementierung
521
Produktorientierung, d. h. ein Prince2-Projekt ist auf die Definition und Lieferung von Ergebnissen (=Projektprodukte) ausgerichtet, wobei der Schwerpunkt auf deren Qualitätsanforderungen liegt. Anpassen an die Projektumgebung, d. h. Prince2 wird jeweils an die Projektumgebung angepasst, um auf die speziellen Anforderungen eines Projekts hinsichtlich seiner Umgebung, des Umfangs, der Komplexität, der Wichtigkeit, der Leistungsfähigkeit und des Risikos eingehen zu können. Themen. Die sieben Prince2-Themen behandeln Aspekte, die jeder Projektmanager beachten muss, um den Anforderungen seiner Rolle gerecht zu werden. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Themen [vgl. OGC 2009, S. 19]: Business Case, d. h. am Anfang des Projekts steht eine Idee, von der sich die Organisation einen bestimmten Nutzen erhofft. Organisation, d. h. dieses Thema beschreibt die Rollen und Verantwortlichkeiten im Prince2-Managementteam, das befristet für das effektive Management des Projekts eingerichtet wird. Qualität, d. h. die ersten, zumeist noch nicht klar umrissenen Ideen müssen immer weiter ausgearbeitet werden, bis allen Teilnehmern klar ist, welche Qualitätskriterien die zu liefernden Produkte erfüllen müssen. Pläne, d. h. dieses Thema beschreibt als Ergänzung zum Thema Qualität die einzelnen Schritte zur Planentwicklung und die anzuwendenden Prince2-Techniken. Dabei werden die Pläne an die unterschiedlichen Informationsbedürfnisse der Mitarbeiter auf den verschiedenen Hierarchiestufen der Organisation angepasst. Risiken, d. h. dieses Thema beschäftigt sich damit, wie das Projektmanagement mit den Unsicherheiten in den Plänen und der sonstigen Projektumgebung umgeht. Änderungen, d. h. hier geht es darum, wie das Projektmanagement offene Punkte und Änderungsanträge bewertet und behandelt, die potenziell Auswirkungen auf das Projekt haben können. Fortschritt, d. h. dieses Thema befasst sich mit der fortlaufenden Kontrolle der Durchführbarkeit der Pläne und somit im Endeffekt um die Frage, ob und wie das Projekt fortgeführt werden soll. Prozesse. Den eigentlichen Kern eines jeden Projektes bilden sieben Prozesse. Sie definieren die Aktivitäten, die für das erfolgreiche Lenken, Managen und Liefern eines Prozesses erforderlich sind:
Vorbereiten eines Projekts Initiieren eines Projekts Lenken eines Projekts Managen eines Phasenübergangs
522
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
Steuern einer Phase Managen der Produktlieferung Abschließen eines Projekts.
Wichtig ist nun die Trennung der o.a. sieben Prozesse von den Projektphasen (engl. Stages). Eine Phase besteht aus mehreren Prozessen. Ein Prince2-Projekt muss aus mindestens zwei Phasen bestehen: der Initiierungsphase und mindestens einer Managementphase (Ausführungsphase). Die Initiierungsphase besteht aus den Prozessen Initiieren eines Projekts und Managen eines Phasenübergangs, eine Managementphase aus den Prozessen Steuern einer Phase, Managen der Produktlieferung und Managen eines Phasenübergangs. Wenn die Managementphase die letzte ist, wird der Prozess Managen eines Phasenübergangs durch den Prozess Abschließen eines Projekts ersetzt. Der Prozess Lenken eines Projekts bezieht sich auf die gesamte Projektdauer. Typische Managementphasen eines Projekts können z. B. eine „Konzeptphase“ und eine „Implementierungsphase“ sein. Abbildung 4-77 verdeutlicht diesen Zusammenhang [vgl. OGC 2009, S. 131 ff.].
Phasen Vor dem Projekt
Managementebenen
Initiierungsphase
Lenken
Nachfolgende Phase (n)
Letzte Phase
Lenken eines Projekts Vorbereiten eines Projekts Managen des Phasenübergangs
Managen des Phasenübergangs
Abschließen eines Projekts
Managen Initiieren eines Projekts
Liefern
Steuern einer Phase
Steuern einer Phase
Managen der Produktlieferung
Managen der Produktlieferung
[Quelle: OGC 2009, S. 131]
Abb. 4-77:
Diagramm zu Prince2-Prozessen
Es mag etwas irritierend sein, dass immer wieder der Begriff „Produktlieferung“ verwendet wird. Das liegt daran, dass Prince2 nach dem Grundprinzip der Produktorientierung arbeitet. Ein Produkt kann ein körperlicher Gegenstand wie ein Dokument oder ein eher immaterieller Gegenstand wie ein Dienstleistungsvertrag sein. Tatsächlich dienen die von der Methode Prince2 definierten Produkte zur Steuerung des Projektes; es sind also „Managementprodukte“. Die Aktivitäten bspw. des Prozesses Managen der Produktlieferung sind Arbeitspaket annehmen, Arbeitspaket ausführen und Arbeitspaket abliefern [vgl. OGC 2009, S. 2007 ff.].
4.6 Beratungstechnologien zur Implementierung
523
Der wesentliche Vorteil der Methode liegt darin, dass sie für einen kontrollierten Start, Verlauf und Ende von Projekten sorgt, die sich zudem durch ein einheitliches Vorgehen, einheitliches Vokabular und einheitliche Dokumente auszeichnen. Als besondere Schwäche – insbesondere bei kleineren Projekten – wird der hohe Dokumentenballast der Methode angeführt, der zu einem überproportional hohen Anteil an den Projektmanagementkosten führen kann. 4.6.1.3 PMBoK
Der Project Management Body of Knowledge (PMBoK) ist ein international weit verbreiteter Projektmanagement-Standard. Er wird vom amerikanischen Project Management Institute (PMI) herausgegeben und unterhalten. Seit der Erstausgabe von 1987 wurden von PMBoK in unregelmäßigen Abständen neue Versionen veröffentlicht. Die fünfte und jüngste Version erschien im Januar 2013 und bildet die Grundlage aller PMBoK-Zertifizierungsprüfungen. Vom Guide to the Project Management Body of Knowledge wurden über 3,5 Millionen Exemplare verkauft [vgl. PMI 2013]. PMBoK beschäftigt sich mit der Anwendung von Fachwissen, Fertigkeiten, Werkzeugen und Techniken, um Projektanforderungen zu erfüllen, und sieht sich als umfassende Wissenssammlung (engl. Body of Knowledge) auf dem Gebiet des Projektmanagements. Der PMBoK Guide ist in drei Abschnitte unterteilt [vgl. PMI 2004, S. 9 und 41]: Projektmanagementrahmen. Der erste Abschnitt wird als Projektmanagementrahmen (engl. Project Management Framework) bezeichnet. Der Projektmanagementrahmen bietet eine Grundstruktur zum Verständnis des Projektmanagements mit
einer allgemeinen Einführung in die Struktur des PMBoK Guide, einer Beschreibung der allgemeinen Projektorganisation sowie einer Definition des Begriffs “Projektlebenszyklus”.
Projektlebenszyklus. Der zweite Abschnitt ist der Standard für das Projektmanagementsystem eines Projekts mit dem fünfstufigen Projektlebenszyklus im Mittelpunkt. Jede der fünf Stufen bildet eine Prozessgruppe: Die Initiierungsprozessgruppe definiert das Projekt oder eine Projektphase und gibt diese frei. Die Planungsprozessgruppe legt die Ziele fest, verfeinert diese und plant den Ablauf von Handlungen, die erforderlich sind, um die Ziele inhaltlich und umfänglich zu erreichen. Die Ausführungsprozessgruppe integriert das Personal und weitere Einsatzmittel, um den Projektmanagementplan für das Projekt auszuführen. Die Überwachungs- und Steuerungsprozessgruppe misst und überwacht regelmäßig den Fortschritt, um Abweichungen vom Projektmanagementplan zu identifizieren, so dass gegebenenfalls notwendige Korrekturmaßnahmen eingeleitet werden können, um die Projektziele einzuhalten.
524
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
Die Abschlussprozessgruppe bestätigt formell die Abnahme des Produkts, der Dienstleistung oder des Ergebnisses und bringt das Projekt oder eine Projektphase zu einem ordnungsgemäßen Abschluss. Wissensgebiete im Projektmanagement. Der dritte Abschnitt befasst sich mit den Wissensgebieten im Projektmanagement. Es handelt sich dabei um insgesamt neun Wissensgebiete (engl. Knowledge Areas), auf die insgesamt 44 Managementprozesse verteilt werden:
Integrationsmanagement (engl. Integration Management) in Projekten Inhalts- und Umfangsmanagement (engl. Scope Management) in Projekten Termin- bzw. Zeitmanagement (engl. Time Management) in Projekten Kostenmanagement (engl. Cost Management) in Projekten Qualitätsmanagement (engl. Quality Management) in Projekten Personalmanagement (engl. Human Resources Management) in Projekten Kommunikationsmanagement (engl. Communications Management) in Projekten Risikomanagement (engl. Risk Management) in Projekten Beschaffungsmanagement (engl. Procurement Management) in Projekten
Abbildung 4-78 liefert eine Zuordnung der einzelnen Prozesse zu den neun Wissensgebieten. Um den Unterschied zwischen Prozessgruppen und Managementprozessen, die zu Wissensgebieten zusammengefasst werden, zu verdeutlichen, wird in Abbildung 4-79 als Beispiel das Wissensgebiet Inhalts- und Umfangsmanagement herangezogen. Das Wissensgebiet besteht aus fünf Managementprozessen. Davon zählen drei Prozesse zur Planungsprozessgruppe und zwei Prozesse zur Überwachungs- und Steuerungsprozessgruppe. Das Beispiel macht deutlich, dass Prozessgruppen nicht dasselbe sind wie Prozessphasen. Prozessgruppen werden – im Gegensatz zu Phasen – mehrfach durchlaufen. Prozessgruppen sollen der Garant dafür sein, dass das Projektmanagement sachgerecht durchgeführt wird. Sie stellen die schnelle Identifizierung von Fokuspunkten in einem gegebenen Projekt zu einem festgelegten Zeitpunkt während des Projektlebenszyklus sicher und führen dadurch zu den richtigen und benötigten Projektmanagementprozessen [vgl. Snijders et al. 2011, S. 48 und 70].
4.6 Beratungstechnologien zur Implementierung
525
Integrationsmanagement in Projekten
Inhalts- und Umfangsmanagement in Projekten
Terminmanagement in Projekten
• Entwickeln des Projektauftrages • Entwickeln der Beschreibung des Projektinhalts und -umfangs • Entwickeln des Projektmanagementplans • Lenken und Managen der Projektausführung • Überwachen und Steuern der Projektarbeit • Integrierte Änderungssteuerung • Abschließen des Projekts
• • • •
Planung des Inhalts und Umfangs Definition des Inhalts und Umfangs Erstellen eines Projetstrukturplans Verifizieren des Inhalts und Umfangs • Steuerung des Inhalts und Umfangs
• Definition der Vorgänge • Festlegen der Vorgangsfolgen • Einsatzmittelbedarfsschätzung für den Vorgang • Schätzung der Vorgangsdauer • Entwicklung des Terminplans • Steuerung des Terminplans
Kostenmanagement in Projekten
Qualitätsmanagement in Projekten
Personalmanagement in Projekten
• Kostenschätzung • Kostenplanung • Steuerung der Kosten
• Qualitätsplanung • Durchführen der Qualitätssicherung • Durchführen der Qualitätslenkung
• Personalbedarfsplanung • Zusammenstellung des Projektteams • Entwickeln des Projektteams • Leiten des Projektteams
Kommunikationsmanagement in Projekten
Risikomanagement in Projekten
Beschaffungsmanagement in Projekten
• • • •
• • • • • •
• Planen der Einkäufe und Beschaffungen • Planen des Vertragswesens • Lieferantenanfragen • Lieferantenauswahl • Vertragsabwicklung • Vertragsbeendigung
Kommunikationsplanung Informationsverteilung Fortschrittsberichtswesen Stakeholdermanagement
Risikomanagementplanung Risikoidentifikation Qualitative Risikoanalyse Quantitative Risikoanalyse Risikobewältigungsplanung Risikoüberwachung und-steuerung
[Quelle: PMI 2005, S. 11]
Abb. 4-78:
Die neun Wissensgebiete und zugehörige Prozesse von PMBoK
Stellt man die Stärken und Schwächen von PMBoK gegenüber, so lässt sich auf der Habenseite feststellen, dass es dem verantwortlichen Projektmanagement sämtliche Werkzeuge, Techniken und Verfahren zur Verfügung stellt, die es über den gesamten Lebenszyklus eines Projekts hinweg benötigt. Damit ist zugleich aber auch die entscheidende Schwäche von PMBoK angesprochen: Der Ansatz ist zu komplex für kleine Projekte.
Prozessgruppen
Wissensgebiet
Planungsprozessgruppe
Inhalts- und Umfangsmanagementprozesse
Anforderungen sammeln
Inhalt und Umfang definieren
Produktstrukturplan erstellen
Überwachungs- und Steuerungsprozessgruppe
Inhalt und Umfang verifizieren
[Quelle: Snijders et al. 2011, S. 70]
Abb. 4-79:
Überblick der Inhalts- und Umfangsmanagementprozesse
Inhalt und Umfang steuern
526
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
4.6.1.4 Besondere Aspekte des Projektmanagements
Betrachtet man die Organisation und Führung eines Projektes – und damit das Projektmanagement – unter dem besonderen Aspekt der Berater-Kunde-Beziehung, so lassen sich drei Grundmodelle darstellen (siehe Abbildung 4-80): Führungsmodell, d. h. in dieser Form der Projektorganisation übernimmt der Berater die Führung des Projekts und die Mitarbeiter des Kundenunternehmens setzen die Empfehlungen und Vorgaben des Beraters um. Ressourcenmodell, d. h. der Kunde entwickelt die Vorgaben und der Berater setzt diese um, weil das Kundenunternehmen nicht über ausreichende Umsetzungskapazitäten verfügt. Partnerschaftsmodell, d. h. das Kundenunternehmen und der Berater entscheiden und handeln gemeinsam. Diese Form der Zusammenarbeit gilt auf allen Ebenen der Projektorganisation. In der Praxis setzt sich – nicht nur in der IT-Beratung – der kooperative Beratungsansatz zunehmend durch, d. h. Kunde und Berater entscheiden und handeln auf allen Projektebenen gemeinsam. Dieses Partnerschaftsmodell setzt gemischte Teams nicht nur auf der Arbeits-, sondern auch auf der Führungsebene voraus. Insbesondere bei größeren Projekten mit weitreichender Bedeutung hat sich eingebürgert, zusätzliche Verantwortliche z. B. aus dem Unternehmensmanagement mit einzubinden. So wird beispielsweise die Gesamtverantwortung für ein Projekt häufig durch einen Lenkungsausschuss getragen. Die Verantwortung für den Nutzen des Projektes trägt der Benutzervertreter aus dem Fachbereich. Traditionelle Beratungsansätze
Führungsmodell
Kooperativer Beratungsansatz
Berater sagt Kunde
Partnerschaftsmodell
Kunde
entscheiden und handeln gemeinsam
Lenkungsausschuss
Kunde
Kernteam
Kunde
Berater
Berater
handelt
Ressourcenmodell
Kunde
Arbeitsteams
Berater Kunde
Kunde Berater
Kunde Berater
Berater
sagt Berater handelt
• Erreichung gemeinsamer Projekterfolge durch gemeinsame Ziele und komplementäre Fähigkeiten • Sicherstellung der Umsetzung der Konzepte durch Verankerung auf allen Organisationsebenen • Fokus auf strategische Analyse und Konzeption unter unbedingter Berücksichtigung der Umsetzbarkeit © Dialog.Lippold
Abb. 4-80:
Grundmodelle der Kunde-Berater-Beziehung
4.6 Beratungstechnologien zur Implementierung
527
Eine der wichtigsten Aufgaben des Projektmanagements ist das Change Management, d. h. der sinnvolle Umgang mit Änderung von Leistungen, von Mengengerüsten, von Kosten oder Terminen. Solche Änderungen müssen als Change Request rechtzeitig erfasst, kommuniziert und zur Genehmigung vorgelegt werden. Ggf. führt ein Change Request auch zu entsprechenden vertraglichen Anpassungen (siehe auch Unterabschnitt 3.3.3.3). 4.6.2 Agile Tools Agile Methoden – und damit auch agile Tools – haben stark an Bedeutung gewonnen. Ging man vor wenigen Jahren noch von der Frage aus, ob agile Methoden überhaupt angewendet werden, stellt sich heute nur noch die Frage, wie und in welcher Kombination sie anzuwenden sind. In der Softwareentwicklung gehören agile Methoden längst zum Standard. Auch im ITnahen Umfeld, wie bei der Einführung von ERP-Systemen, spielen agile Methoden und Prinzipien eine immer wichtigere Rolle. Agile Tools wie Scrum, IT-Kanban und Design Thinking stellen Werte und Prinzipien in den Vordergrund, wo bisher klassische Projektmanagement-Methoden und -Techniken im Fokus waren. Auf anderen Gebieten sind sie allerdings weniger bekannt, obwohl inzwischen viele Beispiele zeigen, dass agile Werte, Prinzipien, Methoden und Methodenelemente auch außerhalb der Softwareentwicklung ihren Nutzen entfalten können. Eine Abgrenzung agiler Methoden von den klassischen Projektmanagement-Methoden ist schwierig, denn im Gegensatz zum Projektmanagement gibt es für agile Methoden keine beschreibenden und abgrenzenden Normen, Kompetenzrichtlinien, Books of Knowledge oder Ähnliches. Anhaltspunkt für die Zuordnung einer Methode zu den agilen Methoden ist stattdessen in den meisten Fällen ein expliziter oder impliziter Bezug zum „Agilen Manifest“. Es fällt aber auf, dass beide Methoden(-familien) in der Praxis eng miteinander verwoben sind. Einer Studie der Gesellschaft für Projektmanagement (GPM) zur Folge, lösen agile Methoden oft klassische Projektmanagement-Methoden in bestimmten Aufgabenfeldern ab oder sie erweitern die möglichen Methodenelemente und finden Eingang in das Projektmanagement – oft auch als Ergänzung oder Erweiterung in Form eines sogenannten „hybriden Ansatzes“, also einer vermischten bzw. kombinierten Form agiler und klassischer Methoden [vgl. GPM-Studie 2017, S. 7]. 4.6.2.1 Das Agile Manifest
Die Leitprinzipien agiler Methoden wurden im Jahr 2001 von einer Gruppe internationaler Softwareentwickler publiziert. Sie umfassen vier Werte und 12 Prinzipien [www.agilemanifesto.org]. Gegenstand des Manifestes ist explizit die „Softwareentwicklung“. Die vier Werte im Agilen Manifest sind: Menschen und Interaktionen zählen mehr als Prozesse und Werkzeuge. Funktionierende Software ist wichtiger als umfassende Dokumentation. Zusammenarbeit mit dem Kunden bedeutet mehr als nur Vertragsverhandlung.
528
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
Reagieren auf Veränderung ist wichtiger als das Befolgen eines Plans. Die 12 Prinzipien im Agilen Manifest sind: Unsere höchste Priorität ist es, den Kunden durch frühe und kontinuierliche Auslieferung wertvoller Software zufrieden zu stellen. Heiße Anforderungsänderungen selbst spät in der Entwicklung willkommen! Agile Prozesse nutzen Veränderungen zum Wettbewerbsvorteil des Kunden. Liefere funktionierende Software regelmäßig innerhalb weniger Wochen oder Monate und bevorzuge dabei die kürzere Zeitspanne. Fachexperten und Entwickler müssen während des Projektes täglich zusammenarbeiten. Errichte Projekte rund um motivierte Individuen. Gib ihnen das Umfeld und die Unterstützung, die sie benötigen und vertraue darauf, dass sie die Aufgabe erledigen. Die effizienteste und effektivste Methode, Informationen an und innerhalb eines Entwicklungsteams zu übermitteln, ist im Gespräch von Angesicht zu Angesicht. Funktionierende Software ist das wichtigste Fortschrittsmaß. Agile Prozesse fördern nachhaltige Entwicklung. Die Auftraggeber, Entwickler und Benutzer sollten ein gleichmäßiges Tempo auf unbegrenzte Zeit halten können. Ständiges Augenmerk auf technische Exzellenz und gutes Design fördert Agilität. Einfachheit -- die Kunst, die Menge nicht getaner Arbeit zu maximieren -- ist essenziell. Die besten Architekturen, Anforderungen und Entwürfe entstehen durch selbstorganisierte Teams. In regelmäßigen Abständen reflektiert das Team, wie es effektiver werden kann und passt sein Verhalten entsprechend an. Die agilen Werte und Prinzipien bedeuten einen Paradigmenwechsel in der Softwareentwicklung. Die klassische Softwareentwicklung setzt auf Wasserfall-Methoden, also auf Lösungsund Entwicklungsverfahren, die in einem linearen Schritt-für-Schritt-Prozess von der Ebene der Bedarfs- und Problemanalyse „hinab“-steigen in die Ebene der Lösungen. Wie beim fließenden Wasser gibt es nach jedem Arbeitsschritt nur eine mögliche Bewegungsrichtung: nach vorne. Nachdem das Ziel definiert ist (Wie soll mein Produkt aussehen?) arbeitet man sich in klar abgegrenzten Analyse-, Entwicklungs- und Testphasen nach einem vorgegebenen Plan in Richtung Ergebnis (siehe Insert 4-14). Die Kritik an diesem Vorgehen fasst das Agile Manifest in folgendem Leitsatz zusammen: „Je mehr du nach Plan arbeitest, desto mehr bekommst du das, was du geplant hast, aber nicht das, was du brauchst.“
4.6 Beratungstechnologien zur Implementierung
529
In der agilen Softwareentwicklung ist das Vorgehen dagegen iterativ. Der Prozess ist unterteilt in kurze, überschaubare Phasen, in denen Zwischenergebnisse überprüft und am Endnutzer getestet werden. Damit baut sich der Entwicklungsprozess mit geringem bürokratischem Aufwand schrittweise auf. Menschliche Aspekte wie Teamgeist und Verantwortungsgefühl gewinnen stärker an Bedeutung. Auch die Rolle der Führung wird hier neu gedacht [vgl. Albert/Krumbier 2014].
Insert 4-14:
Die Wasserfall-Methode der klassischen Softwareentwicklung
Zumindest in der IT-Welt spricht der Erfolg für agile Planung. Führen klassische „WasserfallMethoden“ in der Softwareentwicklung nur bei 14 Prozent der Projekte zum gewünschten Ergebnis, so sind es bei agilen Methoden immerhin 42 Prozent. Und auch deutlich über zwei Drittel der mehr als 700 Teilnehmer der GPM-Studie „Status Quo Agile“ sehen Ergebnis- und Effizienzverbesserungen durch die Anwendung agiler Methoden. Die Vorteile der agilen Softwareentwicklung gegenüber der klassischen Softwareentwicklung können mit mehr Transparenz, Flexibilität und Schnelligkeit beschrieben werden. Es existieren aber auch Nachteile der agilen Softwareentwicklung:
530
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
Da sich die Anforderungen oft genug verändern, sind Kosten-, Budget- und Terminplanung ebenfalls nur in kleinen Schritten möglich. Somit sind die Gesamtkosten des Projektes nur sehr schwer zu schätzen. Agiles Projektmanagement reduziert die Kontrolle und basiert auf mehr Vertrauen. Außerdem steigen die Anforderungen an die Fähigkeiten der Entwickler hinsichtlich Selbstständigkeit und Eigenverantwortung [vgl. Dzukou/Brozmanm 2015]. 4.6.2.2 Scrum
Unter allen agilen Methoden und Tools zählt Scrum nicht nur zu den bekanntesten Tools, sondern Srum ist auch die Methode, die von den Teilnehmern der GPM-Studie am häufigsten eingesetzt wird (siehe Insert 4-15). Jeff Sutherland und Ken Schwaber sind die Erfinder der ScrumMethodik, die sie in den frühen 90er-Jahren entwickelt und im Rahmen der OOPSALA-Konferenz 1995 in Texas erstmalig vorgestellt haben.
Insert 4-15:
Bedeutung der angewendeten agilen Methoden
4.6 Beratungstechnologien zur Implementierung
531
Das Grundprinzip von Scrum sind kurze Entwicklungsiterationen – sogenannte „Sprints“ – , die sich durch klare Zielvorgaben und regelmäßige Feedbackschleifen auszeichnen. Zu Beginn einer Projektphase werden im „Sprint Planning“ gemeinsam mit dem Kunden Ziele definiert und daraus Aufgaben abgeleitet, priorisiert und für alle sichtbar aufgehängt („Scrumboard“). Das gesamte Entwicklerteam macht sich anschließend daran, diese Aufgaben zu bearbeiten – jede/r weiß jederzeit um den aktuellen Entwicklungsstand und arbeitet eigenverantwortlich. Täglich werden in „Daily Standups“ Zwischenergebnisse präsentiert und Probleme besprochen. Am Ende eines „Sprints“ werden Ergebnis, Prozess und Zusammenarbeit reflektiert – und ein neues Intervall beginnt (siehe Insert 4-16). Letztlich sind es drei Hauptkomponenten, die das Srum Framework ausmachen: Rollen (engl. Roles), Meetings Artefakte. Scrum Roles. Scrum unterscheidet drei Arten von Rollen: Scrum Product Owner, Scrum Master und das Scrum Team. Der Product Owner ist der Vertreter des Kunden. Er definiert die Funktionen des Produkts, entscheidet über den Inhalt, priorisiert Module nach dem Marktwert und ist verantwortlich für die Rentabilität des Produkts. Der Product Owner trägt die Verantwortung dafür, dass die richtigen Anforderungen im Product Backlog stehen und dass sie in einer sinnvollen Reihenfolge abgearbeitet werden. Dadurch hat er maßgeblichen Einfluss auf das Arbeitsergebnis und ist, so gesehen, wirklich diejenige Person, die „den Hut auf“ hat. Der Scrum Master trägt Verantwortung für den Scrum-Prozess. Er sorgt für den Informationsfluss zwischen Product Owner und Team. Er moderiert Scrum-Meetings und hat die Aktualität der Scrum-Artefakte (Product Backlog, Sprint Backlog, Burndown Charts) im Blick. Zudem schützt er das Team vor unberechtigten Eingriffen während des Sprints. Der Scrum Master ist somit Coach, Mentor, Moderator und Vermittler im Scrum-Boot. Er führt das Scrum-Team situativ. Das Scrum Team besteht aus fünf bis zehn Personen und ist sein eigener Manager (Self Organisation). Größere Gruppen werden in mehrere unabhängige, aber miteinander kommunizierende Teams aufgeteilt. Das Scrum Team ist interdisziplinär zusammengesetzt (Entwickler, Architekten, Tester, technische Redakteure), arbeitet gemeinsam und teilt sich die Verantwortung. Das Team entscheidet selbständig über das Zerlegen der Anforderungen (Epics, Stories) in Tasks und deren Verteilung an einzelne Mitglieder (Erstellung des Sprint Backlog aus dem aktuell anstehenden Teil des Product Backlog). Es trifft sich täglich zum Daily Scrum, in dem sich die Team Mitglieder jeweils einander einen kurzen Statusbericht geben. Nach jedem Sprint liefert das Scrum Team ein „Increment of Potentially Shippable Functionality“ ab und präsentiert dieses im Sprint Review Meeting. Jedes Team Mitglied kennt das Big Picture des Projekts und aktualisiert täglich die Restaufwände seiner Tasks im Sprint Backlog.
532
Insert 4-16:
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
Scrum-Framework
Scrum Meetings (Events). Bei den Meetings unterscheidet Scrum zwischen Sprints, Sprint Planning, Daily Scrum, Sprint Review und Sprint Retro.
4.6 Beratungstechnologien zur Implementierung
533
Der Sprint ist im Rahmen der Scrum-Methode eine fest definierte Zeitspanne. In der Regel umfasst diese eine zwei bis vierwöchige Arbeitsphase des Scrum Teams. Im Sprint Planning bestimmen das Scrum Team und der Product Owner auf Basis des Product Backlogs Ziel und Inhalt des nächsten Sprints. Daily Scrum ist das tägliche Update-Meeting, in dem jedes Teammitglied seinen Statusbericht abgibt und auch darauf hinweist, was ihn bei der Arbeit behindert. Außerdem wird die Planung bis zum nächsten Daily Scrum mitgeteilt. Im Sprint Review werden die Ergebnisse des Sprints vor dem Product Owner präsentiert. Der Product Owner gibt entsprechend Feedback. In der Sprint Retroperspektive wird die Arbeitsweise des Entwicklerteams evaluiert. Dabei steht die Effizienz und Effektivität im Sinne eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP) im Vordergrund. Scrum Artefakte. Bei den Scrum Artefakten handelt es sich um drei Dokumente, die im Wesentlichen der Transparenz dienen: der Product Backlog, der Sprint Backlog und das lieferfähige Product Increment. Der Product Backlog ist die dynamische und priorisierte Anforderungsliste des Kunden und beschreibt somit das gesamte Endprodukt. Der Sprint Backlog beschreibt die Anforderungen aus dem Product Backlog, die im jeweiligen Sprint erledigt werden müssen. Das Product Increment ist der fertige und potenziell produktiv einsetzbarer Anwendungsteil.
4.6.2.3 Design Thinking
Design Thinking ist eine nutzerzentrierte und iterative Methode zur Förderung kreativer Ideen und zur Lösung komplexer Probleme. Dabei besteht der Anspruch, eine aus Kundensicht überlegene wirtschaftliche und machbare Lösung zu entwickeln. Hierzu greift Design Thinking auf die Arbeits- und Vorgehensweise von Designern zurück, die im Kern auf Beobachtung und hoher Nutzerzentrierung basiert. Design Thinking wurde von Larry Leifer, Terry Winograd, bei dem der Google Gründer Larry Page in Ausbildung war und von David Keller unter dem Dach der Design- und Innovationsagentur IDEO begründet. Seit 2007 fördert das Hasso-Plattner-Institut (HPI) in Potsdam die Erforschung und Umsetzung von Design Thinking [vgl. dazu und im Folgenden Diehl 2019]. Die Design Thinking Methode ist im Kern ein Prozess, bei dem der Teilnehmer mit einem “Beginners Mind“ und der Haltung, dass man nichts weiß, startet. Das Prozessende ist erst dann erreicht, wenn eine Idee materialisiert und konkret implementiert ist. Dazwischen liegt ein iterativer Prozessverlauf mit sechs Schritten (siehe Abbildung 4-81).
534
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
Verstehen
Beobachten
Point of View
Ideen finden
Prototyping
Verfeinerung
© Dialog.Lippold
Abb. 4-81:
Iterativer Prozess im Design Thinking
Schritt 1: Verstehen – Das Problem definieren. In diesem ersten Schritt geht es um das gemeinsame Verständnis des Problems bei allen am Prozess beteiligten Personen. Ziel ist es, eine geeignete Fragestellung zu finden, die die Bedürfnisse und Herausforderungen des Projekts definiert. Dieses gemeinsame Problemverständnis ist das Fundament, auf dem der Design Thinking Prozess steht. Schritt 2: Beobachten – Kundenbedürfnisse verstehen. Es folgt eine Phase des Beobachtens und Zuhörens. Es wird beobachtet, welche improvisierten Lösungen der Kunde heute nutzt, um das Problem zu lösen. Ziel ist es, Annahmen aus der ersten Phase zu bestätigen, vor allem aber Hypothesen zu streichen, die sich nicht aufrechterhalten lassen. Schritt 3: Point-of-view – Standpunkt definieren. Hier erfolgt die Synthese der beiden ersten Schritte. Im Vordergrund steht die Entwicklung eines konzeptionellen Rahmens, der den Lösungsraum absteckt und der den „idealen Kunden“ definiert. Der erste ideale Kunde ist ein Kreis von Nutzern, die in besonderem Maße von dem Problem betroffen und damit aufgeschlossen für die noch zu entwickelnde Lösung sind. Diese Personengruppe wird als „Persona“ bezeichnet und dient im weiteren Prozessverlauf als feste Größe für die Lösungsentwicklung. Schritt 4: Ideenfindung – Lösungen skizzieren und priorisieren. Diese vierte Phase ist das Kernelement des Design Thinking Prozesses. Das Team entwickelt Ideen, wie das Problem für die Persona gelöst werden soll. Dazu sind drei Aktivitäten erforderlich: Ideensammlung, Ideenbewertung und Ideenpriorisierung. Das Ergebni8s ist schließlich die gemeinsame Vorstellung der ersten zu realisierenden Idee. Schritt 5: Prototyping – Modellierung der besten Ideen. Hierbei steht die Aufgabe im Vordergrund, die präferierten Ideen in einen Prototyp zu übersetzen. Wichtig dabei ist, dass sich der Kunde in die Lösung rein versetzen kann, damit er entsprechendes Feedback geben kann.
4.6 Beratungstechnologien zur Implementierung
535
Schritt 6: Verfeinerung – Was sagt der Kunde? Auf Basis der durch Prototypen gewonnenen Einsichten wird das Konzept weiter verbessert und solange verfeinert, bis ein optimales, nutzerorientiertes Produkt entstanden ist. Dieser Iterationsschritt kann sich auf alle bisherigen Schritte beziehen. Die konkrete Umsetzung der Lösung erfolgt dann mit Tools wie Scrum, mit deren Hilfe aus dem Prototypen in iterativen Schritten ein Produkt entwickelt wird. Design Thinking wird in vielen Bereichen angewendet. Mit seiner offenen, kreativen aber gleichzeitig systematischen Herangehensweise bietet die Methode ein strukturiertes Vorgehensmodell für unterschiedliche Fragestellungen und Problembereiche. Design Thinking eignet sich besonders, um digitale Produkte, Services und Geschäftsmodelle zu entwickeln.
4.6.2.4 IT-Kanban
Das aus der japanischen Automobilindustrie stammende Vorgehensmodell hat mit großem Erfolg auch in die IT-Operations und Softwareentwicklung Einzug gehalten. Ursprünglich ist Kanban eine Methode aus der Produktionsprozesssteuerung, die vom japanischen Automobilhersteller Toyota in den 1950er Jahren im Zuge der „Just-in-Time“-Produktion entwickelt worden war. Es handelt sich um ein Planungssystem, dessen Ziel es ist, jede Fertigungs-/Produktionsstufe optimal zu steuern. Der Ansatz basiert auf einem Pull-System. Die Produktion wird dabei an der Kundennachfrage ausgerichtet und nicht wie bei Push-Systemen üblich auf bestimmte Mengen festgesetzt, die sich an der Produktionskapazität orientiert. Dabei wird ein großes Augenmerk auf die Vermeidung von Engpässen gelegt, die den Produktionsprozess verlangsamen könnten. Ziel ist es, schnellere Durchlaufzeiten zu erreichen. Im Japanischen bedeutet Kanban „Signalkarte“ [vgl. hierzu und im Folgenden www.projektmanagement-definitionen.de/glossar/kanban]. David Anderson hat das Konzept 2007 auf die IT übertragen und so den Weg geebnet, nicht nur Produktionsprozesse, sondern auch Projekte mit Hilfe von Kanban schneller und effizienter zu machen. Kanban hilft dabei, den Fluss der Arbeit zu visualisieren. Im klassischen Modell gibt es drei Spalten [www.kanbanize.com/de/kanban-ressourcen/kanban-erste-schritte/]: To Do (Requested): In die Spalte ganz links werden die Aufgaben eingeordnet, die noch nicht begonnene Tätigkeiten bezeichnen. Doing (In Progress): Wird mit der Bearbeitung einer Aufgabe begonnen, so wird sie in die mittlere Spalte verschoben. Done: Sobald die Aufgabe erledigt ist, wandert sie in die rechte Spalte mit den erledigten Arbeitspaketen.
536
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
Die Grundlagen von Kanban können in Grundprinzipien und Praktiken unterteilt werden. Die vier Grundprinzipien von Kanban lauten: Prinzip 1: Beginnen mit dem, was man jetzt gerade tun Prinzip 2: Inkrementelle, evolutionäre Veränderungen verfolgen Prinzip 3: Aktuelle Prozesse, Rollen & Verantwortlichkeiten berücksichtigen Prinzip 4: Zu Führungsverantwortung auf allen Ebenen ermutigen. David Anderson nennt darüber hinaus sechs wesentliche Praktiken, die über den Erfolg einer Implementierung entscheiden: Den Workflow visualisieren. Um Ihren Prozess in Kanban zu visualisieren, wird ein Board mit Karten und Spalten benötigt. Jede Spalte auf dem Board stellt einen Schritt im Workflow dar. Jede Kanban-Karte repräsentiert ein Arbeitselement. Mit Arbeitsbeginn wird die Aufgabe aus der „To Do“ Spalte gezogen und wenn sie fertig ist, auf „Done“ bewegt. Auf diese Weise können problemlos Fortschritt verfolgt und Engpässe aufgespürt werden. Laufende Arbeit begrenzen. Der Schwerpunkt der zweiten Kanban-Praktik auf der Begrenzung der laufenden Arbeit (WIP). Ohne Work-in-Progress-Limits ist es kein Kanban. Zur Begrenzung der WIP wird ein Pull-System für Teile des oder den gesamten Workflow eingeführt. Durch Maximalwerte für die Anzahl der Elemente pro Phase wird sichergestellt, dass eine Karte nur dann in den nächsten Schritt „gezogen“ wird, wenn Kapazität zur Verfügung steht. Workflow-Management. Die Grundidee bei der Einführung eines Kanban-Systems besteht in der Etablierung eines reibungslosen Flusses von Arbeitselementen durch den Produktionsprozess. Angestrebt wird ein schneller und gleichmäßiger Fluss, so dass das Risiko minimiert und Kosten durch Verzögerungen vermieden werden. Prozessrichtlinien ausformulieren. Der Prozess muss klar definiert und öffentlich und gemeinsam besprochen werden. Wenn alle auf das gemeinsame Ziel eingeschworen sind, können sie so arbeiten und Entscheidungen treffen, dass positive Veränderungen ermöglicht werden. Feedbackschleifen. Regelmäßige Meetings dienen dem Wissenstransfer. Eine besondere Rolle spielen dabei die täglichen Stand-Up-Meetings (10 bis 15 Minuten) für die TeamSynchronisierung. Sie werden vor dem Kanban-Board gehalten und jedes Mitglied berichtet, was es am Vortag getan hat und was es heute tun wird. Die Zusammenarbeit verbessern (mithilfe von Modellen und wissenschaftlichen Methoden). Der Weg zu kontinuierlicher Verbesserung und nachhaltigem Wandel innerhalb eines Unternehmens führt über die gemeinsame Vision. Teams, die gemeinsame Theorien zu Arbeit, Workflows, Prozessen und Risiken haben, entwickeln eher ein gemeinsames Verständnis eines Problems und kommen leichter zu nachhaltigen Verbesserungen. So jedenfalls das Credo der Kanban-Philosophie.
4.6 Beratungstechnologien zur Implementierung
537
Kanban ist mehr als nur Haftnotizen an der Wand. Über die Beschäftigung mit der Philosophie und der täglichen Anwendung erhält man am leichtesten den Zugang zu Kanban. Die Visualisierung von Workflows, WIP-Limits, das Workflow-Management und die Etablierung ausformulierter Richtlinien geben hierzu eine wesentliche Unterstützung (siehe Insert 4-17).
Insert 4-17:
Von der Haftnotiz an der Wand zum digitalen Kanban-Board
4.6.3 Qualitätsmanagement-Tools Die Auswahl und Zusammenstellung der sieben Techniken der Qualitätssicherung (engl. Seven Tools of Quality, auch Q7) gehen auf den Japaner Kaoru Ishikawa zurück. Es handelt sich dabei um eine Sammlung elementarer Qualitätswerkzeuge, die zur Unterstützung von Problemlösungsprozessen eingesetzt werden kann. Zum einen dienen sie zur Problemerkennung und zum anderen zur Problemanalyse. Bei der Problemerkennung (bzw. Fehlererfassung) werden die Werkzeuge
Fehlersammelliste (auch Strichliste), Histogramm und Kontrollkarte (auch Regelkarte)
538
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
eingesetzt. Sie liefern Informationen über Fehlerarten, -orte und -häufigkeiten und stellen diese grafisch dar. In der Problemanalyse (bzw. Fehleranalyse) wird schwerpunktmäßig mit den Werkzeugen
Ursache-Wirkungsdiagramm (auch Fischgräten- oder Ishikawa-Diagramm), Pareto-Diagramm (auch ABC-Analyse oder 80:20-Regel), Korrelationsdiagramm (auch Streudiagramm) und Flussdiagramm
gearbeitet. Mit diesen Tools werden Aussagen über Bedeutung und Ursachen von Fehlern, deren Wechselwirkungen sowie über die Reihenfolge von Prozessabläufen ermöglicht. 4.6.3.1 Fehlersammelliste
In der Praxis werden verschiedene Begriffe für die Fehlersammelliste verwendet: Fehlersammelkarte, Datensammelblatt oder Strichliste. Mit ihrer Hilfe können betriebliche Daten wie Fehleranzahl, -arten und -häufigkeiten oder die Anzahl fehlerhafter Produkte leicht erkannt, erfasst und übersichtlich dargestellt werden. Für die Festlegung der Fehlerarten kommen Produkte, eingesetzte Technologien und allgemeine betriebliche Gegebenheiten während des Herstellungsprozesses (z. B. Ausschuss) bis zur Anlieferung beim Kunden (z. B. Reklamationen) in Betracht. In Abbildung 4-82 ist ein allgemeines Beispiel einer Fehlersammelliste dargestellt. Die Gestaltung der Fehlersammelliste wird in der Regel in den QM-Unterlagen festgelegt.
Abb. 4-82:
Beispiel einer Fehlersammelliste
4.6 Beratungstechnologien zur Implementierung
539
Neben Fehlerarten können auch Klassen von Messwerten in übersichtlicher Form dargestellt werden. Die Klasseneinteilung lässt sich dann später dazu nutzen, die Verteilung der Messwerte in einem Histogramm (siehe nächster Abschnitt) grafisch zu dokumentieren. Abbildung 4-83 fasst die wichtigsten Fakten der Fehlersammelliste noch einmal zusammen.
Abb. 4-83:
Anwendungssituation und Beispiel für die Fehlersammelliste
4.6.3.2 Histogramm
In einem Histogramm werden gesammelte Daten der Größe nach geordnet, zu Klassen zusammengefasst und als Säulen dargestellt. Die Höhe der Säule entspricht dabei dem Wert der Klasse. Die Säulen müssen nicht notwendig gleich breit sein. Anders als im Stab- oder Balkendiagramm werden bei der grafischen Darstellung der Verteilungen in den Klassen die relativen Klassenhäufigkeiten nicht durch die Höhen der Säulen, sondern durch die Flächeninhalte der Rechtecke beschrieben (siehe Abbildung 4-84).
Abb. 4-84:
Beispiel für ein Histogramm
540
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
Voraussetzung für die Erstellung eines Histogramms ist die Vorlage ausreichender und geeigneter Messdaten. Diese Messdaten sollten metrisch skaliert sein (ein Wert muss besser oder schlechter sein als ein anderer und der Abstand beider voneinander muss messbar sein; z. B. die Zahlen 2 und 4). In Ausnahmefällen sind auch ordinal skalierte Daten zulässig (ein Wert muss besser oder schlechter sein als ein anderer, der Abstand ist jedoch nicht messbar; z. B. die Bewertungen „gut“ und „sehr gut“) oder qualitative Merkmale (kein Wert ist besser oder schlechter; z. B. die Geschlechter „Mann“ und „Frau“). Messdaten müssen die beabsichtige Klassenbildung zulassen und es müssen sich genügend Klassen bilden lassen (mindestens mehr als eine). Abbildung 4-85 fasst Anwendungssituation und Beispiel für das Histogramm noch einmal zusammen. Anwendungssituation
Problem Ursachen- Ursachenfindung analyse
Graphisches Beispiel
Lösungsfindung
Umsetzung
Lösung
1,0
Dichtekurve der Normalverteilung
Häufigkeitsverteilung
• Beschreiben der Grundgesamtheit • Überprüfung von Hypothesen • Ermittlung von Problemursachen • Soll-Ist-Abgleich etc.
Merkmalsklassen © Dialog.Lippold
Abb. 4-85:
Anwendungssituation und Beispiel für das Histogramm
4.6.3.3 Kontrollkarte
Die Kontrollkarte (Kurzbeschreibung für Qualitätsregelkarte (QRK) oder auch einfach Regelkarte (engl. [quality] control chart) wird vorwiegend im Qualitätsmanagement zur grafischen Darstellung und Auswertung von Prüfdaten eingesetzt. Auf ihr werden statistische Stichprobenkennzahlen (z. B. Stichprobenmittelwert und Standardabweichung) grafisch dargestellt. Ebenso sind auf der Kontrollkarte Warn- und Eingriffsgrenzen eingezeichnet (siehe Abbildung 4-86). Ziel ist es, Leistungsabweichungen zu erkennen und zu lokalisieren und damit Problemstellen im Prozess zu identifizieren. Voraussetzung zur Kontrollkartenerstellung sind eine auf Wiederholung angelegte Erhebungsmethode sowie umfangreiche, konsistente Messdaten. Die Kontrollkarte liefert ein datengestütztes, qualitatives Qualitätsbild eines Prozesses und verdeutlicht kritische Problemfelder und Tendenzen. Der Aufwand zur Datengenerierung und aufbereitung darf jedoch nicht unterschätzt werden. Der Einsatz eignet sich ganz besonders bei Verdacht großer Leistungsschwankungen innerhalb eines Prozesses.
4.6 Beratungstechnologien zur Implementierung
Anwendungssituation
Problem
Ursachenfindung
Ursachenanalyse
541
Graphisches Beispiel
Lösungsfindung
Umsetzung
Lösung
14
Eingriffsnotwendigkeit
13 12
• Tool zur Problemidentifikation und Ursachenanalyse • Ermittlung der Varianz von Prozessschritten über die Zeit • Ermittlung von Trends • Identifikation kritischer Prozessteile • Soll-Ist-Abgleich
11 10 9
Durchschnitt
Warngrenzen
Eingriffsgrenzen
1 0 1
2
3
4
5
6
7
8
9
1 0
1 1
1 2
1 3
1 4
1 5
1 6
1 7
1 8
1 9
2 0
2 1
2 2
© Dialog.Lippold
Abb. 4-86:
Anwendungssituation und Beispiel für die Kontrollkarte
4.6.3.4 Ursache-Wirkungsdiagramm
Das Ursache-Wirkungsdiagramm (auch als Fishbone- oder Ishikawa-Diagramm bezeichnet), das von ISHIKAWA selbst entwickelt wurde, ist ein grafisches Analyseinstrument zur systematischen Untersuchung von Kausalbeziehungen. Dabei wird stets ein besonders dringliches Problem (z. B. ein Qualitätsmangel) in den Mittelpunkt der Untersuchung gestellt. Anschließend werden die Haupt- und Nebenursachen, die zu dem definierten Problem bzw. Effekt führen, herausgearbeitet und in Form einer „fischgrätenähnlichen“ Grafik visualisiert (siehe Abbildung 4-87, rechts). Grafisches Beispiel
Anwendungssituation
Problem
Ursachenfindung
Ursachenanalyse
Lösungsfindung
Umsetzung
Lösung
Ursache
Wirkung
Faktor a
Basis für Ursachenanalyse • Qualitätsprobleme • Kostenprobleme • Zeitprobleme Ursachen z.B. • Mangelnde Ressourcen • Prozessausfälle und -brüche
Basis für Mittelanalyse • Produktionsziele • Absatzziele • Personalziele. Mittel z.B. • Zeitplanung • Budgetplanung • Materialplanung
Faktor b
Faktor c
Hauptursache Problem Nebenursache Faktor X Faktor Y Faktor Z
© Dialog.Lippold
Abb. 4-87:
Anwendungssituation und Beispiel für Ursache-Wirkungsdiagramm
Dieses Tool wird eingesetzt, um ein vorhandenes Problem in einem sehr frühen Stadium (bei der Ursachenfindung) zu untersuchen, oder bei der Lösungsfindung noch „tiefer zu graben“. Das Ursache-Wirkungs-Diagramm ist einfach, vielseitig anwendbar, ermöglicht ein besseres Kausalverständnis und liefert den Einstieg für eine detaillierte Problemanalyse. Sie ist eine gute
542
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
Diskussionsgrundlage zur Problemanalyse für Team- und Kundengespräche. Ein weiterer Vorteil dieses leicht erlernbaren Werkzeugs ist der relativ geringe Beschaffungsaufwand der Daten, denn es werden für die grafische Darstellung keine „harten“ Daten benötigt. Bei Fragestellungen mit komplexen und vielseitigen Ursachen wird die Darstellungsform allerdings unübersichtlich. Außerdem können Interdependenzen und zeitliche Anhängigkeiten von Faktoren und Ursachen nicht erfasst werden. Zu berücksichtigen ist ferner, dass es sich beim Ursache-Wirkungsdiagramm um ein subjektives Verfahren handelt, d. h. Vollständigkeit, Gewichtung und Überprüfung der Ursachen hängt von den Erfahrungen und Fähigkeiten der erstellenden Person ab [vgl. Andler 2015, S. 91 ff.]. Abbildung 4-88 zeigt ein konkretes Anwendungsbeispiel für die Struktur des Ursache-Wirkungsdiagramms.
Material
Mensch
Schlechte Papierqualität Falsche Druckereinstellung Falsche Druckoptionen
Falsche Tonerart Veralteter Fixierer
Schlechte Druckergebnisse Überlastete Maschine Zu wenig Toner
Methode
Verschmutzte Walzen Defekte Heizspirale
Maschine
[Quelle: Lieb 2007: Übung Qualitätsmanagement, S. 28]
Abb. 4-88:
Beispiel für ein Ursache-Wirkungsdiagramm
4.6.3.5 Pareto-Diagramm
Das Pareto-Diagramm dient im Rahmen des Qualitätsmanagements zur Lokalisierung von Ursachen, die am stärksten zu einem Problem beitragen und damit zur Trennung von kleinen Problemen bzw. Ursachen. Die grafische Darstellungsform beruht auf dem sog. Pareto-Prinzip, das auf den italienischen Ökonom Vilfredo Pareto (1848-1923) zurück geht und allgemein als 80:20-Regel oder ABC-Analyse bekannt ist. Es besagt, dass ein großer Teil eines Problems (ca. 80 Prozent) von nur wenigen wichtigen Ursachen (ca. 20 Prozent) beeinflusst wird oder auch – positiv ausgedrückt – dass mit 20 Prozent der eingesetzten Ressourcen 80 Prozent des Gesamterfolges erzielt werden kann. Als Ordnungsverfahren zur Klassifizierung großer Datenmengen zeigt das Pareto-Diagramm, welche Elemente eines Problems die größte Auswirkung haben. Die Voraussetzung zur Erstellung des Diagramms ist die Vorlage vollständiger, konsistenter und klassifizierbarer Daten.
4.6 Beratungstechnologien zur Implementierung
543
Das Pareto-Diagramm wird zur Fokussierung auf wesentliche Faktoren des Problems eingesetzt, wobei komplexe Daten nach ihrem Ergebnisbeitrag in Klassen zusammengefasst werden. Um das Diagramm erstellen zu können, wird aus der absoluten Häufigkeit (beziehungsweise der entsprechenden Messgröße) jeder Kategorie deren prozentualer Anteil ermittelt. Die Kategorien werden absteigend nach ihrer Bedeutung sortiert und dann auf der waagerechten Achse von links nach rechts abgetragen. Über jeder Fehlerkategorie wird eine Säule gezeichnet, deren Höhe der Häufigkeit des Auftretens entspricht. Werden die Säulen von links nach rechts aufeinandergestapelt, ergibt sich die Pareto-Kurve, über die der summierte Prozentwert abgelesen werden kann (siehe Abbildung 4-89).
Fehlerhäufigkeit in %
98 %
100
100 %
92 % 80 %
55 %
50
55 %
25 % 12 % Fehlerart 1
Fehlerart 2
Fehlerart 3
6%
Fehlerart 4
2% Fehlerart 5 © Dialog.Lippold
Abb. 4-89:
Beispiel für ein Pareto-Diagramm
Ebenso wie in diesem Beispiel die Häufigkeit von Fehlerarten untersucht wird, so können in gleicher Weise auch Kosten oder Zeiten im Rahmen eines Pareto-Diagramms analysiert werden. Das Pareto-Diagramm ist einfach anwendbar, vom Untersuchungsgegenstand unabhängig und liefert eine leicht verständliche, übersichtliche Darstellung der Ergebnisse. Darüber hinaus ermöglicht das Diagramm eine Analyse komplexer Probleme, indem es sich auf die wesentlichen Faktoren beschränkt. Nachteilig kann die hohe Anforderung an die Datenkonsistenz sein. Außerdem liefert das Pareto-Diagramm lediglich sehr grobe Ergebnisse. Abbildung 4-90 zeigt die Anwendungssituation sowie ein weiteres Beispiel des Pareto-Diagramms.
544
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
Anwendungssituation
Ursachenanalyse
Lösungsfindung
Umsetzung
Lösung
80%
• Interpretation eines IstZustandes
80%
• Untersuchung wesentlicher Erfolgs-/Misserfolgsfaktoren
A
B
C
15%
• Schwerpunktbildung
Fehlerart
Ursachenfindung
Fehlerart
Problem
Graphisches Beispiel
5% 15%
5%
• Untersuchung von Konzentrationen (Lokalisierung von Abhängigkeiten)
A Kategorie
B Kategorie
C
© Dialog.Lippold
Abb. 4-90:
Anwendungssituation und Beispiel für Pareto-Diagramm
4.6.3.6 Korrelationsdiagramm
Das Korrelationsdiagramm ist ein Streudiagramm, das grafisch die Abhängigkeit zweier Größen darstellt. Dabei werden Datenpaare in einem Koordinatensystem als Punkte dargestellt. Die Korrelation gibt somit die Beziehung zwischen zwei (oder mehreren) quantitativen statistischen Variablen an. Das funktioniert immer dann besonders gut, wenn beide Größen durch eine „je … desto“-Beziehung miteinander zusammenhängen und eine der Größen nur von der anderen Größe abhängt. Beispielsweise kann man unter bestimmten Bedingungen nachweisen, dass der Umsatz eines Produktes steigt, wenn man die Werbeaufwendungen erhöht. Hängt die Höhe des Produktumsatzes aber noch von anderen Einflussfaktoren ab (z. B. Qualität des Produkts, Werbeanstrengungen des Wettbewerbs, saisonale Nachfrage etc.), dann verwischt der kausale Zusammenhang in der Statistik immer mehr, falls nicht auch die anderen Einflussvariablen gleichzeitig untersucht werden. Im Gegensatz zur Proportionalität ist die Korrelation immer nur ein stochastischer Zusammenhang. Das Maß für die Stärke und Richtung des Zusammenhangs zweier Größen ist der Korrelationskoeffizient r, der sich (nach Bravais und Pearson) entsprechend folgender Formel berechnet: r=
=
∑ ∑
(
(
̅ )( ̅) ∑
) (
)
Der Korrelationskoeffizient nimmt den Wert r = 1 bzw. r = -1 an, wenn alle Punkte auf einer Geraden liegen. Je kleiner |r| wird, desto weniger wird eine Trendlinie erkennbar. Die Gerade löst sich bei r = 0 zu einer strukturlosen Punktwolke auf, d. h. die Merkmale sind stochastisch unabhängig. Während die Regressionsanalyse angibt, welcher Zusammenhang zwischen zwei Größen besteht, steht bei der Korrelationsanalyse die Beantwortung der Frage im Vordergrund, wie stark dieser Zusammenhang ist. In Abbildung 4-91 sind beispielhaft die Verteilungen zweier Variablen mit den dazugehörigen Korrelationskoeffizienten dargestellt.
4.6 Beratungstechnologien zur Implementierung
545
r = -1
r=1 y ▪▪
y
r≈0 y
▪
▪▪
▪
▪▪
x
▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ ▪
x
x
r ≈ -0,7
r ≈ 0,8 y
y
▪▪
▪ ▪ ▪
x
▪ ▪ ▪ x © Dialog.Lippold
Abb. 4-91:
Beispiele für Verteilungen zweier Variablen
Das Korrelationsdiagramm eignet sich zur Gewinnung eines ersten Eindrucks über Stärke und Form des Zusammenhangs zweier Faktoren. Mit niedrigem Aufwand können so weiterführende statistische Verfahren angestoßen und unnötige Analysearbeit vermieden werden. Das Instrument ist jedoch nur bei metrisch skalierten Daten aussagekräftig. Fazit: Das Korrelationsdiagramm liefert einen ersten Eindruck über die Beziehung zweier Faktoren zueinander und regt zu komplexeren Folgeuntersuchungen an. In Abbildung 4-92 sind Anwendungssituationen und ein grafisches Beispiel zum Korrelationsdiagramm dargestellt. Anwendungssituation
Problem
Ursachenfindung
Ursachenanalyse
Graphisches Beispiel
Lösungsfindung
Umsetzung
Lösung
Umsatz
• Interpretation eines IstZustandes • Verhaltensanalyse • Ursachenanalyse • Hypothesenprüfung • Szenario-Analysen • etc.
Werbebudget
© Dialog.Lippold
Abb. 4-92:
Anwendungssituation und Beispiel für Korrelationsdiagramm
4.6.3.7 Flussdiagramm
Ein weiteres grafisches Analyseinstrument zur systematischen Untersuchung von Prozessen ist das Flussdiagramm. Es strukturiert und bildet Prozesse ab und zeigt kausale Zusammenhänge in Form eines Ablaufdiagramms. Im Rahmen der standardisierten Darstellungsform wird der
546
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
Ablauf – angefangen vom Initialisierungsereignis über Handlungsabfolgen, Entscheidungspunkten, involvierten Stellen, Funktionen und Medien bis zum Lösungsereignis – aufgezeigt (siehe Abbildung 4-93). Anwendungssituation
Problem
Ursachenfindung
Ursachenanalyse
Graphisches Beispiel
Lösungsfindung
Umsetzung
Lösung Materialeingang
genehmigungspflichtig?
Automatische Freigabe
nein
Auslieferung
ja
• Basis für Prozessanalyse • Schwachstellenanalyse
Genehmigungsvorlage erstellen
ja Auftrag genehmigt?
• Suche nach Optimierungsansätzen
Erteilung der Freigabe
nein
Auslieferung
© Dialog.Lippold
Abb. 4-93:
Anwendungssituation und Beispiel für das Flussdiagramm
Mit dem Flussdiagramm wird das Prozessverständnis gestärkt, so dass Prozessbrüche leichter erkannt, Schwachstellen identifiziert und Engpässe lokalisiert werden können. Das Diagramm ist einfach anzuwenden, leicht zu erlernen und bietet eine gute Diskussionsgrundlage für die gemeinsame Lösungsfindung. Auf der anderen Seite entsteht ein relativ hoher Aufwand, wenn komplexe Prozesse dargestellt werden sollen. Auch nimmt die Unübersichtlichkeit in solchen Fällen stark zu. Fazit: Das Flussdiagramm wird zur Stärkung des Prozessverständnisses eingesetzt und liefert den Einstieg in eine detaillierte Prozessanalyse (Warum-Fragestellung). Bei komplexen Prozessen und unter Einbindung von Funktionen, Stellen und Medien ist die Darstellungsform allerdings nur bedingt geeignet. 4.6.4 Tools zur Evaluierung Ebenso wie der eigentliche Beratungsprozess sollte auch der Auftragsabschluss professionell geplant und durchgeführt werden. Die abschließende Evaluierung eines Beratungsauftrags sollte eine Antwort auf folgende drei Fragen geben:
War der Kunde mit uns und unserer Leistung zufrieden? Waren wir selbst mit der Durchführung und den Ergebnissen des Auftrags zufrieden? Bieten sich Möglichkeiten für Anschluss- bzw. Folgeaufträgen?
Es liegt auf der Hand, dass die zur Evaluierung verfügbaren Tools ausschließlich aus Fragebögen bzw. Checklisten bestehen. 4.6.4.1 Kundenzufriedenheitsanalyse
Im Beratungsgeschäft ist die Kundenzufriedenheitsanalyse in mehrfacher Hinsicht von Bedeutung. Sie dient zunächst allgemein der Ermittlung der Zufriedenheit der Kundenunternehmen mit den Beratungsleistungen des jeweiligen Anbieters. Darüber hinaus wird sie von vielen
4.6 Beratungstechnologien zur Implementierung
547
Unternehmensberatungen als Instrument eingesetzt, um die Bedürfnisse bzw. Erwartungen der Kundenunternehmen besser zu verstehen und Probleme frühzeitig zu erkennen. Kundenzufriedenheit wird immer dann erreicht, wenn die Erwartungshaltung des Kunden vom Erfüllungsgrad der angebotenen Leistung ge- oder sogar übertroffen wird. Dabei spielt nicht die objektive Qualität der Beratungsleistung, sondern die vom Kunden subjektiv empfundene bzw. wahrgenommen Leistung. Kundenzufriedenheit ist die beste Voraussetzung für Nachfolgeaufträge und für Referenzen. Werden die Erwartungen des Kunden nicht erfüllt, entsteht Kundenunzufriedenheit, die zu einem Anbieterwechsel führen kann. Eine Kundenzufriedenheitsanalyse wird auf der Grundlage einer Kundenbefragung vorgenommen. Diese kann mündlich, schriftlich oder auch online erfolgen, wobei die Ergebnisse in jedem Fall in einem Fragebogen erfasst werden sollten. Der Untersuchungsgegenstand – also die angebotene Beratungsleistung – kann in mehrere Kriterien unterteilt werden:
Leistungsportfolio – Breite und Tiefe der angebotenen Leistung Lösungskompetenz des Unternehmens Fachliche Kompetenz der involvierten Mitarbeiter Engagement der involvierten Mitarbeiter Erreichbarkeit der involvierten Mitarbeiter Soziale Kompetenz der involvierten Mitarbeiter Zuverlässigkeit der involvierten Mitarbeiter Geschwindigkeit der Umsetzung Methodische Unterstützung Preis-/Leistungsverhältnis.
Diese und ähnliche Kriterien sind zunächst nach dem Zufriedenheitsgrad zu beantworten. Aufschlussreich ist darüber hinaus, für wie wichtig diese Kriterien für die Auftragsbewertung angesehen werden. Neben der reinen Beurteilung der Kriterien sind aber noch weitere Fragen von Bedeutung wie z. B.
Würden Sie uns uneingeschränkt weiterempfehlen? Würden Sie bei entsprechendem Bedarf wieder ein Beratungsunternehmen beauftragen? Würden Sie in einem solchen Fall erneut mit uns zusammenarbeiten?
Schließlich bietet es sich an, im Rahmen einer Kundenzufriedenheitsanalyse zusätzlich eine Bedarfsanalyse durchzuführen. Hierzu sollten Fragen zu zukünftigen Themen- und Problemstellungen, Einführungszeitpunkten von bestimmten IT-Lösungen gestellt werden. Von grundlegender Bedeutung für die Kundenzufriedenheitsanalyse ist eine Vorüberlegung, die sich aus der Multipersonalität in B2B-Beziehungen ergibt: Wer sollte eigentlich befragt werden? Wer ist Träger der Kundenzufriedenheit? Ist es nur eine Person und wenn ja, welche? Oder sollten mehrere Personen befragt werden? Eine richtige Antwort kann es hierzu nicht geben. Zu unterschiedlich sind die jeweiligen Rahmenbedingungen eines Beratungsprojektes. Entscheidend ist in jedem Fall, dass eine faire Evaluierung durch den/die Kundenmitarbeiter stattfindet, so dass entsprechende Rückschlüsse für die Zukunft daraus geschlossen werden können.
548
4. Leistung und Technologie der Unternehmensberatung
4.6.4.2 Auftragsbeurteilung
Die Auftragsbeurteilung ist das Synonym für eine Zufriedenheitsanalyse aus Sicht des Beratungsunternehmens selbst. Mit einem Satz von Checklisten wird der abgeschlossene Auftrag zeitnah und umfassend sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht beurteilt [vgl. Niedereichholz 2008, S. 350 ff.]. Dabei steht zunächst die Wirtschaftlichkeit des Projekts auf dem Prüfstand. Gab es einen selbstverschuldeten Mehraufwand (engl. Overrun) oder konnte der Auftrag im Rahmen der Vorkalkulation zeit- und qualitätsgerecht durchgeführt werden? In der Gesamtbeurteilung eines durchgeführten Auftrags spielen ferner die Qualität der abgelieferten Ergebnisse, die Kompetenz der Projektleitung (Projektmanagement) und der eingesetzten Mitarbeiter sowie das Engagement des verantwortlichen Partners bzw. Fachbereichsleiters eine Rolle. Darüber hinaus können – insbesondere bei größeren Projekten – auch bestimmte Einzelaspekte für die Evaluierung herangezogen werden [vgl. Niedereichholz 2008, S. 352 ff.]:
Beurteilung der Angebotsphase Beurteilung der Problemlösung Beurteilung der Mitarbeiter Beurteilung der Projektabrechnung Beurteilung der Projektkommunikation und -dokumentation Beurteilung der Auftragsdurchführung Beurteilung der Qualitätssicherung Beurteilung des Projektabschlusses.
Ein weiterer wichtiger Evaluierungsaspekt ist, dass wichtige Ergebnisse, Erkenntnisse, Bausteine und Strukturen in einer Projektdatenbank festgehalten werden und anderen Teams für spätere Angebote, Benchmarks etc. zur Verfügung stehen, damit ggf. das Rad nicht immer wieder neu erfunden werden muss. Selbstverständlich ist dabei darauf zu achten, dass keine vertraulichen Kundeninformationen weitergegeben werden. 4.6.4.3 Anschlussakquisition
Die Anschlussakquisition ist kein Tool im eigentlichen Sinn. Sie ist aber ein wichtiger Baustein im Rahmen des Akquisitionsprozesses, da Anschlussaufträge – selbst bei nicht ganz zufriedenen Altkunden – wesentlich leichter zu bekommen sind, als einen neuen Kunden zu gewinnen. Hinzu kommt der inhaltliche Informationsvorsprung, den man im Zuge der Auftragsdurchführung gegenüber dem Wettbewerb zwangsläufig gewonnen hat. Im Übrigen sei hier auf die vielfältigen Kundenbindungsprogramme verwiesen, die dem Beratungsvertrieb heutzutage zur Verfügung stehen (siehe Abschnitt 3.7.4). Mit Hinweis auf die bereits erwähnte Multipersonalität im B2B-Marketing ist es dabei wichtig, nicht nur eine Person des Kundenunternehmens, sondern mehrere Zielpersonen in solche Kundenbindungsprogramme aufzunehmen.
549
5. Personal und Management der Unternehmensberatung 5.1 Die Personalmarketing-Gleichung für Unternehmensberatungen ......................................552 5.1.1 Die personale Wertschöpfungskette ...................................................................................... 552 5.1.2 Analogien zum klassischen Marketing .................................................................................. 553 5.2 High Potentials als bevorzugte Zielgruppe der Recruiter ...............................................556 5.2.1 Wodurch sich High Potentials auszeichnen ........................................................................... 556 5.2.2 Kompetenz, Intuition und Haltung ........................................................................................ 557 5.2.3 High Potentials und Talente................................................................................................... 559 5.3 Personalakquisition – Optimierung der Personalgewinnung ........................................563 5.3.1 Segmentierung des Arbeitsmarktes........................................................................................ 564 5.3.1.1 Personalbedarfsplanung und Fluktuation............................................................... 564 5.3.1.2 Stellenbeschreibung und Anforderungsprofil ........................................................ 567 5.3.1.3 Personalbeschaffungswege .................................................................................... 569 5.3.1.4 Analyse des Arbeitsmarktes .................................................................................. 571 5.3.1.5 Auswahl und Relevanz der Marktsegmente .......................................................... 572 5.3.1.6 Wettbewerbsintensität............................................................................................ 575 5.3.2 Positionierung im Arbeitsmarkt ............................................................................................. 576 5.3.2.1 Bewerbernutzen und Bewerbervorteil ................................................................... 576 5.3.2.2 Positionierungselemente als Kriterien bei der Arbeitgeberwahl............................ 577 5.3.2.3 Employer Branding................................................................................................ 581 5.3.2.4 Candidate Journey ................................................................................................. 582 5.3.3 Signalisierung im Arbeitsmarkt ............................................................................................. 584 5.3.3.1 Signalisierungsinstrumente .................................................................................... 585 5.3.3.2 E-Recruiting........................................................................................................... 588 5.3.3.3 Effektivität und Effizienz von Recruiting-Kanälen ............................................... 593 5.3.4 Kommunikation mit dem Bewerber....................................................................................... 594 5.3.4.1 Kommunikationsmaßnahmen ................................................................................ 595 5.3.4.2 Social Media .......................................................................................................... 600 5.4 Personalauswahl und -integration – Optimierung der Bewerberakzeptanz .................604 5.4.1 Personalauswahlprozess......................................................................................................... 604 5.4.2 Instrumente der Personalauswahl .......................................................................................... 605 5.4.2.1 Bewerbungsunterlagen .......................................................................................... 605 5.4.2.2 Vorauswahl ............................................................................................................ 609 5.4.2.3 Bewerbungsgespräch ............................................................................................. 611 5.4.2.4 Assessment Center................................................................................................. 614 5.4.2.5 Unterstützung durch Bewerbermanagementsysteme ............................................. 614 5.4.3 Rekrutierungsunterschiede zwischen Strategie- und IT-Beratung......................................... 615 5.4.4 Personalintegration ................................................................................................................ 616 5.4.5 Personaleinsatz ...................................................................................................................... 618 5.5 Personalvergütung – Optimierung der Gerechtigkeit .....................................................620 5.5.1 Funktionen der Personalvergütung ........................................................................................ 621 5.5.2 Komponenten der Personalvergütung .................................................................................... 622 5.5.2.1 Fixe und variable Vergütung ................................................................................. 622 5.5.2.2 Vergütungsniveau der Consultingbranche ............................................................. 624 5.5.2.3 Zusatzleistungen .................................................................................................... 625 5.5.2.4 Cafeteria-System ................................................................................................... 627 5.5.2.5 Deferred Compensation ......................................................................................... 627 5.5.2.6 Zusatzleistungen für die Generation Z................................................................... 628 5.5.3 Aspekte der Entgeltgerechtigkeit ........................................................................................... 629 5.5.3.1 Gerechtigkeitsprinzipien ........................................................................................ 630 5.5.3.2 Gerechtigkeitsdimensionen.................................................................................... 631 5.5.4 Anforderungsgerechtigkeit und Karrierestufe ....................................................................... 631 5.5.5 Marktgerechtigkeit und Gehaltsbandbreiten .......................................................................... 632 5.5.6 Leistungsgerechtigkeit und variable Vergütung .................................................................... 633 5.5.6.1 Bemessungsgrundlagen der variablen Vergütung ................................................. 633 5.5.6.2 Zusammensetzung der variablen Vergütung ......................................................... 634 5.5.6.3 Zielarten variabler Vergütung................................................................................ 635
550
5. Personal und Management der Unternehmensberatung
5.6 Personalführung – Optimierung der Wertschätzung ......................................................637 5.6.1 Bedeutungswandel in der Personalführung ........................................................................... 638 5.6.1.1 Verhalten von Individuen ...................................................................................... 638 5.6.1.2 Verhalten von Teams ............................................................................................. 643 5.6.2 Aspekte und Dimensionen der Führung ................................................................................ 646 5.6.2.1 Führungsprozess .................................................................................................... 646 5.6.2.2 Führungsaufgaben ................................................................................................. 648 5.6.2.3 Führungsinstrumente ............................................................................................. 651 5.6.2.4 Führungsstil ........................................................................................................... 654 5.6.3 Klassische Führungsansätze und -theorien ............................................................................ 655 5.6.3.1 Erfolg als gemeinsamer Maßstab ........................................................................... 655 5.6.3.2 Eigenschaftsorientierte Führungsansätze............................................................... 657 5.6.3.3 Verhaltensorientierte Führungsansätze .................................................................. 657 5.6.3.4 Situative Führungsansätze ..................................................................................... 657 5.6.3.5 Kognitive Ansätze der Führungsforschung ........................................................... 658 5.6.4 Neue Führungsansätze und -konzepte ................................................................................... 658 5.6.4.1 Einflussfaktoren neuer Führung ............................................................................ 659 5.6.4.2 Ausprägungen neuer Führung................................................................................ 660 5.6.5 Zur Vereinbarkeit alter und neuer Führungskonzepte ........................................................... 665 5.6.5.1 New Work und Homeoffice................................................................................... 665 5.6.5.2 Neues Führungsverständnis ................................................................................... 666 5.6.5.3 Führung mit Begeisterung und Offenheit .............................................................. 667 5.6.5.4 Hybride Führungskraft........................................................................................... 668 5.6.5.5 Zur Demokratisierung von Führung ...................................................................... 669 5.6.5.6 Unverhandelbare Führungsaspekte ........................................................................ 671 5.7 Personalbeurteilung – Optimierung der Fairness ...........................................................673 5.7.1 Beteiligte und Formen der Personalbeurteilung..................................................................... 674 5.7.2 Beurteilungsfehler.................................................................................................................. 676 5.7.2.1 Intrapersonelle Einflüsse ....................................................................................... 678 5.7.2.2 Interpersonelle Einflüsse ....................................................................................... 678 5.7.3 Kriterien der Personalbeurteilung .......................................................................................... 679 5.7.3.1 Systematisierung nach den Bezugsgrößen............................................................. 679 5.7.3.2 Systematisierung nach dem zeitlichen Horizont .................................................... 680 5.7.3.3 Systematik nach dem Grad der Quantifizierung .................................................... 682 5.7.4 Das Beurteilungsfeedback ..................................................................................................... 684 5.7.5 Kritische Würdigung des Year End Reviews ........................................................................ 685 5.8 Personalentwicklung – Optimierung der Forderung und Förderung ............................686 5.8.1 Aufgabe und Ziel der Personalentwicklung ........................................................................... 686 5.8.2 Qualifikation und Kompetenz ................................................................................................ 688 5.8.3 Führungskräfteentwicklung ................................................................................................... 691 5.8.4 Weitere Aspekte der Führungskräfteentwicklung.................................................................. 693 5.8.4.1 Führungs- und Fachlaufbahn ................................................................................. 693 5.8.4.2 Coaching ................................................................................................................ 694 5.8.4.3 Mentoring .............................................................................................................. 695 5.8.5 Genderspezifische Personalentwicklung ............................................................................... 695 5.9 Personalfreisetzung – Optimierung der Erleichterung ...................................................697 5.9.1 Rahmenbedingungen der Personalfreisetzung ....................................................................... 697 5.9.2 Personalfreisetzung ohne Personalabbau ............................................................................... 700 5.9.2.1 Versetzung ............................................................................................................. 700 5.9.2.2 Arbeitszeitverkürzung............................................................................................ 700 5.9.3 Personalfreisetzung mit Personalabbau ................................................................................. 702 5.9.3.1 Indirekte Personalfreisetzung ................................................................................ 702 5.9.3.2 Direkte Personalfreisetzung ................................................................................... 703 5.9.4 Die Kündigung....................................................................................................................... 705 5.9.4.1 Kündigung aus eigenem Antrieb ........................................................................... 705 5.9.4.2 Arbeitgeberinduzierte Kündigung ......................................................................... 707 5.9.5 Entlassungsgespräch und Austrittsinterview ......................................................................... 710
4.6 Beratungstechnologien zur Implementierung
551
5. Personal und Management der Unternehmensberatung
Hochqualifiziertes Personal ist einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren der Unternehmensberatung. Dies wird bereits daran deutlich, dass das Personalmanagement im Beratungsgeschäft nicht zu den Sekundär-, sondern zu den Primäraktivitäten gezählt wird. Immer wieder wird betont, dass der Erfolg einer Unternehmensberatung mit der Qualität der verfügbaren Mitarbeiter steht und fällt. Zur Systematisierung der Wertschöpfungskette Personal im Beratungsbereich dient die Personalmarketing-Gleichung, die nicht nur die Prozessphase der Personalgewinnung, sondern in gleichem Maße auch die Phase der Personalbetreuung beinhaltet. Die Beschreibung der Personalmarketing-Gleichung bezieht sich in den allgemeinen Teilen auf die Ausführungen von Lippold [2014]. Die Anwendung der Personalmarketing-Gleichung liefert:
Aussagen über Bewerbernutzen und Bewerbervorteil in Verbindung mit potenziellen Arbeitgebern Aussagen über die wirkungsvolle Positionierung von Beratungsunternehmen als Arbeitgeber (Employer Branding) Aussagen über den Einsatz der Kommunikationsinstrumente im Bewerbermarkt Aussagen über die effektive Personalauswahl und -integration sowie über den erfolgreichen Personaleinsatz im Projektgeschäft Aussagen über aufgaben-, markt- und leistungsbezogene Vergütungssysteme Aussagen über neue Führungsansätze und -konzepte in Verbindung mit der digitalen Transformation Aussagen über faire Beurteilungsprozesse Aussagen über die vielfältigen Möglichkeiten zur Förderung und Forderung der Mitarbeiter im Sinne einer nachhaltigen Personal- und Karriereentwicklung Aussagen über Personalfreisetzungen mit und ohne Personalabbau, wenn sich personelle Überdeckungen mit innerbetrieblichen Maßnahmen nicht beseitigen lassen.
552
5. Personal und Management der Unternehmensberatung
5.1 Die Personalmarketing-Gleichung für Unternehmensberatungen Die Idee der Personalmarketing-Gleichung beruht auf zwei Grundüberlegungen. Zum einen ist es die Darstellung und Analyse der Wertschöpfungs- und Prozessketten eines Unternehmens, zum anderen ist es die enge Analogie zur Marketing-Gleichung im (klassischen) Absatzmarketing (siehe hierzu ausführlich Lippold 2014, S. 58 ff.). Dem Personalmarketing-Begriff liegt dabei ein umfassendes Denk- und Handlungskonzept zugrunde, dass nicht nur auf die Bedürfnisse der potenziellen, sondern auch auf die Bedürfnisse vorhandener Mitarbeiter ausgerichtet ist. Somit ist auch das Ziel des Personalmarketings zweigeteilt: Zum einen gilt es, bedarfsgerechte und hochqualifizierte Mitarbeiter durch eine entsprechende Attraktivitätswirkung auf dem externen Arbeitsmarkt zu gewinnen. Zum anderen müssen die vorhandenen Mitarbeiter durch eine effiziente Gestaltung der Arbeitsbedingungen als wertvolle Ressourcen an das Unternehmen gebunden werden. Beide Zielsetzungen sind damit an einer Optimierung der personalen Wertschöpfung ausgerichtet. 5.1.1 Die personale Wertschöpfungskette Zwar zählt das Personalmanagement nach dem Grundmodell von Porter zu den Sekundär- oder Unterstützungsaktivitäten, die für die Ausübung der Primäraktivitäten die notwendige Voraussetzung sind. Allerdings bezieht sich dieses Modell in seiner Systematik schwerpunktmäßig auf die Wertschöpfungskette von Industriebetrieben. In der Beratungsbranche zählt das Personalmanagement nicht zu den Sekundär-, sondern aufgrund seiner besonderen Bedeutung für den Wertschöpfungsprozess zu den Primäraktivitäten (siehe auch Abschnitt 2.1.2). Abbildung 5-01 zeigt die Prozesshierarchie aus Sicht der personalen Wertschöpfungskette. Generell sind es zwei Prozessphasen (= Aktionsbereiche), die die Wertschöpfungskette des Personalmanagements bzw. des Personalmarketings bestimmen:
die Phase (= Aktionsbereich) der Personalbeschaffung und die Phase (= Aktionsbereich) der Personalbetreuung.
Während die Personalbeschaffung auf die Mitarbeitergewinnung abzielt, ist die Personalbetreuung auf die Mitarbeiterbindung ausgerichtet. Um den Personalbeschaffungsprozess im Sinne einer Wertorientierung optimieren zu können, ist es sinnvoll, die Prozessphase Personalbeschaffung in seine einzelnen Prozessschritte (= Aktionsfelder) zu zerlegen und diese jeweils einem zu optimierenden Bewerberkriterium als Prozessziel zuzuordnen:
Segmentierung (des Arbeitsmarktes) zur Optimierung des Bewerbernutzens Positionierung (im Arbeitsmarkt) zur Optimierung des Bewerbervorteils Signalisierung (im Arbeitsmarkt) zur Optimierung der Bewerberwahrnehmung Kommunikation (mit dem Bewerber) zur Optimierung des Bewerbervertrauens Personalauswahl, -integration und -einsatz zur Optimierung der Bewerberakzeptanz.
5.1 Die Personalmarketing-Gleichung für Unternehmensberatungen
553
Prozessstruktur
Primäre Aktivitäten (Kernprozesse)
Unternehmensprozesse
Marketing und Vertrieb
Prozesse
Leistungserbringung
Personalmanagement
Personalbetreuung
Personalbeschaffung
Prozessphasen
Segmentierung
Sekundäre Aktivitäten (Unterstützungsprozesse)
Positionierung
Signalisierung
Kommunikation
Prozessschritte Personalvergütung
Personalführung
Auswahl/ Integration/ Einsatz Personalbeurteilung
Personalentwicklung
Personalfreisetzung
© Dialog.Lippold
Abb. 5-01:
Prozesshierarchie der personalen Wertschöpfungskette
Analog dazu wird die Prozessphase Personalbetreuung in ihre Prozessschritte (= Aktionsfelder) aufgeteilt und ebenfalls jeweils einem zu optimierenden Bindungskriterium zugeordnet:
Personalvergütung zur Optimierung der Gerechtigkeit (gegenüber dem Mitarbeiter) Personalführung zur Optimierung der Wertschätzung (gegenüber dem Mitarbeiter) Personalbeurteilung zur Optimierung der Fairness (gegenüber dem Mitarbeiter) Personalentwicklung zur Optimierung der Forderung und Förderung (des Mitarbeiters) Personalfreisetzung zur Optimierung der Erleichterung (des Mitarbeiters).
Abbildung 5-02 liefert eine Darstellung der Zuordnungsbeziehungen zwischen Prozessphasen, Prozessschritte und Prozessziele im Personalsektor. 5.1.2 Analogien zum klassischen Marketing Beide Teilziele der personalen Wertschöpfungskette, also die Personalgewinnung und die Personalbindung, lassen sich nur dann erreichen, wenn es dem Personalmanagement gelingt, die Vorteile des eigenen Unternehmens auf die Bedürfnisse vorhandener und potenzieller Mitarbeiter (Bewerber) auszurichten. Die Bestimmungsfaktoren dieser Vorteile sind das Leistungsportfolio, die besonderen Fähigkeiten, das Know-how, die Innovationskraft und auch die Unternehmenskultur, kurzum: das Akquisitionspotenzial des Unternehmens. Das Akquisitionspotenzial ist der Vorteil, den das Unternehmen gegenüber dem Wettbewerb hat. Dieser Wettbewerbsvorteil (an sich) ist aber letztlich ohne Bedeutung. Entscheidend ist vielmehr, dass der Wettbewerbsvorteil auch von den Bewerbern (innerhalb der Prozesskette Personalbeschaffung) und von den eigenen Mitarbeitern (innerhalb der Prozesskette Personal-
554
5. Personal und Management der Unternehmensberatung
betreuung) wahrgenommen wird. Erst die Akzeptanz im Bewerbermarkt und bei den Mitarbeitern sichert die Gewinnung bedarfsgerechter Bewerbungen einerseits und die Bindung wertvoller personaler Ressourcen andererseits. Genau diese Lücke zwischen dem Wettbewerbsvorteil an sich und dem vom Bewerbermarkt und den eigenen Mitarbeitern honorierten Wettbewerbsvorteil gilt es zu schließen. Damit sind gleichzeitig auch die Pole aufgezeigt, zwischen denen die beiden Prozessphasen der personalen Wertschöpfungskette einzuordnen sind. Eine Optimierung des Beschaffungsprozesses und des Betreuungsprozesses führt somit zwangsläufig zur Schließung der oben skizzierten Lücke [vgl. Lippold 2014, S. 59]. Prozessphasen
Prozessschritte
Prozessziele Mitarbeitergewinnung
Personalbeschaffung
Segmentierung
Optimierung des Bewerbernutzens
Positionierung
Optimierung des Bewerbervorteils
Signalisierung
Optimierung der Bewerberwahrnehmung
Kommunikation
Optimierung des Bewerbervertrauens
Personalauswahl, -integration, -einsatz
Optimierung der Bewerberakzeptanz
Mitarbeiterbindung
Personalbetreuung
Personalvergütung
Optimierung der Gerechtigkeit
Personalführung
Optimierung der Wertschätzung
Personalbeurteilung
Optimierung der Fairness
Personalentwicklung
Optimierung der Forderung/Förderung
Personalfreisetzung
Optimierung der Erleichterung © Dialog.Lippold
Abb. 5-02:
Prozessphasen, Prozessschritte und Prozessziele im Personalmanagement
Diese Aufgabenstellung erfordert eine Vorgehensweise, die in enger Analogie zum Vorgehen auf den Absatzmärkten steht. Im Absatzmarketing (also im klassischen Marketing) ist der Kunde mit seinen Nutzenvorstellungen Ausgangspunkt aller Überlegungen. Im Personalmarketing ist der gegenwärtige und zukünftige Mitarbeiter der Kunde. Die Anforderungen der Bewerber (engl. Applicant) und der Mitarbeiter (engl. Employee) an den (potenziellen) Arbeitgeber (engl. Employer) bilden die Grundlage für ein gezieltes Personalmarketing [vgl. Simon et al. 1995, S. 64]. Aus den beiden Teilzielen der personalen Wertschöpfungskette (Personalgewinnung und Personalbindung) lassen sich zwei Zielfunktionen ableiten, eine zur Optimierung der Prozesskette Personalbeschaffung und eine zur Optimierung der Prozesskette Personalbetreuung. Dieser Optimierungsansatz lässt sich in seiner Gesamtheit auch – analog zur Marketing-Gleichung im Absatzmarketing [vgl. Lippold 2015a, S. 70 ff.] – als (zweigeteilte) Personalmarketing-Gleichung darstellen:
5.1 Die Personalmarketing-Gleichung für Unternehmensberatungen
555
(1) Für den Personalbeschaffungsprozess: Vom Bewerber honorierter Wettbewerbsvorteil = Wettbewerbsvorteil (an sich) + Bewerbernutzen + Bewerbervorteil + Bewerberwahrnehmung + Bewerbervertrauen + Bewerberakzeptanz (2) Für den Personalbetreuungsprozess: Vom Mitarbeiter honorierter Wettbewerbsvorteil = Wettbewerbsvorteil (an sich) + Gerechtigkeit + Wertschätzung + Fairness + Forderung/Förderung + Erleichterung Dabei geht es nicht um eine mathematisch-deterministische Auslegung dieses Begriffs. Angestrebt ist vielmehr der Gedanke eines herzustellenden Gleichgewichts (und Identität) zwischen dem Wettbewerbsvorteil an sich und dem vom Bewerber bzw. Mitarbeiter honorierten Wettbewerbsvorteil. Mit anderen Worten, hinter dieser Begriffsbildung steht die These, dass das Gleichgewicht durch die Addition der einzelnen, an Bewerber- bzw. Bindungskriterien ausgerichteten Aktionsfelder erreicht werden kann. Abbildung 5-03 veranschaulicht den ganzheitlichen Ansatz der Personalmarketing-Gleichung, indem sie die einzelnen Aktionsfelder in einen zeitlichen und inhaltlichen Wirkungszusammenhang stellt. In dem Bewusstsein, dass sich der Arbeitsmarkt zu einem Käufermarkt für hochqualifizierte Fach- und Nachwuchskräfte („High Potentials“) gewandelt hat, besteht der Grundgedanke des hier skizzierten Personalmarketings darin, das Unternehmen als Arbeitgeber samt Produkt Arbeitsplatz an gegenwärtige und zukünftige Mitarbeiter zu „verkaufen“.
Sicht von außen
Personalbeschaffung
Externes Personalmarketing
Segmentierung
Wettbewerbsvorteil
+ Nutzen
• Produkte • Leistungen • Fähigkeiten • Know-how • Kultur
+ Gerechtigkeit
Internes Personalmarketing
Sicht von innen
Personalvergütung
Positionierung
Signalisierung
+ Vorteil
+ Wahrnehmung
+ Wertschätzung
Personalführung
Kommunikation
+ Vertrauen
Mitarbeitergewinnung Personalauswahl u. -integration + Akzeptanz
+ Fairness + Förderung/Forderung + Erleichterung
Personalbeurteilung
Personalentwicklung
Personalbetreuung
=
Vom Bewerber honorierter Wettbewerbsvorteil
=
Vom Mitarbeiter honorierter Wettbewerbsvorteil
Personalfreisetzung Mitarbeiterbindung
© Dialog.Lippold
Abb. 5-03:
Die Personalmarketing-Gleichung im Überblick
556
5. Personal und Management der Unternehmensberatung
5.2 High Potentials als bevorzugte Zielgruppe der Recruiter Unternehmensberatungen suchen ständig nach Fachkräften mit überdurchschnittlichen Abschlüssen. Doch was ist der Unterschied zwischen qualifizierten Fachkräften und hochqualifizierten Top-Talenten? Die Antwort darauf wird allgemein auf höchst einfache Weise gegeben: Während qualifizierte Fachkräfte die Basis für den Unternehmenserfolg darstellen, sollen hochqualifizierte Top-Talente, also High Potentials, einmal in die oberste Leitungsebene aufsteigen und den Kurs des Unternehmens vorgeben. Das Finden und das Binden der High Potentials ist daher bei vielen Unternehmen in den Mittelpunkt des Personalmanagements gerückt. Ob als Talents, High Potentials oder als Leaders of Tomorrow bezeichnet, nahezu alle größeren und international agierenden Unternehmensberatungen entwerfen derzeit Programme, um die Zielgruppe der High Potentials finden, adäquat fördern und binden zu können [vgl. hierzu ausführlich Lippold (2021n)]. 5.2.1 Wodurch sich High Potentials auszeichnen Zurück zur Unterscheidung zwischen qualifizierten Fachkräften – also gewissermaßen den Arbeiterbienen in einem Bienenstock – und den hochqualifizierten Top-Talenten, die in diesem Vergleich die Bienenköniginnen darstellen. Doch während man in dieser Metapher die Arbeitsbienen von der Bienenkönigin sehr leicht unterscheiden kann, ist es im Businessbereich nicht so einfach. Zur Identifizierung von High Potentials werden immer wieder die Ergebnisse einer Studie der Harvard Business School aus dem Jahre 2010 herangezogen [vgl. Ready et al 2010]. Danach sind es etwa drei bis fünf Prozent aller Beschäftigen, die zur Gruppe der High Potentials gehören. Nach den Erkenntnissen der Forscher müssen High Potentials
Spitzenleistungen zeigen und dabei glaubwürdig sein, Vertrauen und Sicherheit vermitteln, über eine hohe emotionale und soziale Kompetenz verfügen, sich auch in angespannten Arbeitssituationen stets korrekt verhalten, instinktiv um ihre Vorbildfunktion wissen, durch einen außerordentlichen Willen zum Erfolg angetrieben sein, mehr Unternehmergeist als andere Mitarbeiter zeigen, neue Ideen entwickeln und alles daransetzen, diese auch erfolgreich umzusetzen, neue innovative Wege ohne Versagensangst gehen, keine Herausforderungen scheuen und über herausragende psychische Fähigkeiten verfügen.
Es genügt also nicht, eine hervorragende Performance zu zeigen und fehlerfrei zu arbeiten. Wichtig ist eine hohe Glaub- und Vertrauenswürdigkeit im Mitarbeiter- und Führungskreis. Wer es nicht schafft, andere zu überzeugen und mit ihm gemeinsam für eine Sache zu arbeiten, der wird an der Spitze keinen Erfolg haben.
5.2 High Potentials als bevorzugte Zielgruppe der Recruiter
557
Im Zuge der Harvard-Studie, die Top-Talente bei 45 weltweit agierenden Unternehmen untersuchte, kamen die Forscher schließlich zu folgender Definition von High Potentials [Ready et al. 2010]: „High potentials consistently and significantly outperform their peer groups in a variety of settings and circumstances. While achieving these superior levels of performance, they exhibit behaviors that reflect their companies’ culture and values in an exemplary manner. Moreover, they show a strong capacity to grow and succeed throughout their careers within an organization – more quickly and effectively than their peer groups do.” Eine weitere Studie, die sich explizit mit den Eigenschaften von High Potentials befasst, haben Zenger/Folkman 2014 vorgelegt [vgl. Oberhardt 2019]. Das Forscherteam hat in mehreren Zyklen über 50.000 Führungskräfte untersucht. Im Mittelpunkt stand dabei die Frage: Was zeichnet eine gute Führungskraft aus? Das Ergebnis war ein gewaltiger Datensatz mit über 500.000 Einschätzungen. Die Analyse brachte 16 Eigenschaften hervor, die fünf Clustern zugeordnet werden (siehe Abbildung 5-04):
Ergebnisorientierung Veränderungen vorantreiben Charakter Interpersonelle Fähigkeiten Individuelle Fähigkeiten.
Ergebnisorientierung
Veränderungen vorantreiben
Charakter
Interpersonelle Fähigkeiten
Individuelle Fähigkeiten
• Handelt ergebnisorientiert
• Entwickelt strategische Perspektive
• Zeigt hohe Integrität und Ehrlichkeit
• Kommuniziert kraftvoll und effektiv
• Technisch/berufliche Erfahrung
• Setzt herausfordernde Ziele
• Zeigt Veränderungsinitiative
• Problemlösung und -analyse
• Ergreift Initiative
• Verbindet und repräsentiert die Organisation nach Außen
• Inspiriert und motiviert andere zu Höchstleistungen • Baut Beziehungen auf • Entwickelt und fördert andere
• Innovation • Entwickelt sich selber weiter
• Zusammenarbeit und Teamwork [Quelle: Oberhardt 2019]
Abb. 5-04:
Fünf Cluster mit 16 Eigenschaften von Führungskräften
5.2.2 Kompetenz, Intuition und Haltung Man kann sich dem Phänomen High Potential aber auch mit dem Begriff Kompetenz nähern. Kompetenz ist die Verbindung von Wissen und Können, um Handlungsanforderungen zu bewältigen. Kompetenzen sind also Handlungsfähigkeiten. Den wohl rund um den Kompetenzbegriff wichtigsten Forschungsansatz liefert die Kompetenzarchitektur von Erpenbeck/Heyse [2007]. Danach wird in einem ersten Schritt der Kompetenzbegriff von ähnlichen Begriffen wie Fertigkeiten und Qualifikationen abgegrenzt.
558
5. Personal und Management der Unternehmensberatung
Kompetenz zielt darauf ab, ob eine Person die Fähigkeit besitzt, selbstorganisiert zu handeln. Kompetenzen bilden den Kern dessen, was man als einen fähigen Mitarbeiter bezeichnet. Kompetenzen sind der zentrale Faktor für die Leistungsfähigkeit des Individuums und damit auch für die Leistungsfähigkeit des Teams, der Abteilung und des Unternehmens als Ganzes. Im Mittelpunkt steht demnach die tatsächliche Handlungsfähigkeit der betreffenden Person. Kompetenzen gehen damit deutlich über Qualifikationen hinaus. Trotz der Möglichkeit, Kompetenzen (weiter-)entwickeln zu können, scheint ein gewisses Kompetenzniveau unerlässlich. Denn die Harvard-Studie belegt, dass Top-Talente ihre Fähigkeiten intuitiv einsetzen. Sich wie ein High Potential zu verhalten, lässt sich deshalb kaum erlernen. Entscheidend ist zudem, dass High Potentials in der Lage sind, ihre Kompetenzen zu koordinieren und zu kombinieren. So fanden die Studienmacher heraus, dass Nachwuchskräfte mit einem enormen Potenzial negative Stimmungen im Team nicht einfach ignorieren, sondern proaktiv aufgreifen und lösen. Insgesamt liegt sicherlich ein hoher Deckungsgrad zwischen den Ergebnissen der Harvard-Untersuchung und der Kompetenzarchitektur von Erpenbeck/Heyse vor. High Potentials werden von einem starken Erfolgswillen getrieben und kennen keine Versagensängste. Doch Spitzenleistungen allein, die sich bei High Potentials häufig bereits in der Ausbildung oder im Studium zeigen, reichen längst nicht aus. Die Forscher attestieren den TopTalenten zum Beispiel einen deutlich ausgeprägteren Unternehmergeist, als anderen Mitarbeitern. Das ist beispielsweise daran erkennbar, dass sie selbst Ideen entwickeln und alles daransetzen, dass diese auch erfolgreich umgesetzt werden [vgl. Competencehouse 2017]. In diesem Zusammenhang soll nicht unerwähnt bleiben, dass es auch eine Reihe von Kompetenzen oder besser Eigenschaften gibt, die weder im Kompetenzatlas noch in der Harvard-Studie aufgeführt sind. Zur Illustration solcher im allgemeinen als negativ behandelten Eigenschaften soll hier ein Kommentar zu einem Blog-Beitrag mit der Überschrift „Was ist eigentlich ein High Potentials?“ zitiert werden [vgl. Lippold 2020d]: „Anmerkung: Die zehn Kriterien der Harvard Business School für die Charakterisierung von High Potentials reflektieren wohl nur die eine Seite der Medaille – die positive Seite. Würde man nur darauf abstellen, wäre die Welt in Ordnung und es gebe nur „Beste Menschen“ in allen Chefetagen, Führungszirkeln und politischen Machtebenen. Ist dem aber so? Sind da nicht auch überproportional Psychopathen, Soziopathen, Narzissten und sonstige Derivate psychischer Störungen/Auffälligkeiten vertreten? Gibt es vielleicht auch negative Eigenschaften, die für eine erfolgreiche Karriere hilfreich sind? Warum kommen nicht nur die schlauesten, fleißigsten und emphatischsten Menschen nach oben? Wir müssen auf beide Seiten der Medaille schauen.“ Neben Kompetenz und Intuition kommt noch ein weiterer Aspekt hinzu, der „wahre“ High Potentials auszeichnet. Die Rede ist von Haltung. Wie erfolgreich Unternehmen heutzutage agieren, hängt zunehmend davon ab, über welche Haltung Führungskräfte und vor allem Führungsnachwuchskräfte verfügen. Um den Wandel, der durch Digitalisierung, Gender Shift und die
5.2 High Potentials als bevorzugte Zielgruppe der Recruiter
559
demografische Entwicklung eingeleitet wurde, zukunftsfähig zu gestalten, ist unsere Haltung entscheidend [siehe ausführlich Permantier 2019]. 5.2.3 High Potentials und Talente „Getting the right people with the right skills into the right jobs“ [Capelli 2008, S.1] ist die Maxime des Personalmanagements in Verbindung mit der Zielgruppe der High Potentials. Doch wer sind die “right people”? Was unterscheidet High Potentials von „normalen“ Talenten? Eine Abgrenzung in zweierlei Hinsicht zwischen Talenten und High Potentials liefert das Insert 5-01. Dabei werden Talente einmal als Obermenge und einmal als Vorstufe von High Potentials dargestellt.
Insert 5-01:
„Was unterscheidet Talente von High Potentials?“
560
5. Personal und Management der Unternehmensberatung
Hinzu kommt noch eine weitere Überlegung, die aus einem Vergleich der beiden personalwirtschaftlichen Wertschöpfungsketten folgt. So kann es in der Wertkette Personalbeschaffung definitionsgemäß noch gar keine High Potentials geben, da diese ja noch keinen Leistungsnachweis (zumindest in diesem Unternehmen) erbringen konnten. Insofern zielen die Personalbeschaffungsaktivitäten (also im Wesentlichen die Personalakquisition) auf die Gewinnung von Talenten und die Personalbetreuungsaktivitäten auf die Bindung von Talenten und High Potentials ab. Daher werden im Folgenden beide Begriffe synonym verwendet, sofern nicht explizit auf eine Unterscheidung hingewiesen wird. Abbildung 5-05 macht diese Unterscheidung deutlich.
Gewinnung von Talenten
Sicht von außen
Externes Personalmarketing
Wettbewerbsvorteil • Produkte • Leistungen • Fähigkeiten • Know-how • Kultur
Sicht von innen
Abb. 5-05:
Segmentierung
Positionierung
+ Nutzen
+ Gerechtigkeit
Internes Personalmarketing
Wertschöpfungskette Personalbeschaffung Signalisierung
+ Vorteil
+ Wahrnehmung
+ Wertschätzung
Personalvergütung
Bindung von Talenten und Entwicklung von High Potentials
Personalführung
Kommunikation
+ Vertrauen
Mitarbeitergewinnung Auswahl u. Integration
+ Akzeptanz
+ Fairness + Förderung/Forderung + Erleichterung
Personalbeurteilung
Personalentwicklung
=
Vom Bewerber honorierter Wettbewerbsvorteil
=
Vom Mitarbeiter honorierter Wettbewerbsvorteil
Personalfreisetzung
Wertschöpfungskette Personalbetreuung
Mitarbeiterbindung
© Dialog.Lippold
Gewinnung und Bindung von Talenten bzw. High Potentials
Es ist sicherlich legitim, dass jedes Unternehmen nur die Besten, also die High Potentials einstellen möchte. Es gibt wohl kaum ein Unternehmen, das sich freiwillig mit dem zweitbesten Bewerber zufriedengibt. Doch wer sind die Besten? Und vor allem: Wer sind die Besten für das jeweilige Unternehmen? Wer sind die Besten für das jeweilige Assignment? Und schließlich: Wozu braucht man unbedingt High Potentials? Eine distanzierte und durchaus kritische Einstellung gegenüber den High Potentials zeigt Wottawa (siehe Insert 5-02). Er vergleicht diese Zielgruppe mit den Condottieri, den italienischen Söldnerführern des späten Mittelalters. Zu den bekanntesten Condottieri zählen Francesco Sforza, Andrea Doria, Cesare Borgia und Giovanni de Medici. Sie wechselten durchaus die Seiten für bessere Bezahlung und dies nicht nur vor, sondern sogar mitten in der Schlacht. Sie waren aber dennoch enorm begehrt und in den Augen der jeweiligen Fürsten unverzichtbar. Aufgrund ihres Einflusses, ihrer Macht und sicherlich auch aufgrund ihres Könnens begannen sie, ihren Arbeitgebern die Bedingungen zu diktieren.
5.2 High Potentials als bevorzugte Zielgruppe der Recruiter
561
Soweit soll hier nicht gegangen werden, aber es ist kein Geheimnis, dass manche High Potentials Akzeptanzprobleme bei schwächeren Kollegen und eine “spezielle” Persönlichkeit haben. Sie kommen sehr häufig arrogant und überheblich rüber. Das ist allermeist auch der Grund dafür, dass es ihnen nicht gelingt, die notwendige Glaub- und Vertrauenswürdigkeit bei Mitarbeitern und Führungskräften zu schaffen. Dafür benötigen sie eine besondere Führung, um voll motiviert zu sein. Vor allem wechseln sie aber schnell zum Konkurrenten, wenn dieser ihnen ein besseres finanzielles Angebot macht. Es gibt also noch eine andere Seite, die bei High Potentials zu beachten ist. Daher stellt sich vielerorts die Frage: Was ist besser für das Unternehmen? Ein loyaler, begeisterter Mitarbeiter mit gutem Sachverstand oder ein High Potential, der ob seiner geringen emotionalen Bindung ständig mit den Hufen scharrt und dem das nächste attraktive Angebot eines Headhunters herzlich willkommen ist. Vielleicht ist für die eine oder andere Stelle (besser: Assignment) ein Kandidat besser geeignet, der keine „Eins vor dem Komma“ hat. Natürlich sind (Abschluss-)Noten nicht unwichtig, sie aber als erstes und häufig auch als einziges Zulassungskriterium zum persönlichen Vorstellungsgespräch zu missbrauchen, ist kurzsichtig und wenig dienlich, um die richtigen Kandidaten für den ausgeschriebenen Job zu bekommen. Sportliche Bestleistungen, Masterabschlüsse in verschiedenen Bereichen, ein selbstfinanziertes Studium vielleicht sogar über den zweiten Bildungsweg oder berufsbegleitend, ein Engagement als Schul- oder Studierendensprecher, Praktika oder Auslandsaufenthalte, die allesamt vielleicht zu einer etwas schlechteren Durchschnittsnote, aber auch zur Entwicklung der individuellen Persönlichkeit beigetragen haben, sollten den Unternehmen doch mindestens genau so viel Wert sein, wie die Noten mit der „Eins vor dem Komma“. Persönlichkeit kann man nur bedingt lernen, Sprachen oder Mathematik sehr wohl. Fazit: Angesichts dieser Abgrenzungsversuche zwischen Talenten und High Potentials erscheint es schon ein wenig akademisch, dass insbesondere die Zunft der Unternehmensberater nach wie vor – und mit aller Kraft – nach High Potentials als die allein erstrebenswerte Zielgruppe ihres Recruitings suchen. Dies ist auch deshalb umso bemerkenswerter, weil bei einer durchschnittlichen Führungsspanne von Eins zu Sieben auch Beratungsunternehmen nicht mehr als etwa 15 Prozent ihres Personals als Führungskräfte einsetzen können. Erwartet man demnach von jedem neuen Mitarbeiter, dass er – im Sinne eines High Potentials – zu einer Führungskraft mit entsprechendem Unternehmergeist heranwächst, so wird ein Großteil dieser Consultants über kurz oder lang unterfordert sein und sich alsbald nach einem neuen Arbeitgeber umsehen. Aber vielleicht ist ja auch gerade dies Sinn einer Personalpolitik, die in bestimmten Beratungsunternehmen auch als „Up-or-Out“-Prinzip gelebt wird. Fluktuationsraten von mehr als 20 Prozent sind dann allerdings die zwangsläufige Folge.
562
Insert 5-02:
5. Personal und Management der Unternehmensberatung
High Potentials – die Condottieri unserer Zeit
5.3 Personalakquisition – Optimierung der Personalgewinnung
563
5.3 Personalakquisition – Optimierung der Personalgewinnung Unter dem Begriff Personalakquisition sollen hier die Prozessschritte Segmentierung, Positionierung, Signalisierung und Kommunikation im Bewerbermarkt zusammengefasst werden (siehe Abbildung 5-06). Diese Prozessschritte sind zugleich auch die entscheidenden Aktionsfelder für die Unternehmensberatung in einem als absurd zu bezeichnenden Arbeitsplatzmarkt für akademische Nachwuchskräfte. Absurd deshalb, weil er einerseits die Grundzüge eines Verkäufermarktes und andererseits die Charakteristika eines Käufermarktes trägt. Einerseits können sich Unternehmen und Unternehmensberatungen fast uneingeschränkt bedienen, wenn es um die Rekrutierung von durchschnittlich begabten Hochschulabsolventen geht. Andererseits handelt es sich aus Sicht des Arbeitsplatzanbieters um einen klassischen Käufermarkt, wenn es darum geht, leistungsbereite Nachwuchskräfte mit hohem Potenzial – eben High-Potentials – zu gewinnen. Da solch besonders qualifizierte Bewerber zumeist die Wahl zwischen den Angeboten mehrerer Unternehmen haben, können sie auch besonders selbstbewusst bei ihrer Arbeitsplatzwahl auftreten. Somit stehen sich auf dem Arbeitsmarkt für High Potentials zwei Partner „auf Augenhöhe“ gegenüber.
Personalbeschaffung
Sicht von außen
Aktionsfelder Externes Personalmarketing
Segmentierung
Wettbewerbsvorteil • Produkte • Leistungen • Fähigkeiten • Know-how • Kultur
Positionierung
Signalisierung
Kommunikation
Personalauswahl u. -integration
Personalakquisition + Nutzen
+ Vorteil
+ Wahrnehmung
+ Vertrauen
+ Akzeptanz
Mitarbeitergewinnung
Vom Bewerber honorierter Wettbewerbsvorteil
Bewerberkriterien © Dialog.Lippold
Abb. 5-06:
Die Aktionsfelder der Personalakquisition
Der Wettbewerb um hochqualifizierte und leistungsbereite Mitarbeiter sollte allerdings nicht dadurch gelöst werden, dass bei Bedarf entsprechendes Personal vom Wettbewerb abgeworben wird. Zielführender ist zumeist eine sorgfältige Personalauswahl auf dem Bewerbermarkt, verbunden mit einer späteren nachhaltigen Personal- und Karriereentwicklung. Denn die Wahrscheinlichkeit des Scheiterns abgeworbener Führungskräfte ist oftmals höher als für einen Mitarbeiter aus den eigenen Reihen, der im Rahmen einer systematischen Karriereentwicklung gefordert und gefördert wurde. Um in diesem Wettbewerb um die Besten erfolgreich zu bestehen, müssen geeignete Bewerber quasi als Kunden genauso umworben werden, wie potenzielle Käufer von Produkten und Dienstleistungen. Daher ist auch die Übertragung von Begriffen wie Positionierung, Segmentierung, Kommunikation oder auch Branding, die allesamt ihren Ursprung und ihre konzeptionellen Wurzeln im klassischen Marketing haben, auf das Personalmarketing eine wichtige Grundlage für den „War for Talents“.
564
5. Personal und Management der Unternehmensberatung
5.3.1 Segmentierung des Arbeitsmarktes Im Rahmen des Personalbeschaffungsprozesses ist die Arbeitsmarktsegmentierung das erste wichtige Aktionsfeld für das Personalmarketing. Von besonderer Bedeutung ist dabei das Verständnis für eine bewerberorientierte Durchführung der Segmentierung, denn der Beschaffungsprozess sollte grundsätzlich aus Sicht des Bewerbers beginnen. Die Segmentierung hat demnach die Optimierung des Bewerbernutzens zum Ziel: Bewerbernutzen = f (Segmentierung) → optimieren! Der Arbeitsmarkt ist keine homogene Einheit. Aufgrund der unterschiedlichsten Bewerberanforderungen und -qualifikationen besteht er aus einer Vielzahl von Segmenten. Die Anforderungen, die ein Bewerber an seinen zukünftigen Arbeitgeber stellt, und die Fähigkeiten der Unternehmen, diese Anforderungen zu erfüllen, sind maßgebend für die Bewerberentscheidung und damit für den Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens bei seinen Rekrutierungsbemühungen [vgl. Simon et al. 1995, S. 64]. Damit wird deutlich, welche Bedeutung die Segmentierung des Arbeitsmarktes für das verantwortliche Personalmanagement hat. Im Vordergrund steht die Analyse der Ziele, Probleme und Nutzenvorstellungen der Bewerber. Es muss Klarheit darüber bestehen, was das Gemeinsame und was das Spezifische dieser Bewerbergruppe im Vergleich zu anderen ist. Die hiermit angesprochene Rasterung des Bewerbermarktes erhöht die Transparenz und damit die Rekrutierungschancen.
5.3.1.1 Personalbedarfsplanung und Fluktuation
Ausgangspunkt und Grundlage der Arbeitsmarktsegmentierung ist die Personalbedarfsplanung, die in quantitativer, qualitativer, räumlicher und zeitlicher Hinsicht vorgenommen werden kann. Die Personalbedarfsplanung zielt darauf ab, personelle Über- bzw. Unterkapazitäten mittel- und langfristig zu vermeiden. Sie ist vielleicht der wichtigste Teil der Personaleinsatzplanung (engl. Workforce Planning), die bei Unternehmensberatungen in hohem Maße von den erwarteten Projektaufträgen abhängt und damit mit weitaus höheren Risiken behaftet ist als bspw. im kontinuierlichen B2C-Geschäft. Quantitative Personalbedarfsplanung. Im ersten Schritt der quantitativen Personalbedarfsplanung ist für jeden Bereich zu klären, welcher Soll-Personalbestand im Planungszeitraum erreicht werden soll. Die Höhe des Soll-Personalbestands hängt in erster Linie von den Zielen des Unternehmens bzw. der Unternehmenseinheit ab (Wachstum, Konsolidierung, Restrukturierung). Die Differenz zum Ist-Personalbestand zu Beginn der Planungsperiode ist aber nicht zwangsläufig der Neubedarf an Mitarbeitern, da in der Planungsperiode zusätzliche Abgänge (Pensionierungen, Kündigungen, Elternzeit etc.), aber auch Zugänge (Neueinstellungen, Beendigung der Elternzeit etc.) zu berücksichtigen sind. Die Differenz zwischen den voraussichtlichen Abgängen und Zugängen wird als Ersatzbedarf bezeichnet. Der Ersatzbedarf gibt damit die Anzahl der Mitarbeiter an, die bis zum Ende der Planungsperiode eingestellt werden müssen, um den (Ist-) Personalbestand zu Beginn des Planungszeitraums zu erreichen. Ist dieser Personalbestand niedriger als der Soll-Personalbestand, so entsteht ein Zusatzbedarf, dessen
5.3 Personalakquisition – Optimierung der Personalgewinnung
565
Höhe in erster Linie von den Wachstumsambitionen des Unternehmens abhängt. Ist der Saldo zwischen voraussichtlichem Personalbestand und dem Soll-Personalbestand allerdings negativ, so ergibt sich ein Freistellungsbedarf. Zusatzbedarf und Ersatzbedarf ergeben den Neubedarf, d.h. die Anzahl aller im Planungszeitraum einzustellenden Mitarbeiter. Damit errechnet sich der Soll-Personalbestand wie folgt: Soll-Personalbestand = Ist-Bestand + Zugänge – Abgänge + Ersatzbedarf + Zusatzbedarf In Abbildung 5-08 sind die quantitativen Elemente der Personalbedarfsplanung dargestellt. Anzahl Mitarbeiter
Neubedarf Vorauss. Abgänge
Vorauss. Zugänge
Zusatzbedarf Ersatzbedarf
SollPersonalbestand IstPersonalbestand Periode [Quelle: Darstellung in Anlehnung an Jung 2006, S. 119]
Abb. 5-07:
Arten des Personalbedarfs
Besonders wichtig für viele Unternehmensberatungen ist in diesem Zusammenhang die Beobachtung und Analyse der Fluktuation, die sich in der Fluktuationsrate (engl. Attrition Rate) ausdrückt: Fluktuationsrate = (Abgänge / Durchschnittlicher Personalbestand) x 100 % Das Ziel der Fluktuationsanalyse besteht darin, Gründe und Motive für das Ausscheiden in Erfahrung zu bringen und daraus zielgerichtete Maßnahmen zu entwickeln, um die Fluktuation im Rahmen der betrieblichen Gegebenheiten und die damit verbundenen Kosten zu senken. Die besondere Bedeutung der Fluktuationsrate für den Erfolg einer Unternehmensberatung zeigt das Rechenbeispiel in Insert 5-03. Qualitative Personalbedarfsplanung. Die qualitative Personalbedarfsplanung legt fest, über welche Fähigkeiten, Kenntnisse und Verhaltensweisen der Soll-Personalbestand (einer Beratergruppe) bis zum Planungshorizont verfügen sollte und zu welchen potenziellen Projekten diese Qualifikationen gebündelt werden können. Die Qualifikationen, d. h. die Anforderungen in Verbindung mit dem Beratereinsatz, werden im Rahmen eines Anforderungsprofils (engl. Job Specification) festgelegt.
566
5. Personal und Management der Unternehmensberatung
Insert Die Reduktion der Fluktuationsrate als Erfolgsfaktor Unternehmen A • 800 Mitarbeiter • 16 Mio. Euro Gewinn Vorher
Nachher
Unternehmen B • 1.600 Mitarbeiter • 60 Mio. Euro Gewinn Vorher
800
Anzahl Mitarbeiter
Nachher 1.600
Fluktuationsrate (Attrition Rate)
25%
15%
10%
5%
≙ Abgänge
200
120
160
80
Wiederbeschaffungskosten (Replacement Costs)
40.000 Euro pro Kopf
30.000 Euro pro Kopf
Gesamt Wiederbeschaffungskosten
8,0 Mio. Euro 4,8 Mio. Euro
4,8 Mio. Euro 2,4 Mio. Euro
Einsparungen durch reduzierte Fluktuationsrate
3,2 Mio. Euro (≙ 20% vom Gewinn)
2,4 Mio. Euro (≙ 4% vom Gewinn)
Reduktion der Fluktuationsrate um 1 Prozentpunkt
320 TEuro Gewinnverbesserung (≙ ~2% vom Gewinn)
480 TEuro Gewinnverbesserung (≙ ~1% vom Gewinn)
Das Rechenbeispiel zeigt Unternehmensdaten zweier fiktiver Unternehmensberatungen:
Das Unternehmen A, eine Management- und Das Unternehmen B ist ein IT-BeratungsStrategieberatung, beschäftigt 800 Mitarbeit- und Serviceunternehmen. Es beschäftigt er, erzielt einen Jahresgewinn von 16 Mio. 1.600 Mitarbeiter und erzielt einen JahresEuro und weist eine Fluktuationsrate von 25 gewinn von 60 Mio. Euro. Das Unternehmen Prozent auf. Die Wiederbeschaffungskosten weist eine Fluktuationsrate (engl Attrition für einen neuen Berater betragen 40.000 Rate) von 10 Prozent auf. Die WiederbeEuro. Damit belaufen sich die Wiederbe- schaffungskosten für einen neuen IT-Berater schaffungskosten für 200 neue Berater auf betragen 30.000 Euro. Um die Fluktuation insgesamt 8 Mio. Euro, um die Fluktuation ceteris paribus auszugleichen, belaufen sich auszugleichen. Lässt sich diese Fluktuations- die Wiederbeschaffungskosten) für 160 neue rate von 25 auf 15 Prozent senken, so verrin- IT-Berater auf insgesamt 4,8 Mio. Euro. Bei gern sich ceteris paribus die Wiederbeschaf- einer Absenkung der Fluktuationsrate von fungskosten für 120 Berater auf 4,8 Mio. zehn auf fünf Prozent, ließen sich in dem Fall Euro. Damit ließen sich die Rekrutierungs- die Wiederbeschaffungskosten um 2,4 Mio. kosten allein durch die Absenkung der Fluk- Euro vermindern. Bei einem angenommenen tuationsrate um 3,2 Mio. Euro vermindern. Bei Gewinn dieses Unternehmens von 60 Mio. einem angenommenen Gewinn von 16 Mio. Euro p. a. bedeutet diese Reduzierung eine Euro bedeutet dies eine Gewinnverbesserung Gewinnverbesserung von vier Prozent. Die für das Consulting-Unternehmen von 20 Pro- Reduktion der Fluktuationsrate um einen zent. Die Absenkung der Fluktuationsrate um Prozentpunkt führt hier also zu einer Gewinneinen Prozentpunkt würde also zu einer Ge- verbesserung von rund einem Prozent. © Dialog.Lippold winnverbesserung von zwei Prozent führen. Fazit: Angesichts der hohen Wiederbeschaffungskosten für hochqualifiziertes Personal kann die Reduktion der Fluktuationsrate ceteris paribus einen sehr beachtlichen Erfolgsfaktor mit unmittelbarem Einfluss auf die Gewinnsituation eines Unternehmens darstellen. Um die Fluktuationsrate abzusenken sind Mitarbeiterbindungsprogramme erforderlich, die sich an den Kriterien Gerechtigkeit, Wertschätzung, Fairness sowie Forderung und Förderung orientieren.
Insert 5-03:
Rechenbeispiel zur Fluktuationsrate in der Beratungsbranche
5.3 Personalakquisition – Optimierung der Personalgewinnung
567
Zeitliche Personalbedarfsplanung. Je nachdem, welcher Planungshorizont der Personalbedarfsermittlung zugrunde liegt, kann zwischen kurz-, mittel- und langfristiger Personalbedarfsplanung unterschieden werden. Für das sehr schnelllebige Beratungsgeschäft ist die kurz- bis mittelfristige Personalbedarfsplanung (ein bis zwei Jahre) relevant. Auf der Grundlage der Eintrittswahrscheinlichkeit unterschiedlicher Auftragserwartungen („Best Case“, „Realistic Case“ oder „Worst Case“) lassen sich dann verschiedene Personalplanungsalternativen entwickeln. Räumliche Personalbedarfsplanung. Die räumliche Personalbedarfsplanung legt den (Einsatz-) Ort fest, an dem der bzw. die neue(n) Mitarbeiter benötigt wird (werden). Besonders bei stark dezentral organisierten Unternehmen mit entsprechend vielen Niederlassungen oder Geschäftsstellen ist die räumliche Dimension der Personalbedarfsplanung von Bedeutung. 5.3.1.2 Stellenbeschreibung und Anforderungsprofil
Stellenbeschreibung. Die Stellenbeschreibung (engl. Job Description) liefert Informationen über die Einordnung der Stelle in der Organisationsstruktur, über die Ziele und Aufgaben der Stelle sowie über die Rechte und Pflichten des Stelleninhabers. Die Stellenbeschreibung ist neben der Personalgewinnung auch für die Personalentwicklung und -vergütung von Bedeutung. Gleichzeitig bietet das Stellenprofil ein wichtiges Element für das stellenbezogene Anforderungsprofil. Allerdings hat die Bedeutung der Stellenausschreibung für solche Unternehmen stark abgenommen, die in innovativen Märkten agieren. Angesichts der besonderen wirtschaftlichen Dynamik bleibt mittel- und langfristig kaum eine Stelle unverändert, so dass viele Unternehmen ohnehin nicht nachkommen, ihre Stellenbeschreibungen ständig auf dem neuesten Stand zu halten. Auch ist es manchmal zweckmäßig, dass eine ausschließlich sachbezogene Stellenbeschreibung einer mehr auf konkrete Personen bezogene Stellenbildung weicht. Auf diese Weise lässt sich auch ein Talentpool mit einer speziellen Wissens- und Fähigkeitsausrichtung schaffen, um damit besser auf bestimmte Innovationen vorbereitet zu sein [vgl. Bröckermann 2007, S. 54 f.; Weuster 2004, S. 38]. Anforderungsprofil. Die Stellenbeschreibung selbst gibt aber noch keine Auskunft über die benötigten Qualifikationen des potenziellen Stelleninhabers. Die Qualifikationen, d. h. die Anforderungen in Verbindung mit einem Arbeitsplatz, werden erst im Rahmen eines Anforderungsprofils (engl. Job Specification) festgelegt. Das Anforderungsprofil beschreibt die Kriterien, die Bewerber erfüllen müssen und sollen. Ein aus einer offenen Stelle oder anderen Überlegungen abgeleitetes Sollprofil ist die entscheidende Grundlage für einen fundierten, zielorientierten Personalbeschaffungsprozess. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass gerade die Prozessbeteiligten mit der vermutlich größten methodischen Kompetenz, nämlich Personalleiter, Personalreferenten oder auch externe Personalberater, die zu besetzende Position zumeist nicht aus eigener täglicher Praxis, sondern nur von Beschreibungen her kennen. Im Gegensatz zu den Fachvorgesetzten, die die zu besetzende Stelle oft sehr gut kennen, haben mitentscheidende Personalfachleute häufig nur eine unklare Kenntnis der konkreten Stellenanforderungen. Damit besteht die Gefahr, dass Auswahl- und Einstellentscheidungen nicht selten intuitiv auf der Basis von Sympathie und Antipathie gefällt werden [vgl. Weuster 2004, S. 32].
568
5. Personal und Management der Unternehmensberatung
Besonders im Hinblick auf die Auswahl von High Potentials lässt sich das Anforderungsprofil in folgende Profilarten unterteilen [vgl. Weuster 2004, S. 38 ff.]:
Mindestprofil Höchstprofil Idealprofil Negativprofil und Irrelevanzprofil.
Das Mindestprofil beschreibt durch Musskriterien („Knock-out-Kriterien“) die Grenze zu unterqualifizierten Bewerbern. Soweit es sich dabei um Fachwissen handelt, sind es Kenntnisse, die der Bewerber schon am ersten Arbeitstag besitzen muss. Wird das Mindestprofil zu niedrig angesetzt, steigt die Gefahr, dass sich ungeeignete Personen bewerben und eingestellt werden. Wird es zu hoch angesetzt, werden geeignete Bewerber von einer Bewerbung abgehalten oder abgelehnt. Bei der Festlegung des Mindestprofils stellt sich die grundlegende Entscheidung, welche Wissensinhalte, Fähigkeiten, Fertigkeiten und Eigenschaften schon beim Eintritt vorhanden sein müssen und welche noch vermittelt werden können. Das Mindestprofil dient folglich dazu, konfliktträchtige Fehlbesetzungen zu vermeiden. Das Höchstprofil legt die Grenze zu überqualifizierten Bewerbern fest, ohne dabei objektiv geeignete Bewerber auszuschließen. Überqualifizierung kann bei Arbeitnehmern Unzufriedenheit wegen der Unterforderung, der geringen Verantwortung, der zu gering empfundenen Bezahlung und Entwicklungsmöglichkeiten erzeugen. Außerdem zeigt sich gelegentlich das paradoxe Phänomen, dass überqualifizierte Stelleninhaber die Aufgaben ihrer Stelle weniger gut erledigen, als passend qualifizierte Stelleninhaber. Das Idealprofil hingegen beschreibt den Wunschkandidaten und beinhaltet oft auch Wunschkriterien, von denen abgewichen werden kann, ohne dass dadurch sofort eine Fehlbesetzung gegeben wäre. Sind die Chancen gering, den idealen Bewerber zu finden, kann es durchaus sinnvoll sein, mit einem modifizierten Idealprofil auch oft übersehene Bewerbergruppen ins Auge zu fassen. Das Negativprofil (auch Tabuprofil) nennt Merkmale, die Bewerber grundsätzlich nicht aufweisen sollten. Beispiele können Vorstrafen bei Bankangestellten oder bestimmte Krankheiten bei Arbeitnehmern in der Lebensmittelproduktion sein. Das Irrelevanzprofil schließlich beschreibt Merkmale, die für die Besetzung der Stelle nicht von Bedeutung sind. Dazu zählen bspw. das Geschlecht, bestimmte Sprachkenntnisse, schriftliches Ausdrucksvermögen – Merkmale also, die als Anforderungs- oder Auswahlkriterien für eine bestimmte Stelle keine Rolle spielen sollen. Eine weitere Unterteilungsmöglichkeit von Anforderungsprofilen bezieht sich auf den Ausbildungs- und Erfahrungshintergrund eines Bewerbers. Danach kann untergliedert werden in [vgl. Weuster 2004, S. 40 ff.]:
5.3 Personalakquisition – Optimierung der Personalgewinnung
569
Bildungsprofil Berufserfahrungsprofil Ergänzende Profilkomponenten.
Mit dem Bildungsprofil sind schwerpunktmäßig die schulische und universitäre Ausbildung sowie die Berufsausbildung angesprochen. In das Bildungsprofil fließen Komponenten wie Schulausbildung, Berufsausbildung, Hochschulart, Hochschulort, Studienfach und Studienschwerpunkt sowie bestimmte Spezialkenntnisse (z. B. Sprachen) ein. Das Berufserfahrungsprofil bildet jene Erfahrungen, Fähigkeiten und Kompetenzen ab, die während der Berufsausübung erworben wurden. Zum Berufserfahrungsprofil zählen Funktionserfahrung, Branchenerfahrung, Positionserfahrung, Hierarchieerfahrung und Aufgabenerfahrung (Entscheidungsaufgaben, Erfüllungsaufgaben) sowie methodische Erfahrung. Ergänzende Profilkomponenten kommen mehr aus dem persönlichen Bereich („Soft Skills“) und können für die Besetzung bestimmter Positionen von erheblicher Bedeutung sein. Beispiele solcher Profilkomponenten sind die Verfügbarkeit externer Kontakte, zeitliche Verfügbarkeit, Mobilität (Reisebereitschaft und Reisefähigkeit). Abbildung 5-08 zeigt die Komponenten des Anforderungsprofils im Überblick.
Anforderungsprofil
Bildungsprofil
Berufserfahrungsprofil
Ergänzende Profilkomponenten
• Schulausbildung
• Funktionserfahrung
• Berufsausbildung • Hochschulausbildung
• Branchenerfahrung • Aufgabenerfahrung
• Verfügbarkeit externer Kontakte • Zeitliche Verfügbarkeit
• Hochschulart • Hochschulort
• Positionserfahrung • Hierarchieerfahrung
• Reisebereitschaft • Reisefähigkeit
• Studienfach
• Methodenerfahrung
• Soziale Kompetenzen • Sonstige Soft Skills
• Studienschwerpunkt • Spezialkenntnisse [Quelle: Weuster 2004, S. 40 ff. (modifiziert)]
Abb. 5-08:
Komponenten des Anforderungsprofils
5.3.1.3 Personalbeschaffungswege
Grundsätzlich stehen jedem Unternehmen zwei Beschaffungswege zur Personalbedarfsdeckung zur Verfügung: die interne und die externe Personalbeschaffung. Abbildung 5-09 gibt einen Überblick über die vielfältigen Möglichkeiten der internen und externen Personalgewinnung.
570
5. Personal und Management der Unternehmensberatung
Personalbeschaffungswege Interne Personalbeschaffung (Interne Bedarfsdeckung) Ohne Personalbewegung • • • •
Mehrarbeit Überstunden Urlaubsverschiebung Qualifizierung
Mit Personalbewegung • Versetzung • Innerbetriebliche Stellenausschreibung • Talent Management (Nachwuchsförderung)
Externe Personalbeschaffung (Externe Bedarfsdeckung) Passive Personalbeschaffung
Aktive Personalbeschaffung
• Arbeitsagentur • Eigenbewerbung (Blind-, Initiativbewerbung) • Bewerberkartei
• Stellenanzeige (Print, Online-Jobbörsen, UnternehmensHomepage) • Jobmessen • Schul- und Hochschulkontakte • Recruiting Events • Personaldienstleister (Executive Search, Zeitarbeit) • Personalleasing
[Quelle: Darstellung in Anlehnung an JUNG 2006, S. 136 ff.]
Abb. 5-09:
Interne und externe Personalbeschaffungswege
Interne Personalbeschaffung. Die interne Personalgewinnung umfasst alle Aktivitäten, die sich auf die Besetzung von Stellen durch bereits im Unternehmen beschäftigte Führungskräfte und Mitarbeiter beziehen. Allgemein gilt der Grundsatz, dass vor einer Stellenbesetzung zunächst geprüft werden sollte, ob und inwieweit vorhandene Mitarbeiterpotenziale genutzt werden können. Den Vorteilen der internen Personalbeschaffung (z. B. geringeres Risiko einer Fehlbesetzung, höhere Motivation bei interner Stellenbesetzung, Kosten- und Zeitersparnis), stehen aber auch einige Nachteile (z. B. Gefahr der zunehmenden Betriebsblindheit, fehlende Impulse von außen) gegenüber. Obwohl augenscheinlich die Vorteile überwiegen, sollte der personalpolitische Grundsatz, auf eine Beschaffungspriorität von innen zu setzen, allerdings nicht überzogen werden. Externe Personalbeschaffung. Bei der externen Personalgewinnung werden Führungskräfte bzw. Mitarbeiter außerhalb des Unternehmens gesucht. Externe Personalbeschaffung ist vor allem dann von Bedeutung, wenn
der quantitative Bedarf nicht ausreichend durch intern verfügbare Führungskräfte und Mitarbeiter gedeckt werden kann bzw.
Fähigkeitspotenziale benötigt werden, die im Unternehmen nicht vorhanden sind und nicht selbst entwickelt werden können.
Ein Großteil der externen Personalbeschaffung in der Unternehmensberatung befasst sich mit der Anwerbung von Berufsanfängern bzw. Hochschulabsolventen, um langfristig und gezielt Qualifikationen für das Unternehmen aufzubauen. Die externe Personalbeschaffung ist zwar aufwendiger als die interne, aber durch sie steht letztlich ein größeres Bewerberpotenzial zur Verfügung. Und schließlich sollte berücksichtigt werden, dass interne Personalbewegungen
5.3 Personalakquisition – Optimierung der Personalgewinnung
571
auch immer Außenrekrutierungen nach sich ziehen, damit freiwerdende Arbeitsplätze besetzt werden können [vgl. RKW 1990, S. 139]. 5.3.1.4 Analyse des Arbeitsmarktes
Ist die Entscheidung über eine externe Besetzung der Stelle gefallen, geht es im nächsten Schritt darum, den Arbeitsmarkt im Hinblick auf die relevanten Zielgruppen zu analysieren. Der Arbeitsmarkt ist der Ort, auf dem Arbeitskraft nachgefragt, angeboten und getauscht wird. Solche Austauschbeziehungen kommen dann zustande, wenn die Austauschpartner – also Bewerber und Unternehmen – jeweils einen individuellen Nutzenzuwachs wahrnehmen. Laut Anreiz-Beitrags-Theorie ist dies immer dann der Fall, wenn von beiden Seiten jeweils eine gewisse Gleichwertigkeit von Anreizen und Beiträgen verspürt wird [vgl. Himmelreich 1989, S. 25 ff.]. Für den Bewerber/Kandidaten bedeutet das konkret, dass die angebotenen Anreize, die mit dem (neuen) Arbeitsplatz verbunden sind, die erwarteten zukünftigen Belastungen mindestens kompensieren oder übersteigen. Seitens des Unternehmens ist der Beitrag des Bewerbers/Kandidaten in Form der erwarteten Aufgabenerfüllung mindestens gleich oder höher einzuschätzen als die dafür notwendigerweise zu zahlende Vergütung. Nur wenn gleichzeitig auf Unternehmensund Kandidatenseite die so beschriebenen Gleichgewichtszustände vorherrschen, kommt ein Arbeitsverhältnis zustande. Andernfalls besteht von der einen und/oder anderen Seite kein Interesse [vgl. Ringlstetter/Kaiser 2008, S. 250 f.]. In Abbildung 5-10 sind die verschiedenen Varianten beim Zustandekommen von Arbeitsverhältnissen dargestellt. Betrachtung des Kandidaten durch das Unternehmen
Beiträge (des Kandidaten) >= Leistungen (des Unternehmens)
Beiträge < Leistungen
Beiträge < Leistungen
Betrachtung des Unternehmens durch den Kandidaten
Anreize < Belastungen
Konsequenzen
Handlungsoptionen für Unternehmen und/oder Kandidaten
Ungleichgewicht:
Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens auf dem Arbeitsmarkt durch Anreizerhöhung und/oder Belastungssenkung
Kein Interesse des Kandidaten und daher Suche nach Alternativunternehmen Gleichgewicht:
Anreize (des Unternehmens) >= Belastungen (des Kandidaten)
Anreize < Belastungen
Beidseitiges Interesse; Arbeitsverhältnis kommt zustande Ungleichgewicht: Kein Interesse des Unternehmens und daher Suche nach Alternativkandidaten
Beidseitiges Ungleichgewicht: Beidseitig kein Interesse und jeweils Suche nach Alternativen
[Quelle: Ringlstetter/Kaiser 2008, S. 252]
Abb. 5-10:
Zustandekommen von Arbeitsverhältnissen
Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit des Kandidaten auf dem Arbeitsmarkt durch Beitragserhöhung und/oder Leistungssenkung
Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit auf beiden Seiten (eventuell)
572
5. Personal und Management der Unternehmensberatung
Der Wettbewerb um besonders qualifizierte Bewerber ist umso härter, je knapper und bedeutsamer die Arbeitskraft dieser Bewerber ist und je größer für diese die Auswahl zwischen den Angeboten mehrerer Unternehmen ist. In einer derartigen Wettbewerbssituation ist der Bewerber/Kandidat als ein potenzieller Kunde des Unternehmens anzusehen. Der angebotene Arbeitsplatz ist also das Produkt, das es dem potenziellen Kunden zu „verkaufen“ gilt. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass bei einem Arbeitsplatzwechsel für den Bewerber eine gewisse Risikoaversion auftritt, d.h. die neue Position muss vom Bewerber signifikant besser eingeschätzt werden als die bisherige [vgl. Ringlstetter/Kaiser 2008, S. 252 unter Bezugnahme auf Lampert 1994, S. 348]. 5.3.1.5 Auswahl und Relevanz der Marktsegmente
Die Methode der Marktsegmentierung hat ihren Ursprung im klassischen Marketing. Im Bereich der Personalbeschaffung ist die arbeitsmarktbezogene Segmentierung bislang noch wenig verbreitet [vgl. Stock-Homburg 2013, S. 150]. Abbildung 4-06 gibt einen Überblick über die verschiedenen Stufen und Abhängigkeiten der Segmentierung im Personalbereich. Personalbedarfsplanung • Quantitativ
• Qualitativ
• Zeitlich
Externe Personalbeschaffung Makrosegmentierung
(zielgruppenbezogen)
Mikrosegmentierung
(zielpersonenbezogen)
• Räumlich
Interne Personalbeschaffung
Segmentierungsdimensionen • Vertikal (Branchen) • Horizontal (Funktionen)
• Regional (Geografie) • Sonstige
Unternehmen
Segmentierungskriterien • Demografische Kriterien • Sozioökonomische Kriterien • Psychografische Kriterien
• Verhaltensbezogene Kriterien • Motivbezogene Kriterien
…
Anforderungsprofil Abgleich Fähigkeits- und Erwartungsprofil des Bewerbers • • • •
Arbeitsklima Karrierechancen Einkommen Arbeitszeit
• Sicherheit des Arbeitsplatzes • Weiterbildungsmaßnahmen
• Image des Arbeitgebers • Innovationskraft …
Bewerber
[Quelle: LIPPOLD 2014, S. 69]
Abb. 5-11:
Stufen und Abhängigkeiten in der Arbeitsmarktsegmentierung
Ausgehend von der Personalbedarfsplanung muss zunächst entschieden werden, ob die gesuchte Stelle/Position mit eigenen Mitarbeitern (intern) oder mit neuen Mitarbeitern (extern) besetzt werden soll. Die externe Besetzung setzt im nächsten Schritt eine Arbeitsmarktsegmentierung voraus. Dieser als Makrosegmentierung bezeichneten Phase, die alle in Frage kommenden Bewerberzielgruppen ins Auge fasst und analysiert, folgt die zielpersonenorientierte Mikrosegmentierung. Das Ergebnis der Mikrosegmentierung ist ein konkretes Anforderungsprofil
5.3 Personalakquisition – Optimierung der Personalgewinnung
573
der gesuchten Stelle. Das Anforderungsprofil ist wiederum Grundlage für die Maßnahmen in den anschließenden Aktionsfeldern Positionierung, Signalisierung und Kommunikation. Letztlich wird dann das Anforderungsprofil der Position mit dem Fähigkeits- und Erwartungsprofil des Bewerbers abgeglichen. Für das einzelne Unternehmen sind immer nur bestimmte Ausschnitte des Arbeitsmarktes von Bedeutung. Daher ist es notwendig, zunächst diese Ausschnitte (Segmente) zu bestimmen, in denen das Unternehmen tatsächlich aktiv ist bzw. aktiv werden sollte. Zur Differenzierung der unterschiedlichen Zielgruppen und Zielpersonen bietet sich – analog zum Absatzmarketing – eine Segmentierung des Arbeitsmarktes in zwei Segmentierungsstufen an: die Makrosegmentierung zur Auswahl und Ansteuerung der relevanten Segmentierungsdimensionen und die Mikrosegmentierung zur Festlegung der relevanten Segmentierungskriterien. Makrosegmentierung. In der Stufe der Makrosegmentierung, die den strategischen Aspekt der Arbeitsmarktsegmentierung beinhaltet, wird der Arbeitsmarkt in seinen verschiedenen Dimensionen betrachtet und in möglichst homogene Segmente aufgeteilt. Die wichtigsten Dimensionen sind: Vertikale Märkte (Branchen wie die Automobilindustrie (engl. Automotive), Chemie, Pharmazeutische Industrie, Banken, Versicherungen, Konsumgüter etc.) Horizontale Märkte (betriebliche Funktionsbereiche wie Marketing/Vertrieb, Produktion, Logistik, Forschung und Entwicklung etc.) Regionale Märkte (national, international, global) Sonstige Märkte (Markt für Hochschulabsolventen, Berufseinsteiger, Projektleiter, Führungskräfte etc.). Wichtig bei der Durchführung der Makrosegmentierung ist, dass sich das suchende Unternehmen nicht nur in ein oder zwei Dimensionen festlegt. Erst eine mehrdimensionale Arbeitsmarktausrichtung, die sich beispielsweise auf eine Branche, auf einen oder zwei betriebliche Funktionsbereiche, auf ein oder zwei regionale Märkte sowie auf Führungskräfte konzentriert, kann der Gefahr einer möglichen Verzettelung der knappen Personalmarketing-Ressourcen vorbeugen. Mikrosegmentierung. Die darauffolgende (taktisch ausgelegte) Stufe der Mikrosegmentierung befasst sich mit den Zielpersonen innerhalb der in der Makrosegmentierung ausgewählten Zielgruppen. Die Mikrosegmentierung basiert auf den Ausprägungen ausgewählter Segmentierungskriterien [vgl. Homburg/Krohmer 2006, S. 487]: Demografische Kriterien wie Alter, Geschlecht, Familienstand; Sozioökonomische Kriterien wie aktuelles Einkommen, Ausbildungsniveau, Branchenerfahrung, aktuelle Position, Berufsgruppe, Stellung im beruflichen Lebenszyklus; Psychografische Kriterien wie Lebensstil, Einstellungen, Interessen oder auch bedürfnisbezogene Motive;
574
5. Personal und Management der Unternehmensberatung
Verhaltensbezogene Kriterien wie durchschnittliche Betriebszugehörigkeit, Häufigkeit des Arbeitgeberwechsels; Motivbezogene Kriterien wie monetäre Motive, imagebezogene Motive, arbeitsinhaltliche Motive, karrierebezogene Motive bei der Stellensuche. Die Segmentierung kann sich auf eine Kategorie von Segmentierungskriterien (z. B. verhaltensbezogene Kriterien) beziehen; es können aber auch verschiedene Gruppen von Segmentierungskriterien miteinander kombiniert werden. Die Segmente können sich dann aus scharf abgrenzbaren Zielgruppen oder aus Typen von Bedürfnisträgern zusammensetzen. Eine Typenbildung ist immer dann sinnvoll, wenn eine bedürfnisindividuelle Ansprache einzelner, potenzieller Kandidaten aus ökonomischen Gründen nicht durchführbar scheint [vgl. Ringlstetter/Kaiser 2008, S. 257]. Abbildung 5-12 stellt beispielhafte Segmente als Typen von Bedürfnisträgern für die o. g. Segmentierungskriterien gegenüber.
Segmentierungskategorie
Beispielhafte Segmentierungskriterien
Demografische Segmentierung
• Alter • Geschlecht • Familienstand
Sozioökonomische Segmentierung
Psychografische Segmentierung
Verhaltensbezogene Segmentierung
Motivbezogene Segmentierung
Beispielhafte Segmente 1
2
3
Junge Internationale
Reife Erfahrene
• Berufsgruppe • Beruflicher Lebenszyklus • Einkommen • Position • Vermögen • Bildungsniveau
Technische Fachrichtung
Kaufm. Fachrichtung
Schulabgänger
Hochschulabsolventen
Berufserfahrene
Oberes Management
Mittleres Management
Unteres Management
• Bedürfnisbezogene Motive • Kognitive Orientierung • Einstellung zur Arbeit • Aufstiegsstreben
„Auf das richtige Pferd setzen“-Typ
„Viel verdie„Die Welt nen, viel retten“-Typ riskieren“-Typ
Optimistisch Extrovertierte
Stille Hoffer
Pessimisten
Informierte Job Hopper
Traditionelle Loyale
Interessierte Loyale
Imageorientierte
Karriereorientierte
Gehaltsorientierte
• Informationsverhalten • Arbeitsverhalten • Verhalten bei der Stellensuche • • • •
Monetäre Imagebezogene Karrierebezogene Arbeitsinhaltsbezogene Motive
4
„Arbeiten, um zu leben“-Typ
Selbstbeweisende
[Quelle: in Anlehnung an Stock-Homburg 2008, S. 124]
Abb. 5-12:
Beispielhafte Segmentierungskriterien und Segmente
Unabhängig vom inhaltlichen Fokus der Segmentierung sind die einzelnen Ausprägungen der Segmentierungskriterien und -dimensionen dahingehend zu prüfen, ob sie folgenden Segmentierungsanforderungen genügen [vgl. Lippold 2011, S. 40 f., Schamberger 2008, S. 50 ff.]:
5.3 Personalakquisition – Optimierung der Personalgewinnung
575
Relevanz, d. h. die Kriterien müssen zur Bildung und Abgrenzung von Segmenten relevant sein, Operationalität, d. h. die Segmente müssen messbar, definierbar und identifizierbar sein, Erreichbarkeit, d. h. die Segmente müssen für Signalisierungsinstrumente zugänglich sein, Zeitliche Stabilität, d. h. die Kriterien müssen über einen längeren Zeitraum hinweg aussagefähig sein, Wirtschaftlichkeit, d. h. die Kriterien sollen helfen, Segmente abzugrenzen, deren Bearbeitung sich lohnt. Die kurze Vorstellung der verschiedenen Segmentierungskriterien macht das „Dilemma der Segmentierung“ für den Arbeitsmarkt deutlich: Während die Segmentbildung und -abgrenzung mit demografischen und sozioökonomischen Kriterien relativ leicht durchführbar sind, kann hier die Relevanz problematisch sein. Psychografische, verhaltens- und motivbezogene Segmentierungen dagegen weisen eine hohe Relevanz auf, die identifizierten Marktsegmente sind jedoch wesentlich schwerer zugänglich und messbar [zur vergleichbaren Problematik im (klassischen) Absatzmarketing vgl. Homburg/Krohmer 2009, S. 468]. Abbildung 5-13 verdeutlicht diesen Sachverhalt. Anforderungen Relevanz
Operationalität (insb. Messbarkeit)
Erreichbarkeit
Demografische Segmentierung
nicht so hoch
hoch
hoch
Sozioökonomische Segmentierung
nicht so hoch
hoch
hoch
Psychografische Segmentierung
hoch
niedrig
niedrig
Verhaltensbezogene Segmentierung
hoch
niedrig
niedrig
Motivbezogene Segmentierung
hoch
niedrig
niedrig
Kriterien
[Quelle: Lippold 2012, S. 66 unter Bezugnahme auf Freter 1995, Sp. 1809 f.]
Abb. 5-13:
Beurteilung der Segmentierungskriterien
5.3.1.6 Wettbewerbsintensität
Sind die relevanten Marktsegmente identifiziert und die Bedürfnisse, Ziele und Erwartungen der anzusprechenden Zielgruppe (Bewerber/Kandidat) transparent, stehen Überlegungen an, welche besonderen Herausforderungen in den jeweiligen Marktsegmenten vorherrschen. Typische Kennzeichen der besonderen Rivalität im Beratungsgeschäft beim „War for Talents“ sind Positionskämpfe in Form der Zahlung von Spitzengehältern, Zusatzleistungen oder der Verbesserung von Weiterbildungsmaßnahmen oder Karrierechancen. In der Regel initiieren solche
576
5. Personal und Management der Unternehmensberatung
Maßnahmen entsprechende Gegenmaßnahmen bei den Wettbewerbern, so dass letztlich eine Veränderung der Rentabilität aller Wettbewerber die Folge ist [vgl. Ringlstetter/Kaiser 2008, S. 261]. In der Beratungsbranche hat diese besondere Rivalität dazu geführt, dass sich die Gehälter nahezu aller Karrierestufen in der Höhe zum Teil deutlich von den entsprechenden Gehältern anderer Branchen entfernt haben. Schließlich ist weiterhin zu berücksichtigen, dass insbesondere Führungs- und Führungsnachwuchskräfte nur dann zu einem Arbeitsplatzwechsel zu bewegen sind, wenn das neue Gehalt (und/oder Zusatzleistungen) deutlich über den bisherigen Konditionen liegt. Häufig gilt hierbei das ungeschriebene Gesetz, dass ein Wechsel aus einer gesicherten Position nur dann vorgenommen werden sollte, wenn das neue Gehalt mindestens 20 Prozent über dem bisherigen liegt. Dies hängt nicht zuletzt auch mit der berechtigten Risikoaversion zusammen, da der wechselbereite Kandidat letztlich erst die Probezeit bei seinem neuen Arbeitgeber „überstehen“ muss. 5.3.2 Positionierung im Arbeitsmarkt Jede Unternehmensberatung, die Personal sucht, tritt in ihrem Segment in aller Regel gegen einen oder mehrere Wettbewerber an, da – wie bereits erwähnt – besonders qualifizierte Bewerber mit hohem Potenzial i. d. R. zwischen den Angeboten mehrerer potenzieller Arbeitgeber auswählen können. In einer solchen Situation kommt der Positionierung des Unternehmens als Arbeitgeber eine zentrale Rolle zu. Die Positionierung ist das zweite wichtige Aktionsfeld im Personalbeschaffungsprozess und beinhaltet die Optimierung des Bewerbervorteils: Bewerbervorteil = f (Positionierung) → optimieren! Die Positionierung verfolgt die Aufgabe, innerhalb der definierten Bewerbersegmente eine klare Differenzierung gegenüber dem Stellenangebot des Wettbewerbs vorzunehmen. Die Einbeziehung des Wettbewerbs mit seinen Stärken und Schwächen ist demnach ein ganz entscheidendes Merkmal der Positionierung. 5.3.2.1 Bewerbernutzen und Bewerbervorteil
In dieser (Wettbewerbs-) Situation reicht es für das Unternehmen nicht aus, ausschließlich nutzenorientiert zu argumentieren. Neben den reinen Bewerbernutzen muss vielmehr der Bewerbervorteil treten. Das ist der Vorteil, den der Bewerber bei der Annahme des Stellenangebots gegenüber dem (alternativen) Stellenangebot des Wettbewerbers hat. Wer überlegenen Nutzen (Bewerbervorteil) bieten will, muss die Bedürfnisse, Probleme, Ziele und Nutzenvorstellungen des Bewerbers sowie die Vor- und Nachteile bzw. Stärken und Schwächen seines Angebotes gegenüber denen des Wettbewerbs kennen. Die wesentlichen Fragen in diesem Zusammenhang sind:
Wie differenziert sich das eigene Stellenangebot von dem des Wettbewerbs?
Welches sind die wichtigsten Alleinstellungsmerkmale (engl. Unique Selling Proposition) aus Bewerbersicht?
5.3 Personalakquisition – Optimierung der Personalgewinnung
577
Bei der Beantwortung geht es allerdings nicht so sehr um die Herausarbeitung von Wettbewerbsvorteilen an sich. Entscheidend sind vielmehr jene Vorteile, die für den Bewerber interessant sind. Vorteile, die diesen Punkt nicht treffen, sind von untergeordneter Bedeutung. Unternehmen, die es verstehen, sich im Sinne der Bewerberanforderungen positiv vom Wettbewerb abzuheben, haben letztendlich die größeren Chancen bei der Rekrutierung von geeigneten Bewerbern [vgl. Lippold 2010, S. 10]. 5.3.2.2 Positionierungselemente als Kriterien bei der Arbeitgeberwahl
Die Positionierung schafft eine klare Differenzierung aus Sicht des Bewerbers. Inhaltlich hat die Positionierung die Aufgabe, die wichtigsten Ausprägungen des Bewerbervorteils herauszuarbeiten. Die Durchführung einer Stärken-/Schwächenanalyse sowie einer Imageanalyse sind hierbei wesentliche Aktivitäten. Die Kenntnis über das Personal- oder Arbeitgeberimage, das die Anziehungskraft eines Unternehmens auf potenzielle Mitarbeiter bestimmt, ist dabei von besonderer Bedeutung. Das Personal- oder Arbeitgeberimage ist ein Vorstellungsbild, das sich Menschen über Unternehmen als (möglichen) Arbeitgeber bilden. Es ist durch die Interaktion mit dem Unternehmens- und Branchenimage im höchsten Maße subjektiv und emotional fundiert und setzt sich aus mehreren Merkmalen zusammen [vgl. Ashforth/Mael 1989, S. 24 und Trommsdorff 1987, S. 121]. Abbildung 5-14 zeigt beispielhaft eine Reihe von Merkmalen, die für die Auswahlentscheidung von Hochschulabsolventen und damit für das Personalimage eines Unternehmens relevant sind. In dieser Untersuchung ist zusätzlich die Interaktion des Personalimages mit dem Branchenund Unternehmensimage sowie dem Image der Arbeitsplatzgestaltung berücksichtigt. Branchenimage. Gerade das Image der Beratungsbranche kann wie ein Filter auf die Wahrnehmung des Personalimages einer Organisation wirken. So kann bei weniger bekannten Beratungsunternehmen das Branchenimage durchaus einen positiven Einfluss auf das Personalimage und die individuelle Stellenwahl haben. Schließlich ist das positive Image der Beratungsbranche bei den Bewerbern vor allem durch die Wachstumsaussichten, durch die Ertragslage, durch die erwarteten Karrierechancen sowie durch das überdurchschnittliche Gehaltsniveau gekennzeichnet. Unternehmensimage. Das Positionierungselement Unternehmensimage ermöglicht dem Beratungsunternehmen, das positive Branchenimage noch weiter zu verstärken. Hauptkriterien zur Beurteilung des Unternehmensimages sind die Bekanntheit des Unternehmens, seine Wirtschaftskraft sowie die vorherrschende Unternehmenskultur. Die Bekanntheit eines Unternehmens steht in enger Beziehung zum Image und der Bekanntheit seiner Produkte und Leistungen. Deshalb stehen Unternehmen mit attraktiven Produkten und Dienstleistungen sowie prestigeträchtigen Marken häufig an der Spitze der beliebtesten Arbeitgeber und sind somit auch die härtesten Wettbewerber der Beratungsunternehmen beim „Kampf um die Besten“ [vgl. Schamberger 2006, S. 69 und Beck 2008a, S. 33]. Image der Arbeitsplatzgestaltung. Häufig bewerten die Stellensuchenden die Bedingungen des Arbeitsplatzes, also die konkrete Ausgestaltung der zukünftigen Tätigkeit, höher als das Branchen- oder Unternehmensimage. Im Rahmen der Arbeitsplatzgestaltung sind Kriterien wie Weiterbildungs- und Karrieremöglichkeiten, Führungsstil und Fragen der Vergütung (Kompen-
578
5. Personal und Management der Unternehmensberatung
sation) oder Zusatzleistungen (z.B. Firmenwagen) von Bedeutung für die Wahl des Arbeitgebers. Schließlich spielen „weiche“ Faktoren wie die Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben (engl. Work-Life-Balance) oder ein attraktiver Firmenstandort eine Rolle. Positionierungselemente
Branchenimage • Wachstumsaussichten • Ertragslage • Umweltverhalten
weniger wichtig
Vom Unternehmen nicht unmittelbar gestaltbar
Unternehmensimage • Attraktive Produkte/ Dienstleistungen • Unternehmenskultur • Unternehmen ist Marktführer • Zukunftsorientierung • Herausragende Mitarbeiter • Gesellschaftliche Verantwortung • Internationale Ausrichtung • Umweltschutz • Unternehmensgröße
auch wichtig
Vergütung
Arbeitsplatzgestaltung
• Attraktives Grundgehalt • Zusatzleistungen wie Aktienoptionen, Prämien etc. • Schnelle Gehaltssteigerung
• Weiterbildungsmöglichkeiten • Kooperativer Führungsstil • Teamarbeit • Karrierechancen • Auslandseinsatz • Betriebsklima • Freiräume • Attraktiver Standort • Flexible Arbeitszeitgestaltung • Arbeitsplatzsicherheit • Kein häufiger Wohnortwechsel
wichtig
sehr wichtig
Vom Unternehmen unmittelbar gestaltbar [Quelle: modifiziert nach Schamberger 2006, S. 66 ff.]
Abb. 5-14:
Mögliche Positionierungselemente im Hochschulmarketing
Vergütung. Als viertes Positionierungselement soll die Vergütung angeführt werden. Die Vergütung ist der Preis des Arbeitsplatzes und könnte daher auch als Komponente der Arbeitsplatzgestaltung aufgefasst werden. Die Gesamtvergütung, die häufig mit attraktiven Zusatzleistungen wie Aktienoptionen, Prämien oder ähnliches angereichert wird, ist aus der Sicht des potenziellen Kandidaten ein hoher Anreiz, der den einzugehenden Belastungen bei einem Arbeitsplatzwechsel gegenübergestellt wird. Die Höhe des Gehalts spielt zwar weiterhin eine Rolle, die Digital Natives – also die Generationen Y und Z – lassen sich jedoch für Geld nicht kaufen, wenn sie für sich keinen Sinn in einer Arbeit sieht. Aus dem Einstellungsinterview muss klar hervorgehen, welchen Beitrag die angebotene Tätigkeit für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung leistet. Die Zielgruppe lebt nach dem Prinzip YOLO (You only live once). Für sie ist Arbeitszeit gleich Lebenszeit und sie möchte, dass der Arbeitgeber verantwortungsvoll damit umgeht. Dies bedeutet, dass diese Mitarbeiter in der Regel nicht bereit sind, jahrelang Überstunden zu machen, wenn sie sich mit dem Ziel nicht identifizieren. Und sie erwarten, auf Augenhöhe angesprochen zu werden. Wenn sie Verantwortung übernehmen, brauchen sie einen Sparringspartner, der sie anleitet. Regelmäßiges, auch informelles und schnelles Feedback sowie (digitale) Weiterbildungsmöglichkeiten und die Einbindung in den Entscheidungsprozess gehören ebenso zu den Erwartungen an den Arbeitgeber. „Sabbatical is the new company
5.3 Personalakquisition – Optimierung der Personalgewinnung
579
car“ beschreibt die Haltung dieser Generation. Selbstbestimmtheit bei Arbeitsort und Arbeitszeit, Mitarbeit an spannenden Projekten und State-of-the-art-Digitalgeräte sind weit wichtigere Kriterien für diese Generation als ein nach Hierarchiestufen ausgestattetes Büro oder feste Arbeitszeiten [vgl. Creusen et al. 2017, S. 92]. Interessant in diesem Zusammenhang ist die Fragestellung, ob die beiden Bewerbergruppen „High Potentials“ und „Sonstige Studierende“ die einzelnen Positionierungsmerkmale unterschiedlich priorisieren. Eine ausführliche und zum Teil überraschende Antwort auf diese Fragestellung gibt Insert 5-04 [vgl. Schamberger 2006, S. 70]. Insert Rangfolge High Potentials
Rangfolge Sonstige Studierende
1.
Gutes Betriebsklima
1.
Gutes Betriebsklima
2.
Weiterbildungsmöglichkeiten
2.
Freiräume für selbstständiges Arbeiten
3.
Freiräume für selbstständiges Arbeiten
3.
Weiterbildungsmöglichkeiten
4.
Kooperativer Führungsstil
4.
Kooperativer Führungsstil
5.
Freiräume, um Ziele zu verwirklichen
5.
Freiräume, um Ziele zu verwirklichen
6.
Karriereplanung
6.
Unternehmenskultur
7.
Übernahme von Verantwortung
7.
Zukunftsorientierung
8.
Internationale Ausrichtung
8.
Übernahme von Verantwortung
9.
Auslandseinsatz
9.
Attraktive Vergütung
10. Unternehmenskultur
10. Teamarbeit
11. Attraktive Vergütung
11. Auslandseinsatz
12. Teamarbeit
12. Flexible Arbeitszeitgestaltung
13. Flexible Arbeitszeitgestaltung
13. Sicherheit des Arbeitsplatzes
14. Zukunftsorientierung
14. Internationale Ausrichtung
15. Attraktiver Standort
15. Karriereplanung [Quelle: Schamberger 2006, S. 70]
Nahezu alle der oben aufgeführten Merkmale werden bei der Stellenauswahl von den beiden Bewerbergruppen „High Potentials“ und „Sonstige Studierende“ annähernd gleich gewichtet. Lediglich bei den Merkmalen „Karriereplanung“ und „Zukunftsorientierung“ zeigt sich ein signifikanter Unterschied: So wird das Merkmal „Karriereplanung“ von der Gruppe „High Potentials“ auf Rang 6 in der Prioritätenliste eingestuft, während es bei den „Sonstigen Studierenden“ mit Rang 15 nur eine untergeordnete Bedeutung einnimmt. Das Merkmal „Zukunftsorientierung“ wird dagegen von den „Sonstigen Studierenden“ deutlich höher eingestuft, als von den „High Potentials“. Hierbei liegt die Vermutung nahe, dass „Zukunftsorientierung“ ein hohes Maß an Sicherheit vermittelt, die für die „High Potentials“
Insert 5-04:
ganz offensichtlich bei der Arbeitgeberwahl nicht so wichtig ist. Besonders augenfällig ist überdies, dass das Merkmal „Attraktive Vergütung“ von beiden Bewerbergruppen relativ weit niedrig eigestuft wird (Priorität 11 bei den „High Potentials“ und Priorität 9 bei den „Sonstigen Bewerbern“). Dies macht deutlich, dass bei weitem nicht immer das Gehalt der entscheidende Faktor bei der Stellenauswahl ist. Andererseits werden von den beiden Bewerbergruppen gerade jene Merkmale besonders hoch eingestuft, deren tatsächliches Eintreffen sich erst nach der Einstellung herausstellen wird. Insofern ist es ganz besonders wichtig, dass das vom Bewerber ausgewählte Unternehmen das in ihm gesetzte Vertrauen nicht enttäuscht.
Merkmalsrangfolge bei der Wahl des Arbeitsplatzes
580
5. Personal und Management der Unternehmensberatung
Allerdings sollte beachtet werden, dass die Umfrageergebnisse aus Insert 5-04 bereits mehr als 15 Jahre zurückliegen und damit dem zwischenzeitlichen Wertewandel insbesondere bei der jüngeren Generation nicht mehr Rechnung tragen. So geben die Kriterien bei der Arbeitgeberwahl, die im Rahmen der EY Studentenstudie 2018 aufgestellt wurden, den Zeitgeist bei den heutigen Studierenden deutlich besser wieder. Danach sind die Kriterien „Jobsicherheit“, die bei der Studie von Schamberger offensichtlich keine Rolle gespielt hat, „Gehalt/Gehaltssteigerungen“ und „Flache Hierarchie/Kollegialität“ und „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ stark in den Vordergrund gerückt. Die Ergebnisse der EY Studentenstudie im Einzelnen zeigt Insert 5-05. Insert Studierende wollen vor allem Jobsicherheit – verkümmert damit der Mut zur Selbständigkeit? Das ist zumindest der Eindruck, den die EY-Studentenstudie 2018 vermittelt. Es wurden 2.000 Studierende der unterschiedlichsten Studiengänge an 27 Universitäten nach ihren Werten, Zielen und Perspektiven befragt. Danach sind – wie erwartet – die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Kollegialität, Aufstiegschancen und gutes Gehalt nahezu gleich wichtig – noch viel wichtiger ist aber die Jobsicherheit. Frage: Welches sind die wichtigsten Faktoren bei der Wahl Ihres zukünftigen Arbeitgebers? Jobsicherheit
57 %
Gehalt und mögliche Gehaltssteigerungen Flache Hierarchien / Kollegialität
41 %
Vereinbarkeit von Familie und Beruf Aufstiegschancen 31 %
Eigenverantwortliches Arbeiten
30 %
25 %
Merkmale wie Markterfolg, Innovationskraft und Reputation des Arbeitgebers sowie Benefits wie Dienstwagen sind für Absolventen deutlich weniger wichtig bei der Entscheidung für einen Arbeitgeber und aufgrund der niedrigen Prozentsätze in dieser Tabelle gar nicht mehr aufgeführt. Übrigens gibt es kaum Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Studierenden. Sowohl bei den Frauen (62 Prozent) als auch bei den Männern (52 Prozent) ist die Jobsicherheit der wichtigste Faktor bei der Bewertung von Arbeitgebern. An zweiter Stelle folgt bei Frauen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf (49 Prozent). Bei Männern zählt dieses Kriterium (31 Prozent) hingegen nicht zu den wichtigsten Faktoren. Unterstrichen wird der Faktor Jobsicherheit zusätzlich durch die Antworten auf die Frage „Welche Branchen sind für Ihre beruflichen Pläne besonders attraktiv?“. Hier dominiert nämlich
Insert 5-05:
40 % 39 %
Flexible Arbeitszeiten
Nähe zum Wohnort
44 %
Basis: 2.000 Studierende; Mehrfachnennungen Quelle: EY-Studentenstudie 2018
der Öffentliche Dienst alle anderen Branchen sehr deutlich. Gut zwei von fünf Studierenden bezeichnen den Öffentlichen Dienst als besonders attraktiv für die eigenen beruflichen Pläne. Damit gewinnt der Öffentliche Dienst unter allen Branchen/Bereichen am stärksten an Zustimmung. Berücksichtigt man zudem, dass auch Kultureinrichtungen und Wissenschaft, die hier an zweiter und dritter Stelle liegen, zu einem Teil dem Öffentlichen und halböffentlichen Dienst zuzurechnen sind, dann sollte man sich a Innovationskraft ngesichts zunehmender Staatsquote um die unserer Unternehmen, die für den Wohlstand unserer Gesellschaft entscheidend ist, vielleicht doch ein wenig Sorgen machen. Die größten Attraktivitätseinbußen verbucht übrigens die Autoindustrie, die nur noch acht Prozent der Befragten als besonders attraktiv bewerten, vor zwei Jahren waren noch 22 Prozent dieser Ansicht.
Entscheidungskriterien für die Wahl des Arbeitgebers
5.3 Personalakquisition – Optimierung der Personalgewinnung
581
5.3.2.3 Employer Branding
Als unternehmensstrategische Maßnahme mündet die Positionierung ein in die Schaffung einer attraktiven Arbeitgebermarke (engl. Employer Branding), bei dem Konzepte aus dem Absatzmarketing (besonders der Markenbildung) angewandt werden, um ein Unternehmen als attraktiven Arbeitgeber darzustellen und von anderen Wettbewerbern im Arbeitsmarkt positiv abzuheben (zu positionieren). Der Employer Branding-Prozess verfolgt das Ziel, eine glaubwürdige und positiv aufgeladene Arbeitgebermarke aufzubauen. Diese soll den Arbeitgeber gleichsam profilieren und von anderen Arbeitgebern differenzieren. Dabei nutzen Unternehmen ihre „Employer Value Proposition“ nicht nur für das Recruiting neuer Talente, sondern zunehmend auch um die Mitarbeiterbindung und -Identifikation zu stärken [vgl. Kunerth/Mosley 2011, S. 19 ff.]. Bei der Arbeitssuche werden meist folgende Faktoren evaluiert [vgl. Wilden et al. 2010, S. 56 ff.]:
die Arbeitgeberattraktivität (basierend auf der eigenen Erfahrung mit dem Unternehmen und Erfahrungen, die in der Branche gesammelt wurden), die Klarheit, Glaubwürdigkeit und Konsistenz der Markensignale des potenziellen Arbeitgebers, das Arbeitgebermarkeninvestment sowie die eigene Wahrnehmung der Produkte oder Dienstleistungen des Arbeitgebers.
Employer Branding soll den Aufbau der Corporate Brand, also der Unternehmensmarke, unterstützen. Corporate Branding ist jedoch durch die Ansprache aller Stakeholder-Gruppen des Unternehmens weiter gefasst und beinhaltet – nach Ansicht des Verfassers – zwangsläufig das Employer Branding vollumfänglich mit. In Insert 5-06 wird diese Argumentation im Rahmen einer kritischen Auseinandersetzung mit dem neuen „Zauberwort im Personalmarketing“ aufgenommen. Eine gute Positionierung ermöglicht es, Mitarbeiter und Führungskräfte auf die strategischen Ziele des Unternehmens auszurichten und gleichzeitig ihr Bekenntnis (engl. Commitment) zum, sowie ihre Identifikation mit dem Unternehmen zu stärken. Das Ergebnis ist ein höheres Mitarbeiterengagement. In der Summe aller Effekte steigert eine fundierte Positionierung die Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit eines Arbeitgebers, seine Reputation bei allen Stakeholder-Gruppen und letztlich seinen Unternehmenserfolg insgesamt. Das Ergebnis ist ein wettbewerbsfähiges Corporate Branding, dessen Bedeutung insbesondere auch von hochqualifizierten Bewerbern sehr hoch eingeschätzt wird. Ziel der Positionierung ist also ein konsistenter Arbeitgeberauftritt, der die Gesamtheit aller medialen Signale (Anzeigen, Homepage, Broschüren, Messestand, Raumdesign u.v.m.) umfasst. Die Gestaltung des Arbeitgeberauftritts sichert einen einheitlichen Gesamteindruck über alle Medien hinweg und sollte mit dem Corporate Branding des Unternehmens übereinstimmen.
582
Insert 5-06:
5. Personal und Management der Unternehmensberatung
Die Überbewertung des Employer Branding
5.3.2.4 Candidate Journey
Gleichzeitig soll die Positionierung auf der „Kandidatenseite“ sicherstellen, dass alle Kontaktpunkte (engl. Touch Points) des Bewerbers mit dem Unternehmen ein einheitliches, positives Bild vom potenziellen Arbeitgeber erzeugen. Die Folge dieser Kontaktpunkte und die Erfahrungen, die der Kandidat bei der Berührung mit dem Unternehmen sammelt, wird auch als Candidate Journey bezeichnet. Die Candidate Journey lässt sich idealtypisch in sechs Phasen unterteilen (siehe Abbildung 5-15).
5.3 Personalakquisition – Optimierung der Personalgewinnung
583
Candidate Journey Employee Experience
Candidate Experience
2
1 Sichtbarkeit des Arbeitgebers
3 Interesse an Job beim Arbeitgeber
4 Bewerbung beim Arbeitgeber
6
5 Kennenlernen und Entscheiden
Onboarding beim Arbeitgeber
Arbeiten beim Arbeitgeber
Print-Werbung vom Arbeitgeber sehen und/oder Online-Werbung vom Arbeitgeber sehen
Karrierewebsite des Arbeitgebers besuchen und/oder Fachartikel von/ über Arbeitgeber lesen
Bewerbung auf eine vakante Stelle abschicken und/oder Online-Initiativbewerbung abschicken
Vorstellungsgespräch mit Personalabteilung führen und/oder Vorstellungsgespräch mit Fachabteilung führen
Am Einführungsseminar teilnehmen und/oder An Firmenpräsentation teilnehmen
Einführung in den Aufgabenbereich und/oder An Teammeetings mit Kollegen teilnehmen
und/oder
und/oder
und/oder
und/oder
und/oder
und/oder
Newsletter vom Arbeitgeber erhalten
Am Career Camp des Arbeitgebers teilnehmen
Empfehlungsbewerbung abschicken
Einführungsgespräche führen
Routine- und Projektarbeiten durchführen
Am Assessment Center teilnehmen
[Quelle: in Anlehnung an Recruiting Trends 2018]
Abb. 5-15:
Die Candidate Journey
Die ersten vier Phasen der Candidate Journey beziehen sich auf die Touch Points, die der Bewerber als Stellensuchender erlebt. Diese Phasen werden auch als Candidate Experience bezeichnet. Hierzu zählen alle Wahrnehmungen und Erfahrungen, die ein Bewerber während der Bewerbungsphase mit einem Unternehmen sammelt. Bei jedem dieser Touch Points besteht die Gefahr, dass der Kandidat den Bewerbungsprozess vorzeitig abbricht, weil seine Erwartungen nicht erfüllt wurden. Daher muss sich das Personalmanagement immer wieder fragen, welche Kontaktpunkte es überhaupt gibt, was für die Bewerber wichtig ist und wo möglicherweise Probleme auftreten können. Die beiden letzten Phasen dagegen sind die Kontaktpunkte, die für Personen gelten, die bereits „an Bord“ und damit Mitarbeiter sind. Daher werden diese beiden Phasen auch Employee Experience genannt. Hierbei geht es also um diejenigen Kandidaten, die sich für das Unternehmen als Arbeitgeber entschieden haben. Employee Experience umschreibt die Summe von Momenten, Interaktionen und Eindrücken, die einen Mitarbeiter innerhalb eines bestimmten Zeitraumes im Unternehmen beeinflussen, von Onboarding-Prozess, über tägliche Routinen bis hin zu Mitarbeiter-Gesprächen und jährlichen Reviews. Die Candidate Journey wirkt also sowohl nach außen, d.h. für Bewerber, als auch nach innen, d.h. für Mitarbeiter. Die wichtigste Phase der Candidate Journey ist ganz offensichtlich die vierte Phase, d.h. das gegenseitige Kennenlernen und die sich anschließende Entscheidung von Kandidaten und Unternehmen, ob man zusammenkommt oder nicht. Damit ist die zweigeteilte Candidate Journey quasi ein Spiegelbild der zweigeteilten Personalmarketing-Gleichung. Während bei der Candidate Journey der Blick eines Kandidaten auf den Personalbeschaffungs- und betreuungsprozess im Vordergrund steht, ist bei der Personalmarketing-Gleichung der Standpunkt des Unternehmens maßgebend. Somit sind Candidate Journey und PersonalmarketingGleichung zwei Seiten derselben Medaille (siehe Abbildung 5-16).
584
5. Personal und Management der Unternehmensberatung
Candidate Journey
Blick des Bewerbers/ Mitarbeiters
Blick des Unternehmens/ Personalmanagements
Candidate Experience
Employee Experience
Wertschöpfungskette Personalbeschaffung
Wertschöpfungskette Personalbetreuung
Personalmarketing-Gleichung
© Dialog.Lippold
Abb. 5-16:
Candidate Journey und Personalmarketing-Gleichung
Eine weitere Möglichkeit zur Positionierung bieten die netzwerkorientierten Internetplattformen (engl. Social Networks) wie Xing, Facebook, Twitter und LinkedIn. Positiv wirkt sich eine starke Corporate Brand auch auf den Verbleib der Mitarbeiter im Unternehmen aus. Eine geringere Mitarbeiterfluktuation wiederum sichert eine höhere Rendite der Personalentwicklungsmaßnahmen (engl. Return on Development). Ein starkes Corporate Branding beugt vor allem auch der Abwanderung von Potenzial- und Leistungsträgern vor. Dieses Phänomen tritt verstärkt auf, sobald die Chancen zum Wechseln zunehmen. Also meistens dann, wenn die konjunkturellen Daten stimmen.
5.3.3 Signalisierung im Arbeitsmarkt Unter Signalisierung soll im Personalmarketing die Gestaltung des äußeren Kommunikationsprozesses eines Unternehmens verstanden werden. Sie besteht in der systematischen Bewusstmachung des Bewerbervorteils und schließt damit unmittelbar an die Ergebnisse der Positionierung an. Die Positionierung gibt der Signalisierung vor, was im Markt zu kommunizieren ist. Die Signalisierung wiederum sorgt für die Umsetzung, d.h. wie das Was zu kommunizieren ist. Die Signalisierung ist damit das dritte wesentliche Aktionsfeld im Rahmen des Personalbeschaffungsprozesses einer Unternehmensberatung und hat die Optimierung der Bewerberwahrnehmung zum Ziel: Bewerberwahrnehmung = f (Signalisierung) → optimieren! Signale haben im klassischen (Absatz-)Marketing die Aufgabe, einen Ruf aufzubauen und innovative Produkt- und Leistungsvorteile glaubhaft zu machen. Das gilt in gleicher Weise für das Personalmarketing im Arbeitsmarkt. Unverzichtbare Elemente sind dabei Seriosität, Glaubwürdigkeit und Kompetenz in den Aussagen und Darstellungen. Dazu ist es erforderlich, dass die Signale mehrere Quellen (z. B. Unternehmens-, Stellenanzeigen, Internetauftritt, Recruitingprospekte) haben und in sich konsistent sind.
5.3 Personalakquisition – Optimierung der Personalgewinnung
585
Im Gegensatz zum Aktionsfeld Kommunikation (siehe Abschnitt 5.3.4) befasst sich das Aktionsfeld Signalisierung ausschließlich mit den unpersönlichen (anonymen) Kommunikationskanälen. Bei der Signalisierung muss es also – im Gegensatz zur Kommunikation – nicht notwendigerweise zu einer Interaktion (zwischen Sender und Empfänger) kommen. 5.3.3.1 Signalisierungsinstrumente
Zu den Signalisierungsinstrumenten, die auf eine generelle Positionierung im Arbeitsmarkt abzielen, zählen in erster Linie die Imagewerbung im Print- und Online-Bereich, die Platzierung von Unternehmens- und Recruitingbroschüren sowie Veröffentlichungen von Fachbeiträgen. Damit übernimmt das Personalmarketing im Wesentlichen auch die Signalisierungselemente, die im Absatzmarketing verwendet werden, wie
Geschäftsberichte, Imageanzeigen, Fachbeiträge und Unternehmensbroschüren.
Speziell für die Positionierung im Arbeitsmarkt kommen
Personalberichte, Unternehmens- und Business-TV, Mitarbeiterzeitschriften sowie Personalimagebroschüren
hinzu. Diese Instrumente dienen mehr oder weniger dem „Grundrauschen“ im Arbeitsmarkt, sie sorgen i. d. R. aber nicht für die zeitnahe Besetzung von vakanten Stellen. Anders sieht es bei Stellenanzeigen aus, die sich an den Bewerbermarkt wenden, um unmittelbar für die Besetzung von vakanten Stellen im Unternehmen zu werben. Im Folgenden sollen mit Arbeitgeber-Imageanzeigen, Stellenanzeigen und dem E-Recruiting die wichtigsten Instrumente im Bewerbermarkt vorgestellt werden. Arbeitgeber-Imageanzeigen. Im Bereich der Arbeitgeber-Imageanzeigen greifen hinsichtlich Werbegestaltung und Werbebotschaft prinzipiell die gleichen Mechanismen wie bei einer Unternehmens- oder Produktanzeige aus dem klassischen Absatzmarketing [siehe hierzu insbesondere Lippold 2012, S. 178]. Die Werbegestaltung, die die Handschrift der Werbung kennzeichnet, kann auf eine mehr rationale, d. h. sachargumentierende Positionierung oder auf eine mehr emotionale, d. h. erlebnisorientierte Positionierung als Arbeitgeber hinzielen (siehe hierzu Insert 5-07, das ein gelungenes Beispiel für eine erlebnisorientierte Positionierung zeigt). Die Gestaltungsform beschreibt die inhaltliche Übersetzungs- bzw. Inszenierungsform der Werbebotschaft. Darüber hinaus spielen auch die formalen Gestaltungsmittel eine wichtige Rolle für den unverwechselbaren Unternehmensauftritt. Dazu zählen insbesondere die konstanten Werbemittel (Werbekonstanten) wie Unternehmenslogo, Symbole, (Schlüssel-)Bilder, Slogans und Layouts, die häufig aus den Anzeigen des klassischen Absatzmarketings übernommen werden, um einen hohen Wiedererkennungswert des Unternehmens sicherzustellen [vgl. Lippold 2015, S. 239 ff.].
586
Insert 5-07:
5. Personal und Management der Unternehmensberatung
Erzählungsorientiertes Werbemuster eine Arbeitgeber-Imageanzeige
Zu den wichtigsten (und kreativsten) Aufgaben der Werbegestaltung zählt die Formulierung der Werbebotschaft. Von den textlichen Gestaltungselementen verfügt die Überschrift (engl.
5.3 Personalakquisition – Optimierung der Personalgewinnung
587
Headline) der Anzeige über die höchste physische Reizqualität. Bei der Vermittlung emotionaler Werbebotschaften steht häufig die Verwendung von Bildern im Vordergrund, denn Bilder werden besser erinnert als Wörter. Auch fällt in einer Bild-Text-Anzeige der Blick des Lesers fast immer zuerst auf das Bild. Besonders die Testimonial-Werbung ist eine effektive Methode, um eine Botschaft bildlich zu übermitteln. Als Testimonials einer Arbeitgeber-Imageanzeige eignen sich besonders gut glaubwürdige und kompetente Mitarbeiter des Unternehmens (siehe Insert 5-08). Auf diese Weise sollen bei der Zielgruppe (also bei den Bewerbern) Prozesse ausgelöst werden, die eine Identifikation mit der werbenden Person ermöglichen [vgl. Lippold 2012, S. 184 ff.].
Insert 5-08:
Testimonials in der Prüfungs- und Beratungsbranche
Stellenanzeigen. Im Gegensatz zur Arbeitgeber-Imageanzeige wird mit einer Stellenanzeige unmittelbar für die Besetzung von freien Stellen geworben. In den allermeisten Fällen handelt es sich bei Stellenanzeigen um reine typografische Anzeigen, d. h. es werden i. d. R. keine Bilder verwendet. Im Mittelpunkt steht die Beschreibung der angebotenen Stelle bzw. Position sowie eine Darstellung des gesuchten Personalprofils. Bei der typografischen Gestaltung einer Stellenanzeige geht es insbesondere um die räumliche Aufteilung, die Gliederung von Texten sowie um die Wahl geeigneter Schrifttypen. Das Signalisierungsinstrument der Stellenanzeige
588
5. Personal und Management der Unternehmensberatung
hat durch den Einsatz des Internets zu einem Paradigmenwechsel im Personalmarketing geführt. Mittlerweile dominiert das Internet bei der Bewerberansprache die klassischen Instrumente wie Stellenanzeigen in Zeitungen und Zeitschriften deutlich. 5.3.3.2 E-Recruiting
Im Mittelpunkt der Signalisierungsanstrengungen im Arbeitsmarkt steht das Recruiting. Recruiting beschreibt alle Maßnahmen, um potenzielle Jobinteressierte darüber zu informieren, dass sie als zukünftige Mitarbeiter gesucht werden und sich bei dem Unternehmen bewerben sollen. Dies geschieht hauptsachlich durch Stellenanzeigen über verschiedene Recruiting-Kanäle wie z. B. Internet-Stellenbörsen oder Social Media. In Insert 5-09 sind die Recruiting-Kanäle nach ihrem Nutzungsgrad aufgeführt.
Insert 5-09: Generelle Nutzung verschiedener Recruiting-Kanäle
5.3 Personalakquisition – Optimierung der Personalgewinnung
589
Anmerkung: Die hier aufgeführten Daten und Inhalte zum Recruiting beziehen sich im Wesentlichen auf die jährlich durchgeführten Studien „Recruiting Trends 2020“ des Centre of Human Resources Information Systems (CHRIS) im Auftrag der Monster Worldwide Deutschland GmbH. Hierzu wurden die Personalverantwortlichen der Top-1.000-Unternehmen (Umsatz > 150 Mio. Euro, Rücklaufquote 12,7 Prozent) und der Top-300-Unternehmen aus der IT-Branche (Umsatz > 30 Mio. Euro, Rücklaufquote 10,7 Prozent) in Deutschland befragt. Das E-Recruiting (auch als E-Cruiting bezeichnet) als internet- und intranet-basierte Personalbeschaffung und -auswahl hat sich als ein entscheidendes Signalisierungsinstrument im Arbeitsmarkt etabliert. Der Wirkungskreis des E-Recruiting reicht von der Personalakquisition in Stellenbörsen bis zur Abwicklung des kompletten Bewerbungsprozesses im Inter-/ oder Intranet. Fünf verschiedene Recruiting-Kanäle prägen den Online Stellenmarkt:
Online Stellenbörsen (Jobbörsen) Eigene Karrierewebsite CV-Datenbanken Soziale Medien Active Sourcing.
Online Stellenbörsen. Die Anzahl der Internet-Jobbörsen wächst ständig. Neben den bundesweit tätigen Stellenbörsen wie StepStone, Monster oder Jobpilot haben sich auch regionale und branchenspezifische Jobbörsen etabliert. Internet-Stellenbörsen machen Anzeigen mit Hilfe technischer Grundlagen des Internets und Datenbanksystemen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich. Internet-Jobbörsen akquirieren Stellenangebote und Bewerber und veröffentlichen diese über einen eigenen Server im Internet. Die Dienstleistung betrifft neben der Einstellung ins World Wide Web, auch die Pflege und teilweise Gestaltung der Daten. Jobbörsen haben aus Kostengründen und Effektivität in der Informationsbereitstellung (24 Stunden, sieben Tage, globale Verfügbarkeit) sowie Schnelligkeit und Funktionalität in der Prozessabwicklung nachhaltige Vorteile im Medienwettbewerb und bei den E-Recruiting-Prozessen erreicht. Mittlerweile existieren mehr als 500 Jobbörsen im deutschen Arbeitsmarkt. Relativ niedrige Einstiegsbarrieren für spezialisierte Jobbörsen sorgen für zahlreiche Nischenanbieter. Aufgrund von Unterschieden hinsichtlich der Zahl und Qualität der Angebote oder auch der Kosten für das Einstellen von Anzeigen oder Angeboten, empfiehlt sich für den Nutzer ein Vergleich der Online-Stellenmärkte. Karrierewebsite. Während Unternehmen das Internet zunächst ausschließlich im Absatzmarketing zur Selbstdarstellung bzw. zur Präsentation ihres Produkt- oder Dienstleistungsprogramms nutzten, stellen sie mittlerweile ihren internen Stellenbedarf sowie die eigene Personalarbeit im Internet mit einer eigenen Karrierewebsite vor. Heutzutage investieren nahezu alle Firmen in den Aufbau einer „karrieregetriebenen“ Website genauso viel wie in die Präsentation der Produkte und Dienstleistungen.
590
5. Personal und Management der Unternehmensberatung
In diesem Zusammenhang kommen dem Aufbau und der Gestaltung einer funktionierenden HR-Website eine besonders wichtige Bedeutung zu. Für die Beurteilung von (Personal-) Websites bietet die CUBE-Formel hilfreiche Anhaltspunkte. Diese Formel steht – ähnlich dem AIDA-Modell für die generelle Werbewirkung – für die Analyse folgender Aspekte:
Content (d. h. ein informatorischer und ständig aktualisierter Inhalt der Website), Usability (d. h. die Handhabbarkeit bzw. intuitive Erschließung der Stellenangebote), Branding (d. h. der Aufbau einer klaren Identität des Arbeitgeberunternehmens) und Emotion (d. h. der Besuch einer Website muss Spaß machen).
CV-Datenbanken. Die Funktionalität der webbasierten Vermittlung wird durch Profile, konzentriertes Matching, Kandidaten-Datenbanken und Bewerber-Management-Systeme sukzessiv verbessert. Die erweiterten Funktionalitäten wie die Suche in Lebensläufen, Logoschaltungen, Banner-Verlinkungen und ein fundiertes Bewerbermanagement bieten den personalsuchenden Unternehmen eine Reihe neuer Möglichkeiten. Eigene Suchaufträge in Lebenslaufdatenbanken haben sich aber noch nicht vollständig durchgesetzt. Das Gleiche gilt für die Bewerbervorauswahl über Onlinefragebögen. Soziale Medien. Immer mehr Unternehmen nutzen Social Media nicht nur um Employer Branding zu betreiben, sondern auch um Stellenanzeigen zu veröffentlichen. Kandidaten verwenden Social Media, um nach Stellenanzeigen zu suchen und Informationen über Unternehmen einzuholen. Im Sourcing suchen Unternehmen in sozialen Netzwerkplattformen oder Karrierenetzwerken aktiv nach Profilen geeigneter Kandidaten oder nutzen Social Media, um sich mit Kandidaten zu vernetzen. Im Recruiting nutzen die Unternehmen verschiedene Social-Media-Kanale, um Stellenanzeigen zu veröffentlichen und Image-Werbung (Employer-Branding-Kampagnen) zu platzieren. Von den Top-100-Unternehmen wird am häufigsten Facebook genutzt, gefolgt von Xing und LinkedIn. In der IT-Branche, in der die Social-Media-Kanale deutlich häufiger verwendet als in anderen Industrien, rangiert LinkedIn an erster Stelle [vgl. Recruiting Trends 2020]. Active Sourcing. Mit Active Sourcing wird ein Recruiting-Kanal bezeichnet, bei dem Unternehmen aktiv in Talent-Pools, Lebenslaufdatenbanken oder Karrierenetzwerken nach geeigneten Kandidaten suchen. Active Sourcing wird beim Recruiting immer wichtiger, denn der traditionelle Prozess, in dem eine Firma eine Stellenanzeige aufgibt und aus den Bewerbern auswählt, ist häufig wirkungslos, wenn es darum geht, die wahren Motive der Kandidaten bei der Stellensuche zu erkennen. Durch soziale Medien wie Xing und LinkedIn, auf denen die Profile von potenziellen Kandidaten einsehbar sind, wird Active Sourcing zudem immer einfacher [vgl. Creusen et al. 2017, S. 91 f.]. Nach den Umfrageergebnissen der Recruiting Trends 2020 bevorzugen ein Viertel aller Top100 Unternehmen Karriere-Events für ihre Active Sourcing-Aktivitäten, während bei den ITUnternehmen die Karrierenetzwerke knapp gefolgt von den Karriere-Events als Sourcing-Kanäle dominieren (siehe Insert 5-10). Ein professionelles Active Sourcing erfordert von den Unternehmen die Durchführung bestimmter Maßnahmen. Hierzu zählen [vgl. Recruiting Trends 2018]:
5.3 Personalakquisition – Optimierung der Personalgewinnung
591
Schulung der Mitarbeiter hinsichtlich der Direktansprache von Kandidaten, Definition von Zielgruppen, die vermehrt angesprochen werden sollen, Konkrete Ansprachen dieser verschiedenen Zielgruppen, Nachfassen bei bereits aktiv angesprochenen Kandidaten, Umgang mit negativen und positiven Rückmeldungen festlegen.
Darüber hinaus ist eine festgesetzte Kontaktaufnahme für ein erstes Gespräch und die eventuelle Aufnahme in den Talent-Pool relevant.
Insert 5-10:
Active Sourcing-Kanäle
Angesichts der Vielzahl von Daten und Informationen, die die Recruiting Trends 2020 liefern, ist aber sicherlich die Frage von besonderer Relevanz, über welche Kanäle (Recruiting & Active Sourcing) die Unternehmen die tatsächlichen Neueinstellungen generieren. Das Ergebnis
592
5. Personal und Management der Unternehmensberatung
für die Top-100-Unternehmen: Sechs von sieben Einstellungen werden über Recruiting und entsprechend ein Siebtel über Active Sourcing generiert (siehe Insert 5-11).
Insert 5-11:
Neueinstellungen über Recruiting- und Active Sourcing-Kanäle
5.3 Personalakquisition – Optimierung der Personalgewinnung
593
5.3.3.3 Effektivität und Effizienz von Recruiting-Kanälen
In den letzten Jahren übertrafen in der Beratungsbranche die Insertionskosten für die Personalsuche teilweise deutlich die Kosten für die Schaltung von (klassischer) Unternehmenswerbung. Daher sollen hier – und nicht im Kapitel Marketing/Vertrieb – die Fragen zur Auswahl geeigneter Werbeträger bzw. Recruiting-Kanäle behandelt werden. Für das Personalmarketing kommen in erster Linie Printmedien und Online-Medien als Werbeträger in Betracht. Weitere Medien wie Fernsehen, Radio, Kino (also die klassischen elektronischen Medien) oder Außenwerbung werden nahezu ausschließlich im Absatzmarketing eingesetzt und sind für das Personalmarketing weniger relevant. Eine gute Zusammenfassung der vorangegangenen Abschnitte bietet die Analyse von Effektivität und Effizienz der wichtigsten Recruiting-Kanäle. Auch hier bieten die Ergebnisse der „Recruiting Trends“ gute Anhaltspunkte (siehe Insert 5-12). Die Rubrik Effektivität wird dabei durch den Zufriedenheitsgrad mit den über verschiedene Recruiting-Kanäle eingestellten Kandidaten dargestellt, die Effizienz anhand des Kosten-/Nutzenverhältnisses analysiert. Zu einem wichtigen Instrument zur Verbesserung von Effektivität und Effizienz der RecruitingKanäle werden sich digitale Empfehlungssysteme entwickeln. Damit sind insbesondere Talent-Recommender-Systeme und Job-Recommender-Systeme angesprochen. Durch Talent-Recommender-Systeme, die auf Basis des Vergleichs zwischen Kandidatenprofil und Stellenanforderung passende Kandidaten für die jeweilige Vakanz vorschlagen, kann die aktive Suche der Unternehmen nach geeigneten Kandidaten (teil-) automatisiert werden. Ebenso wird sich die aktive Suche nach Stellenanzeigen seitens der Kandidaten verändern, da die Suche nach geeigneten Jobs durch Job-Recommender-Systeme automatisiert werden kann. Aufgrund des Profils eines Kandidaten und der Stellenanzeige kann dem Kandidaten automatisiert ein Jobangebot vorgeschlagen werden (z. B. durch einen Suchagenten einer InternetStellenbörse, der wöchentlich Job-Empfehlungen per E-Mail versendet) [vgl. Recruiting Trends 2018].
594
5. Personal und Management der Unternehmensberatung
Insert Effektivität „Zufriedenheit“
Effizienz „Kosten-Nutzen“
Unternehmenswebsite
sehr hoch
sehr hoch
Internet-Stellenbörsen
sehr hoch
hoch
Persönliches Netzwerk
sehr hoch
hoch
Headhunter
sehr hoch
Mitarbeiterempfehlungen
sehr hoch
Recruiting-Kanal
Personalberatungen
hoch
Printmedien
hoch
Karrierenetzwerke
mittel
Zeitarbeitsfirmen
mittel
Soziale Netzwerke
niedrig
Arbeitsagentur
niedrig
Hinsichtlich der Effektivität einzelner RecruitingKanäle wurden die Teilnehmer der Untersuchung nach dem Zufriedenheitsgrad mit den über verschiedene Recruiting-Kanäle eingestellten Kandidaten befragt. Am zufriedensten zeigten sich die Firmen mit jenen Kandidaten, die sie über die eigene Unternehmenswebsite eingestellt haben, dicht gefolgt von den Internet-Stellenbörsen. Es folgen das persönliche Netzwerk der Recruiter und Headhunter („Executive Search“). Ebenfalls sehr zufrieden zeigen sich die Befragten mit Kandidaten, die über Mitarbeiterempfehlungen ins Unternehmen kamen. Mit etwas Abstand folgen Personalberatungen und Printmedien. Durchschnittliche Zufriedenheitsgrade weisen Karrierenetzwerke (z.B. Xing, LinkedIn) und Zeitarbeitsfirmen auf. Weniger zufrieden ist man mit Rekrutierungen über soziale Netzwerke oder über die Arbeitsagentur.
Insert 5-12:
mittel hoch mittel niedrig hoch mittel hoch mittel
Der andere wichtige Aspekt neben der Effektivität ist die Effizienz der Rekrutierungskanäle. Sie wurde im Rahmen der Untersuchung anhand des Kosten/Nutzen-Verhältnisses analysiert. Demnach ist die eigene Unternehmenswebseite aus Sicht der Studienteilnehmer der effizienteste Kanal, gefolgt vom persönlichen Netzwerk der Recruiter, den Mitarbeiterempfehlungen, den Internet-Stellenbörsen, den Karrierenetzwerken wie Xing oder LinkedIn und den soziale Netzwerkplattformen wie Facebook oder Twitter. Ein eher mittelmäßiges Kosten-/Nutzen-Verhältnis sehen die Befragten bei Zeitarbeitsfirmen, bei der Bundesagentur und den Personalberatungen. Die beiden letzten Plätze belegen die Vermittlung über Headhunter sowie die Printmedien. [Quelle: Recruiting Trends 2012, S. 14 f.]
Effektivität und Effizienz von Recruiting-Kanälen
5.3.4 Kommunikation mit dem Bewerber Das Aktionsfeld Kommunikation dient als Weichenstellung für den Entscheidungsprozess des Bewerbers und ist das vierte Aktionsfeld im Rahmen des Personalbeschaffungsprozesses. Ziel der Kommunikation ist der Einstellungswunsch des Bewerbers und der Aufbau von Vertrauen. Bei der Kommunikation geht es um die Optimierung des Bewerbervertrauens: Bewerbervertrauen = f (Kommunikation)→ optimieren! Während die Signalisierungsinstrumente nur in eine Richtung wirken, betonen die Kommunikationsinstrumente den Dialog. Es geht im Aktionsfeld Kommunikation also um den persönlichen Kontakt des Unternehmens mit dem Bewerber.
5.3 Personalakquisition – Optimierung der Personalgewinnung
595
5.3.4.1 Kommunikationsmaßnahmen
Für die (persönliche) Kommunikation gibt es – ebenso wie für die (unpersönliche) Signalisierung – ein ganzes Bündel von Maßnahmen. Es reicht über das Angebot von Praktika und Werkstudententätigkeiten über Seminare und Vorträge an Hochschulen bis zur Durchführung von Sommerakademien und Career Camps. Insgesamt werden diese Kommunikationsmaßnahmen dem Hochschulmarketing, das für Unternehmensberatungen eine zentrale Rolle spielt, zugerechnet. Eine Bestandsaufnahme des Hochschulmarketings macht deutlich, dass bei der Auswahl und Entwicklung von Kommunikationsmaßnahmen der Kreativität keine Grenzen gesetzt sind. Oft reichen im Wettbewerb um den geeigneten Bewerber die klassischen Wege der Bewerberansprache nicht mehr aus. Entscheidend aber ist in jedem Fall, dass ein glaubwürdiger Dialog im Vordergrund jeglicher Kommunikation steht. Nur über Glaubwürdigkeit lässt sich das notwendige Vertrauen beim Bewerber aufbauen [vgl. Lippold 2015a, S. 129 f.]. Nach der Form der Kommunikation mit den Bewerbern sind folgende Maßnahmengruppen zu unterscheiden [vgl. Lippold 2010, S. 14]:
Maßnahmen der direkten, individuellen Kommunikation, Maßnahmen der direkten, kollektiven Kommunikation, Maßnahmen der indirekten Kommunikation und Maßnahmen der Internet-Kommunikation.
In Abbildung 5-17 ist eine Zuordnung der wichtigsten Kommunikationsmaßnahmen im Personalmarketing zu diesen Kommunikationsformen vorgenommen worden. Kommunikationsmaßnahmen
Direkte, individuelle Kommunikation • Praktika • Werkstudententätigkeiten • Teilnahme am dualen Studium • Traineeprogramme • Betreuung wissenschaftlicher Arbeiten • Vergabe von Forschungsund Projektaufträgen an Hochschulen • Vergabe von Stipendien
Direkte, kollektive Kommunikation • Firmenworkshops/Fachseminare
Indirekte Kommunikation • Kontakte zu Meinungsführern wie
• Sommerakademien/ Career Camps
- Professoren
• Teilnahme an Hochschulmessen
- Studentische Organisationen
• Gastvorträge/ Lehraufträge • Förderpreise/Unternehmensplanspiele • Firmenpräsentationen/ Betriebsbesichtigungen
- Dozenten
InternetKommunikation • Teilnahme an - Foren - Blogs - Social Networks
- Journalisten • Hochschulpaten • Aushänge/Unternehmensbroschüren
© Dialog.Lippold
Abb. 5-17:
Kommunikationsmaßnahmen
Maßnahmen der direkten, individuellen Kommunikation. Zu den häufigsten Maßnahmen der direkten, individuellen Kommunikation zählt die Vergabe von Praktikumsplätzen. Das Praktikum ermöglicht eine frühzeitige Kontaktaufnahme mit interessierten Studierenden und
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5. Personal und Management der Unternehmensberatung
dient dazu, Informationen bezüglich ihres Arbeitseinsatzes, -ergebnisses und -verhaltens zu gewinnen. Durch die zusätzlich gewonnenen Informationen kann der Auswahlprozess teilweise verkürzt oder ganz entfallen, besonders dann, wenn das Praktikum gegen Ende des Studiums absolviert wird. Im Gegenzug ermöglicht es den Studierenden, erste Einblicke in ein Unternehmen und seine Kultur zu erhalten. Diese Einblicke können entscheidend für die Wahl der ersten Arbeitsstelle sein. Zu unterscheiden ist zwischen vorgeschriebenen und freiwilligen Praktika. Durch die Studienreform (Bologna-Prozess) ist das Praktikum für Bachelor-Studierende obligatorisch geworden, so dass erst das Absolvieren eines weiteren Praktikums als freiwillig einzustufen ist. Um besonders gute Studierende frühzeitig zu binden, bieten (größere) Unternehmensberatungen vermehrt strukturierte Praktikantenförderprogramme an. Teilnehmer solcher Programme werden oftmals besser bezahlt und sind sehr stark in den normalen betrieblichen Ablauf eingebunden. So zahlt die KPMG im Recruiting-Bereich ein durchschnittliches Praktikantengehalt von 1.000 Euro monatlich. Eine weitere Möglichkeit, interessierte und leistungsstarke Studierende frühzeitig an sich zu binden, bietet die Teilnahme am dualen Studium. Duale Studiengänge haben in den letzten Jahren einen großen Zulauf erfahren. Immer mehr Schulabgänger und Studieninteressenten entscheiden sich für die Kombination aus Praxisphasen im Unternehmen und theoretischen Vorlesungszeiten in einer Uni, Fachhochschule, dualen Hochschule oder Berufsakademie. Ebenso haben auch viele Unternehmensberatungen die Vorteile der dualen Studiengänge, die nach einer Grundsatzentscheidung des Bundessozialgerichts generell als sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse einzuordnen sind, erkannt und sich für das Angebot entsprechender Ausbildungsplätze entschieden. Eine frühzeitige Bindung an die Unternehmensberatung kann auch über die Werkstudententätigkeit erfolgen. Werkstudenten sind im Normalfall eine über eine längere Zeit angestellte Arbeitskraft. Die übertragenen Aufgaben können allerdings unterschiedliche Qualitäten aufweisen. Die Betreuung wissenschaftlicher Arbeiten bietet Unternehmensberatungen die Möglichkeit zur gezielten Rekrutierung besonders leistungsfähiger Nachwuchskräfte. Darüber hinaus steht der Wissenstransfer zwischen Hochschule und Praxis im Mittelpunkt einer solchen Maßnahme. Zu den wissenschaftlichen Arbeiten zählen Seminar-, Bachelor-, Master- und Diplomarbeiten. Durch Vergabe eines vom Unternehmen definierten Themas können sich die Studierenden weitgehend selbstständig mit der Problemstellung auseinandersetzen und Gestaltungsempfehlungen abgeben. Der Grad der Unterstützung kann dabei sehr stark variieren. Auch die Zusammenarbeit mit Hochschulen im Bereich Forschung und Entwicklung kann die Unternehmensberatung gezielt für das Personalmarketing verwenden. Bei Vergabe von Forschungs- und Projektaufträgen können Qualitäten der Projektteilnehmer beobachtet werden. Ähnlich wie bei der Betreuung wissenschaftlicher Arbeiten steht vor allem der Wissenstransfer von der Hochschule in das Unternehmen im Vordergrund. Auch durch die Vergabe von Stipendien kann frühzeitig Kontakt zu qualifizierten Studierenden aufgenommen werden. Die Förderung von Wissenschaft und Forschung trägt zum einen zur positiven Imagebildung und zum anderen zur Rekrutierung von geeigneten Absolventen bei. Die Unterstützung kann entweder direkt durch finanzielle Förderung oder indirekt durch Sachleistungen wie Fachbücher erfolgen.
5.3 Personalakquisition – Optimierung der Personalgewinnung
597
Maßnahmen der direkten, kollektiven Kommunikation. Bei den Maßnahmen der direkten, aber kollektiven Kommunikation steht die Direktansprache von Personengruppen und nicht von einzelnen Personen im Vordergrund. Im Rahmen von Firmenworkshops oder Fachseminaren können Fallbeispiele, Diskussionsrunden oder Präsentationen bei einer vorselektierten Gruppe durchgeführt werden. Dadurch wird ein aktiver Austausch zwischen Unternehmensberatung und Studierenden sichergestellt. Zudem kann eine solche Maßnahme ähnlich wie bei einem Assessment Center für eine erste betriebliche Qualifizierung genutzt werden. Die Dauer der Workshops kann dabei von mehreren Stunden bis hin zu einer Woche variieren. Internationale Unternehmensberatungen bieten beispielsweise Wochenendworkshops, Sommerakademien oder Career Camps für High Potentials zum Thema Consulting an (siehe Insert 5-13).
Insert 5-13: Einladung zum Career Camp der Capgemini Consulting Eine viel genutzte Möglichkeit der ersten Kontaktaufnahme mit potenziellen Hochschulabsolventen stellen Hochschulmessen dar. Durch die Präsenz vor Ort kann sich das Unternehmen als zukünftiger Arbeitgeber präsentieren und so eine effiziente zielgruppengerechte Ansprache
598
5. Personal und Management der Unternehmensberatung
ermöglichen. Der Messeauftritt hat demzufolge sowohl eine Image- als auch eine Rekrutierungsfunktion. Neben den hochschuleigenen Messen haben sich kommerzielle Messen und Firmenkontaktmessen mit teilweise über 100 Ausstellern durchgesetzt. Hierbei treffen Unternehmen mit eigenen Recruitingständen auf sehr viele Interessenten. Durch die hohe Zielgruppenpräsenz erhoffen sich jene Arbeitgeber bessere Erfolgschancen, die jährlich größere Kontingente von Hochschulabsolventen einstellen. Eine weitere Möglichkeit zur direkten, kollektiven Kontaktaufnahme mit potenziellen Bewerbern sind themenbezogene Gastvorträge, zu denen Unternehmensberater während der Vorlesungszeiten gerne eingeladen werden. Die Verbindung von Praxis und Lehre sowie die Möglichkeit, das Beratungsunternehmen mit seiner Leistungsfähigkeit zu präsentieren, kommen beiden Seiten zugute. Eine besonders effektive Möglichkeit, Theorie und Praxis zu „verlinken“ und damit lebensnahe Wissenschaft zu ermöglichen, ist die Übernahme von Lehraufträgen durch Unternehmensberater. Besonders leistungsstarke Studierende können im Rahmen der Vorlesung/Übung frühzeitig identifiziert und angesprochen werden. Bei dieser Kommunikationsmaßnahme steht neben dem Wissenstransfer und der allgemeinen Imagefunktion besonders die Recruitingfunktion im Vordergrund. Die Ausschreibung von Förderpreisen zielt ebenfalls darauf ab, leistungsfähige Studierende zu identifizieren. Die Auszeichnungen erfolgen zumeist durch eine finanzielle Prämierung oder durch die Vergabe von attraktiven Praktikumsplätzen. Eine Möglichkeit zur praxisbezogenen Themenbearbeitung stellen Unternehmensplanspiele dar. Anhand einer konkreten Fragestellung wird versucht, innerhalb eines bestimmten Zeitraumes eine Lösung auszuarbeiten. Planspiele können entweder in der Hochschule, im Unternehmen oder via Internet durchgeführt werden. Firmenpräsentationen werden vorwiegend im Umfeld von Messeveranstaltungen, bei themenspezifischen Veranstaltungen, in Vorlesungen oder im Rahmen von Betriebsbesichtigungen durchgeführt. Betriebsbesichtigungen haben zum Ziel, Besucher mit dem Unternehmen bekannt zu machen. Durch die Kombination von Fachvorträgen, Diskussionen und Betriebsbegehungen wird versucht, ein positives Arbeitgeberimage zu verankern. Maßnahmen der indirekten Kommunikation. Maßnahmen der indirekten Kommunikation haben zumeist die direkte Kommunikation zum Ziel, d. h. sie bereiten die direkte Kontaktaufnahme mit dem Arbeitgeber vor. Eine wichtige Gruppe umfasst dabei Kontakte zu Meinungsführern wie z. B. studentische Organisationen, Professoren, Dozenten, Journalisten oder Berufsberatern. Diese wirken als Multiplikatoren und üben einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf potenzielle Bewerber aus. Es wird sogar behauptet, dass diese Kommunikationsform zu den wirkungsvollsten Einflussfaktoren bei der Arbeitgeberwahl zählen [vgl. Schamberger 2006, S. 71].
5.3 Personalakquisition – Optimierung der Personalgewinnung
599
Um zielführende Kontakte mit Professoren und Dozenten zu vertiefen, haben Unternehmen mit größeren Einstellungskontingenten Hochschulpaten etabliert. Solche Paten, die entweder aus Absolventen der betreffenden Hochschule oder aus Personalreferenten gebildet werden, übernehmen für einen längeren Zeitraum die Betreuung der Ziel-Hochschule. Referral-Programme. Eine sehr durchschlagskräftige Maßnahme der indirekten Kommunikation ist die Durchführung von Referral-Programmen. Darunter sind Personalbeschaffungsmaßnahmen zu verstehen, bei denen die Mitarbeiter des eigenen Unternehmens gebeten werden, interessante Kandidaten (z. B. aus ihrem Bekannten- oder Freundeskreis) für bestimmte Positionen vorzuschlagen. Nach erfolgreichem Ablauf der Probezeit des Kandidaten erhält der Mitarbeiter, der den Kandidaten vorgeschlagen hat, eine entsprechende Prämie. Die Rekrutierung über Mitarbeiterempfehlungen hat sich immer dann bewährt, wenn ein Mangel an qualifizierten Mitarbeitern vorherrscht. So deckt Capgemini Consulting jährlich rund ein Fünftel seines Rekrutierungsbedarfs über ein attraktives Referral-Programm ab und spart dadurch einen nicht unbeträchtlichen Teil der Personalbeschaffungskosten ein. Aktuell haben sechs von 10 der Top-100-Unternehmen und sieben von 10 und sieben von 10 der IT-Unternehmen ein Mitarbeiterempfehlungsprogramm implementiert. Die Vorteile solcher Programme aus Unternehmenssicht sind in Insert 5-14 aufgeführt.
Insert 5-14:
Vorteile von Mitarbeiterempfehlungen aus Unternehmenssicht
600
5. Personal und Management der Unternehmensberatung
Zur indirekten Kommunikationsform zählen schließlich die generellen Unternehmensinformationen, die häufig nach Gastvorträgen bzw. nach Unternehmenspräsentationen in Form von Broschüren abgegeben werden. Informationen bezüglich Praktika, Projektarbeiten oder Stellenangeboten werden oft als Aushänge am „Schwarzen Brett“ publiziert. Internet-Kommunikation. Die Nutzung des Internets in der Personalbeschaffung beschränkt sich nicht nur auf den Bewerbungseingang und die Bewerbungsabwicklung sowie auf die Veröffentlichung von Stellenanzeigen auf der unternehmenseigenen Homepage oder in Jobbörsen. Seitdem Foren, Blogs und Social Networks bestehen, haben sich sowohl für Unternehmen, als auch für Bewerber neue Potenziale eröffnet, wenn es um die Suche nach Informationen über die jeweils andere Seite geht. Die Kommunikation verlagert sich also zunehmend vom privaten in den öffentlichen Raum. Zusammengefasst wird diese Entwicklung unter dem Schlagwort Web 2.0, dessen spezifische Anwendungsformen (Applikationen) für das Personalmarketing eine hohe Bedeutung gewonnen haben. 5.3.4.2 Social Media
Die Nutzung des Internets in der Personalbeschaffung beschränkt sich nicht nur auf den Bewerbungseingang und die Bewerbungsabwicklung sowie auf die Veröffentlichung von Stellenanzeigen auf der unternehmenseigenen Homepage oder in Jobbörsen. Seitdem Foren, Blogs und Social Networks bestehen, haben sich sowohl für Unternehmen, als auch für Bewerber neue Potenziale eröffnet, wenn es um die Suche nach Informationen über die jeweils andere Seite geht. Die Kommunikation verlagert sich also zunehmend vom privaten in den öffentlichen Raum. Im Mittelpunkt stehen die Beziehungsnetzwerke, die aufgrund ihrer besonderen Bedeutung für das Personalmarketing im Folgenden näher beleuchtet werden sollen. Die ständig wachsende Bedeutung von sozialen Netzwerken lässt sich an folgenden Fakten festmachen [Quelle: Statista 2021]:
Die Nutzerzahl von Facebook, dem weltweit größten Netzwerk, beträgt 2,91 Mrd. In Deutschland sind es 32 Mio. Nutzer. LinkedIn, das weltweit größte berufliche Netzwerk, hat 12 Mio. eingetragene Nutzer in Deutschland, Österreich und Schweiz. Xing, das größte deutsche berufliche Netzwerk hat 17 Mio. Nutzer. Die Anzahl der mobilen Nutzer von sozialen Netzwerken in Deutschland beträgt 30 Mio. Die durchschnittliche tägliche Verweildauer in Netzwerken beträgt in Deutschland 64 Minuten. Der Anteil der Nutzer von sozialen Netzwerken in Deutschland mit hohem Bildungsstand beträgt 53 Prozent.
Um die Auswirkungen dieses Phänomens für das Personalmarketing einordnen zu können, ist es erforderlich, die Nutzung von Social Media durch die Bewerber einerseits und durch die Unternehmen als Arbeitgeber andererseits zu analysieren. Neben Bewerber und Unternehmen kommt aber noch eine dritte Zielgruppe für das Personalmarketing hinzu: die eigenen Mitarbeiter.
5.3 Personalakquisition – Optimierung der Personalgewinnung
601
Social Media-Nutzung durch Bewerber. Professionelle Netzwerke wie Xing oder LinkedIn dienen gezielt dem Austausch zwischen Geschäftspartnern, Mitarbeitern sowie – inzwischen deutlich vermehrt – zwischen Bewerbern und Unternehmen. Sie bieten die Vorzüge und Kommunikationsmöglichkeiten eines Social Networks, setzen dabei jedoch im Gegensatz zu Facebook auf Seriosität der Inhalte. So überraschen auch die Ergebnisse einer Befragung unter 3.500 Bewerbern nicht: Rund 26 Prozent der Befragten präferieren Xing, 20 Prozent LinkedIn und lediglich 12 Prozent Facebook (siehe Insert 5-15).
Insert 5-15:
Beliebteste Social-Media-Plattformen bei Bewerbern
Im deutschsprachigen Raum zählt Xing ca. 16 Millionen Nutzer. Ein Teil der Nutzer pflegt den aktiven Kontakt zu anderen Mitgliedern, der andere Teil benutzt das Netzwerk eher als digitales Adressbuch. Xing dient vornehmlich dem Ausbau des beruflichen Netzwerkes, der Jobsuche und Kontaktverwaltung. International ist LinkedIn mit seinen weltweit über 320 Millionen registrierten Nutzer wesentlich bedeutungsvoller. Aber auch im deutschsprachigen Raum haben die rund 12 Millionen LinkedIn-Nutzer – wenn man die Anzahl der Visits zugrunde legt – Xing bereits überholt und im B2B-Bereich hat sich LinkedIn weltweit als das beliebteste Netzwerk etabliert – sogar vor Facebook. LinkedIn ist in drei Säulen gegliedert [vgl. Lippold 2017, S. 214]:
den Bereich Network, der dem Auf- und Ausbau des eigenen Netzwerkes dient,
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5. Personal und Management der Unternehmensberatung
den Bereich Opportunity, der Unterstützung bei der Weiterbildung und beruflichen Neuorientierung bieten soll, sowie den Bereich Knowledge, der den internen Nachrichtendienst und die Wissensvermittlung durch andere Mitglieder umfasst.
Social Media-Nutzung durch Unternehmen. Die Attraktivität von sozialen Netzwerken liegt für Unternehmen in der Möglichkeit, eine Vielzahl von Menschen dort zu erreichen, wo sie einen Großteil ihrer Internet-Zeit verbringen: Denn Internetnutzer in Deutschland verbringen derzeit fast ein Viertel (23 Prozent) ihrer gesamten Online-Zeit in sozialen Netzwerken. Internet-User sind also durchaus eine attraktive Zielgruppe, um nicht nur den Bekanntheitsgrad von Unternehmen zu steigern und um neue Kunden zu akquirieren bzw. Kundenbeziehungen herzustellen und zu festigen, sondern auch um neue Mitarbeiter zu gewinnen.
Wie haben sich Unternehmen auf den Social Media-Boom eingestellt? Zunächst lässt sich feststellen, dass viele Unternehmen auf ihrer Homepage bereits einen Hinweis auf Facebook (und teilweise auch auf andere soziale Netzwerke) haben, d. h. diese Unternehmen pflegen jeweils ihre eigene Facebook-Seite. Allerdings ist Social Media kein Event mit einem klar definierten Ende wie bspw. eine Messe, sondern ein kontinuierlicher Kommunikationsprozess zwischen den Beteiligten. Daher ist es auch so schwierig, hier eine nachhaltige Kommunikationsstrategie mit entsprechenden Kommunikationsverantwortlichen aufzubauen [vgl. Petry/Schreckenbach 2010]. Zwischenzeitlich wird auch die „zweite Generation“ an Social-Media-Plattformen immer populärer, die – häufig auch über eine Mobile App – Trends wie geolokale Dienste oder die zunehmende Visualisierung von Beiträgen aufgreifen und immer spezialisiertere Social-MediaMaßnahmen möglich machen. Die zielgerichtete Optimierung einer Internetpräsenz auf möglichst weite Verbreitung in Social-Media-Netzwerken bezeichnet man als Social Media Optimization (SMO). Abbildung 5-16 macht deutlich, dass die zweite Generation an Social-Media-Plattformen auch im Aktionsbereich Personalbeschaffung angekommen ist und eingesetzt wird. Besonders hoch ist der Anteil der beruflichen Netzwerke beim Active Sourcing. Dabei steht die Informationssuche über Bewerber im Vordergrund. Mit anderen Worten, wer sich auf eine Stelle bewirbt, muss damit rechnen, dass neben seinen Bewerbungsunterlagen auch seine Profile in sozialen Netzwerken gründlich geprüft werden. In fast jedem zweiten Unternehmen werden die entsprechenden Seiten im Netz unter die Lupe genommen. Dabei werden Einträge in beruflichen Netzwerken wie Xing oder LinkedIn häufiger ausgewertet als die eher privat ausgerichteten wie Facebook, Twitter oder Instagram. Social Media-Nutzung durch Mitarbeiter. Die Nutzung von sozialen Netzwerken und Suchmaschinen haben aber nicht nur die Möglichkeiten der Kommunikation durch das Internet für Unternehmen und Bewerber, sondern auch für die eigenen Mitarbeiter des Unternehmens erheblich erweitert. Diese können ihre Meinungen nun auch fernab von Presse- und Unternehmensmedien oder Kommunikationsabteilungen veröffentlichen. Auch das Personalmanagement hat ganz offensichtlich erkannt, wie wichtig die Nutzung neuer Medien ist, um die interne Zusammenarbeit und die Verbindung der Mitarbeiter mit ihrer eigenen Organisation (engl.
5.3 Personalakquisition – Optimierung der Personalgewinnung
603
Connectivity) zu verbessern. Zukünftig werden also immer mehr Mitarbeiter freiwillig oder unfreiwillig zu Botschaftern ihres Unternehmens bzw. der Unternehmensmarke. Auf diese (weitgehend unkontrollierbaren) Kommunikationswege müssen sich Arbeitgeber einstellen und vorbereiten.
Abb. 5-16:
Einsatz von Social-Media-Kanälen nach Recruiting-Maßnahmen
Es ist also zu kurz gesprungen, wenn sich Unternehmen ausschließlich bei der Zielgruppe der potenziellen Bewerber positionieren. Auch andere Zielgruppen wie Mitarbeiter, Analysten, Kunden, Journalisten, Lieferanten, Alumni und sonstige Interessierte (also die Stakeholder eines Unternehmens) sind daran interessiert, wie sich das Unternehmen als Arbeitgeber präsentiert oder sich sozial engagiert. Hier müssen also PR-Arbeit und HR-Arbeit Hand in Hand gehen, auch (oder gerade!) wenn ein Arbeitgeber schon längst keine vollständige Kontrolle mehr darüber hat, was über ihn veröffentlicht wird [vgl. Jäger 2008, S. 64 f.].
604
5. Personal und Management der Unternehmensberatung
5.4 Personalauswahl und -integration – Optimierung der Bewerberakzeptanz Das fünfte und letzte Aktionsfeld im Rahmen der personalbeschaffungsorientierten Prozesskette ist die Auswahl und Einstellung des Bewerbers. Bei diesem Aktionsfeld geht es um die Optimierung der Bewerberakzeptanz: Bewerberakzeptanz = f (Auswahl und Integration) → optimieren! Ziel der Personalauswahl ist es, den geeignetsten Kandidaten für die entsprechende Projektbesetzung zu finden. Ziel der Personalintegration ist es, dem neuen Mitarbeiter die Einarbeitung in die Anforderungen des Unternehmens zu erleichtern. Bei der Unternehmensberatung beinhaltet die Personalintegration zugleich auch den Personaleinsatz, d. h. den Einsatz des Mitarbeiters in einem (neuen) Projekt. Während die Personalauswahl noch eindeutig der Personalbeschaffungskette zuzuordnen ist, bildet die Personalintegration die Nahtstelle zwischen der Personalbeschaffungskette und der Personalbetreuungskette (siehe Abbildung 5-18).
Personalbeschaffung
Sicht von außen
Aktionsfelder Externes Personalmarketing
Segmentierung
Wettbewerbsvorteil • Produkte • Leistungen • Fähigkeiten • Know-how • Kultur
Positionierung
Signalisierung
Kommunikation
Personalauswahl u. -integration
Personalakquisition + Nutzen
+ Vorteil
+ Wahrnehmung
+ Vertrauen
+ Akzeptanz
Mitarbeitergewinnung
Vom Bewerber honorierter Wettbewerbsvorteil
Bewerberkriterien © Dialog.Lippold
Abb. 5-18:
Das Aktionsfeld Personalauswahl und -integration
5.4.1 Personalauswahlprozess Der Personalauswahlprozess läuft in mehreren Phasen ab (siehe Abbildung 5-19). Gleich ob es sich um eine Bewerbung, die auf ein Jobangebot gezielt abhebt (gezielte Bewerbung), um eine unaufgeforderte Bewerbung (Initiativbewerbung) oder um eine Bewerbung handelt, die sich auf eine Empfehlung bezieht (Empfehlungsbewerbung), in jedem Fall sollte das Unternehmen jede Bewerbung in seine Bewerberdatei (Bewerbungspool) aufnehmen und über den Bewerbungszeitraum hinweg sammeln [vgl. Bröckermann 2007, S. 96]. Im Anschluss daran erfolgt eine Bewerbungsanalyse (Bewerberscreening) mit dem Ziel, den bzw. die besten Kandidaten zu einem Vorstellungsgespräch, das ggf. mit einem Eignungstest oder Assessment Center kombiniert wird, einzuladen. Zielsetzung des Vorstellungsgesprächs ist es, die Könnens- und Wollenskomponenten des Bewerbers im Hinblick auf das Jobangebot zu betrachten.
5.4 Personalauswahl und -integration – Optimierung der Bewerberakzeptanz
Bewerbungserhalt
Bewerbungsverarbeitung
Gezielte Bewerbung
Bewerbungsanalyse (Screening)
605
Bewerbungsabschluss
Zusage
Anforderungsprofil : Qualifikationsprofil Abgleich (Scan)
Per Internet oder per Brief • Einscannen • oder Retour
Initiativbewerbung
Bewerbungspool
Einladung zum Gespräch Absage Bewerbungsgespräch
Empfehlungsbewerbung
Personalabteilung
Absage
Personalabteilung Fachabteilung
Ggf. mehrere Bewerbungsgespräche, Tests oder Assessment Center
Personalabteilung
[Quelle: LIPPOLD 2014, S. 154]
Abb. 5-19:
Personalauswahlprozess (Schema)
Das Interview dient darüber hinaus der Klärung von Details aus dem Lebenslauf. Letztlich soll im Einstellungsinterview festgestellt werden, ob der Bewerber auch tatsächlich zum Unternehmen passt, wobei emotionale Komponenten, aber auch rein äußerliche Merkmale durchaus eine Rolle spielen. Das Einstellungsinterview soll auch die Bewerber über das Unternehmen selbst, über die Anforderungen des Jobs und die Einsatzgebiete informieren. Ist die endgültige Personalauswahlentscheidung (nach einem finalen Abgleich des Anforderungsprofils mit dem Eignungsprofil des Bewerbers) getroffen, folgen Zusage und Vertragsunterzeichnung. Insert 5-17 zeigt beispielhaft konkrete Zahlen beim Bewerbungs- und Ausleseprozess einer Unternehmensberatung. 5.4.2 Instrumente der Personalauswahl Im Wesentlichen sind es drei Ausleseschwerpunkte, die die Grundlage für die Entscheidung bei der Auswahl externer Bewerber bilden [vgl. Jung 2006, S. 154]:
die detaillierte Prüfung der Bewerbungsunterlagen, die Durchführung von Bewerbungsgesprächen sowie ggf. die Durchführung von Einstellungstests.
5.4.2.1 Bewerbungsunterlagen
Zwar wird kaum eine Unternehmensberatung einen Bewerber ausschließlich aufgrund seiner Bewerbungsunterlagen einstellen, dennoch sind Bewerbungsunterlagen – unabhängig davon, ob schriftlich oder via Internet eingereicht – der Türöffner für das Vorstellungsgespräch. Die formalen Bewerbungsunterlagen umfassen üblicherweise folgende Dokumente:
Bewerbungsanschreiben Bewerbungsfoto (nur im deutschsprachigen Raum)
606
5. Personal und Management der Unternehmensberatung
Lebenslauf (i. d. R. tabellarisch) Schul- und Ausbildungszeugnisse Arbeitszeugnisse Leistungsnachweise (Zertifikate)
Weitere Dokumente wie Personalfragebogen, Referenzen oder Arbeitsproben sind nicht immer erforderlich. Das Bewerbungsschreiben, der Lebenslauf sowie beigefügte Arbeitszeugnisse haben dabei die größte Aussagekraft.
Insert Beispiel für eine Bewerberpipeline Consulting
1,6% 9% 33%
Bewerber
54%
ca. 1.100 Kandidaten (= ca. 3.300 Interviews)
ca. 12.000 Bewerbungen
370
Selektierte Kandidaten
Technology
Angebote
200
Neueinstellungen
4,3% 15% 48% 53%
10.555 Bewerbungen
Bewerber
1.561 Kandidaten
Selektierte Kandidaten
755
Angebote
400
Neueinstellungen
[Quelle: Bewerberpipeline von Capgemini 2007]
Wie eine Auswertung der Bewerber-Pipeline von Capgemini Consulting aus dem Jahre 2007 für die Unternehmensbereiche ‚Consulting‘ und ‚Technology‘ beispielhaft zeigt, wird nur ein Bruchteil (neun bzw. 15 Prozent) der eingegangenen Bewerbungen für ausreichend qualifiziert erachtet, um eine anschließende Einladung zu einem Vorstellungsgespräch zu bekommen. Das Praxisbeispiel zeigt aber auch, dass die Chancen nach einem absolvierten Vorstellungsgespräch deutlich zunehmen, einen Arbeitsvertrag zu erhalten (33 bzw. 48 Prozent). Insgesamt – so das Beispiel – kommt auf 60 Bewerbungen im ‚Consulting‘ aber nur ein Arbeitsvertrag. Im Technology-Bereich ist jede 26. Bewerbung erfolgreich.
Insert 5-17:
Andere Untersuchungen zeigen, dass die hier errechnete Relation von Eingeladenen zu Bewerbern in Höhe von 1:11 durchaus nicht außergewöhnlich ist. So ergab eine Befragung von 47 deutschen Großunternehmen zur Rekrutierung von Hochschulabsolventen eine Relation von 1:6. Bei besonders attraktiven Unternehmen ist die Relation aus Bewerbersicht noch deutlich ungünstiger. Und Anfang der 1990er Jahre führten bei der Deutschen Unilever rund 6.000 Bewerbungen im Nachwuchsbereich zu 400 Einladungen, was einer Relation von Eingeladenen zu Bewerbern von 1:15 entspricht [vgl. Weuster 2004, S. 97].
Praxisbeispiel zum Bewerbungs- und Ausleseprozess bei Capgemini
5.4 Personalauswahl und -integration – Optimierung der Bewerberakzeptanz
607
Das Anschreiben sollte die Motivation bzw. Beweggründe der Bewerbung nachvollziehbar widergeben. Mit der Analyse des Lebenslaufs sollen Informationen über die bisherigen Tätigkeitsfelder des Bewerbers und dem damit verbundenen Erfolg eingeholt werden. Schul- und Ausbildungszeugnisse sind – neben Auslandspraktika und Sprachkenntnissen – ein wichtiges Selektionskriterium. Arbeitszeugnisse können Hinweise auf das Arbeitsverhalten des Bewerbers geben und bestimmte Schlüsse auf die Eigenschaften des Bewerbers zulassen. Das Screening, d. h. die strukturierte Analyse der Bewerbungsunterlagen liefert erste Anhaltspunkte über die fachliche und persönliche Eignung des Bewerbers. Dieser Profilabgleich wird heutzutage zumeist anhand von Online-Formularen durchgeführt (Online-Profilabgleich). Einem sorgfältig durchgeführten Screening der Bewerbungsunterlagen kommt auch deshalb eine besondere Bedeutung zu, weil hier regelmäßig das größte Einsparungspotenzial im Zuge des im Allgemeinen sehr zeit- und kostenaufwendigen Personalauswahlprozesses zu finden ist. Daher verwundert es leider kaum, dass besonders die leicht quantifizierbaren Auswahlkriterien wie Schul- und Examensnoten die dominierende Rolle beim Screening spielen und somit – gerade in der Unternehmensberatung – immer nur sehr gute Noten als „Eintrittskarte“ zum Vorstellungsgespräch dienen. Überhaupt ist im Beratungsbereich der „Tunnelblick“ vieler Personalreferenten auf die Noten vielfach weder gerechtfertigt noch zielführend für das personalsuchende Unternehmen. Natürlich sind (Abschluss-) Noten nicht unwichtig, sie aber als einziges Zulassungskriterium zum persönlichen Vorstellungsgespräch zu missbrauchen, ist häufig kurzsichtig und wenig dienlich, um die richtigen Kandidaten für den ausgeschriebenen Job zu bekommen. Sportliche Bestleistungen, ein selbstfinanziertes Studium, ein Engagement als Schul- oder Studierendensprecher, Praktika oder Auslandsaufenthalte, die allesamt vielleicht zu einer etwas schlechteren Durchschnittsnote, aber auch zur Entwicklung der individuellen Persönlichkeit beigetragen haben, sollten den Unternehmen doch mindestens genau so viel Wert sein, wie die Noten mit der „Eins vor dem Komma“. Persönlichkeit kann man nicht lernen, Sprachen oder Mathematik sehr wohl. Im Insert 5-18 wird in diesem Zusammenhang die Frage gestellt, was besser für das Unternehmen ist: Ein loyaler, begeisterter Mitarbeiter mit gutem Sachverstand oder ein High Potential, der ob seiner geringen emotionalen Bindung ständig mit den Hufen scharrt und dem das nächste attraktive Angebot eines Headhunters herzlich willkommen ist. Eine Lösung könnte wie folgt aussehen: Wenn ein Unternehmen von 100 eingehenden Bewerbungen nur zehn Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einlädt, so gehen die 90 nicht eingeladenen Bewerber dem Unternehmen in aller Regel unwiederbringlich verloren. Also gilt es, mehr Bewerber einzuladen, mehr Bewerbungsgespräche zu führen. Anstatt 10 sollten es vielleicht 15 oder 20 Bewerber sein. Nur in den Vorstellungsgesprächen ist es dem suchenden Unternehmen möglich, in die Persönlichkeit des Bewerbers einzutauchen. Die Entgegnung, dass dann der Auswahlprozess auch doppelt so teuer wird, kann – ganz abgesehen von der spürbar besseren Qualität der Kandidaten – auch dadurch sehr leicht entkräftet werden, dass der Bewerbungsprozess aufgrund des zunehmenden Wegfalls von kostspieligen Printanzeigen ohnehin deutlich preiswerter geworden ist. Zudem lässt sich solch ein Vorselektionsprozess auch wunderbar outsourcen. Personalberater mit ihrem enormen Erfahrungspotenzial und ihrer Menschenkenntnis stehen zur Genüge vor der Tür.
608
Insert 5-18:
5. Personal und Management der Unternehmensberatung
High Potentials – die Condottieri unserer Zeit
5.4 Personalauswahl und -integration – Optimierung der Bewerberakzeptanz
609
5.4.2.2 Vorauswahl
Vor einem Auswahlprozess ist die grundlegende Frage zu beantworten, wie man aus der Fülle an eingegangenen Bewerbungen die richtigen Kandidaten für das Auswahlverfahren ermittelt und welche Kriterien hierfür herangezogen werden. Die Vorauswahl ist ein sukzessiver Entscheidungsprozess, bei dem es darum geht, den optimalen Bewerber mit möglichst klar definierten Auswahlinstrumenten, die den oben erläuterten Ansprüchen der Objektivität, Reliabilität und Validität entsprechen, auszuwählen. Die Vorauswahl der eingeladenen Bewerber, die sich in einem Auswahlverfahren behaupten sollen, ist für die Besetzung der ausgeschriebenen Stelle von entscheidender Bedeutung. Ein Unternehmen ist aufgrund der hohen Personalkosten stets bestrebt denjenigen Bewerber auszusuchen, der von seinem Leistungsprofil dem Anforderungsprofil am besten entspricht und folglich den maximalen Mehrwert für das Unternehmen liefert. Jedoch ist gerade bei der Vorauswahl an Bewerbern die Schwierigkeit gegeben, bei Vorsortierung und Mengenreduzierung der sich bewerbenden Personen eine weiterhin überschaubare und sinnvoll prüfbare Anzahl an Bewerbern zu selektieren. Wenn ein Unternehmen von 100 eingehenden Bewerbungen nur zehn Bewerber einlädt, so gehen die 90 nicht eingeladenen Bewerber im Prozess der Personalauswahl dem Unternehmen in der Regel unwiederbringlich verloren. Nur eine sorgfältige Vorauswahl kann das Risiko einer Fehleinschätzung beziehungsweise Fehlbesetzung reduzieren [vgl. Krüger 2002, S. 194]. Die Vorauswahl erfolgt oftmals nach dem bekannten Muster der ABC-Analyse. A Bewerber erscheinen dem Personalmanagement nach Durchsicht der vorliegenden Unterlagen als „gut geeignet“, B erscheinen als „mit Abstrichen geeignet“ und C als offensichtlich „ungeeignet“. Fraglich ist, durch welche Erwägungen die ABC-Analyse zustande kommt und inwiefern im Rahmen der Optimierung die Vorauswahl verbessert werden kann. Zudem wird eine Reduzierung der Bewerber auf eine realistisch prüfbare Anzahl von Bewerbungsunterlagen häufig an Assistenten und Sekretärinnen delegiert, die am weiteren Auswahlverfahren nicht beteiligt und folglich für das Endergebnis auch nicht verantwortlich sind [vgl. Weuster 2004, S. 98]. Dieser Mangel an Verantwortung der Vorauswahlverantwortlichen führt naturgemäß zu einer geringen persönlichen Motivation für eine valide Vorauswahl. So kann es passieren, dass innerhalb von wenigen Sekunden entschieden wird, ob Bewerber weiter beachtet oder abgelehnt werden. Sicherlich gehen den Unternehmen viele geeignete Bewerber verloren, die nur aufgrund formeller Kriterien nicht in die engere Auswahl der Personalentscheider gekommen sind. Inwiefern Bewerberunterlagen bei einem solch geringen Zeitaufwand in der Vorauswahl nach objektiven Kriterien analysiert werden können, ist fraglich [vgl. Schmitt/Werth 1998, S. 16 ff.]. Insert 5-19 zeigt sehr deutlich, dass die Zeit, die Bewerber in die Erstellung ihrer Bewerbungsunterlagen stecken, in keinem Verhältnis zu der von den Personalverantwortlichen eingesetzten Zeit für die Durchsicht der Bewerbungsunterlagen steht. So wird für die Hälfte aller Bewerbungen nicht mehr als vier Minuten zur Durchsicht einer Online- oder Papier-basierten Bewerbung aufgewendet. Des Weiteren darf unterstellt werden, dass die Vorauswahl unvermeidlich durch sachfremde Überlegungen oder gar Vorurteile des Verantwortlichen beeinflusst wird, da jede Entscheidung subjektiv durch Erfahrungswerte mitgeprägt ist. Es ist deshalb zu empfehlen, die Verantwortung der Personalvorauswahl in die Hände mehrerer Personen zu legen, welche diese
610
5. Personal und Management der Unternehmensberatung
unabhängig voneinander vornehmen. Dabei sollte vorher eine Vereinheitlichung der Vorgehensweise festgelegt werden. In der Praxis ist die Verantwortlichkeit des Personalauswahlprozesses zwischen Personal- und Fachabteilung aufgeteilt. Üblicherweise nimmt die Personalabteilung eine erste grobe Sichtung vor, in der offensichtlich ungeeignete Kandidaten aussortiert werden und leitet diese dann an die entsprechende Fachabteilung weiter. Dabei steigt der Einfluss der Personalabteilung auf die Vorauswahl mit der Unternehmensgröße. Bei der Einladungsentscheidung allerdings dominiert die Fachabteilung das Entscheidungsergebnis [vgl. Weuster 2004, S. 99].
Insert Wie viel Zeit nehmen sich Recruiter für die Durchsicht einer Bewerbung? 20% 15% 10% 5% 0%
[Quelle: ICR Recruiter Survey 2012]
In einer Befragung durch das ICR (Institute for Competitive Recruiting) geben mehr als die Hälfte von 238 Personalverantwortlichen an, sich vier Minuten oder weniger Zeit für die Durchsicht einer Bewerbungsmappe zu nehmen. Weniger als fünf Prozent nehmen sich mehr als 15 Minuten Zeit. Etwa ein Drittel der Befragten nehmen sich weniger als drei Minuten Zeit für die Vorauswahl. Hinsichtlich der Unternehmensgröße des Personal suchenden Unternehmens stellt die Studie fest, dass sich kleinere Unternehmen mit weniger als 100 Mitarbeitern durchschnittlich mehr Zeit für die Vorauswahl nehmen als dies bei größeren Unternehmen der Fall ist. Zudem geben mehr als 60 Pro-zent der Personalverantwortlichen in Unternehmen mit 25.000-50.000 Mitarbeitern an, sich für ein erstes Screening lediglich 1-2 Minuten Zeit zu nehmen. Personalverantwortliche in Unternehmen mit mehr als 50.000 Mitarbei-
Insert 5-19:
tern geben an, im Durchschnitt doppelt so viel Zeit auf die Durchsicht der eingesendeten Unterlagen zu verwenden. Die Ergebnisse der ICR-Befragung können nicht bestätigen, dass sich die Berufserfahrung im Recruiting auf die Bearbeitungszeit für eine Bewerbung auswirkt beziehungsweise eine erhöhte Berufserfahrung die Bearbeitungszeit signifikant verkürzt. Zwar gibt die Mehrheit der Personalverantwortlichen mit längerer Berufserfahrung an, dass sie nicht mehr als 3-4 Minuten für die Durchsicht einer Bewerbung benötigt. Aber auch knapp die Hälfte der Recruiter mit weniger als einem Berufsjahr Erfahrung nehmen sich nicht mehr als vier Minuten Zeit für das Screening. Überdurch-schnittlich viele Recruiter (25 Prozent) mit 1-2 Jahren Berufserfahrung geben an, 9-10 Minuten und mehr für die Bewerbungsdurchsicht zu benötigen.
Durchschnittliche Zeit für Durchsicht einer Bewerbungsunterlage
5.4 Personalauswahl und -integration – Optimierung der Bewerberakzeptanz
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5.4.2.3 Bewerbungsgespräch
Das Bewerbungsgespräch (oder Vorstellungsgespräch oder Einstellungsinterview) ist das verbreitetste Instrument der Personalauswahl. Mit dem Bewerbungsgespräch werden mehrere Ziele verfolgt: Das Unternehmen wird versuchen, die Einstellungen, Zielvorstellungen und Werte des Bewerbers kennenzulernen und ggf. offengebliebenen Fragen aus den Bewerbungsunterlagen nachzugehen. Hier geht es vor allem darum, über die offensichtlichen Eigenschaften des bzw. der Kandidaten wie Ausbildung, Noten, Erfahrung und Wissen hinaus möglichst tief in jene Eigenschaften einzutauchen, die das Unternehmen erst später zu spüren bekommt. Dies sind u.a. so wichtige Eigenschaften wie Interessen, Talente, Werte, Gewissenhaftigkeit, Teamorientierung, Intelligenz, Motivation, Loyalität und Lernfähigkeit. Das Einstellungsgespräch ist mit einem Eisberg zu vergleichen: Bestimmte Eigenschaften des Kandidaten sind offensichtlich, die Mehrzahl der Eigenschaften liegt aber unter der Oberfläche (siehe Abbildung 5-20). Die Aussagefähigkeit von Interviews lässt sich durch Steigerung des Strukturierungsgrades sowie durch die Schulung und den Einsatz mehrerer Interviewer erhöhen. Auch ist es durchaus üblich, mehrere Interviews mit unterschiedlichen Gesprächspartnern (auch an verschiedenen Tagen und Orten) durchzuführen. Selbst bei Einstiegspositionen für Hochschulabsolventen sind durchschnittlich drei Bewerbungsgespräche üblich. Erfahrung
Was das Unternehmen zu sehen bekommt
Wissen
Noten Ausbildung Interessen
Talente
Werte Gewissenhaftigkeit Intelligenz
Teamfähigkeit
Was das Unternehmen zu spüren bekommt
Motivation
Integrität/Loyalität Lernfähigkeit
[Quelle: Frintrup 2006, S. 5]
Abb. 5-20:
Das Eisberg-Modell des Vorstellungsgesprächs
Die Gesprächsanteile beim Bewerbungsgespräch liegen zu etwa 80 Prozent beim Bewerber und lediglich zu 20 Prozent beim potenziellen Arbeitgeber. Übliche Fragen sind:
„Wie sind Sie auf unser Unternehmen gestoßen?“ „Warum haben Sie sich gerade bei unserem Unternehmen beworben?“ „Was spricht Sie bei dem ausgeschriebenen Job besonders an?“ „Warum sind gerade Sie für den Job besonders geeignet?“ „Warum wollen Sie den Arbeitsplatz wechseln?“ „Wie gehen Sie mit Stresssituationen um?“
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5. Personal und Management der Unternehmensberatung
„Welche Stärken (bzw. Schwächen) schreiben Ihnen Freunde zu?“ „Was war Ihr bislang größter beruflicher Erfolg/Misserfolg?“ „Welche Gehaltsvorstellungen haben Sie?“ „Wie hoch ist Ihre Bereitschaft, einen Teil Ihres Einkommens zu variablisieren?“ „Welche Hobbys betreiben Sie?“
Ebenso wird der Bewerber im Vorstellungsgespräch versuchen, sich ein genaues Bild über das Unternehmen, die Arbeitsbedingungen, die Arbeitsplatzgestaltung sowie über die Entwicklungsmöglichkeiten zu machen. Da der besonders qualifizierte Bewerber zumeist die Wahl zwischen Angeboten mehrerer Unternehmen hat, erwartet er konkrete und glaubwürdige Antworten auf seine Fragen [vgl. Jung 2006, S. 168]. Während bei der Analyse der Bewerbungsunterlagen also generell mehr „harte“ (also quantitative) Auswahlkriterien im Vordergrund stehen, sind es beim Bewerbungsgespräch überwiegend „weiche“ (also qualitative) Faktoren. Dies belegt auch eine Umfrage des ResearchUnternehmens CRF Institute bei den Top-Arbeitgebern Deutschlands (siehe Insert 5-20).
Insert Wichtige Einstellungskriterien beim Bewerbungsgespräch Persönlichkeit
88%
Kommunikationsfähigkeit
73%
Praktische Erfahrungen
51%
Art und Standort der Hochschule
43%
Sprachkenntnisse
27%
Auslandserfahrung/-aufenthalt
16%
Kreativität
14%
Außeruniversitäres Engagement
11%
Schul- und Abschlussnoten
10%
Studiendauer
Mehrfachnennungen
3% 0%
20%
40%
60%
80%
100%
Frage: Welches sind Ihre wichtigsten Einstellungskriterien beim Bewerbungsgespräch? Die Darstellung zeigt die wichtigsten Einstellungskriterien, die Personaler beim Bewerbungsgespräch anlegen. Dabei überrascht es kaum, dass der komplexe Begriff der „Persönlichkeit“ das wichtigste Einstellungskriterium darstellt. Es überrascht auf dem ersten Blick aber sehr wohl, dass die Schul- und Abschlussnoten eine derart geringe Bedeutung beigemessen wird. Hierbei ist allerdings zu berück-sichtigen, dass es sich bei den
Insert 5-20:
Kandidaten um Bewerber handelt, die bereits die erste Stufe der Selektion, nämlich das Screening erfolgreich bestanden haben. Bei einem solchen Screening werden deutlich mehr „harte“ als „wieche“ Kriterien für die (Vor-)Auswahl herangezogen, wobei die Schul- und Abschlussnoten nach wie vor die „härtesten“ Selektionskriterien darstellen. [Quelle: Pressemitteilung des CRF Institute vom 19.02.2010]
Einstellungskriterien bei Hochschulabsolventen und Young Professionals
Einige sehr radikale, aber durchaus ernst zu nehmende Empfehlung für den Personalauswahlauswahlprozess speziell von Führungs- und Führungsnachwuchskräften sind in Insert 5-21 (etwas verkürzt) wiedergegeben. Der Autor dieser Empfehlungen ist Partner und Geschäftsführer bei dem internationalen Beratungsunternehmen Accenture.
5.4 Personalauswahl und -integration – Optimierung der Bewerberakzeptanz
613
Insert Radikalkur in der Personalauswahl von Torsten Schumacher Ein Schlagwort hat Geschichte gemacht: „War for talents“ ist ein Begriff, der zugleich Entschlossenheit, martialische Nachdrücklichkeit und Siegeswillen ausstrahlt. Doch ein realistischer Blick in den Alltag des Personalgeschäfts lässt einen häufig erschaudern. Die Personalauswahl befindet sich – so die Auffassung des Autors – in zu vielen Unternehmen in einem schlechten Zustand. Die folgenden sieben Empfehlungen stellen die Praxis der Personalauswahl auf den Kopf. Wer sie beherzigt, wird nach Meinung des Autors eine weitgehend unentdeckte Quelle für Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit in der Personalbeschaffung erschließen. 1. Empfehlung: Glaubwürdigkeit statt Übertreibung Fragt man die Personalrecruiter nach den Eigenschaften, die eine Führungskraft auf sich vereinigen sollte, so hören sich die Antworten regelmäßig wie das „Einmaleins zum Universalgenie“ an, zum Beispiel: unternehmerisch denken, teamorientiert, empathisch, sensibel, durchsetzungsstark, entscheidungsfreudig, visionär, kommunikativ, begeisterungsfähig, begeisternd, sozial ausgerichtet, multikulturell. Die in den Personalabteilungen vorherrschende Meinung, dass Top-Leute eine Mischung aus Nobelpreisträger für Mathematik, Oberstleutnant und Show-Master sein müssten, ist allerdings nicht nur auf Führungskräfte beschränkt, sondern auch bei Hochschulabsolventen liegt die Latte für den Wunschkandidaten ziemlich hoch: 25 Jahre, hat in zwei Ländern studiert, diverse Praktika absolviert, spricht natürlich verhandlungssicheres Englisch (99 Prozent der Absolventen haben noch nie eine Verhandlung in englischer Sprache führen können), ist in verschiedenen Institutionen sozial, kulturell oder sonst wie engagiert und hat natürlich eine erste zwei- bis dreijährige berufliche Praxis erfolgreich hinter sich gebracht. Drehen wir mal den Spieß herum. Für mich scheinen diejenigen Unternehmen glaubwürdig, die diese Immer-schneller-höher-weiter-Spirale nicht mitmachen und ambitionierte, aber eben auch realistische Erwartungen formulieren. 2. Empfehlung: Assignments statt Stellen Die Personalauswahl wird in der Praxis auf Basis einer falschen Fragestellung durchgeführt. Diese lautet: Welcher Kandidat passt am besten zu der offenen Stelle und der dazugehörigen Stellenbeschreibung? Ich habe in meiner Arbeit kaum etwas finden können, das so überflüssig und nichtssagend ist wie Stellenbeschreibungen. Schon der Begriff ist vielsagend: eine Stelle steht, ist unbeweglich, starr und statisch. Entsprechend sind auch die Stellenbeschreibungen statisch und zudem unverständlich. Statt dessen empfehle ich, den Blick auf Assignments zu lenken. Also: welche spezifische Aufgabe stellt sich für den nächsten überschaubaren Zeithorizont und welche Ergebnisse sind zu erwarten? 3. Empfehlung: An Stärken orientieren Wenn die Mitarbeiter ihre individuellen Stärken nicht zur Geltung bringen können, hat dies vier fatale Folgen: die Stärken werden relativ schwächer, die Motivation geht in den Keller, Zynismus droht um sich zu greifen, und schließlich verlassen die besten Leute das Unternehmen. Die hiermit einhergehenden Kosten sind „verdeckt“; ihre Größenordnung wird in den meisten Fällen unterschätzt oder gar nicht erkannt. Für eine Umkehr der betrieblichen
Praxis lautet die Leitfrage: „Was fällt Ihnen leicht?“ Die wesentliche Gestaltungsaufgabe besteht darin, vorhandene Aufgaben mit individuellen Stärken weitgehend zur Deckung zu bringen. 4. Empfehlung: Kanten statt Rundungen Statt Leute mit ausgeprägten Stärken für Führungsaufgaben einzusetzen, werden die Kandidaten mit den geringsten Schwächen ausgewählt. So sind die Unternehmen voller „abgerundeten Persönlichkeiten“ – dermaßen abgerundet, dass keine Idee und kein wirksamer Vorschlag an einer Kante hängenbleiben. Mittelmäßigkeit ist programmiert. Entscheiden Sie sich auch und gerade in der Personalauswahl für Vielfalt statt Konformität. 5. Empfehlung: Performance statt Potenziale Potenziale, die bei der Besetzung von Führungsaufgaben eifrig aufgespürt werden, sind zunächst nur vage Erwartungen; Hoffnungen auf Leistungen, die der Kandidat später einmal erbringen könnte. Oder auch nicht. Woraus aber wird das abgeleitet? Konzentrieren Sie sich bei der Auswahl für Führungsaufgaben auf die tatsächlichen Leistungen, die der Kandidat bisher erbracht hat, und überlassen Sie die Potenzialeinschätzung Ihren Wettbewerbern. Achten Sie dabei auf die (maximal zwei Prozent) Bewerber, die einen Lebenslauf schreiben, der Ergebnisse und nicht Positionen in den Mittelpunkt stellen. Dies sind die besonders wirksamen Führungskräfte. 6. Empfehlung: Einstellungen statt Sachkenntnisse Immer noch werden in der Mehrzahl der Auswahlverfahren die falschen Fragen gestellt. Gefragt wird nach den fachlichen Fähigkeiten des Bewerbers. Seine Sachkompetenz, die inhaltliche Überzeugung stehen im Mittelpunkt. Darauf kommt es jedoch primär nicht an. Wichtiger als Sachkenntnisse sind Einstellungen, Sensibilitäten, Verhaltensmuster und Prägungen, Grundannahmen und innere Einstellungen, insbesondere zur Selbstverantwortung. Hierdurch entscheidet sich, ob die Führungskraft einen substantiellen Beitrag zur Weiterentwicklung des Unternehmens liefern wird. 7. Empfehlung: Professionelle Auswahl statt Reparaturzirkus Personalentwicklung Schichten Sie Geld und Zeit um von der Personalentwicklung hin zur Personalauswahl. Investieren Sie mehr Zeit und Geld in die Auswahl Ihres wichtigsten Assets. Je erfolgreicher eine Organisation bei der Personalauswahl ist, desto weniger Zeit, Energie und Geld ist für spätere, oft mühsame Maßnahmen für Personalentwicklung, Trainings, Anpassungsmaßnahmen, Umorganisationen oder, nicht selten, vorzeitigen Trennungen erforderlich.
[Quelle: FAZ vom 14.08.2006, S. 18]
Insert 5-21:
„Radikalkur in der Personalauswahl“
614
5. Personal und Management der Unternehmensberatung
5.4.2.4 Assessment Center
Mit der Einstellung von neuen Mitarbeitern sind erhebliche Investitionen verbunden. Da die Ergebnisse des Vorstellungsgesprächs u. U. nicht die notwendige Entscheidungssicherheit beispielsweise über Fragen der Einordnungsfähigkeit in ein Team oder Fragen der Persönlichkeitsentwicklung gewährleisten, führen Unternehmensberatungen Testverfahren durch, die eine bessere Bewerberbeurteilung erlauben sollen. Ein besonders differenziertes Auswahlverfahren, in dem mehrere eignungsdiagnostische Instrumente und Techniken bzw. Aufgaben zusammengestellt werden und das vornehmlich bei Hochschulabsolventen, Nachwuchsführungskräften und Führungspersonal eingesetzt wird, ist das Assessment Center (kurz auch als AC bezeichnet). Das Assessment Center hat sich (mit unterschiedlicher Intensität) in nahezu allen größeren Unternehmensberatungen etabliert, wenn auch teilweise unter alternativen Bezeichnungen wie Personalauswahlverfahren, Recruiting Center, Bewerbertag, Potenzialanalyse-Tag, Development Center oder Personal Decision Day. Teilnehmern an einem Assessment Center traut man die fachliche Bewältigung des neuen Aufgabenbereichs zu. Nun möchte der potenzielle Arbeitgeber erfahren, ob der Teilnehmer sein Wissen auch anwenden kann und die notwendige soziale Kompetenz für den neuen Job mitbringt. Darunter fallen vor allem zwischenmenschliche, analytische und administrative Fähigkeiten sowie das Leistungsverhalten [vgl. Hagmann/Hagmann 2011, S. 9 ff.]. Die Teilnehmer eines Assessment Center müssen zahlreiche Aufgaben und Übungen absolvieren und Prüfungen erfolgreich bestehen, damit auch alle notwendigen Qualifikationen abgefragt werden können. Die Teilnehmer werden dabei von mehreren Beobachtern (Verhältnis 2:1) beurteilt bzw. bewertet (engl. to assess). Verhaltensorientierung, Methodenvielfalt, Mehrfachbeurteilung und Anforderungsbezogenheit sind Aspekte, die ein Assessment Center zur aufwendigsten und anspruchsvollsten Form des Gruppengesprächs machen. Eingesetzt wird das Verfahren auch für die (interne) Personalbeurteilung, Laufbahnplanung, Potenzialbeurteilung und Trainingsbedarfsanalyse. Individuelle Arbeitsproben, Gruppendiskussion mit oder ohne Rollenvorgabe, Präsentationen, Rollenspiele, Fallstudien, Schätzaufgaben, Postkorbübungen, Planspiele, Konstruktionsübungen, Selbst- und Fremdeinschätzung, Interviews sowie Fähigkeits- und Leistungstests sind häufig eingesetzte Bausteine im Assessment Center. Trotz aller Weiterentwicklung und zahlreicher psychologischer Begleitstudien steht das Assessment Center weiterhin in der Kritik. Dabei werden aber nicht das Auswahlverfahren und die eingesetzten Bewertungsbausteine an sich kritisiert. Beanstandet wird vielmehr, dass das Verfahren die in ihm gesetzte Erwartung nicht erfüllt und somit eine Trefferquote und Sicherheit bei der Auswahl suggeriert, die nicht unbedingt zutreffen muss [vgl. Hagmann/Hagmann 2011, S. 9]. 5.4.2.5 Unterstützung durch Bewerbermanagementsysteme
Bewerber erwarten heutzutage nutzerfreundliche Suchmöglichkeiten nach Stellenangeboten auf der Karriereseite der Unternehmen, in den Internet-Jobbörsen oder in den einschlägigen sozialen Medien. Im Vordergrund stehen dabei einfache Bewerbungsmöglichkeiten, eine Eingangsbestätigung sowie eine jederzeitige Auskunftsmöglichkeit, wie es denn um ihre Bewer-
5.4 Personalauswahl und -integration – Optimierung der Bewerberakzeptanz
615
bung steht. Um diesen externen Anforderungen der Bewerber einerseits und den internen Anforderungen an die Messung der Prozessqualität andererseits gerecht zu werden, setzen viele Unternehmen verstärkt IT-gestützte Systeme für das Bewerbermanagement ein. Eine Untersuchung zum Wertbeitrag von Bewerbermanagementsystemen zeigt, dass durch den Einsatz dieser Systeme primär Zeitreduktionen innerhalb einzelner Prozessabschnitte der Personalbeschaffung und eine Kostenreduktion für die interne Bearbeitung von Bewerbungen erreicht werden. Eine Verbesserung der Qualität der eingestellten Wunschkandidaten kann hingegen nicht realisiert werden. Auch die Unternehmensgröße hat keinen Einfluss auf den Wertbeitrag der Bewerbermanagementsysteme [vgl. Eckardt et al. 2012, S. 88]. 5.4.3 Rekrutierungsunterschiede zwischen Strategie- und IT-Beratung Die zentrale Ressource aller Beratungsunternehmen ist hochqualifiziertes und motiviertes Personal. Bei der Intensität, mit der die einzelnen Rekrutierungsinstrumente eingesetzt werden, gibt es kaum Unterschiede zwischen einer Strategieberatung oder einer IT-Beratung; die Rekrutierungsintensität hängt vielmehr von der Unternehmensgröße ab, d. h. kleinere Beratungsfirmen nutzen nahezu ausschließlich die Stellenanzeige, während größere Unternehmen das gesamte Spektrum der Signalisierungs- und Kommunikationsinstrumente (einschließlich Jobmessen, Vergabe von Praktika, Hochschulkontakte etc.) anwenden. Die Unternehmensgröße beeinflusst auch die Komplexität des Auswahlverfahrens, gleichwohl spielt hierbei auch der Beratungsschwerpunkt eine Rolle. So ist die Akzeptanzquote, d. h. die Anzahl der in der Vorauswahl bzw. in der Endauswahl als geeignet akzeptierten Bewerber zur Gesamtzahl aller Bewerber, in der Strategieberatung teilweise deutlich geringer als in der IT-Beratung (siehe auch Insert 5-17). Auch ist der Auswahlprozess in der Strategieberatung zumeist deutlich aufwändiger, wobei die Gründe neben den höheren Anforderungen an Bewerber auch im angestrebten Eliteimage liegen [vgl. Nissen/Kinne 2008, S. 99]. Unterschiede gibt es auch bei den Studienrichtungen der rekrutierten Hochschulabsolventen. Im Bereich der IT-Beratung sind es neben Betriebswirten vor allem Informatiker und zunehmend auch Mathematiker, Ingenieure oder Physiker. In der Strategieberatung hingegen haben knapp die Hälfte der Berater keinen betriebswirtschaftlichen Abschluss, sondern Medizin, Jura, Natur- und Geisteswissenschaften studiert [vgl. Baumbach 2007, S. 54 und Hofmann 2007, S. 60]. Auch bei der Karriereförderung lassen sich Unterschiede zwischen Strategie- und IT-Beratungen ausmachen. Das vorherrschende Karriereprinzip bei McKinsey, Boston Consulting und Co. ist das Up-or-Out-Prinzip. Danach soll die nächsthöhere Karrierestufe (engl. Grade) innerhalb eines vorgegebenen Zeitraums erreicht werden, ansonsten muss der Berater das Unternehmen verlassen. Der IT-Berater hingegen orientiert sich eher am Prinzip Grow-or-Die, d. h. der Mitarbeiter entwickelt sich mit dem Unternehmen weiter und steigt in der Hierarchie nach oben. Andernfalls bleibt der Berater auf der erreichten Stufe stehen, ohne dass eine zwangsweise Freisetzung erfolgt [vgl. Nissen/Kinne 2008, S. 100]. In Abildung 5-21 sind wichtige personalpolitische Merkmale von Strategieberatung und ITBeratung gegenübergestellt.
616
5. Personal und Management der Unternehmensberatung
Kriterium
Strategieberatung
IT-Beratung
Intensität der Rekrutierungsinstrumente
Größenabhängig
Größenabhängig
Akzeptanzquote
Sehr niedrig
Niedrig
Komplexität des Auswahlverfahrens
Komplex, aufwändig
Einfacher gehalten
Studienfächer
Sehr gemischt
Überwiegend BWL und Informatik
Image-Fokus
Elite
IT-Dienstleister
Karriereprinzip
Up-or-Out
Grow-or-Die
[Quelle: Nissen/Kinne 2008, S. 102]
Abb. 5-21:
Gegenüberstellung personalpolitischer Merkmale
5.4.4 Personalintegration Der Übergang zwischen den Phasen der Personalbeschaffungskette und der Phasen der Personalbetreuungskette wird durch die Personalintegration gekennzeichnet. Hier treffen Bewerber und Unternehmen nach einem positiv verlaufenen Auswahlprozess aufeinander, um das geschlossene Arbeitsverhältnis in eine für beide Seiten gedeihliche Zusammenarbeit umzusetzen. Die Personalintegration beschreibt die Einarbeitung des Mitarbeiters in die Anforderungen des Unternehmens. Sie ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor dafür, dass der Neueinsteiger von Beginn an die an ihn gestellten Erwartungen erfüllt. Gleichzeitig erwartet aber auch der Mitarbeiter, dass seine im oben skizzierten Auswahl- und Entscheidungsprozess aufgebaute Erwartungshaltung gefestigt wird. Die Erfahrungen der Integrationsphase entscheiden sehr häufig über die zukünftige Einstellung (Loyalität) zum Unternehmen und prägen den weiteren Werdegang als Mitarbeiter. Daher sollte dem Neueinsteiger gerade in der ersten Zeit ein hohes Maß an Aufmerksamkeit geschenkt werden [vgl. DGFP 2006, S. 80]. Wie Erfahrungen in der Praxis allerdings immer wieder zeigen, lässt sich bei vielen Unternehmen gerade in der Integrationsphase ein großes Verbesserungspotenzial erkennen. Hier geht es vor allem darum, der besonderen Situation des neuen Mitarbeiters an seinem “ersten Tag“ gerecht zu werden. Da der neue Mitarbeiter in aller Regel mehrere Optionen bei der Wahl seines Arbeitgebers hatte, wird er Zweifel hegen, ob er die richtige Entscheidung getroffen hat. Dieses in der Sozialpsychologie als kognitive Dissonanz bezeichnete Phänomen tritt immer dann verstärkt auf, je wichtiger die Entscheidung, je ähnlicher die Alternativen, je dringlicher der Entschluss und je niedriger der Informationsstand ist. Somit kommt dem Arbeitgeber die Aufgabe zu, alle Anstrengungen zu unternehmen, um die kognitive Dissonanz des Mitarbeiters aufzulösen bzw. zu beseitigen. Unzufriedene und enttäuschte Neueinsteiger neigen dazu, das Unternehmen bereits in der Probezeit zu verlassen und dadurch hohe Fluktuationskosten zu verursachen. Typische Einführungsmaßnahmen, um den Grundstein für eine zukünftige und nachhal-
5.4 Personalauswahl und -integration – Optimierung der Bewerberakzeptanz
617
tige Mitarbeiterbindung zu legen, sind Einarbeitungspläne, Einführungsseminare und Mentorenprogramme. Die Vorbereitung und Aushändigung eines Einarbeitungsplans, der Termine mit wichtigen Gesprächspartnern, bestehende Arbeitsabläufe, Organigramme, Informationen über Standorte und Abteilungen etc. enthält, sollte für jeden neuen Arbeitgeber obligatorisch sein. Eine der wirksamsten Maßnahmen ist es, den neuen Mitarbeiter am ersten Tag nicht direkt an seinen neuen Arbeitsplatz „zu setzen“, sondern ihn im Rahmen eines Einführungsseminars zusammen mit anderen neuen Mitarbeitern willkommen zu heißen und über die besonderen Vorzüge des Unternehmens nachhaltig zu informieren. Das speziell für neue Mitarbeiter ausgerichtete Einführungsseminar wird von international orientierten Unternehmen sehr häufig als Onboarding bezeichnet. Insert 5-22 zeigt die Beschreibung zweier alternativer Situationen, wie sie neue Mitarbeiter an ihrem ersten Arbeitstag in der neuen Firma erleben können.
Insert 5-22:
Mein erster Schultag
618
5. Personal und Management der Unternehmensberatung
Ein Onboarding kann durchaus mehrere Tage umfassen und sollte von der Geschäftsleitung und dem Personalmanagement begleitet werden. Es vermittelt Kontakte über die Grenzen der eigenen Abteilung hinaus und fördert ein besseres Verständnis der Zusammenhänge von Personen und Prozesse im Unternehmen. Die neuen Mitarbeiter erfahren dadurch eine besondere Anerkennung, werden in ihrer Auswahlentscheidung bestärkt und für die weitere Arbeitsphase motiviert. In Abbildung 5-22 sind die einzelnen Phasen und Vorzüge einer motivierenden Einarbeitung und Einführung neuer Mitarbeiter dargestellt. Im Anschluss an das Onboarding ist es sinnvoll, dem Neueinsteiger einen Paten (Mentor) an die Seite zu stellen, der die Einarbeitungszeit systematisch begleitet und bei Fragen und Problemen entsprechende Hilfestellung leistet. Ein Mentorenprogramm sollte mindestens bis zum Ablauf der Probezeit befristet sein. Erkennt das Unternehmen oder der neue Mitarbeiter, dass die Erwartungshaltungen nicht erfüllt worden sind bzw. der Mitarbeiter nicht für den Job geeignet ist, so ermöglicht die Probezeit eine sinnvolle Vereinfachung des Trennungsverfahrens [vgl. Jung 2006, S. 183].
Onboarding / Einführungsseminar
Vorbereitung auf den neuen Mitarbeiter
Begrüßung des neuen Mitarbeiters
Einführung in das Unternehmen und in die Organisationsstruktur
Einführung in den Aufgabenbereich
Periodische Fortschrittskontrolle
• Erzeugen eines Wir-Gefühls • Das Unternehmen kann sich von seiner besten Seite zeigen • Abbau der kognitiven Dissonanz • Networking denn der erste Eindruck prägt sich ein!
[Quelle: Lippold 2014, S. 166]
Abb. 5-22:
Prozess der Einführung und Einarbeitung neuer Mitarbeiter
5.4.5 Personaleinsatz Eine besondere Form der Personalintegration ist der Personaleinsatz (engl. Staffing), der gerade bei Unternehmensberatungen eine wichtige Rolle spielt. Bei dieser Form der Integration, die auch als Workforce Management bezeichnet wird, geht es nicht um den (Erst-) Einstieg in das Beratungsunternehmen, sondern um die Integration bzw. den Einsatz des (ggf. neuen) Mitarbeiters in einem Beratungsprojekt. Aus Unternehmenssicht geht es also letztlich darum, den richtigen Mitarbeiter mit der richtigen Qualifikation zur richtigen Zeit am richtigen Einsatzort im richtigen Projekt verfügbar zu machen. Grundsätzlich gibt es drei Ausgangssituationen für die Personaleinsatzplanung:
5.4 Personalauswahl und -integration – Optimierung der Bewerberakzeptanz
619
Personalbedarf = Personalverfügbarkeit. Die Übereinstimmung von Personalbedarf und Personalverfügbarkeit ist der Idealfall, der allerdings höchst selten eintritt.
Personalbedarf > Personalverfügbarkeit. Die Bedarfsunterdeckung kann entweder qualitativer oder quantitativer Art sein. Lässt sich diese Situation nicht ändern, so entgehen der Unternehmensberatung Umsätze und Gewinne.
Personalbedarf < Personalverfügbarkeit. Die Bedarfsüberdeckung kann ebenfalls entweder qualitativer oder quantitativer Art sein. Das Ergebnis ist eine geringere Auslastung bei gleichbleibenden Personalkosten.
Gerade bei größeren Beratungsunternehmen ist eine Planung mit dem Anspruch eines bedarfsoptimierten Personaleinsatzes ohne die Unterstützung leistungsstarker IT-Instrumente (Staffing Software) kaum möglich. Die richtige Anwendung solcher Systeme, in denen nicht nur die Qualifikationen, Erfahrungen und Fähigkeiten aller Berater verfügbar sind, sondern auch spezifische Arbeitszeitmodelle, Arbeitszeitwünsche und -orte mit Blick auf den demografischen Wandel berücksichtigt werden können, steigern Produktivität, Servicequalität und Mitarbeiterzufriedenheit. Ist der Personalbedarf größer als die Personalverfügbarkeit, so zeigen leistungsfähige StaffingSysteme Lösungen auf, die über das übliche Reaktionsverhalten in Form von Mehrarbeit, studentischen Aushilfskräften oder Zeitarbeit hinausreichen. Kann dagegen ein Auslastungsloch über einen längeren Zeitraum nicht „gestopft“ werden, so ist immer wieder das Phänomen zu beobachten, dass leistungsstarke, aber nicht unbedingt loyale Berater „mit den Füßen abstimmen“ und sich sehr schnell einen neuen Arbeitgeber suchen.
620
5. Personal und Management der Unternehmensberatung
5.5 Personalvergütung – Optimierung der Gerechtigkeit Der zweite Teil der zweigeteilten Personalmarketing-Gleichung, der auf die Personalbetreuung abzielt, beginnt mit der Bereitstellung von markt-, anforderungs- und leistungsgerechten Anreiz- und Vergütungssystemen (engl. Compensation & Benefits). Die zu zahlende Vergütung als materielle Gegenleistung für die Arbeitsleistung seiner Mitarbeiter ist für die Unternehmensberatung ein Kostenfaktor. Für den Berater ist die ausgezahlte Vergütung Einkommen, aber zugleich ein Leistungsanreiz. Leistungsfördernd ist die Vergütung aber nur dann, wenn sie vom Berater als gerecht empfunden wird. Die Personalvergütung zielt auf die Optimierung der Gerechtigkeit, die als Grundvoraussetzung für die Akzeptanz eines Anreiz- und Vergütungssystems bei den Mitarbeitern gilt. Daraus ergibt sich folgende Zielfunktion: Gerechtigkeit = f (Personalvergütung) → optimieren! Das Aktionsfeld Personalvergütung ist das erste Aktionsfeld der Prozesskette Personalbetreuung (siehe Abbildung 5-23).
Mitarbeiterkriterien
Wettbewerbsvorteil • Produkte • Leistungen • Fähigkeiten • Know-how • Kultur
+ Gerechtigkeit
Personalvergütung
+ Wertschätzung
Personalführung
+ Fairness + Förderung/Forderung
Personalbeurteilung
Personalentwicklung
Internes Personalmarketing
Aktionsfelder Sicht von innen
+ Erleichterung =
Vom Mitarbeiter honorierter Wettbewerbsvorteil
Personalfreisetzung
Mitarbeiterbindung
Personalbetreuung © Dialog.Lippold
Abb. 5-23:
Das Aktionsfeld Personalvergütung
Nicht wenige Personalverantwortliche von Beratungsunternehmen stellen das Entgelt – besonders unter dem Aspekt der Mitarbeiterbindung – als den entscheidenden Baustein des betrieblichen Anreiz- und Vergütungssystems heraus. Eine solch eindimensionale Betrachtung wird den unterschiedlichen Verhaltensmotiven der Mitarbeiter jedoch nicht gerecht. Eine Untersuchung von Towers Perrin zeigt, dass der entscheidende Bindungsfaktor augenscheinlich nicht so sehr die finanziellen (also materiellen) Anreize, sondern mehr die immateriellen Anreize wie Kommunikation von Karrieremöglichkeiten, Reputation des Arbeitgebers, ausreichende Entscheidungsfreiheit, Trainingsangebot, Work-Life-Balance u. ä. sind [vgl. Towers Perrin 2007]. Unternehmen, die hochqualifizierte Menschen gewinnen und an sich binden wollen, müssen Anreize bieten, die über die Bezahlung hinausgehen. Sinn stiftende Tätigkeiten, persönliche Entwicklungsmöglichkeiten, flexible Arbeitsmodelle und eine ansprechende Unternehmens-
5.5 Personalvergütung – Optimierung der Gerechtigkeit
621
kultur und -ethik sind einige Forderungen, die potenzielle Mitarbeiter heute stellen. Ein Unternehmen ist gut beraten, Antworten auf solche Forderungen zu haben und die Personalpolitik des Unternehmens mit einem entsprechenden Anreizsystem strategisch auszurichten. Ein umfassendes Anreizsystem, das sowohl materielle als auch immaterielle Anreize enthält und auf der extrinsischen und intrinsischen Motivation basiert, ist in Abbildung 5-24 dargestellt [siehe auch Thom/Friedli 2008, S. 26]. Intrinsische Motivation
Extrinsische Motivation
Materielle Anreize
Immaterielle Anreize Soziale Anreize
Finanzielle Anreize (Entgeltsystem)
Direkte finanzielle Anreize
Indirekte finanzielle Anreize (Zusatzleistungen)
Fixe Vergütung
Sozialleistungen
Sonstige Leistungen
Gesetzliche Tarifliche Freiwillige
z.B. • Sabbaticals • Firmenwagen • KinderBetreuung • AktienOptionen
Organisatorische Anreize
z.B. Variable Vergütung • Provisionen • Prämien • Boni • Erfolgsbeteiligung • Kapitalbeteiligung
(Fringe Benefits)
z.B. • Information/ Kommunikation • Anerkennung/ Status • Betriebsklima
• Führungsstil • Handlungsfreiräume
Die Arbeit selbst (Arbeitsinhalt)
• Arbeitszeitregelungen • Aufstiegs- und Karrierechancen • Standort
© Dialog.Lippold
Abb. 5-24: Elemente eines Anreiz- und Vergütungssystems
5.5.1 Funktionen der Personalvergütung Die Gestaltung des Vergütungssystems zählt zu den zentralen Herausforderungen des Personalmanagements. Für eine Unternehmensberatung sollte ein effektives und effizientes Vergütungssystem folgenden Funktionen gerecht werden [vgl. Stock-Homburg 2008, S. 328 f. und Locher 2002, S. 17 ff.]: Sicherungsfunktion. Hauptsächlich das Festgehalt (fixe Basisvergütung) trägt zur Sicherstellung der Grundversorgung des Beraters bei. Motivationsfunktion. Besonders den variablen Vergütungsbestandteilen wird ein hohes Motivationspotenzial im Beratungsgeschäft beigemessen. Steuerungsfunktion. Diese Funktion hat die Aufgabe, das Leistungsverhalten der Mitarbeiter auf bestimmte Ziele des Unternehmens (z. B. der verstärkte Umsatz von definierten Service Offerings) auszurichten. Als Steuerungsfunktion eignen sich die Ziele für die variablen Gehaltsanteile.
622
5. Personal und Management der Unternehmensberatung
Leistungssteigerungsfunktion. Stärkere Anreize können dazu führen, dass Mitarbeiter insgesamt ihre Leistung steigern. Selektionsfunktion. Bei relativ hohen variablen Gehaltsbestandteilen werden tendenziell leistungsorientiertere und risikofreudigere Berater angesprochen. Oftmals bewirken solche stark leistungs- bzw. erfolgsabhängigen Gehälter eine Selbstselektion (engl. Self Selection), die dazu führt, dass bestimmte Jobs nur mit besonders risikofreudigen Mitarbeitern besetzt sind. Bindungsfunktion. Ein als fair und attraktiv wahrgenommenes Vergütungssystem schafft Anreize für Führungskräfte und Mitarbeiter, im Unternehmen zu verbleiben. Kooperationsförderungsfunktion. Ein Vergütungssystem, das kooperative Verhaltensweisen (wie z. B. Teamarbeit) besonders honoriert, trägt zur Förderung der Zusammenarbeit bei. Der Wirkungsgrad der hier aufgezeigten Funktionen kann durch eine entsprechende Zusammensetzung und Ausgestaltung der Komponenten des Vergütungssystems beeinflusst werden. 5.5.2 Komponenten der Personalvergütung Die Gesamtvergütung (engl. Total Compensation) eines Mitarbeiters setzt sich aus folgenden grundlegenden Komponenten zusammen:
Fixe und variable Vergütung Zusatzleistungen.
Für das Personalmanagement in der Unternehmensberatung ist es nun wichtig zu erkennen, welche dieser Komponenten besondere Differenzierungsmöglichkeiten gegenüber anderen Arbeitgebern bieten. Besonders bei den Zusatzleistungen lassen sich „Goodies“ entwickeln, die sich teilweise als „Zünglein an der Waage“ für die Gewinnung und Bindung von hochmotivierten und leistungsstarken Mitarbeitern herausstellen können. 5.5.2.1 Fixe und variable Vergütung
Die fixe Vergütung wird als Basisvergütung regelmäßig ausgezahlt und orientiert sich an den Anforderungen des Arbeitsplatzes sowie an der internen Wertigkeit, d. h. an der Bedeutung und am Wertschöpfungsbeitrag des Jobs. Sie stellt eine Mindestvergütung sicher und bildet somit das Garantieeinkommen für den Berater. Wie die einschlägigen Gehaltsstatistiken immer wieder zeigen, liegen die Grundgehälter der Berater auf nahezu allen Karrierestufen (engl. Grade oder Level) zum Teil deutlich über den vergleichbaren Grundgehältern in anderen Branchen. Im Gegensatz zur fixen ist die variable Vergütung eine Einkommenskomponente, die von den individuellen Leistungen der Arbeitnehmer bzw. dem Unternehmenserfolg abhängt. Dieser Vergütungsbestandteil wird also nur unter der Voraussetzung ausgezahlt, dass bestimmte Ergebnisse erbracht werden.
5.5 Personalvergütung – Optimierung der Gerechtigkeit
623
Immer mehr Unternehmen gehen dazu über, einen Teil des unternehmerischen Risikos auf die Mitarbeiter zu verlagern. Vor allem im Management-Bereich setzt sich die erfolgsabhängige Vergütung zunehmend durch. So zeigen die Ergebnisse einer Online-Befragung des Manager Magazins aus dem Jahre 2009, dass im Consulting-Bereich eine vertraglich geregelte, variable Vergütung nahezu selbstverständlich ist (siehe dazu Insert 5-23). Übrigens hat sich der variable Anteil der Consultants bis heute nicht geändert, denn im Jahr 2020 erhielten 85 Prozent aller Mitarbeiter in Consulting-Unternehmen eine Bonuszahlung.
Insert Anteil der erfolgsabhängigen Vergütung nach betrieblichen Funktionsbereichen bzw. Tätigkeitsfeldern 2009 Consulting
86%
Vertrieb
77%
Buchhaltung/Controlling
69%
EDV/IT
68%
Personal/HR
66%
Forschung und Entwicklung
66%
Kaufmännischer Bereich
65%
Einkauf
65%
Fertigung/Produktion/Logistik
60%
Marketing/Werbung/Marktforschung
60%
Technik
58%
PR/Kommunikation
45%
Konstruktion/Design
42% 0%
20%
40%
60%
80%
100%
[Quelle: MM-Gehaltsreport, Online-Umfrage im Juli/August 2009]
Die Ergebnisse einer Online-Befragung des Manager Magazins unter 91.000 Führungskräften aus dem Jahre 2009 zeigen, dass in den Tätigkeitsfeldern Consulting und Vertrieb mehr als Dreiviertel aller Manager (leitende Angestellte) eine vertraglich geregel-
Insert 5-23:
te, variable Vergütung er-halten. Aber auch in den anderen untersuchten Tätigkeitsbereichen ist die variable Vergütung auf dem Vormarsch. Durchschnittlich mehr als jede zweite Führungskraft erhält eine erfolgsabhängige Vergütung.
Variable Gehaltsanteile nach Funktionsbereichen
Die variable Vergütung von Führungskräften und Mitarbeitern zählt aber nach wie vor zu den intensiv diskutierten Bereichen der Personalvergütung. Eine Reduktion der fixen Personalkosten sowie eine erhöhte Attraktivität für leistungsstarke, ziel- und risikoorientierte Mitarbeiter und Führungskräfte sind sicherlich die Vorteile der variablen Vergütung. Demgegenüber stehen ein höheres finanzielles Risiko bei persönlichen Leistungsausfällen oder Verfehlen von Unternehmenszielen sowie die Gefahr eines lethargischen Mitarbeiter- und Führungsverhaltens,
624
5. Personal und Management der Unternehmensberatung
wenn frühzeitig erkannt wird, dass die persönlichen oder Unternehmensziele nicht (mehr) erreicht werden können [vgl. Stock-Homburg 2013, S. 408]. In Abbildung 5-25 sind die Chancen und Risiken, die sich aus der variablen Vergütung ergeben, sowohl aus Sicht der High Potentials als auch aus unternehmerischer Perspektive gegenübergestellt. Chancen der variablen Vergütung … • Höhere Arbeitszufriedenheit durch Äquivalenz von Leistung und Verdienstmöglichkeit … für Mitarbeiter
• Höhere Motivation durch bessere Verdienstmöglichkeiten • Höhere finanzielle Chancen durch erhöhte, leistungsabhängige Verdienstmöglichkeiten • Reduktion der fixen Personalkosten
… für Unternehmen
• Erhöhte Attraktivität für leistungs- und risikoorientierte Führungskräfte bzw. Mitarbeiter • Fokussierung der Führungskräfte bzw. Mitarbeiter auf die Unternehmensziele • Zusätzliche Möglichkeit der Motivation
Risiken der variablen Vergütung … • Höheres finanzielles Risiko (bei persönlichen Leistungsausfällen oder bei Nicht-Zielerreichung auf Unternehmensebene) • Frustration, wenn Bemessungskriterien falsch ausgewählt wurden • Erhöhter Leistungsdruck
• Gefahr der Fokussierung des Mitarbeiterverhaltens auf kurzfristige Ziele • Gefahr eines lethargischen Mitarbeiterverhaltens bei frühzeitigem Erkennen der Nichterreichung von persönlichen und Unternehmenszielen [Quelle: modifiziert nach Stock-Homburg 2013, S. 408]
Abb. 5-25:
Chancen und Risiken der variablen Vergütung
5.5.2.2 Vergütungsniveau der Consultingbranche
2021 ist das Bruttofestgehalt der deutschen Consultants um durchschnittlich 1,8 Prozent gestiegen. Und für das Jahr 2022 wird sogar mit einem Anstieg der Festgehälter um durchschnittlich vier Prozent gerechnet. Bei größeren Beratungsunternehmen fällt diese Erhöhung in den einzelnen Hierarchieebenen noch um ein bis zwei Prozent höher aus. Das ist das Ergebnis einer Umfrage im Rahmen der BDU-Vergütungsstudie 2021. Die Studienergebnisse zeigen weiterhin, dass die Consultingfirmen ihren Mitarbeitern auch während der beiden Corona-Geschäftsjahre sichere Arbeitsplätze mit attraktiven Gehaltskonditionen bieten konnten. Denn die Geschäftslage, die trotz aller Pandemie-Herausforderungen in weiten Teilen der Branche immer noch gut war, hat vielen Beratungsunternehmen ermöglicht, „die traditionell bereits guten Verdienstmöglichkeiten der Mitarbeitenden weiter zu verbessern“ [BDU 2021]. Diese grundsätzlich sehr komfortable Gehaltssituation wirkt sich dann folgendermaßen auf die einzelnen Hierarchielevel aus (siehe Insert 5-24): Berufseinsteiger mit Bachelor-Abschluss, die ihre Karriere typischerweise als Analyst beginnen, erzielten 2021 ein durchschnittliches jährliches Bruttofestgehalt von rund 49.000 Euro. Studierende mit einem Masterabschluss kommen beim Karrierestart auf ein Einstiegsgehalt ohne Boni auf durchschnittlich 55.000 Euro – also rund 12 Prozent mehr als der Bachelor. Senior Consultants mit zwei bis drei Jahren Berufserfahrung im Consulting können mit einem Festgehalt von rund 70.000 Euro rechnen – also etwa soviel wie das Grundgehalt eines W2Hochschulprofessors.
5.5 Personalvergütung – Optimierung der Gerechtigkeit
625
Im Top-Management (Partner-Niveau, C-Level) liegt das durchschnittliche Festgehalt rund 150.000 € über dem Grundgehalt von Berufseinsteigern – also deutlich über 200.000 Euro. Hinzu kommt auf diesem Level eine Bonuszahlung von durchschnittlich 105.000 Euro. Im Schnitt liegen diese in größeren Beratungsunternehmen 15.000 € über den Boni in kleineren Unternehmen. Festgehälter und Bonuszahlungen werden durch Gehaltsnebenleistungen (Fringe Benefits) vorwiegend im Bereich Mobilität abgerundet. „Diese fallen unter Top-Performern – ähnlich wie die Boni – deutlich höher aus als im Durchschnitt. Als neue Mobilitätsalternativen haben mittlerweile vielfältige Angebote wie das Jobrad, Zeitkarten für den öffentlichen Nahund Fernverkehr, flexible Mobilitätspakete oder die Förderung emissionsarmer Antriebe in Consultingunternehmen Einzug gehalten“ [BDU 2021].
Insert 5-24:
BDU-Vergütungsstudie 2021
5.5.2.3 Zusatzleistungen
Diese dritte Komponente der Personalvergütung lässt sich in Sozialleistungen und sonstige Leistungen unterteilen.
626
5. Personal und Management der Unternehmensberatung
Zu den gesetzlichen Sozialleistungen, die vom Gesetzgeber unter dem Sammelbegriff der Sozialversicherung zusammengefasst werden, zählen die Unfall-, Kranken-, Pflege-, Arbeitslosen- und Rentenversicherung. Während die Beiträge zur Unfallversicherung allein vom Arbeitgeber getragen werden, wird die Finanzierung der übrigen Sozialversicherungen jeweils zur Hälfte vom Arbeitgeber und Arbeitnehmer übernommen. Tarifliche Sozialleistungen verpflichten Unternehmen zu bestimmten Zahlungen, die in Tarifverträgen geregelt sind. Darüber hinaus gewähren manche Unternehmensberatungen bestimmte freiwillige Sozialleistungen (z. B. Zuschüsse für die Altersvorsorge, Ausbildungszuschüsse, Jubiläumsgelder, Umzugsgeld). Sonstige Zusatzleistungen (wie z. B. Firmenwagen, Sabbaticals, Kinderbetreuung, Firmenhandy, Laptop bzw. Tablet, individuelle Urlaubsregelungen oder Aktien-Optionsprogramme) werden von Unternehmensberatungen als freiwillige Gehaltsnebenleistungen (engl. Fringe Benefits) nicht nur zur Gewinnung und Bindung von Führungskräften (Partner) sondern auch zur Motivation von leistungsstarken Nachwuchskräften eingesetzt. Im Prinzip liegen in diesem Bereich die größten Möglichkeiten für das Personalmanagement, um sich gegenüber Wettbewerbern beim „War for talents“ positiv abzuheben und dadurch High Potentials zu gewinnen und zu binden. Insert 5-25 gibt einen Überblick über Zusatzleistungen, die Unternehmen über das Grundgehalt hinaus anbieten. Insert Vergütungsmöglichkeiten für Hochschulabsolventen in deutschen Unternehmen 2015 80%
Anteil der Befragten
70% 60% 50% 40% 30%
68% 60%
44%
43% 33% 27%
20%
13%
10%
12%
12%
9%
9%
9%
6%
0%
Die Statistik zeigt die Ergebnisse einer Umfrage zu Vergütungsmodellen für Hochschulabsolventen in deutschen Unternehmen im Herbst 2015. Insgesamt wurden 297 Unternehmen befragt. Zielpersonen waren Personalentscheider. 68 Prozent der Arbeitgeber unterstützen ihre
Insert 5-25:
Mitarbeiter bei der betrieblichen Altersversorgung. 60 Prozent der Betriebe haben erfolgsabhängige Bonus/Prämiensysteme und immerhin 44 Prozent bieten eine Firmenwagenregelung an. [Quelle: JobTrends Deutschland 2016, S. 54]
Vergütungsmöglichkeiten über das Grundgehalt hinaus
5.5 Personalvergütung – Optimierung der Gerechtigkeit
627
Unter den sonstigen Zusatzleistungen wird in jüngerer Zeit das Sabbatical besonders diskutiert. Hierbei handelt es sich um eine mehrmonatige, teilweise sogar über ein Jahr hinausgehende Unterbrechung der Berufstätigkeit. Da immer mehr Unternehmen ihren Führungskräften (bis hin zu Vorständen) längere Auszeiten anbieten, gewähren zunehmend auch Unternehmensberatungen ihren Leistungsträgern eine berufliche Auszeit. Unter dem speziellen Aspekt der Work-Life-Balance kann das Sabbatical somit zu einem strukturellen Bestandteil einer aktiven und vorausschauenden Personalpolitik werden. 5.5.2.4 Cafeteria-System
Im Zusammenhang mit den freiwilligen Sozialleistungen hat sich mit dem Cafeteria-System ein Konzept etabliert, das dem einzelnen Berater innerhalb eines vom Arbeitgeber vorgegebenen Budgets erlaubt, zwischen verschiedenen Zusatzleistungen auszuwählen, ähnlich der Menüauswahl in einer Cafeteria [vgl. Edinger 2002, S. 7]. Das Cafeteria-System besteht aus
einem Wahlbudget, das sich häufig an dem Betrag orientiert, den das Unternehmen bislang für freiwillige Sozialleistungen ausgegeben hat,
einem Wahlangebot mit mehreren Alternativen (z. B. Firmenwagen, Gewinnbeteiligung, Arbeitgeberdarlehen, Kindergartenplatz, Fortbildung, Urlaubstage u. ä.) und aus
einer periodischen Wahlmöglichkeit, da sich die Bedürfnisse des Mitarbeiters im Zeitablauf ändern können [vgl. Jung 2017, S. 901 f.].
Die häufigste Ausprägung des Cafeteria-Modells in deutschen Unternehmen sind sogenannte Flexible Benefits. Flexible Benefits-Programme sind Pläne, in deren Rahmen die Mitarbeiter aus einem Angebot verschiedener Zusatzleistungen oder durch Gehaltsumwandlung bestimmte Zusatzleistungskomponenten oder -niveaus auswählen können. Betriebliche Altersvorsorge, Hinterbliebenenrente, Todesfallkapital, Berufsunfähigkeitsleistungen, Firmenwagen oder Extraurlaub sind die häufigsten Zusatzleistungen im Rahmen von Flexible Benefits-Programmen [vgl. Rauser Towers Perrin 2006, S. 3 und 17 f.]. 5.5.2.5 Deferred Compensation
Eine besonders attraktive Variante der Zusatzleistungen ist das Modell der Deferred Compensation, bei dem der Arbeitnehmer auf einen Teil seiner Gesamtvergütung zugunsten einer Altersvorsorgezusage verzichtet. Die aufgeschobene Auszahlung unterliegt damit nicht der sofortigen Versteuerung. Der angesammelte Betrag wird erst bei Eintritt in den Ruhestand besteuert. Als Durchführungsweg bietet sich für den Arbeitgeber die Pensionskasse, der Pensionsfonds oder die Direktversicherung an. Deferred Compensation bietet sowohl dem Arbeitgeber als auch dem Arbeitnehmer erhebliche Vorteile. Für das Unternehmen eröffnen sich neue Möglichkeiten im Rahmen seines Anreiz- und Vergütungssystems, ohne dass zusätzliche Kosten entstehen. Im Gegenteil, durch die aufgeschobene Auszahlung entsteht ein zusätzlicher Innenliquiditätseffekt. Für den Berater senkt sich die heutige Steuerlast, denn der Umwandlungsbetrag reduziert in voller Höhe sein steuerpflichtiges Einkommen.
628
5. Personal und Management der Unternehmensberatung
So werden Vergütungsbestandteile aus der Phase des aktiven Berufslebens, die zumeist durch eine höhere Besteuerung gekennzeichnet ist, in das Rentenalter verlagert, wo die Steuerlast üblicherweise geringer ist. Außerdem kann der Berater auf diese Weise seine Ruhestands- bzw. Risikovorsorge deutlich verbessern. 5.5.2.6 Zusatzleistungen für die Generation Z
Angesichts der Vielzahl von zusätzlich möglichen Arbeitgeberleistungen stellt sich die Frage, welche Leistungen für die jungen Bewerber, die den Beraterberuf ergreifen wollen, wirklich von Bedeutung sind. Darüber lassen sich aber unmittelbar keine empirischen Befunde ausfindig machen. Wenn man aber in Betracht zieht, dass gewünschte Arbeitgeberleistungen nicht für alle gleich attraktiv sind, sondern sich vorwiegend nach Generationen und nach Lebensphasen unterscheiden, dann ist es gut zu wissen, welche Arbeitgeberleistungen von der Generation Z präferiert werden. Schließlich gehören die jüngeren Talente mehrheitlich der Generation Z an. Insert 5-26 zeigt die Rangliste der attraktivsten Arbeitgeberleistungen aus Sicht der Generation Z. Die Rangliste ist ein Ergebnis der bundesweiten Studienreihe Generationenkompass 2020.
5.5 Personalvergütung – Optimierung der Gerechtigkeit
629
Insert Was die neue Generation von ihrem Arbeitgeber wirklich will
Arbeitgeberleistung
„Must-Have“
Überstundenausgleich
81 %
Flexible Arbeitszeiten
67 %
Betriebliche Altersvorsorge
58 %
Gute Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel
57 %
Freie Internetnutzung
43 %
Coaching
41 %
Private Smartphone-Nutzung
38 %
Kostenfreie Getränke
35 %
Homeoffice
34 %
…
…
Eigener Firmenwagen
4% [Quelle: Schlotter 2020, Generationenkompass]
Was früher der Firmenwagen war, ist heute der Überstundenausgleich. Das ist das überraschende Ergebnis einer Studie zur Generation Z und deren Wunsch-Arbeitgeberleistungen. Der Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte („War for Talents“) ist eine der größten Herausforderungen für unsere Unternehmen. Um hier erfolgreich zu sein, müssen Arbeitgeber wissen, welche Leistungen für diese Zielgruppe wirklich wichtig sind. Nun ist aber zu bedenken, dass sich solche Leistungen nach Generationen bzw. Lebensphasen dieser Zielgruppe unterscheiden. Ein 45jähriger Familienvater mit drei Kindern wird sich sicherlich andere Arbeitgeberleistungen wünschen, als eine 23-jährige ledige Hochschulabsolventin mit Masterabschluss. Anmerkung: Wenn hier von Arbeitgeberleistungen die Rede ist, dann handelt es sich um zusätzliche Dienst- oder Sachleistungen, die weder die fixe und variable Vergütung noch die gesetzlichen und tariflichen Sozialleistungen betreffen. Es geht vielmehr um Firmenwagen, Laptops, Aktien-Options-programme, individuelle Urlaubsregelungen oder Ähnliches. Wenn man also in Betracht zieht, dass gewünschte Arbeitgeberleistungen nicht für alle gleich attraktiv sind, sondern sich vorwiegend nach Generationen und nach Lebensphasen unterscheiden, dann ist es
Insert 5-26:
gut zu wissen, welche Arbeitgeberleistungen von den einzelnen Generationen präferiert werden. Für die Generation Z – also die Geburtsjahrgänge ab 1995 – gibt es eine eindeutige Rangfolge darüber, welche Leistungen für sie attraktiv sind. Die in der Abbildung gezeigte Rangliste ist ein Ergebnis der bundesweiten Studienreihe Generationenkompass 2020. Die Rangfolge dürfte das konservative Personalmanagement durchaus überraschen. War es früher der Firmenwagen, der als Attraktion kaum zu überbieten war, so liegt heute der Überstundenausgleich mit großem Abstand an erster Stelle, gefolgt von flexiblen Arbeitszeiten und betrieblicher Altersvorsorge. Es handelt sich also um Arbeitgeberleistungen, die früher in bestimmten Branchen tabu waren (z.B. in der Unternehmensberatung) oder überhaupt nicht kommuniziert wurden, weil sie als selbstverständlich erschienen. So wird die freie Internetnutzung von kaum einem Arbeitgeber explizit nach außen kommuniziert, obwohl sie für 43 Prozent der Generation Z ein „Must-have“ ist. Würde die Rangfolge für unseren 43jährigen Familienvater genauso aussehen? Vermutlich nicht! Das liegt ganz offensichtlich daran, dass jede Generation ihre eigenen Ansprüche an Arbeitgeber stellt. [Quelle: Lippold 2020b]
„Was die neue Generation von ihrem Arbeitgeber wirklich will“
5.5.3 Aspekte der Entgeltgerechtigkeit Bei der Konzeption von Vergütungssystemen, die sowohl Unternehmens- als auch Mitarbeiterinteressen berücksichtigen sollte, steht ein Kriterium im Vordergrund, das als Grundvoraussetzung für die Akzeptanz bei den Mitarbeitern gilt: Gerechtigkeit. Die „faire Vergütung im Vergleich zu Kollegen“ zählt zu den Top-3-Treibern der Mitarbeiterbindung (engl. Retention)
630
5. Personal und Management der Unternehmensberatung
und ist zweifellos der entscheidende Hygienefaktor aller Anreiz- und Vergütungssysteme [vgl. Towers Perrin 2007]. Bei Fragen der Vergütung empfindet der Mitarbeiter sein Gehalt ganz subjektiv als gerecht oder auch ungerecht. Eine Aussage über die absolute Gerechtigkeit einer Vergütung kann nicht getroffen werden, lediglich eine Aussage über die relative Gerechtigkeit (im Vergleich zu den Kollegen, zum Branchendurchschnitt, zur Leistung, zum Alter oder auch zur Ausbildung) ist sinnvoll [vgl. Tokarski 2008, S.63]. Demnach wird die Vergütung dann als angemessen betrachtet, wenn sie als gerecht und ausgewogen wahrgenommen wird. Um ein in diesem Sinne gerechtes Vergütungssystem zu gestalten, bedarf es der Klärung, wie Gerechtigkeitsempfindungen von Beschäftigten im Allgemeinen und (potenziellen) Führungskräften im Besonderen zustande kommen und wie sich diese auf das Arbeitsverhältnis auswirken. Dazu wird im ersten Schritt auf die verschiedenen Gerechtigkeitsprinzipien Bezug genommen und anschließend den drei Gerechtigkeitsdimensionen gegenübergestellt. 5.5.3.1 Gerechtigkeitsprinzipien
Die verschiedenen Komponenten der Entgeltgerechtigkeit, die in Abbildung 5-26 dargestellt sind, werden auch als Gerechtigkeitsprinzipien bezeichnet.
Marktgerechtigkeit Anforderungsgerechtigkeit
Sozialgerechtigkeit
Leistungsgerechtigkeit
Entgeltgerechtigkeit
Erfolgsgerechtigkeit [Quelle: Göbel 2006, S. 210]
Abb. 5-26:
Bedarfsgerechtigkeit
Verteilungsgerechtigkeit Qualifikationsgerechtigkeit
Komponenten der Entgeltgerechtigkeit
Angesichts dieser Vielzahl von nicht überschneidungsfreien Prinzipien ist es nahezu unmöglich, einen allgemein als gerecht empfundenen Maßstab für die Vergütungsdifferenzierung zu finden. Letztendlich sind es aber drei Kernprinzipien der Entgeltgerechtigkeit, die für die Zusammensetzung der Gehaltsstruktur maßgeblich sind [vgl. Lippold 2010, S. 18]: Anforderungsgerechtigkeit (im Hinblick auf Qualität, Schwierigkeitsgrad oder Verantwortungsbereich des jeweiligen Jobs), Marktgerechtigkeit (im Hinblick auf die Vergütungsstruktur der Branche bzw. des Wettbewerbs) sowie Leistungsgerechtigkeit (im Hinblick auf die Leistung der Führungskraft einerseits und des Unternehmens andererseits).
5.5 Personalvergütung – Optimierung der Gerechtigkeit
631
5.5.3.2 Gerechtigkeitsdimensionen
Diesen Gerechtigkeitsprinzipien stehen sogenannte Gerechtigkeitsdimensionen gegenüber, die sich mit den konkreten Austauschbeziehungen zwischen Personen und Organisationen befassen [vgl. Stock-Homburg 2008, S. 61]: Interaktionale Gerechtigkeit als wahrgenommene Gerechtigkeit im zwischenmenschlichen Umgang mit dem Austauschpartner (Beispiel: Persönliches Überzeugen der Führungskraft vom gewählten Vergütungsmodell), Prozedurale Gerechtigkeit als wahrgenommene Gerechtigkeit der Abläufe und Praktiken in einer Austauschbeziehung (Beispiel: Transparent machen von Vergütungsstufen) und Distributive Gerechtigkeit als wahrgenommene Gerechtigkeit des materiellen Ergebnisses einer Austauschbeziehung (Beispiel: Festlegen der Gehaltsstruktur, Leisten von Bonuszahlungen bzw. Prämien). Werden die Gerechtigkeitsdimensionen den drei Gerechtigkeitsprinzipien gegenüber gestellt, so ergibt sich eine 3 x 3-Matrix. In Abbildung 5-27 ist diese Matrix mit beispielhaften Ansatzpunkten vervollständigt. Wie die Erfahrungen aus der Praxis zeigen, erfüllen viele Unternehmen die distributive und teilweise auch die prozedurale Gerechtigkeitsdimension. Die interaktionale Gerechtigkeit, d. h. das Aushandeln bestimmter Vergütungselemente wird bislang noch wenig praktiziert [vgl. Brietze/Lippold 2011, S. 231 ff.].
Dimension Prinzip
Interaktionale Gerechtigkeit
Prozedurale Gerechtigkeit
Distributive Gerechtigkeit
Anforderungsgerechtigkeit
Aushandeln der jeweils passenden Karrierestufe
Transparent machen von Karrierestufen
Festlegen der generellen Karrierestufen
Marktgerechtigkeit
Aushandeln der jeweils passenden Gehaltsstrukturelemente
Transparent machen von Gehaltsbandbreiten
Festlegen der generellen Gehaltsstruktur
Leistungsgerechtigkeit
Aushandeln der jeweils passenden Zielvereinbarung
Transparent machen des Review-Prozesses
Leisten von Bonuszahlungen/ Prämien
[Quelle: Brietze/Lippold 2011, S. 231 ]
Abb. 5-27:
Gegenüberstellung von Gerechtigkeitsdimensionen und -prinzipien
5.5.4 Anforderungsgerechtigkeit und Karrierestufe Der erste Schritt der Gehaltsfindung bezieht sich auf die Anforderungsgerechtigkeit. Sie orientiert sich an den Anforderungen des Jobs (Ausbildung, Erfahrung, Kompetenz, Verantwortung etc.). Aus diesem Grund haben viele Unternehmen ein Karrierestufen-Modell (engl. Grading System) aus Rollen und Kompetenzen entwickelt, das jeder Karrierestufe (engl. Grade) ein bestimmtes Zieleinkommen (100%-Gehalt) zuordnet. Das Grading-System dient einerseits der
632
5. Personal und Management der Unternehmensberatung
grundsätzlichen Einstufung des Mitarbeiters in Abhängigkeit vom Anforderungsgrad seines Jobs (Position/Rolle) und andererseits zur Festlegung des (relativen) variablen Gehaltsbestandteils, d. h. je größer die Anforderung an die Position/Rolle und damit die Verantwortung des Beraters ist, desto höher ist der variable Gehaltsanteil. In Abbildung 5-28 ist ein sechsstufiges Karriere-Modell am Beispiel des Beraters dargestellt. Jeweils eine Rolle/Position ist dabei einem Grade zugeordnet. Grundlage der Zuordnung ist ein rollenbezogenes Kompetenzmodell (engl. Competency Model), in dem die erforderlichen fachlichen, sozialen und methodischen Qualifikationen, Fähigkeiten und Erfahrungen für jede Karrierestufe aufgeführt sind. Wie aus dem beispielhaften Grading-System weiter zu entnehmen ist, wird für jede Karrierestufe eine Aufteilung des Zielgehalts (100%) in Fixgehalt und variables Gehalt vorgenommen. Ein solches Karrierestufen-Modell bildet den Orientierungsrahmen sowohl für die anforderungsgerechte Einstufung der Berater als auch für die entsprechende Entgeltfindung. Darüber hinaus zeigt es den Beratern zugleich die Entwicklungsmöglichkeiten im Rahmen der persönlichen Laufbahnplanung.
Anteil Fixgehalt
Anteil variables
Grade (Karrierestufe)
Rolle/Position
am 100%-Zieleinkommen
Gehalt am 100%-Zieleinkommen
6
Partner
60 %
40 %
5
Principal
70 %
30 %
4
Manager
75 %
25 %
3
Senior Consultant
80 %
20 %
2
Consultant
85 %
15 %
1
Analyst Consultant
90 %
10 % © Dialog.Lippold
Abb. 5-28:
Rollenbezogenes Karrierestufen-Modell am Beispiel des Beraters
5.5.5 Marktgerechtigkeit und Gehaltsbandbreiten Der zweite Schritt der Gehaltsfindung bezieht sich auf die Marktgerechtigkeit. Hier geht es in erster Linie darum, das relative Vergütungsniveau im Vergleich zu anderen Unternehmen festzulegen [vgl. Brown et al. 2003, S. 752]. Es ist in erster Linie an der Vergütungsstruktur der Branche bzw. des Wettbewerbs sowie im internationalen Bereich zusätzlich an Kaufkraftkriterien ausgerichtet. Um grundsätzlich bei der Gewinnung und Bindung strategisch wichtiger Führungskräfte und Mitarbeiter entsprechend flexibel reagieren zu können, bietet sich die Gestaltung von Vergütungsbandbreiten an. Solche Bandbreiten sind in das unternehmensweite Grading-System eingebettet und eröffnen die Möglichkeit, jeden Mitarbeiter entsprechend bestimmter Merkmale (z. B. Alter, Erfahrung, Spezialkenntnisse) innerhalb einer Karrierestufe unterschiedlich zu vergüten. In Abbildung 5-29 ist ein Vergütungsbandbreiten-System modellhaft dargestellt. Jede Hierarchiestufe ist mit einem Vergütungsband belegt, dessen Grenzen maximal 25 Prozent vom jeweiligen Mittelwert abweichen können. Außerdem liegt die durchschnittliche Vergütung jeder
5.5 Personalvergütung – Optimierung der Gerechtigkeit
633
Hierarchiestufe jeweils 25 Prozent über der darunterliegenden Stufe. Ein derart gestaltetes Bandbreiten-System gestattet eine individuell gerechte Positionierung des Beraters in jedem Grade. Grade 6
-25%
+25%
+25%
5
-25%
+25%
+ 25%
4
-25%
+25%
+ 25%
3
-25%
+25%
+25%
2
-
-25%
+25%
+25%
1
-25% +25%
[Quelle: Schmid-Oertel/Krause 2007, S. 16 (modifiziert)]
Abb. 5-29:
JahreszielEinkommen [Euro]
Vergütungsbandbreiten
5.5.6 Leistungsgerechtigkeit und variable Vergütung Der dritte Schritt der Gehaltsfindung zielt auf die Leistungsgerechtigkeit ab. Dieses Gerechtigkeitsprinzip wird vorzugsweise durch die Gestaltung variabler Vergütungskomponenten realisiert. 5.5.6.1 Bemessungsgrundlagen der variablen Vergütung
Als Bemessungsgrundlagen der variablen Vergütung können die individuellen Leistungen des Beraters und/oder die Leistungen des Unternehmens- bzw. eines Unternehmensbereichs (kollektive Leistung) herangezogen werden. Die individuelle Leistung kann am Zielerreichungsgrad, am Potenzialabgleich sowie im Mitarbeitervergleich (Kalibrierung) gemessen werden, wobei die Ergebnisse der Personalbeurteilung (vgl. Hauptabschnitt 5.6) hierzu die Grundlage bilden. Besonders wichtig ist, dass die betroffenen Berater ihre Leistungen direkt beeinflussen können und diese auch messbar sind. Dies hat in der Praxis dazu geführt, dass vorzugsweise im Vertrieb die individuelle Leistung (z. B. der erzielte Auftragseingang (engl. Bookings)) als Bemessungsgrundlage für die variable Vergütung herangezogen wird. In Bereichen, in denen die Leistungen der Mitarbeiter und Führungskräfte nur begrenzt quantifiziert und nicht eindeutig zugeordnet werden können (z.B. in den zentralen Support-Bereichen), müssen quantifizierbare Hilfsgrößen herangezogen werden
634
5. Personal und Management der Unternehmensberatung
(z. B. die Attrition-Rate zur Bemessung der Leistungen des Personalmanagements). Andernfalls kann die Einführung einer leistungsbezogenen variablen Vergütung in bestimmten Bereichen zu Umsetzungs- und Akzeptanzproblemen führen. Bestimmungsgrund für die kollektive Leistung ist zumeist die Jahresperformance (Gewinn, Umsatz, Deckungsbeitrag o. ä.) des Unternehmens bzw. relevanter Teilbereiche. Im Vergleich zur Messung der individuellen Leistung sind die Bestimmungsfaktoren der Unternehmensleistung i. d. R. deutlich einfacher zu quantifizieren. 5.5.6.2 Zusammensetzung der variablen Vergütung
In der Praxis haben sich im Wesentlichen drei Grundformen der Zusammensetzung der variablen Vergütungsbestandteile durchgesetzt (siehe Abbildung 5-30):
Mischformen Anteil der Vergütung [in %] 100 % (Zieleinkommen)
Fixe Vergütung
Unternehmensleistung
Individuelle Leistung
Fixe Vergütung
Fixe Vergütung
Sicherheitsorientierung
Unterneh- Indivimensduelle leistung + Leistung
Fixe Vergütung
Unterneh- Indivimensduelle leistung x Leistung
Fixe Vergütung
Leistungsorientierung
[Quelle: Stock-Homburg 2013, S. 418 (modifiziert)]
Abb. 5-30:
Ausgewählte Kombinationsmöglichkeiten von fixer und variabler Vergütung
Der variable Anteil wird ausschließlich durch die Ergebnisse der individuellen Leistung bestimmt.
Nur die Leistung des Unternehmens bzw. relevanter Unternehmensteile wird zur Bestimmung des variablen Anteils herangezogen.
Es wird sowohl die individuelle Leistung als auch die Unternehmensperformance berücksichtigt. Bei dieser Mischform gibt es zwei Varianten, die sich auf die Verknüpfung der beiden variablen Gehaltsanteile beziehen. In der einen Variante werden der individuelle Anteil (auch als individueller Faktor (IF) bezeichnet) und der Unternehmensanteil (auch als Unternehmens- oder Businessfaktor (BF) bezeichnet) addiert. Bei der zweiten Variante wird der individuelle Faktor mit dem Businessfaktor multiplikativ miteinander verknüpft,
5.5 Personalvergütung – Optimierung der Gerechtigkeit
635
so dass unter bestimmten Umständen (z. B. bei vollständiger Schlechtleistung des Unternehmens oder des Mitarbeiters und damit BF=0 bzw. IF=0) kein variables Gehalt ausgezahlt wird. Alle drei beschriebenen Varianten sollten eine Deckelung des variablen Anteils bei 200 Prozent vorsehen, d. h. selbst bei einer deutlichen Planüberfüllung des Unternehmens und des Mitarbeiters kann der auszuzahlende variable Anteil demnach das Zweifache seiner (100%-) Zielgröße nicht überschreiten. Auf diese Weise können exorbitant hohe Beratergehälter vermieden werden. 5.5.6.3 Zielarten variabler Vergütung
Im modernen Personalmanagement setzt sich zunehmend die Erkenntnis durch, dass Vergütungssysteme die Potenziale der Mitarbeiter und Führungskräfte nur dann optimal nutzen, wenn sie individualisiert sind [vgl. Locher 2002, S. 1]. Ein Ausdruck dieser Individualisierung sind ausdifferenzierte Zielkataloge für Berater, die aus mehreren Zielarten pro Grade bestehen. Damit wird den unterschiedlichen Anforderungen, den spezifischen Kenntnissen und Fähigkeiten sowie den individuellen Zielsetzungen der Berater Rechnung getragen. Ein modellhaftes Beispiel für die verschiedenen Zielarten in der Beratungsbranche liefert Abbildung 5-31. Danach werden jedem Grade sowohl Unternehmens- als auch persönliche Ziele zugeordnet. Je nach unternehmerischer Zielsetzung lassen sich die Ziele zusätzlich gewichten, wobei durchaus zu berücksichtigen ist, dass mathematische Scheingenauigkeiten den eigentlichen Nutzeffekt überlagern können.
Grade (Karrierestufe) Zielart
Bewertung
Unternehmensziele
Ergebnisziele
Bereichsziele
Ergebnisziele
Strategische Ziele
Persönliche Ziele
Verantwortetes Delivery-Volumen
Ergebnisziele
Sales
Auftragseingang
Delivery
Auslastung
Qualität Projekte
Persönliche Ziele
Innovation/Konzeption
Persönliche Ziele
Führungsverhalten
Persönliche Ziele
Teamverhalten
Persönliche Ziele
Kundenverhalten
Persönliche Ziele
Persönliche Kompetenzentwicklung
Persönliche Ziele
6
Unternehmensziele [Quelle: modifiziert nach Preen 2009, S. 22]
Abb. 5-31
Zielkatalog am Beispiel der Beratungsbranche
5
4
3
2
1
Individuelle Ziele
636
5. Personal und Management der Unternehmensberatung
Als Beispiel für ein praktiziertes Anreizsystem, das die drei Gerechtigkeitsprinzipien (Anforderungs-, Markt- und Leistungsgerechtigkeit) vollumfänglich umgesetzt hat, soll hier abschließend ein Vergütungsmodell vorgestellt werden, das das Beratungsunternehmen Capgemini als „Salary Split Model“ weltweit für seine strategischen Geschäftseinheiten Consulting, Technology und Outsourcing eingeführt hat (siehe Insert 5-27). Insert
Praxisbeispiel für ein Anreiz- und Vergütungssystem Aufgabenabhängige Vergütung
Marktabhängige Vergütung
Leistungsabhängige Vergütung
Vergütungshandbreiten
Skill-level/Potential/ Performance
Business Individueller Faktor (BF) x Faktor (IF)
E D
IF
C
Grade
A
F+
40%
F
30%
Zieleinkommen (100%)
E
20%
D
15%
Var. Anteil in % v. Zieleinkommen
C
10%
B
5%
A
–
Festeinkommen
1
Exceeds
2
1,0
Met expectation
3
0,5
Improvement desired
4
0,0
Did not meet expectation
5
1,2 Chance Risiko
Min.
Max.
Ausschüttungsvolumen
x
Individuelle Leistung des Mitarbeiters
Erfolg auf Unternehmensebene Skill
Potential
Mastery
Vertragliches Zieleinkommen Anforderungsgerechtigkeit
Excellent
1,5
B
Künftiges Ist-Einkommen
Marktgerechtigkeit
Performance
Promotion
Skilled Entry
Leistungsgerechtigkeit [Quelle: Brietze/Lippold 2011, S. 233]
Der erste Schritt der Gehaltsfindung bei Capgemini bezieht sich auf die Anforderungsgerechtigkeit. Der Anforderungsgrad der Position/Stelle bestimmt die Einstufung in das Grading-System und zugleich des relativen variablen Gehaltsanteil. Der zweite Schritt bezieht sich auf die Marktgerechtigkeit. Die hier-zu festgelegten Gehaltsbandbreiten sind an der Vergütungsstruktur der Branche und im internationalen Bereich an Kaufkraftkriterien ausgerichtet. Die Bandbreiten sind nicht nur den Hierarchiestufen zugeordnet, sondern sind zudem auch an den drei Disziplinen Consulting, Technology und Outsourcing ausgerichtet; d. h. jede Hierarchiestufe verfügt über drei unterschiedliche Bandbreiten. Dies ist auch deshalb erforderlich, weil die Durchschnittsgehälter in der Consulting-Disziplin zum Teil deut-
Insert 5-27:
lich über denen der anderen Disziplinen liegen. Der dritte Schritt der Gehaltsfindung zielt sowohl auf die kollektive als auch auf die individuelle Leistungsgerechtigkeit ab. Bestimmungsgrund für die kollektive Leistung ist die Jahresperformance (Gewinn, Umsatz) des Unternehmens bzw. relevanter Teilbereiche. Sie bestimmt als Business Faktor (BF) den ersten Teil des variablen Gehalts. Die individuelle Leistung wird am Zielerreichungsgrad, am Potentialabgleich sowie im Mitarbeitervergleich (Kalibrierung) gemessen und in einem individuellen Faktor (IF) ausgedrückt. Der individuelle Faktor bestimmt den zweiten Teil des variablen Gehaltsanteils. Beide Faktoren sind multiplikativ miteinander verknüpft.
Praxisbeispiel für ein Anreiz- und Vergütungssystem
5.6 Personalführung – Optimierung der Wertschätzung
637
5.6 Personalführung – Optimierung der Wertschätzung Das zweite wichtige Aktionsfeld im Personalbetreuungsprozess ist die Personalführung. Es hat die Optimierung der Wertschätzung zum Ziel (siehe Abbildung 5-32): Wertschätzung = f (Personalführung) → optimieren! Der Führungsbegriff wird häufig gleichgesetzt mit Management und Leitung. Verallgemeinert wird er anstelle von Unternehmensführung oder Mitarbeiterführung verwendet. Hier soll ausschließlich das Führen von Menschen durch Menschen diskutiert und dargestellt werden. Am geeignetsten (und kürzesten) erscheint deshalb die Definition von Führung durch von Rosenstiel [2003, S. 4]: „Führung ist zielbezogene Einflussnahme. Die Geführten sollen dazu bewegt werden, bestimmte Ziele, die sich meist aus den Zielen des Unternehmens ableiten, zu erreichen.“ Das heißt konkret: Orientierung geben, die Richtung vorgeben und den Weg zeigen, um bestimmte Ziele zu erreichen sowie erfolgreiches Intervenieren in kritischen Situationen. Die grundsätzlichen Aufgaben eines Managers sind es, ein Unternehmen bzw. eine Organisation zu leiten und die Menschen in diesem System zu führen. Der Bereich der Unternehmensführung beinhaltet dabei die „klassischen“ sachbezogene Führungs-, Leitungs- und Verwaltungsaufgaben aus der Betriebswirtschaftslehre. Mitarbeiterführung ist dagegen die personenbezogene, verhaltenswissenschaftliche Komponente des Managements, die auch als Personalführung (engl. Leadership) bezeichnet wird [vgl. Staehle 1999, S. 72].
Mitarbeiterkriterien
Wettbewerbsvorteil • Produkte • Leistungen • Fähigkeiten • Know-how • Kultur
+ Gerechtigkeit
Personalvergütung
+ Wertschätzung
Personalführung
+ Fairness + Förderung/Forderung
Personalbeurteilung
Personalentwicklung
Internes Personalmarketing
Aktionsfelder Sicht von innen
+ Erleichterung =
Vom Mitarbeiter honorierter Wettbewerbsvorteil
Personalfreisetzung
Mitarbeiterbindung
Personalbetreuung © Dialog.Lippold
Abb. 5-32:
Das Aktionsfeld Personalführung
Für viele Unternehmensberatungen kommt bei der Personalführung die Besonderheit hinzu, dass das Beratungsmanagement über seine Führungsfunktionen hinaus auch Projektaufgaben übernehmen und damit zugleich einen Teil seiner Kapazität fakturieren muss.
638
5. Personal und Management der Unternehmensberatung
5.6.1 Bedeutungswandel in der Personalführung Unter allen Aktionsfeldern der Personalmarketing-Gleichung erfährt das Aktionsfeld Personalführung derzeit sicherlich die größten Veränderungen. Der enorme Erfolg, den Start-ups mit ihren innovativen Führungsstilen haben, bleibt auch großen Unternehmen nicht verborgen. So schreibt der ehemalige Telekomvorstand Sattelberger im Forum „Gute Führung“ [vgl. Lippold 2017f]:
„Wir erleben gerade einen Paradigmenwechsel in deutschen Unternehmen. Entscheidungsfähigkeit und Macht werden zunehmend auf Teams oder Projektgruppen verlagert. Der einzelne kluge Kopf wird Teil von Kooperationsnetzen. Geführte erwarten zunehmend andere Menschenführung, Führungskräfte sind zunehmend auf der Suche nach einem anderen Verständnis von Führung und beide wollen eine neue Führungskultur.“ Eine besondere Bedeutung erhält das Aktionsfeld Personalführung auch dadurch, dass nicht das Geld, sondern ganz offensichtlich ein guter Chef häufig genug der Hauptgrund für einen Jobwechsel ist. Das zeigt zumindest Studie zur Arbeitsqualität in Deutschland im Auftrag des Bundesarbeitsministeriums [vgl. von Borstel 2015]. Abbildung 5-33 liefert die wichtigsten Studienergebnisse mit dem Vorgesetztenwechsel als häufigste berufliche Erwartung bzw. Hoffnung bei einem Jobwechsel.
Abb. 5-33:
Die wichtigsten Gründe für einen Jobwechsel
5.6.1.1 Verhalten von Individuen
Das Verhalten von Menschen innerhalb und außerhalb von Unternehmen und Organisationen ist ein sehr komplexes Phänomen, das sich ansatzweise durch Faktoren wie Qualifikation,
5.6 Personalführung – Optimierung der Wertschätzung
639
Kompetenzen, Motivation, Wertvorstellungen, Einstellungen, Anreize, Gerechtigkeitsaspekte, Erwartungen, Umweltmerkmale u. ä. erklären lässt. Einige dieser Variablen sollen im Folgenden besprochen werden. Im Einzelnen geht es für die Unternehmensberatung darum, bei den Mitarbeitern die Leistungsfähigkeit, die Wertvorstellungen, die Einstellung zu und die Identifikation mit Job und Unternehmen einzuschätzen, um ggf. rechtzeitig eingreifen bzw. gegensteuern zu können. Qualifikationen. Qualifikationen sind erworbene und angeborenen Eigenschaften, die zur Bestimmung der Leistungsfähigkeit herangezogen werden. Unter Qualifikationen werden Merkmale verstanden, die durch Schul- und Ausbildung sowie Studium und Berufserfahrung erworbenen wurden. Sie sind ein zentrales Merkmal der Leistungsfähigkeit von Individuen. Zu den angeborenen Eigenschaften zählt beispielsweise die Intelligenz. Meistens werden drei Arten von Qualifikationen unterschieden: physische Fähigkeiten, intellektuelle Fähigkeiten und Wissen [vgl. Hungenberg/Wulf 2015, S. 227]:
Physische Fähigkeiten sind vor allem bei Aufgaben gefragt, deren Erfüllung Ausdauer, Geschicklichkeit oder Kraft erfordern. Zu intellektuellen Fähigkeiten zählen Zahlenverständnis, verbales Verständnis, Wahrnehmungsgeschwindigkeit, induktives Folgern, räumliches Denken und Erinnerungsvermögen – also alle Befähigungen, die für das Denken, das Treffen von Schlussfolgerungen oder das Lösen von Problemen zuständig sind. Sie sind die Voraussetzung dafür, dass Menschen einmal erworbenes Wissen auch anwenden und damit nutzbar machen können. Wissen lässt sich in implizites und explizites Wissen unterscheiden. Explizites Wissen sind Wissensinhalte, über die jemand direkt verfügt und sie auch sprachlich äußern kann. Implizites Wissen stellt Wissen dar, das nicht direkt weitergegeben werden kann.
Werte. Neben Qualifikationen und Einstellungen sind es die Werte, die das Verhalten der Mitarbeiter entscheidend beeinflussen. Werte sind jene Zustände des gesellschaftlichen Lebens, die als besonders wichtig oder erstrebenswert erachtet werden. Sie spielen eine bedeutende Rolle für das Verhalten von Individuen, weil sie Wahrnehmungsprozesse sowie Einstellungen und Präferenzen bestimmen. Ein Mitarbeiter mit der festen Überzeugung, dass die Gehaltshöhe durch das Leistungsniveau bestimmt werden sollte, wird enttäuscht sein, wenn in seinem Unternehmen das Gehaltsniveau allein von der Dauer der Betriebszugehörigkeit abhängt. Aus solch einer Unzufriedenheit ergibt sich möglicherweise eine geringere Motivation des Angestellten, die sich wiederum negativ auf sein Leistungsniveau auswirken kann [vgl. Hungenberg/Wulf 2015, S. 228]. Darüber hinaus sind die Veränderungen der allgemeinen Wertvorstellungen (Wertewandel) besonders im Hinblick auf die Einstellung von Menschen zur Arbeit, zum zwischenmenschlichen Umgang in der Arbeitswelt etc. von besonderer Bedeutung für die Unternehmensführung. Grundsätzlich kann festgehalten werden, dass die Pflicht- und Akzeptanzwerte wie Disziplin,
640
5. Personal und Management der Unternehmensberatung
Gehorsam und Ordnungsliebe gegenüber den Selbstentfaltungswerten wie Kreativität, Selbstverwirklichung und Freizeitorientierung verloren haben. Somit ist die Unternehmensführung dazu angehalten, den Wertewandel hinsichtlich der Motivation und Eigenschaften wie Loyalität und Disziplin zu berücksichtigen. Die jeweiligen Wertesysteme hängen insgesamt – wie eine Vielzahl von Untersuchungen zeigen – davon ab, in welchem Zeitraum Menschen geboren wurden. Abbildung 5-34 zeigt die unterschiedlichen positiven und negativen wertebezogenen Ausprägungen verschiedener Generationen hinsichtlich ihres Verhaltens am Arbeitsplatz. Die hier dargestellte Generationeneinteilung stammt zwar aus den USA, sie lässt sich aber durchaus teilweise auf den europäischen Kulturkreis übertragen [vgl. Bartscher et al. 2012, S. 31 f.]. Traditionalisten
Baby Boomer
Generation X
Generation Y / Millennials
Generation Z
Geburtsjahrgänge bis 1945
Geburtsjahrgänge von 1945 bis 1965
Geburtsjahrgänge von 1965 bis 1980
Geburtsjahrgänge von 1980 bis 1995
Geburtsjahrgänge ab 1995
+ verlässlich + gründlich + loyal + fleißig + beständig + hierarchietreu
+ kundenorientiert + leistungsbereit + ehrgeizig + motiviert + beziehungsfähig + kooperativ
+ flexibel + technik-affin + unabhängig + selbstbewusst + kreativ
+ teamorientiert + optimistisch + hartnäckig + kühn + multitaskingfähig + technologisch fit
+ Hohe Akzeptanz/ Toleranz von Diversitäten + selbstüberzeugt + technologisch fit + selbstorganisationsfähig
- konfliktscheu - systemkonform - wenig veränderungsbereit
- egozentrisch - eher prozess- als ergebnisorientiert - kritikempfindlich - vorurteilsbeladen
-
- unerfahren - anleitungsbedürftig - strukturbedürftig - antriebsschwach - illoyal
- Verantwortung wird abgegeben (z.B. an die Helicopter-Eltern) - geringere Sorgfalt
Einstellung zur Arbeit
Pflicht und Wert
Herausforderung und Selbstfindung
Job und Spaß
Sinn und Team
Arbeit ist Spaß, Arbeit ist unsicher und Arbeit ist unklar
Einstellung zur Autorität
Gehorsam
Hassliebe
Unbeeindrucktheit
Höflichkeit
Indifferent
„Leben, um zu arbeiten“
„Arbeiten, um zu leben“
„Erst leben, dann arbeiten“
„Leben und arbeiten als fließender Prozess“
Verhalten am Arbeitsplatz
Lebensphilosopie
ungeduldig wenig sozial zynisch wenig durchsetzungsfähig
- rudimentäres Google-Gedächtnis
[Quelle: in Anlehnung an Oertel 2007, S. 28 f. und Ciesielski/Schutz 2016, S. 41 ff.]
Abb. 5-34:
Arbeitsverhalten verschiedener Generationen
Die erste der untersuchten Generationen trat während der sechziger bis Mitte der siebziger Jahre in den Arbeitsmarkt ein. Diese Gruppe wurde geprägt durch John F. Kennedy, die Beatles und den Vietnamkrieg und misst den Werten Gleichheit und Freiheit die größte Bedeutung zu. Die Mitglieder dieser Generation, die den Geburtsjahrgängen 1925 bis 1945 angehören und mal als Traditionalisten oder als Silent Generation bezeichnet werden, haben keine führungsrelevanten Auswirkungen der digitalen Transformation am Arbeitsplatz. Die Arbeitnehmer der zweiten untersuchten Kategorie, die sogenannten Baby Boomer, sind zwischen 1945 und 1965 geboren. Sie traten Anfang der siebziger bis Mitte der achtziger Jahre in den Arbeitsmarkt ein und zeichnen sich durch eine Betonung von materiellem Erfolg und gesellschaftlichem Aufstieg aus. Es folgt die Generation X (Geburtsjahrgänge 1965 bis 1980), die zwischen Mitte der achtziger und Ende der neunziger Jahre in den Arbeitsmarkt eintrat. Sie legt typischerweise großen
5.6 Personalführung – Optimierung der Wertschätzung
641
Wert auf familiäre und soziale Beziehungen und orientiert sich an Werten wie Glück, Freude und wahrer Freundschaft. Die nächste Kategorie von Arbeitnehmern, die so genannte Generation Y, ist zwischen 1980 und 1995 geboren worden. Sie sind seit 2000 in den Arbeitsmarkt eingetreten, werden daher auch als Millennials bezeichnet und gelten als selbstständig und teamorientiert. Dem finanziellen Erfolg, der Freiheit und einem komfortablen Leben messen sie einen hohen Wert bei. Die Generation Z schließlich hat ihre Geburtsjahrgänge zwischen 1995 und 2010 [vgl. Hungenberg/Wulf 2015, S. 228 f.]. Versucht man eine „kommunikative Verbindungslinie der jeweiligen Arbeitsmittel“ zwischen den einzelnen Generationen zu ziehen, so wurden die Traditionalisten beim Eintritt in den Arbeitsmarkt in aller Regel mit einer mechanischen Schreibmaschine ausgestattet. Die Baby Boomer arbeiteten zunächst mit elektronischen Schreibmaschinen, die teilweise mit einem Kugelkopf versehen waren. Die Generation X erlebte in ihrer Jugend die Einführung des Taschenrechners und der ersten PCs. In den Arbeitseintritt der Generation Y fielen die ersten Mobiltelefone und das Internet. Die Generation Z wurde seit ihrer Geburt von internetfähigen Smartphones, von globalen Netzwerken wie Facebook, Youtube und Twitter sowie von permanent zur Verfügung stehenden Informationsquellen wie Google und Wikipedia geprägt. „Alle Generationen nutzen Smartphones. Das ist allen Generationen gemeinsam. Aber nur die Generation Z kennt seit ihrer Geburt nichts anderes“ [Ciesielski/Schutz 2016, S. 44]. Die digitale Transformation ist also ein Leadership- und ein Kultur-Thema, das sehr von den unterschiedlichen Generationen geprägt ist. So kommen in der Arbeitskultur nicht nur die Generationen Y und Z, also die Digital Natives, sondern auch die Baby Boomer und die Generation X zusammen. Die Frage ist also, wie es gelingen kann, eine generationenverbindende Kommunikations- bzw. Unternehmenskultur (vor) zu leben. Denn im Bereich der Arbeitskultur kommt es regelmäßig entweder zu den größten Abstoßungen oder zu den größten Adoptionen gegenüber einer neuen Technologie. Insert 5-28 fasst sehr eindrucksvoll wichtige Ausprägungen des Wertewandels zusammen. Einstellungen. Einstellungen sind in der Regel nicht so stabil wie Werte. Das Verhaltenskonstrukt Einstellung wird als innere Denkhaltung gegenüber Sachen, Personen oder Themen definiert. Einstellungen sind verbunden mit einer Wertung oder einer Erwartung. Aus Sicht der Unternehmensführung interessieren vor allem drei Aspekte der Einstellung des Arbeitnehmers [vgl. Hungenberg/Wulf 2015, S. 229]:
Arbeitszufriedenheit ist die allgemeine Einstellung des Mitarbeiters gegenüber seinem Arbeitsplatz. Job Involvement (Engagement) beschreibt, wie stark Mitarbeiter sich mit ihrer konkreten Arbeit identifizieren. Untersuchungen haben gezeigt, dass ein hohes Job Involvement mit kürzeren Fehlzeiten und niedrigeren Fluktuationsraten korreliert. Commitment ist die Identifikation eines Mitarbeiters mit den Zielen einer Organisation und die Absicht, die Mitgliedschaft in der Organisation aufrecht zu erhalten.
642
Insert 5-28:
5. Personal und Management der Unternehmensberatung
„Die alten Werte verändern sich“
5.6 Personalführung – Optimierung der Wertschätzung
643
5.6.1.2 Verhalten von Teams
Es gibt heute kein Unternehmen, das auf Teamarbeit verzichten würde. Der Nutzen von Teamarbeit ist unumstritten. Wer aber Teams effektiv einsetzen möchte, der muss ihre besondere Dynamik verstehen. Insofern ist es nur allzu verständlich, dass das Team und seine Möglichkeiten auch immer wieder im Fokus der Unternehmensführung stehen. Das Team ist ein Zusammenschluss von mehr als zwei Personen, die ein gemeinsames Ziel erreichen wollen und dabei auf die Zusammenarbeit untereinander angewiesen sind [vgl. Stock 2003, S. 25]. Hinsichtlich der Begriffe Team und Gruppe kann in Theorie und Praxis eine weitgehend synonyme Verwendung festgestellt werden. Bildung von Teams. Ein besonders wichtiger Aspekt ist die Bildung von Teams. Dabei stellt sich die Frage, ab welchem Zeitpunkt ein neu gebildetes Team die von ihm erwartete und im Vergleich zur Einzelarbeit erhöhte Leistungsfähigkeit erreicht. Aufschluss hierüber kann das Teammodell von Bruce Tuckman [1965] geben. Danach durchläuft ein Team zur Erreichung seiner vollen Leistungsfähigkeit verschiedene Entwicklungsphasen (siehe Abbildung 5-35).
Forming
Storming
Norming
Performing
“Test”
“Nahkampf”
“Orientierung”
“Verschmelzung”
Effektivität
t höflich unpersönlich gespannt vorsichtig abtastend
• Konfrontation der Personen • unterschwellige Konflikte • Cliquenbildung • mühsames Vorankommen • Positionierung und Rangkämpfe
• Entwicklung von Umgangsformen • Entwicklung von Verhaltensweisen • Aufbau einer Feedback-Kultur • Konfrontation von Standpunkten
• • • • • •
Ideenreich Flexibel Offen Leistungsfähig Leistungsbereit Solidarisch und hilfsbereit
Merkmale der Phase
• • • • •
Bedeutung der Beziehungsebene
hoch
hoch
gering
hoch
Bedeutung der Sachebene
gering
gering
hoch
hoch
Führungsstil
kooperativbeziehungsorientiert
kooperativ-autoritär
Kooperativbürokratisch
kooperativ
Rolle der Führungsperson
Beziehungsmanager
Schlichter
Koordinator
Coach
[Eigene Darstellung in Anlehnung an Bartscher 2012, S. 111 und Stock-Homburg 2013, S. 583 f.]
Abb. 5-35:
Teamphasenmodell nach Tuckman
In der ersten Phase, dem Forming, treffen die Teammitglieder erstmals aufeinander. Sie tauschen sich aus und lernen sich dadurch gegenseitig kennen und einschätzen. Die Teamleistung
644
5. Personal und Management der Unternehmensberatung
ist dementsprechend gering, gleichwohl werden die gemeinsame Aufgabe und ihre inhaltlichen Ziele definiert. Im Mittelpunkt der Storming-Phase steht die Rollenzuweisung. Es kommt häufig zu Meinungsverschiedenheiten, denn Rivalität und Machtverteilung sowie die damit verbundenen Konflikte prägen häufig diese Phase, in der sich manchmal auch Parteien oder Subgruppen bilden können. In der Phase des Norming werden Spielregeln für die Zusammenarbeit aufgestellt. Hier bilden sich Erwartungen der Verhaltensweisen der Teammitglieder heraus, so dass sich die Mitglieder nun stärker der gemeinsamen Arbeitsaufgabe und den Teamzielen widmen können. Die Leistung des Teams nimmt erstmals zu. In der vierten Phase, dem Performing, erreicht das Team seine volle Arbeitsleistung. Alle erforderlichen Entwicklungsschritte sind durchlaufen, die Rollen im Team verteilt und die Teamnormen festgelegt. In einer Weiterentwicklung wird das Modell noch um eine fünfte Phase, dem Adjourning, ergänzt. Die Adjourning-Phase (Auflösungsphase) betrifft Teams, die sich nach (langer) Zusammenarbeit auflösen. Damit bekommt das Teamphasenmodell den Charakter eines Lebenszykluskonzepts für Teams bzw. Gruppen. Allerdings kann die Hypothese, dass Teamarbeit grundsätzlich nach diesem (idealtypischen) Schema verläuft, in der Praxis so nicht bestätigt werden. So sind Teamentwicklungsprozesse in der Praxis wesentlich komplexer und es kann Teams geben, die die Phasen nicht in der angegebenen Reihenfolge durchlaufen oder gar eine Phase überspringen [vgl. Bartscher et al. 2012, S. 112]. Typologie von Teammitgliedern. Eine Besonderheit der Führung von Teams im Vergleich zur Führung einzelner Mitarbeiter liegt darin, dass sich Teammitglieder durch unterschiedliche Verhaltensweisen auszeichnen. Eine Kategorisierung dieser Verhaltensweisen leistet die Typologie von [Stock 2002], die jeweils zwei verhaltensbezogene Dimensionen gegenüberstellt: Teamorientierung und Leistungsfähigkeit bzw. -bereitschaft. In Abhängigkeit von der Ausprägung dieser verhaltensorientierten Dimensionen lassen sich vier Typen von Teammitgliedern unterscheiden (siehe Abbildung 5-36).
hoch
Der Trittbrettfahrer
Der Teamworker
Der Blockierer
Der Einzelkämpfer
Teamorientierung niedrig
niedrig [Quelle: Stock-Homburg 2013, S. 590]
Abb. 5-36:
hoch
Leistungsfähigkeit/-bereitschaft
Typen von Teammitgliedern
Für die Teamführung stellt sich die Frage, wie eine Führungsperson mit den unterschiedlichen Typen in ihrem Team umgehen sollte [vgl. Stock-Homburg 2013, S. 589 f.]:
5.6 Personalführung – Optimierung der Wertschätzung
645
Der Blockierer ist sowohl durch eine geringe Teamorientierung als auch durch eine geringe Leistungsfähigkeit bzw. -bereitschaft gekennzeichnet. Teamarbeit ist verpönt, weil diese Leistungsdefizite sehr schnell aufdecken kann. Um ein solches Teammitglied erfolgreich zu führen, muss sowohl an dessen Fähigkeiten als auch an dessen Motivation angesetzt werden. Beim Trittbrettfahrer ist hohe Teamorientierung mit geringer Leistungsfähigkeit bzw. -bereitschaft gepaart. Hier zielt die Teambereitschaft vornehmlich darauf ab, von der Teamleistung zu profitieren, ohne selbst einen großen Beitrag zu leisten. Die Maßnahmen der Teamführung müssen daran ansetzen, die absichtliche, zumeist verdeckte Leistungsreduktion in Verbindung mit einem Rückgang der Teammotivation möglichst gering zu halten. Der Einzelkämpfer, der sich durch eine hohe Leistungsfähigkeit bzw. -bereitschaft auszeichnet, befürchtet, dass durch die Teamsituation die eigene Leistung im Sinne einer „Gleichmacherei auf niedrigem Niveau“ beeinträchtigt wird. Ziel der Teamführung muss es hier sein, diesem Teammitglied die Vorteile der Teamarbeit für das Unternehmen und seinen persönlichen Nutzen daraus zu vermitteln. Der Teamworker ist das Teammitglied, das am stärksten zum Teamerfolg beiträgt. Sowohl Leistungsfähigkeit und -bereitschaft als auch Teamorientierung sind hoch ausgeprägt. Die Teamführung ist gut beraten, wenn sie den Teamworker in seiner leistungs- und Teamorientierung bestärkt und ihm eine Vorbildfunktion für andere Teammitglieder zuweist. Angesichts des zuvor skizzierten Wertewandels und der übrigen Veränderungen in den Einstellungen und des Teamverhaltens besonders bei den jungen Beratern trifft der Trend zur dezentralen Selbststeuerung bei diesen auf einen fruchtbaren Boden. Zum einen sind viele Mitarbeiter heute beruflich qualifizierter als früher und deshalb in der Lage, dispositive Aufgaben im Sinne einer Ergebnisorientierung zu übernehmen. Zum anderen haben vor allem die Vertreter der jüngeren Generation eine andere Einstellung zu ihrem Beruf: Ein hohes Maß an Selbstständigkeit und Handlungsspielraum gehören zu ihren wichtigsten Motivationsfaktoren. Dementsprechend verlagern sich die Aufgaben der Führungskräfte im Wesentlichen in drei Richtungen [vgl. Doppler/Lauterburg 2005, S. 67 f.]: Zukunftssicherung, d. h. der Vorgesetzte muss die notwendigen Rahmenbedingungen hinsichtlich Infrastruktur und Ressourcen schaffen, damit die Mitarbeiter ihre Aufgaben auch in Zukunft selbständig, effektiv und effizient erfüllen können; Menschenführung, d. h. die Ausbildung und Betreuung der Mitarbeiter und die Unterstützung bei speziellen Problemen stehen hierbei ebenso im Vordergrund wie die Entwicklung leistungsfähiger Teams und das Führen mit Zielvereinbarungen; Veränderungsmanagement (engl. Change Management), d. h. Koordination von Tagesgeschäft und Projektarbeit, Steuerung des Personaleinsatzes, Bereinigung von Konfliktsituationen, Sicherstellen der internen und externen Kommunikation sowie die sorgfältige Behandlung besonders heikler Personalfälle.
646
5. Personal und Management der Unternehmensberatung
5.6.2 Aspekte und Dimensionen der Führung Führung als zielbezogene Einflussnahme ist ein Prozess, dessen Umsetzung durch die Wahrnehmung von Führungsaufgaben (z. B. Zielvereinbarung, Delegation etc.) erfolgt. Führungsinstrumente dienen in der Regel zur Verbesserung der Kommunikation zwischen Führungskraft und den Mitarbeitern. Die Form bzw. die Art und Weise, in der die Führungsaufgaben von den Führungskräften wahrgenommen werden, wird als Führungsstil (z. B. kooperativ) bezeichnet. Führungsstile sind somit Verhaltensmuster für Führungssituationen, in denen eine Führungskraft ihre Mitarbeiter führt. Führungsverhalten ist dagegen das aktuelle Verhalten einer Führungsperson in einer konkreten Führungssituation [vgl. Bröckermann 2007, S. 343]. In Abbildung 5-37 sind die Zusammenhänge zwischen Führungsprozess, Führungsaufgaben. Führungsinstrumente und Führungsstil am „Führungswürfel“ veranschaulicht.
Führungsprozess
Führungsaufgaben Zielvereinbarung Delegation Weisung Problemlösung Information Führungskommunikation
MA-Kontrolle Anerkennung/Kritik
Führungsinstrumente
Konfliktsteuerung
Führungstechniken Eigenschaftsorientierte Ansätze Verhaltensorientierte Ansätze Situative Ansätze Kognitive Ansätze
Führungsstil
[Quelle: in Anlehnung an Jung 2017, S. 449]
Abb. 5-37:
Zusammenhang zwischen Führungsprozess, -aufgaben und -stil
5.6.2.1 Führungsprozess
Der Führungsprozess stellt quasi die erste Dimension des Führungswürfels dar. Im Rahmen dieses Prozesses sind folgende Phasen angesprochen, die bei der Wahrnehmung der eigentlichen Führungsaufgaben immer wieder durchlaufen werden müssen. [vgl. Jung 2017, S. 441 ff.]:
5.6 Personalführung – Optimierung der Wertschätzung
647
Zielsetzung (engl. Target Setting) Planung (engl. Planning) Entscheidung (engl. Decision) Realisierung (engl. Realization) Kontrolle (engl. Controlling). Zielsetzung. Der Mechanismus der Zielsetzung ermöglicht eine Fokussierung der Handlungsthemen, die zum Gegenstand konkreter Pläne gemacht werden sollen [vgl. Steinmann/Schreyögg 2005, S. 146]. Ziele erzeugen so etwas wie eine „Sogwirkung“. Sie helfen Arbeitsabläufe, Arbeitsaufgaben sowie die Zusammenarbeit der Organisationseinheiten und der Mitarbeiter untereinander transparent zu machen. Mitarbeiter wollen motiviert und wertgeschätzt werden. Freundlichkeit, Engagement, Identifikation, Motivation und Begeisterung lassen sich nicht verordnen. Man kann jedoch Spielregeln der Kooperation entwickeln, von denen alle Beteiligten profitieren und eine Art „Win-WinSituation“ erzeugen. Hierzu sind Ziele eine entscheidende Voraussetzung [vgl. Eyer/ Haussmann 2005, S. 12]. Planung. Die Planung gibt eine Orientierung dessen an, was zu tun ist, um die definierten Ziele zu erreichen. Sie befasst sich mit den Maßnahmen, Mitteln und Wegen zur Zielerreichung. Planung ist kein einmaliger, in sich abgeschlossener Akt, sondern ein rollierender Prozess. Unter den vielfältigen Aspekten der Planung, die sich durch eine starke Analysetätigkeit auszeichnet, soll hier lediglich der zeitliche Gesichtspunkt erwähnt werden. Während die strategische Planung den grundsätzlichen und damit zumeist längerfristigen Handlungsrahmen für zentrale Unternehmensentscheidungen vorgibt, zielt die operative Planung darauf ab, eine konkrete Orientierung für das Tagesgeschäft zu gewinnen [vgl. Steinmann/Schreyögg 2005, S. 163]. Entscheidung. In allen Unternehmenseinheiten wird tagtäglich eine Vielzahl von Entscheidungen getroffen. Diese sind nach Inhalt, Häufigkeit und Tragweite sehr unterschiedlich. Zwei Merkmale sind jedoch allen komplexeren Entscheidungen gemeinsam [vgl. Jung 2006, S. 445 f.]:
Entscheiden bedeutet die Auswahl aus mehreren Handlungsalternativen.
Entscheidungen werden unter dem Aspekt des Risikos getroffen, d. h. es ist i. d. R. nicht genau bekannt, wie sich die verschiedenen Handlungsmöglichkeiten auswirken werden.
Typisch für Entscheidungen im Personalbereich ist zudem, dass diese Entscheidungen nicht isoliert getroffen werden, da häufig ein Zusammenhang mit anderen Managementbereichen besteht. Realisierung. Das Setzen von Zielen, ihre Umsetzung in Pläne und das Treffen der Entscheidungen reichen aber nicht aus, um den Erfolg der Maßnahmen zu gewährleisten. Wichtig ist die praktische Umsetzung des Gewollten. Es ist nicht Aufgabe der Führungskräfte, die erforderlichen Aktivitäten zur Zielerreichung selbst auszuführen. Vielmehr geht es in dieser Phase
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5. Personal und Management der Unternehmensberatung
darum, generelle organisatorische Regelungen zu treffen und durch Einwirken auf die Mitarbeiter (z. B. durch Veranlassen, Unterweisen bzw. Einweisen) dafür zu sorgen, dass der Plan umgesetzt wird [vgl. Jung 2006, S. 446]. Kontrolle. Erst durch eine Kontrolle der umgesetzten Maßnahmen ist es möglich, dass eine für die Regelung des Unternehmensgeschehens erforderliche Rückkopplung (engl. Feedback) stattfindet. Die Kontrollfunktion, die Soll-Größen der Planung mit den Ist-Größen der Realisierung vergleicht, gibt Auskunft über den Grad der Zielerreichung. 5.6.2.2 Führungsaufgaben
Die konkrete Anwendung des Führungsprozesses erfolgt durch die Wahrnehmung der Führungsaufgaben, wie z. B. Ziele und Zielvereinbarungen erarbeiten, Mitarbeiter auswählen, beurteilen und entwickeln, Projekte managen, Teams bilden, entwickeln und lenken. Im Zuge einer stärkeren Systematisierung können diese Führungsaufgaben unterteilt werden in die teilweise formalisierten Sachaufgaben wie Personalvergütung, Personalbeurteilung oder Personalentwicklung, die in diesem Buch jeweils in eigenen Abschnitten behandelt werden, und den mehr situations- und personenbezogenen Aufgaben wie [vgl. Jung 2006, S. 449 ff.] Zielvereinbarung Delegation und Weisung Problemlösung Information und Kontrolle Anerkennung und Kritik Konfliktsteuerung. Grundsätzlich sind die Führungsaufgaben eingebettet in die übergelagerten Managementfunktionen eines Unternehmens (Planung, Organisation, Personaleinsatz, Führung und Kontrolle. Zielvereinbarung. Die Zielvereinbarung ist ein besonderer Aspekt des Führungsmodells „Führen mit Zielen“ (engl. Management by Objectives – MbO). In einem Zielvereinbarungsgespräch werden aus den Unternehmenszielen, den Zielvorstellungen des Vorgesetzten und des einzelnen Mitarbeiters gemeinsame Mitarbeiterziele, deren Zielerreichungsgrad und Maßnahmen zur Zielerreichung vereinbart und schriftlich fixiert. Wichtig ist, dass die Zielvereinbarung nicht aus einem reinen Aufgabenkatalog besteht, sondern vielmehr konkrete Ziele und messbare Ergebnisse enthält. Damit gewinnt jenes Führungsverhalten an Bedeutung, das den (beteiligten) Mitarbeiter in seiner komplexen und vernetzten Arbeitswelt am besten würdigt (wertschätzt) [vgl. Lippold 2010, S. 21]. Der Vorteil einer Zielvereinbarung gegenüber einer reinen Zielvorgabe liegt darin, dass der aktiv beteiligte Mitarbeiter einen konkreten Orientierungsrahmen erhält und damit seine Identifikation mit den Zielen seiner Tätigkeit erhöht wird. Nachteilig ist der zweifellos höhere Zeitaufwand [vgl. Jung 2006, S. 450].
5.6 Personalführung – Optimierung der Wertschätzung
649
Delegation und Weisung. Um seine Führungsaufgaben erfüllen zu können, muss ein Vorgesetzter Tätigkeiten mit genau abgegrenzten Befugnissen (Kompetenzen) und Verantwortlichkeiten zur selbständigen Erledigung an geeignete Mitarbeiter übertragen. Die Vorteile der Delegation sind im Wesentlichen [vgl. Jung 2006, S. 451; Stock-Homburg 2008, S. 457]:
Zeitersparnis und Entlastung der Führungskraft, Vergrößerung des Freiraums der Führungsperson für strategische Fragestellungen, Erfüllung der Mitarbeiterbedürfnisse nach Anerkennung und Selbstverwirklichung, Nutzung von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen der Mitarbeiter und Ausbau der Fähigkeiten potenzialstarker Mitarbeiter.
Demgegenüber stehen folgende Verhaltensweisen, die ein Delegieren erschweren [vgl. Jung 2006, S. 451]:
Geringes Zutrauen der Führungskraft in die Fähigkeiten seiner Mitarbeiter, Nichtanerkennung brauchbarer Vorschläge der Mitarbeiter und Scheuen des Erklärungsaufwands bei der Übertragung anspruchsvoller Aufgaben.
Um Mitarbeiter zu bestimmten Handlungen zu veranlassen, bedient sich die Führungskraft Weisungen. Diese sollten eindeutig, klar und vollständig sein. Typische Weisungsformen sind [vgl. Jung 2006, S. 452]: Der Befehl. Diese Form der Weisung ist heutzutage in den wenigsten Fällen als Mittel zur Führung geeignet. Der Befehl schließt Mitdenken und Eigenverantwortlichkeit aus. Die Anweisung. Eine Anweisung ist dann erforderlich, wenn genau vorgeschrieben ist, wie eine Arbeit erledigt werden soll. Eine Anweisung wird zumeist schriftlich fixiert. Der Auftrag. Wesentlich zeitsparender als die Anweisung ist der Auftrag. Hierbei wird dem Mitarbeiter nur ein grober Rahmen vorgegeben, so dass es ihm weitgehend überlassen bleibt, wie und womit er den Auftrag ausführt. Problemlösung. „Führung durch Anerkennung“ ist eine häufig praktizierte Maxime, wenn es darum geht, Führungspositionen zu besetzen. Eine Führungskraft erwirbt sich vor allem dann bei ihren Mitarbeitern Anerkennung, wenn sie neben dem formalen Führungsverhalten auch entsprechende Problemlösungskompetenz nachweisen kann. Dabei geht es manchmal gar nicht so sehr darum, dass die Führungskraft auftretende Probleme selber löst. Vielmehr muss sie in der Lage sein, Probleme rechtzeitig zu erkennen, ihre Ursachen zu analysieren, sie zu vermeiden bzw. Lösungswege aufzuzeigen, um gemeinsam mit den Mitarbeitern eine Problemlösung zu erarbeiten [vgl. Jung 2006, S. 454]. Information und Kontrolle. Eine der wichtigsten Führungsaufgaben ist es, Mitarbeiter hinreichend mit Informationen zu versorgen, damit sie bereit und in der Lage sind, Mitverantwortung zu übernehmen. Ein gut informierter Mitarbeiter ist zugleich auch immer ein guter Mitarbeiter.
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5. Personal und Management der Unternehmensberatung
Grundsätzlich ist zu unterscheiden zwischen Informationen, die für die Aufgabenerfüllung erforderlich sind, und aufgabenunabhängigen, aber wünschenswerten Informationen. Die Auswertung vieler Mitarbeiterbefragungen zeigt, dass die Informationsversorgung zu den wichtigsten zu verbessernden Maßnahmen zählen. Fehlende, falsche, unzureichende oder missverständliche Informationen über den (wahren) Geschäftsverlauf oder die Kostensituation führen häufig zu Unverständnis für manch unternehmerische Entscheidung und heizen die „Gerüchteküche“ an. Motivations- und Vertrauensverluste sind häufig die Folge. Gerade in prekären Situationen ist das Management gut beraten, offen, ehrlich und vertrauensvoll zu informieren, statt zu dementieren [vgl. auch Jung 2006, S. 456]. Bei der Mitarbeiterkontrolle geht es um die Kontrolle der konkreten Umsetzung einer Aufgabe, die dem Mitarbeiter vom Vorgesetzten zugewiesen wurde. In der Regel handelt es sich bei der Mitarbeiterkontrolle um eine Ergebniskontrolle, d. h. es wird geprüft, mit welchem qualitativen oder quantitativen Ergebnis der Mitarbeiter die ihm übertragene Aufgabe durchgeführt hat. Eine solche Art der Kontrolle wird von den Mitarbeitern nicht nur hingenommen, sondern im Sinne einer Information und Bestätigung auch gewünscht. Ohne Kontrolle lassen sich Ziele nicht zuverlässig erreichen. Zu viel Kontrolle wird allerdings nicht nur als lästig empfunden, sondern viele Mitarbeiter sehen dahinter auch Misstrauen in ihre Fähigkeiten [vgl. Jung 2006, S. 457 f.]. Anerkennung und Kritik. Das durch die Mitarbeiterkontrolle gegebene „Feedback“ ist daneben auch für die Führungskraft eine gute Möglichkeit, dem Grundbedürfnis des Mitarbeiters nach Anerkennung nachzukommen. Anerkennung ist ein ganz entscheidender Motivationsfaktor – nicht nur im Arbeitsleben. Auf der anderen Seite ist der Vorgesetzte aber auch verpflichtet, die Schlechtleistung seines Mitarbeiters sachlich zu kritisieren, denn ohne Kritik und der daraus folgenden Einsicht ist keine Veränderung möglich [vgl. Jung 2006, S. 459 ff.]. Damit der Mitarbeiter Fehler einsieht und bereit ist, sein Verhalten zukünftig zu verändern, sollten bei der negativen Kritik einige Regeln eingehalten werden [vgl. Jung 2006, S. 461 f.]:
Fehlerhaftes Verhalten sollte möglichst sofort angesprochen werden, da sonst Fehler zur Gewohnheit werden.
Der Vorgesetzte sollte nicht persönlich werden, sondern ausschließlich die Sache kritisieren (konstruktive Kritik).
Die Kritik sollte nur „unter vier Augen“ ausgesprochen werden, da sonst die Gefahr des „Gesichtsverlusts“ besteht.
Kritik sollte nicht hinter dem Rücken des betroffenen Mitarbeiters ausgeübt werden.
Konfliktsteuerung. „Wo immer es menschliches Leben gibt, gibt es auch Konflikt“ [Dahrendorf 1975, S. 181]. Die Ursachen für Konflikte im Unternehmen können ebenso vielfältig sein wie ihre Gestaltungsformen. Nachteilig können Konflikte sein, wenn sie zur Instabilität führen und das Vertrauen erschüttern. Vorteilhaft sind Konflikte dann, wenn sie Energien und Kreativität freisetzen und zu gewünschten Veränderungen führen [vgl. Jung 2006, S. 462 f.]. Neben Konflikten zwischen Personen sind in der betrieblichen Praxis vor allem Konflikte zwischen verschiedenen Gruppen (insbesondere Organisationseinheiten) anzutreffen. Konflikte
5.6 Personalführung – Optimierung der Wertschätzung
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zwischen Organisationseinheiten entstehen häufig nach Fusionen oder Unternehmensübernahmen und können sehr lange andauern. Konfliktursache ist hier das „Aufeinanderprallen“ unterschiedlicher Unternehmenskulturen, d. h. Menschen mit unterschiedlichsten Kenntnissen, Fähigkeiten und Werthaltungen treffen aufeinander, so dass Konflikte immer wahrscheinlicher werden. Können solche Konflikte nicht bewältigt werden, führt dies zur Enttäuschung und Frustration bei den Betroffenen. Die Konfliktbewältigung nach Unternehmenszusammenschlüssen ist deshalb besonders wichtig, weil ansonsten die mit einer Fusion gewünschten Synergieeffekte zunichtegemacht werden können. Es gehört zu den Aufgaben einer Führungskraft, Bedingungen zu schaffen, die zur Konfliktvermeidung beitragen oder eine entsprechende Lösung herbeiführen. Daher ist es wichtig, die Entstehung eines Konfliktes richtig „einordnen“ zu können. Folgende Konflikttypen können auftreten [vgl. Schuler 2006, S. 626 f.]: Bewertungskonflikt, d. h. der Wert eines Ziels wird unterschiedlich bewertet; Beurteilungskonflikt, d. h. die Parteien sind sich über das Ziel einig, aber nicht über den Weg zur Zielerreichung; Verteilungskonflikt, d. h. die Parteien streiten über die Verteilung knapper Ressourcen (Anreize, Statussymbole, Aufgaben); Beziehungskonflikt, d. h. eine Partei fühlt sich durch die andere persönlich herabgesetzt oder zurückgewiesen. In Gruppen kommt es vor allem dann zu Konflikten, wenn Verantwortlichkeiten und Entscheidungsbefugnisse nicht geklärt sind. Unkoordiniertes Handeln und auch Streit um die Verantwortung für das Scheitern, nachdem das Ziel nicht erreicht wurde, sind in solchen Fällen vorprogrammiert. In jedem Fall sollte die Führungskraft versuchen, einen Konflikt zu lösen und damit eine Eskalation zu vermeiden. Unterdrücken oder Akzeptieren von Konflikten sollte vermieden werden, da dies für eine gedeihliche Zusammenarbeit in Teams, Gruppen oder Abteilungen ungeeignet ist [vgl. Kellner 2000, S.112 ff.]. 5.6.2.3 Führungsinstrumente
Zu den Führungsinstrumenten, die dritte Dimension des Führungswürfels, zählen die Formen der Führungskommunikation sowie die verschiedenen Führungstechniken, die unter der Bezeichnung „Management by …“ – Konzepte im deutschen Sprachraum weite Verbreitung gefunden haben und teilweise auch als Führungsprinzipien bezeichnet werden. Führungskommunikation. Die Kommunikation ist wohl das wichtigste Führungsinstrument. Führungskommunikation zielt darauf ab, den Informationsaustausch zwischen der Führungskraft und ihren Mitarbeitern zu verbessern. Im Gegensatz zur Mitarbeiterinformation, die nur in eine Richtung wirkt, ist die Kommunikation immer zweiseitig ausgerichtet. Gleichgültig, wie man sich in einer zwischenmenschlichen Situation verhält, ob man spricht oder sich abwendet, es wirkt auf den anderen ein und es findet eine Rückkopplung statt. Untersuchungen belegen,
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5. Personal und Management der Unternehmensberatung
dass wir maßgeblich auch über die Körpersprache, also Gestik, Mimik, Körperhaltung und Bewegungen, sowie auch über Aussehen und Kleidung kommunizieren. Kommunikation ist also ein Verhalten, das anderen etwas mitteilt [vgl. Bröckermann 2007, S. 365]. Manager müssen permanent kommunizieren, sei es mit Kollegen oder Mitarbeitern, mit wichtigen (Schlüssel-) Kunden (engl. Key Accounts), mit Aufsichtsgremien oder Analysten. Kurz gesagt: Kommunikation ist die Kernaufgabe des Managements [vgl. Buss 2009, S. 246]. Kommunikation in Führungssituationen findet im Wesentlichen mündlich oder schriftlich statt. Zu den Gesprächen als Mittel der mündlichen Kommunikation zählen [vgl. Jung 2017, S. 478 ff.]
das Mitarbeitergespräch als Gespräch zwischen Führungskraft und Mitarbeiter unter vier Augen, um wichtige Entscheidungstatbestände oder bedeutsame Vorgänge im Arbeitsablauf zu erörtern und
die Besprechung als Zusammenkunft mit mehreren Mitarbeitern gleichzeitig, um diese Personengruppe im Hinblick auf einen zu erreichenden Zustand zu überzeugen, zu aktivieren und zu motivieren.
In der schriftlichen Führungskommunikation hat sich die E-Mail als nahezu einziges Kommunikationsmittel durchgesetzt. Ihre leichte Handhabung hat allerdings auch dazu geführt, dass sie zunehmend andere Kommunikationsformen verdrängt. Es ist zu beobachten, dass viele Manager dazu übergegangen sind, nahezu ausschließlich per E-Mail zu kommunizieren („Management by E-Mail“). Hier ist vor allem auch die richtige Dosierung der Informationsmenge angesprochen. Besonders hinzuweisen ist auf die Unterscheidung zwischen formeller und informeller Kommunikation. Während die formelle Kommunikation dem Informations- und Gedankenaustausch hinsichtlich der Aufgabenerfüllung dient, ist die informelle Kommunikation an keine Regelung gebunden. Sie wird vornehmlich als Lückenbüßer für Mängel in der formellen Kommunikation benutzt und schlägt sich häufig in der sogenannten „Gerüchteküche“ nieder [vgl. Bröckermann 2007, S. 364]. Führungstechniken. Eine weitere Gruppe von Führungsinstrumenten zielt auf die bessere Koordination des Verantwortungsbereichs einer Führungskraft ab. Die wichtigsten Führungstechniken (= Prinzipien) für die Koordination der Personalführung sind:
Führen durch Ziele (engl. Management by Objectives – MbO)
Führen durch Delegation (engl. Management by Delegation) und
Führen durch Partizipation (engl. Management by Participation).
Management by Objectives. Das Führen durch Ziele bzw. Zielvereinbarungen ist das bekannteste Führungsprinzip. Auf die Bedeutung der Zielvereinbarung wurde bereits im Zusammenhang mit der Wahrnehmung von Führungsaufgaben eingegangen (vgl. Abschnitt 2.2.1).
5.6 Personalführung – Optimierung der Wertschätzung
653
Grundgedanke dieses Führungsprinzips ist die Frage: Wie stellt die Führungskraft sicher, dass der geführte Mitarbeiter das Richtige tut (Effektivität) und dass er es richtig tut (Effizienz)? Voraussetzung beim MbO ist, dass die Mitarbeiter eine Vorstellung von dem haben, was von ihnen erwartet wird. Den Orientierungsrahmen geben Ziele vor, die in einer Zielvereinbarung festgelegt werden. Beim MbO werden nicht bestimmte Aufgaben, die nach festgelegten Vorschriften zu erledigen sind, sondern grundsätzlich Ziele vorgegeben. Im Sinne einer besseren Umsetzungswahrscheinlichkeit werden die Ziele gemeinsam von Vorgesetzten und Mitarbeitern erarbeitet, nicht jedoch Regelungen darüber getroffen, wie diese Ziele zu erreichen sind. Insgesamt fordert das MbO einen eher kooperativen Führungsstil, da sich Führungskraft und Mitarbeiter gleichzeitig den erarbeiteten Zielen verpflichtet fühlen sollten [vgl. Jung 2017, S. 501; Bröckermann 2007, S. 330]. Management by Delegation. Der Grundgedanke des Führens durch Delegation ist die weitgehende Übertragung von Aufgaben, Entscheidungen und Verantwortung auf die Mitarbeiterebene. Die Notwendigkeit dieses Führungsprinzips ergibt sich aus der Überlegung, dass eine Führungsperson unmöglich alle Aufgaben selbst erledigen kann. Dies führt im schlimmsten Fall zum Erlahmen aller Prozesse im Verantwortungsbereich der Führungskraft [vgl. StockHomburg 2013, S. 546]. Erfolgreiches Delegieren setzt voraus, dass
die Aufgaben rechtzeitig an die Mitarbeiter übertragen werden, damit die Aufgabenerfüllung termingerecht sichergestellt werden kann, gleichzeitig Verantwortung und Kompetenzen übertragen werden, damit die Mitarbeiter auch über die zur Aufgabendurchführung evtl. benötigten Weisungskompetenzen verfügen, die Aufgabenstellung eindeutig und klar formuliert ist und damit Unsicherheiten bei der Aufgabenerfüllung vermieden werden sowie alle erforderlichen Informationen bereitgestellt werden, damit die Aufgabenerfüllung vollumfänglich erfolgen kann [vgl. Stock-Homburg 2013, S. 546 f.].
Management by Participation. Ein weiteres Führungsinstrument zur besseren Koordination des Verantwortungsbereichs einer Führungskraft ist die Einbindung von Mitarbeitern in den Entscheidungsprozess. Sie dient in erster Linie dazu, weitere Perspektiven der Aufgabenerfüllung zu berücksichtigen sowie die Motivation der Mitarbeiter bei der Umsetzung der Entscheidungen zu erhöhen [vgl. Stock-Homburg 2013, S. 548]. Um diese Vorteile der Partizipation zu gewährleisten, sollten folgende Rahmenbedingungen vorliegen [vgl. Stock-Homburg 2013, S. 550 unter Bezugnahme auf Staehle 1999, S. 536]:
Die Mitarbeiter haben in Bezug auf die Aufgabenstellung gleiche Ziele. Die Mitarbeiter sind aufgrund ihrer Kenntnisse und Erfahrungen in der Lage, zur Entscheidungsfindung beizutragen. Die Mitarbeiter haben ein hohes Maß an Eigenständigkeit und Selbstbestimmung.
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5. Personal und Management der Unternehmensberatung
Alle drei aufgeführten Führungsprinzipien sind nicht isoliert zu betrachten, d. h., sie schließen sich nicht gegenseitig aus. Dies zeigt sich besonders am Führungsprinzip Management by Objectives, das eine Zusammenarbeit und Partizipation (z. B. bei der Zielvereinbarung) sowie eine Delegation (z. B. bei der Aufgabenerfüllung) bewusst vorsieht. Darüber hinaus gibt es noch eine Reihe anderer, weitgehend selbsterklärender Führungsprinzipien wie Führung durch Eingriff in Ausnahmefällen (engl. Management by Exception – MbE) Management durch Systemsteuerung (engl. Management by Systems – MbS) Management durch Motivation (engl. Management by Motivation – MbM) Management by Walking Around. Gerade das Management by Walking Around, bei dem der häufige, direkte Kontakt zwischen der Führungskraft und ihren Mitarbeitern im Vordergrund steht, wird aufgrund der hohen Zeitbelastung des Managements zunehmend vernachlässigt. Dabei zählt dieses Führungsprinzip zu den effektivsten überhaupt, um Mitarbeiter zu guten Leistungen zu motivieren und damit zu den gewünschten Ergebnissen zu kommen. Allerdings stößt das Management by Walking Around in Zeiten des Homeoffice (Stichwort: Corona-Pandemie) naturgemäß an seine Grenzen.
5.6.2.4 Führungsstil
Führungsstil lässt sich als Fundament und Grundlage des „Führungswürfels“ in Abbildung 537 bezeichnen. Der Führungsstil gibt die Form an, in der die Führungskraft ihre Führungsaufgaben im Rahmen der Organisation wahrnimmt. Der Führungsstil ist somit die Grundausrichtung des Führungsverhaltens eines Vorgesetzten gegenüber seinen Mitarbeitern [vgl. Lang/Rybnikova 2014, S. 27 f.]. Da der Begriff stellvertretend für die drei klassischen Strömungen der Personalführungsforschung, nämlich eigenschaftsorientierter Führungsansatz (→ Eigenschaftstheorien und -modelle), verhaltensorientierter Führungsansatz (→ Führungsstiltheorien und -modelle) und situativer Führungsansatz (→ situative Führungstheorien und -modelle), steht, werden die verschiedenen Führungsstilausprägungen im folgenden Kapitel „klassische Führungsansätze und -theorien“ behandelt.
5.6 Personalführung – Optimierung der Wertschätzung
655
5.6.3 Klassische Führungsansätze und -theorien 5.6.3.1 Erfolg als gemeinsamer Maßstab
Die genannten Führungsansätze und -theorien haben gemeinsam, dass sie Aussagen über die Bedeutung von Führungseigenschaften, Führungsverhaltensweisen und Führungssituationen im Hinblick auf den Erfolg von Führungskräften treffen. Abbildung 5-38 liefert einen Überblick über die Schemata der drei Führungsansätze. Beispiele Eigenschaftsansatz
Eigenschaften der Führungskraft
Erfolg
Befähigung Leistung Status Charisma
Führungsstil
Erfolg
autoritär kooperativ bürokratisch beziehungsorientiert
Verhaltensansatz
Situation 1
Führungsstil A
Situation 2
Führungsstil B
Situativer Ansatz
wachstumsorientiert kostenorientiert Erfolg
Situation n
Führungsstil N
oder z. B. „delegating“ „participating“ „selling“ „telling“
[Quelle: in Anlehnung an Neuberger 2002]
Abb. 5-38:
Schema des eigenschafts-, des verhaltens- und des situativen Ansatzes
Die praktische Bedeutung, wie Führungserfolg erklärt und wie gute Führung erreicht werden kann, lässt sich allein an der Vielzahl von jährlich erscheinenden Führungsratgebern erkennen. Allerdings kann auch die Wissenschaft hierzu bislang keine generell gültige Führungstheorie und damit keine allgemein akzeptierte Sichtweise vorlegen. Es gibt weder die Führungskraft, noch den Führungsstil oder die Führungstheorie. Es ist – zumindest bis heute – nicht möglich, anhand eines Modells das Führungsverhalten allgemeingültig zu erklären. Es lassen sich im Zeitablauf aber bestimmte Perspektiven in der Entwicklung von Führungstheorien erkennen, die Aussagen über die Bedeutung von Führungseigenschaften, Führungsverhaltensweisen und Führungssituationen im Hinblick auf den Erfolg von Führungskräften treffen. Kenntnisse über menschliche und zwischenmenschliche Prozesse sowie über die Mechanismen bestimmter Führungsansätze und -theorien erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass sich eine Führungskraft in einer bestimmten Situation richtig bzw. erfolgreich verhält [siehe dazu auch Lippold 2015, S. 25-46 und Lippold 2014, S. 209-228].
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5. Personal und Management der Unternehmensberatung
Neben den drei klassischen Strömungen der Mitarbeiterführung wurden mit den kognitiven Ansätzen weitere Perspektiven der Personalführung entwickelt, die den Blick auf die Führungskraft-Geführten-Beziehung verändern bzw. erweitern sollen. Zu diesen Ansätzen zählen: Eine weitere Unterteilung der verschiedenen Führungstheorien kann anhand der Anzahl der verwendeten Kriterien zur Beschreibung des Führungsverhaltens vorgenommen werden [vgl. Bröckermann 2007, S. 343 f.]: Eindimensionale Führungsansätze normieren das Führungsverhalten lediglich nach einem Kriterium, dem Entscheidungsspielraum der Führungskraft. Zweidimensionale Führungsansätze basieren in der Mehrzahl auf den Kriterien Beziehungsorientierung und Aufgabenorientierung zur Beschreibung des Führungsverhaltens. Mehrdimensionale Führungsansätze verwenden mehr als zwei Kriterien zur Beschreibung von Führungsstilen. Abbildung 5-39 gibt einen Überblick über die gängigsten theoretisch-konzeptionellen Ansätze in der Personalführung, die im Folgenden kurz vorgestellt werden sollen. Klassische Ansätze der Führungsforschung
Eigenschaftsorientierte Führungsansätze
Verhaltensorientierte Führungsansätze
Situative Führungsansätze
Great-Man-Theorie [Stogdill 1948 und 1974]
Autoritärer vs. kooperativer Führungsstil [Tannenbaum/Schmidt 1958]
Kontingenztheorie [Fiedler 1967]
Charismatische Führung [Weber 1976; House 1977]
Ohio-State-LeadershipQuadrant [Halpin/Winer 1957]
Weg-Ziel-Theorie [House 1971]
Transaktionale/ transformationale Führung [Bass 1985]
GRID-Führungsmodell [Blake/Mouton 1986]
Entscheidungsbaum [Vroom/Yetton1973]
DISG-Konzept [Marston 1928; Geier 1958]
Kognitive Führungsansätze
Drei-D-Modell [Reddin1981]
Implizite Führungstheorie [Lord1984]
Reifegradmodell [Hersey/Blanchard1988]
Culturally Endorsed Implicit Leadership Theory [House 2000] Eindimensionaler Forschungsansatz Zweidimensionaler Forschungsansatz Mehrdimensionaler Forschungsansatz
Abb. 5-39:
LMX-Theorie [Graen/ Uhl-Blien1995] Symbolische Führung [Neuberger 2002]
Theoretisch-konzeptionelle Ansätze der Personalführung
© Dialog.Lippold
5.6 Personalführung – Optimierung der Wertschätzung
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5.6.3.2 Eigenschaftsorientierte Führungsansätze
Die Eigenschaftstheorie (engl. Trait Theory) ist der historisch älteste Erklärungsansatz der Führung. Er geht in seinem Grundkonzept davon aus, dass Führung und Führungserfolg maßgeblich von den Persönlichkeitseigenschaften der Führungskraft bestimmt werden. Es wird angenommen, dass effektiv Führende bestimmte Eigenschaften besitzen, um Einfluss auf die Handlungen der Geführten auszuüben. Eigenschaften werden als zeitstabil und situationsunabhängig definiert, sie sollen klar feststellbar und messbar sein. Auch das Handeln der Führungsperson wird als Ergebnis dieser Persönlichkeitsmerkmale angesehen. Zu den wichtigsten Ansätzen der eigenschaftsorientierten Führungstheorie zählen
die Great-Man-Theorie, die Theorie der charismatischen Führung, die Theorie der transformationalen/transaktionalen Führung und das DISG-Konzept.
5.6.3.3 Verhaltensorientierte Führungsansätze
Verhaltensorientierte Führungsansätze werden auch als Führungsstilkonzepte bezeichnet. Führungsstile als regelmäßig wiederkehrende Muster des Führungsverhaltens können häufig nur anhand mehrerer Merkmale beschrieben werden. Zu diesen Beschreibungsmerkmalen zählen die von einer Führungskraft wahrgenommene Bedeutung der Zielerreichung, die Art der Willensbildung, die Beziehungen in der Gruppe der Geführten, die Form der Kontrolle, die Art der Sanktionierung und die Einstellung und Fürsorge einer Führungsperson gegenüber den Mitarbeitern. Die Führungsstilforschung versucht, dass hierin begründete Komplexitätsproblem durch die Bildung von Führungsstiltypen zu vereinfachen [vgl. Macharzina/Wolf 2010, S. 580 unter Bezugnahme auf Baumgarten 1977, S. 27]. Die bekanntesten Führungsstilkonzepte sind
das autoritäre vs. kooperative Führungsstil-Konzept, der Ohio-State-Leadership-Quadrant und das Verhaltensgitter-Modell.
5.6.3.4 Situative Führungsansätze
Die Situationstheorie der Personalführung geht davon aus, dass die Vorteilhaftigkeit des Führungsverhaltens von den jeweiligen situativen Umständen abhängt. Daher – so die Situationstheorie – setzt eine erfolgreiche Personalführung auch immer eine Analyse des Handlungskontexts voraus. Die verschiedenen situativen Ansätze unterscheiden sich nun im Wesentlichen dadurch, welche Faktoren („Situationsvariablen“) bei der Gestaltung des Führungsverhaltens zu berücksichtigen sind [vgl. Macharzina/Wolf 2010, S. 578 f.]. Wesentliche Situative Führungsansätze sind
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5. Personal und Management der Unternehmensberatung
die Kontingenztheorie, die Weg-Ziel-Theorie, der Entscheidungsbaum, das Drei-D-Modell und das situative Reifegradmodell.
5.6.3.5 Kognitive Ansätze der Führungsforschung
Neben diesen drei klassischen Ansätzen der Mitarbeiterführung, die sich primär auf Eigenschaften und (situative) Verhaltensweisen des Führenden konzentrieren, erweitern bzw. verändern die kognitiven Ansätze den Blick auf die Führungskraft-Geführten-Beziehung [vgl. Oechsler/Paul 2019, S. 310]. Kognitive Ansätze drehen die Erklärungsrichtung um und betrachten den Führungsprozess vom Geführten zur Führungskraft. Bei den kognitiven Ansätzen steht nicht die Frage „Welcher Führungsstil ist der beste?“ im Vordergrund, sondern die Frage „Wie wirkt der Führungsstil beim Geführten?“ Zu den wichtigsten kognitiven Ansätzen der Führungsforschung gehören im Einzelnen
die Implizite Führungstheorie die Culturally Endorsed Implicit Leadership Theory die Leader-Member Exchange Theorie (LMX-Theory) sowie die Symbolische Führung.
5.6.4 Neue Führungsansätze und -konzepte Die Welt der klassischen Führungstheorien mit ihren klaren, eindimensionalen Konzepten, bei denen Führungseigenschaften, Führungsverhalten und Führungssituationen im Vordergrund stehen, wird heute von einer Führungswelt abgelöst, die auch als New Work bezeichnet wird. Die Rahmenbedingungen dieser neuen Führungsansätze lassen sich sehr gut mit dem schon fast geläufigen Akronym VUCA beschreiben. VUCA steht für volatil, unsicher, komplex (engl. complex) und mehrdeutig (engl. ambiguous). Die eigentliche Herausforderung einer VUCA-Welt besteht nämlich darin, sie anzunehmen und mit ihr mitzugehen [vgl. Ciesielski/Schutz 2016, S. 4]. Nicht nur die Vielzahl von jährlich erscheinenden Führungsratgebern, sondern auch die Sichtung aktueller Trainingskonzepte macht deutlich, dass das Thema Personalführung und neue Führungskonzepte eine Blütezeit erlebt. Doch wie lässt sich die Flut neuer Führungstheorien und -konzepte erklären? Welches sind Ursachen und gesellschaftliche Kontexte ihrer Entstehung? Welche inhaltlichen Gemeinsamkeiten und welche Unterschiede lassen sich bei den neuen, teilweise sehr modisch klingenden Führungsansätzen ausmachen? Und vor allem: Welchen Nutzen bringen die neuen Konzepte? [vgl. im Folgenden auch Lang/Rybnikova 2014, S. 16 ff.]
5.6 Personalführung – Optimierung der Wertschätzung
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5.6.4.1 Einflussfaktoren neuer Führung
Um die Wurzeln der Vielzahl neuer Führungsansätze und -konzepte erklären zu können, müssen zunächst die verschiedenen Faktoren, die heutzutage auf Führung wirken und diese beeinflussen, aufgezeigt werden. Führungskräfte müssen über verschiedene Standorte hinweg mit einer zunehmend heterogenen Gruppe von Mitarbeitern kommunizieren und klarkommen. Und gleichzeitig muss Führung die Generationen- und Kulturunterschiede im Umgang mit den Technologien berücksichtigen. Damit sind die wichtigsten Cluster an Einflussfaktoren genannt, die auf heutige Führung einwirken und die im Wesentlichen die inhaltliche Thematik neuer Führungsansätze bestimmen:
Digitalisierung und technologischer Wandel Medien-Mix und Kommunikation über Distanzen Generationenwechsel und hybride Arbeitskulturen.
Digitalisierung und technologischer Wandel. Wenn die digitale Transformation immer wichtiger und das Veränderungstempo immer schneller wird, formieren sich neue Herausforderungen an das Führen von Mitarbeitern. Wo Manager in früheren Zeiten vor allem aus der Zentrale agieren konnten, vergrößert sich heutzutage ihr Wirkungsbereich sehr schnell und verteilt sich meist auf mehrere Märkte und teilweise auch Kontinente. Ging man früher noch davon aus, dass Mitarbeiter eine starke Hand brauchen, ihnen ein klares Ziel und vor allem der Weg dahin vorgegeben werden muss, so berücksichtigen neue Führungsansätze, dass auch gewisse Freiheiten und selbstständiges Handeln durchaus effizienter zum vorgegebenen Ziel führen können. Heutzutage liegt der Fokus der Führung nicht allein auf dem Führenden, sondern auch auf den Geführten, den Peers, den Arbeitsbedingungen und auch der Arbeitskultur. Neue Führungsansätze betrachten ein viel breiteres Feld und eine größere Vielfalt von Personen national wie international. Gleichzeitig findet sich Führung heute in den verschiedensten Modellen wieder: strategisch, global, komplex, verteilt, relational, sozial-dynamisch [vgl. Lang/Rybnikova 2014, S. 20]. Als Grund für das Entstehen dieser neuen Führungstheorie werden häufig der Wandel der Gesellschaft und der Einzug der „Generation Y“ in den Arbeitsmarkt genannt, die nun nach und nach die Mitglieder anderer Generationen (Generation X) ablösen. Wo Mitglieder der Generation X mit Hierarchien und kontrollierten Abläufen aufgewachsen waren, stehen bei den heutigen Digital Natives der Generation Y viel stärker emotionale Werte im Fokus ihres Denkens und ihrer Haltung [vgl. Permantier 2019]. Medien-Mix und Kommunikation über Distanzen. Die neuen Organisationen zeichnen sich vor allem durch den konzentrierten Einsatz moderner Informations- und Kommunikationsmittel bzw. von sozialen Medien (engl. Social media) aus. Gleichzeitig findet die Arbeit in geografisch und zeitlich verteilten Strukturen statt. Aufgrund des Mangels an direkten Kontakten erfolgt die wechselseitige Einflussnahme zwischen Führungskräften und Geführten hauptsächlich mit Hilfe dieser neuen Informations- und Kommunikationsmittel (IuK) bzw. sozialer Medien. Solche Rahmenbedingungen bringen zwangsläufig neue Anforderungen an die Führung mit sich. Traditionelle Führungsmodelle, die auf direkten Interaktionen basieren, sind grundsätzlich
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5. Personal und Management der Unternehmensberatung
nicht geeignet, solche Anforderungen abzudecken. Demnach steht bei den („neuen“) Führungskonzepten eine Führung im Mittelpunkt, die mittels moderner IuK bzw. sozialer Medien funktionieren muss [vgl. Wald 2014, S. 356]. Die Verschmelzung von Telekommunikationsterminal und Computer zum Smartphone, dem am weitesten verbreiteten Mobilgerät mit völlig neuen Nutzungsmöglichkeiten, hat wesentlich zur Beschleunigung dieser Entwicklung beigetragen. Das Smartphone bündelt verfügbare Daten und kann alle Informationen auf einem Bildschirm zusammenfassen. Das Smartphone steht also nicht für sich allein, sondern entfaltet seine volle Wirkung erst mit dem vernetzten Gerät, mit dem es kommuniziert [vgl. Lippold 2017, S. 10 f.]. Für Unternehmen sind soziale Medien in vielen Bereichen zu einem wichtigen Wertschöpfungsfaktor geworden. Facebook, YouTube, Twitter, LinkedIn & Co. bieten Internetnutzern nicht nur einen Unterhaltungswert oder die Möglichkeit, persönliche Kontakte zu knüpfen und zu pflegen, sie ermöglichen auch einen schnellen Zugang zu und den Austausch von Informationen. Eine moderne Unternehmensführung weiß, wo der Mehrwert von Social-Media-Maßnahmen liegt, wie sie diese systematisch planen und dadurch erfolgreich Kunden binden sowie neue Kunden erreichen können. Generationenwechsel und hybride Arbeitskulturen. Die digitale Transformation ist ein Kultur- und ein Leadership-Thema. Es geht nicht mehr darum, digital zu werden – wir sind es bereits. In der Arbeitskultur kommen aber nicht nur die Generationen Y und Z, sondern auch die Baby Boomer und die Generation X zusammen. Die Frage ist also vielmehr, wie es gelingen kann, eine generationenübergreifende, besser generationenverbindende Kommunikations- bzw. Unternehmenskultur zu leben. Denn im Bereich der Arbeitskultur kommt es regelmäßig zu den größten Abstoßungs- oder Assimilationserscheinungen gegenüber einer neuen Technologie [vgl. auch Amerland 2020]. Die unterschiedlichen mentalen Modelle und Wertvorstellungen der jeweiligen Generationen zu ignorieren und mit Kündigungen zu reagieren, kann angesichts der demografischen Entwicklung nicht funktionieren und ist keine Lösung. Nur eine generationengerechte Unternehmensführung wird zum wettbewerbsbestimmenden Erfolgsfaktor für die Zukunft [vgl. Möller et al. 2015, S. 127]. 5.6.4.2 Ausprägungen neuer Führung
Beispielhaft für die Vielzahl neuer Führungsansätze, die auch kurz als New Leadership-Ansätze (und manchmal sogar als „Führungsinstrumente aus dem Silicon Valley“) bezeichnet werden, sollen einige besonders intensiv diskutierten Konzepte vorgestellt werden:
Super Leadership Geteilte und verteilte Führung Agile Führung Systemische Führung Virtuelle Führung Digitale Führung.
5.6 Personalführung – Optimierung der Wertschätzung
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Im Vordergrund steht hierbei jedoch keine theoretische Durchdringung der einzelnen Führungsansätze, sondern lediglich eine kurze inhaltliche Darstellung der wichtigsten Ausprägungen. Abbildung 5-40 liefert einen groben Vergleich klassischer und neuer Führungskonzepte.
Klassische Ansätze
Neuere Ansätze
Einflussausübung
Einseitig
Wechselseitig
Führungshandeln
Führungsstil
Strategien, Taktiken
Machtbeziehung
Herrschaft der Führer
Anteil der Geführten, Machtbalancen
Instrument der Zielerreichung
Erfolg abhängig von Führungsstil
Viele Faktoren, vernetzt, zirkulär, viele Alternativen
Merkmal der Persönlichkeit
Eigenschaften der Führungskraft
Zuschreibung durch Geführte
Gruppenphänomen
Formelle Führung, Statik
Informelle, emergente Prozesse, Dynamik
Führungsansätze
Eigenschaftsansatz, Verhaltensansatz, Situativer Ansatz
New Leadership-Ansätze, Systemische Ansätze, Virtuelle Ansätze
[Quelle: modifiziert nach Lang/Rybnikova 2014, S. 24]
Abb. 5-40:
Vergleich klassischer und neuerer Führungstheorien und -konzepte
Super Leadership. Auf Charles Manz und Henry Sims [1987 und 1991] geht der Super Leadership-Ansatz (engl. Super Leadership Theory) zurück. Er befasst sich mit den Herausforderungen einer dezentralen Arbeitswelt, in der es für Führungskräfte mitunter sehr schwierig sein kann, Mitarbeiter zeitnah zu erreichen und deren Verhaltensweisen in ihrem Verantwortungsbereich durch direkte Einflussnahme zu steuern. Vor diesem Hintergrund wird verstärkt auf weichere, weniger starre Formen der Arbeitsorganisation gesetzt. Diese beinhalten unter anderem eine größere Selbständigkeit der Mitarbeiter. Der Super Leadership-Ansatz, der zu den sogenannten transformationalen New Leadership-Theorien zählt, beschäftigt sich daher intensiv mit der Antwort auf die Frage, wie es Führungskräften gelingen kann, Mitarbeiter zur Selbstorganisation oder „Selbstführung“ zu motivieren bzw. zu befähigen. Diese Fähigkeit wird als „Self Leadership“ bezeichnet. In der Theorie agiert also der Führende als „Super Leader“, der seinen Mitarbeitern flexiblere Rahmenbedingungen für eine zweckgerichtete Selbststeuerung schafft [vgl. Stock-Homburg 2013, S. 515 ff.]. Als Kritik zum Super-Leadership-Ansatz wird angemerkt, dass große Teile des Führungserfolges dann nicht von der Führungskraft abhängen, sondern vom Mitarbeiter beziehungsweise einzelnen Mitarbeitern. Außerdem ist fraglich, ob dieser Führungsansatz sinnvoll in allen Bereichen oder Branchen angewendet werden kann [vgl. Weibler 2016, S. 390]. Geteilte und verteilte Führung. Infolge von Globalisierung und Digitalisierung verbunden mit neueren Organisationsansätzen (Stichwort: flachere Hierarchien) und zunehmender Forderung nach stärkerer Demokratisierung unternehmerischer Entscheidungsprozesse rückt ein weiterer New Leadership-Ansatz in den Blickpunkt des Interesses – die geteilte Führung (engl.
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5. Personal und Management der Unternehmensberatung
Shared Leadership). Bei diesem Ansatz steht, wie auch beim Super Leadership-Ansatz, nicht mehr der Vorgesetzte als Alleinentscheider im Fokus des Führungsprozesses. Vielmehr steht die Frage im Vordergrund, wie Führung in Organisationen aufgeteilt werden soll, um Motivation und Leistung zu optimieren. Führung ist demnach nicht eine Kette von Anweisungen, die vom Vorgesetzten an seine Mitarbeiter weitergegeben wird. Vielmehr sollen sich Führender und Geführter vor dem Hintergrund der Zielvorgabe als quasi Gleichberechtigte sehen. Der Vorgesetzte agiert eher als Beschleuniger, statt die Rolle des Entscheiders einzunehmen [vgl. Schirmer/Woydt 2016, S. 195 ff.; Lang/Rybnikova 2014, S. 151 ff.]. Neben der Kompetenz- und Führungserweiterung durch das Team ist ein Verständnis von geteilter Führung verbreitet, bei dem zwei Chefs die Führungsrolle in Teilzeit zusammen ausüben. Eine solche Variante der geteilten Führung bietet sich immer dann an, wenn Teilzeit im Unternehmen einen hohen, akzeptierten Stellenwert hat. In der Praxis wird Shared Leadership unterschiedlich bewertet. Als positive Ergebnisse konnten oftmals mehr Vertrauen unter den Teammitgliedern, eine bessere Teamperformance und auch eine höhere Zufriedenheit der Beschäftigten festgestellt werden. „Fehlende Orientierung“ oder „Machtmissbrauch“ durch Teammitglieder sind dagegen als negative Effekte zu verbuchen [vgl. Lang/Rybnikova 2014, S. 168 ff.]. In Abgrenzung zur geteilten Führung schließt das (etwas) weitergehende Konzept der verteilten Führung (engl. Distributed Leadership) über die Gruppe hinausgehende, aber in diese hineinwirkende strukturelle und z.T. auch kulturelle Führungsformen zusätzlich mit ein. Dabei spielen formale, pragmatische, strategische, regionale, aber auch kulturelle Verteilung von Führung dann eine Rolle, wenn die gemeinsamen Annahmen über eine natürliche Teilung der Führungsprozesse die Arbeitsgrundlage bilden [vgl. Lang/Rybnikova 2014, S. 168 ff.]. Grundsätzlich haben Shared und Distributed Leadership-Ansätze immer dann eine besondere Relevanz, wenn es um Teilung und Verteilung von Führungsaufgaben, um Aufteilung der Führungsverantwortung, um Teilung und Verteilung von Machtressourcen sowie um gemeinsame, kollektive Einflussausübung geht. Agile Führung. Eine praxisbezogene Ausprägung des Shared Leadership ist die agile Führung, die seit Jahren stark an Bedeutung gewinnt. Dabei wird agile Führung als Verhalten interpretiert, bei der die Mitarbeiter selbstbestimmt den Weg der Aufgabenbewältigung festlegen und somit in Entscheidungen eingebunden werden. Wichtig ist dabei, dass hierarchische Strukturen aufgebrochen werden. Mitarbeiter sollen ihre Kompetenzen selber erkennen, einschätzen und sich gegenseitig Feedback geben. Agiles Führen kann sogar bedeuten, dass Führungsfunktionen nach dem Motto „Mitarbeiter wählen ihren Chef“ infolge eines basisdemokratischen Wahlprozesses temporär auf einzelne Mitarbeiter übertragen werden [vgl. Schirmer/Woydt 2016, S. 200]. Die agile Führung ist in der Softwareentwicklung entstanden und dort inzwischen eher die Regel denn die Ausnahme. Aber auch im IT-nahen Umfeld, wie beispielsweise der Einführung von ERP-Systemen und im Non-IT-Bereich, wie der Produktentwicklung, spielen agile Methoden und Prinzipien eine immer wichtigere Rolle. Agile Methoden stellen Werte und Prinzipien in den Vordergrund, wo bisher Methoden und Techniken im Fokus waren.
5.6 Personalführung – Optimierung der Wertschätzung
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Systemische Führung. Obwohl die transformationalen New-Leadership-Ansätze davon ausgehen, dass Entscheidungsprozesse weitgehend selbstorganisiert durch die Mitarbeiter geschehen, so sind sie jedoch noch so gestaltet, dass Führungskräfte steuernd eingreifen können. Bei der Systemischen Führung betrachtet man Unternehmen als Systeme, in denen Lenkungshandlungen dagegen zu einer Vielzahl von direkten und indirekten Führungsreaktionen führen, womit eine klassische, beeinflussende Führung „unmöglich“ wird. Der wichtigste Baustein der Systemischen Führung ist die Kommunikation. Hierbei gilt es vor allem, den Mitarbeitern durch eine gezielte Gesprächsführung neue Perspektiven darzustellen. Ziel dabei ist allerdings nicht, dass alle Mitarbeiter später eine einheitliche Sichtweise vertreten. Um zu diesem Punkt zu kommen, werden von Führungskräften Werkzeuge wie Skalen- oder Klassifikationsfragen genutzt. Skalenfragen werden dazu eingesetzt, um Wertigkeiten oder Bedeutungen einschätzen zu können. Eine mögliche Skalenfrage wäre hier: „Wie wichtig ist auf einer Skala von eins bis zehn die Zufriedenheit unserer Mitarbeiter?“ Eine Klassifikationsfrage wird eingesetzt, um unterschiedliche Betrachtungsweisen erkennbar zu machen, so beispielsweise: „Welche unserer neuen Produkte werden den meisten wirtschaftlichen Erfolg bringen?“ Die Systemische Führung liefert keine einfachen Lösungen in Form von Handlungsanweisungen. Daher wird versucht, die wahrgenommene Realität der Mitarbeiter so zu beeinflussen, dass Lösungen selbstorganisiert gefunden werden können. Allerdings verwehrt die sehr spezifische Theoriefundierung vielen Praktikern einen Zugang zur Systemischen Führung [vgl. Schirmer/Woydt 2016, S. 203]. Virtuelle Führung. Eigenschaften eines konkreten Objekts werden mit Virtualität beschrieben, die nicht physisch, aber durch den Einsatz von Zusatzspezifikationen (z.B. von neuen Kommunikationsmöglichkeiten) realisiert werden können. Bei virtueller Führung kann mit Hilfe dieser Zusatzeigenschaften trotz physischer Abwesenheit von Führungskräften geführt werden. Es geht hier also nicht um die „Führung der Möglichkeit nach“, sondern um die Führung realer Mitarbeiter mit Hilfe von modernen Informations- und Kommunikationstechnologien bzw. sozialen Medien [vgl. im Folgenden Wald 2014, S. 356 ff.]. Das zentrale Problem virtueller Führung ergibt sich aus der Distanz bzw. den fehlenden persönlichen Kontakten zwischen Führenden und Geführten. Dabei ist die Entfernung für die Effektivität der Kommunikation nicht entscheidend, wohl aber für die Effektivität der Führung. Der fehlende persönliche Bezug und fehlende Informationen zum sozialen Kontext erschweren den Aufbau sozialer Beziehungen und von Vertrauen. Dies kann Passivität und Leistungszurückhaltung der Mitarbeiter hervorrufen. Andererseits werden der Umgang mit dieser Distanz, d.h. die erfolgreiche Kommunikation mit modernen Medien, sowie der Aufbau und der Erhalt von Vertrauen unter virtuellen Bedingungen unverzichtbar. Nach Peter M. Wald sind es vier Perspektiven, aus denen man sich der virtuellen Führung nähern kann: Virtuelle Führung als Führung aus der Distanz – Aus der Entfernung führen Virtuelle Führung als E-Leadership – Mit neuen Medien führen Virtuelle Führung als Führung mit neuen Beziehungen – Neue Führungsbeziehungen gestalten Virtuelle Führung als emergente (neu aufkommende) Führung – Entstehende Führung nutzen.
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5. Personal und Management der Unternehmensberatung
Führung kann unter virtuellen Bedingungen auf verschiedene Instanzen „verteilt“ werden. Eine gemeinsame Führung durch die Teammitglieder kann unter virtuellen Bedingungen empfehlenswert zu sein, weil damit die Selbststeuerungsfähigkeit des Teams erhöht wird. Gemeinsam ausgeübte Führung beeinflusst die Leistung stärker als in konventionellen Teams. Fragen nach dem Verhältnis der Führungsformen (zentral/verteilt, transaktional/transformational), Wirkungen ihres Einflusses und die Umsetzung interaktionaler Führung unter virtuellen Bedingungen sind aber bislang noch unbeantwortet. Digitale Führung. Zunächst eine Klarstellung: Es gibt keine „digitale Führung“ (und sollte es auch nie geben). Gemeint ist vielmehr eine „digitale Führungskompetenz“. Hinter dem Begriff „Kompetenz“ steht die Frage, ob eine Person die Fähigkeit besitzt, selbstorganisiert zu handeln. Kompetenzen bilden den Kern dessen, was man als einen fähigen Mitarbeiter bezeichnet. Kompetenzen sind der zentrale Faktor für die Leistungsfähigkeit des Individuums und damit auch für die Leistungsfähigkeit des Teams, der Abteilung und des Unternehmens als Ganzes. Im Mittelpunkt steht demnach die tatsächliche Handlungsfähigkeit der betreffenden Person. Kompetenzen gehen damit deutlich über Qualifikationen hinaus. Während eine Qualifikation bestätigt, dass ein formal definiertes und – zumindest in der Theorie – objektives Lernziel (z.B. der Bachelorabschluss in Business Administration) erreicht wurde, bezieht sich eine Aussage über die Kompetenz einer Person darauf, welche Fähigkeiten eine Person tatsächlich besitzt [vgl. Ciesielski/Schutz 2016, S. 105 f.]. Folgende Einflussgrößen sind es, die die Zusammenarbeit im digitalen Zeitalter stark verändert haben und die von den Führungskräften ganz besonders beachtet werden sollten [vgl. Kollmann 2020, S. 3 unter Bezugnahme auf Crummenerl/Kemmer 2015, S. 3]: Vernetzung: Zusammenarbeit geschieht in Netzwerken aus Netzwerken, wobei durch Cloud-Lösungen Daten jederzeit verfügbar und bearbeitbar sind. Knowledgemanagement: Statt individuelles Wissen wird kollektives Wissen sehr viel wichtiger – selbst erfahrene Experten müssen auf Kenntnisse Dritter vertrauen. Flache Hierarchien: Virtuelle und kurzlebige Teams ersetzen bürokratische und hierarchische Strukturen. Kommunikation: Digitale Informations- und Kommunikationstechnologien sind zunehmend fester Bestandteil vieler Arbeitsplätze. Einfluss: Informelle Gruppen und Meinungsführer können großen Einfluss auf den Erfolg einer Organisation haben. Arbeitsmittel: Digitale Arbeitsmittel ermöglichen es zunehmend jederzeit und an jedem Ort zu arbeiten. Schnelligkeit: In allen Arbeitsbereichen wird der Innovations- und damit auch der Veränderungsrhythmus erhöht.
5.6 Personalführung – Optimierung der Wertschätzung
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Dem Digital Leader obliegt zumeist auch die herausfordernde Aufgabe, New Work im Unternehmen umzusetzen. Damit dies gelingt, sollten Digital Leader nach Kollmann [2020, S. 28] eine Reihe von Anforderungen erfüllen. So sollte der Digital Leader
mit ausreichend Entscheidungsmacht und Befugnisse ausgestattet sein, als Bindeglied in und zwischen den Führungsebenen handeln, eine klare Strategie und Vision des Unternehmens vorleben und vermitteln, Agilität und Flexibilität verkörpern, eine positive Fehlerkultur implementieren sowie als Teamplayer und Kommunikator fungieren.
5.6.5 Zur Vereinbarkeit alter und neuer Führungskonzepte 5.6.5.1 New Work und Homeoffice
Homeoffice ist ein Teilaspekt der Telearbeit. Dieser Begriff fasst Arbeitsformen zusammen, bei denen Mitarbeiter ihre Arbeit ganz oder teilweise außerhalb der Gebäude des Arbeitgebers verrichten. Oft wird auch von Mobilarbeit oder von mobiler Arbeit gesprochen. Beim Homeoffice findet diese Arbeit zuhause – also in den Räumen des Arbeitnehmers – statt. Im Gegensatz zu den klassischen Führungsansätzen sind die New-Work-Konzepte deutlich besser auf den Corona-induzierten Homeoffice-Boom vorbereitet. Schließlich haben die virtuelle Führung, die digitale Führung und vor allem der Super-Leadership-Ansatz einen ihrer Ursprünge in der räumlichen Distanz zwischen Führenden und Geführten. Das Homeoffice spiegelt also genau eine der möglichen Voraussetzungen für diese neuen Führungskonzepte wider. Da dem Begriff Homeoffice (noch) der Ordnungsrahmen fehlt, hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales einen Entwurf für „Das Mobile-Arbeit-Gesetz“ erarbeitet. Die Rede ist von jährlich 24 Tage – also zwei Tage im Monat – gesetzlichen Anspruch auf Homeoffice bzw. mobile Arbeit für jeden Vollzeitbeschäftigten. Arbeitgeber müssten zwingende betriebliche Gründe darlegen, um das ablehnen zu können. Oder sie müssen begründen, warum sich die Tätigkeit grundsätzlich nicht dafür eignet. In vielen Dienstleistungsbereichen, bei denen der Kunde als externer Faktor eine wichtige Rolle spielt, wird eine solche Begründung allerdings nicht schwerfallen. Anders sieht es dagegen in den meisten Führungs-, Verwaltungs- und Enabling-Bereichen aus. Hier kann Homeoffice zu einer erheblichen Entlastung vieler Familien bedeuten. Grundsätzlich sind sich alle Politikbeteiligten einig, dass Homeoffice eine große Chance für die Wirtschaft ist. Ob man daraus allerdings einen gesetzlichen Anspruch ableiten kann, anstatt eine Einigung den Tarifpartnern zu überlassen, ist zumindest fraglich. Besonders eindrucksvoll hat Verena Pausder in ihrem Bestseller „Das Neue Land“ die Wirkung von Homeoffice auf New Work beschrieben (siehe Insert 5-29).
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Insert 5-29: „Das Zuhause ist kein unproduktiver Ort“ 5.6.5.2 Neues Führungsverständnis
Alle genannten New Work-Führungskonzepte haben zwar ihren Ursprung in neuen Anforderungen (Umgang mit räumlicher Distanz, mit neuen Medien, mit flachen Hierarchien, mit unterschiedlichen Wertvorstellungen verschiedener Generationen etc.), letztendlich sind es aber sehr ähnliche und teilweise überschneidende Ausprägungen eines grundsätzlich neuen Führungsverständnisses, das sich wie folgt skizzieren lässt [vgl. Lippold 2019e]:
5.6 Personalführung – Optimierung der Wertschätzung
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Gemeinsames Verständnis von Zielen und Aufgaben als sich entwickelnde Basis der Kommunikation Gemeinsame Verantwortlichkeit der Gruppe für den Prozess und die Entwicklung der eigenen Kooperationsfähigkeiten Gemeinsame, selbstorganisierte Führung, sowohl auf Projekt- als auch auf Abteilungsebene Jahresendprozesse ohne Kalibrierung der Mitarbeiter Hohes Maß an gegenseitigem Vertrauen Hinterfragen der Sinnhaftigkeit von Aufgaben und Akzeptanz einer positiven Fehlerkultur. In den neuen Führungskonzepten wird die Führungsrolle also ziemlich anders als in den klassischen Führungstheorien gesehen. Wesentliche Elemente der Führung übernehmen selbstorganisierte Teams. Damit liegt einer Organisation, in der praktisch jeder Führung übernehmen kann, eine ganz andere Führungshaltung zugrunde: Mitarbeitern wird grundsätzlich vertraut. Solche Organisationsmodelle entsprechen in ihrer ausgeprägten Form dem transformationalen und kooperativen Führungsstil. 5.6.5.3 Führung mit Begeisterung und Offenheit
Ziel dieser Neuformierung in Richtung digitaler Führung muss es sein, die Führungskompetenz dahingehend zu entwickeln, dass mit Begeisterung und Offenheit geführt wird. Begeisterung deshalb, weil selbst begeistert sein und andere begeistern können zwei der wichtigsten elementaren Führungseigenschaften sind. Begeisterung vor allem auch deshalb, weil die Generation Z (Geburtsjahrgänge ab 1995) in der Führung durch Begeisterung einen ganz wichtigen Schlüssel für oder gegen ein Unternehmen als Arbeitgeber sieht. Offenheit deshalb, weil in einer sich ständig ändernden Umwelt eine permanente Lern- und Veränderungsoffenheit essentiell ist. Offenheit aber auch deshalb, weil organisationale Offenheit und damit Vertrauen die Währung im digitalen Zeitalter und in der digitalen Führungskultur ist. Die digitale Transformation ist also ein Leadership- und ein Kultur-Thema. Jede Arbeitskultur braucht ihren eigenen Zugang zu den jeweils passenden Kommunikationstechnologien. Jede Kultur tickt anders, verarbeitet ihre Informations- und Kommunikationsflüsse unterschiedlich. Hier besteht zum Teil ein erheblicher Handlungsbedarf, denn Kultur wird nicht verordnet, sondern muss (vor-)gelebt werden. Letztlich geht es um die Frage, wie es Führungskräfte schaffen können, „dass die menschliche Lebendigkeit und Intelligenz in ihrer Organisation aktiviert oder erhalten bleibt und dass nicht das Regime der Prozesse, Strukturen und Technologien jegliche Unberechenbarkeit, Unvorhersehbarkeit, Spontaneität und damit Kreativität der menschlichen Natur erstickt“ [Ciesielski/Schutz 2015, S. XII].
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5. Personal und Management der Unternehmensberatung
5.6.5.4 Hybride Führungskraft
Um in dem neuen, digital geprägten Umfeld zu bestehen, ist also ganz offensichtlich die hybride Führungskraft ein möglicher Schlüssel zum Führungserfolg. Das heißt, für die Führungskraft ist es wichtig, sowohl in der virtuellen als auch in der analogen Welt als ein menschliches Wesen wahrgenommen zu werden, um mit den Mitarbeitern deren Werte teilen zu können. Am Ende sind es die Menschen mit Persönlichkeit, die Präsenz zeigen und eine Identität sichtbar machen, die offline und online zur Kenntnis genommen werden kann. Auf die aktive Gestaltung solcher Identitäten sollte Führung in der digitalen Welt viel Wert legen [vgl. im Folgenden Ciesielski/Schutz 2015, S. 140 ff. und Hildebrandt et al. (2013), S. 163 ff.]. Hildebrandt et al. unterscheiden im Kontext hybrider Arbeitsräume drei Präsenzarten: Soziale Präsenz (engl. Social Presence) Kognitive Präsenz (engl. Cognitive Presence) Führungspräsenz (engl. Leadership Presence). Insert 5-30 zeigt, dass es unterschiedliche Auffassungen darüber gibt, was ein erfolgreicher Führungstyp mitbringen sollte. In jedem Fall ist es aber wichtig, dass die Führungskraft sowohl in der analogen als auch in der virtuellen Welt Präsenz zeigt – und zwar in sozialer, kognitiver und führungstechnischer Hinsicht.
5.6 Personalführung – Optimierung der Wertschätzung
Insert 5-30:
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„Gefragt ist die hybride Führungskraft“
5.6.5.5 Zur Demokratisierung von Führung
Es ist zwar richtig, dass Führungskräfte, die auf persönliche Macht, Einfluss, Status und Prestige fixiert sind, in jeder Organisation überflüssig sind. Unter solch einer schlechten Führung haben alle Mitarbeiter zu leiden und hier trifft sicherlich die Erkenntnis zu, dass ein Mitarbeiter, der kündigt, nicht das Unternehmen, sondern den Chef verlässt. Die Frage aber ist, ob man deshalb die Führung total „demokratisieren“ sollte? Und überhaupt: Wieviel Demokratie verträgt Führung eigentlich?
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5. Personal und Management der Unternehmensberatung
Bei aller Euphorie über die neuen, progressiven Zusammenarbeitsmodelle sollte die Passung von Führungsstil und Organisationsform immer wieder auf den Prüfstand gestellt werden. Denn es gibt einen Punkt, an dem der optimale Grad der Mitbestimmung für die jeweilige Organisation erreicht ist. Insert 5-31 zeigt sehr anschaulich, dass Demokratisierung keine lineare Funktion ist, die automatisch zu mehr Erfolg führt. Maximale Demokratisierung ist also suboptimal.
Insert 5-31:
„Zur Demokratisierung von Führung“
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Thomas J. Scherer kommt zu der Erkenntnis, dass die Abschaffung klassischer Führungsstrukturen dazu führt, dass sich dann eine Dynamik in Gang setzt, in der Machtkämpfe um informelle Positionen ausgetragen werden. Gäbe es schließlich eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Menschen, „die am Ende des Tages, wenn sie keine Konsequenzen zu fürchten hätten, ihr eigenes Wohl über das der Organisation oder des Teams stellen würden? Und braucht es nicht vielleicht formelle Führung, um Individualinteressen ausgleichen und Mobbing unterbinden zu können?“ [Scherer 2018]. Diese Überlegungen machen sehr deutlich, dass es letztlich doch immer wieder formeller und damit klassischer Führungsansätze bedarf, um letztlich den Rahmen für gemeinsame, selbstorganisierte Führung zu schaffen und diese damit überhaupt erst ermöglichen. 5.6.5.6 Unverhandelbare Führungsaspekte
Es steht außer Frage, dass die New Work-Führungsansätze eine ganze Reihe von Vorteilen mit sich bringen. Flexibel, dynamisch, agil und demokratisch sind die Attribute, die am häufigsten im Zusammenhang mit zeitgemäßer Führung genannt werden. Es steht auch außer Frage, dass sie Unternehmen dazu verhelfen können, eine höhere Entscheidungsqualität, Kreativität, Agilität und damit gute Gewinne zu erreichen. Doch sind auch wirklich alle Unternehmen für solch eine Art Führung gleichermaßen geeignet? Und wenn ja, wie können es Unternehmen mit einer eher autoritären Führungskultur schaffen, sich hin zu einer kooperativen Führungskultur zu entwickeln, ohne allerdings eine maximale Demokratisierung der Führung anzustreben. Wie können Führungskulturen, die bislang von Anweisungen, Vorgaben und Kontrolle leben, den Weg in ein digitales Zeitalter mit einer disruptiven Organisationsumgebung finden? Es sind nicht so sehr die formellen Strukturen, Strategien und Prozesse, die bei diesem Weg eine entscheidende Rolle spielen. Es sind vielmehr vor allem weiche Faktoren wie gemeinsam geteilte Werte, Fähigkeiten der Mitarbeiter und eine geeignete Arbeitskultur, die über den erfolgreichen Weg eines Unternehmens in eine agile Arbeitsumgebung entscheiden. Passt eine sich selbst führende Organisation hier in das Gesamtkonzept der Unternehmung, kann diese ein erfolgreicher Weg in die Zukunft sein [vgl. Scherer 2018a]. Es geht also nicht mehr um die Vor- oder Nachteile der digitalen Transformation und der damit verbundenen organisatorischen Rahmenbedingungen, sondern darum, wie unsere Unternehmen diesen unaufhaltsamen gesellschaftlichen Trend für sich nutzen. Es geht darum, agiles Arbeiten zu ermöglichen, Silodenken aufzubrechen und eine ausgeprägte Innovations- und Kundenorientierung zu praktizieren, ohne dabei allerdings den Demokratisierungsgrad der Führung zu maximieren. Dazu bedarf es einer Feedback- und Fehlerkultur, die dafür sorgt, dass sich Organisation und Führungskräfte weiterentwickeln und sich die Digitalisierung zu Nutze machen [vgl. Aron-Weidlich 2018]. Digitale und agile Transformationen sind Lernprozesse, an denen Mitarbeiter, Teams und Organisationen beteiligt sind. Der damit zusammenhängende Lernbedarf kann allerdings mit klas-
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5. Personal und Management der Unternehmensberatung
sischen Standardtrainings und Entwicklungsgesprächen nicht gedeckt werden. Wissenschaftlich fundierte Antworten und praktische Hinweise für die konkrete Umsetzung gibt dagegen der agile Lernansatz [vgl. Gehlen-Baum/Illi 2019]. Aber unabhängig davon, ob man auf transaktionale Führungsansätze einerseits oder auf transformationale, agile, virtuelle oder verteilte Führung andererseits bzw. auf klassisch geführte oder selbstorganisierte Teams setzt, einige wenige Kennzeichen einer Führungskultur sollten nicht verhandelbar sein (siehe Insert 5-32).
Insert 5-32:
„Was bei einer Führungskultur nicht verhandelbar sein sollte“
5.7 Personalbeurteilung – Optimierung der Fairness
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5.7 Personalbeurteilung – Optimierung der Fairness Die Personalbeurteilung setzt als drittes Aktionsfeld in der Personalbetreuungsprozesskette auf den beiden Säulen Leistungsbeurteilung und Potenzialbeurteilung auf (siehe Abbildung 5-41). Eine jederzeit faire Beurteilung ist das Kriterium. Das Aktionsfeld Personalbeurteilung ist also auf die Optimierung der Fairness ausgerichtet: Fairness = f (Personalbeurteilung) → optimieren! Aufgabe und Zielsetzung der Personalbeurteilung ist es, Personalentlohnung, -entwicklung und -einsatz zu objektivieren. Durch eine Beurteilung können die unterschiedlichen Potenziale der Mitarbeiter besser genutzt und aufeinander abgestimmt werden. Schwachstellen innerhalb der Organisation sollen auf diesem Wege aufgedeckt und behoben werden [vgl. Kiefer/Knebel 2004, S. 24 ff.].
Mitarbeiterkriterien
Wettbewerbsvorteil • Produkte • Leistungen • Fähigkeiten • Know-how • Kultur
+ Gerechtigkeit
Personalvergütung
+ Wertschätzung
Personalführung
+ Fairness + Förderung/Forderung
Personalbeurteilung
Personalentwicklung
Internes Personalmarketing
Aktionsfelder Sicht von innen
+ Erleichterung =
Vom Mitarbeiter honorierter Wettbewerbsvorteil
Personalfreisetzung
Mitarbeiterbindung
Personalbetreuung © Dialog.Lippold
Abb. 5-41:
Das Aktionsfeld Personalbeurteilung
Durch die systematische Auswertung einer Vielzahl von Beobachtungen und Beurteilungen im Unternehmen lassen sich Erkenntnisse sammeln, die für die verschiedensten Entscheidungen des Personalmanagements erforderlich sind [vgl. Jung 2006, S. 743 ff.; Steinmann/ Schreyögg 2005, S. 794]:
Durch die Bereitstellung von Daten über die Leistungen der Mitarbeiter kann ein leistungsgerechtes Entgelt ermittelt werden.
Durch die periodische Beurteilung stehen aktuelle Daten zur Personalstruktur zur Verfügung, die im Rahmen der Personaleinsatzplanung verwendet werden können.
Die Personalbeurteilung liefert relevante Informationen zur Bestimmung des Fort- und Weiterbildungsbedarfs.
Die systematische Personalbeurteilung kann als Instrument zur Unterstützung des Führungsprozesses dienen.
Die Leistungs- und Potenzialbeurteilung (inkl. Beurteilungsfeedback) erhöht die Motivation und Förderung der individuellen Entwicklung der Mitarbeiter.
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5. Personal und Management der Unternehmensberatung
Hinzu kommt noch die Informationsfunktion für die Mitarbeiter, denn nach § 82 II BetrVG können Arbeitnehmer verlangen, dass mit ihnen die Leistungsbeurteilung und die Möglichkeiten der weiteren beruflichen Entwicklung im Unternehmen erörtert werden.
Damit wird deutlich, dass das Aktionsfeld Personalbeurteilung eine gewisse Querschnittsfunktion darstellt. So werden die Ergebnisse der Personalbeurteilung zugleich auch für die Personalgewinnung (Personalbedarfsplanung, interne Personalbeschaffung) sowie in den Aktionsfeldern Personalentwicklung, Personalfreisetzung, Personalvergütung und Personalführung verwendet. Die Anlässe für die Durchführung einer Personalbeurteilung sind vielfältig. Beurteilungen können u. a. erstellt werden
bei Jahres-/Halbjahresbeurteilungen, nach Ablauf der Probezeit, beim Wechsel des Vorgesetzten, bei Versetzung sowie bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Im Rahmen dieser Darstellung soll lediglich auf den (periodischen) Aspekt der Jahres- bzw. Halbjahresbeurteilung eingegangen werden. 5.7.1 Beteiligte und Formen der Personalbeurteilung Die häufigste Form der Personalbeurteilung ist die Mitarbeiterbeurteilung. In der Regel ist der Beurteilende der direkte Vorgesetzte des Beurteilten. Da das aktuelle Arbeitsverhalten Gegenstand der Beurteilung ist, hat i. d. R. nur dieser ausreichende Beurteilungsinformationen. Bei mehreren Vorgesetzten (z. B. in einer Matrixorganisation) kann eine gemeinsame Beurteilung in Betracht gezogen werden. Im Rahmen von Assessments für bestimmte Positionen kann aber auch ein Review-Team die Rolle des Beurteilenden einnehmen. Ein solches Review-Team besteht aus Mitarbeitern bzw. Führungskräften, die mindestens eine Hierarchiestufe über der zu beurteilenden Person angesiedelt sind. Zeitweise werden Review-Teams auch aus externen Beratern gebildet, um so ein höheres Maß an Neutralität und Objektivität zu gewährleisten. Für die Dokumentation der Beurteilungsergebnisse – zumindest nach außen in entsprechenden Zeugnissen – besonders wichtig ist die sogenannte Zeugnissprache, deren Formulierung an bestimmte Kriterien gebunden ist. In Abbildung 9-03 sind einige Formulierungsbeispiele und deren Bedeutung angeführt. Ursächlich verantwortlich für das „Auseinanderklaffen“ der Formulierungen gegenüber den tatsächlich wahrgenommenen Beurteilungsergebnissen sind die durch das Bundesarbeitsgericht formulierte Pflicht zur wahrheitsgemäßen Zeugniserstellung und – gleichzeitig – die Pflicht zur wohlwollenden Zeugniserteilung. An sich sind beide Anforderungen sinnvoll, doch führen sie in der Praxis häufig zu einem Widerspruch, der nur durch Interpretation aufgelöst werden kann [vgl. Oechsler/Paul 2019, S. 235].
5.7 Personalbeurteilung – Optimierung der Fairness
Verhalten
Leistung
Sein/ihr Verhalten war … Note 1: … stets /jederzeit vorbildlich. Note 2: … vorbildlich/stets höflich und korrekt. Note 3: … gut/einwandfrei/höflich und korrekt. Note 4: … zufriedenstellend/gab keinen Anlass zu Beanstandungen. Note 5: … im Wesentlichen einwandfrei/insgesamt zufriedenstellend.
Er/Sie erfüllte seine/ihre Aufgaben … Note 1: … stets zur vollsten Zufriedenheit. Note 2: … zur vollsten/stets zur vollen Zufriedenheit. Note 3: … zur vollen Zufriedenheit. Note 4: … zur Zufriedenheit. Note 5: … im Großen und Ganzen zu unserer Zufriedenheit. Note 6: … Er/Sie hat sich bemüht.
Zeugnisdeutsch…
Das heißt es wirklich…
Sie hat alle Arbeiten mit großem Fleiß und Interesse erledigt.
Sie war zwar fleißig und interessiert, aber nicht erfolgreich.
Er war stets nach Kräften bemüht, die Arbeiten zu unserer vollen Zufriedenheit zu erledigen.
Er hat sich angestrengt, aber Erfolg hatte er nicht.
Die Aufgaben, die wir ihr übertrugen, hat sie zu unserer Zufriedenheit erledigt.
Sie machte ihren Job – und zwar nur das, was wir ihr sagten. Ansonsten blieb sie passiv, war also allenfalls Durchschnitt.
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Er arbeitete mit größter Genauigkeit.
Er war ein erbsenzählender, langsamer und unflexibler Pedant.
Sie verstand es, alle Aufgaben stets mit Erfolg zu delegieren.
Sie drückte sich vor der Arbeit, wo sie nur konnte.
Er war seinen Mitarbeitern jederzeit ein verständnisvoller Vorgesetzter.
Er war nicht durchsetzungsfähig und besaß keinerlei Autorität.
Sein Verhalten gegenüber Kollegen und Vorgesetzten war stets vorbildlich.
Er hatte Probleme mit seinem Chef (weil der erst nach den Kollegen erwähnt wird).
Sie war sehr tüchtig und wusste sich gut zu verkaufen.
Sie war eine impertinente Wichtigtuerin.
Er erledigte alle Aufgaben pflichtbewusst und ordnungsgemäß.
Er war zwar pflichtbewusst, zeigte aber praktisch keine Initiative.
Er hat unseren Erwartungen im Wesentlichen entsprochen.
Seine Leistungen waren schlichtweg mangelhaft.
Er hat alle Aufgaben zu seinem und im Interesse der Firma gelöst. Er beging Diebstahl und fiel durch schwere Vergehen auf. Er trat sowohl innerhalb als auch außerhalb des Unternehmens engagiert für die Interessen der Kollegen ein.
Er war im Betriebsrat und hat sich gewerkschaftlich betätigt.
Er verfügte über Fachwissen und ein gesundes Selbstvertrauen.
Er glich mangelhaftes Fachwissen mit einer großen Klappe aus.
Er hatte Gelegenheit, sich notwendiges Fachwissen anzueignen.
Doch nutze er die Gelegenheit nicht.
Gegenüber unseren Kunden war er schnell beliebt.
Er machte zu viele und zu schnelle Zugeständnisse.
[Quelle: Oechsler/Paul 2019, S. 234 ff.]
Abb. 5-42:
Zeugniscode und Bewertung bzw. entsprechende Interpretation
Neben der Mitarbeiterbeurteilung existieren weitere Formen der Personalbeurteilung:
Vorgesetztenbeurteilungen sind Verfahren, bei denen Mitarbeiter das Arbeits- und Führungsverhalten sowie die Fähigkeiten und Kenntnisse ihrer direkten Vorgesetzten nach qualitativen Beurteilungskriterien bewerten. Vorgesetztenbeurteilungen können konkrete Hinweise auf notwendige bzw. aus Sicht des Mitarbeiters wünschenswerte Änderungen des Führungsverhaltens geben [vgl. Bröckermann 2007, S. 224].
Die Selbstbeurteilung wird häufig in Zusammenhang mit der Zeugniserstellung durchgeführt. Der betroffene Mitarbeiter wird gebeten, sein Arbeitszeugnis vorzuformulieren. Die Erstellung eines Arbeitszeugnisses ist bei Ausscheiden des betroffenen Mitarbeiters obligatorisch. Sie wird aber auch regelmäßig bei einem Vorgesetztenwechsel oder bei Versetzungen vorgenommen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die sogenannte Zeugnissprache, deren Formulierung an bestimmte Kriterien gebunden ist [zu Formulierungsbeispielen und deren Bedeutung siehe Jung 2006, S. 792f. und 796 ff.].
Weniger häufig wird die Kollegenbeurteilung praktiziert. Die Beurteilung erfolgt entweder in Beurteilungskonferenzen oder jeder Einzelne gibt seine Beurteilung beim Vorgesetzten ab.
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5. Personal und Management der Unternehmensberatung
Manche Unternehmen setzen zur Beurteilung ihrer Mitarbeiter und Führungskräfte auch die Expertise von Externen ein. Diese Gruppe von Beurteilenden setzt sich zumeist aus Beratern zusammen, die sich auf Beurteilungsverfahren spezialisiert haben. Die Ergebnisse ermöglichen im Branchenvergleich ein objektives und neutrales Bild der Beurteilungszielgruppe.
Eine besondere Form der Beurteilung ist das 3600-Feedback, das eine anonyme Beurteilung des Mitarbeiters von verschiedenen Seiten vorsieht. Im Normalfall wird die 360 0-Beurteilung von Führungskräften, Mitarbeitern und Kollegen vorgenommen. Es können aber auch zusätzlich die Beurteilungen von Kunden, Lieferanten oder Dienstleistern in den Beurteilungsprozess einbezogen werden [vgl. Scholz 2011, S. 391].
5.7.2 Beurteilungsfehler Grundsätzlich sollten alle Beurteilende über Kenntnisse und Erfahrungen in der Personalbeurteilung verfügen. Dadurch lassen sich Beurteilungsfehler zwar nicht vollständig vermeiden, jedoch erheblich reduzieren. Jeder Beurteilende unterliegt einer Reihe von subjektiven Einflüssen, die dazu führen, bestimmte Aspekte stärker oder verfremdet zu sehen und andere eher auszublenden. Diese Wahrnehmungsverzerrungen werden durch intrapersonelle, interpersonelle und sonstige Einflüsse hervorgerufen (siehe Abbildung 5-43). Wahrnehmungsverzerrungen bei der Personalbeurteilung
Intrapersonelle Einflüsse
Interpersonelle Einflüsse
Sonstige Einflüsse
• Selektive Wahrnehmung
• Halo- oder ÜberstrahlungsEffekt
• Situative Faktoren
• Vorurteile/Vermutungen • Stereotypen • Sympathie bzw. Antipathie • Same-as-me-Effekt • Hierarchie-Effekt • Tendenzfehler - Tendenz zur Milde (Milde-Effekt) - Tendenz zur Strenge (Strenge-Effekt) - Tendenz zur Mitte (Zentraltendenz)
• Kontakt-Effekt • Benjamin-Effekt
• Vorbereitung und Durchführung
• Klebe-Effekt • Recency-Effekt • Primacy-/First-ImpressionEffekt • Nikolaus-Effekt • Andorra-Phänomen
© Dialog.Lippold
Abb. 5-43:
Wahrnehmungsverzerrungen bei der Personalbeurteilung
Insert 5-33 liefert einen zusammenfassenden Überblick über das Phänomen der Wahrnehmungsverzerrungen und gibt Auskunft darüber, ob wir mit solchen Beurteilungsfehlern leben müssen oder ob wir sie unter bestimmten Bedingungen vermeiden und damit zu besseren Beurteilungen kommen können.
5.7 Personalbeurteilung – Optimierung der Fairness
Insert 5-33: Wahrnehmungsverzerrungen
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5. Personal und Management der Unternehmensberatung
5.7.2.1 Intrapersonelle Einflüsse
Intrapersonelle Einflüsse lassen sich unmittelbar auf den Beurteilenden zurückführen bzw. liegen in der Persönlichkeitsstruktur des Beurteilenden begründet. Hierzu zählt zunächst die selektive Wahrnehmung, bei der der Betreffende aus einer Vielzahl von Informationen nur einen kleinen Ausschnitt bewusst oder unbewusst auswählt und diese zur Grundlage seines Urteils macht. Vorurteile und Vermutungen beruhen auf positiven oder negativen Erfahrungen, die der Beurteilende mit ähnlichen Personen gemacht hat. Sie überdecken die tatsächlichen Fakten und Zusammenhänge. Der Hierarchieeffekt liegt dann vor, wenn die Beurteilung umso besser ausfällt, je höher die hierarchische Position des Beurteilten ist [vgl. Steinmann/Schreyögg 2005, S. 799]. Beurteiler können durch die Projektion ihres persönlichen Wertesystems zu einer Fehleinschätzung gelangen. In diesem Fall übertragen sie Vorstellungen und Erwartungen, die sie bei sich selbst wahrnehmen, unreflektiert auf andere. Zu den intrapersonellen Einflüssen zählen schließlich noch Tendenzfehler, die aus den unterschiedlichen Beurteilungsgewohnheiten des Beurteilenden resultieren:
Bei der Tendenz zur Milde (Milde-Effekt) neigt der Beurteilende dazu, generell keine negativen Aussagen über die Beurteilten zu machen. Der Milde-Effekt tritt empirischen Untersuchungen zur Folge dann verstärkt auf, wenn die Beurteilung für Beförderungszwecke durchgeführt wird [vgl. Steinmann/Schreyögg 2005, S. 799].
Im Gegensatz dazu steht die Tendenz zur Strenge (Strenge-Effekt), bei der der Beurteilende aufgrund seines sehr hohen individuellen Anspruchsniveaus gute oder sehr gute Leistungen als normal ansieht.
Eine Tendenz zur Mitte (Zentraltendenz) liegt dann vor, wenn bei der Beurteilung einer Person positive und negative Extremurteile vermieden werden. Der vorsichtige Beurteilende nimmt eine Maßstabsverschiebung derart vor, dass er überproportional häufig mittlere Urteilswerte über seine Mitarbeiter abgibt.
5.7.2.2 Interpersonelle Einflüsse
Interpersonelle Einflüsse liegen in der Beziehung zwischen den Beteiligten der Personalbeurteilung begründet und können ebenfalls zu Wahrnehmungsverzerrungen führen. Diese Einflüsse können sich als Sympathie oder Antipathie bemerkbar machen [vgl. Jung 2006, S. 764 f.].
Beim Halo- oder Überstrahlungseffekt schließt die beurteilende Person von einer prägnanten Eigenschaft bzw. einem spezifischen Verhalten auf andere Merkmale des Beurteilten. Der Kontakt-Effekt besagt, dass die Beurteilung eines Mitarbeiters umso besser ausfällt, je häufiger er Kontakt mit dem Beurteilenden hat. Der Benjamin-Effekt geht davon aus, dass Personen umso strenger beurteilt werden, je kürzer sie im Unternehmen sind und je jünger sie sind. Der Klebe-Effekt besagt, dass eine einmal erfolgte Leistungseinschätzung an der Person kleben bleibt, auch dann, wenn sie sachlich nicht mehr zutreffend ist.
5.7 Personalbeurteilung – Optimierung der Fairness
679
Der Recency-Effekt drückt aus, dass der Beurteilende bei der Bewertung speziell auf Ereignisse, die erst kürzlich stattgefunden haben, abzielt. Der First-Impression-Effekt drückt aus, dass die in einer Beurteilungsperiode zuerst erhaltenen Informationen bzw. Eindrücke auf den Beurteilenden größere Wirkung erzielen als später erhaltene und von daher unbewusst bei der Bewertung übergewichtet werden. Der Nikolaus-Effekt geht davon aus, dass der Beurteilte seine Leistung im Hinblick auf den Beurteilungszeitpunkt sukzessive steigert. Das Andorra-Phänomen, das nach einem Schauspiel von Max Frisch benannt ist, geht von einer gegenseitigen Einflussnahme dahingehend aus, dass der Beurteilte in die Rolle schlüpft, die sein Gegenüber (also der Beurteilende) von ihm erwartet.
Zu den sonstigen Einflüssen, die beim Personalbeurteilungsprozess zu Fehleinschätzungen führen können, zählen situative Einflüsse und Fehler bei der Vorbereitung und Durchführung einer Beurteilung. Situative Einflüsse gehen auf die besondere Situation einer Prüfung und die augenblickliche Rolle der Beteiligten zurück. Unzureichende Erfahrung der Beurteilenden bei der Vorbereitung und Durchführung sowie unbestimmte Beurteilungskriterien führen zu weiteren Beurteilungsfehlern. 5.7.3 Kriterien der Personalbeurteilung Zu den vorbereitenden Maßnahmen einer Personalbeurteilung gehört die Auswahl und Festlegung der Beurteilungskriterien. Unter der Vielzahl der zur Verfügung stehenden Beurteilungskriterien lassen sich folgende Hauptgruppen einteilen (siehe Abbildung 5-44):
Systematisierung nach den Bezugsgrößen, Systematisierung nach dem zeitlichen Horizont und Systematisierung nach dem Grad der Quantifizierung.
Systematisierung der Beurteilungskriterien nach …
… den Bezugsgrößen
… dem zeitlichen Horizont
… dem Grad der Quantifizierung
Verhaltensorientierung
Vergangenheitsbezogen (Leistungen, Ergebnisse)
Quantitative Kriterien
Zukunftsbezogen (Potentiale)
Qualitative Kriterien
Leistungsorientierung Erfolgsorientierung [Quelle: Stock-Homburg 2013, S. 379 (modifiziert)]
Abb. 5-44:
Systematisierung von Kriterien der Personalbeurteilung
5.7.3.1 Systematisierung nach den Bezugsgrößen
Bei diesem Systematisierungsansatz geht es um die drei Beurteilungsgegenstände Arbeitsverhalten, Arbeitsleistung und Arbeitsergebnis (siehe Abbildung 5-45).
680
5. Personal und Management der Unternehmensberatung
Im Mittelpunkt des verhaltensorientierten Ansatzes steht die Beurteilung der Persönlichkeit des Mitarbeiters. Es interessieren vor allem die Input-Eigenschaften des Mitarbeiters wie Loyalität, Dominanz, Intelligenz und Kreativität [vgl. Steinmann/Schreyögg 2005, S. 796].
Der leistungsorientierte Ansatz stellt den Tätigkeitsvollzug, also die Arbeitsleistung des Mitarbeiters in den Mittelpunkt der Beurteilung. Beurteilt wird also nicht die Persönlichkeit, sondern das im Transformationsprozess konkret beobachtete Leistungsvermögen des Mitarbeiters.
Beim ergebnisorientierten Ansatz zählt weder die Persönlichkeit noch das Leistungsvermögen eines Mitarbeiters, entscheidend ist vielmehr das tatsächlich erreichte Ergebnis, d. h. der Output des Transformationsprozesses. Insbesondere das Entscheidungsverhalten von Führungskräften wird heutzutage ausschließlich am erzielten Ergebnis gemessen.
Arbeitsprozess
Input
Transformation
Output
Gegenstand der Beurteilung
Arbeitsverhalten
Arbeitsleistung
Arbeitsergebnis
Ansatz
Eigenschaftsorientierter Ansatz
Leistungsorientierter Ansatz
Ergebnisorientierter Ansatz
[Quelle: Steinmann/Schreyögg 2005, S. 796 (modifiziert)]
Abb. 5-45:
Systematisierungsansätze nach Bezugsgrößen
5.7.3.2 Systematisierung nach dem zeitlichen Horizont
Bei diesem Systematisierungsansatz geht es um die Frage, ob Mitarbeiter bzw. Führungskräfte mehr an der erreichten Leistung (Ergebnis, Output) oder mehr an ihrem Leistungsvermögen (Potenzial) gemessen werden sollten. Die Leistungs- bzw. Ergebnisbeurteilung ist vergangenheitsbezogen und berücksichtigt den „Output“ des Mitarbeiters. Das Leistungsergebnis, also das Ausmaß der Erreichung der vorgegebenen Ziele, wird bei diesem Verfahren erfasst und bewertet. Sie ist maßgebend bei der Bewertung der Zielerreichung und damit zugleich das entscheidende Kriterium für eine gerechte, differenzierte Vergütung [vgl. Jung 2006, S. 738]. Die Potenzialbeurteilung ist eher zukunftsbezogen und bewertet Qualifikation und Eignung des Mitarbeiters. In die Beurteilung geht vor allem der erwartete zukünftige Beitrag von Führungskräften bzw. Mitarbeitern zur Erreichung der Unternehmensziele ein [vgl. Stock-Homburg 2008, S. 309]. Werden beide Kriterien miteinander kombiniert, so ergibt sich – wie in Abbildung 5-46 dargestellt – eine Leistungs-Potenzial-Matrix (engl. Performance-Potential-Matrix). In dieser Portfolio-Matrix werden Mitarbeiter bzw. Führungskräfte entsprechend ihrer Leistungsergebnisse und ihrer Potenziale positioniert.
5.7 Personalbeurteilung – Optimierung der Fairness
681
Leistung
(Performance)
hoch
gering
Leistungsstarke Mitarbeiter (Solid Performer)
Leistungsschwache Mitarbeiter (Marginal Performer)
[Quelle: Kosub 2009, S. 111]
Abb. 5-46:
gering
Spitzenkräfte (Excellent Performer)
Entwicklungspotenzialträger (Promotable Performer)
Potenzial
hoch
Leistungs-Potenzial-Matrix
Besondere Aufmerksamkeit sollte das Personalmanagement den „Solid Performers“ und den „Promotable Performers“ widmen. Bei diesen Personengruppen besteht offensichtlich der größte Personalentwicklungsbedarf. Die „Solid Performers“ erbringen zwar eine gute Leistung im Hinblick auf die an sie gestellten Anforderungen; sie verfügen aber über keine hohe Entwicklungsfähigkeit. „Promotable Performers“ verfügen über ein hohes Entwicklungspotenzial, das aber durch das bisherige Aufgabengebiet nicht ausgeschöpft wird. Durch geeignete Entwicklungsmaßnahmen, die einerseits den Bindungswillen erhöhen und andererseits Karrieremöglichkeiten aufzeigen, ließen sich beide Personengruppen entsprechend motivieren. Insgesamt ermöglicht die Leistungs-Potenzial-Matrix eine Analyse der Ist-Situation über die Leistungs- und Potenzialträger im Unternehmen. Vorhandene quantitative und qualitative Ungleichgewichte in der Mitarbeiterstruktur, die auch zukünftig zu erwarten sind, lassen sich auf diese Weise aufzeigen [vgl. Kosub 2009, S. 112]. Die oben beschriebene Matrix ist auch gleichzeitig Teil umfassender Performance-Measurement-Systeme, die zwischenzeitlich Einzug in viele, vor allem größere Unternehmen gehalten haben. In solche Systeme fließen neben den Leistungs- und Potenzialbeurteilungen der Mitarbeiter auch Projekt- und Kundenbeurteilungen sowie eine Vielzahl von Kennziffern (z. B. über Fluktuation, Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit u. ä.) ein. Sie dienen neben der Performance-Messung von Mitarbeitern auch zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit von Abteilungen und Unternehmensbereichen [zur grundsätzlichen Ausgestaltung von Performance-Measurement-Systemen siehe Grüning 2002]. Als zentrales Element der Personalbeurteilung gilt die Jahresendbeurteilung (engl. Year-EndReview). Sie ist in vielen Unternehmen Grundlage für die Bestimmung der Höhe des variablen Gehaltsanteils, für evtl. Vergütungserhöhungen sowie für Beförderungen (engl. Promotions) im Rahmen des Grading-Systems. Als Praxisbeispiel soll hier die Vorgehensweise und Struktur des Year-End-Reviews des Beratungsunternehmens Capgemini angeführt werden. Neben der Performance- und der Potenzialbeurteilung als Soll-Ist-Vergleich wird bei diesem Year-End-Review mit dem sogenannten Skill-Level, das die Verweildauer des Mitarbeiters auf einer Karrierestufe (engl. Time in Grade)
682
5. Personal und Management der Unternehmensberatung
kennzeichnet, noch eine weitere Dimension in der Beurteilungssystematik berücksichtigt. Insert 5-34 gibt einen Überblick über die Funktionsweise dieses Praxisbeispiels mit der SkillLevel/Potential/Performance-Matrix als zentrales Darstellungsmittel. Insert Year End Review Performance SkillLevel
Poten tial
Mastery
Low
Normal
5
4
Müller
B
Krause
1
Lehmann Jansen
Schulze Meier
D
Neumann
Becker
Schmidt
Fischer
A
Wagner Becker
B
Baumann Weber
C D Entry
2
Promotion possible
A C
Skilled
High
3
Koch
Schneider
A Bauer 5 = Did not meet expectations A = High potential
B
4 3 2 1
C D
= Improvement desired = Met expectations = Exceeds = Excellent
B = Steady growth C = Steady D = At risk
Quelle: Lippold 2010, S. 23
Grundlage für den Jahresendprozess (engl. Year End Review) ist die Zielvereinbarung, die Anfang eines jeden Geschäftsjahres zwischen Mitarbeitern und Vorgesetzten verabschiedet wird. Sie orientiert sich an den vorgegebenen Standardzielen pro Grade (Karrierestufe). Diesen Standardzielen liegen – neben individuellen Zielen wie Auslastung, Sales-Beitrag, Delivery-Volumen etc. – vier Verhaltensdimensionen zu Grunde: • Managementverhalten, • Führungsverhalten, • Teamverhalten • kundenorientiertes Verhalten. Die Führungskraft (der Vorgesetzte/Mentor) verdichtet diese Kriterien zu einem Gesamteindruck, der dann im Year End Review einem Peer-Vergleich gestellt wird. In diesem Peer-Vergleich werden alle Mitarbeiter der gleichen Karrierestufe (Grade) gegeneinander kalibriert (siehe Abbildung). Dies geschieht anhand einer vorbereiteten Matrixdarstellung mit folgenden drei Dimensionen:
Insert 5-34:
• Performance mit den Ausprägungen „excellent“ (1), „exceeds“ (2), „met expectations“ (3), „improvement desired“ (4) und „did not meet expectations“ (5), • Potential mit den Ausprägungen „high potential“ (A), „steady growth“ (B), „steady“ (C) und „at risk“ (D) und • Time in Grade mit den Ausprägungen „mastery“, „skilled“ und „entry“. Nur diejenigen Mitarbeiter, die in dieser Darstellung gleichzeitig den Bereichen Mastery, Performance 1 bis 3 und Potenzial A und B zugeordnet sind, können befördert und beim nächsten Review im Grade n+1 geführt werden. Bei der Kalibrierung ist ferner darauf zu achten, dass die zu beurteilenden Mitarbeiter hinsichtlich der Performance-Beurteilung gleichverteilt eingestuft werden. D. h. der Performance-Wert muss für alle Mitarbeiter im Durchschnitt dem Normal-Wert „Met expectations“ (= 3) entsprechen. Die derart vorgenommene Kalibrierung wirkt in drei Richtungen: Sie ist maßgebend für die Berechnung des variablen Gehaltsanteils, für eine evtl. strukturelle Gehaltserhöhung sowie für die Möglichkeit einer Beförderung.
Die Skill-Level/Potential/Performance-Matrix von Capgemini
5.7.3.3 Systematik nach dem Grad der Quantifizierung
Eine weitere Systematisierung kann anhand der Unterscheidung zwischen quantitativen und qualitativen Kriterien erfolgen. Quantitative Beurteilungsgrößen sind eindeutig und objektiv messbare Größen. Bei der objektiven Messung werden operationalisierbare und empirisch überprüfbare Indikatoren verwendet, die eindeutig quantifizierbar sind. Beispiele für eine Führungskraft bzw. einen Mitarbeiter im Vertriebsbereich sind:
5.7 Personalbeurteilung – Optimierung der Fairness
683
Erzieltes (Bereichs-)Ergebnis, Anzahl akquirierter Kunden, Anzahl durchgeführter Kundenbesuche, Erzielter Auftragseingang, Erzielter Umsatz, Anzahl Reklamationen, Fehlzeiten u.v.a.m.
In der Praxis werden Unternehmensziele zunehmend mit der von Kaplan/Norton [1992] entwickelten Balanced Scorecard, in der quantitativ bewertbare Beurteilungskriterien formuliert werden, systematisiert und dann sukzessive auf Bereichs-, Abteilungs- und Mitarbeiterebene herunter gebrochen (siehe auch 4.4.2.4). Grundgedanke der Balanced Scorecard ist die Umsetzung von Visionen und Strategien des Unternehmens in operative Maßnahmen. Das dazu entwickelte Kennzahlenraster der Balanced Scorecard umfasst insgesamt vier Dimensionen:
Finanzwirtschaftliche Dimension (Sicht des Aktionärs bzw. Investors), Kundenbezogene Dimension (Sicht des Kunden), Prozessbezogene Dimension (Sicht nach innen auf die Geschäftsprozesse) und Potenzialbezogene Dimension (Sicht aus der Lern- und Entwicklungsperspektive).
Für den Personalbereich besonders relevant ist die Lern- und Entwicklungsperspektive. Die daraus resultierende Verbindung der klassischen Zielvereinbarung mit der Balanced Scorecard führt zwangsläufig dazu, auch in die Zielvereinbarung verstärkt quantitative Ziele als sogenannte Key Performance Indicators (KPIs) zu übernehmen. Durch die ganzheitliche Zielentwicklung kann jeder einzelne Mitarbeiter seinen Anteil am Erreichen der Team-, Bereichs- und Gesamtunternehmensziele verfolgen. Wenn das strategische Ziel des Unternehmens z.B. die Steigerung der Kundenzufriedenheit ist, könnte ein Servicemitarbeiter als persönliches Ziel die Erhöhung der Anzahl seiner Kundenkontakte ableiten. Mit dieser Kopplung von Führungs- und Anreizsystemen ist eine wichtige Voraussetzung für die Einführung von variablen, leistungsabhängigen Vergütungsbestandteilen gegeben. In Kombination mit einem garantierten fixen Vergütungsanteil kann der variable Vergütungsanteil die erbrachten Leistungen angemessen honorieren. Die Höhe des variablen Entgeltbestandteils hängt dabei vom Ausmaß ab, mit dem die in der Balanced Scorecard definierten Zielvorgaben bzw. Kennzahlen erreicht werden. Das variable Entgelt ist bei der beschriebenen Vorgehensweise sowohl vom Grad der individuellen Zielerreichung als auch vom Erfolg auf Gruppenund Unternehmensebene abhängig. Die Kennzahlen der Balanced Scorecard liefern dabei für alle drei Ebenen die entsprechenden Erfolgsindikatoren. Eine Vielzahl von Untersuchungsmerkmalen bei der Bewertung von Führungskräften und Mitarbeitern bezieht sich auf deren Fähigkeiten und Verhalten. Hierbei handelt es sich um qualitative Bewertungskriterien, die sich einer eindeutigen und objektiven Messbarkeit entziehen. Die Beurteilung solcher qualitativen Größen unterliegt subjektiven Einflüssen, d. h. die Bewertung kann von Beurteilendem zu Beurteilendem erheblich variieren [vgl. Stock-Homburg 2008, S. 311].
684
5. Personal und Management der Unternehmensberatung
Mögliche Beurteilungskriterien über das Verhalten von Führungsnachwuchskräften liefert Abbildung 5-47.
Organisatorisches Verhalten
Führungsverhalten
• Planen und Koordinieren
• Ziele und Aufgaben klar vorgeben
• Ausführen und Kontrollieren
• Entscheiden und Problemlösen
• Selbstorganisation
• Delegieren und Fördern • Kooperieren und Konflikte lösen • Motivieren und Vorleben
Teamverhalten
Kundenbezogenes Verhalten
• Partizipation und Verantwortung
• Beratungsqualität
• Soziale Verantwortung und Unterstützung
• Betreuungsqualität • Serviceverfügbarkeit © Dialog.Lippold
Abb. 5-47:
Verhaltensdimensionen von Führungsnachwuchskräften (Beispiel)
5.7.4 Das Beurteilungsfeedback Dem Feedback-Gespräch zwischen Mitarbeiter und Vorgesetzten, das sich grundsätzlich an eine Beurteilung anschließen sollte, kommt im Rahmen des gesamten Verfahrens eine erhebliche Bedeutung zu. Auch hierbei steht das Ziel der Personalbeurteilung, nämlich die Fairness im Mittelpunkt. Das Beurteilungsgespräch kann bei richtiger Handhabung ein wesentliches Instrument innerhalb des Führungsprozesses darstellen und in erheblichem Maße zur Motivation der Mitarbeiter beitragen. Soll ein Beurteilungsgespräch die daran gestellten Erwartungen erfüllen, so ist neben einer gründlichen Vorbereitung (z.B. anhand einer Checkliste) eine konstruktive, offene und zielorientierte Gesprächsführung unabdingbar. Bei der Gesprächsführung hat es sich als vorteilhaft erwiesen, gewisse Ablaufstrukturen vorzusehen. Bei der Gesprächseröffnung sollte versucht werden, eine entspannte Stimmung zu schaffen und Verkrampfungen abzubauen. Nach der Begrüßung ist der Anlass des Gesprächs noch einmal darzulegen. In der Überleitung sollte ein Überblick über den Gesprächsverlauf und die Ziele der Besprechung gegeben werden. Die Besprechung der positiven und negativen Beurteilungen bildet den Hauptteil des Gesprächs. Dabei sollte mit den positiven Ergebnissen bzw. Entwicklungen seit der letzten Beurteilung begonnen werden. Die Besprechung negativer Ergebnisse sollte immer auf Grundlage gesicherter und sachlicher Informationen beruhen und für den Beurteilten transparent sein. Schwächen dürfen nicht als unüberwindbar, sondern immer nur in Verbindung mit Förderungsmöglichkeiten dargestellt werden. Als Grundsatz gilt: keine negative Kritik ohne anschließende Handlungsimplikation. Ziel ist es, zwischen den Beteiligten eine Einigung zu erzielen. Gelingt dies nicht, sollte dem Beurteilten die Gelegenheit gegeben werden, seinen Widerspruch, der anschließend in schriftlicher Form in die Personalakte eingeht, zu formulieren. Am Schluss des Gespräches sollten die wesentlichen Ergebnisse und die
5.7 Personalbeurteilung – Optimierung der Fairness
685
geplanten Aktionen noch einmal zusammengefasst werden. Der Vorgesetzte sollte darauf achten, das Gespräch einvernehmlich ausklingen zu lassen. 5.7.5 Kritische Würdigung des Year End Reviews Dennoch nimmt die Kritik an dieser Art des Year End Reviews mit der entsprechenden Kalibrierung der Mitarbeiter in jüngster Zeit ständig zu. So beginnen die ersten international ausgerichteten Dienstleistungsunternehmen damit, ihre Personalentwicklung komplett umzustellen und auf sämtliche Rankings ihrer Mitarbeiter künftig zu verzichten. Der Grund: Die jährlichen Gespräche seien mit viel Aufwand, aber wenig Ertrag verbunden. In einem Interview mit der Washington Post erklärte Pierre Nanterre, CEO des IT-Dienstleisters Accenture: „Manager müssen die richtige Person für die richtige Stelle auswählen und sie mit ausreichend Freiraum ausstatten. Die Kunst guter Führung besteht nicht darin, Angestellte ständig miteinander zu vergleichen“ [ZEIT-Online am 27.08.2015: So geht gute Führung]. Das bedeutet in der Konsequenz, dass die vielen Year End Reviews, die in aller Regel mit einer Kalibrierung der Mitarbeiter (also einem Vergleich bzw. Ranking der Kollegen einer GradeStufe) verbunden sind, obsolet werden. Das führt zu einer Entschlackung von liebgewonnenen, organisationsweiten Prozessen, die aus einem Vollständigkeits- und Kontrollwahn einst installiert wurden, aber einer Vertrauens- und Führungskultur diametral entgegenstehen [vgl. Lippold 2016a].
686
5. Personal und Management der Unternehmensberatung
5.8 Personalentwicklung – Optimierung der Forderung und Förderung 5.8.1 Aufgabe und Ziel der Personalentwicklung Die Qualifizierung von Mitarbeitern und Führungskräften stellt eine zentrale Voraussetzung für Unternehmensberatungen dar, um langfristig wettbewerbsfähig zu sein. Berater mit der richtigen fachlichen Qualifikation und den richtigen sozialen und kommunikativen Kompetenzen sowie die Managementqualitäten einer Führungskraft sind wesentliche Erfolgsfaktoren. Somit gilt es, die Personalentwicklung und hier speziell die Führungskräfteentwicklung (engl. Leadership Development) als viertes Aktionsfeld im Rahmen der Prozesskette Personalbindung im Hinblick auf die Mitarbeiterforderung und -förderung zu optimieren (siehe Abbildung 5-48): Forderung und Förderung = f (Personalentwicklung) → optimieren! Inhalte der Personalentwicklung sind zum einen die Vermittlung von Qualifikationen im Sinne einer unternehmensgerechten Aus- und Weiterbildung (Forderung) und zum anderen Maßnahmen zur Unterstützung der beruflichen Entwicklung und Karriere (Förderung).
Mitarbeiterkriterien
Wettbewerbsvorteil • Produkte • Leistungen • Fähigkeiten • Know-how • Kultur
+ Gerechtigkeit
Personalvergütung
+ Wertschätzung
Personalführung
+ Fairness + Förderung/Forderung
Personalbeurteilung
Personalentwicklung
Internes Personalmarketing
Aktionsfelder Sicht von innen
+ Erleichterung =
Vom Mitarbeiter honorierter Wettbewerbsvorteil
Personalfreisetzung
Mitarbeiterbindung
Personalbetreuung © Dialog.Lippold
Abb. 5-48:
Das Aktionsfeld Personalentwicklung
Von besonderer Bedeutung ist darüber hinaus die Entwicklung von Führungsnachwuchskräften. Ihre Funktion als Repräsentant, Vorbild, Entscheidungsträger und Meinungsbildner macht die Führungskraft zum Multiplikator in der Personalentwicklung [vgl. Stock-Homburg 2008, S. 153]. In Abbildung 5-49 ist der Zusammenhang zwischen Inhalten und generellen Zielen der Personalentwicklung dargestellt. Bei Unternehmen lassen sich nach Jung [2017, S. 250 f.] im Allgemeinen zwei Ansätze der Personalentwicklung beobachten. Die eine Vorgehensweise versucht, die aktuellen Arbeitsplatzanforderungen mit den entsprechenden Qualifikationen in Einklang zu bringen. Der zweite
5.8 Personalentwicklung – Optimierung der Forderung und Förderung
687
(und sicherlich effektivere) Ansatz verfolgt das Ziel, über die gegenwärtigen Anforderungen hinaus flexible Mitarbeiterqualifikationen zu schaffen und eine individuelle Personalentwicklung zu praktizieren. Im Vordergrund steht dabei die Vermittlung weitgehend arbeitsplatzunabhängiger Schlüsselqualifikationen, die der Halbwertszeit des Wissens und dem lebenslangen Lernen Rechnung tragen.
Personalentwicklung
Bildung
Karriere
Inhalt Ausbildung
Ziel
Weiterbildung
Karriereplanung
Mitarbeiterforderung
Leadership Development
Mitarbeiterförderung © Dialog.Lippold
Abb. 5-49:
Inhalte und Ziele der Personalentwicklung
Die zentrale Aufgabe der Personalentwicklung liegt darin, die Menschen durch Lernen zu befähigen, sich in der dynamischen Welt der Arbeit zurechtzufinden. Nur mit systematisch betriebener Aus- und Weiterbildung kann es gelingen, über die gesamte Dauer des Berufslebens den sich wandelnden Anforderungen gewachsen zu sein. Systematische Förderung der Eignung und Neigung sichert qualifizierte und motivierte Mitarbeiter. Daneben muss der durch die veränderten Bedürfnisse entstandene Wertewandel von der Personalentwicklung aufgenommen und die daraus gewonnenen Erkenntnisse in Bildung und Förderung umgesetzt werden. Sowohl das Beratungsunternehmen als auch seine Mitarbeiter verbinden mit der Personalentwicklung jeweils eigene Zielvorstellungen. Ziele der Personalentwicklung aus Sicht des Unternehmens sind [vgl. Stock-Homburg 2013, S. 209]:
Verbesserung der Arbeitsleistung der Berater, Erhöhung der Anpassungsfähigkeit der Berater hinsichtlich neuer Anforderungen und neuer Situationen, Steigerung von Eigenverantwortlichkeit, Eigeninitiative und Selbständigkeit der Berater, Steigerung der Identifikation und Motivation der Berater, Erhöhung der Attraktivität als Arbeitgeber auf dem Arbeitsmarkt.
Beraterbezogene Ziele der Personalentwicklung sind [vgl. Stock-Homburg 2013, S. 209]:
Verbesserung der Karriere- und Aufstiegsmöglichkeiten innerhalb und außerhalb des Unternehmens,
Klarheit über die beruflichen Ziele und Aufstiegsmöglichkeiten im Unternehmen,
Schaffung von Möglichkeiten, um über das fachliche Wissen hinaus betriebsspezifisches Know-how und Flexibilität zur Bewältigung anstehender Veränderungsprozesse zu erlangen,
Steigerung der individuellen Mobilität auf dem Arbeitsmarkt,
688
5. Personal und Management der Unternehmensberatung
Schaffung von Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung z. B. unter dem Aspekt der Übernahme von größerer Verantwortung einerseits und der Work-Life-Balance andererseits.
Die Personalentwicklung greift bei der Ermittlung des Entwicklungsbedarfs zwangsläufig auf die Ergebnisse der Personalbeurteilung zurück. Qualifikations- und Kompetenzdefizite, die in der Beurteilung aufgezeigt werden, sind der Ausgangspunkt für die Entwicklungsziele und inhalte. Lag bislang in vielen Unternehmensberatungen der Schwerpunkt im Bereich der Ausbildung, wird heute auch der Weiterbildung eine angemessene Priorität eingeräumt. Zu diesem Zweck gründen vor allem größere Unternehmensberatungen eigene Trainingszentren. 5.8.2 Qualifikation und Kompetenz Die oben beschriebenen Ziele der Personalentwicklung können erst dann erreicht werden, wenn die Leistungsanforderungen des jeweiligen Projektes den Qualifikationen des Beraters entsprechen. Folglich ist eine genaue Kenntnis der Qualifikationen notwendig, um die Berater in den richtigen Projekten einsetzen und gezielte Fördermaßnahmen durchführen zu können. Da sich die Anforderungen an die funktionelle Flexibilität der Berater zunehmend erhöhen, ist neben der fachlichen Qualifizierung ein besonderer Wert auf die Förderung der überfachlichen Qualifizierung zu legen, um die Berater mit umfassender Handlungskompetenz auszustatten. In diesem Zusammenhang kommt dem Kompetenzmanagement eine besondere Bedeutung zu. Es legt fest, welche Fähigkeiten und Verhaltensweisen verändert bzw. entwickelt werden sollen. Das Kompetenzmanagement weist in zwei Richtungen. Zum einen geht es darum, was das Unternehmen oder die Unternehmenseinheit können muss, um seine/ihre Ziele zu erreichen (organisationale Kompetenz). Zum anderen sind die Fähigkeiten, Kenntnisse und Verhaltensweisen gefragt, die der Berater benötigt, um seine individuellen Anforderungen (im Sinne der gesetzten Ziele) zu bewältigen (rollenbezogene Kompetenz). Im Allgemeinen werden dabei folgende drei Kompetenzfelder angesprochen: fachliche, soziale und methodische Kompetenzen [vgl. Lippold 2010, S. 25]. Unter der fachlichen Kompetenz werden alle Fähigkeiten und Kenntnisse eines Beraters zusammengefasst, die sich auf ein bestimmtes Aufgabengebiet beziehen. Hierzu zählen spezifische Branchenkenntnisse ebenso wie funktionale Kenntnisse im Bereich des Rechnungswesens, des Marketing etc. Die fachliche Kompetenz ist also stark vom jeweiligen Umfeld der Beratungsprojekte abhängig. Die soziale Kompetenz beschreibt, in wieweit ein Berater in der Lage ist, sich in die Organisation durch Kommunikationsfähigkeit und Kooperationsbereitschaft positiv einzubringen. Teamfähigkeit und Einfühlungsvermögen sind weitere Indikatoren für eine hohe Sozialkompetenz, die für die berufliche Entwicklung auf allen Unternehmensebenen von Bedeutung ist. Methodische Kompetenz bezieht sich auf die Fähigkeit, bestimmte Aufgabenstellungen mit einem methodisch-systematischen Vorgehen zu bewältigen. Projektmanagement, Präsentations- und Moderationstechniken aber auch die Fähigkeit, innovative Ideen einzubringen sind beispielhaft für diese Kategorie zu nennen.
5.8 Personalentwicklung – Optimierung der Forderung und Förderung
689
Aufbauend auf diesen Kompetenzfeldern entwickeln Unternehmensberatungen eigene Kompetenzmodelle, die den jeweiligen spezifischen Organisationsanforderungen entsprechen. Ebenso sind die Kompetenzfelder inhaltliche Grundlage für die Darstellung von Rollen, Karrierepfaden und Leadership Development-Programmen. Setzt man sich mit Kompetenzmodellen unterschiedlicher Unternehmen auseinander, so stößt man auf eine Vielzahl inhaltlich voneinander abgehobener Kompetenzen. Da ist von sozialer Kompetenz aber auch von unternehmerischer, interkultureller, kommunikativer oder pädagogischer Kompetenz die Rede und fast täglich kommen neue Bezeichnungen hinzu wie die „Wischkompetenz“ der „Digital Natives“ – angeeignet durch das pausenlose Benutzen von digitalen Endgeräten. Erpenbeck/Heyse [2007], die im ersten Schritt den Kompetenzbegriff von ähnlichen Begriffen wie Fertigkeiten und Qualifikationen abgrenzen (siehe Insert 5-35), erklären Kompetenz als Selbstorganisationsdispositionen. Damit meinen sie, dass eine agierende Person eine bestimmte Situation selbstorganisiert unter Zuhilfenahme der jeweiligen „Dispositionen (Anlagen, Fähigkeiten, Bereitschaften)“ meistert und somit kompetentes Handeln aufweist [vgl. Bauer/Soos 2017, S. 13f.].
Insert Wissen – Qualifikationen – Kompetenzen
Regeln
Werte
Wissen i.e.S Fertigkeiten
Qualifikationen
Kompetenzen
Normen
Jedes Lernen hat die Vermittlung von Wissen im engeren Sinne, Fertigkeiten, Qualifikationen und Kompetenzen gleichermaßen im Blick zu behalten. Bei der Qualifikation geht es um die Fähigkeiten zum Erreichen eines vorgegebenen Handlungszieles. Bei Kompetenzen geht es ebenfalls um ein Handlungsresultat, aber um ein selbstgesetztes (self
Insert 5-35:
directed), selbstorganisativ erreichtes. Kompetenz manifestiert sich erst in der Performanz. Kompetenz ist somit die „Fähigkeit einer Person zum selbstorganisierten, kreativen Handeln“, wenn sie sich mit einer ungewohnten Situation konfrontiert sieht. [Quelle: Erpenbeck 2012, S. 16 f.]
Kompetenzen schließen Wissen, Fertigkeiten und Qualifikationen ein
Im Mittelpunkt steht demnach die tatsächliche Handlungsfähigkeit der betreffenden Person. Kompetenzen gehen damit deutlich über Qualifikationen hinaus.
690
5. Personal und Management der Unternehmensberatung
Während eine Qualifikation bestätigt, dass ein formal definiertes und – zumindest in der Theorie – objektives Lernziel (z.B. der Bachelorabschluss in Business Administration) erreicht wurde, bezieht sich eine Aussage über die Kompetenz einer Person darauf, welche Fähigkeiten eine Person tatsächlich besitzt [vgl. Ciesielski/Schutz 2016, S. 105]. In der Kompetenzforschung haben Erpenbeck/Heyse insgesamt 64 Schlüsselkompetenzen identifiziert. Das Rückgrat bilden dabei vier Schlüsselkompetenzgruppen: Personale Kompetenzen (P) – Hierbei handelt es sich um die Fähigkeit, das eigene Handeln selbstorganisiert, selbstreflexiv und kritisch zu hinterfragen und eigene produktive, kreativitätsfördernde Einstellungen, Werthaltungen, Ideale usw. zu entwickeln (z.B. Loyalität, Glaubwürdigkeit, Eigenverantwortung) Aktivitäts- und Handlungskompetenzen (A) – Das sind Fähigkeiten, selbstorganisiert, aktiv und willensstark erzielte Ergebnisse umsetzen zu können, alles Wissen und Werten integrierend (z.B. Tatkraft, Entscheidungsfähigkeit, Initiative) Fach- und Methodenkompetenzen (F) – Hier geht es um Fähigkeiten, mit dem fachlichen und methodischen Wissen gut ausgerüstet und über eigenes Wissen verfügend Probleme selbstorganisiert und schöpferisch bewältigen zu können (z.B. Fachwissen, Planungsverhalten, Marktkenntnisse) Sozial-kommunikative Kompetenzen (S) – Das sind Fähigkeiten, Kommunikationsund Kooperationsprozesse auf interpersonaler und/ oder interorganisationaler Ebene selbstorganisiert so zu optimieren und zu effektivieren, dass Konfliktpotenziale minimiert werden (z.B. Kommunikations-, Integrations-, Teamfähigkeit). Den vier Schlüsselkompetenzgruppen (P), (A), (F) und (S) werden aus einer Fülle von über 100 Kompetenzbegriffen jeweils 16 sogenannte Schlüsselkompetenzen zugeordnet, so dass man letztlich ein „überschaubares und praktikables“ Tableau von 64 Schlüsselkompetenzen erhält. In Insert 5-36 ist die gesamte Kompetenzarchitektur als sogenannter Kompetenz-Atlas ausführlich dargestellt. Entscheidend ist nunmehr, nicht nur Wissen, sondern vielmehr Kompetenzen zu vermitteln. Zu den besonders wirksamen Formen der Kompetenzentwicklung in der Praxis zählen [vgl. Erpenbeck 2012, S. 39 ff.]:
Erfahrungslernen Erlebnislernen Lernen durch subjektivierendes Handeln Informelles Lernen Situiertes Lernen Expertiselernen
5.8 Personalentwicklung – Optimierung der Forderung und Förderung
Insert 5-36: 5.8.3
691
Kompetenz-Atlas nach Erpenbeck/Heyse
Führungskräfteentwicklung
Das Thema Führungskräfteentwicklung (engl. Leadership Development) steht seit Jahren ganz oben auf der Liste der Top-Themen des Personalmanagements. Es ist ein weiterer Begriff mit vielen Überschneidungen zum Talent Management. Führungskräfteentwicklung zielt auf
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die Entwicklung der Führungskompetenzen von Managern und Führungsnachwuchskräften ab. Bei der Führungskräfteentwicklung geht es nicht um die Gewinnung von Führungsnachwuchskräften, sondern ausschließlich um die Förderung, Weiterentwicklung und Bindung von Führungs- und Führungsnachwuchskräften. Wenn es richtig ist, dass „die Kunst guter Führung nicht darin besteht, Angestellte ständig miteinander zu vergleichen“ [Pierre Nanterme], dann bedeutet das in der Konsequenz, dass die vielen Year End-Reviews, die in aller Regel mit einer Kalibrierung der Mitarbeiter (also einem Vergleich bzw. Ranking der Kollegen einer Grade-Stufe) verbunden sind, obsolet werden. Das führt zu einer Entschlackung von liebgewonnenen, organisationsweiten Prozessen, die aus einem Vollständigkeits- und Kontrollwahn einst installiert wurden, aber einer Vertrauensund Führungskultur diametral entgegenstehen. Das kommt einem Paradigmenwechsel in der Personalentwicklung gleich. Ebenso obsolet ist das falsche Konstrukt des Talent Managements, mit dem heute immer noch standardisierte Führungsklone als künftige Vorgesetzte produzierte werden sollen. Führungskräfte müssen vom traditionellen Talent Management weg und hin zu einem zeitgemäßen Talent Empowerment gehen. Empowerment ist entscheidend, um Talente mit den richtigen Fähigkeiten anzuziehen, zu fördern, zu engagieren und so die digitale Transformation voranzutreiben! Denn im Kern geht es bei der digitalen Führung um Beziehungsarbeit, d.h. um wertebasierte Beziehungen, die aufgebaut, gepflegt und gegebenenfalls auch professionell beendet werden müssen. Und das bedeutet in letzter Konsequenz, dass individuelle (und keine standardisierte) Talententfaltungsformate erarbeitet werden müssen [vgl. hierzu und im Folgenden Lippold 2020a]. Durch die Ermächtigung der Mitarbeiter (engl. Empowerment) werden Potenziale gehoben, die in nicht-agilen Organisationen zumeist verloren wären. Das Empowerment ist quasi die Messlatte für New Work. Digitale Talente verfügen über eine Kombination aus spezifischen Soft- und Hard-Skills, die für eine erfolgreiche Umsetzung der digitalen Transformation entscheidend ist. Deshalb sind zumindest in klar abgegrenzten Bereichen die agile Organisation und das agile Lernen den klassischen Organisations- und Denkmustern deutlich überlegen. Der wahrscheinlich wichtigste Schritt hierbei ist, die Lernenden mit ihren individuellen Bedarfen, Vorkenntnissen, Stärken und Ressourcen vorbehaltlos in den Mittelpunkt zu stellen. Hinzu kommt, dass die Verantwortung in Unternehmen immer seltener bei Einzelpersonen mit zentraler Direktivgewalt liegt. Verantwortung wird zunehmend mehr kollektiv in eingesetzten Teams wahrgenommen, in denen Führungskräfte eher eine moderierende Funktion innehaben. Es geht um gemeinsame, selbstorganisierte Führung. Menschen mit Führungsverantwortung dürfen auch Lernende sein und müssen nicht alles beherrschen. Die Führungskraft im agilen Umfeld setzt sich für eine gemeinsame Vision ein, die so klar formuliert ist, dass der Einzelne seine individuellen Ziele dazu in Bezug setzen kann. Nur mit Kontrollen bekommt man die Komplexität der Arbeitswelt nicht mehr in den Griff. Im New-Work-Prozess müssten Führungskräfte eine neue Rolle lernen und annehmen. Sie müssen Macht weiterreichen, loslassen, stimulieren und einfach auf die Selbstverantwortung der Mitarbeiter vertrauen. Allerdings, und das ist die Erkenntnis einer SRH-Studie: "Empowerment ist ansteckend. Positiv, aber auch ne-
5.8 Personalentwicklung – Optimierung der Forderung und Förderung
693
gativ: Wenn Führungskräfte aus einer höheren Hierarchieebene wenig Bedeutsamkeit, Kompetenz, Einfluss und Selbstbestimmung erleben, weil sie durch Bürokratie oder andere Umstände gegängelt werden, geben sie das an Abteilungs- und Teamleiter weiter – bis runter zu den Praktikanten,“ so Studienleiter Schermuly [https://newmanagement. haufe.de/organisation/new-work-ist-messbar]. Die Auswahl der potenziellen Führungsnachwuchskräfte sollte sich daher an folgenden drei Kriterien orientieren: Vielfalt statt Konformität: Gefragt sind keine „abgerundeten“ Persönlichkeiten, die keine Schwächen (aber eben auch keine Stärken) haben. Es geht um Kandidaten mit Ecken und Kanten, die eine ausgeprägte Stärke für Führungsaufgaben haben und an deren Ecken und Kanten auch einmal wirksame Vorschläge hängen bleiben. Performance statt Potenzial: Potenziale sind zunächst immer nur vage Hoffnungen auf Leistungen, die der Aspirant später einmal erbringen könnte – oder auch nicht. Es geht um solche Führungsnachwuchskräfte, die Leistungen gezeigt haben und Ergebnisse gezeigt haben. Das sind zumeist solche Kandidaten, die in Ihrem Lebenslauf Ergebnisse und nicht Positionen angegeben haben. Einstellungen statt Fachwissen: Fachliche Fähigkeiten sind Voraussetzungen. Wichtiger als Fachkenntnisse sind für eine potenzielle Führungskraft dessen Sensibilitäten, Werte, Verhaltensmuster, Prägungen und die innere Einstellung zur Selbstverantwortung. Hierdurch entscheidet sich, ob die Führungskraft einen substanziellen Beitrag zur Weiterentwicklung des Unternehmens liefern wird oder nicht. Viele Unternehmen beobachten, dass der Mangel an digitalen Talenten zu einem Verlust von Wettbewerbsvorteilen führt. Den Unternehmen ist zu raten, ihre traditionellen Leadership Praktiken in ein zeitgemäßes Talent Empowerment umzuwandeln. Dabei stehen individuelle Personalentwicklungsangebote mit entsprechenden Beziehungstrainings im Vordergrund – Trainings, bei denen das agile Lernen der zentrale Baustein einer neuen Führungskultur ist. Trainings, die besser auf die Bedürfnisse der heutigen digitalen Talente zugeschnitten sind als die traditionellen Management-Praktiken. 5.8.4 Weitere Aspekte der Führungskräfteentwicklung 5.8.4.1 Führungs- und Fachlaufbahn
Mit dem Begriff Karriere wird in erster Linie die Führungslaufbahn assoziiert. Der Aufstieg im Rahmen einer Führungskarriere bedeutet in der Regel einen Zuwachs an Kompetenz, Status, Macht und Vergütung in Verbindung mit den einzelnen Karriereschritten. In der Unternehmenspraxis gewinnt zunehmend aber auch die Fachkarriere an Bedeutung. Aus Unternehmenssicht liegt hierbei der Fokus auf der Förderung und Bindung von Spezialisten. Bei der Karriereplanung sollte das Unternehmen berücksichtigen, dass Mitarbeiter – gleich ob sie eine Führungs- oder eine Fachlaufbahn anstreben – im Hinblick auf ihre Karriere unterschiedliche Ziele verfolgen können. Eine gute Grundlage für eine zielgerichtete Förderung ist
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5. Personal und Management der Unternehmensberatung
daher eine richtige Einschätzung des Unternehmens über die Karriereziele und -motive der betroffenen Nachwuchs- und Führungskräfte. Hilfreich bei der Bewertung kann eine Typologie von Karrieretypen sein. In Abbildung 5-50 ist beispielhaft eine Typologie weiblicher und männlicher Führungskräfte aufgeführt. Nach diesem Ansatz werden berufliche, persönliche und familiäre Kriterien zur Typenbildung herangezogen [vgl. Stock-Homburg 2013, S. 271 ff.]. Weibliche Führungskräfte
Männliche Führungskräfte
Typ 1
Die Beziehungsorientierte
Der Isolierte
Typ 2
Die Karrierefokussierte
Der immer Erreichbare
Typ 3
Die Familienorientierte
Der konsequent Beziehungsorientierte
Typ 4
Die Unabhängige
Der unterstützte Karriereorientierte
[Quelle: Stock-Homburg 2013, S. 273 f.]
Abb. 5-50:
Karrieretypen weiblicher und männlicher Führungskräfte
Die Führungskräfteentwicklung ist bei vielen Unternehmen in den Mittelpunkt aller Personalentwicklungsmaßnahmen, teilweise sogar des gesamten Personalmarketings gerückt. Ob als Talents, High Potentials oder als Leaders of Tomorrow bezeichnet, nahezu alle größeren und international agierenden Unternehmen entwerfen derzeit Programme, um die Zielgruppe der Führungsnachwuchskräfte adäquat fördern und binden zu können. Eine besondere Bedeutung im Rahmen der Führungskräfteentwicklung kommt dem Auslandseinsatz zu. Er wird gewählt, wenn eine Karriere durch den Aufbau internationaler beruflicher Erfahrung angestrebt wird. Im Vordergrund stehen der Erwerb und die Vertiefung von Sprachkenntnissen und das Kennenlernen ausländischer Geschäftspraktiken und Verhaltensweisen. Je nach Zielsetzung kann der Auslandseinsatz zwischen wenigen Wochen und mehreren Jahren dauern. Im Rahmen der Vermittlung von Führungsverhaltensweisen sind folgende feedbackbasierte Methoden zur Persönlichkeitsentwicklung sind das Coaching und das Mentoring zu nennen. 5.8.4.2 Coaching
Coaching ist ein Mittel zur Förderung der Entwicklung von Führungskräften und Mitarbeitern und vereinfacht in der Regel dadurch angestoßene Veränderungsprozesse. Es wird auf Basis einer tragfähigen und durch gegenseitige Akzeptanz gekennzeichneten Beratungsbeziehung – gesteuert durch einen dafür qualifizierten Coach (m/w) - in mehreren freiwilligen und vertraulichen Sitzungen abgehalten. Der Coach zieht für die einzelnen Sessions diverse Gesprächstechniken und seine professionelle Erfahrung heran, um den Coachee (m/w) dabei zu unterstützen, dessen gesetzten Ziele zu erreichen. Klassisches Coaching wird immer als Begleitprozess verstanden. Der Coachee als Partner auf Augenhöhe legt seine Ziele selbst fest und führt Lösungen (Veränderungen) eigenständig herbei. Ein professioneller Coaching-Prozess ist jederzeit transparent zu gestalten. Der Coach bespricht mit dem Coachee die Vorgehensweise, er-
5.8 Personalentwicklung – Optimierung der Forderung und Förderung
695
klärt Techniken und Tools und beendet jede Sitzung mit der Möglichkeit zu beidseitigem Feedback. Ein Coaching kann generell nur dann erfolgreich sein, wenn der Wunsch nach Unterstützung und die Änderungsbereitschaft beim Coachee vorhanden sind. Ging man in der Vergangenheit überwiegend von defizitär veranlassten Coachings aus (Negativanlass: Behebung einer bestimmten Problemsituation und dadurch Erreichung von gesetzten Leistungsstandards) setzen sich heute verstärkt der Potenzial- sowie der Präventivansatz durch. Unter dem Potenzialansatz versteht man die effektive Nutzung vorhandener, aber noch nicht ausgeschöpfter Potenziale, oder sogar erst deren Entdeckung. Beim Präventivansatz des Coachings sollen bestimmte, als störend empfundene Verhaltensweisen oder Situationen in Zukunft vermieden werden. 5.8.4.3 Mentoring
Im Gegensatz zum Coaching ist Mentoring geprägt durch seinen losen Beziehungscharakter, d.h. es besteht kein wie auch immer gearteter Vertrag zwischen den Gesprächsparteien. Der Mentor zeichnet sich durch einen gewissen Erfahrungsvorsprung gegenüber dem Mentee (m/w) aus und berät diesen losgelöst von disziplinarischer Weisungsbefugnis. Für die konkrete Auswahl eines passenden Mentors für einen neu an Bord kommenden Mitarbeiter bedeutet dies, dass der Vorgesetzte nie gleichzeitig auch Mentor sein kann. Der Vorteil an dieser Konstellation liegt darin, dass der Mentee so immer eine Anlaufstelle hat, falls es Probleme oder Herausforderungen gibt, die nicht mit dem Vorgesetzten besprochen werden können oder wollen. Mentoring zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass Mentee und Mentor freiwillig miteinander arbeiten. Beim Mentoring handelt es sich um einen langfristig angelegten Entwicklungsprozess, während das klassische Coaching nach einem halben, maximal einem Jahr seinen Abschluss findet. Im Idealfall arbeiten Mentor, Mentee und Vorgesetzter konstruktiv miteinander, tauschen sich aus, beraten sich und bringen das Potenzial des Mentees gemeinsam zur Entfaltung. Mentoring als unterstützende Lernbeziehung hat das Ziel, Wissen und Erfahrung auszutauschen und weiterzugeben. Ferner hilft Mentoring beim Ausbilden von Führungsqualitäten und der Leistungssteigerung. Die Partnerschaft zwischen Mentor und Mentee ist idealerweise geprägt von professioneller Freundschaft, der Mentee empfindet das Mentoring als geschützten Raum, indem er auch seine Ängste und Nöte preisgeben kann. Nicht zuletzt ist der Mentor aufgerufen, seinem Mentee ein Stück weit den Weg zu ebnen, indem er ihn z.B. seinem persönlichen Netzwerk zuführt oder ihn mit erfahrenen, langjährigen Firmenmitgliedern bekannt macht. 5.8.5 Genderspezifische Personalentwicklung Es ist eine Tatsache, dass Frauen aus familiären Gründen häufiger Abstriche in Bezug auf den eigenen Beruf und die eigene Karriere machen als Männer. Besonders die High Potentials unter den weiblichen Arbeitnehmern werden immer wichtiger und damit begehrter für die Unternehmensberatungen. Um Frauen an das Unternehmen zu binden und besser zu integrieren, sollten Beratungsunternehmen neben einer familienfreundlichen Gestaltung der Arbeitszeiten gezielt auf die Förderung der Karriere von weiblichen Arbeitnehmern achten. Besonders interessant ist die Erfahrung, dass Personalentwicklungsmaßnahmen, die gezielt auf Frauen und ihre vielfältigen Lebensmuster zugeschnitten sind, sich in aller Regel auch optimal
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5. Personal und Management der Unternehmensberatung
für Männer erweisen. Das Personalentwicklungsmanagement darf und soll sich sogar an den Frauen orientieren, wenn sie für beide Geschlechter Gültigkeit haben sollen. Überhaupt kann durch geschlechtergemischte Fortbildungen die Zusammenarbeit von Frauen und Männern gefördert werden. Weibliche und männliche Teilnehmer können so voneinander lernen. Die Unterschiede in den Verhaltens- und Denkweisen können während einer Maßnahme thematisiert und einander nähergebracht werden [vgl. Stalder 1997, S. 22]. Es geht aber nicht nur darum, auf welche Personalentwicklungsmaßnahmen Frauen am besten ansprechen. Vielmehr sollten die Rahmenbedingungen so angepasst werden, dass mehr Frauen die Teilnahme an solchen Maßnahmen ermöglicht wird. So werden Weiterbildungen häufig nicht für Teilzeitstellen angeboten, obwohl gerade diese vielfach von Frauen besetzt sind. Fortbildungen, die weit entfernt vom Arbeitsplatz oder Wohnort durchgeführt werden oder gar eine Übernachtung erfordern, sind zumeist Ausschlusskriterien für berufstätige Mütter. Wie bereits in Abschnitt 1.1.1 beschrieben, liegt der Anteil aller weiblichen Beschäftigten in der Beratungsbranche bei 39 Prozent – ein Wert, der im Branchenvergleich relativ niedrig ist. Dies ist auch einer der Gründe, warum das Thema Gender-Diversity im Consulting neben der Gewinnung qualifizierter Talente in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen hat. Ein weiterer Grund ist die Erkenntnis, dass sich gemischte Teams positiv auf die Diskussion, Interaktion und Entscheidungsfindung auswirken. Außerdem werden geschlechtergemischte Teams als ein wichtiger Treiber für Innovation und für den Unternehmenserfolg insgesamt angesehen. Nicht wenige Consultingunternehmen haben daher die Förderung einer größeren Geschlechterdiversität zu einer strategischen Priorität erklärt und das Thema ganz oben auf die Agenda gesetzt. Die Unterzeichnung der Charta der Vielfalt und die Festlegung einer Zielquote weiblicher Mitarbeiter unterstreichen diese Ambitionen [vgl. BDU 2022, S. 8].
5.9 Personalfreisetzung – Optimierung der Erleichterung
697
5.9 Personalfreisetzung – Optimierung der Erleichterung Das letzte Aktionsfeld im Rahmen der Wertschöpfungskette Personalbetreuung stellt die Personalfreisetzung dar (siehe Abbildung 5-51). Ziel der Personalfreisetzung ist es, eine Überkapazität des Personalbestands zu vermeiden bzw. den Personalbestand abzubauen. Auf diese Situation müssen Unternehmen mit einer erhöhten Flexibilität reagieren. Diese Flexibilität erstreckt sich auf den aktuellen Personalbestand, aber auch auf vorhandene Arbeitszeitstrukturen und Vergütungssysteme, auf die Personalqualifikation, auf die Personalorganisation und auf die Personalführung. Erst wenn sich personelle Überdeckungen nicht mit Hilfe innerbetrieblicher Maßnahmen beseitigen lassen, müssen Freisetzungen durch Beendigung bestehender Arbeitsverhältnisse in Betracht gezogen werden.
Mitarbeiterkriterien
Wettbewerbsvorteil • Produkte • Leistungen • Fähigkeiten • Know-how • Kultur
+ Gerechtigkeit
Personalvergütung
+ Wertschätzung
Personalführung
+ Fairness + Förderung/Forderung
Personalbeurteilung
Personalentwicklung
+ Erleichterung =
Personalfreisetzung
Internes Personalmarketing
Aktionsfelder Sicht von innen
Vom Mitarbeiter honorierter Wettbewerbsvorteil
Mitarbeiterbindung
Personalbetreuung © Dialog.Lippold
Abb. 5-51:
Das Aktionsfeld Personalfreisetzung
Die Förderung des freiwilligen Ausscheidens von Mitarbeitern kann sich – zumindest beim Einsatz positiver Förderung – als eine Lösung („Erleichterung“) im Interesse der betroffenen Mitarbeiter und des Unternehmens erweisen. Daher geht es bei der Personalfreisetzung in erster Linie um die Optimierung der Erleichterung. Erleichterung = f (Personalfreisetzung) → optimieren! Formal gesehen bedeuten Personalfreisetzungen den Abbau einer personellen Überdeckung in quantitativer, qualitativer, örtlicher und zeitlicher Hinsicht. Die Ausgangsinformation einer Personalfreisetzung ist ein negativer Saldo zwischen voraussichtlichem Personalbestand und dem Soll-Personalbestand (siehe auch Unterabschnitt 5.3.1.1) [vgl. Springer/Sagirli 2006, S. 6]. 5.9.1 Rahmenbedingungen der Personalfreisetzung Die Freisetzung personeller Kapazitäten kann verschiedene Ursachen haben. Einige von ihnen lassen sich weitgehend vorhersagen und ermöglichen somit eine frühzeitige und antizipative Planung des Freisetzungsbedarfs. Im Rahmen einer solchen antizipativen Personalfreisetzung wird versucht, das Entstehen von Personalüberhängen frühzeitig zu prognostizieren und entsprechende Maßnahmen einzuleiten. So können vorübergehende oder vorhersehbare Auftragsrückgänge verstärkt für Aktivitäten im Bereich der Personalentwicklung sowie für Urlaub oder
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5. Personal und Management der Unternehmensberatung
Betriebsferien genutzt werden. Andere Entwicklungen sind weitgehend unvorhersehbar wie z. B. konjunkturelle Einbrüche oder die Nichtverlängerung von Großaufträgen und erlauben nur eine reaktive Planung der Personalfreisetzung [vgl. Scholz 2011, S. 490]. Neben diesen unternehmens- oder konjunkturell bedingten Ursachen existieren grundsätzlich aber auch mitarbeiterbezogene Gründe der Personalfreisetzung. Diese Ursachen können im Verhalten oder in der Person (z. B. mangelnde Fähigkeiten) des Mitarbeiters begründet sein [vgl. Jung 2006, S. 315]. Notwendige Maßnahmen der Personalfreisetzung sind in jedem Fall möglichst frühzeitig einzuleiten. Nur so lässt sich eine bestmögliche Anpassung der bestehenden Arbeitsverhältnisse an die veränderten Rahmenbedingungen erreichen. Auf einschneidende Maßnahmen sollte dabei möglichst verzichtet werden. Kann allerdings auf schwerwiegende Einschnitte nicht verzichtet werden, ist auf die sozialverträgliche Ausgestaltung der Freisetzung zu achten, so dass negative Folgen für den betroffenen Arbeitnehmer gemildert werden können. Eine frühzeitige Information der betroffenen Mitarbeiter und des Betriebsrats ist gemäß § 102 BetrVG obligatorisch. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam [vgl. Scholz 2011, S. 496]. Personalfreisetzung ist nicht in jedem Fall gleichzusetzen mit einer Kündigung; sie besagt lediglich, dass ein weiterer Verbleib des Stelleninhabers auf seiner jetzigen Position auszuschließen ist. So sind Personalfreisetzungen auch über die Änderung bestehender Arbeitsrechtsverhältnisse realisierbar. Man kann somit zwischen einer Personalfreisetzung mit und ohne Personalabbau unterscheiden. Eine Freisetzungsmaßnahme mit Personalabbau ist z. B. die Entlassung von Mitarbeitern. Der Abbau von Überstunden oder die Einführung der Kurzarbeit stellt dagegen eine Maßnahme ohne Bestandsreduktion dar (siehe Abbildung 5-52). Personalflexibilisierung Anpassung personeller Ressourcen an einen bestimmten Personalbedarf
Vermeidung von personellen Überkapazitäten
Personalfreisetzung … Abbau einer personellen Überdeckung
… ohne Personalabbau
Versetzung
Arbeitszeitverkürzung
Änderung bestehender Arbeitsverträge
Änderung bestehender Arbeitsverträge
• Horizontale Versetzung • Vertikale Versetzung
• Teilzeit • Abbau von Mehrarbeit/ Überstunden • Kurzarbeit
[Quelle: Stock-Homburg 2013, S. 290]
Abb. 5-52:
… mit Personalabbau Indirekte Personalfreisetzung
Direkte Personalfreisetzung
Keine Änderung bestehender Arbeitsverträge • Einstellungsstopp • Nicht-Verlängerung befristeter Arbeitsverträge • Nicht-Verlängerung von PersonalleasingVerträgen
Beendigung bestehender Arbeitsverträge
Maßnahmen zur Personalfreisetzung
• Aufhebungsvertrag (Abfindung) • Vorruhestand • Altersteilzeit • Kündigung
5.9 Personalfreisetzung – Optimierung der Erleichterung
699
Insert 5-37 zeigt im Überblick, welche „Ausfahrten“ sich anbieten, um bei Personalfreisetzungen nicht das letzte Mittel – nämlich die ultimative Kündigung – aussprechen zu müssen.
Insert 5-37:
„Ausfahrten“ vor der ultimativen Kündigung
700
5. Personal und Management der Unternehmensberatung
5.9.2 Personalfreisetzung ohne Personalabbau Die beiden zentralen Maßnahmengruppen zur Personalfreisetzung ohne Personalabbau sind
die Versetzung sowie die Maßnahmen zur Arbeitszeitverkürzung.
5.9.2.1 Versetzung
Versetzungen innerhalb eines Unternehmens stellen für die aufnehmende Organisationseinheit einen Personalbeschaffungsvorgang und für die abgebende Einheit eine Freisetzung dar. Versetzungen sind zumeist mit Personalentwicklungsmaßnahmen verbunden, die darauf abzielen, Mitarbeiter für andere gleichwertige oder höherwertige Tätigkeiten zu befähigen. Bei Tätigkeiten auf derselben Hierarchieebene handelt es sich um horizontale Versetzungen, bei höheroder minderwertigen Tätigkeiten um vertikale Versetzungen, die mit einem hierarchischen Auf- oder Abstieg verbunden sind [vgl. Stock-Homburg 2008, S. 226 unter Bezugnahme auf Hentze/Graf 2005, S. 379]. Im Gegensatz zur (Beendigungs-)Kündigung spricht man bei einer Versetzung von einer Änderungskündigung, da der Arbeitgeber mit der Kündigung ein Vertragsangebot verbindet, das Arbeitsverhältnis zu geänderten Bedingungen fortzusetzen. Eine Änderungskündigung hat stets Vorrang vor einer (Beendigungs-)Kündigung. Verfügt der Arbeitgeber über eine zumutbare Beschäftigungsmöglichkeit, so kann er eine Änderungskündigung aussprechen. Der Betriebsrat muss in jedem Fall in Kenntnis gesetzt werden und wegen der Kündigung (§ 102 BetrVG) und Neueinstellung (§ 99 BetrVG) sein Einverständnis erklären. Ob dem Arbeitnehmer die neue Tätigkeit zuzumuten ist, hängt davon ab, wie stark sich die neue und die bisherige Beschäftigung nach ihren Anforderungen und Arbeitsbedingungen unterscheiden. Dabei kommt es vor allem auf die geforderte Qualifikation, die Höhe der Vergütung, die Stellung im Betrieb und das gesellschaftliche Ansehen der Tätigkeiten an. Ist der Arbeitnehmer mit der Änderungskündigung nicht einverstanden, will aber sein bisheriges Arbeitsverhältnis behalten, muss er innerhalb der Kündigungsfrist seinen Vorbehalt erklären und beim Arbeitsgericht Klage erheben [vgl. Springer/Sagirli 2006, S. 13]. 5.9.2.2 Arbeitszeitverkürzung
Zu den relevanten Maßnahmen der Arbeitszeitverkürzung für beratungsunternehmen zählen
Teilzeitarbeit, Job Sharing, Abbau von Mehrarbeit, Zeitwertkonten und Kurzarbeit.
Die Umwandlung von Vollzeit- in Teilzeitarbeit ist – ebenso wie die Versetzung – eine Möglichkeit der Personalfreisetzung ohne direkten Personalabbau. Arbeitnehmer gelten als teilzeitbeschäftigt, wenn ihre regelmäßige Arbeitszeit kürzer ist als die regelmäßige Arbeitszeit vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Personen im Unternehmen (§ 2 BeschFG). Das Kündigungsschutzgesetz ebenso wie die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gilt für Teilzeitarbeitnehmer wie für Vollzeitbeschäftigte gleichermaßen.
5.9 Personalfreisetzung – Optimierung der Erleichterung
701
Darüber hinaus bekommt die Teilzeitbeschäftigung wegen der Diskussion über die Frauenquote eine neue Qualität. Für Frauen, die in Führungspositionen drängen, muss die Balance zwischen Beruf und Privatleben (Kindererziehung) verbessert werden. Hier bietet die Teilzeit häufig die einzige Möglichkeit. Teilzeitarbeit ist ein Mittel für Arbeitgeber, schnell auf unterschiedliche Arbeitsaufkommen zu reagieren. Mit diesen Schwankungen richtig umzugehen, wird immer häufiger zu einer wettbewerbsentscheidenden Frage. Zudem ermöglicht Teilzeitarbeit vielen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, mehr Zeit mit der Familie, mit Freunden, Hobbies, ehrenamtlichen Tätigkeiten und sozialem Engagement zu verbringen. Die Verkürzung der täglichen Arbeitszeit ist die traditionelle und bisher immer noch am meisten praktizierte Form der Teilzeitarbeit. Bei dem aus den USA stammenden Job Sharing wird Teilzeitarbeit geschaffen, indem sich zwei oder mehrere Arbeitnehmer einen Vollzeitarbeitsplatz teilen. Von der klassischen Form der Teilzeitarbeit unterscheidet sich Job Sharing dadurch, dass der Arbeitnehmer innerhalb bestimmter Grenzen über seinen Tagesablauf frei verfügen kann. So sind feste Einsatzzeiten lediglich für das Job Sharing-Team als Ganzes vorgegeben [vgl. Bisani 1995, S. 39]. Eine weitere „sanfte“ Maßnahme der Personalfreisetzung ist die Arbeitszeitverkürzung in Form des Abbaus von Mehrarbeit bzw. Überstunden. Unter Mehrarbeit wird die Arbeitszeit verstanden, die die im Arbeitszeitgesetz (ArbZG) festgelegte Arbeitszeit überschreitet. Durch den Abbau von Überstunden ergeben sich Vorteile für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Zum einen reduzieren sich die Personalkosten und zum anderen dürften sich die Fehlzeiten aufgrund eines verbesserten Gesundheitszustandes der von den Überstunden betroffenen Arbeitnehmern verringern. Unter dem Freisetzungsaspekt gilt der Abbau von Mehrarbeit daher als Rückkehr zum Normalzustand [vgl. Jung 2006, S. 321]. Als besonders attraktive Form der Arbeitszeitflexibilisierung ist das Zeitwertkonto einzustufen. Hierbei handelt es sich um ein Arbeitszeitkonto, in das der Berater Arbeitsentgelt oder Arbeitszeit einbringen kann, um es damit beispielsweise zur Verlängerung des Erziehungsurlaubs, für eine Fortbildung, für einen vorzeitigen Ruhestand oder für die Teilzeitarbeit zu nutzen. Auch die Umwandlung des Wertguthabens in eine betriebliche Altersversorgung kommt bei einer entsprechenden Vereinbarung in Betracht. Einer repräsentativen Umfrage aus dem Jahr 2008 zur Folge gaben 12 Prozent aller befragten Unternehmen (n = 1.710) an, Langzeitkonten für ihre Mitarbeiter zu führen [vgl. Hildebrandt et al. 2009, S. 54]. Durch das Gesetz zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen („Flexi II“), das am 1. Januar 2009 in Kraft getreten ist, haben Zeitwertkonten weiter an Attraktivität und Verbreitung gewonnen. Nicht nur der Arbeitnehmer, sondern auch der Arbeitgeber profitiert von einer flexibleren Ausgestaltung der Arbeitszeiten über einen längeren Zeitraum hinweg. Betriebsbedingte Kündigungen und die damit einhergehenden Kosten für Abfindungen und Sozialpläne lassen sich so leichter vermeiden [siehe auch Kümmerle et al. 2006, S. 1 f.].
702
5. Personal und Management der Unternehmensberatung
Bei Kurzarbeit wird die betriebsübliche Arbeitszeit ebenfalls vorübergehend reduziert. Sie stellt somit eine Abkehr vom Normalzustand dar und führt zu einer Verringerung der Personalkosten einerseits und zu unfreiwilligen Verdiensteinbußen der Beschäftigten andererseits. Eine Reduktion des Mitarbeiterbestandes findet dagegen nicht statt. Kurzarbeit ist eine Freisetzungsmaßnahme, bei der zahlreiche rechtliche Grundlagen zu beachten sind und die durch das Arbeitsförderungsgesetz (AFG) geregelt wird. Neben rechtlichen Voraussetzungen bedarf es zur Einführung von Kurzarbeit der Mitbestimmung des Betriebsrats (§ 87 BetrVG). Um den betroffenen Mitarbeitern ihre Arbeitsplätze zu erhalten, wird der Einkommensausfall der Arbeitnehmer gemäß § 63 AFG in Form von Kurzarbeitergeld teilweise von der Bundesagentur für Arbeit ausgeglichen) [vgl. Stock-Homburg 2013, S. 293]. 5.9.3 Personalfreisetzung mit Personalabbau Lässt sich eine Personalbestandsreduktion nicht vermeiden, so hat der Arbeitgeber prinzipiell die Wahl zwischen indirekten und direkten Personalfreisetzungsmaßnahmen. Die indirekte Freisetzung zielt auf einen Personalabbau ab, ohne dass bisherige Arbeitsverhältnisse davon berührt werden. Die direkte Personalfreisetzung ist dagegen immer mit einer Beendigung bestehender Arbeitsverhältnisse verbunden. 5.9.3.1 Indirekte Personalfreisetzung
Zu den Maßnahmen der indirekten Personalfreisetzung, bei denen es sich um eine Personalflexibilisierung durch Umgehung der Arbeitgeberverantwortung handelt, zählen
Einstellungsbeschränkungen, Nichtverlängerung befristeter Arbeitsverträge sowie Nichtverlängerung von Personalleasing-Verträgen.
Kann eine Unternehmensberatung trotz des Einsatzes arbeitsverkürzender Maßnahmen seine Arbeitnehmer im bestehenden, zahlenmäßigen Umfang nicht halten, so bietet es sich an, die natürliche Fluktuation durch Einstellungsbeschränkungen zu nutzen. Einstellungsbeschränkungen können einen generellen Einstellungsstopp, einen qualifizierten Einstellungsstopp (Begrenzung auf bestimmte Bereiche) oder einen modifizierten Einstellungsstopp (besonders intensive Prüfung der Einstellung neuer Mitarbeiter) bedeuten [vgl. Stock-Homburg 2013, S. 302]. Einstellungsbeschränkungen werden i. d. R. befristet angesetzt, da ansonsten negative Auswirkungen zu erwarten sind. So besteht die Gefahr des Imageverlustes als Arbeitgeber, der Verschlechterung der Alters- und Qualifikationsstruktur sowie einer allgemeinen Verunsicherung bei den Mitarbeitern, die dazu führen kann, dass qualifizierte Mitarbeiter einen Unternehmenswechsel anstreben und weniger qualifizierte Mitarbeiter im Unternehmen verbleiben [vgl. Jung 2006, S. 324]. Eine weitere indirekte Maßnahme der Personalfreisetzung ist die Nichtverlängerung befristeter Arbeitsverträge. Sie stellt ebenfalls eine Möglichkeit dar, die Flexibilität im Personalbereich zu erhöhen. Befristete Arbeitsverhältnisse räumen dem Arbeitgeber grundsätzlich Flexibilitätsspielräume ein. Beide Vertragsparteien vereinbaren, dass das Arbeitsverhältnis nach einer bestimmten Zeit automatisch endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Innerhalb der
5.9 Personalfreisetzung – Optimierung der Erleichterung
703
Befristung sind Kündigungen von beiden Seiten nur bei schwerwiegenden Gründen möglich. Ein befristetes Arbeitsverhältnis bedarf eines sachlich gerechtfertigten Grundes. Es kann zwischen einer Zeit- und einer Zweckbefristung unterschieden werden. Eine Zeitbefristung liegt vor, wenn die Dauer des Arbeitsverhältnisses auf einen begrenzten Zeitraum beschränkt ist (z.B. Zeitarbeitsvertrag für Saisonarbeit im Gaststättengewerbe). Bei einer Zweckbefristung ergibt sich die Dauer des Arbeitsverhältnisses aus der Erfüllung einer Arbeitsleistung (z.B. zweckbestimmter Arbeitsvertrag für die Dauer eines IT-Umstellungsprojektes) (§15 Abs. 2 Teilzeit- und Befristungsgesetz – TzBfG). Generell können befristete Verträge bis zu einer Dauer von zwei Jahren geschlossen werden. Bis zu dieser Gesamtdauer ist auch die höchstens dreimalige Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrags zulässig [vgl. Springer/Sagirli 2006, S. 39]. Eine weitere Maßnahme der indirekten Personalfreisetzung ist die Nichtverlängerung von Personalleasing-Verträgen. Beim Personalleasing stellt der Leasing-Geber Leiharbeitnehmer („Leiharbeiter“) – unter Aufrechterhaltung eines geschlossenen Arbeitsvertrages – einem Dritten (Leasing-Nehmer) zur Verfügung (§1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz AÜG). Der Leasing-Geber erhält für die zeitlich befristete Bereitstellung von Leiharbeitnehmern eine entsprechende Vergütung vom Leasing-Nehmer. Der Leasing-Geber übernimmt als Arbeitgeber sämtliche Arbeitgeberpflichten, insbesondere übernimmt er die Vergütung und den Arbeitgeberanteil an der Sozialversicherung. Der Leasing-Nehmer schließt mit dem Leasing-Geber einen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag. Mit diesem Vertrag erhält der Leasing-Nehmer ein Weisungsrecht gegenüber dem Leiharbeitnehmer. Gleichzeitig meldet der Leasing-Nehmer Beginn und Ende der Leiharbeit bei der Krankenkasse des Leiharbeitnehmers an. Im Arbeitnehmerüberlassungsvertrag und im Arbeitsvertrag des Leiharbeitnehmers sind die zu erfüllenden Arbeitsaufgaben und die zulässigen Einsatzorte anzugeben. Für den Leasing-Nehmer ist die Kündigung oder die Nichtverlängerung eines Leasingvertrages eine relativ problemlose Freisetzungsmaßnahme. Für den Leiharbeitnehmer bedeutet diese Maßnahme keine Entlassung, da er mit dem Leasing-Geber einen Arbeitsvertrag abgeschlossen hat [vgl. Stock-Homburg 2008, S. 237 f.]. Für die Unternehmensberatung kommt eine Zusammenarbeit mit Personalleasing-Firmen zumeist nur bei der Besetzung von Stellen in den zentralen Diensten (engl. Enabling) in Betracht. 5.9.3.2 Direkte Personalfreisetzung
Direkte Maßnahmen der Personalfreisetzung zielen darauf ab, einen relativ kurzfristigen Personalabbau herbeizuführen. Im Vordergrund steht dabei die Beendigung bestehender Arbeitsverhältnisse. Folgende Maßnahmen sollen näher betrachtet werden:
Aufhebungsvertrag, Outplacement, Vorruhestand/Altersteilzeit sowie Entlassung/Kündigung.
Lässt sich eine Personalbestandsreduktion nicht vermeiden, so ist eine positive Förderung des freiwilligen Ausscheidens durch einen Aufhebungsvertrag einer arbeitgeberseitigen Kündigung in aller Regel vorzuziehen. Bei einer Aufhebungsvereinbarung verständigen sich Arbeit-
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5. Personal und Management der Unternehmensberatung
geber und Arbeitnehmer in gegenseitigem Einvernehmen, den Arbeitsvertrag zu einem bestimmten Zeitpunkt aufzulösen. Die Initiative geht hierbei i. d. R. vom Arbeitgeber aus und muss begründet werden. Das Einverständnis eines Arbeitnehmers zu einem Aufhebungsvertrag wird in der Regel über die Vereinbarung einer Abfindungssumme erreicht. Das Unternehmen kann Aufhebungsverträge gezielt anbieten, so dass die Möglichkeit besteht, die Alters- und Qualifikationsstruktur zu lenken und zu verbessern [vgl. Jung 2006, S. 326]. Im Rahmen der Aufhebungsvereinbarung kann auch ein Outplacement vereinbart werden, das zusätzliche Leistungen wie Beratung und Hilfe bei der Suche nach einer neuen Stelle beinhaltet. Outplacement, das im angloamerikanischen Raum bereits seit Ende der 60er Jahre praktiziert wird, findet in Deutschland erst seit einigen Jahren zunehmende Verbreitung. Häufig wird ein Beratungsunternehmen mit der Betreuung der direkt betroffenen Arbeitnehmer beauftragt. Der Schwerpunkt des Outplacement-Prozesses liegt auf der beruflichen Neuorientierung und Weiterentwicklung des betroffenen Mitarbeiters. Die Beratung kann auf einen Arbeitnehmer beschränkt sein, sie kann aber auch für mehrere Personen erfolgen. Ein Gruppen-Outplacement bietet die Möglichkeit, eine qualifizierte Trennungsberatung zu einem relativ günstigen Preis für einen größeren Adressatenkreis nutzbar zu machen. Ein individuelles Outplacement wird i. d. R. bei Führungskräften bevorzugt. Das Outplacement bringt aber auch einige wesentliche Vorteile für das Unternehmen mit sich. So können zeit- und kostenaufwendige Arbeitsgerichtsprozesse ebenso vermieden werden wie ein etwaiger Imageverlust des Unternehmens in der Öffentlichkeit. Auch unterbleiben beim Outplacement zumeist negative Auswirkungen auf die verbleibenden Mitarbeiter [vgl. Stock-Homburg 2013, S. 296 f.]. Der Vorruhestand bzw. die vorgezogene Pensionierung soll älteren Arbeitnehmern das vorzeitige Ausscheiden aus dem Erwerbsleben ermöglichen und damit Arbeitsplätze für junge Arbeitnehmer freimachen. Neben dem Abbau von Überkapazitäten kann somit auch eine Herabsetzung des Durchschnittsalters erreicht werden. Der Vorruhestand ist für die Betroffenen nur dann von Interesse, wenn für sie dadurch keine wesentlichen materiellen Nachteile erwachsen. Vor diesem Hintergrund setzen Unternehmen Anreize in Form von Abfindungen bzw. betrieblicher Altersvorsorge [vgl. Jung 2006, S. 326 und Stock-Homburg 2013, S. 296]. Eine besonders bevorzugte Form des „sanften“ Vorruhestands ist die Altersteilzeit, die sowohl für Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber eine ganze Reihe von (primär steuerlichen) Vorteilen beinhaltet. Die Altersteilzeit, deren Durchführung im Altersteilzeitgesetz (AltTZG) geregelt wird, soll Beschäftigten, die mindestens das 55. Lebensjahr vollendet haben, einen gleitenden Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand ermöglichen. Das Modell der Altersteilzeit sieht vor, dass die bisherige Arbeitszeit des Arbeitnehmers halbiert wird. Wie dann die Arbeitszeit während der Altersteilzeit verteilt wird, können Arbeitnehmer und Arbeitgeber frei vereinbaren. Grundsätzlich werden zwei Modelle praktiziert: Das Gleichverteilungsmodell sieht eine schrittweise Reduktion der Arbeitszeit vor (z.B. erstes Jahr 100 Prozent Arbeitszeit, zweites Jahr 80 Prozent, drittes Jahr 60 Prozent usw.). Bei der neueren und heute fast ausschließlich genutzten Form des Block-Modells werden zwei gleich lange Zeitblöcke gebildet: eine Vollarbeitszeitphase und eine anschließende Freistellungsphase. Während der gesamten Altersteilzeit, die in der Regel zwischen drei und sechs Jahre beträgt, zahlt der Arbeitgeber 50 Prozent des bisherigen Gehalts. Hinzu kommen für maximal sechs Jahre steuerfreie Aufstockungsbeträge des Arbeitgebers in Höhe von 20 Prozent des Regelarbeitsentgelts,
5.9 Personalfreisetzung – Optimierung der Erleichterung
705
so dass der Arbeitnehmer für die gesamte Altersteilzeit mit Netto-Beträgen von über 80 Prozent seines „normalen“ Einkommens rechnen kann (siehe Abbildung 5-53). Arbeitszeit in % Bruttovergütung in % 100%
Vollarbeitszeitphase
100%
Arbeitszeit im Blockmodell
80%
70%
Aufstockungsbetrag (mind. 20%)
60%
50% 40%
Arbeitszeit im Gleichverteilungsmodell (Beispiel)
Grundvergütung (50%) 20%
0%
Freistellungsphase
Abb. 5-53:
Zeit © Dialog.Lippold
Gegenüberstellung von Gleichverteilungs- und Blockmodell
5.9.4 Die Kündigung Wenn von Kündigung die Rede ist, dann wird in aller Regel eine Personalfreisetzungsmaßnahme unterstellt, die durch den Arbeitgeber bewirkt wird. Solche Maßnahmen sind immer ein tiefer Einschnitt für die betroffenen Mitarbeiter. Existenzsorgen und Ängste vor einem sozialen Abstieg sind häufige Begleiter in solchen Situationen. Initiatoren solcher Freisetzungen sind zumeist die Fachabteilungen, die eine weitere Zusammenarbeit mit den betroffenen Mitarbeitern nicht mehr sehen. 5.9.4.1 Kündigung aus eigenem Antrieb
Doch was ist, wenn ein Mitarbeiter aus eigenem Antrieb heraus kündigt? Trotz vermeintlich bester Betreuungs- und Bindungsmaßnahmen geschieht es immer wieder, dass Mitarbeiter, auf die man eigentlich nicht verzichten möchte, von sich aus kündigen. Hier ist ganz offensichtlich das Personalmanagement gefragt, um die wahren Trennungsgründe zu erfahren. Die Ursache für diese unerwünschte Fluktuation muss nicht zwangsläufig auf eine mangelhafte Betreuung zurückzuführen sein. Gerade ambitionierte Berater, die bei ihrem jetzigen Arbeitgeber nicht unzufrieden sein müssen, kündigen dennoch, weil sie beispielsweise der Annahme unterliegen, dass ein Wechsel des Arbeitgebers karriereförderlich ist und der Nachweis, dass man in unterschiedlichen Unternehmen erfolgreich gearbeitet hat, heutzutage ein „Muss“ darstellt. Auch das bessere Angebot eines anderen Unternehmens kann zur freiwilligen Kündigung eines Beraters führen. Umso wichtiger ist es für das Personalmanagement, die wahren Trennungsgründe in Erfahrung zu bringen [vgl. Weinert 2018, S. 39].
706
5. Personal und Management der Unternehmensberatung
In Insert 5-38 sind die Gründe, warum Mitarbeiter heutzutage kündigen, im Rahmen einer Online-Befragung von 1.020 Usern erfasst worden. Bei den Befragten handelt es sich aber nicht explizit um Berater. Das Ergebnis gibt aber einen guten Überblick über die generellen Kündigungsgründe, unabhängig von der Qualifikation der Befragten.
Insert 5-38:
„Warum Mitarbeiter kündigen“
5.9 Personalfreisetzung – Optimierung der Erleichterung
707
Mitarbeitern steht es stets frei, nach Alternativen auf dem Arbeitsmarkt Ausschau zu halten. Ihr Commitment kann daher nicht vorausgesetzt, sondern muss stets aufs Neue gewonnen werden. Wenn das Finden und Binden von talentierten Mitarbeitern zunehmend schwieriger werden, ist es wenig verwunderlich, dass das Retention Management an Bedeutung gewinnt. Wenn Berater mit ihrer Arbeit unzufrieden sind und zudem über attraktivere Jobalternativen verfügen, werden sie ihr aktuelles Arbeitsverhältnis kündigen. Dieser Aspekt ist leicht nachzuvollziehen. Berater kündigen aber auch dann aus eigenem Antrieb, wenn sie mit ihrer aktuellen Arbeitsstelle nicht unbedingt unzufrieden sind oder auch, wenn sie keine Jobalternative haben. Empirische Untersuchungen über maßgebliche Fluktuationsursachen zeigen einen zwar positiven, aber nicht unbedingt starken Zusammenhang zwischen Arbeitsunzufriedenheit und Fluktuation. Gleiches gilt für den Zusammenhang von Jobalternativen und Fluktuation [vgl. Griffeth et al. 2000, S. 479 f.]. Arbeitsunzufriedenheit und sich bietende Beschäftigungsalternativen erklären Fluktuation also nur eingeschränkt. Eine Vielzahl weiterer Faktoren kann ursächlich sein: von der Persönlichkeit des Mitarbeiters und seines Ehepartners über unternehmensbezogene bis hin zu unternehmensexternen Ursachen (z. B. Geburt eines Kindes, berufliche Veränderung des Ehepartners, Hobbys, Einfluss von Bekannten, Krankheit) [vgl. Huf 2012, S. 31]. 5.9.4.2 Arbeitgeberinduzierte Kündigung
Lässt sich eine Aufhebungsvereinbarung nicht ermöglichen, so ist die Kündigung der letzte in Betracht kommende Weg zum Personalabbau. Die Kündigung stellt die bedeutsamste Art der Beendigung von Arbeitsverhältnissen dar. Bestehende Arbeitsrechtsverhältnisse sind in Deutschland durch Vorschriften in verschiedenen Gesetzen sowie durch Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen geschützt. Bei Personalfreisetzungen durch Aufhebung des Arbeitsverhältnisses sind besonders das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) und Teile des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) von Bedeutung. Grundsätzlich ist eine Entlassung von Arbeitnehmern, die mindestens seit sechs Monaten im Unternehmen beschäftigt sind, nur dann möglich, wenn gewichtige Gründe in der Person bzw. im Verhalten des Arbeitnehmers vorliegen oder wenn dringende betriebliche Erfordernisse einer Weiterbeschäftigung entgegenstehen [vgl. Springer/Sagirli 2006, S. 23]. Vor jeder Kündigung ist der Betriebsrat schriftlich über die Gründe der Kündigung zu unterrichten. Ohne Anhörung des Betriebsrates sind ausgesprochene Kündigungen unwirksam (§ 102 BetrVG). Der Betriebsrat kann der Kündigung innerhalb einer Woche widersprechen, wenn soziale Gesichtspunkte nicht ausreichend berücksichtigt wurden (§ 1 KSchG) oder ein Verstoß gegen betriebliche Auswahlrichtlinien (§ 95 BetrVG) vorliegt. Eine Kündigung ist aber trotz Widerspruch des Betriebsrats möglich. Der Arbeitnehmer hat in diesem Falle die Möglichkeit, eine Kündigungsschutzklage (§ 4 KSchG) vor dem Arbeitsgericht einzureichen. Bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung kann er in der Regel seine Weiterbeschäftigung erwirken (§ 102 BetrVG). Eine Kündigung kann sowohl ordentlich als auch außerordentlich erfolgen (siehe Abbildung 5-54). Beide Formen der Kündigung müssen dem Vertragspartner schriftlich zugehen (§ 623 BGB).
708
5. Personal und Management der Unternehmensberatung
ja
Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Aufhebungsvertrag
Lösung im Einvernehmen?
nein
nein
Kündigung/ Änderungskündigung
Außerordentliche Kündigung Personenbedingte Kündigung
Einhaltung Kündigungsfristen?
ja
Verhaltensbedingte Kündigung Ordentliche Kündigung
Betriebsbedingte Kündigung
© Dialog.Lippold
Abb. 5-54:
Ablaufstruktur bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Die außerordentliche (fristlose) Kündigung, die nur bei schweren Verstößen im Vertrauensbereich ausgesprochen werden kann, ist mit sofortiger Wirkung zulässig, wenn eine Fortsetzung des bestehenden Arbeitsverhältnisses aufgrund eines schwerwiegenden Grundes unzumutbar ist. Wichtige Gründe für den Arbeitgeber können sein: Anstellungsbetrug, dauerhafte Arbeitsunfähigkeit, beharrliche Arbeitsverweigerung, grobe Verletzung der Treuepflicht sowie Verstöße gegen das Wettbewerbsverbot. Aus Sicht des Arbeitnehmers können folgende Gründe zu einer außerordentlichen Kündigung führen: Nichtzahlung der Vergütung durch den Arbeitgeber, dauerhafte Arbeitsunfähigkeit sowie Tätlichkeit oder erheblicher Ehrverlust [vgl. Jung 2006, S. 337]. Eine ordentliche Kündigung bedarf zu ihrer Wirksamkeit keines sachlichen Grundes, wenn sie durch den Arbeitnehmer ausgesprochen wird. Dagegen bedarf es bei der Kündigung durch den Arbeitgeber eines Grundes, der sozial gerechtfertigt ist. Grundsätzlich ist bei folgenden, als besonders schutzbedürftig eingestuften Personen eine ordentliche Kündigung ausgeschlossen bzw. nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig: Schwerbehinderte, Auszubildende, Schwangere bzw. Personen in Erziehungsurlaub, Betriebsratsmitglieder, Abgeordnete sowie Wehr- und Zivildienstleistende. Eine ordentliche Kündigung kann gemäß Kündigungsschutzgesetz (§ 1 KSchG) bei folgenden Gründen durch den Arbeitgeber ausgesprochen werden:
Betriebsbedingte Gründe (z.B. bei Rationalisierung, Umstellung oder Einschränkung der Produktion),
Verhaltensbedingte Gründe (z.B. bei Fehlverhalten, Vertragsverletzung),
Personenbedingte Gründe (z.B. bei Krankheit, mangelnder Eignung, Nachlassen der Arbeitsfähigkeit).
5.9 Personalfreisetzung – Optimierung der Erleichterung
709
Betriebsbedingte Kündigung. Bei betriebsbedingten Kündigungen handelt es sich in der Regel um eine gruppenbezogene Form der Personalfreisetzung. Verhaltens- und personenbedingte Kündigungen werden hingegen einem einzelnen, konkreten Mitarbeiter ausgesprochen (einzelfallbezogene Personalfreisetzung). Ursachen für betriebsbedingte Kündigungen sind Veränderungen der betrieblichen Personalbedarfsstruktur. Als betriebsbedingte Gründe kommen Rationalisierungsmaßnahmen oder Auftragseinbrüche in Betracht. Die Entlassung von Mitarbeitern sollte dabei stets eine „Ultima ratio“ darstellen und erst dann in Betracht gezogen werden, wenn sozial weniger einschneidende Maßnahmen durch Änderung bestehender Arbeitsverhältnisse unmöglich, sinnlos oder unzumutbar sind. Im Vorfeld einer betriebsbedingten Kündigung sind daher alle innerbetrieblichen Maßnahmen in Betracht zu ziehen, um die personelle Überdeckung auf anderem Wege zu beseitigen. So ist eine Beendigungskündigung nach §1 KSchG nur dann sozial gerechtfertigt, wenn dringende betriebliche Erfordernisse vorliegen, die eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im gleichen Betrieb ausschließen. Das bedeutet, dass eine Weiterbeschäftigung weder an einem anderen freien Arbeitsplatz, noch unter geänderten Arbeitsbedingungen oder nach Umschulungs- bzw. Fortbildungsmaßnahmen möglich ist [vgl. Springer/Sagirli 2006, S. 26]. Nach § 1 des KSchG muss bei einer betriebsbedingten Kündigung eine Sozialauswahl stattfinden. Der mit dem Betriebsrat abzustimmende Kriterienkatalog orientiert sich primär am Grundsatz der sozialen Angemessenheit (§ 1 KSchG). Eine betriebsbedingte Kündigung ist nur dann gerechtfertigt, wenn unter vergleichbaren und in ihrer Funktion austauschbaren Arbeitnehmern dem sozial am wenigsten hart Betroffenen gekündigt wird. Der Arbeitgeber muss daher unter vergleichbaren Arbeitnehmern eine Interessenabwägung vornehmen, eine soziale Auswahl treffen und diese begründen. Die Auswahl der betroffenen Arbeitnehmer basiert i. d. R. auf einem Punktesystem [siehe hierzu die Darstellung bei Jung 2006, S. 335]. Bei Freisetzung einer größeren Zahl von Mitarbeitern (gruppenbezogene Personalfreisetzung) sind weiterführende Aktivitäten zur Freisetzungsabwicklung nötig. In einem ersten Schritt ist die Dauer des Personalüberhangs zu antizipieren. Besteht dieser nur vorübergehend, ist die Einführung von Kurzarbeit zu prüfen (§ 19 KSchG), ansonsten stellt sich die Frage nach einer Betriebsänderung (§ 111 BetrVG). Liegt eine Betriebsänderung vor, so können sich die Betriebspartner auf einen Interessenausgleich oder die Aufstellung eines Sozialplans verständigen. Als Betriebsänderung gelten bereits grundlegende Änderungen der Betriebsorganisation oder die Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden. Auch ein bloßer Personalabbau ohne betriebliche Organisations- oder Strukturveränderung kann als Betriebsänderung angesehen werden [vgl. Scholz 2011, S. 497]. Verhaltensbedingte Kündigung. Verhaltensbedingt ist eine Kündigung, wenn sie im willentlichen Verhalten des einzelnen Mitarbeiters begründet liegt. Folgende Verhaltensweisen können zu einer verhaltensbedingten Kündigung führen [vgl. Jung 2006, S. 333]:
Pflichtverletzung im Leistungsbereich (z. B. Schlecht- oder Minderleistung) Pflichtverletzung im Vertrauensbereich (z. B. Fälschung, Diebstahl) Pflichtverletzung im betrieblichen Bereich (z. B. „Krankfeiern“, Störung des Betriebsablaufs).
710
5. Personal und Management der Unternehmensberatung
Grundsätzlich ist bei einer Pflichtverletzung im Leistungsbereich eine Kündigung nur nach einer vorherigen Abmahnung möglich. Eine Abmahnung, die sozusagen eine „gelbe Karte“ darstellt, ist die Erklärung eines Arbeitgebers, dass er ein bestimmtes Verhalten des Arbeitnehmers missbilligt. Die Abmahnung sollte ereignisbezogen formuliert sein und zum Bestandteil der Personalakte werden. Der Arbeitgeber verbindet damit den Hinweis, dass im Wiederholungsfall Inhalt oder Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet sind. Dieser Hinweis, d.h. die Androhung einer arbeitsrechtlichen Konsequenz, muss für den betroffenen Arbeitnehmer hinreichend bestimmt und deutlich erteilt werden [vgl. Scholz 2011, S. 499]. Personenbedinge Kündigung. Bei einer personenbedingten Kündigung liegt der Freisetzungsgrund in den mangelnden Fähigkeiten des Mitarbeiters zur Erbringung der geforderten Arbeitsleistung. Im engeren Sinne ist hier der Umstand der Arbeitsunfähigkeit durch Krankheit zu verstehen. Krankheitsbedingte Kündigungen als Unterfall der personenbedingten Kündigung (§ 1 KSchG) können bei häufigen Kurzerkrankungen oder lang andauernden Erkrankungen ausgesprochen werden. Die Berechtigung zur krankheitsbedingten Kündigung resultiert aus einer umfassenden Kette von Prüffragen, nämlich die
ungünstige Zukunftsprognose, die besagt, dass auch in Zukunft mit erheblichen Fehlzeiten des Arbeitnehmers aufgrund des bisherigen Krankheitsverlaufs zu rechnen ist,
Maßgeblichkeit, d. h. kommt es durch den Ausfall zu Störungen im Betriebsablauf,
fehlende Alternativbeschäftigungsmöglichkeiten, d. h. kann der Arbeitnehmer ggf. auf einer anderen Position im Unternehmen weiterbeschäftigt werden sowie
Interessenabwägung, d. h. was ist dem Unternehmen und was ist dem Mitarbeiter zuzumuten [vgl. Scholz 2011, S. 494 f.].
5.9.5 Entlassungsgespräch und Austrittsinterview Die Entlassung von Mitarbeitern gehört zu den schlimmsten Pflichten, die eine Führungskraft wahrnehmen muss. Entlassungen gehören zum Führungsgeschäft dazu. Die Frage ist allerdings, wie eine solche Aufgabe anzugehen ist. Das Einfachste ist, die Aufgabe dem Personalmanagement zu überlassen und sich zurückzuziehen oder sich hinter dem Sozialplan zu verstecken. Doch wer seine Führungsaufgabe ernst nimmt und dem Image des Unternehmens nicht schaden will, muss sich persönlich mit dem Betroffenen einlassen – so schwer es einem auch fällt, denn Entlassungsgespräche gehen unter die Haut [vgl. Doppler/Lauterburg 2005, S. 44 f.]. Werden sie aber fair, aufrichtig und ohne geliehene Autorität mit der Intension geführt, dass der Betroffene sein Gesicht nicht verliert, dann wird die für das Aktionsfeld Personalfreisetzung angestrebte Erleichterung nicht eine ironische Attitüde, sondern im beidseitigem Interesse die Zielsetzung eines seriösen Freistellungsprozesses. Kommt es im Unternehmen zu einer Personalfreisetzung, so sind auch vom Personalmanagement verschiedene Maßnahmen zu ergreifen. Neben der Erstellung eines Arbeitszeugnisses sollte der ausscheidende Mitarbeiter mit Hilfe eines Austrittsinterviews (engl. Exit Interview) zu charakteristischen Merkmalen des Unternehmens, zu Stärken und Schwächen in der Personalführung sowie zu seiner subjektiven Bewertung dieser Aspekte befragt werden. Kündigt der
5.9 Personalfreisetzung – Optimierung der Erleichterung
711
Berater, so bietet ein Austrittsinterview zudem die Gelegenheit, Gründe für das geplante Ausscheiden zu erheben. Darüber hinaus dient ein Exit-Interview meist auch praktischen Angelegenheiten wie der Information des Arbeitnehmers über weitere Rechte und Pflichten oder der Rückgabe firmeneigener Gegenstände. Mit einem Austrittsinterview lassen sich verschiedene Problembereiche in einem Unternehmen identifizieren. Die erhobenen Daten bilden somit eine wesentliche Grundlage für die Formulierung von Personalentwicklungsmaßnahmen. Austrittsinterviews können schriftlich oder mündlich durchgeführt werden, es sind dabei freie oder strukturierte Formen der Interviewdurchführung denkbar. Als Interviewer sollte ein unbeteiligter Dritter fungieren (z.B. ein Mitarbeiter des Personalbereichs), nicht der unmittelbare Vorgesetzte oder ein Mitglied der eigenen Arbeitsgruppe. Austrittsinterviews finden in der betrieblichen Praxis bislang nur wenig Anwendung. Eine Ursache hierfür könnte in der möglichen Informationsverfälschung durch den ausscheidenden Mitarbeiter liegen. So besteht bei einer Kündigung die Gefahr, dass der Mitarbeiter Merkmale des Unternehmens übertrieben negativ bewertet oder sich mit seinen Antworten an Vorgesetzten und Kollegen rächt. Kündigt der Mitarbeiter selbst, so könnte er versuchen, sich durch harmlose Antworten der langwierigen Frageprozedur zu entziehen. Diese Probleme lassen sich durch eine Standardisierung der Interviews reduzieren. So stellt ein einheitlich formulierter Interviewleitfaden sicher, dass alle relevanten Themen behandelt werden und nicht nur bestimmte Fragestellungen im Mittelpunkt des Gesprächs stehen. Die Standardisierung der Interviewfragen kann auch über sogenannte Imagekarten erfolgen. Der ausscheidende Mitarbeiter ordnet dabei Karten mit Imagefaktoren (gutes Betriebsklima, gute Sozialleistungen, gute Arbeitsplatzgestaltung etc.) verschiedenen Kategorien zu (z.B. im Unternehmen verwirklicht, im Unternehmen nicht verwirklicht). Im Anschluss wird die Einschätzung des Unternehmens mit dem Mitarbeiter besprochen. Im Rahmen von Entlassungen erleiden sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber i. d. R. materielle und ideelle Schäden. Der möglichst weitgehende Verzicht auf betriebsbedingte Personalfreisetzungen liegt somit auch im Interesse des Unternehmens. So geht mit der Entlassung eines Mitarbeiters auch wertvolles Know-how verloren, welches bei einem Anstieg des Personalbedarfs durch aufwendige Beschaffungs- oder Entwicklungsmaßnahmen neu erworben werden muss. In der Beratungsbranche müssen für die reinen Kosten der Ersatzbeschaffung (engl. Replacement costs) eines neuen Mitarbeiters etwa die Höhe eines halben Jahresgehaltes angesetzt werden [vgl. Lippold 2010, S. 27].
712
6. Controlling und Organisation der Unternehmensberatung
6. Controlling und Organisation der Unternehmensberatung 6.1 Controlling als Konzept der Unternehmensführung .............................................. 714 6.1.1 Der Controlling-Begriff ...................................................................................................714 6.1.2 Controlling als Informationsfunktion ..............................................................................715 6.1.3 Controlling als Steuerungsfunktion .................................................................................717 6.1.4 Controlling als Koordinationsfunktion ............................................................................718 6.2 Unternehmenscontrolling ........................................................................................ 720 6.2.1 Kostenstrukturen von Beratungsunternehmen .................................................................720 6.2.1.1 Modellrechnungen für die Strategieberatung ...................................................722 6.2.1.2 Modellrechnungen für die IT-Beratung............................................................724 6.2.2 Zusammenfassung der wichtigsten Modellparameter......................................................726 6.3 Projektcontrolling ..................................................................................................... 728 6.3.1 Projekte und Projektergebnisrechnung ............................................................................728 6.3.2 Varianten der Projektergebnisrechnung...........................................................................729 6.3.2.1 Projektergebnisrechnung als Vollkostenrechnung (Variante 1) .......................729 6.3.2.2 Projektergebnisrechnung als Proportionalkostenrechnung (Variante 2) ..........730 6.3.2.3 Projektergebnisrechnung als Einzelkostenrechnung (Variante 3) ....................730 6.3.2.4 Projektergebnisrechnung Deckungsbeitragsrechnung (Variante 4) .................731 6.4 Organisationsstrukturen von Beratungsunternehmen .......................................... 732 6.4.1 Organisationsansätze und Anforderungen von Beratungsunternehmen ..........................732 6.4.1.1 Funktionale Organisation .................................................................................732 6.4.1.2 Objektorientierte Organisation .........................................................................733 6.4.1.3 Matrix- und Tensororganisation .......................................................................734 6.4.2 Kriterien für die Wahl von Strukturformen .....................................................................737 6.4.3 Modell einer Organisationsstruktur für Beratungsunternehmen ......................................738 6.4.3.1 Kern-Matrix-Struktur .......................................................................................738 6.4.3.2 Enabling-Struktur .............................................................................................740 6.4.3.3 Arbeitsstruktur ..................................................................................................743 6.5 Agile Organisation.................................................................................................... 745 6.5.1 Softwareentwicklung als Modell für Organisationsentwicklung .....................................745 6.5.2 Unterschiede zur klassischen Organisation .....................................................................748 6.5.3 Bewertung ........................................................................................................................749 6.5.4 Datengetriebene Agilität ..................................................................................................752 6.6 Auslagerung von Organisationseinheiten .............................................................. 755 6.6.1 Shared Service Center......................................................................................................755 6.6.2 Geografische Auslagerung von Organisationseinheiten (X-Shoring) .............................757 6.6.3 Rechtliche Auslagerung von Organisationseinheiten (Outsourcing) ...............................758 6.7 Change Management ............................................................................................... 761 6.7.1 Ursachen und Aktionsfelder von Change ........................................................................761 6.7.2 Promotoren und Opponenten ...........................................................................................764 6.7.3 Veränderung und Widerstand ..........................................................................................765 6.7.4 Veränderung und Reaktionstypen ....................................................................................767 6.7.5 Erfolgsfaktoren von Change-Projekten ……………………………………………… 768
5.9 Personalfreisetzung – Optimierung der Erleichterung
713
6. Controlling und Organisation der Unternehmensberatung
Beratungsunternehmen weisen eine Reihe von Besonderheiten auf, die einen Vergleich mit Unternehmen anderer Branchen nur schwer zulassen. Insbesondere die projektorientierte Organisation in Beratungsunternehmen setzt einen hohen Koordinationsaufwand voraus und erfordert eine Kombination spezifischer Controlling-Instrumente. Im Bereich der Organisationsentwicklung geht es neben den grundlegenden Strukturformen auch um die Kriterien für die Wahl der „richtigen“ Strukturform. Auch das Modell einer Kernstruktur für die Geschäftseinheiten einer effizienten Unternehmensberatung sowie verschiedene Ausprägungen für eine leistungsfähige Enabling-Struktur werden vorgestellt. Ein besonderes Augenmerk liegt auch in der Beschreibung des Veränderungspotenzials, das die Digitalisierung mit sich bringt. Im Mittelpunkt des 6. Kapitels, das darüber hinaus ein wenig als „Sammelbecken“ für weitere Themen dient, die bislang noch nicht oder in ausreichenden Umfang angesprochen werden konnten (z. B. Change Management) zählen: Aussagen über spezifische Controlling-Anforderungen in Beratungsunternehmen Aussagen über spezifische Controlling-Instrumente im Projektgeschäft Aussagen über das Controlling als Frühwarnsystem Aussagen über das Personal-Controlling Aussagen zu klassischen und modernen Organisationsformen Aussagen zur Veränderung der Organisation durch Digitalisierung Aussagen über verschiedene Organisationsvarianten von Beratungsunternehmen Aussagen über mögliche Auslagerungsformen von Organisationseinheiten und zu den Unterschieden zwischen Outsourcing und X-Shoring Aussagen über Ursachen und Handlungsfelder von Change Management Aussagen zum Umgang mit Widerständen gegen Veränderungsprozesse Aussagen über agile Organisationsentwicklung
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6. Controlling und Organisation der Unternehmensberatung
6.1 Controlling als Konzept der Unternehmensführung Für ein branchentypisches, mittelgroßes Beratungsunternehmen war Controlling noch vor wenigen Jahren ein Konzept, das man seinem Kundenunternehmen empfahl, aber kein Instrument, das man bei seiner eigenen unternehmerischen Planung und Führung einsetzte. Heute gelten für das Beratungsgeschäft mit großen Auftragsvolumina andere Rahmenbedingungen und Herausforderungen, die nur mit modernen Management-Systemen zu bewältigen sind. Während der typische (Strategie-)Berater nach Tagessätzen abrechnet und zumeist ohne ausgeklügelte Kostenrechnungssysteme auskommt, erwarten die Kundenunternehmen gerade im Bereich der Informationsverarbeitung Komplettlösungen, die auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind. Solche Projekte sind ohne moderne Controlling-Instrumente nicht mehr zu stemmen [vgl. Stolorz 2005, S. 11 f.]. Vor allem sind leistungsfähige Controlling-Systeme eine Voraussetzung dafür, die Rentabilität von Geschäftsbeziehungen und Branchenstrategien sowie die eigene Marktposition in ausgewählten Segmenten zu ermitteln und zu bewerten. Solche Informationen sind wiederum erforderlich, um profunde Geschäfts- oder Kundenstrategien bspw. in Form einer Einstiegs-, Ausbau-, Konsolidierungs- oder Ausstiegsentscheidung zu treffen [vgl. Fohmann 2005, S. 65]. 6.1.1 Der Controlling-Begriff Im Gegensatz zum deutschen Sprachgebrauch darf der Begriff „to control“ oder „Controlling“ nicht einfach mit „kontrollieren“ oder „Kontrolle“ übersetzt werden, sondern bedeutet sinngemäß Beherrschung, Lenkung oder Steuerung eines Vorgangs. Zwar existiert nach wie vor keine einheitliche Definition des Controlling-Begriffs, dennoch gibt es drei grundlegende Perspektiven, die dem modernen Controlling-Ansatz zugrunde liegen [vgl. Weber/Schäffer 2008, S. 4]:
Das zeitlich gesehen erste Grundverständnis des Controllings besteht darin, dass es eine betriebswirtschaftliche Transparenz- und Informationsfunktion erfüllt. Konkret handelt es sich dabei um die Informationsversorgung mit Rechengrößen, die aus dem internen Rechnungswesen stammen. Im Gegensatz zur Kosten- und Leistungsrechnung, die darauf ausgerichtet ist, die richtigen Kosten einer Kostenstelle zuzuordnen oder das richtige Ergebnis eines Produkts oder eines Projekts zu ermitteln, zielt das Controlling darauf ab, dass mit diesen Informationen die richtigen unternehmerischen Entscheidungen getroffen werden.
Das zweite Grundverständnis bezieht sich auf die Aufgabe des Controllings, die zielbezogene, erfolgsorientierte Planung und Kontrolle des Unternehmens wahrzunehmen. Diese Steuerungsfunktion reicht vom Management des Planungsprozesses bis hin zur periodischen Überprüfung der Zieleinhaltung.
In dem Bestreben, dem Controlling eine eigenständige Funktion zuzuweisen, ist das dritte Grundverständnis entstanden. Nicht die Informationsversorgung, nicht die Planung und Kontrolle selbst, sondern ihre Koordination und ihre Verbindung zu anderen Bereichen macht das Besondere des Controllings aus. Daraus folgt die Koordinationsfunktion des Controllings für die gesamte Führung des Unternehmens.
6.1 Controlling als Konzept der Unternehmensführung
715
Sucht man nach einem „Bild“ für die Funktion des Controllings, so wird häufig die Assoziation mit der eines Navigators an Bord eines Schiffes, der dem Kapitän Empfehlungen hinsichtlich Kurs und Fahrt des Schiffes gibt oder mit der eines Rallye-Copiloten, der dem Fahrer Informationen hinsichtlich der nächsten Kurven, Hügel etc. gibt, herangezogen. Die letztendliche Entscheidung und das Lenken obliegen jedoch grundsätzlich dem führenden Kapitän bzw. Piloten [vgl. Jentzsch 2008, S. 27 f.]. 6.1.2 Controlling als Informationsfunktion Das zeitlich gesehen erste Grundverständnis des Controllings besteht darin, dass es eine betriebswirtschaftliche Transparenz- und Informationsfunktion erfüllt. Die Informationsfunktion ist zentral für das Controlling, da auf ihr die übrigen Controlling-Funktionen aufbauen. Konkret handelt es sich dabei um die Informationsversorgung mit Rechengrößen, die aus dem internen und externen Rechnungswesen stammen. Das interne Rechnungswesen schafft Entscheidungsgrundlagen für die Führungskräfte im Unternehmen. Ersteller und Adressat des internen Rechenwerks sind identisch. Das ist beim externen Rechnungswesen anders. Das intern erstellte Rechenwerk hat außerhalb des Unternehmens stehende Adressaten und soll diese über die Lage des Unternehmens informieren. Das externe Rechnungswesen basiert daher auf gesetzlichen und anderen externen Regeln. Zwischen internem und externem Rechnungswesen gibt es eine Vielzahl von Verbindungen und Rückwirkungen untereinander. Insbesondere die internationalen Rechnungslegungsnormen IFRS (International Financial Reporting Standards) fördern eine Harmonisierung beider Welten des Rechnungswesens [vgl. Behringer 2018, S. 21 ff.]. Externes Rechnungswesen. Den Kern des externen Rechnungswesens bildet die Finanzbuchhaltung, die alle Geschäftsvorfälle des Unternehmens dokumentiert und auf Bilanz- und Erfolgskonten bucht. Diese Dokumentation ist in Form der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, der handelsrechtlichen Vorschriften zur Erstellung von Jahresabschlüssen (Bilanz sowie Gewinn- und Verlustrechnung) sowie den Bewertungsvorschriften von Vermögensgegenständen und Verbindlichkeiten gemäß dem Einkommensteuergesetz juristisch reglementiert. Das wichtigste Informationsinstrument des externen Rechnungswesens ist der Jahresabschluss. Er hat die Aufgabe, die wirtschaftlichen Vorgänge eines Unternehmens in einem komprimierten Zahlenwerk darzustellen. Vier Aufgabenfelder sind dabei zu unterscheiden [vgl. Wöhe et al. 2020, S. 643 ff.]:
Einzelabschluss nach HGB. Hierzu ist jedes deutsche Unternehmen – von kleinen Einzelfirmen abgesehen – verpflichtet.
Internationaler Jahresabschluss. Im Sinne einer internationalen Vergleichbarkeit wurden parallel zu den nationalstaatlichen Rechnungslegungsvorschriften ( HGB) internationale Standards entwickelt ( IFRS).
Konzernabschluss. Um einen Einblick in die wirtschaftliche Lage des gesamten Konzerns geben zu können, ist die Konzernmutter verpflichtet, alle Einzelabschlüsse der Tochtergesellschaften zu einem Konzernabschluss zusammenzufassen.
716
6. Controlling und Organisation der Unternehmensberatung
Bilanzpolitik und Bilanzanalyse. Hier geht es um die Frage nach den Wertansätzen für Vermögen und Schulden sowie um eine entsprechende bilanzpolitische Analyse.
Grundelemente des Jahresabschlusses sind die Bilanz (zur Information über Vermögen, Schulden und Reinvermögen) sowie die Gewinn- und Verlustrechnung (zur Information über Umsatz, andere Erträge, Aufwand und Erfolg). Da im externen Rechnungswesen bzw. der Finanzbuchhaltung „lediglich“ die Ein- und Ausgaben eines Unternehmens rechtskonform für die Darstellung in den Jahresabschlüssen verarbeitet werden, jedoch keine Unterscheidung zwischen Aufwendungen und Kosten sowie Erlösen und Leistungen erfolgt, wird dies vom internen Rechnungswesen übernommen [vgl. Hubert 2015, S. 30]. Internes Rechnungswesen. Das interne Rechnungswesen wird auch als Kosten- und Leistungsrechnung bezeichnet. In der traditionellen Sicht der Vollkostenrechnung werden die anfallenden Kosten möglichst verursachungsgerecht den Kostenträgern (Produkte, Zeiteinheiten) zugeordnet. Daher gliedert sich die Vollkostenrechnung in folgende Teilbereiche:
Kostenartenrechnung (z.B. Personalkosten, Materialkosten, Vertriebskosten)
Kostenstellenrechnung (ordnet die Kosten der Organisationseinheit zu, in der sie entstanden sind)
Kostenträgerrechnung (ordnet die Kosten den Kalkulationsobjekten (in der Beratung sind dies Projekte) zu.
Die Vollkostenrechnung führt allerdings nicht immer zu nachvollziehbaren Ergebnissen, da sie alle Kosten, also die fixen und die variablen Kosten, auf die jeweiligen Kostenträger verrechnet. Als fixe Kosten werden diejenigen bezeichnet, die von der tatsächlichen Beschäftigung unabhängig sind. Auch wenn langfristig alle Kosten – unabhängig davon, ob sie fix oder variabel sind – gedeckt sein müssen, kann es kurzfristig zu Fehlentscheidungen durch die Vollkostenrechnung kommen. Die Probleme entstehen meist dadurch, dass die Gemeinkosten in der Vollkostenrechnung auf Kostenträger geschlüsselt werden. Dadurch kann fälschlich der Eindruck entstehen, dass es sich bei Gemeinkosten um variable Kosten handelt. Da sich die Vollkostenrechnung in solchen Situationen als ungeeignet für die Erstellung von Entscheidungsgrundlagen erweist, wurde die Teilkostenrechnung entwickelt, die die fixen Kosten erst in verschiedenen Stufen berücksichtigt (Deckungsbeitragsrechnung). Moderne Formen der Kosten- und Leistungsrechnung befassen sich nicht nur mit der Erfassung von angefallenen Kosten, sondern sie wollen auch einen Beitrag zur Steuerungsfunktion des Controllings leisten. So strebt die Prozesskostenrechnung an, die Gemeinkosten verursachungsgerechter auf die Kostenträger zu verrechnen und dabei schon Potenziale zur Kostenoptimierung aufzuzeigen. Während in der traditionellen Kostenrechnung Kostenstellen verwendet werden, um Gemeinkosten über Hilfs- und Hauptkostenstellen auf Kostenträger zu verrechnen, treten in der Prozesskostenrechnung Prozesse an die Stelle der Kostenstellen. Das Target Costing geht von dem maximal am Markt durchsetzbaren Preis aus und ermittelt die höchstens tragfähigen Kosten. Target Costing (Zielkostenrechnung) ist insofern kein eigen-
6.1 Controlling als Konzept der Unternehmensführung
717
ständiges Kostenrechnungssystem. Es dreht vielmehr die traditionelle Sichtweise der Kostenrechnung: Es wird die Frage gestellt, was ein Produkt kosten darf und nicht, was es kostet. Damit bekommt die Kostenrechnung eine Marktorientierung und unterstützt die Verkaufschancen von Neuentwicklungen. Im Gegensatz zur Kosten- und Leistungsrechnung, die darauf ausgerichtet ist, die richtigen Kosten einer Kostenstelle zuzuordnen oder das richtige Ergebnis eines Produkts oder eines Projekts zu ermitteln, zielt das Controlling darauf ab, dass mit diesen Informationen die richtigen unternehmerischen Entscheidungen getroffen werden. 6.1.3 Controlling als Steuerungsfunktion Das zweite Grundverständnis bezieht sich auf die Aufgabe des Controllings, den zielbezogenen Planungsprozess für alle Unternehmensbereiche zu steuern. Diese Aufgabe reicht vom Management des Planungsprozesses bis hin zur periodischen Überprüfung, also die Kontrolle der Zieleinhaltung. Zentrales Instrument der Steuerungsfunktion des Controllings ist die Planung. Sie stellt auch die Basis für den Abgleich von Soll und Ist dar. Damit kann das Controlling überprüfen, ob das Unternehmen auf dem richtigen Kurs ist oder ob Maßnahmen zur Korrektur ergriffen werden müssen. Planung befasst sich mit der Gestaltung der Handlungen, die notwendig sind, um vom jetzigen, nicht als optimal empfundenem, Zustand zum gewünschten Zustand zu gelangen. Damit ist sie Kernbestandteil der Steuerungsfunktion des Controllings [vgl. Behringer 2018, S. 63 f.]. Planungsträger sind Controlling und Management gemeinsam, wobei beide unterschiedliche Rollen übernehmen. Das Controlling hat die Kernaufgabe, die Rationalität der Führung zu sichern. Dabei spielt die Planung und die auf ihr aufbauende Kontrolle der Unternehmenseinheiten eine wichtige Rolle. Die eigentliche Planung, also die inhaltliche Ausgestaltung des Plans, liegt beim Management. Wesentlich ist in diesem Zusammenhang die Zielsetzung (Zielgrößen, Zielhöhen), die naturgemäß ebenfalls vom Management wahrgenommen wird (siehe hierzu auch den unternehmerischen Zielsetzungsprozess in Abschnitt 2.2). Der Controller übernimmt im Wesentlichen die Aufgaben der Planungsunterstützung und des Planungsmanagements. In der Praxis übernimmt das Controlling die Funktion, die Planung zu organisieren. Controller sorgen für Dateien bzw. Systeme, über die die Planung abgewickelt wird. Sie setzen und überwachen Fristen zur Abgabe, Überarbeitung und Entscheidung der Pläne [vgl. Weber/Schäffer 2020, S. 22 ff.; Behringer 2018, S.63 f.]. Nicht zu unterschätzen ist die Bedeutung der Planung als Messlatte für das Management. Planung hat eine Vorgabefunktion und gibt so den Mitarbeitern auf allen Hierarchieebenen Auskunft darüber, welche Beiträge zum Unternehmenserfolg von ihnen erwartet werden. Abweichungen vom Budget nach oben können mit Belohnungen verbunden sein, z. B. durch die Bindung des Einkommens oder eines Einkommensbestandteils an die Erreichung der Budgetvorgaben. Abweichungen vom Budget nach unten können demgegenüber mit Sanktionen verbunden sein. Dies ist insbesondere bei der Festlegung der variablen Vergütung von Bedeutung.
718
6. Controlling und Organisation der Unternehmensberatung
Untersuchungen zeigen, dass Geschäftsführer und andere Führungskräfte einen ganz überwiegenden Teil ihrer Vergütung in variabler Form erhalten (siehe hierzu beispielhaft den Zielkatalog in Abschnitt 5.4.3.3). Kontrolle ist zwar nicht die alleinige Aufgabe des Controllings, es ist jedoch ein außerordentlich wichtiges Element der Tätigkeit. Für jedes unternehmerische Handeln hat Kontrolle sogar einen erzieherischen Effekt, da allein durch die Ankündigung von Kontrollen die handelnden Personen ihr Verhalten ändern. Die Kontrollfunktion stellt die Synthese zwischen der Informationsfunktion und der Steuerungsfunktion der beschriebenen Controllingfunktionen dar. Durch die Gegenüberstellung von Soll (Planung aus der Steuerungsfunktion) und Ist (Informationen aus der Informationsfunktion) wird kontrolliert, wie sich die beiden Größen unterscheiden [vgl. Behringer 2018, S. 100 f.]. Die Kontrolle im Controlling ist ein dreistufiger Prozess. Er beginnt mit einem Soll-Ist-Vergleich. Es werden geplante Daten mit tatsächlich erreichten Daten verglichen. Dabei geht es um eine rein technische, also rechnerische Betrachtung der Abweichungen. Die Ursachen werden in der zweiten Phase – der Abweichungsanalyse – ermittelt. Es gibt Abweichungen, die auf Preisabweichungen oder auf Mengenabweichungen zurückzuführen sind. Daneben gibt es die Sekundärabweichung, die sich aus der Multiplikation von veränderter Menge oder verändertem Preis ergibt und daher nicht genau klassifizierbar ist. In der dritten Phase werden dann Korrekturmaßnahmen abgeleitet, die dazu beitragen sollen, die Lücke zwischen Soll und Ist wieder zu schließen. In dieser Phase arbeitet das Controlling mit den Bereichen, die kontrolliert werden, eng zusammen. Das Controlling muss dabei als Rationalitätsanwalt im Unternehmen diese Verzerrungen kennen und sie in ihren Empfehlungen berücksichtigen [vgl. Behringer 2018, S. 101]. 6.1.4 Controlling als Koordinationsfunktion Controlling lässt sich als Koordination des Regelkreises der Managementfunktionen Planung, Organisation, Personaleinsatz, Führung und Kontrolle beschreiben. Als Regelkreis kann er auf das Gesamtunternehmen oder auf einzelne Bereiche bzw. ProfitCenter heruntergebrochen werden. Erfolgreiches Controlling ist abhängig von einer genauen Formulierung der Unternehmens- und Bereichsziele. Die Zielvorgaben sollten dabei möglichst in Form von Kennzahlen erfolgen. Controlling als Koordination von Führungs- bzw. Managementfunktionen lässt sich aber nicht nur auf Bereiche, sondern auch auf (zeitlich begrenzte) Projekte anwenden. Zu den Grundlagen des Projektmanagements, das ja nichts anderes als eine spezielle Führungskonzeption zur Lösung komplexer, terminierter Aufgaben darstellt, zählen ebenfalls die dispositiven Tätigkeiten Planung, Organisation, Personaleinsatz, Führung und Kontrolle. Folgende Prozesslogik ist damit verbunden [vgl. Steinmann/Schreyögg 2005, S. 10 ff.]:
6.1 Controlling als Konzept der Unternehmensführung
719
Planung (engl. Planning): In der Projektplanung, dem logischen Ausgangspunkt des Projektmanagementprozesses, wird der Projektgegenstand analysiert, die Projektziele festgelegt sowie ein detaillierter Zeit- und Ressourcenplan aufgestellt. Organisation (engl. Organizing): Im Rahmen der Projektorganisation wird ein Handlungsgefüge hergestellt, das die Gesamtaufgabe spezifiziert, in Teilaufgaben zerlegt und so aneinander anschließt, dass eine Umsetzung der Pläne sichergestellt ist. Auch die Einrichtung eines Kommunikationssystems, das alle Beteiligten und Betroffenen mit den notwendigen Informationen versorgt, ist Bestandteil der Projektorganisation. Personaleinsatz (engl. Staffing): Im Rahmen des Personaleinsatzes werden eine anforderungsgerechte Besetzung des Projektes mit Personal sowie eine Zuordnung von Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung vorgenommen. Führung (engl. Directing): Im Führungsprozess geht es um die Koordination aller am Projekt beteiligten Akteure, um das Durchsetzen von Entscheidungen während der Projektabwicklung sowie um die Einleitung gegensteuernder Maßnahmen bei Planabweichungen. Motivation, Kommunikation und Konfliktsteuerung sind weitere Themen dieser Projektmanagementfunktion. Kontrolle (engl. Controlling): Die Kontrolle stellt logisch den letzten Schritt des Projektmanagementprozesses dar. Sie besteht im Wesentlichen aus dem Soll/Ist-Vergleich der Leistungen, Kosten und Termine und zeigt, ob es gelungen ist, die Pläne zu verwirklichen. Dieser Funktionsumfang, der auch als Fünferkanon der modernen Managementlehre bezeichnet wird, ist in Abbildung 6-01 dargestellt.
Besetzung der Stellen mit kompetentem Personal Schaffung eines zielgerichteten Handlungsgerüsts
Personaleinsatz Kommunizieren
Definieren
Menschen
Dinge Ideen Entwurf einer Sollordnung
Analysieren
Zielgerechte Ausrichtung der Einzelhandlungen
Elemente
Basistätigkeiten
Soll-IstVergleich
Funktionen Aktivitäten
[Quelle: Steinmann/Schreyögg 2005, S. 13 in Anlehnung an Mackenzie 1969]
Abb. 6-01:
Die Abfolge von Managementfunktionen als Regelkreis
720
6. Controlling und Organisation der Unternehmensberatung
6.2 Unternehmenscontrolling Das Besondere am Controlling für Unternehmensberatungen ist nicht das Unternehmenscontrolling, sondern das Controlling für Projekte. Dennoch sollen zunächst einige Aspekte des Unternehmenscontrollings beleuchtet werden. Hierbei soll die Besonderheit der Honorarhöhe von Unternehmensberatungen im Vordergrund stehen. So befindet sich die Unternehmensberatung seit Jahren in dem Ruf, teuer zu sein, wobei gleichzeitig eine hohe Unsicherheit über den eigentlichen Wert der Beratungsleistung besteht. Besonders die Höhe der Tagessätze steht immer wieder in der Kritik. Aus diesem Grunde stellen sich die Fragen, wie die Tagessätze der Unternehmensberatung gebildet werden, wie hoch ein etwaiger Verhandlungsspielraum ist und wie sich mögliche Unterschiede zwischen den Beratungsunternehmen erklären. Zur Beantwortung der Fragen müssen zunächst die Kostenstrukturen von Beratungsunternehmen betrachtet werden [vgl. Sommerlatte 2004]. 6.2.1 Kostenstrukturen von Beratungsunternehmen Wesentlich für das Verständnis der Kostenstruktur von Beratungsunternehmen (siehe Insert 601) ist die (nicht überraschende) Erkenntnis, dass die Personalkosten (inkl. Sozialabgaben) nicht nur den größten Kostenblock, sondern mit 63,6 Prozent fast zwei Drittel aller Kosten einer Unternehmensberatung ausmachen. Insert Kosten nach Kostenarten über alle Unternehmensberatungen 1,5% 2,2% 2,4%
1,4%
Mittelwert 0,6%
3,1% Personalkosten (63,6%) Fremdleistungen (19,8%)
5,2%
Reisekosten (5,2%) Fuhrpark (3,1%) 19,8%
Abschreibungen (2,4%) 63,6%
Marketing (2,2%) IT-Kosten (1,5%) Fortbildung (1,4%) Versicherung (0,6%) [Quelle: BDU-Benchmarkstudie 2020, S. 62 u. 66]
Ihre Kostenstrukturen halten die Beratungsunternehmen zwar strikt geheim, doch die BDU-Benchmarkstudie von 2020 zeigt aussagekräftige Durchschnittswerte. In einem sogenannten „PeopleBusiness“ wie dem Beratungsgeschäft vereinen naturgemäß die Personalkosten den Löwenanteil aller Kosten auf sich. Zusammen mit den Sozialkosten macht dieser Kostenblock fast Zweidrittel
Insert 6-01:
der Gesamtkosten aus. Den zweitgrößten Kostenblock bilden die Fremdleistungen, die im Mittel etwa ein Fünftel (19,8 Prozent) aller Kosten ausmachen. Es folgen mit großem Abstand die Reisekosten (5,2 Prozent), die Kosten für den Fuhrpark (3,1 Prozent), die Abschreibungen (2,4 Prozent) sowie die Kosten für Marketing und Kommunikation (2,2 Prozent).
Kosten nach Kostenarten über alle Unternehmensberatungen
6.2 Unternehmenscontrolling
721
Analysiert man die durchschnittliche Kostenstruktur nach Beratungsfeldern, so zeigt sich, dass IT-Beratungen mit durchschnittlich 23,1 Prozent den höchsten Fremdleistungsanteil aufweisen. Bei den Strategieberatungen sind es mit 18,9 Prozent über vier Prozentpunkte weniger. Bei der Kostenstrukturanalyse fällt weiterhin ins Auge, dass die Fortbildungskosten mit 1, 7 Prozent bei den Strategieberatungen mehr als doppelt so hoch ausfallen wie bei den IT-Beratungen [ vgl. BDU 2020]. Im nächsten Schritt sollen die hinter den Personalkosten stehenden Mitarbeiterstrukturen analysiert werden. Dazu ist es erforderlich, die Anzahl der Mitarbeiter innerhalb einer Hierarchiestufe (engl. Grade) festzustellen (siehe Abbildung 6-02). Aus dem Gesamtbild aller Hierarchiestufen ergibt sich die sogenannte Beratungspyramide, in der sich das Zahlenverhältnis der Mitarbeiter in den einzelnen Grades widerspiegelt (engl. Leverage). Maister [1982] betont, dass eine schmale Pyramide mit einer anspruchsvollen und kreativen Beratungsleistung einhergeht („Brains“ project structure). Häufig kommen dann auf einen Partner nur sehr wenige Consultants. Bei Beratungsleistungen, die sich eher durch fachspezifische und analytische Aufgaben (z. B. SAP- oder Oracle-Kenntnisse) auszeichnen, kommen auf einen Partner deutlich mehr Berater. Eine solche, eher breite Pyramide ist für das ITBeratungsgeschäft („Procedural work“ project structure) typisch [vgl. Sommerlatte 2004, S. 5; Armbrüster 2006, S. 127].
7
1
Partner/Vice President
2
Principal/Senior Manager
3
4
Manager
5
6
Senior Consultant
8
9
Consultant
1 2 4 11
Schmale Pyramide
3 5
6
7
8
9
10
12
13
14
15
16
Breite Pyramide © Dialog.Lippold
Abb. 6-02:
Schmale und breite Beratungspyramide
Während in dem Beispiel in obiger Abbildung bei der schmalen Pyramide auf einen Partner insgesamt acht Manager bzw. Consultants kommen, ist das Beispielverhältnis bei der breiten Pyramide eins zu fünfzehn. Im Folgenden dienen die beiden Pyramiden als Grundlage für die Darstellung der Kosten- und Ergebnisstruktur für die Strategieberatung einerseits und für die IT-Beratung andererseits. Um die Komplexität ein wenig zu reduzieren, sollen die nachfolgenden Beispielrechnungen lediglich mit drei Hierarchieebenen durchgeführt werden (siehe auch BDU 2020):
Partner Manager Consultant
In Abbildung 6-03 sind die Beschreibungen/Definitionen dieser drei Hierarchiestufen aufgeführt:
722
6. Controlling und Organisation der Unternehmensberatung
Partner
Manager
Consultant
Sollten mindestens einen der folgenden Punkte erfüllen:
• Ist der Dreh- und Angelpunkt eines Projekts und das „Gesicht zum Kunden“
• Anteilseigner der Firma im gesellschaftlichen Sinn
• Hat erste Projektleitungserfahrung (meist kleinere Projekte)
• Koordiniert die operative Zusammenarbeit (Projektleitungserfahrung)
• Übernimmt die Verantwortung für mehrere Projektmodule
• Übergeordnete Leistung mehrere Projekte auf Top-ManagementEbene • Verantwortlich für einen Geschäftsbereich, einer Industry Practice, die Firma und/oder ein Büro, bzw. Repräsentation dieser nach innen und außen Weitere Bezeichnungen: • Vice President, • Geschäftsführer • Managing Director
• Strukturiert den Projektablauf, trägt die Verantwortung für das Projektergebnis und das Budget
• Bringt sich mit kreativen Ideen, analytisch durchdachten und praktikablen Konzepten ganz wesentlich in Projekte ein
• Hat die operative Teamführung inne und führt Kundenpräsentationen durch
• Steht im direkten Austausch mit dem Kunden und sichert die perfekte Kundenkommunikation
• Zum Teil bzw. in Ansätzen auch verantwortlich für Kunden und die Geschäftsentwicklung
• Erstellt und beteiligt sich an Kundenpräsentationen • Zum Teil auch verantwortlich für Kunden- und Geschäftsentwicklung (Anfertigen von Akquisitionspapieren)
Weitere Bezeichnungen: • Project Manager • Managing Consultant
[Quelle: BDU 2020]
Abb. 6-03:
Definitionen einzelner Hierarchieebenen
6.2.1.1 Modellrechnungen für die Strategieberatung
Die in Abbildung 6-04 dargestellte Kosten- und Ergebnisstruktur bei Vollkostenrechnung zeigt ein sehr unterschiedliches Bild für die drei Hierarchieebenen bei Strategieberatern.
Kostenposition
Consultant (Teuro/Jahr)
Festgehalt Variables Gehalt/Bonus Sozialkosten Sekretariat, Raum-/Gemeinkosten IT-, Telekommunikationskosten inkl. Abschreibungen Material, Literatur, PR Nebenleistungen Nicht verrechenbare Reisekosten Gesamtkosten
Kalkulatorische Auslastungspositionen Verfügbare Arbeitstage nach Urlaub, Feiertagen und Krankheit Verwaltung Fortbildungen, Schulungen Recruiting Vertrieb Reisezeit Führungsaufgaben Fakturierbare Arbeitstage Marktfähiges Tageshonorar (Euro) Umsatzpotenzial (Euro) [Honorar x Arbeitstage] Gesamtkosten (Euro) Über-/Unterdeckung (Euro)
Manager
(Teuro/Jahr)
92 25 20 40 16 9 10 15 230
154 78 30 60 20 11 17 20 390
57 8 12 20 8 5 8 7 125
Consultant
(Personentage/Jahr)
Manager
(Personentage/Jahr)
Partner
(Personentage/Jahr)
215
215
215
4 6 5 12 13 175 1.300 227.500 125.000 ~ 100.000
10 11 7 35 5 12 135 1.700 229.500 230.000 ~0
30 3 7 50 3 22 100 2.150 215.000 390.000 - 175.000
[Quelle: BDU 2019, 2020, 2021] Struktur in Anlehnung an SOMMERLATTE 2004, S. 7
Abb. 6-04:
Partner
(Teuro/Jahr)
Kosten- und Ergebnisstruktur pro Strategieberater
6.2 Unternehmenscontrolling
723
So können lediglich die Consultants aufgrund ihrer hohen fakturierbaren Arbeitstage eine Überdeckung ihrer direkten und anteiligen Kosten erzielen. Die Unterdeckung bei den Partnern entsteht dadurch, dass diese nur einen wesentlich geringeren Teil ihrer verfügbaren Arbeitstage auf Kundenprojekte verrechnen können, da sie eine höhere Zahl von Arbeitstagen für Führungsaufgaben sowie Marketing- und Vertriebsaktivitäten einsetzen müssen. Gleichwohl ist die Überdeckung bei den Consultants erforderlich, um die Unterdeckung bei den Partnern zu kompensieren, während sich die Projekt Manager in dieser Modellrechnung gerade selber tragen. Umgekehrt ist die hohe Auslastung der Consultants nur darstellbar, wenn die Partner (und teilweise auch die Manager) ein für alle ausreichendes Auftragsvolumen akquirieren. Aus dieser wechselseitigen Abhängigkeit (Consultants finanzieren mit ihrer hohen Auslastung die erforderlichen Arbeitsbeschaffungsaktivitäten der Partner und Manager) ergibt sich zwangsläufig ein Pyramidenmodell [vgl. Sommerlatte 2004, S. 6].
Partner Projekt Manager Consultant Gesamt Umsatzrendite
Modell 1
• Schmale Pyramide • Verbleibende Arbeitstage voll (zu 100%) fakturiert
Modell 2
• Breite Pyramide • Verbleibende Arbeitstage voll (zu 100%) fakturiert
Anzahl
Fakt. Tage
Umsatz
Anzahl
Umsatz
1 2 4 7
100 270 700 1.070
Modell 3
Partner Projekt Manager Consultant Gesamt Umsatzrendite
Anzahl
Fakt. Tage
1 2 4 7
85 229,5 595 909,5
215 460 900 1.575
Kosten 390 460 500 1.350
Gewinn -175 0 400 225 14,3%
• Schmale Pyramide • Verbleibende Arbeitstage zu 85% fakturiert Umsatz
182,8 391 765 1.338,8
Kosten
390 460 500 1.350
Gewinn
-207,2 -69 265 - 11,2 - 0,8%
Tage
1 100 3 405 8 1.400 12 1.960
215 690 1.800 2.705
Kosten
Gewinn
390 690 1.000 2.080
-175 0 800 625 23,1%
Modell 4 Anzahl
Fakt. Tage
1 3 8 12
85 344,3 1.190 1.619
• Breite Pyramide • Verbleibende Arbeitstage zu 85% fakturiert Umsatz
182,8 586,5 1.530 2.299,3
Kosten
Gewinn
390 690 1.000 2.080
-207,2 -103,5 530 219,3 9,5%
© Dialog.Lippold
Abb. 6-05:
Modellrechnungen für Strategieberatungen
In Abbildung 6-05 werden insgesamt vier Modellrechnungen gezeigt, wobei einmal die Pyramidenzusammensetzung und einmal die Auslastung variiert werden.
Modell 1 zeigt eine schmale Pyramide mit lediglich sieben Mitarbeitern und einer Auslastung, die auf den Annahmen der kalkulatorischen Auslastungspositionen in Abbildung 605 beruht, d. h. für einen Partner können 100, für einen Manager 135 und für einen Consultant 175 Tage fakturiert werden. Die aus diesen Parametern resultierende Umsatzrendite liegt bei gut 14 Prozent.
Modell 2 beruht ebenfalls auf der Annahme, dass die verbleibenden Arbeitstage voll, d.h. zu 100 Prozent fakturiert werden. Im Unterschied zu Modell 1 handelt es sich hier aber um eine relativ breite Pyramide mit insgesamt 12 Personen. Dabei wird deutlich, dass diese Pyramidenstruktur mit rund 23 Prozent Umsatzrendite deutlich profitabler ist.
Modell 3 weist wiederum eine schmale Pyramidenstruktur mit insgesamt sieben Personen auf. Allerdings ist hier die Auslastung 15 Prozent geringer als in den Modellen 1 und 2.
724
6. Controlling und Organisation der Unternehmensberatung
Das führt im Modell 3 dazu, dass die Kosten durch die Umsätze nicht mehr ganz gedeckt werden können. Im Übrigen entspricht die hier angenommene Auslastung von 85 Prozent nahezu genau der Auslastungshöhe, die die BDU-Studie 2020 für das Berufsfeld der Strategieberater ermittelt hat – nämlich 83,7 Prozent.
Modell 4 zeigt eine breite Pyramide, die trotz ihrer breiteren Struktur nicht einmal ganz ausreicht, um die um 15 Prozent geringere Auslastung gegenüber Modell 1 zu kompensieren. Dennoch ist mit dieser Struktur immerhin noch eine Umsatzrendite von knapp 10 Prozent erzielbar.
Insgesamt machen die verschiedenen Modellvarianten deutlich, dass vor allem über eine breitere Pyramide sowie über eine hohe Auslastung eine tragfähige Umsatzrendite erzielt werden kann. Besonders problematisch sind Auslastungsdefizite, die aufgrund fehlender oder rückläufiger Aufträge jederzeit auftreten können und kurzfristig so gut wie gar nicht kompensiert werden können. Das ist auch der Grund dafür, warum viele Unternehmensberatungen mit Neueinstellungen in schwierigeren Zeiten sehr zurückhaltend sind. 6.2.1.2 Modellrechnungen für die IT-Beratung
Die Kosten- und Ergebnisstruktur bei Vollkostenrechnung für IT-Berater zeigt ein ähnliches Bild wie für Strategieberater (siehe Abbildung 6-06). Zwar sind insgesamt die Kostenpositionen in allen drei Hierarchiestufen bei den IT-Beratern gehaltsbedingt etwa 10 bis 20 Prozent niedriger als bei den Strategieberatern, dafür sind aber auch die Umsatzpotenziale pro Person nicht so hoch wie bei den Strategieberatern. Kostenposition
Consultant (Teuro/Jahr)
Festgehalt Variables Gehalt/Bonus Sozialkosten Sekretariat, Raum-/Gemeinkosten IT-, Telekommunikationskosten inkl. Abschreibungen Material, Literatur, PR Nebenleistungen Nicht verrechenbare Reisekosten Gesamtkosten
Kalkulatorische Auslastungspositionen Verfügbare Arbeitstage nach Urlaub, Feiertagen und Krankheit Verwaltung Fortbildungen, Schulungen Recruiting Vertrieb Reisezeit Führungsaufgaben Fakturierbare Arbeitstage Marktfähiges Tageshonorar (Euro) Umsatzpotenzial (Euro) [Honorar x Arbeitstage] Gesamtkosten (Euro) Über-/Unterdeckung (Euro)
54 8 12 18 8 5 8 7 120
Consultant
(Personentage/Jahr)
Partner
(Teuro/Jahr)
85 26 20 40 16 9 10 14 220
153 82 30 60 20 12 13 20 390
Manager
(Personentage/Jahr)
Partner
(Personentage/Jahr)
215
215
215
4 3 2 10 6 190 1.075 204.250 120.000 ~ 85.000
8 7 5 24 2 12 155 1.325 205.375 220.000 ~ - 15.000
27 5 10 55 3 15 100 1.650 165.000 390.000 - 225.000
[Quelle: BDU 2019, 2020, 2021] Struktur in Anlehnung an Sommerlatte 2004, S. 7
Abb. 6-06:
Manager
(Teuro/Jahr)
Kosten- und Ergebnisstruktur pro IT-Berater
6.2 Unternehmenscontrolling
725
Die grundlegenden Unterschiede bezüglich der Kosten- und Ergebnisstruktur gegenüber der Strategieberatung liegen bei der IT-Beratung vor allem in einer deutlich breiteren Pyramidenstruktur und in einer besseren Auslastung.
Partner Projekt Manager Consultant Gesamt Umsatzrendite
Modell 1
• Schmale Pyramide • Verbleibende Arbeitstage voll (zu 100%) fakturiert
Modell 2
• Breite Pyramide • Verbleibende Arbeitstage voll (zu 100%) fakturiert
Anzahl
Fakt. Tage
Umsatz
Anzahl
Umsatz
1 2 7 10
100 310 1.330 1.740
Modell 3
Partner Projekt Manager Consultant Gesamt Umsatzrendite
Anzahl
Fakt. Tage
1 2 7 10
85 252 1.134 1.494
165 410 1.435 2.010
Kosten 390 440 840 1.670
Gewinn -225 -30 595 340 16,9%
• Schmale Pyramide • Verbleibende Arbeitstage zu 85% fakturiert Umsatz
140,3 348,5 1.219,8 1.708,6
Kosten
390 440 840 1.670
Gewinn
-249,7 -91,5 379,8 38,6 2,3%
Fakt. Tage
1 100 4 620 14 2.660 19 3.380
165 820 2.870 3.855
Kosten
Gewinn
390 880 1.680 2.950
-225 -60 1.190 905 23,5%
Modell 4 Anzahl
Fakt. Tage
1 4 14 19
85 504 2.268 2.857
• Breite Pyramide • Verbleibende Arbeitstage zu 85% fakturiert Umsatz
140,3 697 2.439,6 3.276,9
Kosten
Gewinn
390 880 1.680 2.950
-249,7 -183 759,6 326,9 10,0%
© Dialog.Lippold
Abb. 6-07:
Modellrechnungen für IT-Beratungen
Auch für die IT-Beratung werden vier Modellrechnungen durchgeführt, die in Abbildung 6-07 dargestellt sind. Variiert werden ebenfalls die Pyramidenstruktur und die Auslastung:
Modell 1 zeigt eine für IT-Verhältnisse recht schmale Pyramide mit lediglich 10 Mitarbeitern und einer Auslastung, die auf den Annahmen der kalkulatorischen Auslastungspositionen für einen Partner mit 100, für einen Manager mit 155 und für einen Consultant mit 190 Tage beruhen. Die fakturierte Auslastung liegt damit höher als bei der Strategieberatung. Die aus diesen Parametern resultierende Umsatzrendite liegt bei 16,9 Prozent.
Modell 2 zeigt im Unterschied zu Modell 1 eine deutlich breitere Pyramidenstruktur mit insgesamt 19 Personen. Diese Pyramidenverbreiterung führt unter sonst gleichen Annahmen zu einer Umsatzrendite von 23,5 Prozent.
Modell 3 weist wiederum eine schmalere Pyramidenstruktur mit insgesamt 10 Personen auf. Allerdings ist hier die Auslastung 15 Prozent geringer als in den Modellen 1 und 2. Das führt im Modell 3 dazu, dass die Umsatzrendite gegenüber Modell 1 um fast 15 Prozentpunkte zurückgeht. Dennoch trägt sich dieses Modell immer noch selbst.
Modell 4 zeigt wieder die breite Pyramide mit 19 Personen, die ausreicht, um die um 15 Prozent geringere Auslastung gegenüber Modell 1 mehr als zur Hälfte zu kompensieren.
Anmerkung: Im Gegensatz zu den Strategieberatern gibt die BDU-Studie 2020 für das Berufsfeld der IT-Berater eine tatsächlich realisierte Auslastungshöhe von 100 Prozent an. Unter allen untersuchten Berufsfeldern der Beratung hat damit der IT-Bereich mit deutlichem Abstand die höchste Auslastung [vgl. BDU 2020].
726
6. Controlling und Organisation der Unternehmensberatung
6.2.2 Zusammenfassung der wichtigsten Modellparameter Um die hier behandelten Modellfälle herum gibt es selbstverständlich eine Vielzahl von Varianten, wobei die wesentlichen Stellschrauben folgende Parameter sind [vgl. Sommerlatte 2004, S. 9 ff.]:
Pyramidenstruktur: Je breiter die Pyramide ist, desto wirtschaftlicher ist in der Regel die Beratungseinheit. Damit sind aber auch die Beratungsprojekte eingekreist, bei denen eine breite Pyramide überhaupt wirtschaftlich funktionieren kann: große Projekte mit größerer Anzahl von relativ jungen Consultants, wie dies sehr häufig in der IT-Beratung der Fall ist. Beratungsboutiquen dagegen, die durch sehr schmale Pyramiden gekennzeichnet sind, können ihre Wirtschaftlichkeit häufig nur dadurch erreichen, dass Partner und Manager selber stärker in die Projekte involviert sind und auch deutlich weniger verdienen, als im Modellfall ausgewiesen.
Auslastung: Die Anzahl der fakturierten Tage ist sicherlich der stärkste Hebel für den Wirtschaftlichkeitsnachweis von Beratungseinheiten. Wichtig sind dabei allerdings nur jene Tage, die nach Abzug von Schulung, Weiterbildung, Methoden- und Know-how-Entwicklung sowie nicht-konvertierbarer Angebotserstellung zur Fakturierung übrigbleiben. Der Spielraum in diesem Bereich ist nicht sehr groß und hängt in erster Linie von der Auftragslage ab. Allerdings lässt sich immer wieder feststellen, dass in Zeiten hoher Auslastung sehr häufig die vertrieblichen Aktivitäten für Anschluss- oder Neuaufträge vernachlässigt werden.
Kostenstruktur: Die Kostenstruktur eines Beratungsunternehmens wird durch die Personalkosten dominiert. Diese werden wiederum durch die Höhe der Gehälter und Boni bestimmt. Zweifellos zählt das Gehaltsniveau in der Beratungsbranche über alle Hierarchiestufen hinweg zu den höchsten im Branchenvergleich. Doch auch hier ist der Spielraum nicht sehr groß, denn es bringt sicherlich nicht sehr viel, wenn die Beratungsunternehmen ihren Beratern auf Consultant-Niveau geringere Gehälter anbieten. Der Beraterberuf würde an Reiz verlieren und ein Großteil der engagierten, klugen, hochqualifizierten und überzeugenden Professionals würde die Branche verlassen. Wenn, dann liegt der Spielraum eher auf Partner-Niveau, denn ein Beratungspartner mit einer Personalverantwortung von 10 bis 20 Mitarbeitern verdient häufig mehr als ein angestellter Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens mit 500 und mehr Mitarbeitern.
Nicht-konvertierte Angebote: Jeder Berater verbringt im Jahr durchschnittlich 20 Tage mit der Bearbeitung nicht-konvertierter Angebote, d. h. mit Angeboten, die nicht zum Auftrag führen. Geht man davon aus, dass im Durchschnitt nur etwa jedes dritte oder vierte Angebot zu einem Auftrag führt, so entspricht dies einer Konvertierungsrate (engl. Conversion rate) von 3:1 bzw. 4:1. Eine Reduktion der Konvertierungsrate lässt sich strategisch vor allem durch Konzentration auf Projekte mit einer hohen Laufzeit, durch Konzentration auf Ausschreiben, an denen bspw. nicht mehr als vier Anbieter teilnehmen, sowie durch Konzentration auf Ausschreibungen mit einem potenziellen Auftragsvolumen (inklusive Folgeprojekte) von z. B. mehr als 300.000 Euro darstellen [vgl. Sommerlatte 2008, S. 12].
6.2 Unternehmenscontrolling
727
Fazit: Die Analysen zeigen, dass die Tagessätze der Beratungsunternehmen nicht aus der „Luft gegriffen“ sind, sondern durchaus ihre kalkulatorische Grundlage mit relativ wenig Spielraum haben. Ausnahmen bestehen lediglich im Honorarbereich und in der Gehaltshöhe auf PartnerNiveau, die ein überragendes Qualitäts- und Leistungsniveau voraussetzen. Um das Bild abzurunden sind in Insert 6-02 noch einige wichtige KPIs für die Beratungsbranche zusammengestellt.
Insert 6-02:
KPIs im Beratungsgeschäft (Auswahl)
728
6. Controlling und Organisation der Unternehmensberatung
6.3 Projektcontrolling Im Mittelpunkt des Controllings für Unternehmensberatung steht – wie bereits erwähnt – das Projektcontrolling als Fundament der projektorientierten Organisation in Beratungsunternehmen. Da jedes Projekt einzigartig und damit anders als jedes andere Projekt ist, lassen sich Projekte auch als Individualprodukte eines Beratungsunternehmens ansehen. Sie verfolgen das Ziel, die im Leistungsverzeichnis eines (externen oder internen) Auftrages definierten Projektergebnisse (engl. Deliverables) innerhalb eines bestimmten Zeitraumes zu erstellen. Um die Projektergebnisse im Zeitablauf ermitteln und überwachen zu können, bedarf es einer Projektergebnisrechnung, die als Kosten- und Leistungsrechnung die erbrachte Projektleistung den angefallenen Kosten des Projektes periodengerecht gegenüberstellt [vgl. Fohmann 2005, S. 61 ff.]. 6.3.1 Projekte und Projektergebnisrechnung Ein Kosten- und Leistungsrechnungssystem für Projekte sollte folgende Anforderungen bzw. Kalkulationsschritte erfüllen [vgl. Fohmann 2005, S. 64]:
Angebotskalkulation, d. h. die Unterstützung der individuellen Kalkulation aller Angebote (Projektpreis und interne Projektkosten);
Vorkalkulation, d. h. die Unterstützung bei der (Neu-)Kalkulation eines Projekts. Die Vorkalkulation unterscheidet sich nur dann von der Angebotskalkulation, wenn der Auftrag vom Angebot abweicht;
Begleitkalkulation, d. h. die Unterstützung der Verfolgung der Auftragsabwicklung;
Nachkalkulation, d. h. die die Nachrechnung des Auftrags nach Projektabschluss.
Über das Ergebnis der einzelnen Projekte hinaus benötigt das Beratungsunternehmen das kumulierte Ergebnis eines komplexen Großprojektes, das sich aus einzelnen Teilprojekten zusammensetzt. Ein Rechnungssystem, das diese Anforderungen über die vier Kalkulationsschritte hinweg erfüllt, wird als Projektergebnisrechnung bezeichnet. Das praktische Umfeld der Projektergebnisrechnung in Beratungsunternehmen ist durch folgende Besonderheiten gekennzeichnet [vgl. Fohmann 2005, S. 66 f.]:
Im Beratungsunternehmen sind die einzelnen Projekte die Kostenträger.
Die Projektleistung als Anzahl geleisteter fakturierbarer Projekttage bzw. Projektstunden muss zur Einstellung in die Ergebnisrechnung bewertet werden.
Während in der Kostenstellen- und Profitcenterrechnung die Kosten für die festangestellten Mitarbeiter fixe Kosten und die Beschäftigung von freien Mitarbeitern und von Subunternehmern proportionale Personalkosten darstellen, sind aus Sicht der Projektergebnisrechnung alle Personalkosten proportionale Kosten. Personalkosten sind, da Mitarbeiter häufig in mehreren Projekten gleichzeitig eingesetzt werden, nur entsprechend der angefallenen Projekttage/Projektstunden auf die einzelnen Projekte verrechenbar.
6.3 Projektcontrolling
729
6.3.2 Varianten der Projektergebnisrechnung Die Gestaltung der Projektergebnisrechnung hängt maßgeblich davon ab, welches Kostenrechnungssystem eingesetzt wird. Fohmann, der sich intensiv mit der Prüfung verschiedener Projektergebnisrechnungen befasst hat, schlägt folgende vier Varianten vor, die hier kurz vorgestellt werden sollen [siehe ausführlich Fohmann 2005, S. 69 ff.]:
Projektergebnisrechnung als Vollkostenrechnung Projektergebnisrechnung als Proportionalkostenrechnung Projektergebnisrechnung als Einzelkostenrechnung Projektergebnisrechnung als gestufte Deckungsbeitragsrechnung auf Einzelkostenbasis
6.3.2.1 Projektergebnisrechnung als Vollkostenrechnung (Variante 1)
Bei der Projektergebnisrechnung als Vollkostenrechnung werden alle im Unternehmen anfallenden Kosten auf die Projekte als Kostenträger verrechnet. Das bedeutet, dass zusätzlich zu den Projekteinzelkosten – dies sind vornehmlich Personalkosten für eigenes und fremdes Projektpersonal – sämtliche Gemeinkosten auf die Projekte verrechnet werden müssen. Gemeinkosten aus Projektsicht sind bspw.
Kosten von Management und Sekretariat des Profitcenters, zu dem das Projekt gehört, Kosten von Services dieses Profitcenter (z. B. Grafikservice), Kosten zentralen Unternehmensbereiche (z. B. Marketing, Human Resources) und Kosten der Unternehmensleitung (Top-Management).
Zur Verrechnung der verschiedenen Gemeinkostenarten auf die einzelnen Projekte werden aussagekräftige Schlüssel benötigt, deren konkrete Ausprägung den vom Projekt zu tragenden Gemeinkostenanteil festlegt. Als Gemeinkostenverteilungsschlüssel für die Management- und Sekretariatskosten des Profitcenters wird häufig die Zahl der Projektmitglieder herangezogen. Bei der Frage nach einem Schlüssel für eine möglichst verursachungsgerechte Verteilung der zentralen Bereiche und der Unternehmensleitung wird die sachliche Problematik der Gemeinkostenverteilungsschlüssel besonders deutlich: Je weiter die Gemeinkostenebenen von den einzelnen Projekten entfernt sind, desto schwerer wird eine trag- und akzeptanzfähige Kostenverrechnungsgröße zu finden sein. Lediglich bei der Verrechnung von Servicekosten lässt sich mit dem Umfang der Inanspruchnahme ein akzeptabler Verteilungsschlüssel darstellen. Die rechnerische Verteilung der Gemeinkosten täuscht eine Genauigkeit über Ergebnisse und Renditen der einzelnen Projekte vor, die sachlich nicht gerechtfertigt ist. Damit wird dem Projektverantwortlichen die Gesamtverantwortung für ein Projektergebnis zugewiesen, auf das er in erheblichem Umfange – nämlich hinsichtlich der Projektgemeinkosten – keinen Einfluss hat. Die Lösung kann demnach nur in einem Projektergebnis auf Teilkostenbasis liegen.
730
6. Controlling und Organisation der Unternehmensberatung
6.3.2.2 Projektergebnisrechnung als Proportionalkostenrechnung (Variante 2)
Um die Schwäche des Vollkostensystems (Variante 1) zu vermeiden, werden bei der Projektergebnisrechnung als Proportionalkostenrechnung alle Projektkostenarten in proportionale und fixe Kosten aufgeteilt und sodann die fixen Gemeinkosten aus der Projektergebnisrechnung eliminiert. Proportionale Projektkosten sind hauptsächlich:
Personalkosten für eigenes Projektpersonal;
Personalkosten für fremdes Projektpersonal (freie Mitarbeiter und Mitarbeiter von Subunternehmen);
Sachgemeinkosten des Projektes wie Sachkosten für Management, Sekretariat und Servicebereiche des Profitcenters, zu dem das Projekt gehört, sowie alle Sachkosten für Unternehmensleitung und zentrale Servicebereiche. Als Gemeinkostenverteilungsschlüssel bietet sich hier wiederum die Anzahl der Projektmitglieder an.
Fixe Kosten des Projekts sind vorwiegend:
Personalgemeinkosten des Projekts wie Personalkosten für Management, Sekretariat und Servicebereiche des Profitcenters, zu dem das Projekt gehört, sowie alle Sachkosten für Unternehmensleitung und zentrale Servicebereiche;
Sacheinzelkosten des Projektes wie IT- und kommunikationstechnologische Hard- und Software (AfAs für Beschaffungskosten/Mieten/Leasingraten).
Von diesen fixen Einzelkosten werden die Personalgemeinkosten aus dem Rechenschema entfernt. Damit entspricht diese Proportionalkostenrechnung (Variante 2) einer um die fixen Sacheinzelkosten des Projektes erweiterten Grenzkostenrechnung. Vorteilhaft bei dieser Variante ist, dass das Rechenschema um die vom Projektleiter nicht beeinflussbaren fixen Personalgemeinkosten gegenüber dem Vollkostenschema schlanker ausfällt. Allerdings wird die Problematik der Gemeinkostenverteilungsschlüssel bei der Umlage der proportionalen Sachgemeinkosten des Projekts weiter mitgeschleppt.
6.3.2.3 Projektergebnisrechnung als Einzelkostenrechnung (Variante 3)
Um den aufgezeigten Nachteil der Proportionalkostenrechnung (Variante 2) zu vermeiden, bietet es sich an, nunmehr alle, d. h. auch die verbliebenen proportionalen Gemeinkosten aus der Projektergebnisrechnung zu entfernen. Auf die Weise erhält man das Rechenschema einer reinrassigen Einzelkostenrechnung. Der entscheidende Vorteil der einzelkostenbasierten Projektergebnisrechnung besteht darin, dass der Projektdeckungsbeitrag ausschließlich aufgrund solcher Kostenarten ermittelt wird, die der Projektmanager auch tatsächlich beeinflussen kann. Damit kommt dieses Rechenschema dem Gedanken sehr nahe, dass ein Manager fairerweise auch nur an dem gemessen werden kann, wofür er die Verantwortung trägt und was er beeinflussen kann.
6.3 Projektcontrolling
731
Allerdings ist mit der reinen Einzelkostenrechnung nunmehr der große Block der Gemeinkosten vollständig aus dem Blickfeld der Projektergebnisrechnung verschwunden. Es ist daher wünschenswert, dass einerseits die Projektergebnisse nur mit direkt zurechenbaren Kosten belastet werden und andererseits die tatsächlich vorhandene und ausgeübte Verantwortung für den Gemeinkostenblock transparent gemacht wird. Die Lösung sieht Fohmann [2005, S. 99 ff.] in einer Projektergebnisrechnung als gestufte Deckungsbeitragsrechnung auf Einzelkostenbasis.
6.3.2.4 Projektergebnisrechnung als gestufte Deckungsbeitragsrechnung auf Einzelkostenbasis (Variante 4)
In der Projektergebnisrechnung als Einzelkosten (Variante 3) werden also alle Kosten eines Projekts in Einzelkosten und Gemeinkosten aufgelöst und die Projekteinzelkosten der Projektebene, d. h. der Ebene 1 zugeordnet und auf dieser Grundlage der einzelkostenbasierte Deckungsbeitrag des Projekts ermittelt. Aufbauend auf diesem Auflösungsverfahren lassen sich hinsichtlich der Stufung zwei Blickwinkel betrachten. Der erste Aspekt bezieht sich auf die Organisation des Beratungsunternehmens und sieht vor, den Block der Projektgemeinkosten in Teilblöcke aufzulösen, und zwar in
die Menge der Teilblöcke der Projektgemeinkosten der Geschäftsstellen oder Profit Center (Ebene 2), so dass sich daraus der Deckungsbeitrag pro Geschäftsstelle oder Profit Center ergibt, und
den Teilblock der Projektgemeinkosten der obersten Unternehmensebene (Ebene 3), so dass sich nach Abzug der Kosten für Unternehmensleitung und zentrale Servicebereiche von der Summe der Projektdeckungsbeiträge aller Geschäftsstellen bzw. Profit Center das Projektergebnis des Gesamtunternehmens ergibt.
Der zweite Aspekt bezieht sich auf die Projektgröße. So bestehen große Projekte in der Regel aus mehreren Teilprojekten. Vereinfacht können demnach folgende Projektebenen unterschieden werden:
Projektebene 1 mit den einzelnen Teilprojekten, jeweils bestehend aus Teilprojektleiter und Teilprojektteam, und
Projektebene 2, bestehend aus Gesamtprojektleitung, Projektsekretariat, Projekt-Controlling, Risk Manager und Qualitätsbeauftragten des Projektes.
Die Stufung nach Projektebenen hat den Vorteil, dass es insbesondere bei Festpreisprojekten im IT-Bereich für die Projektleitung, das Projekt-Controlling und die Unternehmensleitung von Interesse ist, nicht nur das Ergebnis des Gesamtprojektes zu kennen, sondern auch, wie sich das Gesamtergebnis aus den einzelnen Teilbereichen zusammensetzt. Insgesamt kommt Fohmann zu dem Ergebnis, dass die Projektergebnisrechnung auf der Grundlage von Einzelkosten und Projektebenenstufung die „interessanteste“ Variante der Projektergebnisrechnung darstellt.
732
6. Controlling und Organisation der Unternehmensberatung
6.4 Organisationsstrukturen von Beratungsunternehmen Die naturgemäße Personenabhängigkeit des Beratungsgeschäfts, das durch hohe Individualität und Einzigartigkeit der Aufträge sowie durch die Besonderheit gekennzeichnet ist, spezifisches Wissen und Arbeitsmethoden zu verkaufen, aber auch externe Einflussfaktoren wie die Tendenz zur Konzentration und Globalisierung bei den Kundenunternehmen, erfordern für die Strukturorganisation von Beratungsunternehmen ein besonderes Profil. Dies betrifft die Kommunikationsmittel und -wege und die Wissensspeicherung und -weitergabe ebenso wie die Einbindung der Personalarbeit und die Optimierung des Ressourceneinsatzes. Damit sind die Anforderungen an eine moderne Beratungsorganisation schon einmal plakativ vorgegeben: hochflexibel, adaptionsfähig, störunanfällig, kommunikativ und innovativ [vgl. Klatt 2004, S. 1]. 6.4.1 Organisationsansätze und Anforderungen von Beratungsunternehmen Es wird immer wieder die Frage gestellt, welche Organisation zu welcher Strategie am besten passt. Aufgrund der sehr unterschiedlichen Einflussfaktoren, die auf die einzelne Organisation wirken, gibt es keine allgemeingültige optimale Organisationslösung, sondern nur die unter speziellen Bedingungen geeignete (oder ungeeignete) Organisation. Als geeignet wird eine Organisation insbesondere dann angesehen, wenn sie in der speziellen Situation eines Unternehmens dazu beiträgt, dass das Unternehmen seine Ziele erreichen bzw. seine Strategien umsetzen kann [vgl. Hungenberg/Wulf 2015, S. 185]. Ohne allzu tief in die theoretische Organisationslehre einsteigen zu wollen, lassen sich Organisationsstrukturen grob in klassische und in moderne Organisationsansätze unterscheiden. Klassische Organisationsformen sind in erster Linie funktional oder divisional strukturierte Organisationen sowie die Matrix-/Tensororganisation. Zu den moderneren Organisationsansätzen zählen vor allem Projektorganisationsformen, modulare Organisationsstrukturen sowie Netzwerk- und Clusterorganisationen. 6.4.1.1 Funktionale Organisation
Eine funktionale Gliederung liegt vor, wenn die zweitoberste Hierarchieebene des Unternehmens eine Spezialisierung nach den betrieblichen Funktionen (z. B. Vertrieb, Leistungserstellung/Projekte, kaufmännischer Bereich, Personal) vorsieht. In Abbildung 6-08 sind die Grundzüge der funktionalen Organisation dargestellt. Funktionaler Ansatz
Funktionen
Unternehmensleitung
Vertrieb
Leistungserstellung/ Projekte
Personal
Kaufm. Bereich
© Dialog.Lippold
Abb. 6-08:
Funktional strukturierte Unternehmensberatungen
6.4 Organisationsstrukturen von Beratungsunternehmen
733
Der Vorteil dieser Organisationsform, die bei kleineren und mittleren Unternehmen überwiegt, liegt in Spezialisierungsgewinnen und Produktivitätssteigerungen durch Nutzung hochkompetenter spezialisierter Einheiten. Allerdings gestaltet sich die horizontale Koordination, d. h. die Abstimmung zwischen den Funktionsbereichen ziemlich schwer. Viele organisatorische Schnittstellen, Ressortegoismen und hohe Fragmentierung der Arbeitsabläufe führen daher zu einem erhöhten Kommunikations- und Integrationsaufwand. 6.4.1.2 Objektorientierte Organisation
Eine objektorientierte Gliederung liegt dagegen vor, wenn die zweitoberste Hierarchieebene eine Orientierung an Objekten vorsieht. Hier bilden Geschäftsbereiche (engl. Business Units), Service-Lines, Branchen (engl. Industries), Kundengruppen oder Regionen/Märkte das Spezialisierungskriterium. Häufig wird die Objektorientierung einer Organisation auch als divisionale Organisation, Spartenorganisation oder Geschäftsbereichsorganisation bezeichnet. Unterhalb der Spartenebene erfolgt der Organisationsaufbau häufig nach funktionalen Kriterien. Es liegt auf der Hand, dass die objektorientierte Organisation schwerpunktmäßig von größeren, zumeist internationalen Beratungsunternehmen bevorzugt wird. Voraussetzung für den Aufbau einer Spartenorganisation ist die Aufteilung der geschäftlichen Aktivitäten in möglichst homogene, gut voneinander abgrenzbare Sektoren. Dies ist häufig dann der Fall, wenn eine Erfolgszurechnung (Profit- und Loss-Verantwortung) zu den einzelnen Sektoren möglich ist. Mit einer objektorientierten Aufbauorganisation ist eine bessere Ausrichtung auf die jeweiligen Divisionsstrategien ebenso gewährleistet wie eine Entlastung der Unternehmensgesamtführung. Auch sind Unternehmenszukäufe oder der Verkauf von Teilbereichen leichter zu bewerkstelligen. Diesen Vorteilen stehen ein höherer administrativer Aufwand (durch Spartenerfolgsrechnungen, Transferpreis-Regelungen etc.) sowie eine Vervielfachung hoher Führungspositionen als wesentliche Nachteile gegenüber [vgl. Steinmann/Schreyögg 2005, S. 452]. Abbildung 6-09 zeigt ein Beispiel für eine objektorientierte Organisation, bei der die regionale Gliederung im Vordergrund steht.
Support Functions
Technology services
Consuting Services
Region 4
Support Functions
Technology services
Consuting Services
Sales
Region 3
Support Functions
Technology services
Sales
Region 2
Support Functions
Technology services
Consuting Services
Sales
Region 1
Consuting Services
Sparten Divisionen
Stabsabteilungen
Unternehmensleitung
Sales
Objektorientierter Ansatz
© Dialog.Lippold
Abb. 6-09:
Beispiel für eine objektorientierte Organisation
734
6. Controlling und Organisation der Unternehmensberatung
6.4.1.3 Matrix- und Tensororganisation
Funktional und objektorientiert strukturierte Organisationen sind hierarchisch als Einlinien- oder Stabliniensysteme aufgebaut. Damit werden „klare Verhältnisse“ und stabile Beziehungen geschaffen. Mit zunehmender Spezialisierung und Dezentralisierung führen diese Organisationsansätze allerdings zu Problemen: Verschiedene Sichtweisen und Prioritäten der einzelnen Funktionen oder Divisionen fördern Autarkiebestrebungen und erschweren die Koordination. Bei der (zweidimensionalen) Matrixorganisation (siehe Abbildung 6-10) werden genau zwei Leitungssysteme miteinander kombiniert. Die Mitarbeiter stehen dementsprechend in zwei Weisungsbeziehungen, d. h. sie sind gleichzeitig dem Leiter eines horizontalen Verantwortungsbereichs (z. B. Vertriebsmanager) und dem Leiter eines vertikalen Verantwortungsbereichs (z. B. Service-Line-Manager) unterstellt. Die Besonderheit bei der Matrixorganisation liegt darin, dass bei Konflikten oder Meinungsverschiedenheiten keine organisatorisch bestimmte Dominanz zugunsten der horizontalen oder der vertikalen Achse geschaffen ist. Die Befürworter dieses Strukturtyps vertrauen vielmehr auf die besseren Argumente und die Bereitschaft zur Kooperation [vgl. Lippold 2011, S. 178 ff.]. Unternehmensleitung
Sales
Consulting Services
Technology Services
Support Functions
Product Industries
Service Industries
Public Services © Dialog.Lippold
Abb. 6-10:
Matrixorganisation
Während die Matrixorganisation unter gleichzeitiger Anwendung von zwei Gestaltungsdimensionen gebildet wird, kommt bei der Tensororganisation noch mindestens eine weitere Dimension hinzu (siehe Abbildung 6-11). Tensororganisationen sind besonders bei international agierenden Unternehmen beliebt. Neben den Strukturdimensionen „Funktionen“ und „Produkte bzw. Produktgruppen“ als Sparten bilden geografische Einheiten häufig die dritte Dimension [vgl. Vahs 2009, S. 171 ff.]. Kürzere Kommunikationswege, Förderung des Teamgedankens, Problemlösungen unter Berücksichtigung unterschiedlicher Standpunkte stehen einem höheren Kommunikationsaufwand, einer schwerfälligen Entscheidungsfindung und vor allem der Unsicherheit bei einer
6.4 Organisationsstrukturen von Beratungsunternehmen
735
Mehrfachunterstellung gegenüber. Gerade bei größeren, international agierenden Unternehmen, bei denen mindestens zwei Gliederungsdimensionen wettbewerbsrelevant sind, wird die Matrixorganisation praktiziert.
1. Dimension: Funktionen Technology Consulting Technology Consulting Technology Consulting Technology Consulting Leistungs-
Vertrieb
erstellung
F Outsourcing Outsourcing PL Outsourcing CH Outsourcing
Personal
AT D
3. Dimension: Länder
Sparte 1 Sparte 2 Sparte 3
2. Dimension: Sparten
Sparte 4 Sparte 5 Sparte 6 © Dialog.Lippold
Abb. 6-11:
Beispiel für eine Tensororganisation
Der Einsatz einer Matrixorganisation verhindert zwar Verselbständigungstendenzen und verbessert die Koordination, allerdings ist hier die hohe Zahl von Abstimm- und Koordinationsprozessen zeitraubend; auch kann es hier zu Problemen bei der Prioritätensetzung kommen. 6.4.1.4 Netzwerkstrukturen
Im Gegensatz dazu sind bei den meisten modernen Organisationsformen die Befugnisse stärker dezentralisiert. Entscheidungen können dort getroffen werden, wo die inhaltliche Kompetenz liegt. Das verbessert die Reaktionsfähigkeit und Schnelligkeit. Die Steuerung durch gemeinsame Wert- und Zielvorstellungen, deren einheitliche Ausrichtung häufig durch eine starke Unternehmenskultur gefördert wird, und das Vertrauen in das Verantwortungsbewusstsein und die Kompetenz der Mitarbeiter lösen die Hierarchie und die Kontrollmechanismen der klassischen Organisationsform ab. Über Zielvereinbarungssysteme und Ergebniscontrolling wird schließlich die Leistung überwacht [vgl. Klatt 2004, S. 7]. Unter den modernen Organisationsformen nehmen die Netzwerkstrukturen eine dominierende Stellung ein. Netzwerke verfügen über durchlässige Grenzen und befinden sich dank ihrer flexiblen Gestalt in einem permanenten „Zustand der Bewegung“ und sind deshalb Ausdruck einer dynamischen Organisationskonfiguration [vgl. Bleicher 2011, S. 231]. Erste Unterschiede zwischen einer klassischen Führungsstruktur und der Führung von Netzwerken liefert Abbildung 6-12.
736
6. Controlling und Organisation der Unternehmensberatung
Klassisches Management
Management von Netzwerken
Entscheidungsspitze zur Willensbildung
Konstante Führungsbeziehungen
Dynamische Veränderung der Einflussposition
Willensdurchsetzung mittels hierarchischer Koordination
Beteiligung mehrerer Akteure an der Willensbildung
Autonome Implementierung kooperationsbezogener Maßnahmen [Quelle: Abegglen/Ivancic 2013, S. 129 unter Bezugnahme auf Wohlgemuth 2002, S. 5]
Abb. 6-12:
Klassische vs. netzwerkorientierte Führungsstruktur
Den klassischen und modernen Strukturelementen stehen folgende spezielle Anforderungen der Beratungsfirmen gegenüber [vgl. Klatt 2004, S. 4 f.]:
Da sich Berater, die sich durch fachliche und soziale Kompetenz sowie durch einen hohen Interaktionsgrad mit den Kunden auszeichnen, selbständig und verantwortlich arbeiten wollen und sollen, sind flache Hierarchien und weitgehend autonom handelnde, dezentrale Organisationseinheiten in den operativen Bereichen erforderlich.
Trotz dieser Spielräume müssen Führung, Forderung und Förderung der Mitarbeiter sowie die Entwicklung der Wissensplattform sichergestellt werden. Daher sind eine klare Zuordnung der Consultants zu Führungskräften, zu regionalen Home Units und eine Einbindung in die Gesamtstruktur des Unternehmens nötig.
Die Arbeit in Teams, die grundsätzlich projektbezogen, aber über unterschiedlich lange Zeiträume durchgeführt wird, erfordert eine hohe Flexibilität hinsichtlich personeller und zeitlicher Besetzung von Teams.
Da das Beratungsgeschäft in hohem Maße wissensbasiert ist, muss eine Beratungsorganisation den Austausch von Wissen zwischen den Beratern sowie die Speicherung von Wissen sicherstellen.
Administrations-, Support- und Backoffice-Tätigkeiten sowie Standard-Beratungsaufgaben müssen effektiv, arbeitsteilig und mit hoher Zuverlässigkeit durchgeführt werden. Daher muss eine Beratungsorganisation eine arbeitsteilige, stabile Bearbeitung der administrativen und unterstützenden Prozesse sicherstellen.
6.4 Organisationsstrukturen von Beratungsunternehmen
737
Fast man diese Überlegungen zusammen, so kommt man zu dem Schluss, dass weder die klassische funktionale oder divisionale Organisationsform sowie die Matrixorganisation noch die modernen Netzwerk- oder Projektorganisationen alleine alle geforderten Anforderungen erfüllen. Eine flache, flexible, wenig formalisierte, dezentralisierte, gleichzeitig aber verbindliche und klare Organisationsstruktur ist nur als Mischform, d. h. als Kombination verschiedener Strukturmerkmale der einzelnen Modelle zu erreichen [vgl. Klatt 2004, S. 9]. 6.4.2 Kriterien für die Wahl von Strukturformen Gesucht wird also eine Mischform, die alle jeweils geeigneten Merkmale der verschiedenen Organisationsmodelle kombiniert. Die optimale Ausgestaltung der Unternehmensorganisation sollte dabei anhand verschiedener Kriterien erfolgen [vgl. Klatt 2004, S. 7 ff. und Richter/ Schmidt/Treichler 2005, S. 3 ff.]:
Strukturierungs- und Formalisierungsgrad Steuerungs- und Qualitätssicherungsfunktion Zentralisierungsgrad und Unternehmensgröße Arbeits- und Projektumgebung Teamstrukturen Wissensmanagement Support-Funktionen Eigentümer- bzw. Governance-Struktur.
Ein hoher Strukturierungs- und Formalisierungsgrad, der für die klassischen Organisationsformen typisch ist, ist verbunden mit einer klaren Hierarchie und gilt als „chaossicher“, ist allerdings unflexibel und langsam bei Änderungen. Weniger strukturierte Organisationsformen sind dagegen flexibel, kommunikationsfördernd und erleichtern übergreifende Abstimmprozesse. Andererseits sind sie anfälliger für Fehler und langsamer in „normalen“ Situationen. Für die Durchsetzung einer zentralen Steuerungs- und Qualitätssicherungsfunktion empfiehlt sich ebenfalls ein klassisch hierarchisches Modell, das mit geringem Aufwand einheitliche Ziele, eine gemeinsame strategische Ausrichtung und gemeinsame Qualitätsstandards sichert. Zentrale Strukturen korrelieren eher mit einem funktionalen Modell, dezentrale Strukturen eher mit einem divisionalen Modell. Die Matrixorganisation vereinfacht sogar noch die Einbindung einer weiteren Führungsdimension, ohne dass dadurch die hierarchische Steuerungsfunktion beeinträchtigt wird. Große Beratungsunternehmen verfügen zumeist über mehrere Service-Lines, bedienen eine ganze Reihe von Branchen und sind in mehreren Regionen tätig. Eine solche Unternehmensgröße lässt sich in aller Regel nur mit einer divisionalen Organisationsform sinnvoll führen und lenken. Die Arbeits- und Projektumgebung eines Beraters muss einerseits genügend Spielraum für eigenständiges Handeln und andererseits eine eindeutige Ergebniszuweisung ermöglichen.
738
6. Controlling und Organisation der Unternehmensberatung
Hierfür bietet sich die Form der reinen Projektorganisation ebenso wie Projektgruppen innerhalb lateraler Netzwerke als innovationsfördernde Alternative an. Bei Teamstrukturen, die durch komplementäre Fähigkeiten, einen gemeinsamen Arbeitsansatz und wechselseitige Verantwortung gekennzeichnet ist, steht ebenfalls eine flache Aufbaustruktur im Vordergrund. Die ständige Bildung und Auflösung von Teams für zeitlich begrenzte Projekte erfordern die hohe Flexibilität einer Projektorganisation oder – alternativ – hierarchiefreie Clustermodelle. Das Wissensmanagement (engl. Knowledge Management) wird am besten von kommunikationsfreundlichen Modellen wie Matrixstrukturen oder Netzwerkmodellen unterstützt. Besonders die Matrix hat den Vorteil, eine permanente Auseinandersetzung zwischen den verschiedenen Dimensionen zu erzwingen, was der Erzeugung und Weitergabe von Wissen förderlich ist. Eine zuverlässige Bereitstellung der Support-Funktionen für die Berater erfordert eine klar geregelte, arbeitsteilige und hierarchisch aufgebaute funktionale Gliederung, wobei in diesem Zusammenhang auch an eine Ausgliederung (engl. Outsourcing) bestimmter Teilaspekte der administrativen Aufgaben in Betracht gezogen werden kann. Schließlich soll noch die Eigentümer- bzw. Governance-Struktur als Kriterium für Führung und Kontrolle von Strukturorganisationen angeführt werden: Eigentümergesellschaften haben ein ähnliches Selbstverständnis wie die Angehörigen freier Berufe (Ärzte, Rechtanwälte, Steuerberater etc.). Sie organisieren sich häufig als Partnerschaften, in denen die Partner an Gewinn und Verlust ihres Unternehmens teilhaben und selbst Einfluss auf die Führung und Kontrolle nehmen. Im Vergleich dazu verstehen sich die Mitglieder des Managements, das eigens zur Führung von Beratungsunternehmen eingesetzt wird, in erster Linie als Mitarbeiter. Sie erhalten häufig leistungsbezogene Anreize wie z. B. Stock Options, ohne allerdings über nennenswerte Mitsprache- und Kontrollfunktionen zu verfügen.
6.4.3 Modell einer Organisationsstruktur für Beratungsunternehmen Im Folgenden soll in enger Anlehnung an Klatt [2004] eine Modellorganisation für eine größere, international operierende Unternehmensberatung entwickelt und vorgestellt werden. Dabei wird versucht, die Vorzüge der klassischen mit den Vorzügen der modernen Organisationsformen im Sinne der Anforderungen von großen Beratungsunternehmen zu kombinieren. 6.4.3.1 Kern-Matrix-Struktur
Die grundsätzliche Aufbauorganisation der Modell-Unternehmensberatung findet sich – nicht zuletzt aufgrund der vorgegebenen Unternehmensgröße und internationalen Marktausrichtung – in einer dreidimensionalen Matrix wieder. Diese Kern-Matrix-Struktur besitzt Überschneidungen von drei weitgehend homogenen Gliederungskriterien, die die Ausrichtung der Dimensionen bestimmen. Solche Dimensionen können sein:
6.4 Organisationsstrukturen von Beratungsunternehmen
739
Beratungsart (auch Beratungsdisziplinen wie z. B. Managementberatung, IT-Beratung, Outsourcing)
Service-Lines (nach Branchen, Funktionen oder Service-Offerings)
Regionen (nach Ländern, Ländergruppen).
Eine der genannten Dimensionen wird jeweils als „führend“ bestimmt. In internationalen Beratungsunternehmen ist dies zumeist die Dimension Region, die sich aus mehreren Ländern zusammensetzt. Eine Region wird häufig auch als strategische Geschäftseinheit (SBU) bezeichnet. Für Beratungsunternehmen, die weitgehend die gesamte Bandbreite aller Beratungsdisziplinen (z. B. Consulting Services, Technology Services und Outsourcing Services) anbieten, spielt die Beratungsart eine wichtige Rolle und kann zuweilen die Region als führende Dimension ablösen. Unternehmen dagegen, die nicht über ein solch breites Angebotsprofil verfügen, werden eher die Branche (z. B. Financial Services, Automotive, Public Services) oder bestimmte Funktionsbereiche (z. B. Marketingberatung, Controllingberatung, Logistikberatung) als strukturbestimmende, führende Dimension auswählen. Darüber hinaus ist es möglich, innerhalb einer Dimension (z. B. Beratungsart bzw. Services) nach unterschiedlichen Kriterien zu gliedern. So kann z. B. eine Beratungsart bzw. Service-Line nach Branchen und eine andere Service-Line nach Funktionen untergliedert werden. In Abbildung 6-13 ist eine solche Kern-Matrix am Beispiel der strategischen Geschäftseinheit „Zentral- und Osteuropa“ von Capgemini aus dem Jahr 2006 mit unterschiedlichen Gliederungskriterien für einzelne Beratungsarten dargestellt. Central and Eastern Europe 1. Dimension: Disciplines
Shared services
CEE Technology Consulting Outsourcing Technology Consulting Outsourcing PL 3. Dimension: Technology Consulting Outsourcing CH Technology Consulting Outsourcing Countries Technology Consulting Outsourcing AT D Manufacturing Distribution
Human Res.
Application Management
Marketing Controlling
Application Development
Finance
Automotive Financial Services
Procurement Public Services
Legal IT(ICS) Facility
SAP Business Solutions
Energy & Utilities Telco, Media, Entertainment
Infrastructure Management Desktop & Distributed Services
2. Dimension: Services
Business Process Outsourcing ITOutsourcing © Dialog.Lippold
Abb. 6-13:
Beispiel einer Kern-Matrix von Capgemini Zentral- und Osteuropa 2006
740
6. Controlling und Organisation der Unternehmensberatung
Die meisten Unternehmensberatungen ändern ihre generelle Grundausrichtung mit einer gewissen Regelmäßigkeit. So hatten drei von fünf befragten international ausgerichteten Beratungsunternehmen die Ausrichtung ihrer Kern-Matrix innerhalb der zurückliegenden zwei Jahre geändert – und zwar in unterschiedliche Richtungen [vgl. Klatt 2004, S. 14]. 6.4.3.2 Enabling-Struktur
Neben den operativen Linienfunktionen, die in der Kern-Matrix abgebildet sind, existiert in jedem größeren Beratungsunternehmen eine Reihe von permanenten Service- und administrativen Funktionen, die den Beratern den Rücken freihalten bzw. diese bei ihren operativen Tätigkeiten unterstützen sollen. Im angelsächsischen Sprachgebrauch werden diese wichtigen Funktionen – durchaus zu Recht – auch als Enabling Functions (und nicht despektierlich als Overhead Functions) bezeichnet. Zu den zentralen Funktionen zählen u. a. das Rechnungswesen und das Controlling, die Steuer- und Rechtsabteilung, die Öffentlichkeitsarbeit, die IT-Abteilung, der Einkauf und vor allem die Personalabteilung. Aber auch Back-Office-Bereiche wie die Research- oder Grafikabteilung können ein wichtiger Bestandteil der zentralen Dienste sein. Die genannten Funktionen sind in der Regel entweder hierarchisch funktional oder objektorientiert gegliedert. Die funktionale Gliederung geht zumeist einher mit einer zentralen Organisation, während die objektorientierte bzw. divisionale Gliederung eher dezentral organisiert ist. Am Beispiel des Personalsektors sollen die funktionale und die objektbezogene Perspektive der Enabling-Bereiche kurz skizziert werden [vgl. Lippold 2014, S. 309 ff.]: Bei der funktionalen Perspektive erfüllt der Personalsektor seine Aufgaben entsprechend der personalwirtschaftlichen Funktionen wie z. B. Personalplanung, Personalbeschaffung, Personalbetreuung oder Personalentwicklung. Diese Organisationsform ist gekennzeichnet durch eine zentrale Ausrichtung, d. h. eine Leitungsperson (Personalchef) koordiniert die direkt untergeordneten Abteilungen und hat die zentrale Entscheidungsgewalt über alle personalwirtschaftlichen Fragen. Vorteile dieser funktionalen Ausrichtung sind die hohe Spezialisierung einerseits und die eindeutig geregelten Zuständigkeiten anderseits. Nachteilig wirkt sich allerdings aus, dass die Kunden des Personalsektors (Mitarbeiter, Führungskräfte etc.) unterschiedliche Ansprechpartner haben und damit bei komplexen und organisationsübergreifenden Fragen keine zielgerichtete Kommunikation stattfinden kann. Auch führt die klare Ressortabgrenzung im Personalsektor häufig zu Ressortegoismen und „Silodenken“. Generell lässt sich feststellen, dass die funktionale Organisation des Personalsektors eher in kleineren und mittleren Unternehmen zum Tragen kommt [vgl. Bartscher et al. 2012, S. 157 f.]. Im Rahmen der objektbezogenen Perspektive wird die Personalarbeit nach Objekten aufgeteilt und zugeordnet. Objekte sind vor allem Unternehmensbereiche oder Service-Lines. Auch hier werden die einzelnen Organisationseinheiten von einem Personalleiter koordiniert. Bei dieser organisatorischen Ausrichtung haben interne Kunden in der Regel einen festen Ansprechpartner, der auf die besonderen Bedürfnisse jeder einzelnen Objektgruppe ausgerichtet ist. Die Gefahr der objektbezogenen Struktur liegt darin, dass sich die einzelnen Personalbereiche verselbständigen und eigenständige Konzepte, Instrumente und Lösungen entwickeln. Die Gefahr ist immer dann besonders groß, wenn die Objektbereiche sehr unterschiedlich sind und eine
6.4 Organisationsstrukturen von Beratungsunternehmen
741
besondere Stellung für sich beanspruchen. Die objektbezogene Ausrichtung der Personalaktivitäten kommt naturgemäß eher in größeren, zumeist auch international agierenden Unternehmen zur Anwendung [vgl. Bartscher et al. 2012, S. 159]. Die Bereitschaft zur Umsetzung des Business Process Outsourcing („Make-or-buy“) in Verbindung mit dem allgegenwärtigen Kostendruck auf alle administrativen Bereiche hat zur Weiterentwicklung der Organisationsformen nahezu aller „zentralen Dienste“ (Marketing, Personal, Controlling etc.) geführt. So hat sich im Personalsektor ein Organisationsmodell entwickelt, das sich vor allem bei größeren, international agierenden Unternehmen als „Trias der HR-Organisation“ durchgesetzt hat. Hinter diesem Begriff steht ein HR Service Delivery-Modell mit folgenden drei Organisationsmodulen [vgl. HR-Barometer 2011, S. 14]: Competence Center. Im strategisch ausgerichteten Competence Center (Strategic HR) ist die gesamte HR-Expertise für bestimmte Personalthemen wie Personalgrundsatzfragen, Anreizund Vergütungsfragen, Demografie Management, Employer Branding sowie Personalentwicklungsthemen wie Talent und Leadership Management gebündelt. Die Experten in diesem Bereich bearbeiten demnach Themen, die ganz oben auf der Agenda der Top-Themen des Personalmanagements stehen. Dieser Bereich ist eher zentral zu organisieren, weil die notwendige Expertise für das Gesamtunternehmen gebündelt und nur an einer Stelle vorgehalten werden sollte. Dazu bietet es sich an, das hoch spezialisierte Competence Center als sogenanntes Corporate Center direkt an die Unternehmensleitung anzubinden. Business Partner. Das Aufgabenspektrum des Business Partner-Organisationsmoduls ist prozessorientiert. Führungskräfte und Mitarbeiter der Gesamtorganisation sind nach dem Prozessmodell (interne) Kunden und zugleich (interne) Lieferanten der HR-Business Partner. Diese hohe Beziehungsorientierung (engl. Relationship) führt zur Bezeichnung „Relationship HR“. Als Ansprechpartner für Management und Mitarbeiter sind die Business Partner u. a. zuständig für die Personalauswahl und -integration, für die Betreuung und Beratung im Rahmen der Karriereplanung und für die Planung und Durchführung der Jahresendgespräche (engl. Year-EndReview). Um im Rahmen dieses Prozessmodells der Anforderung nach Kundennähe gerecht werden zu können, ist dieses Organisationsmodul eher dezentral zu organisieren. Service Center. Im Organisationsmodul Service Center sind alle transaktionsorientierten Dienstleistungen gebündelt, die zur Unterstützung der personalen Prozesse erforderlich sind („Transactional HR“). Es handelt sich dabei in erster Linie um Dienstleistungen mit einem hohen Transaktionsvolumen wie die Personalabrechnung inkl. Steuern und Versicherungen, Personalentsendungen (bei international agierenden Unternehmen), die Verwaltung von CafeteriaModellen, Zeitwertkonten, Flexible Benefits und Deferred Compensation sowie das E-Recruiting. In diesem Organisationsmodul sollte auch die technologische Plattform mit seinem Angebot an Self Services verwaltet werden. Ähnlich wie das Competence Center sollte auch das Service Center zentral organisiert sein, da solche kostenoptimierten Dienstleistungen ebenfalls nur an einer Stelle des Unternehmens administriert werden sollten. Da sich alle Geschäftsbereiche die in diesem Center angebotenen Dienstleistungen teilen, wird es auch als Shared Service Center bezeichnet. In Abbildung 6-14 sind die einzelnen Aufgaben der drei HR-Organisationsmodule zu Aufgabenbereichen zusammengefasst und im Überblick dargestellt.
742
6. Controlling und Organisation der Unternehmensberatung
Gliedert man diese personale Organisationsstruktur in eine Gesamtorganisation ein, die nach Geschäftsbereichen strukturiert ist, so bietet es sich an, die zentralen Organisationsmodule auf der hierarchischen Ebene der Unternehmensleitung anzubinden. Das für das Personal zuständige Vorstands- oder Geschäftsführungsmitglied hätte dann unmittelbare Weisungsbefugnis sowohl für das Corporate Center als auch für das Shared Service Center. Die Business PartnerOrganisation ist dagegen dezentral organisiert, d. h. jedem Geschäftsbereich sind die zugehörigen HR-Business Partner direkt zugeordnet. Strategic HR
Relationship HR
Transactional HR
HR-Strategie und -Vision/ HR-Grundsatzfragen
Personalauswahl und -integration
Personalabrechnung inkl. Sozialversicherung
Anreiz- und Vergütung
Onboarding
Personalentsendungen
Personalentwicklung
Personalbetreuung
Flexible Benefits
Führungskräfteentwicklung
Personalbeurteilung
Self Services
Personalcontrolling
Coaching
Personalreporting
Competence Center (zentral)
Business Partner (dezentral)
Service Center (zentral) [Quelle: Lippold 2013, S. 313]
Abb. 6-14:
Aufgabenbereiche der drei personalen Organisationsmodule
Die oben gezeigte Dreiteilung gilt nicht nur für den Personalsektor. Die gleiche Modellstruktur lässt sich auch auf den Marketing-Bereich übertragen. Hier kann zwischen Strategic, Relationship und Transactional Marketing unterschieden werden (siehe Abbildung 6-15). Organisationsmodul
Competence Center
Business Partner
Service Center
Bereich
Strategic Marketing
Relationship Marketing
Transactional Marketing
Ausrichtung
Strategisch, Leadership-orientiert
Kunden-und Service-Lineorientiert
Service-orientiert
Kompetenzen
Marketing-Experten • Verantwortlich für spezielle Themen • Grundsatzfragen und Richtlinien (z. B. Corporate Branding)
Marketing Business Partner • Verantwortlich für Marketing-Leistungen der Geschäftseinheiten (SGEs) • Service-Line-Marketing
Marketing-Administratoren • Kostenoptimierte Dienstleistungen • Definierte Standards
Aufgaben
Bearbeitung von Themen wie
Bearbeitung Service-Linebezogener Themen wie Konzeption von • Service Offerings • E-Mail-Aktionen • Anzeigen • Prospekte
Marketing-Services wie
Dezentral (Zuordnung zu Geschäftsbereichen)
Zentral (als Service Center)
• • • • •
Organisation
Marketing-Strategie Corporate Design Budgetplanung Externe Kommunikation Interne Kommunikation
Zentral (als Corporate Center)
• Internet/Intranet (Webmaster) • Market Research • Graphics
[Quelle: Lippold 2015a, S. 476]
Abb. 6-15:
Aufgaben- und Kompetenzzentrum eines Marketing-Service-Delivery-Modells
6.4 Organisationsstrukturen von Beratungsunternehmen
743
Gliedert man diese Organisationsstruktur in die Gesamtorganisation (Kern-Matrix-Struktur) ein, so bietet es sich an, die zentralen Organisationsmodule (Competence- und Service-Center) auf der hierarchischen Ebene der Unternehmensleitung anzubinden und als Shared Service Center (SSC) zu bereichsübergreifenden Organisationseinheiten zusammenzufassen. Die Business Partner-Organisation ist dagegen dezentral organisiert und den jeweiligen Service-Lines zugeordnet. Beim Shared Service Center handelt sich um interne, zentrale Organisationseinheiten, die ihre Dienstleistungen nun für alle Unternehmensbereiche an verschiedenen Standorten anbieten. Sie versprechen für die Durchführung der Prozesse messbare wirtschaftliche Vorteile und ein höheres Maß an Kundenorientierung. Im Gegensatz zur klassischen Zentralisierung von unterstützenden Funktionen wird das Shared Service Center als eigenständige Einheit geführt. Im Zuge der Einrichtung von Shared Service Centern bietet es sich – nicht zuletzt unter Kostengesichtspunkten – an, auch über eine rechtliche und/oder geografische Auslagerung, also über das Outsourcing von zentralen Diensten nachzudenken. 6.4.3.3 Arbeitsstruktur
Die als Arbeitsstruktur (engl. Working Structure) bezeichnete Organisationsform ist der Teil der Consulting-Organisation, in der die eigentliche Beratungsleistung erbracht wird. Hier arbeiten die Berater innerhalb einer Projektorganisation in hierarchisch gemischten Teams und teilweise mit Kundenbeteiligung. Gelegentlich sind auch einige in der Support-Struktur angesiedelten Einheiten wie die Grafik-Abteilung oder Research an den Projekten direkt beteiligt. Diese Beraterteams, die räumlich gesehen sowohl im eigenen Unternehmen als auch beim Kunden angesiedelt sein können, werden jeweils für Kundenaufträge aufgestellt und sind daher nur temporäre Organisationseinheiten. Die Leitung der Teams übernehmen Projektleiter, die aber nicht unbedingt in der Kern-Matrix die höchste Rangposition der beteiligten Berater einnehmen müssen. Nach Projektabschluss lösen sich die Teams wieder auf und ihre Mitglieder nehmen vorübergehend in der Kern-Matrix ihre Position wieder ein, wo sie Routineaufgaben (Führungsaufgaben, Projektdokumentation, Schulung, Weiterbildung, Recruiting, Angebotserstellung etc.) wahrnehmen. Die so beschriebene Arbeitsstruktur stellt demnach so etwas wie eine virtuelle Organisation dar, die die Kern-Matrix überlagert, sobald sie in Kraft tritt. Ist das Projekt beendet, verschwindet die Arbeitsstruktur aus der Matrix. Die gleiche Vorgehensweise gilt auch für interne Projekte sowie für die Neu- und Weiterentwicklung von Beratungsprodukten und -methoden. Diese temporären Research- und Development-Teams sind fachliche Kompetenzzentren (engl. Practices), deren Mitglieder aufgrund ihrer besonderen Erfahrungen und Kenntnisse und weitgehend ungeachtet ihrer Hierarchiestufe in der Kern-Struktur zusammengestellt werden. In Abbildung 6-16 ist die oben skizzierte Working Structure mit den Ausprägungen Kundenprojekte, interne Projekte und Practices als Überlagerung einer dreidimensionalen Kern-Matrix dargestellt.
744
6. Controlling und Organisation der Unternehmensberatung
Unternehmensleitung
Shared services
Technology Technology Technology Technology
Consulting Consulting Consulting Consulting 1.1.Dimension Dimension
Outsourcing Outsourcing Outsourcing Outsourcing
3. Dimension
2. Dimension
Arbeitsstruktur - Kundenprojekte
Arbeitsstruktur - Interne Projekte [Quelle: Darstellung in Anlehnung an Klatt 2004, S. 18]
Abb. 6-16:
Arbeitsstruktur - Practices
Vollständiges Modell der Organisationsstruktur einer Unternehmensberatung
6.5 Agile Organisation
745
6.5 Agile Organisation Die Digitalisierung verändert nicht nur Produkte und Geschäftsmodelle, sie führt auch zu signifikanten Veränderungen in der Organisation. Vor allem in kleinen Unternehmen sorgt die Digitalisierung dafür, dass die Motivation der Mitarbeiter steigt, weil sie durch die Digitalisierung ganz einfach mehr „Freude an ihrer Arbeit“ haben. Die Digitalisierung beschleunigt die Kommunikation mit Kunden und auch intern können Mitarbeiter schneller informiert und in Entscheidungen einbezogen werden. Betriebliche Abläufe werden transparenter und flexibler. So stellt der frühere Bitkom- und spätere BDI-Präsident Dieter Kempf fest: „Die Digitalisierung verändert die Wirtschaft grundlegend, das hat auch Auswirkungen auf die Organisation der Unternehmen. Der Kontakt mit Kunden findet heute oft rund um die Uhr und in aller Öffentlichkeit statt, etwa in sozialen Netzwerken“ [Bitkom-Pressemitteilung vom 27.04.2015]. 6.5.1 Softwareentwicklung als Modell für Organisationsentwicklung Wenn es nun darum geht, entsprechende digitale Lösungen als Antwort auf die Anforderungen der VUCA-Welt zu entwickeln, wird Agilität zum Schlagwort. Veränderungen, die mit der Digitalisierung einhergehen, machen nicht nur agile Tools und Techniken erforderlich (siehe Abschnitt 4.6.2), sondern auch eine Anpassung der Arbeitswelt und damit der Organisation. Dabei geht es um kürzere Entscheidungswege und mehr Schnelligkeit und Flexibilität bei der Planung und Umsetzung von Projekten. Agile Organisationen gelten heutzutage als die Struktur, mit der der digitale Wandel und das ständig zunehmende Tempo auf den Märkten am besten gestaltet werden kann. Agile Organisationen gelten als flexibel. Sie passen sich neuen Anforderungen von Kunden viel besser an als die traditionellen Linienorganisationen. Sie sind schneller, vor allem wenn es darum geht zu entscheiden. Denn sie organisieren sich meist selbst, ohne die Entscheidungsleitern nach oben und unten zu durchlaufen. Kurzum: Bei der Einführung einer agilen Organisation geht es um mehr Flexibilität, Schnelligkeit und Vernetzung bei der Planung und Umsetzung von Projekten (siehe Insert 6-03). Die agile Bewegung gründet auf der ursprünglichen Idee, bessere Software zu entwickeln. Inzwischen wird der agile Ansatz zu allen Arten von Entwicklungsarbeit wie etwa Design, Technik, Marketing und Management herangezogen und von der anfänglichen Fokussierung auf kleine selbstorganisierte, aber bereichsübergreifende Teams zur agilen Gesamt-Organisation ausgeweitet. Auch die einstigen Grundwerte von Agilität wurden mehr und mehr abstrahiert, um in ganzen Unternehmen eine Kultur der Transparenz, Selbstorganisation und feedbackorientierten Zusammenarbeit zu schaffen [vgl. DMK e-Business 2017]. Für die agile Organisation existiert keine allgemeingültige Definition. Es ist aber wichtig zu wissen, dass wesentliche Impulse der agilen Planung und Organisation aus der Softwareentwicklung kommen. Hier war es zunächst das Wasserfallmodell, das die Vorgehensweise und Methodik in nahezu jedem Projekt bestimmte. Die geordnete Struktur des Modells macht das Vorgehen vor allem für Projekte interessant, die sehr konstante Anforderungen aufweisen und keine kurzfristigen Korrekturschleifen benötigen. Entsprechend ungeeignet ist das Wasserfall-
746
6. Controlling und Organisation der Unternehmensberatung
Modell für Projekte mit vielen unvorhersehbaren Faktoren, die flexible Anpassungen benötigen. Da der geplante Ablauf aus der Konzeptionsphase fest eingehalten wird, zeigen sich Fehler in der Umsetzung normalerweise erst gehäuft am Ende des Projektes. Die Fehler zu diesem späten Zeitpunkt zu korrigieren ist entsprechend teurer als es eine frühzeitige Überarbeitung gewesen wäre.
Insert 6-03:
Gründe für die Anpassung hin zu einer agilen Organisation
Um den Problemen des Wasserfallmodells entgegenzuwirken, wurden zahlreiche agile Vorgehensweisen für die Softwareentwicklung erprobt, die das Projekt nicht anhand eines langfristigen Plans, sondern mit Hilfe kurzer Bearbeitungszyklen (Sprints) steuern. In diesen Bearbeitungszyklen, die jeweils zwischen einer und vier Wochen dauern, werden jeweils einer oder mehrere Themenbereiche bearbeitet, getestet und abgeschlossen.
6.5 Agile Organisation
747
Damit stellt sich aber die Frage, was Softwareentwicklung mit Organisationsentwicklung zu tun hat. Beiden gemeinsam ist, dass es schwierig ist, von Anfang an Ziele spezifisch und messbar zu definieren und dass nicht vorhersehbare Probleme und Änderungen bei der Umsetzung von Zielen eher die Regel als die Ausnahme sind. Aufgrund der kurz-zyklischen Vorgehensweise, bei der während der Umsetzung eines laufenden Zyklus keine Veränderungen vorgenommen werden dürfen, soll bei agilen Organisationsformen die Stabilität des Arbeitsprozesses sichergestellt werden. Gemeinsame agile Werte wie zum Beispiel Commitment, Fokus, Offenheit oder Mut, die in der Praxis von jedem Team gelebt werden müssen, sind oft der Ausgangspunkt für die agile Organisationsentwicklung. Diesen Werten, die bei der agilen Softwareentwicklung eine große Rolle spielen, wird auch eine hohe Bedeutung für den Erfolg des Organisationsprozesses beigemessen. Insert 6-04 zeigt, dass die Softwareentwicklung bei weitem nicht mehr das einzige Einsatzgebiet agiler Methoden ist. Im Gegenteil, gut ein Drittel aller befragten Unternehmen setzen agile Methoden in Anwendungsfeldern ohne besonderen IT-Bezug (und damit auch in der Organisationsentwicklung) ein [vgl. GPM-Studie 2017, S. 12]. Insert In welchen Themenbereichen nutzen Sie agile Methoden bzw. agiles Projektmanagement? 82% 80%
60% 40% 40%
34%
20% 1%
0% SoftwareEntwicklung
IT-nahe Themen (z.B. SAP-Projekte)
Fragt man nach den Einsatzgebieten agiler Methoden, so überwiegt nach wie vor die Softwareentwicklung als Anwendungsfeld. Teilweise wird die Diskussion sogar noch durch die Vorstellung geprägt, agile Methoden seien ausschließlich für die Softwareentwicklung geeignet. Die Studiendaten zeigen deutlich, dass diese Annahme falsch ist. Es ist zwar ersichtlich, dass
Insert 6-04:
Einsatzgebiete agiler Methoden
Aktivitäten ohne besonderen IT-Bezug
Keine Angabe
n=720
die Softwareentwicklung nach wie vor als Anwendungsfeld bei der Nutzung agiler Methoden dominiert; aber auch bei Aufgaben im IT-nahen Umfeld und sogar bei Aktivitäten ohne jeglichen IT-Bezug spielen agile Methoden eine ausgeprägte Rolle. [Quelle: GPM-Studie 2017, S. 11 f.]
748
6. Controlling und Organisation der Unternehmensberatung
6.5.2 Unterschiede zur klassischen Organisation Aus klassischer Führungssicht zielt die agile Organisation auf eine Selbstorganisation, die ein Maximum an Delegation darstellt. Die Führung wird dabei temporär immer wieder von neuen Teammitgliedern übernommen und kann als „Führung on demand“ bezeichnet werden. Bei einer ausgeprägten Selbstorganisation hat das Organigramm als Pyramide ausgedient. Gefragt ist eine breite Plattform, auf der die Mitarbeiter für das Unternehmen und auch im Sinne der Unternehmensziele erfolgreich sein können. Zudem sind Vorgesetzte nicht mehr für die Einteilung der Arbeit zuständig. In einer agilen Organisation regelt das jeder Einzelne in Abstimmung mit dem Team, und zwar nach inhaltlichen und motivationalen Gesichtspunkten. Viele Dinge werden transparenter und Herrschaftswissen nimmt ab. Eine agile Organisation muss eine hierzu passende Kultur haben. Für die Unternehmenspraxis bedeutet das: Die Kontroll- und Politikinstrumente treten in den Hintergrund. Transparenz und eine offene Diskussionskultur prägen die Organisation. Vornehme Zurückhaltung ist kontraproduktiv, da essenzielle Punkte so nicht auf den Tisch kommen. Auch der für agile Unternehmen wichtige Austausch von informellem Wissen wird sehr stark durch die Unternehmenskultur vorgegeben. Die Teamkultur, die Zusammenarbeit im Team und der Teamprozess selbst stehen im Vordergrund und werden immer wieder gezielt verbessert [vgl. Nowotny 2017]. Die Unterschiede zu hierarchischen oder Matrixorganisationen lassen sich wie folgt zusammenfassen [vgl. Albert/Krumbier 2014]: Die agile Organisation vermeidet Arbeitsteilung und Differenzierung. Für agile Organisationen sind Kräfte, die von außen kommen, wichtiger als Kräfte, die von oben – also vom Management – kommen. Vernetzte Kommunikation und informelle Strukturen treten bei agilen Unternehmen in den Vordergrund. Agile Organisationsentwicklung folgt dem Prinzip des „test-driven-development“. Dabei wird ein missglückter Testballon nicht als „Fehlschlag“ bewertet, sondern als eine „hilfreiche Information“. Agile Organisationen haben anders als hierarchische Organisationen eine organische oder zellartige Struktur. Sie bestehen durchgehend aus Teams, die eigenverantwortlich und ohne klassische Führungskraft arbeiten. Transparenz im Vorgehen und in der Kommunikation ist eine der wichtigsten Voraussetzungen der agilen Organisationsentwicklung. Der Informationsaustausch im Team wird bei der agilen Organisation großgeschrieben – das gilt sowohl bei den Inhalten als auch bei der Zusammenarbeit. Das Lernen ist Bestandteil des Prozesses. Agile Organisationsmodelle entsprechen in ihrer ausgeprägten Form dem kooperativen Führungsstil. Allerdings sollte die Passung von Führungsstil und Organisationsform im Kontext neuer Zusammenarbeitsmodelle immer wieder diskutiert werden. Denn es gibt es einen Punkt, an dem der optimale Grad der Mitbestimmung für die jeweilige Organisation erreicht ist. Wird die Organisation über diesen Punkt hinaus demokratisiert, mindern negative Effekte den Erfolg.
6.5 Agile Organisation
749
Sind die Voraussetzungen gegeben, so sehen die Vertreter der agilen Organisationsentwicklung folgende Vorteile im agilen Vorgehen [vgl. Kasch 2013, S. 49]: Entscheidungsprozess: Nach einer Übergangsphase werden Entscheidungen schneller getroffen, da Flaschenhälse in der Kommunikation erkannt und beseitigt wurden. Freiräume: Das Unternehmen kann seine Attraktivität steigern, da die geschaffenen Freiräume der zunehmenden Mündigkeit des Einzelnen entsprechen. Kundenorientierung: Produkte und Leistungen werden (wieder) kundenorientierter, da durch die konsequente Ausrichtung am Markt der Dialog mit Kunden verstärkt wird. Kommunikation: Es ergeben sich eine verbesserte, in der Regel auf das Wesentliche reduzierte Kommunikation und Koordination. Transparenz: Für alle Mitarbeiter wird eine sinnvolle Transparenz hergestellt, zum Beispiel sind die Unternehmenskennzahlen für alle ersichtlich. So stimmt der Kontext für eigenverantwortliches Handeln. Einbindung: Es werden alle Beschäftigten an der Leistung und weiteren Entwicklung des Unternehmens beteiligt.
6.5.3 Bewertung Welche Methode eignet sich besser für die Organisationsentwicklung, die agile oder die klassische Methode? Eine Antwort darauf muss differenziert ausfallen: Es gibt Projekte und Kundenumgebungen, bei denen sich die klassische Planung bewährt hat und sich weiter bewähren wird. Methodik und Planung sollten zu den Strukturen und zur Kultur einer Organisation oder eines Projekts passen, ebenso wie zum Charakter des Veränderungsprozesses selbst. Wenn ein Leitsatz der Organisationsentwicklung, nämlich „Veränderung braucht Stabilität“ zutrifft, dann werden sich die Verantwortlichen oder Beteiligten eines Change Prozesses nicht so ohne Weiteres auf den Wechsel der methodischen Vorgehensweise einlassen. Mit anderen Worten, je aufwändiger ein organisatorischer Reformprozess und je höher das Risiko für die Beteiligten (insbesondere der Führungskräfte) ist, desto geringer wird in der Regel die Bereitschaft sein, sich auf eine experimentelle Methodik mit vielen ergebnisoffenen Iterationsschritten einzulassen. Deshalb muss der Einsatz agiler Methoden sorgsam überlegt und ggf. mit den bekannten Elementen linearer Planung wie z.B. Meilensteine, Berichte und Entscheidungsweichen ausbalanciert werden. Dies mag auch der Grund dafür sein, dass die durchgängige Nutzung agiler Methoden („nach Lehrbuch“) eher die Ausnahme als die Regel ist (siehe Insert 6-05). Fazit: Zwar werden durch die agile Vorgehensweise die zentralen Probleme des starren Wasserfall-Modells gelöst, allerdings ergeben sich dadurch auch Nachteile: Aufgrund der eigenständigen Arbeitsweise des ausführenden Teams ergeben sich für den Auftraggeber ge-
750
6. Controlling und Organisation der Unternehmensberatung
wisse Einschränkungen bei der Planungssicherheit. Es ist vergleichsweise schwierig abzuschätzen, welches Ergebnis am Ende einiger Sprints zu erwarten ist. Entsprechend problematisch ist auch die Messung der Erfolge insgesamt.
Insert In welcher Form setzen Sie agile Methoden in Ihrem Tätigkeitsbereich bei der Durchführung und Planung von Projekten/ Entwicklungsprozessen ein?
12% 20% Durchgängig agil Hybrid
31% 37%
n=902
Durchgängig klassisch
[Quelle: GPM-Studie 2017, S. 11]
Die Art der Nutzung agiler Methoden zeigt kein einheitliches Bild. Lediglich 20 Prozent der über 900 Studienteilnehmer und damit die kleinste der unterschiedenen agilen Gruppen arbeiten durchgängig agil. Die vorherrschende Einsatzform ist
Insert 6-05:
Selektiv
„hybrid“ (37 Prozent) gefolgt von „selektiv“ (31 Prozent), also sowohl agil als auch klassisch. Lediglich 12 Prozent arbeiten noch durchgängig klassisch.
Art der Nutzung agiler Methoden
Die agile Organisationsentwicklung, die sich durch hohe Flexibilität auszeichnet, ist der genaue Gegenentwurf zur geordneten, linearen, aber starren Vorgehensweise des WasserfallModells. Hohe Flexibilität in der Projektdurchführung steht also einer hohen Planungssicherheit gegenüber. Was liegt da näher, als die Vorteile beider Vorgehensweisen – also Flexibilität und Planungssicherheit – miteinander zu kombinieren? Und genau diese Kombination aus Wasserfall- und agilem Modell wird derzeit in vielen Projekten in Angriff genommen. Dabei werden die einzelnen Phasen nicht mehr so starr voneinander getrennt – Überschneidungen und Reviews sind zugelassen. Darüber hinaus ist es möglich, während der einzelnen Phasen einige Sprints einzubauen, die gewisse Teilaufgaben abschließen. Das Ergebnis ist eine gesunde Mischung aus Planungssicherheit und Flexibilität [vgl. Lippold 2020d]. Wie sieht die Praxis aus? 20 Prozent der über 900 GPM-Studienteilnehmer arbeiten durchgängig agil. Die vorherrschende Einsatzform ist „hybrid“ (37 Prozent) gefolgt von „selektiv“ (31 Prozent), also sowohl agil als auch klassisch. Lediglich 12 Prozent arbeiten noch durchgängig klassisch [vgl. GPM-Studie 2017, S.11].
6.5 Agile Organisation
751
Andererseits zeigen die Ergebnisse der GPM-Umfrage zum Status-Quo der Verbreitung und Nutzen agiler Methoden, dass die Leistungsfähigkeit agiler Methoden deutlich höher eingeschätzt wird als die der klassischen Methoden (siehe Insert 6-06).
Insert Sind durch die Anwendung von agilen Methoden Verbesserungen bei Ergebnissen und Effizienz realisiert worden?
15%
Ja
12%
Nein Keine Angabe
73%
[Quelle: GPM-Studie 2017, S. 21 f.]
n=733 Durch die Umstellung einzelner Entwicklungsprozesse vom klassischen Projektmanagement auf agile Methoden zeigt sich natürlicherweise eine Veränderung im gesamten Bearbeitungsprozess. In der Studie „Status Quo Agile“ wurde der Erfolg bzw. Misserfolg dieses Veränderungsprozesses näher untersucht. So wurden die Teilnehmer gebeten, eine Einschätzung zur Verbesserung der Entwicklungsprozesse durch
Insert 6-06:
den Umstieg auf agile Methoden zu geben. Hierbei gaben 73 % der Befragten – also deutlich mehr als zwei Drittel aller Studienteilnehmer – an, bessere und effizientere Ergebnisse zu erzielen. Außerdem gaben 91 Prozent der befragten Teilnehmer an, dass die Verbesserung höher bzw. sehr viel höher als der dazu benötigte Aufwand ist.
Verbesserung durch agile Methoden
Andererseits zeigen die Ergebnisse der GPM-Umfrage zum Status-Quo der Verbreitung und Nutzen agiler Methoden, dass die Leistungsfähigkeit agiler Methoden deutlich höher eingeschätzt wird als die der klassischen Methoden. Allerdings basiert die hohe Erwartungshaltung gegenüber solch guten Ergebnissen auf eine Reihe von Voraussetzungen, die zwingend erfüllt sein müssen. Zu den wichtigsten Voraussetzungen zählen: Agile Werte (z.B. Commitment, Fokus, Offenheit, Mut), die von allen Teilnehmern gelebt werden Einheitliche und hohe digitale Kompetenz aller Teammitglieder Eine Unternehmenskultur, die agiles Denken und Handeln erlaubt und bei der Kontrollund Politikinstrumente in den Hintergrund treten Rollen- und Aufgabenklarheit, klare Prioritäten sowie passende Meeting-Formate und Kommunikationsstrukturen.
752
6. Controlling und Organisation der Unternehmensberatung
6.5.4 Datengetriebene Agilität Start-ups organisieren sich zunehmend im Sinne einer datengetriebenen Agilität. Beispiele wie Amazon, Facebook, Google und Spotify zeigen, dass sich diese Methoden und Vorgehensweisen auch skalieren lassen und somit für große Unternehmen geeignet sind. Die Ansatzpunkte bei der Umsetzung sind von Unternehmen zu Unternehmen allerdings unterschiedlich. Während einige Unternehmen große Investitionen in die Infrastruktur tätigen werden, konzentrieren sich andere auf die Qualifikation von Mitarbeitern und die Etablierung neuer Arbeitsweisen und Methoden. In der datengetriebenen Agilität konvergieren verschiedene Entwicklungsstränge zu einer neuen Arbeitsweise, die Raum für digitale Innovation schafft und eigenverantwortliches Arbeiten ermöglicht. Sie fördert kontinuierliches Lernen, um der zunehmenden Unsicherheit über Märkte und Kundenverhalten zu begegnen [vgl. Sopra Steria Consulting 2016, S. 6 ff.]. In Insert 6-07 sind die verschiedenen Entwicklungsrichtungen, die zu einer datengetriebenen Agilität führen, dargestellt. Die Digitalisierung verändert aber nicht nur die Organisation der kleinen Unternehmen. Auch bei großen Organisationen ist die neue Arbeitswelt geprägt durch Netzwerke, die zwischen Unternehmen geteilt werden, ohne dass dies für Kunden oder Mitarbeiter sichtbar ist. Immer weniger zählen Organisationszugehörigkeit und hierarchische Zuordnung. Loyalitäten werden zunehmend durch die fachliche Expertise bestimmt. Zur Erbringung spezifischer Leistungen greifen die Unternehmen nicht mehr unbedingt auf die eigene Workforce zu. Vielmehr führt globale Transparenz von Know-how und Verfügbarkeiten hoch qualifizierter Fachkräfte vermehrt zu einem „hiring on demand“. Ein weiterer organisatorischer Trend hängt mit dem Einsatz komplexer, aber standardisierter IT-Systeme zusammen. So ist die Erkenntnis gewachsen, dass es deutlich preiswerter ist, Organisationsformen und Prozesse der Software anzupassen, als die Software entlang der Organisation zu überarbeiten und neu zu strukturieren. Doch nicht nur die Software, die durch Standardisierung Organisationsformen homogener macht, wird Teil der Wertschöpfung, auch die Einbindung der Crowd und der Einsatz von Open Innovation führen zu einer Öffnung und Entgrenzung vormals geschlossener Unternehmensstrukturen und damit zur Verbesserung der Wertschöpfungsstrukturen. Schnelle und offene Skalierung wird offenbar zum Königsweg in der Digitalisierung. Einfluss auf die Organisation hat auch der Prosumerismus, bei dem Kunden und Begeisterte digitalisierbare Leistungen freiwillig und unentgeltlich erbringen. Freiwillige digitale Arbeit kann so in Teilen professionelle Beschäftigung ersetzen [vgl. Shareground/St. Gallen 2015].
6.5 Agile Organisation
Insert 6-07:
753
Bestimmungsfaktoren der datengetriebenen Agilität
Wie sich angesichts dieser Rahmenbedingungen die Arbeitswelt in den nächsten Jahren verändern kann, zeigen folgende Thesen von Shareground/St. Gallen [2015], die hier auszugsweise wörtlich wiedergegeben werden:
754
6. Controlling und Organisation der Unternehmensberatung
Digitale Leistungen werden in immer kleinere Teile zerlegt und an „Virtual Laborers“ delegiert. Durch Big Data Analysen können Wertbeiträge einzelnen Arbeitskräften präzise zugeordnet werden. Cloud- /Clickworker erbringen ihre Leistungen im Akkord. Absehbar werden viele dieser Tätigkeiten bald voll digitalisiert.
Mit Big Data liegen für alle Lebensbereiche hinreichend Daten vor. Die Fähigkeit, diese sinnhaft zu kombinieren und zu interpretieren ist eine Schlüsselqualifikation digitaler Arbeit und nicht substituierbar. Von traditioneller Datenanalyse unterscheidet sich die Arbeit mit Big Data allerdings, da keine Hypothesen mehr benötigt werden („end of theory“).
Hochqualifizierte Spezialisten erbringen im Rahmen von Projektarbeit Arbeitsleistung rund um die Welt. Qualifikationen sind global transparent und vergleichbar. Die räumliche Verortung des Leistungserbringers spielt keine Rolle mehr. Arbeit erlangt damit erstmals die gleiche Mobilität wie Kapital.
Die traditionellen Arbeitsorte und -zeiten lösen sich auf. Für Arbeitnehmer ergeben sich hieraus individuelle Gestaltungspotenziale, zum Beispiel zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf aber auch neue Belastungen („always on“).
Die Automatisierung von Arbeit ist endlich, da kreative Tätigkeiten verbleiben, die voraussehbar nicht maschinell substituierbar sind. Diese finden sich vor allem in sehr spezifischen Nischen. Unternehmerische Skills, Kreativität und die Beherrschung der Maschinen gelten als nur schwer substituierbare Fähigkeiten.
In Hochlohnländern werden Tätigkeiten mit unmittelbarer menschlicher Interaktion aufgewertet. Diese Jobs wachsen auch prozentual. Standardisierbare und anonyme Prozesse dagegen, gerade im Bereich ICT, werden zum Gegenstand von Offshoring und weiterem Effizienzdruck.
Durch die flexible und bedarfsgerechte Vergabe von Aufträgen an Arbeitskraft-Unternehmer lösen sich traditionelle Arbeitszusammenhänge und -abläufe auf. Die Arbeitszeit setzt sich zusammen aus Mikro-Arbeitszeiten verschiedener Aufgaben, die der Arbeitnehmer nach Bedürfnis und Fähigkeit zusammenstellt.
Immer häufiger wird von den Erbringern kreativer oder geistiger Leistung verlangt, diese auch materiell umzusetzen. 3D-Drucker und andere Werkzeuge begünstigen diesen Trend.
Die weiter steigende Bedeutung von IT eröffnet den „Nerds“ den Weg in die obersten Unternehmensetagen. Was früher die musikalischen Wunderkinder waren, sind heute die frühreifen App-Tüftler und Datenexperten. Zum disruptiven Wandel der Unternehmens-kulturen wird diese Generation erheblich beitragen. Nicht formale Qualifikationen, sondern ausschließlich technisches Können entscheiden fortan über die Employability.
Distanzarbeit, die Anonymität von Crowd- und Clickworking-Arbeitsverhältnissen und die Flexibilisierung der Arbeitszeiten integriert auch soziale Gruppen in den Arbeitsmarkt, die für das klassische Normalarbeitsverhältnis nicht zur Verfügung stehen. Dies gilt – wie zum Beispiel in Berlin beobachtbar – für Startups, aber auch für Clickworker in Schwellenländern.
6.6 Auslagerung von Organisationseinheiten
755
6.6 Auslagerung von Organisationseinheiten 6.6.1 Shared Service Center Seit einigen Jahren zeichnet sich der Trend ab, unterstützende Geschäftsprozesse aus einzelnen Unternehmensbereichen herauszulösen und als Shared Service Center (SSC) zu einer bereichsübergreifenden Organisationseinheit zusammenzufassen. Es handelt sich dabei um interne, zentrale Organisationseinheiten, die ihre Dienstleistungen nun für alle Unternehmensbereiche an verschiedenen Standorten anbieten. Sie versprechen für die Durchführung der Prozesse messbare wirtschaftliche Vorteile und ein höheres Maß an Kundenorientierung. Im Gegensatz zur klassischen Zentralisierung von unterstützenden Funktionen (engl. Support Functions) wird das Shared Service Center als eigenständige Einheit geführt. Einen Konzeptvergleich zur klassischen Zentralisierung sowie zur Dezentralisierung von Support-Funktionen liefert Abbildung 6-17.
Konzept
Zentralisierung Unternehmenszentrale/ Support-Funktionen
Geschäfts- Geschäftsbereich bereich
Detaillierung
Dezentralisierung Unternehmenszentrale
Geschäftsbereich/ SupportFunktionen
Geschäftsbereich/ SupportFunktionen
• Zentrale Ansiedlung der Support-Funktionen in der Unternehmenszentrale
• Dezentrale Ansiedlung der Support-Funktionen in den Geschäftsbereichen
• Kontrolle durch Unternehmenszentrale
• Kontrolle durch Geschäftsbereiche
Shared Service Center Unternehmenszentrale
Geschäfts- Geschäftsbereich bereich Shared Services Organisation (SupportFunktionen) • Zentrale Auslagerung der Support-Funktionen • Führung als eigenständige Einheit • SSC als StandardOrganisationsform für Support-Funktionen © Dialog.Lippold
Abb. 6-17:
Konzept und Detaillierung des Shared Service Center
Mit der Einrichtung eines SSC werden grundsätzlich folgende Ziele verfolgt:
Messbarkeit der Dienstleistungen hinsichtlich Qualität, Kosten und Zeit Festgelegte Leistungserbringung und -kontrolle anhand von Service Level Agreements Kostenreduktion durch Standardisierung der Prozesse sowie durch Nutzung von Skalenerträgen, Synergien und Stellenabbau Eindeutige (Prozess- und Leistungs-)Verantwortlichkeiten bei gleichzeitiger Entlastung der Personalbetreuer von unterstützenden Aufgaben Steigerung der Prozessqualität Sicherstellung definierter Qualitätsstandards Konzentration auf Kernprozesse in den Geschäftseinheiten Wettbewerbsfähigkeit der Shared Services.
756
6. Controlling und Organisation der Unternehmensberatung
Shared Service Center sind in der Beratungsbranche derzeit noch in der Minderheit. Es ist aber davon auszugehen, dass angesichts des immer stärker werdenden Kostendrucks auf alle Unternehmensbereiche auch Teile der Supportfunktionen mit ihren Serviceleistungen von dieser Entwicklung nicht verschont bleiben. Insbesondere die Digitalisierung hat die Arbeit in Shared Service Centern tiefgreifend verändert: Knapp zwei Drittel der Center setzen mittlerweile auf Robotic Process Automation (RPA), um zeitintensive und repetitive Aufgaben zu automatisieren. 26 Prozent nutzen virtuelle Assistenten, sogenannte Chatbots, um automatisierte Services zu erbringen. Und in fast jedem zehnten SSC kommt schon heute Künstliche Intelligenz zum Einsatz. Diese digitalen Technologien helfen nicht nur dabei, die Effizienz zu steigern, Kosten zu sparen und die Qualität der Dienstleistungen zu erhöhen. Sie übernehmen auch immer komplexere Aufgaben. Auf Shared Service Center werden Prozesse aus nahezu allen betrieblichen Funktionsbereichen übertragen. Insert 6-08 gibt einen Überblick über Shared Service Center nach Funktionsbereichen.
Insert 6-08:
Status quo von Shared Service Centern 2019
Diese Transformation hat auch weitreichende Auswirkungen auf die Personalsituation. Es bedarf an motivierten und gut ausgebildeten Mitarbeitern, die diesen zunehmend anspruchsvollen Aufgaben gerecht werden – und eine möglichst niedrige Fluktuation, damit aufgebautes Wissen
6.6 Auslagerung von Organisationseinheiten
757
nicht direkt wieder verloren geht. Um Mitarbeiter in ihren SSCs zu halten, setzen die Befragen auf einen Mix aus finanziellen und nicht-finanziellen Anreizen: 88 Prozent bieten ihrer Belegschaft Vorteile wie reduzierte Versicherungsbeiträge oder kostenlose Mitgliedschaften im Fitnessstudio. 86 Prozent setzen auf Weiterbildung, 80 Prozent zahlen einen Bonus. Das sind die Ergebnisse einer PWC-Studie „Shared Services – Digitalise Your Services“ vom Frühjahr 2019. Die Untersuchung basiert auf der Befragung von Unternehmen, die zusammen mehr als 160 Shared Service Center weltweit betreiben. Das wichtigste Instrument zum erfolgreichen Betrieb eines Shared Service Center ist das Service Level Agreement (SLA). Es handelt sich dabei um eine Vereinbarung zwischen dem Center und seinem Kunden und beschreibt die für den Kunden zu erbringenden Leistungsbestandteile und deren Qualität zu einem definierten Preis. Im SLA sind Verantwortlichkeiten, Rechte und Pflichten des Dienstleistungserbringers und dessen Kunden definiert. Zusätzlich bestimmt es die Ansprechpartner auf beiden Vertragsseiten. Inhalt und Umfang der erbrachten Leistungen des Shared Service Center wird mit Hilfe wichtiger Leistungsindikatoren (engl. Key Performance Indicators – KPI‘s) gemessen und ggf. veränderten Geschäftsbedürfnissen angepasst. Abbildung 6-18 liefert einen Überblick über bevorzugte und besonders geeignete Anwendungsgebiete für Shared Services. Finanz- und Rechnungswesen
Human Resources
• Hauptbuchhaltung
• Gehaltsabrechnung
• Kreditoren/ Debitoren
• Kommission und
• Konzern-CashPooling
• Weiterbildung
Prämien
• Finanzmittelverwaltung • Ausgabenabwicklung • Anlagen/Vermögensverwaltung
• Mitarbeiterdatenverwaltung
IT • Einheitliches ITManagement
Marketing/Vertrieb
Beschaffung
• Auftragsabwicklung
• Warenbestandsmanagement • Logistik Management • ProduktionsTelemarketing management • DatenbankManagement management Reklamierungen • Promotionund management Rücksendungen • VertriebsTechnischer Support management ServiceManagement
• Tele-Sales-
• Hardware- und Software-Beschaffung • • Software-LizenzManagement • • ERP-System und Support • Support und Training • • Entwicklung und • Instandhaltung
• Fremdwährungsrisiko © Dialog.Lippold
Abb. 6-18:
Bevorzugte Anwendungsbereiche für Shared Services
6.6.2 Geografische Auslagerung von Organisationseinheiten (X-Shoring) Im Zuge der Einrichtung von Shared Service Centern kommt es – nicht zuletzt unter Kostengesichtspunkten – häufig zu Standortverlagerungen. Hierbei wird je nach Entfernung der geografischen Verlagerung zwischen folgenden Varianten („X-Shoring“) unterschieden:
758
6. Controlling und Organisation der Unternehmensberatung
Onshoring – Verlagerung von Aktivitäten an einen anderen Standort im eigenen Land; für deutsche Unternehmen bedeutet Onshoring demnach eine Standortverlagerung innerhalb Deutschlands; Nearshoring – Verlagerung von Aktivitäten an einen Standort in nahe gelegene Länder; für deutsche Unternehmen bedeutet Nearshoring eine Standortverlagerung in europäische Länder wie z. B. Polen, Rumänien oder Slowakei; Offshoring – Verlagerung von Aktivitäten an einen Standort in weit entfernte Länder; für deutsche Unternehmen bedeutet Offshoring eine Standortverlagerung z. B. in asiatische Länder wie China, Indien oder Vietnam. Auslöser für die Entscheidung zur geografischen Auslagerung von Shared Service Center oder sonstigen Organisationseinheiten sind die teilweise günstigeren Rahmenbedingungen im Ausland insbesondere bei den Arbeitskosten. So kann die Verlagerung an einen Near- oder Offshore-Standort durchaus ein beachtliches Einsparungspotenzial bergen. Nearshoring-Konzepte bergen den Vorteil von geringeren Risiken und schnelleren Abstimmungen, verbunden allerdings mit höheren Personalkosten im Vergleich zu Offshore-Standorten. Abbildung 6-19 liefert einen Überblick über die unterschiedlichen Standortfaktoren, die bei der Auslagerung unternehmerischer Funktionen und Prozesse berücksichtigt werden müssen. Onshoring (Deutschland)
Nearshoring (Osteuropa)
Offshoring (Asien)
+ + + + + +
+ + + +
+ Sehr niedrige Lohnkosten + Flexible Rahmenbedingungen
Keine Sprachbarrieren Deutsches Rechtssystem Gute Infrastruktur Technisches Know-how vorhanden Qualifiziertes Personal Nähe zum Unternehmen
- Hohe Lohnkosten - Unflexible Rahmenbedingungen - Arbeitnehmerfreundliches Kündigungsschutzgesetz
Keine/geringe Sprachbarrieren Niedrige Lohnkosten Nähe zu Deutschland Geringe kulturelle Anpassungen
- Weniger qualifiziertes Personal verfügbar - Schlechtere Infrastruktur - Größerer Implementierungsaufwand des Shared Service Center
-
Größere Sprachbarrieren Kulturelle Unterschiede Fremdes Rechtssystem Schlechtere Infrastruktur Weniger qualifiziertes Personal verfügbar - Große räumliche Distanz - Sehr großer Implementierungsaufwand des Shared Service Center © Dialog.Lippold
Abb. 6-19:
Vor- und Nachteile von On-, Near- und Offshore-Standorten
Wichtig für die Standortentscheidung sind die Relevanz einzelner Punkte, die Identifizierung der Risikobereitschaft und die Formulierung einer eindeutigen Risiko-Gewinn-Spanne. 6.6.3 Rechtliche Auslagerung von Organisationseinheiten (Outsourcing) Im Zusammenhang mit der geografischen Verlagerung von Organisationseinheiten kann auch über die rechtliche Ausgliederung von Organisationseinheiten entschieden werden. Die Abgabe der rechtlichen und damit unternehmerischen Verantwortung an ein Drittunternehmen wird als Outsourcing bezeichnet. Outsourcing ist damit eine spezielle Form des Fremdbezugs von bisher intern erbrachten Leistungen. Zwischen On-, Near- und Offshoring einerseits und
6.6 Auslagerung von Organisationseinheiten
759
dem Outsourcing anderseits besteht grundsätzlich kein zwingender sachlicher Zusammenhang, obgleich die verschiedenen Begriffe immer wieder zu Missverständnissen führen. Abbildung 6-20 liefert eine entsprechende begriffliche Abgrenzung.
Unternehmerische Verantwortung für die Leistungsquelle
Geografische Verlagerung
Interne Verlagerung
Externe Verlagerung
(Verantwortung trägt eigenes Unternehmen)
(Verantwortung trägt Drittunternehmen) → Outsourcing
Onshoring
Captive Onshoring
Onshore Outsourcing
Nearshoring
Captive Nearshoring
Nearshore Outsourcing
Offshoring
Captive Offshoring
Offshore Outsourcing © Dialog.Lippold
Abb. 6-20:
Begriffliche Abgrenzung zwischen On-, Near- und Offshoring sowie Outsourcing
Vorreiter beim Fremdbezug von bislang intern erbrachten Leistungen ist das IT-Outsourcing. Hierbei dominierte zunächst das infrastrukturorientierte Outsourcing (Hardware, IT-Netze). Aktuell gewinnen aber das anwendungsbezogene Outsourcing (engl. Application Management) und das prozessorientierte Outsourcing (engl. Business Process Outsourcing) zunehmend an Bedeutung im Rahmen des IT-Outsourcings. Wesentliche Gründe für die Auslagerung eines Shared Service Center im Rahmen eines Outsourcing-Vertrags sind:
Kostenreduktion durch geringere Total Cost of Ownership, die nicht nur die Anschaffungskosten einer bestimmten Infrastruktur, sondern auch die späteren Nutzungskosten (Modifikationen, Wartung) berücksichtigt
Konzentration auf die eigentliche Kernkompetenz
Mangel an Know-how oder qualifizierten Arbeitskräften
Höhere Leistung und bessere Qualität
Schnellere Reaktion auf Veränderungen
Höhere Spezialisierung.
Demgegenüber sind aber auch einige Risiken zu berücksichtigen, die mit dem Outsourcing einhergehen können:
Qualität der ausgelagerten Prozesse kann nicht beeinflusst werden
Abhängigkeit vom Drittunternehmen
Möglicher Verlust von internem Know-how
Fehler bei der Wirtschaftlichkeitsberechnung eines Outsourcing-Projekts
Kommunikationsmängel bei der Umsetzung der Outsourcing-Maßnahme .
760
6. Controlling und Organisation der Unternehmensberatung
Eine grundsätzliche Einschätzung darüber, ob zentrale Unterstützungsleistungen und -prozesse in eigener Regie lokal, als Shared Service Center oder als Fremdbezug in Form eines Business Process Outsourcing organisiert werden sollten, liefert Abbildung 6-21.
Kosteneinsparungen
Business Process Outsourcing • Vergabe von bisher intern erbrachten Leistungen an Dritte • Hohe Anforderungen an den Reifegrad der Prozesse • Höhere Kosteneinsparungen möglich Shared Service Center • Einrichtung eines Shared Service Center in eigener Regie • Mindestanforderungen an den Reifegrad der Prozesse nötig • Größere Kosteneinsparungen möglich
= Buy = Make
Reifegrad der Prozesse
Interne Leistungserbringung • Zentrale oder lokale Leistungserbringung • Geringe Anforderungen an den Reifegrad der Prozesse • Kaum Kosteneinsparungen möglich
[Quelle: Capgemini]
Abb. 6-21:
Parameter für „Make-or-Buy“-Entscheidungen bei Support-Funktionen
Danach wird der Entscheidungsprozess anhand der beiden Parameter „Reifegrad der Prozesse“ und „Kosteneinsparungspotenzial“ bestimmt. Je höher der Reifegrad (engl. Maturity), also die Stabilität der Prozesse ist und je höhere Kosteneinsparungen (engl. Cost Savings) angestrebt werden, umso mehr spricht dies für eine „Buy“-Entscheidung in Form eines Business Process Outsourcing. Wenn auch der IT-Bereich als Vorreiter für das Outsourcing gilt, so haben sich im Personalsektor ebenfalls sehr früh bestimmte Prozesse abgezeichnet, bei denen eine rechtliche Ausgliederung sinnvoll erscheint. Letztlich sind es aber immer nur Teilbereiche bzw. Teilprozesse im Personalsektor, die sich für ein Outsourcing anbieten. Grundsätzlich gilt, dass die wirklich strategischen Prozesse wie z. B. HR-Strategie- und Grundsatzfragen, Anreiz- und Vergütungssysteme, die Personal- und Führungskräfteentwicklung oder das Personalcontrolling in den wenigsten Fällen rechtlich ausgelagert werden. Hier würden die Unternehmen Gefahr laufen, ihre Kernkompetenz im Personalmanagement zu verlieren.
6.7 Change Management
761
6.7 Change Management Wandel ist immer und ewig. Die digitale Transformation ist im Prinzip nur eine bestimmte Ausprägung des Wandels. Veränderungen sind für unsere Unternehmen eine Daueraufgabe. Der Grund: Ohne Veränderung gibt es keinen Erfolg, kein Wachstum, keine Weiterentwicklung. Allerdings ist die Veränderung lediglich Voraussetzung, aber nicht Garant für den Erfolg. Denn Veränderungen wie zum Beispiel Unternehmenszusammenschlüsse können auch schief gehen. Sie werden zwar zumeist von außen angestoßen, aber sie werden von innen gefördert oder auch – und das zuweilen durchaus zu Recht – von innen gebremst. Wandel ist somit zu einer Daueraufgabe geworden, der sich Führungskräfte und Mitarbeiter jederzeit und immer wieder stellen müssen. Das Veränderungsmanagement (engl. Change Management) steuert und begleitet kulturelle, strukturelle und organisatorische Veränderungen im Unternehmen, um die Risiken zu reduzieren, die sich durch Veränderung und Transformation ergeben können [vgl. Reger 2009, S. 5]. Dabei steht die Umsetzung von neuen Strategien, Strukturen, Systemen oder Verhaltensweisen im Vordergrund. Bei Restrukturierungen, umfassenden Prozessveränderungen, der Implementierung von ERP-Systemen und der Neuausrichtung von Strategien oder Post-Merger-Integrationen gilt es, das entsprechende Geschäftsmodell möglichst schnell in operative Ergebnisse umzuwandeln. Entscheidend für den Erfolg einer notwendigen Umsetzungsmaßnahme ist, wie gut und wie schnell sich Mitarbeiter an die Veränderung anpassen und ihre Arbeit daran ausrichten. Führungskräfte und Mitarbeiter müssen zielgerichtet mobilisiert und motiviert werden, damit sie die bevorstehenden Veränderungen mitgestalten und vorantreiben. Flexibilität und Veränderungsfähigkeit ist demnach ein wichtiger Erfolgsfaktor im Wettbewerb.
6.7.1 Ursachen und Aktionsfelder von Change Werden die vielfältigen Ursachen, die als Gründe für Veränderungen immer wieder genannt werden, zusammengestellt und geordnet, so lassen sich zwei grundlegende Ursachenkomplexe ausmachen:
Externe Ursachen, die von außen auf die Organisation als Problemdruck wirken. Zu den wichtigsten unternehmensexternen Einflüssen zählen der Druck des Marktes und des Wettbewerbs, Firmenübernahmen sowie technologische Veränderungen. Hinzu kommt ein gesellschaftlicher Wertewandel, der hierzulande besonders durch ein vergleichsweise hohes Bildungs- und Wohlstandsniveau beeinflusst wird.
Interne Ursachen, die von innen als Problemdruck auf die Organisation wirken. Interne Auslöser für Veränderungsprozesse können Fehlentscheidung der Vergangenheit, Kostendruck, Wachstumsinitiativen, eine Neuformulierung der Unternehmensstrategie oder neue Managementkonzepte sein.
762
6. Controlling und Organisation der Unternehmensberatung
Daraus lassen sich erste Auswirkungen ableiten, die sich unmittelbar in Programmen konkretisieren und in Abbildung 6-22 ohne Anspruch auf Vollständigkeit aufgeführt sind.
Abb. 6-22:
Ursachen und Auswirkungen von Change
Veränderungsprozesse mit einer großen Reichweite und Tiefe für Aufbau-, Ablauf- und Prozessstrukturen werden auch als transformativer Wandel bezeichnet und sollten nicht isoliert betrachtet werden. Vielmehr ist dafür Sorge zu tragen, dass die erkannten Ursachen und die geplanten Veränderungsmaßnahmen in dem dynamischen Gesamtzusammenhang der fünf Aktionsfelder des Change zu sehen sind [vgl. Vahs 2009, S. 334 ff.]:
Aktionsfeld 1: Strategie Aktionsfeld 2: Kultur Aktionsfeld 3: Technologie Aktionsfeld 4: Organisation Aktionsfeld 5: Kommunikation
Insert 6-09 liefert eine ausführliche Beschreibung der fünf betrieblichen Aktionsfelder, auf denen sich der transformative Wandel abspielt.
6.7 Change Management
Insert 6-09:
Fünf Handlungsfelder für Change Management
763
764
6. Controlling und Organisation der Unternehmensberatung
6.7.2 Promotoren und Opponenten Für jedes Unternehmen ist es von existentieller Bedeutung, die Treiber und Bremser von Veränderungen, die es nahezu in jeder Abteilung gibt, zu kennen. Mitarbeiter, die Veränderungen (wie z.B. Wachstumsinitiativen, Merger/Demerger, organisatorische Neuformierung) eher fördern und unterstützen, werden als Promotoren bezeichnet. Bremser dagegen – und die sind zumeist in der Mehrzahl – verhindern oder verlangsamen den Veränderungsprozess. Sie sind die Opponenten. Doch Opponenten müssen nicht von vornherein Unrecht haben. Im Gegenteil, viele Beispiele zeigen, dass die Motive für eine ablehnende Haltung im Vorfeld hätten ernster genommen werden müssen. Promotoren und vor allem Opponenten aufzuspüren, ist also eine sehr wichtige Aufgabe für das Top-Management, denn die geplanten Veränderungen sollen Wachstum oder wenigstens Stabilität mit sich bringen – sonst hätte man sie ja nicht initiiert. Wachstum entsteht zwar am Markt und wird von diesem angestoßen, doch der eigentliche Wachstumsprozess wird von innen gefördert oder von innen gebremst. Promotoren und Opponenten lassen sich folgendermaßen klassifizieren [vgl. Lippold 2019b]:
Machtpromotoren bzw. -opponenten beeinflussen den Veränderungsprozess aufgrund ihrer hierarchischen Stellung in der Organisation.
Fachpromotoren bzw. -opponenten nehmen Einfluss aufgrund ihrer entsprechenden fachlichen Expertise und ihres Informationsstands.
Prozesspromotoren bzw. -opponenten sind Bindeglied zwischen Macht- und Fachebene und zumeist die größte und wichtigste Gruppe.
Prozesspromotoren beeinflussen den Veränderungsprozess aufgrund der formellen Kommunikationswege, indem sie Verbindungen zwischen Macht- und Fachpromotoren herstellen und dadurch Barrieren überwinden. Prozessopponenten dagegen konzentrieren sich mehr auf die informellen Kommunikationsbeziehungen und behindern den Veränderungsprozess, in dem sie organisatorische und fachliche Hindernisse errichten und Verbindungen zwischen Machtopponenten und Fachopponenten herstellen. Da die Opponenten bzw. Bremser sehr häufig am längeren Hebel sitzen, gilt es, solche informellen Strukturen zu erkennen und aufzubrechen. Den Führungskräften kommt dabei eine ganz wesentliche Vorbildfunktion zu, um die Mitarbeiter als Träger des Wachstums zu begeistern. Ein Lösungsansatz sind altersgemischte Führungsteams, die idealerweise aus drei Gruppen bestehen: Junge Führungskräfte sorgen für neues Denken und neue Ideen. Sie sind offener für digitale Entwicklungen, zeigen mehr Mut zu grundlegenden Veränderungen und legen ein anderes Tempo vor. Die Jungen öffnen vor allem Türen zu neuen Technologien. Die zweite Gruppe sind erfahrene „Quereinsteiger” aus anderen Unternehmen. Sie leiden nicht unter Betriebsblindheit und haben aufgrund ihrer Seniorität mehr Durchsetzungsvermögen bei Veränderungen.
6.7 Change Management
765
Bestehende Produkte hingegen werden vor allem von der dritten Gruppe, den älteren Führungskräften vorangetrieben. Sie haben die notwendige Erfahrung, Weitsicht und Durchsetzungskraft. Diese drei Gruppen können sich perfekt ergänzen und so die informellen Strukturen der Opponenten aufbrechen. 6.7.3 Veränderung und Widerstand Jede Veränderung löst Verunsicherung, teilweise sogar Ängste und das Gefühl von Kontrollverlust bei den Mitarbeitern aus. Sie wissen nicht, was auf sie zu kommt, wie sie sich in der neuen Situation oder während der Übergangsphase verhalten sollen. So sind Widerstände (engl. Resistance to Change) ganz normale und unvermeidliche Begleiterscheinungen von Veränderungsprozessen. Nun wird es gegen neue Technologien per se – also aus der Sicht der Nutzer – keine großen Widerstände geben. Zu groß sind die Vorteile gegenüber alten Technologien. Was ist jedoch, wenn die neue Technologie (z.B. Digitalisierung) im Unternehmen dort zur Anwendung kommt, wo alte (alteingefahrene) und funktionierende Prozesse abgelöst werden sollen? Was ist, wenn die digitale Transformation neue Geschäftsmodelle erfordert, von deren Nutzen die Mitarbeiter aber nicht überzeugt sind? Solche Widerstände lassen sich auf fehlende Akzeptanz und Perspektiven, auf fehlende Qualifikation, auf fehlendes Verständnis für den Veränderungsdruck oder auf fehlerhafte Kommunikation zurückführen. Jede Veränderung wird von Widerständen begleitet. Ob es sich um Sanierung und Personalabbau, um die Einführung von ERP-Systemen oder um Unternehmenskauf oder -verkauf handelt, in jedem Fall werden im Umfeld solcher Veränderungen Widerstände aufgebaut. Widerstände sind also so etwas wie der Zwillingsbruder der Veränderung. Derartige Barrieren haben – um im familiären Bild zu bleiben – in aller Regel vier „Väter“ (siehe Insert 6-10). In Abbildung 6-23 sind die Widerstandsbarrieren dargestellt.
Aufbau von Widerständen Fehlende Ressourcen Fehlendes Verständnis Fehlende Akzeptanz Fehlende Perspektive
Willensbarrieren (Nicht-Wollen)
Fehlende Qualifikation
Fähigkeitsbarrieren (Nicht-Können)
Wissensbarrieren (Nicht-Wissen)
Ressourcenbarrieren (Nicht-Dürfen)
Veränderungen lösen Ängste und das Gefühl von Kontrollverlust aus! © Dialog.Lippold
Abb. 6-23:
Die „vier Väter“ der Widerstandsbarrieren
766
Insert 6-10:
6. Controlling und Organisation der Unternehmensberatung
Die „Väter“ der Veränderung
6.7 Change Management
767
6.7.4 Veränderung und Reaktionstypen Hinsichtlich der Reaktionen auf geplante Veränderungen lassen sich unterschiedliche Personengruppen unterscheiden. Etwa ein Drittel der Betroffenen steht den Veränderungen offen und positiv gegenüber, ein Drittel verhält sich abwartend und neutral und das letzte Drittel lehnt den Wandel leidenschaftlich ab. Differenziert man diese Einteilung weiter, so können sieben Typen von Personen in Verbindung mit Veränderungsreaktionen ausgemacht werden, wobei eine Normalverteilung der einzelnen Typen unterstellt wird [vgl. Vahs 2009, S. 344 ff. unter Bezugnahme auf Krebsbach-Gnath 1992, S. 37 ff.]:
Visionäre und Missionare. Diese eher kleine Schlüsselgruppe gehört in der Regel dem Top-Management an und haben die Ziele und Maßnahmen des geplanten Wandels mit erarbeitet oder mit initiiert. Sie sind vom Veränderungserfolg überzeugt und versuchen nun, die übrigen Organisationsmitglieder von der Notwendigkeit der Veränderung zu überzeugen.
Aktive Gläubige. Auch diese Personengruppe akzeptiert den bevorstehenden Wandel und ist bereit, ihre ganze Arbeits- und Überzeugungsarbeit einzusetzen, um die Ziele und neuen Ideen in die Organisation zu tragen.
Opportunisten. Sie wägen zunächst einmal ab, welche persönlichen Vor- und Nachteile der Wandel für sie bringen kann. Gegenüber ihren veränderungsbereiten Vorgesetzten äußern sie sich positiv, gegenüber ihren Kollegen und Mitarbeitern eher zurückhaltend und skeptisch.
Abwartende und Gleichgültige. Diese größte Personengruppe zeigt eine sehr geringe Bereitschaft, sich aktiv an der Veränderung zu beteiligen. Sie wollen erst einmal Erfolge sehen und eine spürbare Verbesserung ihrer persönlichen Arbeitssituation erfahren.
Untergrundkämpfer. Sie gehen verdeckt vor und betätigen sich als Stimmungsmacher gegen die Neuerungen.
Offene Gegner. Diese Gruppe von Widerständlern, der es um die Sache und nicht um persönliche Privilegien geht, zeigt ihre ablehnende Haltung offen. Sie argumentiert mit „offenem Visier“ und ist davon überzeugt, dass die Entscheidung falsch und der eingeschlagene Weg nicht zielführend ist.
Emigranten. Diese eher kleine Gruppe hat sich entschlossen, den Wandel keinesfalls mitzutragen und verlässt das Unternehmen. Häufig handelt es sich dabei um Leistungsträger, die nach der Veränderung keine ausreichende Perspektive für sich sehen.
In Abbildung 6-24 sind die typischen Einstellungen gegenüber dem organisatorischen Wandel als Normalverteilung derart dargestellt, dass auf der Abszisse die Veränderungsbereitschaft von links (Begeisterung, Zustimmung) nach rechts (Skepsis, Ablehnung) immer weiter abnimmt. Allerdings muss auch hierzu angemerkt werden, dass die unterstellte Normalverteilung durchaus plausibel erscheint, empirisch aber nicht abgesichert ist.
768
6. Controlling und Organisation der Unternehmensberatung
Anzahl Personen
Typische Einstellungen
Visionäre und Missionare
Opportunisten
Aktive Gläubige [Quelle: Vahs 2009, S. 345]
Abb. 6-24:
Untergrundkämpfer Emigranten Abwartende und Offene Gegner Gleichgültige
Typische Einstellungen gegenüber dem organisatorischen Wandel
Jede Veränderung ist ein Prozess, der zweckmäßigerweise in folgenden fünf Phasen ablaufen sollte [vgl. Krüger 2002, S. 49]:
Initialisierung, d. h. der Veränderungsbedarf wird festgestellt und die Veränderungsträger müssen informiert werden,
Konzipierung, d. h. die Ziele der Veränderung sind festzulegen und die entsprechenden Maßnahmen zu entwickeln,
Mobilisierung, d. h. das Veränderungskonzept muss kommuniziert und Veränderungsbereitschaft und Veränderungsfähigkeit geschaffen werden,
Umsetzung, d. h. die priorisierten Veränderungsvorhaben sind durchzuführen und Folgeprojekte anzustoßen,
Verstetigung, d. h. die Veränderungsergebnisse müssen verankert und Veränderungsbereitschaft und -fähigkeit abgesichert werden.
6.7.5 Erfolgsfaktoren von Change-Projekten Generell sind es drei Voraussetzungen, die den Erfolg von Change-Projekten bestimmen [vgl. Reger 2009, S. 14]:
Veränderungsbedarf, d. h. die grundsätzliche Erkenntnis und Überzeugung, dass eine Veränderung zu einer besseren Ausgangssituation führt und damit wettbewerbsrelevant ist.
Veränderungsfähigkeit, d. h. das Potenzial von Führungskräften und Mitarbeitern, die Veränderung erfolgreich umzusetzen.
Veränderungsbereitschaft, d. h. den Willen aller Beteiligten und Betroffenen zur Umsetzung.
6.7 Change Management
769
Nur wenn alle drei Voraussetzungen zusammenkommen, hat das Change Management „leichtes Spiel“. In Abbildung 6-25 sind die Beziehungszusammenhänge von Veränderungsbedarf, -fähigkeit und -bereitschaft dargestellt.
1
Reformstau
Fähigkeitsdefizite Veränderungsbedarf Unbefriedigter Veränderungsdrang
Willensbarrieren 2
4 7
Veränderungsfähigkeit Ungenutztes Fähigkeitspotenzial
5 Veränderungsbereitschaft
6 3
Fehlgeleitete Aktivitäten
[Quelle: Reger 2009, S. 14]
Abb. 6-25:
Zusammenhang von Veränderungsbedarf, -fähigkeit und -bereitschaft
Ein wichtiger Bestandteil des Change ist eine klare, konsequente und konsistente Kommunikation. Eine rechtzeitige und offene Information der Organisationsmitglieder über die Ursachen, Ziele und Fortschritte des Wandels stellt sicher, dass die Gründe für die Einleitung eines Veränderungsprozesses auch verstanden werden. Führungskräfte und Mitarbeiter werden sich nur dann für den Wandel einsetzen, wenn sie ausreichend über das Veränderungsvorhaben informiert sind und den Gesamtzusammenhang zur Unternehmens- bzw. Marktstrategie kennen. Alle Beteiligten und Betroffenen müssen mit geeigneten Kommunikationsmitteln und -maßnahmen angesprochen werden, um ein konsistentes Bild der Veränderung zu erzeugen. Der Aufbau eines vertrauensvollen Kommunikations- und Arbeitsklimas, das ein laufendes Feedback über den Veränderungsprozess fordert und in die Maßnahmengestaltung einfließen lässt, ist somit eine ganz wichtige Voraussetzung für den erfolgreichen Unternehmenswandel [vgl. Vahs 2009, S. 355]. Jedes Change-Team sollte sich darüber im Klaren sein, dass sich ohne Ziele, Aktionspläne, Ressourcen, Fähigkeiten, Anreize und Informationen die gewünschte Veränderung nicht einstellen wird. Im Gegenteil, fehlt bereits eine dieser Komponenten, so ist Aktionismus, Chaos, Frustration, Angst oder Verwirrung vorprogrammiert.
770
6. Controlling und Organisation der Unternehmensberatung
Abbildung 6-26 zeigt sehr anschaulich, was das Fehlen einzelner Komponenten im ChangeProzess bewirken kann. Besonders deutlich werden diese Effekte, wenn man die Ursachen fehlgeschlagener Change-Projekte analysiert. Ohne Ziele
?
Ohne Pläne
Ziele
+
Ohne Ressourcen
Ziele
+ Aktionspläne +
Ohne Fähigkeiten
Ziele
+ Aktionspläne + Ressourcen +
Ohne Anreize
Ziele
+ Aktionspläne + Ressourcen + Fähigkeiten +
Ohne Information
Ziele
+ Aktionspläne + Ressourcen + Fähigkeiten + Anreize +
Ziele
+ Aktionspläne + Ressourcen + Fähigkeiten + Anreize +
+ Aktionspläne ?
+ Ressourcen
+ Fähigkeiten
+ Anreize + Information
= Aktionismus
+ Ressourcen
+ Fähigkeiten
+ Anreize + Information
=
Chaos
+ Fähigkeiten
+ Anreize + Information
=
Frustration
+ Anreize + Information
=
Angst
?
?
?
+ Information ?
Kaum
= Veränderung =
Verwirrung
Information = Gewünschte
Veränderung
[Quelle: Unkrig 2005, S. 45]
Abb. 6-26:
Komponenten der gewünschten Veränderung
In Insert 6-11 sind die häufigsten Ursachen für IT-Projekte, die die Erwartungen nicht erfüllt haben, aufgelistet und sodann den Komponenten der gewünschten Veränderung gegenübergestellt. Daran wird deutlich, dass es im Wesentlichen immer wieder an der Vernachlässigung mindestens einer der o. g. Komponenten liegt, wenn Projekte nicht den gewünschten Erfolg bringen. Konkret muss das Unternehmen Sorge dafür tragen, dass die Veränderung zu einer Anreizkompatiblen Organisationslösung führt, d. h. der Mitarbeiter sollte durch Erfüllung der gestellten Aufgabe auch seine eigenen Ziele erreichen können. Darüber hinaus ist die Motivation der Mitarbeiter auf ein gemeinsames Ziel auszurichten, um den Abbau von Blockaden zu erleichtern. Auch eine gezielte Steuerung der Erwartungen sowie eine entsprechende Qualifizierung der Mitarbeiter sind Grundlagen für einen erfolgreichen Change-Prozess. Fazit: Eine der Veränderung positiv gegenüberstehende Unternehmenskultur, eine angemessene und zielgruppenorientierte Kommunikation sowie ein kompetentes Change ManagementTeam, das mit entsprechenden Ressourcen ausgestattet ist, bilden die wichtigsten Grundlagen für einen erfolgreichen Wandel im Unternehmen.
6.7 Change Management
771
Insert Woran liegt es Ihrer Meinung nach, wenn IT-Projekte in Ihrem Unternehmen die Erwartungen nicht erfüllen?
Ohne (Prioritäten-) Pläne Ohne Ressourcen Ohne Ziele Ohne Ressourcen Ohne Information/Anreize Ohne Pläne
Zu viele interne Projekte gleichzeitig
70%
Zu wenig interne Ressourcen
50%
Unklare fachliche Zielsetzung
46%
Fehlendes Change Management
43%
Zu viel interne Politik
39%
Mangelnde Abstimmung
Ohne Ressourcen
Zu wenig interne Betreuer
Ohne Fähigkeiten
Mangelndes Know-kow
Ohne Fähigkeiten
Technische Probleme
19% 15% 7% 0%
Mehrfachnennungen möglich
Die Anzahl der parallel durchgeführten Projekte wird als Hauptgrund für das Scheitern von ITProjekten angegeben. Dies weist auf das Fehlen von Prioritäten-Plänen hin. Weitere Gründe sind die mangelnde Bereitstellung von notwendigen
36%
20%
40%
60%
80%
internen Ressourcen sowie eine unklare fachliche Zielsetzung. Letztlich lassen sich also nahezu alle Gründe auf das Fehlen der in Abbildung 6-27 aufgeführten Komponenten zurückführen. [Quelle: Studie IT-Trends 2009, S. 12]
Insert 6-11:
Ursachen fehlgeschlagener IT-Projekte
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Abbildungsverzeichnis Abb. 1-01: Abb. 1-02: Abb. 1-03: Abb. 1-04: Abb. 1-05: Abb. 1-06: Abb. 1-07: Abb. 1-08: Abb. 1-09: Abb. 1-10: Abb. 1-11: Abb. 1-12: Abb. 1-13: Abb. 1-14: Abb. 1-15: Abb. 1-16: Abb. 1-17: Abb. 1-18: Abb. 1-19: Abb. 1-20: Abb. 1-21: Abb. 1-22: Abb. 1-23: Abb. 1-24: Abb. 1-25: Abb. 1-26: Abb. 1-27: Abb. 1-28: Abb. 1-29: Abb. 1-30: Abb. 1-31: Abb. 1-32: Abb. 1-33: Abb. 1-34: Abb. 1-35: Abb. 1-36: Abb. 1-37: Abb. 1-38: Abb. 1-39: Abb. 1-40: Abb. 1-41: Abb. 1-42:
Wunschbranche für den Berufseinstieg von BWL-Studierenden 2006 .................. 4 Mitarbeiter in der Unternehmensberatung nach dem Geschlecht 2021 .................. 6 Anzahl der Hochschulen in Deutschland nach Hochschularten 2020 ................... 14 Überblick über das Bachelor-/Mastersystem ........................................................ 16 Einstiegsbranchen der MBA-Absolventen in Europa ............................................ 17 Personalpyramide und Up-or-Out-Prinzip ............................................................ 18 Gegenüberstellung personalpolitischer Merkmale ................................................ 19 Gründungsverbände des Bitkom ........................................................................... 25 Leistungstypologie nach Engelhardt et al. [1993] ................................................. 32 Leistungstypologie im Softwareumfeld ................................................................ 34 Systematisierung der Beratungsträger ................................................................... 36 Beratungsfunktionen im Kontext .......................................................................... 40 Dienstleistungsansätze im Beratungsgeschäft ....................................................... 41 Das Beratungssystem und seine Teilmengen ........................................................ 43 Beraterrollen .......................................................................................................... 46 Phasenmodell eines idealtypischen Beratungsprozesses ....................................... 50 Charakteristika und Beispiele für Beratungskonzept, -methode und -produkt ..... 53 Auswirkungen unterschiedlicher Beratungstechnologien ..................................... 56 Lösung von Agency-Problemen ............................................................................ 60 Komponenten der Neuen Institutionenökonomik ................................................. 63 Historie der Beratungsbranche .............................................................................. 64 Entwicklung der Berateranzahl in Deutschland .................................................... 67 „Stuck-in-the-middle”-Position vieler deutscher IT-Beratungsunternehmen ....... 68 Merkmale des Beratungsbooms ............................................................................ 71 Merkmale der Überhitzungsphase ......................................................................... 72 Merkmale der Konsolidierungsphase .................................................................... 73 Merkmale der Erholungsphase .............................................................................. 74 Entwicklung des Branchenumsatzes von 1997 – 2021 ......................................... 75 Tätigkeitsbereiche der vier „klassischen“ Beratungsfelder ................................... 80 Wichtige Kennzahlen zum Beratungsmarkt 2021 ................................................. 81 Aufteilung des Beratungsmarktes nach Kundenbranchen 2021............................ 82 Aufteilung des Gesamtmarktumsatzes nach Beratungsfeldern 2021 .................... 83 Dreiteilung des Unternehmensberatungsmarktes .................................................. 84 Das Consulting-Kontinuum ................................................................................... 86 Unternehmensberatungsmarkt aus Sicht der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften . 86 Die Lünendonk-Systematik ................................................................................... 88 Technology Services eines Full-Service-Anbieters (Beispiel) ............................ 100 Standardsoftware als Kombination aus Sach- und Dienstleistung ...................... 102 Der Marketing-Verbund-Kasten für Software .................................................... 104 Zusammenschlüsse der großen internationalen WP-Gesellschaften ................... 107 Aufgabenarten der Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung ............................... 115 Parameter für „Make-or-buy“-Entscheidungen bei Support-Funktionen ........... 116
Abbildungsverzeichnis
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Abb. 1-43: Abb. 1-44: Abb. 1-45: Abb. 1-46: Abb. 1-47:
Idealtypischer funktionaler Vergleich zwischen interner und externer Beratung117 Kostenvergleich zwischen interner und externer Beratung ................................. 121 Anzahl der Personalberater in Deutschland bis 2020 .......................................... 122 Umsatz der Personalberatungsbranche 2000 bis 2020 ........................................ 124 Die umsatzstärksten Personalberatungsunternehmen weltweit ........................... 126 ---
Abb. 2-01: Abb. 2-02: Abb. 2-03: Abb. 2-04: Abb. 2-05: Abb. 2-06: Abb. 2-07: Abb. 2-08: Abb. 2-09: Abb. 2-10: Abb. 2-11: Abb. 2-12: Abb. 2-13: Abb. 2-14: Abb. 2-15: Abb. 2-16: Abb. 2-17: Abb. 2-18: Abb. 2-19: Abb. 2-20: Abb. 2-21: Abb. 2-22: Abb. 2-23: Abb. 2-24: Abb. 2-25: Abb. 2-26: Abb. 2-27: Abb. 2-28: Abb. 2-29: Abb. 2-30: Abb. 2-31:
Marktorientierte Unternehmensplanung.............................................................. 129 Bezugsrahmen der Unternehmensplanung .......................................................... 131 Wertschöpfungskette für Industriebetriebe nach P ORTER ................................... 133 Zeitliche Abfolge und Struktur der Kernprozesse im Beratungsgeschäft ........... 134 Wertschöpfungskette für Beratungsunternehmen ............................................... 135 Zusammenhänge zwischen Aktionsparameter, Prozesse und Werttreiber .......... 136 Teilprozesse des Qualitätsmanagements ............................................................. 138 Integration der Teilprozesse des Qualitätsmanagements in die Wertkette.......... 139 Einflussfaktoren auf das Marketing einer Unternehmensberatung ..................... 143 Vier Megatrends im sozio-kulturellem Umfeld .................................................. 149 Von der drei- zur fünf-phasigen Biografie .......................................................... 150 Das Makro-Umfeld der Unternehmensberatung ................................................. 167 Das Mikro-Umfeld der Unternehmensberatung .................................................. 169 Stärken-Schwächen-Analyse (fiktives Beispiel) ................................................. 170 Klassifizierung digitaler Dienstleistungen .......................................................... 180 Die Zielpyramide des Unternehmens .................................................................. 185 Mögliche hierarchische Ausprägungen der einzelnen CXO’s ............................ 187 Grundtypen der Unternehmensverfassung von Gesellschaften........................... 191 Unternehmenskulturelle Aspekte auf verschiedenen Ebenen ............................. 196 Die CI-Komponenten .......................................................................................... 200 Fragen zu Mission und Vision............................................................................. 203 Zusammenhang zwischen Standardisierungsgrad und Rentabilität .................... 206 Übergang von Beratungsthemen zu Beratungsfeldern ........................................ 211 Gliederung der amtlichen Systematik der Wirtschaftszweige (Ausschnitt) ........ 213 Innovationsausrichtungen des Beraters ............................................................... 214 Innovationsprozess und beraterische Unterstützung ........................................... 214 Mengen-/Preisverhältnis in Abhängigkeit vom Zielmarkt .................................. 218 Gegenüberstellung von Strategie- und IT-Beratung ........................................... 219 Das Schichtenmodell der Unternehmenskonzeption ........................................... 221 Kritische Ressourcen von Unternehmensberatungen .......................................... 222 Strategische Stoßrichtungen im Beratungsgeschäft ............................................ 224 ---
Abb. 3-01: Abb. 3-02: Abb. 3-03: Abb. 3-04: Abb. 3-05:
Prozessstruktur der Marketing-Wertschöpfungskette in der Beratung ............... 231 Darstellung von Wettbewerbsvorteilen im Vektorenmodell ............................... 232 Marketing-Waage ................................................................................................ 234 Die Marketing-Gleichung im Überblick ............................................................. 235 Systematik der Marketing-Gleichung ................................................................ 235
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Abbildungsverzeichnis
Abb. 3-06: Zuordnung der güterbezogenen Segmente zu B2C und B2B.............................. 237 Abb. 3-07: Marketingziele ..................................................................................................... 238 Abb. 3-08: Segmentierung als erstes Aktionsfeld der Marketing-Gleichung ........................ 240 Abb. 3-09: Aufgabenspektrum der Marktsegmentierung ...................................................... 241 Abb. 3-10: Segmentierungsarten ........................................................................................... 242 Abb. 3-11: Charakteristika des organisationalen Kaufverhaltens ......................................... 243 Abb. 3-12: Beziehungen und Funktionen von Macht-, Prozess- und Fachpromotoren ........ 246 Abb. 3-13: Beispiel für einen Segmentierungsbaum ............................................................. 248 Abb. 3-14: Segmentierung der Fertigungsindustrie............................................................... 249 Abb. 3-15: Segmentierungsansatz für die Mittelstandsberatung ........................................... 250 Abb. 3-16: Mehrdimensionale Segmentierung im B2B-Bereich .......................................... 252 Abb. 3-17: Segmentbezogene Zielgrößen einer quantitativen Nachfragebeurteilung........... 254 Abb. 3-18: Das Konzept der mehrstufigen Segmentierung im B2B-Bereich ....................... 256 Abb. 3-19: Stufen der Geschäftsfeldplanung......................................................................... 257 Abb. 3-20: Idealtypische Marktbearbeitungsmuster.............................................................. 258 Abb. 3-21: Positionierung als zweites Aktionsfeld der Marketing-Gleichung...................... 260 Abb. 3-22: Differenzierungsmöglichkeiten im B2B-Bereich ................................................ 263 Abb. 3-23: Kaufentscheidende Differenzierungsmerkmale für ERP-Beratungsleistungen .. 264 Abb. 3-24: Beispiel für ein Positionierungsmodell mit fünf Dimensionen ........................... 264 Abb. 3-25: Kriterien für Honorarsätze von IT-Beratern ........................................................ 267 Abb. 3-26: Preispositionierungsstrategien ............................................................................. 269 Abb. 3-27: Gegenüberstellung von Tageshonorar und Projektpreis ..................................... 273 Abb. 3-28: Formblatt für die Personalkostenkalkulation nach Projektphasen ...................... 274 Abb. 3-29: Kommunikation als drittes Aktionsfeld der Marketing-Gleichung ..................... 275 Abb. 3-30: Schematische Darstellung des Kommunikationssystems................................... 276 Abb. 3-31: Dimensionen des Kommunikationskonzepts ...................................................... 277 Abb. 3-32: Unterschiede zwischen klassischer und digitaler (werblicher) Kommunikation 279 Abb. 3-33: Die Kommunikation: Von der Struktur über die Inhalte zur Umsetzung ........... 280 Abb. 3-34: Elemente eines Kommunikationsmodells ........................................................... 281 Abb. 3-35: Kommunikationsinstrumente nach der wahrgenommenen Beeinflussung ......... 284 Abb. 3-36: Wichtige PR-Maßnahmen und ihre Zielgruppen ................................................ 289 Abb. 3-37: Sponsoring-Bereiche und Sponsoring-Maßnahmen (Auswahl) .......................... 291 Abb. 3-38: Instrumente der digitalen werblichen Kommunikation ....................................... 297 Abb. 3-39: Funktionaler Ablauf des Affiliate Marketing ...................................................... 310 Abb. 3-40: Printmedien im Überblick ................................................................................... 312 Abb. 3-20: Nutzungsschwerpunkte stationärer oder mobiler Internet-Angebote .................. 318 Abb. 3-41: Phasen der Mediaplanung .................................................................................. 320 Abb. 3-42: Wichtige Kennzahlen in der Online-Werbung .................................................... 327 Abb. 3-43: Vertrieb als viertes Aktionsfeld der Marketing-Gleichung ................................. 329 Abb. 3-44: Elemente eines Vertriebssystems ........................................................................ 330 Abb. 3-45: Vertriebsformen im Beratungs- und Softwaregeschäft ....................................... 333 Abb. 3-46: „Standard“-Vertriebskanäle von IT-Beratungsunternehmen .............................. 336 Abb. 3-47: Kompetenzen des Key Account Managers ......................................................... 338 Abb. 3-48: Das Verkaufsgitter (GRID-System) .................................................................... 338 Abb. 3-49: Akquisition als fünftes Aktionsfeld der Marketing-Gleichung ........................... 341
Abbildungsverzeichnis
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Abb. 3-50: Abb. 3-51: Abb. 3-52: Abb. 3-53: Abb. 3-54: Abb. 3-55: Abb. 3-56: Abb. 3-57: Abb. 3-58: Abb. 3-59: Abb. 3-60: Abb. 3-61: Abb. 3-62: Abb. 3-63: Abb. 3-64: Abb. 3-65: Abb. 3-66: Abb. 3-67: Abb. 3-68: Abb. 3-69: Abb. 3-70: Abb. 3-71: Abb. 3-72: Abb. 3-73:
Buying Center und Selling Center im Akquisitionsprozess (Beispiel) ............... 344 Wichtige Akquisitionsbegriffe ............................................................................ 345 Phasen des organisationalen Kaufprozesses........................................................ 346 Begrifflichkeiten und Prozesse im Vertriebsmanagement .................................. 349 ABC-Analyse bestehender Kontakte im B2B-Bereich (Beispiel) ...................... 350 Beispiel eines Sales Cycle ................................................................................... 351 Tätigkeiten eines Vertriebsbeauftragten im Software- und Beratungsbereich .... 354 Ausgewählte Akquisitionskennzahlen ................................................................ 357 Gegenüberstellung von Anforderungsprofil und Leistungsprofil ....................... 358 Arten des Akquisitionsgesprächs ........................................................................ 359 Phasen des Akquisitionsgesprächs ...................................................................... 359 Die Gesprächsvorbereitung im Überblick ........................................................... 361 Gesprächseröffnung im Überblick ...................................................................... 362 Bedarfsanalyse im Überblick .............................................................................. 362 Gegenüberstellung von Character Selling und Benefit Selling ........................... 363 Einwandbehandlung im Überblick ...................................................................... 364 Gesprächsabschluss im Überblick ....................................................................... 365 Möglichkeiten des Vertragsabschlusses in der Beratungsbranche ...................... 367 Gegenüberstellung von Dienst- und Werkvertrag ............................................... 369 Preiselemente und Vertragstypen bei IT-Projekten............................................. 370 Die Betreuung als sechstes Aktionsfeld der Marketing-Gleichung .................... 374 Transaktionsmarketing vs. Relationship Marketing ............................................ 376 Instrumente im After-Sales-Geschäft .................................................................. 384 Phasen des Kundenlebenszyklus ......................................................................... 386 ---
Abb. 4-01: Abb. 4-02: Abb. 4-03: Abb. 4-04: Abb. 4-05: Abb. 4-06: Abb. 4-07: Abb. 4-08: Abb. 4-09: Abb. 4-10: Abb. 4-11: Abb. 4-12: Abb. 4-13: Abb. 4-14: Abb. 4-15: Abb. 4-16: Abb. 4-17: Abb. 4-18: Abb. 4-19:
Konsequenzen unterschiedlicher Beratungstechnologien ................................... 392 Charakteristika und Lösungstechniken von Problemtypen ................................. 393 Systematik von Fink ............................................................................................ 395 Systematik von Macharzina/Wolf ....................................................................... 396 Systematik von Andler ........................................................................................ 397 Systematik von Bea/Haas .................................................................................... 398 Systematik der hier vorgestellten Beratungstools und -konzepte ....................... 399 Zuordnung der Beratungstechnologien zu Beratungsphasen .............................. 408 Beispielformat für ein Company Profile ............................................................. 417 Strategische und taktische Elemente einer Befragung ........................................ 418 Vor- und Nachteile quantitativer Befragungsformen .......................................... 419 Wichtige Prognosetechniken im Überblick ......................................................... 422 Szenariotechnik ................................................................................................... 425 Funktionstypen der Trendextrapolation .............................................................. 427 Anwendungsbeispiele der Regressionsanalyse ................................................... 428 Das Grundmodell der SWOT-Analyse................................................................ 431 TOWS-Diagramm ............................................................................................... 432 Faktoren des 7-S-Modells ................................................................................... 434 Das Five-Forces-Modell von Porter .................................................................... 436
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Abb. 4-20: Abb. 4-21: Abb. 4-22: Abb. 4-23: Abb. 4-24: Abb. 4-25: Abb. 4-26: Abb. 4-27: Abb. 4-28: Abb. 4-29: Abb. 4-30: Abb. 4-31: Abb. 4-32: Abb. 4-33: Abb. 4-34: Abb. 4-35: Abb. 4-36: Abb. 4-37: Abb. 4-38: Abb. 4-39: Abb. 4-40: Abb. 4-41: Abb. 4-42: Abb. 4-43: Abb. 4-44: Abb. 4-45: Abb. 4-46: Abb. 4-47: Abb. 4-48: Abb. 4-49: Abb. 4-50: Abb. 4-51: Abb. 4-52: Abb. 4-53: Abb. 4-54: Abb. 4-55: Abb. 4-56: Abb. 4-57: Abb. 4-58: Abb. 4-59: Abb. 4-60: Abb. 4-61: Abb. 4-62: Abb. 4-63: Abb. 4-64:
Abbildungsverzeichnis
Verbindung der Five Forces mit dem Lebenszykluskonzept .............................. 439 Portfolio der Kompetenzen und Handlungsoptionen .......................................... 440 Beiträge und Ansprüche der Stakeholder ............................................................ 442 Beispiel für die Kostenverteilung einer Wertschöpfungskette in der Industrie .. 444 Benchmarking-Grundtypen ................................................................................. 446 Das SMART-Prinzip ........................................................................................... 448 Kennzahlensystematik ......................................................................................... 450 Statische Kennzahlen .......................................................................................... 452 Herleitung von EBT, EBIT, EBITDA und Cashflow ......................................... 453 Dynamische Kennzahlen (Beispiele) .................................................................. 454 Das DuPont-Kennzahlensystem .......................................................................... 455 Deduktiv orientiertes Mittel-Zweck-Schema ..................................................... 455 Induktiv orientiertes Mittel-Zweck-Schema ....................................................... 456 Die vier Dimensionen des Balanced Scorecard .................................................. 457 Problemstrukturierung mit Hilfe des Pyramidenprinzips .................................... 459 Beispiel einer Aufgabenanalyse .......................................................................... 460 Beispiel einer deduktiven Kernfragenanalyse ..................................................... 461 Beispiel einer dichotomen Kernfragenanalyse .................................................... 461 Beispiel einer Sequenzanalyse ............................................................................ 462 Vorgehensweise und Regeln der Brainstorming-Methode ................................. 464 Das Arbeitspapier der Methode 635 .................................................................... 465 Beispiel eines morphologischen Kastens ............................................................ 467 Kosten-Erfahrungskurve bei linear und logarithmisch eingeteilten Ordinaten ... 470 Der Produktlebenszyklus ..................................................................................... 471 Lebenszyklusanalyse bei verspätetem Markteinstieg.......................................... 473 Theoretische Grundlagen der Marktanteils-Marktwachstums-Matrix ................ 474 Ableitung eines Portfolios für ein Beispiel-Unternehmen .................................. 475 Normstrategien und alternative Handlungsempfehlungen für die BCG-Matrix . 476 Normstrategien der 9-Felder-Matrix von McKinsey........................................... 477 Normstrategien der 20-Felder-Matrix von Arthur D. Little ................................ 478 Der Ronagraph .................................................................................................... 479 Produkt-Markt-Matrix nach Ansoff .................................................................... 481 Grundlagen der Marktdurchdringungsstrategie ................................................... 482 Grundlagen der Marktentwicklungsstrategie ...................................................... 483 Grundlagen der Produktentwicklungsstrategie ................................................... 483 Stoßrichtungen der Diversifikationsstrategie ...................................................... 484 Konstellationen von Marktbarrieren ................................................................... 486 Strategien in schrumpfenden Märkten ................................................................ 486 Unterschiede zwischen Qualitäts- und Preiswettbewerb..................................... 489 Die „Stuck-in-the-Middle“-Position.................................................................... 490 Wettbewerbsstrategien nach Porter ..................................................................... 491 Strategisches Spielbrett ....................................................................................... 492 Typische Markteintrittsmuster ............................................................................ 493 Interne und externe Markteintrittsstrategien ....................................................... 496 Ablauf der Gemeinkostenwertanalyse................................................................. 498
Abbildungsverzeichnis
797
Abb. 4-65: Abb. 4-66: Abb. 4-67: Abb. 4-68: Abb. 4-69: Abb. 4-70: Abb. 4-71: Abb. 4-72: Abb. 4-73: Abb. 4-74: Abb. 4-75: Abb. 4-76: Abb. 4-77: Abb. 4-78: Abb. 4-79: Abb. 4-80: Abb. 4-81: Abb. 4-85: Abb. 4-86: Abb. 4-87: Abb. 4-88: Abb. 4-89: Abb. 4-90: Abb. 4-91: Abb. 4-92: Abb. 4-93:
Der Zero-Base-Budgeting-Prozess ...................................................................... 499 Unterschiedliche Vorgehensweisen von GWA und ZBB ................................... 500 Prozessphasen der Nachfolgeregelung ................................................................ 501 Varianten der Nachfolgeregelung ....................................................................... 503 Ganzheitlicher M&A-Prozessansatz ................................................................... 505 Die Rolle des Unternehmensberaters im M&A-Transaktionsprozess ................ 506 Der 90-Grad-Shift................................................................................................ 507 Geschäftsprozesse in Industrieunternehmen mit Serienprodukten ..................... 509 Beratungsansätze (Auswahl) bei der Prozessgestaltung ..................................... 510 Zusammenhang zwischen internen und externen Informationssystemen ........... 512 Ablaufphasen im Management von Beratungsprojekten .................................... 519 Die vier integrierten Bausteine von Prince2........................................................ 520 Diagramm zu Prince2-Prozessen......................................................................... 522 Die neun Wissensgebiete und zugehörige Prozesse von PMBoK ...................... 525 Überblick der Inhalts- und Umfangsmanagementprozesse ................................. 525 Grundmodelle der Kunde-Berater-Beziehung..................................................... 526 Iterativer Prozess im Design Thinking ................................................................ 534 Anwendungssituation und Beispiel für das Histogramm .................................... 540 Anwendungssituation und Beispiel für die Kontrollkarte ................................... 541 Anwendungssituation und Beispiel für Ursache-Wirkungsdiagramm ................ 541 Beispiel für ein Ursache-Wirkungsdiagramm ..................................................... 542 Beispiel für ein Pareto-Diagramm ....................................................................... 543 Anwendungssituation und Beispiel für Pareto-Diagramm .................................. 544 Beispiele für Verteilungen zweier Variablen ...................................................... 545 Anwendungssituation und Beispiel für Korrelationsdiagramm .......................... 545 Anwendungssituation und Beispiel für das Flussdiagramm ............................... 546 ---
Abb. 5-01: Abb. 5-02: Abb. 5-03: Abb. 5-04: Abb. 5-05: Abb. 5-06: Abb. 5-07: Abb. 5-08: Abb. 5-09: Abb. 5-10: Abb. 5-11: Abb. 5-12: Abb. 5-13: Abb. 5-14: Abb. 5-15: Abb. 5-16: Abb. 5-17:
Prozesshierarchie der personalen Wertschöpfungskette ..................................... 553 Prozessphasen, Prozessschritte und Prozessziele im Personalmanagement ....... 554 Die Personalmarketing-Gleichung im Überblick ................................................ 555 Fünf Cluster mit 16 Eigenschaften von Führungskräften ................................... 557 Gewinnung und Bindung von Talenten bzw. High Potentials ............................ 560 Die Aktionsfelder der Personalakquisition.......................................................... 563 Arten des Personalbedarfs ................................................................................... 565 Komponenten des Anforderungsprofils .............................................................. 569 Interne und externe Personalbeschaffungswege.................................................. 570 Zustandekommen von Arbeitsverhältnissen ....................................................... 571 Stufen und Abhängigkeiten in der Arbeitsmarktsegmentierung ......................... 572 Beispielhafte Segmentierungskriterien und Segmente ........................................ 574 Beurteilung der Segmentierungskriterien ............................................................ 575 Mögliche Positionierungselemente im Hochschulmarketing .............................. 578 Die Candidate Journey ........................................................................................ 583 Candidate Journey und Personalmarketing-Gleichung ....................................... 584 Kommunikationsmaßnahmen .............................................................................. 595
798
Abbildungsverzeichnis
Abb. 5-16: Einsatz von Social-Media-Kanälen nach Recruiting-Maßnahmen ..................... 603 Abb. 5-18: Das Aktionsfeld Personalauswahl und -integration ............................................ 604 Abb. 5-19: Personalauswahlprozess (Schema) ...................................................................... 605 Abb. 5-20: Das Eisberg-Modell des Vorstellungsgesprächs ................................................. 611 Abb. 5-21: Gegenüberstellung personalpolitischer Merkmale .............................................. 616 Abb. 5-22: Prozess der Einführung und Einarbeitung neuer Mitarbeiter .............................. 618 Abb. 5-23: Das Aktionsfeld Personalvergütung .................................................................... 620 Abb. 5-24: Elemente eines Anreiz- und Vergütungssystems ................................................. 621 Abb. 5-25: Chancen und Risiken der variablen Vergütung ................................................... 624 Abb. 5-26: Komponenten der Entgeltgerechtigkeit ............................................................... 630 Abb. 5-27: Gegenüberstellung von Gerechtigkeitsdimensionen und -prinzipien ................. 631 Abb. 5-28: Rollenbezogenes Karrierestufen-Modell am Beispiel des Beraters .................... 632 Abb. 5-29: Vergütungsbandbreiten ....................................................................................... 633 Abb. 5-30: Ausgewählte Kombinationsmöglichkeiten von fixer und variabler Vergütung .. 634 Abb. 5-31 Zielkatalog am Beispiel der Beratungsbranche ................................................... 635 Abb. 5-32: Das Aktionsfeld Personalführung ....................................................................... 637 Abb. 5-33: Die wichtigsten Gründe für einen Jobwechsel ................................................... 638 Abb. 5-34: Arbeitsverhalten verschiedener Generationen..................................................... 640 Abb. 5-35: Teamphasenmodell nach Tuckman ..................................................................... 643 Abb. 5-36: Typen von Teammitgliedern ............................................................................... 644 Abb. 5-37: Zusammenhang zwischen Führungsprozess, -aufgaben und -stil ....................... 646 Abb. 5-38: Schema des eigenschafts-, des verhaltens- und des situativen Ansatzes ............ 655 Abb. 5-39: Theoretisch-konzeptionelle Ansätze der Personalführung .................................. 656 Abb. 5-40: Vergleich klassischer und neuerer Führungstheorien und -konzepte .................. 661 Abb. 5-41: Das Aktionsfeld Personalbeurteilung .................................................................. 673 Abb. 5-42: Zeugniscode und Bewertung bzw. entsprechende Interpretation ....................... 675 Abb. 5-43: Wahrnehmungsverzerrungen bei der Personalbeurteilung.................................. 676 Abb. 5-44: Systematisierung von Kriterien der Personalbeurteilung .................................... 679 Abb. 5-45: Systematisierungsansätze nach Bezugsgrößen .................................................... 680 Abb. 5-46: Leistungs-Potenzial-Matrix ................................................................................. 681 Abb. 5-47: Verhaltensdimensionen von Führungsnachwuchskräften (Beispiel) .................. 684 Abb. 5-48: Das Aktionsfeld Personalentwicklung ................................................................ 686 Abb. 5-49: Inhalte und Ziele der Personalentwicklung ......................................................... 687 Abb. 5-50: Karrieretypen weiblicher und männlicher Führungskräfte ................................. 694 Abb. 5-51: Das Aktionsfeld Personalfreisetzung .................................................................. 697 Abb. 5-52: Maßnahmen zur Personalfreisetzung .................................................................. 698 Abb. 5-53: Gegenüberstellung von Gleichverteilungs- und Blockmodell ............................ 705 Abb. 5-54: Ablaufstruktur bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ............................. 708 --Abb. 6-01: Abb. 6-02: Abb. 6-03: Abb. 6-04: Abb. 6-05:
Die Abfolge von Managementfunktionen als Regelkreis ................................... 719 Schmale und breite Beratungspyramide .............................................................. 721 Definitionen einzelner Hierarchieebenen ............................................................ 722 Kosten- und Ergebnisstruktur pro Strategieberater ............................................. 722 Modellrechnungen für Strategieberatungen ........................................................ 723
Abbildungsverzeichnis
Abb. 6-06: Abb. 6-07: Abb. 6-08: Abb. 6-09: Abb. 6-10: Abb. 6-11: Abb. 6-12: Abb. 6-13: Abb. 6-14: Abb. 6-15: Abb. 6-16: Abb. 6-17: Abb. 6-18: Abb. 6-19: Abb. 6-20: Abb. 6-21:
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Kosten- und Ergebnisstruktur pro IT-Berater ..................................................... 724 Modellrechnungen für IT-Beratungen................................................................. 725 Funktional strukturierte Unternehmensberatungen ............................................. 732 Beispiel für eine objektorientierte Organisation ................................................. 733 Matrixorganisation .............................................................................................. 734 Beispiel für eine Tensororganisation ................................................................... 735 Klassische vs. netzwerkorientierte Führungsstruktur.......................................... 736 Beispiel einer Kern-Matrix von Capgemini Zentral- und Osteuropa 2006 ......... 739 Aufgabenbereiche der drei personalen Organisationsmodule ............................. 742 Kompetenzzentrum eines Marketing-Service-Delivery-Modells ....................... 742 Vollständiges Modell der Organisationsstruktur einer Unternehmensberatung . 744 Konzept und Detaillierung des Shared Service Center ....................................... 755 Bevorzugte Anwendungsbereiche für Shared Services....................................... 757 Vor- und Nachteile von On-, Near- und Offshore-Standorten ............................ 758 Begriffliche Abgrenzung zwischen On-, Near- und Offshoring sowie Outsourcing.. 759 Parameter für „Make-or-Buy“-Entscheidungen bei Support-Funktionen ........... 760
801
Insertverzeichnis Insert 1-01: Insert 1-02: Insert 1-03: Insert 1-04: Insert 1-05: Insert 1-06: Insert 1-07: Insert 1-08: Insert 1-09: Insert 1-10: Insert 1-11: Insert 1-12: Insert 1-13: Insert 1-14: Insert 1-15: Insert 1-16: Insert 1-17: Insert 1-18: Insert 1-19: Insert 1-20: Insert 1-21: Insert 1-22:
Attraktive Branchen für Wirtschaftswissenschaftler und Juristen ..................... 5 Deutsche Hochschulen, die den Studiengang ‚Consulting‘ anbieten ............... 11 Beruflicher Einstieg als Consultant .................................................................. 13 Ruf der eigenen Hochschule ............................................................................. 15 Der „Studierende mit LinkedIn-Account“ ........................................................ 20 Berufsgrundsätze des Bundesverbandes Deutscher Unternehmensberater ...... 24 Kunden-Berater-Beziehung bei größeren Veränderungsvorhaben ................... 44 Die Prozessidee................................................................................................. 48 Beratungsansätze im Zeitablauf ........................................................................ 52 Softwarehäuser und Berater zwischen Spezialisierung und Generalisierung .. 69 Typenprägende Beratungsunternehmen (Auswahl) ......................................... 87 Führende Managementberatungen in Deutschland .......................................... 89 Top 25 IT-Beratungs- und Systemintegrationsunternehmen in Deutschland .. 90 Führende IT-Service-Unternehmen in Deutschland ......................................... 91 Arbeitsteilung im Softwareumfeld (Beispiel aus dem PLM-Bereich) ........... 103 Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaften in Deutschland ..... 108 BDO bricht Dax-Oligopol der Big Four ......................................................... 109 Umsatzaufteilung der Big-Four-Gesellschaften in Deutschland .................... 111 DAX 40: So investieren Anleger in den deutschen Leitindex........................ 113 Unterschiedliche Einsatzgebiete für interne und externe Berater................... 119 Hochschulabsolventen als Geschäftsmodell für Personalberater ................... 123 Wertschöpfungskette der Personaldienstleistungen ....................................... 126 ---
Insert 2-01: Insert 2-02: Insert 2-03: Insert 2-04: Insert 2-05: Insert 2-06: Insert 2-07: Insert 2-08: Insert 2-09: Insert 2-10: Insert 2-11: Insert 2-12: Insert 2-13: Insert 2-14: Insert 2-15: Insert 2-16: Insert 2-17: Insert 2-18:
Der konzeptionelle Kristallisationspunkt ....................................................... 130 Unternehmensberatung und Ethik .................................................................. 140 DESTEP oder PESTEL – was ist das denn? .................................................. 144 Altersaufbau der Bevölkerung in Deutschland ............................................... 145 Optimierung der Dienstleistungstiefe ............................................................. 148 Entwicklung internationaler IT-Dienstleistungsunternehmen (Teil 1) ........... 152 Entwicklung f internationaler IT-Dienstleistungsunternehmen (Teil 2) ........ 153 Digital verdrängt analog ................................................................................. 154 Kondratieff-Wellen vs. Industrielle Revolutionen ......................................... 155 Industrie 4.0 .................................................................................................... 156 Erfolgsfaktoren für Beratungsprojekte ........................................................... 157 Wachstum der Datenmengen über die Zeit .................................................... 158 Datenquellen, die zum rasanten Datenwachstum führen................................ 159 „Die Opfer des Smartphone-Booms“ ............................................................. 160 Datenklau, Spionage, Sabotage: Zwei Drittel der Industrie betroffen ........... 162 Bruttostromerzeugung nach Energieträgern ................................................... 165 Führende Anbieter von Digital Experience Services 2020 ............................ 172 Nutzung digitaler Beratungstechnologien im Beratungsalltag ....................... 173
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Insert 2-19: Insert 2-20: Insert 2-21: Insert 2-22: Insert 2-24: Insert 2-25: Insert 2-26: Insert 2-27: Insert 2-28: Insert 2-30: Insert 2-31: Insert 2-32: Insert 2-34:
„Deutsche Wirtschaft läuft der Digitalisierung hinterher“ ............................. 175 „Jedes vierte Unternehmen verzichtet auf eine Digitalstrategie“ ................... 176 Drei Perspektiven der Beratung auf die Digitalisierung ................................. 177 Mehrheit der Berater sind klassische Face-to-Face-Berater ........................... 178 Digitale Beratungsansätze nach Beratungsfeldern ......................................... 182 Bereitschaft zum Einsatz digitaler Beratungstechnologien ............................ 183 Qualitätsfaktoren digitaler und klassischer Beratungsleistungen ................... 184 Die Triple-Bottom-Line .................................................................................. 188 Corporate Social Responsibility-Verständnis von Ernst & Young ................ 189 Der internationale Verhaltenskodex von KPMG............................................ 201 Die globalen Unternehmenswerte von Capgemini ......................................... 202 Unterschied zwischen Unternehmenszweck und Purpose.............................. 204 Aspekte des Innovationsbegriffs .................................................................... 216 ---
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Beraterhonorare im Vergleich ........................................................................ 266 Vorrangige Kriterien zur Preisgestaltung der Honorarsätze........................... 268 Ausschöpfung der Preisbereitschaft durch Preisdifferenzierung .................... 270 Praktizierte Abrechnungsweise von Projekten ............................................... 272 Verwendung von Kommunikationsinstrumenten in der Beratungsbranche ... 285 Effizienz von Kommunikationsinstrumenten in der Beratungsbranche ......... 286 Werbung im B2B-Marketing .......................................................................... 288 KPMG sponsert den Golfprofi Phil Michelson .............................................. 291 Corporate Social Responsibility-Aktivitäten in der Beratungsbranche .......... 292 Messen im Kommunikations-Mix .................................................................. 293 Durchschnittliche Verteilung der Kosten einer Messebeteiligung ................. 295 Umsatzentwicklung für Digitale Werbung nach Segmenten 2017 bis 2024 .. 296 Bevorzugte Social-Media-Kanäle von B2C- und B2B-Unternehmen ........... 300 Beispiele für Standard-Bannerformate mit Pixel-Angabe .............................. 304 Die beliebtesten Startseiten ins Web .............................................................. 308 Nettowerbeeinnahmen erfassbarer Werbeträger in Deutschland .................. 311 Marktanteilsverschiebungen zwischen Tageszeitungen und Online-Medien 314 EU: Wer nutzt das Internet? ........................................................................... 316 Anteil der Internetnutzer nach Altersgruppen in Deutschland ....................... 317 Nutzungsschwerpunkte stationärer oder mobiler Internet-Angebote ............. 318 Aktivitäten der mobilen Internetnutzer........................................................... 319 Anteil der Online-Verkäufe im B2B-Bereich ................................................. 331 Die größten Motivatoren für den Online-Verkauf im B2B-Bereich .............. 332 Gartner-Prognose über die SaaS-Entwicklung ............................................... 334 Prognose zum Umsatz mit Software-as-a-Service weltweit bis 2022 ............ 335 Wenn sich Buying Center und Selling Center gegenüberstehen .................... 343 Der Einkaufsprozess für Beratungsleistungen bei Daimler ............................ 348 Der Sales Funnel hat ausgedient ..................................................................... 352 „The Collaborative Selling Weel“ von Capgemini ........................................ 353 Vier Fragen zur Überprüfung eines Akquisitionskontaktes ........................... 355
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Insert 3-31: Insert 3-32: Insert 3-33:
Sechs Bausteine des Verkaufsgesprächs ........................................................ 360 Repeat Business im Beratungsgeschäft .......................................................... 377 CRM-Ziele und -Analysetools........................................................................ 378 ---
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Beispiele für Pinnwandmoderationen ............................................................. 413 Wofür Berater Daten nutzen ........................................................................... 415 „Woher weiß man, dass sich nur jeder Zweite täglich die Zähne putzt?“ ...... 420 Die Delphi-Methode ....................................................................................... 424 Sind Porters Five Forces noch gültig? ............................................................ 438 Benchmarking Betreuungsquote..................................................................... 447 Darstellung einer Mind Map........................................................................... 468 Beispiele für Innovationsführer und Innovationsfolger in der ITK-Branche . 494 Umsatz- und Gewinnentwicklung Apple 1981 bis 2016 ................................ 495 Marktanteile im weltweiten ERP-Markt 2017................................................ 511 Notationselemente der ereignisgesteuerten Prozessketten (EPK) .................. 513 Basiselemente der BPMN 2.0 ......................................................................... 515 Anwendungsbeispiel „Auftragsbearbeitung“ mit EPK und BPMN ............... 516 Die Wasserfall-Methode der klassischen Softwareentwicklung .................... 529 Bedeutung der angewendeten agilen Methoden ............................................. 530 Scrum-Framework .......................................................................................... 532 Von der Haftnotiz an der Wand zum digitalen Kanban-Board ...................... 537 ---
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„Was unterscheidet Talente von High Potentials?“ ........................................ 559 High Potentials – die Condottieri unserer Zeit ............................................... 562 Rechenbeispiel zur Fluktuationsrate in der Beratungsbranche ....................... 566 Merkmalsrangfolge bei der Wahl des Arbeitsplatzes ..................................... 579 Entscheidungskriterien für die Wahl des Arbeitgebers .................................. 580 Die Überbewertung des Employer Branding.................................................. 582 Erzählungsorientiertes Werbemuster eine Arbeitgeber-Imageanzeige .......... 586 Testimonials in der Prüfungs- und Beratungsbranche .................................... 587 Generelle Nutzung verschiedener Recruiting-Kanäle .................................... 588 Active Sourcing-Kanäle ................................................................................. 591 Neueinstellungen über Recruiting- und Active Sourcing-Kanäle .................. 592 Effektivität und Effizienz von Recruiting-Kanälen ........................................ 594 Einladung zum Career Camp der Capgemini Consulting............................... 597 Vorteile von Mitarbeiterempfehlungen aus Unternehmenssicht .................... 599 Beliebteste Social-Media-Plattformen bei Bewerbern ................................... 601 Praxisbeispiel zum Bewerbungs- und Ausleseprozess bei Capgemini .......... 606 High Potentials – die Condottieri unserer Zeit ............................................... 608 Durchschnittliche Zeit für Durchsicht einer Bewerbungsunterlage ............... 610 Einstellungskriterien bei Hochschulabsolventen und Young Professionals..... 612 „Radikalkur in der Personalauswahl“ ............................................................. 613 Mein erster Schultag ....................................................................................... 617
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Insert 5-23: Insert 5-24: Insert 5-25: Insert 5-26: Insert 5-27: Insert 5-28: Insert 5-29: Insert 5-30: Insert 5-31: Insert 5-32: Insert 5-33: Insert 5-34: Insert 5-35: Insert 5-36: Insert 5-37: Insert 5-38:
Variable Gehaltsanteile nach Funktionsbereichen ......................................... 623 BDU-Vergütungsstudie 2021 ......................................................................... 625 Vergütungsmöglichkeiten über das Grundgehalt hinaus ................................ 626 „Was die neue Generation von ihrem Arbeitgeber wirklich will“ ................. 629 Praxisbeispiel für ein Anreiz- und Vergütungssystem ................................... 636 „Die alten Werte verändern sich“ ................................................................... 642 „Das Zuhause ist kein unproduktiver Ort“ ..................................................... 666 „Gefragt ist die hybride Führungskraft“ ......................................................... 669 „Zur Demokratisierung von Führung“ ........................................................... 670 „Was bei einer Führungskultur nicht verhandelbar sein sollte“ ..................... 672 Wahrnehmungsverzerrungen .......................................................................... 677 Die Skill-Level/Potential/Performance-Matrix von Capgemini ..................... 682 Kompetenzen schließen Wissen, Fertigkeiten und Qualifikationen ein ......... 689 Kompetenz-Atlas nach Erpenbeck/Heyse ...................................................... 691 „Ausfahrten“ vor der ultimativen Kündigung ................................................ 699 „Warum Mitarbeiter kündigen“ ...................................................................... 706 ---
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Kosten nach Kostenarten über alle Unternehmensberatungen ....................... 720 KPIs im Beratungsgeschäft (Auswahl)........................................................... 727 Gründe für die Anpassung hin zu einer agilen Organisation.......................... 746 Verbesserung durch agile Methoden .............................................................. 751 Bestimmungsfaktoren der datengetriebenen Agilität ..................................... 753 Status quo von Shared Service Centern 2019 ................................................. 756 Fünf Handlungsfelder für Change Management ............................................ 763 Die „Väter“ der Veränderung ......................................................................... 766 Ursachen fehlgeschlagener IT-Projekte.......................................................... 771
805
Sachwortverzeichnis 7 7-S-Modell ......................................................... 433 A Abmahnung ........................................................ 710 Above-the-line-Instrumente ............................... 284 Absatz- und Umsatzstatistiken ........................... 416 Absatzmarketing ........................................ 554, 581 Absatzmittler ...................................................... 332 Absatzorgane...................................................... 329 Absatzwege ........................................................ 329 Abschlussgespräch ............................................. 358 Abschlusssicherheit ............................................ 365 Abweichungsanalyse.......................................... 718 Active Sourcing ................................................. 590 Adaptive Selling................................................. 337 ADL-Matrix ....................................................... 478 Advertorial ......................................................... 302 Advisory............................................................. 110 Affiliate Marketing ............................................ 309 Agile Organisation ............................................. 748 Agile Tools................................................. 406, 745 Agilität ............................................................... 745 Akquisition ......................................................... 341 Akquisitionscontrolling...................................... 354 Akquisitionserfolg.............................................. 358 Akquisitionsgespräch ................................. 358, 361 Akquisitionsphase ...................................... 400, 401 Akquisitionspotenzial................................. 231, 553 Akquisitionsprozess ........................................... 400 Akquisitionsschwellen ....................................... 354 Akquisitionszyklus ............................................. 348 Aktionsfeld................................................. 260, 576 Aktionsparameter ............................................... 136 Aktivitätskennzahlen .......................................... 453 Algorithmic Consulting...................................... 181 Alleinstellungsanspruch ............................. 261, 262 Alleinstellungsmerkmal ..................... 260, 262, 576 Altersteilzeit ....................................................... 704 Alumni ............................................................... 603 Ambient Media .................................................. 313 Analysephase ............................................. 402, 430 Analyse-Werkzeuge ............................................. 52 Anbahnungsphase .............................................. 385 Anbietersuche .................................................... 346 Anbietervorauswahl ........................................... 347 Änderungskündigung ......................................... 700 Andorra-Phänomen ............................................ 679 Anerkennung ...................................................... 650
Anforderungsprofil ..... 358, 565, 567, 568, 572, 605 Angebots- und Vertragsgestaltung ..................... 401 Angebotseinholung ............................................ 346 Angebotskalkulation .......................................... 728 Angebotstypen ................................................... 372 Anreiz- und Vergütungssystem .......................... 620 Anreiz-Beitrags-Theorie .................................... 571 Anschlussakquisition ......................................... 548 Anweisung ......................................................... 649 Anzeigen ............................................................ 312 Anzeigenpreis .................................................... 312 Applicant............................................................ 554 Application Management ............100, 101, 115, 759 Arbeitgeberimage............................................... 577 Arbeitgeber-Imageanzeigen ............................... 585 Arbeitgebermarke .............................................. 280 Arbeitnehmerüberlassungsvertrag...................... 703 Arbeitsförderungsgesetz .................................... 702 Arbeitskultur ...................................................... 641 Arbeitsmarktsegmentierung ................564, 572, 573 Arbeitsplatz ........................................................ 555 Arbeitsstruktur ................................................... 743 Arbeitszeitflexibilisierung .................................. 701 Arbeitszeitverkürzung ........................................ 700 Arbeitszeugnis ........................................... 606, 710 Arbeitszufriedenheit ........................................... 641 Artificial Intelligence ......................................... 298 Assessment Center ..................................... 604, 614 Attritionrate ........................................................ 565 Aufgabenanalyse ................................................ 460 Aufhebungsvertrag............................................. 703 Auftragsbeurteilung ........................................... 548 Auftragserwartung ............................................. 355 Aus- und Weiterbildung ..................................... 686 Ausbildung ......................................................... 688 Auslandseinsatz ................................................. 694 Auslastung ......................................................... 726 Ausrichtungsdimension...................................... 276 Außendienstberichte .......................................... 416 Außenwerbung ................................................... 313 Austauschbeziehung .......................................... 571 Austauschgüter..................................................... 57 Austrittsbarrieren ............................................... 485 Austrittsinterview ............................................... 710 B Baby Boomer ............................................. 640, 660 Bachelor ............................................................... 16 Balanced Scorecard.................................... 457, 683 Banner ................................................................ 303
806 Bannerformate.................................................... 304 Bannerwerbung .......................................... 298, 303 Basic Beliefs ...................................................... 185 BCG-Matrix ....................................................... 476 BDU-Berufsgrundsätze ........................................ 22 BDU-Fachverbände ............................................. 38 Bedarfsanalyse ................................................... 362 Bedarfsbeschreibung .......................................... 346 Bedarfserkennung .............................................. 346 Beeinflusser........................................................ 244 Befragung........................................................... 418 Befragungsformen...................................... 418, 419 Befragungsstrategie............................................ 418 Befragungstaktik ........................................ 418, 419 Begleitkalkulation .............................................. 728 Bekanntheitsgrad................................................ 238 Below-the-line-Instrumente ............................... 284 Bemessungsgrundlagen ...................................... 633 Benchmarker ........................................................ 45 Benchmarking .................................................... 445 Benchmarking-Grundtypen ................................ 445 Benefit Selling ................................................... 363 Benutzer ............................................................. 245 Benutzergruppen ................................................ 382 Benutzertreffen .................................................. 383 Benutzervereinigung .......................................... 383 Beraterrollen ........................................................ 44 Beratersystem ....................................................... 42 Beratung, gutachterliche ...................................... 97 Beratung, instrumentelle ...................................... 39 Beratung, konzeptionelle ..................................... 39 Beratung, prozessorientierte............................... 112 Beratung, prüfungsnahe ..................................... 109 Beratung, regulatorische .................................... 112 Beratung, symbolische ......................................... 39 Beratung, systemische.......................................... 97 Beratung, transaktionsorientierte ....................... 111 Beratungsadressaten ............................................. 36 Beratungsansätze................................................ 394 Beratungsart ....................................................... 739 Beratungsethik ................................................... 139 Beratungsfeld ..................................................... 218 Beratungskonzept ................................................. 51 Beratungsobjekt ................................................... 37 Beratungsprodukt ..............53, 55, 57, 391, 405, 496 Beratungsprozess ............................................... 398 Beratungspyramide ............................................ 721 Beratungssystem .................................................. 42 Beratungstechnologie ....................54, 390, 404, 408 Beratungstechnologie, digitale ........................... 177 Beratungsthema.................................................. 210 Beratungstools.................................................... 395 Beratungsträger .................................................... 35 Berufsanfänger ................................................... 570
Sachwortverzeichnis Berufseinstiegsberatung .................................. 122 Berufserfahrungsprofil ....................................... 569 Berufsordnung ..................................................... 19 Berufsrecht ........................................................... 23 Beschäftigungsfähigkeit ..................................... 150 Beschwerdemanagement.................................... 385 Bestandsaufnahme ............................................... 94 Betreuung ........................................................... 374 Betreuungsquote ................................................ 446 Betriebsbesichtigung .......................................... 598 Betriebsgröße ..................................................... 247 Betriebsrat .................................................. 700, 707 Betriebsvereinbarung ......................................... 707 Beurteilung, eigenschaftsorientierte ................... 680 Beurteilung, ergebnisorientierte ......................... 680 Beurteilung, leistungsorientierte ........................ 680 Beurteilungsfehler .............................................. 676 Bewerber ............................................................ 122 Bewerberakzeptanz .................................... 552, 604 Bewerberdatei .................................................... 604 Bewerberkriterium ............................................. 552 Bewerbermanagement........................................ 615 Bewerbernutzen ..................................552, 564, 576 Bewerberscreening............................................. 604 Bewerbervertrauen ..................................... 552, 594 Bewerbervorteil...................................552, 576, 584 Bewerberwahrnehmung ............................. 552, 584 Bewerbungsanalyse............................................ 604 Bewerbungsanschreiben .................................... 605 Bewerbungsfoto ................................................. 605 Bewerbungsgespräch ................................. 605, 611 Bewerbungspool ................................................ 604 Bewerbungsunterlagen ....................................... 605 Bewusstseinsprogramm ..................................... 281 Beziehungsebene................................................ 337 Beziehungsmanagement .................................... 375 Beziehungsmarketing......................................... 375 Beziehungspflege ............................................... 376 Big Data ..................................................... 156, 158 Big Four ............................................................. 106 Bilanzanalyse ..................................................... 716 Bilanzgewinn ..................................................... 452 Bilanzpolitik....................................................... 716 Bildnetzwerke, soziale ....................................... 300 Bildungsprofil .................................................... 569 Bindungsfaktor................................................... 620 Bindungsfunktion............................................... 622 Bionik ................................................................ 466 Block-Modell (der Altersteilzeit) ....................... 704 Blogging-Netzwerke .......................................... 299 Bologna-Prozess ................................................ 596 Bologna-Reform .................................................. 15 Bonusprogramm ................................................. 380 Brainstorming .................................................... 463
Sachwortverzeichnis Brainwriting ....................................................... 464 Branchenimage .................................................. 577 Branchenorientierung ......................................... 247 Branchenspezialisierung .................................... 219 Branding............................................................. 590 Broschüre ........................................................... 600 Bundesverband Deutscher Unternehmensberater (BDU) .............................................................. 23 Bundesverband Informationstechnik (BVIT)....... 24 Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien\(BITKOM) ......................................... 25 Bundling............................................................... 66 Business Engineering ......................................... 510 Business Information Management...................... 99 Business Partner ................................................. 741 Business Process Outsourcing............................ 741 Business Process Redesign ................................ 510 Business Process Reengineering ...51, 506, 508, 510 Business Reegineering ....................................... 510 Business Strategy ................................................. 93 Business Technology ......................................... 100 Business Units .................................................... 733 Businessfaktor .................................................... 634 Business-to-Business (B2B)............................... 236 Business-to-Consumer (B2C) ............................ 236 Buyer .................................................................. 245 Buying Center ...............42, 244, 245, 253, 342, 348 C CAD/CAM-Systeme .......................................... 248 Cafeteria-Modell ................................................ 741 Cafeteria-System ................................................ 627 Call Center ................................................. 306, 359 Cash Cows ......................................................... 474 Cashflow ............................................................ 453 Certified Management Consultant ....................... 23 Certified Partner ................................................. 339 Chancen-Risiken-Analyse .................................. 167 Change Agent....................................................... 45 Change Management...................245, 645, 759, 761 Change request ................................... 121, 271, 527 Channel Policy ................................................... 329 Character Selling ................................................ 363 CI-Komponenten................................................ 200 Cloud Computing ................................. 98, 156, 163 Clusterorganisation ............................................ 732 Coach ........................................................... 46, 694 Coachee ........................................................ 46, 694 Coaching ...................................................... 46, 694 Commitment ...................................................... 641 Commodity ........................................................ 105 Company Profil .................................................. 416 Compensation & Benefits .................................. 620
807 Competence Center ............................................ 741 Competency Model ............................................ 632 Consulting 4.0 ...................................................... 75 Consulting Kontinuum ................................... 83, 85 Consulting, arbitration-based ............................... 41 Consulting, capacity-based .................................. 40 Consulting, content-based .................................... 40 Consulting, experience-based .............................. 40 Consulting, process-based.................................... 41 Consulting-Studiengänge ..................................... 29 Content ............................................................... 590 Controlling ............................................27, 714, 719 Conversion rate .................................................. 726 Conversionrate ................................................... 326 Core Competences ............................................. 440 Core Process Redesign ....................................... 510 Core-Only Consulting ........................................ 180 Corporate Behavior ............................................ 200 Corporate Center ................................................ 741 Corporate Communication ................................. 200 Corporate Companies......................................... 249 Corporate Culture............................................... 195 Corporate Design ............................................... 200 Corporate Governance ....................................... 200 Corporate Identity .............................................. 200 Corporate Social Responsibility (CSR) ..... 289, 291 Corporate Strategy ............................................... 93 Cost Drivers ....................................................... 443 Cost Savings ...................................................... 760 Costumer Solution Management .......................... 99 Couponing .......................................................... 380 CRM-Systeme ............................................ 351, 379 Cross Selling ...................................................... 345 Crowd-Consulting ................................................ 78 CUBE-Formel .................................................... 590 Customer Relationship Management (CRM) .... 262, 375, 379, 510 Customer Retention ........................................... 377 D Data Mining ....................................................... 379 Data Warehouse ................................................. 379 Database-Marketing ........................................... 307 Datenquellen ...................................................... 415 Decider ............................................................... 244 Deckungsbeitragsrechnung ........................ 716, 731 Deferred Compensation ............................. 627, 741 Defining the Business ........................................ 256 Delegation .......................................................... 649 Deliverables ....................................................... 728 Delivery ....................................................... 27, 400 Delphi-Methode ................................................. 423 Desinvestitionsstrategie ............................. 486, 487 Desk Research.................................................... 415
808 DESTEP-Prinzip ................................................ 143 Dienstleistung ...................................................... 32 Dienstleistungen, funktionelle.............................. 34 Dienstleistungen, institutionelle ........................... 34 Dienstleistungsansätze (im Beratungsgeschäft) ... 41 Dienstleistungsbegriff ............................................ 8 Dienstleistungsmarketing ................................... 237 Dienstvertrag ................................................ 21, 367 Differenzierung .................................................. 261 Differenzierungsfokus........................................ 491 Differenzierungsmerkmale................................. 263 Differenzierungsmöglichkeiten .......................... 262 Differenzierungsphase ......................................... 70 Differenzierungsstrategie ................................... 488 Digital Enthusiast ............................................... 177 Digital Leader .................................................... 665 Digitalisierung .................................... 156, 173, 311 Digitalstrategie ................................................... 175 Directing ............................................................ 719 Direktmarketing ................................................. 306 Direktvermarkter ................................................ 328 Direktvertrieb ..................................................... 330 Direktwerbung ........................................... 284, 306 DISG-Konzept ................................................... 657 Diskussion .......................................................... 412 Display Ads ........................................................ 303 Display Advertising ........................................... 303 Dissonanz, kognitive .................................. 283, 616 Distributed Leadership ....................................... 662 Distribution ........................................................ 329 Distributionsformen ........................................... 329 Distributionskanäle .................................... 329, 335 Distributionsorgane .................................... 329, 336 Distributor .......................................................... 332 Diversifikation ........................................... 223, 483 Diversifikationsstrategie ............................ 481, 484 Diversity............................................................. 150 Due Diligence .................................................... 505 DuPont-Kennzahlensystem ................................ 455 Durchsetzungsfunktion ........................................ 39 E Economic Value Added-Modell .......................... 53 Economies of Scale ............................................ 470 eConsulting Store ................................................. 79 E-Cruiting .......................................................... 589 Eigenschaftstheorie ............................................ 657 Eigentümerstruktur............................................. 738 Eigentumsverhältnisse ....................................... 219 Eignungsprofil.................................................... 605 Eignungstest ....................................................... 604 Einarbeitungsplan............................................... 617 Einflussfaktoren, makro-ökonomische............... 146 Einflussfaktoren, politisch-rechtliche................. 166
Sachwortverzeichnis Einflussfaktoren, sozio-kulturelle ...................... 149 Einflussfaktoren, technologische ....................... 153 Einflussfaktoren, unternehmensexterne ............. 143 Einführungsseminar ........................................... 617 Einkäufer............................................................ 245 Einkaufsprozess ................................................. 347 Einstellungsbeschränkung.................................. 702 Einstellungsgespräch.......................................... 611 Einstellungsinterview ................................. 605, 611 Einstellungsstopp ............................................... 702 Einstellungstest .................................................. 605 Eintrittsbarrieren ................................................ 485 Einwandbehandlung........................................... 364 Einwandbehandlungstechniken .......................... 364 Einzelabschluss (nach HGB) ............................. 715 E-Mail-Advertising ............................................ 305 E-Mail-Kommunikation..................................... 652 E-Mail-Marketing .............................................. 307 E-Mail-Newsletter.............................................. 298 Emotion.............................................................. 590 Empfehlungsbewerbung .................................... 604 Employability..................................................... 150 Employee ........................................................... 554 Employer............................................................ 554 Employer Branding .................................... 280, 581 Empowerment .................................................... 692 Enabling Functions ............................................ 740 Enabling-Bereich ............................................... 740 Engagierte .......................................................... 283 Enterprise Resource Planning (ERP) ................. 511 Entgeltfortzahlung.............................................. 700 Entlassungsgespräch .......................................... 710 Entrepreneurial Companies ................................ 249 Entscheider......................................................... 244 Entscheidungsbaum ........................................... 658 Entwicklungsstrategie ........................................ 383 E-Recruiting ....................................................... 589 Erfahrungskurve................................................. 470 Erfolgsfaktor ..........................................26, 262,264 Erfolgskennzahlen.............................................. 453 Ergebnisbeurteilung ........................................... 680 Ergebniskontrolle ............................................... 650 Erholungsphase .................................................... 74 Erleichterung .............................................. 697, 710 ERP-Software .................................................... 264 ERP-Systeme ........................96, 102, 248, 511, 761 Ersatzbedarf ....................................................... 564 Erwartungsprofil ................................................ 573 Event .................................................................. 295 Executive Search........................................ 125, 210 Exit Interview .................................................... 710 Expansionsphase ................................................ 385 Expertenbefragung ............................................. 422 Expertenberatung ................................................. 97
Sachwortverzeichnis Explorationsphase .............................................. 385 External Analysis ............................................... 131 Externalität ........................................................... 31 F Face-to-Face-Berater .......................................... 177 Fachbeiträge ....................................................... 585 Fachkompetenz .................................................. 337 Fachpromotoren bzw. -opponenten ............ 245, 253 Fachseminar ....................................................... 597 Fähigkeitsprofil .................................................. 573 Fairness .............................................. 553, 673, 684 Faktor, individueller ........................................... 634 Faktoren, weiche ................................................ 671 Feasibility Study ................................................ 404 Feedback .................................................... 648, 650 Feedback-Gespräch ............................................ 684 Fehlersammelliste .............................................. 538 Fernsehwerbung ......................................... 288, 313 Fertigungsarten .................................................. 247 Festpreis ............................................................. 369 Field Research .................................................... 415 Filterfragen ......................................................... 421 Finanzdienstleistungsbereich ............................... 82 Firmenpräsentation............................................. 598 Firmenworkshop ................................................ 597 First-Impression-Effekt ...................................... 679 First-to-Market ................................................... 492 Five-Forces-Modell............................................ 435 Fix price project ................................................. 271 Flexible Benefits ........................................ 627, 741 Fluktuation ................................................. 565, 681 Fluktuationsanalyse............................................ 565 Fluktuationsrate.................................................. 565 Flussdiagramm ................................................... 546 Folgegeschäft ..................................... 342, 374, 401 Fördermittelberatung............................................ 20 Förderpreis ......................................................... 598 Formalziel .......................................................... 203 Fragebogen ......................................................... 418 Fragen, direkte und indirekte ............................. 419 Fragen, instrumentelle ........................................ 421 Fragen, offene und geschlossene........................ 419 Fragetechniken ................................................... 362 Fragezeichen ...................................................... 474 Frauenquote................................................ 150, 701 Freelance-Consulting ........................................... 78 Freisetzungsbedarf ............................................. 697 Freistellungsbedarf ............................................. 565 Fringe Benefits ................................................... 626 Führung, agile ............................................ 660, 662 Führung, digitale ........................................ 660, 664 Führung, geteilte und verteilte ........................... 660 Führung, systemische ......................................... 660
809 Führung, virtuelle....................................... 660, 663 Führungsansätze, eindimensionale..................... 656 Führungsansätze, kognitive................................ 658 Führungsansätze, mehrdimensionale ................. 656 Führungsansätze, zweidimensionale .................. 656 Führungsaufgaben .............................................. 646 Führungserfolg ................................................... 668 Führungsinstrumente.......................................... 651 Führungskommunikation ................................... 651 Führungskompetenz, digitale ............................. 664 Führungskraft, hybride ....................................... 668 Führungskräfteentwicklung ................556, 691, 694 Führungskultur, autoritäre.................................. 671 Führungslaufbahn .............................................. 693 Führungsprinzipien ............................................ 651 Führungsprozess ................................................ 646 Führungsrolle ..................................................... 667 Führungssituation............................................... 646 Führungsstil ............................................... 646, 654 Führungsstilforschung........................................ 657 Führungsstilkonzepte ......................................... 657 Führungsstiltypen............................................... 657 Führungstechniken ............................................. 652 Führungstheorien, klassische ............................. 658 Führungsverhalten.............................................. 646 Funktionsbereiche .............................................. 250 G Gastvortrag......................................................... 598 Gatekeeper ......................................................... 244 Gefährdungsphase .............................................. 385 Gehaltsnebenleistungen ..................................... 626 Gemeinkostenverteilungsschlüssel .................... 729 Gemeinkostenwertanalyse (GWA) .................... 497 Generation X .......................................640, 659, 660 Generation Y .............................................. 641, 659 Generationenwechsel ......................................... 174 Gerechtigkeit .......................................553, 620, 629 Gerechtigkeit, absolute ...................................... 630 Gerechtigkeit, distributive.................................. 631 Gerechtigkeit, interaktionale .............................. 631 Gerechtigkeit, prozedurale ................................. 631 Gerechtigkeit, relative ........................................ 630 Gerechtigkeitsdimensionen ................................ 631 Gerechtigkeitsprinzipien ............................ 630, 631 Gesamtmarktabdeckung ..................................... 258 Geschäftsbereich ................................................ 733 Geschäftsbereichsorganisation ........................... 733 Geschäftsberichte ............................................... 585 Geschäftsfeldplanung..........................240, 256, 257 Geschäftsprozesse .............................................. 508 Geschäftsprozessmanagement ........................... 506 Gesprächsabschluss............................................ 364 Gesprächseröffnung ................................... 361, 684
810 Gesprächshauptteil ............................................. 684 Gesprächsphasen ................................................ 358 Gesprächsschluss ............................................... 684 Gesprächsüberleitung ......................................... 684 Gesprächsvorbereitung....................................... 361 Gestaltung, typografische................................... 587 Gestaltungsdimension ........................................ 276 Gestaltungsform ................................................. 585 Gewinn- und Verlustrechnung ........................... 716 Governance-Kosten............................................ 192 Governance-Struktur .......................................... 738 Grade .......................................................... 631, 721 Grading System .................................................. 631 Great-Man-Theorie ............................................ 657 GRID-System ..................................................... 338 Gross Rating Point ............................................. 323 Größendegressionseffekte .................................. 470 Grow-or-Die-Prinzip .................................... 18, 615 Gruppendiskussion ............................................. 614 H Halo- oder Überstrahlungseffekt ........................ 678 Händler............................................................... 332 Hardwarehersteller ............................................. 339 Hauptprozesse .................................................... 134 Head Hunter ....................................................... 122 Headline ............................................................. 587 Hidden action ....................................................... 59 Hidden characteristics .......................................... 59 Hidden information .............................................. 59 Hidden intention................................................... 59 Hierarchieeffekt ................................................. 678 Hierarchiestufe ................................................... 721 High Potentials .......... 12, 17, 18, 556, 563, 608, 694 Histogramm........................................................ 540 Hochpreisstrategie .............................................. 269 Hochschulabsolventen ............................... 122, 612 Hochschule ..................................................... 11, 13 Hochschulmarketing .......................................... 595 Hochschulmesse ................................................. 597 Hochschulpate .................................................... 599 Höchstprofil ....................................................... 568 Homeoffice ........................................................ 665 HR Service Delivery-Modell ............................. 741 HR-Beratung ...................................................... 125 Human-Resources-Beratung ................................ 84 Hypothesenentwicklung ....................................... 94 I Idealprofil........................................................... 568 IFRS (International Financial Reporting Standards)...................................................... 715 Image ......................................................... 207, 238 Imageanalyse...................................................... 577
Sachwortverzeichnis Imageanzeigen ................................................... 585 Imageprogramm ................................................. 282 Immaterialitätsgrad .............................................. 32 Implementierungsphase ..................................... 405 Inbound-Telefonmarketing ................................ 307 Indifferente......................................................... 281 Individualisierungsgrad........................................ 33 Industrie 4.0 ......................................................... 75 Industriegütermarketing ..................................... 237 Influencer ........................................................... 244 Informationsasymmetrie ...............8, 59, 60, 62, 194 Informationsbeschaffung ................................... 402 Informationsökonomik ................................... 58, 62 Informationsquellen, externe ............................. 416 Informationsquellen, interne .............................. 416 Informationsselektierer ...................................... 244 Infrastructure Management ................................ 101 Inhaltsberatung..................................................... 51 Inhouse Consulting ............................................ 116 Initialisierungsphase ............................................ 65 Initiativbewerbung ............................................. 604 Initiator............................................................... 244 Initiatoren ........................................................... 244 Innenliquiditätseffekt ......................................... 627 Innovationsberatung........................................... 214 Innovationsfunktion ........................................... 118 Innovationspotenzial .......................................... 251 Innovationsprozessberatung ............................... 215 Innovationstypen ................................................ 251 Innovationsumsetzungsberatung ........................ 215 In-Page Ads........................................................ 303 Institutional economics ........................................ 57 Institutionenökonomik ......................................... 57 In-Stream Video Ads ......................................... 303 Instrumente (der Strategieentwicklung) ............. 395 Instrumentedimension ........................................ 276 Integrationsgrad ................................................... 32 Interaktionsgrad ................................................... 33 Interessenausgleich ............................................ 709 Interessentenmanagement .................................. 386 Internationalisierungsphase.................................. 66 Internet ....................................................... 315, 589 Internet-Nutzer ................................................... 315 Internetplattformen ............................................ 584 Interpretationsfunktion ......................................... 39 Interview .................................................... 418, 421 Investorenmodell........................................ 193, 197 Irrelevanzprofil .................................................. 568 IT Infrastructure Consulting................................. 99 IT Strategy & Transformation.............................. 99 IT- und Technologieberatung......................... 98, 99 IT-Beratung...........................................84, 218, 725 IT-Beratungsunternehmen ................................. 102 IT-Outsourcing................................................... 115
Sachwortverzeichnis IT-Security ................................................... 99, 156 IT-Sicherheit ...................................................... 161 J Jahres-/Halbjahresbeurteilungen ........................ 674 Jahresabschluss .................................................. 715 Jahresendbeurteilung .......................................... 681 Jahresperformance ............................................. 634 Jahresüberschuss ................................................ 452 Job Describtion .................................................. 567 Job Involvement ................................................. 641 Job Sharing......................................................... 701 Job Specification ........................................ 565, 567 Jobbörse ............................................................. 589 K Kalibrierung ....................................................... 633 Kannibalisierungseffekt ............................. 270, 314 Kapitalstruktur ................................................... 451 Karriere .............................................................. 693 Karriereförderung................................................. 18 Karrierestufen-Modell ........................................ 631 Kartenabfrage..................................................... 412 Kaufentscheidungen, organisationale................. 243 Kaufhistorie........................................................ 361 Kaufprozess........................................................ 345 Kaufprozess, organisationaler ............................ 345 Kaufsignale ........................................................ 364 Kennzahlen .................................................. 80, 356 Kennzahlen, dynamische ........................... 452, 454 Kennzahlen, statische ......................................... 450 Kennzahlensysteme............................................ 450 Kernfragenanalyse ............................................. 460 Kernkompetenz .................................................. 440 Kern-Matrix-Struktur ......................................... 738 Kernprozesse ...................................................... 132 Key Account Management......................... 336, 345 Key Account Manager ....................................... 345 Key Accounting ................................................. 345 Key Performance Indicator (KPI) ...... 458, 683, 757 Keyword Advertising ......................................... 307 Kinowerbung...................................................... 313 Klickrate ............................................................. 315 Knowledge-Management ........................... 390, 738 Kollegenbeurteilung ........................................... 675 Kommunikation .......... 275, 298, 552, 585, 594, 769 Kommunikation, digitale ................................... 277 Kommunikation, formelle .................................. 652 Kommunikation, informelle ............................... 652 Kommunikationsbegriff ..................................... 275 Kommunikationsempfänger ............................... 276 Kommunikationsfunktion .................................. 118 Kommunikationsinhalt ....................................... 261 Kommunikationsinstrument ............................... 594
811 Kommunikationsinstrumente ............................. 284 Kommunikationsinstrumente, digitale ....... 287, 296 Kommunikationskanal ....................................... 585 Kommunikationsmodell ............................. 279, 280 Kommunikationsprozess .................................... 279 Kommunikationssender ..................................... 276 Kommunikationsstörungen ................................ 276 Kommunikationstechniken ........................ 401, 409 Kommunikationswirkung .................................. 323 Kommunikationsziel .......................................... 281 Komparativer Konkurrenzvorteil (KKV) ........... 261 Kompetenz, fachliche ........................................ 688 Kompetenz, methodische ................................... 688 Kompetenz, soziale ............................................ 688 Kompetenzen ..................................................... 558 Kompetenzfeld ................................................... 688 Kompetenzmanagement ..................................... 688 Kompetenzmodell ...................................... 632, 689 Konfirmationsfunktion ......................................... 39 Konflikt .............................................................. 650 Konfliktsteuerung .............................................. 650 Konsolidierungsphase .......................................... 73 Konsolidierungsstrategie.................................... 226 Konsumgütermarketing...................................... 237 Kontakt- und Eisbrecherfragen .......................... 421 Kontakt-Effekt ................................................... 678 Kontaktgespräch ................................................ 358 Kontaktmaßzahlen ............................................. 322 Kontingenztheorie .............................................. 658 Kontraktgüter ................................................. 22, 57 Kontrolle .................................................... 647, 718 Kontrollfragen .................................................... 421 Kontrollkarte ...................................................... 540 Konvergenz ........................................................ 311 Konvergenzlösungen.......................................... 163 Konvertierungsrate............................................. 726 Konzeptlieferant................................................... 45 Konzernabschluss .............................................. 715 Kooperationsförderungsfunktion ....................... 622 Kooperationsvereinbarung ................................. 340 Koordinationsfunktion ....................................... 118 Körperhaltung .................................................... 361 Korrelationsdiagramm ....................................... 544 Korrelationskoeffizient ...................................... 544 Kosten- und Leistungsrechnung................. 716, 717 Kostenartenrechnung ......................................... 716 Kostenführerschaft ..................................... 488, 491 Kostenstellenrechnung ....................................... 716 Kostenstruktur ............................................ 720, 726 Kostenträgerrechnung ........................................ 716 Kostenvorteil ...................................................... 261 Kreativitätstechniken ......................................... 463 Kristallisationspunkt, konzeptioneller........ 129, 185 Kunde-Lieferant-Beziehung................................. 47
812 Kunden-/Auftraggebersystem .............................. 42 Kunden-/Interessentensystem .............................. 42 Kundenakzeptanz ............................................... 341 Kunden-Berater-Beziehung.................................. 43 Kundenbeziehungsmanagement ......................... 375 Kundenbindungsmanagement ............................ 386 Kundenbindungsprogramm ................................ 380 Kundenclub ........................................................ 381 Kundenclubs ...................................................... 380 Kundendateien ................................................... 416 Kundendatenbanken ........................................... 307 Kundendurchdringung ....................................... 223 Kundenentwicklung ........................................... 223 Kundenkarte ....................................................... 380 Kundenkriterium ................................................ 233 Kundenlebenszyklus .......................................... 385 Kundennähe ............................................... 263, 329 Kundennutzen .................................................... 260 Kundenprogramm .............................................. 283 Kundenstruktur .................................................. 218 Kundenveranstaltungen ...................................... 380 Kundenvorteil ............................................ 260, 262 Kundenwahrnehmung ........................................ 275 Kundenwert ........................................................ 440 Kundenzeitschrift ............................................... 381 Kundenzufriedenheit .......................................... 361 Kundenzufriedenheitsanalyse ............................ 547 Kündigung.......................................................... 707 Kündigung, außerordentliche (fristlose) ............ 708 Kündigung, ordentliche ...................................... 708 Kündigung, personenbedingte............................ 710 Kündigung, verhaltensbedingte.......................... 709 Kündigungsmanagement .................................... 385 Kündigungsphase ............................................... 385 Kündigungspräventionsmanagement ................. 385 Kündigungsschutzgesetz .................... 700, 707, 708 Kündigungsschutzklage ..................................... 707 Kunst- und Sportveranstaltungen ....................... 380 Kurzarbeit .......................................................... 702 Kurzarbeitergeld ................................................ 702 L Lateral Hiring ..................................................... 225 Later-to-Market .................................................. 493 Laufbahnplanung ............................................... 632 Lead ................................................................... 417 Lead User ........................................................... 384 Leaders of tomorrow .................................. 556, 694 Leadership Development ........................... 689, 691 Leadmanagement ............................................... 349 Lebenslauf .......................................................... 606 Lebenszyklusmodell................................... 438, 471 Legimitationsfunktion .......................................... 39 Legitimator........................................................... 45
Sachwortverzeichnis Lehrauftrag......................................................... 598 Leiharbeiter ........................................................ 703 Leistung, individuelle ........................................ 634 Leistungsbeschreibung ....................................... 370 Leistungsbeurteilung .......................................... 680 Leistungsentwicklung ........................................ 223 Leistungserbringung und -bewertung ................ 347 Leistungsergebnis ................................................ 32 Leistungserstellung ............................................ 400 Leistungsfindung................................................ 209 Leistungsgerechtigkeit ....................................... 633 Leistungsnachweise (Zertifikate) ....................... 606 Leistungs-Potenzial-Matrix................................ 680 Leistungsprofil ................................................... 358 Leistungsprozess .................................................. 32 Leistungssteigerungsfunktion ............................ 622 Leistungstypologie ............................................... 34 Lernansatz, agiler ............................................... 672 Lernkurve ........................................................... 470 Lichtwerbung ..................................................... 313 LinkedIn ............................................................. 301 Liquiditätsgrad ................................................... 451 Logfile-Analyse ................................................. 324 M Machbarkeitsprüfung ......................................... 404 Machtpromotoren bzw. -opponenten ......... 245, 253 Make-or-buy .............................................. 741, 760 Make-or-buy-Entscheidung ................................. 61 Makrosegmentierung ..........................247, 384, 573 Makro-Umfeld ................................................... 143 Managed Professional Business ................. 193, 197 Management by Delegation ....................... 652, 653 Management by E-Mail ..................................... 652 Management by Exception................................. 654 Management by Motivation ............................... 654 Management by Objectives........................ 648, 652 Management by Participation .................... 652, 653 Management by Systems ................................... 654 Management by Walking Around ...................... 654 Managementansätze ........................................... 394 Managementberatung..................................... 37, 50 Managementfunktionen ..................................... 648 Managementkonzept ............................................ 51 Managementmoden .............................................. 51 Markenbildung ................................................... 581 Markenstrategie.................................................. 279 Marketing ..................................................... 26, 174 Marketing Myopia ............................................. 204 Marketing-Gleichung ......................................... 554 Marketingplanung ...................................... 130, 131 Marketing-Profis ................................................ 328 Marketingstrategie ............................................. 132 Marketing-Verbund-Kasten ............................... 103
Sachwortverzeichnis Marketing-Verweigerer...................................... 328 Marketingziele ................................................... 238 Marktanteil ................................................. 207, 238 Marktanteil, relativer.......................................... 475 Marktanteils-Marktwachstums-Matrix............... 474 Marktattraktivität ............................................... 476 Marktattraktivitäts-Wettbewerbsvorteils-Matrix . 476 Marktausrichtung, mehrdimensionale ................ 251 Marktbearbeitungsmuster................................... 257 Marktdurchdringung .......................................... 238 Marktdurchdringungsstrategie ................... 480, 481 Märkte ................................................................ 247 Märkte, horizontale .................................... 247, 573 Märkte, räumliche .............................................. 247 Märkte, regionale ............................................... 573 Märkte, vertikale ........................................ 247, 573 Markteinführungsphase ...................................... 471 Markteintritt ....................................................... 492 Markteintrittsschranke ....................................... 255 Markteintrittsstrategie ................................ 492, 494 Marktentwicklungsstrategie ............................... 481 Marktfelder ........................................................ 480 Marktfeldstrategien ............................................ 480 Marktforschung .................................................. 238 Marktgerechtigkeit ............................................. 632 Marktposition ..................................................... 207 Marktsegment .................................................... 240 Marktsegmentbarriere ........................................ 255 Marktsegmentbearbeitung .................................. 241 Marktsegmenterfassung ..................................... 241 Marktsegmentierung .................................. 241, 572 Marktspezialisierung .......................................... 258 Marktstimulierungsstrategien ............................. 488 Maßnahmen-Mix................................................ 221 Master .................................................................. 16 Matching ............................................................ 590 Matrixorganisation ..............674, 732, 734, 737, 748 McKinsey-Matrix ............................................... 477 Mediaanalyse ..................................................... 321 Mediabudgetierung ............................................ 321 Mediadimension ......................................... 276, 310 Mediaplanung .................................................... 320 Mediaselektion ................................................... 321 Mediawerbung ................................................... 287 Medien ............................................................... 313 Mediengattungen................................................ 313 Megatrends......................................................... 149 Mehrarbeit .......................................................... 701 Mehrkanalsysteme ............................................. 335 Meinungsführer .................................................. 598 Menschenführung............................................... 645 Mentee ............................................................... 695 Mentor .......................................................... 44, 695 Mentorenprogramm ........................................... 618
813 Mentoring........................................................... 695 Merchant ............................................................ 309 Merger........................................................ 197, 225 Mergers & Acquisitions (M&A) .............51, 73, 504 Merkmals-/Nutzen-Argumentation .................... 363 Messebesuchsberichte ........................................ 294 Messebeteiligung ............................................... 294 Messeeinladungen .............................................. 294 Messekosten ....................................................... 294 Messen ............................................................... 292 Messen und Ausstellungen................................. 284 Messvorschriften ................................................ 238 Methode 635 ...................................................... 464 Methode der gleitenden Durchschnitte .............. 426 Methode der kleinsten Quadrate ........................ 426 Mikrosegmentierung ...........................252, 572, 573 Mikro-Umfeld .................................................... 168 Milchkühe .......................................................... 474 Milde-Effekt....................................................... 678 Millennials ......................................................... 641 Mindestprofil ..................................................... 568 Mitarbeiterbefragung ......................................... 650 Mitarbeiterbeurteilung ....................................... 674 Mitarbeiterbindung ............................................ 629 Mitarbeiterfluktuation ........................................ 584 Mitarbeiterforderung .................................. 553, 686 Mitarbeiterförderung .................................. 553, 686 Mitarbeitergespräch ........................................... 652 Mitarbeiterkontrolle ........................................... 650 Mitarbeiterzeitschriften ...................................... 585 Mitbestimmung .................................................. 702 Mitbestimmung, Grad der .................................. 670 Mittelpreisstrategie ............................................ 268 Mittel-Zweck-Schema........................................ 455 Mobile Computing ............................................. 159 Mobile Endgeräte ............................................... 318 Mobile Payment ................................................. 160 Mobilisierung ..................................................... 768 Moderator..............................................46, 409, 412 Moral hazard ........................................................ 60 Morphologischer Kasten .................................... 466 Motivationsfaktor............................................... 650 Motivationsfunktion........................................... 621 Multi-Channel .................................................... 335 Multimedia Messaging Services (MMS) ........... 318 N Nachfolgeregelung ............................................. 500 Nachfolgerstrategie ............................................ 492 Nachkalkulation ................................................. 728 Nearshoring........................................................ 758 Negativprofil ...................................................... 568 Netto-Nutzen-Vorteil ......................................... 261 Network Transformation ...................................... 99
814 Netzwerke .......................................................... 752 Neubedarf........................................................... 565 Neugeschäft........................................................ 342 Neukundengewinnung ....................................... 400 Neukundenmanagement ..................................... 385 New Leadership-Ansätze ................................... 660 New Work ...........................658, 665, 666, 671, 692 Niedrigpreisstrategie .......................................... 268 Nikolaus-Effekt .................................................. 679 Nischenspezialisierung....................................... 258 Nischenstrategie ................................................. 490 Non-Price Competition ...................................... 488 Normstrategien ................................................... 475 Nutzen, funktionaler........................................... 263 Nutzenargumentation ......................................... 363 Nutzenvorstellung .............................................. 240 O Objektdimension ................................................ 276 Öffentlichkeitsarbeit................................... 284, 289 Offshoring .......................................................... 758 Ohio-State-Leadership-Quadrant ....................... 657 Onboarding ........................................................ 617 Online-Befragungen ........................................... 418 Online-Datenbanken .......................................... 416 Online-Fragebogen............................................. 418 Online-Käufe...................................................... 315 Online-Kommunikation ..................................... 275 Online-Profilabgleich ......................................... 607 Online-Werbemarkt ........................................... 314 Online-Werbung ................................ 284, 297, 327 Onshoring........................................................... 758 Opponenten ........................................................ 764 Opportunity Management .................................. 350 Order Qualifications........................................... 347 Organisation ................................................. 27, 174 Organisation, agile ............................................. 745 Organisation, divisionale ................................... 733 Organisation, funktionale ................................... 732 Organisations- und Prozessberatung .............. 84, 95 Organisationsentwicklung .................................... 97 Organisationsentwicklungsfunktion ................... 118 Organizing.......................................................... 719 Original Equipment Manufacturer (OEM) ......... 339 Outbound-Telefonmarketing .............................. 306 Outgrowing .......................................................... 51 Out-of-Home Media........................................... 312 Outplacement ..................................................... 704 Outsourcer .......................................................... 151 Outsourcing ...........................84, 100, 146, 743, 758 Overconcentration .............................................. 259 Overhead Functions ........................................... 740 Oversegmentation .............................................. 259
Sachwortverzeichnis P Page Tagging ..................................................... 324 Panelbefragung .................................................. 422 Pareto-Diagramm ............................................... 542 Partnerschaftsmodell .................................. 192, 197 Pay per Click ...................................................... 309 Pay per Lead ...................................................... 309 Pay per Order ..................................................... 309 Peer2Peer-Beratung ............................................. 78 Pensionierung..................................................... 704 Performance Measurement System .................... 681 Permission Marketing ........................................ 307 Personal Selling ................................................. 341 Personalabbau ............................................ 698, 709 Personalakquisition ............................................ 563 Personalauswahl ......................................... 552, 604 Personalauswahlentscheidung............................ 605 Personalbedarfsermittlung ................................. 567 Personalbedarfsplanung ............................ 564 , 565 Personalbedarfsplanung, quantitative ................ 564 Personalbedarfsplanung, räumliche ................... 567 Personalberatertypologie.................................... 125 Personalberatung .......................................... 84, 122 Personalberichte ................................................. 585 Personalbeschaffung .......................................... 552 Personalbeschaffung, externe............................. 570 Personalbeschaffung, interne ............................. 570 Personalbeschaffungskette ................................. 604 Personalbeschaffungsprozess ..................... 555, 594 Personalbeschaffungswege ................................ 569 Personalbestand ................................................. 564 Personalbestandsreduktion ................................. 702 Personalbetreuung .............................................. 552 Personalbetreuungskette .................................... 604 Personalbetreuungsprozess ................................ 555 Personalbeurteilung.................................... 553, 673 Personalbindung................................................. 686 Personaleinsatz ................................................... 618 Personaleinsatzplanung .............................. 618, 673 Personalentwicklung .................................. 553, 686 Personalentwicklungsfunktion ........................... 118 Personalentwicklungsmaßnahmen ..................... 584 Personalersatzbeschaffung ................................. 711 Personalfreisetzung .................................... 553, 697 Personalführung ..................................174, 553, 637 Personalgewinnung ............................................ 569 Personalimage .................................................... 577 Personalimagebroschüren .................................. 585 Personalintegration .............................552, 604, 616 Personalleasing .................................................. 702 Personalmanagement, wertorientiertes .............. 135 Personalmarketing-Gleichung............................ 552 Personalpyramide................................................. 18
Sachwortverzeichnis Personalstruktur ................................................... 18 Personalvergütung.............................................. 553 Personalvermittler .............................................. 122 Pflichtenheft ....................................................... 370 Pionierstrategie .................................................. 492 Pipeline Performance Management ................... 351 Pitch ................................................................... 347 Plakatsäulen ....................................................... 313 Plakatwände ....................................................... 313 Plan-Build-Run-Modell ....................................... 46 Planned Obsolescence ........................................ 481 Planning ............................................................. 719 Planung ...................................................... 647, 717 Planung, operative.............................................. 647 Planung, strategische .......................................... 647 Planungs- und Kreativitätstechniken .................. 405 Planungstechniken ............................................. 397 Plattform Consulting .......................................... 180 Plausibilitätsfragen ............................................. 421 PMBoK ...................................................... 523, 525 Point of Purchase (PoP) ..................................... 319 Policy ................................................................. 201 Politikfunktion ..................................................... 38 Poor Dogs........................................................... 474 Portfolio-Analyse ....................................... 473, 476 Portfoliomanagement ........................................... 51 Portfoliotechniken .............................................. 405 Positionierung .....................260, 552, 576, 577, 584 Positionierungselemente .................................... 577 Positionierungsstrategie ..................................... 581 Post-Merger-Integration ............................. 226, 505 Post-Sales-Geschäft ........................................... 381 Post-Test ............................................................ 324 Potenzialansatz ................................................... 695 Potenzialbeurteilung........................................... 680 Potenzialunterschiede......................................... 262 Powerpoint-Präsentation .................................... 414 Präferenzen ........................................................ 262 Präferenzstrategie ............................................... 488 Praktikantenförderprogramm ............................. 596 Praktikum ........................................................... 595 Präsentation ........................................................ 414 Präventivansatz .................................................. 695 Preisdifferenzierung ........................................... 269 Preisdifferenzierung, quantitative ...................... 270 Preisdifferenzierung, zeitliche............................ 270 Preisdifferenzierungsstrategien .......................... 269 Preisfindung, kostenorientierte .......................... 273 Preis-Mengen-Strategie .............................. 488, 489 Preisniveau ......................................................... 255 Preispositionierungsmatrix ................................. 268 Preistaktik .......................................................... 271 Preisvorteil ................................................. 261, 488 Preiswettbewerb ................................................. 488
815 Premiumstrategie ............................................... 269 Pre-Sales-Phase .................................................. 283 Pressekonferenzen.............................................. 290 Pressemitteilungen ............................................. 289 Prestige............................................................... 207 Pre-Test .............................................................. 324 Price Competition .............................................. 488 Primäraktivitäten ........................................ 132, 231 Primärdaten ........................................................ 415 Primärforschung................................................. 415 Prince2 ................................................519, 521, 522 Principal-Agency-Theorie.................................... 59 Principal-Agent-Beziehung.................................. 59 Principal-Agent-Theorie ...................................... 58 Printmedien ........................................................ 311 Private-Equity-Unternehmen ............................. 484 Privathochschule ................................................ 10 Probezeit ............................................................ 674 Problemlösung ................................................... 392 Problemlösungsansätze ...................................... 394 Problemlösungsfunktion .................................... 118 Problemlösungsphase ......................................... 404 Problemlösungsprozess ...................................... 396 Problemlösungstechnologie ....................... 232, 403 Problemtypen ..................................................... 393 Process Innovation ............................................. 510 Process Maturity ................................................ 760 Process Redesign ............................................... 510 Product Lifecycle Management (PLM) .... 103, 262, 510 Product Placement ............................................. 284 Product Publicity................................................ 284 Productized Consulting ........................................ 76 Produkt-/Leistungsprogramm ............................ 282 Produkt/Markt-Matrix ........................................ 257 Produktentwicklungsstrategie .................... 481, 483 Produktlebenszyklus .......................................... 471 Produktleistung .................................................. 358 Produkt-Markt-Matrix........................................ 480 Produktmerkmale ............................................... 262 Produktportfolio ................................................. 475 Produktspezialisierung ....................................... 258 Produktstabilität ................................................. 263 Produktvorteil ............................................ 261, 488 Professional Partnership Model ................. 192, 197 Professional Service Firms..................................... 8 Professional Services ........................................... 30 Professionalisierungsphase .................................. 65 Professionalität..................................................... 31 Prognosetechniken ..............................401, 421, 425 Programmunterschiede ...................................... 262 Projektcontrolling .............................................. 728 Projektergebnisrechnung.................................... 728 Projektmanagement............................................ 518
816 Projektmanagement-Tools ......................... 406, 518 Promotoren......................................................... 764 Property-Rights-Theorie ...................................... 58 Proportionalkostenrechnung .............................. 730 Prozess ............................................... 135, 136, 506 Prozessberatung ................................................... 51 Prozesshierarchie ............................................... 231 Prozessidee ........................................................... 47 Prozesskette.................................................. 47, 507 Prozesskostenrechnung ...................................... 716 Prozessorganisation.............................. 47, 506, 508 Prozessphasen ............................................ 135, 231 Prozesspromotoren bzw. -opponenten ............... 245 Prozessschritte ............................................ 135, 231 Prozessunterschiede ........................................... 262 Public Relations (PR) ......................................... 289 Publizisten .......................................................... 328 Purpose............................................................... 203 Pyramidenprinzip ............................................... 459 Pyramidenstruktur .............................................. 725
Sachwortverzeichnis
Qualifikation ................................................ 12, 688 Qualifizierung (der Kontakte) ............................ 350 Qualitätsführerschaft .......................................... 488 Qualitätsmanagements (QM) ..................... 136, 138 Qualitätsmanagement-Tools .............................. 406 Qualitätswettbewerb........................................... 488 Question Marks .................................................. 474
Relationship Marketing ...................................... 375 Relaunch ............................................................ 472 Relaunching-Maßnahmen .................................. 472 Remote-Beratung ........................................... 76, 78 Renewing ........................................................... 509 Rentabilität ................................................. 207, 453 Rentabilitätskennziffern ..................................... 453 Replacement....................................................... 711 Repräsentativbefragung ..................................... 422 Resistance to Change ......................................... 765 Ressourcenanalyse ............................................. 432 Restructuring ...................................................... 509 Retention ............................................................ 629 Return on Development ..................................... 584 Review-Team ..................................................... 674 Revitalisierungsphase ........................................ 385 Revitalizing ........................................................ 509 Risikoanalyse ..................................................... 141 Risikocontrolling................................................ 142 Risikogestaltung ................................................. 141 Risikokultur ....................................................... 141 Risikomanagement............................................. 141 RoboConsultant ................................................... 77 Rollenspiel ......................................................... 614 Rollenwechselsysteme ....................................... 313 Ronagraph .......................................................... 478 RSS Feed............................................................ 590 Rückgewinnungsmanagement ................... 385, 386 Rückkopplung .................................................... 648
R
S
Radio-Spot ......................................................... 313 Rationalität der Führung .................................... 717 Realisierung ....................................................... 647 Recency-Effekt .................................................. 679 Rechnungswesen ................................................ 715 Rechnungswesen, externes................................. 715 Rechnungswesen, internes ................................. 716 Recruiting-Kanal ................................................ 589 Referenz ..................................................... 374, 383 Referenzbesuche ................................................ 383 Referenzdatei ..................................................... 384 Referenzpolitik, aktive ....................................... 383 Referenzpolitik, passive ..................................... 383 Referenz-Selling ................................................ 342 Referral-Programm ............................................ 599 Reframing .......................................................... 509 Regressionsanalyse ............................................ 427 Regressionsfunktion ........................................... 427 Regressionskoeffizienten ................................... 428 Reifegradmodell (der Virtualisierung) ............... 178 Reifegradmodell, situatives ................................ 658 Reifephase .................................................. 385, 472 Relationship HR ................................................. 741
SaaS-Modell....................................................... 333 Sabbatical ........................................................... 626 Sachfragen ......................................................... 421 Sachleistung ......................................................... 34 Sachziel ...............................................203, 204, 209 Salary Split Model ............................................. 636 Sales Cycle ..........................................348, 351, 400 Sales Funnel ....................................................... 351 Sanierungsberatung. ............................................. 20 Sarbannes-Oxley Act ......................................... 166 Sättigungsphase ................................................. 472 Schalenmodell .................................................... 102 Schamane ............................................................. 45 Schlichtungsfunktion ........................................... 40 Schlüsselfaktoren ............................................... 262 Schlüsselkunden................................................. 345 Schlüsselqualifikation ........................................ 687 Schrifttypen........................................................ 587 Schrumpfungsstrategien ..................................... 485 Schul- und Ausbildungszeugnisse ..................... 606 Scrum ................................................................. 406 Search Engine Advertising – SEA ..................... 309 Search Engine Optimization – SEO ................... 309
Q
Sachwortverzeichnis Second-to-Market............................................... 493 Segmentanteil ..................................................... 254 Segmentbewertung ............................................. 254 Segmentierung ................................... 240, 552, 564 Segmentierung, demografische .......................... 573 Segmentierung, eindimensionale ....................... 242 Segmentierung, horizontale................................ 250 Segmentierung, mehrdimensionale ............ 242, 252 Segmentierung, motivbezogene ......................... 574 Segmentierung, psychografische........................ 573 Segmentierung, sozioökonomische .................... 573 Segmentierung, verhaltensbezogene .................. 574 Segmentierung, vertikale ................................... 247 Segmentierungsanforderungen................... 241, 574 Segmentierungsansätze ...................................... 246 Segmentierungsarten .......................................... 242 Segmentierungsbaum ......................................... 248 Segmentierungsdimensionen.............................. 573 Segmentierungskriterien ............................ 247, 573 Segmentierungsstrategien .................................. 257 Segmentierungsstufen ................................ 247, 573 Segmentpotenzial ............................................... 254 Segmentvolumen................................................ 254 Sekundäraktivitäten .................................... 132, 231 Sekundärdaten ............................................ 415, 416 Sekundärforschung............................................. 415 Selbstbeurteilung................................................ 675 Selbstorganisation .............................................. 748 Selbststeuerung, dezentrale ................................ 645 Selektionsfunktion ............................................. 622 Self Analysis ...................................................... 131 Self-Service Consulting ..................................... 181 Selling Center............................................... 42, 342 Semi-public Companies ..................................... 249 Sensibilisierte ..................................................... 282 Sequenzanalyse .................................................. 462 Service Center .................................................... 741 Service Level Agreement (SLA) ................ 101, 757 Service Offerings ....................................... 255, 259 Serviceleistungen ............................................... 263 Service-Lines ..................................................... 739 Shared Leadership .............................................. 662 Shared Service Center ........................ 741, 743, 755 Shareholder Value ................................................ 51 Short Message Services (SMS) .......................... 318 Sicherheit ........................................................... 207 Sicherungsfunktion ............................................ 621 Signalisierung .................................... 275, 552, 584 Signalisierungselemente..................................... 585 Signalisierungsinstrument .......................... 587, 594 Silent Generation ............................................... 640 Situationsanalyse................................................ 131 Situationstheorie der Personalführung ............... 657 Skalenerträge...................................................... 470
817 Smartphone ................................................ 159, 660 SMART-Prinzip ................................................. 448 Social Media .......................................301, 302, 380 Social Media Advertising................................... 299 Social Media-Plattformen .................................. 299 Soft skills ........................................................... 569 Software ............................................................. 104 Software as a Service (SaaS) ............................... 79 Softwareentwicklung ................................... 84, 745 Softwarehäuser................................................... 102 Soll-Ist-Vergleich............................................... 718 Soll-Konzeption ................................................. 404 Sozialauswahl .................................................... 709 Soziale Medien .................................................. 174 Sozialleistungen, freiwillige............................... 626 Sozialleistungen, gesetzliche ............................. 626 Sozialleistungen, tarifliche ................................. 626 Sozialplan........................................................... 709 Spartenorganisation............................................ 733 Spezifität .............................................................. 61 Sponsoring ..........................................284, 290, 381 Sponsoring-Bereiche .......................................... 291 Sponsoring-Maßnahmen .................................... 291 Sponsorship........................................................ 290 Stabilisierungsstrategie .............................. 486, 487 Staffing....................................................... 618, 719 Stakeholder .........................................280, 289, 603 Standardsoftware.................................................. 85 Stärken-/Schwächenanalyse ................169, 403, 577 Stärken-Schwächen-Profil ......................... 432, 433 Stars ................................................................... 474 Stellenanzeige .................................................... 587 Stellenanzeigen .................................................. 585 Stellenbeschreibung ........................................... 567 Sterne ................................................................. 474 Steuerberatung ................................................... 114 Steuerdeklarationsberatung ................................ 114 Steuergestaltungsberatung ................................. 114 Steuerrechtsdurchsetzungsberatung ................... 114 Steuerungsfunktion ............................................ 621 Stipendium ......................................................... 596 Strategic HR ....................................................... 741 Strategic Redesign ............................................... 93 Strategic Renewal ................................................ 93 Strategic Review .................................................. 93 Strategie ............................................................. 220 Strategieberatung ......................83, 84, 92, 218, 721 Strategieformulierung ........................................ 480 Strategische Allianz ........................................... 339 Strategische Geschäftseinheiten (SGE).............. 257 Strategische Geschäftsfelder (SGF) ................... 256 Strenge-Effekt .................................................... 678 Streuplanung ...................................................... 322 Streuverluste .............................................. 281, 322
818 Strukturorganisation ........................................... 732 Stuck in the Middle ............................................ 489 Stücklistenorganisation ...................................... 248 Studiengang Consulting ......................................... 9 Suchmaschinen .......................................... 290, 416 Suchmaschinenmarketing .................................. 309 Suchmaschinen-Optimierung ............................. 309 Suchmaschinenwerbung..................... 307, 308, 309 Super Leadership................................................ 660 Super Leadership-Ansatz ................................... 661 Supply Chain Management (SCM) ............ 262, 510 Support-Funktionen ................................... 738, 755 Survey Method ................................................... 418 SWOT-Analyse ...........................131, 170, 430, 431 Synektik ............................................................. 465 Systemintegration................................................. 84 Systemische Führung ......................................... 663 Szenariotechnik .................................................. 424 T Tablet ......................................................... 159, 660 Tabuprofil .......................................................... 568 Tagessätze .......................................................... 219 Talent Empowerment ......................................... 692 Talentmanagements ........................................... 692 Talentpool .......................................................... 119 Talents ........................................................ 556, 694 Target Costing .................................................... 716 Targeting ............................................................ 344 Tarifvertrag ........................................................ 707 Tausend-Leser-Preis........................................... 323 Techniken der Unternehmensführung ................ 395 Techniken zur Informationsbeschaffung und -darstellung ............................................. 401 Technologie........................................................ 247 Technology Services .......................................... 100 Teilkostenrechnung ............................................ 716 Teilzeitarbeit ...................................................... 700 Telefonmarketing ............................................... 306 Telefonverkauf ................................................... 359 Teleshopping ...................................................... 307 Tendenzfehler .................................................... 678 Terminal Systeme .............................................. 319 Testimonial ........................................................ 587 Theorie der charismatischen Führung ................ 657 Theorie der transformationalen/transaktionalen Führung ......................................................... 657 Times-Branche ..................................................... 82 Time-to-Market .................................................. 492 Timing-Strategie ................................................ 494 Toolbox ................................................................ 52 Tools zur Evaluierung ................................ 406, 546 Tools zur Formulierung der strategischen Stoßrichtung .................................................. 405
Sachwortverzeichnis Tools zur Problemstrukturierung ....................... 403 Tools zur Strategiewahl ..................................... 405 Tools zur Umwelt-, Wettbewerbs- und Unternehmensanalyse ........................... 403, 430 Tools zur Zielformulierung ........................ 403, 448 Total Compensation ........................................... 622 Total Quality Management (TQM) .................... 137 TOWS-Analyse .................................................. 431 Traditionalisten .................................................. 640 Traffic ................................................................ 324 Traffic Boards .................................................... 313 Training-off-the-job ............................................... 6 Training-on-the-job ................................................ 6 Trainingsbedarfsanalyse .................................... 614 Trait Theory ....................................................... 657 Transactional HR ............................................... 741 Transaktionskosten ............................................ 192 Transaktionskostenansatz..................................... 61 Transaktionskostentheorie ........................... 58, 120 Transaktionsmarketing ....................................... 375 Transferfunktion .................................................. 51 Transformation Consulting .................................. 50 Transformation, digitale............................. 176, 659 Transformationsprozess ....................................... 49 Trendextrapolation ..................................... 426, 427 Trendfunktion .................................................... 427 Trias der HR-Organisation ................................. 741 TV-Spot ............................................................. 313 typografischen Gestaltung.................................. 587 Typologie ............................................................. 32 U Überkonzentration.............................................. 259 Übersegmentierung ............................................ 259 Umsatz ............................................................... 207 Umsetzungsberatung ............................................ 50 Umweltanalyse ................................................... 131 Unabhängigkeit ............................................ 31, 207 Unique Selling Proposition ................................ 576 Unique Selling Proposition (USP) ............. 261, 488 Universität .......................................................... 10 Unternehmens- und Business-TV ...................... 585 Unternehmensanalyse ........................................ 131 Unternehmensbroschüren................................... 585 Unternehmenscontrolling ................................... 720 Unternehmensführung........................................ 174 Unternehmensfusion .......................................... 197 Unternehmensgrundsätze ................................... 201 Unternehmensidentität ....................................... 199 Unternehmensimage .......................................... 577 Unternehmenskommunikation ................... 283, 289 Unternehmenskonzeption..................................... 26 Unternehmenskultur.... 174, 185, 195, 200, 553, 577 Unternehmensleitlinien ...................................... 200
Sachwortverzeichnis Unternehmensmission ........................................ 203 Unternehmensperformance ................................ 249 Unternehmensphilosophie .................. 185, 199, 200 Unternehmensplanspiel ...................................... 598 Unternehmensprofil ........................................... 416 Unternehmensvision........................................... 203 Unternehmensziele ............................................. 207 Unternehmenszusammenschluss ........................ 197 Unternehmenszweck .......................................... 203 Unterstützungsprozesse .............................. 132, 134 Up-or-Out-Prinzip ........................................ 18, 615 Ursache-Wirkungs-Diagramm ........................... 541 Usability ............................................................. 590 User .................................................................... 245 User-Groups ....................................................... 382 V Value chain ........................................................ 443 Value Pricing ..................................................... 269 Value Proposition............................................... 261 Value System ..................................................... 443 Value-Added-Reseller (VAR) .................... 333, 339 Veränderungsbedarf ........................................... 768 Veränderungsbereitschaft................................... 768 Veränderungsfähigkeit ....................................... 768 Veränderungsmanagement ................. 245, 645, 761 Verantwortung, soziale ...................................... 207 Vergütung, fixe .................................................. 622 Vergütung, variable.................................... 622, 634 Vergütungsbandbreiten ...................................... 632 Vergütungsniveau .............................................. 632 Verhaltensgitter-Modell ..................................... 657 Verhaltensrichtlinien .......................................... 201 Verhandlungen ................................................... 347 Verkäuferverhalten............................................. 339 Verkaufsförderung ............................................. 284 Verkaufsgespräch ............................................... 360 Verkaufsgitter .................................................... 338 Verkehrsmittelwerbung ...................................... 313 Vermittlungsprovision ....................................... 333 Vermögensstruktur ............................................. 450 Versetzung ......................................................... 700 Vertiefungsgespräch........................................... 358 Vertrag ............................................................... 365 Vertragsabschluss............................................... 347 Vertrieb ........................................................ 26, 174 Vertrieb, direkter ................................................ 330 Vertrieb, indirekter ..................................... 330, 339 Vertriebsaudit ..................................................... 354 Vertriebsform ..................................................... 330 Vertriebskontakt ................................................. 355 Vertriebskooperation .................................. 339, 340 Vertriebsorganisation ......................................... 329 Vertriebspartnerschaft ........................................ 339
819 Vertriebspipeline ................................................ 351 Vertriebsqualifikation ........................................ 337 Vertriebssystem ................................................. 329 Vertriebstrichter ................................................. 351 Vertriebswege .................................................... 339 Videoboards ....................................................... 313 Videonetzwerke ................................................. 301 Virtualisierung ................................................... 178 Vollkostenrechnung ........................................... 716 Vorbehaltsaufgaben ........................................... 105 Vorgangskette ...................................................... 47 Vorgesetztenbeurteilung .................................... 675 Vorkalkulation ................................................... 728 Vorlagefragen .................................................... 421 Vorruhestand ...................................................... 704 Vorstellungsgespräch ......................................... 611 Vortragsfragen ................................................... 421 VUCA ................................................................ 658 W Wachstum .......................................................... 207 Wachstum, anorganisches .................................. 225 Wachstum, organisches...................................... 224 Wachstumsphase ................................................ 472 Wachstumsstrategien ......................................... 480 Wahrnehmung, selektive.................................... 678 War for Talents .....................................12, 563, 575 Wasserfallmodell ............................................... 745 Web 2.0 ...................................................... 302, 600 Web 2.0-Applikationen ...................................... 290 Web Analytics.................................................... 324 Website Advertising........................................... 298 Website .............................................................. 298 Weg-Ziel-Theorie .............................................. 658 Weisung ............................................................. 649 Weiterbildung .................................................... 688 Werbeaufwendungen ......................................... 310 Werbebotschaft .................................................. 586 Werbebriefe ....................................................... 306 Werbeeinnahmen ............................................... 310 Werbeerfolgskontrolle ....................................... 315 Werbefilm .......................................................... 313 Werbekonstante.................................................. 585 Werbemittel ....................................................... 287 Werbeträger ............................................... 287, 310 Werbewirkungsforschung .................................. 323 Werbung............................................................. 284 Werbung im Internet .......................................... 278 Werkstudententätigkeit ...................................... 596 Werkvertrag ..........................................21, 367, 369 Wertewandel .......................................150, 639, 687 Wertkette ............................................................ 443 Wertkettenanalyse .............................................. 442 Wertschätzung ........................................... 553, 637
820 Wertschöpfung ................................................... 445 Wertschöpfungsaktivitäten ................................. 132 Wertschöpfungskette...........125, 132, 133, 507, 697 Wertschöpfungsmodell ...................................... 444 Werttreiber ................................................. 135, 136 Wertvorstellungen ...................................... 150, 639 Wertvorstellungen, allgemeine .......................... 185 Wettbewerb ........................................................ 168 Wettbewerbsintensität ........................................ 255 Wettbewerbskräfte ............................................. 435 Wettbewerbstrategien ......................................... 488 Wettbewerbsvorteil ....132, 231, 232, 233, 261, 553, 555 Wiederholungskäufe .......................................... 374 Wirkungsforschung, psychologische ................. 324 Wirtschaftsabteilungen....................................... 247 Wirtschaftsprüfung....................................... 70, 104 Wissensfunktion ................................................. 118 Wissensmanagement .......................................... 738 Wissenstransferfunktion....................................... 38 Workforce Management .................................... 618 Working Structure .............................................. 743 Work-Life-Balance .................................... 150, 620 Workshop ........................................................... 409 X Xing ................................................................... 301 X-Shoring........................................................... 757 Y Year-End-Review....................................... 681, 741 YOLO ................................................................ 578
Sachwortverzeichnis Z Zeitreihenanalyse ....................................... 426, 427 Zeitschriften ....................................................... 311 Zeitungen ........................................................... 311 Zeitwertkonto ............................................. 701, 741 Zentraltendenz ................................................... 678 Zero-Base-Budgeting (ZBB).............................. 499 Zeugnisnote.......................................................... 12 Zeugnissprache .......................................... 674, 675 Zielausmaß ......................................................... 207 Zielbildungsprozess ................................... 132, 207 Ziele ........................................................... 185, 220 Ziele, marktökonomische ................................... 238 Ziele, marktpsychologische ............................... 238 Zielerfüllung ...................................................... 207 Zielformulierung ................................................ 403 Zielfunktion ....................................................... 554 Zielgruppe .................................................... 37, 252 Zielinhalt ............................................................ 207 Zielkatalog ......................................................... 635 Zielpersonen..........................................37, 252, 281 Zielpersonenkonzept, hierarchisch-funktionales .............................. 252 Zielpersonenkonzept, kommunikationsorientiertes .......................... 252 Zielpyramide ...................................................... 185 Zielsetzung ......................................................... 647 Zielvereinbarung ........................................ 648, 652 Zufriedenheitsmanagement ................................ 385 Zukunftssicherheit.............................................. 263 Zukunftssicherung.............................................. 645 Zusatzbedarf....................................................... 564