Die Unbestimmte Verurteilung im Jugendstrafrecht [Reprint 2021 ed.] 9783112454565, 9783112454558

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Die Unbestimmte Verurteilung im Jugendstrafrecht [Reprint 2021 ed.]
 9783112454565, 9783112454558

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Hamburger Rechtsstudien herausgegeben von Mitgliedern der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Hansischen Universität

Heft 31

Aus dem Seminar für Jugendrecht der Hansischen Universität (Direktor: Prof. Dr. Rudolf Sieverts)

Die Unbestimmte Verurteilung im Jugendstrafrecht von

Dr. iur. Helmut Meins

Hamburg Friederichsen, de Gruyter & Co.

1939

D. 18

Niemann & Moschlnskl Hamburg 23, Kantstr. 18

Meinen lieben Eltern!

Inhaltsverzeichnis. 1. K a p i t e l : E i n l e i t u n g

7

§ i . Begriff, Ausgestaltungen und Zweck der Unbestimmten Verurteilung

7

2. K a p i t e l ¡ G e s c h i c h t l i c h e s

.

9

§ 2. Die Unbestimmte Verurteilung bis 1850 § 3. Die weitere Entwicklung der Unbestimmten Verurteilung 3. K a p i t e 1 : R e ch t s v e r g 1 e ich e n d e s

17

§ 4. Die Vereinigten Staaten von Nordamerika § 5. England

9 13

17

.

22

§ 6. Österreich

27

§ 7. Dänemark und Schweden

31

§ 8. Die Tschecho-Slowakei

34

4. K a p i t e l : K r i m i n a l p o l i t i s c h e s

35

§ 9. Die kriminalpolitische Zweckmäßigkeit der Unbestimmten Verurteilung

3")

§ 10. Die Unbestimmte Verurteilung ist nicht ersetzbar .

.

45

5. K a p i t e l : D o g m a t i s c h e s

49

§ 11. Methodisches

49

§ 12. Der Schuldbegriff

50

§ 13. Die Freiheitsstrafe im Jugendrecht

53

§ 14. Die Stellung der Unbestimmten Grundlagen der Jugendstrafe:

Verurteilung

zu den

A. Zur Spezialprävention

58

B. Zur Generalprävention

59

C. Zur Vergeltung

60

§ 15. Anhang: Staatsrechtliche und weltanschauliche Einwendungen gegen die Unbestimmte Verurteilung . . . 6. K a p i t e l : D i e

praktische stimmten

Ausgestaltung

der

Unbe-

Verurteilung

66

§ 16. System und Anwendungsbereich

66

§ 17. Die Entlassung A n h a n g : Die Schlußwort

64

Unbestimmte

73 Verurteilung

Halberwachsener

78 81

i.'Kapitel:

Einleitung. S i. ' B e g r i f f , A u s g e s t a l t u n g und Z w e c k der Unbestimmten Verurteilung. „Unbestimmte Verurteilung" ist kein einheitlicher feststehender Begriff1. Zweierlei wird darunter verstanden: das unbestimmte Strafurteil und die Anordnung der Sicherungsverwahrung. Für den einen ist sie also Strafe, für den anderen sichernde Maßnahme. Diese Arbeit soll von dem Tinbestimmten Strafurteil handeln und in diesem Sinne wird das Wort „Unibestimmte Verurteilung" verwandt werden. Sie ist also hier stets Verurteilung zu einer (unbestimmten) Strafe und nie Verhängung einer der festbestimmten Freiheitsstrafe nachfolgenden oder selbständigen sichernden Maßnahme. Die unbestimmte Verurteilung ist Verurteilung zu einem bei der Urteilsverkündung noch nicht bestimmten Strafübel, „Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe unbestimmter Dauer" 2 . Sie ist also eine besonders geartete Form der Strafe 3 . Für die unbestimmte Verurteilung gibt es die verschiedensten Gestaltungsmöglichkeiten. Sie kann absolut unbestimmt und sie kann relativ unbestimmt sein. Bei der absolut unbestimmten Verurteilung gibt es im voraus weder eine Höchst- noch eine Mindestdauer der Freiheitsentziehung. Bei der relativ unbestimmten Verurteilung ist die Strafe von vornherein begrenzt und zwar nur nach oben, nur nach unten oder (am häufigsten) nach beiden Seiten. Die Folge dieser Begrenzungen ist, daß die Entscheidung über die Entlassung nicht uneingeschränkt im Ermessen der Entlassungsinstanz liegt. Die Begrenzung kann auf verschiedene Weise geschehen. Der Gesetzgeber kann den Rahmen der unbestimmten Verurteilung ein für allemal genau festlegen ohne Rücksicht auf Tat und Täter. Er kann weiter bestimmen, daß die Rahmen der Strafandrohungen bei den einzelnen Delikten zugleich das Minimum und Maximum der 1 2 3

Freudenthal ZStW. 47/274. Gleispadi I S. 227. Gleispadi I S. 226.

10

Auch im Auslande war die unbestimmte Strafe nicht unbekannt: im Jahre 1624, also mitten in den Wirren und Schrecken des 3ojährigen Krieges, arbeitete Gustav Adolf ein Gesetz über die unbestimmte Verurteilung aus13. Später bildete sich in Deutschland ein ibis in die Anfänge des 18. Jahrhunderts zurückverfolgbarer Gerichtsgebrauch heraus, Personen, die zwar im Strafverfahren freigesprochen waren, aber trotzdem stark verdächtig blieben, nicht auf freien Fuß zu setzen, sondern auf unbestimmte Zeit bis zur Beseitigung des Verdachtes „der gemeinen Sicherheit halber" gefangen zu halten." Dieser auf den ersten Blick befremdende Brauch, der namentlich von den akademischen Spruchstellen geübt wurde, war eine Folge des Beweisverfahrens der Carolina15. Art. 22 PGO schrieb zwingend vor, daß eine Verurteilung nur auf Grund eines Geständnisses oder der übereinstimmenden Aussage zweier vollgültiger Tatzeugen zulässig war. Fehlte es daran, so mußte trotz schwersten Verdachtes Freispruch erfolgen. Diese Regelung führte ibei der immer weitgehenderen Einschränkung der Folterung zu unerträglichen Ergebnissen. Der Gerichtsgebraudi, derartig verdächtige Personen erst nach Beseitigung des Verdachtes zu entlassen, schloß diese Lücke. In Österreich wurde das unbestimmte Strafurteil durch die Peinliche Halsgerichtsordnung der Kaiserin Maria Theresia (Theresiana von 1768) eingeführt16. In weitem Umfange wurden Verbrecher auf unbestimmte Zeit in Zuchthäuser überwiesen. Die Überweisung erfolgte auf Grund richterlichen Urteils als Strafe für ein bestimmtes Delikt. Eine untere Grenze für die Strafdauer war gesetzt, eine Höchstgrenze fehlte. Ober die Entlassung entschied das Obergericht auf Grund periodisch eingehender Berichte17. Unter der Regierung Friedrich "Wilhelms I. und Friedrichs des Großen wendete sich das öffentliche Interesse in Preußen dem Gesamtgebiet des Strafrechts zu. Man machte verschiedene Ansätze, das arg daniederliegende Gefängniswesen zu reformieren18. Etwas Ernstliches geschah jedoch nicht. Daneben vollzog sich ein "Wandel in der Auffassung von der Strafe. Der Gedanke der Vergeltung wurde zurückgedrängt, die rechtspolitischen Zwecke der Generalprävention und vor allem auch der Spezialprävention traten immer mehr in den Vordergrund19. In diese Zeit fiel die Schaffung und das Inkrafttreten des ALR. Der Schöpfer des strafrechtlichen Teils des ALR, Ernst Ferdinand Klein, war ein Verfechter der dem bisherigen deutschen Recht fremden Scheidung der Unrechtsfolgen in Strafe und sichernde Maß18 14 16 16 17 18 w

Aschaffenburg V I I . Internat. Kongr. f. Kriminalanthropologie S. 17. Liszt I S. i j o . Liszt a.a.O. Gkispach I S. 227. Freudenthal I S. 248. Eberh. Schmidt I S. 3 54. Eberh. Schmidt I S. 3 5 1 .

11 nähme20. Deshalb fand die unbestimmte Freiheitsentziehung nicht als Strafe, sondern als Sicherungsmaßregel ihren Eingang in das ALR (S J II 20 ALR). Da man jedoch bald merkte, daß sich Strafe und Maßregel im praktischen Vollzuge nicht unterscheiden ließen, kam man von der Zweispurigkeit schnell wieder ab21. Die Zirkularverordnung vom 26. 2. 1799 führte die unbestimmte Verurteilung als Strafe in die preußische Gesetzgebung ein. Sie ging damit wesentlich über das ALR hinaus, das die unbestimmte Haft nur als korrektionelle Nachhaft kannte22. Das Ziel der Verordnung war, die Strafen zweckmäßiger zu gestalten. Sie sollten abschrecken, den Verbrecher bessern oder, wenn er keiner Besserung fähig war, unschädlich machen. Dafür schien dem preußischen Gesetzgeber das unbestimmte Strafurteil der beste Weg23. Gewählt wurde die Form der absolut unbestimmten Verurteilung (§§ 12 ff., 18, 19 der VO). Die Entlassung des Gefangenen (Begnadigung) war abhängig von der Erreichung des Strafzieles, der Besserung. Untadelhaftes Betragen in der Anstalt und die Fähigkeit, sich in der Freiheit auf ehrliche Art ernähren zu können, waren die Hauptkriterien der erreichten Besserung. Die Zirkularverordnung hatte keine lange Lebensdauer. Daß die unbestimmte Verurteilung sich damals nicht bewährte, lag nicht in ihrem Wesen begründet, sondern hatte seinen Grund in den damaligen Verhältnissen24. Die Gefängnisse waren in einem grauenvollen Zustand, so daß die Häftlinge „körperlich und moralisch vollends verkamen"25. Ferner mangelte es an jeder systematischen kriminalbiologischen und -psychologischen Erkenntnis26. Daß die unbestimmte Verurteilung unter diesen Verhältnissen scheitern mußte, ist selbstverständlich. Ihr Wesen trug an diesem Mißerfolg keine Schuld. Das erkannte man bereits damals. Der weitsichtige Vorschlag des damaligen preußischen Justizministers v. Arnim, die unbestimmte Verurteilung als Sonderstrafe für Jugendliche mit dem Ziele der Besserung einzuführen, legt Zeugnis dafür ab27. Die unbestimmte Verurteilung fand von Preußen aus ihren Weg in die Gesetze anderer deutscher Staaten. Wir finden sie nicht nur als Einsperrung von Vagabunden ins Arbeitshaus bis zur Besserung, sondern auch bei eigentlichen Freiheitsstrafen gegen schwerere Verbrecher28. Das Bayerische StGB von 1813, das Oldenburgische StGB von 1814, die Gesetze Sachsens, Württembergs, Kurhessens, Hannovers und Bremens kannten das unbestimmte Strafurteil29. 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29

Sieverts I S. 590. Klee S. 488. Eberh. Sdimidt I S. 360. Liszt I S. 156; Eberh. Sdimidt I S. 359/60. Liszt-Sdimidt S. 367. Nagler I S. 10. Liszt-Sdimidt a.a.O. Freudenthal I S. 279/80. Liszt I S. 157. Liszt a.a.O.

12 In diese Zeit fällt auch das Wirken Obermaiers, der 1835 seine berühmte „Anleitung zur vollkommenen Besserung der Verbrecher in den Strafanstalten" herausgab. Er forderte das unbestimmte Strafurteil, um dem Verbrecher Gelegenheit zu gelben, durch eigenes Zutun „ durch Fleiß und ausgezeichnetes Betragen in jeder Hinsicht", seine Haft abzukürzen30. Seine Vorschläge fanden in Deutschland keinen großen Widerhall. Der Abbau des unbestimmten Strafurteils in den deutschen Landesgesetzgebungen schritt stetig fort. Um 1850 war es aus den Gesetzbüchern und aus der Rechtspflege der deutschen Einzelstaaten verschwunden31. Ähnlich wie in Preußen hatte auch hier die unbestimmte Verurteilung „an dem Mangel geeigneter Einrichtungen Schiffbruch gelittenen"32. Es hatte jedoch, wie auch schon vorher in Preußen, noch einen anderen tieferen Grund. Im 19. Jahrhundert kam die Aufklärung in Deutschland mit der Beseitigung des Polizeistaates zu ihrem politischen Ziel. Das Verhältnis des einzelnen zum Staate wurde liberalistisch-individualistisch gestaltet33. Während auf allgemeinpolitischem Gebiet die Gewaltenteilung dem einzelnen ein höchstes Maß von persönlicher Freiheit garantieren sollte, übernahm auf dem Gebiete der Strafrechtspflege die liberale Rechtsstrafe diese Aufgabe34. „Im Interesse des Schutzes des Bürgers, der gegen richterliche Willkür von vornherein berechenbare Strafgrößen haben wollte, kam die Vergeltungsstrafe mit der Gleichheit von Schuld und Sühne"35. Daneben erwartete man von den festbestimmten Strafen eine besonders hohe generalpräventive Wirkung „gerade wegen ihrer für jedermann möglichen Voraussehbarkeit"36. „Die Abneigung der Zeit, dem Staat erzieherische oder ähnliche Eingriffe in die Individualsphäre" — auch des Verbrechers — " zuzugestehen, führte zu einer fast gänzlichen Ausscheidung der Spezialprävention aus dem Bereich der Strafzwecke" 37 . Auf diese Zeit geht die scharfe Trennung zwischen Strafe und Erziehung zurück38. Die Vergeltungsstrafe mit der Gleichung von Einzeltatschuld und Strafe, diem vermeintlich generalpräventiv wirkenden psychologischen Zwange und der Albkehr von jeder spezialpräventiven Zwecksetzung wurde die Strafe des liberalen 19. Jahrhunderts. So hatte die unbestimmte Verurteilung um die Mitte des 19. Jahrhunderts ihre Stellungen in Deutschland verloren infolge 80

Obermaier a.a.O. S. 13. Liszt a.a.O. " Gleispach I S. 228. 88 Eberh. Schmidt II S. 214. M Klee S. 488; Kahlrausch I S. 473; Sieverts I S. 590. 85 Klee a.a.O. 88 Sieverts a.a.O. 87 Sieverts a.a.O. 88 Wegner S. 181. 81

13 „der liberalen Strömung jener Jahrzehnte, welche dem Polizeistaate gegenüber die Freiheitsrechte des einzelnen Bürgers schärfer als die Interessen des Gemeinwesens betonte"39. § 3D i e w e i t e r e E n t w i c k l u n g der U n b e s t i m m t e n Verurteilung. Während in Deutschland das unbestimmte Strafurteil der festbestimmten Vergeltungsstrafe hatte weichen müssen, erlebte es in den Vereinigten Staaten von Nordamerika eine ungeheure Entwicklung. Die Gedanken und Vorschläge Qbermaiers, die in seinem Vaterlande zunächst ziemlich ungehört verhallten, beeinflußten die amerikanischen Reformer, vor allem Wines und Brockway, entscheidend40. Die in Deutschland abgebrochene Entwicklung wurde in Amerika fortgesetzt. Den Gedanken einer unbestimmten Freiheitsentziehung finden wir schon 182J in New York verwirklicht. Dort diente eine Zwangserziehungsanstalt (House of Refuge) zur Aufnahme krimineller oder zum mindesten gefährdeter Jugendlicher. Diese Einrichtung war verbunden mit dem Institut der bedingten Entlassung41. Den Weg vom unbestimmten Erziehungsurteil zum unbestimmten Strafurteil ging man erst später. Es spricht für das Geschick der amerikanisdien Reformer, daß sie zunächst die Gefängnisse verbesserten und das unbestimmte Strafurteil erst in einen ihm angepaßten Strafvollzug einführten. So wurden die Fehlschläge, die man in Deutschland erlitten hatte, vermieden. Der Staat New York übernahm die Führung. 1869 wurde im Zuge der Gefängnisreform die Errichtung einer Besserungsanstalt für jugendliche Verbrecher gesetzlich beschlossen. Die Einführung der unbestimmten Verurteilung und der vorläufigen Entlassung lehnte der Gesetzgeber zunächst noch ab42. 1876 wurde die Anstalt, das berühmte Elmira, in Betrieb genommen. Brockway wurde ihr erster Leiter. 1870 fand in Cincinnati der erste Kongreß der neugegründeten „National Prison Association" statt. Er wurde zum Markstein in der Geschichte der unbestimmten Verurteilung. Die Ergebnisse der Kongreßarbeit wurden in Thesen niedergelegt. Als wichtigster Straf zweck wurde die Besserung angesehen (1. These)43. Das Schicksal des Gefangenen sollte in gewissem Umfange in seine eigene Hand 39

Liszt I S. 1 5 7 . Freudenthal I S. 2 $ ; Herr S. jo. 41 Foltin S. 23. 42 Herr S. 42. 43 Die 37 Thesen in der Fassung vom 14. Oktober übersetzt bei Gentz S. 6 — 1 2 . 40

1930 sind vollständig,

13 „der liberalen Strömung jener Jahrzehnte, welche dem Polizeistaate gegenüber die Freiheitsrechte des einzelnen Bürgers schärfer als die Interessen des Gemeinwesens betonte"39. § 3D i e w e i t e r e E n t w i c k l u n g der U n b e s t i m m t e n Verurteilung. Während in Deutschland das unbestimmte Strafurteil der festbestimmten Vergeltungsstrafe hatte weichen müssen, erlebte es in den Vereinigten Staaten von Nordamerika eine ungeheure Entwicklung. Die Gedanken und Vorschläge Qbermaiers, die in seinem Vaterlande zunächst ziemlich ungehört verhallten, beeinflußten die amerikanischen Reformer, vor allem Wines und Brockway, entscheidend40. Die in Deutschland abgebrochene Entwicklung wurde in Amerika fortgesetzt. Den Gedanken einer unbestimmten Freiheitsentziehung finden wir schon 182J in New York verwirklicht. Dort diente eine Zwangserziehungsanstalt (House of Refuge) zur Aufnahme krimineller oder zum mindesten gefährdeter Jugendlicher. Diese Einrichtung war verbunden mit dem Institut der bedingten Entlassung41. Den Weg vom unbestimmten Erziehungsurteil zum unbestimmten Strafurteil ging man erst später. Es spricht für das Geschick der amerikanisdien Reformer, daß sie zunächst die Gefängnisse verbesserten und das unbestimmte Strafurteil erst in einen ihm angepaßten Strafvollzug einführten. So wurden die Fehlschläge, die man in Deutschland erlitten hatte, vermieden. Der Staat New York übernahm die Führung. 1869 wurde im Zuge der Gefängnisreform die Errichtung einer Besserungsanstalt für jugendliche Verbrecher gesetzlich beschlossen. Die Einführung der unbestimmten Verurteilung und der vorläufigen Entlassung lehnte der Gesetzgeber zunächst noch ab42. 1876 wurde die Anstalt, das berühmte Elmira, in Betrieb genommen. Brockway wurde ihr erster Leiter. 1870 fand in Cincinnati der erste Kongreß der neugegründeten „National Prison Association" statt. Er wurde zum Markstein in der Geschichte der unbestimmten Verurteilung. Die Ergebnisse der Kongreßarbeit wurden in Thesen niedergelegt. Als wichtigster Straf zweck wurde die Besserung angesehen (1. These)43. Das Schicksal des Gefangenen sollte in gewissem Umfange in seine eigene Hand 39

Liszt I S. 1 5 7 . Freudenthal I S. 2 $ ; Herr S. jo. 41 Foltin S. 23. 42 Herr S. 42. 43 Die 37 Thesen in der Fassung vom 14. Oktober übersetzt bei Gentz S. 6 — 1 2 . 40

1930 sind vollständig,

14 gelegt werden (j. These); deshalb forderte man an Stelle bestimmter Strafurteile Urteile mit unbestimmter Strafdauer (8. These). Diese Thesen wurden bald darauf zur Wirklichkeit. 1877 führte New York die unbestimmte Verurteilung verbunden mit der vorläufigen Entlassung ein44. Gewählt "wurde die relativ unbestimmte Form. In den Kreisen der Reformer zog man die absolut unbestimmte Verurteilung vor. Man gab sich dann aber doch aus taktischen Erwägungen, um die Einführung der unbestimmten Verurteilung nicht überhaupt scheitern zu lassen, mit der relativ unbestimmten zufrieden48. Von New York aus trat das unbestimmte Strafurteil seinen Siegeszug über den amerikanischen Kontinent an. 1927 hatten 3 6 Staaten die unbestimmte Verurteilung eingeführt48. Unter diesen befinden sich vor allem die kulturell führenden östlichen Staaten47. In Deutschland hatte das starre Vergeltungsstrafrecht seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts immer mehr an Boden gewonnen und um die Mitte des Jahrhunderts einen völligen Sieg errungen. Doch der Kampf begann bald aufs neue. 1880 schrieb ein Mediziner, Kraepelin, seine Streitschrift »Die Abschaffung des Strafmaßes". 1882 veröffentlichte Franz v. Liszt das geschichtlich gewordene Marburger Universitätsprogramm48. Die Gedanken, die das ausgehende 18. Jahrhundert beherrscht hatten, lebten wieder auf 49 . Die Strafe sollte Zweckstrafe sein und nicht die Tat, sondern den Täter bestrafen. Als kriminalpolitisch wirksamste Strafe forderte v. Liszt das unbestimmte Strafurteil. Die Betonung des Täterstrafrechts führte zur Forderung und Schaffung eines besonderen Jugendstrafrechtes. Diese uns heute so selbstverständliche Einrichtung geht auf die Lehren von Franz v. Liszt zurück50. Mit dem Siege der unbestimmten Verurteilung in Amerika und der Gründung der ¿.¿¿zischen Schule entbrannte der Kampf um das unbestimmte Strafurteil in der ganzen Welt aufs neue. Es verging kaum ein wissenschaftlicher Kongreß, auf dem nicht über diese Frage gesprochen wurde. Es würde über den Rahmen dieser Arbeit hinausehen, wollte ich über alle Tagungen berichten; nur die wichtigsten önnen hier erwähnt werden. Auf den Kongressen der Internationalen Kriminalistischen Vereinigung (1889 in Brüssel, 1891 in Christiania, 1893 in Paris, 1894 in Antwerpen) kam man nicht zu einer endgültigen Bejahung des unbestimmten Strafurteils.

f

" Herr S. 52. 15 Foltin S. 104. u Foltin S. 10j. 47 Gleispach I S. 232. 48 Liszt I S. 126 ff. Liszt-Sdimidt S. 367. 50 Schaffstein I S. 4 und II S. 64.

15 Anders auf den Internationalen Gefängniskongressen51. Nachdem man sich auf den Kongressen in Stockholm (1878), Rom (188 j), Petersburg (1890) und Paris (1895) weniger mit der Frage der unbestimmten Verurteilung befaßt hatte, fand 1900 auf dem 6. Kongreß in Brüssel eine gründliche Aussprache statt52. Obwohl die unbestimmte Verurteilung besonders in den Amerikanern beredte Fürsprecher hatte, verhielt der Kongreß sich ablehnend. Diese Ablehnung war nicht grundsätzlicher Natur, sondern man war nur der Meinung, daß die bisher bekannten Ergebnisse nicht als ausreichend angesehen werden könnten für die Übernahme dieser Einrichtung Man ga;b zugleich dem Wunsche Ausdruck, daß die amerikanische Regierung den Kongreß für eine spätere Beschlußfassung fortlaufend über ihre Erfahrungen mit dem unbestimmten Strafurteil unterrichten möchte. Auf dem 8. Gefängniskongreß (1910 in Washington) wurde dann die unbestimmte Verurteilung mit großer Mehrheit befürwortet 53 . „Die unbestimmte Strafe ist als wichtiger Bestandteil des Besserungssystems . . . anzuwenden bei Verbrechern — namentlich bei jugendlichen —, die der Besserung bedürfen und deren Verbrechen überwiegend auf Ursachen individueller Natur beruhen", so lautete der entscheidende Beschluß dieses Kongresses. Auch auf den deutschen Juristentagungen der Vorkriegszeit ist die unbestimmte Verurteilung o f t Verhandlungsgegenstand gewesen. Auf den Deutschen Juristentagen in Innsbruck, Kiel, Danzig und Wien befürwortete man die unbestimmte Freiheitsentziehung als Kampfmittel gegen das Verbrechertum. Doch glaubte man, der Sicherungsverwahrung vor der Sicherungsstrafe den Vorzug geben zu müssen. Das war überhaupt charakteristisch für den Streitstand dieser Frage: Im allgemeinen bestand Einigkeit darüber, daß die unbestimmte Freiheitsentziehung eine unentbehrliche Waffe gegen das Gewohnheitsverbrechertum wäre. Der eigentliche Kampf ging darum, ob man sie als Maßregel (Zweispurigkeit) oder als Strafe (Einspurigkeit) einführen sollte. Bei den Jugendlichen war, wie die Verhandlungen der Deutschen Jugendgerichtstage zeigen, die Problemstellung wieder anders: Dort ging es darum, ob eine unbestimmte Freiheitsentziehung mit Strafcharakter überhaupt nötig wäre 54 . Nicht nur in der Wissenschaft, sondern auch in der Gesetzgebung machte die unbestimmte Verurteilung Fortschritte. Sie wurde 51 Eine ausgezeichnete Zusammenstellung der Beschlüsse der Internationalen Gefängniskongresse 1 8 7 2 — 1 9 3 0 geben Frede-Sieverts in H e f t 1 der Schriften der Thüringischen Gefängnisgesellschaft. 52 Vgl. neben den offiziellen „Actes du Congrès Pénitentiaire International de Bruxelles": Herr S. 419. 63 Vgl. audi zum Folgenden den ausführlichen Bericht bei Gleispach II und Frede-Sieverts a.a.O. S. 8 5/86. 54 So liegen die Dinge auch heute noch, während für die Erwachsenen die Frage durch das Gewohnheitsverbrechergesetz vom 24. November 1933 entschieden ist.

16 1908 durch das Prevention of Crime Act für Jugendliche in England eingeführt. 1902 wurde in Borstal in der südenglischen Grafschaft Kent mit einer Gruppe jugendlicher Sträflinge versuchsweise ein intensiv erzieherisch ausgestalteter Strafvollzug erprobt65. Die Versuche fielen so günstig aus, daß das Borstal-System 1908 legalisiert und auf ganz England ausgedehnt wurde. Ergänzungen brachten das Criminal Justice Administration Act von 1914 und das Criminal Justice Act von 1925. Nach dem Kriege ging die Diskussion über die unbestimmte Verurteilung weiter. Im allgemeinen war die Stimmung jetzt günstiger. Auf dem Juristentag in Bamberg (1921) und der Tagung der deutschen Landesgruppe der I K V in Göttingen (1922) sprach man sich für sie und gegen das Prinzip der Zweispurigkeit aus. Von den internationalen Tagungen ist der 9. Gefängniskongreß in London (1925) besonders erwähnenswert. Dort entschied man sich mit folgendem Beschluß für das unbestimmte Strafurteil: „Die Unbestimmte Verurteilung ist die notwendige Konsequenz der Individualisierung «der Strafe und eines der wirksamsten Mittel der sozialen Verteidigung gegen das Verbrechen"56. Da das Borstal-System sich günstig bewährte, diente es bald anderen Gesetzgebern für das Jugendstrafrecht als Vorbild. Durch Bundesgesetz vom 18. Juli 1928 führte Österreich nach englischem Muster die unbestimmte Verurteilung ein67. Dänemark folgte mit Gesetz vom 1 j . April 1930 und Schweden mit Gesetz vom 15. Juni 193 j. Im Fernen Osten, in Japan, fand die unbestimmte Verurteilungen 1921 Eingang in das Jugendstrafrecht — allerdings überwiegend nach amerikanischem Vorbild. Dem mutigen Schritt Österreichs und den Verhandlungen der deutschen Landesgruppe der I K V in Breslau (1929) verdankt die unbestimmte Verurteilung ihre Aufnahme in den Entwurf eines Einführungsgesetzes zum Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuch und zum Strafvollzugsgesetz von 1930 (Art. 72 Ziffer 9)68. Hiernach sollte hinter § 9 J G G folgender § 9a eingefügt werden: „Läßt sich bei der Verurteilung eines zur Zeit der Tat Jugendlichen zu Freiheitsstrafe die zur Erreichung des Strafzweckes erforderliche Dauer nicht im voraus bestimmen, so kann das Gericht dahin erkennen, daß die Strafe innerhalb eines bestimmten Höchst- und Mindestmaßes so lange zu dauern hat, bis der Strafzweck erreicht ist. Dies gilt nicht, wenn das Gericht bei Festsetzung einer bestimmten Freiheitsstrafe auf eine Strafe von weniger als einem Jahr erkennen würde. Das Mindestmaß und das Höchstmaß sind im Rahmen der gesetzlich angedrohten Strafe zu bestimmen." Dieser Entwurf ist jedoch nicht Gesetz geworden. 66 56 67 68

Sieverts II S. J52/53; Struve S. 36. Vgl. ZStW. Bd. 47 S. 192/93 und Frede-Sieverts a.a.O. S. 101. Kadecka S. 89. Kohlrausch II S. 32.

17 N a c h der Machtübernahme ging der K a m p f zwischen Einspurigkeit und Zweispurigkeit weiter. Die Denkschrift des Preußischen Justizministers „Nationalsozialistisches Strafrecht" ( 1 9 3 3 ) stellte sich auf den Standpunkt der Sicherungsstrafe. Durch die N o v e l l e v o m 2 4 . N o v e m b e r 1 9 3 3 zum Strafgesetzbuch ist im Erwachsenen*strafrecht die Frage zugunsten der Zweispurigkeit entschieden worden. F ü r das Gebiet des Jugendstrafrechtes harrt das Problem des unbestimmten Strafurteils noch der Lösung.

3. K a p i t e l :

Rechtsvergleichendes.* S 4Die Vereinigten Staaten von

Nordamerika.

Die Vereinigten Staaten von Nordamerika waren und sind auch wohl heute noch das klassische L a n d der unbestimmten Verurteilung. D a s Besserungs- oder Reformatory-System, das 1 8 7 7 von der N e w Y o r k e r Strafanstalt Elmira aus seinen Siegeszug über den amerikanischen Kontinent antrat, setzt sich aus drei wesentlichen * Dieser Abschnitt will keinen vollständigen Überblick über die unbestimmte Verurteilung in der ausländischen Jugendstrafgesetzgebung vermitteln. Die rechtsvergleichende Betrachtung soll in erster Linie Unterlagen für die Prüfung, ob die unbestimmte Verurteilung auch in unser künftiges Jugendstrafrecht Eingang finden kann, verschaffen. Es sind deshalb neben dem nunmehr zum Reich heimgekehrten Österreich vornehmlich die uns artverwandten Völker berücksichtigt worden. Daneben ist auch der tschechische Entwurf behandelt. Unterblieben ist vor allem eine ausführliche Darstellung des j a p a n i s c h e n Jugendrechtes, das die relativ unbestimmte Verurteilung seit 1921 kennt. § 8 des japanischen Jugendgerichtsgesetzes lautet: „Falls das Gericht einen Jugendlichen wegen eines Verbrechens, das mit zeitigem Zuchthaus oder Gefängnis nicht unter drei Jahren bedroht ist, zu bestrafen hat, muß es auf eine Strafe erkennen, die innerhalb des Strafrahmens nur durch das Höchstmaß und Mindestmaß bestimmt wird; ist jedoch wegen eines Verbrechens zu bestrafen, das mit Freiheitsstrafe, deren Mindestmaß fünf Jahre übersteigt, bedroht ist, so kann das Gericht das Mindestmaß auf fünf Jahre herabsetzen. Die gemäßt Absatz 1 zu verhängende Strafe darf in ihrem Mindestmaß nicht fünf Jahre und in ihrem Höchstmaß nicht zehn Jahre übersteigen. Falls das Gericht einen Aufschub der Strafvollstreckung gewährt, finden Absatz 1 und 2 keine Anwendung." Die wesentlichen Merkmale dieser Regelung sind einmal das zwingende Gebot der Anwendung und zum anderen die richterliche Festsetzung des Strafrahmens. Die Strafe wird im Jugendgefängnis von besonders geschultem Beamtenmaterial vollzogen. Den Zeitpunkt der Entlassung bestimmt die Strafvollzugsbehörde. Die Zufriedenheit der Japaner mit der unbestimmten Verurteilung zeigt am deutlichsten der verbreitete Reformvorschlag, sie auch gegen Erwachsene anzuwenden. (Näheres über das japanische Recht bei: Kusano in ZStW. Bd. 48 S. 70; Motoji in Archiv für Kriminologie Bd. 100 S . 2 5 1 ; Klee in Z. d. Akad. f. D. Recht 1938 S. J8J; Schönke in Deutsche Strafrechtszeitung 1937 S. 431.) Ferner kennt auch M e x i k o die unbestimmte Verurteilung Jugendlicher. (Näheres: GS. Bd. 98 S. 400; Kadecka in Monatsschrift Bd. 20 S. 663.) 3

18

Teilen zusammen: aus dem unbestimmten Strafurteil, der Entlassung auf Probe und dem Progressivvollzug59. Den Kern dieses Systems bildet das unbestimmte Strafurteil. Aus den Zwangserziehungsheimen für die verwahrloste und kriminelle Jugend kannte man die Einweisung auf unbestimmte Zeit. Beeinflußt von den Gedankengängen Obermaiers übernahm man diese bewährte Maßnahme in den Strafvolzug. Mit der Aufnahme der unbestimmten Verurteilung in das Reformatory-System wandten sich die Reformer von der bis dahin auch das amerikanische Strafrecht beherrschenden Tatvergeltung ab. Junge, noch nicht schwer belastete Verbrecher sollten für unbestimmte Zeit einer ihrer persönlichen Eigenart angepaßten Behandlung unterworfen werden60. Das Ziel der Strafe war die Besserung, die „reformation" des Verbrechers. Da diese innere Umwandlung nur durch den Gefangenen selbst und nicht durch äußere Druckmittel erreicht werden kann, wollte man den Willen des Gefangenen auf diese Aufgabe lenken. Deshalb wählte man die unbestimmte Strafe, um so den Gefangenen zum Gestalter seines eigenen Schicksals werden zu lassen61. Das Reformatory-System und damit zugleich die unbestimmte Verurteilung waren ursprünglich nur für Erstverbrecher im Alter von 16 bis 25 oder 30 Jahren gedacht62. Dabei war allerdings der Begriff des Erstverbrechers (first offender) von vornherein sehr weit gefaßt: Es fielen alle Täter darunter, die noch nicht zu Staatsgefängnis (State Prison) verurteilt worden waren63. Die unbestimmte Verurteilung sprengte diesen engen Rahmen allerdings bald und dehnte ihren Anwendungsbereich erheblich aus. Aber trotzdem gehören auch heute noch weite Gebiete der reinen Vergeltungsstrafe, vor allem die älteren Verbrecherklassen64. Die unbestimmte Verurteilung selbst fand in Amerika, da sie ja in fast allen Staaten der Union gilt, in jeder Hinsicht eine denkbar mannigfaltige Ausgestaltung88. Hinsichtlich der Unbestimmtheit der Strafe gibt es alle erdenklichen Regelungen66. Alle Staaten haben ein Höchstmaß der Strafdauer, die meisten auch ein Mindestmaß. Die Grenzen der Strafe sind teilweise generell durch Gesetz festgelegt, teilweise setzt der Richter sie fest, entweder nach eigenem Ermessen oder innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens. Diese letzte Form, daß also der Riditer im Einzelfall innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens das Maximum und Minimum der Strafdauer festlegt, ist wohl die häufigste. Er ist hierbei vielfach in bestimmter Weise gebunden, um 69 Freudenthal II S. 129. " Exner I S. 3 76. 61 Liepmann S. 2. M Exner a.a.O. 43 Herr S. 109. M Freudenthal I I S. 124. 65 Exner I S. 362. M Vgl. Exner I S. 362/63; Foltin S. 105/06.

19 ein allzu nahes Zusammenlegen von Höchst- und Mindestmaß auszuschließen. N u r das absolut unbestimmte Strafurteil vermochte sich nicht durchzusetzen. Allerdings kommen in manchen Staaten (so in Kalifornien) praktisch die relativ unbestimmten den absolut unbestimmten Urteilen gleich, wenn sie z. B. lauten auf i bis 50 Jahre, x J a h r bis lebenslänglich 67 . Daneben finden wir in vereinzelten Gesetzen zur Bekämpfung der Gewohnheitsverbrecher (Habitual Offender Acts) die absolut unbestimmte Strafe. Diese Gesetze werden jedoch selten angewendet, sie spielen keine große Rolle 8 8 . Auch die Frage, wann unbestimmt z u verurteilen ist, f a n d eine ganz verschiedene Regelung. H i e r sind alle Freiheitsstrafen unbestimmt zu verhängen, dort liegt es im Ermessen, des Richters, während wieder anderswo durch Gesetz gewisse T a t e n oder Täter von der unbestimmten Verurteilung allgemein ausgenommen sind, so der M o r d in Ohio und Indiana 6 9 . D e r Staat N e w Y o r k sah die unbestimmte Verurteilung seit 1889 f ü r alle Verbrecher vor. D a die Verhängung jedoch nicht zwingend vorgeschrieben w a r , machten die Gerichte teilweise wenig Gebrauch von ihr. 1 9 0 1 wurde daher ihre Anwendung zwingend angeordnet 70 . D e r Täterkreis, der unter die unbestimmte Verurteilung fällt, ist ebenfalls in den einzelnen Staaten verschieden. Der ursprüngliche Plan, nur die 16- bis 25-, höchstens 30jährigen, besserungsfähigen Elemente zu erfassen, ist vielfach durchbrochen. S o kommen in die Besserungsanstalt (reformatory) von Massachusetts T ä t e r bis zu 40 J a h r e n 7 1 . U n t e r den 1 J 3 0 Neueinweisungen der J a h r e 1927/28 in das Michigan R e f o r m a t o r y in Ionia waren mehr als 2 2 % über 30 J a h r e alt 7 2 . D a aber nicht nur die zu reformatory, sondern vielfach auch die zu State prison Verurteilten eine unibestimmte Strafe haben 73 , ist sowohl hinsichtlich des Alters als auch hinsichtlich des kriminellen Vorlebens der Gefangenen das Anwendungsgebiet der unbestimmten Verurteilung außerordentlich erweitert. D i e guten Erfahrungen, die man mit dem Reformatory-System und besonders der unbestimmten Verurteilung gemacht hatte, ließen den "Wunsch entstehen, weitere Kreise von Verbrechern zu erfassen; so kam es zu dieser Erweiterung des Anwendungsbereiches 74 . E s wurde nicht nur das Reformatory-System ausgedehnt, sondern die unbestimmte Verurteilung, die ursprünglich nur innerhalb dieses Systems zur A n wendung kommen sollte, ging über diesen Rahmen hinaus. Die unbestimmte Verurteilung ist überall in Amerika mit der Einrichtung der vorläufigen Entlassung (parole system) verbunden; 67 68 99 70

71 72 73 74



Foltin S. 120. Foltin S. 10$. Herr S. 99, 134/35; E x n e r I S. 362. Foltin S. 10$. Herr S. 9a, 94. Foltin S. 2$. Foltin a.a.O.; Herr S. 133/34. Exner I S. 377.

20 man sieht sie als „notwendiges Requisit der unbestimmten Verurteilung" an76. Die Entscheidung über die vorläufige Entlassung obliegt der Entlassungsbehörde (parole board); in der Regel ein mit mehreren Mitgliedern besetztes Verwaltungsamt78. Allerdings sind diese Mitglieder vielfach keine Verwaltungsbeamte in unserem Sinne, sondern Laien, ähnlich unseren Schöffen und Geschworenen77. Der Anstaltsleiter ist stellenweise ex, officio Mitglied des Entlassungsamtes. Anderswo hat er lediglich das Recht, die Gefangenen seiner Anstalt zur Entlassung vorzuschlagen78. Einige Staaten haben auch die Entscheidung über die vorläufige Entlassung dem Gericht übertragen. Die Unterlagen, auf Grund derer das Entlassungsamt seine Entscheidung fällt, sind vielfach nicht sehr umfangreich79. Meistens kennen die Mitglieder des parole board den Gefangenen nicht persönlich, sondern nur aus den Akten, vor allem den Anstaltsberichten, die oft nicht in die Persönlichkeit des Häftlings einzudringen vermögen. Weitere Berichte von Polizeibehörden, Bürgermeisterämtern und so weiter erhellen das Bild kaum — falls sie überhaupt eingefordert werden. In der Sitzung des Entlassungsamtes selbst werden die einzelnen Fälle mit einer erstaunlichen Schnelligkeit erledigt. N u r 7 Minuten kommen durchschnittlich auf einen Gefangenen80. Es ist den Entlassungskommissionen deshalb durchschnittlich nicht möglich, „die Aussichten auf künftiges Wohlverhalten zur Grundlage der Straffixierung zu machen"81. Damit wird man in vielen Fällen der entscheidenden Frage der unbestimmten Verurteilung, nämlich der Feststellung der sozialen Besserung nicht gerecht. Daneben besteht in einigen Staaten kraft Gesetzes oder durch die Praxis die Übung, Gefangene, die sich disziplinar gut verhalten, nach Ablauf der Mindestzeit zu entlassen82. Dadurch ist die unbestimmte Verurteilung praktisch zu einem Disziplinarmittel herabgesunken. Auf Grund der bedingten Entlassung tritt der Entlassene in die Probezeit ein. Er ist zwar frei, steht aber unter Kontrolle. Die Dauer der Probezeit ist verschieden: in einigen Staaten reicht sie bis zum Strafmaximum, anderswo beträgt sie nur i Jahr oder 6 Monate. Die Überwachung des vorläufig Entlassenen erfolgt nicht: durch die Polizei, sondern durch besondere Beamte (State Agent, Parole Commissioner, Parole Officer) oder auch durch ehrenamtliche oder bezahlte Mitglieder wohltätiger Gesellschaften83. Führt der Entlassene sich während der Probezeit gut, so entläßt das Parole Board, ihn endgültig. Erfüllt er jedoch die ihm bei seiner bedingten Ent75

Herr S. 329. Foltin S. 106, 120. Freudenthal II S. 13 j. 78 Foltin S. 120; Freudenthal a.a.O 78 Foltin S. 12$. 80 Foltin S. 122. 81 Foltin S. 127. 8 » Exner S. 364. 88 Herr S. 3 $4; Freudenthal II S. 122. 79

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21 lassung auferlegten Verpflichtungen nicht, wird er insbesondere wieder straffällig, so holt ihn die Anstalt zur weiteren Strafverbüßung zurück84. Uber die außerordentlich wichtige Frage nach den kriminalpolitischen Erfolgen der unbestimmten Verurteilung liegen wissenschaftlich einwandfreie Angaben nicht vor. Amtliche Statistiken sind über die Besserungserfolge nicht vorhanden. Das Fehlen eines polizeilichen Meldewesens, einer Strafregisterführung, überhaupt jeder behördlichen Erfassung und Verfolgung des Lebenslaufes der einzelnen Staatsbürger bereiten jeder statistischen Aufstellung kaum überwindliche Schwierigkeiten86. Deshalb sind auch die Anstaltsberichte, die vielfach herausgegebenen werden und in der Regel überraschend gute Erfolge aufzeigen, mit einer gewissen Skepsis aufzunehmen86. Diese Schwierigkeiten und Fehlerquellen sind auch bei der Arbeit von Glueck „500 Criminal Careeres" (New York 1930) zu berücksichtigen, in der das Schicksal von joo jungen Leuten, die das Massachusetts Reformatory verlassen haben, verfolgt wird. Die Ergebnisse, zu denen Glueck kommt, sind ungünstiger als man allgemein in Amerika erwartete; zum Teil liegt es aber auch daran, daß er den Begriff des „Mißerfolges" weiter faßt, als es gewöhnlich geschieht. Immerhin hat diese Arbeit dazu beigetragen, die Amerikaner in ihrem unbedingten Vertrauen zu der unbestimmten Verurteilung etwas zu erschüttern. Ja, einige Staaten haben den Anwendungsbereich der unbestimmten Verurteilung schon wieder eingeschränkt (NewYersey, Nebraska) 87 . Während vor dem Kriege "Wissenschaft, Praxis und öffentliche Meinung so gut wie ohne Ausnahme ausgesprochene Anhänger der unbestimmten Verurteilung waren88, gehen heute die Meinungen schon vielfach auseinander. Daß die unbestimmte Verurteilung in der Form, wie sie in Amerika vielfach gehandhabt wird, nicht die gewünschten Erfolge zeitigen kann, ist selbstverständlich. Die unbestimmte Verurteilung dient in Amerika in erster Linie der Besserung. Der Sicherungszweck tritt zurück. Dann darf man sie aber auch nur bei besserungsfähigen Verbrechern anwenden. Statt dessen werden Täter unbestimmt verurteilt, die sowohl ihrem Alter als ihrem Vorleben nach von vornherein keine Aussicht auf Resozialisierung bieten89. So waren in Elmira 7 3 % der Insassen vorbestraft, die anderen waren „so far as known" unbestraft90. Die fehlende amtliche Registrierung der Vorstrafen wird der Beurteilung der Verbrecher immer große Schwierigkeiten bereiten. 84

Herr S. 359. Herr S. 370/71. 88 Foltin S. 94/9J. 87 Foltin S. 129. 88 Herr S. 125/26. " Exner I S. 365. " Foltin S. 69. 86

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Audi der Vollzug der unbestimmten Strafen zeigt viele Mängel. Schon die richtige Klassifizierung und Einordnung der Gefangenen ist mangels eingehender Unterlagen außerordentlich, schwierig. Obwohl die unbestimmte Verurteilung eine weitgehend individualisierende Behandlung der Gefangenen geradezu erfordert, ist in den meisten amerikanischen Strafanstalten eine oberflächliche Kollektivierung die Regel 91 . Das zahlenmäßige Verhältnis zwischen Aufsehern und Gefangenen ist so, daß sich die Arbeitskraft der Beamten in der Aufrechterhaltung der äußeren Ordnung erschöpft92. Die leitenden Beamten kennen die Gefangenen kaum, da die einzelnen Anstalten außerordentlich groß sind; so zählt Elmira z. B. etwa 1200 Gefangene93. Außerdem werden die führenden Stellen weniger nach Eignung als nach parteipolitischen Gesichtspunkten besetzt94. Weiter tragen auch die Schematisierung und Oberflächlichkeit bei der Entscheidung über die vorläufige Entlassung, die wir vielfach in Amerika finden, wesentlich dazu bei, die Einrichtung des unbestimmten Strafurteils zu mißkreditieren. In manchen Anstalten hat sich die Praxis herausgebildet, dem Gefangenen bald nach seiner Einlieferung zu sagen, wann er unter normalen Verhältnissen mit seiner bedingten Entlassung rechnen kann. Spätere Änderungen erfolgen dann nur aus disziplinären Gründen95. Der wesentliche kriminalpolitische Vorteil der unbestimmten Verurteilung, ihre Unbestimmtheit, ist damit praktisch aufgegeben. Aber alle diese Fehler und Mängel lassen das Wesen und den Kern der unbestimmten Verurteilung unberührt; sie beruhen lediglich auf der derzeitigen praktischen Handhabung in Amerika. Sie sind — zum mindesten wären sie es in Deutschland — allesamt vermeidbar. Solange die unbestimmte Verurteilung auf jugendliche besserungsfähige Verbrecher angewandt und in geeigneten Anstalten vollzogen wurde, hatte man in Amerika ausgezeichnete Erfolge. Denn diese guten Erfahrungen waren es ja gerade, die die Amerikaner zu der gewaltigen Ausdehnung des Anwendungsbereiches der unbestimmten Verurteilung veranlaßten98. Wenn jetzt eine gewisse Ernüchterung eintritt, so wird diese hoffentlich dazu führen, die unbestimmte Strafe wieder zu dem zu machen, was sie ursprünglich war: zur Sonderstrafe für jugendliche, besserungsfähige Verbrecher. Als solche hat sie sich in Amerika durchaus bewährt. $ J. England. Die Engländer erkannten die Probleme der Jugendkriminalität schon frühzeitig und bemühten sich seit der Mitte des vorigen Jahr81

"

93 1,1 96

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F o k i n S. 107/08.

Foltin S. 109; Liepmann S. 14. Foltin S. I I J . Herr S. 154; Exner I S. 368. Exner I S . 3 6 4 / 6 J .

Exner I S. 377.

23 hunderts auch ernsthaft um eine Lösung97. Das ChildVen Act von 1908 und das Prevention of Crime Act desselben Jahres legen Zeugnis ab für die erfolgreiche Arbeit auf diesem Gebiete. Beide Gesetze sind später geändert worden. Das Children Act von 1908 ist durch das Children and Young Persons Act von 1933 ergänzt und größtenteils ersetzt -worden98. Das Prevention of Crime Act erfuhr Änderungen durch das Criminal Justice Administration Act von 1914 und das Criminal Justice Act von 1925". Die Children Acts befassen sich mit den children (unter 14 Jahren) und den young persons (14 bis 16 Jahre). Für beide Gruppen sieht das Gesetz als Regelfall beim Begehen strafbarer Handlungen keine Strafe, sondern Erziehungsmaßnahmen vor100. Nur ausnahmsweise kommt für die young persons Gefängnisstrafe und für beide Altersgruppen Strafgewahrsam — nach deutschen Maßstäben zwischen Freiheitsstrafe und Zwangserziehung stehend — in Frage. Die über 16 jährigen Rechtsbrecher sind voll strafmündig. Für sie schuf aber das Prevention of Crime Act eine wichtige Sonderregelung :_die Borstalhaft. Ursprünglich galt sie nur für die 17- bis 21 jährigen Jugendlichen; mit dem i j . September 1936 wurde sie jedoch auch auf die 21- bis 23jährigen Täter ausgedehnt101. Das Eigenartige an der Geschichte der Borstalhaft ist, daß sie zunächst ihre Probe in der Praxis bestand und erst dann gesetzlich sanktioniert und allgemein eingeführt wurde102. Die gesetzliche Regelung ist folgende: § x des Prevention of Crime Act: „Wird jemand im Wege des ordentlichen Verfahrens (on indictment) einer mit Zuchthaus oder Gefängnis bedrohten Straftat für schuldig befunden und stellt das Gericht fest: a) daß der Täter nicht unter 16 und nicht über 21 Jahre alt ist, und b) daß es im Hinblick auf seine verbrecherischen Gewohnheiten oder Neigungen oder wegen seines Verkehrs mit übelbeleumundeten Personen angezeigt ist, ihn auf solange Zeit und mit solcher Unterweisung sowie unter solcher Disziplin einer Haft zu unterwerfen, wie es am meisten geeignet erscheint, um zu seiner Besserung und zur Verbrechensbekämpfung beizutragen, so kann das Gericht, anstatt auf Zuchthaus oder Gefängnis, auf Strafhaft in einer Borstal-Anstalt auf die Dauer von nicht unter 97

Struve S. 28/29. Quentin-Sieverts S. 7. m Sieverts II S. 5J3. 100 Struve S. 41. 101 Quentin-Sieverts S. 2j. 10s Struve S. 36. M

24 zwei (hinzugefügt durch § 1 1 des Criminal Justice Administration Act von 19x4) und nicht über drei Jahren erkennen. Das Gericht hat jedoch, ehe es solchen Beschluß faßt, jeden Bericht oder jede Vorstellung zu prüfen, welche ihm seitens der Gefängnisoberaufsichtslbehörde (Prison Commissioners) über die Geeignetheit des betr. Falles für die Behandlung in einer BorstalAnstalt gemacht werden; audi hat es sich davon zu überzeugen, daß Charakter, Gesundheits- und Geisteszustand des Täters es als wahrscheinlich erscheinen lassen, daß der Täter aus der genannten Unterweisung und Disziplin Vorteil ziehen werde." Die Borstalhaft ist Strafe; das Urteil, das sie anordnet, ist relativ unbestimmt103. Ihre Mindestdauer 'beträgt seit 19x4 mindestens 2 Jahre und die Höchstdauer höchstens 3 Jahre. § j Abs. 1 Prevention of Crime Act schafft die Möglichkeit, die Strafe für den einzelnen Gefangenen denkbar elastisch zu gestalten. Die Gefängnisoberaufsichtsbehörde kann schon vor Ablauf der Mindestzeit von 2 Jahren die bedingte Entlassung aussprechen, und zwar bei männlichen Sträflingen frühestens nach 6 und bei weiblichen frühestens nach 3 Monaten Borstal-Detention104. Die Borstalhaft ist Strafe und keine Fürsorgeerziehung106. Sie entwickelte sich als besondere Strafvollzugsform in einer Strafanstalt, wird von Strafgerichten gegen strafmündige Personen verhängt und ihre Anstalten unterstehen der Prison Commission. Die Verhängung der Borstalhaft ist nicht zwingend vorgesdirieben. Der Richter kann lediglich beim Vorliegen bestimmter Voraussetzungen von ihr Gebrauch machen. Ihre Anwendung setzt voraus, daß es sich um erheblich verwahrloste jugendliche Täter handelt, bei denen jedoch ein so ganz auf Besserung abgestelltes System wie die Borstal-Detention noch Aussicht auf Erfolg bietet. Es muß sich also um besserungsbedürftige, besserungsfähige und zum Borstal-Vollzug geeignete Elemente handeln. Entscheidend für die Anordnung ist demnach nicht die Art und Schwere der Tat, sondern die Persönlichkeit des Rechtsbrechers100. Die Gerichte machen in steigendem Maße von der Möglichkeit, die Borstalhaft anzuordnen, Gebrauch107. Aber obwohl man auch in England von der Brauchbarkeit der festbestimmten Gefängnisstrafen für Jugendliche nicht mehr überzeugt ist, stehen dem Borstal-System doch erhebliche Hemmnisse entgegen, weil man sie wegen ihrer unbestimmten Dauer für einen besonders schweren Eingriff hält108. Zur Zeit sind die Freiheitsstrafen der 17- bis 23 jährigen Rechtsbrecher etwa zu 7 j % festbestimmte Strafen und zu 25 % Uberweisungen in 103

Sieverts II S. 553. Sieverts a.a.O. Struve S. 2 2 8 ; Quentin-Sieverts S. 26; Bumke S. 2 5 9 ; unrichtig: Hörst S. 3 0 1 ; Mollenhauer S. 598. 100 Quentin-Sieverts S. 26; Sieverts II S. $54. 107 Siehe die statistischen Angaben bei Quentin-Sieverts S. 27. 108 Quentin-Sieverts S. 24/25. 104 105

25 die BorstaLhaft. Das zeigt, daß im englischen Recht ein unbefriedigender Dualismus herrscht. Zudem neigen d'ie englischen Gerichte auch nodi heute dazu, gegen Jugendliche kurze Freiheitsstrafen zu verhängen, da sie ihnen eine erhebliche Abschreckungswirkung zuschreiben. Der 1932 verfaßte „Report of the Departmental Committee on Persistent Offenders" 108 stellte diese Überstände und das schwerwiegende Versagen der kurzen Freiheitsstrafe eindeutig fest. Die von dier Kommission vorgeschlagene und demnächst zu erwartende obligatorische Einführung der Borstalhaft durch die Criminal Justice Bill, die z. Zt. dem Parlament vorliegt, wird hier Abhilfe schaffen. Vollzogen wird die Borstalhaft in den Borstal-Anstalten. Von Anfang an war bei ihr die Erziehung das herrschende Prinzip 110 . Und der Borstal-Vollzug beweist überzeugend, daß der Erziehungsgedanke nicht Weichheit und übertriebene Humanität bedeutet, sondern durch Straffheit und gerechte Strenge bei den Jugendlichen viel gefürchteter sein kann als ein nach dem Vergeltungsprinzip aufgebauter Vollzug 111 . Zugleich zeigt uns das Borstal-System, daß Strafe und Erziehung keine unüberbrückbaren Gegensätze darstellen, sondern einander ergänzen112. Das Ziel des Borstal-Systems ist, den jungen Gefangenen zu einem ordentlichen Staatsbürger zu erziehen113. Um das zu erreichen, wird er nicht in eine bestimmte Form gepreßt, sondern seine eigenen Kräfte und Anlagen werden in diese Richtung gelenkt. So ist das ganze System letzten Endes nur eine Hilfe zur Selbsthilfe114. Der Vollzug wird erleichtert durch eine weitgehende Klassifizierung der zu Borstalhaft Verurteilten. Der eigentlichen Borstalhaft geht ein mehrwöchiger Aufenthalt in einer Verteilungsanstalt voraus mit eingehender kriminalbiologischer Untersuchung. Auf Grund der Beobachtungen dieser Zeit wird der Zögling einer bestimmten BorstalAnstalt überwiesen115. Damit ist von vornherein eine individuelle Behandlung des Gefangenen und ein erfolgreicher Vollzug gewährleistet. Die Frage, wann ein Gefangener bedingt zu entlassen ist (die Entlassung ist immer nur bedingt), wird jedesmal sehr sorgfältig geprüft. Jeder Schematismus wird vermieden116. Die bedingte Entlassung erfolgt auf Grund sorgfältiger Zusammenarbeit zwischen der Anstalt und der Borstal-Association, der ausschließlich die Betreuung und Beaufsichtigung der aus den Borstal-Anstalten Entlassenen übertragen ist 117 . Die Ergebnisse dieser vorbereitenden Arbeit werden 109 110 111 112 118 114 115 118 117

Vgl. Sieverts III. Quentin-Sieverts S. 28. Sieverts II S. J74. Sieverts II S. 576. Sieverts II S. 563. Sieverts II S. $ 66. Quentin-Sieverts S. 45. Hauptvogel I S. 28/29. Hauptvogel II S. 88—94.

26 über das Visiting Comittee der Prison Commission zugeleitet, die dann über die bedingte Entlassung entscheidet118. Die Entscheidung liegt also in der Hand einer Verwaltungsbehörde. Während der Probezeit wird der Entlassene von dem zuständigen Mitglied der Borstal-Gesellschaft überwacht und beraten119. Diese Probezeit ist ein wichtiges, dem Anstaltsaufenthalt gleichwertiges Glied des Borstal-Systems. Sie geht ein Jahr über die im Urteil vorgesehene Strafzeit hinaus. Wird also ein zu 3 Jahren Detention Verurteilter nach 2 Jahren bedingt entlassen, so muß er noch 2 Jahre intensiv ausgestalteter Probezeit durchmachen. Führt der bedingt Entlassene sich schlecht oder begeht er eine neue Straftat, so kann die Prison Commission auf Grund eines Berichtes der Borstal-Gesellschaft die vorläufige Entlassung widerrufen. Der Rest der Strafzeit wird dann nicht in einer Borstal-Anstalt verbüßt, sondern im Gefängnis 120 . Läßt der 'bedingt Entlassene sich während der Probezeit nichts zuschulden kommen, so wird er endgültig entlassen. „In der amtlichen und nicht amtlichen Literatur besteht Einstimmigkeit darüber, daß das Borstal-System sich bewährt hat, also einen kriminalpolitischen Erfolg darstellt" 121 . Die Erfolge des Borstal-Systems sind durch einwandfreie statistische Untersuchungen der Prison Commission festgestellt. Von den seit 1910 entlassenen Borstal-Sträflingen sind 6$ % nicht wieder rückfällig geworden und eine weitere Gruppe von etwa j % hat man trotz nochmaliger Straffälligkeit doch noch resozialisieren können. Im Ergebnis sind also 70% der Borstal-Zöglinge ihrem Volke wiedergewonnen worden122. Die Statistik für die Jahre 1932—1934 ist etwas ungünstiger. Das liegt zum Teil an der schweren Wirtschaftskrise, zum Teil aber auch daran, daß infolge der Erweiterung des Borstal-Vollzuges von 3 auf 8 Anstalten vorübergehend das Erzieherniveau gelitten hat 123 . „Der Erfolg des Borstal-Systems ist umso wichtiger, weil . . . gerade nur die schwereren Fälle, d. h. vielfach Vorbestrafte, erheblich Verwahrloste, bei denen andere Mittel versagt halben, vor allem auch psychopathische Jugendliche ihm unterworfen werden."124 Erstlinge und leichtere Fälle kommen nicht in Borstalhaft, da die unbestimmte Strafe im englischen Rechtsbewußtsein als ein außerordentlich schwerer Eingriff gilt. 1930 waren von den 360 Gefangenen der Anstalt in Borstal 90 % mehrfach rückfällige Vermögensverbrecher125. Das Geheimnis dieses Erfolges liegt vor allem in dem außerordentlich hohen Niveau der Borstal-Beamten128. Die richtige Wir118

Quentin-Sieverts S. 70. » Exner II S. 473/74. Quentin-Sieverts S. 71. 121 Quentin-Sieverts S. 72. 122 Hauptvogel I S. 180; Sieverts II S. J J J . 123 Quentin-Sieverts S. 73. 124 Sieverts II S. J J J . 125 Exner II S. 473. 126 Sieverts II S. 556; Exner II S. 479; Hörst S. 303.

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120

27 kungsmöglichkeit und die Gelegenheit, ihre Kräfte voll einzusetzen, gibt ihnen aber erst die Einrichtung der unbestimmten Verurteilung. Ohne sie würden auch die Borstal-Erzieher nicht diese Erfolge aufweisen können. Die Ergebnisse des Borstal-Systems sind durch den Bericht des amtlichen Untersuchungsausschusses über hartnäckige Verbrecher von 1932 bestätigt worden. Der Bericht kommt zu dem Ergebnis, daß das Prinzip der Tatvergeltung versagt und zu einer fortschreitenden Milderung der Strafen geführt hat 127 . Er stellt weiter fest, daß die Sicherungsverwahrung (preventive detention) des Prevention of Crime Act für Gewohnheitsverbrecher sehr ungünstige Ergebnisse hatte, während die relativ unbestimmte Borstal-Haft ein voller Erfolg wurde128. Der Bericht schlägt deshalb als Reform vor: die Borstal-Haft auf alle jugendlichen Kriminellen auszudehnen und statt der bisherigen Zweispurigkeit auch gegen Gewohnheitsverbrecher das unbestimmte Strafurteil anzuwenden in Gestalt der einfachen Sicherungshaft (2—4 Jahre) und der verlängerten Sicherungshaft (5—10 Jahre) 129 . Das unbestimmte Strafurteil hat sich in England bestens bewährt. Die Fehler, die man in Amerika gemacht hat, haben die Engländer vermieden. Bei ihnen ist „alles langsam aus praktischer Erfahrung gewachsen und erhärtet"130. Auch wir Deutschen können viel aus den Erfahrungen „dieses uns artverwandten Volkes, das wie kein anderes in überlieferten deutsch-rechtlichen Formen und Vorstellungen lebt", lernen und für den Neubau unseres Jugendstrafrechtes verwerten131. §6. Österreich. In den deutschen Rechtskreis wurde die unbestimmte Verurteilung, nachdem sie fast ein Jahrhundert aus ihm verbannt war, durch das österreichische Bundesgesetz über die Behandlung junger Rechtsbrecher (JGG) vom 18. Juli 1928 wieder eingeführt. Das österreichische J G G sieht den Zweck der Freiheitsstrafe gegenüber Jugendlichen in der Erziehung des Rechtsbrechers zu „Selbstbeherrschung, Arbeitsamkeit und gesetzmäßigem Verhalten" (§ 46 JGG). Dieser das Gesetz beherrschende Erziehungs- und Fürsorgegedanke verlangte die Einführung des unbestimmten Strafurteils132. Nur so hat die Strafe die für die Erziehung nötige Elastizität. 127 128 189 130 131 132

Sieverts III S. 679. Sieverts III S. 682. Sieverts III S. 686/87. Sieverts II S. $76. Sieverts III S. 676 und II S. $76. Kadecka S. 86/87; Lißbauer S. 272.

28 Das Vorbild für die österreichische unbestimmte Verurteilung war das englische Borstal-System133. Beide Regelungen haben vieles Gemeinsame, aber doch sind die Österreicher in manchen, z. T . recht wesentlichen Punkten eigene Wege gegangen. Die österreichische Regelung lautet: § 12 Abs. i J G G . „Wäre gegen einen Jugendlichen auf eine längere Freiheitsstrafe zu erkennen und läßt sich die zur Wandlung seiner Gemütsart und zur Überwindung seiner schädlichen Neigungen erforderliche Strafdauer nicht einmal annäherungsweise vorher bestimmen, so kann das Gericht anordnen, daß die Strafe innerhalb eines zu bestimmenden Mindest- und Höchstmaßes so lange zu dauern habe, 'bis der Strafzweck erreicht ist. Das Mindest- und das Höchstmaß dürfen den durch das außerordentliche Milderungsrecht erweiterten gesetzlichen Strafrahmen nicht überschreiten." Ebenso wie England hat sich Österreich für die relativ unbestimmte Verurteilung entschieden. Während aber dort die Grenzen der unbestimmten Strafe durch Gesetz festgelegt sind, setzt sie in Österreich der Richter innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens fest. Der österreichische Richter hat damit einen erheblich stärkeren Einfluß 134 . Darüber hinaus bedeutet dies einen grundsätzlichen Unterschied. Im Borstal-System kommt es entscheidend auf den Täter und nicht auf die Tat an. Ob der Jugendliche einen Diebstahl, einen Raub oder ein Sittlichkeitsverbrechen begangen hat, er kommt in den für alle Fälle gesetzlich gleich begrenzten Borstal-Vollzug. Anders in Österreich: Hier werden die Grenzen der Strafe von Fall zu Fall bestimmt. Diesen Rahmen legt der Richter fest, der im Augenblick der Urteilsverkündung bewußt oder unbewußt unter dem Eindruck der objektiven Tat steht. Die österreichische Regelung muß deshalb dazu führen, Art und Schwere der Tat in einem wesentlich höheren Maße zu berücksichtigen, als es im Borstal-System der Fall ist. Dennoch ist auch die österreichische unbestimmte Strafe eine ausgesprochene Erziehungsstrafe. Die Anwendung der unbestimmten Verurteilung setzt voraus, daß gegen Jugendliche (Personen, die zwar das 14. aber noch nicht das 18. Lebensjahr zurückgelegt haben: § 1 J G G ) auf eine längere Freiheitsstrafe zu erkennen wäre. Eine ziffernmäßige Grenze ist nicht gesetzt. Praktisch wird es sich in der Regel um Verbrechen handeln, die zur Verhängung einer unbestimmten Strafe führen136. Die bisher unbestimmt abgeurteilten Delikte sind: Mord, Raub, Brandstiftung, widernatürliche Unzucht, schwere Körperverletzung, Drohung, Verleumdung, Diebstahl, Betrug, Veruntreuung und Verbrechen gegen das Sprengstoffgesetz136. Die kleinste Mindeststrafe betrug 4 Monate, 133 134 135 138

Kadedta S. 89. Grünhut I S. 281. Jedliczka S. I I J Butsdieck S. 988. Jedliczka S. 12.

29 die niedrigste Höchststrafe 10 Monate. Von dieser Ausnahme abgesehen lagen die Höchststrafen nicht unter einem Jahr. Bei drei, Verurteilungen wegen Mordes wurde als Strafmaximum die gesetzliche Höchststrafe von 10 Jahren festgesetzt137. Die Anwendung der unbestimmten Verurteilung ist nicht zwingend vorgeschrieben, sie steht im richterlichen Ermessen138. Die Gerichte machten bisher von ihr verhältnismäßig wenig Gebrauch. Bis Ende 193$ wurden vom Wiener Jugendgerichtshof $7 Jugendliche zu einer Rahmenstrafe verurteilt und zwar 1929: 14; 1930: 9; 1931: 13; 1932: 8; 1933: 6; 1934: 3; 1935: 4189. Die unbestimmte Verurteilung wurde also besonders in den letzten Jahren sehr selten angewendet. Das liegt zunächst daran, daß die schwerste Kriminalität unter den Jugendlichen Österreichs abgenommen hat. Daneben haben die Gerichte ganz allgemein eine gewisse Scheu, die verhältnismäßig hohen Rahmenstrafen zu verhängen, zumal Erwachsene für dieselbe Tat vielfach eine niedrigere Strafe 'bekommen oder bekommen würden140. Soweit die straffälligen Jugendlichen nicht unbestimmt verurteilt werden, ist ihre Behandlung fast dieselbe wie nach dem reichsdeutschen J G G , das dem österreichischen Gesetzgeber zum Vorbild gedient hat. Weitgehende Erziehungsmaßregeln (§§ 2—8) und Strafmilderungen durch Ausschaltung oder Einschränkung bestimmter Strafmittel (§§ n , 12) sind auch die Kennzeichen des österreichischen J G G . Was bei uns reformbedürftig ist, vor allem die kurze Freiheitsstrafe, ist es auch in Österreich. Die nur wahlweise vorgeschriebene unbestimmte Verurteilung konnte sich in der Praxis nicht in dem erforderlichen Maße durchsetzen. Eine reformierende Wirkung auf das ganze Jugendstrafrecht kann sie erst dann haben, wenn ihre Anwendung zwingend angeordnet wird. Nach Verbüßung der Mindeststrafe kann der Jugendliche bedingt entlassen werden ( § 4 1 Abs. 3 JGG). Voraussetzung ist, daß der Gefangene den Zweck der Strafe erreicht hat. Der Straf zweck wird nur dann als erreicht angesehen, wenn der jugendliche Rechtsbrecher den durch die Tat verursachten Schaden nach besten Kräften gutgemacht hat und nach seiner Anstaltsführung, seiner Vergangenheit, seinen persönlichen Verhältnissen und seinen Aussichten auf ein ehrliches Fortkommen anzunehmen ist, daß er sich in der Freiheit ordentlich verhalten wird (§ 41 Abs. 3 J G G in Verbindung mit § 12 des Gesetzes vom 23. Juli 1920 über die bedingte Entlassung)141. Die Entscheidung obliegt der Strafvollzugsbehörde, die durch das Gesetz vom 23. 7. 1920 geschaffen wurde und schon danach über die bedingte Entlassung zu entscheiden hatte. Da diese Einrichtung sich bewährte, übernahm man sie auch für das JGG. Die Strafvoll137 1M 140 141

Jedliczka a.a.O. Gleispach IV S. 144$. Jedliczka S. 12; E. v. Liszt S. $76; Peters IV S. $84/86. Jedliczka a.a.O. Gampp S. 55/56; Grünhut I S. 282.

30 zugsbehörde ist eine dreigliedrige, beim Gerichtshof erster Instanz gebildete Kommission. Ihr gehören an der Präsident des für die Strafanstalt zuständigen Gerichtshofes als Vorsitzender, der Staatsanwalt dieses Gerichtes und der Anstaltsleiter als Beisitzer (§ 16 des Gesetzes vom 23. 7. 1920) 142 . Gegen die Entscheidung dieser Behörde steht dem Staatsanwalt wie dem Gefangenen die Beschwerde offen, über die das Oberlandesgericht als Schöffengericht entscheidet (§§ 17 des Gesetzes vom 23. 7. 1920, 21 Abs. 3 J G G ) . Auf die stets nur 'bedingt ausgesprochene Entlassung folgt die Probezeit. Sie dauert bis zur Erreichung des im Urteil bestimmten Strafmaximums, mindestens aber ein Jahr. Beträgt die Frist weniger als 5 Jahre, so kann die Strafvollzugsbehörde die Probezeit bis auf dieses Maß ausdehnen ( § 4 1 Abs. 4 J G G ) . Die Kommision oder das Oberlandesgericht können den Entlassenen für die Probezeit bestimmte Weisungen erteilen und ihn unter Schutzaufsicht stellen. Es muß Schutzaufsicht angeordnet werden, wenn der Gefangene bei seiner Entlassung noch nicht 18 Jahre alt ist und nicht eine Behörde, Anstalt oder ein Verein seine Erziehung übernimmt oder sonst die Gewähr besteht, daß er sorgfältig erzogen und beaufsichtigt wird (§§ 41 Abs. 5, 13 J G G , 13 des Gesetzes vom 23. 7. 1920) 143 . Die Strafvollzugsbehörde muß das erstinstanzliche Gericht von der bedingten Entlassung in Kenntnis setzen; dieses kann vormundschaftsbehördliche Verfügungen treffen (§ 4.x Abs. 5 J G G ) . Die Strafvollzugsbehörde widerruft die vorläufige Entlassung und bringt den Rest der Strafe zum Vollzug, wenn der Entlassene während der Probezeit den ihm auferlegten Weisungen und Verpflichtungen nicht nachkommt, keinen ordentlichen Lebenswandel führt oder wieder straffällig wird (§ 14 des Gesetzes vom 23. 7. 1 9 2 0 ) 1 " . Erfolgt ein solcher Widerruf nicht, so wird die Entlassung mit dem Ablauf der Probezeit endgültig ( § 1 4 Abs. 2) 145 . Uber die Erfolge der unbestimmten Verurteilung in Österreich läßt sich bei der verhältnismäßig kleinen Zahl von Fällen, in denen sie zur Anwendung kam, kein abschließendes Urteil abgeben. Von den J7 in Wien zu Rahmenstrafe verurteilten Jugendlichen haben etwa 30% die Höchststrafe verbüßen müssen. Die anderen sind nach Ablauf des Strafminimums oder kurz danach zur Probe entlassen worden. N u r bei 7 der bedingt entlassenen Jugendlichen mußte die Entlassung widerrufen werden. Das ist ein durchaus günstiges Ergebnis, vor allem, wenn man bedenkt, daß die erste Zeit nach der Entlassung besonders kritisch ist 146 . Man ist in Österreich auch von der Zweckmäßigkeit der unbestimmten Verurteilung überzeugt und wünscht deshalb eine Ausdehnung zum mindesten auf die 142 143 144 148 146

Grünhut a.a.O. Kadecka S. 189; Lißbauer S. 273. Gampp S. 29. Kadecka S. 189. Nagler I S. 30.

31 i8- bis 21 jährigen Rechtsbrecher147. Man sieht in ihr ein vorzügliches Mittel, jugendliche Verbrecher zu läutern und zu brauchbaren Mitgliedern der Volksgemeinschaft zu machen148. §7D ä n e m a r k und Schweden. A' Dänemark. Durch das Borgerlig Straffelov vom 15. April 1930 — in K r a f t seit dem 1 . Januar 1933 — wurde die unbestimmte Verurteilung f ü r Jugendliche in Dänemark eingeführt. Die Regelung lehnt sich stark an das Borstal-System an. Das Gesetz ist nach fast 2 5 jähriger griindliiier Vorarbeit erlassen worden 148 . Für die Freiheitsstrafe gegenüber Jugendlichen w a r das Ziel bei der Schaffung des neuen Strafgesetzbuches die Erziehungsstrafe. Deshalb wählte man die relativ unbestimmte Strafe, die sich in England so vorzüglich bewährt hatte. Man erwartet von ihr in Dänemark, daß sie mehr als festbestimmte Strafen geeignet ist, die Kriminalität zu bekämpfen und daneben die reinen Erziehungsanstalten von ungeeigneten Elementen freizuhalten 160 . Die gesetzliche Regelung ist erfolgt in den §§ 4 1 — 4 3 des Borgerlig Straffelov. Nach § 4I Abs. 1 sollen mit Jugendgefängnis bestraft werden: Jugendliche im Alter von i j — 2 1 Jahren, die eine Gefängnisstrafe verwirkt haben wegen eines Verbrechens (Forbrydelse), das als die Folge verbrecherischer Neigungen oder eines Hanges zum Müßiggang oder eines Triebes nach schlechter Gesellschaft anzusehen ist. Die weitere Voraussetzung ist, daß das Gericht dauernde erziehende und ausbildende Maßnahmen f ü r zweckdienlich erachtet. Die Einweisung in das Jugendgefängnis erfolgt im Regelfall auf 1 — 3 Jahre. Der Rahmen ist generell durch Gesetz festgelegt ö

4*): . . . . . . . Die Regelung hat weitgehende Ähnlichkeit mit dem englischen System. Auch in Dänemark ist nicht in erster Linie die Tat, sondern die Persönlichkeit des Täters f ü r die Anordnung des Jugendgefängnisses maßgebend. Der jugendliche Rechtsbrecher muß besserungsbedürftig und besserungsfähig sein. Die Fassung, die der dänische Gesetzgeber hierfür gewählt hat, erinnert stark an den § 1 des Prevention of Crime Act, der die Voraussetzungen für die Anordnung der Borstal-Haft enthält. Einen wesentlichen Fortschritt gegenüber der englischen Regelung stellt aber dar, daß der Richter beim Vorliegen der bestimmten Voraussetzungen zu Jugendgefängnis verurteilen muß und nicht nur kann, wie der englische Richter. Damit ist die festbestimmte Strafe auf die Fälle, in denen der Erziehungs147 148 1,9

Butscheck S. 989; Jedliczka S. 12. Jedleczka a.a.O.; Bleidt II, S. 32. Lucas I S. 641; s. auch Kampmann, Blätter f. Gefängniskunde B. 65 S. 95. Lucas II S. 588.

32 zweck der S t r a f e zurücktritt, beschränkt, und der Dualismus zwischen beiden Strafarten auf das unvermeidbare Minimum zurückgeführt. H a t der Gefangene die Mindestzeit ( i J a h r ) des intensiv erzieherisch ausgestalteten Jugendstrafvollzuges 1 5 1 durchgemacht, so kann er auf Vorschlag der Anstaltsleitung durch Beschluß des Gefängnisausschusses bedingt entlassen werden (§ 4 2 Abs. 2). Verfügt der Ausschuß die Fortsetzung der Strafe, so w i r d die Frage der Entlassungsfähigkeit am Schluß des folgenden Jahres erneut geprüft (§ 4 2 Abs. 2). D i e Dauer der Probezeit wird vom Gefängnisausschuß festgesetzt. Sie muß jedoch im Regelfall 4 Jahre nach Strafantritt beendet sein. Während der Probezeit steht der Freigelassene unter Schutzaufsicht und ist den ihm bei der Entlassung auferlegten Bedingungen unterworfen (§ 42). Übertritt der Entlassene die vorgeschriebenen Bedingungen, so beschließt der Gefängnisausschuß über seine erneute Inhaftierung (§ 42). D e r Ausschuß kann hierbei das Strafmaximum auf 4 Jahre erhöhen. W i r d der wieder gefangengesetzte Jugendliche erneut freigelassen, so dauert die Probezeit für ihn auf jeden Fall mindestens 1 J a h r (§ 42). Erfolgt während der Probezeit kein "Widerruf, so ist mit ihrem A b l a u f die Jugendgefängnisstrafe endgültig verbüßt( §§ 4 2 , 40). Uber die Bewährung der unibestimmten Verurteilung im dänischen Jugendstraf recht läßt sich wegen der kurzen Geltungszeit nodi nichts sagen. W e n n die Dänen die in dem unbestimmten Strafurteil liegenden Möglichkeiten richtig auszunutzen verstehen, werden die kriminalpolitischen Erfolge nicht ausbleiben.

B. Schweden. Durch das Gesetz über das Jugendgefängnis vom 1 5 . Juni 1 9 3 j 1 5 2 ist Schweden dem dänischen Beispiel gefolgt und hat in weitgehender Anlehnung an das Borstal-System die relativ unbestimmte Verurteilung Jugendlicher eingeführt. D i e unbestimmte Verurteilung kommt in Frage für junge Rechtsbrecher, die v o r Vollendung des 2 1 . Lebensjahres eine Straftat begangen haben, wegen der sie nach Vollendung des 18. Lebensjahres verurteilt werden (§ 1 Abs. 1). Der Kreis der in Betracht kommenden Jugendlichen ist damit nicht unwesentlich anders festgelegt als in England, Österreich und Dänemark. Wenn jemand erst nach dem 2 1 . Lebensjahr wegen einer vorher begangenen Tat verurteilt wird, so kann er u. U . im Jugendgefängnis 30 Jahre alt werden 1 5 3 . Darin liegt gewiß ein mutiges Wagnis des schwedischen Gesetzgebers. O b allerdings die reine Erziehungsstrafe bei 2 5 - bis 30jährigen Gefangenen zu Erfolgen führen wird, muß erst die Zu161

§43 Abs. 2; Ebeling S. 387. Deutsche Übersetzung in ZStW $6/263. «3 Mittermaier S. 290.

1M

33 kunft lehren. Im Augenblick erscheint die Regelung jedenfalls bedenklich, und Schweden hätte -wahrscheinlich besser daran getan, die neue Einrichtung des Jugendgefängnisses erst mit jüngeren Jahrgängen zu erproben. Wenn in England der Bericht über die hartnäckigen Verbrecher die Anwendung eines borstalartigen Systems auf die 24- ibis 30jährigen fordert, so ist das etwas anderes, da die Engländer in diesen Fragen über eine 30jährige Erfahrung verfügen. Vom Alter abgesehen sind die persönlichen Voraussetzungen, die auch hier eine entscheidende Rolle spielen, ähnlich denen der englischen und dänischen Regelung. „Zu Jugendgefängnis soll verurteilt werden, wenn nach der Art des Vergehens und der persönlichen Entwicklung, sowie nach dem Lebenswandel und den übrigen Umständen des Schuldigen mit Recht angenommen werden darf, daß er imstande und gewillt ist, eine Erziehung und Ausbildung anzunehmen, wie sie mit dem Jugendgefängnis bezweckt wird, und wenn mit Rücksicht auf diese und andere Verhältnisse das Jugendgefängnis geeigneter als eine andere Strafe zu sein scheint." (§ 1 Ab. 2). Die Jugendgefängnisstrafe kommt nicht in Frage für Delikte, die mit Geldstrafe oder mit Strafarbeit von mindestens 4 Jahren bedroht sind (§ 1). Damit scheiden für die Anwendung des Jugendgefängnisses die ganz leichten und die ganz schweren Straftaten aus; für die meisten strafbaren Handlungen von Jungleuten ist die unbestimmte Verurteilung zulässig 154 . Die Mindeststrafe beträgt 1 Jahr (nur ausnahmsweise kann die Entlassung schon früher erfolgen) und die Höchststrafe 4 Jahre (§ 12). Als normale Strafzeit denkt man sich 1V2 Jahre (§ 13) 1 6 5 . Der Vollzug der Strafe ist intensiv erzieherisch ausgestaltet (§§ 8 bis n ) ; das Straf ziel ist in erster Linie die Resozialisierung des Gefangenen158. Uber die Entlassung beschließt unanfechtbar das „ A m t " (§ 6). Dieses Amt besteht aus j Mitgliedern, von denen mindestens eines Richter sein ( oder gewesen sein) muß, mindestens eines die Qualifikation zum Arzt haben und mindestens eines in Erziehungsfragen besonders erfahren sein muß. Der Einfluß der Anstalt auf die Entlassung ist also wenigstens nach der gesetzlichen Regelung ziemlich gering. Die Entscheidung über die Entlassung erfolgt zuerst ein Jahr nach Einlieferung des Gefangenen und dann kraft Gesetzes in halbjährlichen Zeiträumen ( § 1 3 Abs. 3). Die Entlassung ist entweder endgültig oder bedingt (§ I3 Abs. 2). Auch darin geht Schweden eigene Wege, daß es jedenfalls teilweise die 'unbedingte Entlassung einführt. Zwar hat die unbestimmte Verurteilung als solche mit dem Institut der bedingten Entlassung nichts zu tun; aber in der Praxis sind beide Einridi155 158

a

Mittermaier S. 288; Steinwallner S. 82. Steinwallner S. 83. Mittermaier S. 289.

34 tungen so gut wie immer miteinander verbunden. Diese Verbindung hat sich sehr gut bewährt. Ob die unbestimmte Verurteilung auch ohne die bedingte Entlassung so erfolgreich wirken kann, ist eine interessante Frage, die uns später einmal die schwedischen Erfahrungen beantworten müssen. Der zur Probe Entlassene steht unter Aufsicht und hat die ihm für die Probezeit auferlegten Bedingungen zu beachten (§ i j ) . Verstößt er dagegen, so beschließt das Amt die Zurückbringung in die Anstalt. Die Dauer der Probezeit bestimmt ebenfalls das Amt; doch muß sie spätestens 4 Jahre nach Strafantritt enden und darf nicht länger dauern als ^ Jahre (§ 16). Läßt der Entlassene sich während der Probezeit nichts zu schulden kommen, so ist mit ihrem Ablauf die Jugendgefängnisstrafe verbüßt (§ 18). Wie die Erfahrungen der Schweden mit ihrer unbestimmten Verurteilung sein werden, muß die Zukunft lehren. Ihnen ohne weiteres günstige Erfolge vorauszusagen, erscheint angesichts des weit gespannten Altersrahmens bedenklich.

§ 8. Die Tschecho-Slowakei. Die tschecho-slowakische Republik ist seit ihrem Bestehen um die Schaffung eines Strafgesetzbuches bemüht. In den Vorentwurf des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches, der 1921 vom Justizministerium herausgegeben wurde, fand nach amerikanischem Vorbilde auch das unbestimmte Strafurteil in beschränktem Umfange Aufnahme (§§ 67, 1 1 3 VE) 1 6 7 . Es soll Anwendung finden auf besserungsfähige, nicht über 30 Jahre alte Personen, die wegen eines mit Kerker (entspricht unserem Zuchthaus) von mindestens einem Jahre und höchstens 8 Jahren bedrohten Verbrechens zu verurteilen sind168. Hier kann der Richter nach seinem Ermessen den Ausspruch über die Strafe auf die Bezeichnung des gesetzlichen Strafrahmens beschränken. Die gesetzliche Strafandrohung bildet also zugleich den Rahmen des unbestimmten Strafurteils 159 . Die Strafe soll in einer besonders dafür eingerichteten Besserungsanstalt für Erwachsene vollzogen werden. Nach Verbüßung des Strafminimums kann der Gefangene bedingt entlassen werden. Die mit dem unbestimmten Strafurteil zusammenhängenden Entscheidungen trifft das Gefangenengericht, das aus einem Richter als Vorsitzenden und 2 Laien als Beisitzern besteht160. Die Entscheidungen sind anfechtbar; die Rechtsmittelinstanz ist der Gerichtshof erster Instanz. Dadurch „wird eine schnelle Lösung der einschlägigen Fragen von einem sachkundigen Kollegium unter den Garantien eines gerichtlichen Verfahrens erzielt" 1 6 1 . 167 158 168 1.0 1.1

Miricka S. 288. Miricka a.a.O. Grünhut I S. 2 8 1 . Miricka S . 294. Miricka a.a.O.

35 Die Bestimmungen des Vorentwurfes von 1921 über die unbestimmte Verurteilung kehren im 1926 vom Justizministerium veröffentlichten Entwurf wieder162. Die gesetzgebende Körperschaft hat über diesen Entwurf noch nicht entschieden163. 1931 ist in der Tschecho-Slowakei das Jugendstrafrecht gesetzlich neu geregelt worden164. Während alterte Entwürfe die unibestimmte Verurteilung enthielten (Verschließung von 3—10 Jahren), kennt das Gesetz selbst nur festbestimmte Strafen. Diese Änderung wurde in tschechischen Juristenkreisen sehr bedauert. Sie ist aber wahrscheinlich darauf zurückzuführen, daß man den Jugendstrafvollzug den aus der Rahmenstrafe sidi ergebenden Aufgaben noch nicht gewachsen hielt168.

4. K a p i t e l :

Kriminalpolitisches. § 9Die kriminalpolitische Zweckmäßigkeit der U n b e s t i m m t e n V e r u r t e i l u n g . Wenn man eine neue Maßnahme in das Strafensystem aufnehmen will, so hat man sich zweierlei zu fragen, einmal: wie verhält sich die neue Einrichtung zu den leitenden Strafrechtsprinzipien und zum anderen: wird die beabsichtigte Maßnahme eine brauchbare Waffe im Kampfe gegen das Verbrechertum sein? Dies ist die Frage nach der kriminalpolitischen Zweckmäßigkeit, jenes nach der rechtsdogmatischen Stellung. Dem einen scheint die dogmatische, dem anderen die kriminalpolitische Seite die wichtigere. Die Prüfung auf die praktische Brauchbarkeit muß jedoch das Entscheidende bei einer neuen Strafmaßnahme sein. Denn, was nützt ein dogmatisch geschlossenes und einwandfreies Strafensystem, das im Kampf gegen das Verbrechertum versagt? Nicht mit Theorien ist der Volksgemeinschaft gedient, sondern nur mit einer Strafe, die keine neue Kriminalität züchtet, die kriminalpolitisch erfolgreiche Arbeit leistet. So müssen wir auch bei der unbestimmten Verurteilung die Frage nach ihrer praktischen Verwendungsfähigkeit voranstellen. Die Prüfung der dogmatischen Seite ist von untergeordneterer Bedeutung. Die unbestimmte Verurteilung hat sich kriminalpolitisch bewährt. Ihre Erfolge in England, Amerika und Österreich beweisen es. Sie sind auf drei Punkte zurückzuführen: 1. die unbestimmte Verurteilung hat eine starke erzieherische Wirkung; 2. sie ermög16a 163 144

3*

Lorenz Lorenz Dörner Steiner

S. S. S. S.

727. 717. 319/20. 156.

35 Die Bestimmungen des Vorentwurfes von 1921 über die unbestimmte Verurteilung kehren im 1926 vom Justizministerium veröffentlichten Entwurf wieder162. Die gesetzgebende Körperschaft hat über diesen Entwurf noch nicht entschieden163. 1931 ist in der Tschecho-Slowakei das Jugendstrafrecht gesetzlich neu geregelt worden164. Während alterte Entwürfe die unibestimmte Verurteilung enthielten (Verschließung von 3—10 Jahren), kennt das Gesetz selbst nur festbestimmte Strafen. Diese Änderung wurde in tschechischen Juristenkreisen sehr bedauert. Sie ist aber wahrscheinlich darauf zurückzuführen, daß man den Jugendstrafvollzug den aus der Rahmenstrafe sidi ergebenden Aufgaben noch nicht gewachsen hielt168.

4. K a p i t e l :

Kriminalpolitisches. § 9Die kriminalpolitische Zweckmäßigkeit der U n b e s t i m m t e n V e r u r t e i l u n g . Wenn man eine neue Maßnahme in das Strafensystem aufnehmen will, so hat man sich zweierlei zu fragen, einmal: wie verhält sich die neue Einrichtung zu den leitenden Strafrechtsprinzipien und zum anderen: wird die beabsichtigte Maßnahme eine brauchbare Waffe im Kampfe gegen das Verbrechertum sein? Dies ist die Frage nach der kriminalpolitischen Zweckmäßigkeit, jenes nach der rechtsdogmatischen Stellung. Dem einen scheint die dogmatische, dem anderen die kriminalpolitische Seite die wichtigere. Die Prüfung auf die praktische Brauchbarkeit muß jedoch das Entscheidende bei einer neuen Strafmaßnahme sein. Denn, was nützt ein dogmatisch geschlossenes und einwandfreies Strafensystem, das im Kampf gegen das Verbrechertum versagt? Nicht mit Theorien ist der Volksgemeinschaft gedient, sondern nur mit einer Strafe, die keine neue Kriminalität züchtet, die kriminalpolitisch erfolgreiche Arbeit leistet. So müssen wir auch bei der unbestimmten Verurteilung die Frage nach ihrer praktischen Verwendungsfähigkeit voranstellen. Die Prüfung der dogmatischen Seite ist von untergeordneterer Bedeutung. Die unbestimmte Verurteilung hat sich kriminalpolitisch bewährt. Ihre Erfolge in England, Amerika und Österreich beweisen es. Sie sind auf drei Punkte zurückzuführen: 1. die unbestimmte Verurteilung hat eine starke erzieherische Wirkung; 2. sie ermög16a 163 144

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Lorenz Lorenz Dörner Steiner

S. S. S. S.

727. 717. 319/20. 156.

36 licht es, die nicht besserungsfähigen Rechtsbrecher auf längere Zeit unschädlich zu machen; 3. sie hat einen erheblichen generalpräventiven Einfluß. A. Das unbestimmte Strafurteil ist „die wichtigste Konsequenz des Erziehungsgedankens" 166 . Überall, w o man es ins Jugendstrafrecht eingeführt hat oder seine Einführung fordert, geschah und geschieht es um der Resozialisierung willen. „ D i e unbestimmte Verurteilung legt in die Hände des sachkundigen und mit Hingebung arbeitenden Gefängnisleiters den Hebel, dessen er bedarf, um die verbrecherische Anlage des Gefangenen zu zerstören, falls sie zerstört werden kann 167 . Worin liegt es begründet, daß die unbestimmte Verurteilung in so hohem Maße erzieherisch wirken kann? Ihr Grundgedanke ist: die Dauer der Freiheitsstrafe bei der Urteilsfällung ganz oder innerhalb gewisser Grenzen offenzulassen und sie erst nach den Besserungsfortschritten des Gefangenen zu bemessen168. Der Richter in der Hauptverhandlung kann unmöglich voraussagen, wann der jugendliche Rechtsbrecher gebessert sein wird 1 6 9 . Einen Menschen lernt man erst „während des Vollzuges einer nicht bloß nach Tagen und "Wochen bestimmten Freiheitsstrafe kennen" 170 . Die kurze Zeit des Vorverfahrens und der Hauptverhandlung reicht auch f ü r den besten Richter nicht aus, die Täterpersönlichkeit vollkommen zu erfassen. Die Berücksichtigung des Erziehungszweckes bei der V e r hängung festbestimmter Strafen ist daher eine fast unerfüllbare Forderung. S o müssen die starren Strafen dazu führen, Gefangene in einem Augenblick zur Entlassung zu bringen, w o ihre kriminelle Gefährlichkeit noch keineswegs gebrochen ist, während andere trotz eingetretener Besserung noch weiter festgehalten werden 1 7 1 . Damit ist keinem gedient, weder dem jugendlichen Rechtsbrecher, noch — was das allein Entscheidende ist — der Volksgemeinschaft. Sie wird nicht bewahrt vor Kriminellen, an deren Rückfälligkeit kein Mensch zweifelt, und ihr liegen andererseits Gefangene weiter zur Last, die willens und in der Lage sind, im völkischen Arbeitsprozeß ihren Mann zu stehen. Sie läuft bei dem gebesserten Jugendlichen, der noch länger im Gefängnis bleiben muß, Gefahr, daß die mühsam erreichten Erziehungserfolge wieder zunichte werden. Auch dem jugendlichen Kriminellen, den man ungebessert entläßt, würde man einen größeren Dienst erweisen, wenn man alle Möglichkeiten, ihn in die Gemeinschaft einzugliedern, ausschöpft, anstatt ihm vorzeitig die Freiheit zu geben, die er doch noch nicht zu nutzen versteht. Die Erziehung kann nicht auf einen bestimmten T a g mit E r folg vollendet werden. Sonst würde wohl auch die Fürsorgeerziehung 168 1.7 188 1.8 170 171

Liszt-Schmidt S. 24. Wines zit. bei Viscount Cave S. 238. Bleidt I, S. 202. Hafter S. 344; Freudenthal II S. 1 3 1 . Liszt II S. 491/92. Peters I, S. 42 und IV, S. 587.

37 mit festbestimmten Fristen arbeiten. Um der Erziehung gerecht zu werden, muß die Strafe beweglich, elastisch sein172. Diese Anpassungsfähigkeit gibt die unbestimmte Verurteilung. Sie gestattet es, den Gefangenen in dem Augenblick zu entlassen, wo er auch tatsächlich für die Freiheit reif ist Die unibestimmte Verurteilung gibt aber nicht nur die Möglichkeit, die Länge der Strafe nach erzieherischen Gesichtspunkten zu bestimmen, sondern sie ist auch ein vorzügliches Mittel, die Strafe selbst und ihren Vollzug erzieherisch auszugestalten. Die unbestimmte Verurteilung, die so entscheidend auf die Besserung des Gefangenen abstellt, gibt diesem zugleich die Möglichkeit, an seinem eigenen Schicksal mitzuarbeiten173. Dadurch, „daß der Trieb des Menschen in die Freiheit hinaus sozusagen in den Dienst der eigenen Besserung des Sträflings hineingezwungen wird" 174 , ist der Gefangene regelmäßig zu dieser Mitarbeit ¡bereit; denn nichts spannt die Kräfte so sehr an, wie die Aussicht, seine Strafzeit abkürzen zu können175. Die unibestimmte Verurteilung schafft dadurch von vornherein eine erhöhte Strafempfänglichkeit. Der Gefangene betrachtet die Strafzeit nicht mehr als etwas, das er absitzen muß unabhängig von seiner inneren Einstellung und Wandlung. Er weiß, daß diese innere Umkehr das Ziel der Strafe und daß seine Mitarbeit zur Erreichung dieses Zieles das Entscheidende ist176. Darin liegt etwas ungeheuer Erzieherisches, das das Straferlebnis Jugendlichen erheblich vertieft 177 . Durch die unbestimmte Verurteilung wird der Gefangene Mitarbeiter an seiner eigenen Besserung und Mitgestalter seines eigenen Schicksals. Das eigene Zutun des Gefangenen ist das Entscheidende, die Erziehung im Strafvollzug will nur „Hilfe zur Selbsthilfe"178, „Besserungshilfsmittel" sein179. „Die Aufgabe ist, ihn" (nämlich den jugendlichen Rechtsbrecher) „nicht in eine Form zu pressen, sondern in ihm eine innere Kraft zu entwickeln, die sein Betragen reguliert, ihm eine Vorliebe für das Gute und Reine einflößt, sowie den Wunsch, sein Leben richtig zu leben, so daß er schließlich sich selbst und nicht ein anderer ihn vom Untergang rettet"180. Die entscheidende Betonung der Mitarbeit des Gefangenen bei der unbestimmten Verurteilung ermöglicht überhaupt erst eine wirkliche und nachhaltige Besserung. Denn in der Freiheit bewährt sich nicht der Gefangene, der in der Strafanstalt willig dem Druck und den Bemühungen der Anstaltserzieher nachgegeben hat, sondern der, dessen 172 178 174 175 177 178 179 180

Peters

a a

o.

Peters I I , S. $08 und I V S. 587; Sieverts V S. 238. Gleispadi I I I S. 65; Bleidt I S. 206. Bondy I S 96; Nagler I S. 26. Freudenthal i. Z S t W 27/463. Sieverts I V S. 4$ und V S. 238. Sieverts I I S. 566 f ü r die Borstal-Haft. Obermaier S. 15. T h e Principles of the Borstal System S.iz ff., zit. bei Quentin-Sieverts S. 3 1 .

38 gute Kräfte im Gefängnis geweckt und gestärkt worden sind. Bei der unbestimmten Strafe braucht der Anstaltsbeamte nicht bis zu einem festgesetzten Termin mit allen Mitteln eine möglichst vollkommene Entlassungsreife des Gefangenen erreichen. Er kann auf äußeren Druck und ähnliche Hilfsmittel weitgehend verzichten und die wirkliche innere Umstellung des Jugendlichen in Ruhe abwarten. Die hohen Anforderungen, die die unbestimmte Verurteilung an den Gefangenen stellt, sind noch aus einem anderen Grunde erzieherisch wertvoll. „Das Anstaltsleben ist in seiner Gesamtheit absolut lebensfremd und hat die stärkste Neigung, bei längerer Dauer der H a f t den Gefangenen bis zur Lebensuntüchtigkeit zu verweichlichen" 181 . Es muß deshalb das Ziel sein, „die schärfenden Kräfte des Lebens" 182 möglichst weitgehend in das Gefängnis hineinzutragen. Das wird in hohem Maße durch die unbestimmte Verurteilung erreicht, in der sich der Gefangene seine Freiheit selbst erringen kann 183 . Dieses große Ziel wird er nur nach steter Bewährung in kleinen und kleinsten Dingen erreichen. ISfach immer schwereren Prüfungen wird er sich immer größere Freiheiten verdienen können und so allmählich auf die endgültige Freilassung und auf die Freiheit selber vorbereitet184. Zugleich wird dadurch die lähmende und erziehungshindernde Anstaltsmüdigkeit gebannt185. Es ist also ein weiterer erzieherischer Vorzug der unbestimmten Strafe, daß sie durch das ihr wesenseigene Ringen um die Freiheit den Anstaltsaufenthalt lebensnäher macht als der Vollzug starrer Strafen es je vermöchte. „Für den Vollzugsbeamten bildet die Idee der Besserung die Grundlage seiner Berufsethik . . ." l s e . Er wird deshalb .beim Vollzug der auf Besserung abgestellten unbestimmten Strafen mit besonderer Freudigkeit arbeiten. Diese Arbeitsfreudigkeit wird noch vermehrt durch das Bewußtsein der erhöhten Verantwortung, die ihm das System der unbestimmten Verurteilung auferlegt 187 . Die Befürchtung, daß mit der starren Strafe auch der Ansporn für den Gefängniserzieher zu möglichst intensiver Einwirkung wegfallen werde 188 , ist unbegründet und findet eine völlige Widerlegung in der Arbeitsweise der Borstal-Erzieher. Die unbestimmte Verurteilung bringt für die Arbeit des Vollzugsbeamten nicht nur ideelle, sondern auch unmittelbar praktische Vorteile. Sie ermöglicht es, „daß der Erzieher in aller Ruhe seine Maßnahmen treffen kann, ohne daß er zu befürchten braucht, mitten in der Arbeit durch zu frühe Entlassung gestört zu werden" 189 . 181 18s 188 184 186 186 187 188 189

Bithorn S. 204. Herr S. 3 9 1 . Herr a.a.O. Sieverts II S. 570, I V S.,46 Eichler S. 69/70. Bithorn S. 193. Sieverts I V S. 4 j . Oetker I S. 581/82. Bleidt I S. 206.

und V S. 238.

39 Aber trotz allem fehlt es nicht an Stimmen, die aus den verschiedensten Gründen an der Eignung der unbestimmten Strafe als Erziehungsstrafe zweifeln. Es wird gesagt, daß die Besserung und damit die Entlassungsreife nicht feststellbar sei190. Das ist in der Tat ein schwerwiegender Vorwurf, der die unibestimmte Verurteilung in ihrer ganzen praktischen Brauchbarkeit für den Erziehungszweck in Frage stellt. Im einzelnen wird er auf zwei Punkte gestützt: Zunächst wirft man dem System der unbestimmten Verurteilung vor, daß es nicht die wahrhafte Besserung fördere, sondern Heuchler und Streber großziehe, die sich geschmeidig dem Anstaltsreglement anpassen könnten 191 . Gerade die verbrecherischsten Elemente verstünden das am besten192. Die durch diesen Vorwurf aufgeworfene Frage ist in erster Linie eine Frage der Güte des Anstaltspersonals. Und da muß gesagt werden, daß es auch dem gerissensten Jugendlichen nicht gelingen wird, Monate und Jahre hindurch qualifizierte Erzieher durdb äußerlich gute Führung zu täuschen193. Der intensive Jugendstrafvollzug gibt derartig viele Möglichkeiten, den Gefangenen charakterlich auf die Probe zu stellen, daß jeder früher oder später sein wahres Gesicht zeigen muß. Sollte aber wirklich einmal ein Jugendlicher es verstanden haben, so durchzuschlüpfen, dann bedeutet noch die mit der unbestimmten Verurteilung verbundene bedingte Entlassung ein ausgezeichnetes Sicherheitsventil194. Wenn er dann auch diese Klippe zu umschiffen versteht, dann wird ihm vielleicht schon das gute Betragen, wenn auch nicht zur inneren Selbstverständlichkeit, so doch zur Gewöhn-1 heit geworden sein195. Für den Regelfall ist aber davon auszugdien, daß der Anstaltserzieher, unterstützt durch eingehende kriminalbiologische Untersuchungen, in der Lage ist, die Veranlagung seiner Gefangenen zu erkennen. Gerade auch die englischen Erfahrungen zeigen, daß qualifizierte Jugenderzieher diesen Aufgaben durchaus gewachsen sind. Zum zweiten wird der Vorwurf der mangelnden Eignung zur Resozialisierung darauf gestützt, daß die anormalen Anstaltsverhältnisse überhaupt keinen klaren Einblick in den Charakter des Gefangenen geben könnten196. Der Richter könne auf Grund der Akten und der Verhandlung die Persönlichkeit des jugendlichen Rechtsbrechers besser beurteilen als der Gefängnisbeamte 197 . Hierzu ist zunächst zu sagen, daß das dem Richter zur Verfügung stehende Beurteilungsmaterial auch bei späteren Entscheidungen berücksichtigt 190 191 192 188 194 165 190 197

Schoetensack I S. 94; Oetker I S. $80/81. Schoetensack II S. 4 2 ; Köhler I I S. 226. Jacoby S. 30$; Ebermayer S. 529. Quentin-Sieverts S. 23 für England. Bleidt II S. 29. Freudenthal II S. 134. Schoetensack II S. 42. Schoetensack I S. 9 5 ; Ebermayer S. $28/29.

40 wird. Es wird nur noch erweitert um die Erfahrungen des Vollzuges und die Ergebnisse kriminalbiologischer Untersuchungen. Gerade diese sind von nicht zu unterschätzender Bedeutung198. Sie können aber erst während des Vollzuges mit der nötigen Ruhe und Gründlichkeit betrieben werden199. Es wird also durch die unbestimmte Verurteilung keine andere, sondern nur nur eine erweiterte Beurteilungsbasis geschaffen200. Daß das Anstaltsleben nicht so gut geeignet ist, einen Menschen kennenzulernen, wie das Leben in der Freiheit, ist richtig. Unmöglich ist es jedoch für einen tüchtigen Anstaltsbeamten, dem ein reiches Hilfsmaterial zur Verfügung steht, nicht. Vor ähnlichen Schwierigkeiten steht aber ja auch der Richter; denn das Strafverfahren, in dem er den Jugendlichen kennenlernt, ist ebenfalls eine denkbar anormale Lebenssituation, die der Erkenntnis der Persönlichkeit des Täters sehr abträglich ist201. Wenn aber tatsächlich auf Grund falscher Beobachtungen ein Gefangener irrtümlich entlassen wird, so hilft auch hier das Korrektiv der Probezeit. Im Ergebnis ist also zu sagen: Bedenken gegen die unbestimmte Verurteilung können nicht darauf gegründet werden, daß eine Besserung des jungen Gefangenen nicht feststellbar sei. Weitgehender, wenn auch praktisch nicht so schwerwiegend, sind die Vorwürfe, daß das System der unbestimmten Verurteilung überhaupt unpädagogisch sei. Zunächst werden die längeren Strafen, zu denen es regelmäßig führen wird, mit dem Hinweis kritisiert, daß sich bei Freiheitsstrafen von mehr als einem Jahre in der Regel keine erzieherischen Erfolge erzielen ließen202. Diese Ansicht ist unrichtig. Gerade die Strafanstaltspraktiker klagen immer wieder über zu kurze, nicht aber über zu lange Strafen203. Als Strafminimum wird deshalb ein Jahr gefordert204. Die Berechtigung dieser Forderung wird durch die englise Praxis bestätigt, wo man mit einer Durchschnittsstrafe von zwei Jahren ausgezeichnete pädagogische Erfahrungen gemacht hat. Ein Borstal-Erzieher fordert Mindeststrafen von zwei Jahren mit dem Hinweis, daß manche Jugendliche sich erst nach IJ—18 Monaten in ihr Los fänden und für eine Strafe innerlich empfänglich würden.205 Vielfach wird vorgebracht, daß das Streben und Wohlverhalten im Gefängnis für die Freiheit keine Bedeutung habe, da draußen im Leben ganz andere Bedingungen für den Kampf ums Dasein gel1 , 8 Sieverts i. Monatsschrift 23/588 ff. und 24/107 ff.; Eichler i. Kameradschaftsarbeit S. 110; Gregor S. 259. 1 M Mezger i. GS 103/189. M 0 Gleispadi I S. 237. 201 Loofs in 51. Jahrbuch der Gefängnisgesellschaft für die Provinz Sachsen und Anhalt S. 32 ff. (42). 202 Budihierl S. 97; Jacoby S. 306. s o i Bondy III S. 137; Sieverts V S. 234. m Bleidt I S. 209; Bondy I S. 97; Peters III S. 745; Art. 72 Ziffer 9 Entwurf 1930; Schaffstein I S. 13. 905 Zit. bei Struve S. 239/40.

41 ten208. Der Vorwurf ist insoweit richtig, als das Wohlverhalten, das nur auf äußeren Druck und Aussicht auf Vergünstigungen zurückzuführen ist, für das Leben in der Regel keine nachhaltigen Wirkungen hat. Die unibestimmte Verurteilung zielt aiber gerade auf eine wirkliche innere Umwandlung des Gefangenen, auf die Weckung der in ihm vorhandenen wertvollen Kräfte ab. Äußerer Druck und das Pressen in eine bestimmte Form lehnt sie ab. Ein auf solchen Grundsätzen aufgebautes Erziehungssystem wird sich auch für die Freih&it bewähren. Die Ansicht, daß die unbestimmte Verurteilung nicht anspornend wirke207, ist für den Regelfall unrichtig. Der Trieb in die Freiheit spannt die Kräfte bei den meisten Jugendlichen an, besonders dann, wenn die Spanne zwischen Minimum und Maximum nicht allzu klein bemessen ist208. Es besteht allerdings die Gefahr, daß Jugendliche, die bei verschiedenen Enlassungsterminen übergangen werden, gleichgültig oder gar verstockt werden. Das läßt sich aber in der Praxis weitgehend mildern, indem man diesen Gefangenen die Gründe, aus denen sie noch nicht entlassen werden konnten, in erzieherischer Form erklärt und so nutzbringend verwertet209. Die Befürchtung, daß die unbestimmte Verurteilung zu Rivalität und Angeberei unter den Gefangenen führen wird210, ist wohl unibegründet. So schlechte Erzieher, die derartiges nicht sofort und restlos unterdrücken können, haben wir wohl nicht in unseren Jugendgefängnissen. Vielfach wird auch behauptet, daß der Jugendliche bei der unbestimmten Strafe das erziehungswidrig wirkende Gefühl haben müsse, von persönlicher Willkür des Anstaltspersonals abzuhängen211. Ist das aber bei der Fürsorgeerziehung anders? Auf jeden Fall läßt sich vorbeugen durch eingehende Belehrung des Gefangenen über die Anforderungen, die dieses System an ihn stellt, und die Leistungen, die es von ihm fordert. Ein straff geregeltes Entlassungsverfahren wird in derselben Richtung wirken212. Auf der gleichen Ebene liegt die Befürchtung, daß die Unbestimmtheit der Strafe Nachteile für das seelische Leben der Gefangenen habe213. Bei der Fürsorgeerziehung hat die Unbestimmtheit bisher keine derartigen Wirkungen gezeitigt. Die Befürchtung dürfte deshalb auch bei der unbestimmten Verurteilung grundlos sein214. Außerdem läßt das relativ unbestimmte Urteil — das auch für uns 20 ' Grohmann Z S t W 47/621; Liepmann, Die neuen Grundsätze über den Vollzug von Freiheitsstrafen (1924) S. 9. 207 Jacoby S. 306. 808 Bondy I S. 96. 209 Bondy III S. 138; Quentin-Sieverts S. 70. 210 Jacoby S. 306. 2 , 1 Jacoby S. 308; Oetker I S. 581; Förster S. 19/20. 212 Bondy III S. 138; Bleidt I S. 209 und II S. 29. 213 Jacoby 307; Köhler I S. 184/85. 2 1 1 Härtung S. 894/95.

42 nur in Frage kommen wird — den Gefangenen nicht in völliger Ungewißheit. Diese ist kein Naditeil für das Seelenleben des Rechtsbrechers, sondern gerade ein Vorteil: sie rüttelt ihn auf und weckt seine Aktivität, sie ist das belebende Element des Strafvollzuges 215 . Ein weiterer Naditeil der unbestimmten Verurteilung, der auch in der Praxis eine nicht unwesentliche Rolle spielt 218 , wird darin gesehen, daß sie ein Mißverhältnis zur Strafzumessungspraxis gegenüber erwachsenen Rechtsbrechern schaffe. Nun ist es zwar richtig, daß im Wege der unbestimmten Bestrafung für im wesentlichen gleiche Taten vielfach längere Strafen gegen Jugendliche verhängt werden als gegen Erwachsene. Aber bei der unbestimmten Verurteilung handelt es sich nicht um die Verhängung einer gewöhnlichen Gefängnisstrafe, sondern um die Anordnung einer besonderen Strafart, nämlich des Jugendgef^ngnisses. „Diese Strafart aber unterscheidet sich hinsichtlich des Vollzuges so sehr im Wesen und in der Methode von der üblichen Gefängnisstrafe, daß beide Strafarten höchstens zeitlich, nicht aber inhaltlich vergleichbar sind" 217 . Diese scharfe Scheidung zwischen beiden Strafarten rechtfertigt ihre unterschiedliche Anwendung. Zusammenfassend kann gesagt werden: Die unbestimmte Verurteilung ist in hohem Maße geeignet, jugendliche Verbrecher wieder lebenstauglich zu machen., Die hiergegen vorgebrachten Bedenken sind nicht begründet218.

B

Die kriminalpolitische Brauchbarkeit des unbestimmten Strafurteils beruht darauf, daß es gleichzeitig zwei Strafzwecken dient: der Resozialisierung besserungsfähiger Gefangener und der Sicherung der Volksgemeinschaft vor besserungsunfähigen Rechtsbrechern. Das ist schon in der Einleitung zur preußischen Zirkularverordnung von 1799 ausdrücklich gesagt. Als Zweck der unbestimmten Strafe wird dort bezeichnet, „die Verbrecher womöglich zu bessern, und wenn sie keiner Besserung fähig sind, für ihre Bürger unschädlich zu machen" 219 . Die unibestimmte Verurteilung zielt, vor allem bei Jugendlichen, zunächst darauf ab, den Rechtsbrecher wieder sozialtauglich zu machen. Erweist er sich aber während des Strafvollzuges als nicht besserungsfähig, so tritt automatisch die Sicherungsfunktion in den Vordergrund; der Gefangene wird bis zur Erreichung des Strafmaximums festgehalten. Wenn also erzieherische Einflüsse auf den Jugendlichen nicht mehr möglich sind', „dann hindert wenigstens die längere Dauer der H a f t den Verbrecher an der Begehung neuer Übeltaten" 220. Da die Strafmaxima der unbestimmten Urteile in der 215 216 217 218 219 220

Kriegsmann S. 37. Vgl. Jedliczka S . 12 für Österreich. Sieverts V S. 239; ferner Peters IV S. $82/83. Kriegsmann S. 36. Vgl. Liszt I S. 156. Bleidt II 9. 32.

43 Regel erheblich höher sind als festbestimmte Strafen für dieselben Taten, vermag die unbestimmte Verurteilung auch die Sicherungsfunktion der Strafe gegenüber besserungsunfähigen Jugendlichen wesentlich besser zu erfüllen als starre Strafen. C Die Durchsdinittsstrafzeiten der unbestimmten Urteile sind länger als die festbestimmten Strafen bei entsprechenden Taten 221 . Die Rahmenstrafen geben die Möglichkeit, den unverbesserlichen Verbrecher bis zum Maximum festzuhalten. Die ihnen wesenseigene Ungewißheit und Unbestimmtheit verleihen ihnen „einen schweren und harten Charakter" 222 . Alle diese Umstände geben den unbestimmten Strafen eine hohe generalpräventive "Wirkung223. In Amerika und in England ist bei den verbrecherischen und den latent verwahrlosten Jugendlichen die unbestimmte Verurteilung viel gefürchteter als die Gefängnisstrafe 224 . Auch im Volke selbst wird sie als eine besonders schwere Strafe angesehen226. Daß gerade die Unbestimmtheit in hohem Maße abschreckend wirkt, zeigt das Verhältnis von Fürsorgeerziehung und festbestimmter Gefängnisstrafe bei uns. Nicht nur in den Kreisen der verwahrlosten Jugend, sondern auch vielfach in der Allgemeinheit wird eine Verurteilung zu festbestimmter Freiheitsstrafe „weniger schwerwiegend empfunden" als die Anordnung der Fürsorgeerziehung226. Eine Gefahr, daß durch die starke Betonung des Erziehungsgedankens bei der unbestimmten Verurteilung eine Milderung in den Vollzug hineingetragen wird, besteht nicht. Erziehung hat nichts mit humanitären Wohltaten, mit Hafterleichterungen und Vergünstigungen zu tun. Erziehungsstrafvollzug bedeutet „eine straffe, pflichtenreiche, alle Persönlichkeitsseiten und -schichten dynamisch erfassende Behandlung des Gefangenen" 227 . Gerade die verwahrloste Jugend fürditet einen solchen Vollzug viel mehr als das überwiegend passive Dahindämmern im reinen Vergeltungsstrafvollzug, in dem sie in ihren „kriminogenen Eigenschaften wie Willensschwäche, mangelnde Triebbeherrschung, Gefühlsunstetheit, Phantastik usw." nicht sehr behelligt wird 228 . Daß der nationalsozialistische Gesetzgeber derartige Befürchtungen nicht hegt, hat er uns durch die A V über den Jugendstrafvollzug vom zz. Januar 1937 gezeigt229. Die unbestimmte Freiheitsstrafe hat also unzweifelhaft eine große generalprävenierende "Wirkung. 221 222 228 224 225 228 227 228 229

Blondy III S. 1 3 8 ; Freudenthal I S. 289. Peters II S. 508. Sieverts I V S. 4 5 ; Peters I V S. 587. Freudenthal II S. 1 3 3 ; Sieverts II S. 574. So in England, vgl. Sieverts I I I S. 690. Sieverts I V S. 4 $ ; Webler I S. 49. Sieverts I I I S. 695, 694. Quentin-Sieverts S. 30. T e x t : Deutsche Justiz 1937, S. 97.

44 D Es ist schon eben angedeutet worden, daß das augenblickliche Verhältnis von festbestimmter Gefängnisstrafe und unbefristeter Fürsorgeerziehung bei uns kaum mehr erträglich ist und dringend einer Änderung bedarf. Die Gefängnisstrafe ist vom Gesetzgeber als die schwerere Maßnahme beabsichtigt: in leichteren Fällen sollen Erziehungsmaßregeln angeordnet werden (§ 6 JGG). Trotzdem erscheint nicht nur dem Betroffenen, sondern auch häufig den Unbeteiv ligten die Anordnung der Fürsorgeerziehung als die schwerere Ahndung eines Deliktes230. Der "Wunsch der Jugendlichen: lieber ins Gefängnis als in die Fürsorgeerziehung, ist bekannt231. Eine Bereinigung kann nur in der Weise geschehen, daß auch die Gefängnisstrafe unbestimmt verhängt wird. Die Fürsorgeerziehung als reine Erziehungsmaßnahme muß ihren unbestimmten Charakter behalten232. Durch die Einführung der unbestimmten Verurteilung werden diese Schwierigkeiten mit einem Schlage beseitigt. Ein weiterer Vorteil bei der Einführung der unbestimmten Verurteilung bestände darin, daß dann das Jugendgefängnis mehr als bisher die Fürsorgeerziehungsanstalten von schwererziehbaren Elementen entlasten könnte233. E Nach der A V vom 22. 1. 1937 ist der nationalsozialistische Jugendstrafvollzug ein Erziehungsstrafvollzug. Er „setzt alles daran, die künftige Haltung des jungen Gefangenen entscheidend zu beeinflussen. Der Gefangene soll nicht verloren gegeben, sondern auf den rechten Weg zurückgebracht und so gefestigt werden, daß er ein taugliches Glied der Volksgemeinschaft wird . . (§ 9 der AV). Die Strafen aber, die in diesem Erziehungsstrafvollzuge verbüßt werden, verhängt der Richter überwiegend nach reinen Vergeltungsgesichtspunkten. Das bedeutet, daß die Anstaltserzieher bei den so 'bemessenen Strafen nicht mit vollem Erfolg arbeiten können. Eine wirklich fruchtbare Arbeit im Jugendgefängnis ist erst möglich, wenn nidit nur im Vollzug, sondern auch schon bei der Bemessung der Strafen der Erziehungsgedanke entscheidend ist. Das läßt sich aber nur durch die Einführung der unbestimmten Verurteilung erreichen; starre Strafen vermögen nie dem Erziehungszweck gerecht zu werden. Im Interesse einer intensiven und erfolgreichen Verbrechensbekämpfung ist eine feste Verbindung der Strafrechtspflege mit dem Strafvollzug unerläßliche Voraussetzung234. Strafvollzug und Strafverhängung dürfen nicht verschiedenen Zwecken dienen235. Es geht 230 231 232 233 234 285

Bondy III S. 1 3 7 ; Sieverts V S. 239; Peters I V $87. Behnke S. 539. Bondy III S. 137. Gregor S. 262; Kriegsmann S. 37; Peters I V S. $87. Liszt-Schmidt S. 22/23; Bithorn S. 202. Sdioetensack I S. 90.

45 nicht an — wie vereinzelt behauptet wird 238 —, daß die für gesetzliche Strafandrohung und die richterliche Strafbemessung generalpräventive Gesichtspunkte entscheidend sind, während im Strafvollzuge die Erziehung vorherrschen soll. Man kann nur da im Vollzug erziehen, wo von vornherein durch eine nach pädagogischen Gesichtspunkten bemessene Strafe die Voraussetzung für eine Erziehung gegeben ist 237 . Der Jugendstrafvollzug hat sich für den Erziehungsgedanken entschieden, die Strafrechtspflege muß durch Einführung der unbestimmten Verurteilung folgen. § io. Die U n b e s t i m m t e V e r u r t e i l u n g ist nicht ersetzbar. Die kriminalpolitisdie Brauchbarkeit und Zweckmäßigkeit der unbestimmten Strafen ist unbestreitbar. Es ist jedoch noch zu prüfen, ob sich nicht auf anderem Wege dasselbe erreichen läßt. Die unbestimmte Verurteilung ist Verurteilung zu einer Strafe und zwar in der Regel zu einer solchen von längerer Dauer. Deshalb könnte sie auch nur ersetzt werden durch eine Strafe allein oder in Verbindung mit einer Erziehungsmaßnahme, nicht aber lediglich durch eine Erziehungsmaßregel. Die festbestimmten Freiheitsstrafen sind den unbestimmten kriminalpolitisch unterlegen. Alles das, was oben in kriminalpolitischer Hinsicht an der unbestimmten Verurteilung hervorgehoben wurde, fehlt der festbestimmten Strafe 238 . Sie vermag nicht erzieherisch zu wirken, da sie regelmäßig viel zu kurz ist f ü r eine intensive Beeinflussung und für ihre Beendigung nicht die Entlassungsreife des Gefangenen, sondern der äußere Zeitablauf maßgebend ist. Ihr fehlt der Ansporn, sich durch eigene Kräfte und eigene Mitarbeit die Freiheit zu erringen. Jeder Gefangene weiß, daß er nach Ablauf der im Urteil bestimmten Zeit entlassen werden muß, ohne Rücksicht auf seine soziale Tauglichkeit. Damit verringert sich zugleich seine Strafempfänglichkeit. Die zeitlich bestimmte Strafe gibt nicht „die nötigen Impulse zur Arbeit an sich selbst" 239 . Der Sicherungsfunktion des Strafrechtes genügt die starre Strafe nur sehr unvollkommen, da man bei ihr den Verbrecher auch nicht einen Tag länger als im Urteil bestimmt im Gefängnis behalten kann, selbst wenn alles fest davon überzeugt ist, daß er die Freiheit nur zu neuen Straftaten mißbrauchen wird 240 . Die abschreckende Wirkung der festbestimmtein Strafe ist gering. Die zeitlich unbestimmte Erziehungsmaßregel äußert größere 238

So Nohl S. 34. Peters IV S. $79. Freudenthal I S. 245; Kriegsmann S. 36/37; Viscount Cave S. 233; Bondy III S. 137. 230 Kriegsmann S. 37. 240 Bondy I S. 9. 287

238

46 generalprävenierende Effekte als die starre Strafe 241 . Charakteristisch für das vom Gedanken der Tatvergeltung beherrschte Strafrecht sind die Milderungstendenzen in der Strafzumessungspraxis242. Sie tragen weitgehend dazu bei, der Gefängnisstrafe die abschreckende Kraft zu nehmen. Ein erheblicher kriminalpolitischer Nachteil der festen Strafe ist die starke Ungleichmäßigkeit in der Strafzumessung248. Das eine Gericht erkennt für eine bestimmte Straftat auf mehrere Jahre Freiheitsstrafe, während ein anderes kaum ebensoviele Monate verhängt244. Durch die Einführung der unbestimmten Verurteilung würde hier eine bedeutende Vereinheitlichung und damit eine wesentliche Erleichterung für den Strafvollzug erreicht werden. Das wird besonders dann der Fall sein, wenn der Rahmen der unbestimmten Strafe gesetzlich festgelegt ist und eine normale Durchschnittsdauer empfohlen wird oder sich in der Praxis herausbildet. Auf die kriminalpolitisch außerordentlich nachteilige Diskrepanz zwischen starrer, vorwiegend nach Tatvergeltungsgesichtspunkten bemessener Strafe und Erziehungsstrafvollzug ist schon oben eingegangen worden. Als Ergebnis können wir feststellen, daß die festbestimmte Freiheitsstrafe allein nicht geeignet ist, ebenso erfolgreich zu wirken wie die unbestimmte. Es hat sich beim Vollzug der festbestimmten Strafen die Praxis herausgebildet, den Jugendlichen bei einigermaßen guter Führung vorzeitig bedingt zu entlassen. Diese Gnadenpraxis hatte vielfach sogar einen derartigen Umfang angenommen, daß der Gefangene in aller Regel mit einer Verkürzung seiner Strafzeit rechnete und auch rechnen konnte. Es wird nun vereinzelt behauptet, daß diese bedingte Begnadigung die Ziele des unbestimmten Strafurteils erreichen könne, so daß dessen Einführung unnötig sei246. Das ist jedoch unrichtig. Der grundlegende Nachteil der bedingten Begnadigung gegenüber der unbestimmten Verurteilung besteht darin, daß durch sie zwar Strafen verkürzt, nie aber verlängert werden können246. Die Möglichkeit einer Strafverlängerung ist aber sehr wichtig. Der Richter, der eine starre Strafe verhängt, kann nicht übersehen, welche Zeit zur Erziehung des jugendlichen Rechtsbrechers erforderlich ist. Wenn er die Zeit zu kurz bemessen hat — und das ist wohl der häufigere Fall247 —, kann die bedingte Begnadigung nicht helfen. Aber auch wenn das Gegenteil der Fall ist, kann die unbestimmte Strafe durch ihre größere Elastizität sich den Verhältnissen des einzelnen Falles weitgehender anpassen. Dadurch, 241 242 SM 244 345 246 247

Sieverts IV S. 45/46. Jetzt für England: Sieverts III S. 679. Freudenthal I S. 24$. v. Lilienthal S. 2. Sdioetensadk II S. 56. Bleidt I S. 20j; Sieverts V S. 241. Bondy III S. 137.

47 daß die bedingte Begnadigung nur eine Verkürzung, aber keine Verlängerung der Strafe gestattet, übt sie von Anfang an nicht einen derartigen Druck auf den Gefangenen aus wie die unbestimmte Strafe. Es wird deshalb auch der Jugendliche nicht schon bei Beginn der Strafzeit im selben Maße strafempfänglich und erzieherischen Einflüssen zugängig sein, wie er es bei einer unbestimmten Verurteilung zu sein pflegt. Die unbestimmte Verurteilung betont in ihrem ganzen Vollzuge den Besserungsgedanken, während die bedingte Begnadigung ihm bei der nach anderen Gesichtspunkten bemessenen festen Strafe nur in beschränktem Umfange Geltung verschaffen kann und soll248. Dadurch hat die unbestimmte Strafe ein entscheidendes erzieherisches Übergewicht. Der Sicherungsfunktion der Strafe dient die bedingte Begnadigung nur insofern, als sie es ermöglicht, sozial taugliche Gefangene, vor denen die Volksgemeinschaft nicht mehr geschützt zu werden braucht, vorzeitig zu entlassen. Die wichtigere Aufgabe aber, gefährliche, ungebesserte Elemente auf längere Zeit unschädlich zu machen, kann sie nicht erfüllen. Die generalpräventiven Wirkungen der bedingten Begnadigung sind zum mindesten auf die verwahrloste Jugend eher negativ als positiv zu bewerten, da sie mit einer Verkürzung der ohnehin nicht übermäßig langen festen Strafen rechnet. Außerdem ist die Einrichtung der Begnadigung ihrem ganzen Wesen nach nur für Einzelfälle und1 nicht für eine Massenanwendung geeignet, die zu einer Inflation des Gnadengedankens führen muß. Die Ansicht, daß die bedingte Begnadigung die unbestimmte Verurteilung ersetzen könne, ist also unrichtig. Nur einen Teil der Funktionen der unbestimmten Strafe kann sie einigermaßen erfüllen. Die Einseitigkeit der bedingten Entlassung wird auch erkannt und zu ihrer Beseitigung als notwendige Ergänzung der Verkürzung der Strafe die Möglichkeit einer nachträglichen Verlängerung durch die Strafvollzugsbehörde vorgeschlagen249. Dieser Vorschlag der Verbindung von nachträglicher Verkürzung und Verlängerung der Strafe ist nicht aus Gegnerschaft zur unbestimmten Verurteilung entstanden, sondern als eine ausgesprochene Kompromißlösung gedacht. Sie wird dem Sicherungszweck und der Generalprävention vielleicht nicht schlechter dienen als die unbestimmte Strafe. Der Erziehungsgedanke wird aber durch die von vorherein unbestimmte Strafe in ganz anderem Maße gefördert. Außerdem wird die Würde des erkennenden Gerichtes bei der unbestimmten Verurteilung mehr gewahrt, da bei ihr nicht eine Nachprüfung und Abänderung des Urteils, sondern nur die Ausfüllung eines vom Gericht selbst offenJ48

Zimmerl I S. 434. Roeder: Die herrschenden Grundlehren von Verbrechen und Strafen (1867) S. 104; v. Liszt, Strafrechtliche Aufsätze und Vorträge Bd. 1, S. 336/37; Sichart, i. Z S t W 1 1 / 4 9 2 — 9 3 und Exner I V S. 36.

48

gehaltenen Rahmens vorgenommen wird250. Diese Verbindung von nachträglicher Verkürzung und Verlängerung der festbestimmten Strafe ist nur eine unvollkommene, praktisch sehr umständliche Kompromißlösung, die — soweit uns bekannt — nur im Mexikanischen StGB von 1871 (Art. 71—73) verwirklicht worden ist. Ihr ist für unser Jugendstrafrecht die vielfach bewährte unbestimmte Verurteilung vorzuziehen. Teilweise wird von den Gegnern der unbestimmten Strafe als Ersatz eine Zweispurigkeit ähnlich der im November 1933 für die Erwachsenen eingeführten Regelung vorgeschlagen251. „Eine scharfe Kur im Gefängnisse hat für ihn" (nämlich den jugendlichen Rechtsbrecher) „der Nacherziehung vorauszugehen, die ihn, so vorbereitet, eher noch auf den rechen Weg zu bringen vermag" 252 . An die nach Vergeltungsgesichtspunkten bemessene Strafe soll sich „eine ergänzende Internierung zu pädagogischen Zwecken" anzuschließen253. Dieser Vorschlag muß vom erzieherischen Standpunkt aus als schädlich und unzweckmäßig verworfen werden. Durch die oftmals auch noch recht kurz bemessene Gefängnisstrafe würden die allerungünstigsten Voraussetzungen für den Erfolg der Fürsorgeerziehung geschaffen werden254. Der Jugendliche würde im Gefängnis durch die reine Vergeltungsstrafe noch weiter verdorben, so daß die nachfolgende Fürsorgeerziehung in der Regel ohne Erfolg bleiben muß. Er würde ferner diese Zweispurigkeit leicht als eine ungerechte Verdoppelung der' Strafe empfinden, die ihn verbittert und trotzig werden läßt255. Außerdem würden die Fürsorgeerziehungsanstalten mit Aufgaben betraut, die ihrem eigentlichen Zwecke fernliegen und eine schwere Belastung bedeuten würden. Es hat sich deshalb auch der Ubergang vom Jugendgefängnis in die Fürsorgeerziehungsanstalt nicht bewährt256. Diese Erfahrungen würden aber noch viel ungünstiger werden, wenn man alles Erzieherische aus dem Strafvollzug streichen würde und er allein der Vergeltung zu dienen hätte. Als Ergebnis können wir zusammenfassen, daß es einen gleichwertigen Ersatz für die unbestimmte Verurteilung nicht gibt257. Vom kriminalpolitischen Standpunkt muß deshalb ihre Einführung in das Jugendstraf recht gefordert werden. Sie wird der Wiedergewinnung gestrauchelter junger Volksgenossen für die Volksgemeinschaft in hervorragendem Maße dienen können. Insbesondere werden wir in ihr die angemessene Strafart zur Bekämpfung der Frühkriminellen haben, also derjenigen jugendlichen Verbrecher, „die zum kleineren Teil durch überwiegende schädliche Umweltfaktoren, überwiegend aber durch Mängel der ™> Freudenthal I S. 310/11. 261 Oetker II S. 106; Förster S. 20; Köhler II S. 227. 252 Oetker a.a.O. 253 Förster aa.O. 264 Kohlrausdi I S. 467; Sieverts V S. 240. 255 Kohlrausdi I S. 468. 258 Gregor S. 261. 257 Sieverts V S. 241.

49 Charakteranlagen, in Gefahr sind, gefährliche oder gemeinlästige Gewohnheitsverbrecher zu werden"268. Gegenüber diesen Jugendlichen sind die Mittel unseres geltenden Jugendstraf rechtes unzureichend. Da gerade bei ihnen vielfach Erziehungsmaßregeln nicht genügen, bleibt uns heute nur die festbestimmte Freiheitsstrafe mit ihren kriminalpolitischen Unzulänglichkeiten. Das Ziel aber, diese „Frühkriminellen so rechtzeitig wie möglich auf ihrer Bahn zum Gewohnheitsverbrechertum abzufangen" 259, wird nicht durch sie, sondern nur durch ein frühzeitiges und hartes Zupacken im Wege der unbestimmten Verurteilung erreichbar sein. j. K a p i t e l :

Dogmatisches. § ii. Methodisches. Die Gegner der unbestimmten Verurteilung berufen sich weniger auf praktisch-kriminalpolitische als vielmehr auf theoretischdogmatische Argumente. Sie begründen ihre Ablehnung vornehmlich damit, daß die unbestimmte Strafe wegen ihres Widerspruchs mit dem strafrechtsdogmatischen Verbrechensbegriff — und zwar vor allem mit der Einzeltatschuld — als strafrechtliche Unrechtsfolge unmöglich sei260. Es ist also eine eingehende dogmatische Erörterung des unbestimmten Strafurteils erforderlich. Zu untersuchen ist die Frage „nach dem inneren juristischen Zusammenhang zwischen dem strafrechtsdogmatischen Verbrechensbegriff und seinen einzelnen Bestandteilen (namentlich der Schuld) einerseits und der mit dem unbestimmten Strafurteil angestrebten Bestrafungsmethode andererseits"261. Nach Eberh. Schmidt gibt es für eine solche Untersuchung methodisch zwei Wege: Entweder geht man von einem bestimmten Schuldbegriff aus und prüft daran die juristische Richtigkeit der unbestimmten Verurteilung oder man erörtert diese unabhängig vom Schuldbegriff zunächst vom Standpunkt der Straftheorie und der Kriminalpolitik262. Eberh. Schmidt (a.a.O.) hat sich für den zweiten Weg entschieden. Im Anschluß an die systematischen Untersuchungen von Sauer283 und Kohlrausch2ii und auf Grund strafrechtsgeschichtlicher Betrachtungen ist es zur Annahme der Abhängigkeit des Verbrechens — und insbesondere des Schuldbegriffs vom Strafbegriff gelangt. 268 269 860 261 262 263 284

4

Sieverts V S. 2 3 $ , 236. Sieverts V S. 2 3 j . v. Hippel S. 569; Schoetensadk II S. 23/24. Eberh. Schmidt II S. 202. II S. 202, 210. Grundlagen des Strafrechts ( 1 9 2 1 ) S. 69. Handwörterbuch der Rechtswissenschaft Bd. $ (1928), S. 756 ff.

49 Charakteranlagen, in Gefahr sind, gefährliche oder gemeinlästige Gewohnheitsverbrecher zu werden"268. Gegenüber diesen Jugendlichen sind die Mittel unseres geltenden Jugendstraf rechtes unzureichend. Da gerade bei ihnen vielfach Erziehungsmaßregeln nicht genügen, bleibt uns heute nur die festbestimmte Freiheitsstrafe mit ihren kriminalpolitischen Unzulänglichkeiten. Das Ziel aber, diese „Frühkriminellen so rechtzeitig wie möglich auf ihrer Bahn zum Gewohnheitsverbrechertum abzufangen" 259, wird nicht durch sie, sondern nur durch ein frühzeitiges und hartes Zupacken im Wege der unbestimmten Verurteilung erreichbar sein. j. K a p i t e l :

Dogmatisches. § ii. Methodisches. Die Gegner der unbestimmten Verurteilung berufen sich weniger auf praktisch-kriminalpolitische als vielmehr auf theoretischdogmatische Argumente. Sie begründen ihre Ablehnung vornehmlich damit, daß die unbestimmte Strafe wegen ihres Widerspruchs mit dem strafrechtsdogmatischen Verbrechensbegriff — und zwar vor allem mit der Einzeltatschuld — als strafrechtliche Unrechtsfolge unmöglich sei260. Es ist also eine eingehende dogmatische Erörterung des unbestimmten Strafurteils erforderlich. Zu untersuchen ist die Frage „nach dem inneren juristischen Zusammenhang zwischen dem strafrechtsdogmatischen Verbrechensbegriff und seinen einzelnen Bestandteilen (namentlich der Schuld) einerseits und der mit dem unbestimmten Strafurteil angestrebten Bestrafungsmethode andererseits"261. Nach Eberh. Schmidt gibt es für eine solche Untersuchung methodisch zwei Wege: Entweder geht man von einem bestimmten Schuldbegriff aus und prüft daran die juristische Richtigkeit der unbestimmten Verurteilung oder man erörtert diese unabhängig vom Schuldbegriff zunächst vom Standpunkt der Straftheorie und der Kriminalpolitik262. Eberh. Schmidt (a.a.O.) hat sich für den zweiten Weg entschieden. Im Anschluß an die systematischen Untersuchungen von Sauer283 und Kohlrausch2ii und auf Grund strafrechtsgeschichtlicher Betrachtungen ist es zur Annahme der Abhängigkeit des Verbrechens — und insbesondere des Schuldbegriffs vom Strafbegriff gelangt. 268 269 860 261 262 263 284

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Sieverts V S. 2 3 $ , 236. Sieverts V S. 2 3 j . v. Hippel S. 569; Schoetensadk II S. 23/24. Eberh. Schmidt II S. 202. II S. 202, 210. Grundlagen des Strafrechts ( 1 9 2 1 ) S. 69. Handwörterbuch der Rechtswissenschaft Bd. $ (1928), S. 756 ff.

50 Es ist richtig, daß der Schuldbegriff in seiner Entwicklung vielfach vom Strafbegriff entscheidend beeinflußt und gefördert worden ist266. Das schließt jedoch nicht aus, daß auch das Gegenteil der Fall sein kann. Gerade die heutige Zeit gibt uns ein klares Beispiel dafür: das Gewohnheitsverbrechergesetz vom 24. November 1933. Der Gesetzgeber entschied sich darin für die Zweispurigkeit der Strafrechtsreaktion. Er lehnte die unbestimmten Strafurteile ab, weil das „die Aufgabe oder doch eine starke Auflockerung des Prinzipes der Schuld als Grundlage und Maß der Strafe notwendig in sich geschlossen hätte" 266 . Man prüfte also nach Maßgabe des feststehenden Schuldbegriffes die juristische Richtigkeit der Strafreaktion. Es erscheint deshalb richtig, die dogmatische Untersuchung des unbestimmten Strafurteils nicht nur vom Standpunkte der Straftheorie und der Kriminalpolitik vorzunehmen, sondern seine Richtigkeit auch nach Maßgabe der herrschenden Schuldauffassung zu erörtern. Man trägt damit der wechselseitigen Beeinflussung von Schuld- und StrafbegrifF Rechnung. Das war auch die Forderung des 8. Internationalen Gefängniskongresses, der die Einführung der unbestimmten Verurteilung u. a. von der Voraussetzung abhängig machte, „daß die herrschende Auffassung von Schuld und Strafe mit dem Grundgedanken der unbestimmten Verurteilung nicht in "Widerspruch" stände267. § 12. Der Schuldbegriff. Zwei entgegengesetzte Ansichten über den Gegenstand des Schuldvorwurfes stehen sich gegenüber: für den einen ist er der fehlerhafte psychische Einzelakt, für den anderen der Gesamtcharakter des Täters. Die Begriffe „Einzeltatschuld" und „reine Charakterschuld" kennzeichnen die extremen Auffassungen und Forderungen268. Die Einzeltatschuld beschränkt sich streng auf die konkrete Einzeltat und betrachtet sie als isolierten Willensakt269. Sie trennt die Tat von ihrem Urheber, dessen Individualität sie wenig kümmert270. „Abstufungen des Verschuldens — abgesehen von der formal leicht durchführbaren Unterscheidung von Vorsatz und Fahrlässigkeit — interessieren nicht" 271 . Man begnügt sich damit, die Verletzung der Forderungen der Rechtsordnung durch den Täter festzustellen; außen vor bleibt die Frage, wie der Täter gerade zu seiner Tat kam, „warum der Motivationsprozeß in concreto fehlerhaft (ein „nidit-sein-sollender") w a r " 272 . Eine Betrachtung und Be296

V g l . Eberh. Schmidt I I S. 2 0 J — 2 1 0 . Schaef-r S. 370. 2,7 Zit. bei Gleispadi I I S. 348. 398 Zimmerl I S. 4 1 8 / 1 9 . M » Liszt-Schmidt S. 2 3 0 . 370 Grünhut II S. 9 1 . 271 Eberh Schmidt I I S. 2 2 5 . m Liszt-Schmidt S. 2 3 0 . 568

51 Wertung des Charakters des Täters unterbleibt. Diese formale Schuldbetrachtung ist die Auffassung des 19. Jahrhunderts273. Sie ist der Ausdruck einr Zeit, die es dem Staat verwehrte, in den Charakter und die psycho-physische Beschaffenheit auch des Verbrechers einzudringen274. Um der Berechenbarkeit der staatlichen „Eingriffe" willen durften deren Voraussetzungen nur äußerer, formaler Natur sein. Eine solche Schuldauffassung ist für uns heute — und im Jugendstrafrecht besonders — nicht mehr tragbar. Schon die Betrachtung einiger Bestimmungen des Strafgesetzbuches von 1871 bringt uns auf einen anderen Schuldbegriff. Die Strafverschärfungsgründe des Rückfalls, der Gewerbs- und Gewohnheitsmäßigkeit lassen sich aus dem Begriff der Einzitatschuld nicht erklären. Sie sind uns nur verständlich, wenn wir in der Schuld zugleich eine Charakterbewertung des Täters erblicken, wenn wir seine gesamte Persönlichkeit dem Schuldurteil unterwerfen 275 . „Die im Charakter sich enthüllende Gefährlichkeit, als die Grundlage und Erklärung für die Fehlerhaftigkeit des Motivationsprozesses, wird selbst ein Moment der Schuld" 276. Die Gefährlichkeit ist ein „zur Schuld mit gehöriger Faktor" 277 . Wir kommen damit zu einer den Charakter und die Sozialgefährlichkeit des Täters erfassenden materiellen Schuldlehre. Der materielle seelische Kern des Schuldbegriffes liegt „in der aus der begangenen Handlung (dem antisozialen Verhalten) erkennbaren asozialen Gesinnung des Täters; also in der char akter lieh bedingten Mangelhaftigkeit des durch das Zusammenleben der Menschen im Staate geforderten sozialen Pflichtgefühls und in der dadurch hervorgerufenen antisozialen Motivation (der den Zwecken der Gemeinschaft widersprechenden Zwecksetzung)" 278 . Der Charakterdefekt des Täters, seine Minderwertigkeit werden vom Schuldbegriff mit erfaßt 279 . Diese Schuldauffassung ermöglicht es uns erst, die Tat als einen Treubruch, eine Pflichtverletzung gegenüber der Volksgemeinschaft zu erfassen. Das Schuldhafte, das Vorwerfbare der verbrecherischen Handlung liegt — über die psychologische Beziehung zwischen T a t und Täter hinausgehend — in der durch die T a t bewiesenen gemeinschaftsschädlichen Einstellung des Täters. Sein Charakter und seine Gesinnung sind unentbehrliche Grundlagen für unser Schuldurteil. Je stärker der Charakterdefekt, desto größer in der Regel die Schuld280. 273

Sieverts I S. 5 9 1 ; Eberh. Schmidt II S. 225. Sieverts I S. 590. 276 Eberh. Sdimidt II S. 225/26; Grünhut I I S. 95. 276 Liszt-Schmidt §. 2 3 1 . 277 Köhler I S. 1 5 3 ; Graf zu Dohna S. $3/54; so auch der neue § 20a StGB: Sieverts V S. 240. 278 Liszt-Schmidt a a.O. 276 Klee S. 495; Freisler zit. bei Eichler S. 68. 280 „Das Motiv entlastet, der Charakter belastet" (M. E. Mayer); Köhler I 159/60. 274

S.



52 „Nur dem normalen Menschen können wir aus seinem Handeln oder seinem Charakter einen Vorwurf machen" 281 . Jede kriminelle Gefährlichkeit, bei der es uns an dem Anknüpfungspunkt der Zurechnungsfähigkeit fehlt, scheidet deshalb für einen Schuldvorwurf aus. Auf solche Gefährlichkeit können wir nur mit ethisch farblosen Sicherungsmitteln reagieren282. Wir können ferner nur die Gefährlichkeit in die Schuld einbeziehen, die irgendwie bei der jetzigen (oder einer früheren) T a t mitgewirkt und sich geäußert hat; also nur eine in diesem Sinne auf die T a t beschränkte Gefährlichkeit 283 . Ihr gegenüber steht die „reine" Gefährlichkeit, die den Gesamtcharakter des Täters, alle seine Neigungen erfaßt ohne Rücksicht darauf, ob sie sich schon kriminell geäußert haben. Eine erhebliche Diskrepanz zwischen Schuld (immer einschließlich der im obigen Sinne beschränkten Gefährlichkeit) und der reinen Gefährlichkeit wird in der Praxis recht selten vorkommen284. In der Regel wird der Täter bei einem Verbrechen alle seine schlechten Neigungen und alle Seiten seines asozialen Charakters irgendwie zeigen. Es sind aber doch Fälle denkbar, in denen das nicht so ist; etwa: der aus Gewinnsucht handelnde Betrüger zeigt bei eingehender Untersuchung und Beobachtung, daß er auch zu Roheitsdelikten neigt, obwohl er in dieser Richtung noch nie straffällig geworden ist. Diese über die Tatgefährlichkeit hinausgehende reine Gefährlichkeit können wir nicht zum Gegenstand des Schuldvorwurfes machen. Einen Charakterdefekt, eine asoziale Neigung können wir jemandem erst dann vorwerfen, wenn sie gemeinschaftsschädlich hervorgetreten sind. Wie wir einen sozialgefährlichen Menschen, der noch keine Straftat begangen hat, einen Schuldvorwurf nicht machen können, so kann auch der Teil seiner Gesamtgefährlichkeit nicht zur Schuld geredinet werden, der noch in gar keiner Weise kriminell in die Erscheinung getreten ist285. Die Gefährlichkeit eines Menschen hängt weiter ab von den äußeren Bedingungen, den Umständen, unter denen er lebt. Diese „Außenkomponente der Gefährlichkeit" wird ebenfalls vom Schuldbegriff nicht erfaßt 286 . Als Ergebnis können wir feststellen, daß die Charakterschuld, so wie sie hier aufgefaßt wird, und die Gesamtgefährlichkeit Zurechnungsfähiger sich nicht völlig decken; daß aber der größte, kriminalpolitisch und praktisch bedeutsamste Teil der Gesamtgefährlichkeit von der Schuld mit umfaßt wird 287 . 281 882 288 281 285 286 287

Zimmerl I S. 420. Eberh. Sdimidt II S. 2 3 1 . Vgl. Zimmerl II S. 233 ff. Zimmerl II S. 235/36. Zimmerl a.a.O. Zimmerl I S. 423, 4 2 1 . Zimmerl II S. 238.

53 § 13D i e F r e i h e i t s s t r a f e im J u g e n d r e c h t . Die Freiheitsstrafe ist im Jugendrecht keine absolute Selbstverständlichkeit^wie im Erwachsenenstrafrecht. Man glaubt vielfach den Jugendlichen gegenüber mit reinen Erziehungsmaßnahmen auskommen zu können. Deshalb haben manche Jugendstrafgesetze auf Freiheitsstrafe vollkommen verzichtet, so in neuerer Zeit Polen288 und wohl auch der Kanton Genf 289 . In Deutschland propagierte vor allem Webler mit seiner Kampfschrift „Wider das Jugendgericht" (1929) und in späteren Aufsätzen diesen Gedanken. Die Strafe — auch die Jugendstrafe — ist für ihn reine Rechtsstrafe, die in einem „fundamentalen" Gegensatz zur Erziehung steht. „Rechtsstrafe und Erziehung schließen sich eben in ihrem tiefsten Sinne aus"290. Die Unrichtigkeit dieser Ausführungen liegt schon in ihrem Ausgangspunkt, denn die Jugendstrafe ist nicht reine Rechtsstrafe, sondern ist Erziehungsstrafe. Diese Kombination von Strafdrohung und Erziehung ist nicht „pädagogisch sinnlos" 291 , sondern es können gerade durch diese Verbindung große kriminalpolitische Erfolge erzielt werden, wie z. B. das Borstal-System beweist. Die Gedankengänge Weblers finden deshalb heute nicht mehr viel Anklang 292 . Es entspricht der nationalsozialistischen Weltanschauung, auch Jugendlichen gegenüber nicht völlig auf Bestrafung zu verzichten. Einmal aus erzieherischen Gründen: „Echte Strafe, die dem Jugendlichen zu Gemüte führt,- daß er für sein Tun einzustehen, eine Schuld zu büßen hat, kann hier wirksamstes und unentbehrliches Erziehungsmittel sein. Vielleicht wäre er ohne sie unerziehbar, mit ihr aber nicht"293. Daneben ist oftmals aus Vergeltungs- und generalpräventiven Gesichtspunkten, die auch gegenüber Jugendlichen nicht übersehen werden dürfen, eine Strafe erforderlich, da reine Erziehungsmaßnahmen diese Funktionen nicht erfüllen können294. Die Jugendstrafe ist, wie die Erwachsenenstrafe, ihrem Wesen nach Vergeltung. Sie ist es insofern, als sich die Strafe „unter dem Betrachtungswinkel von Ursache und Wirkung als eine soziale Reaktion auf eine antisoziale Aktion darstellt" 295 . Wegen des Treubruches, den der Täter an der Volksgemeinschaft begangen hat, muß er die Strafe erleiden. Wesensmäßig ist der Strafe der Sinn der Sühne298. Es ist alte deutsche Volksauffassung, daß der Meintäter seine Tat zu sühnen hat; das geschieht durch die Strafe. 288 289 290 291 292 293 294 295 296

Vgl. Steinwallner i. Zentralblatt Bd. 2 7 S. 1 0 — 1 2 . Z S t W $6 S. 623. Webler II S. 7 und pass. Webler I S. 52 und I I S. 7. Peters I V S. $74. Kohlrausch I S. 4 7 1 . Peters I S. 40. Kohlrausch I I I S. 7 $ 7 . Freisler i. „Das kommende deutsche Strafrecht" S. 1 5 .

54 Eines folgt jedoch nicht aus dem Wesen der Strafe: die starre Proportionalität zwischen Strafe und Verbrechen. Der Umfang der Strafreaktion im Einzelfalle folgt nicht aus einer der Strafe wesenseigenen Tatgemäßheit, sondern aus dem Zweck, den wir in concreto mit der Strafverhängung verbinden. Denn die Strafe ist eine zweckbestimmte Einrichtung. Allerdings dürfen diese Zwecke nicht gerade in Widerspruch mit dem Wesen der Strafe treten. Das Strafrecht muß aufgebaut sein auf dem Schuldprinzip: Wir dürfen grundsätzlich nur ein Verhalten strafen, das verschuldet ist. Diese Forderung ist „im natürlichen Volksempfinden und in der ethischen Grundhaltung des neuen Staates . . . tief verwurzelt" 287 . Dieses Schuldprinzip gibt uns aber nicht das Maß, „wie" wir strafen sollen, es sagt uns nur „was", welches Verhalten wir mit Strafe ahnden müssen. , Aber doch kann es im Einzelfalle geboten sein, dieses Schuldprinzip zu durchbrechen und Äußerungen und Neigungen des Täters mit der Strafreaktion zu erfassen, die wir ihm nicht als Schuld zurechnen können. Denn das Schuldprinzip gründet sich nicht nur auf ethische Gesichtspunkte, sondern auch auf reine Zweckmäßigkeitserwägungen298. Es ist deshalb keine grundsätzliche Abkehr vom Schuldprinzip, wenn Erwägungen, die sonst für seine Beibehaltung sprechen, uns im konkreten Falle einmal zu seiner Durchbrechung veranlassen289. Diese Überlegungen tragen der Tatsache Rechnung, daß der Volksgemeinschaft u. U. mehr mit einer Durchbrechung als mit der starren Einhaltung des Schuldprinzips gedient sein kann. Das ist besonders bei Jugendlichen der Fall, da bei ihnen die Strafe regelmäßig andere Aufgaben und Zwecke zu erfüllen hat als bei den Erwachsenen300. Wir kommen damit zur Untersuchung des Strafzwecks im Jugendrecht. „Zweck des Strafrechts im nationalsozialistischen Staate ist der Schutz der Volksgemeinschaft gegen solche Elemente, die sich den Gesetzen nicht fügen" 3 0 1 . Dieser Zweck der völkischen Sicherung ist im Erwachsenen- und Jugendlichenstrafrecht derselbe. Verschieden sind nur die Wege, auf denen man bei diesen beiden Tätergruppen zum vorgezeigten Ziele zu gelangen sucht. Nicht der oberste Zweck, das Ziel, sondern die Unterzwecke, die Wege sind verschieden. Vergeltung, Generalprävention und Spezialprävention sind die wichtigsten Unterzwecke. Die Vergeltung ist nicht nur Begriffsmerkmal, sondern auch der Zweck der Strafe 302 . Der Täter muß für seine T a t einstehen, sie sühnen und dadurch zugleich „das er2,7

Sdiaefer S. 370. Zimmerl II S. 9 ff. 2,9 Zimmerl II S. 240. 800 Zimmerl II S. 265 ff. 301 Denkschrift des Preuß. Justizministers S. 138. 802 Freisler i. „Das kommende deutsche Strafrecht" S. 17/18 und in „Kameradschaftsarbeit" S. 2; Mezger I S. 5 1 $ ; Siegert I S. 12/13. M8

55 schlitterte Rechtsbewußtsein der Volksgenossen" wieder aufrichten303. Die Vergeltung als Strafzweck verlangt Bestrafung nach Maßgabe der Tat, „tatproportionale Übelszufügung" 304 . Als Strafzweck ist ihr ein Maßprinzip eigen. Diese Vergeltung ist jetzt gegenüber Erwachsenen der vorherrsdiende Strafzweck 305 . Daneben spielt die verbrechensverhütende Einwirkung auf die Allgemeinheit, die Generalprävention, eine wichtige Rolle 308 , während die spezialpräventiven Funktionen der Strafe zurücktreten. Anders im Jugendstrafrecht; von jeher ist hier der spezialpräventive Erizehungszweck in den Vordergrund gerückt worden307. Der Durchbruch der nationalsozialistischen Weltanschauung ließ die Erziehungsstrafe des Jugendrechtes jedoch wieder zum Problem werden308. Die humanitären Auswüchse, die man vielfach mit den Bezeichnungen „Erziehungsstrafe" und „Erziehungsstrafvollzug" bemäntelte, hatten den Erziehungsgedanken in Mißkredit gebracht309. Der nationalsozialistische Gesetzgeber hat sich jedoch gehütet, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Durch die A V über den Jugendstrafvollzug bekannte sich der heutige Staat „ganz eindeutig zum Gedanken der Erziehungsstrafe, selbstverständlich spezifisch nationalsozialistischer Prägung" 310 . Die Gründe, die zu der grundverschiedenen Behandlung von Erwachsenen und Jugendlichen führen, liegen in der Tatsache, daß die Jugendlichen keine „kleinen Erwachsenen" sind, sondern einem Alter angehören, das zwar eine Ubergangszeit von Kind zum Manne ist, aber doch eine in sich geschlossene Zeit mit „eigenen Gesetzen und Sonderheiten" 311 . In dieser Zeit des Übergangs, der Entwicklung, der Pubertät kommt der junge Mensch leicht auf Abwege. „Er fühlt sich von dem Erwachsenen mit all seinen Gesetzen und Ordnungen, die seinem stürmischen Drängen entgegen sind, beschränkt und bedrückt. Gerade dort, wo sich Stärke des Gefühlsund Phantasielebens mit einem heftigen Geltungsdrang paart, liegt die Gefahr zu Konflikten mit den Gesetzen vor . . . Es kommt hinzu, daß der Jugendliche gerade zu dieser Zeit in der Regel die Schule verläßt und in das Leben eintritt, daß er damit ungünstigen Beeinflussungen von allen Seiten ausgesetzt ist, ohne selbst schon fertig zu sein" 312 . Aber beim jugendlichen, noch unfertigen Verbrecher, der oftmals durch äußere Umstände und durch den Mangel an sachgemäßer Erziehung auf die schiefe Bahn geraten ist 313 , be3,3 304 306 307 308 308 310 311 313 313

Siegert a.a.O. und II. S. 419. Mezger a.a.O. Freisler a.a.O.; Schaffstein III S. 347. Siegert II S. 42.0. Mollenhauer S. 591. Kohlrausch I S. 462. Schwarz S. VII; Sieverts III S. 694/95. Sieverts IV S. 33; Rauch S. 220. Schwarz S. 23. Peters I S. 38/39. Hellwig S. 18.

56 steht die Aussicht, ihn wieder in die Volksgemeinschaft eingliedern zu können314. Um der Verantwortung vor der Volksgemeinschaft und um der deutschen Zukunft willen „ist es vor unserem Gewissen nicht möglich . . . die Hoffnung auf Eingliederung jedes noch nicht fertigen deutschen Menschen in die Volksgemeinschaft aufzugeben. Und deshalb treibt uns die Stimme unseres Gewissens, an dieser Eingliederung zu arbeiten . . . " 3 1 5 . Dabei geht es nicht „um die Person des Jugendlichen allein; nicht er, sondern die Volksgemeinschaft steht im Vordergrund" 316 . „Nach § 9 A V soll nicht nur das erzieherische Moment, das in jeder Strafe an sich liegt, ausgenutzt werden, sondern auch der Inhalt der Strafe soll in allen seinen Ausstrahlungen auf die Erziehung des jungen Gefangenen abgestellt sein" 3 1 7 . In zweifacher Hinsicht will also die nationalsozialistische Erziehungsstrafe wirken: einmal durch die Strafe an sich, durch die Tatsache, daß auch der jugendliche Täter für seinen Treubruch einzustehen und diesen Makel wieder von sich abzuwaschen hat, zum anderen durch eine die ganzen Vollzugseinrichtungen beherrschende „Erziehung zur Strafe" 3 1 8 . Gerade diese Erziehung zur Strafe ist kennzeichnend für die heutige Auffassung. „Es handelt sich um eine zur Verwirklichung der Strafe, also zum Vollzug gehörige, nicht um eine neben ihm herlaufende, gewissermaßen gelegentlich der Strafe ausgeübte Erziehungstätigkeit; sie steht ausschließlich im Dienst der Strafe" 3 1 9 . Darin liegt eine grundlegende Wandlung, denn früher ließ die Erziehung im allgemeinen „jeden inneren Zusammenhang mit der Strafe vermissen" 320. Eine solche Erziehung konnte nicht zur Strafempfänglichkeit und zur Strafvertiefung beitragen. Heute kann eine Erziehungsstrafe mit Erfolg arbeiten, da es nicht mehr wie vor 1933 an einem allgemein anerkannten und verbindlichen Erziehungsziel fehlt 321 . „Und wie erhöhen sich die Möglichkeiten, einen jungen Gefangenen in die Volksgemeinschaft wieder einzugliedern, je mehr es dem Nationalsozialismus gelingt, anstelle des bisherigen Chaos der gesellschaftlichen Klassen, in dem viele Jugendliche vergeblich sozialen Halt suchten und fanden, im ständischen Aufbau eine organische, sozial gerechte Ordnung des Volkes zu setzen" 322 . Die Erziehung des Jugendlichen, nicht um seinet-, sondern um der Volksgemeinschaft willen: das ist der überragende Zweck im Jugendstrafrecht. 314 315 316 317 318 319 330 321 322

Gürtner i. „Kameradschaftsarbeit" S . III. Freisler i. „Kameradschaftsarbeit" S. i . Marx S. 272. Sieverts I V S. 3 3 ; Raudi S. 220. Eichler i. „Grundzüge eines deutschen Strafvollstreckungsrechtes" S. Eidhler a.a.O. und II S. 22. Eichler i. „Kameradschaftsarbeit" S. 10. Sieverts I V S. 4 1 / 4 2 ; Schaffstein I V S . 434. Sieverts a.a.O.

104.

57 Es hieße aber den Erziehungsgedanken überspitzen und das gesunde Volksempfinden außer Acht lassen, wollte man den Generalpräventions- und Vergeltungszweck völlig aus den Zielen der Jugendstrafe streichen323. Es gibt Verbrechen von solcher Schwere, daß sich auch dem Jugendlichen gegenüber ein berechtigtes Vergeltungsbedürfnis regt. Es ist ferner bei vielen Strafen die abschreckende Wirkung auf die Allgemeinheit — und zwar weniger auf die Erwachsenen als auf die latent verwahrloste Jugend — zu berücksichtigen324. Es darf nicht dazu kommen, daß dieser gefährdete Teil der Jugend die Furcht vor der Strafdrohung verliert. Die Forderungen der Spezialprävention, der Generalprävention und der Vergeltung werden sich gerade im Jugendstrafrecht regelmäßig weitgehend decken. Eine Spezialprävention, die die Erziehung durch die Strafe unmittelbar und die Erziehung zur Strafempfänglichkeit bezweckt, darf nicht nur den Täter ins Auge fassen, sondern muß auch eingehend die reine Tatseite berücksichtigen. Andererseits muß eine verfeinerte Generalprävention „mehr und mehr auch die ganze Persönlichkeit des Täters in den Kreis ihrer Erwägungen ziehen" 325 , wie auch die Vergeltung weniger auf die Tat und deren Erfolg als auf die Schuld des Täters abzustellen hat326. Bei der mittleren und schweren Kriminalität Jugendlicher fordert die Spezialprävention längere Freiheitsstrafen, die dann durch ihre Länge zugleich abschreckend wirken und auch ein etwaiges Sühnebedürfnis vollauf befriedigen. Uberhaupt gibt das Sühnebedürfnis uns im Einzelfall keine feste Straf große, sondern nur eine obere und untere Grenze 327 , so daß ein Ausgleich mit anderen Strafzwecken um so leichter möglich ist. Bei der schwersten Kriminalität wird es allerdings zu Abweichungen kommen können, da Generalprävention und. Vergeltung hier vielfach längere Strafen fordern, als vom erzieherischen Standpunkte verantwortbar ist. Soweit im Einzelfall eine Diskrepanz zwischen den drei Strafzwecken vorliegt, ist zu entscheiden, welcher dem Interesse der Volksgemeinschaft am besten dient. In aller Regel wird diese Entscheidung zu Gunsten der Spezialpräventign ausfallen. Nur in vereinzelten Fällen der schwersten Kriminalität (Mord, Landesverrat, Hochverrat) wird sie hinter die berechtigten Forderungen der Generalprävention und der Vergeltung zurücktreten müssen. Wir haben oben gesehen, daß die Frage, „was" zu bestrafen ist, sidi nach dem Schuldprinzip beantwortet. Es wurde aber schon dort gesagt, daß der Strafzweck im Einzelfall diesen Grundsatz durchbrechen und die Strafe auch auf nicht zur Schuld gehörige Umstände erstrecken dürfe. Das wird im Jugendstrafrecht praktisch. Gerade der Teil der Gesamtgefährlichkeit eines jugendlichen Rechtsbrechers, 383

Schaff stein I S. 9; Francke I S. 4 3 ; Kiesow S. 54. Zimmerl II S. 266/67; Hellwig S. 29. Mezger I S. J 1 7 . SM Freisler i. „Das kommende deutsche Strafredit" S. 16. 327 v. Hippel S $03. 324

325

58 der nicht von der Schuld erfaßt wird, kann u. U . eine Verlängerung der Strafe erforderlich machen. Fälle dieser Art werden zwar sehr selten vorkommen. Wenn sie aber doch einmal eintreten, dann muß die Strafe auch diesem Teil der sozialen Gefährlichkeit des Täters aus spezialpräventiven Gründen entgegentreten. Das gilt f ü r alle Fälle, in denen die Strafe von spezialpräventiven Gesichtspunkten beherrscht wird, aber auch nur für diese. Soweit Generalprävention und Vergeltung der Strafe den Stempel aufdrücken, ist f ü r d'iese Ausweitung kein Platz. § 14Die Stellung der Unbestimmten Verurteilung zu den G r u n d l a g e n d e r J u g e n d s t r a f e . A. Zw Spezialprävention. Auch f ü r die dogmatische Betrachtung gilt der Satz, daß die unbestimmte Verurteilung die wichtigste Konsequenz der Spezialprävention ist. Die Spezialprävention bezweckt „körperliche (physische) und seelische (individualpsychologische, individualpädagogische) Einwirkung auf den einzelnen Täter zum Zwecke künftiger Verbrechensverhütung" 328 . Sie geht davon aus, daß die einzelnen Gefangenen nach verbüßter Strafe wieder in die Volksgemeinschaft zurückkehren und dort „ein mehr oder minder großes kriminelles Risiko" bilden 328 . Deshalb muß auch bei ihnen die Strafe „ f ü r die Zukunft Motive verbrechensverhütender Art schaffen" 330 . Die Spezialprävention, die auf den einzelnen Täter wirken will, erfordert eine möglichst individuelle Anpassung der Strafe an die Persönlichkeit dieses Täters. Danach sind die Ziele der spezialpräventiv orientierten Strafe verschieden: Der besserungsfähige Verbrecher soll wieder zu einem sozial tauglichen Menschen gemacht werden, vor dem unbrauchbar gewordenen soll die Gemeinschaft durch weitgehende Unschädlichmachung gesichert werden. Zu den besserungsfähigsten Rechtsbrechern gehören die Jugendlichen. Allerdings befinden sich bei den mit Freiheitsstrafen belegten Jugendlichen teilweise ganz üble Elemente, ehemalige Fürsorgezöglinge, bei denen die Strafe die ultima ratio ist 331 . Aber: mögen die Aussichten auf Besserung bei ihnen auch noch so gering sein, „bei Menschen in diesem Alter darf nicht die letzte Hoffnung aufgegeben werden" 3 3 2 . S o ist die Strafe bei Jugendlichen in erster Linie auf Erziehung, Besserung abgestellt und erst sekundär auf Sicherung durch weitgehende Unschädlichmachung. .

328 329 380 331 332

Mezger I S. JOJ. Mezger a.a.O. Mezger a.a.O. Nörr i. „Kameradschaftsarbeit" S. 95/96. Nörr a a.O.

59 Genau dieselben Grundlagen und Ziele finden wir auch bei der unbestimmten Verurteilung. Sie betont den Erziehungsgedanken und ist zunächst abgestellt auf die Wiedergewinnung des Jugendlichen. Erweist sich dieser aber als sozial unbrauchbar, dann rückt automatisch der Sicherungsgedanke in den Vordergrund. Die unbestimmte Verurteilung ist also eine durchaus spezialpräventiv orientierte Maßnahme. B. Zur

Generalprävention.

Die Generalprävention bezweckt mit der Strafe eine verbrechensverhütende Einwirkung auf die Allgemeinheit 333 . Sie hat die Abschreckung der latent Kriminellen im Auge, sie will die Labilen im Zaume halten334. Sie geht aus vom Tatprinzip, denn sie will „Mißbilligung und Abwehr der verbrecherischen T a t sein" 335. Es ist eine Erfahrungstatsache, daß nicht möglichst harte und grausame, sondern nur gerechte Strafen auf die Dauer die ihnen obliegende generalpräventive Aufgabe richtig erfüllen können336. Eine gerechte Strafe ist aber nur möglich, wenn man nicht bei der objektiven T a t stehenbleibt, sondern auch die ganze Täterpersönlichkeit in den Kreis seiner Erwägungen zieht 337 . Damit haben wir eine Annäherung an die theoretischen Grundlagen der unbestimmten Verurteilung. Diese betont zwar die Täterseite, verkennt aber nicht, daß die T a t ein für die Beurteilung dieses Täters entscheidender Faktor ist, da bei ihr seine soziale Gefährlichkeit ihren sichtbarsten Ausdruck, gefunden hat. Die Erziehung bei der unbestimmten Verurteilung ist ferner Erziehung zur Strafe, die in eine innere Beziehung zur T a t treten muß. Die unbestimmte Verurteilung erreicht praktisch eine hohe generalpräventive Wirkung durch die Verlängerung der Strafen, zu der sie regelmäßig führt 338 , und durch das Moment der Unbestimmtheit339. Diese ihre beiden Kennzeichen fließen aus dem spezialpräventiven Erziehungsgedanken. Damit ist der Gegensatz zwischen General- und Spezialprävention auf dem Gebiete der unbestimmten Verurteilung praktisch weitgehend beseitigt. Die ausgesprochen spezialpräventiv orientierte unbestimmte Strafe wirkt zugleich generalpräventiv. Die unbestimmte Verurteilung als spezialpräventiv ausgerichtete Strafe kann den generalpräventiven Aufgaben nicht mehr gerecht werden, wenn diese eine höhere Strafe fordern, als mit ihrem Erziehungscharakter vereinbar ist. Wenn das Interesse der VolksgemeinMczger I S. 503. Siegert II S. 420. Mezger I S. $16. 338 Mezger I S. $04. 3 , 7 Mezger I S. 517. 338 Vgl. für Amerika: Freudenthal II S. 135; für England: Quentin-Sieverts S. 1$; für Österreich: Jedliczka S. 12. 339 Das kann man auch bei der Sicherungsverwahrung immer wieder beobachten. 333 334

835

60 schaft gebietet, die abschreckende Wirkung auf die Allgemeinheit der Erziehung des Jugendlichen voranzustellen, dann ist für eine unbestimmte Strafe kein Raum mehr. Denn: für sie ist die Erziehung die Hauptsache, die Abschreckung ist nur eine — allerdings sehr erwünschte Nebenwirkung. Es wird sich aber nur um seltene Ausnahmefälle handeln, in denen die unbestimmte Verurteilung den Forderungen der Generalprävention nicht genügt; in der Regel wird sie dank ihrer Eigenart auch diesen gerecht. C. Zur Vergeltung. Sinn und Aufgabe jeder Strafe — auch der Jugendstrafe — ist neben den praktisch-rechtspolitischen Zielen der General- und Spezialprävention die Befriedigung des im Volke bestehenden Sühnebedürfnisses340. Die im Volke lebenden irrationalen Werte und Kräfte erfordern das 341 . Ein volksnahes Recht darf das nicht übersehen. Das gilt auch für das Jugendstraf recht. Der Vergeltungs- und Sühnegedanke ist hier zwar „bedeutend abgeschwächt, nicht aber ganz ausgeschaltet" 342. Aus dem Gedanken der Vergeltung werden die schwersten dogmatischen Vorwürfe gegen die unbestimmte Verurteilung hergeleitet. Es macht dabei keinen Unterschied, ob die Vergeltung nur als Wesensmerkmal oder zugleich auch als Zweck der Strafe angesehen wird. Die Vorwürfe sind dieselben. Zwei grundsätzliche Einwände sind es, die gegen die dogmatische Zulässigkeit der unbestimmten Strafe erhoben werden. Es wird geltend gemacht: 1. Die unbestimmte Verurteilung strafe nicht verwirklichte, sondern erst mögliche Schuld; sie sei daher nicht Strafe, sondern Zwangserziehung 343 . Eng damit zusammenhängend, 2. die unbestimmte Verurteilung zerstöre die Proportionalität zwischen Verbrechen und Strafe; sie könne daher auch keine gerechte Strafe sein344. Zu i . : Die unbestimmte Verurteilung „hat mit Strafe nichts gemein. In ihr liegt die Absage an das Verbrechen als dem alleinigen und wahren Realgrund der Strafe und die Absage an die Strafe als Schuldausgleichung . . . Sie ist in Wahrheit Zwangserziehung . . .", so formuliert Schoetensack, einer der entschiedensten Gegner der unbestimmten Verurteilung, seine dogmatischen Einwände 346 . Dieser Vorwurf erklärt sich zum großen Teil aus den verschiedenen Schuldauffassungen (Einzeltatschuld und Charakter schuld). J e 340

Freisler i. „Das kommende deutsche Strafrecht" S. I J . Freisler a.a.O.; Schoetensack I S. 90. 842 Zimmerl II S. 267. 843 Schoetensack I S. 93 und II S. 23/24; Beling I S. 1169; Mezger II S. $7; Oetker III S. 14, 17. 344 Dieselben a.a.O. und Schaefer S. 370. 346 I S. 93. 341

61 nach der Schuldauffassung ist die Strafe für ein bestimmtes Verhalten oder eine bestimmte Neigung noch Bestrafung verwirklichter oder schon Bestrafung erst möglicher Schuld. Was vom Standpunkt der Einzeltatschuld schon als Gefährlichkeit ( = erst mögliche Schuld) erscheint, gehört nach der Theorie von der Charaktersdiuld noch zur (verwirklichten) Schuld. Es ist oben gezeigt worden, daß zum nationalsozialistischen Täterstrafrecht die Auffassung der Charakterschuld gehört. Die ganze bei der T a t zum Ausdruck gekommene oder sonst irgendwie mit ihr in Zusammenhang stehende und kriminell geäußerte soziale Gefährlichkeit des Täters rechnen wir zur Schuld. Soweit die unbestimmte Strafe auf sie reagiert, straft sie verwirklichte Schuld. Diese Schuld und damit das konkrete Verbrechen bilden den Realgrund der unbestimmten Verurteilung, von dem sie1 sich keineswegs emanzipiert. Insoweit ist also der gegen sie erhobene Vorwurf unbegründet. Nun gibt es jedoch einen Teil der Gesamtgefährlichkeit, der nach der hier vertretenen Auffassung nicht von der Schuld erfaßt wird. Es ist dies die noch in keiner Weise kriminell zutage getretene Gefährlichkeit. Soweit eine solche ausnahmsweise vorhanden ist, wird sie meistens keine andere Strafdauer erfordern, als ohnehin schon für die zur Schuld gehörige Gefährlichkeit nötig ist. Sollte ihre Niederzwingung aber tatsächlich einmal eine Strafverlängerung erforderlich machen, dann allerdings strafen wir nicht verwirklichte, sondern mögliche Schuld. Es wird sich immer nur um wenige Ausnahmefälle handeln. Diese Durchbrechung des Schuldprinzips, das haben wir schon oben gesehen, ist im Jugendstraf recht durch spezialpräventive Rücksichten gerechtfertigt. Das Wesen der Strafe als Schuldstrafe, das Prinzip, nur verwirklichte Schuld zu strafen, wird dadurch nicht aufgegeben. Richtig ist an dem ersten Einwand also: mit der unbestimmten Verurteilung strafen wir in seltenen Ausnahmefällen mögliche Schuld. Unrichtig ist aber die Folgerung, daß sie deshalb Zwangserziehung und keine Strafe sei. Z u 2.: Es trifft zu, daß wir die Dauer der unbestimmten Strafe nicht nach einem durch den Strafbegriff gegebenen festen Maßprinzip, nach der Proportionalität von Strafe und Verbrechen, sondern nach dem für die Spezialprävention erforderlichen Maße bemessen. Es liegt im Wesen der Erziehungsstrafe, ihre Dauer alkin nach den Besserungsfortschritten zu bestimmen. Viele Anhänger der unbestimmten Verurteilung suchen den Vorwurf der Vergeltungstheoretiker durch den Nachweis zu parieren, daß die verbrechensproportionale und die nach spezialpräventiven Erwägungen bemessene Strafe trotz der Verschiedenheit der Maßstäbe zu denselben Ergebnissen kommen s4e . Sie gehen davon aus, 846 Freudenthal I S. 276/77 und II S. 131; Gleispadi II, S. 353 und III S. 66; Kriegsmann S. 37; Peters I S. 43, III S. 745 und IV S. 571; früher auch Zimmerl I S. 431/33.

62 daß die Vergeltung eine Proportionalität von Strafe und Schuld fordere. Es sei deshalb zunächst nötig, die Schwere der Schuld mit allen ihren Faktoren möglichst genau festzustellen. Das sei in der Hauptverhandlung unmöglich, erst im Laufe des Vollzuges könne es mit hinreichender Sicherheit geschehen. Es müsse daher das Urteil auch im Interesse einer gerechten Vergeltung unbestimmt sein, da nur so die Gleichung Schwere der Strafe = Schwere der Schuld in die Tat umgesetzt werden könne. An dieser Beweisführung, bei der man die Schuld als Charakterschuld versteht, ist richtig, daß die unbestimmte Verurteilung wegen des größeren zur Verfügung stehenden Beurteilungsmaterials eine bessere Schuldfeststellung ermöglicht als unser heutiges Strafverfahren 347 . Sie hat den weiteren Vorteil, daß sie die Empfindlichkeit des Täters für das Strafleiden, aus der sich erst das gerechte Strafmaß im Sinne eines „suum cuique" ergibt, berücksichtigen kann348. Wir können also mit ihrer Hilfe die Schuld genauer ermitteln, als es uns heute möglich ist. Aber: wir fordern die unbestimmte Verurteilung nicht, um mit ihr die der Schuld genau entsprechende Strafe finden zu können, sondern wir wollen sie als spezialpräventive Kampfmaßnahme. Es wird vielfach keinen praktischen Unterschied machen, ob die unbestimmte Verurteilung im Dienste d'er genauen Schuldfeststellung oder der Spezialprävention steht. Es bestehen jedoch wichtige theoretische Unterschiede349: Einmal kann nur die spezialpräventiv orientierte unbestimmte Verurteilung die nicht zur Schuld gehörige Gefährlichkeit berücksichtigen und zum anderen — das ist der wichtigere Punkt — ist das Maß der zur Bekämpfung der Gefährlichkeit erforderlichen Einwirkung nicht nur von dieser Gefährlichkeit selber, sondern auch von den zur Bekämpfung verfügbaren Mitteln des Vollzuges abhängig. Darauf nimm* die Spezialprävention Rücksicht, die Schuld aber ist gänzlich unabhängig davon. Die unbestimmte Verurteilung wird deshalb auch in der Praxis zu verschiedenen Ergebnissen führen können, je nachdem sie der genauen Schuldfeststellung oder der Spezia* Prävention dienen soll. Wir wollen die unbestimmte Strafe als spezifische Erziehungsstrafe für Jugendliche. Die Forderung nach einer starren Proportionalität von Schuld und Strafe muß im Jugendrecht von vornherein zurücktreten. Hier gibt das Maßprinzip der Strafe regelmäßig die Spezialprävention und nicht der Vergeltungszweck. Die unbestimmte Verurteilung dient damit nicht der äußeren Tatvergeltung, wohl aber der jeder Vergeltung 'wesenseigenen inneren Sühneleistung des Gefangenen. Ein Doppeltes enthält diese innere Sühne 350 : „die Erkenntnis, daß man sich selbst aus der Gemeinschaft 847

Gleispadi I, S. 2 3 7 . Beling S. 1 1 7 4 . 8,9 Darauf hat, soweit uns bekannt, Zimmerl (II S. .288/90) zuerst ausdrücklich hingewiesen. 850 Nohl S. 35. 848

63 ausgesdilossen, deren Versöhnung man nun will, und die Wiedergewinnung der Freiheit des Täters durch das freiwillige Aufsichnehmen der Strafe". Diese Sühne kann sich „nur im aktiven persönlichen Einsatz des zu Entsühnenden" vollziehen 351 . Und erst dann ist das Verbrechen in Wahrheit gesühnt, wenn sich der Täter vom Verbrechen innerlich losgesagt hat 362 . Erst dann kann er wieder in die Völksgemeinschaft, der er durch seine Straftat die Treue brach, als Entsühnter aufgenommen werden. Diese innere Sühne ist „nur in einem mit Schwierigkeiten und Hindernissen verbundenen langsamen Wandlungsprozeß zu erreichen" 363 . Genau wie die Erziehung, mit der diese Sühneleistung weitgehend parallel läuft, erfordert dieser Wandlungsprozeß eine von vornherein nicht absehbare Zeit 354 . Er kann deshalb nur zur vollen Entfaltung im Rahmen der unbestimmten Strafe kommen. Denn dort weiß der Gefangene, daß er erst dann die Freiheit wieder erhalten kann, wenn er sidi selbst die eigene sittliche Freiheit erkämpft hat. „Hier begegnen sich der Gedanke der Erziehung und der Gedanke der Sühne. Und hier gewinnt der Gedanke der Erziehung seinen tiefsten Sinn. Wer die Strafe als selbstverschuldete Beschwernis anerkennt, der hat die wichtigste Voraussetzung geschaffen, um von innen heraus zu dem Entschluß zu kommen, sich künftig sozial einzuordnen" 355 . Eine solche innere Bereitschaft des Rechtsbrechers zu erzielen, kennzeichnet unsere heutige Auffassung. Die nationalsozialistisch erzogene Jugend „steht . . . für ihre Handlungen ein. Sie erwartet die Strafe nicht als ein unausbleibliches Übel, sondern sie erwartet diese Strafe als eine Möglichkeit, den Makel, mit dem sie sich behaftet hat, wieder zu sühnen" 358. Das kann sich aber in vollem Maße nur bei der unbestimmten Strafe auswirken, die allein die innere Entsühnung entscheidend berücksichtigt. Das Maßprinzip der Vergeltung, die strenge Proportionalität von Verbrechen und Strafe, ist eine praktische Unmöglichkeit357. Die genaue „haarscharfe" Vergeltung kann kein Richter finden; Zufall und Willkür spielen eine Rolle und die Strafzumessung ist „ein Griff ins Dunkle" 358. Die tausend Möglichkeiten, die bei den weiten Strafrahmen mancher Delikte zur Verfügung stehen, lassen die mathematisch genaue Berechnung der tatproportionalen Strafe zur Unmöglichkeit werden. Es ist deshalb richtig, sich zu bescheiden und der Vergeltung als Maßprinzip nur einen Rahmen, eine obere und untere 851

Sieverts II S. 576. Gleispadi III S. 66. Eberh. Schmidt II S. 221/22. 154 Eberh. Schmidt a.a.O.; Sieverts V S . 240. 855 Edgar Schmidt S. 365. 868 Baidur v. Schiradi S 278. 857 Liszt II S. 54; v. Lilienthal S. 2/3; Kriegsmann S. 3 7 ; Wegner S. 1 8 1 ; Klee S. 495; Kohlrausch III S. 758. 868 Liszt a.a.O. 862 863

64 Grenze, zu entnehmen539. Diese vergeltende Grenzziehung aber wird mit der unbestimmten Verurteilung weitgehend übereinstimmen. Nur im Rahmen einer vergeltenden Grenzziehung und unter Zugrundelegung der charaktereologischen Schuldauffassung ist das Maßprinzip der Vergeltung für uns heute tragbar. Die Tatproportionalität im Sinne einer strengen Gleichung von Einzeltatschuld und Strafe entspricht der Auffassung des liberalen 19. Jahrhunderts. Sie sollte den Wunsch dieser Zeit verwirklichen „im Interesse des Schutzes des Bürgers gegen Richterwillkür festbestimmte und für jeden Bürger vorher berechenbare Strafen" zu schaffen380. Zusammenfassend ist zu sagen: Das Maßprinzip der Vergeltung können wir nur als vergeltende Grenzziehung unter Zugrundelegung der Charakterschuld anerkennen. Audi in dieser Form spielt es für die dogmatische Prüfung einer Jugendstrafe nur eine untergeordnete Rolle. Soweit es aber doch von Belang ist, deckt es sich weitgehend mit der Bestrafungsmethode der unbestimmten Verurteilung. In den Ausnahmefällen, in denen der Vergeltungszweck die Jugendstrafe beherrscht und die Maßstäbe der Vergeltung und der Spezialprävention auseinanderklaffen, ist für eine unbestimmte Strafe kein Raum. Damit fällt auch der Vorwurf der Ungerechtigkeit, der vielfach gegen die unbestimmte Verurteilung erhoben wird 361 , in sich zusammen; denn er wird stets in Verbindung gebracht mit der Durchbrechung der Proportionalität Schuld und Strafe. Die unbestimmte Strafe ist eine gerechte Strafe. Die Frage nach der Gerechtigkeit einer Strafe entscheiden wir nicht nach ihrer Wirkung auf den betroffenen Rechtsbrecher. Dessen Einstellung und Empfindung interessiert uns nur insoweit, als eine willkürliche Strafe ihn nicht verbittern und damit einer erzieherischen Beeinflussung von vornherein verschließen soll. Entscheidend kommt es an auf das Wohl der Volksgemeinschaft. Eine Strafe, die dieses fördert ist auch gerecht. „Die gerechte Bestrafung dient der Festigung, dem Schutze und der Sicherung der Volksgemeinschaft . . .*' 362. Damit hat für uns die Idee der Gerechtigkeit eine ganz konkrete Gestalt angenommen. Wir haben oben gesehen, daß das Interesse der Volksgemeinschaft eine möglichst umfangreiche Resozialisierung der kriminellen Jugendlichen gebieterisch verlangt. Der Erreichung dieses Zieles dient die unbestimmte Verurteilung. Sie ist also eine gerechte Strafe. § iy. Anhang: S t a a t s r e c h t l i c h e und w e l t a n s c h a u l i c h e E i n w e n d u n g e n gegen die U n b e s t i m m t e V e r u r t e i l u n g . Die staatsrechtlich und weltanschaulich begründeten Einwände gegen die unbestimmte Verurteilung stammen allesamt aus der Ge359 360 361 3M

v. Hippel S. Klee S. 488; Zum Beispiel NS.-Leitsätze

503; Kriegsmann a.a.O.; Peters I V S. 570. Kohlrausch I S. 4 7 3 ; Sieverts I S. 590. Nagler S. 224. S. 13.

65

dankenwelt des liberalen Rechtsstaates. Sie können also heute als anachronistisch bezeichnet werden. Der Vollständigkeit halber und zur Ergänzung der geschichtlichen Darstellung sollen sie in aller Kürze erwähnt werden. Das wird uns zugleich zeigen, daß die Forderung nach der unbestimmten Verurteilung, die jahrzehntelang unter der Fahne des liberalen Rechtsstaates und der ihm entsprechenden Vergeltungsstrafe 363 bekämpft wurde, alles andere als liberalistisch oder individualistisch ist, sondern lediglich das Gesamtwohl im Auge hat. Zwei Punkte der unbestimmten Verurteilung glaubte man mit den Gedanken des liberalen Rechtsstaates nicht vereinbaren zu können. Einmal rügte man die Inaugurierung einer „Administrativjustiz, die schwerste Gefahr für die individuelle Freiheit in sich birgt" 364 . Man warf der unbestimmten Verurteilung vor, sie sei „eine viel zu schwere Beeinträchtigung der individuellen Freiheit. Sie liefert den Täter bedingungslos aus dem diskretionären Ermessen, dem souveränen Verstand oder Unverstand einer Verwaltungsbehörde" 380 . Den Gedanken der Gewaltenteilung und den Schutz der individuellen Freiheit, zwei Grundpfeiler des liberalen Rechtsstaates, glaubte man durch die unbestimmte Verurteilung bedroht. Der zweite Angriffspunkt war die Unbestimmtheit des Strafübels. Man sah dadurch „das Recht des Rechtsbrechers auf eine gerechte und festbegrenzte Strafe verletzt" 366. Man warf der unbestimmten Verurteilung vor, daß sie „die Unfreiheit und Ungleichheit der Bürger im Verhältnis zum staatlichen Träger der Strafgewalt" 367 befördere und eine „Rechtsunsicherheit . . . in den Strafvollzug" 368 trage. Der völkische Rechtsstaat hat diese Anschauungen überwunden. Nicht der Schutz persönlicher Freiheit, sondern die Sicherung der Volksgemeinschaft ist in erster Linie Aufgabe und Inhalt der Rechtsordnung. An die Stelle der Dreiteilung der Gewalten ist die eine und unteilbare Staatsgewalt getreten, die nur verschiedene Aufgabenbereiche hat. Die Grenzen zwischen diesen einzelnen Funktionen der Staatsgewalt sind fließend, auch zwischen Justiz und Verwaltung. Damit ist den auf der Gewaltenteilung der Aufklärungszeit fußenden Bedenken gegen eine Verwaltungsjustiz der Boden entzogen. Außerdem trifft der Vorwurf der Vermischung von Verwaltung und Justiz — den man übrigens mit demselben Recht gegen die Regelung der vorläufigen Entlassung erheben kann669 — nicht das Wesen, sondern nur 363

Siehe Schoetensack II S. 54. Schoetensack II S . 48. Oetker I S. 5 8 1 ; Köhler II S. 2 2 7 ; Bindig, „Grundriß des deutschen Strafrechts A T " (1907) S. 2 3 7 / 3 8 ; Kahl i. Verh. d. 28. Deutschen Juristentages Bd. III S. 3 8 5 ; Richard Schmidt, „Aufgaben der Strafrechtspflege" (1895) S. 294; Amtliche Begründung V E 1909, S. 92/94. 866 Förster S. 18. 387 Richard Schmidt S. 47. 868 Jacoby S. 308. 369 Graf zu Dohna S. 55/j6. 864 365

6

66 eine bestimmte Ausgestaltung der unbestimmten Verurteilung, nämlich die Übertragung der Entlassungsbefugnis auf eine Verwaltungsbehörde. Die Entscheidung kann ebenso gut einer richterlichen Instanz übertragen werden und zwar in einer Weise, die nicht nur den „Schein richterlicher Entscheidung" 370 trägt. Ein straff geregeltes Entlassungsverfahren wird weiter dafür sorgen, daß jedem Gedanken an Willkür und Rechtlosigkeit von vornherein der Boden entzogen wird. Zum Vorwurf der Unbestimmtheit ist noch zu sagen, daß auch „bei der zeitlich bestimmten Freiheitsstrafe außer der Zeitdauer alles unbestimmt ist, was ihre Intensität ausmacht und ihre unmittelbare und mittelbare Wirkung auf den Verurteilten betrifft" m . Irgendwelche staatsrechtlichen oder weltanschaulichen Bedenken gegen Zulässigkeit der unbestimmten Verurteilung können also heute nicht mehr anerkannt werden.

6. K a p i t e l :

Die praktische Ausgestaltung der Unbestimmten Verurteilung. § 16. System und Anwendungsbereich. Wir haben die unbestimmte Verurteilung als eine vorzügliche kriminalpolitische Maßnahme im Kampfe gegen die kriminelle Jugend kennengelernt. Wir haben weiter gesehen, daß strafrechtsdogmatische Bedenken gegen ihre Aufnahme ins Jugendstrafrecht nicht bestehen. Sie würde auch in diesem kein Fremdkörper sein. Der Erziehungsstrafvollzug nationalsozialistischen Gepräges, den uns die A V vom 22. Januar 1937 brachte, verfolgt dasselbe Ziel wie die unbestimmte Verurteilung: die Wiedergewinnung der kriminellen Jugendlichen für die Volksgemeinschaft. Alle seine Einrichtungen stehen unter diesem Leitstern. Wir haben damit einen Vollzug, der in das System der unbestimmten Verurteilung hineinpaßt. In dem bedingten Straferlaß enthält unser Recht eine weitere Einrichtung, die manches Gemeinsame mit der unbestimmten Strafe hat. Unser Entscheid muß demnach dahin gehen, in den Neubau unseres Jugendstrafrechtes die unbestimmte Verurteilung als einen wesentlichen Bestandteil aufzunehmen. Dabei bedarf es allerdings einer eingehenden Prüfung, um unter ihren vielen Formen die für uns Deutsche passendste Gestaltung zu finden. 870 Das befürchtete Oetker I S. 582. * 7 1 Eberh. Schmidt II S. 2 1 9 ; Beling S. 1 1 7 4 ; eingehend über das Problem der Straf Wirkung: Sieverts „Die Wirkungen der Freiheitsstrafe und Untersuchungshaft auf die Psyche des Gefangenen" 1929.

66 eine bestimmte Ausgestaltung der unbestimmten Verurteilung, nämlich die Übertragung der Entlassungsbefugnis auf eine Verwaltungsbehörde. Die Entscheidung kann ebenso gut einer richterlichen Instanz übertragen werden und zwar in einer Weise, die nicht nur den „Schein richterlicher Entscheidung" 370 trägt. Ein straff geregeltes Entlassungsverfahren wird weiter dafür sorgen, daß jedem Gedanken an Willkür und Rechtlosigkeit von vornherein der Boden entzogen wird. Zum Vorwurf der Unbestimmtheit ist noch zu sagen, daß auch „bei der zeitlich bestimmten Freiheitsstrafe außer der Zeitdauer alles unbestimmt ist, was ihre Intensität ausmacht und ihre unmittelbare und mittelbare Wirkung auf den Verurteilten betrifft" m . Irgendwelche staatsrechtlichen oder weltanschaulichen Bedenken gegen Zulässigkeit der unbestimmten Verurteilung können also heute nicht mehr anerkannt werden.

6. K a p i t e l :

Die praktische Ausgestaltung der Unbestimmten Verurteilung. § 16. System und Anwendungsbereich. Wir haben die unbestimmte Verurteilung als eine vorzügliche kriminalpolitische Maßnahme im Kampfe gegen die kriminelle Jugend kennengelernt. Wir haben weiter gesehen, daß strafrechtsdogmatische Bedenken gegen ihre Aufnahme ins Jugendstrafrecht nicht bestehen. Sie würde auch in diesem kein Fremdkörper sein. Der Erziehungsstrafvollzug nationalsozialistischen Gepräges, den uns die A V vom 22. Januar 1937 brachte, verfolgt dasselbe Ziel wie die unbestimmte Verurteilung: die Wiedergewinnung der kriminellen Jugendlichen für die Volksgemeinschaft. Alle seine Einrichtungen stehen unter diesem Leitstern. Wir haben damit einen Vollzug, der in das System der unbestimmten Verurteilung hineinpaßt. In dem bedingten Straferlaß enthält unser Recht eine weitere Einrichtung, die manches Gemeinsame mit der unbestimmten Strafe hat. Unser Entscheid muß demnach dahin gehen, in den Neubau unseres Jugendstrafrechtes die unbestimmte Verurteilung als einen wesentlichen Bestandteil aufzunehmen. Dabei bedarf es allerdings einer eingehenden Prüfung, um unter ihren vielen Formen die für uns Deutsche passendste Gestaltung zu finden. 870 Das befürchtete Oetker I S. 582. * 7 1 Eberh. Schmidt II S. 2 1 9 ; Beling S. 1 1 7 4 ; eingehend über das Problem der Straf Wirkung: Sieverts „Die Wirkungen der Freiheitsstrafe und Untersuchungshaft auf die Psyche des Gefangenen" 1929.

67 A. Das System. Die erste Frage, die wir zu entscheiden haben, ist die, ob das absolut oder relativ unbestimmte Urteil zu bevorzugen ist. Nirgends in der Welt gibt es die absolut unbestimmte Verurteilung Jugendlicher372. Auch im Schrifttum wird sie wohl von niemandem mehr gefordert 373 . Zwar muß die folgerichtige Durchführung der Spezialprävention zur unbegrenzten Strafe führen; denn nur so wird es ermöglicht, den Besserungsunfähigen unschädlich zu machen. Dazu ist aber zu sagen, daß im Jugendrecht der Erziehungsgedanke der unbestimmten Verurteilung den Stempel aufdrückt und der Sicherungszweck ganz zurücktritt. Wie es für die Erziehung eine untere Erfolgsgrenze gibt, so haben wir auch eine obere, nach deren Uberschreitung kaum noch auf Erziehungserfolge zu rechnen ist. Wenn diese beiden Grenzen den Rahmen der unbestimmten Strafe bilden, ist dem Erziehungszweck besser gedient als mit der vollkommen unbegrenzten Strafe 374 . Die absolut unbestimmte Strafe würde in der praktischen Durchführung große Schwierigkeiten bereiten, da den Vollzugsorganen jeder Anhaltspunkt fehlt. Entweder würde eine weitgehende Rechtsunsicherheit Platz greifen oder — was vielleicht wahrscheinlicher wäre — es würden sich in der Praxis gewisse Normalsätze herausbilden, die dann den Grenzen der relativ unbestimmten Strafe ähnelten. Für unser Jugendstrafrecht dürfte demnach nur die relativ unbestimmte Verurteilung in Frage kommen. Bei ihr gibt es drei Möglichkeiten der Begrenzung: nur eine Obergrenze, nur eine Untergrenze oder beide zusammen. In England, Österreich, Dänemark, Schweden und in den meisten Staaten Nordamerikas haben wir sowohl ein Strafmaximum als auch ein Strafminimum. Soweit man überhaupt schon Erfahrungen sammeln konnte, hat sidi dieses System des Strafrahmens gut bewährt. Das Schrifttum 375 ist in der Forderung des Strafmaximums mit Ausnahme von Frede einig. Frede376, der zwar eine untere Strafgrenze wünscht, lehnt das Maximum ab. Sein Standpunkt erklärt sich daraus, daß er die unibestimmte Verurteilung als Strafe für erwachsene Gewohnheitsverbrecher wünscht. Da bei diesen im Gegensatz zu den Jugendlichen das Hauptgewicht auf die Sicherung zu legen ist, könnte die Abschaffung des Strafmaximums hier zweckmäßig sein. Die als Erziehungsstrafe gedachte unbestimmte Verurteilung des Jugendrechtes verlangt eine obere Begrenzung. Teilweise fordert man lediglich ein Strafmaximum 377 . Man befürchtet, daß ein Strafminimum leicht als die eigentliche Strafe und 87S Abgesehen von der gelegentlichen praktischen Handhabung amerikanischen Staaten (vgl. oben § 4). 873 Vgl. Terjung S. 29. 874 Peters I V S. 572. 875 Siehe die in Anmerkung 3 7 7 und 3 7 9 Genannten. 876 S. 1 3 5 . 877 Freudenthal I S. 300 und I I S. 1 3 2 : Viscount Cave S. 237.

5*

in

einigen

68 jede Verlängerung als besondere Beschwernis aufgefaßt werde (Cave) und daß es u. U. der Freilassung Entlassungsreifer im Wege stehe (Freudenthal). Dieses zweite Bedenken ist weniger schwer; es wird zunichte, wenn man das Strafminimum mit der erfahrungsgemäßen unteren Erziehungsgrenze zusammenfallen läßt. Die Gefahren, die Cave sieht, lassen sich durch Belehrung der Gefangenen vermeiden378. Bei längerer Handhabung der unbestimmten Verurteilung wird sich auch von selbst herausstellen, daß nicht das Strafminimum, sondern vielleicht die Mitte des Strafrahmens die übliche Strafe bedeutet. Daß man aus praktischen Gründen einen Anhaltspunkt für die untere Begrenzung braucht, anerkennt auch Freudenthal, wenn er als Ersatz für das Strafminimum eine Mindestdauer zur Durchlaufung des Stufenvollzuges vorschreiben will. Aus praktischen Erwägungen und aus einer Rücksichtnahme auf die vielfach auch bei der unbestimmten Verurteilung zu beachtende Generalprävention und Vergeltung dürfte sich für uns die Einführung dés relativ unbestimmten Strafurteils mit oberer und unterer Grenze empfehlen379. Bei der unbestimmten Verurteilung mit Strafmaximum und -minimum kann der Rahmen ein für allemal vom Gesetzgeber oder von Fall zu Fall vom Richter festgelegt werden. Der Richter kann bei dieser Grenzsetzung ganz frei schalten (wie vereinzelt in Amerika) oder an den gesetzlichen Strafrahmen gebunden sein. Den ersten Fall können wir gleich ausschalten, da er in unser Strafrecht nicht hineinpaßt und sich auch in der Praxis nicht bewährt hat380. Das System der gesetzlichen Grenzsetzung haben wir in England, Dänemark, Schweden und vereinzelt in Amerika. Der Richter bestimmt den Rahmen in Österreich und in den meisten nordamerikanischen Staaten 381 . Im Gegensatz zum Gesetzgeber hat sich das Schrifttum so gut wie einhellig für die gesetzliche Grenzziehung ausgesprochen382. Mit Recht hat man für dieses System vorgebracht, daß es einen einheitlicheren und erfolgreicheren Strafvollzug ermögliche (Sieverts). Allerdings treffen die auf amerikanische Erfahrungen gegründeten Befürchtungen Freudenthals, die richterliche Grenzsetzung könne leicht zu einer Umgehung oder doch Verwässerung der unbestimmten Verurteilung führen, auf den deutschen Richter wohl nicht zu. In Österreich haben sich jedenfalls in dieser Richtung keine Unzulänglich378

Vgl. Bondy I I I S. 138. 8'» Vgl. Obermaier S. 7 ; Liszt II S. 497 und I I I S. 1 7 1 ; Kriegsmann S. 3 7 ; GLeispach III S. 160; Bleidt I 209 und II S. 3 1 ; Sieverts I V S. 4$ und V S. 2 3 7 . Vgl. Exner I S. 363. 881 Das österreidiische System sah auch der Entwurf 1930 vor. 382 Obermaier, Liszt, Kriegsmann, Bleidt, Sieverts und auch Freudenthal und Viscoynt Cave, alle a.a.O.; für die Rahmenbestimmung durch den Richter jetzt offenbar Peters I V S. $89/91, oder ist eine Vielzahl von gesetzlichen Rahmen beabsichtigt (S. 584)?

keiten herausgestellt. Ein weiterer Vorzug des englischen Systems (der gesetzlichen Grenzsetzung) liegt in der Erreichung einer weitergehenden Vereinheitlichung der Strafzumessung. Wenn dem einzelnen Richter die Bestimmung des Rahmens obliegt, behalten wir die Ungleichheit in der Strafzumessung, die bei der englischen Regelung wesentlich eingeschränkt ist, so daß der Strafvollzug dort ein erheblich leichteres Arbeiten hat. V o m Erziehungsstandpunkte ergibt sich die Forderung eines gesetzlichen Strafrahmens, der sich mit der oberen und unteren Erziehungsgrenze decken muß. Eine Bestimmung des Strafrahmens von Fall zu Fall ist aus erzieherischen Gründen nicht erforderlich, da die Erziehung nur innerhalb typischer Grenzen von Erfolg zu sein pflegt. Bei der Grenzsetzung im Einzelfall kann also nicht der Täter, sondern nur die T a t besser berücksichtigt werden. Die verschiedenen Strafrahmen können dann von Anfang an der jeweiligen Schwere der T a t Rechnung tragen383. Die Durchführung des Erziehungsgedankens aber verlangt, daß wir in erster Linie auf die Persönlichkeit des Täters abstellen. Eine Differenzierung zwischen den einzelnen Taten durch verschiedene Bemessung der Strafrahmen würde dem widersprechen. Soweit die objektive T a t berücksichtigt werden muß, kann es auch hinreichend bei der endgültigen Strafbemessung im gesetzlich festgelegten Rahmen geschehen. Das österreichische System soll es durch die Bemessung der Strafrahmen nach der Schwere der T a t ermöglichen, alle Straftaten Jugendlicher zu erfassen, auch die, bei denen ein erhebliches Vergeltungsbedürfnis besteht. Damit ist aber der Bereich der unbestimmten Verurteilung zu weit ausgedehnt. Straftaten, bei denen die Befriedigung des Vergeltungsbedürfnisses in den Vordergrund tritt, werden richtiger durch festbestimmte Strafen geahndet. Da bei ihnen erzieherische Gesichtspunkte auszuscheiden oder doch ganz zurückzutreten haben, ist für die unbestimmte Verurteilung kein Raum. Über diese Scheidung hinaus besteht jedoch kein Bedürfnis, Unterschiede mit Rücksicht auf die T a t zu machen. Die unbestimmte Verurteilung stellt den entscheidenden Schritt zum Täterstrafrecht dar. Die Rahmenfestsetzung im Einzelfall mit der weitgehenden Tatberücksichtigung bedeutet ein Stehenbleiben auf halbem Wege. Der gesetzliche Strafrahmen muß sich mit den erfahrungsgemäßen Erziehungsgrenzen decken. Als Mindestmaß der Straferziehung müssen wir neun, wenn nicht gar zwölf Monate ansetzen384. Im Höchstmaß können wir uns der englischen und dänischen Regelung von drei Jahren anschließen386. 888 Darin liegt die Gefahr eines Abgleitens in die „traditionellen Straftaxen" der Tatvergeltung (Sieverts V S. 237 Anm. 9). 884 So auch Schaffstein I S. 13; sonst wird meistens ein Jahr als Mindestmaß verlangt: Bleidt I S. 209; Gleispach III S. 160; Sieverts V S. 237; Peters I V S. 589. 385 So auch Sieverts V S. 237.

70 B. Die Voraussetzungen. Die erste Voraussetzung für die Verhängung der unbestimmten Strafe muß die Begehung einer mit Gefängnis bedrohten Straftat sein. Die unbestimmte Verurteilung soll in Fällen zur Anwendung kommen, wo wir heute noch feste Gefängnisstrafen verhängen. Diese Voraussetzung finden wir auch in den ausländischen Gesetzen über die unbestimmte Verurteilung (§ i Prevention of Crime Act; § 12 österreichisches J G G ; § 41 dänisches StGB; § 1 schwedisches Gesetz über das Jugendgefängnis und auch Art. 72 Ziffer 9 des Entwurfs von 1930). Der Täter muß zur Zeit der Aburteilung der Tat jugendlich sein. Der Entwurf von 1930 wollte die unbestimmte Verurteilung auch auf die nur zur Zeit der Begehung der T a t Jugendlichen ausdehnen. Der Weg erscheint nicht empfehlenswert. Wir wollen die unbestimmte Strafe als Sonderstrafe für Jugendliche, weil wir an ihre erzieherische Wirkung glauben. Erzogen werden können aber nur junge Menschen. Es ist deshalb nötig, sie auf nicht zu alte Rechtsbrecher anzuwenden. Entscheidend ist, daß jemand noch zur Zeit des Strafvollzuges erziehungsfähig ist; ob er es zur Zeit der Tatbegehung war, ist bedeutungslos. Nur so wird der Grundgedanke der unbestimmten Verurteilung gewahrt. Durch das Abstellen auf das Alter bei Tatbegehung können — wenn z. B. ein Verbrechen erst kurz vor der Verjährung aufgedeckt wird — Rechtsbrecher unter die Vorschriften der unbestimmten Verurteilung fallen, bei denen wir von vornherein keine Hoffnung auf Besserung haben386. Es ist deshalb richtiger, auf das Alter bei Aburteilung der Tat abzustellen und so die unbestimmte Strafe nur an wirklich bildsamen Altersklassen vollziehen zu lassen; Das entspricht auch der österreichischen Regelung387. Sinn und Aufgabe der unbestimmten Verurteilung ist es, jugendliche Rechtsbrecher zu bessern, zu resozialisieren. Wo es nichts zu erziehen gibt, da ist sie nicht angebracht. Sie soll deshalb nur auf Zustands- und nicht auf Augenblicksverbrecher Anwendung finden388. Die Frage, ob der Jugendliche erziehungsbedürftig ist, muß jedoch mit besonderer Sorgfalt geprüft werden. In aller Regel wird der straffällige Jugendliche irgendeinen Defekt haben, bei dem eine intensive Erziehung ansetzen kann und muß. Die Straftat ist ja ein Treubruch, eine Verletzung der sozialen Verpflichtungen gegenüber der Volksgemeinschaft. Eine gründliche Erziehung zur sozialen Verantwortlichkeit wird deshalb bei den meisten Jugendlichen nötig sein. Der Charakter der unbestimmten Verurteilung als Erziehungsstrafe ist in allen ausländischen Regelungen zum Ausdruck gekom386 Der Entwurf 1930 vermied das durch die fakultative Einführung der unbestimmten Strafe. 387 Kadecka S. 46, 88. 888 Gleispach I S. 240; Zimmerl I S. 430.

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men. Uberall wird sie nur dort angesetzt, wo der Jugendliche einer intensiven Erziehung bedarf. Das wird auch für uns das Ziel sein müssen, nur mit dem Unterschied, daß wir eine Erziehungsbedürftigkeit entsprechend unseren höheren Anforderungen an die soziale Einstellung des einzelnen eher bejahen werden als liberale Staaten389. Neben die Besserungsbedürftigkeit des jugendlichen Rechtsbrechers tritt seine Besserungsfähigkeit. Sie ist in England, Dänemark und Schweden ausdrücklich unter die Voraussetzungen der unbestimmten Verurteilung aufgenommen. Das war nötig wegen der weitgespannten oberen Altersgrenze. Bei uns soll die unbestimmte Verurteilung zunächst nur für Jugendliche in Frage kommen. An ihnen müssen wir versuchen, was sich versuchen läßt. Mögen die Aussichten auf Erfolg bei ihnen auch noch so gering sein, „bei Menschen in diesem Alter darf nicht die letzte Hoffnung aurgegeben werden" 390. Es darf für die unbestimmte Verurteilung den Begriff des von vornherein besserungsunfähigen Jugendlichen nicht geben. Erst wenn ihr Erziehungssystem versagt hat, können wir einen jungen Menschen als ¡besserungsunfähig bezeichnen. Die Strafe ist auch im nationalsozialistischen Jugendrecht die Ausnahme 391 . Nur dort soll gestraft werden, wo die Persönlichkeit des Täters oder die Rücksicht auf die Gemeinschaft eine Bestrafung erfordert. In allen anderen Fällen müssen Erziehungsmaßregeln ausreichen392. Die Abgrenzung der Bereiche von Strafe und Erziehungsmaßnahme macht Schwierigkeiten. Es ist jedoch nicht richtig, den Anwendungsbereich der Strafe so einzuschränken, daß sie nur in seltenen Ausnahmefällen verhängt wird 393 . Die Gründe, die für die Beibehaltung der Strafe im Jugendrecht sprechen, verlangen auch eine nicht allzu starke Einschränkung ihrer Anwendung. Gerade die unbestimmte Verurteilung als ausgesprochene Erziehungsstrafe kann weiter in den Bereich der Erziehungsmaßregel eingreifen, als es bei einer festbestimmten Strafe verantwortet werden könnte. Wir haben als Voraussetzungen für die unbestimmte Verurteilung aufgestellt: Es muß sich handeln um eine mit Gefängnis 'bedrohte Straftat eines besserungsbedürftigen und auch noch zur Zeit der Aburteilung jugendlichen Rechtsbrechers, ohne daß die Anordnung von Erziehungsmaßregeln mit Rücksicht auf Täter und Tat ausreichend erscheint. Eine, wenn auch kleine Gruppe von Fällen muß hiervon ausgenommen werden. Es sind diejenigen Straftaten, bei denen Ver380 Eine Aufzählung der Fälle der Erziehungsbedürftigkeit, wie in § i Prevention of Crime Act, dürfte überflüssig sein. 390 Nörr i. „Kameraaschaftsarbeit" S. 96; Freisler, ebenda S. 2, 74. 391 Schaffstein II S. 65; ßehnke S 542; Kohlrausch I S. 472. 392 Die Frage, ob die gegenwärtig vorhandenen Erziehungsmaßregeln ausreißen oder durch neu., etwa den Ju^endarrest, ergänzt bzw. ersetzt werden müssen, soll hier nicht erörtert werden. 393 Wie es Schaffstein (I S . 8/9; II S. 6j/66) fordert.

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geltungsbedürfnis und Generalprävention den spezialpräventiven Erwägungen vorgehen und eine höhere Bestrafung verlangen, als vom erzieherischen Standpunkte gebilligt werden kann. Das ist das Anwendungsgebiet der langen festbestimmten Strafen. Es handelt sich aber um ausgesprochene Ausnahmefälle, um zur schwersten Kriminalität gehörige Straftaten (Mord, Landesverrat, Hochverrat). Insofern wird die festbestimmte Strafe auch in Zukunft noch ihren Platz im Jugendstrafrecht behaupten können. Durch die unbestimmte Verurteilung können wir auch die kurze Freiheitsstrafe, deren Schädlichkeit immer wieder betont worden ist304, vermeiden. Ein großer Teil dieser Kurzstrafen wird schon durch eine erweiterte Anwendung der Erziehungsmaßregeln entbehrlich werden. Es bleibt aber noch eine Lücke zwischen der Erziehungsmaßregel und der sofort vollstreckten, mindestens neun Monate dauernden unbestimmten Strafe. Auf diese Lücke hat Francke393 bei der Besprechung der Schaffsteinschen Vorschläge (Die Erneuerung des Jugendstrafrechtes) zutreffend hingewiesen. Diese Lücke kann ausgefüllt werden durch die sich stufenförmig steigernden Institute des Strafvorbehaltes (vgl. § 13 österr. JGG), der sofortigen Strafaussetzung (§ 10 Abs. 1 J G G ) und des Vorbehaltes der Strafaussetzung (§ 10 Abs. 2 JGG). Alle diese Maßnahmen haben ihre eigene Bedeutung und zwischen ihnen bestehen „deutlich spürbare Unterschiede der erzieherischen Auswertbarkeit"896. In allen drei' Fällen könnte die Strafe unibestimmt sein. Sie würde durch ihre Schwede einen starken Druck auf den Jugendlichen ausüben. Wenn dieser sich auch hierdurch nicht zu einem einwandfreien Lebenswandel bestimmen läßt, so daß die schwebende Strafe verbüßt werden muß, dann ist er auch durchaus erziehungsbedürftig. Es ist demnach angebracht, mit aller Schärfe zuzugreifen. Es muß hier für die Reaktion des Staates das Wort Freislers gelten: „möglichst früh und mit aller Macht!" 397 Die unbestimmte Verurteilung ist am Platze. Sie allein ist geeignet, den auf abschüssiger Bahn befindlichen Jugendlichen wieder aufzufangen. Kurze Freiheitsstrafen würden den Verwahrlosungsprozeß nur noch fördern. Eine Sonderstellung nehmen die nicht erziehungsbedürftigen Jugendlichen, die Augenblicksverbrtecher, ein. Sie werden, das ist schon oben gesagt, selten sein. Aber es gibt junge Rechtsbrecher, die einer so intensiven Erziehung, wie die unbestimmte Verurteilung sie ibezweckt, nicht bedürfen. Bei einer Reihe von ihnen werden Vergeltungsbedürfnis und Generalprävention lange Freiheitsstrafen fordern; zwischen diesen und der entsprechenden Gruppe der Erziehungsbedürftigen besteht also kein Unterschied. Bei einer großen 3M 8,5 989 m

Vgl. Schaffstein I S. 12. II S. 145. Francke a.a.O. In „Das kommende deutsche Strafrecht" S. 22.

73 Anzahl werden Erziehungsmaßregeln genügen398. Bei anderen wird der Strafvorbehalt oder eine Form der Strafaussetzung am Platze sein. Hier kann die Strafe ruhig unbestimmt sein; denn, wenn der Jugendliche es zur Verbüßung kommen läßt, kann er als erheblich erziehungsbedürftig angesehen werden. Schwierigkeiten machen aber die Fälle, in denen Vergeltungsbedürfnis oder Generalprävention ohne Rücksicht auf die Persönlichkeit des Täters nicht nur die Verhängung, sondern auch die sofortige und unbedingte Verbüßung einer, wenn auch gar nicht langen Freiheitsstrafe fordern. Solche Fälle werden vermutlich selten sein. Ein etwaiger Jugendarrest würde hier nicht oder mindestens nicht überall aureichen, da er nur Erziehungsmaßregel ist. Es muß deshalb auch für diese Ausnahmefälle die festbestimmte Freiheitsstrafe beibehalten werden. Wir hätten demnach für zwei kleine Sondergruppen noch festbestimmte Freiheitsstrafen399. Im übrigen muß die Strafe für alle Fälle der „bedenklichen Entwicklungskriminalität und der Frühkriminalität" (Sieverts a.a.O.) unbestimmt sein. Eine Ermächtigung des Richters, nach freiem Ermessen zwischen bestimmter und unbestimmter Verurteilung zu wählen (wie in England, Österreich und nach dem Entwurf 1930), darf es nicht geben400. Die unbestimmte Verurteilung muß zwingend vorgeschrieben werden. Sie hat den Regelfall darzustellen. Eine Ausnahme darf es nur in den oben erwähnten beiden Fällen geben. Sie bedarf als Abweichung von der Regel eingehender Erörterung in den Urteilgründen. "Wohin eine gegenteilige Regelung führen kann, zeigen uns die österreichischen Verhältnisse. Die Rahmenstrafe wird dort infolge der Ermessungsklausel trotz kriminalpolitischer Bewährung nur. selten angewendet. $ 17. Die Entlassung. Die Entlassung des Gefangenen soll innerhalb der Strafgrenzen in dem Zeitpunkte erfolgen, in dem er zur Entlassung reif ist. Die Feststellung der Entlassungsreife, der Sozialtauglichkeit, ist nicht einfach. Alles, was diese Entscheidung fördern kann, muß deshalb zur Beurteilung herangezogen werden. Schon aus diesem Grunde darf die Tat nicht übergangen werden. Dahingehende Befürchtungen sind grundlos401. Der Tat kommt sogar ein entscheidendes Gewicht zu, 898 Allerdings nidit Fürsorgeerziehung, denn die setzt wie die unbestimmte Verurteilung eine erhebliche Erziehungsbedürftigkeit voraus. Andere Maßregeln erziehlichen Charakters können auch für die „Nichterziehungsbedürftigen" am Platze sein, da dieser Begriff cum grano salis zu verstehen ist. Denn eine gewisse Erziehung hat jeder Jugendliche, und insbesondere der straffällige, nötig. 398

So auch Sieverts V S. 2 3 7 . A . A . Peters I V S. 5 92. 401 Zum Beispiel Kahl in Verhandlungen Bd. 3 S . 385. 400

des 28" Deutschen

Juristentages

74 denn sie gibt uns regelmäßig den deutlichsten Einblick in die soziale Einstellung des Täters. Schon allein die Tatsache, daß seine Gefährlichkeit abhängig ist von der Bedeutung des durch ihn verletzten Rechtsgutes, kennzeichnet die Maßgeblichkeit der Tat für die zu treffende Entscheidung. Der Vorteil der unibestimmten Verurteilung ist, daß das endgültige Urteil nicht schon in der Hauptverhandlung abgegeben zu werden braucht, sondern erst in einem wesentlich späteren Zeitpunkt. Dadurch wird die Entscheidungsbasis wesentlich verbreitert. Die Tat und die inneren Beziehungen des Täters zu ihr werden im Laufe des Strafvollzuges weiter erschlossen, als es vorher möglich ist402. Dir Wirkung der Strafe auf den Täter ist ferner ein gutes Mittel, seinen Charakter und seine Veranlagung kennenzulernen. Auch sonst wird der Vollzug Aufschluß über die Persönlichkeit und die soziale Brauchbarkeit des Täters vermitteln. Der intensive, vielseitige Erziehungsstrafvollzug gibt hierzu im Gegensatz zum Vollzug bei den Erwachsenen hinreichend Gelegenheit. Hinzu kommt noch das durch eingehende kriminalbiologische Untersuchung und Beobachtung gewonnene Material. Das Bild, das wir bei der unbestimmten Verurteilung im Augenblick der Strafbemessung von Tat und Täter haben, ist also wesentlich abgerundeter als zur Zeit der Hauptverhandlung, die soziale Prognose ist besser fundiert 408 . In den bisherigen gesetzlichen Regelungen der unbestimmten Verurteilung erfolgt die' Entlassung stets nur zur Probe; lediglich Schweden kennt daneben auch die unbedingte Entlassung. Die bedingte Entlassung hat sich als eine ausgezeichnete praktische Ergänzung der unbestimmten Strafe erwiesen404. Sie stellt ein Sicherheitsventil dar, wenn einmal die Entlassungsbehörde eine Fehlentscheidung getroffen hat. Es würde sich deshalb auch für uns empfehlen, die unbestimmte Verurteilung mit dem Institut der bedingten Entlassung zu verbinden und die endgültige Entlassung vom Wohlverhalten des vorläufig Entlassenen während der Probezeit abhängig zu machen406. Diese Probezeit dürfte nicht als ein unwichtiges Anhängsel angesehen, sondern müßte als ein bedeutungsvoller Teil des gesamten Vollzuges ausgestaltet werden. Die intensive Probezeit hat in England einen erheblichen Anteil an den Erfolgen des Borstal-Systems. Auch das österreichische, dänische und schwedische Recht legen großes Gewicht auf diesen Vollzugsabschnitt. Im nationalsozialistischen Staate könnte auf diesem Gebiete Ausgezeichnetes geleistet werden. Die staatliche Jugendflege in Zusammenhang mit der NS. Volk'swohlfahrt und der Hitler-Jugend könnte eine Fürsorge und Kontrolle durchführen, wie sie in anderen Ländern kaum möglich ist. Die Probezeit kann ihrer Aufgabe nur gerecht werden, wenn sie nicht Peters III S. 745. Gleispach I S. 237. 404 Vgl. auch § 42 h StGB für die Sicherungsverwahrung. . 4 0 5 So auch Sieverts "V 238; a. A. Peters IV S. 594, der für Ausnahmefälle die unbedingte Entlassung vorschlägt. 403 ,os

75 allzu kurz bemessen ist. Als einheitliche Probezeit käme etwa eine Frist von zwei Jahren in Frage. Dem normalen Anstaltsaufenthalt von vieleicht zwei Jahren würde dann eine eben so lange Probezeit folgen. Diese Regelung entspricht der in England üblichen408. Eine für alle Fälle einheitliche Probezeit erleichtert ihre Durchführung und ist deshalb allen anderen Regelungen vorzuziehen. Die Fürsorge für den bedingt Entlassenen muß rechtzeitig einsetzen. Vor allem ist die Beschaffung eines Arbeitsplatzes oder einer sonstigenBetätigungsmöglichkeitvon entscheidender Wichtigkeit. „Müßiggang, Not und Verführung müssen dem jungen Gefangenen erspart bleiben, wenn er der Volksgemeinschaft als taugliches Glied erhalten werden soll" 407. Die Borstal-Association hat nicht umsonst gerade auf diesem Gebiete intensive und erfolgreiche Arbeit geleistet. Von hervorragender Bedeutung ist die Frage, wer über die Entlassung entscheiden soll. In England ist dafür zuständig die Prison Commission, in Österreich ist es die Strafvollzugsbehörde, eine beim Gericht erster Instanz gebildete Sonderkommission, in Dänemark der Gefängnisausschuß, in Schweden ein besonderes Amt und in Amerika gibt es dafür alle möglichen Einrichtungen. Es herrscht also ein buntes Gemisch von Regelungen, nach denen teils reinen Verwaltungsbehörden (so in England), teils mehr oder minder geriditsähnlichen Instanzen (so z. B. in Österreich) die Entscheidung über die Entlassung obliegt. Audi die viel erörterte Streitfrage, ob der Anstaltsleiter Sitz und Stimme im Entlassungsamt haben soll, ist verschieden beanwortet worden. Österreich hat sie z. B. positiv entschieden. Die Mannigfaltigkeit zeigt uns, daß gerade diese Bestimmungen sehr von der völkischen Eigenart und dem jeweiligen Staatsund Behördenaufbau abhängen, so daß eine rechtsvergleichende Betrachtung wenig Positives bieten kann. Audi im deutsdien Schrifttum sind zahlreiche Vorschläge für die Entlassungsinstanz gemacht worden. In der Grundfrage, ob ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde entscheiden soll, hat man sich fast einhellig für das Gericht oder doch eine gerichtsähnliche Kommission entschieden408. Diesen Weg hat auch der Gesetzgeber bei der Regelung der Sicherungsverwahrung eingeschlagen. Im Jugendrecht ist diese Frage wesentlich einfacher zu beantworten, denn hier ist eine Mitwirkung des Jugendrichters nicht zu entbehren. v. Liszt und Freudenthal haben mehrköpfige Kommissionen vorgeschlagen. Diese für das Erwachsenenstrafrecht empfohlene Entlassungsinstanz hat Bleidt zunächst ähnlich auch für das Jugendrecht gefordert409. Ein Amt von zwei Vormundschaftsrichtern (nicht Jugendrichter) und zwei sachverständigen Laienbeisitzern sollte unter 406

Quentin-Sieverts S. 68/69. Eichler i. „Kameradschaftsarbeit" S. 105. 408 Freudenthal I S. 308, 3 1 9 ; Liszt II S. 493 ff; Bleidt I S. 209; Gleispach I S. 242; Terjung S. 39; Peters I V S. 595/96. 409 I S. 209. 407

76 dem Vorsitz eines Landgerichtsdirektors über die Entlassung entscheiden. Inzwischen ist Bleidt von diesem Plan abgerückt. Er schlägt jetzt410 vor, kein besonderes Entlassungsamt einzurichten, sondern die Entlassungsfrage im "Wege enger Zusammenarbeit zwischen Jugendrichter und Strafanstalt zu lösen. Er berichtet, daß er bei der heutigen bedingten Entlassung und bei anderen Fragen in mehrjähriger Praxis mit einer solchen Zusammenarbeit ausgezeichnete Erfahrungen gemacht habe 411 . Mir scheint dieser aus der Praxis gewachsene Weg der beste. Der Jugendrichter allein muß in allen Fällen (d. h. auch dort, wo noch eine zweite Instanz geurteilt hat) nach enger Zusammenarbeit mit dem Anstaltspersonal die Entlassungsentscheidung treffen. Als Berufsrichter kann er durch etwa allwöchentlich stattfindende Anstaltsbesuche die nötige Fühlungnahme mit den Anstaltsbeamten und vor allem auch mit den Gefangenen aufrechterhalten. Diese Besuche soillen ihm die erforderlichen Unterlagen für seine Entscheidung vermitteln. Sie sind von höchster "Wichtigkeit, da sie ihn erst instand setzen, wirklich selbständig zu urteilen. Trotz der dauernden Zusammenarbeit zwischen Richter und Anstaltspersonal ist es doch empfehlenswert, daß die leitenden Gefängnisbeamten (Leiter, Arzt, Lehrer, Fürsorger, Geistlicher) ihre Auffassung von den Gefangenen zu den Entscheidungsterminen in schriftlichen Gutachten niederlegen, da sonst insbesondere bei Personalwechsel wertvolles Material verloren gehen kann. Eine derartige enge Zusammenarbeit kann mit einer schwerfälligen mehrgliedrigen Kommission nicht durchgeführt werden. Den Laienbeisitzern ist es schon aus rein zeitlichen Gründen gar nicht möglich, die unbedingt nötigen Anstaltsbesuche einzuhalten. Ferner sind die Besuche eines einzelnen viel ungezwungener und darum aufschlußreicher. Eine Kommission wird ihre Entscheidung deshalb überwiegend auf Anstaltsberichte und nicht auf eigene Beobachtungen stützen. Eine weitere Frage ist, ob der Jugendrichter der Hauptverhandlung oder der Jugendrichter des Anstaltsbezirkes über die Entlassung entscheiden soll. Bei der Sicherungsverwahrung entscheidet — wie es auch nach dem Entwurf 1930 für die unbestimmte Verurteilung des Jugendstrafrechtes vorgesehen war 412 — das Vollstreckungsgericht, d. h. das Gericht erster Instanz. Diese Lösung wird vielfach mißbilligt und statt dessen eine einheitliche Entlassungsinstanz für die Insassen einer Anstalt gefordert418. Es erscheint zweckmäßiger, den Jugendrichter des Anstaltsortes oder -bezirkes zum Entlassungsrichter zu bestellen. Dadurch erreichen wir eine einheit410 II S. 29; so auch Gleispadi I S. 242, der Entwurf 1930 (vgl. Härtung S. 895) und Peters IV S. 596. 411 Audi in Hamburg besteht eine enge und erfolgreiche Zusammenarbeit von Jugendrichter und Jugendgefängnis. 412 Härtung a.a.O. 418 Exner III S. 239/241; Mayr S. 28/29.

77 liehe Handhabung für alle Anstaltsinsassen, während bei mehreren Richtern eine ungleiche Behandlung unvermeidbar wäre. Außerdem kann nur der Jugendrichter des Anstaltsbezirkes die Anstaltsbesuche ohne zeitliche Schwierigkeiten und erhebliche Kosten durchführen. Es hat allerdings den Nachteil, daß er einen Teil der Jugendlichen nicht schon aus der Hauptverhandlung kennt. Das aber ist gegenüber den obigen Erwägungen das geringere Übel. Eine schlechthin ideale Lösung läßt sich eben nicht finden. Wenn auch der Entlassungsrichter in dauernder Verbindung mit den Gefangenen steht, so ist es doch wünschenswert, daß er zu bestimmten Terminen Entscheidungen über die Entlassungsfähigkeit treffen muß414. Diese Entscheidungen können, auch wenn sie negativ für den Gefangenen ausfallen, den Strafvollzug intensivieren und erzieherisch vertiefen. Dem Jugendlichen wird in eindrucksvoller Form gesagt, was ihm noch zur vollen sozialen Tauglichkeit fehlt und in welcher Richtung er noch an sich selbst arbeiten muß. Die regelmäßigen Termine stellen dem Gefangenen ein unmittelbar greifbares Ziel vor Augen und geben ihm stets einen neuen Impuls. Allerdings dürfen sie nicht zu oft stattfinden: zunächst nach Ablauf der Mindestzeit, also 3/4 Jahr nach Strafantritt, zum zweiten Male etwa nach weiteren neun Monaten und dann halbjährlich. Um dem Jugendlichen keine unberechtigten Hoffnungen zu machen und ihn vor schädlichen Enttäuschungen zu bewahren, müßte ihm von Anfang an gesagt werden, daß die übliche Strafzeit etwa zwei Jahre betrage und daß frühere Entlassung die Ausnahme bilde. Dänemark und Schweden haben diese regelmäßige Prüfung gesetzlich vorgeschrieben (§ 42 Borgerlig Straffelov: alljährlich; § 13 schwedisches Gesetz über das Jugendgefängnis halbjährlich). Unsere Sicherungsverwahrung wird ebenfalls in vorgeschriebenen Zeiträumen überprüft (§ 42 f StGB). Gegen die Entscheidung des Entlassungsrichters darf es kein Rechtsmittel geben415. Das Rechtsmittelgericht kann nicht die eingehende Kenntnis des Jugendrichters haben, es wäre auf Anstaltsberichte und oberflächliche eigene Beobachtungen angewiesen. Eine erschöpfende Nachprüfung der Entscheidung wäre also gar nicht möglich. Auch würden derartige umfangreiche Verfahren die Durchführung und den Charakter des Strafvollzuges beeinträchtigen. Die regelmäßigen Prüfungstermine sorgen schon weitgehend dafür, daß gründlich und gerecht verfahren wird. Der Entlassungsrichter muß daneben auch über den Widerruf der vorläufigen Entlassung entscheiden. Die Widerrufsgründe bilden ganz allgemein schlechte Führung und Zuwiderhandlung gegen auferlegte Verpflichtungen. Läßt der bedingt Entlassene sich während der Probezeit nichts zu schulden kommen, so wird die vorläufige Entlassung endgültig. Damit ist die unbestimmte Strafe verbüßt. 414 416

So auch Peters I V S. $95. So auch Peters IV S. $97.

78 Anhang:

Die Unbestimmte Verurteilung Halberwachsener. Außerhalb des eigentlichen Rahmens dieser Arbeit soll in aller Kürze die Frage gestreift werden, ob die unbestimmte Verurteilung auch über den Kreis dei Jugendlichen hinaus auf andere junge Rechtsbrecher Anwendung fii.ien kann. Die Verbrechergruppe, für die nächst den Jugendlichen die unbestimmte Strafe mit ihrem ausgesprochenen Erziehungscharakter in Frage kommen kann, isc die der Halberwachsenen. Die Halberwachsenen stellen im Gegensatz zu den Jugendlichen jedoch keine vom Gesetzgeber festumrissi »ie Altersstufe dar. Es besteht daher keine Einstimmigkeit darüber welche Jahrgänge zu den Halberwachsenen zu rechnen sind, wenn luch überwiegend nur die 18- bis 21jährigen zu ihnen gezählt werden 416 . Wenn man die Gruppe der Halberwachsenen altersmäßig umreißen will, so muß n«an sich zuvor darüber klar werden, welche typischen Entwicklungsstufen des menschlichen Lebens in ihr begriffen sein sollen. Es sollen erfaßt werden die jungen Menschen, die zwar keine Jugendlichen im Sinne des Gesetzes mehr sind, die aber ebenso wenig als fertige Männer und Frauen angesehen werden können. Sie sind keine fugendlichen mehr, denn die Krise der Pubertät liegt in aller Rege? hinter ihnen. Aber doch stehen auch sie noch in der geistigen, seelisthen und willensmäßigen Entwicklung 417 . Das hindert uns, sie als ausgereifte Erwachsene zu betrachten und zu behandeln. Nun vollzieht sich der Entwicklungsprozeß bei jedem Menschen verschieden. Es ist deshalb schwer, die Zeit des Halberwachsenseins in einer für alle passenden Weise zu bestimmen. Aber doch muß es im Interesse klarer rechtlicher Verhältnisse geschehen. Die untere Grenze ergibt sich m«t 18 Jahren ohne weiteres aus dem Begriff des Jugendlichen. Die ol-cre Grenze muß, um den Verschiedenheiten der menschlichen Natur weitgehend gerecht zu werden, möglichst hoch angesetzt werden. Das 25. Lebensjahr käme hier als äußerster Zeitpunkt in Frage. Dunn ist bei allen Menschen die Entwicklung zu einem gewissen Abschluß gekommen. Bei den meisten wird es schon früher der Fall seif etwa mit 21 Jahren. Es ist deshalb richtig, die Halberwachsenen für den Bereich einer strafrechtlichen Sonderbehandlung in zwei Gruppen zu teilen: In die 18- bis jährigen, bei denen in aller Regel die für die Übergangszeit vom Jugendlichen zum Erwachsenen typische Beschaffenheit vorliegt, und die 2 1 - bis 2 j jährigen, bei denen das nur noch ausnahmsweise der Fall ist 418 . 416

Peters II S. 49 $. Freisler in „Kameradschaftsarbeit" S. 74. 418 Dieser Vorsdiiag entspricht der für den Jugendstrafvollzug getroffenen Regelung (§§ 3 — 5 der A V ) . 417

79 Die Halberwachsenen bilden eines der dringlichsten Probleme unserer Strafreditserneuerung419. Das materielle Strafrecht kennt den Begriff der Halberwachsenen bisher nicht. "Wer dem Jugendgerichtsgesetz entwachsen ist, unterliegt uneingeschränkt dem Erwachsenenstrafrecht. Die Vollendung des 18. Lebensjahres bedeutet strafrechtlich einen schroffen Wechsel ohne jeden Übergang. Das ist gerade heute, w o sich das Jugendstrafrecht in seinem Wesen und in seinen Grundlagen klar vom allgemeinen Straf recht scheidet, doppelt bedeutsam420. Dieser allzu scharfe Ubergang muß durch eine Sonderbehandlung der halberwachsenen Rechtsbrecher gemildet und — der menschlichen Entwicklung entsprechend — elastisch ausgestaltet werden. Neben der Unzulänglichkeit des gegenwärtigen Rechtszustandes macht die große Zahl der jungen Strafgefangenen das Problem der Halberwachsenen wichtig und dringlich. Während die Zahl der in Strafhaft befindlichen Jugendlichen etwa 200 bis 300 beträgt, sind es bei den 18- bis 21jährigen über 2000 und bei den 2 1 - bis 25jährigen gar 9000 (einschließlich etwa 2000 Zuchthausgefangener). In den Jugendgefängnissen machen die Jugendlichen nur etwa 10 v. H. der Insassen aus 421 . Schon diese wenigen Zahlen zeigen, welche Bedeutung die Freiheitsstrafe bei den Halberwachsenen hat. Die Frage der Halberwachsenen muß auch im materiellen Strafrecht durch eine Sonderbehandlung dieser Jahrgänge gelöst werden. Ihre uneingeschränkte Gleichstellung mit den Erwachsenen ist verfehlt. Es ist ein Unterschied, ob eine Straftat von einem erwachsenen Menschen begangen wird oder von einem in der Entwicklung begriffenen, innerlich noch nicht gefestigten Jungmanne. Der Halberwachsene hat noch nicht die Hemmungen, die wir vom Erwachsenen erwarten. Der Schuldvorwurf, den wir einem entwickelten Menschen wegen einer bestimmten Tat machen, wiegt deshalb schwerer als bei einem Halberwachsenen. Kriminalpolitisch ergibt sidi aus der •geringeren Schuldintensität und Widerstandsfähigkeit des jungen Menschen gegen verbrecherische Einflüsse und Neigungen die Möglichkeit und die Hoffnung, eine große Anzahl gestrauchelter Jungmannen zu einem ordentlichen Leben erziehen zu können. Das Interesse der Volksgesamtheit gebietet uns, diese Aussichten restlos auszunutzen. Soweit ein Halberwachsener erziehbar ist, darf man sich nicht damit begnügen, ihn dem Jugendstrafvollzug zu überweisen422. Um nicht auf halbem Wege stehen zu bleiben, muß schon die Strafe selbst eine nach pädagogischen Grundsätzen bemessene Erziehungsstrafe sein. Die Erziehungsstrafe für junge Rechtsbrecher ist die unbestimmte Strafe. Sie muß über den Kreis der Jugendlichen hinaus auch auf 'Halberwachsene anwendbar sein423. Die Betonung des Erziehungs4i,

Sdiaffstein III S. 347; Sieverts V S. 241/42. Sdiaffstein III S. 347/48; Peters II S. JOO/OI. * al Nähere Angaben bei Krellenberg i. „Kameradschaftsarbeit". * " Wie es nach den §§ 3—5 der A V v. 12. 1. 1937 geschieht. 483 Sieverts V S. 242. 420

80 gedankens und die Bemessung der Strafe nach den Erfordernissen des Vollzuges sind ebenfalls für die Halberwachsenen kriminalpolitische Notwendigkeiten, wenn auch nicht in demselben Maße wie im Jugendstrafrecht. Der Richter muß — ohne Rücksicht darauf, ob wir den Halberwachsenen vor den- Jugendrichter oder vor das Erwachsenengericht stellen — die Möglichkeit haben, Halberwachsene unbestimmt zu verurteilen. Entscheidend f ü r die Anwendbarkeit der unbestimmten Verurteilung ist allein die Erziehbarkeit des Täters. Nur in erfolgversprechenden Fällen soll sie verhängt werden. Der Gesichtspunkt, daß die Schuld des Halberwachsenen vielfach geringer ist als die des Erwachsenen, spielt für die Anwendung der unbestimmten Strafe nur dann eine Rolle, wenn daraus im Einzelfalle auf eine größere Erziehbarkeit geschlossen werden kann. Denn die unbestimmte Verurteilung ist eine Erziehungsstrafe und keine Vergünstigung für vermindert Schuldfähige. "Während im Jugendstrafrecht die Anwendung der unbestimmtenten Strafe grundsätzlich zwingend sein soll, muß ihre Anwendung auf Halberwachsene im Ermessen des Richters stehen. Bei den Jugendlichen gehen wir davon aus, daß nichts zu ihrer Wiedergewinnung für die Volksgemeinschaft unversucht bleiben darf und dazu alle Mittel angewendet werden müssen. Anders ist es bei den Halberwachsenen. Bei ihnen wird von Fall zu Fall zu prüfen sein, ob eine erzieherische Einwirkung aussichtsreich ist. Bei den 2 1 - bis 25jährigen Rechtsbrechern werden nur diejenigen in Frage kommen, die „in ihrer körperlichen, geistigen oder willensmäßigen Entwicklung noch unfertig sind" (§ j AV). Nur bei ihnen werden Erziehungsversuche Aussicht auf Erfolg bieten. Günstiger ist die Lage bei den 18bis 21 jährigen Halberwachsenen. Aber auch bei ihnen ist eine Auslese nötig, denn „gerade aus den 18- bis 21jährigen rekrutiert sich ein nicht geringer Teil des Großstadtverbrechertums" 424 . Eine weitere Einschränkung des Anwendungsbereiches der unbestimmten Verurteilung gegenüber den Halberwachsenen ergibt sich aus der verschiedenen Einstellung der Öffentlichkeit zu den Taten der Jugendlichen und der Halberwachsenen. Bei den Handlungen Jugendlicher ist sie weit eher zur Nachsicht geneigt und empfindet nicht dasselbe Sühnebedürfnis, das Delikte Halberwachsener auszulösen pflegen. Der Grundsatz des Jugendstrafrechtes, daß in Einzelfällen vor dem Vergeltungs- und Generalpräventionszweck alle anderen Strafziele zurückzutreten haben, gilt erst recht bei Straftaten Halberwachsener. Gegenüber den 2 1 - bis 2 j jährigen bilden Sühnebedürfnis der Volksgemeinschaft und generalpräventive Erwägungen sogar die vornehmlichen Strafziele, die nur in Ausnahmefällen vor spezialpräventiven Zwecksetzungen zurücktreten. Aber dennoch bleibt auch bei den Halberwachsenen ein breiter Raum für die unbestimmte Verurteilung. Wird sie verhängt, dann muß sie im Jugendstrafvollzug verbüßt werden. Erst durch die 424

Freisler in „Kameradsdiaftsarbeit" S. 74.

81 innere Gleichschaltung von Strafbemessung und Strafvollzug ist eine erfolgreiche Verbrechensbekämpfung gewährleistet. Die A V über den Jugendstrafvollzug gibt dazu die Möglichkeit (§§ 3—5). Die Ausdehnung der Halberwachsenengruppe bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres wird allerdings dazu führen können, daß auch 25- und 26jährige eine unbestimmte Strafe verbüßen. Die Fälle werden jedoch nicht häufig sein, da die Erziehbarkeit in diesen Altersstufen nur noch gering ist. Man wird sie aber trotzdem zunächst ins Jugendgefängnis übernehmen müssen. Wenn die unbestimmte Strafe bei ihnen keine Erfolge zeitigt, dann wären sie in den Erwachsenenvollzug zu überführen, um dort den Strafrest zu verbüßen. Ebenfalls muß der für die Jugendlichen zuständige Entlassungsrichter auch über die Entlassung der Halberwachsenen entscheiden. Die unbestimmte Verurteilung ist auch im Auslande nicht auf die 14- bis 18jährigen Rechtsbrecher beschränkt. Neben Amerika haben England, Dänemark und Schweden auch die Halberwachsenen erfaßt. Nur das österreichische Jugendgerichtsgesetz426 beschränkt die unbestimmte Verurteilung auf die Jugendlichen. Doch insbesondere die englischen Erfahrungen und Erfolge berechtigen uns, die unbestimmte Verurteilung über den Kreis der Jugendlichen hinaus auch auf die Halberwachsenen zu erstrecken.

Schlußwort. Wir stehen vor der Erneuerung unseres Jugendstraf rechtes. Auch dieses Rechtsgebiet muß wie jedes andere allein an den Interessen der Volksgemeinschaft ausgerichtet werden. Die aber fordern, den gestrauchelten Jungmann nicht zu zerbrechen, sondern ihn durch gerechte Strenge zu erziehen und seinem Volke wiederzugewinnen. Das ist das Ziel. Und in den Fällen, wo wir ohne Gefängnis nicht auskommen können, gibt uns die unbestimmte Verurteilung den Weg. Fast alle germanischen Völker haben sie in ihr Jugendrecht eingeführt. Durch die Wiedereingliederung der deutschen Ostmark gilt sie schon jetzt in einem Teil unseres Vaterlandes. Sie hat sich überall gut bewährt. Deshalb muß die unbestimmte Verurteilung, die auch in unserer deutschen Rechtsgeschichte nicht unbekannt ist, Aufnahme in unser künftiges Jugendstrafrecht finden. Hier wird sie, frei von allen liberalen Vorstellungen und Hemmungen, ihre höchste Vollendung erreichen können.

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Näheres bei den einzelnen Länderberichten.

81 innere Gleichschaltung von Strafbemessung und Strafvollzug ist eine erfolgreiche Verbrechensbekämpfung gewährleistet. Die A V über den Jugendstrafvollzug gibt dazu die Möglichkeit (§§ 3—5). Die Ausdehnung der Halberwachsenengruppe bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres wird allerdings dazu führen können, daß auch 25- und 26jährige eine unbestimmte Strafe verbüßen. Die Fälle werden jedoch nicht häufig sein, da die Erziehbarkeit in diesen Altersstufen nur noch gering ist. Man wird sie aber trotzdem zunächst ins Jugendgefängnis übernehmen müssen. Wenn die unbestimmte Strafe bei ihnen keine Erfolge zeitigt, dann wären sie in den Erwachsenenvollzug zu überführen, um dort den Strafrest zu verbüßen. Ebenfalls muß der für die Jugendlichen zuständige Entlassungsrichter auch über die Entlassung der Halberwachsenen entscheiden. Die unbestimmte Verurteilung ist auch im Auslande nicht auf die 14- bis 18jährigen Rechtsbrecher beschränkt. Neben Amerika haben England, Dänemark und Schweden auch die Halberwachsenen erfaßt. Nur das österreichische Jugendgerichtsgesetz426 beschränkt die unbestimmte Verurteilung auf die Jugendlichen. Doch insbesondere die englischen Erfahrungen und Erfolge berechtigen uns, die unbestimmte Verurteilung über den Kreis der Jugendlichen hinaus auch auf die Halberwachsenen zu erstrecken.

Schlußwort. Wir stehen vor der Erneuerung unseres Jugendstraf rechtes. Auch dieses Rechtsgebiet muß wie jedes andere allein an den Interessen der Volksgemeinschaft ausgerichtet werden. Die aber fordern, den gestrauchelten Jungmann nicht zu zerbrechen, sondern ihn durch gerechte Strenge zu erziehen und seinem Volke wiederzugewinnen. Das ist das Ziel. Und in den Fällen, wo wir ohne Gefängnis nicht auskommen können, gibt uns die unbestimmte Verurteilung den Weg. Fast alle germanischen Völker haben sie in ihr Jugendrecht eingeführt. Durch die Wiedereingliederung der deutschen Ostmark gilt sie schon jetzt in einem Teil unseres Vaterlandes. Sie hat sich überall gut bewährt. Deshalb muß die unbestimmte Verurteilung, die auch in unserer deutschen Rechtsgeschichte nicht unbekannt ist, Aufnahme in unser künftiges Jugendstrafrecht finden. Hier wird sie, frei von allen liberalen Vorstellungen und Hemmungen, ihre höchste Vollendung erreichen können.

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Näheres bei den einzelnen Länderberichten.

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Schrifttum. A. D e n k s c h r i f t e n u n d E n t w ü r f e . 1. Das kommende deutsche Strafrecht — Allgemeiner Teil — Bericht über die Arbeit der amtlichen Strafrechtskommission. 2 . Aufl. 1 9 3 J (zitiert: „Das kommende deutsche Straf recht"). 2 . Grundzüge eines Allgemeinen Deutsdien Strafrechts — Denkschrift des Zentralausschusses der Strafrechtsabteilung der Akademie für Deutsches Redit, 1 9 3 4 . 3 . Nationalsozialistische Leitsätze für ein neues deutsches Strafredit, herausgegeben vom Reichsrechtsamt der N S D A P , 1. Teil 1 9 3 5 (NS.-Leitsätze). 4 . Nationalsozialistisches Strafredit — Denkschrift des Preußischen Justizministers — 1 9 3 3 . (Denkschrift des Preuß. Justizministers.) 5. Gedanken über den Strafvollzug an jungen Gefangenen, herausgegeben von Freisler, 1 9 3 6 . (Kameradschaftsarbeit.) 6. Sdioetensack - Christians - Eichler: Grundzüge eines deutschen Strafvollstreckungsrechtes, 1 9 3 j . (Grundzüge eines deutschen Strafvollstreckungsrechtes.) 7 . Vorentwurf zu einem Deutschen Strafgesetzbuch. Begründung. Allgemeiner Teil. 1 9 0 9 . (Amtliche Begründung V E 1 9 0 9 . ) 8. Entwurf eines Einführungsgesetzes zum Allgemeinen Deutsdien Strafgesetzbuch und zum Strafvollzugsgesetz von 1 9 3 0 . (Entwurf 1 9 3 0 . ) B.

Einzeldarstellungen. (Nur vereinzelt benutzte Werke sind in den Anmerkungen zitiert.) Behnke: Jugendgefängnis und Erziehungsheim als Maßnahmen gegen Jugendkriminalität, Z S t W Bd. 5 6 S. 5 3 5 .

Beling: Zur Allgemeinwürdigung des StGB-Entwurfs von 1 9 2 $ , Leipziger Zeitschrift 1 9 2 6 . S. 1 1 6 3 . Bithorn: Der Jugendstrafvollzug, G S Bd. 1 0 9 S. 1 9 2 . Bleidt: —

Die Unbestimmte Verurteilung von Jugendlichen und Minderjährigen, Mittig. der I K V Neue Folge Bd. 4 S. 1 9 9 (zitiert: Bleidt I). Über die unbestimmte Strafzumessung, Monatsschrift Bd. 24 S. 27 (Bleidt II).

Bohne: Die Freiheitsstrafe in den italienischen Stadtrechten des 1 2 . bis 16. Jahrhunderts, B d

Bondy: — —

1 (1922),

B. 2

(1925).

Pädagogische Probleme im Jugendstrafvollzug, Hamburgische Schriften 1 9 2 5 (Bondy I). In Frede-Grünhut, Reform des Strafvollzuges, 1 9 2 7 . S. 2 2 9 (Bondy II). Zur unbestimmten Verurteilung bei Minderjährigen, Monatsschrift Bd. 22 S. 1 3 5 (Bondy III).

Buchhierl: Bemerkungen über geplante Änderungen des Jugendgerichtsgesetzes, Zentralbl. Bd. 2 2 S. 1 9 6 . Bumke: Der 9 . Internationale Gefängniskongreß, ZStW Bd. 4 7 S. 2 4 6 . Butscheck: 2 Jahre österreichisches Jugendgerichtsgesetz, ZStW Bd. J I S. 9 8 3 . Viscount Cave: Die Unbestimmte Verurteilung, ZStW Bd. 4 7 S. 2 3 1 . Graf zu Dohna: Die Sicherungsstrafe, Z S t W Bd. 4 4 S. 3 9 . Dörner: Das Strafredit der tschecho-slowakisdien Republik, ZStW Bd. 5 2 S. 2 9 1 . Eheling: Strafvollzug in Dänemerk, Monatsschrift Bd. 2 2 S. 3 8 $ . Ebermayer: In Z S t W Bd. 5 1 S. 5 1 3 . Eichler: Die Wandlung im Strafvollzuge, Deutsche Richterzeitung 1934. S. 67 (Eichler). — Der neue deutsche Jugendstrafvollzug, J 3 . Jahrbuch der Gefängnisgesellsdiaft f. d. Provinz Sachsen und Anhalt S. 1 7 (Eichler II).

6*

84 Exner: Kriminalpolitischer Bericht über eine Reise nach Amerika, ZStW Bd. $4 S. 345, 511 (Exner I). — Das Borstal-System, Monatssdirift Bd. 21 S. 473 (Exner II). — Die Entscheidung über die Entlassung aus der Sicherungsverwahrung, ZStW Bd. 55 S. 235 (Exner III). — Der Berufsverbrecher und seine Bekämpfung, Mitt. der I K V . Neue Folge Bd. 5 S. 34 (Exner IV). Förster: Verh. des 3. Deutschen Jugendgerichtstages 1912 S. 9. Foltin: Amerikanisches Gefängniswesen, 1930. Francke: Das Jugendgerichtsgesetz vom 16. 1. 1923, 2. Aufl. 1926 (Francke I). — In Monatsschrift Bd. 28 S. 140, (Francke II). Frede: In Frede-Grünhut, „Die Reform des Strafvollzuges", 1927. S. 102. Freudenthal: In „Vergleichende Darstellung" A. T . Bd. III S. 245 (Fr. I). — Amerikanische Kriminalpolitik, ZStW Bd. 27 S. 121 (Freudenthal II). Gampp: Das österreichische Jugendstrafrecht, 1929. Gentz: Die „Declaration of Principles" in ihrer revidierten Fassung vom 14. 10. 1930, Monatsschrift Bd. 23 S. 1. Graf Gleispach: V I I . Internat. Kongreß für Kriminalanthropologie, Köln 1 9 1 1 . S. 226 (Gleispach I). — VIII. Internat. Gefängniskongreß, Washington 1910, Monatsschrift Bd. 8 S. 346 (Gleispach II). — Verh. des 2. Deutschen Jugendgerichtstages, 1910. S. J3 (Gleispach III). — Das neue österreichische Jugendgerichtsgesetz, D J Z Bd. 33 S. 1444 (Gleispach IV). Gregor: Zur Bekämpfung der Kriminalität durch ein neues J G G , Monatsschrift Bd. 28 S. 257. Grünhut: Reichsdeutsche Bemerkungen zum österreichischen J G G , Monatsschrift Bd. 20 S. 279 (Grünhut I). — Gefährlichkeit als Schuldmoment, Festgabe für Aschaffenburg 1926. S. 87 (Grünhut II). Hafter: Lehrbuch des Schweizerischen Strafrechts A. T. 1926. Hauptvogel: Aufzeichnungen über das Gefängniswesen Englands, Blätter für Gefängniskunde Bd. 61 — Sonderheft (Hauptvogel I). — Gefängniswesen in England, Blätter für Gefängniskunde Bd. 66 S. 4 (Hauptvogel II). Hellwig: Jugendgerichtsgesetz, 1923. Herr: Das moderne amerikanische Besserungssystem, 1907. v. Hippel: Deutsches Strafrecht, 1. Bd. 1925. Hörst: Fürsorgeerziehung krimineller Jugendlicher über 16 Jahre in England, Zentralbl. Bd. 21 S. 301, 351. Hoffmann: Reifezeit. Jacohy: Unbestimmte Verurteilung? Zentralbl. Bd. 22 S. 305. Jedliczka: § 12 des J G G und seine Anwendung in der Praxis, Festschrift der Wiener Jugendgerichtshilfe, 1937. Kadecka: Das österreichische J G G , 1929. Kiesow: J G G vom i6. Februar 1923, 1923. Köhler: Die Schuld als Grundlage des Strafrechtes, GS Bd. 96 S. 91 (Köhler I). — Kritische Beiträge, j . Heft 1909 (Köhler II). Klee: Das Problem der Sicherungsstrafe, Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie Bd. 28 S. 485. Kohlrausdh: Für das Jugendgericht, ZStW Bd. 56 S. 459 (Kolhrausdi I). — Sicherungsstrafe, ZStW Bd 44 S. 21 (Kohlrausch II) — In Handw. der Rechtsw. V. Bd. 1928. S. 756 (Kohlrausch III).

85 Kriegsmann: Verh. des 3. Deutschen Jugendgeriditstages, 1912. S. 24. v. Lilienthal: Festgabe für Aschaffenburg, 1926. S. 1. v. Liszt: Strafrechtliche Aufsätze und Vorträge Bd. II 190$. S. 133 (Liszt I). — Kriminalpolitische Aufgaben, ZStW Bd. 9 S. 452, Bd. 10 S. JI (Liszt II). — Marburger Universitätsprogramm, Strafreditl. Aufsätze und Vorträge Bd. I S. 126 (Liszt III). — -Schmidt: Lehrbuch A . T . 16. Aufl. 1932. v. Liszt, Elsa: In Monatsschrift Bd. 28 S. $75. Liepmann: Amerikanische Gefängnisse und Erziehungsanstalten, Hamburgische Schriften Heft 11 (1927). Lißbauer: Das österreichische J G G von 1928, ZStW Bd. 50 S. 16j. Lorenz: Zur Reform des tsdiedio-slow. Strafgesetzes, ZStW Bd. 54/717. Lucas: Das neue dänische Strafgesetz, Monatssdirift Bd. 21 S. 641 (Lucas I). — Entwürfe eines dänischen Strafgesetzbuches, Monatsschrift Bd. 19 S. 577 (Lucas II). Marx: Jugendstrafvollzug, DJ 1937. S. 271. Mayr: Drei Jahre Sicherungsverwahrung, Monatsschrift Bd. 29/21. Messerer: Die Zukunft des Jugendgerichts, ZStW Bd. 56 S. 48$. Mezger: Lehrbuch 1931 (Mezger I). — Leitfaden 1936 (Mezger II). — In Monatssdirift Bd. 14 S. 13$ (Mezger III). Miricka: Strafen und sichernde Maßnahmen im tschecho-slow. Strafgesetzentwurfe, ZStW Bd. 43 S. 281. Mittermaier: Die schwedische Jugendgefängnisstrafe, Monatsschrift Bd. 27 S. 287. Mollenhauer: Die erzieherische Ausgestaltung des Jugendstrafvollzuges, ZStW Bd. SJ S. 591. Nagier: Das Erziehungsproblem im modernen Strafvollzug, 1926 (Nagler I). — Verbrediensprophylaxe und Straf recht, Kritische Beiträge 1911 (Nagler). Nohl: Der Sinn der Strafe, Erziehung 192; (Sonderdruck). Obermaier: Anleitung zur vollkommenen Besserung der Verbrecher in den Strafanstalten, 1835. Oetker: Die Unbestimmte Verurteilung, Z S t W Bd. 17 S. 577 (Oetker I). — Strafe und Erziehung nach den §§ j , 6 des JGG, GS Bd. 106 S. 94 (Oetker II). — Strafe und Lohn, 1907 (Oetker III). Peters: Vorschläge zum Jugendstrafrecht, Zentralbl. Bd. 27 S. 37 (Peters I). — Die Behandlung der Halberwachsenen im kommenden Strafrecht, ZStW Bd. 56 S. 495 (Peters II). — In Handbuch der Kriminologie Bd. II S. 737 (Peters III). — Die unbestimmte Verurteilung im Jugendstrafrecht, Z S t W Bd. 58 S. 567 (Peters IV). Pfenniger: Das zürcherische Jugendstrafrecht, 1928. Premerl: Verh. des 2. Deutschen Jugendgeriditstages 1910. S. 127. Quentin-Sieverts: Die Behandlung der jungen Rechtsbrecher im Alter von 17 bis 23 Jahren in England, Blätter f. Gefängniskunde Bd. 68 (Sonderdruck). Rauch: Die Neugestaltung des Jugendstrafvollzuges, Z S t W Bd. 57 S. 220. Schaefer: In Handw. der Rechtsw. 2. Erg. bd. (1937) S. 369. Schaffstein: Die Erneuerung des Jugendstrafrechtes, 1936 (Schaffstein I). — Strafe und Erziehung im künftigen Jugendstrafrecht, Deutsches Redit 1936. S. 64 (Schaffstein II). — Das Problem der Halberwachsenen im künftigen Strafrecht, DJ 1937. S. 347 (Schaffstein III). — Die Neuordnung des Jugendstrafvollzuges, Zentralbl. Bd. 28 S. 433 (Sdiaffstein IV).

86 v. Schirach: In Zentralbl. Bd. 26 S. 278. Schmidt, Eberh.: In Goltdammers Archiv 67. Bd. S. 3JI (Schmidt I). — Zur Theorie des unbestimmten Strafurteils, Schweiz. Zeitschrift f. Strafrecht, 1931 — Sonderabdruck (Schmidt II). Schmidt, Edgar: Strafe und Strafvollzug, Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht 193J. S. 363. Schmidt, Rieh.: Grundriß des Deutschen Strafredits, 1925. Schoetensack: Strafe und sichernde Maßnahme, Denkschrift der Strafrechtsabteilung der Akademie f. Deutsches Recht S. 90 (Schoetensack I). — Unbestimmte Verurteilung, Kritische Beiträge 1909, Heft 6 (Schoetensack II). Schwarz: Die Grenzen des Erziehungsgedankens in der Jugendgerichtsbarkeit, 1936. Siegert: Grundzüge des Strafrechts im neuen Staate, 1934 (Siegert I). — Der Einfluß der Strafzwecke auf Schuld und Strafmaß, ZStW Bd. $4 S. 418 (Siegert II). Sieverts: In Handbuch der Kriminologie Bd. 2 S. 589 (Sieverts I). — Das englische Borstalsystem, ZStW Bd. 56 S. 551 (Sieverts II). — Die englische Denkschrift über die Behandlung hartnäckiger Verbrecher, ZStW Bd. 53 S. 676 (Sieverts III). — Zur Neuordnung des Deutschen Jugendstrafvollzugs, Monatsschrift Bd. 29 S. 31 (Sieverts IV). — Die strafrechtliche Behandlung der Frühkriminellen in „Der nichtseßhafte Mensch", 1938 (Sieverts V). Steiner: Der tschecho-slow. Entwurf über die Jugendgeriditsbarkeit, Monatsschrift Bd. 22 S. 1 5 1 . Steinwallner: Neues vom schwedischen Jugendstrafrecht, Zentralbl. Bd. 28 S. 82. Struve: Die strafrechtliche Behandlung der Jugend in England, 1914. Ter jung: Unbestimmte Verurteilung, Bonner Dissertation, 1930. Tesar: Die symptomatische Bedeutung des verbrecherischen Verhaltens, 1907. Thormann: In Schweizerische Zeitschrift f. Strafrecht, Bd. 45 S. 47. Webler: Vorschläge zum Jugendstrafrecht, Zentralbl. Bd. 27 S. 47 (Webler I). — Zur Problematik des Jugendgerichts, Zentralbl. Bd. 22 S. 1 (Webler II). Wegner: Jugendrecht, ein Lehrbuch, 1929. Wolf: Das künftige Strafensystem und die Zumessungsgrundsätze, ZStW Bd. 54 S. $44. Zimmert: Die strafrechtstheoretischen Grundlagen der unbestimmten und der bedingten Verurteilung, Zentralbl. f. d. jurist. Praxis 1929 S. 417 (Zimmerl I). — Aufbau des Strafreehtssystems, 1930 (Zimmerl II).

Erklärung der Abkürzungen: D J = Deutsche Justiz. D J Z = Deutsche Juristen-Zeitung. GS = Gerichtssaal, Zeitsdirift für Zivil- und Militärstrafrecht, sowie die ergänzenden Disziplinen. IKV = Intern. Kriminalistische Vereinigung. Monatsschrift = Monatsschrift für Kriminalbiologie und Strafrechtsreform. Zentralblatt = Zentralblatt für Jugendrecht und Jugendwohlfahrt. ZStW = Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft.

86 v. Schirach: In Zentralbl. Bd. 26 S. 278. Schmidt, Eberh.: In Goltdammers Archiv 67. Bd. S. 3JI (Schmidt I). — Zur Theorie des unbestimmten Strafurteils, Schweiz. Zeitschrift f. Strafrecht, 1931 — Sonderabdruck (Schmidt II). Schmidt, Edgar: Strafe und Strafvollzug, Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht 193J. S. 363. Schmidt, Rieh.: Grundriß des Deutschen Strafredits, 1925. Schoetensack: Strafe und sichernde Maßnahme, Denkschrift der Strafrechtsabteilung der Akademie f. Deutsches Recht S. 90 (Schoetensack I). — Unbestimmte Verurteilung, Kritische Beiträge 1909, Heft 6 (Schoetensack II). Schwarz: Die Grenzen des Erziehungsgedankens in der Jugendgerichtsbarkeit, 1936. Siegert: Grundzüge des Strafrechts im neuen Staate, 1934 (Siegert I). — Der Einfluß der Strafzwecke auf Schuld und Strafmaß, ZStW Bd. $4 S. 418 (Siegert II). Sieverts: In Handbuch der Kriminologie Bd. 2 S. 589 (Sieverts I). — Das englische Borstalsystem, ZStW Bd. 56 S. 551 (Sieverts II). — Die englische Denkschrift über die Behandlung hartnäckiger Verbrecher, ZStW Bd. 53 S. 676 (Sieverts III). — Zur Neuordnung des Deutschen Jugendstrafvollzugs, Monatsschrift Bd. 29 S. 31 (Sieverts IV). — Die strafrechtliche Behandlung der Frühkriminellen in „Der nichtseßhafte Mensch", 1938 (Sieverts V). Steiner: Der tschecho-slow. Entwurf über die Jugendgeriditsbarkeit, Monatsschrift Bd. 22 S. 1 5 1 . Steinwallner: Neues vom schwedischen Jugendstrafrecht, Zentralbl. Bd. 28 S. 82. Struve: Die strafrechtliche Behandlung der Jugend in England, 1914. Ter jung: Unbestimmte Verurteilung, Bonner Dissertation, 1930. Tesar: Die symptomatische Bedeutung des verbrecherischen Verhaltens, 1907. Thormann: In Schweizerische Zeitschrift f. Strafrecht, Bd. 45 S. 47. Webler: Vorschläge zum Jugendstrafrecht, Zentralbl. Bd. 27 S. 47 (Webler I). — Zur Problematik des Jugendgerichts, Zentralbl. Bd. 22 S. 1 (Webler II). Wegner: Jugendrecht, ein Lehrbuch, 1929. Wolf: Das künftige Strafensystem und die Zumessungsgrundsätze, ZStW Bd. 54 S. $44. Zimmert: Die strafrechtstheoretischen Grundlagen der unbestimmten und der bedingten Verurteilung, Zentralbl. f. d. jurist. Praxis 1929 S. 417 (Zimmerl I). — Aufbau des Strafreehtssystems, 1930 (Zimmerl II).

Erklärung der Abkürzungen: D J = Deutsche Justiz. D J Z = Deutsche Juristen-Zeitung. GS = Gerichtssaal, Zeitsdirift für Zivil- und Militärstrafrecht, sowie die ergänzenden Disziplinen. IKV = Intern. Kriminalistische Vereinigung. Monatsschrift = Monatsschrift für Kriminalbiologie und Strafrechtsreform. Zentralblatt = Zentralblatt für Jugendrecht und Jugendwohlfahrt. ZStW = Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft.

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i : Der Begriff des Versicherungsfalles in der Seeversicherung. V o n Dr. F. Alexander Bene. Groß-Oktav. 75 Seiten. 1928. 2 : Die Bedeutung des Interesses f ü r die Veräußerung der versicherten Sache. V o n Dr. Hermann Heinridi Elkan. Groß-Oktav. $8 Seiten. 1928. j ; Aktiensonderdepot und Legitimationsübertragung. V o n Dr. Günther Frohner. Groß-Oktav. 1 2 1 Seiten. 1929. 4: Die Gewinnversicherung. V o n Dr. Helmut Winkler. Groß-Oktav. 31 Seiten. 1930. 5: Der Konossement-Teilschein. V o n D r . Heinz Behlert. GroßOktav. 79 Seiten. 1930. 6: Die Order-Police. V o n Dr. Alexander N . Tsirintanis. Groß-Oktav. 95 Seiten. 1930. 7 : Reine Konossemente gegen Revers. V o n Dr. Robert Lion. GroßOktav. 78 Seiten. 1930. 8: Versicherung für Rechnung wen es angeht. Von D r . Helmuth Embden. Groß-Oktav. 39 Seiten. 19-30. 9: Die guten Sitten in der arbeitsrechtlichen Rechtsprechung nadi dem Kriege. Von Dr. Fritz Oettinger. Groß-Oktav. 84 Seiten. 1 9 3 1 . 1 0 : Wandlung und Minderung bei einer Mehrheit von Käufern oder Verkäufern. V o n D r . Hans Wogatzky. Groß-Oktav. 1 1 j Seiten. 1931. 1 1 : Das Versicherungs-Zertifikat. V o n Dr. Rudolf Nothmann. GroßOktav. 96 Seiten. 1932. 1 2 : Die Versicherung der Havariegrosse-Schäden. Von Dr. HansCramer. Groß-Oktav. 56 Seiten. 1932. 1 3 : Die Staatshaftung f ü r den Hamburger Hafenlotsen. V o n Dr. Erwin Mumssen. Groß-Oktav. 1 1 0 Seiten. 1932. 1 4 : Gleichberechtigung der Geschlechter im künftigen Elternrecht. V o n Dr. Charlotte Cohn. Groß-Oktav. X I und 56 Seiten. 1932. i j : Die Speditionsversicherung in den Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen. V o n Dr. Willi Schiering. Groß-Oktav. 74 Seiten. 1932. 1 6 : Quellenkritische Studien zur Bessergebotsklausel (in diem addictio) im römischen Kaufrecht. V o n Dr. jur. Harald Sieg. Groß-Oktav. 43 Seiten. 1933. 1 7 : Kostfrachtgeschäft und laufende Versicherung. V o n Dr. jur. Detlev Himer. Groß-Oktav. 42 Seiten. 1933. 1 8 : Acatholicus. Eine Untersuchung über die Stellung der Ungetauften und der Apostaten, Häretiker und Schismatiker sowie der sonstigen exkommunizierten Christen im geltenden kanonischen Recht. V o n Dr. Walter Böhm. Groß-Oktav. 59 Seiten. 1933. 1 9 : Beiträge zur Lehre von den subjektiven Anrechtselementen im Strafrecht. V o n Dr. Rudolf Sieverts. Groß-Oktav. 240 Seiten. 1934. 20: Die vorvertragliche Anzeigepflicht des Versicherungsnehmers. Von Dr. Klaus Koops. Groß-Oktav. 52 Seiten. 1934. 2 1 : Das Zustandekommen des Versicherungsvertrages, eine rechtsvergleichende Darstellung. V o n Dr. Heinz Hagemann. Groß-Oktav. 68 Seiten. 1934. 22: Grundsätze der versicherungsrechtlichen Vorteilsausgleichung. V o n Dr. Günther Schultz. Groß-Oktav. 69 Seiten. 1934. 23: Die Abtretung von Forderungen aus gegenseitigen Verträgen. V o n Dr. Walter Brügmann. Groß-Oktav. X V I und 1 1 0 Seiten. 1934. 24: Die Stellung des geschädigten Dritten in der Haftpflichtversicherung V o n Dr. Rolf Senger. Groß-Oktav. 68 Seiten. 2$: Neuwertversicherung. V o n Dr. Heinz Wahren. Groß-Oktav. 90 Seiten. 1935.

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