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German Pages 234 Year 2018
Jens Koolwaay Die soziale Welt der Roboter
Science Studies
Jens Koolwaay (Dr. phil.) hat Soziologie und Philosophie in Bremen, Wien und Frankfurt am Main studiert. Er forscht und arbeitet zum Sozialwerden von Technik im Großraum Frankfurt am Main.
Jens Koolwaay
Die soziale Welt der Roboter Interaktive Maschinen und ihre Verbindung zum Menschen
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Inhalt
1.1 1.2
Einleitung | 7 Die Bildung von Sozialität bei interaktiven Robotern | 9 Mein Vorgehen | 11
2
Die Problemlage | 13
2.1 2.2 2.3 2.4
Prismen zum Verhältnis von Roboter, Mensch und Sozialität | 14 Der Gegenstand: interaktive Roboter in einer Sozialität | 19 Der Forschungsstand | 24 Die Fragestellung | 33
3
Das methodische Vorgehen | 35
3.1 3.2
Meine Vorgehensweise | 36 Eckpfeiler meiner Grounded Theory | 46
4
4.1 4.2 4.3 4.4 4.5
Die theoretischen Grundfiguren | 53 Handlungsträgerschaft | 55 Interaktivität | 61 Netzwerk | 73 Sozialitätsdimension | 85 Analytische Folgerungen für die Fallanalyse | 100
5
Die Fallstudien | 105
5.1 5.2 5.3
Das WiMi-Care-Projekt | 106 Lisa und die professionalisierte Sozialität | 148 Das SoziRob-Projekt | 163
6
Die Bildung von Sozialität bei interaktiven Robotern | 189
6.1 6.2
Die Bildung von Sozialität bei interaktiven Robotern | 190 Die soziale Formation bei interaktiven Robotern | 202
7
Literaturverzeichnis | 213
1
1
Einleitung
Ein Roboter sieht aus wie ein Mensch, bewegt sich wie ein Mensch, versucht, wie ein Mensch zu sprechen, hat keine Gefühle, ist schrecklich rational und irgendwann laufen wir Menschen Gefahr, von ihm unterjocht zu werden.1 Ein solches Bild von Robotern kennen wir aus zahlreichen Science-Fiction-Filmen und mitunter prägt es, ähnlich wie ein Vorurteil, unsere Vorstellung von ihnen. In den letzten Jahrzehnten sind Roboter insbesondere in Maschinenform in der industriellen Produktion, der Landwirtschaft oder in militärischen Einsätzen verwendet worden. Seit den Nullerjahren des 21. Jahrhunderts können und sollen sie nun sozial oder interaktiv werden. Manche in humanoider Form, manche zoomorph oder maschinenähnlich, andere gar digital als Bots. Sie alle verbindet, dass sie aus abgeschlossenen Sozialitäten oder reinen Laborsituationen in andere Sozialitäten eintreten oder in diese hineinragen. 2 Diese anderen Sozialitäten sind noch nicht eindeutig bestimmbar. Es lässt sich ein Transitbereich zwischen Labor, Alltag und Arbeitswelt ausmachen: ein Bereich zwischen einer eigens für die Roboter geschaffenen Welt und Sozialitäten, die schon vorher bestanden und sich nun durch ihr Hinzukommen transformieren. Es handelt sich um einen Bereich zwischen Experiment und eindeutigen sozialen Abläufen.
1
Um eine gendergerechte Sprache zu verwenden, eine gute Lesbarkeit des Textes sicherzustellen und nicht in eine Technisierung der Sprache zu gelangen, verwende ich bei Personenbezeichnungen abwechselnd die männliche und weibliche Form. Lediglich, wenn realiter die Personenbezeichnung ausschließlich auf ein Geschlecht verweist, verwende ich es nur in einer Genderform.
2
Vgl. Lindemann, Gesa; Hironori Matsuzaki und Ilona Straub (2016): „Special issue on. Going beyond the laboratory – reconsidering the ELS implications of autonomous robots“, in: AI & SOCIETY, Jg. 31, Nr. 4, S. 441–444.
8 | DIE SOZIALE W ELT DER R OBOTER
Es gibt erste Versuche, interaktive Roboter auf dem ökonomischen Markt als Dienstleistungstechnologie zu verkaufen, und es gibt viele Varianten, die sich im Stadium des Experimentes bewegen. So entwickelte die 2005 gegründete Firma Aldebaran zunächst den humanoiden Forschungsroboter NAO, den sie bisher in mehreren Generationen in über 5000 Exemplaren an mehr als 70 verschiedene Forschungseinrichtungen verkaufte. Im Juli 2015 brachte Aldebaran mit dem Roboter Pepper dann das erste Exemplar für Privatpersonen heraus. Bereits 60 Sekunden nach Markteinführung war die gesamte Stückzahl vergriffen. Wenige Tage danach änderte Aldebaran die Nutzungsbedingungen für den Roboter und verbot, ihn für Sex zu benutzen.3 Ein Beispiel für ein Experiment ist das Projekt ROAR von der vornehmlich für die Herstellung von Autos bekannten Firma Volvo. In dem Projekt sollen Roboter entwickelt werden, die Mülltonnen vom Haus zum Müllwagen transportieren. Das soll so leise ablaufen, dass es nachts passieren könnte. Ein erster Prototyp ist entwickelt und wird gegenwärtig getestet.4 Am Flughafen in Düsseldorf parkt seit 2014 der Roboter Ray auf einem bestimmten Parkdeck Autos ein. Dafür fotografiert er zunächst das Auto, hebt es dann wie ein Gabelstapler hoch und fährt es in eine Parkposition. Dabei hat der Roboter einerseits einen festen Kundenstamm, andererseits stößt er weiterhin bei vielen Parkhausnutzerinnen auf Akzeptanzprobleme. Im Normalfall ist sein Parkdeck nur zu 30 bis 40 % ausgelastet.5 Wenn Roboter aus den Laboren treten und nicht mehr ausschließlich in abgeschlossenen Sozialitäten agieren oder als Drohnen ferngesteuert Bomben abwerfen, wird die Frage prävalent, wie sich das Soziale oder das Interaktive rund um sie konstituiert. Um die Fragestellung zu beantworten, nähere ich mich ihr aus zwei Richtungen. Die erste Perspektive ist das, was ich als Handlungsträger bezeichne. Die
3
Vgl. Wendel, Johanna (2015): Pepper The Robot soll nicht für Sex benutzt werden. URL:
https://www.wired.de/collection/tech/eine-passage-im-nutzervertrag-von-pep-
per-robot-verbietet-sex (zuletzt abgerufen am: 24.09.2016). 4
Vgl. Förtsch, Michael (2016): Studenten haben einen Robo-Müllmann gebaut. URL: https://www.wired.de/collection/tech/ein-roboter-soll-muellmaenner-entlasten (zuletzt abgerufen am: 24.09.2016). ders. (2015): Volvo will „Müllmänner“ durch Roboter ersetzen. URL: https://www.wired.de/collection/tech/bald-konnten-automatisierte-roboter-den-abfall-entsorgen (zuletzt abgerufen am: 24.09.2016).
5
Vgl. Lau, Oliver (2016): Parkroboter Ray hat nicht genügend Freunde. URL: http://www.heise.de/newsticker/meldung/Parkroboter-Ray-hat-nicht-genuegendFreunde-3262807.html (zuletzt abgerufen am: 24.09.2016).
E INLEITUNG
|9
zweite Perspektive blickt aus der Sozialität auf das Thema. Zwischen diesen beiden vermeintlichen Antagonismen spannt sich das auf, was das Verhältnis von Roboter, Mensch und Sozialität ausmacht. Im Nachfolgenden möchte ich zunächst meine Argumentation in ihren wesentlichen Punkten vorstellen, um anschließend mein Vorgehen in dieser Arbeit darzustellen.
1.1 D IE B ILDUNG VON S OZIALITÄT BEI INTERAKTIVEN R OBOTERN Ein Handlungsträger setzt sich aus den Kompetenzen zusammen, die in ihm inkorporiert sind. Das bedeutet, dass er über Fähigkeiten verfügt, Tätigkeiten auszuführen, und dass in der Kompetenz eine erwartete Situation enthalten ist, die eine bestimmte Bearbeitung erforderlich macht. Diese Bearbeitung wird von der Kompetenz abgedeckt. Das bedeutet, dass ein Handlungsträger die Probleme angeht, die er bearbeiten kann. Zu diesen Fähigkeiten kann er genetisch, technisch, sozial durch Zuschreibung, sozial durch Tradierung oder auf viele andere Weisen kommen. Die Kompetenzen werden in Handlungsträgern zu Haltungen, wenn sie über die Sozialitätsrelation zu einer Sozialität in Beziehung gesetzt werden. Diese Haltungen sind also im Handlungsträger auf Dauer gestellte Kompetenzverteilungen. Notwendig hierfür ist die Möglichkeitsstruktur der Sozialitätsrelation im Handlungsträger. Zu der Relation kann der Handlungsträger ebenfalls auf vielfältige Weise kommen. Das kann sozial ablaufen, genetisch, technisch, juristisch, moralisch und auf viele weitere Arten. Entscheidend sind zwei Aspekte. Zum einen ist diese Haltung zunächst lediglich im Handlungsträger. Sie wird mit der Sozialität durch die Handlungsträgerschaft verbunden. Zum anderen hängt die Bildung der Haltung von der Sozialitätsrelation des Handlungsträgers ab. Folglich ist eine Handlungsträgerschaft eine Haltung eines Handlungsträgers, die mit der Sozialität verbunden wurde. Ein Handlungsträger kann ein Mensch sein. Er kann aber auch Technik sein. Die entscheidende Frage ist vielmehr, ob ein Handlungsträger auch ein Akteur ist. Ein Akteur vermag verschiedene Haltungen einzunehmen und somit in verschiedenen Sozialitäten zu agieren. Ein Akteur vermag außerdem die Zielsetzung von Aktivitäten zu definieren. In den Robotern werden Entscheidungen und Haltungen materialisiert. Die Entscheidungen, Haltungen und die Sozialitätsrelation der Entwicklerinnen werden in ihnen manifest. Im Herstellungsprozess werden sie in den Robotern auf Dauer gestellt. Das macht die Roboter zu Handlungsträgern. Indem sie mit einer
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Sozialität verbunden werden, gelangen die Roboter zu einer Handlungsträgerschaft. Durch die Handlungsträgerschaft der Roboter emergieren Strukturen und Aspekte in Bezug auf Sozialität, die im Entwicklungsprozess nicht vorhergesehen werden können, da das Zusammenspiel von Handlungsträgern und Sozialität außerhalb von stabilisierten Laboren unbestimmbar ist. In der Konsequenz kommt es zur Emergenz von Neuem, was die soziale Formation der Sozialität verändert. In dem Entwicklungsprozess der Roboter nehmen Ausgangslage und Selbstverständnis der Akteure eine gewichtige Rolle ein. In ihrem Zusammenspiel entscheidet sich, welche Kompetenzen der an dem Projekt beteiligten Akteure miteinander verbunden werden und welche Problemlagen damit bearbeitet werden. Wesentlich ist dabei ein zentraler Akteur, den ich Kombinator nenne. Über ihn läuft der wesentliche Verbindungsprozess. Manifest werden die Art der Problemlage und die Kompetenzen, die zum Einsatz kommen, dann in der Szenarienentwicklung der Roboter. In ihr werden die Haltungen und die Sozialitätsrelation der Entwicklerinnen auf die Roboter übertragen. Durch diesen Vorgang werden die technischen Artefakte – wie oben schon ausgeführt – zu Handlungsträgern. In der Szenarienentwicklung ist die Sozialitätsrelation der Roboter bereits angelegt. Unter der Sozialitätsrelation verstehe ich die im Herstellungsprozess vorausgesetzte oder anvisierte Sozialstruktur. Das bedeutet, dass in der Herstellung der Roboter soziale Gegebenheiten vorausgesetzt werden müssen, die die Ausführung der Aktivitäten ermöglichen, die der Roboter dann als Handlungsträger ausführen wird. Diese Voraussetzung wird als Sozialitätsrelation mit dem Handlungsträger verbunden. Aus dem Verhältnis der Handlungsträgerschaften der Handlungsträger formiert sich eine Sozialität. Die Position der Roboter in ihr hängt im Wesentlichen von der Art der Objektivierung der Sozialitätsrelationen ab. Die soziale Formation nimmt, wenn Roboter als Handlungsträger involviert sind, primär die Figur eines Netzwerks an. Nach meiner Auffassung liegt der Grund dafür in der Temporalität der Verbindung. Es sind noch keine auf Dauer angelegten sozialen Formationen. Deswegen nehmen die Formationen vorläufige Verbindungen an, die wir in den Sozialwissenschaften insbesondere als Netzwerk beschreiben können. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass Sozialitäten, die auf Dauer bestehen, über Verstetigungsprozesse verfügen.
E INLEITUNG
| 11
1.2 M EIN V ORGEHEN Diese Arbeit hat zwei zentrale Ursprünge, die ich über die Methode der Grounded Theory zusammenführe. Der erste liegt in einer theoriegeleiteten Auseinandersetzung mit sozialwissenschaftlichen Arbeiten, die darauf abzielen, das Verhältnis von Mensch, Technik und Sozialität zu bestimmen. Dabei stieß ich auf vier Grundfiguren: die Handlungsträgerschaft, die Interaktivität, das Netzwerk sowie die Sozialitätsdimension. Aus diesen Grundfiguren konnte ich vier Analysedimensionen ableiten, die ich als „sensibilisierende Konzepte“6 verwendete und als Gegensatzpaare konzipierte. Das erste ist der Sinnbezug oder der Effekt. Das zweite besteht aus Konventionalisierung oder Sozialisierung. Das dritte thematisiert die Situationsdefinition oder die Umweltstabilität und das vierte umfasst die Sozialitätseinbettung oder die Sozialitätsimplementierung. Der zweite Ursprung dieser Untersuchung liegt in meiner empirischen Arbeit mit Fallstudien. Ich konzentriere mich hier auf drei Fallstudien mit insgesamt fünf Robotern. Durch die Kodierarbeit an den Studien konnte ich eine Kernkategorie mit insgesamt sechs Subkategorien entwickeln. Die Kernkategorie ist die Bildung von Sozialität. Sie setzt sich zusammen aus der Ausgangslage, dem Selbstverständnis und der Problemlage, der Szenarienentwicklung, der Sozialitätsrelation, der sozialen Formation sowie schließlich der Verstetigung. Abschließend führe ich die beiden Stränge zusammen und zeige auf, wie es zur Bildung und Formierung von Sozialität bei interaktiven Robotern kommt.
6
Vgl. Blumer, Herbert (1954): „What is Wrong with Social Theory?“, in: American Sociological Review, Jg. 19, Nr. 1, S. 3–10.
2
Die Problemlage
In welcher Verbindung stehen Roboter und Sozialität?
Nachdem ich in der Einleitung einen Überblick über das gesamte Vorhaben dieser Arbeit gegeben habe, möchte ich das folgende Kapitel nutzen, um die Problemlage in ihrer substanziellen Beschaffenheit darzustellen. Ausgangspunkt meiner Arbeit war, dass mir im Alltag ein Bild von Technik begegnete, das ihr den Stellenwert eines neutralen, wertfreien Gegenstandes verlieh, der gänzlich objektiv und damit vertrauensvoll sein soll. Als ich anfing mich zu fragen, wie dieses Bild entsteht, stach mir die Black Box der avancierten Technik – wie sie Latour und Callon beschreiben – deutlich ins Auge.1 Es wurde deutlich, dass avancierte Technik aus zahlreichen sozialen Entscheidungen und Verbindungen besteht, die nach Fertigstellung nicht mehr sichtbar sind. Das brachte mich zu der Frage, wie es zu diesem als Black Box bezeichneten Phänomen kommt, für was Technik steht und inwieweit soziale Prozesse dazu führen. Im nachfolgenden Kapitel möchte ich das Thema dieser Arbeit über die Problemlage bestimmen. Dafür bestimme ich den Gegenstand, schildere den Stand der Forschung und führe meine Fragestellung aus. Beginnen möchte ich mit einer prismenhaften Annäherung an mein Thema.
1
Zu einer Rekonstruktion des Konzepts der Black-Box vgl. Schulz-Schaeffer, Ingo (1998): „Akteure, Aktanten und Agenten. Konstruktive und rekonstruktive Bemühungen um die Handlungsfähigkeit von Technik“, in: Malsch, Thomas (Hrsg.): Sozionik. Soziologische Ansichten über künstliche Sozialität, Berlin: Edition Sigma, S. 129–168, hier S. 138–140.
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2.1 P RISMEN ZUM V ERHÄLTNIS UND S OZIALITÄT 2.1.1
VON
R OBOTER , M ENSCH
Menschliches, Allzumenschliches?
Der Roboter Tempbot arbeitet in dem gleichnamigen Film als Bürokraft in einer Dienstleistungsfirma.2 Er arbeitet dort abgeschottet in seinem eigenen Karree und befolgt seine Arbeitsanweisungen nach seinen Zeitvorgaben. Er geht nach der Arbeit in seine Wohnung und wartet dort bis zum nächsten Dienstbeginn. Seine Kollegen sind alle menschlich. Eines Abends wird eine Nachbarin auf ihn aufmerksam und lädt ihn zum Abendessen ein. Nach dem gemeinsamen Essen bei Kerzenschein landen die beiden im Schlafzimmer der Nachbarin. Die Gastgeberin fragt ihren Gast, ob er sich wohlfühle, und fasst ihm an die Hand. Der Roboter ist nicht auf die Situation vorbereitet, er weiß nicht, was zu tun ist, daher geht er dazu über, seine Programmierung mit dem zu überschreiben, was nun folgt. Die Nachbarin nimmt schließlich die Hand des Roboters und führt sie an ihre Brust, um ihm zu signalisieren, dass sie Sex mit ihm möchte. Tempbot hingegen überschreibt seine Programmierung damit, dass er die an ihn gerichteten Erwartungsparameter zu einer zukünftigen Handlung umprogrammiert. Mit Tempbot ist gleichzeitig eine neue Chefin in die Firma gekommen. Diese hat Schwierigkeiten, von ihrer Belegschaft akzeptiert zu werden. Die neue Führungskraft versucht daher, einige soziale Veranstaltungen in der Firma zu etablieren, um eine höhere Motivation durch ein stärkeres soziales Miteinander zu erreichen. Als erste Versuche scheitern, fällt ihr auf, dass außer ihr auch der Roboter links liegen gelassen wird. Sie versucht ihn daher als Kooperationspartner zu gewinnen, um so beim Rest der Belegschaft den Funken überspringen zu lassen. Sie lädt eines Abends die gesamte Belegschaft in ein Lokal ein, wo alle gemeinsam zu Abend essen. Tempbot sitzt neben der Chefin. Sie bemüht sich redlich, ihr Team zu erreichen. Dieses bleibt jedoch distanziert und kühl. Die Chefin fragt Tempbot, ob er sich wohlfühle. Als auch dies nicht zur Stimmungsaufhellung beiträgt, greift sie ihm an die Hand, um ihn in ihr Teambuilding einzubinden. Für Tempbot sind damit alle mit der Nachbarin erlernten Parameter erfüllt: gemeinsames Essen, Befragung über die Gefühlslage, Berühren der Hand. Er fasst der Chefin im Lokal an die Brust, was diese brüskiert ablehnt. Menschliches, Allzumenschliches?
2
Der Film erschien im Jahr 2006. Er wurde von Mark Fitzloff geschrieben. Regie führte Neill Blomkamp.
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2.1.2
| 15
Ist Technik smart?
Technik der aktuellsten Generation hat den Ruf, smart zu sein. Das Mobiltelefon wird zum Smartphone, Haushalt und Garten sollen durch smarte Technologien optimiert werden. Dazu zählen Roboter, die den Rasen mähen, die Regenrinnen, den Pool, den Grill reinigen, oder Bodensensoren, die Temperatur, Lichteinfall und Niederschlagsmenge messen und dem Gartenbetreiber melden, dass er aktiv werden muss, oder direkt eine andere Technologie mit der Durchführung der Tätigkeit beauftragen. Beim Smart Farming fahren die Traktoren autonom über das Feld, Drohnen machen Aufnahmen von den Feldern und zeigen Zustände an, Roboter erkennen Wildwuchs und beseitigen ihn. Smart bedeutet bei Technologien, dass viele Informationsquellen und Ausführungsartefakte innerhalb einer Sozialität und zu einer Sozialität verbunden werden. Beim Smart Farming etwa sollen in der Sozialität Bauernhof „Maschinen mit Maschinen kommunizieren“, um „Ressourcen zu schonen, Umweltbelastungen zu minimieren und Erträge zu steigern.“3 Ziel ist es, eine Weltbevölkerung von über 10 Milliarden ernähren zu können. Die Bäuerin wird diejenige sein, bei der die Daten zusammenkommen. Sie wird Vermittlerin und Managerin. Ihre Handlungsziele generieren sich insbesondere aus den Werten der Effizienz und Leistungssteigerung. Oder die Firma, die die Technologien herstellt, wird zu der Instanz, bei der die Daten zusammenkommen und die die Artefakte mit der Durchführung der Tätigkeiten beauftragt. Ist Technik also smart? 2.1.3
Ist Technik stabilisierte Gesellschaft?
Bruno Latour hat sich in seiner Soziologie der Assoziation insbesondere mit dem Gegensatz von statischer sozialer Formation und temporärer Verbindung von Akteuren und Aktanten befasst. Für Latour ist Stabilität ein Zustand, der durch Strategien und Praktiken von Akteuren oder Aktanten erhalten werden muss und nicht per se gegeben ist. Deutlich wird das bei der Entstehung von Technik: „Innovationen verdeutlichen uns, dass wir niemals in einer Welt von Akteuren arbeiten, denen feste Umrisse zugeschrieben werden könnten. Nicht nur variiert ihr Grad an Verbundenheit mit einer Aussage; ihre Kompetenz, sogar ihre Definition kann transformiert werden. Diese Transformationen, denen die Akteure unterliegen, sind von wesentlicher Bedeutung für uns, wenn wir Innovationen untersuchen, weil sie enthüllen, dass der vereinheitlichte Akteur […] selbst aus einer Assoziation anders verteilbarer Elemente besteht. Das Öffnen und Schließen dieser Black
3
Schughart, Anna (2016): „Fr1sch vom Ack3r“, in: Wired, Nr. 2, S. 59, hier S. 59.
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Boxes hat bislang das Verstehen der Einstiegspunkte von Innovationen zu einem heiklen Prozess gemacht.“4 Für Latour sind neue technische Produkte daher besonders interessant, um die Black Box der Sozialität, die um die Innovation entsteht, sichtbar zu machen. Welche Sozialität stabilisiert sich also im Roboter? 2.1.4
Führt Technik zu einer Postsozialität?
Für die Gegenwartsgesellschaft macht Karin Knorr Cetina eine Phase aus, die nicht mehr genuin sozial ist und die sie über das Konzept der Postsozialität zu fassen versucht. Diese Phase ist primär von drei Prozessen gekennzeichnet: eine De-Sozialisierung, eine Veränderung der Subjektkonstitution sowie eine Veränderung der Beziehung des Subjekts zum Objekt. Als Konsequenz entsteht daraus für Knorr Cetina eine Verschiebung des Sozialitätsverständnisses, was sie als postsozial bezeichnet. Welche Rolle spielt Technik dabei und wie gestaltet sich dadurch die Verbindung von Akteuren, Organisationen, Institutionen und ähnlichen sozialen Figuren?5
4
Latour, Bruno [1991] (2006): „Technik ist stabilisierte Gesellschaft“, in: Belliger, Andréa; David J. Krieger (Hrsg.): ANThology. Ein einführendes Handbuch zur AkteurNetzwerk-Theorie, Bielefeld: transcript, S. 369–397, hier S. 375.
5
Vgl. Knorr Cetina, Karin (2007): „Umrisse einer Soziologie des Postsozialen“, in: Pahl, Hanno; Lars Meyer (Hrsg.): Kognitiver Kapitalismus. Soziologische Beiträge zur Theorie der Wissensökonomie, Marburg: Metropolis, S. 25–39; dies. (2007): „Postsoziale Beziehungen. Theorie der Gesellschaft in einem postsozialen Kontext“, in: Bonacker, Thorsten; Andreas Reckwitz (Hrsg.): Kulturen der Moderne. Soziologische Perspektiven der Gegenwart, Frankfurt/Main: Campus, S. 267–300; dies. (1998): „Sozialität mit Objekten. Soziale Beziehungen in posttraditionalen Wissensgesellschaften“, in: Rammert, Werner (Hrsg.): Technik und Sozialtheorie, Frankfurt/Main u.a: Campus, S. 83– 120.
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2.1.5
| 17
Kehrt der Feudalismus zurück?
Der weißrussische Publizist Evgeny Morozov macht für die heutige Gesellschaft eine Rückkehr in den „Feudalismus einer hypermodernen Epoche [aus], unterstützt durch Sensoren, Plattformen und Algorithmen“.6 Im Unterschied zur früheren Epoche des Feudalismus verlangen nun die Unternehmen eine Pacht vom Staat und nicht der Staat von anderen. Ein wesentliches Prinzip des neuen Feudalismus sieht Morozov in dem, was er „Daten-Extraktivismus“ nennt.7 Um ihre Algorithmen klüger zu machen, um ihre Technologien auszubauen und weiterzuentwickeln, extrahieren die technologischen Superkonzerne Daten aus ihren Angeboten. Nur die Superkonzerne haben Zugang zu ihnen und nur sie verfügen über die Infrastruktur, um sie zu analysieren. In der Konsequenz wird die künstliche Intelligenz ihrer Technologien klüger und effektiver als das menschliche Personal sein, sodass es sich nicht mehr lohnt, dieses zu beschäftigen. Da nur die Firmen Zugang zu den Daten haben, können sie allen anderen diktieren, unter welchen Bedingungen sie mitmachen dürfen. Die Regeln für die Nutzung der technologischen Plattformen bekommen etwas Willkürliches, da sie sich von einem Tag auf den anderen ändern können. Mozorov kritisiert das Verschwinden von prozessorientierten Werten und die gleichzeitige Hervorhebung von ergebnisorientierten Werten, die insbesondere von Technologieunternehmen definiert werden, die kostengünstigere Modelle etwa in der Pflege anbieten können, was aber mit einem Verlust an Sozialem einhergeht.8 Kehrt durch avancierte Technik also der Feudalismus zurück? 2.1.6
Oder müssen Roboter sozialisiert werden?
Johannes Weyer hat sich dafür ausgesprochen, dass avancierte Technik sozialisiert werden solle. Dafür hat er zunächst avancierte Technik von konventioneller Technik unterschieden. Konventionelle Technik kennzeichnet eine geringe An-
6
Morozov, Evgeny (2016): „Die Rückkehr des Feudalismus. Weil sie allein Zugang zu unseren Daten haben, können große Technologiekonzerne jedem ihre Bedingungen diktieren – sogar dem Staat“, in: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, Nr. 37 vom 18.09.2016, S. 49.
7
Ebd.
8
Vgl. Morozov, Evgeny (2015): „Der schöne neue Wohlfahrtsstaat. In Arbeit: Kostengünstiges Management von Senioren“, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 285 vom 08.12.2015, S. 14.
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zahl an möglichen Zuständen. Sie zeigt triviale, vorprogrammierte Verhaltensmuster, sie verändert sich nicht durch Lernprozesse und entwickelt keine emergenten Strukturen. In der Konsequenz bietet sie dem menschlichen Gegenüber eine hohe Erwartungssicherheit. Der menschliche Akteur kann die Aktivitäten der konventionellen Technik voraussehen und sie somit in sein strategisches Kalkül einbeziehen. Dadurch kann er Technik instrumentalisieren. Im Gegensatz dazu folgt avancierte Technik keinem festen Schema, sondern handelt situationsspezifisch. Die Handlungen ergeben sich nicht aus dem Programm, sondern aus der Verknüpfung unterschiedlicher Operationen, wodurch in der Konsequenz eine emergente Struktur entsteht. Der Konstrukteur kann situationsspezifische Ziele verfolgen, der Nutzer kann sich ihr fast nur noch unterordnen, aber ihr gegenüber nicht mehr strategisch handeln. Bei Robotern entsteht für Weyer ein eigenes Problem: „Roboter haben […] zu viele Freiheitsgrade, d. h., sie bewegen sich nicht innerhalb des Horizonts des normativ Erwartbaren, sondern im Rahmen des technisch Möglichen. Insofern sind Roboter keine sozialen Wesen, da sie nicht sozialisiert, d. h. in den normativen Rahmen der Gesellschaft eingebunden sind. Prinzipiell spricht nichts dagegen, dass sie normkonformes Verhalten lernen können, was jedoch – ähnlich wie beim Menschen – ein langwieriger Prozess wäre, der u. a. das Prinzip der Bildung von Erwartungserwartungen beinhalten würde. Dies hätte aber eine – zumindest partielle – Rücknahme des Prinzips der beliebigen Kombinierbarkeit zur Folge […], also eher eine Trivialisierung anstelle von Multifunktionalität, die es dem menschlichen Gegenüber ermöglichen würde, das Verhalten der Maschine zu verstehen und sich ihr gegenüber strategisch zu verhalten.“9
Müssen Roboter also sozialisiert werden, damit sie Teil der Sozialität werden?
9
Weyer, Johannes (2009): „Die Kooperation menschlicher Akteure und nicht-menschlicher Agenten. Ansatzpunkte einer Soziologie hybrider Systeme“, in: Berger, Wilhelm; Günter Getzinger (Hrsg.): Das Tätigsein der Dinge. Beiträge zur Handlungsträgerschaft von Technik, München, Wien: Profil, S. 61–92, hier S. 82.
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2.2 D ER G EGENSTAND : INTERAKTIVE R OBOTER IN EINER S OZIALITÄT Der Begriff des Roboters kommt einerseits aus dem Tschechischen und andererseits aus dem Entstehungsprozess des utopischen Dramas R. U. R. (Rossums Universal–Robots), das der tschechische Autor Karel Čapek 1920 veröffentlichte. In dem Theaterstück stellt „die Firma Rossum auf biochemischem Weg erzeugte Fronarbeiter: Roboter“ her.10 Der Begriff leitet sich von dem tschechischen Substantiv robota ab, das Arbeit oder Fronarbeit bedeutet und auf das altkirchenslawische Wort rab („Sklave“) zurückgeht. Die neu geschaffene Bedeutung verweist also auf Handlungen, die im Auftrag anderer ausgeführt werden.11 2.2.1
Eine kleine Geschichte des Roboters
Wurde der Begriff des Roboters erst in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts geschaffen, fanden sich bereits in der Antike bewegliche Masken und Statuen, die über einen verborgenen Bewegungsautomatismus verfügten. Sie dienten Priestern als Machtinstrument. Diese nutzten Zustandsveränderungen des Wassers, des Lichts und der Luft, um die Masken zu bewegen. Erste Automaten kamen etwa 380 v. Chr. auf. Archytas von Tarent, ein Freund von Platon, soll eine Taube aus Holz entwickelt haben, die mit Druckluft durch die Luft fliegen konnte. In den folgenden Jahrhunderten erforschten die Naturwissenschaften die Prinzipien, die Artefakten erlaubten, automatisch Dinge auszuführen. Dies mündete in verschiedenste Umsetzungen der Prinzipien und geschah überwiegend im Orient. In der Renaissance waren in Europa automatische Artefakte zu Unterhaltungszwecken eine gängige Erscheinung des Adels. Ludwig XII. etwa ließ sich einen mechanischen Löwen bauen, der laufen konnte und das französische Wappen zeigte. Seinen Höhepunkt fand die mechanische Automatenkonstruktion in Europa im 18. Jahrhundert. Verschiedene Konstrukteure wollten einen mechanischen Menschen schaffen: Einzelne Exemplare konnten einige Buchstaben schreiben, andere etwas auf einem Instrument spielen. Außerdem erzielten die Konstrukteure große Erfolge dabei, die Bewegungsabläufe von Tieren mechanisch
10 Wahrig: Herkunftswörterbuch (o. J.): Roboter. URL: http://www.wissen.de/wortherkunft/roboter (zuletzt abgerufen am: 19.09.2016). 11 Vgl. Wikipedia (2016): Roboter. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Roboter&oldid=157862339 (zuletzt abgerufen am: 18.09.2016).
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nachzubilden. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts führte dies zu einem großen Aufkommen von mechanischen Puppen. Die Faszination für die mechanischen Automaten ließ zu Beginn des 20. Jahrhunderts nach. Stattdessen wurden diese in den folgenden Jahrzehnten Protagonisten und Sujet für die Kunst und hier insbesondere für die Literatur. Allein Issac Asimov schrieb zwischen 1942 und 1972 über 30 Kurzgeschichten zu Robotern.12 Parallel zur Faszination für Roboter in der Kunst wurde die Technik weiterentwickelt. So kam es im Jahr 1915 in der Schweiz zur Entwicklung der ersten Maschine, die Informationen aus der Umgebung aufnehmen konnte. Sie reagierte auf Licht und war somit eine Frühform eines Sensors. Während des Zweiten Weltkriegs forschten zahlreiche Wissenschaftler an automatischen Greifarmen, um den menschlichen Kontakt mit Atomwaffen vermeiden zu können. In den 50er Jahren entstand der erste Greifarm mit einem Elektromotor. Zeitgleich entstand das erste Modell für künstliche Intelligenz und Kybernetik. Inspiriert von den Roboterromanen von Asimov folgten Ende der 50er Jahre die ersten Realisationen von Robotern. Zu Beginn der 60er Jahre etwa wurden die ersten Roboter in der Automobilindustrie eingesetzt. Ende der 60er Jahre wurde mit Shakey der erste frei bewegliche Roboter entwickelt. Er verfügte über mehrere Sensoren und musste längere Zeit rechnen, bevor er sich bewegen konnte.13 Durch die Entwicklung von Mikrochips in den 70er Jahren wurden die Roboter deutlich kleiner und konnten sich schneller bewegen. Ab den 80er Jahren kamen erste Roboter dort zum Einsatz, wo der Mensch schlecht oder gar nicht hinkam, wie in Atomkraftwerken. Wurden Roboter bisher primär von Ingenieuren und Informatikerinnen entwickelt, traten seit den 90er Jahren neue Disziplinen in die Entwicklung von Robotern ein. Dadurch kam es zu Weiterentwicklungen u. a. in der Form, Elektronik und Sensorik. Roboter kamen fortan zunehmend in neuen Gebieten wie der Medizin zum Einsatz. In der Folge wurden sie optisch ansprechender.14 Diese These lässt sich erweitern, da seit den Nullerjahren des 21. Jahrhunderts verschiedene Sozialwissenschaften wie die Soziologie, Psychologie und Linguistik in der Entwicklung von Robotern mitwirkten. 12 Vgl. Asimov, Isaac (2007): Alle Roboter-Geschichten, Bergisch Gladbach: Lübbe. 13 Vgl. zu Shakey auch Suchman, Lucy A. (2009): Human-machine reconfigurations. Plans and situated actions, Cambridge [et al.]: Cambridge University Press, S. 51–68. 14 Vgl. zur Geschichte der Roboter Ichbiah, Daniel (2005): Roboter. Geschichte, Technik, Entwicklung, München: Knesebeck, S. 9–31; Pötzsch, Matthias (1995): „Stichwort Künstlicher Mensch. Bemerkungen zu einem kulturgeschichtlichen Komplex“, in: Seim, Roland; Josef Spiegel (Hrsg.): Roboter-Alltag. Zur Soziologie und Geschichte des künstlichen Menschen, Münster: Kulturbüro, S. 6–14.
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2.2.2
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Der Roboter und die Sozialität
Kerstin Dautenhahn schlug vor, dass ein Roboter soziale Fähigkeiten haben sollte, wenn er regelmäßigen physischen Kontakt zu Menschen hat, und außerdem über offene, adaptive Funktionalitäten verfügen sowie einem menschlichen Partner assistieren sollte. Er braucht hingegen keine sozialen Fähigkeiten, wenn er über limitierte, klar definierte Funktionen verfügt sowie ein Werkzeug in Maschinenform ist.15 In den Augen Dautenhahns gibt es dabei zwei Paradigmen darüber, wie die Beziehung zwischen Mensch und Roboter gestaltet wird: das Caretaker-Paradigma und das Companion-Paradigma. Das Caretaker-Paradigma ist roboterzentriert, in ihm muss sich der Mensch nach dem Roboter richten. Die Roboterkonstruktion basiert auf dem Kindchenschema, um den Menschen zu binden. In den Augen Dautenhahns agieren Menschen gegenüber diesen Robotern zwar sozial, gehen aber keine soziale Beziehung zu ihm ein. Anders ist das beim Companion-Paradigma. Hier ist der Roboter der Assistent des Menschen. Er muss dessen Bedürfnisse wahrnehmen und sozial akzeptabel agieren. Wird das CompanionParadigma mit sozialen Regeln für das Verhalten von Robotern im Umgang mit Menschen kombiniert, dann entstehen für Dautenhahn individualisierte und personalisierte Roboter, die die individuelle Natur der Menschen, die sie umgeben, erfassen können und sich auf sie einlassen.16 Für Shanyang Zhao müssen Roboter zwei Aspekte erfüllen, um soziale Roboter zu sein. Sie müssen autonom und sie müssen sozial sein. Autonomie bedeutet, dass die Richtung, die die Roboter in ihrer Bewegung einnehmen, von ihnen selbst kommt, was durch Automation und Simulation hergestellt wird. Es ist dabei nicht entscheidend, ob die Roboter eine physisch berührbare Erscheinung oder digital sind. Das Soziale bedeutet bei Zhao die Fähigkeit zur verbalen oder nonverbalen Kommunikation. Eine menschenähnliche Form begünstigt in seinen Augen eine soziale Beziehung zum Menschen, weil die Ähnlichkeit der Morphologie die Fähigkeit zur Kommunikation unterstreicht. Roboter müssen seiner Auffassung nach jedoch nicht humanoid sein, um sozial zu sein.17
15 Vgl. Dautenhahn, Kerstin (2007): „Socially intelligent robots. Dimensions of humanrobot interaction“, in: Philosophical Transactions of the Royal Society B: Biological Sciences, Jg. 362, Nr. 1480, S. 679–704, hier S. 683. 16 Vgl. ebd., S. 699–700. 17 Vgl. Zhao, Shanyang (2006): „Humanoid social robots as a medium of communication“, in: New Media & Society, Jg. 8, Nr. 3, S. 401–419, hier S. 404–408.
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Del Moral, Pardo und Angulo haben sich dafür ausgesprochen, dass das Soziale bei Robotern die Fähigkeit zur Interaktion und Kommunikation mit einem Lebewesen ist. Außerdem müssen die Roboter sich autonom bewegen können und über eine physische Gestaltung verfügen, die ihre Beziehung zur Umgebung kennzeichnet und über die sie wahrnehmen und interagieren können. Schließlich muss der Roboter über erwartbare Kommunikationsformen verfügen.18 2.2.3
Die Roboterauswahl
Aus den aufgeführten Definitionen habe ich folgende drei Kriterien destilliert, die erfüllt sein mussten, damit die Roboter für die Fallauswahl in Frage kamen: Sie müssen sich autonom bewegen, sie sollen mit Menschen interagieren und sie müssen dabei in einen physisch beobachtbaren Austausch treten. Die soziale Dimension habe ich nicht explizit als Kriterium für die Fallauswahl gewählt, da sie meiner Auffassung nach über ihren Bezug zu ihrer sozialen Umgebung hergestellt wird. Wie dies geschieht, ist Teil der Forschungsfrage und bearbeite ich weiter unten. Autonomie bedeutet, dass die Roboter Tätigkeiten vollständig autonom ausführen müssen, sobald sie von den Operatoren in die Sozialität gesetzt worden sind. Damit grenze ich mich insbesondere von Wizard-of-Oz-Modellen ab. Als Wizard of Oz gelten Roboter, die als autonom erscheinen, tatsächlich aber simultan von einem Menschen gesteuert werden.19 Ferner geht es mir um Roboter, die einen interaktiven Bezug zum Menschen haben, d. h., es sollen Roboter sein, die mit dem Menschen in Kontakt kommen, und entweder soll der Roboter den Menschen für die Vervollständigung einer Tätigkeit benötigen oder der Mensch den Roboter. Hierbei grenze ich mich insbesondere von Industrierobotern ab, die eine bloße Tätigkeit ausführen und damit per se keine soziale Dimension enthalten. Ich fasse den Interaktionsbegriff weit, sodass er auch Kommunikation umfasst. Die physisch beobachtbare Berührung von Mensch und Roboter ist wichtig, um eine eindeutig benennbare Sequenz zu haben, an der der Kontakt und damit die Interaktion deutlich werden. Außerdem lässt sich darüber eine Trennung zu 18 Vgl. del Moral, Sergi; Diego Pardo und Cecilio Angulo (2009): „Social Robot Paradigms: An Overview“, in: Cabestany, Joan (Hrsg.): Bio-inspired systems: computational and ambient intelligence. 10th International Work-Conference on Artificial Neural Networks, IWANN 2009, Salamanca, Spain, June 10 - 12, 2009 ; proceedings, part I, Berlin: Springer, S. 773–780, hier S. 777. 19 Vgl. hierzu Wooffitt, Robin (1997): Humans, computers and wizards. Analysing human (simulated) computer interaction, London [u.a.]: Routledge
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reinen Software-Agenten vollziehen. Die äußere Form war für die Auswahl der Roboter nicht entscheidend, da sowohl humanoide als auch nicht humanoide Roboter in soziale Verbindungen zu Mensch und Sozialität gelangen. Die Dimensionen der Sozialität habe ich für die Fallauswahl ausgeklammert, da ich sie explizit zum Thema meiner Analyse gemacht habe, deswegen wollte ich eine mögliche Negation meiner Forschungsfrage nicht durch eine implizite Tautologie in der Fallauswahl ausschließen. Als erster Ausgangspunkt für das Soziale reicht es aus, es als den Bereich zu bestimmen, der dadurch entsteht, dass ein Mensch mit mindestens einem anderen Handlungsträger in Kontakt kommt. Vor der Analyse lässt sich der Roboter in einer theoretischen Minimaldefinition als ein Artefakt kennzeichnen, das als Handlungsträger Aspekte von sozialer Praktik, sozialen Organisationen und ausgehandelten Ordnungen trägt, die durch die Anwesenheit von menschlichen Akteuren zu einer Sozialität führen. Der Roboter hat etwa eine Form erhalten, über die seine Beziehung zu Mensch und Sozialität prädispositiv gestaltet wurde und über die weitere Formungen laufen. Es geht also darum, wie dem Roboter Handlungsträgerschaft bzw. eine Interaktivität verliehen wird und in welcher Formation sich die Beziehung zwischen Mensch und Sozialität soziologisch adäquat erfassen lässt. Das sind die sozialen Dimensionen in den Definitionen, die ich explizit in der Fallanalyse berücksichtigen werde. Nachfolgend möchte ich erst den Stand der Forschung skizzieren und anschließend meine Fragestellung darstellen.
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2.3 D ER F ORSCHUNGSSTAND Erste Thematisierungen von Robotern in der Soziologie erfolgten über Annäherungen an die ‚künstliche Intelligenz‘20, die dann Ende der 1990er Jahre zu Konzepten der verteilten künstlichen Intelligenz21 oder der Sozionik22 ausgebaut wurden. Inzwischen werden Roboter mit verschiedenen Schwerpunkten explizit zum Thema gemacht. Der wesentliche Schwerpunkt des soziologischen Interesses an Robotern liegt in der Interaktion zwischen Robotern und Menschen. Der Forschungsschwerpunkt lag bislang insbesondere auf der Seite des Menschen in der Interaktion. Hier ging es v. a. darum, wie der Mensch den Roboter wahrnimmt
20 Vgl. für einen Überblick Rammert, Werner (1995): „Soziologische Zugänge zur künstlichen Intelligenz“, in: Ders. (Hrsg.): Soziologie und künstliche Intelligenz. Produkte und Probleme einer Hochtechnologie, Frankfurt am Main [et al.]: Campus, S. 7–36. Erste Konzepte für die Bestimmung des Verhältnisses von Mensch und Maschine waren der Turing-Test (Turing, Alan M. (1950): „Computing Machinery and Intelligence“, in: Mind, Jg. 59, Nr. 236, S. 433–460.) und das Programm ELIZA (Weizenbaum, Joseph (1966): „ELIZA – A Computer Program For the Study of Natural Language Communication Between Man And Machine“, in: Communications of the ACM, Jg. 9, Nr. 1, S. 36–45.). Zu beiden Konzepten und für ihre soziologischen Implikationen siehe auch Heintz, Bettina (1995): „Papiermaschinen. Die sozialen Voraussetzungen maschineller Intelligenz“, in: Rammert, Werner (Hrsg.): Soziologie und künstliche Intelligenz. Produkte und Probleme einer Hochtechnologie, Frankfurt am Main [et al.]: Campus, S. 37– 64. 21 Siehe dazu etwa Rammert, Werner (1998): „Giddens und die Gesellschaft der Heinzelmännchen. Zur Soziologie technischer Agenten und Systeme Verteilter Künstlicher Intelligenz“, in: Malsch, Thomas (Hrsg.): Sozionik. Soziologische Ansichten über künstliche Sozialität, Berlin: Edition Sigma, S. 91–128; Strübing, Jörg (1998): „Multiagenten-Systeme als ,Going Concern‘. Zur Zusammenarbeit von Informatik und Interaktionismus auf dem Gebiet der Verteilten Künstlichen Intelligenz“, in: Malsch, Thomas (Hrsg.): Sozionik. Soziologische Ansichten über künstliche Sozialität, Berlin: Edition Sigma, S. 59–89. 22 Für eine zusammenfassende Darstellung siehe Malsch, Thomas; Ingo Schulz-Schaeffer (2007): „Socionics. Sociological Concepts for Social Systems of Artificial (and Human) Agents“, in: Journal of Artificial Societies and Social Simulation, Jg. 10, Nr. 1, S. 11. Vgl. außerdem Malsch, Thomas; Michael Florian; Michael Jonas und Ingo SchulzSchaeffer (1998): „Sozionik. Expeditionen ins Grenzgebiet zwischen Soziologie und Künstlicher Intelligenz.“, in: Malsch, Thomas (Hrsg.): Sozionik. Soziologische Ansichten über künstliche Sozialität, Berlin: Edition Sigma, S. 9.
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und welche Zuschreibungsprozesse dabei ablaufen. In neuerer Forschung wird nun insbesondere die Design- und Gestaltungsebene wichtig. Es eröffnen sich außerdem neue Forschungsfelder, indem sich weitere ‚Bindestrichsoziologien‘ mit der Robotik befassen. Diese münden etwa in kultursoziologische oder professionssoziologische Forschung, aber auch in Forschung über die sozialen Konsequenzen von Ethik- und Rechtsfragen. Außerdem wird zunehmend die soziologische Möglichkeit thematisiert, an der Gestaltung von Robotern zu partizipieren. Schließlich rückt damit das Verhältnis von Roboter, Mensch und Sozialität in den Mittelpunkt der Betrachtung. 2.3.1
Mensch-Roboter-Interaktion
Die Interaktion zwischen Mensch und Roboter hat Braun-Thürmann, in einer sehr frühen Arbeit im deutschsprachigen Raum, generell als künstliche Interaktion23 beschrieben und jene von Robotern untereinander als eine Intraaktion.24 Catherina Burghart hat mit Kolleginnen und Kollegen ein Evaluierungssystem für die Bewertung von Mensch-Roboter-Interaktionen entwickelt.25 Martin Meister plädiert dafür, die Mensch-Roboter-Interaktion empirisch zu untersuchen, um neue Erkenntnisse für die Technikfolgenabschätzung zu gewinnen.26 In der Interaktion zwischen Mensch und Roboter sind die Seite des Menschen und seine Wahrnehmung des Roboters intensiv analysiert worden. So führt die Anwesenheit des Roboters zu sozialer Erleichterung beim Menschen.27 Menschen
23 Braun-Thürmann, Holger (2002): Künstliche Interaktion. Wie Technik zur Teilnehmerin sozialer Wirklichkeit wird, Wiesbaden: Westdeutscher Verlag. 24 Vgl. Braun-Thürmann, Holger (2002): „Über die praktische Herstellung der Handlungsträgerschaft von Technik“, in: Rammert, Werner; Ingo Schulz-Schaeffer (Hrsg.): Können Maschinen handeln? Soziologische Beiträge zum Verhältnis von Mensch und Technik, Frankfurt am Main [et al.]: Campus, S. 161–188, hier S. 179–184. 25 Vgl. Burghart, Catherina; Ralf Mikut; Hartwig Holzapfel und Roger Häußling (2008): „Interaktion zwischen Mensch und intelligentem Robotersystem. Bausteine zur Bewertung mittels Benchmarks“, in: Künstliche Intelligenz, Nr. 4, S. 16–21. 26 Vgl. Meister, Martin (2011): „Mensch-Technik-Interaktivität mit Servicerobotern. Ansatzpunkte für eine techniksoziologisch informierte TA der Robotik“, in: Technikfolgenabschätzung – Theorie und Praxis, Jg. 20, Nr. 1, S. 46–52. 27 Riether, Nina; Frank Hegel; Britta Wrede und Gernot Horstmann (2012): „Social facilitation with social robots?“, in: Yanco, Holly; Aaron Steinfeld; Vanessa Evers und Odest Chadwicke Jenkins (Hrsg.): the seventh annual ACM/IEEE international conference, S. 41.
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verwenden ähnliche Strategien im Spiel gegen einen Roboter wie gegen Mitmenschen.28 Menschen schreiben einem Roboter eine größere Verantwortung für seine Tätigkeiten zu als anderen nicht menschlichen Artefakten29 und erwarten von ihm eine hohe, menschenähnliche Normativität.30 Insgesamt ziehen Menschen aus der äußeren Erscheinung des Roboters Schlüsse über seine Eigenschaften31 oder seine Kompetenz.32 Sind die Roboter anthropomorph, so bauen Menschen ihre Interaktionen mit den technischen Artefakten auf etablierten menschlichen Beziehungen auf.33 Menschen zeigen in Anwesenheit von Robotern stärker sozial erwünschtes Verhalten als gegenüber anderer Technik. Gleichzeitig möchten viele Menschen in erster Linie, dass ein Roboter funktional ist und die Form nur nachrangig von
28 Torta, Elena; Elisabeth van Dijk; Peter A. M. Ruijten und Raymond H. Cuijpers (2014): „The Ultimatum Game as Measurement Tool for Anthropomorphism in Human–Robot Interaction“, in: Jamshidi, Mo (Hrsg.): Advance Trends in Soft Computing. Proceedings of WCSC 2013, December 16-18, San Antonio, Texas, USA, Cham: Springer, S. 209– 217. 29 Kahn Jr, Peter H; Takayuki Kanda und Hiroshi Ishiguro et al. (2012): „Do people hold a humanoid robot morally accountable for the harm it causes?“. Proceedings of the seventh annual ACM/IEEE international conference on Human-Robot Interaction, S. 33– 40. 30 Vgl. Syrdal, Dag Sverre; Kerstin Dautenhahn; Michael L. Walters und Kheng Lee Koay (2008): „Sharing Spaces with Robots in a Home Scenario. Anthropomorphic Attributions and their Effect on Proxemic Expectations and Evaluations in a Live HRI Trial“, in: AAAI fall symposium (Hrsg.): Tech Report. FS-08-02, S. 116–123. 31 Vgl. Walters, Michael L; Kheng L. Koay; Dag S. Syrdal; Kerstin Dautenhahn und René Te Boekhorst (2009): „Preferences and perceptions of robot appearance and embodiment in human-robot interaction trials“. Procs of New Frontiers in Human-Robot Interaction, S. 136–143. 32 Vgl. Lee, Sau-lai; Sara Kiesler; Ivy Yee-man Lau und Chi-Yue Chiu (2005): „Human mental models of humanoid robots“. 2005 IEEE International Conference on Robotics and Automation, S. 2767–2772. 33 Vgl. Schmitz, Michael (2011): „Concepts for life-like interactive objects“. Proceedings of the fifth international conference on Tangible, embedded, and embodied interaction, S. 157–164.
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Bedeutung ist.34 Menschen zeigen jedoch besonders dann großes Vertrauen zu einem Roboter, wenn dessen Grad an Anthropomorphismus sich mit der Seriosität seiner Tätigkeit deckt.35 Die Seite des Roboters in der Interaktion wurde insbesondere über seine Form und äußere Erscheinung analysiert. Dies geschah primär über die Auswirkungen der Erscheinung auf den Menschen. Von der physischen Erscheinung eines Roboters ziehen Menschen – wie bereits erwähnt – Rückschlüsse auf dessen Kompetenz und Motive36 sowie auf die Möglichkeiten der Interaktion.37 Das Feedback, das Menschen zu humanoiden Robotern abgeben, ist formaler als das zu maschinenähnlichen Robotern. Außerdem vermeiden Menschen bei Humanoiden stärker eine Berührung als bei zoomorphen Robotern.38 Maschinenähnliche Roboter werden von Menschen schroffer behandelt als humanoide Roboter.39 Menschen lassen
34 Vgl. Lohse, Manja (2011): „Bridging the gap between users’ expectations and system evaluations“. RO-MAN, 2011 IEEE, S. 485–490; Hancock, Peter A; Deborah R. Billings und Kristin E. Schaefer et al. (2011): „A Meta-Analysis of Factors Affecting Trust in Human-Robot Interaction“, in: Human Factors: The Journal of the Human Factors and Ergonomics Society, Jg. 53, Nr. 5, S. 517–527. 35 Vgl. Goetz, Jennifer; Sara Kiesler und Aaron Powers (2003): „Matching robot appearance and behavior to tasks to improve human-robot cooperation“. Robot and Human Interactive Communication, 2003. Proceedings. ROMAN 2003. The 12th IEEE International Workshop on, S. 55–60. 36 Vgl. Hegel, Frank; Soren Krach; Tilo Kircher; Britta Wrede und Gerhard Sagerer (2008): „Understanding social robots: A user study on anthropomorphism“. Robot and Human Interactive Communication, 2008. RO-MAN 2008. The 17th IEEE International Symposium on robot and human interactive communication, S. 574–579. 37 Vgl. Powers, Aaron; Adam Di Kramer und Shirlene Lim et al. (2005): „Eliciting information from people with a gendered humanoid robot“. Robot and Human Interactive Communication, 2005. ROMAN 2005. IEEE International Workshop on robot and human interacitve communication, S. 158–163. 38 Vgl. Kanda, Takayuki; Takahiro Miyashita; Taku Osada; Yuji Haikawa und Hiroshi Ishiguro (2008): „Analysis of Humanoid Appearances in Human–Robot Interaction“, in: IEEE Transactions on Robotics, Jg. 24, Nr. 3, S. 725–735. 39 Vgl. Bartneck, Christoph; Juliane Reichenbach und Julie Carpenter (2006): „Use of Praise and Punishment in Human-Robot Collaborative Teams“. ROMAN 2006 – The 15th IEEE International Symposium on Robot and Human Interactive Communication, S. 177–182.
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sich schneller auf einen Roboter mit humanoider Form ein,40 insbesondere, wenn er Emotionen zeigt.41 Die Art der Stimme des Roboters hat eine große Auswirkung auf die Distanz, die Menschen zu ihm einnehmen.42 Anthropomorphe Roboter werden visuell stärker wahrgenommen.43 Eine anthropomorphe Erscheinung des Roboters erleichtert die Interaktion mit dem Menschen44, u. a., weil sie schneller Vertrautheit45 und Glaubwürdigkeit46 beim menschlichen Gegenüber erzeugen kann. Das Design des Roboters verbindet Empfindungen, schlussfolgerndes Denken, Umgang mit komplexen Situationen und kreative Entscheidungen des Menschen in instabilen Situationen mit Präzision, Rechenleistung und Operativität des Computers.47
40 Vgl. Riek, Laurel D; Tal-Chen Rabinowitch; Bhismadev Chakrabarti und Peter Robinson (2009): „How anthropomorphism affects empathy toward robots“. Proceedings of the 4th ACM/IEEE international conference on Human robot interaction, S. 245–246. 41 Vgl. Eyssel, Friederike; Frank Hegel; Gernot Horstmann und Claudia Wagner (2010): „Anthropomorphic inferences from emotional nonverbal cues: A case study“. ROMAN, 2010 IEEE, S. 646–651. 42 Vgl. Ogawa, Kohei; Christoph Bartneck und Daisuke Sakamoto et al. (2009): „Can an android persuade you?“. Robot and Human Interactive Communication, 2009. ROMAN 2009. The 18th IEEE International Symposium on robot interactive communication, S. 516–521. 43 Vgl. Bae, Jae-eul; Myung-suk Kim (2011): „Selective visual attention occurred in change detection derived by animacy of robot's appearance“. International Conference on Collaboration Technologies and Systems (CTS), S. 190–193. 44 Vgl. Fasola, Juan; Maja J. Mataric (2012): „Using Socially Assistive Human–Robot Interaction to Motivate Physical Exercise for Older Adults“, in: Proceedings of the IEEE, Jg. 100, Nr. 8, S. 2512–2526. 45 Vgl. Choi, Jeong-gun; Myungsuk Kim (2008): „The usage and evaluation of anthropomorphic form in robot design“. Undisciplined! Design Research Society Conference. 46 Vgl. Tapus, Adriana; Maja Mataric und Brian Scassellati (2007): „Socially assistive robotics [Grand Challenges of Robotics]“, in: IEEE Robotics & Automation Magazine, Jg. 14, Nr. 1, S. 35–42. 47 Vgl. Häußling, Roger (2012): „Design als soziotechnische Relation. Neue Herausforderungen der Gestaltung inter- und transaktiver Technik am Beispiel humanoider Robotik“, in: Moebius, Stephan; Sophia Prinz (Hrsg.): Das Design der Gesellschaft. Zur Kultursoziologie des Designs, Bielefeld: transcript, S. 273–298.
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Weitere sozialwissenschaftliche Forschungen
Außerdem finden sich soziologische Arbeiten, die den Roboter als Substitut bisheriger sozialer Tätigkeiten thematisieren, die Anwendungsmöglichkeiten soziologischer Forschung in der Robotik aufzeigen und die Perspektive ihrer Bindestrichsoziologie in die Robotik einbringen. Die Roboter als funktionales Substitut von Aufgaben und Rollen des Menschen sind über Serviceroboter, die in stationären Pflegeeinrichtungen das Personal entlasten sollen, indem sie Routinetätigkeiten übernehmen, thematisiert worden48 oder über die Roboterrobbe PARO, die in der aktiven Pflege von Demenzkranken eingesetzt wird.49 Ein anderes Einsatzgebiet ist insbesondere das Militär. Zwar ersetzen Kampfroboter keine Soldaten, aber sie übernehmen verschiedene singuläre und funktionale Aufgaben des Militärs, was zu einer Veränderung des Sozialgefüges führt.50 Am Rande der sozialwissenschaftlichen Forschung werden Roboter außerdem im Hinblick auf ethische Dimensionen betrachtet. Dazu gehören Arbeiten darüber, ob das ethische Handeln beim Roboter, beim Menschen oder in der Interaktion zwischen ihnen zu verorten ist51 oder wie der Schutz der Menschenwürde bei einer
48 Siehe dazu Graf, Birgit; Theo Jacobs und Jochen Luz et al. (2012): „Einsatz und Pilotierung mobiler Serviceroboter zur Unterstützung von Dienstleistungen in der stationären Altenpflege“, in: Shire, Karen A; Jan Marco Leimeister (Hrsg.): Technologiegestützte Dienstleistungsinnovation in der Gesundheitswirtschaft, Wiesbaden: Gabler Verlag, S. 265–288. 49 Vgl. Pfadenhauer, Michaela; Christoph Dukat (2015): „Robot Caregiver or Robot-Supported Caregiving?“, in: International Journal of Social Robotics, Jg. 7, Nr. 3, S. 393– 406; dies. (2015): „Professionalisierung lebensweltlicher Krisen durch Technik? Zur Betreuung demenziell erkrankter Personen mittels sozial assistiver Robotik“, in: Verhandlungen der Kongresse der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, Jg. 37. 50 Vgl. Geser, Hans (2011): „Waffensysteme als „derivierte Akteure“. Kampfroboter im asymmetrischen Krieg“, in: Technikfolgenabschätzung – Theorie und Praxis, Jg. 20, Nr. 1, S. 52–59. 51 Vgl. Coeckelbergh, Mark (2011): „Humans, Animals, and Robots. A Phenomenological Approach to Human-Robot Relations“, in: International Journal of Social Robotics, Jg. 3, Nr. 2, S. 197–204; ders. (2009): „Personal Robots, Appearance, and Human Good. A Methodological Reflection on Roboethics“, in: International Journal of Social Robotics, Jg. 1, Nr. 3, S. 217–221.
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Interaktion mit einem Roboter gewährleistet werden kann.52 Kultursoziologische Studien erörtern die hohe Akzeptanz von Robotern in Japan53 oder thematisieren Unterschiede zwischen Deutschland und Japan.54 Die Soziologie mischt sich zunehmend in die Entwicklung von Robotern ein und empfiehlt soziologische Analysemöglichkeiten für die Arbeit an sozialen Robotern. Pfadenhauer hat für ein soziologisches Forschungsprogramm die Frage in den Vordergrund gerückt, ob zwischen Mensch und Roboter eine soziale Beziehung entstehen kann, und hier besonders die Rolle der Bedeutung thematisiert. Diese ist sowohl aufseiten des Menschen als auch in der Interaktion sowie in der Inkorporierung in den Roboter zu sehen.55 Meister und Schulz-Schaeffer haben empfohlen, die soziologische Rollentheorie für die Robotik fruchtbar zu machen.56 Andere haben die Wichtigkeit von sozialen Situationen und Kontexten in der Mensch-Maschine-Interaktion in den Mittelpunkt ihrer Betrachtung gerückt57 und aufzeigen können, dass die Bedeutung, die einem Roboter beigemessen wird, von Übungsleitern auf Schulkinder übertragen wurde.58
52 Vgl. Fitzi, Gregor; Hironori Matsuzaki (2013): „Menschenwürde und Roboter“, in: Joerden, Jan C; Eric Hilgendorf und Felix Thiele (Hrsg.): Menschenwürde und Medizin. Ein interdisziplinäres Handbuch, Berlin: Duncker & Humblot, S. 919–931. 53 Vgl. Wagner, Cosima (2013): Robotopia nipponica. Recherchen zur Akzeptanz von Robotern in Japan, Marburg, Germany: Tectum Verlag 54 Vgl. Matsuzaki, Hironori; Gesa Lindemann (2016): „The autonomy-safety-paradox of service robotics in Europe and Japan. A comparative analysis“, in: AI & SOCIETY, Jg. 31, Nr. 4, S. 501–517. 55 Vgl. Pfadenhauer, Michaela (2014): „On the Sociality of Social Robots. A Sociologyof-Knowledge Perspective“, in: Science, Technology & Innovation Studies, Jg. 10, Nr. 1, S. 135–153. 56 Vgl. Meister, Martin; Ingo Schulz-Schaeffer (2016): „Investigating and designing social robots from a role-theoretical perspective. Response to “Social interaction with robots – three questions”. In Gesa Lindemann (this volume)“, in: AI & SOCIETY, Jg. 31, Nr. 4, S. 581–585. 57 Vgl. van Oost, Ellen; Darren Reed (2011): „Towards a Sociological Understanding of Robots as Companions“, in: Lamers, Maarten H; Fons J. Verbeek (Hrsg.): Human-Robot Personal Relationships. Third International Conference, HRPR 2010, Leiden, The Netherlands, June 23-24, 2010, Revised Selected Papers, Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg, S. 11–18. 58 Vgl. Alač, Morana; Javier Movellan und Fumihide Tanaka (2011): „When a robot is social. Spatial arrangements and multimodal semiotic engagement in the practice of social robotics“, in: Social Studies of Science, Jg. 41, Nr. 6, S. 893–926.
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Schließlich möchte ich das Forschungsfeld skizzieren, das meinem thematischen Schwerpunkt am nächsten kommt. Im Anschluss daran möchte ich aufzeigen, weshalb meine Forschungsweise erkenntnisleitend ist. Meine Arbeit soll das Verhältnis von Mensch, Sozialität und Roboter erfassen. 2.3.3
Roboter und Sozialität
Frühe Arbeiten zum Konzept der sozialen Roboter stammen aus der Sozialpsychologie. Diese verfolgten das Ziel, eine Interaktion zwischen Mensch und Roboter zu erreichen, die einer Face-to-Face-Beziehung gleichkommen sollte. Eine zentrale Komponente dabei war die Darstellung von Emotionen, Gestik und Mimik beim Roboter.59 Soziologische Pionierarbeit leistete Bettina Heintz, die sich bereits in den 90er Jahren fragte, was die sozialen Voraussetzungen von künstlicher Intelligenz seien. Die Antwort fand sie darin, dass Begriffe eine soziale Dimension haben müssen, dass es ein allgemeines kulturelles Interpretationsmuster geben muss, um diese zu verstehen, und es schließlich einer Bereitschaft der Sozialität bedarf, so zu handeln, dass es in Algorithmen erfasst werden kann. Nur wenn diese drei Bedingungen erfüllt sind, kann ein Austausch zwischen Mensch und Maschine stattfinden.60 Die Soziologie hat dann eingefordert, dass durch Roboter die sozialen Dimensionen nicht verkürzt werden sollten. Selma Šabanović konstatiert, dass Robotiker technische Lösungen für weitreichende soziale Probleme liefern wollen und damit ein technikdeterministisches Weltbild Einzug erhält, das sie als „technological fix“ bezeichnet. In ihm fokussieren sich die Robotikerinnen auf die technischen Möglichkeiten und reduzieren damit die Komplexität der sozialen Wirklichkeit. Sie sehen nicht die sozialen Konsequenzen, die durch die und mit den Artefakten entstehen. In der Folge bilden sich soziale Leerstellen, die durch Roboterkörper
59 Vgl. Breazeal, Cynthia L; Atsuo Takanishi und Tetsunori Kobayashi (2008): „Social Robots Interact with People“, in: Siciliano, Bruno; Oussama Khatib (Hrsg.): Springer handbook of robotics, Berlin: Springer, S. 1349–1370; Breazeal, Cynthia L. (2003): „Emotion and sociable humanoid robots“, in: International Journal of Human-Computer Studies, Jg. 59, 1-2, S. 119–155; dies. (2002): Designing sociable robots, Cambridge, Mass., London: MIT Press; dies. (2003): „Social Interactions in HRI:. The Robot View“, in: IEEE Transactions in Systems, Man, and Cybernetics, Part C, 34 (2), S. 181–186. Einen Überblick liefert Shaw-Garlock, Glenda (2009): „Looking Forward to Sociable Robots“, in: International Journal of Social Robotics, Jg. 1, Nr. 3, S. 249– 260. 60 Vgl. Heintz: „Papiermaschinen“, a. a. O.
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gefüllt werden können.61 In eine ähnliche Richtung argumentiert auch Martin Meister. Er hat in der sozialen Robotik ein Interaktionsverständnis ausgemacht, das auf einer Generalisierung von Erwartungen basiert. Dieser verkürzten Sicht stellt er einen robot sociologicus entgegen, der auf Annahmen der soziologischen Handlungstheorie aufbaut. Ferner bemängelten kritische Gegenwartsanalysen, dass soziale Roboter eine Realisierung eines bestimmten Rationalitätsprinzips darstellen, das zu einer Trivialisierung des Sozialen führe.62 Daher wurden soziologische Lösungsvorschläge entwickelt, um einer Verkürzung des Sozialen entgegenzuwirken. So kann es in der Entwicklung von Robotern zu einer wechselseitigen Formung von Technik und Sozialität kommen, wenn Roboter frühzeitig durch Prototypen im angestrebten sozialen Habitat eingebracht werden und die Erfahrungen für die Weiterentwicklung der Roboter genutzt werden.63 Außerdem wurde analysiert, ob die Wesensbeschaffenheit des Roboters sozial ist64 und inwieweit Roboter sozialisiert werden können.65 In einer aktuellen Studie hat Gustav Rossler die Sozialität bei und mit Dingen aus einer theoriegeleiteten Perspektive betrachtet. Er sieht eine Sozialität bei Dingen, wenn Technik als Handlungsträger auftritt. Außerdem können Dinge durch Handlung, Normativität und Assoziationen sozial werden.66 In einer ebenfalls erst kürzlich publizierten Arbeit thematisiert Compagna die Grundfiguration von Subjekt, Akteur und Sozialem und spannt dies über ein Akteursmodell für Cyborgs auf. Diese beiden letzten Arbeiten gehen in eine ähnliche Richtung wie die nun folgende. Gleichzeitig haben sie grundverschiedene Schwerpunkte. Rossler befasst sich allgemein mit Dingen, und zwar über eine Diskussion von bekannten 61 Vgl. Šabanović, Selma (2010): „Robots in Society, Society in Robots“, in: International Journal of Social Robotics, Jg. 2, Nr. 4, S. 439–450; dies. (2010): „It Takes a Village to Construct a Robot. A Socially Situated Perspective on the Ethics of Robot Design“, in: Interaction Studies, Jg. 11, Nr. 2, S. 257–262. 62 Vgl. Bakardjieva, Maria (2015): „Rationalizing Sociality. An Unfinished Script for Socialbots“, in: The Information Society, Jg. 31, Nr. 3, S. 244–256. 63 Vgl. Šabanović, Selma; Sarah Reeder und Bobak Kechavarzi (2014): „Designing Robots in the Wild. In situ Prototype Evaluation for a Break Management Robot“, in: Journal of Human-Robot Interaction, Jg. 3, Nr. 1, S. 70–88. 64 Vgl. Alač, Morana (2016): „Social robots. Things or agents?“, in: AI & SOCIETY, Jg. 31, Nr. 4, S. 519–535. 65 Vgl. Šabanović, Selma; Wan-Ling Chang (2016): „Socializing robots. Constructing robotic sociality in the design and use of the assistive robot PARO“, in: AI & SOCIETY, Jg. 31, Nr. 4, S. 537–551. 66 Vgl. Rossler, Gustav (2016): Der Anteil der Dinge an der Gesellschaft. Sozialität – Kognition – Netzwerke, Bielefeld: transcript
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Theorien. Compagna nähert sich ebenfalls theoriegeleitet dem Thema. Dies allerdings, indem er die Subjektkonstitution des Menschen in der Beziehung zur Technik in den Vordergrund seiner Arbeit stellt.
2.4 D IE F RAGESTELLUNG Meine Fragestellung geht von mehreren Grundannahmen aus. Die erste ist, dass interaktive Roboter eine avancierte Technologie sind, die sich in sozialen Umfeldern bewegen und mit sozialen Akteuren in einem wechselseitigen Bezug stehen soll. Die zweite Grundannahme besagt, dass sich die Herstellung von interaktiven Robotern an der Schnittstelle zwischen Laborhabitaten und ökonomischen Realisierungen bewegt. Es gibt erste Versuche, sie auf dem Markt als Dienstleistungstechnologie zu verkaufen, und es gibt viele Varianten, die sich im Stadium des Experiments bewegen. Diese sind aber nicht mehr reine Testsituationen unter Wissenschaftlern im Labor, sondern extra geschaffene Sozialitäten. In meinen Fallstudien sind dies eine Pflegeeinrichtung, eine Isolationsstudie und der RoboCup. Häufig, aber nicht immer, sind diese Roboter humanoid, also an der menschlichen Form orientierte Roboter. Entscheidender für die Form ist, dass sie so gestaltet werden soll, dass sie eine Interaktion mit sozialen Akteuren ermöglicht. Es ist ein Sollen, da die Roboter aktuell noch keine Marktreife haben und damit im Übergang von Experiment und Forschung zu Massenproduktion und Marktvertrieb stehen. Während sich die erste Grundannahme auf die soziale Haltung bezieht, die Robotern implementiert wird, damit sie ihre Tätigkeiten in einem sozialen Rahmen ausführen können, zielt die zweite auf die Beschaffenheit der Sozialität ab, in die sie gesetzt werden. Meine Fragestellung ist folglich, was für eine Verbindung durch Roboter, Mensch und Sozialität entsteht. Wie aus der Darstellung des Forschungsstandes deutlich wurde, lassen sich analytisch drei Situationen in der Entwicklung und Etablierung von Robotern unterscheiden. Die erste ist die Herstellungssituation, die zweite ist die Implementierungssituation und die dritte ist die Anwendungssituation. Die Herstellungssituation ist die Phase, in der die Roboter unabhängig von der Erfahrung der Situation, in der sie operieren sollen, entwickelt werden. Die zweite Phase ist die Implementierungssituation. Hier werden die bisherigen Möglichkeiten und Potenzen des technischen Artefakts mit der sozialen Situation abgeglichen, in der der Roboter operieren wird. Die dritte Phase der Anwendungssituation ist schließlich das Moment, wenn die Entwickler und der Auftraggeber entschieden haben, wie der
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Roboter in der Sozialität operieren soll. Nun kommt es darauf an, mit den Reaktionen auf den Roboter, die die Anwender oder Benutzerinnen zeigen, umzugehen. In meiner Arbeit stehen die Herstellungssituation und Implementierungssituation im Vordergrund, da sich die Entwicklung der interaktiven Roboter überwiegend in diesen Phasen befindet. Darüber hinaus gibt es zunehmend Eindrücke von der Anwendungssituation, die jedoch überwiegend unter Testbedingungen zustande kamen.
3
Das methodische Vorgehen
Um einen neuen Gegenstand soziologisch zu erfassen, ist es in meinen Augen einerseits wichtig, ihn über seine Eigenart – und damit empirisch – zu fassen. Andererseits benötigt er eine Formation, innerhalb derer er sichtbar gemacht werden kann. Für die Bildung dieser Formation ist meiner Auffassung nach eine theoriegeleitete Sensibilisierung essentiell. Um diese beiden Stränge zu verbinden, habe ich mich für die Grounded Theory als Vorgehensweise entschieden. Nach meinem Verständnis der Grounded Theory ist diese ein Set an Praktiken, Haltungen und Vorgehensweisen. Einige von ihnen können unterschiedlich gewichtet und kombiniert werden, andere sind so bedeutend, dass sie zwingend zum Vorschein kommen müssen, um als Grounded Theory zu firmieren. Deswegen gibt es nach meinem Ermessen nicht nur eine einzige Grounded Theory, sondern für jedes empirische Unterfangen eine eigene. In meinem Vorhaben verbinde ich zwei Stränge zu einer Vorgehensweise. Ich betreibe zunächst eine theoretische Konzeption des Verhältnisses von avancierter Technik, Mensch und Sozialität. Dabei habe ich über das theoretische Sampling theoretische Ansätze aus der Soziologie gewählt, die das Thema aus möglichst unterschiedlicher Perspektive betrachten. Dieses Verhältnis differenziere ich zwischen Form und Inhalt. Als Form sehe ich vier Grundfiguren: Handlungsträgerschaft, Interaktivität, Netzwerk und Sozialität. Den Inhalt differenziere ich über vier Dimensionen: Sinnbezug oder Effekt, Konventionalisierung oder Sozialisierung, Situationsdefinition oder Umweltstabilität, Sozialitätseinbettung oder Sozialitätsimplementierung. Als zweite Grounded Theory analysiere ich die Vorgehensweise von drei Roboterprojekten, in denen insgesamt fünf verschiedene Roboter zum Einsatz kamen. Zunächst vollziehe ich dabei eine Fallbeschreibung jedes einzelnen Projekts, in dem die Roboter gestaltet, entwickelt und programmiert wurden. Daraus erarbeite ich mir die Kernkategorie sowie wesentliche Subkategorien. In einem letzten Schritt verbinde ich die Kategorien mit den Dimensionen der Grundfiguren zu meiner Grounded Theory der Bildung von Sozialität bei interaktiven Robotern.
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Neben dem oben bereits erwähnten Aspekt, dass Grounded Theory an den Fall angepasst werden muss, haben sich mehrere Ansätze und Vorgehensweisen unter dem Dachbegriff der Grounded Theory versammelt.1 Außerdem ist die Anwendung einer Methode, insbesondere einer qualitativen, vor allem dann, wenn sie von anderen entwickelt wurde, immer auch eine Interpretation dieser Methode, sodass ich mein Verständnis und meine Anwendung der Grounded Theory im Folgenden in ihren wesentlichen Zügen erläutern möchte.2
3.1 M EINE V ORGEHENSWEISE Zur Darstellung meiner methodischen Vorgehensweise möchte ich mit den Problemlagen anfangen, mit denen ich nach der Entwicklung des Forschungsdesigns, insbesondere bei Eintritt in das Feld, konfrontiert war. Daran anschließend möchte ich meine Antworten auf diese Szenarien darlegen. Diese beziehen sich auf den Umgang mit Literatur, das Verhältnis von Theorie und Empirie, die Entwicklung der Fragestellung und die Auswahl der aussagekräftigen Daten. Meine Fallauswahl begann ich damit, dass ich nach Robotern recherchierte, die mit Menschen interagieren sollten. Ich erstellte eine Liste mit mehreren Dutzend Projekten. Diese reduzierte ich auf die Projekte im deutschsprachigen Raum. Dann fragte ich die Leiter der Projekte für narrative Interviews an. Aus den ersten Projekten und Interviews entwickelte ich ein immer genaueres Verständnis von meinem Forschungsgegenstand, meiner Fragestellung und dem Feld, in dem ich mich nun bewegte. Die beiden für mich entscheidenden Kriterien für die Fallauswahl waren, dass es sich um Roboter handelte, die mit Menschen interagieren können sollten und die sich autonom bewegten. Es sollten abgeschlossene Projekte sein, sodass ich fertige Fälle analysieren konnte und keine ‚moving targets‘ mehr hatte. Außerdem sollten sie für mich geografisch erreichbar sein und die Entwicklerinnen selbstverständlich bereit sein, mir Auskunft zu geben. Mehrere Leiterinnen verwiesen
1
Mey und Mruck haben sich zu Recht dafür ausgesprochen, dass diejenigen, die mit der Grounded Theory arbeiten, ihr Verständnis davon in der Arbeit ausrollen mögen. Vgl. Mey, Günter; Katja Mruck (2011): „Grounded-Theory-Methodologie: Entwicklung, Stand, Perspektiven“, in: Dies. (Hrsg.): Grounded Theory Reader, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 11–48, hier S. 43–44.
2
Corbin, Juliet M. (2009): „Taking an Analytic Journey“, in: Morse, Janice M; Phyllis Noerager Stern und Juliet M. Corbin et al. (Hrsg.): Developing grounded theory. The second generation, Walnut Creek Calif: Left Coast, S. 35–54, hier S. 35.
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mich bei ersten Telefonaten auf ein Projekt, das erst kurz vor meinem Eintritt ins Feld abgeschlossen worden war. Je mehr ich mich mit diesem beschäftigte, umso klarer wurde mir, dass ich daraus meinen Hauptfall machen sollte, den ich dann mit weiteren Projekten kontrastieren sollte. Diese Kontrastierung erfolgte im Hinblick auf das Theoretical Sampling, auf das ich später genauer eingehen werde. Mein ursprüngliches Vorhaben bestand darin, dass ich einen Gesprächspartner aus einem Projekt auswählen wollte, um über jeweils ein Interview mehrere verschiedene Projekte erfassen und analysieren zu können, sodass ich insgesamt eine Fallanzahl von 10 bis 12 Projekten hätte erreichen können. Während der ersten Interviews stellte sich jedoch heraus, dass die Roboter in Projekten entwickelt wurden, in denen mehrere verschiedene Akteursgruppen involviert waren. Hätte ich den Schwerpunkt auf Interviews gelegt, hätte ich jedoch nur die Perspektive der interviewten Gruppe erfasst und dies nur in der Darstellung des Sprechers. Zunächst erschien es mir als Lösung, jeweils eine Sprecherin aller beteiligten Gruppen zu interviewen. Dies ließ sich aus verschiedenen Gründen nicht realisieren, u. a., weil manche Akteursgruppen nicht interviewt werden wollten oder deren Mitglieder bereits in anderen Positionen arbeiteten. Deswegen entschied ich mich dafür, unterschiedliches Datenmaterial heranzuziehen. Darauf komme ich weiter unten zu sprechen. Eine größere Fallzahl schien mir zunächst attraktiv, da dies einen Übergang von einer materiellen Theorie in die formale erlaubt hätte. Ich habe mich aus den oben genannten Gründen dagegen entschieden. In der Literatur werden für Qualifikationsarbeiten zwar mitunter 10 Fälle als Richtwert genannt, für die Grounded Theory ist die Menge der verschiedenen Fälle allerdings kein Qualitätsmerkmal.3 In meinen Augen ist die Anzahl der Fälle für zwei Dinge entscheidend: zum einen für die Frage nach der Art der Theorie, also ob sie formal oder materiell ist, und zum anderen für die Genauigkeit bzw. die Art der Fragestellung. Diese Arbeit zielt auf eine materielle Theorie ab. Die Fragestellung wurde durch eine deutlich größere Fallzahl gewonnen. Auf beides komme ich später noch genau zu sprechen.
3
Vgl. hierzu Truschkat, Inga; Manuela Kaiser-Belz und Vera Volkmann (2011): „Theoretisches Sampling in Qualifikationsarbeiten. Die Grounded-Theory-Methodologie zwischen Programmatik und Forschungspraxis“, in: Mey, Günter; Katja Mruck (Hrsg.): Grounded Theory Reader, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 353– 379, hier S. 376.
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3.1.1
Die Entwicklung meiner Grounded Theory
Meine beiden Stränge, die ich zu einer zu verbinden versuche, sind meine Antwort auf die Debatte zwischen Glaser und Strauss über die Verwendung von Literatur in der Grounded Theory. Glaser hat sich dafür ausgesprochen, den Charakter der Emergenz hervorzuheben, wenn man aus Daten eine Theorie entwickeln möchte, um das Material für sich sprechen zu lassen. In den Augen Glasers soll man gegenstandsbezogene Literatur anfänglich überhaupt nicht verwenden, sondern erst in einem fortgeschrittenen Stadium der Forschung, wenn die Kernkategorien bereits feststehen, hinzuziehen. Andernfalls läuft man seiner Meinung nach Gefahr, sich der Struktur und dem Wesen des untersuchten Gegenstandes vorschnell zu verschließen. Denn zuerst sollen die Daten im Feld vorbehaltlos gesammelt werden, und die Kenntnis von Theorien bzw. Interpretationen anderer erschweren die Vorbehaltlosigkeit.4 Erst wenn die Kernkategorien entstanden sind, soll gegenstandsbezogene Fachliteratur hinzugezogen werden. Und die Art und Weise, wie man Literatur hinzuziehen kann, gibt Auskunft über die soziologische Saturiertheit des Gegenstandes. Ausgangspunkt für die weitere Arbeit ist das Sammeln und Kodieren des empirischen Materials. Kennt der Wissenschaftler seine Kernkategorien gut, kann er mit Literatur und Texten, die nicht aus den empirischen Fällen stammen, auf vielfältige Weise arbeiten. Beispielsweise ist es möglich, dass man mit seiner Arbeit an bestehende Theoriearbeiten anknüpft: „As these connections occur the researcher must remember that his job is to generate, not to verify. So differences between his and others’ work do not produce verified or unverified hypotheses or findings. [...] Verification begs off the task of constand comparison and theoretical integration; it sets up controversy when it should extend theory.”5
Weder Glaser noch Strauss und Corbin sind rigoros, was den grundsätzlichen Zeitpunkt des Einsatzes von Literatur betrifft. Wichtiger ist ihnen der Umgang mit der entsprechenden Art von Literatur. Sie unterscheiden zwischen sozialwissenschaftlicher Fachliteratur und nicht sozialwissenschaftlicher Fachliteratur. Die sozialwissenschaftliche Fachliteratur kann sich entweder theoretisch bzw. philosophisch mit dem Thema auseinandersetzen oder deskriptiv sein. Beide Arten der 4
Vgl. hierzu insbesondere Glaser, Barney G. (1992): Basics of grounded theory analysis. Emergence vs forcing, Mill Valley, Calif: Sociology Press, S. 31–38; Strauss, Anselm L; Juliet M. Corbin (1996): Grounded Theory. Grundlagen Qualitativer Sozialforschung, Weinheim: Beltz, S. 35.
5
Glaser: „Basics of grounded theory analysis“, a. a. O., S. 33.
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Fachliteratur sind für die Datengewinnung von Bedeutung, da man durch sie zu Fragen und wichtigen Dimensionen kommt, mit denen man das Feld konfrontieren kann. Die theoretische Fachliteratur ist darüber hinaus wichtig, um die theoretische Sensibilität zu erhöhen. Literatur kann darüber hinaus das theoretische Sampling anleiten, indem man über sie auf weitere Betrachtungsmöglichkeiten stößt und damit den nächsten Fall generiert. Sie kann als ergänzender Gültigkeitsnachweis verwendet werden. „Was Sie nicht tun sollten ist, ständig auf veröffentlichte Literatur zurückzugreifen, um für alles, was Sie sehen, eine Validierung zu finden. Das würde den Fortschritt behindern und die Kreativität ersticken.“6 Insbesondere Glaser hat immer wieder darauf hingewiesen Literatur als Ideengenerator zu verwenden: „When reading for his research, the analyst should read for ideas, whether the ideas are in the literature or in his generating the concepts himself from constant comparison. Reading for ideas, extant or generated, gives the analyst a conceptualization of the article or book he is reading that is easily remembered, and it provides a conceptual connection to his own emergent theory, soon-to-be book.“7
Dies entspricht dem Umgang mit nicht gegenstandsbezogener Fachliteratur, die man nach Glaser zu jeder Zeit einbeziehen kann. Bei der nicht gegenstandsbezogenen Fachliteratur ist vor allem der Stil interessant, also die Frage, wie der Text aufgebaut ist, sowie die normative Einbettung des Texts. Beides schärft den Blick dafür, wie etwas in einem anderen Feld organisiert ist, und wirft die Frage auf, wie es in dem Feld organisiert ist, das man untersucht, und welcher Unterschied zu dem anderen Feld vorliegt.8 Auch nicht professionelle, populäre und ethnografische Literatur kann zu jeder Zeit verwendet werden. Sie ist im Grunde genommen weiteres empirisches Material, das der Generierung von Konzepten dient. Es handelt sich dabei um „data in a perspective“9, was bedeutet, dass man sich der Perspektivität der Daten durch die Integration der Daten durch die Methode des permanenten Vergleichens entledigt. Dies gelingt, indem zunächst die Aussage aus den Daten gewonnen wird. Im nächsten Schritt vergleicht der Wissenschaftler durch die Methode des Vergleichens die Aussage mit ähnlichen Aussagen. Durch den Vergleich werden schließlich die Aussagen verbunden, wodurch die Kategorien sowohl allgemeiner 6
Strauss; Corbin: „Grounded Theory“, a. a. O., S. 35.
7
Glaser: „Basics of grounded theory analysis“, a. a. O., S. 34.
8
Vgl. ebd., S. 35.
9
Ebd., S. 37.
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als auch objektiviert werden. In der Konsequenz verlieren die Daten ihre Perspektivität: „In sum, this sort of data when carefully and constantly compared and analyzed does not produce findings, so veracity or ‚checking it out‘ does not matter. It just produces hypotheses or suggestions to be further checked out in verification studies or by its user, in in vivo applying of the grounded theory.“10
Die Forscherin erhöht mit beidem ihre theoretische Sensibilität und bewegt sich unentwegt in den Bereich des theoretischen Samplings, denn wenn man Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu anderen feststellt, muss man sich fragen, warum Unterschiede bestehen, und muss diese erklären. Für meine Arbeit möchte ich zusätzlich die Argumentation Kelles aufgreifen. Demnach drohe bei Glaser ein „naiver Induktionismus“, da empirische Phänomene ins Unendliche gingen und sie folglich nicht erschöpfend erfasst werden könnten. Eine Möglichkeit der Begrenzung ist die Verwendung von Begriffen aus der Theorie, sodass man diese schon in frühen Empirieschritten zu Rate ziehen muss.11 Im Prozess des offenen Kodierens besteht, bis die Kernkategorien gebildet sind, in den Augen Kelles bei Glaser außerdem die Gefahr, sich in der Offenheit zu verlieren und in einen „code overload“ zu geraten.12 Hinzu kommt, dass Arbeiten mit der Grounded Theory Gefahr laufen, die begriffliche Verwurzelung eines Gegenstands mit seiner Fachherkunft zu verlieren, d. h., die Eingebundenheit der Theorie in das soziologische Feld kann dabei aus den Augen geraten. Als Antwort auf diese Problemlagen habe ich zunächst mehrere Roboterprojekte offen kodiert. Ich habe dann nahezu parallel das axiale Kodieren der Roboterprojekte und die Rekonstruktion der Theoriedebatte zu dem Verhältnis von Mensch, Sozialität und avancierter Technik begonnen. Nachdem das axiale Kodieren weit fortgeschritten war, habe ich mich dazu entschieden, mich auf die Beschreibung von drei Fällen zu fokussieren. Im nächsten Schritt habe ich die Theoriediskussion axial und selektiv kodiert. In der Konsequenz bin ich auf vier
10 Ebd. 11 Kelle, Udo (1997): Empirisch begründete Theoriebildung. Zur Logik und Methodologie interpretativer Sozialforschung, Weinheim: DTV, S. 318. 12 Kelle, Udo (2011): „,Emergence‘ oder ,Forcing‘? Einige methodologische Überlegungen zu einem zentralen Problem der Grounded-Theory“, in: Mey, Günter; Katja Mruck (Hrsg.): Grounded Theory Reader, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 235–260, hier S. 237.
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Grundfiguren mit vier Dimensionen gestoßen. Im nächsten Schritt folgte das selektive Kodieren mit den drei Fallstudien und schließlich die Zusammenführung der beiden Stränge. 3.1.2
Die Entwicklung der Fragestellung
Meine ursprüngliche Forschungsfrage, mit der ich mich dem Feld genähert habe, bestand darin, zu erforschen, wie die Interaktivität von Robotern konstruiert wird. Dabei musste ich feststellen, dass diese Fragestellung zu eng geführt war, da sie mit der Interaktivität bereits einen einerseits zu konkreten und andererseits zu diffusen Begriff enthielt. Robotiker verstehen unter Interaktion etwas anderes als Soziologinnen, und Roboter interagieren mit dem Menschen in einer gänzlich anderen Weise als Menschen oder als man es aus Filmen erwarten mag. Wie eingangs angemerkt, ist für die Qualität einer Fragestellung eine größere Anzahl an Fällen hilfreich, da sie dadurch genauer wird. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn sie während des Kodierens der Fälle angepasst wird. In meiner Arbeit basiert die Entwicklung der Fragestellung auf einer größeren Fallauswahl, als ich hier vorstellen werde. Im Prozess des offenen Kodierens habe ich, neben den drei Fällen, die ich hier darstellen werde, weitere Roboter-Projekte offen kodiert. Diese werden im Kapitel „Das Datenmaterial und der Feldzugang“ aufgelistet. In der Konsequenz habe ich meine Fragestellung offener gestaltet und danach gefragt, wie die Akteure in einem Projekt vorgehen, in dem Roboter entwickelt werden, die Tätigkeiten in einem menschlichen Umfeld und mitunter auch im Austausch mit dem Menschen ausführen sollen. Diese Öffnung erlaubte es mir schließlich, die Kernkategorie in den Blick nehmen zu können, die in der Bildung der Sozialität liegt. Anfangs ging ich stillschweigend von einer Konstruktion der Sozialität aus, was zu voraussetzungsreich war. Meine erweiterte und erneuerte Fragestellung fragte nun nach der Formation des Verhältnisses von Mensch, Roboter und Sozialität. 3.1.3
Das Datenmaterial und der Feldzugang
Mein ursprüngliches Vorhaben bestand neben der zu voraussetzungsreichen Forschungsfrage in einer zu starken Konzentration auf eine Erhebungsmethode. Ich wollte ausschließlich über narrative Interviews Daten generieren. Es stellte sich heraus, dass die Fragetechnik für Robotiker nur bedingt geeignet ist. Zum einen führen sie keine ausführlichen Narrationen über die Entwicklung von Robotern
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und zum anderen kommunizieren sie in starkem Maße über das Zeigen von Dingen sowie über Argumentationen. Sie erzählen nur bedingt von ihren Projekten und davon, wie Entscheidungen zustande gekommen sind. Das führte dazu, dass ich meine Interviews als narrative Interviews mit einem Erzählstimulus begann und den Teil des exmanenten Nachfragens zu einem Experteninterview ausbaute. Außerdem öffnete ich mein Portfolio an Datenmaterial für alles, was mir aussagekräftige und belastbare Auskunft geben konnte. Dies waren neben Interviews teilnehmende Beobachtung, Videomitschnitte, Internetvideos, insbesondere Veröffentlichungen aller Art, von Homepageartikeln über Working Papers bis hin zu Verlagspublikationen. Anfangs wollte ich die Robotiker telefonisch kontaktieren, um über den persönlichen Kontakt einen Gesprächstermin auszumachen. Dies funktionierte nicht. Zunächst bekam ich kaum Personen ans Telefon, und wenn ich sie einmal an den Hörer bekommen hatte, waren sie über den unmittelbaren Kontakt sowie die Anfrage hörbar irritiert und lehnten ab. Als ich dann umstellte und über E-Mails anfragte, ob sie für ein Gespräch zur Verfügung stünden, erhielt ich schnell viele Zusagen. Auch stellte es sich als unnötig heraus, im Vorfeld des narrativen Interviews durch ein Vorgespräch eine Vertrauenssituation herzustellen. Es erschloss sich den Robotikerinnen nicht, warum ich dies tun wollte. So war ich bereits mitten in einem Feld, das andere Konventionen und soziale Voraussetzungen hatte, die nur randläufig verbalisiert werden. Die narrativen Interviews hatte ich mit einem immanenten und einem exmanenten Teil konzipiert. Den immanenten begann ich mit einem Erzählstimulus, der darauf abzielte, zu erfragen, wie die interviewten Personen dazu gekommen waren, Roboter zu entwickeln, und wie es dann weiterging. So wollte ich mir den Prozess bis zu dem Roboterprojekt erzählen lassen, wegen dem ich die entsprechende Person kontaktiert hatte. Das gelang auch überwiegend. Die sogenannte Haupterzählung fand statt. Die Robotiker gaben Auskunft, jedoch auf recht knappe und wenig ausschmückende Art und Weise. Eine Aushandlungs- und Ratifizierungsphase gab es nicht in der klassischen Form einer Interaktion, wie sie in biografisch fokussierten Interviews recht häufig der Fall ist. Dass etwa der Erzählimpuls wieder zurückgegeben wurde, kam nicht vor. Was ich mehrfach antraf, war, dass es eine Aushandlung des Themas gab. Zum einen ist Genauigkeit eine wichtige Dimension im Feld und zum anderen hatten sich einige Interviewpartner offensichtlich vorbereitet und wollten mir einen Vortrag halten, sodass sie sich auf den Erzählimpuls erst einließen, als sie ihr vorbereitetes Thema dargestellt hatten.
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Insgesamt funktionierte in meinen Interviews die immanente Phase als eine Aufwärmphase, die Vertrauen entstehen ließ, in der ich Interesse zeigte und die den eigentlichen Hauptteil, das exmanente Nachfragen, vorbereitete.13 Neben den Interviews nutzte ich – wie bereits erwähnt – nichtfachliche Dokumente und Quellen als primäre Datenquellen. Nichtfachlich bedeutet an dieser Stelle, dass es sich nicht um soziologische Literatur handelte, sondern um Fachliteratur aus anderen Disziplinen. In dieser Literatur beschreiben, erklären, begründen die Projekte sich bzw. stellen sie ihre Ergebnisse vor. Das fasste ich als primäre Datenquelle auf. In der Robotik erwies sich dies an vielen Stellen als aussagekräftiger als Interviews. Unter nichtfachliche Literatur fallen Formate wie Working Paper, Working Briefs, Team Description Paper, Powerpoint-Präsentationen, Projektposter und andere Projektpublikationen sowie Video-Dokumentationen und Marketingvideos. Diese Art des Feldzugangs lässt sich mit Strauss und Corbin vereinbaren. Diese haben drei Möglichkeiten ausgemacht, sich dem Feld zu nähern. Der Zugang kann entweder systematisch sein, gezielt oder zufällig entstehen.14 Mein Zugang war zunächst systematisch, da ich dem Feldeintritt eine umfassende Analyse voraus stellte, dann wurde er zufällig, da mich mehrere Akteure auf ein bestimmtes Projekt aufmerksam machten, auf das ich selbst noch nicht gestoßen war, und schließlich wurde er gezielt. Ich suchte die Fälle aus, die mir neue Informationen versprachen. 3.1.4
Das WiMi-Care-Projekt
Das WiMi-Care-Projekt wählte ich aus, da es aus zwei verschiedenen Robotern bestand, die gänzlich unterschiedlich mit Menschen in Kontakt traten. Außerdem waren an diesem Projekt sieben unterschiedliche Akteursgruppen beteiligt und es wurde sehr detailliert dokumentiert. Aufgrund der sehr transparenten, genauen und offenen Dokumentation konnte ich die Fallbeschreibung chronologisch genau
13 Holtgrewe, Ursula (2009): „Narratives Interview“, in: Kühl, Stefan; Petra Strodtholz und Andreas Taffertshofer (Hrsg.): Handbuch Methoden der Organisationsforschung. Quantitative und qualitative Methoden, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 57–77; zu der Vorgehensweise bei den Interviews vgl. Küsters, Ivonne (2009): Narrative Interviews. Grundlagen und Anwendungen, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften; Glinka, Hans-Jürgen (2008): Das narrative Interview in seinen zentralen Analyseschritten, Tübingen: Dgvt-Verlag; dass. (2003): Das narrative Interview. Eine Einführung für Sozialpädagogen, Weinheim u. a.: Juventa 14 Strauss; Corbin: „Grounded Theory“, a. a. O., S. 155.
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vollziehen. Dadurch fanden das offene und axiale Kodieren überwiegend im WiMi-Care-Projekt statt. Das Datenmaterial bestand aus zwei narrativen Interviews, 34 Working Briefs, drei Working Papers, 16 weiteren Publikationen, 17 Vorträgen im Abschlussworkshop und 13 Vorträgen im Zwischenworkshop.15 3.1.5
Lisa und der RoboCup
Als zweite Fallstudie entschied ich mich für das Team Homer mit seinem Roboter Lisa. Der Fall bot einen ausgeprägten Kontrast zum WiMi-Care-Projekt, insbesondere weil der Roboter mit dem RoboCup an einer eigens geschaffenen Sozialität teilnahm. Den Roboter Lisa habe ich über ein narratives Interview, eine teilnehmende Beobachtung bei der German Open des RoboCup 2013 in Magdeburg, Videomitschnitten, das Regelbuch des RoboCups, drei weitere Fachpublikationen sowie mehrere Homepage- und Zeitungsartikel analysiert. 3.1.6
SoziRob
Das SoziRob-Projekt ist der dritte Fall, den ich ausführlich beschrieb und analysierte. In ihm kamen zwei sehr verschiedene Roboter in einer Isolationsstudie für drei Wochen mit Probanden zum Einsatz. Überschneidungen mit den beiden vorangegangenen Fällen und wichtige Unterschiede dienten dazu, neue Erkenntnisse zu erzeugen. Im Genauen gehe ich darauf in der Fallbeschreibung ein. Als Datenmaterial für das Projekt standen mir ein narratives Interview, ein Abschlussbericht, 11 Fachpublikationen sowie mehrere Homepageartikel zur Verfügung. 3.1.7
Weitere Roboterprojekte
Zusätzlich sah ich mir am KIT den interaktiven Haushaltsroboter ARMARIII16 sowie als Kontrast die dortige Telepräsenzrobotik an. Außerdem befasste ich mich
15 Vgl. WiMiCare (o. J.): Förderung des Wissenstransfers für eine aktive Mitgestaltung des Pflegesektors durch Mikrosystemtechnik (WiMi-Care). URL: https://www.unidue.de/wimi-care/index.php (zuletzt abgerufen am: 02.08.2016). 16 KIT (o. J.): ARMAR-Familie. URL: https://his.anthropomatik.kit.edu/241.php (zuletzt abgerufen am: 17.09.2016); Vgl. zu ARMARIII Asfour, Tamin; Kristan Regenstein;
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mit TOURBOT,17 einem Roboter, der Besucher via Telepräsenz durch ein Museum führen sollte, dem Roboter Nursebot,18 der Menschen im Alter unterstützen sollte, sowie mit den Robotern MINERVA19 und Rhino20, die beide ebenfalls Unterstützung beim Museumsbesuch bieten sollten. Schließlich setzte ich mich mit dem ALIAS-Projekt auseinander, in dem ein Unterhaltungsroboter für Senioren entwickelt wurde.21
Pedram Azad; Jazmin Schröder und Rüdiger Dillmann (2006): „ARMAR-III: A humanoid platform for perception-action integration“, in: HCRS-Munich (Hrsg.): Proceedings, International Workshop on Human-Centered Robotic Systems (HCRS), S. 51– 56; Asfour, Tamin; Kristan Regenstein und Pedram Azad et al. (2006): „ARMAR-III: An Integrated Humanoid Platform for Sensory-Motor Control“. IEEE-RAS International Conference on Humanoid Robots, S. 169–175; Dillmann, Rüdiger; Tamin Asfour (2008): „Collaborative Research Center on Humanoid Robots (SFB 588)“, in: Künstliche Intelligenz, Nr. 4, S. 26–28. Vgl. zu ARMARIII auch die Studie von Häußling: „Design als soziotechnische Relation“, a. a. O. 17 Vgl. Ohne Verfasser (2000): TOURBOT. Interactive Museum Tele-presence Through Robotic Avatars. URL: http://www.ics.forth.gr/tourbot/ (zuletzt abgerufen am: 17.09.2016). 18 Vgl. dass. (o. J.): Nursebot Projekt. Robotic Assistant for the Elderly. URL: http://www.cs.cmu.edu/~flo/ (zuletzt abgerufen am: 17.09.2016). 19 Vgl. dass. (o. J.): MINERVA. Carnegie Mellon's Robotic Tourguide Project. URL: http://www.cs.cmu.edu/~minerva/ (zuletzt abgerufen am: 17.09.2016). 20 Vgl. Burgard, Wolfram; Armin B. Cremers und Dieter Fox et al. (1999): „The Museum Tour-Guide Robot RHINO“, in: Wörn, Heinz; Rüdiger Dillmann und Dominik Henrich (Hrsg.): Autonome Mobile Systeme 1998: 14. Fachgespräch Karlsruhe, 30. November1. Dezember 1998, Berlin, Heidelberg: Springer, S. 245–254. 21 Vgl. zu ALIAS insbesondere Frauenhofer IDMT (o. J.): ALIAS. Ein mobiler Kommunikationsassistent
für
Senioren.
URL:
http://www.idmt.fraunhofer.de/de/
Press_and_Media/insight_into_our_research/insight_alias.html
(zuletzt
abgerufen
am: 17.09.16); Geiger, Jürgen; Thomas Leykauf; Tobias Rehrl; Frank Wallhoff und Gerhard Rigoll (2013): The Robot ALIAS as a Gaming Platform for Elderly Persons. URL: https://conference.vde.com/aal/rueckblick/rb6/Exklusiv/Documents/ AAL%202013%20-%20Posters/P17_J%C3%BCrgen%20Geiger.pdf (zuletzt abgerufen am: 17.09.2016); Wallhoff, Frank (2011): ALIAS. Der anpassungsfähige Kommunikationsassistent, WiMiCare-Abschlussworkshop am 15.9.2011. URL: https://www. uni-due.de/wimi-care/abschlussworkshop.php (zuletzt abgerufen am: 07.12.2015).
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3.1.8
Die Art der Theorie
Die Grounded Theory unterscheidet zwischen materiellen und formalen Theorien. Für eine formale Theorie wird eine größere Anzahl an Fällen oder Beispielen benötigt, denn formal bedeutet hier, dass es sich um eine allgemeine Theorie von einer größeren Reichweite handelt. In der materiellen Theorie kann die Fallzahl kleiner sein, dafür hat die Aussagekraft eine geringere Allgemeingültigkeit. Die Hauptstärken einer materiellen Theorie sind es in meinen Augen, dass sie die zentralen Wesensmerkmale eines bestimmten Feldes sichtbar macht und sie in ihrem kausalen Zusammenhang erklärt. Mein Anspruch und mein Ziel ist es daher, eine materielle Theorie über die Sozialitätsbildung von interaktiven Robotern zu generieren.22 In der Konsequenz bedeutet das, dass ich meine Fallbeschreibung auf drei Projekte mit fünf Robotern fokussiert habe. Für diese Fallauswahl sprechen vor allem zwei Gründe. Der erste ist, dass in jedem Projekt bereits mehrere Akteursgruppen vorhanden waren und daher Datenmaterial wichtig war, das die Aktivitäten aller Gruppen darstellt. Der zweite ist, dass die Menge an Daten es sonst erfordert hätte, dass ich mich auf einen sehr kleinen Auszug aus dem Gegenstand hätte beschränken müssen. Da es jedoch noch ein neues und innovatives Feld ist, entschied ich mich dafür, den Gegenstand mit einer größeren Erfassungsbreite anzugehen, um für seine Eigenart offen zu sein.
3.2 E CKPFEILER MEINER G ROUNDED T HEORY Die Grounded Theory kombiniert Forschungsmethode mit Forschungsstil und wissenschaftlicher Haltung. Dem liegt insbesondere die Vorstellung zugrunde, dass Gegenstand und Forscher in einem wechselseitigen Verhältnis stehen. Das bedeutet unter anderem, dass die Forscherin nicht gänzlich neutral sein kann, und außerdem, dass Forschung eine Art Kunstlehre ist, was dazu führt, dass sie eine eigene Perspektive und damit eine Eigenwelt schafft. In der Grounded Theory geht es um eine problemlösende Erkenntnis, die ohne die Beteiligung des Subjekts nicht möglich ist, sondern dadurch erst entsteht. Um über reine Meinungsäuße-
22 Vgl. Glaser, Barney G; Anselm L. Strauss (2010): Grounded theory. Strategien qualitativer Forschung, Bern: Huber, S. 42.
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rung hinauszukommen, gibt es verschiedene Wege, zu einer objektivierten Perspektive zu gelangen.23 In der Grounded Theory sind das bestimmte Eckpfeiler, die zum Einsatz kommen. Die in meinen Augen gewichtigsten möchte ich im Nachfolgenden darstellen. 3.2.1
Theoretische Sensibilität
Ein wichtiger Aspekt, der dazu beiträgt, dass man über eine subjektive Erkenntnis hinauskommen kann, ist in der Grounded Theory die theoretische Sensibilität. Sie entsteht durch konzeptuelle Arbeit mit einer Offenheit gegenüber dem Thema. Bei ihr geht es „um eine Sensibilität für das Feld, um die Entwicklung und Nutzung heuristischer Konzepte, nicht aber von fest gefügten Erklärungsmodellen.“24 Diese Konzepte sollen eine Verbindung schaffen zwischen dem Forscher und seinem Feld. Herbert Blumer hat in diesem Zusammenhang von sensibilisierenden Konzepten gesprochen.25 Für Glaser ist theoretische Sensibilität gar die Haltung, Professionalität und Erfahrung des Forschers, die die Brücke schaffen sollen zwischen persönlichen Erfahrungen und dem Feld, mit dem er sich befasst. Glaser schreibt: „Theoretical sensitivity is an ability to generate concepts from data and to relate them according to the normal models of theory in general, and theory development in sociology in particular. A researcher may be very sensitive to his personal experience, his area in general and his data specifically, but if he does not have theoretical sensitivity, he will not end up with grounded theory. His result will be a combination of empirical description with some preconceived conceptual description. Without conceptual ability and training in theoretical code, a researcher will not be too successful in generating grounded theory. He will be informed, and knowledgeable but not theoretical.“26
23 Vgl. auch Strübing, Jörg (2014): Grounded Theory. Zur sozialtheoretischen und epistemologischen Fundierung eines pragmatistischen Forschungsstils, Wiesbaden: Springer VS, S. 9–14. 24 Truschkat; Kaiser-Belz und Volkmann: „Theoretisches Sampling in Qualifikationsarbeiten“, a. a. O., S. 361. 25 Vgl. Blumer: „What is Wrong with Social Theory?“, a. a. O. 26 Glaser: „Basics of grounded theory analysis“, a. a. O., S. 27.
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Für Strauss bezieht sich die theoretische Sensibilität auf die persönliche Fähigkeit des Forschers, die Feinheiten in der Bedeutung der Daten zu erkennen. Die Forscherin kann mit einem unterschiedlichen Maß an Sensibilität in eine Forschungssituation eintreten.27 Sowohl für Glaser als auch für Strauss erlangt der Forscher eine komplexe theoretische Sensibilität durch die konstante Auseinandersetzung mit allgemeiner soziologischer Theorie, da sie zu einer hohen begrifflichen Abstraktion beiträgt. Dies ist kein Vorgehen während der Arbeit am Gegenstand, sondern eine grundsätzliche wissenschaftliche Haltung und Arbeitsweise.28 Über die Haltung der theoretischen Sensibilität lassen sich die wesentlichen Praktiken im Kodierprozess adäquat ausführen und anwenden. Strauss und Corbin betonen in diesem Zusammenhang die Verbindung von Kreativität und Wissenschaftlichkeit. In ihr droht kein simpler Subjektivismus, wenn die theoretische Sensibilität entsprechend hoch ist. Die zentrale Komponente dabei ist der enge Zusammenhang von Datenerhebung und Datenanalyse. Diese sind keine getrennten Prozesse, sondern die Datenanalyse des ersten Falls empfiehlt die Beschaffenheit des nächsten Falls. Deswegen können die Kategorien im Kodierprozess kreativ benannt werden. Sie werden über die drei Kodierschritte verändert und modifiziert.29 Das Wesentliche ist die komplexe Erfassung des Gegenstands in seiner Beschaffenheit. 3.2.2
Fallbeschreibung
Wie ein empirischer Fall in der Forschung thematisiert wird, ist eine wichtige Entscheidung im Analyseprozess. Anselm Strauss hat zwischen Fallrekonstruktion und Fallbeschreibung unterschieden. Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass die Rekonstruktion auf eine starke Abstraktion abzielt und die Beschreibung anhand einer chronologischen Abfolge organisiert wird.30 Für meine Arbeit bietet sich die Fallbeschreibung an. Sie erlaubt eine Forschungsarbeit, in der zunächst empirisches Material und theoretische Figuren getrennt bleiben, da sie dann über die Fallbeschreibungen miteinander verbunden 27 Vgl. Strauss; Corbin: „Grounded Theory“, a. a. O., S. 25. 28 Vgl. Glaser, Barney G. (1978): Theoretical sensitivity, Mill Valley, Calif: Sociology Press, S. 4; Strauss; Corbin: „Grounded Theory“, a. a. O., S. 25. 29 Vgl. hierzu Strauss; Corbin: „Grounded Theory“, a. a. O., S. 28–29; sowie Glaser: „Theoretical sensitivity“, a. a. O., S. 4–6. 30 Vgl. Strauss, Anselm L. (1998): Grundlagen qualitativer Sozialforschung. Datenanalyse und Theoriebildung in der empirischen soziologischen Forschung, München: Fink, S. 277–302.
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werden. Dies erlaubt mir eine breite Rezeption der theoretischen Abstraktion, was einer Selbstreferenzialität vorbeugt, die in meinen Augen oftmals mit der Grounded Theory einhergeht. Der theoretische Teil der Arbeit ist daher umfangreich angelegt. Der Grad der Generalisierung bleibt auf einem unteren Verallgemeinerungsniveau, da der Forschungsgegenstand noch in einer starken Dynamik ist. Es gibt viele unterschiedliche Ansätze in der Robotik, sodass ich mich für die Beschreibung von drei exemplarischen Fällen entschied, die jeweils eine große Eigenart besitzen.31 Für eine substantielle Fallbeschreibung ist es wichtig, dass sie die zentralen Theorieelemente enthält. In meiner Arbeit kommen sie zum einen aus den Daten und zum anderen aus den Schlussfolgerungen der Theoriediskussion. Außerdem muss das Datenmaterial gezielt im Hinblick auf Fallbeschreibungen ausgewählt werden. Das geschah insbesondere mit dem theoretischen Sampling. 3.2.3
Kodierprozess
Während Glaser einen zweistufigen Kodierprozess für die Grounded Theory konzipierte, baute Strauss seinen Kodierprozess auf drei Phasen auf: offenes, axiales und selektives Kodieren. 32 Ich folge in meiner Arbeitsweise dabei Strauss. Beim offenen Kodieren geht es darum, wesentliche Eigenschaften aus dem Material zu gewinnen, für die man dann durch das axiale Kodieren die Zusammenhänge sichtbar macht. In einem letzten Schritt legt man sich auf die Kernkategorie fest, löst Widersprüche und schließt Lücken.33 Die wesentliche Arbeit in den drei Kodierphasen setzt sich in meinen Augen aus vier Aspekten zusammen: dem theoretischen Sampling, der theoretischen Sättigung, dem Schreiben von Memos sowie der Methode des ständigen Vergleichens. Das theoretische Sampling besagt, dass mit den ersten Fällen eine datengestützte Grundlage entsteht, mit deren Hilfe die nächsten Fälle ausgewählt werden können. In der Phase des offenen Kodierens werden die Fälle ausgewählt, die versprechen, relevante Konzepte zu bieten. In der Stufe des axialen Kodierens wird 31 Strauss hat zwischen einem unteren Verallgemeinerungsniveau, formaler und materieller Theorie unterschieden. Je größer die Fallzahl ist, umso stärker lassen sich Allgemeinheiten herausarbeiten. Vgl. ebd., S. 285. 32 Vgl. Strauss, Anselm L; Juliet M. Corbin (2003): Basics of qualitative research. Techniques and procedures for developing grounded theory, Thousand Oaks [et al.]: Sage, S. 50–55. 33 Vgl. hierzu insbesondere Strauss: „Grundlagen qualitativer Sozialforschung“, a. a. O., S. 122–123.
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die Fallauswahl davon bestimmt, dass Zusammenhänge erarbeitet und überprüft werden können. Schließlich werden im selektiven Kodieren Fälle ausgewählt, um etwaige Lücken zu schließen und zu einer Erhöhung der theoretischen Dichte zu gelangen.34 Anders als bei der statistischen Repräsentativität erfolgt der Übergang zur nächsten Stufe, wenn eine theoretische Sättigung erreicht ist, d. h., wenn durch das Hinzunehmen von neuem Material keine neue Erkenntnis erwartet werden kann bzw. wenn sich die Ergebnisse zunehmend wiederholen. Praktisch erreicht wird dies über das Schreiben theoretischer Memos. Zunächst geht es um das Festhalten von vagen Ideen und getroffenen Entscheidungen, was immer stärker zu einer Entstehung einer Theorie führt.35 Die Methode des ständigen Vergleichens zielt darauf ab, die aufgestellten Kategorien im Verlauf der Arbeit durch das Hinzunehmen von weiteren Fällen zu differenzieren, zu verifizieren oder über Bord zu werfen und neu zu entwickeln. Dabei bieten sich v. a. zwei Möglichkeiten: die Kontrastfälle und die Minimalvergleiche. Durch das Hinzuziehen eines möglichst großen Kontrastfalls kann man neue Kategorien entwickeln, durch das Vergleichen mit einem minimal anders gelagerten Fall lassen sich Kategorien verfeinern oder in ihrer Gänze festzurren.36 3.2.4
Kodierparadigma
Um die im Kodierprozess entstandenen Kategorien in Beziehung zu setzen, ist das Kodierparadigma wichtig. Es ist eine Heuristik, die ab dem axialen Kodieren zum Einsatz kommt. Sie zielt darauf ab, das Entstehen der zentralen Kategorien sowie die Konsequenzen, die aus ihnen folgen, zu verstehen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Unterscheidung zwischen strukturellen und interaktionellen Bedingungen, die Strauss und Juliet Corbin eingeführt haben. In ihren Augen hat eine Forschungsarbeit entweder einen strukturellen oder einen interaktionalen Forschungsschwerpunkt. In der Forschung soll man nach 34 Zum Theoretischen Sampling vgl. Glaser; Strauss: „Grounded theory“, a. a. O., S. 53– 83. Das Theoretische Sampling lässt sich in der Forschungspraxis nicht immer über einen langen Zeitraum so verlaufsoffen handhaben. Strübing sieht keine grundsätzlichen Bedenken darin, „reichhaltige Daten ‚auf Vorrat‘[zu] gewinnen“(Strübing, Jörg (2008): Grounded Theory. Zur sozialtheoretischen und epistemologischen Fundierung des Verfahrens der empirisch begründeten Theoriebildung, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 32.) 35 Zum Schreiben von Memos vgl. Strauss; Corbin: „Grounded Theory“, a. a. O., S. 170– 188. 36 Vgl. Strübing: „Grounded Theory“, a. a. O., S. 14–15.
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dem Gegenteil fragen. Ziel ist es, dass die spezifischen Bedingungen herausdestilliert werden, unter denen bzw. innerhalb derer die spezifischen Handlungen, Strategien und Konsequenzen verbunden werden. Unter Struktur verstehen Strauss und Corbin die Bedingungen, unter denen die Aushandlungen der Akteure stattfinden.37 Indem die Forscherin die Ereignisse nachzeichnet, kann sie die Pfade sichtbar machen, innerhalb derer die Akteure handeln.38 Strauss und Corbin sprechen daher von Bedingungspfaden, die dahingehend nachgezeichnet werden, dass der Forscher von der Handlung ausgeht und sich fragt, was für Bedingungen es dafür gibt. Im nächsten Schritt geht man dazu über und verbindet die Handlung einerseits mit der Bedingungsmatrix und andererseits mit dem Kodierparadigma.39 Bei der Arbeit mit dem Kodierparadigma wird eine Kategorie mit ihren Subkategorien in Beziehung gesetzt, indem die Forscherin nach fünf Merkmalen der Kategorie fragt. Das sind die ursächlichen Bedingungen, der Kontext, die intervenierenden Bedingungen, die Handlungs- und interaktionale Strategien sowie die Konsequenzen.40 Hat die Forscherin die Kategorien zueinander in Beziehung gesetzt, stellt sie Hypothesen auf und verifiziert sie anhand der tatsächlichen Daten. Sie kann dann nach Eigenschaften und Dimensionen der Kategorien und Subkategorien suchen sowie nach Variationen, um die Analyse so dicht wie möglich zu machen und somit eine möglichst hohe theoretische Sättigung zu erhalten.41
37 Vgl. Strauss: „Grundlagen qualitativer Sozialforschung“, a. a. O., S. 121. 38 Strauss; Corbin: „Grounded Theory“, a. a. O., S. 139. 39 Vgl. ebd., S. 139–143. 40 Ebd., S. 86. 41 Vgl. ebd., S. 78–93.
4
Die theoretischen Grundfiguren
Oder: Die Entwicklung von sensibilisierenden Konzepten
Um einen Gegenstand denken und fassen zu können, benötigen wir Begriffe und theoretische Modelle. Um meine Forschungsfrage beantworten zu können, nähere ich mich aus zwei Richtungen meinem Gegenstand und damit meiner Antwort. Die erste Richtung ist die Arbeit mit Theorie und die zweite ist die empirische Fassung des Gegenstandes. Während ich mich mit der Empirie im nächsten Kapitel befassen werde, soll es in diesem Kapitel um Modelle und Begriffe aus der soziologischen Theorie gehen. Der Hintergrund hierfür ist, dass ein neues Phänomen Begriffe benötigt, über die es sich fassen und denken lässt. Diese Begriffe aber entstehen nicht ex ovo, sondern entspringen zwangsläufig aus den bisherigen Denkfiguren. Soziologische Theorie kommt somit als sensibilisierende Konzepte zum Einsatz, die mich als Forschenden für den Gegenstand sensibilisieren, indem sie mich für wichtige Dimensionen öffnen.1 Wichtig ist an dieser Stelle jedoch, dass die Theorie nicht erkenntnisleitend zum Einsatz kommt, sondern lediglich sensibilisierend. Erkenntnisleitend ist die Arbeit an der Fragestellung mit Hilfe der Konzepte aus dem empirischen, gegenstandsverankerten Material. Ausgangspunkt meiner begrifflichen Analyse war die Debatte insbesondere in der Wissenschafts- und Technikforschung seit den 90er Jahren um das Handlungspotenzial von Technik.2 Sie läuft bis heute und hat verschiedene Schwerpunkte
1
Zu den sensibilisierenden Konzepten vgl. Blumer: „What is Wrong with Social The-
2
Vgl. Lindemann, Gesa (2014): Weltzugänge. Die mehrdimensionale Ordnung des So-
ory?“, a. a. O. zialen, Weilerswist: Velbrück Wissenschaft, S. 11–17; Matsuzaki, Hironori (2011): „Die Frage nach der ,Agency‘ von Technik und die Normenvergessenheit der Techniksoziologie“, in: Lüdtke, Nico; Hironori Matsuzaki (Hrsg.): Akteur, Individuum, Subjekt. Fragen zu ,Personalität‘ und ,Sozialität‘, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissen-
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und Wechsel erfahren. Sie wird in der Sektion der Deutschen Gesellschaft für Soziologie aus mindestens drei Perspektiven geführt: der Techniksoziologie, der soziologischen Theorie und der Ethnografie. Ich möchte die Debatte auf vier theoretische Grundfiguren verdichten, über die der Gegenstand vom jeweiligen Standpunkt aus theoretisch erfasst wird. Im Anschluss daran ziehe ich analytische Konsequenzen für jene Dimensionen, die meine Fragestellung für die Feldstudien fokussiert haben. Die vier Grundtypen sind: die Handlungsträgerschaft, die Interaktivität, das Netzwerk und die Sozialität.3 Im Nachfolgenden werde ich die theoretischen Modelle der Hauptvertreter der vier theoretischen Grundfiguren nachzeichnen und daraus dann analytische Folgerungen für die Fallanalyse ziehen, die mir als Sensibilisierung für den Gegenstand dienen. Ich beginne mit der Grundfigur der Handlungsträgerschaft, gehe über die Interaktivität zum Netzwerk und schließe mit der Figur der Sozialität. Die Grundfigur der Sozialität werde ich mit den Arbeiten von Gehlen, Lindemann und Knorr Cetina nachzeichnen.
schaften, S. 301–325, hier S. 303–314; Fink, Robin; Johannes Weyer (2015): „Ein Vorschlag zur handlungstheoretischen Fundierung von Hybridität. Autonome Technik als Gegenstand soziologischer Theorie“, in: Kron, Thomas (Hrsg.): Soziale Hybridität – hybride Sozialität, Weilerswist: Velbrück, S. 331–349, hier S. 332–336. 3
An den Rändern der Debatte sind Positionen aus anderen Disziplinen vertreten worden, die ich hier nur andeuten möchte, da sie nicht genuin soziologisch sind und keine gewichtige Rolle gespielt haben. Dazu gehören die frühen Pioniere der Künstliche-Intelligenz-Forschung: Joseph Weizenbaum und Alan Turing (vgl. dazu Weizenbaum: „ELIZA – A Computer Program For the Study of Natural Language Communication Between Man And Machine“, a. a. O; Turing: „Computing Machinery and Intelligence“, a. a. O. Außerdem zählen dazu Arbeiten von Sherry Turkle (vgl. Turkle, Sherry (2005): The second self. Computers and the human spirit, Cambridge, Mass: MIT Press; Turkle, Sherry; Will Taggart; Cory D. Kidd und Olivia Dasté (2006): „Relational artifacts with children and elders: the complexities of cybercompanionship“, in: Connection Science, Jg. 18, Nr. 4, S. 347–361; Turkle, Sherry (Hrsg.) (2007): Evocative objects. Things we think with, Cambridge, Mass. u.a.: MIT Press; dies. (2010): „In good company? On the threshold of robotic companions“, in: Close Engagements with Artificial Companions: Key Social, Psychological, Ethical and Design Issues. Amsterdam, The Netherlands: John Benjamins Publishing Company, S. 3–10.).
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4.1 H ANDLUNGSTRÄGERSCHAFT Die erste theoretische Grundfigur, über die das Verhältnis von Technik auf der einen Seite und Sozialem auf der anderen erfasst wird, ist die Handlungsträgerschaft. Frühe Vertreter für die Grundfigur der Handlungsträgerschaft sind Harry Collins und Martin Kusch mit der Unterscheidung zwischen mimeomorphem und polymorphem Handeln.4 Collins und Kusch unterscheiden Verhalten und Handlung. Dabei verstehen sie unter Verhalten eine Sequenz körperlicher Bewegung, die von außen von anderen beobachtet werden kann. Bei einer Handlung kommt neben dem Verhaltensaspekt die Intention hinzu. Das Handeln wiederum kann dann mimeomorph oder polymorph sein. Mimeomorphe Handlungen sind gebunden an die Situation und die Verhaltensrealisierung. Der so Handelnde möchte die Handlung auf die immer gleiche Weise verrichten. Polymorph sind Handlungen dann, wenn sie bedeutungsvoll, regelbasiert und kontextabhängig sind. Außerdem können sie durch verschiedenartiges Verhalten ausgeführt werden, haben viele Formen und sind von der Sozialität, in der sie ausgeführt werden, geformt. Die verschiedenen Handlungen von Akteuren können verbunden werden zu einem Action Tree. Technik kann lediglich in einem mimeomorphen Sinne handeln. Das polymorphe Handeln ist dem Menschen überlassen, der damit den Ursprung eines Action Trees bildet und die Intentionalität in die Handlung bringt.5 Ingo Schulz-Schaeffer kritisiert an Collins und Kusch, dass in ihrem Konzept nicht ein Verhaltensaspekt delegiert werde, sondern eine ganze Handlung, was im eigentlichen Sinne nur über das polymorphe Handeln ginge.6 Werner Rammert hingegen hebt zunächst hervor, dass Collins und Kusch mit der Unterscheidung zwischen mimeomorphen und polymorphen Handlungen wichtige Vorarbeiten für das verteilte Handeln lieferten, gleichzeitig auch eine klare Demarkationslinie
4
Eine weitere frühe Arbeit zur Grundfigur stammt von Holger Braun-Thürmann. Siehe hierzu Braun-Thürmann: „Über die praktische Herstellung der Handlungsträgerschaft von Technik“, a. a. O.
5
Vgl. zum mimeomorphen und polymorphen Handeln Collins, Harry M; Martin Kusch (1999): The shape of actions. What humans and machines can do, Cambridge, Mass. [et al.]: MIT Press, S. 31–54 & 113–136.
6
Vgl. Schulz-Schaeffer, Ingo (2008): „Deutung und Delegation. Handlungsträgerschaft von Technik als doppeltes Zuschreibungsphänomen“, in: Rehberg, Karl-Siegbert (Hrsg.): Die Natur der Gesellschaft. Verhandlungen des 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kassel 2006, Frankfurt am Main, New York: Campus, S. 3135–3144, hier S. 3142.
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zwischen Technik und Sozialem zogen und sich darauf fokussierten, was Technik nicht kann.7 Mit dem Konzept des gradualisierten Handelns zur Beschreibung verteilten Handelns in soziotechnischen Konstellationen haben Rammert und SchulzSchaeffer ebenfalls die Verbindung von sozialen und technischen Handlungsträgern thematisiert. Bei ihnen sind Handlungen und damit auch soziale Handlungen in komplexen soziotechnischen Konstellationen stets verteilt. Verteilt werden können sie sowohl auf menschliche als auch technische Handlungsträger.8 Später hat Rammert den sozialen Rahmen miteinbezogen und das Konzept auf soziotechnische Konstellationen erweitert. Schulz-Schaeffer hingegen hat insbesondere die Entstehung von Bedeutung hervorgehoben. Auf diese beiden Aspekte komme ich später zu sprechen. Zunächst möchte ich die Grundzüge des Modells des verteilten Handelns skizzieren. Menschliches und technisches Handeln werden in diesem Modell weder a priori als identisch noch als inkommensurabel angesehen, vielmehr zielen Rammert und Schulz-Schaeffer darauf ab, die Unterscheidung von menschlichem und technischem Handeln zu überwinden. Das beabsichtigen sie, indem sie von einer Konstellation zwischen Mensch und Maschine ausgehen, die sie als den Gesamtzusammenhang betrachten, innerhalb dessen Handeln verteilt ist. Die durch diese Konstellation entstehende Handlungsträgerschaft (agency) differenzieren sie über drei verschiedene Grade. Auf der untersten Stufe steht Handeln, das eine Veränderung erzeugt (Kausalität), die mittlere Stufe umfasst Handlungen, die auch anders hätten ausfallen können (Kontingenz), und die dritte Stufe bezieht sich auf intentionale Handlungen (Intentionalität). Die Beantwortung der Frage, wie die Verteilung zwischen Mensch und Maschine in dieser Konstellation ist, wollen 7
Vgl. Rammert, Werner (2012): „Distributed agency and advanced technology. Or: how to analyse constellations of collective inter-agency“, in: Passoth, Jan-Hendrik; Birgit Maria Peuker und Schillmeier, Michael W. J. (Hrsg.): Agency without actors? New approaches to collective action, London: Routledge, S. 89–112, hier S. 94–95.
8
Vgl. Rammert, Werner; Ingo Schulz-Schaeffer (2002): „Technik und Handeln. Wenn soziales Handeln sich auf menschliches Verhalten und technische Abläufe verteilt“, in: Dies. (Hrsg.): Können Maschinen handeln? Soziologische Beiträge zum Verhältnis von Mensch und Technik, Frankfurt am Main [et al.]: Campus, S. 11–64; Schulz-Schaeffer, Ingo (2009): „Die Frage nach der Handlungsträgerschaft von Technik und das Konzept gradualisierten Handelns“, in: Berger, Wilhelm; Günter Getzinger (Hrsg.): Das Tätigsein der Dinge. Beiträge zur Handlungsträgerschaft von Technik, München, Wien: Profil, S. 37–59; Rammert, Werner (2006): „Technik in Aktion. Verteiltes Handeln in soziotechnischen Konstellationen“, in: Ders. (Hrsg.): Technografie. Zur Mikrosoziologie der Technik, Frankfurt am Main [et al.]: Campus, S. 163–195.
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Rammert und Schulz-Schaeffer der empirischen Erforschung des Einzelfalls überlassen. Die erste Stufe ist praktisch identisch mit dem Latour’schen Handlungsbegriff und bei nahezu jeder Anwendung von Technik gegeben. Wenn ich einen Nagel mit einem Hammer in die Wand schlage, dann ist der Zustand der Wand ein anderer und ich kann die Wand anders nutzen. Wenn ich einen Fußboden sauge, ist er in einem anderen Zustand als vorher. Bereits die mittlere Stufe in dem Konzept des gradualisierten Handelns umfasst, indem sie die Wahlmöglichkeit beinhaltet, eine Interaktivität zwischen Mensch und Technik. Hier geht es darum, dass sich die Konstellation situativ auf den Menschen oder andere technische Artefakte einstellen können muss, indem sie sich auf den Nutzer und seine Bedürfnisse einlässt, sowie eine Art Lernfähigkeit zeigt, indem sie Schlussfolgerungen aus früheren Interaktionen zieht. Dies sei, laut Rammert und Schulz-Schaeffer, bei komplexeren technischen Artefakten wie interaktiven Robotern und Software-Agenten zu beobachten. Die oberste Stufe ist mit der Problematik der Intentionalität konfrontiert. Rammert und Schulz-Schaeffer sprechen sich dafür aus, intentionales Vokabular nicht nur auf ein rein bewusstseinsfähiges Individuum anzuwenden, da dies sonst ein exklusiv menschliches Moment wäre. Zudem hätten die Aktivitäten avancierter Technik eine derart hohe interne Komplexität, dass sie in ihren Augen ein intentionales Vokabular erforderten, um angemessen erfasst werden zu können. Außerdem verwendet die Technik das Vokabular zur internen Verständigung. 4.1.1
Zuschreibungs- und Einschreibungsprozesse von Sinn
Rammert und Schulz-Schaeffer gehen davon aus, dass der Charakter der Handlungsträgerschaft grundsätzlich kontingent ist und dadurch objektiviert wird, dass beteiligte Akteure eine konsentierte Bedeutung über den Sinn sozialisiert bekommen haben, d. h., sie gehen davon aus, dass ähnlich sozialisierte Akteure über ähnliche Interpretationsmuster der Operationen der Technik verfügen. Diese Muster können auf zweifache Weise zum Tragen kommen, als Zuschreibungsprozess in der Anwendung oder als Einschreibungsprozess im Herstellungsprozess der Technik. Letzteres ist in dem grundlegenden Modell weniger deutlich ausgearbeitet und wurde von Schulz-Schaeffer später ergänzt. Die Frage, ob andere Akteure der Technik eine Handlungsträgerschaft lediglich zuschreiben oder ob sie bereits im Konstruktionsprozess in sie eingeschrieben
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wird, hängt für Rammert und Schulz-Schaeffer von dem Grad der „Konventionalisierung von Mustern der Handlungszuschreibung auf Technik“ ab.9 Soziales Handeln setzt sich in diesem Verständnis zusammen aus subjektiv gemeintem Sinn sowie der Deutung und Zuschreibung fremden Handelns.10 Die Zuschreibung ist relevant, damit es eine soziale Dimension erhält, weil der Andere gedeutet wird und diese Deutung Wirklichkeit wird, weil der Akteur im Sinne des Thomas-Theorems auf sie rekurriert. Die Handlungszuschreibungen werden wirksam, wenn sie auf intersubjektiv gültigen Situationsdefinitionen basieren. Diese entstehen entweder dadurch, dass die beteiligten Akteure über eine gemeinsam geteilte Wirklichkeitsauffassung verfügen oder indem die Handlungswirksamkeit durchgesetzt wird. Der geteilten Wirklichkeitsauffassung liegt die Sozialisierung von kulturellen Deutungsmustern zugrunde, sodass die Beteiligten von ähnlichen Vorannahmen ausgehen oder ähnliche Konsequenzen sehen. Die Durchsetzung von Handlungswirksamkeit hingegen basiert auf einer Instanz, die über die Macht verfügt, eine Gültigkeit durchzusetzen. Dadurch wiederum entstehen zwei mögliche Formen von Handlungsträgerschaft. Die erste Form generiert sich durch die subjektive Handlungskonstitution. Wirklichkeit entsteht, indem der Handlungsentwurf des Subjekts durch Sinnsetzung und raum-zeitliche Präsenz realisiert wird. Dies liegt insbesondere bei Akteuren vor, die Handlungswirksamkeit durchsetzen. Die zweite Form entsteht durch Handlungszuschreibung über gültige Situationsdefinitionen. Hier erfolgt die Sinngebung rekursiv. Wenn Technik involviert ist, dann macht Schulz-Schaeffer zwei besondere Zuschreibungsmomente aus.11 Die erste Form ist die Übertragung von Situationsdefinitionen (Deutung). Die zweite ist die Übertragung von Handlungsvollzügen (Delegation). Die Deutungsdimension liegt für Schulz-Schaeffer überwiegend in Form von soziomorphen und anthropomorphen Auslegungen der Technik vor. 9
Schulz-Schaeffer: „Die Frage nach der Handlungsträgerschaft von Technik und das Konzept gradualisierten Handelns“, a. a. O., S. 56. Siehe außerdem das Zitat: „Die Positionen, die die Handlungsträgerschaft von Technik auf beobachtbare Eigenschaften technischer Artefakte zurückführen, lassen sich als Positionen kennzeichnen, die die Kategorien objektivierter Handlungszuschreibung auch auf Technik anwenden. Ihr impliziter oder expliziter Ausgangspunkt ist die gesellschaftliche Selbstverständlichkeit bestimmter Konventionen der Handlungszuschreibung, die sie dann auch bei der empirischen Beobachtung oder der ingenieurmäßigen Konstruktion technischer Handlungsträgerschaft zu Grunde legen.“ (Ebd.)
10 Vgl. hierzu Schulz-Schaeffer, Ingo (2009): „Handlungszuschreibung und Situationsdefinition“, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Jg. 61, Nr. 2, S. 1–24. 11 Siehe hierzu Schulz-Schaeffer: „Deutung und Delegation“, a. a. O.
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Das bedeutet, dass die Deutung im Wesentlichen von der sozialen oder individuellen Verortung des menschlichen Deutenden abhängt. Sie ist dabei nicht willkürlich, sondern orientiert sich an Annahmen über den Urheber, das Handlungsmotiv, den Handlungssinn sowie die maßgebliche Verursachung. Die maßgebliche Verursachung ist hier entscheidend, weil sie eine Art sozialen Rahmens darstellt, aus dem die Deutung geschieht. Die Deutungen ergeben sich somit nicht aus der Sache selbst, sondern benötigen einen normativen Rahmen, der wertend Sinn stiftet. Gleichzeitig ist die Auslegung des Rahmens arbiträr, das bedeutet, dass Entscheidungen normativ gesetzt werden müssen, weil sie stets anders getroffen werden können.12 Als zweite Zuschreibungsform macht Schulz-Schaeffer die Delegation an Technik aus. Diese ist eine besondere Form der Handlungszuschreibung, weil sie Ausdruck dessen ist, was Schulz-Schaeffer erzeugte Selektivität nennt. Die grundsätzliche Voraussetzung dafür ist für ihn zunächst, dass sich Technik sinnhaft verhalten kann. Zum einen stimmt Schulz-Schaeffer hier Max Weber darin zu, dass menschliches Handeln Technik in der Konstruktion und Nutzung Sinn verleiht. Zum anderen ergänzt er ihn, weil in seinen Augen ein Teil des Sinnzusammenhangs in die Technik übergeht, da Entscheidungsprozesse und ihr sozialer Rahmen in sie eingeschrieben werden, und zwar insbesondere in Form der Gestalt und der Funktionalität der Technik. Diese repräsentieren die erzeugte Selektivität. 4.1.2
Verteiltes Handeln in soziotechnischen Konstellationen
Werner Rammert weitete das gemeinsam mit Ingo Schulz-Schaeffer entwickelte Modell später aus, indem er es auf soziotechnische Konstellationen bezog. 13 Er plädiert dafür, Handlungsträgerschaft als multipel, mediatisiert und verteilt zu verstehen. Die Grundannahme ist dabei, dass Handlung nicht an einen Akteur gebunden ist, sondern sich aus heterogenen Elementen zusammensetzt sowie aus Interaktionen entsteht. Wer dann im konkreten Fall Träger von Handlung ist, ist für Rammert eine Frage an die empirische Sozialforschung. Wichtig ist Rammert, dass der Ursprung von Handlung weder in einer menschlichen noch in einer technischen Autonomie liegen kann, sondern Handlungsträgerschaft durch die Interdependenz von Entitäten auftritt.
12 Vgl. zur maßgeblichen Verursachung ebd., S. 3140–3141. 13 Vgl. hierzu Rammert: „Distributed agency and advanced technology“, a. a. O; ders.: „Technik in Aktion“, a. a. O; ders. (2003): „Technik in Aktion. Verteiltes Handeln in soziotechnischen Konstellationen“, in: Christaller, Thomas; Josef Wehner (Hrsg.): Autonome Maschinen, Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, S. 289–315.
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Rammert spricht daher von Interagency, also einer Handlungsträgerschaft, die zwischen Entitäten liegt. Er macht drei Formen aus. Die erste Form ist die Interagency zwischen rein menschlichen Akteuren. Die zweite ist die Interagency zwischen Objekten und die dritte setzt sich zusammen aus jener zwischen Menschen und Objekten. Für diese Arbeit sind die zweite und die dritte Form bedeutsam. In der reinen Objekt-Interagency konstituieren die Objekte eine materielle Welt der Interobjektivität, die vom Menschen wahrgenommen werden kann und deswegen sozial handlungsrelevant wird. Je umfangreicher und komplexer die Aktionen der Objekte sind, umso wichtiger wird es für Rammert, eine intentionale Sprache zu entwickeln, um die Vorgänge analytisch zu erfassen. Mit dem Konzept der Interagency zwischen Menschen und Objekten versucht Rammert, die Welt der Technik und die Welt der Sozialitäten zu verbinden. Aufseiten der Technik ist der Grad an Avanciertheit folgenreich. Ist Technik nicht avanciert, dann ist das Verhältnis von Mensch und Technik instrumentell und die Handlungsträgerschaft liegt ausschließlich beim Menschen, da dieser die Technik in seinem Sinn verwendet. Ist Technik hingegen avanciert, dann verschiebt sich die Interagency und hängt nun von der Kommunikationsrichtung zwischen den beiden Entitäten ab. Diese kann direktiv oder interaktiv sein. Ist die Kommunikation direktiv, dann verteilt sich die Handlungsträgerschaft zwischen Menschen und Programm auf der einen Seite und Programm und Maschine auf der anderen. Ist sie interaktiv, dann kommt zusätzlich zur direktiven Dimension der intentional stance14 hinzu. Deswegen kann sie nach Rammerts Auffassung auch nur in Form von Konstellationsanalyse erforscht werden. 4.1.3
Analytische Folgerungen
In dem Konzept des verteilten Handelns geht es insbesondere um die folgende Frage: Welche „Techniken in welchen Handlungszusammenhängen und unter welchen gesellschaftlichen Bedingungen als (Mit-)Handelnde definiert und behandelt werden, und inwieweit sich diese Sicht- und Handlungsweise mit welchen Folgen durchsetzt. Dabei ist insbe-
14 Der intentional stance geht zurück auf Dennett (vgl. Dennett, Daniel Clement (1987): The intentional stance, Cambridge, Mass. [et al.]: MIT Press). Er besagt, dass es vom Grad der Abstraktion abhängt, ob ein Begriff von Intentionalität notwendig ist oder nicht.
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sondere von Interesse, ob, wo und in welchem Ausmaß sich ein objektiviertes Handlungsverständnis von Technik etabliert oder in welchem Ausmaß umgekehrt dessen Zuschreibungscharakter im Diskurs über das Handeln der Technik weiter mitgeführt wird.“15
Die Stärken des Modells liegen darin, dass es sowohl die Herstellungssituation als auch die Anwendungssituation einbezieht, wenngleich es eine eindeutige Präferenz für die Maschinen-Anwender-Seite hat und die Herstellungsseite in manchen Bereichen lediglich andeutet und die Implementierungssituation in der Herstellungssituation fasst. Der Einschreibungsprozess von Sinn im Herstellungsprozess der Technik ist deutlich weniger ausgearbeitet. Hier wird Latour hilfreich sein. In diese Richtung argumentiert auch Johannes Weyer. Er kritisiert, dass das Modell den Beobachter in die Rolle versetze, der Handlung Sinn zuzuschreiben, und es somit von diesem selbst abhänge, wie die Interaktion oder Aktion zu verstehen sei. Weyer verweist darauf, dass sich Rammert und Schulz-Schaeffer primär auf die Verbindung von Mensch und Technik konzentrierten und dabei die Interaktion zwischen beiden außer Acht ließen. Dadurch bleibt auch unklar, wie sich Bedeutungen stabilisieren, wenn sie aus der Zuschreibung des Beobachters erzeugt werden.16 Roger Häußling verweist darauf, dass die Intentionalität der dritten Stufe des Modells des verteilten Handelns davon ausgehe, dass potenziell auch Technik in intentionales Handeln übersetzt werden könne. Damit wird in seinen Augen Technisches, Menschliches und Soziales nivelliert. Diesen Aspekt kritisieren Rammert und Schulz-Schaeffer an Latour.17
4.2 I NTERAKTIVITÄT Eine Interaktion kennzeichnet im klassischen Sinne den wechselseitigen Austausch zwischen zwei Menschen. In der Soziologie ist dies häufig als Ego-AlterKonstellation thematisiert worden. Wenn nun Technik an diesem Austausch beteiligt ist bzw. gar einer der beiden Interaktionspartner ist, kommen neue Aspekte
15 Schulz-Schaeffer: „Die Frage nach der Handlungsträgerschaft von Technik und das Konzept gradualisierten Handelns“, a. a. O., S. 56. 16 Vgl. Weyer: „Die Kooperation menschlicher Akteure und nicht-menschlicher Agenten“, a. a. O., S. 74–75. 17 Vgl. Häußling: „Design als soziotechnische Relation“, a. a. O., S. 276 ff.
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zum Tragen, die es analytisch zu fassen gilt.18 Elena Esposito hat in einer frühen Arbeit zu dem Thema den Begriff der Interaktivität eingeführt. Darunter fasst sie „jene Eigenschaften elektronischer Medien, die die Überwindung der Einseitigkeit der Fernkommunikation ermöglichen.“19 Entscheidend für das Verständnis von Interaktivität mit Technik sind bei Esposito zwei Prozesse: Personalisierung und Generalisierung. Personalisierung ist nur in anonymer Kommunikation möglich, die nicht den Charakter der Unmittelbarkeit trägt. In unmittelbaren Interaktionszusammenhängen ist keine Personalisierung möglich, da keine Reflexion eintreten kann, weil die Akteure in die direkte Situation eingebunden sind. Lediglich Momente, die distanziert sind, können personalisiert werden. Die Personalisierung hat drei Dimensionen: die zeitliche Ebene (Entsynchronisierung), die sachliche (Reihenfolge der Handlungsfolge ist variierbar) und die soziale (Art der Kommunikation). Dabei lässt sich gegenüber der klassischen Interaktion zwischen zwei Menschen beobachten, dass die Perspektiven von Ego und Alter immer unabhängiger werden, zu autonomen Perspektiven werden, die einander kaum noch kreuzen und damit vom wechselwirkenden Aspekt der Interaktion entkoppelt sind. Die Aushandlung von Perspektiven verschwindet. Andererseits ist der Prozess der Generalisierung getragen von einer Kommunikation, die in allen Situationen gleich ist. Sie ist eine einseitige und standardisierte Kommunikation. Generalisierung macht Kommunikation zweiter Ordnung erst möglich. Der Andere wird als autonomer Beobachter beobachtet. Die Fragen, 18 Andere Ansätze haben die Zuschreibungsprozesse des Menschen an die Technik betont. Nass, Reeves und Moon haben herausgestellt, dass Menschen gegenüber Computern soziales Verhalten zeigen (vgl. Nass, Clifford; Jonathan Steuer und Ellen R. Tauber (1994): „Computers are social actors“. Proceedings of the SIGCHI conference on Human factors in computing systems, S. 72–78; Reeves, Byron; Clifford Ivar Nass (1997): The media equation. How people treat computers, televisions, and new media like real people and places, Stanford, Calif.: CSLI Publ; Nass, Clifford; Youngme Moon (2000): „Machines and mindlessness. Social responses to computers“, in: Journal of social issues, Jg. 56, Nr. 1, S. 81–103.). Geser hat die Interaktion bereits als asymmetrisch gedeutet, in der der Mensch seine Erwartung an den Computer überträgt (vgl. Geser, Hans (1989): „Der PC als Interaktionspartner“, in: Zeitschrift für Soziologie, Jg. 18, Nr. 3, S. 230–243.). Werle hat sich für die Bedingungen interessiert, in denen der Mensch der Technik Dinge zuschreibt (vgl. Werle, Raymund (2002): „Technik als Akteurfiktion“, in: Rammert, Werner (Hrsg.): Können Maschinen handeln? Soziologische Beiträge zum Verhältnis von Mensch und Technik.Campus, S. 119–139.). 19 Esposito, Elena (1995): „Interaktion, Interaktivität und die Personalisierung der Massenmedien“, in: Soziale Systeme, Nr. 2, S. 225–260, hier S. 226.
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wie und was man beobachtet, werden voneinander getrennt. Man kann die anderen nicht sehen, sie aber infrage stellen, da man nicht unmittelbar mit ihnen interagiert. Sie sind an das Fehlen von Interaktivität gebunden. Ruth Ayaß hat zwischen drei Interaktionsformen unterschieden, an denen Technik beteiligt ist.20 Die erste Form ist die Interaktion mit abwesenden Anwesenden. Dabei ist es von großer Bedeutung, dass das Gegenüber technisch vermittelt ist und einem wie in einer Face-to-Face-Interaktion erscheint, aber nur einseitig, d. h. eine strukturelle Abwesenheit von Alter. Der Rezipient gehört nicht zur sozialen Gemeinschaft von Alter. Daraus resultiert eine soziale Folgenlosigkeit für Ego, dessen Reaktionen Alter nicht mitbekommt. Inwieweit das für Alter folgenlos bleibt, ist fraglich. Diese Form der sozialen Beziehung ist aus Sicht des Zuschauers eine soziale, da er sich sinnhaft auf sein technisch vermitteltes Gegenüber bezieht, aber sie ist keine Interaktion, da der sinnhafte Bezug einseitig ist. Horton, Wohl und Strauss haben dies in den 50er Jahren für die Beziehung von Zuschauer und Fernseher als parasozial bezeichnet.21 Ayaß überträgt das Modell nun auf zeitgenössische Kommunikationsmedien und erweitert es zu einer Parainteraktivität. Die zweite Form ist die Interaktionsform ohne leibhaftig gegebenes Gegenüber. In ihr nehmen beide Akteure den anderen wahr, ihre Wechselseitigkeit wird technisch vermittelt und ist damit über das entsprechende Medium eingeschränkt. Die Anwesenheit des Anderen muss auf andere Weise koordiniert und kommunikativ gestützt werden als in einer unmittelbaren Situation und führt damit zu einer neuen Interaktionsform. Schließlich gibt es noch die Interaktion ohne menschliches Gegenüber. Dabei ist der Interaktionspartner von Ego kein Mensch, sondern ein technisches Gerät, das als Agent verstanden wird, der selbst agiert. Ayaß deutet diesen Typ lediglich
20 Vgl. Ayaß, Ruth (2005): „Interaktion ohne Gegenüber?“, in: Jäckel, Michael; Manfred Mai (Hrsg.): Online-Vergesellschaftung? Mediensoziologische Perspektiven auf neue Kommunikationstechnologien, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 33– 50. 21 Vgl. Horton, Donald; R. Richard Wohl (1956): „Mass Communication and Para-Social Interaction. Observations On Intimacy at a Distance“, in: Psychiatry, Jg. 19, S. 215– 229; Horton, Donald; Anselm Strauss (1957): „Interaction in Audience-Participation Shows“, in: American Journal of Sociology, Jg. 62, Nr. 6, S. 579–587; Horton, Donald; R. Richard Wohl (2002): „Massenkommunikation und parasoziale Interaktion“, in: Adelmann, Ralf (Hrsg.): Grundlagentexte zur Fernsehwissenschaft. Theorie - Geschichte - Analyse, Konstanz: UVK, S. 74–104.
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an, da für sie der Forschungsstand noch in einem Stadium war, in dem weder positiv noch negativ entschieden werden könne, ob Technik ein Gegenüber in einer Interaktion sein könne oder nicht. Für die Interaktivitätsqualität von avancierter Technik hebt Zhao die Dimension der virtuellen Ko-Präsenz hervor, damit fasst er die Besonderheit der Interaktion, die dadurch entsteht, dass die interagierenden Akteure weder zeitlich noch räumlich synchron agieren. Der Interaktionspartner „is represented by a humanoid social robot which interacts with it’s human counterpart on behalf of someone who is absent from the site.“22 Dadurch grenzt sich Zhao von Hortons, Wohls und Strauss parasozialer Präsenz ab, da diese eine einseitige Interaktivität beinhaltet, während die virtuelle Ko-Präsenz eine zweiseitige Interaktivität darstellt. Die Grundfigur der Interaktivität werde ich mit Johannes Weyer und Robin Fink sowie mit Lucy Suchman ausarbeiten. Weyer und Fink thematisieren den Verbund von Mensch und Technik in Handlungen. Sie machen das über das hybride Modell soziologischer Erklärung (HMSE). An Schulz-Schaeffer und Rammert kritisieren sie, dass diese nicht die Interaktivität zwischen Technik und Mensch thematisieren. Folgerichtig stellen sie die Interaktivität in den Mittelpunkt und resümieren, dass Menschen Technik eine Handlungsträgerschaft zuschreiben und dass dies einhergeht mit einer Umschreibung ihrer eigenen Rolle. Außerdem weicht die zugeschriebene Rolle von der programmierten ab.23. Darauf werde ich später noch genauer eingehen. Eine substanzielle Differenz zwischen Technik und Mensch hat Suchman aufgezeigt. Zwar erfordere die Interaktion von Mensch und Maschine nach Suchman „the same interpretative work that characterizes interaction between people, but with fundamentally different resources available to the participants.“24 Im Gegensatz zum Menschen ist die Maschine aber auf ein vorher festgelegtes Spektrum begrenzt, aus dem sie die Handlungen des Gegenübers interpretieren kann.25 Suchman hat dafür die Begriffe planhaftes Handeln für Technik und situatives Handeln für den Menschen eingeführt. 22 Zhao: „Humanoid social robots as a medium of communication“, a. a. O., S. 413. 23 Fink, Robin; Johannes Weyer (2011): „Autonome Technik als Herausforderung der soziologischen Handlungstheorie“, in: Zeitschrift für Soziologie, Jg. 40, Nr. 2, S. 91–111; dies. (2011): „Die Interaktion von Mensch und autonomer Technik in soziologischer Perspektive“, in: Technikfolgenabschätzung – Theorie und Praxis, Jg. 20, Nr. 1, S. 39– 45; Weyer: „Die Kooperation menschlicher Akteure und nicht-menschlicher Agenten“, a. a. O. 24 Suchman, Lucy A. [1987] (1990): Plans and situated actions. The problem of humanmachine communication, Cambridge [et al.]: Cambridge University Press, S. 180. 25 Siehe hierzu auch Suchman: „Human-machine reconfigurations“, a. a. O., S. 179–182.
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Suchman, der Plan und das situative Handeln
Lucy Suchman hat mit dem planhaften und dem situativen Handeln zwei verschiedene Vorstellungen von Handlung unterschieden. Sie hat sich dann gefragt, wie in der Interaktion Situationen und Bedeutung verstanden werden können. In der Planungsauffassung geht es darum, dass ein Plan einer Handlung vorausgeht und ihr damit durch Zielzuschreibung einen Sinn implementiert. Eine Situation lässt sich in einer Alter-Ego-Konstellation gegenseitig verstehen, indem der Plan des Anderen reziprok nachvollzogen wird. Dies geschieht darüber, dass allgemeine Konventionen über den Ausdruck von der Handlungsabsicht bestehen sowie ein geteiltes Wissen über bestimmte Situationen und die dazu passenden Handlungen.26 Der zweite Weg besagt, dass die Kohärenz von situativen Handlungen nicht an die Vorbedingungen des Individuums oder an Konventionen gebunden ist, sondern vielmehr aus der lokalen Interaktion, den Umständen des Akteurs sowie der Fähigkeit, eine interaktive Lösung für Probleme zu finden, bedingt ist.27 4.2.1.1 Das Planungs-Modell Ein Plan ist eine Sequenz einer Handlung, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Bei Handlung geht es um das Lösen von Problemen. Handlungen werden über Vorbedingungen und Konsequenzen beschrieben. Die Ziele beschreiben die Beziehung des Akteurs zur Situation, in der die Handlung stattfindet. Der Plan steht stets vor der eigentlichen Handlung. Wenn Aspekte nicht bedacht wurden, dann muss die Handlung neu geplant werden, was wiederum die Vorbedingung für die Handlung ist. Das gegenseitige Verständnis im Planungsmodell hat drei wesentliche Dimensionen: Eine Handlung entsteht durch den Plan, es müssen Pläne wiedererkannt werden, es wird geteiltes Hintergrundwissen benötigt, um gemeinsam zu handeln und Bedeutungen zu generieren. Das Planungsmodell wird komplexer und umfassender, wenn man die Handlungen von mehreren Akteuren miteinbezieht. Dann müssen die Pläne der anderen sowie die Zuschreibung von Handlung erfasst werden. Suchman hat dies an frühen Formen von Robotern studiert. Dabei war es stets eine Problematik, wie Handlungen und beabsichtigte Effekte im Zusammenhang stehen. Das hat zwei Dimensionen: Zum einen kann das beabsichtigte Ziel auf verschiedene Weise erreicht werden und zum anderen kann die Ursache der Handlung nicht aus dem Ergebnis geschlossen werden. Daher ist für einen interaktiven Roboter eine wesentliche Frage: Wie lassen sich Pläne identifizieren? In der Robotik ist die Intention früh 26 Vgl. zum planhaften Handeln ebd., S. 51–68. 27 Siehe zum situativen Handeln ebd., S. 69–84.
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als ein Plan verstanden worden, der die Handlung erzeugt. Sie versteht Handlungsstruktur als einen hierarchischen Ablauf von Instruktionen, in dem Intentionalität die Handlung kontrolliert (damit ist der Plan wie ein Programm konfiguriert und wird programmierbar). Der Plan kann die Handlung ersetzen, da diese aus dem Plan generiert wird. Alle Probleme werden aus dem Planungsmodell gelöst. Das Problem daran ist in den Augen Suchmans: Wie soll man die vorherige Absicht erkennen? Und was ist mit Handlungen, denen keine vorherige Absicht vorausging? Und was ist eine zielgerichtete Handlung? Wenn man den Grad der Zielgerichtetheit nicht bestimmt, dann gibt es keine Möglichkeit, zwischen freiwillig und unfreiwillig zu unterscheiden, sondern man kann Handlungen lediglich auf einer Verfahrensebene beschreiben. Die psychologischen Dimensionen der Handlung werden dann Angelegenheiten von körperlichen Tätigkeiten. Suchman schließt, dass eine Handlung recht wenig über die Intention, die dahinterstand, aussagt, da unsere Pläne meist vage sind. Wir müssen nicht den ganzen Ablauf kennen, um unsere Absichten zu erläutern. Daher eignen sie sich im Alltag. Im Alltag sind unsere Pläne unser „reasoning about action, not as the generative mechanism of action“.28 Durch unsere vorherigen Vorannahmen und nachträglichen Rekonstruktionen nehmen wir die Situationshandlung wahr. Das Planungsmodell hingegen antizipiert Handlungen vorab systematisch auf eine Weise, wie es der Mensch gar nicht tut. Es ignoriert damit die Situationshandlung, die die Begründungen erzeugt. Deutlich wird dies am Hintergrundwissen. Die Bedeutung einer Handlung liegt so sehr in dem, was man für sie voraussetzen muss, wie das Verhalten selbst. Die alleinige Beobachtung des Verhaltens reicht nicht aus, um die Bedeutung einer Handlung zu erfassen. Wesentlich dafür ist dann das Hintergrundwissen. Wesentlich für das Hintergrundwissen ist, dass es implizites Wissen und Ad-hoc-Einschätzungen benötigt, nach denen man entscheidet. Dafür gibt es keine festen Regeln, die auch ad hoc bewerten und nicht auf ein umfassenderes System übergreifen. Geteiltes Wissen ist ein solches implizites Wissen. Dabei gilt die Maxime, dass das geteilte Wissen unausgesprochen bleiben kann. Wie entscheiden also die Sprecher, was die Hörer bereits wissen? Das ist das Hintergrundwissen. Dadurch wissen beide, was gesagt werden muss und was unausgesprochen klar ist. Auf Technik bezogen stehen Konstrukteure vor der Schwierigkeit, dass Maschinen nicht über Hintergrundwissen, das implizit und geteilt ist, verfügen. Daher war es eine Strategie, die Welt in Kategorien einzuteilen, die sich dann an Fakten abarbeiten und Beziehungen herstellen. Somit behalfen sich verschiedene technische Projekte damit, Situationsdefinitionen zu programmieren, die festlegen, was alles zu einer Situation gehört (Geburtstagsskript, Football-Skript usw.). Diese 28 Ebd., S. 60.
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„normative orders“ können durch Ablenkungen, Fehler und Hindernisse gestört werden. Eine Ablenkung unterbindet jedes Skript. Ein Hindernis liegt vor, wenn etwas zwischen der geplanten Handlung und der Umsetzung liegt, ein Fehler, wenn das Skript nicht in der vorgesehenen Weise ausgeführt werden kann. Jedes Skript hat also seine typische normale Handlungssequenz und seine typische Hindernis- und Fehlersequenz. „Whereas plans associate intentions with action sequences, scripts associate action sequences with typical situations. In practice, however, the stipulation of relevant background knowledge for typical situations always takes the form of a partial list.“29 4.2.1.2 Situative Handlungen Situative Handlungen bedeuten, dass jede Handlung auf ihren Ablauf und ihre sozialen Umstände zurückzuführen ist. Es geht darum zu erfassen, wie Menschen die Umstände nutzen, um zu handeln. Nicht die Handlung wird dem Plan untergeordnet, sondern der Plan wird umgekehrt der situativen Handlung unterworfen. Diese ethnomethodologische Konzeption von Handlung basiert auf zwei Prämissen. Die erste besagt, dass kognitive Phänomene eine Beziehung zu äußeren Artefakten und Handlungen haben. Die zweite lautet: Die Bedeutung von Handlung hat im Wesentlichen mit den Umständen zu tun, in denen sie geschieht. Suchman argumentiert mit Mead, dass wir unsere Pläne von der Handlung separieren, indem wir sie zum Objekt machen. Der Mensch macht sich seinen Plan entweder vor der Handlung (Aufbau der Handlungslinie) oder danach bewusst (Reflexion): „Situated action, in other words, is not made explicit by rules and procedures. Rather, when situated action becomes in some way problematic rules and procedures are explicated for purposes of deliberation and the action, which is otherwise neither rule based nor procedural, is then made accountable to them.“30
Suchman wirft der klassischen Soziologie, insbesondere in Form des Theoriegebäudes von Durkheim, vor, ein Verständnis von Handlung festgesetzt zu haben, in dem die soziale Wirklichkeit zu festgelegt sei. Sie legt Durkheim so aus, dass das handelnde Individuum sich nach sozialen Fakten ausrichte und dies die Wahrnehmung von der Psychologie zu den Konventionen der Gruppe verlagert habe. In der Konvention wurde dann der Commonsense von Gruppe als normative Dimension festgelegt. Sie argumentiert mit Garfinkel, Blumer, Mead und Pierce dagegen. In ihrem Verständnis werden Bedeutungen vielmehr lokal in Interaktionen 29 Ebd., S. 65. 30 Ebd., S. 74.
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hergestellt (Blumer). Die soziale Wirklichkeit wird dabei als interpretierbar verstanden, in der Begründungen soziale Praktiken in der Rationalität eines Feldes sind. Die Frage ist nicht, ob soziale Fakten objektiv sind, sondern wie sie hergestellt werden: „The source of mutual intelligibility is not a received conceptual scheme, or a set of coercive rules or norms, but those common practices that produce the typifications of which schemes and rules are made. The task of social studies, then, is to describe the practice, not to enumerate their product in the form of a catalogue of commonsense beliefs about the social world.“31
Die Ethnomethodologie hat das Ziel, das gegenseitige Verstehen zum Problem der Soziologie zu machen. Wir gehen in eine Situation, identifizieren ihre Eigenheiten und passen unsere Handlungen an. Dafür muss es wiedererkennbare Muster geben, was eine typische Situation ist, und der Akteur muss sein Verhalten daran anpassen. Die Teilnehmer müssen die Situation auf die gleiche Weise erfassen, sonst lassen sich keine Regeln aufstellen. Durkheim und Co haben dies als geteiltes Wissen verstanden, aber für Suchman wird eine unterschiedliche Auffassung der Situation als konfligierende subkulturelle Tradition gehandhabt. Mit Garfinkel argumentiert Suchman, dass die Stabilität der Situation nicht auf geteiltem Wissen basiert, sondern in der Fähigkeit des Menschen liegt, über Methoden zu verfügen, Unstimmigkeiten zu interpretieren und Lösungsmöglichkeiten anzugehen. Garfinkel hat diese Methode, mit der sich Pläne ausfindig machen lassen, als dokumentarische bezeichnet. Die Stabilität der sozialen Welt basiert auf den situativen Handlungen: „Rather than actions being determined by rules, actors effectively use the normative rules of conduct that are available to produce significant actions. […] Such rules are not taught or encoded but are learned tacitly through typification over families of similar situations and actions. Despite the availability of such typifications, no action can fully provide for its own interpretation in any given instance. Instead every instance of meaningful action must be accounted for separately with respect to specific, local, contingent determinants of significance.“32
31 Ebd., S. 76. 32 Ebd., S. 83–84.
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4.2.1.3 Technikdimension Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die beiden Vorstellungen von Handlungen antagonistisch sind. Die planhafte Handlung ist etwas, was im Verständnis von Suchman der Technik möglich ist, Menschen nicht. Die situative Handlung ist eine menschliche; die Technik wird durch sie vor große, fast unlösbare Herausforderungen gestellt. Um dies zu verdeutlichen, sei an den Umgang mit einem Plan erinnert. Der gängige Weg in der Konstrukteurswelt von interaktiver Technik ist der folgende: Ein Mensch legt eine bestimmte Menge an Handlungsoptionen fest, aus denen die Technik eine auswählt. Man muss die Neigung von denjenigen, die die Menge und Auswahlkriterien festgelegt haben, kennen, um die Entscheidung vorhersagen zu können. Der Ablauf der Handlung ist somit durch die vorausgehenden Faktoren bestimmt. Im Kontrast dazu steht die Herangehensweise des Menschen in Interaktionen. Hierfür macht Suchman aus, dass Pläne als Ressource für situative Handlungen nicht den Ablauf bestimmen, sondern als Orientierung dienen, um sich in die Position zu bringen, seine Fähigkeiten bestmöglich einzusetzen. 4.2.2
Weyer & Fink: das HMSE-Modell
Johannes Weyer und Robin Fink haben das handlungstheoretische Modell soziologischer Erklärung (MSE) von Hartmut Esser um die Komponenten der MenschTechnik-Konstellation ergänzt. Sie nennen dieses folgerichtig Modell soziologischer Erklärung hybrider Systeme (HMSE).33 Sein Ausgangspunkt ist die Feststellung, dass komplexe Tätigkeiten nicht mehr vom Menschen allein ausgeführt werden können, sondern Technik miteinbezogen wird. Bei avancierter Technik ist in den Augen von Weyer und Fink schwer zu ermitteln, wer eine Handlung verursacht hat. Deswegen erweitern sie den MSE-Ansatz um die Komponente des hybriden Systems, das aus menschlichem Akteur und technischem Aktanten bestehen kann.
33 Zu dem HMSE-Modell vgl. Weyer; Fink: „Die Interaktion von Mensch und autonomer Technik in soziologischer Perspektive“, a. a. O; dies.: „Autonome Technik als Herausforderung der soziologischen Handlungstheorie“, a. a. O; dies. (2014): „Interaction of Human Actors and Non-Human Agents. A Sociological Simulation Model of Hybrid Systems“, in: Science, Technology & Innovation Studies, Jg. 10, Nr. 1, S. 47–64; dies.: „Ein Vorschlag zur handlungstheoretischen Fundierung von Hybridität“, a. a. O.
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Bevor ich auf das Modell genauer zu sprechen komme, möchte ich zunächst die handlungstheoretischen Rahmungen thematisieren, die Weyer in einem programmatischen Aufsatz angerissen hat.34 4.2.2.1 Handlungstheoretische Rahmungen von Weyer Weyer nimmt verschiedene begriffliche Unterscheidungen vor, von denen insbesondere drei für meine Arbeit erkenntnisleitend sind. So hat er vorgeschlagen, zwischen einem interaktiven, einem instrumentellen und einem adaptiven Verhältnis des Menschen zur Technik zu unterscheiden. Die zweite wichtige Unterscheidung vollzieht Weyer zwischen Herstellern und Nutzern. Die dritte betrifft avancierte Technik und konventionelle Technik. Konventionelle Technik zeigt einfache Verhaltensmuster, die für den Menschen leicht zu berechnen und vorherzusagen sind. Sie verändert sich nicht durch Lernprozesse und entwickelt auch keine emergenten Strukturen. Insgesamt übt sie eine hohe Erwartungssicherheit für den Menschen aus. Dadurch kann er die Ergebnisse, die durch die Verwendung von konventioneller Technik entstehen, vorhersagen und kann ihr gegenüber strategisch, also zweckrational handeln. Avancierte Technik hingegen verknüpft verschiedene Handlungsoperationen miteinander. Sie folgt nicht einem festen Schema, sondern agiert situationsspezifisch. Handlungen ergeben sich nicht aus dem Programm der Technik, sondern aus der Verknüpfung von Operationen. Dadurch entsteht ein Ergebnis, das der Mensch als Nutzer der Technik nur mit einer geringen Wahrscheinlichkeit vorhersagen kann. Es droht die Gefahr, dass der Mensch in eine adaptive Rolle zur Technik gerät. Anders gestaltet es sich für die Konstrukteure von Technik, die jeweils in einem instrumentellen Verhältnis zu ihr stehen. Sie konstruieren sie, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen, wodurch Technik in dieser Konzeption ein Machtinstrument der Konstrukteure und ihrer Auftraggeber ist.35 Folgt man diesem Gedanken, dann ist die Konsequenz daraus, dass der Mensch nur auf zweckrationale Weise mit Technik interagieren kann. Die anderen beiden Formen der Weber’schen Handlungsmöglichkeiten sind im Vorhinein ausgeschlossen. Erlauben wir Technik also eine immer größere Rolle und Komplexität und setzen gleichzeitig voraus, dass der Mensch aktiver Handlungsträger bleiben soll, dann müssen wir – der Argumentation Weyers folgend – Technik in die Richtung reglementieren, dass im Herstellungsprozess festgelegt wird, in welchem Rahmen sie handeln kann: 34 Vgl. hierzu Weyer: „Die Kooperation menschlicher Akteure und nicht-menschlicher Agenten“, a. a. O. 35 Vgl. ebd., S. 76–83.
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„Roboter haben jedoch zu viele Freiheitsgrade, d. h., sie bewegen sich nicht innerhalb des Horizonts des normativ Erwartbaren, sondern im Rahmen des technisch Möglichen. Insofern sind Roboter keine sozialen Wesen, da sie nicht sozialisiert, d. h. in den normativen Rahmen der Gesellschaft eingebunden sind. Prinzipiell spräche nichts dagegen, dass an sie normkonformes Verhalten übertragen werden könnte, was jedoch – ähnlich wie beim Menschen – ein langwieriger Prozess wäre, der u. a. das Prinzip der Bildung von Erwartungserwartungen beinhalten würde. Dies hätte aber eine – zumindest partielle – Rücknahme des Prinzips der beliebigen Kombinierbarkeit zur Folge […], also eher eine Trivialisierung anstelle von Multifunktionalität, die es dem menschlichen Gegenüber ermöglichen würde, das Verhalten der Maschine zu verstehen und sich ihr gegenüber strategisch zu verhalten.“36
Dass der Mensch nicht nur adaptiv auf avancierte Technologie reagiert, sondern mit ihr strategisch interagieren kann, „setzt allerdings voraus, dass bereits im Konstruktionsprozess von avancierter Technik Vorkehrungen für deren Sozialisierung getroffen werden, d. h. Mechanismen eingebaut werden, die – ähnlich wie beim heranwachsenden Kind bzw. Jugendlichen – die Freiheitsgrade avancierter Technik beschneiden und zur Berücksichtigung von Normen beitragen.“37 4.2.2.2 Der HMSE-Ansatz Vor diesem begriffsanalytischen Hintergrund ist das Modell von Weyer und Fink zu sehen. Sie gehen davon aus, dass Bedeutungen, die Artefakten beigemessen werden, durch soziale Praktiken konstruiert werden. Deswegen stehen für sie Zuschreibungsprozesse im Vordergrund. Durch solche Praktiken entstehen raumzeitliche Ordnungen, in die avancierte Technik involviert ist. Das Modell fußt auf einer Laborsituation. Dabei wird zunächst analog zum Symmetrieprinzip von Latour davon ausgegangen, dass sowohl menschliche Akteure als auch technische Artefakte Handlungsträger sind. Bei beiden gehen Weyer und Fink von Hartmut Essers Theorie der subjektiven Nutzenerwartung (SEU) aus. Hiernach wählt die agierende Entität jene Handlungsoption, die ihr den größten subjektiven Nutzen bringt. Sie sehen dies als Erweiterung klassischer Rational-Choice-Ansätze, weil der SEU-Ansatz davon ausgeht, dass der Nutzen, der aus einer Handlung entsteht, subjektiv bewertet wird, wodurch die Tätigkeiten sowohl von Menschen als auch von Aktanten gleichermaßen modellierbar werden. In diesem Sinne treffen Mensch und Artefakte beide rationale Wahlhandlungen. Sozialer Akteur und nicht menschlicher Aktant nehmen mit ihrer jeweils eigenen Sensorik die Situation vor dem Hintergrund ihrer Ziele und Präferenz wahr
36 Ebd., S. 82. 37 Ebd., S. 87.
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(Logik der Situation). Sie interpretieren dies für sich und treffen für sich Entscheidungen (Logik der Selektion). Dadurch entstehen auf der Meso-Ebene neue Zustände, was eine Art „Gesamtverhalten […] [eines] hybriden Systems [erzeugt], das ein außenstehender Betrachter kaum noch in die Teilbeträge zerlegen kann.“38 Die Meso-Ebene ist eine Erweiterung des Esser’schen Modells. Das hybride System interagiert mit anderen Systemen und erzeugt aggregierte Effekte auf der Makroebene. Der veränderte Systemzustand ist dann wieder die Rahmenbedingung für die nächste Handlungssequenz. Das führt dann wieder zu der Handlung des hybriden Systems auf der Meso-Ebene und dann wieder auf der Makro-Ebene (Logik der Aggregation). 4.2.3
Analytische Folgerungen
Die beiden Modelle zur Interaktivität haben ihre Stärken in der begriffsanalytischen Arbeit. Während Weyer und Fink außerdem eine hohe Anwendbarkeit kennzeichnet, ist die Konzeption von Suchman durch empirische Arbeit fundiert. Mit der Unterscheidung zwischen interaktivem, instrumentellem und adaptivem Verhältnis des Menschen zur Technik, der Unterscheidung zwischen Herstellern und Nutzern sowie jener von avancierter Technik und konventioneller Technik leistet Weyer bedeutende Begriffsarbeit. Hervorzuheben ist außerdem, dass das Modell von Weyer und Fink durch seine soziologische Analyse die Anwendbarkeit vorbereitet und damit in gewisser Weise eine Sozialisierungsmöglichkeit von Technik schafft. Letzteres ist in meinen Augen ein aktiver Prozess, den Akteure durch Praktiken gestalten müssen, was in den letzten Jahren u. a. in den Sozialwissenschaften geschieht. In dem Modell ist diese Sozialisierungsmöglichkeit – und das ist kritisch anzumerken – nicht explizit ausgearbeitet, während sie in Weyers Begriffsarbeit noch vorhanden ist. In seiner soziologischen Ausarbeitung bleibt das Modell primär auf die Erfassung von Zuschreibungen des Beobachters reduziert. Es kann als Bauplan für Versuchsmodelle fungieren. Es wird keine explizite Theorie daraus entwickelt. Außerdem ist dabei zu kritisieren, dass es keine Analysematrix vorstellt, die festlegt, wie die Zuschreibungen analysiert werden, was insofern überrascht, als es diese in den Mittelpunkt seiner Betrachtung stellt.
38 Weyer; Fink: „Die Interaktion von Mensch und autonomer Technik in soziologischer Perspektive“, a. a. O., S. 41.
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4.3 N ETZWERK Die dritte Grundfigur ist jene des Netzwerks. Bruno Latour hatte bereits Ende der 1980er Jahre – noch unter dem Pseudonym Jim Johnson – die Auflösung der Unterscheidung zwischen Sozialem und Nicht-Sozialem gefordert, als er den Türschließer als einen hochgradig moralischen und sozialen Akteur interpretierte.39 Ist Technik in der Lage, eine Zustandsveränderung herbeizuführen, so reicht dies für Latour aus, ihr eine Handlungsträgerschaft zuzusprechen.40 Insbesondere rund um Latour und Michel Callon ist eine Soziologie der Übersetzung entstanden, die heute unter dem Namen Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT) firmiert. Der wesentliche Gedanke dabei ist es, die Verkettung von Akteuren über eine Netzwerkmetapher zu fassen. Ich fasse dies zusammen als die Grundfigur des Netzwerks und werde sie über wesentliche Arbeiten von Latour und Michel Callon darstellen. 4.3.1
Latour und die Soziologie der Übersetzung
Bruno Latour konzipierte eine Soziologie der Übersetzung, die er auch als Soziologie der Assoziation bezeichnete und die in das sozialwissenschaftliche Theoriegebäude als Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT) aufgenommen wurde. Im eigentlichen Sinne kann man bei Latour nicht von einem Modell sprechen, sondern vielmehr – vergleichbar mit der Grounded Theory – von einer soziologischen Herangehensweise und Forschungshaltung zugleich. Diese ermöglicht durch ihren Bildreichtum und ihre markante Perspektive das Sichtbarmachen von bestimmten Verbindungen, die Latour in der Relation von Akteur und Netzwerk sieht. In meinen Augen ist sich die ANT in den letzten 25 Jahren in der wesentlichen Anlage treu geblieben, hat aber die Begrifflichkeit und den thematischen Schwerpunkt verschieden dimensionalisiert.
39 Vgl. Johnson, Jim (1988): „Mixing Humans and Nonhumans Together. The Sociology of a Door-Closer“, in: Social Problems, Jg. 35, Nr. 3, S. 298–310. Diese Forderung hat er später – auch unter seinem eigenen Namen – erneuert, etwa in Latour, Bruno (1996): „On Actor-Network Theory. A Few Clarifications“, in: Soziale Welt, Jg. 47, Nr. 4, S. 369–381. 40 Latour, Bruno (2005): Reassembling the social. An introduction to actor-network-theory, Oxford [et al.]: Oxford University Press, S. 52–54.
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4.3.1.1 Akteur, Aktant und das Setting In der erstmals 1992 zusammen mit Madeleine Akrich veröffentlichten Zusammenfassung der wesentlichen Begrifflichkeiten der ANT ist das Konzept bei Latour noch recht minimalistisch gehalten. Die beiden wesentlichen Dimensionen sind dabei der Aktant und das Setting. Den Aktanten verstehen Latour und Akrich als etwas, was „immer agiert oder Handlungen verlagert“41. Eine Handlung ist dabei „eine Reihe von Performanzen gegenüber Herausforderungen und Prüfungen.“42 Aus den Performanzen werden die „Kompetenzen abgeleitet, mit denen der Aktant ausgestattet ist“43. Latour nennt dabei ein Beispiel für einen menschlichen Aktanten. Nach diesem wird das gemeinsame Golfspielen von zwei Geschäftspartnern durch den Bankrott ihrer Firma zur Prüfung für die Treue bei der gemeinsamen sportlichen Aktivität. Ein Beispiel für einen nicht menschlichen Aktanten ist der Fusionspunkt eines Metalls, der ist die Prüfung für die Stärke der Metalllegierung. Ein Akteur ist für Latour und Akrich dann ein Aktant, wenn er über einen Charakter verfügt und damit für gewöhnlich anthropomorph ist. Damit bleibt die Unterscheidung von Aktant und Akteur in dieser frühen Fassung sehr nah an dem sprachwissenschaftlichen Vorbild von Latour: Greimas. Diesem ging es um eine Mikroanalyse von literarischen Texten. Dabei verwendete er den Begriff des Aktanten, um verschiedene Zustände verschiedenen Akteuren zuschreiben zu können. Der Akteur kennzeichnet dabei den Handelnden, also den Handlungsträger, und der Aktant einen bestimmten Zustand, der auch über andere Handlungsträger gezeigt werden kann. Zustände können dann beispielsweise „das Böse“ oder „das Schicksal“ oder Ähnliches sein.44 Die sprachwissenschaftliche Nähe findet sich auch in der Definition von Handlungsprogrammen. Sie wird über das Vermögen, eine Narration auf eine andere Materie zu übertragen, konzeptualisiert.
41 Akrich, Madeleine; Bruno Latour [1992] (2006): „Zusammenfassung einer zweckmäßigen Terminologie für die Semiotik menschlicher und nicht-menschlicher Konstellationen“, in: Belliger, Andréa; David J. Krieger (Hrsg.): ANThology. Ein einführendes Handbuch zur Akteur-Netzwerk-Theorie, Bielefeld: transcript, S. 399–405, hier S. 399. 42 Ebd. 43 Ebd. 44 Vgl. hierzu Schmidgen, Henning (2011): Bruno Latour zur Einführung, Hamburg: Junius, S. 105.
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Eine zweite wesentliche Kategorie ist in diesem frühen Stadium der ANT das Setting. Sie beschreibt die Konstellationen von Akteuren und Aktanten, „bei denen Kompetenzen verteilt sind“45. Die Verteilung der Kompetenz geschieht dabei über verschiedene Prozesse wie Inskription, Präskription, Subskription usw. Diese dienen im Einzelnen dazu, das Verhältnis von Aktant und Setting zu klären, zu bestimmen und auszuhandeln.46 Die Konzentration liegt zu Beginn der 90er Jahre also auf der Seite der Anwendung von Technik. Es geht darum, in welcher Situation welche Technik in welchem Handlungszusammenhang mit anderen Akteuren operiert. Die Dimension des Herstellungsprozesses spielt praktisch keine Rolle und auch die Implementierungssituation ist nur als implizite Voraussetzung enthalten. Das ändert sich in späteren Arbeiten Latours. Darauf werde ich im Folgenden eingehen. 4.3.1.2 Akteur, Aktant und die Performanz In der Aufsatzsammlung „Die Hoffnung der Pandora“ wendet sich Latour primär Entitäten zu, die noch nicht Bestandteil eines etablierten Feldes sind, sondern die durch bestimmte Performanzen erst zu Akteuren werden. Der Akteur wird dabei darüber definiert, dass er auf bestimmte Versuche im Labor bestimmte Wirkungen zeigt. Akteur und Aktant sind dabei im Wesentlichen gleichgesetzt, werden also synonym verwendet. Den Begriff des Aktanten verwendet Latour lediglich, um auf den Umstand hinzuweisen, dass es sich bei einer Entität um einen menschlichen oder auch nicht menschlichen Akteur handeln kann, also um einem Anthropomorphismus zu entkommen.47 Wichtig ist ihm hier der Begriff des Aktionsnamens (name of action). Er markiert die Situation, durch die der Akteur zu der Liste von Wirkungen kommt, über die er definiert wird. Seine Substanz erfährt der Akteur dann durch die Performanzen, aus denen Kompetenzen abgeleitet werden. Das möchte ich an einem Beispiel illustrieren. Ein Aktionsname ist zum Beispiel ein Forschungsprojekt an einer Universität, das einem Roboter das Anzeigen verschiedener Emotionszustände implementiert. Der Roboter erfährt dann in der Argumentation von Latour dadurch Substanz, dass ihn u. a. Designer, Ingenieure, Psychologen und Programmierer über die Fähigkeiten ihres professionellen Feldes in die Lage versetzen, Emotionszustände darzustellen. Das sind die Vermittlungen ihrer Institution. In-
45 Akrich; Latour: „Zusammenfassung einer zweckmäßigen Terminologie für die Semiotik menschlicher und nicht-menschlicher Konstellationen“, a. a. O., S. 399. 46 Vgl. ebd., S. 399–405. 47 Vgl. Latour, Bruno (2002): Die Hoffnung der Pandora. Untersuchungen zur Wirklichkeit der Wissenschaft, Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 372.
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dem er die Emotionszustände in bestimmten Situationen zeigt, attestieren ihm Anwender und Benutzer, wie gut er das kann, und schreiben ihm damit Kompetenz zu. Substanz bedeutet hier also, dass eine Entität durch eine Institution und durch ihre eigenen Mittel „dauerhaft und nachhaltig“48 gemacht wird. Die Institutionen stellen „all die Vermittlungen bereit, die ein Akteur braucht, um eine dauerhafte und nachhaltige Substanz aufrechtzuerhalten.“49 Vermittlung bedeutet dabei, dass es ein Ereignis oder einen Akteur gibt, das oder der dafür sorgt, dass der Output, der aus dem Input entsteht, nicht identisch mit diesem ist. Mit anderen Worten: Das Ereignis sorgt für eine Differenz, indem es etwas hinzufügt, wegnimmt, abschwächt usw.50 4.3.1.3 Soziologie der Übersetzung In dem 2007 auf Deutsch erschienenen Buch „Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft“ stellt Latour ein Forschungsprogramm zusammen, das darstellt, wie man im Sinne einer Soziologie der Assoziation empirisch vorgehen kann. Dies geschieht, indem er sich von einer Soziologie des Sozialen abgrenzt und Kritik an seiner Theorie zur Sprache bringt sowie dieser sein Programm gegenüberstellt. Latour skizziert eine Soziologie, die sichtbar macht, wie Verknüpfungen zwischen Handlungsträgern gezogen werden und welche Formen diese Verbindungen dann annehmen. Die Handlungsträger können Akteure oder Aktanten sein und sie können Zwischenglieder und Mittler sein. Zusammen ergeben sie ein Netzwerk. Den Prozess der Verknüpfung bezeichnet Latour als Übersetzung. Den Zusammenhang dieser Begriffsdimensionen möchte ich im Nachfolgenden darstellen. Für Latour ist ein Akteur das Ergebnis von Handlung in sozialen Prozessen, nicht der Anfang. Ein Akteur ist ein Handlungsträger, der einen Unterschied macht und der bereits eine Figuration erhalten hat. Ein Aktant ist ein Handlungsträger, bevor er eine Form erhalten hat. Wesentlich ist die Verlagerung, weil Handlungsträger Mittler sind. Mittler bringen andere Mittler dazu, Dinge zu tun, dadurch entstehen unvorhersehbare Situationen. Schaut man sich an, wie Latour eine Analyse von Akteuren vorschlägt, so lassen sich daraus Rückschlüsse über deren Beschaffenheit ziehen. Sie sind von vier Aspekten geprägt: Sie verfügen über ein Narrativ, eine Morphologie, ein AntiProgramm und eine Metaphysik. Die Narrativität zeigt sich darin, dass die Entitäten andere Handlungsträger und Merkmale in Berichten erwähnen. Wer nicht erwähnt wird, ist kein Handlungsträger. Die Morphologie zeigt sich darin, dass die 48 Ebd., S. 380. 49 Ebd., S. 376. 50 Vgl. ebd., S. 382.
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Handlungsträger über die Merkmale in den Berichten eine Form erhalten. Diese kann anthropomorph sein. Sie kann aber auch u. a. ideomorph, biomorph oder technomorph sein. Das Anti-Programm hat die Funktion, dass es dadurch zu einer Abgrenzung zu anderen Handlungsträgern kommt und dies zu einer Identitätsbildung führt. Dem Aspekt der Metaphysik liegt der Gedanke zugrunde, dass in den Augen Latours alle Handlungsträger über eine eigene Handlungstheorie verfügen, d. h., sie haben eine eigene theoretische Vorstellung von ihrem Tun. Entscheidend ist für Latour im Hinblick auf den Handlungsträger seine Performanz. Er unterscheidet zwischen Mittlern und Zwischengliedern. Ein Zwischenglied ist etwas, „das Bedeutung oder Kraft ohne Transformation transportiert: Mit seinem Input ist auch sein Output definiert.“51 Zwischenglieder reproduzieren lediglich und sind damit für Latour nur zu Abgrenzungszwecken für die Dimension des Handlungsträgers relevant. Entscheidend sind die Mittler. „Mittler übersetzen, entstellen, modifizieren und transformieren die Bedeutung oder die Elemente, die sie übermitteln sollen.“52 In den Augen Latours muss ein Akteur als Mittler fungieren, weil es gar nicht anders möglich ist. Mittler verbinden sich mit anderen Mittlern, um Dinge zu tun. Aus den Verkettungen von Mittlern entstehen Gruppen, die Latour zu Veranschaulichungszwecken Netzwerke genannt hat. Analog zur Erforschung von Handlungsträgern hat Latour vier Merkmale angeführt, die Gruppen haben. Diese sind: Sprecher definieren die Gruppe und verkünden deren Existenz, es findet eine Abgrenzung zu Anti-Gruppierungen statt, es wird versucht, die Gruppengrenzen durch den Einsatz von Ressourcen auf Dauer zu stellen, und schließlich werden Fachleute mobilisiert. Gelingt dies, so wird eine Gruppe gebildet, die sich dann wiederum permanent neu bilden muss, sonst verschwindet sie. Eine Gruppe ist daher immer im Fluss und in Veränderung. Stabilität ist etwas, was nach Latour durch etwas Anderes erklärt werden muss. Hierfür muss man nach Trägern suchen, die für Stabilität sorgen. Insbesondere Objekte wie Technik sind dabei von Interesse, da Objekte oftmals Zwischenglieder sind und damit für Stabilität sorgen.53 Darauf werde ich später noch zu sprechen kommen. In den Augen Latours wird soziales Handeln auf verschiedene Akteursgruppen verlagert. Wenn man von intentionalem Handeln ausgeht, in dem es um Sinn geht, dann ist dies ausschließlich Menschen vorbehalten. Für Latour ist nun entschei-
51 Latour, Bruno (2007): Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft. Einführung in die Akteur-Netzwerk-Theorie, Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 70. 52 Ebd. 53 Vgl. zur stabilisierenden Funktion von Technik auch Latour: „Technik ist stabilisierte Gesellschaft“, a. a. O.
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dend, dass ein Handlungsträger jemand ist, der „eine gegebene Situation verändert, indem es einen Unterschied macht“ 54, was er tut. Daher kann auch ein Objekt ein Handlungsträger sein, weil es ein Mittler sein kann. Schaut man sich Objekte in besonderen Situationen an, dann liefert das eine gute Einsicht über die Bedeutung, die sie für ein Netzwerk bilden. Studiert man Innovationen am Ort ihrer Entstehung, dann fungieren Objekte als Mittler. Danach werden sie oftmals zu asozialen Zwischengliedern.55 Außerdem werden Objekte zu Mittlern, wenn sie auf Ungeübte stoßen, dann treten häufig wichtige Kontroversen auf, die zu Gruppenbildungen führen. Ähnlich ist dies bei Unfällen, Defekten oder Pannen. Auch sie machen Technik zu Mittlern. Objekte und damit auch Technik haben also primär die Funktion eines Zwischenglieds und somit nicht die Funktion eines Akteurs, wenn ein Netzwerk etabliert ist. In der Etablierung einer Gruppe nehmen sie eine wichtige Mittlerrolle ein und sind daher ein wichtiger Akteur. 4.3.2
Callon und die Soziologie der Übersetzung
Michel Callon entwarf eine Sozio-Logik der Übersetzung, die er später mit einem Vier-Momente-Modell ausarbeitete. Ich fasse dies zusammen als Übersetzungsverhältnis. Ausgangspunkt bei Callon ist die Annahme, dass soziale Akteure über das Lösen von Problemen eine soziale Welt und Wirklichkeit miterschaffen. In der Identifikation des Problems sind bereits der Deutungsrahmen sowie die möglichen beteiligten Akteure enthalten. Callon spricht von einer Sozio-Logik der Übersetzung und meint damit einen Drang des Akteurs, auf der einen Seite seine Interessen einzuflechten sowie auf der anderen Seite potenzielle Partner in die Lösung des Problems einzubinden. Damit werden Probleme vor dem Deutungsrahmen und Gestaltungswillen des Akteurs sowie der Etablierung von sozialen Beziehungen in einem Netzwerk gelöst. Teil des Netzwerks kann dann auch Technik sein.56 Die beteiligten Akteure wollen jeweils ihre eigene Definition der Situation durchsetzen sowie darüber bestimmen, wie die Realität gestaltet wird, und 54 Latour: „Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft“, a. a. O., S. 123. 55 Vgl. hierzu auch Latour, Bruno; Steve Woolgar (1979): Laboratory life. The social construction of scientific facts, Newbury Park u. a.: Sage 56 Vgl. hierzu Callon, Michel [1980] (2006): „Die Sozio-Logik der Übersetzung. Auseinandersetzungen und Verhandlungen zur Bestimmung von Problematischem und Unproblematischem“, in: Belliger, Andréa; David J. Krieger (Hrsg.): ANThology. Ein einführendes Handbuch zur Akteur-Netzwerk-Theorie, Bielefeld: transcript, S. 50–74, hier S. 64–68.
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schlussendlich damit bestimmen, was Realität ist. Callon bezieht dies insbesondere auf das Feld der Wissenschaft und Technik. In seinen Augen wird in wissenschaftlichen Projekten nicht nur das wissenschaftliche bzw. technische Thema verhandelt, sondern es werden gleichzeitig auch die sozialen und kognitiven Strukturen der Akteure ausgehandelt und bestimmt. Damit entsteht eine soziale und kognitive Welt, die so vorher nicht bestand. Dies geschieht insbesondere über die Etablierung von Machtbeziehungen. Bezogen auf Technik bedeutet dies: „Die Trennungslinie zwischen dem, was als sozial, und dem, was als technisch betrachtet wird, wird immer wieder neu verhandelt.“57 Eine Übersetzung bedeutet also, dass Verschiebungen und Umwandlungen von Situationsdefinitionen über Problematisierungen eine Kontinuität erfahren haben, die in einem Netzwerk hergestellt wird. Der Prozess des Übersetzens bedeutet, dass Akteure die soziale Welt aus ihrer eigenen Perspektive und Sinnlogik erfassen. Dies umfasst nicht nur ihre eigene Interpretation, sondern auch die derjenigen, die in dem Netzwerk etabliert sind. Dann ist es einem Akteur gelungen, dass in seiner Sprache ausgedrückt wird, „was andere sagen und wünschen, warum sie auf diese Weise handeln, wie sie sich mit anderen verbinden: Dies geschieht, um sich selbst als Sprecher einzuführen. Am Ende des Prozesses sind nur noch im Gleichklang sprechende Stimmen zu hören, sofern er erfolgreich ist.“58 Daher geht es bei der Übersetzung insbesondere um Machtverhältnisse: „Übersetzung ist der Mechanismus, durch den die soziale und die natürliche Welt fortschreitend Form annehmen. Das Resultat ist eine Situation, in der bestimmte Entitäten andere kontrollieren.“59 Callon hat die Übersetzung zu einem Vier-Phasen-Modell ausgearbeitet. Diese sind die Problematisierung, das Interessement, das Enrolment und schließlich die Mobilisierung. In der Phase der Problematisierung versucht ein Akteur, die Situation zu definieren, indem es ihm gelingt, ein Problem zu definieren. Gelingt ihm das Setzen des Problems, macht er sich für andere Akteure zu einem wesentlichen Akteur und suggeriert gleichzeitig, dass er über eine Lösung verfügt. Es geht dabei sowohl um die Formulierung des Problems als auch um die Identifizierung von wesentlichen Akteuren, die dabei behilflich sind, den „obligatorischen Passagepunkt“ (OPP) zu überwinden. Dieser markiert, ob die anvisierten anderen Akteure bereit sind, das 57 Ebd., S. 52. 58 Callon, Michel [1986] (2006): „Einige Elemente einer Soziologie der Übersetzung. Die Domestikation der Kammmuscheln und der Fischer der St. Brieuc-Bucht“, in: Belliger, Andréa; David J. Krieger (Hrsg.): ANThology. Ein einführendes Handbuch zur AkteurNetzwerk-Theorie, Bielefeld: transcript, S. 135–174, hier S. 169. 59 Ebd., S. 170.
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Problem als solches zu akzeptieren. Tun sie dies, sind sie Teil der Verhandlung. Tun sie es nicht, beginnt der Problematisierungsprozess an anderer Stelle erneut. Die Generierung von Problemen erfolgt in der Konzeption von Callon weniger über einen bestimmten Wissenszustand oder aus einem Forschungsfortschritt heraus, sondern entstammt vielmehr der Beziehung von Akteuren, die vor der Etablierung des Problems nicht miteinander verbunden waren, und der Interessenstruktur der problematisierenden Akteure. „Problematisieren bedeutet gleichzeitig, eine Reihe von Akteuren und Hindernissen zu definieren, die sie davon abhalten, die ihnen zugeschriebenen Ziele oder Vorhaben zu verwirklichen. Probleme und die postulierten Äquivalenzen zwischen ihnen ergeben sich somit aus der Interaktion zwischen einem gegebenen Akteur und all den sozialen und natürlichen Entitäten, die sie definiert und für die sie unentbehrlich zu werden scheint.“60
Problematisierungen bestehen aus einem dualen Mechanismus. Der erste ist, dass sie Sinnwelten in relevante und irrelevante Bereiche teilen. Es wird ein Gebiet gesetzt, das von außen abgetrennt wird. Es handelt sich um einen eigenen Bereich mit seiner eigenen Logik. Der zweite ist, dass Argumentations- und Interpretationssysteme etabliert werden. Es finden eine Vergewisserung und eine Objektivierung statt. Diese zielen auf die Etablierung von Konzepten ab, die als unwiderlegbar gelten und damit nicht infrage gestellt werden. Callon hat dies später mit dem Konzept des Interessement verfeinert. Darauf werde ich an späterer Stelle zu sprechen kommen. Die Problematisierungen erzeugen eine relative Singularität, die mit dem Akteur verbunden ist. Umgekehrt gesprochen ist mit einem Akteur immer eine Problematisierung verbunden, die gleichzeitig die eigene Idiosynkrasie des Akteurs beinhaltet, da er seine Welt und damit die Problematisierung auf eine bestehende Ordnung aufbaut. Zwischen den Problematisierungen bestehen oft hierarchische Beziehungen. Je allgemeiner die Problematisierung ist, umso größer ist die Basis für das Andocken späterer Arbeiten. Der Grad der Allgemeinheit einer Problematisierung ist „untrennbar mit der errichteten Machtbalance verbunden.“61 Das bedeutet, dass die entsprechenden Akteure den ihnen in der Problematisierung zugewiesenen Platz akzeptieren. „Also arbeitet jede Problematisierung für sich selbst aus, was innen und was außen, was wissenschaftlich und was technisch ist, die Bindeglieder, die zwischen den beiden bestehen sollen usw.“62 Das hat Callon 60 Vgl. zur Problematisierung ebd., S. 146–150; ders.: „Die Sozio-Logik der Übersetzung“, a. a. O. 61 Callon: „Die Sozio-Logik der Übersetzung“, a. a. O., S. 63. 62 Ebd.
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später mit dem Konzept des Enrolments ausgearbeitet. Darauf komme ich später zurück. Ein besonderer Aspekt ist die problematische Situation. Sie besteht aus Konstruktion und Dekonstruktion und entsteht bei jedem Problematisierungsprozess. Sie setzt zwischen drei Bereichen ein, typischerweise zwischen dem unanalysierten Bereich, dem Bereich von Gewissheit und dem Bereich des Zweifels. Jedes Problem hat einen Akteur, der eine Position in dem entstandenen Netzwerk hat. Die Positionen der Akteure sind über die Beziehungen zwischen den Problemen der Akteure zu einander geregelt. „Eine Problemdefinition […] ist eine höchst strategische Aktivität, da sie darauf abzielt, verschiedene Gruppen in einem Unternehmen zu interessieren, dessen Entwicklung als Ganzes diese nicht kontrollieren können.“63 Callon hat dies später mit dem Konzept der Mobilisierung ausgearbeitet. Auch darauf werde ich im Folgenden genauer eingehen. Wie wird nun durch eine problematische Situation eine Problematisierung etabliert? Dies setzt voraus, dass die anderen Akteure bereit sind, sich problematisieren zu lassen, und kann auf vier verschiedene idealtypische Weisen passieren:64 •
•
• •
Mitlaufen – die vorgeschlagene Lösung des Problems deckt sich mit den Interessen der adressierten Akteure. Die Übersetzung wird dadurch konsolidiert. Die Kräfte sind gleichgewichtig verteilt. Verhandlung 1 – die adressierten Akteure sind mit dem Kontext und ihrer Position im Netzwerk einverstanden, allerdings akzeptieren sie die Problemformulierung nicht. Sie versuchen diese neu auszuhandeln. Verhandlung 2 – stimmt der Problemformulierung zu, nicht aber der vorgeschlagenen Lösung und daher auch nicht der Beziehung der Akteure. Opposition – die problematische Situation an sich wird nicht akzeptiert, d. h., sowohl die Problemformulierung als auch der Lösungsvorschlag werden abgelehnt. Das Problem muss neu verhandelt werden.
Das Interessement umfasst Prozesse und Strategien, durch die der Hauptakteur versucht, die anderen Akteure für sein Problem zu gewinnen. Durch diese Aktionen werden die Identitäten der beteiligten anderen Akteure definiert und stabilisiert.
63 Ebd., S. 65. 64 Vgl. ebd., S. 68–70.
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Beim Interessement geht es darum, den beteiligten Akteuren eine Rolle zuzuweisen und sich als Gruppe von anderen Gruppierungen abzugrenzen. Die Mechanismen und Strategien sind unbegrenzt. Erst durch ein erfolgreiches Interessement wird die Problematisierung etabliert. Wenn das Interessement scheitert, muss neu problematisiert werden.65 Das Enrolment ist „ein Set von Strategien, durch welches die Forscher die zahlreichen Rollen, die sie anderen zugewiesen hatten, zu definieren und zueinander in Beziehung zu setzen suchten.“66 Dies ist ebenfalls eng an das Interessement gebunden. Ist es erfolgreich, so geht es einher mit einem gelingenden Enrolment. Die Akteure akzeptieren die ihnen zugedachten Rollen und die anvisierte Form der Beziehung. Das Enrolment lässt sich über die Handlungen der verschiedenen Akteure zueinander beschreiben und erfassen. Es geht dabei um die Art der Rollendefinition und -aushandlung. Durch sie wird die Identität der Akteure bestimmt und getestet.67 Die Mobilisierung ist ein Set von Methoden, die dazu dienen, bestimmte Akteure als Repräsentanten der Gruppierungen zu etablieren: „Durch die Designation der sukzessiven Sprecher und die Einsetzung einer Reihe von Äquivalenzen werden […] [die beteiligten] Akteure zuerst verschoben und dann zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort wieder versammelt. Diese Mobilisierung oder Konzentration hat eine bestimmte physische Realität, die durch eine Reihe von Verschiebungen materialisiert wird“.68
Diese Repräsentanten fungieren als Vermittler und als diejenigen, die Verschiebungen und Äquivalenzen von Problemen und damit von Interessen und Zielen leichter machen.69 4.3.3
Analytische Folgerungen
Latour liefert ein umfangreiches Theoriegebilde, das Forschungsprogramm und Forschungshaltung zugleich ist. Es liefert für das Verhältnis von Sozialität und Technik viele gewichtige Analysedimensionen, die mitunter im Stadium des Metaphorischen bleiben. Für meine Arbeit liegt seine große Stärke darin, dass es mir 65 Vgl. zum Interessement Callon: „Einige Elemente einer Soziologie der Übersetzung“, a. a. O., S. 151–156. 66 Ebd., S. 136. 67 Vgl. zum Enrolment ebd., S. 156–159. 68 Ebd., S. 163. 69 Vgl. zur Mobilisierung ebd., S. 159–164.
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hilft, zwischen Herstellungs-, Implementierungs- und Anwendungssituation unterscheiden und analytische Konsequenzen daraus ziehen zu können. Werner Rammert und Ingo Schulz-Schaeffer 70 kritisierten an der Akteur-Network-Theorie, dass sie jeder Entität, die zu einer Veränderung beiträgt, gleich einen Akteursstatus zuschreibe, und sehen darin das Problem, dass damit die Frage nach der Handlungsträgerschaft unabhängig von der Beobachtung betrachtet werde. Stattdessen werde bereits a priori allem ein Akteursstatus attestiert, was an der Erzeugung von Wirkung beteiligt sei. Sie werfen Latour außerdem vor, seine Konzeption unabhängig von empirischer Realität entwickelt zu haben, was in meinen Augen nicht der Fall ist. Ihnen ist es also wichtig, dass das Analysekonzept so gestaltet ist, dass sich als Ergebnis zeigt, wie die Handlungsträgerschaft verankert ist, und dass dies nicht schon über begriffliche Vorentscheidungen geschehen ist.71 Nach meiner Auffassung erfasst dieser Vorwurf nicht die ganze Komplexität, die bei Latour enthalten ist. Insbesondere in der Unterscheidung zwischen Zwischenglied und Mittler ist sehr wohl enthalten, was von beiden eine Entität ist. Die Antwort darauf lässt sich nur deskriptiv und damit empirisch beantworten. An anderer Stelle hob Rammert hervor, dass Latour der Erste war, der Technik eine Handlungsträgerschaft attestierte. Gleichzeitig habe Latour dabei ein seiner Meinung nach übertriebenes Symmetrieprinzip angewandt.72 Für die frühen Arbeiten Latours ist das meiner Meinung nach zutreffend. Hervorzuheben ist hier jedoch, dass Latour den Gedanken in späteren Arbeiten ausdifferenzierte und nicht mehr von einem umfangreichen Symmetrieprinzip sprach, sondern von einem Irreduktionsprinzip. Dieses betont, dass Mittler andere Entitäten dazu bringen, Dinge zu tun, wodurch es zu Assoziationen kommt. Die Entitäten können auch technische Artefakte sein. Gleichzeitig wies Latour darauf hin, dass Technik oftmals nur anfänglich Mittler ist und später Zwischenglied wird. Dadurch wird ein starkes Verständnis des Symmetrieprinzips unmöglich, da Akteure Mittler sind und der überwiegende Teil von Technik zu einem Zwischenglied wird. Da Zwischenglieder nicht für einen Unterschied sorgen, kann ihnen kein Akteursstatus zugesprochen werden.73
70 Vgl. Collins; Kusch: „The shape of actions“, a. a. O. 71 Schulz-Schaeffer, Ingo (2000): Sozialtheorie der Technik, Frankfurt, New York: Campus, S. 139. 72 Vgl. Rammert: „Distributed agency and advanced technology“, a. a. O., S. 94–95. 73 Vgl. Latour: „Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft“, a. a. O., S. 186.
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In eine ähnliche Richtung geht auch die Kritik, dass die Symmetrie zwischen sozialen Akteuren und technischen Artefakten nicht vollständig hergestellt werden könne, weil eine Rekonstruktion aus menschlicher Perspektive stattfinde.74 Diese Kritik reduziert Latours Vorstellung von der Etablierung von Sprechern und von Narration auf menschliche Sprache. Darauf lässt sich Latour jedoch nicht reduzieren, da die Verbindungen auch durch nicht menschliche Sprache hergestellt werden können wie etwa Erdanziehungskraft oder Feuerbeständigkeit von Metalllegierungen. Zutreffend ist in meinen Augen jedoch, dass Latours Darstellung von Technik auf einem konventionellen Konzept von Technik beruht.75 Ein über den instrumentellen Technikbegriff hinausgehendes Verständnis wird in späten Schriften angedeutet, aber nicht ausgearbeitet. Latours Beispiele basieren oftmals auf Werkzeugen wie beispielsweise dem Berliner Schlüssel oder Türschließmechanismen. Einen wahren Kern hat meiner Auffassung nach auch die Kritik, dass Latour eine Desozialisierung der Konstellation betreibt, in der die Unterscheidung zwischen emergenter Ordnungsebene und grundlegender Akteursebene verloren geht, da lediglich die Ergebnisse von Interesse sind.76 In eine ähnliche Richtung argumentiert auch Lindemann, indem sie zwar anerkennt, dass Latour die Erweiterung der Handlungsmöglichkeiten durch das Konzept des Aktanten erfasst habe, aber gleichzeitig von einer Art permanenter Stunde Null des Akteursstatus ausgehe, weil er nicht gleichzeitig thematisiere, dass Handlungen immer in Gesamthandlungen eingebettet sind.77 Diese beiden Kritiken stimmen insofern, als Latours Fokus auf der Verbindung von Handlungsträgern zu Netzwerken liegt. Jene Aspekte, die bei dem Mittler zu einer Verschiebung in der Übersetzung führen, sind unterkomplex dargestellt.
74 Vgl. Matsuzaki: „Die Frage nach der ,Agency‘ von Technik und die Normenvergessenheit der Techniksoziologie“, a. a. O., S. 308–309; Weyer, Johannes (2008): Techniksoziologie. Genese, Gestaltung und Steuerung sozio-technischer Systeme, Weinheim u. a.: Juventa, S. 204; Rammert; Schulz-Schaeffer: „Technik und Handeln“, a. a. O., S. 32– 33. 75 Vgl. Matsuzaki: „Die Frage nach der ,Agency‘ von Technik und die Normenvergessenheit der Techniksoziologie“, a. a. O., S. 309. 76 Vgl. Schulz-Schaeffer: „Akteure, Aktanten und Agenten“, a. a. O. 77 Vgl. Lindemann: „Weltzugänge“, a. a. O., S. 190–191.
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4.4 S OZIALITÄTSDIMENSION Die vierte Grundfigur ist die der Sozialität. Hans Linde hat sich dafür ausgesprochen, bei Technik von einem normativen Sozialitätskriterium auszugehen und dieses im Kontrast zu einem interpersonalen zu sehen. Dieses normative Sozialitätskriterium entspricht Durkheims sozialem Tatbestand, da es von der individuellen Realisierung unabhängig ist. Technik begründet soziale Verhältnisse. Diese wiederum sind sozial kontrollierte und sanktionierte Verhaltensregelungen, Verhaltensmuster und soziale Normen, die den Bezugsrahmen von Handeln setzen. Dadurch gelten sie über das individuelle Handeln hinaus und machen Technik zu einem Aspekt der Sozialität.78 Diesen hat Linde dann insbesondere mit der Unterscheidung von Herstellungszusammenhang und Verwendungszusammenhang sichtbar gemacht. Im Herstellungszusammenhang kommen verschiedene Aspekte zusammen, die die Herstellung von Technik beeinflussen. Beispielsweise rekurrieren Strukturerfindungen auf bestehende Technik und damit auf bestehende Strukturen, die sie verändern bzw. verbessern. Funktionserfindungen hingegen schaffen neue Aspekte und führen damit auch zur Veränderung von Verhaltensweisen. Dem gegenüber steht der Verwendungszusammenhang, dieser ist nach Linde dadurch gekennzeichnet, dass die bisherigen Tätigkeiten durch die Verwendung von Technik entweder zu einer Modifikation oder zu einem komplett neuartigen Handlungsablauf führen. Dies liegt daran, dass Technik angeeignet und in den institutionellen Rahmen gesetzt werden muss, innerhalb dessen sie verwendet wird. Sie wird dann zur instrumentellen Institution und stellt eine Art perfekt institutionalisiertes Handlungsmuster dar. Neben Linde ist Arnold Gehlen ein weiterer Klassiker, der Pionierarbeit für die Sozialitätsdimension von Technik geleistet hat. Die Grundfigur der Sozialität werde ich mit Gehlen und seiner Superstruktur sowie mit Gesa Lindemann und Karin Knorr Cetina nachzeichnen. Lindemann hat zunächst den Dritten für die Normierung von Technik stark gemacht, um nun mit ihrem Opus magnum „Weltzugänge“ eine gesamte Gesellschaftstheorie vorzulegen, die auch nicht sozialen Entitäten eine wesentliche Bedeutung für die Vergesellschaftung zuspricht. Karin Knorr Cetina schließlich hat Veränderungen in der Subjektkonstitution insbesondere im Hinblick auf die Beziehung von Menschen zu Objekten analysiert. Sie kennzeichnet eine neue Beziehung, die sie als postsozial bezeichnet.
78 Vgl. Linde, Hans (1972): Sachdominanz in Sozialstrukturen, Tübingen: Mohr; ders. (1982): „Soziale Implikationen technischer Geräte“, in: Jokisch, Rodrigo (Hrsg.): Techniksoziologie, Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 1–31.
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4.4.1
Gehlen und die Superstruktur
Im Werk von Gehlen halte ich zwei Stränge für fruchtbar für eine techniksoziologische Analyse von Robotern. Der erste Strang ist das Verhältnis des Menschen zur Technik. Der zweite ist die Entstehung einer Superstruktur, wie Gehlen es nennt und was der Entstehung einer spezifischen sozialen Ordnung durch Technik entspricht. Mit Letzterem möchte ich anfangen. 4.4.1.1 Die Strukturentwicklung der Technik Aus einem linearen und historischen Verständnis gesprochen, entwickelt sich die Technik im Verständnis von Arnold Gehlen vom Organischen über das Anorganische zu einer Superstruktur. Das Organische ist dabei die unmittelbare Umgebung des Menschen mit natürlichen Ressourcen und Möglichkeiten, die der Mensch sich handhabbar macht. Technik hat hier die Funktion, auf die Organmängel des Menschen kompensatorisch zu wirken, und zwar insbesondere in Form des Organersatzes, einer Organentlastung oder einer Organüberbietung. Gehlen hat für die Zeit, in der er „Die Seele im technischen Zeitalter“ schrieb, eine Abkehr vom Organischen und eine Hinwendung zum Anorganischen ausgemacht und den Hauptgrund darin gesehen, dass das Anorganische für den Menschen erkennbarer sei als das Organische.79 Damit meint er, dass „für ein methodisches, rationales und analytisches Erkennen und für die entsprechende experimentierende Praxis der Bereich der anorganischen Natur der weitaus zugänglichste ist.“80 Das Anorganische wird zur Voraussetzung für die Möglichkeit des Experiments. Darauf werde ich später zurückkommen. So ist für Gehlen seit der industriellen Revolution eine „Superstruktur“81 entstanden, die eine doppelte Vermischung zweier Aspekte ist; einerseits der Systematisierung des in den Naturwissenschaften bewährten experimentellen Denkens und zum anderen der Faszination des Menschen für die Automatisierung. Aus der Anwendung der Technik wird keine angewandte Naturwissenschaft, sondern es entsteht etwas, was darüber hinausgeht. Die Technik steht „mit den Naturwissenschaften einerseits, mit der industriellen Maschinen-Produktion an-
79 Ein Gedanke, den er, wie er selbst feststellt, von Bergson übernommen hat. 80 Gehlen, Arnold (2007): Die Seele im technischen Zeitalter. Sozialpsychologische Probleme in der industriellen Gesellschaft, Frankfurt am Main: Klostermann, S. 10. 81 Vgl. zur Superstruktur Gehlen, Arnold (1965): „Anthropologische Ansicht der Technik“, in: Freyer, Hans; Johannes Chr. Papalekas und Georg Weippert (Hrsg.): Technik im technischen Zeitalter. Stellungnahmen zur geschichtlichen Situation, Düsseldorf: Schilling, S. 101–118, hier S. 104–106..
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derseits in einem komplizierten Verhältnis gegenseitiger Einwirkungen und Zusammenhänge, und man kann diese drei Gebiete, natürlich mit Einschluß des gesamten Informations-Bereichs, als eine Superstruktur auffassen, deren Dasein in erster Linie unsere Kultur von jeder früheren unterscheidet.“82 Gehlen sieht den Anfang dieser Strukturentwicklung bei der industriellen Revolution, weil darin vor allem zwei wesentliche Prozesse enthalten gewesen seien. Der erste entstand durch die Erfindung der Dampfmaschine und des Verbrennungsmotors, was dazu führte, dass die Menschheit „von dem organischen Leben als Kraftquelle“83 unabhängig wurde. Der zweite bestand aus zwei Wechselwirkungen. Zum einen der Mechanisierung des Industriesystems durch Technik: In dieser „industrielle[n] Verwertung […], wird [der] Fertigungsingenieur die verbindende Figur zwischen der Technik und der industriellen Produktion“84. Die zweite Wechselwirkung besteht darin, dass die Technik mit den Naturwissenschaften in eine „systematische und planmäßige Wechselwirkung“85 tritt. Technik ist dann nicht bloß angewandte Naturwissenschaft, da sich Technik, Naturwissenschaften und industrielle Produktion in den Augen Gehlens gegenseitig bedingen. Die Naturwissenschaften verwenden „Maschinen, die keine Güter herstellen, sondern Phänomene.“86 Damit meint Gehlen, dass es sich um Maschinen handelt, die für einen Zweck produziert wurden und nun die gewünschten Daten produzieren. Hierfür ist das Experiment von entscheidender Bedeutung. Es ermöglicht, Ereignislinien aus den Naturvorgängen zu isolieren und über empirische Beobachtung und Messung erfassbar zu machen. Durch das Experiment nähern sich die Naturwissenschaften und die Technik in ihrer Wechselwirkung einander an. Zum einen entspricht die Maschine dem Aufbau eines Experimentes und zum anderen kann der isolierte Naturvorgang nun technisch verwendet werden. Damit geht es zunehmend um die Frage der Machbarkeit und darum, alles aus den Methoden herauszuholen, was damit sichtbar gemacht werden kann, wodurch sich die Fragestellung und Herangehensweise der Wissenschaft in den Augen Gehlens verändern: „Es handelt sich immer weniger darum, für schon definierbare Zwecke die technischen Mittel der Herstellung, für vorgegebene Gegenstandsgebiete die besten Erkenntnismethoden zu finden oder allgemein bekannte Weltinhalte künstlich zu bewältigen, sondern umgekehrt: die Darstellungsmittel, Denkmittel, Verfahrensarten selbst zu variieren, durchzuprobieren, 82 Ebd., S. 105. 83 Gehlen, Arnold (1993): „Die Technik in der Sichtweise der Anthropologie“, in: Anthropologische und sozialpsychologische Untersuchungen, S. 93–103, hier S. 98. 84 Gehlen: „Anthropologische Ansicht der Technik“, a. a. O., S. 105. 85 Gehlen: „Die Technik in der Sichtweise der Anthropologie“, a. a. O., S. 98. 86 Gehlen: „Anthropologische Ansicht der Technik“, a. a. O., S. 105.
88 | DIE SOZIALE W ELT DER R OBOTER bis zur Erschöpfung aller Möglichkeiten ins Spiel zu bringen und zu sehen, was dabei herauskommt.“87
Innerhalb der Technik wird die bisherige Vorgehensweise, für einen bestimmten Zweck die besten Mittel zu suchen, um ihn zu erfassen, durch die soeben ausgeführte zweite Variante ergänzt: Man kombiniert die Möglichkeiten. Hierdurch verbreitet sich die experimentelle Denkart, auf die ich später zurückkommen werde. 4.4.1.2 Das Verhältnis des Menschen zur Technik Ein wesentliches Moment in dem Verhältnis zwischen Mensch und Technik in dem Verständnis von Gehlen lässt sich über die Gemeinsamkeit von Technik und Magie verstehen. Gehlen argumentiert, dass Technik und Magie etwas Gemeinsames verbindet, das darin besteht, „Veränderungen zum Vorteil des Menschen hervorzubringen, indem man Dinge von ihren eigenen Wegen zu unserem Dienst“88 ablenkt. Für Gehlen ist „der Glaube an die Lenkbarkeit der Natur in der Verlängerung unserer Bedürfnisse“89 ein instinktives Apriori, und damit die Verbindung von Technik und Magie. Magie hat für den Menschen den Raum des Unerreichbaren ausgefüllt, das heißt, die Momente, die wir Menschen nicht zu erfassen vermochten und die nicht „durch unmittelbares Handeln in der Macht“90 des Menschen lagen, konnte die Magie ausfüllen. Heute wird dies zunehmend von der Technik getan, wodurch der Raum des Unerfassten kleiner geworden ist. Das heißt, Technik hat die Funktion, den Raum, in dem wir uns bewegen, zu stabilisieren und das auszufüllen, was im Status des Unklaren geblieben ist. Technik ermöglicht für Gehlen also das Schaffen von Ordnung. Das Besondere sowohl der Technik als auch der Magie liegt im Automatismus und lässt sich nur über das Resonanzphänomen erklären. Die Magie zielt für Gehlen darauf ab, eine „Umweltstabilität“ herzustellen. Der Mensch möchte, dass die Naturvorgänge gleichförmig ablaufen, „denn in einer zeitunterworfenen und notwendig wandelbaren Wirklichkeit besteht das Maximum an Stabilität in einer automatischen, periodischen Wiederholung des Gleichen“.91
87 Gehlen: „Die Seele im technischen Zeitalter“, a. a. O., S. 30. 88 Maurice Pradines zit. n. Gehlen: „Die Technik in der Sichtweise der Anthropologie“, a. a. O., S. 96. 89 Ebd. 90 Ebd. 91 Gehlen: „Die Seele im technischen Zeitalter“, a. a. O., S. 14–15.
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Neben der kreativen Stabilisierung der menschlichen Umwelt durch Technik liegt für Gehlen die zweite Dimension in der menschlichen Haltung zur Technik, wonach sie Mittel zur Selbsterkenntnis des Menschen ist. Da der Mensch über Intellektualität verfügt, ist er nicht auf das Organische beschränkt, sondern kann die Umstände, in denen er lebt, verändern. „Wenn man unter Technik die Fähigkeiten und Mittel versteht, mit denen der Mensch sich die Natur dienstbar macht, indem er ihre Eigenschaften und Gesetze erkennt, ausnützt und gegeneinander ausspielt, so gehört sie in diesem allgemeinsten Sinne zum Wesen des Menschen.“92 Unter einem Resonanzphänomen versteht Gehlen eine: „Art des inneren Sinnes für das Eigenkonstitutionelle im Menschen […], der auf das anspricht, was dieser Eigenkonstitution in der Außenwelt analog ist. Der sinnvolle, zweckhafte Automatismus ist nun aber etwas spezifisch Menschliches, angefangen von der zielbewußten Bewegung des Gehens bis hin zu habitualisierten, rhythmischen Arbeitsgängen der Hand, die wir, aus uns heraus objektiviert, von einer Maschine übernommen denken können. Wenn wir nun außer uns einen solchen sinnvollen Automatismus wahrnehmen […] so schwingt etwas in uns mit, gibt es eine Resonanz in uns, und wir verstehen begrifflos und wortlos etwas von unserem eigenen Wesen. Das Interessante an dieser Hypothese liegt in der Idee eines primären Selbstverständnisses von außen her, und also in der Möglichkeit, von Grund aus einmal das Symbol oder Gleichnis neu zu verstehen.“93
Der Mensch muss für Gehlen eine weitere Instanz zwischen sich und seiner Wahrnehmung seiner selbst schalten, um sich sehen zu können. „Sein Selbstbewußtsein ist indirekt, seine Bemühung um Eigenformel verläuft immer so, daß er sich mit einem Nichtmenschlichen gleichsetzt und in dieser Gleichsetzung wieder unterscheidet.“94 Die Technik erlaubt also eine Selbstinterpretation des Menschen, indem er seinen Handlungsentwurf veräußert und sich damit über diesen bewusst wird. Je umfassender die Selbstreferentialität der Technik ist, umso deutlicher ist sie korporierter Handlungskreis. Wesentlich für die menschliche Haltung zur Technik ist, dass durch den objektivierten Handlungskreis die Handlungen von Technik und Mensch in einem Sinne isomorph werden, dass sie den gleichen sinnhaften Bezug zum Ganzen haben. „In den rückgekoppelten Maschinen dagegen objektiviert der Mensch nicht ein ‚Bild‘ der Natur, sondern den Handlungskreis, also sein Verhältnis zur Natur.“95 92 Ebd., S. 7. 93 Gehlen: „Die Technik in der Sichtweise der Anthropologie“, a. a. O., S. 97. 94 Gehlen: „Die Seele im technischen Zeitalter“, a. a. O., S. 16. 95 Gehlen: „Anthropologische Ansicht der Technik“, a. a. O., S. 109.
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Unter einem Resonanzphänomen versteht Gehlen in Bezug auf Technik also ein Phänomen, das Einfluss auf das Bewusstsein des Menschen hat, weil er sich selbst veräußert, um sich seiner selbst bewusst zu werden. Die Technik ist stabilisierte Sozialität96, die in der Interaktivität mit ihr zu einer Bewusstwerdung des menschlichen Handelns führt. Diese Bewusstwerdung lässt sich ganz im Sinne Meads verstehen. Der Mensch indiziert sich seine Haltung über die Technik. Die dritte Dimension in der menschlichen Haltung zur Technik haben wir bereits im Zusammenhang mit der Superstruktur kennengelernt. Sie lässt sich mit Gehlen und in Verlängerung von Gehlen als die experimentelle Kombinatorik bezeichnen. Sie verbindet für Gehlen die Technik, die Naturwissenschaft und die Wirtschaft miteinander und ist ein eigener Geist, der sich immer stärker ausbreitet. Dieser Geist ist gekennzeichnet davon, dass er „gerade gegen den Inhalt gleichgültig“ ist, und „besteht in dem Interesse an der Frage, wie etwas Beliebiges zum Entstehen zu bringen ist.“97 Gehlen ahnte bereits, dass sich dieser Geist auch in den Geistes- und Sozialwissenschaften ausbreiten würde und damit die Methodik der Machbarkeit Einzug halten würde: „Das Eindringen des experimentellen Geistes in die Künste und Wissenschaften jeder Art führt notwendig auf der Seite der Gegenstände zu deren Denaturierung, zu ganz unbefangenen Dekompositionen und Neuverteilungen der Inhalte, die allein von der Methode bestimmt werden, zu der man sich entschließt. Ebenso unvermeidlich und notwendig wird der Gegenstandsbereich durch dieses Verfahren durchrationalisiert, er wird unsinnlicher, abstrakter, unanschaulicher, und schließlich in einer von außen her schwer beschreibbaren Weise ‚autonom‘: durchaus präzise Resultate können in Worten nicht mehr wiedergegeben werden, oder sie sind nur während des methodischen Vollzuges evident. […] Kurz: die künstlerische und wissenschaftliche Kultur wird an den Frontstellen Virtuosenreservat.“ 98
Rationalität wird in der experimentellen Denkart zu einem besonderen Moment. Denn rationales Verhalten bedeutet in diesem Zusammenhang „nicht mehr Kon-
96 Bruno Latour hat von Technik als stabilisierter Gesellschaft gesprochen (vgl. Latour: „Technik ist stabilisierte Gesellschaft“, a. a. O.). Ich halte den Begriff der Sozialität für den tragfähigeren, da in der Technik auch ursprüngliche Gemeinschaftstätigkeiten verdauert werden können. 97 Gehlen: „Anthropologische Ansicht der Technik“, a. a. O., S. 109. 98 Gehlen: „Die Seele im technischen Zeitalter“, a. a. O., S. 34.
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trolle der Zusammenhänge, sondern optimale Reaktion auf Daten, die in unübersehbaren Ereignisströmen ständig neu gesetzt werden, also [ist rationales Verhalten] optimale Reaktion auf das Unerwartete“99. 4.4.2
Knorr Cetina und die Postsozialität
Für die Gegenwartsgesellschaft macht Karin Knorr Cetina eine Phase aus, die sie über das Konzept der Postsozialität zu fassen versucht. Diese postsoziale Phase ist primär von drei Prozessen gekennzeichnet: die De-Sozialisierung, eine Veränderung der Subjektkonstitution sowie eine Veränderung der Beziehung vom Subjekt zum Objekt. Als Konsequenz entsteht daraus für Knorr Cetina eine Verschiebung des Sozialitätsverständnisses, was sie als postsozial bezeichnet.100 Ich möchte zunächst den Prozess der De-Sozialisierung nachzeichnen, um anschließend die Objektualisierung sowie die Veränderung der Subjektkonstitution darzustellen. Abschließend möchte ich den Begriff der Postsozialität in seinen wesentlichen Zügen zusammenfassen. 4.4.2.1 Prozess der De-Sozialisierung Voraussetzung für die Veränderung der Sozialitätskonstitution ist zunächst der Prozess der De-Sozialisierung. Diesen macht Knorr Cetina als ein neues Phänomen zum Ende des 20. Jahrhunderts und zu Beginn des 21. Jahrhunderts aus. Er ist davon gekennzeichnet, dass soziale Prinzipien abgeschwächt, ersetzt und verändert werden, die in der Konsequenz dann die Postsozialität ergeben. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um eine Objektualisierung und eine Verschiebung der Subjektkonstitution.101 Zentral für die De-Sozialisierung ist die Lösung von sozialen Problembearbeitungen und eine Hinwendung zur Individualisierung von verschiedenen Problemen oder Haltungsverhalten. Knorr Cetina macht etwa eine Individualisierung der Beschreibung von Gesellschaft, eine Liberalisierung von Lebensstilen, eine Hin-
99
Gehlen: „Anthropologische Ansicht der Technik“, a. a. O., S. 106.
100 Vgl. zum Konzept des Postsozialen insbesondere Knorr Cetina: „Sozialität mit Objekten“, a. a. O; dies.: „Postsoziale Beziehungen“, a. a. O; dies.: „Umrisse einer Soziologie des Postsozialen“, a. a. O. Siehe hierzu außerdem Maasen, Sabine; Mario Kaiser (2010): „Karin Knorr Cetina: Postsozialität“, in: Engelhardt, Anina (Hrsg.): Handbuch Wissensgesellschaft. Theorien, Themen und Probleme, Bielefeld: transcript, S. 87–100. 101 Vgl. zum Prozess der De-Sozialisierung insbesondere Knorr Cetina: „Postsoziale Beziehungen“, a. a. O., S. 269–273.
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wendung des Subjekts zu sich selbst mit einer zunehmenden Befürwortung individueller Eigenständigkeit aus. Dies geht damit einher, dass der Glaube schwindet, von gesellschaftlichen Formen erlöst zu werden, und Disziplinen und Bereiche dominant werden, die individualistische Konzepte vertreten. Das gilt insbesondere für die Psychologie und die Ratgeberliteratur. Der Prozess der De-Sozialisierung steht antagonistisch zu dem vorhergehenden Prozess der Sozialisierung. Letzteren verortet Knorr Cetina zeitlich für das 19. Jahrhundert und auch für wesentliche Teile des 20 Jahrhunderts. Prägend war hierfür eine massive Zunahme an sozialen Bearbeitungen und Beantwortungen von Problemlagen. Zentral sind dabei die Nationalisierung sozialer Verantwortung in Form von bspw. der Formalisierung sozialer Rechte sowie der Entstehung von Renten- und Krankenkassen. Als Sozialitätsform sind hieraus insbesondere komplexe institutionalisierte Organisationen entstanden. 4.4.2.2 Die Objektualisierung – eine Expansion der Objektwelt Die Sozialität wird um materielle Objekte erweitert.102 Objektualisierung bedeutet dabei, dass Objekte zunehmend die Rolle des Interaktionspartners und des Beziehungsvermittlers einnehmen sowie dass der soziale Rahmen in das Objekt implementiert ist. Dabei und dadurch deplatzieren sie soziale Beziehungen. Voraussetzung hierfür ist eine bestimmte Beschaffenheit der Objekte sowie eine bestimmte Beziehung von Subjekten zu Objekten. Die Objekte müssen so beschaffen sein, dass sie permanent wandelbar sind und dass sie seriell produziert werden können, damit sie referenziell verknüpft werden können. Sie enthalten eine Unabgeschlossenheit und müssen permanent expandieren. Dadurch haben sie eine starke Affinität zum Experten. Für ihn sind sie Ergebnis und Ziel seiner Tätigkeit, indem sie Nutzungs- und Forschungsgegenstand zugleich sind. Außerdem stellen sie die Umgebung dar, in der das Handeln stattfindet. Knorr Cetina spricht von „Einbettungsumwelten“103 von Experten. Das Objekt konstituiert sich für die Postsozialität insbesondere aus der Haltung, die das Subjekt dem Objekt gegenüber einnimmt. Hierbei sind vier Haltungen und Praktiken des Subjekts wesentlich: Wissen, Bindungsarbeit, Solidarität und Komplexitätserhöhung. Dadurch, dass das Subjekt über umfangreiches Wis-
102 Zur Dimension der Objektualisierung vgl. insbesondere Knorr Cetina: „Sozialität mit Objekten“, a. a. O., S. 94–110; dies.: „Postsoziale Beziehungen“, a. a. O., S. 280–284; dies.: „Umrisse einer Soziologie des Postsozialen“, a. a. O., S. 32–35. 103 Siehe hierzu Knorr Cetina: „Sozialität mit Objekten“, a. a. O., S. 84.
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sen über die spezifische Beschaffenheit des Objekts verfügt, entsteht eine „interobjektive Sozialität“104, weil es einzuschätzen vermag, welche Möglichkeiten in einem Objekt angelegt sind sowie welche Konsequenzen etwas für ein Objekt hat. Das Subjekt teilt seine Lebenswelt mit dem Objekt. Das Objekt ist Teil zahlreicher Praktiken des Subjekts. Durch seine Offenheit und Unabgeschlossenheit wird es vom Subjekt in eine postsoziale Beziehung gebracht. Über die Bindungsarbeit und das Wissen des Subjekts entsteht eine Solidarität mit dem Objekt. Gleichzeitig kommt es zu einer Komplexitätserhöhung des Objektes, weil das Subjekt durch Analyse und Beobachtung des Objekts zu seiner Wesensbeschaffenheit Aspekte hinzufügt. 4.4.2.3 Veränderung der Subjektkonstitution Knorr Cetina konstatiert, dass in der Gegenwart die Funktion von Gemeinschaft und Familie zum Teil auf Objekte übergegangen ist. Sie stabilisieren und verorten das Subjekt. Es entstehen neue Beziehungsformen, die über klassische sozialwissenschaftliche Konstellationen hinausgehen.105 Bisher konnte in den Augen von Knorr Cetina das Subjekt über zwei verschiedene Formen zielführend erfasst werden. Der erste Typ ist eine Kombination aus Ego und innerem Zensor. Er ist insbesondere an Mead und Pierce angelehnt. Bei dem zweiten Typ besteht das Selbst als Wunschstruktur vor einem permanenten Mangelgefühl. Das Modell ist an Lacan orientiert. Ein Subjekt des ersten Typs will Erwartungen gerecht werden. Seine Handlungen sollen internalisierten Normen angepasst werden. Die Regeln und Traditionen der Gruppe betten das Subjekt ein. Der zweite Typ hingegen hat eine Sehnsucht nach seinem perfekten Spiegelbild, das nicht zu erreichen ist. Das Subjekt sieht die Anderen als scheinbare Ganzheiten, denen Dinge stets zu gelingen scheinen. So wird die Erfahrung des Mangels zu einem permanent reproduzierten Dauerzustand. Das Subjekt will seine Mängel beseitigen, wodurch der Versuch, sich neue Wünsche zu erfüllen, zu einem steten Antrieb wird. Daraus resultiert eine permanente Suche des Subjekts nach sich selbst, was in eine Hinwendung zur Psychologie und zur Ratgeberliteratur mündet. Knorr Cetina macht beide Subjekttypen in der Gegenwart aus, geht aber gleichzeitig davon aus, dass der zweite Typus im Begriff ist, den ersten zu ersetzen und umzuformen. Denn der innere Zensor hat seine Vollumfänglichkeit verloren. Dafür sieht sie mit der Liberalisierung von Beziehungsformen und Familienleben,
104 Knorr Cetina: „Postsoziale Beziehungen“, a. a. O., S. 288. 105 Zur Verschiebung der Subjektkonstitution vgl. insbesondere ebd., S. 274–280; dies.: „Umrisse einer Soziologie des Postsozialen“, a. a. O., S. 29–32; dies.: „Sozialität mit Objekten“, a. a. O., S. 98–103.
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der Enttraditionalisierung von Sozialisation, der Individualisierung von Entscheidungen drei Gründe. Umgekehrt gedacht erhält der Spiegel des zweiten Typus deutlich an Bedeutung. Er hat eine Auslagerung, Institutionalisierung und Professionalisierung erfahren, die durch das Aufkommen von sogenannten sozialen Medien noch einmal verstärkt wurden. 4.4.2.4 Postsozialität Postsozialität bedeutet also, dass Objekte Aspekte in der Sozialität übernehmen, die bisher menschlich oder sozial waren.106 Konkret heißt dies, dass Objekte die Rolle von traditionellen Interaktionspartnern übernehmen, dass sie soziale Einbettungen, die über Interaktion vermittelt werden, ersetzen. Es werden zwischenmenschliche Verhältnisse über Objekte vermittelt und in der Konsequenz wird dadurch die Sozialität rekonfiguriert, was einhergeht mit einem Wandel von Kollektivvorstellungen und von Individuumsvorstellungen. Die Reziprozität der Beziehung von Mensch und Objekt besteht aus Objekten, die Begehrungsketten beim Subjekt in Gang setzen, indem sie darauf verweisen, was fehlt, und gleichzeitig offen sind für die Wunschstruktur des Subjekts. Dieses sorgt für die Fortsetzung der Objekte. Dadurch ist die Reziprozität asymmetrisch. Subjekt und Objekt operieren strukturell verschieden. In der Konsequenz enthalten die Beziehungen von Subjekt und Objekt in der Postsozialität sowohl etwas Soziales als auch etwas Postsoziales. Sozial sind sie, weil Objektwelt über Solidarität als Umwelt definiert wird. Objekte stabilisieren und verorten das Subjekt vermittelt sozial. Postsozial sind die Beziehungen, weil sich nicht alles ins Menschliche übersetzen lässt. Dadurch entstehen neue Beziehungsformen, die über klassische sozialwissenschaftliche Konstellationen hinausgehen. 4.4.3
Lindemann und die mehrdimensionale Ordnung
Sowohl in der Grundfigur der Handlungsträgerschaft als auch der der Interaktivität und jener des Netzwerks spielen Zuschreibungen eine große Rolle. Einen anderen Ansatz versuchen Gesa Lindemann und ihr Team. Sie gehen davon aus, dass die normative Dimension im Zuschreibungsprozess aus dem Blick gerät, weil Menschen zugeschrieben wird, stets intentional zu handeln. In ihren Augen ist der dauerhafte Sinnbezug des Menschen zweifelhaft. Zum einen ist die vollständige Überprüfung der Handlungsabsichten und Motive eines Akteurs nicht möglich, 106 Zur Dimension der Postsozialität vgl. insbesondere Knorr Cetina: „Umrisse einer Soziologie des Postsozialen“, a. a. O., S. 25–26 und 37–38; dies.: „Postsoziale Beziehungen“, a. a. O., S. 284–293; dies.: „Sozialität mit Objekten“, a. a. O., S. 88–90.
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innere Prozesse können beim Anderen nur angenommen werden und schließlich konstituiert sich der Alltag auf die Interpretation des Handelns der Anderen. Daher machen sie sich dafür stark, die Mensch-Technik-Relation vor dem Hintergrund des Dritten und damit der Sozialität zu sehen. Dadurch enthält Technik immer die normative Dimension, wer ein legitimer Mithandelnder ist und wer nicht. An den attributionstheoretischen Ansätzen kritisieren sie eine Fokussierung auf kognitive Aspekte, wodurch die Frage, in welchem Sinne technischen Artefakten Akteursstatus zugeschrieben wird, in den Hintergrund trete. In dieser Hinsicht wollen sie für analytische Klarheit sorgen, indem sie die Deutungssituation von einer Alter-Ego-Konstellation um den Dritten erweitern. Damit ist kein beliebiger Zuschreibungsakt möglich, sondern Zuschreibung geschieht vor dem Dritten, der dafür sorgt, dass es legitime und illegitime Deutungen gibt. In ihrem Opus magnum „Weltzugänge“ leitet Lindemann in Auseinandersetzung mit sozialwissenschaftlicher Sozialtheorie verschiedene Dimensionen ab, die in ihren Augen für die Formulierung einer Gesellschaftstheorie einbezogen werden müssen. Dazu gehört für sie insbesondere, dass Akteure historisch variabel sind, dass die Natur-Kultur-Unterscheidung eine mögliche Ordnung, aber keine zwangsläufige ist. Vielmehr besteht für Lindemann Ordnung neben der sozialen Komponente aus vielen weiteren. Dazu gehört etwa, dass Ordnung mehrdimensional ist, dass sie körperlich und materiell vollzogen wird, dass die symbolische Dimension sowie die Raum-Zeit-Dimension von großer Bedeutung sind und schließlich spielt Gewalt als ordnungsbildende Kraft eine gewichtige Rolle.107 Als theoretischen Ausgangspunkt wählt Lindemann die Positionalitätstheorie von Plessner, weil Plessner die Leib-Konzeption nicht als Wahrnehmung des Ichs, sondern als einen Leib verstanden hat, der von außen als Leib anerkannt wird und somit immer in Relation zu seiner Umgebung steht. Leib und damit Körperlichkeit sowie Materialität werden von der Mitwelt erfasst und von ihr ausgedacht. Daraus entsteht eine Triade von Ego, Alter und Tertius. Diese charakterisiert Lindemann dann über drei Sozialitätsformen, die sie anhand der oben genannten Dimensionen, die für sie zu einer Sozialtheorie dazugehören, analytisch erfasst.108
107 Vgl. hierzu Lindemann: „Weltzugänge“, a. a. O., S. 11–19. 108 Zum Konzept des Dritten bei Lindemann vgl. Lindemann, Gesa (2006): „Die dritte Person‐das konstitutive Minimum der Sozialtheorie“, in: Krüger, Hans-Peter; Gesa Lindemann (Hrsg.): Philosophische Anthropologie im 21. Jahrhundert, Berlin: Akademie Verlag, S. 125–145; dies. (2006): „Die Emergenzfunktion und die konstitutive Funktion des Dritten. Perspektiven einer kritisch-systematischen Theorieentwicklung“, in: Zeitschrift für Soziologie, Jg. 35, Nr. 2, S. 82–101.
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4.4.3.1 Drei Formen der Vergesellschaftung Die drei Sozialitätsformen sind: dividualisierende Vergesellschaftung, individualisierende Vergesellschaftung und kontingente Mehrfachvergesellschaftung. Der Typus der dividualisierenden Vergesellschaftung basiert auf einem Dividuum, das in Relation zu anderen steht. Entscheidend ist dabei, dass die verschiedenen Relationen nicht miteinander verbunden werden und somit kein Subjekt entsteht, das diese Einheit bilden könnte.109 Lindemann zeichnet diesen Typus über ethnografische Studien zu indigenen Völkern in Melanesien nach. In der dividualisierenden Vergesellschaftung sind Raum und Zeit nicht messbar und werden auch nicht wahrgenommen. Es liegt vielmehr ein ungegliederter Weiteraum vor, der einer unmittelbaren Natur-Kultur-Relation entspringt. Die Zeitdimension resultiert aus einer permanenten Aktualisierung der Triade der Beziehungen. Es wird hier vom Gabentausch definiert, wer als sozial gilt. Im Tausch werden über die Formulierung von Erwartungen Normen expliziert. Die Ausübung von Gewalt ist lediglich latent verankert. Es wird in diesem Vergesellschaftungstypus als legitim angesehen, sich zu rächen, wenn Regeln verletzt werden. Diese sind aber implizit und nicht institutionell verankert. Die zentralen Akteure in der individualisierenden Vergesellschaftung sind „exzentrische leibliche Aktionszentren“ 110, die über einen freien Willen verfügen und reziprok zueinander agieren. Darüber hinaus werden sie für ihr Handeln verantwortlich gemacht. Die Individuen sind in eine hierarchische Ordnung eingebunden, die auf Gott basiert. Es hängt von der Position in der Hierarchie ab, wer als soziale Person gilt. Diesen Typus zeichnet Lindemann anhand von Studien zu historischen Vorgängen in Europa vom 12. Jahrhundert bis in die Sattelzeit nach.111 Die Zeitvorstellung wird durch die Entwicklung von mechanischen Uhren verändert. Sie ist nicht mehr an natürliche Ereignisse wie die Jahreszeiten gebunden, sondern erhält etwas mathematisch Gleiches. Sie ist nun über Zahlen darstellbar, die einen mathematisch gleichen Abstand zueinander haben. Auch die Raumvorstellung ändert sich. Der Raumbezug geht nun vom Subjekt aus, wodurch sich die Zentralperspektive durchsetzt. Der Raum wird nun messbar, in ihm existieren lediglich Dinge mit messbarer Ausdehnung. Er erhält eine mathematische Dreidimensionalität. In diesem Typus entstehen erste Formen von Subsinnwelten. Es gibt zum einen die Welt des in die Hierarchie gezwängten Individuums und zum anderen die 109 Zur dividualisierenden Vergesellschaftung vgl. Lindemann: „Weltzugänge“, a. a. O., S. 297–311. 110 Ebd., S. 311. 111 Vgl. zur individualisierenden Vergesellschaftung ebd., S. 311–322.
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freien Individuen, die sich in einer sachlichen Differenzierung frei aufeinander beziehen können. Das bezieht Lindemann insbesondere auf den entstehenden kaufmännischen Handel. Dadurch entstehen verschiedene Raum-Zeit-Bezüge. Der Gewaltbezug ist ebenfalls zweigliedrig konzipiert. Zum einen wird ein Rechtssystem etabliert, das von einer individuellen Schuld ausgeht, die ethisch bewertet wird, wodurch eine Art Institutionalisierung von Gewalt entsteht. Zum anderen wird Folter als legitimes Mittel zur Wahrheitsfindung angesehen, weil sie in dieser Vorstellung den freien Willen nicht antasten kann. Dadurch entsteht in den Augen Lindemanns historisch erstmalig eine Gleichsetzung aller Individuum, weil von der Wahrheitsfindung durch Folter kein einziges Individuum ausgenommen ist. In dem Typus der kontingenten Mehrfachvergesellschaftung sind die zentralen Handlungsträger weiterhin Individuen. Sie sind allerdings nicht mehr in eine hierarchische Ordnung eingebunden, vielmehr geschieht Vergesellschaftung hier über zwei wesentliche Momente. Das erste ist, dass legitime soziale Personen definiert werden. Das zweite ist, dass diese in endlos viele Subsinnwelten eingebunden sein können. Den historischen Bezug dieses Typus nennt Lindemann nicht explizit, macht ihn aber offenkundig für die Gegenwart aus.112 Es wird in diesem Typus über die Lebendigkeit eines Menschen erfasst, wer als soziale Person gilt. Lindemann spricht in diesem Zusammenhang von einem anthropologischen Quadrat, weil dieses Lebendigkeit von Lebensanfang bis Lebensende definiert und gleichzeitig eine Differenz zu Maschinen und zu Tieren herstellt. Die beiden ersten Dimensionen definieren die Lebendigkeit, die beiden anderen ziehen die Grenze zu dem, was als Mensch gilt und was nicht. Lindemann macht für die Mehrfachvergesellschaftung ein Entsprechungsverhältnis zur Natur-Kultur-Relation aus. Es gibt einerseits eine messbare und wahrnehmbare digitale Raumzeit, die wesensgleich zur Naturvorstellung ist. Andererseits gibt es subjektive Lebenswelten, die eigene Raum-Zeit-Vorstellungen mitbringen. Wesentlich für die Raumzeit der Subsinnwelten ist lediglich, dass sie zur allgemeinen Raumzeit koordinierbar bleiben. Gewalt ist in diesem Typus vollumfänglich auf Institutionen übertragen. Individuen dürfen keine physische Gewalt ausüben. Sie wird über die Einordnung in Ordnungen durch Institutionen vollzogen.
112 Zum Typus der kontingenten Mehrfachvergesellschaftung vgl. ebd., S. 322–327.
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4.4.3.2 Technik und ihre Funktion für Ordnungsbildung Zentral für das Thema dieser Arbeit ist nun, wie Lindemann Technik in ihre Konzeption von Weltzugängen einbindet. Für sie spielt das, was sie eine Sachdimension nennt, in zweierlei Hinsicht eine wichtige Rolle in der Bildung von Ordnung. Dies sind zum einen „die sachlichen Aspekte des Wahrnehmens von Sachverhalten und des Behandelns von Gegenständen und […] [zum anderen] die sachlichen Aspekte der Beziehung zwischen sozialen Personen, d. h. dasjenige, worum es in der Beziehung geht.“113 Für Lindemann stellt die Sachdimension einen eigenen Bereich dar, der zusätzlich zur raum-zeitlichen und sozialen Dimension von Ordnungsbildung zu sehen sei. Wichtig für die Sachdimension ist zunächst die Unterscheidung zwischen zentrischer und exzentrischer Positionalität. In der zentrischen Positionalität ist Technik als Sachdimension in die Raum-Zeitstruktur integriert, dies jedoch immer über die Körperlichkeit des Akteurs, und dies wiederum über die Tätigkeit des Akteurs. Andere Akteure sind hierbei lediglich zu handhaben. Deswegen ist in der zentrischen Positionalität lediglich der Werkzeuggebrauch möglich. Lindemann versteht daher die zentrische Positionalität insbesondere als Werkzeuggebrauch von Tieren. In der exzentrischen Positionalität ist die Sachdimension losgelöst von der Raum-Zeit-Struktur. Dadurch, dass das Individuum immer in einer Triade existiert, entsteht eine eigene Reflexionsstruktur, die dazu führt, dass sich verschiedene Individuen zu einem gemeinsamen Bereich vergesellschaften können. Durch diese gemeinsame Reflexionsstruktur sind dann institutionalisierte Gesamthandlungen möglich. Diese wiederum ermöglichen die Entstehung von avancierter Technologie. Die institutionalisierte Gesamthandlung ist bei Lindemann an Mead angelehnt, sie setzt sich zusammen aus sozialen Handlungen, sozialen Objekten und triadischen Konstellationen. In einer Gesamthandlung vollziehen mehrere Akteure Teilhandlungen, die stets an gemeinsamen (sozialen) Objekten orientiert sind. Hierbei werden die Erwartungen der anderen antizipiert. Das Objekt muss den gesamten Verlauf der Gesamthandlung überdauern und fungiert dadurch als organisierender Bezugsrahmen. Das Objekt kann Technik sein. Dann bekommt es zwei wesentliche Dimensionen für die Bildung von Ordnung. Die erste Dimension ist, dass die Nutzung der Technik durch die materielle Gestalt bestimmt wird. Die zweite Dimension findet sich in der Ego-Alter-Tertius-Konstellation, also der Triade. In den Augen Lindemanns orientiert sich die Herstellung von Technik an der Erwartung der Nutzer, wodurch eine andere Nutzung unwahrscheinlich wird. In der triadischen Konstellation ist die Nutzung der Technik nicht vollständig festgelegt, was den Dritten in 113 Ebd., S. 179.
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die Konstellation bringt, da dieser dazu führt, dass die Erwartungserwartungen durch ihn objektiviert werden. Das geschieht dadurch, dass der Nutzer bestimmte Nutzungserwartungen hat und bestimmte Nutzungserwartungen haben soll. Deswegen symbolisiert Technik oftmals, wie sie angemessen gebraucht werden kann. Angemessen bedeutet dabei, dass der erwartete Gebrauch dargestellt wird. Dies geschieht etwa über Gebrauchsanleitungen. Lindemann zieht daraus eine umfangreiche Konsequenz: „Um eine gesellschaftliche Ordnung aufrechtzuerhalten, die stark durch technisch vermittelte Beziehungen bestimmt ist, ist es daher unbedingt erforderlich, die Rezeption von Technik entsprechend drittenvermittelt zu steuern. Weniger die Selektion von Information und Mitteilung seitens Alter, sondern die verstehende Deutung der Mitteilung, die praktische Nutzung durch Ego legt fest, was mitgeteilt worden ist, und muss entsprechend über Tertius vermittelt objektiviert werden.“114
In einer Gesamthandlung, in der Technik involviert ist, ist daher die entscheidende Frage für Lindemann, wer Symbol, wer Symbolverwender ist und wer symbolisiert. Technik kann zu einem sozialen Objekt werden, wenn zwischen Hersteller und Nutzer von Technik eine Beziehung hergestellt wird, die Technik vermittelt. Avancierte technische Artefakte haben für Lindemann noch eine weitere wichtige Voraussetzung: die digitale Raumzeit. Diese verbindet den dreidimensionalen Raum mit der Zeit und schafft damit einen vierdimensionalen Raum, in dem Körper verortet sind, die über Algorithmen erfasst und positioniert werden können. Dadurch kommt eine weitere Dimension in die Ordnung hinein. Avancierte Technik symbolisiert nicht nur die angemessene Nutzung. Vielmehr wird die angemessene Nutzung selbst objektiviert. Die Symbolisierungsregeln werden formalisiert und automatisiert. 4.4.4
Analytische Folgerungen
Die Konzepte der Sozialität liefern wichtige Alternativen zu attributionstheoretischen Ansätzen. Eine große Stärke von ihnen liegt darin, aufzuzeigen, wie das Verhältnis von Individuum, Technik und Sozialität ist. Hier liefert Gehlen mit der Veräußerung des Handlungskreises, der experimentellen Denkart und der Superstruktur wichtige Einblicke. Seine Konzeption bleibt jedoch mitunter teleologisch. Knorr Cetina kann aufzeigen, dass die Veränderung in der Subjektkonstitution Voraussetzung und Konsequenz zugleich ist für ein neuartiges Verhältnis von so-
114 Ebd., S. 187.
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zialem Akteur und technischem Artefakt. Knorr Cetina führt mit der De-Sozialisierung und Objektualisierung wichtige Prozesse an. Gleichzeitig behält ihre Konzeption – darüber ist sich Knorr Cetina jedoch vollumfänglich bewusst – weiterhin den Schwerpunkt auf der ‚alten Ordnung‘ und kennzeichnet primär beginnende Veränderung. Knorr Cetinas Arbeiten bleiben somit in einem Post-Stadium, das noch keine Eigenständigkeit erlangt hat und daher weiter ausgearbeitet werden muss. Diffus bleibt die Konzeptualisierung des Objekts. Scharf kritisiert worden ist Knorr Cetina dafür aus der Wissenssoziologie von Hubert Knoblauch und Bernt Schnettler. Sie haben ihr vorgeworfen, sie würde eine „Magisierung“ der Objekte betreiben, die ähnlich der Esoterik, Naturphilosophie oder auch der Mystik sei.115 Hier können empirische Arbeiten helfen, die soziale Konsequenz aus der Materienstruktur des Objekts sichtbar zu machen. Mit der Einführung des Dritten bringt Lindemann einen gewichtigen Akteur für die Bildung von Ordnung in die Konzeption ein. Ihre Darstellung bietet ferner eine komplexe Raum-Zeit-Konstruktion und damit ein ausgefeiltes, weil an die jeweilige Zeitepoche gekoppeltes, Verständnis von Technik. Schwierig an ihrer Konzeption ist jedoch einerseits die Abgeschlossenheit und andererseits die Kombination von konträren Theoriesträngen.
4.5 ANALYTISCHE F OLGERUNGEN FÜR DIE F ALLANALYSE Ich habe den Diskurs um das Sozialwerden von avancierter Technik auf vier Grundfiguren verdichtet. Ich werde nun die wesentlichen Dimensionen für meine Forschungsfrage aus der Theoriedebatte ableiten. Diese werde ich dann anhand meiner Fallstudien diskutieren. Die Ableitungen umfassen: • den Sinnbezug oder den Effekt, • die Konventionalisierung oder die Sozialisierung, • die Situationsdefinition oder die Umweltstabilität, • die Sozialitätseinbettung oder die Sozialitätsimplementierung.
115 Vgl. Knoblauch, Hubert; Bernt Schnettler (2004): „"Postsozialität", Alterität und Alienität“, in: Schetsche, Michael (Hrsg.): Der maximal Fremde. Begegnungen mit dem Nichtmenschlichen und die Grenzen des Verstehens, Würzburg: Ergon, S. 23–43, hier S. 26.
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Der Sinnbezug oder der Effekt
Die Dimension des Sinnbezugs gewinne ich insbesondere aus der Auseinandersetzung mit der Grundfigur der Handlungsträgerschaft. Das Modell des verteilten Handelns basiert auf drei Komplexitätsstufen: Kausalität, Kontingenz und Intentionalität. Geht man von Menschen aus, dann entsteht soziales Handeln gerade erst durch die Herstellung von Sinn. Max Weber definierte soziales Handeln, indem er „von dem oder den Handelnden gemeinten Sinn“ ausging, der „auf das Verhalten anderer bezogen wird und daran in seinem Ablauf orientiert ist.“116 Für Weber war es eindeutig, dass die Erzeugung von Sinn etwas ist, was Menschen überlassen ist: „Jedes Artefakt, z. B. eine Maschine, ist lediglich aus dem Sinn deutbar und verständlich, den menschliches Handeln […] der Herstellung und Verwendung dieses Artefaktes verlieh […]; ohne Zurückgreifen auf ihn bleibt sie gänzlich unverständlich. Das Verständliche daran ist also die Bezogenheit menschlichen Handelns [Hervorhebung im Original; JK] darauf entweder als Mittel oder als Zweck, der dem oder den Handelnden vorschwebte und woran ihr Handeln orientiert wurde.“117
Folgt man der Argumentation Max Webers, dann entsteht die Sinnhaftigkeit der Technik einerseits dadurch, dass sie von ihren Herstellern konstruiert wird, andererseits dadurch, dass sie von ihren Verwendern genutzt wird. Schulz-Schaeffer geht davon aus, dass man bei komplexeren Technikartefakten nicht von sozialem Handeln im Sinne von Max Weber sprechen könne. Er plädiert stattdessen dafür, diesen Pfad zu verlassen und die Besonderheit der Technik in die soziologischen Handlungstheorien aufzunehmen. Für das Verlassen der klassischen, auf den Menschen bezogenen Pfade der Handlungstheorie führt er drei Argumente an. Das erste ist einfach und unmittelbar verständlich: Technik ist aus unserem Alltag nicht wegzudenken. Sie ,tut‘ Dinge und führt schon alleine dadurch zu Veränderungen. Das zweite Argument besagt, dass auch beim menschlichen Handeln der bewusste und intentionale Aspekt nur einen geringen Teil der tagtäglichen Handlungen ausmacht und die meisten vielmehr auf Routinen aufbauen. Er spricht sich dafür aus, Intentionalität stärker in einer behavioristischen Weise zu verstehen. In seinen Augen bieten verschiedene avancierte technische Artefakte und Software-
116 Weber, Max [1922] (1990): Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Soziologie. Hrsg. v. Johannes Winckelmann, Tübingen: Mohr (Siebeck), S. 1. 117 Ebd., S. 3.
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Agenten bereits eine Semantik, die auf diese Weise als Intentionalität verstanden werden muss. Das dritte Argument bezieht sich auf die neuste technische Entwicklung im Allgemeinen und die Entwicklung von Robotik und Software-Agenten im Besonderen. Dadurch, dass die Technik komplexer wird, sei sie zunehmend in der Lage, eigene Operationen zu initiieren, und sei weniger ein isoliertes Gerät, das für sich etwas tue, sondern trete in Handlungsketten und Interaktivitäten ein.118 Schulz-Schaeffer hat dafür argumentiert, dass Technik weder intentional sein kann noch muss, um soziologisch relevant zu sein für die Erfassung von Handlungsträgerschaft in soziotechnischen Konstellationen. Wichtig ist in seinen Augen vielmehr der sinnhafte Bezug aufeinander. Wie wird dieser Handlungssinn nun hergestellt? Dafür leiht er sich die beiden Begriffe Objektselbst und Handlungsselbst von Coleman und wendet diese auf Technik an. Das Objektselbst hat Interesse an der Realisierung einer Handlung, bei ihm liegt die Bedeutung in der Wirkung einer Handlung aus der Interessensperspektive des Handlungsträgers. Das Handlungsselbst hingegen ist die Fähigkeit zur Realisierung einer Handlung. Es erzeugt unter Einsatz seiner Ressourcen Wirkung. Der Handlungssinn ist der Entwurf der Handlung. Bereits in dem ersten Argument von Schulz-Schaeffer ist eine Art Gegenpol des Sinnbezugs enthalten. Dadurch, dass bloße Veränderung aus der Tätigkeit des technischen Artefakts entsteht, entsteht etwas, das sich als ein Effekt beschreiben lässt. Entscheidend für meine Analyse ist nun, ob rund um avancierte Technik ein Sinnbezug besteht und wie dieser gegebenenfalls hergestellt wird, welche Strategien welche Akteure anwenden, um Technik zum Handlungsselbst oder Objektselbst im Konstruktions- und Implementierungsprozess werden zu lassen, oder ob der Ausgangspunkt der soziologischen Betrachtung nicht vielmehr der Effekt sein sollte, der aus der Tätigkeit entsteht bzw. gezielt hergestellt wird. 4.5.2
Konventionalisierung und (De-)Sozialisierung
Die nächste Dimension, die ich Konventionalisierung oder (De-)Sozialisierung nenne, stammt aus der Auseinandersetzung mit der Grundfigur der Handlungsträgerschaft und der Interaktivität. Die Frage, ob andere Akteure der Technik eine Handlungsträgerschaft lediglich zuschreiben oder ob sie bereits im Konstruktionsprozess eingeschrieben wird, hängt für Rammert und Schulz-Schaeffer etwa von dem Grad der „Konventionalisierung von Mustern der Handlungszuschreibung 118 Schulz-Schaeffer, Ingo: „Die Frage nach der Handlungsträgerschaft von Technik und das Konzept gradualisierten Handelns“, a. a. O., S. 38–40.
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auf Technik“ ab.119 Für meine Arbeit ist es daher in hohem Maße spannend, inwieweit zentrale Akteure Strategien fahren, um auf konventionalisierte Handlungsmuster rekurrieren zu können oder diese hervorheben zu wollen. Inwieweit verwenden Konstrukteure, Entwickler und Moderatoren Strategien, um Technik zu konventionalisieren? Aus einer leicht anderen Perspektive lässt sich dies noch um den Aspekt der Sozialisierung von technischen Artefakten erweitern. Selma Šabanović hat von einem „technological fix“ gesprochen, der aus einem technikdeterministischen Weltbild Probleme und ihre Lösungen generiert.120 Damit orientiert sich dieser Konstruktionstypus am technisch Möglichen und nicht dem sozial Erwartbaren. Insofern sind diese Roboter nicht sozialisiert, d. h., sie sind nicht in den normativen Rahmen der Sozialität, in der sie operieren, eingebunden, sondern sie entsprechen dem normativen Rahmen der Konstrukteure und Entwickler, die sie herstellen. Inwieweit gibt es also Versuche, Roboter zu sozialisieren bzw. Sozialität für den Roboter zu konventionalisieren? Wie wird bei nicht sozialisierten Robotern eine Einbettung in die Sozialität realisiert? Inwieweit werden bei Robotern Erwartungserwartungen gebildet, die eine Art Sozialisierung darstellen? 4.5.3
Situationsdefinition oder die Herstellung von Umweltstabilität
Die dritte Dimension ist die der Situationsdefinition bzw. der Umweltstabilität. Sie lässt sich in allen theoretischen Grundfiguren finden. Die beiden Begrifflichkeiten sind besonders prominent in den Grundfiguren der Interaktivität bzw. des Netzwerks sichtbar. An dieser Stelle gehe ich von der These von Schulz-Schaeffer aus, dass Handlungszuschreibungen wirksam werden, wenn sie auf intersubjektiv gültigen Situationsdefinitionen basieren. Dies möchte ich um Gehlens Verständnis eines instinkthaften Bedürfnisses des Menschen nach Umweltstabilität sowie Suchmans Verständnis von planhaftem Handeln ergänzen. Folgt man diesem Gedanken, dann ist die Herstellung einer planmäßigen Situationsdefinition ein rationales Ziel der experimentellen Denkart. Denn das Unerwartete lässt sich maximal minimie-
119 Schulz-Schaeffer: „Die Frage nach der Handlungsträgerschaft von Technik und das Konzept gradualisierten Handelns“, a. a. O., S. 56.) 120 Vgl. Šabanović: „Robots in Society, Society in Robots“, a. a. O.
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ren, wenn man es dadurch einzuschränken versucht, dass man Situationsdefinitionen vorab festlegt, damit das avancierte technische Artefakt Pläne ausführen kann.121 Wie gelangen also welche Situationsdefinitionen in die Sozialität bzw. in das technische Artefakt? Wie wird sichergestellt, dass es zur Anwendung dieser Situationsdefinition kommt? Inwieweit kommt es zu einer Umweltstabilisierung? Wie wird diese Intersubjektivität in der soziotechnischen Konstellation des Artefakts hergestellt? Aber auch: Was passiert bei Abweichungen? 4.5.4
Sozialitätseinbettung oder Sozialitätsimplementierung
Die vierte Dimension ist die der Sozialitätseinbettung oder der Sozialitätsimplementierung. Sie lässt sich implizit in der Grundfigur der Handlungsträgerschaft finden, explizit dann selbstverständlich in der Figur der Sozialität. An dieser Stelle möchte ich sie mit Arnold Gehlen thematisieren. Er hat von einer Superstruktur von Technik gesprochen. Zwei Dimensionen in der Superstruktur sind für meine Analyse wesentlich. Die erste ist die Veränderung des Raumes, in dem wir uns bewegen, durch Technik. Er verändert sich von einer natürlichen Umwelt, die vorgibt, dass es jetzt gewittert und der Mensch sich danach zu richten hat, über eine anorganische Welt, die dahingehend gestaltet ist, dass sie vom Menschen beherrscht und in einem mathematisch-naturwissenschaftlichen Sinne genutzt werden kann, hin zu einer Superstruktur, die die Technik mit den Naturwissenschaften und der Ökonomie verbindet und in der die experimentelle Denkart die entscheidende wird. Die Robotik geht über die Superstruktur im Sinne Gehlens hinaus, da hier auch Geistes- und Sozialwissenschaften, aber auch Sportwissenschaften in die Kombination eingebunden werden und es nicht mehr nur um die Isolation von Naturvorgängen geht, sondern um die Anwendung der isolierten Vorgänge. Daher ist hier die entscheidende Frage: Wie wird die soziale Umgebung – insbesondere im Implementierungszusammenhang – verändert, damit Technik zur Anwendung kommen kann? Welche Akteure wenden dabei welche Strategie an? Und welche Sozialemergenz tritt dadurch auf?
121 Siehe hierzu die Unterscheidung von planhaftem und situativem Handeln bei Suchman: „Human-machine reconfigurations“, a. a. O., S. 51–84.
5
Die Fallstudien
Im nachfolgenden Kapitel möchte ich vorstellen, wie ich bei der Arbeit an drei Fallstudien mit den Mitteln der Grounded Theory zu der Kernkategorie Sozialitätsbildung mit insgesamt sechs Subkategorien kam. Im Anschluss daran möchte ich die im vorherigen Kapitel entwickelten theoretischen Grundfiguren und ihre vier Ableitungsdimensionen in Beziehung setzen. Zentral für die Fallauswahl war, dass es sich um abgeschlossene Fälle handelte, in denen mindestens ein Roboter entwickelt worden war. Die Roboter sollten autonom agieren sowie einen interaktiven Bezug zum Menschen mit einem physisch beobachtbaren Austausch haben.1 Als analytischen Hauptfall stieß ich dabei auf das WiMi-Care-Projekt. In ihm kommen zwei Roboter in einer Pflegeeinrichtung zum Einsatz. Der Care-O-Bot-3 ist ein Forschungsroboter, der für die Service-Robotik entwickelt wurde. Der CASERO hingegen wurde von einer kommerziellen Firma entwickelt. Er ist ein Transportroboter. Als kontrastierende Fälle wählte ich den Roboter Lisa mit dem Team Homer sowie das SoziRob-Projekt aus. Der Roboter Lisa ist ein Service-Roboter, der im Rahmen von Studium und Lehre entwickelt wird. Er tritt im RoboCup gegen andere Teams mit ihren Robotern an. Im SoziRob-Projekt wurde der kommerzielle Roboter NAO als Fitnesstrainer eingesetzt. Denn es sollte in einer Isolationsstudie getestet werden, ob er Astronautinnen in Weltallmissionen unterstützen kann. Außerdem kam dort der Roboterkopf Flobi zum Einsatz. Er ist ein Forschungsroboter für die Interaktion mit Menschen über Gesichtsausdrücke und Sprachausgabe.
1
Vgl. hierzu auch die ausführliche Darstellung in dem Kapitel zur Problemlage.
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5.1 D AS W I M I -C ARE -P ROJEKT Den empirischen Hauptfall meiner Arbeit stellt das WiMi-Care-Projekt dar. In diesem Projekt ging es darum, die innovative Technik Robotik und ihre Möglichkeiten in einer Pflegeeinrichtung zu testen. Gleichzeitig sollten viele verschiedene Akteursgruppen koordiniert werden. In dem Projekt kamen zwei Roboter zum Einsatz, die sehr verschieden sind. Der Roboter CASERO ist ein Transportroboter. Er wurde von einer kommerziellen Firma entwickelt und betrieben, die bislang im Industriesektor Roboter angeboten hatte und mit der Teilnahme an dem Projekt testen wollte, inwieweit diese auch auf den Dienstleistungssektor übersetzt werden können. Der Roboter Care-O-Bot-3 hingegen ist ein Service-Roboter, der von einem Forschungsinstitut entwickelt wurde und den Stand der Technik und Forschung zeigen sollte. In meiner Analyse habe ich sechs wesentliche Kategorien bestimmt, die die Einbettung der Roboter in der Sozialität Pflegeheim in diesem Projekt ausmachen. Die übergeordnete Kernkategorie ist die Sozialitätskonstruktion. Sie dimensionalisiert sich über die nachfolgenden sechs Kategorien. Die erste ist die Festsetzung der Ausgangslage, in ihr werden die Ziele festgelegt, die das Projekt verfolgt. Außerdem werden Akteure zum Projekt hinzugeholt, die für die Lösung der anvisierten Problemlagen wichtig sind. Im zweiten Schritt wird das Selbstverständnis der Akteure deutlich und damit die Problemlagen, die diese mitbringen bzw. für die sie die Kompetenzen haben, Lösungen zu finden. Zusammengenommen bilden das Selbstverständnis und die Problembearbeitung die Identität der Akteure. Daraus entwickeln sich dann als dritter Aspekt die Szenarien, die die Roboter in der Sozialität Pflegeeinrichtung ausführen sollen. Diese Szenarien werden nicht bloß im Labor getestet und entwickelt und auch nicht einfach von den Anwenderinnen ausgeführt, sondern sie werden in die Sozialität durch Pilotphasen implementiert. Das ist die vierte Dimension. Die nächste ist dann das daraus entstehende soziotechnische Netzwerk aus verschiedenen Akteuren und Strukturaspekten, das sich rund um die Operationen der Roboter aufspannt. Schließlich arbeite ich heraus, dass die Akteure es nicht bei dem kurzfristig aufgespannten Netzwerk belassen, sondern daraus einzelne Aspekte verstetigen möchten. 5.1.1
Festsetzung der Ausgangslage
Die Ausgangslage des WiMi-Care-Projekts wurde insbesondere über wesentliche inhaltliche Aspekte bestimmt sowie über das Hinzukommen von neuen sozialen Akteuren. Der erste inhaltliche Ausgangspunkt konstatierte einen demografischen Wandel, der dazu führe, dass die Bevölkerung in Deutschland immer älter werde
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und es somit stetig mehr Pflegebedürftige gebe. Gleichzeitig aber steige die Anzahl der Pflegekräfte nicht mit, sondern bleibe bestenfalls gleich. Konkret wurde konstatiert, dass bis 2050 mit einer Bedarfsverdreifachung an Pflegepersonal und einer sinkenden Anzahl an Arbeitnehmern gerechnet werden müsse.2 Der zweite Ausgangspunkt war, dass dem demografischen Wandel mit Technik begegnet werden sollte. Es ging zunächst nicht darum, dass ein Einsatz von Robotern dem demografischen Wandel entgegenwirken sollte, sondern dass Technik im Allgemeinen dies tun könnte. Die konkrete Technik blieb zunächst unbestimmt.3 Diese beiden Ausgangspunkte reagierten auf eine Ausschreibung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). In der Ausschreibung wurde „Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet, Technologie und Dienstleistungen im demografischen Wandel‘“ gefördert.4 Der dritte Ausgangspunkt war, dass eine bestimmte sozialwissenschaftliche Methode getestet und optimiert werden sollte. Dabei sollten kommende Nutzertypen der Technik bereits an dem Gestaltungsprozess einer technischen Innovation partizipieren, damit ein Produkt entwickelt werden könnte, welches den Bedürfnissen der Nutzerinnen entspricht. „Also, im Zentrum des Projektes stand nicht der Roboter, sondern die Methode der Partizipation, die wir sozusagen angewendet haben, mit dem Ziel, sie zu optimieren, am Beispiel der Roboterentwicklung in Pflegeeinrichtungen.“5 2
Vgl. Compagna, Diego; Stefan Derpmann; Thorsten Helbig und Karen A. Shire (2010): Pilotanwendungen. Zusammenfassung bisheriger Ergebnisse und Einschätzungen, Working Brief 25. URL: https://www.uni-due.de/wimi-care/workingbriefs.php (zuletzt abgerufen am: 21.12.2014), S. 1–2.
3
Vgl. hierzu Compagna, Diego; Stefan Derpmann; Kathrin Mauz und Karen A. Shire (2009): Demografischer Wandel. Darstellung, Entwicklung, Working Brief 1. URL: https://www.uni-due.de/wimi-care/workingbriefs.php
(zuletzt
abgerufen
am:
21.12.2014). 4
Vgl. BMBF (2007): Bekanntmachung. URL: https://www.bmbf.de/foerderungen/be-
5
Diego Compagna, interviewt von Jens Koolwaay: „Narratives Interview zum WiMi-
kanntmachung.php?B=258 (zuletzt abgerufen am: 07.12.2015). Care-Projekt“, durchgeführt am 11. April 2014, Transkription siehe Anhang, S. 1. Vgl. hierzu auch Compagna, Diego; Stefan Derpmann; Kathrin Mauz und Karen A. Shire (2009): Die Relevanz von Bedarfsanalysen für innovative Technikentwicklungen, Working Brief 2. URL: https://www.uni-due.de/wimi-care/workingbriefs.php (zuletzt abgerufen am: 21.12.2014); dies. (2009): Methoden für eine Bedarfsanalyse zum Zweck einer nutzerzentrierten Technikentwicklung, Working Brief 4. URL: https://www.unidue.de/wimi-care/workingbriefs.php (zuletzt abgerufen am: 21.12.2014); dies. (2009): Erste Methodenreflexion. Die Anwendung der Grounded Theory zur Durchführung von
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Ziel war es also, zunächst ein wissenschaftliches Projekt zu etablieren bzw. zu realisieren, in dem Lösungen dafür gefunden werden sollen, einem etwaigen demografischen Wandel mit der Technik zu begegnen. Die Ausgangslage wurde statistisch und sozialwissenschaftlich definiert. Es wurden wissenschaftliche und ökonomische Ziele gesehen bzw. gesetzt. Das waren zunächst die Ziele des Soziologieteams, das den Schwerpunkt darauf legte, Technik sozial einzubetten und eine wissenschaftliche Methode zu optimieren. Die Projektpartner, die später hinzukamen und von dem Soziologieteam ausgewählt wurden, hatten weitere Ziele, die weitere Problemlagen, Kompetenzen und Identitäten mit in das Projekt bringen. Damit entstand in der Konsequenz zunächst ein Forschungsvorhaben, das in seinem Ziel, ein Forschungsprojekt zu realisieren und Antworten und Lösungen auf die wissenschaftlichen, technischen und sozialen Fragestellungen und Probleme zu finden, weitere Akteure einbezog, wodurch neue Lösungsmöglichkeiten und damit auch neue Problemansätze in das Projekt gelangten. Auf der Akteursebene war das Soziologieteam der Ausgangspunkt. Es holte die weiteren Akteure in das Projekt. Diese setzten sich schließlich zusammen aus Gruppierungen einer stationären Pflegeeinrichtung, den Roboter-Entwicklern und einer Firma, die Benutzeroberflächen gestaltet (Interfacedesigner), sowie der Forschungsförderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, die die finanziellen Mittel bewilligte. Das Soziologieteam hatte das Projekt begonnen und begriff sich als Moderator der Übersetzung. Die Mitglieder selbst bezeichneten ihre Aufgabe als einen Wissenstransfer, den sie zwischen den Akteuren und ihren Tätigkeiten leisten wollten, um bei der Weiterentwicklung der Robotik in der Pflege die Bedürfnisse der Nutzer zu berücksichtigen.6 Mit den Mitgliedern des Interfacedesigners kam eine weitere Moderationsgruppe in das Projekt. Sie moderierten insbesondere zwischen den technischen Dimensionen der beiden Roboter sowie zwischen Robotern und Anwenderinnen. Sie selbst betrachteten es als ihre Aufgabe, das Arbeitserlebnis der Pflegekräfte zu maximieren, und sahen dies über das Design verwirklicht.7 Sie verbanden neue Aspekte über die Gestaltung und übersetzten damit Aspekte vom Bisherigen in etwas Neues. Bedarfsanalysen, Working Brief 13. URL: https://www.uni-due.de/wimi-care/workingbriefs.php (zuletzt abgerufen am: 21.12.2014). 6
Im Forschungsantrag benennen sie ihr Ziel mit der „Untersuchung des Wissenstransfers zur bedarfsgerechten Entwicklung von Servicerobotik im Pflegesektor“. Vgl. hierzu http://foerderportal.bund.de/foekat/jsp/SucheAction.do?actionMode=view&fkz=01FC 08024#
7
Vgl. Peter Klein, interviewt von Jens Koolwaay: „Narratives Interview zum WiMiCare-Projekt“, durchgeführt am 22. Mai 2013, S. 13.
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Eine weitere Akteursgruppe setzte sich aus Mitgliedern der Pflegeeinrichtung zusammen. Sie umfasste v. a. die pflegebedürftigen Senioren sowie die Pflegeleitung und die Pflegekräfte. Diese drei Gruppierungen wurden von dem Soziologieteam als zukünftige Nutzer identifiziert, da sie diejenigen sein würden, die die entwickelte Technik später nutzen würden.8 Die dritte Gruppe an Akteuren wurde schließlich vom Soziologieteam als Entwickler der Roboter in das Projekt geholt. Diese setzte sich insgesamt aus zwei verschiedenen Gruppen zusammen. Die erste war eine Firma, die auf Transportroboter spezialisiert ist. Sie hatte langfristige kommerzielle Interessen und nahm an dem Projekt teil, um auszuloten, ob sie ihre Roboter – die bis zu dem Projekt primär in Industrieanlagen zum Einsatz kamen – auch im Dienstleistungssektor anbieten könnte. Dafür wollte sie die Hardware eines bereits bestehenden Transportroboters weiterentwickeln. Die zweite Gruppe kam aus einem Forschungsinstitut, das bereits Service-Roboter entwickelt hatte. Sie verstand sich als Forschungsprojekt, das den Stand der Technik zeigen wollte.9 Die Auswahl der Roboter geschah vor dem Hintergrund der Ausgangslage des Soziologieteams. Es wurden Roboter-Entwicklerinnen gesucht, die sich „bereit erklärt haben mitzumachen, denn für sie bedeutete es ja auch, dass sie sozusagen hier in ein Projekt gehen, wo es darum geht, vor allem zu evaluieren, inwieweit die Entwickler es schaffen, auf die Wünsche der Nutzer einzugehen, also eine Art Testsituation ist das im Grunde.“10 Das Soziologie-Team versuchte zunächst herauszufinden, mit welcher Technik es der Testsituation in Bezug auf den ausgemachten demografischen Wandel begegnen wollte. Die Ausgangslage für die Partnerwahl war also, dass sich die Entwickler auf das Wagnis einlassen mussten, nicht nur die Funktionalität der Roboter weiter vorantreiben zu können, sondern „wirklich zu versuchen auf die Wünsche der Pflegekräfte einzugehen, auf die Bedürfnisse und auch kritischen Einstellungen der pflegebedürftigen Senioren der Einrichtung einzugehen.“11 Die beiden Roboter-Entwickler mussten sich zu dieser
8
Vgl. Compagna; Derpmann; Mauz und Shire: „Erste Methodenreflexion“, a. a. O., S. 3; Compagna, Diego; Stefan Derpmann und Kathrin Mauz et al. (2009): Vorstellung von 4 Servicerobotik-Szenarien für den Einsatz in einer Pflegeeinrichtung, Working Brief 12 (zuletzt abgerufen am: 21.12.2014); ebd., S. 1–2.
9
So lauten die Aufgaben im Forschungsantrag auch „Technologieentwicklung, Implementierung und Evaluierung von Servicerobotik im Pflegesektor“, „User Interface Konzepte für Servicerobotik im Pflegesektor“ und „Pilotanwendung und technologischer Transfer von Servicerobotern im Pflegesektor“.
10 Diego Compagna, interviewt von Jens Koolwaay, a. a. O., S. 4. 11 Ebd., S. 5.
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Ausgangslage bereit erklären. Außerdem musste die Technik „natürlich schon etwas Innovatives sein“.12 Innovativ musste sie sein, weil die Methode kritisch getestet werden sollte und es für das Soziologieteam wichtig war, dass die Technik auf Widerstand stoßen konnte und „wirklich dann viele Fragen noch offen sind, wie sie eingesetzt werden sollen, welche Probleme in Anführungszeichen, die Technik adressieren soll und welche nicht.“13 Als innovative Technik wählte das Soziologieteam Roboter aus, weil es in ihnen Potenzial sah, sie sinnvoll im Pflegesektor einsetzen zu können. „Da war eben die Servicerobotik relativ naheliegend, also das ist ein sehr innovatives Feld, es ist ein Feld, von dem man sich schon sehr viel erhofft, obwohl es schon noch ein ganzes Stück Arbeit ist, bis die Technik so weit ist, dass sie da wirklich komplexe Aufgaben alltagstauglich durchführen kann, übernehmen kann.“14 Die Roboter wurden als ein „Best-Case-Szenario“ eingeschätzt: Da „es eben eine sehr innovative Technologie ist, auf der einen Seite und eine, von der man sich halt eben auch viel erhofft, auf der anderen Seite. Insofern ist das die ideale Kombination für uns gewesen zu sagen, okay, wir haben hier etwas ganz Neuartiges und gleichzeitig kann man davon ausgehen, dass damit sehr viele Probleme gelöst werden könnten, wenn die Technik eben ausgereift genug ist, und in der Kombination versuchen wir partizipative Verfahren zu optimieren.“15
Damit stand fest, dass es Roboter werden sollten. Im nächsten Schritt wählten die Soziologen zwei Roboter aus. Dabei handelt es sich um den CASERO und den Care-O-Bot-3. Den letztgenannten schätzten sie als einen der am weitesten entwickelten Service-Roboter in Deutschland ein. Er ist außerdem eine „Testplattform“, was bedeutet, dass er ein Roboter ist, der nicht zur „Serienreife“ entwickelt wurde, sondern bei ihm geht es „eher darum, das technisch Machbare auszuloten“.16 Für das Soziologieteam war er relevant, da sie durch ihn ein sehr innovatives Element in das Projekt holen und daran ihre Methode testen konnten. Der zweite Roboter, der CASERO, „sollte ein bisschen ein Ausgleichsmoment“ zu der Testplattform sein. Wichtig war dem Soziologieteam beim CASERO:
12 Ebd. 13 Ebd. 14 Ebd., S. 6. 15 Ebd. 16 Ebd.
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Dass er „zwar von der Definition her immer noch ein Serviceroboter [ist], aber am nächsten dran [ist] alltagstauglich zu sein, also in absehbarer Zeit, wirklich dann im Alltag eingesetzt werden zu können und da sind fahrerlose Transportsysteme eben schon das, was vermutlich als Nächstes kommen könnte. Ob es kommen wird, weiß ich nicht, aber die sind eben schon extrem weit. Da ist die Interaktion mit dem Menschen relativ niederschwellig, also, die müssten jetzt nicht irgendwie gucken oder greifen, sondern die fahren im Grunde nur. Die Interaktion läuft über ein Interface, so wie wir das auch üblicherweise heute im Alltag auch von sonst wo überall kennen, also dass man über ein Tablet oder ein Smartphone, also mit dem man heutzutage auch Fernseher bedienen kann, das ist ja das Interface im Grunde, mit dem die Menschen dann mit dem Gerät kommunizieren.“ 17
Also das, „was das Gerät kann, ist selbstständig zu navigieren, also dann auch situativ auf sich verändernde Umwelteinflüsse zu reagieren, im Hinblick auf seine Navigation. Es muss nicht erkennen, ob jemand einen Hustenanfall hat oder wegen Atemnot sich in Lebensgefahr befindet.“ Der CASERO ist für das Soziologieteam besonders interessant, da er „relativ alltagstauglich, relativ robust und einfach nicht so komplex“ ist und gleichzeitig aus Sicht der Forscher „die allgemeine Situation in einer Pflegeeinrichtung verbessern“18 kann, weil er Transportaufgaben übernehmen kann und über ein bekanntes Computer-Interface bedient wird. Bei der Auswahl der Roboter ging es also um die Zukunftseinschätzung, welches Projekt wann Marktreife haben wird. Außerdem ist der Grad an Interaktion von Bedeutung. Die Einschätzung war, dass ein geringer Grad an Interaktivität eine höhere Alltagstauglichkeit bedeutet. Umgekehrt wurde ein höherer Grad an Interaktivität als innovativer, aber weniger stabil eingeschätzt und war somit besonders für das Testen der partizipativen Methode von Relevanz. Der Care-O-Bot-3 entstammt einer wissenschaftlichen Einrichtung für angewandte Forschung und der CASERO einem kommerziellen Unternehmen. Beide basieren auf bestehenden Robotersystemen. Die wissenschaftliche Einrichtung hatte bereits Serviceroboter für Forschungszwecke entwickelt. Der Care-O-Bot-3 ist die dritte Entwicklungsstufe des Forschungsroboters. Das Unternehmen stellte bereits fahrerlose Transportsysteme her. Beide beabsichtigten ihre Roboter in dem Projekt weiterzuentwickeln, was primär als Adaption auf ein Pflegeheim gesehen wurde. Die Wahl des Pflegeheims entschied sich danach, welches bereit war an einer solchen Studie teilzunehmen.19 Die Motivation der Pflegeleitung lag darin, Ar-
17 Ebd., S. 7. 18 Ebd. 19 Vgl. Compagna; Derpmann; Mauz und Shire: „Erste Methodenreflexion“, a. a. O., S. 3.
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beitsabläufe zu reflektieren sowie den „Blick über den Tellerrand“ hinaus zu richten sowie die „Eigendarstellung der Pflege“ zu trainieren. Es ging also um die Auslotung, ob die Arbeit ‚Pflege‘ und ihre Arbeitsbedingungen professionalisiert und optimiert werden können.20 Es gelang den Akteuren, ein Drittmittelprojekt beim Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) zu etablieren. Damit definierten sie ein wissenschaftliches und soziales Problem, das sie mit den Mitteln der Soziologie, des Interface-Designs, des Pflegeheims und der Roboterentwicklung angehen konnten. Der Ort der Anwendung und Studie war ein Pflegewohnheim in Stuttgart. Das Projekt lief über drei Jahre und wurde insgesamt mit etwa 1,5 Mio. Euro gefördert. Alle Projektpartner bis auf das Pflegewohnheim bekamen einen eigenen finanziellen Anteil. Das Soziologieteam erhielt gut ein Drittel des Geldes, das Forschungsinstitut, das den Forschungsroboter entwickelte, nicht ganz die Hälfe und den Rest bekamen die beiden kommerziellen Unternehmen in recht paritätischen Anteilen.21 Der ökonomische Schwerpunkt der Förderung lag also bei den beiden Forschungseinrichtungen. Die beiden Unternehmen, die an dem Projekt beteiligt waren, erhielten kombiniert nicht einmal ein Viertel der gesamten ökonomischen Aufwendungen, wodurch deutlich wird, dass nicht die reine technische Weiterentwicklung der Roboter im Vordergrund stand, sondern der Fokus auf zwei verschiedenen Forschungsschwerpunkten lag. Zum einen lag er auf der Weiterentwicklung der Servicerobotik und zum anderen auf der einer sozialwissenschaftlichen Methode. Deutlich wird dies auch, wenn man die Forschungsziele aus der Projektbeschreibung der einzelnen Akteure betrachtet. Das Soziologieteam hatte
20 Blume, Gabi (2011): Bewertung der Projektinhalte und -ergebnisse aus Sicht der Pflegepraxis, WiMiCare-Abschlussworkshop am 15.9.2011. URL: https://www.unidue.de/wimi-care/abschlussworkshop.php (zuletzt abgerufen am: 07.12.2015). 21 Vgl. hierzu Die Bundesregierung (o. J.): Förderkatalog. Förderkennzeichen 01FC08024.
URL:
http://foerderportal.bund.de/foekat/jsp/SucheAction.do?action-
Mode=view&fkz=01FC08024 (zuletzt abgerufen am: 08.12.2015); dies. (o. J.): Förderkatalog. Förderkennzeichen 01FC08025. URL: http://foerderportal.bund.de/foekat/ jsp/SucheAction.do?actionMode=view&fkz=01FC08025
(zuletzt
abgerufen
am:
08.12.2015); dies. (o. J.): Förderkatalog. Förderkennzeichen 01FC08026. URL: http://foerderportal.bund.de/foekat/jsp/SucheAction.do?actionMode=view&fkz=01FC 08026 (zuletzt abgerufen am: 08.12.2015); dies. (o. J.): Förderkatalog. Förderkennzeichen 01FC08027. URL: http://foerderportal.bund.de/foekat/jsp/SucheAction.do?act ion.do?actionMode=view&fkz=01FC08027 (zuletzt abgerufen am: 08.12.2015).
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das Ziel einer „Untersuchung des Wissenstransfers zur bedarfsgerechten Entwicklung von Servicerobotik im Pflegesektor“ und strebte damit primär eine Übersetzungsleistung zwischen den involvierten Akteuren mit Orientierung an dem Bedarf der etwaigen zukünftigen Anwender an. Die wissenschaftliche Einrichtung für die angewandte Servicerobotik hatte die „Technologieentwicklung, Implementierung und Evaluierung von Servicerobotik im Pflegesektor“ zur Aufgabe, das Unternehmen, das die Interfacegestaltung übernahm, die Erstellung von „User-Interface-Konzepten für Servicerobotik im Pflegesektor“ und das Unternehmen, welches das fahrerlose Transportsystem weiterentwickelte, die „Pilotanwendung und [den] technologischen Transfer von Servicerobotern im Pflegesektor“. Deutlich wird an den Zielen, dass eine Transferleistung von der bisherigen Servicerobotik in den Pflegesektor erbracht werden sollte. 5.1.2
Selbstverständnis und Problemlage: die Identität
Die Identitätsbildung in dem Projekt möchte ich über das Selbstverständnis und die Problemlagen von drei Bereichen darstellen. Dies sind zum einen die beiden Roboter und zum anderen der Verbund von Akteuren im Hinblick auf die Bedarfsanalyse. Bei den Robotern möchte ich die sozialen Haltungen und Kompetenzen, die hinter dem Roboter stehen, deutlich machen. Ich fasse dies als Identität der wesentlichen Akteure auf. Als Erstes arbeite ich dies bei dem Transportroboter CASERO heraus. Er ist ein Fahrerloses Transportfahrzeug (FTF) in einem Fahrerlosen Transportsystem (FTS). Der Roboter ist als Teil eines technischen Netzwerks konzipiert. Für seine Entwickler stellt insbesondere die Profession der Ingenieure einen gewichtigen Referenzrahmen dar. Der Care-O-Bot-3 hingegen ist ein Serviceroboter, der den Stand der Forschung im Bereich der Service-Robotik zeigen soll. Seine Entwicklerinnen rekurrieren insbesondere auf den Verband der Robotiker und die wissenschaftliche Profession. Schließlich stelle ich über die Bedarfsanalyse eine Verbindung der Projektidentität der anderen Akteure her. In ihr werden die Haltungen und Kompetenzen insbesondere der beiden Moderationsakteure mit jenen der Pflegeeinrichtung verbunden. 5.1.2.1 Der Transportroboter CASERO Das erste CASERO-System wurde vor Projektbeginn entwickelt, da zunehmend Kunden bei dem Roboterhersteller nach Robotern anfragten, die auch in Bereichen eingesetzt werden sollten, in denen Menschen agierten, die nicht eingewiesen waren und an deren Räumlichkeiten keine baulichen Veränderungen vorgenommen
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werden konnten. Die erste Version entstand im November 2008. Sie konnte sich in öffentlichen Gebäuden bewegen und fungierte als mobile Minibar. Dieser Roboter trug die Bezeichnung CASERO 1.22 Ursprünglich war geplant, dass in dem WiMi-Care-Projekt bei CASERO 1 lediglich die Software weiterentwickelt werden sollte. Die Bedarfsanalyse und die daraus entstandenen Anwendungsszenarien ergaben jedoch, dass der Technologieträger ausgebaut werden musste. Über die Zwischenstufe CASERO 2 kam es so zu CASERO 3, der dann im WiMi-Care-Projekt zum Einsatz kam. Abbildung 1: CASERO transportiert einen Wäschebehälter
Quelle: Fraunhofer IPA
Die Entwickler verstehen CASERO als ein Fahrerloses Transportsystem. Sie definieren es über die professionelle Sozialität, der sie angehören. Das geschieht über die Richtlinie 2510 des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI). Die Entwicklerinnen fassen sie wie folgt zusammen:
22 Luz, Jochen; Matthias Hilmer; Theo Jacobs und Birgit Graf (2011): Fazit: CASERO Szenarien für WiMi-Care Technische Herausforderungen, Working Brief 33. URL: https://www.uni-due.de/wimi-care/workingbriefs.php 21.12.2014), S. 2.
(zuletzt
abgerufen
am:
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„Fahrerlose Transportsysteme sind innerbetriebliche, flurgebundene Fördersysteme mit automatisch gesteuerten Fahrzeugen, deren primäre Aufgabe der Materialtransport, nicht aber der Personentransport ist. Sie werden innerhalb und außerhalb von Gebäuden eingesetzt und bestehen im Wesentlichen aus: einem oder mehreren Fahrerlosen Transportfahrzeugen, einer Leitsteuerung, Einrichtungen zur Standortbestimmung und Lageerfassung, Einrichtungen zur Datenübertragung sowie Infrastruktur und peripheren Einrichtungen.“23
Wir haben es bei einem Roboter wie dem CASERO mit einem technischen Netzwerk zu tun, das hinter einem FTF steht. Es geht um ein System, das innerhalb eines Betriebes verankert ist. Es ist flurgebunden, das bedeutet, dass die Fahrzeuge auf dem Boden fahren. Die Roboter transportieren Material und keine Personen. Das Material kann gezogen oder getragen werden. Es kann aktiv oder passiv aufgenommen werden. Ob die FTF innerhalb eines Gebäudes eingesetzt werden oder nicht, ist für die Definition nicht entscheidend. Wichtig ist hingegen, dass die Fahrzeuge „fahrerlos“ sind, also nicht von einem Menschen ad hoc gefahren werden, sondern es eine andere Form der Steuerung gibt. Diese wird geleitet, d. h. es gibt eine Instanz, die die Steuerung übernimmt und die Einrichtungen innerhalb des Betriebs benötigt, um die Fahrzeuge lokalisieren zu können und um Daten zu übertragen. Die Fahrzeuge haben einen eigenen Antrieb, werden aber automatisch gesteuert und „berührungslos geführt“24. Wichtig ist hier, dass nicht die Autonomie des Systems betont oder definiert wird, sondern die Aspekte in den Vordergrund gestellt werden, an denen der Mensch nicht mehr situativ beteiligt ist. Es gibt eine Fahrerlosigkeit und eine Berührungslosigkeit und dem gegenüber steht eine leitende Steuerung. Der Mensch wird in der Definition unkenntlich. Die Steuerung und die Entscheidungen der Steuerung sind bereits in der Definition eine Black-Box. Die dahinterstehenden Menschen und sozialen Prozesse, die zu den Entscheidungen geführt haben, sind nicht mehr ersichtlich. Neben der Art der Steuerung wird der Materialtransport in seiner Art konkretisiert. Der Roboter CASERO wurde von einem Hersteller für Fahrerlose Transportsysteme (FTS-Hersteller) entwickelt. Der FTS-Hersteller realisiert seit 1971 Fahrerlose Transportsysteme in Industrieanlagen und möchte FTS im Dienstleistungssektor anbieten und aufstellen können. Der Hersteller ging davon aus, dass er seine bisherige Vorgehensweise verändern müsste. Er ging in dieses Projekt, um eine Weiterentwicklung eines FTS zu schaffen sowie um sich mit dem Dienstleistungssektor ein weiteres Marktsegment zu erschließen. Der FTS-Hersteller möchte alle 23 Luz, Jochen; Matthias Hilmer (2009): FTS-Definition und Potential für die Servicerobotik, Working Brief 16. URL: https://www.uni-due.de/wimi-care/workingbriefs.php (zuletzt abgerufen am: 21.12.2014), S. 1. 24 Ebd.
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Hindernisse, die einem Einsatz im Dienstleistungssektor im Wege stehen, minimieren.25 Er war im Vorfeld des Projekts mehrfach von potenziellen Kunden angefragt worden, ob er seine Fahrerlosen Transportsysteme auch im Dienstleistungssektor anbietet. Das macht es für ihn interessant, neben dem Industriesektor auch im Dienstleistungsgewerbe Fahrerlose Transportsysteme anbieten zu können und hierfür ein Konzept zu entwickeln. Es ging für ihn in dem Projekt darum, herauszufinden, in welchen Szenarien sein FTS eingesetzt werden kann, welche Funktionen es übernehmen kann und welche technischen Voraussetzungen dafür gegeben sein müssen. Der grundständige technische Aufbau eines Fahrerlosen Transportsystems ist für den Hersteller bei Projekteinstieg bereits gegeben.26 In den bisherigen Einsatzfeldern der FTFs konnten Orientierungseingriffe in den Raum vorgenommen werden, um darüber die Navigation der Roboter zu steuern. Der FTS-Hersteller bekam zunehmend Anfragen, FTFs auch in Bereichen einzusetzen, wo die Roboter auf „nicht eingewiesenes Personal (z. B. Patienten, Besucher)“27 stoßen würden. Somit sollte die Veränderung des Raumes für die Navigation möglichst gering sein (technische Herausforderung). Der Hersteller benötigte ein ökonomisches Konzept für das neue Marktsegment (ökonomische Herausforderung). Außerdem musste er seine FTS bei der Übertragung von der Industrieanlage in den Dienstleistungssektor in eine neue Sozialität einbetten (soziale Herausforderung). Zu Projektbeginn sah der FTS-Hersteller seinen gängigen Einsatzort für FTF „sowohl im industriellen Umfeld, als auch zunehmend im Dienstleistungssektor“.28 Da der Einsatzort des Dienstleistungssektors zunimmt, ist er für den Hersteller wirtschaftlich interessant. Seinen Einsatzort im Dienstleistungsbereich sah er „vorwiegend in Krankenhäusern [und dort] vor allem in den Versorgungsbereichen“.29 Der Hersteller sah die primäre Aufgabe der FTS im Transport von Containern. Für den Hersteller war es folglich wichtig, was die Aufgabe der Roboter sein sollte, wie die Art der Umgebung aussah sowie auf welche Art und Weise Menschen mit dem Roboter in Kontakt kommen sollten. Der Hersteller konsta-
25 Vgl. ebd., S. 8. 26 Vgl. hierzu insbesondere Luz; Hilmer; Jacobs und Graf: „Fazit: CASERO Szenarien für WiMi-Care Technische Herausforderungen“, a. a. O., S. 11–12. 27 Ebd., S. 2. 28 Luz, Jochen; Matthias Hilmer und Diego Compagna (2010): CASERO: Genese und Entwicklungsstand, Working Brief 21. URL: https://www.uni-due.de/wimi-care/workingbriefs.php (zuletzt abgerufen am: 21.12.2014), S. 1. Die Orthografie entspricht der des zitierten Textes. 29 Ebd.
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tierte, dass seine Roboter bis zum Projektbeginn in Umgebungen zum Einsatz gekommen waren, in denen sich Menschen aufhielten, die „für den Umgang mit FTF geschult oder zumindest auf das Vorhandensein vorbereitet sind.“30 Da nun Patienten oder Besucher mit den Fahrzeugen in Kontakt kommen sollten, sah der FTSHersteller zu Projektbeginn besondere Anforderungen an das Fahrzeug gestellt. Im Hinblick auf die Sozialitätseinbettung des Roboters sah er die Herausforderung und Notwendigkeit zur Veränderung im Aussehen und in der Bedienung des Roboters sowie in seinen Sicherheitseinrichtungen und in seiner Sensorik. Anfänglich wandte sich der FTS-Hersteller vom Industriesektor dem Dienstleistungssektor zu und konstatierte, was die Differenz ist. Dann kennzeichneten die Entwickler des Herstellers mehrere wesentliche Dimensionen, die beim Einsatz eines FTS im Dienstleistungssektor wichtig sein sollten. Im Projektverlauf konzentrierte sich der Hersteller dann insbesondere auf das Transportszenario, die optische Erscheinung sowie im besonderen Maße auf die Navigation. Der wesentliche Unterschied war für den Hersteller im Vergleich „zur Industrie, in der das FTS zum täglichen Erscheinungsbild zählt, [...] die Nähe zum Menschen. Noch dazu zu Menschen, die nicht jeden Tag mit dieser Art von Technik umgehen.“31 Durch die Anwesenheit von Menschen „ergeben sich besondere (zusätzliche) Anforderungen an ein automatisches System hinsichtlich: Technik, Sicherheit, Bedienbarkeit, Prozessanpassung und Design.“32 Die ökonomische Ausgangslage für den FTS-Hersteller war, dass es bisher „noch keinem dieser Hersteller [von FTS; JK] gelungen [ist,] diese Technik [FTS; JK] in relevanten Stückzahlen außerhalb des produzierenden Gewerbes zu vermarkten.“33 Um FTS außerhalb des produzierenden Gewerbes etablieren zu können, benannte der FTS-Hersteller technische Veränderungen an den Robotern, auf die ich später zu sprechen kommen werde.34 Neben den technischen Veränderungen sahen die Entwickler die Gründe, warum das Marktpotenzial von FTS im Dienstleistungssektor bislang nicht abgerufen wurde, in einem unzureichenden Wissenstransfer zwischen Hersteller und Kunden auf der einen Seite sowie zwi-
30 Ebd. 31 Krause, Kurt (2010): Fahrerlose Transportsysteme in Pflegeeinrichtungen? Assistenz im Alter: Bedarfsorientierte Technikentwicklung. URL: https://www.uni-due.de/imperia/md/content/wimi-care/07_20-_20kurt_20krause_20-_20fts_20in_20pflegeeinrichtungen.pdf, S. 2. Vgl. hierzu auch Peter Klein, interviewt von Jens Koolwaay, a. a. O., S. 14–15. 32 Krause: „Fahrerlose Transportsysteme in Pflegeeinrichtungen?“, a. a. O., S. 3. 33 Luz; Hilmer: „FTS-Definition und Potential für die Servicerobotik“, a. a. O., S. 7. 34 Vgl. ebd.
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schen Hersteller und Forschung auf der anderen Seite. Außerdem fehlte es an Geschäftsmodellen zur Vermarktung der Produkte, an Referenzanwendungen sowie an verbindlichen Standards für den Einsatz von FTS in öffentlichen Bereichen.35 Damit deckten sich die Gründe nahezu exakt mit den Projektzielen und Handlungsmaximen der beteiligten Akteure im WiMi-Care-Projekt. Lediglich die Forderungen nach Standards konnten nur außerhalb des Projekts gelöst werden. Für den Wissenstransfer war primär das Soziologieteam zuständig, die technischen Veränderungen konnten vom FTS-Hersteller, Roboterforschungsinstitut sowie von den Interaktionsdesignern bewerkstelligt werden. VDV-Normen und Geschäftsmodelle gehörten ebenfalls zu den Geschäftspraktiken des FTS-Herstellers bzw. seiner beruflichen Profession. Im Zusammenhang mit der Selbstbeschreibung kennzeichnete der FTSHersteller, was in seinen Augen die technischen Voraussetzungen für einen erfolgreichen Einsatz im Dienstleistungssektor waren. Dafür nahm er Recherchen von Publikationen vor. So traf er die Entscheidung, was erweitert werden musste. Wie er zu der Auswahl kam, kennzeichnete er nicht. Er sah Handlungsbedarf in der „FTF-Mechanik/Elektrik“, der „Energieversorgung“, der „Navigation“, der „Bedienung“ sowie der „Sicherheit“36. In den 1980er Jahren begann man in der Robotik damit, Magnete im Fußboden zu verbauen und Retroreflektoren an Wänden zu montieren, um die Orientierung der FTS zu ermöglichen. In den 90er Jahren wurde die Sensortechnik massiv weiterentwickelt. Dadurch wurden neue Einsatzgebiete für Roboter möglich.37 Im neuen Einsatzgebiet sollten bauliche Eingriffe gänzlich vermieden werden. Deswegen benötigte der FTS-Hersteller eine neue Lösung für die Navigation seiner Fahrerlosen Transportfahrzeuge. Er sah diese in der Verwendung ‚natürlicher Landmarken‘: „Unter natürlichen Landmarken werden feste, ortsunveränderliche Gegenstände in den zu durchfahrenden Räumen verstanden (Wände, Pfeiler, Türzargen, Theken und Ähnliches). Das FTF verfügt über eine ‚Karte‘ mit den in seinem Einsatzgebiet zur Verfügung stehenden Landmarken[,] die zur Navigation verwendet werden können. Mit Laserscannern tastet das FTF seine Umgebung ab und extrahiert aus den ermittelten Daten Merkmale. Diese versucht es mit den ihm aus der Karte bekannten Landmarken in Deckung zu bringen und daraus seine Position zu bestimmen.“38
35 Vgl. ebd., S. 8. 36 Ebd., S. 7. 37 Vgl. ebd., S. 3. 38 Luz; Hilmer und Compagna: „CASERO: Genese und Entwicklungsstand“, a. a. O., S. 5.
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5.1.2.2 Der Forschungsroboter Care-O-Bot-3 Der erste Prototyp des Care-O-Bot-3 wurde im Jahr 1998 vorgestellt. Er konnte sich zuverlässig in einer Umgebung bewegen, in der auch Menschen präsent waren. Im Jahr 2002 kam es zu einer Weiterentwicklung. Die zweite Version des Care-O-Bot-3 konnte nun zusätzlich nach Gegenständen greifen. Außerdem konnte er als Gehhilfe genutzt werden. Im WiMi-Care-Projekt kam nun die dritte Entwicklungsstufe zum Einsatz. Sie wurde 2008 vorgestellt. Der Care-OAbbildung 2: Der Care-O-bot-3 Bot-3 kann sich in alle Richtungen beim Jahr 2010 wegen, hat komplexeres Greifwerkzeug und verfügt über ein 3-D-Sensorensystem, über das er sich im Raum orientieren und Gegenstände lokalisieren kann.39 Im Kontrast zu seinen beiden Vorgängern hat er außerdem ein „Design- und Interaktionskonzept“40 erhalten. Grundlage hierfür war, dass durch Studien zur Mensch-Roboter-Interaktion deutlich wurde, dass Menschen dem Roboter anhand seiner äußerlichen Erscheinung Stärken und Fähigkeiten zuschreiben. Ziel dabei war: Aufgrund „seiner spezialisierten Funktion als Haushaltshilfe und Butler soll Care-O-Bot-3 nicht als Abbild des Menschen gesehen werden, sondern eQuelle: Fraunhofer IPA her als ein mit erweiterter Funktionalität ausgestattetes Haushaltsgerät.“41 Daher wurde der Roboter nicht humanoid gestaltet, sondern es sollte seine technische Funktionalität im Vordergrund stehen. Der Roboter Care-O-Bot-3 ist konzipiert als „mobiler Haushaltsassistent […] zur Unterstützung des Menschen im Haushalt.“42 Er ist ein Forschungsroboter, der
39 Vgl. Graf, Birgit; Theo Jacobs (2009): Care-O-bot. Genese und Entwicklungsstand, Working Brief 6. URL: https://www.uni-due.de/wimi-care/workingbriefs.php (zuletzt abgerufen am: 21.12.2014), S. 1–2. 40 Ebd., S. 2. 41 Ebd. 42 Ebd., S. 1.
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dazu dient, als „Demonstrator für die Kernkompetenzen und Schlüsseltechnologien des Fraunhofer IPA in der Servicerobotik“ zu fungieren. Der Roboter soll den Stand der Technik und Forschung des IPA zeigen.43 Außerdem ist er ein Serviceroboter. Die drei Entwicklungsstufen des Care-O-Bot-3 werden von der Herstellereinrichtung als Serviceroboter verstanden. Was ein Serviceroboter ist, beschrieb die zuständige Mitarbeiterin des Forschungsinstituts mithilfe einer Definition, die zu Projektbeginn bereits 13 Jahre alt war. Die Mitarbeiterin verwies darauf, dass die Definition am IPA formuliert worden sei und noch immer Gültigkeit besitze. Es wurde somit die Tradition und Identität des IPA fortgeführt. Die ursprüngliche Definition stammt von Rolf Dieter Schraft und Hansjörg Volz, die sie 1996 publizierten. Schraft war zu diesem Zeitpunkt Leiter des Forschungsinstituts, an dem die Care-O-Bot-Roboter entwickelt wurden. Die Definition lautet: „Ein Serviceroboter ist eine frei programmierbare Bewegungseinrichtung, die teil- oder vollautomatisch Dienstleistungen verrichtet. Dienstleistungen sind dabei Tätigkeiten, die nicht der direkten industriellen Erzeugung von Sachgütern, sondern der Verrichtung von Leistungen für Menschen und Einrichtungen dienen.“44 Diese Definition hat zwei wesentliche Dimensionen. Zum einen beschreibt sie den Roboter als Bewegungseinrichtung. Zum anderen kennzeichnet sie ihn als Verrichter von Dienstleistungen. Die Bewegungseinrichtung verfügt über zwei Klassifikationen. Sie ist beliebig programmierbar und verfügt über einen spezifischen Grad an Autonomie. Auf der anderen Seite sind Dienstleistungen als Tätigkeiten definiert, die verrichtet werden, um Menschen und Einrichtungen zu unterstützen. Die technische Gestaltung bleibt dabei unbestimmt. Das Ziel und damit die Norm der Technik wird als dienerisch festgelegt. Aufseiten der Anwendung und Nutzung soll die Technik sich adaptiv zum Menschen verhalten, und zwar auf eine besonders zuvorkommende Weise. Die Implementierungssituation wird nicht thematisiert. Serviceroboter werden von den Entwicklern mithilfe einer Darstellung der International Federation of Robotics (IFS) klassifiziert. Dort werden sie nach der Art der Fortbewegung, der Art der Manipulatoren sowie dem Steuerungssystem unterschieden. Außerdem unterscheiden die Entwicklerinnen zwischen Einsatzfeldern. Dabei gibt es gewerbliche und häusliche Anwendungen. Im gewerblichen Sektor kamen mit dem Stand aus dem Jahr 2007 die meisten Serviceroboter militärisch zum Einsatz. Die zweitmeisten kamen in der Land- und Forstwirtschaft zum Einsatz und dort in Form von Melkrobotern. Fast alle Serviceroboter wurden 43 Ebd., S. 4. 44 Rolf Dieter Schraft und Hansjörg Volz zit. n. Graf, Birgit (2009): Servicerobotik: Definition und Potential, Working Brief 5 (zuletzt abgerufen am: 21.12.2014), S. 1.
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zu dem Zeitpunkt teleoperiert, das heißt ferngesteuert. Lediglich Poolreinigungsroboter agierten autonom. Im gewerblichen Sektor wurden im Jahr 2007 9789 Serviceroboter verkauft, bei einer jährlichen Zunahme um 23,5 % zwischen 2003 und 2007. Im häuslichen Sektor wurden im Jahr 2007 1,26 Mio. Serviceroboter verkauft. Hier lag der jährliche Zuwachs bei 43 %. Die meisten Serviceroboter im Haushalt kamen zu dem Zeitpunkt zum Saugen des Bodens oder zum Mähen des Rasens zum Einsatz. Diese Systeme können vollautonom agieren. Deutlich wird an dieser Darstellung bereits, dass Serviceroboter im gewerblichen Sektor bislang Spezialentwicklungen sind, die nicht in Massenproduktion hergestellt und verkauft werden.45 Außerdem wird deutlich, welche Ziele in der Forschung der Servicerobotik wichtig sind. Insbesondere die Problemlagen des Autonomiegrades und der Steuerung werden zur Unterscheidung dargestellt und machen es verständlich, warum dies beim Care-O-Bot-3 ein wichtiger Bestandteil ist. In der Darstellung der IFA und in ihrer Zusammenstellung durch das IPA werden die Steuerung und die Fortbewegung der Roboter in den Mittelpunkt gerückt. Bei zahlreichen Servicerobotern ist sie teleoperiert, bei wenigen vollautonom. Wir können hier also von Steuerung der Tätigkeit und Steuerung des Gerätes sprechen. Dieses kann vollautonom, teilautonom, teleoperiert oder zufallsgesteuert sein. Die Begriffe werden nicht definiert und nicht explizit eingeführt, sondern als selbstverständlich verwendet. Damit ist ein wesentliches Problem der Forschung von Servicerobotik und ein gewichtiger Aspekt von Care-O-Bot-3 genannt: die Art der Steuerung und das Ziel, eine Vollautonomie insbesondere der Fortbewegung zu erreichen. Ein weiterer Aspekt, der bei der Entwicklung von Care-O-Bot-3 wichtig ist und ebenfalls zur Erweiterung des Forschungsstandes zählt, ist das Interaktionsdesign. Das wird aber erst im Verlauf des Projekts deutlich und zu Beginn nicht explizit angeführt. 5.1.2.3 Soziale Problemlage: Was ist wessen Bedarf? Ein Ziel des WiMi-Care-Projekts war es, die beteiligten Akteure über die Szenarienentwicklung zu verbinden. Die Szenarien dienten als „Grenzobjekte“46 der beteiligten Akteure. Ziel war es, die Bedürfnisse der Anwender und die Möglichkeiten der Technik auf einem möglichst hohen Niveau miteinander zu verbinden. Es wurden die Bedürfnisse der Nutzer von dem Soziologieteam und den Interfacedesignern erfasst. Die Verwendung der Bedarfsanalyse sollte dazu führen, dass die Anwendung der Technik im Hinblick auf die Tätigkeiten der Nutzer nicht normativ ist, sondern funktional. Das Soziologieteam grenzte sich von einer normativen 45 Vgl. ebd., S. 2–4. 46 Compagna; Derpmann; Mauz und Shire: „Methoden für eine Bedarfsanalyse zum Zweck einer nutzerzentrierten Technikentwicklung“, a. a. O., S. 6.
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Übertragung von Bedeutung von den Entwicklern auf die Technik ab und leitete aus der Definition der funktionalen Partizipation verschiedene Notwendigkeiten und Konsequenzen ab. Diese sah es insbesondere in der eindeutigen Identifikation der „relevanten Personengruppen“ sowie in der frühzeitigen Einbindung von ihnen „in die Entwicklungsschritte“, um eine hohe öffentliche Akzeptanz der Technik zu erzielen.47 Es war das Ziel, eine sozial akzeptierte Technik zu entwickeln und dafür eine als geeignete Methode definierte Vorgehensweise zu optimieren. Die Notwendigkeit, die die beiden Moderationsakteure (Soziologieteam und Interfacedesigner) daraus herleiteten, bestand darin herauszufinden, welche Akteure die Technik nutzen würden, da sie die soziale Akzeptanz in Bezug auf die späteren Nutzer sahen und dabei ihren Schwerpunkt auf die direkten zukünftigen Anwender der Technik im Sinne eines Werkzeugs legten. Die zweite Konsequenz war, dass sie den Anwender in den Entwicklungsprozess einbeziehen wollten. Das Ziel war also, eine sozial akzeptierte Technik zu entwickeln, in der eine Form der zukünftigen Anwendergruppe in den Entwicklungsprozess eingebunden war. Am Anfang der Analyse stand folglich, dass die Moderatorinnen die entsprechenden Nutzer und ihre Tätigkeit in dem Feld in den Vordergrund stellten. Diese Relevanz und auch das praktische Tun sollten nicht nur in ihrer expliziten Form erfasst werden, sondern auch in ihren impliziten Dimensionen. Dies ging einher mit einer genauen Identifikation derjenigen, die in diesen sozialen Tätigkeiten relevant waren. Diese sozialen Tätigkeiten sollten dann in die Technik übersetzt werden, und zwar in der Form, dass die Interpretationen der Entwickler sowie das technisch Mögliche immer wieder mit denen abgesprochen wurden, deren Tätigkeit übersetzt werden sollte und umgekehrt. So sollte gewährleistet werden, dass das entwickelte technische Produkt den tatsächlichen Bedürfnissen der Nutzer entsprechen würde und gleichzeitig nur solche Aspekte angegangen würden, die auch technisch realisierbar waren.48 Die Bedarfsanalyse war eine übergeordnete Strategie des Soziologieteams, damit das in die Technik übersetzt wurde, was die Nutzer der Technik wünschten, und das, was von den Entwicklern als technisch machbar betrachtet wurde. Diesen Vorgang bezeichnete das Soziologieteam als funktionale Partizipation.
47 Compagna; Derpmann; Mauz und Shire: „Die Relevanz von Bedarfsanalysen für innovative Technikentwicklungen“, a. a. O., S. 4. 48 Vgl. hierzu auch ebd; Compagna; Derpmann; Mauz und Shire: „Methoden für eine Bedarfsanalyse zum Zweck einer nutzerzentrierten Technikentwicklung“, a. a. O; Compagna; Derpmann; Mauz und Shire: „Erste Methodenreflexion“, a. a. O.
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Die Methoden der Bedarfsanalyse waren die Einzelstrategien. Hierfür wurden zunächst die Bedürfnisse der Nutzer durch Methoden der qualitativen Sozialforschung in einer stationären Pflegeeinrichtung erhoben. In einer einwöchigen Bedarfsanalyse wurden zwei examinierte Pflegekräfte bei ihrer Arbeit begleitet und beobachtet. Je nach Situation wurden Ad‐hoc- oder problemzentrierte Interviews mit den Pflegekräften geführt. Zusätzlich wurden Bewohnerinnen und Ergotherapeuten befragt. Am Ende der Woche wurden die Ergebnisse und Beobachtungen des Soziologieteams in einem Fokusgruppengespräch mit 6 Pflegekräften thematisiert. Dadurch lag der Schwerpunkt im Allgemeinen auf der Pflege und auf der Übersetzung der Tätigkeit der Pflegekräfte im Besonderen. Die erste Runde der Bedarfsanalyse schloss mit zwei wesentlichen Konstatierungen. Die erste war, dass die Pflegekräfte die überwiegenden Handlungsträger seien und somit als wesentliche Akteure in der funktionalen Partizipation eingebunden werden müssten. Die zweite war, dass die Pflegekräfte sich überwiegend Erleichterung bei täglich anfallenden Routinetätigkeiten wünschten. In einem zweiten Schritt wurde das Ziel, die konkreten Abläufe der im ersten Schritt als wesentliche Akteure identifizierten Pflegekräfte mit zu erfassen, angegangen. Die Bewohnerinnen des Pflegeheims nahm das Team zu großen Teilen als skeptisch gegenüber einem Einsatz von Servicerobotern in ‚ihrer‘ Pflegeeinrichtung wahr.49 Die Pflegeleitung sah in dem Roboter eine Möglichkeit, die Institution Pflegeeinrichtung zu optimieren. Daher konstatierte das Soziologieteam: „Als potenzielle Anwender und Nutzer bilden letztlich beruflich Pflegende die eigentliche Quelle für eine funktionale Partizipation.“50 Die Leitlinie bei der Entwicklung der Szenarien, die die Roboter ausführen sollten, war die folgende: „Der sinnvolle Einsatz von Technik im Allgemeinen
49 Siehe Derpmann, Stefan (2010): Nutzerzentrierung und Partizipation. Herausforderungen der aktiven Mitgestaltung des Innovationsprozesses, WiMiCare-Zwischenworkshop
am
4.10.2010.
URL:
https://www.uni-due.de/wimi-care/zwischen-
workshop.php (zuletzt abgerufen am: 07.12.2015). Vgl. hierzu auch Compagna, Diego; Stefan Derpmann; Kathrin Mauz und Karen A. Shire (2009): Zwischenergebnisse der Bedarfsanalyse für den Einsatz von Servicerobotik in einer Pflegeeinrichtung: Einstellung pflegebedürftiger Senioren, Working Brief 9. URL: https://www.uni-due.de/wimicare/workingbriefs.php (zuletzt abgerufen am: 21.12.2014). 50 Siehe Derpmann: „Nutzerzentrierung und Partizipation“, a. a. O. Vgl. hierzu auch Compagna, Diego; Stefan Derpmann; Kathrin Mauz und Karen A. Shire (2009): Zwischenergebnisse der Bedarfsanalyse für den Einsatz von Servicerobotik in einer Pflegeeinrichtung: Leitungs- vs. operative Ebene, Working Brief 8. URL: https://www.unidue.de/wimi-care/workingbriefs.php (zuletzt abgerufen am: 21.12.2014).
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muss zwischen dem technisch Machbaren und dem sozial Erwünschten eine Brücke schlagen.“51 Ein sinnvoller Einsatz wurde – wie oben ausgeführt – in der Übernahme von Routinetätigkeiten des Pflegepersonals gesehen. Diese könnten „technisch zufriedenstellend umgesetzt werden, um somit das Personal deutlich zu entlasten und Ressourcen für eigentliche Pflegetätigkeiten zu erhöhen.“52 An dieser Stelle entstanden erste Aushandlungen darüber, was das technisch Machbare und was das sozial Erwünschte ist. Für die Entwickler der Technik lag der besondere Reiz darin, den Grad der Autonomatisierung der Roboter auszuloten. Als realistisch schätzten sie ein, dass die Roboter sich automatisch bewegen. Deswegen war es wichtig, dass das Projekt an einer stationären Einrichtung stattfand und die Roboter nicht in mobilen Pflegesituationen eingesetzt wurden, da diese auf eine stabile Raumsituation angewiesen waren. Außerdem konnten anspruchsvolle Interaktionen noch nicht verlässlich von den Robotern ausgeführt werden.53 Auf der anderen Seite stand das sozial Erwünschte. Während der Begleitung der Pflegekräfte sammelten die Moderatoren zahlreiche Informationen und Eindrücke von der Nutzergruppe. Insbesondere gelangten sie an Informationen über ihre Berufspraktiken und die Einstellungen der Pflegekräfte. Ihre Einstellung zum Roboter war überwiegend, dass er für sie dort akzeptabel sei, wo er sie bei ihrer Arbeit entlastet. Das bedeutete, vor allem dort, wo sie insbesondere körperliche Routinetätigkeiten aufgeben würden.54 Für „die Pflegekräfte ging es […] um das Selbstverständnis ihrer Profession und ihres Tuns und ihrer eigenen Expertise“55. Das Pflegepersonal befürchtete einen möglichen Arbeitsplatzverlust, wenn Roboter Pflegetätigkeiten übernehmen sollten, und versuchte dem entgegenzuwirken, indem es den Wert und das Image des Pflegeberufs möglichst hochhalten wollte.56 Einige Pflegekräfte lehnten es ab, dass die Serviceroboter die
51 Compagna, Diego; Stefan Derpmann; Kathrin Mauz und Karen A. Shire (2009): Zwischenergebnisse der Bedarfsanalyse für den Einsatz von Servicerobotik in einer Pflegeeinrichtung: Routine- vs. Pflegetätigkeiten, Working Brief 7. URL: https://www.unidue.de/wimi-care/workingbriefs.php (zuletzt abgerufen am: 21.12.2014), S. 1. 52 Ebd. 53 Vgl. hierzu ebd., S. 2. 54 Diego Compagna, interviewt von Jens Koolwaay, a. a. O., S. 12. 55 Ebd., S. 12–13. 56 Vgl. Compagna; Derpmann; Mauz und Shire: „Zwischenergebnisse der Bedarfsanalyse für den Einsatz von Servicerobotik in einer Pflegeeinrichtung: Routine- vs. Pflegetätigkeiten“, a. a. O., S. 4–5.
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Bewohnerzimmer befahren oder konkrete pflegerische Tätigkeiten übernehmen.57 Für die Pflegekräfte war es eine notwendige Bedingung, dass der Roboter eine Unterstützung für sie wäre und keine Konkurrenz. Die Nutzer strebten nach einem hohen Maß an Transparenz in Bezug auf den Ort und die Bewegung der Roboter. Das drückte sich etwa darin aus, dass sie in der Pflege jederzeit rückmelden sollten, wo sie sich befänden und was sie gerade täten. Die Nutzergruppe wollte die Kontrolle über die Situation behalten und sich nicht nach dem Roboter richten müssen.58 5.1.3
Szenarienentwicklung
Als Ergebnis aus der Bedarfsanalyse und dem Abgleich mit dem technisch Machbaren wurden Szenarien entwickelt. Hierbei setzten die Interfacedesigner das szenariobasierte Design ein.59 Dies fungiert als „multidirektionale Übersetzungsleistungen“60. Die Moderatorinnen setzten es ein, da insbesondere das Soziologieteam davon ausging, dass die verschiedenen Akteure verschiedene Vorstellungen von dem hatten, was übersetzt werden sollte: „Es sollte darum gehen, ein Verfahren zu finden, dass dazu in der Lage ist, sehr heterogene Personengruppen mit sehr unterschiedlichen Orientierungen, Zielsetzungen und einem sehr unterschiedlichen Kenntnisstand über das, worum es geht, erfolgreich miteinander kommunizieren zu lassen. Also, in gewisser Weise ist so ein partizipatives Verfahren auch immer
57 Vgl. Cieslik, Silvana; Peter Klein (2012): Serviceroboter in der Pflege. Akzeptanz und Potentiale am Beispiel des Forschungsprojekts WiMi-Care, in: Veröffentlichung der User Interface Design GmbH. URL: http://www.uid.com/de/aktuelles/publikationen/cieslik-s-klein-p-serviceroboter-in-der-pflege.html
(zuletzt
abgerufen
am:
29.07.2016), S. 27. 58 Vgl. hierzu insbesondere Cieslik, Silvana (2011): Umsetzung der Benutzerschnittstellen für die Einsatzszenarien, WiMiCare-Abschlussworkshop am 15.9.2011. URL: https://www.uni-due.de/wimi-care/abschlussworkshop.php (zuletzt abgerufen am: 07.12.2015). 59 Zum Szenariobasierten Design vgl. Cieslik, Silvana; Peter Klein; Diego Compagna und Karen A. Shire (2012): „Das Szenariobasierte Design als Instrument für eine partizipative Technikentwicklung im Pflegedienstleistungssektor“, in: Shire, Karen A; Jan Marco Leimeister (Hrsg.): Technologiegestützte Dienstleistungsinnovation in der Gesundheitswirtschaft, Wiesbaden: Gabler Verlag, S. 85–110; Peter Klein, interviewt von Jens Koolwaay, a. a. O., S. 7–11. 60 Diego Compagna, interviewt von Jens Koolwaay, a. a. O., S. 8.
126 | DIE SOZIALE W ELT DER R OBOTER auch ein Übersetzungsinstrument, das eben zwischen sehr heterogenen Personengruppen übersetzt.“61
Und weiter: „[Für] uns Soziologen und Soziologinnen war dabei von Anfang an allerdings klar, dass es, gerade was den Kenntnisstand betrifft, ein Gefälle in beiden Richtungen gibt. Also die Robotiker sind Experten ihres Faches, also Experten im Hinblick auf die Entwicklung von Robotern eben und die Pflegekräfte sind Experten der Pflegearbeit und der Pflegeorganisation in einer Pflegeeinrichtung und die Bewohner sind Experten des Alltags in einer Pflegeeinrichtung […]. Das heißt, es sollte schon darum gehen, ein Verfahren zu finden, das erfolgreich das Wissen aller Gruppen verteilt und zu den anderen Gruppen bringt. Es sollte jetzt nicht nur darum gehen, ein Verfahren zu finden, das jetzt das Wissen der Robotiker […] runterskaliert, vereinfacht ausdrückt, oder trivialisiert, […] damit dann die Nicht-Robotiker sie verstehen, sondern es sollte schon auch darum gehen, dass die Robotiker die Pflegekräfte besser verstehen.“62
Das szenariobasierte Design kam also zum Einsatz, um eine egalitäre Informationsstruktur zwischen den Projektpartnern und den Nutzern zu etablieren. Das Expertentum des einen Feldes (Pflegekraft: Experte für Pflegearbeit und Pflegeorganisation; Bewohner: Experte für Alltag) sollte von einem Experten eines anderen Feldes (Robotiker) verstanden werden und umgekehrt. Der nächste Schritt bestand darin, die Ziele der einen Akteursgruppe den anderen über Szenarien deutlich zu machen. Das geschah so, dass „die Anwendungsmöglichkeiten der Technik in den Kontexten […] wie in einer Geschichte nacherzählt [werden], mit sehr vielen Bildern. […] Das führt dazu […], dass sich alle besser verstehen, weil wir über das Visuelle sehr viele Informationen aufnehmen und auch komplizierte Sachverhalte eben anschaulich werden und verständlich werden und insofern dachten wir, dass das eine passende Methode wäre, sowohl um den Pflegekräften und Senioren nahezubringen, wie die Roboter dann zum Einsatz kommen würden, indem sie das dann sehen. Aber auch andersherum, dass die Ingenieure dann auch verstehen, wie die Situation aus der Perspektive der Pflegekräfte aussieht oder aus der Perspektive der Senioren. Also eine bestimmte Situation, in der die Roboter dann eingesetzt werden sollen, also dieses Visuelle und Narrative, eben diese Szenarien, die als Hauptinstrument in diesem Verfahren verwendet werden, haben wir als großen Vorteil dieser Methode wahrgenommen.“63 61 Ebd. 62 Ebd. 63 Ebd., S. 9.
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Nacherzählt wurde mit den Szenarien, was die Bedarfsanalyse ergeben hatte. „[Im] Zentrum steht der Nutzer oder die Nutzerin, die ja eine bestimmte Situation erlebt, ohne Technik, und dann geht man hin und setzt sozusagen die Technik ein. Erstmal nur in dieser Geschichte, also in den Bildern, und erzählt diese Geschichte noch mal neu, mit der Technik und so hat man sozusagen einen A-B-Vergleich. Also, man hat erstmal die Situation der potenziellen Nutzer ohne Technik und dann hat man die gleiche Situation mit der Technik, so wie die Technik eingesetzt werden könnte“.64
Diejenigen, die die Methode der funktionalen Partizipation verwenden, sind folglich diejenigen, die übersetzen. Sie übersetzen in beide Richtungen. In dem WiMiCare-Projekt geschieht dies durch das Soziologieteam sowie die Interfacedesigner. Nach der Bedarfsanalyse wurden die Tätigkeiten der identifizierten Nutzergruppe idealtypisch nacherzählt: „Das ist ein eigener Arbeitsschritt im Grunde bei diesem Verfahren, dass man diese besonders hervorgehobenen Nutzergruppen durch ein idealtypisches Mitglied der jeweiligen Gruppe versucht zu repräsentieren […] man versucht dann die besonders herausstechenden Merkmale der Mitglieder, der Personengruppe, um die es in dem Kontext geht, in dem man sich bewegt, zu identifizieren und diese Persona […] dann zuzuordnen […]. Das heißt, bei den Pflegekräften ging es natürlich schon noch beispielsweise um den kulturellen Hintergrund, weil der natürlich eine Rolle spielen könnte im Hinblick auf die Interaktion mit den Bewohnern oder auch auf die Interaktion mit den Kolleginnen und Kollegen. Aber es ging jetzt nicht darum, welche Musikrichtung diejenige mag oder so.“65
Die einzelnen Szenarien fungieren dabei als Nacherzählungen der Aktivitäten der Pflegekräfte. Sie bestehen jeweils aus „einer Anwendungssituation“, „einem oder mehreren Akteuren mit persönlichen Zielen“, „Werkzeugen und Objekten, mit denen Akteure umgehen“. Sie beschreiben die „Abfolge von Handlungen und Ereignissen, die zu einem Ergebnis führen.“66 Bei den Szenarien haben wir es also mit einer moderierten und inszenierten Aushandlung einer wechselseitigen Übersetzung zu tun. Es wurde zunächst die Praktik der Pflege durch die Pflegekräfte in der Narration erfasst. Eine Kernessenz 64 Ebd. 65 Ebd., S. 21. Vgl. zu Personas auch Peter Klein, interviewt von Jens Koolwaay, a. a. O., S. 10–11. 66 Klein, Peter (2011): Die nutzerzentrierte Entwicklung von AAL-Systemen in der Pflege, WiMiCare-Abschlussworkshop am 15.9.2011. URL: https://www.uni-due.de/wimicare/abschlussworkshop.php (zuletzt abgerufen am: 07.12.2015).
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daraus wurde szenisch dargestellt. Für das Erzählte war die Pflegekraft die Expertin, für die Narration die Soziologinnen und für die Darstellung der Szene waren es die Interfacedesigner. Dann wurde dies von den Entwicklern interpretiert und im Hinblick auf das technisch Machbare beurteilt. Die Auswahl dessen, was implementiert werden sollte, fand dann in Aushandlung mit den einzelnen Expertengruppen statt. Darauf komme ich im Anschluss zu sprechen. Es gibt bei der Übersetzung einen genuinen Unterschied. Bei der Pflegekraft war die persönliche Erfahrung abstrahiert und von den Soziologen als Idealtypus mit ihrer Vorstellung von dieser Sozialität objektiviert. Bei der Technik interpretierten die Entwickler die visuelle Darstellung der Narration über ihre persönliche Vorstellung von der sozialen Situation. Außerdem entwickelten sie auch die Darstellung der Aspekte, die in ihrem Professionsverständnis technisch möglich waren. Insgesamt wurden vier Szenarien übersetzt, auf jeden der beiden Roboter jeweils zwei. In den CASERO wurden das Transportszenario und das Nacht-Notfall-Szenario implementiert. Auf den Care-O-Bot-3 wurden das Getränke- und das Aktivitätsszenario übertragen. Die Entscheidung, welche Szenarien technisch umgesetzt werden sollten, bedurfte einiger Diskussionen und Aushandlungen. Einige Szenarien waren unumstritten, andere wurden kontrovers besprochen. Bei allen beteiligten Akteursgruppen akzeptiert war das sogenannte Transportszenario, das in den CASERO implementiert wurde. Für die Pflegekräfte war dies eine Erleichterung und es wurde ihnen eine beschwerliche Routinetätigkeit abgenommen, was sie sehr begrüßten. Die pflegebedürftigen Senioren befürworteten das Transportszenario, da sie nicht mit dem Roboter in Kontakt kommen würden. Außerdem war für sie dadurch gewährleistet, dass sie weiterhin sicher waren und der Roboter zu keiner Instabilisierung ihres bisherigen Umfeldes beitragen könnte. Schließlich befürworteten sie, dass die Pflegekräfte entlastet werden sollten und dadurch mehr Zeit für sie haben könnten. Der dritte Akteur des Pflegeheims, die Pflegeleitung, befürwortete die Entlastung der Pflegekräfte und die damit mögliche Eindämmung der starken Fluktuation im Personal, da er den Arbeitsplatz dadurch attraktiver machen könnte. Die Entwickler waren mit dem Szenario einverstanden, da sie die technische Umsetzung für möglich hielten und in ihm das Marktpotenzial sahen, einen Roboter mit solchen Funktionen auch verkaufen zu können.67 Das Szenario war also konfliktfrei, weil alle Beteiligten darin etwas Sinnvolles sahen, wenngleich sich die jeweiligen Interessen deutlich unterschieden. Für die Pflegekräfte hatte der Roboter das Potenzial, zu einem Werkzeug der Arbeitsgestaltung zu werden, für die pflegebedürftigen Seniorinnen das Potenzial für eine indirekte
67 Vgl. Diego Compagna, interviewt von Jens Koolwaay, a. a. O., S. 14–15.
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Verbesserung der eigenen Lebenssituation, für die Pflegeleitung konnte er zu einem Optimierungsmittel der Arbeitsorganisation und der Arbeitnehmerattraktivität werden und für die Entwickler machte das den Roboter unternehmerisch relevant, da sie die Funktionalität mit ihren Mitteln bearbeiten konnten und es für ökonomisch sinnvoll erachteten. Konfliktreich hingegen war das sogenannte Aktivitätsszenario, das in Care-OBot-3 implementiert wurde. Dieses wurde von allen Akteuren des Pflegeheims abgelehnt. Die Seniorinnen hatten kein Bedürfnis, mit dem Roboter zu interagieren. Die Pflegekräfte lehnten es ab weil sie: „irgendwo eine Grenze ziehen wollten und gesagt haben, okay, die Roboter sind da, uns zu unterstützen, Handlungen zu übernehmen, die uns sozusagen überlasten. Aber sie sind nicht dazu da, mit den pflegebedürftigen Senioren zu interagieren. […] Also, diese pure Interaktion zwischen Mensch und Maschine, so wie sie das dann oft auch ausgedrückt haben oder wahrgenommen haben, hatten wir das Gefühl, die war eben auch nicht erwünscht“.68
Auch die Pflegeleitung war lange skeptisch, ob dieses Szenario umgesetzt werden sollte. Es wurde dennoch implementiert.69 „Die Argumentation, die dazu geführt hat, dass wir das dann doch umgesetzt haben, war die, dass die Entwickler gesagt haben: Okay, aber die Ablehnung ist vielleicht auch deshalb so groß, weil eben die Technik so neu ist und die Senioren erst recht nicht und auch die Pflegekräfte nicht wissen, wie das denn wäre, mit so einem Roboter zu interagieren, und solange wir das nicht ausprobieren, werden wir es auch nie wissen.“70
Das hat das Soziologieteam dann überzeugt, seine Methode der Partizipation zu testen. „Wir probieren es aus, auch einfach um zu sehen, wie weit ist Partizipation noch immer zielführend, denn es kann ja durchaus sein, dass sozusagen radikale Innovation oder wirklich sehr neuartige Anwendungsweisen von sehr neuen Technologien niemals zum Einsatz kommen würden, wenn man immer nur danach geht, was sich die Menschen oder die Mehrheit wünschen, obwohl es unter Umständen sein könnte, dass ein entsprechender Einsatz 68 Ebd., S. 8. 69 Vgl. hierzu auch Compagna, Diego; Stefan Derpmann; Kathrin Mauz und Karen A. Shire (2009): Die Einstellung von Pflegekräften gegenüber technischen Neuerungen, Working Brief 15. URL: https://www.uni-due.de/wimi-care/workingbriefs.php (zuletzt abgerufen am: 14.11.2014). 70 Diego Compagna, interviewt von Jens Koolwaay, a. a. O., S. 13.
130 | DIE SOZIALE W ELT DER R OBOTER Sinn machen könnte, weil aufgrund der Tatsache, dass sich die Leute das nicht vorstellen können, aber das ist halt bis zuletzt im Grunde schon, sagen wir mal, eine offene Frage geblieben, ob man das jetzt so sehen sollte oder nicht.“71
Die Funktion wurde implementiert, da sowohl die Entwickler als auch die Projektkoordinatoren Wissenschaftler sind, die ein Forschungsinteresse an der Frage haben. Die einen wollen zusätzliche Funktionalitäten und Dimensionen der Servicerobotik testen und weiterentwickeln, die anderen sind an der Optimierung einer Partizipationsmethode interessiert. Mit dem Nacht-Notfall-Szenario und dem Getränkeszenario verblieben zwei weitere Szenarien. Bei diesen waren die Interessen der Nutzer verschieden gelagert. Es gab jeweils Nutzergruppierungen, die ihnen zustimmten, und andere, die sie ablehnten. Umgesetzt wurden sie aus dem gleichen Grund wie bei dem Aktivitätsszenario. Da es sich um ein Forschungsprojekt handelte, sollten die Roboter weiterentwickelt werden bzw. es sollte getestet werden, wie sie weiterentwickelt werden können und wie nicht. Außerdem ging es immer um eine Optimierung der Partizipationsmethode.72 Insgesamt fungierte das szenariobasierte Design als eine Übersetzungssprache, die als Strategie diente, um relevantes Wissen zwischen den Projektpartnern so zu kommunizieren, dass Experten eines Feldes das Wissen bei Expertenhandeln eines anderen Feldes einbeziehen und verwenden konnten. Es ist mit SchulzSchaeffer gesprochen eine handlungswirksame Durchsetzung bei heterogenen Gruppen durch visuelle Darstellung.73 Die Szenarien sind der Wandelpunkt, an dem alle beteiligten Akteure sichtbar werden. Es ist der Transformationsort, an dem der Wechsel stattfindet zwischen den Tätigkeiten der Pflegekräfte und den Tätigkeiten der Entwickler. 5.1.4
Die Implementierung der Roboter in die Sozialität Pflegeheim
Die Szenarien, die aus dem Bedarf und den Interessen der Akteure sichtbar geworden sind, wurden im nächsten Schritt in die Technik übersetzt. Hier verbanden sich insbesondere die Übersetzungsleistungen der Moderatorinnen mit den Entwicklern der Roboter. Die Techniker übersetzten die Moderationsleistung in die Technik und implementierten sie in der Sozialität Pflegeheim. Die Anpassung der
71 Ebd., S. 15–16. 72 Vgl. ebd., S. 15. 73 Vgl. Schulz-Schaeffer: „Handlungszuschreibung und Situationsdefinition“, a. a. O.
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Roboter war die Einbettung der erweiterten Technik in die Sozialität Pflegeheim. Das lief dann über zwei Pilotphasen ab. Für die Moderatorinnen stellten die „Pilotierungen […] einen wesentlichen Schritt im Rahmen nutzerorientierter Entwicklungen dar. Ihr Stellenwert geht weit über den einer bloßen Evaluierung der entwickelten Einsatzmöglichkeiten innovativer Technologien hinaus. Vielmehr müssen diese als integralen [sic!] Bestandteil eines erfolgreichen Wissenstransfers zwischen Nutzer und Entwickler angesehen werden.“74 Im Vordergrund steht dabei insbesondere, dass „die Abstimmungsbemühungen ‚kulminieren‘. Dies geschieht in zweifacher Hinsicht: Einerseits geht es um eine Evaluierung der ausgewählten Szenarien hinsichtlich ihrer technischen Machbarkeit, andererseits erfolgen gerade während der Pilotierung aber auch weitere äußerst wertvolle Abstimmungen zwischen den Entwicklern und den Nutzern.“75 Bei der ersten Pilotanwendung ging es primär um das Testen der technischen Machbarkeit der Szenarien und darum, einen ersten Eindruck von der Benutzerakzeptanz zu bekommen. Sie fand zur Halbzeit des Projekts statt und lief über fünf Tage. Es waren noch nicht alle Szenarien komplett umgesetzt. Es ging nun in größerem Maße darum, Erfahrungen für die technische Weiterentwicklung und die Koordination mit den anderen Projektpartnern zu sammeln. Die zweite Testphase lag am Ende des Projekts. Das Ziel war ein vollständiger Test der Szenarien. Beide Roboter sollten die Szenarientätigkeiten autonom ausführen. Die Pflegekräfte liefen dabei mit, kontrollierten und sammelten Informationen. Bei Care-O-Bot-3 wurde außerdem die Reaktion der Bewohnerinnen durch Beobachtungen und Interviews erfasst. Bei den Pilotierungen wurde deutlich, dass nicht alle Aspekte vorab in der Bedarfsanalyse erfasst werden konnten. So wurden in den Testphasen beispielsweise „Aspekte der Arbeitspraxis [sichtbar], die ohne eine probeweise Durchführung der Szenarien unentdeckt geblieben wären […]. Im Fall von Care-O-Bot-3 konnte hingegen erst durch die Praxisevaluierung die grundsätzliche Bereitschaft der Senioren mit dem Artefakt zu interagieren ermittelt werden.“76 Im Nachfolgenden deute ich die beiden Pilotphasen als Implementierung der Roboter in die Sozialität Pflegeeinrichtung. Die Implementierungssituation unterscheidet sich von der Herstellungssituation und von der Anwendungssituation. Bei der ersten geht es darum, dass die Roboter erstmalig von den Entwicklern in die Sozialität gesetzt werden und dort zum Einsatz kommen. Dies stellt ein Hybrid 74 Graf; Jacobs und Luz et al.: „Einsatz und Pilotierung mobiler Serviceroboter zur Unterstützung von Dienstleistungen in der stationären Altenpflege“, a. a. O., S. 277. 75 Ebd. 76 Ebd., S. 283. Die Orthografie entspricht der des zitierten Textes.
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aus Simulation und Realisation dar und unterscheidet sich folglich von den beiden anderen Situationen. Die Herstellungssituation im Labor oder der Werkstatt kann lediglich eine Simulation sein, die aus anderen Projekten und der professionellen Institutionalisierung heraus Deutungen und Entscheidungen vornimmt, die unabhängig von der Sozialität sind, in der die avancierte Technik dann operieren wird. Auf der anderen Seite operieren die Roboter in der Anwendungssituation ohne die Entwickler und ihren Herstellungskontext. Damit steht die Implementierungssituation der Roboter zwischen diesen beiden Phasen. Ich stelle sie im Nachfolgenden für jeden einzelnen Roboter dar. 5.1.4.1 Die Einbettung des CASERO in die Pflegeeinrichtung Als ein Hauptergebnis der Bedarfsanalyse übernehmen die Entwickler des FTF „die Entlastung des Personals durch die Übernahme von Routinetätigkeiten“77. Indem CASERO Transporttätigkeiten der Pflege übernimmt, sehen sie die Chance, das Personal zu entlasten und damit die Gesamtsituation des Pflegeheims zu verbessern, da die Pflegekräfte so mehr Zeit für die eigentliche Pflege aufwenden können. Sie unterfüttern dieses Argument zusätzlich mit einer Studie aus dem Jahr 2005 (europäische Next-Studie), die besagt, dass „der Arbeitszeitanteil von pflegefremden Tätigkeiten (bei denen Hol- und Bringdienste einen beträchtlichen Anteil ausmachen) bei examinierten Pflegekräften durchaus über 20 Prozent betragen kann“.78 Die Formulierung legt nahe, dass in der Studie nur pflegefremde Tätigkeiten angeführt werden und somit der eigentliche Anteil der Dienste nicht genau beziffert werden kann. Das Interesse scheint aber zu sein, dass der Anteil möglichst hoch ausfällt, damit der Roboter möglichst viele Tätigkeiten übernehmen kann. FTFs wurden bislang primär in Industriehallen eingesetzt. Zukünftig sollen sie auch in sozialen Feldern agieren, in denen sich Menschen bewegen. Die Entwickler sahen es daher als notwendig an, eine Reihe technischer Neuerungen in und Veränderungen an dem Roboter vorzunehmen. Es handelt sich dabei überwiegend um technische Veränderungen, insbesondere in der Navigation, der Größe, dem Gewicht sowie der Sicherheit der Umgebung. Soziologisch wichtig sind vor allem zwei Veränderungen: die Gestaltung der äußeren Erscheinung und die Steuerung der Bedienung.
77 Luz, Jochen; Matthias Hilmer und Diego Compagna (2010): Pilotanwendungen. Erkenntnisse für die Weiterentwicklung von Fahrerlosen Transportsystemen & -fahrzeugen, Working Brief 22. URL: https://www.uni-due.de/wimi-care/workingbriefs.php (zuletzt abgerufen am: 21.12.2014), S. 1. 78 Ebd., 1.
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Die Erscheinung von CASERO soll insbesondere ermöglichen, dass „sich Personen[,] die im täglichen Kontakt mit den Fahrzeugen sind, also BewohnerInnen und Pflegepersonal, möglichst schnell an die Fahrzeuge gewöhnen ohne diese als Fremdkörper zu betrachten.“79 Hier wird also eine soziale Haltung prävalent, die die Relationierung von Akteuren in einer Sozialität zeigt. Außerdem soll sich das FTF „optisch möglichst harmonisch in das Umfeld integrieren. Eine ansprechende, möglichst unaufdringliche Optik soll Berührungs- bzw. Begegnungsängste mildern und zu einer höheren Akzeptanz bei Bewohnern und Pflegepersonal führen.“80 Die Sozialität steht im Vordergrund, der einzelne Akteur soll sich in diese einfügen. Des Weiteren musste die Bedienung des Roboters verändert werden. Bei FTFs war sie bisher nur auf Entwickler ausgerichtet, die Einstellungen vornehmen und Fehlerdiagnosen stellen konnten. Nun sollen auch Benutzerinnen die Technik anwenden können, ihr somit „Befehle“ geben können. Dies bringt die Konsequenz mit sich, dass nun Nicht-Experten mit dem Roboter in Kontakt treten. Eine Möglichkeit wäre die Sozialisierung der Akteure durch Schulung. Dies schätzen die Entwickler als aufwendig und kompliziert ein. Deswegen ging das Projekt einen anderen Weg. Die Bedienoberfläche soll ‚intuitiv‘ gestaltet sein. Was intuitiv gestaltet bedeutet, darauf komme ich noch zu sprechen. Die technischen Veränderungen erfolgten insbesondere aus der Recherche und aus Überlegungen heraus, welche Veränderungen für den Roboter durch das veränderte Einsatzgebiet notwendig sind. Daraus ergab sich für die FTS-Entwickler, dass „CASERO möglichst klein und wendig ist, um sich z. B. auf Fluren und in Räumen bewegen zu können, wie sie in bestehenden Pflegeheimen anzutreffen sind, oder auch um z. B. Aufzugtüren zu durchfahren. Die hohe Wendigkeit wird durch den Einsatz eines Differentialantriebs gewährleistet. Außerdem soll das FTF ein möglichst geringes Gewicht aufweisen, um den geringeren Deckentraglasten gerecht zu werden. Es sollte so konstruiert sein, dass bestehende Böden nicht beeinträchtigt werden und es zusätzlich für Aufgaben gerüstet ist, die über den reinen Transport hinausgehen.“81
Außerdem nahm der Hersteller im Hinblick auf die Sicherheit in der Sozialität Veränderungen am Roboter vor. FTFs wurden bislang in Industrieanlagen eingesetzt. Dort hat der Einsatz von Laserscannern ausgereicht, um die Umgebung des 79 Luz; Hilmer und Compagna: „CASERO: Genese und Entwicklungsstand“, a. a. O., S. 4. Die Orthografie entspricht der des zitierten Textes. 80 Ebd. 81 Ebd.
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Fahrzeugs abzusichern. In der Pflegeeinrichtung werden zusätzliche Anforderungen gestellt, da für den Roboter unbekannte Gegenstände sonst nicht in ihrer Form erfasst werden können. Deswegen wurde in den Roboter eine 3D-Kamera eingesetzt, die für einen „Vollvolumen-Kollisionsschutz“ sorgen sollte.82 Schließlich stellten die Entwickler die Navigation von CASERO um, damit sie bauliche Veränderungen im Pflegeheim umgehen konnten. In Industrieanlagen wurden häufig Markierungen im Boden vorgenommen, an denen sich der Roboter orientieren kann. Im WiMi-Care-Projekt programmierten die Entwickler eine Karte der Station, an der er sich orientiert. Damit wird ein bestimmter Zustand der Station zu einem bestimmten Zeitpunkt auf Dauer gestellt. An der Umstellung der Navigation wird dann aber auch deutlich, wie umfangreich die Implementierung des Roboters in die Sozialität Pflegeheim zur Veränderung eben dieser Sozialität führte. Dies zeigte sich etwa daran, wie die FTFEntwickler die Navigation des Forschungsroboters übernahmen und welche Konsequenzen dies nach sich zog. Das grundsätzliche Problem war zunächst, dass bei den FTFs die spurgeführte Technologie gängig ist. Das bedeutet, dass in den Räumlichkeiten Markierungen – meist im Boden – angebracht wurden, die zu einer stabileren Navigation der Roboter führten. In der Pflegeeinrichtung konnten und sollten solche Bodenveränderungen nicht angebracht werden. Die Navigation des Care-O-Bot-3 ermöglichte die Navigation im Raum, ohne dass die Räumlichkeit vor Ort verändert werden musste. Der Roboter erfasste die räumliche Situation und seine Position direkt über seine Technik. Außerdem musste entsprechende Hardware – wie 3D-Kameras zur Entfernungsmessung – verbaut werden und entsprechende Software geschrieben werden, die eine autonome Navigation ermöglichte.83 Hier konnte der CASERO von dem Care-O-Bot-3 stark profitieren. Der CASERO übernahm die gleichen Hardwarekomponenten und die gleichen Algorithmen zur Bildverarbeitung wie der Care-O-Bot-3.84 Im Zuge der ersten Pilotierung wurde eine Nutzerbefragung durchgeführt und es wurden teilnehmende Beobachtungen angesetzt. Die Beobachtungen zielten auch auf einen Abgleich der Robotertätigkeiten mit der alltäglichen Praxis der Pflegekräfte ab. Ein Ergebnis dabei war, dass die Roboternavigation des CASERO mit der Praxis der bisherigen Transportroutinen kollidierte. CASERO fuhr nur in
82 Ebd., S. 6. 83 Vgl. Compagna, Diego; Stefan Derpmann; Thorsten Helbig und Karen A. Shire (2011): Wissenstransfer zwischen den Entwicklern von Assistenzrobotik und Fahrerlosen Transportsystemen, Working Brief 26. URL: https://www.uni-due.de/wimi-care/workingbriefs.php (zuletzt abgerufen am: 21.12.2014), 1. 84 Vgl. Compagna; Derpmann; Helbig und Shire: „Pilotanwendungen“, a. a. O., S. 6–7.
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einer Spur und blieb stehen, wenn ein Hindernis im Raum stand. Unter den Pflegekräften bestand die Routine, den Wäschebehälter an einem Ort stehen zu lassen und die gesamte Wäsche dorthin zu bringen. CASERO stand dann hinter dem Behälter und wartete, bis das Hindernis aus dem Weg geschafft wurde. Er agierte nicht selbst. Daraus zogen die Akteure des Projekts die Konsequenz, in der nächsten Pilotierung eine flexiblere Navigation anzuwenden. Dabei rekurrierten sie – wie oben ausgeführt – auf das Wissen und den Forschungsstand rund um Care-OBot-3. Die beiden FTS-Entwickler sowie das Sprachrohr des Soziologieteams fassten die ersten Erfahrungen aus dem Piloteinsatz zusammen. Die Entwickler zogen aus der ersten Pilotierung den Schluss, dass sich keiner durch die Anwesenheit von CASERO gestört fühlte.85 Sie deuteten dies als Zeichen der Akzeptanz und machten den Grund darin aus, dass CASERO über eine gelungene Optik und sichere Navigation verfügt. Wichtig war für sie dabei, dass CASERO voraussagbar agiert, weil er die Spur hält und eine konstante Geschwindigkeit fährt. Wichtig war ihnen außerdem, dass er Sicherheitsabstände einhält und Hindernisse sicher erkennt. Verbesserungsbedarf und Weiterentwicklung sahen sie darin, dass der FTF die Spur wechseln können sollte, da er sonst mit der Wäschepraxis kollidiert, d. h. von dieser aufgehalten wird. In der nächsten Pilotrunde sollte eine flexiblere Navigation getestet werden, damit der Roboter einem Hindernis ausweichen konnte und nicht so lange wartete, bis es aus dem Weg geschafft war. Außerdem ergab sich, dass die Stützräder den Anforderungen an die Umgebung nicht genügten. Sie mussten aus Platzgründen klein sein und waren dadurch anfällig für Bodenunebenheiten. Eine neuartige Konstruktion sollte die Lösung bringen und im nächsten Pilot getestet werden. Als Fazit zogen die Entwickler für die erste Pilotierung, dass die partizipative Technikentwicklung die Technikakzeptanz der Nutzer erhöht. Warum dies so ist, wird nicht ausgeführt. Außerdem schlossen die Entwickler, dass trotz der Einbeziehung der Nutzer nicht alle wesentlichen Aspekte antizipiert werden konnten. In der zweiten Pilotierung sollten die Weiterentwicklungen bewertet werden und „der Schwerpunkt [sollte] auf die Bedienbarkeit gelegt werden, um daraufhin schließlich das Entlastungspotenzial für das Personal abschätzen zu können.“86 Es kamen bei dem Roboter CASERO beide Szenarien zum Einsatz. Tagsüber übernahm er Transporte zwischen Bewohnerbereich und Keller. Abends wurde das Nacht-Notfall-Szenario getestet. Beim Transportszenario transportierte CASERO Schmutzwäsche von der Station in den Keller und frische Wäsche vom Keller in
85 Vgl. Luz; Hilmer und Compagna: „Pilotanwendungen“, a. a. O., 3. 86 Ebd., S. 4.
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die Station. Die Transportfahrt wurde von den Pflegekräften beauftragt und eingegeben. Der Transport erfolgte automatisch. Das Notfallszenario konnte nur simuliert werden. CASERO erkannte eine auf dem Boden liegende Testperson und informierte das Personal. CASERO navigierte mit der Nutzung der natürlichen Landmarken sicher durch das Gebäude. Er fuhr mit konstanter Geschwindigkeit, um für die anwesenden Personen ein voraussagbares Ereignis zu sein. Er hielt einen Sicherheitsabstand ein und erkannte Hindernisse sicher. Aus Praxisevaluierungen wurden weitere Schlüsse für die Weiterentwicklung gezogen. U. a. wurde eine Alternative zu rollbaren Containern anvisiert, da die in dem Projekt verwendete Variante einen hohen Platzbedarf hatte und daher nicht für alle Räumlichkeiten infrage kam. 5.1.4.2
Der Repräsentant der Forschung: Care-O-Bot-3 in der Pflegeeinrichtung Die grundsätzliche Haltung der Entwickler des Care-O-Bot-3 war eine gänzlich andere als die der Entwickler des CASERO. Sie sahen den Care-O-Bot-3 als Forschungsroboter, der den Stand der Forschung und Technik des IPAs zeigen sollte, damit war er Repräsentant der Einrichtung in einer anderen Umgebung. Er wurde nicht in diese eingebettet. Deutlich wurde dies in der ersten Pilotierung. Die FTFEntwickler waren an dem konkreten Feld interessiert, setzten eigene Ideen spontan um und beobachteten und testeten, wie die Nutzer auf die Technik reagierten. Die Entwickler der Assistenzrobotik (AR) waren insbesondere an Forschungsinteressen orientiert, was sich hierbei v. a. auf die Umsetzung des technisch Machbaren bezog. Sie suchten wenig Austausch mit den sie umgebenden Bedingungen und Akteuren, sondern blieben bei der Pilotierung in erster Linie bei ihren Artefakten.87 Deutlich wird dies auch daran, dass die FTF-Entwickler von der Navigation des Forschungsroboters profitieren können. Darauf werde ich später noch zu sprechen kommen. Die Navigation des Care-O-Bot-3 ermöglicht die Navigation im Raum, ohne dass die Räumlichkeiten vor Ort verändert werden müssen. Die Entwickler des Care-O-Bot-3 gingen auch mit den Ergebnissen der Bedarfsanalyse anders um. Für sie wurde extern definiert, was die nun zu erreichende Aufgabe war und dass sie das Ziel umsetzen sollten. Herausgekommen waren zwei Szenarien, die sie nun implementierten. Für den Care-O-Bot-3 sind dies das Getränkeszenario und das Unterhaltungsszenario, was gelegentlich auch Aktivi-
87 Vgl. Compagna, Diego; Stefan Derpmann; Thorsten Helbig und Karen A. Shire (2010): Pilotanwendungen. Evaluation partizipativer Technikentwicklung, Working Brief 20. URL: https://www.uni-due.de/wimi-care/workingbriefs.php (zuletzt abgerufen am: 21.12.2014).
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tätsszenario genannt wird. Beide Szenarien waren sozial umstritten. Das Getränkeszenario sollte ausloten, wie komplex die Interaktion zwischen Roboter und Maschine schon belastbar gestaltet werden konnte. Das Unterhaltungsszenario war in dem Projekt sehr umstritten, da die Pflegekräfte darin eine Pflegetätigkeit sahen, die der Roboter dann übernehmen würde, und sie dies strikt ablehnten. Für die Entwickler und die Soziologinnen war es hingegen sehr attraktiv, um zum einen den Stand der Technik zu testen und zum anderen die Möglichkeit der sozialwissenschaftlichen Methode auszuprobieren. Darauf komme ich später noch zu sprechen. Die Anpassungen an den Care-O-Bot-3 fokussierten sich zunächst auf das Getränkeszenario, da die Entwickler dieses als technisch anspruchsvoller einschätzten. Das Szenario wurde zunächst vereinfacht und nur auf die primäre Funktionalität reduziert. Diese waren das Holen und Bringen von Wasser. Dies wurde in Einzelaufgaben zergliedert und entsprechend umgesetzt. Der Roboter fuhr zum Wasserspender, zapfte dort Wasser, fuhr zu den Bewohnerinnen und bot diesen durch Sprachausgabe an, den Becher zu entnehmen. In der ersten Pilotanwendung wurde deutlich, dass der Roboter sicher durch das Pflegeheim fahren konnte, da er nicht an Flurmarkierungen gebunden war. Deutlich sichtbar wurde in dem Test auch, dass die Interaktion mit den Bewohnern große Herausforderungen an den Roboter und seine Entwickler stellte. Dies betraf zum einen die Sprachausgabe des Roboters und zum anderen die schnelle räumliche Veränderung durch Bewohnerinnen. Die Roboterentwickler hatten den Eindruck, dass die Bewohnerinnen den Roboter nicht immer ernst nahmen. Rein funktional gesehen gelang die Getränkeübergabe. Schwierigkeiten bereiteten unvorhergesehene Ereignisse. Manchmal waren anvisierte Wege in der Zwischenzeit verstellt, was den Roboter vor unlösbare Schwierigkeiten stellte. Die Entwickler sahen die Notwendigkeit, „die Zuverlässigkeit und Robustheit gegenüber unvorhergesehenen Situationen“88 zu verbessern. Auch war der Roboter an dieser Stelle noch nicht vollständig autonom. Dies sollte in Zukunft dadurch gewährleistet werden, dass er über die Kameras Becher besser erkennen sollte. Es sollte über bessere Technik und bessere Programmierung der Technik eine Lösung gefunden werden.Insgesamt plädierten die Entwickler dafür, dass: „Care-O-Bot-3 möglichst wenig offensichtliche Fehlfunktionen und Aussetzer haben darf, da er sonst schnell als ‚dumm‘ abgetan werden könnte. Um den Eindruck willkürlichen 88 Jacobs, Theo; Birgit Graf (2010): Pilotanwendungen. Ergebnisse für die Weiterentwicklung des Care-O-bot® 3 hinsichtlich benötigter Fähigkeiten und Akzeptanz, Working Brief 23. URL: https://www.uni-due.de/wimi-care/workingbriefs.php (zuletzt abgerufen am: 21.12.2014), S. 4.
138 | DIE SOZIALE W ELT DER R OBOTER Verhaltens zu vermeiden, sollte der Roboter in der Lage sein, die Menschen mit ihrem Namen anzusprechen und sie individuell darauf hinzuweisen, wie viel Flüssigkeit sie bereits zu sich genommen haben.“89
Damit erhielt der Roboter eine genuin soziale Dimension. Der Roboter sollte von der allgemeinen Bewerkstelligung der Aufgabe zu einer individualisierten übergehen. Dieser Übergang musste zwingend sozial gestaltet werden. Deutlich wurde außerdem die Haltung, dass ein Akteur kompetent wirken soll. Er soll für Expertise stehen und nicht, wie im Gegenteil, als „dumm“ dastehen. Hinzu kommt außerdem die Norm des Wassertrinkens, der Verteilung von Verantwortung und die neue Verteilung von Aushandlung über die getrunkene Menge. Der Roboter erfasst numerisch in einer Datenbank eine getrunkene Menge. Es gibt keine kommunikative und narrative Besprechung zwischen Bewohnerinnen und Pflegekräften, sondern eine rein numerische Erfassung, die einseitig durchgeführt und vermerkt wird. Das Getränkeszenario erweiterten die Entwickler. In der ersten Pilotierung hatte es eine Fokussierung auf die äußerlich sichtbare Aktivität, die beim Menschen primär physisch ist. In der zweiten Pilotierung implementierten die Entwickler die Funktion, dass der Roboter über seine Kameras die Bewohner identifizieren konnte. Dabei vermerkte der Roboter in einer Datenbank, wie viel die entsprechende Person getrunken hatte. Er nahm dabei den Füllstand des Glases an, nicht die tatsächlich getrunkene Menge. Es ging nun nicht mehr alleine um die physische Tätigkeit, die in dem Entwicklungsstadium des Szenarios bislang an den Roboter delegiert wurde. Nun ging es auch um Normen: Wie viel soll ein Mensch trinken und wer ist dafür zuständig, dass dieser Wert gelebt und eingehalten wird? Zwischen der ersten und zweiten Pilotierung wurde außerdem die Sprachausgabe des Roboters überarbeitet. Durch neue Ansprachen sollte der Roboter die Bewohner stärker davon überzeugen, die Getränke zu nehmen und zu trinken. Während im ersten Testdurchlauf die Bewohner die Getränke überwiegend aus Höflichkeit zu nehmen schienen, aber nicht tranken, führte die veränderte Sprachausgabe nun auch dazu, dass die Getränke getrunken wurden.90 In der zweiten Pilotierung wurde nun außerdem das zweite Szenario in den Roboter implementiert. In dem Unterhaltungsszenario fuhr der Roboter einen Raum an. Dort wurde
89 Ebd., S. 5. Die Orthografie entspricht der des zitierten Textes. 90 Dies. (2011): Fazit. Grundlegende Erkenntnisse aus dem Einsatz von Care-O-bot 3 in WiMi-Care, Working Brief 31. URL: https://www.uni-due.de/wimi-care/workingbriefs.php (zuletzt abgerufen am: 21.12.2014), S. 4.
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dann ein Lied oder ein Spiel abgespielt. Angeleitet wurde dies von einer Ergotherapeutin. Der Roboter war lediglich die technische Unterstützung. Technisch war dies ohne Probleme möglich. Im zweiten Testdurchlauf wurde der Roboter mit den Szenarien erstmals komplett autonom ausgeführt. Dabei gab ihm das Pflegepersonal einen Auftrag, den er dann ohne weitere externe Steuerung durchführte. Als Ergebnis kam heraus, dass sich der Roboter sicher in der sozialen Einrichtung bewegen konnte. Das Befüllen der Wasserbecher war technisch anspruchsvoll und dauerte lange. Dem Roboter gelang das in den meisten Fällen. „In einigen Fällen traten jedoch Schwierigkeiten bei der kameragestützten Lokalisierung des Wasserspenders auf, bedingt durch schlechte Lichtverhältnisse.“91 Die Bedienung der Bewohner durch den Roboter war zum Teil mit großen Schwierigkeiten verbunden, da anvisierte Personen in der Zwischenzeit von Hindernissen umgeben waren. Auch die Erkennungssoftware hatte Schwierigkeiten, die Personen zu identifizieren. Deutlich blieb, dass der Care-O-Bot-3 ein Forschungsroboter ist. Soziale Dimensionen und Konsequenzen blieben bei ihm am Rande sichtbar, waren aber noch nicht explizit Thema. Er fungierte als Repräsentant eines Forschungsstands einer naturwissenschaftlichen Forschungseinrichtung, der in anderen sozialen Feldern seine Kompetenz und Haltung zeigte. 5.1.5
Ein sich abzeichnendes Netzwerk
Die beiden Roboter hatten verschiedene technische Abläufe, sie nutzten unterschiedliche Kommunikationsformen. Die Interfacedesigner fungierten hier als Mediator und sorgten für einen einheitlichen Standard, indem sie eine einheitliche „Kommunikationsschnittstelle in Form eines XML-Protokolls“92 einführten. Dadurch konnten die Roboter miteinander technisch kommunizieren. Außerdem sorgten die Interfacedesigner für eine gemeinsame Benutzeroberfläche und eine darunterliegende gemeinsame Datenbank, sodass insgesamt ein sozio-technisches Netzwerk entstand, das verschiedene Komponenten und Aspekte verband. Sie betrachteten es als ihre Aufgabe, das „Verhalten [der Roboter; JK] und die Technikakzeptanz“ bei den Anwenderinnen zu verbessern.93 Die erste Komponente war, dass ein bisher vorhandenes räumliches Problem, das darin bestand, Markierungen anzubringen, um den Roboter punktgenau durch
91 Ebd., S. 2. 92 Compagna; Derpmann; Helbig und Shire: „Wissenstransfer zwischen den Entwicklern von Assistenzrobotik und Fahrerlosen Transportsystemen“, a. a. O., 2. 93 Vgl. Peter Klein, interviewt von Jens Koolwaay, a. a. O., S. 14.
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den Raum navigieren zu können, über Softwareprogrammierung und Sensorentechnik gelöst wurde. Somit wurden Raum und Technik miteinander assoziiert. Die zweite Komponente verband Pflegekräfte und Technik sowie Technik und Technik. Die Roboter bekamen kompatible Benutzeroberflächen, die „auf eine gemeinsam genutzte technische Infrastruktur angewiesen“94 waren. Dafür wurden ein Kommunikationsprotokoll (XML) eingeführt, ein W-LAN und ein Leitrechner eingerichtet. Die Einrichtung des Netzwerkes übernahm der FTF-Hersteller, der dies kommerziell betreibt und über die entsprechenden Routinen verfügt. Außerdem wurde die Möglichkeit für die Pflegekräfte geschaffen, sich über Smartphones und Computer mit dem Netzwerk zu verbinden. Dem zugrunde lag eine Datenbank, die sich über alle technischen Geräte (auch die Roboter) nutzen ließ. Außerdem konnten die Roboter nun über mobile Geräte gesteuert werden oder Funktionen von ihnen genutzt werden. Damit die Pflegekräfte mit den Robotern in Kontakt kommen konnten, wurden weitere technische Komponenten in das Netzwerk aufgenommen. Dazu gehörten der Leitrechner, die Datenbank sowie die technische Infrastruktur.95 Die Entstehung des soziotechnischen Netzwerks lief über die beiden Pilotphasen. In der ersten Pilotphase wurden Prototypen für die Bedienoberflächen der Roboter entwickelt. Dies war zunächst auf ein Smartphone und das Display von CASERO beschränkt. Bei der Gestaltung der Benutzeroberfläche legten die Designer großen Wert auf eine einfache Bedienung, um auf große Schulung für das Personal verzichten zu können. Deswegen stand ein schlankes Menü mit zahlreichen vorgegebenen Auswahlmöglichkeiten, die per Touchscreen bedient werden konnten, im Vordergrund.96 In der ersten Pilotanwendung sollten primär das technisch Mögliche ermittelt, technische Problemen aufgespürt und Lösungen gefunden werden. So sollte etwa getestet werden, ob die Position des Roboters auf dem Smartphone richtig angezeigt wurde. Gleichzeitig wurden erste Tests zur Bedienbarkeit des Displays bei CASERO durchgeführt. Diese beschränkten sich darauf, die ideale Benutzungshöhe und den richtigen Winkel für den idealen Lichteinfall herauszufinden. Diese entsprachen auch der dazugehörigen DIN-Norm.97 94 Compagna; Derpmann; Helbig und Shire: „Wissenstransfer zwischen den Entwicklern von Assistenzrobotik und Fahrerlosen Transportsystemen“, a. a. O., S. 2. 95 Vgl. hierzu insgesamt Gmür, Martin; Christiane Hartmann und Peter Klein (2010): Pilotanwendung. Erkenntnisse für die Weiterentwicklung der Nutzer-Artefakt-Schnittstellen und Bedienoberflächen, Working Brief 24. URL: https://www.uni-due.de/wimicare/workingbriefs.php (zuletzt abgerufen am: 14.11.2014). 96 Vgl. Cieslik: „Umsetzung der Benutzerschnittstellen für die Einsatzszenarien“, a. a. O. Vgl. hierzu auch Peter Klein, interviewt von Jens Koolwaay, a. a. O., S. 18. 97 Vgl. Gmür; Hartmann und Klein: „Pilotanwendung“, a. a. O., S. 1–2.
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Aus der ersten Pilotphase schloss der Interfacedesigner, dass für die zweite Testphase die Bedienoberflächen so weit gestaltet sein sollten, dass über sie der vollständige autonome Ablauf der Szenarien gewährleistet wäre. Es sollte in der nächsten Testphase herausgefunden werden, wie gut die Anwenderinnen mit der Bedienoberfläche zurechtkamen. Im Anschluss an die zweite Testphase wurden die Anwender zu ihren Eindrücken befragt. Die Steuerung der Roboter übernahmen zum einen die Entwickler, indem sie die Möglichkeiten und Befehle implementierten, die der Roboter ausführen konnte. Zum anderen vollzogen sie vor Ort die Pflegekräfte, da sie die Autorisierung erhielten, die Roboter zu steuern. Die Pflegekräfte erhielten außerdem Zugang zu Daten über das Trinkverhalten der Bewohner und Ähnliches. Dazu sollten sie Tätigkeiten ausführen, die ein „typischer Manager oder Controller jetzt macht.“98 Der Manager kann sich Statistiken über das Trinkverhalten und Aufenthaltsorte ansehen, Tätigkeitslisten durchgehen und planen, zu welchem Zeitpunkt der Roboter was tut, wodurch die Abläufe in der Pflegeeinrichtung strukturiert werden. Die Bewohnerinnen konnten mit dem Care-O-Bot-3 singen oder Spiele spielen. 5.1.6
Verstetigung der Ergebnisse: Die ausgedehnte Gegenwart
Am Ende des Projekts stand die Verbindung zwischen den Antworten auf die Ausgangslagen der Projektteilnehmer sowie die Konsequenz für zukünftige Projekte und die Herangehensweise. Alfred Schütz hat von der ausgedehnten Gegenwart gesprochen, einer Situation, in die die Vergangenheit und Zukunft hineinragen und die gleichzeitig als Situation von Akteuren gestaltet werden muss.99 Während ich bisher die Problemlage und die Wege zu ihrer Bearbeitung thematisiert habe, möchte ich nun auf die Aspekte zu sprechen kommen, die aus dem Projekt in die Zukunft hineinragen. Ich nenne sie daher Verstetigung der Ergebnisse. Dies umfasst die Entwicklung von Geschäftsmodellen. Um die Roboter dauerhaft in das Dienstleistungssegment einzuführen, müssen sie wirtschaftlich gemacht und entsprechend verkauft werden können. Des Weiteren umfasst es die Forschung. Zwei der teilnehmenden Akteursgruppen sind Forschungsgruppen und haben primär wissenschaftliche Interessen.
98 Peter Klein, interviewt von Jens Koolwaay, a. a. O., S. 24. 99 Vgl. Schütz, Alfred [1958] (1972): „Tiresias, oder unser Wissen von zukünftigen Ereignissen“, in: Studien zur soziologischen Theorie. hrsg. v. Brodersen, Arvid, Den Haag: Nijhoff, S. 259–278.
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5.1.6.1 Das Geschäftsmodell Die Roboter sollen marktreif werden, das bedeutet, dass es für Dienstleistungsunternehmen attraktiv sein soll, Roboter zu erwerben und in ihrem Betrieb auszuführen. Das Soziologieteam versucht Geschäftsmodelle zu empfehlen. Diese basieren auf den Erfahrungen des WiMi-Care-Projekts. Sie betrachten die Entwicklung von Geschäftsmodellen als „Innovationsmanagement“100, da es noch keinen Vorläufer gebe und somit auch keine praktischen Erfahrungen vorlägen. Deswegen versuchen sie sich an wissenschaftlicher Forschung, insbesondere in Form eines Leitfadens zu Innovationsmanagement, zu orientieren. Es geht dabei um eine Maximierung von Varianz und Flexibilität, da es um die Einführung einer Neuerung geht, die noch nicht auf etablierte Sozialitäten zurückgreifen kann und sich somit noch nicht festlegen soll. Für entscheidend halten die Soziologinnen außerdem eine umfangreiche Stakeholderanalyse. Hierbei schätzen sie den Pflegesektor als „schwer voraussagbar“101 ein. Außerdem müssen insbesondere Krankenkassen und Angehörige für die Entwicklung von tragfähigen Geschäftsmodellen einbezogen werden. In einem Geschäftsmodell muss insbesondere diesen beiden Akteuren aufgezeigt werden, was die Robotertechnik besser machen kann. Insgesamt bleibt dieser Aspekt vage. Wichtig sind die darin enthaltenen Doppelungen, die bereits in dem sich abzeichnenden Netzwerk sichtbar wurden. Es geht um eine Kombination von bisher getrennten Bereichen, so wird das Technische mit dem Ökonomischen verbunden und auch das Technische mit dem Sozialen. Im Hinblick auf die stärkere soziale Einbindung sehen die Entwickler es insbesondere als wichtig an, die „Entwicklung einer leistungsfähigen, multimodalen Interaktion zwischen Menschen und Servicerobotern, die innerhalb gewisser Grenzen eine Wahrnehmung und Deutung menschlichen Handelns, ggf. im Zusammenspiel mit der Umgebung einschließt“, voranzutreiben.102 Schließlich publizierten der Sprecher des Soziologieteams und die Leiterin der Pflegeeinrichtung jeweils einen Artikel in einer Fachzeitung für die Leitung von Altenheimen. Der Soziologe stellte das gesamte Projekt in seinem Ablauf dar und blieb hier der wissenschaftlichen Darstellung verhaftet. Er arbeitete u. a. heraus,
100 Compagna, Diego; Stefan Derpmann; Thorsten Helbig und Karen A. Shire (2011): Allgemeine Hinweise für die Entwicklung von Geschäftsmodellen, Working Brief 28. URL: https://www.uni-due.de/wimi-care/workingbriefs.php (zuletzt abgerufen am: 14.11.2014), S. 1. 101 Ebd., S. 2. 102 Vgl. ebd.
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dass sich durch den Einsatz der Roboter „die Gesamtsituation der Pflegeeinrichtung verbessert, da das Personal mehr Zeit für Pflegetätigkeiten aufwenden kann.“103 Insgesamt kam er zu folgendem Schluss: „In naher Zukunft könnten Fahrerlose Transportsysteme dem Pflegepersonal Routineaufgaben wie Hol- und Bringdienste abnehmen sowie eine Unterstützung bei der Nachtwache und ähnlichen Kontrollaufgaben bieten. Der Anwendungsbereich stark interaktiv ausgerichteter Assistenzrobotik-Anwendungen […] wird in absehbarer Zeit keine Marktreife erreichen. Hier besteht weiterhin Forschungsbedarf – sowohl auf technischer als auch auf sozialer Seite.“104
Besonders hebt er hervor, dass durch den Einsatz von FTF die Arbeitssituation des Pflegepersonals verbessert werden könne, nicht aber, dass es dadurch eingespart werden könne. Die Leiterin der Pflegeeinrichtung stellte die beiden Roboter aus der Perspektive der Pflege vor. Sie sah in dem CASERO eine gute Entlastung des Personals, im Care-O-Bot-3 Möglichkeiten für die Pflege. Beispielsweise fiel ihr auf, dass ein dementer Mann glücklich und zufrieden wirkte, nachdem der Roboter ihm eine einfache Frage gestellt hatte, da er eine ebenso einfache Antwort darauf geben konnte. Auf Fragen des Pflegepersonals reagierten einige Demente deutlich gereizter. Die Leiterin sah daher im Getränkeszenario „eine bahnbrechende Möglichkeit, dementen Menschen zusätzlich Getränke anbieten zu können.“105 Gleichzeitig sah sie weiterhin die technische Limitierung und empfahl ihren Kolleginnen und Kollegen, dass der Roboter von Pflegekräften kontrolliert werden sollte. Hierbei sahen die Entwickler der beiden Roboter insbesondere die Notwendigkeit, diese einfach zu gestalten, d. h. insbesondere die Steuerung zu vereinfachen, damit es zu einer „Senkung der Anschaffungs- und Unterhaltskosten [kommt], so dass die Investition [sic!] für die Träger der Einrichtungen attraktiver werden.“ Technisch muss in ihren Augen die „Robustheit“ erhöht und die „Fehlertoleranz“ minimiert werden. Außerdem bedarf es der „Entwicklung tragfähiger Geschäftsmodelle für Einsatz und Wartung von Servicerobotern, die beispielsweise auch Krankenkassen an der Finanzierung beteiligen.“106
103 Compagna, Diego (2011): „Roboter können Pflegekräfte entlasten“, in: Altenheim. Lösungen fürs Management, Jg. 50, Nr. 7, S. 16–19, hier S. 17. 104 Ebd., S. 19. 105 Blume, Gabriele (2011): „Service-Roboter im Pflegeheim. Hilfreich und geduldig“, in: Altenheim. Lösungen fürs Management, Jg. 50, Nr. 7, S. 20–23, hier S. 23. 106 Jacobs; Graf: „Fazit“, a. a. O., S. 5.
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Die Entwickler des Assistenzroboters sehen in der Service-Robotik einen ähnlich zukunftsträchtigen Markt wie seinerzeit bei Computern und Mobiltelefonen. Allerdings wird dieser aktuell noch „durch hohe Entwicklungs- und Komponentenkosten gebremst.“107 Die Entwickler des Care-O-Bot-3 sehen bei FTF und anderen einfachen Robotern im Haushaltssektor bereits eine Wirtschaftlichkeit als gegeben an. Für komplexe Serviceroboter wie den Care-O-Bot-3 sehen sie diese noch nicht. Für sie ist der Roboter „noch mindestens zehn Jahre von einer flächendeckenden Markteinführung entfernt.“108 Das FTF CASERO hingegen ist nach Ende des Projekts bereits wirtschaftlich und marktreif. Es wird bereits im Dienstleistungssektor eingesetzt.109 5.1.6.2 Forschungsergebnisse Die Ergebnisse für die Forschung betreffen insbesondere das Testen der Methode, die Beteiligung der Nutzerinnen am Entwicklungsprozess sowie die technische Weiterentwicklung von Servicerobotik. Als Situation für die Pflegekräfte schließt das Soziologieteam, dass es einen grundsätzlichen Bedarf an Entlastung der Pflegekräfte gibt und dies insbesondere über das Transportszenario geschehen kann. Die drei anderen Szenarien lassen sich in den Augen des Soziologieteams nicht eindeutig generalisieren.110 Der CASERO wurde insgesamt als Gewinn für die Pflegeeinrichtung von allen Anwenderinnen wahrgenommen. Sie störten sich nicht an dem automatisch fahrenden Transportroboter. Dies wurde in den Augen der Projektakteure dadurch erreicht, dass er genau navigierte, eine konstante Geschwindigkeit fuhr und eine ansprechende Optik hatte. Dadurch stellte er „ein voraussagbares Ereignis dar, auf das man sich ‚einstellen‘ kann.“111 Sowohl die Pflegekräfte als auch die Pflegeleitung sahen in dem Roboter das Potenzial, zur Entlastung der Pflegekräfte beizutragen. Die Interfacedesigner berechneten die Zeit, die Pflegekräfte für Transporte aufbringen müssen und die man entsprechend einsparen könnte.112 107 Graf, Birgit; Kai Pfeiffer (2010): „James, reichen Sie mir bitte die Zeitung“, in: Economic Engineering. Das Wirtschaftsmagazin für Ingenieure, o.J., Nr. 5, S. 26–29, hier S. 26. 108 Ebd., S. 29. 109 Vgl. hierzu Peter Klein, interviewt von Jens Koolwaay, a. a. O., S. 13. 110 Vgl. Compagna, Diego; Stefan Derpmann; Thorsten Helbig und Karen A. Shire (2011): Zweite Methodenreflexion. Fallkontrastierung bei Bedarfsanalysen, Working Brief 27. URL: https://www.uni-due.de/wimi-care/workingbriefs.php (zuletzt abgerufen am: 14.11.2014), S. 4–5. 111 Compagna; Derpmann; Helbig und Shire: „Pilotanwendungen“, a. a. O., S. 7. 112 Vgl. ebd., S. 7–8.
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Auf eine geringere Akzeptanz stieß der Serviceroboter bei den Anwenderinnen. Schwierig war hier die nicht vorhandene Vorhersehbarkeit der Bewegungen des Roboters, da dieser sich völlig frei im Raum bewegte. Dies stieß bei Bewohnern und Pflegekräften gleichermaßen auf Ablehnung. Das Personal bemängelte außerdem, dass das Getränkeszenario deutlich zu langsam ablief und somit in der Realität nicht eingesetzt werden könnte. Die überarbeitete Sprachausgabe des Care-O-Bot-3 sowie sein Verbeugen wurden von den Bewohnerinnen als höflich empfunden. Die Ablehnung des Roboters sank dadurch. Das szenariobasierte Design bewerten die Soziologinnen als zielführend. Es führte zu einem hohen Maß an Veranschaulichung, wodurch die Szenarien zu einer „hohen Übersetzungsleistung“113 beitrugen, was bedeutet, dass die Erzählung von Tätigkeiten und Ereignissen der Pflegekräfte dazu führte, dass die Entwickler der Roboter die entsprechenden Szenarien für die Sozialität Pflegeeinrichtung passend auf die Roboter umsetzen konnten. Die Beschränkungen des Verfahrens sah das Soziologieteam darin, dass frühe Pilotanwendungen auch durch die visuelle Darstellung der Szenarien nicht ersetzt werden konnten. Außerdem konstatierte es, dass die Szenarien anfällig waren für unvorhergesehene Effekte. Dies war insbesondere dann der Fall, wenn eine geringe Detailtiefe in der visuellen Darstellung zu Missverständnissen führte. Hier empfehlen die Soziologen einen hohen Detailreichtum, der auch in Form von Bemerkungen vorliegen sollte, da nicht alles zeichnerisch darstellbar sei. Deutlich wird dies etwa an der Größe der Wäschebehälter: „Im Rahmen der Erprobung des Transportszenarios – das genauso wie das Getränkeszenario noch vor der Entwicklung und ersten Pilotierung mehrfach zwischen Nutzern und Entwicklern auf der Grundlage eines gezeichneten Szenarios abgeglichen worden ist – stellte sich heraus, dass die Nutzung der Behälter für die schmutzige Wäsche eine erhebliche Belastung für die Pflegekräfte darstellte, da die oben liegende Öffnung zu hoch war. Schmutzwäschesäcke können, da sie teilweise nasse Wäsche enthalten, bis zu 15 Kg [sic!] wiegen. Für Pflegekräfte bedeutete dies, dass diese schwere Last je nach Statur bis auf Brusthöhe gehoben werden musste, um diese in den Container ablegen zu können. Wie sich im Nachhinein herausgestellt hat, ist für den Abgleich der Szenarien bis zuletzt eine recht frühe Skizze, die den Casero mit einem Wäschebehälter zeigt, verwendet worden. Diese war für die grundsätzliche Abstimmung völlig ausreichend. Was die Größe des Behälters betrifft, haben die Pflegekräfte die Zeichnung vermutlich emblematisch aufgefasst ohne darauf hinzuweisen, 113 Dies. (2011): Fazit. Generierung einer Wissenstransferschleife für partizipative Technikentwicklung
im
Pflegedienstleistungssektor,
https://www.uni-due.de/wimi-care/workingbriefs.php 14.11.2014), S. 7.
Working (zuletzt
Brief
35.
abgerufen
URL: am:
146 | DIE SOZIALE W ELT DER R OBOTER dass der Behälter für einen sinnvollen Einsatz zu klein ist – um daraufhin zugleich anzugeben, wie groß er sein soll bzw. vielmehr sein darf. Die Entwickler sind wiederum ebenfalls stillschweigend und selbstverständlich davon ausgegangen, dass der Behälter, um funktional zu sein, größer ausfallen muss. Obwohl sich letztlich die Entwicklung des Transportszenarios an den groben Vorgaben des Szenarios orientierte, kam es offensichtlich zu einer Addition zweier entgegengesetzter ‚Abweichungen‘: Die Pflegekräfte haben während der Designphase die Größe des Behälters auf den Zeichnungen ‚nicht so genau genommen‘ und der tatsächlich [sic!] Behälter ist in seiner Ausführung (selbstredend) größer – allerdings zu groß – als auf den Skizzen ausgefallen“.114
Eine weitere Schwierigkeit der Methode wurde rund um um die wichtige Praktik der Entwickler deutlich. Diese verwendeten häufig ein „Rapid Prototyping“115, wonach sie auf Probleme, die in der Implementierungssituation auftraten, ad hoc reagierten. Das ließ sich mit dem szenariobasierten Design nicht vorab verbinden.116 Insgesamt konnte das Soziologieteam die Frage, ob eine permanente Einbeziehung der Nutzerinnen etwas genuin Sinnvolles sei, nicht eindeutig beantworten. Ein Aspekt, der dem widersprach, war, dass bestimmte Handlungsroutinen in der Sozialität Pflegeeinrichtung das Testen von bestimmten Innovationen nicht ermöglichten, da dies das Brechen mit bisherigen Routinen bedeutet hätte, worauf sich die Pflegekräfte nur schwer einlassen wollten. Eine große Schwierigkeit dabei war, dass die Szenarien in einer Schwebe zwischen Herstellungs- und Implementierungssituation blieben. Es war für alle Nutzer deutlich ersichtlich, dass die Roboter in Testsituationen zum Einsatz kamen und es keine alltägliche Anwendungssituation war. Dadurch ließ sich lediglich das Transportszenario eindeutig testen und beurteilen, da dies so robust und alltagsnah war, dass sowohl Seniorinnen als auch Pflegekräfte es als real und unmittelbar wahrnehmen konnten.117 5.1.6.3 Entwicklung der Technik Insgesamt kommt das Projekt zu dem Ergebnis, dass Roboter die Pflegekräfte in Pflegeeinrichtungen entlasten können. Die zentralen Projektakteure folgern daraus, dass man mit Robotern einem „erwarteten Pflegenotstand“ entgegentreten 114 Cieslik; Klein; Compagna und Shire: „Das Szenariobasierte Design als Instrument für eine partizipative Technikentwicklung im Pflegedienstleistungssektor“, a. a. O., S. 102–103. Die Orthografie entspricht der des zitierten Textes. 115 Compagna; Derpmann; Helbig und Shire: „Fazit“, a. a. O., S. 5. 116 Vgl. ebd., S. 6–7. 117 Vgl. Diego Compagna, interviewt von Jens Koolwaay, a. a. O., S. 16–17.
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könne. 118 Die Anwendungen des FTF werden schon heute als umsetzbar angesehen. Im Bereich der komplexeren Interaktion des Serviceroboters sehen die Akteure weiteren Bedarf an Forschung und Entwicklung. Das FTF wird als die robustere Technik eingeschätzt. Sie hat von der auf Innovation und Forschung ausgelegten Servicerobotik des IPA profitiert, indem sie Aspekte aus der Navigation übernahm und dennoch vorhersagbar blieb.119 Ein Kernpunkt für die Entwicklung von Robotern im Dienstleistungssektor ist für die Entwickler des Care-O-Bot-3 „die gleichzeitige Verarbeitung der verschiedenen Informationen auf Navigation, Sensorik und Aktorik.“120 Damit sind die drei Forschungsschwerpunkte genannt. Die Navigation hat die große Herausforderung, dass sie bei frei beweglichen Robotern drei Aspekte kombinieren muss. Sie muss eine Antwort finden auf die Lokalisierung im Raum, sie muss ein Ziel festlegen, zu dem der Roboter geht, und planen, wie er zu dem Ziel kommt. Schließlich muss der Roboter dabei vermeiden, mit anderen Gegenständen und mit Personen zu kollidieren. Die Aktorik zielt darauf ab, die Interaktion des Roboters mit seiner Umgebung zu erhöhen. Der Care-O-Bot-3 verfügt über einen Greifarm. Dieser muss sowohl mit seiner Umgebung synchronisiert werden als auch mit der Roboterplattform selbst. Schließlich ist die Sicherheit bei der Manipulation von Gegenständen durch den Roboter ein gewichtiger Forschungsgegenstand. Die 3-Sensorik bietet dabei wichtige Informationen, die entsprechend erforscht und ausgewertet werden müssen. Eine weitere wichtige Dimension rund um die Sensorik ist die Objekterkennung. Der Roboter muss erkennen, welches Objekt vor ihm ist und welche Beschaffenheit es hat, damit er berechnen kann, wie er es greift. Wichtig ist dabei, dass nicht jedes einzelne Objekt einprogrammiert werden muss, sondern dass der Roboter durch das Erkennen von mehreren Merkmalen auf die Art des Objekts schließen kann.121
118 Luz; Hilmer; Jacobs und Graf: „Fazit: CASERO Szenarien für WiMi-Care Technische Herausforderungen“, a. a. O., S. 12. 119 Vgl. Compagna; Derpmann; Helbig und Shire: „Pilotanwendungen“, a. a. O., S. 8–9. 120 Graf; Pfeiffer: „James, reichen Sie mir bitte die Zeitung“, a. a. O., S. 27. 121 Zum Forschungstand von Care-O-Bot-3 vgl. Graf, Birgit; Ulrich Reiser; Martin Hagele; Kathrin Mauz und Peter Klein„Robotic home assistant Care-O-bot® 3 - product vision and innovation platform“. 2009 IEEE Workshop on Advanced Robotics and its Social Impacts (ARSO), S. 139–144; Graf; Pfeiffer: „James, reichen Sie mir bitte die Zeitung“, a. a. O.
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5.2 L ISA UND DIE
PROFESSIONALISIERTE
S OZIALITÄT
Der Roboter Lisa ist ein Service-Roboter, der als Lehrforschungsprojekt weiterentwickelt wird und der mit dem RoboCup Teil einer eigens für die Roboter geschaffenen Sozialität ist. Ich wähle Lisa als zweiten Fall aus, um – als Theoretical Sampling der Grounded Theory – einen mit dem WiMi-Care-Projekt stark kontrastierenden Fall zu haben. Ein diametral entgegengesetzter Aspekt an dem Fall ist die exklusiv geschaffene Sozialität. Im WiMi-Care-Projekt sollen die Roboter in eine bestehende Sozialität implementiert werden. Lisa und das Team Homer bewegen sich mit dem Roboter in einer extra geschaffenen sozialen Welt. Für meine nachfolgende Analyse habe ich die sechs wesentlichen Kategorien, die ich bereits durch das offene und axiale Kodieren des WiMi-Care-Projekts gewonnen hatte, für diese Fallstudie übernommen. Die übergeordnete Kernkategorie bleibt die Sozialitätskonstruktion, die in diesem Projekt primär eine Stabilisierung und Professionalisierung eines sozialen Zustands, der dazugehörigen Forschungsinstitution und somit der damit einhergehenden Berufshaltung ist. Die Kernkategorie dimensionalisiert sich hier nicht über sechs Kategorien, sondern über fünf. Den Grund dafür führe ich unten aus. Die erste Kategorie ist auch in diesem Fall die Festsetzung der Ausgangslage, in ihr werden die Ziele festgelegt, die das Projekt verfolgt. Sie liegen insbesondere im Lehrcurriculum und in der Weiterentwicklung der Robotik. Im Gegensatz zum WiMi-Care-Projekt sind die Akteurswahl und die Ausgangslage geschlossener. Der universitäre, wissenschaftliche Rahmen ist vorgegeben und wird nicht infrage gestellt. Auch die zweite Dimension bleibt gleich. In ihr kommen die Selbstverständnisse der Akteure zum Vorschein und mit ihnen die Problemlagen, die die entsprechenden Akteure mitbringen bzw. für die sie die Kompetenzen haben, Lösungen zu finden. Das Besondere ist hier, dass die Studierenden die Haltungen erst noch erlernen und vermittelt bekommen müssen. Zusammengenommen bilden das Selbstverständnis des Berufsethos und die Zielsetzung über Werte die Identität der Akteure.
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Abbildung 3: Der Roboter Lisa
Quelle: Arbeitsgruppe „Aktives Sehen“/ Universität Koblenz Landau
Die vierte Kategorie schließt sich bei dem Roboter-Projekt Lisa ebenfalls an die vorherige an. Die Szenarienentwicklung verbindet Haltungen, Werte und Ziele der Akteure, indem externe Zielvorgaben dadurch verfolgt werden, dass Werte übernommen werden. Eine Abweichung vollzieht sich dann für die fünfte und sechste Kategorie. Diese sind bei Lisa zusammengelegt; da sich mit dem RoboCup bereits ein professioneller Ort gebildet hat, sind die Formierung der Sozialität und die Verstetigung von Ergebnissen bereits zu einem Aspekt verschmolzen.
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5.2.1
Festsetzung der Ausgangslage
Der Roboter Lisa wird innerhalb der Arbeitsgruppe „Aktives Sehen“ unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. Paulus weiterentwickelt. Die Gruppe ist an dem entsprechenden Lehrstuhl im Institut für Computervisualistik der Universität Koblenz angesiedelt. An dem Roboter wird insbesondere im Rahmen von Praktika gearbeitet, die Studierende der Computervisualistik oder Informatik während ihres Studiums absolvieren müssen. Diese Praktika der Studierenden münden in die Teilnahme am RoboCup, einer Meisterschaft, in der verschiedene Roboter und ihre Teams gegeneinander zum Wettstreit antreten. Außerdem werden Abschlussarbeiten und Forschungspublikationen geschrieben, die den Roboter weiterentwickeln oder in denen er als Visualisierungsmaterie fungiert. Die Abschlussarbeiten werden an der Professur ausgeschrieben und an interessierte und qualifizierte Studierende ausgegeben. Als ich im Jahr 2013 den Roboter teilnehmend beobachtete, nahmen 13 Studierende an dem Projekt teil. Dieses bestand zu dem Zeitpunkt meiner Feldbegehung schon seit etwas über 10 Jahren. Ziel für die Studierenden ist es zu einem gewissen Teil, ihr Studium voranzubringen. Gleichzeitig sind sie auch Teil eines Teams und damit eines Kollektivs, für das sie sich entscheiden. Für den Leiter der Gruppe ist die Arbeit am Roboter Teil seiner bezahlten Arbeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter und seines wissenschaftlichen Renommees, da er seine Forschungsergebnisse einer Forschungsgemeinschaft präsentieren kann. Schirmherr des Projekts ist eine Professur, die die Anwendbarkeit von avancierter Technik und Computervisualistik aufzeigt. Als Ausgangslage lässt sich zusammenfassen, dass sich am Roboter die überwiegend kollektive Arbeit von wissenschaftlich arbeitenden Personen manifestiert. Der Roboter wird in einer Arbeitsgruppe weiterentwickelt und nimmt außerdem am RoboCup teil. 5.2.2
Selbstverständnis und Problemlage
Der Roboter Lisa ist „ein selbständiger Serviceroboter, der durch Gesten und Sprache mit seinem Benutzer kommunizieren kann.“122 Lisa erkennt Objekte und Gesichter. Sie verfügt über einen Greifarm, mit dem sie Dinge selbstständig greifen und dann transportieren kann. Sie kommt überwiegend in der @Home-Liga des
122 Förg, Birgit (2013): Erfolgreiche Lisa. 3. Platz bei den RoboCup German Open. URL: https://www.uni-koblenz-landau.de/blog/erfolgreiche-lisa-3-platz-bei-den-robocupgerman-open/ (zuletzt abgerufen am: 08.08.2016).
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RoboCups zum Einsatz. Dort üben Roboter Tätigkeiten aus gängigen Haushaltsszenarien und streiten dabei mit anderen Robotern um Titel und Preise. Zu den gängigen Tätigkeiten im Haushalt gehört das Erkennen von und Reagieren auf Menschen. Der Schwerpunkt liegt auf den „grundlegenden Interaktionen im Haushalt. Später [sollen die Roboter] dann hoffentlich auch eine richtige Haushaltshilfe sein.“123 Der Roboter teilt sich primär über eine Sprachausgabe mit. Diese Interaktionsform über Sprache und Gesten ist die sozial erwünschte Form der Interaktion mit dem Roboter beim RoboCup, da sie als natürliche Interaktion verstanden wird.124 Ursprünglich wurde die Interaktion über Sprache als die primär natürliche Form angesehen. Inzwischen hat die Interaktion über Gesten ein gleichrangiges Gewicht beim RoboCup angenommen, da gleichzeitig und parallel zur @Home-Liga auch andere Wettbewerbe stattfinden, wodurch eine Lautstärke und ein Lärmpegel entstehen, die die Sprachsteuerung beeinflussen können. Deswegen haben viele Roboter auch eine Gestensteuerung implementiert, in der sie über ihre Kamera die Finger- und Armbewegungen des Menschen deuten.125 Außerdem kann Lisa sieben verschiedene Gesichtsausdrücke auf dem Monitor zeigen. Diese können jeweils als männlich oder weiblich angezeigt werden und mit einer entsprechenden Stimme verbunden werden. Der Unterbau, der die Fahrweise bestimmt, ist ein kommerzielles Produkt, auf dem das Roboter-Projekt aufbaute. Im Jahr 2013 kam ein neuer Unterbau hinzu, sodass der Roboter auf zwei verschiedenen Bewegungsplattformen aufgebaut werden konnte. Die weitere Gestaltung des Roboters erfolgte funktional. Er erhielt auf den Unterbau eine lange, halsartige Form, damit die Sensoren möglichst hoch positioniert werden konnten, um Menschen für die Gesichtserkennung in die Augen sehen zu können. Aus den gleichen Gründen wurde das Display möglichst weit oben am ‚Hals‘ positioniert, damit es von Menschen gut abgelesen werden kann. Die Position des Greifarms folgte einem Kompromiss zwischen einer noch freien Fläche beim Roboter und der Möglichkeit, damit sinnvoll Dinge zu greifen. Besser wäre es in den Augen des Teamleiters, wenn die Statur des Roboters der eines Menschen ähneln würde, da er in einer menschlichen Umgebung Gegenstände greifen soll.
123 Viktor Seib, interviewt von Jens Koolwaay: „Narratives Interview zum Service-Roboter Lisa“, durchgeführt am 6. Mai 2013, Transkription siehe Anhang, S. 28. 124 Vgl. RoboCup@Home (2013): Rules & Regulations. Rulebook. URL: http://www.robocupathome.org/rules/2013_rulebook.pdf (zuletzt abgerufen am: 08.08.2016), S. 26. 125 Vgl. Viktor Seib, interviewt von Jens Koolwaay, a. a. O., S. 14–15.
152 | DIE SOZIALE W ELT DER R OBOTER „Dass der Roboter menschlich aussehen muss, sage ich noch nicht mal, ich sage nur, er müsste den Körperbau des Menschen haben. Ich persönlich finde auch nicht, dass man einen Roboter bauen muss, der exakt wie ein Mensch aussieht. […] Das kommt eher aus Japan. Für mich ist es okay, dass man erkennt, dass es eine Maschine ist.“126
Der Roboter kann von seiner Umgebung eine Karte erstellen und sich dann darin bewegen. Das ermöglicht ihm eine Bewegung in einer dynamischen, sich verändernden Umgebung. Die Entwickler schätzen den Roboter als „vollständig autonom [ein], weil wir geben ihr [Lisa, JK] ein Programm vor. Sie reagiert dann auf Sensordaten und […] natürlich ist auch dieser Zweig im Programm vorgegeben. Aber autonom daher, weil wir, während das Programm ausgeführt wird, nicht fernsteuern. Das heißt, wenn wir das Programm einmal gestartet haben, machen wir nichts mehr am Roboter. Der Rest ist Lisa überlassen. Aber autonom in der Hinsicht, dass sie selbst Entscheidungen treffen kann, die wir nicht vorgegeben haben – also das würde schon so etwas wie Intelligenz erfordern. Das ist natürlich nicht der Fall. Natürlich kann man möglichst komplexe Szenarien einprogrammieren, viele Verzweigungen betrachten, mit Wahrscheinlichkeiten überlegen, welche Handlungsmöglichkeit die bessere wäre, ich würde das dann immer noch nicht als Intelligenz bezeichnen.“127
Der Roboter benutzt eine sogenannte state machine. Er befindet sich in einem bestimmten Zustand, in dem er durch seine Sensoren die Umgebung erfasst und diese auf Grund des eingebauten Programms interpretiert. Dann agiert er auf Grund des vorgegebenen Zustands, da in diesem bereits festgelegt ist, was er als Nächstes tut. Dies ist auch der Fall, wenn der Roboter die Aufgabe nicht erfüllen kann, dann muss definiert sein, wann dass der Fall ist und wie er darauf reagieren soll. Das primäre Hauptziel der Praktika ist es, den Studierenden Projektarbeit zu vermitteln. Im Konkreten geht es dann darum, die Arbeit im Team zu vermitteln und vorzuleben, in welcher Funktion sich der Einzelne in ein großes Softwareprojekt einbringen kann. Für die Studierenden ist es ein Praktikum. Dabei geht es einerseits um die Theorie und andererseits um die konkrete Arbeit an dem Roboter und seiner Software- und Hardwarearchitektur. Ziel in der Entwicklung der Roboter ist es, kommerzielle Roboter herzustellen, die nützlich sind. Den richtigen Weg dorthin sieht der Teamleiter darin, den Roboter mit „abstrakten Fähigkeiten“ auszustatten, die von einem minutiösen Erfas-
126 Ebd., S. 30. 127 Ebd., S. 16–17.
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sen eines einzigartigen Objekts weggehen und zu dem Erkennen von Mustern hingehen.128 Der kommerzielle Roboter sollte eingeschaltet werden und danach komplett autonom agieren können. Er müsste robust gegen äußere Einwirkungen und Störungen sein. Außerdem müsste er die gängigen Objekte des Haushalts mit der Auslieferung erkennen sowie die gängigen sozialen Bedeutungen innerhalb eines Haushalts. Der RoboCup nimmt in dem studentischen Projekt eine gewichtige Rolle ein. Er ist „ein festgeschriebenes Ende des Projekts, d. h. man kann also nicht sagen, man wurde nicht fertig, man macht noch ein bisschen länger und dann ist es so, bis dahin muss es fertig sein, muss es laufen“.129 Außerdem fungiert der RoboCup als Vergleichs- und Austauschort. Die Teams tauschen sich darüber aus, wie sie ein Problem gelöst haben bzw. wie sie es angegangen sind. „Das heißt, im Prinzip ist das auch so etwas wie ein Forschungsaustausch, Ideenaustausch. Wir gucken, wie man welches Problem besser lösen kann. […] Dafür gibt es bei der Weltmeisterschaft auch ein Symposium.“130 Als grundsätzliche Idee des RoboCups versteht es der Teamleiter, zunächst die Robotikforschung voranzubringen. Wenn also verschiedene Projekte sich austauschen, soll die Forschung besser vorankommen und der Nutzen für den Menschen am größten sein. Finanziert wird der Roboter, neben der Universität, durch Sponsoren, überwiegend regional ansässige Firmen, die ein Interesse an innovativer Technik haben. Darunter findet sich auch die Bundeswehr, die direkt neben der Universität ein Gelände und Räumlichkeiten hat. Die Bundeswehr stellt Räumlichkeiten für das Team Homer zur Verfügung, wo der Roboter mit weiteren Robotern gelagert, aber auch weiterentwickelt und getestet wird. Die Weiterentwicklung des Roboters erfolgt jedoch ausschließlich für zivile Zwecke. 5.2.3
Die Szenarienentwicklung
Der Roboter wird insbesondere über die Praktika, aber auch über Qualifikationsund Forschungsarbeiten in seinen Tätigkeiten weiterentwickelt. Die Software schreiben die Projektteilnehmer selbst. Die Hardware wird bei externen Firmen und Einrichtungen gekauft. Im Jahr 2013 wurden Lisa mehrere neue Funktonen
128 Vgl. ebd., S. 24. 129 Ebd., S. 10. 130 Ebd.
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implementiert. Diese umfassten das Erkennen von Gesichtsausdrücken, eine Verbesserung der Personenerkennung sowie die Fähigkeit, Türen zu öffnen.131 Neue Funktionen und neue Entwicklungsszenarien setzen sich aus den Qualifikations- und Forschungsarbeiten zusammen sowie aus den Zielen der Praktika. Es gibt jedes Semester ein Praktikum mit dem Roboter. Diese gehören zu den Studiengängen der Computervisualistik und der Informatik. Die Praktika-Projekte tragen jeweils den Namen „Robbie“ und werden mit einer Zahl ergänzt, die den Verlauf der Projekte anzeigt. Die Projekte finden mit dem Roboter Lisa statt. Die geraden Semester haben den RoboCup als Ziel.132 Die ungeraden Semester nehmen entweder an anderen Wettbewerben teil oder sie kooperieren mit anderen Firmen. Beim RoboCup kam der Roboter ursprünglich in der Rescue-Liga zum Einsatz. Inzwischen ist der Unterbau nicht mehr mobil genug, deswegen nimmt das Team an der @Home-Liga teil. Dort geht es um „normale Haushaltsszenarien“.133 Ziel der Liga ist es, „Menschen im Haushalt zu helfen. Sei es auch nur, weil [man] alle Hände voll zu tun hat oder weil man alt ist, weil die Bevölkerung immer weiter altert, damit man dann durch einen Roboter Unterstützung im Alltag hat.“134 In dem Regelbuch des RoboCups werden die Anforderungen und zu erreichenden Ziele der Szenarien des Wettkampfs definiert. Diese werden dann von den Teams interpretiert. Sie überlegen, wie sie die Ziele erreichen. Wenn beispielsweise in dem Regelbuch definiert ist, dass der Roboter nachfragen darf, wenn er eine Person suchen sollte, aber keine gefunden hat, wird diese „Verzweigung“ einprogrammiert: Wenn der Roboter sein Ziel nicht direkt erreicht, geht er dazu über zu fragen.135 In dem Regelbuch ist allerdings nicht alles bis ins letzte Detail definiert. Entscheidend ist dann, was der „common sense […], das allgemeingültige Verständnis über sinnvolle und erlaubte Aktionen“ sagt.136 Im Zweifel diskutieren die Schiedsrichter im Wettbewerb darüber, was sinnvoll und was erlaubt ist. 131 Vgl. Förg: „Erfolgreiche Lisa“, a. a. O; Seib, Viktor; Florian Kathe und Daniel Mc Stay et al. (2013): RoboCup 2013 - homer@UniKoblenz (Germany). URL: https://www.uni-koblenz.de/~agas/Documents/Seib2013R2H.pdf (zuletzt abgerufen am: 08.08.2016). 132 Die Unterscheidung zwischen geraden und ungeraden Semestern stammt von den Dozentinnen und Dozenten der Arbeitsgruppe. Sie beziehen sich dabei auf die numerische Anzahl an Semestern im Studienverlauf. 133 Viktor Seib, interviewt von Jens Koolwaay, a. a. O., S. 4. 134 Ebd., S. 4–5. 135 Vgl. ebd., S. 19. 136 Ebd., S. 19–20.
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Das Regelbuch wird zum einen aus der Sicht geschrieben, dass die Roboter marktreif sein sollen. Das bedeutet, dass sie die Aufgaben erfüllen sollen, die ein Haushaltsroboter im Alltag des Haushaltsführens ausführen können sollte. „Andererseits wird dann aber auch die realistische Sichtweise eingenommen. Die Roboter sind halt noch nicht so weit, man muss das Ganze etwas einfacher machen.“137 Die zu erfüllenden Aufgaben werden im Hinblick auf den aktuellen Leistungsstand der Robotik nach unten geschraubt. Die Weiterentwicklung der Roboter erfolgt – wie oben ausgeführt – primär über Praktika. Dabei geht es um die Vermittlung von Lehrinhalten und das Erlernen von Teamarbeit. Zu Projektbeginn erhalten die Studierenden vom Teamleiter Referatsthemen und ihre Rolle im Team. Dann halten sie zunächst Referate und Vorträge. Außerdem erhalten die jeweiligen Rollen Schulungen und schließlich geht es in die Anwendung, bei der das Erlernte auf den Roboter übertragen wird. Dafür nimmt das Team eine Bewertung des Ist-Zustands der Software vor und definiert dann, welchen Platz es beim RoboCup etwa erreichen will und was es dafür tun muss. Für die Bewertung des Ist-Zustands wird die Software analysiert, werden nötige Änderungen beschrieben und erfolgt eine Dokumentation der Schnittstellen und Module. Das Dokument, in dem das alles enthalten ist, wird vom Projektleiter evaluiert und angepasst. Dann werden die konkreten Schnittstellen und Module geplant. Ist das erfolgt, geht es um die konkrete Umsetzung durch Programmierung.138 Dafür steht die Halle der Bundeswehr den Studierenden von frühmorgens bis abends offen. Sie gehen dann selbstständig dorthin und arbeiten an ihrer Aufgabe. Die Zielsetzung für den RoboCup 2013 erfolgte insbesondere vor dem Hintergrund, dass zwei Jahre zuvor – als der Projektleiter noch als Student an dem RoboCup teilgenommen hatte – der Roboter bei einer Weltmeisterschaft „abgeraucht“139war. „Dann konnten wir sogar das Finale vergessen.“140 Um dieses Erlebnis nicht zu wiederholen, wollte das Team im Vorjahr zunächst eine Basis im Roboter legen. Außerdem sollte der Roboter es bis ins Finale schaffen. Dafür war die Vorgabe des Leiters, „effizient [zu] arbeiten“, damit „viele Fälle ab[ge]fangen“ werden konnten.141 Dafür wurden frühzeitige Testdurchläufe gestartet, damit beim Wettbewerb „nur noch ein paar Anpassungen“142 gemacht werden mussten.
137 Ebd., S. 20. 138 Vgl. ebd., S. 5–6. 139 Ebd., S. 8. 140 Ebd., S. 9. 141 Ebd. 142 Ebd.
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Die Rollen im Team wurden vom Teamleiter vorgegeben und vergeben. Es gab unter anderem Beauftragte für Hardware, PR, Webadministration, aber auch für die Infrastruktur, d. h., dass die Person dafür sorgen musste, dass die Testarena in der eigenen Halle benutzbar war und über die technischen Voraussetzungen verfügte, damit der Roboter getestet werden konnte. Die Software wurde über mehrere Rollen gestaltet. Es gab einen technischen Chefdesigner, der für die Pflege der Software zuständig war und darauf achten musste, dass die Programmierrichtlinien eingehalten wurden und die Versionsverwaltung funktionierte. Alle am Projekt arbeitenden Studierenden waren neben ihrer Spezialrolle auch Softwareentwickler. Eine weitere wichtige Rolle war die der Qualitätssicherung, diese war für Testdurchläufe und Verfahren zuständig. In der Tradition der Praktika hat es sich eingespielt, dass in manchen Projekten mit Rollen experimentiert wird. Das bedeutet, dass bisher nicht vergebene Rollen neu hinzukommen und getestet wird, wie das funktioniert. Im Jahr 2013 etwa gab es Personen, die für das Teambuilding zuständig waren. 5.2.4
Die Sozialität RoboCup
Jedes Jahr finden eine internationale und verschiedene nationale Auflagen des RoboCups statt, für die sich jedes Team anmelden kann. Einmal im Jahr wird die Weltmeisterschaft ausgerichtet, für die sich die Teams qualifizieren müssen. Der RoboCup möchte „as a vehicle to promote robotics and AI research, by offering a publicly appealing, but formidable challenge“ fungieren.143 Er wurde als langfristiges Projekt aufgebaut, durch das Roboter bis 2050 in die Lage gebracht werden sollen, im Fußball den amtierenden, menschlichen, männlichen Weltmeister zu schlagen. Dieses Ziel generiert sich aus den Vorstellungen, dass es für Visionen ein „grand challenge project“ und ein „long-range goal“ braucht und dass zwischen den Flügen der Gebrüder Wright und der Apollo-Mission rund 50 Jahre lagen.144 Die Idee des RoboCups wurde im Jahr 1995 von japanischen Robotikern veröffentlicht. Zwei Jahre später fand der erste Wettbewerb statt.145 Ging es anfangs ausschließlich um fußballspielende Roboter, finden auf den RoboCups heute verschiedene Wettbewerbe statt. Darunter sind verschiedene Fußball-Wettbewerbe, aber auch eine Rescue-, @Home-, Logistics- und Junior143 RoboCup (o. J.): About the RoboCup. URL: http://www.robocup.org/about-robocup/objective/ (zuletzt abgerufen am: 13.08.2016). 144 Vgl. ebd. 145 Vgl. Kitano, Hiroaki; Minoru Asada; Yasuo Kuniyoshi; Itsuki Noda und Eiichi Osawa (1995): RoboCup. The Robot World Cup Initiative. URL: https://www.sonycsl.co.jp/ person/kitano/RoboCup/RoboCup.html (zuletzt abgerufen am: 12.08.2016).
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Liga. Bei Rescue geht es um die Erforschung von Robotern, die im Katastrophenfall den Menschen retten können. Bei @Home geht es um autonome Roboter, die im Haushalt verschiedene Tätigkeiten übernehmen. Bei Logistics werden Roboter für den Transport erforscht. Schließlich gibt es noch einen Nachwuchswettbewerb, an dem Schüler und Schul-AGs teilnehmen. Die anderen Wettbewerbe werden von Wissenschaftlern und Studierenden bestritten. Der RoboCup wird von der RoboCup-Föderation ausgetragen, die eine in der Schweiz registrierte Organisation ist. Die einzelnen Wettbewerbe haben eigene Regeln und Ablaufregulationen. Im Nachfolgenden werde ich mich auf die @Home-Liga des RoboCups im Jahr 2013 konzentrieren. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den Abläufen und Einbindungen rund um den Roboter Lisa. Das Ziel der @Home-Liga ist es, to „develop service and assistive robot technology with high relevance for future personal domestic applications. […] A set of benchmark tests is used to evaluate the robots’ abilities and performance in a realistic non-standardized home environment setting. Focus lies on the following domains but is not limited to: HumanRobot- Interaction and Cooperation, Navigation and Mapping in dynamic environments, Computer Vision and Object Recognition under natural light conditions, Object Manipulation, Adaptive Behaviors, Behavior Integration, Ambient Intelligence, Standardization and System Integration.“146
An der @Home-Liga dürfen nur Roboter teilnehmen, die autonom und mobil sind. Es sollen Service-Roboter entwickelt werden, die über eine „natural human-robot interaction [verfügen]. As a consequence humans are not allowed to directly (remote) control the robot.“147 Der Wettbewerb dient dem Fortschritt der Technik. Deswegen sollen die Herausforderungen in ihrer Komplexität steigen. Ziel ist dabei eine Anpassung an die realen Bedingungen im Haushalt. Dafür werden Lösungen prämiert, die „useful, robust, general, cost effective, and applicable“ sind.148 Die vorgestellten Ergebnisse sollen einen sozialen und einen wissenschaftlichen Nutzen haben. Der soziale Nutzen soll die Öffentlichkeit von Robotern überzeugen. Der wissenschaftliche Nutzen zielt auf neue Ansätze und Ideen, die nicht hinter praktischen Verpflichtungen zurückstehen sollen.149 Um am RoboCup teilnehmen zu können, müssen sich die Teams qualifizieren. Dafür müssen sie verschiedene Informationen über sich publizieren. Dazu gehört eine eigene Homepage, ein Video, eine Selbstbeschreibung sowie ein Eintrag in 146 RoboCup@Home: „Rules & Regulations“, a. a. O., S. 7. 147 Ebd., S. 11. 148 Ebd. 149 Vgl. ebd., S. 11–12.
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das Wiki des RoboCups. Bewertet wird die Bewerbung vom technischen Komitee der entsprechenden Liga beim RoboCup. Es zieht für die Bewertung neben den Publikationen die Auftritte des Teams auf früheren Wettbewerben sowie die Beiträge der Teammitglieder zum Forschungsfortschritt der Service-Robotik mit ein.150 Das technische Komitee wiederum wird von den teilnehmenden Mitgliedern gewählt. Es ist u. a. dafür zuständig, das Regelwerk für den RoboCup zu schreiben. Der Wettbewerb findet in einer sogenannten Arena statt. Sie simuliert eine Wohnung und ist nicht standardisiert, damit die Roboter sich an eine neue Umgebung anpassen müssen. Die Möbel sollen landestypisch sein. Zu den sozialen Rollen während des RoboCups kommen Schiedsrichter hinzu, die vom technischen Komitee gestellt werden. Sie sorgen für die regelkonforme Durchführung des Wettbewerbs. Außerdem gibt es weitere Offizielle für besondere Aufgaben, die von den teilnehmenden Teams gestellt werden. Diese besonderen Aufgaben entstehen etwa aus bestimmten Szenarien. Außerdem gibt es ein Organisationskomitee. Das sorgt dafür, dass alle notwendigen Objekte für den Wettkampf vor Ort sind, und es kümmert sich um den organisatorischen Ablauf. Der RoboCup beginnt für die Roboter mit dem RIPS-Test (Robot Inspection und Poster Session). Dabei bringt der Roboter seine Anmeldeformulare selbstständig zum Anmeldetisch. Dort wird er von dem Komitee getestet und wenn alles Wichtige funktioniert, wird er zugelassen.151 Es folgen zwei Vorrunden und ein Finale. In der ersten Vorrunde werden die basalen Szenarien getestet. Außerdem gibt es eine offene Runde, in der die teilnehmenden Teams Fortschritte außerhalb der Szenarien zeigen können. Nach der ersten Vorrunde wird das Teilnehmerfeld um die Hälfte reduziert und die Anforderungen der Szenarien werden komplexer und anspruchsvoller. So müssen sich die Roboter etwa in Umgebungen bewegen, die sie nicht kennen, oder es nehmen Menschen teil, die vorher nicht wussten, was auf sie zukommt. Nach der zweiten Vorrunde kommen die letzten fünf Teams ins Finale. Die dortigen Tests haben wieder eine erhöhte Schwierigkeitsstufe. Außerdem gibt es einen zweiten freien Wettbewerb im Finale.152 In der ersten Vorrunde mussten die Roboter im Jahr 2013 folgende Szenarien bewerkstelligen: „Follow Me“, bei dem der Roboter einer Person, die er gerade erst kennengelernt hat, durch eine Menschenmenge folgen musste. Des Weiteren gab es eine Cocktailparty, bei der der Roboter Getränke zu den richtigen Personen bringen musste. Bei dem Szenario „Clean Up“ räumte der Roboter die Wohnung 150 Vgl. ebd., S. 16. 151 Vgl. ebd., S. 32–33. 152 Vgl. ebd., S. 23.
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nach einer Party auf. Schließlich stand noch das Szenario „Emergency“ an, der Roboter musste dabei den Rauch einer Rauchmaschine als Brand erkennen und dann nach Personen in der Wohnung suchen und sich um sie kümmern.153 In der zweiten Vorrunde stand der „Königstest“154 der @Home-Liga an. In diesem General-Purpose-Test wird dem Roboter ein beliebiger Satz gesagt, den er als Anweisung verstehen und ausführen soll. Die Information, die der Roboter erhält, kann fehlerhaft oder unvollständig sein – ein Test, „der immer wieder gerne bei allen Teams scheitert.“155 Auf die Szenarien der ersten Vorrunde können sich die Teams einstellen und die Roboter vorher entsprechend darauf abstimmen und programmieren. Im General-Purpose-Test kann der Roboter nicht nach dem gängigen Verfahren vorgehen wie bei den anderen Szenarien. In den anderen Szenarien verfährt er nach vorgegebenen Situationsdefinitionen, die in eine klare und eindeutige Abfolge von Handlungen und Tätigkeiten münden. Beim General-Purpose-Test muss der Roboter aus einem Satz folgern, was gemeint sein könnte und wie er darauf reagieren kann. Wenn er dann nicht weiter weiß, bleibt er „im schlimmsten Fall“ stehen und „im günstigeren Fall sagt sie [der Roboter Lisa; JK] ‚I am confused, please help me‘.“156 Neben dem General-Purpose-Test gibt es ein Restaurant-Szenario und einen freien Wettbewerb. In dem zuletzt Genannten können die Teams neue Entwicklungen zeigen. In dem Restaurant-Szenario sollen die Roboter Gegenstände in einer unbekannten Umgebung greifen und transportieren.157 Im Finale gibt es dann noch den zweiten offenen Wettbewerb. Hier zeigte bspw. der Teamleiter von Lisa Zwischenergebnisse aus seiner eigenen Forschung. Dabei ging es darum, dass die Roboter transparente Objekte erkennen können. Bei einem anderen Team bereitete der Roboter, im Finale der Deutschen Meisterschaft, autonom einen Kaffee zu und brachte diesen einem Jurymitglied.158 Es gibt beim RoboCup@Home insgesamt drei Preise zu gewinnen. Neben dem Gesamtsieg gibt es eine Innovationsauszeichnung und einen Preis für eine technische Herausforderung. Der Gesamtsieg erfolgt nach einem Punktestand. Die beiden zuletzt genannten Auszeichnungen werden von einer Jury vergeben, die sich aus dem technischen Komitee zusammensetzt.159
153 Vgl. ebd., S. 35. 154 Viktor Seib, interviewt von Jens Koolwaay, a. a. O., S. 13. 155 Ebd. 156 Ebd., S. 18. 157 Vgl. RoboCup@Home: „Rules & Regulations“, a. a. O., S. 55–62. 158 Vgl. Viktor Seib, interviewt von Jens Koolwaay, a. a. O., S. 22. 159 Vgl. RoboCup@Home: „Rules & Regulations“, a. a. O., S. 9.
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Während des Wettbewerbs gibt es neben dem Roboter mehrere involvierte Akteure. Dazu zählen neben den oben bereits erwähnten Schiedsrichtern auch die Operatoren sowie der Moderator. Jeder Roboter durchläuft die Tests des Wettbewerbs einzeln. Dabei wird er von einem Operator betrieben. Hinzu kommt der Moderator. Die Regeln sehen vor, dass alle teilnehmenden Teams einen Moderator stellen müssen, der für die Zeit, während der eigene Roboter in Aktion ist, die Aktionen dem Publikum gegenüber kommuniziert. Der Moderator muss dabei insbesondere die Regeln erklären sowie die Performanz und die Vorzüge des jeweiligen Roboters darstellen.160 Während der German Open des RoboCups 2013 wurde die Rolle des Moderators überwiegend von einem Professor übernommen. Er zeigte sich sehr emotional gegenüber den Herausforderungen des Roboters im Wettbewerb. Der Moderator reagierte auf die Tätigkeiten der Roboter, indem er sie emotional bewertete. Wenn etwas gelang, reagierte er mit positiver Bewertung („Ouhh, das ist knapp, aaaahh, super, astrein, HOMER161, go for!“162, „Der ToBi163 macht das auch immer ganz nett“164). Auf die gleiche Weise reagierte er mit einer negativen Einschätzung, wenn dem Roboter etwas nicht gelang („Aahh, too bad, oh no“165, „Oooh, oooh, ToBi, nicht über unseren – also, da werd ich jetzt aber echt sauer“166). Die Regeln erklärt er über Sollzielzustände, die nicht vom Roboter bzw. dem Team erreicht wurden oder bei denen unklar ist, ob sie erreicht werden können („Now, we have a special situation, now, the robot is not supposed to touch any objects“167, „Das darf er nicht“168, „Wir haben 3 Minuten 30, also es müsste noch hinkommen“169, „Das ist nicht so ganz einfach zu programmieren“170) sowie über allgemeine Situationsdefinitionen („As this is the case, the referees are deemed to“ 171, „They really have to shut the robot down“ 172, „The team can 160 Vgl. ebd., S. 29. 161 Homer ist die alte Bezeichnung für den Roboter Lisa. 162 Ohne Verfasser (2013): Transkription des Kommentators der @Home-Liga beim RoboCup 2013 in Magdeburg, S. 1. 163 ToBi ist ebenfalls ein Roboter, der beim RoboCup@Home startet. 164 Ebd., S. 6. 165 Ebd., S. 1. 166 Ebd., S. 2. 167 Ebd., S. 1. 168 Ebd., S. 2. 169 Ebd. 170 Ebd., S. 3. 171 Ebd., S. 1. 172 Ebd.
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restart“173, „So we have objects on the ground“174, „Deswegen schwitzen die Teams immer in dieser Situation ganz besonders, weil man sozusagen in diesem komplexen Gebilde Zustand identifizieren muss, der jetzt gerade schief liegt und der muss da raus und das ist unter dem Stress sehr schwierig“175). Die Vorzüge der Roboter sendet der Moderator als Ich-Botschaften an das Publikum („So what I like most with the robot“176, „I am curious to find out“177). Gleichzeitig leitet er eine allgemeine Bedeutung aus den Eigenschaften der Roboter ab bzw. bettet sie in einen allgemeinen Kontext ein („You as a programmer can, I mean, identify with the look at the face, what’s the heterosphere of the robot, so it’s actually very helpful“178, „Kinect is actually a standard item these days“179, „He has a backbone and the backbone can“180). Außerdem fordert der Moderator vom Publikum oder den Operatoren ein bestimmtes Verhalten ein, das den Ablauf des Wettbewerbs ermöglicht („Immer wenn ein Sprachkommando kommt, müsst ihr ein bisschen ruhig sein“181, „Kann sich denn nicht mal einer erbarmen hier. Das ist doch Sch—“182). Während der Wettbewerbe werden die Roboter von den Teammitgliedern an die Gegebenheiten angepasst. Einige Teams messen die Arena aus und programmieren die Karte in den Roboter ein, andere fahren mit dem Roboter durch die Arena und er misst sie selbst aus. Die Teammitglieder schreiben den Code um. Der Teamleiter handelt mit dem technischen Komitee und den anderen Teamleiterinnen den Ablauf aus. Die Szenarien variieren von Jahr zu Jahr und sollen über die Jahre immer komplexer werden, damit die Roboter immer näher an die reale Haushaltssituation kommen. 5.2.5
Eine professionelle Sozialität
Wodurch bildet sich nun eine soziale Formation und wie ist der Roboter Lisa darin eingebunden? Die erste soziale Formierung vollzieht sich im Rahmen des Lehr-
173 Ebd. 174 Ebd., S. 2. 175 Ebd., S. 3. 176 Ebd., S. 1. 177 Ebd., S. 3. 178 Ebd., S. 2. 179 Ebd. 180 Ebd., S. 3. 181 Ebd., S. 2. 182 Ebd., S. 7.
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curriculums zweier Studiengänge. In ihnen lernen Studierende Team- und Projektarbeit, die Dozierende lehren. Damit findet die Formierung innerhalb des universitären Feldes und seiner Institutionalisierung statt. Gleichzeitig wird hier ein bestimmtes Berufsethos und die dazugehörige Haltung erlernt bzw. vermittelt. Es sind Werte wie technische Effizienz und sozialer Nutzen, die etwa im Regelbuch des RoboCups formuliert sind und auch verinnerlicht werden. Gleiches gilt für die Praktik und Arbeit des Programmierers. Hier werden die Arbeit und der Umgang mit Programmieren im Team gelebt und gelernt. Es findet somit eine Inkorporierung von Haltungen und Werten in die Studierenden statt. Es werden keine Freiräume für Selbstreflexion geschaffen, sondern bestimmte Haltungen vorgelebt und eingefordert. So bildet sich ein Team, das eine tradierte Rollenverteilung hat, die auf einer Autorität, einem Vorgesetzten basiert, der die Rollen verteilt und das Team leitet. Das bereitet auf eine berufliche Praxis vor. Verstärkt wird dies durch das gemeinsame Erleben des RoboCups. Das Team reist gemeinsam an und verbringt im Vorfeld und während des RoboCups viel Zeit miteinander. Deutlich wird dies etwa daran, dass die Teammitglieder auf dem RoboCup Teamkleidung tragen, die eigens für den Wettbewerb hergestellt wurde. Nach außen treten sie geschlossen als Einheit auf. Der Roboter ist dabei das Ziel, die Fortschrittsanzeige, die Arbeitsgrundlage und der Vermittler. Der Roboter ist Ziel und Vermittler, weil er für das Team am RoboCup teilnimmt. In ihm bündeln sich die Energie, die Leistungen und die Praktiken der Teammitglieder. In ihm und um ihn verbinden sie sich zu einer Einheit. Damit ist er das Ziel der unmittelbaren Praktiken in der Teamarbeit. Mit und über ihn nehmen die Teammitglieder am Wettbewerb teil. Das Team streitet im Wettbewerb über Lisa mit anderen Robotern um den Sieg und Auszeichnungen. Der RoboCup ist eine wissenschaftliche Einrichtung, die die Forschung an Robotern fördern und bündeln möchte. Gleichzeitig fungiert er als Aushängeschild, um Interessierten den Forschungsstand zu zeigen. Er fungiert als Fachkongress und Interessenvertretung der Robotik und dient der Rekrutierung des Nachwuchses. Für das teilnehmende Team bedeutet dies, dass es mit seinem Roboter in einen übergeordneten Forschungsprozess und eine übergeordnete Sozialität eingebettet wird. Die Arbeit am Roboter ist Forschung, Programmierung und Repräsentation zugleich. Der Roboter ist Vermittler der Teammitglieder und der Forschungssozialität der Robotik. In diesem Zusammenhang liegen auch die Ziele und Bereiche, die die Akteure verstetigen möchten. Es geht darum, die Praktiken, Werte und Haltungen der RoboCup-Programmierer vorzuleben und weiterzugeben. Dazu gehört die Teamarbeit ebenso wie der Perspektivenschwerpunkt auf einer technischen Ganzheit, die Vor- und Nachteile abwägt, die sich rund um die Werte von technischer Effizienz
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und sozialem Nutzen aufspannen. Es geht gleichzeitig darum, die Robotik voranzubringen und ihr zu Ansehen zu verhelfen. Der soziale Nutzen der Roboter soll die Öffentlichkeit von den technischen Artefakten überzeugen. Der wissenschaftliche Nutzen zielt auf neue Ansätze und Ideen, die nicht hinter praktischen Verpflichtungen zurückstehen sollen.183
5.3 D AS S OZI R OB -P ROJEKT Im SoziRob-Projekt traten zwei verschiedene Roboter in einer Isolationsstudie mit Probanden in einen routinisierten, alltäglichen und interaktiven Austausch. Ich wähle dieses Projekt als dritte Fallstudie aus, da es in ihm umfangreiche Überschneidungen von wichtigen Komponenten aus den beiden vorherigen Fallstudien gibt und gleichzeitig erhebliche Unterschiede vorkommen, die neue Einsichten bringen. Wie im WiMi-Care-Projekt kommen in diesem Fall zwei verschiedene Roboter zum Einsatz: der NAO, der kommerziell hergestellt ist, und Flobi, ein Forschungsroboter, der von den Wissenschaftlern selbst hergestellt wurde. Anders als im WiMi-Care-Projekt ist hier jedoch der Forschungsroboter die stark spezialisierte Variante, da sie als Roboterkopf auf das Anzeigen von Emotionen fokussiert ist. Der NAO, ist – wie der zweite Roboter des WiMi-Care-Projekts – vielseitig einsetzbar. Im Unterschied zur ersten Fallstudie ist er hier die kommerzielle Plattform. NAO und Flobi sind auch das verbindende Glied zur zweiten Fallstudie um den Roboter Lisa. Bei diesen drei Robotern findet das Projekt primär in der wissenschaftlichen Forschung statt. Bei Lisa wird neben dem wissenschaftlichen Feld mit dem RoboCup eine komplett neue Sozialität erschaffen. Das SoziRob-Projekt bleibt innerhalb des wissenschaftlichen Feldes ohne komplett eigene Sozialität. Vielmehr verbindet es mit der Isolationsstudie mehrere Forschungsfelder zu einer temporären eigenen Sozialität. Für meine nachfolgende Analyse verfeinere ich das selektive Kodieren und differenziere die Sozialitätsbildung in einerseits eine Auf- und Abbauphase sowie andererseits eine soziale Formation. Die übergeordnete Kernkategorie wird dadurch zur Sozialitätsbildung. Somit ist sie allgemeiner als der vorherige Begriff der Sozialitätskonstruktion. Im SoziRob-Projekt werden verschiedene Professionshaltungen und -aufbauten zu einer neuen Sozialität verbunden. Deswegen bildet sich eine neue Sozialität, in der ein soziotechnisches Netzwerk zur Bildung
183 Vgl. RoboCup@Home: „Rules & Regulations“, a. a. O., S. 11–12.
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einer Interaktion von Proband und Roboter führt. Die Kernkategorie dimensionalisiert sich hier wieder über sechs Kategorien. Die erste Kategorie bleibt weiterhin die Festsetzung der Ausgangslage, in ihr werden die Ziele festgelegt, die das Projekt verfolgt. Sie liegen darin, herauszufinden, inwieweit Roboter zur sozialen Entlastung von Astronautinnen in Raumfahrtmissionen eingesetzt werden können, sowie in der Frage, in welchen sozialen Situationen Roboter welche Aufgaben übernehmen können. Auch hier ist die Akteurswahl in der Ausgangslage dadurch festgelegt, dass die Projektpartner durch ministeriale Vermittlung verbunden wurden. In der zweiten Dimension kommen weiterhin die Selbstverständnisse und Problemlagen der Akteure zum Vorschein. Das Besondere ist hier, dass der Roboter NAO eine soziale Rolle erhält. Diese wird über die vierte Kategorie – die Szenarienentwicklung – hergestellt. Die fünfte und sechste Kategorie habe ich oben bereits ausgeführt. 5.3.1
Festsetzung der Ausgangslage
Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln-Porz beantragte vom Bundesland Nordrhein-Westfalen Mittel, um ein Gebäude für Isolationsstudien errichten zu können. Die zuständige Behörde vermittelte daraufhin den Kontakt zur Arbeitsgruppe Angewandte Informatik des Exzellenzclusters in Bielefeld. In der Behörde sah man die Möglichkeit zu einer „Kooperation zwischen Robotern und Astronauten“.184 Am Exzellenzcluster arbeitet man daran, „Technische Systeme intuitiv bedienbar [zu] machen“.185 Durch die Kontaktvermittlung fanden Kooperationsgespräche zwischen DLR und dem Exzellenzcluster statt. In der Konsequenz entstand ein gemeinsames Forschungsprojekt, das aus Mitteln des BMBF bezahlt wurde.186 Als Forschungsschwerpunkt verständigten sich beide Akteursgruppen darauf, zu erforschen, inwieweit Astronauten durch Roboter aus ihrer sozialen Isolation befreit werden können, wenn sie sich in Langzeitmissionen befinden. Bei Langzeitmissionen stehen die Astronauten vor großen emotionalen und psychischen Herausforderungen. Sie sind „völlig isoliert und somit auf sich
184 Franz Kummert, interviewt von Jens Koolwaay: „Narratives Interview zum SoziRobProjekt“, durchgeführt am 14. März 2014, Transkription siehe Anhang, S. 1. 185 Ohne Verfasser (o. J.): Über CITEC. URL: https://www.cit-ec.de/de (zuletzt abgerufen am: 07.09.2016). 186 Vgl. Kummert, Franz; Ingmar Berger und Andreas Kipp et al. (2014): SoziRob. Soziale Interaktion zur Leistungsmotivation zwischen Robotern und Menschen in geschlossenen Habitaten, BMBF: Schlussbericht, S. 42.
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allein gestellt.“187 Das bedeutet, dass sie kaum Kontakt zu Freunden und Familie haben. Den ganzen Tag sind sie räumlich sehr eng mit den anderen Crewmitgliedern verbunden. In der Crew kann es zu sozialen Spannungen kommen, die eine Mission beeinträchtigen können. Außerdem führen Schwerelosigkeit und Weltraumstrahlungen im All zu einem Muskelabbau sowie zu einer Instabilisierung der Knochenfestigkeit bei den Crewmitgliedern. Deswegen wurden zwei Roboter getestet, um die Astronauten vor einer etwaigen Isolation zu bewahren und um sie zu mentaler und physischer Aktivität zu motivieren.188 Das Ziel war zu testen, ob die Roboter im Weltraum zum Einsatz kommen können. Die Roboter wurden als vielversprechend angesehen, „da sie wenig Ressourcen verbrauchen und ihre Leistung keinen Schwankungen unterliegt. Neben praktischer Unterstützung können sie insbesondere sozial aktive Partner darstellen, die auch dann Unterstützung bieten, wenn andere menschliche Astronauten arbeiten oder schlafen.“189 Der Roboter soll durch Konstanz und Energieeffizienz für Stabilität bei den Astronauten sorgen. Neben der Eignung der Roboter für einen Einsatz in der bemannten Raumfahrt sollten der Erfolg des Sportszenarios getestet sowie „weitere emotionale, motivationale und soziale Auswirkungen“ von sozialen Robotern erfasst werden.190 Die Auswirkungen und Möglichkeiten der Interaktion mit den Robotern sollten unter möglichst realen Bedingungen getestet werden. Hierfür hat das DLR eigene Räumlichkeiten geschaffen, die sogenannte Isolationsstudien ermöglichen. Das bedeutet, dass die Probanden dort tagelang ohne Kontakt zur Außenwelt bleiben. Um eine solche Isolationsstudie durchführen zu können, mussten die Wissenschaftlerinnen einen Ethikantrag bei der Ethikkommission der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs) stellen. Dieser ermöglichte es den Wissenschaftlern, Probanden für die Studie zu rekrutieren. Der Antrag wurde von der AG Angewandte Informatik der Universität Bielefeld in Zusammenarbeit mit dem Deutschem Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) gestellt. Die Ethikkommission der DGPs bewilligte den Antrag.191 Die Probanden wurden überwiegend über die Informationskanäle des DLR in Köln und Hamburg rekrutiert. Sie waren alle männlich und zwischen 18 und 35 187 Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (2013): SoziRob. Mensch und Roboter meistern Isolation spielend. URL: http://www.dlr.de/dlr/desktopdefault.aspx/tabid10081/151_read-6965/year-all//usetemplate-print/
(zuletzt
14.11.2015). 188 Vgl. Kummert; Berger und Kipp et al.: „SoziRob“, a. a. O., S. 4. 189 Ebd. 190 Ebd., S. 25. 191 Vgl. ebd., S. 6 u. 26.
abgerufen
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Jahre alt. Die Studie wurde mit zwei verschiedenen Gruppen durchgeführt, die sich in der Art, wie das Sportszenario angeleitet wurde, unterschieden. Bei der Rekrutierung wurde darauf geachtet, sogenannte matching partner zu finden, d. h. zwei Personen, die sich in den wichtigen Merkmalen sehr ähnlich sind. Die Probanden sollten insgesamt in den Merkmalen dem Durchschnitt entsprechen. Dieser wurde statistisch über Sportlichkeit, Persönlichkeitseigenschaften und Körpergewicht erfasst. Sie mussten außerdem Nichtraucher sein und einen psychologischen und medizinischen Eignungstest bestehen. Raumfahrtspezifische Eignungen wurden nicht explizit erfasst.192 Die Probanden waren keine Astronauten. Viele von ihnen befanden sich in der Ausbildung zum Piloten.193 Die Probanden wurden erst mit Beendigung der Isolationsstudie über die Studienziele informiert, und zwar abhängig von der Gruppe in unterschiedlichem Umfang. 5.3.2
Selbstverständnis und Problemlage
Im SoziRob-Projekt setzten eine Gruppe von Wissenschaftlerinnen und eine Gruppe von Raumfahrtspezialisten zwei Roboter in einer Isolationsstudie ein, um unter realen Bedingungen zu testen, ob Roboter für den sozialen Austausch auf Raumfahrtmissionen eingesetzt werden können. Für die Wissenschaftler war es dabei wichtig zu sehen, in welchen Szenarien die Roboter sinnvoll sozial interagieren können und was geeignete Aufgaben für sie sein können.194 Dies bezog sich insbesondere auf das Sportszenario, in dem der Roboter NAO einen Probanden beim Indoor-Cycling-Training anleiten sollte. Im zweiten Szenario, dem sogenannten Interaktionsszenario, sollten aus der Interaktion von Proband und Roboterkopf Flobi Daten für eine „Stimmungsanalyse hervorgehen“.195 Die Wissenschaftlerinnen wollten primär wissenschaftliche Erkenntnis darüber erlangen, wie gut die Konzeption von Flobi gelungen war. In der Konstruktion von Flobi wurde der Schwerpunkt auf „Soziale Interaktion“ und weniger auf die „Echtzeiterkennung“ von Emotionen gelegt.196 Flobi ist ein Roboterkopf. Er verfügt über verschiedene Elemente, um Emotionen darzustellen. Der Roboter NAO ist ein Humanoid, der von Forschungseinrichtungen fertig hergestellt gekauft werden kann. Lediglich die Software und damit die Verhal-
192 Vgl. ebd., S. 6 u. 30. 193 Vgl. Franz Kummert, interviewt von Jens Koolwaay, a. a. O., S. 7. 194 Vgl. Kummert; Berger und Kipp et al.: „SoziRob“, a. a. O., S. 9. 195 Ebd., S. 20. 196 Ebd.
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tensweisen des Roboters müssen vom Käufer eingestellt werden. Die beiden Roboter kamen in der Isolationsstudie zum Einsatz. Dabei begaben sich insgesamt 16 Probanden für drei Wochen in Isolation, um die realen Bedingungen der Raumfahrt zu simulieren. Die Interaktion mit den beiden Robotern bildete zwei Tagesaktivitäten neben weiteren. 5.3.2.1 NAO, die kommerzielle Roboterplattform Der Roboter NAO ist eine kommerziell hergestellte Plattform eines französischen Roboterherstellers. Er verfügt über drei verschiedene Ausbaustufen und befindet sich aktuell in der fünften Generation. Die erste Version wurde 2006 vorgestellt. Der NAO gilt als Forschungsroboter und wird daher nur an Forschungseinrichtungen verkauft. Seit 2008 ist er die Standardplattform der fußballspielenden Roboter beim RoboCup. Inzwischen sind über 9.000 Exemplare des Roboters verkauft worden. Der französische Hersteller bietet inzwischen auch ein Robotermodell für Privatkunden an.197 Die Entwicklung des NAO basiert auf vier Grundideen: Bezahlbarkeit, Performanz, Modularität und offene Architektur. Die Entwickler haben das Ziel, Roboter zu schaffen, die sich jeder, der einen kaufen möchte, leisten kann. Dabei sollen durch Massenproduktion und eine Reduktion auf wenige Funktionen die Produktionskosten gering gehalten werden. Die Performanz soll durch eine gute Beweglichkeit sowie durch Aspekte erreicht werden, die die Entwickler als Kognition und künstliche Intelligenz ansehen. Diese beziehen sich primär auf Sensoren, über die die Umgebung wahrgenommen wird.198 Die modulare Bauweise der Roboter soll ein stetiges Austauschen von Teilbereichen ermöglichen, ohne dass der gesamte Roboter neu aufgesetzt werden muss. Der Austausch soll sowohl eine Weiterentwicklung der Teilbereiche ermöglichen als auch eine Spezialisierung der Roboter für bestimmte Felder. Schließlich bezieht sich die offene Architektur auf ein einfaches Programmieren jedes Roboters. Ziel der Entwickler ist eine Softwarearchitektur, die es selbst Laien ermöglicht, den Roboter nach ihren Bedürfnissen zu programmieren. Das
197 Vgl. hierzu Wikipedia (2016): Nao (Roboter). URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Nao_(Roboter)&oldid=150463459
(zuletzt
abgerufen
am:
07.09.2016); SoftBank Robotics (o. J.): About us. URL: https://www.ald.softbankrobotics.com/en/about-us (zuletzt abgerufen am: 07.09.2016). 198 Vgl. Gouaillier, David; Vincent Hugel und Pierre Blazevic et al. (2008): „The NAO humanoid. A combination of performance and affordability“, in: CoRR abs/0807.3223, S. 1–10, hier S. 1–3.
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bedeutet, dass möglichst viele Teile der Software von dem Benutzer des Roboters geändert werden können. Der Roboter hat eine humanoide Form, die es ihm ermöglichen soll, sich in menschlicher Umgebung zu bewegen und sich dieser anzupassen. Gleichzeitig zielt die Gestaltung darauf ab, mit möglichst wenig Technik eine möglichst hohe Leistung zu erbringen, um bezahlbar zu sein. Außerdem kann der Roboter seine Umgebung durch verschiedene Sensoren wahrnehmen. Diese liegen etwa in seinen Händen und Füßen oder als Kameras in seinen Augen. Außerdem verfügt er über mehrere Mikrofone und Lautsprecher, um Informationen akustisch aufzunehmen bzw. auszugeben.199 Der NAO kam zum Einsatz, weil er als kommerzielle Plattform fertig gekauft werden konnte und somit nicht erst entwickelt werden musste. Wichtig war den Wissenschaftlern im SoziRob-Projekt außerdem, dass er zehn Stunden am Stück eingesetzt werden kann und seine Arme für die Anweisungen des Trainings bewegen kann. Hinzu kam, dass er bereits in den Beständen der Wissenschaftlerinnen war und es kaum kommerzielle Alternativen zu ihm gibt.200 5.3.2.2 Flobi, der selbst entwickelte Roboterkopf Bei dem Roboter Flobi handelt es sich um eine Roboterplattform, die am Central Lab des Exzellenzclusters der Universität in Bielefeld entwickelt wurde.201 Bei Flobi beschrieben die Wissenschaftler ihre Zielsetzung wie folgt: „wir wollen jetzt einen Kopf schaffen für die Kommunikation mit Menschen, der eben nicht zu menschenähnlich ist, der aber jetzt trotzdem humanoid wirkt. Der in der Lage ist, Gefühle darzustellen, und der eben ein Äußeres hat, mit dem Menschen gerne interagieren“.202 Die Plattform soll folglich durch ihre „äußere Gestaltung und realisierten Verhaltensweisen die Prinzipien menschlicher, sozialer Interaktion“ aufgreifen.203 Diese Prinzipien beziehen sich insbesondere auf sprachliche und visuelle Kommunikation, Letzteres vor allem durch Mimik.
199 Vgl. SoftBank Robotics (o.J.): Find out more about NAO. URL: https://www. ald.softbankrobotics.com/en/cool-robots/nao/find-out-more-about-nao (zuletzt abgerufen am: 07.09.2016). 200 Vgl. Franz Kummert, interviewt von Jens Koolwaay, a. a. O., S. 18. 201 Vgl. ebd., S. 10. 202 Ebd., S. 16. 203 Kummert; Berger und Kipp et al.: „SoziRob“, a. a. O., S. 23.
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Der Schwerpunkt der Entwicklung lag darin, dem Menschen eine eindeutige Interpretation der Ausdrücke des Roboters zu ermöglichen sowie die Vorgängerversion zu optimieren, indem deren Schwachpunkte verbessert werden sollten. Abbildung 4: Der Roboterkopf Flobi
Quelle: CITEC/Universität Bielefeld
Die Gestaltung des Roboterkopfs basiert auf drei Grundpfeilern. Der erste ist, dass der Roboter ein comicähnliches Aussehen hat. Der zweite ist, dass er über dynamische Aspekte verfügt, um Mimik anzuzeigen. Das basiert darauf, dass er – das ist der dritte Grundpfeiler – in seiner äußeren Darstellung aus modular austauschbaren Teilen besteht. Die Gestaltung soll funktional und intuitiv für die Benutzer sein.204 Die modulare Konzeption bedeutet, dass auf die innere Mechanik verschiedene äußere Formen gesteckt werden können. So können verschiedene Geschlechter, Frisuren und Farben gestaltet werden. Hintergrund ist, dass die Forschung der Robotik gezeigt hat, dass verschiedenen äußeren Erscheinungen verschiedene Kompetenzen zugeschrieben werden. Je nachdem, was man erreichen möchte,
204 Hegel, Frank; Friederike Eyssel und Britta Wrede (2010): „The social robot ‘Flobi’: Key concepts of industrial design“. RO-MAN: The 19th IEEE International Symposium on Robot and Human Interactive Communication, S. 107–112, hier S. 107.
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kann man unterschiedliche Aufbauten gestalten.205 Dies ist wichtig, da Flobi ein Forschungsroboter ist und somit in verschiedenen Konstellationen eingesetzt werden kann.206 Flobi ist menschenähnlich und als Babygesicht gestaltet. Dies ist damit begründet, dass, dies, wie man in Studien herausfand, eine anthropomorphe Beziehung zum Menschen begünstigt. Ziel war es, Emotionen anzeigen zu können und ein Design zu entwickeln, das es möglich macht, die visuellen Aspekte des Robotergesichtes schnell zu ändern. Im Design unterscheiden die Entwickler zwischen Aspekten, die dazu dienen, innere Zustände anzuzeigen, und solchen, die stereotype Wahrnehmungsaspekte ansprechen. Ein Beispiel für die stereotype Wahrnehmung sind etwa lange Haare, die als weiblich verstanden werden. Die Darstellungsaspekte beziehen sich insbesondere auf das Ausdrücken von Emotionen. Sie reichen von Freude bis hin zu Scham. Die Konzeption der stereotypen Wahrnehmung basiert auf Studien aus der Sozialpsychologie. Daraus folgern die Entwickler, dass über das Aussehen beim menschlichen Gegenüber Wissen über Stereotype und über soziale Rollen aktiviert wird. Deswegen möchten sie möglichst umfangreich und genau das Stereotyp auswählen können, das zu einer Situation passt, in der der Roboter zum Einsatz kommt.207 Den Roboter sehen die Entwickler als sozialen Roboter an. Sozial meint dabei, dass mindestens zwei Entitäten in einem physischen Raum gleichzeitig sind. „Such a social robot should be able to communicate with humans, it should understand and even relate to humans in a personal way and finally, it should be able to understand humans and itself in social terms […]. Thus, the main goal is to create an automaton that appears and behaves human-like during“ Human-RobotInteraction.208 Die Designer orientieren sich an dem menschlichen Gesicht und den Informationen, die es in ihren Augen enthält, insbesondere über das Alter, das Geschlecht, die Ethnie, die Identität, die Fitness und die Emotionen. Die Gestaltung des Kopfs basiert auf der anthropomorphen Annahme, dass der Mensch Dinge, die er nicht kennt, mit Vertrautem erklärt. Ein anthropomorpher Roboter erlaubt folglich, dass der Mensch ihn als menschenähnlich betrachtet und ihn entsprechend seinen gelernten Interaktionsmustern behandelt. Darüber hinaus 205 Vgl. hierzu Kummert; Berger und Kipp et al.: „SoziRob“, a. a. O., S. 23–24; Franz Kummert, interviewt von Jens Koolwaay, a. a. O., S. 15–16. 206 Vgl. Hegel; Eyssel und Wrede: „The social robot ‘Flobi’: Key concepts of industrial design“, a. a. O., S. 108. 207 Vgl. hierfür insbesondere ebd., S. 110. 208 Ebd., S. 108.
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gingen die Entwicklerinnen von einem ‚attractiveness halo‘ der Psychologie aus. Dieser besagt, dass Menschen lieber mit attraktiven Menschen interagieren als mit unattraktiven. Ferner gingen sie davon aus, dass Menschen in babyähnlichen Gesichtszügen weniger Bedrohliches sehen, weshalb sie Merkmale des Kindchenschemas einbauten.209 5.3.2.3 Die Isolationsstudie Um die Roboter unter möglichst realen Bedingungen testen zu können, wurde eine Isolationsstudie durchgeführt, an der eine Kontrollgruppe und eine Experimentalgruppe teilnahmen. Insgesamt bestand die Studie aus 16 teilnehmenden Probanden, von denen jeweils 8 zu der Kontroll- bzw. Experimentalgruppe gehörten. Es gab keinen Probanden, der in dieser Zeit ausfiel, sodass kein Kandidat von der Reserveliste nachrücken musste. Die Studie fand in Räumlichkeiten des Instituts für Luft- und Raumfahrtmedizin des DLR statt. Sie bestand aus zwei Tagen des ‚Briefings‘, 18 Tagen der Isolation sowie einem Tag des ‚Debriefings‘. Die Abläufe und Tagesgestaltung der beiden Gruppen unterschieden sich lediglich in der Gestaltung des Sporttrainings. Während die Probanden der Experimentalgruppe beim Indoor Cycling von dem Roboter NAO interaktiv angeleitet wurden, erhielten die Probanden der Kontrollgruppe die Trainingsanweisungen einmalig und statisch über das Display eines Bildschirms angezeigt.210 Die Wissenschaftler gingen davon aus, dass durch den Bildschirm auch in der Kontrollgruppe eine Art „Soziale Präsenz“ entstehen könnte. Bei den daraus entstehenden „Effekten wurde […] von geringen bis mittleren Effektstärken ausgegangen.“211 Die Isolationsstudie baute mit der Planetary-Station-(PlaSta-)Studie auf einer Vorläufervariante auf. Diese lief über einen deutlich kürzeren Zeitraum, war aber ebenfalls eine Isolationsstudie. NAO kam bei ihr bereits zum Einsatz, aber er fungierte nicht als Interaktionspartner, sondern übernahm kognitive Aufgaben. Aus der PlaSta-Studie wurden wichtige Erkenntnisse insbesondere aus der Tagesplanung der Probanden gewonnen.212
209 Vgl. ebd. 210 Vgl. Kummert; Berger und Kipp et al.: „SoziRob“, a. a. O., S. 15. 211 Ebd., S. 26. 212 Zur Sudie vgl. Stelling, Dirk; Mariel Grassmann (2011): PlaSta. Starting study campaigns on teamwork in: envihab. URL: http://www.dlr.de/Portaldata/72/Resources/do kumente/Stelling_Grassmann.pdf (zuletzt abgerufen am: 09.08.2016).
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Den Gruppen war während der Studie nicht bekannt, dass es verschiedene Gruppen und Tätigkeiten gab. Es wurde lediglich die Experimentalgruppe im Debriefing darüber aufgeklärt.213 Im Vorfeld der Studie wurden Verhaltensregeln für die Leute aufgestellt, die mit den Probanden in Kontakt kommen sollten. Außerdem wurden Eingriffsregeln festgelegt. So sollte erreicht werden, dass beide Probandengruppen die gleichen Bedingungen hatten. 5.3.3
Die Szenarienentwicklung
In der Isolationsstudie kamen die beiden Roboter Flobi und NAO zum Einsatz. Flobi spielte in einem Interaktionsszenario mit den Probanden Memory, NAO hingegen leitete im Sportszenario das Indoor-Cycling-Training an. Das Sportszenario sollte eine wesentliche Frage des Forschungsprojekts beantworten, die darauf abzielte herausfinden, ob Astronauten in langen Weltraummissionen durch Roboter zum Sport motiviert werden können. Flobi hingegen kam primär zum Einsatz, um die Weiterentwicklung des Designs zu testen. Ursprünglich sollten beide Roboter am Indoor-Cycling-Training teilnehmen. Bereits aus zeitlichen Gründen ließen sich jedoch nicht beide in das Szenario einbinden. Außerdem hatte der Roboterkopf Flobi Limitationen, u. a., da er keine Arme hat, um den Probanden Anweisungen zu geben. Deswegen entschieden sich die Wissenschaftlerinnen für diese Aufgabenteilung.214 Deutlich wird im SoziRob-Projekt zusätzlich auch die Art der Aktivitätssteuerung der Roboter. Beide verfügen über ein Set an bekannten Zuständen. Das Ziel der Roboter ist es, stets innerhalb dieser Zustände zu bleiben. Sie befinden sich permanent in einem Zustand. Wenn dieser nicht eindeutig ist, versuchen sie fehlende Informationen zu bekommen. Erhalten sie sie, dann können sie in den nächsten Zustand übergehen. Die Roboter haben eine „feste Anzahl von unterschiedlichen Zuständen und nur in diesen festen Zuständen“ bewegen sie sich.215 Die Zustandsdefinition des Roboters muss nicht immer richtig sein, dann muss das menschliche Gegenüber die Reparaturleistung erbringen. Um dem vorzubauen, erwarten die Roboter bestimmte Daten als Voraussetzung für einen bestimmten Zustand. Sind diese nicht vollständig, so holen sich die Roboter aktiv die Information, indem sie ihr Gegenüber danach fragen. Wenn die Information nicht kommt, versuchen sie in einen früheren Zustand zurückzukehren, um über die 213 Vgl. hierzu insbesondere Kummert; Berger und Kipp et al.: „SoziRob“, a. a. O., S. 25– 26. 214 Vgl. Franz Kummert, interviewt von Jens Koolwaay, a. a. O., S. 2. 215 Ebd., S. 14.
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Ausführung einer Tätigkeit in einen neuen Zustand zu gelangen. In ganz seltenen Fällen geraten die Roboter in einen unbekannten Zustand, dann haben sie große Schwierigkeiten, wieder herauszufinden. Auf die Zustandsdefinition komme ich in der Analyse der beiden Roboter noch im Einzelnen zu sprechen. 5.3.3.1 NAO und das Sportszenario Der NAO ist eine kommerzielle Plattform, die von den Wissenschaftlern eingekauft wurde. Kommerzielle Plattform bedeutet an dieser Stelle, dass die Hardware-Komponenten und das äußere Design feststehen. An ihm konnte und wurde ausschließlich an der Software gearbeitet und das Sportszenario einprogrammiert.216 Für das Sportszenario wurden verschiedene Sportarten von den Wissenschaftlerinnen in Bielefeld analysiert. Daraus wählten sie das Indoor-Cycling aus, da sie es als für die Sportler „motivierend und koordinativ fordernd“ einschätzten, was ein wichtiges Kriterium für Astronauten in Weltraummissionen ist. Wichtig war außerdem, dass die Anzahl an verschiedenen Übungen begrenzt ist und es gleichzeitig eine kleine Anzahl an eindeutigen Eingriffen durch den Trainer gibt, die jedoch alle sinnvoll und erfolgreich sind. Dies war den Wissenschaftlerinnen wichtig, um zeigen zu können, was die Roboter zu leisten vermögen. In der Summe wird für die Wissenschaftler beim Indoor-Cycling eine Struktur geschaffen, die den Probanden mit dem Robotersystem verbindet. Das macht das Szenario für die Weiterentwicklung der Robotik attraktiv.217 Einen wesentlichen sozialen Aspekt für das Sportszenario machen die Wissenschaftlerinnen in der Motivation der Probanden aus. Für die Wissenschaftler ist Motivation kein innerer Zustand einer Einzelperson, sondern ein „collaborative achievement of two or more persons interacting with each other. Thus, motivation constitutes also an interactional process carried out in real–time and mobilising the multimodal communicational resources of the participants.“218 Um zu erfassen, was das Indoor-Cycling-Training ausmacht, erforschte das Linguisten-Team der Wissenschaftlerinnen vier verschiedene Indoor-CyclingTrainer mit der Methodik der Feldbeobachtung.219 Die Wissenschaftler interessierten sich sowohl für die Makro- als auch die Mikroebene des Trainings. Für die 216 Ebd., S. 10. 217 Vgl. ebd., S. 3. 218 Süssenbach, Luise; Nina Riether und Sebastian Schneider et al. (2014): „A robot as fitness companion. Towards an interactive action-based motivation model“, in: IEEE RO-MAN (Hrsg.): The 23rd IEEE International Symposium on Robot and Human Interactive Communication, S. 286–293, hier S. 286. 219 Vgl. ebd., S. 287.
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Makroebene war der komplette Aufbau eines Indoor-Cycling-Trainings interessant. Die Mikroebene bezog sich auf das Interaktionsverhalten von Trainer und Trainees zueinander. In einem nächsten Schritt wurden für Testzwecke drei Fitnesstrainer damit beauftragt, Einzeltraining zu geben. Gleichzeitig wurden ihnen dabei auch für die Berufspraktik relevante Artefakte und Gegebenheiten entzogen, um herauszufinden, welche Interaktionen trotzdem funktionieren und welche nicht. Zu diesen Aspekten zählen das Trainingsrad, die Musik und die Trainingsgruppe. Der Hintergrund war, dass diese gar nicht oder mit sehr hohem Aufwand in einen Roboter implementiert werden können. Es sollte getestet werden, ob die Trainees die Instruktionen trotzdem verstanden.220 Die Trainer selbst verstanden ihr Verhalten als rollenspezifisch. Dies galt insbesondere für die starke Betonung von bestimmten Worten, um Korrekturen oder Anweisungen zu geben sowie eine positive Haltung einzunehmen.221 Die Wissenschaftlerinnen analysierten die Anweisungen der Fitnesstrainer qualitativ durch die wissenschaftliche Methode der Konversationsanalyse.222 Die Trainingsinstruktionen von drei Trainern wurden auf Video aufgezeichnet, um die relevanten „Interaktionsstrategien“223 herauszuarbeiten. Die Linguisten fanden heraus, dass das Training stark sequenziell angelegt ist. Die Trainer verbalisierten zu Beginn eine „Preparation“. Diese hat die Funktion, die Aufmerksamkeit der Trainees zu gewinnen sowie das Training zu strukturieren. Auf die „Preparation“ folgte die eigentliche „Instruction“. Konnte der Trainee den Instruktionen nicht folgen, kam es zu Reparaturstrategien durch den Trainer. Diese erfolgten meist als situativer Wechsel, d. h., der Trainer betonte die Anweisung anders oder gab sie nochmals aus einer anderen Perspektive.224 Während des Work-outs war die Kommunikationsrichtung im Wesentlichen unidirektional durch den Trainer. Er gab Anweisungen, verfolgte Reparaturstrategien, spiegelte die Trainingsleistung und bewertete, ob der Trainee die Übung richtig ausführte.225
220 Vgl. Skutella, Lisa Viktoria; Luise Süssenbach; Karola Pitsch und Petra Wagner (2014): „The prosody of motivation. First results from an indoor cycling scenario“, in: Rüdiger Hoffmann (Hrsg.): Elektronische Sprachsignalverarbeitung 2014.TUD Press, S. 209–215, hier S. 211. 221 Vgl. ebd., S. 213. 222 Vgl. Kummert; Berger und Kipp et al.: „SoziRob“, a. a. O., S. 9. 223 Ebd. 224 Vgl. hierzu ebd., S. 9–10. 225 Vgl. Süssenbach; Riether und Schneider et al.: „A robot as fitness companion“, a. a. O., S. 287.
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Zum Ende einer Trainingssequenz gaben die Trainer entweder positives oder, wenn eine Übung noch nicht gut gelungen war, aufmunterndes Feedback, jedoch nie negatives. Insgesamt fand die Reparaturstrategie in der Kommunikation zwischen Trainer und Trainee in beide Richtungen statt. Die Trainees erbrachten diese insbesondere bei Alltagsthemen, die zum Ende eines Trainings stattfanden. Für die Linguistinnen sind sie ein elementarer Teil der Wechselseitigkeit in der Interaktion. Ein Akteur repariert die Bedeutung seines Handelns, wenn ihm klar wird, dass sie falsch verstanden wird.226 Die Interaktion zwischen Trainer und Trainee lief im Einzeltrainer grundverschieden zu dem Training in der Gruppe ab. Während des Einzeltrainings wird deutlich mehr über private Angelegenheiten gesprochen. Außerdem wird mit Misserfolg und Erfolg anders umgegangen. In der Gruppe wird der Misserfolg des Einzelnen meist nicht thematisiert, der der Gruppe jedoch schon. Im Einzeltraining hingegen wird nahezu ausschließlich das Positive betont bzw. hervorgehoben. Misserfolg wird nicht dezidiert gekennzeichnet, sondern durch aufmunterndes Feedback beantwortet.227 Außerdem zeigte sich durch das Weglassen von Trainingsaspekten, dass Musik ein elementarer Bestandteil von Indoor-Cycling ist und nicht ausgelassen werden kann.228 Für den Roboter leiteten die Wissenschaftlerinnen daraus ab, dass er die zu fahrende Strecke strukturieren müsse. Dafür muss er die Trainingsintervalle aufzeigen, damit die Probanden die strukturierenden Vorgaben annehmen und sich darauf einstellen können. Außerdem muss er interaktiv beurteilen, ob der Proband im Sinne der Instruktion richtig agiert oder nicht. Die Wissenschaftler übernahmen dabei die Praktiken der Fitnesstrainer. Diese strukturieren das Training durch Musik. Ein Training besteht aus mehreren Songs, die hintereinander automatisch abgespielt werden. Jeder Song dauert etwa eine Minute. Mit dem Wechsel von einem Lied zum anderen wechselte auch die Übung, die der Trainer dann anleitete. Die Vorgehensweise der Fitnesstrainer übernahmen die Wissenschaftlerinnen für den Roboter. Dafür musste dieser in die Lage versetzt werden, den Beat der Musik zu erfassen und den Takt über seine physische Erscheinung anzuzeigen.229 Mit dem Liedwechsel gab der Roboter die Trainingsübung vor. Er erfasste dann, ob der Proband die Übung richtig ausführte. Tat er das, gab der Roboter ein positives Feedback, um den Probanden zum Durchhalten und Weiterführen der Übung anzuregen. Übte der Proband die Übung falsch aus, gab der Roboter Reparaturen
226 Vgl. ebd., S. 286–287. 227 Vgl. Kummert; Berger und Kipp et al.: „SoziRob“, a. a. O., S. 10. 228 Vgl. hierzu ebd., S. 4–5. 229 Vgl. Franz Kummert, interviewt von Jens Koolwaay, a. a. O., S. 3.
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aus. Jede Übung endete mit einem Feedback, in dem der Roboter die Trainingsleistung des Probanden bewertete. Dieses war analog zu den Fitnesstrainern entweder positiv oder aufbauend.230 Für das Robotersystem wurde ein „Interaktionsodell [sic!] entwickelt, welches durch übungsbezogenes Feedback zu einer stärkeren Fokussierung der Probanden auf das Training führen“ sollte.231 Die Interaktion zwischen Roboter und Proband lief über dieses Modell so ab, dass der Roboter den Probanden beim Indoor-Cycling anleitete und der Proband die Übungen machte. Der Roboter interpretierte dann die Tätigkeit des Probanden und führte entsprechend der Interpretation die dafür vorgesehene Tätigkeit aus. Allgemeiner gesprochen bedeutet das, dass der Roboter jeweils erfasste, in welchem Zustand er sich befand. Er musste dafür erfassen, was die Übergänge in andere Zustände sind und was die Bedingungen für den Übergang sind. Pro Zustand verfügte der Roboter dann über verschiedene Tätigkeiten, die er ausführen konnte. Die Ausführung einer Tätigkeit führte in einen neuen Zustand. Konnte der Roboter in einem Zustand keine seiner Tätigkeiten ausführen oder vollständig ausführen, musste er dies über eine Art Gedächtnis speichern und dann unter verschärften Bedingungen eine Tätigkeit ausführen, um in einen anderen Zustand zu gelangen.232 Dieser Zustand wurde in dem SoziRobProjekt allgemein gehalten und nicht auf verschiedene Trainingstypen spezifiziert. Die Zustandsdefinitionen des Roboters basierten auf einem Motivationsmodell. Dieses legte fest, auf welche Weise der Roboter seine Anweisungen aufbaute. Es ist angelehnt an Studien der Interaktionsforschung von Mensch-Mensch-Konstellationen. Das Modell kam unabhängig vom sozialen Kontext zum Einsatz und ordnete die Instruktionen und Reparaturanweisungen, die der Roboter ausführte. Es war dabei abgeleitet aus den Analysen der Fitnesstrainer.233 Der Roboter erfasste, ob das Verhalten des Probanden für ihn vom Idealzustand abwich, und definierte die Abweichungen als Fehler. Dann ordnete er die Fehler in einer Hierarchie und gab Reparaturanweisungen zunächst für den höchsten Fehler. Über mehrere Videokameras und 3D-Kameras erfasste das Robotersystem, ob der Proband sich im Takt bewegte und ob er die richtige Körperhaltung eingenommen hatte. Außerdem konnte es weitere leistungsdiagnostische Daten über die Probanden gewinnen, und zwar durch das Fahrrad sowie die Pulsmesser. Alle
230 Vgl. Süssenbach; Riether und Schneider et al.: „A robot as fitness companion“, a. a. O., S. 288. 231 Kummert; Berger und Kipp et al.: „SoziRob“, a. a. O., S. 9. 232 Vgl. Franz Kummert, interviewt von Jens Koolwaay, a. a. O., S. 6. 233 Vgl. Kummert; Berger und Kipp et al.: „SoziRob“, a. a. O., S. 15.
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diese Daten nutzte das Robotersystem für die Kommunikation mit den Probanden.234 Um die Sprachausgabe und seine physische Bewegung besser zu koordinieren, wurde dem Roboter eine neue Software-Komponente implementiert. Sie wird „Behavior Markup Language“ genannt. In ihr kommen insgesamt 35 verschiedene Äußerungskategorien zum Tragen, die jeweils unabhängig vom Kontext sind. Sie kommen zur Anwendung, damit die Probanden den Roboter als „dynamischer und situativer“ wahrnehmen.235 Die Äußerungen sollen mit der Bewegung des Roboters synchronisiert werden. Der Roboter NAO verfügt nicht unmittelbar über die Fähigkeit, Mimik darzustellen. Deswegen wurden die LEDs seiner Augenbrauen mit unterschiedlichen Farben untermauert, um das Feedback zu gewichten. Der Hintergrund ist, dass sich bei den qualitativen Studien zeigte, dass die Fitnesstrainer anstrengende Anweisungen mit einem Lächeln begleiteten.236 Es wurde eine männliche Stimme ausgewählt, die eine gewisse Autorität darstellen sollte, damit die Probanden den Roboter als Fitnesstrainer ernst nahmen. Außerdem sollte sie Dynamik ausstrahlen und bei gleichzeitig laufender Musik deutlich verstanden werden können. Die Stimme war synthetisch.237 In einer Vorstudie wurden die einzelnen Übungen der Fitnesstrainer in verschiedene Parameter für die Roboter übersetzt. Daraus wurde dann ein Trainingsplan für die gesamte Zeit der Isolationsstudie entwickelt. Das Training lief in einem eigenen Sportraum ab. Die Probanden hatten klar definierte Tagespläne und mussten sich zu einer bestimmten Uhrzeit in dem Sportraum einfinden. Dort begrüßte sie der Roboter und gab die Aufforderung, mit dem Training zu beginnen. Sobald sich der Proband auf dem Fahrrad befand, spielte der Roboter das erste Lied ab und leitete die erste Übung an.238 5.3.3.2 Flobi und das Interaktionsszenario Neben dem Sportszenario kommt im SoziRob-Projekt das Interaktionsszenario mit dem Roboter Flobi zum Einsatz. Das Interaktionsszenario entstand primär durch die Beschaffenheit des Roboters. Flobi ist ein Roboterkopf, der auf einem Torso sitzt. Der Roboterkopf hat zwei wesentliche Fähigkeiten. Die eine ist die Darstellung von Mimik und die zweite ist die Sprachausgabe. Es musste ein Szenario gesucht werden, in dem es ausreicht, wenn der Roboter diese beiden Aspekte 234 Vgl. Franz Kummert, interviewt von Jens Koolwaay, a. a. O., S. 4. 235 Kummert; Berger und Kipp et al.: „SoziRob“, a. a. O., S. 16. 236 Vgl. hierzu auch Süssenbach; Riether und Schneider et al.: „A robot as fitness companion“, a. a. O., S. 289. 237 Vgl. Franz Kummert, interviewt von Jens Koolwaay, a. a. O., S. 17. 238 Vgl. ebd., S. 8.
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durchführen kann und nicht zusätzlich Objekte greifen oder sich autonom bewegen muss. Daher wurde ein Memoryspiel gewählt. Flobi stand dabei als Dialogpartner zur Verfügung, der seinen Partner durch Sprachausgabe dazu bringen musste, die Karten für ihn umzulegen. Für die Entwickler stand dabei im Vordergrund, dass der Dialog auch bei Wiederholung des Spiels nicht monoton wurde. Hierfür veränderte der Roboter die Sätze dynamisch und fasste Sätze länger oder kürzer. Aus der Interaktion von Proband und Roboterkopf sollten Daten für eine „Stimmungsanalyse hervorgehen“.239 Die Wissenschaftlerinnen wollten Daten sammeln, um daraus, im Anschluss an die Studie, Stimmungslagen von Menschen automatisch erkennen zu können. Für die Dialoggestaltung wurde zunächst der Ablauf eines Memoryspiels in Einzelschritte zerteilt. Diese bestanden in einer Begrüßung, einem Smalltalk, einem Erklären der Regeln sowie dem Ablauf des Spiels. Im eigentlichen Spiel teilte der Roboter dem Spielpartner mit, welche Karte für ihn umgelegt werden sollte. Beim Spielzug des Gegners kommentierte Flobi lediglich das Ergebnis. Am Ende teilte der Roboter den Spielstand mit. Die Interaktion des Roboters basierte auf einer sogenannten State-Engine. In ihr wurden „alle möglichen Zustände des Memory-Spiels“ erfasst sowie die möglichen darauf erfolgenden Aktionen.240 Der Wechsel in einen neuen Zustand löste beim Roboter die entsprechend damit verbundene Aktion aus. Er erfasste mit den Kameras in seinen Augen, welche Karten auf dem Tisch aufgedeckt waren und welche umgedreht wurden. Außerdem erfasste der Roboterkopf Geräuschquellen und Gesichter und richtete seine Mimik immer wieder in diese Richtungen, damit er „permanent aktiv“ war und „lebhafter“ wirkte.241 Die Konstruktion des Roboters Flobi wurde während des Projekts stetig weiterentwickelt. Zu Projektbeginn zeigte sich, dass sie Schwächen in der Qualität und Beständigkeit hatte. Die Entwickler nahmen daher eine Überarbeitung der Hals- sowie der Lidkonstruktion vor. Außerdem konstruierten sie die Lippensteuerung neu. Schließlich testeten sie ein flexibles Lippenmaterial und schufen einen passenden Torso für den Kopf.242 Sie wollten dabei primär für dauerhafte und klare soziale Interaktion sorgen. In der früheren Fassung waren etwa die Stellmotoren nicht leistungsstark genug, um eine klare Mimik zu ermöglichen, oder die
239 Kummert; Berger und Kipp et al.: „SoziRob“, a. a. O., S. 20. 240 Ebd., S. 21. 241 Ebd., S. 23. 242 Vgl. hierzu ebd., S. 5.
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Magnete der Lippen waren nicht robust genug, sodass die Mundwinkel schief hingen und damit einen sozial eindeutig interpretierbaren Ausdruck konterkarierten.243 Die Lippenbewegungen waren in dem SoziRob-Projekt noch nicht synchron zur Sprachausgabe. Dies wurde von den Entwicklern in Deutschland als unproblematisch eingeschätzt, da die Deutschen es gewohnt seien, synchronisierte Filme zu sehen.244 5.3.4
Aufbau und Abbau der Sozialität
Es wurden zwei Testphasen durchgeführt. Dafür hielten sich jeweils 8 Probanden für jeweils 18 Tage in Isolationsräumen auf. In der ersten Testphase sollten die Probanden das Indoor-Cycling-Training selbstständig durchführen. In der zweiten Testphase wurden sie von dem Roboter angeleitet. Die Memory-Spiele liefen bei beiden Gruppen gleich ab. Die Testphasen fanden in einem geschlossenen Habitat statt, das eigens für Isolationsstudien geschaffen worden war. Es gab eine Einführungsphase, die Briefing genannt wurde. Sie fand zwei Tage lang unmittelbar vor Studienbeginn statt. Der primäre Gegenstand des Briefings war es, die Probanden zu akklimatisieren und zu instruieren. Die Instruktionen wurden von vier bis sechs Personen mit den Probanden durchgeführt, sodass diese während der 18 Tage Isolation möglichst autonom agieren konnten und es keine weiteren Instruktionen oder Eingriffe von außen geben musste. Die Techniker bauten die technischen Anlagen unmittelbar vor dem Start der Studie auf. Das dauerte für beide Gruppenabläufe jeweils zwei Wochen. Es kamen dafür sechs Techniker zum Einsatz. Der Aufbau der Technik wurde vorab von ihnen geplant. Die Anforderungen, die die Studie an die Technik stellte, wurden von den Technikern als immens eingestuft. Es mussten der gesamte Arbeitstag sowie auch alle anderen Stunden, in denen die Probanden wach waren, technisch erfasst werden. Neben den Robotersystemen musste umfangreiche Analysetechnik aufgebaut werden, die es ermöglichte, eine große Menge an Daten stabil zu erfassen und auszuwerten. Diese bestanden u. a. aus zahlreichen Hochleistungskameras, Mikrofonen, einem Server und Übertragungstechnik, damit zwei Personen im Kontrollraum die Bilder und Daten live ansehen konnten. Nach der Durchführung der Isolationsstudie folgte ein eintägiges ‚Debriefing‘. Es bestand aus sportlichen und medizinischen Abschlussuntersuchungen der Probanden sowie einem intensiven psychologischen Gespräch. Im Debriefing wurden
243 Vgl. hierzu ebd., S. 24. 244 Vgl. hierzu Franz Kummert, interviewt von Jens Koolwaay, a. a. O., S. 10–11.
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auch die Probanden der Experimentalgruppe darüber informiert, was die Studienziele mit dem Roboter NAO waren. Als Studienziele finden die Wissenschaftler zahlreiche Antworten auf ihre Forschungsfragen. Für die Robotiker unter den Wissenschaftlern in dem SoziRobProjekt ist die Robotik in einem Stadium, in dem sie von den reinen Laborsituationen in Testsituationen unter realen Bedingungen übergehen kann. In den Augen der Wissenschaftlerinnen sind die Roboter aber noch weit von käuflich erwerbbaren Haushaltshilfen entfernt.245 Vielmehr schließen die Wissenschaftler aus dem SoziRob-Projekt, dass ausgelotet werden soll, in welchen Szenarien Roboter sozial eingesetzt werden können. Dies ist in ihren Augen über das Sportszenario belegt und gegeben. In welchen Bereichen Roboter nach ihrer Auffassung außerdem sinnvoll sozial eingesetzt werden können, ist für sie ein wichtiges Zukunftsthema. So ist es für sie eine „grundlegende Erkenntnis […], dass auch über einen längeren Zeitraum eine Interaktion mit dem Roboter durchaus sehr positiv auf Menschen wirkt, dass sie von den Menschen akzeptiert wird und dass da unsere Hoffnung ist, dass es nicht nur für dieses Sportszenario ist, sondern auch durchaus für andere, ähnliche Szenarien diese Wirkung vorhanden ist. Sodass wir jetzt sukzessive auch versuchen, in andere Bereiche zu gehen, um da einfach Szenarien aufzubauen, wo eben Menschen länger mit Robotern interagieren.“246
In anderen Projekten verloren die Probanden schnell das Interesse an den Robotern. Insbesondere bei dem Sportszenario war das nicht so. Ein wichtiger Aspekt ist dabei das Feedback des Roboters. Da er die Probanden in ihrer Trainingsleistung einschätzen kann, ist er nützlich für sie und sie akzeptieren seine Deutungen. Ein Ermüden der Interaktion über das Feedback war während der Isolationsstudie nicht zu beobachten. Eine Abnahme von sozialen Riten hingegen schon. Hier hörten beispielsweise die Probanden auf, den Roboter zu grüßen, wenn sie den Raum betraten. Mögliche Felder, auf die die Ergebnisse ausgeweitet werden können, sehen die Wissenschaftler insbesondere in der Pflege, vor allem vor dem Hintergrund der zunehmenden Anzahl pflegebedürftiger alter Menschen. Einen weiteren möglichen Markt sehen die Projektpartner in Fitnessstudios.247 Die Forschungsfragen des Projekts beantworten die Wissenschaftlerinnen wie folgt: Bezüglich der Stimmungslagen der Probanden während der Isolationsstudie 245 Vgl. ebd., S. 19. 246 Ebd., S. 18. 247 Vgl. Kummert; Berger und Kipp et al.: „SoziRob“, a. a. O., S. 43; Franz Kummert, interviewt von Jens Koolwaay, a. a. O., S. 2.
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gibt es zwischen den beiden Gruppen nahezu keinen Unterschied. Für die Wissenschaftler ist das wichtig, weil für sie damit feststeht, dass verschiedene Trainingsergebnisse ausschließlich auf die unterschiedliche Technik zurückgeführt werden können und nicht darauf, dass die Probanden in verschiedenen Gemütszuständen waren. Bei dem Training gibt es für beide Gruppen deutlich ersichtliche Trainingserfolge. Auch die Freude am Training blieb für beide gleich.248 Die Wissenschaftlerinnen deuten dies vor dem Hintergrund der These der sozialen Präsenz. Diese besagt, dass Menschen bei leichten Tätigkeiten höhere Erfolge erzielen, wenn jemand anderes anwesend ist. Auch umgekehrt gilt, dass sie bei schwierigen Tätigkeiten geringere Erfolge haben, wenn ein anderer anwesend ist. Die Studie wird so interpretiert, dass die These in beide Richtungen auf die Roboter übertragen werden kann. Dies galt auch dann, wenn der Roboter ausgeschaltet war, was besondere soziale Konsequenzen hat, da es somit nicht ausreicht, den Roboter auszuschalten, um bei schwierigen Tätigkeiten keine Leistungsminderung durch diesen zu erhalten.249 Von den Probanden der Experimentalgruppe wurde das Training als körperlich anspruchsvoller empfunden, obwohl es identisch war. Gleichzeitig strengten sie sich stärker an als die Kontrollgruppe und waren motivierter. Die beiden letzten Aspekte lassen darauf schließen, dass der Roboter zum Erfolg beitrug.250 Die Probanden nahmen das interaktive Motivationsmodell des Roboters an. Zu Beginn der Studie erstellten sie ein Kompetenzprofil des Roboters. Erst danach ließen sie sich auf dessen Instruktionen ein. Deswegen war ein iterativer Beziehungsaufbau zu dem Roboter notwendig. Die Probanden mussten sich das Robotersystem aneignen und herausfinden, wie sie es nutzen können. Danach gingen sie nachsichtiger mit dem Roboter um und ließen sich stärker auf ihn ein.251 Das Interaktionsszenario war bei beiden Gruppen gleich. Hier zeigte sich, dass es einer Lernkurve bedurfte, bis die Frustration bei den Probanden sank. War dies geschehen, spielten sie häufiger und länger Memory.252 Einen Unterschied gab es zwischen den beiden Gruppen. Die Mitglieder der Experimentalgruppe verbrachten weniger Zeit im Aufenthaltsraum als jene der Kontrollgruppe. Eine mögliche Ursache sahen die Wissenschaftler darin, dass sie die Anwesenheit der Roboter weniger stark ausblenden konnten. 248 Vgl. Süssenbach; Riether und Schneider et al.: „A robot as fitness companion“, a. a. O., S. 292. 249 Vgl. Kummert; Berger und Kipp et al.: „SoziRob“, a. a. O., S. 39–41. 250 Vgl. ebd., S. 33–35. 251 Vgl. ebd., S. 38–39. 252 Vgl. ebd., S. 37.
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Das Memoryspielen ist für die Entwickler auch eine Anwendung, die in Pflegeeinrichtungen zum Einsatz kommen kann, da sie die geistige Aktivität der Bewohner fördert. Denkbar ist für die Entwickler auch, dass Menschen, die alleine leben, durch das interaktive Spiel mit einem Roboter „geistig rege und fit“ bleiben können.253 5.3.5
Die soziale Formation: die Durchführungsphase
Im Vordergrund der Studie stand die Simulation des Tagesablaufs auf einer Raumstation. Ein Arbeitstag umfasst dort gewöhnlich 9 Stunden. Hinzu kommen Pausen und Essenszeiten. Das wurde für die Studie übernommen. Die Probanden hatten abends Freizeit. Die Möglichkeit, Kontakt außerhalb der Räumlichkeiten aufzunehmen, hatten sie lediglich an zwei freien Tagen, an denen sie das Internet nutzen konnten. An den übrigen 16 Tagen hatten sie weder die Möglichkeit, ein Telefon zu benutzen, noch, ins Internet zu gehen. Die Probanden hatten einen vollständig festgelegten Arbeitstag, an dem sie beide Szenarien für eine Stunde nutzen mussten. Die weiteren Tätigkeiten waren überwiegend Methoden und Übungen aus der Luft- und Raumfahrtpsychologie, die aus der Vorgängerstudie großteils übernommen wurden, da sie sich dort bewährt hatten. Hinzu kamen zusätzlich verschiedene Tests aus dem Exzellenzcluster Cognitive Interaction Technology. Diese drehten sich primär um das Messen von visueller Aufmerksamkeit bei den Probanden, insbesondere dann, wenn Technik involviert war. Mehrmals täglich mussten die Probanden Fragebögen ausfüllen. Dies geschah am Tablet und diente als Datengrundlage für die Auswertung. Während der Studie waren zwei Projektmitarbeiter vor Ort. Sie wechselten im Wochenrhythmus. Die Testphasen der Kontrollgruppe sowie der Experimentalgruppe liefen nacheinander ab. In der Experimentalgruppe agierten beide Roboter während der Isolationsstudie in Bezug auf die beiden Szenarien vollständig autonom. Das bedeutet, dass von ihnen die Sprachsignale und Bilddaten erfasst und eingeschätzt wurden. Außerdem hatten sie Daten aus den Szenarien. Bei dem Sportszenario lieferten das Fahrrad sowie die Pulsmesser der Probanden Daten, die der Roboter deutete. Die Deutung dieser Daten erfolgte vor dem Hintergrund der Systemzustände des Roboters. Über ihr jeweiliges Szenario hinaus konnten die Roboter nicht agieren, da keine entsprechenden Systemzustände programmiert waren.254 Die Roboter konnten auf die Daten Feedback geben, der NAO über verschiedene
253 Franz Kummert, interviewt von Jens Koolwaay, a. a. O., S. 9. 254 Vgl. ebd., S. 10.
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Farben der Augenbrauen, der Flobi über Unterschiede in der Mimik.255 Das Interaktionspotenzial der Roboter lag in der Sprachausgabe, der Sprachverarbeitung sowie der Darstellung von Emotionen und dem Erfassen und Deuten von Daten. Die Roboter sollen soziales Verhalten zeigen. Das bedeutet in den Augen der Entwickler, dass sie sich auf Menschen sowie deren Wünsche und Bedürfnisse einstellen sollen. Für Flobi gilt zusätzlich, dass er seine Zustände als Emotionen nach außen zeigen soll, damit der Mensch „die Interaktion als angenehm empfindet und nicht als maschinenhaft.“256 In dem SoziRob-Projekt bildete sich über den Roboter NAO und das Sportszenario eine eigene Sozialität, in ihr gelangen die Probanden über das Feedback des Roboters zu einer Verbesserung des Trainings und zu einer gestiegenen Trainingsmotivation kamen. Dies erforderte den Aufbau eines soziotechnischen Netzwerks, das ich im folgenden Unterkapitel darstellen möchte. Der Roboter Flobi verband sich nur sehr bedingt mit den Probanden zu einer neuen oder einer kombinierten Sozialität. Bei der Experimentalgruppe wirkte sich die Erfahrung mit dem Feedback gebenden Roboter NAO auf die Bereitschaft, sich in die Nähe von Flobi zu begeben, negativ aus. Die Kontrollgruppe ging weniger abweisend mit Flobi um. Insgesamt blieb der Roboter primär ein Testobjekt der Wissenschaftlerinnen. 5.3.5.1 NAO, das interpretative Verbindungsglied In der Experimentalgruppe entstand bei der Durchführung des Fitnesstests ein soziotechnisches Netzwerk, das sich aus der Technik, der Interaktion von Roboter und Proband, dem Fitnessraum, dem Kontrollraum sowie den beiden Kontrollpersonen darin zusammensetzte. Die Technik bestand neben dem Roboter und dem Fahrrad aus 3D-Kameras, zwei Videokameras, die jeweils die Bewegungen der Probanden von vorne und von der Seite erfassten, sowie der Technik für den Kontrollraum. Die Trainingssitzung wurde aus einem Kontrollraum überwacht. Dafür wurde ein eigenes Monitoringprogramm entwickelt. Durch dieses hatte die Personen im Kontrollraum Zugang zu den Daten, auf denen der Roboter sein Feedback aufbaute. Dies diente dazu, medizinisch zu überwachen, dass kein Proband in einen kritischen Zustand geriet. Die Interaktion zwischen Roboter und Proband bestand insbesondere aus einer Kompetenzeinschätzung, die der Proband an dem Roboter vornahm, sowie einer Feedback-Funktion, die der Roboter auf die Trainingsleistungen des Probanden ausführte. 255 Vgl. ebd., S. 11. 256 Ebd., S. 20.
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Die Probanden brauchten die ersten Trainingseinheiten, um die Fähigkeiten und Möglichkeiten des Roboters einzuschätzen. Insgesamt machten die Wissenschaftlerinnen vier Aspekte aus, an denen die menschlichen Interaktionspartner die Kompetenz des Roboters maßen: die Stimme, die physische Erscheinung, die eigene Interaktionserfahrung mit dem Roboter sowie das Verhältnis der äußeren Erscheinung des Roboters zu seinen Verhaltensweisen.257 In den ersten Einheiten folgten die Probanden den Anweisungen des Roboters nicht genau, sondern versuchten herauszufinden, wo seine Kompetenzen lagen. Die Wissenschaftler schlossen daraus, dass die Trainees anfangs mehr Zeit brauchen, um die Kompetenz der Reparaturstrategien des Roboters richtig einzuschätzen. Die Probanden führten anfangs weder die Übung richtig aus, noch folgten sie sofort der Hilfestellung des Roboters. Das interpretierte der Roboter als fehlerhaftes Training und wollte weitere Reparaturleistungen erbringen bzw. es lief die Zeit bereits ab und der Roboter startete eine neue Übung. So entstand in den ersten Einheiten Unzufriedenheit bei den Probanden, da die Interaktion regelmäßig misslang. Dies legte sich später, als die Probanden erfahrener im Umgang mit dem Roboter waren. Zum Ende hin nutzten sie ihn als Hilfsinstrument für ein besseres Training.258 Neben der Kompetenzeinschätzung und dem damit einhergehenden Instrumentalisieren des Roboters durch die Probanden nahmen die sozialen Riten gegenüber dem Roboter mit Verlauf der Studie ab. Die Begrüßung und der Blickkontakt wurden zum Ende hin deutlich weniger. Die Wissenschaftler schlossen daraus, dass „die Zuschreibung des Roboters als sozialen Interaktionspartner nicht notwendig für eine erfolgreiche Mensch-Roboter Interaktion [sic!] ist, in welcher der Mensch das Robotersystem für seine Zwecke nutzen kann.“259 Entscheidend war für die Probanden herauszufinden, welche Kompetenzen der Roboter hat. Diese versuchten sie dann für sich zu nutzen. Auf der anderen Seite bestand die Interaktionsbeteiligung des Roboters primär in der Anleitung des Trainings sowie im Geben eines Feedbacks zur Trainingsleistung des Probanden. NAO leitete die Probanden je nach vorher definierter Si-
257 Vgl. Süssenbach, Luise; Karola Pitsch; Ingmar Berger; Nina Riether und Franz Kummert (2012): „Can you answer questions, Flobi? Interactionally defining a robot’s competence as a fitness instructor“, in: IEEE RO-MAN (Hrsg.): The 21st IEEE International Symposium on Robot and Human Interactive Communication, Piscataway, NJ: IEEE, S. 1121–1128, hier S. 1121–1122. 258 Vgl. Süssenbach; Riether und Schneider et al.: „A robot as fitness companion“, a. a. O., S. 291–292. 259 Kummert; Berger und Kipp et al.: „SoziRob“, a. a. O., S. 37.
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tuation bzw. nach vorher definierter Einschätzung der erfassten Live-Daten dynamisch an. Für die Kontrollgruppe wurde ein anderes Feedbacksystem entwickelt als für die Experimentalgruppe. Bei zuletzt genannten Probanden basierte es auf einer Art episodischen Gedächtnisses, das auf einer Datenbank aufbaute, die das Geschehene mitschnitt. In der Datenbank wurden aktuelle und frühere Trainingsdaten erfasst. In der Experimentalgruppe evaluierte das Feedbacksystem die Daten dann, bspw. indem es daraus Trainingsfortschritte und Verbesserungen aufzeigte oder auch Kritik äußerte in dem Sinn, dass es auf eine Verschlechterung der Daten hinwies. Dadurch wurde eine Kontinuität erzeugt, die von den Wissenschaftlerinnen als wichtiger Bestandteil der Trainingslehre eingeschätzt wurde. In der Kontrollgruppe kam ein Feedbacksystem zum Einsatz, das aus der Darstellung von quantitativen Daten bestand. Diese wurden vom System nicht eingeschätzt oder gewichtet. Eine interaktive Aufbereitung erfolgte somit nicht. Um das Netzwerk so aufrechtzuerhalten, mussten verschiedene Stabilisierungsleistungen erbracht werden. Diese bezogen sich neben dem Aufbau der Technik und der Einweisung in der Briefing-Phase v. a. auf den Umgang mit der Stromversorgung der Roboter sowie der Lautstärke der Musik während der Übung. Es mussten mehrere baugleiche NAO-Roboter zum Einsatz kommen, um für alle Probanden einen reibungslosen Ablauf zu ermöglichen. Ein NAO konnte dadurch, dass er ans Stromnetz angeschlossen blieb, im gesamten Studienverlauf zum Einsatz kommen.260 Die Problematik zeigte sich darin, dass die Musik in der gesamten Isolationsanlage zu hören war. Deswegen musste der Fitnessraum während der Studie isoliert werden.261 Wichtig ist dies, da somit überwachende und steuernde Akteure von außen in die Studie eingreifen mussten, um Stabilität zu erzeugen. Dieses Netzwerk entstand nicht in der Kontrollgruppe. Dort saßen die Probanden alleine in einem Raum. Die Instruktionen für die Übung erhielten sie einmalig vor der ersten Durchführung in Textform auf einem Bildschirm.262 Außerdem bekamen sie ein anderes Feedback. Es basierte auf einer statischen Darstellung von quantitativen Daten. Diese wurden nicht vom Robotersystem eingeschätzt oder gewichtet. Das bedeutet, dass keine interaktive Aufbereitung erfolgte und somit keine Verbindung von den Daten, die von den technischen Geräten erfasst wurden, und dem Probanden. Dies müsste vom Probanden vorgenommen werden. Allerdings wäre der Roboter nicht in der Lage, auf diese Informationen einzugehen, sodass in der Konsequenz die Verbindung von Technik und Proband über die Datenanalyse geschieht. Bei der Experimentalgruppe erfolgte diese Verbindung, weil 260 Vgl. hierzu ebd., S. 18–19. 261 Vgl. ebd., S. 18. 262 Vgl. ebd., S. 18–19.
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die Daten durch das Feedbacksystem für den Probanden interpretiert und repariert wurden. 5.3.5.2 Flobi, der interaktive Zustandsanzeiger Der Roboterkopf Flobi stand in der Isolationsstudie dauerhaft am Esstisch im Aufenthaltsraum. Das Interaktionsszenario wurde von den Probanden ausgelöst, indem sie Flobi begrüßten. Sie sorgten dafür, dass das Spielbrett vorhanden und bereit für den Einsatz war. Sie hatten sowohl festgelegte Tageszeiten mit Flobi als auch frei wählbare Zeiten. Die Vorgabe bestand darin, dass sie täglich mindestens zwei Runden Memory spielen mussten. Sie konnten so viele Runden spielen, wie sie wollten.263 Zu Studienbeginn zeigte sich, dass die Probanden Flobi einzuschätzen lernen mussten. Anfangs hatten sie falsche Vorstellungen von den Fähigkeiten des Roboters. Nachdem die Probanden gelernt hatten, diese einzuschätzen, spielten sie häufiger und länger Memory.264 Insgesamt hielten sich die Probanden der Experimentalgruppe seltener im Aufenthaltsraum auf als jene der Kontrollgruppe. Die Wissenschaftler vermuten die Ursache darin, dass den Probanden der Experimentalgruppe die Anwesenheit der Roboter bewusst war. Der Roboter fungierte somit als Zustandsanzeiger. Der Experimentalgruppe gab er eine Bewertung und Einschätzung ihrer Leistung. Für die Mitglieder der Kontrollgruppe bestand diese Überprüfung nicht, da Flobi bei ihrem Training nicht zum Einsatz kam. Die Interaktion mit Flobi wurde darüber aufgebaut, dass der Roboter den Raum nach Schallwellen absuchte und in die Richtung Kontakt aufnehmen wollte, woher der Schall kam. In die Gespräche der Probanden konnte sich Flobi nicht einschalten. „So weit ist man leider nicht in der Robotik, dass sich so ein Roboter in so ein Tischgespräch einschalten kann und über Gott und die Welt miterzählen kann.“265 Die Darstellung der Emotionen beim Memoryspiel basierte auf Überlegungen der Wissenschaftler, welche Emotionen bei dem Spiel üblich sind. „Das sind wir basal angegangen, indem man gesagt hat, ja, wenn man Memory spielt, was gibt es da jetzt für Emotionen? Man freut sich oder ist zufrieden, wenn man ein Pärchen hat, oder guckt dann vielleicht so ein bisschen trauriger oder verärgert, wenn der andere schon mal das dritte Pärchen hintereinander hat. Da haben wir versucht so ganz leicht die Zustände zu integrieren, um einfach auch auszutesten, wie kommt denn das überhaupt an?“266 263 Vgl. Franz Kummert, interviewt von Jens Koolwaay, a. a. O., S. 12. 264 Vgl. Kummert; Berger und Kipp et al.: „SoziRob“, a. a. O., S. 37. 265 Franz Kummert, interviewt von Jens Koolwaay, a. a. O., S. 9. 266 Ebd., S. 12.
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Die Wissenschaftlerinnen testeten vor der Isolationsstudie, wie es wirkt, wenn der Roboter keine Emotionen zeigt, und kamen zu dem Schluss, dass es für das Spiel wichtig ist, dass er Reaktionen zeigt, insbesondere in Form von Gesichtsausdrücken. Damit bleibt Flobi ein Testobjekt, das den Wissenschaftlern wichtige Erkenntnisse über seine Konzeption liefert. Er bleibt am Rande der Sozialität und stellt nur bedingt ein Szenario und damit eine soziale Situation her. Er ist in hohem Maße davon abhängig, dass die Probanden als soziale Akteure die Requisiten mitbringen sowie die Spielzüge durchführen und sich an die Studienvorgabe halten, mindestens zwei Runden Memory zu spielen.
6
Die Bildung von Sozialität bei interaktiven Robotern
Die Beantwortung meiner Fragestellung ging ich bislang aus zwei Richtungen an. Zum einen konnte ich aus der Diskussion um die Erfassung der Beziehung von Mensch, Sozialität und Technik vier Grundfiguren entwickeln, über die diese Beziehung theoretisch konzipiert wird. Im nächsten Schritt konnte ich dann vier Dimensionen ableiten, die sich idealtypisch in diesen vier Figuren finden lassen. Zum anderen wählte ich drei Fallstudien mit fünf Robotern aus, über die ich die Kernkategorie der Sozialitätsbildung entwickelte, die sechs Subkategorien besitzt. Im nächsten Schritt möchte ich diese beiden Stränge zusammenführen. Dabei werde ich analysieren, inwieweit sich die vier Dimensionen der Grundfiguren mit den Kategorien der Fallstudien überschneiden und welche sozialen Formationen dadurch gebildet werden. Ich möchte belegen, dass sich die Stärken der Grundfiguren miteinander verbinden lassen. Handlungsträgerschaft, Interaktivität, Netzwerk und Sozialität werden über Kompetenzen der Handlungsträger und ihre Relation zur Sozialität verbunden. Ich konzentriere mich auf die Analyse des Herstellungsprozesses der interaktiven Roboter sowie auf die Prozesse, in denen diese mit Sozialität in Bezug gebracht werden. Ich beginne mit der Bildung von Sozialität bei interaktiven Robotern, indem ich die Grounded Theory der Fallanalyse mit der der Grundfiguren in Beziehung setze. Daran anschließend kennzeichne ich die daraus folgende analytische Konzeption der sozialen Formierung bei interaktiven Robotern.
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6.1 D IE B ILDUNG R OBOTERN
VON
S OZIALITÄT
BEI INTERAKTIVEN
Um die Entwicklung der Dimensionen und Kategorien sichtbar zu machen, kennzeichne ich die sechs Kategorien der Kernkategorie Sozialitätsbildung und verbinde sie mit den analytischen Konsequenzen, die ich aus den Grundfiguren gezogen habe. 6.1.1
Die Ausgangslage
Die Ausgangslage der Projekte wurde über die Haltungen und Kompetenzen der beteiligten Akteure definiert. Zusammengesetzt verbanden sich diese zu etwas Neuem. In allen drei Projekten gab es entweder eine zentrale Akteursgruppe im Projekt selbst oder eine, die dieses initiierte und fortan als Bezugspunkt für die beteiligten Akteure fungierte. Im WiMi-Care-Projekt und bei Lisa kombinierte und lenkte eine zentrale Akteursgruppe die Kompetenzen der anderen beteiligten Akteure. Im SoziRob-Projekt brachte dagegen eine gewichtige Instanz die beiden zukünftigen Protagonisten zusammen. Bei allen drei Projekten bestand die Sozialität, in der die Roboter zum Einsatz kamen, bereits vorher. Dies waren eine Pflegeeinrichtung, der RoboCup und ein Isolationshabitat. Bevor ich die drei Projekte diesbezüglich zusammenfasse, möchte ich für die Ausgangslage festhalten, dass es einen zentralen Akteur gab, der die anderen Akteure auf jeweils mindestens eine Kompetenz festlegte und diese Kompetenzen dann zusammenführte. Aus dieser Verbindung entstanden die Problemlagen und wurden sie bearbeitet. Beim WiMi-Care-Projekt war der zentrale Akteur das Soziologie-Team, das eine soziologische Analyse der Demografie nutzen wollte, um einen Vorschlag zu entwickeln, wie man dieser mit Technik begegnen kann. Es wollte und konnte außerdem eine soziologische Methode testen und die zukünftigen Nutzer einbeziehen. Es lieferte damit eine Moderationsleistung, die zunächst die benötigten Kompetenzen der Akteure erfasste und dahingehend bündelte, dass sie an dem Projekt teilnahmen und dieses zustande kam. Dann kamen die Interfacedesigner als Kompetenz für die Gestaltung der Benutzeroberflächen und die Moderationsleistung zwischen Technik und Anwenderinnen ins Boot. Die Pflegeeinrichtung charakterisiert die Realität des zukünftigen Einsatzfeldes. Die Roboterentwickler wurden von dem Team in eine Gruppe eingeteilt, die für eine stabile und etablierte Technik stand, und eine zweite, die für Innovation und Forschung stand. Ermöglicht wurde dies durch die finanzielle Rahmung eines Drittmittelprojekts. Die Sozialität, in die die Roboter kamen, war die Pflegeeinrichtung. Die Roboter waren
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ROBOTERN
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ein Teilaspekt. Einer sollte für eine neue Sozialität entwickelt werden, der andere den Stand der Forschung zeigen. Der zentrale Akteur bei dem Roboter Lisa waren die Wissenschaftler. Diese standen für die Haltungen und Kompetenzen der Profession der Computerwissenschaften und vermittelten diese den Studierenden. Diese Haltungen und Kompetenzen waren sowohl im Curriculum als auch in der Lehre und im RoboCup verankert. Die Dozierenden vermittelten die dazugehörigen Praktiken und bildeten mit den Studierenden ein Team, um über den Roboter im wissenschaftlichen Wettstreit gegen andere Wissenschaftlerinnen anzutreten. Es ging weniger darum, den Roboter an sich weiterzuentwickeln, als vielmehr darum, die Robotik durch wissenschaftliche Erkenntnis weiterzubringen. Gewichtige Katalysatoren waren hierbei die Konkurrenz und der Wettbewerb. Im Vordergrund standen das Feld der Robotik und sein Fortschritt. Die Ausgangslage des SoziRob-Projekts wurde von Mitgliedern einer sozialen Organisation und damit einem dritten Akteur geschaffen. Das Wissenschaftsministerium eines Bundeslandes vermittelte den Kontakt zwischen Wissenschaftlern und Astronautinnen und ermöglichte durch die Finanzierung diese Verbindung. Die beiden Gruppierungen, die selbst jeweils heterogen waren, einigten sich auf eine gemeinsame Verbindung, die die Kompetenzen und Sozialitätsrelationen beider zusammenführte. Die Astronauten wollten die Bedingungen, denen sie auf Langzeitmission ausgesetzt sind, verbessern sowie die Räumlichkeiten für Isolationsstudien nutzen. Die Wissenschaftler eines Exzellenzclusters suchten nach sinnvollen Anwendungsfeldern für soziale Roboter, insbesondere für ihre eigene Schöpfung, den Roboterkopf Flobi. Bei dem SoziRob-Projekt ging es also darum, Sozialitäten für den Einsatz von interaktiven Robotern zu finden und zu testen. Dieser wurde u. a. in der Raumfahrt gesehen und in dafür geschaffenen Räumlichkeiten getestet. 6.1.2
Das Selbstverständnis und die Problemlage
Nachdem der zentrale Akteur die Sozialität und die beteiligten Akteure mit ihren Kompetenzen zueinander in Beziehung gesetzt hat, stehen die Problemlage und das Selbstverständnis der Akteure in Bezug zueinander. Die Problemlage und das Selbstverständnis konnte ich über die Art und Weise, wie die Roboter weiterentwickelt wurden, und das Verständnis, das die Entwicklerinnen von den Robotern hatten, sichtbar machen. Das Selbstverständnis der Akteure steht in direkter Verbindung zu ihrer Sozialitätsrelation. Durch die Verbindungen der Kompetenzen und Haltungen der zentralen sozialen Akteure werden
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die Roboter zu Handlungsträgern. Der Care-O-Bot-3 trägt die Forschungshandlung nach außen. CASERO trägt die Funktionalität in dem technischen Netzwerk, das ebenfalls von den Entwicklern generiert wird. Flobi zeigt das wissenschaftliche Verständnis des Emotionenanzeigens. Der NAO trägt die Funktionalität des Trainers in sich und Lisa die Lösungen für das wissenschaftliche Problem des RoboCups. Die Sozialitätsrelation wird an dieser Stelle insbesondere über die Praktik der Konventionalisierung sichtbar. Die Akteure machen Problemlagen aus, die in ihrer Profession gängig und anerkannt sind, und verwenden die dafür üblichen Praktiken zu deren Bearbeitung. Das bedeutet, dass sie die Konventionen der Sozialität verwenden, über die sie das Problem sehen und bearbeiten können. Für den Roboter bedeutet das in der Konsequenz, dass die Konventionen als Kompetenzen an ihn übertragen werden. Damit wird er in die Lage versetzt, eine bestimmte Problemlage zu bearbeiten. Diese Bearbeitung geschieht aus der Verbindung der Kompetenzen der am Entwicklungsprozess des Roboters beteiligten Akteure. Damit wird der Handlungssinn über den Roboter in das Projekt gebracht. Im WiMi-Care-Projekt war der Roboter CASERO Teil eines soziotechnischen Netzwerks. Dieses wurde von den Entwicklern in die Sozialität implementiert. Die Problemlage war die Automatisierung von Bewegungen und Transporten, die technisch bearbeitet werden. Der Care-O-Bot-3 hingegen repräsentierte den Stand der Forschung im Bereich der Service-Robotik. Seine Entwicklerinnen verstanden sich als Mitglieder der Wissenschaft und ihre Lösungen waren wissenschaftliche. Sie bewegten sich lediglich temporär in einer anderen Sozialität, um den Stand der Dinge zu zeigen. Sie verbanden sich nicht mit anderen Akteuren. Die Pflegeeinrichtung öffnete sich, sodass sich andere Akteure mit ihr verbinden bzw. in ihr agieren konnten. Die Interfacedesigner wollten den Akteuren in der Pflegeeinrichtung die technischen Zustände vermitteln. Die Soziologinnen vermittelten insbesondere die Interessen von zukünftigen Anwendern in der Sozialität. Sie abstrahierten die Anwenderinnen als Idealtypus aus der sich öffnenden Pflegeeinrichtung. Dann versuchten sie, die Interessen der Anwender mit der Technik zu verbinden. Gleichzeitig wollten sie ihre sozialwissenschaftlichen Analyseinstrumente weiterentwickeln. Bei dem Roboter Lisa war die Problemlage von der Sozialität des RoboCups und der universitären Sozialität bestimmt. In der @Home-Liga des RoboCups werden von den teilnehmenden Wissenschaftlern die Zielzustände festgelegt, also die Tätigkeiten, die in einem Haushalt ausgeführt werden müssen. Diese werden dann als Ziele definiert, die die Roboter erreichen können sollen. Je besser dies einem Team mit seinem Roboter gelingt, umso erfolgreicher ist es auf dem Ro-
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boCup und desto mehr wissenschaftliches Renommee erhält es. Beim Team Homer war die Arbeit am Roboter als studentisches Praktikum im Lehrplan vorgesehen. Dort wurden die Haltungen und Kompetenzen insbesondere über die Programmierung an die Studierenden vermittelt. Der Roboter fungierte als Ziel und Vermittler der Praktik des Programmierens sowie des Lehrens und Lernens. Die beiden zentralen Akteure des SoziRob-Projekts brachten jeweils materialisierte Aspekte der Sozialität bzw. Träger der Sozialität mit. Die Raumfahrtspezialisten stellten die Räumlichkeiten für Isolationsstudien und suchten nach der sozialen Gestaltung durch Verwendungsmöglichkeiten. Die Robotikerinnen verfügten über zwei verschiedene Robotersysteme, für die sie soziale Anwendungsfelder suchten. In der Kombination verbanden sie diese beiden Bereiche zu einer Isolationsstudie mit Probanden, die zum einen raumfahrtspezifische Tätigkeiten ausführten und zum anderen zwei verschiedene Szenarien mit den Robotern ausübten. Flobi und NAO fungierten als Sozialitätspotenz. Die Linguistinnen unter den Wissenschaftlerinnen statteten die Roboter mit sozialen Kompetenzen aus, die Robotiker implementierten diese in der Logik der Programmierung und damit der Kausalität ihrer Sozialität. 6.1.3
Die Szenarienentwicklung
In der Szenarienentwicklung kommt es zu Aushandlungen bzw. Verbindungen von Verteilungsanordnungen der Kompetenzen in Bezug auf die Sozialitätsrelation. Wenn es in der Szenarienentwicklung zu einer Verbindung der Kompetenzen mehrerer Akteure und ihrer unterschiedlichen Kompetenzen kommt, dann werden die Roboter zu einer oder in eine neue Sozialität verbunden bzw. eingebunden. Bleiben die Akteure für sich und bleibt damit die Verteilung der Kompetenzen abgeschlossen, führt dies dazu, dass keine neuen Kompetenzen einbezogen werden und die Sozialität in ihrer alten Form bestehen bleibt. Beim WiMi-Care-Projekt erfolgte die Szenarienentwicklung als Aushandlungsprozess der Kompetenzen und der Ziele der zentralen Akteure. Eine wesentliche Kompetenz war dabei die Moderationsleistung der Soziologinnen und der Interfacedesigner. Bei dem Roboter Lisa wurden die Ziele aus der Sozialität des RoboCups abgeleitet und die Praktiken dazu durch den Lehrplan des Studiengangs gestaltet. Bei dem SoziRob-Projekt geschah die Entwicklung der Szenarien unterschiedlich. Bei dem Roboter NAO war sie eine Antwort auf die Fragestellung des Projekts. Hier verbanden sich die Vorstellungen der beiden Projektpartner, wodurch eine temporäre Sozialität entstand. Bei dem Roboterkopf Flobi blieb es bei einer internen Optimierung des Roboters. Er wurde primär zu Optimierungszwecken in die Sozialität gebracht und blieb somit äußerlich.
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Zwei der vier Dimensionen aus den Grundfiguren kommen hier zum Tragen. Das ist zum einen das Verhältnis von Situationsdefinition und Umweltstabilität sowie zum anderen die Frage nach der Sozialitätseinbettung bzw. -implementierung. Die Szenarienentwicklung manifestiert Entscheidungen, die in den Roboter implementiert werden. Die Art der Programmierung definiert die Zustände, die diese intern erhalten, und damit auch, wie der Roboter auf Situationen, in die er kommt, reagiert. Was eine Situation ist, definieren die Roboter dabei selbst. Es findet damit nur ein bedingter Abgleich mit anderen Handlungsträgern und ihren Kompetenzen statt, wodurch an dieser Stelle die Sozialitätsrelation der Roboter in ihnen verankert wird. Die Roboter – wie es insbesondere bei NAO und Flobi sichtbar geworden ist – müssen von einer Situation ausgehen und stabilisieren sie damit über die Zustandsdefinition ihrer Umgebung. Das fasse ich als die Verankerung der Sozialitätsrelation in den Roboter auf, die während der Szenarienentwicklung vollzogen wird. Die Frage, ob der Roboter in eine Sozialität eingebettet oder ob diese in ihn implementiert wird, ist eine Entscheidung, die in der Szenarienentwicklung getroffen wird. Deswegen nenne ich dieses Phänomen Sozialitätsrelation. Darauf komme ich später gesondert zu sprechen. Die Sozialitätsrelation schafft die Voraussetzungen und Anfänge der Sozialität, die dann in der sozialen Formation sichtbar werden. Im WiMi-Care-Projekt setzten die Soziologinnen eine bestimmte Methode ein, über die sie die Bedürfnisse der potenziellen Nutzer herausfinden wollten. Für sie war es ein wesentliches Ziel des gesamten Projekts, diese Methode zu optimieren. Sie generierten damit Informationen über die zukünftigen Nutzer, abstrahierten sie, definierten sie damit neu und suchten aus dieser Perspektive nach Einsatzmöglichkeiten für Roboter in der Pflegeeinrichtung. Diese Vorstellungen wurden dann mit dem technisch Möglichen abgeglichen. In der Konsequenz entschieden sich die beiden Übersetzerinnen und die beiden Roboterentwickler für jeweils zwei Szenarien pro Roboter. Die Gründe hierfür lagen in einer Aushandlung der Kompetenzen, der Gegebenheit der Ausgangslage und der Problemlage. Die Soziologen wollten die Methode testen und suchten nach einer innovativen und stabilen Technologie. Die Entwickler von CASERO wollten den Transportroboter in Dienstleistungsumgebungen ökonomisch betreiben und dafür optimieren. Die Entwicklerinnen von Care-O-Bot-3 wollten Technik und Forschung voranbringen. Bei dem Roboter Lisa wurden die Ziele der Szenarien über die Generierung von wissenschaftlichem Fortschritt entwickelt. Umgesetzt wurden sie dann über das Schreiben von Software über Qualifikations- und Forschungsarbeiten sowie durch die Programmierarbeit der Studierenden für den RoboCup. Die Arbeiten
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wurden an der Professur ausgeschrieben, Studierende konnten sich darauf bewerben. Die Ziele der Praktika generierten sich zu einem Großteil aus dem Regelbuch des RoboCups. Dieses gab das Ziel aus, dass Roboter marktreife Service-Roboter sein sollten. Sie sollten alle alltäglichen, für das Führen eines Haushalts notwendigen Tätigkeiten ausführen können. Da dies technisch noch nicht möglich ist, reduzierte das Komitee des RoboCups den Schwierigkeitsgrad des Ziels, sodass wissenschaftlicher Fortschritt entstehen konnte und gleichzeitig der aktuelle Leistungsstand der Robotik mitbedacht wurde. Beim SoziRob-Projekt sind NAO und das Sportszenario eine Antwort auf die gemeinsame Forschungsfrage, die die beiden Projekte verbindet. Die Wissenschaftler suchten nach einer Sportart, die Astronauten motivieren kann und koordinativ anspruchsvoll ist. Außerdem musste das Training über einen Trainer ablaufen und dessen Eingriffe mussten geringfügig, aber klar sein, damit der Roboter dies sinnvoll übernehmen konnte. Somit wurden beide Kompetenzen der Projektpartner miteinander verbunden. Das Vermögen der Robotikerinnen wurde mit dem Ziel verbunden, die Bedingungen der Raumfahrt – wenn möglich – zu verbessern. Bei Flobi erfolgte eine Weiterentwicklung nur für die Robotiker. Er wurde im Projekt insbesondere auf die Alltagstauglichkeit seiner Konstruktionsweise sowie auf das Gelungensein seiner äußeren Erscheinung getestet. Die Robotiker nutzten das Projekt, um die Konstruktion teilweise zu erneuern. 6.1.4
Die Sozialitätsrelation
Aus der Szenarienentwicklung ergibt sich, dass die Entscheidungen darüber, welche Kompetenzen und Haltungen auf welche Weise verteilt werden, auf den Roboter als Handlungsträger übertragen werden. Damit ist die erste Sozialitätsrelation genannt: der Sozialitätsbezug während der Manifestation von Kompetenzverteilungen. Diese setzt den Möglichkeitsrahmen für die soziale Formierung. Das bedeutet, dass festgelegt wird, innerhalb von welchem Rahmen die Formation gestaltet werden kann und wie nicht. Die Sozialitätsrelation setzt die Voraussetzungen, die Struktur und die Potenz für die soziale Formierung der Sozialität. Die Sozialitätsrelation umfasst, dass eine Sozialität eine eigene wesentliche Kausalität enthält. Diese ist durch frühere Praktiken objektiviert und nun zu einer Black Box geworden, in der ihre Entstehung nicht mehr ersichtlich ist. Die Sozialitätsrelation verbindet den Handlungsträger mit der Sozialität. Sie ermöglicht die Formation der Sozialität dadurch, dass sie eine eigene Wesensstruktur enthält, die sich mit dem Handlungsträger zu einer Sozialität verbindet. Diese Wesensstruktur
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entsteht zum einen durch die Voraussetzung dieser sozialen Struktur in der Handlungsträgerschaft und zum anderen durch das Bestreben von Akteuren, eine bestimmte soziale Formation auf Dauer zu stellen und zu erhalten. Wichtig ist an dieser Stelle, dass nicht beliebige Kombinationen möglich sind, sondern dass dies von der Beschaffenheit der Sozialitätsrelation und den Kompetenzen bzw. Haltungen der Handlungsträger bzw. Akteure abhängig ist. Im WiMi-Care-Projekt lässt sich die Sozialitätsrelation über die Akteure sichtbar machen. Die Akteure der Pflegeeinrichtung fungierten als Sozialität, von der idealtypische Arbeitsmuster für die Soziologinnen abstrahiert werden können. Bei den Soziologen und den Interfacedesignerinnen dienten das jeweilige Berufsfeld und dessen Arbeitspraktiken als Sozialitätsrelation. Die Entwickler von CASERO hatten eine doppelte Sozialitätsrelation. Diese war zum einen ihre gegenwärtige Lage als Entwickler von Transportrobotern in Industrieanlagen und zum anderen der anvisierte Möglichkeitsrahmen eines möglichen Dienstleistungssektors. Die Entwicklerinnen von Care-O-Bot-3 blieben in der Sozialität der Robotik und fungierten als Bereitstellungsfläche für Innovation. Zusammenfassend lassen sich also zwei statische Akteure (Pflegeeinrichtung, Care-O-Bot-3-Entwicklerinnen) ausfindig machen, ein sich öffnender Akteur (CASERO-Entwickler) sowie zwei methodisch offene Übersetzer (Soziologen und Interfacedesignerinnen). Bei dem Roboter Lisa und dem Team Homer gibt es zwei wesentliche Sozialitätsrelationen. Die erste ist die Einbindung der Weiterentwicklung in zwei Studiengänge an einer Universität. Die zweite ist der RoboCup als eine professionalisierte Einrichtung der wissenschaftlichen Robotik zur Weiterentwicklung derselben. Die erste Sozialitätsrelation vollzieht sich insbesondere über Projektarbeit. In ihr wird eine dritte Relation implizit vermittelt: ein bestimmtes Berufsethos des Programmierers. Der RoboCup fungiert als eine professionalisierte Sozialität, in der verschiedene Teams mit ihren Robotern gegeneinander antreten, um mit wissenschaftlichen Methoden Roboter zu entwickeln und in der Konsequenz die Robotik voranzubringen. Schließlich sind für die Wissenschaftler Leistungen beim RoboCup auch wissenschaftliche Auszeichnungen. Da das Bildungsministerium die beiden Protagonisten im SoziRob-Projekt zusammenbrachte, rahmte der Sozialitätsbezug des Ministeriums das Projekt als ein wissenschaftliches Drittmittelprojekt. In ihm zeigten sich beide Protagonisten offen für ein gemeinsames Forschungsprojekt. Sie verbanden ihre Ziele und Kompetenzen zu einer übergeordneten Fragestellung. Dadurch konnten beide Akteure ihren Kompetenzen nachgehen. Beide Akteure waren jeweils heterogen zusammengesetzt. Ihre Sozialitätsrelation war die Bereitschaft zur Bildung einer tempo-
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rären Sozialität. Zusätzlich blieb der Roboterkopf Flobi das Testobjekt zur Weiterentwicklung der Roboterkonstruktion. Hier blieb die Sozialität der Robotik als primäre Rahmung bestehen. Bei dem Roboter NAO stellte sich den Robotikerinnen insbesondere die Frage, in welchen Einsatzgebieten er sinnvoll agieren könnte. 6.1.5
Die soziale Formation
Die Sozialitätsbildung vollzieht sich bei den drei Fallstudien über drei verschiedene Formationen. Bei dem Roboter Lisa hatte sich mit dem RoboCup bereits eine professionalisierte Sozialität gebildet, die erhalten wurde. Beim WiMi-Care-Projekt wurde ein soziotechnisches Netzwerk in eine bestehende Sozialität eingebettet. Schließlich wurde beim SoziRob-Projekt eine temporäre Sozialität geschaffen, die sowohl auf- als auch abgebaut wurde. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die erste eine soziale Formation der Sozialitätseinbettung ist, die zweite eine eigenständige Sozialität und die dritte eine temporäre Sozialitätsverbindung. Entscheidend für die Charakterisierung ist die Verbindung der Kompetenzen der Handlungsträger und ihrer Sozialitätsrelation. Von der Sozialitätsrelation hängen der Bezugsrahmen und damit die Handlungsträgerschaft der Handlungsträger ab. Die Kategorie der sozialen Formation ist somit eine komplexere Form als die Gegenüberstellung der vierten Analysedimension aus den Grundfiguren, die zwischen Sozialitätseinbettung und Sozialitätsimplementierung unterschied. Deutlich wird hierbei, dass die soziale Formation ihren Anfang in der Szenarienentwicklung nahm. Dort wird die Voraussetzung dafür geschaffen, in welchem Bezug der Roboter zu welcher Sozialität steht, was dann in der Sozialitätsrelation manifest wird. Im WiMi-Care-Projekt wurden zunächst die zukünftigen Anwender sichtbar gemacht und dann ihr Bedarf bestimmt. Im nächsten Schritt wurde dies in die Technik übersetzt. Hier verbanden sich insbesondere die Übersetzungsleistungen der Moderatorinnen mit den Entwicklern der Roboter. Die Techniker übersetzten die Moderationsleistung in die Technik und implementierten sie in der Sozialität Pflegeheim. Die Anpassung der Roboter war die Einbettung der erweiterten Technik in die Sozialität Pflegeheim. Das lief dann über zwei Pilotphasen ab. Bei der ersten Pilotanwendung ging es primär um das Testen der technischen Machbarkeit der Szenarien und darum, einen ersten Eindruck von der Benutzerakzeptanz zu bekommen. In der zweiten Phase wurden die Roboter von den Entwicklern als Handlungsträger in die Sozialität gesetzt, damit verband sich die Simulation und Vorstellung von dem, was sein wird, mit der Umsetzbarkeit der Setzung vor Ort und ohne die Routine und Stabilität der etablierten Technik.
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Mit dem CASERO wurde ein soziotechnisches Netzwerk in die Sozialität Pflegeheim implementiert. Der Roboter Care-O-Bot-3 wurde von seinen Entwicklern nicht zu einem Teil der Sozialität Pflegeeinrichtung gemacht, sondern er fungierte für sie als Repräsentant des Stands der Forschung in der Technik und stellte sich als solcher den anderen Akteuren vor. Die Entwicklerinnen fokussierten sich bei der Entwicklung der Szenarien auf das technisch Mögliche. Für sie stand die Weiterentwicklung der Robotik im Vordergrund. Die anderen Akteure konnten von Care-O-Bot-3 in dem Sinne profitieren, dass seine Entwicklerinnen das Wissen, das zu seinem Status quo geführt hatte, für andere zugänglich machten. Sie gingen in der Repräsentation nur sehr bedingt auf andere Akteure und deren Haltungen ein. Die Interfacedesigner verbanden den Roboter dennoch mit der Sozialität, indem sie ihn in das technische Netzwerk einbauten und ihm Zugriff auf die Datenbank gewährten. Damit bestand ein Anknüpfungspunkt, um den Roboter zum Handlungsträger in der Sozialität zu machen, was in dem Projekt jedoch nicht geschah. Die Möglichkeiten der Steuerung der Roboter setzten die Entwickler, indem sie die Möglichkeiten und Befehle in die Roboter implementierten. Ausgeführt wurden sie dann vor Ort durch die Pflegekräfte, die die Autorisierung erhielten, die Roboter zu steuern. Die Pflegekräfte gelangten außerdem zu Daten über die Bewohner, wie beispielsweise ihr Trinkverhalten. Dafür sollten sie Tätigkeiten ausführen, die typischerweise von Managern bzw. leitenden Personen ausgeübt werden: Denn sie sollten Daten deuten und daraus die nächsten Handlungsschritte generieren. In der Summe verband sich ein soziotechnisches Netzwerk, das für ein soziotechnisches Management vorbereitet war, mit einer Pflegeeinrichtung. Der RoboCup fungierte für die @Home-Liga als professionalisierte Sozialität. An ihm nahm der Roboter Lisa mit dem Team Homer teil. Der RoboCup wurde mit dem langfristigen Ziel aufgebaut, den menschlichen Fußballweltmeister mit Robotern zu schlagen. In den Folgejahren differenzierte sich der RoboCup in verschiedene Ligen mit verschiedenen Robotern aus, die jedoch alle eine wissenschaftliche Weiterentwicklung der Robotik anstrebten. Die verschiedenen Sparten haben inzwischen eigene Ziele und Regeln. Über die Regeln werden die langfristigen und kurzfristigen Ziele der Servicerobotik definiert. Der wissenschaftliche Fortschritt versucht, diese Ziele zu erreichen. Das zentrale Ziel in der @Home-Liga ist es, Roboter zu entwickeln, die einen Haushalt führen können. Die Roboter sollen damit einerseits den wissenschaftlichen Fortschritt fördern, andererseits den sozialen, indem sie Werte wie Stabilität, Anwendbarkeit und Kosteneffizienz umsetzen. Bei dem Roboter Lisa und dem Team Homer kam es zu zwei sozialen Formierungen. Die erste entstand durch die Projektarbeit, die im Studiengang vorgesehen
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war, und zwar universitär und berufsbildend. Es wurden ein bestimmtes Berufsethos, die Praktiken eines Programmierers sowie die dazugehörige Haltung vermittelt. In dieser Formation reisten die Projektmitglieder zum RoboCup. Dort kam es zur zweiten Formierung. Das Team Homer nahm über den Roboter Lisa am RoboCup teil. Die Projektarbeit kam im Roboter zusammen. Das Team stellte ihn vor Ort auf den Wettbewerb ein. Im Zusammenspiel mit und in Konkurrenz zu den anderen Robotern bekam Lisa Punkte und platzierte das Team auf der Rangliste. Der RoboCup ist in einen wissenschaftlichen Rahmen eingebettet. Die Leistungen beim RoboCup sind zugleich wissenschaftliche Auszeichnungen. Im SoziRob-Projekt waren die Räumlichkeiten gegeben und für Studien vorstrukturiert, da sie eigens für Isolationsstudien erschaffen worden waren. Die Technik musste für die Studie aufgebaut werden. Die Probanden wurden eingewiesen und medizinisch untersucht, sodass es insgesamt zum Aufbau einer Sozialität kam, die nach Beendigung der Studie wieder abgebaut wurde. Dies umfasste insbesondere einen Abbau der Technik sowie eine medizinische Untersuchung der Probanden und ein Abschlussgespräch mit ihnen. Insgesamt war das SoziRob-Projekt eine temporäre Sozialität zur Potenzialfindung von sozialen Feldern. Es ging darum, die soziale Grammatik zu finden, die soziale Einsätze von interaktiven Robotern in sozialen Feldern ermöglicht. Anders gesagt, es ging darum, Felder ausfindig zu machen, in denen es sinnvoll ist, soziale Roboter einzusetzen. Die beiden Roboter agierten während der Studie autonom. Verschiedene technische Artefakte lieferten Daten, die vom Roboter NAO über vorab definierte und programmierte Systemzustände interpretiert werden konnten. Er zeigte diese dann seinem menschlichen Gegenüber an, sodass dieses sie deuten konnte. In diesem Sportszenario genannten sozialen Tätigkeitsfeld entstand über NAO eine eigene Sozialität. Sie ermöglichte den Probanden eine Verbesserung ihrer Trainingsleistung. Voraussetzung hierfür war der Aufbau eines soziotechnischen Netzwerks. Der NAO fungierte als interpretatives Verbindungsglied. Die Interaktivität zwischen NAO und Proband bestand in einer gegenseitigen Kompetenzeinschätzung. Der Proband eruierte, welche Fähigkeiten NAO hatte und wie diese ihm beim Training nützlich sein könnten. Der Roboter leitete den Probanden an und gab ihm ein Feedback zu seinem Training. Das Feedback, das der Roboter dem Menschen gab, setzte wiederum das soziotechnische Netzwerk voraus, da die erfassten Daten in einer Datenbank zusammengetragen und dann über die bereits erwähnten programmierten Zustände des Roboters interpretiert wurden. Dadurch konnten aktuelle mit früheren Trainingsdaten verglichen werden. Der Roboter konnte Trainingsfortschritte und Verbesserungen aufzeigen sowie Kritik äußern, wenn sich
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die Daten verschlechterten. Dadurch entstand eine Kontinuität, die die Wissenschaftlerinnen als zentralen Grund für die Verbesserung der Trainingsleistung ansahen. Der Roboterkopf Flobi blieb ein Testobjekt der Wissenschaftler, bei dem es primär um eine Evaluation der Konzeption ging. Damit blieb er – ähnlich wie der Care-O-Bot-3 – überwiegend ein Teil der Wissenschaftssozialität und wurde nur bedingt Teil der temporären Sozialität Isolationsstudie. 6.1.6
Die Verstetigung
Damit eine Sozialität bestehen bleibt, muss sie stabilisiert werden, d. h., es bedarf Praktiken und Strategien, um die Formation zu erhalten, da die Verbindung von Handlungsträgern nur so lange existiert, wie sie Teil der Handlungsträgerschaft ist.1 Deswegen wenden die Akteure Strategien an, um soziale Aspekte zu verstetigen. Meine These hierbei ist nun, dass die Art der Strategie von der sozialen Formation sowie der Sozialitätsrelation der Akteure abhängt. Die erste Variante ist, dass die Verstetigung einer sozialen Formation aus einer bestehenden Sozialität geschieht. Dann bleibt die Sozialität geschlossen. Das ist insbesondere bei dem Roboter Lisa der Fall und mit Abstrichen auch bei dem Roboter Care-O-Bot-3 und dem Roboterkopf Flobi. Die zweite Variante ist, dass sich eine bestehende Sozialität öffnet. Dann bestimmen die Problemlage und das Selbstverständnis der Akteure darüber, welche Aspekte verstetigt werden sollen. Als Praktik fungieren hier die Konventionen und Sozialitätsrelationen der jeweiligen Akteure. Das findet sich in meinen Daten bei CASERO. In der dritten Variante verständigen sich zwei Sozialitäten darauf, für eine kurze, festgelegte Zeitspanne eine gemeinsame Sozialität aufzubauen, die sie danach auch wieder abbauen. Hier läuft die Verstetigung auf die gleiche Weise ab wie in der zweiten Variante. Die Problemlage und das Selbstverständnis definieren die Aspekte, die verstetigt werden sollen. Dies geschieht über die Konventionen und die Sozialitätsrelation der jeweiligen Akteure, wie es etwa rund um den Roboter NAO im SoziRob-Projekt der Fall war. Die Verstetigung ist somit die Objektivierung von Aspekten aus der jeweiligen Sozialität, die durch die Problemlage und das Selbstverständnis eines Akteurs definiert wird und dann durch die Konventionen und die Sozialitätsrelation dieser Akteure vollzogen wird.
1
Vgl. hierzu insbesondere Latour: „Eine neue Soziologie für eine neue Gesellschaft“, a. a. O., S. 50–75; Siehe außerdem ders.: „Technik ist stabilisierte Gesellschaft“, a. a. O.
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Im WiMi-Care-Projekt wurden die Forschungsergebnisse auf Dauer gestellt. Außerdem wurden Markteinführungsstrategien entwickelt, die eine Verlängerung eines Aspektes in die Zukunft ermöglichen sollten. Das Moment, an das zukünftig marktreife Roboter ansetzen können, ist das Transportszenario. Pflegekräfte könnten von dem Roboter entlastet werden, da er Transporttätigkeiten übernimmt. Der CASERO konnte so entwickelt werden, dass ihn die Pflegekräfte sowie die Bewohnerinnen akzeptieren. Erreicht wurde dies durch eine Berechenbarkeit seiner Aktivität sowie eine ansprechende Erscheinung, was gleichbedeutend mit der Stabilisierung der Sozialität Pflegeeinrichtung ist, in der er zum Einsatz kommen sollte, da er dort den Erwartungen entsprechen würde. Der Roboter Care-O-Bot-3 stieß in der Pflegeeinrichtung auf eine größere Ablehnung. Diese konnte dadurch gemindert werden, dass er sich langsamer bewegte und es ankündigte, wenn er in einen Raum fuhr. Insgesamt blieb der Roboter innerhalb des Forschungsfeldes der Robotik. Es wurden neue innovative Szenarien entwickelt und getestet. Dadurch konnte das Soziologieteam seine Methode verfeinern. Die anfangs deutliche Zustimmung zu der Ausgangslage, dass die Nutzerinnen von Technik in die Entwicklung einbezogen werden sollten, fiel am Ende nicht mehr so eindeutig aus. Denn zusätzlich erkannten die Soziologinnen, dass innovative Technik neue Möglichkeiten schafft, die durch die Handlungsroutinen der Nutzerinnen sonst gar nicht erst entstehen könnten. Der Sozialität Pflegeeinrichtung blieb Care-O-Bot-3 äußerlich. Für den Roboter Lisa und das Team Homer waren mit dem RoboCup sowie der universitären Lehre und Forschung die beiden wesentlichen Sozialitäten bereits etabliert. Während die universitäre Sozialität aus der Reproduktion von Forschung und Lehre erhalten bleibt, stabilisiert sich der RoboCup insbesondere dadurch, dass das ultimative Ziel weit in der Ferne liegt: Der Roboter soll autonom einen Haushalt führen. Da dies auf absehbare Zeit nicht erreichbar ist, werden kurzfristigere Ziele gesetzt, die verwirklicht werden können. Diese werden über die Regeln des RoboCups in Forschungsziele übersetzt. Wer Fortschritte erzielt, erhält wissenschaftliche Anerkennung. Die Robotik schreitet voran und bleibt ihrem langfristigen Ziel doch noch fern, sodass es nicht umdefiniert werden muss. Das SoziRob-Projekt war eine Isolationsstudie, die von Beginn an als eine temporäre Sozialität angelegt war. Sie wurde aufgebaut und wieder abgebaut. Beim Aufbau wurde die Sozialität dadurch stabilisiert, dass die Technik im Vorfeld umfangreich errichtet worden war und die Probanden in die Räumlichkeiten sowie den Ablauf der Studie von Fachkräften eingewiesen wurden. Während der Studie sorgten Operatoren für einen reibungslosen Ablauf, u. a., indem sie baugleiche Roboter austauschten, damit jeweils ein Exemplar wieder aufgeladen werden konnte. Außerdem überwachten sie die Daten der Probanden während der
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Trainingsleistungen und gewährleisteten, dass diese korrekt waren. Nach ihrem Ablauf wurde die Studie wieder abgebaut. Dabei wurden eine medizinische Untersuchung vorgenommen, mit den Probanden ein psychologisches Abschlussgespräch geführt sowie die Technik abgebaut. Die Wissenschaftlerinnen werteten nach der Studie die Ergebnisse aus und generierten eine soziale Grammatik, indem sie darlegten, was erfüllt sein muss, damit ein Roboter in einem sozialen Einsatzgebiet operieren kann. Damit schufen sie die Möglichkeit, die Roboterentwicklung sowie die Einsatzweise zu verstetigen.
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Nachdem ich aufgezeigt habe, wie sich die die Sozialität bei interaktiven Robotern bildet, möchte ich nun den Bogen zurück zum Anfang spannen und die soziale Figur darstellen, die sie annimmt. Knorr Cetina hat – wie in der Grundfigur zur Sozialität ausgeführt – für die Gegenwart eine Phase ausgemacht, die sie als postsozial bezeichnet. Diese ist gekennzeichnet durch eine De-Sozialisierung, eine Veränderung der Subjektkonstitution sowie eine Veränderung der Beziehung vom Subjekt zum Objekt. Sie fasst zusammen: „Die Analyse postsozialer Formen von Relationalität führte von den Fragen nach Reziprozität, Solidarität und Einbettung des Subjekts in der Objektswelt über die Charakterisierung des Subjekts als Wunschstruktur hin zu Formen der Selbst-Bezüglichkeit.“2
In der Konsequenz vollzieht sich eine Verschiebung der Sozialität. Dieser veränderten Sozialität möchte ich nun zum Abschluss der Arbeit nachgehen. Dafür stelle ich zunächst die wesentlichen Dimensionen auf der Mikro-Ebene vor. Diese liegen meines Erachtens im Handlungsträger, in der Handlungsträgerschaft sowie der Kompetenz. Im Anschluss daran möchte ich die Formation der Sozialität schildern. Sie wird im Wesentlichen durch zwei Aspekte gebildet. Dies geschieht zum einen über die Verbindung der Kompetenzen der Handlungsträger und zum anderen durch die Objektivierung der Sozialitätsrelation. Die Verbindung der Kompetenzen ist nicht beliebig, sondern generiert sich aus der spezifischen Beschaffen-
2
Knorr Cetina: „Postsoziale Beziehungen“, a. a. O., S. 294.
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heit der jeweiligen Kompetenzen und der Sozialitätsrelationen der Handlungsträger. Nicht alles ist mit allem verbindbar. Einiges schließt sich aus, anderes widerspricht sich. Auf der anderen Seite steht die Objektivierung der Sozialitätsrelation, die diese Verbindungen erlaubt, verändert oder gegebenenfalls neu zusammenzusetzen versucht. Diese objektivierte Zusammensetzung materialisiert sich in den Robotern und gleichzeitig mündet sie in die soziale Formierung, die um den Roboter geschieht. Die Handlungsträger erhalten durch ihre Kompetenzen die Möglichkeit zur Handlungsträgerschaft. Diese vollzieht sich durch ihr Zusammenspiel mit der sie umgebenden Sozialität. Dadurch kann sich entweder auf der Ebene des Handlungsträgers oder auf der Ebene der Sozialität eine Formation bilden. Bei Letzterem ist dies insbesondere in Form eines Netzwerks der Fall. Die Interaktivität und die Handlungsträgerschaft sind dabei zentrale Bildungsprozesse. Ich werde darzulegen versuchen, dass ein Handlungsträger eine Entität ist, in die Kompetenzen inkorporiert wurden. Eine Handlungsträgerschaft verstehe ich als die Ausübung der Kompetenzen innerhalb einer Sozialität. So wie Kompetenzen das Vermögen darstellen, etwas im Hinblick auf ein Ziel auszuführen, so ist die Haltung die Verbindung der Kompetenzen eines Handlungsträgers mit seiner Sozialitätsrelation. Ein Akteur stellt nach meiner Auffassung die Verbindung der Haltungen innerhalb einer Sozialität dar. 6.2.1
Die Handlungsträger und ihre Kompetenzen
Um das Verhältnis des Handlungsträgers zur Sozialität zu bestimmen, sind die Arbeiten von Latour hilfreich. Latour hat – wie ausgeführt – verschiedene Werke geschrieben, die sich als eine Art Handlungstheorie lesen lassen.3 In den frühen Arbeiten spielen insbesondere Handlung, Performanz und Kompetenz eine gewichtige Rolle. Aktant und Akteur agieren, indem sie ihre Handlung trotz Schwierigkeiten und Störmanövern durchführen wollen. Aus dieser Performanz leitet Latour die Kompetenz der Handelnden ab. Das bedeutet, dass durch die Art und Weise, wie ein Handelnder in den Performanzen agiert, seine Fähigkeiten sichtbar werden. In der Aufsatzsammlung „Die Hoffnung der Pandora“ interessiert sich Latour insbesondere für die Entstehung von Akteuren und Aktanten. Er thematisiert, dass Akteure und Aktanten erst durch bestimmte Performanzen entstehen, und zwar insbesondere dadurch, dass sie auf bestimmte Versuche im Labor bestimmte Wirkungen zeigen. Durch die Bildung der Kompetenz erfährt der Akteur 3
Vgl. hierzu Hirschauer, Stefan (1999): „Die Praxis der Fremdheit und die Minimierung von Anwesenheit. Eine Fahrstuhlfahrt“, in: Soziale Welt, Jg. 50, Nr. 3, S. 221–245, hier S. 222–225.
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Substanz. Dies geschieht durch Institutionen und Organisationen, die diese Substanz dauerhaft machen.4 Während die Konzeption des Akteurs über die Bildung von Kompetenzen zielführend ist, bleibt Latour jedoch bei einer genauen Erfassung des sozialen Rahmens, in dem das stattfindet, vage. Latour spricht zwar von Institutionen, die es vermögen, bei Akteuren Kompetenzen zu verstetigen, oder von einem Setting, das die Kompetenzen zu einer Konstellation von Akteuren und Aktanten verteilt, markiert damit jedoch einen Endpunkt seiner Analyse und stellt sie nicht in den Vordergrund.5 Er befasst sich mit ihnen nur so weit, wie es notwendig ist, um Akteur und Aktant zu bestimmen. In der Konsequenz bleibt er auf der Sozialitätsebene damit unterkomplex. Ich werde später zeigen, dass die Sozialitätsrelation die entscheidende Verbindung zur Sozialität ist. Diese Gedankengänge Latours lassen sich auf den Roboter übertragen, insbesondere dann, wenn man ihn als Handlungsträger denkt. In diesem technischen Artefakt materialisieren sich die auf Dauer gestellten Entscheidungen und Haltungen der am Herstellungsprozess beteiligten Akteure. Indem sie manifest werden, wird der Roboter zu einem Handlungsträger. Die Manifestation der Entscheidungen geschieht in Auseinandersetzung sowohl mit der Sozialitätsrelation der am Herstellungsprozess beteiligten Akteure als auch mit dem zu erreichenden Ziel und den auszuführenden Operationen der Sozialität. Schließlich werden von der Manifestation Bedeutungen abgeleitet, die Anwender in ihrer Performanz sehen. Das geschieht auf der Grundlage von dem, was Rammert und Schulz-Schaeffer als Konventionalisierungsmuster prominent gemacht haben. Die Handlungsträgerschaft sind dann die ermöglichten Operationen des Handlungsträgers durch seine Eingebundenheit in die Sozialität. In der Robotik herrschte lange Zeit eine Haltung vor, die Selma Šabanović als einen ‚technological fix‘ bezeichnete. Diesem liegt eine Kompetenzanordnung zugrunde, in der Robotikerinnen technische Lösungen für weitreichende soziale Probleme entwickeln wollen. Dies manifestierte sich darin, dass in sozialen Anwendungen Roboter Tätigkeiten des Menschen ersetzen sollen oder dem Menschen assistieren. Die Roboter sollen soziale Mediatoren sein, indem sie eine soziale Präsenz simulieren. Die Robotiker gehen in der Analyse von Šabanović so vor, dass sie die soziale Herausforderung akzeptieren, sich in ihrem Narrativ darauf fokussieren, dass eine technische Entwicklung und Bearbeitung legitim ist. Sie wollen nicht die Gründe für das soziale Problem erfassen, sondern die technischen Möglichkeiten in den Vordergrund stellen. Šabanović wirft einer Robotik 4
Vgl. Latour: „Die Hoffnung der Pandora“, a. a. O., S. 382.
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Vgl. Akrich; Latour: „Zusammenfassung einer zweckmäßigen Terminologie für die Semiotik menschlicher und nicht-menschlicher Konstellationen“, a. a. O., S. 399–405.
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mit technischem Imperativ vor, die Komplexität der sozialen Wirklichkeit zu reduzieren und die sozialen Konsequenzen, die durch die Bearbeitung von Problemlagen mit technischen Artefakten resultieren, zu übersehen. Die Sozialitätsrelation ist so bestimmt, dass die Sozialität nur im Hinblick auf die Weiterentwicklung der Roboter gesehen wird und soziale Akteure als Objekte betrachtet werden.6 Kerstin Dautenhahn hat in eine ähnliche Richtung argumentiert und von einem CaretakerParadigma gesprochen, in dem der Mensch sich nach dem Roboter richten muss.7 Zusammenfassend möchte ich diese Art der Verbindung von Akteurskompetenz und Sozialitätsrelation als technischen Imperativ bezeichnen. Ihn kennzeichnet ein technikdeterministisches Weltbild, in dem der Mensch adaptiv zum Roboter agiert. Handlungssinn wird durch Autoritäten gesetzt. Es wird eine eigene Sozialität aufgebaut, die eine überwiegend geschlossene Struktur und vorgegebene Dynamik hat. Seit Ende der Nullerjahre des 21. Jahrhunderts hat sich innerhalb der Robotik die soziale Robotik entwickelt. Das war möglich, da in einigen Bereichen die Geschlossenheit der Struktur aufgegeben wurde bzw. neue Formen aufgebaut wurden. Diese Form der Robotik war nicht rein technisch ausgerichtet, sondern bezog soziale Bearbeitungen von Problemlagen mit ein. Beispielsweise sprach sich Dautenhahn für ein Companion-Paradigma aus, in diesem wird der Roboter als Assistent des Menschen verstanden. Er muss dessen Bedürfnisse wahrnehmen und sozial akzeptabel agieren.8 Mit Kolleginnen sprach sich Šabanović dafür aus, die Gesellschaft in die Entwicklung von Robotern mit einzubeziehen, und stellte dafür eine eigene Vorgehensweise vor. In dieser vollzieht sich die Entwicklung von Robotern über Prototypen und eine sozialwissenschaftliche Analyse des sozialen Kontexts, in dem diese zum Einsatz kommen.9 Martin Meister arbeitete aus, wie sich soziologische Handlungstheorie in die Entwicklung von Robotern einbauen ließe.10
6
Vgl. hierzu insbesondere Šabanović: „Robots in Society, Society in Robots“, a. a. O.
7
Vgl. Dautenhahn: „Socially intelligent robots“, a. a. O., S. 698–699.
8
Vgl. ebd., S. 700.
9
Vgl. Šabanović; Reeder und Kechavarzi: „Designing Robots in the Wild“, a. a. O.
Siehe auch dies.: „It Takes a Village to Construct a Robot.“, a. a. O.
10 Vgl. Meister, Martin (2014): „When is a Robot really Social? An Outline of the Robot Sociologicus“, in: Science, Technology & Innovation Studies, Jg. 10, Nr. 1, S. 107–134; Meister; Schulz-Schaeffer: „Investigating and designing social robots from a role-theoretical perspective“, a. a. O.
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Diesen zweiten Typus möchte ich das Sozialwerden der Technik nennen. In ihm wird die Nutzerin in die Entwicklung genauso mit einbezogen wie die Sozialität, in der der Roboter agieren soll. Der Roboter soll entweder sozialisiert11 werden oder über eine Robotiquette12 verfügen, die für ihn sozial akzeptables Verhalten festlegt. Zentral für das Sozialwerden von Technik ist die Einbeziehung von Expertinnen aus sozialwissenschaftlichen Bereichen. Diese sorgen dafür, dass die Bearbeitung der Problemlage mit einer sozialen Sozialitätsrelation vollzogen wird. 6.2.2
Interaktivität und die Bildung von Sozialität
Das Konzept der Interaktivität bezieht sich im Zusammenhang mit interaktiven Robotern insbesondere auf deren Steuerung und Design. Bei der Interaktivität vollziehen sich reziproke Austauschhandlungen nicht in einem menschlichen Sinne, indem Ego und Alter Bedeutung aushandeln. Vielmehr bedeutet Interaktivität hier die Übertragung von Handlungssinn von einem Handlungsträger zu einem anderem. Die Instanz, die versucht, den Handlungssinn zu übertragen, kann einer der beteiligten Handlungsträger, aber auch eine externe Instanz sein. Handlungssinn wird insbesondere über das Design vom Roboter zum Menschen transportiert. Die Verbindung von Technik und Sozialem, die entsteht, nannte Roger Häußling eine soziotechnische Relation. Darin sind zwei wesentliche Stränge enthalten: einer über den Menschen und der andere über den Roboter. Der Mensch bringt etwas mit, was Häußling ‚Mindfullness‘ nennt. Das bedeutet, dass er über Empfindungen verfügt, Zusammenhänge sehen und neue Schlussfolgerungen aus neuen Situationen ziehen kann. Somit kann er mit komplexen Situationen umgehen und in unklaren Situationen kreative Entscheidungen treffen. Die Technik bringt auf der anderen Seite immense Rechenleistung, eine unermüdliche Aktivität sowie eine hohe Präzision mit. Das Design ist das Bindeglied zwischen der Konstruktion und der Anwendung der Roboter. Es stellt sich vor die Technik. Die Nutzerin kommt nur mit den Funktionen in Berührung, die das Design zur Verfügung stellt. Das Design ist somit der Möglichkeitsraum für den Nutzer, die Technik zu verwenden.13 Außerdem ist
11 Vgl. Šabanović; Chang: „Socializing robots“, a. a. O; Weyer: „Die Kooperation menschlicher Akteure und nicht-menschlicher Agenten“, a. a. O; Alač; Movellan und Tanaka: „When a robot is social“, a. a. O. 12 Zum Konzept der Robotiquette siehe Dautenhahn: „Socially intelligent robots“, a. a. O. 13 Vgl. hierzu Häußling: „Design als soziotechnische Relation“, a. a. O; ders. (2008): „Die zwei Naturen sozialer Aktivität. Relationalistische Betrachtungen aktueller Mensch-
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es für die Anwenderin das Bindeglied zu der Sozialität, in die der Roboter integriert ist, um seine Handlungsträgerschaft zu generieren. Die Komplexität des Designs bestimmt somit darüber, ob der Mensch die Komplexität der Technik mit seiner ‚mindfullness‘ kombiniert oder ob dies nur den Entwicklern vorbehalten bleibt. Die Entwicklerinnen sind nicht an das Design gebunden, da sie einen anderen Zugriff auf die Technik haben. Weyer hat dies über das Konzept der Steuerung deutlich gemacht. Der Roboter muss sozialisiert werden, damit der anwendende Mensch nicht in ein adaptives Verhältnis zu ihm gerät. Eine Möglichkeit, die Sozialisierung zu vollziehen, ist das Design.14 Die Ebene des Designs ist explizit in meinen Fallstudien enthalten. Ich habe es oben im Zusammenhang mit dem Selbstverständnis der Roboter thematisiert. Insbesondere bei den verschiedenen Generationen des Care-O-Bots lassen sich die Entwicklung des Designs und die Zunahme seiner Relevanz aufzeigen. Standen bei der ersten und zweiten Generation die technischen Möglichkeiten im Vordergrund, war die äußere Gestaltung in der dritten Generation ein zentraler Weiterentwicklungspunkt, der die Einbindung des Roboters in andere Sozialitäten ermöglichte. Auch der CASERO musste anders gestaltet werden, weil er von der Sozialität Industrieanlage zum Dienstleistungssektor wechselte. Der Roboterkopf Flobi kam im SoziRob-Projekt primär zum Einsatz, damit seine Gestaltung getestet und überarbeitet werden konnte. Lediglich beim Roboter Lisa spielte die Gestaltung für Dritte keine Rolle, da alle beteiligten Akteure vorher in die Sozialität sozialisiert wurden. Hier passte sich der Mensch der Sozialität an, in der der Roboter einen festen Platz hatte. Eine weitere Dimension, wie Handlungssinn in der Interaktivität übertragen werden kann, konnte Morana Alač mit Kollegen aufzeigen, indem sie Schulklassen dabei beobachtete, wie sie mit Robotern in Kontakt kamen. Es zeigte sich, dass das Verhalten der Kinder in hohem Maße von dem Verhalten des Lehrers abhing.15 Dies lässt sich insofern verallgemeinern, als damit ein wichtiger Prozess der Sozialisierung angesprochen ist: die Übertragung von Handlungssinn vom signifikanten Anderen zu einer zu sozialisierenden Generation.16 Roboter-Kooperationen“, in: Rehberg, Karl-Siegbert (Hrsg.): Die Natur der Gesellschaft. Verhandlungen des 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kassel 2006, Frankfurt am Main, New York: Campus, S. 720–735. 14 Vgl. Weyer: „Die Kooperation menschlicher Akteure und nicht-menschlicher Agenten“, a. a. O. 15 Vgl. Alač; Movellan und Tanaka: „When a robot is social“, a. a. O. 16 Vgl. Berger, Peter L; Thomas Luckmann (2004): Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Eine Theorie der Wissenssoziologie, Frankfurt am Main: Fischer, S. 139–173.
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Die Grundfigur der Interaktivität weist außerdem darauf hin, dass das menschliche Alter verschieden ist. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund der Steuerung von Bedeutung. Schließlich ist die Interaktivität zwischen Entwicklerinnen und Roboter eine andere als die zwischen Roboter und Nutzern. Während die Entwicklerinnen direkten Zugriff auf den Roboter haben, hängt es von der Sozialisation der Roboter ab, in welche Art der Beziehung zu ihm Nutzer gelangen können.17 Das ist für die Fragestellung insofern von Bedeutung, als durch die verschiedenen Kompetenzen der Akteure verschiedene Kombinationen und Verbindungen entstehen, die zu einer anderen Sozialität führen. 6.2.3
Die Verbindung von Handlungsträger und Sozialität
Die soziale Formierung vollzieht sich zum einen über die Verbindung der Kompetenzen der Handlungsträger und zum anderen durch die Objektivierung der Sozialitätsrelation. Dies geschieht in den fünf Dimensionen der Bildung von Sozialität: der Ausgangslage, dem Selbstverständnis und der Problemlage, der Szenarienentwicklung, der Sozialitätsrelation sowie der Verstetigung, die ich oben aus den Fallstudien entwickelt habe. In der Ausgangslage verbindet der zentrale Akteur die Kompetenzen der neu hinzugezogenen Akteure zu einer Projektstruktur. Das Selbstverständnis ist die verstetigte Haltung des Akteurs. Das bedeutet, dass das Selbstverständnis eines Akteurs seine Kompetenzen zu seiner sinngebenden Sozialität relationiert ohne direkte Handlungsträgerschaft und dass diese Haltung als Verteilung im Handlungsträger inkorporiert ist ohne direkte Verbindung zu einer konkreten Situation oder einem konkreten Projekt. Die Verteilung und Relation der Kompetenzen bestimmt über die Problemlage, die Akteure zu bearbeiten vermögen, die Probleme, die sie sehen und die sie bearbeiten. Das bedeutet umgekehrt, dass mit dem Hinzukommen eines neuen Akteurs sich zwangsläufig die Problembearbeitung und damit die Relationierung der Sozialität verändert. Callon hat dies für die Akteursebene bereits über die Begriffe des Interessement und der Problematisierung treffend erfasst, jedoch die Sozialitätsdimension unterkomplex dargestellt.18 In der Szenarienentwicklung wird die inkorporierte Verteilung der Kompetenzen und der Sozialitätsrelation als verbundene Haltung auf die Roboter übertragen,
17 Vgl. hierzu Weyer: „Die Kooperation menschlicher Akteure und nicht-menschlicher Agenten“, a. a. O. 18 Vgl. hierzu insbesondere Callon: „Einige Elemente einer Soziologie der Übersetzung“, a. a. O.
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die dadurch zu Handlungsträgern werden. Zentral sind hierbei die Anzahl an Akteuren sowie deren Kompetenz- und Sozialitätsrelation, da diese wesentlich für die Kompetenzen des Handlungsträgers sind, die entstehen. Im nächsten Schritt wurden drei der Roboter aus den Fallstudien (CASERO, Lisa, NAO) in eine andere Sozialität eingefügt und damit in Relation zu einer für sie bisher unbekannten Sozialität gesetzt. Diese Sozialität veränderte sich nun durch die Verbindung der Kompetenzen der Handlungsträger und der Objektivierung der Sozialität. Die Objektivierung vollzog sich dann insbesondere über Aktivitäten des zentralen Akteurs oder in Relation zu ihm, indem bestimmte Aspekte aus dem Projekt in eine andere Zeitebene gehoben wurden und dadurch stabilisiert werden sollten. Bei der Sozialitätsrelation wird die Sozialität im Hinblick auf die Kompetenzanordnung des Handlungsträgers thematisiert. Die soziale Formierung ist die Manifestation der Sozialität und der Haltungen der Handlungsträger. Die Haltung ist die Kompetenzanordnung in Relation zur Sozialität beim Handlungsträger. An dieser Kompetenzanordnung kann er direkt beteiligt sein (Mensch) oder deren Ziel bzw. Ergebnis sein (Roboter). Die Konventionalisierung lässt sich somit als der Versuch verstehen, die Kompetenz eines Handlungsträgers in ihrer Relation zur Sozialität zu verstetigen. Konventionalisierungen lassen sich insbesondere bei der bereits bestehenden Sozialität beobachten. Den Studierenden im Team Homer werden bestimmte Praktiken und Kompetenzen beigebracht, wodurch es zu einer Konventionalisierung der Programmierung kommt. Die Konventionalisierung bezieht sich auf Praktiken als die Ausführung von Handlungsträgern. Die Sozialisierung vollzieht sich auf der Ebene der Akteure. Sie bezieht sich dort auf die Haltung und ist Teil der Sozialitätsstruktur, in der ein ungeformter Akteur geformt wird. Die beiden anderen Roboter (Care-O-Bot-3 und Flobi) blieben überwiegend in ihrer bestehenden Sozialitätsrelation.
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6.2.4
Die sozialen Formationen bei interaktiven Robotern
Die Kompetenz und ihre Verortung beim Handlungsträger bleiben auf der Ebene einer singulären Entität.19 Bereits Hans Linde konnte aufzeigen, dass Technik soziale Verhältnisse begründet und man es somit nicht bei einer Betrachtung von ihr auf der Akteursebene belassen kann. Schließlich bildet die Sozialität den Bezugsrahmen für die Aktivitäten des Handlungsträgers. Durch ihn werden sie sozial und durch seine Verbindung zur Sozialität entsteht die Handlungsträgerschaft.20 Gesa Lindemann hat hierfür insbesondere die Bedeutung des Dritten hervorgehoben. In einer Interaktion mit einem Dritten müssen sich Ego und Alter vor diesem normativ zeigen, dadurch kann es zu einer Objektivierung der Handlung kommen. In der Gegenwartsgesellschaft im Westen hat die Sachdimension für Lindemann eine zentrale Bedeutung. Für avancierte Technik ist die exzentrische Positionalität der Sachdimension wesentlich, denn sie ist losgelöst von der RaumZeit-Struktur der Handelnden. Dadurch, dass der Dritte in die Interaktion einbezogen werden muss, entsteht eine eigene Reflexionsstruktur, über die es zu einer Verbindung der Individuen kommt. Über diese Verbindung sind dann institutionalisierte Gesamthandlungen möglich.21 Für den Herstellungsprozess von Technik bedeutet das für Lindemann, dass die Herstellerinnen die Erwartungen der Anwender antizipieren. Durch den Dritten wird die Erwartungserwartung objektiviert. Lindemann schließt daher: „Weniger die Selektion von Information und Mitteilung seitens Alter, sondern die verstehende Deutung der Mitteilung, die praktische Nutzung durch Ego legt fest, was mitgeteilt worden ist, und muss entsprechend über Tertius vermittelt objektiviert werden.“22 Im nächsten Schritt möchte ich darstellen, auf welche Weise bei meinen untersuchten Roboterprojekten Objektivierungen in der Sozialitätsdimension stattfanden. Danach möchte ich eine Schlussfolgerung dazu ziehen, was es bedeutet, dass dies gerade auf diesen Ebenen geschah.
19 Insbesondere die Konzeption von Latour vollzieht eine Desozialisierung der Konstellation, indem die Wirkungen und Ergebnisse in den Vordergrund der Betrachtung gerückt werden. 20 Vgl. insbesondere Linde: „Soziale Implikationen technischer Geräte“, a. a. O. 21 Zum Typus der kontingenten Mehrfachvergesellschaftung vgl. Lindemann: „Weltzugänge“, a. a. O., S. 322–327. 22 Ebd., S. 187.
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6.2.4.1 Die Objektivierungen der Sozialität Bei dem Roboter Lisa hatte sich mit dem RoboCup bereits eine professionalisierte Sozialität gebildet. Diese wurde nun erhalten, indem die teilnehmenden Teams und Roboter diese Struktur reproduzierten. Beim Team Homer wurden die Studierenden durch ein Praktikum im Rahmen der Lehre sozialisiert, um entsprechend am RoboCup teilnehmen zu können. Beim WiMi-Care-Projekt wurde ein soziotechnisches Netzwerk in eine bestehende Sozialität eingebettet. Die Objektivierung auf der Sozialitätsebene geschah insbesondere durch Moderationsleistungen über die Soziologinnen sowie die Interfacedesigner. Die Soziologen objektivieren einerseits durch die sozialwissenschaftliche Methode der Nutzereinbeziehung und andererseits durch die transparente Publikation ihrer Vorgehensweise. Außerdem trugen die Designleistungen der Interfacedesigner zu einer Objektivierung bei. Beispielsweise mussten für die Kommunikation zwischen den Robotern technische Kommunikationsstandards eingeführt werden, was zu einer Objektivierung führte. Außerdem objektiviert das Design die Möglichkeiten der Technik für die Anwenderinnen. Schließlich wurde beim SoziRob-Projekt eine temporäre Sozialität geschaffen, die durch mehrere wissenschaftliche Einrichtungen objektiviert wurde. Dies ist zum einen die Bewilligung eines Antrags bei einem Ethikrat einer wissenschaftlichen Fachgesellschaft, um Probanden teilnehmen lassen zu können. Zum anderen sind es die Publikationen der Wissenschaftlerinnen in den Fachdisziplinen sowie insbesondere das Verfassen des Abschlussberichts für den Geldgeber. In der Objektivierung wird der Akteur relevant, da sie vor der Sozialitätsrelation und vor der anvisierten Sozialität eines Akteurs geschieht. Gehlen hat den Akteur, der die verschiedenen Felder miteinander kombinieren kann, noch als den Fertigungsingenieur bezeichnet, weil er für ihn lediglich die Verbindungsmöglichkeit von Naturwissenschaft und industrieller Produktion sah.23 In der gegenwärtigen Robotik ist das nicht mehr darauf begrenzt. Man kann hier mit Callon sagen, dass der verbindende Akteur derjenige ist, der es schafft, eine Problematisierung zu etablieren.24 Das ist damit nicht mehr auf den Ingenieur begrenzt, sondern wird inzwischen u. a. auch von Sozialwissenschaftlerinnen geleistet. Ich spreche hier daher im Sinne Serres von einem Kombinator.25 23 Vgl. Gehlen: „Anthropologische Ansicht der Technik“, a. a. O., S. 105. 24 Vgl. hierzu insbesondere Callon: „Die Sozio-Logik der Übersetzung“, a. a. O; aber auch ders.: „Einige Elemente einer Soziologie der Übersetzung“, a. a. O. 25 Vgl. Serres, Michel (1992): Hermes III. Übersetzung, Berlin: Merve, S. 12–13. Vgl. hierzu auch Koolwaay, Jens (2015): „Mensch und Roboter. Zur Relevanz Gehlens für das Verständnis gegenwärtiger Technik“, in: Verhandlungen der Kongresse der Deutschen Gesellschaft für Soziologie, Jg. 37.
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6.2.4.2 Die soziale Formierung der Netzwerke Zum Schluss möchte ich auf die soziale Formation zu sprechen kommen, die bei der Bildung von Sozialität bei interaktiven Robotern entsteht. Bedingt dadurch, dass es ein innovatives Feld ist, bilden sich überwiegend Netzwerke. Ich erkenne den Grund dafür darin, dass Netzwerke kurzfristig miteinander verbundene Handlungsträger sind, deren Sozialitätsrelation noch nicht vollumfänglich zu einer eigenen Sozialität geworden ist. Sobald sich eine eigene Sozialität gebildet hat, verliert sich die netzwerkartige Formation und wird zu einem sozialen Gebilde. In dieser etablierten Sozialität sind die Kompetenzanordnungen bereits verstetigt und nicht mehr in ihrer unmittelbaren Verbindung sichtbar. Auch ist aus den Objektivierungen eine eigene Kausalität geworden. In den noch nicht etablierten sozialen Formationen hingegen ist die Verbindungsstruktur der Kompetenzanordnungen der Handlungsträger noch deutlich sichtbar und erscheint somit in ihrer Verbindung als Netzwerk. Diese Verbindungen sind somit nicht dauerhaft. Sie können umgelegt, verändert und erweitert werden, wodurch eine andere Netzwerkstruktur entsteht.
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Flüchtlinge: Opfer – Bedrohung – Helden Zur politischen Imagination des Fremden August 2017, 150 S., kart. 14,99 € (DE), 978-3-8376-3263-7 E-Book PDF: 12,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-3263-1 EPUB: 12,99€ (DE), ISBN 978-3-7328-3263-7
Andrea Baier, Tom Hansing, Christa Müller, Karin Werner (Hg.)
Die Welt reparieren Open Source und Selbermachen als postkapitalistische Praxis 2016, 352 S., kart., zahlr. farb. Abb. 19,99 € (DE), 978-3-8376-3377-1 E-Book: kostenlos erhältlich als Open-Access-Publikation ISBN 978-3-8394-3377-5
Carlo Bordoni
Interregnum Beyond Liquid Modernity 2016, 136 p., pb. 19,99 € (DE), 978-3-8376-3515-7 E-Book PDF: 17,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-3515-1 EPUB: 17,99€ (DE), ISBN 978-3-7328-3515-7
Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de
Soziologie Sybille Bauriedl (Hg.)
Wörterbuch Klimadebatte 2015, 332 S., kart. 29,99 € (DE), 978-3-8376-3238-5 E-Book: 26,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-3238-9
Silke van Dyk
Soziologie des Alters 2015, 192 S., kart. 13,99 € (DE), 978-3-8376-1632-3 E-Book: 12,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-1632-7
Ilker Ataç, Gerda Heck, Sabine Hess, Zeynep Kasli, Philipp Ratfisch, Cavidan Soykan, Bediz Yilmaz (eds.)
movements. Journal for Critical Migration and Border Regime Studies Vol. 3, Issue 2/2017: Turkey’s Changing Migration Regime and its Global and Regional Dynamics November 2017, 230 p., pb. 24,99 € (DE), 978-3-8376-3719-9
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