Die Römer im Rhein-Main-Gebiet 3534237676, 9783534237678


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German Pages 224 [225] Year 2012

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Table of contents :
Front Cover
Titel
Impressum
Inhaltsverzeichnis
Verzeichnis der Autoren und Herausgeber
Vorwort
Die Germanienpolitik des Augustus
Die Bedeutung von Mainz für die Rhein-Main-Region in römischer Zeit
Von Augustus bis Aurelian. Neue Forschungen zum römischen Frankfurt
Die Verwaltung des Rhein-Main-Gebietes in römischer Zeit
Das Hessische Ried: Archäologie und Geschichte einer Landschaft an der Grenze des Römerreichs
Gallier, Germanen, Römer: Neue Erkenntnisse zu Bevölkerung und Alltag in der Siedlung von Groß-Gerau, Flur „Auf Esch“, vom 1. bis 4. Jahrhundert n. Chr.
Aspekte der Romanisierung im Bereich der civitates Mattiacorum, Taunensium et Auderiensium
Römische Landwirtschaft und Handwerk im Rhein-Main-Gebiet
Münze, Geld und Wirtschaft im Rhein-Main-Gebiet
Der Vicus des Kastells Saalburg
Von einer Grenze umgeben? Zur Einheitlichkeit der Grenzsicherung am hessischen Abschnitt des Limes
Römische Herrschaft im Rhein-Main-Gebiet. Ein kurzes Resümee des Forschungsstandes
Anmerkungen
Abbildungsnachweis
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Die Römer im Rhein-Main-Gebiet
 3534237676, 9783534237678

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Die Römer im Rhein-Main-Gebiet Herausgegeben von Frank M. Ausbüttel, Ulrich Krebs und Gregor Maier

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: // dnb.d-nb.de abrufbar.

Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfi lmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. © 2012 by WBG (Wissenschaft liche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht. Typographie und Satz: Janß GmbH, Pfungstadt Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de

ISBN 978-3-534-23767-8 Die Buchhandels-Ausgabe erscheint beim Konrad Theiss Verlag, Stuttgart www.theiss.de

ISBN 978-3-8062-2420-7 Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich: eBook (PDF): 978-3-534-72778-0 (für Mitglieder der WBG) eBook (epub): 978-3-534-72779-7 (für Mitglieder der WBG) eBook (PDF): 978-3-8062-2612-6 (Buchhandel) eBook (epub): 978-3-8062-2613-3 (Buchhandel)

Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis

Verzeichnis der Autoren und Herausgeber . . . . . . . . . . . . .

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Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Gabriele Rasbach Die Germanienpolitik des Augustus . . . . . . . . . . . . . . . .

11

Leonhard Schumacher Die Bedeutung von Mainz für die Rhein-Main-Region in römischer Zeit

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Peter Fasold Von Augustus bis Aurelian. Neue Forschungen zum römischen Frankfurt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Frank M. Ausbüttel Die Verwaltung des Rhein-Main-Gebietes in römischer Zeit

. . . . .

55

Thomas Maurer Das Hessische Ried: Archäologie und Geschichte einer Landschaft an der Grenze des Römerreichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Carsten Wenzel Gallier, Germanen, Römer: Neue Erkenntnisse zu Bevölkerung und Alltag in der Siedlung von Groß-Gerau, Flur „Auf Esch“, vom 1. bis 4. Jahrhundert n. Chr. . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91

Markus Scholz und Lisa Klaffki Aspekte der Romanisierung im Bereich der civitates Mattiacorum, Taunensium et Auderiensium . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

Vera Rupp Römische Landwirtschaft und Handwerk im Rhein-Main-Gebiet . . .

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Hans-Markus von Kaenel Münze, Geld und Wirtschaft im Rhein-Main-Gebiet . . . . . . . . .

150

Cecilia Moneta Der Vicus des Kastells Saalburg . . . . . . . . . . . . . . . . . .

175

Thomas Becker Von einer Grenze umgeben? – Zur Einheitlichkeit der Grenzsicherung am hessischen Abschnitt des Limes . . . . . . . . . . . . . . . .

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Frank M. Ausbüttel Römische Herrschaft im Rhein-Main-Gebiet. Ein kurzes Resümee des Forschungsstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abbildungsnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Verzeichnis der Autoren und Herausgeber Verzeichnis der Autoren und Herausgeber

Dr. Frank M. Ausbüttel: Oberstudiendirektor; Lehrbeauftragter für Alte Geschichte an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main Thomas Becker, M. A.: Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Abt. Archäologische und Paläontologische Denkmalpflege, Sachgebietsleitung, Wiesbaden Dr. Peter Fasold: stellvertretender Direktor des Archäologischen Museums Frankfurt am Main Prof. Dr. Hans-Markus von Kaenel: Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, Institut für Archäologische Wissenschaft, Abt. Archäologie und Geschichte der römischen Provinzen; Vorsitzender der Archäologischen Gesellschaft in Hessen Lisa Klaffk i: cand. phil. am Institut für Klassische Archäologie der Johannes-GutenbergUniversität Mainz Ulrich Krebs: Landrat des Hochtaunuskreises Gregor Maier, M. A.: Fachbereich Kultur / Kreisarchiv des Hochtaunuskreises Dr. Thomas Maurer: wiss. Assistent am Institut für Archäologische Wissenschaft, Abt. Archäologie und Geschichte der römischen Provinzen, der Johann Wolfgang GoetheUniversität Frankfurt am Main Dr. Cecilia Moneta: Römerkastell Saalburg, Bad Homburg v. d. Höhe, DFG-Projekt „Die Saalburgkastelle. Auswertungen der Altgrabungen“ Dr. Gabriele Rasbach: Römisch-Germanische Kommission Frankfurt am Main Dr. Vera Rupp: Archäologiedirektorin am Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Archäologische und Paläontologische Denkmalpflege, Wiesbaden Dr. Markus Scholz: Konservator der Abteilung Römerzeit des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz Prof. Dr. Leonhard Schumacher: Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, Institut für Alte Geschichte Dr. Carsten Wenzel: Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, Institut für Archäologische Wissenschaft, Abt. Archäologie und Geschichte der römischen Provinzen

Überblickskarte Rhein-Main-Gebiet

Vorwort Vorwort

Die von Mittelgebirgen umgebene Ebene am Zusammenfluss von Main und Rhein besaß aufgrund ihrer fruchtbaren Böden, ihrer verkehrsgünstigen und geschützten Lage schon immer eine besondere Anziehungskraft. Aber erst durch die Römer lässt sich die historische Entwicklung des Rhein-Main-Gebietes anhand konkreter Ereignisse näher erfassen und beschreiben. Vor über 2000 Jahren vollzog sich hier ein tiefgreifender historischer Strukturwandel. Als sich die Herrschaft der Gallier (Kelten) im Niedergang befand, drangen Germanen bis an den Rhein vor. Dort stießen sie aber auf den Widerstand der Römer, die durch die Eroberung Galliens den Rhein zu ihrer neuen Reichsgrenze gemacht hatten. Mainz und das Untermaingebiet dienten ihnen als eines ihrer Aufmarschgebiete für Vorstöße in das Innere Germaniens. Obwohl das Rhein-Main-Gebiet somit im Spannungsfeld zweier Kulturen lag, wirkte sich seine Grenzlage nicht negativ für die Region aus. Ganz im Gegenteil – nach seiner Eingliederung in die Provinz Obergermanien (Germania superior) und der Errichtung des Limes erlebte es durch die starke Präsenz des römischen Militärs einen wirtschaft lichen und kulturellen Aufschwung. Davon zeugen zahlreiche Münz- und Keramikfunde, viele Kunstwerke aus Stein und Metall sowie die Fundamente von Landhäusern, zivilen und militärischen Anlagen. Unter den Militäranlagen kommt dem Limes eine besondere Bedeutung zu, dessen „Königsstrecke“ mitten durch den Hochtaunuskreis verläuft. Es gibt in Deutschland wohl kaum einen anderen Abschnitt dieser Grenze, der so gut erhalten ist wie der Abschnitt zwischen Glashütten und Ober-Mörlen, der als Limeserlebnispfad Hochtaunus durch den Hochtaunuskreis und die Limes-Anrainer-Kommunen besonders gepflegt wird. In den letzten 25 Jahren haben archäologische Funde und neue Interpretationen des historischen Materials uns weitere Einblicke in die damalige Zeit gewährt und teilweise unsere Sichtweise verändert. Es sei hier an die Entdeckung einer Zivilsiedlung in Lahnau-Waldgirmes erinnert oder an die Entdeckung einer Kaiserstatue im Sommer 2010 in Frankfurt-Niedereschbach. Eine Synthese dieser Erkenntnisse steht indes noch aus.

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Vorwort

Die Aufarbeitung des aktuellen Wissensstandes kann nur gelingen, wenn Wissenschaft ler aus verschiedenen Disziplinen kooperieren. Daher hat der Hochtaunuskreis vom 8. bis zum 10. April 2011 in Bad Homburg eine Tagung unter dem Titel Die Römer im Rhein-Main-Gebiet organisiert, an der insgesamt zwölf Archäologen und Althistoriker aus Frankfurt, Bad Homburg, Wiesbaden und Mainz ihre Ergebnisse vortrugen. Zu besonderem Dank sind wir an dieser Stelle der Werner Reimers-Stiftung und ihrem Vorstand Herrn Wolfgang R. Assmann verpflichtet, die für die Vorträge einen würdigen Rahmen boten und mit dem angenehmen Ambiente ihres Hauses wesentlich zum erfolgreichen Verlauf der Tagung beitrugen. Der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung und dem Förderverein der Saalburg ist es zu verdanken, dass die Tagung auf eine überraschend große Resonanz stieß. Das Ziel des vorliegenden Buches ist es, in möglichst allgemein verständlicher Form die Vorträge einem breiteren Publikum zu präsentieren und so über den neuesten Forschungsstand zu informieren. Ohne die großzügige und tatkräftige Unterstützung von Herrn Dr. Harald Baulig (Wissenschaft liche Buchgesellschaft) wäre dies nicht ohne Weiteres möglich gewesen. Dem aufmerksamen Leser wird bei der Lektüre der einzelnen Artikel nicht entgehen, dass sie sich in ihren Aussagen gelegentlich widersprechen. Das mag irritieren, zeigt aber zugleich, wie sehr aktuelle Forschung von der Kontroverse lebt und auch bei allen Fortschritten keine fertigen Geschichtsbilder liefern kann. Bad Homburg, im April 2011

Frank M. Ausbüttel Ulrich Krebs Gregor Maier

Gabriele Rasbach

Die Germanienpolitik des Augustus Gabriele Rasbach Die Germanienpolitik des Augustus

Seitdem Iulius Caesar im Jahr 51 v. Chr. die Eroberung Galliens abgeschlossen hatte, trat das Gebiet rechts des Rheins – die Germania magna – in den direkten Blickpunkt des politischen Interesses der Römer. Zwar gab es zuvor schon teils kriegerische Kontakte mit germanischen Gruppen (58 schlägt Caesar die germanischen Sueben unter Ariovist bei Mühlhausen im Elsass), doch eine dauerhafte Inbesitznahme germanischer Gebiete rechts des Rheins war offenbar nicht Ziel der römischen Politik. Vielmehr galten die von Caesar überlieferten Rheinübergänge als Strafaktionen und dienten dem Schutz der gallischen Gebiete. So wurden die germanischen Usipeter und Tenkterer 55 v. Chr. am Niederrhein zurückgedrängt und der darauf folgende erste Rheinübergang bei Neuwied demonstrierte rechtsrheinisch die Stärke und Macht der Römer. Auch der zweite Rheinübergang Caesars zwei Jahre später bei Andernach diente demselben Ziel. In den Jahren 52 / 51 v. Chr. besiegte Caesar die letzten keltischen Stämme, die sich gegen ihn erhoben hatten, und im Jahr 50 v. Chr. werden von römischer Seite erste Maßnahmen durchgeführt, um die Gallia als Gallia comata und Gallia Transalpina in die Provinzialverwaltung des römischen Reiches einzugliedern. Erst nach dem Bürgerkrieg, der nach der Ermordung Caesars 44 v. Chr. ausbrach und bis 30 v. Chr. andauerte, wird ab 27 v. Chr. das Gebiet mit der Aufteilung in die Tres Galliae (Lugdunensis, Belgica und Aquitania) neu geordnet. Trotzdem kommt es in der Folge im Alpengebiet, in Gallien und am Rhein wieder zu Aufständen und germanischen Raubzügen in die Gallia hinein, was es Marcus Vipsanius Agrippa notwenig erscheinen ließ, in den Jahren 20 / 19 v. Chr. Lugdunum (Lyon) zu einem Verkehrsknoten und Verwaltungszentrum auszubauen.1 Immer wiederkehrende Einfälle von germanischen Scharen nach Gallien und die Niederlage des Marcus Lollius Paulinus gegen Sugambrer, Usipeter und Tenkterer (clades Lolliana) 16 v. Chr. führten in der Folge zur Verlagerung der Residenz des Augustus nach Lugdunum. Mit der Errichtung des Provinzialkultes ebendort im Jahr 13 / 12 v. Chr. wird diese Stadt zur politischen und wirtschaft lichen Drehscheibe für ganz Gallien, aber auch für den Aufbau und die Versorgung der Rheinzone und die

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Gabriele Rasbach

späteren Kriegszüge nach Germanien. Die Sicherung und Neuordnung Galliens war die unabdingbare Voraussetzung für die Eroberung der Alpenregion und Germaniens. Für die Eroberung und Kontrolle Galliens war die Kooperation einer einheimischen Führungsschicht von entscheidender Bedeutung, denn die römischen Legionen und die bereitstehenden Auxiliartruppen hätten nicht ausgereicht, um alle notwendigen Schaltstellen dauerhaft zu besetzen. Deshalb suchten Caesar und später Augustus gezielt den Kontakt zu lokalen und regionalen Eliten, die Verwaltungs- und Militäraufgaben, aber auch die Priesterämter am Altar für Roma und Augustus übernehmen konnten und damit die Besatzung für weite Teile der einheimischen Bevölkerung erträglicher machten. Sehr detailliert beschreibt Caesar in seinem Werk De bello Gallico das wirksame Werkzeug der amicitia, mit dem sehr flexibel, an einzelne Persönlichkeiten gebunden, auf innerfamiliäre Verwerfungen auf einheimischer Seite ebenso reagiert werden konnte wie auf unklare Verhältnisse innerhalb eines oder zwischen verschiedenen Stämmen beziehungsweise Stammesteilen. Mit dem Alpenfeldzug des Jahres 15 v. Chr. schließlich wurden die Verbindungen zu den bereits unter römischer Herrschaft liegenden Gebieten an Oberrhein und Donau hergestellt, die Einfallsrouten nach Oberitalien gesichert und die Erzvorkommen der Alpen für die Römer zugänglich. Folgt man neueren Forschungen von Nuber, so nahm Publius Quinctilius Varus vermutlich als legatus legionis der XIX. Legion am Alpenfeldzug teil. Er hätte dort, so macht Nuber wahrscheinlich, siegreich das Kommando der XIX. Legion geführt, die ihm auch zwanzig Jahre später in Germanien unterstehen sollte. Mit der Sicherung der Alpenregion trat nun der dauerhafte Schutz der gallischen Gebiete gegen die immer wieder von Osten in die Provinzen eindringenden Scharen. Bereits zwischen 35 / 25 v. Chr. hatte Agrippa, so die historische Überlieferung, verschiedene rechtsrheinischen Stämme auf das linke Rheinufer umgesiedelt. Diese Tatsache zeigt deutlich die Informationsdichte, die die Römer über die Landschaften rechts des Rheins und die innergermanischen Zwistigkeiten besaßen, obwohl diese Region nicht unter ihrer direkten Herrschaft stand. Deshalb erscheint es auch völlig unwahrscheinlich, dass sich Varus auf den Römern unbekannte Pfade begeben habe, wie es Tacitus überliefert, denn Kenntnis über die naturräumlichen Bedingungen war eine der wichtigsten Voraussetzungen, um eine Region erobern und kontrollieren zu können. Mindestens seit dem letzten Viertel des 1. Jahrhunderts v. Chr. müssen wir also von einer gezielten Vorgehensweise der Römer rechts des Rheins ausgehen. Die Offensive der Jahre 12 bis 9 v. Chr. unter Führung des Drusus war

Die Germanienpolitik des Augustus

Abb. 1

Karte der augusteischen Fundplätze.

nach der Neuordnung Galliens ein folgerichtiger Schritt. Diese Kriegszüge gelten heute als Ausdruck für den politischen Gestaltungswillen der Römer, die Landschaften zwischen Rhein und Elbe dauerhaft in Besitz zu nehmen.2 Die Erfahrungen der römischen Kriegsherren – Augustus sowie seiner Stiefsöhne Tiberius und Drusus – mit nördlichen Völkern unterschieden sich aber offenbar von den Verhältnissen in Gallien und Noricum ganz wesentlich. Offenbar standen sie nicht einem stabilen Stammessystem gegenüber, sondern einer wesentlich stärker segmentär organisierten Bevölkerung, was sich auch in einem kleinteiligeren Siedlungswesen zeigte. Denn archäologisch gelang bisher nicht der Nachweis großer Siedlungen, die als einheimische Zentralorte – von Caesar oppida genannt – fungiert haben könnten. Damit war eine wesentliche Infrastruktur zur Versorgung der Truppen nicht gegeben, beziehungsweise mussten die Römer diese für die Logistik notwendigen Orte selbst aufbauen (Abb. 1). Die Landschaft rechts des Rheins, durch die die römischen Heere ziehen mussten, war jedoch, wie archäologische und palynologische Untersuchungen zur vorrömischen Eisenzeit in unserer Region zeigen, in weiten Bereichen auf-

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Gabriele Rasbach

gelichtet und erschlossen. Die reichlich vorhandenen Ressourcen an Eisen und in geringerem Ausmaß an Silber und Kupfer, aber auch an Salz wurden seit dem 4. Jahrhundert v. Chr. kontinuierlich zunehmend genutzt. Manche Beschreibungen von Barbaren (besonders Germanen) und den ihnen eigenen Landschaften, die in antiken Schriftquellen dieser Zeit überliefert sind, wie „unzivilisierte und kriegerische Barbaren“, aber auch „undurchdringliche Wälder und unpassierbare Sümpfe“, sind als literarische topoi zur Beschreibung fremder Völker und Landschaften zu bewerten. Die römische Seite war sicher seit den ersten Rheinübergängen durch Caesar sehr wohl über die landschaftlichen Gegebenheiten, die sicher existierenden Fernwege, wichtige strategische Orte, die wirtschaft lichen Ressourcen und die Hierarchie der Völker bestens informiert. Solche Informationen waren unabdingbare Voraussetzungen für die groß angelegten Kriegszüge des Drusus in die Germania. Als der Stiefsohn des Augustus auf dem Rückweg von der Elbe vom Pferd stürzte und wenig später seinen Verletzungen 9 v. Chr. erlag, übernahm Tiberius seine Aufgaben in Germanien, nachdem er den Leichnam des Drusus nach Rom gebracht hatte.3

Die einheimische Bevölkerung Die römische Okkupation traf in Hessen auf einen von zwei unterschiedlichen Kulturen geprägten Raum: Während der älteren vorrömischen Eisenzeit lebten in weiten Teilen Hessens Menschen, die von der keltischen Zivilisation des Südens und Westens geprägt waren, ohne dass wir wissen, welcher ethnischen Gruppe sie sich selbst zugehörig fühlten. Doch seit dem 2. vorchristlichen Jahrhundert sind in den Funden des täglichen Bedarfs Gruppen erkennbar, deren Wurzeln weiter im Norden und Osten zu suchen sind. Besonders deutlich ist dies in Formen der Keramik und im Bestattungswesen zu sehen. Ab der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts v. Chr. dominieren in Mittel- und Nordhessen Keramikformen, die in der Archäologie unter dem Begriff germanisch subsumiert werden. Dies sind einfache von Hand hergestellte Gefäße, die als Zeichen ihrer elbgermanischen Wurzeln oft noch einen facettierten Rand besitzen. Diese Veränderung der Bevölkerung fand teilweise unter Kontrolle der Römer statt, sind uns doch verschiedene Ereignisse überliefert, die zum einen von Stammesumsiedlungen auf die westliche Rheinseite unter die Obhut der Römer berichten (z. B. den Ubiern), zum anderen wurden Stämmen von den Römern neue Siedlungsgebiete zugewiesen (z. B. den Chatten). Kennzeichnend für die

Die Germanienpolitik des Augustus

Unterschiede zwischen diesen Völkerschaften waren zentrale Siedlungen, Münzprägung und ein vor allem auf die Getreideproduktion ausgerichtetes Landwirtschaftssystem auf der keltischen Seite, während auf germanischer Seite keine Münzwirtschaft, eine auf Viehhaltung ausgerichtete Landwirtschaft und kleinteiligere Siedlungsstrukturen vorherrschten, die wohl auch Ausdruck der stärker segmentär organisierten Gesellschaften waren. Auf dem nahe Gießen gelegenen Dünsberg befinden sich die Überreste einer der größten eisenzeitlichen Siedlungen nördlich der Alpen. Die Besiedlung auf dem Berg beginnt vermutlich in der späten Bronzezeit im 8. Jahrhundert v. Chr. Zur Umsiedlung der Ubier, einer bereits in Caesars Werk De bello Gallico als den Römern freundlich gesinnter Stamm erwähnten Volksgruppe, entwarf Schulze-Forster bei der Bearbeitung der Münzfunde vom Dünsberg ein historisches Modell. Die Besiedlung auf dem Berg endete – nach chronologischer Einordnung der Funde – um 35 / 25 v. Chr. Diesen Besiedlungsbruch verband er mit Überlegungen, ob nicht der Dünsberg eine Siedlung der von Agrippa auf die westliche Rheinseite umgesiedelten Ubier gewesen sein könnte. Folgt man diesen Überlegungen, wäre in der Region zwischen Neuwieder Becken und der nördlichen Wetterau ein Machtvakuum entstanden, das, wie Tacitus überliefert, die Römer zwang, in diesem Gebiet den Chatten zu erlauben, sich anzusiedeln. Diese Vielschichtigkeit steht stellenweise einer Platzkontinuität gegenüber. So belegen Ausgrabungen in Wetzlar-Dalheim, dass die lokalen Eisenerzvorkommen seit dem Beginn der Hallstattzeit kontinuierlich abgebaut wurden; ebenso war der Siedlungsplatz Mardorf im Amöneburger Becken offenbar kontinuierlich besetzt. Frühe aus dem heutigen Polen stammende Gruppen der Przeworskkultur, die in Mainfranken, Gießen-Muschenheim oder Echzell in der Wetterau archäologisch nachgewiesen wurden, konnten offenbar noch keine Traditionen entwickeln; der Zuzug aus dieser wie der nordöstlich gelegenen elbgermanischen Kulturregion tritt darauffolgend zunehmend in den Funden auf; im direkten Vergleich wirken die Formen aus unserer Region jedoch verwaschen, man könnte auch sagen nicht mehr originalgetreu. Dieser von Peschel als Überschichtung der einheimischen Bevölkerung durch verschiedene elbgermanische Gruppen bezeichnete Prozess ist seiner Meinung nach nur von kurzer Dauer und in den Zeitraum 25 / 20 v. Chr. bis 15 / 20 n. Chr. chronologisch einzuordnen. Auf diese von großer Mobilität gekennzeichnete Bevölkerung rechts des Rheins nehmen die Römer ab 12 v. Chr. mit der gezielten Okkupation ersten und dann kontinuierlich stärker werdenden Einfluss. Zwar konnte die einhei-

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mische Bevölkerung wohl Abgaben leisten und einen Beitrag zum Unterhalt des römischen Heeres liefern, aber die Versorgung aus dem neu eroberten Land war vermutlich nicht – zumindest nicht so einfach wie in Gallien – gegeben. Für den Kriegszug des Jahres 11 v. Chr. berichtet Cassius Dio, dass das Vorhaben wegen Proviantmangels vorzeitig abgebrochen wurde. Das Fehlen zentraler Orte, wo die Steuern entrichtet und Abgaben geleistet werden konnten, könnte auch zu Anlagen wie dem römischen Militärlager von Rödgen in der Wetterau geführt haben, in dem während der Zeit der Kriegszüge des Drusus eine umwehrte Anlage gebaut wurde, in deren Innerem neben bis zu sechs Kasernen drei mächtige Speicherbauten errichtet worden waren. In diesen Speichern konnten zusammen bis zu 3051 t Getreide in Säcken gelagert werden (lose etwa 1525 t), das vermutlich zur Versorgung des römischen Militärs während der Kriegszüge des Drusus diente.4 Das Lager wurde aber nach Ausweis besonders der Münzfunde bereits nach kurzer wieder Nutzungszeit wieder aufgegeben.

Ausgrabungen in Lahnau-Waldgirmes Für die Okkupation Germaniens rechts des Rhein und den skizzierten archäologischen Belegen einer sich auch von Osten verändernden Bevölkerung im Mittelgebirgsraum erbrachte in den letzten Jahren besonders die Ausgrabung in Lahnau-Waldgirmes (Abb. 2) weiterführende Erkenntnisse, denn dort gelang es erstmals, eine neu gegründete Siedlung der Römer durch eine wissenschaft liche Ausgrabung zu untersuchen.5 Diese Siedlung war von Beginn an geplant als zivile Siedlung, die wohl, das lässt die Ausstattung vermuten, der Verwaltung eines größeren Umfeldes diente. Diese neuen Zentren sind als coloniae novae zwar bei Tacitus überliefert, bis zur Untersuchung der Siedlung in Waldgirmes aber wurde an dieser Überlieferung gezweifelt, fehlte doch ein archäologischer Beweis. Entgegen den Erwartungen gab der Boden des mittelhessischen Waldgirmes an der Lahn kein Militärlager der Okkupationszeit frei, wie die Lesefunde zu Beginn vermuten ließen, sondern die Grundrisse von zivilen Wohnhäusern, Läden entlang der Straßen und als zentraler Bau die Steinfundamente eines in Fachwerk errichteten antiken Forums. Im Römischen Reich bildeten die Städte und ihre Territorien das Rückgrat der römischen Verwaltung und Rechtsprechung. Dort wurden die Steuern gesammelt, die zum Aufbau und Erhalt der

Die Germanienpolitik des Augustus

Abb. 2

Gesamtplan Waldgirmes, Stand 2009

Infrastruktur und Sicherung notwendig waren. In Gallien konnten die Römer – wie geschildert – praktisch nahtlos das vorhandene Siedlungsgefüge mit den zentralen oppida übernehmen, in Germanien mussten sie diese, für die Verwaltung und die Durchdringung des neu eroberten Raumes notwendigen Strukturen erst anlegen. Zwar geben manche Militärlager dieser Zeit erste Hinweise auf eine zivile Übergangsphase wie beispielsweise im Legionslager von Haltern an der Lippe, in Waldgirmes stand jedoch der Aufbau der Zivilstrukturen von Beginn an im Mittelpunkt. Es bildet hierfür den ersten archäologischen Beleg und an diesem Platz ist in beeindruckender Weise nachvollziehbar, mit welchem Auf-

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Gabriele Rasbach

wand diese coloniae novae ausgestattet wurden. Aus weit entfernten Regionen gelangten nicht nur Wein, Öl und Würzsauce in das Lahntal, sondern auch Bausteine aus Lothringen und Mühlsteine aus der Eifel zeigen die Einbindung des Ortes in das Fernwegenetz des Römischen Reiches. Aus denselben Befunden wie die römischen Fundstücke stammen aber auch Objekte der „Gegenseite“. Rohbernstein von der Ostsee, Fibeln aus dem Norden West- und Ostdeutschlands bis hin nach Nordpolen oder ins Böhmische Becken zeigen im Gegensatz auch, dass der Ort in das existierende nichtrömische Fernwegenetz integriert war. Die Römer bedienten sich offenbar in der ersten Okkupationsphase der einheimischen Infrastruktur, die römische Herrschaft erreichte jedoch in weiten Teilen der neu eroberten Gebiete in der Germania niemals die Phase, in der ein eigenes – typisch römisches – Kunststraßennetz aufgebaut wurde, wie es aus den Provinzen gut bekannt ist. Wichtiger als alle Landwege waren den Römern die Flussverbindungen. Sie bildeten die Hauptverkehrswege für den Nachschub beziehungsweise auch den Nachschub an westlichen und südlichen Importwaren. Über das Netz von Landwegen und Flüssen wurden auch die Territorien der neuen Städte verwaltet. Der dafür wichtigste Platz am Ort war das Forum als Sitz der Verwaltung. Dieses 2200 m2 große Gebäude war auf Steinfundamenten errichtet, eine für die Zeit und den Ort völlig ungewöhnliche Bauweise, bestanden doch alle anderen Häuser der Siedlung ausschließlich aus Holz(fachwerk). Diese Bauweise allein zeigt die Bedeutung, die die Römer diesem Gebäude und seiner Aufgabe beimaßen. Im Innenhof des Forums fanden sich die ausgeraubten Steinfundamente von fünf Statuenpostamenten, die dort als Sinnbilder des Staates – der neuen Macht – und seiner Fürsorge den neuen Untertanen gegenüber errichtet waren beziehungsweise errichtet werden sollten. Dabei wendete sich die augusteische Propaganda nicht nur an die Einwohner, sondern – vielleicht sogar besonders – an die im Umfeld oder vereinzelt auch in der neuen römischen Siedlung wohnende einheimische Bevölkerung. Zahlreiche in Waldgirmes geborgene Funde können der germanischen Bevölkerung zugewiesen werden; die neu errichtete römische Siedlung diente damit der einheimischen wie der römischen Bevölkerung als zentraler, politischer Kommunikationsraum. In dieser Siedlung kulminierten die Bemühungen der Römer zur Einbindung der indigenen Bevölkerung und zur wirtschaft lichen Wertschöpfung aus dem Umfeld; beide Elemente politischen Handels fanden aber bald ein abruptes Ende. Während der Ausgrabungen der letzten Jahre waren immer wieder Fragmente vergoldeter Gussbronze zutage gekommen. Die aktuellen Untersuchungen der über 160 Bruchstücke bestätigen die Vermutung, dass sich darunter mindestens die Reste von zwei etwa lebensgroßen Bronzestatuen befinden.

Die Germanienpolitik des Augustus

Abb. 3

Photogrammetrisches Bild des Brunnens 2 von 2009.

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Dank der aufgefundenen Münzen konnte die römische Siedlung von Waldgirmes gut in den Okkupationshorizont der Zeit um Christi Geburt bis etwa 9 n. Chr. eingeordnet werden. Die letzten Münzen, die nach Waldgirmes gelangt waren, waren Bronzemünzen, die zwischen 7 und 3 v. Chr. im römischen Lugdunum geprägt worden waren. Einige Stücke sind zusätzlich mit einem Gegenstempel VAR versehen, dem Namen des Publius Quinctilius Varus (Abb. 3). Er war von 7 bis 9 n. Chr. Statthalter des Augustus in Germanien und unterlag 9 n. Chr. einer Koalition germanischer Stämme in der sogenannten „Schlacht im Teutoburger Wald“. In Folge dieser Niederlage, so nahm man lange Zeit an, hätten die Römer sich weitgehend auf die linke Rheinseite zurückgezogen und Germanicus hätte rechtsrheinisch durch Militäraktionen versucht, die Rheinfront zu schützen und Rache zu nehmen. Doch neueste Erkenntnisse lassen ein differenzierteres Bild dieser Jahre entstehen: Denn offenbar reagierten die über die Niederlage bestürzten Römer sehr individuell auf die jeweilige Situation am Ort. Im Grunde beschreibt dies auch Cassius Dio (56,24): Damals aber, als Augustus von dem Unglück des Varus unterrichtet wurde, zerriss er, wie einige behaupten, seine Kleider und fühlte tiefe Trauer, nicht nur wegen der gefallenen Soldaten, sondern aus Furcht für die germanischen und gallischen Provinzen, besonders aber deshalb, weil er mit einem feindlichen Angriff auf Italien und Rom selbst rechnete. Bürger wehrfähigen Alters waren ja in kaum nennenswerter Zahl mehr übrig, und außerdem hatten die verbündeten Streitkräfte, soweit sie einigermaßen brauchbar waren, schwer gelitten. (…) Später, als er vernahm, dass einige Soldaten gerettet und die beiden Germanien militärisch gesichert seien, außerdem dass der Feind nicht einmal bis zum Rheine vorzudringen gewagt habe, fühlte er sich nicht mehr beunruhigt und legte der Sache auch weiterhin keine besondere Bedeutung mehr bei.

In Waldgirmes ist möglicherweise indirekt ein Beleg für dieses Verhalten der Römer zu finden, denn einige Befunde lassen auf einen Rückgang der Besiedlung schließen, der mit einem Rückzug von einem Bevölkerungsteil – eventuell nach Mainz – gut zu erklären wäre. Viel bedeutsamer aber ist die Tatsache, dass die Siedlung in Waldgirmes über das Jahr 9 n. Chr. hinaus kontinuierlich Bestand hatte. Diese Erkenntnisse sind unter anderem der detaillierten Untersuchung eines der Brunnen zu verdanken (Abb. 4). Im Jahr 2009 konnte der 11 m tiefe Brunnenschacht systematisch untersucht werden. Dank der guten Erhaltungsbedingungen für organische Reste – besonders zu nennen ist Holz – konnte eine umfangreiche Serie dendrochronologischer Daten gewonnen werden. Daraus ergab sich, dass die Eichen, aus denen die Spaltbohlen für den Brunnenkasten gewonnen

Die Germanienpolitik des Augustus

Abb. 4

Bronzemünze aus Lugdunum mit dem Gegenstempel des Publius Quinctilius Varus und einem zusätzlichen Radstempel.

wurden, im Jahr 4 v. Chr. geschlagen wurden. Insgesamt konnten aus sechs Metern erhaltenem Brunnenkasten 68 Spaltbohlen bestimmt werden, die alle ein einheitliches Datum ergaben. Da in römischer Zeit in der Regel Holz frisch verbaut wurde, ergibt sich daraus das Gründungsdatum für die Siedlung. Denn die Sicherung der Wasserversorgung gehörte zu den wichtigsten Aufgaben bei der Gründung einer Siedlung. Überraschenderweise war der Brunnen am Ende der Besiedlung mit Holzgegenständen aus den umliegenden römischen Häusern und Lagerhallen verstopft und damit unbrauchbar gemacht worden. Darunter befanden sich sowohl Architekturteile wie ein Pfeiler oder Bruchstücke von anderen Konstruktionsteilen, der Brunnendeckel und Bruchstücke von Holzgefäßen. Mit als Erstes war jedoch eine Leiter in den Brunnen geworfen worden, deren Ständer den ausgebildeten Jahresring des Winters 9 n. Chr. aufwies. Somit konnte der Nachweis erbracht werden, dass im Spätherbst oder im Winter des Jahres 9 / 10 n. Chr. Menschen in Waldgirmes Stangenholz geschlagen haben, um eine Leiter zu bauen. Dieses Datum beziehungsweise den naturwissenschaft lichen Beleg für eine Dauer der Besiedlung am Ort über das Jahr 9 n. Chr. hinaus bestätigten einige Befunde, die schon zuvor in diesem Sinne interpretiert worden waren. Denn im Jahr 2008 konnte im Areal zwischen Westtor und Forum eine Baumaßnahme an der Ost-West-verlaufenden Straße aufgedeckt werden. Dort war die Straße durch ein hölzernes Kastenwerk und eine neue Kiesdecke ausgebaut worden, wozu der Straßengraben verfüllt worden war. Aus dieser Verfüllung konnte ein

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Abb. 5

Pferdekopf einer der Statuen aus Waldgirmes.

kleines Fragment einer der Statuen geborgen werden, was die Baumaßnahme in eine Zeit einordnete, nachdem die Statuen zerschlagen worden waren. In dem bereits angesprochenen Brunnen stand als Brunnenstube ein in zweiter Verwendung eingebautes Fass. Es diente als ein Kasten, in dem sich die Trübstoffe aus dem Brunnenwasser absetzen konnten. Aus diesem Fass – also den untersten Schichten des Brunnens – wurden acht Mühlsteine geborgen, zwischen denen ein lebensgroßer vergoldeter Pferdekopf aus Bronze deponiert war (Abb. 5). Aus derselben Schicht stammt eine Bronzemünze mit einem Gegenstempel des Varus; die Mühlsteine und der Pferdekopf können also frühestens 7 n. Chr. niedergelegt worden sein, als Varus die Statthalterschaft in Germanien übernommen hatte. Aus dem Brunnen kamen noch weitere Fragmente von Statuen zutage. Besonders hervorzuheben ist der Schuh, das bisher einzige sicher ansprechbare Teil eines Reiters (Abb. 6). Auffallend war, dass an dieser senatorischen Schuhtracht – dem calceus – keinerlei Reste einer Blattvergoldung erkennbar sind. Da eine Blattvergoldung praktisch nicht flächendeckend reversibel ist, ist damit

Die Germanienpolitik des Augustus

Abb. 6

Schuh des Reiters einer der Statuen aus Waldgirmes.

ein deutlicher Hinweis darauf gegeben, dass es sich um Reste von mindestens zwei Statuen handelt. Die Ikonographie der Medaillons, die die Schirrung des Pferdekopfes an den Kreuzungspunkten schmücken, zeigt die politische Situation am Ort, wie sie sich uns zurzeit darstellt. Die runden Medaillons an den Seiten des Kopfes zeigen Bilder der geflügelten Siegesgöttin Victoria, während die ovale Schmuckscheibe auf dem Nasenrücken des Pferdes das Bild eines ruhenden Kriegsgottes Mars zeigt. Die beiden anderen Darstellungen sind momentan noch nicht näher einzuordnen, hierfür müssen weitere Untersuchungen abgewartet werden. Die Stellung der Medaillons zum Kopf legt die Vermutung nahe, dass der Reiter den Kopf des Pferdes zu sich herangezogen hat. Dadurch standen die seitlichen Bilder waagerecht zum Betrachter und auch die ovale Schmuckscheibe war für den Betrachter gut zu erkennen. Die Statuen, vielleicht in Mainz hergestellt, gelangten sicher ebenso wie die Steine der Postamente über die Flüsse Rhein und Lahn im Ganzen nach Waldgirmes. Dies wie auch die Herkunft der Mühlsteine aus der Eifel, von Keramik

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aus Italien und der Champagne, Öl und Oliven aus Spanien oder Wein aus dem Rhônetal führen vor Augen, dass die Römer mit der Okkupation der Region diese in das weitreichende wirtschaft liche und verkehrstechnische Netz eingebunden haben. Die Wirkung, die sie mit diesem Vorgehen erzielten, zeigen beispielsweise Keramikfunde aus Niederweimar an der Lahn, wo aus einer einheimischen zeitgleichen Siedlung ebenfalls Keramik aus der Champagne zutage gekommen ist. Mit Blick auf die historische Überlieferung wäre vorstellbar, dass die Bevölkerung des Ortes die Statuen bei einem Zornesausbruch im Zuge der verlorenen „Schlacht im Teutoburger Wald“ 9 n. Chr. zerschlagen hat. Ein weiteres Ereignis, das diese Konsequenzen hätte haben können, ist für das Jahr 14 n. Chr. überliefert, als am Rhein das Militär nach dem Tod des Augustus rebellierte. Die Niederschlagung dieser Unruhen wurde durch das gegenüber Tiberius solidarische Verhalten des Germanicus ermöglicht. Die Chronologie, die in Waldgirmes aus den archäologischen Befunden abzulesen ist, ist aber nicht eindeutig mit der überlieferten Ereignisgeschichte zu verbinden; dazu fehlen der Geisteswissenschaft Archäologie die exakten Parameter der Naturwissenschaften. Beschädigungen von Porträts des Augustus sind jedoch auch auf Münzen belegt, die aus okkupationszeitlichen Fundzusammenhängen stammen. Dort ist das Bild des Kaisers in nicht seltenen Fällen durch intentionelle Einhiebe beschädigt, die sicher nicht der Prüfung des Metalls dienten, sondern als kultische Beschädigung zu interpretieren sind. Aber auch bei diesen Stücken ist unbekannt, aufgrund welchen Ereignisses diese Handlungen vorgenommen wurden. Für das Ende der römischen Besiedlung in Waldgirmes geben die dendrochronologischen Daten des Brunnens mit der Leiter einen Hinweis, ein weiterer ist das Fehlen von Terra Sigillata aus La Graufesenque, die als Massenware sicherlich in das römische Waldgirmes gelangt wäre. Die Töpfereien begannen dort um 20 n. Chr. zu arbeiten. Beide Indizien sprechen dafür, dass Waldgirmes vermutlich im Zuge der Aufgabe der rechtsrheinischen Germania 16 n. Chr. aufgelassen und systematisch zerstört wurde.

Fazit In Deutschland war die Erforschung der frühen römischen Phase stark geprägt durch militärhistorische Forschungen zum Limes ab dem 19. Jahrhundert. Ausdruck dieses Interesses war die 1890 gegründete Reichslimeskommission.

Die Germanienpolitik des Augustus

Erste historische Untersuchungen zur Okkupation Germaniens in augusteischer Zeit galten den überlieferten Ortsnamen und den Wegen, die das römische Militär in Germanien benutzt haben könnte (Haltern: 1938 der preußische Major G. F. W. Schmidt). Mit der archäologischen Ausgrabung des Legionslagers von Haltern am See seit 1899 konnten die ersten Bodenbefunde diesem Zeithorizont zugewiesen werden. Dort erbrachten neuere Forschungen erste Hinweise auf eine Zivilisierung des Ortes, was sowohl an der Umgestaltung von Architektur als auch in der Produktion von Keramik über den lokalen Gebrauch hinaus festzumachen ist. Die Verbreitung von Keramik, die in Haltern hergestellt wurde, reicht von Westfalen bis nach Mittelhessen, wo auch zum Beispiel unter der Keramik, die in Waldgirmes gefunden wurde, solche Stücke vertreten sind. Im Zusammenhang mit der zivilen Nutzung der neu eroberten Gebiete sind auch Bleibarrenfunde zu sehen, die belegen, dass römische Händler, die offenbar nicht dem römischen Militär unterstanden, Blei aus der Germania exportierten. Sie besaßen also zumindest die Handels-, vielleicht auch die Schürfrechte an den germanischen Vorkommen. Die Rechtsverhältnisse in den Eifeler Basaltvorkommen hingegen sind im Einzelnen noch unklar, allerdings zeigt sich auch an diesen bereits in vorrömischer Zeit zur Anfertigung von Mühl- und Mahlsteinen genutzten Basaltvorkommen die auf die kontinuierlich weiterlaufende Ausbeutung von Ressourcen ausgerichtete pragmatische Politik der Römer. Dort wie auch bei der Eisengewinnung etwa im Lahntal zeichnet sich eine durchgehende Nutzung ab, die offenbar nicht von wechselnden Herrschaftsverhältnissen wesentlich unterbrochen wurde. Im Lahntal zeigen dies die Ausgrabungen in Wetzlar-Dalheim, wo in den letzten Jahren eine entsprechende Verhüttungsstelle der Jahrhunderte um Christi Geburt untersucht wurde oder auch die aktuellen Untersuchungen der römischen Anlage bei Oberbrechen am Rand des Limburger Beckens. Mit Waldgirmes ist ein weiterführender Pfad der Provinzialisierung erstmals archäologisch in dieser Eindeutigkeit fassbar: die Ansiedlung von der römischen Führung vertrauten Menschen in neuen Zentren. Diese Menschen, seien es Veteranen oder Zivilisten, eine neue konforme einheimische Elite oder verdiente Auxiliare auf dem Weg zur staatstragenden Elite der neuen Provinz, also gleich ob Fremde oder Neusiedler mit einheimischen Wurzeln, sie wurden zur Verwaltung des neu eroberten Territoriums in neuen Zentren angesiedelt. Hierin unterscheidet sich das Vorgehen in der Germania nicht von dem in der 146 v. Chr. eroberten Gallia Cisalpina oder andernorts. Über die Rechtsstellung der römischen Siedlung in Waldgirmes und die Größe ihres Territoriums ist

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wegen fehlender Schriftzeugnisse keine Aussage möglich. Mit einer Siedlungsfläche von rund 7,5 ha innerhalb der Umwehrung ist in Waldgirmes bei einer gleichmäßigen Bebauung mit einer Anzahl von etwa 250 bis 300 Menschen zu rechnen. Ob es sich dabei um verdiente Veteranen, römische Händler oder sich konform verhaltende Einheimische gehandelt hat, diese Frage muss so lange offenbleiben, wie keine weiteren Schriftzeugnisse – abgesehen von den drei bekannten Graffiti auf Keramik – zutage gefördert werden. Das politische und militärische Wirken Roms auf neu unterworfene Völkerschaften war ganz entscheidend von dem persönlichen Verhältnis zwischen der einheimischen Führungsschicht und dem Stellvertreter Roms am Ort abhängig. Davon zu trennen war die Bereitschaft der einheimischen Bevölkerung, eigene Identitäten in ihrer Tracht oder ihrer Lebensweise bewahren zu wollen. Für die römische Seite bildeten die wichtigsten Voraussetzungen für die (dauerhafte) Kontrolle eines neu eroberten Gebietes natürlich die Anerkennung des römischen Rechts durch die einheimische Bevölkerung, das Zahlen von Steuern und die Gestellungen von Truppen. Wurden diese Voraussetzungen erfüllt, konnten Bewohner des römischen Herrschaftsgebiets ihre Eigenständigkeit im Äußeren bewahren, die sie für die Archäologie insbesondere in der Fibeltracht als Fremde erscheinen lässt. Frank Kolb konstatierte: Die Römer bemühten sich mit Erfolg, die einheimische Führungsschicht für die Annehmlichkeiten der römischen Zivilisation zu gewinnen. Wichtigstes Element dieses Romanisierungsprogramms war der Import römischer urbaner Architektur.6

Die Römer bildeten mit Gründungen wie Waldgirmes neue Zentren „als Instrumente provinzialer Verwaltung und imperialer Herrschaft“ (F. Kolb), die als Verwaltungszentren auch der kleinteiligen einheimischen Siedlungsstreuung entgegenwirken und wesentlich zur Bevölkerungskonzentration beitragen sollten. Einen Anfang solcher Urbanisierung in ihrer Entstehungszeit brachten die Ausgrabungen in Waldgirmes zutage, die Vorgehensweise ist aber gut vergleichbar mit allen Regionen, die eine auf zentrale Städte ausgerichtete Territorialverwaltung in vorrömischer Zeit nicht kannten. In großen Teilen Hessens und sicherlich auch in weiteren Gebieten zwischen Rhein und Weser hatten die Römer die Voraussetzungen geschaffen, als in Rom 16 n. Chr. der Plan aufgegeben wurde, die Germania bis zur Elbe in das Provinzialsystem einzugliedern.

Die Germanienpolitik des Augustus

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Leonhard Schumacher

Die Bedeutung von Mainz für die Rhein-Main-Region in römischer Zeit Leonhard Schumacher Die Bedeutung von Mainz in römischer Zeit

Mit Konstituierung der Bundesländer in Folge der französischen und amerikanischen Besatzungszonen legten die westalliierten Siegermächte den Mittelrhein als Grenze der Bundesländer Hessen und Rheinland-Pfalz fest. Die Jahrhunderte währende Entwicklung einer engen Beziehung zwischen linksrheinischen und rechtsrheinischen Gebieten im Erzbistum Mainz wurde damit organisatorisch abrupt beendet. Mainz-Amöneburg, Mainz-Kostheim und Mainz-Kastel (A–K–K) sind heute Vororte von Wiesbaden. Als Modell dieser Neugliederung, welche die Interessen Frankreichs befriedigte, mochte den Amerikanern auch die einst von Caesar (bell. Gall. 1,2,3; 1,28,4; 4,16,3–4) propagierte Behauptung gedient haben, der Rhein markiere die Grenze zwischen friedlichen Kelten im Westen und aggressiven Germanen im Osten. Um die Zeitwende konzentrierten sich die Offensivpläne des Kaisers Augustus gegen die Germania libera auf die nördliche Rheingrenze im Bereich der untergermanischen Heeresgruppe. Mit der Varus-Katastrophe des Jahres 9 n. Chr. war diese Konzeption endgültig gescheitert, und Rom begnügte sich unter den folgenden Herrschern der julisch-claudischen Dynastie mit seiner indirekten Herrschaft in einem rechtsrheinischen cordon sanitaire zur Sicherung der Rheingrenze. Eine kurzfristige Offensive des Caligula hat die Situation nicht geändert. Für unsere Region von Bedeutung ist die Anlage des Erdlagers Hofheim als östliche Bastion der Mainzer Legionen und ihrer Hilfstruppen bis zur Herrschaft Vespasians. Am Unterlauf des Mains siedelten damals die Mattiacer (Plin., nat. hist. 31,20; Tac., Germ. 29,3), die dem Ausbau des Mainzer Brückenkopfes in Kastel und einzelner Befestigungsanlagen in Wiesbaden keinen Widerstand leisteten. Die Initiative des obergermanischen Militärbefehlshabers – des leg(atus) Aug(usti) pro praet(ore) – Q. Curtius Rufus, in agro Mattiaco Soldaten zum Abbau von Silbererz abzustellen, scheiterte allerdings am geringen Ertrag der Minen (Tac., ann. 11,20,3).

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Das Vier-Kaiser-Jahr 69 n. Chr. mit dem anschließenden Bataver-Aufstand unter Führung des Iulius Civilis führte zur Destabilisierung der Rheingrenze. In Allianz mit den nördlichen Usipetern und Chatten vernichteten die Mattiacer die Kastelle Hofheim und Wiesbaden, belagerten sogar das Mainzer Legionslager – allerdings ohne Erfolg (Tac., hist. 4,37,2–3). Im Gegenzug ließ Vespasian die rechtsrheinische Sicherheitszone nach Norden bis in die fruchtbare Wetterau erweitern und durch Kastelle im rückwärtigen Raum sichern: Frankfurt-Heddernheim, Okarben und Friedberg. Mit dessen jüngeren Sohn Domitian endete die Phase militärischer Offensiven in unserem Raum. Den Chattenkrieg der Jahre 83–85 n. Chr. eröffnete der Kaiser im Frühjahr 83 mit einem massiven Truppenaufgebot persönlich. Die Ergebnisse wurden von den antiken Autoren unterschiedlich beurteilt: Tacitus (Agr. 39,1–3), der jüngere Plinius (pan. 16,3) und Cassius Dio (67,4,2) mokierten sich über den „falschen Triumph“, Frontin (strat. 2,11,7), Martial (epigr. 2,2,3–6) und Statius (silv. 1,1,6–7) priesen den Erfolg, Sueton (Dom. 6,1–2) enthielt sich persönlicher Wertung. Unterstellen wir Domitian eine begrenzte Zielsetzung seiner Operationen, die bereits unter römischer Kontrolle stehenden Territorien nördlich des Mains (Rheingau / Wetterau) dauerhaft zu schützen, so ist dies durch die Anlage von Grenzkastellen – Holzhausen, Zugmantel, Saalburg, Butzbach – und den Ausbau des Limes durchaus gelungen. Die südlich des Mains gelegenen Gebiete im Odenwald wurden wenig später gleichermaßen gesichert. Domitians Annahme des Siegernamens Germanicus (AE 1976,504; HCC I 284, Nr. 13), sein in Folge gefeierter Triumph de Germanis in Rom (Suet., Dom. 6,1) und die zahlreichen Siegesmonumente (Suet., Dom. 13,2; „Trofei di Mario“) mögen angesichts der tatsächlichen Ergebnisse etwas überzogen erscheinen. Wenn sein Triumphbogen in Kastel auch das jetzt gesicherte rechtsrheinische Operationsgebiet schmückte, bedarf dies keiner tiefsinnigen Begründung. Natürlich wurde der Erfolg propagiert, gleichermaßen handelte es sich aber um einen programmatischen Kurswechsel in der Politik. Wie die Münzlegende GERMANIA CAPTA (BMC Emp. II 362, Nr. 294) oder das Bild der trauernden Germania (ebd. 329, Nr. 143) verdeutlicht, war die offensive Phase gegen das freie Germanien zum Abschluss gelangt. Germanien war besiegt, die bisherigen Militärbezirke wurden als römische Provinzen konstituiert. Als Statthalter fungierten nach wie vor die leg(ati) Aug(usti) pro praet(ore) mit identischen Kompetenzen in Militär- und Zivilverwaltung. Die Neuformation erfolgte vermutlich bereits nach Abschluss des Ersten Chattenkrieges 85 n. Chr. Erstmals bezeugt ist die Provinz Germania superior durch das Mainzer Militärdiplom vom 27. Oktober 90 n. Chr. (CIL XVI 36). Bis zur Mitte des 3. Jahrhunderts hat sich der

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Limes dann als Verteidigungskonzept bewährt, zumal sich die militärischen Operationen in den Donauraum verlagerten. Römische Herrschaft kennzeichneten vor allem klare Verwaltungsstrukturen. Auf unterster Ebene der peregrinen Reichsbevölkerung bildeten ländliche Verwaltungsbezirke (civitates peregrinae) mit ihren Vororten (vici) die klassischen Organisationsformen mit weitgehender Selbstverwaltung. Rechtsrheinisch waren dies die civitas Mattiacorum mit dem Vorort Wiesbaden (Aquae Mattiacorum) und die nördlich angrenzende civitas Taunensium mit dem Vorort Nida (Frankfurt-Heddernheim). Südlich des Mains lag die civitas Auderiensium mit ihrem Zentrum Dieburg (vicus MED[---]).Über Einzelheiten der Verwaltung sind wir kaum informiert. Analog zu städtischen Gemeinden gab es einen kommunalen Rat (ordo decurionum) und Magistrate der Exekutive: Bürgermeister (IIviri iure dicundo), Kämmerer (quaestores) oder Baudezernenten (aediles). Hauptaufgaben waren Steuerveranlagung und Stellung von Auxiliartruppen (census). Die linksrheinischen civitates der Aresaces (CIL XIII 7252) und der Cairacates (Tac., hist. 4,70; AE 1965,247 = 1972,354) im Umkreis von Mainz sind nur dem Namen nach bekannt. Der Zivilverwaltung unterstand abgesehen von direkt militärisch genutzten Weiden auch das sogenannte „Militärterritorium“ am Limes und im Umfeld der Kastelle und des Legionslagers. Militärische Belange blieben natürlich immer den Interessen ziviler Verwaltung in den civitates, vici und canabae übergeordnet. Aufgabe des Militärs blieb in erster Linie die Sicherung der Grenzen. Kurzfristig schien hier Gefahr in Verzug als der obergermanische Statthalter L. Antonius Saturninus im Winter 88 / 89 n. Chr. einen Putschversuch gegen Domitian wagte und auch die Chatten für die Rebellion gewann (Suet., Dom. 6,2; Dio 67,11,1–2). Die in der neueren Forschung immer wieder behauptete „Senatsverschwörung“ resultiert vermutlich aus Vorstellungen von senatorischer Freiheit im Konflikt mit kaiserlicher Gewaltherrschaft. Im Unterschied zum Aufstand des Gaetulicus gegen Caligula (39 n. Chr.) entbehrt die These meines Erachtens in Bezug auf Saturninus der Grundlage. Mit seinen zwei Legionen – der legio XIV Gemina und der legio XXI Rapax – hatte Saturninus keine Chance, zumal die Chatten aufgrund plötzlichen Tauwetters den Rhein in der Höhe von Remagen nicht überqueren konnten. Die benachbarten Statthalter von Untergermanien – A. Bucius Lappius Maximus (CIL VI 1347 mit add. p. 4684) – und Raetien – T. Flavius Norbanus (AE 2007, 1782) – hatten den Putsch schon niedergeschlagen, bevor der spätere Kaiser Traian mit seiner spanischen Legion zu ihrer Unterstützung eintraf (Plin., pan. 14,2–5). Die siegreichen Truppen wurden alle mit den Ehrentiteln P(ia) F(idelis)

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D(omitiana) ausgezeichnet, die untergermanische Heeresgruppe, der exercitus Germaniae inferioris, sogar in ihrer Gesamtheit. Auch als Domitian das Mainzer Doppellager auf eine Legion reduzierte (Suet., Dom. 7,3), genügte deren Präsenz der Grenzsicherung bis zur Mitte des 3. Jahrhunderts. Die in Mainz zunächst verbliebene legio XIV Gemina wurde vermutlich 97 n. Chr. durch die seitherige „Hauslegion“, die legio XXII Primigenia Pia Fidelis, ersetzt. Damals amtierte Traian nach Domitians Ermordung als Statthalter Obergermaniens. Nach seiner Adoption und Ernennung zum Caesar durch Kaiser Nerva im Oktober 97 n. Chr. (Dio 68,3,4; Plin., pan. 8,6) überbrachte ihm sein weitläufiger Verwandter Hadrian die Glückwünsche der Truppen Untermösiens nach Mainz (HA Hadr. 2,5). Wenig später ist Nerva verstorben, und Traian trat am 28. Januar 98 die Herrschaft an (Fer. Dur. I 14 f.). Wiederum war es Hadrian, der ihm die Anerkennung durch den Senat übermittelte (HA Hadr. 2,6; Eutrop., brev. 8,2,1) – dieses Mal nach Köln, wo Traian als Statthalter Untergermaniens residierte und auch noch als Kaiser in dieser Funktion am 20. Februar 98 nachgewiesen ist.7 Falls die kürzlich in Frankfurt-Niedereschbach gefundenen 57 Fragmente einer bronzenen Reiterstatue auf den Kaiser Traian zu beziehen sind, hätte die Ehrung auf die Erhebung des obergermanischen Statthalters zunächst zum Caesar, dann zum Augustus Bezug genommen. Das Monument dürfte vor seiner Zerstörung in Nida, dem Zentrum der civitas Taunensium, gestanden haben. Indessen bleibt seine Rekonstruktion abzuwarten, da das bezeichnete Fragment einerseits zur typischen Frisur des Kaisers, andererseits aber auch zum Fesselbehang des Pferdes oberhalb der Hufe gehören könnte. Als Stifter des Standbildes kommen eventuell vermögende Kaufleute in Betracht – ein Indiz für die wirtschaft liche Blüte unserer Region im Schutz des Mainzer Legionslagers bereits zu Beginn des 2. Jahrhunderts n. Chr. Nicht nur der Limes, auch sein Hinterland verlangte den Schutz der Verkehrswege gegen Räuber und Überfälle. Diese Aufgabe erfüllten sogenannte beneficiarii – Soldaten, die durch Privileg des Statthalters oder anderer hoher Offiziere vom üblichen Lagerdienst befreit waren, um neuralgische Punkte der Region zu sichern: Straßenstationen sind in unserem Gebiet bislang allerdings nur im Taunus auf der „Platte“ und im südlichen Obernburg bekannt. Einzelne Funktionäre sind für Mainz, den Brückenkopf Kastel, Frankfurt-Heddernheim (Nida) und Friedberg nachgewiesen. Voraussetzung und Garant für den wirtschaft lichen Aufschwung war der Ausbau des Verkehrsnetzes. Eine Hauptstraße führte von Mainz über die Rheinbrücke nach Kastel (CIL XIII 7263 / 64), von dort weiter über Hofheim nach Nida

Die Bedeutung von Mainz in römischer Zeit

(Frankfurt-Heddernheim). Hier stifteten 230 n. Chr. im Westen des vicus drei Brüder, die sich stolz als römische Bürger und Bürger der civitas Taunensium bezeichneten, zusammen mit ihrer Mutter eine Kapelle mit Altar für den Genius der Straße (platea) des neuen Stadtviertels (vicus novus). Außer dem Sockel mit der Inschrift (CIL XIII 7335) ist auch die Statue des jugendlichen Genius mit Füllhorn (cornucopiae) erhalten; der rechte Arm mit der Opferschale (patera) ist ergänzt. Über Okarben erreichte die Hauptstraße der Wetterau schließlich Friedberg. Ein Meilenstein des Jahres 249 (CIL XIII 9123) bezeichnet die Entfernung von Nida mit zehn Leugen (22,5 km). Nach ihrer Gabelung verlief eine Trasse nach Butzbach, die andere nach Arnsburg. Auf eine weitere Abzweigung nach Echzell deutet die Weihung für die keltischen Vier-Wege-Göttinnen (Viae Quadriviae: CIL XIII 7398). Diese Hauptstraße wurde bei Kastel von einer Nord-SüdVerbindung gekreuzt. Der nördliche Verlauf führte nach Wiesbaden. Durch einen Meilenstein Hadrians (CIL XIII 9124) ist die Strecke zusätzlich dokumentiert. Die Entfernung nach Wiesbaden (Aquae Mattiacorum) ist mit sechs römischen Meilen (9 km) angegeben. Ein in unmittelbarer Nähe gefundener Stein severischer Zeit (CIL XIII 9125) bezeichnet die Entfernung (9 km) mit vier Leugen. Die nach Süden verlaufende Straße überquerte bei Kostheim den Main und führte rechtsrheinisch über Groß-Gerau nach Ladenburg (Lopodunum), Vorort der civitas Ulpia Sueborum Nicrensium am Neckar. Für den nördlichen Abschnitt unserer Region hatte schließlich die Verbindung der beiden civitasHauptorte Dieburg und Nida-Heddernheim besondere Bedeutung, weil dadurch die civitas Auderiensium über die Frankfurter Main-Furt mit dem Flusssystem Rhein-Main verbunden war. Eine weitere Straße führte südlich des Mains von Dieburg über Groß-Gerau nach Mainz-Kastel. Deren östliche Verlängerung nach Stockstadt ist durch einen bei Groß-Umstadt (Kleeberg) gefundenen Leugenstein bezeugt (CIL XVII 2, Nr. 630). Der Ausbau des Straßennetzes einschließlich der erforderlichen Brücken erfolgte seit 85 bis etwa in die 40er Jahre des 2. Jahrhunderts kontinuierlich. An den Straßen ist durchweg auch mit einfachen Herbergen (mansiones) und Stationen für den Pferde- beziehungsweise Gespannwechsel (mutationes) zu rechnen. Deren Nutzung erfolgte in erster Linie durch den kaiserlichen Nachrichtendienst, wie die Straßen selbst vor allem militärischen Zwecken dienten. Ihre Anlage erfolgte im Auftrag des Statthalters durch die Mainzer Legionen, die auch die Baumaterialien für die Kastelle und zugehörigen Thermen produzierten. Ob Überschüsse der Ziegelproduktion in Frankfurt-Nied oder des Abbaus der Steinbrüche im Odenwald auch für private Bauten genutzt wurden, entzieht sich immer noch der Beantwortung.

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Jedenfalls dürfen wir sowohl auf den Wasserwegen als auch im Straßenverkehr im Gefolge militärischer Transporte ein bedeutendes ziviles Handelsvolumen voraussetzen. Zahlreich bezeugt sind für unsere Region die Fernhändler (negotiatores). In Wiesbaden stifteten sie sich 212 n. Chr. ein Vereinskontor (CIL XIII 7587). Secundius Agricola handelte mit Keramik (CIL XIII 7588), zu seinem Warenangebot gehörte vermutlich ebenso Terra Sigillata aus Rheinzabern oder Trier wie die einheimische „Wetterauer“ Ware aus den zahlreichen Töpfereien in Nida und dem Hinterland. Aus Mainz kennen wir einen Veteranen, der als negotiator gladiarius (CIL XIII 6677)mit Waffen handelte. Dem Britannien-Handel widmete sich Fufidius aus Kastel (CIL XIII 7300). Als Bürger der civitas Taunensium mit zahlreichen Funktionen in Mainz löste 198 n. Chr. der fahrende Händler L. Senilius Decmanus ein Gelübde ein (CIL XIII 7222). In Nida stifteten die Taunenses dem Mercurius Negotiator eine Weihung (CIL XIII 7360). Zu nennen ist auch der Treverer Ibliomarius Placidus, der bei Groß-Gerau ebenfalls dem Merkur ein Gelübde einlöste. Er handelte von Kastel (castellum Mattiacorum) aus mit Fleischwaren (AE 1997, 1187). Die Erschließung des Raumes förderte auch den Zuzug rechtsrheinischer Kelten in unser Gebiet, so dass wir von einer germanisch-keltisch-römischen Mischbevölkerung ausgehen dürfen. Die landwirtschaft liche Grundstruktur unserer Region dokumentieren die zahlreichen Guts- und Bauernhöfe, die gewöhnlich unter den Sammelbegriff der villae rusticae subsumiert werden. Die soziale Struktur dieser Siedler entzieht sich weitgehend unserer Kenntnis. Teils dürfte es sich um Veteranen der Mainzer Legion (CIL XIII 7577; 7609) beziehungsweise der Hilfstruppen (AE 1929, 113; 1978, 536) handeln, denen bei ihrer Entlassung vom Kaiser Parzellen zugewiesen wurden, teils werden aber auch zugewanderte Galloromanen Ländereien gepachtet haben. Die Bewirtschaftung der Gutsbetriebe musste sich an den lokalen Voraussetzungen orientieren. Mit unterschiedlichen Schwerpunkten empfahl sich jedenfalls eine Mischung von Feld- und Viehwirtschaft. Die fruchtbaren Ebenen der Wetterau eigneten sich mehr für den Getreideanbau, die Hügel und Niederungen des Rheingaus eher für eine paritätische Bewirtschaftung, jeweils ergänzt um anteiligen Gemüse- und Gartenanbau. Dass in den unterschiedlichen Bereichen der Landwirtschaft auch Sklaven eingesetzt waren, halte ich für sicher.8 Eines der wenigen schrift lichen Zeugnisse zu diesem Kontext stammt aus Mainz: Der Grabstein des M. Terentius Iucundus (CIL XIII 7070) bezeichnet ihn als freigelassenen Viehzüchter (pecuarius). Im Alter von 30 Jahren war er von seinem Sklaven (servus) ermordet worden. Der Täter

Die Bedeutung von Mainz in römischer Zeit

stürzte sich dann in den Main und ertrank – „so hat der Fluss ihm genommen, was er seinem Herrn geraubt hatte“. Hauptabnehmer der Produkte war das Militär, das zumindest überwiegend aus den Stationierungsgebieten versorgt werden musste. Auch in dieser Hinsicht waren die Verkehrswege von zentraler Bedeutung. „In keinem der obergermanischen oder rätischen Provinzialgebiete“, urteilte Ernst Fabricius 1936,9 „war das römische Straßennetz so eng wie in der unteren Mainebene und in der Wetterau.“ Die Begründung für diesen Befund lag natürlich in den zahlreichen Groß- und Kleinkastellen am Limes, die alle aus den zentralen Anbaugebieten zu versorgen waren. Durch gestempelte Amphoren-Scherben sind zudem Ölimporte hauptsächlich aus Spanien, Weinlieferungen aus Gallien und die Einfuhr der beliebten Fischsauce (garum) gut bezeugt. Die Importe dieser und anderer Luxusgüter wie Austern vom Atlantik oder Gewürze aus dem Orient sind sozusagen der materiellen Seite der Romanisierung zuzuordnen. Als bestimmende Faktoren dieses Prozesses sind Sprache, Kultur und Religion zu nennen. In allen drei Bereichen dominiert das römische beziehungsweise lateinische Element. Lateinisch war die lingua franca in Militär, Verwaltung, Geschäften und Handel. Als Substrat mag daneben das Keltische fortbestanden haben. Als Indizien sind etwa keltische Personennamen (CIL XIII 7352; AE 1923, 113) oder Beinamen römischer Gottheiten (CIL XIII 7359; 11944) zu werten. Der bereits genannte Fleischhändler Ibliomarius Placidus löste bei Groß-Gerau dem Mercurius Quillenius sein Gelübde ein (AE 1977, 1187). Als Reminiszenz keltischer Tradition werte ich auch das „gallische“ E mit zwei senkrechten Hasten auf dem Mainzer Grabstein des Reeders (nauta) Blussus (CIL XIII 7067) und dem silbernen Votivblech für Iuppiter Dolichenus aus Frankfurt-Heddernheim (CIL XIII 7342b). Begünstigt wurden Romanisierung und wirtschaft licher Aufschwung auch durch das einheitliche römische Geldsystem, das den Zahlungsverkehr im Binnenland erleichterte, sich aber auch auf den Außenhandel mit dem „Freien Germanien“ positiv auswirkte. In Bezug auf die kulturelle Entwicklung unserer Region stehen zwei Aspekte im Vordergrund: Badewesen und Theaterauff ührungen. Praktisch verfügte jedes Kastell am Limes über ein Badehaus, größere Stützpunkte und Zivilsiedlungen auch über Thermen-Anlagen. Nida verfügte sogar über zwei dieser Einrichtungen: die Ost-Thermen beim praetorium und die jüngeren, aber größeren West-Thermen am Forum. Beide Komplexe boten die übliche Abfolge von Umkleideraum (apodyterium), Becken mit lauwarmem und warmem Wasser (tepidarium bzw. caldarium), Schwitzbad (sudatorium)

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und Kaltbad (frigidarium), die West-Thermen sogar in doppelter Ausführung für Frauen und Männer. Besondere Bedeutung hatten natürlich die Thermalquellen von Wiesbaden und Bad Vilbel. Plinius (nat. hist. 31,20) bezog sich vermutlich aus eigener Anschauung auf die heißen Quellen von Wiesbaden, jenseits des Rheins in Germanien: „Das daraus geschöpfte Wasser dampft drei Tage lang, an den Rändern setzt sich rotbrauner Sinter ab.“ Die Heilquellen („Kochbrunnen“ und „Schützenhofquelle“) wurden sowohl vom Militär als auch von der Zivilbevölkerung genutzt. Dem Apollo Toutiorix, der in seiner Funktion als Heilgott dem Apollo Grannus (Dio 77,15,6) entspricht, löste L. Marinius Marinianus, Hauptmann (centurio) der legio VII Gemina Pia Fidelis aus Spanien, unter Kaiser Severus Alexander ein Gelübde ein (CIL XIII 7465). An Diana Mattiaca wandte sich Antonia Postuma, Gemahlin des Mainzer Legionslegaten T. Porcius Rufianus, mit einem Gelübde für die Genesung der gemeinsamen Tochter Porcia Rufiana (CIL XIII 7565). Der Quellgottheit Sirona stiftete C. Iulius Restitutus als Aufseher ihres Tempels in Wiesbaden eine Weihung aus eigenen Mitteln (CIL XIII 7570). Der zweite kulturelle Aspekt im Rahmen der Romanisierung ist für unsere Region praktisch nur durch ein in Holzkonstruktion errichtetes Bühnentheater im Süden der römischen Siedlung Frankfurt-Heddernheim bezeugt. Es bot etwa Platz für 1000 bis 1500 Personen. Ein vermutetes Amphitheater ließ sich bislang nicht nachweisen. Die nächste Gelegenheit zum Besuch von Schauspielen bot das Mainzer Theater am ehemaligen Südbahnhof (heute: „Römisches Theater“). Ein vielfältigeres Bild bietet die Entwicklung von Religion und Kult in unserer Region. Als die Römer seit der Zeitwende nach Germanien vorstießen, brachten sie eine Götterwelt mit, die längst durch griechisch-hellenistische Vorstellungen geprägt war. Lateinischen Bezeichnungen wie Iuppiter, Iuno, Minerva oder Apollo, Diana, Mars, Venus und Mercurius blieben zwar unverändert, doch hatte griechischer Einfluss die Funktionen der Götter weitgehend überlagert. Zusätzlich fanden auf ihrem Weg durch Gallien weitere Assimilationen mit keltischen Vorstellungen statt, wie sie sich in entsprechenden Beinamen dokumentierten: Apollo Tutiorix oder Diana Mattiaca wurden bereits genannt, doch ließen sich die Beispiele beliebig vermehren. Weihungen für Mars Camulus (CIL XIII 11818) oder Mercurius Cissonius (CIL XIII 7359) gehören in diesen Kontext. Die zahlreichen Zeugnisse der bildenden Kunst (Reliefs und Votivstatuetten) bezeichnen die Gottheiten allerdings nicht mit ihren Namen, sondern durch signifikante Attribute: Minerva mit Helm und Waffen, Fortuna

Die Bedeutung von Mainz in römischer Zeit

mit Füllhorn und Steuerruder, Merkur mit Kerykeion und Geldbeutel. Monumentale Stiftungen wie die Jupitersäulen von Wiesbaden-Schierstein und Frankfurt-Heddernheim (CIL XIII 7352; AE 1929, 113) bieten ganze Bildprogramme, die sich am Vorbild der um 65 n. Chr. errichteten Mainzer Jupitersäule (CIL XIII 11806) orientierten. Auch genuin keltische Gottheiten sind in unserem Raum durch Stift ungen römischer Bürger oder Körperschaften bezeugt: So wurde Epona, Göttin des vegetativen Wachstums und Patronin der Pferde, im Kastell Zugmantel geehrt (CIL XIII 7610a), in Mainz stiftete ihr der Militärtribun T. Flavius Claudianus einen Altar (CIL XIII 11801). Funktionen anderer Gottheiten sind bislang unbekannt wie die der Virodact(h)is oder Lucena, für deren Wirken Augustius Iustus ein Gelübde in Mainz einlöste (CIL XIII 6761). Eine Inschrift in Trebur, die ursprünglich aus Frankfurt-Heddernheim stammte (CIL XIII 11944), wurde der Göttin Virodacthis auf öffentlichen Beschluss (publice) dediziert durch Nida, den Vorort (vicus) der civitas Taunensium, auf Initiative des Stadtviertels der Augustani (vicus Augustanus). Ebenso unbekannt sind die Funktionen der Dea Candida Regina. In Frankfurt-Heddernheim löste ihr L. Augustanius Iustus, Kommandeur (centurio) der zweiten Räter-Kohorte, sein Gelübde ein (AE 1978,535). Außer dem Inschrift-Sockel ist auch die zugehörige Sitzstatue der Gottheit erhalten. Im Weihebezirk von Osterburken war ihr ein kleiner Holztempel errichtet worden. Dort stifteten ihr zwei Benefiziarier – C. Paulinius Iustus und L. Traianius Ibliomarus – Votivsteine (AE 1985,685 und 695). Davon abgesehen ist die Gottheit nur noch durch zwei Weihinschriften aus Ingwiller (nordwestlich von Straßburg) bezeugt (CIL XIII 6021 / 22). Wie im gesamten Römischen Reich gewannen die Mysterienkulte zunehmend an Attraktivität – sowohl beim Militär als auch in der Zivilbevölkerung. Im Unterschied zu Mainz sind die ägyptischen Gottheiten Isis und Serapis rechtsrheinisch allerdings nur durch Votivstatuetten vertreten. Dominant war Mithras: Allein für Frankfurt-Heddernheim sind mindestens vier Mithräen bezeugt. Ein Felsentempel am Ostabhang des Wiesbadener Schulberges war ebenfalls dem Mithras geweiht. Ein weiteres Heiligtum des Gottes findet sich in Dieburg. Alle Hauptorte unserer drei civitates der Mattiaci, Taunenses und Auderienses verfügten somit über zentrale Kultstätten des Unbesiegbaren Sonnengottes Mithras, des Deus Sol Invictus Mithras, wie ihn Votivinschriften bezeichnen (CIL XIII 6576; 7416; 7570b). Zwei der bekanntesten doppelseitigen Kultreliefs des Gottes stammen aus Frankfurt-Heddernheim (Nida: Mithräum I) und Dieburg. Die Vorderseite aus Nida (jetzt im Museum Wiesbaden) zeigt im zentralen Bild Mithras bei der Tötung des Weltenstieres, flankiert von Cautes

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und Cautopates. Die Vorderseite des Dieburger Reliefs zeigt Mithras bei der Jagd. Bemerkenswerter scheint indessen seine Rückseite mit einer Darstellung des Phaëthon-Mythos. Phaëthon, der sich von seinem Vater, dem Sonnengott, dessen Gespann erbeten hatte, löste beim Absturz den Weltenbrand aus und symbolisierte mit seinem Ende den Beginn der Erneuerung der Welt durch Mithras. Der weniger gut bezeugte Kult der Mater Magna (Kybele) strahlte von seinem Zentrum in Mainz, dem mit Isis gemeinsamen Heiligtum, direkt nach Kastel und Wiesbaden aus. Dort ist die Gottheit mit der kappadokischen Mâ Bellona – der römischen Dea Virtus Bellona – verbunden. Namentlich genannte hastiferi („Lanzenträger“), die zu ihrem Kultpersonal der civitas Mattiacorum gehörten, stifteten in Kastel die Restaurierung eines TaurobolienHeiligtums (CIL XIII 7281). Auch für den Brückenkopf selbst sind solche hastiferi bezeugt (CIL XIII 7317). Eine andere Gruppe ihrer Kultdiener, die „Baumträger“ (dendrophori) aus Dieburg und Frankfurt-Heddernheim, finanzierte in Nida aus eigenen Mitteln ein gemeinsames Vereinslokal (schola), dessen Baugrund die Bürger von Nida zur Verfügung stellten (AE 1962,232). Die bedeutendsten Zeugnisse für den Kult des Iuppiter Optimus Maximus Dolichenus (Baal / Hadad), der nach seinem Haupttempel in Doliche (Nordsyrien) bezeichnet wird, stammen aus Frankfurt-Heddernheim (Nida). Seine Beliebtheit beim Militär wird auch durch Tempel und Stiftungen in den Limeskastellen Zugmantel, Saalburg oder Stockstadt dokumentiert. Die typische Darstellung einer Bronze-Votivplatte aus dem Dolichenum von Frankfurt-Heddernheim zeigt den gepanzerten Gott mit Doppelaxt und Blitzbündel stehend auf dem Rücken eines Stieres, bekränzt von einer Siegesgöttin (Victoria). In der Spitze der Platte erscheint der Sonnengott (Sol). Im unteren Bildregister wird Isis von den „Gallischen Castores“ mit Sol- beziehungsweise Luna-Büste flankiert. Aus demselben Depot stammt ein silbernes Votivblech, das im Zentrum eine römische Version des Gottes mit Zepter, Blitzbündel und Adler bietet. Die punktierte Stiftungsinschrift des Flavius Fidelis und des Q. Iulius Postimus (!) bezeichnet den Adressaten als IOM Dolichenus (CIL XIII 7342b). Die Erklärung von Doliche als der Gegend, „wo das Eisen geboren wird“ (ubi ferrum nascitur), bezieht sich auf die kriegerische Funktion des Gottes. Fast zwei Jahrhunderte hatten die römischen Legionen in Mainz und ihre Hilfstruppen Sicherheit und wirtschaft lichen Aufschwung unserer Region garantiert. Infrastruktur, politische und administrative Ordnung wurden durch das Militär und die mit ihm in enger Wechselbeziehung stehende Zivilbevölke-

Die Bedeutung von Mainz in römischer Zeit

rung maßgeblich geprägt. Kulturelle und religiöse Entwicklungen unserer drei lokalstaatlichen Gebietskörperschaften (civitates) mit ihren Vororten Wiesbaden, Frankfurt-Heddernheim und Dieburg dokumentieren vergleichbare Grundtendenzen. Als um die Mitte des 3. Jahrhunderts der Schutz der bisherigen Reichsgrenze die Truppen dauerhaft überforderte, mussten die Territorien rechts des Rheins aufgegeben werden. Selbst der Brückenkopf Kastel konnte nicht auf Dauer gehalten werden. Die in jüngster Zeit gestartete Imagekampagne zur Stärkung der regionalen Identität des Rhein-Main-Gebiets betrifft natürlich nur die rechtsrheinischen Territorien des Imperium Romanum.

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Von Augustus bis Aurelian. Neue Forschungen zum römischen Frankfurt Fasold Von Augustus Peter bis Aurelian

Wenn man sich mit dem römischen Frankfurt beschäftigt10, dann sollte dies innerhalb der Stadtgrenzen geschehen, die nach den Eingemeindungen des 19. und 20. Jahrhunderts um die bäuerlich strukturierten Gemeinden insbesondere nördlich des Mains gezogen wurden. Das Gelände, auf dem die heutige Altstadt errichtet wurde, das eigentliche Zentrum der alten Bürger- und Messestadt, spielte für die römische Militärstrategie und Logistik nur eine untergeordnete Rolle. Rom konnte bei seinen expansiven Bestrebungen dieses Areal auch ignorieren, da sich die spätkeltischen Zentren des Rhein-Main-Gebietes wie das „Heidetränk-Oppidum“ im Taunus oder die Solequellen von Bad Nauheim weiter nördlich entwickelt hatten. Die wenigen nachgewiesenen Baubefunde auf dem Domhügel und dem Römerberg lassen erst ab vespasianischer Zeit (um 75 n. Chr.) eine nicht näher zu definierende Militärstation und nach dem Abzug des Militärs unter Traian (105 / 110 n. Chr.) eine Straßenstation vermuten – beide dem Zwecke dienend, die seit alter Zeit genutzte Mainfurt zu kontrollieren. Hier überquerte eine wichtige Nord-Süd-Verbindung den Fluss, die das Limesgebiet, das die Wetterau umschloss, mit dem nächstgelegenen Civitas-Hauptort MED… unter dem heutigen Dieburg verband. Nach dem Abzug Roms aus den rechtsrheinischen Gebieten gegen Ende des 3. Jahrhunderts nutzen dann zuerst Alamannen den Frankfurter Domhügel, der ab jetzt auch kontinuierlich besiedelt wird. Spätestens 794 tritt Franconofurd, als Karl der Große hier eine Synode und Reichsversammlung abhält, endgültig ins Licht der Geschichte und wird fortan mit der Errichtung einer Pfalz unter Ludwig dem Frommen zu einem politischen und wirtschaft lichen Machtzentrum in Mitteleuropa ausgebaut. Anders als in Mainz, Trier oder Speyer entwickelte sich das mittelalterliche Frankfurt somit nicht aus einem zentralen römischen Platz überregionaler militärischer

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oder ziviler Wirkkraft. Die geplante Überbauung des vor dem Dom gelegenen „Archäologischen Gartens“ mit einem „Stadthaus“ soll der historischen Situation demnächst auch im Frankfurter Stadtbild Rechnung tragen.

Höchst Von großer Bedeutung auch für die antike Geschichte Frankfurts war hingegen die unter Augustus vollzogene Eroberung Germaniens und die dabei von Mainz ausgehende Vormarschroute durch die Wetterau in Richtung Lahntal. Hier spielte nun Höchst, ein altbekannter frührömischer Fundplatz im Westen Frankfurts, für einige Jahre eine wichtige Rolle. Im zwei Tagesmärsche entfernten Mainz hatte Drusus 10 v. Chr. starke Truppenverbände zusammengezogen, die auf ihrem Weg in den barbarischen Norden hier am Main Station machen konnten. Wichtig war vor allem, dass man am Ufer Güter aller Art, auf den Wasserstraßen Rhein und Main aus Gallien oder Italien kommend, aus- und umladen konnte. Zum Weitertransport war die Nidda nutzbar, die hier in den Main mündet und mit flachbodigen Lastkähnen wie ihre Zuflüsse bis weit in die Wetterau schiffbar war. Das Gelände, auf dem heute die mittelalterliche Höchster Altstadt und die sogenannte Neustadt liegen, bildete hier eine bis zu 10 m über dem Main liegende Terrasse aus, die zum Fluss hin und nach Osten steil abfiel. Trotz der dichten mittelalterlichen und neuzeitlichen Bebauung liegen von dort aus dem 19. und 20. Jahrhundert eine Reihe von Funden und Befunden vor, die von Kubon durch langjährige und arbeitsintensive Recherchen zusammengestellt wurden. In den Jahren 2001 und 2002 war es dann der städtischen Bodendenkmalpflege möglich, auf dem Grundstück des ehemaligen Kreishauses erstmals eine größere Fläche modern zu untersuchen. Dies nahmen Denkmalamt und Archäologisches Museum Frankfurt zum Anlass, ein gemeinsames Forschungsprojekt zum frühen römischen Höchst auf den Weg zu bringen.11 Das stark von den Jahrhunderte währenden Baumaßnahmen und anderen, auch landwirtschaft lichen Bodeneingriffen geprägte Fundbild vermittelt scheinbar zwei Schwerpunkte, die aber das wahre Fundaufkommen nur verschleiern dürften. Kartiert man alle bekannten Befunde und Funde, so ergäbe sich eine maximale Ausdehnung des Stützpunktes von rund 550 (O–W) × 250 (N–S) Metern. In welchem Verhältnis die zusammengetragenen frühen römischen Funde und Befunde auch immer stehen – von einem bedeutenden Stützpunkt kann man in Höchst sicher ausgehen. Dazu kommt, dass im östlichen

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Vorfeld der Anlage im Stadtteil Nied germanische Siedlungsspuren bekannt geworden sind, die ebenfalls in die augusteische Zeit zurückreichen. Sprechen schon die „Altfunde“ aus dem Stadtgebiet von Höchst eine deutliche Sprache, so hat sich das Fundbild durch die jüngsten Grabungen immens vermehrt und verdichtet (Abb. 7). Feinchronologische Aussagen dürften nach Abschluss der Auswertung sicher möglich sein; von einer „halternzeitlichen“ Nutzung der Anlage kann man derzeit ausgehen (ca. 7 v. bis 9 n. Chr.). Ob der Platz während der Feldzüge des Germanicus in den Jahren 15 / 16 n. Chr. belegt war, ist nach dem derzeitigen Stand der Untersuchungen allerdings zu bezweifeln. Von Bedeutung sind nicht zuletzt die zahlreichen spätkeltisch-germanischen Keramiken, die sich nicht nur in den frührömischen Gruben fanden. Einheimische Ware stammt auch aus einem Befund, der unter den römischen Baustrukturen dokumentiert werden konnte. Eine Nutzung des Platzes in den Jahrzehnten vor dem römischen Einmarsch durch ortsansässige Gruppen möglicherweise germanischer Provenienz und ein intensiver, wohl friedlicher Kontakt dieser Leute mit den neuen Herren ist hier, wie in der weiter nördlich gelegenen Stadtgründung bei Waldgirmes, nachweisbar. Dieser Befund steht damit in deutlichem Gegensatz zu den gänzlich anderen Verhältnissen in den Militärlagern an der Lippe. Offenbar war es in diesem – hessischen – Teil der neu zu gründenden römischen Provinz frühzeitig gelungen, die einheimische Bevölkerung gewaltlos (?) mit in die römischen Verwaltungs- und Siedlungsstrukturen einzubinden. Die Integration der Landschaften zwischen Main und Lahn in das Römische Reich war folglich schon weitgehend vollzogen, als der 9  n. Chr. von Arminius losgetretene Aufstand in Norddeutschland die römischen Expansionsbestrebungen rechts des Rheins grundsätzlich in Frage stellte. Diese Integrationsbestrebungen zeigen sich auch in weiteren germanischen Siedlungsstellen des 1. Jahrhunderts n. Chr. im unteren Maingebiet und schließlich in der Einrichtung einer von germanischen Bevölkerungsteilen geprägten civitas Mattiacorum mit dem Hauptort Wiesbaden zu Beginn des 2. Jahrhunderts.

Heddernheim Der Raum Höchst spielte für Rom ab tiberischer Zeit militärisch keine Rolle mehr. Die Strategen der flavischen Kaiser verlegten, als es darum ging, das Rhein-Main-Gebiet und die Wetterau endgültig unter Kontrolle zu nehmen,

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Abb. 7

Lampen und Terra-Sigillata-Teller aus den Grabungen im Höchster Kreishaus.

ihre Truppen direkt in das Herz des neu besetzten Gebietes. So entstand auf dem Boden des Frankfurter Stadtteils Heddernheim um 75 n. Chr. ein ausgedehntes Militärlager, aus dem sich nach der Einrichtung der zivilen civitates (Stadtgemeinden) unter Kaiser Traian der Hauptort der civitas Taunensium – NIDA – entwickelte. Das Gemeinwesen war auf dem kürzesten Weg mit der Provinzhauptstadt Mainz verbunden – das oben erwähnte Höchst war damit auf der Karte ins Abseits gestellt und spielte offenbar auch als Anlegestation keine Rolle mehr. Zudem entwickelte sich im wenig entfernten Nied eine Legionsziegelei, an die sich auch Töpfereibetriebe anlehnten, die bis zur Mitte des 2. Jahrhunderts in Betrieb waren. Die Geschichte des bedeutenden „Mittelzentrums“ NIDA in wesentlichen Zügen nachzuzeichnen ermöglicht eine bis ins 18. Jahrhundert zurückreichende, für den einst größten archäologischen Fundplatz Hessens nicht immer

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glücklich verlaufende Forschungsgeschichte. Grabungen der vergangenen Jahre, die Aufarbeitung der Grabfunde und der Ausgrabungen an der Stadtmauer, ferner eine Zusammenstellung der Funde aus dem 3. Jahrhundert haben allerdings zuletzt dazu beigetragen, insbesondere die Spätphase NIDAs neu zu bewerten (Abb. 8). Es zeigte sich, dass die bürgerliche Oberschicht in der Blütezeit der Stadt im 3. Jahrhundert die repräsentative Straße nach Mainz als ihren bevorzugten Bestattungsplatz wählte. Nur hier ließen sie Steinsarkophage aufstellen, die zugleich den Rang des civitas-Hauptortes unterstrichen. Auch die Steinkistengräber, in denen die Asche der Verstorbenen in Glasurnen beigesetzt wurde, belegen eine wohlhabende Bevölkerungsgruppe, die in diesen Jahren die Geschicke der Stadt bestimmt haben wird. Gleichzeitig weisen die Körperbestattungen, die in zunehmendem Maße die Brandgräber ablösten, auf einen geistesgeschichtlichen Wan-

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Abb. 8

Idealbild der römischen Stadt NIDA zu Beginn des 3. Jahrhunderts.

del hin. Mit dem Ausbau der Stadt im 3. Jahrhundert werden deshalb auch neue Bewohner mit anderen Jenseitsvorstellungen nach NIDA gekommen sein, die offenbar nicht nur zusätzliches Kapital in die Stadtgemeinde einbrachten. So kam auch in der Planung einer ausgedehnten Stadtmauer neben dem Schutzbedürfnis der Einwohner zudem ein ausgeprägter Repräsentationswillen einer prosperierenden Gemeinde zum Ausdruck.

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2001 konnten die Mitarbeiter des Denkmalamtes im Kernbereich des ehemaligen römischen Stadtgebietes von NIDA einen „Viergötterstein“ als Teil einer Jupitersäule freilegen. Zwei Jahre später gelang es dann, die Teile von zwei kompletten Säulen in einem Brunnen zu dokumentieren und zu bergen. Nach der Restaurierung in der Steinwerkstatt des Archäologischen Museums war es 2006 möglich, beide Säulen in der Dauerausstellung des Museums zu präsentieren. Die Inschriften auf beiden Säulen belegen ein Aufstellungsdatum von 228 beziehungsweise 240 n. Chr., einem Zeitraum, in dem sich die Oberschicht NIDAs mit ihren Wünschen und Sorgen durch die Weihung dieser Denkmäler dem als gepanzerten Reiter dargestellten Jupiter und damit stellvertretend dem Kaiser in Rom anvertraute und dadurch zugleich ihre Loyalität zum Ausdruck brachte. Auffindungssituation und Oberflächenstruktur der Steine legen nun nahe, zwischen dem, von wem auch immer verursachten Sturz der Säulen nach der Mitte des 3. Jahrhunderts und der unterirdischen Deponierung einige Jahre Lagerung an der Oberfläche zu vermuten. Wie bei anderen Weihedenkmälern, die ähnlich „verlocht“ angetroffen wurden, aber auch den zahlreichen absichtlich mit Abraum verfüllten Kellern wird immer deutlicher, dass wir mit einer großräumigen „Entschuttung“ des teilweise schon ruinösen Stadtgebietes nach dem Abzug eines Teils der Bevölkerung rechnen müssen. In diesen Zusammenhang muss man auch ein qualitätvolles Weiherelief für Fortuna stellen, das erst 2008 ebenfalls in einem Brunnen geborgen werden konnte. Auch diese Deponierung gehört in die Spätzeit von NIDA, da die Brunnenstube nach Aussage der dendrochronologischen Untersuchungen erst um 250 n. Chr. ausgeschachtet wurde. Wer all dies veranlasste und mit welcher Absicht muss derzeit offenbleiben. Aber nachdem flächige Zerstörungsspuren fehlen, kann nicht von einem katastrophalen, abrupten Ende der Stadtgemeinde ausgegangen werden. Vielmehr wird es nach den überlieferten innenpolitischen Wirren und den germanischen Übergriffen in der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts erst nach und nach zu einer Aufgabe der Stadt gekommen sein. An zentraler Stelle wurde um oder nach der Mitte des 3. Jahrhunderts auf zuvor privat genutzten Parzellen sogar noch ein Großgebäude errichtet. Außerdem kann man davon ausgehen, dass zumindest zeitweise Militär in der Stadt stationiert war. Vielleicht hat man während einer kurzen Konsolidierungsphase versucht, als NIDA zwischen 260 und 274 n. Chr. Teil des „Gallischen Sonderreichs“ wurde, in der schon teilweise ruinösen Stadt wenigstens vorübergehend wieder geregelte Verhältnisse zu schaffen, wofür auch die Fundmünzen aus diesem Zeitraum sprechen. Dass der Frieden nicht immer gewährleistet war, zeigt ein erschütternder Befund in einem Brunnen. Dort konnten die Skelette von zwei Erwachsenen

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und einem Kind geborgen werden, die offenbar brutal erschlagen und dann in dem Brunnen „entsorgt“ wurden. Schlagspuren auf den Schädeln zeigen, wie die Personen zu Tode kamen. Abwehrverletzungen an den Extremitäten deuten darauf hin, dass man auf die bereits auf dem Boden Liegenden weiter einschlug. Wirbelsäulenerkrankungen, die der Anthropologe Erwin Hahn feststellen konnte, weisen auf eine hohe Arbeitsbelastung der beiden ca. 25 bis 30 Jahre alten Erwachsenen hin. Die morphologisch-metrische Analyse macht wahrscheinlich, dass es sich bei den Toten um Angehörige einer germanischen Volksgruppe handelte, und die molekulargenetischen Untersuchungen an dem Knochenmaterial durch Alt erbrachten, dass die Frau die Mutter des 2,5- bis 3-jährigen Kindes gewesen sein muss. Offenbar lebten um die Mitte des 3. Jahrhunderts hart arbeitende germanische Familien in NIDA, was sich auch durch weiteres Fundmaterial aus dem Stadtgebiet belegen lässt. Die hier beschriebene und unglücklich zu Tode gekommene Personengruppe fiel nach dem Tathergang offensichtlich einem Überfall zum Opfer. Will man die Tragödie mit politischen Ereignissen in Verbindung bringen, können in einer Phase, in der sich die römische Herrschaft im Rhein-Main-Gebiet nach der Mitte des 3. Jahrhunderts in Auflösung befand und die verbliebene Stadtbevölkerung weitgehend schutzlos blieb, sowohl marodierende römische Soldateska als auch eingedrungene Germanenverbände als Totschläger vermutet werden. Die Zustände in diesen Katastrophenjahren beleuchten schlaglichtartig auch zwei Hortfunde, die erst im Spätsommer 2010 bei Niedereschbach im Rahmen einer Flurbegehung entdeckt wurden. Unmittelbar neben der Hauptverbindungstrasse von NIDA in die Wetterau konnte dort ein Münz- und Schmuckdepot geborgen werden. Die jüngsten der 107 meist prägefrischen Doppeldenare und Sesterzen datieren den Vergrabungszeitpunkt in das Jahr 260 oder wenig später; ein mit gefundener Goldring weist auf das gesellschaft liche Niveau, aus dem die Funde stammten. Geradezu eine Sensation stellte jedoch ein nur rund 130 m entfernt freigelegtes Metalldepot dar. Bei näherem Hinsehen erwiesen sich die 57 Bronzefragmente als Teile einer Reiterstatue (des Kaisers Traian?), die wahrscheinlich von germanischen Plünderern klein geschlagen und aufgeteilt worden war. Bei Germanen stellte der Metallwert von Silbergeschirr und Bronzegefäßen, aber auch von Kaiserstatuen einen hohen Anreiz für Raubzüge dar, die sie veranlassten, teilweise weit in das Römische Reich vorzudringen. Die ausgebauten Überlandstraßen sicherten ein gutes Vorwärtskommen auch auf dem Rückzug. Es mag nun sein, dass bei Niedereschbach der Weg nach Norden für die Plünderer ein abruptes Ende fand,

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genauso wie sich vielleicht eine römische Familie an gleicher Stelle auf der Flucht veranlasst sah, Münzen und Schmuck zu vergraben. In beiden Fällen kamen die Besitzer in unruhigen Zeiten nicht mehr dazu ihren Besitz wieder zu bergen.12

Niedereschbach Nun bildete NIDA zwar das politische, ökonomische und kulturelle Zentrum der civitas, in der Fläche war die Gemeinde jedoch von den zahlreichen Gutshöfen geprägt, die im 2. und bis weit in das 3. Jahrhundert die fruchtbaren Böden der Wetterau bewirtschafteten. Diese villae rusticae finden sich folglich in einiger Zahl auch auf Frankfurter Boden und dort insbesondere in den nördlichen Stadtteilen. Gut dokumentiert ist vor allem die Anlage bei Niedereschbach, in unmittelbarer Nähe des Bad Homburger Autobahnkreuzes an der Frankfurter Stadtgrenze gelegen. Durch Luftfotos seit den 1980er Jahren bekannt, machte eine geplante Baumaßnahme eine großflächige Ausgrabung des Areals notwendig. Um eine Vorstellung von der Lage der Gebäude des Gutshofes zu gewinnen, wurden die Luftaufnahmen durch geomagnetische Messungen ergänzt. In mehreren Kampagnen konnten so auf abfallendem Gelände gezielt das Hauptgebäude der villa rustica, ein Nebengebäude mit Torbau und Teile der Umfassungsmauer freigelegt und erforscht werden. Bei der Bewertung der Anlage lag ein besonderes Augenmerk auf den geborgenen botanischen Resten, die von Angela Kreuz (Landesamt für Denkmalpflege Wiesbaden) analysiert wurden. Damit war es möglich Aussagen über die Wirtschaftsweise des Hofes zu treffen. Verkohlte Reste von Mangold, Erbsen, Bohnen, Walnüssen und Pflaumen oder Zwetschgen machen den Anbau von Gartengemüse und die Pflege von Obst- und Nussbäumen denkbar. Gerade der spezialisierte Anbau von Obst und Gemüse zeichnete die römische Landwirtschaft aus und schuf bei geschicktem Wirtschaften eine breite Existenzgrundlage. Eine Konzentration auf die Aussaat und die Weiterverarbeitung von Getreide lassen sich aus den Funden und Befunden in einem an die Außenmauer angelehnten Wirtschaftsgebäude ablesen. Im teilweise überdachten Hof konnten zwei Darren zum Rösten von Spelzgetreide freigelegt werden. In unmittelbarer Nähe von zwei Backöfen fand sich eine größere Menge von Gerstenkörnern, die offenbar bei einem Schadensfeuer verbrannt waren. Entlang der Außenmauer des Ge-

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bäudes lief ein Wassergraben, in dessen Bereich sich die Unterkonstruktion eines nicht zu deutenden Aufbaus fand und zudem Bruchstücke von Mühlsteinen. Fasst man diese Beobachtungen zusammen, liegt es nicht fern, hier die Überreste einer Wassermühle zu vermuten, die gut zu den oben geschilderten Produktionsschritten bei der Verarbeitung von Getreide passen würde: nämlich dem Dörren, Entspelzen und Mahlen. Das Gebäude, das an einen Wasserlauf angeschlossen war, der den Gushof durchfloss und nicht nur für die Energiegewinnung, sondern auch für den Brandschutz von Bedeutung war, weist damit eindeutig auf einen Schwerpunkt der landwirtschaft lichen Nutzung der Wetterau hin – dem Anbau von Getreide. In den Truppenkontingenten am Limes wird der Besitzer oder Pächter des Gutes bei Niedereschbach zahlungskräftige Abnehmer für seine landwirtschaft lichen Erträge gefunden haben.

Zeilsheim Einen ganz anderen Rang wird man einem Gutshof bei Zeilsheim zuordnen müssen, von dem allerdings nur der Bestattungsplatz näher bekannt ist. Am Südabhang des Taunus entstand hier in Ideallage gegen Ende des 1. Jahrhunderts ein landwirtschaft liches Anwesen. Anders als in der nördlichen Wetterau war der römische Landesausbau im erweiterten Vorfeld von Mainz offenbar schon zu diesem Zeitpunkt möglich. Die Gräber der hier beigesetzten Familie nahmen Bezug auf die in rund 350 m Entfernung vorbeiziehende Hauptverbindungstrasse Mainz – NIDA (Heddernheim). Selbst auf diese Entfernung konnten Reisende ein monumentales Grabmal wahrnehmen, das sich die Pächter oder Besitzer des Gutes dort errichten ließen. Nur eine bedeutende Familie konnte sich in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts eine solch markante, auf Außenwirkung bedachte Grabstätte leisten. Die finanziellen Möglichkeiten kommen auch in den zahlreichen Beigaben aus Glas zum Ausdruck. Außergewöhnlich ist ferner ein großvolumiges „Gesichtsgefäß“ mit einer noch nicht gedeuteten Inschrift, das nach der Tonanalyse offenbar als Einzelanfertigung in den nahe gelegenen Töpfereien von Nied in Auftrag gegeben wurde und in Zweitverwendung als Grabschutz zum Einsatz kam (Abb. 9). Wahrscheinlich noch im 2. Jahrhundert riss man das Grabmal ab und zerschlug die einzelnen Bauglieder in kleinste Stücke. Mit Fundamentblöcken und dem Kleinschlag verfüllte man dann einen eigens ausgehobenen, 6 m tiefen Schacht; an der Oberfläche blieb nichts zurück. Diesem

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Abb. 9

Gesichtsgefäß aus Grab 28 des Gräberfeldes in Zeilsheim.

massiven Eingriff auf einem Bestattungsplatz, der das Andenken der Familie auslöschte, muss eine offizielle Verfügung und rituelle Entweihung vorausgegangen sein, denn die Totenruhe war in römischer Zeit gesetzlich geschützt. Der einmalige Befund stellt die Bearbeiter vor ein Rätsel – ging der Demontage einfach ein Besitzwechsel des Gutes voraus oder fiel die zweifellos prominente Familie bei den politischen Entscheidungsträgern in Ungnade?13 Die Untersuchungen, die zusammen mit dem Römisch-Germanischen Zentralmuseum in Mainz im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projektes derzeit laufen, werden dazu hoffentlich eine Antwort geben können, ebenso wie die geplante Rekonstruktion des

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Grabmals das Studium der römischen Sepulkralkultur im Rhein-Main-Gebiet bereichern soll. In diesem Zusammenhang kann erwähnt werden, dass die petrographischen Untersuchungen, die das Archäologische Museum mit der Universität Frankfurt an seinen Steindenkmälern durchführt (auch an den Fragmenten des Zeilsheimer Grabbaus), einen Beitrag zur antiken Wirtschaftsgeschichte liefern sollen. So haben die Analysen von Kowalczyk ergeben, dass die Werksteine für die Grabdenkmäler NIDAs vorwiegend im nicht weit entfernten Bad Vilbel gebrochen wurden und auch der hohe Anteil von Vulkaniten, die im civitas-Hauptort verarbeitet wurden, geht nach einer ersten Durchsicht des Materials durch Staubach größtenteils auf lokale Vorkommen zurück. Mit ortsansässigen Werkstätten können wir also rechnen – Steinrohlinge und entsprechendes Gerät sind für NIDA nachgewiesen und auch hier stand die Nidda als vergleichsweise billiger und schneller Transportweg zur Verfügung. Die Frankfurter Bodendenkmalpflege und die in Folge betriebene Forschungsarbeit gemeinsam mit dem Archäologischen Museum konnten so in den letzten Jahren das Bild, das wir uns vom Kernbereich der civitas Taunensium machen, laufend bereichern. Unerlässlich sind dabei längst die parallel laufenden, naturwissenschaft lichen Untersuchungen geworden, die die relativ kurze Phase der römischen Herrschaft im Rhein-Main-Gebiet mit helfen zu beschreiben. Von der Frankfurter Kulturpolitik gefördert, kann so die vom früheren Museumsdirektor Ulrich Fischer nach dem Krieg eingeleitete, gezielte Grabungs- und Forschungstätigkeit erfolgreich fortgesetzt werden.

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Frank M. Ausbüttel

Die Verwaltung des Rhein-Main-Gebietes in römischer Zeit Frank M. Ausbüttel Die Verwaltung in römischer Zeit

Das Rhein-Main-Gebiet ist aufgrund seiner historischen Entwicklung ein polyzentrisches Gebilde; denn es ist aus verschiedenen Herrschaften zusammengewachsen, die im Mittelalter entstanden und sich erst nacheinander im 19. und 20. Jahrhundert auflösten. Es sei hier nur an das Erzbistum Mainz, das Herzogtum Nassau mit seiner Residenzstadt Wiesbaden und die freie Reichsstadt Frankfurt erinnert. Und noch heute teilen sich zwei Bundesländer – Hessen und Rheinland-Pfalz – das Rhein-Main-Gebiet. Dies war aber nicht immer so. Betrachtet man einmal die politische Landkarte um das Jahr 200, fällt auf, dass das Rhein-Main-Gebiet damals geradezu einheitlich organisiert und „gleichmäßig“ aufgeteilt war in die Stammes- beziehungsweise Stadtgemeinden (civitates) der Aresaces, Mattiaci, Taunenses und Auderienses, die den nördlichen Abschluss der Grenzprovinz Obergermanien (Germania superior) bildeten. Eine einigermaßen einheitliche Verwaltung schufen die Römer aber nicht über Nacht, sie war vielmehr das Ergebnis eines langwierigen Prozesses, der sich über mehrere Jahrzehnte hinzog, da die Römer eine Infrastruktur in den Gebieten entlang des Rheins erst aufbauen mussten (Abb. 10). Als römische Truppen unter Caesar 55 und 53 v. Chr. über den Rhein nach Germanien vorstießen, befand sich die städtische Kultur der Gallier, die sogenannte oppida-Kultur, im Niedergang. Was das Rhein-Main-Gebiet betrifft, so gaben die Gallier um die Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. das Heidetränkoppidum an der Hohemark und eine Generation später das oppidum auf dem Dünsberg bei Gießen auf. Der Aufbau einer Verwaltung erfolgte gleichsam von oben nach unten, das heißt, dass zuerst eine Provinz und danach die civitates eingerichtet wurden und nicht umgekehrt. Diese Vorgehensweise ergab sich aufgrund der fehlenden Infrastruktur und der Auffassung der Römer, dass dort, wo sich einer ihrer führenden Magistrate aufhielt, sein Amtsbereich (seine provincia) sei.

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Abb. 10 Die civitates im Norden der Provinz Germania superior.

Wie sah nun die politische Entwicklung aus? Augustus wandte sich, nachdem er in einem mehrjährigen Bürgerkrieg seine Herrschaft gefestigt hatte, verstärkt Gallien und der Rheingrenze zu. Nach mehrjähriger Vorbereitung drangen römische Truppen ab 12 v. Chr. mehrmals vom Rhein bis zur Elbe vor und unterwarfen die dort lebenden Völker, unter ihnen die Cherusker und Chatten. Aufgrund unklarer und widersprüchlicher Angaben in den Quellen ist von jeher in der Forschung darüber diskutiert worden, ob die Römer das rechtsrheinische Germanien zu einer Provinz machten oder nicht. Den Angaben in den Inschriften wurde als Primärquelle eine größere Bedeutung bei-

Die Verwaltung in römischer Zeit

gemessen und mehr Aufmerksamkeit geschenkt als den eher beiläufigen Hinweisen in den literarischen Texten. Berücksichtigt man jedoch deren Angaben, ist es durchaus möglich ein in sich schlüssiges Bild der Entstehung und Entwicklung der Provinz Germania zu rekonstruieren, das sich mit den archäologischen Funden in Einklang bringen lässt. In seinem Tatenbericht (res gestae) zählte Augustus Germanien mit unter den römischen Gebieten auf, die er befriedet habe. Der römische Senator Cassius Dio trennt, was lange übersehen worden ist, in seinem auf Griechisch verfassten Geschichtswerk für die Zeit ab 16 v. Chr. klar und systematisch zwischen den Galatiai, das heißt den gallischen Provinzen, der Keltike, dem rechtsrheinischen Germanien, und der Germanía, eben der Provinz Germania. Diese Provinz lag indes links des Rheins und hatte das oppidum Ubiorum (Köln) als Zentrum. Dafür sprechen nicht allein der Sprachgebrauch Dios, sondern auch Hinweise in anderen Quellen. Nach einem inschrift lich überlieferten Senatsbeschluss vollzogen die cisrhenanen Germanen wie die Gallier religiöse Handlungen an dem Grabmal des 9 v. Chr. verstorbenen Feldherrn Drusus, dem Adoptivsohn des Kaisers. Nach Tacitus mussten die Germanen, die links des Rheins wohnten, um 15 n. Chr. Hilfstruppen stellen. Diese Germanen sind keineswegs mit den von Caesar erwähnten Germanen diesseits des Rheins gleichzusetzen; vielmehr sind in ihnen angesichts der genannten Verpflichtungen Angehörige einer römischen Verwaltungseinheit zu sehen. Die neue Provinz Germania wurde von der bereits existierenden gallischen Provinz Belgica getrennt. Augustus selbst, der sich ab 16 v. Chr. für drei Jahre in Gallien aufhielt, dürfte die Provinzaufteilung vorgenommen haben. In diese Zeit fallen weitere Maßnahmen der Römer, die eine wichtige Voraussetzung für die Sicherung ihrer Herrschaft am Rhein bildeten. Ab 16 / 15 v. Chr. wurde das Gebiet am Niederrhein durch den Bau einer Straße von Lyon über Trier nach Neuss mit dem Mittelmeer verbunden und die Rheingrenze durch den Bau mehrerer Militärlager zum Beispiel in Nijmegen, Xanten, Bonn und Mainz gesichert. Xanten und Mainz dienten auch als Ausgangspunkte für Vorstöße in das Innere Germaniens. Deshalb legten Soldaten an der Lippe und im Untermaingebiet weitere Militärlager an. Bis 16 n. Chr. entstanden entlang der Strecke von Wiesbaden über Frankfurt-Höchst bis nach Bad Nauheim-Rödgen sechs Militärlager. In Lahnau-Waldgirmes gründeten die Römer sogar eine „Stadt“, genauer gesagt eine zivile Siedlung. Gerade deren Gründung zeigt, wie sehr die Römer an einer Osterweiterung ihrer Provinz Germania über den Rhein hinaus interessiert waren. Wie neuere Grabungen ergeben haben, wurde die Siedlung in Lahnau-Waldgirmes erst 17 n. Chr. auf-

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gegeben. Folglich zogen sich die Römer nach der Niederlage des Varus 9 n. Chr. nicht vollständig bis an den Rhein zurück. Erst nachdem der Kaiser Tiberius (14–37 n. Chr.) seinen Neffen Germanicus nach verlustreichen Vorstößen in das Innere Germaniens als Oberbefehlshaber abberufen hatte, revidierten sie ihre Expansionspolitik. Zuvor hatten Tiberius und Germanicus zwischen 10 und 14 n. Chr. die Provinz geteilt. Der Rechtsgelehrte Aemilius Macer bezeichnete, was lange nicht beachtet worden ist, Germania als geteilte Provinz (provincia divisa). Den Hintergrund bildeten die Vorbereitungen für den militärischen Vergeltungsschlag gegen die Germanen nach der Varusschlacht. Die linksrheinische Provinz Germania wurde damals in zwei ungleiche Provinzen aufgeteilt. Die Germania superior war mit 94 000 km2 fast fünfmal größer als die Germania inferior. Die offizielle Grenze zwischen den Provinzen bildete der relativ kurze Obrinkas (Vinxtbach), der bei Bad Breisig in den Rhein mündet. In beiden Provinzen waren aber jeweils vier Legionen stationiert, sodass das Ausmaß der Truppenkonzentration ein entscheidendes Kriterium für ihren ungleichen Zuschnitt darstellte. Die niedergermanischen Truppen wurden aus Nord-, die obergermanischen Truppen aus Zentral- und Südgallien versorgt. Die kaum befahrbare Felsenstrecke des Mittelrheins zwischen Bingen und St. Goar sowie die schwer passierbaren Höhenzüge Hunsrück und Taunus erschwerten den direkten Kontakt zwischen den beiden Nachbarprovinzen. In der Fachliteratur ist zu lesen, dass die Römer nach der Aufgabe ihrer rechtsrheinischen Besitzungen aufgrund der starken Militärpräsenz zwei Militärdistrikte (Heeresbezirke) am Rhein errichteten, die Kaiser Domitian zwischen den Jahren 83 und 90 in Provinzen umwandelte. Allerdings handelt es sich bei der Bezeichnung Militärdistrikte (Heeresbezirke) um einen Terminus technicus, den die althistorische Forschung im 19. Jahrhundert aufbrachte und der keine Entsprechung in den antiken Quellen findet. Eine Provinzgründung unter Domitian wird in keiner literarischen und epigraphischen Quelle explizit erwähnt. Als Beleg wird auf die Münzen verwiesen, die der Kaiser ab 84 nach seinem ersten Feldzug gegen die Chatten mit der Aufschrift GERMANIA CAPTA prägen ließ. Der Ausdruck capta bedeutet zwar, dass ein Gebiet erobert wurde; wie ein Vergleich mit anderen capta-Prägungen verdeutlicht, zeigt er aber noch nicht an, dass eben dieses Gebiet provinzialisiert wurde; denn für die Einrichtung einer Provinz verwendeten die Römer andere, spezielle Ausdrücke. Dass auf Militärdiplomen erst ab 90 und 98 zwischen der Germania superior und der Germania inferior unterschieden wurde, lässt sich damit erklären, dass das germanische Heer bis zu diesem Zeitpunkt eine mili-

Die Verwaltung in römischer Zeit

tärische Einheit bildete, die unter dem Kommando eines Befehlshabers stand, bei dem es sich oft um den Kaiser höchstpersönlich handelte.14 Gegen die Einrichtung von Militärdistrikten spricht auch die Tatsache, dass die Oberbefehlshaber am Rhein sich wie die Statthalter der kaiserlichen Provinzen als legati Augusti pro praetore bezeichneten. Der gelegentlich auftauchende Zusatz exercitus (Heer) in ihrem Titel diente als Hinweis auf besondere militärische Aktionen. Zu den wichtigsten zivilen Aufgaben der kaiserlichen Legaten gehörte die Rechtsprechung. Für Varus ist eindeutig überliefert, dass er Gerichtsverhandlungen abhielt. Im Prinzip konnte jeder Rechtsstreit vor das Gericht des Statthalters gebracht werden. In den germanischen Provinzen wird dies vor allem dort geschehen sein, wo sich die civitates noch im Aufbau befanden oder wo es keine gab. In der Regel werden die Legaten sich eher mit schwerwiegenden Fällen, insbesondere mit Kriminalverfahren befasst haben. In seiner Funktion als Richter reiste der Statthalter umher. Einen festen Gerichtshof kannte er nicht. Inwieweit die Germania superior wie andere Provinzen in Gerichtsbezirke eingeteilt war, ist nicht bekannt. Die Statthalter nahmen auch andere zivile Aufgaben wahr. Bekannt sind Baumaßnahmen wie zum Beispiel die Reparatur von Straßen und Kanälen sowie Bergbauarbeiten auf dem Gebiet der Mattiaker. Die Finanzverwaltung, das heißt die Kontrolle über die Einnahme von Steuern und Abgaben, oblag allerdings dem Prokurator der Provinz Belgica, von der die Germania einst abgetrennt worden war. Eine derartige Aufgabenteilung in der Zivilverwaltung war nicht ungewöhnlich und ist auch für andere Reichsteile überliefert. Für seine zivilen Aufgaben stand dem Statthalter ein relativ kleiner Stab an Mitarbeitern zur Verfügung, deren Zahl sich auf etwa hundert Personen belief. Bei der Urteilsfindung beriet den Statthalter ein consilium, dem enge Vertraute angehörten. Für die germanischen Provinzen bestand nach ihrer Teilung die Regelung, dass ein assessor aus der Germania inferior in der Germania superior und umgekehrt an Gerichtsverhandlungen teilnehmen durfte. Dem officium (Büro) des Statthalters gehörten Kanzleibeamte an, die Mit- und Abschriften anfertigten und sich um die Verwaltungsakten kümmerten, sowie Gerichtsdiener und Boten. Etwa 120 Benefiziarier kontrollierten die Verkehrswege und übernahmen Wachdienste. Bei diesen zivilen Mitarbeitern handelte es sich um Soldaten aus den in der Provinz stationierten Legionen. Aus ihnen rekrutierte sich auch die Leibwache des Statthalters, bestehend aus Fußsoldaten und Reitern (pedites / equites singulares). Darüber hinaus führte ein Statthalter noch sein persönliches Personal mit sich, das ihm und gegebenenfalls seiner Familie zu Diensten stand.

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Der obergermanische Statthalter hatte seinen Hauptsitz, das heißt sein praetorium, in Mogontiacum. Mainz bildete, modern gesprochen, das Oberzentrum unserer Region, allein schon wegen seiner günstigen Lage am Zusammenfluss von Main und Rhein. Außerdem waren dort im 1. Jahrhundert zwei, später eine Legion stationiert. Von Mainz unternahm der Statthalter, wenn ihn nicht gerade irgendwelche militärischen Unternehmungen davon abhielten, seine Inspektionsreisen in die Provinz rheinaufwärts. In Mogontiacum tagte höchstwahrscheinlich auch der Landtag (concilium) der Provinz Germania superior, auf dem jede Stadtgemeinde mit Gesandten vertreten war. Unter ihm ist kein Parlament im heutigen Sinne zu verstehen, vielmehr hatte der Landtag eine religiöse Funktion. Sein Hauptzweck lag nämlich in der Pflege des Kaiserkultes. Wie bereits angedeutet, hielten die germanischen Provinzen in der frühen Kaiserzeit religiöse Zeremonien zu Ehren von Drusus, für den in Mogontiacum ein Kenotaph, der Eichelstein, errichtet worden war, und zu Ehren seines Sohnes Germanicus ab. An diese Zeremonien schlossen sich Truppenparaden an. Ob ab der flavischen Zeit die Vertreter der obergermanischen Städte den Kaiserkult in Arae Flaviae (Rottweil) zelebriert haben, ist fraglich. Allein der Name des Ortes reicht als Beweis nicht aus. Überdies oblag den germanischen Provinziallandtagen die Rekrutierung von Hilfstruppen. Mit der Einrichtung der Provinz Germania entstanden ab 16 v. Chr. links des Rheins mehrere civitates. Für das Rhein-Main-Gebiet sind hier die civitates der Vangiones und Aresaces mit Borbetomagus (Worms) und Mogontiacum (Mainz) als Zentren zu nennen. Ihre Gründung geht wohl auf Tiberius und Germanicus zurück und fällt damit noch in die Zeit des Augustus. Unter einer civitas ist eine territoriale Körperschaft zu verstehen, die aus einem Zentralort, in dem sich das politische und administrative Geschehen konzentrierte, und dem umliegenden Land mit seinen Dörfern bestand. Zwischen Zentralort und Umland gab es keinen rechtlichen Unterschied. Das Umland war in mehrere Gaue (pagi), der Zentralort in verschiedene Stadtviertel (vici) eingeteilt. Die Verwaltung der civitates lag in den Händen wohlhabender Bürger, die über ein bestimmtes Vermögen verfügen mussten, um die öffentlichen Dienstleistungen (munera) unentgeltlich ausführen zu können. Zu diesen Dienstleistungen zählten auch die führenden Ämter (honores) einer Stadt. In den westlichen Provinzen standen in der Regel zwei Duumvirn an der Spitze der städtischen Verwaltung, denen eine Art niederer Gerichtsbarkeit oblag und die auch für die Vermögensschätzungen der Einwohner verantwortlich zeichneten, die wiederum eine wichtige Voraussetzung für die Steuererhebungen

Die Verwaltung in römischer Zeit

bildeten. Um die Finanzen und innere Ordnung, zum Beispiel um die Marktaufsicht, kümmerten sich die Quaestoren und Aedilen. Nach dem Ende ihrer einjährigen Dienstzeit traten diese Amtsträger dem Gemeinderat (curia) bei, dessen Mitglieder decuriones hießen. Aufgrund der Geschäftskenntnis und sozialen Stellung ihrer Mitglieder war die Kurie das eigentliche Regierungsorgan einer civitas. Das gesamte Imperium Romanum war in solche civitates eingeteilt. Ihre Zahl und Dichte war in Kleinasien und Italien mit 500 beziehungsweise 250 wesentlich höher als im gallisch-germanischen Raum, wo sie zu Beginn des 1. Jahrhunderts bei 64 lag. Dafür waren hier die civitates mit einer Fläche von durchschnittlich 8000 km2 ziemlich umfangreich. Das rechtsrheinische Gebiet der Germania superior – und somit auch das Rhein-Main-Gebiet – blieb dagegen lange Zeit eine civitas-freie Zone. Die Römer zögerten hier mit der Einrichtung von civitates, weil dieses Gebiet als Aufmarschgebiet für ihre Truppen diente und die nötigen demographischen und ökonomischen Voraussetzungen fehlten beziehungsweise noch nicht geschaffen waren. Von der Untermainebene stießen römische Feldherren wie der Legat P. Calvisius Sabinus Pomponius und der spätere Kaiser Galba 41 und 49 / 50 gegen die in Mittelhessen lebenden Chatten vor, die immer wieder römische Besitzungen bedrohten. Während des Bataveraufstandes 69 belagerten sie immerhin Mogontiacum. Da alle Vorstöße ohne nachhaltige Wirkung blieben, plante Vespasian eine größere Offensive. Er verstärkte die römischen Truppen, indem er neue Militärlager wie zum Beispiel in Frankfurt-Heddernheim errichten ließ. Aber erst sein Sohn und Nachfolger Domitian setzte seine Pläne in die Tat um. In den sogenannten Chattenkriegen stießen seine Truppen 83 und 85 in das Stammland der Chatten zwischen Ohm und Schwalm vor. An den Folgen ihrer Niederlage hatten die Chatten so schwer zu tragen, dass sie erst 162 wieder Angriffe auf römisches Gebiet wagten. Kaiser Traian führte dann 103 / 111 ein neues Grenzsicherungssystem ein. Die im Landesinneren stationierten Truppen ließ er an die neu errichtete Reichsgrenze, den Limes, verlegen und auf mehrere Kastelle verteilen. In das sicher gewordene Hinterland zogen nun verstärkt Siedler aus dem gallorömischen Raum und ließen sich dort nieder. Sie gründeten villae rusticae, die mit ihren Überschüssen die römischen Truppen versorgten. Aufgrund ihrer Fachkenntnisse, Lebensgewohnheiten und Sprache trugen die Zuwanderer wesentlich zur Romanisierung des Rhein-Main-Gebietes bei. Nördlich des Untermains entstanden damals die civitates der Mattiaci und Taunenses, südlich des Untermains die civitas der Auderienses mit dem

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heutigen Wiesbaden (Aquae), Frankfurt-Heddernheim (Nida) und Dieburg als Zentren. Der lateinische Name für Dieburg ist nicht näher bekannt. Mit Med sind lediglich seine drei Anfangsbuchstaben überliefert. Für die Gründung dieser civitates unter Traian spricht ihr Beiname Ulpia, der sich von Ulpius, dem Familiennamen des Kaisers, ableitete. Diesen Beinamen führten die Mattiaker und Taunenser in ihrer offziellen Stadtbezeichnung. Für die civitas Auderiensium ist der Beiname Ulpia nicht eindeutig überliefert. Da sich aber deren südliche „Nachbargemeinde“, die civitas der Suebi Nicrenses, ebenfalls als Ulpia bezeichnete, dürfte die Gründung ihrer Stadtgemeinde auch in diese Zeit fallen. Wie sonst üblich, wurden die drei civitates nach ihren Einwohnern benannt. Über die Herkunft ihrer Namen lässt sich jedoch nur spekulieren. Bei den Taunensern ist man sofort geneigt, ihren Namen von dem mons Taunus abzuleiten. Jedoch lässt sich nicht mehr genau klären, welchen Berg oder Höhenzug die Römer als Taunus bezeichneten. In der Beschreibung Germaniens, die der Geograph Klaudios Ptolemaios um 150 anfertigte, werden zwei „Städte“ namens Artaunum und Mattiacum erwähnt. Die neueste wissenschaft liche Umrechnung der für sie angegebenen Koordinaten ergab, dass sie denen von Bad Nauheim und Lahnau-Waldgirmes entsprechen.15 In Bad Nauheim existierte noch zu Beginn des 2. Jahrhunderts eine Siedlung gallischen Ursprungs. Die Ableitung der Vorsilbe Ar- von der gallischen Präposition are (vor) würde gut zu der Lage der Siedlung passen. Die Taunenser benannten sich daher nach einem Höhenzug, der das Landschaftsbild ihrer civitas beherrschte. Die Bewohner von Lahnau-Waldgirmes, dem Mattiacum des Ptolemaios, gehörten zum Stamm der Chatten. Einer ihrer Teilstämme waren die Mattiaker. Die Vermutung ist daher naheliegend, dass die Römer mit ihnen ein Bündnis abschlossen und sie zu Beginn des 1. Jahrhunderts rechts des Rheines in der Untermainebene ansiedelten. Dort konnten sie von dem nahe gelegenen Legionslager in Mainz überwacht werden. Als Gegenleistung mussten die Mattiaker Hilfstruppen stellen. Eine cohors Mattiacorum ist jedenfalls für die flavische Zeit bezeugt. Da sie rund 500 Mann stark war, dürfte die Zahl der erwachsenen Mattiaker bei 2000 bis 3000 Personen gelegen haben. Wie bei den Mattiakern dürfte sich die Bezeichnung Auderienses ebenfalls von einer indigenen Bevölkerungsgruppe ableiten. Mit einer Fläche von rund 2000 km2 waren die drei civitates ungefähr gleich groß, im Vergleich zu ihren gallischen Nachbargemeinden aber relativ klein. Die Grenze zwischen den Gebieten der Mattiaker und Taunenser bildete mit seinem tiefen Tal der Schwarzbach bei Hofheim. Das Territorium der Auderienser er-

Die Verwaltung in römischer Zeit

streckte sich bis in den Bereich der Bergstraße. Für die planmäßige Gestaltung der drei civitates spricht, dass ihre Zentralorte ein bis zwei Tagesmärsche voneinander entfernt lagen. Von Aquae führte eine Straße direkt nach Nida, von Nida über die Mainfurt direkt nach Dieburg. Bedingt durch die starke Präsenz von Truppenverbänden im Untermaingebiet waren nach der Verlegung dieser Verbände an den Limes die Zentralorte Aquae und Nida aus ehemaligen Lagerdörfern (vici) hervorgegangen, weshalb sich ihre Bewohner vicani Aquenses und vicani Nidenses nannten. Indem sich diese Lagerdörfer zu Städten entwickelten, wurden sie auch in Stadtteile unterteilt, die wiederum vici hießen. In Nida war jedenfalls ein vicus novus gebildet worden. Gaue sind nicht weiter bekannt bis auf einen pagus Nidensis an der Nidda bei Höchst. Ihre administrative und rechtliche Stellung bleibt unklar. Folglich entzieht sich unserer Kenntnis, inwieweit sie für die Verwaltung der Lagerdörfer (vici) der Limeskastelle zuständig waren, die wie in Butzbach-Hunenburg durchaus kleinstädtische Ausmaße erreichen konnten. Die Bewohner solcher Lagerdörfer verfügten offensichtlich über ein hohes Maß an administrativer Eigenständigkeit. Die vicani veteres des gegenüber Mainz gelegenen castellum Mattiacorum gewährten beispielsweise dort stationierten Fahnenträgern (signiferi) Immunität. Dieses Privileg muss die Soldaten in erheblichem Maße von bestimmten Abgaben entlastet haben, denn sie revanchierten sich mit einer aufwändigen Stiftung für Merkur. Die neu gegründeten „Städte“ besaßen den Status eines municipium, was bedeutete, dass sie in den Verband der römischen Bürgergemeinden aufgenommen und nach deren Vorbild organisiert waren. Den Ehrentitel colonia, wie ihn Köln besaß, erhielten sie nie, da in ihnen keine Veteranen angesiedelt wurden. Bei ihren Bewohnern ist zwischen Sklaven, Freigelassenen und Freien und bei den Freien zwischen römischen und einheimischen Bürgern zu unterscheiden. In der civitas Taunensium gab es sogar eine Vereinigung römischer Bürger (cives Romani), bei denen es sich um dort lebende Händler handelte. Als Caracalla 212 allen freien Bewohnern des Römischen Reiches das römische Bürgerrecht verlieh, verschwanden die rechtlichen Unterschiede. Dennoch wiesen drei Veteranen 230 in einer Inschrift voller Stolz darauf hin, dass sie römische Bürger und durch ihren Vater Taunenser seien. Noch schwerer als der Umfang ihrer Territorien lässt sich die Bevölkerungszahl der civitates berechnen, besser gesagt abschätzen. Die Einwohnerzahl ist nicht nur für die Betrachtung der sozioökonomischen Verhältnisse, sondern auch des Verwaltungsaufwandes eine wichtige Variable. Am ehesten

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ist aufgrund der Funddichte eine Schätzung für die civitas Taunensium möglich. Die Zahlen der bekannten villae rusticae und vici lassen darauf schließen, dass hier ca. 35 000 Menschen lebten. Rund ein Siebtel wohnte im Zentralort Nida. In den benachbarten civitates dürfte die Einwohnerzahl nicht viel höher oder niedriger gewesen sein. Aus heutiger Sicht kamen die neuen rechtsrheinischen civitates nicht über den Status von Kleinstädten hinaus; ihr Verwaltungsaufwand hielt sich folglich in Grenzen. Für alle drei civitates sind Dekurionen bezeugt, für die civitas Taunensium ein duumvir, ein quaestor und ein aedil. Eine ihrer wichtigsten und vordringlichsten Aufgaben bestand darin, für den Ausbau der Zentralorte zu richtigen Städten zu sorgen, indem sie den Bau eines Forums, einer Kurie, einer Basilika, von Thermen oder einer Stadtmauer vorantrieben. Die Fundorte und Angaben auf ihren Inschriften bezeugen eine enge Kooperation mit den Nachbargemeinden. Die Taunenser L. Senilius Decmanus, Dativius Victor und dessen zwei Söhne engagierten sich mit Stiftungen für die Götter Merkur und Jupiter in Mainz, zwei Dekurionen der Auderienser in Nida und Mainz. Auch zur Sicherung ihrer politischen Stellung waren Dekurionen in verschiedenen Vereinen tätig. Senilius Decmanus stand der bereits erwähnten Vereinigung der cives Romani als curator vor. In der civitas Mattiacorum standen Dekurionen möglicherweise mit den Vereinen römischer Händler und Veteranen in Kontakt. Für die civitas Mattiacorum sind seviri Augustales bezeugt. Bei den Augustalen handelte es sich um ein sechsköpfiges Priesterkollegium, das sich um den Kaiserkult kümmerte. Die überlieferten Namen ihrer Priester sprechen dafür, dass es sich nicht, wie andernorts üblich, um ehemalige Freigelassene handelte. Ebenfalls um den Kaiserkult kümmerten sich die dendrophori, die eigentlich die Göttin Kybele mit einer Prozession ehrten, auf der sie einen Baum in die Stadt trugen. Ihrem Verein gehörten vermögende Bürger der Auderienses und Taunenses an, die gemeinsam den Bau eines Vereinshauses (schola) in Nida finanzierten. Städtische und provinziale Amtsträger lassen sich bis in die Zeit um 250 nachweisen. Das bedeutet noch nicht, dass nach anderthalb Jahrhunderten die römische Verwaltung gänzlich verschwand. Um diese Zeit hörte einfach die epigraphische Überlieferung auf. Infolge der sich verschlechternden politischen und militärischen Lage und den damit einhergehenden wirtschaft lichen Umbrüchen veränderte sich aber die Situation in den Grenzstädten. Da die Perser das Reich bedrohten, zogen die Kaiser immer mehr Truppen an die Ostgrenze ab. Als Kaiser Gallienus (253–268) die Provinzen nicht mehr ausreichend schützen konnte, rief sein niedergermanischer Statthalter Postumus 260 das

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Gallische Sonderreich aus. Nachdem um 275 die Römer die Limeskastelle aufgaben und aus strategischen Überlegungen die Reichsgrenze wieder an den Rhein verlegten, verließen die Bewohner, die dazu in der Lage waren, die unsicher gewordenen rechtsrheinischen Gebiete. An den verlassenen Orten ließen sich im späten 3. Jahrhundert mit Erlaubnis der römischen Machthaber germanische Siedler nieder. Die römische Bevölkerung dominierte zunächst. Schon im eigenen Interesse dürfte sie ihre Selbstverwaltung nicht ohne Weiteres aufgegeben haben, denn weiterhin mussten Streitigkeiten geschlichtet und beispielsweise Märkte beaufsichtigt werden. Im Laufe des 4. Jahrhunderts werden sich die verbliebenen Römer aber immer mehr in das Herrschaftssystem eingefügt haben, das der alamannische Teilstamm der Bucinobanten im Untermaingebiet aufbaute. Das Rhein-Main-Gebiet war somit in einen germanischen und römischen Bereich aufgeteilt. Damit setzte seine Zersplitterung in verschiedene Herrschaften ein, die bis heute andauert.

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Frank M. Ausbüttel

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Thomas Maurer

Das Hessische Ried: Archäologie und Geschichte einer Landschaft an der Grenze des Römerreichs

Einleitung und Forschungsgeschichte

Maurer DasThomas Hessische Ried

Steht man am Rand der rheinhessischen Hügel, etwa oberhalb Niersteins, und wendet sich nach Osten, so gewinnt man einen guten Eindruck vom jenseits des Rheins gelegenen Hessischen Ried. Es handelt sich um eine weite, flache Landschaft, die den nördlichsten Teil der Oberrheinischen Tiefebene ausfüllt. Ein besonderes, ja namengebendes Charakteristikum ist ihr Wasserreichtum („Ried“ bedeutet „Röhricht“), der sich aus den zahlreichen Mäandern des Rheins, den aus dem Odenwald und dem Messeler Hügelland in die Ebene entwässernden Bächen sowie aus einem ganzjährig hohen Grundwasserstand ergibt. Als Grenzen dieses Raumes gelten im Westen der Rhein, im Norden der untere Main beziehungsweise die waldbestandenen Flugsandgebiete rund um den Frankfurter Flughafen sowie im Osten das Messeler Hügelland und die Bergstraße. Im Süden ist der Übergang zum Neckarmündungsgebiet fließend. Qua Definition endet das Hessische Ried hier an der Landesgrenze zu BadenWürttemberg. Obwohl das Hessische Ried in unmittelbarer Nachbarschaft zur römischen Militärbasis und Provinzmetropole Mainz liegt und daher strategische Bedeutung besessen haben muss, ist es als Siedlungsraum von der archäologischen Forschung lange vernachlässigt worden. Wissenschaft liche Untersuchungen und Ausgrabungen fanden lediglich an einzelnen, bedeutenden Fundstellen statt. So konzentrierte sich die „Römerforschung“ im Ried vor allem auf Kastell und vicus von Groß-Gerau „Auf Esch“. Überregionale Bekanntheit erreichten daneben die in den 1960er und 1970er Jahren erforschten Holzbrücken von

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Abb. 11 Karte der römischen Fundplätze des 1.–5. Jhs. im nördlichen Hessischen Ried (Kr. Groß-Gerau). Kreise: Siedlungsplätze; U-Symbole: Gräber; Quadrate: Militärlager; Sterne: Brücken; Dreiecke: Steindenkmäler.

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Riedstadt-Goddelau und Bickenbach. Schließlich war das Phänomen einer elbgermanisch geprägten frühkaiserzeitlichen Besiedlung der Region seit etwa 100 Jahren bekannt. Erst die seit den 1990er Jahren einsetzende höhere Wertschätzung raumbezogener Forschung brachte neue Impulse. Als Ziel strebt die Landschaftsarchäologie die Rekonstruktion einer bestimmten Landschaft unter Einbeziehung naturwissenschaft licher Erkenntnisse an. Dem Erreichen dieses Ziels, nämlich der „ganzheitlichen“ Erforschung des Hessischen Rieds als Siedlungsund Kulturraum römischer Zeit, dienten Forschungen, die das Institut für Archäologische Wissenschaften (Abt. II) der Goethe-Universität Frankfurt / Main im Rahmen eines interdisziplinären, anfänglich von der Kommission für Archäologische Landesforschung in Hessen e. V. (KAL) geförderten Projektes unternahm. Im Rahmen dieses Projektes standen zunächst seit 1998 systematische Geländebegehungen und geophysikalische Prospektionen an ausgewählten römischen Fundplätzen im nördlichen Ried (~ Kreis Groß-Gerau) im Vordergrund. In einem zweiten Schritt werden seit 2003 Ausgrabungen an „Schlüsselfundplätzen“ durchgeführt. In diesem wissenschaft lichen Umfeld ist auch die Dissertation des Verfassers entstanden, die einen kommentierten Katalog aller bekannten römischen Fundplätze im Kreis Groß-Gerau (Abb. 11) samt siedlungshistorischer Analyse enthält und eine Übersicht bietet über das in verschiedenen Privatsammlungen, den lokalen Museen im Ried und dem Magazin des Landesamtes für Denkmalpflege Hessen aufbewahrte Fundmaterial. Einen wertvollen Beitrag zum Verständnis der Siedlungslandschaft Hessisches Ried leistete daneben die am Institut für Physische Geographie der Goethe-Universität entstandene pollenanalytische Dissertation von Singer, die die Vegetationsentwicklung von der Eisenzeit bis ins frühe Mittelalter untersuchte.

Relief und Böden Das Ried wirkt auf den ersten Blick als tischebene, kaum gegliederte Landschaft. Ihr geologischer Unterbau wird durch den mächtigen tertiären Schotterkörper des Rheingrabens gebildet. Oberflächennah lässt sich dieser vereinfacht in drei Zonen beziehungsweise Abstufungen differenzieren, die – wie noch zu zeigen sein wird – für die Siedlungstopographie von Bedeutung sind.

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Den größten Teil des nördlichen Rieds nimmt die eigentliche Niederterrasse ein, die von Hochflutlehmen und – am nordöstlichen Rand – von Flugsand bedeckt ist. Ihre absolute Höhe schwankt nur geringfügig zwischen etwa 92 m bei Gernsheim und 84 m an der Mainmündung. Auf der Niederterrasse spielte und spielt sich fast das gesamte Siedlungsgeschehen ab. Die bis zu 300 m breite Altneckarniederung durchzieht diesen Bereich etwa von Süd nach Nord / Nordwest und bildet mit ihren teilweise auwaldbestandenen Mäandern ein Charakteristikum des Rieds. Heute wird insbesondere der hochflutlehmbedeckte Teil der Niederterrasse stark agrarisch genutzt. Die vegetationsgeschichtliche Analyse zeigt, dass dies in der Römerzeit kaum anders gewesen sein dürfte. Im Nordosten der Hessischen Rheinebene – im Bereich des heutigen Frankfurter Flughafens – ist die Niederterrasse größtenteils mit Flugsand bedeckt. Hier ist das Gelände stärker reliefiert und einige Dünen erheben sich bis in „Höhen“ von 110 m ü. NN. Wenn auch dieses Gebiet aufgrund seines Bodens längst nicht so sehr für den Ackerbau geeignet gewesen sein mag wie die Hochflutlehmgebiete, so ist doch keinesfalls von einer vollständigen Siedlungsleere in römischer Zeit auszugehen. Archäologische Funde und vegetationsgeschichtliche Quellen belegen hier eine lockere Bewaldung und die Existenz mehrerer Siedlungsplätze. Am westlichen Rand des Arbeitsgebietes hat sich der Rhein im Laufe des Holozäns in die Niederterrasse eingegraben. Dieser Bereich, die Rheinaue, in der der Fluss bis zu seiner Regulierung im 19. Jahrhundert weitgehend frei und dynamisch mäandrierte, liegt zwischen Worms und Mainz etwa 1 bis 2 m tiefer als die Niederterrasse (Hochgestade). Aufgrund periodisch zwar schwankender, aber dennoch stetig drohender Gefahr von Vernässung beziehungsweise Überschwemmung war die Rheinaue für dauerhafte Besiedlung in allen vor- und frühgeschichtllichen Epochen wenig geeignet, und ist es bis in die Gegenwart hinein geblieben. Nichtsdestoweniger ist das Areal selbstverständlich von den Menschen genutzt worden, als Verkehrsraum wie als wirtschaft liche Ressource. Der römerzeitliche Rhein präsentierte sich als ein recht träge dahinfließendes Gewässer, dessen Hauptlauf (Talweg) sich ständig in einem Gewirr von Sandbänken und Inseln verlagerte. Randlich prägten Altwässer mit Auwaldbestand das Bild, ähnlich etwa dem heutigen Kühkopf-Altrhein. Der Schiffsverkehr wurde dadurch nicht beeinträchtigt, da die römischen Transportschiffe flache Böden aufwiesen. Eine Überquerung des Stromes beziehungsweise der gesamten Aue – mit

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oder ohne Zuhilfenahme eines Bootes – dürfte wesentlich leichter zu bewerkstelligen gewesen sein als in der Gegenwart – sieht man einmal von den heutigen Brücken ab. Schwächere Strömung und geringere Tiefe sowie die zahlreichen Sandbänke erleichterten die Passage und ermöglichten damit auch vielfältige Kontakte zwischen links- und rechtsrheinischem Gebiet. Jegliche Beurteilung des Rheins beziehungsweise der Rheinaue als Grenzzone muss daher immer diese andersartige „Ausgangslage“ mit berücksichtigen.

Vegetation und Besiedlung Die geomorphologisch definierten „Bodenzonen“ spiegeln sich in der Vegetation wider. Dominiert heute auf der hochflutlehmbedeckten Niederterrasse das  ackerbaulich genutzte Offenland mit eingestreuten kleinen Wäldern, so wurde die Rheinaue bis weit ins 20. Jahrhundert fast ausschließlich von Grünland und Auwäldern bedeckt. Erst in den letzten Jahrzehnten sind Teile der Aue auch beackert worden. Auf der dritten Zone, der flugsandbedeckten Niederterrasse, stockt größtenteils Wald; auf den sandigen Äckern wird vor allem Spargelanbau betrieben. Vegetationsgeschichtliche Untersuchungen haben gezeigt, dass die Landnutzung in römischer Zeit sich kaum von der rezenten unterschieden hat. Bereits seit der Eisenzeit dürften große Teile der Hessischen Rheinebene waldfrei gewesen sein und wurden landwirtschaft lich genutzt. Pollenanalysen – die sich besonders für die Rekonstruktion der Vegetation ganzer Landstriche zu bestimmten Zeiten eignen – zeigen nun, dass der offene Charakter der Riedlandschaft auch in der Römerzeit bestimmend blieb. Betrachtet man die dichte römische Besiedlung insbesondere auf dem hochflutlehmbedeckten Teil der Niederterrasse, so ist diese Erkenntnis keine Überraschung. Die römischen Landgüter betrieben Getreideanbau, und für diesen war die „mittlere Zone“ durch ihre fruchtbaren, kaum überschwemmungsgefährdeten Böden gut geeignet. Lediglich kleine, vor allem aus Eichen bestehende „Restwälder“ blieben erhalten und wurden besonders gepflegt, da sie nicht nur eine Quelle für Brenn- und Bauholz darstellten, sondern auch für die Schweinemast geeignet waren. Die Kartierung der römischen Siedlungsplätze zeigt, dass offensichtlich besonders gerne die sogenannte Ökotoprandlagen gewählt wurden. Darunter versteht man Bereiche, in denen sowohl für Getreideanbau als auch für Vieh-

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haltung geeignete Flächen sowie im Idealfall Fließgewässer vorhanden waren. Im Hessischen Ried konzentrieren sich die Siedlungsplätze vor allem entlang der Paläomäander von Neckar und Main sowie – in etwas geringerem Maße – entlang der Hochgestade-Kante der Niederterrasse zur Rheinaue. Dahingegen haben offenbar die wichtigen römischen Straßen weit weniger siedlungsanziehend gewirkt. Vielleicht hielt man sich sogar hier am Nordrand des Imperium Romanum an den Ratschlag des Agrarschriftstellers Columella, Abstand von den Fernstraßen zu halten, um nicht zu stark von vorbeiziehendem Volk belästigt zu werden. Viele Siedlungsplätze werden daher mittels eines Stichweges an das regionale Straßennetz angeschlossen gewesen sein. Auf den sandbedeckten Flächen im Osten und Nordosten des Rieds – sowie weiter südlich im Bereich des heutigen Jägersburger und Lorscher Waldes – dünnte die Besiedlung merklich aus. Dennoch hat hier in römischer Zeit wohl kein geschlossener Wald bestanden – wie er von manchen Forschern durch „Rückschreibung“ des für das Mittelalter belegten Reichsforstes Dreieich stillschweigend auch für die Römerzeit angenommen wird. Einige archäologische Funde und Befunde, darunter auch Brandgräber, deuten auf eine schüttere Besiedlung, die sich auch hier an den wenigen Ökotoprandlagen, zum Beispiel den Bachläufen, und möglicherweise an den durchziehenden Verkehrswegen orientierte. Ein gänzlich anderes Bild bietet sich in der Rheinaue. Sie scheint in römischer Zeit nahezu frei von dauerhafter Besiedlung geblieben zu sein. Gleiches gilt übrigens auch für die vorrömische Zeit und das frühe Mittelalter. Berücksichtigt man die hohe Vernässungs- beziehungsweise Überschwemmungsgefahr in der Rheinniederung, so überrascht dieser Befund auf den ersten Blick nicht. Dennoch ist ein Fundplatz zu benennen, der inmitten der Rheinaue liegt und damit diese Regel bricht: Die römischen Militärlager am Oberkornsand bei Trebur-Geinsheim sprechen mit aller Deutlichkeit dafür, dass zumindest im Verlauf des 1. Jahrhunderts n. Chr. dieser Bereich der Niederung nur wenige hundert Meter vom damaligen Hauptrhein entfernt besiedelbar war, die Überschwemmungsgefahr also nicht allzu hoch gewesen sein konnte. Die Tatsache, dass nach Aufgabe der Militärlager im frühen 2. Jahrhundert hier keine zivile Siedlung fortbestand, lässt sich möglicherweise mit einer einschneidenden Änderung des Flussregimes des Rheins verbinden, die eine weitere Ansiedlung in der Aue unmöglich machte. Für diesen letzten Endes klimatisch bedingten Einschnitt lassen sich auch naturwissenschaft liche Erkenntnisse als Beleg anführen.

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Eine periodische Besiedelbarkeit der Rheinauen ist also keineswegs ausgeschlossen, in römischer wie in prähistorischer Zeit. Vielleicht hat auch der vergleichsweise ungünstige Forschungsstand dazu beigetragen, dass diese Problematik bisher nicht ausreichend gewürdigt wurde. Die geringe Neigung ehrenamtlicher Archäologen, Funde in den als „siedlungsleer“ geltenden Niederungen zu suchen, sowie die immer noch vorhandene stärkere Bedeckung durch Wiesen, durch die ein Beackern ausblieb, haben uns weitere Funde bisher vielleicht nur vorenthalten. Unabhängig von diesen methodischen Problemen kann jedoch als sicher gelten, dass eine Besiedlung in der Rheinaue zu römischer Zeit zu keiner Zeit die Dichte auf der Niederterrasse erreicht hat. Dennoch wurde die Landschaft zumindest extensiv genutzt: Wahrscheinlich dürfen wir dort ausgedehntes Weideland (prata) annehmen, auf dem der große Nutztierbestand der in Mainz und im Ried stationierten Truppen gehalten wurde. Ein indirektes Indiz für die Existenz dieser „Legionsweiden“ ist der in Mainz gefundene Grabstein des Freigelassenen Iucundus, der – nach Aussage der Inschrift – in der Nähe der Mainmündung, wohl bei Ausübung seiner Tätigkeit als pecuarius (Viehhirte / Viehzüchter?), durch ein Verbrechen ums Leben kam.16 Ebenfalls in Frage kommt eine Nutzung als Übungs- oder Manövergebiet des römischen Militärs, was nach Aussage zahlreicher temporärer Lager für das 1. Jahrhundert n. Chr. allerdings auch für große Teile der Niederterrasse rechts und links der Mainmündung zutrifft.

Phase 1: Vom Gallischen Krieg bis zur Gründung von Mogontiacum (ca. 58 v. bis ca. 13 v. Chr.) Die Frage, wann zum ersten Mal römischer Einfluss im Hessischen Ried zu spüren war, ist schwierig zu beantworten. In spätkeltischer Zeit gab es in der nördlichen Rheinebene zwar keine bedeutenden Siedlungen, in denen die einheimische Bevölkerung mit mediterranen Handelsgütern oder gar mit griechisch-römischem Gedankengut in Berührung kommen konnte. Jedoch existierten in nicht allzu weiter Entfernung von ein bis zwei Tagesreisen die großen stadtartigen Siedlungen (oppida) am Donnersberg und bei Oberursel (Heidetränk-Oppidum). Dort dürften Münzen und Weinamphoren aus dem Süden nicht unbekannt gewesen sein. Im Verlauf der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts v. Chr. trafen zunächst

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kulturelle Impulse aus dem nördlichen und östlichen Mitteleuropa die Rheinebene und damit auch das Ried. Archäologisch sind in der Wetterau und im Untermaingebiet zu dieser Zeit vereinzelt germanische Siedler nachzuweisen, die sich aufgrund andersartiger Alltagsgegenstände beziehungsweise Grabbeigaben vom einheimisch-keltischen Umfeld abhoben. Etwa gleichzeitig müssen im südlichen Oberrheingebiet germanische Völkerschaften aufgetaucht sein, die unter der Führung Ariovists standen und die keltische Stammeswelt in Ostgallien kräftig durcheinanderbrachten. Germanischer Druck auf keltische Völkerschaften war letzten Endes einer der Auslöser des Eingreifens der Römer unter C. Iulius Caesar, der nach seinem Konsulat 59 v. Chr. Gallia und Illyricum als Provinz erhielt. Im Jahre 58 v. Chr. schlug er das Heer Ariovists wohl im Elsass und vertrieb die Germanen über den Rhein. In den folgenden Jahren unterwarf er ganz Gallien bis zum Rhein der römischen Herrschaft. Seither galt der Rhein als Grenze zwischen Kelten und Germanen, was zwar schon zu Caesars Zeiten nicht mehr stimmte, aber der stadtrömischen Gesellschaft leichter zu vermitteln war. In den Jahren 55 und 53 v. Chr. unternahm Caesar zwei Feldzüge in rechtsrheinisches Gebiet, um den germanischen Stämmen die Macht Roms vor Augen zu führen. Die Rheinübergänge werden in der Gegend von Koblenz vermutet, berührten das Ried also nicht. Nach Abschluss des Krieges blieb sicher römisches Militär in Gallien zurück, wurde aber im „Landesinnern“ stationiert. Die Ereignisse im Norden gerieten nun aufgrund des beginnenden Bürgerkriegs für die römische Öffentlichkeit in den Hintergrund. An der Rheingrenze, die zumindest formal seit jener Zeit existierte, dürfte sich für die Menschen zunächst nicht viel geändert haben. Was wissen wir über die Besiedlung des Hessischen Rieds und die sie tragenden Menschen im 1. Jahrhundert v. Chr.? Archäologische Funde aus der Mittellatènezeit und der frühen Phase der Spätlatènezeit (LT C und D1) sind im Ried wie in den umliegenden Regionen recht häufig. Sie sind als Zeugnisse einer Ackerbau und Viehzucht treibenden Bevölkerung zu werten. Ungefähr in der Mitte des 1. Jahrhunderts v. Chr. trat jedoch ein Wandel ein. Gab es in der Wetterau und in Rheinhessen weiterhin eine keltische Besiedlung, so scheint das Ried wie auch der gesamte östliche Teil der Oberrheinischen Tiefebene in der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts v. Chr. – bis zum Erscheinen germanischer Gruppen beziehungsweise des römischen Militärs in augusteischer Zeit – weitgehend siedlungsleer gewesen zu sein, was sich am nahezu vollständigen Fehlen typischer Funde der Spätlatènezeit (LT D2) manifestiert. Über die Gründe dieses Phänomens lässt sich nur spekulieren. Diente das

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Ried als „Glacis“ zwischen rheinhessischen Kelten (Treverern?) und in der Wetterau bereits sesshaften Germanen? Ließen Hochwasserereignisse keine dauerhafte Besiedlung zu? Oder wurde es von der keltischen Bevölkerung in Rheinhessen extensiv als Weideland genutzt, wie es später das römische Militär tat?

Phase 2: Römisches Militär im Ried (ca. 13 v. Chr. bis ca. 115 n. Chr.) Infolge der zunehmenden Konsolidierung Galliens unter römischer Herrschaft, der Eroberung der Alpen und ihres Vorlandes 15 v. Chr. sowie des wachsenden Drucks der Germanen auf die Rheingrenze kam es unter dem Kaiser Augustus (27 v.–14 n. Chr.) zu einer grenzpolitischen Neuorientierung. Die römischen Truppen rückten nun an den Rhein und errichteten hier an strategisch wichtigen Stellen große Standlager. Eine solche Stelle war der Kästrich gegenüber der Mainmündung, wo um 13 / 12 v. Chr. das Doppellegionslager Mogontiacum (Mainz) gegründet wurde. Die Örtlichkeit entwickelte sich bald zur größten römischen Siedlung weit und breit und dürfte sicher über 20 000 Einwohner gehabt haben, rechnet man den Tross und die dem Militär folgenden Zivilisten hinzu. Der Zeitpunkt der Gründung Mogontiacums markiert den Beginn der direkten römischen Einflussnahme im nördlichen Ried. Wenn hier auch archäologisch noch keine sicheren Spuren aus mittelaugusteischer Zeit bekannt sind, so ist es dennoch kaum vorstellbar, dass das Militär das Gelände nicht nutzte, liegt doch der nordöstlichste Zipfel des Rieds mit der römerzeitlichen Mainmündung dem südlichen Teil Mogontiacums mit dem Drususdenkmal unmittelbar gegenüber. In den folgenden Jahrzehnten sind immer wieder kurzzeitig besetzte Militärlager im Vorfeld von Mainz – rechts und links der Mainmündung – entstanden. Vielleicht verbirgt sich der früheste römische Stützpunkt im Ried hinter einem dieser Lager, die sich aufgrund ihrer kurzen Nutzungsdauer und damit verbunden wegen der Seltenheit von den Soldaten verlorener Objekte in der Regel nicht datieren lassen. Die ersten sicher belegbaren und wohl nicht nur zu Übungszwecken angelegten Lager im Ried fassen wir in den Anlagen von Trebur-Geinsheim, unweit eines Rheinübergangs etwa einen Tagesmarsch südlich von Mainz gelegen. Nach Ausweis des reichhaltigen Fundmaterials, insbesondere der Münzen, wird ein erstes Lager hier wohl im 2. Jahrzehnt n. Chr. gegründet.

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Die Gründung der Lager dürfte im Kontext der Einrichtung eines römischen Brückenkopfes unter dem Kaiser Tiberius stehen. Er umfasste das Gelände südlich und nördlich der Mainmündung einschließlich Wiesbadens. Lebensader war die wohl 27 n. Chr. erbaute Rheinbrücke zwischen Mogontiacum und castellum Mattiacorum. Oberhalb der Mainmündung sicherten weitere Flussübergänge bei Mainz-Weisenau – wo am östlichen Rheinufer vielleicht schon zu dieser Zeit ein kleiner Stützpunkt gegründet wurde – und Oppenheim die Verbindungen ins linksrheinische Gebiet. Ein weiterer Anlass für die Stationierung von Militär an dieser Stelle könnte das ungefähr gleichzeitig erfolgte Auftauchen germanischer Siedler im Ried gewesen sein. Bei diesen Germanen handelt es sich nach Aussage einiger typischer Funde um eine aus dem Elbegebiet zugewanderte Population. Wir kennen fast ausschließlich Gräber (bei Rüsselsheim, Nauheim, Groß-Gerau und Riedstadt-Goddelau, weiter südlich auch bei Biblis und Bürstadt), die wohl in der Nähe der Siedlungen angelegt wurden. Die Bestattungen zeichnen sich in der Regel durch eine Vergesellschaftung germanischer und römisch-mediterraner Beigaben aus; manche der Gräber enthalten Reste von Waffen. Im Oberrheingebiet sind diese Germanen keine isolierte Erscheinung: Auch im Umfeld der Neckarmündung, in der Pfalz sowie in der Ortenau kam es im Verlauf des 1. Jahrhunderts n. Chr. zur Ansiedlung germanischer Gruppen, die vornehmlich elbgermanische Wurzeln haben. Über ihre „Funktion“ ist sich die Forschung uneins: Wurden sie von der römischen Administration am Rhein angesiedelt, um beim Grenzschutz mitzuwirken? Oder kamen sie aus freien Stücken, angezogen von der Strahlkraft Roms, und ließen sich für den Dienst bei den Hilfstruppen rekrutieren? Neuere Erkenntnisse der archäologischen Forschung lassen eher an das Letztere denken. Die Lager von Trebur-Geinsheim waren seit tiberischer Zeit nicht kontinuierlich besetzt. Einer oder mehreren frühen Besetzungsphasen folgte ein längerer Hiatus in der Mitte des 1. Jahrunderts n. Chr., ehe der Platz unter Vespasian erneut und diesmal wohl längerfristig mit Truppen belegt wurde. In dieser Besetzungslücke in claudisch-neronischer Zeit finden wir das Zentrum römischen Einflusses im Ried bei Groß-Gerau/Wallerstädten, wo 1999 ein offenbar mehrperiodiger Militärplatz vom Institut für Archäologische Wissenschaften entdeckt wurde und seitdem erforscht wird. Das Areal liegt inmitten des Rieds auf der hochflutlehmbedeckten Niederterrasse nahe der Altneckarzone. Seine Entfernung zum Mainzer Legionslager beträgt etwa 16 km. Die germanischen Gräberfelder bei Nauheim und Groß-Gerau sind nur etwa 2  bis 3 km entfernt. Als früheste Einrichtung konnte bisher ein mindestens

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Abb. 12 Scherben südgallischer Reliefsigillata-Gefäße (Oberflächenfunde) vom frühkaiserzeitlichen Militärplatz bei Groß-Gerau/Wallerstädten.

15 ha großes, temporär besetztes Lager ermittelt werden. Glücklicherweise sind aus seinem Areal zahlreiche Oberflächenfunde bekannt, die eine Belegung in den späten Regierungsjahren des Tiberius oder unter seinem Nachfolger Caligula andeuten. Ein Zusammenhang mit den leider nur schlecht überlieferten Germanienfeldzügen des Caligula 39 / 40, als der Kaiser angeblich „unzählige, aus allen Provinzen des Reichs zusammengezogene Truppen“ am Rhein (bei Mainz?) versammelte,17 erscheint möglich, ist aber nicht beweisbar. Abgelöst wurde dieses Lager durch einen nur 200 m entfernten kleineren Stützpunkt. Zwar haben hier noch keine Grabungen stattgefunden, jedoch lässt das überaus reichhaltige Fundspektrum – darunter auch Reste von Fachwerkgebäuden – den Schluss zu, dass der Platz offenbar als Standlager einer Hilfstruppeneinheit ausgebaut war und bis in die Zeit Vespasians existierte (Abb. 12). Die Existenz dieses Lagers zeigt, dass bereits in vorflavischer Zeit ein erheblicher Teil der nördlichen Rheinebene militärisch unter direkter Kontrolle Roms

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stand und in letzter Konsequenz als Brückenkopf zum Römischen Reich gehörte. Damit entspricht die Situation im Ried derjenigen der nördlich des unteren Mains gelegenen Region, für die solches seit den Forschungen im „Erdlager“ Hofheim vor über 100 Jahren bereits angenommen wurde. Die Entdeckung des Lagers regt an, über die Funktion der schon erwähnten elbgermanischen Siedler erneut nachzudenken. Ihre Ansprache als Vorfeld sichernde Miliz hat an Wahrscheinlichkeit verloren. Bedeutung kam ihnen sicher jedoch als Rekrutierungsreservoir für römische Hilfstruppen zu. Einen bedeutenden Einschnitt in die römische Herrschaft im Ried stellten die Ereignisse im sogenannten Vierkaiserjahr 69 / 70 dar, als Mogontiacum von Germanen belagert wurde und zahlreiche Römerlager an der Rheingrenze in Flammen aufgingen. Ob auch die römischen Stützpunkte im Ried betroffen waren, kann nur gemutmaßt werden, ist aber wohl wahrscheinlich. Nach Niederschlagung der Unruhen und Konsolidierung der Lage wurde das militärische Konzept an der Rheingrenze vom neuen Kaiser Vespasian geändert. Waren bislang die Gebiete rechts des Rheins nur von einem dünnen Netz römischer Stützpunkte überzogen – so auch im Brückenkopf an der Mainmündung –, so wurde nun die gesamte Oberrheinebene, die Wetterau sowie das Neckargebiet mit Truppen besetzt und durch Straßen erschlossen. Kurzzeitig war der Militärplatz bei Wallerstädten wieder besetzt, und zwar sowohl das „große Lager“ als auch der kleinere Stützpunkt. Noch in der Regierungszeit Vespasians wurde der Platz jedoch aus unbekannten Gründen aufgegeben. Stattdessen errichtete man 3 km östlich, nicht weit vom heutigen Groß-Gerau, auf einer vom Altneckar umschlossenen Fläche ein Auxiliarkastell. Die Ansiedlung entwickelte sich schnell zu einem veritablen Dorf und bildete bis in die Mitte des 3. Jahrhunderts das Zentrum der römischen Herrschaft im nördlichen Ried.18 Im Kastell Groß-Gerau „Auf Esch“ haben etwa 40 Jahre lang (mit Unterbrechungen?) Hilfstruppeneinheiten gelegen, wohl Kohorten oder teilweise berittene Kohorten. Ihre Namen oder ihre Herkunft sind unbekannt; Indizien deuten darauf hin, dass die erste Truppe vor Ort vielleicht aus der Provinz Belgica oder dem Niederrheingebiet kam. Das Kastell ist mehrfach umgebaut worden, zwei Holz-Erde-Phasen folgte eine in Stein errichtete Anlage. Nur von dieser kennen wir die Fläche, etwa 1,9 ha. Über die Innenbebauung ist praktisch nichts bekannt. Das umgebende Lagerdorf (vicus) erlebte zur Zeit der militärischen Besetzung des Kastells seine Blütezeit. Insgesamt dürfte die Siedlung über 1000 Bewohner gehabt haben, darunter Angehörige der Soldaten, Handwerker und

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Abb. 13 Der Landgraben bei Wallerstädten: mutmaßliches Relikt eines römischen Kanals zwischen Groß-Gerau „Auf Esch“ und dem Rhein.

Händler. Im Hessischen Ried gab es neben Groß-Gerau nur noch in Gernsheim eine vergleichbar große Siedlung. Nicht nur in Groß-Gerau wurde in flavischer Zeit Militär stationiert. Weitere Stützpunkte wurden gegründet in Gernsheim und Gernsheim-Allmendfeld, vielleicht auch an der Bergstraße (Darmstadt-Eberstadt), neu besetzt wurden die Lager bei Trebur-Geinsheim. Möglicherweise war auch der kleine Stützpunkt am „Weisenauer Brückenkopf“ wieder besetzt. Diese Stützpunkte waren untereinander durch Straßen verbunden. Die wichtigste Trasse verband Mainz über Mainz-Kastel – Groß-Gerau – Gernsheim – Ladenburg – Heidelberg mit dem süddeutschen Raum beziehungsweise der Provinz Raetien. Diese Straße, im Ried als „Steinerne Straße“ noch in Teilen unter Feldwegen erhalten, besonders gut zwischen Gernsheim und Ladenburg, war von flavischer Zeit bis ins 3. Jahrhundert die wichtigste römische Verkehrsachse im Rechtsrheinischen, bedeutender noch als die alte Nord-Süd-Verbindung der „Bergstraße“.

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Wohl ebenfalls in den Kontext der militärischen Logistik flavischer Zeit gehört der Bau eines Kanals zwischen dem Kastell „Auf Esch“ und dem Rhein (heute Unterlauf des Landgrabens), der das Wasser des Altneckars „anzapfte“ und so die reibungslose Versorgung des Kastells mit auf Booten transportierten Gütern sicherstellte (Abb. 13). Sämtliche unter den Flaviern gegründete Militärstützpunkte scheinen, nach den Funden zu urteilen, bis in die Regierungszeit Traians (98–117) bestanden zu haben. Als unter diesem Kaiser der Obergermanische Limes fertiggestellt wurde, zog das Militär an diese neue Grenzlinie nach Osten und gab die alten Quartiere auf. Wenn auch von nun an das Ried eine „entmilitarisierte Zone“ war, blieb doch der Einfluss des Heeres spürbar, da im nahen Mainz weiterhin die 22. Legion samt Hilfstruppen stationiert blieb. Davon kündet etwa ein bei Bischofsheim gefundener Weihestein, den ein gewisser Aelius Demetrius, centurio (Hauptmann) bei der 22. Legion, den Wegegottheiten setzte.

Phase 3: Das Ried im Schatten des Limes (traianische Zeit bis Mitte 3. Jahrhundert) Nach Abzug des Militärs lag das Hessische Ried im Hinterland des Limes, der für die folgenden 150 Jahre die Grenze zu den germanischen Gebieten darstellte. Wohl noch unter Traian wurde die bereits unter Domitian eingerichtete Provinz Obergermanien (Germania superior) in Bezirke beschränkter Selbstverwaltung eingeteilt (civitates). Im Rhein-Main-Gebiet kennen wir vier dieser Bezirke, es handelt sich um die civitates Mattiacorum (Hauptort Wiesbaden), Taunensium (Frankfurt-Heddernheim), Auderiensium (Dieburg) und Sueborum Nicrensium (Ladenburg).19 Das Hessische Ried liegt genau zwischen den capita civitatium, was die aufgrund des Mangels an Inschriften ohnehin schwierige Frage der administrativen Zugehörigkeit weiter erschwert. Wahrscheinlich gehörte der nördliche Teil zur mattiakischen Gemeinde, der Südzipfel zu derjenigen von Ladenburg. Neben den beiden „Römerdörfern“ beim heutigen Groß-Gerau und in Gernsheim – die nach Abzug des Militärs zwar an Einwohnern verloren, trotzdem aber ihren Charakter als geschlossene Siedlung behielten – wurde die Landschaft durch eine Vielzahl von Einzelsiedlungen (villae rusticae) geprägt. In der Regel handelte es sich dabei um Bauernhöfe, die aus einem Haupthaus und Nebengebäuden bestanden und oft von einer Mauer umgeben waren. Die

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Bewohner dieser Höfe betrieben Landwirtschaft und Viehzucht und leisteten so einen wichtigen Beitrag zur Versorgung der größeren Siedlungen und der Militärlager in Mainz und am Limes. Wie schon oben bemerkt, lagen die meisten dieser Siedlungen an Stellen, wo man Zugriff auf möglichst viele Ressourcen hatte. Die deutlichsten Konzentrationen solcher Gutshöfe finden sich im Ried am gewundenen Lauf des Altneckars sowie an der Bergstraße. Auf den abseits davon gelegenen Arealen mit lehmigen Böden – vor allem in dem Geländestreifen zwischen Altneckar und Rheinaue – dürfen wir uns die Ackerfluren vorstellen. Die Viehweiden lagen vermutlich innerhalb der Rheinauen. Über das Aussehen der Gutshöfe im Ried sind wir leider nur unzureichend unterrichtet. Selbst die Luftbildarchäologie, der in anderen Regionen wie der Wetterau zahlreiche Informationen insbesondere zu den Grundrissen der Gutshöfe verdankt werden, hat im Ried bisher kaum Ergebnisse gebracht. Dies ist ein Hinweis auf die schlechte Erhaltung der Bausubstanz und wohl mit den spezifischen Bodenbedingungen (Steinarmut) im Ried zu erklären, die das Ausbeuten von aufgehendem Mauerwerk und den Steinfundamenten in der nachrömischen Zeit begünstigten. So kennen wir derzeit im Ried nur bei Gernsheim und bei Zwingenberg-Rodau Grundrisse von Gutshof-Hauptgebäuden. An beiden Stellen haben Grabungen noch nicht oder nur in sehr geringem Umfang stattgefunden, so dass wir – wenn wir uns ein Bild von ihrem ursprünglichen Aussehen machen wollen – besser bekannte Beispiele in der Umgebung heranziehen müssen. Zu nennen wären hier etwa die Gutshöfe von Höchst-Hummetroth (Odenwaldkreis) oder Hirschberg-Großsachsen (RheinNeckar-Kreis). Als weiteren im Ried verbreiteten Bautyp kennen wir Einzelgebäude (sogenannte Kleinvillen). An den Fundplätzen Raunheim und Kelsterbach konnten diese nur aus einem einzigen, rechteckigen Steingebäude bestehenden, allenfalls noch mit Brunnen oder Schuppen versehenen Siedlungen nachgewiesen werden. Ihre Ansprache als „Kleinform“ der villa rustica bleibt aber unsicher. So konnte etwa im Innern des Kelsterbacher Gebäudes ein steinerner Brunnen nachgewiesen werden, der möglicherweise kultischen Zwecken diente (Abb. 14). Relativ häufig dokumentiert sind Gräberfelder oder einzelne Brandgräber aus der uns hier interessierenden „zivilen“ Periode. Oft kennen wir die zugehörige Siedlung nicht, wie zum Beispiel bei dem Brandgräberfeld an der „Burggrafenlache“ im Stadtbereich von Rüsselsheim. Möglicherweise existierten auch Gräber, die „allein auf weiter Flur“ angelegt wurden, was in einigen Fällen das Fehlen von Siedlungsspuren erklären könnte. Leider sind uns

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Abb. 14 Die „Kleinvilla“ bei Kelsterbach mit innen liegendem Brunnen während der Ausgrabung 2004.

nur ganz wenige Bestattete mit Namen bekannt, da längst nicht jedes Grab mit einer steinernen Grabstele versehen war und viele Steine später der Verschleppung oder Wiederverwendung anheimfielen. Von dem größten Gräberfeld der Region, beim vicus „Auf Esch“, ist uns beispielsweise von vielen hundert Bestattungen kein einziger Grabstein überliefert. Aus der Umgebung stammen dagegen vereinzelte Stücke: Zu erwähnen sind der Grabstein der Verecundinia Voba aus Goddelau, der Sarkophag der Quartionia Florentina aus Dornheim (verschollen) und der Gedenkstein des von Straßenräubern ermordeten Kampaniers Perigenes aus der Nähe des Gehaborner Hofes. Über ländliche Heiligtümer im Ried ist wenig bekannt. Grabungen im „Römerdorf“ von Groß-Gerau „Auf Esch“ haben einen Tempel des persischen Gottes Mithras aufgedeckt, dessen mystischer Kult sich bei Soldaten im 3. Jahrhundert großer Beliebtheit erfreute. Aus diesem Mithräum stammt auch eine Weihung an Mercurius Quillenius, eine ansonsten unbekannte „Abart“ des römischen Götterboten und Gottes des Handels und der Handwerker. Ein regionales Merkur-Heiligtum muss dadurch allerdings nicht angenommen werden. Dies gilt

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auch für weitere Götterweihungen, die sich im Ried fanden, etwa für Virodacthis (Trebur, sicher dorthin verschleppt), Mars Loucetius (Wallerstädten), Mars Cenabetius (Rüsselsheim), Hercules (Lorsch) sowie die Wegegottheiten Biviae, Triviae und Quadriviae (Bischofsheim, Groß-Gerau, Lorsch).20 Vereinzelte Beobachtungen deuten darauf hin, dass es auch an den zahlreichen Altwassern und Mooren des Rieds zu kultischen Handlungen kam. So könnten einige der bei der Ausgrabung der sogenannten Goddelauer Sumpfbrücke geborgenen Funde intentionell im Wasser des Altneckars deponiert worden sein. Ebenfalls vorstellbar ist eine absichtliche Deponierung bei Flussfunden aus dem Rhein, die sich vor allem vor dem nordwestlichsten Zipfel des Rieds, im  Bereich zwischen der Bleiaue und Mainz-Weisenau, beim Ausbaggern des Stromes am Ende des 19. Jahrhunderts fanden, aber auch im Bereich des Kühkopf-Altrheins bei Erfelden. Im Allgemeinen dürfte die mittlere Kaiserzeit im Ried eine weitgehend ruhige, friedliche Epoche gewesen sein. Inwieweit dies auch noch im 3. Jahrhundert galt, als die Situation an der Grenze zunehmend unruhiger wurde, ist nicht bekannt. In der am besten erforschten Siedlung, dem vicus Groß-Gerau „Auf Esch“, gibt es jedenfalls keine Hinweise auf Zerstörungen etwa durch Brände, wie sie bei den Limeskastellen mitunter beobachtet wurden. Vorstellbar ist, dass die Nähe zum Legionslager Mainz die Region in der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts (noch) vor Raub- und Plünderungszügen der Germanen verschont hat. In den Jahren um 260 / 270 ist aber auch im Ried die römische Provinzverwaltung unter dem Einfluss von bürgerkriegsartigen Wirren (Abspaltung des sogenannten Gallischen Sonderreichs) und Einfällen der Alamannen zum Erliegen gekommen. Gleiches galt für den gesamten rechtsrheinischen Teil der Provinz Obergermanien.

Phase 4: Das Ried als römisches Interessensgebiet im Vorfeld der Provinz Germania prima (spätes 3. Jahrhundert bis Mitte 5. Jahrhundert) Die der Aufgabe der rechtsrheinischen Provinzbereiche folgende „spätrömische“ Periode an der Rheingrenze ist mit fast 200 Jahren die längste unserer Phasen. In den frühen Jahrzehnten dieser Zeitphase ähnelt die Situation im Ried wieder der Lage vor Beginn der römischen militärischen Okkupation, also einer Zeit des indirekten, aus dem linksrheinischen Gebiet ausstrahlenden

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römischen Einflusses, schließlich – seit tetrarchischer Zeit – der Phase der Existenz eines frührömischen Brückenkopfes, als es peu à peu zu einer militärischen Besetzung von Teilen des Rieds kam. Nach dem allmählichen Abklingen der ersten Wellen alamannischer und fränkischer Einfälle kam es seit den 280er Jahren zu einer Konsolidierung der wieder auf Rhein und Donau „zurückgenommenen“ Grenzen. Auf dem linken Ufer des Rheins entstanden seit dieser Zeit nun neuartige Kastelle, die sich als wirkliche Festungen deutlich von früh- bis mittelkaiserzeitlichen Militärlagern abhoben. Auch wurden einige stadtartige Ansiedlungen, etwa das römische Mainz – nun Hauptstadt der aus Obergermanien hervorgegangenen Provinz Germania I – im Verlauf des 4. Jahrhunderts ummauert. Der römische Einfluss auf das jenseits des Rheins gelegene Ried endete mit der administrativen „Aufgabe“ dieser Gebiete jedoch nicht, sondern blieb während des gesamten 4. Jahrhunderts bestehen. Ablesen lässt er sich an römischen Gebrauchsgütern, wie etwa Keramik oder Münzen, die weiterhin ihren Weg ins Ried fanden. Allerdings geben die Funde keine Auskunft über die Menschen, die sie benutzten. Handelte es sich um Alamannen, die sich schnell an römische Waren und Geldwirtschaft gewöhnt hatten, oder waren es romanisierte Provinzbewohner, die im rechtsrheinischen Gebiet verblieben beziehungsweise nach den unruhigen Zeiten wieder dorthin zurückkehrten? Bald nach Aufgabe der trans Rhenum gelegenen Gebiete muss es wieder einen militärisch besetzten römischen Brückenkopf auf der rechten Rheinseite gegeben haben. Das geht aus dem berühmten Lyoner Bleimedaillon hervor, das von den meisten Forschern in die Zeit der Tetrarchie datiert wird. Dargestellt ist die ummauerte Stadt Mogontiacum und der mit dieser durch eine steinerne Brücke verbundene Ort Castellum. Eine unmittelbare römische Militärpräsenz im Ried – wie sie in vorflavischer Zeit etwa durch die Stützpunkte von Trebur-Geinsheim und Groß-Gerau/ Wallerstädten nachgewiesen wurde – lässt sich für die ersten beiden Drittel des 4. Jahrhunderts nicht belegen. Lediglich bei dem wichtigen spätrömischen Fundplatz „Tannböhl“ nördlich von Trebur könnte es sich um eine Militärstation gehandelt haben. Hier fanden sich große Mengen spätrömischer Keramikfragmente, Münzen sowie Bestandteile der militärischen Ausrüstung. Die Funde belegen eine Besiedlung des Platzes während des gesamten 4. Jahrhunderts. Allerdings fehlen bis heute Reste baulicher Strukturen, etwa opus caementicium oder Ziegel, die bei einem regelrechten Kastell wohl zu erwarten wären. Möglicherweise handelte es sich also „nur“ um den Hof einer in römischen Militärdienst stehenden Person, wohl eines Germanen.

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Auch an anderen Siedlungsplätzen im Ried finden sich zu dieser Zeit römische „Importgüter“, allerdings nicht in der Menge wie am „Tannböhl“. Die größte Siedlung bestand nahe dem aufgegebenen Dorf bei Groß-Gerau „Auf Esch“. Hier ließen sich aus dem Barbaricum stammende Germanen um 300 nieder. Diese Neusiedler lassen sich an ihrer frei geformten, ohne Benutzung einer Töpferscheibe hergestellten Keramik gut identifizieren. Ihre Häuser waren in der Regel in Holzbauweise errichtet; einige Germanen verstanden es aber auch, nach römischer Art zu bauen. Davon berichtet der Schriftsteller Ammianus Marcellinus anlässlich eines Feldzugs Julians ins Untermaingebiet in den 350er Jahren. Nach den Quellen zu urteilen, dürfte es sich bei diesen seit dem späten 3. Jahrhundert zugewanderten Germanen um Alamannen handeln, vielleicht auch um einen „Teilstamm“, die Bucinobanten. Als Alamanni bezeichneten die römischen historischen Quellen die aus dem elbgermanischen Raum stammende Bevölkerung, die die rechtsrheinischen Gebiete der Provinz Obergermanien nach der Aufgabe des Limes in Besitz genommen hatte. Das politische Verhältnis zwischen Römern und Alamannen war seit der Zeit der Tetrarchie einigermaßen stabil. Zu einem Wandel kam es erst in der Jahrhundertmitte, als sich in Gallien der Usurpator Magnentius gegen den Kaiser Constantius II. (337–361) erhob. Die durch den Abzug von Truppen für den Feldzug gegen Constantius geschwächte Rheingrenze bot den Alamannen eine willkommene Gelegenheit für Plünderungszüge ins Innere Galliens. Ammianus berichtet, dass in diesen Jahren die römische Verwaltung auch im linksrheinischen Grenzgebiet zusammenbrach. Nach der Überwindung der Usurpation gelang es dem von Constantius eingesetzten Caesar Julian, das verlorene Gebiet wieder unter Kontrolle zu bringen. Es folgten Feldzüge ins rechtsrheinische Gebiet, die die römische Macht demonstrieren sollten. Zu tun hatten es die Römer nicht unbedingt mit einem Gegner, etwa den Alamannen, sondern mit Kleinkönigen, die über einen bestimmten Gau herrschten. Nach Ammianus müssen sich im Vorfeld von Mainz die Gaue des Hortar, des Suomar und später des Macrianus befunden haben. Die Situation an der Rheingrenze blieb bis in die 370er Jahre krisenhaft, geprägt von alamannischen Raubzügen und römischen Vergeltungsmaßnahmen. Zu einer gewissen Konsolidierung der Lage trug sicher das militärische Bauprogramm Kaiser Valentinians I. (364–375) an der Rhein- und Donaugrenze bei. Ausgebaut und verstärkt wurden die linksrheinischen Kastelle; am rechten Rheinufer entstanden zahlreiche Brückenkopffestungen, die sogenannten Schiffsländeburgi. Diese kleinen befestigten Häfen erlaubten den schnellen

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Abb. 15 Die geo-elektrische Prospektion (Bodenwiderstandsmessung) der spätrömischen Schiffslände bei Trebur-Astheim zeigt deutlich den rechteckigen Zentralbau (burgus) mit anschließenden Zangenmauern sowie außen den Verlauf des Verteidigungsgrabens.

und sicheren Zugriff römischer Schiffsverbände auf rechtsrheinisches, ehemaliges Provinzgebiet. Im Hessischen Ried kennen wir zwei derartige Anlagen: Schon länger bekannt ist die Schiffslände „Zullestein“ (Gemarkung BiblisNordheim) unweit der heutigen Mündung der Weschnitz in den Rhein. Ein fast baugleicher „Zwilling“ des Zullesteins konnte durch ehrenamtliche Tätigkeit bei Trebur-Astheim festgestellt werden und wurde 2003 durch das Institut für

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Archäologische Wissenschaften, Abt. II, der Frankfurter Goethe-Universität ausgegraben (Abb. 15). Die Astheimer Schiffslände liegt heute am unteren Schwarzbach (= Altneckar), etwa 2 km oberhalb seiner Mündung in den Altrhein bei Ginsheim. Bodenkundliche Erwägungen lassen es als möglich erscheinen, dass der betreffende Abschnitt des Altneckars vor 1600 Jahren noch ein etwa dem heutigen Ginsheimer Altrhein vergleichbarer Paläomäander des Rheins war, der Altneckar also wenig oberhalb des burgus mündete. Die Anlagen dürften sicher einige Jahrzehnte besetzt gewesen sein und haben das schleichende Ende der römischen Herrschaft am Rhein miterlebt. Nach 378 – dem Enddatum des Geschichtswerkes von Ammianus Marcellinus – sind wir leider nur sehr schlecht über das weitere Geschehen am Rhein informiert. Das nächste bedeutende Datum stellt der nicht genau zu lokalisierende Rheinübergang zahlreicher barbarischer Völkerschaften 406 / 407 dar. Dieses Ereignis – sowie in Zusammenhang damit der Abzug größerer römischer Truppenkontingente durch den Heermeister Stilicho einige Jahre zuvor – ist traditionell mit dem Ende der römischen Epoche am Mittelrhein gleichgesetzt worden. Wir wissen heute jedoch, dass die Grenzverteidigung keinesfalls ganz zusammenbrach beziehungsweise nur punktuell aufgebrochen wurde. Jedenfalls kann in einigen Kastellen des Hinterlandes, etwa Alzey, von einem endgültigen Ende der römischen Verwaltung erst in der Zeit um 450 gesprochen werden. Welches Interesse besaßen die Römer am Hessischen Ried nach dem „Rückzug“ auf das linke Rheinufer seit dem Ende des 3. Jahrhunderts? Immer wieder wird darauf hingewiesen, dass Rom offiziell auf dem Herrschaftsanspruch über rechtsrheinische ehemalige Provinzgebiete beharrte. Wenn dies auch sicher zutrifft, so erscheint es doch wenig „handfest“. Schwerwiegender dürften bestimmte wirtschaft liche Interessen gewesen sein. So ist beispielsweise die Nutzung von Teilen der Riedlandschaft als Weidegebiet für Nutztiere – ähnlich den vermuteten prata legionis der frühen Kaiserzeit – nicht ausgeschlossen. Von größerer Bedeutung war jedoch der Abbau von Felsgesteinen im Vorderen Odenwald, insbesondere von Granit am Felsberg. Wann hier der Anfang der römischen Steinindustrie liegt und wie lange sie bestand, ist unklar. Sicheres Zeugnis besitzen wir erst für das 4. Jahrhundert, als Bausteine für imperiale Großbauten in Trier am Felsberg gewonnen wurden. Am bekanntesten sind massive Säulen, die im unter Konstantin begonnenen Vorgängerbau des Trierer Doms verbaut waren. Die Datierung der die Säulen betreffenden Baumaßnahme ist allerdings unklar. Ging man früher von einer Verbauung der Säulen unter Konstantin aus, so erscheint heute ein Datum unter Valentinian I. oder Gratian am wahrscheinlichsten. Für das Ried

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ist diese Diskussion insofern nicht unbedeutend, als die Betriebszeit der Steinindustrie am Felsenmeer und damit auch der Fortbestand römischen Interesses an der Region nur über die Datierung der Baumaßnahmen in Trier eingegrenzt werden kann. Über die Art und Weise des Abtransportes der Säulen haben sich schon zahlreiche Wissenschaft ler Gedanken gemacht. Besteht über den Weg vom Abbauplatz bis in die Rheinebene noch keine endgültige Klarheit, so geht man davon aus, dass im Ried der Transport über Abschnitte des Altneckars sowie über teilweise kanalisierte Wasserläufe bis zum Rhein erfolgen konnte. Infrage kämen die untere Weschnitz, der Winkelbach oder auch der untere Landgraben, von dem wir wissen, dass er bereits seit flavischer Zeit als Kanal existierte. Aufgrund der Nähe zum Abbauort sprechen sich die meisten Wissenschaft ler für die Weschnitz aus. Dass der schon erwähnte Schiffsländeburgus „Zullestein“ nahe ihrer Mündung in den Rhein mit der Weschnitzkanalisierung oder gar mit dem Abtransport der Granitsteine in Zusammenhang zu bringen ist, ist nur eine Vermutung.

Übergang Römerzeit – Frühmittelalter Hatten in der mittleren Kaiserzeit vor allem Römer oder romanisierte Gallier (Gallo-Romanen) das Ried bevölkert, so kam es seit dem späten 3. Jahrhundert zu einer verstärkten Einwanderung von Alamannen, also einer aus Mitteldeutschland oder Mainfranken stammenden elbgermanischen Mischbevölkerung. Im Verlauf des 4. Jahrhunderts traten immer mehr Germanen in den römischen Militärdienst, so dass bald ein Großteil der regulären Truppen aus mehr oder weniger romanisierten Germanen bestanden haben dürfte. Unter diesen Umständen ist es nicht verwunderlich, dass sich die Bevölkerung links und rechts des Rheins in der spätrömischen Zeit „kulturell“ kaum mehr unterschied. Allenfalls wirkliche Neuankömmlinge aus dem Innern Germaniens werden sich zunächst eher im rechtsrheinischen Gebiet niedergelassen haben, ehe sie versuchten, Kontakte mit dem „römischen Ufer“ zu knüpfen. Archäologische Funde verraten uns, dass am Ende der Römerzeit ein buntes Völkergemisch im Ried wie im umgebenden Rhein-Main-Gebiet gelebt haben muss. Dürften sich die meisten Menschen als Alamanni oder zumindest Angehörige eines alamannischen Gaues betrachtet haben, so finden wir auch „ostgermanische“ Elemente, etwa in einem Frauengrab aus Trebur. Seit der Zeit

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um 500 – als die Franken allmählich die Oberhand über die Alamannen gewannen – nahm auch der fränkische Einfluss im Rhein-Main-Gebiet zu. Das Ried gehörte fortan zum Reich der Merowinger und entwickelte sich später zu einer Kernlandschaft des ostfränkischen, schließlich des Deutschen Reiches.

Literatur K. Gebhard, Die vorgeschichtliche Besiedlung des Kreises Groß-Gerau. Materialien zur Vor- und Frühgeschichte von Hessen 25, Wiesbaden 2007 H. Göldner, Schaurig ist’s, übers Moor zu gehen. Untersuchungen an einem römischen Lager zwischen Allmendfeld (Landkreis Groß-Gerau) und Bickenbach (Landkreis Darmstadt-Dieburg) im Hessischen Ried. HessenArchäologie 2001, Stuttgart 2002, 82–85 N. Hanel, Ein römischer Kanal zwischen dem Rhein und Groß-Gerau? Archäologisches Korrespondenzblatt 25, 1995, 107–116 A. Heising, „Sensationsfund im Kartoffelacker“. Spätrömische Kleinfestung und frühmittelalterliche Gräber bei Trebur-Astheim. Hessen-Archäologie 2003, Stuttgart 2004, 119–123 A. Heising, Hirschkult in Kelsterbach. Das römische Gebäude „Auf der Steinmauer“ und die Interpretation möglicher Kultpraktiken in der Provinz Germania superior. Heimatkundliche Beiträge zur Geschichte von Kelsterbach 18, Kelsterbach 2008 M. Helfert, Groß-Gerau II. Die römischen Töpfereien von Groß-Gerau, „Auf Esch“: Archäologische und archäometrische Untersuchungen zur Keramikproduktion im Kastellvicus. Frankfurter Archäologische Schriften 11, Bonn 2010 F.-R. Herrmann, Der Zullenstein an der Weschnitzmündung. Führungsblatt zu dem spätrömischen Burgus, dem karolingischen Königshof und der Veste Stein bei Biblis-Nordheim, Kreis Bergstraße. Archäologische Denkmäler in Hessen 82, Wiesbaden 1989 Hessisches Landesamt für Bodenforschung (Hrsg.), Bodenkarte der Nördlichen Oberrheinebene 1 : 50 000. Bearbeiter: E. Weidner, Wiesbaden 1990 H.-M. v. Kaenel / M. Helfert / Th. Maurer, Das nördliche Hessische Ried in römischer Zeit. Vorbericht über ein landschaftsarchäologisches Projekt. Berichte der Kommission für Archäologische Landesforschung in Hessen 6, 2000 / 2001, 153–166 M. J. Klein (Hrsg.), Die Römer und ihr Erbe. Fortschritt durch Innovation und Integration. Ausstellungskatalog, Mainz 2003 G. Lenz-Bernhard / H. Bernhard, Das Oberrheingebiet zwischen Caesars Gallischem Krieg und der flavischen Okkupation (58 v.–73 n. Chr.). Eine siedlungsgeschichtliche Studie. Mitteilungen des Historischen Vereins der Pfalz 89, Speyer 1991

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M. Mattern, Römische Steindenkmäler aus Hessen südlich des Mains sowie vom bayerischen Teil des Mainlimes. Corpus Signorum Imperii Romani, Bd. Deutschland II 13, Mainz 2005 Th. Maurer, Neue Erkenntnisse zur frührömischen Militärpräsenz in der hessischen Rheinebene. In: A. Morillo / N. Hanel / E. Martín (Hrsg.), Limes XX. XX Congreso Internacional de Estudios sobre la Frontera Romana. León (España), Septiembre, 2006. Anejos de Gladius 13, 3, Madrid 2009, 1317–1328 Th. Maurer, Das nördliche Hessische Ried in römischer Zeit. Untersuchungen zur Landschafts- und Siedlungsgeschichte im Vorfeld von Mainz vom 1.–5. Jahrhundert n. Chr. Frankfurter Archäologische Schriften 14, Bonn 2011 J. Oldenstein, Kastell Alzey. Archäologische Untersuchungen im spätrömischen Lager und Studien zur Grenzverteidigung im Mainzer Dukat. Habilitationsschrift Universität Mainz 1992 (online-Publikation Mainz 2009) E. Schallmayer, Germanen in der Spätantike im Hessischen Ried mit Blick auf die Überlieferung bei Ammianus Marcellinus. Saalburg-Jahrbuch 49, 1998, 139–154 K. Schumacher, Die römischen Heerstraßen zwischen Main und Neckar. In: Der Obergermanisch-Raetische Limes des Roemerreiches, Abt. A, Strecke 6–9, Berlin / Leipzig 1933, 70–102 mit Kartenbeilage Chr. Singer, Pollenanalytische Untersuchungen im nördlichen Hessischen Ried. Die Vegetation und Landschaft von der Eisenzeit bis zum Frühmittelalter. Diss. Universität Frankfurt / M. 2006, Saarbrücken 2007 K. Stribrny, Römer rechts des Rheins nach 260 n. Chr. Kartierung, Strukturanalyse und Synopse spätrömischer Münzreihen zwischen Koblenz und Regensburg. Berichte der Römisch-Germanischen Kommission 70, 1989, 351–505 und Beilage 9 P. Wagner, Die Holzbrücken bei Riedstadt-Goddelau, Kreis Groß-Gerau. Materialien zur Vor- und Frühgeschichte von Hessen 5, Wiesbaden 1990 C. Wenzel, Groß-Gerau I. Der römische Vicus von Groß-Gerau „Auf Esch“: Die Baubefunde des Kastellvicus und der Siedlung des 2.–3. Jahrhunderts. Mit naturwissenschaft lichen Beiträgen von Sabine Deschler-Erb, Heide Hüster Plogmann, Sabine Klein, Angela Kreuz und Hans-Peter Stika. Frankfurter Archäologische Schriften 9, Bonn 2009

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Gallier, Germanen, Römer: Neue Erkenntnisse zu Bevölkerung und Alltag in der Siedlung von Groß-Gerau, Flur „Auf Esch“, vom 1. bis 4. Jahrhundert n. Chr. Carsten Wenzel Gallier, Germanen, Römer

„In Groß-Gerau leben Menschen unterschiedlichster Herkunft mit und ohne deutschen Pass. Diese kulturelle Vielfalt ist eine Bereicherung und Herausforderung für unsere Stadt.“ Diese Sätze auf der Homepage der Stadt Groß-Gerau (Stand: 04 / 2011) umschreiben die Verhältnisse in einer Kreisstadt des Rhein-Main-Gebietes zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Vor rund 2000 Jahren hätte der Text ähnlich lauten können, war doch Groß-Gerau zu dieser Zeit ein bedeutendes Zentrum im römisch besetzten Südhessen. Nicht alle der dort lebenden Menschen waren „Römer“ im engeren Sinn; nur wenige von ihnen kamen vermutlich aus Italien oder gar der Hauptstadt des antiken Weltreiches und ebenso wenige besaßen wohl das römische Bürgerrecht. Aber woher kamen die Menschen, die vom 1. bis zum 4. Jahrhundert n. Chr. das Areal im Süden der heutigen Kreisstadt besiedelten? Wie lebten sie dort? Gab es eine Art „Ur-Bevölkerung“? Oder wanderten die Menschen schon damals aus anderen Regionen des Römischen Reiches zu? Die Ergebnisse der archäologischen und naturwissenschaft lichen Untersuchungen der letzten rund 20 Jahre vermögen in der Zusammenschau detaillierte Einblicke in die Verhältnisse „Auf Esch“ zu dieser Zeit zu geben.

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Ein fundreicher Platz Groß-Gerau, rund 20 km südöstlich von Mainz gelegen, ist das moderne Zentrum des durch Altläufe von Rhein und Urneckar geprägten Hessischen Rieds. Zwei Kilometer südlich des heutigen Stadtkerns liegt auf einer hochwasserfreien Flugsandterrasse das Dünengelände „Auf Esch“, das im Süden, Westen und Osten vom alten Neckarbett umschlossen wird. Durch den Zufluss einiger Odenwaldbäche sowie die jährlichen Hochwässer von Rhein und Neckar führt dieses alte Bett über große Strecken weiterhin Wasser. Dies ermöglichte bis in die frühe Neuzeit hinein zumindest abschnittsweise seine Nutzung als Transportweg zum nahen Rhein. Diese günstigen naturräumlichen Bedingungen zogen bereits in der Jungsteinzeit (Neolithikum) die ersten Siedler an. In der Folge wurde das Areal immer wieder von Menschen aufgesucht, finden sich dort aus nahezu allen vorgeschichtlichen Epochen Siedlungsspuren und Gräber. „Auf Esch“ gilt daher zu Recht als eine der fundreichsten archäologischen Stätten Hessens. Der starke Zuzug von Neubürgern in die Rhein-Main-Region führte in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts zu einer baulichen Erschließung der Flur „Auf Esch“ durch die Stadt Groß-Gerau. Bis heute ist nahezu das gesamte Gebiet von einem neuen Stadtteil überbaut (Abb. 16). Derzeit erinnert wenig an die bedeutenden archäologischen Funde, die dort in den vergangenen rund 140 Jahren gemacht wurden. Das Ortsschild „Groß-Gerau – Am Kastell“ und einige Straßennamen des Neubaugebiets „Esch III“ lassen erahnen, dass an diesem Ort in der römischen Kaiserzeit Menschen siedelten. Kopien der drei aus dem Mithräum geborgenen Steindenkmäler zieren den Marktplatz gegenüber dem Stadtmuseum, in dessen Dauerausstellung allein die Geschichte Groß-Geraus in römischer Zeit ausschnittsweise präsentiert wird. Seit den ersten Grabungen durch Eduard Anthes im Jahr 1898 standen bei der Erforschung des Fundplatzes „Auf Esch“ das römische Kastell und dessen Lagerdorf im Zentrum des wissenschaft lichen Interesses.21 Im Vorfeld der Erschließung des Neubaugebietes „Esch III“ konnten zwischen 1989 und 2010 im Rahmen von Grabungen des Landesamtes für Denkmalpflege Hessen (1989– 1992, 2001), des Saalburgmuseums Bad Homburg (1997) sowie der Abteilung II des Instituts für Archäologische Wissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt / Main (1998–2000, 2008, 2010) rund 1,30 ha der auf 15 ha geschätzten Siedlungsfläche römischer Zeit im Südwesten des Kastells untersucht werden.

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Abb. 16 Die Flur „Auf Esch“ im Sommer 2010. Das Kastell liegt unweit des rechten Bildrandes. Die noch unbebaute Fläche (im Bild vorne rechts) markiert in etwa das Zentrum der römischen Siedlung. Nach Westen (links) schließen sich das römische Gräberfeld und das Areal der spätantiken Siedlung an.

Sie bildet einen der größten zusammenhängenden, mit Methoden moderner Grabungstechnik untersuchten Komplexe innerhalb eines Lagerdorfes in den germanischen Provinzen. Die Auswertung der Ergebnisse dieser Forschungen ist inzwischen weitgehend abgeschlossen und veröffentlicht. Sie ermöglichen im Zusammenspiel mit naturwissenschaft lichen Forschungen eine detaillierte Rekonstruktion der Siedlungsentwicklung sowie der Umwelt und Lebensgrundlagen der Bewohner der Siedlung von Groß-Gerau vom 1. bis in das 4. Jahrhundert n. Chr.

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Kelten und Germanen? „Auf Esch“ vor den Römern (2. / 1. Jahrhundert v. bis um 75 n. Chr.) Die Römer trafen bei ihrer Ankunft im Hessischen Ried nicht auf unberührten Urwald, sondern auf eine seit Jahrtausenden von Menschen geprägte Kulturlandschaft. Aber stießen sie um 75 n. Chr. dort auf eine „einheimische“ Bevölkerung? Fassen wir „Auf Esch“ eine vorrömische Besiedlung und deren Träger mit den Ergebnissen der Archäologie? Unsere Kenntnisse der vorgeschichtlichen Besiedlung der Flur „Auf Esch“ basieren im Wesentlichen auf Lesefunden und wenigen Befunden, die im Zuge der Grabungen auf den Arealen des römischen Vicus und seines Gräberfelds dokumentiert werden konnten. Somit ergibt sich bis heute ein lückenhaftes Bild der Verhältnisse vor Ankunft der römischen Armee. Dies gilt insbesondere für die späte Periode der eisenzeitlichen, keltisch geprägten La-Tène-Kultur. Frühund mittellatènezeitliche Fundstellen im Südosten des Kastells lassen auf eine rege Siedlungstätigkeit in diesen Phasen schließen. Spätlatènezeitliche Funde sind dagegen bis heute selten. Keramik und weitere Objekte dieser Zeitstellung wurden in den letzten Jahrzehnten aus einer Zone südlich des Kastells am Altneckar aufgelesen. Im Zentrum der römischen Siedlung gelang der Nachweis eines noch bis zu 0,30 m mächtigen eisenzeitlichen Ackerhorizonts, in dem sich Spuren von Hakenpflügen abzeichneten. Das Fundmaterial aus dieser vorrömischen Kulturschicht datiert die landwirtschaft lichen Tätigkeiten in die Spätlatènezeit. Eine Nauheimer Fibel gibt einen weiteren Hinweis auf eine Siedlungstätigkeit bis in die Stufe La Tène D 2 (2. Hälfte 1. Jahrhundert v. Chr.). Fraglos wird man die in dieser Zeit „Auf Esch“ siedelnde Bevölkerung als keltisch zu bezeichnen haben. Allerdings stehen die wenigen Befunde und Funde derzeit noch zu isoliert, um verlässliche Aussagen zu Dauer und Umfang der Siedlungstätigkeit am Ort machen zu können. Sicher ist jedoch, dass diese Bevölkerung bei Ankunft der Römer lange schon nicht mehr „Auf Esch“ siedelte. Also keine „Alteingesessenen“ in Groß-Gerau? In dieser Frage kommt der Auswertung der bei den Grabungen im Bereich des römischen Vicus gefundenen handgeformten Keramik eine zentrale Bedeutung zu. Diese steht derzeit noch aus, aber es gibt erste Hinweise darauf, dass sich darunter Ware germanischer Herkunft findet. In der Tat ist die Anwesenheit germanischer Siedler in direkter Nachbarschaft von „Auf Esch“ seit langem bekannt. Während die Lage der Siedlungsplätze dieser Gruppe bis heute nur bedingt zu rekonstruieren ist, wurden die zugehörigen Gräberfelder bereits zu

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Beginn des 20. Jahrhunderts untersucht. Das dabei geborgene Fundmaterial weist sie als Zuwanderer aus dem Elberaum aus. Diese siedelten sich ab dem zweiten Jahrzehnt des 1. Jahrhunderts n. Chr. mit Duldung der römischen Autoritäten im Raum zwischen Rheinmündung und Neckar an. Bekannt sind in Südhessen vor allem die Gräberfelder von Nauheim, „Seichböhl“, und GroßGerau, „Schindkaute“, nur einige hundert Meter von „Auf Esch“ entfernt. Die Bedeutung und Rolle dieser main- beziehungsweise neckarsuebischen Germanen wurde häufig diskutiert. Nicht zuletzt die qualitätvollen römischen Sachgüter aus den Nekropolen lassen auf eine enge Verbindung dieser Gruppe zur Leitung des obergermanischen Heeresbezirks in Mainz schließen. Offenbar spielten sie eine Rolle als Milizen im Dienst Roms, deren Aufgabe die Überwachung und Sicherung des südlichen Vorfelds von Mainz war. Das Schicksal der im Umfeld des Kastells von Groß-Gerau siedelnden Germanen in Folge der römischen Besetzung des Raumes ist bislang nur bedingt geklärt. Sichere Hinweise auf ein Fortbestehen der Nekropolen bis zur Zeit der vepasianischen Okkupation um 75 n. Chr. fehlen. Aufgrund der Langlebigkeit eines Großteils der in den Gräbern vertretenen Fibeltypen und Keramikformen ist sie aber nicht auszuschließen. Für andere Fundplätze am Oberrhein konnte eine Präsenz der germanischen Siedler bis in die flavische Zeit nachgewiesen werden; ein entsprechender Befund für das südliche Hessen würde dieses Bild ergänzen.22 Somit könnten Teile dieser Gruppe zu den ersten Siedlern des Lagerdorfes beim Kastell von Groß-Gerau gehört haben. Im Fundbestand des Kastellvicus sind sie allerdings kaum nachzuweisen. Vermutlich übernahm man schnell die hochwertigen Produkte römischer Werkstätten und passte sich an die veränderten Verhältnisse an. Nach derzeitigem Stand der Kenntnisse kann man allerdings davon ausgehen, dass Germanen bis in das 3. Jahrhundert n. Chr. hinein keine zahlenmäßig bedeutende Gruppe innerhalb der Bevölkerung des römischen Groß-Gerau stellten.

Die Römer kommen – aber woher? (um 75 n. Chr. bis um 260 / 270 n. Chr.) Die bisherigen Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass die große Mehrheit der Bevölkerung des antiken Groß-Gerau im Gefolge der römischen Armee die Region erreichte. Diese besetzte die Flur „Auf Esch“ um 75 n. Chr. und errichtete dort ein Kastell. Dessen Bau stand im Zusammenhang mit der Anlage der Straße Mainz–Heidelberg–Neuenheim, einer wichtigen Nachschub-

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linie der römischen Armee. Als Besatzung des 1,9 ha großen Militärlagers diente eine 500 Mann starke Kohorte der Hilfstruppen. Leider ist bis heute unbekannt, um welche Einheit es sich in Groß-Gerau handelte, wo sie ursprünglich aufgestellt und woher sie nach Südhessen verlegt wurde. Das würde wesentliche Erkenntnisse zur Herkunft der Soldaten und der sie begleitenden Zivilisten erbringen. Dass sich bei Feldzügen Marketender, Händler, ja Frauen und Kinder bei der Truppe aufhalten konnten, berichten antike Autoren wie Appian, Sallust, Caesar oder Tacitus. Diese Zivilisten errichteten selbst bei nur kurzzeitig genutzten militärischen Anlagen feste Unterkünfte vor deren Toren. Möglicherweise übernahmen die Ingenieure des römischen Heeres die Grundvermessung dieser Lagerdörfer. In Groß-Gerau ist kein zeitlicher Abstand zwischen dem Bau des Militärlagers und der Errichtung der ersten Wohngebäude im zugehörigen Lagerdorf feststellbar. Dieser Befund ist typisch für die Entstehungsgeschichte der Kastellvici in den Nordwestprovinzen des Römischen Reiches. Das Lagerdorf entstand sich an mehreren Seiten im Vorfeld des Kastells. Eingehender untersucht ist bislang allein der Bereich vor dessen Südwestfront. Hier entwickelte sich der Kastellvicus vor der porta principalis dextra entlang zweier Trassen der Hauptstraße nach Mainz. Bereits zur Gründungszeit des Lagerdorfs wurde ein Großteil der Siedlungsfläche in dieser Zone bis hin zum Neckaraltlauf im Süden erschlossen. Den Abschluss im Nordwesten bildete das Gräberfeld von Kastell und Siedlung. Für diesen Bereich des Groß-Gerauer Vicus ist somit von einer überbauten Fläche von rund 10 ha auszugehen. Basierend auf der Auswertung der Baubefunde im Zentrum der Siedlung lässt sich auf eine Bebauungsdichte von etwa zehn Häusern pro Hektar schließen. Setzt man fünf bis zehn Bewohner pro Gebäude an, so erhält man für diesen Teil des Vicus eine Einwohnerzahl zwischen 600 und 1200 Personen. Fraglos beinhaltet dieses Rechenmodell eine Reihe von Unsicherheitsfaktoren – insbesondere, da es auf der Annahme einer gleichmäßig dichten Bebauung beruht, nicht zu Wohnzwecken genutzte Flächen innerhalb der Siedlung (Freiflächen, Produktionsstätten von Töpfereien und metallverarbeitenden Betriebe sowie Heiligtümer) hingegen nicht berücksichtigt werden. Ein Blick auf die bei den Ausgrabungen nachgewiesene Bebauung des Lagerdorfes unterstreicht, dass das Areal keineswegs flächig mit Wohnhäusern überbaut war. Eine Einwohnerzahl von höchstens 800 Menschen in diesem Teil der Siedlung erscheint daher als realistische Annahme. Die Wohnhäuser orientierten sich an der nördlichen der beiden Trassen der Hauptstraße. Die Grundrisse und die architektonische Gestaltung der Ge-

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Abb. 17 Das „Lebensbild“ gibt einen Eindruck von Architektur und Umwelt im Zentrum der Siedlung in deren Blütezeit am Beginn des 2. Jahrhunderts n. Chr. Grundlage für die Rekonstruktion sind neben der Auswertung der Grabungsbefunde die Ergebnisse der naturwissenschaftlichen Untersuchungen.

bäude entsprechen den Konstruktionsmerkmalen der für Kastellvici typischen Streifenhäuser. Die ein- oder zweigeschossigen, giebelständigen Fachwerkbauten standen auf 6,50 bis 8,0 m breiten Parzellen. Zur Straßenseite war ihnen eine rund 2,0 m breite Portikus, ein überdachter Laubengang, vorgelagert. Somit entstand eine zur Straße hin ausgerichtete geschlossene Häuserfront. Im Inneren gliederten Zwischenwände die bis zu 45 m langen Gebäude in einzelne Räume, deren Funktionen in der Regel nicht erschlossen werden können. Die an der Straße liegenden Teile der Häuser waren unterkellert. Von dieser Seite her waren sie über offene beziehungsweise leicht zu verschließende Gebäudeteile zugänglich. Bei vielen Häusern des Kastellvicus fanden sich in dieser Zone bevorzugt Speiseabfälle, was auf eine Nutzung als Wohn- oder Gastraum schließen lässt. Anschließend an diese sicher teilweise kommerziell genutzten Trakte folgten die Wohnräume und darauf im rückwärtigen Teil in einigen

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Fällen die Werkstätten wie Gerbereien. Die Brunnen lagen zur Zeit des Kastellvicus regelhaft innerhalb der Gebäude. Latrinen und holzverschalte Kastengruben für die Vorratshaltung fanden sich vor allem in den rückwärtigen Hausbereichen sowie auf den unüberbauten Freiflächen der Grundstücke. Hier konnten zudem in einigen Fällen Holzbauten festgestellt werden, die man als Schuppen oder Ställe für Geflügel- und Kleintierhaltung nutzte. Daneben gab es dort offenbar Gärten, in denen Gemüse und Obst für den häuslichen Bedarf angebaut wurde (Abb. 17). Vorrömische Traditionen spielten bei der Gestaltung der Wohnhäuser keine Rolle. Insbesondere in der Vorblendung einer Portikus und der weitgehenden Öffnung zur Straße, dem öffentlichen Raum, stehen die Häuser in der Tradition mediterraner Architektur. Ein wie auch immer geartetes „einheimisches Substrat“ ist daraus nicht abzuleiten. Das Vorhandensein der Keller im Vorderteil der Häuser könnte jedoch ein Hinweis auf eine bestimmte Bautradition sein. Keller finden sich bevorzugt im nördlichen Obergermanien, einem Bereich, der auch in manch anderer Hinsicht kulturelle Unterschiede zum Süden der Provinz und dem angrenzenden Raetien aufweist. Es ist nicht auszuschließen, dass dieses architektonische Detail als ein Indiz für die Herkunft zumindest eines Teils der Einwohner des antiken Groß-Gerau aus der Gallia Belgica zu werten ist.23 Also Zuwanderung aus den gallischen Provinzen im Westen? Um das eingehender zu untersuchen, lohnt sich ein Blick auf die Lebensverhältnisse der Menschen „Auf Esch“ in römischer Zeit.

Ökonomie und Ökologie im antiken Groß-Gerau Bestimmend für die Verhältnisse in der Frühzeit der Siedlung war die enge Verbindung zwischen den Vicusbewohnern und dem Militär: Die Ökonomie des Kastellvicus orientierte sich an den Bedürfnissen der Armee. Der gute Anschluss an überregionale Handelsrouten durch die Straßenverbindungen und über das schiffbare alte Neckarbett zum Rhein förderte die Entwicklung GroßGeraus zu einem regionalen Zentrum für Handel und Güterproduktion. Die Handelsverbindungen sowie der Umfang des Gütertransports erschließen sich über das Fundmaterial der Siedlung. Bemerkenswert ist dabei für die Militärzeit die große Anzahl der in Zweitnutzung in Brunnen verbauten Fässer. Sie belegt, dass bis zum Abzug des Militärs Handelsgüter in großen Mengen nach Groß-Gerau flossen. Der ursprüngliche Inhalt der Fässer ist nicht bekannt.

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Neben Flüssigkeiten kommen auch Schüttgut wie Getreide, Austern oder konservierte Nahrungsmittel wie gesalzene Makrelen in Betracht. Über den Bestand der „Auf Esch“ gefundenen Amphoren ist ein Import von Öl aus der spanischen Provinz Baetica und Nordafrika, von Wein aus Südspanien, Südgallien, Italien und dem östlichen Mittelmeergebiet, Fischsaucen aus Südspanien und dem Rhônetal sowie von eingelegten Oliven aus der Baetica und Südgallien nachgewiesen. Die Güterproduktion innerhalb des Kastellvicus war auf wenige Handwerkszweige begrenzt. Bislang sieben nachgewiesene Töpferöfen belegen die Produktion von Keramik am Ort. Die Reste von Rennöfen sowie Schlacken und Gussformen weisen auf die Verarbeitung von Eisen und Bronze, Abfälle und Halbfabrikate auf Horn- und Beinschnitzerei hin. Darüber hinaus war die  Gerberei im Kastellvicus von Bedeutung. Tierhaltung und -zucht in den Hinterhöfen und Gartenarealen der Grundstücke ist für Rinder, Schaf / Ziege, Schwein und Geflügel zu belegen (vgl. Abb. 17). Im Lagerdorf produzierte man offensichtlich bis zum Entstehen einer leistungsfähigen Villenwirtschaft im Umland einen Teil der Nahrungsmittel für die Truppe und die vicani. Neben den auf den Grundstücken gehaltenen „Haustieren“ dienten Fische, die man im alten Neckarbett fing, sowie Wild als Fleischlieferanten. Die Jagd stellte dabei ein Freizeitvergnügen der höheren Offiziere am Ort dar. Die besonderen Ansprüche des Militärs prägten die Nachfrage nach ausgefalleneren Speisen gehobener Qualität wie Wild, Austern, Spanferkeln, Hühnern oder selten nachgewiesenen Tieren wie etwa dem Kranich. Ergänzt wurde der Speiseplan durch in den Gärten angebaute Gemüse- und Obstsarten. Der Anteil importierter Pflanzenarten erwies sich dabei allerdings als vergleichsweise gering. Neben Gewürzen wie Dill, Sellerie und Koriander wurden Oliven und verschiedenes Obst (Weinrebe, Pflaume, Pfirsich, Feige und Melone) in geringen Mengen eingeführt. Die starke Prägung der in Groß-Gerau siedelnden Bevölkerung durch das Militär hatte eine gravierende Veränderung der Verhältnisse nach dem Abzug der Truppe um 115 / 120 n. Chr. zur Folge. Dies führte zu einschneidenden Veränderungen in der Bebauungsstruktur des Vicus. Viele Bewohner wanderten ab, Häuser wurden verlassen, große Teile des Areals blieben für Jahrzehnte unbewohnt. Töpfereien und Gerbereien stellten nun ihre Produktion ein. Das unterstreicht, wie stark der Abzug des Militärs sich auf die ökonomische Struktur des Vicus auswirkte: Der Markt brach weitgehend ein. Die nach wie vor gute Anbindung des zivilen Vicus an überregional bedeutende Verkehrswege ermöglichte jedoch weiterhin eine gute Grundversorgung mit Handelsgütern.

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Amphoren mit Wein, Öl und Fischsaucen erreichten „Auf Esch“ nach wie vor, aber nun in geringerem Umfang. Ab dem dritten Viertel des 2. Jahrhunderts erholte sich die Siedlung von dieser Zäsur, wurden Grundstücke wieder bebaut und neu genutzt. Auch das Areal des geräumten Militärlagers wurde nun für eine zivile Bebauung erschlossen. Im Südwesten der Siedlung entstand mit dem Mithräum das einzige bislang nachgewiesene Heiligtum. Zu Beginn des 3. Jahrhunderts n. Chr. erreichte die Besiedlung noch einmal annähernd die Ausdehnung des Kastellvicus. Produzierendes Gewerbe ist am Ort dennoch nicht mehr sicher nachzuweisen. Einzig eine Räucherkammer, die im Hinterhof eines der Steingebäude betrieben wurde, könnte als Hinweis darauf gewertet werden. Handelsgüter flossen kaum noch nach Groß-Gerau. Im Bestand der Amphoren ist eine Beschränkung auf wenige Grundtypen festzustellen. Alle Anzeichen sprechen nun für eine ländliche, stark agrarisch geprägte Siedlung, die zur Subsistenzwirtschaft zurückkehrte. Der Speiseplan wurde vermehrt durch Fische ergänzt, die man direkt im Altneckar fing. Da auch der Anteil von Wildtieren im Gesamtbestand des archäozoologischen Materials wieder ansteigt, drängt sich der Verdacht auf, dass die Versorgung mit Nahrungsmitteln „Auf Esch“ im Lauf des 3. Jahrhunderts knapp geworden sein könnte. Innerhalb des nachgewiesenen Spektrums an Nutzpflanzen finden sich in dieser Zeit zwar Gemüsearten und Kräuter, Hinweise auf einen intensiv betriebenen Obst- und Gartenanbau fehlen jedoch.

Gallische Zuwanderer in Groß-Gerau? Nicht zu den Völkern Germaniens möchte ich jene rechnen, die das Dekumatland bebauen, obwohl sie sich jenseits des Rheins und der Donau niedergelassen haben. Hier haben sich leichtfertige und durch die Not kühn gemachte Gallier den besitzmäßig strittigen Boden angeeignet. Später wurde der Grenzwall gezogen und die Besatzungen weiter vorgeschoben und nun gilt ihr Gebiet als Vorland unseres Reiches und als Teil der Provinz (Obergermanien).

Diese Stelle aus dem 29. Kapitel der im Jahr 98 n. Chr. entstandenen Germania des Publius Cornelius Tacitus wird häufig zitiert, wenn die Frage nach der Herkunft der Bevölkerung im obergermanischen Limesgebiet erörtert wird. Unabhängig von der Frage, welche Region Tacitus als „Dekumatland“ bezeichnete, und abseits philologischer Debatten über die wortgetreue Übertragung des

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Textes soll sie unserem Blick auf die Verhältnisse im römischen Groß-Gerau vorangestellt sein. Können wir dort Hinweise für solch eine Zuwanderung aus den westlich angrenzenden Provinzen greifen? Die Beantwortung dieser Frage ist in vielerlei Hinsicht mit Problemen behaftet. Die ethnische Zuweisung archäologischer Funde stellt ein seit langem kontrovers diskutiertes Forschungsproblem dar. Die grundsätzliche Frage: „Wandern die Menschen oder die Dinge?“ ist im Einzelfall oft schwer zu klären; es besteht die Gefahr der Vereinfachung und Generalisierung. Dazu kommt, dass die Quellenlage in Groß-Gerau nur bedingt gut ist; insbesondere fehlen Steininschriften, auf denen Bewohner der Siedlung genannt sind. Daneben steht die Auswertung der Kleininschriften auf Keramikgefäßen ebenso aus wie die Aufarbeitung der über 650 bekannten Gräber des 1. bis 3. Jahrhunderts n. Chr. Diese Umstände erschweren eine auf verlässlicher Basis stehende Beurteilung der Verhältnisse in Groß-Gerau. Eine Unterscheidung der Bevölkerung des Lagerdorfs von den dort nach dem Truppenabzug im frühen 2. Jahrhundert n. Chr. siedelnden Bewohnern ist daher kaum möglich. Dennoch soll im Folgenden anhand der Analyse von Funden und Befunden versucht werden, einen Einblick in die Bevölkerungsstruktur des antiken Groß-Gerau zu geben. Einen ersten Hinweis ergab das oben angesprochene Vorhandensein von Kellern in den Wohngebäuden des Vicus. Dieses architektonische Detail verweist auf Verbindungen in den Nordwesten, den Bereich der Provinz Gallia Belgica, die sich vom Trierer Land bis zur heutigen französischen Kanalküste erstreckte. In eine vergleichbare Richtung weist ein Teil des Formenbestandes der in den Groß-Gerauer Töpfereien im späten 1. und frühen 2. Jahrhundert n. Chr. produzierten Waren und Gefäßtypen. Die in Töpferei I hergestellten Gesichtsgefäße finden Parallelen im Rheinland, die in Töpferei II produzierten Becher aus Goldglimmerware sowie die marmorierte Ware weisen ebenfalls in die Gallia Belgica. Will man nicht davon ausgehen, dass die Formen „gewandert“ sind, so ist eine Zuwanderung von Töpfern aus diesen Räumen die beste Erklärung für deren Produktion in Groß-Gerau.24 Darüber hinaus lassen sich beim derzeitigen Stand der Auswertung des Fundmaterials kaum Hinweise auf die ethnische Zusammensetzung der Bevölkerung benennen. Die am Ort gefundenen Trachtbestandteile, insbesondere Fibeln, bieten dafür wenige Anhaltspunkte. Eine mit Silberdraht verzierte Trompetenkopffibel der Form Almgren 101 könnte aus dem Niederelberaum stammen; ein weiterer Verbreitungsschwerpunkt dieses Typs findet sich jedoch vom ausgehenden 1. bis in das frühe 2. Jahrhundert n. Chr. hinein im RheinMain-Gebiet und somit im provinzialrömischen Kontext. Für die Anwesenheit

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von Germanen im Groß-Gerauer Vicus sprechen einige Fundkomplexe des 3. Jahrhunderts, in denen sich handgemachte Keramik germanischer Provenienz fand. Die vollständige Auswertung dieses Materials steht allerdings noch aus. Die wenigen Zeugnisse, die einen Einblick in das religiöse Leben „Auf Esch“ vor 2000 Jahren geben, überliefern in erster Linie „klassische“ römische oder orientalische Gottheiten. Zu nennen sind in diesem Kontext Terrakotten von Venus und Fortuna sowie Beinnadeln in Form von Händen (die wohl auf den Kult des Sabazios verweisen) oder mit der Büste der Kybele / Magna Mater.25 Das bemerkenswerteste Bauwerk des zivilen Vicus ist das um die Mitte des 2. Jahrhunderts n. Chr. errichtete Heiligtum des Gottes Mithras.26 Mithräen sind in den Grenzregionen des Reiches in einer Vielzahl von Siedlungen jeglicher Größe belegt; der Kult war reichsweit ab dem frühen 2. Jahrhundert n. Chr. sehr beliebt. Aus dem Mithräum stammen drei Steindenkmäler, von denen eines dem Gott Mercurius Quillenius geweiht war. Diese Gottheit ist bislang nur in Groß-Gerau nachgewiesen. Der Beiname „Quillenius“ spricht dafür, dass hier ein (lokaler?) keltischer Gott in römischer Zeit mit Merkur verbunden und in Groß-Gerau verehrt wurde. Ein weiterer Fall dieser Interpretatio Romana findet sich in einer fragmentarisch überlieferten Weihung an Mars Loucetius aus dem Randbereich der römischen Siedlung. Hier wurde eine keltische Gottheit (Loucetius) mit dem römischen Kriegsgott Mars verbunden. Ein Heiligtum des Mars Loucetius ist aus Klein-Winternheim in Rheinhessen bekannt.27 Die bisherigen Ergebnisse widersprechen somit der taciteischen Überlieferung nicht, vermögen aber nur wenige konkrete Hinweise für unsere Fragestellung zu geben. Die aussichtsreichste Quelle zur Analyse der Herkunft der GroßGerauer Bevölkerung in römischer Zeit stellt sicher die Untersuchung des Namensmaterials auf Inschriften dar. Umfassende Untersuchungen zur Herkunft der Bevölkerung einzelner Siedlungen im rechtsrheinischen Raum anhand des Inschriftenmaterials sind allerdings bislang selten. Die Analyse des Namensmaterials der Kleininschriften aus dem nicht weit entfernten Kastellvicus und späteren civitas-Hauptort Nida (Frankfurt-Heddernheim) erlaubte Rückschlüsse auf ein dominierendes keltisches Element innerhalb der Einwohnerschaft, dessen Angehörige sich zu großen Teilen aus einem begrenzten Repertoire geläufiger lateinischer Namensformen bedienten.28 Bürger, deren Namen auf eine germanische oder griechisch geprägte Herkunft schließen ließen, waren in diesem Material kaum zu fassen. Wie sieht es damit in Groß-Gerau aus? Der bislang einzige erhaltene Name auf einer im Vicus entdeckten Steininschrift, der Weihung an Mercurius Quillenius aus dem Mithräum, nennt kei-

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Abb. 18 Fragment eines Militärdiploms aus dem Vicus von Groß-Gerau. Am Ende der zweiten Zeile wird die Herkunft des begünstigten Soldaten genannt: TREVIR.

nen Bewohner der Siedlung. Der Stifter, der Fleischwarenhändler Aulus Ibliomarius Placidus, lebte vielmehr in castellum Mattiacorum (Mainz-Kastel).29 Seine Zugehörigkeit zur Groß-Gerauer Kultgemeinde lässt auf enge familiäre oder ökonomische Beziehungen ins Hessische Ried schließen. Das nomen gentile Ibliomarius weist darauf hin, dass er und seine Familie ursprünglich vermutlich aus dem Gebiet der Treverer an den Rhein gekommen waren. Einen weiteren Angehörigen dieses um Augusta Treverorum (Trier) siedelnden keltischen Stammes nennt das 1998 „Auf Esch“ entdeckte Fragment eines Militärdiploms (Abb. 18). Der Besitzer, dessen Namen nicht erhalten ist, diente am Ende seiner Militärlaufbahn als decurio in einer Reitereinheit der römischen Hilfstruppen. Seine Herkunftsbezeichnung „TREVIR“ weist ihn als Treverer aus. Er erhielt unter Domitian vermutlich zwischen 85 und 88 / 90 n. Chr. nach Ableistung seiner Dienstzeit seine missio honesta und siedelte sich daraufhin wohl in Groß-Gerau an.30 Zwei „Auf Esch“ geborgene Fluchtafeln geben Einblicke in den Bereich der Magie, des Zaubers und Aberglaubens der antiken Groß-Gerauer. Die beiden Bleitäfelchen überliefern aber auch die Namen weiterer Bewohner der Siedlung. Auf der 1999 entdeckten Tafel verflucht ein enttäuschter Liebhaber namens Paternus eine Priscilla, Tochter des Carantus, ob ihrer Heirat mit einem anderen

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Mann. Für den Vater ist aufgrund des Namens eine Herkunft aus einem keltisch geprägten Umfeld wahrscheinlich. Gleiches gilt für den auf dem zweiten Täfelchen genannten Mann namens Verio.31 Die in vielen Fällen belegte Praxis der Übernahme gebräuchlicher lateinischer Namen durch die Provinzbevölkerung (s. Priscilla) ungeachtet deren ursprünglicher Herkunft erschwert nachhaltig eine ethnische Deutung an Hand des vorliegenden Namensmaterials. Das gilt auch im Fall der zumeist als Besitzerinschriften zu deutenden Graffiti auf Keramikgefäßen. Von den rund 60 auswertbaren Kleininschriften sind nur wenige bearbeitet. Dabei handelt es sich ausschließlich um geläufige lateinische Namensformen wie Carbo, Primus, Privatus und Secunda. Ein Graffito auf einer Krugscherbe nennt einen Soldaten (MARTI / Martialis oder Martinus) sowie einen centurio (DOMITI / Domitius) der im Kastell stationierten Einheit. Auch das Inschriftenmaterial vermag also wenig präzise Hinweise auf die Herkunft der Bewohner des Vicus zu geben. Dennoch zeichnet sich auch in diesem Fall eine Beziehung in den keltisch geprägten linksrheinischen Raum ab. Abschließend verdient ein letzter Punkt in dieser Frage Beachtung: Die archäozoologische Untersuchung der Tierknochen ausgewählter Fundkomplexe der Siedlung gewährt Einblicke in die Ernährungsgewohnheiten der Siedler „Auf Esch“ und vermag daneben Anhaltspunkte auf deren sozialen und kulturellen Status zu geben. Die zu beobachtende Vorliebe für Rindfleisch sowie der Verzehr von nach römischen Vorstellungen eher minderwertigen Fischarten lassen vermuten, dass es sich mehrheitlich um eine Bevölkerung mit vergleichsweise geringem Romanisierungsgrad gehandelt haben muss. Als Hinweise auf stärker romanisierte Bevölkerungsteile kann der in geringem Umfang erfolgte Nachweis von Schoßhunden und Haustauben gewertet werden. Eher als „mediterran“ anzusprechende Speisegewohnheiten wie der Verzehr von Singvögeln lassen sich nur selten belegen. Diese teureren Speisen, zu denen auch Hühner und vor allem Austern zählen, finden sich ebenso wie bestimmte Wild- und Fischarten überwiegend im militärischen Umfeld des Kastellvicus. Sie wurden im zivilen Vicus zunehmend seltener, „Exoten“ findet man dort kaum noch. Das bezeugt erneut die enge Beziehung der Bewohner des Lagerdorfes zum Militär und weist darauf hin, dass in dieser Zeit offenbar eine Gruppe stärker romanisierter Bewohner in Groß-Gerau lebte.

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Fazit Die Analyse von Befunden und Funden aus dem Vicus von Groß-Gerau ergibt beim derzeitigen Forschungsstand einige Indizien dafür, dass zumindest ein Teil der dort vom späten 1. bis 3. Jahrhundert n. Chr. lebenden Bevölkerung aus den angrenzenden keltisch geprägten Gebieten westlich des Rheins zuwanderte. Für die Frühzeit und das 3. Jahrhundert n. Chr. kann zudem mit einem kleineren Anteil germanischer Siedler am Ort gerechnet werden. Zuwanderer aus dem Donauraum, Britannien oder gar den östlichen Provinzen des Römischen Reiches sind derzeit nicht belegt. In der Zeit des Kastellvicus ist zudem eine stärker romanisierte Bevölkerungsgruppe in der Siedlung „Auf Esch“ zu fassen. Diese war eng mit der im Kastell stationierten Truppe verbunden. Die Herkunft dieser am treffendsten als „camp followers“ oder Marketender zu bezeichnenden Bevölkerungsgruppe ist nicht zu rekonstruieren, da wir die im Kastell liegende Einheit und ihre vorherigen Standorte nicht kennen. Neben den mit der Truppe verbundenen Familienangehörigen, Händlern und Handwerkern zählten zu diesen Siedlern wohl Schankwirte und Angehörige weniger angesehener Berufe (Schauspieler, Musiker, Tänzer, Prostituierte u. a.), die von den regelmäßigen Soldzahlungen an die Soldaten zu profitieren hofften. In Folge des Truppenabzugs verließen viele Bewohner Groß-Gerau; es kam zu einer tiefgreifenden Veränderung der Bevölkerungsstruktur.

Germanen und Romanen? Groß-Gerau in der Spätantike (Ende 3. bis 4. Jahrhundert n. Chr.) Die letzte gesicherte bauliche Aktivität innerhalb des römischen Vicus markiert ein Jahresringdatum des Holzes einer Brunnenschalung, das im Winter des Jahres 247 / 248 n. Chr. geschlagen wurde. Auch wenn einige der Keller von Wohnhäusern in ihren Verfüllungen Brandschutt enthielten, ist eine flächige Zerstörung der Siedlung im dritten Viertel des 3. Jahrhunderts durch Feuer auszuschließen. Die Bewohner verließen vielmehr „Auf Esch“ zu dieser Zeit und zogen sich auf das linke Rheinufer zurück. Nach der Räumung blieb das Areal über einen längeren Zeitraum hinweg unbewohnt. Nach Ausweis des Fundmaterials beginnt die Neubesiedlung von „Auf Esch“ zu Beginn des 4. Jahrhunderts n. Chr.32 Der Kern der spätantiken Siedlung entwickelte sich

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allerdings westlich des aufgelassenen Vicus, angrenzend an dessen Gräberfelder. Dabei lassen sich drei Bereiche unterscheiden, in denen jeweils ein Wohnhaus und zugehörige Nebengebäude sowie Brunnen zu fassen sind. Teilweise erfolgte die Abtrennung der einzelnen Hofstellen durch Zäune. Die spätantike Bebauung orientierte sich in ihrer Ausrichtung am Verlauf der römischen Fernstraße nach Mainz. Deren südlichen Straßengraben nutzte man zeit des Bestehens der spätantiken Siedlung regelrecht als „Mülldeponie“. Aus seiner Verfüllung stammen große Mengen an Keramik und Tierknochen. Das Areal der aufgelassenen römischen Siedlung hingegen wurde von den Neusiedlern genutzt, um noch brauchbare Altmaterialien zu sammeln und diese am Ort in Grubenhäusern zu verwerten. Bisher konnten neun dieser überwiegend als Werkplätze genutzten Gebäude in diesem Bereich nachgewiesen werden, Spuren von Wohnhäusern sind dort dagegen nicht vorhanden. Welche Bevölkerung verbirgt sich hinter diesen neuen Siedlungsaktivitäten am Ort? Ein Blick auf die Architektur der Gebäude der spätantiken Siedlung gibt erste Hinweise. Sowohl die Grubenhäuser als auch die ebenerdigen Langbauten entsprechen in ihren Grundrissen germanischen Hausformen der römischen Kaiserzeit. Steinbauten, wie sie in der Spätzeit der römischen Siedlung existierten, sind nicht mehr nachzuweisen. Die bauliche Gestaltung weist also auf Germanen als Bewohner von „Auf Esch“ im 4. Jahrhundert n. Chr. hin. Dieses Ergebnis unterstreicht die Auswertung des Fundmaterials aus den spätantiken Befunden. Es besteht zu großen Teilen aus handaufgebauter Keramik, überwiegend unverzierten Kümpfen und Töpfen sowie Schalen. Weniger als 10 % dieser Keramik waren verziert, wobei diese Stücke nach Ausweis der geochemischen Analysen nicht in Groß-Gerau hergestellt wurden. Die Ware weist auf elbgermanische Traditionen der hier siedelnden Bevölkerung hin. Dies gilt auch für die wenigen vorhandenen Trachtbestandteile wie Fibeln, Nadeln und Perlen sowie die Fragmente mehrerer Beinkämme (Abb. 19). Römische Sachgüter sind dagegen mit Ausnahme von Keramik im Fundbestand kaum vorhanden. Schmuck und Trachtbestandteile fehlen ebenso wie Glasoder Metallgefäße nahezu vollständig. Spätrömische Militaria sind alleine durch die Kalotte eines zweischaligen Kammhelms vom Typ Dunapentele / Intercisa belegt. Eine Ausnahme bildet die aus rund 300 Prägungen der Zeit zwischen 260 und 403 n. Chr. bestehende Münzreihe, die eine mit den linksrheinischen Verhältnissen nahezu identische Zusammensetzung aufweist.33 Dieser Umstand ließ die Vermutung aufkommen, unter den Bewohnern der spätantiken Siedlung könnten sich „Romanen“ befunden haben, die mit Münzgeldwirtschaft vertrauter gewesen sein müssten als neu zugewanderte

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Abb. 19 Dreilagiger germanischer Beinkamm mit halbrunder Griffplatte aus der spätantiken Siedlung von „Auf Esch“.

Germanen. Zur Klärung dieser Frage ist ein kurzer Blick auf Ökonomie und Lebensumstände der Groß-Gerauer im 4. Jahrhundert n. Chr. notwendig. Die Untersuchungen weisen darauf hin, dass in der spätantiken Siedlung von Groß-Gerau Güter in erster Linie zum Eigenbedarf produziert wurden. Nicht nur im agrarischen Bereich lassen sich deutliche Hinweise auf die am Ort betriebene Subsistenzwirtschaft auff ühren. Hier zeichnet sich ein deutlicher Bruch mit der Tradition des römischen Vicus ab. Dessen Ruinen wurden nun aufgesucht, um verwertbares Altmaterial zu bergen und am Ort zu verarbeiten. Bemerkenswert sind in diesem Kontext die Fragmente vergoldeter Bronzestatuen, die zusammen mit Blechen, Beschlagteilen und Münzen in einem Metallhort gefunden wurden. Einige der Metallobjekte tragen deutlich sichtbar Zeichen einer gewaltsamen Zerkleinerung, mit der man sie für das Einschmelzen vorbereitete. Bronze stellte als Rohstoff einen beachtlichen Wert dar und konnte ohne großen Aufwand weiterverarbeitet werden. Zwar sind die dafür nötigen Öfen und Gusstiegel aus Groß-Gerau bislang nicht bekannt; eine Gussform für

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den Dorn einer Gürtelschnalle, Schlacken und angeschmolzene Metallobjekte belegen jedoch die metallverarbeitenden Aktivitäten vor Ort in der Spätantike. Auch einen Teil der Münzen wird man als Rohmaterial für die Metallverarbeitung anzusprechen haben. Darüber hinaus ergaben die Untersuchungen kaum Hinweise auf handwerkliche Tätigkeiten. Die Verarbeitung von Tierknochen zu Gegenständen des täglichen Bedarfs ist in einigen Fällen nachzuweisen; Spinnwirteln bezeugen das Textilhandwerk. Die Keramik der Siedlung wurde mit geringem technischem Aufwand am Ort hergestellt. Der Ton wurde vor dem Brand nicht aufbereitet, die Gefäße im Feldbrand hergestellt. Dies spricht gegen die Existenz eines spezialisierten Töpferhandwerks am Ort. Die Einwohner deckten den Bedarf an Keramik zu rund drei Vierteln durch Ware, die lokal im Hauswerk hergestellt wurde. Ergänzt wurde dieser Bestand durch wenige Importe aus dem Linksrheinischen. Deren Spektrum ist jedoch stark eingeschränkt und nahezu vollständig auf Keramik aus Mainz beschränkt. In geringer Stückzahl sind Waren aus den mittelrheinischen Töpferzentren Weißenthurm / Urmitz und Mayen sowie spätrömische Terra Sigillata aus den Argonnen vorhanden. Aufgrund der geringen Zahl an Importkeramik ist davon auszugehen, dass fahrende Händler aus Mainz ihre Waren im spätrömischen Groß-Gerau verkauften. Das lässt auf eine enge wirtschaftliche Anbindung an die Provinzhauptstadt schließen, da Produkte aus anderen nahe gelegenen linksrheinischen civitas-Hauptorten wie Worms und Speyer bislang fehlen. Vor diesem Hintergrund ist davor zu warnen, angesichts der vergleichsweise vielen spätrömischen Münzen von einem „Münzumlauf“ und einer auf Münzgeldwirtschaft basierenden Wirtschaftsweise in der spätantiken Siedlung von Groß-Gerau zu sprechen. Die geringe Anzahl römischer Sachgüter am Ort sowie die skizzierte Wirtschaftsweise lassen vermuten, dass die Münzen nur bedingt als Zahlungsmittel im Umgang mit (römischen?) Händlern dienten. Man fasst hier vielmehr einen kleinen Ausschnitt des umfangreichen Münzspektrums des 4. Jahrhunderts, bei dem die Münzen vielfach allein wegen ihres Materialwertes begehrt waren und als Rohstoff für die Metallverarbeitung Verwendung fanden. Zudem ist zu fragen, welche Exportgüter der Siedler von „Auf Esch“ für den linksrheinischen Markt von Interesse gewesen sein könnten. Dafür kommen nach derzeitigem Erkenntnisstand alleine Naturalien in Betracht. Vor dem Hintergrund der geschilderten ökonomischen Verhältnisse müssen wir im 4. Jahrhundert n. Chr. in der Siedlung „Auf Esch“ von einer ländlich geprägten Bevölkerung ausgehen. Für die Anwesenheit von „Romanen“ fehlen hingegen verlässliche Hinweise. Die vorhandenen Trachtbestandteile sowie

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Machart, Formen und Verzierung der handaufgebauten Keramik weisen die Neusiedler in Groß-Gerau als Elbgermanen aus. Basierend auf der schriftlichen Überlieferung wird man sie als Alamannen identifizieren können. Ob man die Groß-Gerauer Gruppe als Bucinobanten ansprechen kann, ist aus chronologischen Gründen fraglich. Auch wenn sich keine sicheren Belege für den Dienst der Groß-Gerauer Alamannen in der römischen Armee anführen lassen, ist davon auszugehen, dass sie von der Verwaltung der römischen Provinz Germania I in Mainz in Groß-Gerau geduldet wurden. Es ist anzunehmen, dass eine vertragliche Regelung die Grundlage dieser Duldung bildete.34 Im Zusammenspiel mit der Auswertung der Befunde ergibt sich, dass die spätantike Siedlung von Groß-Gerau, „Auf Esch“, in constantinischer Zeit zu Beginn des 4. Jahrhunderts gegründet wurde. Das Areal stellte aufgrund der guten Verkehrsanbindung und der günstigen naturräumlichen Lage weiter ein bevorzugtes Siedlungsterrain dar. Diese Bedingungen dürften neben der Nähe zur Provinzhauptstadt Mainz die entscheidenden Grundlagen für die Neubesiedlung gewesen sein. Zu dieser Zeit bestand bereits im rechtsrheinischen Vorfeld von Mainz ein Brückenkopf bei Mainz-Kastel, der in constantinischer Zeit ausgeweitet und gesichert wurde. Die Siedlung „Auf Esch“ bestand für wenige Jahrzehnte, wobei bis zur Mitte des 4. Jahrhunderts die Kontakte mit dem linksrheinischen Raum gut fassbar sind. Anhand des Fundmaterials lässt sich vermuten, dass dies ab dem dritten Viertel des 4. Jahrhunderts nicht mehr im früheren Umfang der Fall war. Alles spricht dafür, dass die Besiedlung am Ort in diesem Zeitraum oder bald danach abbricht. Ein Weiterbestehen bis in das 5. Jahrhundert hinein ist nicht zu belegen. In Groß-Gerau, „Auf Esch“, ist es erstmals für den Norden des rechtsrheinischen Teils der Provinz Obergermanien gelungen, die Entwicklung einer geschlossenen Siedlung vom 1. bis in das 4. Jahrhundert n. Chr. darzustellen. Durch das Zusammenspiel der antiquarisch-historischen Auswertung von Befunden und Funden mit den Resultaten der naturwissenschaft lichen Analysen entsteht ein ungewöhnlich detailreiches, dichtes Bild der rund dreihundertjährigen Siedlungsgeschichte der Flur „Auf Esch“. So können heute viele, wenn auch noch nicht alle Fragen zur Geschichte des antiken Groß-Gerau und seiner Bevölkerung beantwortet werden.

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Literatur U. Ehmig, Die römischen Amphoren im Umland von Mainz. Frankfurter Archäologische Schriften 5, Wiesbaden 2007 K. Gebhard, Die vorgeschichtliche Besiedlung des Kreises Groß-Gerau. Materialien zur Vor- u. Frühgeschichte von Hessen 25, Wiesbaden 2007 N. Hanel, Groß-Gerau 3: Die reliefverzierte Terra Sigillata der Ausgrabungen 1989– 1992 im römischen Vicus von Groß-Gerau, „Auf Esch“. Frankfurter Archäologische Schriften 12, Bonn 2010 M. Helfert, Groß-Gerau 2. Die römischen Töpfereien von Groß-Gerau, „Auf Esch“; archäologische und archäometrische Untersuchungen zur Keramikproduktion im Kastellvicus. Frankfurter Archäologische Schriften 11, Bonn 2010 C. Wenzel u. a., Groß-Gerau 1. Der römische Vicus von Groß-Gerau, „Auf Esch“. Die Baubefunde des Kastellvicus und der Siedlung des 2.–3. Jahrhunderts. Frankfurter Archäologische Schriften 9, Bonn 2009

Markus Scholz und Lisa Klaffki

Aspekte der Romanisierung im Bereich der civitates Mattiacorum, Taunensium et Auderiensium Markus Scholz Lisa Klaffki Aspekte derund Romanisierung

Im Laufe seiner rund 200-jährigen Zugehörigkeit zum Imperium Romanum (ca. 70–270 n. Chr.) war das rechtsrheinische, obergermanische Limesgebiet durch die Stationierung zahlreicher Hilfstruppen (auxilia) geprägt, in deren Reihen Soldaten aus fast allen Teilen des Reiches dienten. Die römische Militärgrenze in Germanien war keine entlegene Peripherie des Imperiums, sondern infolge der zahlreichen Truppenverschiebungen eine internationale Grenzzone. Umso spannender erscheint die Frage nach der kulturellen Orientierung seiner Bevölkerung. Duas esse censeo patrias, unam naturae, alteram civitatis – „ich meine, dass es zwei Vaterländer gibt, nämlich eines von Natur her und eines bezüglich des Bürgerrechts“. Dieser Feststellung Ciceros in seiner rechtsphilosophischen Schrift De legibus (2,5) folgt die Gliederung dieser Studie. In ihr sollen zwei Aspekte der Romanisierung im Arbeitsgebiet35 näher beleuchtet werden, denn das Phänomen der Romanisierung oder – neutraler formuliert – des Kulturwandels im Laufe von rund 200 Jahren kann hier unmöglich in seinem Facettenreichtum dargelegt werden. Im ersten Teil wird im Sinne der völkerrechtlichen Romanisierung der Verbreitung des römischen Bürgerrechtes (civitas Romana) im Arbeitsgebiet nachgegangen. Im zweiten Teil soll an ausgewählten Beispielen der Charakter der kulturellen Entwicklung skizziert werden, nämlich anhand steinerner Grab- und Weiheinschriften sowie anhand der vor allem durch diese, aber auch durch Besitzergraffiti überlieferten Personennamen. Damit ist Romanisierung hier ein Stück weit gleichbedeutend mit sprachlicher Latinisierung. Man kann erwarten, dass die Aufstellung eines Grab- oder Weihedenkmals nach mediterranem Vorbild weitgehend auf freiwillige Eigeninitiative des Stifters zurückgeht, weil sie der Selbstdarstellung diente, mag sie auch durch

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soziale Konkurrenz stimuliert worden sein. Die Wahl des Namens unterlag prinzipiell nur wenigen Einschränkungen und bot daher Entfaltungsmöglichkeiten für individuelle, regionale oder modische Neigungen, auch wenn kultureller Anpassungsdruck die Entwicklung forciert haben mag. Aber genau dieses Spannungsfeld zwischen individuellem Spielraum und Assimilation bestimmt den Umgang mit der mediterranen Kultur durch einheimische Provinziale. Welche Formen und Elemente mediterraner Kultur wurden besonders bereitwillig angenommen oder gemäß eigener Bedürfnisse modifiziert? Woher kamen die Vorbilder? Scheinen hinter der „Maske“ lateinisch-mediterraner Formen einheimische Muster durch? Um zu ergründen, inwiefern die Romanisierung nachhaltig wirkte – eventuell nach einem anfänglichen „Kulturschock“ durch das Eindringen staatlicher Ordnung und Infrastruktur infolge militärischer Okkupation –, sind weniger die Quellen der Frühzeit entscheidend, sondern vielmehr die des 2. bis 3. Jahrhunderts. Die Untersuchung erstreckt sich auf die „zivilen“ Einwohner der drei civitates, aktive Soldaten wurden von der Betrachtung ausgeschlossen, soweit sie sich methodisch von „Zivilisten“ trennen lassen. Um den kulturellen Charakter der Region zu konturieren, ist es nötig, die drei civitates mit ihren Nachbarregionen links des Rheins und im südlichen Limesgebiet Obergermaniens zu vergleichen. Im engeren Wortsinne romanisiert war der Geltungsbereich römischen Rechts. Dieser setzt die Anwesenheit römischer Bürger (z. B. als Urkundenzeugen) und zur Rechtsprechung befugter Magistrate voraus. Außerhalb Italiens waren diese üblicherweise zugleich die Militärkommandeure senatorischen beziehungsweise ritterlichen Ranges. Aus dem Arbeitsgebiet ist nur indirekt ein Akt römischer Rechtsprechung überliefert: In einem bleiernen Fluchtäfelchen aus dem zur Militärbasis und dem späteren civitas-Hauptort Nida (Frankfurt-Heddernheim) gehörenden Gräberfeld von Frankfurt-Praunheim wird ein Mann namens Fronto von einem Prozessgegner verflucht, er solle verstummen, sobald er vor den Statthalter (consularis) trete: fiat mutus qu[um] (= cum) access / [e]rit consular / [e]m (Blänsdorf / Scholz 2011). Leider geht aus dem Text nicht hervor, ob Fronto Soldat der Garnison von Nida war oder Zivilist. Die Datierung des Täfelchens um 100 n. Chr. lässt beide Möglichkeiten offen. Unklar bleibt ferner, ob der Prozess am Hauptsitz des consularis in Mogontiacum (Mainz) stattfand oder ob Nida einer der Gerichtsorte war, die dieser von Zeit zu Zeit aufsuchte.

Aspekte der Romanisierung

Abb. 20 Inschriftenfunde von Veteranen inklusive Militärdiplomen. Kleiner Punkt: 1 Beleg; großer Punkt: 4 oder mehr Belege. Vgl. Tabelle 1. Quellen: CIL und Nachträge, CSIR, EDCS, EHD. Grafik: Michael Ober, RGZM.

Römische Bürger (cives Romani) lassen sich in der hier relevanten Epoche ausschließlich anhand von Inschriften identifizieren. Diesen Status hatten die Veteranen (veterani) des Heeres inne (Tabelle 1), deren Inschriften sich vor allem in den zivilen, stadtartigen Zentren im Hinterland des Limes finden, nämlich in Aquae Mattiacorum (Wiesbaden), Castellum Mattiacorum (MainzKastel), Nida (Frankfurt-Heddernheim), vicus Med(…) (Dieburg) und GroßGerau sowie in deren nächster Umgebung (Abb. 20). Bis zum mittleren 2. Jahrhundert ließen sich Veteranen noch in der Nähe des Legionslagers nieder, vorzugsweise bei den warmen Quellen von Wiesbaden und in Mainz-Kastel, wo die sechs ältesten Inschriften zutage kamen. Den Standorten der Auxiliareinheiten am Limes lassen sich insgesamt nur vier Veteranen-Zeugnisse zuordnen, nämlich je eines im Bereich der alae von Butzbach und Echzell und je eines im Umfeld der Infanterielager Stockstadt (cohors quingenaria equitata)

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Abb. 21 Weihungen in suo in Obergermanien. Zu den Nachweisen für das Arbeitsgebiet vgl. Tabelle 2. Großer Punkt: 10 oder mehr Belege. Quellen: CIL und Nachträge, CSIR, EDCS, EHD. Grafik: Michael Ober, RGZM.

Aspekte der Romanisierung

und Bad Ems (numerus). Die Weihung einer Jupiter-Giganten-Säule bei Wölfersheim nahe Echzell ist zugleich die einzige vom Areal einer ländlichen Siedlung (villa rustica; AE 2001, 1544). Mit veterani als Bewohner oder Besitzer von Land ist also durchaus zu rechnen, obwohl sie für ihre Selbstdarstellung das städtische Milieu bevorzugten. Der ausdrückliche Hinweis auf den Veteranenstatus entsprang in erster Linie sozialer Konkurrenz innerhalb der städtischen Gesellschaft und dem größeren Leserkreis von Inschriften dort. Andererseits warnt diese dünne Quellendecke aus dem ländlichen Raum vor dem Modell einer Aufsiedelung mit Veteranen. In diesem Zusammenhang lohnt ein Blick auf Weihedenkmäler, die ausdrücklich in suo, das heißt auf eigenem Grund und Boden, errichtet wurden (Tabelle 2; Abb. 21). Deren Verbreitungsmuster deckt sich zwar mit dem der Veteraneninschriften, doch bleibt die Schnittmenge überschaubar (CIL XIII 7269; AE 1978, 536). Vielmehr treten genauso viele (zwei) aktive Soldaten wie Veteranen als Grundbesitzer in Erscheinung. Dies ist der relativ späten Entstehung dieser Denkmäler (221 bzw. 225 n. Chr.) geschuldet, als es längst üblich war, Soldaten heimatnah einzusetzen, sodass sie ihre Ersparnisse bereits während der Dienstzeit in (geerbte) Immobilien investieren konnten. Stärker repräsentiert ist jedoch die dritte Personengruppe, die Eigentum an kaiserlichem Boden (ager publicus oder solum Caesaris) entweder käuflich oder durch kaiserliche Zuweisung erwerben konnte, nämlich die Angehörigen der lokalen Oberschicht und civitas-Verwaltung, für die der Veteranenstatus zumindest nicht ausdrücklich vermerkt ist. Als cives Romani sind die Auftraggeber der Weihungen in suo allemal einzustufen, da keine gesichert in die Zeit vor der so genannten constitutio Antoniniana (212 n. Chr.) zu datieren ist, etliche jedoch danach. Der Hinweis auf privaten Grund und Boden ist in der räumlichen Dichte einer stadtartigen Siedlung verständlich, wo Zutritt Unbefugter eher droht als im Falle ummauerter Landgüter. Jenseits der drei civitates am Main stammen lediglich die Weihungen in suo aus den Militär-vici von Osterburken und Jagsthausen nicht aus einem städtischen Zentrum des Hinterlandes beziehungsweise dessen nächster Umgebung. In einer ländlichen Siedlung kam die Jupiter-Giganten-Säule von WiesbadenSchierstein zutage, die ein Reiter der 22. Legion stiftete. Zu ihr gesellt sich innerhalb des obergermanischen Limesgebietes die Tempelbauinschrift von Großbottwar bei Heilbronn, die 201 n. Chr. ein Veteran der 22. Legion namens Gaius Longinius Speratus in Auftrag gab.36 Die Stiftung eines Tempels, der möglicherweise öffentlich zugänglich sein sollte, könnte erklären, warum dessen Errichtung auf privatem Boden betont wurde. Speratus ist durch die hier

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produzierten und mit seinem Kürzel GLSP gestempelten Ziegel als Ziegeleiunternehmer ausgewiesen. Dadurch stellt die Tempelinschrift aus Großbottwar eine gewisse Parallele zu der Weihung in suo aus Frankfurt-Nied dar, die unweit der Mainzer Legionsziegelei gefunden wurde, obgleich sich deren Urheber nicht als Keramikproduzent zu erkennen gibt. Betrachtet man das Verbreitungsmuster der Weihungen in suo in Germania superior, so stellt man eine auff ällige Nord-Süd-Teilung etwa auf der Höhe von Straßburg fest (Abb. 21). War privater Bodenbesitz nur im Norden der Provinz zugelassen? Soweit das südliche Limesgebiet kaiserliche Domäne (saltus) war, mag dies zutreffen. Die bodenrechtliche Aussagekraft der Inschriften ist jedoch zu relativieren, denn erstens sind Erwähnungen in suo stets mit Götterweihungen verbunden, vor allem mit Jupiter-Giganten-Säulen und Jupiter-Altären, die teilweise vor solchen aufgestellt waren, nie aber mit profanen Denkmälern. Zweitens unterliegen auch ganz andere kulturelle Erscheinungsformen dieser Nord-Süd-Teilung Obergermaniens (s. unten). Beide Argumente führen zu dem Schluss, dass die Formulierung in suo eher eine regionale Gepflogenheit widerspiegelt. Über das Ambiente der Aufstellungsorte der Jupiter-Giganten-Säulen innerhalb der vici ist wenig bekannt. Etliche waren in Brunnen, Gruben oder Kellern vermutlich unweit ihrer ursprünglichen Standorte verlocht. Man kann daher nur vermuten, dass gerade die in den Inschriften genannten regionalen Würdenträger (ordo decurionum) private Grundstücke im Rahmen ihrer Wohltätigkeitsverpflichtungen (munera) öffentlichen Kultstätten widmeten. Ein derartiger Vorgang ist durch die Bauinschrift eines Merkur-Heiligtums bei Obrigheim am Neckar dokumentiert, für das privater Landbesitz im Umfang von vier iugera (ca. 1 ha) zur Verfügung gestellt worden war (CIL XIII 6488). Die Veteranenwie die in-suo-Inschriften vermitteln also ein komplementäres Bild bürgerlichen Landbesitzes im Arbeitsgebiet. Fundort

Name

Truppe

Datierung

Beleg

Butzbach

Acceptius Severinus

?

2. H. 2.–1. H. 3. Jh.

CSIR III.12 Nr. 171

Groß-Gerau

[---]ogi f(ilius) Trevir

?

Ende 1. Jh.

AE 2001, 1538.

Mainz-Kastel

Fl. Iulius Maternus

leg. XXII Pr. p. f.

2. Jh.

CIL XIII 7291

Mainz-Kastel

L. L(…) Victor

leg. XXII

215 n. Chr.

ILS 7088

Mainz-Kastel

C. Iustinius Favor

?

2. H. 2.–1. H. 3. Jh.

CIL XIII 7269

Mainz-Kastel

[---] Aestivius F[---]

leg. XXII [Pr. P. F.?]

(zweite Beschriftung, wohl 2. Drittel 3. Jh.)

K. Matijević, Mainzer Zeitschr. 105, 2010, 209

Aspekte der Romanisierung

Fundort

Name

Truppe

Datierung

Beleg

Mainz-Kastel

Herennius Victorinus

leg. XXII

2.–3. Jh.

CIL XIII 7290

Heddernheim

T. Flavius Maternus

coh. III praet(oriae) Piae Vindicis

230 n. Chr.

ILS 7096; Lupa 7111 (GeniusStatue)

Heddernheim

Ianuconius Vinco

?

Ende 2.–1. H. 3. Jh.

AE 1929, 113; Lupa 7232 (IupiterSäule)

Heddernheim

Sextius Ursus

ex dec(urione) coh. I Damascenorum

227 n. Chr.

AE 1978, 536; Lupa 6357

Heddernheim

?

?

107– ca. 190 n. Chr.

CIL XVI 129 (Militärdiplom)

Stockstadt

Valerius Quartus

coh. II Hispanorum

ca. Mitte 2. Jh.

CSIR II.13 Nr. 44

Wiesbaden

C. Iulius C. F. Clemens Foro Iuli

?

Ende 1. – Anfg. 2. Jh.

CSIR II.11 Nr. 9

Wiesbaden

C. Silvinius Materninus, L. Adiutorius Attillus, C. Vettinius Paternus

leg. XXII

um 218 n. Chr.

CSIR II.11 Nr. 45

Wiesbaden

L. Veturius Spuri f. Voturia Placentia Primus

leg. XIIII Gemina

vor 43 n. Chr. (frühclaudisch)

CSIR II.11 Nr. 1

Wiesbaden

T. Flavius Germanus

leg. XXII Pr. p. f.

1. Viertel 2. Jh.

CSIR II.11 Nr. 5

Wiesbaden

?

?

116 / 117 n. Chr.

CIL XVI 62; ILS 301 (Militärdiplom)

Wiesbaden

Tertius Marci f. Trevir

ala Moesica

78 n. Chr.

CIL XVI 23; ILS 9052 (Militärdiplom)

Wölfersheim

L. Quintionius Severianus

ala Indiana

Anfg. 3. Jh.

AE 2001, 1544

Tabelle 1: Inschriftliche Nennung von Veteranen aus dem Bereich der drei civitates. Quellen: CIL und Nachträge, CSIR, EDCS, EDH.

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Fundort

Name

Dieburg

Ver(…) Verrinus

Status

Frankfurt-Nied decurio civitatis (Taunensium)

Datierung

Beleg

2. H. 2.–1. H. 3. Jh.

CSIR II.13 Nr. 266 (Iupiter-Säule)

224 n. Chr.

CIL XIII 7319 (IOM-Altar)

2.–1. H. 3. Jh.

CSIR II.12 Nr. 295 (Altar für Hercules)

Friedberg

Tertinius Catullinus

Friedberg

M. Campanius Pervincus

1. H. 3. Jh.

CSIR II.12 Nr. 305 (Altar für Wegegöttinnen)

Ladenburg

Novanius Augustus

1. H. 3. Jh.

AE 2000, 1083 (Iupiter-Säule)

Mainz-Kastel

Cintugnatius Publius

242 n. Chr.

CSIR II.3 Nr. 44 (IupiterSäule)

Mainz-Kastel

Dubitatius Primitivus

wohl 3. Jh.

CSIR II.3 Nr. 91 (IOM-Altar)

Mainz-Kastel

Finitius Fidelis

miles numeri Caddarensium

225 n. Chr.

CSIR II.3 Nr. 36 (Iupiter-Säule)

Mainz-Kastel

C. Iustinius Favor

veteranus

2. H. 2.–1. H. 3. Jh.

CIL XIII 7269 (IOM-Altar)

Mainz-Kastel

L. Secundinius Favoralis

IIIIIIvir Augustalis civitatis Mattiacorum

wohl 2. Viertel 3. Jh.

CSIR II.3 Nr. 56 (Iupiter-Säule)

Mainz-Kastel

Serotinius Cupitus, Cupitius Providens

23.12.246 n. Chr.

CSIR II.3 Nr. 47 (Iupiter-Säule)

Heddernheim

G. Victorius Ianuarius

2. H. 2.–1. H. 3. Jh.

CIL XIII 7341 (IOM-Altar)

Heddernheim

C. Sedatius Stephanus

decurio civitatis Taunensium

13.3.240 n. Chr.

CIL XIII 7352; Lupa 7153 (Iupiter-Säule)

Heddernheim

[---] Victorinus

decurio civitatis Auderiensium

239 n. Chr.

CIL XIII 7353; Lupa 7266 (Iupiter-Säule)

Heddernheim

[---] Firmus

decurio (civitatis)

2.–1. H. 3. Jh.

CIL XIII 7357 (Altar? für Matres)

Heddernheim

Sattonius Florentinus

2.–1. H. 3. Jh.

CIL XIII 7373; Lupa 16 960 (Altar)

Heddernheim

Sextius Ursus

227 n. Chr.

AE 1978, 536; Lupa 6357 (IOM-Altar)

Niedernberg

Pattonius Patrinus

229 n. Chr.

AE 1951, 134 (IOMAltar)

Wiesbaden

C. Varonius Lupulus

218 n. Chr.

CSIR II.11 Nr. 44–45 (Altäre für Sol Invictus)

WiesbadenSchierstein

Vic(torius?) Seneca

28.2.221 n. Chr.

CSIR II.11 Nr. 19–21 (Iupiter-Säule)

IIvir civitatis Taunensium

veteranus

eques leg. XXII Pr. p. f.

Tabelle 2: Götterweihungen auf eigenem Grund und Boden (in suo) aus dem Gebiet der drei civitates. Quellen: CIL und Nachträge, CSIR, EDCS, EDH.

Aspekte der Romanisierung

Als Inhaber der civitas Romana stehen ferner die Träger eines kaiserlichen Vor- und Familiennamens (praenomen et nomen gentile imperatoris) fest. In Tabelle 3 sind die inschrift lichen Nennungen der Familien mit kaiserlichem nomen gentile von ausgewählten Orten der Provinzen Germania superior und Gallia Belgica nach Anzahl zusammengestellt. Mitgezählt wurden auch Graffiti, sofern deren Lesung und Interpretation hinreichend gesichert ist.37 Drei Gemeinsamkeiten gelten sowohl für die drei civitates als auch darüber hinaus für das übrige obergermanische Limesgebiet, für die linksrheinischen civitasHauptorte Borbetomagus (Worms), Noviomagus (Speyer), Divodurum (Metz), Dibio (Dijon) und Aventicum (Avenches) sowie für die Hauptstadt der Provinz Raetia, Augusta Vindelicum (Augsburg): 1. Die Masse der kaiserlichen nomina gentilia entfällt auf die Iulii, also auf potentielle Bürgerrechtsempfänger der Herrscher von Augustus bis Gaius (Caligula), und 2. auf die Flavii, die durch Vespasian oder dessen Söhne Titus und Domitian Bürgerstatus erlangten. 3. Claudii, insbesondere aber Ulpii und Aelii sind hingegen kaum vertreten, obwohl die Herrschaftsdauer der betreffenden Imperatoren (Claudius, Nero bzw. Traian und Hadrian) nicht wesentlich kürzer waren. Lediglich Augsburg, das unter Hadrian (oder Antoninus Pius) Stadtrecht als municipium erhielt, weist erwartungsgemäß eine erhöhte Anzahl an Aelii auf. Die Dominanz der Iulii hat verschiedene Gründe. Zum einen stand den Trägern des ältesten Kaisernamens der längste Zeitraum zum Setzen von Denkmälern zur Verfügung. Zum anderen begünstigte die frühe, oft wohl im Rahmen der Provinzeinrichtung Galliens erfolgte Bürgerrechtsverleihung an einheimische Eliten und verdiente Persönlichkeiten frühzeitig den Ausbau wirtschaft licher Prosperität mit entsprechend positiven Auswirkungen auf die Stiftung von Denkmälern. Die einheimischen Eliten wiederum konnten durch Freilassungen ihr kaiserliches Gentiliz weitergeben. Darüber hinaus gibt es noch eine weitere Erklärung für die Häufigkeit der Iulii im gallischen Kulturraum: Das lateinische Iulius dürfte auch wegen seines Anklangs an einheimisch-gallische Namen, zum Beispiel Iullus, Iullinus, Iuliccus, Iuco, Iumma, Iustiserus, Iutuccus und Iumarus (kelt. maros: groß), besonders bereitwillig angenommen worden sein.38 Üblicherweise wurde der Name eines freien Provinzialen ohne römisches Bürgerrecht (peregrinus) aus dem individuellen Rufnamen (cognomen) und dem cognomen des Vaters im Genitiv gebildet („Sohn des …“). So wurde er auch amtlich verzeichnet, wie die Militärdiplome bekunden, zum Beispiel Tertius Marci f(ilius). Vor allem in Ostgallien und am Rhein

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setzte sich im Laufe des 2. Jahrhunderts jedoch die Gepflogenheit durch, den väterlichen Rufnamen mit der lateinischen Gentilendung -ius zu versehen und dem eigenen cognomen voranzustellen, sodass der Name auf den ersten Blick bürgerlich-lateinisch aussah. Diese inoffizielle Praxis pflegten sowohl peregrini als auch cives Romani. So konnte es passieren, dass den väterlichen Rufnamen Iullus oder Iulius der Sohn als Pseudogentiliz Iulius führte. In diesem Fall ist eine Unterscheidung zwischen dem Kaisergentiliz Iulius und dem Pseudogentiliz nur dann möglich, wenn statt Caius ein anderes praenomen vorangestellt wurde. Der hohe Anteil an Iulii in den rechtsrheinischen civitates darf als indirekter Hinweis auf gallische Einwanderer gewertet werden, da mit einer Privilegierung Einheimischer in der frühen Kaiserzeit mangels provinzialer Strukturen im Rechtsrheinischen kaum zu rechnen ist. Der gegenüber dem Arbeits- und übrigen Reverenzgebiet erhöhte Anteil an Claudii in Augsburg (bzw. in Rätien) sowie in Britannien spiegelt die Hinwendung der Kaiser Claudius und Nero auf den Ausbau (Rätien) beziehungsweise die Einrichtung (Britannien) dieser Provinzen wider. Dem obergermanischen Militärbezirk (exercitus Germaniae superioris) wurde in dieser Zeit weniger Aufmerksamkeit zuteil; er hatte vielmehr starke Kontingente zur Eroberung Britanniens abzutreten. Der zweithäufigste kaiserliche Familienname Flavius ist gegenüber denen des 2. Jahrhunderts ebenfalls durch sein höheres Alter im Vorteil. An Bürgerrechtsverleihungen in Obergermanien sind die Erhebungen der helvetischen Stammeshauptstadt Aventicum (Avenches) zur colonia durch Vespasian und von Arae Flaviae (Rottweil) zum municipium vor 186 n. Chr. belegt. Während sich die Privilegierung von Aventicum tatsächlich im erhöhten Aufkommen an Flavii widerzuspiegeln scheint, gibt es aus Arae Flaviae insgesamt zu wenige Inschriften, um eine entsprechende Tendenz verifizieren zu können. Im Norden Obergermaniens sind Veränderungen des Rechtsstatus kommunaler Gesellschaften seitens der flavischen Kaiser nicht belegt; das rechtsrheinische Territorium war damals noch reiner Militärbezirk ohne eigene zivile Verwaltungsstrukturen. Umso mehr verwundert es, dass sich der Niederschlag an Iulii und Flavii in den späteren civitates Mattiacorum et Taunensium nicht von dem der colonia Aventicum unterscheidet. Der erhöhte Anteil an Flavii gerade in Aquae Mattiacorum und Nida wirft die Frage auf, ob hier ein Zusammenhang mit der Besetzung der rechtsrheinischen Gebiete unter Vespasian besteht. Die folgende Überlegung ist ein unbewiesenes Gedankenmodell: Nach der Niederschlagung des Bataveraufstandes 71 n. Chr. könnte Vespasian einmalig Soldaten loyaler oder unter ihm reorganisierter Hilfstruppen, wie zum Beispiel

Aspekte der Romanisierung

der in Nida stationierten ala I Flavia Gemina, mit dem Bürgerrecht belohnt haben, zumal sich der Gründer der neuen Dynastie gerade in den germanischen Militärbezirken Rückhalt verschaffen musste, weil diese zuvor seinen Widersacher Vitellius unterstützt hatten. Als Veteranen könnten sie nach der Okkupation des rechtsrheinischen Territoriums einen Teil der Bevölkerung in den neuen Militär-vici gestellt haben. Freilich ist auch mit zugewanderten Flavii zu rechnen. Der weitgehende Negativbefund der Ulpii und Aelii überrascht, da doch gerade unter dem Kaiser M. Ulpius Traianus die Gründung der drei civitates sowie des Limes vermutet wird, der unter seinem Nachfolger P. Aelius Hadrianus mit durchgängigen Grenzsperren ausgebaut wurde. Obwohl die drei civitates diesen Kaisern ihre Verwaltungsorganisation verdankten, fallen sie als Verleiher des Bürgerrechts in den Inschriften praktisch aus. Demgegenüber können die Germania inferior und die Donauprovinzen einen weitaus höheren Bestand an Ulpii und Aelii vorweisen.39 Hier wirkten sich die Gründung der colonia Ulpia Traiana und des municipium Batavorum Noviomagus (Nijmegen) unter Hadrian beziehungsweise Stadtrechtsverleihungen in Noricum, Pannonia und Dacia als Anlass für Bürgerrechtsverleihungen aus. Eine entsprechende Initiative zu Stadtgründungen beziehungsweise Stadtrechtsverleihungen blieb in Obergermanien aus. Veteranen der Rheinarmee wurden vielmehr in der neuen Provinz Dacia angesiedelt, an deren Eroberung sie beteiligt waren. Die Verleihung der civitas Romana mit kaiserlichem Namen ist also weder gleichmäßig auf die Regierungszeiten der Herrscher noch auf die nördlichen Provinzen verteilt. Hätten die Veteranen der Hilfstruppen bei ihrer ehrenvollen  Entlassung zusammen mit dem Bürgerrecht automatisch auch den kaiserlichen Namen empfangen, so hätte man ein ausgewogeneres Verhältnis der Kaisernamen zumindest im Limesgebiet erwarten dürfen, wo über rund 200 Jahre hinweg mehr oder weniger regelmäßig Veteranen aus den Hilfstruppen entlassen wurden. Der Ausbau des Limes und die wachsende Prosperität im Limesgebiet im 2. und frühen 3. Jahrhundert hätten sogar eher zu einem Anstieg der Ulpii bis Aurelii führen müssen. Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Aus dem vorliegenden Befund kann also geschlossen werden, dass die veterani der Hilfstruppen weitgehend frei in der Wahl ihres bürgerlichen Namens waren – von möglichen Ausnahmen wie vielleicht unter Vespasian abgesehen.40 Dies scheint die Tatsache zu bestätigen, dass die Empfänger der Militärdiplome in diesen Dokumenten weiterhin mit dem bei ihrer Rekrutierung gültigen Namen verzeichnet wurden. Vieles spricht dafür, dass die Verleihung der civitas Romana inklusive kaiserlichem nomen gentile in erster Linie an die Einrich-

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tung von municipia und coloniae geknüpft war. Städte mit römischem Stadtrecht fehlen jedoch in der Nordhälfte der Germania superior, und auch im Süden sind nur vier Bürgerkommunen bekannt, nämlich die coloniae Iulia Equestris / Nyon (unter Caesar), Augusta Rauricorum (unter Augustus), Aventicum (unter Vespasian) und das municipium Arae Flaviae (vor 186 n. Chr.). Es kommt hinzu, dass Nyon, Augst und Rottweil aus verschiedenen Gründen bisher nur wenige Inschriften geliefert haben. Kaiser Marcus Aurelius Severus Antoninus Pius (Caracalla) gewährte 212 n. Chr. allen freien Einwohnern (incolae) des Römischen Reiches Bürgerrecht (sogenannte constitutio Antoniniana). Als Konsequenz daraus hätte man einen Anstieg an Marci Aurelii erwartet. Das ist aber lediglich in Mainz der Fall, wo es im 3. Jahrhundert zu einer gewissen Renaissance der Grabinschriften auf Stelen und Sarkophagen kam. Die meisten dieser Inschriften, soweit sie sich mit einheimischen Zivilisten verbinden lassen, stammen aber eher aus dem fortgeschrittenen 3. Jahrhundert41 – mit einer Ausnahme: Eine just in das Jahr 212 n. Chr. konsuldatierte Inschrift aus Mainz nennt einen M(arcus) A(urelius) Iustius Belatullus (CSIR II.4 Nr. 13). Dieser behielt sein Pseudogentiliz Iustius (Sohn eines Iustus) bei und stellte mit erkennbar vorsichtiger Zurückhaltung das aktuelle Kaisergentiliz seinem Namen voran. Aus unserem Arbeitsgebiet sind hingegen nur zwei Aurelii bezeugt, von denen eine Person (Aurelia Ammias) explizit orientalischer Herkunft ist (AE 1998, 996 Nida). War das Gebiet der drei civitates im frühen 3. Jahrhundert also schon so weit romanisiert, dass es dort kaum noch potentielle Begünstigte der constitutio Antoniniana gab? Dagegen könnte die auff ällige Betonung sprechen, mit der die männlichen Angehörigen der Aurelia Ammias – angesichts so vieler Neubürger? – auf ihr altes, flavisches Bürgerrecht hinwiesen: In h(onorem) d(omus) d(ivinae) / Genium plateae novi vi / ci cum (a)edicula et ara / T(itus) Fl(avius) Sanctinus mil(es) leg(ionis) XXII / P(rimigeniae) [[Alexan(drianae)]] P(iae) F(idelis) imm(unis) co(n)s(ularis) et Per / petuus et Felix fratres c(ives) / R(omani) et Taunenses ex origi / ne patris T(iti) Fl(avi) Materni ve / terani coh(ortis) III praet(oriae) Piae Vindicis et Aurelia Am / mias mater eorum c(ivis) R(omana) d(onum) d(ederunt) / Agricola et Clementino co(n)s(ulibus) [230 n. Chr.].

Möglicherweise nahm man am Anfang des 3. Jahrhunderts den Kaisernamen M. Aurelius als inflationär wahr und fand es wenig schmeichelhaft, zu „den Letzten“ zu gehören. Dazu passt, dass ab Ende des 2. / Anfang des 3. Jahrhunderts die Pseudogentilia zunahmen und sich mindestens bis um die Mitte des 3. Jahrhunderts enormer Beliebtheit erfreuten, wie zum Beispiel die Jupiter-

Aspekte der Romanisierung

Säulen des Sedatius Stephanus, decurio civitatis Taunensium, mit seinen Kindern, den Stephanii Maximus, Maximinus, Maximina und Honorata (CIL XIII 7352; Nida, 240 n. Chr.), sowie des duumvir civitatis Taunensium, Cintugnatius Publius (castellum Mattiacorum; CSIR II.3 Nr. 44; 242 n. Chr.), bekunden. Am Bürgerrecht dieser Leute ist jedenfalls nicht zu zweifeln. Als der Kaisername Aurelius um die Mitte des 3. Jahrhunderts „hoff ähiger“ wurde, dürfte es im unsicher gewordenen Limesgebiet anders als in Mainz kaum noch jemanden gegeben haben, der Steindenkmäler aufstellte. Der Stolz der doppelten Identität als cives Romani et Taunenses, als Altbürger des Reiches und ihrer Heimat zugleich, dokumentiert, dass die rechtliche Romanisierung nicht als vereinheitlichende Globalisierung empfunden wurde, sondern im Gegenteil die regional-kulturelle Standortbestimmung aufwertete und zur Blüte beförderte. Iulius (27 v. Chr. – 41 n. Chr.)

Claudius (41–68)

Flavius (69–96)

civitas Mattiacorum

 





civitas Taunensium

   





civitas Auderiensium

?



Lopodunum / Ladenburg

?



Sumelocenna / Rottenburg





Orolaunum / Arlon (LUX), Grabmäler



Mogontiacum / Mainz



Borbetomagus / Worms



Noviomagus / Speyer



Divodurum / Metz (F)

     



Ulpius (98–11 7)

Aelius (117–16 1)

Aurelius (161–235)

 ?

F

F





  



 

Septimius (196–211)

 



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Iulius (27 v. Chr. – 41 n. Chr.)

Claudius (41–68)

Flavius (69–96)

Dibio / Dijon (F)

 







col. Augusta Raurica / Augst





col. Aventicum / Avenches (CH)

  





munic. Augusta Vindelicum / Augsburg

    





 

Ulpius (98–11 7)

Aelius (117–16 1)

Aurelius (161–235)

Septimius (196–211)



Tabelle 3: Anzahl inschriftlich bezeugter Täger kaiserlicher Gentilnamen im Arbeitsgebiet (grau) und in ausgewählten Städten benachbarter Regionen zum Vergleich. Gezählt wurden nur Familien, seien sie durch Einzelpersonen oder mehrere Mitglieder vertreten. Cocceii (Nerva, 96 –98 n. Chr.) sind nicht überliefert.

Welche Hinweise gibt es auf die Herkunft der Einwohner der drei civitates (Ciceros patria naturae)? Eine Bevölkerungskontinuität seit der späteisenzeitlichen oppida-Zivilisation ist praktisch nicht nachweisbar. Vielmehr ist von einem Bruch spätestens im Kontext des Gallischen Krieges auszugehen. An ihre Stelle traten südlich des Mains ab augusteischer Zeit Militärsiedler (foederati) elbgermanischer Herkunft (Suebi) zur Vorfeldsicherung der Rheingrenze. Durch zahlreiche Grabfunde mit Beigaben germanischer wie römischer Provenienz und teilweise auch mit Waffen sind sie dort archäologisch fassbar. Sie wurden zwar nicht in regulären, nach ihnen benannten Hilfstruppen der römischen Armee organisiert, doch waren Suebi (Nicrenses) noch im 3. Jahrhundert gefragte Krieger, die sogar in den kaiserlichen Garden in Rom dienten (cohortes praetoriae, equites singulares).42 Nördlich des Mains lagen die Verhältnisse anders. Hier fehlen bislang vergleichbare (Waffen-)Gräber des 1. Jahrhunderts n. Chr., obwohl freigeformte Keramik auf einheimische Bevölkerung hinweist. Statt durch einheimische Föderaten wurde das nordmainische Vorfeld von Mainz schon unter Augustus durch römische Vorposten direkt gesichert (Höchst; Wiesbaden?). Es gehörte zum Einflussgebiet der Rhein-Weser-germanischen Chatti, von denen sich im Bereich von Wiesbaden die Mattiaci abgesondert hatten. Mög-

Aspekte der Romanisierung

licherweise geschah dies im Zuge der Unterwerfung von Teilen der Chatti am Rhein 11 / 10 v. Chr. durch Drusus (Cassius Dio 54,36,3). Tacitus (Germania 29) betont ihre romfreundliche Gesinnung im Gegensatz zu den Chatti, denn sie „handelten mit Gesinnung und Herz mit uns“ (mente animoque nobiscum agunt). Rom wird das Ihre dazu beigetragen haben, zumal sie mit dem Silberbergbau in der frühen Kaiserzeit wirtschaft liche Interessen im Gebiet der Mattiaci verfolgte (Tacitus, Annales 11,20,3). Spätestens 43 n. Chr. wurden mindestens drei reguläre cohortes Mattiacorum ausgehoben und dauerhaft an der unteren Donau (Moesia inferior) stationiert. Dies zeigt, dass die Mattiaci – zumindest aus römischer Sicht – über eine gewisse Homogenität sowie über genügend Bevölkerungspotential verfügt haben müssen. Nach keiner anderen civitas im Limesgebiet wurde eine ala oder cohors benannt.43 Die bedeutendste und außer wenigen Fibeltypen die einzige materielle Quellengattung einheimischen Ursprungs nördlich des Mains ist frei geformte Keramik. Gegenüber den Herkunftsregionen ihrer germanischen Vorbilder lässt sich im Laufe des 1. und 2. Jahrhunderts zwar ein allmählicher Rückgang an Typen- und Verzierungsvielfalt konstatieren, der einen Verlust an Funktionen und an Traditionsbewusstsein anzeigt, doch verlief die Entwicklung im Arbeitsgebiet uneinheitlich. So schritt der Niedergang der germanischen Keramik im Gebiet der (späteren) civitas Mattiacorum offenbar zügiger voran als in dem der civitas Taunensium. Kommt darin ein unterschiedliches Tempo der Romanisierung zum Ausdruck? Bis zu ihrem Erlöschen im 2. Jahrhundert deckte die einheimisch-germanische Keramik hauptsächlich einen spezifischen Bedarf an Kochgeschirr vermutlich für traditionelle Speisen. Nach geochemischen Analysen wurden die Gefäße vor Ort hergestellt und nicht aus Gebieten jenseits des Limes importiert. Römische Gefäßformen imitierte man hingegen nicht und bediente sich auch nur ausnahmsweise römischer Techniken. Lediglich einzelne auf der Drehscheibe geformte Töpfe weisen germanische Fingerkniff verzierungen auf. Eine Verschmelzung germanischer und römischer Formen und / oder Techniken blieb aus – anders als im gallischen Kulturraum, wo um die Zeitenwende zum Beispiel die belgische Ware (terra nigra bzw. rubra) entwickelt worden war. Auch auf anderen kulturellen Ebenen lassen sich vergleichbare Feststellungen treffen. Während zum Beispiel bestimmte Architekturelemente der villa rustica oder Tempel (s. unten) in keltisch-gallischer Tradition wurzeln, lässt sich eine Weiterentwicklung germanischer Holzbauten (Wohnstallhäuser, Grubenhäuser) mit den Mitteln römischer Bautechnik nicht erkennen. Einzig ein neckarsuebisches Grubenhaus bei Edingen soll in der 2. Hälfte des 1. Jahrhunderts ein Ziegeldach getragen haben. Der

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sich dynamisch entwickelnden gallo-römischen Kultur stand also keine germano-römische Kultur gegenüber; beide Kulturen waren inkompatibel. Die Personennamen weisen in dieselbe Richtung. Für sie lassen sich im Arbeitsgebiet folgende Grundaussagen treffen: 1. Namen germanischen Ursprungs fehlen oder lassen sich etymologisch nicht von ostgallischen trennen. Dies änderte sich erst im 3. Jahrhundert. Etwa gleichzeitig lassen sich neue Einwanderer (elb-)germanischer Herkunft anhand fremder Keramikformen und Fibeln erkennen, vor allem im vicus des Kastells Zugmantel. Germanische Personen- und Götternamen des 1. / 2. Jahrhunderts kommen vielmehr in Niedergermanien sowie infolge der Stationierung von Truppen, die im Rheinmündungsgebiet ausgehoben worden waren, am Hadrianswall im Norden Britanniens vor. 2. Namen keltisch-gallischen Ursprungs sind gut belegt. Anhand von Graffiti auf Terra Sigillata, die sich präziser datieren lässt als die meisten Steindenkmäler, konnte gezeigt werden, dass der Anteil nichtlateinischer, in aller Regel gallischer Namen diachron vom 1. bis zum 3. Jahrhundert einen durchgehend konstanten Anteil von 15–20 % der Personennamen ausmacht. Das gilt zumindest für Nida. Eine lineare Latinisierung im Sinne einer allmählichen Ablösung nichtlateinischer durch lateinische Namen fand also nicht statt. Vielmehr gehörte ein stabiler „Bodensatz“ gallischer Namen zum kulturellen Selbstverständnis der Nidenses. Für diesen Befund bieten sich zwei alternative Erklärungsmodelle an: Im gleichbleibenden Anteil gallischer Namen könnte sich eine selbstbewusste, aber in der Minderheit befi ndliche Urbevölkerung gallischer Kulturprägung niedergeschlagen haben. Dagegen spricht aber, dass es ansonsten keine Anhaltspunkte für ein Fortbestehen spätlatènezeitlicher Siedlergruppen gibt (s. oben). Daher darf man die Namen im Wesentlichen mit (ost-)gallischen Einwanderern in Verbindung bringen, die Tacitus (Germania 29) ja auch ausdrücklich bezeugt: Jene levissimi Gallorum, durch Not initiativ und mobil gewordene (Ost-)Gallier, dürften bereits weitgehend romanisiert gewesen sein, als sie ab 71 / 74 n. Chr. – eventuell durch staatliche Steuervergünstigungen angelockt – rechts des Rheins sesshaft wurden. Die Romanisierung in (Ost-)Gallien implizierte zwar die Kommunikation mittels lateinischer Inschriften, doch nutzte man diese zur „zeitgemäßen“ Dokumentation der eigenen gallischen Identität. Deshalb hielt sich dort bis ins 3. Jahrhundert ein hoher Anteil gallischer Namen, und die Latinisierung der Namen war keine Einbahnstraße: Das bezeugen zahlreiche Filiationen, bei denen die ältere Generation bereits einen lateinischen Namen trägt, die jüngere aber wieder einen gallischen,

Aspekte der Romanisierung

zum Beispiel Andecarus Nocturni (filius) (CIL XIII 3984 Arlon), Beliniccus Pacati (filius) (CIL XIII 4349 Metz) oder Dousonna Rufini (filia) (CIL XIII 5561 Dijon). Anders als das ostgallische Binnenland war das Arbeitsgebiet als internationale Grenzzone ein Einwanderungsland (Tabelle 4). Hier muss der Anpassungsdruck an die Weltsprache Latein groß gewesen sein, da diese „konservative“ Namenskonstellation hier seltener belegt ist, zum Beispiel Giriso Cubi (CIL XIII 6626 Obernburg) oder Verecundinia Voba (CSIR II.13 Nr. 388 Riedstadt). Fundort (von N nach S)

Herkunft

Name

Beleg

Wiesbaden

Trever

Tertius Marci

ILS 9052

Mainz-Kastel

Th ra(us?) od. Tral(les?) (Kleinasien)

L. Plautianus Alexander (libertus)

CIL XIII 7310

Mainz-Kastel

bei Rom

tribus Fabia

CIL XIII 11942

Unterliederbach

dec. c(ivitatis) Itiu[---] od. Tau(nensium)?

G. Iunius Secundus

CIL XIII 7321

Heddernheim

Kleinasien

Aurelia Ammias

CIL XIII 7335

Heddernheim

griech. Osten

Seleucus Hermogratus

CIL XIII 7346

Heddernheim

Mediomatricus

Senilius Carantinus

CIL XIII 7369

Heddernheim

griech. Osten

Drakon, Achilleus

W. Spickermann, Germania 72 / 2, 1994, 597 ff.

Heddernheim

griech. Osten

?

Scholz 1999 Nr. 41

Heddernheim

Olbia

Seleucus Hermocratus

ILS 4084

Heddernheim

Africa?

Aelia Maura, Aelius Aeliodorus

CIL XIII 7333

Groß-Gerau

Trever

[---]oci f.

AE 2001, 1538

Großkrotzenburg

Trever

M. Aurelius Severinus

CIL XIII 7412

Stockstadt

griech. Osten

?

IG XIV 2564

Dieburg

Biturix (Aquitania)

Silvestrius Silvinus

CSIR II.13 Nr. 272 u. 297

Weiterstadt

Teanum Sidicinum (Italia)

Clodius Perigenes

CIL XIII 6429

Niedernberg

Vangiona

Candida?

AE 1978, 534

Obernburg

Gabrae? (Aquitania)

Giriso Cubi

CIL XIII 6626

Obernburg

Trever

Ateius Genialis

CSIR II.13 Nr. 159

Miltenberg

Gallia

Cossillus Donavi

CSIR II.13 Nr. 219 (Weihung, Name)

Ladenburg

Donauraum?

Iassus [---]ianus

AE 2000, 1087 (Weihung)

Waldmühlbach

Cappadocia

[---]

CIL XIII 6496

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Markus Scholz und Lisa Klaffki

Fundort (von N nach S)

Herkunft

Name

Beleg

Heidelberg

Mediomatricus

[---]

CIL XIII 6411

Heidelberg

Trever

Marovirus Bricionis

CIL XIII 11736

Heidelberg

Mediomatrica?

Accepta Sabini

EDH: HD 038668

Heidelberg

Nemes

Senecio Ianuari

EDH: HD 038670

Heidelberg

Hascalonis / Ashquelon (Israel)

M. Marius Apollinaris

CIL XIII 6409

Benningen am Neckar

Gallia

Severus Meliddati

CIL XIII 6451 (collegium peregrinorum, Name)

Benningen am Neckar

Gallia

Domitius Condollus

CIL XIII 6453 (collegium peregrinorum, Name)

Neidenstein

Germania inferior

Iulius Veranius Super

CIL XIII 6387 (Weihung Matronibus Alhiahenabus, Name)

Bad Rappenau-Bonfeld

dec. c(ivitatis) S. T.

L. Aventinius Maternus

CIL XIII 6482

Meimsheim

Mediomatricus

Iumma Exobni

CIL XIII 6460

Dürrmenz bei Pforzheim

Dec. c(ivitatis) Aquensis

Tib. Iulius Severus

CIL XIII 6339

Brötzingen bei Pforzheim

ex Pannon(ia) sup(eriore)

Iulia Emerita

AE 2007, 1048

Baden-Baden

Mediomatricus

L. Salvius Similis

CIL XIII 11714

Baden-Baden

Trever

C. Elvissius Capito

H. U. Nuber in: E. Sangmeister (Hrsg.), Zeitspuren (Freiburg 1993) 144 f.

Rottenburg

Helvetica

Matrona Caratulli

CIL XIII 6369

Rottenburg

Helvetica

Tessia Iuvenalis

CIL XIII 6372

Rheinheim

Trever

Modestus (servus)

AE 1977, 590

Tabelle 4: Ortsfremde Zivilpersonen im obergermanischen Limesgebiet mit Herkunftsangabe oder Herkunftshinweis durch Kombination aus Weihung und Personenname (nach Kakoschke 2002 mit Korrekturen und Nachträgen). Binnenmigration innerhalb des Limesgebietes ist nicht berücksichtigt. Grau hinterlegt: Arbeitsgebiet.

3. Unter den – überall dominierenden – lateinischen Namen drängen sich zunächst solche auf, die einen Hinweis auf die Herkunft ihres Trägers enthalten könnten (Tabelle 5). In wenigstens zwei Fällen besteht ein solcher Zusammenhang: So gibt sich ein Germanus als Bataver zu erkennen und ein gewisser Mattiacus als Angehöriger der Cairacates, die Tacitus (Historiae 4,70,3) für das Jahr 69 / 70 n. Chr. zusammen mit den Triboci und Vangiones

Aspekte der Romanisierung

erwähnt. Andere ursprüngliche Herkunftsnamen hatten sich bereits als cognomina verselbstständigt und von ihrer eigentlichen Bedeutung entfremdet (Afer, Romanus). Der im Arbeitsgebiet wiederholt belegte Name Surus ist ambivalent, da er zwar „Syrer“ bedeuten kann, es jedoch auch einen gleichlautenden gallischen Wortstamm gibt. Fundort

Name

Herkunft

Beleg

Nida

Afer, Afria

Afrika?

Scholz 1999 Nr. 51–52

Wiesbaden

Agrip(p)ina

Köln?

CSIR II.6 Nr. 6; Kakoschke 2007, 76

Wiesbaden

Alpinius

Alpen?

CIL XIII 7565a; CIL 13, 10017.129

Nida

Caturigia

Alpes Cottiae

CIL XIII 7352

Wiesbaden

Gallicus

Gallien?

CIL XIII 7565a

Wiesbaden

Germanus

natione Bata(v)us

CIL XIII 7577

Nida

Germanus

?

CIL XIII 7342a

Mainz

Mattiacus

civis Cairacas

CSIR II.6 Nr. 67

Wiesbaden

Raetus od. Raecus

Rätien?

CIL XIII 10017.431

Nida

Reatinus

Reate in Mittelitalien

Scholz 1999 Nr. 267

Wiesbaden

Romula

Romula (Dacia)?

CIL XIII 7572

Zugmantel

Sueba

Germanien

M. Reuter / M. Scholz, Geritzt und entziffert (Stuttgart 2004) 41

Tabelle 5: Die Herkunft bezeichnende lateinische Namen aus dem Arbeitsgebiet.

Die meisten lateinischen Namen sind zwar „Allerweltsnamen“ und daher im Einzelfall unspezifisch, doch fällt eine gewisse Vorliebe für „einfache“ cognomina auf, die von praenomina oder Ordinalzahlen abgeleitet sind (zum Beispiel Lucius, Sextio) oder wegen ihrer positiven Bedeutungen als „Soldatennamen“ taugten, zum Beispiel Felix, Maximus oder Victor. Regionale Unterschiede gibt es hinsichtlich des Mengenverhältnisses lateinischer zu nichtlateinischen, in der Praxis gallischen Namen, und zwar sowohl im Vergleich des Arbeitsgebietes mit den linksrheinischen Nachbarregionen als auch innerhalb der drei civitates. Bei den nomina gentilia (Abb. 22) ist ein Anstieg der aus gallischen Rufnamen gebildeten Pseudogentilia (blau) nach Norden hin festzustellen, insbesondere in den ostgallischen civitates der Treveri und Mediomatrici. Dieses Nord-Süd-Gefälle zeichnet sich tendenziell auch im Limesgebiet ab, wo die meisten mit gallischen Namen gebildeten Pseudogentilia aus Nida stammen. Deren höherer Anteil im Vergleich mit den Stammesgebieten im Süden Ober-

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Markus Scholz und Lisa Klaffki

Abb. 22 Sprachliche Herkunft der nomina gentilia inklusive der kaiserlichen Familiennamen und der Pseudogentilia im Arbeitsgebiet und in den benachbarten Regionen Obergermaniens sowie der Gallia Belgica, 1.–3. Jh. Rot: lateinische gentilia bzw. aus lateinischen cognomina gebildete Pseudogentilia. Blau: aus nichtlateinischen, in der Regel gallischen Rufnamen gebildete Pseudogentilia. Gelb: aus fremden, meist griechischen Rufnamen gebildete Pseudogentilia. In Klammern Gesamtzahl der berücksichtigten Namen. Quellen: CIL und Nachträge, CSIR, EDCS, EHD, OPEL u. a. Grafik: Michael Ober, RGZM.

Aspekte der Romanisierung

Abb. 23 Sprachliche Herkunft der cognomina im Arbeitsgebiet und in den benachbarten Regionen Obergermaniens sowie der Gallia Belgica, 1.–3. Jh. Rot: lateinische cognomina. Blau: nichtlateinische, in der Regel gallische Rufnamen. Gelb: fremde, meist griechische Rufnamen. In Klammern Gesamtzahl der berücksichtigten Namen. Quellen: CSIR, EDCS, EHD, OPEL u. a. Grafik: Michael Ober, RGZM.

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Markus Scholz und Lisa Klaffki

germaniens bedeutet keinen Rückstand an Latinisierung, sondern spiegelt die regionale Sitte der Filiationsbildung in Gestalt der Pseudogentilia wider. Bei den cognomina herrscht nämlich der umgekehrte Trend vor (Abb. 23): Einheimisch-gallische Namen kommen im Gebiet der Lingones (Dijon, Langres) und in Metz häufiger vor als in der civitas Treverorum. Den höchsten Anteil lateinischer cognomina erringt der Norden Obergermaniens beiderseits des Rheins. Mit den Namenspektren des Arbeitsgebietes können sonst nur die der Bürgerstädte Avenches und Augsburg konkurrieren. Hier schlägt sich in erster Linie der Einfluss des Militärs auf die Latinisierung der cognomina vieler Rekruten (und damit der späteren Veteranen) nieder. Einschränkend ist allerdings einzuräumen, dass die Karten 3 und 4 nicht chronologisch differenziert sind (1.–3. Jahrhundert). Gerade im Falle der linksrheinischen Vergleichsorte könnte eine feinere Analyse nach Zeitebenen kleinräumig voneinander abweichende Ausschläge ergeben. So ist beispielsweise die Mehrheit der gallischen cognomina von Zivilpersonen aus Mainz in die frühe Kaiserzeit zu datieren. Die Hauptorte der jeweils nach einem germanischen Stamm benannten civitas Mattiacorum (Wiesbaden) und der civitas Sueborum Nicrensium (Ladenburg) fallen also nicht durch das Vorkommen germanischer Namen auf, sondern durch einen besonders hohen Anteil lateinischer. Diesen Umstand könnte man im Falle von Wiesbaden noch mit einer mondänen Gesellschaft im Kontext der Heilbäder erklären, nicht jedoch im Falle Ladenburgs und auch nicht im Falle der linksrheinischen Hauptorte Borbetomagus (Worms) und Noviomagus (Speyer) der im Ursprung ebenfalls germanischen civitates Vangionum beziehungsweise Nemetum. Im Kontrast dazu weist Nida als Hauptort der civitas Taunensium, deren geographischer Kunstname von mons Taunus abgeleitet ist, einen erhöhten (jedenfalls leichter anhand der Namen erkennbaren) Anteil an Einwanderern auf, insbesondere aus Gallien. Dies scheint auch für die civitas Auderiensium zu gelten. Nun wäre es reizvoll zu überprüfen, inwieweit die Wahl bestimmter lateinischer Namen regionale oder chronologische Vorlieben widerspiegelt. Dies kann hier nur exemplarisch geschehen. So fällt beispielsweise auf, dass Namen mit anklingendem V in den Gebieten mit suebischem Substrat zwischen Neckar und Main ziemlich beliebt gewesen zu sein scheinen, zum Beispiel Ver(…) Verrinus (!) (CSIR II.13 Nr. 266 Dieburg); Bibulia Verecundi (CIL XIII 6626 Obernburg); Avitus, Vital(ius) Respectus, cives Suebi Nicre(n)sens (!) (AE 1978, 504 Trier); Vitalis > (centuria) Verini Suebus Necre(n)sis … Vincentius filius (AE 1994, 606 Rom); Verecundinius Verus natione Suebus (AE 1990, 753 Rom); Verecundinia Voba (s. oben); Vitalis (CIL XIII 6520; 11744 Steinbach; Mosbach); Respectus Beri

Aspekte der Romanisierung

(= Veri) (CIL XIII 11737 Heidelberg); Vervicia (CIL XIII 11741 Ladenburg) und Vennonius (ILS 7103a–b Ladenburg). Lag der anklingende W-Laut dieser lateinischen beziehungsweise gallischen Namen dem „suebischen Gaumen“ in besonderer Weise oder klang in ihnen eine germanische Wortbedeutung an? Die Neigung, lateinische cognomina aufgrund ihres Anklangs an einheimische Namen zu bevorzugen, ist jedenfalls ein verbreitetes Phänomen im (ost-) gallischen Kulturraum, zum Beispiel Saturninus (gall. Satto), Senilis (gall. Senn-) oder Secundus (gall. Segu-: Sieg). Der lateinische „Allerweltsname“ Secundus mit der doppelten Bedeutung „Zweitgeborener“ beziehungsweise „Glücklicher“ ist der häufigste lateinische Name in der civitas Treverorum. Auch in Nida führt er die Liste der beliebtesten Namen an. Das heißt natürlich nicht, dass jeder Secundus ein eingewanderter Trever war, bestätigt aber die Gemeinsamkeiten beider Gebiete. Charakteristisch sind Alliterationsnamen, von denen hier nur Beispiele unter Beteiligung eines gallischen und eines lateinischen Namens aufgeführt seien: Iuvenalia Iuvencula (CIL XIII 4394 Metz), Iuccosa Iuvenalis (CIL XIII 4393 Metz), Lepidus Lipponis (CIL XIII 5528 Dijon); Pudentianus Putti (CIL XIII 5473 Dijon), Primius Prisso (AE 1986, 496 Arlon); Secundinus Seccalus (CIL XIII 4010 Arlon) und Sentrus Secularis (CIL XIII 5570 Dijon). Dass es bei der Wahl öfter um den Anklang und nicht immer um die (unverstandene) Wortbedeutung ging, hätte wohl Magnianius Mariscus (CIL XIII 5801 Langres) bestätigen können, denn mariscus hat die wenig schmeichelhafte Bedeutung „Feigwarze“. Dieses Vorgehen bei der Wahl eines lateinischen Namens entspricht wohl einer frühen Phase der Latinisierung, obwohl die unscharfe Datierung der ostgallischen Inschriften dies nur ahnen lässt. Das Arbeitsgebiet hat etliche solcher Alliterationsnamen geliefert, vor allem Nida und Dieburg: Agricolia Agrip(p)ina (CSIR II.11 Nr. 6 Wiesbaden); Avitia Apra (AE 1929, 113 Nida); Carinius Carantus (CSIR II.13 Nr. 157 Obernburg); Caturigia Crescentina (CIL XIII 7352 Nida); Connius Couventinus (Lupa 6548 Nida); Flavius Fidelis (ILS 9284 Nida); Florius Florentinus (CIL XIII 11 787 Stockstadt); Iul(ius) Iuvenalis (CIL XIII 7361 Nida); Patronius Patrinus (CIL XIII 7502 Niedernberg); Petronius (?) Perpetuus (CSIR II.13 Nr. 281 Dieburg); Priscinius (?) Primulus (CSIR II.13 Nr. 283 Dieburg); Secundius Saecularis (CIL XIII 7356 Nida); Silvestrius Silvinus (CSIR II.13 Nr. 272 Dieburg); Ver(…) Verrinus (s. oben) und Verecundinia Voba (s. oben). Wie bei den Pseudogentilia wurde hier eine ostgallische Nomenklaturpraxis gepflegt, allerdings verstärkt unter Verwendung lateinischer cognomina. Indirekt können also auch lateinische Namen den kulturellen Hintergrund einer Region reflektieren.

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Markus Scholz und Lisa Klaffki

Eine Erscheinung des 3. Jahrhunderts sind Namen wilder Tiere, nämlich Aper (Eber), Aquilo (von aquila: Adler), Lupus (Wolf) und Ursus (Bär) und deren Weiterbildungen. Handelt es sich um eine bloße Mode oder decken sie Zuwanderer? Das gleichzeitige Auftreten elbgermanischer Keramik, einzelner germanischer Namen sowie germanischer Pressblechfibeln in Tierform provozieren diesen Gedanken. Allerdings bilden nur Eber-Fibeln die „Schnittmenge“ mit den lateinischen Tiernamen. 4. An ihren fremden Namen lassen sich Einwanderer aus den griechischsprachigen Ostprovinzen am leichtesten erkennen. Von ihnen entfallen die meisten auf Nida. Der geographische Verbreitungsschwerpunkt von Iullinus und Titullinus liegt in der Gallia Narbonensis beziehungsweise dort und in Hispania.44 Der Name Baricio (CIL XIII 7336) findet sich außer in Nida fast nur in Africa und Numidia. Es liegt nahe, in ihren Trägern Einwanderer zu vermuten. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die einheimische Bevölkerung der dem Namen nach germanischen civitates Mattiacorum und Sueborum Nicrensium (speziell Ladenburg) vor allem durch frei geformte Keramik indiziert wird, kaum jedoch durch Personenamen. Vielmehr fallen diese civitates durch einen besonders hohen Anteil lateinischer Namen auf. Hierin äußert sich ein gesteigertes Bemühen um Assimilierung an die römische (Militär-)Verwaltung. Gerade darin könnte der ursprüngliche Charakter einheimischer Germanen als loyale römische Föderaten, die sich von den romfeindlichen Chatti distanzieren wollten, indirekt zum Ausdruck kommen. Im Gegensatz dazu wurden die civitas Taunensium (speziell in Nida) und bedingt auch der Osten der civitas Auderiensium in erster Linie von Immigranten geprägt, insbesondere von den kulturell selbstbewussten Treveri. Hatte Rom diese Gebiete verstärkt aufgesiedelt, um eine civitas Chattorum in deren ehemaligem Einflussgebiet zu vermeiden, und daher die Kunstnamen Taunenses beziehungsweise Auderienses gewählt? Im Falle der Gallier ist von Integration in die lateinisch-römische Kultur zu sprechen, nicht von Assimilation. Die Fundorte der inschriftlich erwähnten Treveri, Mediomatrici und Helvetii im Limesgebiet deuten an (Tabelle 4), dass die Einwanderung aus den benachbarten linksrheinischen Gebieten großenteils auf dem kürzesten Wege erfolgte: Im Arbeitsgebiet finden sich hauptsächlich Treveri, im Neckarland eher Mediomatrici, im Süden Helvetii. Der Einfluss dieser Gruppen führte zu einer gewissen kulturellen Nord-Süd-Teilung des Limesgebietes, die sich vor allem in kultischen Denkmälern nieder-

Aspekte der Romanisierung

Abb. 24 Tempel im obergermanischen Limesgebiet (ohne Mithräen). Rot: Klassische Tempelformen (podium- und Antentempel). Braun: sog. gallo-römische Umgangstempel. Grün: sonstige Heiligtümer (meist aediculae). Kleiner Punkt: 1 Beleg; großer Punkt: 2 oder mehr Belege. Grafik: Michael Ober, RGZM.

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Markus Scholz und Lisa Klaffki

Abb. 25 Kategorien von Steindenkmälern im Arbeitsgebiet und in den benachbarten Regionen Obergermaniens sowie der Gallia Belgica, 1.–3. Jh. Rot: Götterweihungen. Blau: Grabdenkmäler. Grün: Ehreninschriften. Grafik: Michael Ober, RGZM.

schlägt: So kommen zum Beispiel Jupiter-Giganten-Säulen und Mithräen hauptsächlich in der Nordhälfte des Limesgebietes vor, gallo-römische Umgangstempel hingegen fast ausschließlich in dessen Südhälfte (Abb. 24). Auf

Aspekte der Romanisierung

die nördliche Kulturzone, zu der auch unser Arbeitsgebiet gehört, konzentrieren sich die im Mittelrhein-Mosel-Gebiet entwickelten Grabpfeiler. Selbst profane Erscheinungsformen folgen diesem Verbreitungsmuster, zum Beispiel das Vorhandensein oder Fehlen von Kellern in Wohnhäusern. Die absolute Dominanz von Votiv- gegenüber Grabdenkmälern ist jedoch weit über die Nordhälfte des Limesgebietes hinaus ein Phänomen der Militärzonen im späten 2. und 3. Jahrhundert (Abb. 25). Als das Limesgebiet in severischer Zeit seine wirtschaft liche Blüte erreichte, zog man Götterweihungen als Medium privater Selbstdarstellung den Grabmälern vor. Der Inschriftenbestand der linksrheinischen Stammeszentren wird hingegen von den Grabsteinen des 1. bis 2. Jahrhunderts bestimmt.

Literatur S. Biegert / S. v. Schnurbein / B. Steidl / D. Walter (Hrsg.), Beiträge zur germanischen Keramik zwischen Donau und Teutoburger Wald. Kolloquien zur Vor- u. Frühgesch., Bonn 2000 J. Blänsdorf / M. Scholz, Verfluchter Prozessgegner. Zwei defixiones aus dem Praunheimer Gräberfeld. In: P. Fasold, Die Bestattungsplätze des römischen Militärlagers und civitas-Hauptortes Nida. Schr. Arch. Mus. Frankfurt 20 / 1, Frankfurt a. M. 2011 (im Druck) S. Gairhos, Heiligtümer und städtische Siedlungen in den agri decumates. Das Beispiel Rottenburg / Sumelocenna. In: D. Castella / M.-F. Meylan Krause (dir.), Topographie sacrée et rituels. Le cas d’Aventicum, capitale des Helvètes. Actes du colloque int. d’Avenches, 2–4 novembre 2006, Basel 2008, 205–216 A. Haffner / S. v. Schnurbein (Hrsg.), Kelten, Germanen, Römer im Mittelgebirgsraum zwischen Luxemburg und Thüringen. Kolloquien zur Vor- u. Frühgesch. 5, Bonn 2000 P. Herz, Altbürger und Neubürger. Bemerkungen zu einer Inschrift aus dem römischen Heddernheim. Arch. Korrbl. 19, 1989, 159–167 A. Kakoschke, Ortsfremde in den römischen Provinzen Germania inferior und Germania superior. Eine Untersuchung zur Mobilität in den germanischen Provinzen anhand der Inschriften des 1. bis 3. Jahrhunderts n. Chr., Möhnesee 2002 A. Kakoschke, Die Personennamen in den zwei germanischen Provinzen, Bd. 1–2, Rahden / Westf. 2006–2007 D. Krausse, Das Phänomen Romanisierung. Antiker Vorläufer der Globalisierung? In: Imperium Romanum. Roms Provinzen an Neckar, Rhein und Donau. Ausstellungskat. Stuttgart 2005, 56–62

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Markus Scholz und Lisa Klaffki

K. Matijević / R. Wiegels, Inschriften und Weihedenkmäler des römischen Dieburg. Saalburg-Jahrb. 54, 2004 [2007], 197–273 Th. Maurer, Germanen im Grenzgebiet an Rhein und Donau in den Jahrzehnten um die Zeitenwende. In: 2000 Jahre Varusschlacht – Mythos, Stuttgart 2009, 67–80 B. Pferdehirt (Hrsg.), Die Entstehung einer gemeinsamen Kultur in den Nordprovinzen des Römischen Reiches von Britannien bis zum Schwarzen Meer. Das EU-Projekt „Transformation“, Mainz 2007 www.rgzm.de / transformation L. Rübekeil, Diachrone Studien zur Kontaktzone zwischen Kelten und Germanen, Wien 2002 O. Schlegel, Germanen im Quadrat. Die Neckarsueben im Gebiet von Mannheim, Ladenburg und Heidelberg während der frühen römischen Kaiserzeit, Rahden / Westf. 2000 M. Scholz, Graffiti auf römischen Tongefäßen aus Nida-Heddernheim. Schr. Frankfurter Mus. Vor- u. Frühgesch. 16, Frankfurt a. M. 1999 W. Spickermann, Romanisierung und Romanisation am Beispiel der Epigraphik der germanischen Provinzen Roms. In: R. Häußler (ed.), Romanisation et epigraphie, Montagnac 2008, 307–320 D. Walter, Germanische Keramik zwischen Main und Taunuslimes. Untersuchungen zu rhein-wesergermanischen Gefäßen in römischen Siedlungen des Rhein-MainGebietes. Freiburger Beitr. Arch. des ersten Jahrtausends 3, Rahden / Westf. 2000 R. Wiegels, Lopodunum II. Inschriften und Kultdenkmäler aus dem römischen Ladenburg am Neckar. Forsch. u. Ber. Vor- u. Frühgesch. Baden-Württemberg 59, Stuttgart 2000

Abkürzungen CIL CSIR EDCS EHD

– – – –

Corpus Inscriptionum Latinarum Corpus Signorum Imperii Romani Epigraphische Datenbank Clauss / Slaby, www.manfredclauss.de Epigraphische Datenbank Heidelberg, www.uni-heidelberg.de / institute / sonst / adw / edh Lupa – Ubi Erat Lupa, www.ubi-erat-lupa.org OPEL – Onomasticon Provinciarum Europae Latinarum

Vera Rupp

Römische Landwirtschaft und Handwerk im Rhein-Main-Gebiet Rupp Römische Landwirtschaft und Vera Handwerk

In den nördlichen Provinzen des Imperium Romanum lebte der größte Teil der Bevölkerung von Agrarwirtschaft und Handwerk. Ab dem späten 1. Jahrhundert n. Chr. entwickelte sich auch im Rhein-Main-Gebiet die römische Landwirtschaft. Sie gewährleistete die Versorgung der Soldaten in den Limeskastellen und der Bewohner in den Kastelldörfern mit Nahrungsmitteln. Landwirtschaft liche Güter gelangten aber nicht nur in die Militärstandorte, sondern auch auf die Wochenmärkte der römischen Klein- und Großstädte. Gute Geschäfte machten die Landwirte des Rhein-Main-Gebietes sicher in den Hauptorten der Gebietskörperschaften wie Nida (Frankfurt-Heddernheim), Aquae Mattiacorum (Wiesbaden) oder im heutigen Dieburg, dem Zentralort der civitas Auderiensium. Das Rhein-Main-Gebiet mit seinen hervorragenden Böden und einem recht milden Klima bot eine gute Grundlage, einen Betrieb aufzubauen. Typisch für die rechtsrheinische Region sind die eher kleinen und mittleren Gehöftgrößen, anders als im linksrheinischen Gebiet mit seinen großen Betrieben und teils palastartigen Hauptgebäuden. Die Mehrzahl der bekannten römischen Gutshöfe in der hessischen Region weist eine Hofgröße von etwa 5000 bis 20 000 m2 auf. Nur in Ausnahmefällen finden sich Anlagen bis vier Hektar Hofareal. Dazu kamen noch die umliegenden Äcker und Weiden. Obwohl man gerade in der mittleren Wetterau ein recht dichtes Fundstellennetz hat, fehlen noch immer konkrete Belege auf ein sicher anzunehmendes Kataster. Genormte Größen gab es offenbar nicht. In den vergangenen 15 Jahren hat sich das Spektrum der Gebäudeformen in den villae rusticae des Betrachtungsraumes sehr vergrößert. Dazu trugen Luftbilder, geophysikalische Messungen im Gelände und Grabungen bei. Lindenthal konnte in seiner Auswertung der Grundrisse ländlicher Siedlungen im nördlichen Limesbogen feststellen, dass es auch eine ganze Reihe Anlagen mit nur einem Gebäude oder einigen wenigen gab. Sein Verdienst ist es, die damals längst überkommene Zusammenstellung von Schell aus dem Jahr

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Vera Rupp

1964 zu aktualisieren und Anlagentypen herauszuarbeiten. Aufschlussreich ist auch seine Übersicht über die verschiedenen Gebäudegrundrisse.45 Bei den Hauptgebäuden kommen sowohl Fassaden mit seitlich vorgesetzten als auch seitlich angepassten Risaliten vor. Nur bei sehr wenigen bekannten Grundrissen ist eine Raumaufteilung des Hauptgebäudes bekannt, und nur in einem Fall ist eine an den Kernbau angefügte Badeanlage nachgewiesen; es handelt sich dabei um eine villa rustica in der Gemarkung von WölfersheimWohnbach (Wetteraukreis).46 Viel häufiger registriert man einen Gebäudetyp, der aus einem langrechteckigen Bau ohne turmartige Anbauten mit Portikus besteht. Dies trifft nach derzeitigem Forschungsstand auf das gesamte Rhein-Main-Gebiet zu. Offensichtlich gab es hier nur recht wenige wirklich große Anlagen mit repräsentativen Bauten; es stand wohl eher die kleinflächige Variante mit einfachen Hauptgebäuden im Vordergrund. Dies kann Ausdruck einer hohen Nachfrage nach Grund und Boden gewesen sein. Wollte die Zentralverwaltung in Mainz etwa möglichst viele Interessenten berücksichtigen? War der Siedlungsdruck von eingewanderten Bevölkerungsteilen, zum Beispiel aus den benachbarten Provinzen links des Rheins, groß? Sicher war auch der Anspruch hoch, die Versorgung der Truppen am Limes sicherzustellen. Man könnte annehmen, dass die ersten villae rusticae sicher bald nach der  Gründung der Provinz Obergermanien gegen Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr. errichtet wurden. Lindenthal konnte durch die Aufarbeitung des Fundmaterials aber deutlich machen, dass es wider Erwarten erst in spättraianisch-frühhadrianischer Zeit zu einer flächendeckenden Aufsiedlung seines Arbeitsgebietes kam.47 Er stellte darüber hinaus fest, dass es sich um bereits romanisierte Bevölkerung handelte, die wohl aus dem linksrheinischen Raum stammte.48 Nachweise, dass einheimische Germanen solche Höfe gründeten, gibt es bislang nicht. Gleichwohl finden sich immer wieder Scherben von Keramik germanischer Machart in den Siedlungsstellen. Entweder handelte es sich dabei um sogenannte Verpackungsbehälter für Waren aus dem germanischen Umfeld oder vielleicht sogar um germanische Arbeiter auf den Höfen, die Überreste ihres Geschirrs hinterließen. Mit archäologischen Mitteln allein kann man bei derzeitigem Forschungsstand leider kaum Aussagen dazu treffen, ob wohlhabende Eigentümer aus der Stadt Landgüter erwarben und sie durch Pächter oder eigene Angestellte bewirtschaften ließen. Oder siedelten im Rechtsrheinischen überwiegend Kleinbauern? Die Annahme, dass vor allem Veteranen entweder als Besitzer von Grund und Boden oder sogar als Betreiber fungierten, ist nur in sehr wenigen

Römische Landwirtschaft und Handwerk

Abb. 26 Rekonstruktion des sogenannten Meereswesen-Mosaiks in Bad Vilbel.

Fällen tatsächlich belegt. Der Fund einer Inschrift auf einer Jupitersäule im Wetteraukreis ist einer dieser seltenen Fälle (s. unten). Erst kürzlich versuchte sich Karl Peter Wendt an einer Berechnung der Einwohnerzahl im Gebiet der nördlichen Wetterau.49 Auffallend für den nordmainischen Limes ist offenbar ein besiedlungsfreier Abschnitt hinter der Grenzmarkierung. Möglicherweise hat man es mit einer festgelegten militärischen Zone zu tun. In der Region um Nordenstadt und Delkenheim bei Wiesbaden gibt es das Phänomen eines großräumigen Geländes, auf dem man keine Hinweise auf römische Landgüter findet. Hier sind durch Befliegung mehrere Grundrisse von Lagern bekannt, so dass man annehmen könnte, es habe sich um ein Manövergebiet an der wichtigen Verbindung, der „Elisabethenstraße“ von Mainz in die Wetterau, gehandelt.50 Lediglich um die großen Städte wie Wiesbaden, Frankfurt-Heddernheim und Dieburg wird es sogenannte villae urbanae, repräsentative Landsitze der begüterten Stadtbevölkerung, gegeben haben. Ein besonders schönes Beispiel einer aufwendig ausgestatteten Anlage fand sich in Bad Vilbel im Wetteraukreis. 51

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Dort wurde erst vor wenigen Jahren durch eine private Initiative das berühmte Meereswesen-Mosaik rekonstruiert und in einem sehr ansprechenden Pavillon untergebracht (Abb. 26). Das Original befindet sich im Hessischen Landesmuseum in Darmstadt. Durch intensive Begehungen und kontinuierliche Luftbildprospektion hat sich die Zahl der Fundplätze in der civitas Taunensium, der civitas Mattiacorum und im südmainischen Raum enorm vergrößert. In der civitas Taunensium sind bislang mehr als 350 Gehöfte registriert; man kann aber aufgrund topographischer Hinweise und Lücken auf der Verbreitungskarte von der doppelten Zahl ausgehen. Eine aktuelle Neuaufnahme der ländlichen Siedlungen in der civitas Mattiacorum durch Wieland erbrachte etwa 120 Plätze. Die im Vergleich zur Wetterau geringere Zahl ergibt sich aus der Schwierigkeit, flächendeckende Prospektionen durchzuführen. Die großen Weinbauflächen um Hochheim, eine ausgedehnte Kiesgrubenlandschaft um Weilbach, zahlreiche Streuobstwiesen und die riesenhafte Fläche, die der Frankfurter Flughafen einnimmt, bieten dazu keine Möglichkeiten. Sicher kann man in der Mainebene auch von einer wesentlich dichteren Aufsiedlung ausgehen. Die gerade eben erschienene aufschlussreiche Forschungsarbeit von Maurer zeigt auf, dass es auch im Hessischen Ried zahlreiche Anlagen gab.52 Nur bei einem Platz konnte bislang ein Risalitbau sicher nachgewiesen werden; ansonsten scheint es nur einfache Steinbauten gegeben zu haben. Maurer bezeichnet sie als „Kleinvilla“. Eine Bestandsaufnahme der gesamten civitas Auderiensium steht noch aus. Wie in anderen Regionen auch, orientierte man sich bei der Errichtung eines bäuerlichen Betriebes an der Lage im Gelände, an Gewässern zur Wasserversorgung und am Straßennetz. Besonders beliebt war die Lage an einem Südhang mit weitem Blick in die Umgebung und auf einen Gewässerlauf am Fuße der Anlage. Hier befanden sich die Viehweiden, während auf dem höheren, trockneren Gelände die Ackerbauflächen lagen. Beobachten kann man das im Taunusvorland am Seulbach und am Dornbach, in der Wetterau entlang der Wetter. Die Lage an einer Straße kommt ebenfalls recht häufig vor. So befanden sich an der Römerstraße vom Saalburgkastell nach dem römischen Städtchen Nida beiderseits Gehöfte. Und an dem nur vier Kilometer langen Abschnitt zwischen den heutigen Städten Oberursel und Bad Homburg sind bisher allein schon sechs Fundplätze bekannt. Der Abstand zwischen ihnen beträgt nur wenige hundert Meter. Durch das recht dichte Netz der landwirtschaft lichen Betriebe hatte man im Grunde fast immer Blickkontakt zu seinen Nachbarn. Hier umschloss eine

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Abb. 27 Echzell, Wetteraukreis. Rekonstruierte Jupitersäule mit Veteranen-Inschrift.

Mauer oder ein Zaun den Hofbezirk mit dem Wohnhaus, Wohnbauten für Gesinde und Saisonarbeiter, Scheunen, Getreidespeichern und Abstellplätzen für den Fuhrpark. Badegebäude konnten bislang kaum nachgewiesen werden. Möglicherweise waren sie in Holzbauweise errichtet, so dass sie sich zum Beispiel durch Luftbildarchäologie nicht nachweisen lassen. Vielleicht nutzte man aber auch die Badeeinrichtungen der Kastelle am Limes. Beliebt waren Jupitersäulen, die auf dem Hofgelände standen. Immer wieder finden sich Relikte dieser bis zu sechs Meter hohen Aufbauten. Eine in viele

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Abb. 28 Münzenberg-Gambach, Wetteraukreis. Luftbildaufnahme einer villa rustica.

Hundert Bruchstücke zerschlagene Jupitersäule fand sich auf dem Gelände eines Römerhofes in der Gemarkung von Wölfersheim-Melbach (Wetteraukreis). Ehrenamtliche Mitarbeiter der Kreisarchäologie fanden bei Geländebegehungen im Jahr 1997 zunächst das Bruchstück eines plattenförmigen Steins mit Inschrift. Die Kreisarchäologie setzte daraufhin eine Notbergung an und konnte in einem großen, grubenartigen Befund weitere Stücke bergen. Mit Unterstützung des Echzeller Geschichtsvereins fertigte man eine Rekonstruktion mit Kopie der einzelnen geborgenen Bruchstücke an. Die Originale sind im Echzeller Heimatmuseum zu sehen; die rekonstruierte Säule steht im Museumsgarten (Abb. 27). Besonders bemerkenswert an der Jupitersäule ist, dass die Inschrift einen Veteranen namens Lucius Quintionius Servianus als Stifter nennt.53 Dies kann als Hinweis dafür gelten, dass Armeeveteranen Landgüter kauften oder pachteten. Eine recht umfangreich untersuchte villa rustica fand sich bei MünzenbergGambach (Wetteraukreis). Im Vorfeld zur Errichtung eines Gewerbegebiets wurde mehr als ein Hektar der 2,2 ha großen Anlage „Im Brückfeld“ aufgedeckt.

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Abb. 29 Münzenberg-Gambach:, Wetteraukreis. Blick auf die freigelegten Fundamente eines Risalitbaus in der villa rustica „Im Brückfeld“.

Sie war zuvor durch Luftbildprospektion bekannt geworden (Abb. 28). Freigelegt werden konnten zwei Wohngebäude; eines davon wies mindestens drei Bauphasen auf und hatte zunächst nur einen kleinen, nicht unterkellerten Eckturm. In der letzten Bauphase errichtete man einen zweiten, wesentlich größeren, unterkellerten Risaliten mit gerundetem Treppenabgang. Im Kellerabgang wütete nach der Errichtung ein Schadensfeuer. Bei den Grabungsarbeiten konnten die verkohlten Reste der mit Holzbrettern verschalten Stufen noch deutlich ausgemacht werden (Abb. 29). Im Keller selbst waren im Lehmboden Standmulden für Amphoren angelegt. Die Umfassungsmauer des Gutshofes „Im Brückfeld“ hatte man im Osten in einen älteren Graben gesetzt. Warum man sich für eine solche Maßnahme entschied, blieb den Ausgräbern verborgen, denn damit brauchte man wesentlich mehr Steinmaterial. Immerhin blieben somit durch die spätere Verfüllung des Grabens mehrere Lagen aufgehenden Mauerwerks erhalten. Das Zweischalenmauerwerk war auf der Außenseite so verputzt, dass man eine Mauerquaderung

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Abb. 30 Münzenberg-Gambach, Wetteraukreis. Villa rustica „Im Brückfeld“. Blick in das Hofgelände. Im Vordergrund ist eines der beiden Wohngebäude mit angefügtem Eckturm und gerundetem Treppenbau zu sehen. Rekonstruktionszeichnung: Norbert Kissel.

anritzen konnte. Auf der Innenseite blieb die Mauer steinsichtig; Mühe mit dem Verputz gab man sich nur auf der außenliegenden Schauseite. Ein rund 500 m2 großes, zweischiffiges Horreum kam im westlichen Teil zutage. Mächtige Pfosten trugen die Dachkonstruktion des Speicherbaues. Die Pfostenstandspuren in den Pfostengruben waren bei der Grabung deutlich auszumachen. Der Bau wies fast die gleiche Größe auf wie der Speicherbau im Saalburgkastell und dürfte ähnlich ausgesehen haben. Im Innern waren mehrere Erdkeller vorhanden. Über dem Keller in der Nordwestecke gab es offenbar eine kleine Werkstatt, die bei einem Brand samt Fußboden in den Keller stürzte. Hier konnten die Ausgräber viele Eisenwerkzeuge und Eisennägel bergen (Abb. 30). Eine besonders interessante Entdeckung konnte vor einigen Jahren das Denkmalamt der Stadt Frankfurt unter der Leitung von Hampel in der villa rustica „Taunengraben“ in der Gemarkung von Frankfurt-Niedereschbach

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machen.54 Hier legten die Ausgräber eine Getreidedarre frei und fanden Hinweise, die auf eine Mühle deuten. Über die Ausstattung der Hauptgebäude ist generell nur wenig bekannt. Gelegentlich deuten Fundstücke von bemaltem Wandverputz darauf hin, dass man bei wohlhabenden Gehöften auf einen bestimmten Luxus nicht verzichtete. Ob es jedoch einfach nicht modern war, Mosaikböden in den repräsentativen Räumen anzulegen, oder ob sich die Bauherren einen solchen Luxus nicht leisten konnten, lässt sich heute nicht klären. Auff ällig ist aber, dass es im Gebiet rechts des Rheins ganz offensichtlich kaum Mosaike gab. Eine Ausnahme bildet die oben beschriebene Anlage unter anderem mit einem MeereswesenMosaik in Bad Vilbel (Wetteraukreis). Die Gräberfelder lagen gewöhnlich in der Nähe der Anlagen. Nur wenige Nekropolen von Gutshöfen sind gut untersucht. Im Jahr 1993 konnte ein kleines Gräberfeld im Bad Nauheimer Stadtteil Nieder-Mörlen im Wetteraukreis freigelegt werden. Im Rahmen einer Straßenbaumaßnahme entdeckt, dokumentierte man bei der Notbergung neun Gräber und einen Befund, der als rituelle Verbrennungsgrube angesprochen wird. Unter den Gräbern waren Brandgräber, Bustumbestattungen und ein Körpergrab. Der eigentliche Verbrennungsplatz konnte nicht ausgemacht werden. Besonders interessant war Grab 1, das eine Kombination aus Bustum- und Urnenbestattung aufwies. Möglicherweise gab es noch einige wenige weitere Gräber, die aber der Baumaßnahme zum Opfer fielen. Die geborgenen Bestattungen gehören überwiegend in die zweite Hälfte des 2. Jahrhunderts und wiesen zum Teil sehr ansprechende Beigaben auf. Das kleine Gräberfeld lag nicht weit von der wichtigen Römerstraße vom Kastell Butzbach nach Friedberg und nur wenige Meter von der durch Luftbildbefunde und Grabung freigelegten Hofstelle entfernt. Ein weiteres Gräberfeld einer villa rustica fand sich an der Römerstraße zwischen den Kastellen Friedberg und Arnsburg am Nordabschnitt des Wetteraulimes. Heute befindet sich die römische Verbindung direkt unter einem befestigen Feldweg in der Gemarkung von Wölfersheim-Wohnbach. Bei einer Luftbildprospektion entdeckte Lindenthal in einem Getreideacker drei Kreise, nur 12 m östlich der Römerstraße und 180 m von der sehr großen Gutsanlage „Auf dem Gleichen“ entfernt. Im Rahmen des Schwerpunktprogramms „Kelten, Germanen, Römer im Mittelgebirgsraum zwischen Luxemburg und Thüringen“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft erfolgte eine Freilegung.55 Die drei Kreise stellten sich als Mauerringe heraus, Relikte von Grabbauten. Diese Anlagen waren an der Straße orientiert und reihten sich in Nord-Süd-Richtung auf. Direkt dahinter lagen weitere Gräber, größtenteils

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noch ungestört. Es handelte sich dabei um Brandgräber und zwei Bustumbestattungen. Besonders auff ällig war, dass die Brandgräber langrechteckige Holzkisten enthielten. Die zentral gelegenen Bestattungen der Tumuli waren antik beraubt. Brandgrab 5 war besonders reich mit Beigaben ausgestattet; es enthielt unter anderem mehrere Bronzegefäße. Doch die meisten der elf Gräber waren noch komplett erhalten; sie wurden vollständig für naturwissenschaft liche Untersuchungen beprobt. Tumuli sind in der Rhein-MainRegion völlig unüblich und nur in einem Fall rechts des Rheins belegt. Vergleiche finden sich unter anderem im Trierer Raum, so dass die Ausgräber eine Verbindung zum linksrheinischen Gebiet vermuten. Möglicherweise stammte die Besitzerfamilie von dort und hat die Grabsitte beibehalten. Ackerbau und Viehzucht in der Wetterau wurden im Rahmen des oben genannten DFG-Schwerpunktprogramms recht genau erforscht. Ganz offensichtlich konzentrierte man sich damals im Limesgebiet mehr auf Ackerbau als auf Viehzucht. Forschungen von Kreuz zeigen, dass der Anbau von Gartenpflanzen wie Gemüse, Kräuter und Obst von den Römern eingeführt wurde. Getreidearten waren überwiegend Dinkel, Nacktweizen und Vierzeilige Spelzgerste. In dem oben beschriebenen Hof bei Frankfurt-Niedereschbach fanden sich Walnüsse, Pflaumen, Feigen und Mangold. Nachweisen konnte man laut Kreuz im römischen Hessen sogar importierte Oliven, Pinienkerne und Pfeffer. Nach ihren Berechnungen reichten die ansässigen landwirtschaft lichen Betriebe aus, die Versorgung der Truppen am Limes zu gewährleisten.56 Nachweise im zivilen Bereich für römisches Handwerk aller Art finden sich überwiegend in den Kastellvici oder den Kleinstädten. Neben Schlacken der Eisenverarbeitung findet man Gusstiegel der Bronzehandwerker, Rohlinge der Beinschnitzer und Werkzeuge zur Holzverarbeitung. Ein besonders interessanter Befund aus Nida-Heddernheim ist das so genannte Malergrab. Es enthielt als Beigaben etliche Keramiktiegel, in denen noch Farbpigmente enthalten waren. Aber auch in den villae rusticae hat es sicher handwerkliche Tätigkeiten gegeben. Durch die geringe Zahl untersuchter Hofanlagen in der Rhein-MainRegion sind konkrete Belege allerdings nur recht spärlich. Zwei parallele Ofenanlagen konnten in der villa rustica „Im Brückfeld“ bei Münzenberg-Gambach ausfindig gemacht werden. Ihre genaue Funktion blieb allerdings verborgen. Besonders gut erforscht sind indes die römischen Töpfereien in der Wetterau und im römischen Groß-Gerau. Biegert konnte im Rahmen ihrer Dissertation 12 Standorte aufarbeiten und Warengruppen vorlegen. Helfert legte eine ausführliche Bearbeitung der drei flavisch-frühhadrianischen Töpfereien für Gebrauchskeramik im Kastellvicus von Groß-Gerau vor. Hier sind besonders

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die Ergebnisse der archäometrischen Untersuchungen hervorzuheben. Er konnte herausstellen, dass die Tone in Ermangelung an Vorkommen am Ort aus Lagerstätten am Altneckar stammten. Es handelte sich dabei um Hochflutlehme.

Literatur H. Bender, Die römische Armee und ihr Einfluss auf Produktion und Bevorratung im zivilen Bereich. Archäologische Beispiele aus den nordwestlichen Provinzen des Imperium Romanum. In: A. Eich (Hrsg.), Die Verwaltung der kaiserzeitlichen Armee. Studien für Hartmut Wolff. Historia 211, Stuttgart 2010 S. Biegert, Römische Töpfereien in der Wetterau. Schr. Frankfurter Museum für Vorund Frühgeschichte 15, Frankfurt 1999 M. Helfert, Groß-Gerau II. Die römischen Töpfereien von Groß-Gerau, „Auf Esch“: Archäologische und archäometrische Untersuchungen zur Keramikproduktion im Kastellvicus. Frankfurter Arch. Schr. 11, Bonn 2010 A. Kreuz, Archäobotanik. Forschungen der hessischen Landesarchäologie zu Umwelt, Landwirtschaft und Ernährung der Vorzeit. Themen der hessenARCHÄOLOGIE 1, Wiesbaden o. J. J. Lindenthal, Die ländliche Besiedlung der nördlichen Wetterau in römischer Zeit. Mat. zur Vor- und Frühgeschichte von Hessen 23, Wiesbaden 2007 J. Lindenthal / V. Rupp / A. Birley, Eine neue Veteraneninschrift aus der Wetterau. In: S. Hansen / V. Pingel (Hrsg.), Archäologie in Hessen. Neue Funde und Befunde [Festschr. F.-R. Herrmann]. Internat. Arch. – Studia honoraria 13, Rahden / Westf. 2001, 199–208 V. Rupp, Römische ländliche Siedlungen im Taunusvorland. In: E. Schallmayer (Hrsg.), Hundert Jahre Saalburg. Sonderheft der Zeitschrift „Antike Welt“, Mainz 1997, 184–190 V. Rupp, Gutshöfe im Schatten des Limes. In: Die Römer im Taunus, Frankfurt 2005, 73–76 V. Rupp / H. Birley, Römische Landwirtschaft in der Wetterau. In: Hessische Heimat 45, 1995, 106 ff. V. Rupp / N. Boenke / M. Schmid, Der römische Gutshof „Im Brückfeld“ in Münzenberg-Gambach, Wetteraukreis. Arch. Denkm. Hessen 145, Wiesbaden 1998 G. Schell, Die römische Besiedlung von Rheingau und Wetterau. Eine historisch-geographische Untersuchung. Nassau. Ann. 75, 1964, 1–101 A. Wieland, Die römische ländliche Besiedlung in der civitas Mattiacorum, Diss. Univ. Köln 2009 (in Vorbereitung zum Druck: Mat. zur Vor- und Frühgeschichte von Hessen)

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Münze, Geld und Wirtschaft im Rhein-Main-Gebiet Hans-Markus Kaenel Münze, Geld undvon Wirtschaft

Mogontiacum (Mainz) – eine mächtige Garnisons- und Provinzhauptstadt Die Jahre von 20 bis 13 v. Chr. markieren im langen Prozess der Etablierung der römischen Herrschaft in den drei gallischen Provinzen Aquitania, Lugdunensis und Belgica einen tiefen Einschnitt: Zunächst schickte Kaiser Augustus seinen Gefolgsmann Marcus Agrippa als Statthalter nach Gallien, wo es zu inneren Unruhen und Auseinandersetzungen mit germanischen Stammesgruppen gekommen war. Agrippa trieb die Provinzialisierung durch verschiedene Maßnahmen voran, zu denen auch der Ausbau eines Verbindungsnetzes an den Atlantik, den Ärmelkanal und an den Rhein gehörte. Politisches, administratives und religiöses Zentrum der gallischen Provinzen wurde Lugdunum (Lyon). Nach der Niederlage eines römischen Heeres unter dem Kommando des Statthalters Marcus Lollius im Frühsommer des Jahres 16 v. Chr. verlegte der Kaiser seine Residenz für rund drei Jahre von Rom nach Lugdunum. Die Einrichtung der römischen Verwaltung in den drei Provinzen wurde weitergeführt und durch einen Census sowie die Einrichtung eines Provinziallandtages (concilium Galliarum) und die Weihung des großen Altars für Roma und Augustus in Lugdunum 12 v. Chr. abgeschlossen. Während des Aufenthaltes des Kaisers in Lugdunum richtete man hier im Jahre 15 v. Chr. eine Münzstätte ein. Sie prägte Gold-, Silber- und Erzmünzen nicht nur für Gallien und das Rheingebiet, sondern für weite Teile des Imperium Romanum und dies nicht nur in der Regierungszeit des Augustus, sondern – mit Unterbrechungen – bis ins 5. Jahrhundert n. Chr. Von großer Tragweite waren die Planungen des Augustus, die im militärischen Aufmarschszenario am Rhein offenbar werden, wo ein für die Zeit gewaltiges Aufgebot an Legionen und Auxiliareinheiten in festen Standlagern stationiert wurde. Die Lage der beiden Machtzentren, Xanten am Niederrhein und Mainz (Mogontiacum) am Oberrhein, zeigt, dass das strategische Konzept

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auf den Raum jenseits des Rheins ausgerichtet war. In Xanten und Mainz nehmen natürliche, tief ins Innere Germaniens führende Verbindungsachsen ihren Anfang. Den Beginn der Geschichte des Rhein-Main-Raumes in römischer Zeit markiert die Anlage des Doppellegionslagers auf dem Plateau des Kästrichs in Mogontiacum in den Jahren zwischen 17 / 16 und 13 / 12 v. Chr. Bis zur Aufgabe des Lagers um 370 n. Chr. und weit darüber hinaus blieb Mogontiacum das Zentrum einer großen Region – Garnisonsstadt, Sitz des Statthalters der Provinz Germania superior beziehungsweise der Germania prima, ein Ort, den die römischen Kaiser seiner strategischen Bedeutung wegen immer wieder aufsuchten und der öfter im Fokus römischer Reichspolitik stand. Hier nahmen wiederholt Feldzüge gegen germanische Stammesgruppen ihren Ausgang. Die Gründung der Garnisonsstadt erfolgte in einem Gebiet, das in den letzten Jahrzehnten des 1. Jahrhunderts v. Chr. nur dünn besiedelt und das politisch wie wirtschaft lich kaum strukturiert war. Die lokale Bevölkerung, für die die Namen Aresaces und Caeracates überliefert sind, gehörte vermutlich zur Stammesgemeinschaft der Treverer. Sie lebte in Subsistenzwirtschaft. Innerhalb kürzester Zeit wurden zwei Legionen, die Legio XIV Gemina und die Legio XVI Gallica, sowie Auxiliartruppen nach Mogontiacum verlegt, insgesamt etwa 10 000 bis 15 000 Mann.57 Die Legionäre stammten zu einem großen Teil aus dem Mittelmeerraum, aus Italien, Südfrankreich und von der Iberischen Halbinsel. Die Soldaten der Auxiliareinheiten waren in Gallien, Spanien, dem Alpenvorland, dem Donauraum, dem Orient, aber auch unter den Germanen rekrutiert worden. Vor den Toren des großen Militärlagers (ca. 36 ha) wuchs rasch eine Zivilsiedlung heran, in der Knechte und Sklaven von Soldaten, mit der Zeit auch deren Familienangehörige und Verwandte lebten, die aber auch andere Menschen von nah und fern anzog, weil es hier Arbeit gab und Existenzen im Handwerk und im Dienstleistungssektor (Handel, Transporte, Schenken, Bordelle, Schauspiele usw.) aufgebaut werden konnten. Über die Struktur der Zivilstadt von Mogontiacum, die auch Sitz des Provinzstatthalters und seiner Verwaltung wurde, ist wenig bekannt. Dies gilt auch für das im 1. Jahrhundert n. Chr. belegte Militärlager im nahen Mainz-Weisenau. Nimmt man in Einklang mit aktuellen Überlegungen zur Bevölkerungsdichte in der römischen Kaiserzeit bezogen auf die Zahl der Soldaten für die frühe Kaiserzeit eine Zahl von 15 000 bis 20 000 Zivilpersonen an, dann hätte Mogontiacum über eine Bevölkerung von insgesamt 25 000 bis 35 000 Einwohnern verfügt.58 Dabei ist freilich daran zu erinnern, dass stets einzelne Truppenkontingente für kürzere oder längere Zeit abdetachiert waren. Die Einwohnerzahl dürfte zurückgegangen sein, als in den

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80er Jahren des 1. Jahrhunderts n. Chr. die Legio II Adiutrix und die Legio XXI Rapax abgezogen wurden und an ihrer Stelle nur noch eine Legion, die Legio XXII Primigenia Pia Fidelis, ihr Standlager auf dem Kästrich hatte und auch das Lager in Mainz-Weisenau nicht mehr belegt war. Man schätzt die Bevölkerung nun auf rund 15 000 Einwohner. Für den Raum und die Zeit, um die es hier geht, blieb Mogontiacum eine große Stadt. Hier wohnten lange Zeit mehr Menschen als im gesamten Rhein-Main-Raum. Die meisten von ihnen waren Zuwanderer aus anderen Gebieten des Imperium Romanum.

Das römische Militär als Motor der Entwicklung im Rhein-Main-Gebiet Besiedlung und Entwicklung des im rechtsrheinischen Vorfeld von Mogontiacum gelegenen Rhein-Main-Gebietes in römischer Zeit sind vor dem Hintergrund und in Abhängigkeit von der Garnisonsstadt zu sehen. Zunächst war dieses Gebiet für rund 100 Jahre eine Zone, in der das römische Militär das Sagen hatte. Hier wurden Übungs- und für kürzere, in Einzelfällen auch für längere Zeit belegte Standlager gebaut sowie einzelne in engem Kontakt mit dem römischen Militär lebende germanische Gruppen angesiedelt. Mit der Anlage der Kastelle von Wiesbaden, Hofheim, Nida und Groß-Gerau entwickelten sich neue lokale Zentren, in deren Zivilsiedlungen eine bunt zusammengewürfelte Bevölkerung lebte. Mit dem Abzug der römischen Truppen aus dem Rhein-Main-Gebiet und dem Ausbau des Limes setzten weitere einschneidende Veränderungen ein. Dazu gehörten der Bau von Kastellen und Kastelldörfern am Taunus- und Wetterau-Limes sowie die zivile Aufsiedlung des Raumes zwischen Rhein und Limes. Letztere führte zur Herausbildung neuer Siedlungsstrukturen mit kleinen Städten, Dörfern und einem dichten Netz von Gutshöfen (villae rusticae), welche die Landschaft bis weit in das 3. Jahrhundert n. Chr. prägten. Mit der zu Beginn des 2. Jahrhunderts erfolgten Einrichtung der drei Gebietskörperschaften civitas Mattiacorum (Hauptort Wiesbaden), civitas Taunensium (Hauptort Nida / Frankfurt-Heddernheim) und civitas Auderiensium (Hauptort Dieburg) wurde die lokale Selbstverwaltung verankert. Auch nach der Aufgabe des Limes in der Zeit nach der Mitte des 3. Jahrhunderts blieb das Gebiet zwischen Main und Rhein, in dem sich germanische Gruppen niederließen, eng mit dem linksrheinischen Raum und mit Mogontiacum verbunden. Über Jahrhunderte war die Stadt das Machtzentrum, in dem buchstäblich alle Fäden zusammenliefen, von dem die wichtigen Verbindungen ausgingen und

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man den Rhein über eine Brücke nach Mainz-Kastel (castellum Mattiacorum) überqueren konnte. Heute wird das Rhein-Main-Gebiet als Wirtschaftsregion und Ballungsraum definiert, es ist eine der stärksten Metropolregionen in Deutschland. Es liegt daher nahe zu fragen, wie es – aus wirtschaft licher Sicht – in der römischen Kaiserzeit zu charakterisieren ist. Wirtschaft, definiert als die Summe dessen, was aufzubringen ist, um den Bedürfnissen von Einzelnen und Gruppen zu entsprechen, bezieht sich einerseits auf Sachgüter und andererseits auf Leistungen. Um Wirtschaft zu beschreiben, stehen heute präzise statistische Daten zur Verfügung. Für die römische Zeit fehlt Vergleichbares, vielmehr bilden die archäologischen Befunde und Funde, inschrift liche Zeugnisse und einzelne Textquellen den verfügbaren selektiven und fragmentarischen Quellenbestand. Während heute theoretische wie praxisorientierte Beschäftigung mit Wirtschaft einen Gegenstand intensiver wissenschaft licher Forschung darstellt, scheint man sich damals wenig dafür interessiert zu haben und die Deutung des ökonomischen Denkens und Handelns der Antike ist bis heute Gegenstand gelehrter Debatten geblieben.59 Vor diesem Hintergrund versuchen zwei interdisziplinäre Forschungsrichtungen, die Landschafts- und die Wirtschaftsarchäologie, neue Wege zu gehen. Erste landschaftsarchäologische Studien betreffen auch das Rhein-Main-Gebiet und zeigen, wie der Beitrag von Th. Maurer in diesem Band belegt,60 das hohe Aussagepotential raumbezogener Projekte auf. Wirtschaftsarchäologische Forschungsvorhaben, von denen im Folgenden einige erwähnt werden, versuchen ihrerseits, nachvollziehbare Grundlagen für eine systematische Beschreibung von ökonomischem Handeln in den untersuchten Zeiträumen zu erarbeiten. Mogontiacum war eine „Konsumentenstadt“. Eine für die Zeit sehr große Zahl an Menschen musste ernährt werden, was weitreichende Auswirkungen auf das gesamte links- und rechtsrheinische Umland hatte. Bei einer Tagesration von knapp einem Kilogramm Getreide pro Mann bedeutet dies, dass eine Legion (6000 Mann) pro Tag fünf bis sechs Tonnen Getreide brauchte. Hinzu kamen Fleischrationen, Gemüse, Obst, Salat, Käse, Gewürze und Getränke. Für die Pferde einer Legion wurden pro Tag rund fünf Tonnen Gerste sowie Heu und Stroh benötigt. Die Region um Mogontiacum war nicht in der Lage, diese Mengen aufzubringen. So mussten – jedenfalls für einen längeren Anfangszeitraum – Getreide und andere Waren aus entfernten Räumen herbeigeschafft werden. Zudem brachten die Legionäre ihre mediterranen Essgewohnheiten mit. Olivenöl, Wein, Würzsaucen und Oliven wurden über

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Jahrhunderte aus dem Mittelmeerraum nach Mogontiacum importiert. Der Bedarf an Baumaterialien zum Bau des Lagers und der Zivilsiedlung war sehr groß; dabei spielte Holz eine zentrale Rolle. Die Truppe brauchte jedoch noch sehr viel mehr, sie benötigte Metalle, Eisen, Kupfer, Zinn, Zink, Silber, die sie in eigenen Werkstätten verarbeitete, sie brauchte Tücher und große Mengen an Leder. Wie die Versorgung des Heeres in der frühen und mittleren Kaiserzeit im Einzelnen geregelt war, ist Gegenstand von wissenschaft lichen Diskussionen.61 Man muss davon ausgehen, dass ein erheblicher Teil der von den Steuerpflichtigen in den gallischen und germanischen Provinzen zu leistenden Steuern und Abgaben in den Unterhalt des Heeres flossen. Eine besondere Steuer für das Heer in Form von Lebensmittellieferungen entstand im 3. Jahrhundert (annona militaris). Hinzu kam der Bedarf an Produkten, welche die Menschen zusätzlich zu dem, was sie zum Leben brauchten, konsumierten. Obwohl im Einzelnen schwer einzuschätzen, so scheint die reiche archäologische Überlieferung doch darauf hinzudeuten, dass der private Konsum in der frühen und mittleren Kaiserzeit merklich anstieg und Waren wie zum Beispiel Feingeschirr (Terra Sigillata), Gläser, Schmuck, Terrakotten, Bronzestatuetten, aber auch Luxuslebensmittel wie Austern oder bestimmte Früchte guten Absatz fanden. Die Menschen der Militärstadt Mogontiacum verfügten über für antike Verhältnisse viel Münzgeld. Die römische Armee der Kaiserzeit war eine Berufsarmee mit festen, am 1. Januar, 1. Mai und 1. September in Münzen ausbezahlten Soldansätzen. Der Jahressold (stipendium) eines Legionssoldaten (miles legionis) betrug in der frühen Kaiserzeit 225 Denare, um 200 n. Chr. deren 600, der eines Hauptmanns (centurio) 3375 beziehungsweise 9000 Denare. Die Soldansätze trugen der hierarchischen Struktur des römischen Heeres Rechnung, dementsprechend lagen auch die Ansätze für die Auxiliarsoldaten etwas tiefer als die für die Legionäre. Hinzu kamen regelmäßig Sonderzahlungen aus besonderen Anlässen (donativa), etwa im Zusammenhang mit dem Regierungsbeginn eines neuen Kaisers, einem Kaiserbesuch oder als Anerkennung für die Loyalität der Truppe. Auch wenn sich die Soldaten verschiedenartige und nicht unbedeutende Soldabzüge gefallen lassen mussten, blieb ihnen genug, um beispielsweise eine Familie zu unterhalten. Soldaten verfügten jederzeit über Münzgeld, das sie für verschiedenste Zwecke einsetzen konnten. Schließlich erhielten die Soldaten im Zusammenhang mit ihrer ehrenhaften Entlassung nach Ableistung der langen Dienstzeit eine namhafte finanzielle Abfindung (praemia militiae), die es ihnen erlauben sollte, eine zivile Existenz aufzubauen. Die Höhe des Entlassungsgeldes betrug in der frühen und mitt-

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leren Kaiserzeit ungefähr das Zehnfache eines Jahressoldes. Die 100 bis 150 Soldaten der Legio XXII Primigenia, die jedes Jahr in Mogontiacum entlassen wurden, erhielten 3000 Denare als „Rente“. Sie konnten damit zum Beispiel ein Landgut als Existenzgrundlage erwerben und es durch Pächter bewirtschaften lassen, sie konnten Geld verleihen, einen Handwerksbetrieb gründen oder sich als Händler betätigen. Es ist davon auszugehen, dass die Veteranen in der zivilen Aufsiedlung der Wetterau einen entscheidenden Faktor dargestellt haben. In einer Gesellschaft wie der römischen, in der kaum jemand in den Genuss regelmäßiger Gehaltszahlungen in Form von Münzgeld kam, waren die Angehörigen des Heeres diesbezüglich in hohem Masse privilegiert. Ihre finanzielle Macht wirkte weit in das Umland der Militärsiedlungen.62 Für berechenbare Rahmenbedingungen schließlich sorgte im Rhein-MainGebiet das römische Recht. Als Teil des Imperium Romanum war hier die kaiserliche Provinzadministration mit ihren Institutionen und Amtsträgern zuständig,63 galten die römischen Rechtssatzungen, die Rechtsstellung von Gemeinden und Personen ebenso regelten wie das Sachen-, Obligationen-, Familien- und Erbrecht. Wer also beispielsweise eine Ware verkaufte oder kaufte, wer Miete oder Pacht zahlte, wer einen Vertrag abschloss, tat dies nach bestimmten Normen. Wir müssen davon ausgehen, dass die Gegend von Mogontiacum in der Regierungszeit des Augustus und danach wirtschaft lich gesehen eine „BoomRegion“ war, gekennzeichnet durch die starke Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen einer Bevölkerung, die über eine für die Zeit hohe Kaufk raft verfügte. Im Verlaufe des 1. Jahrhunderts dehnte sich dieser Raum aus, schloss zunächst das Rhein-Main-Gebiet mit ein, reichte schließlich bis zum Taunusund Wetterau-Limes, wo weitere etwa 8000 Soldaten stationiert waren. Es gibt kaum einen zweiten Bereich vergleichbarer Größe im gesamten Grenzraum des Imperium Romanum mit so viel Militär wie in dem hier interessierenden. Das wird auch Konsequenzen gehabt haben, indem etwa die Preise für Waren und Dienstleistungen hier vermutlich höher waren als in anders strukturierten Regionen. Aus ökonomischer Perspektive reicht es jedoch nicht aus, allein Mogontiacum, das Rhein-Main-Gebiet und die Wetterau ins Blickfeld zu nehmen. Vielmehr gilt es, daran zu erinnern, dass sich jenseits des Limes die Weiten Germaniens ausdehnten, die durch diese gewaltige Sperranlage nicht abgeschottet waren, sondern mit denen durch offene Tore Kontakte gepflegt werden konnten. Welche Rolle Mogontiacum im Zusammenhang mit dem Absatz von Waren in der Germania magna beziehungsweise im Warenaustausch

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Abb. 31,1 Grabstein des Schiffers Blussus und seiner Frau Menimane. Gefunden 1848 in MainzWeisenau; Landesmuseum Mainz, Inv.-Nr. S 146. – Vorderseite.

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Abb. 31,2 Rückseite.

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mit den germanischen Stammesgruppen spielte, ist schwer zu präzisieren, doch muss es sich um einen nicht zu unterschätzenden Wirtschaftsfaktor gehandelt haben. Das hier interessierende Gebiet war in der römischen Kaiserzeit stets ein Grenzraum, in dem besondere Bedingungen herrschten. Auch in anderen Räumen des Imperium Romanum haben Studien zur Eigenart des Lebens in Grenzräumen zu bemerkenswerten Einsichten geführt.64 Die Versorgung des römischen Heeres wie der Zivilbevölkerung war in starkem Maße abhängig vom Transport: Transporten aus dem Umland, der Region sowie aus näheren und fernen Gegenden des Imperium Romanum. Aber auch nachdem die ländliche Besiedlung im Hinterland des Rheins neu strukturiert war und die Landwirtschaft, der wichtigste Wirtschaftsfaktor, in der Lage war, Überschüsse zu erzeugen und in den umliegenden Zentren abzusetzen, zeichnet sich das Wirtschaftsgeschehen durch Austausch aus. Wo immer möglich, nutzte man dazu die Wasserwege, Transporte auf dem Landwege waren der gegebenen Infrastruktur wie der Lade- und Zugkapazitäten wegen aufwendiger. Der Rhein war die wichtigste Verkehrsader, aber auch seine großen und kleinen Zuflüsse wurden mit Schiffen, Kähnen und Flößen befahren; flussaufwärts wurde getreidelt. Mogontiacum verfügte über einen bedeutenden Hafen und über Schiffswerften. In diesem Zusammenhang ist an einen Grabstein zu erinnern, der für die „Pionierjahrzehnte“ am Rhein steht. Es handelt sich um den Grabstein des Schiffers Blussus aus Mainz-Weisenau,65 der vermutlich in den 30er oder 40er Jahren des 1. Jahrhunderts entstanden ist (Abb. 31, 1 und 2). Auf der Vorderseite des Steines sind Blussus und seine Frau Menimane dargestellt. Die beiden werden sitzend, in Frontalansicht und in ihrer lokalen keltischen Tracht wiedergegeben, hinter ihnen steht ein Knabe, vermutlich ihr Sohn Primus. Darunter ist die Inschrift angebracht, die auf der Rückseite des Steins in leicht veränderter Form wiederholt wird. Über der Inschrift sind ein Transportschiff, Rosetten und Girlanden in den Stein gemeißelt. Blussus war Kelte; in der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts n. Chr. führte er als Schiffer (nauta) von Mogontiacum aus Transporte auf dem Rhein und anderen Gewässern durch und brachte es so zu Reichtum und Ansehen. Stolz umfasst seine Linke den gut gefüllten Geldbeutel. Der Grabstein des Blussus ist nicht das einzige Beispiel aus dem Mainzer Raum für eine Persönlichkeit, die durch den Handel ihr Glück gemacht hat. So gibt es Gründe anzunehmen, dass der Besitzer der prächtigen Peristylvilla in Bad Kreuznach mit dem berühmten Oceanus-Mosaik ein Unternehmer gewesen sein könnte, der mit Lebensmitteln aus dem Mittelmeerraum gehandelt hat.66

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Händler sind im Rhein-Main-Gebiet inschrift lich gut belegt. So haben zum Beispiel in Mogontiacum die Händler mit römischem Bürgerrecht im Jahre 43 n. Chr. dem Kaiser Claudius eine Ehreninschrift gesetzt.67 Der Grabstein des Secundus Agricola aus Wiesbaden weist diesen als Geschirrhändler aus (negotiator artis cretariae), eine Weihung im Mithräum von Groß-Gerau nennt einen Fleischhändler (negotiator lanius) namens Aulus Ibliomarius Placidus aus Mainz-Kastel.68 Eine in mehrfacher Hinsicht bemerkenswerte Weihung hat Lucius Senilius Decmanus im Jahre 198 n. Chr. dem Gott Merkur in dessen Heiligtum in Mainz-Finthen aufgestellt. Die Inschrift besagt, dass er quaestor und Vorsteher der römischen Bürger von Mogontiacum war.69 Wir erfahren weiter, dass er hier niedergelassener Händler, gleichzeitig aber auch Bürger der civitas Taunensium (Hauptort Nida / Frankfurt-Heddernheim) war, was wohl bedeutet, dass er auch dort seinen Geschäften nachging. Diese Inschrift stellt nur einen von mehreren Belegen dafür dar, wie eng Mogontiacum und das rechtsrheinische Vorfeld miteinander verflochten waren.

Erschließung von natürlichen Ressourcen Aus wirtschaft licher Sicht kam der Erschließung und Kontrolle der natürlichen Ressourcen hohe Bedeutung zu. Für die Heeresversorgung, aber auch für die zivile Bevölkerung wurde – greifen wir einen zentralen Sektor heraus – viel Metall benötigt. Obwohl man auf der Iberischen Halbinsel reiche Gold-, Silber-, Blei- und Kupfervorkommen in großem Ausmaße abbaute, zeichnet sich immer deutlicher ab, dass zugleich die lokalen Erzvorkommen genutzt wurden. Das trifft auch für den Einzugsbereich von Mogontiacum zu. Bei Oberbrechen im Kreis Limburg-Weilburg ist vor einigen Jahren ein frühkaiserzeitliches Lager entdeckt worden, dessen Deutung noch erhebliche Schwierigkeiten bereitet.70 Angesichts der Tatsache, dass ein etwa 2 kg schwerer Brocken von Bleiglanz gefunden worden ist und in unmittelbarer Nähe entsprechende Vorkommen anstehen, die in der Neuzeit abgebaut worden sind, liegt der Hinweis auf eine Stelle bei Tacitus nahe. Der römische Historiker berichtet, dass von den Truppen im Gebiet der Mattiaker (Raum Wiesbaden/Taunuskamm) auf der Suche nach Silberadern Minenschächte angelegt worden seien.71 Allerdings sei die Ausbeute gering und nur von kurzer Dauer gewesen. Eisen wurde in der römischen Zeit vor allem in den linksrheinischen Mittelgebirgen gewonnen. Eine Reihe entsprechender Verhüttungsreviere ist bekannt,

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zum Beispiel bei Eisenberg in der Nordpfalz oder in der Eifel. Die Eifel, ein an natürlichen Ressourcen reicher Raum, lag im Einzugsbereich der drei bedeutendsten römischen Zentren im Gebiet des heutigen Deutschlands, Trier, Köln und Mainz. Neuere Forschungen haben nachgewiesen, dass auch die Eisenerzvorkommen im mittleren Lahntal während der Kaiserzeit abgebaut wurden. Eisen wurde in charakteristischen doppelpyramidenförmigen Barren verhandelt und lokal verarbeitet. Ein Depot von 26 Barren wurde bei Gernsheim, ein weiteres mit elf Barren in Kelkheim gefunden.72 Die rheinischen Schiefergebirge links und rechts des Rheins weisen zahlreiche Bleierzvorkommen auf, die in römischer Zeit abgebaut worden sind. Zeugnis davon geben auch Funde von Bleibarren. Eine bemerkenswerte Gruppe von frühen Barren aus dem Sauerland trägt Inschriften, in denen das Blei als germanisches Blei (Germanicum plumbum) ausgewiesen wird.73 Moderne naturwissenschaft liche Analyseverfahren erlauben es, durch die Bestimmung der Isotopenverhältnisse des Bleis die Lagerstätte einzugrenzen beziehungsweise zu bestimmen. In einer Frankfurter Pilotstudie konnte S. Durali-Müller nachweisen, dass schon in den frühesten römischen Fundplätzen in Deutschland, in Dangstetten am Oberrhein, aber auch in Waldgirmes im Lahntal, Blei aus dem Eifelraum Verwendung gefunden hat. In Mainz gefundene Rohre bestehen aus Blei aus den Lagerstätten Bleialf, Silberberg und Glückstal. Einer der wichtigsten Rohstoffe war Holz, das nicht nur als Baumaterial für Militärlager und Häuser und zur Herstellung von Schiffen, Wagen, Möbeln und Geräten, sondern ebenso zum Kochen, Heizen und zum Brennen von Kalk Verwendung fand, nicht zu vergessen das Holz zum Verbrennen der Toten. Dass der gewaltige Holzbedarf nicht ohne ökologische Folgen blieb, darauf scheint eine Gruppe von bemerkenswerten Inschriften hinzuweisen. In Stockstadt, Obernburg und Trennfurt am Main sind insgesamt vier, in den Jahren zwischen 206 und 214 von Detachementen der Mainzer Legion aufgestellte Altäre gefunden worden.74 Diese militärischen Abordnungen (vexillationes agentes in lignariis) hatten den Auftrag, im Odenwald Holz zu schlagen und auf dem Main nach Mainz zu flößen. Als die Steinbautechnik Einzug hielt, musste das entsprechende Material in geeigneten Steinbrüchen gebrochen und bereitgestellt werden. Wenn man sich die Zahl der Truppenlager am Taunus- und Wetterau-Limes, die öffentlichen Gebäude, die im 3. Jahrhundert errichteten Stadtmauern (Mogontiacum, Nida, Dieburg) und die vielen villae rusticae vergegenwärtigt, so war der Bedarf an Steinmaterial erheblich. Von überregionaler Bedeutung muss der Felsberg bei Reichenbach gewesen

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sein, wo im 4. Jahrhundert in der Kaiserresidenz Trier verbaute Granitsäulen gebrochen wurden.75

Lokale Produktion Die Verarbeitung von Metallen erforderte ein spezialisiertes Know-how. Während das Schmiedehandwerk und das Gießen von einfachen Buntmetallgegenständen weit verbreitet waren, besteht Grund zur Annahme, dass es in dem hier interessierenden Raum ein einziges großes Produktionszentrum gab, das technologisch stets auf dem Stand der Zeit war, die zentralen Werkstätten (fabricae) des Legionslagers Mogontiacum.76 Hier wurden Waffen und militärische Ausrüstungsgegenstände aller Art hergestellt, ebenso anderes Metall-Gerät, vermutlich auch Großbronzen, hier erfolgten Reparaturen aller Art. Ein Teil der frühen Legionswerkstätten ist 2002 im Rahmen eines Bauvorhabens des Mainzer Klinikums durch A. Heising ausgegraben worden. Die römischen Schichten waren noch bis zu zwei Meter mächtig und erbrachten sehr bedeutende Befunde zur Verarbeitung von verschiedenen Metallen: Tiegelöfen zum Buntmetallguss, Öfen zum Schmelzen von Eisen, Wasserbehälter, Holzkohle, Schlacken, Tiegel, Werkzeuge, Werkstattabfälle, Reste von Bein- und Hornschnitzerei für Schwerter und Messer; weiter belegt sind Produktion und Färben von Textilien. Ein in Mainz gefundener Grabstein eines Schiffsbauers erinnert daran, dass hier über Jahrhunderte Schiffe gebaut wurden.77 Erhebliche Bedeutung kam den Ziegeleien zu, die an verschiedenen Standorten durch die Truppe betrieben wurden. Bekannt ist zum Beispiel die Ziegelei von Frankfurt-Nied,78 in der die Mainzer Legionen bis ins 2. Jahrhundert n. Chr. tätig waren. Das römische Militärhandwerk war gut und differenziert ausgebaut, die einzelnen Sparten wurden professionell betrieben. Keramik stellt die am häufigsten vorkommende archäologische Fundgattung dar. Während das feine Tafelgeschirr, die Terra Sigillata,79 aus verschiedenen spezialisierten Zentren in Gallien und schließlich vor allem aus Rheinzabern importiert wurde, stellten lokale Töpfereien die Masse der verwendeten Keramik her. Nicht nur in Mogontiacum sind Töpfereien nachgewiesen, sondern auch an vielen Orten im Rhein-Main-Gebiet.80 Ihre Erzeugnisse lassen sich auch durch ihren geochemischen „Fingerabdruck“, das heißt in der charakteristischen Zusammensetzung der Haupt- und Spurenelemente, voneinander unterscheiden. Im Rahmen eines Projektes werden zurzeit an der Goethe-Universität Frankfurt unter Einsatz modernster analytischer Verfahren die Absatzräume der lokalen

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Abb. 32 Groß-Gerau, „Auf Esch“, Kastelldorf. Reste des Töpferofens 4 der Töpferei II.

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Waren im Rhein-Main-Gebiet über die Jahrhunderte der Kaiserzeit systematisch untersucht. Die lokalen Töpfereien mit ihren Produktionsanlagen sind archäologisch gut nachgewiesen, so zum Beispiel im Kastelldorf von Groß-Gerau (Abb. 32). M. Helfert, dem Bearbeiter dieser Befunde, ist es gelungen, die Geschichte der Groß-Gerauer Töpfereien unter wirtschaftsarchäologischen Gesichtspunkten zu rekonstruieren. Als um 75 / 80 n. Chr. in Groß-Gerau ein Kohortenkastell angelegt wurde, eröffnete hier eine Töpferfamilie einen kleinen Betrieb. Aufgrund bestimmter produktionsspezifischer Eigenheiten besteht Grund zur Annahme, dass sie aus dem Rheinland zugezogen ist. Einige Jahre später zogen zwei weitere Töpfer, wahrscheinlich aus der Provinz Gallia Belgica, nach GroßGerau und nun produzierten drei Familienbetriebe für den Garnisonsort und das Umland Gebrauchskeramik, bis die Truppe um 115 / 120 n. Chr. abgezogen wurde. Danach verlieren sich die Spuren der drei Töpfereien. Eine besondere Fundgruppe von erheblicher ökonomischer Bedeutung bilden die Amphoren, in ihrer Form standardisierte Transportbehälter für Olivenöl, eingelegte Oliven, Wein und Würzsaucen aus Fisch. Die Amphoren aus Mainz und dem Mainzer Umland, rund 15 000 Individuen, sind durch U.  Ehmig in zwei interdisziplinären Studien erschlossen und gedeutet worden.81 Von den knapp 1500 Amphoren beispielsweise, die in Groß-Gerau gefunden worden sind, dienten 58 % dem Transport von Olivenöl, 28 % dem von Wein und 8 % dem von Würzsaucen. Die Amphoren mit ihren Inhalten stammten aus Südfrankreich, aus verschiedenen Gebieten der Iberischen Halbinsel, Mittelitalien, aus Nordafrika und sogar aus dem kleinasiatischen Raum. Der Import der schweren Amphoren – eine südspanische Ölamphore wog mit Inhalt bis zu 90 kg, rund ein Drittel das Gefäß und zwei Drittel der Inhalt – bedeutete bei den gegebenen Transportmöglichkeiten einen erheblichen Aufwand. Viele Amphoren weisen Stempel, Ritzinschriften oder Pinselaufschriften (tituli picti) auf,82 die wertvolle zusätzliche Hinweise auf den Produktionsraum, den Inhalt und dessen Qualität sowie den Transport geben. Ein historisches Dokument stellt eine in Mainz gefundene WürzsaucenAmphore dar, deren Pinselinschrift den Inhalt als von höchster Qualität und als Besitzer der Amphore P. Pomponius Secundus, 83 kaiserlicher Statthalter um die Mitte des 1. Jahrhunderts, ausweist. Ein bemerkenswertes Ergebnis der Studien von U. Ehmig besteht im Nachweis, dass die für die südspanischen Ölamphoren typische bauchige Form (Dressel 20) im Rhein-Main-Gebiet ab der Mitte des 2. Jahrhunderts in großen Mengen lokal imitiert worden ist.84 Durch geochemische Analysen konnten

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Töpfereien in Rheinzabern, Worms, Winterbach, Dieburg, Heddernheim (Nida) und an weiteren, noch nicht identifizierten Standorten nachgewiesen werden. Da im Rhein-Main-Gebiet keine Olivenbäume wachsen, liegt die Frage nahe, was in diesen besonderen Amphoren abgefüllt worden ist. Sicher zu entscheiden ist sie nicht, aber einige Indizien sprechen dafür, dass es sich um Bier gehandelt haben könnte. Die landwirtschaft liche Produktion bildete die Lebensgrundlage eines erheblichen Teils der Bevölkerung. Zu deren Sicherung wurden im Verlaufe des 1. und 2. Jahrhunderts große Flächen erschlossen und bewirtschaftet. Die fruchtbaren Böden der Wetterau ernährten weit mehr als die am Wetterau-Limes stationierten Truppen (Mensch und Tier) sowie die Bevölkerung auf den Gutshöfen und in den Siedlungen. Die Erträge waren so hoch, dass Überschüsse auch anderswo, zum Beispiel in Mogontiacum, abgesetzt werden konnten. Märkte gehörten zum Alltag in der römischen Kaiserzeit. Zeugnisse handwerklicher Produktion konnten in verschiedenen Siedlungen im Rhein-Main-Gebiet, vorab natürlich den größeren, nachgewiesen werden. So sind zum Beispiel in der Stadt Nida folgende Handwerke belegt: Ärzte, Bäcker, Beinschnitzer, Bronzegießer, Friseure, Gold- und Silberschmiede, Maler, Maurer, Metzger, Möbelschreiner, Schlosser, Schmiede, Schumacher, Steinmetze, Wagenbauer und Zimmerleute.

Münze und Geld Die römische Währung, die von Kaiser Augustus auf eine neue Grundlage gestellt wurde, umfasste in ihrem Wert aufeinander bezogene Einheiten in Gold (Aureus, 7,8 g), Silber (Denar, 3,8 g), Messing (Sesterz, 27 g; Dupondius, 13,5 g) und Kupfer (As, 11 g; Quadrans, 3,2 g). Dabei entsprachen einem Aureus 25 Denare, einem Denar vier Sesterze, einem Sesterz zwei Dupondien, einem Dupondius zwei Asse und einem As vier Quadrantes. Während das Gold stabil blieb, wurden Gewicht und Feingehalt des Denars im Verlaufe des 1. und 2. Jahrhunderts schrittweise herabgesetzt. Am Beginn des 3. Jahrhunderts führte man eine neue Silbereinheit, den ,Doppeldenar‘ (sogenannter Antoninianus) ein. Aber auch diese Einheit verlor rasch an Gewicht und Gehalt. Als Folge politischer Instabilität, Inflation, Verknappung des verfügbaren Münzmetalls usw. brach die römische Währung um die Mitte des 3. Jahrhunderts zusammen. Danach gelang es, sie wieder zu stabilisieren und ein neues System zu etablieren. Die Gold-

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münze der Spätantike war der Solidus im Gewicht von 4,5 g; Silber wurde vor allem in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts in großen Mengen ausgeprägt. In bisher nie gekannten Massen setzte man im 4. Jahrhundert Erzmünzen in Umlauf. Besondere Bedeutung erlangten in der Spätantike Vielfachprägungen von Gold- und Silbermünzen (sogenannten Multipla oder Medaillone). Die Kaiser verteilten sie bei bestimmten Anlässen an hohe Funktionäre und Gefolgsleute. In diesem Zusammenhang spielten auch prächtig gearbeitetes Silbergeschirr und -gerät, ebenso Silberbarren eine Rolle. Teil des berühmten Silberschatzes aus dem Kastell Kaiseraugst am Hochrhein, der um die Mitte des 4. Jahrhunderts versteckt wurde, ist ein abgehackter Teil einer Silberplatte mit dem Stempel EXC(udit) MOC(untiaci),85 das heißt geschlagen in der Offizin (officina) von Mogontiacum. Weitere Barrenstempel dokumentieren die Existenz einer Offizin am spätkaiserzeitlichen Statthaltersitz. Römische Münzen wurden in staatlichen Münzstätten (monetae) ausgeprägt. Nachdem im 1. und 2. Jahrhundert nur wenige Münzstätten (Rom, Lugdunum) in Betrieb waren, stieg ihre Zahl im 3. Jahrhundert, sodass im 4. Jahrhundert das Imperium Romanum von einem Netz von Prägestätten überzogen war. In der Residenzstadt Augusta Treverorum (Trier) war eine der bedeutendsten Münzstätten des 4. und der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts im Betrieb. Neue Münzen gelangten vor allem in Form von Zahlungsverpflichtungen des Kaisers (zum Beispiel Sold) in Umlauf. Die auch für das Rhein-Main-Gebiet zuständige Finanzverwaltung mit Sitz in Trier ließ sich Steuern und Abgaben in Gold- und Silbermünzen entrichten und bestritt – so weit wie damit möglich – die staatlichen Ausgaben.86 Abgesehen von der Keramik bilden Münzen die häufigste archäologische Fundgattung. Römische Münzen sind denn auch zu Tausenden und Abertausenden in Mainz, seinem linksrheinischen Umland sowie im Rhein-Main-Gebiet (Abb. 33–35) und am Limes gefunden worden. Neun Bände der Reihe „Fundmünzen der römischen Zeit in Deutschland (FMRD)“ erschließen diesen großen Bestand,87 der aus Funden aus Zivil- und Militärsiedlungen, Heiligtümern, Gräbern oder aus Streufunden besteht. Aus der Zusammensetzung der Münzreihe einer Siedlung können erste Hinweise auf deren Zeitstellung erschlossen werden. Bedeutende Bestände an Fundmünzen stammen aus Mogontiacum, mehreren Anlagen im Hessischen Ried, aus Nida und von der Saalburg. Werden die auf uns gekommenen römischen Fundmünzen nach den unterschiedlichen Münzeinheiten in Gold, Silber und Erz getrennt, stellt man fest, dass Goldmünzen fast nie, Silbermünzen selten einzeln gefunden werden

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Abb. 33 Denar des Augustus (27 v.–14 n. Chr.). Vs. Bildnis des Kaisers n. r.; Rs. die Prinzen Caius und Lucius Caesares als Anführer der Jungmannschaft (principes iuventutis). Privatbesitz; gefunden in Groß-Rohrheim. (1 : 1).

Abb. 34 Denar der Julia Maesa (218–222 n. Chr.). Vs. Bildnis der Kaiserin n. r.; Rs. Personifikation des Glücks (Felicitas) n. l., Umschrift SAECVLI FELICITAS (Glück des Jahrhunderts). Privatbesitz; gefunden in Berkach. (1 : 1).

Abb. 35 Erzprägung des Constantius II. (337–361 n. Chr.). Vs. Bildnis des Kaisers n. l.; Rs. Krieger mit Gefangenem n. r., Umschrift FEL(icium) TEMP(orum) REPARATIO (Wiederherstellung glücklicher Zeiten). Privatbesitz; gefunden in Groß-Rohrheim. (1 : 1).

und die Masse der Fundmünzen aus Kupferlegierungen besteht. Edelmetallmünzen treten dagegen häufiger in Horten auf. Ein typisches Beispiel stellt der Hort dar, der 1984 im Kastell Ober-Florstadt gefunden worden ist.88 In einem mit einem Teller verschlossenen Topf lagen insgesamt 1136 Silbermünzen, alles Denare. Fünf Denare stammen aus dem 1. Jahrhundert v. und dem 1. Jahrhundert n. Chr., deren 35 aus dem 2. Jahrhundert, der Rest ist in den Jahren zwischen 193 und 235 geprägt worden. Münzen aus der Regierungszeit des im Jahre 235 bei Mainz ermordeten Kaisers Severus Alexander kommen in diesem Hort sehr häufig vor. Daher ist zu vermuten, dass dessen Besitzer, wohl ein Soldat, seine Ersparnisse im Zusammenhang mit den Wirren dieser Jahre – in

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Frage käme der Germaneneinfall des Jahres 233 – dem Boden anvertraut hat und später nicht mehr dazu gekommen ist, den Topf wieder an sich zu nehmen. Fundmünzen spiegeln demnach im Verhältnis, in dem die verschiedenen Münzeinheiten in Gold, Silber und Erz gefunden werden, nicht exakt den Zustand der römischen Zeit wider. Vielmehr liegt uns heute das Ergebnis komplexer Selektions- und Überlieferungsprozesse vor. Um dem überlieferten Fundbestand gerecht zu werden, gilt es daher für seine Deutung auch andere Quellen mit einzubeziehen, das heißt Texte, Inschriften, Papyri, Graffiti, aber auch bildliche Darstellungen. Die Szene auf einer Reliefplatte von einem Grabmal aus Neumagen im Moseltal,89 in der es um eine Zahlung mit Münzen geht, erinnert daran, dass Münzen vielfältige Geldfunktionen im Alltag der römischen Kaiserzeit hatten. Sie dienten als Zahlungsmittel, konnten aber in anderen Zusammenhängen auch die Rolle eines Hortungs- oder Wertaufbewahrungsmittels beziehungsweise die eines Wertmessers übernehmen. Aufschluss über den Gebrauch von Münzgeld gibt auch das Bruchstück eines hölzernen Schreibtäfelchens, das in einem Brunnen des Kastelldorfes von Hanau-Salisberg (Abb. 36) gefunden worden ist.90 Aufgrund seiner charakteristischen Zurichtung ist davon auszugehen, dass es zunächst als Wachstäfelchen diente, dann als Warenetikett und schließlich in seiner Drittverwendung als Schuldschein – der älteste bisher aus Deutschland bekannte. Mit Tinte ist in Kursivschrift ein kurzer Text auf das Täfelchen geschrieben worden, der wie folgt lautet: In Mainz, (in oder beim) A. V., habe ich erhalten 200 Denare an den Nonen des April als Catullinus und Aper Konsuln waren. Damit ist das Dokument nach römischer Zeitrechung auf den 5. April des Jahres 130 datiert. Die Auflösung der beiden Buchstaben A und V ist unsicher, es handelt sich wohl um die nähere Präzisierung der Stelle in Mogontiacum, an der die Geldübergabe stattgefunden hat. Im fehlenden Teil des Schuldscheins müssen wir die Namen der an diesem Vorgang beteiligten Personen und gegebenenfalls die Modalitäten der Kreditvergabe erwarten. Zeugnisse entsprechender Geldgeschäfte sind uns auch anderswo überliefert, zum Beispiel in einem vollständiger erhaltenen Schuldschein aus dem Legionslager Vindonissa am Oberrhein aus dem Jahre 90.91 Hier werden das Datum der Rückzahlung der geliehenen Summe und der Zins festgehalten sowie der Schuldschein durch Zeugen beglaubigt. Der gesetzlich festgelegte Höchstzinssatz betrug 12 % pro Jahr. Es fällt schwer einzuschätzen, wie hoch der Grad der Monetarisierung des Alltags in Mogontiacum und im Rhein-Main-Gebiet in römischer Zeit war. Aufgrund der Tatsache, dass hier der starken Truppenpräsenz wegen für die

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Abb. 36 Hanau-Salisberg, Kastelldorf. Teil eines hölzernen Schreibtäfelchens mit dem ältesten Schuldschein Deutschlands.

Zeit ungewöhnlich viel Münzgeld verfügbar war, ist zu vermuten, dass hier mehr Transaktionen in Münzen abgewickelt wurden als in Gebieten ohne Militär. Münzgeld wurde vor allem in den Zentren, in Mogontiacum, in den Kastelldörfern am Limes, in den Landstädten wie Nida, Dieburg oder im Kurbad Aquae Mattiacorum (Wiesbaden) gebraucht, weniger auf dem Lande. Auch nach der Aufgabe der rechtsrheinischen Gebiete in der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts gelangten neue römische Münzen hierher. Die zahlreichen Münzen des 4. Jahrhunderts n. Chr. in Südhessen können als ein Hinweis darauf gewertet werden, dass die Kontakte über den Rhein hinweg nach wie vor intakt waren. In diesem Zusammenhang wüsste man gerne Näheres darüber, wie etwa die alamannischen Siedler, die sich im Bereich der früheren römischen Zivilsiedlung von Groß-Gerau niedergelassen hatten, mit den vielen römischen Münzen umgegangen sind, die dort gefunden werden.92 Auch die Siedlung von Trebur-Tannböhl weist eine bemerkenswerte Münzreihe aus der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts auf.93

Münzen und Bildsprache Münzen sind aber nicht nur nach ihren Geldfunktionen zu beurteilen, sondern auch als Nachrichtenträger. Münzen zeigen auf der Vorderseite in der Regel das Bildnis des Kaisers oder seiner Angehörigen verbunden mit dem Namen und der Titulatur, auf der Rückseite ein breites Repertoire an Bildern mit unterschiedlichsten Inhalten. Schon im Hellenismus sind die Münzbilder zu einem

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Medium von Botschaften der Herrscher geworden, in der römischen Republik wurde eine besondere Bildsprache entwickelt und die römischen Kaiser verfügten über differenzierte Möglichkeiten, ihren Untertanen über die Münzbilder bestimmte Inhalte zu vermitteln. Münzbilder waren das einzige „Massenmedium“ der Zeit. Eine beachtliche Zahl an Münzbildern nimmt explizit auf Ereignisse am Rhein sowie auf die Auseinandersetzung mit germanischen Gruppen Bezug und kommuniziert diese auf der Ebene des Imperium Romanum. So zeigt etwa eine Goldmünze des Kaisers Augustus, die im Jahre 8 v. Chr. in Lugdunum geprägt worden ist, auf ihrer Rückseite den jungen Caius Caesar als Feldherrn zu Pferd. In diesem Jahre nahm der Kronprinz erstmals an militärischen Übungen am Rhein teil. Bei dieser Gelegenheit wurde er den Truppen vorgestellt, denen der Kaiser aus diesem Anlass ein Geldgeschenk zukommen ließ. Vielleicht wurde dieses Donativ in solchen Münzen ausbezahlt. Auf den Besuch des Kaisers Hadrian am Rhein im Herbst 121 oder Frühjahr 122 beziehen sich die Rückseitenbilder von Sesterzen, die den Kaiser mit der Truppe zeigen, zusammen mit der Umschrift EXERCITVS GERMANICVS – das germanische Heer. Die Feldzüge des Kaisers Domitian gegen die Chatten in den Jahren 83 bis 85, die teilweise unter dem Oberkommando des Kaisers persönlich standen, sind Thema mehrerer Münzrückseiten. Sie zeigen zum Beispiel die trauernde Personifikation Germaniens oder einen gefesselten Germanen und eine trauernde Germanin zusammen mit der Umschrift GERMANIA CAPTA – Germanien ist besiegt. Nach den Einfällen von germanischen Gruppen in die Wetterau unternahm Kaiser Maximinus Thrax im Jahre 236 von Mogontiacum aus einen Feldzug. Die Münzbilder feiern ihn als Sieger und die Umschrift präzisiert den Anlass: VICTORIA GERMANICA – germanischer Sieg. Unter Kaiser Konstantin I. wurden Münzen ausprägt, deren Rückseiten Siege über die Alamannen bekannt machten: ALAMANNIA DEVICTA – Alamannien ist besiegt.94

Ein einmaliges numismatisches Zeugnis zu Mogontiacum Mogontiacum und das Rhein-Main-Gebiet sind in einer einzigartigen Art und Weise auf dem Rückseitenbild eines großen Goldmedaillons zu fassen. Leider ist uns keines der in der Münzstätte Lugdunum geprägten Originale überliefert, gefunden wurde 1862 in der Saône bei Lyon jedoch ein Bleiabschlag des für die Prägung gebrauchten Rückseitenstempels95 (Abb. 37). Die auf zwei Bildzonen

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Abb. 37 Bleiabschlag vom Rückseitenstempel eines Goldmedaillons, gefunden in Lyon. Oben zwei thronende Kaiser, unten Mogontiacum (l.), Rheinbrücke (M), Mainz-Kastel (r.). (1 : 1).

verteilte Darstellung steht unter der Umschrift saeculi felicitas – Glück des Jahrhunderts. In der oberen Zone erkennt man zwei thronende Kaiser, umgeben von ihrer Garde; rechts davon eine Gruppe von Menschen, die, teils mit erhobenen Armen, teils kniend, um Gnade bitten. In der unteren Bildhälfte wird eine Stadt mit Mauern, ein Fluss mit Brücke, über die eine Gruppe von Menschen schreitet, am rechten Ufer eine weitere Stadt wiedergegeben. Die Beischriften lassen keinen Zweifeld darüber offen, wo wir uns befinden: Links lesen wir Mogontiacum, in der Mitte FL(umen) Renus (sic!) (Fluss Rhein) und rechts Castellum (Mattiacorum). Es geht offenbar um eine Gruppe von Menschen, die mit Erlaubnis beziehungsweise auf Veranlassung von zwei Kaisern aus dem Rechtsrheinischen über die Rheinbrücke bei Mainz-Kastel ins linksrheinische Umland ziehen. Dafür in Frage kommen Ereignisse am Ende des 3. Jahrhunderts n. Chr., bei denen es um die Umsiedlung von Alamannen beziehungsweise Germanen geht.

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Edelmetall und Politik um 400 n. Chr. Ein Mittel römischer Außenpolitik war es, im Vorfeld der Grenzen lebenden Stammesgemeinschaften Geld zukommen zu lassen. Seit dem späten 2. Jahrhundert n. Chr. haben solche Zahlungen in unterschiedlichen Grenzbereichen des Römischen Reiches eine immer höhere Bedeutung erhalten. Die Führungsschichten germanischer Stämme wurden regelrecht „gekauft“, ihr Wohlwollen Rom gegenüber durch Gold und Silber abgegolten. Andere Wege des Transfers von großen Mengen an Gold und Silber über die Grenzen des Imperium Romanums stellten die Soldzahlungen an germanische Truppenverbände in römischen Diensten dar. Vor eben diesem Hintergrund ist ein weit über das Rhein-Main-Gebiet hinaus bedeutender Hortfund aus Mainz-Kastel zu deuten.96 Im Jahre 1962 wurde hier ein einfaches Tongefäß gefunden, in dem 16 Goldmünzen (Solidi, Abb. 38) und 673 Silbermünzen (Siliquae), eine Silberfibel mit geknoteter Schnur, zwei Goldringe, ein Silberring, mehrere Beschläge aus Silber, die zu einem Gürtel beziehungsweise zu einer Schwertscheide gehörten, sowie weitere kleinere Silberfragmente lagen. Den Hauptteil der Münzen machen Siliquen des Arcadius und Honorius aus dem Zeitraum von 393 bis 408 aus, mit 13 in den Jahren 407 / 408 geprägten Siliquen ist der Usurpator Konstantin III. vertreten. Damit befinden wir uns in einer für das Rhein-Main-Gebiet dramatischen Zeit. Der weströmische Heeresmeister Stilicho hatte zu Beginn des 5. Jahrhunderts Elitetruppen aus Gallien abgezogen, um sie gegen die in Italien eingedrungenen Goten einzusetzen. Im Winter 406 auf 407 kam es zu einem Einfall von Wandalen, Alanen und Sueben, die bei Mogontiacum den Rhein überschritten, die Stadt plünderten und nach einiger Zeit weiterzogen. Einzelne germanische Gruppen setzten sich im linksrheinischen Umfeld von Mogontiacum fest. Die römischen Machthaber schlossen mit ihnen Verträge und beauftragten sie mit dem Schutz der Rheingrenze. Im Besitzer des Hortes von Mainz-Kastel dürfen wir einen Offizier vermuten, einen Germanen, der im Auftrage Konstantins III. den rechtsrheinischen Brückenkopf von Mogontiacum sicherte. Die Münzen des Hortfundes von Mainz-Kastel gehören zu den spätesten römischen Münzen aus Edelmetall aus dem Rhein-MainGebiet. Die Geschichte des Hortes von Mainz-Kastel endet nicht mit seiner Auffindung. Abgesehen davon, dass es nicht gelang, alle Münzen für die Öffentlichkeit zu sichern, geschah etwas, was aus heutiger Sicht auf wenig Verständnis

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Abb. 38 Hortfund von Mainz-Kastel. Solidus des Arcadius (392–408 n. Chr.). Vs. Bildnis des Kaisers n. r.; Rs. der siegreiche Kaiser setzt den Fuß auf einen Gefangenen. (2 : 1).

stößt. Im selben Jahre 1962, in dem der Hort gefunden worden ist, feierte Mainz sein (fiktives) 2000-jähriges Jubiläum. Die hessische Landesregierung beschloss, der Stadt aus diesem Anlass ein würdiges Präsent zu machen, und schenkte – verpackt in einer repräsentativen Schatulle – Mainz die Goldmünzen aus dem Hortfund von Mainz-Kastel. Nun werden diese in Mainz, der Rest des Hortes in Wiesbaden und in Privatbesitz aufbewahrt. Das Schicksal des Hortes von Mainz-Kastel hat dazu geführt, dass dieses hoch bedeutende historische Zeugnis aus dem frühen 5. Jahrhundert n. Chr., das noch einmal die enge Verbindung von Mogontiacum und dem rechtsrheinischen Vorfeld dokumentiert, bis heute kaum wahrgenommen wird.

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Münze, Geld und Wirtschaft

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Cecilia Moneta

Der Vicus des Kastells Saalburg CeciliaSaalburg Moneta Der Vicus des Kastells

Die Saalburg bei Bad Homburg vor der Höhe liegt auf einer Passhöhe im Taunus auf etwa 420 m über NN. In römischer Zeit wurde der Pass von wichtigen Straßen genutzt, welche die Rhein-Main-Ebene mit dem Usinger Becken verbanden. Auch heute bezeugt die viel befahrene Bundesstraße 456 die Bedeutung dieses Passes. Das römische Kastell auf der Saalburg war bereits vor seinem Wiederaufbau, der 1897 entschieden und 1913 vollendet wurde, ein beliebtes Touristenziel im Taunus. Am Ende des 19. Jahrhunderts wurden seine Ruinen in der Presse als „deutsches Pompeji“ gepriesen. Seinen Ruhm verdankte es auch der Aufmerksamkeit, welche die Kaiserfamilie der Ausgrabungsstätte schenkte. Nicht selten durften die Prinzen mit ausgraben; für sie reservierte man besonders die fundreichen Gräber oder Keller. Seit 1907 ist das wieder aufgebaute Kastell Sitz des überregional bekannten Museums der Provinzialrömischen Archäologie, welches Funde aus der Saalburg und den umliegenden Kastellen am Limes beherbergt (Abb. 39). Als Forschungsinstitut ist die Saalburg gerade in der Wissenschaft anerkannt und war bis Ende des 20. Jahrhunderts auch mit Ausgrabungen tätig. Während das Kastell berühmt und geachtet ist, erhielten die Mauerreste, die sich außerhalb des Kastells erstrecken, deutlich weniger Aufmerksamkeit. Dabei handelt es sich um die Überreste der zivilen Siedlung. Wie jedes militärische Lager im Römischen Reich war auch das Kastell der Saalburg von einer zivilen Siedlung umgeben, die in der Fachsprache als Kastellvicus beziehungsweise Vicus bezeichnet wird. Die Soldaten der römischen Armee wurden von ihren Familien, Händlern, Wirten und anderen Dienstleistenden, die von den Bedürfnissen der Soldaten lebten, begleitet. Nach der Gründung eines Kastells ließ sich auch das Gefolge in dessen Nähe nieder und errichtete eine dauerhafte Siedlung, einen Vicus. Im Laufe der Zeit kamen zur ursprünglichen Bevölkerung des Vicus immer wieder neue Bewohner hinzu, die aus nahen und fernen Gebieten stammten, sowie Veteranen, Frauen, Freigelassene und Sklaven der Soldaten, sodass in manchen

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Abb. 39 Seit 1907 beherbergt die Saalburg das Museum der Provinzialrömischen Archäologie.

Fällen eine große, stadtähnliche Siedlung entstand. Seine Bewohner nannten sich selber vicani, was durch einige Inschriften aus anderen Vici nachgewiesen ist. Die Kastellvici waren Straßendörfer, da sie sich in der Regel an den von dem Kastell ausgehenden Straßen erstreckten. Alle Vici besaßen langgestreckte, rechteckige Häuser, die sogenannten Streifenhäuser. Auch heute sind die Reste des Vicus auf der Saalburg noch teilweise sichtbar, insbesondere im südlichen Viertel entlang der Hauptstraße nach Nida-Heddernheim. Rechts und links der Straße liegen die Steinkeller der Häuser und dahinter die zugehörigen Brunnen und Mauerreste. Seit 2009 stehen im Vicusbereich die Rekonstruktionen zweier Streifenhäuser, in denen Kasse und Museumsshop untergebracht sind, welche die Besucher auf den Vicus aufmerksam machen. Trotz seiner geringen Bekanntheit stellt der Saalburg-Vicus einen der am besten und fast vollständig ausgegrabenen Kastellvici am Limes dar und bietet die seltene Möglichkeit, ein annähernd vollständiges Siedlungsbild eines Kastellvicus zu gewinnen. Bis vor kurzem war allerdings der Vicus der Saalburg noch nicht vollständig publiziert; einige ausgegrabene Bereiche waren der Forschung un-

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bekannt. Durch eine Bearbeitung der alten Grabungsdokumentation mit den heutigen Forschungsmethoden erfolgte dies erst im Jahr 2010.

Forschungsgeschichte Nach einigen kleinen Sondagen am Ende des 18. Jahrhunderts durch den Homburger Regierungsrat Elias Neuhof, bei denen er wohl ein Gebäude im Vicus vollständig ausgraben und abtragen ließ, wurde der Vicus, wie das Kastell der Saalburg, hauptsächlich ab den 1850er Jahren ausgegraben. Leiter der Ausgrabungen war zu Beginn der Archivar Gustav Friedrich Habel. Ab 1871 beschäftigte sich Louis Jacobi mit der Restaurierung und Ausgrabung unter der Aufsicht von Karl August von Cohausen. Etwa 1900 übernahm Jacobis Sohn Heinrich die Leitung und setzte die Grabungen bis 1934 mit Pausen fort. Insbesondere von ihm stammt eine umfangreiche Grabungsdokumentation, die im Archiv der Saalburg aufbewahrt wird. Sie besteht aus Tagebüchern, in denen jeder Arbeitstag beschrieben und die Funde und Befunde daneben skizziert werden, Skizzenbüchern mit Eintragungen der Strukturen und ihrer Vermessung, Fotos und großformatigen Grabungsplänen. Zu Beginn der Grabungen, als man noch keine Erfahrungen hatte, ging man wenig gezielt und planlos vor und arbeitete von einer Stelle zu einer anderen, in der Hoffnung auf „schöne“ Funde und Befunde. Oft grub man Bereiche aus, um „echte römische“ Steine für die Rekonstruktionen des Kastells zu gewinnen. Dabei stieß man auf Befunde, wie Brunnen oder Keller, die ihrer Funde und Eindeutigkeit wegen die Aufmerksamkeit erregten. Im Vergleich zu heutigen Verhältnissen grub man wesentlich schneller und mit weniger Sorgfalt. Es hatte sich noch keine „richtige“ Grabungsmethodik entwickelt. Die Ausgrabungstechnik verbesserte sich mit der Zeit. Man lernte aus Fehlern und durch Erfahrung. Man lernte die Pfostengruben und -löcher, die am Anfang nur selten erkannt worden waren, auch in den schwierigen Bodenverhältnissen zu unterscheiden. Dies ist äußerst wichtig, um die Holzgebäude, die den Großteil des Vicus ausmachen, erkennen und rekonstruieren zu können. Insgesamt sind aus heutiger Sicht große Versäumnisse bei der Methodik sehr zu bedauern. Bei der Inventarisierung der Funde etwa berücksichtigte man selten die genaue Fundortangabe, was heute als grundlegend gilt. Da nur durch richtig zugeordnete Funde die eigentlichen Befunde, also Gebäude, Straßen et cetera, datiert werden können, erwies sich deren Datierung oft als schwierig. Als ebenso

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mühsam stellte es sich heraus, die verschiedenen Bauphasen und Nutzungszeiten zu unterscheiden, einerseits wegen der schlechten Inventarisierung der Funde, andererseits wegen der für heutige Maßstäbe selten ausreichenden Beschreibungen der Befunde. Man musste dafür zu anderen Mitteln, wie Orientierung oder in seltenen Fällen Stratigraphie, also die Schichtenabfolge, greifen. Trotzdem erwiesen sich die Ausgrabungen für ihre Zeit als vorbildlich: Bei Vermessung und Photographie wurden die neuesten Technologien angewendet. Die heute übliche Zusammenarbeit zwischen Archäologie und Naturwissenschaften wurde bereits damals auf der Saalburg gepflegt: Man analysierte organische Überreste sowie Metall- und Glasfunde erstmals mit naturwissenschaft lichen Mitteln und erkannte dabei bereits zum Beispiel das römische Pflanzen- und Obstspektrum. Als einer der wenigen Vici am Limes war der Vicus der Saalburg 1934 fast vollständig ausgegraben. Danach wurden die Grabungen eingestellt. Lediglich im Jahr 1968 fanden einige Nachgrabungen statt, als die heutige Bundesstraße 456 von Bad Homburg nach Usingen gebaut wurde, die einen großen Teil des Vicus durchschnitt und zerstörte. Die damaligen Grabungen betrafen aber leider nur ein einziges der zerstörten Gebäude, das sogenannte Gallische Heiligtum. Von dem Vicus der Saalburg existierte ein erst 1997 veröffentlichter Gesamtplan,97 der sich als unvollständig erwies. Er wurde durch Befunde aus Einzelplänen, Tage- und Skizzenbüchern sowie Grabungsberichten ergänzt. Insbesondere in den Skizzen sind die Befunde mit Maßen eingetragen, sodass ihre Lage wieder rekonstruiert werden konnte. Der Plan des Vicus ist damit jetzt vollständig, solange keine weiteren Ausgrabungen stattfinden.

Geschichte Im Vicus konnten drei Perioden unterschieden werden, von denen zwei als Hauptperioden mit zwei unterschiedlichen Kastellvici anzusehen sind. Die erste bekannte militärische Anlage auf der Saalburg stellte ein Kastell für eine etwa 150 Mann starke Truppe (einen numerus) dar, welches in der Forschung als „Erdkastell“ bekannt ist. Dieses Lager wurde unter Traian im ersten Jahrzehnt des 2. Jahrhunderts gegründet. Östlich des Erdkastells liegen zwei kleinere Anlagen, die sogenannten Schanzen, deren Zeitstellung und Funktion in der Forschung umstritten sind. Mit Sicherheit wurden diese Schanzen in derselben Zeit wie das Erdkastell einplaniert, da sich, wie schon Heinrich Jacobi

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bemerkte, der Fundhorizont aus ihren Gräben nicht von denjenigen des Erdkastells unterscheidet. Es ist nach Funden, Lage und Orientierung anzunehmen, dass Erdkastell und Schanzen98 gleichzeitig bestanden. Sie kontrollierten sehr wahrscheinlich eine Straße, die zum Limes verlief. Das kleine Erdkastell war bereits wie jedes Kastell von einem Vicus umgeben, der gleichzeitig entstand (Abb. 40). Diesem Vicus können einige Befunde zugeschrieben werden. Dabei handelt es sich insbesondere um Brunnen und ein Gebäude, die unmittelbar südlich des späteren Kohortenkastells lagen. Dieser Periode gehören auch einige Gräbchen an, welche die Grundstücke der Häuser in Form von Holzzäunen markierten. Sie lagen westlich einer Straße, die aus dem südlichen Kastelltor kam. Auf der gegenüberliegenden Seite der Straße kann man ebenfalls Bebauung rekonstruieren. Da rechts und links der Straße die Häuser unterschiedliche Orientierungen aufweisen, lässt sich eine platzähnliche Anlage in dreieckiger Form vor dem südlichen Tor des Kastells rekonstruieren. Dieser Erdkastellvicus erstreckte sich auch im Gebiet des späteren Kohortenkastells. Hier sind anhand ihrer Orientierung einige Strukturen dem Erdkastell zuzuschreiben. Ebenfalls können einige vor der späteren porta principalis dextra gelegene Befunde (unter anderem ein kleiner Schmiedeofen) ihrer Lage nach nicht zum Kohortenkastell, sondern nur dieser Periode angehören. Nördlich des Erdkastells lag das zugehörige Bad; dort ist eine Bebauung zu vermuten, worauf einige Gräbchen hindeuten, die allerdings nicht vollständig ausgegraben wurden. So kann man, wenn auch nicht ein vollständiges, zumindest aber ein ungefähres Bild von Ausdehnung und Aussehen des frühen Vicus in der Zeit des Erdkastells gewinnen. Der Erdkastellvicus besaß im Süden eine Fläche von mindestens drei Hektar, zu der wahrscheinlich weitere im Norden und Osten liegende Bereiche, deren genaue Ausmaße unbekannt sind, zuzurechnen sind. Der Vicus dürfte allerdings nach allen Hinweisen kaum die Größe von fünf Hektar überschritten haben. Dem Erdkastell können anhand der wenigen zuordenbaren Funde mit größter Wahrscheinlichkeit zwei Gräberfeldbereiche, die wohl zusammengehören, zugeschrieben werden. Sie lagen südlich des Kastells und des Vicus, östlich der Straße zum Limes und bildeten das Hauptgräberfeld dieser Zeit. Das Erdkastell wurde aufgegeben, als die zweite rätische Kohorte um 135 n. Chr. auf die Saalburg kam. Damals wurde ein neues und größeres Kastell teilweise im Vicusbereich gebaut. Asche- und Brandschichten aus mehreren erdkastellzeitlichen Befunden weisen darauf hin, dass man den Erdkastellvicus beziehungsweise Teile davon in Brand gesetzt hat. Es handelt sich dabei offen-

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Abb. 40 Plan des Vicus in der „Erdkastellzeit“ mit der ersten militärischen Anlage auf der Saalburg, dem sogenannten Erdkastell, und den beiden „Schanzen“. Straßenverlauf und Parzellen sind rekonstruiert.

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sichtlich um einen gezielten Brand, um schnell Bauten niederzulegen und Platz für neue zu schaffen. Neue Vicusbewohner, die Begleitung der neuen Truppe, siedelten sich damals auf der Saalburg an. Damit waren die Voraussetzungen für einen neuen Vicus geschaffen. Allerdings wurden die Straßen, die den späteren Kohortenkastellvicus kennzeichnen, nicht sofort bei Ankunft der Kohorte, sondern nach den Funden, die unterhalb der Straße lagen, etwa 20 Jahre später errichtet. Es ist demnach anzunehmen, dass nach 135 die Straßen des Erdkastells noch so lange in Benutzung waren, bis das neue Straßennetz gebaut wurde. Es zeichnen sich demnach drei Perioden in der Geschichte des Vicus ab: eine erste erdkastellzeitliche Periode, eine zweite Periode, in der das neue Kohortenkastell das alte Straßennetz weiterbenutzte, und eine dritte Periode mit einem großteils neuen Straßensystem und einer neuen Parzellenorientierung. Bei der zweiten Periode handelt es sich um eine Übergangszeit, in der wahrscheinlich die Baumaßnahmen im Kastell und Vicus über Jahre beziehungsweise Jahrzehnte anhielten. In der zweiten Periode baute man das Badegebäude südlich des Kohortenkastells. Es war kleiner als das spätere Bad und besaß ein großes hölzernes apodyterium (Umkleideraum), das wahrscheinlich auch als palaestra, als Raum für sportliche Übungen, diente. Südlich des Bades lassen sich noch vier Gebäude erkennen, die sehr wahrscheinlich zu dieser zweiten Periode gehören. Es handelt sich um Pfostenbauten, die sich zu der Straße hin mit einer porticus, einem überdachten Gang, öffneten. Mit der endgültigen Anlage des Straßennetzes des Kohortenkastells, das aus den Straßen, die an den Kastelltoren begannen, und aus der zum Limes führenden Straße bestand, endete die zweite Periode. Dies geschah wohl kurz nach der Mitte des 2. Jahrhunderts. Anscheinend wurden die Straßen innerhalb einer einzigen Baumaßnahme gebaut. Am Ende dieser Zeit wurden die südlich des Bades gelegenen Häuser offensichtlich in Brand gesetzt, worauf einige vorhandene Brandschichten hinweisen. Auch östlich des Kastells deuten Brandschichten unter der Straße zum Limes ebenfalls auf Brände am Ende der zweiten Periode hin. Mit der Niederlegung der alten Häuser und mit dem Bau der neuen Straßen wurden neue Grundstückseinheiten (Parzellen) angelegt. Diese dritte Periode ist weitaus am besten bekannt, da sich die Häuser besser erhalten haben. Das bekannte Bild des Vicus beruht auf dieser Periode. Große Veränderungen im Vicusbild sind danach nicht mehr zu verzeichnen; Veränderungen betrafen nur einzelne Häuser.

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Ausdehnung und Aussehen Im 3. Jahrhundert erreichte der Vicus seine größte Ausdehnung, die, wenn man nur die ausgegrabenen Bereiche berücksichtigt, eine Fläche von mindestens zwölf Hektar umfasste. Rechnet man die zwar nicht beziehungsweise kaum ausgegrabenen, aber wahrscheinlichen Bereiche hinzu, nahm der Vicus eine Gesamtfläche von etwa 15 bis 16 Hektar ein (Abb. 41). Der Kastellvicus auf der Saalburg erstreckte sich auf drei Seiten des Kastells, westlich, südlich und östlich entlang der wichtigen Straßen, die aus drei Toren des Kastells herausliefen. Von der porta praetoria des Kastells ging eine 15 m breite Straße aus, welche die Hauptstraße des Vicus bildete und bis zu der etwa 14 km entfernten civitas-Hauptstadt Nida-Heddernheim verlief. Vom Kastell aus lief diese Straße weiter nach Norden und überquerte den Limes. Sie stellte die wichtigste Verkehrsverbindung der Saalburg einerseits mit dem Limeshinterland, andererseits mit dem freien Germanien dar. Von den portae principales gingen ebenfalls Straßen nach Westen beziehungsweise nach Osten aus. Eine Straße, die im Westen das Kastell umrundete, ist anzunehmen. Weitere Straßen sind anhand der vorhandenen Reste der Häuser zu rekonstruieren. So bestand ein Netz aus Haupt- und Nebenstraßen. Die Fläche des Vicus war in Parzellen eingeteilt. Nach dem Bau der Straßen führten die Soldaten oder die Dorfbewohner eine Grundparzellierung durch. Insgesamt können durch Befunde 96 Parzellen im Vicus sicher rekonstruiert werden. Ihre ursprüngliche Zahl lag allerdings bei etwa 120, da Parzellen auch in nicht ausgegrabenen Bereichen anzunehmen sind. Das nördlich des Kastells gelegene Gebiet war offensichtlich frei von Bebauung. Die Parzellen reihten sich entlang der Straßen, lagen nebeneinander und meistens parallel zueinander. Ihr vorderer Bereich war jeweils mit dem eigentlichen Haus, der hintere mit Höfen, Gärten und Kleingebäuden besetzt. Am besten zu erkennen und gesichert sind die Parzellengrenzen in dem Vicusbereich an der Hauptstraße. Sie wurden durch Gräbchen gebildet, in denen manchmal Pfostenlöcher erkannt wurden, die auf einen Holzzaun hinweisen. In den Vicusbereichen östlich und westlich des Kastells sind ebenfalls solche Zäune zu vermuten. Auch wenn diese Grundstücke regelmäßig aussehen, variiert ihre Breite stark. Im Durchschnitt sind sie etwa 10 m breit. Im Einzelnen weisen sie aber verschiedene Breiten auf. Die meisten davon liegen zwischen 9,5 und 11 m. Im Vicus, auch in dem besser dokumentierten Bereich südlich des Kastells, fehlt

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Abb. 41 Plan des jüngsten Vicus (Anfang des 3. Jhs.) mit dem Kohortenkastell, Straßennetz und Parzellen. Die hypothetischen Straßen und Parzellengrenzen sind gestrichelt dargestellt, öffentliche Gebäude in Rot, Heiligtümer in Blau.

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eine einheitliche Parzellenbreite oder eine sich wiederholende Reihenfolge, sodass als Verantwortliche für diese Parzellierung eher die Vicani als die Soldaten in Frage kommen. Zumindest scheinen die Wünsche oder Vorstellungen der einzelnen zukünftigen Eigentümer beachtet worden zu sein. Im Vicus an der Hauptstraße war es zudem möglich, Parzellenverschiebungen zu rekonstruieren. Dort wurden einerseits zwei Häuser zu einem vereinigt, andererseits wurden Grundstücke komplett neu verteilt. Ursache für solche Änderungen könnten Schadensbrände sein, deren Spuren in manchen Häusern dokumentiert wurden.

Häuser Bei den zivilen Häusern des Saalburgvicus handelt es sich ausschließlich um Streifenhäuser, das heißt langgestreckte, mit der Schmalseite zur Straße gerichtete Häuser. Solche Häuser findet man in allen Kastellvici am Limes. Sie wurden nur auf dem vorderen Teil der Parzellen errichtet und nahmen bis zu ca. 37 m ein. Dahinter legte man Gärten an. Ihre Breite entspricht in der Regel denjenigen der Parzellen. Zur Straße hin war meistens eine porticus vorhanden. Die Häuser waren in den meisten Fällen reine Holzbauten, in Pfostenbauoder Schwellbalkentechnik errichtet. Im Viertel an der Hauptstraße fanden sich auch Steinbauten beziehungsweise Bauten mit einem Steinsockel. Für die Bedachung sind Stroh, Holzschindeln und Schiefer nachgewiesen. Die Häuser innerhalb des Vicus unterscheiden sich in Größe und Gestaltung. Insbesondere kann man zwei Typen erkennen, die man als komplexes oder einfaches Streifenhaus benennen kann. Die Häuser mit den größten Längen besaßen wohl nicht durchgehende, sondern durch kleine Innenhöfe belebte Dächer. Dies ist in den Häusern an der Hauptstraße und in einem Haus östlich des Kastells zu erkennen. Drei Häuser westlich der Hauptstraße erinnern an moderne Reihenhäuser, da sie auffallend gleiche Größen und ähnliche Innengliederungen aufweisen (Abb. 42, 1–3). Auch die Lagen der Brunnen innerhalb und außerhalb der Häuser ähneln sich sehr. Wahrscheinlich besaßen diese Häuser bei den Brunnen kleine Innenhöfe, die Licht hereinließen. Der hintere Teil war aus Stein gebaut oder besaß zumindest einen Steinsockel, während der vordere Teil meist aus Holz errichtet war. Man kann so innerhalb eines Hauses, auch durch Vergleiche mit anderen Kastellvici, drei Strukturen unterscheiden: einen vorderen Bereich, einen mitt-

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Abb. 42 Grundrisse ausgewählter Häuser im Vicus. Nr. 1–3 liegen im südlichen Vicusbereich, Nr. 4–6 im westlichen Vicusbereich.

leren aus einem Hof bestehenden Bereich und einen hinteren Bereich. Diese Gebäude werden komplexe Streifenhäuser genannt. Vorne lagen die Geschäfte und Kneipen, hinten der Wohntrakt und auch die repräsentativen Räume der Familie. Es ist auff ällig – und dies gilt für alle Häuser im Vicus –, dass insbe-

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sondere diese hinteren Bereiche in Stein und damit besser ausgeführt waren. Dort lagen auch die beheizten Räume. Andere Häuser, etwa die Häuser westlich des Kastells, waren dagegen kleiner und besaßen ein durchgehendes Dach (Abb. 42, 4–6). Steinstrukturen fehlen oder kommen nur vereinzelt vor. Dies sind die klassischen, einfachen Streifenhäuser. Hier diente der vordere Teil des Hauses zu Gewerbezwecken, der hintere Teil zum Wohnen. Inneneinteilungen der Häuser sind wenig bekannt, da die Innenwände häufig aus Holz gebaut waren und damit nicht erkannt wurden.

Funktionen Im Vicus lagen Kneipen, sogenannte tabernae, und sonstige Einrichtungen, die von den Soldaten in ihrer Freizeit aufgesucht wurden, sowie Handwerksbetriebe. Ihre Existenz ist oft archäologisch kaum nachweisbar, insbesondere wenn man es mit Altgrabungen zu tun hat. Bei einem großen Gebäude östlich der Hauptstraße, in dem in zwei Kellern insgesamt etwa zehn vollständige Amphoren, teilweise in situ, gefunden wurden, handelt es sich wahrscheinlich um eine Gaststätte. Als Inhalt solcher Amphoren, die im Rhein-Main-Gebiet hergestellt wurden, ist Bier anzunehmen. Dies würde mit der Interpretation des Gebäudes übereinstimmen. Nördlich davon fanden sich zwei rechteckige gemauerte Anlagen, die Jacobi wegen des Vorhandenseins von Kohle und Brandschutt als Grab deutete,99 die aber wahrscheinlicher als Grillanlage oder Ähnliches anzusprechen sind und ebenfalls auf eine taberna hinweisen. Eine weitere Anlage zum Grillen fand sich in einem Haus direkt südöstlich des Haupttores des Kastells. Hier lag demnach ebenfalls ein Wirtshaus. So konnten sich die Soldaten unmittelbar vor dem Haupttor des Kastells mit Essen und Getränken versorgen. Auch Handwerksbetriebe sind nachzuweisen. Die Jacobis haben mindestens drei Ziegel- oder Töpferöfen und einen Schmelzofen ausgegraben. Die Öfen lagen südwestlich und südöstlich des Kastells. Leider fehlen für fast alle Öfen Datierungsanhaltspunkte. Nur aus einem neben dem Kastellbad gelegenen Ziegelofen sind einige Ziegelstempel bekannt, die den Ofen in das 3. Jahrhundert datieren. Da auf der Saalburg kaum Lehm vorkommt, wurde er offenbar aus einer anderen Gegend herbeigeschafft. Die Produktion von Ziegeln dürfte sich aber nur auf eine kurze Zeit beschränkt haben, wohl als der Import von Ziegeln nicht mehr gut funktionierte.

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Durch besondere Gerätschaften sind Handwerksbetriebe wie Schuhmacher-, Steinmetz-, Schreiner-, Müller- und Bäckereibetriebe belegt. Insbesondere aus Brunnenfunden sind eine Schusterwerkstatt im Bereich östlich der Hauptstraße und zwei Holz bearbeitende Werkstätten westlich des Kastells nachgewiesen. Der Fund verschiedener Ärzteinstrumente und zweier Augenarztstempel weist die Tätigkeit mehrerer Ärzte beziehungsweise Augenärzte nach. Im ganzen Vicus sind bei den Grabungen zahlreiche Reste von kleineren oder größeren Mühlsteinen gefunden worden. Jedes Haus dürfte seinen eigenen Mühlstein für den normalen Gebrauch besessen haben. Es gab allerdings auch größere öffentliche Mühlen. Dafür spricht der Fund von zwei sogenannten Dosierkegeln im südlichen Vicusbereich. Verschiedene landwirtschaft liche Geräte, die sich überall in Brunnen, Kellern oder Häusern fanden, weisen darauf hin, dass die Dorfbewohner Lebensmittel auch selber anbauten. Sie besaßen hinter dem Haus einen Gemüsegarten für den privaten Verbrauch. Der Hauptanteil des Getreides und der Lebensmittel für die Soldaten kam jedoch sicher aus den umliegenden Gutshöfen. Die Werkzeuge, deren Fundort bekannt ist, verteilen sich insbesondere im südlichen und westlichen Vicusbereich, während sie im östlichen Bereich fehlen; dies ist wahrscheinlich forschungsgeschichtlich bedingt. Es gibt keinerlei örtliche Konzentrationen, sodass ein Handwerkerviertel oder Ähnliches auszuschließen ist. Im Lagerdorf selber fand regelmäßig ein Markt statt, da das Kastell und der Vicus der Saalburg auf einer Passhöhe und demnach an einem für den Verkehr bedeutenden Ort lagen. Als Plätze für solche Märkte kommen mehrere Bereiche in Frage, wie der 22 m breite Bereich direkt vor dem Haupttor des Kastells (porta praetoria) oder ein Gebiet nördlich des östlichen Tores (porta principalis sinistra). In solchen Märkten wurden unter anderem auch Waren aus Germanien verkauft. Darauf weist germanische Keramik hin, die sich verstreut im Vicus fand. In den verschiedenen Vicusbereichen beziehungsweise Vierteln kann man Unterschiede in ihrer Funktion, aber auch im Reichtum ihrer Einwohner erkennen. Der bedeutendste Bereich des Vicus in der letzten Periode war derjenige, der vor der porta praetoria lag. Insbesondere in diesem Viertel kommen am häufigsten Strukturen aus Stein sowie die größeren, komplexen Streifenhäuser vor, was auf einen gewissen Reichtum der Einwohner schließen lässt. Hier besaßen die meisten Häuser zudem einen Keller. Die Lage und Form der Häuser lassen auf Handels- und Gewerbefunktionen des Viertels schließen. Handwerkliche Betriebe waren aber auch hier vorhanden. Ähnlich ausgestattet

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erscheinen einige Häuser im östlichen Vicusbereich. Sie waren lang, gehörten zu den komplexen Streifenhäusern und waren mit beheizten Räumen ausgestattet. Damit weisen sie auf den Wohlstand ihrer Einwohner hin. Allerdings befanden sich diese Häuser abseits der wichtigen Straßen und vom darauf verlaufenden Verkehr. Die Lebensgrundlagen der Einwohner lagen demnach wohl nicht im direkten Handel, worauf auch das Fehlen von Kellern hindeutet. Auch handwerkliche Tätigkeiten sind hier nicht bezeugt, was aber, wie so oft auf der Saalburg, auch grabungsbedingt sein könnte. Da die Bebauung dieses Bereichs erst relativ spät erfolgte (wohl am Ende des 2. / Anfang des 3. Jahrhunderts) und zu den Erweiterungsgebieten – „Neubaugebieten“ – des Vicus gehörte, kommen neue, später hinzugekommene Bewohner in Frage, die relativ wohlhabend waren, aber keinen freien Platz mehr in den wichtigen Vierteln vorfanden. Hypothetisch könnten sich hier Veteranen angesiedelt haben, die in der Regel genug Geld besaßen, um solide Häuser zu bauen. Dagegen vermittelt der Bereich westlich des Kastells mit seinen „einfachen“ Streifenhäusern, die meistens aus Holz gebaut und kleiner als die Häuser in den beiden anderen Vierteln waren, einen ärmlichen Eindruck. Hier sind Handwerker (insbesondere Holzbearbeiter bzw. Schreiner) belegt. Andere Nutzungen beziehungsweise Funktionen bleiben unbekannt. Diese verschiedenen Vicus-„Viertel“ weisen somit Unterschiede in der Bauweise und in der Ausstattung auf, was auf eine Nutzung durch unterschiedliche Gesellschaftsschichten hinweist.

Öffentliche Gebäude Im Vicus gab es neben privaten Häusern auch Gebäude, die dem Militär gehörten beziehungsweise öffentlich waren. Unmittelbar westlich des Haupttores des Kastells liegen die Thermen, das Badegebäude. Es wurde von und für die Soldaten, sofort nach dem Bau des Kohortenkastells errichtet und gehört dem sogenannten Reihentyp an, da hier die typische Reihenfolge von frigidarium (Kaltbad) zum caldarium (Heißbad) vorhanden ist. Als eines der wenigen Gebäude, die vollständig in Steinmauerwerk errichtet wurden, war es das besterhaltene und wurde als erstes und immer wieder ausgegraben, allerdings selten ausreichend dokumentiert, sodass es heute schwierig ist, die verschiedenen Bauphasen klar zu unterscheiden. Dennoch sind mindestens drei Bauphasen erkennbar. In der ersten Bauphase besaß es ein sehr großes apodyterium (Umkleideraum), das

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wahrscheinlich auch als palaestra (Ringplatz) verwendet wurde. Das Bad scheint aber etwas kleiner gewesen zu sein. Wohl um die Mitte des 2. Jahrhunderts wurde aus unbekannten Gründen das apodyterium wesentlich verkleinert. Eine dritte Bauphase ist anhand der Ziegelstempel an das Ende des 2. Jahrhunderts datiert. Dort fanden offensichtlich umfangreiche Reparaturen im Bereich des caldarium und tepidarium (Laubad) statt. Eine Verkleinerung des Bades im 3. Jahrhundert, wie sie in manchen Kastellbädern beobachtet wurde, ist nicht sicher nachgewiesen. Zahlreiche Eisenschlacken, die sich in den Drainagegräben um das Bad fanden, könnten auf eine Umfunktionierung des Bades in eine Werkstatt hinweisen. Dies wurde auch in anderen Orten am Limes beobachtet. Daneben liegt die mansio (Herberge). Sie überlagert das Holzapodyterium des Bades und einige Häuser des Vicus und wurde nach der Mitte des 2. Jahrhunderts (am Anfang der dritten Periode) gebaut. Relativ sicher kann man eine erste, ältere Phase erkennen, in der die mansio etwas kleiner und nach Westen verschoben war. Zu einem unbekannten Zeitpunkt wurde das Gebäude umgebaut und bildete nun den heute bekannten Grundriss. Bei der mansio handelt es sich um einen geläufigen Gebäudetyp in den nordwestlichen Provinzen, das heißt um ein Gebäude mit einem zentralen Innenhof, um welchen sich verschiedene Räume gruppierten. Die südlichen Räume, die wohl Wohnzwecken dienten, waren beheizt. Funde von rotem, gelbem und weißem Verputz deuten auf die ursprüngliche Bemalung hin, und das Auffinden von Fensterglasscherben auf die Ausstattung. Ein Gebäude östlich des Kastells, das über einer Schanze liegt, konnte seit seiner Entdeckung nicht befriedigend gedeutet werden. In der älteren Fachliteratur wird es fälschlicherweise als Forum bezeichnet, weil sein Grundriss nach der Ansicht der Ausgräber demjenigen eines Forums ähnelte.100 Das Areal war auffallend fundleer, sodass die Ausgräber annahmen, dass dieses Gebäude nie fertig gestellt wurde. Man erkennt zwei verschiedene Komplexe, die in unterschiedlichen Bauweisen errichtet sind. Nördlich haben wir eine Reihe von Räumen, die in Holz- und Steintechnik gebaut sind, östlich einen geschlossenen, massiven Steinbau. Im Süden weist eine stark zerstörte Heizung darauf hin, dass hier ein dritter Flügel des Gebäudes vorhanden war. Es handelt sich dabei sehr wahrscheinlich um ein einziges Gebäude, das aus einem Innenhof und drei Flügeln bestand. Seine Datierung ist mangels sicherer Funde schwierig. Wahrscheinlich wurde es in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts gebaut und gehört demnach zur dritten Periode. Größere, öffentliche Gebäude kommen oft in Kastellvici in Deutschland, aber auch in Britannien vor und werden als mansio, Straßen- oder Benefiziarier-

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stationen gedeutet. Das sogenannte Forum steht eng in Verbindung zur Straße zum Limes. Seine Funktion scheint mit dieser Straße, über die der Handel mit den Germanen erfolgte, und mit derjenigen, die aus der porta principalis sinistra kommt und direkt südlich von ihm verläuft, verknüpft. Das Gebäude hat also wohl mit Handel zu tun. Am wahrscheinlichsten erscheint eine vielschichtige Funktion als Herberge und als Ort, wo der Handel kontrolliert und die Ware versteuert wurde, das heißt eine Art Rasthaus, Zollstation und Warendepot.

Heiligtümer Zum festen Bestand eines Kastelldorfes gehörten Heiligtümer oder Tempel. Heinrich Jacobi interpretierte in der Funktion nicht eindeutige Gebäude oft als Heiligtum. So sind in der Literatur zahlreiche angebliche „Tempel“ oder Kultgebäude von der Saalburg überliefert. Das berühmteste Beispiel ist das sogenannte Mithräum.101 Es stellt ein eindrucksvolles Beispiel dafür dar, wie die Politik beziehungsweise die Geldgeber die Archäologie beeinflussen können. Der Baukomplex wurde bereits 1872 von Louis Jacobi ausgegraben und als Grabeinfriedung gedeutet, weil sich in seinem Inneren mehrere Gräber fanden.102 Unter dem Druck der Öffentlichkeit und insbesondere des Mäzens Kaiser Wilhelm II. – die Mithräen waren am Anfang des 20. Jahrhunderts sehr beliebt – interpretierte Heinrich Jacobi 1903 die Grabeinfriedung zu einem Mithräum um, welches schnell wiederaufgebaut wurde. Da es überhaupt keine Funde oder Befunde gibt, die auf ein Mithräum hinweisen, erscheint jedoch die ursprüngliche Deutung als Grabeinfriedung richtig. Ein anderes „falsches“ Heiligtum ist das sogenannte Dolichenum, das seinen Namen einigen in der Nähe gefundenen Inschriften zu verdanken hat.103 Es handelt sich um einen großen, östlich des Kastells gelegenen Pfostenbau. Das Gebäude gehörte allerdings der zweiten Periode des Vicus an, wurde sehr wahrscheinlich in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts zerstört und von einigen Vicus-Bauten überbaut. Der Dolichenus-Kult verbreitete sich in der zweiten Hälfte des 2. und insbesondere am Anfang des 3. Jahrhunderts. Inschriften oder Hinweise auf einen Dolichenus-Kult in Germania superior in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts, als das Gebäude gebaut wurde, fehlen. Demnach besaß das Gebäude wohl eine andere, profane Funktion. Nach Vergleichen mit Gebäuden in anderen Kastellvici erscheint eine Interpretation als Speicher beziehungsweise Magazin militärischer Funktion zutreffender. Ein Heiligtum für

Der Vicus des Kastells Saalburg

Jupiter Dolichenus war sicherlich auf der Saalburg vorhanden; es befand sich aber an einer anderen Stelle. In Frage kommt ein kleines Holzgebäude, unmittelbar östlich der südöstlichen Ecke des Kastells, dessen in Reihen liegende Pfostenlöcher von Louis Jacobi als Gräber interpretiert wurden. Diese Interpretation beruhte sehr wahrscheinlich auf den damaligen Grabungsmethoden. Man kannte zunächst keine Pfostenlöcher und deutete daher runde Löcher als Gräber. Heinrich Jacobi übernahm, obwohl er Pfostenlöcher kannte, die Deutung seines Vaters und beschrieb den Komplex als Gräberfeld. Das kleine Holzgebäude gehört der dritten Periode an. Die dem Jupiter Dolichenus geweihten Inschriften fanden sich in einem nahe gelegenen Brunnen, datieren in das 3. Jahrhundert und somit gleichzeitig mit dem Gebäude. Zudem weisen die Dolichena keinen charakteristischen Grundriss auf und ähneln öfters Wohnhäusern. Sicher anzusprechende Heiligtümer sind das metroon, ein Tempel für die Göttin Kybele, und das sogenannte „Gallische Heiligtum“. Das metroon lag südlich des Vicus unmittelbar in der Nähe des sogenannten Mithräums. Es bestand aus einer Cella, einem inneren Raum mit einer Basis wohl für eine Statue, und einem Umgang aus 4 × 7 Stützen. Seine Weihung an Kybele beziehungsweise mater deum wird durch eine in der Nähe gefundene Inschrift bewiesen, die auch das Gebäude in die Regierungszeit des Antoninus Pius (138–161 n. Chr.) datiert. Stifter war ein centurio der 22. Legion, die in Mainz stationiert war. Die Provinzhauptstadt war in römischer Zeit ein Zentrum des Kultes der Kybele, wie das Isis-Kybele-Heiligtum unter der heutigen „Römerpassage“ beweist. Seine Ausstrahlung drang demnach bis zur Saalburg durch. Bei dem „Gallischen Heiligtum“104 handelt es sich um einen kleinen (5 × 3 m) Tempel mit einem erhöhten Innenraum und einer Einzäunung (temenos). Zwei kleine, in der Nähe gefundene Sandsteinstatuen belegen den Kult von Sucellus und Nantosuelta, zwei „gallische Gottheiten“ – daher der Name –, deren „Zuständigkeitsbereich“ im Wald, aber auch in der Unterwelt lag. Um einen sakralen Komplex wird es sich bei zwei Gebäuden westlich des sogenannten Mithräums handeln. Der nördlich gelegene kleine Bau war wahrscheinlich ein Umgangstempel; ein rechteckiger Pfostenbau mit Feuerstelle im hinteren Bereich diente als Versammlungs- beziehungsweise Bankettraum.

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Ende des Vicus In der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts wurde der Vicus von einem großen, verheerenden Schadfeuer betroffen, worauf mehrere Brandschichten und Brandschutt, die Keller, Brunnen und Gruben verfüllen, hinweisen. Vollständige Gefäße, die sich in den Kellern fanden, deuten darauf hin, dass die vicani von dem Brand überrascht wurden. Es fehlen allerdings Kampfspuren, wie Skelettteile oder Waffen. Die genaue Datierung dieses Ereignisses ist mangels Funden schwierig. Die wenigen dendrochronologischen Datierungen von Eimern aus Brunnen weisen spätestens auf das Jahr 220 beziehungsweise die Jahre von 220 bis 240 hin. Das Fehlen von Münzen in den Verfüllungen der Keller und Brunnen, die nach 233 datieren, lässt dieses Ereignis mit dem Alamanneneinfall um 233 in Verbindung bringen. 233 fielen die Alamannen in das Römische Reich ein und verwüsteten auch in Hessen einige Gebiete. Anscheinend waren der Vicus und vielleicht das Kastell davon betroffen. Nach diesem Ereignis fehlt für den Vicus im Gegensatz zu dem Kastell jede Spur eines Weiterlebens. Keller und Brunnen wurden verfüllt und die Häuser vermutlich verlassen oder sehr reduziert weiter bewohnt. Was mit den Einwohnern passierte, bleibt unbekannt. Anscheinend konnten sie vor dem Einfall fliehen. Ein Teil wohnte nun wahrscheinlich im Kastell, was auch in anderen Orten am Limes vermutet wurde. Ein anderer Teil zog wohl in die größeren Städte, wie Mainz oder Nida-Heddernheim. Nach diesem Ereignis wurde nur das Kastell weiterbewohnt und umgebaut: Ein Raum des sogenannten Praetoriums im Inneren des Kastells wurde einer unter der Mauer gefundenen Münze zufolge nach 244 gebaut. Nach den Ausgräbern saß der Raum auf Brandschutt. Im Brunnen im Kastell fanden sich weiterhin Münzen, die nach 244 datieren. Endgültig wurde das Kastell erst mit der Aufgabe des Limes 260 / 275 verlassen. Zwei Münzschatzfunde, von denen einer mit Münzen des Severus Alexander (233) beziehungsweise der Julia Mamaea, der andere mit Münzen Gordians III. (244) endet, weisen auf das Ende der römischen Zeit auf der Saalburg hin. Man vergrub die Münzen in einer schwierigen Situation und kam nicht mehr dazu, sie wieder zu bergen.

Der Vicus des Kastells Saalburg

Zusammenfassung Der Vicus der Saalburg erreichte am Anfang des 3. Jahrhunderts seine größte Ausdehnung und nahm eine Fläche von mindestens 13 Hektar ein. Danach und auch nach der Anzahl der Grundstücke ist mit einer Einwohnerzahl zwischen 1000 und 1500 Personen zu rechnen. Der Vicus entwickelte sich jetzt nicht nur an den von dem Kastell ausgehenden Straßen, sondern auch entlang von Nebenstraßen, die allmählich, vermutlich unabhängig vom Militär, angelegt wurden. Der Plan zeigt ein komplexes, durchstrukturiertes Siedlungsgefüge mit urbanen Elementen. Innerhalb des Vicus sind zudem Hinweise auf eine differenzierte Gesellschaft, die in unterschiedlichen Vierteln lebte, zu erkennen. Drei Bauphasen sind im Vicus zu identifizieren, die wohl zeitlich den drei Perioden des Kastells (Erdkastell, Holz-Stein-Kastell und Steinkastell) entsprechen. Die Geschichte des Vicus erweist sich demnach als eng mit der Geschichte des Kastells verknüpft. So gehört auch heute das Kastelldorf untrennbar zu dem Bild des Kastells. Nur die Zusammenschau aller Teile lässt den heutigen Betrachter die verschiedenen Aspekte des Lebens am römischen Limes erkennen.

Literatur H. Jacobi, Das Kastell Saalburg. In: E. Fabricius / F. Hettner / O. von Sarwey, Der Obergermanisch-Raetische Limes des Römerreiches B2a, Nr. 11, Heidelberg, Berlin, Leipzig 1937 L. Jacobi, Das Römerkastell Saalburg bei Homburg v. d. H., Homburg v. d. H. 1897 M. Klee, Die Saalburg. Führer zur hessischen Vor- und Frühgeschichte 5, Stuttgart 1995 C. Moneta, Der Vicus des römischen Kastells Saalburg, Bad Homburg v. d. H. / Mainz 2010 E. Schallmayer (Hrsg.), Hundert Jahre Saalburg. Vom römischen Grenzposten zum europäischen Museum, Mainz 1997

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Von einer Grenze umgeben? Zur Einheitlichkeit der Grenzsicherung am hessischen Abschnitt des Limes Thomas Becker Von einer Grenze umgeben?

Die römische Grenzlinie des fortgeschrittenen 2. und der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts, die im deutschen Sprachgebrauch landläufig als der „Limes“ bezeichnet wird, steht seit dem Jahr 2005 auf der Liste der UNESCO-Welterbestätten. Der Limes ist Teil des transnationalen Welterbes „Frontiers of the Roman Empire – Grenzen des Römischen Reiches“, zu dem auch der Hadrianswall in England und der Antoninuswall in Schottland gehören. Für die einzelnen Teile der Welterbestätte sind jeweils besondere Merkmale herausgestellt worden, die sie auszeichnen und von den anderen Abschnitten der Gesamtgrenze unterscheiden. Für den Limes mit seinen 550 km Gesamtlänge stellt die dahinter stehende ingenieurtechnische Leistung der Einrichtung von Grenzlinie und Sicherungselementen eines dieser Merkmale dar. In der allgemeinen Betrachtung der einzelnen Abschnitte – dies gilt sowohl für die Flussgrenzen wie auch für die durch die Landschaft gezogene Grenzlinie – wird immer von einem einheitlichen Aussehen ausgegangen. Zeichnerische oder virtuelle Rekonstruktionen geben am Limes – modifiziert in den landschaft lichen Gegebenheiten – jeweils die gleiche Situation im Aufbau der Grenze und der nachgewiesenen Sicherungselemente (Palisade, Graben / Wall bzw. Mauer, Wachttürme) wieder. Schemata der einzelnen Bauphasen zeigen für die beiden Grenzprovinzen Germania superior und Raetia einheitlich die gleichen vier Phasen. In der ersten Phase wird die Grenze als Schneise mit Begleitweg und Wachtürmen in Holz- beziehungsweise Fachwerktechnik errichtet. Ihr folgt in der zweiten Bauphase, die aufgrund jüngster dendrochronologischer Daten aus Hammersbach-Marköbel (Main-Kinzig-Kreis) in das Jahr 120 n. Chr. datiert wird, die Errichtung einer Palisade vor dem Weg. Wahrscheinlich um 145 / 146 n. Chr. – dies lassen die Inschriftenfunde von den Wachttürmen am Odenwaldlimes vermuten – werden in der dritten Phase die Holz-

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Abb. 43 Übersichtskarte: Der hessische Abschnitt des Limes misst 143 km.

durch Steintürme ersetzt. Und schließlich erfolgt beim letzten Ausbau die Errichtung von Graben und Wall um das Jahr 200 n. Chr. Diese Gliederung geht bereits auf die Aufnahme des Limes durch die Reichs-Limeskommission zurück, wurde als Schema aber erstmals in den 1970er Jahren von Baatz vorgestellt.105 Diese Annahme eines einheitlichen Aussehens der Grenze entstand sicherlich durch die Prägung verschiedener Einflüsse auf die jeweils zeitgenössische Forschung. So lassen sich solche Einflüsse generell in der Forschung zum römischen Militär beobachten. In den Anfängen findet sich eine stark durch den militärischen Zeitgeist beeinflusste Prägung, da ein Teil der frühen Limesforscher, auch der Streckenkommissare der Reichs-Limes-Kommission, ehemalige

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oder aktive Offiziere der jeweiligen Landesarmeen waren. Hieraus ergibt sich häufig anzutreffendes „preußisches“ Einheitlichkeitsdenken gerade im Bezug auf das Aussehen der einzelnen römischen Truppengattungen. Die Forschung der Nachkriegszeit in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist geprägt durch den Eindruck des Kalten Krieges und des Eisernen Vorhangs, was sich in der Funktionsansprache, damit aber auch in der Rekonstruktion des Aussehens widerspiegelt. Die aktuelle Sicht des Limes wird durch die wirtschaft lich geprägte Gesellschaft beeinflusst. Generell wurden die beiden Teile der Grenze, der obergermanische und der rätische Abschnitt, immer als Ganzes betrachtet und daraus resultierend mit einheitlichem Aussehen für den Gesamtverlauf rekonstruiert. Es finden sich aber auf den gesamten 550 km Hinweise, die auf Abweichungen von diesem Grundsystem hindeuten. Im Folgenden sollen einige dieser Abweichungen am Beispiel des 143 km messenden hessischen Abschnitts der Grenze (Abb. 43) – ausgenommen aus dieser Betrachtung ist der 10 km messende Anteil am Mainlimes – zusammengetragen und in den Vergleich mit dem übrigen Teil des obergermanischen Limes gesetzt werden.

Palisade, Graben und Wall Zu betrachten ist zunächst die Grenzlinie selbst mit den zugehörigen Elementen der Grenzsicherung: Palisade, Graben und Wall. Diese finden sich fast durchgehend am hessischen Teil des Limes. Ihre relativchronologische Abfolge bleibt bislang unbestritten, doch wurde in den letzten Jahren in der Forschung diskutiert, ob die Bestandsdauer einzelner Elemente zu modifizieren ist. Das betrifft die Palisade, bei der nach dem bisherigen Ablaufschema von einem Bestand während der Anlage von Graben und Wall ausgegangen wurde. 2003 konnte ein kleiner Abschnitt der Grenze in Hammersbach-Marköbel (Main-Kinzig-Kreis) untersucht werden, bei dem aufgrund der Nähe des KrebsBaches ein hoher Grundwasserstand für eine Erhaltung der unteren Partien der Palisadenhölzer sorgte. Die dendrochronologische Untersuchung von 28 Hölzern ergab, dass diese einheitlich im Winter 119 / 120 n. Chr. gefällt und kurz danach im Sommer 120 verbaut wurden. Daraus ergibt sich ein erstes Erbauungsdatum der Palisade für das Jahr 120 n. Chr. Dies erstaunt vor dem Hintergrund, dass bei einem Bestand der Palisade bei der Anlage von Graben und Wall eigentlich mit einer Erneuerung zu rechnen wäre.106 Die Erfahrungen mit

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Palisadenrekonstruktionen am Limes aus Eichenholz zeigen, dass die in den 1970er und 1980er Jahren rekonstruierten Abschnitte aktuell verwittert sind und erneuert werden müssen. Überträgt man dies auf die Lebensdauer der Palisade in römischer Zeit und passt die Verwitterungsgeschwindigkeit an die damaligen klimatischen Gegebenheiten an, so müsste mit einer Erneuerung der Palisade nach ca. 40 Jahren gerechnet werden. Dass in Marköbel keine Hinweise auf eine Erneuerung nachzuweisen waren, bedarf einer Erklärung, die in der fehlenden Kontinuität der Palisade bis zur Anlage von Graben und Wall zu suchen ist. Nahe liegend ist dabei die geäußerte Überlegung, dass die Palisade um 200 n. Chr. keinen Bestand mehr hatte und Graben und Wall sie ersetzten. Dazu muss kritisch angemerkt werden, dass dies der bislang einzige Befund dieser Art am obergermanischen Limesabschnitt nördlich des Mains ist, wo anhand dendrochronologischer Ergebnisse eine solche Aussage getroffen werden kann. Die Übertragbarkeit auf die gesamte Strecke bedarf sicherlich noch einer Überprüfung, zumal es Aspekte gibt, die gegen ein solches Modell sprechen. Dazu gehört ein Abschnitt des Limes im Untertaunus nördlich des Kastells Kemel (Heidenrod, Rheingau-Taunus-Kreis), in dem nach Ausweis der Untersuchungen durch die Reichs-Limeskommission der Graben nicht ausgeführt wurde. An diesem 6,4 km langen Bereich wurde lediglich die Palisade angelegt, wo dann ohne Fortbestand derselben keine Grenzmarkierung beziehungsweise Grenzsicherung mehr vorhanden gewesen wäre. Dabei scheinen naturräumliche Gründe wie das relativ hoch anstehende Grundgestein nicht als Erklärung für das Fehlen des Grabens geeignet, da in Kemel selbst bei neueren Grabungen nachgewiesen werden konnte, dass der Graben in den anstehenden Schiefer geschlagen wurde.107 Anhand der Untersuchungen der Reichs-Limeskommission ist allerdings nicht zu belegen, ob die Palisade auf gleichem Verlauf vielleicht erneuert wurde, da hierzu bei exakter Grabungstechnik gegebenenfalls Hinweise in der Gräbchenverfüllung zu finden wären. An einem anderen Teilstück findet sich dagegen eine Besonderheit, deren Betrachtung im Zusammenhang mit der Kontinuitätsfrage der Palisade, aber auch mit den Eigentümlichkeiten einiger Streckenabschnitte interessante Aspekte liefert. Zwischen den Wachtturmstellen 4 / 59 und 4 / 62 konnten durch Luftbildbefunde und am Wachtposten 4 / 70 / 71 durch Ausgrabung zwei parallel laufende Gräbchen nachgewiesen werden, die offensichtlich beide zum Limes gehören.108 An der Holzturmstelle 4 / 61 (Abb. 44) zeigt sich sogar der Einbau einer Torsituation in die vordere Palisade, auf die die hintere Palisade Rücksicht zu nehmen scheint. Aus der Ausgrabung des Limesverlaufes im Zuge des

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Abb. 44 Die Holzturmstelle 4/61.

Neubaus der Umgehungsstraße um die Stadt Hungen ergibt sich ein Abstand der beiden Palisaden zum Rand des Grabens von 2 beziehungsweise 6,5 m, womit der hintere Verlauf den auch an anderen Stellen nachgewiesenen Abstand zwischen Palisade und Graben aufnimmt. Da bislang nicht abschließend belegt ist, ob die beiden Palisaden zeitgleich existierten, kann dies nur aus Indizien erschlossen werden. Die Torsituation am Wachtturm 4 / 61 könnte auf eine Gleichzeitigkeit der beiden Palisaden hindeuten und die Verfüllung beider Gräbchen im ausgegrabenen Teilstück wies keine signifikanten Unterschiede auf. Daher stellt sich die Frage nach der Funktion einer Doppelpalisade an diesem Abschnitt. Möglicherweise ersetzte die vordere Palisade die hintere, sodass hier mit einer längeren Nutzung der Palisade als Grenzsicherungselement gerechnet werden könnte. Schließlich waren die Ausgrabungsbedingungen bei der Ausgrabung der Palisade in Marköbel nicht so, dass geklärt werden konnte, ob die Hölzer primär in der Palisade verbaut worden waren. Denkbar wäre auch das Modell, dass die Hölzer nach der ersten Verwitterung an der Stelle der stärksten Zerstörung – diese zeigt sich bei den modernen Rekonstruktionen im Übergangsbereich zwischen Luft und Boden – gekappt und erneut eingegraben wurden. Zukünftig müssten anhand von gezielten Untersuchungen an Abschnitten, an denen eine Holzerhaltung durch das Bodenmilieu gegeben ist, diese Gedankenmodelle überprüft werden. Mit der Anlage von Graben und Wall entstand eine andere Art der Grenzsicherung am Obergermanischen Limes. Geht man dabei davon aus, dass dieser Grenzabschnitt (ohne die 50 km der Maingrenze) 330 km lang war, lässt sich bei 5 m durchschnittlicher Breite und 2 m durchschnittlicher Tiefe des

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Grabens ein Erdvolumen von 1 665 000 m3 errechnen, das bei der Anlage des Grabens ausgehoben und bewegt werden musste. Allerdings fällt bei der Betrachtung dieses Befundes auf, dass der Graben an mehreren Stellen gar nicht ausgeführt wurde. Solche Fehlstellen lassen sich auch an den Abschnitten der anderen Bundesländer beobachten. Die Teilstücke sind in zwei Gruppen zu trennen, die sich durch die Existenz oder das Fehlen von Ersatzeinrichtungen unterscheiden lassen. Der Abschnitt mit fehlendem Ersatz in Hessen wurde mit dem Bereich nördlich des Kastells Kemel bereits angesprochen. Im Gegensatz dazu weisen die anderen beiden Bereiche Ersatzbauten auf. Im Hochtaunus fi nden sich zwischen den Wachtturmstellen 3 / 54 und 3 / 63 vier Teilstücke mit einer Gesamtlänge von knapp 2,5 km, an denen anstelle von Graben und Wall aus dem anstehenden Taunusquarzit eine Trockenmauer errichtet wurde. Hier steht das Grundgestein so hoch an, dass die Römer offensichtlich auf den Aushub des Grabens verzichten wollten. Zwischen den Wachtturmstellen 5 / 11 und 5 / 12 setzt der Verlauf von Graben und Wall an den Rändern des sogenannten Doppelbiersumpfes ebenfalls aus und wird durch eine Pfostenreihe ersetzt. Offensichtlich sahen die Römer keinen Sinn oder keine Möglichkeit, in dem wasserreichen Gelände einen Graben auszuheben. In beiden Bereichen wurde damit offensichtlich auf topographische Gegebenheiten reagiert. Der Limesgraben erscheint auf den ersten Blick sehr einheitlich ausgeführt zu sein mit einem V-förmigen Querschnitt und seinem spitzen Ende. Die Verfüllung des Grabens erweckt bei den Untersuchungen an verschiedenen Stellen des hessischen Limesverlaufs einen relativ einheitlichen Eindruck. Generell stellt sich dabei allerdings die Frage, ob der Grabenverlauf nach seiner Anlage einem regelmäßig notwendigen erneuten Ausheben, zumindest im Bereich der Spitze unterzogen worden ist, da ansonsten mit einem kontinuierlichen Zusedimentieren zu rechnen wäre. Bislang wurde bei archäologischen Untersuchungen des Limes fast immer auf eine flächige Aufdeckung des Denkmals zugunsten der Anlage von Profilen verzichtet, sodass solche Fragestellungen kaum zu beantworten waren. Bei einer Untersuchung des 24 m langen Abschnitts der römischen Reichsgrenze im Jahr 2010 in Heidenrod-Kemel ergaben sich Hinweise auf eine solche Erneuerung des Grabens. Dabei wurde offensichtlich nicht nur das bestehende Grabenprofi l wieder freigelegt, sondern nochmals um 25 cm vertieft und die Böschung etwas steiler angestellt. Vor dem Hintergrund der relativ kurzen Nutzungszeit des Grabens – vom Bau des Grabens um 200 n. Chr. bis zum Ende des Obergermanischen Limes allerspätestens um 270 n. Chr. blieb er maximal 70 Jahre in Funktion – war ein erneutes Ausheben sicherlich notwendig, erstaunt jedoch vor dem Hintergrund der Re-

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duzierung der Truppenstärke am Limes im 3. Jahrhundert und der damit dann verbundenen Frage nach den umsetzenden Arbeitskräften. Auch bleibt fraglich, ob es sich lediglich um eine lokale Maßnahme auf der Höhe des Numeruskastells in Kemel handelte oder ob eine solche Maßnahme auch an anderen Streckenabschnitten zu postulieren ist. Neben den drei besprochenen Bestandteilen kann am hessischen Streckenabschnitt partiell ein weiteres Grenzsicherungselement nachgewiesen werden. Dabei handelt es sich um das an der ganzen Strecke 4 in verschiedenen kurzen Abschnitten nachgewiesene „Zaungräbchen“, eine Art Flechtwerkzaun, das im Gegensatz zum Palisadengraben in einem größeren Abstand zu den Türmen verläuft, zeitlich vor der Palisade anzusetzen ist und in der Anlage nicht aus einer geschlossenen Reihe von Hölzern besteht, sondern als im Abstand stehende Einzelpfosten angelegt ist. Ein solcher Zaun findet sich auch an einigen Stellen am Rätischen Limes, ließ sich am restlichen Grenzverlauf aber nicht nachweisen. Die Nachweise im Taunus beschränken sich nicht immer nur auf das Umfeld von Turmstellen, sodass sich nicht die Frage nach der Durchgängigkeit dieses Zauns stellt. Der partielle Nachweis lässt sich einerseits durch eine nur in Teilabschnitten vorhandene Anlage des Zauns erklären. Andererseits könnte auch über eine Neuinterpretation dieses Befundes in Teilen nachgedacht werden vor dem Hintergrund des an den Turmstellen vorhandenen Nachweises. Vielleicht handelt es sich hier um eine frühe Einfassung der Umgebung von Turmstellen selbst im Außenbereich, wie sie mittlerweile an zwei Turmstellen am Odenwaldlimes belegt ist. Da das Gräbchen meist nur in kleinen Ausschnitten aufgedeckt wurde, wäre eine solche Zuweisung ebenso denkbar.

Wachttürme Am gesamten Verlauf des Obergermanisch-Raetischen Limes sind ca. 900 Wachtturmstellen nachgewiesen worden oder werden in ihrer Existenz erschlossen. Ihre Standorte können anhand der nach Streckenabschnitten (Strecke 1 bis 15, wobei an Strecke 6 und 11 keine Wachttürme belegt sind) vorgenommenen Zählung direkt angesprochen werden und laufen unter der allgemeinen Bezeichnung Wachtposten (Wp). Dies resultiert aus der Tatsache, dass an diesen Wachtposten oftmals zwei, in einigen Fällen sogar mehrere einzelne Türme belegt sind. Dabei handelt es sich um mindestens einen Holz- und einen Steinturm, da in der  Genese der Grenzsicherung die Holztürme von Steintürmen ersetzt wur-

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den. Informationsquellen zum Aussehen dieser Wachttürme sind vor allem die Ausgrabungsergebnisse der Reichs-Limeskommission, aber auch die jüngeren Untersuchungen durch geophysikalische Prospektionen oder Ausgrabungen an einigen Turmstellen. Die ältere Bauphase der Türme repräsentieren die Holztürme, deren Errichtung in die erste Phase der Grenzlinie zurückreicht. Der Forschungsstand zu deren Grundrissen gestaltet sich sehr unterschiedlich, da neben den Erhaltungsbedingungen auch die Grabungstechnik und die Grabungserfahrung der jeweiligen Streckenkommissare einen starken Einfluss auf die überlieferten Informationen und Pläne hatten. Unabhängig von diesen Unsicherheiten können aber Merkmale herausgearbeitet werden, die eine Unterscheidung von mindestens drei Arten von Holztürmen ermöglichen (Abb. 45). Charakteristisch für den ersten Typus sind die insgesamt acht Pfostenlöcher, von denen je vier im Quadrat zueinander stehen. Daraus entstehen zwei unterschiedlich große Grundrisse von durchschnittlich 4,5 × 4,5 m beziehungsweise 2,3 × 2,3 m. Dies wurde in der Forschung bislang immer als zwei Bauphasen interpretiert, was alleine schon eine Besonderheit am gesamten Verlauf des obergermanischen Limesabschnitts darstellen würde, da an anderen Abschnitten Holztürme nebeneinander und nicht am gleichen Platz errichtet wurden. Aus dem kleineren Grundriss ergibt sich eine Grundfläche von maximal 6 m2, wovon noch die Stärke der Außenwände der Türme abzuziehen wäre. Vor der Überlegung, dass auf dieser Grundfläche ebenso eine Turmbesatzung unterzubringen ist wie auch eine Leiter zum Überwinden der Stockwerke aufzustellen wäre, erscheint dies als sehr klein dimensioniert. Hier wäre sicherlich eher zu überlegen, ob dieses Pfostengeviert zur Innengliederung der Türme gehört, beispielsweise als tragende Konstruktion für einen Aufgang ins nächste Stockwerk. Außerdem sind am übrigen obergermanischen Abschnitt wie auch am Odenwaldlimes keine derart kleinen Holztürme belegt, was ebenfalls gegen einen eigenständigen Bau spricht. Weiterhin charakteristisch sind zwei umgebende Gräben, wobei nicht immer sicher ist, ob diese in zwei Phasen angelegt wurden. Davon lässt sich die zweite Bauform deutlich unterscheiden. Hier besteht das Erdgeschoss aus einem Rost aus Holzbalken, deren Zwischenräume und Gefache mit Steinen unvermörtelt gefüllt sind. In den Ecken des Grundrisses finden sich die Standpfosten der Oberkonstruktion. Kennzeichnend für diese Bauform, die nicht singulär am hessischen Abschnitt auftritt, sondern sich auch bei den Holztürmen am nördlichen Teil des Odenwaldlimes findet, ist auch der rechteckig umlaufende Graben.

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Abb. 45 Drei Arten von Holztürmen.

Die übrigen Holztürme weisen keine solchen spezifischen Charakteristika auf, sodass sich diese Gruppe beim derzeitigen Wissensstand über die Türme nicht näher untergliedern läßt. Hierin spiegelt sich allerdings auch der schlechte Wissensstand im Bereich des Wetteraubogens wider. Vor allem die beiden erstgenannten Bauformen kommen konzentriert an bestimmten Streckenabschnitten vor. So konzentriert sich die erste Bauform auf den Bereich von der Lahn (erster Nachweis am Wp 2 / 8 in Rheinland-Pfalz) nach Süden bis zum Wachtturm 3 / 5*. Die Türme der zweiten Bauweise finden sich an den benachbarten Turmstellen 3 / 19* und 3 / 21* und an einzelnen Türmen im Hochtaunus (3 / 45*, 3 / 52, 3 / 61 und 3 / 63). Offensichtlich verwendete man unterschiedliche Bauformen an verschiedenen Abschnitten.

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Bei den Steintürmen fällt eine Unterscheidung in Bauformen deutlich schwieriger, da sich keine wiederkehrenden Charakteristika aus den Grundrissen herausarbeiten und daher keine Varianten bilden lassen. Bemerkenswert ist vor allem die Größenvarianz der Steintürme von 3,4 bis 7,7 m Außenlänge. Im Prinzip handelt es sich jedoch fast ausnahmslos um rechteckige beziehungsweise quadratische Grundrisse, von denen lediglich vier sechseckige Türme in Rheinland-Pfalz, Hessen und Baden-Württemberg abweichen. Aus den Größen der Wachttürme können vorhandene Grundbauschemata abgeleitet werden, die sich wahrscheinlich durch eine zentral vorgegebene Nutzflächenmenge definieren. Davon können dann die einzelnen Türme, bedingt durch lokale Notwendigkeiten wie Bauhöhe oder Ähnliches, bis zu einem gewissen Maß abweichen. Somit ergibt sich eine Gliederung des Obergermanischen Limes in Abschnitte, von denen mindestens vier (1. Kastell Holzhausen – Kastell Saalburg; 2. Kastell Saalburg – Kleinkastell Ockstädter Wald; 3. Kleinkastell Ockstädter Wald – Kleinkastell Hainhaus; 4.  Kleinkastell Hainhaus – Kastell Großkrotzenburg / Main) am hessischen Teil des Limes herauszuarbeiten sind.109 Dahinter verbergen sich sicherlich zunächst einmal Bauabschnitte für die Errichtung der Steintürme – aufgrund verschiedener Aspekte könnten sich dahinter aber auch weiterhin Kommandoabschnitte für die Organisation der Grenzeinheiten verbergen. Steintürme am Limes werden in der neueren Forschung immer in verputzter Weise rekonstruiert. Der weiße Verputz, versehen mit einer rot ausgemalten Nachzeichnung der Fugen, dem sogenannten Fugenstrich, geht auf Funde von Verputzbrocken zurück, die auf eine derartige Außengestaltung schließen lassen. Solche Brocken stammen vor allem aus dem Hochtaunus und vom Odenwaldlimes und werden auf die übrigen Türme übertragen mit dem Argument, dass an ihnen die Erhaltungsbedingungen für den Verlust der Verputzreste gesorgt haben. Das mag für den einen oder anderen Turm sicherlich zutreffen, doch geben neuere Untersuchungsergebnisse an Wachttürmen hier zu denken. So konnte beispielsweise am Steinturm des Wachtpostens 4 / 56 in Lich-Arnsburg (Landkreis Gießen) wider Erwarten gut erhaltenes Mauerwerk mit Resten der aufgehenden Mauer dokumentiert werden.110 Hier fand sich noch der Mauer-verbindende Mörtel zwischen den Steinen und im umgebenden Schutt des Mauerversturzes, doch konnten Spuren eines Verputzes weder in situ noch als herabgefallene Brocken geborgen werden. Betrachtet man vor diesem Hintergrund die reale Verteilung der nachgewiesenen Verputzreste mit Fugenstrich, so kommen diese an der Hochtaunusstrecke zwischen den Wachtposten 3 / 55 und 3 / 63 und am Odenwaldlimes zwischen den Wachtposten 10 / 22 und 10 / 44 vor. Gerade am gut erhaltenen

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Abschnitt des Westerwaldes – den Strecken 1 und 2 nach der Zählung der Reichs-Limeskommission – konnten sie nicht nachgewiesen werden, obwohl hier die Bodenbedingungen den Erhalt von Mauermörtel erlauben. Diese Beobachtung legt die Vermutung nahe, dass auch der Verputz und die Verzierung mit Fugenstrich ein regionales Merkmal einiger Abschnitte der Grenze darstellt. Berücksichtigt man die aufgeführten Variationen bei den Holz- und Steintürmen am Limes, scheinen Unterschiede in der baulichen Gestaltung zwischen verschiedenen Abschnitten wahrscheinlich. Dies korrespondiert mit den Beobachtungen am Hadrianswall in Großbritannien, wo sich für die Wachttürme, aber auch für die Milecastles (Kleinkastelle) verschiedene Bauformen herausarbeiten und durch die dort vorhandenen Bauinschriften den drei an der Errichtung beteiligten Legionen legio II Augusta, legio VI Victrix, und legio XX Valeria Victrix zuweisen lassen.

Kastelle Am hessischen Abschnitt des Limes finden sich insgesamt 18 größere und 31 kleinere Kastelle. Diese grobe Unterscheidung erfolgt im Prinzip nach dem Kriterium, ob die im Kastell stationierte Einheit als eigenständig mit einem eigenen Kommandeur anzusehen ist oder als abgeordnete Teileinheit aus einem benachbarten Kastell stammt. Als selbstständige Truppen werden die beiden Alen und die insgesamt elf Kohorten an den 153 km angesehen, aber auch die in den Numeruskastellen stationierten Einheiten, die, soweit bekannt, als numerus oder exploratio tituliert werden. Aufgrund der geringen Anzahl, aber auch aufgrund der unterschiedlichen Größe beziehungsweise der damit direkt in Verbindung stehenden Truppengattung der Kastelle gestaltet es sich sehr schwierig, wie bei der Grenzlinie und den Wachttürmen Parameter zu finden, die für einen direkten Vergleich der Anlagen und der Herausarbeitung von Besonderheiten für verschiedene Abschnitte geeignet erscheinen. Bei den Kleinkastellen könnte ein Parameter die Größe der verschiedenen Anlagen sein, die sich grob in zwei Gruppen unterteilen lassen. Eine große Gruppe der Kleinkastelle weist Seitenlängen zwischen 20 und 40 m auf, wobei die älteren Anlagen aus Holz dabei etwas größer ausfallen, was sich möglicherweise durch den größeren Platzbedarf für die Umwehrung samt Wall erklären lässt. Die größeren Ausführungen liegen zwischen 50 und

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70 m Außenlänge. Hier lässt sich der gegenläufige Trend zwischen den Holzund Steinkastellen beobachten, dem offensichtlich eine andere Ursache zu Grunde liegt. Hiervon abweichend finden sich einzelne Anlagen, die aufgrund der Größe und vor allem der Abweichung vom bei den beiden beschriebenen Gruppen zu beobachtenden tendenziell quadratischen Grundriss separat erscheinen. Hinter den beiden Gruppen verbergen sich zwei unterschiedlich große Teileinheiten, deren Größe bei den kleineren Anlagen in der Forschung mit 20 bis 30 Soldaten, in den größeren mit einer Centurie (80 Mann) angegeben wird.111 Unterschiede in der Funktion, die sich allerdings weniger abschnittsbedingt als mehr durch die Positionierung der Anlage, beispielsweise zur Sicherung eines Übergangs (Kleinkastell Haselheck, Echzell), eines Taleinschnitts (Kleinkastell Lochmühle, Wehrheim) oder vielleicht auch eines Abschnittswechsels ergab, müssen anhand des Standorts des einzelnen Kleinkastells herausgearbeitet werden. Bei den größeren Kastellen dürfte der Vergleich einzelner Bauelemente schwieriger herauszuarbeiten sein, da die funktionelle Nutzung gegen die Ausbildung von typologischen Mustern zu sprechen scheint. Außerdem weisen die 14 Numerus-, Kohorten- und Alenlager auf den ersten Blick so viele Varianten und auch Größenunterschiede auf, dass ein Vergleich müßig ist. Auff älligkeiten sind aber bei der Ausrichtung der Kastelle zu erkennen, wie die Betrachtung der acht Kohortenkastelle an der Grenzlinie in Hessen zeigt (Abb. 46). Dabei ist von vornherein zu überlegen, was für die römische Armee bei der Anlage eines Kastells als Orientierungspunkt diente. Denkbar sind hier topographische Gegebenheiten ebenso wie ein bestehendes Straßennetz. Grundsätzlich ausgeschlossen werden kann hier die Ausrichtung nach einer Himmelsrichtung. Am Limes wird man bei der Festlegung der Lage eines Kastells vor allem darauf geachtet haben, dass sie sich an der Grenzlinie orientierte. Der Vergleich der Kohortenlager vor dem Hintergrund dieser Überlegungen zeigt, dass die an der östlichen Wetteraulinie gelegenen Kastelle (Abb. 46 D–H) mit dem Haupttor, der porta praetoria, zur Grenze hin ausgerichtet sind, während die an der westlichen Wetteraulinie und im Taunus (Abb. 46 A–C) gelegenen eine davon abweichende Ausrichtung aufweisen. Aufgrund der geringen Anzahl in Hessen kann diese Verteilung auch zufällig sein. Daher muss der weitere Verlauf der Grenze nach Westen beziehungsweise Osten überprüft werden; im Westen ist bei den Kohortenlagern in Rheinland-Pfalz (Holzhausen, Bad Ems) Gleiches zu beobachten, während die entsprechenden Lager am Main eine Ausrichtung zur Grenzlinie aufweisen. Offensichtlich scheint zwischen diesen beiden Bereichen ein unterschiedliches Konzept in der Positionierung der

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Abb. 46 Überblick über die acht Kohortenkastelle am hessischen Limes.

Lager zu stehen, dessen Trennung im Bereich des Wetteraubogens zu suchen sein wird. Dies erschließt sich, wenn man die beiden Alenkastelle in Butzbach und Echzell mit in die Betrachtung einbezieht, bei denen ebenfalls die für den Abschnitt typische Positionierung nachweisbar ist. Von dem herausgearbeiteten Schema weichen dagegen die Numerus-Kastelle ab, deren Ausrichtung wechselt.

Synthese Die vorausgegangene Zusammenstellung hat gezeigt, dass sich für alle Elemente der Grenzsicherung am Limes Hinweise darauf finden lassen, dass Abweichungen von einer postulierten Norm in der Bauform der Grenze vorhanden sind. Dabei kann es sich bei der Grenze selbst um das Aussetzen einzelner Elemente (Nichtanlage von Graben und Wall) oder um den Ersatz in anderer Bauform (Graben / Wall durch Trockenmauer oder Palisade) handeln. Es kommt auch vor, dass ein Abschnitt durch die Verdoppelung der Palisade verstärkt wurde. Bei den Wachttürmen sind es vor allem verschiedene Bauformen

Von einer Grenze umgeben?

und Größen, die auf unterschiedliches Aussehen der Bauten an verschiedenen Abschnitten hinweisen. Für die Kleinkastelle lassen sich verschiedene Größenklassen beobachten, die sich jedoch nicht auf Abschnitte konzentrieren, sondern offensichtlich standortbedingt variieren. Bei den Kastellen findet sich für die Kohorten- und Alenlager eine abschnittsbedingt angepasste Orientierung, von der die Numeruskastelle allerdings unregelmäßig abweichen. Offensichtlich muss davon ausgegangen werden, dass es unterschiedlich gestaltete Abschnitte bei verschiedenen Elementen der Grenzsicherung gibt. Dabei handelt es sich offenbar immer um intentionelle Unterschiede, deren Ursache sowohl durch naturräumliche Gegebenheiten verursacht wie auch durch strategisch-taktische Überlegungen beeinflusst sein kann. Der Naturraum hatte vor allem Auswirkungen auf die Anlage des Grabens (Grundfeuchtigkeit, hoch anstehendes Grundgestein). Dagegen wird die Ursache für festgelegte Grundmaße bei den Steintürmen beispielsweise in der Nutzfläche zu suchen sein, die für die unterschiedlichen Besatzungsstärken notwendig war. Abweichungen vom dadurch vorgegebenen Grundmaß erklären sich wahrscheinlich wiederum durch lokale geographische Notwendigkeiten, zum Beispiel durch eine Varianz in der Höhe zur Sicherstellung der Sichtverbindung zum nächsten Turm oder dem Einblick in enge Talsituationen. Ob bei der Verdoppelung der Palisade ein chronologischer Aspekt oder ein erhöhtes Sicherungsbedürfnis eine Rolle spielte, muss beim derzeitigen Forschungsstand noch offenbleiben. Ursachen für eine regionale Konzentration des hellen Verputzes der Steintürme, verbunden mit einer farbig angedeuteten Quadrierung, fallen bei der Betrachtung der Abschnitte nicht vorrangig ins Auge, da hier beispielsweise das Argument eines lokal vorhandenen Kalksteins und darauf beruhend der verstärkten Verwendung von Kalk nicht zutrifft. Sollte der gewonnene Eindruck tatsächlich nicht erhaltungsbedingt sein, sondern einer ursprünglichen Situation entsprechen, müssen andere Gründe für die besondere Markierung der Türme in diesen Abschnitten gesprochen haben. Die Ursache für die unterschiedliche Situation an den Kleinkastellen wurde bereits in der Größe der jeweils stationierten Teileinheit und daraus resultierend in der Funktion der einzelnen Anlage am Standort gesehen. Dagegen könnte hinter der unterschiedlichen Ausrichtung der größeren Auxiliarkastelle ein unterschiedliches Bauprogramm gestanden haben, das aber wiederum möglicherweise auf dem Unterschied im Naturraum (westlicher Teil Mittelgebirge, östlicher Teil Wetterau und Mainufer) beruht. In jedem Fall muss die regionale Diversität im Aussehen der Grenze als gegeben angenommen werden. Zukünftige Untersuchungen über andere Aspekte

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der Grenze können diese Beobachtung sicherlich noch verstärken und machen es dann auch möglich, die ersten Hinweise auf die Existenz einer Gliederung der Grenze im Hinblick auf Bau- beziehungsweise Organisationsabschnitt zu präzisieren. Sicherlich muss bei der Darstellung der Grenze in ihren Entstehungsphasen und bei der Entwicklung von Lebensbildern für einen bestimmten Zeitpunkt der regionale Aspekt eine größere Rolle spielen.

Literatur Th. Becker, Überlegungen zur kleinräumigen Gliederung des Limes am Beispiel des obergermanischen Abschnitts – Aussagemöglichkeiten von Wachtturmgrundrissen. Kolloquiumsband zum 1. Limeskolloquium 2002 in Arnsburg. SaalburgSchriften 6, Bad Homburg 2004, 67–74 Th. Becker, Bauliche und funktionale Gliederung des Obergermanisch-Raetischen Limes anhand der Turmgrundrisse. Proceedings of the XXI. International Limes (Roman Frontier) Congress, Newcastle upon Tyne 2009 (im Druck) St. Bender, Die Doppelpalisade am Limes im Vorfeld des Kastells Arnsburg. In: E. Schallmayer (Hrsg.), Limes Imperii Romani. Beiträge zum Fachkolloquium „Weltkulturerbe Limes“ November 2001 in Lich-Arnsburg. Saalburg-Schriften 6, Bad Homburg 2004, 47–53 E. Schallmayer, Zur Frage der Palisade am Obergermanisch-Raetischen Limes im 3. Jahrhundert n. Chr, in: Limes, 19. Proceedings of the XIXth International Congress of Roman Frontier Studies held in Pécs, Hungary, September 2003, Pécs 2005, 801–813

Frank M. Ausbüttel

Römische Herrschaft im Rhein-Main-Gebiet. Ein kurzes Resümee des Forschungsstandes Frank M. Ausbüttel Römische Herrschaft im Rhein-Main-Gebiet

Fast 500 Jahre waren die Römer in unserer Region präsent und prägten in dieser Zeit entscheidend das politische, wirtschaft liche und kulturelle Leben. Ihre Herrschaft durchlief regional und zeitlich mehrere Entwicklungsstufen und war daher von unterschiedlicher Intensität. Der Rhein bildete dabei mehr als heute eine wichtige Trennlinie, da die Romanisierung der linksrheinischen Gebiete eine andere Entwicklung nahm als die der rechtsrheinischen. Als die Römer während des Gallischen Krieges (58–51 v. Chr.) bis an den Rhein vorstießen, trafen sie keineswegs auf ein unzivilisiertes und unkultiviertes Land. Vielmehr hatten die Gallier (Kelten) weite Teile des Landes erschlossen und gerodet, sodass die Rheinebene unbewaldet war und landwirtschaftlich genutzt wurde. Allerdings befand sich die Stadtkultur der Gallier (Kelten), die sogenannte oppida-Kultur, im 1. Jahrhundert v. Chr. im Niedergang. So wurden um 50 v. Chr. das Heidetränk-oppidum bei Oberursel und 35 / 25 v. Chr. das oppidum auf dem Dünsberg bei Gießen aufgegeben. In das gallische Gebiet drangen in der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts v. Chr. immer häufiger germanische Siedler ein. Nachdem Kaiser Augustus seine Herrschaft gefestigt und die Verhältnisse in Gallien neu geordnet hatte, wandte er sich verstärkt der Rheingrenze zu. Wohl um 16 v. Chr. ließ er entlang des Rheins die Provinz Germania gründen und teilte ihr Gebiet in mehrere territoriale Körperschaften, die civitates, auf. Ein wichtiger Standort war die 13 / 12 v. Chr. gegründete Stadt Mainz (Mogontiacum), die mit Xanten (Vetera) einen der beiden wichtigen Ausgangspunkte für die römischen Vorstöße nach Germanien bildete, die 12 v. Chr. mit den Feldzügen des Drusus begannen. In dem Legionslager auf dem Kästrich waren immerhin zwei Legionen mit

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ihren Hilfstruppen stationiert, insgesamt rund 10 000 bis 15 000 Soldaten. Vor dem Lager wuchs aufgrund der großen Truppenkonzentration eine Zivilsiedlung heran, in der Angehörige der Soldaten, aber auch Händler und Handwerker lebten, die die Truppen versorgten. Rund 15 000 bis 20 000 Personen dürften in der Siedlung gewohnt haben. Mainz war aufgrund seiner herausragenden Bedeutung nicht nur der Zentralort der civitas der Aresaces oder Caeracates, sondern nach der Teilung der Provinz Germania 10 / 14 n. Chr. auch die Hauptstadt der neuen Provinz Germania superior. In Mainz hatte der Statthalter seinen Sitz und tagte der Provinziallandtag (concilium). Auch in der Mainz vorgelagerten Untermainebene mussten die Römer eine neue Infrastruktur schaffen, um ihre Herrschaft besser sichern zu können. Daher erbauten sie auf dem Gebiet des heutigen Lahnau-Waldgirmes eine Stadt, die als Kommunikations- und Handelszentrum die einheimische Bevölkerung einbinden sollte. Wie neuere Grabungen ergeben haben, wurde diese Stadt nicht nach der Varusschlacht 9 n. Chr., sondern erst mit dem Ende der Feldzüge des Germanicus 16 n. Chr. aufgegeben. Im Vorfeld der Rheingrenze siedelten die Römer weitere Germanen an. Nördlich des Mains ließen sich mit Erlaubnis des römischen Feldherrn Drusus 11 / 10 v. Chr. die Mattiaker, ein Teilstamm der Chatten, nieder, südlich des Mains im frühen 1. Jahrhundert n. Chr. Germanen aus dem Elbegebiet. Als Gegenleistung für die Landzuweisung verpflichteten sich die neuen Siedler zu Militärdiensten. Zur Sicherung der Flussübergänge und der rechtsrheinischen Gebiete errichteten die römischen Soldaten mehrere Militärlager. Solche Lager wurden beispielsweise auf einer 10 m über dem Main liegenden Terrasse an der Niddamündung in Frankfurt-Höchst oder bei Trebur-Geinsheim in der Nähe eines Rheinübergangs angelegt. Bereits ab der tiberischen Zeit verloren sie an Bedeutung. Als während des Bataveraufstandes 69 die Chatten, Mattiaker und Usipeter Mainz belagerten, änderten die Römer ihre Militärpolitik, um das fruchtbare und strategisch günstig gelegene Rhein-Main-Gebiet einschließlich der Wetterau auf Dauer unter ihre Kontrolle zu bringen. Um 75 entstanden auf dem Gebiet von Frankfurt-Heddernheim ein großes Militärlager, in GroßGerau ein Kastell für eine Kohorte der Hilfstruppen. Für beide Lager lassen sich Lagerdörfer (vici) nachweisen, deren Bewohner die Soldaten versorgten. Nachdem Domitian auf zwei Feldzügen die Chatten 83 und 85 besiegt und das Rhein-Main-Gebiet vor weiteren Einfällen gesichert hatte, ging Traian 103 / 111 zu einem neuen System der Grenzsicherung über, indem er mit dem Limes eine feste und weithin sichtbare Grenze anlegen ließ, die aber nicht

Römische Herrschaft im Rhein-Main-Gebiet

einheitlich gestaltet war. Entsprechend den naturräumlichen Gegebenheiten konnte ein Wall mit Graben durch eine Palisade oder eine Trockenmauer ersetzt werden. Anstelle einer Palisade, die nach rund 40 Jahren erneuert werden musste, konnte wiederum eine Wall-Graben-Anlage errichtet werden. Die Bauform der Wachttürme konnte je nach Streckenabschnitt unterschiedlich ausfallen, auch waren nicht alle Steintürme verputzt. Die Größe der Kastelle, deren Haupttore nicht immer zum Limes hin ausgerichtet waren, hing von ihrer Besatzung ab. An den Straßen, die zu einem Limeskastell führten, wurden erneut vici gegründet. Der vicus der Saalburg weist eine Entwicklung auf, die parallel zu den drei Phasen des Kastells verlief. Im Laufe der Zeit wuchs er stetig an und erreichte zu Beginn des 3. Jahrhunderts mit einer Fläche von 13 ha und mit 1000 bis 1500 Einwohnern seine größte Ausdehnung. Er war in unterschiedliche Wohnviertel eingeteilt. Neben den verschiedenen Handwerksbetrieben existierten ein Bad, eine Herberge (mansio) und Heiligtümer für verschiedene Gottheiten. Als die Besatzung 260 / 275 das Saalburgkastell verließ, zerfiel auch der vicus. Mit der durch die Chattenfeldzüge gewonnenen Sicherheit und mit dem zusätzlichen Schutz durch den Limes veränderten sich die Siedlungsstruktur und die Wirtschaft in dem Untermaingebiet. Seit 71 / 74 wanderten verstärkt römische Siedler aus Gallien, insbesondere aus dem Gebiet der Treverer in die rechtsrheinischen Gebiete ein und legten Gutshöfe (villae rusticae) an. Für die nordmainischen Gebiete lassen sich bis heute an die 470 solcher Gehöfte nachweisen, die im Blickkontakt zueinander lagen. Südlich des Mains lagen die villae rusticae nicht in der Tiefebene, sondern vor Überschwemmungen sicher auf der Niederterrasse. Im Unterschied zu den linksrheinischen Höfen fielen die rechtsrheinischen kleiner aus und wiesen kaum repräsentative Bauten auf. Neben Gartenpflanzen bauten ihre Besitzer vor allem Dinkel, Nacktweizen und die Vierzeilige Spreizgerste an. Gutshöfe prägten nun das Landschaftsbild. Die vici der aufgegebenen Militärlager wandelten sich zu zivilen Siedlungen, allerdings mit unterschiedlichem Erfolg. Der vicus von Trebur-Geinsheim erholte sich erst gegen Ende des 2. Jahrhunderts von den wirtschaft lichen Folgen, die mit dem Abzug des Militärs einsetzten. Der vicus von Frankfurt-Heddernheim stieg dagegen zum Zentralort einer neuen civitas auf und wurde deshalb bis in die Mitte des 3. Jahrhunderts zu einer Stadt ausgebaut. Traian teilte nämlich die rechtsrheinischen Gebiete in die civitates der Mattiaci, Taunenses und Auderienses auf mit Wiesbaden (Aquae Mattiacorum), Frankfurt-Heddernheim (Nida) und Dieburg als

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Zentralorten, die durch Straßen gut miteinander verbunden waren. Diese civitates besaßen zwar ein wesentlich kleineres Territorium als ihre gallischen Nachbargemeinden, wiesen jedoch dieselbe Verwaltungsstruktur auf. Auch nachdem Domitian (81–96) eine Legion abgezogen hatte, blieb Mainz der bestimmende „Wirtschaftsmotor“ der Region. Durch die regelmäßigen Soldzahlungen und Donative verfügten die Legionäre über viel Bargeld, sodass der Grad der Monetarisierung hier sehr hoch einzuschätzen ist. Die Soldaten mussten regelmäßig mit mehreren Tonnen Getreide, Gemüse und Fleisch, ihre Pferde mit Gerste und Heu sowie Stroh versorgt werden, die sich aus den Überschüssen der zahlreichen landwirtschaft lichen Betriebe ergaben. Für die verschiedenen Bauwerke benötigte man Holz, Steine und Metalle. Das Holz wurde im Odenwald geschlagen und mit Flößen auf dem Main nach Mainz gebracht. Ferner nutzten die Römer lokale Steinbrüche und Erzvorkommen. Erz wurde wahrscheinlich in dem Lager bei Oberbrechen nahe Limburg gewonnen. Amphoren bezeugen einen weitverzweigten Handel vor allem mit Olivenöl und Wein bis zur Iberischen Halbinsel, bis nach Nordafrika und Kleinasien. Als die Römer gegen Ende des 3. Jahrhunderts aus strategischen Gründen ihre Grenze wieder an das linke Rheinufer verlegten, sicherten sie sie mit dem Bau neuer Kastelle. In dem Gebiet rechts des Rheins ließen sich mit ihrer Duldung germanische Siedler nieder, die später den Stamm der Alamannen bildeten. Im Unterschied zu den römischen Gutsbesitzern betrieben die germanischen Bauern eine reine Subsistenzwirtschaft. Münz- und Keramikfunde sprechen dafür, dass die Römer nach wie vor wirtschaft liche Interessen jenseits des Rheins verfolgten. So waren sie an den Steinbrüchen im Odenwald und an den Weidegebieten interessiert. Als mit der Usurpation des Magnentius (350–353) weitere Truppen abgezogen wurden, drangen Germanen plündernd über den Rhein nach Gallien  ein. Selbst umfangreiche Geldgeschenke an führende Mitglieder ihrer Stämme, wie sie mit dem Hortfund von Mainz-Kastel bezeugt sind, konnten sie nicht davon abhalten. Nach der großen Germaneninvasion von 406 / 407 brachen dann die Grenzverteidigung und mit ihr die römische Administration endgültig zusammen.

Anmerkungen Anmerkungen

1 So erhoben sich 29 v. Chr. die Treverer, Moriner und Aquitanier; 25 v. Chr. unternahm der legatus Augusti pro praetore in Gallien M. Vinicius eine Strafexpedition gegen rechtsrheinische Gruppen. Lugdunum wurde bereits 43 v. Chr. durch L. Munatius Plancus zur Bürgerkolonie erhoben. 2 Vgl. hierzu den Beitrag von F. Ausbüttel S. 55 ff. 3 In Mainz vermutet man in dem mächtigen Monument auf dem Eichelstein einen Kenotaph für den verstorbenen Drusus. Die Errichtung eines solchen Denkmals ist überliefert in der tabula Siarensis; Crawford, Michael H. (Hrsg.), Roman statutes, Bd. I, London 1996 Nr. 37. 4 A. Becker, Zur Logistik der augusteischen Germanienfeldzüge. In: P. Kneissl / V. Losemann (Hrsg.), Imperium Romanum. Festschrift für Karl Christ, Stuttgart 1998, 41–50. 5 Unter Leitung der Römisch-Germanischen Kommission in Kooperation mit dem Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Abt. Bodendenkmalpflege. Das Projekt wurde dankenswerterweise maßgeblich von der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützt. 6 F. Kolb, Die Stadt im Altertum, Düsseldorf 2005, 180. 7 AE 2000, 1017 = RMD IV 216; den Befund hat kürzlich W. Eck in seinem Mainzer Vortrag (24. 1. 2011) überzeugend gewürdigt: „Eine verhinderte Militärrevolte: Kaiser Trajan am Rhein und die Krise des Jahres 97 / 8“. 8 Zahlreicher dokumentiert sind auch in Obergermanien, wenngleich nicht in unserem Gebiet, Sklaven von Soldaten der Legionen und Hilfstruppen sowie ihr Einsatz in Haushalt, Verwaltung und Rechnungswesen. Vgl. etwa L. Lazzaro, Esclaves et aff ranchis en Belgique et Germanies romaines d’après les sources épigraphiques (Paris 1993). Zum Einsatz von Sklaven in der Landwirtschaft vgl. L. Schumacher, Sklaverei in der Antike. Alltag und Schicksal der Unfreien, München 2001, 91–107. 9 E. Fabricius, Das römische Straßennetz im unteren Maingebiet 231. 10 Der Vortrag greift nicht zuletzt auf die Tätigkeit der Frankfurter Bodendenkmalpflege in den letzten Jahren zurück, vgl. dazu AiF 1987–1991, 1992–1996; 1997–2001; 2002–2006. 11 Gemeinsam mit Andrea Hampel (Denkmalamt Frankfurt am Main), Pia Eschbaumer (Frankfurt am Main) und Andrea Faber (Xanten), Susanne Biegert und Gerwulf Schneider (Bonn / Berlin), David Wigg-Wolf (Frankfurt am Main), Norbert Benecke (Berlin), Angela Kreuz (Wiesbaden). 12 Die Bearbeitung beider Fundkomplexe fi ndet im Rahmen eines Projektes gemeinsam mit der hessenArchäologie, der Römisch-Germanischen Kommission in Frankfurt am Main und der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg statt.

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Anmerkungen 13 Das Gräberfeld wird derzeit im Rahmen eines DFG-Projektes zusammen mit Markus Scholz (Römisch-Germanisches Zentralmuseum Mainz) erforscht. Der Rekonstruktion des Grabbaus widmet sich Marianne Tabaczek (Bonn), die anthropologischen Untersuchungen nahmen Carmen Friedrich und Kurt W. Alt (Mainz) vor, die Tonanalysen Susanne Biegert und Gerwulf Schneider und die petrographischen Untersuchungen Gotthard Kowalczyk (Frankfurt am Main). 14 S. dagegen den Beitrag von L. Schumacher S. 29 ff.; zum Forschungsstand und den verschiedenen Quellen Ausbüttel (2011). 15 S. hierzu jetzt A. Kleinefeld/Ch. Marx/E. Knobloch/D. Lelgemann, Germania und die Insel Thule. Die Entschlüsselung von Ptolemaios’ „Atlas der Oikumene“, Darmstadt 2010, 51–52. 16 Vgl. den Beitrag von L. Schumacher S. 34 ff. 17 Sueton, Galba 6,3. 18 S. den Beitrag von C. Wenzel S. 94 ff. 19 Vgl. den Beitrag von F. Ausbüttel S. 61 ff. 20 Vgl. den Beitrag von L. Schumacher S. 36 ff. 21 E. Anthes, Das Kastell Groß-Gerau. Quartalblätter des Historischen Vereins für das Großherzogtum Hessen, Neue Forschungen 2, 1896–1900 (1900), 520 ff.; 676 ff. 22 G. Lenz-Bernhard, Lopodunum 3. Die neckarswebische Siedlung und Villa rustica im Gewann „Ziegelscheuer“. Eine Untersuchung zur Besiedlungsgeschichte der Oberrheingermanen. Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg 77, Stuttgart 2002, bes. 111 ff. 23 C. S. Sommer, Unterschiedliche Bauelemente in den Kastellvici und Vici. Hinweise auf die Herkunft der Bevölkerung in Obergermanien. In: N. Gudea (Hrsg.), Roman Frontier Studies. Proceedings of the 17th international Congress of Roman Frontier Studies, Žalau 1999, 611 ff. mit Lit. 24 S. dazu Helfert (Groß-Gerau 2) bes. 127 ff. 25 N. Hanel, Beinnadeln mit Sabazios-Händen und Kybelebüste. Zeugnisse kleinasiatischer Mysterienreligionen im römischen Groß-Gerau. Archäologisches Korrespondenzblatt 24, 1994, 65 ff. 26 H. Göldner / G. Seitz, Ausgrabungen im römischen Groß-Gerau. Ein neues MithrasHeiligtum. Denkmalpflege in Hessen 2 / 1990, 2 ff. 27 W. Spickermann, Eine Weihung an Mars Loucetius aus Groß-Gerau. Mainzer Zeitschrift 84 / 85, 1989 / 1990, 205 ff. 28 Vgl. den Beitrag von M. Scholz S. 119 ff. 29 G. Seitz, Weihung an Mercurius Quillenius aus dem Mithras-Heiligtum von GroßGerau. Denkmalpflege in Hessen 1991 / 2, 28 f. 30 H.-M. von Kaenel, Das Fragment eines Militärdiploms flavischer Zeit aus dem Kastellvicus von Groß-Gerau. In: S. Hansen / V. Pingel, Archäologie in Hessen. Neue Funde und Befunde. Festschrift F.-R. Herrmann, Rahden / Westf. 2001, 179 ff. 31 Vgl. den Beitrag von M. Scholz S. 112 f. 32 C. Wenzel, Zeitenwende? Römer und Germanen in Groß-Gerau vom 3.–5. Jahrhundert n. Chr. Denkmalpflege u. Kulturgeschichte in Hessen 3 / 2009, 2 ff.; ders. GroßGerau 4. Die spätantike Besiedlung der Flur „Auf Esch“. Befunde und Funde (in Vorbereitung für Frankfurter Archäologische Schriften). 33 K. Stribrny, Römer rechts des Rheins nach 260 n. Chr. Kartierung, Strukturanalyse

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und Synopse spätrömischer Münzreihen zwischen Koblenz und Regensburg. Berichte der Römisch-Germanischen Kommission 70, 1989, 351 ff. H. Steuer, Die Alamannia und die alamannische Besiedlung des rechtsrheinischen Hinterlands. In: Imperium Romanum. Römer, Christen, Alamannen – Die Spätantike am Oberrhein. Ausstellungskat. Karlsruhe (Stuttgart 2005) 26 ff. mit Literatur; E. Schallmayer, Germanen in der Spätantike im Hessischen Ried mit Blick auf die Überlieferung bei Ammianus Marcellinus. Saalburg-Jahrbuch 49, 1998, 139 ff. Als Grenzen der drei civitates werden die Flüsse Rhein, Main bzw. der Schwarzbach bei Hofheim angenommen. Die Südgrenze der civitas Auderiensium ist unbekannt. Hypothetisch wird hier eine horizontale Linie zwischen dem südlichen Ende des Mainlimes bei Miltenberg und dem Rhein veranschlagt. H.-P. Kuhnen, Die Privatziegelei des Gaius Longinius Speratus in Großbottwar, Kreis Ludwigsburg. Fundber. Baden-Württemberg 19.1, 1994, 255–264, bes. 259 f. Scholz 72–74. Scholz 68 und 74; Kakoschke (2007) 432–445. R. Wiegels, Ulpius: Zu den kaiserlichen nomina gentilia im Inschriftenbestand des römischen Germanien und angrenzender Gebiete. In: E. Schallmayer (Hrsg.), Traian in Germanien, Traian im Reich, Bad Homburg 1999, 83–105. H. Wolff, Kriterien für latinische und römische Städte in Gallien und Germanien und die „Verfassung“ der gallischen Stammesgemeinden. Bonner Jahrbücher 176, 1976, 45–121, bes. 80 f. CIL XIII 6717 (Fremder?); 6956 (Soldat mit Verwandten); 7056 (libertus); 7078 (Kindergrab); 7250 (cornicularius Mattiacorum Gordianorum); AE 1976, 500 (mag(ister) plum(bariorum?)); Mainzer Zeitschr. 1997, 239 (Fremder?); AE 1965, 241 (Fremde aus Syrien? 185–186 n. Chr.?). CIL XIII 6765 ist ein Pseudogentiliz. M. P. Speidel / B. Scardigli, Neckarschwaben (Suebi Nicrenses). Arch. Korrbl. 20, 1990, 201–207; A. Kakoschke, „Germanen“ in der Fremde. Eine Untersuchung zur Mobilität aus den römischen Provinzen Germania inferior und Germania superior anhand der Inschriften des 2. bis 3. Jahrhunderts n. Chr., Möhnesee 2004, 247. Unklar ist die Herkunft einer bei Lanchester stationierten vexillatio Sueborum Lon(govicianorum) Gordiana (ILS 4742). Scholz Nr. 170–171, 326 Nida. Lindenthal 23 ff. Eine Publikation der römischen ländlichen Besiedlung der südlichen Wetterau von V. Rupp steht noch aus. Lindenthal 25, Abb. 8. Als kleinflächiges Beispiel kann dienen: M. Müller, Der römische Fundplatz von Bad Homburg / Ober-Erlenbach „Im Holderstauden“. Ein kleiner landwirtschaft licher Betrieb des 2. / 3. Jahrhunderts n. Chr. Universitätsforsch. zur prähist. Arch. 136 (Frankfurt a. M.) 313–365. S. hierzu M. Scholz S. 134 ff. K. P. Wendt / A. Zimmermann, Bevölkerungsdichte und Landnutzung in den germanischen Provinzen des Römischen Reiches im 2. Jahrhundert n. Chr. Ein Beitrag zur Landschaftsarchäologie. Germania 86, 2008, 191 ff. C. Bergmann / V. Rupp / A. Wieland in: Hessen-Arch. 2007, Stuttgart 2008, 86 ff. M. Hundt, Von Ente und Eroten. Neue Forschungen zum Meereswesenmosaik von Bad Vilbel. Bad Vilbeler Heimatbl. 53, 2010, 1 ff.

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Anmerkungen 52 S. den Beitrag von T. Maurer S. 80 ff. 53 Lindenthal / Rupp / Birley 199–208. 54 S. den Beitrag von P. Fasold S. 49 ff.; A. Hampel in: Archäologie in Frankfurt am Main 1992 bis 1996, Frankfurt a. M. 1997, 151 ff. – dies., Archäologie in Frankfurt am Main 1997 bis 2001, Frankfurt a. M. 2002, 147 ff. 55 Eine Gesamtpublikation steht noch aus. Einen ersten Überblick geben: V. Rupp / J. Lindenthal, Römische Tumuli rechts des Rheins. Arch. Deutschland 1995, 4, 45. – J. Lindenthal / V. Rupp, Römische Villengräber in der Wetterau. In: L. Wamser (Hrsg.), Die Römer zwischen Alpen und Nordmeer. Schriftenr. Arch. Staatsslg. 1, München 2000, 171–175. 56 A. Kreuz, Landwirtschaft und ihre ökologischen Grundlagen in den Jahrhunderten um Christi Geburt: Zum Stand der naturwissenschaft lichen Untersuchungen in Hessen. Ber. Komm. Arch. Landesforsch. Hessen 3, 1994 / 95, 78 ff. 57 Überblick über die Truppen in Mainz: W. Selzer / K.-V. Decker / A. Do Paço, Landesmuseum Mainz. Römische Steindenkmäler. Mainz in römischer Zeit. Katalog der Steinhalle, Mainz 1988, 70–71. 58 Wendt / Zimmermann 191–226. 59 H.-J. Drexhage / H. Konen / K. Ruffing, Die Wirtschaft der römischen Kaiserzeit in der modernen Deutung: Einige Überlegungen. In: K. Strobel / M. Luik (Hrsg.), Die Ökonomie des Imperium Romanum. Strukturen, Modelle und Wertungen im Spannungsfeld von Modernismus und Neoprimitivismus. Akten des 3. Trierer Symposiums zur Antiken Wirtschaftsgeschichte. Pharos. Studien zur griechisch-römischen Antike 17, St. Katharinen 2002, 1–66. 60 S. hierzu den Beitrag von T. Maurer S. 67 ff. 61 L. Wierschowski, Die römische Heeresversorgung im frühen Prinzipat. Münsterische Beiträge zur antiken Handelsgeschichte 20, 2001, 37–61. – Herz (2010) 111–132. 62 Bender 165–176. – K Strobel, Vom marginalen Grenzraum zum Kernraum Europas. Das römische Heer als Motor der Strukturierung historischer Landschaften und Wirtschaftsräume. In: L. de Blois / E. Lo Cascio (Hrsg.), The Impact of the Roman Army (200 BC–AD 476). Economic, Social, Political, Religious and Cultural Aspects. Proceedings of the Sixth Workshop of the International Network Impact of Empire. Capri, 29. März–2. April 2005, Leiden / Boston 2007, 207–237. 63 Vgl. den Beitrag von F. Ausbüttel S. 59 ff. 64 C. R. Whittaker, Rome and its Frontiers: The Dynamics of Empire, London / New York 2004. – ders., Frontiers of the Roman Empire. A social and economic study, Baltimore / London 1994. 65 Boppert 53–59 Nr. 2. – Zum Schiff des Blussus s. R. Bockius, Antike Schiffahrt. Boote und Schiffe zur Römerzeit zwischen Tiber und Rhein. In: H.-P. Kuhnen (Hrsg.), abgetaucht, aufgetaucht. Flussfundstücke. Aus der Geschichte. Mit der Geschichte. Begleitbuch zur Ausstellung im Landesmuseum Trier 2001. Schriftenreihe des Rheinischen Landesmuseums Trier 21, Trier 2001, 119–158. 66 U. Ehmig, Der Besitzer der Bad Kreuznacher Peristylvilla – ein Händler ostmediterraner Lebensmittel? Münsterische Beiträge zur antiken Handelsgeschichte 24, 2005, 175–191. 67 Selzer / Decker / Do Paço (Anm. 57) Nr. 280. 68 Mattern 65 Nr. 6. (5. Agricola) G. Seitz, Weihung an Mercurius Quillenius aus dem Mithras-Heiligtum von Groß-Gerau. Denkmalpflege in Hessen 1991 / 2, 28–29.

Anmerkungen 69 Selzer / Decker / Do Paço (Anm. 57) Nr. 171. 70 F.-R. Herrmann, Numismatik und Archäologie. Vorbericht über ein neu entdecktes römisches Lager bei Oberbrechen (Kreis Limburg-Weilburg). In: R. Cunz / R. Polley / A. Röpcke (Hrsg.), Fundamenta Historiae. Geschichte im Spiegel der Numismatik und ihrer Nachbarwissenschaften. Festschrift für Niklot Klüßendorf zum 60. Geburtstag am 10. Februar 2004, Hannover 2004, 435–445. 71 Tacitus, Annales 11,20,3. 72 H.-P. Kuhnen, Frühe Eisengewinnung rechts und links des Rheins. Woher kam das Eisen im Dekumatenland? In: J. Biel / J. Heiligmann / D. Krausse (Hrsg.), Landesarchäologie. Festschrift für Dieter Planck zum 65. Geburtstag. Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg 100, Stuttgart 2009, 239–258. – H. Bernhard / A. Braun / U. Himmelmann / Th. Kreckel / H. Stickl, Der römische Vicus von Eisenberg. Ein Zentrum der Eisengewinnung in der Nordpfalz. Archäologische Denkmäler in der Pfalz 1, Speyer 2007). – A. Schäfer, „Zwischen“ Dünsberg und Waldgirmes. Wirtschaftsarchäologische Untersuchungen an der mittleren Lahn. Berichte der Kommission für Archäologische Landesforschung in Hessen 10, 2008 / 2009 (2010) 69–90. – F.-R. Herrmann / A. Jockenhövel (Hrsg.), Die Vorgeschichte Hessens, Stuttgart 1990, 286.289. 73 N. Hanel / P. Rothenhöfer, Germanisches Blei für Rom. Zur Rolle des römischen Bergbaus im rechtsrheinischen Germanien im frühen Prinzipat. Germania 83, 2002, 53– 65. – W. Melzer / T. Capelle (Hrsg.), Bleibergbau und Bleiverarbeitung während der römischen Kaiserzeit im rechtsrheinischen Barbaricum. Soester Beiträge zur Archäologie 8, Soest 2007. 74 M. P. Speidel, Legionsabteilungen aus Mainz beim Holzschlag im Odenwald. In: M. P. Speidel, Roman Army Studies 2. MAVORS – Roman Army Studies 8, Stuttgart 1992, 149–152. – S. Bauer, Vergängliches Gut auf dem Rhein. Mainzer Holzhandel in römischer Zeit. In: H.-P. Kuhnen (Anm. 65) 31–42. 75 K. Fahlbusch / W. Jorns / G. Loewe / J. Röder / R. Divisch, Der Felsberg im Odenwald. Mit geologischen und archäologischen Beiträgen über die Entstehung der Felsenmeere und die Technik der römischen Granitindustrie. Führer zur Hessischen Vorund Frühgeschichte 3, Stuttgart 1985. 76 H. Hanel, Fabricae, Werkstätten und handwerkliche Tätigkeiten des Militärs in den Nordprovinzen des römischen Reiches. In: Á. Morillo (Hrsg.), Arqueología militar romana en Hispania II: Producción y abastecimiento en el ámbito militar, León 2006, 19–32. 77 Höckmann 91 Abb. 4. – B. Pferdehirt, Das Museum für antike Schiffahrt. Ein Forschungsbereich des Römisch-Germanischen Zentralmuseums 1, Mainz 1995. 78 D. Baatz / F.-R. Herrmann (Hrsg.), Die Römer in Hessen, Stuttgart 21989, 303–304. 79 Beispiel Groß-Gerau: N. Hanel, Groß-Gerau III. Die reliefverzierte Terra Sigillata der  Ausgrabungen 1989–1992 im römischen Vicus von Groß-Gerau, „Auf Esch“. Frankfurter Archäologische Schriften 12, Bonn 2010. Zur Produktion von Gebrauchskeramik s. Helfert. 80 Heising S. Biegert, Römische Töpfereien in der Wetterau. Schriften des Frankfurter Museums für Vor- und Frühgeschichte – Archäologisches Museum 15, Frankfurt a. M. 1999. – V. Rupp, Wetterauer Ware – Eine römische Keramik im Rhein-MainGebiet. G. Schneider, Chemische Zusammensetzung römischer Keramik im Rhein-

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Anmerkungen

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83 84 85

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Main-Gebiet. Schriften des Frankfurter Museums für Vor- und Frühgeschichte – Archäologisches Museum 10, Frankfurt a. M. 1988. Ehmig (2003) und (2007); zu Groß-Gerau ebenda S. 27 f.; 41; 43; 48 f. U. Ehmig, Kleininschriften auf Amphoren im historischen Raum: Das Beispiel Mogontiacum-Mainz und sein Umland. In: M. Hainzmann / R. Wedenig (Hrsg.), Instrumenta Inscripta Latina II. Akten des 2. Internationalen Kolloquiums Klagenfurt, 5.– 8. 5. 2005. Aus Forschung und Kunst 36, Klagenfurt 2008, 99–106. U. Ehmig, Garum für den Statthalter. Eine Saucenamphore mit Besitzeraufschrift aus Mainz. Mainzer Archäologische Zeitschrift 3, 1996, 25–56. Ehmig (2007) 57–74. H. A. Cahn / A. Kaufmann-Heinimann (Hrsg.), Der spätrömische Silberschatz von Kaiseraugst. Basler Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte 9 (Derendingen 1984) 322 f. Nr. 65 mit Taf. 187 f. – R. Wiegels, Silberbarren der römischen Kaiserzeit. Katalog und Versuch einer Deutung. Freiburger Beiträge zur Archäologie und Geschichte des ersten Jahrtausends 7, Rahden / Westf. 2003, 44 f. 54. 94. Vgl. den Beitrag von F. Ausbüttel S. 59. FMRD IV 1 (Rheinhessen). – FMRD IV 1, Nachtrag 1 (Mainz). – FMRD IV 1, Nachtrag 2 (Rheinhessen). – FMRD IV, 2 (Pfalz). – FMRD V 1, 1 (Wiesbaden). – FMRD V 1, 2 (Wiesbaden). – FMRD V 2, 1 (Darmstadt). – FMRD V 2, 2 (Darmstadt: Frankfurt a. M.). – FMRD V 3 (Kassel). H. Schubert, Der Denarschatz von Ober-Florstadt. Ein römischer Münzschatz aus dem Kohortenkastell am östlichen Wetteraulimes. Archäologische Denkmäler in Hessen 118, Wiesbaden 1994. Vgl. dazu H. Heinen, Trier und das Trevererland in römischer Zeit, Trier 1985, 160 Abb. 58 mit Kommentar. M. Reuter, Ein hölzernes Schreibtäfelchen mit Quittung vom 5. April 130 n. Chr. aus dem vicus von Hanau-Salisberg. Germania 77, 1999, 283–293. – M. Reuter / M. Scholz, Geritzt und entziffert. Schrift zeugnisse der römischen Informationsgesellschaft . Schriften des Limesmuseums Aalen 57, Stuttgart 2004, 19. M. A. Speidel, Die römischen Schreibtafeln von Vindonissa. Lateinische Texte des militärischen Alltags und ihre geschichtliche Bedeutung. Veröffentlichungen der Gesellschaft Pro Vindonissa 12, Brugg 1996, 98–101. S. hierzu den Beitrag von C. Wenzel S. 105 ff. Maurer 228–234 (Trebur 8). Die hier angesprochenen Beispiele: RIC I2 198. – RIC II 920, 921. – B. Overbeck, Rom und die Germanen. Das Zeugnis der Münzen (Stuttgart 1985) Nr. 111. 131. 165. – s. auch die Abb. im interaktiven Katalog des Münzkabinetts der Staatlichen Museen zu Berlin, Nr. 18202573. Nr. 18205093. Nr. 18200281 (ww.smb.museum / ikmk). M. R.-Alföldi, Zum Lyoner Bleimedaillon. Schweizer Münzblätter 8, 1958, 63–68. Schumacher, 15 f. – Overbeck (Anm. 94) Nr. 159. – H.-U. Nuber, Das „Lyoner Bleimedaillon“ – ein frühes Bildzeugnis zur Geschichte Alamanniens? Alamannisches Jahrbuch 57 / 58, 2009 / 2010 (2011), 9–88. FMRD V 1, 2 (Wiesbaden) Nr. 1296. E. Schallmayer (Hrsg.), Hundert Jahre Saalburg. Vom römischen Grenzposten zum europäischen Museum, Mainz 1997, 156. K. Kortüm, Die Umgestaltung der Grenzsicherung in Obergermanien unter Traian. In:

Anmerkungen

99 100 101 102 103 104 105 106

107 108 109 110

111

E. Schallmayer (Hrsg.), Traian in Germanien – Traian im Reich. Bericht des dritten Saalburgkolloquiums. Saalburg-Schriften 5, Bad Homburg 1999, 200. H. Jacobi, Die Ausgrabungen und Funde der Jahre 1929–33 auf der Saalburg. Saalburg-Jahrbuch 8, 1934, 12. Hierzu B. Rabold, Kaufhaus, forum, Villa oder was? In: E. Schallmayer (Anm. 97) 166–169. A. Hensen, Das „langgesuchte Mithrasheiligtum“ bei der Saalburg. Saalburg-Jahrbuch 55, 2005, 163–189. L. Jacobi (1897) 137–138. H. Jacobi (1937) 50–52. D. Baatz, Das gallorömische Heiligtum im Vicus der Saalburg auf der neuen Trasse der Bundesstraße 456. Saalburg-Jahrbuch 28, 1971, 89–91. D. Baatz, Der römische Limes. Archäologische Ausflüge zwischen Rhein und Donau, Berlin 1974, 39 und 41. St. Bender/B. Schroth/Th. Westphal, Der Kaiser in Rom hat auch am Krebsbach „dicht gemacht“ – Palisadenfunde am Limes bei Hammersbach-Marköbel. HessenArchäologie 2002, Wiesbaden 2003, 108–110. Schallmayer 2005. Th. Becker, Untersuchungen eines Limesabschnitts in Heidenrod-Kemel, RÜD. Denkmalpflege und Kulturgeschichte 3.2011, Wiesbaden 2011 (im Druck). Bender 2004. Becker 2004 und 2009 (im Druck). Th. Becker/M. Gottwald/Ch. Röder, Der Wachtposten am Kolnhäuser Kopf – die dritte Ausgrabung des WP 4 / 56 im Arnsburger Wald. HessenArchäologie 2009, Wiesbaden 2010, 98–101. Ch. Fleer, Typisierung und Funktion der Kleinbauten am Limes. In: E. Schallmayer (Hrsg.), Limes Imperii Romani. Beiträge zum Fachkolloquium „Weltkulturerbe Limes“ November 2001 in Lich-Arnsburg. Saalburg-Schriften 6, 2004, 75–89. A. Th iel, Zur Funktion der Kleinkastelle am Obergermanischen Limes. Heidenheimer Jahrbuch 10, 2003 / 2004, 69–77. D. Baatz, Zur Funktion der Kleinkastelle am Obergermanisch-Raetischen Limes. In: A. Thiel, Forschungen zur Funktion des Limes. Beiträge zum Welterbe Limes 2, Bad Homburg 2007, 9–25.

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Abbildungsnachweis

Übersichtskarte Seite 8 (Thomas Maurer), Abb. 11, 12, 13, 14, 15, 16 (S. Sulk), 17 (H. Druschke), 18 (M. Romisch), 19, 32 (A. Gelot), 33, 34, 35 (J. Lotter), 37 (E. Kießling), 38 (L. Göppner) Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, Institut für Archäologische Wissenschaften, Abt. II: Archäologie und Geschichte der römischen Provinzen sowie Hilfswissenschaften der Altertumskunde Abb. 1, 2, 3, 5, 6 Römisch-Germanische Kommission Frankfurt am Main Abb. 4 D. Wigg-Wolf, Frankfurt Abb. 7, 8, 9 Archäologisches Museum Frankfurt am Main Abb. 10 nach Dietwulf Baatz, Fritz-Rudolf Herrmann (Hrsg.), Die Römer in Hessen. 2. Aufl. Stuttgart 1989 Abb. 20, 21, 22, 23, 24, 25 Römisch-Germanisches Zentralmuseum Mainz Abb. 26 Haselburg-Müller (Wikimedia Commons) Abb. 27 (M. Elsaß), 28, 29, 30 (Rekonstruktionszeichnung Norbert Kissel) Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Wiesbaden Abb. 31 nach K. Klein, Abbildungen von Mainzern Alterthümern I. Grabstein des Blussus, Mainz 1848 Abb. 36 Archäologisches Landesmuseum Baden-Württemberg, Konstanz (M. Schreiner) Abb. 39 akg-images Abb. 40, 41, 42 nach C. Moneta, Der Vicus des römischen Kastells Saalburg, Bad Homburg v. d. H./Mainz 2010 Abb. 43, 44, 45, 46 Landesamt für Denkmalpflege Hessen, Wiesbaden

Register Register

Berücksichtigt wurden nur wichtige und zentrale Namen und Begiffe, sofern sie nicht Thema einzelner Beiträge sind. Aedil 31, 60, 64 Aelius Demetrius 80 Aemilius Macer 58 f. Agrippa 11 ff., 150 Alamannen 41, 65, 84 ff., 88, 109, 168 ff., 192, 212 Alzey 87 Ammianus Marcellinus 85 ff. annona militaris 154 Antoninus Pius 119 Antonius Saturninus, L. 31 Apollo − Grannus 36 − Toutiorix 36 Aquae Mattiacorum 30, 31, 33 ff., 36, 39, 62 ff., 76, 139, 152, 168, 211 ff. Aquenses 63 Aquitania 11, 150 Arae Flaviae 60, 120, 122 Arcadius 171 Aresaces 55, 60, 151, 210 Ariovist 11, 73 Arminius 43 Arnsburg 33, 147 Auderienses 31, 33, 37, 55, 61 ff., 80, 142, 152, 211 Augsburg s. Augusta Vindelicum Augusta Rauricorum 122 Augusta Treverorum 41, 57, 87, 88, 100, 103, 160, 165 Augusta Vindelicum 119, 120 Augustales 64 f. Augustus 12 ff., 20, 29 ff., 56 ff., 75, 119, 150, 155, 169, 209 Aventicum 119 ff., 122

Register

Bad Breisig 58 Bad Ems 115 − Holzhausen 205 Bad Homburg 178 Bad Kreuznach 158 Bad Nauheim 41, 62

− Nieder-Mörlen 147 − Rödgen 57 Bad Vilbel 36, 141, 147 Bataver 61, 120, 128, 210 Belgica 11, 57, 59, 78, 98, 100, 119, 150, 163 Bellona 38 beneficiarii 32, 37, 59 f., 189 ff. Bestattungen 45 ff., 147 ff. Bevölkerungszahl 64, 75, 96, 151 ff., 193 Biblis 76 − Nordheim 86 Bickenbach 69 Bingen 58 Blussus 35, 158 f. Bonn 57 Borbetomagus 60, 70, 119, 132, 164 Britannien 120, 126 Bucinobanten 65, 85, 109 burgus 85 Bürstadt 76 Butzbach 30, 33, 113 − Hunenburg 63 Caesar 11 ff., 55, 73, 96 Caesar, C. (Enkel des Augustus) 169 Cairacates 31, 128, 151, 210 Caligula 29, 31, 77, 119 Calvisius Sabinus Pomponius, C. 61 Caracalla 63, 122 Cassius Dio 16, 20, 30, 57, 125 castellum Mattiacorum 29 ff., 32 ff., 38 ff., 63, 76, 79 , 103, 109, 113, 123, 153, 159, 170 ff. Cautopates 38 Chatten 14, 30 ff., 56, 61 ff., 124 ff., 134, 169, 210 f. Cherusker 56 cives Romani 63 ff., 113, 115 civitas − Bürgerrecht 111, 119, 121 − Stadtgemeinde 31, 55, 59 ff., 80, 112, 209 Claudius 119 ff., 159 cohors Mattiacorum 62, 125 concilium (provinciae) 59 f., 150, 210

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Register Constantin III. 171 Constantius II. 85 constitutio Antoniniana 115, 122 Curtius Rufus, Q. 29 Dangstetten 160 Darmstadt-Eberstadt 79 Dativius Victor 64 Dea Candida Regina 37 Dekumatland 100 Dekurionen 31, 60 f., 64 f., 103, 116, 123 dendrophori 38 f., 64 f. Diana Mattiaca 36 Dibio 119 Dieburg s. Med(…) Dijon s. Dibio Divodurum 119 Domitian 30 ff., 58, 61 f., 80, 103, 119, 169, 210 ff. Donative 154 f., 169 Donnersberg 73 Dornheim 82 Drusus 12 ff., 42, 57, 60, 75, 125 Dünsberg 15, 55, 209 Duumvirn 31, 60 f., 64, 123 Echzell 15, 113 − Haselheck 205 Edingen 125 Eisenerz 159 ff., 212 Epona 37 equites singulares 59, 124 exercitus Germaniae / Germanicus 32, 59 f., 120, 169 fabrica 161 f. Finanzprokurator 59 f. Flavius Claudianus, T. 37 Flavius Maternus, T. 122 Flavius Norbanus, T. 31 Flavius Sanctinus, T. 122 Flussschiff fahrt 42 foederati 124 f., 134 Fortuna 101 Frankfurt − Domhügel 41 − Heddernheim 30, 32, 35, 37, 43 ff., 61, 141, 210 − Höchst 42 ff., 57, 63, 210 − Nied 33, 43, 50, 116, 161 − Niedereschbach 32, 48 ff., 146 ff., 148 − Praunheim 112 − Zeilsheim 50 ff. Friedberg 30, 32 ff., 147 Gaetulicus 31 Galba 61

Gallia Cisalpina 25 Gallia comata 11 Gallia Narbonensis 134 Gallia Transalpina 11 Gallienus 64 Gallier 74 ff., 88, 126, 209 Gallisches Sonderreich 47, 65, 83 Geldwesen 35, 73, 106 ff., 192, 212 Genius (der Straße) 33, 122 Germanen 43, 48, 57, 65, 73 f., 76 f., 78, 83, 85, 88, 95 f., 105 ff., 126, 140, 167, 169 ff., 212 Germania (Provinz) 57 ff., 209 ff. Germania inferior 58 ff., 121, 126 Germania magna 11, 155 Germania prima 83 ff., 151 Germania superior 30, 55 ff., 58 ff., 84, 100, 109, 116, 119 ff., 132, 140, 151, 190, 194, 210 Germanicus 43, 58, 60, 210 Gernsheim 70, 79 ff., 160 − Allmendfeld 79 Gießen-Muschenheim 15 Ginsheim 87 Goddelau 82, 83 Gordian III. 192 Gratian 87 Großbottwar 115 ff. Groß-Gerau 33 ff., 79 ff., 113, 148, 152, 159, 163, 168 − Auf Esch 67 ff., 78, 80, 82 ff., 85 − Wallerstädten 76, 78, 84 Grubenhaus 106, 125 Hadrian 32, 33, 119, 121, 169 Haltern 17, 25 Hammersbach-Marköbel 194, 196 ff. Hanau-Salisberg 167 Handwerk 151 ff., 187 ff. Heeresbezirke 58 ff., 95, 121 Heidelberg 79, 95 Heidenrod-Kemel 197 ff. Heidetränk-Oppidum 41, 55, 73, 209 Hercules 83 Hispania 133 Hofheim 29 ff., 32, 62, 78, 152 Holzhausen 30 honores 60 f. Honorius 171 Hortar 85 Ibliomarius Placidus, A. 34 ff., 103, 159 Isis 37 Iucundus 73 Iulia Mamaea 192 Iulius Civilis 30 Iulius Restitutus, C. 36 Iuno 36

Register Iuppiter 47, 64 − Dolichenus 35, 38, 190 ff. Jagsthausen 115 Julian 85 Jupiter(giganten)säulen 37, 47, 115 ff., 122 ff., 136, 141, 143 ff. Kaiseraugst 165 Kaiserkult 60 Kastelle 35, 57 ff., 65, 67, 72, 83 ff., 87, 95 f., 143, 152 f., 160 f., 163, 211 ff. Kelkheim 160 Kelsterbach 81 Klein-Winternheim 101 Konstantin 169 Kybele 38, 64, 101, 191 f. Ladenburg s. Lopodunum Lahnau-Waldgirmes 16 ff., 43, 57, 62, 160, 210 Landwirtschaft 34, 49 ff., 71 ff., 81 ff., 99 ff., 142 ff., 148 ff., 164 f., 211 ff. legatus − Augusti pro praetore 29, 30, 59 ff. − legionis 12, 36 Legionen 34, 38, 210 f. − II 152, 204 − VI 204 − VII 36 − XIV 31, 32, 151 − XVI 151 − XIX 12 − XX 204 − XXI 31, 152 − XXII 32, 115, 122, 155 Lich-Arnsburg 203 Limes 35, 61 f., 80, 116, 121, 134, 137, 139 ff., 147, 152 ff., 155, 160, 164 f., 175 ff., 192 f., 194 ff., 210 ff. Lingones 132 Lollius Paulinus, M. 11, 150 Longinius Speratus, C. 115 ff. Lopodunum 33, 79 Lugdunensis 11, 150 Lugdunum 11, 20, 57, 150, 165, 168 ff. − Macrianus 85 Magna Mater s. Kybele Magnentius 85, 212 Main 42, 60, 70, 72, 75, 78, 124, 207, 212 Mainz s. Mogontiacum − Finthen 159 − Kastel s. castellum Mattiacorum − Weisenau 76, 83, 151 ff., 158 mansio 33, 189 ff., 211 Marinius Marinianus, L. 36 Mars

− Camulus 36 − Cenabetius 83 − Loucetius 83, 101 Mattiaci 29, 31, 37, 43, 55, 61 ff., 64, 80, 142, 152, 159, 210 Maximinus Th rax 169 Med(…) 31, 33, 38 ff., 41, 62 ff., 113, 133, 139, 141, 160, 168, 211 ff. Medimatriker 129, 134 Mercurius 36, 64, 116, 159 − Cissonius 36 − Negotiator 34 − Quillenius 35, 82, 101 Metz s. Divodurum Minerva 36 Mithras / Mithräum 37, 82, 92, 101, 136, 190 ff. Moesia inferior 125 Mogontiacum 23, 41, 43, 45, 50, 57 ff., 60, 61, 64, 67, 70, 75 f., 78 ff., 83, 84, 95 f., 106, 109, 112, 122, 140, 150 ff., 192, 209 ff. munera 60 f., 116 municipium 63, 122 Münzenberg-Gambach 144, 148 Namensgebung 35, 119 ff., 126 ff. Nantosuelta 191 Nauheim 76, 95 f. Neckar 72, 76, 78, 81, 87 ff., 92 f., 96 ff., 116, 149 Nemetes 132 Nero 119, 120 Nerva 32 Neuenheim 95 Neuss 57 Nida 31 ff., 34, 37 ff., 43 ff., 49 ff., 52, 62 ff., 101, 112 ff., 126, 129, 133 ff., 139, 142, 148, 152, 159 ff., 164 ff., 168, 176, 182, 192, 211 ff. Nidda 42, 63, 210 Nidenses 63, 126 Niederweimar 24 Nijmegen 57, 121 Noricum 13, 121 Noviomagus 41, 119, 132 numerus (Truppeneinheit) 178, 204 ff. − Oberbrechen 25, 159, 212 Ober-Florstadt 166 Obernburg 160 Obrigheim 116 Odenwald 67, 87, 160 f., 212 officium (des Statthalters) 59 ff. Ohm 61 Okarben 30, 33 oppida 13, 17, 209 Ortenau 76 Osterburken 115 pagus 60 f.

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Register Paulinius Iustus, C. 37 pedites 59 Pomponius Secundus, P. 163 Postumus 64 praetorium (des Statthalters) 60 Priscilla 103 ff. Ptolemaios, Klaudios (Geograph) 62 f.

− Astheim 86 − Geinsheim 72 f., 75 ff., 79, 84, 210 ff. − Tannböhl 168 Trennfurt 160 Treverer 75, 129, 132 ff., 151 Triboker 128 Trier s. Augusta Treverorum

Quaestor 31, 60, 64, 159 Quartionia Florentina 82 Quintionius Servianus, L. 144

Ubier 14, 57 Usingen / Usinger Becken 175, 178 Usipeter 11, 30, 210

Raetia 79, 119, 194 Raunheim 81 Reichslimeskommission 25, 195, 197 Rhein 58, 60, 67, 70 ff., 83, 85, 87 ff., 92, 98, 125, 132, 150, 168, 169, 170 ff., 209, 212 Rheinzabern 161, 164 Riedstadt-Goddelau 69, 76 Roma (Gottheit) 150 Rüsselsheim 76, 81

Valentinian I. 85, 87 Vangiones 60, 128, 132 Varus, P. Quinctilius 12, 19 ff., 29, 58, 210 Venus 101 Verecundinia Voba 82, 127, 132 ff. Vespasian 30, 61, 76 ff., 119 ff. Veteranen 26, 63, 113, 115 ff., 121, 132, 140, 175 ff. Viae Biviae / Quadriviae / Triviae (Göttinnen) 33, 83 Victoria 23 vicus − Lagerdorf 63 f., 67, 78 ff., 82, 92 ff., 96 ff., 99 ff., 104 ff., 115 ff., 121, 126, 148, 163, 167 ff., 210 ff. − Stadtviertel 31, 33, 37, 60 f. Viehzucht 34, 71 ff., 81 ff., 98 ff., 104, 142 ff., 148 ff. Viergötterstein 47 villa − rustica 34, 49 ff., 61, 80 ff., 115, 125, 139 ff., 152, 160 f., 211 f. − urbana 141 Virodacthis 37, 83

Saalburg 30, 38, 142, 165, 203, 211 Schwalm 61 Secundius Agricola 34, 159 Sedatius Stephanus 123 Senilius Decmanus, L. 34, 64, 159 Serapis 37 Severus Alexander 36, 166, 192 signiferi 63 Sol 38 Soldzahlungen 154 f. Speyer s. Noviomagus Steinbrüche (Odenwald) 33, 87 Stephania Honorata / Maximina 123 Stephanius Maximus / Maximinus 123 St. Goar 58 Stilicho 87, 171 Stockstadt 38, 113, 160 Sueben 11, 124, 171 Suebi Nicrenses 33, 62 f., 80, 124, 132, 134 Sugambrer 11 Suomar 85 Tacitus 16, 29 ff., 57, 96, 100 f., 125 ff., 159 Taunenses 32 ff., 37, 43, 52, 55, 61 ff., 64, 80, 142, 152, 159, 211 Taunus 58, 62, 175, 205 Tenkterer 11 Terentius Iucundus 34 Terra Sigillata 24, 34, 43, 108 ff., 125 ff., 154, 161 f. Tiberius 13 ff., 58, 76 Titus 119 Traian 31 ff., 43, 48, 61 ff., 80, 119, 121, 178, 210 Traianius Ibliomarus, L. 37 Trebur 88

Wehrheim-Lochmühle 205 Weideland 73, 87 Weschnitz 86, 88 Wetterau 43, 48 ff., 73, 78, 139 ff., 155, 164, 205, 207 Wetzlar-Dalheim 15, 25 Wiesbaden s. Aquae Mattiacorum − Delkenheim 141 − Nordenstadt 141 − Schierstein 37 Winterbach 164 Wohnstallhaus 125 Wölfersheim − Melbach 144 − Wohnbach 140, 147 Worms s. Borbetomagus Xanten 57 ff., 150 ff., 209 Zugmantel 30, 37 ff., 126 Zwingenberg-Rodau 81

ÜBER DAS BUCH VOR ÜBER 2000 JAHREN lag die Region zwischen Main und Rhein im Spannungsfeld zweier Kulturen. Die Römer waren bis an den Rhein vorgestoßen, auf dessen anderer Seite die Germanen siedelten. Die starke Präsenz des römischen Militärs begünstigte einen wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwung. Zahlreiche Münz- und Keramikfunde, viele Kunstwerke sowie die Überreste von Landhäusern, zivilen und militärischen Anlagen zeugen von dieser Blüte. Die archäologischen Funde der letzten Jahrzehnte haben zu teils völlig neuen Ergebnissen geführt. Die Aufarbeitung kann nur gelingen, wenn Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen kooperieren. Daher hat der Hochtaunuskreis vom 8. bis zum 10. April 2011 eine Tagung organisiert, auf der insgesamt zwölf Archäologen und Althistoriker ihre Ergebnisse präsentierten. In diesem Band haben sie ihr Wissen zusammengetragen.

ÜBER DIE HERAUSGEBER Dr. Frank Ausbüttel ist Oberstudiendirektor und Lehrbeauftragter für Alte Geschichte an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main. Ulrich Krebs ist seit 2006 Landrat des Hochtaunuskreises, Gregor Maier der dortige Kulturbeauftragte.