Die Orthodoxe Theologie der Gegenwart : eine Einführung 9783534018345, 3534018346


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Die Orthodoxe Theologie der Gegenwart : eine Einführung
 9783534018345, 3534018346

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KARL CHRISTIAN FELMY

ORTHODOXE TH EO LO GIE EINE EINFÜHRUNG

WISSENSCHAFTLICHE BUCHGESELLSCHAFT

KARL CHRISTIAN FELMY D IE O R T H O D O X E T H E O L O G I E D ER GEGEN W A RT

KARL CHRISTIAN FELMY

DIE ORTHODOXE THEOLOGIE DER GEGENWART E IN E E IN F Ü H R U N G

W IS S E N S C H A F T L IC H E

BU C H G ESELLSC H A FT

D A RM STA D T

Einbandgestaltung: Studio for Communication Design. Ulrich Franz & Neil McBeath, Stuttgart,

CI P-Titel auinahme der Deutschen Bibliothek Felmy, Karl Christian:

Die orthodoxe Theologie der Gegenwart: eine Einführung /Karl Christian Felmy, ~ Darmstadt: Wiss, Buchges., 1990 ISBN 3-534-01834-6

Bestellnummer 01834-6

Das "Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme. © 1990 by Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Offsetpapier Satz; Maschinensetzerei Janß, Pfungstadt Druck und Einband: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darnistadc Printed in Germany Schrift; Linotype Garamond, 9,5/11

ISBN 3-534-01834-6

Erzpriester Vladimir Fedorov Erzpriester Vladimir Ivanov Priester Boris Damlenko und allen meinen Freunden in Rußland

IN H A L T Vorwort

.................................................................................... ,

.

XI

A bkürzu ngen............................................................................................... X III Vorbem erkungen.............................

XV

Einführende und für die gesamte Darstellung wichtige Lite­ ratur ................................... X V II 1.

„Wir haben das wahre Licht gesehen" - Theologie der Erfahrung....................................................................................

1

2.

„Das Sehen im Nicht-Sehen" - Apophatische Theologie

25

3.

„Kommt, Völker, laßt uns anbeten die Dreihypostatische Gottheit" - Die Erfahrbarkeit Gottes als Vater, Sohn und Heiliger Geist . . . . . . ............................. „Ich glaube an den einen Gott, den Vater . . . " - Die Monarchie des V a t e r s ............................................... . . der vom Vater ausgeht . . - Der Streit um das F i l i o q u e ....................................................................................

3.1 3.2

4. 4.1 4.2 4.3

5.

„. . . und an den einen Herrn Jesus Christus, Gottes Eingeborenen Sohn . . . " - C h r is to lo g ie ........................ „. . . Der Du Einer bist aus der Heiligen Dreieinigkeit" Asymmetrische Christologie ................................................ „Der Unumgrenzte hat sich umgrenzt“ - Christologie als Ikonentheologie ................................................................... „Geehrter als die Cherubim und unvergleichlich herr­ licher als die Serafim . . - Mariologie als Theotokol o g i e ..........................................................................................

40 40 49

59 59 65

82

„. , . und an den Heiligen Geist, den Herrn und Leben­ spender" - Pneumatologie ........................................................106

VIII

Inhalt

5.1

„Licht ist Er und Spender des Lichts“ - Person und Werk des Heiligen Geistes . . . . „Wunderbar ist G ott in Seinen Heiligen“ - D ie Heiligen als Manifestation des Heiligen Geistes Das „Stehen vor G ott“ - Das Beten im Heiligen Geist .

5.2 5.3 6.

7.

7.1 7.2 7.3 7.4 8. 8.1 8.2

8.2.1 8.2.2 8.2.3 8.2.4 8.2.5 8.3 8.4

8.4.1 8.4.2 8.4.3

106 117 126

„Als G ott werde ich mit euch als Göttern verbunden sein“ - Erlösung und Vergöttlichung .

133

„. . . uns aber alle, die an einem Brot und einem Kelch teilhaben, einige untereinander zur Gemeinschaft des einen Heiligen Geistes“ - Die Erfahrung der Kirche in der Eucharistie ..........................................146 Ausprägungen der traditionellen orthodoxen Ekklesio­ logie .................................................................................... Die eucharistische Ekklesiologie Nikolaj Afanas’evs . Die eucharistische Ekklesiologie Alexander Schmemanns Die eucharistische Ekklesiologie bei loannis Zizioulas

146 151 158 161

Die Mysterien (Sakramente) in der Erfahrung der Kirche 169 „Die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus ange­ zogen“ - Taufe und Myronsalbung .............................. 177 . . denn der König der Könige und der Herr der Herren tritt herein, um geschlachtet zu werden und sich den Gläubigen zur Speise zu geben“ - Eucharistie 188 Die Eucharistie als die Liturgie der Kirche . . . . 188 Die Eucharistie als eschatologisches Ereignis , . , 192 Das Mysterium der Verwandlung . . . . . . . 199 Die Göttliche Liturgie als O p f e r ............................................ 209 Die Kommunion der heiligen Geheimnisse Christi . 213 „O ffne mir die Türen der Buße, Lebenspender“ B e i c h t e ..................................................... 218 „Die Göttliche Gnade, die allezeit das Schwache heilt und das, was fehlt, ergänzt . . . “ - D ie Weihen zum priesterlichen D i e n s t ................................................................... 223 Die Stufen des Priestertums und die Ordnung der Weihen 223 Die Weihe zum Priestertum in der theologischen Aus­ einandersetzung ....................................................................... 227 Der Einfluß der eucharistischen Ekklesiologie auf die Lehre von Ordination und Amt . . . . . . . 236

Inhalt

9,

. und das Leben der zukünftigen W elt“ - Der eschatologische Grundzug der orthodoxen Theologie . ,

IX

240

R eg ister................................................................. 247 N a m e n .......................................................................................................247 Sachen 254 Abbildungsnachweis ......................................................................................261 Abbildungen

........................................................................

263

VORWORT Im Jahre 1746 wandte sich die russische Kaiserin Elisabeth an den damaligen Oberprokuror des HL Sinod Fürst Sachovskoj mit der Bitte um eine Erklärung des Rituals der Weihe einer Kirche. Das ist der An­ fang der Vorgeschichte eines Liturgiekommentars, der - lange nach dem Tode aller im Jahre 1746 Beteiligten - erst 1793, sechsundvierzig Jahre später, erschien. Nur im Vergleich mit solchen Fristen nimmt sich die Frist, die von ersten Absprachen bis zum Entstehen dieses Buches verging, ver­ gleichsweise kurz aus. Für sich genommen ist es eine sehr lange Zeit, die die Wissenschaftliche Buchgesellschaft, allen voran Herrn Bruno Frisch vom Lektorat, viel Geduld gekostet hat, für die ich von Herzen danken möchte. Es ist hier nicht der O rt, alle Hürden zu beschreiben, die vor der Fertigstellung des Buches genommen werden mußten. Nur von einem letzten Hindernis soll hier kurz gesprochen werden. Es wäre schön ge­ wesen, wenn das Buch zum Millennium der Taufe der Kiever Rus’ im Sommer oder spätestens im Herbst 1988 hätte erscheinen können. G e­ rade dieses Millennium hat an anderen Stellen so viele Verpflichtungen mit sich gebracht, daß das, was eigentlich Anlaß für das Erscheinen der Darstellung hätte werden können, zum letzten Hindernis wurde. Das Buch kann der Russischen Orthodoxen Kirche deshalb nur noch zum Millennium nachgereicht werden. Ursprünglich war es als Veröffentlichung in der Einführungsreihe der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft gedacht. Im Laufe der Zeit hat sich seine Konzeption jedoch so stark gewandelt, daß es aus dieser Reihe herausgenommen wurde. Auch für das damit verbundene Ent­ gegenkommen danke ich. In Loslösung von der Einführungsreihe habe ich ein größeres Maß an Freiheit zur Entwicklung meiner Vorstel­ lungen von einer einführenden Darstellung der orthodoxen Theologie gewinnen können. Das vorliegende Buch ist eine einführende Darstellung der orthodo­ xen Theologie, keine ‘Orthodoxe Theologie’ selbst. Denn die ortho­ doxe Theologie darstellen - auch ihre Verwurzelung in der Erfahrung der orthodoxen Kirche, in der Erfahrung des Gottesdienstes, in der E r­ fahrung des Lobpreises und in der Erfahrung des asketischen Lebens

X II

Vorwort

kann man auch von außen. Eine ‘Orthodoxe Theologie5selbst ist dage­ gen nicht zu lösen von orthodoxer Erfahrung. Gerade das will diese Darstellung zeigen. Ich habe mich bei meiner Arbeit bemüht, die orthodoxe Theologie mit den Augen der Liebe, die das Organ der Erkenntnis ist, aber ohne Idealisierung, vorzustellen. Vor allem Hegt mir daran, nicht die ganze Breite darzustellen - das ist unmöglich aber etwas von der Breite der in der orthodoxen Theologie begegnenden Möglichkeiten zu zeigen. Die orthodoxe Theologie ist weder so monolithisch, wie sie sich selbst zuweilen sehen möchte, noch so monolithisch, wie ihr manchmal vor­ geworfen wird. Bei der Abfassung dieses Werkes habe ich manche Hilfe und Unter­ stützung gefunden, für die ich hier von Herzen Dank sage. Dieser Dank gilt zunächst meinen Hörerinnen und Hörem in Heidelberg und Erlangen, die die das Buch vorbereitende Vorlesung »Einführung in die orthodoxe Theologie« in unterschiedlichen Fassungen hörend und fragend begleitet haben. Das schon bewährte B A X E H A O PtbC K O E COTA ACH E unter der Führung meiner verehrten Vorgängerin Fairy v. Lilienfeld hat einige Kapitel dieses Buches kritisch getestet und es durch Fragen und Hinweise gefördert. Dank gilt auch all meinen Weg­ begleitern daheim. Besonders herzlich gedankt sei hier meinem Assistenten Herrn Dr. Christoph Künkel, der das Manuskript sorgfältig gegengelesen und durch unerbittliches Fragen zur Klärung mancher Positionen bei­ getragen hat. Zusammen mit Frau Birgit Schlegel hat er das Register be­ sorgt, wofür beiden gedankt sei, Frau Birgit Schlegel gilt zusätzlicher Dank für ihre Hilfe beim Lesen der Korrekturen, Herrn Dimitrios Moschos, z. Z. München, danke ich für freundliche Hinweise, die Kap. 4.3 ergänzen halfen. Für Unterstützung bei der Zusammenstellung der Literatur danke ich Frau cand. theol, Heike Wild, Frau stud. theol. et phil, Karin Schedler und Herrn stud. theol, Winfried Klughardt, Frau Christa Margarete Freud danke ich von Herzen für die sorgfäl­ tige Erstellung des Manuskripts. Effeltrich, den 28. August 1989 am Fest des Entschlafens der Gottes­ mutter (nach dem alten Stil) Karl Christian Felmy

ABK Ü RZU N G EN Die bibliographischen Abkürzungen sind, soweit sie dem von Siegfried Schwertner zusammengestellten Abkürzungsverzeichnis zur >Theologischen Realenzyklopädie< entnommen werden konnten, hier nicht aufgeführt. Zusätzliche Abkürzungen: BV Bogoslovskij Vestnik izdavaemyj Imperatorskoju Moskovskoju Duchovnoju Akademieju [Theologischer Bote, hrsg. von der Kaiserlichen Moskauer Geistlichen Akade­ mie], Sergiev Posad. ChQt Christianskoe Ütenie, Ezemesjacnyj zumal izdavaemyj pri S.-Peterburgskoj Duchovnoj Akademii [Christliche Lektüre. Monats-Zeitschrift, hrsg. bei der St. Petersbur­ ger Geistlichen Akademie], Sanktpeterburg, Contacts Contacts. Revue Française de l’Orthodoxie, Paris. Messager Le Messager. Supplement de langue française au périodi­ que de l’A ction Chrétienne des Etudiants Russes, Paris. Messager Orthodoxe Le Messager Orthodoxe - Forts, von Le Messager. Oikonomia Oikonomia. Quellen und Studien, hrsg. von Fairy v. L i­ lienfeld [seit 1985 - Mitherausgeber: K. Ch. Felmy]. PravSob Pravoslavnyj Sobesednik. Izdanie Kazanskoj Duchovnoj Akademü [Orthodoxer Gesprächspartner. Pirsg. von der Kazaner Geistlichen Akademie], Kazan’. Put’ Put’ . Organ Russkoj Religioznoj Mysli pod redakciej N. A, Berdjaeva, pri ucastii V. P. Vyceslavceva [Der Weg. Organ des Russischen Religiösen Denkens unter der Redaktion von N, A. Berdjaev unter Teilnahme von V. P. Vyceslavcev], Paris. RBS Russkij Biograficeskij Slovar’ [Russisches Biographisches Lexikon], Reprinted by SPE, Kraus Reprint Corpora­ tion, New York 1962. Sophia Sophia. Quellen östlicher Theologie. Hrsg. J. Tyciak und W. Nyssen. VRCh[St]D Vestnik Russkogo Christianskogo [Studenceskogo] Dvizenija [Bote der Russischen Christlichen (Studenten-)Bewegung], Paris.

VORBEMERKUNGEN Zum Literaturverzeichnis Im Verzeichnis der Einführenden Literatur aufgeführte Titel werden grundsätzlich in den den einzelnen Kapiteln folgenden Verzeichnissen nicht mehr aufgeführt. Die Verzeichnisse enthalten außer sämtlichen im Text zitierten Schriften weitere Literatur in deutscher, englischer und französischer Sprache, Titel in griechischer, russischer, rumäni­ scher, serbischer und bulgarischer Sprache sind in den jeweiligen Ver­ zeichnissen auch in deutscher Übersetzung wiedergegeben.

Zur Transkription Titel und Namen in kyrillischer Schrift sind nach den üblichen wis­ senschaftlichen Regeln tran sferiert. Auf einige Besonderheiten der Aussprache sei verwiesen: ä - wie e in baden c — wie z im Deutschen c —wie tsch im Deutschen e - wie im Deutschen e. Doch wird der vorangehende Konsonant er­ weicht. Am Wortanfang wie je; im Russischen wird das betonte e zuweilen wie o bzw. jo ausgesprochen s - immer stimmlos s —wie im Deutschen sch sc — im Russischen wie im Deutschen schtsch; im Bulgarischen wie seht v - am Wort- und Silbenende wie f, sonst wie w y - wie i z. B. in Tisch z - stimmhaftes s z - wie g in Gelee Griechische Wörter und Namen werden bis in die frühbyzantinische Epoche nach den im deutschen Raum üblichen Regeln, meist in erasmischer Aussprache, wiedergegeben, ebenso bei Titeln liturgischer Bü­ cher. Sonst sind Wörter und Namen von der mittelbyzantinischen Zeit an in neugriechischer, reuchlinscher Aussprache wiedergegeben. Auf

XVI

Vorbemerkungen

einige Besonderheiten dieser Aussprache sei im folgenden hingewiesen: Die Vokale e i , t], i , oi, v (außer im Diphthong) - w: e i a i - wie e (ü wie o (kurz) i! - im Diphthong wie w brw. f y - vor hellen Vokalen —wie im Deutschen j Wege der russischen Theologle< zwei Theologen mit uneingeschränktem Lob: den als Charismatiker, Wundertäter, Gründer diakonischer Werke, Prediger, Beichtvater und Liturgen verehrten, in der Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland der Schar der Heiligen zugezählten Kronstädter Priester loann Sergiev (1829-1908)45 und die wohl markanteste Gestalt der russischen Kir­ chengeschichte des 19, Jh .; Metropolit Filaret (Drozdov, 1782-1867).46 Und es ist bei beiden die Tatsache, daß ihr theologisches Denken auf dem Boden lebendiger kirchlicher Erfahrung steht, die sie auszeichnet: Bei loann von Kronstadt gebe es zwar kein „theologisches System“, aber dafür „theologische Erfahrung und Zeugnis davon“ . Bei ihm öffne sich „erneut der vergessene Weg auf Erfahrung beruhender G ot­ teserkenntnis“ .47 Ein zusammenhängendes theologisches System fehle auch bei Metropolit Filaret. „Aber wir finden bei ihm etwas Größeres - die Einheit einer lebendigen Erfahrung, die Tiefe geistiger Schau ,my­ stischer Heimsuchung des Geistes ' . “ 48 Kann man aber eigentlich loann von Kronstadt im Unterschied viel­ leicht von Metropolit Filaret nicht als wissenschaftlichen Theologen bezeichnen, so gilt das erst recht für den hl, Serafim von Sarov (1759 bis 1833),49 den Florovskij gleichfalls in seiner russischen Theologie44 A. Schmemann, Russian Theology, 175. - Gelegentlich habe ich freilich gesprächsweise gehört, Harnack habe schon von seiner Dorpater Jugendzeit her Russisch gekonnt. 45 Vgl. P, Hauptmann, Johann von Kronstadt, 33-71; K. Ch, Felmy, Predigt im orthodoxen Rußland, 170-278. Erst seit den Erleichterungen für die Lage der Kirche unter Michail Gorbacev [Gorbatschow] kann in der Russischen O r­ thodoxen Kirche gebührend von loann von Kronstadt gesprochen werden, 46 Vgl, P, Hauptmann, Die Katechismen, 66-92 und passim. 47 G. Florovskij, Puti, 4Q0f. 48 G. Florovskij, Puti, 182. Vera [Valentina] Zander, Seraphim von Sarow,

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geschichte behandelt und der ihn in vielem an Symeon den Neuen Theologen (949-1022) erinnert,50 da seine Erfahrung „ganz die glei­ che“ sei .51 Die Nennung solcher Namen wie die des hl. Serafim und loanns von Kronstadt weist auf einen speziellen Zug orthodoxer Theologie. Dieser Zug wird paradigmatisch deutlich daran, welche in der orthodoxen Kirche als Heilige verehrten Väter den Ehrennamen „der Theologe“ tragen. Es sind dies der Evangelist Johannes, Gregorios von Nazianz (329/30-390/91) und schließlich Symeon (949-1022), der als der Neue Theologe bezeichnet wird. Dem Evangelisten ist dieser Titel beigelegt worden, weil der Prolog zu seinem Evangelium die Gottmenschheit des göttlichen Logos in einer Weise ausgesagt hat, wie sie für die ortho­ doxe Theologie in den christologischen Auseinandersetzungen des 4./5. Jh. entscheidend geworden ist. Der zweite „Theologe“ ist der hl. Gregor von Nazianz. Er gilt auch im Westen als Theologe von Rang. Aber es läßt doch aufmerken, daß ausgerechnet er im Osten unter den theologischen Lehrern seiner Zeit den Ehrennamen des Theologen empfangen hat, nicht etwa Athanasius d. G r., Basilius d. Gr. oder Kyrill von Alexandrien, die alle drei zur Entfaltung des orthodoxen Dogmas mehr beigetragen haben als Gregor. Weniger theologische Schriften als kunstvoll gebaute Reden, die auch die orthodoxe Hymnik beeinflußt haben , 52 haben seinen Ruhm im christlichen Osten ge­ mehrt. Aber wenn bei Gregor das, was wir „Theologie“ zu nennen pflegen, dennoch beherrschend und wenigstens mitverantwortlich ist für seine Bezeichnung als „Theologen“, so ist der letzte, der hl. Symeon der Neue Theologe in erster Linie ja doch Mystiker - und einer, der von seinen m ystischen Erfahrungen zu singen und zu sagen weiß. Dabei ist er nicht einmal in besonderer Weise als „Theologe der M ystik“ zu bezeichnen, als einer, der mystische Erfahrung theologisch reflektiert. Als solcher könnte weit eher Grigonos Palamas (1296 bis 1359) gelten. An der Auswahl derer, die die orthodoxe Kirche als „Theologen“ verehrt, wird erkennbar, daß es in der alten, klassischen orthodoxen Theologie einen Theologie-Begriff gab, der sich von dem im Westen 50 Vgl. Archiepiskop Vasiüj (Krivoseln), Prebodobnyj Simeon, - Unter maß­ geblicher Beteiligung von Erzbischof Vasilij sind in der Reihe Sources Chrétien­ nes erstmals die Werke Symeons vollständig ediert worden: SC 51, 96, 104, 113, 122, 129, 154, 174, 196. 51 G, Florovskij, Puti, 392. 52 Vgl. K. Ch. FeJmy, Heilsgeschichte, lö.

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vorherrschenden und auch fm Osten weithin vertretenen unterschei­ det, wenngleich es auch im Westen Hinweise auf ein solches TheologieVerständnis gibt (anders hatte nicht ausgerechnet die Mystikerin Teresa von Avila in der römisch-katholischen Kirche den Titel eines D octor Ecclesiae erlangt). Dieses andere Theologie-Verständnis schwebt Georgij Florovskij offenbar vor, wenn er Heilige wie Ioann von Kronstadt 53 oder Serafim von Sarov als Theologen würdigt. Der von Florovskij beeinflußte griechische Theologe Christos Yannaras hat die Beschränkung der Bezeichnung „Theologie“ auf den Um­ gang mit historischen Wahrheiten und richtigen theologischen Sätzen als Symptom des Abfalls von dem gewertet, was Theologie nach ortho­ doxem Verständnis eigentlich sei: „Im Raum der Orthodoxen Kirche und Überlieferung hatte die Theologie stets eine Bedeutung, sehr un­ terschieden von dem, was wir heute darunter verstehen. Sie war keine theoretische Entwicklung von Axiomen und Gedanken, sondern Aus­ druck und Formulierung der Erfahrung. Bevor sie Lehre ist, ist die Froh-Botschaft der Kirche ein Ereignis. Das Ereignis zu kennen heißt teilzu haben , es zu leben bedeutet eine Lebensweise. Und um das Le­ ben auszudrücken, braucht man eine andere Sprache als die von Begrif­ fen und objektiven Informationen .“ 54 So ist für Yannaras die Schön­ heit der byzantinischen Ikone nicht weniger geeignet, die Glaubens­ wahrheit, besser; die Erfahrung des Evangeliums, auszudrücken, als der philosophische Begriff, der nur uneigentlich verwendet, Anteil an der Erfahrung der Wahrheit vermitteln kann. Für orthodoxes Denken „deckt sich die Wahrheit mit der mystischen Erfahrung, die Theologie mit der ,Gottesschau ' “ .55 Weil Theologie m it,Erfahrung' und m it,Le­ ben' zu tun hat, ist sie - so Yannaras - auch nicht vom Ethos zu tren­ nen; vielmehr: „das Dogma formuliert das Ethos der Kirche, und das Ethos ist die Verleiblichung des Dogmas. Die Theologie ist für den Gläubigen ,Mystagogie' in untrennbarer zweipoliger E inheit. " 56 Weil das so ist, ist die mystische und asketische Theologie, sind die asketischen Schriften der orthodoxen Mönchsväter nicht erbauliches Beiwerk zu dem Eigentlichen der systematischen Theologie, sondern

S3 Offiziell als Heiliger verehrt wird er nur in der Russischen Orthodoxen Auslandskirche. Aber auch über deren Grenzen hinaus gilt er als solcher, z. B. auch bei vielen orthodoxen Christen in der Sowjetunion. Ich selbst habe seine Ikone in mehreren russischen Häusern dort gesehen. :: 54 Ch. Yannaras, I theolojia, 53. 55 Ch. Yannaras, I theolojia, 54, 56 Ch. Yannaras, I theolojia, 54.

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integraler Bestandteil der Theologie. Deutlich zeigt das Vladimir Losskijs Buch >Die mystische Theologie der morgenländischen Kirche«, deren in unserem Sinne Theologisches' Problem, die Frage der Gottes­ erkenntnis, anhand der Schriften vorwiegend asketischer Schriftsteller behandelt wird .57 Ein anderes Beispiel ist die >Orthodoxe Moraltheologie< des rumänischen Theologen Dumitru Stäniloae, 58 deren dritter Band den Untertitel >Orthodoxe Spiritualität« trägt. Tatsächlich geht es hier um die Themenbereiche von ,Reinigung', ,Erleuchtung' und , Ver­ göttlichung', die ihren O rt auch in einer dogmatischen Theologie ha­ ben könnten und nicht unbedingt oder nicht unbedingt nur in einer ,Moraltheologie' zu erwarten sind. Als wichtigste patristische Zeugen erscheinen denn auch u. a. Evagrios Pontikos, Isaak der Syrer, Maximos der Bekenner, Johannes Kassian, Ioannis Klimakos, Nilos der Asket, Markos Monachos, Grigorios Palamas, d. h. Theologen, die der Gotteserfahrung und Gotteserkenntnis nachgesonnen haben, und n ic h t,M oraltheologen'im eigentlichen Sinne. Was für die Spiritualität gilt, gilt ebenso und vielleicht noch mehr für die Liturgie. D er griechische Theologe Ioannis Zizioulas (geb. 1931, seit 19S6 Bischof von Pergamon) hat gelegentlich davon gesprochen, daß „die Liturgieanalyse zur hauptsächlichen Behandlungsmethode der Eucharistie bei einer Reihe von modernen [orthodoxen] Theologen wird" 59. Tatsächlich ließ sich feststellen, wie sehr jedenfalls Wege und Wandlungen russischer Liturgie-Auslegung den , Wegen der russischen Theologie ' 60 entsprechen und wie sehr heute in der Orthodoxie die von Ioannis Zizioulas formulierte Erkenntnis von der ,Liturgieana­ lyse' als ,hauptsächlicher Behandlungsmethode der Eucharistie' im Wachsen begriffen ist .61 Die liturgische und asketische Tradition sind sogar die eigentlichen Konstanten der orthodoxen Kirche gewesen in einer Zeit, in der das theologische Denken unter dem Einfluß der westlichen Scholastik einem so tiefen Wandel unterworfen war, daß Georgij Florovskij von einer „Pseudomorphose“ der orthodoxen Theologie gesprochen hat. Damals wurden die Quellen einer liturgischen und asketischen Theolo­ gie zwar nicht reflektiert. Das wurde weder erstrebt noch war man dazu fähig, wenn es gefordert wurde .62 Aber beides wurde in der 57 ss 59 60 61 62

Vgl. auch V. Lossky, Schau Gottes. D. Stäniloae, Teologia moralä, vol, III. I. Zizioulas, Die Eucharistie, 173, Vgl. G. Florovskij, Puti. Vgl. K. Ch. Felmy, Die Deutung. Vgl, K. Ch. Felmy, Die Deutung, 131 ff.

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Praxis geübt und ,erfahren" und blieb so für eine künftige Erneuerung bereit. Als sich seit der Mitte des 19. Jh. in Rußland eine Rückwendung zu den Wurzeln der Vätertheologie und damit auch zur liturgischen und asketischen Erfahrung der Väter ankündigte, hat der Kiever Uni­ versitätstheologe63 Pavel Svetlov von den „unerschöpflichen Schätzen“ der Weisheit gesprochen, die „beschlossen sind im Gottesdienst“ der orthodoxen Kirche, und ihn neben der Väterliteratur eine „der wichtig­ sten Quellen für die orthodoxe Soteriologie“ genannt. Auf die Frage der Soteriologie, mit der sich Svetlov speziell befaßte, ergössen die ortho­ doxen Gottesdienstordnungen, vor allem die der Göttlichen Liturgie, „die sich in der von der Scholastik [noch] fernen Zeit herausgebildet ha­ ben, in der das christliche Bewußtsein aufblühte“, „reichliches Licht“ , 64 Bischof Ioannis Zizioulas führt diese Gedanken weiter, wenn er in der Liturgie der orthodoxen Kirche nicht nur eine Quelle für die Theo­ logie, sondern auch ein Kriterium für die Orthodoxie einer Theologie und zugleich auch das in der orthodoxen Kirche treu bewahrte Fer­ ment einer theologischen Erneuerung sieht. Eine theologische Erneue­ rung habe zwar im Westen zuerst stattgefunden; „aber die orthodoxen Theologen zogen aus ihr ausgiebig, und m. E. auch recht kreativ, ihren eigenen Nutzen, weil sie in ihr Züge der patristischen Denkweise und Tradition erkannten, in denen die O stkirche 65 weitgehend wurzelt. So hat die orthodoxe Theologie mit Hilfe von theologischen Entwick­ lungen im Westen ihre eigene Scholastik überwinden können“ . „Ei­ gentlich hätte“, so schreibt er weiter, „dies den Dialog zwischen der östlichen und der westlichen Theologie vereinfachen sollen, wenn nur die Auswirkungen der Erneuerung im Westen genauso durchgreifend gewesen wären wie im Osten. Vielleicht erklärt sich der Unterschied aus dem Bruch mit der liturgischen Tradition, der - anders als beim li­ turgischen Konservatismus der Ostkirche - die westlichen Kirchen zu kennzeichnen scheint. “ 66 Die Rückbesinnung auf die eigentlichen Quellen der orthodoxen Theologie hat mit dem patristischen renouveau in der zweiten Hälfte des 19. Jh. in Rußland eingesetzt. Sie war alles in allem im 19. Jh . viel­ leicht doch fruchtbarer, als Georgij Florovsktj selbst wahr nehmen konnte oder wollte. Sie hat in unserer Zeit auf dem Umweg über die 63 Daß Theologen in Rußland an einer Universität Theologie lehrten, war die Ausnahme, nicht die Regel. 64 P. Svedov, Opyt II, 25, 27. 65 So muß man lesen und nicht „Ortskirche“, 66 I. Zizioulas, Die Eucharistie, 172.

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russische Emigration nach Griechenland und Rumänien und Serbien hinüb ergewirkt, während die Ausbildung an den geistlichen Lehran­ stalten der Russischen Orthodoxen Kirche in einigen ihrer Vertreter zur Schultheologie zurückgekehrt ist. Offenbar sind der völlige Man­ gel an wissenschaftlichen Arbeitsmöglichkeiten in der der Revolution folgenden Ara und die nur beschränkte Wiederermöglichung wissen­ schaftlicher Theologie nach dem Zweiten Weltkrieg verantwortlich für eine teilweise Rückwendung zu einer leichter in Sätze zu fassenden und damit leichter erlern- und vermittelbaren Theologie. Wenn dieser Zu­ sammenhang richtig gesehen ist, dann ist auch die Durchsetzung einer verschulten, von der kirchlichen Erfahrung gelösten Theologie in der dem Fall von Byzanz nachfolgenden Epoche der Unterdrückung der Orthodoxie in fast allen Ländern hauptsächlich durch äußere Um­ stände bedingt gewesen. Das würde es dann auch erklären, weshalb sich die russische Theologie zwar spät genug, aber doch als erste auf die orthodoxen Grundlagen zurückbesonnen hat. Sie hatte sich ja eine Zeitlang als einzige fast völliger Unabhängigkeit erfreut. Und soweit sie abhängig war, war sie es wenigstens von einem Staat, der ihrem A n­ sehen zwar oft genug schadete, der ihr aber doch grundsätzlich freund­ lich gesonnen war und sich selbst orthodox gab und verstand. Die orthodoxe Theologie, soweit sie an den geistlichen Ausbildungs­ stätten der einzelnen orthodoxen Kirchen gelehrt wird, kann auf die Einteilung ihres Gegenstandes in einzelne theologische Disziplinen nicht verzichten. Einen solchen Aufbau nach Disziplinen weist z. B. das Verzeichnis zur Zeitschrift >Bogoslovskij Vestnik< (Theologischer Bote) der Moskauer Geistlichen Akademie für die Jahre 1902 bis 191167 auf, Hier finden sich folgende Gruppierungen: 1. Hl. Schrift, 2 . Patrologie, 3. Fundamentaltheologie und Christliche Apologetik, 4. D og­ matische Theologie, 5. Vergleichende Theologie (Konfessionskunde), 6 . Moraltheologie, 7. Liturgik und kirchliche Archäologie, 8 . Homiletik, 9. Pastoraltheologie, 10. Kirchenrecht und allgemeines Recht, 11. Philo­ sophie und Psychologie, 12 . Pädagogik, 13. Rhetorik und Literatur­ geschichte, 14. Biblische Geschichte und [biblische] Archäologie, 15. All­ gemeine Kirchengeschichte, 16. Allgemeine Profangeschichte, 17. Ge­ schichte der Russischen Orthodoxen Kirche, 18. Geschichte und Ent­ larvung der russischen Abspaltung (d. h. des Altgläubigentums) und des Sektentums, 19. Russische Profangeschichte, 20. Philologie .68 67 Ukazatel’ (s. Literaturverzeichnis). 08 Ähnliche Differenzierungen finden sich in N . N, Glubokovskijs Buch über die >Russische Theologische Wissenschaft«,

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Die Zeitschriften der anderen orthodoxen Kirchen und die seit 1944 regelmäßig erscheinende Zeitschrift des Moskauer Patriarchats< sind wesentlich weniger stark in Disziplinen differenziert, ja enthalten z. T. neben Rubriken für kirchliche Berichterstattung u. ä. nur eine einzige theologische Abteilung. Dies entspricht dann freilich in der Regel eher aktueller Notlage als bewußter Entscheidung. Und dennoch gilt allge­ mein: Ungeachtet ihrer Möglichkeit auch zu feinster Differenzie­ rung 69 ist die orthodoxe Theologie insgesamt mehr am Ganzen als am Einzelnen interessiert —mit allen positiven und negativen Konsequen­ zen dieser Haltung, In recht emdrücklicher Weise zeigt sich diese Grundtendenz an einem Aufsatz, in dem Veselin Kesich, Professor für Neues Testament am St. Vladimir’s Seminary, New York, die verschie­ denen exegetischen Methoden gewürdigt hat - dies in der „Überzeu­ gung, daß die Kirche von Anbeginn der Bibelkritik verpflichtet war“ und daß „solche Kritik zur Tradition der Kirche gehört“ .70 Es ist bezeichnend, daß hier der formgeschichtlichen Methode, die die G e­ meinschaft der Kirche formbildend und tradierend am Werk zeigt, die besondere Aufmerksamkeit Kesichs gilt, während die stärker an der Person des einzelnen Evangelisten interessierte Redaktionsgeschichte ihn wenig zu fesseln vermag. Das positive Verhältnis Kesichs zur formgeschichtlichen im Unter­ schied zur redaktionsgeschichtlichen Methode zeigt deutlich, daß die Bevorzugung des Ausgangs beim Ganzen und bei umfassenden Frage­ stellungen mit dem Prinzip der „Kirchlichkeit“ zusammenhängt. Bei allen Detailinteressen ist Ziel der theologischen Arbeit die Formulie­ rung und Reflexion der Lehre der Kirche, nicht beispielsweise die Ent­ deckung der persönlichen „Theologie“ eines christlichen Denkers. Im Dialog zwischen Orthodoxie und Protestantismus führt dieser unterschiedliche Ansatz im Denken gelegentlich zu Schwierigkeiten. Protestantische Theologen vermögen im Unterschied zu orthodoxen leichter zu differenzieren zwischen dem Denken verschiedener Väter oder auch eines einzelnen Kirchenvaters in je unterschiedlichen Epo­ chen der Entwicklung ,seiner Theologie' oder auch zwischen der je un­ terschiedlichen Theologie des Matthäus, Markus, Lukas oder Johan­ nes. Dagegen werden sie zuweilen unsicher, wenn die Frage nach dem gestellt wird, worin sie möglicherweise auch bei unterschiedlichen theologischen Ansätzen übereinstimmen oder wenn gar die Frage nach 69 Vgl. auch Claire Louise Claus, Die religiöse und theologische Bildungsarbeit. 70 Veselin Kesich, Research, 28,

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einer verpflichtenden kirchlichen Norm gestellt wird. Während diese Schwierigkeit für orthodoxe Theologen nicht besteht, trifft man bei ihnen oft auf eine gewisse Unfähigkeit in der Differenzierung. So wird denn etwa die Darstellung der Lehre eines bestimmten Vaters zuweilen unter der Hand zu einer wenig differenzierten Darstellung der Lehre der Vater allgemein, ohne die Fähigkeit oder Bereitschaft zur Heraus­ arbeitung des je eigenen denkerischen Ansatzes eines Kirchenvaters oder gar einer Epoche seines Denkens. Dieses vorwiegende Interesse am Ganzen ist der Differenzierung in einzelne Disziplinen zwar nicht im Weg gestanden und hat vor allem im Rußland des 19. und des beginnenden 2 0 .Jh. das Entstehen einer hochrangigen kirchengeschichtlichen Forschung und insonderheit einer weithin anerkannten, aber immer noch nicht genügend gewürdig­ ten Patristik mit wertvollen Einzelstudien nicht behindert. Aber die mehr vom Ganzen ausgehende systematische Fragestellung ist doch insgesamt bezeichnend geblieben. Umfassende Fragestellungen cha­ rakterisieren heute die orthodoxe Theologie vorrangig. Das bestätigt mich in meiner Entscheidung, bei der Einführung in die orthodoxe Theologie vornehmlich in deren Grundfragen, nicht in deren Fach­ disziplinen und EinzellÖsungen Einblick zu verschaffen. Wenn vor allem die neuorthodoxe Theologie ihren Ausgang wieder bei der Erfahrung und dem Erfahrbaren nimmt und in weitreichendem Konsens ein ursprünglich ganzheitliches, auch die Erfahrung, sogar auch das Gefühl einbeziehendes Denken dem westlich-zerghedernden entgegensetzt, zuweilen dann auch das „Herz“ als die Mitte der Person gegenüber dem „Kopf“ betont, so muß man sich hier vor Mißverständ­ nissen hüten. Ganzheitliches Denken ist D en ken und nicht Gefühl, Abgewehrt wird nicht der Intellekt, sondern ein einseitiger Intellek­ tualismus, Es gibt eine in römisch-katholischen, aber auch in prote­ stantischen grundsätzlich orthodoxiefreundlichen Kreisen verbreitete unterschwellige Tendenz, orthodoxe Meditation und orthodoxes geist­ liches Schrifttum zwar als Bereicherung zu empfinden und zu preisen, das eigentliche theologische Denken des Ostens aber außer acht zu las­ sen. So kann man sich als Protestant z. B. in seiner Sakraments- und Amtslehre von orthodoxem Denken völlig unberührt lassen, aber sich gleichzeitig für die seelsorgerliche Weisheit etwa der >Aufrichtigen E r­ zählungen eines russischen Pilgers Prostrannyj Christianskij katichizis: O Svjascennom Predanii i Svjascennom Pisanii (Ausführlicher Christlicher Katechismus: Von der Hl. Tradition und der Hl. Schrift). 81 G. Florovsky, Bible, 48.

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IL Vaticanums vorgreift und die Möglichkeit historisch-kritischer Ex­ egese freiläßt. „‘Inspiration’ schließt menschliche Inspiration mit ein, die durch eine besondere göttliche Herabkunft des Geistes Gottes er­ leuchtet wird, so daß sie auch zur Einbeziehung göttlicher Inspiration gelangen kann.“ Inspiration ist „ein Zusammentreffen von G ott und Mensch“. Im Augenblick der Inspiration „ist der Mensch durchaus nicht passiv. Im Gegenteil: er ist höchst aktiv, er erfährt die stärkste Anspannung sowohl in seinem Menschsein, als auch in seiner Indivi­ dualität und persönlichen Geistigkeit.“ 82 Ist Inspiration aber höchste Anspannung des menschlichen Geistes durch den H l. Geist, dann hat die H l. Schrift auch eine menschliche Seite, die auch menschlichen Irr­ tum nicht ausschließt. Es ist ziemlich sicher, daß Sergij Bulgakov diese Konsequenzen selbst gesehen hat, denn zweifellos hat er selbst histo­ risch-kritisch gearbeitet, 83 So vertritt die orthodoxe Theologie zwar insgesamt ein optimisti­ sches Traditionsverständnis, getragen von der Überzeugung der grund­ sätzlichen Unfehlbarkeit der Kirche - nicht im Sinne einer unfehlbaren Institution, wohl aber im Sinne dessen, daß sich Häresien und Irrtümer in der Kirche zwar zeitweilig ihren Platz schaffen können, auf die Dauer aber nicht durchzusetzen vermögen. Aber die Überzeugung von dem zwar gottgewirkten, aber zugleich durch und durch menschli­ chen Akt der Inspiration schließt doch nicht aus, menschliche Be­ grenztheit und Bedingtheit wahrzunehmen. Das läßt dann auch Raum für eine in der Regel freilich überwiegend maßvolle historische Kritik. Sie begann zunächst bei der geschichtlichen Überlieferung und der li­ turgischen Tradition. Wenn aber John Meyendorff während einer Kon­ ferenz orthodoxer und vorchalkedonischer altorientalischer Kirchen in Genf 1970 vor einem „konziliaren Fundamentalismus“ gewarnt hat, 84 dann hat dem damals niemand widersprochen, „Fundamentalismus“ ist der orthodoxen Tradition ebenso fremd wie Hyperkritik. Das gilt für die Konzilien genauso wie für die Hl. Schrift. Insgesamt ist das Verhältnis zur historisch-kritischen Beschäftigung mit der Hl. Schrift im Gesamtbereich der Orthodoxie ungeklärt geblie­ ben. So hat ja z, B, auch Sergij Bulgakov die möglichen und wahr­ scheinlichen Konsequenzen seiner Inspirationslehre in Richtung auf historische Kritik nicht expressis verbis zu ziehen gewagt. Die zaghaf­ ten Versuche der russischen Theologie zu historisch-kritischer Exegese 82 S. Bulgakow, Dialog zwischen Gott und Mensch, 31 f. 83 Siehe u. Kap. 8.4. 84 G O TR 1971/1-2, 34,

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vor 1917 sind insgesamt unreflektiert geblieben, Und die folgende vor­ sichtige Öffnung für historisch-kritisches Denken ist dann, aufs Ganze gesehen, auf den orthodoxen Westen beschränkt geblieben, im Osten selbst dagegen weder rezipiert noch grundsätzlich bestritten worden. Fraglos bestehen für eine mehr am Lobpreis mit seiner Tendenz zur Hyperbolik orientierten Denkweise Schwierigkeiten dazu, den: Weg der Suche nach dem historisch gesicherten Minimum zu beschreiten. Doch hier bestehen Schwierigkeiten, kein grundsätzliches Hindernis. Die schon erwähnten Ausführungen des serbisch-amerikanischen Theologen Veselin Kesich 85 lassen das erkennen. Für diese Darstellung spielt die Frage nach der Zulässigkeit kriti­ scher Methoden eine unterschiedliche Rolle. Für die Ungeklärtheit der Beziehung zu historisch-kritischen Methoden ist die Haltung Sergij Bulgakovs bezeichnend, der einerseits selbst kritische Methoden aner­ kannte und sich ihnen an anderen Stellen aber energisch verweigerte, ohne die Unterschiedlichkeit seines Vorgehens ausdrücklich zu be­ gründen . 86 Literatur.· Amvrosij [Kljucarev], Polnoe Sobranie Propovedej Vysokopreosvjascennejsago Archiepiskopa Amvrosija byvsago Cliar’kovskago - s prilozeniiami [Vollständige Sammlung der Predigten des Höchstgeweihten Amvrosij, weiland von Charikov - mit Beilagen], T. 2, Char’kov 1902. Bulgakow, Sergij, Dialog zwischen Gott und Mensch. Ein Beitrag zum christlichen Offenba­ rungsbegriff, Marburg 1961. Claus, Claire Louise, Die religiöse und theologi­ sche Bildungsarbeit der Russischen Orthodoxen Kirche, in: Robert Stupperich (Hrsg.), Die Russische Orthodoxe Kirche in Lehre und Leben, Witten 1966, 167-185. Evdokim ov, Paul, Christus im russischen Denken. Übers, von H, Blersch, Trier 1977 = Sophia 12. Federer, Karl, Art,: Lex orandi - lex credendi, in: LThK2 6, 1001 f. Fehny, K arl Christian, Die Auseinandersetzung mit der westlichen Theologie m den russischen theologischen Zeitschriften zu Beginn des 20. Jh ., in: ZKG 94/1983/1-2, 6 6 -82. Ders,, Die Deutung der Göttlichen Liturgie in der russischen Theologie, Wege und Wandlungen russischer Litur­ gie-Auslegung, Berlin-New York 1984 = AKG 54. Ders., Heils geschickte und eschatologische Fülle im orthodoxen Gottesdienst. Das Verhältnis von eucharistischem Gottesdienst und Tagzeiten in der östlich-orthodoxen Kirche = JLH 1980, 1-22. Ders., Die orthodoxe Theologie in kritischer Selbstdarsteüung, in: KO 28, 1985, 53-79. D en., Predigt im orthodoxen Rußland, Untersuchungen 85 Siehe o. S. 15, 86 Interessant ist die Berücksichtigung historischer Forschungsergebnisse bei der Behandlung der Frage nach dem Priestertum (Kap. 8.4) durch Sergij Buigakov verglichen mit seiner Verweigerung einer Rezeption historischer Kri­ tik bei der Lehre von der Gottesmutter (Kap. 4.3).

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zu Inhalt und Eigenart der russischen Predigt in der zweiten Hälfte des 19, Jh,, Göttingeil 1972 = KO,M 11, D en ., „Was unterscheidet diese Nacht von allen anderen Nächten?“ Die Funktion des Stiftungsberichtes in der urchristlichen Eucharistiefeier nach Didache 9f. und dem Zeugnis Justins, in: JL H 27/1983, 1-5. Florenskijt Pavel, Stolp I utverzdenie istiny, Opyt pravoslavnoj feodicel v dvenadcati pis’mach [Die Säule und Grundfeste der Wahrheit, Versuch einer orthodoxen Theodizee In zwölf Briefen], Moskau 1914, Photomechan, Nach­ druck: Wesrmead, Farnsborough, Hants 1970. [Ders.], Florenskij, Paul, Der Pfeiler und die Grundfeste der Wahrheit, in: Östliches Christentum, Doku­ mente. Hrsg, von N, v, Bubnoff und H. Ehren berg, II, Philosophie, München 1925, 28-193. Florovskij, Georgij, Puti Russkago Bogoslovija [Die Wege der russischen Theologie], Paris 1937,21981 - engl: Ways of Russian Theology = G. Florovsky (Collected Works [s. Einführende Literatur], Bd. 5 und 6). D en ., Florovsky, Georges, Bible, Church, Tradition. An Eastern Orthodox View = G. Florovsky, collected Works (s. Einführende Literatur) I. Glubokovskij, N, Ah, Russkaja Bogoslovskaja Nauka v eja istoriceskom razvmi i novejsem sostojami [Die russische theologische Wissenschaft in ihrer historischen Entwicklung und in ihrem neuesten Stand], Warschau 1928. G nedic, Petr, Russkaja bogo­ slovskaja literatura o dogmate iskuplenlja v period s 1893 po 1944 god [Die russische theologische Literatur über das Dogma der Erlösung von 1893-1944], in: ZMP 1962/8, 68-72, George, Martin, In der Kirche leben. Eine Gegenüber­ stellung der Ekklesiologie Wilhelm Löhes und A. Chomjakovs, in: KD 31/ 1985/3, 212-248. Ders., Mystische und religiöse Erfahrung im Denken Vladi­ mir Solov’evs, Göttingen 1988 = FSÖTh 54, Hauptmann, Peter, Johann von Kronstadt - „Der große Hirte des russischen Landes“, in: KO 3/1960, 33-71. Ders,, Petrus Mogilas (1596-1646), in: Klassiker der Theologie, 1. Bd. Von Ire­ naus bis Martin Luther. Hrsg, von H. Fries und G. Kretschmar, München 1981, 378-391. Innokentij (Prosvirnin), Archim., O tvorceskom puti svjascennika Pavla Florenskogo [Vom schöpferischen Weg des Priesters Pavel Floren­ skij], in: ZMP 1982/4, 65 -76. Ivanov, Vladimir, Die Lehre von der Heiligen Dreieinigkeit in der russischen Theologie, in: R. Thole; I, Friedeberg, Philoxenia, Bd. Π. Begegnung mit der Spiritualität orthodoxer Kirchen, Fürth 1986, 7 9 - 84. Karmins, loannis I, 11, Ιωάννης Καρμίρης, Τα δογματικά και συμ­ βολικά μνημεία τής ’Ορθοδόξου καθολικής εκκλησίας: Έ κδ ο οις δεύτερα έπηυξημένη [Die dogmatischen und symbolischen Denkmäler der Ortho­ doxen Katholischen Kirche. Zweite vermehrte Auflage], T. I und Π, Graz 1968. Ke sich, Veselin, Research and Prejudice, in: SVTQ 14/1970/1-2, 2 8 -4 7 . Köstlin, Julius, Martin Luther. Sein Leben und seine Schriften. 5. neubearb. Aufl. nach des Verf. Tode fortgesetzt von D. Gustav Kawerau, 2, Bd., Berlin 1903. Lossky, Vladimir, Die mystische Theologie der morgenländischen Kirche, Übers, von Mirjam Prager OSB, G raz-W ien-Köln 1961 = GLOK 1. Lossky, Wladimir, Schau Gottes, Zürich 1964 = BO TK 2, Schmemann, Alexander, Rus­ sian Theology: 1920-1972, An Introductory Survey = SVTQ 16/1972/4, 172194, Schulz, Hans-Joachim, Ökumenische Glaubenseinheit aus eucharlsrischer Überlieferung, Paderborn 1976 = KKTS 39, Stäniloae, Dum itnt, Teologia

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2 . „Das Sehen im Nicht-Sehen1 “*

Apophatische Theologie In der Apsîskonche der Kirche des Katharinenklosters auf dem Berg Sinai befindet sich ein Mosaik aus dem 6 . Jahrhundert, das die Verklä­ rung Christi auf dem Berg Tabor zeigt. 1 Christus, angetan mit einem weißen Gewand, schwebt in der Mitte des Bildes in einer Mandorla über der Erde. Zu seinen Füßen stürzen die jünger Petrus, Jakobus und Johannes zu Boden; von den Seiten her erscheinen Mose und Elia. Auffällig ist, daß die Mandorla, in der Christus steht, nach innen kon­ zentrisch immer dunkler wird und nach außen immer mehr an Licht gewinnt. Das wird sich bei fast allen Ikonen der Verklärung und der Auferstehung Christi wiederholen: Das Licht, das von Christus aus­ geht und ihn umgibt, ist in seiner Mitte nicht hell, sondern dunkel. Ganz anders, mehr unserer natürlichen Erfahrung entsprechend, ist es auf westlichen Darstellungen wie etwa dem Auferstehungsbüd des Isenheimer Altars. Hier verliert das Licht, das den auferstandenen Christus umgibt, von innen nach außen an Kraft, um am äußersten Rand in den dunklen Nachthimmel zu zerfließen. Auf der östlichen Verklärungsikone herrscht im Zentrum des Verklä­ rungslichtes das Dunkel. Es verweist auf die absolute Unerkennbarkeit des Wesens Gottes . 3 Die Überzeugung von der Unerkennbarkeit des Wesens Gottes ist nach orthodoxer Auffassung der Grund für die Be­ vorzugung negativer Epitheta bei der Bestimmung dogmatischer Öpoi, ‘Definitionen’ im eigentlichen Sinne. So sind z .B . nach Vladimir Losskij die a-privativa, die Verneinungen der Formel von Chalkedon douYXÜxœg, dxQÉJtxtüç, àÔiaipéxiüç, àxcügiaxœç (unvermischt, unver­ ändert, ungetrennt, ungeteilt) zu deuten .3 Eines der schönsten patrisrischen Zeugnisse für die Überzeugung von der Unerkennbarkeit des Wesens Gottes ist die Schrift >De Vita Moysis< des hl. Gregor von Nyssa, die Vladimir Losskij und Dumitru Stäniloae ausführlich zitieren und die die orthodoxe Theologie damit * [Gregor von Nyssa] Grégoire de Nysse, La vie de Moise, 92, 1 John Galey, Abb. 120-125. 2 Konrad Onasch, Ikonen, 364 (Nr. 38). 3 V. Lossky, Die mystische Theologie, 181.

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auch heute noch prägt.4* Im folgenden sei einer der wichtigsten A b­ schnitte dieser Schrift wiedergegeben: Was aber bedeutet es, daß Mose in das Dunkel gelangte und so in ihm Gott sah? Was nämlich an dieser Stelle berichtet wird, scheint jener ersten Gotteser­ scheinung zu widersprechen.3 Damals erschien das Göttliche im Licht, mm aber im Dunkel. Doch meinen wir nicht, daß dies sich nicht In die Reihe unse­ rer Beobachtungen einfügt. Die Erzählung lehrt uns hierdurch, daß die reli­ giöse Erkenntnis zunächst für die, denen sie zuteil wird, Licht ist. Dagegen ist der Gegensatz zur religiösen Erkenntnis Finsternis. Die Abwendung der Fin­ sternis geschieht durch die Teilhabe am Licht, Je mehr nun der Geist voran­ schreitet, durch immer größere und vollkommenere Aufmerksamkeit zur Er­ kenntnis des Seienden6 gelangt und der Anschauung immer näher kommt, um so mehr sieht er, daß die göttliche Natur unsichtbar ist. Demi wenn er alle Er­ scheinung verlassen hat, nicht nur, was die sinnliche Wahrnehmung faßt, son­ dern auch, was der Geist zu sehen meint, dringt er immer tiefer ins Innere, bis er unter großer geistiger Anstrengung zum Unsichtbaren, Unfaßbaren gelangt und dort dann Gott sieht. Denn darin liegt die eigentliche Erkenntnis des Ge­ suchten und darin das Sehen im Nicht-Sehen, daß das Gesuchte alle Erkenntnis übersteigt, wie durch Finsternis durch seine Unbegreiflichkeit auf allen Seiten abgeschlossen. Deshalb, sagt der erhabene Johannes, der in diese lichte Finster­ nis eindrang: „Niemand hat Gott je gesehen“ 7; mit dieser Verneinung stellte er fest, daß nicht nur für die Menschen, sondern für jede geistige Natur die Er­ kenntnis des Wesens Gottes unerreichbar sei. Als Mose nun an Erkenntnis wuchs, bekannte er, daß er Gott im Dunkel gesehen, d. h. daß er erkannt habe, daß dies das der Natur nach Göttliche ist, was alles Erkennen und Begreifen übersteigt. „Mose ging ein in das Dunkel, —heißt es nämlich - in dem Gott war.“ Welcher Gott? „Der sich in Finsternis verbarg“,8 wie David sagt [. , ,].9

Gregor von Myssa lehrt die Unsichtbarkeit der göttlichen Natur, die Nichterkenntnis Gottes und Unbegreiflichkeit Seines Wesens, Aber es geht Gregor nicht einfach um das Nicht-Sehen, sondern um „das Sehen im Nichts eben“ darum, daß der Mystiker, als dessen Urbild 4 V. Lossky, Die mystische Theologie, 46f.; D. Stämloae, Teologia I, 125 ff,; ders., Orthodoxe Dogmatik I, 118ff. s Gregor legt hier Ex 33 aus und bezieht sich dabei auf die erste Gottesvision von Ex 3. 6 Vgl. die Erklärung des Gottesnamens Jahwe in der Septuaginta als „der Sei­ ende“, 6 (Sv (Ex 3, 14). 7 Joh 1,18. 8 Ps 17/18, 12. 9 [Gregor von Nyssa] Grégoire de Nysse, La Vle de Moise, 210-212, dt. Übersetzung: Gregor von Nyssa, Der Aufstieg des Moses, 91 f. - Die Überset­ zung wurde benutzt, aber am Original überprüft und z. T, abgeändert.

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Gregor Mose zeichnet, „zum Unsichtbaren, Unfaßbaren gelangt und dort dann G ott sieht“ , 10 Dieses spannungsreiche, paradoxe Verhältnis von Erkennen und Nicht-Erkennen, von Licht und Finsternis will auch die orthodoxe Verklärungsikone ausdrücken. Zwar nicht auf allen Dar­ stellungen der Verklärung, aber schon auf dem erwähnten Sinai-Mosaik, auf der hier abgebildeten Novgoroder Verklärungsikone aus dem 15, Jahrhundert 11 und auf vielen weiteren Verklärungsbildern schießen aus dem dunklen Zentrum helle Lichtstrahlen hervor. Auf dem SinaiMosaik treffen sie in breiten Bändern auf die Propheten des Alten und die Jünger des Neuen Testaments. Auf der Novgoroder Ikone leuchten goldene Strahlen aus dem Dunkel hervor, und drei breite Lichtpfeile treffen auf die zu Boden geschleuderten Jünger. In der Novgoroder Verklärungsikone aus dem 15. Jahrhundert dürfen die Propheten Mose und Elia sogar in die Aureole eintreten. Deutlicher wird dieser Zug noch in der traditionellen Anastasis-Ikone, Christus bricht in das Reich des Todes ein, tritt auf die zerstörten Hadespforten und reißt Adam und Eva und mit ihnen die Menschheit aus dem Grab zu sich in die innen dunkle Aureole oder Mandorla und gibt ihnen so Anteil an Seiner Herrlichkeit, 12 Das Sinai-Bild wurde Jahrhunderte vor einem Streit gefertigt, der die orthodoxe Kirche in Byzanz im 14. Jahrhundert erschütterte; die fast tausend Jahre jüngere Novgoroder Ikone ist von ihm bereits ge­ prägt. Die Rede ist von dem sog, Hesychastischen Streit, der sich an der Deutung des Lichtes der Verklärung auf dem Berg Tabor entzün­ dete. Athosmönche sahen in der Schau des Taborlichtes, die ihnen in der Ruhe (Isichia-Hesychia) des meditativen Gebetes gewährt wurde, :das Ziel ihres Gebetes, das vor allem in der ständig wiederholten Anru­ fung des Jesus-Namens bestand. Das Licht, das sie in der mystischen Lichtschau sahen, meinten sie, sei ungeschaffen, leuchte aus Gott selbst hervor. 13 Der aus Kalabrien stammende Grieche Varlaam 14 be:10 Siehe o. im Zitat aus Grégoire de Nysse, La Vie de Moïse, 210. 1! Siehe Abb, 1, 12 Siehe Abb, 2; s. a, unten Kap. 6. ° Jean Meyendorff, Introduction à l’étude de Grégoire Palamas; Vladimir Lossky, Die mystische Theologie, bes. 276ff. ; Klaus Wessel, Dogma, bes. 374393; Dorothea Wendebourg, Geist oder Energie, vgl. Rez. in KO 25/1982, 193-206 .(Fairy v, Lilienfeld); Rez, in: OstkSt 1984/4, 339f, (Peter Flank); Gerhard Richter, Gnade als Topos der Theologie des Gregorios Palamas; Fairy v. Lilienfeld, Art.: Hesychasmus, in: TRE 15, 282-289; bes. wichtig auch: Gerhard Richter, Ansätze und Motive für die Lehre des Gregorios Palamas von den göttlichen Energien, 14 FranzTmnefeld, Art.: Barlaam von Calabrien.

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stritt die Anschauungen der „Hesychasten“ und behauptete demgegen­ über die absolute Transzendenz Gottes. Das Taborlicht sei geschaffe­ nes Licht; anders wäre es G ott selbst, und dann wäre es unsichtbar. Ihm gegenüber suchte Grigorios Palamas (1296-1358), später Erzbi­ schof von Thessaloniki, in Aufnahme von Linien der orthodoxen Theo­ logie, die von den großen Kappadokiern, besonders von Basilius d. Gr. (3 2 9 -3 7 9 ), über Pseudo-Dionysios Areopagita zu Symeon dem Neuen Theologen (ca. 949-1022) geführt hatten, die Schau des Taborlichtes in der hesychastischen Gebetspraxis zu verteidigen und zwei paradoxe Erfahrungen auszusagen. Die eine: Gott ist der Ganz-Andere, Transzendente, absolut Unerkennbare, vor dem selbst die Serafim ihr Antlitz verdecken und den auch sie nicht in Seiner Tiefe erkennen. Von dieser Unerkennbarkeit des Wesens Gottes spricht der Apostel Johan­ nes, wenn er sagt: ,Niemand hat Gott jemals gesehen* (1 Joh 4, 12). Die andere Erfahrung ist die: Dieser absolut Transzendente, Ganz-An­ dere, Unbegreifliche gibt sich zu erkennen, so daß derselbe Apostel J o ­ hannes sagen kann: „Wir werden Ihn sehen, wie Er ist" (1 Joh 3, 2 ) . 15 Er ermöglicht wirkliche Teilhabe an Seinem Leben und gewährt dabei nicht nur ein Etwas, sondern Sich selbst. Indem Er in Seinem Handeln anwesend ist, „kann er auch darin erkannt werden, und zwar als Gan­ zer ( 0 X0 5 ), nicht zum Teil, als bleibe gleichsam noch ein Stück von ihm dahinter zurück (dpeprög) “ . 16 In Aufnahme der Lehren der großen Kappadokier Basilius des G ro­ ßen, Gregor von Nazianz und Gregor von Nyssa sowie auch in Anleh­ nung an Symeon den Neuen Theologen unterscheidet Grigorios Palamas zwischen dem unerkennbaren Wesen, der ovoia Gottes und den von Ihm ausgehenden, real von der onata Gottes zu unterscheidenden Energien, den svEQyeiat. Um deutlich zu machen, daß die Energien zu G ott, nicht auf die Seite der Schöpfung gehören, hat Palamas die Energie gelegentlich auch - wenig glücklich - als „Gottheit“ (üeoxrjc;) bezeichnet. 17 Dennoch sind die Energien nicht als von Gottes Wesen getrennt zu denken, „als wären sie ein Eigenes“ . 18 Die reale Unterschei­ dung in G ott zwischen Wesen und Energien vergleicht Grigorios Pala­ mas mit der Unterscheidung zwischen der Sonne und ihren Strahlen. Sonne und Strahlen sind unterscheidbar, aber nicht zu trennen. Die Strahlen gehen von der Sonne aus, sind aber nichts Zusätzliches zu ihr. 15 16 17 18

V. Lossky, Schau Gottes, 9; vgl. A. Jevtic, Razvoj, 81. D. Wendebourg, Geist oder Energie, 34. G. Richter, Ansätze, 287f. G. Richter, Ansätze, 293.

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Die Lehre des hl, Grigorios Palamas mit der Unterscheidung von Wesen und Energien in G ott stößt sich an dem auch von Grigorios Pa­ lamas anerkannten Axiom der Einfachheit G ottes . 19 Gott ist einfach in dem Sinne, daß Er nicht zusammengesetzt ist wie z. B. der Mensch, der aus Leib und Seele besteht. Grigorios Palamas hat die Schwierigkei­ ten, die sich für ein an der Einfachheit Gottes orientiertes Denken er­ gaben, in Kauf genommen, um Erfahrungen aussagen zu können. Daß es ihm um die Reflexion von Erfahrungen, nicht um Spekulationen, ging, zeigt sich auch darin, daß - anders als bei seinem Gegner Varlaam, bei dem der intellektuelle Aspekt vorherrscht - „erst mit der Fixierung auf die dogmatische Verteidigung der hesychastischen Gottes­ schau“ die theologische Konzeption des Palamas „jenes Maß an reflek­ tierter Folgerichtigkeit und methodischer Konsistenz“ gewann, das Gerhard Podskalsky zufolge „den frühen Schriften oft abgeht“ .20 : Für das in dieser Darstellung vorgetragene Verständnis der orthodo­ xen Theologie ist wichtig, daß auch für die apophatische Theologie und die Lehre von der Erkennbarkeit und Erfahrbarkeit Gottes in der speziellen Ausprägung des Grigorios Palamas der Ansatzpunkt in der Erfahrung liegt, 21 in der Erfahrung der absoluten Transzendenz G ot­ tes, in der Erfahrung, daß mit wachsender Gotteserkenntnis auch die Erkenntnis der absoluten Unbegreiflichkeit Gottes wächst22 und der gleichzeitigen Erfahrung, daß es dennoch reale, wachsende Gotteser­ kenntnis gibt. So reflektierte Grigorios Palamas die Erfahrung aller Mystiker, daß G ott auch und gerade da, wo Er dem Menschen begeg­ net, wo Er real erfahrbar ist, nicht begriffen wird, sondern unergründ­ lich bleibt, Gottesgemeinschaft ist immer auch Erfahrung Seiner Fremdheit, Unergründlichkeit und Unverfügbarkeit, Die Unterschei­ dung zwischen Wesen und Energien Gottes hat „ermöglicht, von der Mitteilung Gottes an die Menschen zu sprechen, ohne daß sein Wesen in der Welt aufgeht, und sei es nur in den Gläubigen“ 23, Gotteserfahrung ist für Grigorios Palamas und die von ihm geprägte Theologie Erfahrung aufgrund von Gemeinschaft. Gemeinschaft mit 19 Vgl. V. Lossky, Schau Gottes, 125; Ch. Yamiaras, Person, 70; zum folgen­ den vgl. V. Lossky, Die mystische Theologie, bes. 87ff.; Ch. Yannaras, Person, 70. ' 30 Gerhard Podskalsky, Theologie und Philosophie in Byzanz, 150. 31 Sehr schön wurde dies herausgearbeitet von Günter Blum, Oikonomia und Theologia, bes. S. 291. 22 D. Stäniloae, Teologia Dogmaticä Ortodoxä I, 125; Orthodoxe Dogmatik I, 119. 23 G. Richter, Ansätze, 293.

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Gott besteht für Palamas im „Einwohnen Gottes im Menschen“, das in der orthodoxen Tradition als Vergöttlichung bezeichnet wird. „Durch diese Vergottung des Menschen, durch sein Einswerden mit Christus wird der Christ in die Lage versetzt, die Transzendenz Gottes zu sehen, denn er ist ja so mit Gott vereint, daß in ihm G ott sieht.“ 24 D . h, G ott, der dem Menschen, mit dem Er in Gemeinschaft tritt, inne­ wohnt, sieht „im Taborlicht sich selbst, seine eigene Energeia, und der Mensch hat ganz daran Anteil. Alles ist also Handeln Gottes am Men­ schen und im Menschen, Dabei liegt ein starker Akzent auf den Sakra­ menten der Taufe und der Eucharistie, die Palamas ganz im paulinischen Sinn als Mittel des Einswerdens mit Christus versteht. “ 25 An dieser Stelle wird deutlich, daß die Lehre der Gotteserkenntnis bei Grigorios Palamas gleichzeitig auch Gnadenlehre ist. Für Varlaam ist alles, was nicht G ott Selber in Seinem Wesen ist, Schöpfung. So ist für ihn auch die Gnade gratia creata. Für Grigorios Palamas dagegen ist die Gnade weder G ott Selbst in Seinem Wesen noch Geschöpf, son­ dern ενέργεια Gottes, identisch mit Seinem Licht, göttlich, aber nicht Gottes Wesen. Sie ermöglicht darum auch Teilhabe an Ihm, ohne Gott verfügbar zu machen. Die Lehre des Grigorios Palamas wurde auf Synoden, die 1341 und 1351 in Konstantinopel stattfanden, rezipiert; seine Gegner wurden verurteilt. Auf einer 1368 einberufenen Synode wurde Grigorios Pala­ mas kanonisiert. Die Konstantmopler Synoden des 14. Jahrhunderts haben zwar nicht den Rang von ökumenischen Synoden. In der ortho­ doxen Theologie wird ihr Rang in aller Regel jedoch sehr hoch einge­ schätzt, Zwar hat der serbische Theologe Dimitrije Dimitrijevic 26 un­ längst den Charakter dieser Synoden als Lokalsynoden herausgestellt und sich gegen die Bewertung des Palamismus als orthodox verpflich­ tender Lehre gewandt. Solche Stimmen sind jedoch als Einzelstimmen zu bewerten und spiegeln nicht die in der orthodoxen Kirche herr­ schende Auffassung wider. Das gilt so für die orthodoxe Theologie der Gegenwart. Die ortho­ doxe Schultheologie hatte dagegen zwar Aussagen des Pseudo-Dionysios Areopagita über die Unerkennbarkeit des Wesens Gottes wieder­ holt, ohne daß jedoch die apophatische Theologie des Areopagiten 24 K. Wessel, Dogma und Lehre, 384 mit bezug auf Gregor Palamas Triade II, 3, 52. 25 K. Wessel, Dogma und Lehre, 385. 26 Dimitrije Dimitrijevic, Bedenken gegen den Hesychasmus aus orthodoxer Sicht.

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oder gar in der ihr von Grigorios Palamas verliehenen Gestalt für sie prägend geworden wäre. So schrieb Metropolit Makarij (Bulgakov): „Ihre ganze Lehre über G ott beginnt die orthodoxe Kirche im Glau­ benssymbol mit dem Wort ,ich glaube', und das erste Dogma, das sie uns beibringen mochte, besteht im folgenden: ,G ott ist unfaßbar für den menschlichen Verstand, die Menschen können Gott nur teilweise erkennen, so weit, wie Er sich selbst für ihren Glauben und ihre Fröm ­ migkeit zu offenbaren geruht hat / ' 27 In einer Anmerkung dazu heißt es mit einem Zitat der Confessio Orthodoxa des Metropoliten Petr Mogila: „Was G ott im Wesen ist, das kann kein Geschöpf erkennen, nicht nur kein sichtbares, sondern auch kein unsichtbares, d. h. nicht einmal die Engel; denn es gibt überhaupt keinen Vergleich zwischen Schöpfer und Geschöpf / '28 Den kurzen Abschnitt über die Gottes­ erkenntnis beschließt Metropolit Makarij dann mit einem Zitat aus der Darlegung des orthodoxen Glaubens durch Johannes von Damaskus: „,Die Gottheit ist unsagbar und unbegreiflich/ Denn ,niemand kennt den Vater, denn nur der Sohn und niemand den Sohn, denn nur der Vater (Mt 11, 27). Auch der Heilige Geist kennt, was Gottes ist, gleich­ wie der Menschengeist weiß, was im Menschen ist (1 Kor 2 ,1 1 ). Außer dem ersten und seligen Wesen hat niemand Gott je erkannt, außer wenn Gott selbst sich jemand geoffenbart hat, niemand —nicht bloß von den Menschen, sondern sogar von den überweltlichen Mächten, von den Cherubim und Serafim/“ 29 : Es ist hier schon auffällig, daß zwar ein Grundanliegen der Theolo­ gie des Grigorios Palamas zur Sprache gekommen ist, jedoch weder sein Name erwähnt noch seine Terminologie gebraucht wurde. M etro­ polit Makarij schreibt zwar, G ott habe uns „alles geoffenbart, was uns zu wissen nützlich ist, und von allem geschwiegen, was wir nicht fas­ sen können“ 30. Aber während von der Unerkennbarkeit des Wesens Gottes gesprochen wird, fehlt das Wort „Energie“ hier vollständig. Ganz ähnlich verhält es sich in der Dogmatik von Christos Androutsos .31 Trotz ihrer inhaltlich ganz anderen Prägung erweist sich die >Orthodoxe Dogmatik< Dumitru Stämloaes in ihrem Aufbau als weit37 Makarij I, 66. 28 Makarij I, 66 mit Zitat der Conf. Orth. I, Antwort auf Fr. 8, 39 Makarij, 73f.; zit.: Johannes von Damaskus, De fide orthodoxa I, 1; vgl. N. Malinovskij, Pravoslavnoe Dogmaticeskoe Bogoslovie I, 77f. 30 Makarij I, 74. : 31 Ch. Androutsos, 33-35.

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gehend abhängig von dem Vorbild der orthodoxen Schultheologie, spe­ ziell der Dogmatik von Chris tos Androutsos, Das führt dazu, daß auch hier eine Darlegung der Energienlehre des Grigorios Palamas fehlt. Die Apophase dagegen betont Stäniloae sehr stark. In der zu­ nächst ganz konventionell erscheinenden Lehre von den Eigenschaften Gottes verweist Stäniloae bei jeder einzelnen üblicherweise G ott zuge­ schriebenen Eigenschaft wie Allmacht, Unendlichkeit, Ewigkeit, Güte darauf, daß G ott all diese Begriffe übersteigt, und daß es darum geht, zu „begreifen, daß es jenseits des immer neuen Reichtums, den wir er­ fassen, eine Quelle gibt, aus der dieser Reichtum fließt, und die nicht im Bereich unserer Erfahrung liegt"32. Ausgiebig zitiert Stäniloae die Väter, auf die sich auch Grigorios Palamas gestützt hat: Gregor von Nyssa, Dionysius Areopagita, Maximus Confessor, Symeon den Neuen Theologen. Der Name des Grigorios Palamas aber fehlt, obgleich seine Energienlehre mehrfach angedeutet wird und die Anklänge an Palamas über das Begriffliche hinausgehen.33 Mit einer wenig­ stens knappen Darstellung der Position des Grigorios Palamas hätte sich Stäniloae radikaler von seinen ‘neoscholastischen’ Vorgängern ge­ löst und zu einer Klärung seiner Position beigetragen. Das Anliegen des Palamas hat Stäniloae ja auch vertreten, wenn er darauf verwiesen hat, daß G ott auch in seiner Zuwendung zum Menschen immer der Ganz-Andere bleibt und man ihn deshalb auch nicht in enge Begriffe pressen kann .34 „Alle Dinge und die für ihre Bezeichnung entliehenen Worte sind" - so Stäniloae - „im Verhältnis zu den Werken Gottes und zur Person, aus denen diese Werke hervorgehen, nur Symbole“, die nach der Lehre des Areopagiten unter Umständen auch preisgegeben werden müs­ sen .35 Gotteserkenntnis ist so nie ein Zustand, bei dem man stehenblei­ ben darf, sondern nach vorn, auf weitere, tiefere Erkenntnis hin gerich­ tet. „Das heißt G ott wirklich erkennen: niemals des Wünschens satt werden, Ihn zu erkennen", sagt Stäniloae in Aufnahme eines Wortes des hl. Gregor von Nyssa . 36 Die Orthodoxe Dogmatik Dumitru Stäniloaes markiert den Über­ gang von der herkömmlichen Gleichgültigkeit gegenüber Grigorios 32 Rez. 33 34 35 36

D. Staniloae, Orthodoxe Dogmatik I, 117. - Zu Bd. 1 der dt. Fassung: s. in: KO 31/1988, 182-186 (K. Ch. Felmy). Vgl, z. B. D. Staniloae, Orthodoxe Dogmatik I, 117. D. Staniloae, Orthodoxe Dogmatik I, 123. D, Staniloae, Orthodoxe Dogmatik I, 121. D. Staniloae, Orthodoxe Dogmatik I, 123; Grégoire de Nysse, 266.

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Palamas zu einer neuen Rezeption seiner Theologie, die sich gegen­ wärtig in der orthodoxen Kirche vollzieht und bisher noch zu keinem Abschluß gekommen ist. Mit der Palamas-Rezeption verbinden sich aller­ dings Tendenzen, die wenigstens am Anfang der palamitischen Kontro­ verse noch keine Rolle gespielt haben. Sein Gegner Varlaam hatte ja zunächst durchaus „apophatische“ Theologie getrieben. Nicht in der Lehre der Unerkennbarkeit des Wesens Gottes besteht sein Dissens mit Grigorios Palamas, sondern in der Leugnung realer Gotteserfahrung bei der Schau des Taborlichtes, in der Ablehnung der Erfahrbarkeit Gottes in den Energien. Palamas wandte sich mit der Entwicklung der Energienlehre gegen eine Tendenz zu Skeptizismus und Agnostizis­ mus. 37 Erst im weiteren Verlauf des Streites wird er gegenüber der Lehre von der Wesenserkenntnis Gottes zum Verteidiger der apophatischen Theologie, ln der gegenwärtigen Palamas-Rezeption dominiert diese Frontstellung gegenüber einem Rationalismus, der aufgrund der analogia entis völlige Gotteserkenntnis, die Schau des göttlichen We­ sens und „im Bereich der Trinitätslehre eine apodiktische Beweisfüh­ rung (im Sinne aristotelischer Logik)“ 38 für möglich hält, die Varlaam gerade bestritten hatte. In dieser Frontstellung, die die Apophase stär­ ker betont, als es für Grigorios Palamas in der Auseinandersetzung mit Varlaam nötig war, schützt der Palamismus einerseits zwar die religiöse Erfahrung, er läuft aber andererseits Gefahr (nicht bei den großen Palamisten, wohl aber unter ihren Epigonen), zum Vorwand für eine W is­ senschaftsfeindlichkeit genommen zu werden, die sich auf den großen byzantinischen Denker, der Palamas war, am allerwenigsten stützen kann. : Erzpriester Pavel Florenskij verwies noch auf eine andere Gefahr, die in: der neueren Auseinandersetzung um Grigorios Palamas eine Rolle spielt. „Unmerklich und allmählich“ habe sich in der Kirche die Tendenz durchgesetzt, „anstatt vom Fieiligen Geist [. , .] von der ‘Gnade ’, 39 d. h. von etwas bereits endgültig Unpersönlichem zu spre­ chen. Bekannt ist üblicherweise nicht der Fieüige Geist, sondern Seine gnadenhaften Energien, Seine Kräfte, Seine Wirkungen und Tätigkei­ ten. ‘Geist’, ‘geistlich’, ‘geisttragend’, ‘Geistigkeit’ usw. durchziehen die Werke der heiligen Väter. Aber aus diesen Werken ist auch sichtbar, daß sich diese Wörter ‘Geist’, ‘geistlich’ usw. auf besondere Zustände des Gläubigen beziehen, die von G ott hervorgerufen sind, aber über­ 37 Vgl. K. Wessel, Dogma, 376, 380. 38 K. Wessel, Dogma, 376. 39 Blagodat’ - Gnade im Sinne von Gnadengabe.

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haupt nicht oder fast überhaupt nicht die persönliche selbständige Existenz der Dritten Hypostase der Allheiligen Dreieinigkeit im Blick haben , “ 40 Bei Pavel Florenskij liegt der Schwerpunkt der Kritik darauf, daß der Hl, Geist nicht oder nicht genügend personal gesehen wird. Es begeg­ net in dem Zitat auch die Kritik daran, daß statt vom Hl. Geist von Seinen Energien gesprochen wird. Einen anderen Akzent erhält diese Kritik dadurch, daß Florenskij zusätzlich bedauert, daß die Väter „aus dem Wunsch heraus, die Wesenseinheit des Geistes mit dem Vater und dem Sohn zu betonen, auf die Einheitlichkeit der von Sünden reinigen­ den Wirksamkeit des Heiligen Geistes und der Wirksamkeit des Soh­ nes verwiesen haben. Das bedeutet, daß sogar zwischen der Wahrneh­ mung der gnadenhaften Wirkungen des Einen und des Anderen für die heiligen Väter keine genaue Grenze bestanden hat . “ 41 Pavel Florenskij richtet seine Kritik gegen die östliche und die west­ liche Theologie. Nur sehen die kritisierten Tendenzen in O st und West unterschiedlich aus. Im Westen gibt es immer wieder christomonistisehe oder bmitarische Tendenzen, die sich bis in die Gebetspraxis hin­ ein auswirken. So können im Westen Gebete allein an G ott Vater „durch Jesus Christus, unseren Herrn“ gerichtet werden. Im Osten dagegen besteht die Gefahr, daß - so der Vorwurf Dorothea Wendebourgs 42 - die Energien als Energien der ganzen Dreieinigkeit, deren Opera ad extra unteilbar sind, das Wirken des Hl. Geistes ersetzen bzw, daß sie den Hl. Geist „funktionslos“ machen. Diese kritische Frage wird auf der Basis des auch von D . Wendebourg anerkannten Axioms, daß Wesenstrinität und ökonomische Trinität voll ineinander aufgehen müssen ,43 besonders bedrängend. Peter Plank fragt jedoch u. E. zu Recht in seiner Besprechung der Untersuchung D .W endebourgs: „Was hindert eigentlich daran, die verschiedenen ,Energien 1 Gottes, die sich dem Menschen zu erkennen geben und mitteilen, ihn auf verschiedene Weise ,vergöttlichen', nicht exklusiv, aber als Eigen­ tümlichkeit je einer der drei göttlichen Hypostasen zuzuordnen . “ 44 Ob sich solche Zuschreibungen bei Grigorios Palamas finden, müßte eine spezielle Untersuchung erweisen. Daß die orthodoxe Theologie an 40 P. Florenskij, Stolp, 123 f. 4t P Florenskij, Stolp, 124, 42 Siehe o. Anm. 13. 43 Vgl. z. B. Karl Rahner, Der dreifältige Gott, 336: „Die ökumenische Tri­ nität ist die immanente Trinität.“ 44 P. Plank, Rez.: D. Wendebourg, Geist oder Energie, 340.

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sich solche Zuschreibungen kennt, wird Kap. 5 dieser Darstellung zeigen .45 So wie Vladimir Losskij alle Probleme der abendländischen Theolo­ gie im Filioque konzentriert gesehen und der serbische Theologe Archimandrit Justin Popovic das auf die Zivilisationskrise des 2 0 . Jahr­ hunderts ausgeweitet hat, 46 so hat Ghristos Yannaras die in der Lehre des Palamas abgewehrte westliche Überzeugung von einer Möglichkeit der Erkenntnis des göttlichen Wesens in bedenkenswerter, aber doch sehr einseitiger Weise für spätere Schwierigkeiten der abendländischen speziellen Theologie bis hin zur ‘Gott-ist-tot-Theologie’ verantwort­ lich gemacht.47 Die Leugnung der Unterscheidung von ουσία und ένεργείαι Gottes und die Überzeugung von der Möglichkeit, Gottes Wesen zu erkennen, im Westen führte nach der Sicht von Christos Yannaras zu folgenden Konsequenzen; G ott, der aufgrund von Analogieschlüssen und nicht allein durch die Erfahrung personaler Gemeinschaft, die seine Energien vermitteln, er­ kannt wird, wird zu einem O bjekt des Verstandes. „Die scholastische Analogie kennt nicht die personale Daseinsweise, weder als ontologi­ sche Realität noch als Erkenntnismöglichkeit, “ 48 Sie „kennt nicht die personale Existenz Gottes, die Trinität der göttlichen Personen, die Seinsweise der göttlichen Wesenheit, welche personhaft ist. So führt sie im den Bereich der christlichen Theologie nicht nur die Armut’ des jüdischen Monotheismus ein, sondern auch ein ungleich niedriger ste­ hendes Gottesverständnis: sie ersetzt den personalen Gott der bibli­ schen Offenbarung und der Erfahrung der Kirche durch den unper­ sönlichen Begriff (conceptio) eines transzendentalen O b je k ts’, eine logisch zwingende Ursache ihrer selbst und der Seienden . “ 49 Die Energien des Wesens seien demgegenüber personhaft zu ver­ stehen (obgleich Yannaras nicht sagt, welcher Person der Trinität sie speziell bzw. insonderheit zuzuordnen sind). Die westliche Blickrichtung auf das „Wesen“ öffnet nach Yannaras den Weg „zu einem Mystizismus des Wesens, einer contemplatio des unpersönlichen Absoluten, das gerade, weil es unpersönlich ist, keinen anderen Ausweg läßt als den Pantheismus oder den Agnostizismus“ 50, 45 Siehe u. S. 106ff. 46 So nach einer Auskunft von Archimandrit Irenaus Totzke, Benediktinerabtei Niederaltaich, 47 So schon Ch. Yannaras, De 1’Absence et de l’Inconnaissance de Dieu. 48 Ch. Yannaras, Person, 202, 49 Ch, Yannaras, Person, 201 f. 50 Ch. Yannaras, Person, 203.

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Das vom Analogie-Denken her bestimmte Gottesverständnis macht nach der Sicht von Christos Yannaras religiöse Beziehung schließlich unmöglich. Martin Heidegger zitierend, sagt Yannaras: „Zu diesem G ott (causa sui) kann der Mensch weder beten, noch kann er ihm opfern. Vor der causa sui kann der Mensch weder aus Scheu auf die Knie fallen noch kann er vor diesem G ott musizieren und tanzen. Demgemäß ist das Gott-lose Denken, das den G ott der Philosophie, den G ott der causa sui preisgeben muß, dem göttlichen G ott vielleicht näher.“ 51 Das Analogie-Denken macht nämlich G ott nach der Sicht von Christos Yannaras zu einem Etwas, zu einem O bjekt. Die griechi­ schen Väter und die genuine orthodoxe Theologie hätten dagegen stets eine person ale Gotteserkenntnis gelehrt. Die Beziehung des Menschen zu G ott war nicht die von Subjekt und O bjekt, sondern ‘erotisch5; denn Gotteserkenntnis gibt es nicht anders denn als Vereinigung mit Gott. „Das Ereignis ‘persönlicher5 Erkenntnis der Personen ist der Eros . “ 52 Ohne daß Yannaras hier expressis verbis darauf verweist, deckt sich sein Verständnis von ‘Erkenntnis 5 mit der Bedeutung des hebräischen 1HV Neben den Konsequenzen für das Gottes Verständnis sieht Yannaras noch weitere Konsequenzen der westlichen Überzeugung von der Möglichkeit der Erkenntnis oder der Schau des göttlichen Wesens. Werde - so meint er - die Beziehung zwischen G ott und dem Kosmos nicht vorrangig personal, sondern vorrangig als Beziehung von Ursa­ che und Wirkung verstanden, so werde G ott abgetrennt von der Welt, und „die Welt wird verselbständigt“. Sie wird damit „der intellektuel­ len Objektivierung und nützlichkeitsgebundener Zweckmäßigkeit un­ terworfen “ .53 Die Folge der „Verlagerung der Gotteserkenntnis aus dem Bereich der unmittelbaren persönlichen Offenbarung durch die natürlichen Energien auf die Ebene intellektueller rationaler Schlußfol­ gerung“ ist „die ‘Verbannung5 Gottes in einen der Erfahrung unzu­ gänglichen Bereich, die Abtrennung der Religion vom Leben und ihre Beschränkung auf Symbole“ und damit die Säkularisierung. Damit ver­ bunden ist nach Yannaras „die Überwältigung der natürlichen und historischen Wirklichkeit durch die Technik und ihre Unterwerfung unter den individuellen Wohlstand“ 54, Im Rahmen einer so geprägten 51 Ch, Yannaras, Person, 68, Anm. 184; er zitiert Martin Heidegger, Identi­ tät und Differenz, Pfullingen 1957, 70f. 52 Ch. Yannaras, Person, 44. 53 Ch. Yannaras, Person, 69f. 54 Ch. Yannaras, Person, 71.

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Kultur werde „die Welt verbraucht, konsumiert, nicht aber ge­ braucht" 55. Demgegenüber vertrete die „Kosmologie der griechischen Väter [. , .] als Lebensweise und Gebrauch des Kosmos die Möglichkeit der Verwirklichung einer ganz bestimmten Art von Kultur, einer Kunst, Technik, Wirtschaft und Politik, die das in sich Vernunfthafte der Welt respektiert, die bemüht ist, es zu erkennen und zu bezeugen und die darum die Wahrheit des Lebens wahrt und ihr dient, ausgerichtet auf das Ziel hin: einem Leben in Wahrheit" 56. Mit ihrer speziellen Lehre von der Erkenntnis der personalen Ener­ gien, nicht des Wesens Gottes, meint die neuere orthodoxe Theologie ebenso wie mit ihrer ihr eigentümlichen Ausprägung der Sakramentenlehre57 über einen Gegenentwurf gegen das Weltverständnis des Abendlandes zu verfügen, das dem Abendland seine technisch-wissen­ schaftliche Überlegenheit gewährt, das zugleich damit aber auch in die zunehmend bedrohliche Krise der modernen Zivilisation geführt hat. Der polemische Zug der Äußerungen von Ch. Yannaras ist unüber­ sehbar und erschwert es, sich auf ihn und sein Denken einzulassen. Man muß aber gerade, wenn man polemische antiwestliche Stellung­ nahmen dieses Theologen liest, stets bedenken, daß die Stoßrichtung seiner Aussagen eigentlich nicht gegen die westliche Theologie gerich­ tet ist, sondern vor allem gegen eine vom Westen geprägte, aber doch eigene orthodoxe Denkweise, wie sie etwa in der Dogmatik von Christos Androutsos vertreten worden war und noch heute das theologi­ sche Denken an den griechischen theologischen Fakultäten mit prägt. Literatur: Agbiorgoussis, Maximos, Image as 'Sign1 (Semeion) of God. Knowledge of God through the Image accordïng to St. Basil, in: G O TR 21/ 1976,19-54, Amphilochios (Radovitch), De L’Hésychasme comme conquête de l’espace intérieur, in: Le Messager Orthodoxe 90/1982, 37-45, Anastasîou, loannes The Social Teachîng of Saint Gregory Palamas, in: GOTR 32/1987, 179-190. Arseniew, Nikolaus v., Ostkirche und Mystik, München 1943. Barrois, Georges, Palamism Revised, in: SVTQ 19/1975, 211-231, Basil (Krivocheine), Simplicity of the divine nature and the distinctions in God accordïng to St. Gregory of Nyssa, in: SVTQ 21/1977, 76-104, Blum, Günter; Oikonomia und Theologia. Der Hintergrund einer konfessionellen Differenz zwischen östlichem und westlichem Christentum, in: OstKSt 1984/4, 281-294. Bonis, K, G., Gregorios Palamas, der letzte der großen byzantinischen Theologen, in: 55 Ch. Yannaras, Person, 108. 56 Ch. Yannaras, Person, 99, 57 Siehe u. S. 197ff.

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3.

„Kommt, Völker, laßt uns anbeten die Dreihypostatis che Gottheit" *

Die Erfahrbarkeit Gottes als Vater, Sohn und Heiliger Geist 3.1 „Ich glaube an den einen G ott, den Vater . . ." D ie M onarchie des Vaters Wenn man Orthodoxe nach der wichtigsten Lehre der orthodoxen Kirche fragt, werden sie in der Regel nicht zuerst von der Vergebung der Sünden sprechen, sondern zuerst von der Lehre von der Dreieinig“ keit und der Gottmenschheit Christi. Die Offenbarung der Dreieinig­ keit ist für die orthodoxe Kirche das wichtigste aller Mysterien des Glaubens. G ott ist Liebe als unendliche Liebe dreier in völliger Liebe vereinter Hypostasen. Die Erlösung besteht darin, daß G ott die Schöpfung —und allem voran die Menschheit - in Seine Liebe, in die Liebe des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, einbezieht und diese Liebe in Christus durch den Heiligen Geist m itteilt.1 Dabei betont die orthodoxe Kirche stärker als die abendländische die Selbständigkeit der Hypostasen, weniger als die abendländische aber den Unterschied in der heilsökonomischen Funktion. Sehr schon zeigt das die allen russischen Malern von der Hundertkapitelsynode (Stoglav)2 als maßgebliches Vorbild vor Augen gestellte DreieinigkeitsIkone des hl. Andrej Rublev.3 Die Ikone fußt wie schon ihre Vorbilder auf der Erzählung von dem Besuch der drei Männer (Engel) im Hain Mamre (Gen 18).4 Schon vor Andrej Rublev wurden gelegentlich die drei Engel in der Malerei aus dem Zusammenhang der Gen 18 erzähl­ ten Geschichte herausgelöst, indem Abraham und Sarah - im Unter­ schied zu früheren Ikonen - keinen Platz mehr auf der Darstellung fanden. Das Bild der drei Männer bzw. Engel wurde so schon ins Meta­ historische erhöht, aus der ‘Geschichte3 des einmal geschehenen Besuchs * Pentekostarion, 218; Osterjubel der Ostkirche, 524. 1 Kalks tos Ware, Der Aufstieg zu Gott, 41; Vladimir Lossky, Die mystische Theologie, 84. 2 Diese Synode wurde 1551 in Moskau von Zar Ivan IV. einberufen. Ihre Beschlüsse wurden in 100 Kapiteln zusammengefaßt. 3 Stoglav 128: Kap. 41, Frage 1; s. Abb. 3. 4 Vgl. Troka/Trinity.

Die Monarchie des Vaters

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der Drei bei Abraham herausgelöst und ins Allgemeingültige erhoben. Die Leistung des hl. Andrej Rublev besteht darüber hinaus nun darin, daß er einen Zug, der bis dahin nur im Rundformat - auf Pyxiden und Enkolpien - zwangsläufig begegnete, theologisch ausdeutete und auf das rechteckige Ikonenformat übertrug. Er fügte die drei Gestalten in die Kreisfigur und drückte damit und durch die Kopfwendung der Per­ sonen ihre mnertrinitarischen Beziehungen aus: die „xaljtg“, d. h, die unumkehrbare Rangfolge der Hypostasen und ihre „gegenseitige Liebe, die in ewiger Übereinstimmung strömt, in ewigem schweigen­ dem Gespräch, in der ewigen Einheit der oberen Sphären“ 5, Die Zuordnung der auf der Ikone dargestellten Gestalten zu den H y­ postasen der Dreieinigkeit ist schwierig und umstritten.6 Solange die Ikone, wie es vor Andrej Rublev deutlich war, nur Bild des Bildes, bzw. des Schattens, d. h. des alttestamentlichen ‘Typs5 der Trinität, eben des Besuchs der drei Männer im Hain Mamre, war, erübrigte sich die Zuordnung je eines Engels zu je einer Hypostase der Trinität. Doch spätestens seit der Dreieinigkeits-Ikone Andrej Rublevs ist das Bild der drei Engel ebenso Bild der Trinität wie die Christus-Ikone Bild Christi ist. Insofern ist die Frage nach der Zuordnung der Gestalten auf der Ikone zu den Hypostasen der Hl. Dreieinigkeit in bezug auf die Ikone Rublevs und der späteren Ikonen der „alttestamentlichen Dreieinigkeit“ berechtigt. Viel spräche dafür, in der mittleren Gestalt die Erste Hypostase zu sehen, da G ott der Vater nach orthodoxer Lehre Quelle und Ursprung der Dreieinigkeit ist.7 Meines Erachtens steht im Hintergrund der Dreifaltigkeits-Ikone Andrej Rublevs aber eine Geschichte der Darstellung, bei der der mittlere Engel als Chri­ stus in Begleitung zweier Engel vorgestellt wurde. Für die Deutung des mittleren Engels auf Christus sprechen vor allem die typischen Chri­ stusfarben des Gewandes.8 Deutliche Spuren des ursprünglichen Ver­ ständnisses finden sich noch in der Dreieinigkeits-Darstellung des Rublev-Lehrers Feofan Grek in der Verklärungs-Kirche in Novgorod mit dem alles überragenden mittleren Engel.9 Wohl deshalb hat auf vielen Darstellungen ausschließlich der mittlere Engel ein Kreuz im Nimbus, zuweilen auch die Kürzel des Jesus-Namens.10 5 Troica, 54 (P. Florenskij). 6 Vgl. auch Rudolf M, Mainka, Zur Personendeutung. 7 Siehe u. S. 46ff. - So die Deutung N, M. Tarabukins (Troica, 76), So auch A, Vetelev, Bogoslovskoe soderzanie, 8 Liverij Voronov, Andrej Rublev, 90, 9 Vgl, Troica, Abb. 25. 10 So .ausgezeichnet ist der mittlere Engel in der genannten Anthologie auf

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Die Erfahrbarkeit Gottes als Vater, Sohn und Heiliger Geist

Stellt auf Andrej Rublevs Ikone der Engel in der Mitte die Zweite Hypostase dar, so muß die Rangordnung der Drei Hypostasen auf andere Weise zum Ausdruck kommen, Andrej Rublev hat sie in der Neigung der Häupter zum Ausdruck gebracht. Der mittlere Engel wendet sich ebenso wie der durch seine Farbgebung ganz eindeutig als der „leben­ spendende“ Geist gekennzeichnete rechte Engel dem Vater als der Er­ sten Hypostase zu. Beide neigen ihr Haupt vor Ihm .11 Möglicherweise spiegelt sich jedoch in der Uneindeutigkeit der Beziehung der Gestal­ ten auf die Hypostasen der Dreieinigkeit ein Problem der orthodoxen Trinitätslehre, von dem schon gesprochen wurde.12 Die Ikone Rublevs stellt die Einheit der Dreieinigkeit als Einheit dreier Hypostasen in der Liebe dar. Typisch Östlich ist dabei die Beto­ nung der Selbständigkeit der Personen. In der vielleicht typischsten westlichen Trinitätsikone, dem sog, „Gnadenstuhl“, dagegen wird nicht so sehr das Person-Sein, sondern die unterschiedliche Funktion im Erlösungswerk betont. Das Person-Sein des HL Geistes tritt ja völ­ lig hinter der Funktion zurück, wenn der Heilige Geist als Taube dar­ gestellt wird. In der strengen Ausformung der Ikonentheologie ist demgegenüber die Darstellung des Heiligen Geistes als Taube nur bei der Ikone der Taufe Christi zulässig.13 Der Heilige Geist ist ja keine Taube, sondern erscheint nur bei der Taufe Christi als solche, ein an­ dermal - zu Pfingsten - dagegen z. B, in Feuerzungen, Hinter der west­ lichen Sicht der Trinität und ihrer Spiegelung in der Kunst muß sich nicht unbedingt „Modalismus“ verbergen, dieser wird jedoch deutlich bei der im Osten verbotenen, im Westen aber möglichen Darstellung der Trinität als einer Person mit drei Gesichtern.14 Abb. 2 (nur der mittlere Engel hat bei der Ankunft eine Aura auf dem hier abge­ bildeten Dreieinigkeits-Mosaik in Sta, Maria Maggiore in Rom); Abb. 6 (nur der mittlere Engel hat überhaupt einen Nimbus - und diesen mit dem Kreuz auf den hier abgebildeten Altarschranken aus der Kirche Sio Mgvime/Georgien, 1012-1030); vgl. auch Abb. 7, 8 (?), 9, 16, 17, 20, 21, 22, 23, 25, 26, 32, 37, 39, 40, 41, 43, 45, 51, 53. Die Hundertkapitelsynode har die Kürzel des Je­ susnamens und das Kreuz im Nimbus bei der Dreieinigkeits-Ikone verboten (Stoglav, 128: Kap, 41, Fr. 1). 11 L. Voronov, Andrej Rublev, 90. 12 Siehe o. S. 34; vgl. L. Voronov, Andrej Rublev, 89, 13 Léonide Ouspensky, La théologie de Ficône, 358. Ausnahmen von dieser Regel sind freilich sehr zahlreich. Das gilt nicht nur für die auf dem Balkan ent­ standene Ikone der ,Vaterschaft*, die in Novgorod schon im 14, jh , auftaucht: Novgorod Icons, 55. 14 W, Braunfels, Art.: Dreifaltigkeit VI, 561,

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Die Ikone Andrej Rublevs zeigt aber auch, daß Erlösung die Einbe­ ziehung der Schöpfung, allem voran der Menschheit, in die Liebe des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes ist. Das wird auf dieser Ikone ausgedrückt in dem Bezug der Dreieinigkeit auf die Euchari­ stie.15 Der Tisch, an dem die drei Engel sitzen, hat die Form eines Altars, sogar mit einem Hohlraum für die Reliquien. Und das Gefäß, das der mittlere Engel segnet, und an dessen Segnung die beiden ande­ ren Engel mitwirken, ist ein eucharistischer Diskos mit dem Kopf des Kalbes, das nach der Osterpredigt des Johannes Chrysostomus (als Typos der Eucharistie) für die Gläubigen geschlachtet ist.16 „Erfahrbar“ ist der Glaube an die Dreieinigkeit für den orthodoxen Christen nicht allein in der authentischen Dreieinigkeitsikone, son­ dern im ständigen „Vollzug“ seines Glaubens hi Gebet und Gottes­ dienst. Der orthodoxe Christ „praktiziert“ seinen Glauben an die Dreieinigkeit und zugleich auch den soteriologischen Bezug der Trini­ tätslehre, indem er beim „wieder und wieder" vollzogenen Kreuz­ zeichen drei Finger als Symbol der Dreieinigkeit zusammenlegt und sich so mit dem rettenden Zeichen des Kreuzes bezeichnet.17 Die Gottmenschheit Christi wird dabei mit den beiden zusammengelegten Fingern zum Ausdruck gebracht. „Erfahrbar“ ist die Trinitätslehre dem orthodoxen Christen vor allem durch die gottesdienstlichen Texte. Die Formel „Ehre sei dem Vater und dem Sohne und dem Heiligen Geiste“ wird unzählige Male im Gottesdienst der orthodoxen Kirchen wiederholt. Daß sie eine ganze Trinitätslehre beinhaltet, hat Basilius d. Gr. in seiner Schrift >Über den Heiligen Geist< deutlich gemacht.18 Anders als im Westen und in den altorientalischen Kirchen trinitarisch verstanden wird in der orthodo­ xen Kirche aber auch der in nahezu jedem Gottesdienst begegnende Gesang „Heiliger Gott, heiliger Starker, heiliger Unsterblicher, er­ barme Dich unser“, 19 der zudem auch den soteriologischen Aspekt der Trinitätslehre andeutet. Fast bei jedem Gottesdienst am Anfang steht eine Anrufung der Dreieinigkeit: „Allheilige Dreieinigkeit, erbarme Dich unser, reinige uns, Herr, von unseren Sünden, vergib uns, Gebieter, 15 Vgl. A. Vetelev 8/70; L, Voronov, Andrej Rublev, 88. 56 Johannes Chrysostomus, Sermo Catecheticus in S. Pascha: PG 59, 721 bis 724. 17 Es ist an dieser Stelle zu einem folgenschweren Schisma in der Russischen Orthodoxen Kirche gekommen, auf das hier nicht eingegangen werden kann. Vgl. aber Peter Hauptmann, Altrussischer Glaube. 18 Basilius, Liber de Spiritu Sancto: PG 32, 67-218, 19 Die Göttliche Liturgie, 38.

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unsere Übertretungen; suche unsere Schwächen heim, du Heiliger, und heile sie um Deines Namens willen.“ 20 Daneben hat der Kanon im Morgengottesdienst immer wieder ein „Triadikon“, d. h. eine die Trinitatslehre hymnisch entfaltende Strophe. Wie viele andere orthodoxe Theologen hat auch der als Charismatiker und Wundertäter in der orthodoxen Kirche verehrte Priester loann von Kronstadt das trinitarische Dogma als die „Hauptlehre in unserem Glauben“ bezeichnet. Es ist nach ihm so entscheidend, „daß es im christlichen Glauben nichts Wichtigeres und Erhabeneres gibt als diese Lehre“. „Ohne das Bekenntnis der Allheiligen Dreieinigkeit gibt es kein Christentum . , . gäbe es bei uns keine Kirche, die uns für den Himmel erzieht, keine Mysterien, mit denen sie uns heiligt, stärkt und zum Land der Unsterblichkeit leitet; ohne die Lehre über die H l. D rei­ einigkeit wären das furchtbare Gericht, die Auferstehung der Toten, die Belohnung eines jeden nach seinen Werken im künftigen Leben leere Worte für uns. Das alles wird unbedingt notwendig nur dann zugegeben, wenn wir an G ott den Vater, der die vorewige Liebe und Wahrheit ist, an G ott den Sohn als Erlöser der Menschen und an G ott den Heiligen Geist als Heiligenden und Tröster der Gläubigen glauben.“ 212 Diese Vorrangstellung des Trinitätsdogmas, der Lehraussagen über die immanente Trinität, ist neben der Christologie meines Erachtens der Punkt, an dem sich östlich-orthodoxes am tiefsten vom westlichen Verständnis unterscheidet. Bekanntlich ist es über der Frage des Aus­ gangs des Heiligen Geistes „vom Vater“ oder „vom Vater und dem Sohne“ (ex patrt filio q u e ) zwischen O st und West zu noch heute nicht beendeten Auseinandersetzungen gekommen, von denen noch die Kede sein wird.32 An dieser Stelle sei nur darauf hingewiesen, daß es bereits bezeichnend ist, d aß man Fragen, die die Trinitätslehre betref­ fen, im Westen nicht so wichtig nimmt, für spekulativ und darum für letztlich nicht entscheidend hält. Nach östlichem Verständnis sind da­ gegen Trinitätslehre und Christologie - letztere mit der Konsequenz der Bilderlehre -- die wichtigsten Lehren, strenggenommen die einzigen Dogmen der orthodoxen Kirche. Die Unterschiede zwischen östlichem und westlichem Verständnis waren in der orthodoxen Schultheologie freilich weniger tief, als sie in der neueren orthodoxen Theologie erscheinen. Zwar galt die unter­ 20 Die Göttliche Liturgie, 2. 21 loann Sergiev, Polnoe Sobranie, 2 f.; vgl. K. Ch. Felmy, Predigt, 200. 22 Siehe u. Kap. 3.2

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schiedliche Lehre über den Ausgang des Heiligen Geistes stets als schwerwiegender, eigentlich auch kirchentrennender Kontrovers­ punkt. Aber das „Filioque“ wurde als im Grunde isolierte Streitfrage behandelt, nicht als Folge eines viel weiter reichenden Unterschieds im Ansatz bei den konkreten, "erfahrbaren5 Hypostasen. So geht die Dogmatik des Metropoliten Makarij, ganz wie es im Westen traditionell geworden ist, von der Einheit Gottes aus. Kapitel I der speziellen Theologie, d. h. der Lehre von Gott, heißt >Von Gott dem Einen im Wesen«.23 Erst nach der Lehre von den Eigenschaften Gottes in Kap. II behandelt Metropolit Makarij die Lehre >Von Gott, der Drei ist in den Personen«.24 Einen ähnlichen Weg geht die Dogmatik von Christos Androutsos. Hier ist sogar in einer in der orthodoxen Kirche so nicht üblichen Art die Trinitätslehre der Christologie insofern untergeordnet, als sie unter der Überschrift steht: >Die Voraussetzungen der Erlösung in Christus«. Nach einer kurzen Überschau lautet der erste, im Gesamtaufbau der Dogmatik elfte Paragraph: >Die Existenz und das Wesen Gottes«. Erst nach den Paragraphen über die Eigenschaften und Fähigkeiten Gottes lautet der fünfzehnte Paragraph: >Der Dreieinige Gott«.232425 Diesem konventionellen Aufbau ist auch Dumitru Staniloae in seiner Dogmatik gefolgt, indem auch er die Lehre von Wesen und Attributen Gottes der Lehre von den Göttlichen Hypostasen vorausgeschickt hat. Doch im Unterschied zu Androutsos beginnt Staniloae, wenn er von den Eigenschaften Gottes redet, jeweils mit ihrer Begründung in der Trinität. Zudem hat er der Trinitätslehre Ausführungen über die K ir­ che als den Raum der Erfahrbarkeit vorgeschaltet. Vor der Lehre von den Eigenschaften Gottes begegnet in Stäniloaes Dogmatik auch ein Abschnitt >Die Grundlage der Dogmen: die Heilige Trinität - die Gemeinschaft vollkommener Liebe«.26 In der Dogmatik Nikolaj Malmovskijs, dem es nicht gelang, M etro­ polit Makarijs Ansatz zu überwinden, beginnt der Abschnitt >Über das Wesen Gottes« mit dem Hinweis auf die Unerkennbarkeit des Wesens Gottes im Sinne der apophatischen Theologie.27 Aber dieser Hinweis wird eingeschränkt durch den anderen, daß die Seiten im Wesen Gottes erkennbar sind, die in endlichen Formen die unendlichen Eigenschaften 23 24 25 26 27

Makarij I, 75ff. Makarij I, 156ff, Ch. Androutsos, 32-92. Dumitru Staniloae, Orthodoxe Dogmatik. Vgl. Kap, 2.

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Seines Wesens widerspiegeln. „Auf der Grundlage allein dieser Eigen­ schaften kann sich der Mensch auch einen gewissen Begriff von Gott machen mit dem Ziel, das unbegreifliche Wesen Gottes seinem Ver­ ständnis anzunähern,“ 28 Dem Verständnis der für die orthodoxe Kirche maßgeblichen Kir­ chenväter entspricht dieser Ansatz beim Wesen Gottes ebensowenig wie dem der neueren orthodoxen Theologen. Von Basilius d, Gr. läßt sich z. B. sagen: „was das trinitarische Geheimnis insgesamt anlangt, so galten ihm die drei Hypostasen als κήρυγμα, ihre Einheit dagegen, die ,Monarchie* als δόγμα,“ 29 Damit gehörten für Basilius die Aussa­ gen über die Hypostasen zur öffentlichen, kirchlich verbindlichen Ver­ kündigung, die Aussagen über die Einheit der Dreieinigkeit zu den Lehrmeinungen - die heutige orthodoxe Theologie würde vielleicht das Wort „Theologoumenon“ gebrauchen, um das, was Basilius unter 'Dogma5 verstand, wiederzugeben. Damit war im Verständnis des Großen Basilius die Dreiheit als Gegenstand der Verkündigung der Einheit als theologischer Spekulation vorgeordnet. Die Betonung der Dreiheit der Personen vor ihrer Einheit im Wesen führt die orthodoxe Theologie in Anlehnung an die Theologie der großen Kappadokier auch dazu, die Einheit der Trinität personal zu begründen. Das entspricht dem orthodoxen Ansatz bei der Erfahrung und dem Erfahrbaren. Der Eine, Dreieinige G ott wird ja nicht als „We­ sen“, sondern als Vater, Sohn und Heiliger Geist erfahren. So begrün­ det die an der Erfahrung und dem Erfahrbaren orientierte orthodoxe Theologie die Einheit Gottes nicht in der gemeinsamen ουσία (We­ sen). Sondern die Einheit beruht in der Monarchie des Vaters, „Μον­ αρχία“ bedeutet hier weniger die Einheit der Herrschaft. Sondern αρχή ist hier mehr der Ursprung und das Prinzip als die Herrschaft. Dieses Verständnis steht bereits hinter den ersten Sätzen des Glaubens­ bekenntnisses von Nikäa und Konstantinopel - übrigens des einzigen, das die orthodoxe Kirche im Gottesdienst gebraucht: „Ich glaube an den Einen G ott, den Vater, den Allerhalter.“ 30 Das bedeutet: G ott der Vater ist der Eine Gott. Die Gottheit des Sohnes, der „Licht vom Licht“ ist und „wahrer G ott vom wahren G o tt“, beruht darauf, daß Er als Sohn vom Vater gezeugt und so „eines Wesens mit dem Vater“ ist. 28 Nikolaj Malinovskii, Pravoslavnoe dogmaticeskoe bogoslovie, Bd. 1, 99. 29 Adolf Martin Ritter, Dogma, 204, 30 Dumitru Stäniloae betont, daß bei dem Begriff παντοκράτωρ im öst­ lichen Verständnis der Aspekt des Erhaltens stärker ist als der der Herrschaft: D. Stäniloae, Teologia Dogmatica, I 221; Orthodoxe Dogmatik, I 203,

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Und der „Heilige Geist, der mit dem Vater und dem Sahne zugleich an­ gebetet und zugleich verehrt wird“, ist Herr, ist Gott, weil Er nicht Geschöpf ist, sondern „vom Vater ausgeht“ , Nach Aussagen des russi­ schen Theologen Vladimir Losskij ist die „Monarchie des Vaters“ die „hypostatische Beziehung, die sowohl die Einheit als auch die Dreiheit schafft“.31 Die Personen der Dreieinigkeit ihrerseits existieren da­ durch, „daß sie die göttliche Natur besitzen- ihr Hervorgang besteht gerade darin, daß sie diese Natur vom Vater empfangen“ 32. Östlich gedacht, könnte man sagen: Der Vater ist G ott - und der Sohn und der Heilige Geist sind G ott dadurch, daß sie dieselbe gleiche ουσία von Ihm, dem Vater, empfangen. So lehrt die orthodoxe wie die abendländische Kirche die Dreiheit der Personen (Hypostasen) und die Einheit der ουσία, des Wesens. Aber das Prinzip der E inheit ist im Osten die Hypostase des Vaters. Die Wesenseinheit, die Homoousie mit dem Vater, ist nur die Folge seiner „Monarchie“ . Den hier latenten Subordinatianismus hat die orthodoxe Kirche dabei stets als schriftgemäß in Kauf genommen. Denn das ist ja über jeden Zweifel erhaben: Wenn die Hk Schrift von G ott spricht, dann ist in aller Regel zuerst, manchmal auch allein und manchmal sogar in Unterscheidung vom Sohn und vom Geist - an G ott den Vater gedacht. Der Sohn ist Gott als Sohn des Vaters und der Geist als Sein Geist. Die Dialektik von Ein­ heit und Gleichheit einerseits und Unterordnung andererseits kommt im dritten Artikel des Glaubensbekenntnisses von Nikäa und Konstantinopel zum Ausdruck, wenn es dort heißt: Der „Heilige G e ist. . ., der vom Vater ausgeht“ und der dem Vater insofern nachgeordnet ist, wie es auch das FiHoque nicht ändern kann, weil es eben dann Nachord­ nung des Geistes auch dem Sohn gegenüber bedeutet. Daneben aber betont das Glaubensbekenntnis die Gleichheit der Ehre und Herrlich­ keit: . . der mit dem Vater und dem Sohn zugleich angebetet und zu­ gleich geehrt wird.“ Als gewissermaßen klassischen Text zu diesem Nebeneinander von Nachordnung und Gleichordnung zitiert Vladimir Losskij Gregor von Nazianz, bei dem es heißt: „Ich möchte den Vater größer nennen, weil aus ihm die Gleichen ihr Gleichsein und ihr Sein haben. Denn das ist am meisten angemessen. Aber ich fürchte, daß ich dadurch den Ursprung zum Ursprung Geringerer mache und Ihn durch diese Ehre beleidige. Denn es ist keine Ehre für den Ursprung, wenn man jene, die aus Ihm sind, erniedrigt.“ 33 31 V. Lossky, Die mystische Theologie, 80. 32 V. Lossky, Die mystische Theologie, 81. 33 Gregor von Nazianz, In sanctum Baptisma, or. XL 43: PG 36, 419, zk.: V, Lossky, Die mystische Theologie, 81 f.

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Die Einheit der Dreieinigkeit liegt nach östlichem Verständnis in der Person des Vaters begründet.34 Das bedeutet nach den Worten von Christos Yannaras den „Vorrang der Person gegenüber dem Wesen“ 35. Zugleich bedeutet das den für östliches Denken auch in anderen theo­ logischen Fragen typischen Ausgang bei dem Konkret-Erfahrbaren, „Wenn von G ott die Rede ist, handelt es sieb für die Ostkirche immer um etwas Konkretes: Um den , G ott Abrahams, Isaaks und Jakobs, den Gott Jesu C hristi'“, 36 um „den G ott der personalen Beziehung [. . .] den G ott und Vater des Herrn Jesus Christus“ .37 Man könnte im Sinne von Yannaras natürlich ergänzen, daß G ott ebenso konkret in der H y­ postase des Sohnes und des Heiligen Geistes begegnet. Und dennoch ist die ausdrückliche Erwähnung des Vaters allein hier bei Yannaras bezeichnend für den Einsatz des militärischen Denkens in der M on­ archie des Vaters. Klassisch formuliert worden ist diese Lehre von dem russischen Theologen und Religionsphilosophen Sergij Bulgakov, dessen Schüler Lev Zander seine Tr initäts lehre folgendermaßen zusammen gefaßt hat: Die ganze Dreieinigkeit empfängt ihr einiges Zentrum im Vater. Er ist die sich selbst offenbarende Gottheit, die sich offenbart durch die Zeugung des Sohnes und die Herausführung des Geistes. In Ihm beginnt die Reihenfolge der Hypostasen (natürlich nicht dem Zeitpunkt, sondern dem Wesen nach); in Ihm haben die Ihn offenbarenden Hypostasen des Sohnes und des Geistes Ihren Ursprung, Er selbst wird nur offenbart, aber offenbart nicht. In diesem Sinne wird Gott-Vater häufig einfach Gott genannt, gleichsam Gott im vorran­ gigen Sinne [, . .], Dieses Prinzip der Monarchie oder Alleinherrschaft in der Gottheit muß man heilig halten als die biblische oder patristische Grundlage der Lehre von der Hl. Dreieinigkeit (. , .) die Alleinherrschaft nämlich macht alle gegenseitigen Beziehungen der Hypostasen zu einem Akt der Trias, verbin­ det sie und begründet sie ( .. .). Doch diese besondere Stellung des Vaters als der ersten Hypostase in der Hl. Dreieinigkeit (, , .) verletzt nicht die Gleichheit der Ehre und Gleichheit der Gottheit aller Hypostasen, sondern setzt zwischen Ih­ nen einen Unterschied. Manchmal drückt das Wort Gottes diesen Unterschied in solchen Worten aus, die gewissermaßen eine Ungleichheit bedeuten und dem Subordinationismus eine Grundlage gewähren. So die Worte des Erlösers; „Mein Vater ist großer als ich“ (joh 14, 2 8 )35 (, . .), Indessen kann das Wort 34 John D. Zizioulas, Being as Communion, 43 u, ö. 33 Ch. Yannaras, Person, 29. 36 Ch. Yannaras, Person, 31. 37 Ch, Yannaras, Person, 47. 35 Um diese Worte war im 12. Jh, m Byzanz ein erbitterter Streit entbrannt, der allerdings anders gelöst wurde als hier bei Bulgakov. Das Wort wurde allein auf die menschliche Natur Christi bezogen: K, Wessel, Dogma, 344f.

Der Streit tim das Füioque

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„größer“ nicht im Sinne einer Leugnung der Gleichheit der Ehre ausgelegt wer­ den, sondern in bezug auf die gegenseitige Offenbarung, Der Vater offenbart sich im Sohn, aber nicht umgekehrt. Nur vom Vater kann gesagt werden, daß Er „größer“ ist, doch kann das weder vom Sohn noch vom Heiligen Geist ge­ sagt werden, weder in ihren Beziehungen zum Vater noch in ihren gegenseiti­ gen Beziehungen,39

Übrigens ist selbst Vladimir Losskij, der konsequenteste Vertreter der orthodoxen Gotteslehre im Sinne der östlichen Väter, nicht der Meinung, daß der Ansatz der westlichen Theologie beim ‘Wesen’ und der Einheit Gottes in sich häretisch sei. Er zitiert Gregor von Nazianz, der die Berechtigung beider Aspekte betont hat: „Kaum habe ich das Eine gedacht und schon werde ich von den Dreien umleuchtet; kaum habe ich die Drei unterschieden, so werde ich wieder zu dem Einen ge­ zogen. Sobald ich mir Einen der Drei vorstelle, halte ich Ihn für das Ganze; und erfüllt ist mein Auge, so daß das Ganze mir entschwindet. Ich kann Seine Größe nicht begreifen, so daß ich dem Übrigen nichts mehr einräume. Wenn ich die Drei in einem einzigen Gedanken zusam­ menfasse, so sehe ich nurmehr eine Leuchte, und ich vermag nicht das geeinte Licht zu teilen oder zu messen.“ 40 Solche Weise des Umschrei­ bens ist nötig, weil die Wahrheit unfaßlich ist. Orthodoxe Theologie ist immer apophatische Theologie. Definitionen sind nie erschöpfend. „Das Mysterium der Dreifaltigkeit erschließt sich nur dem N icht­ w issen.“ 41

3.2

, , der vom Vater ausgeht. . D er Streit um das Filioque

Deutet Vladimir Losskij so auch andere Verständnismöglichkeiten an, so ist doch das genuin orthodoxe Verständnis der Dreieinigkeit für ihn selbst und für andere orthodoxe Theologen unlösbar mit dem An­ satz bei den konkreten Hypostasen und damit mit der Monarchie des Vaters verknüpft. Wer die Einheit der Trinität mit der Einheit des U r­ sprungs der Zweiten und der Dritten in der Ersten Hypostase verbin­ det, für den verliert die Dreieinigkeit mit der Einführung eines zweiten Prinzips, einer zweiten αρχή, ihre Basis. Deshalb geht es in der ortho­ 39 Lev Aleksandrovic Zander, Bog ΐ Mir II, 42f, 40 Gregor von Nazianz, In sanctum baptisma, or. X L , 41: PG 36, 417; zit.: V. Lossky, Die mystische Theologie, 60, 41 V. Lossky, Die mystische Theologie, 65.

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doxen Theologie im Streit um das Filioque um die Denkbarkeit von Dreieinigkeit schlechthin und damit um die Infragestellung der wich­ tigsten Lehre der orthodoxen Kirche, um die Sprengung der Einheit der Dreieinigkeit durch die Einführung eines zweiten Prinzips, Zur Darstellung des Problems ist eine kurze Besinnung auf die Geschichte der Filioque-Frage unerläßlich,112 Im Jahre 381 hatte das Zweite Ökumenische Konzil folgenden Text angenommen, ln dem es die Gottheit des Heiligen Geistes bekannte: „Und an den Herrn, den Heiligen Geist, der da lebendig macht, der vom Vater ausgeht, der mit dem Vater und dem Sohn zugleich angebe­ tet und zugleich geehrt wird.“ In enger Anlehnung an den Urtext des in Nikäa und Konstantinopel bekannten Glaubensbekenntnisses lehrte die Alte Kirche zunächst und lehren alle östlichen Kirchen den Aus­ gang des Heiligen Geistes vom Vater gemäß Joh 15, 26: „Wenn aber der Tröster kommen wird, welchen Ich euch senden werde vom Vater, der Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht, der wird zeugen von mir.“ Seit auf Verlangen Heinrichs II. bei seiner Krönung zum Römischen Kaiser 1014 in Rom das nizänokonstantinopolitanische Glaubensbe­ kenntnis in die römische Messe übernommen worden ist, wird es im Abendland dagegen in der erweiterten Fassung gebetet: „Und an den Herrn, den Heiligen Geist, der da lebendig macht, der vom Vater und dem Sohne (ex patre filio q u e) ausgeht, der mit dem Vater und dem Sohn zugleich angebetet und zugleich geehrt wird.“ Fraglos ist der Beitrag Augustins für die Entwicklung der Lehre vom Ausgang des Heiligen Geistes ex patre filioque entscheidend gewesen. Nach der Lehre Augustins hauchen sich der Vater und der Sohn den Geist gegenseitig zu. Der Heilige Geist ist damit die gegenseitige Gabe des Vaters an den Sohn und des Sohnes an den Vater. Er ist als ihr ge­ genseitiges Geschenk das Band der Liebe, das Vater und Sohn mitein­ ander verbindet.4243 Diese Sicht hat übrigens die meisten Schlußdoxologien lateinischer Kollektengebete geprägt: Per Dominum nostrum jesum Christum, Fihum tuum, Qui tecum vivit et regnat in unitate Spiritus Sancu Deus. Für diese Auffassung gibt es keinen Schriftbeleg, Sie ist so auch nur möglich, weil Augustin bei der Entfaltung der Lehre 42 Die Literatur zur Frage des Ausgangs des Heiligen Geistes ex patre bzw, ex patre filioque ist inzwischen fast unübersehbar geworden. Sehr gute Infor­ mation liefern die verschiedenen Beiträge in: Lukas Vischer (Hrsg,), Geist Gottes - Geist Christi, - Zur historischen Frage hier besonders: Dietrich Ritschl, Zur Geschichte, und Markos A, Orphanos, Der Ausgang, 43 Augustinus, De Trinitate X V 17: PL 42, 1079-1082.

Der Streit um das Filioque

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vom Heiligen Geist nicht innertrinitarisch gedacht hat. Vielmehr ist er davon ausgegangen, daß der Heilige Geist Geschenk, Gabe ist. Weil Er Gabe an die Schöpfung ist, geht Er so vom Vater und vom Sohn aus, daß Er ihr gegenseitiges Geschenk ist.44 Damit findet sich erstmals in der Trinitätstheologie das allerdings noch unausgesprochene Axiom, daß nicht nur eine B eziehun g zwischen dem innertrinitarischen Sein und dem Wirken der H l. Dreiheit nach außen besteht - eine Beziehung sieht auch die östliche Theologie sondern daß innertrinitarische Beziehung und außertrinitarisches Wirken voll identisch sind. Augustin hatte natürlich nicht im Sinn, den Text des Glaubensbe­ kenntnisses zu ändern. Zudem finden sich in seinem theologischen Denken noch durchaus verschiedene Linien. Neben der eben skizzier­ ten, neuen, wenn man so sagen will, eigentlich augustinischen führt er die alte Linie noch mit, nach der der Vater als principium Deitatis zu denken ist. Um die traditionelle Linie mit seiner eigenen, neuen auszu­ gleichen, lehrt Augustin den Ausgang des Heiligen Geistes principaliter a Patre et a Filio, Mit der daneben bestehenden neuen Linie schien er aber die Lösung für ein Problem gefunden zu haben, mit dem die östliche Theologie Schwierigkeiten hat. Die östliche Theologie kann nämlich nicht sagen, worin sich die Zeugung des Sohnes, der der Ein­ ziggezeugte ist, vom Hervorgang des Heiligen Geistes unterscheidet, Augustin sagte: der Hauptunterschied zwischen der Zeugung des Soh­ nes und dem Hervorgang des Heiligen Geistes besteht darin, daß der Sohn nur den Vater als Ursprung hat, der Heilige Geist aber den Vater und den Sohn. Erstmals expressis verbis gelehrt wird das Filioque in einem von sei­ nem ganzen Ansatz her typisch westlichen Dokument, dem sog, Atha­ nasianischen Glaubensbekenntnis oder (nach seinen Anfangsworten) Quicumque.45 Das Quicumque stammt vermutlich aus der Schule Au­ gustins in Spanien. In § 23 heißt es dort vom Heiligen Geist: Spiritus Sanctus a Patre et Filio . . . procedens. Nachdem das Quicumque eine Zeitlang im Osten verworfen war, taucht es seit dem 17. Jh . in den litur­ gischen Büchern der Russischen Orthodoxen Kirche, etwa seit 1780 im griechischen Horologion auf.46 Die orthodoxe Kirche hat bei der Re­ zeption des Quicumque aber stets das getan, was sie dem Westen in be­ zug auf das Nizäno-Konstantinopolitanum vorwirft: sie hat den Text verändert und das „et Filio“ eliminiert, 44 E. Mühlenberg, Dogma und Lehre im Abendland, 430. 45 Vgl. R. J, H. Coliins, Art.: Athanasianisches Symbol, 332. 46 J. Quasten, Art.: Quicumque, 937f,

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Die Erfahrbarkeic Gottes als Vater, Sohn und Heiliger Geist

In das Glaubensbekenntnis aufgenommen batte das Filioque zu­ nächst nur die Kirche in Spanien. Inhaltlich hatten es bereits frühere Synoden gelehrt, doch erhielt es, als es auf der Dritten Synode von Toledo 589 offiziell in das Credo aufgenommen wurde, eine deutliche antiarianische Spitze. Die Synode bekräftigte nämlich den Übertritt des Westgotenkönigs Rekkared zum katholisch-orthodoxen Glauben. Das Motiv für die Einfügung des Filioque ist in diesem Zusammenhang noch ganz naiv gewesen: es sollte etwas über die Zweite Hypostase der Dreieinigkeit gesagt werden, das ihre Gleichrangigkeit mit der Ersten Hypostase ausdrückt. Und dennoch enthält dieses eigentlich harmlose Vorgehen durchaus etwas für die abendländische Theologie Typisches. Probleme der Christologie werden auf die Pneumatologie verlagert. Um die Gottheit Christi stärker zu betonen, wird eine Schmälerung der Aussagen über den Heiligen Geist in Kauf genommen. Darin liegt das Symptomatische und m, E. eigentlich Gefährliche des Vorgangs von 589. Von Spanien gelangte das Glaubensbekenntnis in der durch das Filioque erweiterten Fassung nach Gallien und ist dort bezeugt durch die Synode von Gentilly (787) und die Libri Carolini. In der weiteren Entwicklung ist die Einführung des Filioque in das Glaubensbekenntnis fast stets verbunden mit der Einführung des Glau­ bensbekenntnisses in den Meß-Gottesdienst, in dem es bis dahin fehlte, weil der eigentliche O rt des Glaubensbekenntnisses die Taufe ist, während in der Messe das eucharistische Gebet die Funktion des Credo einnimmt. Im Jahre 589 wurde in Spanien verordnet, das durch das Filioque erweiterte Glaubensbekenntnis in der Messe vor dem Vaterunser zu rezitieren.47 Karl d. Gr. ließ es in seiner Kapelle nach dem Evangelium beten - auch mit dem Filioque, das seine Hoftheologen besonders heftig verteidigten. Eine Synode, die im Jahre 809 in Aachen tagte, enthielt es in ihren Beschlüssen. Als die Beschlüsse der Synode Papst Leo III. zur Bestätigung vorgelegt wurden, billigte dieser zwar das Filioque inhaltlich, mißbilligte aber die Veränderung des CredoTextes. Um den ursprünglichen Text in seiner unveränderten Fassung hervorzuheben, ließ er zwei Metallplatten des Textes ohne den Zusatz „Filioque11 in griechischer und lateinischer Sprache in St. Peter in Rom aufstellen. Erst unter Heinrich II. brach der Widerstand der Päpste gegen eine Erweiterung des Textes zusammen. Doch fehlte das FÜioque im Glaubensbekenntnis in Paris noch bis zum Jahre 1240!48 Die östliche Kirche hat zu dem Vorgehen des Westens erst relativ 47 Zum Folgenden s. J. A. Jungmann, Missarum Sollemnia, I 578f. 48 J. Gill, Art.: Filioque, 126f.

Der Streit um das Filioque

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spät Stellung genommen. Noch recht vornehm zurückhaltend weist Johannes von Damaskus (um 650 bis um 750) in seiner >Darlegung des orthodoxen Glaubens« das Fihoque zurück. Er begründet die Einheit Gottes mit der Einheit des Ursprungs von Sohn und Geist im Vater und schreibt: „Darum nennen wir nicht drei Götter den Vater und den Sohn und den Heiligen Geist, sondern vielmehr Einen G ott, die hei­ lige Dreiheit, da Sohn und Geist sich auf ein Prinzip zusammenführen, nicht sich zusammensetzen oder verfließen gemäß der Zusammenzie­ hung des Sabellius (denn sie sind vereint, wie gesagt, nicht so, daß sie sich vermischen, sondern so, daß sie aneinander hängen und haben das Ineinandersein49 ohne alle Vermengung und Verschmelzung)." 50 In der Darlegung des Verhältnisses des Sohnes und des Geistes zum Vater folgt dann die ganz unpolemische, aber eindeutige Ablehnung des Filioque: „Den Sohn nennen wir nicht Grund noch Vater, wir sagen aber, er sei aus dem Vater und der Sohn des Vaters; der Heilige Geist aber, sagen wir, sei aus dem Vater und nennen ihn Geist des Va­ ters. Aus dem Sohn aber sagen wir nicht, daß der Geist sei, nennen ihn jedoch Geist des Sohnes [. . .] Vom Sohne aber sagen wir weder, er sei des Geistes, noch auch, aus dem Geiste.“ 51 Der letzte Satz ist wichtig, weil er die Befürchtung widerlegt, durch ein Glaubensbekenntnis ohne Filioque werde die Ehre des Sohnes gemindert. Die Ehre des Heiligen Geistes wird ja auch nicht dadurch gemindert, daß der Sohn weder des Geistes noch aus dem Geiste ist. Entscheidender aber ist noch, daß sich hinter der vornehmen Zu­ rückweisung des Filioque durch Johannes von Damaskus der ganz andere trinitätstheologische Ansatz verbirgt. Von der Einheit Gottes spricht er, weil sich Sohn und Geist auf dasselbe eine Prinzip, den Vater, zurückführen. Ein Filioque in diesem trinitätstheologischen Zu­ sammenhang würde die Einheit der Dreiheit aufheben! Zur Zeit Karls d. Gr. entsteht dann erstmals ein wirklicher Streit zwischen fränkischen und östlichen Theologen über die Fragen des Filioque. Und dieser Streit bricht aus zwischen den fränkischen und den orientalischen Mönchen im Kloster des hl. Savvas bei Jerusalem, in dem übrigens auch Johannes von Damaskus Mönch gewesen war. Wirklich heftig wird der Streit um die Frage des Filioque aber erst im 9. Jahrhundert unter Patriarch Photios von Konstantmopel. Einen Streit um jurisdiktionelle Fragen und die Schmähung der östlichen 49 5Ev d/Aqkai^ JtEqLXüJQTiotv. 50 Johannes von Damaskus, De fide Orthodoxa I, 8 (PG 94, 829), 51 Johannes von Damaskus, De fide Orthodoxa I, 8 (PG 94, 832 f.).

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Die Erfahrbarkeit Gottes als Vater, Sohn und Heiliger Geist

Riten durch die Lateiner nahm Photios zum Anlaß zu einer heftigen Polemik gegen die lateinische Kirche, ihre vom Osten abweichenden Bräuche und ihre abweichenden Lehren, In der langen Liste der Vor­ würfe gegen den Westen wird das Filioque von Photios als „Krone der Schlechtigkeiten“, als „Teufelswerk“ und als häretisch bezeichnet.5253 Wichtiger als solche Polemik aber sind die trinitätstheologischen B e­ denken, die von Photios geäußert werden: Der Westen führe zwei Prin­ zipien in die Trinität ein und löse die Monarchie in eine Zwei-Gottheit auf. Und dann folgt ein Argument, das die westliche Theologie bis heute nie zu widerlegen vermocht hat: Wenn der Sohn erst damit als gottgleich anerkannt wird, daß der Heilige Geist auch aus Ihm hervor­ geht, wie verhält es sich dann mit dem Heiligen Geist? Warum wird der Sohn dann nicht wie aus dem Vater so auch aus dem Geist geboren? Hingegen wird durch das Filioque der Geist der Natur des Vaters fernergerückt als der Sohn, damit wird seine Gottheit im Sinne der Häresie des Makedonios53 gemindert54. Nikitas Stethatos (gest. um 1080) hat die Bedenken des Photios noch einmal polemisch präzisiert: „Sie stürzen den ganzen Christenglauben um, indem sie nicht sagen, daß das Eine das Prinzip der Beiden [Sohn und Geist] sei, sondern unsinnig eine Dyarchie in die Trias einführen. Damit kommen sie entweder zur sabellianischen Vermischung55 oder zur arianischen Zerreißung der Trinität. Sie lassen den Sohn Vater sein. Wenn es notwendig sei, daß der Sohn ebenfalls den Geist Vorbringen lasse, um mit dem Vater eines Wesens zu sein, dann müßte der Geist seinerseits auch etwas hervorbringen, um mit Vater und Sohn gleichen Wesens zu sein.“ 56 Der Streit um das Filioque hat mit zu dem Schisma von 1054 beige­ tragen. Bei dem Versuch, den Vorwurf, zwei Prinzipien in der Trinität zu lehren, zu widerlegen, hat die römisch-katholische Kirche auf den Unionskonzilien von Lyon 1274 und Florenz 1438/39 definiert: quod Spiritus Sanctus aeternahter ex Patre et Fiho, non tanquam ex duobus principiis, sed tanquam ex uno principio, non duabus spirarionibus, sed unica spiratione procedit.57 Die Verschmelzung von Vater und 52 Klaus Wessel, Dogma, 349. 53 „Pneumatomach“ des 4. Jh. Bestritt die Gottheit des Heiligen Geistes. 54 K. Wessel, Dogma, 350. 55 Sabellius unterschied nicht zwischen Personen, sondern nur zwischen „modi“ der Wirkweise der einen Person und wird deshalb als Modalist bezeich­ net. 56 Zit, nach K, Wessel, Dogma, 357, 57 DS 850;vgl.D S 1300.

Der Streit um das Filioque

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Sohn zu einem Prinzip birgt nun aber nach der Sicht der orthodoxen Theologie neue Gefahren für die Trinitätslehre; Als ein Prinzip werden Vater und Sohn nicht mehr in ihrer Personhaftigkeit gesehen. Vor allem aber für die Personhaftigkeit des Geistes bleibt in dieser von den Ent­ scheidungen von Lyon geprägten Sicht nach orthodoxem Verständnis kein Raum mehr.58 In der Kontroverse zwischen abend- und morgenländischer Theolo­ gie hat das Filioque zu allen Zeiten eine wichtige Rolle gespielt. Manchmal - bei Schultheologen, deren theologischer Ansatz sich nicht wesentlich von dem der abendländischen Theologen unterscheidet wirkt die Bekämpfung mehr konventionell, manchmal grundsätzlicher. Am mildesten ist die Beurteilung des Filioque bei dem vielleicht bedeutendsten Patristiker der Russischen Orthodoxen Kirche Vasihj Bolotov (1854-1900). Zwar hat auch er den Akt der Einfügung des Filioque als solchen verurteilt, das Filioque als Lehre aber in einer sehr sorgfältigen und kündigen, in 27 Thesen einmündenden Untersuchung des patristischen Quellenmaterials als zulässige private Meinung beur­ teilt.59 ihm hat sich der derzeitig zu den bedeutendsten russischen Dogmatikern zählende Professor der Leningrader Geistlichen Akade­ mie Erzpriester Liverij Voronov vor kurzem angeschlossen.60 Wichtig­ stes Argument für die milde Beurteilung des Filioque war für Bolotov, daß Augustin, der auch in der orthodoxen Kirche verehrt wird, das Filioque gelehrt hat, ohne daß er dafür von der orthodoxen Kirche je verurteilt worden ist. Im übrigen aber ist das Filioque von der neueren, an der Theologie der Väter orientierten Theologie wiederholt mit besonderer Schärfe verurteilt worden. Aleksej Stepanovic Chomjakov meinte, indem der Westen, ohne den Osten zu befragen, mit dem Filioque einen neuen Glaubensartikel aufgestellt habe, habe er „unmittelbar den ganzen Osten zu einer Welt von Heloten in Sachen des Glaubens und der Lehre erklärt“ 61. Pavel Florenskij bezeichnete das Filioque nicht aus­ drücklich als Häresie, nannte es jedoch sehr abwertend eine „naive Ausgeburt einer überflüssigen Frömmigkeit und einer nicht voll ausge­ reiften Theologie“ 62. Mag das so vielleicht nicht für die Trinitätsspeku­ lationen Augustins gelten, so gilt es gewiß für den Akt der Einfügung 58 D. Staniloae, Orthodoxe Dogmatik, 283 ff, 5 [V. Bolotov], Thesen über das „Filioque“. 60 Liverij Voronov, Vopros „O FIHokve", 61 A. Chomjakow, Einige Worte, 158. 62 G. Florenskij, Stolp 122, dt.; Der Pfeiler, 68.

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Die Erfahrbarkeit Gottes als Vater, Sohn und Heiliger Geist

des Filioque in das Bekenntnis auf der Dritten Synode von Toledo, Ein grundsätzlicheres Urteil hat dagegen Vladimir Losskij gefällt. Er sah im Filioque die „einzige ausschlaggebende Ursache der Trennung zwi­ schen dem Osten und dem Abendland: alle übrigen dogmatischen Mei­ nungsverschiedenheiten waren nur deren Auswirkung“ 63, Das bedeu­ tet: Das Filioque war für ihn nur Symptom eines viel tiefer greifenden Dissens" zwischen Ost und West. Dafür, daß dies möglicherweise so ist, spricht auch die Tatsache, daß noch ein weiterer Kontroverspunkt zwischen Abend- und Morgenland die Lehre vom Heiligen Geist betrifft: die Auseinandersetzung um den Zeitpunkt der Konsekration der Abendmahlselemente, die im Osten in besonderer Weise mît der Herabrufung des Heiligen Geistes auf die eucharistischen Gaben verbun­ den w ird.64 Freilich dürften sich weder die Lehrunterschiede in bezug auf die Wandlung der eucharistischen Gaben noch andere Lehrunter­ schiede noch gar - wie der große serbische Theologe Archimandrit Justin Popovic (1894-1979) meinte - die ganze Krise der vorwiegend westlich geprägten europäischen Zivilisation einfach zwingend aus dem Filioque ergeben. Wieweit vielleicht aber - nicht notwendige Fol­ gen - jedoch Zusammenhänge bestehen, haben orthodoxe Theologen bei der Darstellung der Lehre von dem "Heiligen Geist als Herrn und Lebenspender" anzudeuten versucht.65 Literatur: Bobrinskoy, Boris, Le „Filioque“ hier et aujourd’hui, in: Contacts 34/1982, 7 -2 7 . Bolotov, V. V., K voprosu o filioque. S predisloviem prof. A. Brilliantova [Zur Filioque-Frage. Mit einem Vorwort von Prof. Brilliantov], St, Petersburg 1914. Bolotov, Vasilij, Thesen über das „Filioque“. Von einem russi­ schen Theologen, in: RITh 24/1898, 681-712. Braunfels, W, Art.: Dreifaltigkeit VI. Ikonographie, in: LThK2 3, 561 f. Brune, François, La Revelation de l’Amour. La Trinité, in: Le Messager Orthodoxe 86 (III-IV - 1980), 3 -2 5 . Casimir O.C.S.O,, When (the Father) Will Subject All Things to (the Son), Then (the Son) Himself Will be Subjected to Him (the Father) Who Subjects all Things to Him (the Son) - A Treatise on First Corinthians 1528 by Saint Gre­ gory of Nyssa, in: G O TR 28/1983, 1-25. Chomjakow, Aleksej, Einige Worte eines orthodoxen Christen über die abendländischen Glaubensbekenntnisse, in: Östliches Christentum. Dokumente, Hrsg, N. v, Bubnoff und H, Ehren­ berg, I, Politik, München 1925, 139-199. Collins, Roger John H oward, Art.: Athanasianisches Symbol, in: TRE 4, 328-333. Deseiäe, Placide, Saint Augustin et le „Filioque", in: Le Messager Orthodoxe 85 (I—II 1980), 3 3 -49. Ferguson, Everett, God's Infinity and Man's Mutability. Perpetual Progress according 63 V. Lossky, Die mystische Theologie, 73. 64 Dazu s. u. Kap. 8.2.3. 65 Siehe u. Kap. 5,

Der Streit um das Klioque

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to Gregory of Nyssa, in: G O TR 18/1973, 59-78. Florenskij, Pavel, Stolp ΐ utverzdenie isti ny (s. Lit. Kap. 1). Ders., Der Pfeiler (s. Lk. Kap. I). Gill, Art.: Filioque, in: LThK2 4, 126f. Hauptmann, Peter.; Altrussischer Glaube. Der Kampf des Protopopen Avvakum gegen die Kirchenreformen des 17. Jh. Mit einem Anhang: Das russische Altgläubigentum der Gegenwart, Göttingen 1963 = KO.M 4. Jungmann, J o s e f Andreas, Missarum Sollemnia. Eine geneti­ sche Erklärung der römischen Messe, Bd. I, Wien 1948. Lossky, Vladimir.; Die mystische Theologie (s. Lit. Kap, 1). Mainka, R u d olf M., Zur Personendeu­ tung auf Rublevs Dreifaltigkeitsikone, in: OstKSt 11/1962, 3-13. Martin, Vin­ cent, Aspects theologiques du „Klioque“, in: Iren. 62/1989, 3 6 -5 0 , M ühlen­ berg, Ekkehard, Dogma und Lehre im Abendland, in C. Andresen (Hrsg,), Handbuch der Dogmen- und Theologiegeschichte I, Göttingen 1982, 406-566. Novgorod Icons 12th-15lh century, Leningrad 1980. Orphanos, Markos A., Der Ausgang des Heiligen Geistes bei einigen späteren griechischen Kirchenvätern, in: L, Vischer (s. u.), 4 3 -6 4 . Ouspensky, Leonide, La theologie de Piccme dans PEgÜse orthodoxe, Paris 1980. Quasten, J., Art,: Quicumque, in: LTliK2 8, 937f, Ritschl, Dietrich, Zur Geschichte der Kontroverse um das Klioque und ihrer theologischen Implikationen, in: L. Vischer (s. u.), 2 5 -42. Ritter, A dolf Martin, Dogma und Lehre in der Alten Kirche, in: Carl Andresen (Hrsg.), Handbuch der Dogmen- und Theologiegeschichte 1, Göttingen 1982, 99-283, Schnitze, Bernhard, Das Nizänoconstantinopolitanum und das Filioque, in: OrChrP 35/1969, 334-346. Sergiev, Ioann iVic, Polnoe Sobranie Socmenij protoiereja Ioanna IPica Sergieva [Vollständige Sammlung der Werke von Erzpriester Ioann IPic Sergiev], Bd. 1, Kronstadt 1890. Stoglav. Izdanie D, E. Kozancikova [Hundert-Kapitel(-Synode). Ausgabe von D. E. K.] St. Petersburg 1863. Nachdruck: Letch worth Hertfordshire 1971. Stylianopoulos, Theodore, The Filioque. Dogma, Theologoumenon or Error?, in: GOTR 31/1986, 255-288, Troica Andreja Rubleva. Antologija - Trinity by Andrei Rublev. An Anthology, Moskau 1981. Vetelev, Aleksandr.; Bogoslovskoe soderzanie ikony „Svjataja Troica“ prepodobnogo Andreja Rubleva [Der theologische Gehalt der Ikone „Heilige Dreieinigkeit“ des hl. Andrej Rublev), in: ZMP 1972/8, 63-75; 1972/ 10, 62-65. Vischer, Lukas (Hrsg.), Geist Gottes - Geist Christi. Ökumenische Überlegungen zur Filioque-Kontroverse. Bericht und Vorträge zweier Tagun­ gen auf Schloß Klingenthal (Frankreich), Frankfurt 1981 = Ö R .B 39. Voronov, Liverij, Andrej Rublev - Velikij chudoznik Drevnej Rusi [Andrej Rublev-D e r Große Künstler der Alten Rus1], in; BoTr 14/1975, 77-94. Ders., Voronov, Li­ verij, Vopros „O Filiokve“ s tocki zrenija russkich bogoslovov [Die „Filioque“Frage nach dem Standpunkt russischer Theologen], in: BoTr. Sbornik posvjascennyj 175-letiju Leningradskoj Duchovnoj Akademii [Der 175-Jahr-Feier der Leningrader Geistlichen Akademie gewidmeter Band], Moskau 1986, 157185. Wendebourg, D orothea, Person und Hypostase. Zur Trinitätslehre in der neueren orthodoxen Theologie, in: Wenz, Gunther, Vernunft des Glaubens. Wissenschaftliche Theologie und kirchliche Lehre. FS zum 60. Geburtstag von W. Pannenberg. Mit einem bibliographischen Anhang, Göttingen 1988, 502-524. Wessel, Klaus, Dogma und Lehre in der orthodoxen Kirche von Byzanz (s. Lit.

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Die Erfahrbarkeit Gottes als Vater, Sohn und Heiliger Geist

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4.

. und an den einen Herrn Jesus Christus, Gottes Eingeborenen Sohn“ *

Christologie 4.1 „. . . Der Du Einer bist aus der Heiligen D reieinigkeit. „ Asymmetrische C hristologie

**

In der traditionellen Christologie besteht lehrmäßig zwischen den orthodoxen Kirchen, die das Konzil von Chalkedon angenommen ha­ ben,1 und den Kirchen des Abendlandes kein Unterschied. Das ganze christologische Lehrgebäude der Alten Kirche wurde zwar vornehm­ lich im Osten errichtet, aber nicht ohne Beteiligung des Westens. Und es ist dann am Ende theologisches Erbe der Kirchen in O st und West geworden. Nicht der im wesentlichen gleiche dogmatische Inhalt der Christolo­ gie,2 wohl aber der Stellenwert der altkirchlichen christologischen Ent­ scheidungen ist ein anderer in Ost und West, und manche Akzente werden in Ost und West anders gesetzt. Beides, Stellenwert und Ak­ zentsetzungen, hängt auch hier wieder damit zusammen, daß die ortho­ doxe Theologie von dem ausgeht, was erfahrbar ist und Erfahrungen reflektiert. Schon bei der Darstellung der Trinitätslehre war vom Kreuzzeichen als dem wichtigsten Gebetsgestus der orthodoxen Kirche die Rede. Der orthodoxe Christ „praktiziert“ und „erfährt“ seinen Glauben an die Dreieinigkeit und zugleich auch den soteriologischen Bezug der Trinitätslehre, indem er beim „wieder und wieder“ vollzogenen Kreuzzeichen drei Finger als Symbol der Dreieinigkeit zusammenlegt und sich so mit dem Zeichen des Kreuzes segnet. Die Gottmenschheit Nizänokonstantinopolitanisches Symbol. ** Kaiser Justinian I. (527-565) zugeschriebener Gesang in der Göttlichen Liturgie: Die Götdiche Liturgie, 30f. 1 Außer diesen Kirchen bezeichnen sich auch die sog. vorchalkedonisehen Kirchen wie die Syrische, Koptische und Äthiopische Kirche als orthodox. Mit diesen in Kirchengemeinschaft steht auch die Armenisch-Apostolische Kirche. 2 Das ermöglicht es, sich in der folgenden Darstellung stärker auf westliche :dogmengeschichtliche Arbeiten zu stützen, als das in anderen Kapiteln dieser Einführung in die orthodoxe Theologie möglich ist.

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Christologie

Christi, Seine göttliche und menschliche Natur, wird dabei mit den beiden anderen Fingern der rechten Hand zum Ausdruck gebracht.3 Die Weise des Kreuzschlagens und seine Symbolik ist den Russen so wichtig, daß unterschiedliche Auffassungen über den richtigen Vollzug sogar zu den wichtigsten Gründen für die Entstehung des Altgläubigen-Schismas im 17. Jahrhundert zählten.4 Die Hundertkapitelsynode (Stoglav) hatte 1551 festgelegt, daß das Kreuz mit Zeige- und Mittelfin­ ger zu zeichnen sei, die die göttliche und menschliche Natur Christi darstellten. D er größere Mittelfinger ist bei dieser Art des Kreuzzei­ chens zum Zeigefinger herab gebogen. So soll die Herabneigung der göttlichen Natur zur menschlichen zum Ausdruck kommen. Ring­ finger und kleiner Finger stellen dann die Dreieinigkeit dar. Die Refor­ men des Patriarchen Nikon glichen dagegen die russische Praxis an die griechische an, nach der Daumen, Zeige- und Mittelfinger beim Kreuz­ zeichen die Dreieinigkeit, Ringfinger und kleiner Finger die zwei Natu­ ren Christi darstellen. So oder so weist das Kreuzzeichen im Vollzug auf Trinitätslehre und Christologie als die wichtigsten Dogmen der or­ thodoxen Kirche und wiederholt sie dem Beter unablässig. Aber nicht nur im rituellen Vollzug, sondern auch in den liturgi­ schen Texten „erfährt" der orthodoxe Christ im Gottesdienst die Chri­ stologie als alles entscheidende orthodoxe Lehre. Die eucharistischen Gebete der orthodoxen Kirche, vor allem die Basilius-Anaphora, das in jeder Feier der Göttlichen Liturgie und in anderen Gottesdiensten gesprochene nizanokonstantinopolitanische Glaubenssymbol, aber auch das reiche Gut liturgischer Dichtung vergegenwärtigt dem ortho­ doxen Christen immer wieder den Inhalt des christologischen Glau­ bens. Vor allem die ‘Theotokien5 genannten hymnischen Stücke besin­ gen in ihrer Mehrheit die Inkarnation und versuchen die dogmatische Lehre von der Menschwerdung Gottes in Christus zu präzisieren. Die Gattung der liturgischen Dichtung verhindert dabei nicht die Auf­ nahme oft heiß umstrittener dogmatischer Formeln.5 Daß in den litur­ gischen Dichtungen auch Begriffe wie Hypostase, Wesen und Wesens­ einheit begegnen, tut deren poetischem Wert kaum Abbruch und wird 3 Bei den russischen Altgläubigen kommt der christologische Aspekt des Kreuzzeichens noch deutlicher zum Ausdruck, Das Kreuzzeichen wird mit Zeige- und Mittelfinger als Symbolen der zwei Naturen Christi geschlagen. Nicht die Hl. Dreieinigkeit, sondern „Einer aus der Hl. Dreieinigkeit“ ist ja für uns am Kreuz gestorben. Die drei anderen Finger weisen auch bei dieser Art des Vollzugs auf die Dreieinigkeit. 4 Vgl. P. Hauptmann, Altrussischer Glaube (s. Lit. zu Kap, 3), 86ff. u. ö. 5 Siehe u. S, 63, 91.

Asymmetrische Christologie

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vom orthodoxen Gläubigen ganz selbstverständlich hingenommen. All das macht die Christologie dem orthodoxen Christen nahezu täglich erlebbar und erfahrbar, Beachtlich sind aber auch die Akzentverschiebungen der östlichen Christologie gegenüber dem Westen, ohne daß diese Verschiebungen von einer der beiden Seiten als kirchentrennend betrachtet würden. Friedrich Heiler spricht in seinem Buch über >Die Ostkirchen* von einem zwar nicht dogmatischen, aber unterschwelligen ‘MonophysitismusJ in der orthodoxen Theologie.6 Freilich wird man von einem solchen ‘Monophysitismus’ der Östlichen Theologie nur sprechen kön­ nen, wenn man dann auch die abendländische Tendenz zu einem eben­ falls nicht dogmatischen, aber tendenziell vorhandenen Nestorianismus einräumt. Wieder hängt dieser besondere Zug der orthodoxen Theologie mit deren Ausrichtung an der kirchlichen Erfahrung zusam­ men. Im Gottesdienst wird Christus ja als der Erhöhte, als der Kom­ mende erfahren. Zwar ist auch der erhöhte und der wiederkommende Herr nicht nur wahrer G ott, sondern auch wahrer Mensch. Aber doch leuchtet durch seine Menschheit die Herrlichkeit der Gottheit so un­ verhüllt hervor wie bei der Verklärung - so weit unverhüllt, wie es die, die Ihn sehen, Troparion und Kontakion des Festes Verklärung fol­ gend - fassen können.7 So ist bereits aus diesem Grunde die Gottheit Christi in der orthodoxen Theologie, vor allem aber in der orthodoxen Frömmigkeit gegenüber Seiner Menschheit stärker betont. ■ Zugleich wiederholt sich in der Christologie ein Phänomen, das be­ reits in der Trinitätslehre beobachtet werden konnte: Orthodoxes theo­ logisches Denken geht nicht von den unerkennbaren, unpersönlichen Naturen, sondern von der erfahrbaren Person, der Hypostase, aus. Erfahren wird Christus nicht als göttliche und menschliche Natur, son­ dern als die Mensch gewordene Person. In schweren Auseinanderset­ zungen mit dem ‘Monophysitismus5,8 zugleich aber auch in Aufnahme wesentlicher Anliegen der den Entscheidungen von Chalkedon gegenö Friedrich Heiler, Die Ostkirchen 427. 7 Besonders schön ist das Kontakion: „Auf dem Berge wardst Du verklärt, und Deine Jünger schauten Deine Herrlichkeit, Christus Gott, wie sie es fassen konnten. Damit sie, wenn sie Dich gekreuzigt sähen, Dein Leiden als freiwillig erkennen und der Welt verkünden, daß Du wahrhaftig des Vaters Abglanz bist.“ (Menaion tou Augoustou 75) 8 Die Bezeichnung ‘monophysmsch5 für die Theologie der altorientalischen Kirchen oder für Theologen wie Severos von Antiochien oder Philoxenos von Mabbug ist irreführend. Sie wird hier nur im Sinne eines Kürzels verwandt, weil es von den Verteidigern von Chalkedon so gesehen wurde,

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Christologie

über kritischen Theologie hat die byzantinische Theologie die Lehre von der Enhypostasie und damit eine nach dem treffenden Ausdruck Georgij Florovskijs9 asymmetrische Christologie erarbeitet - asym­ metrisch, weil die menschliche Natur Christi sich nicht „unabhängig vom Logos konkretisiert, bzw. personifiziert hat“, weil es keine „zwei Subjekte in Christus" gibt,10 weil nicht G ott in Christus einen Menschen angenommen, sondern E r in Christus Mensch geworden ist. Das Konzil von Chalkedon hatte die diesbezüglichen Fragen noch nicht abschließend klären können. Vor allem eine Formulierung aus dem Tomos Leonis bereitet einer an der erfahrbaren Person orientierten Theologie Schwierigkeiten und stieß auch auf den Protest der „monophysitischen“ Partei. Sie wandte sich gegen die Aussage; „jede der beiden Gestalten vollbringt in Gemeinschaft mit der anderen, was ihr eigentüm­ lich ist.“ 11 In diesem Satz nämlich erscheinen die N aturen als Subjekt, nicht die eine aus zwei Naturen bestehende Person. Im Zusammen­ hang mit dem Horos ist dieser Satz zwar entschärft, weil der Horos eindeutig von Kyrills Theologie her verstanden werden w ollte.12 Ach­ tet man aber nicht auf den Gesamtzusammenhang, sondern interpre­ tiert man die Entscheidung - wie früher meist üblich - von Leo her, dann erinnert die Wendung, daß sich die Eigentümlichkeit einer jeden Natur „zu einer Person und einer Hypostase verbindet“ tatsächlich an Nestorios, zumal dann, wenn, wie im Verständnis der altorientali­ schen Theologie, der Begriff φύσις naher am Begriff ύπόατασις liegt als in der Theologie der Väter von Chalkedon. In erbitterten Streitigkeiten hat sich die byzantinische orthodoxe Kirche der ‘monophysmscheri Position insofern angenähert und ihre berechtigten Anliegen aufgenommen. So betont sie die Einheit der Person Christi starker, als das in Chalkedon gelungen ist. Die dabei51 51 Ch. Kunkel, 102f. 10 R. Williams, Art.: Jesus Christus II, 740. n ACO II/2, 1, S. 14. 12 Vgl. dazu Adolf Martin Ritter, Dogma, 265ff, -D iese Erkenntnis ist übri­ gens auch die Basis des Konsens, den orthodoxe Theologen, die die Entschei­ dungen von Chalkedon annehmen, und solche (aus den akorientalischen Kir­ chen), die sie ablehnen (in herkömmlicher Terminologie also Diophysiten und Monophysiten), auf mehreren Konferenzen in den Jahren 1964-1971 gefunden haben, Dokumentation in: G O TR 1964-65/2; 1968/2; 1971/1 und 2. - Der da­ mals gefundene Konsens ist inzwischen von den beteiligten Kirchen offiziell bestätigt und vertieft worden. 13 ACO ΪΙ/2, 2, S. 129.

Asymmetrische Christologie

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erfolgte Selbstkorrektur läßt sich am Beispiel des sog. Theopaschitischen Streits14 deutlich ablesen. Als ‘Monophysiten* sangen „Heiliger Gott, heiliger Starker, heiliger Unsterblicher, Der Du für uns gekreuzigt wurdest, erbarme Dich unser“, erhoben die Anhänger des Konzils von Chalkedon scharfen Protest gegen die Erweiterung des Trishagion15 um den Zusatz „Der Du für uns gekreuzigt wurdest". Dieser Zusatz spreche vom Leiden des leidensunfähigen G ottes.16 Doch sachlich ge­ nau die gleiche Aussage rezipierte die byzantinische Theologie, als sie die Formel skytischer Mönche „Einer aus der heiligen Dreieinigkeit hat im Fleisch gelitten“ für rechtgläubig erklärte. Diese eine Zeitlang umstrittene „theopaschitische“ Formel wurde nicht nur vom 5. Ö ku­ menischen Konzil, das im Jahr 553 in Konstantinopel stattfand, als rechtgläubig anerkannt, sondern in eine Dichtung aufgenommen, die Kaiser Justinian I, selbst zugeschrieben und noch heute bei jeder Feier der Göttlichen Liturgie gesungen wird: O eingeborener Sohn und Wort Gottes, Unsterblicher, Der Du Fleisch an­ nehmen wolltest um unserer Rettung willen aus der heiligen Gottesgebärerin und immerwährenden Jungfrau Maria, Der Du Mensch geworden bist, ohne Dich zu verändern, Christus Gott, Der Du den Tod durch den Tod vernichtet hast, Der Du einer bist aus der Heiligen Dreieinigkeit, zugleich verherrlicht mit dem Vater und dem Heiligen Geiste, rette uns.17

Die erwähnte Lehre von der Enhypostasie, die „wohl von Johannes Grammatikos“ zwischen 514 und 518 zuerst vertreten worden war,18 schloß die Entwicklung der Christologie der chalkedonisch-orthodoxen Kirche in Richtung auf eine Rezeption der Anliegen der Gegner der Entscheidung von Chalkedon ab. Implizit war die Lehre von der Enhypostasie ja bereits durch das nizänokonstantinopolitanische Sym­ bol vorgegeben, wenn es dort beißt, daß der, der „Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren G ott, gezeugt, nicht geschaffen, eines We­ sens mit dem Vater“ ist, „um uns Menschen und um unserer Rettung willen“ vom Himmel herabgestiegen ist, Fleisch angenommen hat usw. Die Unterschiede zwischen den Lehren der beiden östlich-orthodoxen Kirchenfamilien hatten sich auf terminologische Differenzen redu­ ziert, nachdem sich auch bei der antichalkedonischen Partei Extreme nicht durchsetzen konnten. 14 ls 16 17 18

Theopaschitisch, abgeleitet von: Θεός πάσχει, Gott leidet. Vgl. Die Göttliche Liturgie, 38. Vgl. G. Krüger: RE 13, 386, 10ff. Zh. nach; Die Götdiche Liturgie, 3 0 f. A. M. Ritter, 278,

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Christologie

An Aktualität verloren haben in der orthodoxen Theologie nicht die christologischen Entscheidungen der Alten Kirche, wohl aber in ge­ wissem Maße die Verwerfungen gegenüber der ‘monophysitischen3 Position, obgleich auch diese Verwerfungen noch heute im orthodoxen Gottesdienst begegnen, so im ‘Ritus der Orthodoxie3 am ersten Sonn­ tag der Großen Fasten19 und z. B. auch am Gedächtnistag der Väter des Vierten Ökumenischen Konzils.20 Schon auf der ersten, nach offi­ zieller Terminologie „inoffiziellen“, aber doch im Auftrag der betei­ ligten Kirchen veranstalteten und in diesem Sinne offiziellen gemein­ samen Konferenz der vorchalkedonischen, altorientalischen, traditionell als „monophysitisch“ bezeichneten und der chalkedonisch orthodoxen Kirche haben Vertreter beider Kirchenfamilien „einer beim anderen den einen orthodoxen Glauben der Kirche“ wiedererkennen können. „Fünfzehn Jahrhunderte der Entfremdung haben uns nicht fortgeris­ sen vom Glauben unserer Vater [, . .] Über das Wesen des christologisclien Dogmas befanden wir uns in völliger Übereinstimmung [. . ,] Beide Seiten befanden sieb fundamental in der Nachfolge der christolo­ gischen Lehre der einen ungeteilten Kirche, wie sie vom hl. Kyrill aus­ gedrückt worden ist.“ 21 Es ist bezeichnend, daß die Erklärung auf die Theologie Kyrills von Alexandrien verweist. Das entspricht nicht nur der Intention der E n t­ scheidungen von Chalkedon selbst,22 sondern vor allem auch der Ent­ wicklung der byzantinisch-orthodoxen Theologie nach Chalkedon. in den Entscheidungen des 5. Ökumenischen Konzils wurden anders als im Tomos Leonis Wunder und Leiden „ein und demselben ‘Fleisch und Mensch gewordenen G ott Logos3 zugeschrieben“, 23 und damit wurde die Einheit der erfahrbaren gottmenschlichen Person Jesu C hri­ sti betont. Für die Betrachtung der historischen Gestalt Jesu sollten diese Entscheidungen in Zukunft zwar Probleme aufwerfen, sie fügen sich jedoch nahtlos ein in den Zusammenhang einer Theologie, die an der im Gottesdienst erfahrbaren und unser Heil wirkenden einen Per­ son dessen orientiert ist, „der um uns Menschen und um unserer Ret­ tung willen vom Himmel herabgestiegen und Fleisch geworden ist vom Heiligen Geist und der Jungfrau Maria“.24 19 Triodion, 155-166; vgl. Cmovnik, 71-79. 30 Triodion, Athen 1983, 114-127. 31 Unofficial Consultation, 14. 22 André de Halleux, La Définition Christologique à Chaicédoine, in: RTL 1976/7, 3 -2 3 , 155-170. 23 A. M. Ritter, Dogma, 278. 24 Nizänokonstantinopolitanisches Symbol,

Christologie als Ikonemheologie

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Literatur: Breck, John , The Troparion Monogenes, An Orthodox Symbol of Faith, in: SVTQ 26/1982, 203-228, Van Bunnen, Alexis, Actualité de la Christo­ logie du R Serge Boulgakov, in: Le Messager Orthodoxe 98 (I-T I 1985), 13™44. Erni, Raymund, Das Christusbild der Ostkirche, Stuttgart 1963, Halleux, André d e, La Definition Christologîque a Chalcédoine, in: RTL 1976/7, 3 -2 3 , 155-170, Khodr; Georges, L’humanité du Seigneur, in: Contacts 36/1984, 173 — 181. Krüger; G., Art.: Monophysiten, in: RE 13, 372-401. Kunkel, Christoph, Totus Christus. Die Theologie Georges V, Florovskys, Diss, Erlangen 1989, Ritter, A dolf Martin, Dogma und Lehre in der Alten Kirche, in: Carl Andresen (Hrsg,), Handbuch der Dogmen- und Theologiegeschichte 1, Göttingen 1982, 99-283. Stäniloae, Dumitru, La Christologie de S, Maxime le Confesseur, in: Contacts 40/1988, 112-120, Unofficial Consultation between Theologians of Eastern Orthodox and Oriental Orthodox Churches, August 11-15, 1964. Pa­ pers and Minutes. Edited by J, S, Romanides, Paul Verghese, N, A. Nissiotis; G O TR 10/1964-1965/2 (Vgl. a. G O TR 1968/2; 1971/1 und 2). Williams, Ro~ wan, Art: Jesus Christus II, Alte Kirche, in: TRE 16, 726-745. Zizioulas,Jean, Christologie et Existence. La dialectique créeincrée et le dogme de Chalcédoine, in: Contacts 36/1984, 154-172.

4.2

„Der Unumgrenzte hat sich umgrenzt“ * Christologie als Ikon en theologie

Seit der Wende vom 14. zum 15, Jahrhundert begegnet in Rußland ein neuer Typ der Christus-Ikone: „Spas v süach“ - der Erlöser inmit­ ten der Engelkräfte. Auch der berühmte Ikonenmaler Andrej Rublev hat dieses Motiv mehrfach gemalt, darunter auch die hier abgebildete in der M oskauer Tret’jakov-Galerie aufbewahrte kleinformatige Ikone.25 Einige Züge dieser Ikone begegnen auf allen Christus-Ikonen: In den Nimbus, der das Haupt Christi umgibt, ist ein Kreuz eingezeich­ net, oft nur mit zarten zinnoberroten Linien, oft in einer von der Grundfarbe (meist Gold) stärker abweichenden Farbgebung.26 In das Kreuz des Nimbus eingeschrieben sind —mit Ausnahme nur weniger, überwiegend früher Ikonen - die griechischen Buchstaben Ο Ω Ν der Seiende. Sie spielen an auf die Gottesoffenbarung an Mose Ex 3, 14. Die griechische Bibel, die Septuaginta, übersetzt die Selbstoffenbarung * Vgl. Triodion 144: 3. Stichira zur Großen Vesper vom Sonntag der Ortho­ doxie (vgl. a. Die Ostkirche betet I, 283). 25 Abb. 4. - Andrej Rublev, 18x16, 1410-1415. 26 Sehr stark abgehoben, am Stil der Novgoroder Ikonen orientiert, auf Abb. 5,

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Gottes rriliK “!^S ΓΓίΐΧ (Ich bin, der ich bin) mit Έ γ ώ ειμι ό ών (Ich bin der Seiende). Die Aufschrift im Nimbus sagt damit sehr deutlich: der hier auf der Ikone Dargestellte ist Gott Selbst. Unterstrichen wird das häufig noch auf Christus-Ikonen eines anderen Typs durch die Auf­ schrift ό κύριος ό παντοκράτωρ (slawisch: Gospod1VsederziteF), der Herr, der Alierhalter, der Allmächtige, Erst mit den Entscheidungen des 7. Ökumenischen Konzils, das - ausgelöst durch den vorangegangenen Bilderstreit - im Jahre 787 in Nikäa stattfand, sind die christologischen Auseinandersetzungen, die die Alte Kirche erschüttert haben, abgeschlossen. In den dem Konzil vorangegangenen Auseinandersetzungen um die Bilder war dagegen auf beiden Seiten christologisch argumentiert worden. Obgleich die Auseinandersetzungen um die Zulässigkeit von Iko­ nen, vor allem von Christus-Ikonen, so stark dogmatisch befrachtet waren, lassen die traditionellen orthodoxen Dogmatiken über das Problem der Ikonen und der Ikonenverehrung nichts verlauten. Sie schweigen damit über ein Phänomen, das nach dem Urteil von Ernst Benz wie kein anderes für die orthodoxe Kirche kennzeichnend ist.27 Die meisten wichtigen Zeugen der traditionellen Schuldogmatik ent­ halten kein Kapitel bzw. keinen Abschnitt über die Ikone. Die Dogma­ tik des Metropoliten M akarij28 hat ihn - freilich an merkwürdiger Stelle - bei der Abhandlung der Eschatologie. Das Fehlen eines Ab­ schnitts über die Ikone bzw, die Unsicherheit bei der Einordnung eines solchen Abschnitts in die Dogmatik ist ein Zeichen dafür, wie weit sich die herkömmliche Lehrbuch-Orthodoxie von der kirchlichen Erfah­ rung gelöst hatte und wie stark das noch bis heute nachwirkt. Bei den traditionellen orthodoxen Katechismen sieht es nur wenig anders aus. Hier werden zwar die Ikonen bei der Behandlung des 2. G ebotes29 erwähnt. Aber selbst der Katechismus des Metropoliten Filaret (Drozdov), der hier am ausführlichsten ist, geht auf die für die Theologie der Ikone eigentlich wichtigste Fragestellung - die christolo­ gischen Probleme -- nicht ein. 27 Ernst Benz, Geist und Leben der Ostkirche. - In sehr geschickter Weise beginnt Ernst Benz seine Darstellung der Ostkirchen mit einem Kapitel über >Die orthodoxe IkoneDrei Skizzen zur rus­ sischen Ikone< des Religionsphilosophen Fürst Evgemj Trubeckoj (1863-1920) zu nennen.42 Für die Darstellung der heutigen orthodoxen Ikonentheologie und der Bilderlehre der byzantinischen und alcrussischen Vergangenheit besonders wichtig geworden sind der Priester und Religionsphilosoph Sergij Bulgakov,43 der russische orthodoxe Pariser Theologe Vladimir Losskij, der als Patristiker auch Interesse für die Theologie der Ikone bewiesen hat, und vor allem Leonid Uspenskij (1902-198 7).44 Ihre Sicht ist für die folgende Darstellung der christologischen Auseinanderset­ zungen um die Möglichkeit der Ikone von wesentlicher Bedeutung. Bei ihnen wird eine Brücke zu den chnstologischen Streitigkeiten um die Ikone im 8. und 9. Jahrhundert und später um das Gottesbild im 16. und 17. Jahrhundert geschlagen; diese Auseinandersetzungen werden von mir nur insoweit dargestellt, als sie für eine an der kirch­ lichen Erfahrung orientierte orthodoxe Theologie heute von Bedeutung sind und von ihr rezipiert und reflektiert werden. Vor allem Leonid Uspenskij hat auf das christologische Argument verwiesen, das hier in Anlehnung an ihn bedacht werden so ll45: Gegen die ersten verschärften Angriffe auf die gesteigerte Ikonenverehrung zu Beginn des îkonokîastischen Streites betonte vor allem der bedeutend­ ste Verteidiger der Ikonenverehrung, Johannes von Damaskus (um 650 bis um 750), die Menschwerdung Christi. Zwar verwies er in seinen be­ rühmten drei Reden zur Verteidigung der Bilder46 und in seiner ‘Dar­ legung des orthodoxen Glaubens' darauf, daß G ott Selbst schon im Alten Testament Bilder geboten habe - die eherne Schlange und die Cherubim auf der Bundeslade - und erinnerte darüber hinaus auch an die ‘Typen5, die ‘Bilder5 des Heils, die G ott Selbst im Alten Testament entworfen hat. Die wichtigste Begründung der Ikonenverehrung aber ist die christologische: 41 Siehe u. Kap. 7. 42 Evgenij Trubeckoj, Tri ocerka. 43 Sergij Bulgakov, Ikona i ikonopocitanie. 44 Leonid Ouspensky und Wladimir Lossky, Der Sinn der Ikonen; Léonide Ouspensky, Symbolik; ders., La Théologie de PIcône; vgl, neuerlich aus der Schule Leonid Uspenskijs: Nicholas Ozolin, TheTheology of rhe Icon, mit be­ sonderem Nachdruck auf der christologischen Problematik. 45 Vgl. L. Ouspensky, Theologie, 89-132. 46 B. Kotter (Hrsg.), Die Schriften des Johannes von Damaskos.

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Es ist aber Gott in Seinem herzlichen Erbarmen unserer Rettung wegen47 wahrhaftig Mensch geworden, nicht wie Er dem Abraham In Menschengestalt erschienen ist, auch nicht wie den Propheten, Nein, wesenhaft, wirklich Ist Er Mensch geworden, hat auf Erden gelebt und mit den Menschen verkehrt, hat Wunder gewirkt, gelitten, ist gekreuzigt worden, auferstanden, [in den Him­ mel] aufgenommen worden, und all dies ist wirklich geschehen und von Menschen gesehen worden,48

In der Auseinandersetzung mit den Ikonen-Gegnern, die von der N atur ausgingen, zeigt sich wieder die traditionelle Ausrichtung der orthodoxen Theologie an der erfahrbaren Person. Die Ikonen-Gegner meinten, Christus könne nicht bildlich dargestellt werden, da man bei einer Darstellung Christi entweder in die nestorianische oder in die monophysitische Häresie verfallen müsse. Entweder nämlich werde allein die menschliche Natur dargestellt, dann werde nestorianisch ge­ trennt. Oder man stelle die göttliche Natur mit dar. Das aber sei un­ möglich und bedeute außerdem die Vermengung der beiden Naturen Christi. Gegenüber dieser Ausrichtung an der Natur gehen die Ikonen-Verehrer von der konkret erfahrbaren Hypostase aus. Die Person, nicht die Natur, wird dargestellt.49 Da in Christus ‘die Fülle der G ott­ heit leibhaftig wohnt3 (Kol 2 ,9 ),50 sieht der, der Christus sieht, G ott: „Wer mich sieht, der sieht den Vater“ (Joh 14,9), und wer Christi Bild sieht, sieht Gottes Bild. Leonid Uspenskij betont mit Nachdruck, wie wichtig im JohannesEvangelium und dann wieder im theologischen Denken des Johannes von Damaskus das Sehen ist. Besonders häufig verweise der Damasze­ ner auf das Wort Christi „Selig sind eure Augen, daß sie sehen und eure Ohren, daß sie hören. Wahrlich ich sage euch: Viele Propheten und Gerechte haben begehrt zu sehen, was ihr sehet, und habend nicht ge­ sehen, und zu hören, was ihr höret, und habenks nicht gehört“ (Mt 13,17).51 „Nun sieht der Mensch“, schreibt Leonid Uspenskij, „mit den Augen des Fleisches die Verwirklichung“ der Offenbarungen der Propheten: „den inkarnierten Gott, Der hl. Evangelist Johannes drückt das m it großer K raft aus in den allerersten Worten seines ersten Briefes: ‘Das da von Anfang war, das wir gehört haben, das wir 47 Vgl. Nizänokonstantinopolitanisches Symbol. 48 Johannes von Damaskus, De fide ordiodoxa IV 16: PG 94, 1172. 4Sophia< ist Schöpfung und Leiblichkeit bereits angelegt. Tatsächlich bringt nach Bulgakovs Sicht Christus die Möglichkeit der Darstellbar keit Gottes, die das Bilderverbot verwehrt hatte. Aber nicht weil Gott ohne Inkarnation nicht ‘faßbar’ wäre, sondern weil das entstellte Bild Gottes in der Inkarnation wiederhergestellt worden ist.97 In diesem Sinne ist auch bei Bulgakov die Ikone christologisch be­ gründet. Angesichts dieser einheitlich christologischen Begründung der Ikonentheologie - in den Auseinandersetzungen des 7. bis 9. Jahr­ hunderts und noch bei so unterschiedlich argumentierenden Theoio-

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L. Ouspensky, Theologie, 290-292, 345-386. S, Bulgakov, Ikona, 137f, S. o. S. 2 0 f.; s. a. S. 202ff., 230. S. Bulgakov, Ikona, 89 f. S. Bulgakov, Ikona, 82f. S. Bulgakov, ikona, 84: Verweis auf Dan 7 und Ez 1, S. Bulgakov, Ikona, 87. S. Bulgakov, Ikona, 91.

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gen wie Uspenskij und Bulgakov - ist es zunächst einmal erstaunlich, daß in der Praxis die Christus-Ikone nicht eine so dominierende Stel­ lung hat wie in der Theorie, Es gibt zwar einige unterschiedliche Typen der Christusikone, aber nicht deren mindestens 300, wie sie L Bucharev bei der Ikone der Gottesmutter gefunden und beschrieben hat.98 Freilich ist die Grenze zwischen Christus- und Gottesmutterikone flie­ ßend. Zuweilen „ist es sogar schwer zu sagen, ist es eine Ikone Christi —denn auf ihr ist auch Sein Bild präsent -- oder eine der Gottesmutter, der die Ikone unmittelbar geweiht is t".99 Tatsächlich kennt die orthodoxe Kirche nur sehr wenig Typen der Gottesmutter-Ikone, auf denen sie nicht entweder das Christusbild auf ihrem Schoß oder in ihren Armen hält, Christus vor (= in) ihrem Leibe tragt oder sich wie auf der Deisis-Ikone Ihm im Gebet zuwendet. Und diese wenigen Ikonentypen sind sämtlich sehr spät und vermutlich un­ ter westlichem Einfluß entstanden, Auch an einem die Gottesmutter so stark verherrlichenden Bildtyp wie der Ikone des Nichtverbrennenden Dornbuschs100 wird im Grunde das Wunder der Menschwerdung ver­ herrlicht - abgesehen von Zügen, die allein christologisch zu erklären sind wie der häufig auf dieser Ikone begegnenden Darstellung Christi als Bischof.101 Die Beziehung ist, wie Uspenskij die traditionelle or­ thodoxe Position richtig darstellt, sogar noch enger, Die ‘Möglichkeit, den Gottmenschen nach Seinem Fleisch darzustellen’, hat Er ‘von Sei­ ner Mutter entliehen’.102 N icht umsonst wendet sich das Kontakion vom Fest der Orthodoxie, an dem die Wiederherstellung der Bilder­ verehrung nach dem Ende des Bilderstreites begangen wird, an die Gottesmutter: Das unumgrenzte Wort des Vaters ward, Gottesgebärerin, im Fleische be­ grenzt, das es aus Dir annahm. Das Bild, das beschmutzte, hat Er umgebildet ins Urbild und mit göttlicher Schönheit verbunden. Doch wir bekennen die Erlösung und stellen sie dar im Werk und Wort.103

Die Ikone der Gottesmutter ist aber nicht nur Bild Christi, sondern - so sieht es Sergij Bulgakov - auch Bild des Hl. Geistes. Denn sie sei ja „in Wahrheit Geistträgerin nach der Verkündigung". Ihre Ikone ist „verborgen eine Ikone der D ritten Hypostase in menschlicher 98 1. Bucharev, Cudotvornyja ikony Presvjatoj Bogorodicy. 99 S. Bulgakov, Ikona, 151. 1(10 Siehe u. Abb. 6. 101 Siehe u. Kap. 8. 4. 102 L. Ouspensky, Theologie, 136. Triodion, 147; Die Ostkirche betet, 290.

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Gestalt“, 104 weil sie „das heiligste Gefäß des Hl. Geistes ist“ .105 Daß „ihre menschliche Gestalt vollkommen durchsichtig" ist für den Hl. G eist,106 würden wohl die meisten orthodoxen Theologen ebenso sagen wie Sergij Bulgakov.107 Nicht alle würden jedoch hinzufügen, daß das für die Darstellung der Gottesmutter ohn e Christuskind in besonderer Weise gelte, und nicht alle würden die Gottesmutter-Ikone so ungeschützt als ‘Ikone des H l, Geistes in menschlicher Gestalt5 bezeichnen wie Bulgakov.108 Was hier zuletzt von der Gottesmutter und ihrer Ikone besonders ge­ sagt wird, gilt für alle Heiligen und ihre Bilder m abgestufter Weise. Sie sind vom Licht der Verklärung durchstrahlt. In ihnen ist das Ebenbild Gottes wiederhergestellt. In ihnen leuchtet das Bild des Hl, Geistes hervor. In ihnen und ihrer Ikone erkennen wir ein Bild des kommen­ den Reiches.109 In ihnen leuchtet die potentielle Schönheit der Schöp­ fung110 und das Licht der Verklärung Christi auf,111 das nach Uspenskij allen Menschen zugänglich ist wie die Erzählung vom Gespräch des hl. Serafim von Sarov mit M otovüov112 und die Erfahrungen Symeons des Neuen Theologen belegen.113 Die Ikone zeigt, was Hymnus und Psalter besingen: „Wunderbar ist G ott in Seinen H eiligen.“ 114 In diesem Sinne wird die Ikonentheologie zum Bindeglied zwischen Christologie und Pneumatologie. Literatur: Alexandrow, A ., Die Theologie des Bildes im Schaffen Andrej Rubljows, in: SOrth 1983/8, 31-41. Arida, R obert M., Second Nicaea. The Vi­ sion of the New Man and New Creation In the Orthodox Icon, in: G O TR 32/ 1987, 417-424. Boloto-v} Vasilij, Lekcii po istorii Drevnej Cerkvi, IV. Istorija cerkvi v period vselenskich soborov II I . Istorija bogoslovskoj mysli. Posmertnoe izdanie pod redakciej prof. A. Brilliantova [Vorlesungen zur Geschichte der Alten Kirche, IV. Geschichte der Kirche in der Zeit der ökumenischen Konzilien III. Geschichte des theologischen Denkens. Posthume Ausgabe

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S. Bulgakov, Ikona, 140. S. Bulgakov, Ikona, 151. S. Bulgakov, Ikona, 151. S. Bulgakov, Ikona, 151. S, Bulgakov, Ikona, 151. S, Bulgakov, Ikona, 184. L. Ouspensky, Théologie, 143. L. Ouspensky, Théologie, 142. Vgl. K. Ch, Felmy, Von Alexander I,, Nr. 160. 489-492. L. Ouspensky, Théologie, 142. Ps 67/68, 36.

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unter der Redaktion von Prof. A. Brilliantov], Petrograd 1918, Nachdruck: Teddington 1970. Bucharev, Cudotvornyja ikony Presvjatoj Bogorodicy (Istorija ich izobrazenija) [Die Wundertätigen Ikonen der Allheiligen Gottesgebärerin (Geschichte ihrer Darstellung)], Moskau 1901. [ Bulgakov, Sergij] $, Boulgakov, L’icône et la vénération de l’îcône, Paris 1931. D e r s Ikona i ikonopocitanie. Dogmaticeskij, ocerk [Ikone und Ikonen Verehrung. Eine dogma­ tische Skizze], Paris 1931. Cavarnos, Constantine, Knowing God through Icons and Hymnody, in; G O TR 23/1978, 282-298. Chase, Christopher, L., A Note on the Theological Origin of the Iconography of the Dead Christ, in: GO TR 24/1979, 5 8-64. Felmy, K arl Christian, Von Alexander I. bis zum Amtsantritt Pobedonoscevs (1801-1880), In: P. Hauptmann, G, Strieker, Die orthodoxe Kirche in Rußland. Dokumente ihrer Geschichte (860-1980), Göttingen 1988, 459-557. Florenskij, Pavel, Ikonostas [Die Ikonostase], in: BoTr 9/1972, 83-148, D en., Die Ikonostase. Urbild und Grenzerlebnis im revolutionären Rußland. Einführung von Ulrich Werner, Stuttgart 1988, H addad, R obert M,, Iconoclasts and Mukazila, The Politics of Anthropomorphism, in: GOTR 27/1982, 287-306. Iwanow, N ikolai, Der Kelch des Gottessohnes, Eine Medita­ tion über die Dreifaltigkeitsikone Andrej Rubljows, in: SOrth 1983/10, 4 0 -4 8 ; 11, 4 5 -4 7 . Iwanow, Wladimir, Im Widerstreit mit den Kunstrichtungen seiner Zeit. Simeon Polozki und die russische Ikonenmalerei in der zweiten Hälfte des 17. Jh., in: SOrth 1987/11, 2 5 -3 4 . Ders,, Sanftmut, belohnt mit der Kraft der Ikone. Die Ikonographie der ersten russischen Heiligen im 10. bis 13. Jh ., in: SOrth 1988/8, 38-42. Ders., Die Theologie der Ikone und die orthodoxe Spiri­ tualität, in: SOrth 1987/10, 41-45, Lossky, Nicholas V., The Significance of Second Nicea, in: GOTR 1987/4, 335-358. Mokrosch, Reinhard, und Herbert Walz, Mittelalter, Neukirchen 1980 = H, A, Oberman, A, M. Ritter, H.-W Krumwiede, Kirchen- und Theologiegeschichte in Quellen II. Ouspensky, Leo­ nide, The Problem of the Iconostasis, in: SVSQ 1964, 186-218. Ders., Léonide, Symbolik des orthodoxen Kircheiigebäudes und der Ikone, in: E. Hammer­ schmidt u .a., Symbolik des orthodoxen und orientalischen Christentums, Stuttgart 1962 (= SyR 10) 53-90. Ders., La théologie de l’icône dans l’Église or­ thodoxe, Paris 1980. Ders., Leonid und Wladimir Lossky, Der Sinn der Ikonen, Bern-Olten 1952. Ozoline, Nicolas, La doctrine boulgakovienne de la «descriptibilité» de Dieu à la lumière de la théologie orthodoxe de l’icône, in: Le Messa­ ger Orthodoxe I —11/1985, 111-112. Ders., Ozolin, Nicholas, The Theology of the Icon, in; SVTQ 1987/4, 297-308, Seep kina, Marfa Vjaceslavovna, Miniatjury Chludovskoj Psaltyri. Greceskij illjustrirovannyj kodeks IX veka (Die Miniaturen des Chludov-Psalters. Ein griechischer illuminierter Kodex des 9, jh .], Moskau 1977. Sokolova, Marija N ikolaevna, Kartina i Ikona [Bild und Ikone], in: ZMP 1981/7, 73-78. Sörries, Rainer, Kannte die antik-heidnische Kunst biblische Themen? - Neue Überlegungen zum Ursprung christlicher Kunst (Unveröffentlichte Habilitationsvorlesung, Erlangen 1987), Trubeckoj, Evgenij, Tri ocerka o russkoj ikone [Drei Skizzen zur russischen Ikone], Paris 1965. Uspenski, Leonid A., Grundzüge russischer Ikonenmalerei, in: SOrth 1984/1, 37-44. Vassilieff, A., André Roubîev et Grégoire Palamas, in: Le Messager

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4.3 „Geehrter als die Cherubim und unvergleichlich herrlicher als die Serafim“ * M ariolog ie als T h e o t o k o lo g ie 115

„Das Christentum allein mit Christus, aber ohne die Gottesmutter, das ist seinem Wesen nach eine andere Religion als die Orthodoxie, und der Protestantismus ist von der Kirche nicht durch einzelne seiner Irr­ lehren und willkürlichen Verkürzungen, sondern vor allem und we­ sentlicher als alles durch sein fehlendes Gefühl für die Gottesmutter getrennt.“ So drückte Erzpriester Sergij Bulgakov im Jahre 1927 sein Befremden gegenüber dem Mangel an Verehrung der Gottesmutter im Protestantismus aus.116 Im selben Jahre schockierte er die Lausanner Faith and Order Konferenz mit der Feststellung, jeder Annäherung der getrennten Kirche müsse die gemeinsame Verehrung der Gottesmutter vorangehen.117 Das Verhältnis zur römisch-katholischen Kirche und ihrer Mario­ logie ist komplizierter als die eindeutigere Stellung gegenüber dem Pro­ testantismus in dieser Frage, aber insgesamt doch auch überwiegend ab­ lehnend, und spiegelt bei aller Gemeinsamkeit in der Verehrung der Gottesmutter großes Befremden. Das läßt beispielhaft das von Hein­ rich Petri verfaßte Kapitel >Manenverehrung in der östlichen Christen­ hein in dem von Wolfgang Beinert und Heinrich Petri herausgegebenen, 1984 erschienenen >Handbuch der Marienkunde< erkennen.118 *. Vgl. Die Göttliche Liturgie, 67. 115 Teile dieses Kapitels wurden bereits veröffentlicht unter den Titeln: Dornbusch, in dem das Feuer brennt; Der Nichtverbrennende Dornbusch. Die Mutter des Herrn in Theologie und Frömmigkeit der orthodoxen Kirche, in: Richard Riess (Hrsg.), Wenn der Dornbusch brennt. Beiträge 2um Pfarrerbe­ ruf, zur Praxis des geistlichen Lebens und zum Weg der Kirche, Eine Festgabe für Dieter Voll, München 1989, 232-242, 116 S. Bulgakov, Kupina Neopaiimaja, 78. 117 Die Weltkonferenz für Glauben und Kirchenverfassung. Deutscher amt­ licher Bericht über die Weltkonferenz zu Lausanne 3.-21. August 1927. Im Auftrag des Fortsetzungsaosschusses hrsg. von Hermann Sasse, Berlin 1929, 269. 118 Heinrich Petri, Maria und die Ökumene, 319—330.

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Petri betont die starke Schriftbezogenheit der Aussagen der östlichen liturgischen Texte über Maria, findet allerdings gerade diese Schrift­ bezogenheit problematisch, weil sie die Frage nach „der sachgerechten Interpretation der biblischen Schriften“ und damit nach der exegeti­ schen Methode, d. h. nach der Zulässigkeit der typologischen Schrift­ auslegung, aufwirft. Das orthodoxe Marienlob enthalte „auch gewagte Übertragungen, kühne Bilder und 'Übertreibungen’“. Während der Protestantismus in bezug auf Maria Mestoriamsche’ Tendenzen auf­ weise, sei gerade auch in den Aussagen zu Maria „für den Orient der Monophysitismus eine ernste Versuchung“. Demgegenüber sei es „er­ staunlich, wie sehr die orthodoxe Theologie ihre eigenen Quellen außer acht gelassen und sich protestantischem Denken geöffnet hat, sobald es um Maria geht“.119 Heinrich Petri sieht das insbesondere an der Einstellung der ortho­ doxen Theologie zu den neueren römisch-katholischen Dogmen zur Mariologie von 1854 und 1950 bestätigt. Es ergebe sich „der merkwür­ dige Tatbestand, daß in orientalischen Texten z. B. durchaus die Über­ zeugung von der Unbefleckten Empfängnis Marias und noch deut­ licher die von ihrer leiblichen Aufnahme in den Himmel bezeugt ist, daß aber die Dogmatisierungen dieser beiden Lehren im allgemeinen bei den Orthodoxen auf Kritik und Ablehnung gestoßen sind“. O rtho­ doxe Theologen seien vielmehr paradoxerweise von der - so Petri nach den Aussagen der orthodoxen Hymnik bestehenden dogmati­ schen „Übereinstimmung keineswegs überzeugt. Sie fühlten sich fremd in der katholischen Mariologie und äußerten ihren Widerstand sehr deutlich“.120 Die Übereinstimmung der hymnischen Texte mit den Aussagen der römisch-katholischen mariamschen Dogmen ist jedoch bereits fragli­ cher, als es Heinrich Petri erscheinen will. Vor allem gilt das in bezug auf das Dogma von der Unbefleckten Empfängnis Mariens. Die G ot­ tesmutter wird zwar unzählbar häufig als „makellos" besungen; aber die Hymnen sind nicht interessiert an der Frage, wann und wie die Gottesmutter mit dieser Makellosigkeit begnadet wurde. Petri selbst verweist darauf, daß ähnliche Epitheta wie bei der Empfängnis der Gottesmutter auch auf die Empfängnis des Täufers angewandt werden, wo sie ja nun keinesfalls im Sinne des Dogmas von 1854 verstanden sein 119 H, Petri, 326 unter Bezug auf R. Laurentin, Die marianische Frage, 120 H. Petri, 327, -- Eher von einer weitreichenden Übereinstimmung über­ zeugt sind dagegen die Herausgeber des sehr informativen Bandes: Tausend Jahre MarienVerehrung in Rußland und Bayern.

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wollen. Etwas anders verhält es sich mit Aussagen zu einer "leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel5. Die liturgische Dichtung zu dem Fest des "Entschlafens der Gottesmutter’ am 15, August enthält tatsäch­ lich Aussagen, die sich im Sinne einer ‘leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel’ deuten lassen.121 So heißt es z. B. in der 6. Ode des Kanons zum Fest des ‘Entschlafens der Gottesmutter1, der Leib der Gottesmut­ ter sei im Grabe ebenso unverwest geblieben, wie ihre Jungfräulichkeit bei der Geburt unverletzt blieb.122 Doch die Unversehrtheit des Leibes im Tode ist Zeichen der Gnade Gottes auch bei heiligen Asketen und nicht nur bei der Mutter des Herrn. Im übrigen ist es auch fraglich, wie­ weit die Hyperbolik des Hymnus auf die Goldwaage der Dogmatik gelegt werden kann. Schließlich fragt ein anderes Troparion der 6. Ode dieses Kanons auch, wie denn der Leib, der das Leben hervorgebracht hat, „der Erfahrung des Todes teilhaftig“ werden konnte,123 wo doch selbst das römisch-katholische Dogma den Tod Mariens nicht in Frage stellt.124 Insgesamt ist das Thema der leiblichen Aufnahme in den gottes­ dienstlichen Texten für das am 15. August begangene Fest der Gottes­ mutter nicht beherrschend. Entscheidend ist vielmehr, daß die G ottes­ mutter „ihre makellose Seele ihrem Schöpfer und G ott übergibt“, 125 sie „in die Hände des Sohnes gelegt hat“.126 Immerfort wiederholt wird die Aussage des Apolytikion, daß "die Mutter des Lebens zum Leben hinübergegangen ist5, 127 ohne Reflexion darüber, ob dieser Übergang ins Leben Leib und Seele der Mutter des Herrn oder nur ihre Seele betroffen hat. Bezeichnend ist, daß das Fest ungeachtet aller Anspielungen auf eine leibliche Aufnahme in den Himmel „Entschlafen unserer überheiligen Herrin, der Gottesgebärerin“ heißt, nicht „Mariä Himmelfahrt“ und daß die Festtagsikone zwar zuweilen auch die Him ­ melfahrt der Gottesmutter in einer Nebenszene zeigt, das Entschlafen mit Christus an ihrer Totenbahre, der ihre Seele in Empfang nimmt, aber im Zentrum und oft auch allein darstellt. 121 Vgl. Fairy v. Lilienfeld, Maria im liturgischen Gebet der orthodoxen Kir­ che, 39. 122 Menaion tou Augoustou, 152. 123 Menaion ton Augoustou, 152. 124 So allerdings tatsächlich Epiphamus von Salamis, Adversus Antidicomarianitas X I: PG 42, 716. 123 Stichtra des Johannes zur Lid im Hesperinos vom 15. 8., 2, Ton: Me­ naion ton Augoustou, 147. 126 Stichira des Germanos zur Lid im Hesperinos vom 15. 8., 3. Ton: Me­ naion ton Augoustou, 147. 127 Menaion tou Augoustou, 148,

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Ungeachtet eines geradezu überwältigenden hymnischen Reichtums im Lob der Gottesmutter und ungeachtet gelegentlicher Ubereinstim“ mungen selbst in Aussagen, die in der römisch-katholischen Kirche dogmatischen Rang erhalten haben, ‘fühlen sich’, wie Heinrich Petri feststellt, ‘Orthodoxe fremd in der katholischen Mariologie’, 128 auch wenn diese ihnen noch immer näherstehen mag als die protestantische Ablehnung der Marienverehrung. Ja, strenggenommen gibt es über­ haupt keine orthodoxe Mariologie,129 und an dieser Stelle liegt der eigentliche Dissens. Orthodoxe Hymnik ist bereit zu lobpreisenden Aussagen über und an die Gottesmutter, die einen römisch-katholi­ schen Theologen sogar irritieren können. Nicht umsonst spricht Petri - wenn auch mit Anführungszeichen - von „Übertreibungen“, von ‘gewagten Übertragungen’ und ‘kühnen Bildern’ .130 Aber orthodoxe „Mariologie“, orthodoxe die Gottesmutter betreffende hymnische Dichtungen und orthodoxe Ikonen der Gottesmutter zeigen und prei­ sen Maria fast immer in ihrer Beziehung zu Christus, verehren sie zu­ allererst als „Gottesgebärerin“, als Theotokos. Letztlich ist orthodoxe Mariologie immer „Theotokologie“, 131 ein besonderer Aspekt der Christologie, Christologie mit eigenen Akzenten, aber ohne Eigen­ gewicht.132 Dementsprechend verzichten die orthodoxen Schuldogmatiken und Katechismen auf ein ‘mariologisches’ Kapitel, auf das eine römischkatholische Dogmatik seit 1854 grundsätzlich nicht mehr verzichten kann. In der Dogmatik von Christos Androutsos findet sich überhaupt kein zusammenhängender, die Gottesmutter Maria betreffender Ab­ schnitt, und auch die »Orthodox-Dogmatische Theologie* des M etro­ politen Makarij enthält kein ‘mariologisches’ Kapitel, aber bezeichnen­ derweise drei Paragraphen der Christologie, die schon m der Über­ schrift auf die Mutter des Herrn verweisen: „§ 134. Jesus der Herr hat eine menschliche Natur und ist nämlich der Sohn der Jungfrau Maria“; „ §135, Jesus der Herr ist der Menschheit nach auf übernatürliche "Weise geboren, und seine Allheilige Mutter ist Immerjungfrau“; „§ 140. [Die Folgen der hypostatischen Vereinigung der beiden Na­ turen in Jesus Christus] b) in bezug auf die Allheilige Jungfrau, die 128 H. Petri, 327. 129 V, D. Sarycev, O pocitanii Boziej Materi. Iso h . Petri, 326. 131 Diesen unüblichen, aber die Sache genau treffenden Begriff verdanke ich Herrn Privatdozent Dr. Peter Plank, Würzburg, 132 Vgl. Georges Florovsky, The Ever-Virgin Mother of God.

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Mutter Jesu, des H errn,“ Auffällig ist allein und ungewöhnlich, daß der Titel ‘Jungfrau3 hier häufiger begegnet als der Titel ‘Gottesgebärerin3, der eigentlich der wichtigste ‘mariologlsche3 Titel in der orthodoxen Theologie ist. Anders ist es in der >Orthodoxen Dogmatischen Theologie< Dumitru Stäniloaes, in der ein Abschnitt der Christologie die Überschrift >Die Selige Maria, die Gottesgebärerim trägt,133 Hier wird denn auch das zentrale orthodoxe in der Auseinandersetzung mit Nestorios formulierte ‘theotokologische3 Dogma entfaltet, das auch in der >Orthodoxen Dogmatischen Theologie< des Erzpriesters Nikolaj Malinovskij zur Sprache kommt. Diese Dogmatik zeichnet sich über­ dies durch eine Auseinandersetzung mit dem Dogma von 1854 sowie mit dem Theologoumenon der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel und dem Kult des Herzens Mariens aus.13li Auffälligerweise ist die ursprünglichere und zugleich neuere, an der orthodoxen kirchlichen Erfahrung orientierte Theologie von der glei­ chen ‘mariologischen3 Zurückhaltung geprägt, die auch die orthodoxe Schultheologie kennzeichnet. Nur die Herausforderung durch die rö­ misch-katholische Mariologie führt orthodoxe Theologen gelegentlich zu meist eher ablehnenden Stellungnahmen, Lediglich die rekgionsphilosophische Spekulation öffnet sich hier und da einer breiteren E n t­ faltung eigenständiger mariologischer Themen. Die ansonsten unge­ wöhnliche Übereinstimmung zwischen der Schultheologie und dem an der Erfahrung orientierten theologischen Denken läßt es geraten erscheinen, ln diesem die Reflexion der ‘mariologischen3 Erfahrung darstellenden Abschnitt der >Einführung m die orthodoxe Theologie< einen anderen Weg zu wählen als bei den anderen Kapiteln der ortho­ doxen Lehre, Sowohl die ‘mariologische5 Zurückhaltung als auch die Prägung der gebeteten Theologie durch eine glühende Verehrung der Mutter des Herrn ist begründet in dem Niederschlag, den die Vereh­ rung der Gottesgebärerin in der von Tag zu Tag dem orthodoxen Beter präsenten Hymnik gefunden hat, weil hier in unzähligen Variationen ‘Theotokologie3 getrieben wird. Dieser Grundlage der liturgischen E r­ fahrung des Gebets zur Gottesmutter soll zunächst Aufmerksamkeit geschenkt werden. Dicht zusammengefaßt sind die Züge dieser Hymnik in der ver­ gleichsweise späten russischen Ikone des „Nichtverbrennenden D ornbuschs“. 135 Gerade mit ihrem hohen Grad an Reflexion, der früheren 133 D. Stäniloae, Teologia Dogmatica Ortodoxä II, 76. 134 N. Malinovskij, Pravoskvnoe Dogmauceskoe Bogoslovie III, 160 —191, 135 U. E. entspricht diese Ikone dem Gesamtgehalt ‘theotokologischer3

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Ikonen noch fremd ist, und ihren die Verehrung der Gottesmutter in dichte Nähe zur Christusverehrung rückenden 'Übertreibungen’ läßt sie die Eigenart der orthodoxen Verehrung der Gottesmutter gut er­ kennen, Zu diesen Eigenarten gehört, daß die Ikone ~ bei den liturgischen Dichtungen sieht es ähnlich aus - mehrfach die Christologie, z, T. ohne unmittelbar erkennbaren Zusammenhang mit der Verehrung der Gottesmutter, thematisiert. Auf vielen Ikonen des ‘Dornbuschs’ sieht man Christus nicht nur als auf dem Schoß der Gottesmutter sitzenden Immanuel mit der Schriftrolle des Propheten in der Hand, sondern auch als Hohenpriester in bischöflichen Gewändern und zugleich auch als König; das sind ansatzhafte Züge einer Dreiämterlehre ohne er­ kennbaren Bezug zur Gottesmutter. Auf den meisten ‘Dornbusch’-Ikonen sind in den Ecken vier Neben­ szenen dargestellt. Von rechts oben im Uhrzeigersinn ‘gelesen’ , sind es in der Regel: die Vision des Zweigs, der aus der Wurzel Jesse hervorgeht (Jes 11,1), der Traum Jakobs in Beth-El mit der Jakobsleiter (Gen 28, 10-22), die Schau der verschlossenen Pforte von E z 4 4 , 1-3 und Mose vor dem Nichtverbrennenden Dornbusch (Ex 3), meist mit der 'Gottesm utter des Zeichens’ im D ornstrauch.136 Die am w ört­ lichen Verständnis der alttestamentlichen Texte orientierte moderne Exegese kann die hier praktizierte typologische Schriftauslegung nicht ohne weiteres nachvollziehen. Sie wurde aber bereits im Neuen Testa­ ment selbst geübt (vgl, z, B. 1 Kor 10, 1-4) und basiert auf der Über­ zeugung, daß erst Christus die Schrift geöffnet hat (L k 2 4 , 27.32,45). Erst in Christus, nicht schon im Selbstverständnis der Propheten, wird der eigentliche Sinn der Schrift offenbar. Diese Züge der typoJogischen Exegese führen H. Petri dazu, gerade die ‘Schriftbezogenheit’ der orthodoxen Marienverehrung als problematisch zu bezeichnen. Der Gottesmutter sind auf der ‘D om busch’-Ikone einige Attribute beigegeben, die an alttestamentliche Texte erinnern, die in der ortho-

Hymnik mehr als andere ältere Ikonentypen, Die ‘Dornbusch’-Ikone zeigt, daß frühe Züge orthodoxer theologischer Reflexion noch sehr spät adäquaten ikonographischen Ausdruck finden konnten, auch wenn, aufs Ganze gesehen, die Behauptung der UnVeränderlichkeit orthodoxer Theologie bei manchen Or­ thodoxen selbst, besonders aber im Westen, einer kritischen Überprüfung nicht standhält. 136 'Gottesmutter des Zeichens’ heißt ein Typ der Gottesmutter-Ikone mit dem Christuskind in einem Clipeus vor (in der Sprache der Ikonen bedeutet das hier: in) der Gottesmutter. Die Bezeichnung ist von Jes 7, 14 hergeleitet.

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doxen Kirche - der Väterexegese folgend - als Typen der Gottesmutter verstanden werden. Besonders gehäuft finden sich diese „Typen“ be­ reits bei dem syrischen Dichter Balai (5, Jh .), der den Dornbusch, die Wolke (Ex 3,2; 13,21), die Jakobsleiter, die Bundeslade und die ver­ schlossene Pforte von Ez 44 als vorabbildende Typen der Gottesmutter aufzählt.137 Fast immer hält die Gottesmutter eine Leiter in der Hand (vgl. Gen 28), Auf vielen Ikonen des ‘Dornbuschs5 sieht man vor der Brust der Gottesmutter auch den Berg, von dem sich ohne Zutun von Menschenhand ein Stein löst (vgl. D a n 2 ,3 4 f.), Manchmal steht auf dem Berg noch ein Bauwerk, das wohl Tempel und Wohnung Gottes sein soll. Die "Dornbusch’-Ikone nimmt eine Reihe von alttestamenthchen Motiven und Bildern auf, die - wie das Beispiel des Balai zeigt - in der patristischen Exegese und vor allem in der liturgischen Dichtung auf die Gottesmutter bezogen werden. So heißt es z. B, im Irmos der 9, Ode des Montags-Orthros im 3. Ton: Auf dem Sinai-Berge sah Dich im Dornbusch Mose, die Du, ohne zu ver­ brennen, das Feuer der Gottheit in Deinem Schoße empfangen hast. Daniel aber sah Dich, den unbehauenen Berg; Jesaja nannte Dich den blühenden Zweig aus der Wurzel Davids.138

In besonders eindrücklicher Weise hatte schon Ephram der Syrer das Geheimnis des Dornbuschs angesprochen. In seiner großen Predigt zum Fest Verklärung sagt er: „Gott das Wort wohnte im Schoße der Jungfrau selbst, und doch verbrannte das Feuer seiner Gottheit die Glieder des Leibes der Jungfrau keineswegs, sondern er bewahrte sie die Zeit der neun Monate hindurch unverletzt. Er wohnte im Mutter­ schoße der Jungfrau und ekelte sich nicht an dem Gestank der Natur. Er trat aus ihr als fleischgewordener G ott hervor, um uns zu er­ lösen.“ 139 Nimmt man noch als weiteres Beispiel die Dritte Ode des Gottes­ mutter-Kanons vom Sonntag des 1. Tons hinzu, dann begegnet hier auch noch das Bild der "verschlossenen Pforte5 von E z 4 4 .140 Beson­ ders reich an biblischen Bildern Ist u. a. aber die erste Stichira zu „Herr, ich rief zu D ir“ zum Fest Mariä Verkündigung, die schließlich noch zitiert werden soll: 137 138 139 140

Ausgewählte Schriften der syrischen Dichter, 40. Parakletike, 137; A. v. Maltzew I, 386. Ephräm der Syrer I, 185, Parakletike, 10; A. v. Maltzew I, 60.

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Den vorewigen Rat Dir, Mädchen, offenbarend, stand Gabriel vor dir, küßte Dich und sprach: Freue D ich,141142unbesätes Land; freue Dich, Nichtverbrennender Dornbusch; freue Dich, unerforschliche Tiefe; freue Dich, Brücke, die zum Himmel führt, und hohe Leiter, welche Jakob sah; freue Dich, göttliches Mannagefäß; freue Dich, Losung des Fluches; freue Dich, Adams Berufung. Der Herr ist mit Dir,442

Alle hier angeführten Motive, die in der Väterexegese und orthodo­ xen Hymnik begegnen, wollen das eine Motiv in Bildern darstellen, daß Maria die Mutter des Herrn, die Gottesgebärerin (Θεοτόκος) ist. Das wird auf vierfache Weise aus gesagt: Die Gottesgebärerin ist Jungfrau vor, bei und nach der G e­ burt. Christus ist nicht V on dem W illen des Fleisches, noch von dem W illen eines Mannes, sondern von G o tt geboren’ (Joh 1,13). D er ‘D ornbusch’, der Sym bol dessen ist, daß das „Feuer der G o tt­ heit“ Maria nicht verbrannt hat, ist auch Sym bol dessen, daß die M utter als Jungfrau geboren hat und Jungfrau geblieben is t.143 Hierzu gehören auch die „Typen“ ‘unbesätes Land’; Berg, von dem sich ohne Zutun von Menschenhand ein Stein löst. Dazu gehört vor allem auch das Bild der verschlossenen Pforte, durch die allein der H err gehen d arf.144 Dadurch, daß G o tt in sie eingegangen ist, ist ihr Schoß „heilig“ , d. h. G ott allein zugänglich.145 Daher rührt das Interesse der orthodoxen Theologie an der dauernden Jungfräulich­ keit Mariens, nicht oder nicht zuerst von Vorstellungen über ihre ethische Vorbildlichkeit. Christus hat sein Fleisch, sein Menschsein von Maria. Das besingen die liturgischen Dichtungen, wenn es in ihnen heißt, Christus stamme von ihr wie die Blume vom Zweig (Jes 11) oder wie die „Frucht des Le­ bens“ vom Weinstock.146 Da Christus aus ihrem Fleisch ist und nicht nur wie durch einen Kanal durch sie hindurchgegangen ist (so betont 141 Χαίρε - griechische Grußformel. 142 Menaion tou Martiou, 200. - Für die meist vielfältig belegbaren Bilder wird hier und im folgenden jeweils nur ein Beispiel gewählt. 143 Theotokion vom Sonnabend-Abendgottesdienst, 2, Ton, Parakletike, 65; A. v. Maltzew I, 386 u, ö, 144 Kanon vom Sonntagmorgen, 3. Ton, Irmos der 9. Ode: Parakletike, 152; A. v, Maltzew I, 714. 145 So urteilt Ambrosius in seinem Lukaskommentar, Josef sei gerecht gewe­ sen und habe deshalb unmöglich den Tempel des Heiligen Geistes, die Mutter des Herrn, den Schoß des Geheimnisses der Menschwerdung, verletzen kön­ nen: Expositio Evangelii Secundum Lucam II 6: PG 14, 1635. 146 Theotokion der Dritten Stunde: Hörologion, 104.

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es Gregor von Nazianz, „der Theologe“) ,147 ist sie bzw, ihre Beziehung zu Christus als wirkliche Mutter „die letztgültige Sicherung gegen jeglichen abstrakten Doketismus. Sie ist eine Sicherung evangelischer Konkretheit“. 148 Dadurch, daß sie G ott geboren hat, ist die Gottesmutter Brücke zwischen Himmel und Erde, ist sie Erfüllung und Überhöhung des alttestamentlichen Bildes der Jakobsleiter (Gen 28). Auf ihr steigen nicht nur die Engel, sondern Gott Selbst vom Himmel herab.149150Auch das Attribut der Leiter ist also auf die Inkarnation bezogen. Es darf nicht ins Moralische interpretiert werden. Mit der dreißigsprossigen Leiter des Johannes Klimakos hat diese Leiter nichts zu tun.130 Vor allem alttestamentliche Typen, die das Heilige in sich enthalten, werden als Vorbilder der Gottesgebärerin interpretiert: das Manna­ gefäß, das ‘ehrwürdige Gefäß des Gebieters’, 151 die ‘lichtbringende Wolke’, 152 der Thron G ottes,153 Sein Tempel154* und heiliges Z elt.135 Sie ist die Bundeslade und Gottes beseeltes Gemach.156 Insofern kann sie auch H im m el157 genannt werden oder als ‘weiter denn die Him ­ mel’, 158 da sie G ott in ihrem Leibe umfaßt, der Unbegrenzte sich in ihr umgrenzen, der Unumschreibbare sich in ihr umschreiben läß t.159 147 Gregor von Nazianz, ep, 101: PG 36, 181; vgl. Johannes von Damaskus, De fide orthodoxa IH 12: PG 94, 1028 C. 148 G. Florovsky, The Ever-Virgin, 179. 149 Vgl. z. B. 7, Ode, Kanon der Gottesgebärerin, Sonntag, 1. Ton: Parakletike, 13; A. v. Maltzew I, 77 (die deutsche Übersetzung bei Maltzew ist fehlerhaft). 1S{) So will es aber Ivan Bentchev, Handbuch der Muttergottesikonen, 67. ist Theotokion zum 2. Kathisma, Morgengottesdienst, Sonntag, 1. Ton: Parakletike, 8; A. v. Maltzew I, 44. 151 Kanon vom Dienstagmorgen, 1. Ton, Irmos der 9. Ode: Parakletike, 30; A, v. Maltzew I, 178, 131 Kanon vom Sonntagmorgen, 3. Ton, 9. Ode: Parakietike, 130; A. v. Maltzew I, 715, 154 Theotokion der 9. Ode, Sonntag-Morgengottesdienst, 3. Ton: Parakle­ tike, 130; A. v. Maltzew I, 715, iss Morgengottesdienst vom Sonntag des 3, Tons, 5. Ode: Parakletike, 128; A. v. Maltzew I, 701. 150 Morgengottesdienst vom Sonntag des 8. Tons, 6. Ode: Parakletike, 414; A. v. Maltzew II, 884. 157 Theotokion der 1, Stunde: Horologion, 91, i5B Anstelle des „Würdig ist es“ in der Basilius-Liturgie gesungener Irmos „Über dich freut sich“. Vgl, Liturgikon, 497. 159 Kontakion vom Sonntag der Orthodoxie: Triödion, 147; vgl. Die Ost­ kirche betet I, 290.

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Immer geht es darum, daß sich in ihr das Geheimnis vollzieht; finitum capax infiniti; „der Unfaßbare wird im Schoß um faßt".16016 Weil es bei ihr immer um G ott in ihr geht, weil sie auf fast jeder ihrer Ikonen mit dem Christusknaben dargestellt wird, wird die Grenze zwischen Christus-Hymnus und Lobpreis der Gottesgebärerin flie­ ßend. Mehr in den Theotokien als in den an Christus gerichteten litur­ gischen Dichtungen wird die orthodoxe Christologie, die Zwei-Naturen-Lehre, das Wunder der Inkarnation besungen. So heißt es im Theotokion des 6. Tons, das vor dem Einzug im Abendgottesdienst vom Sonnabend gesungen wird: Wer sollte Dich nicht selig preisen, Allheilige Jungfrau? Wer nicht besingen Dein schmerzloses Gebären? Denn der außerhalb der Zeit aus dem Vater her­ vorstrahlende einziggezeugte Sohn, Er selbst kam aus dir, der Reinen, hervor, auf unaussprechliche Weise Fleisch geworden, welcher der Natur nach Gott ist und der Natur nach Mensch geworden ist um unsertwillen: nicht in zwei Per­ sonen geteilt, sondern in zwei Naturen unvermischt erkannt , , . K>1

Aufgrund dieser engen Beziehung, dieser Fast-Identität können Lobpreisungen auf Christus auf die Gottesmutter übertragen wer­ den. Aus dem „Würdig ist es . . .“ der Präfation wird das „Würdig ist es . . . " des wichtigsten und schönsten Lobgesanges der Gottesge­ bär erin: Wahrhaft würdig ist es, Dich die Gottesgebärerin, selig zu preisen, die allzeit Selige und ganz Unbefleckte und Mutter unseres Gottes. Geehrter als die Cheru­ bim und unvergleichlich herrlicher als die Serafim, die Du unversehrt Gott, das Wort, geboren hast, in Wahrheit Gottesgebärerin, Dich preisen wir hoch,162

Umschrieben ist in der zweiten Hälfte des Gesanges hier auch das Bild des Nichtverbrennenden Dornbuschs, das in der liturgischen Dichtung immer wieder begegnet und die ‘DornbusclV-Ikone geprägt hat. Am Hymnus 'Wahrhaft würdig" wird die Breite der Interpreta­ tionsmöglichkeiten deutlich. Unversehrt hat die Gottesmutter G ott ge­ boren - unversehrt einmal, indem ihre Jungfräulichkeit bei der Geburt unversehrt blieb, zum anderen, weil 'das Feuer der Gottheit’ ihren Schoß nicht verbrannte. Für den abendländischen Christen mögen das zwei verschiedene Dinge sein; für den Orthodoxen ist es ein und dasselbe. Die theologische Wahrheit, daß sie G ott geboren hat, ohne 160 Theotokion der Aposticha des Sonntag-Abendgottesdienstes im 5. Ton: Parakletike, 249; A. v. Malrzew II, 85. 161 Parakletike, 295; A, v. Malrzew II, 315. 162 Die Göttliche Liturgie, 67,

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Schaden zu nehmen,163 besteht nicht ohne das Zeichen: „Wie der flam­ mende Dornbusch nicht verbrannte, so hast Du als Jungfrau geboren und bist Jungfrau geblieben.“ 164 Geehrter als die Cherubim und un­ vergleichlich herrlicher als die Serafim“ ist die Gottesmutter aber, weil Cherubim und Serafim nach der Engellehre des Dionysios Areopagita G ott zwar unter allen Chören der Engel am nächsten stehen, Maria aber näher ist, weil sie „Gott das Wort geboren hat“, Sein Gefäß ge­ worden ist. ‘Theotokologisch1, nicht moralisch ist - anders als schon in der Schrift des Hieronymus gegen H elvidius-im O sten165 auch das Inter­ esse an der bleibenden Jungf räulichkeit der Gottes geh ärerin nach der Geburt Christi zu erklären. Die Pforte (E z44), durch die der Herr geht, ist heilig und G ott allein Vorbehalten, der Mutterleib der Gottes­ gebärerin ist ein heiliger Tempel und darf nicht profanisiert werden.166 Die in den Evangelien erwähnten „Brüder“ Jesu sind für die orthodoxe Kirche dabei kein Problem. D ie exegetisch offene Frage, ob nicht auch der Halbbruder oder Vetter „Bruder“ genannt werden kann, ist für die orthodoxe Exegese durch die übereinstimmende AusJegungstradition der Alten Kirche einhellig beantwortet. Für den orthodoxen Christen stehen diese Fragen grundsätzlich nicht zur Diskussion, und dennoch fehlt in der orthodoxen Kirche jegliche Tendenz, die hier gefällten Entscheidungen durch die Formu­ lierung eines Dogmas abzusichern. Offenbar bleibt der orthodoxen Theologie stets bewußt, daß es hier nicht um ‘Heilsnotwendiges' geht, sondern um die Angemessenheit des Redens über die Mutter des Herrn. Sie befindet sich damit auf der Linie des hl. Basilius d. G r., der betont hat: „Nur bis zur Dienstleistung beim Heilswerk war die Jung­ fräulichkeit notwendig: Was hernach geschah, bleibt für das Geheimnis [der Erlösung] belanglos wir, die wir als Christusfreunde es nicht hören können, daß die Gottesgebärerin einmal aufgehört hätte, Jung­ frau zu sein, wir halten gleichwohl die angeführten Zeugnisse für ausreichend.“ 167 Die Ikone des Nichtverbrennenden Dornbuschs ist ebenso wie der

163 Irmos der 9. Ode des Montags-Morgengottesdienstes im 3. Ton: Parakletike, 137; A. v. MakzewI, 757. 164 Theotokion des Sonnabend-Abendgottesdienstes, 2. Ton: Parakletike, 66; A. v. MakzewI, 386. 165 Hieronymus, Adversus Helvidium: PL 23, 183-206. 166 Vgl. das oben in Anm. 145 wieder gegebene Ambrosius-Zitat. 167 Basilius, Homilia in Sanctam Christi Generationem: PG 31, 1468.

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liturgische Gesang „Wahrhaft würdig ist es“ ‘theoto ko logische" Über­ tragung von Elementen eines Gebetes zu G ott auf die Mutter, die Gott in ihrem Leibe zu umfassen gewürdigt ist, Übertragung von Zügen einer Christusikone auf eine Ikone der Gottesgebärerin. Ikonographisches Vorbild für wesentliche Züge dieser Ikone ist die Christus-Ikone „Spas v silach“, „Erlöser unter den Engelmächten“.168 Hier wie dort begegnet der achtstrahlige Stern, der auf den Achten Schöpfungstag verweist. Der Stern ist Christus-Symbol; denn Christus ist der "Stern aus Jakob" (Num 24,17).169 Zugleich aber ist die Gottesmutter nach dem "Hymnos Akathistos’ „Stern, der die Sonne spiegelt“ .170 Schon aus diesem Grunde kann der Stern ebenso, wie er Christus-Symbol ist, auch Symbol der Gottesmutter werden. Der Katalog der Ikonensamm­ lung der Tret’jakov-Galerie in Moskau zitiert aus einer mir leider nicht zugänglichen Arbeit von A. N . Vinogradov, in der die grüne Farbe des inneren Rhombus oder Sterns der Dornbusch-Ikone als Farbe des Bu­ sches, die rote Farbe des äußeren Sterns als Farbe des Feuers gedeutet w ird.171 Der innere Stern oder Rhombus ist aber keineswegs immer grün. Er ist ebensooft blau, und dies erscheint als die ursprüngliche Farbe, ebenso wie beim „Spas v silach“. Sehr leicht nämlich verändert sich die Farbe Blau zu Grün, wenn der Firnis von Ruß- und Weih­ rauchpartikeln verschmutzt wird. In jedem Falle soll mit dem vorderen Stern nicht der Busch wieder­ gegeben werden. Anders wäre er nicht bei vielen ‘DornbusdV-Ikonen mit Sternen übersät. Bei der Ikone des Dornbuschs wiederholt sich vielmehr ein Vorgang, der von der Darstellung des Lammes her be­ kannt ist: Der alttestamentliche Typos des Lammes wird im Neuen Te­ stament durch Christus, das wahre Gotteslamm, abgelöst (can. 82 des Quinisextum). So bildet nach der Auslegung des hl. Gregor von Nyssa der Dornbusch, der brennt und nicht verbrennt, die Gottesmutter vorab.172 Sie ist die Erfüllung des alttestamemlichen Bildes. Insofern ist die russische Ikone des Nichtverbrennenden Dornbuschs näher an den ursprünglichen Prinzipien der Ikonenmalerei als das ältere ikonografische Vorbild, das seinen Platz links oben auf der ‘Dornbusch5-

168 Siehe o, Kap. 4.2, Abb. 4. 169 Vgl. z. B. V. N. Lazarev, Moskovskaja skok, Abb, 39. 170 Hörologion, 322; Die Ostkirche betet II, 218. 171 V. I. Antonova - N. E. Mneva, Katalog II, 207f, (Nr, 623). 172 Gregor von Nyssa, La vie de Moise: SC 1,118; dt. Übers. (Der Aufstieg) 56; vgl. a, Johannes von Damaskus, Imag, II 20 (B. Kotter, 119); III 22 (B. Kot­ ter, 129).

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Ikone erhalten hat. Die Gottesmutter erscheint nicht im Dornbusch, sondern sie ist der Nichtverbrennende Dornbusch, und in ihr ist das Feuer, in ihr ist G ott. Die Ikone des ‘Nichtverbrennenden Dornbuselis’ ist so immer auch Ikone einer Gottesvision. Da liegt es nahe, daß das andere wichtige Bild einer Gottesvision, die Ikone ‘Spas v silach’, zum ikonographischen Vorbild wurde. Hier wie dort sind deshalb in den Stern Schemenhafte Engelgestalten eingetragen. Hier wie da begegnen deshalb die Farben Blau und Rot, auf der Ikone des ‘Dornbusehs’ nur in der bei der Gottesmutter üblichen Umkehrung. Vor allem wichtig ist, daß man auf der ‘Dornbusch’-Ikone wie auf der Ikone des Typs „Spas v si­ lach“ in den roten Zacken des hinteren Sterns die vier Lebewesen als Symbole der Evangelisten sieht. So entspricht es ja auch der Gottes­ vision des Propheten Ezechiel. Selbst in solchen Zügen, die wie die Übernahme von zentralen M oti­ ven der Christus-Ikone „Spas v silach“ in der Ikone der Gottesmutter ihre Verehrung in die nächste Nähe zur Verehrung Christi führen, bleibt die Verehrung der Gottesmutter ‘theotokologisch’ und damit ein spezieller Aspekt der Christologie. Andere Züge, selbst solche, für die man, wenn nicht vielleicht sogar Belege in der Heiligen Schrift selbst,173 so doch wenigstens bereits in der frühesten Väterexegese fin­ den könnte, die aber die Mariologie stärker von der Christologie iso­ lieren könnten, treten demgegenüber in der orthodoxen hymnischen Dichtung zurück. So ist die Gottesmutter immer dann, wenn sie in der Apsis einer K ir­ che als Orantin dargestellt wird, Symbol, Personifikation der Kirche. Als solche erhebt sie vom Altarraum aus ihre Hände betend zu dem in der mittleren Kuppel oder Zwiebel dargestellten Pantokrator. Dieser ekklesiologische Bezug steht in der hymnischen Dichtung der orthodoxen Kirche weit im Hintergrund. Selten tritt er so deutlich hervor wie in der folgenden, in der griechischen Kirche anscheinend nicht gesungenen Stichira der Vesper vom Sonnabend-Abend des 5. Tons: Wie soll ich, o reine Gottesgebärerin, nennen Deine gottherrliche Kirche? Ich nenne Dich Garten von Eden und, o Reine, ich bezeichne Dich als Arche Noahs, die für Gott rettete das königliche Priestertum, das ganze heilige Volk, die Schar Christi, unseres Gottes: auch vergleiche ich Dich mit dem Zelt des Mose, in welchem erhalten war die Versölinungsstätte und der blühende Stab, in welchem der Leuchter und das Gefäß [mit Manna], das ganz goldene 173 Vgl. aber Raymond E. Brown, Maria im Neuen Testament.

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Rauchfaß sich befand, das Zelt, zu welchem jeder Gläubige flieht und erbittet das große Erbarmen.174

Es ist aufschlußreich, wie hier die theotokologischen Bezüge ver­ zahnt sind mit den ekklesiologischen. Beim Bild der Arche ist der ekklesiologische Bezug ausdrücklich angesprochen. Aber das Bild des Zeltes, das hier wohl ekklesiologisch zu verstehen ist, ist sonst ein Bild derer, die das Heilige in sich enthält, also ein theotokologisches Bild. ‘Theotokologisch’ sind nun wieder ganz eindeutig die Bilder ‘Rauch­ faß5, das die glühende Kohle und den duftenden ’Weihrauch enthält, und ‘Leuchter1 zu verstehen. Auf dem Leuchter steht das Licht Chri­ stus. Der Stab, der auf wunderbare Weise ergrünt, ist dagegen ein Bild der Jungfrau, die gebiert und doch Jungfrau bleibt. Mit der Gottesmutterschaft Mariens - wieder nicht mit ihren Tugen­ den oder ihrer Makellosigkeit - begründet ist die besondere Macht ihrer Fürbitte. Die orthodoxe Kirche ist durchdrungen von der Gewiß­ heit, daß „Maria die Mutter Gottes für die Kirchen bittet“ 175; sie glaubt aber darüber hinaus, daß die Gebete der Mutter von besonderer Wirkkraft sind bei ihrem Sohn, eben weil sie Seine Mutter ist, Ihm näher als die Engel, „geehrter als die Cherubim und unvergleichlich herrlicher als die Serafim“, weil sie als Mutter in besonderer Weise παρρησία (Freimut, Zutritt) bei ihm hat, wie es das Theotokion zu den Aposticha des Sonnabend-Abendgottesdienstes nach dem 2. Ton aus drückt: O des neuen Wunders über alle früheren Wunder! Denn wer kennt eine Mut­ ter, welche ohne Mann geboren hat und in den Armen trägt Den, welcher die ganze Schöpfung umfaßt? Gottes Ratschluß ist das Kind, Die Du Ihn als Säug­ ling, o Allreine, auf Deinen Armen gehalten und mütterlichen Freimut bei Ihm erworben hast, höre nicht auf zu beten für die, die Dich ehren, auf daß Er sich erbarmen und erretten möge unsere Seelen!176

Diese Stellung der Gottesmutter als die, die Gott in ihrem Leibe getragen hat und „Thron der Cherubim“ geworden ist, und ihre παρ­ ρησία bei Christus sind der Grund dafür, daß sich in den gottesdienst­ lichen Texten Aussagen über sie, die auf den Protestanten geradezu provozierend, aber selbst auf den römisch-katholischen Christen 174 A. v. Maltzew II, 14. 175 Diese Formulierung findet sich in Apologie 21 (BSEK 322). Die ortho­ doxe Überzeugung von der Fürbitte der Gottesmutter wurde also auch von den evangelischen Ständen in Augsburg 1530 geteilt. 176 Parakletike, 66; A. v. Maltzew I, 389,

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‘übertrieben’, ‘gewagt’ tmd ‘kühn’ wirken,177 orthodoxem Verständnis möglich erscheinen. Nur, man darf all diese Aussagen nicht „mariolo­ gisch“ verstehen, sondern man muß sie „theotokologisch“ begreifen. All die ‘übertriebenen’, ‘gewagten’ und ‘kühnen’ Aussagen über die Gottesmutter sind auf die Geburt des Erlösers oder ihre Fürbitte bezo­ gen. Nur in diesem Sinne kann sie als ‘Mittlerin’, als die, die ‘erlöst’ hat und als „Heil meiner Seele“ besungen werden,178 Ungeachtet aller scheinbaren Übereinstimmung fehlt hier jedes Interesse, ein Dogma der Miterlöserschaft Mariens zu formulieren. Stets kann und muß den ‘übersteigerten’ Aussagen hinzugefügt werden: „. . . denn Du hast den Erlöser unserer Seelen geboren.“ 179 Die orthodoxe Theotokologie ist nicht nur von ‘Übertreibungen’ und ‘Kühnheiten’ geprägt, die die Gottesmutter aus der übrigen Menschheit herauszunehmen tendieren, sondern auch davon, daß die Menschheit und Menschlichkeit Christi an ihr festgemacht wird. Aus ihrem „unschuldigen Blute wurde bereitet übernatürlich das Fleisch dem Schöpfer des Alis“ 180; aus ihrem Schoß bekleidete Er sich mit Fleisch.181 Dieser Gedanke ist so wichtig, daß die orthodoxe Kirche sogar ein Dankgebet an die Gottesmutter nach dem Eucharistieemp­ fang kennt,182 Auch dieses Gebet ist nicht ‘mariologisch’, sondern ‘theotokologisch’ zu verstehen. In der spätbyzantinischen Theologie haben sich allerdings theologi­ sche Entwicklungen vollzogen, die ohne die ständige Korrektur der Hymnik unter Wiederbelebung altkirchlicher mariologischer, nicht‘theotokologischer’ Themen zu einer Verselbständigung der Mariologie hätten führen können und in gewissem Maße auch geführt haben. Das durch die Wirksamkeit des Symeon Metaphrastis (10. jh .) ge­ wachsene Interesse an den Viten von Heiligen hat offenbar zunehmend auf die Verehrung der Gottesmutter und die Mariologie zurückge­ wirkt. Man sieht das z, B. an dem ausführlichen Bilderzyklus mit Szenen aus dem Leben der Gottesmutter - weitgehend nach dem Protevangelium des Jakobus im Narthex des Konstantinopler C hora177 Siehe o. S. 83. 178 Formulierungen, die z. B, im Hymnos Akathistos begegnen: Triödion, 321-328; Die Ostkirche betet II, 217-233, 179 Vgl. Hörologion, 154. Iso Morgengottesdienst vom Sonntag des 5. Tons, Irmos, 9. Ode: Parakletike, 246; A. v, Maltzew II, 65 u, ö, 181 Morgengottesdienst vom Sonnabend des 6. Tons, 1. Ode, Theotokion nach russischer Ordnung: A. v. Maltzew II, 553. 182 Die Göttliche Liturgie, 95.

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Klosters.183 Theologisch nachgedacht über Maria hat u. a. der durch seinen Liturgiekommentar und sein ‘Leben in Christus1 bekannte große Theologe Nilolaos Kavasilas (geb, um 1320, gest. zwischen 1363 und 1391); neben ihm sind auch Grigorios Palamas184 undTheophanos von Nikäa (gest. 1380/81) verantwortlich für neue Akzentsetzungen m der Lehre von der Gottesmutter. Gegenüber den rein theotokologischen Aussagen betonen sie neu die absolute persönliche Heiligkeit der G ot­ tes gebäre rin, ihre aktiv e Rolle in der Heilsökonomie sowie ihre Bezie­ hung zur Lehre von der K irche.185 In ihr wird nach der Lehre des Ka­ vasilas das Ziel der Schöpfung erreicht. So wie der Baum auf die Frucht hinzielt, so ziele die Schöpfung auf die Gottesmutter. Sie ist Repräsen­ tantin der Menschheit und Symbol der K irche.186 An ihr erweist sich Macht und Möglichkeit menschlicher üiivepYEia (Mitwirkung),187 die sich in der an Maria offenbaren Fähigkeit des Menschen zeigt, V eotöxog (Gottesgebärerin) zu werden.188 Zeigt so das spätbyzantinische Denken bereits Gewichtsverlagerun­ gen in den Aussagen über die Gottesmutter, die die liturgische Praxis aber noch nicht berühren, so finden sich in Rußland einzelne Verände­ rungen auch im liturgischen Bereich. Nur m Rußland, nicht auch schon in Byzanz und den anderen Ländern orthodoxer Tradition, ha­ ben Gottesmutter-Ikonen ihre eigenen Feste. In Rußland entstanden überdies auch Typen der Gottesmutter-Ikone, bei denen die Bezie­ hung zu Christus nicht mehr so deutlich hervortritt wie bei der er­ drückenden Mehrheit der herkömmlichen Gottesmutter-Ikonen. Hier muß z. B. an die Ikone der Gottesmutter von Bogoljubovo gedacht werden.189 Immerhin wird die Gottesmutter auf dieser Ikone noch stets im Gebet zu Christus hin gerichtet gezeigt. Diese Hinwendung der Gottesmutter zu Christus findet sich jedoch nicht mehr auf allen Ikonen des spät entstandenen Typs „Aller Betrübten Freude“.190 Die Tendenz zu einer Verselbständigung der Theotokologie zur Marioio­ gie, die sich im liturgischen Leben der Russischen Orthodoxen Kirche 183 184 185 186

Edgar Hennecke, Neutestamentlkhe Apokryphen I, 277-290. Siehe o. S. 28ff, P. Nellas,29. P. Nellas, 30. ist vgl. P Nellas, 32. 188 P. Nellas, 36. 189 V, I. Antonova - N. E. Mneva, Katalog II Nr, 456, 899, 922 (Abb. 149), 903, 785; I. Bentchev, 31-33, Abb. 17, 18. 190 V. I. Antonova - N. E. Mneva, Katalog II Nr. 886 (Abb. 134); I. Bent­ chev, 129f,, Abb. 106.

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und in der russischen Ikonenmalerei zeigt, wird im theologischen Denken durch die Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit der römisch-katholischen Mariologie noch verstärkt. Das hinterläßt Spuren sogar im Denken Georgij Florovskijs, ob­ gleich dessen theologisches Werk stark christologisch konzentriert ist und von daher Mariologie eigentlich nur als Theotokologie entfalten müßte. Die christologische Zentrierung seiner mariologischen Aus­ sagen zeigt sich auch z. B ., wenn er in seinem Aufsatz >Tlie Ever-Virgin Mother of God< postuliert, auch „Mariologie muß ein Kapitel in der Behandlung der Inkarnation sein und darf niemals zu einer unabhängi­ gen Abhandlung5 ausgeweitet werden",191 Selbst der ekklesiologische Aspekt der ‘Mariologie5ist für ihn christologischer Art; denn nach F lo ­ rovskijs Sicht „ist die Lehre von der Kirche selbst eine ‘ausgeweitete Christologie5, die Lehre vom ‘ganzen Christus5, totus Christus, Haupt und Leib“.192 Doch bereits die Überschrift seines ‘mariologischen5 Artikels wertet die Lehre von der immerwährenden Jungfräulichkeit Mariens mit der von ihrer Gottesmutterschaft gleich hoch. Dement­ sprechend spricht er in der Einleitung des Artikels >The Ever-Virgin< von zw ei Namen für die Mutter des Herrn: ö e o t ö z o c (Gottesgebärerin) und Ö£iJtaQ,Ö’8V05 (immerwährende Jungfrau).193 Der eine Begriff sei durch das Dritte, der andere durch das Fünfte Ökumenische Konzil sanktioniert worden, Georgij Florovskij hat zweifellos recht mit dieser Feststellung. Doch wird in seinen Ausführungen nicht mehr recht deutlich, daß es sich hier eigentlich um zwei Aspekte eines Geschehens und einer Wahrheit, nicht um verschiedene, voneinander unabhängige Wahrheiten handelt. Ähnlich steht es mit einer anderen Aussage, die gleichfalls patristisehe Wurzeln hat. Johannes von Damaskus betonte in Anlehnung an Gregor von Nazianz einen Gedanken, der sich auch in den hymni­ schen Dichtungen der orthodoxen Kirche niedergeschlagen hat: Die Gottesmutter ist nicht nur ein „Kanal“, durch den der Logos ins Fleisch gekommen is t.194 Vielmehr hat Christus Sein Fleisch von ihr, Seine menschliche Natur, die der Natur aller Menschen öpooüaiog (wesensgleich) ist,195 Georgij Florovskij nimmt das auf, betont aber im 191 G. Florovsky, The Ever-Virgin, 173, 192 Q Florovsky, The Ever-Virgin, 173. 193 Vgl. übrigens die Schmalkaidischen Artikel (BSEK 414) und die Konkordienformel: SD V III (BSEK 1024).

194 Siehe o. S. 89f. 195 Johannes von Damaskus, De fide Onhodoxa Ul, 12: BKV 44, 141.

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Zusammenhang damit die Intimität der Mutter-Kind-Beziehung zu Christus und die damit ausgesagte Teilnahme der Gottesmutter am Erlösungswerk.196 Damit gewinnen in seinem Denken Züge eine B e­ deutung, die zwar in der Theologie der Kirchenväter begegnen, in der liturgischen Erfahrung der orthodoxen Kirche aber zurückgetreten waren. Dazu gehört z. B. die Hervorhebung der Antwort der Gottes­ gebärerin auf die Botschaft des Engels und ihrer Heilsbedeutung.197 Diese besondere Betonung des „fiat“ der Gottesmutter entspricht dem orthodoxen Synergismus.198 Sie entspricht auch der Parallelisierung von Eva und Maria, die sich bereits bei Justin dem M ärtyrer199 findet und die vor allem bei Irenäus von Lyon begegnet,200 die aber in der hymnischen Dichtung der orthodoxen Kirche keine wesentliche Rolle spielt. So entspricht der Ablehnung des römisch-katholischen Dogmas von der Unbefleckten Empfängnis Mariens mit dem Hinweis auf das K reuz als Kulminationspunkt der Heilsgeschichte, das ohne Aus­ nahme alle Menschen, auch die Mutter des Herrn, von der Sünde be­ freite,201 am Ende nicht die Zurückhaltung bei Aussagen über ‘Maria als solcher’, sondern eine Psychologisierung, die, wenn auch vergleichs­ weise zurückhaltend, die ‘Mariologie’ ein Stück weit verselbständigt. Die Freiheit der Gottesgebärerin von Leidenschaften, ihre Hingabe an G ott, ihre „spirituelle Jungfräulichkeit“ wird - wenn auch sehr vor­ sichtig, nur in Anfängen, zum eigenen Thema.202 Nehmen wir als zweites Beispiel für die gegenwärtige, insgesamt übrigens nicht sehr umfangreiche Literatur zur orthodoxen Mariologie einen Beitrag des Professors der Moskauer Geistlichen Akademie, Vasilij Sarycev, vom Jahre 1973: >Über die Verehrung der Gottesmutter«.203 Auch hier spielt zunächst einmal wie bei Georgij Florovskij der chrtstologische Bezug und damit die Theotokologie eine zentrale Rolle. Eigentliches Ziel der Arbeit aber ist die Auseinandersetzung mit dem römisch-katholischen Dogma von der Unbefleckten Empfängnis Ma­ riens, Sarycev wendet gegen das Dogma ein, Maria sei nicht makellos von Natur, vielmehr sei ihre Makellosigkeit Ergebnis ihres persönlichen 196 G. Florovskij, The Ever-Virgin, 176f, 197 G. Florovskij, The Ever-Virgin, 179. 198 Vgl. G, Florovskij, The Ever-Virgin, 181. 199 Justin, Dial. 100: PG 6, 709,712. 200 Irenäus, Contra haer. V 19.1: PG 7, 1175 f,; G, Florovskij, The Ever-Vir­ gin, 182, 201 G. Florovsky, The Ever-Virgin, 182. 202 G. Florovsky, The Ever-Virgin, 184ff. 203 V, D. Sarycev, O pocitanii Boziej Materi.

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Glaubens kampfes (russ. podvig). „Für die Allheilige Jungfrau besteht - wie für Johannes den Täufer - diese Heiligkeit nicht in dem abstrak­ ten Vorzug der Unschuld, sondern in der realen Veränderung der menschlichen Natur, die in den vorhergehenden Generationen allmäh­ lich durch die Gnade gereinigt und erhöht worden ist,“ 204 Die orthodoxe Theologie und Frömmigkeit hat stets die Jungfräu­ lichkeit Mariens vor, bei und nach der Geburt bekannt und gepriesen. Eine Infragestellung dieses Glaubens an die Unberührtheit der Pforte, durch die G ott einging, wäre ihr blasphemisch erschienen. Der wich­ tigste, am häufigsten gebrauchte Ehrentitel Mariens ist dennoch nicht der der Jungfrau, sondern der Titel ‘Gottesgebärerin5. Bei Vasilij Sary­ cev verschiebt sich das Gewicht jedoch wieder stärker auf den Titel ‘Jungfrau5, der im nizänokonstantinopolitanischen Symbol allein ge­ braucht werde.205 Auch biographische Züge fesseln sein Interesse, so vor allem die Erzählung von der Einführung der Gottesmutter in den Tempek, Demgegenüber hatte das gleichnamige Fest den Kronstädter Priester Ioann Sergiev vor allem dazu veranlaßt, über die Bedeutung des Gotteshauses, des christlichen Tempels, für den Christen zu pre­ digen, ohne biographischen Zügen besonderes Interesse entgegenzu­ bringen.206 Als selbstverständliche orthodoxe Lehre trägt Sarycev die Ü ber­ zeugung von der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel vor. Von der römisch-katholischen Sicht trennt ihn nur die Überzeugung, für die orthodoxe Kirche bestehe „keinerlei Notwendigkeit zu einer formellen Dogmatisierung“ dieser Wahrheit.207 Eine bedeutende Akzentverschiebung gegenüber der byzantinischen Theotokologie lassen die Ausführungen von V. D . Sarycev darin erken­ nen, daß er Begriffe, die ursprünglich theotokologisch gemeint sind, mariologisch umdeutet. So war der Begriff „Mittlerin“ ja bereits in den byzantinischen Hymnen gebraucht. Sarycev nennt die Gottesmutter aber nicht nur deswegen „Mittlerin“, weil durch sie die Vereinigung der göttlichen und menschlichen Natur in Christus erfolgte oder weil ihre mütterliche Fürsprache besonders wirkmächtig wäre, sondern auch deswegen, weil sie unseren Eingang in die Kirche ermögliche, 204 V, D. Sarycev, 81 mit einem Zitat aus einer Schrift von Vladimir Losskij. Er hätte sich ebenso auch auf Erzpriester Sergij Bulgakov stützen können (s, u, S. 102). 20s V, D. Sarycev, 83. 206 K. Ch, Felmy, Predigt, 222-229. 207 V. D. Sarycev, 85.

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weil Christus durch sie der Menschheit die Kindschaft verleihe. So heiße sie zu Recht „Mittlerin der Rettung unseres Geschlechtes". Die kirchenskwische Übersetzung des hier zitierten griechischen Theotokion der Sonntagsvesper des 3. Tons hatte den Begriff pEöiTeüoaoa noch zu Recht auf die Fürbitte der Gottesmutter bezogen und sie darum als „ch o datajstvovavsaja“, als die, die Fürsprache getan hat, be­ zeichnet. Vasilij Sarycev aber übersetzt wörtlich, doch damit auch eher ‘mariologisch’ mißverständlich: „Posredstvovavsaja“, ‘die Du vermit­ telt hast5.208 Vasilij Sarycev stützt sich in seinen Ausführungen wesentlich auf den dritten russischen Autor, der hier als ‘Mariologe’ vorgestellt werden soll: Vater Sergij Bulgakov. Eines seiner wichtigsten mariologischen Werke trägt den Titel: >Der Nichtverb renn ende DornbuschDie Orthodoxie« hat Erzpriester Sergij Bulgakov zwar keine Dogmatik vorlegen wollen. Dennoch ist der Einsatz bei der Ekklesiologie in einem Werk, das eine Gesamtdarstellung der ‘Orthodoxie5 bieten wollte, bemerkenswert. Das Buch beginnt mit mehreren ekklesiologischen Kapiteln, um erst auf die Ausführungen zur >Heiligkek der Kirche« das Kapitel >Die Glaubenslehre« folgen zu lassen. Selbst die durch und durch von abendländischen Vorbildern beein­ flußte Dogmatik von Christos Androutsos verweist schon in den Prolegomena in einem eigenen Paragraphen auf den ‘kirchlichen Charakter* * Die Göttliche Liturgie (Basilius-Liturgie), 106.

Ausprägungen der traditionellen orthodoxen Ekklesiologie

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des Dogmas5 und damit auf die Kirche als den O rt der Dogmenbildung und -Bewahrung, Die >Orthodoxe Dogmatik< von Dumitru Staniloae, die einerseits die Dürre der orthodoxen Schultheologie zu überwinden sucht, ist in ihrem Aufbau andererseits sehr stark von der Schul­ theologie geprägt. Gerade aber in der Stellung, die sie der Kirche einräumt, versucht sie, den Ansatz der Schultheologie zu überwinden, indem sie der Kirche eine entscheidende Stellung in den Prolegomena zuweist. Schon in der Einleitung wird die „Kirche als Organ und als Mittel zur Erhaltung und Fruchtbarmachung des Offenbarungsgehal­ tes“ bezeichnet.1 Kap. I und II sprechen dann von der Offenbarung, Kap. III aber schon wieder von der Kirche als dem O rt, in dem die H l. Schrift und die Hl. Tradition wirksam erhalten werden. Eine stärkere Betonung von Kirche und Ekklesiologie findet sich gegenwärtig nicht allein im orthodoxen Raum, sondern im gesamten Raum der Ökumene. Die Ekklesiologie ist hier zu einem der meist behandelten Themen geworden. Vor allem die römisch-katholische Kirche hat auf dem 2. Vatikanischen Konzil ihre eigene Ekklesiologie neu durchdacht und definiert. Aber auch im evangelischen Raum haben ekklesiologische Fragen an Gewicht gewonnen. Dennoch ist die Ent­ wicklung der orthodoxen Ekklesiologie insofern besonders bemer­ kenswert, als die orthodoxe Theologie in keiner anderen Frage die Theologie anderer Konfessionen so stark befruchtet hat wie in der Ekklesiologie und insofern, als die orthodoxe Theologie selbst in kei­ ner anderen Frage so unterschiedliche, zuweilen auch gegensätzliche Akzente setzt wie in der Ekklesiologie, Das letztere gilt u, a, auch für die Frage nach der Kirchlichkeit ande­ rer Kirchen.2 Wenn z. B. Erzpriester Liverij Voronov von dem „Glau­ ben daran“ spricht, „daß eben die Orthodoxe Kirche die Eine, Heilige, Katholische und Apostolische Kirche des ökumenischen Glaubens­ symbols ist oder ihr reinster und vollkommenster Ausdruck auf Erden“,3 dann würde kein orthodoxer Theologe der ersten hier gemachten Fest­ stellung widersprechen. Der Interpretation, wenn man so will: Relati­ vierung dieser Feststellung durch die dem Wort „oder“ folgende Satz­ hälfte würden sich aber bereits nicht mehr alle orthodoxen Theologen in Vergangenheit und Gegenwart anschließen können. Der sonst nicht wei­ ter bekannte russische Theologe Aleksandr Gusev z. B. hätte sich gegen 1 So in der Überschrift der Einleitung. 2 Vgl. Reinhard Slenczka, Ostkirche und Ökumene; K. Ch. Felmy, Die Grenzen der Kirche. 3 Liverij Voronov, Konfessionalizm, 67.

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Die Erfahrung der Kirche in der Eucharistie

diese Interpretation gewehrt. Er schreckte im Jahre 1903 nicht einmal vor dem unappetitlichen Vergleich von Kirchenspaltungen mit dem Stoffwechselprozeß zurück: Es habe nie eine Spaltung der Kirche ge­ geben, sondern nur „die Aussonderung von ihrem Organismus fremden Elementen, dem gleich, was sich ständig in unserem Körper vollzieht“.4 Aber selbst solche orthodoxen Theologen, die auch die zweite Satz­ hälfte der Aussage Liverij Voronovs akzeptieren konnten, würden in ihrer Ausdeutung unterschiedliche Akzente setzen. Erzpriester Liverij Voronov fügte erläuternd hinzu, die Identifizierung der Kirche mit der orthodoxen Kirche bedeutete nicht die „grundsätzliche Leugnung der einen oder anderen Stufe der Teilhabe oder wenigstens der Annähe­ rung an eine solche Teilhabe am Leben der Einen, Heiligen, Katholi­ schen und Apostolischen Kirche Christi in allen übrigen christlichen Kirchen oder Gemeinschaften“, bei denen aber - anders als in der or­ thodoxen Kirche —die auch in dieser nachweisbaren Irrtümer einzelner ihrer Glieder das Wesen berühren.5 Ganz ähnlich wie Erzpriester Liverij Voronov urteilt Thomas Hopko, Professor am St. Vladimir’s Semmary und Priester der O rtho­ doxen Kirche in Amerika. „Die Orthodoxe Kirche versteht sich selbst als die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche, als die wahr­ haftige Kirche Christi auf Erden.“ 6 Das bedeutet aber nicht, „jede Gnade und Wahrheit hei denen zu leugnen, die außerhalb von ihr stellen“, vielmehr hätten auch die außerhalb der orthodoxen Kirche stehenden ‘Kirchen5 „viel mit ihr gemein“.7 ln sich bewußt wider­ sprüchlicher und zugleich offener für die „Kirchlichkeit“ von Kirchen außerhalb der Orthodoxie sind die Aussagen des großen russischen Theologen vom Anfang unseres Jahrhunderts, Erzpriester Pavel Svetlov (1861-1919), der die Spaltung der Kirche als eine „nicht vollständige und absolute“, aber doch andererseits durchaus reale bezeichnet hatte.8 Berühmt geworden ist das Metropolit Platon (Gorodeckij; 1803-1891) von Kiev zugeschriebene Wort, die Mauern der Kirche reichten nicht bis zum Himmel.9 Dieses in seiner Authentizität um­ strittene Wort ist außerhalb der orthodoxen Kirche häufiger zitiert 4 A. Gusev, Starokatoliceskij otvet, 45, 5 L. Voronov, Konfessionalizm, 67. 6 Thomas Hopko, CathoKdty and Ecumenism, 65. 7 Th, Hopko, Catholicity, 68. 8 P. Svetlov, O novom mnimom prepjatstvii, 144, 150. - Svetlov zitiert auch Metropolit Filaret (Drozdov): „Keine Kirche, die glaubt, daß Jesus der Chri­ stus ist, wage ich falsch zu nennen“ (ebd., 142). 9 Vgl. dazu R, Slenczka, Ostkirche und Ökumene, 187.

Ausprägungen der traditionellen orthodoxen Ekklesiologie

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worden als innerhalb der orthodoxen Kirche selbst. Ähnliche Aus­ sagen sind aber auch bei anderen orthodoxen Theologen bezeugt. So hat Erzpriester Georgij Florovskij der römisch-katholischen Kirche und - dem Zusammenhang seiner Äußerung nach - implizit auch anderen Kirchen die Kirchlichkeit zugesprochen: „Die Kirche ist ihrem Wesen nach eine und kann daher nicht geteilt werden. Entweder ist Rom über­ haupt keine Kirche, oder Rom und der Osten sind irgendwie nur eine Kirche, und die Trennung besteht nur auf der O berfläche/'10 Während für Florovskij die kirchliche Einheit jedoch die Geschichte transzen­ diert,11 sah Erzpriester Nikolaj Afanas’ev sie - mindestens in der Beziehung der orthodoxen zur römisch-katholischen Kirche in der Eucharistie, ungeachtet ihres getrennten Vollzugs - bereits gegeben.1213 Einen starken Impuls für eine Erneuerung der Ekklesiologie ver­ dankt die Theologie dem Laientheologen Aleksej Stepanovic Chomjakov (1804-1860).13 Ihm wurde für seinen ekklesiologischen Neuansatz die Übersetzung des Wortes „katholisch“ im nizänokonstantinopolitanischen Glaubensbekenntnis ins Slawische wesentlich. Im Slawischen steht für das griechische Wort uafloXixr| das Wort „sobornaja“. Es ist abgeleitet vom Stamm „s-br“, sammeln. Chomjakov definiert so die Kirche von der Versammlung her, von der Gemeinschaft von Bischö­ fen, Priestern und Volk in seiner Gesamtheit. Damit wandte er sich ge­ gen eine Ekklesiologie, die die Kirche in eine hörende und eine leh­ rende Kirche unterteilt. Denn die g an ze Kirche ist ja Versammlung. In dieser Versammlung hat die Hierarchie zwar eine besondere, vor allem sakramentale Funktion. Sie kann auch Lehre definieren. Aber diese von den Bischöfen definierte Lehre ist nur dann gültige orthodoxe Lehre, wenn das orthodoxe gläubige Volk sie als authentisch annimmt. Das ist sogar bei einem ökumenischen Konzil nicht anders. Ein Konzil wird - wie Chomjakov hervorhebt - in der orthodoxen Kirche nur dann als ökumenisch gewertet, wenn es vom gläubigen Volk rezipiert w ird.14 Tatsächlich haben ja Konzilien, die den formalen Anforderun­ gen an ein Ökumenisches Konzil durchaus gerecht werden, die Aner­ kennung als solche nicht gefunden - so die „Räubersynode“ von 449 und die beiden Unionskonzilien von Lyon 1274 und Ferrara/Florenz 10 G. Florovskij, Die orthodoxen Kirchen, 295. 11 G, Florovskij, Die orthodoxen Kirchen, 295. 12 N. Afanas’ev, DEucharistie, 337. 13 Vgl. Bernhard Plank, Katholizität und Sobornost; E. Ch. Suttner, Offen­ barung; Peter Plank, Paralipomena. 14 Vgl. K, Ch. Felmy, Von Alexander I, 515f.

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Die Erfahrung der Kirche in der Eucharistie

1438/39, Auf die Bedeutung des Rezeptionsprozesses für die Formu­ lierung von Dogmen hatten bereits die östlichen Patriarchen in einem Schreiben an Papst Pius IX , verwiesen,1S auf das sich Chomjakov ge­ stützt hat. Chomjakov hatte in der orthodoxen Kirche des Ostens die ideale Synthese des protestantischen Prinzips der Freiheit ohne dessen Ten­ denz zur Willkür und des katholischen Prinzips der Einheit ohne dessen Tendenz zur Unfreiheit gesehen. Die ideale Sicht der orthodo­ xen Kirche stieß sich freilich hart an der Wirklichkeit der Russischen Orthodoxen Kirche seiner Zeit. Chomjakov hat zeitlebens theologi­ sche Abhandlungen nur im Ausland veröffentlichen können. Auch später, als seine Werke in Rußland gedruckt werden durften, mußte ausdrücklich bei jeder Ausgabe auf den dilettantischen Charakter seiner Theologie verwiesen werden. Die Wirkung seines Denkens ist sehr groß geworden. Das von Chomjakov selbst noch gar nicht gebrauchte, aber zur Kennzeichnung seiner Lehre von seinen Schülern geprägte Wort „sobornost1“ wird nicht mehr allein im russischen, sondern im gesamtorthodoxen Bereich im positiven Sinn verwendet. Ansätze für einen ganz neuen Weg in der Ekklesiologie finden wir bei Georgij Florovskij, ohne daß er selbst diese Ansätze weiter verfolgt hätte. In seinem Aufsatz >Eucharistie und SobornosG schreibt er: „In der Eucharistie enthüllt sich, unsichtbar, aber wirklich, die Fülle der Kirche. Jede Liturgie wird in Verbindung mit der ganzen Kirche voll­ zogen und gleichsam in ihrem Namen, nicht nur im Namen des vor [dem Altar] stehenden Volkes [, . .] Denn jede ,kleine Kirche' ist nicht nur ein Teil, sondern das konzentrierte Bild der ganzen Kirche, un­ trennbar von ihrer Einheit und Fülle. Und deswegen ist in jeder Litur­ gie mystisch, aber real, die ganze Kirche mit gegenwärtig und nimmt mit an ihr teil. Die Liturgiefeier ist gewissermaßen eine sich erneu­ ernde Inkarnation Gottes. Und in ihr schauen wir den Gottmenschen als Gründer und Haupt der Kirche - und mit ihm die ganze Kirche. Im eucharistischen Gebet schaut und erkennt die Kirche sich selbst als der eine und ganze Leib C hristi/'16 Für Georgij Florovskijs ekklesiologisches Verständnis ist wichtig, daß die Ekklesiologie hier aus der Christologie entwickelt ist, aus dem Gegenüber und Miteinander von Haupt und L eib.17 Es gibt dafür Par­ 15 K. Ch. Felmy, Von Alexander I, 516. 16 G. Florovskij, Evcharistija, 14. 17 Vgl. Christoph Künkel, Kap. 5,

Die eucharistische Ekklesiologie Nikolai Afanas’evs

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allelen bei anderen orthodoxen Theologen, so z. B. bei Nikolaj Afanas3ev, obgleich dieser eines seiner wichtigsten ekklesiologischen Werke mit dem Titel >Die Kirche des Heiligen Geistes« versehen hat.18 In ihrer Mehrheit sind orthodoxe Theologen dagegen mehr daran interessiert - zuweilen in bewußtem Gegensatz zu abendländischen Entwürfen den pneumatologischen Aspekt der Ekklesiologie herauszuarbeiten.19 Für die weitere Entfaltung der Ekklesiologie wesentlicher geworden ist aber der in dem angeführten Zitat begegnende eucharistische Bezug der Ekklesiologie. Die Kirche ist - Florovskij folgend - erfahrbar in der Eucharistie, und zwar in der eucharistischen Versammlung, in den eucharistischen Gaben als dem Leib Christi und gleichzeitig als leh­ rende Kirche im eucharistischen Gebet. Was Florovskij hier in einem Satz mehr beiläufig angedeutet hat, hat er selbst niemals weiter ausge­ führt und entfaltet. Dennoch enthält seine Aussage bereits keimhaft die wesentlichsten Züge der eucharistischen Ekklesiologie. Sie wurde von Florovskijs Schüler und Kollegen am Institut St, Serge in Paris, Erzpriester Nikolaj Afanas’ev (1893-1966), ausgeführt und entfaltet und von dem heutigen Bischof von Pergamon, loannis Zizioulas, noch ein­ mal neu begründet.20

7.2 D ie eucharistische E kklesiologie N ikolaj A fanas’evs In einem 1934 unter dem Titel >Zwei Vorstellungen von der Univer­ salen Kirche« veröffentlichten Aufsatz stellte Nikolaj AfanasTv21 der herrschenden, von ihm später „universalistische Ekklesiologie“ ge­ nannten die nach seiner Auffassung ursprüngliche, genuin orthodoxe, von ihm als „eucharistische Ekklesiologie“ bezeichnete Lehre von der Kirche gegenüber. Zunächst wurde Afanas’evs Sicht nur wenig beach­ tet. Bis 1962 hatte er sich aber schon so weit Gehör verschafft, daß das 2. Vatikanische Konzil sich am Ende seiner ersten Sitzungsperiode ausdrücklich auf Afanas'ev und seine Schüler berief.22 18 Nikolaj AfanasVv, Cerkov’ Ducha Svjatogo. 19 So im traditionellen Aufbau der Schuldogmatiken, so auch bei Nikos Nissiotis, Die Theologie der Ostkirche; bes. dezidiert: V. Lossky, Die mystische Theologie. 20 I. Zizioulas, I enotis. 21 N. Afanas’ev, Dve idei. - Die weiteren Ausführungen dieses Kapitels habe ich z. T. aus einer früheren Darstellung von mir übernommen: K, Ch. Felmy, Die eucharistische Ekklesiologie. 22 Peter Plank, Die Eucharistieversammlung als Kirche,

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Die Erfahrung der Kirche in der Eucharistie

Eine Ekklesiologie, die nachweislich mindestens seit dem 3./4. Jahr­ hundert an Boden verloren hatte, für genuin orthodox zu erklären, war Afanas’ev nur möglich, weil diese Ekklesiologie Saiten des orthodoxen Glaubensbewußtseins zum Schwingen gebracht hat, die in der herr­ schenden Schuldogmatik stumm geblieben waren. Das mag ein Bei­ spiel verdeutlichen. Im Herbst 1978 beschloß der römisch-katholische Theologe Yves Congar eine Tagung der Gesellschaft „Kanon“ mit einem Vortrag, in dem er die eucharistische Ekklesiologie als die in wesentlichen Zügen ursprüngliche katholisch-orthodoxe Lehre von der Kirche darstellte.23 Kaum hatte er seinen Vortrag beendet, da erhob sich ein syrisch-orthodoxer Bischof aus Indien,24 gratulierte Congar zu seinen Ausführungen und erklärte, er habe noch nie eine so glänzende Darstellung der orthodoxen Lehre von der Kirche gehört und könne dem Referenten in jedem Punkt seiner Darlegungen zustimmen. D ie­ ser Vorgang ist insofern besonders beachtlich, als er zeigt, wie spontan eine mehr als 1000 Jahre lang verdrängte Ekklesiologie mit einem Male als die ursprüngliche wiedererkannt werden konnte und wie wenig das, was eine Konfession ihrem Wesen nach ist, aus dogmatischen Sätzen und konfessionskundlichen Handbüchern zu erschließen ist. Nikolaj Afanas’evs Entwurf einer eucharistischen Ekklesiologie hat breite Zustimmung gefunden. Zuweilen wird die eucharistische Ekkle­ siologie sogar ohne jede Einschränkung als die orthodoxe Lehre von der Kirche schlechthin verstanden.25 Er ist aber auch auf Unverständ­ nis und Ablehnung gestoßen.26 Doch sogar von Anhängern der eucharistischen Ekklesiologie sind in der Regel nicht alle Konsequenzen ge­ zogen worden, die Afanas’ev für notwendig hielt. In jedem Fall aber ist eine die Grenzen der orthodoxen Kirche übergreifende lebhafte D e­ batte entstanden, seit Afanas’ev zu dem Sammelband >La primauté de Pierre dans l’Eglise Orthodoxe« (Neuchâtel 1960) den ersten Beitrag unter dem Titel >L’Eglise qui préside dans l’AmourOf Water and the Spirits45 dem meine Darstellung im weiteren Verlauf vor allem folgt. Doch sollte nicht verschwiegen werden, daß selbst die stark von der Schultheologie geprägten Katechismen der Russischen Orthodoxen Kirche ebenso wie der von T, P Koev bearbei­ tete bulgarische Katechismus immer wieder auch die rituelle Seite der Taufe streifen, wenngleich sich dann am Ende doch keine wirklich konkrete Vorstellung von der Gestalt des Taufritus aus diesen Anspie­ lungen ergibt.46 Die Taufe besteht - wie schon angedeutet - aus eigentlich zwei, wenn nicht sogar drei „Sakramenten“: der eigentlichen Taufe, der Myronsalbung und der Erstkommunion. Allerdings wird die Kommunion nicht in allen Fällen ln unmittelbarem Anschluß an die Taufe gespen­ det. Doch wenn, wie in Großstädten oft, während der Göttlichen Liturgie in einem eigenen Baptisterium unter oder neben der Kirche getauft wird, dann werden die Neugetauften nach der Taufe in die Kirche gebracht, damit sie dort das hl. Abendmahl empfangen. In jedem Falle ist das neugetaufte Kind sofort nach Taufe und Myronsalbung kommunionberechtigt. Nach orthodoxem Verständnis gibt es keinen Grund, getauften Christen, die keine Irrlehre vertreten und in der Gemeinschaft der orthodoxen Kirche stehen, die Eucharistie zu verweigern. Auch abgesehen davon, daß die Taufe aus drei Sakramenten im stren­ geren Sinne besteht, ist sie eine Handlung, die sich aus einer ganzen Reihe von sehr unterschiedlichen Handlungen zusammensetzt, die 43 44 45 46

S. V. Bulgakov, NastoPnaja kniga, 904. Makarij II, 326. Alexander Schmemann, O f Water and the Spirit. P. Hauptmann, Die Katechismen, 192,

Taufe und Myronsalbtmg

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insgesamt erst die Taufe ausmachen und auf die nur im größten Notfall zum Teil verzichtet werden kann. Die Grundlage für die Tauflehre und den Taufvollzug ist nicht der „Sonderfall“ der Kindertaufe, der allerdings faktisch zum Normalfall geworden ist, sondern der ursprüngliche Normalfall der Erwachsenen­ taufe, der sich heute in der Sowjetunion wieder häuft. Die Taufe beginnt mit der Aufnahme des Katechumenen, Der Täuf­ ling wird dabei in Richtung Osten in der Kirche aufgestellt. Der Prie­ ster haucht ihm dreimal kreuzförmig ins Antlitz. Dreimal werden Stirn und Brust bekreuzigt. Es folgt ein Gebet. In der Alten Kirche galt man nach dieser Handlung als „chrisrianus“, aber noch nicht als „Gläubi­ ger“, weil „Gläubig“-Sein weniger eine Frage der psychologischen Ein­ stellung war; als „gläubig“ galt erst der getau fte Glaubende. Nach der Handlung der ‘Christianisierung1 begann der Katechumenat, der ein bis drei Jahre dauern konnte. Nach Alexander Schmemann zeigt der Ritus der Christianisierung, daß man grundsätzlich nur vorbereitet ge­ tauft werden kann, eine Vorbereitung, deren Nachholung bei der Kin­ dertaufe gewährleistet sein müßte. Vorbereitung heißt dann freilich für orthodoxes Verständnis nicht allein oder gar vorrangig intellektuelles „Verstehen“, sondern kann auch in der Einbindung in eine Familie praktizierender gläubiger Christen bestehen.47 Im Ritus des Katechumenats folgen auf diese Einleitungshandlungen vier Exorzismen, die nach der Auslegung Alexander Schmemanns auf der realen Erfahrung des Bösen in der Welt beruhen. Darum werde im ersten Exorzismus der Teufel sogar unmittelbar angeredet und darum seien diese Exorzismen, entgegen einer auch bei einigen orthodoxen Priestern anzutreffenden rationalistischen Tendenz, beizubehalten.48 Nach den Exorzismusgebeten folgt die Absage an den Teufel (abrenuntiatio), bei der der Täufling, bzw. die Paten, die das Kind hier vertreten und die während des ganzen Taufakts für das Kind spre­ chen, dem Satan nicht nur mit Worten entsagen, sondern ihn auch verächtlich anblasen und anspeien. Nun wendet sich der Täufling, der beim Exorzismus und der abrenuntiatio nach Westen gerichtet stand - der Westen galt auch in den abendländischen Kirchen früher als O rt der Dämonen - gen O sten und schließt sich Christus an. Das geschieht sehr eindrücklich, indem der Täufling (bzw, die Paten) dreimal auf die Frage „Schließt du dich Christus an?“ ant­ wortet: „Ich schließe mich an“, und dann noch einmal auf die Frage 47 A. Schmemann, O f Water, 20. 48 A. Schmemann, OfWater, 21,

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Die Mysterien (Sakramente) in der Erfahrung der Kirche

„Hast du dich Christus angeschlossen?“ antwortet: „Ich habe mich angeschlossen.“ 49 Der Exorzismus gehörte noch zur ursprünglichen Katechumenenhandlung. Doch steht die abrenuntiado bereits am Anfang der Tauf­ handlungen nach dem Ende des Katechumenats. Während der Exor­ zismus noch am Taufbewerber vollzogen wurde, wobei dieser völlig passiv blieb, war die abrenuntiado nach Alexander Schmemann „der erste freie Akt des von der Versklavung unter den Satan befreiten Täuf­ lings“ .50 Aus der Zeit der Arkandisziplin, die auch sonst tiefe Spuren im orthodoxen Gottesdienst hinterlassen hat, stammt die folgende erste Rezitation des Glaubensbekenntnisses. Der Katechumene erfuhr in den Jahren des Katechumenats viel über den Inhalt des christlichen Glaubens. Die heiligen Formeln (Credo, Vaterunser, Eucharistiegebet) wurden ihm jedoch erst unmittelbar vor der Taufe bekanntgegeben. Alexander Schmemann sagt dazu, erst im Taufakt werde die „Kenntnis von Christus zur Christuserkenntnis“.51 Nach der erneuten, wieder­ holten Frage, ob sich der Katechumene Christus angeschlossen habe, und der dreimaligen Wiederholung des Glaubensbekenntnisses betet der Taufbewerber mit einer Proskynese an: ,den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist, die wesenseine und unteilbare D reiheit/52 Die folgende eigentliche Taufhandlung war in der Alten Kirche durch Stunden und Tage von der Übergabe des Glaubensbekenntnisses getrennt und wurde, vor allem zu Ostern gefeiert, nach der Sicht Alex­ ander Schmemanns53 zum existentiellen Passahfest des Gläubigen, das die Gemeinde durch Gebet und Fasten begleitete. Den Einschnitt zu einer neuen Handlung markiert heute das Anlegen weißer liturgischer Gewänder durch den Priester, das Anzünden von Kerzen, die Beräu­ cherung des Taufbrunnens und der Eingangssegen, der dem der G öttli­ chen Liturgie entspricht.54 Bevor jedoch die Taufe durch Untertauchen vollzogen werden kann, wird das Wasser durch ein epikletisches Gebet geheiligt. Die heutige orthodoxe Theologie betont zwar einerseits, daß sich die Taufe nicht einfach aus den Naturgegebenheiten, das heißt also speziell den Eigenheiten des Wassers, ableiten läßt. Sie widerspricht aber andererseits einer wohl doch im Abendland mehr verbreiteten 49 30 51 52 53 54

A. v. Maltzew, Die Sacramente, 41-46. A. Schmemann, O f Water, 27. A. Schmemann, OfWater, 33. Vgl. A. v. Maltzew, Die Sacramente, 46. A. Schmemann, OfWater, 37, A. v. Maltzew, Die Sacramente, 48; vgl. Die Göttliche Liturgie, 22.

Taufe und Myronsalbung

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voluntaris tischen Sicht, nach der G ott ebensogut irgendein anderes Element hatte wählen können und das nun einmal gewählte Element nichts zum Verständnis des Sakraments aussagt. Alexander Schmemann verweist demgegenüber auf die dem Element Wasser schon ‘von Natur’ innewohnende Kraft zu töten, zu beleben und zu reinigen.55 Diese Kraft muß aber geweckt, befreit, in den Dienst Gottes gestellt und so geheiligt werden. Dies geschieht durch die Taufepiklese und durch das Kreuz Christi, mit dem das Wasser gesegnet wird.56 Unter den weiteren Handlungen der Taufe, wie der Salbung mit dem ‘Öl der Freude’ und dem Anlegen des Taufgewandes nach der Taufe, ist das dreimalige Untertauchen bei dem eigentlichen Taufakt natürlich die wichtigste Handlung. Sie erfolgt mit der passiven Formel „Getauft wird der Knecht/die Magd Gottes N . N . im Namen des Vaters, Amen, und des Sohnes, Amen, und des Heiligen Geistes, Amen“.57 Die mit der Taufe verbundene Myronsalbung wird nur in Fällen der Konversion von κατ’ οικονομίαν „gültig“ Getauften, von der Tauf­ handlung getrennt, vollzogen, sonst vor dem Abschluß der Initiations­ handlung.58 Alle orthodoxen Theologen sind von der Wichtigkeit, ja Unerläßhchkeit dieser Handlung und ihrem sakramentalen Charakter überzeugt. Einigkeit herrscht auch über die Art des Vollzugs: Stirn, Augen, Nase, Mund, Ohren, Brust und Hände werden kreuzförmig mit dem heiligen Myron, das in der Regel vom Oberhaupt der jeweili­ gen autokephalen Ortskirche bereitet und geweiht wurde, gesalbt. Der Priester spricht dabei jedesmal: „Siegel des Heiligen Geistes, Amen,“ 59 Spender ist so - anders als bei der römisch-katholischen Fir­ mung - der Priester, aber er spendet ja das von einem Hierarchen geweihte Myron, ein Ö l, das mit zahlreichen Duftstoffen bereitet wird. Ist der Vollzug des Mysteriums in allen orthodoxen Kirchen einheit­ lich, so bestehen unter orthodoxen Theologen unterschiedliche Auffas­ sungen bei der Bestimmung der Gabe des Mysteriums. Erzpriester Alexander Schmemann betont, der HL Geist Selbst teile sich mit, die Gabe des Mysteriums sei somit mehr als nur die Mitteilung eines Charismas,60 Schmemann wendet sich damit ausdrücklich gegen die 55 A. Schmemann, O f Water, 39f. 56 A. Schmemann, OfWater, 48. 57 A, V, Maltzew, Die Sacramente, 66, 58 Diese besteht aus Christianisierung, Taufe, Myronsalbung, Synaxis und erster Kommunion sowie einiger weniger wichtiger Handlungen wie der Ölung vor der Taufe, der Bekleidung mit dem Taufkleid, der Tonsur, u, a. m, sy A. V. Maltzew, Die Sacramente, 72. 60 A, Schmemann, OfWater, 79,

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Die Mysterien (Sakramente) m der Erfahrung der Kirche

Mehrheit der traditionellen theologischen Handbücher. So spricht der Katechismus des Metropoliten Filaret von „Gaben des H l. Geistes", die „aufziehen und stärken im geistlichen Leben“.61 Ganz ähnlich drückt sich, um nur noch ein weiteres Beispiel zu nennen, Christos Androutsos aus: „Die durch das Charisma gewährte Gnade ist [. . .] eine solche, die das geistliche Leben des Neophyten zugleich mehrt und festigt.“ 62 Eine ganz andere Auffassung findet dagegen seit der Wirksamkeit des Laientheologen Aleksej Chomjakov Verbreitung. Für ihn war die Myronsalbung eine A rt von Laienordination, die in den Stand des allgemeinen Priestertums des Volkes Gottes einordnet. Chomjakov hatte diese Auffassung der anglikanischen Theologie entlehnt.63 Auch bei Alexander Schmemann finden sich Spuren dieser Sicht­ weise, wenn er in der Myronsalbung die Einfügung in die drei Ämter Christi, die Mitteilung Seines Königtums, Seines Priestertums und Sei­ nes prophetischen Amtes sieht,64 Dabei versucht Schmemann am insti­ tutioneilen Priestertum festzuhalten und gleichzeitig der Aufspaltung der Kirche in Priester und Laien zu widersprechen.65 Merkwürdig berührt allerdings, daß Alexander Schmemann, der die Sakramente doch wie kein anderer „am Vollzug entlang“ erklären möchte, darauf verzichtet zu erklären, weshalb nun gerade Stirn, Brust, Augen und Ohren, Nase, Mund, Hände und Füße gesalbt werden. Es scheint, er habe die traditionell moralisierenden Auslegungen meiden wollen, die sich z. B. auch im Katechismus Filarets finden.66 Wird der eigentliche Taufakt auch eher mit der Reinigung von der Ursünde, der Sündenvergebung und der Verleihung der Gotteskind­ schaft, die Myronsalbung aber mehr mit der Geistverleihung verbun­ den, so ist eine solche Zuweisung doch eher als ein besonderer Akzent und nicht im Sinne einer Aufteilung zu verstehen. Letztlich sind Taufe und Myronsalbung eine Einheit, und von jedem Teil gilt das Ganze nur im Sinne der Fülle der Zeichen, nicht um mit diesem Hinweis eines der Teile für verzichtbar zu erklären. Diese Ausrichtung der orthodo­ xen Theologie an der Fülle der Zeichen unterscheidet morgen- und abendländische Sakramentstheologie vielleicht tiefer als einzelne Kon­ troversfragen. 61 Prostrannyj Chrisuanskij Kadchizis, c. 1, Glied 10, O miropomazanii (Von der Myronsalbung). 62 Ch. Androutsos, 339, 63 Peter Plank, Paralipomena, bes. 13-17. 64 A. Schmemann, OfWater, 81-103. 65 A. Schmemann, OfWater, 94. - Dazu s. u. Kap. 8.4, 66 Prostrannyj Chrisdanskij Kadchizis, c. 1, Glied 10, O miropomazanii.

Taufe und Myronsalbung

187

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188

Die Mysterien (Sakramente) in der Erfahrung der Kirche

8.2

. . denn der König der Könige und der Herr der Herren tritt herein, um geschlachtet zu werden und sich den Gläubigen zur Speise zu geben"’'·' Eucharistie

8.2.1

D ie Eucharistie als die Liturgie der Kirche

Nikolaj Afanas’ev hat sich wiederholt dagegen gewandt, die Eucha­ ristie als eines der Sieben Mysterien in der Kirche zu betrachten. Sie sei nicht eines der Mysterien in der Kirche, sondern als Quelle, Mittel­ punkt und Ziel aller Mysterien das Mysterium der Kirche. Sie sei damit ekklesial, nicht individualistisch zu verstehen.67 Die orthodoxe Schultheologie hat dagegen in der Regel die Euchari­ stie in die Reihe der anderen Sakramente eingereiht. So wird sie z. B. in der Dogmatik des Metropoliten Makarij unter der Überschrift >Vom Mysterium der Eucharistie oder der Kommumom als das dritte der Sieben Sakramente benannt. Die hier ausgedrückte Beschränkung auf die Kommunion trifft dabei weder die orthodoxe liturgische Praxis noch die Theologie der Eucharistie. Die Einreihung in die Reihe der Sieben Sakramente kommt in der Dogmatik Metropolit Makarijs auch im Aufbau des Kapitels >Über die Eucharistie oder Kommuniom zum Ausdruck, Er entspricht weitgehend dem der anderen Sakramente, wenn der Eucharistie mit 9 Paragraphen auch ein überdurchschnittlich breiter Raum gewährt wird,68 Hier wer­ den die üblichen scholastischen Fragen nach forma und materia, Stif­ tung, Spender bzw. Verwalter des Sakraments, und die Fragen nach der Notwendigkeit der Kommunion unter beiderlei Gestalt, schließlich auch nach dem Opfercharakter der Eucharistie ausführlich behandelt. Christos Androutsos hat in seiner Dogmatik der Eucharistie 4 Para­ graphen der insgesamt 17 über die Sakramente gewidmet. Sie stehen unter den Überschriften: >Die göttliche Eucharistie im allgemeinem; >Das Wesen des MysteriumsDer Vollzug und die Darreichung des MysteriumsDie Eucharistie als Opfern Darüber, wie die Eucharistie, die doch Kern des wichtigsten Gottes­ dienstes der orthodoxen Kirche ist, aber vollzogen wird, erfährt man in den Schuldogmatiken wenig. Das gilt auch für den Abschnitt über* * Hymnus zur Gabenübertragung in der Basilius-Liturgie am Karsamstag. 67 Siebe o. S. 155. 68 Makarij II, 366-424.

Eucharistie

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den >Vollzug und die Darreichung des Mysteriums< in der Dogmatik von Christos Androutsos. Denn hier behandelt Androutsos nicht die Ordnung, den Aufbau der Einzelheiten des rituellen Vollzugs der Göttlichen Liturgie, sondern den Gebrauch gesäuerten Brotes im Un­ terschied zu den im Westen gebrauchten Azymen und die Herabrufung des H l. Geistes, die Epiklese. Bestimmt wird der Abschnitt damit ausschließlich von Streitfragen zwischen Ost und West, nicht aber von dem Bestreben, positiv die Grundanliegen der östlichen Auffassung zu vermitteln. Mehr noch als die Dogmatik Metropolit Makarijs vermit­ telt die von Ch. Androutsos den Eindruck, die orthodoxe Lehre von der Eucharistie bestünde aus nichts anderem als aus abendländisch­ morgenländischen Kontroversfragen. Bei den Katechismen der orthodoxen Kirche verhält es sich anders. Der Katechismus >Pervoe ucenie otrokonn (>KnabenfibelErneuerung und Heiligung der Gläubigen im Sakrament der Buße nach der Lehre der orthodoxen Kir­ che auf Grund der Heiligen Schrift und der Heiligen Tradition«226 mehrere patristische Beispiele für dieses medizinische Verständnis benannt und dann hinzugefügt: „Der Priester bewirkt als Arzt des Er­ krankten die Heilung nicht nur, indem er Arzneien und Kuren emp­ fiehlt, sondern besonders dadurch, daß er ihm Verständnis entgegen­ bringt und Mitleid, denn auf diese Weise hat uns Christus die Kraft der Sündenüberwindung gebracht als der größte Arzt, der uns zuliebe auch den Kreuzestod auf sich genommen hat/'227 Das hier vorgetragene medizinische Verständnis wird gelegentlich sogar in den liturgischen Ordnungen selbst dem juridischen Verständ­ nis entgegengehalten. So sagt der Beichtvater bei der Beichte „hoher geistlicher Personen“: „Ich sündiger Hirte bin kein Richter, dich zu richten, sondern bin der von dir erwählte Zeuge vor Gott. Unser Rich­ ter ist der Herr Jesus Christus. Vor Ihm eröffne die Geheimnisse deines Herzens und tu B uße.“ 228 Zwar steht hier im Hintergrund auch das kanonische Recht, demzufolge ein hierarchisch Höherstehender nicht 224 A. v. Maltzew, Die Sacramente, 219. 225 A. v. Maltzew, Die Sacramente, 204. 226 In: Buße und Beichte, 2 5 -3 2 . 227 Buße und Beichte, 32. 228 S. V. Bulgakov, Nastol’naja kniga, 1012; s. a. A. v. Maltzew, Die Sacramente, Anhang; 66.

Beichte

221

von einem niedriger Stehenden gerichtet werden kann, aber die Ten­ denz, juridische Kategorien auszuschalten, durchzieht doch Beicht­ ordnung und Beichttheologie in gleicher Weise. Das gilt ganz speziell für die in der Beichte den Büßern auferlegten „Epitimien“, die den römisch-katholischen Beichtstrafen entsprechen, jedoch anders als diese eben keinen satisfaktorischen Charakter haben, sondern - wie auch die Schuldogmatik des Metropoliten Makarij her­ vorhebt - „nur bessernde, heilende, väterliche Strafen“ sind.229 Buß­ strafen dienten nicht dazu, „der Gerechtigkeit Gottes Genüge zu tun“, sondern um Trauer und Reue im Sünder zu erwecken.230 So entspreche es der Lehre des Apostels Paulus und der Lehre und kanonischen Pra­ xis der alten Kirche. Der Gerechtigkeit Gottes Genüge getan habe dagegen allein das Opfer Christi am Kreuz.231 D er Hinweis auf die kanonische Praxis der Alten Kirche könnte mit vielen Bestimmungen belegt werden. Am eindrücklichsten aber ist zweifellos can. 102 des Trullanum von 692, das mit seinen zahlreichen detaillierten Bestimmungen diesen seelsorgerlichen Schlußakkord kaum erwarten läßt: Wer von Gott die Vollmacht des Lösens und Bindens empfangen hat, muß die Beschaffenheit der Sünde und die Bereitschaft des Sünders zur Umkehr in Betracht ziehen und so auf geeignete Art und Weise die Therapie der Krankheit vornehmen, damit nicht durch ein unangemessenes Vorgehen in die eine oder andere Richtung die Rettung des Leidenden verfehlt wird. Denn die Sünde ist keine einfache Krankheit, sondern mannigfaltig und ver­ schiedenartig, und sie bringt viele Auswüchse hervor. So verteilt sich das Übel immer mehr und schreitet fort, bis es Widerstand erfährt durch die Kraft des Therapeuten. Wer also die geistliche Heilkunst beweisen will, der muß zuerst den Zustand des Sünders beobachten, also ob er mehr zur Gesundheit tendiert oder ganz im Gegenteil durch eigenes Verhalten die Erkrankung bei sich selbst hervorruft, und darauf achten, daß er sich dabei vor einem Rückfall vorsieht; ebenso ob der Patient dem Fachmann Widerstand entgegensetzt und ob die Wunde der Seele durch die Anwendung der auferlegten Medizin größer wird und so nach dieser Maßgabe die Barmherzigkeit zumessen. Denn alles kommt Gott darauf an ~ und dem, der die pastorale Führung übernommen hat das verirrte Schaf zu­ rückzuführen und den von der Schlange Verwundeten zu heilen. So soll er weder an den Abgrund der Verzweiflung drangen noch die Zügel m Richtung Resignation und Lebensverachtung lockern, sondern immer auf eine Art und Weise dem Leiden entgegenwirken - sei es durch strengere und härtere 229 Makarij II, 442. 230 Makarij II, 443 unter Hinweis auf I Kor 5, 1 -5 ; 2 Kor 2, 7. 231 Makarij II, 444-449.

222

Die Mysterien (Sakramente) in der Erfahrung der Kirche

oder durch sanftere und mildere Medikamente - und so um Heilung der Wunde kämpfen für den, der die Früchte der Buße probiert, und den zum himmlischen Glanz berufenen Menschen weise anleiten. Wir müssen uns deshalb auf beides verstehen, auf die Erfordernisse der strengen Disziplin wie auf die Erforder­ nisse der Praxis.232

Folge einer einseitig juridischen Sicht und Praxis der Beichte ist nach der Auffassung vieler orthodoxer Theologen die römisch-katholische Ablaßlehre. Gegen diese Lehre hatte z. B, auch der 1988 kanonisierte Bischof Feofan der Klausner heftig polemisiert.233 Der Ablaß stellt nicht nur die Allgenugsamkeit des Kreuzesopfers Christi in Frage, die die orthodoxe Theologie lehrt, soweit sie überhaupt juridische Katego­ rien für zulässig hält,234 sondern widerspricht zugleich auch der asketi­ schen Grundeinstellung der orthodoxen Theologie. Im Zusammenhang mit der Ablehnung der Ablaßlehre hat M etro­ polit Makarij in seiner Dogmatik auch die römisch-katholische Lehre vom Schatz überschüssiger "Werke kritisiert: „Die Verdienste der Heiligen, wie groß sie auch immer seien, darf man niemals für überschüssig, für zu reichlich, für ihnen selbst nicht notwendig halten und anderen Menschen, Sündern, zu ihrer Rechtfertigung in den Augen der Gerech­ tigkeit Gottes anrechnen. Denn erstens gehören alle Leistungen235 der Heili­ gen ihnen nicht völlig, sondern sie wurden mit Hilfe der Gnade Gottes voll­ bracht und haben selbst ihren Wert vor dem Gericht der ewigen Gerechtigkeit aufgrund der Verdienste Christi. Zweitens ist das Gebot des Gesetzes des Evan­ geliums, das zum Leben führt, ,sehr weit1 (Ps 118, 96 - L X X , ksl. Text), so daß, wie weit es auch immer der Mensch erfüllen würde, stets noch viel bleiben würde, was von ihm noch nicht erfüllt worden ist [. ..] Daraus, daß Gott die Sünder um der Gerechten willen geschont hat und stets zu schonen bereit ist (Gen 18, 32; Ex 32, 30ff,), muß man nicht folgern, daß Er die ersten wegen der überflüssigen Werke der letzteren geschont hat und schont, daß Ihm durch diese Verdienste Genüge getan wäre und Er sie den Sündern anrechnete, und nicht aus einem anderen Grund. “ Vielmehr seien Gott die Gerechten besonders lieb und so habe ihre Fürsprache besondere Kraft vor ihm. Gott schone stets aufgrund seiner unendlichen Liebe und nicht aufgrund eines abwägenden Urteils.236 .. .

232 PEedrich Lauchert, Die Kanones, 138f. Den Hinweis auf diesen Kanon und die Übersetzung verdanke ich Herrn Dr, Heinz Öhme, Erlangen. Sie wurde an wenigen Stellen leicht abgeändert. 233 Vgl. K. Ch. Felmy, Predigt, 59, 96. 234 Siehe o. Kap. 6. 235 Podvigi. 236 Makarij II, 458f.

Die Weihen zum priesterlichen Dienst

223

Es ist aufschlußreich, wie hier von einem Dogmatiker, der durchaus juridische Kategorien kennt, juridische Vorstellungen im Zusammen­ hang mit der Beichte - der orthodoxen Beichttradition und -erfahrung entsprechend - abgelehnt werden, Literatur; Borichersky, Vladimir Stakhy, A Pastoral Perspective on Sin and the Sacrament of Confession, in: SVTQ 21/1977, 207-216. Bulgakov, S. V., NastoPnaja knîga (s. Lit. Kap. 7). Buße und Beichte im Glauben und Leben unserer Kirchen und ihre Bedeutung für die Erneuerung und Heiligung der Christen. Dritter bilateraler Theologischer Dialog zwischen der Rumänischen Orthodoxen Kirche und der EKD vom 28. Mai bis 3. Juni 1982 in Hüllhorst. Hrsg, vom Kirchlichen Außenamt der EKD (Studienheft 17), Frankfurt 1987 = Ö R.B 51. Erickson, John H ., Pemtential Discipline in the Orthodox Canonïcaî Tradition, in; SVTQ 21/1977, 191-206. Felmy, K arl Christian, Predigt (s. Lit. Kap, 1). Harakas, Stanley ATheology of the Sacrament of the Holy Confes­ sion, in: G O TR 19/1974, 177-202, loann Sokolov, bishop, The Dogma tic and Moral Meaning of Penance, in: JM P 1985/7, 79L; 8, 77f, ; 9, 108f. Melia, Elie, Le Sacrement de Pénitence, in: Le Messager Orthodoxe 14 (II - 1961), 2 5 -3 5 . Sacrament o f Penence: Artikelserie in JM P 1985 (Heft 1, 2, 4, 6, 7, 11), 1986 (Heft 1-12), 1987 (Heft 1-12). Smolitsch, Igor, Leben und Lehre der Starzen (s. Lh. Kap. 5.1). Suttner,; E. Chr. (Hrsg.), Buße und Beichte. 3. Regensburger Ökumenisches Symposion, 1972, Vasilij (Krivosein), archiepiskop, Prepodobnyj Simeon Novyj Bogoslov [Der hl. Symeon der Neue Theologe] (949-1022), Paris 1980. Weichenrieder, P. Lukas OSB, Die Epitimia in der russischen Theo­ logie als kontroverstheologischer Gegenstand, Rom 1982. Winogradow, Wassilij, Die orthodoxe Lehre und Praxis des Bußsakraments, in: W. Winogradow, In Orthodoxer Schau. Drei Vorträge, München 1958, 2 3 -39,

8,4

„Die Göttliche Gnade, die allezeit das Schwache heilt und das, was fehlt, ergänzt" * D ie Weihen zum priesterlichen D ienst

8,4.1

D ie Stufen des Priestertums und die Ordnung der Weihen

Die Symbolkraft der Siebenzahl und ihre bevorzugte Stellung in der Hl. Schrift und in der christlichen Tradition 237 führen dazu, daß unter­ schiedliche Handlungen, die jeweils einen neuen kirchlichen Rang und ein anderes Amtscharisma verleihen, als ein Sakrament bezeichnet wer­ den, Zum Weihesakrament zählen im Unterschied zu anderen ähnlichen * Aus den Ordnungen der priesterlichen Weihen (s. u. S. 225ff.). 237 Siehe o. S. 170ff.

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Die Mysterien (Sakramente) in der Erfahrung der Kirche

Handlungen wie der Ordination zum Lektor oder der Beförderung z. B. zum Erzpriester die Weihen zum Bischof, zum Presbyter (Prie­ ster) und zum Diakon. Alle diese Weihen sind mit der Eucharistie verbunden. Die Weihen zum Bischof, Priester und Diakon werden ausschließlich im Rahmen der Göttlichen Liturgie vollzogen, die Weihen zum Lektor und Ipodiakon in aller Regel. Das zeigt ihre Beziehung zur gottesdienstlichen Versammlung, zur Kirche als Leib Christi, zu Christus, der in der Eucharistie in diesen Aon einbricht. Der Bezug auf die eucharistische Versammlung macht aber auch deutlich, daß der Amtsträger nicht „für sich", sondern für das Volk Gottes am O rt geweiht wird.338 Die orthodoxe Theologie sieht in der apostolischen Sukzession der bischöflichen Weihen, die sich tatsächlich immerhin bis ins 2. Jahrhun­ dert zurückverfolgen läßt, ein Erbe der Alten Kirche. Ebenso altkirch­ lich ist auch die Gliederung des ganzen Gottesvolkes im Gottesdienst und die besondere Hervorhebung der Stufen Bischof, Priester und Diakon. Altkirchlich ist aber auch die Vorstellung, daß kein Dienst in der Kirche ohne eine Segens- oder Weihehandlung vollzogen wird. Die orthodoxe Kirche kennt deshalb nicht nur die Weihen zu den die G e­ meinde leitenden und die heiligen Gaben konsekrierenden Ämtern, sondern auch die Weihe zu anderen Diensten, vorrangig dem des Dia­ kon, der im orthodoxen Gottesdienst eine unvergleichlich wichtige Rolle spielt und dennoch gleichzeitig keine Sakramente spenden darf. Die unterste Stufe der orthodoxen Weihehierarchie ist die W eihe zum Vorleser und Sänger, wobei heute in Ermangelung ordinierter Vorleser jeder Christ - Männer und Frauen - die Funktion des Vorlesers notfalls auch ohne Weihe erfüllen darf. Die Weihe zum „Leuchterträger, Leser und Sänger"238239 erfolgt am Ende der Göttlichen Liturgie, kann aber im Unterschied zu den höhe­ ren Weiheordnungen auch in einem speziellen Gottesdienst gespendet werden und ist schon insofern den Sakramenten nicht gleichrangig. Das unter Handauflegung vollzogene Ordinationsgebet des Bischofs über dem Weihekandidaten bittet um die Gabe des Lehrens und Lesens und um die Bewahrung in untadeligem Wandel. Das Gebet der Weihe zum Ipod iakon (üjtoöitbtovog), der nächst höheren Weihestufe, bittet darum, daß der Weihekandidat gewürdigt 238 Siehe o. Kap. 7.4. 239 A. v. Mal’cev, Die Sacramente, 303-313, Das griechische Euchologion enthält nur das Gebet dieser Weihe, die als „Ordnung der Weihe eines Vorlesers und Sängers“ bezeichnet wird. Euchologion, 186f,

Die Weihen zum priesterlichen Dienst

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werde, der hi. Kirche Gottes zu dienen, die Türen zu bewachen und die Leuchter im Heiligtum anzuzünden.240 Faktisch ist der Ipodiakon aber in der Liturgie dem Bischof in besonderer Weise zugeordnet und Altardiener, Die Kommunion empfangen Lektor und Ipodiakon im Unterschied zu den Inhabern höherer Weihegrade außerhalb des Altar­ raums - wie die Laien. Diakonats-, Priester- und Bischofsweihe haben im Unterschied zu den bisher genannten Ordnungen ihren festen Platz in der Liturgie. Um zu verhindern, daß ein Weihekandidat im Rahmen eines einzigen Gottesdienstes vom Laien zum Bischof aufsteigt, wurden die Weihe­ handlungen einander so zugeordnet, daß die jeweils höhere Weihestufe zu einem früheren Zeitpunkt der Göttlichen Liturgie erteilt wird.241 Die D iakon atsw eih e242 wird erst nach dem Abschluß des Euchari­ stiegebets gespendet. Der Weihekandidat wird von zwei Ipodiakonen in den Altarraum und dann von zwei Diakonen dreimal um den Altar herumgeführt (vgl. Ps 25, 6 L X X ). Dieser Altarumgang ist Bestandteil aller priesterlichen Weihen, wird aber dennoch in den wichtigsten litur­ gischen Handbüchern der orthodoxen Kirchen kaum erklärt. Zu Be­ ginn der Ordinationshandlung spricht der Bischof eine Formel, die ab­ gewandelt bei allen drei „sakramentalen“ Weihehandlungen begegnet: „Die göttliche Gnade, die allezeit das Schwache heilt und das, was fehlt, ergänzt, proklamiert den N. N ., den frömmsten Ipodiakon, zum Diakon. Lasset uns daher für ihn beten, daß die Gabe des Allheili­ gen Geistes auf ihn komme,“ Das erste eigentliche Ordinationsgebet bittet um die Gnade, die auch Stefanus empfangen hat.243 Das zweite Ordinationsgebet, dem eine Ektenie vorausgeht, bittet um die Gabe des H l. Geistes zum Dienst des Diakons, ohne daß dieser Dienst im Gebet genau umschrieben würde. Die Hauptaufgabe des Diakons im Ordinationsgottesdienst ist es dann, bis zur Kommunionausteilung die heiligen Gaben mit dem Rhipidion zu fächeln. Da Diakone die 240 A, v. Maltzew, Die Sacramente, 313-318; Euchologion, 187f. 241 Die notwendigen Intervalle zwischen den einzelnen Weihen scheinen u. a. bei Patriarch Phouos nicht eingehalten worden zu sein, - H. G. Beck, Ge­ schichte der orthodoxen Kirche, D 100. 242 A. v. Maltzew, Die Sacramente, 318-330; Euchologion, 160-163. 243 Georgij Florovskij sieht in der Berufung auf Stefanus Probleme des Dia­ konenamtes, dessen Verständnis sich im Laufe der Kirchengeschichte von ei­ nem vorwiegend sozial-„drakonischen“ zu einem liturgischen Amt (vgl. G, Florovskij, The Problem of the Diaconate) gewandelt hat. Die damit bei Flo­ rovskij diesem Amt gegenüber verbundene Skepsis wird von anderen orthodo­ xen Theologen nicht geteilt.

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Die Mysterien (Sakramente) in der Erfahrung der Kirche

Engel und ihren Dienst im himmlischen Gottesdienst abbilden, sieht man sehr häufig auf liturgischen Darstellungen Engel mit Rhipidien in den Händen, so auf vielen Darstellungen der Apostelkommunion. Die Aufgabe, die Gaben mit dem Rhipidion zu fächeln, ist sonst im Dienst des Diakons aber nicht die hervorragendste. Wichtiger ist, daß er in der G öttlichen Liturgie das Evangelium liest, die Ektenien spricht, die Elevation der Abendmahlsgaben vollzieht, die reliqua verzehrt, purifiziert und den Weihrauch darbringt. Anders als in der römisch-ka­ tholischen Kirche darf der Diakon in der orthodoxen Kirche aber keine Sakramente spenden. Ohne jeweils neue Erlaubnis des Bischofs oder Priesters darf der Diakon nicht einmal die üblichen ihm sonst zugewie­ senen Dienste vollziehen. Ohne einen Bischof oder Priester kann ein Diakon einen Gottesdienst nicht anders vollziehen als ein Laie auch.244245 Die Priesterw eihe wird nach dem Cherubimischen Hymnus gespen­ det. Auch hier geht dem Ordinationsgebet die Formel von der „Gnade Gottes, die das Schwache heilt und das, was fehlt, ergänzt“ voraus. Das erste unter Handauflegung gesprochene Ordinationsgebet bittet um die Gabe, das Wort der Wahrheit priesterlich zu verwalten (ιερούργεΐν; vgl, Röm 15, 16).243 Das zweite Ordinationsgebet enthält dagegen ausdrückliche Bezüge auf den Eucharistievollzug. Der eucharisusche Bezug der Priesterweihe kommt besonders darin zum Aus­ druck, daß dem Neugeweihten nach der Epiklese eine Partikel des eucharistischen Brotes in die Hand gelegt wird, die er erst kurz vor der Priesterkommunion zurückgibt, damit sie dann bei der Kommunion mit ausgeteilt wird. Die B ischofsw eihe246 findet in der Göttlichen Liturgie nach dem Trishagion, also bald nach dem Einzug mit dem Evangelium, statt. Die anwesenden Bischöfe - es sollen, der kanonischen Ordnung folgend, zwei oder mehr sein - legen dem Weihekandidaten das geöffnete Evan­ gelienbuch mit der nach unten gekehrten Schriftseite auf das Haupt. Wieder begegnet die Formel von der „Gnade Gottes, die das Schwache heilt und das, was fehlt, ergänzt“. Es wird aber - anders als bei der Priester- und Diakonsweihe - auch der O rt genannt, für den der Bischof geweiht wird. Eine absolute Ordination kennt die orthodoxe Kirche nicht.247 Das ist bei der Priester- und Diakonatsweihe nur scheinbar 244 S. V. Bulgakov, NastoFnaja kniga, 683-685. 245 Die Ordnung der Presbyterweihe findet sich; A, v. Malrzew, Die Sacramente, 333-344; Euchologion, 163-166. 246 A. V, Maltzew, Die Sacramente, 382-441; Euchologion, 166-181. 247 Siehe o. S. 164f.

Die Weihen zum priesterlichen Dienst

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anders als bei der Bischofsweihe. Priester und Diakon werden einem Bischof zugeordnet. Anders als bei der Priesterweihe erwähnt bei der Bischofsweihe bereits das erste Gebet den Vollzug der Mysterien. Deutlicher noch eucharistisch ausgerichtet ist das zweite Gebet mit der Bitte um die G e­ währung der Darbringung geistlicher Opfer und die Bitte um eine würdige Hirtentätigkeit.

8.4.2

D ie W eihe zum Priestertum in d er theologischen Auseinandersetzung

loannis Karmiris schreibt in seinem >Abriß der dogmatischen Lehre der orthodoxen katholischen Kirchen „Bei den Gläubigen unterschei­ det man den Klerus, der durch das Sakrament der Priesterweihe ge­ weiht ist, und das Laienvolk." 248 Ähnlich heißt es auch in der Dogma­ tik von Metropolit Makarij: „Die Struktur der Kirche besteht darin, daß sie [. . .] ihrem Bestand nach in zwei wesentliche Teile aufgeteilt ist: die Herde und die gott-gestiftete Hierarchie, die in eine bestimmte Beziehung zueinander gestellt sin d ."249 Solche Definitionen finden sich in der orthodoxen Theologie nahezu überall. Und das gläubige orthodoxe Volk sieht es heute wohl auch so. loannis Karmiris scheint in seiner Definition sogar ein Proprium der orthodoxen Sicht gegenüber der katholischen und protestantischen Sicht vertreten zu wollen. Die Kirche sei eben nicht nur Priester- oder Laienkirche, sondern in Hierarchie und Laien gegliedert. Das Ideal der liturgischen Ordnung der orthodoxen Kirche ent­ spricht dieser Sicht jedoch nicht. Nach den liturgischen Ordnungen ist das Gottesvolk hierarchisch gegliedert und ist ohne solche hierarchi­ sche Gliederung sogar undenkbar. Doch es ist nicht zweigeteilt, son­ dern gegliedert, in Bischof, Priester, Diakone, Ipodiakone, Leser, Psalmsänger, getaufte Laien und Katechumenen, und die Alte Kirche kannte noch weitere Differenzierungen. N icht in das Schema der Zwei­ teiligkeit von Priestern und Laien, wohl aber zu dem Prinzip der Glie­ derung des Volkes Gottes, in dem die Aufgliederung in Klerus und Laien zwar die wichtigste, aber nicht die einzige ist, paßt auch das Mönchtum. Mönche und Nonnen haben fraglos einen besonderen Rang in der Kirche, in der Regel auch einen bestimmten O rt im 248 L Karmiris, Abriß, 86, 249 Makarij II, 210.

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Die Mysterien (Sakramente) in der Erfahrung der Kirche

Gotteshaus. Doch können Mönche sowohl Priester als auch Laien sein, und die Abtissin eines Klosters gehört zwar einerseits ihrem hierarchi­ schen Rang nach zu den Laien. Aber wie ein Priester spendet sie in ihrem Kloster - auch im Gottesdienst - den Segen an die einzelnen Gläubigen, die z. B. in der Nachtwache zu ihr treten, um sich segnen zu lassen. Ein Psalmensänger wiederum gehört zwar zum Klerus. Doch eine eigene Psalmensänger-Welhe gibt es nicht. Die von loannis Karmiris und anderen hervorgehobene Zweiteilung des Gottesvolkes ist also nur sehr bedingt dazu tauglich, das lebendige orthodoxe Kirchenverständ­ nis angemessen zu beschreiben. Sie läßt zudem nicht genügend zum Ausdruck kommen, daß die hierarchische Gliederung des Volkes G ot­ tes nach orthodoxem Verständnis nicht allein der Aufrechterhaltung der kirchlichen Ordnung dient, sondern daß sie - jedenfalls ihrem Ideal nach - ein Element ihrer eschatologischen Schönheit ist. Die K ir­ che ist schön geordnet. - Dieser Gedanke steht mit im Hintergrund, wenn der Diakon vor dem Präfationsdialog ruft: „Laßt uns schön ste­ hen, laßt uns mit Furcht stehen, laßt uns aufmerksam sein, das heilige Opfer in Frieden darzubringen . . ,“,2S0 obgleich auch an die Gewähr­ leistung eines ungestörten Vollzugs durch die Ordnung im Gotteshaus gedacht ist.251 In der orthodoxen Kirche besteht ein ganz spezielles Verhältnis von Recht und Charisma. Sie kennt für den priesterlichen Dienst keine vom ‘Recht’ gelöste sakramentale Gnade. So wird - wie erwähnt - die Bischofsweihe nicht absolut, sondern kon kret, d. h. für einen bestimm­ ten bischöflichen Sitz, gespendet,252 Die Bischofs weihe ist nur - trotz dieser Bindung an einen bestimmten Sitz - insofern in einem bestimm­ ten Sinne absolut, als die für eine Diözese bzw. Eparchie gespendete Weihe auch in einer anderen gültig ist. Bei einem Wechsel der Eparchie wird ja ein Bischof nicht erneut geweiht. Ähnliches gilt für Priester und Diakon. Sie sind einem bestimmten Bischof und einer bestimmten Diözese zugeordnet und bedürfen für den Wechsel in eine andere Epar­ chie einer Entlassungsurkunde. Ein Bischof wird bei seiner Weihe auf die Einhaltung dieser Regel verpflichtet253 - und alle Ordinationen werden nach orthodoxem Verständnis gültig nur in der Kirche (für die 250 Die Göttliche Liturgie, 62; s. o. S. 113. 351 Vgl. z. B. Apostolische Konstitutionen, Buch VIII, X I 7-12, X II 1-2 (F. X , Funk I, 495). 252 Nikodemus Milasch, Das Kirchenrecht, 273; vgl. bes, I. Zizioulas, Being as Communion, 213. 253 Vgl, A. v, Maltzew, Die Sacramente, 406.

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Mehrheit der Theologen heißt das: nur in der orthodoxen Kirche) ge­ spendet. Eine Ordination „gültig, aber nicht erlaubt" wie in der rö­ misch-katholischen Kirche, nach deren Lehre im Schisma vollzogene Weihen so betitelt werden, gibt es in der orthodoxen Kirche nicht. Die Konsequenzen dieser Sicht für die Bewertung der Ordinationen in anderen Kirchen sind freilich unterschiedlich, z. T. auch wegen der unterschiedlichen Praxis des o i xovop.ia -Prinzips, Das Gespräch des Protestantismus mit der Orthodoxie über die Amtsfrage ist vor allem dadurch erschwert, daß die orthodoxe Kirche das priesterliche Amt stets vom Bischof, nicht vom „Presbyteros“ her definiert hat. Das Bischofsamt war ja in der Alten Kirche das Amt der Leitung einer Gemeinde bzw, Kirche und des Vorsitzes der eucharistischen Versammlung. Auch in der liturgischen Erfahrung der orthodo­ xen Kirche schlägt sich die gleichbleibende Abhängigkeit des Priesters vom Bischof nieder. Ein in der orthodoxen Kirche „gültig" geweihter Priester kann die Eucharistie z. B, nur auf einem von einem Bischof konsekrierten Antiminsion254 feiern. Selbst die Bezeichnung LEQEÜg (Priester) war lange Zeit zuerst oder ausschließlich Bezeichnung des Bischofs. Die abendländische Theologie hatte dagegen im Mittelalter gerade in ihren hervorragendsten Vertretern das Amt allein vom Amt des Presbyteros her gedeutet. D ie Bischofs weihe dagegen wurde als eigener sakramentaler Akt von vielen Theologen nicht wahrgenommen. So lehrt Johannes Duns Scotus in seinen Quaestiones: Sunt et alia quaedam non ordmurn, sed digmtatum, vel officiorum nomina, Dignitatis simul et officij nomen est Episcopus.255 Duns Scotus kann sich da­ bei auch auf Thomas und Bonaventura stützen.256 Dementsprechend kennt die abendländische Kirchengeschichte längst vor der Reforma­ tion Fälle, daß Presbyter Presbyter ordinierten. Entsprechende Nach­ richten gibt es über die heiligen Missionare Willehad (gest. 789) und Ludgerus (gest. 785).257 In den Jahren 1400, 1427 und 1489 gestatteten päpstliche Bullen Äbten und damit Priestern ohne Bischofsweihe, Or~

254 Ein Tuch mit eingenähten Reliquienpartikeln, das ‘anstelle einer Mensa1 dienen kann. Es trägt auch die Unterschrift des Bischofs. 255 „Es gibt auch andere Bezeichnungen, nicht von Weihegraden, sondern von Würden oder Ämtern, Die Bezeichnung sowohl einer Würde als auch eines Amtes ist die des Bischofs“ (Johannes Duns Scotus, Questiones in lib. IV Sententiarum, T. 9, Distinctio XXIV, S. 513), 256 J. Duns Scotus, 514; vgl, Thomas von Aquin, Summa Theologica III partis Summae Theologicae Supplementum, Quaestio X X X V III, Art, 1, 257 pt pr3nzen} Art.: Ordo, 1216.

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Die Mysterien (Sakramente) in der Erfahrung der Kirche

dinationen zu erteilen.258 In der orthodoxen Kirche war man dagegen so ausschließlich von der Möglichkeit von Ordinationen durch B i­ schöfe überzeugt, daß die Altgläubigen 259 entweder lieber aus der ihrer Ansicht nach doch tief verderbten Staatskirche entlaufene Priester bei sich dienen ließen oder - in ihrem radikaleren Flügel - lieber ganz auf das Priestertum verzichteten, als der einzige Bischof, der Ordinationen hätte für sie vollziehen können, umkam. Erst in der Historischen Schule änderte sich die Sicht. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts begannen russische Theologen - ohne die kanoni­ sche Amtsstruktur grundsätzlich in Frage zu stellen die Trennung von Priestern und Laien im Gottesdienst zu beklagen.260 Tiefgreifen­ der aber stellt die kritische Untersuchung Aleksej Petrovic Lebedevs >Zur Frage nach dem Ursprung der urchristlichen Hierarchie·;261 die traditionelle historisch vereinfachte Sicht der Entstehung des bischöf­ lichen Amtes in Frage. Lebedev meinte unter dem Eindruck der For­ schungen Adolf von Harnacks, die ursprüngliche Ordnung der Ämter in der Urkirche sei eine charismatische gewesen. Die Didache zeige dann den Wandel zum hierarchischen Amt, das sich nicht unmittelbar aus apostolischer Setzung, sondern aus ursprünglich untergeordneten Funktionen heraus entwickelt habe. Freilich sah er in dem Übergang der Funktionen der ursprünglichen Charismatiker auf das bischöfliche Amt einen legitimen Prozeß. Weil nächste Anverwandte’ dieser Cha­ rismatiker gefehlt hätten, „ging das Erbe legitim auf eine Seitenlinie über. Als eine solche Seitenlinie erwiesen sich die Bischöfe. Sie empfin­ gen das Erbe“.262 Auch andere orthodoxe Theologen sind durch die Forschungen von Rudolph Sohm und Adolf v. Harnack in ihrer allzu naiven Projektion der traditionellen orthodoxen Ämterordnung zurück in die apostoli­ sche Zeit erschüttert worden. Erzpriester Sergij Bulgakov hat in den letzten Jahren seiner Wirksamkeit nicht mehr davon gesprochen, daß die altkirchlich-traditionelle Kirchen- und Ämterordnung iure divino sei, sondern gemeint, die bischöfliche Sukzession des Amtes sei nicht göttlichen, sondern gottmenschlichen Rechtes, d. h, von der geist258 P. Franzen, Art.: Ordo, 1216; DS 1145, 1290, 1435. - Immerhin gibt es im Osten insofern eine gewisse Entsprechung, als Äbte mit dem Segen des zustän­ digen Bischofs Lektoren und ipodiakone für ihr Kloster weihen dürfen: N. Mi­ lasch, Das Kirchenrecht, 279. 259 Siehe o. S. 60. 260 K. Ch. Felmy, Die Deutung, 327-330. 261 A. Lebedev, Po voprosu o proischozdenii pervochristianskoj ierarchü. 262 A. Lebedev, 463.

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inspirierten Kirche aus ihrem Wesen und aus der in sie zu Pfingsten ein­ gelegten Fülle heraus entwickelt worden.263 Die hierarchische O rd­ nung sei zwar gottgewollt und von daher iure divino, schreibt er dann einige Jahre später. Doch müsse die Kirche „als Synergismus, der Him ­ mel und Erde vereint“, beschrieben werden. Die in ihrer Geschichte entstandene hierarchische Ordnung sei insofern auch iure humano und iure historico.264 In der Russischen Orthodoxen Kirche fehlte zunächst offenbar jede Neigung, die historischen Erkenntnisse gegen die herrschende bischöf­ liche Ordnung zu kehren, zumal eine solche Wendung ja auch keines­ wegs einfach aus diesen Erkenntnissen gefolgert werden muß. Das Gegenteil ist bei Aleksej Lebedev vielmehr der Fall. Nicht umsonst spricht er ja auch von einem legitim en Prozeß. Ukrainischen Nationa­ listen blieb es Vorbehalten, im Jahre 1921 die ihnen zugänglichen histo­ rischen Erkenntnisse für ihre Ziele auszunutzen. Sie meinten, auf das Beispiel Alexandriens zurückgreifen zu können, wo, einer Nachricht des Hieronymus folgend, im ersten und zweiten Jahrhundert Bischöfe durch die dortigen Priester ordiniert wurden.265 Auf einer Synode ukrainischer nationalistischer Priester weihten Presbyter in Klev im Oktober 1921 zwei Presbyter zu Bischöfen. Um zu einer Anerkennung durch andere orthodoxe Kirchen zu gelangen, hat die damals begrün­ dete „Autokephale Ukrainische Orthodoxe Kirche“ zwar später in ihren Reihen die apostolische Sukzession des Bischofsamtes wieder­ hergestellt, von der Auffassung, im Notfall könnten auch Priester B i­ schofsweihen erteilen, aber niemals Abstand genommen. Die dem entgegenstehenden traditionellen Auffassungen sind in der orthodoxen Kirche, vor allem in Rußland, in der Auseinandersetzung mit diesen Nationalisten eher gefestigt worden. Alle Ordinationen - auch zu den niedrigeren Ämtern - bleiben in der herrschenden orthodoxen Lehre dem Bischof Vorbehalten. Dage­ gen dürfen Priester mit dem Segen des zuständigen Bischofs die Kleine Weihe einer Kirche vollziehen, wenn für die Eucharistie ein vom Bischof geweihtes Antiminsion gebraucht wird. Auch an diesen Zügen der sakramentalen Ordnung wird die be­ sondere Stellung des Bischofs deutlich. Der Bischof ist der eigentliche 263 S. Bulgakov, lerarchija i Tainstva, 23, 26, 29. 264 S. Bulgakov, lerarchija i Tamstva, 29. 265 Hierzu und zum folgenden: Friedrich Heyer, Die orthodoxe Kirche in der Ukraine, 83 f.; Hieronymus, Ep, 146 ad Euangelum: PL 2 2 ,1193 h; vgl, N. Müasch, Das Kirchenreclit, 275.

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Träger der apostolischen Sukzession. Er steht im Gottesdienst auf dem Platz Christi und als Sein Bild.266 Er ist damit nicht vicarms Christi (denn der Vicarius ist der Stellvertreter eines Abwesenden), sondern er ist Bild des Gegenwärtigen, ist abbildhaft mit Ihm verbunden, so daß er zwar (bzw. in seinem Auftrag der Priester) die Liturgie vollzieht, aber als Bild des eigentlichen Liturgen Christus.267 Sehr schön zeigt das die SoPvycegodsker Ikone zum Großen Einzug, die andererseits so treffend den Theophaniecharakter der Göttlichen Liturgie zum Aus­ druck bringt.268269Christus steht hier in bischöflichen Gewändern am Altar und empfängt vor den königlichen Türen ebenfalls als Bischof ge­ kleidet, so wie der Bischof in der Pontifikalliturgie, auf dem „Adler“ stehend,369 den Zug der Engel mit den eucharistischen Gaben, die er entgegennimmt. Die Ikone ist dem beim Großen Einzug gesungenen Cherubimischen Gesang zugeordnet.270 Während dieses Gesangs spricht der Zelebrant ein Gebet, dessen wichtigster Gedanke gleich­ falls einen Niederschlag auf der SoPvycegodsker Ikone gefunden hat. Das ausnahmsweise an Christus, nicht an die Erste Hypostase gerich­ tete Gebet endet mit den Worten: „Denn du bist der Opfernde und der Geopferte, der Empfangende und der Ausgeteilte, Christus, unser G o tt." 271 Das bischöfliche Amt steht so - ganz den Gebeten der Litur­ gie folg en d -im Dienste der Christusrepräsentation. Das ändert nichts daran, daß der Bischof gleichzeitig ‘Mund der Kirche’ ist272 und darum ja auch nicht versus populum zelebriert, sondern im Namen des Volkes, es gewissermaßen anführend, betet. Nicht alle orthodoxen Schultheologen, die bei der Darstellung der Eucharistie forma und materia sorgfältig definiert haben, wiederholen Vgl. I, Zizioulas, Apostolk Continuity, 80. 267 I. Zizioulas, Being as Communion, 230. 268 Abb. 8; s. a. o. S. 195f . 269 Der „Adler“ ist ein runder Teppich, der jeweils dorthin gelegt wird, wo der Bischof während des Gottesdienstes seinen Platz hat. Ursprünglich mehr politisches Ehrenzeichen, weist er auf die 'geistliche Schau’ des Bischofs über seine Diözese. 270 Die Götdiche Liturgie, 50--54. 271 Die Göttliche Liturgie, 51. - Dieses Gebet, in dem Christus auch als der Empfangende gepriesen wird, war in Byzanz im 12. Jh. umstritten. Die Recht­ fertigung des Gebetes verwies dann auf die Unteilbarkeit der Dreieinigkeit bei allen Handlungen ad extra. Darauf könnte auch das Bild der Dreieinigkeit im oberen Drittel der Ikone verweisen (vgl. Hans-Georg Beck, Geschichte, D 167). 272 Siehe u. S. 237. 266

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dieses Vorgehen auch bei der Priesterweihe, Eine entsprechende Defini­ tion fehlt in der Confessio Orthodoxa. Sie fehlt auch in den russischen Katechismen. Dagegen hat Metropolit Makarij (Bulgakov) eindeutig definiert: „Die sichtbare Seite des Mysteriums des Priestertums bildet die mit dem Gebet verbundene Handauflegung.“ 2732745 Auch da, wo man scholastische Definitionen meidet, gilt die Hand­ auflegung als integraler Bestandteil der Ordinationen. Doch beim Ge­ bet sieht es etwas anders aus. Zwar würden vermutlich fast alle ortho­ doxen Theologen bejahen, daß die Ordinationen unter Gebet und Handauflegung vollzogen werden. Da aber, wo definiert wird, ist die Sache weniger eindeutig. Das zeigt sich ganz deutlich bereits in der Dogmatik Metropolit Makarijs. Hier heißt es: „Das Gebet bei der Handauflegung, in dem der Hl, Geist auf den zu Weihenden herabge­ rufen wird, erwähnen die alten Lehrer der Kirche [Anmerkungsweise bietet Metropolit Makarij Belege bei Theodoret und Coelestin]. Dieses Gebet wird in der orthodoxen Kirche auch bis jetzt gebraucht und lau­ tet folgendermaßen: ,Die göttliche Gnade, die stets das Schwache heilt und das, was fehlt, ergänzt, proklamiert den gewissen frömmsten Ipodiakon zum Diakon (oder Diakon zum Presbyter). Laßt uns nun für ihn beten, daß die Gnade des Allheiligen Geistes auf ihn herab­ komme1. “ 274 Was Metropolit Makarij hier zitiert, ist aber nicht eines der Gebete, sondern eine dem Ordinationsgebet voranstehende Formel. Das ist kein Zufall und nicht allein Ergebnis nachlässiger Formulierung. Aus­ gerechnet die Ritenerklärung >Novaja Skrizalk des Erzbischof Veniamin (Rumovskij-Krasnopevkov) legt sich bei Priester- und Diakonatsweihe auf die Formel „Die Gnade Gottes, die stets das Schwache heilt als Ordinationsfo rm et fest,275 Merkwürdigerweise wiederholt Erz­ bischof Veniamin das bei der Behandlung der Bischofsweihe so nicht. Besonders deutlich wird seine Sicht aber bei der Erklärung der Diako­ natsweihe: Bei der Auslegung des der „Formel“ folgenden Gebetes heißt es ausdrücklich: „Nach dem Ende des letzten Wortes der Weihe [die also mit der ‘Formel5 abgeschlossen ist!] ruft der Bischof auch die Kirche zum Gebet auf, nicht dazu, daß bei ihm das Siegel der Diako­ natsstufe vollzogen würde, das an ihm schon vorher vollzogen worden ist, sondern um die Kraft des Mysteriums zu erlangen, d. h., damit er, versorgt mit der Göttlichen Gnade, die Gabe göttlicher Hoheit erwerbe 273 Makarij 11, 494; vgl. a, Ch. Androutsos, 389. 274 Makarij II, 494f.; vgl, A, v. Maltzew, Die Sacramente, 323, 336. 275 Novaja SkrizaF III 3 § 9-14, 4 § 5,

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Die Mysterien (Sakramente) in der Erfahrung der Kirche

und anderen ein Beispiel seines guten Lebenswandels geben möge.“ 276 Es zeigt sich hier wie bei der Epiklese die merkwürdige Tendenz, G e­ bete und Gebetsrufe, die ihrem Inhalt nach eigentlich alles in die Hand Gottes legen und dem festen Vertrauen in die Gewißheit der ErhÖrung Ausdruck verleihen, in „Formeln“ zu verkehren,277 die als solche ihren Gebetscharakter verlieren.278 Die Handauftegung und ihre Beziehung zum Ordinationsgebet be­ tont die orthodoxe Theologie mit einer Eindeutigkeit, für die es in der westlichen Theologie keine volle Entsprechung gibt. Abgesehen von neuerlichen Infragestellungen im Protestantismus, die die Handaufle­ gung für austauschbar hielten mit einem Händedruck,279 hat die luthe­ rische Theologie zwar immer an der Handauflegung als unerläßlichem Bestandteil der Ordinationshandlung festgehalten.280 Noch heute Ist die Handauflegung bei der Ordinationshandlung in der Lutherischen Kirche aber nicht so eng mit dem Gebet verbunden, wie es die verbrei­ tete Formel von der Darreichung der Ordination unter „Gebet und Handauflegung“ erwarten ließe. Fest zugeordnet ist die Handauf­ legung in der lutherischen Ordinationshandlung nämlich erst der Sen­ dungsformel nach dem Ordinationsgebet, beim Ordinationsgebet selbst ist sie fakultativ.281 In der römisch-katholischen Kirche ist der Sachverhalt eher noch komplizierter. Jahrhundertelang hatte die römisch-katholische Theo­ logie in der Überreichung des Kelches mit Wein und der Patene mit einer Hostie die „materia“ der Priesterordination gesehen und die „forma“ in den dabei gesprochenen Worten: „Accipe potestatem offe­ rendi sacrificium.“ Im Dekret für die Armenier ist diese Auffassung auch noch von einem in römisch-katholischer Sicht „Ökumenischen Konzil“ feierlich proklamiert worden.282 270 Novaja Skrizal’ III 3 § 15. 277 Im übrigen wird hier aber auch in bedenklicher Weise das Gebet uminter­ pretiert, Das Vorgehen Erzbischof Veniamins erinnert an die Uminterpretation der Epiklese bet den mit Rom Unierten. 378 Den epikletischen Charakter der Weihegebete betont bes. I. Zizioulas, Being as Communion, 218. 279 Einige Literaturhinweise dazu bei Frieder Schulz, Die Ordination, 1, Gelegentlich hat diese Sicht sogar Eingang in Agenden gefunden (Belege: F. Schulz, Die Ordination, 22, 26f.), 280 Vgl. z, B. G. Wenz, Einführung in die evangelische Sakramentenlehre, 224. 28:1 Agende für evangelisch-lutherische Kirchen IV, 23-25. 382 DS 1326.

Die Weihen zum priesterlichen Dienst

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Die orthodoxe Theologie hat das in einigen ihrer Vertreter bei der Beurteilung der römisch-katholischen Weihen in Verlegenheit ge­ bracht. Noch im Jahre 1909 stellte Nikolaj Malinovskij in seiner >Dogmatischen Theologie< fest, die porrectio instrumentorum habe Gebet und Handauflegung im Verständnis der römisch-katholischen Theolo­ gie so sehr überlagert, daß die katholische Theologie „bis heute keinen genauen Begriff davon hat, was den sichtbaren Ritus des Priestertums oder, wie sie sich ausdrückt, die materia des Sakraments bildet. Unter ihren Theologen sehen die einen diese Materie in der Handauflegung, die anderen in der Überreichung der Geräte, andere in dem einen wie dem anderen unter Anerkennung der Wichtigkeit auch der Sal­ bung“ .283 Ebensowenig bestehe Einmütigkeit bei der Definition der forma des Sakraments, Die einen verwiesen auf die in Florenz hervor­ gehobene Formel ,Accipe potestatenV, andere, die ln Gebet und Handauflegung die wichtigsten Elemente des Weihesakraments sähen, bezeichneten das Ordinationsgebet ,Omnipotens Deus, bonorum omnium iargitori als forma, wobei es freilich problematisch sei, daß Gebet und Handauflegung auseinanderfielen. „Bei einer solchen Sicht wird die forma des Sakraments von seiner materia (der Handauflegung) getrennt. Und man kann bereits nicht mehr sagen, daß die mit einem Gebet verbundene Handauflegung die sichtbare Seite des Sakraments bildet.“ 284 In anderem Lichte sieht Nikolaj Malinovskij dagegen die protestan­ tische Ordination. Anders als die römisch-katholischen Weihen werde sie „durch die Handauflegung, verbunden mit einem Gebet“ vollzo­ gen, „in dem auf den zum Dienst am Wort Erwählten die überströ­ mende Ausgießung der Gaben des Heiligen Geistes erfleht wird. D . h. es wird dasselbe sichtbare Zeichen gebraucht, das von den Aposteln ge­ braucht wurde, und das zu allen Zeiten von der Katholischen Kirche gebraucht wird“.285 Allein das protestantische Verständnis dieser an sich den orthodoxen Weihen stärker als die römisch-katholische Prie­ sterweihe entsprechenden Handlung empfindet Nikolaj Malinovskij als so dürftig, daß der äußerlichen Nähe und Übereinstimmung in sei­ ner Sicht die innere, im Verständnis, nicht entspricht.286 283 N. Malinovskij, Pravoslavnoe Dogmaticeskoe Bogoslovie IV, 321, 384 N. Malinovskij IV, 323. - Pius X II. hat am 30. November 1947 in der Apostolischen Konstitution >Sacramentum Ordinis< Handaufiegung und Präfations gebet als materia und forma der Ordinationen definiert, wobei forma und materia dann aber freilich zeitlich auseinanderliegen: AS 3860. ■'·. 385 N. Malinovskij IV, 339. 386 N . Malinovskij IV, 3391.

Die Mysterien (Sakramente) in der Erfahrung der Kirche

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Die Ordination ist auch nach orthodoxem Verständnis nicht wieder­ holbar. Nur wenn eine in einer anderen Kirche vollzogene Ordination nicht als gültig angesehen werden kann, wird die Ordination neu, d. h. aber nach orthodoxem Verständnis zum erstenmal, vollzogen. Die mit­ telalterliche römisch-katholische Theologie hat diese Unwiederhol­ barkeit mit dem character indelebilis begründet, den neben Taufe und Firmung auch die Weihen mitteilen. Kanon 9 der Kanones über die Sa­ kramente des Konzils von Trient hat sich diese mittelalterliche Lehr­ meinung zu eigen gemacht und für dogmatisch verbindlich erklärt.287 Die Vorstellung vom character indelebilis hat der Metropolit von Philadelphia und Vorsteher der griechischen Kirche von Venedig Gavrül Seviros (TaßgLTik ZeßfiQog) in sein Werk über die Mysterien aufgenom­ men. Es ist derselbe Seviros, der auch die Transsubstantiatlonslehre als erster rezipiert hat.288 Offenbar war er stark von der römisch-katholi­ schen Theologie geprägt. Die Confessio Dosithei hat das wiederholt: „Die Taufe verleiht auch ein unauslöschliches Merkmal wie auch das Priestertum.“ 289 Weniger als an anderen Lehrpunkten ist die ortho­ doxe Tradition, selbst in ihrem von der Schultheologie geprägten Zweig, hier der Lehre des Dositheos gefolgt. Metropolit Filaret D rozdov hat den entsprechenden Passus sogar in seiner Ausgabe der C on­ fessio Dosithei streichen lassen.290 Christos Androutsos hat bei all seiner Hochschätzung der sog. orthodoxen ‘Bekenntnisse1 diese Lehre lediglich als Theologumenon gelten lassen,291 Und die russische Kirche hat nicht nur wie auch die anderen orthodoxen Kirchen die Laisierung als Strafe, sondern die auf Antrag gewährte Entlassung aus dem geist­ lichen Stand der Geweihten in den Laienstand gekannt.292

8.4.3

D er E influß d er eucharistischen E kklesiologie a u f die L ehre von Ordination und A m t

Viele Züge der Lehre vom priesterlichen Dienst rücken durch die eucharistische Ekklesiologie in ein anderes Licht und verändern sich dadurch. Erst in Beziehung zur eucharistischen Ekklesiologie wird z. B. 287 2m 289 290 291 292

AS 1609. R, Hotz, Sakramente, 125, vgl. 132. I. Karmiris II, 840. R. Hotz, 167. Ch. Androutsos, 314, Anm. 1. N. Milasch, Das Kirchenrecht, 283, Anm. 11.

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deutlich, daß der priesteriiche Dienst Dienst an der Einheit der Kirche am O rt und damit der ‘"katholischen’ Kirche ist und daß der geweihte Bischof und der geweihte Priester das Priestertum des priesterlichen Gottesvolkes darstellen und aktualisieren. Das pnesterliche Gottes­ volk kann nach der an Ignatius von Antiochien orientierten Sicht Nikolaj Afanas’evs nicht ohne Vorsteher bestehen. Aber auch der Vor­ steher der eucharistischen Versammlung kann priesterlich nicht ohne das Gottesvolk wirken.293 Damit werden im Rahmen der eucharistischen Ekklesiologie Züge der liturgischen Erfahrung der orthodoxen Kirche aufgenommen, die in den dogmatischen Handbüchern in der Regel übergangen werden. Die Weihe der Träger des priesterlichen Amtes wird nämlich vom an­ wesenden Volk mit dem Ruf „"Α ξιος" (Würdig!) rezipiert. Diese Rezeption ist ein integrales Element der Weihehandlung und für ihre Gültigkeit konstitutiv. Da dieser Ruf in Rußland aber in griechischer Sprache laut wird, wird hier die Möglichkeit, die Zustimmung zu ver­ weigern, gering. Aus Griechenland dagegen sind Fälle bekannt, daß statt des zu erwartenden Ά ξ ιο ς !- Α ν ά ξ ι ο ς ! [Unwürdig!] gerufen wurde.294 In einem solchen Fall ist die Weihehandlung nicht rezipiert und damit ungültig. Auch an der Weihehandlung selbst ist das Volk durch Vermittlung des Chores insofern beteiligt, als dieser das still ge­ sprochene Weihegebet mit dem ununterbrochen wiederholten „Herr, erbarme D ich!" begleitet.295 Die eucharistische Ekklesiologie mit einer Einsicht in die Verände­ rungen, die sich vollzogen, als Presbyter nicht mehr, wie bei Ignatius vorgesehen, ausnahmsweise, sondern 'normalerweise’ Leiter der eu­ charistischen Versammlungen wurden, ist m. E. besser dazu geeignet, Verständnis für den Verlust des historischen Bischofsamtes in den Kir­ chen der Reformation bei orthodoxen Theologen zu erwecken als der Hinweis auf die Gleichheit von Funktionen. In der eucharistischen Ek­ klesiologie wird die konkrete Kirche am O rt so stark aufgewertet, daß der Verzicht auf ein überregionales sakramentales Leitungsamt wenig­ stens verständlich wird. Im Lichte der eucharistischen Ekklesiologie Ist es ja nicht mehr unbedingt selbstverständlich, daß das überregionale Bischofsamt Grundmodell des priesterlichen Dienstes geworden ist 293 Siehe o. Kap. 7, 294 So ist es z. B. bei der Inthronisation von Metropolit Jakovos zum Erzbi­ schof von Athen im Jahre 1962 geschehen. Vgl. KO 7/1964, 175; IKZ 1962, 184. 295 Diesen Umstand betont besonders J, Zizioulas, Being as Communion, 218.

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Die Mysterien (Sakramente) in der Erfahrung der Kirche

und nicht das faktische eucharistische Leitungsamt des Presbyteros. Freilich würde sich auch eine allgemein rezipierte eucharistische Ekkle­ siologie nicht unmittelbar auf eine positivere Einschätzung des prote­ stantischen Amtes auswirken. Denn was bedeutet eine eucharistische Ekklesiologie ohne die Eucharistie im Zentrum!? - Was bedeutet die Ähnlichkeit der Struktur, wenn das Amt eben nicht wie für die Vertre­ ter der eucharistischen Ekklesiologie als „eine vor allem eucharistische Einrichtung“ 296 und gewissermaßen „aus der Eucharistie geboren“ 297 betrachtet wird? Zudem wird man die dem Orthodoxen ohnehin schwer vorstellbare Möglichkeit einer presbyterialen Sukzession so lange nicht ausdiskutieren können, solange die Presbyter-Ordination selbst nicht in breiterem Konsens sakramental verstanden wird. Mit diesen Einschränkungen sei abschließend noch einmal auf die eucharistische Ekklesiologie im Verständnis von Bischof loannls Zizioulas und die Betonung der Bezlehungshaftigkeit des priesterlichen Dienstes durch ihn298 verwiesen. Sein ökumenisches Gesprächsange­ bot und der Nachdruck auf die Frage, in welche B eziehung die O rdi­ nation zur Kirche bzw. Gemeinde versetzt, ist von der orthodoxen Theologie und der der abendländischen Kirchen bisher ebensowenig hinreichend bedacht worden wie sein Verweis auf die eschatologische Sicht des Priestertums, das sich nie aus einer Sukzessionskette, son­ dern immer von G ott herleitet. Deshalb steht ja auch im Mittelpunkt der Weiheformulare jeweils nicht eine Ordinationsformel, sondern wie bei der Eucharistie die Anrufung Gottes, die alles von Ihm her er­ wartet, auch - und hier ist nun am Ende doch gerade die „Formel“ aufschlußreich - die „Heilung des Schwachen und die Ergänzung des Fehlenden“. Literatur: Afanas’ev, Nikolaj, Cerkov’ Ducha Svjatogo (s. Lk. Kap. 7). Allen, Joseph /., The Orthodox Priestly Consciousness in the 70’s and 8Q’s, in: GOTR 22/1977, 285-298. Beck, Hans-Georg, Geschichte der orthodoxen Kir­ che im byzantinischen Reich, Göttingen 1980 = KIG 1 D, Bulgakov, Sergij, lerarchija i Tainstva [Hierarchie und Mysterien], in: Put3 49/1935, 2 3 -4 7 , Bulga­ kov, S. V, NastoPnaja kniga (s, Lit. Kap. 7). Chryssavgis, John , The Royal Priesthood, in: G O TR 32/1987, 373-377. Clapsis, Emmanuel, The Sacramentality of Ordination and Apostolic Succession. An Orthodox Ecumenical View, in: G O TR 30/1985, 421-432. Dimitrijevic, D Priesteramt und Amtsstruktu­ 296 S. Bulgakov, lerarchija, 33. 297 S. Bulgakov, lerarchija, 35; vgl, Nikolaj Afanas’ev, Cerkov3 Ducha Svja­ togo, 43, 298 Siehe o. Kap. 7,4,

Die Weihen zum priesterlichen Dienst

239

ren, in: IKZ 63/1973, 62-93, Duns Scotus, Questiones in Üb. IV Sententiarum, Lyon 1639. Felmy, Karl Christian, Die Deutung (s. Lit. Kap. 1). Ders., Die Vollmacht zum Vollzug der Mysterien nach der „Geistlichen Wiese“ des Ioannis Moschos, in: Um die eine Kirche. Evangelische KathoKzität, hrsg, von der Hochkirchlichen Vereinigung Augsburgischen Bekenntnisses, München 1984, 51™57. Fitzgerald, Thomas, The Eastern Orthodox - Roman Catholic State­ ments on Apostolicity, in: G O TR 32/1987, 191™199. Florovsky, Georges, The Problem of Diaconate in the Orthodox Church, in; The Diaconate Now, hrsg. von Richard T, Nolan, Washington 1968, 81-98, Franzen, P, Art.: Ordo, Ordi­ nation I, Dogmatisch, in: LThK2 7, 1212-1220. Harakas, Stanley S., The Or­ thodox Priest as Leader in the Divine Liturgy, in: G O TR 21/1976, 163™176. H ey er, Friedrich, Die orthodoxe Kirche in der Ukraine von 1917 bis 1945 (in: Osteuropa und der Deutsche Osten. Beiträge aus Forschungsarbeiten und Vorträgen der Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen III. Westfälische Wilhelms-Universität zu Münster), Köln-Braunsfeld 1953. H otz, Robert, Sa­ kramente ™im Wechselspiel zwischen Ost und West, Zürich™Köln™Gütersloh 1979 = Ökumenische Theologie, Bd. 2. Karmiris L, I, II (s. Lit, Kap, I), L ebe­ dev, Aleksandr Petrovic, Po voprosu o proischozdenii pervochristianskoj ierarchii [Zur Frage nach dem Ursprung der urchristüchen Hierarchie], in: BV 1907/3, 460 - 4 74. Milasch, Nikodemus, Das Kirchen recht der morgenländi­ schen Kirche. Nach den allgemeinen Kirchenrechtsquellen und nach den in den autokephalen Kirchen geltenden Special-Gesetzen, Verfaßt von Dr. Nikode­ mus Milasch, orthodox-orientalischer Bischof in Zara. Übers, von A. R. Pessic, Mostar 219G5, Novaja SkrizaP di dopolnenie k prezdeizdannoj skrizali s tainstvennymi ob-jasnenijami o Cerkvi, o razdelenii eja, o iitvarjach i o vsech sluzbach v nej soversaemych, na cetyre casti razdelennoe [Neue SkrizaP (Sym­ bolik) oder Ergänzung der früher herausgegebenen SkrizaP mit mystischen Erklärungen zur Kirche, ihrer Einteilung, zum Gerät und zu allen in ihr voll­ zogenen Gottesdiensten, eingeteilt in vier Teile], St, Petersburg Ö899. Schulz, Frieder, Die Ordination als Gemeindegottesdienst. Neue Untersuchungen zur evangelischen Ordination, in: JL H 23/1979, 1-31. The Teaching of the Sacra­ ment of the Holy Orders by St, Gregory of Nazianzus, in: JMP 1981/3, 76 (s. a. ZMP 1981/2), Thomas von Aquin, Summa Theologie a. Hrsg, Joseph Pecci, Paris 1923. Wenz, Gunther, Einführung in die evangelische Sakramentenlehre, Darmstadt 1988. Zizioulas, Joh n , Apostolic Continuity and Orthodox Theology. Towards a Synthesis of two Perspectives, in: SVTQ 1975/2, 75-108, Ders., Being as Communion (s. Lit. Kap. 3). Ders., Johannes D ,, Priesteramt und Priesterweihe (s. Lit, Kap. 7). [Weitere Literatur s. Kap. 7.]

9.

„. . . und das Leben der zukünftigen Welt" *

Der eschatologische Grundzug der orthodoxen Theologie Dem traditionellen Schema der Dogmatik, das die westlichen dog­ matischen Lehrbücher prägt, entsprechend, enden auch die meisten orthodoxen Dogmatiken mit einem Kapitel, in dem „die letzten Dinge" behandelt werden. So folgt in der Dogmatik des Metropoliten Makarij der Sakramentenlehre das abschließende Kapitel >Von G ott als Richter und LohnerÖrthodoxe Dogmatische Theologie« des Erzpriesters Nikolaj M alinovskij, die nach der Sakramentenlehre mit >Teil IV, Von G ott als dem Erfüller Seiner Beschlüsse über die ganze Welt und das Menschengeschlecht« beschlossen w ird.2 In der Dogmatik von Christos Androutsos folgt der Sakramentenlehre »Teil IO, Die Vollendung der Erlösung (Eschatologie)«.3 In der »Dogmatischen Orthodoxen Theologie« Dumitru Stämloaes folgt - um abschließend noch ein wichtiges Beispiel zu nennen - der Sakramentenlehre »Teil V I, Die Eschatologie oder das künftige Leben«,4 der das Buch beschließt. Die Eschatologie-Kapitel der genannten Dogmatiken sind damit ins­ gesamt einigermaßen umfangreich. Behandelt werden in ihnen die auch im Abendland in der Lehre Von den letzten Dingen5 behandelten Glaubenswahrheiten: das Gericht über den Einzelnen; die Lehre vom Reinigungsort (meist wird hier die römisch-katholische Lehre vom Fegefeuer kritisiert), die Lehre vom Jüngsten Gericht, von der Aufer­ stehung der Toten und dem Ende der Welt, von den Stufen der Höllen­ qualen und den Stufen der Seligkeit, vom Auferstehungsleib, z. T. auch die Lehre vom Antichrist, eine Widerlegung des Chiliasmus u. a. m. Eine Besonderheit der Dogmatik Metropolit Makarijs besteht darin, daß er in diesem letzten Teil auch - ohne diesen ungewöhnlichen * 1 3 3 4

Nizänokonstantinopolitanisches Symbol. Makarij II, 520-674. N. Malinovskij IV, 420-704, Ch. Androutsos, 407-448. D. Stäniloae, Teologia Dogmaücä Ortodoxa, vol. 3, 209-459,

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241

O rt der Darstellung einsichtig zu begründen - die Heiligen-, Ikonenund Reliquienverehrung behandelt.5 Hans-Georg Beck hat in seinem Werk >Das byzantinische Jahrtausend< davon gesprochen, daß sich der ‘Durchschnittsbyzantineri unter dem Himmelreich „wohl ein Leben im Jenseits vorstellte“, daß die byzantinische Mystik und das byzantinische Mönchtum dagegen das Himmelreich in der Erkenntnis der Dreieinigkeit und in geistlichen E r­ lebnissen schon im Diesseits gegenwärtig sahen. „Was für das Jenseits bleibt, darüber wird selten in mehr als dürftigen Andeutungen ge­ handelt.“ 6 Insofern ist die futurische Eschatologie der Dogmatiken nicht das, was der orthodoxen kirchlichen Erfahrung am meisten entspricht. Ihr entspricht vielmehr vor allem eine präsentische Eschatologie, freilich so, daß wie bei der Gotteserkenntnis die teilweise ‘schon jetzt’ ge­ währte Erfüllung die Sehnsucht nach immer tieferer und immer voll­ kommenerer Erfüllung Immer wieder erneut anfacht und wachhält. Dem soll im folgenden kurz nach gegangen werden. Doch zuvor muß auch festgehalten werden, daß es auch in der or­ thodoxen Kirche immer wieder den Einbruch des Bewußtseins, in apokalyptischen Zeiten zu leben, und einer apokalyptischen Grund­ stimmung gegeben hat. Damit verbunden war dann auch eine stark futurische Eschatologie. Einem Gespräch mit Vater Ioann Miroljubov, dem Gemeindeleiter (nastavnik) aus der Rigaer Grebenscikov-Gemeinde der priesterlosen Altgläubigen, verdanke ich den überzeugenden Hinweis, daß die Entstehung des Großen Schismas in der Russischen Orthodoxen Kirche im 17. Jahrhundert7 aus den Problemen der Kir­ chen- und Kultusreform allein - ohne die damals besonders gesteigerte Apokalyptik - nicht denkbar gewesen wäre8. In apokalyptischem Licht sahen viele die Herrschaft Peters d. Gr., und schließlich wurden die Ereignisse der russischen Oktoberrevolution und vor allem der folgen­ den Schreckensherrschaft von vielen orthodoxen Russen als apokalyp­ tische Ereignisse gesehen. Dennoch, der Akzent auf dem Präsentischen ist der vorwiegende. In diesem Sinne aber ist die Eschatologie weniger ein spezieller Teil der dogmatischen Theologie als vielmehr eine die ganze orthodoxe Theolo­ gie wie ein roter Faden durchziehende Konstante. Davon - nicht von 5 6 7 s

Makarij II, 546-584. H .-G . Beck, Das byzantinische Jahrtausend, 226f. Siehe o. S. 60. Vgl. P. Hauptmann, Allrussischer Glaube, 73.

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dem mit Ausnahme der Purgatoriums-Lehre den abendländischen Dogmatiken weithin entsprechenden Eschatologie-Kapitel - soll im folgenden abschließend die Rede sein, Bischof loannis Zizioulas hat in seinem schon mehrfach zitierten 1975 in Friedewald gehaltenen Vortrag von der Wiederentdeckung der eschatologischen Perspektive durch die Arbeiten von Johannes Weiß und Albert Schweitzer gesprochen. Diese eschatologische Perspektive, die in den dogmatischen Handbüchern fehle, sei in der orthodoxen Göttlichen Liturgie beherrschend. „Die orthodoxe Liturgie ist so durchdrungen von der Eschatologie, daß man sich fragt, wie es über­ haupt möglich war, daß Theologen, die in der orthodoxen Kirche leb­ ten, Dogmatikbücher schreiben konnten, ohne immer wieder auf den Stellenwert der Eschatologie hinzu weisen.“ loannis Zizioulas verweist mit Recht darauf, daß die Göttliche Liturgie ja mit der Proklamation des „Reiches des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ be­ ginne. Sie sei in ihrer gesamten Struktur ein „Bild der Eschata“,9 Von all dem war schon die Rede.10 Und tatsächlich ist es nicht das Ziel dieses Abschnittes, ein neues, eschatologisches Kapitel zu schrei­ ben. Solch ein Kapitel hatten ja die Schuldogmatiken, und dennoch be­ klagt die neuere, an der Erfahrung der Kirche orientierte Theologie das Fehlen der eschatologischen Perspektive. Ziel dieses Abschnittes ist es allein, darauf zurückzuverweisen, wie die orthodoxe Theologie insge­ samt, auf weite Passagen hin, und nicht nur in einem abschließenden Teil, in dem „von den letzten Dingen“ die Rede ist, eschatologisch ge­ prägt ist. So ist die Eschatologie in der orthodoxen Theologie gegen­ wärtig zwar kein eigenes Thema. Doch zeigt sich in der orthodoxen Theologie insgesamt, besonders aber in der an der kirchlichen Erfah­ rung orientierten, der eschatologische Grundzug der orthodoxen Theologie. Gerade bei der Behandlung des Gottesdienstes, speziell der G ö tt­ lichen Liturgie, war deutlich geworden, wie stark die neuere, an der kirchlichen Erfahrung orientierte Theologie den eschatologischen Ak­ zent der Eucharistie betont; wie sie darauf verweist, daß in der Anam­ nese auch der Zukunft gedacht wird und wie das auch die Anamnese der Vergangenheit in ein spezielles Licht taucht, „All dessen, was für uns geschehen ist“, 11 gedenkt die orthodoxe Kirche von der Zukunft her, in das Licht des Eschaton getaucht, 9 I. Zizioulas, Die Eucharistie, 175; Die Göttliche Liturgie, 22, 10 Vgl. Kap, 8.2.2. 11 Die Götdiche Liturgie, 65,

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Daneben betont die neuere orthodoxe Theologie die kosmischeschatologische Dimension, die Wiederannahme und Wiederherstel­ lung des Kosmos, die durch die Heiligung und Verwendung von Schöpfungsgaben für die Sakramente antizipatorisch vollzogen wird. Eschatologisch ist der Gottesdienst aber auch dadurch, daß in ihm im orthodoxen Verständnis die Grenzen zwischen Himmel und Erde auf­ gehoben werden, daß wir, .wenn wir im Tempel der Herrlichkeit4 stehen, meinen, im Himmel zu stehen.12 Eschatologisch geprägt ist aber auch die orthodoxe Christologie, die von der Erfahrung des Kommenden ausgeht. Deutlich geworden ist das besonders an der Christus-Ikone „Spas v silach", die Christus als den Kommenden zeigt.13 Ferner zeigt sich diese eschatologische Sichtweise, um noch dieses Beispiel zu nennen, auch bei den Aussagen neuerer orthodoxer Theolo­ gen über die Wirkung des Hl. Geistes in den Heiligen. Es sei daran erinnert, daß für Erzpriester Pavel Florenskij die Reliquien der Heili­ gen ein Angeld auf die endzeitliche Gabe der Vollendung sind, oder daß z. B. Pavel Florenskij meint, in bestimmten Heiligen werde die Dritte Hypostase als der Kommende schon wie durch Ferngläser sicht­ bar.14 Das „engelgleiche Leben" des Mönchtums ist ebenfalls grund­ sätzlich eschatologisch ausgerichtet und darin in gewisser Hinsicht durchaus zu Recht „welt-fremd". Wenn der Mystiker schließlich ge­ würdigt wird, das Taborlicht zu sehen und damit G ott Selbst in Seinen Energien, dann ist tatsächlich für ihn der Himmel bereits in seinem irdischen Leben hier Gegenwart. Denn ein ‘Mehr3 gibt es nach ortho­ doxem Verständnis nicht. Das Wesen Gottes erkennt ja nach orthodoxem Verständnis niemand, selbst die Serafim nicht, die in Seiner nächsten Nähe sind und dennoch ihr Antlitz verhüllen. ‘Eschatologisch3 bestimmt ist nach der Auffassung von Georgij Florovskij auch das soziale, ‘weltverändernde3 Handeln der Christen. Florovskij spricht von einer ‘Eschatologie der Umgestaltung3, deren Wirkungen auch im jüngsten Gericht Bestand haben werden. Auch hier gilt für ihn: „Wirkliche Antizipation des Letztgültigen ist bereits zugänglich. Sonst wäre der Sieg Christi um sonst."15 12 Troparion im Morgen-Gottesdienst der Großen Fasten: Triödion, 47; Die Ostkirche betet I, 108. 13 Siehe Abb. 4; s. a, o. S, 75f. 14 P. Florenskij, Stolp, 127f.; Der Pfeiler, 75; vgl, V. Lossky, Die mystische Theologie, 220. 15 G. Florovsky, Christianky and Culture, 129,

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Die ‘Zugänglichkeit wirklicher Antizipation des Letztgültigen5 zeigt sich auch im Bereich der traditionellen eschatologischen Themen. Nicht allein futurisch, sondern auch schon präsentlsch ist ja auch die Auferstehungshoffnung der orthodoxen Christen. In der Hadesfahrt Christi, d. h. in Seinem Tod und Seiner Auferstehung, ist die Aufer­ weckung Adams und damit die Auferstehung der ganzen Menschheit schon antizipiert.16 In dem zur Zeit des Bilderstreites illuminierten Chludov-Psalter ist das traditionell gewordene Auferstehungsbild der orthodoxen Kirche, die Darstellung der Hadesfahrt, bei der Christus Adam mit dem Rettergriff aus dem Hades reißt, einmal sogar nicht —wie sonst üblich - als „Auferstehung Christi“, sondern als „Die Auf­ erstehung Adams“ bezeichnet.17 Die allsonntäglich gesungenen Auf­ erstehungs-Gesänge drücken das gleiche aus und machen die Auferste­ hungshoffnung, deren Erfüllung in der Auferweckung Adams bereits antizipiert ist, zu einer lebendigen Erfahrung. Als Beispiel dafür mag das Kontakion vom Sonntag des 5. Tons dienen: Zum Hades bist Du, mein Erlöser, hinabgestiegen und hast seine Pforten als Allmächtiger zertrümmert, hast als Schöpfer die Verstorbenen mitauferweckt und, Christus, den Stachel des Todes zerbrochen und Adam vom Fluch erlöst, Du Menschenfreund, Darum rufen wir alle: Rette uns, H err!18

Eine präsentische Eschatologie wird dem orthodoxen Gläubigen auch in der Bitte um das ‘ewige Gedenken5 Gottes für die Verstorbenen erfahrbar. Die Fürbitte für die Verstorbenen ist dem orthodoxen Chri­ sten teuer, und sie ist oft wesentliches Motiv für die Teilnahme am G ot­ tesdienst. Der Gottesdienst für die Verstorbenen, um den orthodoxe Gläubige einen Priester bitten können, die im russischen Bereich so ge­ nannte Panichida, endet mit dem dreimal gesungenen Ruf des Chores „Ewiges Gedenken!“.1902Zwar schwingt in dem Ruf auch der Vorsatz der Trauernden mit, den Verstorbenen nicht vergessen zu wollen. Aber eigentlich geht es um das ewige Gedenken Gottes, das die „Endgültig­ keit der Existenz, die Unsterblichkeit und das ewige Leben“ bedeu­ tet.30 So geht es ln diesem Ruf zwar auch um die künftige Auferste­ hung. Aber sie hat ihren O rt schon m der Gegenwart, ln dem nicht erst künftigen, sondern allezeit gegenwärtigen ‘ewigen Gedenken1 Gottes. 16 Siehe o. Abb. 2. 57 M. V. Scepkina, 63 v, 18 Parakletike, 244; A. v. Maltzew II, 56. 19 Hierzu und zum Folgenden: Trebnik I, 223f.; vgl. K, Ch. Felmy, Die Ver­ wandlung des Schmerzes, 1107. 20 I. ZIzioulas, Die Eucharistie, 176.

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In Gottes 'ewigem Gedenken3 ist das erwartete künftige Heil bereits gegenwärtig. Das verleiht der orthodoxen Eschatologie einen - wenn auch stets mit dem Zittern vor der Heiligkeit Gottes verbundenen frohen Zug. Die dogmatischen Lehrbücher, und nicht allein sie, lehren zwar das Jüngste Gericht und damit auch ewige Höllenstrafen. Aber das verselbständigt sich nicht aus der eschatologischen Freude. Diese führt vielmehr zuweilen zu der in der orthodoxen Theologie gelegent­ lich geäußerten, freilich auch häufig verworfenen Hoffnung auf die Rettung aller, die sog. άποκατάστασις πάντων (Wiederherstellung aller Dinge). D as5. Ökumenische Konzil hatte zwar die Lehre von der „Apokatastasis" bei Origenes verurteilt. Diese Lehre ist jedoch auch von mehreren heiligen Vätern, besonders von Gregor von Nyssa, ver­ treten worden.21 Georgij Florovskij, der mit der Apokatastasis-Lehre die menschliche Freiheit gefährdet sah, die nach seiner Sicht auch Frei­ heit der Entscheidung gegen G ott ist, mußte sich an dieser Stelle gegen den ‘Hellenismus3 des hl. Gregor von Nyssa wenden, obwohl die Rückkehr zum Hellenismus der griechischen Väter doch sonst von ihm gefordert wurde.22 Anders, offener in dieser Frage ist die Position Vladimir Losskijs. Positive Aussagen in Richtung einer Apokatastasis-Lehre wagt auch er nicht zu machen. Die Weise freilich, in der er diese Möglichkeit offen­ hält, ohne sie zu lehren, zeigt, wie sich hier der apophatische Zug der orthodoxen Theologie, die in ihren besseren Vertretern niemals vor­ gegeben hat, „alles“ zu wissen, bewährt: In der Parusie und der eschatologischen Erfüllung der Geschichte wird das ganze geschaffene Universum zur vollkommenen Vereinigung mit Gott gelan­ gen. Diese Vereinigung wird sich in allen jenen menschlichen Personen, die die Gnade des Heiligen Geistes innerhalb der Kirche erworben haben, auf ver­ schiedene Weise verwirklichen oder besser: offenbaren. Aber die Grenzen der Kirche jenseits des Todes und die Möglichkeiten des Heiles für jene, die das Licht in diesem Leben nicht gekannt haben, bleiben für uns das Mysterium der göttlichen Barmherzigkeit, auf die wir nicht zu rechnen wagen, die wir aber auch nicht nach unseren menschlichen Maßstäben begrenzen dürfen.23 Literatur: Beck, Hans-Georg, Das byzanunische Jahrtausend, München 1982. Biedermann, H ermenegild M., Der eschatologische Grundzug in der ost­ kirchlichen Frömmigkeit, Würzburg 1949. Eugraph Ko-valevsky, Erzbischof, Auferstehung und verklärte Schöpfung in orthodoxer Sicht, Marburg 1959. 21 j . Loosen, Art.: Apokatastasis (LThK 1, 708-712), 709f. 22 Ch. Kunkel, 381 f. 23 V. Lossky, Die mystische Theologie, 300.

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Florenski), Pavel, Der Pfeiler (s. Lit. Kap. 1). D en., Stolp i utverzdenie istmy (s. Lit. Kap. 1). Florovsky, Georges, Christianity and Culture, in: G. Florovsky, Collected Works II, 121-130, Gimenez, Maxime, La Liturgie et le temps, in: Irén. 53 (1980), 469-500. Hauptmann, Peter; Altrussischer Glaube (s. Lit. Kap, 3). Kunkel, Christoph, Totus Christus, Die Theologie Georges V. Florovskys, Diss, Erlangen 1989. L o o sen ,]., Art.: Apokatastasis, in: LThK2 1, 708-712. Lossky, Vladimir, Die mystische Theologie (s. Lit. Kap. 1), Scepkina, M. V., Mlniatj'uri (s. Lit. Kap. 4), Stylianopoulos, Theodore G., Historical and Eschatological Aspects of the Life of the Church According to the New Testa­ ment, in: G O TR 22/1977, 181-213, Vassiliades, N iœ laos P, The Mystery of Death, in: GOTR 29/1984, 269-282. Zizioulas, Ioannis, Die Eucharistie (s, Lit. Kap, 1). iu z e k , Roman, LaTransfiguracion escatologica del mundo visîbile en la Teologia Rusa, Rom 1980.

R E G IS T E R Nam en Abgar von Edessa 74 Afanas’ev, Nikolaj 149. 149, A. 12. 151. 151, A. 18, 21. 152. 153. 153, A. 28, 29, 30. 154, 154, A. 31. 155. 155, A, 38. 156. 156, A. 42, 43, 44, 45. 157. 157, A. 49, 50, 51. 158. 158,A. 52, 53. 159. 160. 160, A. 62.161. 162. 162,A. 69. 163. 163, A. 78. 164. 164,A. 81. 173, A. 13. 174. 174, A. 21. 175. 175, A. 22, 23, 24. 176. 188. 190. 190, A. 76,77, 79, 80, 191. 191, A. 81, 8 4 .1 9 2 .1 9 2 ,A. 86. 194, 195, A . 102.216. 2 3 7 .2 3 8 ,A. 297 Aleksij [Ridiger] 112, A. 30. 115.115, A. 49. 117. 117, A. 51 Aleksij von Moskau 121, A, 74 Ambrosius von Mailand 89, A. 145. 9 2 ,A. 166 Amvrosij, Starec der Optina Pustyn5 118, A. 56. 216. 216, A. 217 Amvrosij [Kljucarev] 4. 4, A, 23 Andrea, Jacob 6. 169 Andronikov, Konstantin 201. 209 Androutsos, Christos 3, 20. 20, A. 79. 31. 31, A. 3 1 .3 2 .3 7 .4 5 .4 5 , A. 25. 85. 146. 174, 174, A, 19. 186. 186, A. 62. 188. 189. 201. 201, A. 133.203. 203, A. 154,206.206, A. 172. 211, 211, A. 195. 233, A .273.236,236, A. 291.240.240, A. 3 Antonij [Chrapovickij] 7. 138. 139 Antonova, Valentina I, 93, A. 171, 9 7 ,A. 189, 190

Athanasius der Große 10. 141. 141, A. 36, 142 Augustinus 50, 50, A. 43. 51, 55. 118 Averincev, Sergej S. 117, A. 51 Backhaus, Ambrosius 76, A. 79 Balai 88 Barlaam —» Varlaam Basilius der Große 6. 10. 28. 43. 43, A. 18. 46. 68. 68, A. 36. 92. 92, A. 167, 111, 111, A. 24 Beck, Hans-Georg 225, A. 241. 232, A. 271. 241. 241, A. 6 Beinert, Wolfgang 82 Belavin, Tichon —>■Tichon [Belavin] Beljaev, Aleksandr 138 Bentchev, Ivan 90, A. 150. 97, A . 189,190 Benz, Ernst 66. 66, A. 27 Bernhard von Clairvaux 141 Blum, Günter 29, A. 21 Bolotov, Vasilij 55. 55, A. 59, 67, A. 30 Bonaventura 229 Borovoj, Vitalij 200 Braunfels, W. 42, A. 14 Brown, Raymond E. 94, A. 173 Bucharev, I. 79. 79, A. 98 Bulgakov, Makarij —» Makarij [Bulga­ kov] Bulgakov, Sergij 20. 21. 21, A. 82. 22, 22, A. 86. 48.48, A. 38.67, A. 32. 69. 6 9 ,A. 43. 73. 7 3 ,A. 66, 68, 70. 74, A. 71, 72, 73, 78, 78, A. 91, 93, 94, 95, 96, 97, 79. 79, A. 99.

248

Register

Bulgakov, Sergij (Forts.) 80. 8 0 ,A. 104, 105, 106, 107, 108, 109. 82. 82, A. 116. 100, A. 204, 101, 101, A, 209, 210, 211, 212. 102. 102, A. 213,214, 215, 216, 217. 103. 103, A. 220, 222. 104. 104, A. 223, 224. 110, A. 18, 19, 21, 22. Ill, A. 30. 117. 118, A, 53. 146. 164, A. S3, 172. 172, A. 9, 10. 173. 173, A. 15. 174. 202. 202, A. 141, 142, 143, 144, 145, 146, 147, 148, 149. 203. 203, A. 150, 153. 204. 204, A. 161. 205. 205, A. 162,164. 209, A. 185.230. 231, A. 263, 264. 238, A .296, 297 Bulgakov, S. V. 154, A. 32, 181, 182, A. 43. 214. 214, A. 208, 209. 220, A. 228.226, A. 244 Chomjakov, Aleksej S. 4. 55. 55, A. 61. 136. 137. 137, A. 13, 14, 15. 138, A. 16. 149, 150, 186 Chrapovickij, Antonij Antoni] [Chrapovickij] Christou, Panajotis 7 Claus, Claire Louise 15, A. 69 Coelestin 233 Collins, Roger J. H. 51, A. 45 Congar, Yves 152. 152, A. 23 Crusius, Martin 6. 169 Cyprian von Karthago 162. 182 Derzavin, N, 196, A. 110 Dimitrijevic, Dimitri)e 30. 30, A, 26 Dionysios Areopagita 28. 30. 32. 92 Dix, Gregory 194. 194, A. 97 Dmitrevski), Ivan 210 Dositheos [Confessio Dosîthei] 171. 200.236 Dostoevskij, Fedor Μ. 219, A, 221 Drozdov, Filaret —» Filaret [Droz­ dov] Duns Scotus, Johannes 229. 229, A .255,256

Eiert, Werner 141, A. 35 Ephram der Syrer 88. 88, A. 139 Epiphanius von Salamis 84, A. 124 Erickson, John 208, A, 179 Evagrios Pontikos 12 Evdokimov, Paul [Pavel] 2, A. 6. 139, A. 20, 22. 141. 141, A. 30. 163, A. 77, 198, A. 117 Evlogij 216, A. 21S Fedcenkov, Veniamin —> Veniamin [Fedcenkov] Federer, Karl 6, A. 26 Feofan [Govorov] der Klausner 128. 128, A. 96, 97, 98. 130. 130, A. 106. 131, A. 109. 192. 222 Feofan Grek 41 Filaret [Drozdov] 9. 20. 66. 107. 107, A. 3,135.148, A, 8. 186. 189. 200. 236 Fischer, Joseph A. 157, A. 47, 48. 194,A, 98 Florenskiy Pavel 1. 1, A. 1, 2 ,4 . 2. 4. 4, A. 20. 5. 33. 34. 34, A. 40, 41. 41, A. 5. 55, 55, A. 62. 66, A. 27. 6 7 ,A. 32. 113. 114. 114,A. 45, 115, A. 49, 117. 117, A. 51. 118. 118, A. 54, 57. 141. 141, A. 33. 243. 2 4 3 ,A. 14 Florovskij, Georgij [Florovsky, Ge­ orges] 4, A. 20. 7, A. 38. 8. 8, A. 43. 9. 9, A, 47, 48. 10, A. 51. 11. 12. 12, A. 60. 13. 18. 19. 19, A. 74, 75. 20. 20, A. 76, 77, 81. 62, 76. 76, A. 83. 85, A. 132. 90, A. 148.98. 98, A. 191, 192. 99.99, A. 196, 197, 198,200, 201,202. 103. 108. 110. 112,A. 35, 119. 119, A. 59. 126, A7*. 127. 127, A. 92, 93, 94, 96. 129, A. 99, 100, 101, 102,103. 130. 130,A. 104, 105. 131, A. 110, 111. 139. 140. 140, A. 27, 28. 141. 141, A. 31, 32. 142, 142, A. 38, 39, 143. 143, A. 45. 149. 149, A, 10, 11. 150. 150, A. 16.

Namen 151. 162, 162, A. 73.211,225, A. 243. 243. 243, A, 15. 245 Frank, F, H. R. 3 Franzen, P. 229, A. 257, 230, A. 258 Galey, John 25, A. 1 George, Martin 3, A. 17. 4, A. 21. 5, A, 24 Gerasimos 124, 125 Gill, J. 52, A. 48 Glubokovskij, N, N. 14, A. 68 Gnedic, Petr 7, A. 40.138.138, A, 17 Golubcov, Aleksandr P, 201.201, A. 136. 211 Golubinskij, Evgeni] E, 68 Gorbacev, Michail 9, A. 45 Gorodeckij, P la to n s Platon [Gorodeckij] Govorov, Feofan —» Feofan [G o­ vorov], der Klausner Gregor von Nazianz 1 0 ,2 8 .4 7 .4 7 , A. 33. 49. 49, A. 40. 90. 90, A. 147. 98. 117 Gregor von Nyssa 25. 25, A ,*, 26, 26, A. 5, 9 .2 7 . 27, A. 10. 28. 32. 93. 93, A. 172. 199, A. 123,245 Grigorios Palamas 10. 12. 28. 29. 30, 30, A. 24. 31. 32. 33. 34. 35. 97, 110,A. 16 Grumel, V. 214, A, 210 Gusev, Aleksandr 147. 148, A. 4 Halleux, André de 64, A. 22 Harleß, Adolf v. 3 Harnack, Adolf v. 9. 9, A, 44, 230 Piauptmann, Peter 9, A. 45, 46. 17. 17, A. 72 , 73.43, A, 17, 60, A. 4. 102, A. 215.120, A. 67.121, A, 68, 135. 135, A. 4, 6. 136. 136, A. 9. 139, A. 21. 177, A. 28. 182, A. 46, 200, A, 128, 129, 241, A. 8 Hausherr, I. 121, A. 72 Heidegger, Martin 36. 36, A. 51 Heiler, Friedrich 61, 61, A. 6, 206, A, 170

249

Heinrich Π. 50. 52 Helvidius 92 Hennecke, Edgar 97, A. 183. 124, A. 88, 89 Hering, Gunnar 170, A. 3 Heyer, Friedrich 121, A. 70. 231, A, 265 Hieronymus 92, 92, A, 165, 231. 231, A, 265 Hopko, Thomas 148, 148, A. 6, 7 Hotz, Robert 170, A. 4. 173, A, 14, 236, A. 288,290 Ignatius von Antiochien 153, A. 26. 156, 157. 157, A, 47, 48. 158, A. 53. 164. 194. 194,A, 98, 237 Innokentij [Prosvirnin] 1, A. 2 Ioann Sergiev [von Kronstadt] 9, 10, 11, 44. 44, A. 21. 100. 119. 120, A. 67. 121. 196, 196, A. 110. 214 loannis [Zizioulas] ■ —» Zizioulas, Ioannis Irenaus von Lyon 99. 99, A. 200. 162. 162, A. 74. 201. 202. 203.203, A. 150, 211 Isaak der Syrer 12, 124. 124, A. 83 Ivan IV, 40, A. 2 Ivanov, Vladimir 5, A, 25 Jakovos, Erzbischof von Athen 237, A. 294 Jeremias II. 6. 6, A. 32. 169 Johannes Chrysostomus 43,43, A. 16. 108,108,A. 8. 109. 109, A. 14. 143, 191. 191, A, 83. 199. 199, A. 122 Johannes der Evangelist 10 Johannes Duns Scorns^ Duns Scotus, Johannes Johannes Grammatikos 63 Johannes Kassian 12 Johannes Klimakos 12, 90 Johannes von Damaskus 31. 31, A, 29. 53. 53, A. 50, 51. 69. 70. 70, A. 48, 51. 73, A. 69, 90,

250

Register

Johannes von Damaskus (Forts.) A. 147. 93, A. 172. 98. 98, A. 195. 171. 199, A. 123. 204. 204, A. 161 Jungmann, Josef A. 52, A. 47 Justin der Märtyrer 99. 99, A. 199, 190, A. 79, 199, A. 121 Justinian I. 59, A W 63 Juvenalij [Pojarkov] 199, 200 Kallis, Anastasios 152, A. 25 Kallistos [Ware] 40, A. 1. 112, 112, A. 30. 113. 113, A. 37, 38, 39, 40, 41,44. 114, 115. 115, A, 48. 118, A. 55. 120. 120, A. 63, 66. 121, 123. 123, A, 78, 79, 80, 81. 124. 124, A. 82, 83 Kamppuri, Hanu T. 141, A. 34 Karabinov, Ivan 208, 208, A. 183. 211. 211, A. 196 Karl der Große 52, 53 Karmiris, loannis N. 7, A. 33. 156, A. 46. 169, A. 1. 171, A. 7. 174, A. 20. 227. 227, A. 248. 228, 236, A. 289 Kauffmann, Georg 204, A. 156 Kawerau, Gustav 2, A, 5 Kern, Kiprian Kiprian [Kern] Kesich, Veselin 15. 15, A, 70. 22 Kiprian [Kern] 193. 193, A. 93 Koev, Totju P,J 178. 182 Kologriwow, Iwan 180, A. 37 Köstlin, Julius 2, A. 5 Kotter, Bonifatius 69, A. 46. 70, A. 51. 93, A. 172 Kretschmar, Georg 155, A. 36. 203 Krivosein, Vasili j —> Vasilij [Krivosein] Krüger, G, 63, A. 16 Kunkel, Christoph 62, A. 9. 108, A. 5. 112, A. 35. 127, A. 92. 139, A. 24. 140, A. 25, 26, 27, 28, 29. 141, A. 31,32. 142, A. 39. 150, A. 17. 181, A. 40. 245, A. 22 Kyrill V. von Konstantinopel 180 Kyrill von Alexandrien 10. 62. 64

Kyrill von Jerusalem 207. 207, A. 177. 211. 211, A. 199 Kyrillos Loukaris 170 Lauehert, Friedrich 72, A. 61. 191, A. 81. 222, A, 232 Laurentin, R. 83, A, 119 Lazarev, V, N. 93, A. 169 Lebedev, Aleksej P. 230. 230, A. 261, 262. 231 Leo III., Papst 52. 62 Lilienfeld, Fairy v. 27, A. 13, 84, A. 121. 112, A. 30. 180, A. 39 Loosen, J. 245, A. 21 Losskij [Lossky], Vladimir 2. 2, A. 7, 9. 6, A. 30. 12. 12, A. 57.25. 25, A. 3. 26, A. 4. 27, A. 13.28, A. 15. 29, A. 19. 35. 40, A. 1. 47. 47, A. 31, 32, 33. 49. 49, A. 40, 4L 56. 56, A. 63. 69. 69, A. 44. 100, A. 204. 110.110, A, 17. I ll, A. 30. 112. 112, A. 34, 35. 117. 118. 118, A. 55. 142. 142, A. 37, 40,43. 143. 143, A. 48,49. 151, A. 19. 243, A. 14. 245. 245, A. 23 Lossky, Nicholas V, 67, A. 30 Ludgerus 229 Luther, Martin 1, A. 5. 141 Mainka, Rudolf M, 41, A. 6 Makarij [Bulgakov] 31. 31, A. 27, 28, 29, 30. 45.45, A. 23, 24. 66. 66, A. 28. 76. 85. 134. 134,A. 2.135. 135,A. 3.136. 146.172,172,A. 8. 174. 174, A. 20. 182. 182, A. 44. 188. 188, A. 68. 189. 200. 200, A. 132. 206. 206, A, 173, 174, 176. 210. 211, A, 195. 219, A. 220, 221. 221, A. 229, 230,231. 222.222, A. 236. 227. 2 2 7 ,A. 249. 233. 233, A. 273, 274. 240. 240, A. 1. 241, A. 5 Makedonios 54 Malinovskiy Nikola] 31, A. 29.45. 46, A. 28. 86. 86, A. 134. 235.

Namen 235, A. 283, 284, 285, 286. 240. 240, A. 2 Maltzew, Alexios v. 88, A. 138, 140. 89, A. 143, 144, 90, A. 149, 151, 152,153,154,155, 156, 91,A. 160, 161, 92, A. 163, 164, 95, A, 174, 176. 96, A. 180, 181. 101, A. 208. 118, A. 58. 143, A. 47. 155, A. 35. 172, A. 8. 178, A. 31. 179, A. 35. 184,A. 49, 52,54, 185,A. 57, 59. 207, A. 177. 220, A. 224, 225, 228. 224, A, 239. 225, A. 240, 242. 2 2 6 ,A. 245, 2 4 6 .2 2 8 ,A. 253. 233, A. 274, 244, A, 18 Mannermaa, Tuomo 141, A. 35 Markos Monachos 12 Maximus Confessor [Maximos der Bekenner] 12. 32. 141, 142. 142, A. 42 Meyendorff, John 21. 27, A. 13. 159.159,A. 56, 60.175.176, A. 25 Milasch, Nikodemus 228, A. 252. 230, A. 258.231, A. 265. 236, A. 292 Miroljubov, Ioann 241 Mneva, N. E, 93, A. 171. 97, A. 189, 190 Mokrosch, Reinhard 67, A. 35 Motovilov, Nikolaj 80. 119 Mühlenberg, Ekkehard 51, A. 44 Muller, Alois 103, A, 221 Nellas, Panajotis 97, A. 185, 186, 187, 188 Nesmelov, Viktor 7 Nestorios 62. 86 Nikitas Stethatos 54 Nikodimos [vom Berg Athos] 214 Nikolaos Kavasilas 97. 190. 190, A. 72. 208. 208, A. 182. 210 Nikon 60 Nil Sorskij 127, A. 94 Nilos der Asket 12 Nissiotis, Nikos A. 107, 107, A, 2, 4.

251

108. 108, A. 6, 7. Ill, A. 30. 112, A. 33. 151, A. 19 Nordov, Vasili] 213,214 Ohme, Heinz 222, A, 232 Onasch, Konrad 25, A. 2 Orfanitskij, I. 138 Orphanos, Markos A. 50, A, 42 Ouspensky, Leonide —» Uspenskij, Leonid Ozolin, Nicholas 69, A. 44 Pauli. 189 Peter der Große 241 Petr Mogila 17. 31. 174. 200. 201, A. 137. 204, A. 155. 205, A. 167 Petri, Heinrich 82. 82, A. 118, 83. 83, A. 119, 120. 85. 85, A. 128, 130. 87 Petrovskij, Aleksandr 204, A. 158 Philoxenos von Mabbug 61, A. 8 Photios 53. 54. 225, A. 241 Pitirim [Necaev] 115.115, A. 50.138, A. 18. 139, A, 23 Pius IX . 150 Pius X II. 235, A. 284 Plank, Bernhard 149, A. 13 Plank, Peter 27, A. 13. 34. 34, A, 44. 85, A. 131. 149, A. 13. 151, A. 22. 156, A. 41. 159, A. 54, 55. 186, A. 63. 195, A, 102 Plato 68 Platon [Gorodeckij] 148 Platon [Levsin] 135. 135, A. 8. 189. 189, A. 70 Podskalsky, Gerhard 29. 29, A. 20. 180, A. 38. 201, A. 137 Pojarkov, Juvenalij —» Juvenalij [Pojarkov] Pokrovski], Nikolaj V. 68 Popovic, Justin 35.56 Prokopovic, Feofan 135. 135, A. 7. 136. 189. 189, A. 69 Prosvirnin, Innokentij Innokentij [Prosvirnin]

252

Register

Pseudo-Dionysius Aeropagita Dionysius Aeropagita Quasten, J. 51, A, 46 Rahner, Karl 34, A. 43 Rekkared 52 Rexheuser, Rex 5, A. 24 Richter, Gerhard 27, A, 13. 28, A. 17, 18, 29, A. 23 Ridiger, Aleksij —» Aieksij [Ridiger] Ritschl, Albrecht 138. 139 Ritschl, Dietrich 50, A. 42 Ritter, Adolf M. 46, A. 29. 62, A. 12. 63, A. 18. 64, A. 23 Romanos der Melode 6 Rublev, Andrej 40. 41. 42. 43, 65, 65, A .25. 76 Rumovskij-Krasnopevkov, Veniamin Veniamin [Rumovskij-Krasno­ pevkov] Ruppert, Hans-Jürgen 159, A. 59 Sabbas —> Sawas Sabellius 53. 53, A. 55 Sarycev, Vasilij D. 85, A. 129. 99. 99, A. 203. 100. 100, A. 204, 205, 207. 101. 101, A. 208. 103. 104 Sawas 53 Scepkina, MarfaV. 77, A. 89. 244, A. 17 Schmemann [Smeman], Alexander 9, A. 44. 159. 159, A. 57,58,61. 160. 160, A. 63, 64, 65. 161. 161, A. 67. 163. 174. 174, A. 17. 177. 179. 179, A, 33.182. 182,A. 45. 183. 183, A. 47, 48. 184. 184, A. 50, 51, 53. 185. 185, A. 55, 56, 60. 186. 186, A. 64, 65. 190, A. 74. 193, A, 90. 197. 198,A. 114, 116 Schulz, Frieder 234, A. 279 Schulz, Hans-Joachim 6, A, 29. 133, A. 1. 143, A. 46. 162, A. 73 Schweitzer, Albert 242

Serafim von Sarov 9. 10. 11. 80. 112. 118. 119. 121. 122. 124. 180 Sergij [Stragorodskij] 7. 13S. 139 Sergij von Radonez 125. 127, A. 94 Severos von Antiochien 61, A. 8 Seviros, Gavriil 236 Skaballanovic, Michail 122, A. 75 Slenczka, Reinhard 147, A. 2. 148, A. 9 Smith, Allan 204, A. 160 Smolitsch, Igor 112, A. 32. 118, A. 56. 121, A. 69. 219, A. 221 Sohm, Rudolph 156. 158. 158, A. 53. 162,A. 72. 173. 173,A. 12. 230 Solov’ev, Vladimir 3 .4 Sörries, Rainer 71, A. 56 Spengler, Oswald 7, A. 38 Sphroeras, V. V. 214, A. 210 Staniloae, Dumiiru 12. 12, A. 58. 17. 25.29, A. 22, 31. 32. 32, A. 32, 33, 34, 35,36. 45. 45, A. 26. 46, A. 30. 55, A. 58. 86. 86, A. 133. 109. 109, A. 16. 147. 152, A. 26. 162. 162, A, 76. 220. 240. 240, A. 4 Stefanus 225. 225, A. 243 Stragorodskij, Sergij —» Sergij [Stra­ gorodskij] Stylianopoulos, Theodore 117. 117, A. 52 Suttner, Ernst Chr, 149, A. 13 Svetlov, Pavel 7. 13. 13, A. 64. 138. 138,A. 19. 139.148, 148,A. 8. 201, A. 138 Symeon der Neue Theologe 10. 10, A. 50.28. 32, 80. 118, 119, A, 62. 219 Taft, Robert 122, A. 75 Tarabukin, N. M. 41, A. 7 Tareev, Maksim 138.139 Teresa von Avila 11 Theodor Studites 73. 73, A. 69, 70 Theodor von Mopsuestia 164. 164, A. 8 3 .1 9 0 ,A, 78

Namen Theodor et yon Kyros 9. 233 Theophanes von Nikäa 97 Thomas von Aquin 179, A. 32. 204. 204, A. 160. 229. 229, A. 256 Tïchon [Belavin] 139 Tinnefeld, Franz 27, A. 14 Totzke, Irenaus 35, A. 46 Track, Joachim 3, A. 1S Trembeias, P. 3, A. 13 Trubeckoj, Evgenij 69. 69, A. 42 Uspenskij, Leonid 42, A. 13. 69. 69, A. 44, 45. 70. 70, A. 49, 50, 51. 71. 71, A. 52, 54, 55, 57. 72. 72, A. 62. 73. 73, A. 65, 67. 75. 75, A. 75, 77, 78. 76. 76, A. 82. 77, 77, A. 85, 87, 88. 78, A. 90. 79. 79, A, 102. 80. 80, A. 110, 111, 113.194,A, 96 Uspenskij, Nikolaj 203 Vagner, Georgîj 108, A. 7 Varlaam 27. 29. 30. 33 Vasilij [Krivosein] 10, A, 50. 120, A. 62. 219, A. 219 Vasilij Nordov —> Nordov, Vasilij Veniamin [Fedcenkov] 155. 155, A. 40 Venîamin [Rumovskij-Krasnopevkov] 233.234, A, 277 Veteley, Aleksandr 41, A, 7. 43, A. 15. 179. 179, A. 35,36 Vinogradov, A. N. 93 Viskovatyj, Ivan M, 76 Vissarion [Necaev] von Kostroma 214 Vladimir, Großfürst 114. 196 Voronov, Liverij 41, A. 8. 42, A. 11, 1 2 .4 3 ,A. 15. 55. 5 5 ,A. 60, 147. 147, A. 3. 148. 148, A. 5 Vzdornov, Gerol’d I. 68. 68, A. 38, 39

253

Walz, Herbert 68, A. 35 Ware, Kallistos Kallistos [Ware] Weiß, Johannes 242 Wellesz, Egon 6, A. 31 Wendebourg, Dorothea 7, A, 33, 34, 35.27, A. 13.28, A. 16. 34. 110, A. 16. 169,A. 2. 126,A. 27 Wensinck, A. j . 124, A. 83 Wenz, Gunther 234, A. 280 Wessel, Klaus 27, A. 13. 30, A, 24, 25, 33, A. 37, 38. 48, A. 38. 54, A .52, 54,56 Willehad 229 Williams, Rowen 62, A. 10 Yannaras, Christos 2. 2, A. 11. 3, 3, A. 12, 13, 14, 16. 4. 7. 7, A. 37. 8. 11. 11, A. 5 4 ,5 5 ,5 6 . 18.29, A. 19. 35. 35, A. 47, 48,4 9 , 50. 36. 36, A. 51, 52, 53, 54. 37. 37, A. 55, 56. 48, 48, A. 35, 36, 37. 112, A, 30. 114. 114, A. 47. 124. 124, A. 86. 152, A. 25. 198,A. 118. 201, A. 139 Zabolotskij, Nikolaj 213 Zander, Lev A. 48. 49, A. 39 Zander, Vera 9 Zizioulas, loannis 8. 12, 12, A. 59. 13. 13, A. 66. IS. 48, A. 34. 151. 151, A. 20. 161. 162. 162, A. 69, 70, 71. 163. 163, A. 78, 79. 164. 164, A. 80, 82, 83, 84. 165. 165, A. 85, 86, 87, 88. 166, A. 90, 91. 176. 177. 190. 190, A. 71. 191. 191, A. 84,192. 192,A. 85, 89.193. 193, A. 94. 194. 194, A. 95,99. 197.197,A , 113. 198,A. 119. 199. 199, A. 120. 201. 201, A, 139. 212. 212,A. 202. 2 2 8 ,A. 252. 232, A. 266, 267. 234, A, 278. 237, A. 295. 2 3 8 .2 4 2 .2 4 2 ,A. 9. 244, A. 20

254

Register

Sachen Altgläubige 60. 60, A. 3. 77. 219. 230. 241 Altorientalische Kirche 59, A. 1; s. auch: Monophysitismus, Dialog mit Orthodoxie 62 f. 64 Amt/kirchliche Ämter; s, auch: Weihen/O rdination Amtsverständnis 156. 164 f . apostolische Sukzession 157. 164. 165. 224. 230.231. 232 Bischof 156 f. 160 f. 164. 165. 226f. 228.229.230.231f. 237f. Christusrepräsentation 232 Diakon 225f. 225, A. 243. 228 Gemeindebezug 156. 164 ff, 224. 226.228.237 hierarchische Gliederung 149. 227f, Laien und Klerus 156. 186. 191. 224. 227f. 230. 236. 237 Presbyter/Priester 156. 157. 160 f, 165.228.229.231. 237 Recht und Charisma 219. 228. 230 Vorleser und Sänger 224, 228 Analogia entis 33 Anastasis/Hadesfahrt 143. 244 Anthropologie; s. auch: Synergismus donum superadditum 102 Erbsünde 186 Imago Dei 78. 80 Kreatianismus 102 Lebensführung 179. 180 soziales Handeln 243 Sünde 121. 123. 197. 220.221 Sündenvergebung 178, 186. 215; s. auch: Taufe Traduzianismus 102 Apophatische Theologie 25 ff. 45. 49 Askese 117. 118. 121 f. 122. 123. 179; s. auch: Mönchtum Athanasianum —» Quicumque Auferstehung ~ Christi —» Anastasis/Hadesfahrt

— der Toten

Eschatologie

Beichte 218 ff. Absolution 219 Beichtordnung 220 f. Beichtväter 219. 220 „Epitimien“ 221 juridisch 220ff. Kommunionvorbereitung 218 medizinisches Verständnis 220 ff. römisch-katholisch 222 Bekehrung 4. 179f . Bilderstreit —» Ikonentheologie Buße/Bußübungen 122; s. auch: Beichte Chalkedon, Konzil von 25. 59. 61 f, 63. 64 Christologie 59ff.; s, auch: Gottes­ mutter; s. auch: Soteriologie —, asymmetrische 59 ff, (62) Dreiämterlehre 186 Enhypostasie 62, 63 eschatologischer Zug 75 f. 243 Gottmenschheit 40, 43, 60 f, 64 Inkarnation 60. 102. 141 f. ~ in liturgischer Dichtung 60f. Opfer Jesu Christi 210. 221. 222 Stellenwert der Chr. 59 theopaschitischer Streit 63 ~ und Ikonentheologie 65 ff. — und Pneumatologie 52. 80, 107. HO — und Theotokologie 8 5 .9 4 ,9 8 Teil der Soteriologie 133 Zweinaturenlehre 60f. 62. 70. 91 Dogma — der orthodoxen „Scholastik“ 7 Haupdehren 44. 60 Rezeption 150 — und Erfahrung 1. 3. 60 und Ethos 3. 11

Sachen Dreieinigkeit, Heilige nitätslehre

Trinität/Tri-

Ehe Mysterium der 172, A. 8. 175. 176 — und Mönchtum 123 Ekklesiologie 146ff,; s. auch: Amt/ kirchliche Ämter; s. auch: Eucha­ ristie ~ als Teil der Christologie 150f. Einheit der Kirche 149. 162 —, Erneuerung der 149 eucharistische 151 ff, 190, 194, 197. 215f, eucharistische und Amtslehre 156f. 236 ff. Grenzen der Kirche 147f, 149. 181 himmlische und irdische Kirche 154, 195. 196 Katholizität 149. 150. 153. 158. 159,160.163.194 Leib Christi 153. 159. 174f. Ortskirche 153, 156. 157 f. 159. 160. 163. 194. 215. 237 Pfarrei/Parochie 160 f. 163 f. pneumatologischer Aspekt 151 sobor/sobornaja/sobornost1 149, 150 Stellung in Dogmatiken 146 traditionelle 146 Universalkirche 154 Energien, göttliche-a- Gnade; —> Gott; Theosis Engel 92. 95. 131. 154.190.192, 195, 196. 226 Epiklese—» Eucharistie: Epiklese;-^ Gebet: Gebetscharakter der Epi­ klese; epikletisches G.; —» Geist/ Heiliger: Epiklese Erfahrung — als existentielle Haltung 1,2 ■ — als Kriterium orthodoxer Theolo­ gie 2. 3. 18. 29. 46. 59, 70, 86. 146. 176 f. 190 — als Kirchlichkeit 4. 5. 15. 146

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asketische 8, 123 ~ bei den Kirchenvätern 5 f . 13. 17 christologische 59. 60f, — der Dreieinigkeit 43, 45, 46, 48, 59 eucharistische 216 ~ Gottes 12. 28f. 32. 33. 36 — in der neuorthodoxen Theologie 4, 16 f. kirchliche 3. 4. 14. 19. 127. 163. 241 liturgische 6. 8. 86. 99. 104. 110. 192 —, mystische 3 Quelle der Theologie 1 ff. 4. 11, 14. 18. 146. 170 Neuentdeckung der 5. 13 ~ j persönliche 4f. —, religiöse 1, 33 ~ und Dogma 1. 60 ~ und Gotteserkenntnis 29f. ~ und Ikonen 70 Erlösung —» Soteriologie; —>Theosis Eschatologie 240ff.; s. auch: Eucha­ ristie apokalyptische Stimmung 241 „Apokatastasis“ 245 Auferstehungshoffnung 244f. Auferstehung der Toten 44. 244 Grundzug der orthodoxen Theo­ logie 154. 240ff. Parusie 203. 245 futurische 241. 244 präsentische 241. 244 Stellung in Dogmatiken 240 Eucharistie 188 ff. Anamnese 193f, 208. 242 ~ als die Liturgie der Kirche ISS ff. 192 ~ das Mysterium der Kirche 155. 169, 188 dogmatischer Stellenwert 188 Einsetzungsworte 205. 206. 207. 208.209 Einzüge 195

256

Register

Eucharistie (Forts,) ekklesialer Aspekt 151. 153, 154. 155. 215f. ekklesiales Verständnis 155 f, 188 Epiklese 111. 199. 206. 207. 208. 209.210. 211 Erstkommunion 178. 182 ■ — und Schöpfung 197,198 Eucharistiegebet/Anaphora 60. 111. 162 f. 193, 198, 207. 208. 209. 211 eucharistische Gaben 111. 163. 199 ff. 202 f. 205, 211, 215 eschatologischer Aspekt 164. 192 ff. 212 Gemeinschaftsfeier 154. 191 f. Intercessio 211. 212 Kommunion 153. 154 ff . 178. 182. 190f. 204.205.212. 213ff. 218, 225.226 Kommunionvorbereitung 155. 214, 218; —» Beichte Konsekration 205f. 208. 209. 212 Konzelebration der Engel 131. 154. 190. 192. 195. 196 kosmisch-eschatölogische Sicht 196. 197. 198f. 203. 204f. 242, 243 Leib Christi 153. 174. 204f. 212 Mahlcharakter 205 Öpfercharakter 194. 209ff. Proskomidie 205. 207, 210. 211 Realpräsenz 153, 200. 205 Theophaniecharakter 76. 195,232 „Transsubstantiation" 199 ff. 199, A, 123,205. 236 Tremendum 155. 197. 214 Wandlung der Gaben 111. 197 f . 199 ff. 209 Zeitpunkt der Wandlung 205.210 Filioque —» Trinität/Trinitätslehre Gebet 126 ff. Ausdruck einer Haltung 129 f.

Einübung 130 epikletisches 184. 185.234, A .278.208 eucharistisches 150. 162f . 193. 211 ~ für Verstorbene 137. 211. 212. 215. 244 Gebetscharakter der Epiklese 208.209.234 Gemeinschaft des Heiligen Gei­ stes 126 f. meditatives 27 Ordinationsgebet 224. 225. 226. 227. 233 f. Sinn des 127f. spontanes 131 unaufhörliches 129 wortloses 127 Geist, Heüiger/Pneumatologie; s. auch; Theosis; s, auch Trinität/ Trinitätslehre: filioque Auseinandersetzung mit prote­ stantischer Pneumatologie 108 Auseinandersetzung mit römischkatholischer Pneumatologie 107 f. eigenständiges Wirken 107 f. Epiklese 56. 111. 185. 206 —, Gebet zum 106 göttliche Energien 33 f, Gottheit des 50. 54. 106 ikonographisch 42. 77 — in den Heiligen 118f. 243 Lebenspender 124 Personalität 34. 55, 106 personenbezogenes Wirken 112f . — und Christologie 52. 80, 107, 110 — und Institution 108 und Mysterien 108 — und Schönheit 113 Werk des 107. 108. 110f. U lf. Gnade Gnadenlehre 30 personhaft 142 unpersönlich 33 — und Energie 30. 33. 142, 243

Sachen Gott; s. auch: Gott der Vater; s. auch; Geist, Heiliger/Pneumatologie; s. auch: Christologie; s. auch:Trinitat/Trinltätslehre absolut transzendent 28.29 Eigenschaften 32, 45 Einfachheit Gottes 29 Liebe Gottes 40. 139, 141 Unbegreiflichkeit 25, 26, 27. 29. 45 Wesen und Energien 28f, 30. 31. 34. 35. 37. 123. 142 Gott der Vater 40 ff, Darstellbarkeit 76f. 77f. 77, A. 86 Monarchie 46. 47. 48. 49. 53. 54 Principmm der Dreiheit 4L 47 Prindpium der Einheit 46. 47. 48. 53 Gottesdienst—» Eucharistie; —» Ge­ bet Gotteserkenntnis 2. 27. 32. 123; s. auch: Erfahrung; s. auch: Gott; s. auch: Offenbarung ~ durch Analogie 35 f. Energien Gottes 28. 243 Handeln Gottes 28. 30 —, personal 35 f. Gottesmutter; s. auch: Mariologie; s. auch: Theotokologie —, Bilder [Typen] für die 87f. 89. 90, 93. 94 f. —, Entschlafen der 84 - , Fürbitte der 95. 96. lOOf. Gottesgebärerin 85f. 89. 90, 91 f, 95. 96. 98. 100 — in liturgischer Dichtung 83 f, 88 f. 91. 93. 94f. Jungfrau 86. 89. 91. 92. 98. 100 Makellosigkeit 83, 95, 99f. 103 Maria und Eva 99 Miterlöserschaft 96, 97, 99. 103 Mittlerin 96. lOOf. Sündlosigkeit 101 f. 103 Gericht, Jüngstes 44. 240. 243. 245

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Heilige 117ff,; s. auch: Geist, Heili­ ger Askese 117. 118. 121 f. Charismatiker 119f. Gabe des Heilens/der Tränen 120. 121 Reliquien 118. 243 Verehrung 119 —, „Verdienste“ der 222 Hesychia 27ff. Hesychasten 28 hesychastischer Streit 27f. Taborlicht 27. 28. 30. 33. 243 Hundertkapitelsynode 60 Ikone/lkonentheolügie 65ff, Abgarlegende 74 f. Anastasis/Oster-Ikone 27. 143 Chrismsikone 65 f. 75f. 79. 93. 94. 232. 243 Dreieinigkeitsikone 40. 41. 42. 43 eschatologischer Charakter der Ikone 194 Farbensymbolik 4L 42. 93. 194 Gottesmutterikone 79f. 84. 86f, 88. 91. 92. 93f. 97 Heiligen-Ikonen 80, 119 heilsgeschichtliches Prinzip 76. 77, 77, A. 86 Ikone des „Nichtverbrennenden Dornbuschs“ 79. 86f, 88. 91, 92. 93 f. Ikone „Spas vSÜach“ 65. 75f. 93. 94. 243 Ikone zum Chembimlschen Hymnus 196, 232 Ikonentheologie und Sophioiogie 78 Ikonenverehrung 66, A. 29, 67f. 69 f. ikonoklastischer Streit 66. 69, 70, 7 2 ,A. 63 inkarnationstheologisches Prinzip 70f. 72f. 76. 77, A. 86 künstlerische Freiheit 74

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Register

Ikone/Ikonentheologie (Forts.) Pfingstikone 77 Schönheit 73. 114f, 122f, Typos und Symbol 71.93 Urbild - Abbild 68 Verklärungsikone 25. 27 Verzicht auf Plastiken 74 Ikonomia 180. 229 Inkarnation -» Christologie Jesus Christus Christologie; s. auch: Gottesmutter; s, auch: Ikone/Ikonentheologie Ratechumenat 183ff.; s. auch: Taufe Kirche -> Ekklesiologie Konfessionen, Unterschiede zwi­ schen den K. lf . 15f, 44. 82f. 85. 95 f. 158. 177. 178. 179. 180. 186, 197. 199f. 205. 229 Kosmos/Kosmologie Schöpfung/ Kosmologie Krankenölung 172, A. 8. 176 Kreuzzeichen 43. 59f. 60, A. 3 Laientheologie 69. 136f. 149. 150. 172. 186 Liturgie, Göttliche Eucharistie Liturgieauslegung 7, 131. 193, 195. 203.213.214 Liturgiekommentare 97, 190. 205. 210. 214. 215 Maria —» Gottesmutter; —» Mariologie; —» Theotokologie Mariologie orthodox Theotokologie römisch-katholisch 83. 103 Mönchtum 227f.; s. auch: Askese; s, auch: Ehe: Ehe und Mönch­ tum eschatologische Ausrichtung 243 Mönchsweihe 172. 179 Monophysitismus 61. 61, A. 8. 62. 64. 70. 83

Myronsalbung, Mysterium der 178. 182, 185. 186; s. auch; Taufe Mysterien/Sakramentenlehre 6f. 37. 108. 118. 169 ff. Bezug zur Eucharistie 155.174. 175, 176 Definitionsproblem 169. 171 f. 174 ff. forma und materia 172, 172, A. 8. 206. 2Ö7f, 209. 232f. Sakramentenlehre „am Vollzug entlang" 7. 169. 1761. 182 Sakramentaha 171. 174, 175 Zahl der Sakramente 170ff. 173 f . Nieaeno-constantinopolitanum 46 f . 50. 60. 63. 100. 106. 146. 189 Offenbarung 20. 31. 36. 71, 110. 118; s. auch: Gotteserkenntnis — der Dreieinigkeit 40, 48 f, Offenbarungsquellen 20 Oikonomia —» Ikonomia Palamismus 28, 30, 32, 33. 110, A. 16 Pätristisches Renouveau 13.18 Pietismus 4f. Pneumatologie —> Geist, Heiliger/ Pneumatologie „Pseudomorphose“ 7, 12,211 Quellen der Orthodoxen Theologie 8. 13. 18, 19. 159.182;s. auch: Er­ fahrung Quicumque 51 f. Rechtfertigung

Soteriologie

Sakramente—i» Mysterien/Sakramen­ tenlehre Schisma; s. auch: Altgläubige; s. auch; Trinität/Trinitätslehre: filioque — der Altgläubigen 241 ~ von 1054 54. 208, A. 179

Sachen Schönheit 113 ff, ~ der Asketen 117 — der Hierarchie 113,228 der Ikone 11. 73, 114f. 122 — des Gottesdienstes 114 Symbol der Transzendenz 114 Wirkung des Heiligen Geistes 113 Schöpfung/Kosmologie; s. auch: Soteriologie Heiligung der Schöpfung 197. 198 Kosmologie 37, 124 Neue Schöpfung 197 Schöpfung und Askese 123 Schöpfung und Eucharistie 197. 198 technisches Weltverständnis 36 f. Umwelt 124. 198 Verhältnis zur Schöpfung 123. 124 f, 197 f. Schrift, Heilige Inspiration 20 f. historisch-kritische Auslegung 15f. 21 f. 22, A. 86. 103. 2Ö8f. typologische Auslegung 83. 87 ~ und Tradition 19. 20. 117, 147 Schultheologie/,,scholas rische“ Theo­ logie 3. 7. 12 f. 14. 17, 18f, 20, 30f. 32. 4 4 f. 55, 66. S5f. 134f. 146. 147. 155. 156, 172, 176. 182, 188f. 191. 195. 204. 206. 207. 210f. 212.232f . 236 Sophia/Sophioiogie ■ —» Ikone/Ikonentheologie: Ikonentheologie und Sophiologie Soteriologie 133 ff. 176 juridische 134ff* 138f. Rechtfertigung 135. 136. 138. 140 Stellvertretung 134 f, 139, 220, 221 synergistische 136. 140f. Spiritualität l l f , ; s, auch: Askese; s. auch: Gebet; s. auch: Heilige Starzen 118, 118,A. 56.120. 216, A. 216. 219.219, A. 221 Stoglav—» Hundertkapitelsynode Sünde—» Anthropologie

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Synergismus 97. 99. 102. 140f. 231; s. auch: Theosis Taborlicht-» Hesychia Taufe 177ff,; s, auch; Mysterien/Sakramentenlehre Gabe des Mysteriums 178, 185f. Gültigkeit 180 f. heilsnotwendig 178 Kindertaufe 178. 183 Ökumenischer Konsens 177 f . Sündenvergebung/Gotteskind­ schaft 178. 186 ■ — und Myronsalbung 178.182.185. 186

— UnWiederholbarkeit [Character indelebdis] 178. 236 Vollzug der 178. 181 ff. ~ von Konvertiten 180;s. auch;Ikonomia Wirkungen 178. 186 Theologie —» Apophatische Theolo­ gie; —» Erfahrung; —> „Pseudomorphose"; —» Quellen derTheologie; —» Schultheologie/„scholastische" Theologie; Westliche Einflüsse in der orthodoxen Theo­ logie Theophanie —>Eucharistie; Theophaniecharakter Theosis 123f. 141 ff.; s, auch: Hesy­ chia — der Heiligen 118. 119 Emswerden mit Christus 30. 112 „Erwerb des Heiligen Geistes“ 112 gnadenhaft, nicht naturhaft 142 Teilhabe am göttlichen Leben 112, 141. 142 Theotokologie 82ff.; s. auch: Got­ tesmutter; s. auch: Mariologie Aspekt der Christologie 85.94. 98 Auseinandersetzung mit römischkatholischer Mariologie 83.99, 100. 101 f.

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Register

Theotokologie (Forts.) ekklesiologische Bezüge 94 f, 97, 98 Stellung in der Dogmatik 85 f. undOkumene 82f, Verselbständigung der 96ff. Totengedächtnis —> Gebet: für Ver­ storbene Trauung —» Ehe Trinität/Trinitätslehre 35. 40ff, 163; s. auch: Gott der Vater apoph arisch 49 Appropriationen 34. 107. 110 Dreiheit vor Einheit 46.48 Einheit des Wesens 46. 47 filioque 35. 44f. 49ff. 107. 109 ikonographische 40. 41. 42. 43 im Gottesdienst 43 f. immanente 34. 44. 109. llö innergöttliche Beziehungen 48. 50f. 109, 109, A. 16 ökonomische 34. 109 Selbständigkeit der Hypostasen 40. 42. 110 Subordinationismus 47, 48 theologische Hauptlehre 40. 44 Trinität und Energien 34 Trinitätslehre und Soteriologie 40. 43. 44.59 Trullanum 71. 72. 221 Vergöttlichung —» Theosis Verklärung - Christi 25, 27. 61

~ der Materie 203 Licht der 25. 27. 28. 30. 33. 80 Weihen/Ordination 173. 223ff.; s, auch: Amt/kirchliche Ämter Auseinandersetzung mit römischkatholischer und protestanti­ scher Ordination 234 f. Bischofsweihe 226f. 228. 229. 231 Character indelebilis 236 Diakonatsweihe 225. 233 Eucharistiebezug 224. 226 Gültigkeit 228 f. 236. 237 Handauflegung 224. 226. 233. 234 Ipodiakonenweihe 171. 224 f. Mönchsweihe 179 Ordinationsformel 225.226. 233 f. Ordinationsgebet 224. 225. 226. 227.233.234 Ordinationshandlung 225. 233 Priesterweihe 164f . 226. 229. 238 Rezeption der 237 Vorleserweihe 224 Weihe einer Kirche 231 Weihestufen 224ff. 225, A, 241 Westliche Einflüsse in der orthodoxen Theologie 7. 8. 12. 13, 18. 37. 45. 135. 170. 172. 174. 200. 204. 209. 219. 236; s. auch: „Pseudomorphose"; s, auch: Schultheologie/ „scholastische" Theologie

A B B IL D U N G S N A C H W E IS Abb. 1; Verklärung Christi (Novgoroder Ikone, Ende 15. ]h,): Novgorod Icons 12th-i7th century, Leningrad 1980, Nr, 100. Abb. 2: Auferstehung Christi - Anastasis (Fresko im Chora-Kloster in Konstantinopel/Istanbul - Mitte 14. Jh,): Constantinople, Byzantium- Istanbul. Text by David Talbot Rice, Photographs by Wim Swaan, London 1965, S. 108-109. Abb. 3: Andrej Rublev, Dreieinigkeit - Moskauer Ikone um 1411 (142 x 114): V. N. Lazarev, Moskovskaja Skola Ikonopisi - Moscow School of Icon-Paint­ ing, Moskau 1980, Nr. 35, Abb. 4: Andrej Rublev, „Spas v Silach“ (Moskau), (18 x 16): V. N, Lazarev, Moskovskaja Skola (s. Abb. 3), Nr. 39. Abb. 5: Das Nicht von Menschenhand geschaffene Bild Christi (Mandylion) Trans-Wolga-Ikone um 1600 (86 x 50). Foto: K. Ch, Felmy. Abb, 6: Der Nichtverbrennende Dornbusch, Zentralrussische Ikone, 2. Hälfte 19. Jh. (31 x 26,5): Bernhard Bornheim, Ikonen, München 1985, S. 273, Abb. 7: Johannes der Vorläufer und Aleksij, Metropolit von Moskau, Russi­ sche Altgläubigen-lkone 1. Hälfte des 19. Jh. (26 x 32). Foto; K, Ch, Felmy. Abb, 8: „Die wir die Cherubim . , Stroganov-Ikone aus Sol’vycegodsk (vor 1579 - 197 x 153): Vera Grigor’evna Brjusova, Russkaja zivopis’ 17 veka, Moskau 1984, Nr. 73.

A B B IL D U N G E N

Abb. 1: Verklärung Christi (Novgorod, Ende 15. Jh.).

Abb. 2: Auferstehung Christi (Chora-Kloster, Konstantinopel).

Abb. 3: Heilige Dreieinigkeit. Ikone des hl. Andrej Rublev.

Abb. 4: Der Herr der Herrlichkeit. Ikone des hl. Andrej Rublev.

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Abb. 5: Das Nicht von Menschenhand geschaffene Bild Christi.

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