Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen Sicherheitsbedenken [1 ed.] 9783428491483, 9783428091485

In der betrieblichen Praxis ist der Schutz vor der wachsenden Betriebsspionage aber auch vor staatlicher Spionage von gr

122 93 24MB

German Pages 236 Year 1997

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Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen Sicherheitsbedenken [1 ed.]
 9783428491483, 9783428091485

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Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 157

Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen Sicherheitsbedenken Von

Uwe Meyer

Duncker & Humblot · Berlin

UWE MEYER

Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen Sicherheitsbedenken

Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 157

Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen Sicherheitsbedenken

Von Uwe Meyer

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Meyer, Uwe: Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen Sicherheitsbedenken / von Uwe Meyer. - Berlin : Duncker und Humblot, 1997 (Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht ; Bd. 157) Zugl.: Berlin, Freie Univ., Diss., 1996 ISBN 3-428-09148-5

Alle Rechte vorbehalten © 1997 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0227 ISBN 3-428-09148-5 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 θ

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 1996 vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin als Dissertation angenommen; sie entstand im Rahmen meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Gemeinsamen Kommission der Fachbereiche Rechtswissenschaft und Wirtschaftswissenschaft der Freien Universität Berlin. Rechtsprechung und Literatur sind bis April 1996 berücksichtigt. Mein besonderer Dank gilt Herrn Professor Dr. Jochem Schmitt, der die Arbeit betreute und mich bei der Entstehung der Arbeit jederzeit unterstützte. Ebenso danke ich Herrn Professor Dr. Helmut Lecheler für die Übernahme des Zweitgutachtens. Auch möchte ich Herrn Martin Teschke für das sorgfältige Korrekturlesen danken. Schließlich sei meiner Familie ganz herzlich gedankt für die vielfaltige Unterstützung während des Studiums und der Promotion.

Berlin, im Mai 1997 Uwe Meyer

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

25

1. Teil Grundlagen A. Sicherheitsbedenken I. Zum Begriff Sicherheitsbedenken II. Rechtstatsächliche Grundlagen

28 28 31

1.

Kündigungspraxis in der Bundesrepublik Deutschland

31

2.

Bedrohung der Sicherheitsinteressen

32

III. Der Schutz der Sicherheitsinteressen

34

1.

Der repressive Schutz

34

2.

Präventive Maßnahmen

36

3.

Besondere gesetzliche Regelungen

37

a)

Die Zuverlässigkeit im AtomG

37

b)

Das Sicherheitsüberprüfungsgesetz

38

c)

Sonderkündigungsrecht im öffentlichen Dienst wegen Tätigkeit für das frühere Ministerium für Staatssicherheit/Amt für nationale Sicherheit

39

d) Zusatzabkommen zum Natotruppenstatut

40

B. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses

41

I. Geschichtliche Entwicklung

41

1.

Das neunzehnte Jahrhundert

42

8

nsverzeichnis

2.

Das zwanzigste Jahrhundert bis 1945

43

3.

Die Zeit nach 1945

44

II. Die Rechtslage im Kündigungsrecht 1.

Die ordentliche Kündigung a) b)

2.

46 46

Die formellen und besonderen Wirksamkeitsvoraussetzungen

47

Der allgemeine materielle Kündigungsschutz

48

Die außerordentliche Kündigung

C. Vorüberlegungen zur Methode der Rechtsfindung I. Die Ausgangsfrage

52 53 54

II. Die juristische Methodenlehre

55

1.

Die Begriffsjurisprudenz

55

2.

Die Interessenjurisprudenz

56

3.

Die Wertungsjurisprudenz

56

III. Eigener Ansatz

57

2. Teil Sicherheitsbedenken in Rechtsprechung und Arbeitsrechtswissenschaft A. Die Rechtsprechung I. Verwandtschaftliche Beziehungen II. Politische Überzeugung 1.

2.

59 61 63

Öffentlicher Dienst

63

a)

Die politische Treuepflicht

63

b)

Die Kündigung wegen fehlender Verfassungstreue

66

Private Arbeitgeber

70

III. Sonstige Fallgruppen

71

IV. Zusammenfassung

73

nsverzeichnis

Β.

Die Arbeitsrechtswissenschaft

76

I. Voraussetzungen einer Kündigung wegen Sicherheitsbedenken II. Die systematische Einordnung

76 79

III. Insbesondere: Die Kündigung wegen fehlender politischer Zuverlässigkeit

79

IV. Zusammenfassung

80

C. Die besonderen gesetzlichen Regelungen I. Die Zuverlässigkeit im AtomG II. Das Sicherheitsüberprüfungsgesetz

80 80 81

III. Die Sonderkündigungsregelung des Abs. 5 Ziff. 2 Einigungsvertrag

82

IV. Die Rechtslage im ZA-NTS

83

D. Exkurs: Die Rechtslage im Beamtenrecht

84

I. Die beamtenrechtlichen Grundlagen

84

II. Sicherheitsbedenken

86

1.

Fehlende Verfassungstreue

86

2.

Sonstige Umstände

88

3.

Verwaltungsgerichtlicher Prüfungsmaßstab

90

III. Zusammenfassung

91

E. Zwischenergebnis

92

3. Teil Systematische Einordnung der Kündigung wegen Sicherheitsbedenken A. Ausgangspunkt I. Der Kündigungsgrund II. Die Ursachen für Sicherheitsbedenken

94 94 95

III. Die Problemstellung

97

B. Dogmatische Grundlagen

97

I. Sinn und Zweck des KSchG

97

10

nsverzeichnis

II. Voraussetzungen fur eine Kündigung

98

1.

Objektiver Kündigungsgrund

98

2.

Erhebliche Beeinträchtigungen betrieblicher und vertraglicher Interessen

99

a)

Beeinträchtigung der Interessen

100

b)

Erhebliche Beeinträchtigung

101

c)

Die betrieblichen und vertraglichen Interessen

101

C. Die Unterscheidung zwischen betriebs-, Verhaltens- und personenbedingter Kündigung I. Die ordentliche Kündigung

102 102

1.

Vorüberlegung

103

2.

Die betriebsbedingte Kündigung

104

3.

Die verhaltensbedingte Kündigung

104

4.

Die personenbedingte Kündigung

106

a)

Kündigung wegen Sicherheitsbedenken

107

b)

Beeinträchtigung des Vertrauensbereichs oder der betrieblichen Interessen

107

Gefahr und vorbeugende Kündigung

109

c) 5.

Besondere Fallgestalltungen

110

a)

111

Die Druckkündigung (1) (2)

b)

Die Zulässigkeit einer Druckkündigung Die Einordnung der Druckkündigung

Die Verdachtskündigung (1)

Zulässigkeit der Verdachtskündigung

111 113 114 114

(2)

Einordnung der Verdachtskündigung

115

(3)

Verdachtskündigung und Sicherheitsbedenken

117

II. Die außerordentliche Kündigung III. Zusammenfassung D. Zuordnung nach Kündigungsursachen

119 120 121

nsverzeichnis

I. Außerbetriebliches Verhalten

121

1.

Grundsätzliches

122

2.

Der "unsittliche Lebenswandel"

123

3.

Familiäre Verhältnisse und Überschuldung

124

II. Insbesondere: Politische und religiöse Einstellung und Betätigung ...

125

1.

Die politische Betätigung

126

2.

Die politische Einstellung

128

3.

Öffentlicher Dienst und Tendenzunternehmen

129

4.

Die Bedeutung von Art. 5 Abs. 1 GG

130

a)

Geltung der Grundrechte im Arbeitsrecht

130

b)

Die Auswirkung des Art. 5 GG

131

5.

Politische Einstellung und Sicherheitsbedenken

132

6.

Religion und Sicherheitsbedenken

133

III. Die besonderen gesetzlichen Regelungen

134

1.

Die Zuverlässigkeit im AtomG

134

2.

Die Sicherheitsüberprüfung nach dem SÜG

135

3.

Die Sonderkündigungsregelung des Abs. 5 Ziff. 2 EV

136

E. Zwischenergebnis

137

4. Teil Allgemeine Rechtsprinzipien und Zukunftsbezogenheit der Kündigung A. Die Prinzipien im Kündigungsrecht I. Die Rechtsprinzipien II. Das Prinzip der Erforderlichkeit

139 139 141

1.

Der Inhalt des Erforderlichkeitsprinzips

141

2.

Die Anwendbarkeit im Kündigungsrecht

142

3.

Der Inhalt im Kündigungsrecht

144

III. Die Interessenabwägung

146

12

nsverzeichnis

1.

2.

Anwendbarkeit im Kündigungsrecht

146

a)

Grundsätzliches zur Anwendbarkeit

147

b)

Die einzelnen Kündigungsarten

148

Der Inhalt des Prinzips im Kündigungsrecht

149

IV. Das Prinzip der Unzumutbarkeit

151

V. Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit

154

1.

Das Prinzip im öffentlichen Recht

154

2.

Das Prinzip im Privatrecht

155

3.

Die Anwendung im Kündigungsrecht

157

VI. Sonstige Prinzipien

159

1.

Das Prinzip des Vertrauensschutzes

159

2.

Das Prinzip der Gleichbehandlung

159

B. Insbesondere: Die Zukunfisbezogenheit der Kündigungsgründe und das Prognoseprinzip I. Grundsätzliches zum Prognoseprinzip II. Die Prognose im Kündigungsrecht

160 161 162

1.

Die Legitimation des Prognoseprinzips

162

2.

Die Anwendung des Prognoseprinzips a) Die betriebsbedingte und die verhaltensbedingte Kündigung

163 163

b)

165

Die personenbedingte Kündigung

III. Insbesondere: Die krankheitsbedingte Kündigung und die Verdachtskündigung

165

1.

Die krankheitsbedingte Kündigung

166

2.

Die Verdachtskündigung

169

IV. Inhalt und Probleme des Prognoseprinzips im Kündigungsrecht

170

1.

Umfang der Prognose

170

2.

Grundlage und Begründung der Prognose

170

3.

Prognosespielraum des Arbeitgebers

172

nsverzeichnis

4.

Prognosezeitpunkt und Prognosekorrektur

V. Zusammenfassung C. Der Wahrscheinlichkeitsgrad der Prognose I. Vorbemerkungen II. Die bislang vertretenen Ansichten

173 174 175 175 176

III. Stellungnahme

177

IV. Eigener Lösungsansatz

179

1.

Dogmatische Grundlagen

179

2.

Zweck des Kündigungsrechts und Wahrscheinlichkeitsgrad

180

a)

Die Fragestellung

180

b)

Beeinträchtigung der arbeitsvertraglichen und betrieblichen Interessen

181

Die Fortdauer des Eignungsmangels und das zukünftige Verhalten

181

c) 3.

Wahrscheinlichkeit und drohender Schaden

182

a)

Drohender Schaden als Grund für eine Beweismaßsenkung

182

b)

Die Gefahrenprognose in anderen Rechtsgebieten

183

(1)

c) d) 4.

Gefahrenprognose im Verwaltungsrecht

183

(2)

Gefahrenprognose im Strafrecht

184

(3)

Gefahrenprognose im Bürgerlichen Recht

185

(4)

Gefahrenprognose im Arbeitsrecht

186

Bestätigung durch Rechtsprechung und Arbeitsrechtswissenschaft im Kündigungsrecht

186

Umgekehrte Proportionalität von Schadenshöhe und Wahrscheinlichkeit als Rechtsprinzip

190

Die Anwendung im Kündigungsrecht

190

a)

Die Kündigung wegen Sicherheitsbedenken

190

b)

Die verhaltensbedingte Kündigung

192

c)

Sonstige personenbedingte Kündigungsgründe

192

14

nsverzeichnis

D. Zwischenergebnis

193

5. Teil Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen Sicherheitsbedenken A. Voraussetzungen nach dem KSchG I. Die personenbedingte Kündigung

194 194

1.

Eignungsmangel

195

2.

Erhebliche Beeinträchtigung vertraglicher und betrieblicher Interessen

196

a)

Sicherheitsempfindliche Tätigkeit

197

b)

Sicherheitsrisiko

198

(1) (2) (3)

Zukünftige Beeinträchtigungen der Sicherheitsinteressen

198

Wahrscheinlichkeit der zukünftigen Beeinträchtigung der Sicherheitsinteressen

199

Verhältnis der Wahrscheinlichkeit zum drohenden Schaden

200

(a)

Drohende geringe Schäden

200

(b)

Drohender mittlerer Schadensumfang

201

(c)

Drohende hohe Schäden

201

(d)

Außergewöhnlich hohe drohende Schäden

203

3.

Erforderlichkeit der Kündigung

205

4.

Interessenabwägung

207

II. Insbesondere: Die Druckkündigung

209

III. Die verhaltensbedingte Kündigung

211

B. Die außerordentliche Kündigung I. Voraussetzungen einer ordentlichen Kündigung II. Erforderlichkeit der außerordentlichen Kündigung III. Interessenabwägung

214 215 215 215

nsverzeichnis

C. Besondere gesetzliche Bestimmungen I. Zuverlässigkeit nach dem AtomG II. Sicherheitsüberprüfung nach dem SÜG

217 218 219

1.

Öffentliche Arbeitgeber

219

2.

Staatliche Aufträge und SÜG

220

Zusammenfassung und Ausblick

221

Literaturverzeichnis

224

Abkürzungsverzeichnis

aA

=

anderer Ansicht

aaO

=

am angegebenen Ort

Abi. KR

=

Amtsblatt des alliierten Kontrollrates

Abs.

= Absatz

AcP

=

Archiv für civilistische Praxis (Band und Seite)

aE

=

am Ende

AfNS

=

Amt fur Nationale Sicherheit (der ehemaligen DDR)

AG

=

Amtsgericht

AiB

= Arbeitsrecht im Betrieb (Jahr und Seite)

AK-GG

=

AllBergG

= Allgemeines Berggesetz für die preußischen Staaten

ALR

= Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten von 1794

Anm

=

Anmerkung

AOG

=

Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit

AP

= Arbeitsrechtliche Praxis

AR-Blattei

=

Arbeitsrechtsblattei, Handbuch für die Praxis

ArbG

=

Arbeitsgericht

ArbGG

=

Arbeitsgerichtsgesetz

ArbPlSchG

=

Gesetz über den Schutz des Arbeitsplatzes bei Einberufung zum Wehrdienst

ArbR

=

Arbeitsrecht

ArbRGeg

=

Arbeitsrecht der Gegenwart (Band und Seite)

ArbRHandb

=

Arbeitsrechts-Handbuch

Kommentar zum Grundgesetz, Reihe Alternativ-Kommentare

Abkürzungs Verzeichnis

17

ArbRS

= Arbeitsrechtssammlung, Entscheidungen des Reichsarbeitsgerichts und der Landesarbeitsgerichte

ArbuR

= Arbeit und Recht (Jahr und Seite)

ARST

= Arbeitsrecht in Stichworten

Art.

=

AtomG

= Atomgesetz

AuA

= Arbeit und Arbeitsrecht (Jahr und Seite)

Aufl.

= Auflage

Az

=

Aktenzeichen

BAG

=

Bundesarbeitsgericht

BAGE

= Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts

BAT

=

BundesangestelltentarifVertrag

Bayer. VGH

=

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

BB

=

Der Betriebsberater (Jahr und Seite)

BBiG

=

Berufsbildungsgesetz

Bd.

= Band

BDO

=

Bundesdisziplinarordnung

BDSG

=

Bundesdatenschutzgesetz

Beil.

= Beilage

Bek.

=

Bekanntmachung

BErzGG

=

Bundeserziehungsgeldgesetz

BetrVG

=

Betriebsverfassungsgesetz

BGB

=

Bürgerliches Gesetzbuch

BGBl.

=

Bundesgesetzblatt

BGH

=

Bundesgerichtshof

BGHSt

=

Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Strafsachen

2 Meyer

Artikel

18

Abkürzungsverzeichnis

BGHZ

= Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen

Bl.

=

Blatt

BPersVG

=

Bundespersonalvertretungsgesetz

BR-Drucks.

=

Drucksache des Deutschen Bundesrates

BRG

=

Betriebsrätegesetz

BT-Drucks.

=

Drucksache des Deutschen Bundestages

Buchholz

=

Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, herausgegeben von Buchholz

BVerfG

=

Bundesverfassungsgericht

BVerfGE

=

Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

BVerwG

=

Bundesverwaltungsgericht

BVerwGE

= Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts

CR

=

Computerrecht (Jahr und Seite)

CuR

=

Computer und Recht (Jahr und Seite)

DB

=

Der Betrieb (Jahr und Seite)

DDR

=

Deutsche Demokratische Republik

DDO

=

Dienst und Disziplinarordnung (Berlin)

Ders.

=

Derselbe

Dies.

=

Dieselben

Diss.

=

Dissertation

DKP

=

Deutsche Kommunistische Partei

Dok.Ber.

=

Dokumentarische Berichte aus dem Bundesverwaltungsgericht

DÖV

=

Die öffentliche Verwaltung (Jahr und Seite)

DRiZ

=

Deutsche Richterzeitschrift (Jahr und Seite)

Drucks.

=

Drucksache

DtZ

=

Deutsch-Deutsche Rechts-Zeitschrift (Jahr und Seite)

Abkürzungsverzeichnis

19

DVB1

=

Deutsches Verwaltungsblatt (Jahr und Seite)

EDV

=

Elektronische Datenverarbeitung

Einl.

=

Einleitung

EuGH

=

Europäischer Gerichtshof

EuGHE

=

Sammlung der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes

EV

=

Einigungsvertrag

EzA

=

Entscheidungssammlung zum Arbeitsrecht

f

= folgende

ff

=

fortfolgende

FDJ

=

Freie Deutsche Jugend (der ehemaligen DDR)

Fn

= Fußnote

FS

= Festschrift

GemMBl.

=

Gemeinsames Ministerialblatt

GewO

=

Gewerbeordnung

GG

= Grundgesetz

Grds

= Grundsätze

GS

=

Großer Senat

HAS

=

Handbuch des Arbeits- und Sozialrechts

HGB

=

Handelsgesetzbuch

Hrsg.

= Herausgeber

hrsg.

= herausgegeben

i.d.F.

=

in der Fassung

i.d.F. v.

=

in der Fassung vom

insb.

=

insbesondere

iVm

=

in Verbindung mit

JA

=

Juristische Arbeitsblätter (Jahr und Seite)

JuS

= Juristische Schulung (Jahr und Seite)

JZ

=



Juristenzeitung (Jahr und Seite)

Abkürzungserzeichnis

KBW

=

Kommunistischer Bund Westdeutschlands

KG

=

Kammergericht

KGB

=

Komitee fur Staatssicherheit (der ehemaligen UdSSR)

KJ

=

Kritische Justiz (Jahr und Seite)

KO

=

Konkursordnung

KPD

=

Kommunistische Partei Deutschlands

KR

=

Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz und sonstigen kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften

KSchG

=

Kündigungsschutzgesetz

LAG

=

Landesarbeitsgericht

LAGE

=

Sammlung der Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte

LG

=

Landgericht

LM

=

Das Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen, herausgegeben von Lindenmaier und Möhring

LS

=

Leitsatz

MDR

=

Monatsschrift fur Deutsches Recht (Jahr und Seite)

MfS

=

Ministerium für Staatssicherheit (der ehemaligen DDR)

MTB

=

Manteltarifvertrag fur Arbeiter des Bundes

-ArbR

=

Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht

MünchKomm

=

Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch

MuSchG

=

Gesetz zum Schutz der erwerbstätigen Mutter

mwN

= mit weiteren Nachweisen

n.F.

=

NJ

= Neue Justiz (Jahr und Seite)

NJW NJW-CoR

= Neue Juristische Wochenschrift (Jahr und Seite) = Computerreport der Neuen Juristischen Wochenschrift (Jahr und Seite)

MünchHandb

neuer Fassung

Abkürzungsverzeichnis

NJW-RR

=

Rechtsprechungsreport der Neuen Juristischen Wochenschrift (Jahr und Seite)

Nr.

= Nummer

nv

= nicht veröffentlicht

NVwZ

= Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (Jahr und Seite)

NZA

= Neue Zeitschrift ftlr Arbeits- und Sozialrecht (Jahr und Seite)

OLG

=

Oberlandesgericht

OVG

=

Oberverwaltungsgericht

PersR

=

Der Personalrat (Jahr und Seite)

PersV

=

Die Personalvertretung (Jahr und Seite)

PrGS

=

Gesetzblatt für die preußischen Staaten

PrOVG

=

Preußisches Oberverwaltungsgericht

PrOVGE

= Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Preußischen Oberwaltungsgerichts

RdA

=

Rdn

= Randnummer

RDV

=

Recht der Datenverarbeitung (Jahr und Seite)

RG

=

Reichsgericht

RGBl.

=

Reichsgesetzblatt

RGRK

=

Reichsgerichtsrätekommentar, Das Bürgerliche Gesetzbuch mit besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofes

RGSt

= Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen

RGZ

= Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen

RM

=

Reichsmark (des ehemaligen Deutschen Reichs)

Rspr.

=

Rechtsprechung

RTV

=

Rahmentarifvertrag für die im öffentlichen Dienst von Berlin stehenden Beschäftigten

Recht der Arbeit (Jahr und Seite)

Abkürzungserzeichnis

S.

=

Satz, Seite

SAE

=

Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen (Jahr und Seite)

SBZ

=

Sowjetische Besatzungszone, sowjetisch besetzte Zone

SchwbG

=

Gesetz zur Sicherung der Eingliederung Schwerbehinderter in Arbeit, Beruf und Gesellschaft

SDAJ

=

Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend

SED

=

Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (der ehemaligen DDR)

SeemG

=

Seemannsgesetz

SeemO

=

Seemannsordnung (des ehemaligen Deutschen Reichs)

SprAuG

=

Sprecherausschußgesetz

StGB

=

Strafgesetzbuch

SÜG

=

Gesetz über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen des Bundes

u.

= und

u.a.

=

und andere

UdSSR

=

Union der sozialistischen Sowjetrepubliken

UWG

=

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb

ν

= vor

VG

=

Verwaltungsgericht

VGH

=

Verwaltungsgerichtshof

vgl.

=

vergleiche

VO

=

Verordnung

Vorbem

=

Vorbemerkung

ZA-NTS

= Zusatzabkommen zum Natotruppenstatut

ZBR

= Zeitschrift für Beamtenrecht (Jahr und Seite)

ZfA

= Zeitschrift für Arbeitsrecht (Jahr und Seite)

ZG

= Zeitschrift für Gesetzgebung (Jahr und Seite)

Ziff.

= Ziffer

Abkürzungsverzeichnis

ZIP

= Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzrecht (Jahr und Seite)

zit.

=

zitiert

ZPO

=

Zivilprozeßordnung

ZTR

= Zeitschrift für Tarif-, Arbeits- und Sozialrecht des öffentlichen Dienstes (Jahr und Seite)

zust.

=

zustimmend

Einleitung Das Arbeitsrecht ist nach wie vor eines der bedeutenden Rechtsgebiete in der Gesellschaft. Dies ist nicht verwunderlich, ist doch ein Großteil der Bevölkerung als unselbstständiger Arbeitnehmer tätig. Das Arbeitsverhältnis ist nicht nur Grundlage der wirtschaftlichen Existenz, sondern stellt auch einen wesentlichen Bereich des sozialen Umfeldes dar. Und nicht zuletzt ist auch die unselbständige Arbeit ein Bereich der Selbstverwirklichung des Menschen. Aufgrund dieser zentralen Bedeutung des Arbeitsverhältnisses in der Gesellschaft, hat auch die Tätigkeit der Arbeitsgerichte stetig zugenommen.1 Aber auch in der Rechtswissenschaft nimmt das Arbeitsrecht seit langem einen festen Platz innerhalb der verschiedenen Teilgebiete des Privatrechts ein. Die wachsende Produktivität von Arbeitsgerichten und Arbeitsrechtswissenschaft ist aber auch auf die im Arbeitsleben wie in anderen gesellschaftlichen Bereichen anzutreffende zunehmende Verrechtlichung zurückzuführen. 2 So nimmt es nicht wunder, daß das Arbeitsrecht heute zu einem nur mehr schwer überschaubaren Rechtsgebiet geworden ist, insbesondere aufgrund der Vielzahl der Regelungen, die allen Versuchen der Vereinheitlichung zum Trotz 3 in einer Vielzahl verschiedener Gesetze zu finden sind. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Kündigungsrecht, einem der vielen Teilbereiche des Arbeitsrechts. Gerade das Kündigungsrecht ist im Arbeitsleben von entscheidender Bedeutung. Hier treten die unterschiedlichen Interessen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber besonders deutlich zu Tage. Der Verlust des Arbeitsplatzes trifft den Arbeitnehmer nicht nur in seiner wirtschaftlichen Existenz, auch sein soziales Umfeld und oft auch ein Teil seiner persönlichen Existenz sind betroffen. Für den Arbeitgeber ist dagegen die Kündigungsmöglichkeit von Arbeitsverhältnissen ein zentraler Bereich seiner betriebswirtschaftlichen Betätigung. Die entscheidende Bedeutung des Kündi-

1

Vgl. dazu: Arbeits- und Sozialstatistik, Hauptergebnisse 1993, S. 221; Hauptergebnisse 1994, S. 229. 2 Neben anderen neuen Gesetzen im Arbeitsrecht zum Beispiel das Beschäftigtenschutzgesetz vom 24.06.1994 (BGBl. I S. 1406) und das Nachweisgesetz vom 20.07.1995 (BGBl. IS. 946). 3 Vgl. nur: Entwurf eines Arbeitsvertragsgesetzes des Arbeitskreises Deutsche Rechtseinheit im Arbeitsrecht, vorgelegt auf dem 59. Deutschen Juristentag 1992 in Hannover; in: Verhandlungen des 59. Deutschen Juristentages, Bd. I Teil D, S. 19 ff.

26

Einleitung

gungsrechts spiegelt sich wider in der Bedeutung, die es in Rechtsprechung und Arbeitsrechtswissenschaft hat. 4 Aufgrund der Fülle von Urteilen und wissenschaftlichen Beiträgen zum Kündigungsrecht beschränkt sich die vorliegende Arbeit im wesentlichen auf die Darstellung des allgemeinen Kündigungsschutzes anhand einer besonderen Fallgruppe: Der Kündigung wegen Sicherheitsbedenken. Da aber das Besondere nur im Rahmen des Allgemeinen verständlich wird, werden zugleich die dogmatischen Grundlagen und die Systematik des allgemeinen Kündigungsschutzes behandelt. Insoweit ist die Arbeit zugleich ein Beitrag zur Systematik der Kündigungsgründe. Ein weiterer Umstand macht die Darstellung der dogmatischen Grundlagen und der Systematik der Kündigungsgründe erforderlich. Die Rechtsprechung und auch viele Darstellungen in der Arbeitsrechtswissenschaft bestehen aus einer Vielzahl unüberschaubarer Einzelfälle; die Kasuistik ist gerade im Kündigungsrecht außerordentlich stark ausgeprägt.5 Einzelfallgerechtigkeit ist im Kündigungsrecht wegen der Bedeutung des Arbeitsplatzes für den einzelnen Arbeitnehmer wichtig, sie kann aber nur auf einer sicheren systematischen Grundlage erfolgen. Ohne die Einordnung des Einzelfalles und auch der unterschiedlichen Fallgruppen in die Systematik des Kündigungsrechts und seiner dogmatischen Grundlagen fehlt es an der Nachvollziehbarkeit und Überprüfbarkeit einer Entscheidung. Auch deshalb kommt die Darstellung der Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen Sicherheitsbedenken nicht um eine ausführliche Darstellung der Systematik umhin. Dies um so mehr, als die dogmatischen Grundlagen und die einzelnen Voraussetzungen im Kündigungsrecht äußerst umstritten sind; nur sehr wenige Aussagen zum Kündigungsrecht sind unumstritten. Aufgrund der Weite des Kündigungsrechts und der Vielzahl der vertretenen Ansichten auch hinsichtlich der Grundlagen kann der Anspruch der Vollständigkeit nicht immer durchgehalten werden; in diesen Fällen wird auf weiterführende Literatur verwiesen. Im ersten Teil sollen die Grundlagen für die Thematik dargestellt werden. Zunächst wird der Begriff Sicherheitsbedenken definiert und seine Bedeutung im Arbeitsleben geschildert, sodann werden die Grundlagen des Kündigungsrechts und der methodische Ansatz der Arbeit aufgezeigt. Im zweiten Teil sollen die Rechtsprechung zur Kündigung wegen Sicherheitsbedenken und die Ansichten in der Arbeitsrechtswissenschaft dargestellt werden; ein Exkurs in das Beamtenrecht zeigt die ähnliche Problemlage dort. Der dritte Teil der Ar-

4

Vgl. zur Entwicklung der Kündigungsschutzklagen: Arbeits- und Sozialstatistik, Hauptergebnisse 1993, S. 221; Hauptergebnisse 1994, S. 229. 5 Vgl. nur: Bitter/Kiel, S. 28 u. 32; Preis, Prinzipien, S. 2 ff.

Einleitung

beit befaßt sich mit der Systematik der Kündigungsgründe und der verschiedenen Fallgruppen, die sich in Rechtsprechung und Wissenschaft herausgebildet haben. Auf dieser Grundlage erfolgt die dogmatische Einordnung der Kündigung wegen Sicherheitsbedenken, auch im Vergleich mit anderen Kündigungen. Im vierten Teil erfolgt eine Auseinandersetzung mit allgemeinen Rechtsprinzipien des Kündigungsrechts, wobei insbesondere dem Prognoseprinzip ein breiter Raum gewidmet wird. Der fünfte Teil schließlich stellt, aufbauend auf den gewonnenen Erkenntnissen, die Wirksamkeitsvoraussetzungen für die Kündigung wegen Sicherheitsbedenken dar. Die Ergebnisse der Untersuchung werden am Ende zusammengefaßt. Zuletzt sei noch angemerkt, daß die vorliegende Arbeit kein geschlossenes System des allgemeinen Kündigungsschutzes vorlegen kann. Die Arbeit beschränkt sich im wesentlichen auf die Kündigung wegen Sicherheitsbedenken. Hinsichtlich der allgemeinen dogmatischen Grundlagen und der Rechtsprinzipien ist sie lediglich als ein Beitrag im Rahmen der aktuellen Diskussionen um die Systematik der Kündigungsgründe und der Bedeutung der allgemeinen Prinzipien im Kündigungsrecht zu verstehen.

1. Teil

Grundlagen Α. Sicherheitsbedenken An dieser Stelle wird zunächst dargestellt, was unter dem Begriff Sicherheitsbedenken im Sinne der vorliegenden Arbeit verstanden werden soll.

I. Zum Begriff Sicherheitsbedenken Der Begriff Sicherheitsbedenken wird in Rechtsprechung und Arbeitsrechtswissenschaft schlagwortartig verwandt, ohne daß er im einzelnen definiert wird. 1 Die Rechtsprechung spricht von Sicherheitsbedenken, wenn die Besorgnis besteht, der Arbeitnehmer werde gegen die berechtigten Sicherheitsinteressen des Arbeitgebers verstoßen, ohne daß bereits ein Verstoß vorliegen muß. 2 Die Verwendung des Begriffs in diesem Sinne wird von der Arbeitsrechtswissenschaft allgemein übernommen; auf eine genauere Definition von "berechtigten Sicherheitsinteressen" wird hier wie da größtenteils verzichtet. 3 Bleistein konkretisiert den Begriff Sicherheitsbedenken durch "Sabotageverdacht, Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, Gefahr des Geheimnisverrates". 4 Hillebrecht spricht von Spionage- und Sabotage verdacht. 5 Nicht gemeint ist also der allgemeine Bereich des Arbeitsschutzrechts, also insbesondere der Schutz vor Arbeitsunfällen und Gesundheitsgefahren. 6 Für eine nähere Definition der Sicherheitsinteressen läßt sich das Sicherheitsüberprüfungsgesetz heranziehen, das die bislang geltenden Verwaltungsrichtli-

1

Vgl.: BAGE 10, 47; 14, 103; 23, 371 (375); 62, 256 (LS 3 u. 269 ff); 63, 72; AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Sicherheitsbedenken; Däubler, ArbR 2, S. 549; Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG, Rdn 200; Schaub, ArbRHandb, S. 1054. 2 BAGE 14, 103 (108). 3 Vgl.: Däubler, ArbR 2, S. 549, der von "sicherheitsempfindlichen Bereichen" spricht. 4 Bleistein, Rdn 201. 5 KR-Hillebrecht, § 626 BGB Rdn 92. 6 Dazu: Däubler, ArbR 2, S. 152 ff u. 213 ff; Schaub, ArbRHandb, S. 1174 ff; Zöllner/Loritz, S. 305; ausführlich: MünchHandb-ArbR-Wlotzke, §§ 199-208.

Α. Sicherheitsbedenken

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nien abgelöst hat. 7 Nach § 1 Abs. 1 SÜG haben sich Personen, die mit sicherheitsempfindlichen Tätigkeiten betraut sind, einer Sicherheitsüberprüfung zu unterziehen, wobei diejenigen eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit ausüben, die Zugang zu Verschlußsachen haben oder in einer Behörde beschäftigt sind, die vom Bundesministerium des Innern zum Sicherheitsbereich erklärt worden ist, § 1 Abs. 2 SÜG. Das SÜG will demnach in erster Linie die Kenntnisnahme und den Gebrauch von Verschlußsachen durch Unbefugte verhindern. Daneben können aber durch die Erklärung zum Sicherheitsbereich auch andere Sicherheitsinteressen einbezogen werden. Geht es im öffentlichen Dienst demnach um den Schutz von Verschlußsachen, das heißt nach § 4 SÜG um im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftige Tatsachen, Gegenstände oder Erkenntnisse, müssen in den Betrieben der Privatwirtschaft Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse vor Ausspähung geschützt werden. 8 Neben der vorsätzlichen Preisgabe ist auch der Schutz vor einer fahrlässigen Preisgabe von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen erforderlich. 9 Dieser Bereich der Sicherheitsinteressen des Arbeitgebers läßt sich als Spionageabwehr bezeichnen. Die Spionageabwehr kann nach dem Arbeitgeber in zwei verschiedene Bereiche unterteilt werden, erstens die - klassische - Spionage im staatlichen Bereich, das heißt in der politischen Führung, in der Verwaltung, in den Streitkräften etc., 10 und zweitens die Spionage im Wirtschaftsleben, das heißt in einzelnen privatwirtschaftlichen Betrieben. 11 Diese Wirtschaftsspionage oder auch Betriebsspionage 12 läßt sich wiederum unterscheiden nach den Auftraggebern. Während die Spionage im staatlichen Bereich im wesentlichen von den Nachrichtendiensten fremder Staaten ausgeht, kommt im Wirtschaftsleben sowohl die nachrichtendienstlich gesteuerte Wirtschaftsspionage, die ebenfalls von fremden Nachrichtendiensten ausgeht,13 als auch

7 Gesetz über die Voraussetzungen und das Verfahren von Sicherheitsüberprüfungen des Bundes (Sicherheitsüberprüfungsgesetz - SÜG) vom 20.04.1994 (BGBl. I S. 867); vgl. dazu ausführlich: Seite 38 f der Arbeit. 8 Liebl, S. 21 ff; Liesenborghs, S. 18; von zur Mühlen, S. 39; zum Begriff: Gaul, S. 4 ff; Reinfeld, S. 4 ff; zur Entbehrlichkeit der Abgrenzung: BAG BB 1982, 1792; DB 1988, 1020; Reinfeld, aaO. 9 Liesenborghs, S. 17. 10 Verfassungsschutzbericht 1993, S. 175 ff u. 180 f. 11 Ebenda. 12 Zum Begriff: Liebl, S. 24. 13 Dannecker, S. 1617; Liebl-Woll, S. 49 ff; Verfassungsschutzbericht 1993, S. 175 f, 180 fu. 196 f.

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1. Teil: Grundlagen

die Wettbewerbsspionage, die von Konkurrenzunternehmen ausgeht,14 in Betracht. Angriffsobjekte können dabei alle Bereiche des Unternehmens sein. 15 Ein weiterer Bereich der Sicherheitsinteressen sowohl des öffentlichen als auch des privaten Arbeitgebers ist der Schutz vor vorsätzlicher Sachbeschädigung, also vor Sabotage.16 Der Begriff Sabotage kommt aus der französischen Sprache und steht für "absichtliche (planmäßige) Beeinträchtigung eines wirtschaftlichen Produktionsablaufs, militärischer Operationen u.a. durch (passiven) Widerstand oder durch (Zer)störung der zur Erreichung eines gesetzten Zieles notwendigen Einrichtungen". 17 Sabotagehandlungen können durch fremde Nachrichtendienste, von Konkurrenzunternehmen aber auch durch terroristische Gruppen ausgeführt werden. Schließlich sind Sabotagehandlungen auch durch Einzeltäter möglich. Der dritte Bereich der Sicherheitsinteressen des Arbeitgebers ist schließlich der Schutz von Leib und Leben von Personen, insbesondere der Repräsentanten des Staates und der Unternehmen. Hier droht Gefahr insbesondere durch terroristische Gruppen aber auch durch Einzeltäter. Die Sicherheitsinteressen der öffentlichen und der privaten Arbeitgeber lassen sich zusammenfassend bezeichnen als Spionageschutz, Sabotageschutz und Personenschutz. Neben den Sicherheitsinteressen des Arbeitgebers wird der Begriff Sicherheitsbedenken durch die Umstände charakterisiert, auf denen die Bedenken des Arbeitgebers gegenüber einem Arbeitnehmer beruhen, er werde die Sicherheitsinteressen verletzen. Das ist die Frage nach der Motivation des Arbeitnehmers für Handlungen, die die Sicherheitsinteressen beeinträchtigen. Wie bei allen menschlichen Handlungen kann die Motivation dazu aus einer Vielzahl nicht absehbarer Situationen herrühren. Es können jedoch zwei grundsätzliche Motivationslagen unterschieden werden. Zunächst einmal kann der Arbeitnehmer aus eigenem Interesse handeln, zum Beispiel weil er an einem Konkurrenzunternehmen beteiligt ist oder aus politischer Überzeugung; darüber hinaus ist aber auch eine Fremdbestimmung möglich, zum Beispiel durch finanzielle Anreize oder aufgrund von Erpressung. 18 Möglich ist auch, daß der Arbeitnehmer vom Auftraggeber zielgerichtet in die Behörde oder den Betrieb eingeschleust

14

Dannecker, aaO; Liebl-Feuerlein, S. 185 ff. Liebl, S. 24 ff; zur EDV-Spionage: Frey, S. 39 ff. 16 Buchner, NZA 1991, 577 (580 f): Liesenborghs, S. 17; von zur Mühlen, S. 39 f; zur EDV-Sabotage: Frey, S. 38. 17 Duden, Bd. 5, Das Fremdwörterbuch, Sabotage. 18 Verfassungsschutzbericht 1993, S. 179 f; Liebl-Feuerlein, S. 202; Liebl-Woll, S. 89 ff. 15

Α. Sicherheitsbedenken

31

wurde. 19 Schließlich kann der Arbeitnehmer auch gutgläubig sein und die Geheimnisse fahrlässig preisgeben. 20 Auf die verschiedenen Möglichkeiten der Sicherheitsbedenken in diesem Sinne wird im folgenden noch näher einzugehen sein. Um den Begriff Sicherheitsbedenken grundsätzlich zu konkretisieren, sollen diese Ausführungen zunächst jedoch genügen. Sicherheitsbedenken sind demnach gegeben, wenn gegenüber einem Arbeitnehmer die Besorgnis besteht, er werde den berechtigten Interessen des Arbeitgebers hinsichtlich Spionageschutz, Sabotageschutz und Personenschutz nicht genügen.

I I . Rechtstatsächliche Grundlagen 1. Kündigungspraxis

in der Bundesrepublik Deutschland

Im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung hat das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht eine empirische Untersuchung über die Kündigungspraxis und den Kündigungsschutz in der Bundesrepublik Deutschland durchgeführt 21 Untersucht wurden neben Kündigungshäufigkeit, Beteiligung des Betriebsrates, gerichtliche Abwicklung der Kündigungsstreitigkeiten und anderen Bereichen auch die Kündigungsgründe. 2 2 Die Untersuchung beruht nicht auf repräsentativen Erhebungen, so daß im Hinblick auf eine Generalisierung Vorsicht geboten ist; durch die umfangreichen Erläuterungen der Verfasser wird dieses Defizit jedoch ausgeglichen.23 Deshalb kann diese Untersuchung zumindest Anhaltspunkte für die Kündigungspraxis bieten. Die befragten Unternehmen gaben an, daß in den Jahren 1974 bis 1978 zwischen 53,3% und 70,0% (durchschnittlich 65%) der Kündigungen personenoder verhaltensbedingt im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes24 waren. 25 Bei den Begründungen für die personen- oder verhaltensbedingten Kündigungen, deren absolute Zahl in den befragten Unternehmen 662 betrug, wurden Sicherheitsbedenken nicht genannt. Hinsichtlich der angegebenen Begründungen ist

19

Verfassungsschutzbericht 1993, S. 191 ff. Verfassungsschutzbericht 1993, S. 188 ff; Liesenborghs, S. 17. 21 Falke/Höland u.a., Kündigungspraxis und Kündigungsschutz in der Bundesrepublik Deutschland, Bonn 1981; vgl. auch: Moritz, ArbuR 1983, 10 ff; RdA 1981, 300 ff. 22 Falke/Höland u.a., S. 63 ff u. 99 ff. 23 Falke/Höland u.a., S. 24 ff; Moritz, S. 10 ff. 24 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) i.d.F. der Bek. vom 25. 08.1969 (BGBl. I S. 1317) zuletzt geändert durch Gesetz vom 20.07.1995 (BGBl. I S. 946). 25 Falke/Höland u.a., S. 64. 20

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1. Teil: Grundlagen

jedoch auch die Arbeitnehmerbefragung von Interesse. Dabei haben 57% der Arbeitnehmer angegeben, daß nach ihrem Eindruck auch andere als die angegebenen Gründe fur die Kündigung eine Rolle gespielt haben, wobei sogar 38% der Ansicht waren, diese nicht ausgesprochenen Gründe seinen ausschlaggebend gewesen.26 Aufgrund dieses Ergebnisses und der fehlenden Nennung von Sicherheitsbedenken als Kündigungsgrund lassen sich aus dieser empirischen Untersuchung keine Rückschlüsse auf die Häufigkeit und die Bedeutung von Sicherheitsbedenken als Kündigungsgrund ziehen. Auch andere empirische Untersuchungen geben zu diesem Themenkreis keine weiteren Anhaltspunkte. 27 2. Bedrohung der Sicherheitsinteressen Die tatsächlich bestehenden Bedrohungen von Sicherheitsinteressen der öffentlichen und privaten Arbeitgeber sind ebenso wie die Frage nach der Bedeutung von Sicherheitsinteressen fur die Kündigungspraxis nicht exakt zu beschreiben. Über das Ausmaß der nachrichtendienstlich gesteuerten Spionage geben die Verfassungsschutzberichte Auskunft; 28 dies gilt sowohl für die Spionage im staatlichen Bereich als auch für die Wirtschaftsspionage. 29 Auch nach der Änderung der politischen Systeme in den Staaten des ehemaligen Warschauer Paktes sind die neugegründeten Nachrichtendienste Rußlands und der übrigen Staaten in der Bundesrepublik Deutschland nachrichtendienstlich tätig. 3 0 Aber auch die Nachrichtendienste der Staaten des nahen und mittleren Ostens sind in der Bundesrepublik aktiv. 3 1 Für den Bereich der Wettbewerbsspionage fehlen Untersuchungen über das Ausmaß der Spionagetätigkeit.32 Es gibt Schätzungen, die den jährlich durch Konkurrenzspionage entstehenden Schaden auf über fünf Milliarden D M beziffern, wobei die Gefährdung von Arbeitsplätzen und die sozialen Folgekosten sowie die Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit 26 27

Falke/Höland u.a., S. 123. Vgl. dazu nur: Ellermann-Witt/Rottleuthner/Russig, S. 17 ff; Hermannhausen, S.

187 ff. 28

Verfassungsschutzbericht 1993, S. 172 ff. Verfassungsschutzbericht 1993, S. 175 ff, 180 fu. 195 ff; vgl. auch: Liebl-Woll, S. 49 ff. 30 Verfassungsschutzbericht 1993, S. 173 u. 194; Verfassungsschutzbericht Berlin 1993, S. 168 ff. 31 Verfassungsschutzbericht 1993, S. 195 ff; daneben sind auch, was die Verfassungsschutzberichte nicht erwähnen, die sogenannten befreundeten Nachrichtendienste hinsichtlich der klassischen Spionage und insbesondere im Bereich der Wirtschaftsspionage in der Bundesrepublik tätig. 32 Feuerlein, S. 185 f; zur Computerkriminalität - Ausspähen von Daten - vgl.: Paul, S. 43. 29

Α. Sicherheitsbedenken

33

nicht berücksichtigt sind. 33 Durch den zunehmenden Einsatz von EDV und Telekommunikation ist die Computer- und Datenspionage zu einem Schwerpunkt sowohl der Konkurrenzspionage als auch der nachrichtendienstlich gesteuerten Spionage geworden. 34 Eine besondere Bedrohungssituation fur den staatlichen und den privatwirtschaftlichen Bereich stellt die sogenannte organisierte Kriminalität dar, die auch in legalen Wirtschaftsbereichen tätig ist und von der sowohl Spionagetätigkeit als auch Sabotagehandlungen ausgehen können. Die Sabotagetätigkeit fremder Nachrichtendienste ist angesichts der fünfzigjährigen Friedensperiode in Europa zur Zeit von nur untergeordneter Bedeutung; erst im Spannungsfall wird dieser Problemkreis aktuell. 35 Deshalb beschränken sich die Erkenntnisse im wesentlichen auf enttarnte Agenten, die Sabotageaufträge im Spannungsfall ausführen sollten. Darüber hinaus besteht aber die Gefahr, daß die Bundesrepublik in Konflikte anderer Staaten hineingezogen wird. Man denke an den Golfkrieg und die Drohung des Irak mit Terroranschlägen in Europa, oder an den Krieg in Kroatien und Bosnien-Herzegowina, wo von serbischer Seite der Bundesrepublik eine Unterstützung der Kroaten und Bosnier vorgeworfen wird. Über die Bedrohung durch Sabotagetätigkeit links- und rechtsradikaler terroristischer Vereinigungen geben die Verfassungsschutzberichte detaillierte Auskunft. 36 Die Bedrohung von Leib und Leben der führenden Repräsentanten des Staates und auch exponierter Wirtschaftsunternehmen durch terroristische Gruppen ist ebenfalls in den Verfassungsschutzberichten aufgezeichnet. 37 Diese Bedrohung wird aus den Anschlägen auf den Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Dr. Herrhausen, 38 den Staatssekretär Dr. Neusei 39 und den Präsidenten der Treuhandanstalt, Dr. Rohwedder, deutlich. 40 Auch wenn die Rote Armee Fraktion, als wohl militanteste linksterroristische Vereinigung, die Einstellung des bewaffneten Kampfes angekündigt hat, 41 besteht sie weiterhin. Aus den Verfassungsschutzberichten ergibt sich, daß die Bedrohung durch die Rote Armee Fraktion und andere linksterroristische Gruppen weiterhin gegeben ist 4 2 und ebenso die Bedrohung 33

Liebl, S. 21 f; vgl. auch: Taeger, S. 98. Dannecker, S. 1619 ff; Frey, S. 39 ff; Paul, S. 43; Tinnefeld/Ehmann, S. 259 ff. 35 Vgl.: Dreher/Tröndle, § 87 StGB Rdn 1. 36 Verfassungsschutzbericht 1993, S. 22 ff ; Verfassungsschutzbericht Berlin 1993, S. 61 ff, 89 u. 95 ff. 37 Ebenda. 38 Verfassungsschutzbericht 1989, S. 78 ff. 39 Verfassungsschutzbericht 1990, S. 61 ff. 40 Verfassungsschutzbericht 1991, S. 25 ff. 41 Verfassungsschutzbericht 1992, S. 25 ff. 42 Verfassungsschutzbericht 1993, S. 25 ff u. 39 ff. 34

3 Meyer

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1. Teil: Grundlagen

durch rechtsterroristische Gruppen auf hohem Niveau bleibt. 43 Hinzu kommt die Bedrohung durch ausländische Gruppen, die auch auf dem Hoheitsgebiet der Bundesrepublik tätig sind, zum Beispiel der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK). Über die Bedrohung für die Sicherheit von Personen oder durch Sabotagehandlungen durch Einzeltäter können keine Angaben gemacht werden, da insoweit keine Erhebungen vorliegen. 44 Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß die nachrichtendienstlich gesteuerte Spionagetätigkeit für öffentliche und private Arbeitgeber eine ernstzunehmende Bedrohung darstellt; hinzu kommt im Wirtschaftsbereich die Bedrohung durch Konkurrenzspionage. Im Bereich Sabotageschutz und Personenschutz geht weiterhin eine erhebliche Bedrohung von terroristischen Vereinigungen aber auch von Konfliktparteien anderer Staaten aus. Daneben bedrohen Einzeltäter und in immer verstärkteren Maße auch die sogenannte organisierte Kriminalität 45 den Staat und private Wirtschaftsunternehmen.

I I I . Der Schutz der Sicherheitsinteressen Spionageschutz, Sabotageschutz und Personenschutz können durch repressive und durch präventive Maßnahmen erfolgen. /. Der repressive Schutz Im Vordergrund steht hier der strafrechtliche Schutz. Im öffentlichen Bereich werden Staatsgeheimnisse durch die §§ 93 - 99 Strafgesetzbuch, 46 unter der Überschrift Landesverrat und Gefährdung der äußeren Sicherheit, geschützt. Für die Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse der privaten Arbeitgeber gelten die §§ 201 - 205 StGB, Verletzung des persönlichen Lebens- und Geheimbereichs; insbesondere ist nach § 202a StGB das unbefugte Verschaffen von elektronisch, magnetisch oder sonst nicht unmittelbar wahrnehmbar gespeicherten Daten, die gegen unberechtigten Zugang besonders gesichert und nicht für den Täter bestimmt sind, strafbar. Die Tatbestände des StGB schützen jedoch die nicht elektronisch gespeicherte Geheimnisse nach §§ 203 und 204 StGB nur gegenüber bestimmten Personengruppen. Wesentlich erweitert wird der Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen durch das Gesetz gegen den unlauteren

43

Verfassungsschutzbericht 1993, S. 74 ff u. 79 ff; Verfassungsschutzbericht Berlin 1993, S. 65 f. 44 Vgl. zu Datenveränderung und Computersabotage: Frey, S. 38 f; Paul, S. 44. 45 Vgl.: BT-Drucks 12/4891, S. 15. 46 Strafgesetzbuch (StGB) vom 15.05.1871 (RGBl. S. 127) i.d.F. der Bek. vom 10.03.1987 (BGBl. I S. 945, S. 1160) zuletzt geändert durch Gesetz vom 12.09.1990 (BGBl. I S. 2002).

Α. Sicherheitsbedenken

35

Wettbewerb. 47 Nach § 17 UWG ist der Geheimnisverrat durch einen Beschäftigten während der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses strafbar, ebenso das unbefugte Ausspähen eines Geheimnisses und die unbefugte Geheimnisverwertung. 4 8 Der strafrechtliche Sabotageschutz wird durch den sechsundzwanzigsten Abschnitt, Sachbeschädigung, des StGB gewährleistet, insbesondere die §§ 303 a und 303b StGB, Datenveränderung und Computersabotage, und § 305a StGB, Zerstörung wichtiger Arbeitsmittel; hinzu kommen aus dem siebenundzwanzigsten Abschnitt Brandstiftung, Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion, Störung öffentlicher Betriebe und ähnliches. Daneben stellt § 87 StBG die Agententätigkeit zu Sabotagezwecken und § 88 StGB die verfassungsfeindliche Sabotage unter Strafe. Der strafrechtliche Personenschutz wird durch den sechzehnten Abschnitt, Straftaten gegen das Leben, den siebzehnten Abschnitt, Körperverletzung, und den achtzehnten Abschnitt, Straftaten gegen die persönliche Freiheit, des StGB gewährleistet. Als besonderer Tatbestand ist noch die Bildung terroristischer Vereinigungen nach § 129a StGB zu nennen. Der zivilrechtliche Schutz gegenüber der Beeinträchtigung von Sicherheitsinteressen besteht in erster Linie aus Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen. Wegen Sabotagehandlungen und Verletzungen von Personen können Unterlassungsansprüche nach § 1004 Bürgerliches Gesetzbuch49 und Schadensersatzansprüche nach §§ 823 ff BGB bestehen. Bei der Verwertung von unredlich erlangten Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen zu Wettbewerbszwecken können Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche nach dem UWG bestehen; außerhalb des Wettbewerbs richtet sich der zivilrechtliche Schutz ebenfalls nach den §§ 823 ff B G B . 5 0 Im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses kommen Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung wegen Verstoßes gegen die Verschwiegenheitspflicht hinzu. 51 Liegt ein Verstoß gegen die Sicherheitsinteressen durch den Arbeitnehmer bereits vor, kommt als repressive Maßnahme regelmäßig eine ordentliche Kündigung in Betracht, denn in diesem Fall liegen die Voraussetzungen für eine verhaltensbedingte Kündigung im Sinne des § 1 Abs. 47

Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) vom 07.06.1909 (RGBl. S. 499 - BGBl. III 43-1) zuletzt geändert durch Gesetz vom 17.12.1990 (BGBl. I S. 2840); zur historischen Entwicklung: Schwarz, S. 2 ff u. 46 ff mit einer - nationalistisch geprägten Darstellung von Verratsfällen nach dem ersten Weltkrieg; vgl. auch: Möhring, S. 415 ff. 48 Baumbach-Hefermehl, Vor §§ 17-20a UWG Rdn 2 u. 3; Dannecker, S. 1615 f; Gaul, S. 20; Taeger, S. 99 f. 49 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vom 18.08.1896 (RGBl. S. 195) zuletzt geändert durch Gesetz vom 21.08.1995 (BGBl. I S. 1050). 50 Baumbach-Hefermehl, Vor §§ 17-20a UWG Rdn 4 u. 5; Gaul, S. 22; Taeger, S. 100. 51 Reinfeld, S. 3 f u. 9. 3*

36

1. Teil: Grundlagen

2 KSchG vor, 5 2 oder auch eine außerordentliche Kündigung, denn ein Verstoß gegen die Sicherheitsinteressen durch den Arbeitnehmer kann auch einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 BGB darstellen. 53 2. Präventive Maßnahmen Für den Arbeitgeber ist es von größerer Bedeutung, Verstöße gegen seine Sicherheitsinteressen zu verhindern, als erst dann einzugreifen, "wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist", also bereits ein Schaden entstanden ist, denn die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen ist sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach unbestimmt. Zudem kann auch die Vollstreckung rechtskräftiger Ansprüche, zumal wenn es sich um hohe Schadenssummen handelt, problematisch sein. 54 In Betracht kommen hier zunächst vorbeugende Unterlassungsansprüche nach dem UWG oder nach §§ 1004, 823 ff B G B . 5 5 Diese können aber ebenfalls oft nicht durchgesetzt werden; zudem besteht die Gefahr, daß der zur Unterlassung Verpflichtete sich über das Verbot hinwegsetzt. Deshalb sind präventive Maßnahmen personeller, 56 organisatorischer 57 und technischer 58 Art von entscheidender Bedeutung. Personelle Maßnahmen sind bereits bei der Einstellung von Bedeutung, insbesondere ist bereits hier sicherzustellen, daß nur solche Arbeitnehmer eingestellt werden, bei denen keine Sicherheitsbedenken vorliegen. 59 Ergeben sich bei einem bereits eingestellten Arbeitnehmer im nachhinein Sicherheitsbedenken, so kommt zunächst ein Personalgespräch mit dem Ziel in Betracht, die Umstände, auf denen die Sicherheitsbedenken beruhen, zu ändern und die Sicherheitsbedenken zu zerstreuen.

52

LAG Schleswig-Holstein DB 1990, 635; Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 19 Rdn 119; Kittner/Trittin, § 1 KSchG Rdn 230; KRBecker, § 1 KSchG Rdn 281; MünchKomm-Schwerdtner, Vor § 620 Rdn 457; Stahlhacke/Preis, Rdn 718. 53 BAG AP Nr. 1 zu § 611 BGB Schweigepflicht; LAG Bremen AP Nr. 10 zu § 626 BGB; LAG Hamm ZIP 1981, 1259; LAG Düsseldorf ZIP 1982, 217; Erman-Hanau, § 626 Rdn 62; Kittner/Trittin, § 626 BGB Rdn 235; Stahlhacke/Preis, Rdn 571; Staudinger-Preis, § 626 BGB Rdn 205. 54 Baumbach-Hefermehl, Vor §§ 17-20a UWG Rdn 2. 55 Palandt-Bassenge, § 1004 BGB Rdn 2 u. 27 ff. 56 Liebl-Feuerlein, S. 224 ff. 57 Liebl-Feuerlein, S. 227 ff. 58 Liebl-Feuerlein, S. 230 ff; vgl dazu auch die Anlage zu § 9 BDSG, Technische und organisatorische Maßnahmen (Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) vom 20.12.1990) und dazu: Dörr/Schmidt, § 9 BDSG Rdn 1 ff; Tinnefeld/Ehmann, S. 253 ff. 59 Buchner, NZA 1991, 577 (580 ff); Liebl-Feuerlein, S. 224.

Α. Sicherheitsbedenken

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Ist dies nicht möglich, muß der betreffende Arbeitnehmer aus dem sicherheitsrelevanten Bereich herausgenommen werden. In erster Linie ist dabei an eine interne Versetzung zu denken. 60 Ist im Betrieb ein gleichwertiger Arbeitsplatz vorhanden, der durch den Arbeitnehmer besetzt werden kann, ohne daß dem Sicherheitsbedenken entgegenstehen, kann diese Änderung des Arbeitsbereiches aufgrund einer Weisung des Arbeitgebers im Rahmen seines Direktionsrechts erreicht werden. 61 Ist eine Änderung des Tätigkeitsbereiches durch eine Weisung nicht möglich, da kein gleichwertiger Arbeitsplatz zur Verfugung steht, ist aber die Versetzung an einen anderen Arbeitsplatz möglich, kann eine Änderungskündigung ausgesprochen werden. 62 Ist überhaupt kein Arbeitsplatz für den betreffenden Arbeitnehmer im Betrieb vorhanden, kommt schließlich die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch eine Kündigung des Arbeitgebers aufgrund der Sicherheitsbedenken in Betracht. 3. Besondere gesetzliche Regelungen Im Zusammenhang mit der Kündigung wegen Sicherheitsbedenken sind besondere gesetzliche Bestimmungen zu untersuchen, die sich auch mit bestimmten Sicherheitsinteressen befassen. a) Die Zuverlässigkeit im AtomG Die §§ 3 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1, 4 Abs. 2 Nr. 1, 6 Abs. 2 Nr. 1, 7 Abs. 2 Nr. 1,9 Abs. 2 Nr. 1 und 9b Abs. 4 S. 1 Atomgesetz 63 verlangen als Voraussetzung für eine atomrechtliche Genehmigung die Zuverlässigkeit des Antragstellers und anderer Personen. 64 Die Besonderheit im AtomG besteht darin, daß neben dem jeweiligen verantwortlichen Betreiber 65 und bestimmten anderen Personen, wie dem Leiter der Anlage und seinen Vertretern, 66 nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 AtomG auch das sonstige Personal zuverlässig im Sinne des AtomG sein 60

Liebl-Feuerlein, S. 225. Dazu: Däubler, ArbR 2, S. 132 ff; Dütz, ArbR, Rdn 54. 62 Dazu: BAG AP Nr. 8 zu § 2 KSchG 1969; Däubler, ArbR 2, S. 556 ff; Dütz, ArbR, Rdn 330; Stahlhacke/Preis, Rdn 769 ff; Wenzel, Rdn 302 u. 250 ff; ausführlich: Hromadka, NZA 1996, S. 1 ff; Zirnbauer, NZA 1995, S. 1073 ff. 63 Gesetz über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz - AtomG) vom 31.10.1976 (BGBl. I, S. 3053), i.d.F. Bek. vom 15.07.1985 (BGBl. I S. 1565), zuletzt geändert durch Verbrauchersteuer-Binnenmarktgesetz vom 21.12.1992 (BGBl. I S. 2150). 64 Vgl.: Verheggen, S. 24 ff; eine ähnliche Regelung besteht auch für Flugplatz- und Luftfahrtunternehmen, § 29d Luftverkehrsgesetz (LuftVG) i.d.F. des Aufgabenübertragungsgesetzes vom 23.01.1992 (BGBl. I S. 178). 65 Verheggen, S. 36 ff. 66 Verheggen, S. 43 ff. 61

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1. Teil: Grundlagen

muß, § § 4 Abs. 2 Nr. 2, 7 Abs. 2 Nr. 2 und 9 Abs. 2 Nr. 2 AtomG. 6 7 Nach § 12b AtomG 6 8 können die zuständigen Behörden "zum Schutz gegen unbefugte Handlungen, die zu einer Entwendung oder einer erheblichen Freisetzung radioaktiver Stoffe führen können" die Zuverlässigkeit der betreffenden Personen überprüfen. Neben anderen Kriterien 69 können auch Sicherheitsbedenken die Zuverlässigkeit einer Person im Sinne des AtomG in Frage stellen, zum Beispiel die politische Einstellung 70 oder die Gefahr der Erpreßbarkeit. 71 b) Das Sicherheitsüberprüfungsgesetz Das Sicherheitsüberprüfungsgesetz (SÜG) vom 20.04.1994 regelt gemäß § 1 Abs. 1 SÜG die Voraussetzungen und das Verfahren zur Überprüfung von Personen, die mit sicherheitsempfindlichen Tätigkeiten betraut werden sollen. Diese Thematik wurde vordem durch Richtlinien der Bundesregierung geregelt. 7 2 Eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit übt nach § 1 Abs. 2 SÜG aus, wer Zugang zu Verschlußsachen hat oder ihn sich verschaffen kann oder wer in einer Behörde tätig ist, die vom Bundesministerium des Innern zum Sicherheitsbereich erklärt worden ist. 7 3 Nach § 5 Abs. 1 SÜG liegt ein Sicherheitsrisiko vor, wenn tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die Zweifel an der Zuverlässigkeit der betreffenden Person bei der Wahrnehmung der sicherheitsempfindlichen Tätigkeit begründen (Nr. 1), die eine besondere Gefahrdung der Person für Werbungsversuche fremder Nachrichtendienste, insbesondere eine

67

Ronellenfitsch, S. 211; Verheggen, S. 46 ff; vgl. auch: Richtlinie für die Sicherheitsüberprüfung von Personal in kerntechnischen Anlagen, bei der Beförderung und Verwendung von Kernbrennstoffen, GemMBl. 1987, 337 (338 ff); Bewertungskriterien für die Sicherheitsüberprüfung von Personal in kerntechnischen Anlagen, bei der Beförderung und Verwendung von Kernbrennstoffen, GemMBl. 1988, 330 f. 68 § 12b eingefügt durch Gesetz vom 09.10.1989 (BGBl. I, S. 1830). 69 Vgl.: Verheggen, S. 52 ff. 70 Mattern-Raisch, § 3 AtomG Rdn 6; Ronellenfitsch, S. 208; Verheggen, S. 100 ff; GemMBl. 1988, 330(331). 71 Verheggen, S. 103. 72 Zuletzt: Richtlinien für die Sicherheitsüberprüfiing von Personen im Rahmen des Geheimschutzes vom 11.11. 1987, GemMBl. 1988, 30 ff (= RDV 1989, 264 ff = NVwZ 1989, 540 ff); davor: Richtlinien für die Sicherheitsüberprüfung von Bundesbediensteten, Beschluß der Bundesregierung vom 15.02.1971; zu den Richtlinien vom 11.11. 1987 und zur Erforderlichkeit eines formellen Gesetzes: Bäumler, NVwZ 1989, 505 (506 ff); ders., RDV 1989, 218 ff; ders., CR 1988, 680 (681 ff); Kutscha, S. 426 ff: Riegel, S. 317 f. 73 Gesetzesbegründung der Bundesregierung vom 06.05.1993, BT-Drucks 12/4891, S. 18; Riegel, S. 319 f.

Α. Sicherheitsbedenken

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Erpressbarkeit, begründen (Nr. 2) oder die Zweifel am Bekenntnis des Betroffenen zur freiheitlich demokratischen Grundordnung begründen (Nr. 3). 7 4 Das SÜG verlangt tatsächliche Anhaltspunkte in bewußter Anlehnung an die Rechtsprechung des BAG; abstrakte Möglichkeiten sollen für die Begründung eines Sicherheitsrisikos nicht ausreichen. 75 Die Sicherheitsüberprüfung dient dem Schutz von im öffentlichen Interesse geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen (Verschlußsachen, §§ 1 Abs. 2, 4 SÜG) gegenüber der äußeren Bedrohung durch fremde Nachrichtendienste und gegenüber der inneren Bedrohung durch Terrorismus und organisierter Kriminalität. 76 Das SÜG gilt in erster Linie für Beamte und öffentliche Arbeitnehmer des Bundes, aber auch für Arbeitnehmer in Wirtschaftsunternehmen, die aufgrund eines staatlichen Auftrags Zugang zu Verschlußsachen haben, § 24 SÜG. 7 7 Zu den arbeitsrechtlichen und dienstrechtlichen Auswirkungen einer negativen Sicherheitsüberprüfung enthält das SÜG keine Aussagen. c) Sonderkündigungsrecht im öffentlichen Dienst wegen Tätigkeit für das frühere Ministerium für Staatssicherheit/Amt für nationale Sicherheit Im Einigungsvertrag (EV) vom 31.08.1990 78 sind in der Anlage I, Kapitel XIX, Abschnitt III, Nr. 1 besondere Regelungen für die Kündigung von Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst getroffen worden. Im vierten Absatz des Abschnittes III Nr. 1 ist die ordentliche Kündigung wegen mangelnder fachlicher Qualifikation oder persönlicher Eignung (Ziffer l ) , 7 9 wegen mangelnden Bedarfs (Ziffer 2) und wegen Auflösung der Beschäftigungsstelle (Ziffer 3) geregelt. Der fünfte Absatz gibt in Ziffer 1 die Möglichkeit der außerordentlichen Kündigung, wenn der Arbeitnehmer gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen hat. Die mangelnde persönliche Eignung im Sinne der Bestimmung in Anlage I, Kapitel XIX, Abschnitt III, Nr. 1, Absatz 4, Ziffer 1 des Einigungsvertrages (im folgenden: Abs. 4, Ziff 1 EV) kann sich auch aus der politischen Betätigung oder der politischen Einstellung

74

BT-Drucks 12/4891, S. 20: "Kernstück des Gesetzes"; Riegel, S. 319. BT-Drucks 12/4891, S. 21. 76 BT-Drucks 12/4891, S. 15. 77 BT-Drucks 12/4891, S. 17; Riegel, S. 324 f. 78 Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands (Einigungsvertrag - EV) vom 31.08.1990, BGBl. II S. 889. 79 Vgl. zur Verfassungsmäßigkeit der Regelung und zu den Voraussetzungen: BVerfG DtZ 1995, 277 ff. 75

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1. Teil: Grundlagen

des Arbeitnehmers ergeben. 80 Der Abs. 4 EV galt zunächst fur zwei Jahre; die Geltung wurde jedoch durch Gesetz vom 20.08.1992 bis zum 31.12.1993 verlängert. 81 Da der Gesetzentwurf des Innenausschusses des Bundestages zur weiteren Verlängerung der Sonderkündigungsregelungen im Bundesrat gescheitert ist, sind diese Vorschriften mit dem 31.12.1993 ausgelaufen. 82 Trotzdem wird auf diese Regelung im Zusammenhang mit der politischen Treuepflicht des Arbeitnehmers noch näher einzugehen sein. Für die Thematik der vorliegenden Arbeit ebenfalls von besonderem Interesse ist die in Anlage I, Kapitel XIX, Abschnitt III, Nr. 1, Absatz 5, Ziffer 2 des Einigungsvertrages (im folgenden: Abs. 5, Ziff 2 EV) getroffene Regelung; sie lautet: "Ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung ist insbesondere dann gegeben, wenn der Arbeitnehmer (...) fur das frühere Ministerium für Staatssicherheit/Amt für nationale Sicherheit tätig war und deshalb ein Festhalten am Arbeitsverhältnis unzumutbar erscheint." Diese Sonderregelung ist einer näheren Betrachtung wert. Das Sonderkündigungsrecht für ehemalige MfSMitarbeiter gibt dem Staat die Möglichkeit, sich von den Repräsentanten des früheren Systems, deren einer der tragenden Säulen das MfS war, zu trennen, 83 um so das Vertrauen der Bevölkerung in die rechtsstaatliche Verwaltung zu gewinnen und die Akzeptanz zu erhöhen. 84 Wenn dies auch grundsätzlicher Zweck der Sonderkündigungsregelung ist, so steht daneben aber auch der Gesichtspunkt der Spionage- und Sabotageabwehr, zumal viele frühere MfSMitarbeiter von den Nachfolgediensten des KGB der UdSSR übernommen wurden. 85 Abs. 5 EV gilt im Gegensatz zu Abs. 4 EV unbefristet. 86 d) Zusatzabkommen zum Natotruppenstatut Eine Sonderstellung hat Art. 56 des Zusatzabkommens zum Natotruppenstatut (ZA-NTS) 8 7 . In Art. 56 Abs. 2 a) des ZA-NTS ist festgelegt, daß die Sta80

BVerfG NZA 1995, 619 (620 ff); BAG NZA 1994, 120 ff; 1995, 527 ff; 577 ff; 753 ff; 1996, 202 ff; Stahlhacke/Preis, Rdn 656a; dies., 5. Aufl., Rdn 1381 ff; ausführlich: Lakies/Kutscha, S. 1081 ff. 81 BGBl. I S. 1546; Wenzel, Rdn 205; zur Verfassungsmäßigkeit des Verlängerungsgesetzes: BAG NZA 1996, 144 (145 f)· 82 ArbuR 1994, S. 64; Stahl hacke/Preis, Rdn 656a; Wenzel, Rdn 205. 83 Zur Tätigkeit des MfS: Scholz, BB 1991, 2515 (2515 ff). 84 BR-Drucks 605/90, S. 180; BT-Drucks 11/7817, S. 180; LAG Berlin BB 1991, 1082; Scholz, BB 1991, 2515 (2519); Stapelfeld, S. 186 f. 85 Vgl.: Verfassungsschutzbericht 1993, S. 180 ff; Scholz, BB 1992, 2424 (2425). 86 MünchHandb-ArbR-Berkowsky, § 129 Rdn 55; Stahlhacke/Preis, Rdn 582a. 87 Zusatzabkommen zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen vom 03.08.1959 (BGBl II 1961, S.

Β. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses

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tionierungsstreitkräfte die Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers ablehnen können, obwohl das Arbeitsgericht festgestellt hat, daß das Arbeitsverhältnis durch eine Kündigung nicht aufgelöst ist, wenn sie im Arbeitsgerichtsverfahren erklären, "daß der Weiterbeschäftigung besonders schutzwürdige militärische Interessen entgegenstehen"; das Arbeitsgericht hat fur diesen Fall eine Abfindung von Amts wegen festzusetzen. Mit Zustellung der Erklärung an den Arbeitnehmer, daß der Weiterbeschäftigung besonders schutzwürdige militärische Interessen entgegenstehen, gilt das Arbeitsverhältnis als aufgelöst. Diese Erklärung muß nicht mit einer konkreten Begründung versehen sein. Diese Regelung ist vom BAG bislang ohne verfassungsrechtliche Bedenken angewandt worden. 88 Das ArbG Kaiserslautern hat dagegen die Ansicht vertreten, die Regelung sei wegen eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG aufgrund der Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern der alliierten Streitkräfte und der Bundeswehr verfassungswidrig. 89

B. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses Wie oben bereits dargestellt, kommt als letztes präventives Mittel gegenüber einem Arbeitnehmer, dem gegenüber Sicherheitsbedenken bestehen, die Kündigung des Arbeitsverhältnisses in Betracht. Die Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, ist die nach den Voraussetzungen, die vorliegen müssen, damit die Kündigung wegen Sicherheitsbedenken wirksam ist, also die Frage nach den Anforderungen, die die Kündigungsschutzbestimmungen an eine solche Kündigung stellen. Dabei sind insbesondere die materiellen Voraussetzungen für die Wirksamkeit einer Kündigung von Bedeutung. Zunächst wird die historische Entwicklung der materiellen Voraussetzungen der Kündigung des Arbeitsverhältnisses kurz dargestellt. Daran schließt sich ein Überblick über das geltende Kündigungsrecht an.

I. Geschichtliche Entwicklung Ausgangspunkt einer historischen Betrachtung des Kündigungsrechts ist die zunächst bestehende unbeschränkte Kündigungsfreiheit als Ausdruck des

1218), i.d.F. des Änderungsabkommens vom 21.10.1971 (BGBl II 1973, S. 1021) mit Wirkung vom 18.01.1974 (BGBl II 1974, S. 143); die Vorschrift gilt auch nach der Wiedervereinigung fort: VO vom 28.09.1990 zu dem Notenwechsel vom 25.09.1990 zu dem Natoabkommen und dem Zusatzabkommen sowie zu dem befristeten Verbleib der Truppen (BGBl. II 1990, S. 1250). 88 BAG AP Nr. 3 zu Art. 56 ZA-NTS; BAG, Urteil vom 26.08.1988, Az: 7 ABR 74/86, nv; vgl. auch: Matissek, S. 383 ff; Monjau, S. 405 ff. 89 ArbG Kaiserslautern NZA 1988, 400.

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1. Teil: Grundlagen

liberalen Prinzips der Vertragsfreiheit. 90 Der erste Schritt zur Einschränkung dieser Kündigungsfreiheit war die Willkürkontrolle, der bislang letzte das heute diskutierte Verhältnismäßigkeitsprinzip oder Ultima-ratio-Prinzip. 91 /. Das neunzehnte Jahrhundert Kündigungsschutz war bis zum Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts nur bei einzelnen Arbeitsverhältnissen durch Kündigungsfristen oder bei befristeten Arbeitsverhältnissen bekannt; der unbefristete Arbeitsvertrag konnte dagegen jederzeit, auch ohne Grund, gekündigt werden. 92 Materielle Wirksamkeitsvoraussetzungen gab es lediglich bei der vorzeitigen außerordentlichen Kündigung eines befristeten Arbeitsverhältnisses und bei der fristlosen Kündigung, soweit für das Arbeitsverhältnis eine Kündigungsfrist bestand; in diesen Fällen mußte ein "wichtiger Grund" vorliegen. 93 Regelungen über diese außerordentliche Beendigung eines Arbeitsverhältnisses waren zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts für einzelne Arbeitsverhältnisse gesetzlich geregelt im Handelsgesetzbuch (§§ 70 - 72 HGB), in der Gewerbeordnung (§§ 133 b, c und d, 123, 124, 124 a GewO), im Allgemeinen preußischen Berggesetz (§§ 82, 83 a AllBergG) in der Seemannsordnung (§ 70 SeemO) und seit 1900 in § 626 B G B . 9 4 Eine materielle Beschränkung des Kündigungsrechts im unbefristeten Arbeitsverhältnis wurde erstmals durch eine Änderung des Allgemeinen preußischen Berggesetzes im Jahr 1909 vorgenommen; danach durfte der Arbeitgeber einem Sicherheitsmann nur aus abschließend aufgeführten Gründen kündigen. 95 Damit war in einem kleinen Bereich die willkürliche Kündigung ausgeschlossen.

90 Hueck/vHoyningen-Huene, Einl Rdn 1; Hueck-Nipperdey, ArbR I, S. 617; Nikisch, ArbR I, S.617. 91 Vgl.: MünchHandb-ArbR-Berkowsky, § 127 Rdn 1; Preis, Prinzipien, S. 12. 92 Vgl. dazu: §§ 904, 907, 908, 911 u. 913 Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten von 1794 (ALR); Preis, Prinzipien, S. 12 u. 13 mwN. 93 RGZ 23, 167 (170); 58, 256; 69, (364 f); König, S. 14; MünchHandb-ArbR-Berkowsky, § 127 Rdn 3; Preis, Prinzipien, S. 13. 94 Handelsgesetzbuch (HGB) vom 10.05.1897 (RGBl. S. 219); Gewerbeordnung für den Norddeutschen Bund (GewO) vom 21.06.1869 (BGBl. S. 245) i.d.F. der Neubekanntmachung vom 26.07.1900 (RGBl. S. 871); Allgemeines Berggesetz für die preußischen Staaten (AllBergG) vom 24.06.1865 (PrGS S. 705); Seemannsordnung (SeemO) vom 02.06.1902 (RGBl. S. 175); jeweils Stand 1914; vgl. dazu: Preis, Prinzipien, S. 13 Fn 10 mwN. 95 Eingefügt durch Novelle vom 30.06.1900 (RGBl. S. 321); vgl.: Döse-Digenopoulos, S. 76; MünchHandb-ArbR-Berkowsky, § 127 Rdn 4; Preis, Prinzipien, S. 13.

Β. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses

43

2. Das zwanzigste Jahrhundert bis 1945 Der Beginn des modernen Kündigungsschutzrechts liegt im Jahr 1920. Materielle Kündigungsschutzbestimmungen enthielten das Betriebsrätegesetz vom 04.02.1920 96 und die DemobilmachungsVO vom 19.02.1920.97 Die DemobilmachungsVO enthielt in § 12 die Bestimmung, daß ein Arbeitsverhältnis nur gekündigt werden dürfe, wenn dem Arbeitgeber keine Arbeitszeitverkürzung zuzumuten sei. 98 Da die Kündigungsschutzvorschriften in der DemobilmachungsVO in erster Linie der Eingliederung der zurückkehrenden Kriegsteilnehmer aus volkswirtschaftlichen Gründen dienen sollten, wurden sie in der Folgezeit aufgrund der Wirtschaftskrise wieder aufgehoben; nur die materiellen Kündigungsschutzvorschriften im BRG blieben bestehen.99 Die zentrale Kündigungsschutzvorschrift war § 84 BRG, der die Kündigung des Arbeitsverhältnisses nur aus den dort aufgeführten Gründen erlaubte. § 84 Abs. 1 Nr. 4 BRG enthielt eine Generalklausel, wonach der Einspruch gegen eine Kündigung dann berechtigt war, wenn die Kündigung eine "unbillige, nicht durch das Verhalten des Arbeitnehmers oder durch die Verhältnisse des Betriebs bedingte Härte" darstellte. 100 Diese, dem heutigen § 1 Abs. 2 KSchG schon sehr ähnliche Regelung erfuhr jedoch zwei wesentliche Einschränkungen. Die Kündigung konnte vom Gericht nur dann überprüft werden, wenn der Betriebsrat den Einspruch für berechtigt hielt, eine gütliche Einigung mit dem Arbeitgeber scheiterte und der Betriebsrat oder der Arbeitnehmer Klage erhoben. 1 0 1 Voraussetzung für eine Kündigungsschutzklage war also neben dem Bestehen eines Betriebsrates auch die Bewertung der Kündigung durch den Betriebsrat als ungerechtfertigt. Zudem wurde die Effektivität des Kündigungsschutzes erheblich durch die Möglichkeit des Arbeitgebers, eine Wiedereinstellung im Falle seines gerichtlichen Unterliegens durch Zahlung einer Abfindung zu umgehen, eingeschränkt, § 87 Abs. 2 B R G . 1 0 2 Die Verurteilung des Arbeitgebers zur Zahlung einer Abfindung für den Fall, daß der Arbeitnehmer nicht 96

Betriebsrätegesetz (BRG) vom 04.02.1920 (RGBl. S. 147). Demobilmachungsverordnung vom 19.02.1920 (RGBl. S. 218). 98 Hueck-Nipperdey, ArbR I, S. 619; MünchHandb-ArbR-Berkowsky, § 127 Rdn 6; Preis, Prinzipien, S. 14. 99 Ebenda. 100 Herschel, FS Schnorr von Carolsfeld, S. 159; Hueck/vHoyningen-Huene, Einl Rdn 20; Hueck-Nipperdey, ArbR I, S. 620; Nikisch, ArbR I, S. 750; Preis, Prinzipien, S. 15. 101 Döse-Digenopoulos, S. 78; Hueck-Nipperdey, ArbR I, S. 620 f; Nikisch, ArbR I, S. 750; Preis, Prinzipien, S. 15. 102 Döse-Digenopoulos, S. 78; Hueck/vHoyningen-Huene, Einl Rdn 21; HueckNipperdey, ArbR I, S. 621; MünchHandb-ArbR-Berkowsky, § 127 Rdn 5; Nikisch, ArbR I, S. 750; Preis, Prinzipien, S. 15. 97

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1. Teil: Grundlagen

wieder eingestellt werden würde, wurde bereits im stattgebenden Urteil ausgesprochen. 103 Die Nationalsozialisten ersetzten die Regelung des § 87 BRG durch den § 56 des neu geschaffenen Arbeitsordnungsgesetzes, 104 der die Regelung des § 87 BRG im wesentlichen übernahm, in Einzelheiten jedoch der faschistischen Gesellschaftsauffassung angepaßt wurde; so entfiel unter anderem die Beteiligung des den Betriebsrat ersetzenden Vertrauensrates. 105 Insgesamt wurde das Verfahren durch das AOG stärker individualisiert. 106 Ein Kündigungsschutz gegenüber Kündigungen wegen Sicherheitsbedenken war zu diesen Zeiten im öffentlichen Dienst und auch in privaten Wirtschaftsunternehmen, soweit es um nationale Interessen ging, nicht gegeben. Der Geheimnisschutz und der Staatsschutz hatten grundsätzlich Vorrang vor den Individualinteressen des Arbeitnehmers. 107 Anders sah es in sonstigen privaten Unternehmen aus; Kündigungen wegen Sicherheitsbedenken, soweit es nicht um den Staatsschutz ging, wurden nach § 56 AOG daraufhin geprüft, ob sie unbillig hart und nicht durch die Verhältnisse des Betriebs bedingt waren. 1 0 8 3. Die Zeit nach 1945 Nach der Befreiung durch die alliierten Streitkräfte galt das AOG zunächst fort, wurde dann aber durch das Kontrollratsgesetz Nr. 4 0 109 mit Wirkung zum 01.01.1947 aufgehoben. 110 Die nunmehr fehlenden Kündigungsschutzbestimmungen wurden durch die Heranziehung des § 138 BGB und des § 242 BGB geschlossen.111 Eine unsoziale Kündigung war danach sittenwidrig oder stellte eine mißbräuchliche Rechtsausübung dar und war nichtig. 1 1 2 Diese Regelung wurde in der britischen Zone beibehalten; in der amerikanischen und in der französischen Zone wurden Kündigungsschutzgesetze und Betriebsrätegesetze 103

Hueck/vHoyningen-Huene, Einl Rdn 21; Hueck-Nipperdey, ArbR I, S. 621; Nikisch, ArbR I, S. 750. 104 Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit (AOG) vom 20.01.1934 (RGBl. I S. 45). 105 Herschel/Löwisch, Vor § 1 Rdn 16; Hueck-Nipperdey, ArbR I, S. 621; MünchHandb-ArbR-Berkowsky, § 127 Rdn 7; Nikisch, ArbR I, S. 750 f. 106 Hueck/vHoyningen-Huene, Einl Rdn 23; Hueck-Nipperdey, ArbR I, S. 621. 107 Monjau, S. 403 f. 108 LAG Chemnitz, ArbRS 39, 84 ff; vgl. dazu im folgenden Seite 62 f der Arbeit. 109 ABl. KR 1947, S. 229. 110 Hueck-Nipperdey, ArbR I, S. 621; MünchHandb-ArbR-Berkowsky, § 127 Rdn 8; Nikisch, ArbR I, S. 751. 111 Hueck/vHoyningen-Huene, Einl Rdn 25; MünchHandb-ArbR-Berkowsky, § 127 Rdn 8; Nikisch, ArbR I, S. 751. 112 Nikisch, ArbR I, S.751.

Β. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses

45

erlassen, die Kündigungsschutzvorschriften enthielten. 113 Die verschiedenen Regelungen entsprachen zwar im wesentlichen der alten Rechtslage, unterschieden sich jedoch in Einzelfragen und führten so zu einer Zersplitterung des geltenden Rechts. 114 Dem Regierungsentwurf eines Bundes-Kündigungsschutzgesetzes,115 der dem Bundestag am 27.03.1951 vorgelegt wurde, waren Entwürfe für ein Kündigungsschutzgesetz vorausgegangen. Der Wirtschaftsrat der vereinigten amerikanischen und britischen Zone hatte am 20.06.1949 ein Kündigungsschutzgesetz verabschiedet, welches jedoch von den Militärregierungen nicht mehr genehmigt wurde. 1 1 6 Auf diesem Entwurf baute der "Hattenheimer Entwurf' vom 13.01.1950 auf, der von den Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden erstellt wurde und wiederum als Grundlage für den Regierungsentwurf diente. 1 1 7 Nach einigen Änderungen im Gesetzgebungsverfahren wurde das Kündigungsschutzgesetz am 13.08.1951 veröffentlicht. 118 In der Folgezeit wurde es wesentlich geändert durch das erste Arbeitsrechtsbereinigungsgesetz vom 14.08.1969 119 und durch das Gesetz zur Änderung des Kündigungsschutzgesetzes vom 05.07.1976 120 , die sich aber im wesentlichen auf den formellen Umfang des KSchG bezogen. 121 Seit dem Inkrafttreten des KSchG haben sich in Rechtsprechung und Arbeitsrechtswissenschaft allgemeine Prinzipien und eine umfangreiche Kasuistik insbesondere zu der Generalklausel des § 1 KSchG gebildet. Auf die Entwicklung der Rechtsprechung und der Arbeitsrechtswissenschaft wird in den folgenden Kapiteln noch näher einzugehen sein.

113

Vgl.: Hueck-Nipperdey, ArbR I, S. 622; MünchHandb-ArbR-Berkowsky, § 127 Rdn 9; Nikisch, ArbR I, S. 751. 114 Hueck/vHoyningen-Huene, Einl Rdn 27; Hueck-Nipperdey, ArbR I, S. 622; Nikisch, ArbR I, S. 751. 115 RdA 1951,58. 116 Hueck-Nipperdey, ArbR I, S. 622; MünchHandb-ArbR-Berkowsky, § 127 Rdn 9; Nikisch, ArbR I, S. 751. 117 RdA 1950, 63 ff; vgl. dazu: Hueck/vHoyningen-Huene, Einl Rdn 29; HueckNipperdey, ArbR I, S. 622; Münch-Handb-ArbR-Berkowsky, § 127 Rdn 9; Nikisch, ArbR I, S. 751. 118 BGBl. I S. 499; vgl. dazu: Hueck-Nipperdey, ArbR I, S. 622; MünchHandbArbR-Berkowsky, § 127 Rdn 9; Nikisch, ArbR I, S. 751. 119 Neue Fassung des KSchG vom 25.08.1969, BGBl. I S. 1317. 120 BGBl. IS. 1769. 121 Vgl.: Hueck/vHoyningen-Huene, Einl Rdn 36 ff u. 54; MünchHandb-ArbR-Berkowsky, § 127 Rdn 13 ff.

46

1. Teil: Grundlagen

I I . Die Rechtslage im Kündigungsrecht Die Kündigung wird allgemein als einseitige, empfangsbedürftige, rechtsgestaltende Willenserklärung bezeichnet, durch die das Arbeitsverhältnis für die Zukunft aufgehoben werden s o l l . 1 2 2 Bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist zu unterscheiden zwischen der ordentlichen Kündigung, § 620 Abs. 2 BGB, und der außerordentlichen Kündigung, § 626 Abs. 1 BGB. Für die Betrachtung der Kündigung wegen Sicherheitsbedenken sind die Fallgestalltungen der Verdachtskündigung und der Druckkündigung von besonderem Interesse. Eine ordentliche Kündigung liegt begrifflich dann vor, wenn ein, in der Regel auf unbestimmte Dauer eingegangenes Arbeitsverhältnis durch einseitige Erklärung beendet werden soll, wobei der Kündigende sich nicht auf einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB beruft. 1 2 3 Unerheblich ist dagegen, ob Kündigungstermine und Kündigungsfristen bestehen und ob diese eingehalten wurden, da dies eine Frage der Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung i s t . 1 2 4 In den meisten Fällen kann jedoch die ordentliche Kündigung nur zu bestimmten Terminen und unter Einhaltung von Fristen ausgesprochen werden. 1 2 5 Eine außerordentliche Kündigung liegt dagegen vor, wenn sich der Kündigende auf einen wichtigen Grund zur vorzeitigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses beruft. 1 2 6 Begrifflich nicht notwendig ist, daß die Kündigung fristlos erfolgt, da auch die außerordenliche Kündigung eine Frist (Auslauffrist) beinhalten kann. 1 2 7 /. Die ordentliche Kündigung Die Wirksamkeitsvoraussetzungen der Kündigung lassen sich in solche formeller Art und solche materieller Art unterscheiden.

122

Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 1 Rdn 1; Hueck-Nipperdey, ArbR I, S. 543; Nikisch, ArbR I, S. 687; Palandt-Putzo, Vorbem ν § 620 BGB Rdn 28; Schaub, ArbRHandb, S. 946; Stahlhacke/Preis, Rdn 1. 123 Hueck-Nipperdey, ArbR I, S. 562. 124 Hueck-Nipperdey, ArbR I, S. 563. 125 Schaub, ArbRHandb, S. 983. 126 Hueck-Nipperdey, ArbR I, S. 562; Nikisch, ArbR I, S. 688; Schaub, ArbRHandb, S. 992. 127 BAG AP Nr. 16 u. 31 zu § 626 BGB; LAG Berlin DB 1988, 866; Däubler ArbR 2, S. 561; Hueck-Nipperdey, ArbR I, S. 563; Schaub, ArbRHandb, S. 992; Zöllner/Loritz, S. 256.

Β. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses

47

a) Die formellen und besonderen Wirksamkeitsvoraussetzungen Zu den formellen Wirksamkeitsvoraussetzungen der ordentlichen Kündigung gehören der Zugang der Kündigungserklärung, 128 die Einhaltung der bestehenden Kündigungstermine und Kündigungsfristen, § 622 BGB, sowie tarifvertragliche Regelungen, 129 und die Anhörung des Betriebsrates, soweit ein solcher besteht, § 102 Abs. 1 BetrVG, 1 3 0 des Personalrates, § 79 Abs. 1 S. 1 BPersVG, 131 oder des Sprecherausschusses bei leitenden Angestellten, § 31 Abs. 2 SprAuG. 1 3 2 Daneben können im Einzelfall Sonderbestimmungen eingreifen. Es sind dies die Pflicht, Massenentlassungen dem Arbeitsamt anzuzeigen, § 17 KSchG, und die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle bei der Kündigung Schwerbehinderter, § 15 SchwG. 1 3 3 Weitere Kündigungsbeschränkungen finden sich in dem Verbot, Betriebsratsmitglieder während ihrer Amtszeit zu kündigen, § 15 Abs. 1 und 2 KSchG, dem Kündigungsverbot für werdende Mütter, § 9 Abs. 1 MuSchG, 1 3 4 und im Erziehungsurlaub, § 18 BErzGG, 1 3 5 dem Kündigungsverbot während der Ab-

128

Schaub, ArbRHandb, S. 948; Söllner, Grundriß, S. 286; Stahlhacke/Preis, Rdn

98 ff.

129

349 ff.

Schaub, ArbRHandb, S. 983 ff; Söllner, Grundriß, S. 288; Stahlhacke/Preis, Rdn

130 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) vom 15.01.1972 (BGBl. I S. 13) i.d.F. der Bek. vom 23.12.1988 (BGBl. I 1989 S. 1) zuletzt geändert durch Gesetz vom 28.10.1994 (BGBl. I S. 3210); dazu: Schaub, ArbRHandb, S. 965 ff; Stahlhacke/Preis, Rdn 213 ff. 131 Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG) vom 15.03. 1974 (BGBl. I S. 693) zuletzt geändert durch Gesetz vom 20.12.1993 (BGBl. I S. 2136); dazu: Schaub, ArbRHandb, S. 977 ff; Stahlhacke/Preis, Rdn 325 ff. 132 Gesetz über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten (Sprecherausschußgesetz - SprAuG) vom 20.12. 1988 (BGBl. I S. 2312); dazu: Schaub, ArbRHandb, S. 979 f; Stahlhacke/Preis, Rdn 321 ff. 133 Gesetz zur Sicherung der Eingliederung Schwerbehinderter in Arbeit, Beruf und Gesellschaft (Schwerbehindertengesetz - SchwbG) i.d.F. der Bek. vom 26.08.1986 (BGBl. I S. 1421), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 05.10.1994 (BGBl. I S. 2911); dazu: Söllner, Grundriß, S. 303 fu. 309; Zöllner/Loritz, S. 278 fu. 281; Stahlhacke/Preis, Rdn 875 ff. 134 Gesetz zum Schutze der erwerbstätigen Mutter (Mutterschutzgesetz - MuSchG) i.d.F. der Bek. vom 18.04.1968 (BGBl. I S. 315), zuletzt geändert durch Gesetz vom 05.10.1994 (BGBl. I S. 2911); dazu: Söllner, Grundriß, S. 307 ff; Stahlhacke/Preis, Rdn 782 ff. 135 Gesetz über die Gewährung von Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub (Bundeserziehungsgeldgesetz - BErzGG) i.d.F. der Bek. vom 31.01.1994 (BGBl. 1 S. 180); dazu: Söllner, Grundriß, S. 307 ff; Stahlhacke/Preis, Rdn 858 ff.

48

1. Teil: Grundlagen

leistung des Wehr- und Zivildienstes, § 2 Abs. 1 ArbPlSchG, 136 und einiger weiterer, in der Praxis selten einschlägiger Kündigungsverbote, 137 wie zum Beispiel dem Kündigungsverbot für Bundestagsabgeordnete nach Art. 48 Abs. 2 S. 2 G G 1 3 8 und § 2 Abs. 3 Abgeordnetengesetz. 139 Dieser kurze Überblick über die formellen und besonderen Kündigungsschutzvorschriften soll genügen, da diese keine eigenständige Bedeutung im Hinblick auf eine Kündigung wegen Sicherheitsbedenken haben. Es ergeben sich keine Besonderheiten gegenüber Kündigungen aus anderen Gründen, so daß die Darstellung sich im folgenden auf den allgemeinen Kündigungsschutz beschränkt. b) Der allgemeine materielle Kündigungsschutz Für die Kündigung wegen Sicherheitsbedenken sind die materiellen Wirksamkeitsvoraussetzungen entscheidend, wobei die für die Praxis wichtigsten Voraussetzungen von § 1 KSchG aufgestellt werden, 140 nämlich die soziale Rechtfertigung der Kündigung. Voraussetzung ist allerdings zunächst die Anwendbarkeit des KSchG. Nach § 23 KSchG sind die Regelungen des KSchG anwendbar, wenn der Betrieb mehr als fünf Arbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten beschäftigt, das Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate bestanden hat und keine Ausnahme nach § 14 KSchG vorliegt, insbesondere es sich nicht um Mitglieder der Organe einer juristischen Person handelt. 141 Fällt ein Arbeitsverhältnis nicht in den Anwendungsbereich des KSchG, sind die Anforderungen an die Wirksamkeit der Kündigung wesentlich geringer. Die Kündigung darf in diesem Fall nicht gegen ein gesetzliches Verbot, § 134

136 Gesetz über den Schutz des Arbeitsplatzes bei Einberufung zum Wehrdienst (Arbeitsplatzschutzgesetz) i.d.F. der Bek. vom 14.04.1980 (BGBl. I S. 425), zuletzt geändert durch Gesetz vom 24.07.1995 (BGBl. I S. 962); dazu: Söllner, Grundriß, S. 310; Stahlhacke/Preis, Rdn 1028 ff. 137 Vgl. zum Ganzen: Schaub, ArbRHandb, S. 1019 f; Stahlhacke/Preis, Rdn 1038; Zöllner/Loritz, S. 279 ff. 138 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23.05.1949 (BGBl. I S. 1) zuletzt geändert durch Gesetz vom 27.10.1994 (BGBl. I S. 3146). 139 Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Deutschen Bundestages (Abgeordnetengesetz) vom 18.02. 1977 (BGBl. I S. 297), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22.04.1993 (BGBl. I S. 462); dazu: Stahlhacke/Preis, Rdn 1038. 140 Däubler, ArbR 2, S. 516, bezeichnet § 1 KSchG als "Kernstück des geltenden Kündigungsschutzrechts". 141 Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 1 Rdn 100 ff; Schaub, ArbRHandb, S. 1024 ff; Stahlhacke/Preis, Rdn 599 ff; Zöllner/Loritz, S. 260 f.

Β. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses

49

B G B , 1 4 2 und nicht gegen die guten Sitten verstoßen, § 138 B G B . 1 4 3 Hinzu kommt die Möglichkeit, daß die Kündigung wegen Verstoßes gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, § 242 BGB, unwirksam i s t , 1 4 4 dazu zählt auch die sogenannte ungehörige Kündigung. 145 Wird einem Arbeitnehmer, der nicht dem Schutz des KSchG unterliegt, wegen Sicherheitsbedenken gekündigt, ist die Kündigung regelmäßig wirksam. Eine Unwirksamkeit der Kündigung kann sich aber aus einem Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1 GG in Verbindung mit § 134 BGB ergeben, wenn die Sicherheitsbedenken auf der politischen Einstellung des Arbeitgebers beruhen. 146 Möglich ist auch eine Unwirksamkeit nach § 242 BGB, wenn sich die Kündigung als ein Verstoß gegen den Grundsatz des venire contra factum proprium 1 4 7 darstellt, zum Beispiel wenn der Arbeitgeber zuvor erklärt hat, er werde die sicherheitsrelevanten Umstände nicht zum Anlaß einer Kündigung nehmen. 148 Denkbar ist auch, daß der Arbeitgeber tatsächlich nicht bestehende Sicherheitsbedenken vorgibt, um eine Kündigung aus anderen, von der Rechtsordnung mißbilligten Motiven zu begründen. Eine solche Kündigung kann wegen Verstoßes gegen § 242 BGB unwirksam sein. Im Hinblick auf die Wirksamkeit einer Kündigung wegen Sicherheitsbedenken außerhalb des KSchG ergeben sich jedoch grundsätzlich keine Unterschiede zu anderen Kündigungen, so daß auf eine weitergehende Darstellung im Rahmen dieser Arbeit verzichtet werden soll. Ein Arbeitsverhältnis, das in den Anwendungsbereich des KSchG fällt, kann dagegen nur rechtswirksam gekündigt werden, wenn die Kündigung sozial gerechtfertigt ist, § 1 Abs. 1 KSchG. Diese Generalklausel wird durch das Gesetz

142

BAG AP Nr. 2 zu § 134 BGB; Däubler, ArbR 2, S. 513 f; Schaub, ArbRHandb, S. 961 f; ausführlich: Stahlhacke/Preis, Rdn 155 ff. 143 BAGE 61, 151; BAG AP Nr. 1 zu § 612a BGB; AP Nr. 1 zu § 1 KSchG, EzA § 138 BGB Nr. 23 u. 24; LAG Hamm DB 1988, 917; LAG Düsseldorf DB 1989, 685; ArbG München DB 1987, 2662; Däubler, ArbR 2, S. 514 f; Schaub, ArbRHandb, S. 962; Stahlhacke/Preis, Rdn 173 ff. 144 BAG EzA § 626 BGB n.F. Nr. 12; EzA § 1 KSchG Nr. 35; EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 36; NZA 1994, 1080 (1081 ff); LAG Düsseldorf BB 1978, 1266; LAG Hamburg NZA 1986, 478; Däubler, ArbR 2, S. 515 f; Schaub, ArbRHandb, S. 962 f; ausführlich: Stahlhacke/Preis, Rdn 185 ff. 145 LAG Mannheim BB 1968, 253; LAG Bremen LAGE § 242 BGB Nr. 1; Schaub, ArbRHandb, S. 963; Stahlhacke/Preis, Rdn 189 ff. 146 Stahlhacke/Preis, Rdn 161; vgl. ausfuhrlich zur Bedeutung von Art. 5 GG: Seite 130 ff der Arbeit. 147 Dazu: MünchKomm-Roth, § 242 BGB Rdn 322 ff; RGRK-Alff, § 242 BGB Rdn 13 ff; Soergel-Teichmann, § 242 BGB Rdn 312 ff, kritisch: Staudinger-Jürgen Schmidt, § 242 BGB Rdn 673 ff. 148 Vgl. dazu: BAG EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 36; MünchKomm-Schwerdtner, Vor § 620 BGB Rdn 181; Stahlhacke/Preis, Rdn 188. 4 Meyer

50

1. Teil: Grundlagen

selbst konkretisiert. Die wichtigsten Konkretisierungen enthält § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG. Danach ist die Kündigung sozial ungerechtfertigt, "wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist." Die Regelung des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG enthält damit drei voneinander unabhängige Kündigungsgründe. Eine personenbedingte Kündigung liegt vor, wenn die Kündigung in den persönlichen Eigenschaften und Fähigkeiten des Arbeitnehmers begründet i s t . 1 4 9 Ein Hauptanwendungsfall der personenbedingten Kündigung ist die dauernde krankheits- oder altersbedingte Arbeitsunfähigkeit. 150 Weiter kommt in Betracht eine fehlende Arbeitserlaubnis 151 oder fehlende Eignung. 152 Von einer verhaltensbedingten Kündigung wird gesprochen, wenn die Gründe fur die Kündigung auf dem Verhalten des Arbeitnehmers beruhen, wobei umstritten ist, ob nur ein solches Verhalten, das eine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten darstellt, oder ob auch anderes Verhalten eine verhaltensbedingte Kündigung begründen kann. 1 5 3 Beispiele für die verhaltensbedingte Kündigung sind Schlechtarbeit, 154 wiederholte Arbeitsverweigerung 155 oder häufiges Zuspätkommen 1 5 6 . Eine betriebsbedingte Kündigung liegt vor, wenn der Arbeitgeber

149

Schaub, ArbRHandb, S. 1030; Söllner, Grundriß, S. 297; Stahlhacke/Preis, Rdn

724. 150

BAG AP Nr. 1, 17, 18, 21, 22, 30 u. 31 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit; Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 7 Rdn 1 ff; Däubler, ArbR 2, S. 537 ff; Dütz, ArbR, Rdn 332; Lieb, S. 101 f; Schaub, ArbRHandb, S. 1033 ff; Stahlhacke/Preis, Rdn 749 f; Wenzel, Rdn 206 ff. 151 BAG AP Nr. 14 zu § 1 KSchG 1969 Personenbedingte Kündigung; Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 15 Rdn 1 ff; Däubler, ArbR 2, S. 798 f; Stahlhacke/Preis, Rdn 733 f. 152 BAG AP Nr. 9 zu § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung; Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 11 Rdn 1 ff; Däubler, ArbR 2, S. 549 f; Schaub, ArbRHandb, S. 1032 f; Stahlhacke/Preis, Rdn 737 ff. 153 Stahlhacke/Preis, Rdn 680 f; vgl. ausführlich: Seite 104 ff der Arbeit. 154 BAG AP Nr. 2 u. 9 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung; LAG Berlin DB 1963, 524; Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 18 Rdn 1 ff; Schaub, ArbRHandb, S. 1048 f; Söllner, Grundriß, S. 298; Stahlhacke/ Preis, Rdn 716. 155 BAG NZA 1985, 124; Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 18 Rdn 7 ff; Schaub, S. 1045 f; Söllner, Grundriß, S. 298; Stahlhacke/Preis, Rdn 705. 156 BAG NJW 1987, 2462; LAG München DB 1989, 283; Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 19 Rdn 113 ff; Däubler, ArbR 2, S. 555; Schaub, ArbRHandb, S. 1056.

Β. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses

51

keinen Arbeitsplatz mehr für den Arbeitnehmer zur Verfügung stellen kann. 1 5 7 Eine betriebsbedingte Kündigung kommt in Frage bei längerfristigen Absatzschwierigkeiten, 158 Rohstoff- oder Energiemangel, 159 Rationalisierungsmaßnahmen, 160 Stillegung einer Betriebsabteilung 161 oder Umstellung der Produktionsmethoden. 162 Wird einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen an sich berechtigterweise gekündigt, so ist nach § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG "die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers soziale Gesichtspunkte nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat". Nach S. 2 gilt dies nicht, "wenn betriebstechnische, wirtschaftliche oder sonstige berechtigte betriebliche Bedürfnisse die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer bestimmter Arbeitnehmer bedingen und damit der Auswahl nach sozialen Gesichtspunkten entgegenstehen". Bei der sozialen Auswahl sind das Lebensalter, die Dauer der Betriebszugehörigkeit, der Familienstand, die wirtschaftliche Lage etc. des zu kündigenden Arbeitnehmers zu berücksichtigen. 1 6 3 Weitere Konkretisierungen der sozialen Rechtfertigung der Kündigung enthält § 1 Abs. 2 S. 2 und 3 KSchG, wonach die Kündigung sozial ungerechtfertigt ist, wenn sie gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen (§ 95 Abs. 1 BetrVG und § 76 Abs. 2 Nr. 8 BPersVG) verstößt oder wenn der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden kann oder wenn zumutbare Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen möglich sind oder eine Weiterbeschäftigung unter veränderten Arbeitsbedingungen und der Betriebsrat oder die Personalvertretung aus einem dieser Gründe der Kündigung schriftlich widersprochen hat. 1 6 4 Von Interesse für die Kündigung wegen Sicherheitsbedenken ist dabei die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz und der Weiterbeschäftigung unter geänderten Arbeitsbedingungen, denn durch diese Maßnahmen kann der 157

Däubler, ArbR 2, S. 519; Schaub, ArbRHandb, S. 1059. BAG BB 1987, 1882; NZA 1990, 65; Schaub, ArbRHandb, S. 1064; Wenzel, Rdn 243; Stahlhacke/Preis, Rdn 651. 159 Schaub, ArbRHandb, S. 1064 u. 1065. 160 Schaub, ArbRHandb, S. 1066; Stahlhacke/Preis, Rdn 657; Wenzel, S. 245. 161 BAG NZA 1991, 891; AP Nr. 39 zu § 613a BGB; AP Nr. 5 zu § 22 KO; Schaub, ArbRHandb, S. 1066. 162 BAG AP Nr. 9 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; Däubler, ArbR 2, S. 527; Schaub, ArbRHandb, S. 1065; Stahlhacke/Preis, Rdn 653. 163 BAG NZA 1986, 260; NZA 1990, 729; Däubler, ArbR 2, S. 533 ff; Schaub, ArbRHandb, S. 1067 ff; Söllner, Grundriß, S. 266 f; Wenzel, Rdn 259 ff; vgl. zum Ganzen: Stahlhacke/Preis, Rdn 659 ff. 164 Söllner, Grundriß, S. 264 ff; Zöllner/Loritz, S. 264 ff. 158

4*

52

1. Teil: Grundlagen

Arbeitnehmer möglicherweise aus einem sicherheitsrelevanten Bereich herausgenommen werden. Für die Beurteilung der sozialen Rechtfertigung einer Kündigung haben Rechtsprechung und Arbeitsrechtswissenschaft neben der schon erwähnten umfangreichen Kasuistik zahlreiche allgemeine Grundsätze und Prinzipien entwickelt, anhand derer die soziale Rechtfertigung zu beurteilen i s t . 1 6 5 Darauf wird später im Hinblick auf die soziale Rechtfertigung einer Kündigung wegen Sicherheitsbedenken näher einzugehen sein. Weiterhin sind fur die Kündigung wegen Sicherheitsbedenken die besonderen Fallgestaltungen der Verdachtskündigung und der Druckkündigung von Bedeutung. Von einer Verdachtskündigung wird gesprochen, wenn der Arbeitgeber den Verdacht einer Straftat oder einer schweren arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung zum Anlaß einer Kündigung nimmt, ohne daß die Tat dem Arbeitnehmer mit Sicherheit nachzuweisen i s t . 1 6 6 Eine Druckkündigung liegt vor, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis allein aufgrund des Verlangens Dritter kündigt. 1 6 7 2. Die außerordentliche

Kündigung

Die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist in § 626 BGB geregelt. Diese Vorschrift gilt für alle Arbeitsverhältnisse mit Ausnahme der dem Seemannsgesetz unterliegenden Arbeitsverhältnisse (§§ 64-68 und § 78 Abs. 4 SeemG). 168 Sondervorschriften bestehen auch für das Berufsausbildungsverhältnis, 169 geregelt in § 15 Berufsbildungsgesetz. 170 Voraussetzung für die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung ist zunächst die Kündigungserklärung unter Berufung auf einen wichtigen Grund zur vorzeitigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses. 171 Die Kündigungserklärung muß dem Arbeitnehmer auch zugegangen sein. Weiterhin muß der Betriebsrat nach § 102 Abs. 1 BetrVG angehört werden; dies gilt nicht für leitende

165

Dazu grundlegend: Preis, Prinzipien, S. 135 if; auch: MünchHandb-ArbR-Berkowsky, § 130 Rdn 22 ff; Stahlhacke/Preis, Rdn 611 ff; vgl. ausführlich: Seite 139 ff der Arbeit. 166 vgl : Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 24 Rdn 1 ff; Stahlhacke/Preis, Rdn 578 ff. 167 Vgl.: Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 23 Rdn 1 ff; Stahlhacke/Preis, Rdn 541. 168 Seemannsgesetz vom 26.07.1957 (BGBl. I S. 713) zuletzt geändert durch Gesetz vom 07.10.1993 (BGBl. I S. 1668). 169 Stahlhacke/Preis, Rdn 415 ff. 170 Berufsbildungsgesetz (BBiG) vom 14.08.1969 (BGBl. I S. 1112) zuletzt geändert durch Gesetz vom 20.07.1995 (BGBl. I S. 946). 171 Schaub, ArbRHandb, S. 992; Stahlhacke/Preis, Rdn 427.

C. Vorüberlegungen zur Methode der Rechtsfindung

53

Angestellte, § 5 Abs. 3 BetrVG. Zudem darf kein besonderer Kündigungsschutz eingreifen, was ausnahmsweise der Fall sein kann. Als Beispiel sei genannt § 9 MuSchG oder für Betriebsratsmitglieder § 103 BetrVG. 1 7 2 Schließlich muß, als materielle Wirksamkeitsvoraussetzung ein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung vorliegen. Dieser ist gegeben, wenn bestimmte Tatsachen vorliegen, die die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Kündigenden unzumutbar machen. 173 Dabei sind alle wesentlichen Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen; und unter Abwägung der Interessen des Arbeitgebers an der außerordentlichen Kündigung und des Arbeitnehmers am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses ist festzustellen, ob dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht mehr zugemutet werden kann. 1 7 4 Zur Frage, ob ein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung gegeben ist, hat sich in der Rechtsprechung ebenfalls eine umfangreiche Kasuistik gebildet. 175 Auch für die außerordentliche Kündigung sind allgemeine Prinzipien entwickelt worden, auf die später näher einzugehen ist. Die vorliegende Arbeit beschränkt sich auf die Wirksamkeitsvoraussetzungen der ordentlichen Kündigung nach § 1 KSchG und der außerordentlichen Kündigung nach § 626 BGB. Daneben werden die oben erwähnten besonderen gesetzlichen Regelungen behandelt. Den Wirksamkeitsvoraussetzungen einer ordentlichen Kündigung außerhalb des Anwendungsbereichs des KSchG wird aufgrund der geringen praktischen Relevanz und der oben dargstellten geringen Problematik im folgenden nicht weiter nachgegangen. Aufgrund der fehlenden Besonderheiten gegenüber anderen Kündigungen gilt dies auch für die formellen Kündigungsvoraussetzungen, insbesondere der betriebsverfassungsrechtlichen Problematik und den besonderen Kündigungsschutzbestimmungen.

C. Vorüberlegungen zur Methode der Rechtsfindung Im Rahmen der Grundlagen der Arbeit sollen hier die rechtsmethodischen Grundlagen der Arbeit herausgestellt und in die gegenwärtig vertretenen Ansätze eingeordnet werden.

172 173

Söllner, Grundriß, S. 306 u. 308; Zöllner/Loritz, S. 280 fu. 282. Schaub, ArbRHandb, S. 1000; Söllner, Grundriß, S. 292; Stahlhacke/Preis, Rdn

447.

174

Erman-Hanau, § 626 BGB Rdn 25 ff; Schaub, ArbRHandb, S. 1000 f; Stahlhacke/Preis, Rdn 447 ff; Staudinger-Preis, § 626 BGB Rdn 49 ff. 175 Vgl. die Zusammenstellungen bei: Palandt-Putzo, § 626 BGB Rdn 42 ff; Schaub, ArbRHandb, S. 1003 ff; Söllner, Grundriß, S. 292 f; Stahlhacke/Preis, Rdn 502 ff.

54

1. Teil: Grundlagen

Ι . Die Ausgangsfrage Bei der Frage nach der Methode der Rechtsfindung stellt sich zunächst die allgemeine Frage nach dem Inhalt der Rechtswissenschaften oder nach dem "Geschäft der Rechtswissenschaften". 176 Die Antwort erscheint naheliegend: Die Aufgabe des Juristen ist die Rechtsanwendung177 oder Rechtsfindung, 178 wobei sich diese Aufgabe jedoch nur auf die "eigentliche" Rechtswissenschaft oder die Jurisprudenz im engeren Sinne oder auch Rechtsdogmatik bezieht. 179 Andere Disziplinen der Rechtswissenschaften, zum Beispiel die Rechtsphilosophie, die Rechtstheorie, die Rechtssoziologie und die Rechtsgeschichte,180 stellen sich andere Aufgaben. 181 Es ist jedoch anzumerken, daß diese einzelnen Disziplinen und die Rechtsdogmatik nicht nebeneinander herlaufen ohne sich gegenseitig zu beeinflußen; vielmehr sind die einzelnen Disziplinen derart miteinander verbunden, daß sie das Recht zwar aus verschiedenen Blickwinkeln und unter verschiedenen Aufgabenstellungen betrachten, die Antworten auf die jeweilige Fragestellung aber auch von den anderen Disziplinen beeinflußt werden. 1 8 2 Die rechtswissenschaftliche Methodenlehre will ein konsequentes und widerspruchsfreies Verfahren zur Anwendung des Rechts und insbesondere für die Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten entwickeln. 183 Die Definition der Rechtsdogmatik als Rechtsfindung wirft jedoch die Frage auf, was unter Recht zu verstehen ist. Das gleiche gilt für die Frage nach der richtigen Methode zur Rechtsfindung. Erst wenn klar ist, was Recht ist, kann die richtige Methode zum Auffinden des Rechts aufgezeigt werden. 184 Diese Frage ist aber nicht eindeutig zu beantworten, da das Recht ein komplexes Phänomen ist und diese Frage von der Rechtsphilosophie und der Rechtssoziologie vielfältig und unterschiedlich beantwortet w i r d . 1 8 5 Ziel dieser kurzen Darstellung soll und kann es aber nicht sein, einen rechtsphilosophisch und rechtssoziologisch fundierten Rechtsbegriff herauszuarbeiten. Deshalb wird der Begriff Recht als gegeben vorausgesetzt. 186 Dabei soll der Begriff, weit verstanden,

176

Pawlowski, Einführung, S. 53 ff. Pawlowski, Einführung, S. 54. 178 Bydlinski, S. 11. 179 Ebenda. 180 Bydlinski, S. 8; Larenz, S. 189. 181 Larenz, S. 189. 182 Larenz, S. 190 f. 183 Pawlowski, Einführung, S. 131. 184 Pawlowski, Methodenlehre, S. 2; ders., Einführung, S. 131. 185 Dreier, S. 893; Larenz, S. 189; Pawlowski, Methodenlehre, S. 2 f; vgl. auch: Wesel, S. 295 ff. 186 Siehe auch: Pawlowski, Methodenlehre, S. 3. 177

C. Vorüberlegungen zur Methode der Rechtsfindung

55

alle Hilfsmittel, die Recht darstellen können, umfassen. Es sind dies in erster Linie die kodifizierten Rechtsnormen aber auch das Gewohnheitsrecht, das Richterrecht sowie dogmatische Begriffe und Theorien. 187 Recht ist dabei die Gesamtheit von Normen, "die das äußere Verhalten von Menschen regeln und potentiell erzwingbar sind". 1 8 8

I I . Die juristische Methodenlehre Wie nun das Recht zu finden und anzuwenden ist, ist Gegenstand der juristischen Methodenlehre. Ebenso wie bei der Frage nach dem Recht gibt es auch auf die Frage nach der richtigen Methode verschiedene Ansätze. Als Hauptströmungen sind zu nennen die Begriffsjurisprudenz, die Interessenjurisprudenz und die Wertungsjurisprudenz, 189 wobei heute die Wertungsjurisprudenz in ihren verschiedenen Varianten die wohl herrschende Auffassung darstellt. 190 Daneben gibt es weitere Theorien, die sich kritisch mit den Hauptströmungen auseinandersetzen. 191 1. Die Begriffsjurisprudenz Die Begriffsjurisprudenz beschränkt die Rechtsfindung auf die Subsumtion des Einzelfalles unter den Rechtsbegriff. Dabei versucht sie, durch Abstraktionen der Rechtsbegriffe ein geschlossenes System rechtlicher Begriffe zu entwickeln, das auch für im Gesetz nicht geregelte Fälle eine Lösung aufgrund der Begrifflichkeiten findet. 1 9 2 Diese Methode, die bei der Vielzahl der Rechtsprobleme, die eindeutig unter den Wortlaut des Gesetzes fallen, zu schnellen und befriedigenden Ergebnissen führt, versagt jedoch bei der Lösung solcher Fälle, die vom Gesetz nicht geregelt sind, da bereits die Frage der Auslegung, erst recht jedoch Überlegungen zu Analogie oder ähnlichem, nicht allein aufgrund von rein logischer Begriffsbildung beantwortet werden kann. 1 9 3 Führt die Begriffsbildung in vielen Bereichen zu einer dogmatischen Durchdringung und

187

Pawlowski, Methodenlehre, S. 15. Dreier, S. 894; vgl. zum Recht als gedachte Gerechtigkeit: Bydlinski, S. 335 ff; Fikentscher, Bd. IV, S. 6 f; Larenz, S. 173 ff. 189 Bydlinski, S. 109 ff. 190 Bydlinski, S. 123 ff u. 135 ff; Fikentscher, Bd. III, S. 405 ff; ders., Bd. IV, S. 395 ff; Larenz, S. 214 ff. 191 Vgl.: Bydlinski, S. 140 ff. 192 Ihering, Der Geist des römischen Rechts, Band I, S. 40; Puchta, I 40; zur Begriffsjurisprudenz: Bydlinski, S. 109 ff; Kaufmann, S. 140 ff; Larenz, S. 19 ff; Pawlowski, Einführung, S. 77 ff. 193 Bydlinski, S. 111 ff. 188

56

1. Teil: Grundlagen

zu mehr systematischer Klarheit, so läßt sie doch offen, worauf die Begriffsbildung im Einzelfall beruht. 1 9 4 2. Die Interessenjurisprudenz Die Vertreter der Interessenjurisprudenz versuchen dieses Problem der Begriffsjurisprudenz durch einen Rückgriff auf die Interessenlage zu lösen. 195 Ausgangspunkt dieser Betrachtung ist der Zweck des jeweiligen Gesetzes. Dabei ist davon auszugehen, daß der Zweck des Gesetzes grundsätzlich die Entscheidung eines Interessenkonfliktes i s t . 1 9 6 Es stellt sich demnach die Frage, welchen Interessen der Gesetzgeber gegenüber welchen anderen Interessen den Vorrang eingeräumt hat. 1 9 7 Mit Hilfe eines Vergleichs der Interessenlagen können Auslegung, Analogie und die Korrektur mangelhafter Gesetzesformulierungen nachvollziehbar begründet werden. 198 Die Interessenjurisprudenz hat in der Praxis große Zustimmung gefunden. 199 Probleme bereitet es der Interessenjurisprudenz jedoch, wenn eine gesetzgeberische Interessenbewertung nicht ermittelt werden kann. Eine Antwort auf die Frage, nach welchen Maßstäben die Beurteilung dann zu erfolgen hat, kann die Interessenjurisprudenz nicht geben. 200 Das gleiche Problem tritt auf, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse oder die gesellschaftlichen Anschauungen derart geändert haben, daß die Interessenbewertung des historischen Gesetzgebers nicht mehr herangezogen werden kann. 2 0 1 Diese Probleme versucht die heute vorherrschende Wertungsjurisprudenz, die auf die Erkenntnisse der Interessenjurisprudenz aufbaut, zu lösen. 202 3. Die Wertungsjurisprudenz Die Wertungsjurisprudenz geht davon aus, daß ein Gesetz nicht nur einen Interessenkonflikt regelt, sondern gleichzeitig eine Bewertung des Gesetzgebers enthält, also eine "Konkretisierung eines Wertes" ist. 2 0 3 Diese Bewertung läßt

194

Ebenda. Heck, S. 1 ff; Ihering, Der Zweck im Recht, S. 1 ff; zur Interessenjurisprudenz: Bydlinski, S. 113 ff; Fikentscher, Bd. III, S. 373 ff; Kaufmann, S. 145 f; Larenz, S. 49 ff; Pawlowski, Einführung, S. 80 ff. 196 Bydlinski, S. 115; Pawlowski, Einführung, S. 84. 197 Ebenda. 198 Bydlinski, S. 117 ff; Pawlowski, Einführung, S. 85 ff. 199 Vgl.: Bydlinski, S. 116 f. 200 Bydlinski, S. 116. 201 Bydlinski, S. 116; Pawlowski, Einführung, S. 89 f. 202 Bydlinski, S. 123; Larenz, S. 119 ff; Pawlowski, Einführung, S. 90 f. 203 Pawlowski, Einführung, S. 90. 195

C. Vorüberlegungen zur Methode der Rechtsfindung

57

sich dann auf nicht geregelte oder vom historischen Gesetzgeber anders geregelte Fälle übertragen. 204 Die Wertungsjurisprudenz ihrerseits läßt sich nach den verschiedenen Ansätzen ihrer Vertreter unterscheiden in formale Wertungsjurisprudenz, materielle Wertungsjurisprudenz, normative Wertungsjurisprudenz, objektive Wertungsjurisprudenz und soziale Wertungsjurisprudenz. 205 Die formale Wertungsjurisprudenz sieht in dem Begriff der Wertung nur das Vorziehen der einen oder der anderen Ansicht, ohne auf die Grundlagen dieser Entscheidung einzugehen, und kommt somit inhaltlich nicht über die Methode der lnteressenjurisprudenz hinaus. 206 Die materielle Wertungsjurisprudenz bezieht sich auf eine objektive, allein richtige Wertordnung, die unabhängig von der Erkenntnis des Menschen und der Akzeptanz in der Gesellschaft besteht (absolute Werte). 2 0 7 Normative, objektive und soziale Wertungsjurisprudenz beziehen sich nicht auf absolute Werte, sondern auf konkrete Werte, die in der Gesellschaft bereits anerkannt sind. 2 0 8 Während die normative Wertungsjurisprudenz die zugrundeliegenden Werte allein aus der Rechtsordnung insgesamt ermittelt, 209 greift die objektive Wertungsjurisprudenz auch auf die in der gesamten Rechtswissenschaft, vor allem in der Rechtsprechung, und in der Gesellschaft herrschenden Rechtsprinzipien zurück, 2 1 0 die soziale Wertungsjurisprudenz hingegen auf alle Wertvorstellungen, die in der Gesellschaft anerkannt sind. 2 1 1

I I I . Eigener Ansatz Dieser kurze Überblick über den derzeitigten Stand der Methodenlehre, der aufgrund der Vielfalt der vertretenen Ansichten zwangsläufig nur sehr grob dargestellt werden konnte, soll ausreichen, um den methodischen Ausgangspunkt dieser Arbeit deutlich zu machen. Die Rechtsfindung soll hier zunächst beim Wortlaut der jeweiligen Norm beginnen, um sodann im Sinne der Begriffsjurisprudenz über die Begriffsbildung zu einer Antwort zu gelangen. Im weiteren soll dann über die Frage nach der Interessenlage im Sinne der Interessenjurisprudenz und auch über die Frage nach den hinter den gesetzlichen Regelungen stehenden Wertungen die "richtige Entscheidung" gefunden werden. Dabei geht der Verfasser davon aus, das es keine absoluten Werte im Sinne 204 205 206 207 208 209 2 , 0 211

Ebenda. Vgl.: Pawlowski, Einführung, S. 92 ff. Vgl.: Ebenda. Vgl.: Pawlowski, Einführung, S. 96 ff. Vgl.: Larenz, S. 125 ff; Pawlowski, Einführung, S. 99. Vgl.: Pawlowski, Einführung, S. 100. Vgl.: Pawlowski, Einführung, S. 117 ff. Vgl.: Pawlowski, Einführung, S. 124 f.

58

1. Teil: Grundlagen

einer materiellen Wertungsjurisprudenz gibt, die für die Rechtsdogmatik einen Erkenntnisgewinn bringen könnten. Werte, auf deren Grundlage Rechtsfragen entschieden werden sollen, können sich nur aus dem Rechtssystem, der Rechtswissenschaft und der Rechtsprechung und aus den Anschauungen der Allgemeinheit ermitteln lassen. Insoweit verfolgt die vorliegende Arbeit einen Ansatz, der sowohl die normative als auch die objektive und die soziale Wertungsjurisprudenz beinhaltet. Auf die jeweilige dogmatische Grundlage ist im folgenden im Rahmen der einzelnen Problembereiche näher einzugehen. Im Kündigungsrecht spielen allgemeine Rechtsprinzipien, die einen Bestandteil des geltenden Rechts bilden, 2 1 2 eine wichtige Rolle, da eine eindeutige gesetzliche Konkretisierung der Sozialwidrigkeit einer Kündigung durch den Gesetzgeber nicht erfolgt ist. Zur Auslegung der Kündigungsvorschriften sind deshalb eben diese allgemeinen Rechtsprinzipien heranzuziehen. Auch auf diese Thematik wird später noch näher eingegangen.213 Die Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe anhand allgemeiner Rechtsprinzipien erfolgt dabei im Sinne der oben dargestellten Wertungsjurisprudenz.

212

Zu den allgemeinen Rechtsprinzipien: Alexy, Rechtsprinzip, S. 76 u. 82 ff; ders., Begriff und Geltung des Rechts, S. 117 ff; Bydlinsky, S. 481 ff; Canaris, Systemdenken, S. 46 ff; Larenz, S. 458; 213 Vgl. Seite 139 ff der Arbeit.

2. Teil Sicherheitsbedenken in Rechtsprechung und Arbeitsrechtswissenschaft

A. Die Rechtsprechung Das Bundesarbeitsgericht hat sich im Urteil vom 27.09.1960 zum ersten Mal zu der Beendigung des Arbeitsverhältnisses wegen Sicherheitsbedenken geäußert. 1 Der dem Urteil zugrundeliegende Sachverhalt betraf einen bei der Standortverwaltung der Bundeswehr beschäftigten Lagerarbeiter, dem ohne Angabe weiterer Umstände, die auch nicht im Arbeitsgerichtsprozeß vorgetragen wurden, wegen Sicherheitsbedenken gekündigt worden war. Bereits in diesem ersten Urteil zur Problematik Sicherheitsbedenken vertrat das BAG die bis heute aufrechterhaltene Ansicht, daß der Arbeitgeber tatsächliche Umstände vorbringen müsse, aus denen sich die Sicherheitsbedenken ergeben.2 Sodann habe das Arbeitsgericht nach dem Kündigungsschutzgesetz nachzuprüfen, "ob tatsächlich Sicherheitsbedenken gegen einzelne Arbeitnehmer bestehen und ob diese Bedenken die Kündigung als sozial gerechtfertigt erscheinen lassen (..)". 3 Im Urteil vom 28.02.1963 hat das BAG diese Ansicht bestätigt und die Anforderungen an das Vorliegen von Sicherheitsbedenken konkretisiert. 4 Der Kläger dieses Verfahrens war als Platzmeister auf einem Schießplatz bei der Bundeswehr beschäftigt. Begründet wurde die Kündigung damit, daß der Kläger "von auswärtigen Nachrichtendiensten als eine geeignete Kontaktperson angesehen werden könne" 5 , da seine geschiedene Frau und zwei gemeinsame Kinder in der "sowjetisch besetzten Zone" wohnten und der Kläger eine Verpflichtung unterschrieben habe, einer im Westen zu gründenden SED beizutreten, um seine Familie in der "SBZ" weiterhin besuchen zu können.6 Das BAG hat festgestellt, es komme fur die Frage, ob die Kündigung sozial gerechtfertigt

1 2 3 4 5 6

BAGE 10, 47 = AP Nr. 1 zu § 1 KSchG Sicherheitsbedenken. BAGE 10, 47 (48). Ebenda. BAGE 14, 103 = AP Nr. 3 zu § 1 KSchG Sicherheitsbedenken. BAGE 14, 103 (104). Ebenda.

60

2. Teil: Rechtsprechung und Arbeitsrechtswissenschaft

sei, "auf die Belastung an, die die Person oder das Verhalten des Arbeitnehmers fur das Arbeitsverhältnis darstellt, das den vom Arbeitgeber in seiner Eigenschaft als Unternehmer festgelegten Zwecken des Unternehmens zu dienen hat". 7 Daraus folge, daß in einem Tendenzbetrieb besondere Maßstäbe anzulegen sein könnten. Soweit es sich wie hier um den Wehrbereich der Bundeswehr handele, sei von einer erhöhten Spionagegefahr und damit von einem erhöhten Sicherheitsbedürfhis auszugehen.8 Aber auch in diesen Fällen reiche allein die Ansicht des Arbeitgebers, es bestünden Sicherheitsbedenken, nicht aus, um die Kündigung zu rechtfertigen; vielmehr habe das Arbeitsgericht ähnlich wie bei einer Verdachtskündigung aufgrund der vorgetragenen Tatsachen zu prüfen, ob tatsächlich Sicherheitsbedenken vorliegen. 9 Im vorliegenden Fall hat das BAG die Sicherheitsbedenken aufgrund der Gesamtheit der Umstände bejaht. Die Tatsachen, daß Familienangehörige des Klägers in der "SBZ" wohnhaft seien und die Unterzeichnung der Beitrittserklärung durch den Kläger, ließen die Befürchtung zu, "daß ihm auch in anderer Situation der Kontakt mit seiner Familie wichtiger ist, als sein Verhalten nach Überzeugungstreue auszurichten". 10 Weiterhin habe der Kläger als Platzmeister auf dem Schießplatz der Bundeswehr einen guten Überblick über Waffentechnik, Ausbildung und Geist der Verteidigungskräfte. 11 Das BAG kommt zu dem Ergebnis, "daß der Kläger einem auswärtigen Nachrichtendienst als eine geeignete Kontaktperson erscheinen könnte, ohne daß dies, was eindringlich hervorzuheben ist, bereits aktuell der Fall gewesen sein mußte oder auch nur je der Fall werden müßte". 12 In der Folgezeit haben sich mehrere Urteile sowohl des Bundesarbeitsgerichts als auch der Landesarbeitsgerichte mit der Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen Sicherheitsbedenken auseinandergesetzt. Die Darstellung der Urteile erfolgt anhand der verschiedenen Komplexe auf denen die Sicherheitsbedenken beruhen. Zunächst kommen Sicherheitsbedenken aufgrund verwandtschaftlicher oder freundschaftlicher Bindungen zu Personen, die in anderen (feindlichen) Staaten leben, in Betracht. In diesem Zusammenhang steht ein weiterer Komplex, nämlich die verwandtschaftlichen oder freundschaftlichen Beziehungen zu Konkurrenzunternehmen. Hierzu gehört auch die Verbindung zu terroristischen Kreisen. Den zweiten Bereich bilden Urteile, die sich mit Sicherheitsbedenken aufgrund der politischen Überzeugung des Arbeitnehmers beschäftigen. Dies spielt insbesondere im öffentlichen Dienst eine große Rolle.

7

BAGE 14, 103 (105). Ebenda. 9 BAGE 14, 103 (105 f). 10 B AGE 14, 103 (108). 11 Ebenda. 12 Ebenda. 8

Α. Die Rechtsprechung

61

Weiterhin kommen eine Überschuldung oder andere besondere Lebensumstände des Arbeitnehmers in Betracht. Schlußendlich sollen noch einige besondere Fallgestaltungen dargestellt werden.

I. Verwandtschaftliche Beziehungen Erstmals hat das BAG die Verwandtschaft mit Personen, die in einem Staat des Warschauer Paktes leben, wie oben bereits ausführlich dargestellt, im Urteil vom 28.02.1963 als Grundlage für eine Kündigung rechtfertigende Sicherheitsbedenken anerkannt, allerdings in Verbindung mit der Unterzeichnung einer Beitrittserklärung zur SED für den Fall ihrer Gründung in Westdeutschland, im Urteil vom 26.10.1978 13 hat das BAG im Anschluß an das oben genannte Urteil ausgeführt, daß allein die abstrakte Möglichkeit einem fremden Nachrichtendienst als geeignete Kontaktperson zu erscheinen, nicht ausreiche, um eine Kündigung wegen Sicherheitsbedenken zu rechtfertigen. 14 Im zu entscheidenden Fall hat das BAG es als rechtsfehlerfrei angesehen, daß das Arbeitsgericht allein die Lebensgemeinschaft zu einem Partner, der hinsichtlich des Terrorismus "bedenkliche, von der Allgemeinheit nicht gebilligte Auffassungen vertrete", nicht zur Rechtfertigung einer Kündigung wegen Sicherheitsbedenken ausreichen ließ, solange keine weiteren Anhaltspunkte dafür vorlägen, der Kläger würde gegen die berechtigten Sicherheitsinteressen der Beklagten verstoßen. 15 In der Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte finden sich Urteile, die sich mit Sicherheitsbedenken aufgrund verwandtschaftlicher Beziehungen zu Konkurrenzunternehmen beschäftigen. Das LAG Stuttgart hat im Urteil vom 19.12.1952 16 ausgeführt, daß die Gefahr der Ausspähung von Betriebsgeheimnissen durch einen Arbeitnehmer, dessen Ehegatte oder enger Verwandter in einem Konkurrenzunternehmen arbeitet oder ein solches betreibt, eine personenbedingte Kündigung rechtfertigen kann, wenn besondere Umstände des Einzelfalles die Gefahr begründen. Nach dem Urteil des LAG Bayern vom 15.06.1967 können begründete Verdachtsmomente dafür, daß in Zukunft Betriebsgeheimnisse weitergegeben werden, bereits dann bestehen, wenn der Ehepartner in einem Konkurrenzunternehmen arbeitet und die bedrohten Interessen des Arbeitgebers erheblich sind; eine fristlose Kündigung kann dadurch gerechtfertigt sein. 17 Das LAG Baden-Württemberg hat im Urteil vom 31.10.1967 erklärt, der Verdacht des Verrats von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen könne im Einzelfall ebenso wie der Verdacht strafbarer Handlungen eine frist13 14 15 16 17

BAG AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Sicherheitsbedenken. Ebenda, Bl. 3. Ebenda. LAG Stuttgart BB 1953, 236. LAG Bayern BB 1969,315.

62

2. Teil: Rechtsprechung und Arbeitsrechtswissenschaft

lose Kündigung rechtfertigen. 18 Das LAG Hamburg hat im Beschluß vom 27.03.1969 ausgeführt, daß auch die Gefahr der Weitergabe von Betriebsgeheimnissen der Kunden des Arbeitgebers an Ehepartner oder nahe Verwandte in Konkurrenzunternehmen eine personenbedingte ordentliche Kündigung und auch eine außerordentliche fristlose Kündigung rechtfertigen könne. 19 Mit einer besonderen Fallgestaltung beschäftigt sich das Urteil des ArbG Heidelberg vom 31.01.1967. 20 Bei dem klagenden Arbeitnehmer waren entgegen den betrieblichen Regelungen abgeschriebene Rezepturkarten, die zu der Zeit nicht benötigt wurden, gefunden worden. Daraus ergibt sich nach Ansicht des Gerichts der begründete Verdacht, daß der Arbeitnehmer bereits Betriebsgeheimnisse verraten habe. 21 Aufgrund dieses Verdachts sei auch ernstlich zu befürchten, daß der Arbeitnehmer weiterhin Betriebsgeheimnisse verraten werde. Die ausgesprochene außerordentliche Kündigung sei gerechtfertigt, da der Arbeitnehmer einen erheblichen Verdacht erregt habe und die Vermutung bestehe, daß er auch in Zukunft seine Verschwiegenheitspflicht verletzen werde. 22 Dazu heißt es: "Es kann von einem Arbeitgeber nicht verlangt werden, daß er einen Arbeitnehmer, gegen den ein berechtigter Verdacht dieser Art besteht, so lange noch in seinem Betrieb beschäftigt und ihm Zugang zu seinen geheimen Unterlagen gewährt, bis er ihm den Bruch der Verschwiegenheitspflicht eindeutig nachweisen kann." 23 Vor Inkrafttreten des KSchG hatte das LAG Chemnitz im Urteil vom 20.08.1940 bereits über die Frage der Kündigung wegen Sicherheitsbedenken zu entscheiden.24 Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger war seit fünfunddreißig Jahren als Kraftwagenführer bei der Beklagten tätig. Der Sohn des Klägers war sechzehn Jahre bei der Beklagten als Einkäufer tätig. Er hatte dann ein Unternehmen übernommen, das in direkter Konkurrenz zu der Beklagten trat. Der Kläger hatte seinem Sohn für die Existenzgründung RM 13.000,- gegeben.25 Die Entscheidung war auf der Grundlage des § 56 AOG zu treffen. Danach kann der gekündigte Arbeitnehmer auf Widerruf der Kündigung klagen, wenn diese unbillig hart ist und nicht durch die Verhältnisse des Betriebes bedingt ist. 2 6 Im zu entscheidenden Fall bejahte das LAG die Be-

18 19 20 21 22 23 24 25 26

LAG Baden-Württemberg DB 1968, 359. LAG Hamburg BB 1970, 1096. ArbG Heidelberg BB 1967, 1210. Ebenda. Ebenda. Ebenda. LAG Chemnitz ArbRS 39, 84. LAG Chemnitz ArbRS 39, 84 (85). LAG Chemnitz ArbRS 39, 84 (84 u. 85); vgl. bereits Seite 43 f der Arbeit.

.

i Rechtsprechung

triebsbedingtheit und wies die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, daß die Adressen der Lieferanten der Beklagten für das Unternehmen des Sohnes von besonderem Interesse seien und der Kläger ein auffälliges Interesse für die Adressen auf Versandstücken gezeigt habe. 27 Die Firma des Sohnes habe bereits Lieferanten der Beklagten, die dem Sohn aus der Zeit seiner Tätigkeit bei der Beklagten noch bekannt gewesen seien, angeschrieben. Zudem habe der Kläger aufgrund der gegebenen Geldsumme ein eigenes Interesse am Unternehmen seines Sohnes.28 Die Kündigung sei daher notwendig, um einer Betriebgefährdung zu begegnen; nicht notwendig sei, daß bereits Adressen weitergegeben wurden, es sei nicht einmal ein hinreichender Verdacht erforderlich. 29 Zuletzt geht das LAG darauf ein, daß eine andere Beschäftigung des Klägers nicht möglich gewesen sei. 30

I I . Politische Überzeugung Beruhen die Sicherheitsbedenken des Arbeitgebers auf der politischen Überzeugung oder der politischen Betätigung des Arbeitnehmers, ist zwischen Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes und solchen der privaten Wirtschaft zu unterscheiden, da für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst Besonderheiten bestehen. 7. Öffentlicher

Dienst

Für die Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst besteht eine ausdrückliche, tarifVertraglich geregelte politische Treuepflicht. Die politische Betätigung dieser Arbeitnehmer ist deshalb eng verbunden mit der politischen Treuepflicht der Beamten. a) Die politische Treuepflicht Das Bundesverfassungsgericht hat im Beschluß vom 22.05.1975 grundlegend zu den Anforderungen an die politischen Überzeugungen und die politische Betätigung sowohl der Beamten als auch der Arbeiter und Angestellten im öffentlichen Dienst Stellung genommen.31 Auf die beamtenrechtliche Problematik wird später noch einzugehen sein. 32 An dieser Stelle soll im wesentlichen die arbeitsrechtliche Situation dargestellt werden; die beamtenrechtlichen

27 28 29 30 31 32

LAG Chemnitz ArbRS 39, 84 (85 u. 86). LAG Chemnitz ArbRS 39, 84 (85). LAG Chemnitz ArbRS 39, 84 (87). Ebenda. BVerfGE 39, 334. Siehe Seite 86 ff der Arbeit.

64

2. Teil: Rechtsprechung und Arbeitsrechtswissenschaft

Grundlagen werden nur kurz dargestellt, soweit sie für das Verständnis der arbeitsrechtlichen Situation unerläßlich sind. Das BVerfG führt zunächst aus, daß aufgrund des Art. 33 Abs. 5 GG und des § 7 Abs. 1 B B G 3 3 und der gleichlautenden weiteren landesrechtlichen Vorschriften die politische Treuepflicht des Beamten mehr als nur eine formal korrekte Haltung gegenüber Staat und Verfassung erfordert; der Beamte muß sich eindeutig von Bestrebungen distanzieren, "die diesen Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren"; vom Beamten wird vielmehr erwartet, "daß er diesen Staat und seine Verfassung als einen hohen positiven Wert erkennt und anerkennt, für den einzutreten sich lohnt". 3 4 Die Verletzung dieser Treuepflicht führt regelmäßig zur Entlassung aus dem Amt oder zur Entfernung aus dem Dienst. 35 Ergibt eine Prognose für der Einstellung eines Beamtenbewerbers, daß er nicht gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 2 BBG die Gewähr bietet, jederzeit für die freiheitlich demokratische Grundordnung einzutreten, kann er aufgrund der verfassungsrechtlichen und einfachgesetzlichen Vorschriften nicht in das Beamtenverhältnis übernommen werden. 36 Auf dieser Grundlage führt das BVerfG aus, daß an die Angestellten im öffentlichen Dienst weniger strenge Anforderungen zu stellen sind; aber auch diese müssen sich dem Dienstherrn gegenüber loyal verhalten; "auch sie dürfen nicht den Staat, in dessen Dienst sie stehen, und seine Verfassungsordnung angreifen; auch sie können wegen grober Verletzungen dieser Dienstpflichten fristlos entlassen werden". 37 Das BAG mußte bereits im Urteil vom 23.02.1959 die Frage beantworten, unter welchen Voraussetzungen einem Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst wegen politischer Meinungsäußerung und Betätigung gekündigt werden kann. 38 Dem Urteil lag die Kündigungsschutzklage eines Lehrers der Stadt Berlin zugrunde, dessen Arbeitsverhältnis wegen seiner öffentlich gemachten Äußerungen zum Nationalsozialismus und zur Rolle der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands bei der Abstimmung zum Ermächtigungsgesetz in der Reichstagssitzung vom 23.03.1933 gekündigt wurde. 39 Die beklagte Stadt Berlin stützte die Kündigung auf § 1 Nr. 2 der Dienst- und Disziplinarordnung (DDO), Anlage zum RahmentarifVertrag für die im öffentlichen Dienst von Berlin ste-

33 Bundesbeamtengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 27.02.1985 (BGBl. I S. 479) zuletzt geändert durch Gesetz vom 11.06.1992 (BGBl. I S. 1030). 34 BVerfGE 39, 334 (LS 2 u. 347 ff). 35 BVerfGE 39, 334 (LS 3 u. 349 ff). 36 BVerfGE 39, 334 (LS 4 u. 5 u. 352 ff). 37 BVerfGE 39, 334 (LS 7 u. 355 f)· 38 BAGE 7, 256. 39 BAGE 7, 256 (257).

.

i Rechtsprechung

henden Beschäftigten (RTV); danach "haben die Angestellten und Arbeiter der Stadt Berlin sich durch ihr Verhalten der Achtung und des Vertrauens würdig zu erweisen, das ihr Dienstverhältnis erfordert". 40 Nach Ansicht des BAG gilt im Arbeitsrecht das "Gebot der Mäßigung und Zurückhaltung der öffentlichen Diener bei ihren politischen Meinungsäußerungen" als allgemein anerkannter arbeitsrechtlicher Grundsatz, der den Schutz der freien Meinungsäußerung nach Art. 5 Abs. 2 GG einschränkt. 41 Da der Kläger gegen diese Pflicht verstoßen habe und damit das Vertrauensverhältnis zwischen Kläger und Beklagter weitgehend zerstört sei, insbesondere da der Kläger als Geschichtslehrer tätig sei, 42 und auch die Berücksichtigung der Interessen des Klägers an der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses zu keinem anderen Ergebnis führten, war nach Ansicht des BAG die fristgemäße Kündigung angemessen und notwendig. 43 Im Urteil vom 15.07.1971 hat das BAG diese Rechtsprechung fortgesetzt. 44 Das BAG hat in diesem Urteil bestätigt, daß eine außerordentliche Kündigung oder eine ordentliche Verhaltens- oder personenbedingte Kündigung wegen der politischen Meinungsäußerung oder Betätigung des Arbeitnehmers im öffentlichen Dienst nur möglich ist, "wenn das Arbeitsverhältnis konkret berührt wird", also das Verhalten oder die Meinungsäußerung sich betrieblich auswirken. Ansonsten sei eine Kündigung wegen der Beeinträchtigung des Grundrechtes der freien Meinungsäußerung unwirksam. 45 Nach der oben bereits zitierten Entscheidung des BVerfG vom 22.05.1975 hat das BAG dann erstmals wieder im Urteil vom 31.03.1976 zu den Anforderungen an die politische Treuepflicht der Arbeiter und Angestellten im öffentlichen Dienst Stellung genommen. 46 Das BAG hat im Anschluß an die Entscheidung des BVerfG festgestellt, daß die Eignung im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GG auch bei Arbeitern und Angestellten im öffentlichen Dienst "die Bereitschaft, der für das erstrebte Amt erforderlichen politischen Treuepflicht zu genügen", umfaßt. 47 Für Arbeiter und Angestellte ergibt sich nach Ansicht des BAG und in Übereinstimmung mit dem BVerfG jedoch im Unterschied zum Beamten eine abgestufte Treuepflicht, die das BAG dahingehend präzisiert, "daß sich die Anforderungen bei Angestellten - auch bei Arbeitern - im öffentli-

40 41 42 43 44 45 46 47

5 Meyer

Ebenda. BAGE 7, 256 (261). BAGE 7, 256 (262). BAGE 7, 256 (263). BAGE 23,371. BAGE 23, 371 (375). BAGE 28, 62. BAGE 28, 62 (LS 2 u. 68).

2. Teil: Rechtsprechung und Arbeitsrechtsissenschaft

66

chen Dienst aus dem jeweiligen Amt ergeben müssen". 48 Diese Treuepflicht, die unter anderem in § 8 Abs. 1 S. 2 B A T 4 9 und § 9 Abs. 9 M T B I I 5 0 normiert wurde, ist Prüfungsmaßstab sowohl bei der Einstellung eines Bewerbers als auch bei der Frage der Kündigung wegen politischer Meinungsäußerung und Betätigung. 51 Während das BAG bei der Kündigung eine konkrete Berührung des Arbeitsverhältnisses fordert und somit die politische Meinung und die politische Betätigung, die sich nicht im Betrieb auswirkt, für eine Kündigung nicht genügen läßt, stellt es bei der Einstellung auf die Besorgnis ab, der einzustellende Arbeitnehmer werde die Arbeitsleistung nicht ordnungsgemäß erbringen. Das BAG fordert also eine Prognose. 52 In der Folgezeit sind eine Fülle von Urteilen des BAG zu den Anforderungen an die politische Treuepflicht von Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst ergangen. 5 3 Auch die Landesarbeitsgerichte haben sich mit dieser Frage auseinandergesetzt. 54 Für die vorliegende Arbeit sind in erster Linie die Entscheidungen zu berücksichtigen, die sich mit der Beendigung eines bestehenden Arbeitsverhältnisses beschäftigen; daneben können zum Umfang der Treuepflicht aber auch die Entscheidungen zur Einstellung eines Bewerbers in den öffentlichen Dienst von Bedeutung sein. 55 b) Die Kündigung wegen fehlender Verfassungstreue Die Rechtsprechung des BAG zur Kündigung wegen Verstoßes gegen die politische Treuepflicht oder wegen fehlender Verfassungstreue ist äußerst vielschichtig. Verhält sich der Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst nicht loyal ge-

48

BAGE 28, 62 (LS 2 u. 69 f). Bundesangestelltentarifvertrag vom 23.02.1991 (Gem-MBl., 137), zuletzt geändert durch 70. ÄndTV vom 03.05. 1995. 50 ManteltarifVertrag für die Arbeiter des Bundes vom 27.02.1964, zuletzt geändert durch 52. ÄndTV vom 03.05. 1995. 51 BAGE 28, 62 (70). 52 Ebenda. 53 BAG AP Nr. 3 zu Art. 33 Abs. 2 GG; aaO Nr. 5; BAGE 33, 43; AP Nr. 7 zu Art. 33 Abs. 2 GG; aaO Nr. 8; BAGE 34, 1; AP Nr. 16 zu Art. 33 Abs. 2 GG; aaO Nr. 15; aaO Nr. 20; BAGE 39, 235; AP Nr. 18 zu Art. 33 Abs. 2 GG; aaO Nr. 19; AP Nr. 11 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung; AP Nr. 23 zu Art. 33 Abs. 2 GG; Urteil vom 12.03.1986, Az: 7 AZR 468/81, nv; Urteil vom 12.03.1986, Az: 7 AZR 469/81, nv; AP Nr. 26 zu Art. 33 Abs. 2 GG; BAGE 62, 256; BAGE 63, 72; Urteil vom 28.09.1986, Az: 2 AZR 41/88, nv; Urteil vom 28.02.1991, Az: 2 AZR 357/90, nv; vgl. zur Rspr. auch: Lakies/Kutscha, S. 1080 f. 54 Vgl. nur: LAG Frankfurt am Main, Urteil vom 29.01. 1979, Az: 11 Sa 1142/78, nv; LAG Hamm, Urteil vom 04.12. 1987, Az: 5 Sa 540/87, ARST 1989, 35 (LS 1). 55 Vgl.: BAGE 28, 62 (70). 49

Α. Die Rechtsprechung

67

genüber der freiheitlich demokratischen Grundordnung, so kann dies das Arbeitsverhältnis in verschiedener Art und Weise berühren. Nach der Rechtsprechung des BAG ist wegen fehlender Verfassungstreue sowohl eine verhaltensbedingte als auch eine personenbedingte Kündigung möglich. 56 Voraussetzung für eine verhaltensbedingte Kündigung ist neben der fehlenden Verfassungstreue die konkrete Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses im Leistungsbereich, im persönlichen Vertrauensbereich, im behördlichen Aufgabenbereich oder im Bereich der Verbundenheit der Beschäftigten. 57 Die Kündigung ist wegen fehlender Eignung personenbedingt, wenn die fehlende Verfassungstreue des Arbeitnehmers "in die Dienststelle hineinwirkt und entweder die allgemeine Aufgabenstellung des öffentlichen Arbeitgebers oder das konkrete Arbeitsgebiet des Arbeitnehmers berührt". 58 Dabei wird zumeist auf eine Schlechtleistung abgestellt, zumal im Ausbildungsbereich, wo die fehlende Verfassungstreue dazu führt, daß der Lehrer die positiven Werte der freiheitlich demokratischen Grundordnung nicht vermitteln kann. 59 Ob eine personenbedingte Kündigung wegen fehlender Eignung möglich ist, hängt davon ab, "welche vertraglich vereinbarten Verhaltenspflichten dem Arbeitnehmer obliegen, welche staatliche Aufgabenstellung der öffentliche Arbeitgeber wahrzunehmen hat und welches Aufgabengebiet von dem Arbeitnehmer zu bearbeiten ist". 6 0 Entsprechend der Themenstellung der vorliegenden Arbeit soll hier näher nur auf den Verstoß gegen die politische Treuepflicht eingegangen werden, soweit darauf Sicherheitsbedenken des öffentlichen Arbeitgebers beruhen. Mit der Frage, ob aufgrund fehlender Verfassungstreue Sicherheitsbedenken bestünden, setzte sich das BAG insbesondere in Urteilen, die Fernmeldehandwerker der Deutschen Bundespost betrafen, auseinander 61, aber auch hinsichtlich eines Hauptvermittlers in einem Arbeitsamt. 62 Die betroffenen Arbeitnehmer waren Mitglieder des als verfassungsfeindlich eingestuften Kommunistischen Bundes Westdeutschlands ( K B W ) 6 3 oder der ebenfalls als verfassungsfeindlich einge-

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BAGE 23, 371 (375); 62, 256 (LS 1 u. 2); 63, 72 (LS 1 u. 4). BAGE 23, 371 (375); 62, 256 (262 f); 63, 72 (88). 58 BAGE 62, 256 (LS 2). 59 BAGE 28, 62 (LS 3 u. 71 f). 60 BAG AP Nr. 11 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung, Bl. 4. 61 BAGE 23, 371 (375); Urteil vom 12.03.1986, Az: 7 AZR 468/81, nv, unter II 2 c der Gründe; Urteil vom 12.03.1986, Az: 7 AZR 469/81, nv, unter II 2 c der Gründe; BAGE 62, 256 (LS 3 u. 269 ff). 62 BAG AP Nr. 11 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung, Bl. 6. 63 Zur Verfassungsfeindlichkeit des KBW: BAG, Urteil vom 03.02.1983, Az: 2 AZR 198/81, nv, unter II 7 der Gründe; Urteil vom 12.03.1986, Az: 7 AZR 468/81, nv, unter II 2 d der Gründe; Urteil vom 12.03.1986, Az: 7 AZR 469/81, nv, unter II 2 d der Gründe; LAG Düsseldorf EzA § 134 BGB Nr. 10. 57

5*

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2. Teil: Rechtsprechung und Arbeitsrechtsissenschaft

stuften Deutschen Kommunistischen Partei ( D K P ) . 6 4 Im Urteil vom 06.06.1984 fuhrt das BAG aus, daß die abstrakte Möglichkeit, der Kläger, der als Hauptvermittler beim Arbeitsamt beschäftigt war und der DKP angehörte, werde mögliche Aufgaben nach dem Arbeitssicherstellungsgesetz im Spannungsfall nicht ordnungsgemäß durchführen, eine verhaltensbedingte Kündigung nicht rechtfertigen könne, da es insoweit an einer konkreten Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses fehle; zudem könne die beklagte Behörde im Spannungsoder Verteidigungsfall Maßnahmen ergreifen, um dieser abstrakten Gefahr zu begegnen, zum Beispiel durch Umsetzung, Suspendierung oder Kündigung. 65 Bei der Prüfung, ob eine personenbedingte Kündigung möglich sei, ist das BAG nicht auf etwaige Sicherheitsbedenken eingegangen. In den beiden Urteilen vom 12.03.1986, denen jeweils die Kündigungsschutzklagen von Fernmeldehandwerkern, die dem K B W angehörten, gegen die Bundespost zugrunde lagen, ist das BAG nur kurz auf Sicherheitsbedenken eingegangen. 66 Es hat lediglich festgestellt, daß die Kündigung nicht wegen fehlender Eignung aufgrund Sicherheitsbedenken gerechtfertigt sei, da es insoweit an einem schlüssigen Vortrag der Beklagten fehle; zum Umfang der Darlegungslast wurde auf die Rechtsprechung zu Sicherheitsbedenken verwiesen. 67 Ausführlicher hat sich das BAG dann im Urteil vom 20.07.1989 zu dieser Thematik geäußert. 68 Ein Fernmeldehandwerker, der der DKP angehörte, hatte Kündigungsschutzklage gegen eine ordentliche Änderungskündigung der Bundespost erhoben. Zunächst beschäfigte sich das BAG mit der Möglichkeit einer verhaltensbedingten Kündigung wegen Sicherheitsbedenken. 69 Voraussetzung dafür ist, daß das Verhalten des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt oder stört; dabei kann es sich um nachteilige Auswirkungen im Leistungsbereich, im Bereich der betrieblichen Verbundenheit, im personalen Vertrauensbereich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer oder im Postbetrieb der Beklagten handeln. 70 Abstrakte Möglichkeiten der Gefährdung sowie allgemeine Besorgnisse und Bedenken reichen dabei nicht aus. 71 Der Arbeitgeber muß zunächst darlegen, welche sicherheitsempfindlichen Tätigkeiten

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Zur Verfassungsfeindlichkeit der DKP: BAGE 28, 62 (75 ff); BVerwGE 47, 330 (360 f); Bayer. VGH ZBR 1974, 136 (138 f); OVG Hamburg ZBR 1974, 187 (190 f). 65 BAG AP Nr. 11 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung, Bl. 6. 66 BAG, Urteile vom 12.03.1986, Az: 7 AZR 468/81 u. 7 AZR 469/81, nv, jeweils unter II 2 c der Gründe. 67 Ebenda. 68 BAGE 62, 256. 69 BAGE 62, 256 (264 f). 70 BAGE 62, 256 (264). 71 Ebenda.

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i Rechtsprechung

der Kläger ausübt und welche Gefahr vom Kläger ausgehen kann. 72 Darüber hinaus muß er "greifbare Tatsachen" darlegen, "die erkennen lassen, der Kläger werde durch sein Verhalten berechtigte Sicherheitsinteressen beeinträchtigen". 73 Im weiteren hat das BAG bestätigt, daß Sicherheitsbedenken zu einem unbehebbaren Eignungsmangel führen können und somit eine personenbedingte Kündigung rechtfertigen können, hat sich aber im Ergebnis dem LAG angeschlossen, daß bei der Beurteilung des zugrunde liegenden Einzelfalles für die Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung eine fehlende Eignung nicht zu erkennen sei. 74 Eine andere Beurteilung ergebe sich auch nicht aufgrund der Richtlinien für die Sicherheitsüberprüfung von Bundesbediensteten, da diese auch eine Beurteilung nach Lage des Einzelfalles vorsehen. 75 Das Urteil des BAG vom 28.09.1989 wurde zwar unter dem Stichwort "Sicherheitsbedenken" veröffentlicht, 76 es beschäftigt sich jedoch mit der Eignung eines Lehrers, der der DKP angehört, ohne auf konkrete Sicherheitsbedenken einzugehen. Von Sicherheitsbedenken kann hier wohl nur insoweit gesprochen werden, als die Indoktrinierung von Schülern durch Lehrer mit kommunistischer Weltanschauung die freiheitlich demokratische Grundordnung gefährdet. Weitere Ausführungen des BAG zu Sicherheitsbedenken aufgrund fehlender Verfassungstreue im öffentlichen Dienst sind nicht ersichtlich. In jüngster Zeit wurde die Kündigung von Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst wegen ihrer politischen Betätigung im Hinblick auf die besondere Kündigungsregelung in Abs. 4 Ziff 1 EV vom BAG problematisiert. 77 Zunächst hatte das BAG allein auf die besondere Identifikation der betroffenen Arbeitnehmer zur damaligen SED-Ideologie während ihre Beschäftigung im öffentlichen Dienst der ehemaligen DDR abgestellt, um die mangelnde persönliche Eignung zu begründen. 78 Mit Urteil vom 21.02.1995 hat das BVerfG jedoch das Abstellen allein auf die Vergangenheit des Arbeitnehmers abgelehnt. 79 Es komme vielmehr darauf an, ob der Arbeitnehmer zum Kündigungszeitpunkt der politischen Treuepflicht genüge; für diese Beurteilung müsse auch die Entwicklung des Arbeitnehmers nach dem erfolgten Beitritt der ehemaligen DDR be-

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Ebenda. BAGE 62, 256 (265). 74 BAGE 62, 256 (269). 75 Ebenda. 76 BAGE 63, 72. 77 BAG NZA 1994, 120 ff; 1995, 527 ff; 577 ff; 753 ff; Stahlhacke/Preis, Rdn 656a; dies., 5. Aufl., Rdn 1381 ff; ausführlich: Lakies/Kutscha, S. 1081 ff. 78 BAG NZA 1995, 577 ff. 79 BVerfG NZA 1995, 619 (620 ff). 73

2. Teil: Rechtsprechung und Arbeitsrechtsissenschaft

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rücksichtigt werden. 80 Dieser Ansicht hat sich das BAG nunmehr angeschlossen. 81 Damit ist die mangelnde persönliche Eignung des Arbeitnehmers gemäß Abs. 4 Ziff. 1 EV im Grundsatz nach den gleichen, oben dargestellten Grundsätzen zu prüfen wie die Kündigung wegen politischer Betätigung anderer Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst. 8 2 2. Private Arbeitgeber Die Rechtsprechung zur politischen Betätigung im öffentlichen Dienst wendet das BAG im Ergebnis auch auf Privatunternehmen an. Bereits im Urteil vom 03.12.1954 83 hat das BAG entschieden, daß eine wiederholte parteipolitische Agitation im Betrieb eine fristlose Kündigung rechtfertigen kann, wenn der Betriebsfrieden ernstlich und schwer gefährdet w i r d . 8 4 Im zugrunde liegenden Fall hatte der Arbeitnehmer nicht nur gelegentliche Sympathiekundgebungen für die KPD abgegeben, sondern wollte die anderen Arbeitnehmer im Betrieb parteipolitisch zugunsten der KPD beeinflussen. 85 Mit Sicherheitsbedenken beschäftigte sich dieses Urteil jedoch nicht. Die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung wegen Sicherheitsbedenken aufgrund der politischen Einstellung des Arbeitnehmers war Gegenstand des Urteils des BAG vom 18.01.1968. 86 Die Kündigung betraf einen Arbeitnehmer der Mitglied der Freien Deutschen Jugend (FDJ) und der KPD war, für eine kommunistische Ersatzorganisation kandidiert hatte und mehrfach Reisen in die DDR und nach Moskau unternommen hatte. 87 Die Beklagte betrieb zwei Werke in dem Bereich Metallindustrie. Im Werk I wurden Spezialgeräte im Auftrag des Verteidigungsministeriums unter besonderem Geheimhaltungsschutz hergestellt; der klagende Arbeitnehmer war im Werk II beschäftigt, in dem nicht dem Geheimhaltungsschutz unterliegende Geräte der Regeltechnik hergestellt wurden. 88 Das BAG hat sich unter anderem mit den Fragen auseinandergesetzt, ob eine Kündigung wegen des Sicherheitsbedürfhisses der Beklagten oder wegen der Störung des Betriebsfriedens gerechtfertigt sei. Das BAG hat zunächst wiederholt, daß für eine Kündigung wegen Sicherheitsbedenken weder eine effektive Agenten- und Spionagetätigkeit vom Arbeitgeber

80 81 82 83 84 85 86 87 88

BVerfG NZA 1995, (621 f). BAG NZA 1996, 202 (204); ebenso: Lakies/Kutscha, S. 1082 ff. Lakies/Kutscha, S. 1083 f. BAGE 1, 185. BAGE 1, 185 (LS 5 u. 190). BAGE 1, 185 (190). BAG AP Nr. 28 zu § 66 BetrVG. BAG AP Nr. 28 zu § 66 BetrVG, Bl. 1. Ebenda.

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i Rechtsprechung

vorgeworfen noch nachgewiesen werden muß. 8 9 Es hat die Möglichkeit einer Kündigung wegen Sicherheitsbedenken aber verneint, da es dazu an konkreten Anhaltspunkten fehle. 90 Die Beklagte habe nicht vorgetragen, welche konkreten Möglichkeiten der Kläger gehabt habe, den sicherheitsrelevanten Bereich zu gefährden; auch fehle es an konkreten Angaben dafür, daß die Beklagte das Vertrauen des Verteidigungsministeriums wegen der Beschäftigung des Klägers verlieren könne. 91 Im folgenden hat das BAG die Ansicht aufrechterhalten, daß die parteipolitische Betätigung eines Arbeitnehmers eine Kündigung nur rechtfertigen kann, wenn dadurch der Betriebsfrieden gestört wird, hat eine solche Störung im vorliegenden Fall jedoch verneint. 92 Im Urteil vom 11.12.1975 hat das BAG über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung gegenüber einem Arbeitnehmer entschieden, der nach der Behauptung des Arbeitgebers Mitglied der KPD sei. 93 Auch hier hat das BAG unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Senats festgestellt, daß die etwaige kommunistische Betätigung des Arbeitnehmers nur dann einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen kann, wenn ein konkreter Bezug zum Arbeitsverhältnis gegeben ist. 9 4 Nach Ansicht des LAG Frankfurt am Main setzt die Kündigung wegen Sicherheitsbedenken voraus, "daß tatsächliche Umstände vorliegen, die auf eine Verletzung der Sicherheits- und Geheimhaltungspflichten schließen lassen." 95 Im zu entscheidenden Fall hat es das Gericht nicht genügen lassen, daß der als Operator in der EDV-Anlage beschäftigte Arbeitnehmer, der Mitglied der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ) war, erklärt hatte, das Unternehmen müsse verstaatlicht und die Gewinne an die Belegschaft verteilt werden. 96

I I I . Sonstige Fallgruppen Einen Grund für Sicherheitsbedenken kann auch die Überschuldung des Arbeitnehmers darstellen, da der Arbeitnehmer in diesem Fall potentiell aus finanziellen Gründen einen Geheimnisverrat oder Sabotageakte begehen könn-

89 90 91 92 93 94 95 96

BAG AP Nr. 28 zu § 66 BetrVG, Bl. 4. Ebenda. Ebenda. BAG AP Nr. 28 zu § 66 BetrVG, Bl. 5. BAG AP Nr. 1 zu § 15 KSchG 1969. BAG AP Nr. 1 zu § 15 KSchG 1969, Bl. 3. LAG Frankfurt am Main, Urteil vom 29.01. 1979, Az: 11 Sa 1142/78, nv, LS 2. Ebenda.

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te. 9 7 Dies gilt auch für vom Arbeitnehmer außerdienstlich begangene Vermögensdelikte. 98 Im Urteil vom 15.10.1992 hat das BAG die grundsätzliche Möglichkeit, eine Kündigung wegen Sicherheitsbedenken mit der Überschuldung des Arbeitnehmers zu begründen, bejaht. 99 Dem Urteil lag die Kündigungsschutzklage einer Bankangestellten zugrunde, der aufgrund ihrer Verschuldung und zahlreicher Lohnpfändungen gekündigt wurde. Das BAG hat, dem Berufungsgericht zustimmend, die soziale Rechtfertigung einer Kündigung wegen Sicherheitsbedenken abgelehnt, da die Beklagte keine greifbaren Tatsachen vorgetragen habe, "die die Befürchtung rechtfertigen, die Klägerin könne aufgrund ihrer Kenntnisse ihr oder ihren Kunden Vermögensnachteile zufügen, die ihr aus ihrer Überschuldung heraushelfen würden". Zudem bleibe offen, "welche Art von Sicherheitsbedenken (z.B. Verrat von Geschäftsgeheimnissen?) gegen die Klägerin bestehen sollen". 1 0 0 Auch Umstände, die den Arbeitnehmer erpreßbar machen, können zu Sicherheitsbedenken fuhren, da der Arbeitnehmer deshalb zu einer geeigneten Kontaktperson für fremde Nachrichtendienste, kriminelle Gruppen oder Konkurrenzunternehmer werden könnte. 1 0 1 Dies sind zum Beispiel sexuelle Neigungen, soweit sie strafbar s i n d , 1 0 2 aber auch andere Straftaten. Schließlich kann auch die mehrmalige Nichtbeachtung von Sicherheitsvorschriften Sicherheitsbedenken begründen. 103 Beispiele hierzu aus der Arbeitsgerichtsbarkeit sind, soweit ersichtlich, nicht vorhanden. Eine besondere Situation besteht bei der Druckkündigung. Von einer Druckkündigung wird gesprochen, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit einem Arbeitnehmer auf Verlangen der übrigen Arbeitnehmer, der Kunden oder sonstiger Dritter kündigt. Nach der Rechtsprechung des BAG ist eine ordentlichen Kündigung möglich, wenn vom Arbeitgeber vernünftigerweise nicht verlangt und nicht erwartet werden kann, daß er dem Druck widersteht, und er alles ihm mögliche versucht hat, um den Dritten von seinem Entlassungsverlangen abzubringen; das BAG hält dann die Voraussetzungen für eine betriebsbedingte

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BAG EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 45, S. 3; vgl. auch aus dem Beamtenrecht: BVerwGE 73, 330 (332 ff). 98 Vgl.: BVerwG RDV 1995, 125 (127). 99 BAG EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 45, S. 3. 100 BAG EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 45, S. 3. 101 Siehe auch: § 5 Abs. 1 Nr. 2 SÜG. 102 Vgl. aus dem Beamtenrecht: BVerwGE 76, 52 (53 f). 103 Vgl. aus dem Beamtenrecht: BVerwGE 73, 154 (156 ff); 81, 258 (263 0-

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Kündigung für gegeben. 104 Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn dem Arbeitgeber schwere wirtschaftliche Schäden drohen und die Kündigung die einzige Möglichkeit ist, den Schaden zu verhindern. 105 Im Urteil vom 26.10.1978 hat das BAG eine Druckkündigung wegen Sicherheitsbedenken mit der Begründung verneint, die Beklagte habe keine "greifbaren Tatsachen" für Schwierigkeiten mit den Kunden oder für Entlassungsverlangen der übrigen Arbeitnehmer vorgetragen. 106 Wie oben bereits dargestellt, hat das BAG bereits im Urteil vom 18.01.1968, ohne direkt auf eine Druckkündigung einzugehen, ausgeführt, daß der Arbeitgeber für eine Kündigung wegen Sicherheitsbedenken konkrete Angaben machen muß, wenn das Vertrauen seiner Auftraggeber in die Geheimhaltung bedroht i s t . 1 0 7

IV. Zusammenfassung Nach der Rechtsprechung des BAG kann die ordentliche Kündigung eines Arbeitnehmers wegen Sicherheitsbedenken sowohl personenbedingt als auch verhaltensbedingt im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG sein. Liegt aufgrund der Sicherheitsbedenken ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB vor, kommt auch eine außerordentliche Kündigung in Betracht. Machen Kunden oder Auftraggeber Sicherheitsbedenken gegenüber einem Arbeitnehmer geltend, kommt eine Druckkündigung in Betracht. Für die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung nach dem KSchG müssen tatsächliche Umstände vorliegen, aus denen sich die Sicherheitsbedenken ergeben. 1 0 8 Aufgrund dieser tatsächlichen Umstände hat das Gericht im Kündigungsschutzprozeß zu prüfen, ob tatsächlich Sicherheitsbedenken bestehen und ob aufgrund dieser die Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt i s t . 1 0 9 Abstrakte Möglichkeiten der Gefährdung sowie allgemeine Besorgnisse und Bedenken reichen nicht aus; es müssen vielmehr konkrete Umstände vorliegen, die eine Gefahrdung der Sicherheitsinteressen ergeben. 110 Es ist jedoch

104 BAG NZA 1991, 468; BAG AP Nr. 33 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; AP Nr. 41 zu Art. 140 GG; AP Nr. 12 zu § 626 BGB Druckkündigung. 105 BAG AP Nr. 8, 10 u. 12 zu § 626 BGB Druckkündigung. 106 BAG AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Sicherheitsbedenken, Bl. 3; vgl. auch: LAG Düsseldorf BB 1993, 859. 107 BAG AP Nr. 28 zu § 66 BetrVG, Bl. 4. 108 BAGE 10, 47 (48). 109 Ebenda. 110 BAGE 62, 256 (264); BAG AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Sicherheitsbedenken, Bl. 3; AP Nr. 11 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung, Bl. 6; EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 45, S. 3.

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2. Teil: Rechtsprechung und Arbeitsrechtsissenschaft

nicht notwendig, daß der Arbeitnehmer die Sicherheitsinteressen tatsächlich schon beeinträchtigt hat oder daß dies je der Fall sein müßte. 1 1 1 Allein die abstrakte Möglichkeit, der Arbeitnehmer könne als geeignete Kontaktperson für fremde Nachrichtendienste, Konkurrenzunternehmen oder terroristische Gruppen in Betracht kommen, reicht nicht aus; es müssen vielmehr weitere Umstände des Einzelfalles hinzukommen. 1 1 2 So reicht allein die Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Partei 1 1 3 oder eine bestehende Lebensgemeinschaft zu einem Partner, der Kontakte zur terroristischen Szene h a t , 1 1 4 nicht aus, solange keine weiteren Umstände für eine Gefährdung der Sicherheitsinteressen hinzukommen. 115 Als ausreichende weitere Umstände wurden von der Rechtsprechung angesehen die Unterzeichnung einer Beitrittsverpflichtung für die zu gründende SED in Westberlin neben der Tatsache, daß der Arbeitnehmer Verwandte in der DDR hatte, 1 1 6 und somit als geeignete Kontaktperson für auswärtige Nachrichtendienste erschien. 117 Auch der Fund von Unterlagen am Arbeitsplatz, die einen Spionageverdacht begründen, kann solch ein weiterer Umstand sein. 1 1 8 Nach anderer Ansicht reicht die Tatsache, daß der Ehepartner in einem Konkurrenzunternehmen arbeitet, für eine Kündigung dann aus, wenn die bedrohten Interessen des Arbeitgebers erheblich sind.119 Für das Bestehen von Sicherheitsbedenken gegenüber einem Arbeitnehmer ist zunächst erforderlich, daß der Arbeitnehmer eine sicherheitsempfmdliche Tätigkeit ausübt und daß von diesem Arbeitnehmer eine konkrete Gefahr für die Sicherheitsinteressen des Arbeitgebers ausgeht. 120 Zum dritten müssen "greifbare Tatsachen" vorliegen, die erkennen lassen, "der Arbeitnehmer werde die Sicherheitsinteressen beeinträchtigen". 121 Zu berücksichtigen ist dabei auch

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BAGE 14, 103 (108); BAG AP Nr. 28 zu § 66 BetrVG, Bl. 4; LAG Chemnitz ArbRS 39, 84 (87). 112 BAG AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Sicherheitsbedenken, Bl. 3. 113 BAG AP Nr. 11 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung. 114 BAG AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Sicherheitsbedenken, Bl. 3. 115 Ebenda; LAG Stuttgart BB 1953, 236. 116 BAGE 14, 103 (108). 117 BAGE 14, 103 (105). 118 ArbG Heidelberg BB 1967, 1210. 119 LAG Bayern BB 1969, 315; vgl. auch: LAG Baden-Württemberg DB 1968, 359; LAG Hamburg BB 1970, 1096. 120 BAGE 14, 103 (108); 62, 256 (264); BAG EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 45, S. 3. 121 BAGE 62, 256 (265); EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 45, S. 3; LAG Frankfurt am Main, Urteil vom 29.01.1979, Az: 11 Sa 1142/78, nv, LS 2.

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die Spionagegefahr und das Sicherheitsbedürfhis des Arbeitgebers. 122 Die Entscheidung, ob tatsächlich Sicherheitsbedenken bestehen, ist wie bei der Verdachtskündigung eine Prognoseentscheidung. 123 Auch soweit die Sicherheitsrichtlinien des Bundes Anwendung finden, muß der jeweilige Einzelfall geprüft werden. 124 Für die soziale Rechtfertigung der Kündigung wegen Sicherheitsbedenken kommt es auf die Belastung für das Arbeitsverhältnis an, das den vom Arbeitgeber festgelegten Zwecken des Unternehmens zu dienen hat, was insbesondere für Tendenzunternehmen von Bedeutung ist. 1 2 5 Voraussetzung für eine verhaltensbedingte Kündigung ist eine konkrete Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses, 126 entweder im Leistungsbereich, im Bereich der betrieblichen Verbundenheit, im personalen Vertrauensbereich zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber oder im Aufgabenbereich des Unternehmens. 127 Voraussetzung für eine personenbedingte Kündigung ist ein bestehender unbehebbarer Eignungsmang e l . 1 2 8 Gegen die soziale Rechtfertigung der Kündigung kann die Möglichkeit des Arbeitgebers sprechen, den Arbeitnehmer erst in einer akut bedrohlichen Situationen aus dem sicherheitsrelevanten Bereich herauszulösen. 129 Für die Rechtfertigung einer sogenannten Druckkündigung muß der Arbeitgeber greifbare Tatsachen dafür vortragen, daß das Vertrauen von Kunden oder Auftraggeber ohne die Kündigung des Arbeitnehmers verloren wäre oder daß die übrigen Arbeitnehmer sich weigern, mit dem betreffenden Arbeitnehmer zusammenzuarbeiten. 130 Sicherheitsbedenken können einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB für eine außerordentliche Kündigung darstellen. 131 Voraussetzung dafür ist jedoch, daß eine sofortige Trennung von dem betreffenden Arbeitnehmer

122 123 124 125 126 127 128

Für die Bundeswehr: BAGE 14, 103 (105). BAGE 14, 103 (105 f); LAG Baden-Württemberg BB 1968, 359. BAGE 62, 256 (269). BAGE 14, 103 (104 f). BAG AP Nr. 11 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung, Bl. 5 u. 6. BAGE 62, 256 (264). BAGE 62, 256 (269); EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 45,

S.3.

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BAG AP Nr. 11 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung, Bl. 6. BAG AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Sicherheitsbedenken, Bl. 3; AP Nr. 28 zu § 66 BetrVG, Bl. 4. 131 BAG AP Nr. 28 zu § 66 BetrVG; LAG Frankfurt am Main DB 1985, 1900 (LS 1); LAG Bayern BB 1969, 315; LAG Baden-Württemberg DB 1968, 359; ArbG Heidelberg BB 1967, 1210. 130

2. Teil: Rechtsprechung und Arbeitsrechtsissenschaft

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aufgrund eines schwerwiegenden und akuten Sicherheitsrisikos erforderlich ist.132

B. Die Arbeitsrechtswissenschaft In der Arbeitsrechtswissenschaft sind Sicherheitsbedenken als Grund für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses bislang noch nicht Gegenstand einer vertieften Betrachtung gewesen. Nur selten geben sie Anlaß zu eindeutiger Stellungnahme. 133 Sie werden zumeist nur kurz unter Verweis auf die Rechtsprechung angesprochen. Lediglich Herschel, der sich in Anmerkungen zu Entscheidungen des BAG näher mit der Kündigung wegen Sicherheitsbedenken auseinandergesetzt h a t , 1 3 4 und Monjau bilden eine Ausnahme. 135 In jüngster Zeit haben sich auch Gentges im Rahmen einer Abhandlung über das Prognoseprinzip und Fromm ausführlicher mit der Kündigung wegen Sicherheitsbedenken auseinandergesetzt. 136

I. Voraussetzungen einer Kündigung wegen Sicherheitsbedenken Allgemein anerkannt ist, daß Sicherheitsbedenken eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen können. 1 3 7 Der Rechtsprechung wird auch dahingehend gefolgt, daß konkrete Tatsachen die Bedenken begründen müssen. 1 3 8 Insoweit wird auch gesprochen von "greifbaren Tatsachen", 139 132

LAG Frankfurt am Main DB 1985, 1900 (LS 1). Schiessmann, S. 129: "Die Überwachung aller Geheimnisträger ist eine nationale Pflicht; die Sicherung gegen Verrat kann gar nicht vollkommen genug sein." 134 Herschel, Anm. zu BAG AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Sicherheitsbedenken, Bl. 4; ders., Anm. zu BAG AP Nr. 3 zu § 1 KSchG Sicherheitsbedenken, Bl. 3; ders., Anm. zu BAG AP Nr. 1 zu § 1 KSchG Sicherheitsbedenken. 135 Monjau, S. 403 ff. 136 Fromm, S. 599; Gentges, S. 219 ff. 137 Ascheid, Kündigungsrecht, Rdn 359; Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 15 Rdn 10 ff u. 29 f; Bleistein, Rdn 201; Buchner, NZA 1991, 577 (581); Däubler, ArbR 2, S. 549 f; Fromm, S. 599; Herschel, Anmerkungen (siehe Fn 134); Herschel/Löwisch, § 1 KSchG Rdn 156; Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 200; Hueck-Nipperdey, ArbR I, S. 637 Fn 34; Kittner/Trittin, § 1 KSchG Rdn 136 u. 138; Knorr/Bichlmeier/Kremhelmer, 10. Kapitel Rdn 39 f; KR-Becker, § 1 KSchG Rdn 199 u. 208; MünchHandb-ArbR-Berkowsky, § 132 Rdn 140; MünchKomm-Schwerdtner, Vor § 620 BGB Rdn 457 u. 480; Nikisch, ArbR I, S. 760 Fn 31; Preis, Prinzipien, S. 335; Schaub, ArbRHandb, S. 1032 u. 1054; Schiessmann, S. 129; Soergel-Kraft, Vor § 620 BGB Rdn 68; Stahlhacke/Preis, Rdn 737; kritisch aber im Ergebnis zustimmend auch: Gentges, S. 219 ff. 138 Bleistein, Rdn 201; Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 200; Schaub, ArbRHandb, S. 1054. 133

Β. Die Arbeitsrechtswissenschaft

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"tatsächlichen Umständen", 140 "hinreichenden tatsächlichen Umständen", 141 "begründeter" oder "konkreter Gefahr". 142 In Betracht kommende Sicherheitsrisiken sind dabei in erster Linie der Verrat von Betriebsgeheimnissen, 143 der Verrat von militärischen Geheimnissen, 144 aber auch das Sicherheitsrisiko fur Betriebsanlagen. 145 Als Grund für die Sicherheitsbedenken werden insbesondere die Verwandtschaft zu Personen aus Konkurrenzunternehmen oder zu Personen, die sonstige bedenkliche Verbindungen haben, angegeben, 146 aber auch die Erpreßbarkeit. 1 4 7 Es müssen jedoch weitere tatsächliche Anhaltspunkte 148 oder konkrete Anhaltspunkte hinzukommen. 149 Es kommt nicht auf die subjektive Sicht des Arbeitgebers an, vielmehr müssen "objektive Tatsachen vorliegen, die für einen verständigen Dritten den Schluß zulassen, daß hinsichtlich eines bestimmten Arbeitnehmers Sicherheitsbedenken bestehen, die den Arbeitgeber verständi-

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Herschel/Löwisch, § 1 KSchG Rdn 156; Knorr/Bichmeier/Kremhelmer, 10. Kapitel Rdn 40. 140 Bleistein, Rdn 201; Däubler, ArbR 2, S. 550; Kittner/Trittin, § 1 KSchG Rdn 138. 141 Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 15 Rdn 12; MünchHandb-ArbR-Berkowsky, § 132 Rdn 141. 142 Herschel/Löwisch, § 1 KSchG Rdn 156; Kittner/Trittin, § 1 KSchG Rdn 136; Preis, Prinzipien, S. 335; vgl. auch: Fromm, S. 599, der von "konkreten Zweifeln" spricht; Monjau, S. 412, "begründeter Verdacht". 143 Bleistein, Rdn 201; Gentges, S. 220; Herschel/Löwisch, § 1 KSchG Rdn 156; Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 200; Kittner/Trittin, § 1 KSchG Rdn 136; KR-Becker, § 1 KSchG Rdn 199; MünchHandb-ArbR-Berkowsky, § 132 Rdn 140; Preis, Prinzipien, S. 335; Schaub, ArbR-Handb, S. 1032. 144 Herschel/Löwisch, § 1 KSchG Rdn 156; Kittner/Trittin, § 1 KSchG Rdn 138; KR-Becker, § 1 KSchG Rdn 208; Schaub, ArbR-Handb, S. 1054. 145 Ebenda; Bleistein, Rdn 201; Fromm, S. 599; ausfuhrlich zu sicherheitsmäßigen Bedürfhissen im privatwirtschaftlichen Bereich: Buchner, NZA 1991, 577 (580 f). 146 Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 15 Rdn 11; Herschel/Löwisch, § 1 KSchG Rdn 156; Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 200; Kittner/Trittin, 1. Aufl., § 1 KSchG Rdn 110; KR-Becker, § 1 KSchG Rdn 199; MünchHandb-ArbR-Berkowsky, § 132 Rdn 140; Preis, Prinzipien, S. 335; Schaub, ArbRHandb, S. 1032. 147 Gentges, S. 219. 148 Herschel/Löwisch, § 1 KSchG Rdn 156; Kittner/Trittin, 1. Aufl., § 1 KSchG Rdn 110; KR-Becker, § 1 KSchG Rdn 199. 149 MünchHandb-ArbR-Berkowsky, § 132 Rdn 140; auch: Berkowsky, Die personen· und verhaltensbedingte Kündigung, § 15 Rdn 11.

2. Teil: Rechtsprechung und Arbeitsrechtsissenschaft

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gerweise zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses veranlassen können." 1 5 0 Kritik übt Herrschel an der weiten Formulierung des BAG, wonach der Arbeitnehmer "insgesamt einem auswärtigen Nachrichtendienst als geeignete Kontaktperson erscheinen könnte", da das vermutete, potentielle Interesse eines auswärtigen Nachrichtendienstes allein nicht ausreichen könne, die Kündigung zu rechtfertigen. 151 Buchner vermißt in der Rechtsprechung des BAG eine Differenzierung zwischen den Anforderungen an das Tatsachenvorbringen des Arbeitgebers und der Interessenabwägung im Rahmen der Prüfung der sozialen Rechtfertigung einer Kündigung. 1 5 2 Teilweise wird der Kündigungsgrund jedoch nicht in der Besorgnis künftiger sicherheitsrelevanter Handlungen gesehen, sondern darin, daß der Arbeitnehmer das Anforderungsprofil für die ausgeübte Tätigkeit hinsichtlich der Sicherheitsinteressen nicht erfüllt. 1 5 3 Die Bewertung der Tatsachen dahingehend, daß tatsächlich Sicherheitsbedenken bestehen und die Kündigung deshalb sozial gerechtfertigt ist, unterliegt der vollen Nachprüfung durch das Gericht. 1 5 4 Eine Beendigungskündigung ist jedoch nicht gerechtfertigt, wenn eine Versetzung an einen anderen Arbeitsplatz oder eine Änderungkündigung möglich i s t . 1 5 5 Die Arbeitsrechtswissenschaft folgt der Rechtsprechung auch darin, daß bestehende Sicherheitsbedenken einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses nach § 626 Abs. 1 BGB darstellen könn e n . 1 5 6 Voraussetzung ist ein akutes und schwerwiegendes Sicherheitsrisiko, das eine sofortige Entfernung des Arbeitnehmers aus dem Betrieb unabwendbar macht. 1 5 7

150

164.

Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, 1. Aufl., Rdn

151 Herschel, Anm. zu BAG AP Nr. 1 zu § 1 KSchG Sicherheitsbedenken; ebenso: Monjau, S. 412 f. 152 Buchner, NZA 1991, 577 (581). 153 Gentges, S. 219 f; ähnlich: Fromm, S. 599. 154 Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, 1. Aufl., Rdn 164; Bleistein, Rdn 201; insbesondere auch: Herschel, Anm. zu BAG AP Nr. 1 zu § 1 KSchG Sicherheitsbedenken; Monjau, S. 409 f. 155 Fromm, S. 599; Gentges, S. 220; Herschel/Löwisch, § 1 KSchG Rdn 156; Schaub, ArbRHandb, S. 1032. 156 KR-Hillebrecht, § 626 BGB Rdn 92; MünchKomm-Schwerdtner, Vor § 620 BGB Rdn 480; Palandt-Putzo, § 626 BGB Rdn 46; Staudinger-Preis, § 626 BGB Rdn 221. 157 MünchKomm-Schwerdtner, Vor § 620 BGB Rdn 480.

Β. Die Arbeitsrechtswissenschaft

79

I I . Die systematische Einordnung Auch nach den in der Arbeitsrechtswissenschaft vertretenen Ansichten kommt sowohl eine ordentliche als auch eine außerordentliche Kündigung wegen Sicherheitsbedenken in Betracht. Die Frage, ob eine Kündigung wegen Sicherheitsbedenken personenbedingt oder verhaltensbedingt im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG ist, wird in der Arbeitsrechtswissenschaft unterschiedlich beantwortet. Nach überwiegender Ansicht liegt eine personenbedingte Kündigung v o r . 1 5 8 Dies wird damit begründet, daß die bestehenden Sicherheitsbedenken einen Eignungsmangel darstellen. 159 Teilweise wird ausdrücklich betont, daß nur eine personenbedingte Kündigung möglich i s t . 1 6 0 Nach anderer Ansicht liegt eine verhaltensbedingte Kündigung v o r . 1 6 1 Schließlich wird vertreten, daß sowohl eine personenbedingte als auch eine verhaltensbedingte Kündigung in Betracht kommt. 1 6 2

I I I . Insbesondere: Die Kündigung wegen fehlender politischer Zuverlässigkeit Die Arbeitsrechtswissenschaft folgt der Rechtsprechung auch insoweit, als eine Kündigung grundsätzlich auch auf die fehlende politische Zuverlässigkeit des Arbeitnehmers gestützt werden kann, wenn das Arbeitsverhältnis dadurch konkret beeinträchtigt wird, wobei jedoch die Einzelheiten umstritten sind. 1 6 3 Dies gilt insbesondere für die Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst, wobei auch die Arbeitsrechtswissenschaft das Ausmaß der politischen Treuepflicht von den konkreten Aufgaben des Arbeitnehmers und der Behörde abhängig macht. 1 6 4

158

Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, 1. Aufl., Rdn 161; Bleistein, Rdn 201; Gentges, S. 219; Herschel/Löwisch, § 1 KSchG Rdn 165; Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 200; Kittner/Trittin, § 1 KSchG Rdn 136; Knorr/Bichlmeier/Kremhelmer, 10. Kapitel Rdn 39; KR-Becker, § 1 KSchG Rdn 199 u. 208; MünchHandb-ArbR-Berkowsky, § 132 Rdn 140; Nikisch, ArbR I, S. 760 Fn 31; Preis, Prinzipien, S. 335; Stahlhacke/Preis, Rdn 737. 159 Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 15 Rdn 10: "subjektiver Eignungsmangel"; KR-Becker, § 1 KSchG Rdn 208; Herschel/Löwisch, § 1 KSchG Rdn 156; Kittner/Trittin, § 1 KSchG Rdn 138; MünchHandb-ArbR-Berkowsky, § 132 Rdn 140. 160 Stahlhacke/Preis, Rdn 737. 161 Hueck-Nipperdey, ArbR I, S. 637 Fn 34. 162 Schaub, ArbRHandb, S. 1032 u. 1054. 163 Stahlhacke/Preis, Rdn 534 ff; vgl. dazu ausführlich: Seite 125 ff der Arbeit. 164 Kittner/Trittin, § 1 KSchG Rdn 148; KR-Becker, § 1 KSchG Rdn 208; MünchHandb-ArbR-Berkowsky, § 132 Rdn 123 ff; Nikisch, ArbR I, S. 447; Preis, Prinzipien, S. 368; Schaub, ArbRHandb, S. 1033; Stahlhacke/Preis, Rdn 537; vgl. zur politischen Meinungsäußerung: Söllner, FS Herschel, S. 389 ff.

80

2. Teil: Rechtsprechung und Arbeitsrechtsissenschaft

Aber auch in der Privatwirtschaft ist eine Kündigung wegen der politischen Einstellung möglich, wenn der Arbeitnehmer eine konkret bestehende politische Treuepflicht verletzt und das Arbeitsverhältnis betroffen i s t . 1 6 5 Eine solche Kündigung ist wegen fehlender Eignung personenbedingt im Sinne des § 1 Abs. 2 K S c h G . 1 6 6 Stützt sich die Kündigung nicht nur auf die politische Einstellung, sondern auch auf eine politische, insbesondere verfassungsfeindliche Tätigkeit, soll auch eine verhaltensbedingte Kündigung in Betracht kommen, wenn das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt i s t . 1 6 7

IV. Zusammenfassung Die Rechtsprechung zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen Sicherheitsbedenken wird von der Arbeitsrechtswissenschaft im allgemeinen rezipiert. Auch in der Arbeitsrechtswissenschaft wird die geforderte Gefahr einer Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses nicht näher konkretisiert; es besteht lediglich in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung Einigkeit dahingehend, daß objektive Tatsachen die Gefahr oder Besorgnis begründen müssen. Nur teilweise wird ausdrücklich auf das fehlende Anforderungsprofil für die ausgeübte Tätigkeit abgestellt. Der pauschale Verweis der Rechtsprechung auf den unzureichenden Tatsachenvortrag des Arbeitgebers wird nur von Buchner kritisch betrachtet. Hinsichtlich der Frage, ob eine Kündigung wegen Sicherheitsbedenken personenbedingt oder verhaltensbedingt im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG ist, bestehen gegenüber der Rechtsprechung und auch innerhalb der Arbeitsrechtswissenschaft Meinungsverschiedenheiten.

C. Die besonderen gesetzlichen Regelungen Wie oben bereits erwähnt, sind im Zusammenhang mit der Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen Sicherheitsbedenken die besonderen gesetzlichen Regelungen im AtomG, im SÜG, im Einigungsvertrag und im ZA-NTS und zu nennen.

I. Die Zuverlässigkeit im AtomG Eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem Verhältnis zwischen den Zuverlässigkeitsanforderungen im Atomgesetz und dem arbeitsrechtlichen Kündigungsschutz hat bislang weder in der Rechtsprechung noch in der Wissenschaft

165

MünchHandb-ArbR-Berkowsky, § 132 Rdn 126; Stahlhacke/Preis, Rdn 161. Kittner/Trittin, § 1 KSchG Rdn 148; MünchHandb-ArbR-Berkowsky, § 132 Rdn 123; Schaub, ArbRHandb, S. 1033. 167 Kittner/Trittin, § 1 KSchG Rdn 239; MünchHandb-ArbR-Berkowsky, § 133 Rdn 180; Schaub, ArbRHandb, S. 1053. 166

C. Die besonderen gesetzlichen Regelungen

81

stattgefunden. 168 Dieses Thema wird deshalb im weiteren näher zu erörtern sein.

I I . Das Sicherheitsüberprüfungsgesetz Eine unter Geltung der Sicherheitsrichtlinien diskutierte Frage war die nach der eventuellen Einschränkbarkeit der Vorschriften des KSchG durch einfache Verwaltungsvorschriften. 169 Diese Frage hat sich mit Inkrafttreten des SÜG erledigt; geblieben ist jedoch die Frage nach dem Verhältnis zwischen dem KSchG auf der einen und dem SÜG auf der anderen Seite. In der Begründung zum Gesetzentwurf zum SÜG wird im Hinblick auf die in § 5 Abs. 1 SÜG geforderten tatsächlichen Anhaltspunkte ausdrücklich auf die Rechtsprechung des BAG zu Sicherheitsbedenken verwiesen. 170 Im Urteil vom 17.05.1983 171 hat das BAG ausgeführt, daß die Erklärung eines Behördenteils zum sicherheitsempfindlichen Bereich durch die Ministerialverwaltung eine politische Entscheidung sei und durch die Arbeitsgerichte nur dahingehend überprüft werden könne, ob die Einschätzung des möglichen Sicherheitsrisikos "völlig abwegig" sei. 1 7 2 Nach dieser Ansicht des BAG ist die Voraussetzung der sicherheitsrelevanten Tätigkeit im Geltungsbereich der Sicherheitsrichtlinien und jetzt des SÜG durch die Gerichte nur eingeschränkt nachprüfbar. Ob dieser Ansicht zuzustimmen ist, wird im weiteren zu prüfen sein. Das Verhältnis zwischen dem allgemeinen Kündigungsschutz des § 1 Abs. 2 KSchG und den Regelungen im SÜG ist noch nicht geklärt. 1 7 3 Liegen die Voraussetzungen nach dem SÜG für die Ausübung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit nicht vor und ist kein gleichwertiger Arbeitsplatz vorhanden, ist eine Kündigung dann ohne weiteres wirksam? Fraglich ist weiterhin, welche arbeitsrechtlichen Auswirkungen eine negative Sicherheitsüberprüfung eines Arbeitnehmers in einem privaten Unternehmen hat, wenn sich im Rahmen eines Staatsauftrages die betroffenen Arbeitnehmer einer Sicherheitsüberprüfung

168

Auch Verheggen geht nur auf die arbeitsrechtliche Problematik hinsichtlich der Verpflichtung des Arbeitnehmers, Angaben im Rahmen der Sicherheitsüberprüfung zu machen, ein. 169 Vgl.: BAGE 62, 256 (269); vgl. auch für das Betriebsverfassungsrecht: ArbG München CR 1989, 919 (920 ff; Ehmann, Anm. zu ArbG München aaO, CR 1989, S. 922 f. 170 BT-Drucks 12/4891, S. 15. 171 BAGE 42,375. 172 BAGE 42,375 (384). 173 Vgl. zu den Sicherheitsrichtlinien: BAGE 62, 256 (269); Ehmann, Anm. zu ArbG München, CR 1989, S. 923. 6 Meyer

82

2. Teil: Rechtsprechung und Arbeitsrechtsissenschaft

gemäß § 24 SÜG unterziehen müssen. 174 Schlußendlich stellt sich in allen diesen Fällen die Frage, inwieweit das Ergebnis der Sicherheitsüberprüfung durch die Arbeitsgerichte nachgeprüft werden kann.

I I I . Die Sonderkündigungsregelung des Abs. 5 Ziff. 2 Einigungsvertrag Umstritten war zunächst das Verhältnis zwischen § 626 BGB und der Vorschrift des Abs. 5 Ziff. 2 EV. Nach einer Ansicht ist Abs. 5 Ziff. 2 EV lediglich eine Konkretisierung des wichtigen Grundes für die außerordentliche Kündigung des § 626 B G B . 1 7 5 Daraus wird gefolgert, daß die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB anzuwenden i s t . 1 7 6 Nach dieser Ansicht muß auch eine umfassende Interessenabwägung nach § 626 Abs. 1 BGB vorgenommen werd e n . 1 7 7 Nach anderer Ansicht stellt Abs. 5 Ziff. 2 EV eine lex specialis gegenüber § 626 BGB dar, so daß weder die Zweiwochenfrist gilt noch eine Interessenabwägung vorgenommen werden m u ß . 1 7 8 Der zuletzt genannten Ansicht ist zuzustimmen. Aus dem Wortlaut der Vorschrift im EV ergibt sich, daß Abs. 5 Ziff. 2 eine eigenständige und abschließende Kündigungsregelung darstellt. 1 7 9 Es gilt also weder die Frist des § 626 Abs. 2 BGB noch ist eine "doppelte Unzumutbarkeitsprüfung" vorzunehmen. 180 Der Begriff der Unzumutbarkeit in Abs. 5 Ziff. 2 EV erfordert aber eine Prüfung des Einzelfalles. 181 Das Verhältnis zwischen der Regelung des Abs. 5 Ziff. 2 EV und dem allgemeinen Kündigungsrecht ist damit geklärt. Die Bedeutung von Abs. 5 Ziff. 2 EV für die Kündigung wegen Sicherheitsbedenken wird im folgenden jodoch noch zu behandeln sein.

174

Däubler, ArbR 2, S. 550; vgl. zu den Sicherheitsrichtlinien: BVerwG RDV 1995, 125 (126 f). 175 LAG Brandenburg LAGE Art. 20 EV Nr. 3; KreisG Schwerin-Stadt DB 1991, 201; Lansnicker/Schwirtzek, MDR 1991, 202 (203); Preis, PersR 1991, 201 (203); Stahlhacke/Preis, 5. Aufl., Rdn 1380. 176 Preis, PersR 1991,201 (203). 177 LAG Brandenburg LAGE Art. 20 EV Nr. 3; Lansnicker/Schwirtzek, MDR 1991, 201 (203). 178 BAG DtZ 1993, 125 (126); LAG Berlin BB 1991, 2082 (2084); ArbG Berlin NZA 1991, 312 (313); KreisG Schwerin-Stadt BB 1991, 2160; Weiß, S. 116 f; nach BVerfG DtZ 1994, 313 (314) verbietet Art. 12 Abs. 1 GG jedoch ein beliebig langes Zurückhalten eines Sonderkündigungsgrundes, da dies dem Schutzgedanken des § 626 Abs. 2 BGB zuwiderliefe; so auch: BAG EzA Art. 20 Einigungsvertrag Nr. 38. 179 BAG DtZ 1993, 125 (126). 180 Ebenda. 181 BAG EzA Art. 20 Einigungsvertrag Nr. 33; DtZ 1993, 125 (127); Stahlhacke/Preis, Rdn 582a; zur Unzumutbarkeit: Lansnicker/Schwirtzek, DtZ 1993, 106 (108 f); vgl. auch: Korinth, S. 149 f.

C. Die besonderen gesetzlichen Regelungen

83

IV. Die Rechtslage im ZA-NTS Auf eine bei den alliierten Streitkräften ausgesprochene Kündigung gegenüber einem Arbeitnehmer wegen Sicherheitsbedenken findet das KSchG Anwendung. Erhebt der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage hat das Arbeitsgericht die Wirksamkeit der Kündigung anhand des bundesdeutschen Kündigungsschutzrechts, insbesondere nach § 1 KSchG, zu prüfen. Das Gericht hat dabei zu prüfen, ob Sicherheitsbedenken vorliegen und ob diese eine Kündigung rechtfertigen. Ist dies nicht der Fall, so gibt es der Kündigungsschutzklage statt. Es ergeben sich insoweit keine Unterschiede zu anderen Arbeitgebern. 182 Folglich ergeben sich auch keine Unterschiede hinsichtlich der dogmatischen Einordnung. Der Unterschied zeigt sich erst nach Abschluß des eigentlichen Kündigungsschutzverfahrens. Denn nach Art. 56 Abs. 2a ZA-NTS kann der alliierte Arbeitgeber durch Zahlung einer vom Arbeitsgericht festzusetzenden Abfindung das Arbeitsverhältnis wegen Sicherheitsbedenken beenden, ohne dies begründen zu müssen und ohne daß dies vom Gericht zu überprüfen ist. 1 8 3 Diese Regelung ist einmalig im bundesdeutschen Kündigungsrecht und läßt sich nur mit der besonderen Situation der alliierten Streitkräfte erklären; sie ist demnach eher eine politische Frage denn eine juristische. Am ehesten vergleichbar ist die Regelung mit § 9 KSchG; nur müssen dort eben bestimmte Voraussetzungen vorliegen: Unzumutbarkeit oder keine weitere, den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit, die von den Arbeitsgerichten festgestellt werden müssen. Nach Art. 56 Abs. 2a ZA-NTS reicht hingegen die Erklärung des Arbeitgebers, daß Sicherheitsbedenken gegenüber dem gekündigten Arbeitnehmer bestünden. Ohne Begründung kann der Arbeitgeber die Auflösung eines Arbeitnehmers nur gemäß § 14 Abs. 2 iVm § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG nur beantragen, wenn es sich bei dem Arbeitnehmer um einen leitenden Angestellten handelt. Die Regelung im ZA-NTS gilt jedoch für alle Arbeitnehmer. Aufgrund dieser außen- und sicherheitspolitisch bedingten Systemwidrigkeit dieser Regelung kann die Problematik im folgenden außer acht gelassen werden.

182

Vgl. zum Ganzen: Monjau, S. 408 f; Mattisek, S. 383 ff; auch: BAG AP Nr. 28 zu Art. 44 Truppenvertrag. 183 Ebenda. 6*

84

2. Teil: Rechtsprechung und Arbeitsrechtsissenschaft

D. Exkurs: Die Rechtslage im Beamtenrecht Wie oben bereits dargestellt, ist gerade auch der staatliche Bereich Ziel der Spionage fremder Nachrichtendienste und von Anschlägen terroristischer Grupp e n . 1 8 4 Sicherheitsbedenken können deshalb neben Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst auch gegenüber Beamten und, im militärischen Bereich, gegenüber Soldaten bestehen. Während die Konsequenzen aus bestehenden Sicherheitsbedenken gegenüber Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen sind, ergeben sie sich hinsichtlich der Beamten und Soldaten aus dem Beamtenrecht. Diese Konsequenzen sollen hier dargestellt werden, um aus der Rechtslage im Beamtenrecht Rückschlüsse und Vergleiche mit der arbeitsrechtlichen Problematik ziehen zu können.

I. Die beamtenrechtlichen Grundlagen Bestehen hinsichtlich eines Beamten oder Soldaten Sicherheitsbedenken, gibt das Beamtenrecht dem Dienstherrn grundsätzlich verschiedene Möglichkeiten zu handeln. Bei einem Beamten auf Widerruf oder auf Probe kommt eine Entlassung nach § 31 und § 32 BBG oder der gleichlautenden landesrechtlichen Vorschriften in Betracht. Bei einem Beamten auf Lebenszeit kommt die Entfernung aus dem Dienst im Wege eines Disziplinarverfahrens nach § 77 BBG, §§ 5, 11 Bundesdisziplinarordnung 185 in Betracht. Weiterhin ist die Versetzung des betroffenen Beamten nach § 26 BBG, die Umsetzung des Beamten oder die Änderung des Aufgabenbereichs möglich. In Betracht kommen außerdem andere Disziplinarmaßnahmen nach § 5 BDO, wenn der Beamte ein Dienstvergehen nach § 77 Abs. 1 BBG begangen hat; diese Möglichkeit kann jedoch hier außer Betracht bleiben, da sie keinerlei Einfluß auf den konkreten Bestand des Beamtenverhältnisses hat und somit fur die Thematik der vorliegenden Arbeit nicht von Interesse ist. Der Beamte auf Widerruf kann gemäß § 32 Abs. 1 BBG jederzeit entlassen werden kann, wobei jedoch dem Beamten auf Widerruf im Vorbereitungsdienst vor Ablegung der Prüfung nach § 32 Abs. 2 S. 1 BBG Gelegenheit gegeben werden soll, den Vorbereitungsdienst abzuleisten und die Prüfung zu beenden. Daraus folgt, daß in diesem Fall der Beamte auf Widerruf nur aus wichtigen Gründen, die in seiner Person liegen, entlassen werden kann; wenn also die Ableistung des Vorbereitungsdienstes dem Dienstherrn nicht zugemutet werden

184

Siehe Seite 32 ff der Arbeit. Bundesdisziplinarordnung (BDO) vom 28.11.1952 (BGBl. I S. 749) i.d.F. der Bek. vom 20.07.1967 (BGBl. I S. 751) zuletzt geändert durch Gesetz vom 27.12.1993 (BGBl. I S. 2378). 185

D. Exkurs: Die Rechtslage im Beamtenrecht

85

kann. 1 8 6 Aber auch für Beamte auf Widerruf, die nebenbei oder vorübergehend verwendet werden, und für Beamte auf Widerruf im Vorbereitungsdienst nach Ablegung der Prüfung wird ein sachlicher Grund für die Entlassung gefordert. 1 8 7 Der Beamte auf Probe kann nach § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BBG entlassen werden bei einem Verhalten, daß bei einem Beamten auf Lebenszeit eine Disziplinarmaßnahme zur Folge hätte, die nur im förmlichen Disziplinarverfahren verhängt werden kann, also gemäß §§ 28, 29 Abs. 1 BDO mindestens eine Gehaltskürzung, eine Versetzung in ein anderes Amt derselben Laufbahn mit geringerem Endgrundgehalt oder Entfernung aus dem Dienst. 1 8 8 Nach § 31 Abs. 1 Nr. 2 BBG kann der Beamte auf Probe wegen mangelnder Bewährung entlassen werden. 189 Nach § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 und 4 BBG ist eine Entlassung außerdem bei Dienstunfähigkeit und bei Organisationsänderungen möglich. 1 9 0 Der Beamte auf Lebenszeit kann, außer bei Vorliegen der gesetzlich vorgeschriebenen zwingenden Entlassungstatbestände (§§ 28, 29, 30, 35 und 41 BBG), die für alle Beamten gelten, nicht mehr entlassen werden; er kann lediglich nach § 11 BDO in einem förmlichen Disziplinarverfahren aus dem Dienst entfernt werden, was faktisch einer Entlassung gleichkommt. Voraussetzung dafür ist, daß er ein Dienstvergehen begangen hat, § 2 Abs. 1 BDO, also eine Dienstpflicht schuldhaft verletzt hat, § 77 Abs. 1 S. 1 BBG. Während die Entlassung und die Entfernung aus dem Dienst das Beamtenverhältnis beenden, lassen Versetzung, Umsetzung und Änderung des Aufgabenbereichs das Amt im statusrechtlichen Sinne unberührt und verändern nur das Amt im funktionellen Sinne. Das Amt im statusrechtlichen Sinne ist gekennzeichnet durch die Zugehörigkeit zu einer Laufbahn, die besoldungsrechtliche Einstufung und die Amtsbezeichnung. 191 Unter dem Amt im funktionellen Sinne ist zum einen der abstrakte Aufgabenkreis des Beamten entsprechend seines statusrechtlichen Amtes bei einer bestimmten Dienststelle zu verstehen (abstrakt-funktionelles A m t ) , 1 9 2 zum anderen der konkrete Aufgabenbereich ei-

186 BVerfGE 39, 334 (355 u. 370 f); BVerwGE 47, 365 (368); 62, 267 (269 ff); Scheerbarth u.a., S. 520 f; Schnellenbach, Rdn 157 ff. 187 BVerwGE 28, 155 (157); 62, 267 (268 f); Scheerbarth u.a., S. 519 ff; Schnellenbach, Rdn 165 ff. 188 BVerwGE 21, 50 (52 ff); 26, 228 (233); 62, 280 (282); Scheerbarth u.a., S. 513 ff; Schnellenbach, Rdn 125 ff. 189 BVerwG ZBR 1984, 12; Scheerbarth u.a., S. 515 ff; Schnellenbach, Rdn 136 ff. 190 Vgl. dazu: Scheerbarth u.a., S. 517 ff; Schnellenbach, Rdn 145 ff. 191 BVerwGE 65, 223; 69, 306; Scheerbarth u.a., S. 180 f; Schnellenbach, Rdn 42. 192 BVerwG ZBR 1990, 352; 1991, 177; Scheerbarth u.a., S. 181 f; Schnellenbach, Rdn 42.

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2. Teil: Rechtsprechung und Arbeitsrechtsissenschaft

nes Beamten (konkret-fiinktionelles A m t ) . 1 9 3 Nach § 26 Abs. 1 S. 1 BBG kann der Beamte innerhalb des Dienstbereiches seines Dienstherrn versetzt werden. Versetzung ist die dauerhafte Übertragung eines anderen Amtes im abstraktfunktionellen Sinne bei einer anderen Dienststelle. 194 Voraussetzung für die Versetzung ist nach § 26 Abs. 1 S. 1 BBG das Vorliegen eines dienstlichen Bedürfnisses oder ein Antrag des Beamten. Bei der Umsetzung, die gesetzlich nicht geregelt ist, handelt es sich um die Zuweisung eines anderen Dienstpostens bei derselben Dienststellen, also eine Änderung lediglich des konkretfunktionellen Amtes. 1 9 5 Einer Umsetzung gleichgestellt ist die Änderung des Aufgabenbereichs eines Beamten. 1 9 6 Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit einer Umsetzung oder einer Änderung des Aufgabenbereichs ist, da es sich um eine Ermessensentscheidung des Dienstherrn handelt, lediglich das Vorliegen eines sachlichen Grundes. 1 9 7

I I . Sicherheitsbedenken Die Sicherheitsbedenken gegenüber einem Beamten lassen sich ebenfalls nach den Umständen, auf denen sie beruhen, unterscheiden, nach solchen wegen fehlender Verfassungstreue und solchen aus sonstigen Gründen. 1. Fehlende Verfassungstreue Sicherheitsbedenken gegenüber einem Beamten können zunächst auch aufgrund seiner politischen Einstellung und Betätigung bestehen, das heißt, der Beamte genügt seiner politischen Treuepflicht nicht, was wiederum gleichbedeutend mit fehlender Verfassungstreue ist. Nach dem Beschluß des BVerfG vom 22.05.1975 verletzt ein Beamter seine Dienstpflicht, wenn er gegen die von Art. 33 Abs. 5 GG als hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums und von § 52 Abs. 2 BBG geforderte politische Treuepflicht verstößt. 1 9 8 Die politische Treuepflicht verlangt, daß der Beamte "diesen Staat und seine Verfassung als einen hohen positiven Wert erkennt und anerkennt, für den einzu-

193 BVerwGE 24, 133 (136); 40, 104 (107); BVerwG ZBR 1991, 177; Scheerbarth u.a., S. 182; Schnellenbach, Rdn 42. 194 BVerwGE 60, 144 (147); 69, 303 (307); Scheerbarth u.a., S. 392; Schnellenbach, Rdn 67 u. 70. 195 BVerwGE 40, 104 ff; 60, 144; 69, 302; Scheerbarth u.a., S. 372; Schnellenbach, Rdn 113. 196 BVerwG ZBR 1981, 339; NVwZ 1992, 574; Scheerbarth u.a., S. 372 f; Schnellenbach, Rdn 114. 197 BVerwGE 60, 144 (150 ff); BVerwG ZBR 1968, 218; 1975, 226 (228); 1988, 217 f; Scheerbarth u.a., S. 374; Schnellenbach, Rdn 115. 198 BVerfGE 39, 334 (349).

D. Exkurs: Die Rechtslage im Beamtenrecht

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treten sich lohnt" und "daß er sich eindeutig von Gruppen und Bestrebungen distanziert, die diesen Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren." 199 Schon seit Ende des 18. Jahrhunderts zählt die politische Treuepflicht zu den Pflichten des Beamten; der Inhalt dieser Pflicht hat sich jedoch im Laufe der Geschichte gewandelt. 2 0 0 Auch heute stößt die von der Rechtsprechung konkretisierte politische Treuepflicht auf teilweise heftige Kritik in der Literatur, aber auch auf Zustimmung. 201 Genügt der Beamte nicht der politischen Treuepflicht, so fehlt ihm die für das Beamtenverhältnis notwendige Eignung. 2 0 2 Der Beamte auf Widerruf kann deshalb nach § 32 Abs. 1 S. 1 BBG entlassen werden, da die fehlende Eignung einen sachlichen Grund für die Entlassung darstellt. 203 Ebenso kann der Beamte auf Probe wegen fehlender Eignung gemäß § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BBG entlassen werden. 204 Hat der Verstoß gegen die politische Treuepflicht ein Minimum an Gewicht und an Evidenz, 205 so liegt regelmäßig eine Dienstpflichtverletzung vor, die die Entlassung eines Beamten auf Widerruf und nach § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BBG eines Beamten auf Probe ebenfalls rechtfertigt. 206 Der Beamte auf Lebenszeit kann nur im Rahmen eines förmlichen Disziplinarverfahrens wegen einer Dienstpflichtverletzung nach § 11 BDO aus dem Dienst entfernt werden. Hat der Verstoß gegen die politische Treuepflicht ein Minimum an Gewicht und an Evidenz, so liegt auch beim Beamten auf Lebenszeit regelmäßig eine Dienstpflichtverletzung vor, die mit der Entfernung aus dem Dienst geahndet werden kann. 2 0 7 Da die mangelnde Eignung an sich, genausowenig wie zum Beispiel die mangelnde gesundheitliche Eignung, nicht pflichtwidrig sein kann, sieht die Rechtsprechung die Pflichtwidrigkeit darin, daß der Beamte den Eignungsman199

BVerfGE 39, 334 (LS 2 u. 348). PrOVGE 77, 493; 89, 391; BVerfGE 39, 334 (346 f); OVG Koblenz, DVB1 1937, 816 (817 f); ausfuhrlich: AK-GG-Ridder, Art. 33 Abs. 1-3 GG Rdn 15 ff; Schräder, S. 129 ff. 201 AK-GG-Ridder, Art. 33 Abs. 1-3 GG Rdn 31 ff; Claussen/Janzen, Einl. C Rdn 6 ff; vMünch/Kunig-Kunig, Art. 33 Rdn 34 mwN. 202 BVerwGE 47, 330 (LS 2 u. 347 f); 47, 365 (LS 1 u. 366 f); 62, 267 (272 f); 73, 263 (278 u. 283); vMünch/Kunig-Kunig, Art. 33 GG Rdn 34; Scheerbarth u.a., S. 85. 203 BVerfGE 39, 334 (LS 3 u. 355); BVerwGE 62, 267 (269 ff); Schnellenbach, Rdn 159 u. 161; Wiese, S. 109. 204 BVerfGE 39, 334 (LS 3 u. 335); BVerwGE 61, 200 (201 ff); Scheerbarth u.a., S. 85; Wiese, S. 109. 205 BVerfGE 39, 334 (350 f); Wiese, S. 110. 206 Schnellenbach, Rdn 126 aE. 207 BVerfGE 39, 334 (LS 3 u. 349 ff); BVerwGE 73, 263 (LS 2 u. 286); 86, 99 (124); BVerwG DVB1 1984, 955 (959); Scheerbarth u.a., S. 85; Claussen/Janzen, Einl. D Rdn 38; Wiese, S. 109; kritisch: EGMR NJW 1996, 375 (376 f). 200

88

2. Teil: Rechtsprechung und Arbeitsrechtsissenschaft

gel nicht beseitigt, obwohl er ihn beseitigen k a n n . 2 0 8 Neben der Entfernung aus dem Dienst kommen bei weniger schwerwiegenden Verstößen gegen die politische Treuepflicht auch andere Disziplinarmaßnahmen nach § 5 BDO in Betracht, wenn diese ausreichen, um den Beamten zur Erfüllung seiner Pflichten anzuhalten. 209 Auch wenn die Bedeutung der Verfassungstreue im einzelnen umstritten ist, richtet sie sich "gegen Agenten, gegen potentielle Saboteure, gegen Hoffahigmachung extremer Parteien, politische Unterwanderer, gegen Indoktrination extremer politischer Meinung?", 2 1 0 ist der Schutz vor Spionage und Sabotage zumindest ein Grund für die Pflicht des Beamten zur Verfassungstreue; 211 dieses ergibt sich auch aus der Nennung der fehlenden Verfassungstreue in § 5 Abs. 1 Nr. 3 SÜG als einem sicherheitsrelevanten Umstand. 2 1 2 2. Sonstige Umstände Beruhen die Sicherheitsbedenken gegenüber einem Beamten auf einem Verstoß gegen die politische Treuepflicht, so kommt, wie oben gezeigt, eine Entlassung oder eine Entfernung aus dem Dienst in Betracht, da es in diesem Fall an der notwendigen Eignung des Beamten fehlt oder eine Dienstpflichtverletzung vorliegt. Die Sicherheitsbedenken können aber auch auf anderen Umständen beruhen. In Betracht kommen hier eine Überschuldung, die den Beamten aus finanziellen Gründen zum Angriffsobjekt fremder Nachrichtendienste werden lassen. 213 Aber auch strafbare sexuelle Neigungen oder verwandtschaftliche Bindungen zu Personen, die in anderen Staaten leben sowie andere Umstände, die den Beamten in erhöhtem Maße erpreßbar erscheinen lassen, können ihn zum Ziel fremder Nachrichtendienste oder terroristischer Gruppen machen. 2 1 4 Auch die Nichtbeachtung von Sicherheitsvorschriften können Sicherheitsbedenken rechtfertigen. 215 Der Beamte auf Lebenszeit kann aber wegen solcher Umstände nur dann aus dem Dienst entfernt werden, wenn er dadurch seine Dienstpflichten schuldhaft erheblich verletzt. Da es jedoch keine allgemeine Dienstpflicht, keine Sicherheitsbedenken entstehen zu lassen, gibt, kann die Dienstpflichtverletzung nur in

208

BVerwG 73, 263 (282 ff); BVerwG ZBR 1984, 270; dagegen: Scheerbarth, S.

85 f. 209 210 211 212 213 214 215

BVerwGE 73, 263 (286). Scheerbarth u.a., S. 81. BVerwGE 73,263 (279). BVerwGE 83, 345 (LS 3 u. 347 f); BVerwG ZBR 1980, 90 f; Riegel, S. 318. BVerwGE 73, 330 (332 ff). BVerwGE 76, 52 (53 f). BVerwGE 73, 154 (156 ff); 81, 258 (263 f).

D. Exkurs: Die Rechtslage im Beamtenrecht

89

dem Verhalten an sich liegen. Dies wird jedoch regelmäßig nur bei Straftaten von einigem Gewicht der Fall sein. 2 1 6 Verstöße gegen SicherheitsVorschriften oder eine Überschuldung des Beamten können zwar ein Disziplinarverfahren zur Folge haben, sie können aber nur in besonderen, gravierenden Fällen zur disziplinarischen Höchstmaßnahme, der Entfernung aus dem Dienst, fuhren. 217 Die fehlende Eignung selber ist keine Dienstpflichtverletzung und kann demnach nicht zu einem Disziplinarverfahren fuhren 2 1 8 Aus der Verpflichtung des § 54 S. 1 BBG, sich mit voller Hingabe seinem Beruf zu widmen, folgt jedoch, daß der Beamte zur Erhaltung und Wiederherstellung seiner Arbeitskraft verpflichtet i s t . 2 1 9 Diese Dienstpflicht spielt im Hinblick auf die Gesundheit des Beamten eine große Rolle und wird deshalb oft als Gesunderhaltungspflicht bezeichnet. 220 Darüber hinaus ist der Beamte jedoch auch hinsichtlich anderer Umstände, die seine Arbeitskraft beeinträchtigen, verpflichtet, seine volle Eignung wiederherzustellen. Ist der Beamte zum Beispiel wegen Sicherheitsbedenken aufgrund seiner Überschuldung nicht mehr fur seine Amt geeignet, so kann er nach § 54 S. 1 BBG verpflichtet sein, seine wirtschaftlichen Verhältnisse zu ordnen. Diese Pflicht erfährt jedoch zwei wesentliche Einschränkungen. Zum einen kann die Pflicht zur Erhaltung und Wiederherstellung der Arbeitskraft nur solche Umstände betreffen, die der Beamte verursacht hat und die er beeinflussen kann; verwandtschaftliche Beziehungen zu fremden Staatsangehörigen zum Beispiel kann der Beamte nicht beeinflussen. Zum anderen greift diese Pflicht weit in die grundrechtlich geschützte Privatsphäre des Beamten ein. Deshalb ist eine Abwägung zwischen den Erfordernissen des Amtes und der grundrechtlich geschützten Freiheit des Beamten nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vorzunehmen. 221 Daraus folgt, daß der Beamte gegebenenfalls aus dem sicherheitsempfindlichen Bereich durch Umsetzung oder Versetzung herausgenommen werden muß, wenn das Verlangen gegenüber dem Beamten, seine Eignung wiederherzustellen, unverhältnismäßig wäre. Eine Entfernung aus dem Dienst kommt nicht in Betracht wenn der Beamte die Umstände, auf denen die Sicherheitsbedenken beruhen, nicht ändern kann. In diesem Fall ist nur eine Umsetzung oder Versetzung möglich. Aber auch, wenn im Einzelfall eine Dienstpflichtverletzung vorliegt und ein Disziplinarverfahren durchgeführt wird, hat dies in der Regel nicht die Entfernung aus dem Dienst, als schwerste Diszipli-

216

Claussen/Janzen, Einl. D Rdn 8d f. BVerwG Dok.Ber. 1991, 315; Claussen/Janzen, Einl. C Rdn 66a f mwN u. Einl. D Rdn 41 du. 46. 218 Scheerbarth u.a., S. 85. 219 BVerwGE 63, 322 (324); Claussen/Janzen, Einl. C Rdn 15 ff. 220 Claussen/Janzen, Einl. C Rdn 15a. 221 Ebenda. 217

90

2. Teil: Rechtsprechung und Arbeitsrechtsissenschaft

narmaßnahme, zur Folge, 2 2 2 so daß auch in diesem Fall der Beamte versetzt oder umgesetzt werden muß. Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß Sicherheitsbedenken gegenüber einem Beamten außerhalb des Bereiches der politischen Treuepflicht nur ausnahmsweise zu einer Entfernung aus dem Dienst in einem förmlichen Disziplinarverfahren fuhren; regelmäßig ist der Beamte durch eine Änderung des Aufgabenbereichs, durch Umsetzung oder Versetzung aus den sicherheitsempfindlichen Bereichen herauszunehmen, und ihm ist eine nichtsicherheitsempfindliche Tätigkeit zu übertragen. 223 Ähnliches gilt für den Beamten auf Widerruf und den Beamten auf Probe. Auch er ist regelmäßig durch eine Änderung des Aufgabenbereichs, durch Umsetzung oder Versetzung aus dem sicherheitsempfindlichen Bereich herauszunehmen. Bei einem Beamten auf Probe kann jedoch die fehlende Eignung für eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit auch zu einer Entlassung nach § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BBG führen, wenn die Sicherheitsbedenken den Beamten für sämtliche Aufgaben im Geschäftsbereich seines Dienstherrn ungeeignet machen. Dies wird jedoch höchst selten der Fall sein. Beruhen die Sicherheitsbedenken gegenüber dem Beamten auf Probe auf einem Verhalten, das disziplinarrechtlich relevant ist, kann der Beamte auch nach § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BBG entlassen werden, wenn das Verhalten bei einem Beamten auf Lebenszeit mindestens eine Gehaltskürzung als Disziplinarmaßnahme zur Folge hätte. In diesen Fällen ist auch ein sachlicher Grund für die Entlassung eines Beamten auf Widerruf gegeben. 3. Verwaltungsgerichtlicher

Prüfungsmaßstab

Nach der Rechtsprechung des BVerwG handelt es sich bei der Entscheidung, ob gegenüber einem Beamten Sicherheitsbedenken bestehen, um eine Ermessensentscheidung des Dienstherrn, die jedoch nur eingeschränkt durch die Gerichte überprüfbar i s t . 2 2 4 Das BVerwG weist insbesondere auf die Willkürkontrolle und gesetzwidrige Erwägungen des Dienstherrn h i n . 2 2 5 Dies heißt im Ergebnis, daß dem Dienstherrn ein Beurteilungsspielraum zusteht. 2 2 6 In späteren Urteilen spricht das BVerwG ausdrücklich von einem Beurteilungsspiel-

222 BVerwG Dok.Ber. 1991, 315; vgl. zum leichtfertigen Schuldenmachen: Claussen/Janzen, Einl. D, Rdn 9i. 223 Vgl. dazu: BVerwGE 53, 134 (135 f); 73, 154 (155 ff); 81, 258 (260 ff); 83, 90 (93 f); 86, 166 (168 f). 224 BVerwGE 73, 154 (156 f). 225 BVerwGE 73, 154 (156 f); ähnlich: BVerwGE 76, 52 (54), dort spricht das Gericht von "nicht unzumutbarer oder willkürlicher" Betroffenheit. 226 Vgl. zum Beurteilungsspielraum: Erichsen-Ossenbühl, § 10 Rdn 33 ff; Maurer, § 7 Rdn 31 ff; WolfCBachof/Stober, § 31 Rdn 16 ff.

D. Exkurs: Die Rechtslage im Beamtenrecht

91

räum. 2 2 7 Diese Entscheidung stellt "ein prognostisches Urteil über die Persönlichkeit" des Betroffenen dar. 2 2 8 Die gerichtliche Nachprüfung beschränkt sich darauf, "ob der zuständige Vorgesetzte in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt, allgemeingültige Wertmaßstäbe außer acht gelassen hat, von sachfremden, insbesondere willkürlichen Erwägungen ausgegangen ist oder gegen entscheidungsrelevante Verfahrensvorschrifen verstoßen h a t " . 2 2 9 Gleiches gilt für die Einstufung einer Tätigkeit oder eines Bereiches als sicherheitsempfindlich. Auch hier besteht für den Dienstherrn ein Beurteilungsspielraum, der durch die Verwaltungsgerichte nur eingeschränkt nachprüfbar i s t . 2 3 0

I I I . Zusammenfassung Beruhen die Sicherheitsbedenken auf der fehlenden Verfassungstreue des Beamten kann der Beamte auf Widerruf nach § 32 Abs. 1 S. 1 BBG entlassen werden, der Beamte auf Probe mangels Eignung nach § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BBG. Der Beamte auf Lebenszeit kann in einem förmlichen Disziplinarverfahren aus dem Dienst entfernt werden, § 11 BDO, da die fehlende Verfassungstreue regelmäßig eine schwere Dienstpflichtverletzung darstellt. Ergeben sich die Sicherheitsbedenken aufgrund anderer Umstände, kommt grundsätzlich nur eine Änderung des Aufgabenbereichs, eine Umsetzung oder eine Versetzung in Frage. Nur wenn das Verhalten des Beamten, aus dem sich die Sicherheitsbedenken ergeben, gleichzeitig eine schwere Dienstpflichtverletzung darstellt, kommt eine Entfernung aus dem Dienst in Betracht. Auch bei den Beamten auf Widerruf und auf Probe ist eine Entlassung nur möglich, wenn das Verhalten gleichzeitig eine nicht unerhebliche Dienstpflichtverletzung darstellt oder der Beamte gänzlich ungeeignet ist. Die Frage, ob tatsächlich Sicherheitsbedenken gegenüber einem Beamten bestehen, ist durch die Verwaltungsgerichte nur eingeschränkt nachprüfbar; es handelt sich insoweit um eine Prognoseentscheidung, die eine Beurteilung der Persönlichkeit des betroffenen Beamten enthält. Dem Dienstherrn steht hinsichtlich dieser Prognose ein Beurteilungsspielraum zu.

227 228 229 230

BVerwGE 76, 52 (53); 81, 258 (264); 83, 90 (94 fï); 83, 345 (357 f). BVerwGE 81, 258 (263 f); 83, 90 (101); 83 345 (357). BVerwGE 83, 90 (94 f). BVerwGE 73, 155 (156).

92

2. Teil: Rechtsprechung und Arbeitsrechts Wissenschaft

E. Zwischenergebnis Trotz mehrerer Urteile des BAG, die sich mit der Kündigung wegen Sicherheitsbedenken auseinandersetzen, müssen sowohl die systematische Einordnung als auch die Voraussetzungen für eine wirksame Kündigung als unklar bezeichnet werden. Auch die wenigen und zumeist kurzen Ausführungen in der Literatur tragen kaum zu weiteren Erkenntnissen bei. Offen ist zunächst die systematische Einordnung der Kündigung wegen Sicherheitsbedenken. Da nach der Rechtsprechung und Teilen der Arbeitsrechtswissenschaft sowohl eine personenbedingte Kündigung als auch eine verhaltensbedingte Kündigung in Betracht kommen, stellt sich die Frage, worin bei der Kündigung wegen Sicherheitsbedenken überhaupt der Kündigungsgrund zu sehen ist. Auch schafft die Fallgruppenbildung der Rechtsprechung und der Literatur mehr Verwirrung als Aufklärung, da gerade die Kündigung wegen Sicherheitsbedenken vielen dieser Fallgruppen zugeordnet werden kann. Offen ist auch die Frage nach den Voraussetzungen für eine wirksame Kündigung wegen Sicherheitsbedenken. Die Forderung der Rechtsprechung, die von der Literatur wiederholt wird, nach "tatsächlichen" oder "konkreten" Umständen oder Anhaltspunkten für eine Gefährdung der Sicherheitsinteressen trägt zu einer Klärung wenig bei. Es bleibt nämlich offen, was für Umstände dies sein sollen. 2 3 1 Auch die Vielfalt der Definitionen führt nicht weiter, hier werden Begriffe, die keinen erkennbaren Inhalt haben durch ebensolche ersetzt, ohne daß dadurch ein Mehr an Klarheit erreicht würde. Offen bleibt schließlich auch die Definition der "Gefährdung" und "Besorgnis" künftiger Beeinträchtigungen der Sicherheitsinteressen des Arbeitgebers. Es wird nicht klar, wann eine Gefährdung von solcher Intensität vorliegt, daß eine Kündigung gerechtfertigt ist. Schlußendlich bleibt auch offen, wie eine Kündigung wegen der Besorgnis künftiger Beeinträchtigungen der Arbeitgeberinteressen in das System der Kündigungsgründe einzuordnen ist. Es wird demnach im folgenden zunächst eine dogmatisch abgesicherte Einordnung der Kündigung wegen Sicherheitsbedenken in die Systematik der Kündigungsgründe nötig sein. Zudem müssen die in Rechtsprechung und Literatur gebildeten Fallgruppen hinsichtlich der Prüfung der Wirksamkeit einer Kündigung wegen Sicherheitsbedenken untersucht werden. In einem weiteren Schritt sollen die von Rechtsprechung und Arbeitsrechtswissenschaft herangezogenen allgemeinen Rechtsprinzipien betrachtet werden, wobei insbesondere

231

Kritisch zu dem pauschalen Verweis auf die fehlende Darlegung "tatsächlicher Umstände" auch: Buchner, NZA 1991, 577 (581).

E. Zwischenergebnis

93

die Prognose der zukünftigen Entwicklung des Arbeitsverhältnisses fur die Kündigung wegen Sicherheitsbedenken von Bedeutung ist. Sodann werden aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse die Voraussetzungen fur eine solche Kündigung dargestellt.

3. Teil Systematische Einordnung der Kündigung wegen Sicherheitsbedenken Nachdem die in Rechtsprechung und Arbeitsrechtswissenschaft vertretenen Ansichten zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen Sicherheitsbedenken dargestellt wurden, soll nunmehr auf dieser Grundlage eine dogmatische Einordnung in das gesetzliche System der Kündigungsvorschriften erfolgen. Im Mittelpunkt stehen dabei weiterhin die beiden zentralen Vorschriften des § 1 Abs. 2 KSchG für die ordentliche Kündigung und § 626 BGB für die außerordentliche Kündigung.

A. Ausgangspunkt Ausgangspunkt einer jeden Betrachtung der Kündigungsregelungen des § 1 Abs. 2 KSchG und des § 626 BGB ist der Grund für die Kündigung. Die Vorschrift des § 1 Abs. 2 KSchG verlangt für die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung, daß diese "durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist"; die Vorschrift des § 626 Abs. 1 BGB erfordert für die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung einen wichtigen Grund. Der Grund für eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen Sicherheitsbedenken liegt auf der Hand: Es sind eben diese Sicherheitsbedenken. Diese Sicherheitsbedenken können aber wiederum auf verschiedenen Ursachen beruhen.

I. Der Kündigungsgrund Im Kündigungsrecht ist zwischen Kündigungsgrund und Kündigungsmotiv zu unterscheiden.1 Während das Kündigungsmotiv den subjektiven Beweggrund des Arbeitgebers meint, umfaßt der Kündigungsgrund im Sinne des arbeitsvertraglichen Kündigungsrechts die objektiven Umstände, die der Kündigung zugrunde liegen.2 Diese objektiven Umstände sind jedoch zu unterschei1 2

Vgl.: Herschel, FS Gerhard Müller, S. 191 f. Ebenda.

Α. Ausgangspunkt

95

den nach dem eigentlichen Anlaß der Kündigung und den weitergehenden Ursachen, auf denen dieser Anlaß beruht. 3 Grundlage für die Beurteilung der Sozialwidrigkeit der Kündigung ist der Kündigungsgrund, also die gesamten objektiven Umstände, die der Arbeitgeber zur Begründung der Kündigung vorträgt. 4 Dies gilt auch für die Beurteilung, ob eine betriebsbedingte, eine verhaltensbedingte oder eine personenbedingte Kündigung vorliegt.

I I . Die Ursachen für Sicherheitsbedenken Die Frage nach den Ursachen für die Sicherheitsbedenken des Arbeitgebers gegenüber einem bestimmten Arbeitnehmer ist die Frage nach der Motivation des Arbeitnehmers, Spionage- oder Sabotagehandlungen zum Nachteil des Arbeitgebers zu begehen. Wie bereits vorne erwähnt, sind, wie für jede menschliche Handlung, unabsehbare Möglichkeiten unterschiedlicher Motivationen denkbar. Trotzdem soll aufgrund der in Rechtsprechung und Wissenschaft diskutierten Fälle eine kurze Zusammenstellung denkbarer Ursachen erfolgen. Eine der Ursachen, auf denen die Sicherheitsbedenken beruhen können, sind verwandtschaftliche oder freundschaftliche Beziehungen des Arbeitnehmers zu Personen, die bei Konkurrenzunternehmen beschäftigt sind oder Inhaber eines Konkurrenzunternehmens sind,5 zu Personen, die Kontakte zu terroristischen Gruppen haben,6 oder zu Personen, die in Staaten leben, von denen eine besondere Gefahr ausgeht.7 Ein anderer Bereich ist die politische Einstellung und Betätigung des Arbeitnehmers. 8 Die politische Einstellung kann aber nur dann eine Ursache für die Sicherheitsbedenken darstellen, wenn sie sich nach außen etwa durch die politische Betätigung oder Meinungsäußerung manifestiert. In der

3 Vgl. auch: Hueck/vHoyningen-Huene § 1 KSchG Rdn 119, der den jeweiligen Kündigungsgrund als Anlaß zur Kündigung sieht; vgl. aber auch: Berkowsky, Die personen· und verhaltensbedingte Kündigung, § 4 Rdn 9, der zwischen dem Grund für eine Kündigung, der stets in der betriebsbezogenen Leistungsstörung zu sehen sei, und den Ursachen für diesen Grund im Verhalten oder in der Person des Arbeitnehmers unterscheidet. 4 Herschel, FS Gerhard Müller, S. 191 f. 5 LAG Hamburg BB 1970, 1096; LAG Stuttgart BB 1953, 236; LAG Chemnitz ArbRS 39, 84; Herschel/Löwisch, § 1 KSchG Rdn 156; Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 200. 6 BAG AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Sicherheitsbedenken; Herschel/Löwisch, § 1 KSchG Rdn 156; Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 200; vgl. auch: Bewertungskriterien für die Sicherheitsüberprüfung von Personal in kerntechnischen Anlagen, GemMBl 1988, 330 (331 unter 2.3 Nr. 1). 7 BAGE 14, 103. 8 BAGE 62, 256; 23, 371; AP Nr. 11 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung; AP Nr. 28 zu § 66 BetrVG.

96

3. Teil: Systematische Einordnung

Nähe der Sicherheitsbedenken wegen der politischen Einstellung und Betätigung sind Sicherheitsbedenken, die sich auf die religiöse Einstellung und Betätigung des Arbeitnehmers gründen, angesiedelt.9 Man denke nur an Sekten, zum Beispiel "Scientology", aber auch radikale Strömungen im Islam oder radikale christliche Strömungen, wie sie insbesondere in den Vereinigten Staaten von Amerika bekannt sind. Daneben kommen aber auch andere Umstände als Ursache für Sicherheitsbedenken in Betracht. Zu nennen ist zunächst der Umstand, daß der Arbeitnehmer bereits mehrfach gegen bestehende Sicherheitsvorschriften verstoßen hat. 1 0 Weitere Umstände, die die Gefahr einer sicherheitsrelevanten Handlung aufgrund finanzieller Anreize begründen können, sind die Überschuldung des Arbeitnehmers 11, durch den Arbeitnehmer begangene Vermögensdelikte 12 oder eine bestehende Spielsucht.13 Auch die Gefahr der Erpreßbarkeit kann Sicherheitsbedenken verursachen, wenn der Arbeitnehmer zum Beispiel Straftaten begeht. 14 Problematisch ist in diesem Bereich der sogenannte unsittliche Lebenswandel, also ein Verhalten, das zwar nicht strafbar ist, aber von weiten Kreisen der Bevölkerung verurteilt wird. Sicherheitsbedenken können auch auf außerdienstlichen Vermögensdelikten des Arbeitnehmers beruhen. Auch in diesem Fall kann die Gefahr bestehen, daß der Arbeitnehmer sicherheitsrelevante Handlungen aufgrund finanzieller Vorteile begeht. 15 Zuletzt ist als mögliche Ursache von Sicherheitsbedenken die psychische Labilität des Arbeitnehmers zu nennen, aber auch Alkohol- oder Drogenprobleme, die zur Erpreßbarkeit, finanziellen Problemen oder zu sonstigen Motivationen für sicherheitsrelevante Handlungen führen können. 16 Diese kurze Aufstellung ist sicherlich, wie sich aus der Natur der Sache ergibt, nicht abschließend. Sie soll aber genügen, um im folgenden eine dogmatische Einordnung der Kündigung wegen Sicherheitsbedenken vorzunehmen.

9

Bedenklich: Verheggen, S. 96, die Sicherheitsbedenken wegen der religiösen Überzeugung nur bei Ausländern für denkbar hält! 10 BVerwGE 81, 258. 11 BAG EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 45; BVerwGE 73, 330; auch: GemMBl 1988, 330 (331 unter 2.3 Nr. 5). 12 BVerwG RDV 1995, 125 (127). 13 Ähnlich: BAGE 37, 64 (69), für den Kassierer einer Bank. 14 BVerwGE 76, 52. 15 BVerwG RDV 1995, 125 (127). 16 Vgl. dazu: GemMBl 1988, 330 (331, unter 2.3 Nr. 3).

Β. Dogmatische Grundlagen

97

I I I . Die Problemstellung Wie vorne dargestellt, kommt nach der Rechtsprechung sowohl eine personenbedingte als auch eine verhaltensbedingte Kündigung im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG in Betracht. Die Arbeitsrechtswissenschaft folgt teilweise der Rechtsprechung, teilweise wird aber auch vertreten, daß lediglich eine personenbedingte Kündigung in Betracht kommt. Der Grund für diese unterschiedlichen Auffassungen wird deutlich, wenn man sich die verschiedenen Ursachen für die Sicherheitsbedenken näher betrachtet. Beruhen die Sicherheitsbedenken auf bestimmten verwandtschaftlichen oder freundschaftlichen Beziehungen oder auf der psychischen Labilität, sind dies Eigenschaften der Person des Arbeitnehmers. Soweit es um Überschuldung, Straftaten, unsittlichen Lebenswandel oder Verstöße gegen Sicherheitsvorschriften geht, stellt dies ein Verhalten des Arbeitnehmers dar. Auch handelt es sich bei der Mehrzahl der Ursachen für die Sicherheitsbedenken um außerbetriebliche Umstände, deren Einordnung in die Systematik der Kündigungsgründe grundsätzlich umstritten ist. 1 7 Hinzu kommt, daß in Rechtsprechung und Arbeitsrechtswissenschaft hinsichtlich der Kündigung wegen Sicherheitsbedenken immer wieder auf die Nähe zur Verdachtskündigung hingewiesen wird, 1 8 deren Einordnung ebenfalls umstritten ist. 1 9 Aufgrund dieser Problematik sollen zunächst die grundlegenden Voraussetzungen für eine wirksame Kündigung nach § 1 KSchG und § 626 BGB herausgearbeitet und dann die Kündigung wegen Sicherheitsbedenken in die Systematik der Kündigungsgründe eingeordnet werden. Sodann sollen die von Rechtsprechung und Arbeitsrechtswissenschaft gebildeten relevanten Fallgruppen dargestellt und deren Nutzen für die rechtliche Würdigung untersucht werden.

B. Dogmatische Grundlagen Um im folgenden die grundsätzlichen Anforderungen an den Kündigungsgrund darzustellen, ist es notwendig, zunächst den Sinn und Zweck des Kündigungsschutzgesetzes zu betrachten. Im weiteren sollen dann die Voraussetzungen für den Kündigungsgrund dargelegt werden.

I. Sinn und Zweck des KSchG Das KSchG dient dem Interesse des Arbeitnehmers am Bestandsschutz des Arbeitsverhältnisses; das Ziel ist, "dem Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz zu erhalten." 20 Geschützte Rechtsgüter sind der Arbeitsplatz und die Betriebszu-

17 18 19 20

7 Meyer

Vgl. Seite 121 ff der Arbeit. BAGE 14, 103 (105 f); LAG Baden-Württemberg BB 1968, 359; Monjau, S. 412. Vgl. Seite 115 ff der Arbeit. BAG AP Nr. 16 zu § 620 BGB Betriebliche Altersversorgung.

98

3. Teil: Systematische Einordnung

gehörigkeit des Arbeitnehmers. 21 In der Begründung des Regierungsentwurfs zum KSchG heißt es dazu: "Das Gesetz wendet sich nicht gegen Entlassungen, die aus trifftigen Gründen erforderlich sind, sondern lediglich gegen solche Kündigungen, die hinreichender Begründung entbehren und deshalb als eine willkürliche Durchschneidung des Bandes der Betriebszugehörigkeit erscheinen." 2 2 "Wirklich notwendige Kündigungen sollen durch das KSchG weder verhindert noch erschwert werden." 23 Nach § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG kann das Arbeitsverhältnis durch den Arbeitgeber nur dann gekündigt werden, wenn eine sinnvolle Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Rahmen des arbeitsvertraglich Vereinbarten nicht mehr möglich ist, sei es durch betriebsbedingte, durch verhaltensbedingte oder durch personenbedingte Gründe. Diese Beurteilung erfolgt anhand des Arbeitsvertrages, der grundsätzlich das ZurverfÜgungstellen der Arbeitskraft zur Verfolgung wirtschaftlicher und betrieblicher Zwecke beinhaltet. 24 Nur wenn dieses Austauschverhältnis gestört ist, den wirtschaftlichen und betrieblichen Zwecken also nicht mehr gedient werden kann, kommt eine Kündigung in Betracht. Der Grund für die Kündigung liegt damit immer in der fehlenden sinnvollen Weiterbeschäftigung für die Zukunft; die Kündigungsgründe sind also immer zukunftsbezogen. 25

I L Voraussetzungen für eine Kündigung /. Objektiver Kündigungsgrund Ob ein Grund im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG oder des § 626 BGB für die Kündigung gegeben ist, hängt nicht von der subjektiven Auffassung des Arbeitgebers ab. Entscheidend ist vielmehr, ob objektiv nachprüfbare Gründe

21 Begründung des Regierungsentwurfs zum KSchG, RdA 1951, 61 (63); vgl. auch: BAG AP Nr. 19 zu § 9 KSchG; Herschel/Löwisch, Vor § 1 KSchG Rdn 1 ff; Hueck/ vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 4; KR-Becker, § 1 KSchG Rdn 10; MünchHandbArbR-Berkowsky, § 127 Rdn 20 ff; ausführlich: Preis, Prinzipien, S. 120 ff. 22 Begründung, RdA 1951, 61 (63). 23 Ebenda. 24 Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 4 Rdn 4; Hueck/ vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 123. 25 Ascheid, Kündigungsrecht, Rdn 28 ff; Herschel, FS Müller, S. 202 ff; ders., FS Schnorr von Carolsfeld, S. 170 f; Hueck/vHoyningen-Huene § 1 KSchG Rdn 120 ff u. 127 f; Kittner/Trittin, § 1 KSchG Rdn 47; Precklein, S. 44; Preis, Prinzipien, S. 322; vgl. dazu ausführlich: Seite 160 ff der Arbeit.

Β. Dogmatische Grundlagen

99

vorliegen, die die Kündigung bedingen. 26 Teilweise wird dies danach beurteilt, ob ein "ruhig und verständig urteilender Arbeitgeber" sich zur Kündigung veranlaßt gesehen hätte. 27 Diesen Arbeitgeber gibt es jedoch nicht, wie Berkowsky zutreffend bemerkt. 28 Die Heranziehung dieses idealtypischen Arbeitgebers ist zudem dogmatisch zweifelhaft, da die Rechtsfindung des Richters auf einen Dritten verlagert wird; die Grundlage für die Rechtsfindung, im Sinne der Wertungsjurisprudenz also die Wertung des Richters, bleibt im dunkeln. 29 Auf den "ruhig und verständig urteilenden Arbeitgeber" sollte deshalb verzichtet werden. Stattdessen genügt die Feststellung, daß es für eine wirksame Kündigung nach § 1 KSchG und § 626 BGB objektiver Gründe bedarf, daß also das Vorliegen des Kündigungsgrundes vom Gericht voll nachprüfbar ist. Grundlage für die Entscheidung, ob ein objektiver Kündigungsgrund vorliegt, ist die Wertentscheidung des Richters, der sich auf seine jeweilige Wertfindung stützt. 30 2. Erhebliche Beeinträchtigungen betrieblicher vertraglicher Interessen

und

Aus dem Zweck des KSchG, dem Arbeitgeber nur dann die Vertragsbeendigung zu ermöglichen, wenn eine Störung im Austauschverhältnis vorliegt, folgt, daß ein Grund für eine Kündigung ausnahmslos nur dann gegeben sein kann, wenn betriebliche und vertragliche Interessen des Arbeitgebers beeinträchtigt sind. 31 Dabei ist wiederum zu beachten, daß das Arbeitsverhältnis wirtschaftlichen und betrieblichen Zwecken, die dem Arbeitsvertrag zugrunde liegen, dient. Es ist demnach zu fragen, ob die Verfolgung dieser Zwecke unmöglich oder

26

HAS-Popp, § 19 D Rdn 9; Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 155; Kittner/Trittin, § 1 KSchG Rdn 48; Preis, Prinzipien, S. 115 f; Stahlhacke/Preis, Rdn 683; für § 626 BGB: Erman-Hanau, § 626 BGB Rdn 27. 27 BAG AP Nr. 3 u. 18 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung; EzA § 1 KSchG Krankheit; vgl. auch: Kittner/Trittin, § 1 KSchG Rdn 48; KR-Becker, § 1 KSchG Rdn 148; Preis, DB 1990, 630 (630 f). 28 Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 16 Rdn 5; vgl. auch: Ascheid, Kündigungsschutzrecht, Rdn 60. 29 Vgl. Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 16 Rdn 5: "(...); er ist nichts anderes als die Projektion des richterlichen Vorverständnisses auf den konkreten Fall." 30 Vgl. dazu bereits: Seite 56 f der Arbeit. 31 BAG AP Nr. 20 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit, AP Nr. 25 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung; DB 1985, 873 (873 f); LAG Baden-Württemberg NZA 1994, 175 (176 i); Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 4 Rdn 5; Bezani, S. 77 ff; Boewer, NZA 1988, 678 (681); HAS-Popp, § 19 D Rdn 2; Herschel, FS Schnorr von Carolsfeld, S. 170 f; ders., Anm. BAG AP Nr. 1 zu § 1 KSchG Sicherheitsbedenken; Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 122 ff; Joost, S. 134b f; Precklein, S. 43 f; Preis, Prinzipien, S. 224 ff; Stahlhacke/Preis, Rdn 620. 7*

100

3. Teil: Systematische Einordnung

zumindest beeinträchtigt wird. Insoweit sind alle Kündigungsgründe arbeitsvertrags- und betriebsbezogen. 32 Sowohl der Begriff der Beeinträchtigung als auch der Umfang der betrieblichen und vertraglichen Interessen müssen genauer betrachtet werden. a) Beeinträchtigung der Interessen Teilweise wird anstelle von Beeinträchtigung auch gefordert, daß das Arbeitsverhältnis "berührt" wird. 3 3 Dieser Begriff ist aber problematisch, da eine Berührung qualitativ unterhalb einer Beeinträchtigung vorliegen kann. Eine irgendwie geartete Berührung des Arbeitsverhältnisses, die noch nicht zu einer Beeinträchtigung betrieblicher und vertraglicher Interessen führt, kann nach dem eben Gesagten aber nicht ausreichen, eine Kündigung zu rechtfertigen. 34 Deshalb sollte auf den Begriff der Berührung verzichtet werden. Anders verhält es sich mit dem Begriff der Störung. Dieser ist dem Begriff der Beeinträchtigung vom Bedeutungsinhalt her im wesentlichen gleichzusetzen, so daß insoweit kein Unterschied besteht.35 Unergiebig ist dagegen die Unterscheidung zwischen abstrakten und konkreten Beeinträchtigungen, da sie praktisch kaum durchführbar ist. 3 6 Soweit es um die Bennenung der beeinträchtigten Interessen geht, ergibt sich ohne weiteres, daß der Arbeitgeber diese im einzelnen benennen muß. Ein pauschaler Verweis auf möglicherweise beeinträchtigte Interessen reicht nicht aus, um eine Beeinträchtigung darzulegen. Es muß eine tatsächliche Störung des schuldrechtlichen Austauschverhältnisses vorliegen. Die entscheidende Frage ist vielmehr, wie sich im folgenden noch zeigen wird, welche Interessen des Arbeitgebers zu berücksichtigen sind.

32

BAG DB 1985, 873 (873 f); Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 4 Rdn 4 ff; Herschel, FS Schnorr von Carolsfeld, S. 170 f; Preis, Prinzipien, S. 227; Münch-Komm-Schwerdtner, Vor § 620 Rdn 432; Rüthers/Henssler, S. 43; Stahlhacke/Preis, Rdn 620. 33 BAG AP Nr. 58 zu § 626 BGB; AP Nr. 1 zu § 15 KSchG 1969; AP Nr. 1 u. 11 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung; KR-Becker, § 1 KSchG Rdn 258. 34 BAG EzA § 626 BGB n.F. Nr. 116; ausführlich: Dütz, Anm. EzA Nr. 91 zu § 626 BGB, S. 399 ff; Otto, S. 65; Preis, Prinzipien, S. 225 f, 465 u. 470. 35 Vgl. auch: Preis, Prinzipien, S. 470. 36 BAG EzA § 626 BGB n.F. Nr. 116; AP Nr. 24 zu § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung; Gentges, S. 221; Willemsen, S. 44; zweifelnd: Kraft/Raab, S. 33 f.

Β. Dogmatische Grundlagen

101

b) Erhebliche Beeinträchtigung Weiterhin muß es sich um eine erhebliche Beeinträchtigung handeln. 37 Das bedeutet, daß nur solche Beeinträchtigungen eine Kündigung zu rechtfertigen vermögen, die im Verhältnis zur Gegenleistung von einigem Gewicht sind. Es sollen gerade solche Störungen, die sich im Verhältnis zu Dauer und Umfang des Arbeitsverhältnisses nicht meßbar auswirken, nicht ausreichen. 38 Dies ergibt sich aus der allgemeinen schuldrechtlichen Regelung des § 320 Abs. 2 BGB, wonach eine unerhebliche Beeinträchtigung unbeachtlich ist. 3 9 Ob eine erhebliche Beeinträchtigung vorliegt oder nicht, ist letztendlich eine Frage des Einzelfalles, insbesondere des Inhalts des konkreten Arbeitsvertrages, und kann nicht nach allgemeinen Kriterien gemessen werden. c) Die betrieblichen und vertraglichen Interessen Das BAG und mit ihm Teile der Arbeitsrechtswissenschaft verlangen, daß durch den Kündigungssachverhalt eine konkrete Störung im Leistungsbereich, im betrieblichen Bereich, im Vertrauensbereich oder im Unternehmensbereich hervorgerufen wird. 4 0 Der Leistungsbereich umfaßt dabei im wesentlichen die Eignung des Arbeitnehmers; im Rahmen des betrieblichen Bereichs kommen die Betriebsordnung, der Betriebsablauf und der Betriebsfrieden zum Tragen; der personale Vertrauensbereich soll sich auf die Vertrauensgrundlage des Arbeitsvertrages beziehen; und der Unternehmensbereich umfaßt den Tätigkeitsbereich des Unternehmens, zum Beispiel die Geschäftsbeziehungen zu Kunden und Lieferanten. 41 Unproblematisch ist der Leistungsbereich. Erbringt der Arbeitnehmer die arbeitsvertraglich geschuldete Leistung nicht oder nicht so wie vereinbart, kommt eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Interessen des Arbeitgebers in Betracht. 42 Fraglich erscheint jedoch, welche Interessen des Arbeitgebers im betrieblichen Bereich und im Unternehmensbereich zu berücksichtigen sind. Abzulehnen ist die Ausdehnung des betrieblichen Bereichs auf die "betriebliche Verbundenheit aller Mitarbeiter" oder auf den "Betriebsfrieden", da diese Be37 BAG AP Nr. 6 u. 10 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit; Bezani, S. 92 f; Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 124; Stahl hacke/Preis, Rdn 726. 38 Kittner/Trittin, § 1 KSchG Rdn 50. 39 Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 124. 40 BAG EzA § 611 BGB Beschäftigungspflicht, Nr. 2; EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung, Nr. 9, 12, 14 u. 18; DB 1990, 635; Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 122; KR-Becker, § 1 KSchG Rdn 262; vgl. für die außerordentliche Kündigung: König, S. 13 ff; KR-Hillebrecht, § 626 BGB Rdn 83 ff. 41 König, S. 13; KR-Becker, § 1 KSchG Rdn 262. 42 Preis, Prinzipien, S. 224 ff.

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3. Teil: Systematische Einordnung

griffe lediglich subjektive Befindlichkeiten beschreiben. Entscheidend ist aber allein die objektive wirtschaftliche Zielsetzung des Betriebs und des Unternehmens. Es ist demnach auf den Betriebsablauf, auf die Erreichbarkeit der betrieblichen Ziele abzustellen. Eine Beeinträchtigung betrieblicher Interessen liegt nur vor, wenn Störungen im Betriebsablauf oder Schädigungen im Unternehmensbereich vorliegen. 43 Problematisch ist auch die Einbeziehung des Vertrauensbereichs in den Kreis der zu berücksichtigen Arbeitgeberinteressen. Die Rechtsprechung und der überwiegende Teil der Literatur sieht in der Beeinträchtigung des personalen Vertrauensbereichs einen eigenständigen Kündigungssachverhalt. 44 Diese Ansicht ist aber zum Teil auch auf Kritik gestoßen. 45 Darauf wird im folgenden näher einzugehen sein. 46

C. Die Unterscheidung zwischen betriebe-, verhaltensund personenbedingter Kündigung I. Die ordentliche Kündigung Nach § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG ist zwischen der personenbedingten, der verhaltensbedingten und der betriebsbedingten Kündigung zu unterscheiden. Im folgenden ist zu untersuchen, welcher dieser Fälle die Kündigung wegen Sicherheitsbedenken erfaßt. Das Gesetz spricht von personenbedingten und verhaltensbedingten Gründen und dringenden betrieblichen Erfordernissen, ohne diese Begriffe näher zu erläutern. Es handelt sich dabei um unbestimmte Rechtsbegriffe, die einer normativen Konkretisierung durch Auslegung bedürfen. Ausgangspunkt dieser Konkretisierung muß dabei die vom Gesetzgeber vorgesehene Dreiteilung der Kündigungsgründe sein. 47

43

Preis, Prinzipien, S. 227 ff u. 473 f; Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 19 Rdn 69 ff; krititsch auch: Buchner, ZfA 1982, 49 (59); Gentges, S. 221 f; Kissel, S. 151; Söllner, FS Herschel, S. 399 f; Kittner/Trittin, § 1 KSchG Rdn 206; differenzierend jetzt auch: BAG EzA § 626 BGB n.F. Nr. 116; AP Nr. 24 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung. 44 RAG ArbRS 26, 272; 43, 100 (105); BAG AP Nr. 13, 58 u. 69 zu § 626 BGB; Nr. 1 zu § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung; NJW 1996, 540 (541 f); LAG Nürnberg NZA 1995, 228; Ascheid, Kündigungsschutzrecht, Rdn 145; Herschel/ Löwisch, § 1 KSchG Rdn 117; KR-Becker, § 1 KSchG Rdn 283; Maus, § 1 KSchG Rdn 174 u. 176; Tschöpe, NZA 1985, 588 (589); ausführlich: Belling, S. 19 ff. 45 Däubler, ArbR 2, S. 554; Münch-Komm-Schwerdtner, § 626 Rdn 2 f; Otto, S. 65 f; Preis, Prinzipien, S. 364 ff. 46 Vgl. Seite 107 ff der Arbeit. 47 Stahlhacke/Preis, Rdn 614.

C. Betriebs-, Verhaltens- und personenbedingte Kündigung

103

L Vorüberlegung Die Notwendigkeit einer eindeutigen Abgrenzung der einzelnen Fälle des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG wird teilweise bezweifelt. 48 Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß nur eine klare Abgrenzung der Kündigungsgründe eine genaue Bezeichnung des kündigungsrelevanten Sachverhaltes ermöglicht. Und nur dann können die Voraussetzungen für die Wirksamkeit der Kündigung benannt und geprüft werden. Ungenauigkeiten in der dogmatischen Bestimmung der Grundlagen fuhren zu ungenauen, nicht nachvollziehbaren Prüfungen im Einzelfall. 49 Zudem erfordert auch das Prinzip der Rechtssicherheit im Sinne der Vorhersehbarkeit und Überprüfbarkeit von Rechtsentscheidungen, die Prüfung des Einzelfalles auf eine über den Einzelfall hinaus geltende dogmatische Grundlage zu stellen. 50 Dies umso mehr, als der Gesetzgeber die Dreiteilung der Kündigungsgründe vorgegeben hat. Die normative Konkretisierung der drei Kündigungstatbestände muß vom Begriff ausgehen. Aber diese Betrachtung hilft nicht weiter. Der Begriff der betrieblichen Erfordernisse gibt für eine klare Abgrenzung nichts her. Denn auch die personen- und verhaltensbedingte Kündigung ist, wie oben bereits dargelegt, nur sozial gerechtfertigt, wenn die kündigungsrelevanten Umstände betriebsbezogen sind. 51 Ebenso ist eine rein begriffliche Abgrenzung zwischen personenbedingten Umständen und verhaltensbedingten Umständen aufgrund der Weite dieser Begriffe nicht möglich. 52 Aufgrund der Begrifflichkeit läßt sich lediglich schließen, daß der Grund der betriebsbedingten Kündigung unabhängig vom Arbeitnehmer allein im betrieblichen Bereich angesiedelt ist. Bei der personen- und verhaltensbedingten Kündigung ist der Kündigungsgrund dagegen auf einen konkreten Arbeitnehmer bezogen.53 Die Konkretisierung dieser Begriffe, die gleichzeitig Abgrenzung bedeutet, da die Aufzählung des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG abschließend ist, muß deshalb nach der Zweckrichtung

48

MünchHandb-ArbR-Berkowsky, § 132 Rdn 1; MünchKomm-Schwerdtner, Vor § 620 Rdn 432. 49 Vgl.: Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 185; Preis, DB 1990, 630; Stahlhacke/Preis, Rdn 622. 50 Zur Rechtssicherheit: Kaufmann-Hassemer, S. 252 f. 51 BAG DB 1985, 873; Herschel, FS Schnorr von Carolsfeld, S. 170 f; Preis, Prinzipien, S. 227; MünchKomm-Schwerdtner, Vor § 620 Rdn 432; Rüthers/Henssler, S. 43; Stahlhacke/Preis, Rdn 620. 52 Vgl. nur: MünchHandb-ArbR-Berkowsky, § 132 Rdn 1; Rüthers/Henssler, S. 43; Wank, RdA 1993, 79 (86). 53 Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 4 Rdn 9; Stahlhacke/Preis, Rdn 620.

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3. Teil: Systematische Einordnung

der Kündigung erfolgen. 54 Es muß demnach ermittelt werden, welchen betrieblichen und arbeitsvertraglichen Interessen des Arbeitgebers die jeweilige Kündigung dient. 2. Die betriebsbedingte Kündigung Eine ausschließlich auf betrieblichen Gegebenheiten beruhende Kündigung kann nur dadurch begründet sein, daß die vertraglich vereinbarte Arbeitsleistung des Arbeitnehmers unabhängig von seiner Person nicht mehr für die Erreichung der betrieblichen und wirtschaftlichen Ziele benötigt wird. Zweck der betriebsbedingten Kündigung ist es demnach, den Personalbestand an den künftigen Personalbedarf anzugleichen.55 Um eine betriebsbedingte Kündigung handelt es sich dann, wenn aufgrund externer oder interner Faktoren Personal in dem betreffenden Betrieb abgebaut wird, also mindestens ein Arbeitsplatz wegfällt. 5 6 Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen Sicherheitsbedenken kann nicht betriebsbedingt sein, da in diesem Fall kein Arbeitsplatz wegfällt. 3. Die verhaltensbedingte

Kündigung

Umstritten ist, welche Verhaltensweisen des Arbeitnehmers Grundlage einer verhaltensbedingten Kündigung sein können. Nach einer Ansicht liegt nur dann eine verhaltensbedingte Kündigung vor, wenn es sich um arbeitsvertragswidrige Verhaltensweisen des Arbeitnehmers handelt. 57 Es muß also eine Verletzung der vertraglichen Hauptpflichten oder zumindest der vertraglichen Nebenpflichten vorliegen. 58 Nach anderer Ansicht kann auch nichtvertragswidriges Verhalten eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen, wenn "konkrete Störungen im Leistungsbereich, im betrieblichen Bereich, im Vertrauensbereich

54

Dorndorf, S. 350; Herschel/Löwisch, § 1 KSchG Rdn 84, 134 u. 171; Stahlhacke/ Preis, Rdn 620. 55 Berkowsky, Die betriebsbedingte Kündigung, § 8 Rdn 2 ff; ders., NJW 1996, 291 (291 u. 292 f); Herschel/Löwisch, § 1 KSchG Rdn 171; Stahlhacke/Preis, Rdn 620; zur Rechtsprechung vgl.: Zwanziger, S. 916 f. 56 Berkowsky, NJW 1996, 291 (292 f); Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 389; Stahlhacke/Preis, Rdn 620, 624 u. 633. 57 Buchner, Fachtagung, S. 56; Dütz, ArbR, Rdn 333; ders., Anm. BAG EzA § 626 n.F. Nr. 91; Dorndorf, S. 345 ff; Herschel/Löwisch, § 1 KSchG Rdn 84; Kittner/Trittin, § 1 KSchG Rdn 155; Preis, DB 1990, 630 (632); RGRK-Weller, Vor § 620 BGB Rdn 186; Stahlhacke/Preis, Rdn 680. 58 Kittner/Trittin, § 1 KSchG Rdn 155; Preis, DB 1990, 630 (632); Stahlhacke/ Preis, Rdn 680.

C. Betriebs-, Verhaltens- und personenbedingte Kündigung

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oder im Unternehmensbereich" vorliegen. 59 Teilweise wird eine Abgrenzung zwischen personenbedingter und verhaltensbedingter Kündigung danach vorgenommen, ob der Arbeitnehmer seine geschuldete Leistung nicht erbringen kann, obwohl er dies will, oder ob er die Leistung nicht erbringt, obwohl er sie erbringen könnte. 60 Die Ansicht, den Anwendungsbereich der verhaltensbedingten Kündigung auch auf nichtarbeitsvertragswidriges Verhalten auszudehnen, ist abzulehnen. Sie verwischt die Grenzen zwischen der Verhaltens- und der personenbedingten Kündigung. 61 Nur die Beschränkung auf arbeitsvertragswidriges Verhalten macht eine eindeutige Abgrenzung zwischen der verhaltensbedingten und der personenbedingten Kündigung möglich. 62 Ein qualitativ entscheidender Unterschied ist nicht in erster Linie darin zu sehen, ob der Arbeitnehmer eine Beeinträchtigung der vertraglichen und betrieblichen Arbeitgeberinteressen beeinflussen kann, sondern ob die Beeinträchtigung auf einer vertraglichen Pflichtverletzung beruht. Das Verhalten des Arbeitnehmers kann nur dann eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen, wenn es vertragswidrig ist. Wenn sich ein Verhalten, das nicht vertragswidrig ist, dennoch negativ auf die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers auswirkt, liegt keine verhaltensbedingte Kündigung vor, sondern es kommt eine personenbedingte Kündigung in Betracht. Der Zweck der verhaltensbedingten Kündigung ist demnach, das Risiko weiterer Vertragsverletzungen des Arbeitnehmers für die Zukunft zu verhindern. 63 Legt man diese Definition der verhaltensbedingten Kündigung zugrunde, ergibt sich, daß es sich bei der Kündigung wegen Sicherheitsbedenken in der Regel nicht um eine solche handelt, da die Ursachen für die Sicherheitsbedenken, zum Beispiel die politische Einstellung oder verwandtschaftliche Beziehungen, keine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten darstellen. Eine verhaltensbedingte Kündigung liegt nur dann vor, wenn der Arbeitnehmer seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt und die Sicherheitsbedenken auf dieser Pflichtverletzung beruhen. Dies wird regelmäßig jedoch schon daran scheitern, daß das Verhalten, auf dem die Sicherheitsbedenken beruhen, zum außerdienst-

59 BAG EzA § 611 BGB Beschäftigungspflicht, Nr. 2; EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 9, 12, 14 u. 18; HAS-Popp, § 19 E Rdn 8 ff; KRHillebrecht, § 626 BGB Rdn 83 ff. 60 Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 4 Rdn 10; Ascheid, Kündigungsschutzrecht, Rdn 222 f. 61 Stahlhacke/Preis, Rdn 680. 62 Buchner, Fachtagung, S. 56; Stahlhacke/Preis, Rdn 680. 63 Herschel/Löwisch, § 1 KSchG Rdn 84; Preis, Prinzipien, S. 312 u. 328; Stahlhacke/Preis, Rdn 690; Weiss, Anm. EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 10.

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3. Teil: Systematische Einordnung

liehen Bereich zählt und deshalb in der Regel nicht Gegenstand einer arbeitsvertraglichen Verpflichtung sein kann. 64 Zudem kann man sagen, daß in der Praxis zumindest vertragliche Regelungen hinsichtlich sicherheitsrelevanten Verhaltens selten sind. Eine Ausnahme besteht bei den Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst, fur die nach den Regelungen im BAT und MTV eine politische Treuepflicht besteht. 65 Bestehen gegenüber einem Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst aufgrund seiner politischen Betätigung, die einen Verstoß gegen die politische Treuepflicht darstellt, Sicherheitsbedenken, kommt auch eine verhaltensbedingte Kündigung in Betracht. Die sicherheitsrelevante Tätigkeit stellt dann einen Umstand dar, der den Umfang der Treuepflicht bestimmt, da die Treuepflicht der Arbeitnehmer vom Aufgabenbereich abhängig ist. 6 6 Eine verhaltensbedingte Kündigung kommt auch in Betracht, wenn die Sicherheitsbedenken auf der Verletzung von betrieblichen Sicherheitsvorschriften beruhen. 67 Aus alldem folgt, daß die Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen Sicherheitsbedenken nur ausnahmsweise eine verhaltensbedingte Kündigung darstellt. Nur soweit bestimmte sicherheitsrelevante Umstände dem vereinbarten arbeitsvertraglichen Pflichtenkreis des Arbeitnehmers zuzurechnen sind und ein Verstoß gegen diese arbeitsvertraglichen Pflichten vorliegt, kommt eine verhaltensbedingte Kündigung in Betracht. 4. Die personenbedingte Kündigung Die personenbedingte Kündigung ist ein Auffangtatbestand. 68 Sie kommt immer dann in Betracht, wenn die Kündigung auf Umstände gestützt wird, die weder betriebsbedingte noch verhaltensbedingte Gründe darstellen. Zweck der personenbedingten Kündigung ist es, dem Arbeitgeber die Möglichkeit der Trennung von dem Arbeitnehmer zu geben, wenn vertragliche oder betriebliche Interessen erheblich durch die persönlichen Umstände des Arbeitnehmers beeinträchtigt werden. 69 Voraussetzung für eine personenbedingte Kündigung ist

64

MünchHand-ArbR-Blomeyer, § 51 Rdn 101; MünchKomm-Mayer-Maly, § 138 BGB Rdn 27 f; Otto, S. 99 ff; Preis, Vertragsgestaltung, S. 519 ff; ders., DB 1990, 630 (634); Stahlhacke/Preis, Rdn 525; Staudinger-Dilcher, § 138 BGB Rdn 30; vgl. auch: Mayer-Maly, S. 7 ff; ausführlich zur Inhaltskontrolle im Arbeitsrecht: Fastrich, S. 159 ff. 65 Vgl.: Seite 63 ff u. 129 f der Arbeit. 66 Vgl.: Seite 129 f der Arbeit. 67 Staudinger-Preis, § 626 BGB Rdn 221. 68 Stahlhacke/Preis, Rdn 725. 69 BAG DB 1985, 873 (873 f); Preis, Prinzipien, S. 224, 227 u. 433; Stahlhacke/ Preis, Rdn 725.

C. Betriebs-, Verhaltens- und personenbedingte Kündigung

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also, "daß der Arbeitnehmer von seinen persönlichen Voraussetzungen her die Fähigkeit und die Eignung verloren hat, die geschuldete Arbeitsleistung ganz oder teilweise zu erbringen." 70 Es muß demnach aufgrund bestimmter Umstände aus der Sphäre des Arbeitnehmers, die keine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten darstellen, eine Störung im schuldrechtlichen Austauschverhältnis vorliegen; die betrieblichen und wirtschaftlichen Ziele des Arbeitsverhältnisses sind nicht mehr erreichbar. a) Kündigung wegen Sicherheitsbedenken Werden diese Grundsätze auf die Kündigung wegen Sicherheitsbedenken angewandt, ergibt sich, daß es dabei sich um eine personenbedingte Kündigung handelt. 71 Aufgrund der bestehenden Sicherheitsbedenken ist der Arbeitnehmer nicht mehr geeignet, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Bestehen gegenüber einem Arbeitgeber Sicherheitsbedenken, besteht die Besorgnis, er werde zukünftig seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzen. Diese, auf zukünftige Pflichtverletzungen begründete Besorgnis fuhrt allerdings nicht zur Annahme einer verhaltensbedingten Kündigung, da diese allein auf bereits eingetretene Vertragsverletzungen zu beschränken ist. Diese Besorgnis fuhrt vielmehr zum Wegfall der Eignung. 72 b) Beeinträchtigung des Vertrauensbereichs oder der betrieblichen Interessen Fraglich ist jedoch, worin bei der Kündigung wegen Sicherheitsbedenken die Beeinträchtigung der Arbeitgeberinteressen zu erblicken ist. Teilweise wird die Kündigung wegen Sicherheitsbedenken der Störung im Vertrauensbereich zugeordnet. 73 Nach einer verbreiteten Ansicht kann die eine Kündigung rechtfertigende Beeinträchtigung sich auch auf den personalen Vertrauensbereich beschrän-

70

Stahlhacke/Preis, Rdn 724; vgl. auch: BAG EzA § 1 KSchG Personenbedingte Kündigung, Nr. 5; KR-Becker, § 1 KSchG Rdn 187; Herschel/Löwisch, § 1 KSchG Rdn 134; RGRK-Weller, Vor § 620 BGB Rdn 166. 71 Stahlhacke/Preis, Rdn 737; im Ergebnis auch: Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 15 Rdn 10; Bleistein, Rdn 201; Herschel/Löwisch, § 1 KSchG Rdn 165; Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 200; Kittner/Trittin, § 1 KSchG Rdn 138; KR-Becker, § 1 KSchG Rdn 199 u. 208; MünchHandb-ArbR-Berkowsky, § 132 Rdn 140; Nikisch, ArbR I, S. 760 Fn 31; Preis, Prinzipien, S. 335. 72 Vgl. aber: vHoyningen-Huene, DB 1995, 142 (143), der bei einer "unmittelbar bevorstehenden Pflichtverletzung" eine verhaltensbedingte Kündigung annimmt. 73 Dudenbostel/Klas, S. 297; Knorr/Bichlmeier/Kremhelmer, 10. Kapitel Rdn 39; RGRK-Corts, § 626 BGB Rdn 172; vgl. auch: Belling, S. 20.

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3. Teil: Systematische Einordnung

ken. 7 4 Dieser Ansicht wurde aber in jüngster Zeit entgegengetreten. 75 Der Arbeitsvertrag ist ein schuldrechtlicher Austauschvertrag. Das gegenseitige Vertrauen der Vertragsparteien kann nur auf die ordnungsgemäße Erfüllung der Haupt- und Nebenpflichten gerichtet sein. 76 Die Prognose, daß die ordnungsgemäße Erfüllung der geschuldeten Leistungen zukünftig nicht gewährleistet ist, ist aufgrund der Zukunftsbezogenheit aller Kündigungsgründe immer erforderlich. Insoweit ist jede Kündigung eine solche wegen des beeinträchtigten Vertrauens, nämlich in die zukünftige Erfüllung des Arbeitsvertrages. 77 Für ein darüber hinausgehendes schützenswertes Vertrauen des Arbeitgebers ist kein Platz, da allein der Arbeitsvertrag Grundlage der geschuldeten Leistung sein kann. 78 Die Annahme eines über den Arbeitsvertrag hinausgehenden Vertrauensverhältnisses liefe in der Tat auf ein "diffuses Vertrauens- und Gemeinschaftsverständnis im Sinne einer allumfassenden Bindung des Arbeitnehmers" hinaus. 79 Eine Ausnahme ist nur denkbar wenn das besondere Vertrauen Bestandteil des Arbeitsvertrages geworden ist. Dies wird aber grundsätzlich nur bei besonderen Funktionen des Arbeitnehmers der Fall sein. 80 Im Rahmen der Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen Sicherheitsbedenken kommt eine Beeinträchtigung allein des Vertrauensbereichs grundsätzlich nicht in Betracht, denn die Kündigung beruht auf der Besorgnis künftiger Beeinträchtigungen der betrieblichen Interessen des Arbeitgebers, nämlich der Sicherheitsinteressen, die sich auf den Spionage- und Sabotageschutz und den Personenschutz beziehen können. Das Gesagte soll aber nicht bedeuten, das Vertrauen spiele im Kündigungsrecht keine Rolle. Denn aus dem Umstand, daß der Arbeitnehmer eine sogenannte Vertrauensstellung inne hat, können sich Besonderheiten bei der Prüfung 74

BAG AP Nr. 13, 58 u. 69 zu § 626 BGB; Nr. 1 zu § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung; NZA 1995, 269 (270); Ascheid, Kündigungsschutzrecht, Rdn 145; Herschel/Löwisch, § 1 KSchG Rdn 117; KR-Becker, § 1 KSchG Rdn 283; Maus, § 1 KSchG Rdn 174 u. 176; RGRK-Corts, § 626 BGB Rdn 37 u. 172 f; Tschöpe, NZA 1985, 588 (589); ausführlich: Belling, S. 19 ff; Fromm, S. 514 ff. 75 Däubler, ArbR 2, S. 554; MünchKomm-Schwerdtner, § 626 BGB Rdn 2 f; Otto, S. 65 f; Preis, Prinzipien, S. 364 ff; differenzierend auch: Ascheid, Kündigungsschutzrecht, Rdn 35 u. 41. 76 Preis, Prinzipien, S. 364. 77 Ähnlich für die verhaltensbedingte Kündigung: Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 16 Rdn 15; Honstetter, S. 65. 78 MünchKomm-Schwerdtner, § 626 BGB Rdn 2 f; Otto, S. 65 f; Preis, Prinzipien, S. 363 ff. 79 Preis, Prinzipien, S. 363. 80 Vgl.: MünchKomm-Schwerdtner, Vor § 620 BGB Rdn 2; Preis, Prinzipien, S. 364; ähnlich auch: Fromm, S. 486 ff u. 514 ff, der von Vertrauen als "riskanter Vorleistung" spricht.

C. Betriebs-, Verhaltens- und personenbedingte Kündigung

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der Rechtmäßigkeit einer Kündigung ergeben. Voraussetzung dafür ist aber, daß der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer besondere Zugriffsmöglichkeiten auf Betrieb und Vermögen des Arbeitgebers eingeräumt hat. 81 Aufgrund der besonderen Zugriffsmöglichkeiten kann sich nämlich eine stärkere Gefährdung der betrieblichen und vertraglichen Arbeitgeberinteressen ergeben. Nicht verzichtet werden kann jedoch auf die Beeinträchtigung betrieblicher und arbeitsvertraglicher Interessen. 82 Im Hinblick auf besondere Vertrauensstellungen stellt sich dann jedoch die Frage, wann eine solche Beeinträchtigung anzunehmen ist. c) Gefahr und vorbeugende Kündigung Fallgestaltungen, die besondere Vertrauensstellungen betreffen, lassen sich, ebenso wie die Kündigung wegen Sicherheitsbedenken, als Kündigungen wegen Gefahr 83 oder vorbeugende Kündigungen begreifen. Während im allgemeinen sowohl bei der personen- als auch bei der verhaltensbedingten Kündigung bereits eine Beeinträchtigung der Interessen des Arbeitgebers vorliegt und die Prognose lediglich die Fortdauer dieser Beeinträchtigung umfaßt, hat der Arbeitgeber in diesen Fällen ein besonderes Interesse schon aufgrund der Gefahr zukünftiger Beeinträchtigungen eine Kündigung auszusprechen, ohne daß bereits eine Beeinträchtigung vorliegt. Dies ist aber keine Frage des subjektiven Vertrauens des Arbeitgebers, sondern eine Frage der besonderen Zugriffsmöglichkeiten des Arbeitnehmers und der Wahrscheinlichkeit zukünftiger Beeinträchtigungen. Darauf wird im weiteren näher einzugehen sein. 84 Entgegen der allgemeinen Ansicht ist in diesen eng begrenzten Fällen bei der personenbedingten Kündigung eine bereits eingetretene Störung nicht notwendig. 8 5 Dies ergibt sich schon aus dem Sinn und Zweck des KSchG, denn Voraussetzung ist danach die zukünftige Vertragsstörung, nicht aber vergangene

81 BAG EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 45; Kittner/Trittin, § 1 KSchG Rdn 149; vgl. auch: MünchKomm-Schwerdtner, Vor § 620 BGB Rdn 2, der auf die Vermögensinteressen des Arbeitgebers abstellt. 82 Preis, Prinzipien, S. 365. 83 Vgl.: Gentges, S. 219 ff; auch: MünchHandb-ArbR-Berkowsky, § 141 Rdn 9, der von Maßnahmen des vorbeugenden Selbstschutzes spricht, diese Art der Kündigung jedoch der Verdachtskündigung zuordnet; RGRK-Corts, § 626 BGB Rdn 126; für die verhaltensbedingte Kündigung: vHoyningen-Huene, DB 1995, 142 (143). 84 Siehe Seite 175 ff der Arbeit. 85 Für die verhaltensbedingte Kündigung: vHoyningen-Huene, DB 1995, 142 (143); zur Notwendigkeit bereits eingetretener Störungen: BAG EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 12 u. 26; EzA § 2 KSchG Nr. 11; Ascheid, Kündigungsschutzrecht, Rdn 30; Gentges, S. 220 f. Stahlhacke/Preis, Rdn 726; Staudinger-Preis, § 626 BGB Rdn 210.

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3. Teil: Systematische Einordnung

oder gegenwärtige Beeinträchtigungen. 86 Bei der verhaltensbedingten Kündigung kann auf eine bereits eingetretene Beeinträchtigung der Arbeitgeberinteressen allerdings nicht verzichtet werden, denn Voraussetzung fur eine verhaltensbedingte Kündigung ist die Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten. 87 Allerdings ist, wie später zu zeigen sein wird, die Kündigung allein wegen der Gefahr zukünftiger Störungen eng begrenzt, denn die notwendige Prognose zukünftiger Störungen wird nur selten erfolgen können, wenn es an vergangenen oder gegenwärtigen Störungen fehlt. Im übrigen führt die Annahme einer Störung im Vertrauensbereich zum gleichen Ergebnis, denn der Grund für die Annahme einer solchen Störung ist die fehlende vergangene oder gegenwärtige Störung im vertraglichen und betrieblichen Bereich. Ob aber tatsächlich das Vertrauensverhältnis gestört ist, kann nur aufgrund der Gefahr zukünftiger Beeinträchtigungen entschieden werden. 88 Bei der Kündigung wegen Sicherheitsbedenken handelt es sich demnach, von einigen Ausnahmen abgesehen, um eine personenbedingte Kündigung. Aufgrund der Sicherheitsbedenken besteht die Gefahr einer zukünftigen Beeinträchtigung der betrieblichen und vertraglichen Interessen des Arbeitgebers. Hierbei ist allein auf die zukünftige Beeinträchtigung dieser Interessen abzustellen. Ein Eingehen auf Störungen im Vertrauensbereich ist nicht nur entbehrlich, sondern aufgrund der Subjektivität dieses Bereichs nicht ratsam. Entscheidend ist vielmehr die Intensität der Gefahr zukünftiger Beeinträchtigungen der betrieblichen und vertraglichen Interessen des Arbeitgebers. 5. Besondere Fallgestaltungen Umstritten sind die Zulässigkeit und die Voraussetzungen für zwei besondere Fallgestaltungen der Kündigung: Die Druckkündigung und die Verdachtskündigung, die häufig im Zusammenhang mit der Kündigung wegen Sicherheitsbedenken genannt werden.

86

Vgl. das Beispiel bei: Ascheid, Kündigungsschutzrecht, Abschnitt, Rdn 220: Erklärt der Arbeitnehmer ernsthaft, er werde ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr zur Verfügung stehen, ist eine Kündigung des Arbeitgebers für diesen Zeitpunkt gerechtfertigt; dazu auch: Rumpenhorst, S. 112 f. 87 Vgl.: HAS-Popp, § 19 E Rdn 10; anders: vHoyningen-Huene, der bei zu erwartenden Pflichtverletzungen eine verhaltensbedingte Kündigung annimmt; nach der hier vertretenen Ansicht kommt in den von ihm beschriebenen Fällen aber eine personenbedingte Kündigung in Betracht. 88 Ausführlich: Seite 186 ff der Arbeit.

C. Betriebs-, Verhaltens- und personenbedingte Kündigung

111

a) Die Druckkündigung Weigern sich andere Arbeitnehmer, mit einem Arbeitnehmer zusammenzuarbeiten, oder droht ein Kunde, seine Aufträge zurückzuziehen, da angeblich Sicherheitsbedenken gegenüber dem betreffenden Arbeitnehmer bestehen, kommt eine sogenannte Druckkündigung in Betracht. 89 In diesen Fällen ist zunächst zu unterscheiden, ob sich der Arbeitgeber die angeblichen Sicherheitsbedenken als tatsächlich bestehend zu eigen macht oder ob der Arbeitgeber selbst keine Sicherheitsbedenken hat. Macht der Arbeitgeber selber Sicherheitsbedenken geltend, ergeben sich keine Unterschiede; die Kündigung ist rechtmäßig, wenn der Kündigungsgrund objektiv gegeben ist und die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. 90 Von einer Druckkündigung sollte daher nur gesprochen werden, wenn der Arbeitgeber selbst keine Sicherheitsbedenken geltend macht, sondern sich allein auf den ausgeübten Druck von dritter Seite beruft. 91 (1) Die Zulässigkeit einer Druckkündigung Es wird die Ansicht vertreten, daß die Druckkündigung keiner der drei Fallgestaltungen des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG zugeordnet werden kann. 92 Auf dieser Grundlage, werden wiederum verschiedene Lösungsmöglichkeiten der Drucksituation angeboten. Nach einer Ansicht stellt die Drucksituation einen Fall des Wegfalls der Geschäftsgrundlage dar. 93 Dies widerspricht jedoch der zivilrechtlichen Dogmatik. Die Regelungen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage als besondere Ausprägung einer allgemeinen Billigkeitslehre können nicht angewandt werden, soweit gesetzliche Sonderregelungen bestehen.94 Dies gilt insbesondere im Hinblick auf das Kündigungsrecht bei Dauerschuldverhältnissen. 95 Daraus folgt aber, daß die arbeitsrechtlichen Kündigungsvorschriften die Regelungen vom Wegfall der Geschäftsgrundlage verdrängen 9 6 Nach anderer An-

89

BAG AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Sicherheitsbedenken; AP Nr. 28 zu § 66 BetrVG; zur Vielzahl möglicher Fallgestalltungen: MünchHandb-ArbR-Berkowsky, § 140 Rdn 4 f. 90 Blaese, S. 178; Däubler, ArbR 2, S. 532; MünchHandb-ArbR-Berkowsky, § 140 Rdn 11; Stahlhacke/Preis, Rdn 541. 91 So auch: Blaese, S. 178. 92 Blaese, S. 180; MünchHandb-ArbR-Berkowsky, § 140 Rdn 20. 93 Blaese, S. 180 f; Fromm, S. 593 ff. 94 Medicus, Bürgerliches Recht, Rdn 151. 95 Erman-Werner, § 242 BGB Rdn 171; Medicus, Bürgerliches Recht, Rdn 153; MünchKomm-Roth, § 242 BGB Rdn 584. 96 Ascheid, Kündigungsschutzrecht, Rdn 131; KR-Wolf, Grundsätze Rdn 209; Stahlhacke/Preis, Rdn 54; aA: BAG AP Nr. 6 zu § 242 BGB Geschäftsgrundlage, für

112

3. Teil: Systematische Einordnung

sieht kann der Arbeitgeber einen Auflösungsantrag nach § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG stellen, da eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit nicht möglich ist. 9 7 Einen solchen Auflösungsanspruch kennt das Gesetz jedoch nur im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens, setzt also zunächst eine Kündigung voraus, welche nach dieser Ansicht von vornherein unwirksam ist. Danach muß der Arbeitgeber also eine - wie beide Parteien wissen - unwirksame Kündigung aussprechen, um dann im Kündigungsschutzprozeß einen Auflösungsantrag stellen zu können. Ein seltsam anmutender Weg der Rechtsverwirklichung. Teilweise wird die Zulässigkeit der Druckkündigung auch insgesamt in Frage gestellt. 98 Die Zulässigkeit der Druckkündigung ergibt sich jedoch bereits aus dem Sinn und Zweck der Kündigungsregelungen und insbesondere des KSchG, denn nach der Begründung des Regierungsentwurfes sollten Kündigungen, "die aus triftigen Gründen erforderlich sind" nicht verhindert werden. 99 Kommt es aber aufgrund der Druckausübung Dritter zu erheblichen Beeinträchtigungen der Arbeitgeberinteressen, kann eine Kündigung erforderlich sein, wenn die Beeinträchtigungen anders nicht abgewandt werden können. Mag man auch das Verhalten des Dritten mißbilligen, 100 ändert dies nichts daran, daß durch die Weiterbeschäftigung des betreffenden Arbeitnehmers die Erreichung der betrieblichen und wirtschaftlichen Ziele, die dem Arbeitsvertrag zugrunde liegen, in diesen Fällen beeinträchtigt sein kann. Ob dies tatsächlich der Fall ist, muß dann anhand der Voraussetzungen für eine sozial gerechtfertigte Kündigung geprüft werden, wobei die Besonderheiten der allein auf der Drucksituation beruhenden Begründung zu beachten sind. Festzuhalten bleibt, daß auch eine

den Fall der Unerreichbarkeit des arbeitsvertraglich vorausgesetzten Zweckes wegen Kriegsfolgen; BAG NJW 1996, 476, für das Arbeitsverhältnis eines in die Bundesrepublik Deutschland abgeschobenen Staatsbürgers der ehemaligen DDR zum Rechtsnachfolger seines vormaligen Arbeitgebers in der DDR; RGRK-Weller, Vor § 620 BGB Rdn 31. 97 MünchHandb-ArbR-Berkowsky, § 140 Rdn 21 ff. 98 Ascheid, Kündigungsschutzrecht, Rdn 168; Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 23 Rdn 16 ff; Erman-Hanau, § 626 BGB Rdn 76; HASPreis, § 19 F Rdn 70; Kittner/Trittin, § 626 BGB Rdn 162; Staudinger-Preis, § 626 BGB Rdn 325. 99 Begründung des Regierungsentwurfs zum KSchG, RdA 1951, 61 (63). 100 vgl n u r : Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 23 Rdn 20.

C. Betriebs-, Verhaltens- und personenbedingte Kündigung

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Kündigung, die allein auf den von Dritten ausgeübten Druck beruht, zulässig ist. 1 0 1 (2) Die Einordnung der Druckkündigung Die Einordnung der Druckkündigung unter die Fallgruppen des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG ist äußerst umstritten. 102 Nach der Rechtsprechung stellt die Druckkündigung regelmäßig einen Fall der betriebsbedingten Kündigung dar. 1 0 3 Das BAG begründet diese Auffassung mit der Qualifizierung der Drucksituation als dringendes betriebliches Erfordernis. 104 Nach anderer Ansicht handelt es sich um eine verhaltensbedingte Kündigung. 105 Nach wiederum anderer Ansicht kommt lediglich eine personenbedingte Kündigung in Betracht. 106 Die Druckkündigung kann nicht als betriebsbedingte Kündigung angesehen werden. Voraussetzung für eine betriebsbedingte Kündigung ist der Wegfall mindestens eines Arbeitsplatzes; dies ist aber bei der Druckkündigung gerade nicht der Fall. 1 0 7 Aber auch eine verhaltensbedingte Kündigung kommt nicht in Betracht, da die Kündigung nicht auf einer arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung des Arbeitnehmers beruht. Liegt nämlich eine solche Pflichtverletzung vor, handelt es sich, wie oben bereits gezeigt, nicht um eine Druckkündigung, sondern um eine einfache verhaltensbedingte Kündigung. Beruft sich der Arbeitgeber dagegen allein auf den von dritter Seite ausgeübten Druck, ist eben dies, und nicht ein arbeitsvertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers, der Kündigungsgrund.

101

Dütz, ArbR, Rdn 333; Fromm, S. 594; Herschel/Löwisch, § 1 KSchG Rdn 207; Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 201 ff; Knorr/Bichlmeier/Kremhelmer, 10. Kapitel Rdn 92; KR-Becker, § 1 KSchG Rdn 270; Palandt-Putzo, § 626 BGB Rdn 52; RGRK-Corts, § 626 BGB Rdn 121; Schaub, ArbR-Handb, S. 1047 f; Wenzel, Rdn 232; Zöllner/Loritz, S. 252. 102 Eine ausfuhrliche Wiedergabe der diskutierten Lösungen findet sich bei: Blaese, S. 179 f. 103 BAG AP Nr. 33 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; AP Nr. 12 zu § 626 BGB Druckkündigung; siehe auch: Gentges, S. 155 f, Herschel/Löwisch, § 1 KSchG Rdn 84 aE u. 207; Kittner/Trittin, § 1 KSchG Rdn 209 u. 333 f; KR-Becker, § 1 KSchG Rdn 270. 104 BAG AP Nr. 12 zu § 626 BGB Druckkündigung. 105 Dütz, ArbR, Rdn 333; MünchHandb-ArbR-Wank, § 117 Rdn 84; Schaub, ArbRHandb, S. 1047 f; Wenzel, Rdn 232. 106 Gamillscheg, Anm. AP Nr. 33 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 205; Knorr/Bichlmeier/Kremhelmer, 10. Kapitel Rdn 92. 107 Blaese, S. 179 f; MünchHandb-ArbR-Berkowsky, § 140 Rdn 16; im Ergebnis ebenso: Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 205; Stahlhacke/Preis, Rdn 541. 8 Meyer

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3. Teil: Systematische Einordnung

Die Druckkündigung läßt sich jedoch als personenbedingte Kündigung begreifen. 108 Verlangt ein Dritter die Entlassung des Arbeitnehmers und droht er für den Fall der Nichtentlassung dem Arbeitgeber negative Konsequenzen an, so stellt das die Eignung des betroffenen Arbeitnehmers in Frage. Der Arbeitnehmer kann seine arbeitsvertragliche Verpflichtung in diesem Fall auch nicht mehr vollständig erfüllen, 109 wenn dem Arbeinehmer wirtschaftliche Nachteile drohen. Das schuldrechtliche Austauschverhältnis ist gestört, das betriebliche und wirtschaftliche Ziel des Arbeitsvertrages kann nicht mehr erreicht werden. Unerheblich für die dogmatische Einordnung der Kündigung ist, daß die Eignung durch einen Dritten beseitigt wird; dies ist lediglich, aber dann von entscheidender, Bedeutung bei der Frage der Wirksamkeit der Kündigung. Im Ergebnis bleibt damit festzuhalten, daß die Druckkündigung wegen Sicherheitsbedenken Dritter als personenbedingte Kündigung im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG anzusehen ist. Das gilt auch für die Druckkündigung wegen Sicherheitsbedenken. b) Die Verdachtskündigung In Rechtsprechung und Literatur findet sich der Hinweis, die Wirksamkeit einer Kündigung wegen Sicherheitsbedenken müsse ähnlich wie die Verdachtskündigung geprüft werden. 110 Es ist jedoch fraglich, ob diese Aussage zutrifft. (1) Zulässigkeit der Verdachtskündigung Bereits die Frage, ob der Verdacht einer Straftat oder schweren Vertragsverletzung ausreicht, eine Kündigung zu rechtfertigen, ist umstritten. 111 Die Ablehnung wird zumeist mit dem Prinzip der Unschuldsvermutung begründet. 112 Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß das Prinzip der Unschuldsvermutung für den Bereich des Strafrechts gilt, im Rahmen zivilrechtlicher Vertragsbeziehungen aber nicht ohne weiteres anwendbar ist. 1 1 3 Entscheidend ist vielmehr, ob der Arbeitnehmer seine vertragliche Leistung noch erbringen kann. 1 1 4 Insoweit 108 109 110

Im Ergebnis auch: Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 205. So aber: MünchHandb-ArbR-Berkowsky, § 140 Rdn 19. BAGE 14, 103 (105 f); LAG Baden-Württemberg BB 1968, 359; Monjau, S.

412.

111

Eine ausführliche Darstellung des Streitstandes findet sich bei: Belling, S. 12 ff. Dörner, AiB 1993, 147 (151 ff); ders., NZA 1993, 873 (875 ff); Schütte, S. 22; gegen die Zulässigkeit auch: Grunsky, ZfA 1977, 167 (175); Kittner/Trittin, § 626 BGB Rdn 223 ff; einschränkend auf "besondere Vertrauenspositionen": Moritz, S. 405; Scholz, BB 1992, 2424 (2428). 113 Belling, S. 15; vgl. auch: EuGRZ 1978, 314 (323). 114 KR-Hillebrecht, § 626 BGB Rdn 175; MünchKomm-Schwerdtner, § 626 BGB Rdn 149. 112

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ist die Kündigung keine Sanktion, so daß die Unschuldsvermutung unberührt bleibt. 1 1 5 Auch die Verdachtskündigung bezweckt die Verhinderung zukünftiger Beeinträchtigungen der Arbeitgeberinteressen. Diese können aber auch bereits durch den Verdacht einer Straftat oder Pflichtverletzung begründet sein. Wie oben bereits erwähnt, ist eine Kündigung auch dann möglich, wenn noch keine vergangenen oder gegenwärtigen Beeinträchtigungen vorliegen. 116 Daraus folgt aber, daß die Kündigung aufgrund eines Verdachtes grundsätzlich möglich ist, um zukünftige Beeinträchtigungen der Arbeitgeberinteressen zu verhindern. 117 Die entscheidende Frage ist aber auch hier, ob eine solche Prognose allein aufgrund eines Verdachtes anzunehmen ist. (2) Einordnung der Verdachtskündigung Auch die Einordnung der Verdachtskündigung unter die Fallgruppen des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG ist umstritten. Nach einer Ansicht handelt es sich um eine verhaltensbedingte Kündigung. 118 Nach anderer Ansicht kommt eine personenbedingte Kündigung in Betracht. 119 Es wird auch vertreten, daß eine verhaltensbedingte Kündigung vorliegt, wenn der Verdacht gegenüber dem Arbeitnehmer aufgrund eigener Handlungen entstanden ist, daß dagegen eine personenbedingte Kündigung vorliegt, wenn der Verdacht auf sonstigen in der Person des Arbeitnehmers liegenden Indizien beruht; 1 2 0 nach anderer Ansicht kommt eine verhaltensbedingte Kündigung nur in Betracht, wenn der Verdacht auf einem vertragswidrigen Verhalten des Arbeitnehmers beruht. 121 Schließlich wird die Verdachtskündigung auch als "besondere Kündigungsart" angese-

115

BAG NZA 1995, 269 (271); Belling, S. 25; Fromm, S. 514; RGRK-Corts, § 626 BGB Rdn 164. 116 Vgl.: Seite 109 f der Arbeit. 117 Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 24 Rdn 8; im Ergebnis auch: BAG AP Nr. 13, 18 u. 23 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlungen; NZA 1995, 269 (270); NJW 1996, 540 (541 f); Ascheid, Kündigungsschutzrecht, Rdn 160 ff; Bengelsdorf, S. 196; Hueck/Nipperdey, ArbR I, S. 585; Nikisch, ArbR I, S. 729; Palandt-Putzo, § 626 BGB Rdn 49; RGRK-Corts, § 626 BGB Rdn 164 ff; Schaub, ArbRHandb, S. 1015. 118 BAG AP Nr. 39 zu § 1 KSchG; Dütz, ArbR, Rdn 333; Gentges, S. 249 ff; Honstetter, S. 78; KR-Becker, § 1 KSchG Rdn 87 f; Wenzel, Rdn 228. 119 Belling, S. 24 f; Bengelsdorf, S. 196; Däubler, ArbR 2, S. 533; Dörner, AiB 1993, 147 (166); Ermann-Hanau, § 626 BGB Rdn 71; Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 260 ff; Preis, DB 1988, 1444 (1448); Staudinger-Preis, § 626 BGB Rdn 223; vgl. auch: BAG AP Nr. 18 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlungen. 120 MünchHandb-ArbR-Berkowsky, § 141 Rdn 13. 121 Herschel/Löwisch, § 1 KSchG Rdn 84. 8*

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3. Teil: Systematische Einordnung

hen. 1 2 2 Diese Ansicht ist jedoch abzulehnen, da die Fallgruppen des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG abschließend sind. 1 2 3 Für die Behandlung der Frage, ob die Verdachtskündigung Verhaltens- oder personenbedingt ist, kommt es zunächst darauf an, den Anwendungsbereich der Verdachtskündigung genau zu bezeichnen. Nach überwiegender Ansicht liegt eine Verdachtskündigung dann vor, wenn objektive, tatsächliche Anhaltspunkte den dringenden Verdacht begründen, der Arbeitnehmer habe eine strafbare Handlung, einen Vertrauensbruch oder eine andere schwerwiegende Vertragsverletzung begangen, und gerade dieser Verdacht das schutzwürdige Vertrauen des Arbeitgebers in die Rechtschaffenheit des Arbeitnehmers zerstört hat und die Kündigung mit diesem Vertrauensverlust begründet w i r d . 1 2 4 Wie oben bereits dargelegt, reicht allein das Abstellen auf den Wegfall des Vertrauens nicht aus, um eine Kündigung zu rechtfertigen, da letztlich jede Kündigung den Wegfall des Vertrauens in das ordnungsgemäße Erbringen der arbeitsvertraglichen Leistung voraussetzt. 125 Erforderlich ist auch bei der Verdachtskündigung die Beeinträchtigung arbeitsvertraglicher und betrieblicher Interessen. Deshalb ist Voraussetzung auch für die Verdachtskündigung, daß eine zukünftige Beeinträchtigung arbeitsvertraglicher und betrieblicher Interessen droht. 1 2 6 Die Verdachtskündigung beruht auf der Besorgnis künftiger Beeinträchtigungen aufgrund des Verdachts einer vergangenen Pflichtverletzung. Sie zeichnet sich dadurch aus, daß noch keine tatsächliche erwiesene Beeinträchtigung vorliegt, sondern nur die Möglichkeit, der Verdacht einer Pflichtverletzung. Die Verdachtskündigung ist demnach streng zu trennen von der Kündigung wegen eines für den Arbeitgeber erwiesenen Fehlverhaltens des Arbeitnehmers. 127 Ist bei der Verdachtskündigung die Besorgnis künftiger Beeinträchtigungen aufgrund des bestehenden Verdachts Kündigungsgrund, ist bei der Kündigung

122

KR-Hillebrecht, § 626 BGB Rdn 153 ff. Herschel/Löwisch, § 1 KSchG Rdn 68. 124 BAG AP Nr. 1 u. 13 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlungen; EzA § 1 KSchG Verdachtskündigung Nr. 4; NJW 1996, 540 (541 f); Belling, S. 24 ff; Bengelsdorf, S. 196; Dütz, ArbR, Rdn 333; Honstetter, S. 78 f; Knorr/Bichelmaier/Kremhelmer, 10. Kapitel Rdn 80; Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 262; KR-Hillebrecht, § 1 KSchG Rdn 153 ff; Stahlhacke/Preis, Rdn 578; Wenzel, Rdn 428. 125 Vgl. Seite 107 ff der Arbeit. 126 So auch: Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 24 Rdn 8. 127 BAG EzA § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlungen Nr. 4; AP Nr. 18 u. 19 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlungen; NJW 1996, 540 (541 f); Bengeldorf, S. 196; Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 261; Stahlhacke/Preis, Rdn 578 aE. 123

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wegen erwiesenen Fehlverhaltens eben dieses Fehlverhalten Grundlage der Negativprognose. 128 Die strenge Trennung dieser beiden Kündigungen ist also nicht nur eine Frage der Beweislast. 129 Abzulehnen ist auch die Ansicht, die Verdachtskündigung sei eine "Maßnahme des vorbeugenden Selbstschutzes", soweit dem auch der Fall, daß ein begründeter Verdacht besteht, der Arbeitnehmer werde erst in Zukunft Pflichtverletzungen begehen, zugeordnet w i r d . 1 3 0 Die Verdachtskündigung ist auf den Fall, daß der Verdacht einer bereits begangenen Pflichtverletzung besteht, zu beschränken. Denn der Verdacht, besser die Besorgnis, der Arbeitnehmer werde sich künftig pflichtwidrig verhalten, ist qualitativ anders zu bewerten als der Verdacht, er habe sich bereits pflichtwidrig verhalten, so daß diese beiden Fälle im Hinblick auf eine korrekte systematische Einordnung zu unterscheiden sind. Darauf wird hinsichtlich der Kündigung wegen Sicherheitsbedenken noch einzugehen sein. Liegt danach eine Verdachtskündigung dann vor, wenn der Arbeitgeber sich auf den Verdacht einer begangenen Pflichtverletzung beruft, kommt nur eine personenbedingte Kündigung in Betracht, da der Verdacht die Eignung des Arbeitnehmers beseitigt. 131 Die Kündigung beruht nicht auf einem Verhalten des Arbeitnehmers, auch nicht dann, wenn ein Verhalten des Arbeitnehmers den Verdacht begründet. 132 Denn nicht das Verhalten des Arbeitnehmers begründet die Kündigung, sondern die Negativprognose aufgrund des Verdachts. (3) Verdachtskündigung und Sicherheitsbedenken Fraglich erscheint jedoch, was die Verdachtskündigung und die Kündigung wegen Sicherheitsbedenken miteinander verbindet. Sowohl die Rechtsprechung als auch die Literatur erwähnen die Nähe zur Verdachtskündigung im Zusammenhang mit der Frage, ob tatsächlich Sicherheitsbedenken gegenüber dem Arbeitnehmer bestehen, und im Hinblick darauf, daß es sich bei dieser Frage um eine Prognoseentscheidung handelt. 133 Dazu ist jedoch zunächst anzumerken, daß das Prinzip der Prognoseentscheidung für jede Kündigung gilt, da

128

Stahlhacke/Preis, Rdn 261. So aber: Grunsky, ZfA 1977, 167 (179 ff); wohl auch: Dörner, AiB, 147 (155 f). 130 So: MünchHandb-ArbR-Berkowsky, § 141 Rdn 9. 131 Im Ergebnis auch: Belling, S. 24 f; Bengelsdorf, S. 196; Däubler, ArbR 2, S. 564; Ermann-Hanau, § 626 BGB Rdn 71; Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 260 ff; Preis, DB 1988, 1444 (1448); vgl. auch: BAG AP Nr. 18 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlungen. 132 Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 261. 133 BAGE 14, 103 (105 f); LAG Baden-Württemberg BB 1968, 359; Monjau, S. 412; vgl. auch: Palandt-Putzo, § 626 BGB Rdn 46, der von "Verdacht auf zukünftigen Verrat" spricht. 129

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3. Teil: Systematische Einordnung

alle Kündigungsgründe zukunftsbezogen sind. 1 3 4 Zudem beruht die Verdachtskündigung, wie oben ausgeführt, auf dem Verdacht einer Pflichtverletzung. Bei der Kündigung wegen Sicherheitsbedenken liegt hingegen noch kein pflichtwidriges Verhalten des Arbeitnehmers vor, auch kein Verdacht hinsichtlich einer bereits begangenen Pflichtwidrigkeit. Es besteht lediglich die Besorgnis, der Arbeitnehmer werde in Zukunft die Sicherheitsinteressen des Arbeitnehmers verletzen. 135 Im Rahmen der Verdachtskündigung muß der Arbeitgeber darlegen, daß ein dringender Tatverdacht für ein bestimmtes Verhalten des Arbeitnehmers besteht, also eine auf bestimmte Beweise gestützte große Wahrscheinlichkeit besteht, der Arbeitnehmer habe sich in der Vergangenheit tatsächlich pflichtwidrig verhalten. 136 Bei der Kündigung wegen Sicherheitsbedenken kann es jedoch nur darum gehen, ob eine ausreichende Wahrscheinlichkeit dafür spricht, daß der Arbeitnehmer sich in Zunkunft pflichtwidrig verhalten wird, ohne das dies tatsächlich je der Fall sein müßte. 1 3 7 An einer solchen Prüfung müssen aber andere Anforderungen gestellt werden, als an die Frage, ob eine Wahrscheinlichkeit für ein vergangenes Verhalten besteht. Zudem kommt als Ursache für die Verdachtskündigung nur eine Pflichtverletzung des Arbeitnehmers in Betracht; bei der Kündigung wegen Sicherheitsbedenken können auch Ursachen die Sicherheitsbedenken begründen, die keine Pflichtverletzungen darstellen, zum Beispiel verwandtschaftliche Beziehnungen. Gemeinsam haben Verdachtskündigung und Kündigung wegen Sicherheitsbedenken aber, daß die erforderliche Negativprognose beider Kündigungen nicht auf feststehende vergangene Beeinträchtigungen der Arbeitgeberinteressen beruht, sondern bei der Verdachtskündigung auf dem Verdacht vergangener Pflichtverletzungen. Bei der Kündigung wegen Sicherheitsbedenken besteht noch nicht einmal der Verdacht vergangener oder gegenwärtiger Beeinträchtigungen. Man kann also von einem Stufenverhältnis sprechen. Auf der ersten Stufe stehen all die Kündigungsgründe, die auf vergangenen oder gegenwärtigen Beeinträchtigungen beruhen, auf der zweiten Stufe die Verdachtskündigung und auf der dritten Stufe die Kündigung wegen Sicherheitsbedenken. Verneint man die Zulässigkeit einer Verdachtskündigung, muß man folglich die Kündigung wegen Sicherheitsbedenken, die sich allein auf die Besorgnis künftiger Pflichtverletzungen gründet, ebenfalls ablehnen. Solange der Arbeitnehmer die Sicherheitsinteressen des Arbeitgebers nicht beeinträchtigt, müßte auch hier die

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Siehe bereits: Seite 98 der Arbeit; ausführlich: Seite 160 ff der Arbeit. Ausdrücklich: LAG Chemnitz ArbRS 39, 84 (87); vgl. zur Abgrenzung: Gentges, S. 219; vHoyningen-Huene, DB 1995, 142 (143). 136 Stahlhacke/Preis, Rdn 579. 137 BAGE 14, 103 (108); BAG AP Nr. 28 zu § 66 BetrVG; LAG Chemnitz, ArbRS 39, 84 (87); vgl. ausführlich zur Wahrscheinlichkeit: Seite 175 ff der Arbeit. 135

C. Betriebs-, Verhaltens- und personenbedingte Kündigung

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Unschuldsvermutung, also die Vermutung, er werde keine sicherheitsrelevanten Handlungen begehen, gelten. Insoweit sind für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Kündigung wegen Sicherheitsbedenken auch die Voraussetzungen der Verdachtskündigung von Interesse.

II. Die außerordentliche Kündigung Auf den ersten Blick mag es überraschen, die Erörterung der außerordentlichen Kündigung unter der Problemstellung betriebsbedingter, verhaltensbedingter oder personenbedingter Kündigung zu finden. Aber auch bei der außerordentlichen Kündigung ist es sinnvoll, zwischen diesen drei Arten der Kündigung zu unterscheiden. 138 Da § 626 BGB keinerlei Anhaltspunkte für die Bestimmung des wichtigen Grundes gibt, ist es im Interesse einer systematischen Betrachtungsweise geboten, die Fallgruppen des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG auch im Rahmen des § 626 Abs. 1 BGB anzuwenden. 139 Denn auch für die außerordentliche Kündigung können nur solche Gründe maßgebend sein, die betriebsoder arbeitsvertragsbezogen sind. 1 4 0 Solche Gründe müssen dann aber einer der Fallgruppen des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG zuzuordnen sein. Auf der Grundlage dieser Einteilung ist sodann eine systematische Prüfung der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung anhand konkreter Rechtmäßigkeitsanforderungen möglich. 1 4 1 Der Ansatz der Rechtsprechung, nach Störungen im Leistungsbereich, im Bereich der betrieblichen Verbundenheit aller Mitarbeiter, im personalen Vertrauensbereich und im Unternehmensbereich zu unterscheiden, 142 ist abzulehnen. 1 4 3 Diese Einteilung findet in den gesetzlichen Regelungen keinerlei Grundlage; zudem trägt sie kaum zu einer Systematisierung der Kündigungsgründe im Rahmen des § 626 BGB bei, da sie wenig konkret sind und die verschiedenen Kündigungssachverhalte nur bedingt zu trennen vermag. 144 Insbesondere bestehen gegenüber dem Bereich der betrieblichen Verbundenheit aller

138 Ascheid, Kündigungsschutzrecht, Rdn 132; Belling, S. 17; Däubler, ArbR 2, S. 561 ff; Dütz, ArbR, Rdn 390 ff; Erman-Hanau, § 626 Rdn 45; MünchHandb-ArbRWank, § 117 Rdn 38; Preis, Prinzipien, S. 478 ff; Stahlhacke/Preis, Rdn 453; Staudinger-Preis, § 626 BGB Rdn 55. 139 MünchHandb-ArbR-Wank, § 117 Rdn 37; Staudinger-Preis, § 626 BGB Rdn 55. 140 Erman-Hanau, § 626 BGB Rdn 35; MünchHandb-ArbR-Wank, § 117 Rdn 37. 141 MünchHandb-ArbR-Wank, § 117 Rdn 37. 142 BAG EzA § 626 BGB, Nr. 11; EzA § 626 BGB n.F., Nr. 7; EzA § 611 BGB Beschäftigungspflicht, Nr. 2; vgl. auch: König, S. 13 ff; KR-Hillebrecht, § 626 BGB Rdn 83 ff; RGRK-Corts, § 626 BGB Rdn 37. 143 Stahlhacke/Preis, Rdn 453. 144 Ebenda.

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3. Teil: Systematische Einordnung

Mitarbeiter und dem personalen Vertrauensbereich dieselben Bedenken, wie sie schon oben für die ordentliche Kündigung dargelegt wurden. Auf der Grundlage der Dreiteilung der Kündigungsgründe im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 1 KSchG kann der wichtige Grund auch in der Person des Arbeitnehmers bestehen. 145 Danach ist eine außerordentliche Kündigung des Arbeitnehmers auch wegen fehlender Eignung möglich. 1 4 6 Bestehen gegenüber einem Arbeitnehmer Sicherheitsbedenken, fehlt ihm, wie oben gezeigt, die Eignung, so daß eine personenbedingte außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses in Betracht kommt. 1 4 7 Beruhen die Sicherheitsbedenken auf einem arbeitsvertragswidrigen Verhalten des Arbeitnehmers liegt eine verhaltensbedingte außerordentliche Kündigung v o r . 1 4 8 Voraussetzung für eine außerordentliche Kündigung ist aber zunächst, wie für die ordentliche Kündigung nach § 1 KSchG, die vorne dargestellte erhebliche Beeinträchtigung der vertraglichen und betrieblichen Interessen des Arbeitgebers. 149 Welche weiteren Voraussetzungen vorliegen müssen, um eine außerordentliche Kündigung wegen Sicherheitsbedenken gemäß § 626 BGB zu rechtfertigen, ist im weiteren zu untersuchen.

I I I . Zusammenfassung Die Unterscheidung zwischen betriebs-, Verhaltens- und personenbedingter Kündigung im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG erfolgt vom jeweiligen Zweck der Regelung. Zweck der betriebsbedingten Kündigung ist die Anpassung der Anzahl der Arbeitnehmer an den tatsächlichen Arbeitskräftebedarf. Folglich liegt nur dann eine betriebsbedingte Kündigung vor, wenn mindestens ein Arbeitsplatz im Betrieb weggefallen ist. Zweck der verhaltensbedingten Kündigung ist es, weiteres arbeitsvertragswidriges Verhalten eines Arbeitnehmers zu verhindern. Also kommt eine verhaltensbedingte Kündigung nur in Betracht, wenn der Arbeitnehmer seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt hat. Die personenbedingte Kündigung, die einen Auffangtatbestand darstellt, verfolgt 145 Däubler, ArbR 2, S. 533 f; Dütz, ArbR, Rdn 391; MünchHandb-ArbR-Wank, § 117 Rdn 42 ff; Stahlhacke/Preis, Rdn 453. 146 MünchHandb-ArbR-Wank, § 117 Rdn 44; vgl. auch: LAG Düsseldorf DB 1955, 196; KR-Hillebrecht, § 626 Rdn 103. 147 Im Ergebnis auch: BAG AP Nr. 28 zu § 66 BetrVG; LAG Frankfurt am Main DB 1985, 1900 (LS 1); LAG Bayern BB 1969, 315; LAG Baden-Württemberg DB 1968, 359; ArbG Heidelberg BB 1967, 1210; KR-Hillebrecht, § 626 BGB Rdn 92; MünchKomm-Schwerdtner, Vor § 620 Rdn 480; Palandt-Putzo, § 626 BGB Rdn 46; RGRK-Corts, § 626 BGB Rdn 127 u. 147; Staudinger-Preis, § 626 BGB Rdn 221. 148 Staudinger-Preis, § 626 BGB Rdn 221. 149 Erman-Hanau, § 626 BGB Rdn 35 ff; Kittner/Trittin, § 626 BGB Rdn 48; Staudinger-Preis, § 626 BGB Rdn 209.

D. Zuordnung nach Kündigungsursachen

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den Zweck, dem Arbeitgeber die Möglichkeit zu geben, sich von dem Arbeitnehmer zu trennen, wenn er aus anderen Gründen die Eignung zur Erfüllung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten verloren hat und die Besorgnis besteht, es werde dadurch zukünftig zu erheblichen Beeinträchtigungen der vertraglichen und betrieblichen Arbeitgeberinteressen kommen. Daraus folgt, daß die Kündigung wegen Sicherheitsbedenken nicht betriebsbedingt, aber auch in der Regel nicht verhaltensbedingt ist, da der Grund für die Kündigung zumeist nicht ein etwaiges pflichtwidriges Verhalten des Arbeitnehmers ist. Aufgrund der Sicherheitsbedenken kann der Arbeitnehmer nicht mehr in der Lage sein, seine arbeitsvertraglichen Pflichten ordnungsgemäß zu erfüllen; ihm fehlt die Eignung. Es liegt demnach eine personenbedingte Kündigung vor. Nur wenn ein Verhalten des Arbeitnehmers, das die Sicherheitsbedenken begründet, gleichzeitig einen Verstoß gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten darstellt, kommt eine verhaltensbedingte Kündigung in Betracht. Auch die Druckkündigung stellt eine personenbedingte Kündigung dar, denn der Arbeitnehmer kann aufgrund der vom Dritten in Aussicht gestellten negativen Konsequenzen seine Arbeitsleistung in dem vom Arbeitsvertrag vorausgesetzten Sinne nicht mehr erfüllen. Die Verdachtskündigung stellt ebenso eine personenbedingte Kündigung dar, da die Eignung des Arbeitnehmer aufgrund der Besorgnis zukünftiger Vertragsverletzungen entfallen kann. Verdachtskündigung und Kündigung wegen Sicherheitsbedenken sind qualitativ zu unterscheiden. Sie stehen in einem Stufenverhältnis, so daß die Rechtsgrundsätze der Verdachtskündigung auch für die Beurteilung der Kündigung wegen Sicherheitsbedenken von Bedeutung sein können.

D. Zuordnung nach Kündigungsursachen Eine weitere Möglichkeit der Unterscheidung verschiedener Kündigungssachverhalte ist die nach den verschiedenen Kündigungsursachen. Im folgenden soll untersucht werden, ob diese Unterscheidung eine für die Prüfung der Rechtfertigung der Kündigung fruchtbare Systematisierung mit sich bringt. Für die Kündigung wegen Sicherheitsbedenken von Interesse ist dabei die Unterscheidung zwischen innerbetrieblichem und außerbetrieblichem Verhalten und die besondere Fallgruppe der politischen Einstellung und Betätigung. Weiterhin wird zu untersuchen sein, ob die Sicherheitsüberprüfung nach dem SÜG und die Zuverlässigkeitsanforderungen im Atomgesetz besondere Fallgruppen bilden.

I. Außerbetriebliches Verhalten Der Einfluß außerbetrieblichen Verhaltens des Arbeitnehmers auf das Arbeitsverhältnis ist Gegenstand vieler Diskussionen in Arbeitsrechtswissenschaft und Rechtsprechung.

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3. Teil: Systematische Einordnung

/. Grundsätzliches In der Arbeitsrechtswissenschaft findet sich immer wieder die Bemerkung, daß ein außerbetriebliches Verhalten des Arbeitnehmers die Kündigung grundsätzlich nicht rechtfertigen kann. 1 5 0 Sodann wird jedoch ausgeführt, daß etwas anderes gilt, wenn das außerdienstliche Verhalten das Arbeitsverhältnis unmittelbar beeinträchtigt; in diesem Fall ist eine Kündigung möglich. 1 5 1 Die Betriebsbezogenheit, also die Beeinträchtigung betrieblicher oder arbeitsvertraglicher Interessen, ist aber Voraussetzung fur alle Kündigungssachverhalte. 152 Daraus folgt aber, daß außerdienstliches Verhalten eben doch grundsätzlich eine Kündigung rechtfertigen kann, wenn die kündigungsrelevanten Umstände betriebsbezogen sind. Richtig ist, daß bei einer Kündigung wegen außerdienstlichen Verhaltens die Gegenüberstellung der Interessen des Arbeitnehmers, seine Privatsphäre zu schützen, und der Interessen des Arbeitgebers, die betrieblichen Erfordernisse durchzusetzen, besonders problematisch i s t . 1 5 3 Dies ergibt sich daraus, daß die Privatsphäre des Arbeitnehmers und damit insbesondere sein Privatleben einen weitgehenden grundrechtlichen Schutz genießen, der über die Generalklauseln auch in das Arbeitsrecht hineinwirkt. 154 Trotzdem ist eine Kündigung wegen außerbetieblichen Verhaltens oder sonstiger außerbetrieblicher Umstände grundsätzlich unter den gleichen Voraussetzungen möglich wie Kündigungen, die auf innerbetrieblichem Verhalten oder Umständen beruhen. Liegt ein Verhalten vor, das sich als arbeitsvertragswidrig darstellt, kommt eine verhaltensbedingte Kündigung in Betracht. 155 Lassen das außerbetriebliche Verhalten oder die Umstände die Eignung des Arbeitnehmers entfallen, liegt eine personenbedingte Kündigung v o r . 1 5 6

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Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 321; Kittner/Trittin, § 1 KSchG Rdn 204 u. § 626 BGB Rdn 130; Preis, Prinzipien, S. 95; Schwerdtner, Die verhaltensbedingte Kündigung, S. 115; Stahlhacke/Preis, Rdn 706. 151 Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 20 Rdn 1 ff; Kittner/Trittin, § 1 KSchG Rdn 204; Preis, Prinzipien, S. 225 f; RGRK-Corts, § 626 BGB Rdn 115; Stahlhacke/Preis, Rdn 527 u. 706; vgl. auch: Schaub, ArbRHandb, S. 1046; ausfuhrlich: Otto, S. 63 ff. 152 Vgl. dazu bereits Seite 99 ff der Arbeit; so auch im Zusammenhang mit außerdienstlichem Verhalten: Otto, S. 65 f; Preis, Prinzipien, S. 465. 153 Dudenbostel/Klas, S. 296. 154 Dudenbostel/Klas, S. 297; vgl. dazu ausführlich Seite 130 ff der Arbeit. 155 Kittner/Trittin, § 1 KSchG Rdn 202; Stahlhacke/Preis, Rdn 706. 156 Kittner/Trittin, § 1 KSchG Rdn 204; Stahlhacke/Preis, Rdn 527 u. 706; Staudinger-Preis, § 626 BGB Rdn 155.

D. Zuordnung nach Kündigungsursachen

123

Dies gilt auch für die Kündigung wegen Sicherheitsbedenken, die sich auf außerbetriebliches Verhalten oder außerbetriebliche Umstände stützt. 1 5 7 Es ergeben sich grundsätzlich keine Unterschiede zu einer Kündigung, die auf innerbetrieblichem Verhalten beruht. Entscheidend ist die Frage, ob das Verhalten oder die Umstände zu erheblichen Beeinträchtigungen der vertraglichen und betrieblichen Interessen des Arbeitgebers führen. Bei der Prüfung der Rechtfertigung der Kündigung ist jedoch die besondere Bedeutung der Grundrechte zu beachten. 158 Aus diesem Grund ist die Auferlegung außerbetrieblicher Verhaltenspflichten für den Arbeitnehmer im Arbeitsvertrag in der Regel nur in Tendenzbetrieben und im öffentlichen Dienst möglich. 1 5 9 2. Der "unsittliche Lebenswandel" Besonders umstritten ist die Frage, welchen Einfluß ein Lebenswandel des Arbeitnehmers, der von einem Teil der Bevölkerung als "unsittlich" empfunden wird, auf das Arbeitsverhältnis haben kann. Hier ist bereits problematisch, inwieweit sittliche oder moralische Wertungen von Teilen der Bevölkerung, die nicht gesetzlich normiert sind, überhaupt rechtliche Wirkungen haben können. 1 6 0 Aus diesem Grund ergibt sich aus einem "lockeren oder unsittlichen" Lebenswandel allein grundsätzlich kein Kündigungsgrund, weder als verhaltensbedingte noch als personenbedingte Kündigung. 161 "Der Arbeitgeber ist nicht Sittenwächter der Arbeitnehmer." 162 Etwas anderes gilt aber auch hier, wenn der "unsittliche" Lebenswandel das Arbeitsverhältnis unmittelbar beeinträchtigt. Zum Beispiel wenn der Lebenswan157

So ausdrücklich für Sicherheitsbedenken: Dudenbostel/Klas, S. 297 f. Vgl. im folgenden: Seite 130 ff der Arbeit. 159 Preis, Vertragsgestalltung, S. 520 ff; Stahlhacke/Preis, Rdn 525; ähnlich: Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 20 Rdn 1; sehr weitgehend: Mayer-Maly, S. 10 ff; vgl. dazu schon: Seite 105 f der Arbeit. 160 Ygj z u m Beispiel die Problematik im öffentlichen Recht zur öffentlichen Ordnung in den polizeirechtlichen Generalklauseln: Götz, Rdn 98 ff; Steiner-Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rdn 25 ff; vgl. aber auch die frühere Bestimmung in § 123 Abs. 1 Nr. 2 GewO, die den "liederlichen Lebenswandel" als Kündigungsgrund bestimmte! 158

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LAG Berlin DB 1965, 1291; LAG Baden-Württemberg BB 1967, 757; LAG Düsseldorf DB 1969, 667; LAG Hamm DB 1990, 1671; ArbG Siegburg EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung, Nr. 17; Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 20 Rdn 4; Herschel/Löwisch, § 1 KSchG Rdn 126; Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 323; Kittner/Trittin, § 1 KSchG Rdn 223; KR-Becker, § 1 KSchG Rdn 260; MünchHandb-ArbR-Wank, § 117 Rdn 88; MünchHandb-ArbR-Berkowsky, § 133 Rdn 170 ff; MünchKomm-Schwerdtner, Vor § 620 Rdn 461 ; ausführlich: Otto, S. 69 ff. 162 Schaub, ArbRHandb, S. 1049.

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3. Teil: Systematische Einordnung

del dazu fuhrt, daß der Arbeitnehmer seine arbeitsvertraglichen Pflichten nicht mehr erfüllen kann, weil er nicht mehr geeignet ist. 1 6 3 Im Ergebnis gilt das für das außerdienstliche Verhalten insgesamt Gesagte. Der Lebenswandel des Arbeitnehmers kann eine Kündigung rechtfertigen, wenn die vertraglichen und betrieblichen Arbeitgeberinteressen beeinträchtigt sind. Ergeben sich aus dem Lebenswandel des Arbeitnehmers Sicherheitsbedenken, liegt eine personenbedingte Kündigung vor. 3. Familiäre Verhältnisse und Überschuldung Auch für die familiären Verhältnisse des Arbeitnehmers soll gelten, daß sie keinerlei Einfluß auf das Arbeitsverhältnis haben können. 1 6 4 Aber auch hier erfolgt die Einschränkung, daß eine Kündigung dann in Betracht kommt, wenn die familiären Verhältnisse sich konkret auf das Arbeitsverhältnis auswirken. 165 Daraus folgt wiederum, daß Sicherheitsbedenken, die sich aus den familiären Verhältnissen oder freundschaftlichen Bindungen ergeben, eine Kündigung rechtfertigen können. 1 6 6 In Rechtsprechung und Arbeitsrechtswissenschaft ausführlich erörtert wurde das Problem der Kündigung wegen Überschuldung des Arbeitnehmers. Die finanziellen Verhältnisse und damit eine Überschuldung gehören zur Privatsphäre des Arbeitnehmers und haben damit zunächst keine arbeitsvertragliche Bedeutung. 167 Bislang wurde eine Kündigung jedoch grundsätzlich für möglich gehalten bei einer konkreten Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses durch häufige Lohnpfändungen 168 und bei sogenannten Vertrauensstellungen. 169 Im

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MünchHandb-ArbR-Wank, § 117 Rdn 88; Otto, S. 71 ff; im Ergebnis auch (für intime Beziehnungen zwischen Arbeitskollegen): Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 323. 164 Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, 1. Aufl., Rdn 382 ff; Herschel/Löwisch, § 1 KSchG Rdn 160; MünchHandb-ArbR-Berkowsky, § 132 Rdn 142; MünchKomm-Schwerdtner, Vor § 620 Rdn 457; Schaub, ArbRHandb, S. 1039. 165 Herschel/Löwisch, § 1 KSchG Rdn 160; Schaub, ArbRHandb, S. 1039. 166 Ausdrücklich: MünchKomm-Schwerdtner, Vor § 620 Rdn 457; vgl. auch: BAGE 14, 103; BAG AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Sicherheitsbedenken; LAG Hamburg BB 1970, 1096; LAG Stuttgart BB 1953, 236; LAG Chemnitz ArbRS 39, 84; Herschel/Löwisch, § 1 KSchG Rdn 156; Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 200. 167 LAG Düsseldorf BB 1956, 434; LAG Berlin DB 1979, 605; Herschel/Löwisch, § 1 KSchG Rdn 127; Preis, Prinzipien, S. 467; ders., DB 1990, 630 (632); Schaub, ArbRHandb, S. 1010 u. 1053; Stahlhacke/Preis, Rdn 715. 168 BAG AP Nr. 4 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung; LAG Berlin DB 1975 2327; LAG Hamm DB 1977, 2237; Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 343 ff; Kittner/Trittin, § 1 KSchG Rdn 225; KR-Becker, § 1 KSchG Rdn 264a; MünchKomm-Schwerdtner, Vor § 620 Rdn 477 ff; dagegen: Preis, Prinzipien, S. 467;

D. Zuordnung nach Kündigungsursachen

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Ergebnis ist festzustellen, daß eine Kündigung wegen der finanziellen Verhältnisse des Arbeitnehmers möglich ist, da ein personenbedingter Grund für die Kündigung vorliegen kann, wenn der Arbeitnehmer nicht mehr in der Lage ist, seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen, also die Arbeitgeberinteressen beeinträchtigt sind. Dies kann der Fall sein, wenn aufgrund der finanziellen Verhältnisse Sicherheitsbedenken gegen den Arbeitnehmer bestehen. 170

I I . Insbesondere: Politische und religiöse Einstellung und Betätigung Äußerst vielschichtig ist die Problematik bei einer Kündigung wegen der politischen Einstellung oder der politischen Betätigung des Arbeitnehmers. 171 Zu diesem Thema finden sich Aussagen wie die, daß die politische Einstellung des Arbeitnehmers für die Erfüllung der arbeitsvertraglichen Pflichten in der Regel unerheblich sei, 1 7 2 daß die politische Überzeugung für sich allein grundsätzlich von keiner Relevanz für das Arbeitsverhältnis sei, 1 7 3 daß dies auch für die Mitteilung der Überzeugung gelte 1 7 4 und sogar für das politische Verhalten überhaupt. 175 Auch die "außerbetriebliche Betätigung für eine vom Arbeitgeber

ders, DB 1990, 630 (632); Stahlhacke/Preis, Rdn 715; kritisch: Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 20 Rdn 9 ff. 169 BAG AP Nr. 4 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung; EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung, Nr. 45; LAG Frankfurt am Main BB 1972, 880; Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 20 Rdn 15 f; Dudenbostel/Klas, S. 298; Erman-Hanau, § 626 BGB Rdn 52; Kittner/Trittin, § 1 KSchG Rdn 149 u. § 626 BGB Rdn 234; KR-Hillebrecht, § 626 BGB Rdn 337a; MünchHandbArbR-Berkowsky, § 133 Rdn 176; MünchHandb-ArbR-Wank, § 117 Rdn 92; Schaub, ArbRHandb, S. 1010; Stahlhacke/Preis, Rdn 527; Staudinger-Preis, § 626 BGB Rdn 155. 170 BAG EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 45; im Ergebnis auch wegen Gefährdung von Vermögenswerten: Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 20 Rdn 16; und für die Zuverlässigkeit eines Bankkassierers: Dudenbostel/Klas, S. 297 f; vgl. auch: Mayer-Maly, S. 2. 171 Ausführlich: Otto, S. 78 ff. 172 Schaub, ArbRHandb, S. 1053. 173 BAG AP Nr. 1 zu § 15 KSchG; AP Nr. 58 zu § 626 BGB; Buchner, ZfA 1982, 49 (60 ff); Erman-Hanau, § 626 BGB Rdn 58; Kissel, S. 151; Kittner/Trittin, § 626 BGB Rdn 181; Staudinger-Preis, § 626 BGB Rdn 177. 174 BAG AP Nr. 1 zu § 15 KSchG; Buchner, ZfA 1982, 49 (51 u. 66). 175 Preis, Prinzipien, S. 470; Stahlhacke/Preis, Rdn 534.

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3. Teil: Systematische Einordnung

als 'verfassungsfeindlich' eingestuften Partei" soll keinen Kündigungsgrund darstellen. 176 Diese Aussagen erscheinen einer näheren Betrachtung wert. /. Die politische Betätigung Zunächst müssen die verschiedenen Bereiche der politischen Einstellung und Betätigung unterschieden werden. Der erste Bereich ist die politische Betätigung im Betrieb, der zweite die außerbetriebliche politische Betätigung. Der politischen Betätigung ist auch die Meinungsäußerung und das Tragen von sogenannten Plaketten zuzurechnen, da dies Formen der Betätigung sind. 1 7 7 Der dritte Bereich schließlich ist die schlichte Existenz einer bestimmten, persönlichen politischen Überzeugung, also die politische Einstellung. 178 Die politische Betätigung des Arbeitnehmers im Betrieb erfährt in Rechtsprechung und Arbeitsrechtswissenschaft eine weitgehende Beschränkung. Zwar soll auch hier gelten, daß das politische Verhalten arbeitsvertraglich und kündigungsrechtlich keine Bedeutung h a t , 1 7 9 etwas anderes gilt jedoch für den Fall, daß der Betriebsfrieden durch die politische Betätigung des Arbeitnehmers gestört w i r d . 1 8 0 Dazu heißt es, der Arbeitgeber brauche im allgemeinen politische Agitation und ständige verbale Äußerungen nicht zu dulden. 181 Kündigungsgrund ist in diesen Fällen demnach der Verstoß gegen die arbeitsvertragliche Nebenpflicht, den Betriebsfrieden nicht zu stören. Es liegt also eine verhaltensbedingte Kündigung v o r . 1 8 2 Teilweise wird der Begriff des Betriebsfriedens sehr extensiv gesehen, die politische Meinungsäußerung des Arbeitnehmers im Betrieb stark eingeschränkt. 183 Kritisch gegenüber dem Kriterium "Störung des Betriebsfriedens" ist Preis, der dieses als "unwägbaren Blankettbegriff' ab-

176

Däubler, ArbR 2, S. 556. BAG AP Nr. 69 u. 73 zu § 626 BGB; KR-Becker, § 1 KSchG Rdn 263. 178 Hinzu kommt noch der betriebsverfassungsrechtliche Bereich, § 74 Abs. 2 BetrVG; vgl. dazu: Buchner, ZfA 1982, 49 (60 ff). 179 Stahlhacke/Preis, Rdn 534. 180 BAGE 1, 185 (LS 1 u. 190); DB 1983, 2578; Herschel/Löwisch, § 1 KSchG Rdn 111; Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 331; KR-Hillebrecht, § 626 BGB Rdn 93 f; MünchHand-ArbR-Blomeyer, § 51 Rdn 67; RGRK-Corts, § 626 BGB Rdn 138; RGRK-Weller, Vor § 620 BGB Rdn 198; Stahlhacke/Preis, Rdn 536 u. 710; ausführlich: Buchner, ZfA 1982, 49 (52 ff u. 66 ff). 181 BAG DB 1983, 2578; Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, 1. Aufl., Rdn 245; Schaub, ArbRHandb, S. 1053. 182 Herschel/Löwisch, § 1 KSchG Rdn 111; Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 331; Stahlhacke/Preis, Rdn 536 u. 710. 183 Söllner, FS Herschel, S. 400; auch: Buchner, ZfA 1982, 49 (71 ff), der zwischen erlaubter Kommunikation und verbotener Agitation unterscheidet; dagegen: Preis, Prinzipien, S. 472 Fn 109. 177

D. Zuordnung nach Kündigungsursachen

127

lehnt. 1 8 4 Er fordert stattdessen, kündigungsrelevantes, innerbetriebliches politisches Verhalten auf Störungen im Betriebsablauf, auf Schädigungen im Unternehmensbereich und auf Vertragsverletzungen zu beschränken. 185 Dieser Ansicht ist aus den schon oben genannten Gründen zuzustimmen. 186 Der Bereich der innerbetrieblichen politischen Betätigung ist jedoch für die Kündigung wegen Sicherheitsbedenken unerheblich. Eine eigenständige Bedeutung erlangt die innerbetriebliche Betätigung dadurch, daß gegen betriebliche Verhaltenspflichten verstoßen wird. Kündigungsursache ist insoweit die Störung des Betriebsablaufs, die sich aus dem innerbetrieblichen Verhalten ergibt. Für die Kündigung wegen Sicherheitsbedenken ist aber entscheidend die politische Einstellung, die, unabhängig von innerbetrieblichen Störungen, eine Motivation für Spionage- und Sabotagehandlungen bilden kann. Diese wird aber von der arbeitsvertraglichen Pflicht, betriebliche Beeinträchtigungen durch innerbetriebliche politische Betätigung zu unterlassen, nicht erfaßt. Aus diesem Grund kann die innerbetriebliche politische Betätigung als eigenständiger Bereich im folgenden außer acht gelassen werden. Auch für den Bereich der außerbetrieblichen politischen Betätigung des Arbeitnehmers 187 wird vom BAG und Teilen der Arbeitsrechtswissenschaft vertreten, daß die politische Betätigung eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen kann, "wenn das Arbeitsverhältnis hierdurch konkret beeinträchtigt wird, sei es im Leistungsbereich, im Bereich der betrieblichen Verbundenheit aller Mitarbeiter, im personalen Vertrauensbereich der Vertragspartner oder im Unternehmensbereich". 188 Für die schlichte außerbetriebliche politische Meinungsäußerung gilt im Grundsatz das gleiche, da die Meinungsäußerung eine Form der politischen Betätigung darstellt. 189 Liegt keine konkrete Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses in einem der oben genannten Bereiche vor,

184

Preis, Prinzipien, S. 469 ff, insb. S. 474; ebenso: Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 19 Rdn 69 ff; krititsch auch: Buchner, ZfA 1982, 49 (59); Gentges, S. 221 f; Kissel, S. 151; Söllner, FS Herschel, S. 399 f; Kittner/Trittin, § 1 KSchG Rdn 206; differenzierend jetzt auch: BAG AP Nr. 99 zu § 626 BGB; AP Nr. 24 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung. 185 Preis, Prinzipien, S. 473 f; ebenso: Kothe, S. 127 f; Zachert, S. 294 f; vgl. auch: Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedinte Kündigung, § 19 Rdn 93. 186 Vgl.: Seite 101 f der Arbeit. 187 Vgl. zur Geschichte der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte: Buchner, ZfA 1982, 49 (50 f); Mayer-Maly, S. 3 f. 188 BAG AP Nr. 58, 69 u. 73 zu § 626 BGB; KR-Becker, § 1 KSchG Rdn 262; ähnlich: MünchHandb-ArbR-Berkowsky, § 133 Rdn 179; vgl. schon: Seite 67 ff der Arbeit. 189 KR-Becker, § 1 KSchG Rdn 263.

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3. Teil: Systematische Einordnung

reicht selbst die politische Betätigung in einer verfassungsfeindlichen Partei nicht fur die Rechtfertigung einer Kündigung aus. Dieser Ansicht der Rechtsprechung und der Arbeitsrechtswissenschaft ist zunächst zuzustimmen. Jedoch ist auch hier wiederum die Einschränkung zu machen, daß nur Störungen im vertraglichen und betrieblichen Bereich eine Kündigung zu rechtfertigen vermögen; Störungen im Bereich des Betriebsfriedens und im Vertrauensbereich allein reichen nicht aus. 1 9 0 Dabei handelt es sich um eine personenbedingte Kündigung, da dem Arbeitnehmer die Eignung fehlt. 1 9 1 Eine verhaltensbedingte Kündigung kommt nur in Betracht, wenn die außerbetriebliche politische Betätigung, wie im öffentlichen Dienst und in Tendenzbetrieben, Gegenstand der arbeitsvertraglichen Pflichten des Arbeitnehmers ist. 1 9 2 2. Die politische Einstellung Ein besonderes Problem stellt die Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen der politischen Einstellung des Arbeitnehmers, die sich nicht in einer Betätigung niederschlägt, dar. Hier gilt zunächst die Feststellung von Kissel: "Die politische Überzeugung für sich allein ist grundsätzlich von keiner Relevanz für das Arbeitsverhältnis, ebensowenig, eine bestimmte Meinung zu haben." 1 9 3 Eine Ausnahme soll aber dann bestehen, wenn eine politische Treuepflicht im Arbeitsverhältnis besteht, der Arbeitnehmer durch seine politische Einstellung gegen diese verstößt und aufgrund einer Prognose die Gefahr zukünftiger verfassungsfeindlicher Betätigung besteht. 194 Die Beschränkung auf Verletzungen arbeitsvertraglicher Treuepflichten ist nicht einsichtig. Denn gerade bei der Kündigung wegen Sicherheitsbedenken zeigt sich, daß die Beeinträchtigung der Arbeitgeberinteressen nicht erst durch die politische Betätigung hervorgerufen wird, sondern daß die Motivation für sicherheitsrelevante Handlungen auf der politischen Überzeugung des Arbeitnehmers beruht. Beeinträchtigt die politische Einstellung des Arbeitnehmer demnach die vertraglichen und betrieblichen Interessen des Arbeitgebers, kommt auch ohne bestehende politische Treuepflicht eine personenbedingte Kündigung in Betracht. Entscheidend ist aber auch hier, daß die Gefahr solcher Beeinträchtigungen in der Zukunft prognosti-

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Preis, Prinzipien, S. 471. Vgl.: RGRK-Corts, § 626 BGB Rdn 137. 192 Staudinger-Preis, § 626 BGB Rdn 178. 193 Kissel, S. 151; vgl. auch: BAG AP Nr. 1 zu § 15 KSchG; Buchner, ZfA 1982, 49 (66); Gamillscheg, Grundrechte; S. 55; MünchHandb-ArbR-Berkowsky, § 132 Rdn 125. 194 BAG AP Nr. 11 u. 24 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung; AP Nr. 5 zu Art. 33 Abs. 2 GG; Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 13 Rdn 1 ff; MünchHandb-ArbR-Berkowsky, § 132 Rdn 124 ff. 191

D. Zuordnung nach Kündigungsursachen

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ziert werden kann. In der Praxis dürfte die Unterscheidung zwischen politischer Betätigung und Einstellung wenig Relevanz haben, da die politische Einstellung des Arbeitnehmers in der Regel nur aufgrund seiner politischen Betätigung zu Tage tritt. 1 9 5 3. Öffentlicher

Dienst und Tendenzunternehmen

Eine Besonderheit besteht für Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst und in sogenannten Tendenzunternehmen. Für die Angestellten im öffentlichen Dienst ergibt sich eine arbeitsvertragliche politische Treuepflicht aus § 8 Abs. 1 S. 2 BAT, für die Arbeiter aus § 9 Abs. 9 MTB I I . 1 9 6 Aber auch im öffentlichen Dienst gilt die politische Treuepflicht nicht unbegrenzt, sie ist vielmehr durch den Aufgabenbereich des betreffenden Arbeitnehmers und der Behörde zu konkretisieren. 197 Eine verhaltensbedingte Kündigung kommt auch hier nur dann in Betracht, wenn das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt ist, desgleichen eine personenbedingte Kündigung nur, wenn die fehlende Eignung des Arbeitnehmers die vertraglichen und betrieblichen Interessen des Arbeitgebers beeinträchtigt. 198 Im Grundsatz gelten demnach im öffentlichen Dienst dieselben Voraussetzungen wie in Privatbetrieben. Es kommt aber, wenn ein Verstoß gegen die bestehende politische Treuepflicht vorliegt, eine verhaltensbedingte Kündigung in Betracht. Zudem wird aufgrund der besonderen Aufgaben der öffentlichen Arbeitgeber eine konkrete Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses häufiger als in Privatbetrieben anzunehmen sein. Auch in Tendenzunternehmen - politische Parteien, Gewerkschaften, Medien etc. 1 9 9 - und im kirchlichen Bereich können für die Arbeitnehmer weitergehende politische Verhaltenspflichten bestehen. 200 In diesen Fällen ist ebenfalls eine verhaltensbedingte Kündigung denkbar. Eine konkrete Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses kann sich bereits daraus ergeben, daß das außerdienstliche Verhalten des Arbeitnehmers der Tendenz des Arbeitgebers zuwiderläuft, wenn es sich bei dem Arbeitnehmer um einen Tendenzträger handelt. 201 Auch 195

Vgl.: Buchner, ZfA 1982, 49 (67); auch: Otto, S. 78 ff, der nicht zwischen beiden Formen unterscheidet. 196 BVerfGE 39, 334 (LS 7 u. 355 f); BAGE 28, 62 (LS 2 u. 69 f); BAGE 62, 256 (LS 2); Lakies/Kutscha, S. 1080 ff; KR-Becker, § 1 KSchG Rdn 262; vgl. bereits Seite 63 ff der Arbeit. 197 BAGE 28, 62 (LS 2 u. 69 f); AP Nr. 11 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung; Buchner, ZfA 1982, 49 (67); KR-Becker, § 1 KSchG Rdn 262. 198 BAGE 62, 256 (LS 2). 199 In § 118 Abs. 1 BetrVG werden die Tendenzbetriebe bezeichnet. 200 BAG EzA § 1 KSchG Tendenzbetrieb Nr. 5; KR-Becker, § 1 KSchG Rdn 261. 201 BAG EzA § 1 KSchG Tendenzbetrieb Nr. 5, für die Kündigung eines Gewerkschaft ssekretärs im KBW; LAG Berlin EzA § 1 KSchG Tendenzbetrieb Nr. 11, für den 9 Meyer

130

3. Teil: Systematische Einordnung

in diesem Bereich ergibt sich ein Unterschied zum außerdienstlichen Verhalten hinsichtlich der besonderen Aufgaben der Tendenzunternehmen, die eine Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses eher möglich machen. 202 4. Die Bedeutung von Art. 5 Abs. 1 GG Wird das Arbeitsverhältnis wegen einer politischen Meinungsäußerung gekündigt, spielt Art. 5 Abs. 1 GG eine besondere Rolle. a) Geltung der Grundrechte im Arbeitsrecht Nach allgemeiner Ansicht können die Grundrechte sowohl im kollektiven Arbeitsrecht als auch im Individualarbeitsrecht Anwendung finden. 2 0 3 Äußerst umstritten ist jedoch die dogmatische Begründung für diese Drittwirkung der Grundrechte im Arbeitsrecht, was im übrigen für das gesamte Zivilrecht g i l t . 2 0 4 Dabei ist davon auszugehen, daß der Verfassungstext keine Antwort auf die Frage der Geltung der Grundrechte im Zivilrecht gibt. Aus dem Wesen der Grundrechte als Abwehrrechte gegenüber dem Staat und aus den Vorstellungen des Verfassungsgebers folgt jedoch, daß sie zunächst nur im Verhältnis Bürger und Staat Anwendung finden. 205 Nach einer früher vom BAG vertretenen Ansicht sollen dagegen die Grundrechte im Arbeitsrecht unmittelbar gelten. 2 0 6 Nach Ansicht des BVerfG stellen die Grundrechte jedoch darüber hinaus eine objektive Wertordnung dar, die über Generalklauseln und über die Auslegung auch Anwendung im Zivilrecht finden. 207 Diese Auffassung ist auch die

Redakteur einer Tageszeitung; Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 256 ff; KRBecker, § 1 KSchG Rdn 261; Schaub, ArbRHandB, S. 1055 f; Stahlhacke/Preis, Rdn 707; vgl. auch: Dudenbostel/Klas, S. 300 ff, u. S. 302 ff, für Arbeitnehmer im Kirchendienst. 202 Vgl. nur: Staudinger-Preis, § 626 BGB Rdn 192 ff. 203 Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 17 Rdn 5; Canaris, JuS 1989, 161 (161 ff); Dütz, ArbR, Rdn 13 u. 44 f; Hanau/Adomeit, S. 38; Däubler, ArbR 2, S. 270; Lieb, S. 14 f; MünchHandb-ArbR-Richardi, § 10 Rdn 13 ff; Preis, Vertragsgestaltung, S. 37 ff; ders., Prinzipien, S. 233 f; Stahlhacke/Preis, Rdn 158. 204 Vgl.: BGHZ 33, 145 (149 f); 38, 317 (319 f); NJW 1986, 2944 f. 205 Canaris, JuS 1989, 161 (161 ff); Hesse, Rdn 345; Stein, S. 219; Stern, Bd. III/l, S. 219; vgl. auch: Gamillscheg, Grundrechte, S. 75 ff. 206 BAGE 1, 185 (193 f); 25S (262); 4, 240 (243); 274 (276 ff); 7, 256 (260); 13, 168 (174 ff); 24, 438 (441); NJW 1984, 1874 f; ähnlich jetzt auch: Dey, S. 118 f. 207 BVerfGE 7, 198 (206 f); 18, 85 (92); 30, 173 (187); 34, 269 (279 f); 60, 234 (239); 73, 261 (269 ff); vgl. dazu: vMünch/Kunig-vMünch, Vorb. Art. 1-19 Rdn 31 f.

D. Zuordnung nach Kündigungsursachen

131

vorherrschende Meinung in der Staatsrechtswissenschaft. 208 Für das Arbeitsrecht und insbesondere für das Kündigungsrecht gilt demnach auch, daß die Grundrechte als objektive Wertordnung eine mittelbare Wirkung entfalten. 209 Nunmehr hat sich das BAG der Lehre von der Mittelbarkeit der Drittwirkung der Grundrechte angeschlossen.210 Daneben gibt es aber auch andere Begründungen für die Drittwirkung; und auch innerhalb der Befürworter einer mittelbaren Anwendung gibt es verschiedene dogmatische Begründungsansätze für die mittelbare Wirkung. 2 1 1 Abzulehnen ist die unmittelbare Anwendung der Grundrechte im Arbeitsrecht, da dies dem Wesen der Grundrechte als Abwehrrechte gegenüber dem Staat widerspricht. Überzeugend ist dagegen die Ansicht der mittelbaren Drittwirkung durch die Berücksichtigung der Grundrechte als objektive Wertordnung bei der Auslegung und der Konkretisierung von Generalklauseln, so daß dieser Ansatz im folgenden zugrunde gelegt wird. Auf eine nähere Auseinandersetzung mit der Theorie von der mittelbaren Drittwirkung und den anderen Ansichten kann hier verzichtet werden, da sie im Ergebnis kaum zu Unterschieden führen. 212 b) Die Auswirkung des Art. 5 GG Das BAG hat bereits im Urteil vom 23.02.1959 die Relevanz des Art. 5 GG für eine Kündigung wegen politischer Meinungsäußerungen bejaht. 2 1 3 In diesem Urteil hat das BAG die bis heute aufrechterhaltene Ansicht vertreten, daß die allgemein anerkannten Grundsätze des Arbeitsverhältnisses allgemeine Gesetze im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG sind, so daß sich aus diesen Grundsätzen Einschränkungen der Meinungsfreiheit ergeben können. 2 1 4 Danach tritt das Grundrecht des Arbeitnehmers aus Art. 5 GG zurück, wenn die Meinungsäußerung das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt. 215 Diese Ansicht ist in der

208

AK-GG-Hoffmann-Riem, Art. 5 Abs. 1, 2 Rdn 35; Hesse, Rdn 356 f; Stein, S. 220; Stern, Bd. III/l, S. 220. 209 Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 17 Rdn 7; Dütz, ArbR, Rdn 45; Hanau/Adomeit, S. 38; Stahlhacke/Preis, Rdn 158 f. 210 BAG AP Nr. 18 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe; Nr. 9 zu § 242 BGB Kündigung; Nr. 15 zu § 87 BetrVG Überwachung; DB 1995, 534. 211 Vgl. dazu im einzelnen: Gamillscheg, Grundrechte, S. 78 ff. 212 Preis, Prinzipien, S. 234; vgl. auch: Gamillscheg, Grundrechte, S. 75 u. S. 78, der von einem "Scheinproblem" spricht. 213 BAGE 7, 256. 214 BAGE 7, 256 (261); 23, 371 (375); 29, 195 (200); 39, 289 (294); AP Nr. 28 zu § 66 BetrVG 1952; Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung; Nr. 1 zu § 15 KSchG 1969; Nr. 69 zu § 626 BGB; vgl. dazu auch: Gamillscheg, Grundrechte, S. 55 f. 215 BAGE 23,371 (375). 9*

132

3. Teil: Systematische Einordnung

Literatur teils auf Zustimmung, 216 teils auf Ablehnung gestoßen. 217 Die Gleichsetzung allgemein anerkannter Grundsätze des Arbeitsrechts mit Gesetzen im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG ist bedenklich und geht an der Problematik vorb e i . 2 1 8 Kennzeichnend fur die Drittwirkung der Grundrechte im Zivilrecht im Gegensatz zum Staatsrecht ist, daß beide Parteien Grundrechtsträger sind. 2 1 9 Ausgangspunkt ist die "Pflichtenstruktur des Arbeitsverhältnisses", aus der sich die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien ergeben. 220 Bei der Bestimmung der Rechte und Pflichten sind im Rahmen der Auslegung oder der Inhaltskontrolle nach § 242 BGB das Grundrecht des Arbeitnehmers aus Art. 5 GG auf der einen Seite und die Rechte des Arbeitnehmers auf der anderen Seite, zum Beispiel das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb oder Eigentumsrechte, zu berücksichtigen. 221 Das Grundrecht des Arbeitnehmers aus Art. 5 GG muß danach nur zurücktreten, wenn die Meinungsäußerung auf der Arbeitgeberseite zu konkreten Schäden fuhrt, 2 2 2 also zu Beeinträchtigungen der auch grundrechtlich geschützten vertraglichen und betrieblichen Interessen des Arbeitgebers. 5. Politische Einstellung und Sicherheitsbedenken Die außerbetriebliche politische Betätigung oder die politische Einstellung des Arbeitnehmers kann nur ausnahmsweise eine verhaltensbedingte Kündigung darstellen. Eine solche kommt nur in Betracht, wenn bestimmte außerbetriebliche politische Verhaltensweisen Gegenstand arbeitsvertraglicher Pflichten sind, was in Tendenzunternehmen und im öffentlichen Dienst der Fall sein kann. Im öffentlichen Dienst kann die politische Einstellung einen Verstoß gegen das Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung darstellen, § 8 Abs.

216 Buchner, ZfA 1982, 49 (58); Ermann-Hanau, § 611 BGB Rdn 505; Gamillscheg, Gamillscheg, S. 56; Kissel, S. 146; KR-Hillebrecht, § 626 BGB Rdn 94; MünchKommSöllner, § 611 BGB Rdn 81; Nikisch, ArbR I, S. 449; Soergel-Kraft, § 611 Rdn 81; Söllner, FS Herschel, S. 389. 217 Blomeyer, ZfA 1972, 85 (98); KR-Becker, § 1 KSchG Rdn 263; Mayer-Maly, S. 8; MünchHandb-ArbR-Blomeyer, § 51 Rdn 64 ff; vMünch/Kunig-vMünch, Art. 5 Rdn 74; Preis, Prinzipien, S. 367 f; Stahlhacke/Preis, Rdn 161. 218 Vgl.: Mayer-Maly, S. 8; MünchKomm-Schwerdtner, Vor § 620 BGB Rdn 474. 219 Hesse, Rdn 356. 220 MünchKomm-Schwerdtner, Vor § 620 BGB Rdn 474; vMünch/Kunig-vMünch, Art. 5 Rdn 74; Preis, Prinzipien, S. 473 ff; ähnlich: MünchHandb-ArbR-Blomeyer, § 51 Rdn 64. 221 Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 17 Rdn 16 ff; Kissel, S. 150; MünchHandb-Blomeyer, § 51 Rdn 64; KR-Wolf, Grds Rdn 415. 222 Preis, Prinzipien, S. 471 ff; vgl. auch: Buschmann/Grimberg, S. 65 ff; Zachert, S. 294 f.

D. Zuordnung nach Kündigungsursachen

133

2 BAT und § 9 Abs. 9 MTV II. Ein solcher Verstoß kann aber nur eine Kündigung rechtfertigen, wenn er betriebsbezogen oder arbeitsvertragsbezogen ist. 2 2 3 Bestehen keine arbeitsvertraglichen Pflichten, kann die außerbetriebliche politische Betätigung oder Einstellung die Eignung des Arbeitnehmers fur die Erbringung der arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung entfallen lassen. In diesen Fällen kommt eine personenbedingte Kündigung in Betracht. Sowohl die politische Einstellung als auch die politische Betätigung stehen unter dem Schutz des Grundrechts der Meinungsfreiheit nach Art. 5 GG. Da die Grundrechte als objektive Wertordnung eine mittelbare Drittwirkung im Arbeitsvertragsrecht entfalten, ist die grundrechtlich geschützte Meinungsfreiheit bei der Bestimmung der Pflichten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Gegenüber einem Arbeitnehmer können aufgrund seiner politischen Einstellung Sicherheitsbedenken bestehen, wenn die Gefahr besteht, daß er aufgrund seiner politischen Einstellung Spionage- oder Sabotagehandlungen begeht. Entscheidend ist dabei nicht eine - innerbetriebliche oder außerbetriebliche - politische Betätigung des Arbeitnehmers. Die Sicherheitsbedenken beruhen immer auf der politischen Einstellung als Motivation für Spionage- oder Sabotagehandlungen. Bestehen gegenüber einem Arbeitnehmer Sicherheitsbedenken aufgrund seiner politischen Einstellung, fehlt ihm die Eignung; es kommt folglich eine personenbezogene Kündigung in Betracht. Allerdings nur, wenn, wie später noch zu zeigen sein wird, tatsächlich die Gefahr besteht, daß der Arbeitnehmer gegen die Sicherheitsinteressen des Arbeitgebers handeln w i r d . 2 2 4 Dabei ist die grundrechtlich geschützte Meinungsfreiheit des Arbeitnehmers den grundrechtlich geschützten betrieblichen und arbeitsvertragsbezogenen Interessen des Arbeitgebers gegenüberzustellen. 6. Religion und Sicherheitsbedenken Beruhen die Sicherheitsbedenken auf der religiösen oder weltanschaulichen Überzeugung des Arbeitnehmers, ergeben sich ähnliche Probleme wie hinsichtlich der politischen Einstellung. Nach Art. 4 Abs. 1 GG ist die Freiheit des Glaubens und des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses unverletzlich. Dieses Grundrecht enthält im Gegensatz zu Art. 5 Abs. 1 GG keine ausdrückliche Schranke, es kann nur bei einer Kollision mit anderen Grundrechten oder anderen Verfassungswerten beschränkt werden. 225 Aber auch für dieses 223

BAGE 62, 256 (LS 2). Dieses Erfordernis ähnelt der Prognose verfassungsfeindlicher Betätigung, MünchHandb-ArbR-Berkowsky, § 132 Rdn 129, wobei allerdings entgegen Berkowsky, aaO, keine politische Treuepflicht bestehen muß, sondern die fehlende Eignung aufgrund der Sicherheitsbedenken ausreicht. 225 Hesse, Rdn 383; vMünch/Kunig-vMünch, Art. 4 GG Rdn 53 ff. 224

134

3. Teil: Systematische Einordnung

Grundrecht gilt aufgrund der mittelbaren Wirkung im Kündigungsrecht, daß es bei der Auslegung der Kündigungsregelungen nur in Bezug zu den Grundrechten des Arbeitgebers zu berücksichtigen ist. Insoweit muß auch die Glaubensfreiheit zurücktreten, wenn grundrechtlich geschützte Positionen des Arbeitgebers beeinträchtigt sind. Demnach kommt eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich auch in Betracht, wenn die Sicherheitsbedenken auf der religiösen Einstellung des Arbeitgebers beruhen. 226 Die Konfliktlage ist identisch mit der oben geschilderten Kündigung wegen der politischen Einstellung, wobei die Grenze zwischen Politik und Religion in vielen Fällen fließend i s t . 2 2 7

I I I . Die besonderen gesetzlichen Regelungen An dieser Stelle soll gezeigt werden, wie eine Kündigung aufgrund der oben erwähnten besonderen gesetzlichen Regelungen 228 dogmatisch im Rahmen des § 1 Abs. 2 KSchG einzuordnen ist. Wie bereits vorne dargestellt, ist die Sonderregelung in Art. 56 ZA-NTS eine dem bundesdeutschen Kündigungsrecht fremde Ausnahmeerscheinung, die im folgenden außer acht gelassen werden kann. 1. Die Zuverlässigkeit

im AtomG

Im Rahmen der Zuverlässigkeit nach dem AtomG müssen zwei Fallgestaltungen unterschieden werden. Der erste Fall ist die Untersagung der Genehmigungsbehörde wegen der Unzuverlässigkeit eines Arbeitnehmers. Denkbar ist jedoch auch, daß der Arbeitgeber Sicherheitsbedenken hat, ohne daß die Genehmigungsbehörde die Unzuverlässigkeit geltend macht. Sieht die Genehmigungsbehörde einen Arbeitnehmer als unzuverlässig im Sinne des AtomG an, kann sie dem Arbeitgeber die Beschäftigung des Arbeitnehmers untersagen und gegebenenfalls mit Hilfe der verwaltungsrechtlichen Instrumentarien durchsetzen 2 2 9 Das bedeutet aber, der Arbeitgeber kann den betreffenden Arbeitnehmer aus Rechtsgründen nicht weiterbeschäftigen. Dieser Fall ist vergleichbar mit der fehlenden Arbeitserlaubnis eines Nicht-EG-Ausländers oder der fehlenden erforderlichen Erlaubnis für bestimmte Berufsgruppen, wie zum Beispiel die Approbation für die ärztlichen Heilberufe. Hat der Ausländer keine Arbeitserlaubnis, fehlt ihm die erforderliche Eignung; es

226

Anders: Verheggen, S. 96, für die Zuverlässigkeit im Rahmen des AtomG. Dies gilt insbesondere für die Religionen, die eine Trennung von Staat und Kirche ablehnen, zum Beispiel fundamentalistische christliche oder islamische Religionen. 228 Siehe Seite 37 ff u. 80 ff der Arbeit. 229 Vgl. zu den verwaltungsrechtlichen Instrumentarien: Achterberg/Püttner-Ehlers, Wirtschaftsaufsicht, Rdn 607. 227

D. Zuordnung nach Kündigungsursachen

135

kommt eine personenbedingte Kündigung in Betracht. 230 Das gleiche gilt für die fehlende besondere Erlaubnis für bestimmte Berufsgruppen. 231 Auch im Falle der Unzuverlässigkeit nach dem AtomG fehlt dem Arbeitnehmer die Eignung; es kommt eine personenbedingte Kündigung in Betracht. Kündigungsgrund ist dann allerdings nicht die Unzuverlässigkeit, sondern die sich aus der - von der Genehmigungsbehörde - festgestellten Unzuverlässigkeit ergebende Unmöglichkeit der Weiterbeschäftigung. Das Arbeitsgericht kann nicht die Entscheidung der Genehmigungsbehörde hinsichtlich der Unzuverlässigkeit überprüfen, dies ist eine Frage des Atomrechts, die von den Verwaltungsgerichten zu überprüfen ist. Die Prüfung des Arbeitsgerichts beschränkt sich auf die Frage, ob aufgrund der festgestellten Unzuverlässigkeit eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unmöglich ist, wobei insbesondere die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf einem anderen Arbeitsplatz von Bedeutung ist. Hat dagegen nicht die Genehmigungsbehörde die Unzuverlässigkeit geltend gemacht, sondern hat der Arbeitgeber selber Sicherheitsbedenken gegenüber einem Arbeitnehmer, ergeben sich keine Unterschiede zum Normalfall der Kündigung wegen Sicherheitsbedenken. Es liegt eine personenbedingte Kündigung wegen eben dieser Sicherheitsbedenken vor. Das Arbeitsgericht hat für die Frage der Wirksamkeit der Kündigung zu prüfen, ob Sicherheitsbedenken vorliegen und ob diese eine Kündigung rechtfertigen. 2. Die Sicherheitsüberprüfung

nach dem SÜG

Auch hier sind grundsätzlich zwei Fallgestaltungen zu unterscheiden. Das SÜG gilt zum einen für die Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst, zum anderen für Arbeitnehmer privater Arbeitgeber, die staatliche Aufträge ausführen, die einer Geheimhaltung unterliegen. 232 Kündigt der öffentliche Arbeitgeber einem Arbeitnehmer wegen Sicherheitsbedenken, ergeben sich zunächst keinerlei Unterschiede zum Normalfall der Kündigung wegen Sicherheitsbedenken. Es liegt eine personenbedingte Kündigung vor. Fraglich ist lediglich, inwieweit die Arbeitsgerichte das Bestehen von 230 BAG EzA § 1 KSchG Personenbedingte Kündigung Nr. 6; AP Nr. 3 zu § 19 AfG; AP Nr. 14 zu § 1 KSchG 1969 Personenbedingte Kündigung; NJW 1977, Γθ23; Hanau, FS 25 Jahre BAG, S. 188; Kittner/Trittin, § 1 KSchG Rdn 126; Knorr/Bichelmeier/Kremhelmer, 10. Kapitel Rdn 37; RGRK-Weller, Vor § 620 BGB Rdn 183; Stahlhacke/Preis, Rdn 733; ausführlich: Hanau, FS 25 Jahre BAG, S. 169 ff. 231 BAG AP Nr. 29 zu § 615 BGB; LAG Hamm ArbuR 1986, 57; ArbG Wetzlar ArbuR 1984, 253; Kittner/Trittin, § 1 KSchG Rdn 128; Knorr/Bichelmeier/Kremhelmer, 10. Kapitel Rdn 37; Stahlhacke, S. 26; Stahlhacke/Preis, Rdn 733. 232 Siehe Seite 39 der Arbeit.

136

3. Teil: Systematische Einordnung

Sicherheitsbedenken, die in § 5 SÜG normiert wurden, überprüfen kann. 2 3 3 Auf diese Frage wird später näher einzugehen sein. Wird einem Arbeitnehmer eines Privatunternehmens, das staatliche Aufträge erfüllt, aufgrund von Sicherheitsbedenken seines Arbeitgebers gekündigt, liegt eine personenbedingte Kündigung wegen Sicherheitsbedenken wie im Normalfall vor. Verweigert eine staatliche Stelle einen Auftrag, der der Geheimhaltung unterliegt, weil gegenüber einem bestimmten Arbeitnehmer Sicherheitsbedenken nach dem SÜG bestehen, ist auf den ersten Blick eine ähnliche Situation wie im Bereich des AtomG gegeben. Aber im Unterschied zum AtomG hat der staatliche Auftraggeber keine gesetzlichen Möglichkeiten, die Beschäftigung des Arbeitnehmers zu verhindern. Der Auftraggeber kann lediglich über den wirtschaftlichen Druck, nämlich mit der Drohung der Auftragskündigung, auf den Arbeitgeber einwirken. In diesem Fall kann der Arbeitgeber den betreffenden Arbeitnehmer nicht im Rahmen dieses Auftrages beschäftigen. Hier könnte eine Druckkündigung in Betracht kommen, wenn für den betreffenden Arbeitnehmer keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr besteht. Es ist jedoch auch denkbar, die Kündigung auf die mangelnde Eignung des Arbeitnehmers zu stützen. Auf die Einordnung der Kündigung wird im weiteren noch näher einzugehen sein. Die Wirksamkeit der Kündigung richtet sich in beiden Fällen nach den bestehenden Beschäftigungsmöglichkeiten, und nur diese können vom Arbeitsgericht überprüft werden. Die Frage, ob Sicherheitsbedenken bestehen, also die Frage, ob die Unbedenklichkeit nach dem SÜG gegeben ist, ist von den Verwaltungsgerichten zu entscheiden. 234 3. Die Sonderkündigungsregelung

des Abs. 5 Ziff.

2 EV

Auf die Sonderregelung des Abs. 5 Ziff. 2 EV braucht, soweit es sich um Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst handelt, nicht näher eingegangen zu werden, da es sich insoweit lediglich um einen durch Spezialgesetz abschließend und eigenständig geregelten Unterfall der außerordentlichen Kündigung wegen fehlender Eignung handelt. 235 Eine andere Frage ist jedoch die nach der Kündigung wegen Tätigkeit für das MfS/AfNS in der Privatwirtschaft. Da die Sonderregelung des Abs. 5 Ziff. 2 EV hier nicht gilt, kommt nur eine Kündigung nach § 626 BGB oder eine ordentliche Kündigung, die dann gegebenenfalls

233

Vgl. zu den früheren Sicherheitsrichtlinien: BAG 42, 375 (384 Τ). Däubler, ArbR 2, S. 550; vgl. auch: BVerwG Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 189; RDV 1995, 125 (126 f)· 235 Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 30 Rdn 40; Korinth, S. 149; vgl. bereits Seite 82 der Arbeit; vgl. auch: Scholz, BB 1992, 2424 (2427), der die Tätigkeit für den MfS nicht als politische sondern als kriminelle Handlung ansieht. 234

E. Zwischenergebnis

137

anhand des § 1 KSchG auf ihre Wirksamkeit hin zu prüfen ist, in Betracht. 236 Es handelt sich um eine personenbedingte Kündigung. 237 Daraus folgt, daß die Wirksamkeit einer Kündigung eines ehemaligen Mitarbeiters des MfS/AfNS, dem gegenüber Sicherheitsbedenken bestehen, nach den allgemein geltenden Grundsätzen zu prüfen i s t . 2 3 8 Das Gesagte gilt auch für die Kündigung wegen Sicherheitsbedenken gegenüber einem ehemaligen Mitarbeiter des MfS/NfNS.

E. Zwischenergebnis Voraussetzung für eine Kündigung nach § 1 KSchG und § 626 BGB ist eine objektiv vorliegende erhebliche Beeinträchtigung der vertraglichen und betrieblichen Interessen des Arbeitgebers. Bei der Kündigung wegen Sicherheitsbedenken geht es um die Beeinträchtigung der betrieblichen Sicherheitsinteressen hinsichtlich Spionage- und Sabotageabwehr und den Personenschutz. Entscheidend für die Wirksamkeit einer Kündigung nach § 1 KSchG und § 626 BGB sind die zu erwartenden künftigen Beeinträchtigungen. Vergangene oder gegenwärtige Beeinträchtigungen sind nicht erforderlich, sofern nur die Prognose zukünftiger Beeinträchtigungen erfolgen kann. Eine verhaltensbedingte Kündigung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer bereits gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstoßen hat; eine personenbedingte Kündigung kommt in Betracht, wenn der Arbeitnehmer aus sonstigen Gründen die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung nicht mehr vertragsgemäß erbringen kann. Demnach handelt es sich bei der Kündigung wegen Sicherheitsbedenken in der Regel um eine personenbedingte Kündigung, da noch keine Pflichtverletzung des Arbeitnehmers vorliegt. Nur soweit besondere arbeitsvertragliche Verpflichtungen bestehen, kommt ausnahmsweise eine verhaltensbedingte Kündigung in Betracht. Auch die Druckkündigung und die Verdachtskündigung stellen personenbedingte Kündigungen dar. Die Verdachtskündigung und die Kündigung wegen Sicherheitsbedenken stehen in einem Stufenverhältnis; bei der Verdachtskündigung ergeben sich zukünftige Beeinträchtigungen der betrieblichen und vertraglichen Arbeitgeberinteressen aufgrund des Verdachts, daß bereits eine Beeinträchtigung vorliegt; bei der Kündigung wegen Sicherheitsbedenken liegt noch keine vergangene oder gegenwärtige Beeinträchtigung vor. Auch außerdienstliches Verhalten, insbesondere die politische Betätigung und die politische Einstellung des Arbeitnehmers, können eine personenbe-

236

Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 30 Rdn 2; Welzel, Rdn 454; ausführlich: Scholz, BB 1992, S. 2424 ff. 237 Fenski/Link, S. 340; Scholz, BB 1992, 2424 (2424 f). 238 Scholz, BB 1992, 2424 (2425); vgl. auch: ArbG Leipzig AuA 1995, 173 (173 f).

138

3. Teil: Systematische Einordnung

dingte Kündigung rechtfertigen, wenn durch das außerdienstliche Verhalten die vertraglichen und betrieblichen Interessen des Arbeitgebers erheblich beeinträchtigt sind. Insbesondere im Rahmen einer Kündigung wegen außerdienstlicher Umstände sind jedoch die Grundrechte des Arbeitnehmers zu beachten, die über die Generalklauseln der Kündigungsregelungen Anwendung finden. Dabei sind die Grundrechte des Arbeitnehmers denen des Arbeitgebers gegenüberzustellen. Demnach ist auch eine Kündigung wegen Sicherheitsbedenken, die sich auf außerdienstliche Umstände bezieht, als personenbedingte Kündigung möglich. Soweit ausnahmsweise ein bestimmtes außerdienstliches Verhalten im öffentlichen Dienst oder in Tendenzbetrieben zu den arbeitsvertraglichen Pflichten des Arbeitnehmers gehört, kommt, wenn sich die Sicherheitsbedenken auf einen Verstoß gegen diese Pflichten gründen, eine verhaltensbedingte Kündigung in Betracht. Im Rahmen der besonderen gesetzlichen Regelungen bestehen keine Besonderheiten, wenn sich der Arbeitgeber auf Sicherheitsbedenken beruft; das gilt auch für den öffentlichen Dienst. Erachtet die Verwaltungsbehörde einen Arbeitnehmer als unzuverlässig im Sinne des AtomG, liegt ein Fall vergleichbar der fehlenden Berufserlaubnis vor, so daß aus diesem Grunde eine personenbedingte Kündigung - unabhängig von tatsächlich bestehenden Sicherheitsbedenken - vorliegt. Verweigert eine staatliche Stelle die Beschäftigung eines Arbeitnehmers eines privaten Arbeitgebers im Rahmen eines Vertragsverhältnisses unter Berufung auf das SÜG, kommt dagegen eine Druckkündigung oder eine Kündigung wegen der fehlenden Eignung des Arbeitnehmers in Betracht. Entscheidend für die Wirksamkeit einer Kündigung wegen Sicherheitsbedenken ist nach dem bisher Gesagten die zu erwartende, künftige erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Sicherheitsinteressen des Arbeitgebers. Im weiteren wird also zu fragen sein, wann die Prognose einer solchen künftigen erheblichen Beeinträchtigung angenommen werden kann. Dies ist die Frage nach der Intensität der Gefahr oder Besorgnis, die gegeben sein muß, um eine Kündigung zu rechtfertigen. Um diese Frage zu beantworten, werden zunächst die weiteren Anforderungen nach § 1 KSchG und § 626 BGB für eine wirksame Kündigung erarbeitet. Dabei wird insbesondere der Prognose ein breiter Raum gewidmet, da die Kündigung wegen Sicherheitsbedenken sich allein auf die Gefahr künftiger Beeinträchtigungen gründet.

4. Teil Allgemeine Rechtsprinzipien und Zukunftsbezogenheit der Kündigung A. Die Prinzipien im Kündigungsrecht Rechtsprechung und Arbeitsrechtswissenschaft versuchen, die Prüfung der Sozialwidrigkeit einer Kündigung mit Hilfe allgemeiner Rechtsprinzipien oder allgemeiner Rechtsgrundsätze vorzunehmen.1 Demgemäß spielen diese Prinzipien und ihre Anwendung im Kündigungsrecht eine zentrale Rolle. Der Darstellung der im Kündigungsrecht relevanten Rechtsprinzipien soll deshalb an dieser Stelle ein breiterer Raum gegeben werden. Nach grundsätzlichen Bemerkungen zum Rechtsprinzip werden das Erforderlichkeitsprinzip, die Prinzipien der Interessenabwägung, der Unzumutbarkeit, der Verhältnismäßigkeit und die Prinzipien des Vertrauensschutzes und der Gleichbehandlung dargestellt. Das für die Kündigung wegen Sicherheitsbedenken besonders bedeutsame Prognoseprinzip wird im darauffolgenden Kapitel ausführlich behandelt. Im Anschluß daran werden im letzten Kapitel die bislang gewonnenen Erkenntnisse zusammengefaßt.

I. Die Rechtsprinzipien Allgemeine Rechtsgrundsätze oder Rechtsprinzipien sind neben den Gesetzen und anderen Rechtsquellen ein Bestandteil des Rechts.2 Rechtsprinzipien lassen sich als Ausgestaltung der Gerechtigkeitsidee auf einer abstrakten Ebene über den Rechtsnormen bezeichnen.3 Man kann die bestehenden Rechtsprinzi-

1

Die Begriffe allgemeiner Rechtsgrundsatz und Rechtsprinzip werden hier synomym verwandt; für die Entbehrlichkeit der Unterscheidung auch: Stern, Bd. III/2, S. 767; vgl. auch: Larenz, S. 226 f. 2 Siehe Seite 54 f der Arbeit; Alexy, Rechtsprinzipien, S. 76 u. 82 ff; Bydlinsky, S. 132 ff; Kriele, S. 232 f; Larenz, S. 133 ff; Pawlowski, Methodenlehre, Rdn 30 ff; Preis, Prinzipien, S. 40; Stern, Bd. III/2, S. 767; zur Unterscheidung zwischen Rechtsprinzipien und Rechtsnormen vgl.: Alexy, Begriff und Geltung des Rechts, S. 119 ff; Kaufmann, S. 128 ff. 3 Canaris, Systemdenken, S. 51 f; Pawlowsky, Methodenlehre, Rdn 162 f.

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4. Teil: Allgemeine Rechtsprinzipien

pien einer Rechtsordnung als Rechtssystem begreifen. 4 Sie sind im Hinblick auf die Rechtsfindung von erheblicher Bedeutung.5 Rechtsprinzipien spielen bei der Auslegung von Gesetzen und für die Ausfüllung von Gesetzeslücken eine entscheidende Rolle. 6 In diesem Zusammenhang gibt es zwei Problembereiche: Zunächst stellt sich die Frage nach der inhaltlichen Aussagekraft von allgemeinen Rechtsprinzipien. Zudem ist nach dem Verhältnis zwischen Rechtsprinzip und Gesetz zu fragen, also nach der Anwendbarkeit von Rechtsprinzipien im Rahmen einer gesetzlich normierten Regelung.7 Hinsichtlich der Aussagekraft von Rechtsprinzipien ist zu unterscheiden zwischen formalen und materiellen Prinzipien. 8 Die materiellen Prinzipien sind konkrete, inhaltliche Ausprägungen der Gerechtigkeitsidee und enthalten selber Wertmaßstäbe, die im Sinne der Wertungsjurisprudenz bei der Rechtsanwendung zu beachten sind. Die formalen Prinzipien geben nur einen bestimmten Weg der Rechtsfindung als formale Ausprägung der Gerechtigkeitsidee vor, ohne selber die Wertmaßstäbe anzugeben. Bei der Anwendung formaler Prinzipien sind also die Wertungen, die der Entscheidung zugrunde liegen, außerhalb der Prinzipien zu suchen. Rechtsprinzipien sind Konkretisierungen der Gerechtigkeitsidee auf einer abstrakten Ebene. Die vom Gesetzgeber erlassenen Gesetze sind ebenfalls Ausprägungen der Gerechtigkeitsidee eben dieses Gesetzgebers; die Gesetze sind jedoch konkreter, auf bestimmte Rechtsgebiete bezogen und enthalten in der Regel eine Entscheidung, was in den vom Gesetz geregelten Fällen "gerecht", also richtig ist. An dieser Entscheidung des Gesetzgebers ist der Rechtsanwender aufgrund der Gewaltenteilung gebunden. Daraus folgt, daß für die direkte Anwendung allgemeiner Rechtsprinzipien nur dann Platz bleibt, wenn dem Gesetz selber keine Regelung entnommen werden kann. 9 Im übrigen

4

Canaris, Systemdenken, S. 46 ff; Larenz, S. 458 ff; kritisch: Pawlowsky, Methodenlehre, Rdn 162 ff. 5 Alexy, Rechtsprinzip, S. 82 ff; Pawlowsky, Methodenlehre, Rdn 223 ff; Preis, Prinzipien, S. 40. 6 Bydlinsky, S. 481 ff; Canaris, Systemdenken, S. 95 ff; Larenz, S. 458; Pawlowsky, Methodenlehre, Rdn 223 ff; Preis, Prinzipien, S. 40; zum Kündigungsrecht: Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 5 Rdn 1 ff; Stahlhacke/Preis, Rdn 614. 7 Vgl.: Preis, Prinzipien, S. 40. 8 Vgl. zum Ganzen: Preis, Prinzipien, S. 40 ff; zur Unterscheidung zwischen rechtssatzförmigen und offenen Prinzipien: Preis, Prinzipien, S. 45 f. 9 Alexy, Rechtsprinzip, S. 71; Preis, Prinzipien, S. 40 u. 43; vgl. zum Arbeitsrecht: Blomeyer, FS 25 Jahre BAG, S. 21 f; Boewer, FS Gaul, S. 36; Precklein, S. 52 f.

Α. Die Prinzipien im Kündigungsrecht

141

dienen die in den Rechtsprinzipien zum Ausdruck kommenden Wertvorstellungen der Rechtsgemeinschaft zur Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe, da davon auszugehen ist, daß der Gesetzgeber eine im Sinne der allgemeinen Rechtsprinzipien "gerechte" Entscheidung treffen wollte. 1 0 Ausnahmsweise können Rechtsprinzipien darüber hinaus Anwendung finden, wenn eine gesetzliche Regelung aufgrund der historischen gesellschaftlichen Entwicklung nicht mehr mit der Gerechtigkeitsidee und dem Rechtssystem übereinstimmt. Hinsichtlich der Annahme eines solchen Falles ist jedoch Vorsicht geboten. 11 Zunächst ist Grundlage einer jeden Anwendung der allgemeinen Rechtsprinzipien die Feststellung, daß die gesetzliche Regelung Platz fur die Anwendung läßt. Insbesondere ist zu fragen, ob der Gesetzgeber bereits eine abschließende Konkretisierung vorgenommen hat.

I I . Das Prinzip der Erforderlichkeit Nach allgemeiner Ansicht ist eine Kündigung nach § 1 KSchG nur sozial gerechtfertigt, also wirksam, wenn sie erforderlich ist. 1 2 Die Frage nach der Erforderlichkeit ist die Frage nach möglichen, für den Arbeitnehmer milderen Mitteln, die auch geeignet sind, den Zweck, den der Arbeitgeber mit der Kündigung verfolgt, zu erreichen. 13 7. Der Inhalt des Erforderlichkeitsprinzips Problematisch ist in diesem Zusammenhang, daß die Erforderlichkeit, das sogenannte Ultima-ratio-Prinzip und das Prinzip der Verhältnismäßigkeit gleichgesetzt oder vermengt werden. 14 Der Begriff der Ultima ratio, der lediglich "äußerstes Mittel" oder "letztes Mittel" bedeutet, hat die gleiche Bedeutung

10

Canaris, Systemdenken, S. 90 ff; Larenz, S. 456. Vgl.: Alexy, Rechtsprinzip, S. 62 ff; Preis, Prinzipien, S. 40. 12 BAG AP Nr. 70 zu § 626 BGB; AP Nr. 6 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit; AP Nr. 8 zu § 2 KSchG 1969; AP Nr. 53 zu § 102 BetrVG 1972; Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 5 Rdn 59 ff; Blomeyer, FS 25 Jahre BAG, S. 22; Boewer, FS Gaul, S. 27; Fromm, S. 113 ff; Herschel/Löwisch, § 1 KSchG Rdn 73; Hromadka, NZA 1996, 1 (5); Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 139; Joost, S. 134p; KR-Becker, § 1 KSchG Rdn 144; MünchHandb-ArbR-Berkowsky, § 130 Rdn 65 ff; Oetker, SAE 1991, 15 (17); Precklein, S. 49 ff; Preis, Prinzipien, S. 304 ff; RGRKWeller, Vor § 620 BGB Rdn 157; Stahlhacke, Fachtagung, S. 18; Stahlhacke/Preis, Rdn 616. 13 Herschel/Löwisch, § 1 KSchG Rdn 73; Precklein, S. 49; Preis, Prinzipien, S. 265; Stahlhacke/Preis, Rdn 616. 14 Vgl. zum Beispiel: Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 139; KR-Becker, § 1 KSchG Rdn 144 u. 296; auf das Problem der Gleichsetzung weist auch hin: Preis, Prinzipien, S. 261. 11

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4. Teil: Allgemeine Rechtsprinzipien

wie der Begriff der Erforderlichkeit, ohne daß der Ultima-ratio-Begriff eine inhaltliche Konkretisierung der Erforderlichkeit enthält. 15 Da das Ultima-ratioPrinzip demnach keine eigenständige Bedeutung hat, kann darauf verzichtet werden. Die Gleichsetzung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist abzulehnen, da die Erforderlichkeit nur ein Teilprinzip der Verhältnismäßigkeit darstellt. 16 Im folgenden wird deshalb nur von der Erforderlichkeit gesprochen. Bei dem Prinzip der Erforderlichkeit handelt es sich um ein formales Rechtsprinzip, das aber auch materielle Aussagen enthält. Es besagt, wie oben schon angedeutet, daß eine Maßnahme nur ergriffen werden darf, also nur rechtmäßig ist, wenn es keine andere, genauso geeignete Maßnahme gibt, die den Einzelnen weniger beeinträchtigt oder einschränkt. 17 Mit anderen Worten: Es muß stets das mildeste Mittel gewählt werden, wenn es genauso geeignet ist. Nach einer Ansicht soll es sich dabei um ein ausschließlich formales Rechtsprinzip handeln. 18 Dem ist zuzugeben, daß das Erforderlichkeitsprinzip, um bei seiner Anwendung zu einem Ergebnis zu gelangen, einer Konkretisierung hinsichtlich des jeweiligen Rechtsgebietes bedarf. Es muß nämlich festgestellt werden, welche weiteren geeigneten Maßnahmen möglich sind und welche der möglichen Maßnahmen die mildeste ist. Insbesondere die Frage der Geeignetheit des milderen Mittels kann nur mit Hilfe von Wertmaßstäben beantwortet werden, die außerhalb des Erforderlichkeitsprinzips zu suchen sind. 19 Andererseits schreibt das Erforderlichkeitsprinzip verbindlich vor, daß nur die mildeste Maßnahme zu ergreifen rechtmäßig ist; und insoweit ist es materieller Natur. 2 0 2. Die Anwendbarkeit im Kündigungsrecht Zunächst stellt sich die Frage, ob das Erforderlichkeitsprinzip im Kündigungsrecht anwendbar ist. Nach verbreiteter Ansicht folgt aus Sinn und Zweck des KSchG, 21 daß die Formulierung "bedingt" in § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG nicht allein als Kausalbeziehung anzusehen ist, sondern im Sinne von "notwendig

15

Boewer, NZA 1988, 678 (681); Precklein, S. 51; Preis, Prinzipien, S. 278; Stahlhacke/Preis, Rdn 616. 16 Hromadka, NZA 1996, 1 (6); Oetker, SAE 1991, 15 (17); Precklein, S. 51; vgl. zum Verhältnismäßigkeitsprinzip: Seite 154 ff der Arbeit. 17 Preis, Prinzipien, S. 279; zur Erforderlichkeit im Verfassungs- und Verwaltungsrecht; BVerfGE 20, 292 (316); 25, 1 (18); 33, 171 (187); 37, 1 (21); 40, 196 (223); Stein, S. 241; Stern III/2, S. 779 ff. 18 Hirschberg, S. 149 u. 247; Lerche, S. 81 u. 316; Preis, Prinzipien, S. 268. 19 Preis, Prinzipien, S. 268. 20 Ähnlich: Preis, Prinzipien, S. 268. 21 Siehe dazu: Begründung des Regierungsentwurfs, RdA 1951, S. 61 u. 63; vgl. bereits Seite 97 f der Arbeit.

Α. Die Prinzipien im Kündigungsrecht

143

macht" oder "erfordert" auszulegen ist. 2 2 Für die betriebsbedingte Kündigung ergibt sich die Anwendung des Prinzips durch die Voraussetzung der "dringenden betrieblichen Interessen" 2 3 Die Anwendbarkeit des Prinzips der Erforderlichkeit ergibt sich auch aus der Regelung des § 1 Abs. 2 S. 2 und 3 KSchG. Dort sind ausdrücklich mildere Maßnahmen genannt, die, wenn sie genauso geeignet sind, einer Beendigungskündigung vorgehen. In diesen Fällen ist eine Beendigungskündigung nicht erforderlich und damit unwirksam. Daraus, daß das Gesetz selber den Vorrang bestimmter milderer Mittel anordnet, ergibt sich, daß das Prinzip der Erforderlichkeit im Kündigungsrecht Anwendung findet. 2 4 Dem steht nicht entgegen, daß nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 2 S. 2 KSchG die Unwirksamkeit der Kündigung vom Widerspruch des Betriebsrates oder der Einwendung der Personalvertretung abhängig ist. Nach allgemeiner Ansicht ist eine Kündigung auch dann unwirksam, wenn eine der genannten Weiterbeschäfiigungsmöglichkeiten besteht, die Arbeitnehmervertretung aber nicht widersprochen hat. 2 5 Dies ergibt sich aus dem Sinn und Zweck des KSchG, da ansonsten der individuelle Kündigungsschutz zugunsten einer Sperrfunktion der Arbeitnehmervertretung stark eingeschränkt würde, zumal sich die Berücksichtigung des Prinzips der Erforderlichkeit bereits aus § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG ergibt 2 6

22

ArbG Rheine DB 1981, 2288; Auffarth/Müller, § 1 KSchG Rdn 168; Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 5 Rdn 59; Blomeyer, FS 25 Jahre BAG, S. 22; Boewer, FS Gaul, S. 27; Herschel, FS G. Müller, S. 204 ff; Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 139; Joost, S. 134p; Kittner/Trittin, § 1 KSchG Rdn 49; KR-Becker, § 1 KSchG Rdn 144; Maus, § 1 KSchG Rdn 153; Oetker, Anm BAG EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 28, S. 48; Precklein, S. 49; Preis, Prinzipien, S. 305; Stahlhacke/Preis, Rdn 616; vgl. auch: Hromadka, NZA 1996, 1 (6), der die Anwendung des Ultima-ratio Prinzips aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip ableitet. 23 BAG AP Nr. 6 u. 45 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; Hueck/ vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 381 f; Hofmann, ZfA 1984, 295 (309 ff); Hromadka, RdA 1992, 234 (254); Kittner/Trittin, § 1 KSchG Rdn 49; Oetker, SAE 1991, 15 (17); Precklein, S. 50; Preis, Prinzipien, S. 305 ff; Stahlhacke/Preis, Rdn 616. 24 Precklein, S. 50 f. 25 BAG AP Nr. 2 zu § 1 KSchG; AP Nr. 21 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit; EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 32; EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 10; Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 5 Rdn 61; Birk, S. 55; Herschel/ Löwisch, § 1 KSchG Rdn 259; Hofmann, ZfA 1984, 295 (327 f); Hueck/vHoyningenHuene, § i KSchG Rdn 143 u. 499 ff; KR-Becker, § 1 KSchG Rdn 140 u. 382; MünchHandb-ÀrbR-Berkowsky, § 130 Rdn 68; Precklein, S. 50; Preis, Prinzipien, S. 295; Stahlhacke/Preis, Rdn 616; Wank, RdA 1987, 129 (137); Weller, ArbuR 1986, 225 (226 ff); aA: LAG Frankfurt am Main DB 1973, 1607. 26 BAG AP Nr. 21 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung mit zust. Anm. Hueck; AP Nr. 2 zu § 1 KSchG 1969 mit zust. Anm. vHoyningen-Huene;

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4. Teil: Allgemeine Rechtsprinzipien

3. Der Inhalt im Kündigungsrecht Zunächst ist festzustellen, daß dem Grundsatz der Erforderlichkeit immanent der Grundsatz der Geeignetheit ist, denn nur die Kündigung, die geeignet ist, die vom Arbeitgeber verfolgten Zwecke zu erreichen, ist erforderlich. 27 Sodann muß der Arbeitgeber von mehreren möglichen Mitteln das für den Arbeitnehmer mildeste ergreifen. Fraglich ist jedoch, ob die Aufzählung möglicher milderer Mittel in § 1 Abs. 2 S. 2 und 3 KSchG abschließend ist 2 8 oder ob daneben das allgemeine Prinzip der Erforderlichkeit Anwendung findet. Nach einer Ansicht ist eine Kündigung wirksam, wenn der betreffende Arbeitnehmer nicht nach § 1 Abs. 2 S. 2 und 3 KSchG weiterbeschäftigt werden kann. 29 Nach anderer Ansicht enthält diese Regelung lediglich eine spezifische Konkretisierung des Grundsatzes der Erforderlichkeit, § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG dagegen den Verweis auf das allgemeine Prinzip der Erforderlichkeit. 30 Danach ist jede Beendigungskündigung, ob ordentlich oder außerordentlich, ob personen-, Verhaltens- oder betriebsbedingt, nur dann wirksam, wenn sie das letzte Mittel darstellt, der Arbeitgeber also nicht in der Lage ist, andere, zur Befriedigung seiner Interessen genauso geeignete mildere Mittel einzusetzen.31 Dabei kommen auch Maßnahmen auf technischem und organisatorischem Gebiet in Betracht. 32 Diese beiden Ansichten führen jedoch kaum zu anderen Ergebnissen, da Berkowsky eine von ihm sogenannte Kündigungslage nur dann annimmt, wenn der Arbeitgeber den betreffenden Arbeitnehmer am bisherigen Arbeitsplatz zu den bisherigen Arbeitsbedingungen nicht mehr weiterbeschäftigen kann, so daß, wenn mildere Mittel unterhalb der Regelungen des § 1 Abs. 2 S. 2 und 3 KSchG möglich sind, die

Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 143 u. 499 ff; KR-Becker, § 1 KSchG Rdn 141; Stahlhacke/Preis, Rdn 612; zur Unterscheidung zwischen absoluter und relativer Sozialwidrigkeit: KR-Becker, aaO. 27 Vgl.: Precklein, S. 53. 28 Ausfuhrlich zu den dort genannten Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten: Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 3 Rdn 1 ff. 29 Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 3 Rdn 62 u. ähnlich Rdn 60: "Nach der Einfügung von § 1 Abs. 2 S. 2 u. 3 KSchG besteht jedoch (...) - kein Bedürfnis mehr für den Rückgriff auf einen allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz." 30 Vgl. nur: Stahlhacke/Preis, Rdn 616. 31 BAG AP Nr. 70 zu § 626 BGB; Hueck/VHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 140; KR-Becker, § 1 KSchG Rdn 144; Stahlhacke/Preis, Rdn 616; für die Erforderlichkeit im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes: Herschel/Löwisch, § 1 KSchG Rdn 73. 32 BAG AP Nr. 6 u. 45 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; Precklein, S. 51.

Α. Die Prinzipien im Kündigungsrecht

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Kündigung bereits mangels einer Kündigungslage unwirksam ist. 3 3 Es sind demnach alle rechtlich und tatsächlich möglichen milderen Mittel zu berücksichtigen. 34 Das mildere Mittel muß aber in jedem Fall genauso geeignet sein, den mit der Kündigung verfolgten Zweck zu erreichen. 35 Die ordentliche Kündigung ist gemäß § 1 KSchG folglich nur gerechtfertigt, wenn sie erforderlich ist. Erforderlich ist die Kündigung wenn dem Arbeitgeber keine milderen Mittel nach § 1 Abs. 2 S. 2 und 3 KSchG oder sonstige mildere Mittel unterhalb der dort genannten zur Verfügung stehen, die ebenso geeignet sind, den mit der Kündigung verfolgten Zweck zu erreichen. Welche milderen Mittel im Einzelfall in Betracht kommen, hängt vom jeweiligen Kündigungsgrund und von dem jeweils verfolgten Kündigungszweck ab. 3 6 Grundsätzlich ist als milderes Mittel gegenüber der Beendigungskündigung neben dem Arbeitsplatzwechsel im Rahmen des Direktionsrechts auch eine Änderungskündigung in Betracht zu ziehen. 37 Die Frage nach der Zumutbarkeit des milderen Mittels für den Arbeitgeber, also eine vorzunehmende Interessenabwägung, 38 stellt sich lediglich für die Weiterbeschäftigung nach Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen, da dies durch § 1 Abs. 2 S. 3, 1. Alt. KSchG ausdrücklich angeordnet ist. 3 9 Daraus ergibt sich aber im Umkehrschluß, daß hinsichtlich anderer Maßnahmen gerade keine Interessenabwägung stattzufinden hat; entscheidend ist allein der Maßstab der Geeignetheit.40

33 34

Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 3 Rdn 1 ff. Zu den rechtlichen und tatsächlichen Grenzen ausführlich: Preis, Prinzipien, S.

313 ff. 35

Boewer, NZA 1988, 678 (681); Oetker, SAE 1991, 15 (17); Precklein, S. 49; Preis, Prinzipien, S. 273 u. 288; Stahlhacke/Preis, Rdn 616; Wank, RdA 1987, 129 (136). 36 Fromm, S. 114 f; Precklein, S. 50 u. 54 f. 37 BAG AP Nr. 8 zu § 2 KSchG 1969; KR-Becker, § 1 KSchG Rdn 144; Precklein, S. 55 ff; Zirnbauer, S. 1079; Zöllner/Loritz, S. 266; ablehnend: Ascheid, Kündigungsschutzrecht, Rdn 305 f u . 487; Lieb, S. 100; MünchKomm-Schwerdtner, Vor § 620 BGB Rdn 252; auf eine genaue Abgrenzung zwischen diesen beiden Möglichkeiten und auf die Darstellung der Voraussetzungen für die Änderungskündigung wird im Rahmen dieser Arbeit verzichtet, da die Beendigungskündigung hier im Vordergrund steht; vgl dazu: Hromadka, RdA 1992, S. 234 ff; ders., NZA 1996, S. 1 ff; Zirnbauer, S. 1075 ff. 38 Vgl. zur Zumutbarkeit als Interessenabwägung: Seite 152 f der Arbeit. 39 Dazu: Birk, S. 59 ff. 40 Boewer, NZA 1988, 678 (681); ders., FS Gaul, S. 38; Precklein, S. 58; Preis, Prinzipien, S. 296; Stahlhacke, DB 1994, 1361 (1366); Stahlhacke/Preis, Rdn 639; ähnlich: Hillebrecht, S. 112 f; aA: Fromm, S. 121 ff. 10 Meyer

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4. Teil: Allgemeine Rechtsprinzipien

Das Prinzip der Erforderlichkeit gilt auch für die außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB. 4 1 Dies ergibt sich bereits aus der Ratio legis des Gesetzes als Ausnahmevorschrift. Hinsichtlich der möglichen milderen Mittel gilt das für die ordentliche Kündigung Gesagte; als weiteres milderes Mittel kommt die ordentliche Kündigung in Betracht. 42 Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß eine Beendigungskündigung nach § 1 KSchG und auch nach § 626 BGB nur dann wirksam ist, wenn sie dem Grundsatz der Erforderlichkeit entspricht. Stehen dem Arbeitgeber mildere Mittel zur Durchsetzung seiner Interessen zur Verfügung, die gleich geeignet sind, kommt eine Beendigungskündigung nicht in Betracht. Welche milderen Maßnahmen in Betracht zu ziehen sind, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab, insbesondere vom konkreten Kündigungsgrund und den Kündigungsursachen. Darauf wird hinsichtlich der Kündigung wegen Sicherheitsbedenken näher einzugehen sein. Zu beachten ist jedoch, daß die mildere Maßnahme auch geeignet sein muß, die vom Arbeitgeber mit der Kündigung verfolgten Zwecke zu erreichen.

I I I . Die Interessenabwägung Die Interessenabwägung oder auch Güterabwägung spielt sowohl im Rahmen der Sozialwidrigkeit der ordentlichen Kündigung nach § 1 KSchG als auch bei der außerordentlichen Kündigung in Rechtsprechung und Arbeitsrechtswissenschaft eine große Rolle. Es besagt, daß bei der Entscheidungsfindung die im konkreten Fall existierenden Interessen beider Seiten, oder die betroffenen Rechtsgüter beider Seiten, zu berücksichtigen sind und die Entscheidung nach der Gewichtung der Interessen erfolgt. Das Prinzip der Interessenabwägung gibt demnach nur den Weg der Rechtsfindung vor, ohne zu sagen, wonach die Gewichtung der Interessen zu erfolgen hat. Die Wertung der Interessen kann nur anhand anderer, außerhalb dieses Prinzips liegender Maßstäbe erfolgen. Folglich ist es ein rein rechtstechnisches Prinzip. 43 1. Anwendbarkeit im Kündigungsrecht Nach Ansicht des BAG und Teilen der Arbeitsrechtswissenschaft ist die Frage der Sozialwidrigkeit einer Kündigung nur nach einer umfassenden In-

41 BAG AP Nr. 70 zu § 626 BGB; Erman-Hanau, § 626 BGB Rdn 42; MünchHandb-ArbR-Wank, § 117 Rdn 109; RGRK-Corts, § 626 BGB Rdn 40; Stahlhacke/ Preis, Rdn 454; Staudinger-Preis, § 626 BGB Rdn 86 ff. 42 Ermann-Hanau, § 626 BGB Rdn 42; Preis, Prinzipien, S. 482 ff; ders, DB 1990, 685 (689); Stahlhacke/Preis, Rdn 454; Staudinger-Preis, § 626 BGB Rdn 86. 43 Preis, Prinzipien, S. 243.

Α. Die Prinzipien im Kündigungsrecht

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teressenabwägung zu beantworten. 44 Diese Aussage ist in ihrer Allgemeinheit problematisch, denn es fällt auf, daß die dogmatische Grundlage für die Anwendung des Prinzips der Interessenabwägung meist im dunkeln bleibt. 45 In neueren Urteilen ist das BAG aber teilweise von dem Postulat einer umfassenden Interessenabwägung abgerückt. 46 a) Grundsätzliches zur Anwendbarkeit Zunächst stellt sich nämlich die Frage, ob für das allgemeine rechtstechnische Prinzip der Interessenabwägung überhaupt Platz im Kündigungsrecht bleibt. 47 Denn Grundlage jeder Entscheidung ist das Gesetz, nicht allgemeine Rechtsprinzipien, denn die von der Legislative erlassenen Gesetze sind bereits Entscheidungen eines Interessenkonfliktes. Das aber heißt: In erster Linie ist der Gesetzgeber berufen, die beteiligten Interessen abzuwägen und den Interessenkonflikt zu entscheiden. Hat der Gesetzgeber einen Interessenkonflikt durch das Gesetz bereits entschieden, ist für den Rechtsanwender aufgrund der Bindung an das Gesetz nach Art. 20 Abs. 3 GG kein Raum mehr für eine eigene Interessenabwägung.48 Nur wenn der Gesetzgeber den Interessenkonflikt nicht oder nicht vollständig entschieden hat, bleibt Platz für eine Interessenabwägung im Rahmen der Rechtsanwendung.49 Dies ist der Fall, wenn der Gesetzgeber die Interessenabwägung selbst anordnet, bei der Auslegung von Generalklauseln oder im Falle einer Normenkollision; eine Interessenabwägung des Rechtsanwenders ist zudem dort erforderlich, wo der Gesetzgeber sich einer Entschei44

BAG AP Nr. 6 zu § 1 KSchG; AP Nr. 2 u. 3 zu § 1 KSchG 1969; AP Nr. 21, 22 u. 23 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit; AP Nr. 5 zu § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung; AP Nr. 9 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung; EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 37; Dassau, S. 20 f; Herbst/Wohlfahrt, S. 1817 ff; Kittner/ Trittin, § 1 KSchG Rdn 51; KR-Becker, § 1 KSchG Rdn 149; Maus, § 1 KSchG Rdn 156; Nikisch, ArbR I, S. 761; Rüthers/Henssler, S. 33; Schaub, ArbRHandb, S. 1029; Zöllner/Loritz, S. 261 f. 45 Oetker, Anm. BAG EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 28, S. 46 ff; Schwerdtner, DB 1990, 375 (378). 46 Vgl. ausführlich zur neueren Rechtsprechung: Bitter/Kiel, S. 337 ff, S. 346 fu. S. 29 f. 47 Vgl.: Preis, Prinzipien, S. 221. 48 BVerfGE 52, 131 (153); 30, 173 (199); Bydlinsky, S. 115; Kaufmann, S. 145 f; Larenz, Methodenlehre, S. 9 ff; Pawlowsky, Einführung, S. 84; Zippelius, S. 9 f; vgl. zum Kündigungsrecht: Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 5 Rdn 29; Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 136; Preis, Prinzipien, S. 185 ff u. 221; Stahlhacke, Fachtagung, S. 17 f; Stahlhacke/Preis, Rdn 619. 49 Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 5 Rdn 30; Boewer, FS Gaul, S. 37; Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 136; Herschel, FS Schnorr von Carolsfeld, S. 157 u. 163 ff; Herschel/Löwisch, § 1 KSchG Rdn 69 ff; Preis, Prinzipien, S. 204 ff; Wank, RdA 1987, 129 (136). 10*

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4. Teil: Allgemeine Rechtsprinzipien

dung des Interessenkonflikts enthalten hat. 5 0 Es ist demnach zunächst festzustellen, ob und inwieweit der Gesetzgeber im Kündigungsrecht bereits eine Entscheidung hinsichtlich der Berücksichtigung und Gewichtung der beteiligten Interessen getroffen hat. b) Die einzelnen Kündigungsarten Für die außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB hat der Gesetzgeber die Frage, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zugemutet werden kann, von der "Abwägung der Interessen beider Vertragsteile" abhängig gemacht. Damit ist die Anwendung des Grundsatzes der Interessenabwägung im Rahmen der Rechtsanwendung für die außerordentliche Kündigung ausdrücklich angeordnet. 51 Für die Frage nach der Sozialwidrigkeit der ordentlichen Kündigung nach § 1 KSchG hat der Gesetzgeber dagegen eine Interessenabwägung nicht ausdrücklich angeordnet. Da es sich wegen § 1 Abs. 2 KSchG auch nicht um eine Generalklausel handelt und auch kein Fall der Normenkollision vorliegt, kommt eine Interessenabwägung nur in Betracht, wenn die Regelung des § 1 KSchG eine "offene Gesetzeswertung" darstellt, der Gesetzgeber sich also einer Entscheidung des Interessenkonfliktes enthalten hat. Bei der Anwendung dieser Grundsätze ist zwischen betriebsbedingter Kündigung einerseits und personenund verhaltensbedingter Kündigung andererseits zu unterscheiden. Für die betriebsbedingte Kündigung hat der Gesetzgeber im Rahmen des § 1 KSchG bereits eine abschließende Interessenabwägung vorgenommen. Lediglich hinsichtlich der sozialen Auswahl gemäß § 1 Abs. 3 KSchG bleibt noch Raum für eine Interessenabwägung des Rechtsanwenders. 52 Bei der betriebsbedingten Kündigung hat der Gesetzgeber den Interessenkonflikt zwischen dem Bestandschutzinteresse des Arbeitnehmers und dem Unternehmerinteresse des Arbeitgebers dahingehend entschieden, daß das Bestandschutzinteresse zurückzutreten hat, wenn dringende betriebliche Erfordernisse bestehen.53

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Vgl.: Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 5 Rdn 35 ff; Stahlhacke/Preis, Rdn 619. 51 Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 5 Rdn 32; Preis, Prinzipien, S. 192 f; Staudinger-Preis, § 626 BGB Rdn 75 ff. 52 Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 137; Preis, Prinzipien, S. 208 ff; Stahlhacke/Preis, Rdn 619; Wank, RdA 1987, 129 (136 f); vgl. auch: BAG BB 1987, 2302 (2303); AP Nr. 42 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; AP Nr. 27 zu § 2 KSchG 1969; Hillebrecht, S. 95. 53 Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 139; Precklein, S. 45; Preis, Prinzipien, S. 208 ff; RGRK-Weiler, Vor § 620 BGB Rdn 161; Stahlhacke/Preis, Rdn 619; Wank, RdA 1993, 79 (81).

Α. Die Prinzipien im Kündigungsrecht

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Bei der verhaltensbedingten und der personenbedingten Kündigung bedarf es hingegen einer Konkretisierung, die nur aufgrund einer Interessenabwägung vorgenommen werden kann. 54 Hier hat der Gesetzgeber lediglich bestimmt, daß diese durch Gründe im Verhalten oder in der Person des Arbeitnehmers bedingt sein müssen. Da nicht jeder Umstand im Verhalten oder in der Person des Arbeitnehmers die Kündigung notwendig macht, muß diese Frage durch Abwägung der beiderseitigen Interessen beantwortet werden. 55 Man kann insoweit auch von einer Gewichtung der Interessen des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sprechen. 56 Mit anderen Worten: Es stellt sich die Frage, ob aufgrund des Gewichts der Vertragsbeeinträchtigung im Verhältnis zu den Arbeitnehmerinteressen als milderes Mittel die unveränderte Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers geboten ist, eine Kündigung also unwirksam ist. 5 7 2. Der Inhalt des Prinzips im Kündigungsrecht Die Interessenabwägung bei der personen- und verhaltensbedingten Kündigung ist entgegen einer weit verbreiteten Ansicht 58 aber nicht beliebig offen. Die Interessen der Parteien sind vielmehr im gesetzlich vorgeschriebenen Rahmen abzuwägen. Insbesondere sind die für die Interessenabwägung maßgeblichen Wertungen des Gesetzgebers zu berücksichtigen. 59 Da Grundlage des Arbeitsverhältnisses der Arbeitsvertrag ist, können nur solche Interessen berücksichtigt werden, die einen Bezug zum konkreten Arbeitsverhältnis, das 54

Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 5 Rdn 40 f; Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG 138; Preis, Prinzipien, S. 204 u. 222 ff; Stahlhacke/Preis, Rdn 619; für eine restriktive Anwendung: Oetker, Anm BAG EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 28, S. 49; im Ergebnis auch: Herschel/Löwisch, § 1 KSchG Rdn 70 f; gegen eine Interessenabwägung und für eine Beschränkung auf die Erforderlichkeit: Herschel, DB 1984, 1523 (1524); Stahlhacke, Fachtagung, S. 18 ff. 55 Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 5 Rdn 40 f; HAS-Popp, § 19 D Rdn 4 ff u. § 19 E Rdn 53 ff; Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 138; Precklein, S. 46 f; Preis, Prinzipien, S. 204 u. 222 ff; RGRK-Weller, Vor §620 BGB Rdn 161; Stahlhacke/Preis, Rdn 619; vgl. auch: Herschel/Löwisch, § 1 KSchG Rdn 70 f. 56 Herschel/Löwisch, § 1 KSchG Rdn 70; Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 138; ablehnend aber: Herschel, DB 1984, 1523 (1524); Stahlhacke, Fachtagung, S. 18 ff. 57 Ähnlich: Stahlhacke/Preis, Rdn 619. 58 Für eine "umfassende Interessen ab wägung": BAG AP Nr. 5 zu § 1 KSchG; AP Nr. 81 zu § 626 BGB; AP Nr. 4 u. 7 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung; AP Nr. 1 zu § 1 KSchG Krankheit; Kittner/Trittin, § 1 KSchG Rdn 51 u. 70; KRBecker, § 1 KSchG Rdn 149 ff; Schaub, ArbR-Handb, S. 1029. 59 Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 5 Rdn 48 ff; RGRK-Weller, Vor § 620 BGB Rdn 161.

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4. Teil: Allgemeine Rechtsprinzipien

durch den Arbeitsvertrag bestimmt wird, haben. 60 Berücksichtigt werden müssen auch die Umstände, die einen Bezug zum jeweiligen Kündigungsgrund aufweisen. 61 Auf Arbeitgeberseite können nur betriebs- und unternehmensbezogene Interessen im Rahmen des konkreten Arbeitsverhältnisses und unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Wertentscheidungen von Belang sein. 62 Auf Arbeitnehmerseite müssen all die, aber auch nur die Umstände, die Rückschlüsse auf das Gewicht der Vertragsstörung, also auf die Beeinträchtigung der Arbeitgeberinteressen zulassen, berücksichtigt werden. 63 Auch hier sind insbesondere verfassungsrechtliche Wertentscheidungen zu beachten. Allgemeine wirtschaftliche oder soziale Interessen des Arbeitnehmers am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses dürfen nicht berücksichtigt werden, da diese allgemeinen Interessen schon durch den Gesetzgeber durch die gesetzlichen Regelungen bewertet wurden. 64 Entscheidend ist neben der Frage nach den berücksichtigungsfähigen Interessen die Frage nach der Gewichtung der Interessen. Auch hier ist zunächst davon auszugehen, daß das KSchG Kündigungen, die aus betrieblicher Sicht notwendig sind, nicht verhindern will. Das heißt aber, daß Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen sich nicht mehr gleichrangig gegenüberstehen, wenn festgestellt wurde, daß die Kündigung erforderlich ist. Nach Sinn und Zweck des KSchG ist die Kündigung, wenn sie erforderlich ist, grundsätzlich auch wirksam. Die dann vorzunehmende Interessenabwägung kann nur dann zu einem anderen Ergebnis führen, wenn die schützenswerten Interessen des Arbeitnehmers die - aufgrund der Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses an sich - berechtigten Auflösungsinteressen des Arbeitgebers deutlich überwiegen, so daß der Arbeitgeber ausnahmsweise die Beeinträchtigung hinnehmen muß. 65 Es geht damit letztlich um die Frage, ob aufgrund der Gewichtung der

60 Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 5 Rdn 47; Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 183; Oetker, Anm zu BAG EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 28, S. 52 f; Precklein, S. 46; Preis, Prinzipien, S. 224 ff; Schwerdtner, DB 1990, 375 (378); Stahlhacke/Preis, Rdn 694; Weller, Krankheit, S. 80; ähnlich: Boewer, NZA 1988, 678 (682); auch: Hillebrecht, S. 125 f. 61 Peterek, S. 118e ff; RGRK-Weller, Vor § 620 BGB Rdn 169, 179 u. 192; Schwerdtner, DB 1990, 375 (378); Tschöpe, DB 1987, 1042 (1045). 62 Preis, Prinzipien, S. 227 ff u. 233 ff; vgl. auch: Dorndorf, S. 345. 63 Precklein, S. 46. 64 Precklein, S. 46; vgl. auch: Schwerdtner, DB 1990, 375 (377): "Das Arbeitsleben ist nun einmal keine soziale Einrichtung mit wirtschaftlichem Hintergrund, sondern eine wirtschaftliche Veranstaltung mit sozialem Flankenschutz." 65 MünchKomm-Schwerdtner, Vor § 620 BGB Rdn 398; Oetker, Anm zu BAG EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 28, S. 50 f; Schwerdtner, DB 1990, 375 (377); diese, die Interessenabwägung beschränkende Ansicht, kommt der grundsätzlichen Ablehnung von

Α. Die Prinzipien im Kündigungsrecht

151

Arbeitnehmerinteressen als milderes Mittel die unveränderte Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Einzelfall geboten ist. Da die zu berücksichtigenden Interessen vom jeweiligen konkreten Arbeitsverhältnis und vom Kündigungsgrund abhängig sind, kann keine für alle Kündigungsgründe abschließende Auflistung erfolgen. 66 Auf die berücksichtigungsfähigen Interessen im Hinblick auf die Kündigung wegen Sicherheitsbedenken wird deshalb im folgenden Teil einzugehen sein. 67 Die Interessenabwägung hinsichtlich der außerordentlichen Kündigung ist nach dem Wortlaut des § 626 BGB unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmen. Es sind also im Gegensatz zur ordentlichen Kündigung nicht nur arbeitsvertrags- und betriebsbezogene Interessen, sondern auch personenbezogene Interessen, soweit sie schützenswert sind, zu berücksichtigen. 68 Wobei schützenswert aber nur solche Interessen sein können, die einen Bezug zum Arbeitsverhältnis oder den beteiligten Personen haben. 69 Auch hier gilt schlußendlich, daß die Berücksichtigung der jeweiligen Interessen vom konkreten Arbeitsverhältnis und vom Kündigungsgrund abhängig ist.

IV. Das Prinzip der Unzumutbarkeit Hinsichtlich des Prinzips der Unzumutbarkeit ist zunächst festzustellen, daß teilweise von Zumutbarkeit, teilweise von Unzumutbarkeit gesprochen wird. Es wird auch vertreten, daß die beiden Begriffe inhaltlich zu unterscheiden sind. 70 Diese Auffassung ist jedoch abzulehnen, da die Begriffe Zumutbarkeit und Unzumutbarkeit Antipoden ein und derselben Thematik sind. 71 Deshalb wird im folgenden nur von Unzumutbarkeit gesprochen. Entscheidend ist vielmehr die Unterscheidung zwischen Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung und

Herschel und Stahlhacke sehr nahe, insbesondere da sich dieses Problem auch als ein solches der Erforderlichkeit begreifen läßt. 66 KR-Becker, § 1 KSchG Rdn 149 ff; zweifelnd: Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 5 Rdn 43. 67 Vgl. Seite S. 207 f der Arbeit. 68 BAG AP Nr. 81 zu § 626 BGB; Erman-Hanau, § 626 BGB Rdn 35 ff; MünchHandb-ArbR-Wank, § 117 Rdn 16; ausführlich: Staudinger-Preis, § 626 BGB Rdn 75 ff. 69 Erman-Hanau, § 626 BGB Rdn 37; Staudinger-Preis, § 626 BGB Rdn 75; für eine Beschränkung auf arbeitsvertraglich relevante Umstände: Stahlhacke/Preis, Rdn 456; für die grundsätzliche Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte: MünchHandb-ArbRWank, § 117 Rdn 16. 70 Staudinger-Weber, 11. Aufl., § 242 BGB Rdn B27. 71 KR-Hillebrecht, § 626 BGB Rdn 59a; Preis, Prinzipien, S. 147.

152

4. Teil: Allgemeine Rechtsprinzipien

Billigung und Angemessenheit der Kündigung, da dies unterschiedliche Bewertungsmaßstäbe beinhalten kann. 72 Das Prinzip der Unzumutbarkeit stellt zunächst ebenso wie das der Interessenabwägung ein lediglich rechtstechnisches oder formales Rechtsprinzip dar. 73 Es eröffnet dem Rechtsanwender die Möglichkeit eine eigene Wertung im Einzelfall vorzunehmen; es sagt jedoch nichts darüber aus, nach welchen Wertungsmaßstäben zu entscheiden ist. 7 4 Der Inhalt des Begriffes ist ebenso wie der Maßstab der Wertung rechtlich nicht faßbar. 75 Deshalb wird im Hinblick auf das Prinzip der Unzumutbarkeit von einer "leeren Hülse" 7 6 oder von einem "BlankettbegrifF' 77 gesprochen. In der Rechtsprechung des BAG zur Wirksamkeit einer Kündigung nimmt der Begriff der Zumutbarkeit eine zentrale Stellung ein. 7 8 So wird bei der betriebsbedingten Kündigung vom Arbeitgeber verlangt, alles ihm zumutbare zur Erhaltung des Arbeitsplatzes zu tun. 7 9 Bei der krankheitsbedingten Kündigung kommt es nach dem BAG darauf an, ob betriebliche Interessen unzumutbar beeinträchtigt sind oder ob mildere Maßnahmen zumutbar sind. 80 Oder es wird die grundsätzliche Frage nach einer zumutbaren Weiterbeschäftigung gestellt. 81 Diese Ansicht wird zum Teil von der Arbeitsrechtswissenschaft übernommen. 82 Wenn aber das Prinzip der Unzumutbarkeit ein lediglich formales ist, kann es selber keine Antwort auf die Frage geben, was zumutbar ist und was nicht. Das Prinzip gibt auch nicht die rechtstechnischen Methode an, mit deren Hilfe die Antwort zu suchen ist. Es fragt sich also, mit welchem Inhalt dieses Prinzip zu füllen ist. Ob eine Maßnahme dem Betroffenen zumutbar oder unzumutbar

72

MünchKomm-Schwerdtner, Vor § 620 BGB Rdn 398; Oetker, Anm BAG EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 28, S. 51. 73 Henkel, S. 303 f; Preis, Prinzipien, S. 146 u 155 f; aA: Staudinger-Weber, 11. Aufl., § 242 BGB Rdn Β127. 74 Henkel, S. 303 u. 308. 75 AR-Blattei-Adomeit, Kündigung IX, Β II 2; Herschel, ArbuR 1968, 193 (196 f); Hofmann, ZfA 1970, 63 (76); Preis, Prinzipien, S. 149 f; Stahl hacke/Preis, Rdn 448. 76 Henkel, S. 304. 77 Bley, S. 21; auch: Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, §5 Rdn 18. 78 Vgl. dazu: Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 5 Rdn 10 ff; Preis, Prinzipien, S. 138 f. 79 BAG AP Nr. 8, 10 u. 18 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung. 80 BAG AP Nr. 6 u. 17 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit. 81 BAG AP Nr. 8 zu § 2 KSchG 1969. 82 Vgl. nur: Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 120; Fromm, S. 121 ff u. S. 139.

Α. Die Prinzipien im Kündigungsrecht

153

ist, kann sich nur aus einer Abwägung der Interessen des Betroffenen mit denen des Handelnden ergeben, das bedeutet im Kündigungsrecht eine Abwägung der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen. 83 Die Unzumutbarkeit bezeichnet folglich nur das Ergebnis einer vorzunehmenden Interessenabwägung. 84 Ein rechtlicher Inhalt ist dem Begriff nicht zu entnehmen.85 Die Interessenabwägung ist aber für die personen- und verhaltensbedingte Kündigung aufgrund der Ratio legis in den gesetzlich vorgegebenen Grenzen vorzunehmen. Weitere Zumutbarkeitserwägungen sind demnach im Rahmen des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG ausgeschlossen.86 Aber auch als Bezeichnung des Abwägungsergebnisses ist der Begriff abzulehnen, da er zumindest mißverständlich ist, denn er suggeriert einen Maßstab, der der gesetzlichen Regelung nicht zu entnehmen ist. 8 7 Es geht im Rahmen des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG nicht um die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung, sondern darum, ob die Gewichtung der Arbeitnehmerinteressen dem Arbeitgeber im Einzelfall gebieten, trotz der Beeinträchtigung seiner Interessen am Arbeitsvertrag festzuhalten. 88 Aber auch im Rahmen des § 626 BGB und der Sonderkündigungsregelung im Einigungsvertrag kommt dem dort genannten Begriff der Unzumutbarkeit keine eigenständige Bedeutung neben der Interessenabwägung zu. Er kennzeichnet auch hier lediglich das Ergebnis der Interessenabwägung, ohne jedoch einen faßbaren Maßstab zu liefern. 89 Das Erfordernis der Unzumutbarkeit kann nur als Hinweis auf den Ausnahmecharakter der Vorschriften 90 und damit auf 83

Preis, Prinzipien, S. 150 ff; ders., ZG 1988, 319 (326). Erman-Hanau, § 626 BGB Rdn 41; Preis, Prinzipien, S. 157 f; Staudinger-Preis, § 626 BGB Rdn 73; vgl. auch: Bley, S. 47. 85 AR-Blattei-Adomeit, Kündigung IX, Β II 2; Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 5 Rdn 18; Herschel, ArbuR 1968, 193 (196 f); Hofmann, ZfA 1970, (76); vHoyningen-Huene, Billigkeit, S. 93 ff; Preis, Prinzipien, S. 149 f; Stahlhacke/Preis, Rdn 448. 86 Joost, S. 134m f; MünchHandb-ArbR-Berkowsky, § 130 Rdn 34 f; Precklein, S. 43; Preis, Prinzipien, S. 169 ff. 87 BAG AP Nr. 17 KSchG 1969 Krankheit; Hromadka, NZA 1996, 1 (6); MünchKomm-Schwerdtner, Vor § 620 BGB Rdn 398; Oetker, Anm BAG EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 28, S. 51; Precklein, S. 43. 88 BAG AP Nr. 5 zu § 1 KSchG; AP Nr. 3 zu § 1 KSchG 1969; AP Nr. 17 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit; Hromadka, NZA 1996, 1 (6); MünchKomm-Schwerdtner, Vor § 620 BGB Rdn 398; Oetker, Anm zu BAG EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 28, S. 50 f; Schwerdtner, DB 1990, 375 (377); ablehnend auch: Herschel, DB 1984, 1523 (1524). 89 Erman-Hanau, § 626 BGB Rdn 41; Stahlhacke/Preis, Rdn 448; Staudinger-Preis, § 626 BGB Rdn 73. 90 Vgl. dazu: Erman-Hanau, § 626 BGB Rdn 6 u. 41; Herschel, FS G. Müller, S. 199; Preis, Prinzipien, S. 476; Stahlhacke/Preis, Rdn 449; Staudinger-Preis, § 626 BGB Rdn 73. 84

154

4. Teil: Allgemeine Rechtsprinzipien

die besonders strengen Maßstäbe für die Interessenabwägung verstanden werden. Die Interessen des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses müssen die Interessen des Arbeitnehmers deutlich überwiegen. 91

V. Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit Im Hinblick auf die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Kündigungsrecht muß zunächst festgestellt werden, daß die Prinzipien der Erforderlichkeit, der Unzumutbarkeit, der Interessenabwägung und der Verhältnismäßigkeit oftmals synonym und inhaltlich beliebig austauschbar verwendet werden. 92 Zudem werden die Prinzipien gegenseitig zur Erläuterung und Begründung herangezogen, ohne daß die Entscheidungsfindung methodisch offengelegt wird. 9 3 Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit ist ursprünglich im Verwaltungsrecht und im Verfassungsrecht entwickelt worden, seine Anwendung im Zivilrecht und insbesondere im Arbeitsrecht ist bis heute umstritten 9 4 Deshalb soll zunächst die Stellung des Verhältnismäßigkeitsprinzips im Verfassungs- und Verwaltungsrecht und dessen Inhalt kurz dargestellt und sodann die Anwendung im Arbeitsrecht, insbesondere im Kündigungsrecht, diskutiert werden. 1. Das Prinzip im öffentlichen

Recht

Erste Ansätze zur Kontrolle staatlicher Tätigkeit mit Hilfe des Gebotes eines angemessenen Verhältnisses zwischen Mittel und Zweck finden sich in den vernunftrechtlichen Staatsrechtslehren; in § 10 II 17 des Allgemeinen Landrechts für die preußischen Staaten wurde die Aufgabe der Polizei auf die "nöthigen Anstalten" beschränkt. 95 In der Folgezeit entwickelte sich die Verhältnismäßigkeit zu einem allgemeinen Rechtsgrundsatz im Verwaltungs- und 91 Erman-Hanau, § 626 BGB Rdn 41; Preis, ZG 1988, 319 (330); Stahlhacke/Preis, Rdn 449; Staudinger-Preis, § 626 BGB Rdn 73; vgl. auch: Lieb, S. 98; Precklein, S. 71 f. 92 Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 5 Rdn 51 u. 57; Preis, Prinzipien, S. 261 f; als Beispiel siehe: Pachtenfels, S. 1479 ff. 93 Preis, Prinzipien, S. 261, der zu dem Ergebnis kommt: "Bei alldem handelt es sich offensichtlich nur um Scheinbegründungen und den untauglichen Versuch, über diese Regulativbegriffe den Maßstab, der an die Rechtfertigung der Kündigung zu legen ist, näher bestimmen zu wollen. Methodisch nicht abgesicherte und höchst allgemeine Prinzipien dienen ihrer wechselseitigen Legitimation. Zwangsläufig muß es so zu einer Vielzahl von Zirkelschlüssen kommen." 94 Ausführlich: Canaris, JuS 1989, S. 161 ff; Dey, S. 32 ff; Medicus, AcP Bd. 192 (1992), S. 35 ff; Preis, Prinzipien, S. 274 ff; Zitscher, S. 1285 ff. 95 Vgl. dazu: Stern, Bd. III/2, S. 765 f; Maier, S. 229 ff.

Α. Die Prinzipien im Kündigungsrecht

155

Verfassungsrecht. 96 Nach heute verbreiteter Ansicht ergibt sich das Verhältnismäßigkeitsprinzip aus dem Rechtsstaatsprinzip, hat also Verfassungsrang. 97 Große Bedeutung hat das Prinzip im Bereich der Grundrechtsbeschränkung und bei der Frage nach der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen.98 Auch für die Prüfung der Rechtmäßigkeit von Eingriffsverwaltungsakten im Verwaltungsrecht spielt das Prinzip der Verhältnismäßigkeit eine tragende Rolle, ebenso im Bereich der Leistungsverwaltung. 99 Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit setzt sich aus den drei Grundsätzen Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit zusammen. 100 Geeignet ist eine Maßnahme dann, wenn mit ihrer Hilfe der beabsichtigte Zweck erfüllt werden kann. 1 0 1 Erforderlich ist eine Maßnahme, wenn es keine mildere, genauso geeignete Maßnahme gibt, die den Betroffenen weniger stark belastet. 102 Angemessen ist eine Maßnahme schließlich, wenn die Schwere des Eingriffs nicht außer Verhältnis zum beabsichtigten Zweck der Maßnahme steht, daß heißt, auch die mildeste Maßnahme muß unterbleiben, wenn die Belastung des Betroffenen außer Verhältnis zum beabsichtigten Zweck steht. 103 2. Das Prinzip im Privatrecht Die Frage, ob und inwieweit das Prinzip der Verhältnismäßigkeit auch im Privatrecht Anwendung findet, ist umstritten. Im Zusammenhang mit der Anwendung dieses verfassungsrechtlichen Prinzips steht die schon vorne erläuterte Frage nach der Wirkung der Grundrechte im Privatrecht, da es auch insoweit

96 Jacobs, S. 98; ausführlich zur Entwicklung: Stern, Bd. III/2, S. 762 ff; auch im Recht der EU: EuGHE 1973, 1091 (1112); BVerfG NJW 1993, 3047 (3057); ErichsenEhlers, § 3 Rdn 15 u. 17; Wolf/Bachof/Stober, § 17 Rdn 12. 97 BVerfGE 17, 306 (313 f); 19, 342 (348 f); 23, 127 (133); 65, 1 (44); 76, 1 (50 f); Bleckmann, S. 78 fu. 177 ff; Erichsen-Ossenbühl, § 6 Rdn 3; Hesse, Rdn 185; Jakobs, S. 98; Stein, S. 240; Stern, Bd. III/2, S. 769; aus dem Wesen der Grundrechte wird es abgeleitet von: vMünch/Kunig-Schnapp, Art. 20 Rdn 27; gegen Verfassungsrang des Prinzips selber: Medicus, AcP Bd. 192 (1992), 35 (53 f). 98 BVerfGE 49, 24 (58); 83, 201 (212); 83, 363 (392); 84, 212 (230 f); Hesse, Rdn 317 ff; Stein, S. 240; Stern, Bd. III/2, S. 763. 99 BVerwGE 42, 133 (137); 50, 49 (54 f); 60, 126 (128 f); Bleckmann, S. 178 ff; Götz, Rdn 249 ff; Peine, Rdn 70, 207 u. 209; Stern, Bd. III/2, S. 764; Wolf/Bachof/ Stober, § 30 Rdn 8. 100 BVerfGE 30, 292 (315 f); Hesse, Rdn 317; Medicus, AcP Bd. 192 (1992), 35 (51 f); Stein, S. 240; Stern, Bd. I, S. 866; zur Vielfalt der verwendeten Begriffe: Preis, Prinzipien, S. 265 f. 101 Stein, S. 240 f; Stern, Bd. III/2, S. 776 ff; Preis, Prinzipien, S. 265. 102 Stein, S. 241 f; Stern, Bd. III/2, S. 779 ff; Preis, Prinzipien, S. 265. 103 Stein, S. 242 f; Stern, Bd. III/2, S. 782 ff; Preis, Prinzipien, S. 266.

156

4. Teil: Allgemeine Rechtsprinzipien

um die Anwendung von Verfassungsrecht im Privatrecht geht. 1 0 4 Zu unterscheiden ist zunächst zwischen der Bindung des Gesetzgebers an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, also die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von privatrechtlichen Normen anhand des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, und der Geltung des Grundsatzes in der Privatrechtsordnung. 105 Für die Frage der Anwendbarkeit im Rahmen des Kündigungsrechts ist nur die zweite Thematik von Bedeutung. Ausgangspunkt der Betrachtung muß die im Privatrecht grundsätzlich geltende Privatautonomie sein, die einer Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes entgegensteht.106 Etwas anderes kann nur für Bereiche gelten, in denen die Vertragsfreiheit aufgrund dem öffentlichen Recht ähnlicher Verhältnisse nicht zum Ausgleich der Interessen führt. 1 0 7 In Anlehnung an die Theorie der mittelbaren Wirkung der Grundrechte wird auch die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Privatrecht nur mittelbar über die Auslegung, insbesondere von Generalklauseln, zugelassen.108 Insgesamt herrscht jedoch große Unklarheit über Umfang und dogmatische Begründung der Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Privatrecht. 109 Eine überzeugende Möglichkeit, die Anwendung im Privatrecht methodisch abzusichern hat Preis entwickelt. 110 Danach ist die Anwendung abhängig von der Machtposition eines Rechtssubjektes, der rechtlichen Möglichkeit einseitiger Interessendurchsetzung, der Reichweite des Beurteilungsspielraums de;s Eingreifenden, dem Umfang des gesetzlichen Interessenausgleichs und der Bedeutung des betroffenen Rechtskreises. 111 Dadurch läßt sich die Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Privatrecht auf die auch im öffentlichen Recht bestehenden Situationen beschränken, in denen ein Über- und Unterordnungsverhältnis vorliegt. Neben aller dogmatischer Unklarheit über die Reichweite des Verhältnismäßigkeitsprinzips im Privatrecht gilt jedoch auch hier, daß eine Anwendung nicht in Frage kommt, soweit der Gesetzgeber bereits eine Regelung getroffen hat. 1 1 2

104

Medicus, AcP Bd. 192 (1992), 35 (43 ff). Medicus, AcP Bd. 192 (1992), 35 (54 ff). 106 Jakobs, S. 101; Medicus, AcP Bd. 192 (1992), 35 (61 ff); Preis, Prinzipien, S. 283 f; vgl. auch: vHoyningen-Huene, RdA 1990, 193 (195 f); Loritz, RdA 1991, 65 (67 ff). 107 Jakobs, S. 101; Preis, Prinzipien, S. 284. 108 Canaris, JuS 1989, 161 (163); Medicus, AcP Bd. 192 (1992), 35 (61 fu. 70). 109 Canaris, JuS 1989, 161 (164 fï); ausführlich: Preis, Prinzipien, S. 274 ff. 110 Preis, Prinzipien, S. 285 ff. 111 Preis, Prinzipien, S. 285 ff; ähnlich: Dey, S. 46 ff. 112 Hromadka, NZA 1996, 1 (6); Preis, Prinzipien, S. 267 u. 290 ff. 105

Α. Die Prinzipien im Kündigungsrecht

157

3. Die Anwendung im Kündigungsrecht Außerhalb des Kündigungsrechts wurde der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Arbeitsrecht in zwei Bereichen angewandt. Das BAG behandelte den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Arbeitskampfrecht 113 und auch bei der Kostentragungspflicht des Arbeitgebers hinsichtlich einer Betriebsratstätigkeit. 114 Die Geltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im Kündigungsrecht wurde ausdrücklich erstmals im Urteil des BAG vom 30.05.1978 angenommen. 115 Seitdem ist er sowohl in der Rechtsprechung 116 als auch in weiten Teilen der Arbeitsrechtswissenschaft 117 zu einem festen Bestandteil der Wirksamkeitsprüfung einer Kündigung geworden. Häufig wird der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit aber nur auf den Teilgrundsatz der Erforderlichkeit bezogen, 118 die Anwendung auch des Teilgrundsatzes der Angemessenheit wird aber auch teils ausdrücklich bejaht. 1 1 9 Teilweise wird die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes aber auch kritisch beurteilt. 120

113

BAG AP Nr. 43 zu Art. 9 GG Arbeitskampf; NJW 1985, 85 (89). BAG AP Nr. 18 u. 24 zu § 37 BetrVG 1972; AP Nr. 2 zu § 40 BetrVG 1972; vgl. auch: Blomeyer, FS 25 Jahre BAG, S. 23 ff; Zitscher, S. 1286. 115 BAG AP Nr. 70 zu § 626 BGB. 116 BAGE 33, 1 ff; 34, 365 (371); 38, 348 (356); 40, 361 (375); BAG AP Nr. 6 zu § 1 KSchG 1969 Konzern; DB 1985, 1186; NZA 1986, 260 (262); DB 1993, 1879 (1881). 117 Dassau, S. 36; Däubler, ArbR 2, S. 526; Dey, S. 135 ff; Dütz, ArbR, Rdn 330; Erman-Hanau, § 626 BGB Rdn 42; Gamillscheg, ArbR, S. 357; Hanau/Adomeit, S. 213; HAS-Popp, § 19 D Rdn 3; Herschel/Löwisch, § 1 KSchG Rdn 73; Huene/vHoyningenHuene, § 1 KSchG Rdn 139 ff; Kittner/Trittin, § 1 KSchG Rdn 49 ff; Knorr/Bichlmeier/ Kremhelmer, 10. Kapitel Rdn 8 ff; KR-Becker, § 1 KSchG Rdn 144; KR-Hillebrecht, § 626 BGB Rdn 189 ff; KR-Rost, § 2 KSchG Rdn 106a; Lieb, S. 98 f; MünchKommSchwerdtner, Vor § 620 Rdn 157 u. 279; Oetker, SAE 1991, 15 (19); RGRK-Weller, Vor § 620 BGB Rdn 157; Schaub, ArbRHandb, S. 1041; Pachtenfels, S. 1479 ff; Stahlhacke/Preis, Rdn 616; Staudinger-Preis, § 626 BGB Rdn 86; Wank, RdA 1987, 129 (136 f). 118 Vgl. nur: BAG AP Nr. 6 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit; AP Nr. 8 zu § 2 KSchG 1969; DB 1993, 1879 (1881); KR-Becker, § 1 KSchG Rdn 144; Schaub, ArbRHandb, S. 1041; Stahlhacke/Preis, Rdn 616; Staudinger-Preis, § 626 BGB Rdn 86; vgl. auch: Hromadka, NZA 1996, 1 (6), der die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes allein auf die aus ihm folgende Rechtfertigung des Erforderlichkeitsgrundsatzes im Kündigungsrecht beschränkt. 114

158

4. Teil: Allgemeine Rechtsprinzipien

Unabhängig von der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Zivilrecht und insbesondere im Arbeitsrecht Anwendung finden kann, ist zunächst zu fragen, ob die gesetzlichen Kündigungsregelungen überhaupt Platz für eine Anwendung des allgemeinen Prinzips der Verhältnismäßigkeit lassen. Denn auch für das Verhältnismäßigkeitsprinzip gilt, daß die Anwendung nur möglich ist, wenn der Gesetzgeber im Rahmen der gesetzlichen Regelung nicht bereits eine Konkretisierung des Prinzips vorgenommen hat. 1 2 1 Hinsichtlich der Grundsätze der Geeignetheit und Erforderlichkeit hat der Gesetzgeber jedoch im Rahmen des § 1 KSchG und auch des § 626 BGB die Geltung dieser Grundsätze, wie oben ausgeführt, geregelt. 122 Aber auch die Geltung des Grundsatzes der Angemessenheit ist durch das Erfordernis einer Interessenabwägung bereits in der gesetzlichen Regelung des § 1 Abs. 2 KSchG konkretisiert. 123 Denn der Grundsatz der Angemessenheit stellt nichts anderes als die Ermächtigung des Rechtsanwenders dar, eine Interessenabwägung vorzunehmen. 124 Wenn aber die gesetzliche Regelung eine Interessenabwägung vorsieht, die sich, wie oben dargelegt, an den vorgegebenen Grenzen des § 1 Abs. 2 KSchG zu orientieren hat, ist kein Platz für eine allgemeine Interessenabwägung aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. 125 Auch für die außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB ist die Abwägung der Interessen gesetzlich normiert, so daß ein Rückgriff auf den allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht in Betracht kommt. Zusammenfassend ist also festzustellen, daß das Prinzip der Verhältnismäßigkeit im Kündigungsrecht keine Anwendung findet, da die einzelnen Teilgrundsätze bereits gesetzlich konkretisiert sind.

119

Dassau, S. 36; Dey, S. 120 f; Kittner/Trittin, § 1 KSchG Rdn 49 u. 50 ff; ähnlich: Oetker, SAE 1991, 15 (19); ders., Anm. zu BAG EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 28, S. 48 ff, der die Angemessenheit auf "extrem gelagerte Ausnahmefälle" begrenzen will; vgl. auch: Wank RdA 1987, 129 (136 f). 120 Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 5 Rdn 51 ff; Boewer, NZA 1988, 678 (681); ders., FS Gaul, S. 36 f; Precklein, S. 51 ff; Zitscher, S. 1285 ff. 121 Blomeyer, FS 25 Jahre BAG, S. 30; Boewer, FS Gaul, S. 36; Hromadka, NZA 1996, 1 (6); Oetker, SAE 1991, 15 (16); Precklein, S. 52 f; Preis, Prinzipien, S. 267 u. 290 ff. 122 Precklein, S. 53; Stahlhacke, Fachtagung, S. 18 f; vgl. Seite 142 ff der Arbeit. 123 Hromadka, NZA 1996, 1 (6); Precklein, S. 53; vgl. Seite 146 ff der Arbeit. 124 Blomeyer, FS 25 Jahre BAG, S. 18; Boewer, FS Gaul, S. 36; Hirschberg, S. 77 u. 83 ff; Jakobs, S. 100; Larenz, S. 480 f; Precklein, S. 53; Preis, Prinzipien, S. 269 ff. 125 Hromadka, NZA 1996, 1 (6); Precklein, S. 53.

Α. Die Prinzipien im Kündigungsrecht

159

VI. Sonstige Prinzipien Neben den schon beschriebenen Prinzipien sind das Prognoseprinzip, das im nächsten Abschnitt ausführlich dargestellt wird, und die Prinzipien des Vertrauensschutzes und der Gleichbehandlung im Kündigungsrecht von Bedeutung. 7. Das Prinzip des Vertrauensschutzes Das Vertrauensschutzprinzip spielt zunächst im Falle der Störung des Vertrauens als Kündigungsgrund eine Rolle, 1 2 6 daneben kann bei langer Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers das Vertrauensschutzprinzip zum Tragen kommen, 1 2 7 worauf im Rahmen der Interessenabwägung bei der Kündigung wegen Sicherheitsbedenken einzugehen sein wird. Außerdem ist das Vertrauensschutzprinzip im Hinblick auf einen Vertrauensschutz des Arbeitnehmers bei widersprüchlichem Verhalten des Arbeitgebers von Bedeutung. 128 Der Grundsatz vom Verbot des venire contra factum proprium findet sowohl im Rahmen des § 1 KSchG als auch des § 626 BGB Anwendung. 1 2 9 Er besagt, daß eine Kündigung dann unwirksam ist, wenn der Arbeitgeber vorher deutlich gemacht hat, er werde den Sachverhalt nicht zum Anlaß einer Kündigung nehmen. 130 Ein Verstoß gegen das Vertrauensschutzprinzip kann im Hinblick auf die Kündigung wegen Sicherheitsbedenken dann gegeben sein, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zugesichert hat, bestimmte Umstände würden einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit nicht entgegenstehen, dann aber eine Kündigung wegen Sicherheitsbedenken ausspricht. Gleiches gilt, wenn dem Arbeitgeber die Umstände, auf denen die Sicherheitsbedenken beruhen, bei der Einstellung des Arbeitnehmers bereits bekannt waren. 1 3 1 Da hier keine Besonderheiten gegenüber anderen Kündigungen bestehen, sollen diese kurzen Ausführungen zum Prinzip des Vertrauensschutzes genügen. 2. Das Prinzip der Gleichbehandlung Art und Umfang der Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung im Kündigungsrecht ist umstritten. 132 Bedeutung kann der Grundsatz nur im Be-

126 V g i

d a z u u n d zur Kritik

.

Seite

107 ff der Arbeit.

127

Ausführlich: Preis, Prinzipien, S. 372 ff. 128 Ausführlich: Preis, Prinzipien, S. 363 ff. 129 BAGE 24, 292 (298); 28, 176 (184); AP Nr. 3 zu § 620 BGB; Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 157 f; Herschel/Löwisch, Vor § 1 KSchG Rdn 41; Preis, Prinzipien, S. 369. 130 Yg| z u d e n einzelnen Fallgruppen: Preis, Prinzipien, S. 369 ff. 131 132

BAG AP Nr. 3 zu § 1 KSchG Sicherheitsbedenken; Herschel, Anm BAG aaO. Ausführlich: Preis, Prinzipien, S. 375 ff.

160

4. Teil: Allgemeine Rechtsprinzipien

reich der herausgreifenden Kündigung haben, wenn der Arbeitgeber trotz mehrerer gleicher Sachverhalte nur einem Arbeitnehmer kündigt. Teilweise wird eine nur mittelbare Anwendung im Rahmen der Interessenabwägung bei der herausgreifenden Kündigung angenommen, 133 teilweise wird eine direkte Anwendung befürwortet. 134 Im Ergebnis besteht jedoch weitgehend Einigkeit, daß der Arbeitgeber im Fall der herausgreifenden Kündigung darlegen muß, warum er das Arbeitsverhältnis nur eines Arbeitnehmers gekündigt hat. 1 3 5 Ein solcher Fall gleichgelagerter Kündigungssachverhalte dürfte in der Praxis jedoch selten vorkommen. 136 Deshalb und weil bei der Kündigung wegen Sicherheitsbedenken keine Unterschiede zu anderen Kündigungsgründen bestehen, soll auf eine eingehende Darstellung des Gleichbehandlungsgrundsatzes verzichtet werden.

B. Insbesondere: Die Zukunftsbezogenheit der Kündigungsgründe und das Prognoseprinzip In Rechtsprechung und Arbeitsrechtswissenschaft ist in den letzten Jahren ein neues Prinzip in Erscheinung getreten: Das Prognoseprinzip. 137 Aus der Erkenntnis, daß alle Kündigungsgründe zukunfisbezogen sind, folgt, daß die Wirksamkeit der Kündigung abhängig ist, von der zukünftigen Entwicklung des Arbeitsverhältnisses nach Ausspruch der Kündigung. 138 Die zukünftige Entwicklung des Arbeitsverhältnisses kann aber nur aufgrund einer Prognose erfolgen. 1 3 9 Das Prognoseprinzip spielt für die Kündigung wegen Sicherheitsbeden133

BAG AP Nr. 41 zu Art. 9 GG Arbeitskampf; AP Nr. 3 zu § 2 KSchG 1969; Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 5 Rdn 78; Herschel/ Löwisch, Vor § 1 KSchG Rdn 39a; Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 153 f; Kittner/Trittin, § 1 KSchG Rdn 55; Knorr/Bichlmeier/Kremhelmer, 10. Kapitel Rdn 19; KR-Becker, § 1 KSchG Rdn 153; RGRK-Corts, § 626 BGB Rdn 70. 134 Preis, Prinzipien, S. 387 ff; Stahlhacke/Preis, Rdn 199. 135 BAG AP Nr. 41 zu Art. 9 GG Arbeitskampf; EzA § 103 BetrVG 1972 Nr. 23; Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 154; Stahlhacke/Preis, Rdn 198. 136 So auch: Preis, Prinzipien, S. 375 fu. 390 f. 137 Vgl. die neueren umfassenden Darstellungen: Gentges, Prognoseprobleme im Kündigungsschutzrecht, 1995; Honstetter, Die Prognoseentscheidung des Arbeitgebers im Kündigungsrecht, 1994. 138 Ygj § e j t e 9g ^er Arbeit; s j e h e aber auch: Gentges, S. 56 ff, der die grundsätzliche Zukunftsbezogenheit ablehnt; ebenso: Fromm, S. 330 ff, 412 ff u. 443 ff. 139

Birkner-Kuschyk/Tschöpe, S. 266; Herschel/Löwisch, § 1 KSchG Rdn 75; Hillebrecht, S. 120; Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 123 u. 126 ff; MünchKomm-Schwerdtner, Vor § 620 BGB Rdn 217; Precklein, S. 44; Preis, Prinzipien, S. 322; RGRK-Weller, Vor § 620 BGB Rdn 160; Stahlhacke/Preis, Rdn 618; auch: BVerfG NZA 1995, 619 (621 ff); kritisch: Gentges, S. 56 ff; Wank, RdA 1993, 79 (83 f)·

Β. Zukunftsbezogenheit und Prognoseprinzip

161

ken eine entscheidende Rolle, da die Kündigung allein auf der Besorgnis zukünftiger Beeinträchtigungen der vertraglichen und betrieblichen Interessen des Arbeitgebers beruht. 1 4 0

I. Grundsätzliches zum Prognoseprinzip Bislang ist die Bedeutung einer Prognose insbesondere bei der krankheitsbedingten Kündigung erörtert worden. 1 4 1 Aber auch hinsichtlich anderer Kündigungen wird das Erfordernis einer Prognose immer mehr in den Vordergrund gestellt. Unter Prognose ist dabei die vorausgedachte Entwicklung des Arbeitsverhältnisses in der Zukunft zu verstehen. 142 Eine Prognose beinhaltet also immer ein Wahrscheinlichkeitsurteil und ist somit unsicher. Von besonderem Interesse sind deshalb die Fragen nach den Grundlagen einer Prognose, nach einem eventuellen Prognosespielraum des Kündigenden, dem Prognosezeitpunkt und nach den Reaktionsmöglichkeiten auf Fehlprognosen. 143 Das Problem der Prognoseentscheidung stellt sich nicht nur im Kündigungsrecht; es ist auch in anderen Rechtsgebieten von Bedeutung. Im Verfassungsrecht wird insbesondere dem Gesetzgeber hinsichtlich der Geeignetheit von Gesetzen ein weiter Prognosespielraum eingeräumt. 144 Auch im Verwaltungsrecht sind Prognoseentscheidungen von Bedeutung, insbesondere im Planungsrecht. Aber auch im Polizei- und Ordnungsrecht verlangt die Eingriffsermächtigung das Vorliegen einer Gefahr, also die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts in der Zukunft. 1 4 5 Im Strafrecht finden sich Prognoseentscheidungen insbesondere im Bereich der Strafverfolgungsmaßnahmen

140

Vgl. schon Seite 107 ff der Arbeit. BAG AP Nr. 1 zu § 1 KSchG Krankheit; AP Nr. 6, 18 u. 31 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit; Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 5 Rdn 67 ff u. § 7 Rdn 1 ff; Boewer, NZA 1988, 678 (684 ff); HAS-Popp, § 19 D Rdn 19 ff; Joost, S. 134f ff; Kittner/Trittin, § 1 KSchG Rdn 76 ff; Mathern, S. 818; Popp, S. 2614 ff; Preis, Prinzipien, S. 323; Stahlhacke/Preis, Rdn 740 ff. 142 Zum Begriff: Honstetter, S. 12 f. 143 Vgl.: Preis, Prinzipien, S. 323. 144 BVerfGE 30, 250 (263); 45, 187 (238); 50, 290 (331 ff); 57, 139 (159 f); 65, 1 (55 f); Hirschberg, S. 51 ff; Honstetter, S. 103 f. 145 PrOVGE 77, 333; 87, 301 (310); BVerwGE 45, 51 (57); OVG Münster NJW 1988, 2968; Achterberg/Püttner-Würtenberger, Polizei- und Ordnungsrecht, Rdn 152; Drews/Wacke/Vogel/Martens, S. 223; Götz, Rdn 115; Gusy, Rdn 108; Honstetter, S. 104 ff; Schmidt-Aßmann-Friauf, Polizei- und Ordnungsrecht, Rdn 45; Steiner-Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rdn 34; Wolff/Bachof, Bd. III, § 125 Rdn 18; zum AtomG: Achterberg/Püttner-Ehlers, Wirtschaftsaufsicht, Rdn 598; Steiner-Schenke, Umweltrecht, Rdn 264. 141

11 Meyer

162

4. Teil: Allgemeine Rechtsprinzipien

aber auch im Rahmen von Notwehr- und Notstandshandlungen.146 Im Zivilrecht ist zum Beispiel hinsichtlich des Kündigungsrechts des Vermieters wegen Eigenbedarfs nach § 564b B G B 1 4 7 oder im Rahmen von Unterlassungsansprüchen 1 4 8 eine Prognose erforderlich. Schließlich sind auch im Arbeits- und Sozialrecht außerhalb des Kündigungsrechts Prognoseentscheidungen zu finden. 1 4 9 Aufgrund der Besonderheiten der jeweiligen Rechtsgebiete erfolgt jedoch eine unterschiedliche Behandlung des Prognoseprinzips. 150 Trotzdem können im weiteren aus den Erkenntnissen in anderen Rechtsgebieten auch Rückschlüsse auf das Prognoseprinzip im Kündigungsrecht gezogen werden.

I I . Die Prognose im Kündigungsrecht Zunächst soll die Legitimtion des Prognoseprinzips im Kündigungsrecht und die Anwendung desselben im Rahmen der verschiedenen Kündigungsgründe dargestellt werden. /. Die Legitimation des Prognoseprinzips Das Arbeitsverhältnis ist ein Dauerschuldverhältnis. Die Kündigung löst das Schuldverhältnis ex-nunc auf, also für die Zukunft. Das bedeutet aber, daß nur solche Gründe die Kündigung rechtfertigen können, die eine Auflösung gerade für die Zukunft erfordern. 151 Die Zukunftsbezogenheit ergibt sich auch aus dem Zweck der Kündigung. 152 Dieser besteht nämlich in der Aufrechterhaltung des Betriebs. Die Kündigung gibt dem Arbeitgeber die Möglichkeit, sich von Arbeitnehmern zu trennen, die die sich aus dem Arbeitsvertrag ergebende Leistung nicht mehr erbringen können oder wollen. Dabei kann es aber nur um die künftige Erreichbarkeit des Vertragszweckes gehen, da die Leistung in der Vergangenheit nicht mehr beeinflußbar ist. 1 5 3 Schließlich spricht auch der Wortlaut des § 1 Abs. 2 KSchG und des § 626 BGB für die Maßgeblichkeit der zukünftigen Entwicklung, denn § 1 Abs. 2 KSchG spricht davon, daß die Gründe einer 146

BGH NJW 1969, 1802; Dreher/Tröndle, § 34 StGB Rdn 3; Honstetter, S. 107 f; Rudolphi, S. 381 ff; Schaffstein, S. 89 ff; Schönke/Schröder-Lenckner, § 34 StGB Rdn 13 ff. 147 Honstetter, S.108 f; Stebut, S. 292 f. 148 Honstetter, S. 109; Palandt-Bassenge, § 1004 BGB Rdn 29c. 149 Honstetter, S. 100 ff. 150 Honstetter, S. 109; Preis, Prinzipien, S. 324. 151 Erman-Hanau, § 626 BGB Rdn 29; Herschel, FS G. Müller, S. 202; ders., Anm BAG AP Nr. 78 zu § 626 BGB; Honstetter, S. 6; MünchKomm-Schwerdtner, Vor § 620 BGB Rdn 217; Preis, Prinzipien, S. 332; ders., Anm LAGE Nr. 1 zu § 611 BGB Einstellungsanspruch. 152 Vgl. dazu bereits Seite 97 f der Arbeit. 153 Honstetter, S. 8; KR-Wolf, Grds Rdn 115; Preis, Prinzipien, S. 333.

Β. Zukunftsbezogenheit und Prognoseprinzip

163

"Weiterbeschäftigung" entgegenstehen müssen, § 626 BGB spricht von der Unzumutbarkeit der "Fortsetzung" des Dienstverhältnisses. 154 Auch Ziff. 5 Nr. 2 EV macht die Kündigung von der Unzumutbarkeit des "Festhaltens" am Arbeitsvertrag abhängig. 155 Geht man nach dem oben Gesagten davon aus, daß für die Rechtfertigung aller Kündigungsgründe eine Prognose erforderlich ist, kann man von einem Prognoseprinzip sprechen. 156 Denn die Notwendigkeit der Prognose ist damit im Kündigungsrecht ein normübergreifender allgemeiner Grundsatz. 157 Dieses Rechtsprinzip ist jedoch wiederum rein technischer, also formeller Natur. Es beinhaltet keine Aussagen über rechtsethische Werte, sondern besagt lediglich, daß für die Entscheidungsfindung die zukünftige Entwicklung maßgeblich ist. 2. Die Anwendung des Prognoseprinzips Geht es um die Anwendung und den Umfang des Prognoseprinzips im Kündigungsrecht, so ist zweckmäßigerweise wiederum zwischen personenbedingter, verhaltensbedingter und betriebsbedingter Kündigung zu unterscheiden. Die folgenden Ausführungen gelten sowohl für die ordentliche als auch für die außerordentliche Kündigung, da insoweit keine Unterschiede bestehen. 158 a) Die betriebsbedingte und die verhaltensbedingte Kündigung Für die Rechtfertigung der betriebsbedingten Kündigung ist entscheidend, daß ein Arbeitsplatz weggefallen ist und für den Arbeitnehmer keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit besteht. Dabei genügt es nicht, wenn die Weiterbeschäftigung vorübergehend nicht möglich ist, sie muß vielmehr auf Dauer entfallen. Diese Feststellung beinhaltet eine Prognose. 159 Darüber hinaus ist eine betriebsbedingte Kündigung bereits möglich, wenn die betrieblichen Umstände, die zum Wegfall des Arbeitsplatzes führen, "greifbare Formen" angenommen

154 Erman-Hanau, § 626 BGB Rdn 29; Honstetter, S. 10; Preis, Prinzipien, S. 332 f; RGRK-Weller, Vor § 620 BGB Rdn 160; Staudinger-Preis, § 626 BGB Rdn 89. 155 Honstetter, S. 11. 156 Preis, Prinzipien, S. 325 f. 157 Vgl. zum Begriff des Rechtsprinzips bereits Seite 139 ff der Arbeit. 158 BAG AP Nr. 20 zu § 626 BGB Ausschlußfrist; Ascheid, Kündigungsschutzrecht, Rdn 126 f; Erman-Hanau, § 626 BGB Rdn 29; Honstetter, S. 87; Stahlhacke/Preis, Rdn 452; Staudinger-Preis, § 626 BGB Rdn 89 ff; aA: Gentges, S. 287 ff. 159 BAG AP Nr. 16 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; Berkowsky, Die betriebsbedingte Kündigung, § 10 Rdn 1; HAS-Preis, § 19 F Rdn 42; Kittner/Trittin, § 1 KSchG Rdn 295 u. 297; KR-Becker, § 1 KSchG Rdn 319; MünchHandb-ArbRBerkowsky, § 130 Rdn 77; Preis, Prinzipien, S. 331; Stahlhacke/Preis, Rdn 644; Wank, RdA 1993, 79 (83).

11*

164

4. Teil: Allgemeine Rechtsprinzipien

haben und der Arbeitsplatz spätestens zum Ende der Kündigungsfrist wegfällt. 1 6 0 In diesen Fällen ist auch eine Prognose erforderlich. 161 Für die verhaltensbedingte Kündigung ist der Umfang der Geltung des Prognoseprinzips umstritten, da auch der Zweck dieser Kündigung unterschiedlich gesehen wird. Für die Bedeutung des Prognoseprinzips ist maßgeblich, ob und wieweit ein Sanktionscharakter angenommen wird. Teilweise wird vertreten, die verhaltensbedingte Kündigung wolle vorangegangenes Handeln des Arbeitnehmers sanktionieren. 162 In diesem Fall tritt das Prognoseprinzip in den Hintergrund; stellt man ausschließlich auf die Kündigung als Sanktion ab, hat es überhaupt keine Bedeutung. In den Vordergrund rückt dann vielmehr das Verschuldensprinzip. 163 Nach anderer Ansicht hat auch die verhaltensbedingte Kündigung keinen Sanktionscharakter, sondern gibt dem Arbeitgeber die Möglichkeit, sich von einem Arbeitnehmer zu trennen, um künftiges arbeitsvertragswidriges Verhalten zu verhindern. 164 In diesem Fall ist ein Verschulden des Arbeitnehmers nicht erforderlich; 165 ein vorliegendes oder fehlendes Verschulden muß jedoch im Rahmen der Prognose und auch bei der Interessenabwägung berück-

160 BAG AP Nr. 19 zu § 1 KSchG; AP Nr. 38 u. 53 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 70; Gentges, S. 162; HAS-Preis, § 19 F Rdn 39 ff; Kittner/Trittin, § 1 KSchG Rdn 296; Stahlhacke/ Preis, Rdn 644; Wank, RdA 1993, 79 (83). 161 BAG AP Nr. 53 zu § 1 KSchG 1969 Betreibsbedingte Kündigung. 162 Fromm, S. 443 ff; Gentges, S. 248; HAS-Popp, § 19 E Rdn 18; Popp, S. 2615; Wank, RdA 1993, 79 (83 f); Weller, Krankheit, S. 79; Zöllner/Loritz, S. 261. 163 HAS-Popp, § 19 E Rdn 18; gegen eine Prognose: Gentges, S. 248; Fromm, S. 443 ff; vgl. zum Verhältnis Verschuldensprinzip und Prognoseprinzip: Preis, Prinzipien, S. 333 ff. 164 BAG NZA 1989, 633; DB 1990, 634 f; Ascheid, Kündigungsschutzrecht, Rdn 29 u. 436; Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 17 Rdn 11 ff; Erman-Hanau, § 626 BGB Rdn 29; Herschel, FS G. Müller, S. 202 f; Herschel/Löwisch, § 1 KSchG Rdn 84; Hillebrecht, S. 120; Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 274; Kittner/Trittin, § 1 KSchG Rdn 166 f; Münch-Komm-Schwerdtner, Vor § 620 BGB Rdn 217 ff u. § 626 BGB Rdn 26; Preis, Prinzipien, S. 328 f; ders., DB 1990, 630 (634); Schwerdtner, Die verhaltensbedingte Kündigung, S. 104 f; Stahlhacke, Fachtagung, S. 21; Stahlhacke/Preis, Rdn 690. 165 BAGE 2, 214 (216); 256 (257); AP Nr. 9 zu § 313 ZPO; Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 17 Rdn 12; AR-Blattei-Adomeit, Kündigung IX, C I 2b u. C II 2a; Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 279; Lepke, Krankheit, S. 240; ders., NZA 1995, 1084 (1085 f); Maus, § 1 KSchG Rdn 158; MünchKomm-Schwerdtner, § 626 BGB Rdn 27; Preis, Prinzipien, S. 333; aA: Däubler, ArbR 2, S. 555; HAS-Popp, § 19 E Rdn 22 ff; Herschel/Löwisch, § 1 KSchG Rdn 85; Kittner/ Trittin, § 1 KSchG Rdn 156 f; Stahlhacke/Preis, Rdn 680.

Β. Zukunftsbezogenheit und Prognoseprinzip

165

sichtigt werden. 166 Der zweiten Ansicht ist zuzustimmen, da die Annahme eines Sanktionscharakters der verhaltensbedingten Kündigung dem Sinn und Zweck des KSchG widerspricht. Das Kündigungsrecht hat keine strafrechtlichen Funktionen. 1 6 7 Somit gilt das Prognoseprinzip aufgrund der Zukunftsbezogenheit auch für die verhaltensbedingte Kündigung uneingeschränkt. b) Die personenbedingte Kündigung Im Rahmen der personenbedingten Kündigung, insbesondere bei der krankheitsbedingten Kündigung, ist das Prognoseprinzip bislang am deutlichsten hervorgetreten. 168 Der Zweck der personenbedingten Kündigung ist allein der Schutz des Arbeitgebers vor künftigen Belastungen des Arbeitsverhältnisses. 169 Damit hängt die Entscheidung über die Wirksamkeit einer personenbedingten Kündigung entscheidend von der Prognose hinsichtlich dieser künftigen Belastungen ab. Im Rahmen der personenbedingten Kündigung ist die Prognose insbesondere bei der krankheitsbedingten Kündigung Gegenstand ausführlicher Diskussionen und Darstellungen. Aber auch für die Verdachtskündigung spielt die Frage nach der Bedeutung der Prognose eine Rolle. Diese Themen werden deshalb im weiteren noch zu behandeln sein. Danach soll der Inhalt des Prognoseprinzips näher erläutert werden. Dabei ist im Rahmen dieser Arbeit wiederum im wesentlichen eine Beschränkung auf die hier im Vordergrund stehende personenbedingte Kündigung angebracht.

I I I . Insbesondere: Die krankheitsbedingte Kündigung und die Verdachtskündigung Aufgrund der großen Beachtung der krankheitsbedingten Kündigung und der Verdachtskündigung soll der Darstellung dieser Themen hier ein breiterer Raum gegeben werden.

166

Erman-Hanau, § 626 BGB Rdn 30; MünchKomm-Schwerdtner, § 626 BGB Rdn 27; Preis, Prinzipien, S. 336 f; Stahlhacke, Fachtagung, S. 22; Stahlhacke/Preis, Rdn 680 u. 690. 167 Preis, Prinzipien, S. 336 f. 168 Bezani, S. 19 ff; HAS-Popp, § 19 D Rdn 7 u. § 19 E Rdn 15; Honstetter, S. 47 f; Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 127; Kittner/Trittin, § 1 KSchG Rdn 70 u. 76 ff; Lepke, Krankheit, S. 44 ff; Preis, Prinzipien, S. 326 ff; Stahlhacke/Preis, Rdn 618; kritisch: Gentges, S. 163 ff. 169 BAG NJW 1984, 1836; HAS-Popp, § 19 D Rdn 8; Honstetter, S. 17; Kittner/ Trittin, § 1 KSchG Rdn 70; Preis, Prinzipien, S. 326; Stahlhacke, Fachtagung, S. 21; Stahlhacke/Preis, Rdn 728; Weller, Krankheit, S. 79 f.

166

4. Teil: Allgemeine Rechtsprinzipien

1. Die krankheitsbedingte

Kündigung

Die krankheitsbedingte Kündigung wird in Rechtsprechung und Arbeitsrechtswissenschaft umfassend behandelt. Unbestritten ist, daß krankheitsbedingte Fehlzeiten des Arbeitnehmers einen personenbedingten Kündigungsgrund darstellen können. 1 7 0 Die krankheitsbedingte Kündigung ist in der Praxis der Betriebe und auch der Arbeitsgerichte der Hauptanwendungsfall der personenbedingten Kündigung. 171 Ist der Arbeitnehmer aufgrund einer Krankheit für nicht unerhebliche Zeit nicht in der Lage, seine arbeitsvertraglichen Pflichten zu erfüllen, stehen sich die gegenläufigen Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer in deutlich sichtbarer Weise gegenüber. 172 Der Arbeitnehmer ist regelmäßig ohne sein Verschulden nicht in der Lage, seine Arbeitsleistung zu erbringen, und will deshalb nicht seinen Arbeitsplatz verlieren, zumal er durch die Krankheit schon in seinem gesamten Lebensbereich belastet ist. 1 7 3 Für den Arbeitgeber sind dagegen bei langandauernden Krankheiten oder häufigen Kurzerkrankungen die Belastungen, die sich aus Lohnfortzahlungspflicht und betrieblichen Folgen aufgrund des Fehlens ergeben, erheblich. 174 Deswegen spielt gerade dieser Kündigungsgrund in der Praxis eine große Rolle, und deswegen ist dieses Thema Gegenstand einer breiten Diskussion in Rechtsprechung und Arbeitsrechtswissenschaft. Die Unterscheidung zwischen einer Kündigung wegen langandauernder Krankheit und häufigen Kurzerkrankungen kann hier unberücksichtigt bleiben, da die Kriterien für die soziale Rechtfertigung im wesentlichen die gleichen sind. 1 7 5 Voraussetzung für die soziale Rechtfertigung einer Kündigung wegen Krankheit ist erstens die negative Zukunftsprognose hinsichtlich der gesundheitlichen Entwicklung des Arbeitnehmers, zweitens die sich aus den prognostizierten Fehlzeiten ergebende erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen

170

Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 7 Rdn 4 f; Bezani, S. 10 f; Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 217; Knorr/Bichelmeier/ Kremhelmer, 10. Kapitel Rdn 51; KR-Becker, § 1 KSchG Rdn 210; Lepke, Krankheit, S. 32 ff; Stahlhacke/Preis, Rdn 740; Weller, Krankheit, S. 78 f; vgl. zu weiteren Störungen des Arbeitsverhältnisses aufgrund von Krankheit des Arbeitnehmers: Bezani, S. 13 ff; Lepke, NZA 1995, 1084 ff. 171 Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 7 Rdn 1; Stahlhacke/Preis, Rdn 740; vgl. auch die detaillierte Aufstellung bei: Bezani, S. 1 ff. 172 Herbst/Wohlfahrt, S. 1818: "Weiterhin ist es für viele Arbeitnehmer geradezu unglaublich, daß Krankheit ein anerkannter Kündigungsgrund sein soll; (...)" 173 BAG AP Nr. 7 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit; Herbst/Wohlfahrt, S. 1818. 174 Vgl. die Darstellung bei: Lepke, Krankheit, S. 1 ff. 175 BAG AP Nr. 10, 20 u. 21 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit; Berkowsky, Die personen· und verhaltensbedingte Kündigung, § 7 Rdn 11 f; Bezani, S. 18.

Β. Zukunftsbezogenheit und Prognoseprinzip

167

Interessen des Arbeitgebers und schließlich die Interessenabwägung. 176 Aus dieser dreistufigen Prüfung ergibt sich eine dreifache Prognoseentscheidung. 177 Die gesundheitliche Entwicklung des Arbeitnehmers erfordert eine Prognose; der bisherige Krankheitsverlauf stellt dagegen nur Anknüpfungstatsachen fiir die Prognoseentscheidung. 178 Die zukünftigen betrieblichen Auswirkungen sind aufgrund einer Prognose festzustellen, 179 und schließlich ist auch die Interessenabwägung zukunftsbezogen und erfordert demnach eine Prognose. 180 Die Bedeutung und die Handhabung der Zukunftsprognose ist deshalb eines der zentralen Probleme bei der krankheitsbedingten Kündigung, 181 neben den Fragen, welche betrieblichen Störungen zu berücksichtigen sind, insbesondere, ob auch die Lohnfortzahlungskosten als Betriebsstörung herangezogen werden können 1 8 2 und welche Gesichtspunkte bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen sind. 1 8 3 Problematisch im Hinblick auf die Zukunftsprognose ist die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers hinsichtlich der zu erwartenden gesundheitlichen 176

BAG AP Nr. 10, 20, 21, 30 u. 31 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit; Bezani, S. 12 f u. 18 ff; Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 220 u. 242; Kittner/Trittin, § 1 KSchG Rdn 74; Knorr/Bichelmeier/Kremhelmer, 10. Kapitel Rdn 53; RGRK-Weller, Vor § 620 BGB Rdn 172; Stahlhacke/Preis, Rdn 743. 177 Herbst/Wohlfahrt, S. 1816; ablehnend: Kasper, S. 2983 ff. 178 BAG AP Nr. 21 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit; Bezani, S. 18 ff; Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 7 Rdn 19 ff; Birkner-Kuschyk/Tschöpe, S. 266 f; Boewer, NZA 1988, 678 (684); Däubler, ArbR 2, S. 539 f; HAS-Popp, § 19 D Rdn 19 Herbst/Wohlfahrt, S. 1816; Honstetter, S. 19 ff; Kittner/Trittin, § 1 KSchG Rdn 76 ff; Mathern, S. 818; Popp, S. 2615; RGRK-Weller, Vor § 620 BGB Rdn 172 ff; Stahlhacke/Preis, Rdn 744 ff; Weber/Hoß, S. 2429 ff; Weller, Krankheit, S. 79 f. 179 BAG AP Nr. 21 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit; Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 7 Rdn 41 ff; Boewer, NZA 1988, 678 (684); HASPopp, § 19 D Rdn 37; Herbst/Wohlfahrt, S. 1817; Honstetter, S. 32 ff; Popp, S. 2615; Weber/Hoß, S. 2431 ff; Weller, Kranheit, S. 82 f. 180 Herbst/Wohlfahrt, S. 1817 ff; Honstetter, S. 35 f; Kittner/Trittin, § 1 KSchG Rdn 101; Weber/Hoß, S. 2433 f. 181 Kasper, S. 2980 ff; Preis, Prinzipien, S. 326 ff; Bezani, S. 18 ff; Honstetter, S. 19 ff; Gentges, S. 163 ff. 182 Für eine Berücksichtigung: BAG AP Nr. 10 u. 26 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit; NZA 1994, 67 (68 f); KR-Becker, § 1 KSchG Rdn 210b; Herschel/Löwisch, § 1 KSchG Rdn 144; Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 233 ff; Joost, S. 134i ff; Oetker, Anm BAG EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 28, S. 19 ff; Tschöpe, DB 1987, 1042 (1044); Weber/Hoß, S. 2432; Weller, Krankheit, S. 85; kritisch: Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 7 Rdn 72 ff; Preis, DB 1988, 1444 (1445); Stahlhacke/ Preis, Rdn 743a f. 183 HAS-Popp, § 19 D Rdn 58; Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 235 ff u. 251; Preis, Prinzipien, S. 438 ff; Stahlhacke/Preis, Rdn 748 ff; kritisch: Boewer, NZA 1988, 678 (682 f).

168

4. Teil: Allgemeine Rechtsprinzipien

Entwicklung des Arbeitnehmers und der zukünftigen betrieblichen Auswirkungen. 1 8 4 Einer Prognose haftet immer eine Unsicherheit an, da zukünftige Ereignisse nicht mit der gleichen Sicherheit wie vergangene oder gegenwärtige festgestellt werden können. 185 Insbesondere die gesundheitliche Entwicklung ist häufig unsicher und auch durch medizinische Sachverständige nur unzureichend aufzuklären. 186 Der Arbeitgeber ist in diesen Fällen oft nicht in der Lage, auch nur eine einigermaßen fundierte Prognose darzulegen, so daß eine Kündigung nicht möglich ist. Auch die Rechtsprechung ist sich der Unsicherheit dieser Prognosen bewußt. 187 Die an die negative Gesundheitsprognose zu stellenden Anforderungen werden teilweise aufgrund der Unsicherheit herabgesetzt. 188 So soll eine "hinreichende Wahrscheinlichkeit" fur die negative Gesundheitsprognose ausreichen. 189 Oder es wird ein Maß an Sicherheit gefordert, "demgegenüber vernünftige Zweifel nicht mehr laut werden können". 1 9 0 Es wird auch von objektiven Tatsachen gesprochen, die die "ernste Besorgnis" weiterer Erkrankungen rechtfertigen müssen. 191 Teilweise wird dem Arbeitgeber hinsichtlich der Indizwirkung von Vorerkrankungen auch ein Beurteilungsspielraum, und dem Gericht ein entsprechender Ermessensspielraum, eingeräumt. 192 Aufgrund der Unsicherheit wird vereinzelt auch gefordert, objektive, an den bisherigen Fehlzeiten orientierte, Anforderungen aufzustellen. 193 Welche Anforderungen an die Sicherheit der Prognose zu stellen sind, ist aber, wie sich im folgenden noch zeigen wird, ein zentrales Problem nicht nur der krankheitsbedingten Kündigung, sondern jeder Prognoseentscheidung, insbesondere der bei der personenbedingten Kündigung. Die Frage nach dem Grad der Wahrscheinlichkeit für die Negativprognose wird

184 185

Bezani, S. 47 ff u. 93 ff; Kasper, S. 2980 ff. Birkner-Kuschyk/Tschöpe, S. 266; Boewer, NZA 1988, 678 (684); Popp, S.

2618.

186

Kasper, S. 2980; Popp, S. 2618; Weller, Krankheit, S. 91. BAG NJW 1983, 2897 (2899); NZA 1985,357; 1987,811. 188 Weller, Krankheit, S. 92: "Die Anforderungen an die Gewißheit für die richterliche Überzeugung sind aber wegen der mit jeder Prognose verbundenen Unsicherheit, auch wenn diese ein Arzt stellt, geringer als bei in der Vergangenheit liegenden Ereignissen."; vgl. auch: HAS-Popp, § 19 D Rdn 34; Mathern, S. 819. 189 Popp, S. 2618. 190 Birkner-Kuschyk/Tschöpe, S. 266. 191 BAG AP Nr. 4, 6, 17 u. 21 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit; Ascheid, Kündigungsschutzrecht, Rdn 373; Dütz, ArbR, Rdn 332; Kittner/Trittin, § 1 KSchG Rdn 85; Stahlhacke/Preis, Rdn 742 u. 744a; ähnlich: Herschel/Löwisch, § 1 KSchG Rdn 143. 192 BAG DB 1990, 429 (431); Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 7 Rdn 63; Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 224. 193 Vgl.: Kasper, S. 2983 ff. 187

Β. Zukunftsbezogenheit und Prognoseprinzip

169

deshalb eines der zentralen Probleme auch bei der Kündigung wegen Sicherheitsbedenken sein. 2. Die Verdachtskündigung Auch im Rahmen der Verdachtskündigung wird das Prognoseprinzip in den Vordergrund gestellt. Nach verbreiteter Ansicht sind im Rahmen der Verdachtskündigung zwei Prognoseentscheidungen erforderlich. 194 Zum ersten soll eine Prognose darüber entscheiden, ob ein ausreichender Verdacht gegen den betreffenden Arbeitnehmer besteht, ob also die genügende Wahrscheinlichkeit besteht, er habe die Straftat oder die Vertragsverletzung begangen. 195 Zum zweiten muß eine Prognose ergeben, daß aufgrund des Verdachts das Arbeitsverhältnis nicht fortgesetzt werden kann, also in Zukunft mit der Beeinträchtigung der arbeitsvertraglichen und betrieblichen Interessen des Arbeitgebers zu rechnen ist. Dieser Ansicht ist nicht zuzustimmen. Hier werden zwei unterschiedliche Entscheidungen unter denselben Begriff gefaßt, der zudem für den ersten Bereich inhaltlich nicht zutreffend ist. Eine Prognose ist begrifflich immer die vorweggenommene Darstellung der zukünftigen Entwicklung aufgrund der gegenwärtigen Umstände; also ist die Prognose immer zukunftsbezogen. 196 Die Frage, ob ein Verdacht gegen den Arbeitnehmer besteht, ist aber ein gegenwärtiger Umstand. 197 Für diese Feststellung bedarf es keiner Prognose der zukünftigen Entwicklung; das Vorliegen eines Verdachts ist vielmehr ein Tatbestandsmerkmal, das zum Zeitpunkt der Kündigung vorliegen muß. 1 9 8 Da das Prognoseprinzip gerade die Zukunftsbezogenheit der Kündigungsgründe beschreibt, sollte auf den Begriff Prognose im Rahmen der Prüfung, ob ein ausreichender Verdacht vorliegt, verzichtet werden. Die Gleichsetzung von Verdacht und Prognose beruht wohl auf der beiden Begriffen innewohnenden Problematik des Wahrscheinlichkeitsurteils. Auch bei der Verdachtskündigung ist nur eine Prognose hinsichtlich der zukünftigen Beeinträchtigung arbeitsvertraglicher und betrieblicher Interessen des Arbeitgebers erforderlich. Diese Prognose unterscheidet sich von der anderer Kündigungsgründe nur insoweit, als keine feststehende gegenwärtige Beeinträchtigung als Grundlage der Prognose besteht, sondern eben nur der Verdacht einer solchen Beeinträchtigung. Darüber hinaus bestehen keine Besonderheiten.

194 Vgl. nur: BAGE 14, 103 (105 f); Dörner, NZA 1993, 873 (876 f); Honstetter, S. 79; KR-Hillebrecht, § 626 BGB Rdn 153a; Preis, Prinzipien, S. 329. 195 Dörner, AiB 1993, 147 (152 ff); Preis, Prinzipien, S. 329. 196 Honstetter, S. 12 ff. 197 Ascheid, Beweislast, S. 91. 198 Ascheid, Beweislast, S. 91 u. 140; vgl. auch: vHoyningen-Huene, DB 1995, 142 (143).

170

4. Teil: Allgemeine Rechtsprinzipien

IV. Inhalt und Probleme des Prognoseprinzips im Kündigungsrecht Neben der Frage nach dem Zeitpunkt der Prognose und eventuellen Prognosekorrekturen ist insbesondere die Frage nach einem Prognosespielraum des Kündigenden und nach der Begründung einer Prognose von Bedeutung. Zunächst muß jedoch geklärt werden, in welchen Bereichen eine Prognose bei der personenbedingten und bei der verhaltensbedingten Kündigung erforderlich ist. 1. Umfang der Prognose Die zukünftige Entwicklung des Arbeitsverhältnisses ist kein eigenständiges Kriterium für die Beurteilung der Wirksamkeit einer Kündigung. Es ist vielmehr im Rahmen der jeweiligen Voraussetzungen zu beachten. Ob die fehlende Eignung des Arbeitnehmers zu betrieblichen Beeinträchtigungen führt, ist anhand einer Prognose fur die zukünftige Entwicklung des Arbeitsverhältnisses zu entscheiden. 199 Auch die Frage nach der Erforderlichkeit der Kündigung hat die zukünftige Entwicklung zu berücksichtigen, zum Beispiel inwieweit Arbeitsplätze in naher Zukunft frei werden. 200 Aber auch hinsichtlich der Geeignetheit möglicher milderer Maßnahmen ist entscheidend auf die zukünftige Entwicklung des Arbeitsverhältnisses abzustellen. Schließlich ist auch im Rahmen der Interessenabwägung die zukünftige Entwicklung zu berücksichtigen. 201 Das Erfordernis einer Prognose ist demnach auf alle Wirksamkeitsvoraussetzungen zu beziehen. Ähnliches gilt für die verhaltensbedingte Kündigung. Auch hier genügt nicht die vergangene Arbeitsvertragsverletzung, es muß vielmehr eine Wiederholungsgefahr bestehen oder aufgrund anderer Umstände eine weitere Zusammenarbeit ausgeschlossen sein. 2 0 2 2. Grundlage und Begründung der Prognose Es fragt sich jedoch, auf welcher Grundlage eine Prognose zu erstellen ist. Um die Prognose von rein spekulativen Mutmaßungen abzugrenzen, ist es erforderlich, sie auf einer objektiven Basis vorzunehmen. Eine Prognose ist nur dann hinreichend abgesichert und bietet eine gewisse Gewähr für ihre Rich199

Stahlhacke/Preis, Rdn 728. Birk, S. 63 f; ähnlich: Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 5 Rdn 75. 201 Herbst/Wohlfahrt, S. 1818; Honstetter, S. 35 f. 202 BAG EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung, Nr. 37, 41 u. 46; NZA 1989, 633; Ascheid, Kündigungsschutzrecht, Rdn 28 ff u. 216; Herschel, FS G. Müller, S. 202 f; Herschel/Löwisch, § 1 KSchG Rdn 75; Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 274; Preis, Prinzipien, S. 322 ff; Stahlhacke, Fachtagung, S. 21; Stahl hacke/Preis, Rdn 690; Staudinger-Preis, § 626 BGB Rdn 92. 200

Β. Zukunftsbezogenheit und Prognoseprinzip

171

tigkeit, wenn sie auf einer objektiv nachvollziehbaren Tatsachengrundlage beruht. 2 0 3 Die Frage, ob zukünftige Beeinträchtigungen zu befürchten sind, kann nur aufgrund feststehender Tatsachen erfolgen, ansonsten handelt es sich in der Tat lediglich um Spekulation. 204 Damit ergibt sich ein Zusammenhang zwischen Vergangenheit und Zukunft. 2 0 5 Nur anhand der in der Vergangenheit liegenden Tatsachen läßt sich eine objektivierte nachvollziehbare Prognose für die Zukunft begründen. Insoweit läßt sich von einer Indizwirkung des vergangenen Geschehens sprechen. 206 Voraussetzung für die Wirksamkeit einer personenbedingten Kündigung ist demnach, daß Tatsachen vorliegen, die die Prognose einer zukünftigen Beeinträchtigung vertraglicher oder betrieblicher Interessen erlauben. Hinsichtlich der Begründung und auch der Sicherheit einer Prognose ist zu unterscheiden zwischen Tatsachenprognosen und Beurteilungsprognosen. 207 Während die Tatsachenprognose die zukünftige Entwicklung tatsächlicher Ereignisse oder Zustände erfaßt, wie zum Beispiel die wirtschaftliche Entwicklung oder den zukünftigen Verlauf einer Krankheit, geht es bei der Beurteilungsprognose um das zukünftige Verhalten von Menschen. Die Tatsachenprognose kann im allgemeinen durch fachliche Gutachten auf einer zumindest relativ objektiven Grundlage ergehen. 208 Die Prognose über das zukünftige Verhalten eines Menschen, das des Arbeitnehmers, ist hingegen schwerer durch objektive Tatsachen zu begründen. Es gibt keinen Erfahrungssatz, daß mehrmaliges Fehlverhalten unausweichlich zu weiterem zukünftigen Fehlverhalten führt. Trotzdem ist es möglich, aufgrund allgemeiner Lebenserfahrung und nicht zuletzt aufgrund psychologischer Erkenntnisse Aussagen über das künftige Verhalten eines Menschen zu machen. 209 Es stellt sich demnach nicht die Frage, ob überhaupt eine Prognose möglich ist, sondern es fragt sich, wieviel Unsicherheit

203 204 205

Preis, Prinzipien, S. 338 f. Vgl. auch: BAG AP Nr. 11 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung. Ascheid, Kündigungsschutzrecht, Rdn 29; Honstetter, S. 13 ff; Preis, Prinzipien,

S. 332. 206

BAG AP Nr. 20 zu § 626 BGB Ausschlußfrist; Erman-Hanau, § 626 BGB Rdn 29; HAS-Popp, § 19 E Rdn 16; Herschel, FS G. Müller, S. 202; Honstetter, S. 15; KRBecker, § 1 KSchG Rdn 89. 207 Vgl. dazu: Gentges, S. 241 f. 208 Ascheid, Kündigungsschutzrecht, Rdn 373, der zurecht feststellt, daß eine Prognose nie eine naturwissenschaftlich belegte Sicherheit erreichen kann; vgl. auch zur mangelnden Aussagekraft ärztlicher Gutachten: Kasper, S. 2980 f. 209 Kritisch: Gentges, S. 241: "Ob ein Arbeitnehmer tatsächlich ein unverbesserlicher Straftäter oder Bummelant ist, ließe sich schließlich im Verfahren vor dem Arbeitsgericht ebenso wenig feststellen wie im Strafverfahren."

172

4. Teil: Allgemeine Rechtsprinzipien

bleibt, oder, anders ausgedrückt, bis zu welchem Wahrscheinlichkeitsgrad Prognosen möglich sind. 3. Prognosespielraum des Arbeitgebers Eine Möglichkeit, den Unsicherheiten von Prognoseentscheidungen Rechnung zu tragen, ist die, dem Arbeitgeber einen Prognosespielraum einzuräumen. Ein solcher, gerichtlich nicht nachprüfbarer Prognosespielraum des Arbeitgebers wird aber grundsätzlich abgelehnt. 210 Dies gilt insbesondere auch für die Kündigung wegen Sicherheitsbedenken, 211 wobei jedoch das BAG eine vorsichtige Ausnahme hinsichtlich der Erklärung eines Arbeitsbereiches zum Sicherheitsbereich im öffentlichen Dienst aufgrund der Sicherheitsrichtlinien des Bundes gemacht hat. 2 1 2 Der einen Prognosespielraum ablehnenden Auffassung ist grundsätzlich zuzustimmen. Das Kündigungsrecht dient gerade der Begrenzung einer einseitigen Interessendurchsetzung des Arbeitgebers. Dieser Zweck würde verfehlt, stünde man dem Arbeitgeber einen Prognosespielraum z u . 2 1 3 Selbst dem Gesetzgeber wird nur ein begrenzter Prognosespielraum zugestanden.214 Der Exekutive wird nur in Ausnahmefällen, außergewöhnliche Kontrollschwierigkeiten und spezifische Sachkompetenz, ein Prognosespielraum eingeräumt. 215 Hinzu kommt, daß es sich dort regelmäßig um ein demokratisch legitimiertes Gremium mit strengen Verfahrensregeln handelt. 216 All dies trifft auf den Arbeitgeber gerade nicht zu; man würde ihm vielmehr eine einseitige subjektive Interessendurchsetzung erlauben. Die Frage, ob die Entscheidung des Arbeitgebers gerichtlich voll nachprüfbar oder nicht nachprüfbar ist, geht jedoch am Problem vorbei. Die zentrale Frage im Kündigungsrecht grundsätzlich und insbesondere bei der Kündigung wegen Sicherheitsbedenken ist nicht, ob die Entscheidung des Arbeitgebers überhaupt nachprüfbar ist. Entscheidend ist hinsichtlich der Prognose vielmehr, welche Sicherheit für die Negativprognose zu verlangen ist. Es geht also, wie oben bereits erwähnt, um den Grad der Wahrscheinlichkeit hinsichtlich der

210

BAGE 11, 225 (230); 32, 85 (95); Honstetter, S. 122; Preis, Prinzipien, S. 338. BAGE 10, 47 (48); AP Nr. 3 zu § 1 KSchG Sicherheitsbedenken; Herschel, Anm zu BAG AP Nr. 1 u. 3 zu § 1 KSchG Sicherheitsbedenken; Monjau, S. 409 ff. 212 BAGE 42 375 (384); vgl. dazu bereits S. 81 und im folgenden S. 219 f der Arbeit. 213 Preis, Prinzipien, S. 337 f. 214 Preis, Prinzipien, S. 224. 215 Tettinger, S. 422. 216 Tettinger, S. 427. 211

Β. Zukunftsbezogenheit und Prognoseprinzip

173

Prognose. 217 Dieses Problem ist bislang nur wenig erörtert worden. 2 1 8 Bei der Kündigung wegen Sicherheitsbedenken ist die Frage nach dem Wahrscheinlichkeitsgrad der Prognose entscheidend fur die soziale Rechtfertigung der Kündigung, denn allein die Besorgnis künftiger Beeinträchtigungen der Sicherheitsinteressen des Arbeitgebers begründet die Kündigung, ohne daß bereits solche Beeinträchtigungen vorliegen. 219 Dieser Frage muß deshalb im weiteren größere Aufmerksamkeit zuteil werden. 4. Prognosezeitpunkt und Prognosekorrektur Zunächst sei jedoch kurz auf ein weiteres Problem der Prognose eingegangen. Es stellt sich die Frage, welcher Zeitpunkt für die Prognose maßgeblich ist. Zum großen Teil wird vertreten, daß dies nur der Zeitpunkt der Kündigungserklärung, also der Zugang der Kündigungserklärung sein kann. 2 2 0 Nach anderer Ansicht soll das Ende der Kündigungsfrist den maßgeblichen Zeitpunkt bezeichnen. 221 Nach wiederum anderer Ansicht soll auf das Ende der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht abgestellt werden. 222 Der Zeitpunkt der Prognose ist in den Fällen für die Wirksamkeit der Kündigung entscheidend, in denen nach Zugang der Kündigungserklärung eine Änderung der Umstände eintritt, die zu einer anderen Prognose führt. Deshalb steht in einem engen Zusammenhang mit dem Zeitpunkt der Prognose das Problem der Prognosekorrektur. Im Hinblick auf die Prognosekorrektur stellt sich die Frage, wie das Arbeitsgericht während des Kündigungsschutzverfahrens auf eine Änderung der Umstände reagieren kann und welche Möglichkeiten der Reaktion Arbeitnehmer und Arbeitgeber nach Abschluß des Kündigungsschutzverfahrens haben. 223 Bei der Kündigung wegen Sicherheitsbedenken ist die gesamte Problematik von nur geringer Bedeutung, da in der Praxis eine Fehlprognose kaum nach-

217

Honstetter, S. 149; ausführlich zum Zusammenhang zwischen Wahrscheinlichkeit und Prognosespielraum: Nell, S. 219 ff. 218 Honstetter, S. 147; Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 132. 219 Dagegen: Gentges, S. 219 f, der allein auf das "Anforderungsprofi 1 als Voraussetzung der ausgeübten Tätigkeit" abstellen will; siehe dazu im folgenden Seite 190 ff der Arbeit. 220 Birk, S. 64; Erman-Hanau, § 626 BGB Rdn 28; HAS-Popp, § 19 D Rdn 9; Kittner/Trittin, § 1 KSchG Rdn 56; Stahlhacke/Preis, Rdn 617; ausführlich: Honstetter, S. 123 ff; Preis, Prinzipien, S. 339 ff. 221 LAG Mannheim DB 1952, 292; LAG Kiel BB 1952, 291; Gamillscheg, ArbR, S. 463 ff. 222 BAG AP Nr. 11 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit; BB 1985, 661; Däubler, ArbR 2, S. 583 f; Grunsky, ZfA 1977, 167 (171). 223 Vgl. zum Ganzen: Däubler, ArbR 2, S. 582 ff; Honstetter, S. 155 ff; Mathern, S. 819 ff; Preis, Prinzipien, S. 347 ff; vom Stein, S. 85 ff.

174

4. Teil: Allgemeine Rechtsprinzipien

weisbar ist. Die Tatsache, daß der Arbeitnehmer nach Zugang der Kündigung keine Spionage- oder Sabotagehandlungen begeht, führt nicht zur Annahme einer Fehlprognose, da eine solche tatsächlich begangene Handlung gerade nicht Voraussetzung für die Kündigung ist. Der Fall, daß der Arbeitnehmer nach Zugang der Kündigung tatsächlich eine solche Handlung begeht, also die Prognose verifiziert, wird in der Praxis kaum vorkommen. Denkbar allein ist, daß sich während oder nach dem Kündigungsschutzverfahren die Umstände, auf denen die Sicherheitsbedenken beruhen, ändern, zum Beispiel der Arbeitnehmer seine Schulden begleicht oder der Famlienangehörige aus dem Konkurrenzunternehmen ausscheidet. Es ist davon auszugehen, daß der maßgebliche Zeitpunkt für die Prognose der Zugang der Kündigungserklärung ist, denn das ist der Zeitpunkt, an dem der Kündigungsgrund vorgelegen haben muß. 2 2 4 Dies ergibt sich insbesondere aus der Rechtsnatur der Kündigung und aus dem Erfordernis der Rechtssicherheit. 2 2 5 Aufgrund der geringen Relevanz der Problematik bei der Kündigung wegen Sicherheitsbedenken sollen diese Ausführungen zu Prognosezeitpunkt und Korrekturmöglichkeiten reichen.

V. Zusammenfassung Ein wesentliches Prinzip für die Beurteilung der Wirksamkeit einer jeden Kündigung ist das Prognoseprinzip. Bei der personenbedingten Kündigung sind die Beeinträchtigung der Arbeitgeberinteressen, die Erforderlichkeit und die Interessenabwägung aufgrund der zukünftigen Entwicklung des Arbeitsverhältnisses zu überprüfen. Aber auch für die Wirksamkeit der verhaltensbedingten Kündigung ist eine Negativprognose hinsichtlich der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderlich. Das zentrale Problem einer Prognoseentscheidung besteht in der grundsätzlichen Unsicherheit von Aussagen über eine zukünftige Entwicklung. Dies gilt sowohl für Tatsachenprognosen als auch für Beurteilungsprognosen. Insbesondere hinsichtlich der Kündigung wegen Krankheit wird dieses Problem in der Rechtsprechung und der Arbeitsrechtswissenschaft gesehen, ohne daß

224 BAG AP Nr. 2 zu § 2 KSchG; EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 16; NZA 1988, 94; Honstetter, S. 123 ff; Hueck/Nipperdey, ArbR I, S. 643; KR-Hiliebrecht, § 626 BGB Rdn 71; Maus, § 1 KSchG Rdn 223; Preis, Prinzipien, S. 339; Rohlfing/Rewolle/Bader, § 1 KSchG Rdn 20b; Stahl hacke/Preis, Rdn 617. 225 Honstetter, S. 126 ff; Preis, Prinzipien, S. 340 ff; vgl. zum Wiedereinstellungsanspruch: BAG AP Nr. 3 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht; LAG Köln LAGE § 611 BGB Einstellungsanspruch Nr. 1; Honstetter, S. 155 ff; Preis, Prinzipien, S. 349 ff; ders., Anm LAG Köln, aaO; Stahlhacke/Preis, Rdn 582 u. 645; ablehnend: Erman-Hanau, § 626 BGB Rdn 32.

C. Der Wahrscheinlichkeitsgrad der Prognose

175

jedoch bislang eine eingehende Auseinandersetzung damit erfolgt ist. Es stellt sich folglich die Frage, welche Anforderungen an eine Prognose im Kündigungsrecht zu stellen sind.

C. Der Wahrscheinlichkeitsgrad der Prognose Die Frage nach den Anforderungen an die Prognose ist gleichbedeutend mit der Frage nach dem Wahrscheinlichkeitsgrad der Prognose, denn ob eine bestimmte Entwicklung in der Zukunft eintreten wird, kann nur mit Hilfe der Wahrscheinlichkeit beantwortet werden. 226 Für die Kündigung wegen Sicherheitsbedenken ist diese Frage von wesentlicher Bedeutung. Deshalb muß dem im folgenden weiter nachgegangen werden.

I. Vorbemerkungen Zu unterscheiden ist zunächst zwischen dem zu fordernden Wahrscheinlichkeitsgrad der Anknüpfungstatsachen, die der Prognose zugrunde liegen, und der Prognose selber. 227 Die Anknüpfungstatsachen müssen nach § 1 Abs. 4 KSchG vom Arbeitgeber dargelegt und bewiesen werden. Nach § 286 Z P O 2 2 8 erfordert dies eine Überzeugung des Richters von der Wahrheit, "die den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen".229 Diese subjektive Überzeugung des Richters muß auf einer objektiven Wahrscheinlichkeit der Wahrheit beruhen. 230 Dies muß dann auch eine solche Wahrscheinlichkeit sein, die Zweifeln Schweigen gebietet, also eine sehr hohe, an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit. 231 Fraglich ist jedoch, ob diese hohe Wahrscheinlichkeit auch für die Prognose selber zu fordern ist. Weiterhin ist zu unterscheiden zwischen den prozeßrechtlichen und den materiellrechtlichen Bereichen des Wahrscheinlichkeitsgrades. Zum einen spielt der Grad der Wahrscheinlichkeit bei der Sachverhaltsfeststellung, der Beweis-

226 Vgl. nur: Honstetter, S. 147 ff; vHoyningen-Huene, Anm BAG EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 18; Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 131; Preis, Prinzipien, S. 338 f. 227 Ascheid, Kündigungsschutzrecht, Rdn 373. 228 Zi vi lprozeßordnung vom 30.01.1877 (RGBl. S. 83), in der Fassung vom 12.09.1950 (BGBl. S. 533), zuletzt geändert durch Gesetz vom 04.11.1994 (BGBl. I S. 3346). 229 BGHZ 53, 245 (256); NJW-RR 1994, 567; vgl. auch: Baumbach/Lauterbach, § 286 ZPO Rdn 18; Baumgärtel, S. 167; Thomas/Putzo, § 286 ZPO Rdn 2; Zöller, § 286 ZPO Rdn 19. 230 Baumgärtel, S. 170 f. 231 Baumgärtel, S. 178 ff.

176

4. Teil: Allgemeine Rechtsprinzipien

Würdigung, eine Rolle. 2 3 2 Insoweit handelt es sich nur um eine prozeßrechtliche Problematik. Zum anderen ist der Grad der Wahrscheinlichkeit auch fur das Beweismaß von Bedeutung. 233 Das Beweismaß hat aber neben der prozeßrechtlichen auch eine materiellrechtliche Auswirkung, denn es bezeichnet die Voraussetzungen, die vorliegen müssen, damit der materiellrechtliche Anspruch besteht oder die genannte Rechtsfolge eintritt. 2 3 4 Die vorliegende Arbeit beschränkt sich auf die materiellrechtlichen Auswirkungen der Wahrscheinlichkeit im Rahmen des Beweismaßes. Es geht allein um die Frage, welcher Wahrscheinlichkeitsgrad für die Negativprognose zu fordern ist, um die Kündigung zu rechtfertigen.

I I . Die bislang vertretenen Ansichten Zumeist sind die Aussagen zum Grad der Wahrscheinlichkeit in Rechtsprechung und Arbeitsrechtswissenschaft recht vage. Für die betriebsbedingte Kündigung fordert das BAG, daß die betrieblichen Umstände "greifbare Formen" angenommen haben müssen und eine "vernünftige betriebswirtschaftliche Betrachtung" ergibt, daß der Arbeitsplatz bis zum Ende der Kündigungsfrist wegfallt. 235 Teilweise spricht das BAG in diesem Zusammenhang auch von "einiger Sicherheit". 236 Für die krankheitsbedingte Kündigung wird allgemein die "Besorgnis" weiterer krankheitsbedingter Ausfälle verlangt 237 und die "Gefahr" einer erheblichen Beeinträchtigung der unternehmerischen Interessen vorausgesetzt. 238 Für die verhaltensbedingte Kündigung ist Voraussetzung, daß eine "Besorgnis" oder "Befürchtung" weiterer Vertragsverletzungen vorliegt. 2 3 9 Diese Begriffe tragen nicht zu einer Klärung des Beweismaßes bei; sie lassen vielmehr die Frage nach dem Grad der Wahrscheinlichkeit völlig offen. 2 4 0 Dies

232

Baumgärtel, S. 165 ff; Nell, S. 93 ff. Baumgärtel, S. 176 ff; Nell, S. 99 f; Prütting, S. 73 ff. 234 Baumgärtel, S. 177; Honstetter, S. 147; vgl. auch: Birk, S. 65; Zöller, § 286 ZPO Rdn 20, der die Herabsetzung des Beweismaßes ausschließlich als materiellrechtliche Besonderheit ansieht; zum Verwaltungsrecht: Nell, S. 214 ff. 235 Vgl.: BAG AP Nr. 50, 51 u. 53 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 70. 236 BAG AP Nr. 75 zu § 613a BGB; Hromadka, NZA 1996, 1 (4), der auch für die personenbedingte Kündigung Umstände, "die mit einiger Sicherheit auf künftige Vertragsstörungen schließen lassen", verlangt. 237 BAG AP Nr. 4, 6, 17 u. 21 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit; Ascheid, Kündigungsschutzrecht, Rdn 373; Bezani, S. 47 f; vgl. bereits Seite 167 f der Arbeit. 238 Bezani, S. 94. 239 BAG AP Nr. 37 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung; Hromadka, NZA 1996, 1 (4). 240 So auch: Honstetter, S. 147 f. 233

C. Der Wahrscheinlichkeitsgrad der Prognose

177

gilt auch für die in der Arbeitsrechtswissenschaft angenommenen geringeren Anforderungen hinsichtlich der negativen Gesundheitsprognose bei der krankheitsbedingten Kündigung. 241 Die Problematik der Wahrscheinlichkeit wird zwar erkannt, eine Lösung wird jedoch zumeist nicht vorgeschlagen. 242 Ausdrücklich und ausführlicher hat sich von Hoyningen-Huene mit der Frage auseinandergesetzt, welcher Wahrscheinlichkeitsgrad zu fordern ist, um die Negativprognose als gegeben anzusehen. Er ist der Ansicht, daß auch für die Negativprognose gemäß § 286 ZPO eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit gefordert werden muß, da die Negativprognose ein Teil des Kündigungsgrundes ist und dieser nach § 1 Abs. 4 KSchG vom Arbeitgeber darzulegen und zu beweisen ist. 2 4 3 Ausführlicher hat sich auch Honstetter mit der Frage des Wahrscheinlichkeitsgrades befaßt. 244 Grundsätzlich lehnt er eine Senkung des Beweismaßes für die Negativprognose ab, da dies im Ergebnis auf einen abzulehnenden Beurteilungsspielraum des Arbeitgebers hinausliefe und zudem in Widerspruch zu § 286 ZPO stünde. Er fordert aber eine differenzierte Betrachtung. Die an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit kann nach seiner Ansicht dort nicht gefordert werden, wo der Arbeitgeber aufgrund seiner Sachferne nicht in der Lage ist, eine solch sichere Prognose abzugeben. In diesen Fällen soll eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreichen. Im Ergebnis fordert er deshalb für die betriebsbedingte und die verhaltensbedingte Kündigung grundsätzlich eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit, für die krankheitsbedingte Kündigung dagegen aufgrund der Sachferne des Arbeitgebers nur eine hinreichende Wahrscheinlichkeit. 245

I I I . Stellungnahme Die Ansicht von Hoyningen-Huenes ist abzulehnen, da sie dem Problem der Prognoseentscheidung nicht gerecht wird. Wie schon erwähnt, ist die Prognose immer mit einer Unsicherheit behaftet, die sich zwangsläufig aus der Zukunftsbezogenheit ergibt. Sichere Vorhersagen über eine zukünftige Entwicklung sind logisch ausgeschlossen.246 Aber auch eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit, wie von Hoyningen-Huene sie fordert, ist hinsichtlich der Prognose, zumindest soweit es um das zukünftige Verhalten von Menschen geht,

241 242 243 244 245 246

12 Meyer

Birkner-Kuschyk/Tschöpe, S. 266; Popp, S. 2618; Weller, Krankheit, S. 92. Wank, RdA 1993, 79 (83), für die betriebsbedingte Kündigung. Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 133 f; ähnlich: Birk, S. 65. Honstetter, S. 147 ff. Honstetter, S. 150 ff. Ascheid, Kündigungsschutzrecht, Rdn 373.

178

4. Teil: Allgemeine Rechtsprinzipien

nur schwerlich und in wenigen Fällen denkbar. 247 Aber auch naturwissenschaftliche Entwicklungen sind in vielen Fällen nur schwer prognostizierbar, zum Beispiel der weitere Verlauf einer Krankheit. 248 Die Ansicht Honstetters berücksichtigt die unterschiedliche Voraussehbarkeit der zukünftigen Entwicklung bei den verschiedenen Kündigungsgründen. Ihm ist insoweit zuzustimmen, daß im Rahmen der betriebsbedingten Kündigung der Wegfall des Arbeitsplatzes mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bevorstehen muß, 2 4 9 da die betriebswirtschaftliche Entwicklung eines Unternehmens in der Zukunft mit Hilfe wirtschaftswissenschaftlicher Methoden prognostiziert werden kann. Ist eine Prognose noch nicht mit der erforderlichen Sicherheit möglich, muß der Arbeitgeber solange auf die Kündigung verzichten, bis der erforderliche Grad an Wahrscheinlichkeit erreicht ist. Nicht zugestimmt werden kann aber der Ansicht Honstetters, daß auch für den Bereich der verhaltensbedingten Kündigung eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit zu fordern i s t . 2 5 0 Voraussetzung für die Negativprognose im Rahmen der verhaltensbedingten Kündigung sind zukünftige weitere Vertragsverletzungen des Arbeitnehmers, die die arbeitsvertraglichen und betrieblichen Interessen des Arbeitgebers beeinträchtigen. Ob der Arbeitnehmer aber in der Zukunft weiterhin seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzen wird, ist aufgrund der Unsicherheit zukünftigen menschlichen Verhaltens nur in seltenen Fällen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorherzusagen. 251 Eine solche Wahrscheinlichkeit für die Negativprognose ist nur möglich, wenn man allein auf die Beeinträchtigung des personalen Vertrauensbereichs abstellt. Dies ist aber, wie oben dargelegt, abzulehnen. Die Prognose im Rahmen der verhaltensbedingten Kündigung muß eine künftige Beeinträchtigung der vertraglichen und betrieblichen Interessen des Arbeitgebers, also eine Wiederholungsgefahr ergeben; allein die Beeinträchtigung des Vertrauensbereichs reicht nicht aus. 2 5 2 Wie im folgenden zu zeigen sein wird, ist die mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit nach dem Sinn und Zweck des KSchG für die verhaltensbedingte und auch für die personenbedingte Kündigung nicht immer erforderlich. Ansatzpunkt dieser Überlegung ist nicht allein die Frage nach den dem

247 Nell, S. 82 ff; vgl. für die Gefahrenprognose im Ordnungsrecht: SchmidtAßmann-Friauf, Polizei- und Ordnungsrecht, Rdn 50. 248 Kasper, S. 2980; Popp, S. 2618; Weller, Krankheit, S. 91. 249 Honstetter, S. 150; siehe auch: BAG EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 70; Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 406. 250 Honstetter, S. 150. 251 Vgl. auch: Gentges, S. 241. 252 Vgl. Seite 107 ff der Arbeit für die personenbedingte Kündigung.

C. Der Wahrscheinlichkeitsgrad der Prognose

179

Arbeitgeber zur Verfugung stehenden Informationen. 253 Auszugehen ist vielmehr vom Sinn und Zweck des KSchG, nämlich von der Frage, unter welchen Voraussetzungen das KSchG dem Arbeitgeber das Recht, sich vom Arbeitsvertrag zu lösen, geben will. Die Antwort wird entscheidend den zu fordernden Grad der Wahrscheinlichkeit bestimmen.

IV. Eigener Lösungsansatz Zunächst sollen kurz die dogmatischen Grundlagen für eine Beweismaßsenkung dargestellt werden, um dann die Anwendung im Kündigungsrecht zu diskutieren. 7. Dogmatische Grundlagen Nach überwiegender Ansicht ist im Rahmen des § 286 ZPO die an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit das grundsätzliche Beweismaß im Zivilrecht, wobei die Begrifflichkeiten zur Bestimmung dieses Wahrscheinlichkeitsgrades unterschiedlich, inhaltlich aber im wesentlichen identisch sind. 2 5 4 Das deutsche Recht kennt aber zahlreiche Ausnahmen vom Regelbeweismaß. Teilweise wird eine höhere Wahrscheinlichkeit gefordert; 255 der Großteil der Ausnahmen betrifft jedoch Beweismaßsenkungen.256 Die gesetzlichen Regelungen sehen also schon Senkungen des Beweismaßes in bestimmten Fällen vor. Eine Senkung des Beweismaßes ist aber auch durch den Rechtsanwender ohne ausdrückliche gesetzliche Anordnung möglich. 2 5 7 Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn das Regelbeweismaß der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung nicht entspricht, zum Beispiel wenn die gesetzliche Regelung ansonsten "leerlaufen" würde. 2 5 8 Das ist der Fall, wenn die Feststellung des Sachverhalts seiner Natur nach nicht oder nur schwer mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit möglich

253

So aber: Honstetter, S. 150. BGHZ 53, 245 (256); Baumgärtel, S. 178 ff u. insb. S. 181; Honstetter, S. 148 f; Prütting, S. 73 ff u. S. 86; kritisch: Bender, S. 248 ff; vgl. zur Gegenansicht der überwiegenden Wahrscheinlichkeit die Darstellungen bei: Baumgärtel, S. 168 ff u. 178 ff; Nell, S. 209 ff. 255 Vgl. die Aufzählung bei: Prütting, S. 83. 256 Vgl. die Aufzählung bei: Prütting, S. 80 ff. 257 Baumgärtel, S. 176 f; Honstetter, S. 150; Prütting, S. 87 fu. 92; vgl. auch: Zöller, § 286 ZPO Rdn 20, der eine Beweismaßsenkung im Prozeßrecht ablehnt und sie auf das materielle Recht beschränkt. 258 Baumgärtel, S. 177; Huber, S. 136 f; Prütting, S. 87 fu. 92; auch: Bender, S. 254 ff; Nell, S. 174. 254

12*

180

4. Teil: Allgemeine Rechtsprinzipien

i s t . 2 5 9 Insoweit kann man dogmatisch von einer teleologischen Reduktion des Gesetzeswortlautes sprechen. 260 Auch hier zeigt sich die Verflechtung von prozeßrechtlicher und materiellrechtlicher Bedeutung des Wahrscheinlichkeitsgrades. Die prozeßrechtliche Senkung des Beweismaßes führt zu einer Änderung des Tatbestandes. Diese bestimmt, ob der Tatbestand einer Rechtsnorm eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit oder zum Beispiel eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen eines Tatbestandsmerkmals fordert, um die Rechtsfolge eintreten zu lassen. 2. Zweck des Kündigungsrechts

und Wahrscheinlichkeitsgrad

Die Regelungen des § 1 KSchG und des § 626 BGB schützen das Interesse des Arbeitnehmers am Bestand des Arbeitsverhältnisses. Der Arbeitgeber kann den Arbeitsvertrag nur kündigen, wenn eine Störung des Vertragsverhältnisses als Austauschverhältnis vorliegt, wenn also die wirtschaftlichen und betrieblichen Zwecke durch das Zurverfügungstellen der Arbeitskraft nicht mehr erreicht werden können. 261 a) Die Fragestellung Es stellt sich demnach für die einzelnen Kündigungsgründe jeweils die Frage, wann eine solche, für eine Kündigung ausreichende Störung oder Beeinträchtigung anzunehmen ist. Hinsichtlich des Wahrscheinlichkeitsgrades ist also zu fragen, welcher Grad der Wahrscheinlichkeit für künftige Beeinträchtigungen des Arbeitsverhältnisses zu fordern ist, um eine Kündigung im Hinblick auf den Zweck der Kündigungsvorschriften zu rechtfertigen. Erfordert das Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit zukünftiger Beeinträchtigungen oder reicht eine geringere Wahrscheinlichkeit? Erfordern die wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers eine geringe Wahrscheinlichkeit oder muß eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit vorliegen? Die Wahrscheinlichkeit zukünftiger Beeinträchtigungen bezieht sich zum ersten auf die Frage, ob zukünftig mit einem bestimmten Verhalten des Arbeitnehmers, zum Beispiel weiteren Verstößen gegen arbeitsvertragliche Pflichten, zu rechnen ist, oder ob bestimmte Umstände in der Person des Arbeitnehmers zukünfig vorliegen werden, zum Beispiel das Andauern einer Krankheit. Zum zweiten bezieht sich die Wahrscheinlichkeit auf die Frage, ob ein bestimmtes 259 260 261

Huber, S. 136. Prutting, S. 87. Vgl. Seite 97 f der Arbeit.

C. Der Wahrscheinlichkeitsgrad der Prognose

181

Verhalten oder bestimmte Umstände in der Person des Arbeitnehmers, wenn sie denn in der Zukunft vorliegen, die arbeitsvertraglichen und betrieblichen Interessen des Arbeitgebers beeinträchtigen werden. Die Unterscheidung wurde oben schon fur die krankheitsbedingte Kündigung dargestellt. 262 Die Unterscheidung gilt fur jede Verhaltens- und personenbedingte Kündigung, da sich die Prognose grundsätzlich auf beide Voraussetzungen, Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten oder Eignungsmangel und die dadurch bedingten Beeinträchtigungen der arbeitsvertraglichen und betrieblichen Interessen, erstreckt. 263 b) Beeinträchtigung der arbeitsvertraglichen und betrieblichen Interessen Hinsichtlich der zukünftigen Beeinträchtigung der arbeitsvertraglichen und betrieblichen Interessen des Arbeitgebers ist eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit zu fordern. Hier gilt auch das für die betriebsbedingte Kündigung Gesagte. Ob ein Verhalten oder Umstände in der Person des Arbeitnehmers, wenn sie denn zukünftig gegeben sein sollten, die Interessen des Arbeitgebers beeinträchtigen, ist aufgrund einer naturwissenschaftlichen, in der Regel einer betriebswirtschaftlichen oder technischen Prognose zu entscheiden. In diesem Bereich ist eine Aussage mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit möglich. Zudem ist dieses Tatbestandsmerkmal allein im betrieblichen Bereich angesiedelt, also in der Sphäre des Arbeitgebers. Ist nicht mit der erforderlichen Sicherheit festzustellen, ob ein Verhalten oder bestimmte Umstände zu einer Beeinträchtigung führen, ist eine Kündigung nicht gerechtfertigt. Hinsichtlich der Kündigung wegen Sicherheitsbedenken muß also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen, daß die Sicherheitsinteressen des Arbeitgebers erheblich beeinträchtigt werden, wenn der Arbeitnehmer sicherheitsrelevante Handlungen begehen würde. c) Die Fortdauer des Eignungsmangels und das zukünftige Verhalten Auf die Fortdauer des Eignungsmangels hat der Arbeitgeber keinen Einfluß; dies ist vielmehr grundsätzlich der Sphäre des Arbeitnehmers zuzuordnen. Es fragt sich demnach, ob nach dem Sinn und Zweck der Kündigungsvorschriften eine Kündigung möglich ist, wenn die Fortdauer des Eignungsmangels nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststeht, sondern lediglich sehr, überwiegend oder wenig wahrscheinlich ist.

262 263

Vgl. Seite 166 f der Arbeit. Vgl. Seite 170 der Arbeit.

182

4. Teil: Allgemeine Rechtsprinzipien

Ob der Arbeitnehmer auch zukünftig gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen wird, ist vom Arbeitgeber nicht beeinflußbar. Diese Frage ist vielmehr auch in der Sphäre des Arbeitnehmers angesiedelt. Es fragt sich also auch hier, ob eine Kündigung möglich ist, wenn nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden kann, ob der Arbeitnehmer auch in Zukunft gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen wird. Erlaubt es der Zweck der Kündigungsvorschriften dem Arbeitgeber, den Arbeitsvertrag zu kündigen, wenn weitere Vertragsverletzungen nur mit überwiegender oder nur mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind? Die Frage hinsichtlich des zukünftigen Verhaltens des Arbeitnehmers stellt sich nicht nur bei der verhaltensbedingten Kündigung, sondern auch bei der personenbedingten Kündigung, soweit die Kündigung auf die Besorgnis künftiger Verhaltensweisen des Arbeitnehmers gestützt wird, ohne daß bereits vergangene oder gegenwärtige arbeitsvertragliche Pflichtverletzungen vorliegen. Der Eignungsmangel ergibt sich hier aus der Besorgnis künftiger Vertragsverletzungen. Dies ist bei der Verdachtskündigung und den Gefahrkündigungen, insbesondere bei der Kündigung wegen Sicherheitsbedenken, der Fall. 3. Wahrscheinlichkeit

und drohender Schaden

Ein maßgeblicher Umstand ftlr die Frage, ob die Kündigungsregelungen dem Arbeitgeber das Risiko einer zukünftigen Beeinträchtigung seiner Interessen auftragen oder ob das Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers zurücktreten muß, ist die Höhe des drohenden Schadens. a) Drohender Schaden als Grund für eine Beweismaßsenkung Der Ansatz Honstetters, das Beweismaß zu senken, wenn der Arbeitgeber aufgrund der Sachferne regelmäßig nicht in der Lage ist, die zukünftige Entwicklung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit darzulegen, ist als eine Fallgruppe für eine Beweismaßsenkung denkbar. Diesem Ansatz soll hier aber nicht weiter nachgegangen werden, da die Sachferne des Arbeitgebers bei der Kündigung wegen Sicherheitsbedenken keine besondere Rolle spielt. Für diese Kündigung ist vielmehr der drohende Schaden von Bedeutung. Bei der Kündigung wegen Sicherheitsbedenken, ebenso wie bei anderen Kündigungen wegen Gefahr, sind in vielen Fällen nur wenig vergangene oder gegenwärtige Anknüpfungstatsachen vorhanden, auf deren Grundlage eine Prognose der zukünftigen Entwicklung ergehen könnte. Wie oben bereits mehrfach erwähnt, zeichnen sich diese Kündigungen dadurch aus, daß bislang noch keine Beeinträchtigungen vertraglicher und betrieblicher Interessen des Arbeitgebers vorliegen. Es fragt sich also, wann die Gefahr künftiger Beeinträchtigungen eine die Kündigung rechtfertigende Intensität erreicht hat.

C. Der Wahrscheinlichkeitsgrad der Prognose

183

Die Kündigungsregelungen stellen einen Ausgleich des Interesses des Arbeitnehmers am Bestand des Arbeitsverhältnisses und der arbeitsvertraglichen und betrieblichen Interessen des Arbeitgebers dar. Ist die Erreichung der arbeitsvertraglichen und betrieblichen Ziele nicht mehr möglich, liegt also eine Störung im Austauschverhältnis vor, ist eine Kündigung gerechtfertigt. Die betrieblichen Interessen des Arbeitgebers werden aber maßgeblich geprägt durch die Höhe des drohenden Schadens, der durch ein künftiges arbeitsvertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers entsteht. Je höher der drohende Schaden, desto größer das Interesse des Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis zu beenden. Ist der zu erwartende Schaden nur geringfügig, muß auch das Interesse des Arbeitgebers an der Vertragsbeendigung geringer bewertet werden. Die betrieblichen Interessen des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses werden also maßgeblich von der Höhe des drohenden Schadens beeinflußt. Daraus folgt, daß der Zweck der Kündigungsregelungen das Festhalten am Arbeitsverhältnis eher verlangt, wenn der drohende Schaden gering ist, da hier das Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers überwiegt. Die Möglichkeit, den Arbeitsvertrag gemäß den Kündigungsregelungen zu beenden, wird aber maßgeblich durch die für die Negativprognose zu fordernde Wahrscheinlichkeit bestimmt. Es ist demnach davon auszugehen, daß nach dem Sinn und Zweck der Kündigungsregelungen eine Beweismaßsenkung dann in Betracht kommt, wenn der drohende Schaden außergewöhnlich hoch ist. Es besteht also eine umgekehrte Proportionalität von Schadenshöhe und Schadenswahrscheinlichkeit. Die dritte Komponente dieser Relation ist die Schwere des Eingriffs. 264 Diese hat jedoch im Kündigungsrecht keine eigenständige Bedeutung, da die Maßnahme, die Kündigung des Arbeitsverhältnisses, stets die gleiche ist; die Schwere des Eingriffs ist somit konstant. Die zu fordernde Wahrscheinlichkeit der zukünftigen Entwicklung bestimmt sich nach dem Umfang des drohenden Schadens. Dieser Ansatz wird auch durch einen Blick auf andere Rechtsgebiete bestätigt. Auch in anderen Rechtsgebieten stellt sich die Frage, wann eine tatbestandlich vorausgesetzte Gefahr als gegeben anzusehen ist. Dies kann auch dort nur mit Hilfe des Wahrscheinlichkeitsgrades entschieden werden. b) Die Gefahrenprognose in anderen Rechtsgebieten (1) Gefahrenprognose im Verwaltungsrecht Im Rahmen der ordnungsrechtlichen Eingriffsermächtigung ergibt sich eine ähnliche Situation wie im Kündigungsrecht. Die ordnungsrechtliche Generalklausel in den Landesgesetzen dient der Abwehr zukünftiger Gefahren, wobei

264

Nell, S. 183 ff.

184

4. Teil: Allgemeine Rechtsprinzipien

Gefahr die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines zukünftigen, nicht unerheblichen Schadenseintritts ist. 2 6 5 Nach Ansicht der Rechtsprechung und der Literatur wird der zu fordernde Grad an Wahrscheinlichkeit unter anderem von der Schwere des drohenden Schadens bestimmt. Je größer der drohende Schaden und je höherrangiger das gefährdete Rechtsgut, desto geringer die Anforderungen an die hinreichende Wahrscheinlichkeit. 266 Die hinreichende Wahrscheinlichkeit im Ordnungsrecht ergibt sich demnach aus der Relation zwischen Wahrscheinlichkeitsgrad und zu erwartender Schadensgröße. Zur Abwendung von Lebens- oder schweren Gesundheitsgefahren kann bereits eine "entfernte Wahrscheinlichkeit" ausreichen. 267 (2) Gefahrenprognose im Strafrecht Nach § 34 StGB kann eine Tat gerechtfertigt sein, wenn sie der Abwendung einer gegenwärtigen Gefahr dient. Gefahr ist ein Zustand, "in welchem nach den konkreten Umständen der Eintritt eines Schadens wahrscheinlich i s t " . 2 6 8 Diese Feststellung erfordert eine Prognose. 269 Eine entfernte Möglichkeit des Schadenseintritts genügt nicht; der Schaden muß aber auch nicht mit Sicherheit zu erwarten sein. 2 7 0 Es ist ausreichend, daß "ein Schadenseintritt ernstlich zu befürcheten ist". 2 7 1 Welcher Grad an Wahrscheinlichkeit für den Schadenseintritt zu verlangen ist, wird unter anderem vom Ausmaß des drohenden Schadens

265

Vgl. Seite 161 der Arbeit. BVerfGE 49, 89 (135 ff); BVerwGE 45, 51 (61); DÖV 1970, 713 (715); NJW 1981, 1915; OVG Münster NVwZ 1985, 355 (356); VGH Mannheim BB 1990, 237 f; VG Berlin NJW 1983, 1014 f; Achterberg/Püttner-Würtenberger, Polizei- und Ordnungsrecht, Rdn 153; Drews/Wacke/Vogel/Martens, S. 224 f; Götz, Rdn 117; Gusy, Rdn 116; Schmidt-Aßmann-Friauf, Polizei- und Ordnungsrecht, Rdn 51; SteinerSchenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rdn 34. 267 VGH Mannheim BB 1990, 237 f; ausführlich zum AtomG: Nell, S. 166 ff u. 175 ff; vgl. dazu auch: BVerfGE 49, 89 (138). 268 RGSt 66, 100; 225; BGHSt 18, 272; Dreher/Tröndle, § 34 StGB Rdn 3; Schönke/Schröder-Lenckner, § 34 StGB Rdn 12. 269 Schaffstein, S. 89; Schönke/Schröder-Lenckner, § 34 StGB Rdn 13. 270 Dreher/Tröndle, § 34 StGB Rdn 3; Schönke/Schröder-Lenckner, § 34 StGB Rdn 15. 271 BGHSt 18, 272; 22, 344; 26, 179; OLG Frankfurt NJW 1975, 840; Dreher/ Tröndle, § 34 StGB Rdn 3; Schaffstein, S. 104; Schönke/Schröder-Lenckner, § 34 StGB Rdn 15. 1 266

C. Der Wahrscheinlichkeitsgrad der Prognose

185

bestimmt. 272 Die Größe des zu befürchtenden Schadens ist maßgeblich dafür, wann eine Gefahr im Sinne des § 34 StGB vorliegt. 2 7 3 (3) Gefahrenprognose im Bürgerlichen Recht Im Bürgerlichen Recht werden, soweit eine bestimmte zukünftige Entwicklung Tatbestandsvoraussetzung ist, für verschiedene Ansprüche unterschiedliche Grade der Wahrscheinlichkeit verlangt. Insbesondere die Notstandsregelungen und Unterlassungsansprüche setzen das Bestehen einer Gefahr voraus. Voraussetzung für eine Notstandssituation nach § 228 S. 1 BGB ist eine drohende Gefahr. Für den Notstand nach § 904 S. 1 BGB muß eine gegenwärtige Gefahr vorliegen, wobei der Schadenseintritt nicht mit Sicherheit zu erwarten sein muß, vielmehr reicht ein höherer Grad an Wahrscheinlichkeit. 274 Nach verbreiteter Ansicht soll für das Drohen der Gefahr nach § 228 S. 1 BGB ein geringerer Wahrscheinlichkeitsgrad erforderlich sein als für die gegenwärtige Gefahr im Rahmen des § 904 S. 1 B G B . 2 7 5 Für den negatorischen Unterlassungsanspruch aus § 1004 BGB, der nach allgemeiner Ansicht auch gegen die erste drohende Beeinträchtigung gewährt w i r d , 2 7 6 wird ebenso ein höherer Grad an Wahrscheinlichkeit gefordert. 277 Der Tatbestand des § 907 Abs. 1 S. 1 BGB verlangt dagegen ausdrücklich eine mit Sicherheit vorauszusehende Einwirkung. 2 7 8 Im Rahmen des Tatbestandes des § 908 BGB wird vertreten, daß der

272

Rudolphi, S. 385; Schaffstein, S. 104 f; Schönke/Schröder-Lenckner, § 34 StGB

Rdn 15. 273

Schaffstein. S. 105; auch: Nell, S. 181 f. MünchKomm-Säcker, § 904 BGB Rdn 5; Soergel-Baur, § 904 BGB Rdn 5; für einen "hohen Grad an Wahrscheinlichkeit": Staudinger-Seiler, § 904 BGB Rdn 15, aber - im Gegensatz zu § 907 BGB - nicht "den höchsten Grad an prognostischer Sicherheit": aaO Rdn 16. 275 Erman-Hefermehl, § 228 BGB Rdn 2; MünchKomm-vFeldmann, § 228 BGB Rdn 2; RGRK-Johannsen, § 228 BGB Rdn 10; Staudinger-Di Icher, § 228 BGB Rdn 7; kritisch: Staudinger-Seiler, § 904 BGB Rdn 16. 276 RGZ 101, 335 (338 f); BGH LM § 1004 BGB Nr. 27 u. 32; Erman-Hefermehl, § 1004 BGB Rdn 27; Medicus, Bürgerliches Recht, Rdn 628; MünchKomm-Medicus, § 1004 BGB Rdn 80; Palandt-Bassenge, § 1004 BGB Rdn 29; RGRK-Pikart, § 1004 BGB Rdn 104; Staudinger-Gursky, § 1004 BGB Rdn 197. 277 MünchKomm-Medicus, § 1004 BGB Rdn 81; RGRK-Pikart, § 1004 BGB Rdn 103; Staudinger-Gursky, § 1004 BGB Rdn 196; vgl. auch: Palandt-Bassenge, § 1004 BGB Rdn 272: "ernste Besorgnis". 278 Vgl. dazu auch: RGZ 104, 81 (85); 134, 254 (255 f); MünchKomm-Säcker, § 907 BGB Rdn 1; RGRK-Augustin, § 907 BGB Rdn 7; Soergel-Baur, § 907 BGB Rdn 9. 274

186

4. Teil: Allgemeine Rechtsprinzipien

Schadenseintritt wahrscheinlich sein muß, 2 7 9 aber auch, daß jede nicht ganz entfernte Möglichkeit des Schadenseintritts ausreicht. 280 Soweit ersichtlich hat eine ausdrückliche Auseinandersetzung mit der Frage, ob die Höhe des drohenden Schadens Einfluß auf den Wahrscheinlichkeitsgrad des Gefahreintritts haben kann, weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur stattgefunden. Es wird jedoch vertreten, daß an das Vorliegen einer gegenwärtigen Gefahr im Sinne des § 904 S. 1 BGB geringere Anforderungen zu stellen sind, wenn Leib und Leben einer Person, also hochrangige Rechtsgüter, bedroht sind. 2 8 1 Hier kommt demnach die Relation zwischen Wahrscheinlichkeitsgrad der Gefahr und drohendem Schaden zum Tragen. (4) Gefahrenprognose im Arbeitsrecht Die Abhängigkeit des Wahrscheinlichkeitsgrades einer drohenden Gefahr von Höhe und Umfang des drohenden Schadens wurde vom BAG jüngst im Rahmen einer Kündigungsschutzklage angedeutet. 282 Das BAG hatte sich mit der Frage auseinanderzusetzen, inwieweit der Arbeitgeber aufgrund seiner Fürsorgepflicht gehalten ist, bei der Erlangung des Freigängerstatus eines inhaftierten Arbeitnehmers mitzuwirken, damit dieser seiner Arbeitspflicht weiterhin nachkommen kann. Die Reichweite der Fürsorgepflicht ist nach Ansicht des BAG durch eine "sorgfältige Abwägung der beiderseitigen Interessen" zu bestimmen. 283 Fraglich war dabei, ob es durch die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers - als Freigänger - zu künftigen Störungen des Arbeitsverhältnisses kommen konnte. Dazu hat das BAG ausgeführt: "Letztlich kommt es insoweit auf den Grad der Wahrscheinlichkeit von künftigen Störungen des Arbeitsverhältnisses und deren Schwere a n . " 2 8 4 Damit ist aber die Relation von Wahrscheinlichkeitsgrad und Schadensumfang, wenn auch nicht ausdrücklich, angesprochen. c) Bestätigung durch Rechtsprechung und Arbeitsrechtswissenschaft im Kündigungsrecht Die Beweismaßreduzierung in Abhängigkeit von der Höhe des drohenden Schadens im Kündigungsrecht wird im Ergebnis auch durch die bisherige Rechtsprechung und die Arbeitsrechtswissenschaft bestätigt.

279 280 281 282 283 284

MünchKomm-Säcker, § 908 BGB Rdn 2. Palandt-Bassenge, § 904 BGB Rdn 1. BGH LM § 904 BGB Nr. 3; RGRK-Augustin, § 904 BGB Rdn 6. BAG NZA 1995, 777 ff. BAG NZA 1995, 777 (778). BAG NZA 1995, 777 (779).

C. Der Wahrscheinlichkeitsgrad der Prognose

187

Die Reduzierung des Beweismaßes fur die Prognose zukünftiger Beeinträchtigungen der Arbeitgeberinteressen entspricht der von Rechtsprechung und Teilen der Arbeitsrechtswissenschaft angenommenen Störungen im Vertrauensbereich. Denn die Annahme eines besonderen Vertrauensbereiches bedeutet eine Vorverlagerung der Störung, so daß im Ergebnis auf eine mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit zukünftiger Störungen der arbeitsvertraglichen und betrieblichen Interessen des Arbeitgebers verzichtet wird. Statt dessen wird eine bestehende Störung im Vertrauensbereich angenommen. Ob aber dieser Vertrauensbereich gestört ist, ist letztlich eine Frage der Wahrscheinlichkeit zukünftiger Störungen der vertraglichen und betrieblichen Interessen des Arbeitgebers. Der Vertrauensbereich wird zumindest auch durch die besonderen Zugriffsmöglichkeiten des Arbeitnehmers auf Vermögenswerte und Betrieb des Arbeitgebers definiert. 285 Damit ist für die Störung im Vertrauensbereich die Wahrscheinlichkeit zukünftiger Beeinträchtigungen der vertraglichen und betrieblichen Interessen in Relation zum drohenden Schaden ausschlaggebend, nämlich zu den besonderen Zugriffsmöglichkeiten. Dies wird besonders deutlich bei den sogenannten Vertrauensstellungen, in denen der Arbeitnehmer in besonderem Maße Zugriff auf die Vermögenswerte des Arbeitgebers hat, so daß nach der Rechtsprechung bereits einmaliges und geringfügiges Fehlverhalten zur Kündigung berechtigt. 286 Das heißt aber im Ergebnis, daß bei einem drohenden großen Schaden, der sich aus der besonderen Vertrauensstellung ergibt, bereits eine geringere Wahrscheinlichkeit zukünftigen weiteren Fehlverhaltens ausreicht. Wenn es nämlich ausgeschlossen erscheint, daß weitere Verfehlungen vorkommen, kann auch nach Ansicht der Rechtsprechung eine Kündigung ausgeschlossen sein. 2 8 7 Teilweise stellen die Rechtsprechung und die Literatur auch ausdrücklich auf ein hohes Schadensrisiko a b . 2 8 8

285

BAG EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 45; Kittner/Trittin, § 1 KSchG Rdn 149. 286 Herschel/Löwisch, § 1 KSchG Rdn 117; zur Verschuldung: BAG EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 45; Erman-Hanau, § 626 BGB Rdn 52; KRHillebrecht, § 626 BGB Rdn 283 u. 337a; RGRK-Corts, § 626 BGB Rdn 173; Stahlhacke/Preis, Rdn 527; zum Spesenbetrug: BAG AP Nr. 42 u. 49 zu § 626 BGB; Staudinger-Preis, § 626 BGB Rdn 188; Stahlhacke/Preis, Rdn 562; zur Entwendung geringwertiger Sachen: BAG AP Nr. 80 u. 81 zu § 626 BGB; Staudinger-Preis, § 626 BGB Rdn 189; vgl. auch: Honstetter, S. 70. 287 Zum Spesenbetrug: LAG Frankfurt am Main LAGE § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 20; Stahlhacke/Preis, Rdn 562. 288 BAG AP Nr. 27 zu § 66 BetrVG; LAG Baden-Württemberg DB 1964, 681; Erman-Hanau, § 626 BGB Rdn 66.

188

4. Teil: Allgemeine Rechtsprinzipien

Aber auch außerhalb der Vertrauensstellungen stellt die Rechtsprechung und mit ihr ein Teil der Arbeitsrechtswissenschaft auf die Intensität des vergangenen und auch des zukünftigen Fehlverhaltens a b . 2 8 9 So reichen zum Beispiel Tätlichkeiten im Betrieb aus, um eine Kündigung zu rechtfertigen, ohne daß eine große Wahrscheinlichkeit weiterer Angriffe gegeben sein muß. 2 9 0 Dies wird jedoch häufig mit dem Begriff der "Unzumutbarkeit" begründet. 291 Teilweise wird bei Straftaten des Arbeitnehmers ausdrücklich die Höhe des durch die Straftat verursachten Schadens berücksichtigt. 292 Auch einmaliges Fehlverhalten kann eine Kündigung rechtfertigen, wenn dadurch Gefahren fur andere Arbeitnehmer oder Dritte hervorgerufen werden. 293 Andererseits kann eine Kündigung wegen einer Tätlichkeit ausgeschlossen sein, wenn es sich um eine "einmalige Entgleisung eines langjährig Beschäftigten" handelt. 294 Im Ergebnis wird auch hier der Grad der Wahrscheinlichkeit zukünftiger Beeinträchtigungen in Relation zum drohenden Schaden bestimmt. 295 Es wird immer wieder betont, daß bei der verhaltensbedingten Kündigung die Wiederholungsgefahr nicht notwendig gegeben sein muß; die Negativprognose könne sich vielmehr auch aus anderen negativen Auswirkungen ergeben. 296 Auch damit ist wieder der 289

HAS-Popp, § 19 E Rdn 19; Honstetter, S. 69 f; Lieb, S. 103; Staudinger-Preis, § 626 BGB Rdn 690. 290 BAG EzA § 102 BetrVG 1972 Nr. 71; NZA 1994, 409 (412); 1995, 678 (679 f); Herschel/Löwisch, § 1 KSchG Rdn 122; Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 357; Kittner/Trittin, § 626 BGB Rdn 140; Staudinger-Preis, § 626 BGB Rdn 156 u. 158; vgl. auch: Honstetter, S. 67; außerbetriebliche Straftaten und Gefährdung anderer Arbeitnehmer: BAG AP Nr. 9 zu § 313 ZPO; MünchKomm-Schwerdtner, § 626 BGB Rdn 103; RGRK-Corts, § 626 BGB Rdn 26. 291 Lieb, S. 103; Staudinger-Preis, § 626 BGB Rdn 156; vgl. fur Ehrverletzungen des Arbeitgebers: Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 19 Rdn 65; vgl. auch: Honstetter, S. 67, der eine "ersprießliche Weiterfuhrung des Arbeitsverhältnisses" verneint. 292 Däubler, ArbR 2, S. 566 f; Dütz, Anm. BAG EzA § 626 BGB n.F. Nr. 91; MünchKomm-Schwerdtner, § 626 BGB Rdn 104; Kittner/Trittin, § 626 BGB Rdn 193; vgl. auch: BAG NZA 1994, 409 (412), wonach die "Intensität und die Folgen des tätlichen Angriffs" zu berücksichtigen sind; ablehnend für Diebstahl geringwertiger Sachen aber: BAG AP Nr. 81 zu § 626 BGB; RGRK-Weller, Vor § 620 BGB Rdn 203; Tschöpe, NZA 1985, 588 (589). 293 Zum Alkoholmißbrauch besonderer Personengruppen wie Kranführer, Chirurgen etc.: Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 310; Stahlhacke/Preis, Rdn 700, die von Gefahren bei "sicherheitsrelevanten Tätigkeiten" sprechen; vgl. dazu auch: LAG Hamm DB 1978, 750; Knorr/Bichlmeier/Kremhelmer, 10. Kapitel Rdn 106; RGRKCorts, § 626 BGB Rdn 89; RGRK-Weller, Vor § 620 BGB Rdn 195. 294 BAG ArbuR 1994, 69. 295 Vgl. auch: Kraft/Raab, S. 33, die für die Frage, ob eine Gefahr vorliegt, ausdrücklich auf den Gefahrbegriff im Polizeirecht verweisen.

C. Der Wahrscheinlichkeitsgrad der Prognose

189

Vertrauensbereich angesprochen. 297 In einer Vielzahl dieser Fälle fehlt es jedoch lediglich an einem höheren Wahrscheinlichkeitsgrad fur weitere Vertragsverletzungen, so daß auch diese Fälle mit Hilfe einer Beweismaßreduzierung gelöst werden können, ohne daß auf den Vertrauensbereich zurückzugreifen ist. Wenn auch die Rechtsprechung und der große Teil der Arbeitsrechtswissenschaft durch die Annahme eines Vertrauensbereiches zum gleichen Ergebnis gelangen, ist dieser Weg dennoch abzulehnen. Durch die Vorverlagerung der Störung in den Vertrauensbereich wird die eigentliche Problematik verdeckt. Dies zeigt sich in der Rechtsprechung besonders darin, daß die Abwägung zwischen Wahrscheinlichkeit und drohendem Schaden nicht deutlich wird. Stattdessen wird mit dem subjektiven Begriff des besonderen Vertrauens argumentiert ohne offenzulegen, worin dieses besondere Vertrauen besteht. Die Bezugnahme auf den drohenden Schaden durch die besonderen Zugriffsmöglichkeiten bezeichnet dagegen die eigentliche Besonderheit der sogenannten Vertrauensstellungen, ohne daß auf subjektive Momente des Vertrauens eingegangen werden muß. Dies gilt auch für den Begriff der Unzumutbarkeit, der, wie oben bereits dargelegt, 298 keinen, eine juristische Begründung tragenden Inhalt hat. Setzt man hingegen die Wahrscheinlichkeit weiterer Störungen in Relation zum drohenden Schaden, ergibt sich nachvollziehbar eine Entscheidung, ob der Arbeitgeber das Risiko weiteren Fehlverhaltens nach den Kündigungsregelungen zu tragen hat oder ob eine Kündigung möglich ist. Schließlich spricht auch das Argument der Rechtssicherheit für den beschriebenen Ansatz, da der Kündigungsgrund dadurch objektiver und so der Ausgang eines Kündigungsschutzverfahrens vorhersehbarer wird. Es soll jedoch nicht übersehen werden, daß damit keineswegs eine eindeutige, im Sinne einer mathematisch errechenbaren Vorhersehbarkeit erreicht w i r d . 2 9 9 Die Entscheidung, ob eine Beweismaßsenkung notwendig ist und ob die dann geforderte Wahrscheinlichkeit als gegeben anzusehen ist, bleibt eine Einzelfallentschei-

296

BAG EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung, Nr. 37, 41 u. 46; NZA 1989, 633; Ascheid, Kündigungsschutzrecht, Rdn 28 ff u. 216; Herschel, FS G. Müller, S. 202 f; Herschel/Löwisch, § 1 KSchG Rdn 75; Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 274; Preis, Prinzipien, S. 322 ff; Stahlhacke, Fachtagung, S. 21; Stahlhacke/Preis, Rdn 690; Staudinger-Preis, § 626 BGB Rdn 92; keine Wiederholungsgefahr notwendig bei schweren Pflichtverletzungen: HAS-Popp, § 19 E Rdn 19; Honstetter, S. 67 f. 297 HAS-Popp, § 19 E Rdn 19; Honstetter, S. 68; RGRK-Corts, § 626 BGB Rdn 172 f; Staudinger-Preis, § 626 BGB Rdn 92; vgl. für Ehrverletzungen des Arbeitgebers: Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 16 Rdn 6 u. § 19 Rdn 65; Lieb, S. 103; Staudinger-Preis, § 626 BGB Rdn 690. 298 Siehe Seite 151 ff der Arbeit. 299 Ähnlich: Nell, S. 193.

190

4. Teil: Allgemeine Rechtsprinzipien

dung. Dies soll aber auch in einem an Einzelfallgerechtigkeit orientierten Kündigungsrecht so sein. Gegenüber der Störung des Vertrauensbereichs ist aber eine bessere Voraussehbarkeit und damit ein Mehr an Rechtssicherheit erreicht. d) Umgekehrte Proportionalität von Schadenshöhe und Wahrscheinlichkeit als Rechtsprinzip Wie oben gezeigt, stellt sich in vielen Rechtsgebieten die Frage, wann eine tatbestandlich vorausgesetzte Gefahr als gegeben anzusehen ist. Diese Frage enthält immer eine Prognose, die aufgrund der begrenzten Vorhersehbarkeit der Zukunft unsicher ist. Deshalb ist für das Vorliegen einer Gefahr ein Wahrscheinlichkeitsurteil erforderlich. Fraglich ist hinsichtlich jeder einzelnen gesetzlichen Regelung, welcher Wahrscheinlichkeitsgrad zu fordern i s t . 3 0 0 In den verschiedenen Rechtsgebieten findet sich - unterschiedlich stark ausgeprägt der Grundsatz der umgekehrten Proportionalität von Schadenshöhe und Schadenswahrscheinlichkeit, um den zu fordernden Wahrscheinlichkeitsgrad zu bestimmen. Am stärksten ausgeprägt ist dieser Grundsatz im Rahmen des polizeirechtlichen Gefahrbegriffs; aber auch im strafrechtlichen Notstandsrecht ist die umgekehrte Proportionalität ein wesentlicher Bestandteil des Gefahrbegriffs. Demnach läßt sich der Grundsatz der umgekehrten Proportionalität von Schadenshöhe und Schadenswahrscheinlichkeit zur Bestimmung des erforderlichen Grades der Wahrscheinlichkeit als alle Teilgebiete des Rechts übergreifendes Rechtsprinzip bezeichnen. 301 4. Die Anwendung im Kündigungsrecht Als letzter Schritt stellt sich im folgenden die Frage, wann eine Beweismaßsenkung aufgrund eines besonders hohen drohenden Schadens im Kündigungsrecht in Frage kommt. Im Mittelpunkt steht dabei entsprechend der Themenstellung die Kündigung wegen Sicherheitsbedenken. a) Die Kündigung wegen Sicherheitsbedenken Wie vorne ausgeführt, sind der Vorhersehbarkeit künftigen menschlichen Verhaltens enge Grenzen gesetzt; einer Beurteilungsprognose ist eine starke

300 j m Polizei. u n ( j Ordnungsrecht wird insoweit von einer "hinreichenden" Wahrscheinlichkeit gesprochen: Achterberg/Püttner-Würtenberger, Polizei- und Ordnungsrecht, Rdn 152; Drews/Wacke/Vogel/Martens, S. 223; Götz, Rdn 115; Gusy, Rdn 108; Schmidt-Aßmann-Friauf, Polizei- und Ordnungsrecht, Rdn 45; Steiner-Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, Rdn 34; Wolff/Bachof, Bd. III, § 125 Rdn 18. 301 Vgl. zur relativen Bestimmung der "hinreichenden" Wahrscheinlichkeit: Nell, S. 123 ff; vgl. zum Rechtsprinzip: Seite 139 ff der Arbeit.

C. Der Wahrscheinlichkeitsgrad der Prognose

191

Unsicherheit immanent. 302 Dies gilt insbesondere für die Kündigung wegen Sicherheitsbedenken, da hier noch keine vergangenen oder gegenwärtigen Beeinträchtigungen der vertraglichen und betrieblichen Interessen des Arbeitgebers gegeben sind. Daraus folgt, daß künftiges sicherheitsrelevantes Fehlverhalten des Arbeitnehmers in der Regel mit einer nur geringen Wahrscheinlichkeit prognostiziert werden kann. Auf der anderen Seite drohen dem Arbeitgeber durch Spionage- und Sabotagehandlungen erhebliche Schäden. Im Bereich der privatwirtschaftlichen Unternehmen können insbesondere durch den Verrat grundlegender Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Schäden verursacht werden, die bis zur Existenzgefährdung des Unternehmens führen. Im öffentlichen Dienst und in einzelnen privatwirtschaftlichen Unternehmen, wie zum Beispiel der Rüstungsindustrie, geht es vielfach um geheimhaltungsbedürftige Informationen, deren Verrat die Verteidigungsbereitschaft oder den Bestand des Staates gefährden können. Durch Sabotagehandlungen werden häufig bedeutende Sachwerte und Leib und Leben von Personen gefährdet. 303 Fraglich ist zunächst, wer grundsätzlich das Risiko für künftige Beeinträchtigungen der Sicherheitsinteressen des Arbeitgebers trägt. 3 0 4 Die Sicherheitsinteressen des Arbeitgebers werden durch das Zivilrecht und das Strafrecht geschützt. 305 Daneben hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, durch organisatorische und technische Maßnahmen Vorsorge gegen mögliche Beeinträchtigungen zu treffen. 306 Deshalb hat grundsätzlich der Arbeitgeber das Risiko künftiger Beeinträchtigungen zu tragen. 307 Etwas anderes gilt zunächst nur, wenn künftige Beeinträchtigungen der Sicherheitsinteressen durch einen Arbeitnehmer mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu prognostizieren sind. 3 0 8 In diesem Fall kommt eine personenbedingte Kündigung in Betracht. Aufgrund der Schwächen des zivil- und strafrechtlichen Schutzes und auch der technischen und organisatorischen Maßnahmen muß ein effektiver Schutz der Sicherheitsinteressen auch die Entfernung solcher Arbeitnehmer aus den sicherheitsempfindlichen Bereichen umfassen, die ein erhöhtes Sicherheitsrisiko darstellen. Da mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit zu pro-

302

Vgl. Seite 170 ff der Arbeit. Vgl. zum Ganzen ausführlich: Seite 32 ff der Arbeit. 304 V g | d a z u ; N e u s s 203 ff, der dies als "Grundrisiko" bezeichnet. 305 Vgl. Seite 34 ff der Arbeit. 306 Vgl. Seite 36 f der Arbeit. 307 Ähnlich: Fromm, S. 599. 308 Für die verhaltensbedingte Kündigung: vHoyningen-Huene, DB 1995, 142 (143). 303

192

4. Teil: Allgemeine Rechtsprinzipien

gnostizierende Verstöße gegen die Sicherheitsinteressen des Arbeitgebers durch solche Arbeitnehmer aber faktisch ausgeschlossen sind, 3 0 9 bedarf es der Möglichkeit einer Beweismaßreduzierung. Wann eine solche in Betracht kommt, kann nach dem Sinn und Zweck des Kündigungsrechts hinsichtlich der Kündigung wegen Sicherheitsbedenken nur anhand der Höhe des dem Arbeitgeber drohenden Schadens beantwortet werden, da die Höhe des drohenden Schadens die Beeinträchtigung der Sicherheitsinteressen bestimmt. 310 Daraus folgt für die Kündigung wegen Sicherheitsbedenken, daß eine Beweismaßsenkung auf eine überwiegende Wahrscheinlichkeit oder auch auf eine geringere Wahrscheinlichkeit notwendig sein kann, wenn im Einzelfall hohe oder besonders hohe Schäden für den Arbeitgeber drohen. b) Die verhaltensbedingte Kündigung Ob dies grundsätzlich auch für die verhaltensbedingte Kündigung gilt, kann hier nicht abschließend erörtert werden, da dies den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde. Vieles spricht jedoch für eine Anwendung. Auch wenn der Arbeitnehmer in der Vergangenheit schon gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen hat, sind zukünftige Pflichtverletzungen nur schwer prognostizierbar. Auch hier erscheint, wenn im Einzelfall schwere Schäden drohen, so wenn der Arbeitnehmer in Vertrauenspositionen besondere Zugriffsmöglichkeiten auf die Vermögenswerte des Arbeitgebers hat oder wenn Leib und Leben des Arbeitgebers oder anderer Arbeitnehmer gefährdet sind, eine überwiegende oder sogar eine geringe Wahrscheinlichkeit weiterer Pflichtverletzungen ausreichend, um eine Kündigung zu rechtfertigen. c) Sonstige personenbedingte Kündigungsgründe Bei der personenbedingten Kündigung erscheint eine Differenzierung nach den einzelnen Kündigungssachverhalten erforderlich. Wie oben gezeigt, kann bei der Kündigung wegen Sicherheitsbedenken eine Beweismaßsenkung notwendig sein. Gleiches kann für andere Kündigungen wegen der Gefahr künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses gelten. Und auch für die Verdachtskündigung, soweit hohe Schäden drohen, liegt eine Orientierung an der Relation zwischen Wahrscheinlichkeitsgrad und drohendem Schaden nahe. Im übrigen wird eine Entscheidung danach zu treffen sein, ob der Arbeitnehmer oder der Arbeitgeber nach dem Sinn und Zweck der Kündigungsregelungen das Risiko zukünftiger Beeinträchtigungen der Arbeitgeberinteressen zu tragen hat. Schlußendlich muß aber auch diese Frage hier dahingestellt bleiben.

309 310

Vgl. Seite 170 ff u. 177 f der Arbeit. Vgl. Seite 182 f der Arbeit.

D. Zwischenergebnis

193

D. Zwischenergebnis Voraussetzung fur die Wirksamkeit einer Kündigung nach § 1 KSchG und nach § 626 BGB ist zunächst die Beeinträchtigung der vertraglichen und betrieblichen Arbeitgeberinteressen. Zudem muß die Kündigung erforderlich sein. Es dürfen keine milderen Maßnahmen, die ebenso geeignet sind, die Beeinträchtigungen zu beseitigen, zur Verfügung stehen. Bei der personenbedingten und der verhaltensbedingten Kündigung ist schließlich eine abschließende Interessenabwägung im gesetzlich vorgegebenen Rahmen vorzunehmen. Aufgrund der Interessenabwägung muß feststehen, daß nicht im Einzelfall trotz der Beeinträchtigung der Arbeitgeberinteressen eine unveränderte Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers geboten ist. Dies kann aber nur ausnahmsweise dann der Fall sein, wenn schützenswerte Arbeitnehmerinteressen die Interessen des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses deutlich überwiegen. Da alle Kündigungsgründe zukunftsbezogen sind, ist für die Rechtfertigung jeder Kündigung die Prognose zukünftiger erheblicher Beeinträchtigungen der vertraglichen und betrieblichen Interessen des Arbeitgebers erforderlich. Auch die Frage der Erforderlichkeit und die Interessenabwägung sind auf die zukünftige Entwicklung ausgerichtet. Dem Arbeitgeber steht hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung kein gerichtlich nicht nachprüfbarer Prognosespielraum zu. Es kommt jedoch eine Beweismaßsenkung in Betracht, wenn dies nach Sinn und Zweck der Kündigungsregelungen notwendig ist. Eine Beweismaßsenkung kann sich insbesondere dann ergeben, wenn durch zukünftiges Verhalten des Arbeitnehmers besonders hohe Schäden drohen. Für die Kündigung wegen Sicherheitsbedenken ergibt sich aus der unsicheren Prognostizierbarkeit menschlichen Verhaltens die Notwendigkeit einer Beweismaßreduzierung, wenn durch zukünftige Spionageoder Sabotagehandlungen dem Arbeitgeber hohe Schäden drohen.

13 Meyer

. Teil Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen Sicherheitsbedenken

Auf der Grundlage der erarbeiteten Wirksamkeitsanforderungen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses soll nunmehr dargestellt werden, unter welchen Voraussetzungen eine Kündigung wegen Sicherheitsbedenken gerechtfertigt ist. Zu unterscheiden ist wiederum zwischen den Voraussetzungen einer ordentlichen Kündigung nach § 1 KSchG und den Voraussetzungen einer außerordentlichen Kündigung nach § 626 BGB. Schließlich wird zu untersuchen sein, welchen Einfluß die besonderen gesetzlichen Bestimmungen des SÜG und des AtomG auf die Wirksamkeitsvoraussetzungen einer Kündigung wegen Sicherheitsbedenken haben. Im Mittelpunkt steht dabei die personenbedingte Kündigung; es soll jedoch daneben auch auf die verhaltensbedingte Kündigung eingegangen werden. In diesem Rahmen wird auch eine kritische Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung und Literatur zur Kündigung wegen Sicherheitsbedenken erfolgen.

A. Voraussetzungen nach dem KSchG Die Voraussetzungen der sozialen Rechtfertigung einer Kündigung wegen Sicherheitsbedenken nach § 1 KSchG werden für die personenbedingte und für die verhaltensbedingte Kündigung erörtert. Daneben ist auf die Voraussetzungen für die soziale Rechtfertigung einer Druckkündigung als besondere Form der personenbedingten Kündigung einzugehen.

I. Die personenbedingte Kündigung Eine personenbedingte Kündigung ist nach § 1 Abs. 2 KSchG wirksam, wenn eine Prognose ergibt, daß ein vorliegender Eignungsmangel des Arbeitnehmers die vertraglichen und betrieblichen Interessen des Arbeitgebers zukünftig erheblich beeinträchtigen wird, die Kündigung erforderlich ist und auch eine Interessenabwägung im Einzelfall nicht zur Sozialwidrigkeit führt. Daraus ergibt sich eine vierstufige Prüfung der Rechtmäßigkeit einer personenbedingten Kündigung.

Α. Voraussetzungen nach dem KSchG

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1. Eignungsmangel Voraussetzung für eine personenbedingte Kündigung ist zunächst die fehlende Eignung des Arbeitnehmers, seine arbeitsvertraglichen Pflichten zu erfüllen. Das Tatbestandsmerkmal Eignungsmangel dient allein der Abgrenzung zur verhaltensbedingten und zur betriebsbedingten Kündigung. Soweit der Kündigungsgrund nicht auf den betriebsbedingten Wegfall eines Arbeitsplatzes oder auf arbeitsvertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers beruht, liegt grundsätzlich ein Eignungsmangel vor, da die personenbedingte Kündigung als Auffangtatbestand anzusehen ist. 1 Neben der Abgrenzung gegenüber den anderen Kündigungsgründen kommt diesem Prüfungspunkt keine weitere Bedeutung zu. Bestehen gegenüber einem Arbeitnehmer Sicherheitsbedenken führt dies niemals zum Wegfall eines Arbeitsplatzes, so daß eine betriebsbedingte Kündigung ausscheidet. Die Sicherheitsbedenken können aber im Einzelfall auf arbeitsvertraglichen Pflichtverletzungen beruhen. Dies kann insbesondere im öffentlichen Dienst der Fall sein, wenn die Sicherheitsbedenken aus einem Verstoß gegen die arbeitsvertragliche politische Treuepflicht folgen. 2 Ein arbeitsvertragswidriges Verhalten ist auch gegeben, wenn der Arbeitnehmer gegen bestehende Sicherheitsvorschriften, dessen Beachtung zu seinen arbeitsvertraglichen Pflichten gehört, verstoßen hat und die Sicherheitsbedenken darauf beruhen.3 Da in diesen Fällen eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten vorliegt, kommt eine verhaltensbedingte Kündigung in Betracht. Liegt den Sicherheitsbedenken kein arbeitsvertragswidriges Verhalten zugrunde, liegt stets ein Eignungsmangel vor, der eine personenbedingte Kündigung rechtfertigen kann, wenn die Voraussetzungen des § 1 KSchG gegeben sind. Der Eignungsmangel kann auf einer Vielzahl von Umständen beruhen, insbesondere auch solcher aus dem Privatleben des Arbeitnehmers. Eine abschließende Aufzählung möglicher Ursachen für Sicherheitsbedenken kann aufgrund der Vielzahl möglicher Motivationen für Spionage- und Sabotagehandlungen nicht erfolgen. 4 Diese Umstände, die den Eignungsmangel begründen, können eine Kündigung jedoch nur rechtfertigen, wenn sie zu einer erheblichen Beeinträchtigung vertraglicher und betrieblicher Interessen des Arbeitgebers führen.

1

Siehe Seite 106 f der Arbeit. Vgl. Seite 106 der Arbeit; BAGE 23, 371 (375); 62, 256 (LS 3 u. 269 ff); AP Nr. 11 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung; Urteile 12.03.1986 vom Az: 7 AZR 468/81 u. Az: 7 AZR 469/81, nv. 3 Vgl. aus dem Beamtenrecht: BVerwGE 73, 154 (156 ff); 81, 258 (263 f)· 4 Vgl. die beispielhafte Aufzählung: Seite 95 f der Arbeit. 2

1*

196

5. Teil: Die Kündigung wegen Sicherheitsbedenken

2. Erhebliche Beeinträchtigung vertraglicher und betrieblicher Interessen Aufgrund des Eignungsmangels müssen die arbeitsvertraglichen und betrieblichen Interessen des Arbeitgebers zukünftig erheblich beeinträchtigt werden. 5 Die Vertrags- und Betriebsbezogenheit aller Kündigungsgründe folgt aus dem schuldrechtlichen Charakter des Arbeitsvertrages als Austauschvertrag. Nur Umstände, die Einfluß auf die Vertragsdurchführung haben, können eine Kündigung rechtfertigen. Nicht jede Beeinträchtigung der Interessen reicht aus; sie muß vielmehr so erheblich sein, daß von einer Störung des vertraglichen Austauschverhältnisses gesprochen werden kann. 6 Die Beeinträchtigung der vertraglichen und betrieblichen Interessen muß aufgrund der Zukunftsbezogenzeit aller Kündigungsgründe zukünftig gegeben sein. Die Prognose muß auf der Grundlage objektiv feststehender Tatsachen erfolgen; in der Regel sind dies die vorliegenden vergangenen und gegenwärtigen Beeinträchtigungen der Arbeitgeberinteressen. Bei der Kündigung wegen Sicherheitsbedenken ist auch eine Kündigung allein wegen zu befürchtender zukünftiger Beeinträchtigungen möglich, ohne daß es bereits in der Vergangenheit oder Gegenwart zu Beeinträchtigungen der vertraglichen und betrieblichen Interessen gekommen sein muß. 7 Die vertraglichen und betrieblichen Interessen, die durch den Eignungsmangel des Arbeitnehmers beeinträchtigt sein können, sind hinsichtlich der Kündigung wegen Sicherheitsbedenken die Sicherheitsinteressen des Arbeitgebers, also der Schutz vor Spionage- und Sabotagehandlungen und der Personenschutz.8 Diese Interessen sind im Rahmen des Kündigungsrechts schützenswert, da es sich um elementare betriebliche Integritätsinteressen handelt.9 Eine Beeinträchtigung dieser Interessen kann demnach eine Kündigung rechtfertigen. Es ist aber zu fragen, ob tatsächlich eine Beeinträchtigung dieser Interessen vorliegt. Voraussetzung dafür ist, daß die Gefahr besteht, der Arbeitnehmer werde in der Zukunft die Sicherheitsinteressen beeinträchtigen. Eine solche 5

Herschel, Anm BAG AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Sicherheitsbedenken; siehe auch Seite 99 ff der Arbeit. 6 Siehe Seite 101 der Arbeit. 7 Siehe Seite 109 f der Arbeit; anders die von Rechtsprechung und Arbeitsrechtswissenschaft vertretene Ansicht: BAG EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 12 u. 26; EzA § 2 KSchG Nr. 11; NJW 1985, 507; Ascheid, Kündigungsschutzrecht, Rdn 30; Gentges, S. 220 f, Stahlhacke/Preis, Rdn 726; Staudinger-Preis, § 626 BGB Rdn 210, vgl. aber auch für die Kündigung wegen Sicherheitsbedenken: BAGE 14, 103 (108); BAG AP Nr. 28 zu § 66 BetrVG; LAG Chemnitz ArbRS 39, 84 (87). 8 Herschel, Anm BAG AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Sicherheitsbedenken. 9 Vgl. Seite 108 der Arbeit.

Α. Voraussetzungen nach dem KSchG

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Gefahr kann nur dann gegeben sein, wenn der Arbeitnehmer die Möglichkeit hat, sicherheitsrelevante Handlungen zu begehen und deshalb ein Sicherheitsrisiko besteht. a) Sicherheitsempfindliche Tätigkeit Eine Beeinträchtigung der Arbeitgeberinteressen kann nur vorliegen, wenn der Arbeitnehmer aufgrund seiner konkreten Tätigkeit im Betrieb die Möglichkeit hat, sicherheitsrelevante Handlungen zu begehen.10 Der Arbeitnehmer muß also Zugang zu Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen haben, soweit Spionagehandlungen in Frage stehen oder er muß Einwirkungsmöglichkeiten auf Sachwerte oder Leib und Leben gefährdeter Personen haben. Die besonderen Zugriffsmöglichkeiten des Arbeitnehmers müssen mit den Umständen, auf denen sich die Sicherheitsbedenken gründen, korrelieren. Verwandtschaftliche Bindungen zu Konkurrenzunternehmen begründen zum Beispiel in der Regel keine Gefährdung von Personen. Bestehen keine besonderen Zugriffsmöglichkeiten, die über die Möglichkeiten anderer, dritter Personen hinausgehen, liegt eine Beeinträchtigung der Sicherheitsinteressen nicht vor. Dies ist zum Beispiel dann anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer sich Zugang zu Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen nur verschaffen kann, indem er von außen in Bereiche eindringt, die ihm wie jeder anderen Person grundsätzlich nicht zugänglich sind. 11 In diesem Fall besteht nur ein nicht über das übliche hinausgehende Sicherheitsrisiko, das der Arbeitgeber zu tragen hat. 1 2 Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn der Arbeitnehmer aufgrund seiner betrieblichen Tätigkeit die Möglichkeit hat, sich Zutritt zu bestimmten Bereichen zu verschaffen, die dritten Personen verwehrt sind. Dies ist unabhängig davon, ob er dazu berechtigt ist oder nicht. Die Frage, ob der Arbeitnehmer eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit ausübt, ist durch die Arbeitsgerichte voll nachprüfbar. 13 Dem Arbeitgeber steht hinsichtlich seiner Sicherheitsinteressen kein Beurteilungsspielraum zu, soweit es um die Kündigung des Arbeitsverhältnisses geht. 14 Die Arbeitsgerichte

10 BAGE 10, 103 (105); 62, 256 (264); AP Nr. 28 zu § 66 BetrVG; EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung, Nr. 45. 11 Vgl: BAG AP Nr. 28 zu § 66 BetrVG. 12 Vgl. Seite 190 ff der Arbeit. 13 BAG AP Nr. 1 zu § 1 KSchG Sicherheitsbedenken; BAGE 14, 103 (108); 62, 256 (264); BAG EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 45, S. 3; Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, 1. Aufl., Rdn 164; Bleistein, Rdn 201; insb. auch: Herschel, Anm zu BAG AP Nr. 1 zu § 1 KSchG Sicherheitsbedenken; Monjau, S. 409 f; siehe auch: Seite 172 f der Arbeit. 14 Ein solcher Beurteilungsspielraum steht dem Arbeitgeber lediglich bei der Einstellung eines Arbeitnehmers zu; hier kann er die Anforderungen, die er an das Sicherheits-

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5. Teil: Die Kündigung wegen Sicherheitsbedenken

haben aber die besonderen Umstände des Arbeitgebers und die von ihm festgelegten Unternehmensziele, zum Beispiel erhöhte Spionagegefahr und besonderes Sicherheitsbedürfhis aufgrund des konkreten Tätigkeitsbereichs des Unternehmens, zu berücksichtigen. 15 b) Sicherheitsrisiko Die Umstände oder Eigenschaften des Arbeitnehmers müssen im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern eine erhöhte Gefährdung begründen. Dies können verwandtschaftliche Beziehungen, extreme politische oder religiöse Anschauungen, eine besondere Erpreßbarkeit, eine Überschuldung oder sonstige besondere Umstände sein. 16 Liegt keine im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern erhöhte Gefährdung vor, besteht wiederum lediglich das allgemeine Sicherheitsrisiko, das der Arbeitgeber zu tragen hat. (1) Zukünftige Beeinträchtigungen der Sicherheitsinteressen Ein Sicherheitsrisiko, das zu einer Beeinträchtigung der Sicherheitsinteressen des Arbeitgebers führt, liegt jedoch nur vor, wenn eine Prognose ergibt, daß der Arbeitnehmer in der Zukunft sicherheitsrelevante Handlungen begehen wird. Bei der Kündigung wegen Sicherheitsbedenken sind noch keine vergangenen oder gegenwärtigen Beeinträchtigungen der Sicherheitsinteressen des Arbeitgebers vorhanden. Es geht allein um zukünftige Beeinträchtigungen. Für diese Prognose, ob zukünftige Beeinträchtigungen zu besorgen sind, muß der Arbeitgeber objektive Tatsachen vortragen, die dieser Prognose zugrunde gelegt werden können. 17 Entgegen der Ansicht der Rechtsprechung und der Arbeitsrechtswissenschaft 18 können aber auch mangels weiterer Anknüpfungstatsachen allein die

profil der Bewerber stellen will, im Rahmen seiner unternehmerischen Organisationsgewalt festlegen, vgl. dazu: Buchner, NZA 1991, 577 (582). 15 BAGE 14, 103 (105). 16 Vgl. Seite 95 f der Arbeit; BAGE 10, 47 (48); 14, 103 (105); 62, 256 (265); AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Sicherheitsbedenken. 17 BAG AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Sicherheitsbedenken; BAGE 62, 256 (265); Herschel/Löwisch, § 1 KSchG Rdn 156; Kittner/Trittin, 1. Aufl., § 1 KSchG Rdn 110; KR-Becker, § 1 KSchG Rdn 199. 18 BAGE 62, 256 (264); BAG AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Sicherheitsbedenken; AP Nr. 11 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung; EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 45; LAG Frankfurt am Main, Urteil vom 29.01.1979, Az: 11 Sa 1142/78, nv, LS 2; Herschel, Anm BAG AP Nr. 3 zu § 1 KSchG Sicherheitsbedenken; Herschel/Löwisch, § 1 KSchG Rdn 156; Kittner/Trittin, 1. Aufl., § 1 KSchG

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für das erhöhte Sicherheitsrisiko maßgeblichen Tatsachen ausreichen. Entscheidend ist allein die Negativprognose, die zukünftige sicherheitserhebliche Handlungen befürchten läßt. Es fragt sich aber in der Tat, ob zum Beispiel allein der Umstand, daß der Arbeitnehmer verwandtschaftliche Beziehungen zu Personen in Konkurrenzunternehmen oder anderer Staatsangehörigkeit hat, eine solche Negativprognose zulassen. Dies ist jedoch die Frage nach dem zu fordernden Wahrscheinlichkeitsgrad der Negativprognose. (2) Wahrscheinlichkeit der zukünftigen Beeinträchtigung der Sicherheitsinteressen Für die Prognose zukünftiger Beeinträchtigungen ist grundsätzlich gemäß § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG, § 46 Abs. 2 ArbGG iVm § 286 ZPO eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit notwendig. Eine Beweismaßsenkung ist aber möglich, wenn eine solche Wahrscheinlichkeit nicht erreichbar ist und die Beweismaßsenkung nach dem Sinn und Zweck des KSchG notwendig ist. 1 9 Im Hinblick auf die Kündigung wegen Sicherheitsbedenken ist eine Beweismaßsenkung möglich, da zukünftige sicherheitserhebliche Handlungen des Arbeitnehmers faktisch niemals mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit prognostiziert werden können. Eine solche Wahrscheinlichkeit ist nach Sinn und Zweck des Kündigungsrechts auch nicht erforderlich, da der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis auch bereits dann beenden kann, wenn seine Sicherheitsinteressen dies bei einer geringeren Wahrscheinlichkeit notwendig machen. 20 Unter welchen Voraussetzungen eine Beweismaßsenkung möglich ist, richtet sich bei der Kündigung wegen Sicherheitsbedenken nach dem Prinzip der umgekehrten Proportionalität zwischen Schadenswahrscheinlichkeit und Schadensausmaß.21 Je nach der Höhe des zu erwartenden Schadens ist eine Senkung bis hin zur geringen Wahrscheinlichkeit möglich. Völlig entfernt liegende Möglichkeiten reichen jedoch nicht aus. Für die Darstellung der Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen Sicherheitsbedenken soll im folgenden von einer Einteilung der Wahrscheinlichkeit in fünf Stufen ausgegangen werden. 22 Die erste Stufe ist die an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit, wobei diese vorliegen soll, wenn der Prozentsatz der

Rdn 110; KR-Becker, § 1 KSchG Rdn 199; MünchHandb-ArbR-Berkowsky, § 132 Rdn 140; auch: Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 15 Rdn 11. 19 Vgl. Seite 180 ff der Arbeit. 20 Vgl. Seite 190 ff der Arbeit. 21 Vgl. dazu: Seite 182 fu. 190 ff der Arbeit; ausführlich: Nell, S. 163 ff. 22 Vgl. zu den verschiedenen Stufen der Wahrscheinlichkeit: Baumgärtel, S. 179; Bender, S. 257 f; Prütting, S. 74 f.

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5. Teil: Die Kündigung wegen Sicherheitsbedenken

Wahrscheinlichkeit über 99,8% liegt. Die zweite Stufe, die hohe Wahrscheinlichkeit, liegt vor bei einer prozentualen Wahrscheinlichkeit von mehr als 75%. Die überwiegende Wahrscheinlichkeit stellt die dritte Stufe dar bei einem Prozentsatz von über 50%. Eine mehr als geringe Wahrscheinlichkeit, auf der vierten Stufe, liegt vor bei einer prozentualen Wahrscheinlichkeit von mehr als 25%. Unterhalb dieses Prozentsatzes steht auf der fünften Stufe die geringe Wahrscheinlichkeit. 23 Die Schadenshöhe kann auf vier verschiedenen Stufen unterschieden werden: Geringe Schäden, mittleres Schadensausmaß, hohe Schäden und außerordentlich hohe Schäden, die zum Beispiel zur Existenzgefährdung des Unternehmens fuhren. (3) Verhältnis der Wahrscheinlichkeit zum drohenden Schaden Zunächst muß der dem Arbeitgeber drohende Schaden, der durch den betreffenden Arbeitnehmer verursacht werden kann, ermittelt werden. Sodann ist aufgrund der das Sicherheitsrisiko begründenden Anknüpfungstatsachen die Wahrscheinlichkeit für sicherheitsrelevantes Verhalten zu bestimmen. Ob diese Wahrscheinlichkeit eine erhebliche Beeinträchtigung der vertraglichen und betrieblichen Interessen des Arbeitgebers ergibt, ist in Relation zum drohenden Schaden zu entscheiden. (a) Drohende geringe Schäden Drohen dem Arbeitgeber durch sicherheitsrelevante Handlungen des Arbeitnehmers lediglich geringe Schäden, kommt eine Kündigung nur bei einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit zukünftiger Beeinträchtigungen der Sicherheitsinteressen in Betracht. Aufgrund der grundsätzlichen Zuweisung des Sicherheitsrisikos an den Arbeitgeber muß dieser die Gefahr geringer Schäden durch sicherheitsrelevante Handlungen tragen, soweit diese nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit prognostiziert werden können. 24 Bei einer geringeren Wahrscheinlichkeit muß der Arbeitgeber auf die zivilrechtlichen und strafrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten verwiesen werden, um eventuelle Schäden zu verhindern oder abzugleichen. 25

23 Es wird nicht verkannt, daß diese Einteilung diskussionswürdig ist, insbesondere die Anwendung der verschiedenen Stufen der Wahrscheinlichkeit in der Praxis des Rechtsanwenders aber auch die Definition mit Hilfe von Prozentzahlen. Im Rahmen dieser Arbeit kann diese Einteilung jedoch für die Problemdarstellung unterstellt werden. Vgl. auch zum Begriff der Wahrscheinlichkeit: Baumgärtel, S. 165 ff; Bender, S. 257 f; Huber, S. 114 f; ausführlich: Nell, S. 21 ff; Prütting, S. 74 ff. 24 Vgl. zur grundsätzlichen Risikotragung: Seite 190 f der Arbeit. 25 Vgl. dazu: Seite 34 ff der Arbeit.

Α. Voraussetzungen nach dem KSchG

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Eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit für künftige sicherheitsrelevante Handlungen wird aber in der Praxis kaum anzunehmen sein. Diese wäre wohl nur gegeben, wenn der Arbeitnehmer schon Vorbereitungshandlungen für Spionage- oder Sabotagehandlungen vorgenommen hat; wenn er zum Beispiel bereits geheimhaltungsbedürftige Unterlagen an sich gebracht hat. In diesen Fällen wird aber häufig eine verhaltensbedingte Kündigung möglich sein, da die Vorbereitungshandlungen einen Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten darstellen, so daß eine personenbedingte Kündigung, die sich allein auf Sicherheitsbedenken stützt, nicht mehr nötig ist. (b) Drohender mittlerer Schadensumfang Auch bei drohenden mittleren Schäden hat zunächst der Arbeitgeber das Sicherheitsrisiko zu tragen. Lediglich bei mit zumindest überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Beeinträchtigungen der Sicherheitsinteressen kann das Arbeitsverhältnis beendet werden. Aber auch eine überwiegende Wahrscheinlichkeit künftiger Beeinträchtigungen wird praktisch kaum zu prognostizieren sein. Auch hier ist der Arbeitgeber auf zivil- und strafrechtliche Sanktionsmöglichkeiten zu verweisen. Außerdem verbleiben ihm organisatorische und technische Möglichkeiten, um Verstöße gegen seine Sicherheitsinteressen zu verhindern. 26 (c) Drohende hohe Schäden Drohen dem Arbeitgeber durch befürchtete Beeinträchtigungen seiner Sicherheitsinteressen hohe Schäden, kann das Kündigungsrecht ihm dieses Risiko aufgrund der Schwächen von organisatorischen und technischen Maßnahmen und des straf- und zivilrechtlichen Schutzes nicht mehr grundsätzlich auferlegen. 27 Hier hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, sich von einem Arbeitnehmer zu trennen, von dem eine Gefahr für die Sicherheit ausgeht, deren Realisierung zu hohen Schäden beim Arbeitgeber führen würde. Aber auch in diesen Fällen reicht eine geringe Wahrscheinlichkeit nicht aus; es muß zumindest eine mehr als geringe Wahrscheinlichkeit gegeben sein. Das heißt, es müssen in der Regel neben den allgemeinen Umständen, auf denen sich die Sicherheitsbedenken gründen, weitere Umstände hinzukommen, die die Beeinträchtigung der Sicherheitsinteressen mit mehr als nur einer geringen Wahrscheinlichkeit möglich erscheinen lassen. Etwas anderes kann sich jedoch für die Lebensgemeinschaft mit einem Partner, der in einem Konkurrenzunternehmen beschäftigt ist, ergeben. Hier besteht allein aufgrund dieser Tatsache die mehr als geringe Wahr-

26 27

Vgl. dazu: Seite 36 f der Arbeit. Siehe Seite 34 ff u. 190 ff der Arbeit.

202

5. Teil: Die Kündigung wegen Sicherheitsbedenken

scheinlichkeit, daß es in der Zukunft zu fahrlässigen Verstößen gegen die Geheimhaltungspflichten des Arbeitnehmers kommt. Mit dieser Begründung läßt sich das Urteil des BAG vom 28.02.1963 im Ergebnis rechtfertigen. 28 Aufgrund der Tatsachen, daß der Arbeitnehmer Familienangehörige in der damaligen Deutschen Demokratischen Republik besaß und dort eine Beitrittserklärung zur noch zu gründenden SED in der Bundesrepublik unterschrieben hatte, bestand eine mehr als geringe Wahrscheinlichkeit, daß er Erpressungsversuchen der Nachrichtendienste der Deutschen Demokratischen Republik oder anderer Staaten des ehemaligen Warschauer Paktes nachgeben werde. 29 Trotz der nur kurzen Ausführungen des BAG über die der Bundeswehr durch Spionagehandlungen des Arbeitnehmers drohenden Schäden, kann wohl auch davon ausgegangen werden, daß diese als hoch anzusehen waren, da der Arbeitnehmer als Platzmeister Zugang zur Waffentechnik und zu den Geräten auf dem Schießplatz hatte. 30 Ähnliches gilt für das Urteil des LAG Chemnitz vom 20.08.1940. 31 Allerdings geht das LAG nicht auf den drohenden Schadensumfang, der dem Arbeitgeber drohte, ein. Die Kündigung wäre nach § 1 KSchG nur gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer durch die Weitergabe der Lieferantenadressen einen hohen Schaden hätte anrichten können. Die Tatsache, daß der Arbeitnehmer an dem Konkurrenzunternehmen, das seinem Sohn gehörte, mit einem Kredit beteiligt war, ergibt eine mehr als geringe Wahrscheinlichkeit für künftige Spionagehandlungen des Arbeitnehmers. 32 In die gleiche Richtung zielt wohl auch das Urteil des ArbG Heidelberg vom 31.01.1967. 33 Der Fund von für die Tätigkeit des Arbeitnehmers nicht benötigten und entgegen den betrieblichen Regelungen abgeschriebenen Rezepturkarten begründet eine mehr als geringe Wahrscheinlichkeit für künftige Spionagehandlungen.34 Aber auch das ArbG Heidelberg geht nicht auf den drohenden Schadensumfang ein. Dem Urteil des LAG Bayern vom 15.06.1967 ist insoweit zuzustimmen, als eine Kündigung möglich ist, wenn der Ehepartner des Arbeitnehmers in einem Konkurrenzunternehmen arbeitet und die bedrohten Interessen des Arbeitgebers erheblich sind. 35 Die Tätigkeit des Ehepartners in einem Konkurrenzunterneh-

28 29 30 31 32 33 34 35

BAG AP Nr. 1 zu § 1 KSchG Sicherheitsbedenken. Vgl.: BAGE 10, 47(108). Vgl.: BAGE 10, 47(108). LAG Chemnitz ArbRS 39, 84 ff. Vgl.: LAG Chemnitz ArbRS 39, 84 (85). ArbG Heidelberg BB 1967, 1210. Vgl.: ArbG Heidelberg BB 1967, 1210. LAG Bayern BB 1969,315.

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men begründet eine mehr als geringe Wahrscheinlichkeit für eine künftige, insbesondere auch fahrlässige Preisgabe von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen. Ob allerdings eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt war, wird im folgenden noch zu erörtern sein. (d) Außergewöhnlich hohe drohende Schäden Die geringsten Anforderungen an den Wahrscheinlichkeitsgrad der Negativprognose sind schließlich zu stellen, wenn die Schäden, die dem Arbeitgeber drohen, außergewöhnlich hoch sind. Dies wird anzunehmen sein, wenn der Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen droht, die die Grundlage der wirtschaftlichen Existenz des Unternehmens darstellen. Gleiches gilt für Sabotagehandlungen in privaten Unternehmen. Im staatlichen Bereich liegen außergewöhnlich hohe Schäden vor, wenn es um den Verrat von Staatsgeheimnissen geht, deren Bekanntwerden die innere oder äußere Handlungsfreiheit oder sogar den Bestand des Staates gefährden. Im Hinblick auf Sabotagehandlungen sind außergewöhnlich hohe Schäden gegeben, wenn durch die Sabotagehandlungen die innere Sicherheit oder die Verteidigungsbereitschaft gefährdet wird. Aber auch volkswirtschaftlich relevante Sabotagehandlungen, wie zum Beispiel Computersabotage in volkswirtschaftlich wichtigen Verwaltungsbereichen, können außergewöhnlich hohe Schäden verursachen. Schließlich sind Beeinträchtigungen von Leib und Leben im Hinblick auf den Personenschutz grundsätzlich als ungewöhnlich hohe Schäden anzusehen, da hier höchste Rechtsgüter bedroht sind. Drohen durch sicherheitsrelevante Handlungen des Arbeitnehmers außergewöhnlich hohe Schäden, genügt grundsätzlich eine geringe Wahrscheinlichkeit für die Negativprognose. In diesen Fällen sind die betrieblichen Sicherheitsinteressen des Arbeitgebers derart beeinträchtigt, daß der Arbeitsvertrag als Austauschverhältnis gestört ist. Das Auflösungsinteresse des Arbeitgebers überwiegt gegenüber dem Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers. Der Arbeitgeber kann sich von einem Arbeitnehmer trennen, dessen mögliche, wenn auch nur mit geringer Wahrscheinlichkeit zu prognostizierende Verstöße gegen seine Sicherheitsinteressen außergewöhnlich hohe Schäden verursachen können. Eine geringe Wahrscheinlichkeit künftiger Beeinträchtigungen der Sicherheitsinteressen des Arbeitgebers kann sich aber bereits allein aus den verwandtschaftlichen Bindungen des Arbeitnehmers zu Konkurrenzunternehmen, aus seiner politischen oder religiösen Einstellung, der Gefahr der Erpreßbarkeit oder einer Überschuldung ergeben. Weitere "tatsächliche Umstände" sind entgegen der Ansicht von Rechtsprechung und Literatur 36 für eine geringe Wahrscheinlichkeit nicht unbedingt notwendig.

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5. Teil: Die Kündigung wegen Sicherheitsbedenken

Die Begründung für die Unwirksamkeit der Kündigung wegen Sicherheitsbedenken im Urteil des BAG vom 26.10.1978 37 ist deshalb abzulehnen.38 Die Lebensgemeinschaft des Arbeitnehmers mit einer Partnerin, die Kontakte zum Umfeld der Roten Armee Fraktion hat, begründet zumindest eine geringe Wahrscheinlichkeit künftiger Verstöße gegen die Sicherheitsinteressen der damaligen Bundespost. Auch hier liegt die Möglichkeit einer fahrlässigen Preisgabe von sicherheitsrelevanten Informationen nahe. In diesem Fall war die Kündigung ungerechtfertigt, da durch eventuelle sicherheitsrelevante Handlungen des Arbeitnehmers aufgrund seiner Tätigkeit keine außergewöhnlich hohen Schäden zu erwarten gewesen wären. Es fehlte in diesem Fall nur an weiteren Umständen, die eine höhere Wahrscheinlichkeit hätten begründen können, so daß die Kündigung auch bei den zu befürchtenden Schäden hätte gerechtfertigt sein können. Ebenso sind die beiden Urteile des BAG vom 12.03.1986 39 und das Urteil vom 20.07.1989 40 zu bewerten. Die Mitgliedschaft im KBW und in der DKP begründete bis zum Ende der achtziger Jahre dieses Jahrhunderts zumindest eine geringe Wahrscheinlichkeit für Spionage- und Sabotagetätigkeiten für fremde Nachrichtendienste. 41 Doch als Fernmeldehandwerker hatten die betreffenden Arbeitnehmer kaum die Möglichkeiten, durch Spionage- und Sabotagehandlungen außergewöhnlich hohe Schäden anzurichten. Zumindest fehlte es, soweit ersichtlich, an einem entsprechenden Vortrag der Beklagten. Aus diesem Grund ist den Urteilen im Ergebnis zuzustimmen. Gleiches gilt für das Urteil

36

BAGE 62, 256 (264); BAG AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Sicherheitsbedenken; AP Nr. 11 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung; LAG Frankfurt am Main, Urteil vom 29.01.1979, Az: 11 Sa 1142/78, nv, LS 2; Berkowsky, Die personenund verhaltensbedingte Kündigung, § 15 Rdn 11 ; Herschel/Löwisch, § 1 KSchG Rdn 156; Kittner/Trittin, 1. Aufl., § 1 KSchG Rdn 110; KR-Becker, § 1 KSchG Rdn 199; MünchHandb-ArbR-Berkowsky, § 132 Rdn 140. 37 BAG AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Sicherheitsbedenken. 38 Vgl. auch: Buchner, NZA 1991, 577 (581), der die mangelnde Unterscheidung des BAG zwischen Tatsachenvorbringen des Arbeitgebers und Interessenabwägung kritisiert. 39 BAG Urteil vom 12.03.1986, Az: 7 AZR 468/81, nv, unter II 2 c der Gründe; Urteil vom 12.03.1986, Az: 7 AZR 469/81, nv, unter II 2 c der Gründe. 40 BAGE 62, 256 (LS 3 u. 269 ff). 41 Man denke nur an die Ausbildung von - einigen wenigen - DKP-Mitgliedern für Sabotagehandlungen im Spannungsfall durch das MfS, die nach dem Beitritt der neuen Bundesländer aufgedeckt und strafrechtlich verfolgt wurden.

Α. Voraussetzungen nach dem KSchG

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vom 06.06.1984, das einen Hauptvermittler beim Arbeitsamt betraf, der der DKP angehörte. 42 Eine Beeinträchtigung der Sicherheitsinteressen des Arbeitgebers wäre in den oben genannten Fällen aber zu bejahen gewesen, wenn die betreffenden Arbeitnehmer in Bereichen tätig gewesen wären, in denen die Gefahr außergewöhnlich hoher Schäden bestanden hätte. Dies ist zum Beispiel fur die Tätigkeit im Personenschutz besonders gefährdeter Personen anzunehmen, da hier eine Gefahr fur Leib und Leben der geschützten Personen besteht. Aber auch bei Personen, die Zugriff auf die Datenbanken des Bundeskriminalamtes oder der Nachrichtendienste haben, 43 reicht die Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Partei oder die Nähe zu Personen aus dem Umfeld terroristischer Gruppen aus, um eine Beeinträchtigung der Sicherheitsinteressen anzunehmen, da hier besonders hohe Schäden im Hinblick auf die innere Sicherheit drohen. In diesen Bereichen können auch eine erhebliche Überschuldung oder die besondere Gefahr der Erpreßbarkeit ausreichen, um eine Kündigung zu rechtfertigen. Entscheidendes Kriterium für die Prognose künftiger Beeinträchtigungen der Sicherheitsinteressen des Arbeitgebers ist demnach, wenn lediglich eine geringe Wahrscheinlichkeit für sicherheitsrelevante Handlungen festgestellt werden kann, ob dem Arbeitgeber in diesem Fall außergewöhnlich hohe Schäden drohen. Ist dies nicht der Fall, müssen in der Tat weitere Umstände dargelegt werden, die eine höhere Wahrscheinlichkeit künftiger sicherheitsrelevanter Handlungen belegen. 3. Erforderlichkeit

der Kündigung

Die Anwendung des allgemeinen Rechtsprinzips der Erforderlichkeit ergibt sich aus dem Begriff der "Bedingtheit" in § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG. 44 Die Kündigung ist nur gerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber keine andere, den Arbeitnehmer weniger belastende Möglichkeit hat, den Beeinträchtigungen seiner Interessen entgegenzutreten. Dabei kommen die in § 1 Abs. 2 S. 2 und 3 KSchG genannten Möglichkeiten, aber auch sonstige im Einzelfall bestehende Möglichkeiten in Betracht. Auch die Frage der möglichen milderen Mittel ist zukunftsgerichtet. Es kommen auch solche in Betracht, die erst in absehbarer Zeit zur Verfügung stehen.

42

BAG AP Nr. 11 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung. Zum Beispiel das Informationssystem Ν ADI S der Nachrichtendienste oder auch das europäische Schengener Informationssystem (SIS/Europol). 44 Vgl. Seite 142 f der Arbeit. 43

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5. Teil: Die Kündigung wegen Sicherheitsbedenken

Auch die Kündigung wegen Sicherheitsbedenken ist nur wirksam, wenn keine milderen, ebenso geeigneten Maßnahmen möglich sind. Insbesondere bei der Kündigung wegen Sicherheitsbedenken wird in vielen Fällen als mildere Maßnahme die Herauslösung des Arbeitnehmers aus dem sicherheitsrelevanten Bereich möglich sein. 45 Hier kommen insbesondere die Umsetzung auf einen anderen Arbeitsplatz im Wege der Weisung oder durch eine Änderungskündigung in Betracht. 46 Zu denken ist auch an eine Umschulung oder Fortbildung und anschließender Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers an einem anderen Arbeitsplatz nach § 1 Abs. 2 S. 3 KSchG. 47 Diese Maßnahme kommt aber nur in Betracht, wenn eine Prognose ergibt, daß der Arbeitnehmer nach der Umschulung an einem Arbeitsplatz im nicht sicherheitsempfindlichen Bereich eingesetzt werden kann. 48 Dabei ist die Frage nach der Zumutbarkeit der Umschulung anhand einer Interessenabwägung zu beantworten. 49 Hier ist insbesondere zu berücksichtigen, ob der Arbeitnehmer unverschuldet zu einem Sicherheitsrisiko geworden ist oder ob er die Umstände, auf denen die Sicherheitsbedenken beruhen, zu vertreten hat. 5 0 Für die Interessenabwägung im Rahmen der Zumutbarkeit von Umschulungsmaßnahmen kann im übrigen auf die Ausführungen zur Interessenabwägung im Hinblick auf die Rechtfertigung der Kündigung verwiesen werden. 51 Es sind auch andere organisatorische und technische Maßnahmen denkbar. 52 Im Bereich der Datenverarbeitung können das "Vier-Augen-Prinzip", ein "Closed-shop-Betrieb" oder technische Sicherungseinrichtungen die Gefahr von Spionage- oder Sabotagehandlungen minimieren. 53 Schließlich kann der Arbeitgeber auch auf mögliche spätere Maßnahmen verwiesen werden, wenn keine Wahrscheinlichkeit fur eine akute Beeinträchtigung seiner Sicherheitsinteressen gegeben ist. Dem Hinweis des BAG im Urteil vom 06.06.1984, der Arbeitgeber

45

Fromm, S. 599; Gentges, S. 220; Herschel/Löwisch, § 1 KSchG Rdn 156; Schaub, ArbRHandb, S. 1032. 46 BAG AP Nr. 11 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung; LAG Chemnitz ArbRS 39, 84 (87). 47 Vgl. dazu: BAG AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Umschulung; ausführlich: Birk, S. 51 ff. 48 Vgl.: Birk, S. 62 ff. 49 Birk, S. 58 ff; vgl. auch: Herschel/Löwisch, § 1 KSchG Rdn 188; Stahlhacke/ Preis, Rdn 640. 50 Vgl.: Birk, S. 65 ff. 51 Siehe im folgenden: Seite 207 f der Arbeit. 52 Siehe Seite 36 f der Arbeit. 53 Liebl-Feuerlein, S. 227 ff; vgl. dazu auch die Anlage zu § 9 BDSG, Technische und organisatorische Maßnahmen und dazu: Dörr/Schmidt, § 9 BDSG Rdn 1 ff; Tinnefeld/Ehmann, S. 253 ff.

Α. Voraussetzungen nach dem KSchG

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könne im Spannungsfall, für den allein er sicherheitsrelevante Handlungen des Arbeitnehmers befürchtete, den Arbeitnehmer umsetzen, suspendieren oder dann das Arbeitsverhältnis kündigen, ist zuzustimmen.54 Als mögliche mildere Maßnahmen sind auch solche vorübergehender Natur in Beracht zu ziehen. Ist vorhersehbar, daß sich die Umstände, auf denen die Sicherheitsbedenken beruhen, kurzfristig ändern werden, zum Beispiel durch das Ausscheiden des Ehepartners aus einem Konkurrenzunternehmen, kommt eine vorübergehende anderweitige Beschäftigung oder eine Suspendierung des Arbeitsverhältnisses in Betracht. Auch bei einer Überschuldung des Arbeitnehmers ist zu prüfen, ob diese nicht in absehbarer Zeit entfällt, so daß auch hier vorübergehende Maßnahmen möglich sind. 55 Letztlich kann hier keine abschließende Aufzählung möglicher milderer Maßnahmen erfolgen, da diese von den jeweiligen konkreten Umständen, die die Sicherheitsbedenken begründen, und der konkreten betrieblichen Situation abhängig sind. 56 4. Interessenabwägung Zuletzt ist zu prüfen, ob das Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers das Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses trotz der Beeinträchtigung der Sicherheitsinteressen des Arbeitgebers so deutlich überwiegt, daß die Kündigung sozial ungerechtfertigt ist. 5 7 Die Anwendung des Prinzips der Interessenabwägung folgt aus der offenen Gesetzeswertung des § 1 KSchG. Aus der Natur des Arbeitsverhältnisses als schuldrechtlicher Austauschvertrag ergibt sich eine Beschränkung der zu berücksichtigenden Interessen auf solche, die arbeitsvertragsbezogen und betriebsbezogen sind oder verfassungsrechtliche Wertentscheidungen beinhalten. Es ist jedoch von der grundsätzlichen Rechtfertigung einer personenbedingten Kündigung auszugehen, wenn die drei zuerst genannten Voraussetzungen vorliegen; die einzelfallbezogene Interessenabwägung kann nur in besonderen Fällen dazu führen, daß der Arbeitgeber trotz erheblicher Beeinträchtigung seiner Interessen das Arbeitsverhältnis nicht kündigen kann. 58 Hier sind insbesondere die Grundrechte des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Auch im Hinblick auf die Interessenabwägung ist das Prognoseprinzip von Bedeutung; es ist auch die zukünftige Entwicklung des Arbeitsverhältnisses zu berücksichtigen.

54

BAG AP Nr. 11 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung. Kittner/Trittin, § 1 KSchG Rdn 149. 56 Vgl. Seite 144 f der Arbeit. 57 Vgl. Seite 146 ff der Arbeit. 58 Stahlhacke/Preis, Rdn 730; Preis, Prinzipien, S. 433; siehe ausführlich: Seite 149 ff der Arbeit. 55

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5. Teil: Die Kündigung wegen Sicherheitsbedenken

Beruhen die Sicherheitsbedenken auf der politischen Einstellung des Arbeitnehmers, ist die durch Art. 5 GG grundrechtlich geschützte Meinungsfreiheit zu beachten; ist die religiöse Einstellung des Arbeitnehmers betroffen, muß Art. 4 GG berücksichtigt werden. Ergeben sich die Sicherheitsbedenken nicht allein aus der politischen Einstellung des Arbeitnehmers, sondern beruhen sie auch auf der besonderen Situation des Arbeitgebers, zum Beispiel auf einer auch in der politischen Diskussion umstrittenen wirtschaftlichen Betätigung des Arbeitgebers, 59 kann sich aus der Meinungsfreiheit ein deutliches Übergewicht des Bestandsschutzinteresses des Arbeitnehmers ergeben. Hier wird danach zu unterscheiden sein, ob der Arbeitgeber sich bereits bei Begründung des Arbeitsverhältnisses in diesen Bereichen engagierte, der Arbeitnehmer also wußte, in welchen Bereichen er tätig wird, oder ob es sich um ein neues Betätigungsfeld des Arbeitgebers handelt. Im letzteren Fall kann der Schutz der Meinungsfreiheit dazu fuhren, daß dem Arbeitgeber das Sicherheitsrisiko, das sich auch auf eigenes Verhalten gründet, aufzugeben ist. Andernfalls muß die Meinungsfreiheit des Arbeitnehmers gegenüber der Festsetzung der Unternehmensziele durch den Arbeitgeber und dem daraus resultierenden Sicherheitsbedürfhis zurücktreten. 60 Gleiches gilt, wenn der Arbeitgeber die Erheblichkeit von Sicherheitsbedenken durch eine Umsetzung des Arbeitnehmers in einen sicherheitsempfindlichen Bereich mitverursacht hat. Hier wird die Notwendigkeit der Umsetzung und das Interesse des Arbeitnehmers an der Umsetzung von entscheidender Bedeutung sein. Auch die Dauer der Betriebszugehörigkeit und der bisherige Verlauf des Arbeitsverhältnisses können bei der Interessenabwägung berücksichtigt werden. 61 Hat das Arbeitsverhältnis bereits lange Zeit bestanden, ohne daß es zu Störungen im Austauschverhältnis kam, kann das Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers überwiegen. Dies ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn die Umstände, auf denen die Sicherheitsbedenken beruhen, schon seit längerer Zeit bestanden, ohne daß der Arbeitnehmer die Sicherheitsinteressen des Arbeitgebers beeinträchtigt hat. Letztlich kann es aber keine allgemein gültigen Grundsätze geben; die Interessenabwägung bleibt eine Einzelfallentscheidung aufgrund der besonderen Umstände des konkreten Sachverhalts.

59

Man denke an umstrittene neue Technologien, z.B. die Gentechnologie oder neue Kernfusionstechniken. 60 Vgl. für die Bundeswehr: BAGE 14, 103 (105). 61 BAG AP Nr. 81 zu § 626 BGB; Dütz, ArbR, Rdn 331; Erman-Hanau, § 626 BGB Rdn 35; Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 183; Lieb, S. 101; MünchHandbArbR-Wank, § 117 Rdn 35; RGRK-Weller, Vor § 620 BGB Rdn 169; Stahlhacke/Preis, Rdn 730; Staudinger-Preis, § 626 BGB Rdn 79; kritisch: Herschel/Löwisch § 1 KSchG Rdn 69 u. 135; Tschöpe, NZA 1985, 588 (589 f).

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I I . Insbesondere: Die Druckkündigung Ein besonderes Problem ergibt sich, wenn nicht der Arbeitgeber Sicherheitsbedenken gegenüber einem Arbeitnehmer hat, sondern wenn Dritte vom Arbeitgeber die Kündigung des betreffenden Arbeitnehmers wegen Sicherheitsbedenken verlangen. Im Hinblick auf die Kündigung wegen Sicherheitsbedenken ist hier insbesondere das Verlangen eines Kunden des Arbeitgebers von Bedeutung, bestimmte sicherheitsrelevante Aufgaben nur von Arbeitnehmern erledigen zu lassen, die seinem Sicherheitsprofil entsprechen. 62 Denkbar ist auch, daß die übrigen Arbeitnehmer die Entlassung eines Arbeitnehmers verlangen, da sie Sicherheitsbedenken gegenüber dem betreffenden Arbeitnehmer haben. 63 In diesen Fällen kommt eine personenbedingte Kündigung in Betracht, da dem betreffenden Arbeitnehmer die vertraglich vorausgesetzte Eignung fehlt. Drohen dem Arbeitgeber nämlich aufgrund des von dritter Seite ausgeübten Drucks wirtschaftliche Schäden, kann das unternehmerische Ziel des Arbeitsvertrages nicht mehr erreicht werden; das Austauschverhältnis ist gestört. 64 Dies kann aber nur dann der Fall sein, wenn der Kunde die Entlassung des Arbeitnehmers verlangt oder wenn der Arbeitgeber keine Möglichkeit hat, den Arbeitnehmer anderweitig zu beschäftigen. Geht der Druck von den übrigen Arbeitnehmern aus, kann eine Störung des Austauschverhältnisses nur vorliegen, wenn es dadurch zu Produktionsstörungen, also zu wirtschaftlich meßbaren Störungen kommt. 65 Den Stimmen, die die Zulässigkeit der Druckkündigung insgesamt in Frage stellen, 66 ist zuzugeben, daß die Kündigung des Arbeitsverhältnisses allein aufgrund einer Drucksituation, unabhängig davon, ob der Druckausübende dafür ein berechtigtes Interesse geltend machen kann, problematisch ist. Aber es muß den wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers Rechnung getragen werden. Kommt es nämlich aufgrund der Druckausübung Dritter zu erheblichen Beeinträchtigungen der Arbeitgeberinteressen, kann eine Kündigung erforder-

62

Vgl.: BAG AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Sicherheitsbedenken; AP Nr. 28 zu § 66 BetrVG; wegen Verdachts eines Bestechungsversuchs: LAG Düsseldorf BB 1963, 859; RGRK-Corts, § 626 BGB Rdn 147. 63 Vgl.: BAG AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 Sicherheitsbedenken. 64 Vgl. dazu ausführlich: Seite 111 ff der Arbeit. 65 Abzulehnen ist das Abstellen auf eine Störung des Betriebsfriedens; kritisch zum Begriff des Betriebsfriedens auch: Kittner/Trittin, § 1 KSchG Rdn 206; Preis, Prinzipien, S. 469 ff; ausführlich: Seite 101 fu. 126 f der Arbeit. 66 Ascheid, Kündigungsschutzrecht, Rdn 168; Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 24 Rdn 16 ff; Erman-Hanau, § 626 BGB Rdn 76; HASPreis, § 19 F Rdn 70; Kittner/Trittin, § 626 BGB Rdn 162; Staudinger-Preis, §626 BGB Rdn 325; Stahlhacke/Preis, Rdn 541. 14 Meyer

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5. Teil: Die Kündigung wegen Sicherheitsbedenken

lieh sein, wenn die Beeinträchtigungen anders nicht abgewandt werden können. Dies gilt auch, wenn das Verhalten des Dritten zu mißbilligen ist. 6 7 Es kommt entscheidend auf die wirtschaftlichen Folgen an, die durch den Druck des Kunden oder der übrigen Arbeitnehmer entstehen. Die Mißbilligung des Verhaltens eines Dritten darf nicht den Arbeitgeber benachteiligen, der schließlich in erster Linie nach ökonomischen Gesichtspunkten seine Entscheidungen treffen muß. Letztlich ist eine Druckkündigung wegen Sicherheitsbedenken unter den gleichen Voraussetzungen wirksam, die fur die Druckkündigung im allgemeinen gelten. Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Druckkündigung ist danach zunächst eine zukünfige erhebliche Beeinträchtigung der vertraglichen und betrieblichen Interessen des Arbeitgebers. Die Kündigung muß weiterhin erforderlich sein, daß heißt dem Arbeitgeber dürfen keine milderen Mittel zur Verfügung stehen, um die Kündigung abzuwenden. Darüberhinaus kommt bei der Druckkündigung der Interessenabwägung eine entscheidende Bedeutung zu. Voraussetzung für eine Abwägungsentscheidung zugunsten des Arbeitgebers ist, daß der Arbeitgeber sich zunächst schützend vor den betroffenen Arbeitnehmer stellt und nichts unversucht läßt, die Drucksituation ohne Kündigung abzuwenden.68 Führt dies nicht zum Erfolg, so kommt eine Kündigung in Betracht, wenn für den Fall der Weiterbeschäftigung dem Arbeitgeber schwere wirtschaftliche Nachteile drohen, die dazu führen, daß das Beendigungsinteresse des Arbeitgebers gegenüber dem Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers überwiegt. 69 Ob dem Arbeitgeber schwere wirtschaftliche Nachteile drohen, ist wiederum anhand einer Prognose zu entscheiden, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen muß, da es sich um eine betriebswirtschaftliche Prognose handelt. 70 Schwere wirtschaftliche Nachteile liegen vor, wenn die Existenz des Unternehmens oder zumindest von Teilen des Unternehmens gefährdet sind. Dies wird insbesondere dann anzunehmen sein, wenn die Drucksituation durch einen Großkunden des Arbeitgebers entsteht und andere Aufträge nicht ersichtlich sind. Wird die Drucksituation durch die übri-

67

Vgl. nur: Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 23 Rdn 20; und dazu bereits: Seite 112 f der Arbeit. 68 BAG AP Nr. 33 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; Däubler, ArbR 2, S. 562; Dütz, ArbR, Rdn 333; Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 203; RGRK-Corts, § 626 BGB Rdn 121; Wenzel, Rdn 232. 69 BAG AP Nr. 33 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; EzA § 626 BGB Druckkündigung Nr. 2; Däubler, ArbR 2, S. 562 f; Dütz, ArbR, Rdn 333; RGRKCorts, § 626 BGB Rdn 121; Wenzel, Rdn 232; zur umstrittenen Frage, ob dem Arbeitnehmer ein Ausgleichsanspruch gegen den Arbeitgeber zusteht: Blaese, S. 181; ErmanHanau, § 626 BGB Rdn 76; KR-Becker, § 1 KSchG Rdn 270; KR-Hillebrecht, § 626 BGB Rdn 152; MünchKomm-Schwerdtner, § 626 BGB Rdn 156. 70 Vgl. zur betriebswirtschaftlichen Prognose bereits: Seite 177 f der Arbeit.

Α. Voraussetzungen nach dem KSchG

211

gen Arbeitnehmer ausgelöst, können schwere wirtschaftliche Nachteile durch erhebliche und andauernde Produktionsdefizite ausgelöst werden. Schwere wirtschaftliche Nachteile, die eine Druckkündigung rechtfertigen, werden stets zu bejahen sein, wenn ein Verzicht auf die Kündigung zum - betriebsbedingten - Wegfall von anderen Arbeitsplätzen führen würde.

I I I . Die verhaltensbedingte Kündigung Beruhen die Sicherheitsbedenken auf einer Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten des Arbeitnehmers, kommt eine verhaltensbedingte Kündigung in Betracht. Voraussetzung dafür ist zunächst, daß ein solcher Verstoß vorliegt. 71 Ein Verschulden des Arbeitnehmers ist nicht erforderlich, 72 da auch die verhaltensbedingte Kündigung keinen Sanktionscharakter hat sondern der Verhinderung weiterer, zukünftiger Vertragsverletzungen dient. 73 Die auch bei der verhaltensbedingten Kündigung notwendige Beeinträchtigung der vertraglichen und betrieblichen Arbeitgeberinteressen ergibt sich aus der Pflichtverletzung, da diese notwendigerweise die vertraglichen Interessen des Arbeitgebers beeinträchtigt. 74 Liegt ein Verstoß gegen arbeitsvertragliche Nebenpflichten vor, muß aber geprüft werden, ob dieser Vertragsbestandteil einer Inhaltskontrolle standhält.75 Dies gilt insbesondere für Nebenpflichten, die das außerdienstliche Verhalten des Arbeitnehmers betreffen. Der Umfang der politischen Treuepflicht der Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst ist anhand des Aufgabenbereichs der Behörde und der konkreten Tätigkeit des betreffenden Arbeitnehmers zu bestimmen. 76 Die politische Treuepflicht kann demnach auch

71

Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 272; Kittner/Trittin, § 1 KSchG Rdn 155; Stahlhacke/Preis, Rdn 680; siehe dazu bereits: Seite 104 ff der Arbeit. 72 So auch: BAGE 2, 214 (216); 256 (257); AP Nr. 9 zu § 313 ZPO; Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 16 Rdn 12; AR-Blattei-Adomeit, IX C I 2b u. C II 2a; Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 279; Maus, § 1 KSchG Rdn 158; MünchKomm-Schwerdtner, § 626 BGB Rdn 27; Preis, Prinzipien, S. 333; aA: BAG EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 42; Däubler, ArbR 2, S. 555; HAS-Popp, § 19 E Rdn 22 ff; Herschel/Löwisch, § 1 KSchG Rdn 85; Kittner/Trittin, § 1 KSchG Rdn 156 f. 73 Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 16 Rdn 12. 74 BAG EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 26 u. 37; Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 275; Preis, DB 1990, 630 (634); Stahlhacke/Preis, Rdn 695; Wank, RdÀ 1993, 79 (84). 75 BAG AP Nr. 60 u. 68 zu § 626 BGB; LAG Frankfurt LAGE § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 11; MünchHandb-ArbR-Blomeyer, § 51 Rdn 101; Preis, DB 1990, 630 (632 ff); ders., Vertragsgestaltung, S. 517 ff; RGRK-Weller, Vor § 620 BGB Rdn 187; Stahlhacke/Preis, Rdn 681; ausführlich: Fastrich, S. 159 ff. 76 BAGE 28, 62 (LS 2 u. 69 f); 62, 256 (257 f); AP Nr. 23 u. 26 zu Art. 33 Abs. 2 GG; Urteil vom 28.09.1986, Az: 2 AZR 41/88, nv; Urteil vom 28.02.1991, Az: 2 AZR 14*

212

5. Teil: Die Kündigung wegen Sicherheitsbedenken

durch den sicherheitsempfindlichen Aufgabenbereich der Behörde und die konkrete sicherheitsempfindliche Tätigkeit des Arbeitnehmers bestimmt werden. Der Umfang der Treuepflicht ist dabei anhand des Sicherheitsbedürfhisses der Behörde zu bestimmen, das durch die Intensität der dem Staat durch Spionage· und Sabotagehandlungen drohenden Schäden definiert wird. 7 7 Auch für die verhaltensbedingte Kündigung ist die zukünftige Beeinträchtigung der vertraglichen Interessen des Arbeitgebers maßgeblich. Aufgrund einer Prognose muß deshalb feststehen, daß es auch in Zukunft zu weiteren Vertragsverletzungen kommt oder daß bestehende Vertragsverletzungen auch in Zukunft weiter andauern werden. 78 Die Wiederholungsgefahr ist zumindest für eine verhaltensbedingte Kündigung wegen Sicherheitsbedenken unabdingbare Voraussetzung für eine Negativprognose. 79 Handelt es sich um einen andauernden Verstoß gegen eine arbeitsvertragliche Pflicht, zum Beispiel die Mitgliedschaft eines Arbeitnehmers im öffentlichen Dienst in einer Partei mit verfassungsfeindlichen Zielen, ergibt sich die Negativprognose bereits aus dem andauernden arbeitsvertragswidrigen Verhalten. Bei einmaligen Verstößen, zum Beispiel gegen Sicherheitsbestimmungen, kommt es hingegen wiederum auf die Wahrscheinlichkeit zukünftiger weiterer Verstöße an. Auch hier ist der zu fordernde Wahrscheinlichkeitsgrad in Relation zu Höhe und Umfang des dem Arbeitgeber drohenden Schadens zu bestimmen. Es ist jedoch daraufhinzuweisen, daß die Prognose bei der verhaltensbedingten Kündigung nur die Wiederholungsgefahr weiterer Vertragsverletzungen umfaßt. Tatsächliche sicherheitsrelevante Handlungen müssen nicht prognostiziert werden. 80 Denn hier zeigt sich der wesentliche Unterschied zwischen der personenbedingten und der verhaltensbedingten Kündigung wegen Sicher-

357/90, nv; Kittner/Trittin, § 1 KSchG Rdn 148; KR-Becker, § 1 KSchG Rdn 208; MünchHandb-ArbR-Berkowsky, § 132 Rdn 123 ff; Nikisch, ArbR I, S. 447; Preis, Prinzipien, S. 368; Schaub, ArbRHandb, S. 1033; Stahl hacke/Preis, Rdn 537. 77 Vgl. für die Bundeswehr: BAGE 14, 103 (105). 78 Vgl. zum Prognoseprinzip bei der verhaltensbedingten Kündigung: Seite 164 f der Arbeit. 79 Vgl. zur anderen Ansicht: BAG EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung, Nr. 41 u. 46; Ascheid, Kündigungsschutzrecht, Rdn 28 ff u. 216; Herschel, FS G. Müller, S. 202 f; Herschel/Löwisch, § 1 KSchG Rdn 75; Honstetter, S. 68 ff; Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 274; Preis, Prinzipien, S. 322 ff; Stahlhacke, Fachtagung, S. 21; Stahlhacke/Preis, Rdn 690; Staudinger-Preis, § 626 BGB Rdn 92; vgl. dazu und zur Ablehnung der Negativprognose aufgrund von Beeinträchtigungen des Vertrauens: Seite 188 f der Arbeit; zur Kritik des Vertrauensbereichs grundsätzlich: Seite 107 ff der Arbeit 80 Vgl.: Stahlhacke/Preis, Rdn 695.

Α. Voraussetzungen nach dem KSchG

213

heitsbedenken. Hat der Arbeitnehmer bestimmte arbeitsvertragliche Pflichten, die einer Inhaltskontrolle standhalten, übernommen, kommt es bei Verstößen gegen diese Pflichten nicht mehr auf die Wahrscheinlichkeit tatsächlicher sicherheitsrelevanter Handlungen an. Als weitere Voraussetzung für eine verhaltensbedingte Kündigung ist in der Regel eine vorherige Abmahnung des vertragswidrigen Verhaltens notwendig. 81 Eine solche kann entbehrlich sein, wenn die Abmahnung keinen Einfluß auf zukünftige Beeinträchtigungen haben kann, weil der Arbeitnehmer sein Verhalten nicht ändern kann oder aber nicht ändern will. Gleiches soll gelten, wenn aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung oder bei Beeinträchtigungen im Vertrauensbereich eine positive Prognose nicht mehr möglich ist. 8 2 Eine Unterscheidung zwischen Beeinträchtigungen im Leistungsbereich und im Vertrauensbereich ist abzulehnen, da der Vertrauensbereich keine eigenständige Bedeutung hat. 83 Eine Abmahnung ist dann entbehrlich, wenn eine Verhaltensänderung unmöglich ist oder wenn aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung dem Arbeitgeber das Risiko weiterer Pflichtverletzungen nicht aufgegeben werden kann. Ob die Schwere der Pflichtverletzung eine Abmahnung im Hinblick auf eine Kündigung wegen Sicherheitsbedenken entbehrlich macht, kann wiederum unter anderem anhand der umgekehrten Proportionalität von der Wahrscheinlichkeit weiterer Pflichtverletzungen und der Höhe des drohenden Schadens zu entscheiden. Auch bei der verhaltensbedingten Kündigung gilt der Grundsatz der Erforderlichkeit. Es ist demnach zu prüfen, ob die Sicherheitsbedenken durch den Arbeitnehmer weniger belastende Maßnahmen ausgeräumt werden können. Hier 81 Erman-Hanau, § 626 BGB Rdn 43 f; HAS-Popp, § 19 E Rdn 29 ff; Herschel/Löwisch, § 1 KSchG Rdn 89 ff; Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 280 ff; RGRK-Weller, Vor § 620 BGB Rdn 188 f; Stahl hacke/Preis, Rdn 684 ff; Söllner, ArbR, S. 298; Staudinger-Preis, § 626 BGB Rdn 104 ff; ausführlich: vHoyningenHuene, RdA 1990, 193 ff; Pauly, S. 449 ff; Walker, S. 601 ff. 82 Herschel/Löwisch, § 1 KSchG Rdn 89; MünchHandb-ArbR-Wank, § 117 Rdn 51 ff; Söllner, ArbR, S. 298; Stahlhacke/Preis, Rdn 688; für die Entbehrlichkeit wenn eine Verhaltensänderung nicht möglich ist und bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen: Erman-Hanau, § 626 BGB Rdn 44; Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 283 ff; MünchHandb-ArbR-Berkowsky, § 133 Rdn 22; Pauly, S. 451; RGRK-Weller, Vor § 620 BGB Rdn 188; Staudinger-Preis, § 626 BGB Rdn 166 ff; Walker, S. 604, ebenso wenn der Arbeitnehmer unmißverständlich "zum Ausdruck bringt, sich auch in Zukunft nicht vertragsgemäß verhalten zu wollen". 83 Im Ergebnis auch: Erman-Hanau, § 626 BGB Rdn 44; vHoyningen-Huene, RdA 1990, 193 (200); Hueck/vHoyningen-Huene, § 1 KSchG Rdn 283 ff; MünchHandbArbR-Berkowsky, § 133 Rdn 22; MünchKomm-Schwerdtner, Vor 620 BGB Rdn 258; Pauly, S. 450; Preis, Prinzipien, S. 454; RGRK-Weller, Vor § 620 BGB Rdn 188; Staudinger-Preis, § 626 BGB Rdn 166 ff; Walker, S. 604.

214

5. Teil: Die Kündigung wegen Sicherheitsbedenken

gilt das für die personenbedingte Kündigung Gesagte.84 Für die abschließend vorzunehmende Interessenabwägung kann im Grundsatz ebenfalls auf das zur personenbedingten Kündigung Gesagte verwiesen werden. 85 Bei der verhaltensbedingten Kündigung ist ebenfalls im Rahmen der Interessenabwägung zu beachten, daß der Arbeitnehmer gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstoßen hat, so daß die zu berücksichtigenden vertraglichen Interessen des Arbeitgebers in der Regel überwiegen.

B. Die außerordentliche Kündigung Für die Rechtfertigung einer außerordentlichen Kündigung nach § 626 BGB müssen zunächst die Voraussetzungen einer ordentlichen Kündigung gegeben sein. 86 Außerdem muß die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses erforderlich sein. 87 Weiterhin muß dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung bis zum Ende der Kündigungsfrist unzumutbar sein, daß heißt, es ist eine Interessenabwägung vorzunehmen. 88 Aufgrund des Ausnahmecharakters der außerordentlichen Kündigung als Durchbrechung des Grundsatzes der Vertragstreue 89 müssen die Interessen des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Interessen des Arbeitnehmers an der Einhaltung der Kündigungsfristen deutlich überwiegen. 90 Für die Frage der Rechtfertigung einer außerordentlichen Kündigung ist die Intensität der Beeinträchtigung der Sicherheitsinteressen des Arbeitgebers entscheidend. Dies gilt sowohl für die personenbedingte als auch für die verhaltensbedingte außerordentliche Kündigung. Dabei ist zunächst die Beeinträchtigung der Arbeitgeberinteressen wiederum anhand der Relation von drohendem Schaden und der Wahrscheinlichkeit zukünftiger Beeinträchtigungen vorzunehmen.

84

Vgl. zur Erforderlichkeit bei Sicherheitsbedenken: BAG AP Nr. 11 zu § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung; zu milderen Mitteln: Stahlhacke/Preis, Rdn 691. 85 Vgl. dazu: Stahlhacke/Preis, Rdn 694 f. 86 HAS-Popp, § 19 E Rdn 66; Kittner/Trittin, § 626 BGB Rdn 83; MünchHandbArbR-Wank, § 117 Rdn 16; Preis, Prinzipien, S. 480; ders., DB 1990, 685 (689); Stahlhacke/Preis, Rdn 449. 87 Stahlhacke/Preis, Rdn 454 f; siehe Seite 146 der Arbeit. 88 Erman-Hanau, § 626 BGB Rdn 41; Hanau/Adomeit, S. 259 f; Kittner/Trittin, § 626 BGB Rdn 62 f; Stahlhacke/Preis, Rdn 448; Staudinger-Preis, § 626 BGB Rdn 73 f; vgl. Seite 148 der Arbeit. 89 Erman-Hanau, § 626 BGB Rdn 6; Herschel, FS G. Müller, S. 199; Preis, Prinzipien, S. 476; Stahlhacke/Preis, Rdn 449. 90 Erman-Hanau, § 626 BGB Rdn 41; Stahlhacke/Preis, Rdn 449; Staudinger-Preis, § 626 BGB Rdn 73.

Β. Die außerordentliche Kündigung

215

Ι . Voraussetzungen einer ordentlichen Kündigung Eine außerordentliche Kündigung kann nur wirksam sein, wenn die Voraussetzungen für eine ordentliche Kündigung vorliegen. Es ist also zunächst anhand der oben beschriebenen Kriterien zu prüfen, ob eine zukünftige Beeinträchtigung der Sicherheitsinteressen des Arbeitgebers prognostiziert werden kann und ob eine Kündigung überhaupt erforderlich ist. Dabei ist ebenso zwischen der personenbedingten und der verhaltensbedingten Kündigung zu unterscheiden. 91 Erst im nächsten Schritt ist zu prüfen, ob die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses erforderlich ist und die Interessen des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Interessen des Arbeitnehmers an der Einhaltung der Kündigungsfristen überwiegen.

II. Erforderlichkeit der außerordentlichen Kündigung Im Rahmen der Erforderlichkeit der außerordentlichen Kündigung muß geprüft werden, ob dem Arbeitgeber mildere Maßnahmen bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zur Verfügung stehen. In Betracht kommt insbesondere die anderweitige Beschäftigung des Arbeitnehmers in einem nicht sicherheitsempfindlichen Bereich an einem Arbeitsplatz, der zwar nicht für eine unbegrenzte Weiterbeschäftigung zur Verfügung steht, wohl aber bis zum Ablauf der Kündigungsfrist. Weiterhin kommt als mögliche mildere Maßnahme die ordentliche Kündigung in Betracht. 92 Die außerordentliche Kündigung ist demnach nicht erforderlich, wenn der Arbeitnehmer, dem gegenüber Sicherheitsbedenken bestehen, bis zum Ablauf der Kündigungsfrist kein Sicherheitsrisiko darstellt. Dies kann zum Beispiel dann der Fall sein, wenn der Arbeitnehmer in diesem Zeitraum keinen Zugang zu Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen hat.

I I I . Interessenabwägung Bei der abschließenden Interessenabwägung stellt sich die Frage, ob das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der drohenden Beeinträchtigungen der Sicherheitsinteressen das Interesse des Arbeitnehmers an der Einhaltung der Kündigungsfristen überwiegt. Das kann nur der Fall sein, wenn die prognostizierten Beeinträchtigungen der Sicherheitsinteressen dies rechtfertigen. Da es sich bei der außerordentlichen Kündigung um die "schärfste Waffe" des Arbeitgebers handelt, zukünftige

91

Vgl.: Seite 119 f der Arbeit. LAG Bremen AP Nr. 56 zu § 626 BGB; Erman-Hanau, § 626 BGB Rdn 42; Kittner/Trittin, § 626 BGB Rdn 83; MünchHandb-ArbR-Wank, § 117 Rdn 33; Preis, Prinzipien, S. 482 ff; ders., DB 1990, 685 (689); RGRK-Corts, § 626 BGB Rdn 57; Stahlhacke/Preis, Rdn 454; Staudinger-Preis, § 626 BGB Rdn 86 ff. 92

216

5. Teil: Die Kündigung wegen Sicherheitsbedenken

Beeinträchtigungen seiner Sicherheitsinteressen zu verhindern, müssen an die Prognose zukünftiger Beeinträchtigungen hohe Anforderungen gestellt werden. Dies insbesondere, da bei der Kündigung wegen Sicherheitsbedenken regelmäßig nur wenig Anknüpfungstatsachen für eine Negativprognose vorliegen. Diese Anforderungen sind wiederum anhand der Relation von Wahrscheinlichkeitsgrad und drohendem Schaden zu bestimmen. Danach kommt eine außerordentliche Kündigung in Betracht, wenn dem Arbeitgeber bei einer Beeinträchtigung seiner Sicherheitsinteressen schwere, existenzbedrohende Schäden drohen. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn der Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen droht, die die Grundlage der wirtschaftlichen Existenz des Unternehmens darstellen. Im staatlichen Bereich ist dies anzunehmen, wenn der Verrat von Staatsgeheimnissen droht, deren Bekanntwerden die innere oder äußere Handlungsfreiheit oder den Bestand des Staates gefährden. Darüber hinaus muß eine zumindest überwiegende Wahrscheinlichkeit für künftige sicherheitsrelevante Handlungen des Arbeitnehmers gegeben sein. Drohen lediglich hohe Schäden, ist eine außerordentliche Kündigung nur gerechtfertigt, wenn künftige Beeinträchtigungen der Sicherheitsinteressen mit zumindest hoher Wahrscheinlichkeit bevorstehen. Liegt eine lediglich geringere Wahrscheinlichkeit vor oder drohen keine hohen Schäden, kommt eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht in Betracht, da die Interessen des Arbeitnehmers an der Einhaltung der Kündigungsfristen überwiegen. In der betrieblichen Praxis wird allerdings der Verweis auf die ordentliche Kündigung dem Arbeitgeber in einigen Fällen Probleme bereiten. Es besteht nämlich die Gefahr, daß der Arbeitnehmer, der seine baldige Entlassung aus dem Arbeitsverhältnis vor Augen hat, die verbleibende Zeit nutzt, um nunmehr tatsächlich dem Arbeitgeber, der das Arbeitsverhältnis aus Sicherheitsgründen, von der Rechtsgemeinschaft gebilligt, kündigen darf, Schaden zuzufügen. Diese Reaktionsmöglichkeit des Arbeitnehmers darf jedoch keinesfalls grundsätzlich unterstellt werden; sie wird vielmehr eine Ausnahme darstellen. Deshalb kann diese Überlegung nicht zur Rechtfertigung der außerordentlichen Kündigung führen. In diesen Fällen bleibt dem Arbeitgeber die Möglichkeit der Suspendierung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist bei Fortzahlung des Arbeitslohns. 93 Nach Ansicht der Rechtsprechung und der Arbeitsrechtswissenschaft ist auch eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen Sicherheits-

93

LAG Hamm DB 1994, 148; Däubler, ArbR 2, S. 330 f; vgl. zur Suspendierung auch: BAG EzA § 626 BGB Nr. 5; MünchHandb-ArbR-Wank, § 117 Rdn 11; MünchKomm-Schwerdtner, § 626 BGB Rdn 14; Preis, Prinzipien, S. 462 f; Stahlhacke/Preis, Rdn 21 ff u. 691.

C. Besondere gesetzliche Bestimmungen

217

bedenken möglich. 94 Voraussetzung dafür soll ein akutes und schwerwiegendes Sicherheitsrisiko sein. 95 Sieht man ein akutes Sicherheitsrisiko dann als gegeben an, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit künftiger Beeinträchtigungen der Sicherheitsinteressen des Arbeitgebers vorliegt und ein schwerwiegendes Sicherheitsrisiko dann, wenn schwere, existenzbedrohende Schäden drohen, kann dieser Ansicht zugestimmt werden. Dem Urteil des LAG Bayern vom 15.06.1967, das eine außerordentliche Kündigung für gerechtfertigt hielt, da die bedrohten Interessen des Arbeitgebers erheblich waren, ist zuzustimmen.96 Wenn existenzbedrohende Schäden zu befürchten waren, genügte bereits eine überwiegende Wahrscheinlichkeit künftiger Beeinträchtigungen der Sicherheitsinteressen des Arbeitgebers. Die Tatsache, daß der Ehepartner in einem Konkurrenzunternehmen beschäftigt ist, kann zumindest eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für künftige Verstöße gegen die Geheimhaltungspflichten begründen, denn in einer engen Lebensgemeinschaft besteht insbesondere die Gefahr einer fahrlässigen Offenbarung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen. 97 Im Hinblick auf die engen persönlichen Bindungen in der Ehe kann sogar die Annahme einer hohen Wahrscheinlichkeit zukünftiger fahrlässiger Verstöße gerechtfertigt sein, so daß bereits zu befürchtende hohe Schäden eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen können. Gleiches gilt für das Urteil des ArbG Heidelberg vom 31.01.1967. 98 Die besonderen Umstände des Falles, die bei dem Arbeitnehmer gefundenen Rezepturkarten, können eine hohe Wahrscheinlichkeit künftiger Verstöße gegen die Geheimhaltungspflichten begründen.

C. Besondere gesetzliche Bestimmungen Es stellt sich abschließend die Frage, ob hinsichtlich der besonderen gesetzlichen Bestimmungen im AtomG und im SÜG Besonderheiten bestehen.

94 BAG AP Nr. 28 zu § 66 BetrVG; LAG Frankfurt am Main DB 1985, 1900 (LS 1); LAG Bayern BB 1969, 315; LAG Baden-Württemberg DB 1968, 359; ArbG Heidelberg BB 1967, 1210; KR-Hillebrecht, § 626 BGB Rdn 92; MünchKomm-Schwerdtner, Vor § 620 Rdn 480; RGRK-Corts, § 626 BGB Rdn 147; Staudinger-Preis, § 626 BGB Rdn 221. 95 LAG Frankfurt am Main, DB 1985, 1900 (LS 1); MünchKomm-Schwerdtner, Vor § 620 BGB Rdn 480. 96 LAG Bayern BB 1969,315. 97 Vgl. bereits: Seite 201 ff der Arbeit. 98 ArbG Heidelberg BB 1967, 1210.

218

5. Teil: Die Kündigung wegen Sicherheitsbedenken

I. Zuverlässigkeit nach dem AtomG Auch im Falle der Unzuverlässigkeit nach dem AtomG fehlt dem Arbeitnehmer die Eignung; es kommt eine personenbedingte Kündigung in Betracht. Kündigungsgrund ist dann allerdings nicht die Unzuverlässigkeit, sondern die sich aus der - von der Genehmigungsbehörde - festgestellten Unzuverlässigkeit ergebende Unmöglichkeit der Weiterbeschäftigung. Das Arbeitsgericht kann nicht die Entscheidung der Genehmigungsbehörde hinsichtlich der Unzuverlässigkeit überprüfen; dies ist eine Frage des Atomrechts, die von den Verwaltungsgerichten zu überprüfen i s t . " Die Überprüfung des Arbeitsgerichts beschränkt sich auf die Frage, ob aufgrund der festgestellten Unzuverlässigkeit eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unmöglich ist, also ob die Kündigung erforderlich ist, wobei insbesondere die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf einem anderen Arbeitsplatz von Bedeutung ist. Es kommt auch eine vorübergehende anderweitige Beschäftigung in Betracht solange aufgrund eines anhängigen Verwaltungsverfahrens oder Verwaltungsgerichtsverfahrens über die Frage der Zuverlässigkeit des Arbeitnehmers noch nicht endgültig entschieden ist. Die abschließende Interessenabwägung kann, wenn die Entscheidung der Verwaltungsbehörde über die Unzuverlässigkeit endgültig feststeht und keine andere Beschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer besteht, nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung führen. Unter diesen Umständen ist es dem Arbeitgeber aus rechtlichen Gründen unmöglich, den Arbeitnehmer weiterzubeschäftigen. Hat der Arbeitgeber keine Möglichkeit, die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers einzusetzen, muß das Interesse des Arbeitnehmers am Bestand des Arbeitsverhältnisses in jedem Fall zurückstehen. Ein anderes Ergebnis ist aber denkbar, wenn die Entscheidung der Verwaltungsbehörde noch nicht endgültig ist. Hier ist eine vorübergehende Freistellung des Arbeitnehmers möglich. Dies kommt insbesondere dann in Betracht, wenn die Entscheidung der Behörde oder des Gerichts unmittelbar bevorsteht oder wenn die Entscheidung über die Unzuverlässigkeit offensichtlich rechtswidrig ist. Hat dagegen nicht die Genehmigungsbehörde die Unzuverlässigkeit geltend gemacht, sondern hat der Arbeitgeber selber Sicherheitsbedenken gegenüber einem Arbeitnehmer, ergeben sich keine Unterschiede zum Normalfall der Kündigung wegen Sicherheitsbedenken. Es liegt eine personenbedingte Kündigung wegen eben dieser Sicherheitsbedenken vor. Das Arbeitsgericht hat hinsichtlich der Frage der Wirksamkeit der Kündigung nach den oben entwickelten Kriterien zu prüfen, ob Sicherheitsbedenken gegeben sind und ob diese eine Kündigung rechtfertigen.

99

Vgl. zum Ganzen: Seite 134 f der Arbeit.

C. Besondere gesetzliche Bestimmungen

219

II. Sicherheitsiiberpriifung nach dem SÜG Im Hinblick auf die besonderen Regelungen im SÜG ist wiederum zwischen öffentlichen und privaten Arbeitgebern zu unterscheiden. /. Öffentliche

Arbeitgeber

Im öffentlichen Dienst bestehen bei Anwendung des SÜG keine Unterschiede zum oben gezeigten Prüfungsumfang. Das SÜG hat keine Auswirkungen auf die arbeitsrechtliche Problematik. Entgegen der Ansicht des B A G 1 0 0 hat der öffentliche Arbeitgeber auch keinen gerichtlich nur eingeschränkt nachprüfbaren Beurteilungsspielraum hinsichtlich der sicherheitsrelevanten Tätigkeit. Für den privaten Arbeitgeber ergibt sich die Ablehnung eines Beurteilungsspielraumes aus dem Erfordernis eines objektiven Kündigungsgrundes. 101 Folglich ist auch die sicherheitsempfindliche Tätigkeit des Arbeitnehmers als Teil des Kündigungsgrundes gerichtlich nachprüfbar. 102 Warum dies nicht für den öffentlichen Arbeitgeber gelten soll, ist nicht einsichtig. Auch das BAG enthält sich einer Begründung für die gegenteilige Ansicht. Das SÜG enthält keinerlei Aussagen über die Rechtfertigung einer Kündigung wegen Sicherheitsbedenken. Die Begründung des Regierungsentwurfs geht vielmehr ausdrücklich auf die Rechtsprechung des BAG ein und verlangt tatsächliche Anhaltspunkte für ein Sicherheitsrisiko. 103 Daraus kann nur der Schluß gezogen werden, daß der Gesetzgeber durch den Erlaß des SÜG nicht in die gesetzlichen Kündigungsvorschriften im Arbeitsrecht eingreifen wollte. Danach muß aber für den öffentlichen Arbeitgeber auch gelten, daß die Frage der sicherheitsempfindlichen Tätigkeit Teil des Kündigungsgrundes und durch das Arbeitsgericht nachprüfbar ist. Eine andere Beurteilung kann sich auch nicht im Hinblick auf die Rechtslage im Beamtenrecht ergeben. Wenn dort dem Dienstherrn ein Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Frage, ob eine bestimmte Tätigkeit sicherheitsempfindlich ist, eingeräumt wird, ist dies allein auf die Besonderheit des Beamtenrechts zurückzuführen. 104 Die Frage, ob eine bestimmte Tätigkeit sicherheitsrelevant ist oder ob ein bestimmter Behördenteil als besonderer Sicherheitsbereich anzusehen ist, unterliegt im Beamtenrecht der Beurteilung durch den Dienstherrn. Dies folgt aber daraus, daß die gesamte Eignungsprüfung und auch die dienstlichen Erfordernisse, die die Tätigkeit des Beamten bestimmen, der Beurteilung

100 101 102 103 104

BAGE 62, 256 (269). Siehe Seite 98 fu. 172 f der Arbeit. BAGE 10, 103 (105); 62, 256 (264); AP Nr. 28 zu § 66 BetrVG. BT-Drucks 12/4891, S. 21; vgl. Seite 38 f der Arbeit. Vgl. dazu: Seite 84 ff der Arbeit.

220

5. Teil: Die Kündigung wegen Sicherheitsbedenken

durch den Dienstherrn unterliegen. Die Beurteilung ist grundsätzlich durch die Verwaltungsgerichte nur eingeschränkt überprüfbar. 105 Das ist im Beamtenrecht auch hinzunehmen, da diese Beurteilung in der Regel nicht zur Entlassung des Beamten fuhrt. 1 0 6 Diese Grundsätze können deshalb nicht auf das Arbeitsrecht übertragen werden. 2. Staatliche Aufträge und SÜG Macht der Arbeitgeber selber Sicherheitsbedenken geltend, ergeben sich keine Unterschiede zur oben dargestellten Prüfung einer personenbedingten Kündigung wegen Sicherheitsbedenken. Macht der öffentliche Auftraggeber dagegen die Auftragserteilung von der Nichtbeschäftigung eines Arbeitnehmers abhängig, ist eine differenzierte Betrachtung erforderlich. Sind die Einwände des öffentlichen Auftraggebers nach dem SÜG berechtigt oder hat das Verwaltungsgericht bereits rechtskräftig die Entscheidung der Behörde bestätigt, liegt ebenfalls eine Kündigung mangels Eignung vor. Die mangelnde Eignung des Arbeitnehmers ergibt sich dann aus dem Fehlen der im SÜG normierten Anforderungen. Liegen die Voraussetzungen des SÜG für eine Versagung der Unbedenklichkeitserklärung hingegen tatsächlich nicht vor, kommen die Grundsätze der Druckkündigung zum Tragen. 107 Das Arbeitsgericht kommt demnach nicht umhin, die Voraussetzungen des SÜG zu prüfen, wenn dies nicht verwaltungsgerichtlich entschieden wurde. Die Voraussetzungen für eine Druckkündigung sind nur gegeben, wenn der Arbeitgeber im Rahmen seiner rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten gegen die unberechtigte Versagung der Unbedenklichkeitserklärung vorgegangen ist. Ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer bis zum Ende eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens weiterbeschäftigen muß, hängt wiederum davon ab, ob überhaupt eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit besteht und ob die Versagung offensichtlich rechtswidrig ist.

105

Vgl. Seite 90 f der Arbeit. Anderes kann nur für den Beamten auf Probe und den Beamten auf Widerruf gelten; vgl. Seite 87 f der Arbeit. 107 Vgl. zum Ganzen: Seite 209 ff der Arbeit. 106

Zusammenfassung und Ausblick

1. Eine Kündigung wegen Sicherheitsbedenken liegt vor, wenn die Besorgnis besteht, der Arbeitnehmer werde in Zukunft gegen die berechtigten Sicherheitsinteressen des Arbeitgebers verstoßen. Die Sicherheitsinteressen des Arbeitgebers lassen sich als Spionage- und Sabotageschutz sowie Personenschutz bezeichnen. 2. Die Sicherheitsinteressen des Arbeitgebers werden zivil- und strafrechtlich geschützt. Es kommen auch organisatorische und technische Maßnahmen zum Schutz der Sicherheitsinteressen in Betracht. Aufgrund der Unvollkommenheit dieses Schutzes und der oft erheblichen Bedrohung der Sicherheitsinteressen des Arbeitgebers ist die Kündigung des Arbeitsverhältnisses als präventive Maßnahme von Bedeutung. 3. Voraussetzung für eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses ist stets eine erhebliche Beeinträchtigung der vertraglichen und betrieblichen Interessen des Arbeitgebers. Die Kündigung wegen Sicherheitsbedenken gründet auf einer Beeinträchtigung der Sicherheitsinteressen des Arbeitgebers. 4. Eine betriebsbedingte Kündigung liegt vor, wenn ein Arbeitsplatz weggefallen ist und deshalb der Arbeitnehmer nicht mehr beschäftigt werden kann. Eine verhaltensbedingte Kündigung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer seine arbeitsvertraglichen Pflichten bereits verletzt hat und weitere Vertragsverletzungen verhindert werden sollen. 5. In allen anderen Fällen liegt ein Eignungsmangel vor, der zu einer personenbedingten Kündigung führt. Die Kündigung wegen Sicherheitsbedenken ist in der Regel eine personenbedingte Kündigung. Nur wenn die Sicherheitsbedenken auf arbeitsvertraglichen Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers beruhen, kommt eine verhaltensbedingte Kündigung in Betracht. Auch die Verdachtskündigung und die Druckkündigung stellen personenbedingte Kündigungen dar. 6. Voraussetzung für eine wirksame personenbedingte Kündigung ist zunächst eine objektive, erhebliche Beeinträchtigung der arbeitsvertraglichen und betrieblichen Interessen des Arbeitgebers. Ob eine solche Beeinträchtigung vorliegt, ist auf der Grundlage des Arbeitsvertrages als schuldrechtlicher Austauschvertrag zu entscheiden, das heißt es muß eine erhebliche Störung im Austauschverhältnis vorliegen. Diese kann auch durch ein sogenanntes au-

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Zusammenfassung und Ausblick

ßerdienstliches Verhalten oder durch außerdienstliche Umstände verursacht werden; allerdings sind insbesondere in diesen Fällen die Grundrechte des Arbeitnehmers zu beachten. 7. Weiterhin muß die Kündigung erforderlich sein. Erforderlich ist die Kündigung nur, wenn dem Arbeitgeber keine den Arbeitnehmer weniger belastende Maßnahmen zur Verfügung stehen, um die Beeinträchtigung seiner Interessen zu verhindern. Dabei kommen die Umsetzung, die Änderungskündigung und sonstige, rechtlich und tatsächlich mögliche Maßnahmen in Betracht. 8. Darüber hinaus darf eine Interessenabwägung im Einzelfall nicht zur Unwirksamkeit führen, wobei jedoch ausschließlich arbeitsVertrags- und betriebsbezogene Interessen und verfassungsrechtliche Wertentscheidungen berücksichtigt werden können. Die Interessenabwägung kann nur zur Sozialwidrigkeit der ordentlichen Kündigung führen, wenn das Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers das Beendigungsinteresse des Arbeitgebers deutlich überwiegt. 9. Alle Kündigungsgründe sind zukunftsbezogen. Deshalb erfordert die Wirksamkeit einer Kündigung die Prognose zukünftiger Beeinträchtigungen des Arbeitsverhältnisses. Dies gilt insbesondere für die Kündigung wegen Sicherheitsbedenken und anderer Gefahrkündigungen. Grundlage dieser Prognose sind grundsätzlich die vergangenen und gegenwärtigen Beeinträchtigungen der Arbeitgeberinteressen. 10. Beeinträchtigungen im Vertrauensbereich reichen für eine Kündigung wegen Sicherheitsbedenken nicht aus. Es ist vielmehr immer auch die Beeinträchtigung betrieblicher Sicherheitsinteressen notwendig. Jedoch kann auf vergangene und gegenwärtige Beeinträchtigungen verzichtet werden, wenn eine Prognose künftiger Beeinträchtigungen möglich ist. 11. Bestehen gegenüber einem Arbeitnehmer Sicherheitsbedenken, liegen noch keine vergangenen und gegenwärtigen Beeinträchtigungen der Sicherheitsinteressen vor. Es besteht lediglich die Gefahr, daß es in der Zukunft zu solchen kommt. Entscheidend fur das Vorliegen einer Gefahr ist die Wahrscheinlichkeit künftiger Beeinträchtigungen. 12. Der grundsätzlich für die Negativprognose im Kündigungsrecht zu fordernde Wahrscheinlichkeitsgrad der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit kann bei der Kündigung wegen Sicherheitsbedenken nicht maßgeblich sein, da dieser Wahrscheinlichkeitsgrad faktisch nicht erreichbar ist. Bei Kündigungen wegen Sicherheitsbedenken kommt deshalb mangels vergangener und gegenwärtiger Störungen eine Beweismaßsenkung für die Prognose zukünftiger Beeinträchtigungen in Betracht.

Zusammenfassung und Ausblick

13. Für die Kündigung wegen Sicherheitsbedenken ergibt sich die Möglichkeit einer Beweismaßsenkung aus drohenden hohen Schäden. Das Vorliegen einer Gefahr bestimmt sich nach dem Rechtsprinzip der umgekehrten Proportionalität von Schadenshöhe und Schadenswahrscheinlichkeit. Ob eine ausreichende Wahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung der Arbeitgeberinteressen besteht, ergibt sich daher aus der Relation zwischen Wahrscheinlichkeit und Höhe des drohenden Schadens. 14. Grundsätzlich trägt der Arbeitgeber das Risiko künftiger sicherheitsrelevanter Handlungen der Arbeitnehmer. Für die Negativprognose bei der Kündigung wegen Sicherheitsbedenken kann deshalb nur bei drohenden außergewöhnlich hohen Schäden eine nur geringe Wahrscheinlichkeit künftiger sicherheitsrelevanter Handlungen des Arbeitnehmers ausreichen. Drohen lediglich hohe Schäden müssen sicherheitsrelevante Handlungen mit einer mehr als nur geringen Wahrscheinlichkeit prognostiziert werden können. Bei mittleren Schäden schließlich muß eine überwiegende Wahrscheinlichkeit gefordert werden. 15. Eine außerordentliche Kündigung ist nur möglich, wenn außergewöhnlich hohe Schäden mit einer mehr als geringen Wahrscheinlichkeit drohen; das gleiche gilt, wenn hohe Schäden mit einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit prognostiziert werden können. In allen anderen Fällen ist der Arbeitgeber auf die Möglichkeit der Suspendierung des Arbeitsverhältnisses zu verweisen. 16. Macht der Arbeitgeber im Rahmen der besonderen Regelungen im AtomG und im SÜG selber Sicherheitsbedenken gelten, ergeben sich keine Unterschiede zur allgemeinen Kündigung wegen Sicherheitsbedenken. Betrachtet die Verwaltungsbehörde einen Arbeitnehmer als unzuverlässig im Sinne des AtomG kommt eine personenbedingte Kündigung in Betracht, da der Arbeitgeber den betreffenden Arbeitnehmer aus Rechtsgründen nicht beschäftigen darf. Verweigert ein öffentlicher Auftraggeber die Unbedenklichkeitsbescheinigung fur einen Arbeitnehmer eines privaten Arbeitgebers kommt eine personenbedingte Kündigung wegen fehlender Eignung oder eine Druckkündigung in Betracht. 17. Vieles spricht dafür, die Möglichkeit der Beweismaßsenkung für alle Kündigungen wegen Gefahr aber auch für verhaltensbedingte Kündigungen bei drohenden hohen Schäden zu eröffnen. Dadurch kann sich die Annahme einer Beeinträchtigung im Vertrauensbereich erübrigen. Dies bedarf noch weitergehender Diskussionen.

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Literaturverzeichnis

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