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German Pages 53 [104] Year 1856
Die
•ÄM/V» zux/w.a*\a
Cme Denkschrist zunächst
für Presbyterien in der rheinischen Provinzial-Synode, verfaßt und herauögegeben im Auftrage der Kreissynode Mülheim a. Rh.
VVIl
G. A. Neide, evang. Seelsorger der Provinzial-Jrren-Heilanstalt und Pfarrer an der evang. Gemeine Sicgbnrg.
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183 6. In Commission bei A. Marcus in Bolin.
Vorwort. Eine Umfrage bei allen einzelnen Presbyterien der
Kreissynode Mülheim a. Rh., welche nach früherem Beschluß
im Jahre 1854 stattfand,
verschaffte der
Synode
eine
Borstellnng, in welchen: Umfange mib in welcher Art in ihren Gemeinen die Kirchenzucht geübt wird.
Das allge
meine Bild davon liegt in dem Protokoll der damaligen
Synodalversamullung §. 20 vor, und der Eindruck, den es auf die Synode gemacht hat, ihr gefaßten Beschlüssen.
spricht sich
aus in den von
Sie lauten:
1) Synode legt ihren Presbyterien die Ausübung der Kirchenzucht dringerld aus Herz.
2) Insbesondere
hält
Synode
es
für
Pflicht
der
Presbyterien: a)
Alles was au Eleinenten der Kirchenzucht in den Ge meinen besteht, zu bewahren, und was erst seit Kurzem
hingefallen ist, aufzurichten; ingleichen auf die bezüg lichen Sitten und Maaßnahmen benachbarter Gemeinen zu achten;
!V b) darauf Bedacht zu nehmen,
schriftmäßigen und
die
kirchlichen Grundsätze der Kirchenzucht, was sowohl den Umfang als auch die Ausübung betrifft,
immer mehr
znr Durchführung und zur Anerkennung
in der Ge
meine,
mit
so wie auch in möglichste Uebereinstimuuiiig
den Nachbargemeinen zu bringen; und zn dem
Ende zunächst:
c) die Handhaben, welche die Kirchenordnung zn diesem Zwecke bietet, ans das Gewissenhafteste zu benutzen. Hier mögen genannt werden: Kirchcnzeugnisse, Glie derung ,
Eintheilnng
Anmeldungen
größerer Gemeinen in Bezirke,
und Verzeichnisse
Pathen,
Brautleute;
Prüfling
der
Zulassung
Wahlfähigkeit
für
der Communikanten,
zur
Confirination,
Repräsentation
urid
Presbyterium, Instruction für untere Kirchenbeanitete. 3) beauftragt Syliode eine Commission in Verbindung
mit dem Moderamen
a) eine Denkschrift über Kirchenzucht abzufasscn, in wel cher in einer für die Gemeine faßlichen Weise die An
gelegenheit besprochen werde und dieselbe nach Begut
achtung
durch
Gemeinen
die Synode
in hinreichender
zur Verbreitung in den
Anzahl
von Exemplaren
drucken zn lassen.
b) mit den einzelnen Presbyterien auf Grund der einge gangenen Berichte zu verhandeln, um in das Verfah ren derselben die möglichste Gleichförmigkeit zn bringen. c) der nächsten Synodal-Versammlung über ihre Thätig
keit,
über
die allgemein anerkannten Grundsätze und
über die Maaßnahmen in den einzelnen Presbyterien Rechenschaft abznlegen.
Der Referent der Commission für diese Angelegenheit, dem schließlich von der Synode der Auftrag ward, die un ter
3 a
gewünschte Denkschrift
weiterer Erwägung
seine Aufgabe
der Commission zwei
legte
glaubte nach
abzufassen,
theilen zu müssen und
verschiedene Schriftstücke vor,
deren eins als eine Denkschrift tut engern Sinne mehr für die Presbyterien,
das andere als ein Sendschreiben mehr
für die Gemeincgliedcr bestimmt
war.
Die
Commission
kotutte diese Scheidung mir billigen, und ohne, wie
es in
der Natur der Sache liegt, int Stande zu sein, sich in alle» ihren Mitglieder» alle einzcltien Behattptuugen und Motive
anzueignen, konnte sie sich doch einstimmig zu den in beiden Schriftstücken ausgesprochenen Grundsätzen utid Tettdenzcn
bekennen, und ihre Zwecktnäßigkeit glaubte
die Commission das
Indessen
anerkennen.
Sendschreiben
für
jetzt
der
Synode nicht unbedingt zur Verbreitung empfehlen zn dür fen, ehe sie nicht noch weitere Erfahrung über die Aufnahme
und Wirkung der Denkschrift gemacht habe. sich
daher vor,
Weise
dieses
Sie behielt
Sendschreiben später in geeigneter
den Presbyterien
zur Kenntniß mitzutheilen,
hielt
dagegen die Denkschrift zur sofortigen Verbreitung für durch
aus geeignet, tun Sinn für Verständniß itttb Handhabung
der Kirchenzncht, wie sie iu unserer Kirche rechtetts ist, zu wecken und zu schärfe».
Nachdem
die Commission dieses
in Folge des Beschlusses 3 c jener Synodal-Versammlnng
also referirt hatte, faßte die Synode des Jahres 1855 fol
genden Beschluß: „Synode,
gestützt
auf
das
beifällige
Urtheil
ihrer
Commission, beauftragt Referenten, den Druck seiner Denk schrift zu veranlassen, übernimmt davon so viel Exemplare
Vf zn utäßigein Preis, als zur Vertheilnng an die Mitglieder
sämmtlicher Presbyterien in der Kreissynode erforderlich sind, und überläßt der Commission die weitere Verfolgung der
Angelegenheit der Kirchendisciplin nach den Beschlüssen der
vorjährigen Synode." ist die Veranlassung zur Veröffentlichung dieser
Dies Denkschrift
und zeigt
zugleich den Standpunkt
welchem sie gelesen und beurtheilt sein will.
ihre
Charakter
aus
Haltnng
und
der Ton, wie ihn der
ihrer Entstehung
und
ihres Zweckes
ursprüngliche
beibehalten.
an,
Absichtlich ist
erzeugte,
Es soll keine wissenschaftliche Abhandlung seht,
sondern eine brüderliche Ansprache, Mittheilung und Anre
gung.
Nur insofern hat der Verfasser bei der Herausgabe
nachträglich einige Zusätze sich erlaubt, als bei ihrer verän
dertet: Bestinunung
für weitere Kreise zugleich eine voll
ständigere Mittheilung der in unserer Kirchenordnnng und
in'den Provinzialsynodal-Berhandlungen vorhandenen Mate
rialien erwünscht erscheinen mußte.
Namentlich
gilt dies
von Abschnitt vii. u. VIII. Zur Geschichte der Entstehung
und Entwickelung der Kirchenzttcht in unserer Provinzial-
Gemeine
und in den ihr angränzenden itttb
verwandten
Gebieten der evangelischen Kirche, hat Goebells Geschichte des christlichen Lebens, Band I. u. II. Ausgezeichne
tes
beigebracht.
Eine
zusainmenfassende Darstellung des
gegenwärtig kirchenordnungsmäßig Gültigen war noch nicht
vorhanden, und ließ sich daher Verfasser durch die Auffor
derung der Kreissynode zum Druck seiner Denkschrift gern
zu diesem Versuch reizen. Wenn Abhandlungen,
wie die von Sack,
Scheele,
Fabri, Otto n. a. ihre allgemein berechtigte Stelle behalten.
Vif so werden Detailuntersuchnugcn,
wie die von Mejer für
Mecklenburg, Hauber für Würtemberg, das Senioren büchlein für Großherzogthum Hessen, überall vorangehen
müssen, um sowohl ein gemeinsames Verständniß örtliche Maaßregeln zu ermöglichen.
als auch
Diese selbst aber und
die Einführung des Gültigen in die Wirtlichkeit
werden
überall wieder eine ähnliche Erforschung des in der Sitte und Gewohnheit Vorhandenen fordern, wie die Synode sie
für ihr Gebiet versucht hat.
Verfasser ist der Ueberzeu
gung, daß nur von dieser Grundlage des Vorhandenen aus und weiter nur auf dem von unsrer Synode betretenen, in
obigen Maaßregeln und Beschlüssen dargelegten Wege et was für die Behandlung der Kirchenzucht Förderliches ge
leistet
werden
könne.
Aehnliche
Maaßregeln
mutatis
mutandls werden auch unter andern kirchlichen Verhält nissen zum Ziele führen.
Daher zu erwarten, daß die
Kirchcnräthe in den andern Provinzen unserer Landeskirche,
die Senioren, Pfarrgcmeineräthe, Consistorien iiitb tote sonst die Lokal-Vorstände der Gemeinen in andern deutsch-evan
gelischen Ländern heißen,
wohl nicht geringere Anregung
und Weisung aus der Denkschrift entnehmen können, als die Presbyterien
in
unserm Provinzial-Synodal-Bereich.
Jedenfalls möchte durch die Denkschrift eine Kenntniß des
ernsten Geistes unserer Kirchenordnung auch auswärts ver mittelt werden.
Soviel bleibt aber sicher: Grade daruin,
weil die Kirchenzucht eine so hochwichtige Angelegenheit der Kirche ist,
bedarf sie der Pflege und Entwicklung in den
Gemeinen und aus den Gemeinen heraus. Die Bedingung zu dem, daß Etwas werde, bleibt immer die, daß nian von
unten aus anfange; ititb jeder ernstliche Anfang mit der
That führt von selbst die
zur Durchführung
unerläßliche
Erfahrung mit sich. Versäumen wir's hierin, so bleibt nicht
nur
jedes Gesetz
über Kirchenzucht
eine
donnernde
und
blitzende Wolke ohne Regen, sondern auch alles, was KirchenVerfassung heißt,
ein Spiel auf den Brettern,
stcllt wird, was nicht ist.
wo vorge-
Aber freilich, wie groß auch das
Bedürfniß nach Kirchenzucht insbesondere bei den gegenwär
tigen Zuständen der Kirche erscheint, wir brauchen noch mehr zum Bau des Reiches Gottes.
Siegburg,
den 4. Februar 1856.
Der Verfasser.
i. Einleitung war nicht Willkür und müßiges Belieben, waS die Synode veranlaßte, daß sie die Kirchenzucht zum Gegenstände ihrer Bera
thungen und besonderen Verhandlungen mit den einzelnen Pres byterien machen wollte.
Unsere Kirchenordnung schreibt §. 14 vor:
Zu dem Geschäftskreis des Ortspresbyteriums gehört:
a. die Handhabung der Kirchcndisciplin
in der Gemeinde, innerhalb der gesetzlichen Gränzen.
Daraus ergibt sich mit Nothwendigkeit:
1. daß in unsern Ge
meinen die Kirchenzucht stattfinden soll; 2. daß sie innerhalb ge
wisser gesetzlicher Gränzen zu üben sei; 3. daß ihre Handhabung jn der Gemeine zu den Pflichten und Rechten des Presbyteriums
gehört.
Die Fragen: was ist und was will die Kirchenzucht?
welches sind die Gränzen, die ihr angewiesen sind? von wem und wie soll und kann sie gehandhabt werden? und viele andere dar
aus sich ergebende Fragen werden oft noch aufgeworfen.
Miß
verständnisse einerseits und Widerwille anderseits erheben sich und hindern nicht nur die Ausführung der gesetzlichen Vorschriften und einer Reihe von Beschlüssen unserer Provinzialsynode, welche
sich auf die Kirchenzucht beziehen, sondern auch das rechte Ver
ständniß unserer Kirchenordnung, und ihre gewissenhafte und segens reiche Ausführung überhaupt.
Aus
einer mangelhaften und feh
lerhaften Ausübung der Kirchenzucht stammen ejne Menge bedenk
licher Folgen, die sich in krankhaften Zuständen von Gemeinen und
einzelner Glieder derselben kund geben.
Was aber noch schlimmer
ist, der Mangel an Pflichttreue in dieser Beziehung nagt an dem innersten Wesen unserer Kirchenordnung und macht den Presbyte
rien böses Gewissen ihr gegenüber.
Denn, „so Jemand das ganze
Gesetz hält und sündiget an Einem, der ist cs ganz schuldig." Durch diese Lücke im Geschäftskreis ciues Presbyteriums drohet die Ver
äußerlichung und der Verfall des ganzen Amtes
hercinzubrcchett1
2
Diese und andere Erwägungen, gestutzt auf Erfahrungen der
gewichtigsten Art, sammt einer tiefströmenden Bewegung, welche die Angelegenheit der Kirchenzncht nicht erst seit Kurzem in der ganzen evangelischen Kirche erregt hat, würden schon allein genügt
haben, zu einer synodalen Besprechung derselbe» zu veranlassen. Es sind aber Umstände vorhanden, die von solcher Bedeutung er
scheinen, daß unsere Synoden ein näheres Eingehen auf die Sache für Pflicht halten müssen.
Unsere Provinzialsynode hat sich seit
Einführung der Kirchenordnung vielfach und eingehend mit den ein
schlägigen Bestimmungen beschäftigt.
Das erste Proponendum,
welches ihr von der Königlichen kirchlichen Behörde bei ihrem er
sten Zusammentritt im Jahre 1835 gestellt ward, war: die Ent
werfung einer Instruction über die Ausübung der K i r ch enzn ch t. Ihre Berathungen und Arbeiten hierüber werden
stets ein Zeugniß bleiben, wie hochwichtig ihr diese Angelegenheit er
schienen und mit welcher Treue und Weisheit sie dabei verfahren ist. Die
zweite Provinzial-Synodal-Versammlung
„Ordnung der Kirchcndisciplin,"
entwarf eine
die jedoch nament
lich liegen ihrer ins Einzelnste gehenden Bestimmungen der Syno
de zu abermaliger Berathung zyrückgegeben wurde.
Die dritte
Provinzial-Shnodal-Versammlung im Jahre 1841 beschränkte ihre
früheren Vorschläge und begnügte sich, die allgemeinen „Grund
sätze der Kirchen zücht" aufzustcllen, welche festgehalten werden müßten.
Diese Grundsätze erhielten danach auch durch Königliche
Kabinctsordrc vom 21. Juli 1844 die königliche Bestätigung und
somit Gesetzeskraft und wurden von der vierten Provinzialsynode durch ein eingehendes Sendschreiben den Presbyterien zu gewissen
hafter Ausführung empfohlen.
Es ist auch später keine Provin
zialsynode versammelt gctvcsen, die nicht einzelne mehr oder min
der wichtige Beschlüsse, die Kirchenzncht betreffend, gefaßt hätte. Aber das überhcbt uns nicht, die Sache abermals vor unsre Pres byterien zu bringen, sondern nöthigt uns dazu, weil ein großer
Theil der in den Verhandlungen niedergclegten wichtigen Erörte
rungen, theils den jetzigen Mitgliedern der Presbyterien unbekannt geblieben, theils im Vaitf anderweitiger Geschäfte in den Hintergrund
getreten ist.
Da sind nun»jüngst die Beschlüsse der achten Pro-
vinzialsynode vom Jahre 1853 über das disciplinarischc Verfahren
gegen diejenigen, die in gemischte Ehen treten, bestätigt und kannt gemacht.
Ein Ereigniß für unsre Gemeinen.
be
Aber ein Er-
cigniß, welches den Synoden auf's Neue ihre Pflicht Vorhalt, aufklärend, anregend und fördernd auch in dieser Angelegenheit den
Presbyterien zur Seite zu stehen und keinen Augenblick länger mit
der Erfüllung dieser Pflicht zu säumen.
Die Presbyterien müssen
sich nun doppelt verpflichtet suhlen, sich über die Ausübung der Kirchcnzncht in allen Beziehungen des GemcinclcbenS zu prüfen. Recht schaffene Presbyterien können jetzt nicht anders mehr, als sich auf die Grundsätze der Kirchcnzucht zu besinnen, sich die vorhandenen in'S
Gedächtniß znrÜckzurufcn unv sich zu einer umfassenderen und gleich mäßigen Ausführung derselben zu entschließen. Sonst erliegen sic der
Gefahr, das Eine thuend und daS andere Wichtigere lassend, die Gewissen zu verwirren, und mehr Unheil als Gutes zu stiften.
II. Die Grundsätze der Kirchcnzucht. Erinnern wir uns daher zuvörderst an das vorher erwähnte allgemeine Gesetz über die Kirchcnzucht, welches bestimmt: 1. daß anstößig und lasterhaft wandelnde Glieder der Gemeinde, nachdem sie durch die Seelsorge nicht
haben zur Besserung gebracht werden können, so wie solche, die den christlichen Glauben ausdrücklich
der werfen und verspotten, als welche der christliche»
Gemeinde ein Aergerniß geben, vom Preshyterio, oder vom Pfarrer im Namen des Presbyteriums ernstlich und freundlich vermahnt werden sollen;
2.
daß
solche,
die ohnerachtet
der
erfolgten
Ver
mahnungen einen notorisch lasterhaften und är gerlichen Lebenswandel, oder den vorher bezeich neten
Ausdruck ihres entschiedenen
Unglaubens
forts-etzen und dadurch fortwährend das christliche Gemeindegefühl, sowie die Ehre der christlichen Ge
meinschaft verletzen, durch daö Presbyterium für
so lange von dem Genusse des heiligen Abendmah-
4 lcs und dem Rechte, Taufpathen zu sein, suspendirt werden sollen, bis sie das Versprechen eines
zu bessernden, und P robe eines gebesserten Lebens wandels abgelegt Haben, wobei der Recurs an das
Kreis synodal -Moderamen den SuSpendirten
offen bleibt." ES würde zu weit führen, wenn wir alle in diesem Gesetz enthaltenen Bestimmungen von allen Seiten betrachten und den in der Tiefe liegenden Gründen nachforschen wollten.
Es wird aber
erforderlich fein, einige Hauptpunkte in'S Licht zu setzen, und da
mit zugleich die Mißverständnisse und die Irrthümer zu beleuchten, die der Ausübung des Gesetzes vorzugsweise entgegentreten. Man hört wohl die Besorgniß aussprechen, die Kirchenzucht
werde der Seelsorge Abbruch
thun; ja es wird geradezu
der Verdacht geäußert, diejenigen, welche auf die Kirchenzucht drin
gen, wollten sich der Seelsorge überheben. Die obigen Bestimmun gen heben beides, die Besorgniß, wie den Verdacht.
Sie setzen
ausdrücklich fest, daß das Verfahren der Kircheozucht erst dann eintretht solle,
„nachdem die ärgerlich .wandelnden Glieder der
Gemeinde durch die Seelsorge nicht haben zur Besserung gebracht, werden können."
schreitet, soll man zusehen,
Ehe man also zur Kirchenzucht
ob die Seelsorge das Ihrige
hat, mit Lehren und Bitten,
gethan
Einladen zu den Gnadenmitteln
und mit Vorhalten und Anpreisen der Gnade.
Je mehr Jemand
sich scheuet, die Kirchcuzucht auszuüben, um so mehr wird er ge
wissenhaft und fleißig sein müssen in der Seelsorge.
Aber auch
je mehr Jemand sich scheuet, der Kirchcuzucht zu verfallen, um
so mehr wird er sich der Seelsorge hingeben und öffnen müssen. Mit Recht darf daher die Provinzialsynode (Verhd. HI. §. 51.
S. 95 )das Gegentheil jener Besorgniß aussprechen, nämlich die Hoffnung, daß die Seelsorge in der Kirchcuzucht „einen Stütz
punkt und somit eine Belebung und Hebung finden werde." Die Kirchenzucht ist so weit entfernt davon, die Seel
sorge aufzuhel en, daß sie vielmehr selbst aus einer Sorge für die See len entspringt und Eigenschaften der Seelsorge an sich tragt.
Sie
sorgt, daß der von ihr Betroffene nicht in der Finsterniß und Vcr-
blendung über seinen HerzenSzustand bleibe, und daß er die in der
Gemeine vorhandenen Gnadenmittel und Rechte nicht zu seinem
Schaden und Verderben mißbrauche; sie hindert auch nicht, daß
derselbe, nachdem er feierlich vermahnt und von gewissen Rechten und Gnadenmittelli ausgeschlossen ist, die andern allgemeinen Rechte
und Gnadenmittel gebrauche, sondern sie übergibt ihn den erneue« ten Bemühungen der Seelsorge, damit er sich bessere und wieder in die vollen Rechte eines Gcineineglicdcs eingesetzt werden könne.
Insbesondere aber sorgt sie für die übrigen Gemeineglieder, daß
sie nicht von dem Aergerniß angesteckt werden, und daß sich nicht
in und außer der Gemeine die Meinung festsetze, es sei der christ lichen Kirche gleichgültig, ob ihre Glieder erbaulich oder ärgerlich wandeln und handeln.
Dieser größesten Gefahr für die Seelen
will die Kirchenzucht ausdrücklich wehren. Ist aber darum vielleicht gar kein Unterschied zwischen
Seelsorge «ndKirchenzucht? Das wäre ein zweiter Irrthum, den jedoch eine nur oberflächliche Betrachtung des Gesetzes widerlegen muß.
angeführten
Es ist ja daraus ersichtlich:
1. daß
die Kirchenzucht es nicht mit'allen Gemeinegliedern zu thun hat, sondern nur mit denjenigen, „welche anstößig und lasterhaft
wandeln," und welche „den christlichen Glauben ausdrück lich verwerfen und verspotten;" 2. daß sie nicht von ein
zelnen Gliedern der Gemeine oder des Presbyteriums geübt wer
den soll, sondern von dem ganzen Presbyterium oder dem Pfarrer im Namen des Presbyteriums; 3. daß sie durch ein stnfenweises
Verfahren endlich dazu kommt, einzelnen Gemeinegliedern gewisse Rechte und Ansprüche zu versagen, die den klebrigen zustehen,
namentlich zunächst den Genuß des heiligen Abendmahls und die Pathenschaft.
Die Kirchenzucht geht also davon aus, daß ein Unterschied
ist zwischen denjenigen Gliedern einer Gemeine, welche der heil samen Lehre des Evangeliums gemäß christlich wandeln und reden, und denjenigen, welche anders wandeln, als ihr Bekenntniß lautet,
und anders reden, als das Bekenntniß der Gemeine. dieser Unterschied nicht wirklich vorhanden?
kennt einen solchen Unterschied.
Und ist
Auch die Seelsorge
So lange jedoch Einer seine
6 Sünde noch als selche zu erkennen vermag, und sich geneigt zeigt, sie
zu lassen, oder so lange er seine ungläubigen Zweifel und Bedenken noch bei sich behält, und etwa nur dem Seelsorger gegenüber aus
spricht, um sich belehren zu lassen, so lange besteht trotz aller sündlichcn Schwäche doch die Voraussetzung, daß sein Herz der Gnade
zugänglich sei und die Hoffnung, daß er durch ihre Kraft bekehrt und gebessert werden könne.
Wo aber diese Voraussetzung nicht
bestehen kann und diese Hoffnung aufgegebcn werden muß? Seelsorge ist auch nicht allmächtig!
Die
Soll die Gemeine dulden,
daß ein solcher Mensch ihr und ihrem'Bekenntnisse Schande mache, daß um seinetwillen ihr Glaube gelästert wird, als wäre derselbe eitel, faul und unfruchtbar?
Hat sie nur das Recht, ihre Gna«
denmittel ohne Unterschied auszuspendcn und etwa auch dem- der
sich nicht prüfen kann und will, daS heilige Abendmahl zu reichen zum Gericht? darf sie ihre Aemter und Ehren dem anvertrauen,
der sie doch treulos verwalten und zu Schmach und Zerrüttung der Gemeine tragen würde?
Das wird kein verständiger Mensch,
vielwenigcr darf's ein besonnener Christ zugeb en.
Nein, es istklar,
daß di« Gemeinde cS ihrer Ehre, ihren- Rechten und Aemtern schul dig ist, daß sie cS namentlich ihrem- Sacrament schuldig ist, einen
solche» Unterschied ihrer Gemeineglicder festzuhalten.
Eine- Gc-
tneine, die dem Herrn angehören- will, muß sich anders gegen die« jenigcn verhalten, die dem Herrn und seinem Geist, wenn auch noch in Schwachheit gehorchen wollen, und muß ein anderes Ver
fahren gegen diejenigen cinschlagen, die durch die Stimme seines Geistes in der Seelsorge nicht mehr zur Besserung gebracht werden konnten.
Jenes Verhalten ist die Seelsorge, dieses Verführen aber
heißt eben Kirchenzucht.
Man wird vielleicht sagen: Dieser Leute sind doch Wohl
immer nur Wenige; zuweilen,
und in manchen Gemeinen
gibt's wohl gar keine; sie kommen im Ganzen nicht-in Betracht
rind steht es nur sonst in-der-Gemein«, wie-es-soll; so-wird man auch ohne Kirchcnzucht mit-ihnen fertig werden.
Wir wollen da
gegen nicht fragen, ob mau denn-die Augen auch-offen genug habe, um zu scheu, unv ob der Zustand- der-Geincinen nicht- vielleicht dcr-
Art ist, daß solche Leute gar- kein Aufsehen mehr erregen.
ES soll
zugegeben sein, daß nur Einzelne, und diese nur ausnahmsweise einmal vorhanden seien.
Wird aber ein Mensch darum ein bran-
digeS Glied an seinem Körper unbeachtet lassen, weil cS nur das
kleine Glied e'.neS Fingers ist, und er sonst nicht am Brande lei Der Geringschätzung der Kirchenzucht
det?
gegenüber steht daS
Zeugniß unserer hochwürdigcn Provinzialshnodc, welche sie eine „wichtige Angelegenheit" nennt, welche um „ihre Pflicht zu
erfüllen," bei der Mittheilung dcö Gesetzes, von dem wir reden, ein dringendes
Ermahnungsschreiben an die Presbyterien erließ,
in dem sie unter anderm sagt:
„Ihr, geliebte Brüder, er
kennet eS mit uns, daß die christliche Kirchenzucht, wo sie richtig verstanden und würdig geübt wird,
ein ge
segnetes Mittel ist, die Würde und Heiligkeit der Kirche zu bezeugen und zu bewahren, die Aergernisse aus dem Wege zu räumen,
Ernst zu beweisen, wahren
und es vor aller Welt mit
daß sie nur diejenigen als
ihre
Glieder erkennt, die ihre Mitgliedschaft
in
derselben durch Bekenntniß des Glaubens und gottse
ligen
Wandel bethätigen."
Hier wird ja klar ausgesprochen, daß die Kirchenzucht weniger noch um derer willen da sei,
die von ihr betroffen werden, als
vielmehr um der Kirche oder um der Gemeine willen, „um deren
Würde und Heiligkeit zu bezeugen und zu bewahren, und die entstandenen Aergernisse aus dem Wege zu räumen."
Handelte cs sich bei der Kirchcnzucht nur um ein menschliches, kluges oder unkluges
Aufstellung eines
Meinen über Privatverhältnisse, oder um
bürgerlichen Sitten- oder Ehrengerichtes und
einer Sittlichkeitsordnung, so würde man Vieles darüber hin- und hcrreden können, ohne zu einem festen Schluß zu kommen.
Nun
aber ist die Kirchenzucht eine Sache dcö christlichen Glaubens unk Lebens der Gemeine, eine rechte Gemcineangclegenheit.
Jede Ge
meine bekennt sonntäglich, daß sie glaube „ei u e h e ili ge ch r i st lich e
Kirche, die Gemeinschaft der Heiligen."
Soll dieses
ihr Bekenntniß nicht eine eitle Heuchelei bleiben, so muß sie auch zur Förderung und Darstellung ihrer Heiligkeit thun, was sie ver mag.
Man weiß wohl, daß die Heiligkeit der Gemeine in keinem
8 ihrer Glieder auf Erden eine vollkommene ist.
Daher trägt man
die Sünder, so lange die Kraft der Gnade und der Einfluß des Gemeinegeistes die Sünde noch zurückdrängt, oder so lange sich
neben der Macht der Sünde auch die Macht der züchtigenden Gnade in
irgend einem Grad der Bußfertigkeit,
in der Begierde oder
Neigung, von der Sünde frei zu werden, zeigt.
Ja man trägt sie
so lange, als Sünde, Unglaube und Unbußfertigkeit noch verborgen
bleiben.
Denn in allen diesen Fällen ist noch kein Aergerniß.
Piclmehr ist dabei immer noch ein mehr oder weniger erbauliches
-eben denkbar.
Wo aber für menschliches Auge nach dem Gesetz
und Evangelium erkennbar die Abkehr des Herzens von Gott zum
Unglauben
und die Unhciligkeit der Gesinnung ungescheuet und
unbereuct in That oder Wort hervortritt, da ist ein Aergerniß; da
luuß die Gemeine ein Zeugniß dagegen ablegen und den Beweis,
daß sic heilig sein will, soweit sie es vermag, durch die That füh ren.
Das ist sic sich selbst schuldig und
allen
ihren Gliedern,
: anüi sie ihr Bekenntniß aufrecht erhalte und ihren Glauben be wahre und stärke.
Das ist sie der Welt, den Andersgläubigen
und Ungläubigen gegenüber schuldig, damit dieselben der Gemeine
und ihrem Bekenntniß nicht zu Last legen,
der schlechten Gemeineglieder ist.
was nur die Schuld
Auch die draußen sollen wissen,
daß es in einer christlichen Gemeine ehrlich und ordentlich zugehe,
daß es Rechtens darin sei, das Heiligthum nicht den Hunden zu geben und die Perlen nicht vor die Säue zn werfen. Hier, an diesem Gericht der Gemeine über ihre eignen Glieder, soll und hier allein
kann die Welt ahnen und erkennen lernen, daß die christliche Ge-
meine eine Gemeinschaft der Heiligen ist, welche,
wenn sie auch
nicht die Gestalt des sündlichen Fleisches abzulegen vermöge, doch dem Wesen der Welt entsage und es ans jede Gefahr hin von
sich ausschließen wolle.
Diesen ThatbcweiS ist die Gemeine insbe
sondere ihrem Haupte, dem Herrn schuldig, der sie zur Reinigkeit
und
Heiligkeit berufen. hat.
Denn er will, daß seine Gemeine
heilig fei, ohne Runzel nnd Flecken; er hat ihr die Kräfte und Mittel
der Heilignug dazu verliehen, und unter diesen namentlich daö, daß sie sich reinigen darf von unfruchtbar sind,
den Reben oder Zweigen, welche
oder nur faule Früchte bringen. —
„Aber,"
wendet man ein,
„es
ist doch daS eine große Sache und
hat eine schwere Verantwortung, ja es ist für mensch liches Urtheil zu viel, wenn man erklären soll, es sei ein Gemei-
neglied nun nicht mehr empfänglich für die Gnadenmittel
und Seelsorge, es müsse sogar für unfähig gehalten werden, seine Rechte und Pflichten in
wahr zu ne hm en.
der Gemeine
Soll man ihm nun diese Gnadcnmittel und
die ihm vielleicht noch heilsam werden könnten?
Rechte entziehen,
Wer darf das thun nud wer will die Folgen auf sich laden, die daraus
kommen können?" Allerdings ist die Ausübung der Kirchcnzucht eine große und schwere Sache. Wer das nicht empfindet, der ist gar nicht
dazu berufen. Wo die Kirchenzucht stehk, da ist heiliges Land und die
Offenbarung des heiligen Gottes im feurigen Busch.
Wer mit un
heiligem Eifer zufährt, der ist noch lange nicht geschickt dazu.
Wer
aber spricht: „Herr, sende, wen Du willst," der hat den Auftrag und die Kraft.
Das Urtheil, welches die Kirchenzucht fällt, und
daö Gericht, welches sie vollzieht, ist ehr geistliches Gericht und ist nur möglich als eine That des Glaubens.
Nicht, weil wir dies
und Jenes an einem Gemcineglicde sehen und nicht sehen, nicht,
weil wir Dies und Jenes von ihm urtheilen, hoffen oder fürchten, sollen wir über ihn das Urheil der Kirchenzucht fällen und voll
ziehen.
Sondern,
weil wir in seinem offenbaren Zustande des
Unglaubens und der Unbußfertigkeit ein Urtheil und Gericht Gottes
selbst erkennen nnd glauben, der ihn dahin gegeben hat in verkehr tem Sinn, zu thun, was nicht taugt; darum sollen wir so ur theilen.
Und weil wir den Befehl haben, den Sünder zu strafen,
und die Lehre, daß die Gnade und die Gnadenmittel nicht un
widerstehlich heilsam wirken, sondern nach dem Maaß der empfäng lichen Bußfertigkeit, Gnade, aber nach dem Maaß der Unbußfer tigkeit, Verhärtung, so sollen wir also thun.
Also darf denn aller
dings die Kirchenzucht nicht anders ausgerichtet werden, als im Na men Gottes. Geschieht aber das, so darf man auch nicht besorgt sein
um die Folgen, die aus der Kirchenzucht für den Gezüchtigten oder für
die Gemeine entstehen könnten.
Alle Folgen unseres Thuns sind in
Gottes Hand; wenn wir aber in seinem Namen das Unsrige gethan ha
ben, so wissen wir auch, daß die Folgen nur zum Besten auslaufen können.
Daß freilich die Ausübung der Kirchenzucht in würdiger Weise geschehen müsse, das versteht sich daraus von selbst. Da
für haben auch die gesetzlichen Bestimmungen, soviel an ihnen ist, in ausreichcndcin Maaße gesorgt. Nicht ein Einzelner in der Ge meine soll die Bollmacht haben, Gesetze darüber zu machen, und
zu handhaben, damit auch nicht der Schein der Willkür und Par
theiligkeit auf die Sache fallen möchte.
Auch nicht die Gemeine
in ihrer Gesammtheit soll dies thun, damit nicht der zufällige Zu stand einer einzelnen Gemeine maaßgebend werde für alle, oder ein Angeklagter beschämt werde, ehe er schuldig gefunden ist. Der geringste
Schein selbst soll vermieden
werden, als wollte man
äußerliche Gewalt üben, und eine widrige Stimmung der Gemeine zur Geltung bringen.
Vielmehr will die Kirche insgesammt die
gesetzlichen Schranken der Kirchenzucht aufrichten und das Pres
byterium soll danach die Zucht üben mit Berücksichtigung der Zu stände in der Gemeine.
Das Presbyterium darf nicht ohne Wei
teres zur Ausschließung vou Abendmahl, Pathenschaft und son stigen Rechten schreiten, sondern nach reiflichem gemeinsamen Ur
theil dasselbe zuvor mit Ernst und freundlicher Vermahnung ver kündigen, und nur im Falle beharrlicher Unbußfcrtigkeit das Urtheil
vollziehen.
Glaubte aber Jemand, sich auch dabei noch ungerecht
und unbillig behandelt, nnd wollte sich bei dem Urtheil seines Presbyteriums nicht beruhigen, so ist ihm der RecurS oder die Bernfniiz an daö Urtheil des Moderamens der Kreissynodc und
weiter osfengelasscn, damit daS Urtheil entweder jitr Rechtfertigung
des Beschuldigten aufgehoben, oder zur Ueberführung desselben bestätigt werde.
So ist ja durch daö Gefltz von der Kirchenzucht
selbst, wie es in unserer Kirche gilt,
vorgesehen,
daß
nicht die
Leidenschaft und der Irrthum ein ungerechtes Gericht richten könne,
und anstatt Ordnung und einen heiligen Sinn zu befördern, Un
ordnung und Verwirrung der Gewissen anrichte.
Es ist durch
die Fcrnhaltuug aller äußerlichen Folgen, Strafen und Nachtheile für den Gezüchtigten in seiner bürgerlichen Stellung der Verdacht
eiries Uebergriffs der geistlichen Gewalt in die menschlichen und bürgerlichen Angelegenheiten abgewiesen.
ES ist durch die Aussicht
aus Zurückgabe der vorenthaltenen Rechte der Schein widerlegt,
als wolle man mit der
Kirchcnzncht das ewige und endgültige
Bericht Gottes ausführen.
Kurz, es kann durch die Ausübung
der Kirchenzucht im Wege der vorgeschriebenen Regel weder eine Schmach, noch ein Nachtheil für die Gemeine, oder für die Ge
züchtigten entstehen.
Bielmchr ist es als eine hohe Ehre der Ge
meine zu betrachten, daß sic die Hand mit anlegen und durch Zeug niß und That beweisen darf, daß ihr ein heiliger Sinn inne wohnt,
der dem heiligen Willen des Herrn entgegenkommt; und ist ein wahrer Segen, wenn dadurch auch die Verblendeten noch zur Be sinnung über ihren Zustand und zur Buße gebracht werden. Und diese Ehre der Gemeine,und dieser Segen ist eine Ehre und ein
Segen für jedes ihrer Glieder, auch für die Gezüchtigten selbst.
Gleich wie es eine Ehre und ein Segen ist, einem Hause anzu gehören, in welchem Zucht und Sitte gehandhabt wird, und sich dieser Zucht zu unterwerfen.
Sollte nun aber ein Presbyterium oder ein Presbyter doch
sich nicht von seinem Rechte und seiner Pflicht überzeugen wollen,
i» dieser Weise an der Ausübung der Kirchenzucht mitzuwirken, so müssen wir ihm noch Folgendes zur ernsten Erwägung ver legen.
Besteht die Verordnung zur Kirchenzucht in unsern Ge
meinen zu Recht, so war's Unrecht, trotz seiner Abneigung dagegen daö Amt zu übernehmen, welches zur Ausübung der Kirchenzucht verpflichtet.
Der Pfarrer hat in seiner Berufsurkunde beschworen,
daß er „insbesondre die Kirchen zücht ohne einiges An
sehen derPersonmitdem Presbytcrio handhaben wolle" wie die Gemeine darin ausgesprochen hat, „sie hege das beson dere Vertrauen" daß er dies thun werde.
Die Presbyter
haben bei ihrer Einsetzung das Amtsgelübdc abgelegt: „daß sie
mit den Predigern die Aufsicht über die Gemeine füh
ren, worüber sie als Wächter gestellt sind, die fleißig Acht geben müssen, ob die Glieder der Gemeine sich auch recht verhalten in Bekenntniß des Glaubens und
im Wandel,
daß sie mit den Predigern die christliche
Buß- und Kirchenzucht wahrnehmen und für das äußere und innere Wohl der Gemeine sorgen, so wie solches die Kirchenordung vorschreibt." (Agende Thl. II. S. 79.)
12 Käme nun Jemandem, was ja wohl sein kann, erst hernach, wenn mit dieser übernommenen Verpflichtung Ernst gemacht werden soll, das Bedenken, sei es über einen einzelnen Fall nur, sei es über
daS Recht der Kirchenzucht im Allgemeinen, so soll er freilich nicht sogleich sein Amt aufgeben, aber er darf es doch auch nicht dazu
gebrauchen, dnrch heimlichen oder offenen Widerspruch die Geltung, Rechtmäßigkeit und Heiligkeit der Kirchenzucht zu verdächtigen, die
geheime, oft unbewußte Neigung zur Unsittlichkeit und zügellosen Freiheit zu bestärken und die Kirchenordnung von oben herab und von innen heraus zu stören.
Als das richtige und gewissenhafte
Verfahren erscheint in solchem Falle allein das, daß er sich zunächst jeder Mitwirkung enthalte, daß er seine Bedenken offen und klar
darlege, und daß er auf dem geordneten Wege durch einen Antrag an das Presbyterium und Berufung auf die Synode, das Gesetz
zu ändern oder abzuschaffen suche.
Gelingt dies nicht, und kann
sich sein Gewissen dabei nicht beruhigen, so muß er denn freilich
uiu des Gewissens willen aus seinem Amte austrctcn, und
im
äußersten Falle selbst die Kirchengcmcinschaft verlassen, in welcher solche Kirchcnzncht zu Recht besteht.
III. Die Grundlagen der Kirchenzucht in der heiligen Schrift. So weit kann cS indeß da gar nicht kommen, wo man
noch
dem Wort Gottes Gehör giebt und der Stimme der Kirche noch irgend welche Geltung, wenn auch nicht über, doch wenigstens noch
neben der Stimme ihrer Feinde und ihrer falschen oder verblen deten Freunde zugcsteht.
Unsere Presbyterien sind zwar ohne
allen Zweifel, wie ans dem Obigen erhellt, in ihrem Aint zur
Kirchenzucht verpflichtet; denn ihr Beruf dazu, sammt dem Gesetz
der Kirchcnzucht selbst steht in unserer Kirchenverfassung in jeder Weise kirchenrcchtlich fest.
Allein jeder Presbyter ist zuvor ein
evangelischer Christ und ein Glied der evangelischen und der all
gemeinen christlichen Kirche, ehe er Presbyter ist, und bedarf zuerst
und vornehmlich der Versicherung, daß diese Ordnung auf Grund der heiligen Schrift entstanden ist, ehe er mit Zuversicht und Erfolg
die
Kirchenzucht auSzuübcn vermag.
Daher erscheint es auch
durchaus erforderlich, daß man sich aus der Schrift gewiß mache,
ob die Kirchenzucht eine von Gott vorgcschriebcne Ordnung einer christlichen Kirche und Gemeine fei, und ob man sich in der Aus übung derselben in Uebereinstimmung mit den Grundsätzen seiner
Nun hat aber unsere Provinzialshnode wiederholt
Kirche befinde.
und vornehmlich noch in ihren Beschlüssen vem Jahre 1841 aus
drücklich darauf hingcwiescn, daß sie die
unveräußerliches Recht
Kirchcnzucht für „ein
der christlichen
Kirche über
haupt, also auch der evangelischen," nur auf Grund der
Schrift halte.
Insbesondere hat sie auf die Stellen Matthäi 18,
15 — 17, und I. Korinther 5. hingewiesen und haben wir demnach diese Stellen in'S Auge zu fassen.
Matthäi 18, 15 — 17 lautet: Sündiget aber dein Bruder an dir, so gehe hin und strafe ihn zwischen dir und ihm alleine; höret er dich, so hast d.u deinen
Bruder gewonnen;
höret er dich nicht, so nimm
noch Einen oder Zwei zu dir, auf daß alle Sache best ehe auf zwei er oder dreier Zeugen Munde. Höret
er die nicht, so sage es der Gemeine; höret er die
Gemeine
nicht, so halte ihn
als einen Heiden
und Zöllner. In diesen Worten stellt der Herr die Regel auf, wie sich die
Glieder einer christlichen Gemeinschaft gegen einander zu verhalten haben, wenn sie an einander eine Sünde wahrnehmen.
Er redet
nicht ausdrücklich nur von den der Gemeine Aergerniß gebenden
offenbaren Sünden und Lastern, mit denen es, Ivie wir sehen, die Kirchenzucht zu thun hat.
Er ordnet nicht jene bestimmten Maaß
regeln an, welche uns für unsere Kirchenzucht vorgeschrieben sind. Auch überträgt er nicht einem Vorstand der Gemeine, einem Presby
terium, die Ausführung dieses Verfahrens. Wohl aber stellt er diesel ben Grundsätze fest, welche auch für eine geordnete christliche Gemeine
in unserer Kirchenzucht zur Anwendung kommen. Er will, daß sich die
Glieder einer christlichen Gemeinschaft als Brüder betrachten, denen vermöge der Liebe untereinander, das Verhalten Eines unter ihnen nicht gleichgültig sein darf. In einer rechten christlichen Gemeinschaft
14 soll ein Jeder die Sünde hassen, weil sie das Verderben des Bruders
ist, aber den Sünder lieben, und suchen, daß er nicht verloren gehe. Man kann dazu den Anfang des Kapitels 18, 1 — 14 vergleichen. So soll nun ein Jeder suchen, den Sünder zu gewinnen, daß er
nicht in seiner Sünde beharre.
Vermag's Einer nicht allein, so
sollen auch die Andern bereit sein, ihm in diesem Versuche beizu stehen, ja die ganze Gemeine soll zuletzt das Vorhaben unter
stützen.
Der Grund ist leicht einzusehen.
Die Sünde schadet
nicht nur dem, der sündigt, und dem, gegen den die Sünde began gen wird, sondern auch der ganzen Gemeinschaft, insbesondere den
Schwachen, ren Unbefestigten, Verführbaren, Leichtsinnigen darin. Die Liebe kann sich nicht dabei beruhigen, daß sie nur dem Sünder
vergibt, wenn sie verletzt ist, sondern sie muß suchen, ihn von seiner Sünde loszumachen um seiner Wohlfahrt willen, aber auch um
der Wohlfahrt der Andern willen.
Wo die rechte Liebe ist, da
vermag man nicht, irgend eine Sünde an den Brüdern zu dulden, sondern muß trachten, alles, waö Sünde heißt, aus der Gemein
schaft zu.entfernen.
Dieser Grund liegt auch in der Kirchenzucht,
wie wir^oben gesehen haben.
Auch die Kirchenzucht will den Sün
der von seiner Sünde losmachen und wieder gewinnen und
will
die Sünde aus der Gemeine entfernen. Das Mittel, welches der Herr dazu vorschreibt, ist das
Strafen der Sünde, das heißt, ihr Offenbarmachen zur
Ueberführung des Sünders von seiner Sünde, damit er
sie lasse.
Stufenweis verstärkt soll ihm bezeugt werden, daß
sich versündigt habe.
Zuerst durch das
er
Zeugniß des Einen, an
dem er sich versündigte, und wenn dieses Zeugniß nicht gehört wird, durch das stärkere Zeugniß von Zweien oder Dreien, endlich durch das
Zeugniß der ganzen Gemeinschaft. Eine kräftigere Weise, Jemanden von seiner Sünde zu überführen, kann nicht gedacht werden, als daß in jedem -vorkommenden Falle ihm also das Zeugniß strafend
entgegengehalten wird.
Und ein anderes, der Liebe und Wahrheit
zugängliches Mittel, ihm auch die Sünde zu verleiden, gibt es nicht.
Nichts vermag so rasch und sicher den Vorsatz zu erwecken und zu
stärken,
daß wir die Sünde lassen, und Nichts verschafft uns so
gewiß den
unö nöthigen
allseitigen Beistand dazu,
als
dieses
Offenbarwerden unsrer Sünde für uns und Andre.
Hier erfahren
wir die Wahrheit des Wortes: ,,nnd die Wahrheit wird euch frrj
machen."
Würde in unsern Gemeinen dieses Mittel immer von
allen Gliedern gegeneinander angewandt, so würden wir eine zwei fache Erfahrung in reichem Maaße machen dürfen.
Gar manchem
Sünder würde das Gewissen geweckt werden, daß er seine Sünde erkennen und bereiten könnte, ehe sie noch zu einem öffentlichen
Aergerniß ausartete.
Gar manche verborgene und nur Einzelnen
bekannte und ärgerliche Sünde würde aber auch an den Tag und zur Kenntniß Vieler und Aller kommen, und müßte dadurch ent weder die Buße hervorgerufen werden, oder der ihr zu Grunde liegende
Unglaube sich deutlich erkennbar kund geben.
Also, daß in jenem
Falle der Sünder gewonnen, in diesem seine innere Entfremdung vom Glauben der Gemeine so bestimmt erkannt werden würde, daß auch seine Zurückweisung von den Gnaden und Rechten der Ge
meine Niemandem, auch ihm selbst nicht mehr, unnatürlich erschei
nen könnte.
Diese gemeinsame brüderliche Zucht ist schon im alten
Testament als das Werk der rechten Bruderliebe gefordert. Ill.Mose 19,17: „du sollst deinen Bruder nicht hassen in deinem
Herzen, sondern du sollst deinen Nächsten strafen, auf daß du nicht seinethalben Schuld tragen müssest." Der
Mangel dieser strafenden Bruderliebe ist die Hauptursachc, daß man so wenig den Geist der Kirchenzucht begreift und vertragen
mag.
Man begnügt sich, die christliche Liebe darin zu erweisen,
daß man die Sünde duldet und gegen den Sünder schweigt; man überläßt cs dem Prediger, oder der Erfahrung bitt'rer Folgen, den
Mitchristen strafend zu wecken; vielleicht, weil man die Wiederver-
gcltung scheuet.
Und die
Christen sind so zartfühlend geworden,
daß sie schon die richtige Bezeichnung einer Sünde kaum mehr von der Kanzel herab vertragen mögen, wie viel weniger aus dem Munde
jedes Mitchristen.
Wenn nun aber gleich diese innerste und all
gemeine Seelsorge und Zucht in einer Gemeine nicht vorhanden
wäre, wenn eine evangelische Gemeine aber doch in der Predigt und in der Schrift die Erkenntniß der Sünde zur Buße und die Offen
barung der Gnade zum Glauben ihren Gliedern darbietet, und in der Fürbitte um den heiligen Geist die Ueberführung durch den
16 heiligen Geist ihnen erbittet, so thut sie doch nur nach der Vor
schrift des Herrn, wenn sie dem, dessen Zustand durch Wort und
That als ein unbüßfertiger und
glaubensloser offenbar geworden
ist, seine besondere Sünde und die Gefahr seines Zustandes mit
Ernst vorhält, und wenn sie ein besonderes Bekenntniß der Sünde und Bußfertigkeit fordert.
Dieses Vorhalten, da er weder die
Thatsache leugnen, noch sein Gebundensein durch die Macht der
Sünde in Abrede stellen, noch die
fortwuchernde
Folge
seiner
Handlungsweise verkennen kann, ist heilige Pflicht der Liebe, ist ein heilsames Licht in die Finsterniß, in der er sich befindet. Und dieses besondere Bekenntniß der Bußfertigkeit für den Kreis der
Gemeine, in dem die Unbußfertigkeit kund ward, ist ein für den
Sünder, wie für die Gemeine
nothwendiger Damm
gegen den
Wicdcrausbruch der Sünde und zugleich die Schleuse, durch welche
ihm die Kraft der Gnade zuströint.
Und
dieses ist ja die erste
Stufe der uns vorgeschriebenen Kirchenzucht.
Würde aber auch das Zeugniß der Gemeine die beabsichtigte Wirkung verfehlen, so soll man den unbußfertigen Sünder
eine# Heiden und Zöllner halten." soll -jhm die bürgerliche, geschäftliche und
Heißt
„als
das: man
gesellige Gemeinschaft
versagen, oder gar: man soll mit bürgerlichen Strafen, mit Strafen
an Gut, Lech und Leben gegen ihn einschreitcn, wie zu verschie denen
Zeiten sich eine falsche, verweltlichte Kirche selbst bis zu
Feuer und Schwert verirrt hat? Mit Nichten; denn der Herr selbst
hat Dieses verworfen und Jenes nicht gethan.
Zöllnern und Sündern zu Tisch gesessen.
Er hat mit den
Aber freilich, an seiner
Brust hat er sie auch nicht liegen lassen; seine Geheimnisse Hatter ihnen erst offenbart, wenn sic bußfertig waren; an seinem Abcndmahle hat er nur Theil nehmen lassen, die gereinigt sein wollten.
hierin will die- Kirchenzucht in seine Fußstapfen treten. Jeder nach dem Wort des Herrn:
„halte ihn für einen Heiden
und Zöllner," so viel oder wenig, als feilt Gewissen
nach seinem
Verständniß der Schrift ihm erlaubt oder befiehlt, für sich äußere Gemeinschaft mit solchem Unbußfertigen aufrecht
oder aufhcben.
Und
Mag ein
die
erhalten
Das Wort des Herrn ist nicht mißverständlich:
Er will auch einem Solchen zwar nicht die allgemeinen Rechte an
bet Liebe entziehen,
die allen Menschen zukommeii,
et will aber
auch die christlich brüderliche Gemeinschaft ihm nicht gewährt wissen. Daher namentlich, so wenig ein Heide Ansptuch machen darf auf den MitgeNuß deS heiligen Abendmahles, oder so wenig er alS Pathe zugelassen werden samt, so Wenig wir ihm andere Segnungen
der Kirche, Korfirmation, Trauung und christliches Begräbnis; ge währen oder zu irgend einem Amte in der christlichen Gemeine be
rufen können, so wenig dürfen wir's auch solchen thun, die wieder
in die Blindheit und Unbußfertigkeit des HeidenthNms zurückge fallen sind.
Thun wir's doch nicht einmal betten, die einer andern
Kirchengemeinschaft angehören, ob wir ihnen gleich auch die all
gemeine Menschenliebe, ja vielleicht noch mehr, sowie den Antheil
wenn sie ihn begehren, nicht
an der Predigt des Evangeliums, versagen.
Daß wir jenes doch nachsehen, und daß so Mancher gar
teilte Empfindung mehr hat für den Widerspruch, der darin liegt,
und für die Gefahr, die wir den Gefallenen und den Gemeinen da
mit bereiten, das ist nur ein trauriger Beweis, wie unserm Be wußtsein die Heiligkeit des Herrn, seiner Gemeine und seiner Gna dengüter abhanden gekommen ist.
Daraus will uns der Herr
durch fein Wort erwecken, indem er uns heißt, Solche zu meiden. Dies aber ist es, was auf der zweiten Stufe der Kircheuzucht geschieht.
Sehen wir insbesondere zu, Wem denn der Herr das Strafamt überträgt, so finden wir wieder, daß es jedes einzelne
Glied der Brüdergenteinschaft ist.
Zuerst ist es der, gegen den die
Sünde begangen wird, mag sie nun unmittelbar oder mittelbar
gegen ihn begangen sein, das heißt, derjenige, der in einer That, Rede oder Gesinnung des Bruders die Sünde fühlt und erkennt. Ist er stark genug, den Sünder von seinem Unrecht zu überführen, so hat er ihn gewonnen und damit ist die Sünde aus dem Mittel
gethan und braucht Niemand weiter davon zu wissen. aber zu schwach,
Ist er
dies allein zu erreichen, entweder, weil ihm die
Gewandtheit fehlt, den Beweis zu führen, oder weil das Ansehen seines Zeugnisses nicht hinreicht zu diesem Beweis für den Sün
digenden, so darf und muß er sich
die Beihülfe anderer Brüder
erbitten, die mit mehrerem Geschick und vereintem Gewicht das Zeugniß wiederholen.
Richtet auch dieses noch nichts aus, so soll
18 die ganze Gemeine darum wissen ittib ihr Zeugniß, als das ge
wichtigste, soll der letzte Versuch sein, die Sünde durch daö stra
fende Wort zu beseitigen.
Wer die Stimme der Gemeinschaft
verachtet, der er angehört, der hat auch seine Rechte in ihr ver scherzt und darf über die Verweigerung derselben nicht klagen.
Wenn nun unsere Kirche die Ausübung der Zucht dem Presby terium überträgt, so will sie damit diese Ordnung des Herrn nicht
aufhebcn.
Die Kirchenzucht hat es ja eben nicht mit den verbor
genen, sondern mit offenbaren Sünden zu thun, auch nicht schon mit denjenigen Sünden, die nur erst Einzelnen in der Gemeine
bekannt wurden, sondern mit denen, die schon als ein Aergerniß und zugleich mit der Unbnßfcrtigkeit an den Tag traten, mag nun ihre Natur und Art an sich die Unbußsertigkeit des Zustandes
verrathen,
oder mag diese Unbnßfcrtigkeit erst im Verlauf jener
stillen und verborgenen Seelsorge der Brüder offenbar geworden
sein.
Gegen offenbares Aergerniß bedarf es sogleich des stärksten
Zeugnisses, und die Gemeine redet daher sogleich zu solchem Sün
der und straft ihn durch ihren Mund, das Presbyterium.
Das
Presbyterium urtheilt und straft, cs versagt die Theilnahme am Saeramcnt, an den Segnungen und Aemtern in der Gemeine, wie
es seine übrigen Amtsobliegenheiten verrichtet, nicht anders, als im Namen der Gemeine. Es liegt also darin, daß unsere Kirchenordnung einem solchen Rath der Acltesten die Kirchenzncht aufträgt, nicht eine Mißach
tung der Vorschrift des Herrn, sondern eine weise, liebevolle und nothwendige Rücksicht auf den Zustand unserer jetzigen Gemeinen,
und ist ein Versuch bei der Unmöglichkeit, sein Wort buchstäblich
zu erfüllen, nach Möglichkeit dem Geiste seiner Vorschrift nach zukommen.
Unsere Gemeinen, die dem Netze mit Fischen man
cherlei Gattung gleichen, würden in der Gesammtheit ihrer Glie
der weder würdig noch fähig sein, ein geistliches Gericht zu richten. Den Presbyterien aber ist diese Würde nicht allein durch die Wahl
der Gemeine von derselben übertragen, sondern sofern-die Mit glieder derselben den in der Kirchcnordnung ausgestellten, religiöse»
und sittlichen Erfordernissen entsprechen, wohnt ihnen an sich sowohl
die Fähigkeit, als die Würde zur Ausübung der Kirchenzucht bei.
Diejenigen, „deren Wandel unsträflich ist, die ein gutes Gerücht in der Gemeine haben, zur
evangelischen
überhaupt ihre Liebe bethätigen
Kirche....
und
durch
Theilnahme am öffentlichen Gottesdienste und heiligen Abendmahle
ihre
kirchliche
Gesinnung
beweisen,,,
(K. O. §. 10.) sind an sich schon in der Gemeine befähigt und
berufen, Aergernisse zn rügen.
Und über alle dem gestattet ja
unsere Kirchenordnung nicht nur, sondern erwartet und
fordert
ausdrücklich und in mannigfacher Weise auf z. B. durch öffent
liche Verkündigung der zu den Gemeineämtern Gewählten,
daß
jedes einzelne Gemcineglied an der Kirchenzucht Theil nehme, in dem es seine Bedenken gegen die Würdigkeit und Unbescholtenheit der Gewählten kund zu geben Gelegenheit erhält.
Neben diesem
und dem vom Presbyterium geübten Verfahren der Kirchenzucht sollte aber allerdings auch jene Ordnung des Herrn befolgt wer
den, sowohl daß Jeder in der Gemeine sich verpflichtet fühle, sei nem Mitchristen zur Erkenntniß seiner Sünde zu helfen, als auch,
daß ein Jeder die ihin allein besanute und auf dem angegebenen
Wege nicht zu beseitigende und unbereuete Sünde
Presbyterium zur Kenntniß
zuletzt dem
bringe damit sie nicht unerkannt im
Geheim fortwuchcrc und außer der Seele des Sündigenden auch
die Andern mit verderbe. Finden wir demnach in diesem Wort des Herrn die Grund sätze über die Kirchenzucht, wie wir sie zu üben haben, begründet
und bestätigt, so giebt uns das Verfahren des Apostels gegen den Sünder in
der Gemeine zu Korinth
Beweis, daß in
I.
Korinther