Die Jesuiten in Nord-Amerika im siebzehnten Jahrhundert


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German Pages 468 Year 1878

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Table of contents :
Front Cover
Einleitung Die eingeborenen Stämme
sichten
Kapitel Paul Le Jeune
Kapitel Die Huronen-Mission
Kapitel Brébeuf und seine Genossen
Kapitel Das Todtenfest
Kapitel Der Hurone und der Jesuit
Kapitel Charakter der canadischen Inseln
Kapitel Verfolgung
Kapitel Priester und Heide
Kapitel Die Tabak-Nation Die Neutralen
Kapitel Quebec und seine Bewohner
Kapitel Fromme und Nonnen
Kapitel Villemarie von Montreal
Kapitel Isaac Jogues
Kapitel Die Irokesen Bressani De Noué
Kapitel Villemarie
Kapitel Friede
Kapitel Der Friedensbruch
Kapitel Ein zweiter Krieg
nisten Unerschrockenheit der Jesuiten
Kapitel Priester und Puritaner
Kapitel Ein dem Untergange geweihtes Volk
Kapitel Die huronische Kirche
Der Mittelpunkt der Missionen Fort Kloster Hospital
Kapitel Anton Daniel
Kapitel Die Märtyrer
Kapitel Garnier Chabanel
Kapitel Die Huronen-Mission wird aufgegeben
Kapitel Die letzten Huronen
Kapitel Die Zerstörer
Kapitel Das Ende
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Die Jesuiten in Nord-Amerika im siebzehnten Jahrhundert

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DIE

JESUITEN

+

IN

NORD

- AMERIKA .

VON

FRANZ

PARKMAN .

STUTTGART . ABENHEIM'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG .

Vorzügliches Geburtstags- und Feſtgeſchenk. (3. Auflage .)

ONKEL GUSTAV

Abenheim'sch

e

Verlagshandl

ung

/ STUTTGART

Preis : cart. 3 Mark, gebdn. 4 Mark. Adolf Strodtmann äußert ſich in einem Briefe an die Ver lagshandlung über dieſes Buch wie folgt : „ Ich ſage Ihnen meinen beſten Dank für die Ueberſendung von „ Onkel Guſtav" ein Buch das mich auf's Höchſte entzüđt und gefeſſelt hat. && wird unzweifelhaft eine ganze Sündfluth von Nachahmungen hervorlođen, denn es erſchließt ein faſt neues Literatur gebiet : das Leben der Kinderwelt in ſeiner vollen , naiven Friſche. Und ſehr glüdlich hat der Verfaſſer dieſe eigenthümliche Welt in Wechſelbeziehung zur Welt der Erwachſenen gebracht und ihr dadurch einen erhöhten Werth verliehen. Auch die Bearbeitung, die Anpaſſung an deutſche Verhältniſſe iſt vortrefflich gelungen. Ich denke daher, das anmuthige Büchlein wird auch in Deutſchland bald ein Lieblingsbuch in allen Familien werden ." Stuttgart . Abenheim'ſche Verlagsbuchhandlung.

СC DIE

JESUITEN

IN

NORD - AMERIKA IM

SIEBZEHNTEN JAHRHUNDERT.

VON

FRANCIS

PARKMAN ,

VERFASSER DER ,, PIONIERE FRANKREICHS IN DER NEUEN WELT" ,

+

STUTTGART . ABENHEIM'SCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG . 1878 .

BIBLIOTHECA REGIA MONACENSIS

Druck der C. Hoffma n n'schen Buchdruckerei in Stuttgart.

Vorwort

Wenige Ereignisse der Geschichte sind wohl fesseln der , als die Anstrengungen der älteren französischen Je suiten zur Bekehrung

der Indianer.

Voll von

drama

tischem und philosophischem Interesse, äussern sie einen starken Einfluss auf die politischen Geschicke Amerika's und sind so eng mit der Geschichte seiner eingeborenen Bevölkerung durchflochten , dass es wunderbar erscheint, wie sie so lange in der Verborgenheit haben liegen kön nen.

Während die jungen und schwachen Colonien Eng

lands sich an die Ufer des atlantischen Ozeans klammer ten, bereiteten sich, ohne dass sie es wussten, im Herzen des Continents Ereignisse vor , welche eine verhängniss volle Wirkung auf ihre eigene Zukunft äusserten.

Der

Leser wird aus dem Laufe der folgenden Erzählung er sehen ,

dass die bürgerliche und religiöse Freiheit merk

würdige Bundesgenossen in dieser westlichen Welt fanden . Die Quellen für das Wirken der alten französischen Jesuiten sind sehr zahlreich .

Während eines Zeitraumes

IV

Vorwort .

von vierzig Jahren sandte der Obere der Mission in jedem Sommer lange und eingehende, auf die Mittheilungen sei ner Untergebenen gestützte oder von denselben begleitete Berichte an den Provinzialen des Ordens in Paris , WO sie alljährlich in Duodezbänden veröffentlicht wurden. bilden jene merkwürdige Reihe von Werken , « Relations » der Jesuiten bekannt sind.

Sie

welche als

Wiewohl sie die

Erzeugnisse von Männern von schulgelehrter Bildung sind , so ist ihr Styl doch einfach und häufig selbst roh, wie sich dies von Erzählungen erwarten lässt , welche , unter Stö rungen und Unterbrechungen aller Art , hastig in India nerhütten oder einfachen Missionshäusern im Walde auf gezeichnet wurden.

Der Werth ihres Inhalts ist ausser

ordentlich ungleich .

Bescheidene Erzählungen wunder

barer Abenteuer und Opfer, oder lebhafte Beschreibungen des Waldlebens wechseln ab mit den langwierigen und eintönigen

Einzelnheiten

von

der

Bekehrung

einzelner

Wilden und dem lobenswerthen Betragen eines exempla rischen Neubekehrten .

Als Quelle für die Lage und den

Charakter der Eingeborenen Nord -Amerika's ist ihr Werth aber unschätzbar.

Dabei muss ich bemerken ,

dass ich

auf Grund der genauesten Untersuchungen zu der festen Ueberzeugung gelangt bin, dass diese Missionäre im gu ten Glauben geschrieben haben , und dass die Relations als authentische und glaubhafte geschichtliche Urkunden eine hohe Bedeutung haben.

Sie sind sehr selten , ja in

Amerika existirt keine vollständige Ausgabe von ihnen. Die ganze Reihe wurde jedoch 1858 von der canadischen

V

Vorwort.

Regierung in drei grossen Octavbänden wieder veröffent licht * ) . Diese Schätze bilden

übrigens nur einen Theil der

übrig gebliebenen Schriften der französisch -amerikanischen Jesuiten .

Viele

offizielle

und

private Berichte ,

Denk

schriften , Tagebücher und Briefe sind uns ausserdem er halten ; von diesen aber sind einige erst kürzlich gedruckt worden , während andere noch im Manuscripte vorhanden sind.

Fast jeder hervorragende Theilnehmer an den von

mir zu beschreibenden Szenen hat seinen eigenen Bericht über die Ereignisse , an denen er Theil genommen , in Form von Berichten an seine Oberen oder in Briefen an seine Freunde zurückgelassen .

Ich habe

sowohl diese

Belege, als auch eine grosse Masse sie bekräftigender Be weise mit der gewissenhaftesten Sorgfalt studirt und ver glichen , da ich danach strebte, die möglichst grösste Ge nauigkeit der Darstellung zu erreichen , und mit photo graphischer Klarheit und Wahrheit ein Bild der Vergan genheit wieder herzustellen . Das einleitende Kapitel des Bandes von dem Reste ;

ist unabhängig

aber die Kenntniss der in demselben

dargestellten Thatsachen ist zum vollen Verständniss der folgenden Erzählung wesentlich .

die alte und die neue sind in den *) Beide Ausgaben folgenden Blättern citirt. Wo der Auszug aus der alten Ausgabe stammt, ist dies durch den in Klammern beigefügten Namen des Herausgebers (Cramoisy) angedeutet. In den in den Noten gegebenen Auszügen ist die veraltete Ortho graphie und Accentuation beibehalten.

VI

Vorwort . Bei der Sammlung meiner Materialien haben mir die

Herren M. G. SHEA, Rev. FELIX MARTIN von der Gesell schaft Jesu, die Abbés LAVERDIÈRE und H. R. CASGRAIN, Dr. J. C. TACHÉ , und der verstorbene JACQUES VIGER ihre werthvolle Unterstützung angedeihen lassen . Den folgenden Band dieser Serie gedenke ich der Entdeckung und der Besetzung des Mississippithales durch die Franzosen zu widmen .

Inhalts -Verzeichniss .

Seite

Einleitung. Die eingeborenen Stämme. Die Algonquins . Ihre Häuser . Die Huronen. Eintheilung. Befestigungen . Frauen . Sitten. Künste. Handel. Die Neu Die Tabak-Nation . Arzneikunst. Festlichkeiten. tralen . Die Eries . Die Andastes . Die Irokesen . Gesell schaftliche und politische Organisation. Einrichtungen , Gebräuche und Charakter der Irokesen. Religion und Aberglauben der In dianer. Ihre Geistesbeschaffenheit . 1. Kapitel. Notre Dame des Anges. Quebec im Jahre 163 4 . Pater Le Jeune. Das Missions Seine häusliche Einrichtung . haus. Die Jesuiten und ihre Ab sichten 2. Kapitel. Loyola und die Jesuiten. Loyola's Bekehrung. Gründung der Gesellschaft Jesu . Die cana Vorbereitung des Novizen . Charakterzüge des Ordens. dischen Jesuiten . 3. Kapitel. Paul Le Jeune. Le Jeune's Reisen. Seine ersten Schüler. Seine Studien. Le Sein indianischer Lehrer. Winter im Missionshause. Jeune's Schule . Verstärkungen. 4. Kapitel. Le Jeune und die Jäger. Das erste Lager. Le Jeune schliesst sich den Indianern an. Waldleben im Winter. Die Indianer - Hütte. Der Abtrünnige. Der Zauberer. Schlechte Seine Verfolgung des Priesters. Gesellschaft . Zaubersprüche. Weihnachten. Magie. Hun gersnoth. Hoffnungen auf Bekehrung. Rückfall, Gefahr und Seine Rückkehr. . Rettung Le Jeune's. 5. Kapitel. Die Huronen-Mission. Ihre Ziele und Beweggründe . Bekehrungspläne. Indianische Diplomatie. Huronen in Quebec. Berathungon. Die Jesuiten Le Borgne. Abweisung . Kapelle. Die Jesuiten . Ihre Beharrlichkeit. Die Reise zu den Huronen. Jean de Brébeuf. Beginn der Mission .

1

54

59

64

71

84

VIII

Inhalts - Verzeichniss.

Seite

6. Kapitel . Brébeuf und seine Genossen. Das huronische Missionshaus . Seine Bewohner. Seine Ein richtung. Seine Gäste. Der Jesuit als Lehrer und als Ingenieur. Taufen. Huronisches Dorfleben . Festlichkeiten und Zau bereien. Das Traumfest . Die Priester der Zauberei angeklagt. Die Dürre und das rothe Kreuz. 7. Kapitel . Das Todtenfest. Huronische Gräber. Vorbereitungen für die Feierlichkeit. Wiederausgrabungen. Die Die Trauer. Der Trauermarsch. grosse Grabstätte . Begräbniss -Spiele. Lager der Leidtragenden . Geschenke. Ansprachen. - Raserei der Menge . Die Schluss Szene. Ein andrer Gebrauch. Die gefangenen Irokesen . Das Opfer. 8. Kapitel. Der Hurone und der Jesuit. Begeisterung für die Mission . Krankheit der Priester. Die Pest unter den Huronen. Der Jesuit auf seinen Rundgängen. Der Teufel. Priester und Zauberer. Bekehrungsversuche. Des Magiers Verschreibungen . Indianische Doctoren und Pa tienten. Heimliche Taufen . Selbstaufopferung der Jesuiten. .

96

105

113 9. Kapitel. Charakter der canadischen Inseln . Jean de Brébeuf. Charles Garnier. Joseph Marie Chau Isaac Jogues . Andere Jesuiten. Noël Chabanal. monot. Visionen , Wunder. 124 Natur ihres Glaubens . Offenbarungsglaube. 10. Kapitel. Verfolgung. Ossossané. Die neue Kapelle. Ein Triumph des Glaubens. Zeichen eines Sturmes. Die höllischen Mächte. Verleum Wuth gegen die Jesuiten. Ihre Kühnheit und Aus dungen. Nächtliche Berathung. Bré dauer. Gefahr der Priester. Leiden und Trost. beuf's Brief. Knappes Entrinnen . 132 11. Kapitel. Priester und Heide. Du Peron's Reise. Tägliches Leben der Jesuiten. Ihre Bekehrte in Ossossané. Missionsreisen. Bekehrungsmittel. Bedingungen der Taufe . Rückfällige. Die Bekehrten und ihre . 144 Landsleute. Die Kannibalen in St. Joseph. Die Neutralen . 12. Kapitel. Die Tabak-Nation. Eine Veränderung des Planes. Sainte -Marie . Mission bei der Tabak -Nation . Winterreisen . Aufnahme der Missionäre. Mis Gefahr Garnier's und Jogues '. Abergläubische Schrecken. Huronische Intriguen. sion bei den Neutralen. Wunder. Rückkehr Dazwischenkunft St. Michael's. Wuth der Indianer. Ihre Ueber Unerschrockenheit der Priester. nach Sainte -Marie . 152 schwenglichkeit. 13. Kapitel. Quebec und seine Bewohner. Erbauliche Beispiele. Le Jeune's Der neue Gouverneur. Nonnen. Priesterliche Correspondenten. . Rang und Andacht. Autorität . Lage Quebec's. Die hundert Genossen. Kirchen Katechisirung. Prozessionen. Feuerwerke. Spiele. zucht. Schrecken. Die Gesellschaft Jesu . Die Bekehrten . Bilder. 160 Die Waldläufer.

Inhalts -Verzeichniss.

IX

Seite 14. Kapitel. Fromme und Nonnen . Madame de la Peltrie. Das huronische Seminar. Ihre Ihr Besuch bei den Ur Jhre Scheinheirath . frommen Pläne. Marie de St. Bernard . sulinerinnen von Tours . Marie de l'In Ihre Ihre heilige Verzückung. Ihre Schwärmerei. carnation Niedergeschlagenheit. Ihre geistigen Kämpte. Ihre Vision . Die Reise Das Hospital. Sie wird Oberin der Ursulinerinnen. Mühen und Leiden der Nonnen . Sillery. nach Canada. Charakter der Marie de l'Incarnation und Madame de la Peltrie. 15. Kapitel. Villemarie von Montreal. Dauversière und die Stimme vom Himmel. Abbé Olier. Bei der Pläne. Die Gesellschaft von Notre-Dame de Montreal. Mai Mademoiselle Mance. sonneuve. Fromme Damen. Marguerite Bourgeois. Die Montrealer in Quebec. Eifersucht. Streitig Romantik und Frömmigkeit . keiten , Einschiffung . Gründung Montreal's . 16. Kapitel. Isaac Jogues. Seine Seine Gefangennahme. Joguos . Der Irokesen-Krieg. Die Mohawk-Städte. Der Georg's-See. Reise zu den Mohawks . Die Marterung des Missionars. Goupil's Tod. Jogues' Elend. Jogues' Flucht. Fort Orange. Das « Babylon » der Mohawks. Manhattan . Die Reise nach Frankreich. Jogues unter sei nen Brüdern. Seine Rückkehr nach Canada. Bressani. De Noué. 17. Kapitel. Die Irokesen. Richelieu. Krieg. Noth und Schrecken. Schlacht. Iro Gegenseitige Vernichtung. Untergang indianischer Stämme. kesen und Algonquins. Exzesse. Erschreckende Lage der Fran Seine Be Seine Gefangennahme. zosen. Joseph Bressani. handlung. Seine nächtliche Seine Flucht. Anne de Noué. Reise. Sein Tod.

172

187

203

224

18. Kapitel. Villemarie. Maison Die Ueberschwemmung . Die Anfänge Montreal's . Pilgerfahrt. d'Ailleboust. neuve's Eid. Das Hospital. Propaganda. Frömmigkeit. Krieg. Huronen und Jrokesen, Hunde. Ausfall der Franzosen. Schlacht. Maison 239 neuve's Heldenthat. 19. Kapitel . Friede. Irokesische Gefangene. Piskaret. Seine Heldenthaten . Der Redner, Irokesische Gesandtschaft. Mehr Gefangeno. Musterung der Wilden. Reden Kiotsaton's, Der grosse Rath . 250 Bestätigung des Friedens. 20. Kapitel. Der Friedensbruch. Seine Ankunft bei den Jogues' Sendung. Ungewissheit. Mohawks. Seine Aufnahme. Seine Rückkehr. Seine zweite Sendung. Warnungen vor Gefahr. Wuth der Mohawks. 266 Jogues' Ermordung. 21. Kapitel . Ein zweiter Krieg . Einfälle der Mohawks. Die Menschen-Jäger. Die gefangenen Bekehrten . Die Flucht Maria's. Die Rache Ihre Geschichte.

X

Inhalts-Verzeichniss . Seite

der Algonquin-Gefangenen. Ihre Flucht. nisten. Unerschrockenheit der Jesuiten.

Entsetzen der Colo 273

22. Kapitel. Priester und Puritaner. Tadoussac. Miscou. Druilletes , De Quen's Reisen . Sein Winter unter den Montagnais. Einfluss der Missionen . Seine Gesandt Druilletes auf dem Kennebec . Die Abenaquis. schaft nach Boston , Gibbons. Eliot. Dudley. Bradford . Fehl Endicott. Französische und puritanische Colonisation. schlagen von Druilletes' Gesandtschaft. Neue Massregeln . Ein 282 Neujahrs- Tag in Quebec. 23. Kapitel. Ein dem Untergange geweihtes Volk. Huronische Irokese und Hurone. Indianische Verblendung. Triumphe. Seine Wildheit und Tapfer Der gefangene Irokese. keit. Thaten der Parteigänger. Die Andastes . Diplomatie . Der Neue Unterhandlungen . Die huronische Gesandtschaft. irokesische Gesandte. Sein Selbstmord. Irokesische Ehre. 24. Kapitel. Die huronische Kirche. Hoffnungen der Mission. Christen und Heiden. Körper und Seele . Lage der Proselyten. Des Huronenmädchen Besuch im Huronische Rechtspflege. Himmel. Mord und Eine Krisis. Wehrgeld . Hoffnungen und Befürchtungen . 25. Kapitel. Sainte Marie. Kloster. Der Mittelpunkt der Missionen . Fort. Hospital. Wirthshaus. Kirche. — Die Bewohner von Sainte Marie. Häusliche Oekonomie. Missionen. Eine Versammlung von Je suiten . Der todte Missionar. . 26. Kapitel. Anton Daniel . Huronische Händler. Schlacht bei Three Rivers. St. Joseph. Angriff der Irokesen. Daniel's Tod. Zerstörung der Stadt . 27. Kapitel. Untergang der Huronen. St. Louis in Brand. Einfall. Eroberung von St. Ignaz . Brébeuf und Lalemant . Schlacht bei St. Louis. Bedrohung von Erneuter Kampf. Verzweifelter Znsammenstoss. Sainte Marie. Eine Nacht der Ungewissheit. Schrecken unter den Siegern. Verbrennung von St. Ignaz. Rückzug der Irokesen . 28. Kapitel. Die Märtyrer. Die Ruinen von St. Ignaz . Auffindung der Ueberbleibsel. Brébeuf am Marterpfahl. Seine unbezwingbare Standhaftigkeit. Irokesische Ungeheuerlich Lalemant. Abtrünnige Huronen. Lalemant's Tod . Sein Charakter. keiten. Brébeuf's Tod. 29. Kapitel. Das Heiligthum . Zertreuung der Huronen . Aufgebung von Sainte Marie. Das neue Fort. Insel St. Joseph. Entfernung der Mission . Beschäftigun Epidemie. Hungersnoth. Elend der Huronen. gen der Jesuiten . 30. Kapitel. Garnier. Chabanel . Tod Garnier's. Angriff auf St. Jean. Die Tabaks -Missionen . Chabanel's Reise. Sein Tod. Garreau und Grelon.

296

306

315

323

327

334

338

344

Inhalts -Verzeichniss.

XI Seite

31. Kapitel. Die Huronen-Mission wird aufgegeben. Ein neuer Zufluchtsort. Hungersnoth und der Tomahawk. Reise der Flüchtlinge nach Quebec. Begegnung mit Bressani. Einfälle und Schlachten. Verzweifelter Muth der Irokesen. Buteux's Tod. 32. Kapitel. Die letzten Huronen. Schicksal der Besiegten . Die Flüchtlinge von St. Jean Baptiste Die Tabak-Nation und ihre Wanderungen . und St. Michael. Der Beisser gebissen. Die heutigen Wyandots . Die Huronen in Notre Dame de Lorette . Quebec.

33. Kapitel. Die Zerstörer. Seine Opfer. Irokesischer Ehrgeiz . Das Schicksal der Neutralen . Das Schicksal der Eries . Der Krieg mit den An dastes . Uebergewicht der Irokesen. . 34. Kapitel. Das Ende . Was ihr Erfolg nach sich gezogen Misserfolg der Jesuiten . hätte . Zukunft der Mission. Anmerkungen .

350

359

367

375 380

Einleitung

Die eingeborenen Stämme. Ihre Häuser. Die Huronen . Die Algonquins. Eintheilung Befestigungen. Sitten . Künste. Frauen . - Handel . Festlichkeiten . Die Tabak-Nation . Arzneikunst. Die Neu Ge Die Irokesen . tralen . Die Eries . – Die Andastes. sellschaftliche und politische Organisation . Einrichtungen , Ge bräuche und Charakter der Irokesen . - Religion und Aberglauben Ihre Geistesbeschaffenheit. der Indianer.

Als Amerika den Europäern zuerst bekannt wurde, war es schon seit langer Zeit der Schauplatz einer weit ver breiteten Umwälzung. In Nord und Süd wich ein Stamm dem andern , eine Sprache der andern , denn der in in dividueller und socialer Entwicklung hoffnungslos unver änderliche Indianer zeigte sich in den Beziehungen der Stämme zu einander und in seinem Aufenthalt verän derlich wie der Wind . In Canada und im nördlichen Theil der Vereinigten Staaten waren die Elemente des Wechsels äusserst thätig . Die indianische Bevölkerung, welche CARTIER im Jahre 1535 bei Montreal und Quebec vorfand, war mit Beginn des nächsten Jahrhunderts ver schwunden und hatte einem andern Stamme Platz gemacht, welcher sich wesentlich durch seine Sprache und Ge bräuche von ihm unterschied ; während sich in der den heutigen Staat New-York bildenden Landschaft ein Volk in so wilder Lebenskraft entwickelte , dass es ohne die Einmischung von Europäern wahrscheinlich jede andre 1 PARKMAN , Die Jesuiten in Nord -Amerika .

2 indianische

Einleitung Gemeinschaft

östlich

vom

Mississippi

und

nördlich vom Ohio unterworfen , in sich aufgesogen oder vernichtet haben würde . Die ungeheure Wildniss vom Mississippi bis zum at lantischen Ocean , und von den Carolinas bis zu der Hud son's-Bay theilten zwei grosse Stamm-Familien , welche sich in ihrer Sprache wesentlich unterschieden . Ein Theil Virginiens und Pennsylvaniens , Neu-Jersey , das südöst liche New- York , Neu -England , Neu - Braunschweig , Neu Schottland und das untere Canada waren bewohnt, wenn man dies überhaupt bewohnt sein nennen kann, von Stäm men , welche verschiedenerlei Algonquin - Sprachen und Dialekte redeten . Sie erstreckten sich überdies an den Ufern der Oberen Seen entlang und darüber hinaus bis in die trübseligen nördlichen Einöden . Sie hielten Wis consin , Michigan, Illinois und Indiana besetzt , und ein zelne Banden durchstreiften sogar die einsamen Jagd gründe Kentucky's ! Wie eine grosse Insel inmitten der Algonquins lag das Land der die Stammsprache der Irokesen sprechen Die eigentlichen Irokesen oder « fünf Na den Völker. tionen » erstreckten sich durch das mittlere New - York vom Hudson bis zum Genesee . Südlich davon am und in der Nähe des Susquehanna lagerten die Andastes ; westlich die Eries , dem südlichen Ufer des Erie-See's entlang, und die Neutrale Nation längs seines nördlichen Ufers vom Niagara nach Detroit zu ; während die Städte der Huronen in der Nähe des See's lagen, welcher nach ihnen genannt wird ?. Von den Algonquin - Distrikten war der von Neu England , obgleich jüngst eine Epidemie Tausende hin weggerafft hatte , der bevölkertste . Hier waren die Mo hikaner , Pequots , Narragansetts , Wampanoags, Massachu setts , Penacooks den Puritanern ein Pfahl im Fleisch . Im Ganzen waren diese Wilden die besseren Vertreter des Stammes der Algonquins , da sie zu dem Theile desselben gehörten , welcher Ackerbau trieb und auf diese Weise die äusserste Noth und das grösste Elend von sich fern hielt , welchen die umherstreifenden Jägerstämme so oft ausgesetzt waren . Auch die Nähe des Meeres und seine, Schätze waren für sie in vielen Beziehungen von grossem Werthe, und es zog sie daher nach der Küste hin , welche

Einleitung

3

CHAMPLAIN und SMITH vor der Epidemie an vielen Punk ten mit Wigwams übersät und mit wogenden Maisfeldern bedeckt erblickt hatten . Auch die Furcht vor den Iro . kesen , welche von Alters her in bitterster Feindschaft mit ihnen lebten und sie hartnäckig verfolgten, trieb sie ost wärts . Einige leisteten ihren Tyrannen jährlichen Tribut, Andere waren fortwährend ihren Angriffen ausgesetzt,

und entflohen beim Ertönen des Kriegsrufes der Mo Nach Westen hin nahm die Be hawks voll Schrecken . Norden zu verschwand sie so nach ; ab bald völkerung Das nördliche New-Hampshire , ganz Vermont gleich . und das westliche Massachusetts hatten keinen andern menschlichen Bewohner als den umherstreifenden Jäger oder den auf Raub ausgehenden Krieger. Wir sagten vorher, dass diese Gruppe von Stämmen verhältnissmässig sehr volkreich war ; doch ist es äusserst zweifelhaft, ob alle vereinigt , wenn überhaupt eine Ver einigung möglich gewesen wäre , achttausend kampffähige Männer in's Feld hätten stellen können . Es ist unnöthig , weiter über sie zu sprechen , da sie ausser dem Bereiche der Thätigkeit der Jesuiten lagen . Die allerschlimmste Ketzerei war unter ihnen verbreitet ; und dem Apostel Eliot, nicht den Jesuiten , war es bestimmt, ihre Bekehrung zu versuchen 3. Der Wanderer , welcher in Boston , das noch vor drei Jahren eine Einöde war, gelandet ist und nach Norden vordringt, den Fluss Piscataqua und die Penacooks hinter sich lässt und dann auch den Fluss Saco überschreitet, findet einen Wechsel im Dialekt , welcher andeutet , dass er zu einem neuen Stamm oder einer neuen Gruppe von Stämmen gelangt ist. Dies waren die Abenaquis , welche hauptsächlich am Kennebec und an anderen Flüssen ent lang sich fanden , an deren Ufern sie ihre kümmerlichen Felder bestellten , und auf denen sie hinauffuhren , um das Elennthier und den Bären in der Waldesöde des nördlichen Maine's zu jagen , oder hinabfuhren , um in der benachbarten See zu fischen 4 . Die Bevölkerung jenseits des Penobscot stand wieder auf einer ersichtlich niedrigern Kulturstufe. Das östliche Maine und ganz Neu - Braunschweig war von einem Stamme, genannt die Etchemins, bewohnt, welchen der Ackerbau

4

Einleitung .

unbekannt war. Gleichwohl war ihre Lage keine traurige, weil sie in der See mit ihrem Ueberfluss von Fischen , Die Hummern und Seehunden ihre Nahrung fanden . Souriquois oder Micmacs in Neu-Schottland glichen ihnen sehr in ihren Sitten und in ihrer Lebensweise . Von Neu Schottland bis zum St. Lorenz gab es so gut wie gar keine Bevölkerung. Vom Golf von St. Lorenz bis zum Ontario -See hatte das südliche Ufer des grossen Stromes keine anderen Anwohner als Jäger. Nördlich davon, zwi schen dem St. Lorenz und der Hudsons-Bay , strichen die vereinzelnten Horden der Papinachois , Bersiamites und andrer Stämme umher , welche von den Franzosen unter dem gemeinsamen Namen Montagnais zusammen gefasst wurden . Wenn im Frühling die französischen Handelsschiffe ankamen und in dem Hafen von Tadoussac ankerten , versammelten sie sich von Nah und Fern , leg ten den mühevollen Weg durch die Einöde zurück, zähl ten an dem Handelsort zu Hunderten und schlugen ihre Wigwams von Baumrinde am Strande jener wilden Bucht auf. Sie gehörten zu den rohesten Theilen des Al gonquin - Stammes . Ihren gewöhnlichen Unterhalt er langten sie durch die Jagd ; zeitweise fristeten sie , von tödtlichem Hunger gepeinigt , mit Wurzeln , der Rinde und jungen Schösslingen von Bäumen, oder mit dem schlech testen Abfall ihr Leben ; in der äussersten Noth kam selbst der Kannibalismus nicht selten unter ihnen vor. Fuhr man den St. Lorenz hinauf, so brachte nur selten der Anblick eines menschlichen Wesens Abwechs lung in die Einöde , bis in Quebec das Donnern von CHAMPLAIN's Kanone vom Rande der Klippe her andeu tete , dass das wilde Vorspiel des Drama's Amerika sei nem Schlusse zueilte , und dass die Civilisation Europa's Fuhr man im Begriff stand , auf die Bühne zu treten .

noch weiter , so war alles eine Einöde, mit Ausnahme von Three Rivers , einem bekannten Handelsplatz , wo man vielleicht ein paar Algonquins vom Stamme der Atticama gues sah . Ueberall herrschte Furcht vor den Irokesen ; und wenn der Wanderer an irgend einer bewaldeten Landspitze , oder an einer mit Gestrüpp bedeckten Insel vorbeikam , verkündete vielleicht das Sausen eines Pfeiles mit steinerner Spitze die Gegenwart dieser gefährlichen

Einleitung.

5

Landstreicher. In Montreal fand sich mit Ausnahme einer kurzen Zeit im Frühsommer kein menschliches Wesen . Alsdann schwärmten am Ufer die Wilden umher , welche aus den grossen Gemeinden des Innern zum jährlichen Heute wurde getanzt, Handel herabgekommen waren . gesungen und geschmaust ; morgen war Alles wieder eine Einöde , und der Ottawa war von den Canots heim kehrender Krieger bedeckt. An diesem Strom entlang, einer Haupthandelsstrasse, wurde die Stille der Wildniss nur durch das Plätschern des vorübereilenden Ruders unterbrochen. Nördlich vom Flusse befanden sich allerdings eine kleine Algonquinbande , genannt « die kleine Nation » und eine oder zwei andere schwache Gemeinden ; aber aus Furcht vor den allge genwärtigen Irokesen wohnten sie weit von den Ufern . Erst nach einer Wanderung von nahezu dreihundert Mei len , wenn man den Windungen des Stromes folgte, er reichte man dann den Algonquin-Stamm, « La Nation de l'Isle , » welcher die grosse Insel Allumettes inne hatte . Nach manchem Tage einsamen Reisens fand der Wan derer hierauf ein wildes Willkommen unter den Nipissings, an dem nach ihnen benannten See, und nachdem er wie derum westlich und südlich in einem Bogen von hundert und fünfzig Meilen die Wildniss durchstreift hatte , er reichte er zum ersten Mal ein Volk , welches einen Dia lekt der irokesischen Sprache redete . Hier änderte sich Alles . Bevölkerte Städte , rohe Befestigungswerke und ein ausgedehnter , wenn auch barbarischer Ackerbau ge ben Zeugniss von einem Volke , welches den hungernden Wanderern des Saguenay , oder ihren weniger herunter gekommenen Verwandten Neu-Englands weit voraus war. Dies waren die Huronen, von denen die heutigen Wyan dots ein Ueberbleibsel sind. Sowohl ihrer selbst wegen , als auch als die Vertreter einer grössern Klasse der Indianerstämme, verdienen sie mehr als eine blosse Aüch tige Erwähnung 5.

6

Einleitung

Die Huronen . Mehr als zwei Jahrhunderte sind verflossen , seitdem die Huronen aus ihren uralten Sitzen wichen , und die Ansiedler dieser rauhen Einöde stehen erstaunt und ver wundert vor den Ueberbleibseln eines untergegangenen Volkes . In dem feuchten Schatten eines scheinbar jung fräulichen Waldes bringen Axt und Pflug seltsame Geheim nisse ans Tageslicht : ungeheure Gruben , welche voll von Gerippen und losen Knochen sind, vermischt mit Waffen , Kupferkesseln , Perlen und Schmucksachen . Selbst die umherstreichenden Algonquins, welche auf dem Schauplatze weilen , wo einst die Huronen lebten und gediehen, kön nen über ihren Ursprung keine Auskunft geben . Doch in alten, von Würmern zerfressenen Büchern , zwischen den Deckeln von verstaubten Pergamenten , werden das täg liche Leben dieser untergegangenen Gemeinde, ihre Feuer stätten , ihre Festlichkeiten , ihre Begräbnissfeierlichkeiten mit genauer und lebendiger Treue geschildert . Das alte Land der Huronen ist der nördliche und östliche Theil der heutigen Grafschaft Simcoe in West Canada , und umfasst die Halbinsel , welche durch die Nottawassaga- und Madchedash -Bays des Huronen -See's , den Fluss Severn und den Simcoe- See gebildet wird . Sein Flächeninhalt war klein , - seine Bevölkerung verhältniss mässig gross. Im Jahre 1659 veranstalteten die Jesuiten eine Zählung von allen seinen Dörfern, Häusern und Fa milien . Dieselbe ergab zweiunddreissig Dörfer und Wei ler , mit siebenhundert Häusern , ungefähr viertausend Familien, und zwölftausend erwachsenen Personen , oder eine Gesammtbevölkerung von wenigstens zwanzigtau send In der Gegend, deren Grenzen wir angegeben haben , wechselten Wiesen mit tiefen Forsten , welche durch zahl · reiche , von Stadt zu Stadt führende Fusswege durch schnitten waren . Von diesen Städtchen waren einige be festigt, aber die meisten offen und vertheidigungslos. Sie waren in der , allen Irokesen-Stämmen gemeinsamen und eigenthümlichen Bauart errichtet . Heutzutage gibt es nichts ihnen Aehnliches 7. Sie bedeckten einen Raum

Einleitung.

7

von einem bis zu zehn Ackern , indem die Häuser in einem Haufen zusammenlagen und keinen oder doch nur ge ringen Anspruch auf Ordnung machten . Gewöhnlich wa ren diese seltsamen Gebäude ungefähr dreissig oder fünf unddreissig Fuss lang, breit und hoch ; aber viele waren bedeutend grösser, und ein paar von ungeheurer Länge . In einigen Dörfern gab es zweihundert und vierzig Fuss lange Häuser, deren Breite und Höhe kaum die der an deren übertrafen 8. In ihrer Form glichen sie stark einem Bogengang , der einen Gartenweg überdeckt. Ihr Fach werk bestand aus hohen und starken jungen Bäumen, welche , um die beiden Seiten des Hauses zu bilden, in doppelter Reihe eingepflanzt und oben , wo sie sich kreuz ten , gebogen und zusammengebunden waren . An diese Bäume waren der Länge nach andere Stangen befestigt; das Ganze aber war mit grossen Rindenstücken von Eichen , Rüstern , Sprossenfichten oder weissen Cedern bedeckt, welche wie Dachschindeln überhingen , und auf denen zur grösseren Sicherheit gespaltene Stangen mit Stricken aus Lindenbast angebracht waren . An der Spitze des Bogen ganges war durch die ganze Länge des Hauses eine fuss weite Oeffnung zum Zutritt von Licht und Abzug von Rauch gelassen . An jedem Ende befand sich eine enge Pforte von ähnlicher Beschaffenheit, und hier waren Kasten aus Rinde aufgestaut, voll von geräucherten Fischen, von Mais und anderen Vorräthen , welche nicht vom Froste litten . Innen befanden sich an beiden Seiten breite Ge rüste, vier Fuss vom Boden, welche sich durch die ganze Länge des Hauses, wie die Sitze eines gewaltigen Omni bus erstreckten 9. Diese wurden aus dicken Rindenstücken gebildet , durch Pfosten und Kreuzstangen gestützt und mit Matten und Häuten bedeckt . Hier befanden sich im Sommer die Schlafstellen der Einwohner, und der darun ter befindliche Raum diente zur Aufbewahrung ihres Brenn holzes . Die Feuerstellen waren auf dem Boden in einer und derselben mitten durch das Haus laufenden Linie. Jedes reichte für zwei Familien aus , welche im Winter dicht um sie gelagert schliefen . Oben , gerade unter dem gewölbten Dache, befand sich eine Menge von Stangen , wie die Sprossen in einem Hühnerstalle . Hier wurden Waffen , Kleider, Häute und Schmucksachen aufgehängt.

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Einleitung

Hierhin hingen auch die Squaws zur Erntezeit Aehren ungedroschenen Kornes, bis der ungefüge Bau seine ganze Länge hindurch wie mit einer goldenen Tapete bedeckt zu sein schien . Gewöhnlich jedoch bildete eine dicke Schicht von Russ seine einzige Bekleidung, da der Rauch weder durch einen Kamin noch durch ein Fenster entweichen konnte . Der Rauch war so beissend , dass er Augenentzündungen erzeugte, welche im hohen Alter häufig Blindheit zur Folge hatten . Eine zweite Unannehmlichkeit bildeten die Flöhe ; und eine dritte die zügellosen und unbändigen Kinder. Heimlichkeit gab es nirgend, denn das Haus war ein ein ziges Zimmer und beherbergte öfters mehr als zwanzig Familien 0 . Dem , welcher in einer Winternacht eintrat, bot sich ein seltsames Schauspiel dar : die Reihe von Feuern, welche die rauchige Höhle erleuchteten ; die dunkelen Gruppen , welche kochend , essend, spielend oder sich mit dummen Spässen belustigend, die Feuer umgaben ; zusam mengeschrumpfte Squaws, doppelt abschreckend durch sechzigjährige und längere Mühen ; alte ergraute Krieger, mit ihren aus den Irokesen- Kriegen heimgebrachten Nar ben ; junge Streber, welche erst Ruhm und Ehre gewinnen wollten ; junge mit Farben und Perlen geschmückte Mäd chen ; unbändige Kinder, welche mit ebenso unbändigen Hunden umhertollten . Hier warf der Schein einer auf. flackernden Flamme sein helles Licht auf jedes wilde Ge sicht ; dort sank das züngelnde Feuer zurück , und die Gruppe verschwand in der Dunkelheit, wie ihr Volk aus der Geschichte verschwunden ist. Die befestigten Städte der Huronen lagen alle auf der Seite , welche irokesischen Einfällen ausgesetzt war. Die Befestigungen dieser ganzen Stammesgenossenschaft waren wie ihre Häuser in den wesentlichen Punkten die selben . Eine für die Vertheidigung günstige Lage wurde ausgesucht , das Ufer eines Sees , der Gipfel eines schwer zu ersteigenden Hügels , oder ein hochgelegener Punkt auf der Landspitze zweier ineinander fliessender Ströme . Ein mehrere Fuss tiefer Graben wurde um das Dorf geführt und die Erde innen zu einem Wall aufge worfen . Alsdann fällte man Bäume, indem man sie an brennen liess und die angehrannten Stellen mit Steinäxten

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durchhackte. Auf ähnliche Weise wurden dieselben der Länge nach zu Palissaden bearbeitet. Diese waren in ein , zwei , drei oder vier concentrischen Reihen in den Wall eingerahmt . Die Pfähle einer jeden Reihe standen aber so , dass sie sich kreuzen mussten . Das Ganze war innen bis zu Manneshöhe mit schweren Rindenstücken bekleidet ; und oben , wo sich die Palissaden schnitten, befand sich eine hölzerne Gallerie für die Vertheidiger, sowie eben solche Rinnen , durch welche auf die von den Feinden angesteckten Feuer Wasser gegossen werden konnte . Steinniederlagen und ungefüge Leitern zur Er steigung des Walles vollendeten die Vertheidigungsmass regeln . Die irokesischen Forts waren stärker und besser gearbeitet , als die der Huronen . Bis auf den heutigen Tag finden sich in grossen Landstrichen New- Yorks zahl reiche Ueberbleibsel ihrer Gräben und Wälle ' . Unter diesen Stämmen gab es kein persönliches Grund eigenthum, sondern jede Familie hatte eine Zeitlang aus schliessliches Recht auf so viel Land , als sie zu bebauen für gut hielt. Das sehr schwierige Abholzungsverfahren bestand darin , dass man die Zweige abhieb, sie mit Reisig um die Stämme der Bäume zusammenlegte und das Ganze ansteckte . Die Squaws bearbeiteten mit ihren Holz- und Knochenhacken den Boden zwischen den abgebrannten Stümpfen und säeten Korn , Bohnen , Kürbisse , Tabak , Sonnenblumen und Huronen-Hanf . Dünger wurde nicht gebraucht ; aber in Zwischenräumen von zehn bis zu dreissig Jahren , wenn der Boden erschöpft und Brenn holz aus zu weiter Ferne geholt werden musste , verliess man das Dorf und baute ein neues . Es gab wenig Wild im Lande der Huronen ; und hier wie unter den Irokesen bestand der Hauptnahrungsartikel in Mais, welcher ohne Salz in den verschiedensten Arten gekocht wurde , von denen immer eine ekelhafter als die andre war. Wildpret war ein Leckerbissen , den man nur bei Schmausereien fand ; Hundefleisch wurde sehr ge schätzt; und in einigen Städtchen mästete man gefangene Bären für festliche Gelegenheiten . Diese Stämme waren bei weitem mehr auf die Zukunft bedacht, als die umher streifenden Algonquins , und Vorräthe von Lebensmitteln wurden für eine Zeit der Noth aufgespeichert. Ihr Haupt

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vorrath von Mais war in tiefen Löchern innerhalb oder ausserhalb der Häuser vergraben . In Kunst und Handwerk waren alle diese ansässigen Stämme den umherwandernden Horden des Nordens voraus . Die Weiber verfertigten eine Art irdener Koch töpfe , welche später durch die Kupferkessel der franzö sischen Händler verdrängt wurden . Sie woben ziemlich geschickt Binsenmatten , Bindfaden aus Hanf , indem sie diesen in höchst ursprünglicher Weise um ihre Schenkel wickelten, und machten aus diesem Bindfaden Netze . Sie gewannen Oel aus Fischen und dem Samen von Sonnen blumen , letzteres augenscheinlich nur zu Toiletten zwecken. Sie stampften ihren Mais in gewaltigen Mörsern aus Holz, welches theils durch Feuer, theils durch Kratzen ausgehölt war. Ihre steinernen Aexte, Speer- und Pfeil spitzen und knöchernen Angeln wurden schnell von den eisernen der Franzosen verdrängt ; aber ihre Schilde aus ungegerbter Bisonhaut oder aus einem , mit geflochtenen oder gewundenen Riemen bedeckten Holzstück behielten sie bei , wie auch ihre primitiven Brustpanzer und Bein schienen , welche aus einem Flechtwerk von Schnur und Gerten bestanden. Das Meisterstück huronischer Hand arbeit jedoch war das birkene Canot, in dessen Bau die Algonquins nicht minder geschickt waren. Die Irokesen waren aus Mangel an Birkenrinde gezwungen, Ulmenrinde zu verwenden , welche sowohl an Leichtigkeit als auch an Haltbarkeit jener nachsteht. Pfeifen , einen in ihren Augen unentbehrlichen Artikel , hatten die Huronen in grosser Mannigfaltigkeit, einige aus gebranntem Thon , andere aus verschiedenen Arten von Steinen , welche von den Män nern während der langen Zeit eintöniger Musse häufig mit grosser Geschicklichkeit und Gewandtheit geschnitzt wurden. Aber ihr geheimnissvollstes Fabrikat war das Wampum , welches zur selben Zeit ihr Geld , ihren Schmuck, ihre Feder, Dinte und ihr Pergament vorstellte. Sein Gebrauch beschränkte sich übrigens nicht allein auf Stämme der irokesischen Gruppe . Es bestand aus läng lichen , weissen und purpurnen Perlen , welche aus dem inneren Theile gewisser Muscheln verfertigt wurden . Es ist kaum zu begreifen , wie die Indianer mit ihren rohen Werkzeugen im Stande gewesen sind , dieses schwer zu

Einleitung bearbeitende Material zu formen

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Die Kunst wurde jedoch bald nicht mehr geübt ; denn besseres Wampum als ihr eigenes wurde ihnen ausser zahlreichen Nachahmungen in Glas und Porzellan von den Händlern gebracht. Als Halsband aufgeschnürt, oder auf Kragen , Gürtel und Armbänder gestickt , bildete es den Lieblingsschmuck der indianischen Mädchen bei Fest lichkeiten und Tänzen . Es diente aber auch zu einem ernstern Zwecke. Kein Vertrag , keine Rede , oder kein Theil einer Rede hatte bei dem Vertreter einer andern Nation irgend welche bindende Kraft, wenn sie nicht durch die Ueberreichung einer Schnur oder eines Gürtels (Wampum) bestätigt wurden 13. Auf diese Gürtel wurden bei wichtigen Anlässen bedeutsame Zeichen gestickt, welche sich auf den Gegenstand des Vertrages oder der Rede bezogen und zur Unterstützung des Gedächtnisses bestimmt waren. Einem oder mehreren alten Männern der Nation war das ehrenvolle, aber sehr lästige Amt an vertraut, das Wampum oder mit anderen Worten, die Ur kunden des Volkes zu verwahren ; während sie zugleich den Sinn der Gürtel im Gedächtniss haben und verdol metschen mussten. Die Figuren auf den Wampum -Gür teln , sowie die in hölzernen Tafeln geschnittenen oder auf Rinde und Häute gemalten Figuren waren hauptsäch lich dazu bestimmt , die Kriegs- , Jagd- , oder Zauberge sänge im Gedächtniss zu behalten 14 . Die Huronen be sassen jedoch gemeinschaftlich mit anderen Stämmen ein System von rohen Bildern und willkürlichen Zeichen , ver mittelst derer sie mit ziemlicher Genauigkeit einander mitzutheilen vermochten , was die gewöhnlichen Gegen stände indianischen Interesse's berührte. Ihre Kleidung bestand hauptsächlich aus Häuten, welche mit Rauch auf die bekannte indianische Weise gegerbt waren . Die der Frauen war nach dem Aus spruche der Jesuiten bescheidener als die « der frommsten französischen Damen . » Die jungen Mädchen müssen bei Festlichkeiten von diesem Lob ausgenommen werden , da sie ausser dem Wampumschmuck an der Brust und den Armen nur ein von der Hüfte bis zum Kniee reichendes Röckchen anhatten. Ihr langes schwarzes Haar, welches hinten im Nacken zusammengebunden war , schmückten

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sie mit Scheiben einheimischen Kupfers, oder mit bunten , in Frankreich verfertigten Ohrgehängen , die jetzt häufig in grosser Zahl in ihren Gräbern aufgefunden werden. Die Männer waren im Sommer fast nackt, ja bei einem verwandten Stamme trugen sie nichts als ihre Moccasins . Im Winter waren sie mit Tuniken und ledernen Kama schen bekleidet und zu allen Jahreszeiten hüllten sie sich bei feierlichen Gelegenheiten von Kopf bis zum Fuss in Kleider von oft sehr werthwollen Biber- oder Otterfellen . Innen waren diese Kleider mit gemalten Figuren und Zei chen geschmückt oder an den Rändern mit den farbigen Stacheln des canadischen Igels gestickt. In dieser Stickkunst jedoch wurden die Huronen von einigen algonquin'schen Stämmen erreicht oder übertroffen . Ihr Haar trugen sie in verschiedenen grotesken und erschreckenden Trach ten. Bei einigen war es auf der einen Seite lose herab hängend , auf der andern fest geflochten ; bei anderen ganz kurz abgeschnitten , wobei sie nur eine oder meh rere lange und geschätzte Stränge übrig liessen ; während es wieder bei anderen wie ein Kamm quer über den Scheitel, wie der Rücken einer Hyäne emporstarrte 15. Wenn sie sich in vollem Festanzug befanden , waren sie mit Oker , weissem Thon , Russ und dem Safte gewisser Beeren bemalt. Sie tättowirten sich und bedeckten oft ihren ganzen Körper mit unauslöschbaren Zeichen 16. Wenn es in diesem Umfang geschah, war das Verfahren sehr schmerzhaft. Obgleich kein Seufzer dem Leidenden entfuhr, starb er zuweilen an den Folgen. Das Leben der Frauen unter den Huronen hatte keine Lichtseite. Es bestand in einer Jugend voller Aus schweifungen und in einem Alter voller Mühe. Trotz eines Organismus, welcher sie vielleicht gegen den Schmerz gleichgültiger und darum sicherlich weniger für die Lei denschaft empfänglich machte, als die höheren Menschen racen , waren die Huronen durch ihre Ausschweifungen bekannt und übertrafen in dieser Hinsicht die umherwan dernden und hungernden Algonquins 17 Die Grundlage für den Verkehr der Geschlechter bildete die Ehe , und Vielweiberei kam nur ausnahmsweise vor ; aber Scheidung erfolgte je nach dem Willen oder der Laune eines der beiden Theile . Auch gab es eine zeitweise oder ver

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suchsweise Ehe , welche einen Tag , eine Woche oder länger dauerte . Die Besiegelung des Vertrages bestand blos in der Annahme eines Geschenkes von Wampum, welches der Freier dem Gegenstande seines Verlangens oder seiner Laune machte . Diese Geschenke wurden nie bei Auflösung der Verbindung zurückerstattet. Da eine anziehende und unternehmende junge Dame vor ihrer endgültigen Verheirathung zwanzig derartiger Ehen ein gehen konnte und häufig einging, sammelte sie auf diese Weise einen Wampumschmuck , um sich mit demselben für die Dorftänze zu schmücken 18. Diese provisorische Ehe bildete keine Schranken für grenzenlose und augen scheinlich allgemeine Ausschweifungen , welche für keinen von den Betheiligten einen Verlust ihres Rufes zur Folge hatte . Jede Faser angeborenen Zartgefühles erstarb schnell unter dem Einfluss des huronischen Familien lebens ; acht oder zehn Familien und oft mehr waren in ein einziges ungetheiltes Haus zusammengedrängt, in wel chem eine Absonderung unmöglich war, und zu welchem Fremde zu allen Stunden des Tages und der Nacht freien Zutritt hatten . Wenn die Huronenfrau erst Mutter geworden war und sich auf verhältnissmässige Dauer verheirathet hatte , wurde aus der Buhlerin eine Arbeitssklavin . Im März

und April sammelte sie den Jahresvorrath von Brennholz. Dann musste sie säen , pflügen , ernten , Fische räuchern , Häute bearbeiten , Stricke und Kleidungsstücke machen , und Nahrungsmittel zubereiten . Auf Märschen musste sie das Gepäck tragen ; denn , um mit CHAMPLAIN, zu reden , « ihre Frauen waren ihre Packesel . » Die natür lichen Folgen liessen nicht auf sich warten . In jeder Huronenstadt gab es runzelige , hässliche und verachtete alte Weiber , welche die Männer an Rachsucht , Wildheit und Grausamkeit bei weitem übertrafen . Den Männern fiel die Aufgabe zu , Häuser zu bauen , Waffen , Pfeifen und Canots zu verfertigen . Im Uebrigen war ihr häussliches Leben voller Musse und Vergnügun Der Sommer und Herbst waren für sie die Zeit gen . ernster Beschäftigung mit Krieg , Jagd , Fischfang und Handel. Es bestand zwischen den Huronen und den Algonquins des Ottawa und des Nipissing-See's ein geord

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netes Handelssystem : Die Huronen tauschten Wampum , Fischnetze und Korn gegen Fische und Pelze ein 19. Aus verschiedenen , in ihren Gräbern gefundenen Ueber bleibseln darf man schliessen , dass sie ebensowohl mit Stämmen der oberen Seen , als auch mit den weiter nach Süden gegen den Golf von Mexico hin wohnenden Han del getrieben haben . Jeder Handelszweig war das Mo nopol der Familie oder des Clan's , welcher ihn eröffnet hatte . Sie durften, wenn sie konnten , Unberechtigte da durch bestrafen , dass sie ihnen ihr ganzes Besitzthum ab nahmen , wenn es diesen nicht gelungen war , mit den Erträgen ihres Handels die Heimat zu erreichen . In die sem Falle hatten die beeinträchtigten Monopolisten keinen weitern Anspruch auf Entschädigung und durften diese nicht zu erlangen suchen , ohne den öffentlichen Frieden zu brechen und sich der berechtigten Rache der Gegner auszusetzen 20. Auch ihre Fischereien waren durch Ge bräuche geregelt, welche Gesetzeskraft hatten . Diese Be schäftigungen , verbunden mit der Jagd , -- bei der sie durch eine wolfsartige Race von Hunden unterstützt wur den , welche nicht bellen konnten , füllten den Herbst und Frühwinter aus ; aber vor Neujahr war der grössere "Theil der Männer in ihren Dörfern versammelt. Jetzt folgte ihre Festzeit ; denn es war für die Män ner eine Zeit der Trägheit, und für die Frauen eine der Ruhe. Schmausereien, Spiel , Rauchen und Tanz füllten die Mussestunden aus . Wie die übrigen Indianer waren auch die Huronen verzweifelte Spieler , welche Alles auf eine Karte setzten , Schmuck, Kleidungsstücke, Canots, Pfeifen , Waffen und Frauen . Eins ihrer Hauptspiele wurde mit flachen Steinen oder hölzernen Scheiben ge spielt, welche auf der einen Seite schwarz, auf der andern weiss waren . Diese wurden in einer hölzernen Schale in die Höhe geworfen , indem man dieselbe stark auf den Boden schlug, während die Spieler auf schwarz oder weiss wetteten . Oft auch forderte ein Dorf das benachbarte heraus . Gespielt wurde in einem der Häuser. Starke Pfähle wurden von Wand zu Wand gelegt, und auf diesen sass oder hockte die Gesellschaft, eine Partei der andern gegenüber, während zwei Spieler die Schale auf den da zwischenliegenden Boden stiessen . Gewettet wurde stark .

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BRÉBEUF erzählt , dass einst mitten im Winter , als der Schnee fast drei Fuss hoch lag, die Männer seines Dor fes von einem Spielbesuch ohne Kamaschen und barfuss, jedoch in ausgezeichneter Laune zurückgekehrt seien ? !, Lächerlich , wie es lauten mag, wurden diese Spiele häufig als ärztliche Recepte verordnet und als Heilmittel für Kranke . bestimmt. Ihre Schmausereien und Tänze waren verschieden artig und zwar gesellschaftlich, medicinisch und mystisch oder religiös . Einige ihrer Schmausereien wurden in ver schwenderischer Fülle begangen. Ein eitler oder ehr geiziger Wirth wandte sein ganzes Vermögen auf ein Essen , indem er das ganze Dorf und vielleicht mehrere benach barte Dörfer einlud . Im Winter 1635 fand im Dorfe Contarrea ein Fest statt , bei welchem dreissig Kessel über dem Feuer hingen und zwanzig Rehe und vier Bä ren servirt wurden ??. Die Einladung war einfach . Der Bote redete denjenigen , welchen er einlud , mit der bün digen Aufforderung «komm' und iss » an . Eine abschlä gige Antwort aber galt als eine grosse Beleidigung. Er . nahm seine Schüssel und seinen Löffel und machte sich nach dem Schauplatz der Festlichkeit auf den Weg. Jeder begrüsste bei seinem Eintritt seinen Wirth mit dem tiefen Kehllaut Ho ! und gesellte sich den Uebrigen zu , welche auf der Erde oder auf den Bänken längs den Wänden des Hauses hockten. Die Kessel schwebten in der Mitte über den Feuern . Erst fand ein langes Vorspiel kläg licher Gesänge statt. Dann verkündigte der Wirth , welcher am Mahle keinen Antheil nahm , mit lauter Stimme der Reihe nach den Inhalt eines jeden Kessels, und bei jedem Ausruf antwortete die Gesellschaft einstimmig Ho ! Die aufwartenden Squaws füllten mit ihren grossen Löffeln die Schüsseln aller Gäste . Es wurde gesprochen , gelacht , gescherzt, gesungen und geraucht ; und zu Zeiten zog sich die Festlichkeit den ganzen Tag hin . Wenn der Schmaus einen medicinischen oder mysti schen Charakter hatte , war es unumgänglich nothwendig, dass jeder Gast die ganze ihm angebotene , wenn auch noch so grosse Portion verschlang. That er es nicht, so war der Wirth beleidigt, die Gemeinde erbittert , und die Geister wurden zur Rache entflammt. Unglück würde

16 die Nation treffen ,

Einleitung vielleicht der Tod den Einzelnen .

In manchen Fällen war der vermeintliche Erfolg des Schmau ses von der Schnelligkeit abhängig, mit der die Nahrungs Tabaks-Prämien wurden mittel verschlungen wurden . dem schnellsten Esser ausgesetzt ; das Schauspiel wurde Diese « festins à manger dann wirklich schweinisch ? 3. Gleich tout » waren bei vielen Huronen sehr gefürchtet. wohl lehnten sie niemals eine Einladung ab . Eine Einladung zum Tanz war nicht weniger bündig als die zum Schmaus . Oft verkündigte ein Ausrufer durch das Dorf die nahende Festlichkeit . Das Haus war dann gespickt voll . Alte Männer, alte Frauen und Kinder dräng ten sich auf den Bänken oder klammerten sich an die Stangen , welche die Seiten und das Dach stützten. Die Feuer wurden gelöscht und der Boden gereinigt. Zwei Häuptlinge sangen in den höchsten Tönen , indem sie mit Rasseln aus Schildkrötenschalen den Takt schlugen ? 4. Die Männer tanzten mit grosser Wucht und wilden Ge berden ; die Weiber mit gemässigteren Bewegungen . Die ersteren waren fast ganz entkleidet , bei mystischen Tänzen sogar oft vollständig ; und aus einem abergläubi schen Grunde waren dann und wann auch die Frauen ganz nackt . Männer und Frauen jedoch waren reichlich mit Farbe , Oel , Perlen , Wampum , Schmucksachen und Federn geschmückt. Religiöse Festlichkeiten , Berathungen , die Bewirthung eines Gesandten, die Einsetzung eines Häuptlings , boten Diese geselligen Vergnü alle Gelegenheit zu Festen . gungen wurden mit Angelegenheiten von ernster Wichtig keit verbunden und versammelten zu Zeiten fast die ganze Nation zu einer grossen und harmonischen Vereinigung. Auch kriegerischen Expeditionen gingen stets Schmause reien voraus , bei welchen die Krieger den Ruhm ihrer Vorfahren , ihre eigene Vergangenheit und ihre zukünfti gen Thaten priesen . Eine scheussliche Mahlzeit folgte der Marterung von Gefangenen . Wie die Marter selbst , war dieselbe bei den Huronen theils ein Racheakt, theils ein religiöser Gebrauch . Wenn das Opfer Muth gezeigt hatte , wurde zuerst sein Herz geröstet, in kleine Stücke zerschnitten und den jungen Männern und Knaben ge geben , welche sie zur Erhöhung ihres eigenen Muthes

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verschlangen . Der Körper wurde alsdann zertheilt , in die Kessel geworfen und von der Versammlung verzehrt, wo bei der Kopf den Antheil des Häuptlings bildete. Viele Huronen betheiligten sich an dem Schmaus mit Wider willen und Schaudern , andere dagegen fanden grosses Vergnügen daran ? 5. Dieses war die einzige Form des Kannibalismus unter ihnen , da sie, unähnlich den wan dernden Algonquins , selten unter der Verzweiflung des äussersten Hungers zu leiden hatten . Dem Indianer wird gewöhnlich eine grosse Kennt niss der Mittel zur Heilung von Krankheiten zugeschrie ben . In Wirklichkeit sind seine Kenntnisse hierin jedoch wie in manchen anderen Dingen nur dürftig. Er schliesst selten von der Ursache auf die Wirkung , oder von der Wirkung auf die Ursache. Er betrachtet die Krankheit als die Folge von Zauberei, das Werk von Geistern oder übernatürlicher , unerklärter und unerklärlicher Einflüsse. Der indianische Doctor war ein Beschwörer und seine Heilmittel waren bis zum Aeussersten verkehrt, lächerlich oder empörend . Das bekannte indianische Schwitzbad ist das hervorragendste der wenigen Heilmittel , welches sich auf einfach physische Wirkungen stützt ; dieses aber wurde sammt allen anderen natürlichen Arzneimitteln nicht von dem berufsmässigen Doctor, sondern von dem Kranken selbst oder seinen Freunden angewendet ? 6 . Der indianische Doctor schlug , schüttelte und kniff seinen Patienten, heulte, gellte, rasselte mit einer Schild krötenschale in sein Ohr , um den bösen Geist zu ver treiben, biss ihn, bis Blut floss, und brachte alsdann im Triumph ein kleines Stückchen Holz, Knochen oder Eisen zum Vorschein , welches er in seinem Mund versteckt hatte und von welchem er behauptete, dass es die Ursache der jetzt glücklich gehobenen Krankheit sei7. Zu Zeiten schrieb er eine Mahlzeit oder ein Spiel vor ; und das ganze Dorf beeiferte sich, den Befehl buchstäblich auszu führen . Sie verspielten ihre ganze Habe , stopften sich voll wie die Raubvögel , tanzten oder spielten mitten im Schneegestöber nackend Ball , vom Morgen bis zum Abend . Bei einem medicinischen Schmaus wurde in der Regel irgend ein seltsamer oder ungewöhnlicher Akt als der Genesung des Patienten förderlich befohlen : So musste 2 PARKMAN , Die Jesuiten in Nord -Amerik:1.

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zum Beispiel der scheidende Gast , anstatt mit dem ein silbigen Danke , mit einer hässlichen Grimasse von sei nem Wirthe Abschied nehmen . Häufig drängte sich , auf Verordnung , das halbe Dorf in das Haus , in welchem der Patient lag, und wurde von alten Weibern angeführt, welche durch Köpfe und Felle von Bären entstellt waren und mit Stöcken auf Stücke trockener Rinde schlugen . Hier tanzte und heulte die Gesellschaft stundenlang mit einem Lärm, welchem ein civilisirter Patient alsbald erle gen sein würde. Zuweilen versetzte sich der Doctor in eine prophetische Wuth , während welcher er im Hause auf und ab raste, Feuerbrände ergriff und um sich schleu derte, zum Schrecken der Squaws , welche in ihren leicht brennbaren Wohnungen in ewiger Angst vor dem Feuer lebten . Unter den Huronen und verwandten Stämmen wurde die Krankheit häufig irgend einem verborgenen unerfüllten Wunsche zugeschrieben . In Folge dessen wurde der Pa tient in der Hoffnung mit Geschenken überhäuft, dass unter der Masse derselben das Verlangte sich möglicher weise finden möchte. Kessel, Häute, Ahlen, Pfeifen , Wam pum, Angeln , Waffen , kurz alle möglichen Gegenstände wurden vor ihm von einem Schwarm wohlthätiger Geber aufgehäuft ; und wenn , wie es oft geschah , ein Traum , das indianische Orakel, dem Kranken das Geheimniss ner Kur eröffnet hatte , wurden seine Wünsche , so un sinnig, nutzlos , schädlich oder verabscheuungswürdig sie auch sein mochten , stets erfüllt28. In Folge dessen ist es nicht zu verwundern , dass plötzliche Krankheit uncl plötzliche Kuren unter den Huronen häufig vorkamen . Der Patient erntete Gewinn, und der Doctor beides , Gewinn und Ehre .

Die huronisch - irokesische Familie.

Bevor wir auf die äusserst merkwürdige Gesellschafts und Stammes- Organisation der Indianer näher eingehen , erscheint es uns geboten , kurz die Stellung und wesent lichen Eigenschaften der verschiedenen Gemeinschaften zu besprechen, welche Dialekte der irokesischen Sprache

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redeten . In dieser bemerkenswerthen Gruppe von Stäm men erscheint der indianische Charakter in seiner vollsten ' Entwicklung , und in ihr kommen die hervorragendsten Beispiele indianischer Intelligenz zum Ausdruck. Wenn sich die höheren , dieser Race gewöhnlich zugeschriebenen Eigenschaften hier nicht vorfinden , so finden sie sich nirgends . Die Grösse des irokesischen und huronischen Gehirns liefert einen greifbaren Beweis für die Ueberlegen heit dieses Stammes . In dem durchschnittlichen innern Inhalt der Hirnschale übertreffen sie , mit wenigen , über diess zweifelhaften Ausnahmen , alle anderen Eingeborenen Nord- und Südamerika's , selbst die civilisirten Racen Mexico's und Peru's nicht ausgenommen 29. In den waldigen Thälern der Blue Mountains , südlich von der Nottawassaga -Bay des Huronensees , und zwei Tagreisen westlich von den huronischen Grenzstädten, lagen die neun Dörfer der Tabak-Nation oder der Tion nontates 30. In Sitten und in der Sprache ähnelten sie stark den Huronen . Von Alters her waren sie ihre Feinde, Jebten aber jetzt mit ihnen im Frieden , und gegen das Jahr 1640 wurden sie ihre engen Verbündeten . Als aber jenes unselige Volk dem Verderben anheimfiel, bewahrten die Tionnontates allein eine Stammes- Organisation ; und ihre Abkommen sind, mit einer unbedeutenden Ausnahme, bis auf den heutigen Tag die einzigen Erben des huroni schen oder Wyandot’schen Namens . Während sie aus ihrer Heimath vertrieben umherschweiften , übten sie Ge nerationen lang einen überwiegenden Einfluss über die westlichen Stämme aus ? ! . In ihren ursprünglichen Wohn sitzen zwischen den Blue Mountains zeigten sie das unter Indianern äusserst seltene Beispiel eines Volkes , welches für den Markt säete und erntete ; denn sie trieben mit anderen Stämmen einen ziemlich ausgedehnten Tabaks handel. Ihre huronischen Verbündeten waren selbst eif rige Handelsleute und litten es nicht, dass sie durch ihr Land gingen, um mit den Franzosen zu verkehren , da sie lieber selbst mit ihren Nachbarn einen sehr gewinnreichen Tauschhandel in französischen Waaren trieben 3 ?. Wenn der Reisende durch den Wald gen Süden fünf Tagreisen von den Tinnontates - Städten zog, erreichte er die Grenzdörfer der Attiwandarons oder der neutralen

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Nation 33.

Schon im Jahre 1626 wurden sie von dem Franziskaner -Mönche La Roche DALLION besucht, welcher von einer zahlreichen Bevölkerung in achtundzwanzig Städten , nebst vielen kleinen Dörfern berichtet. Ihr fast vierzig Meilen ausgedehntes Land umfasste weite und fruchtbare Gebiete am nördlichen Ufer des Eriesee's , und ihre Grenze erstreckte sich östlich über den Niagara, wo sie drei oder vier vorgeschobene Städte bewohnten 34 . Ihre Bezeichnung als neutral rührte von ihrer Neutralität in dem Kriege zwischen den Huronen und den eigent lichen Irokesen her. Die feindlichen Krieger waren , wenn sie sich in einem neutralen Hause trafen , gezwungen , Frieden zu halten, obgleich der Waffenstillstand, wenn sie erst wieder im Freien waren , ein Ende hatte , Doch war dies Volk wild genug und führte , während es zwischen seinen kriegführenden Verwandten eine friedliche Hal tung annahm, einen tödtlichen Kampf mit den Mascoutins , einer jenseits des Michigan - See's wohnenden Algonquin horde. Erst jüngst war es zwischen ihnen und sieben zehn Algonquinhorden zum Kampfe gekommen 35. Sie verbrannten weibliche Gefangene , was bei den Huronen nie geschah 36. Ihr Gebiet war voll von Wild , und sie waren tapfere und eifrige Jäger. In Gestalt und Körper bau übertrafen sie selbst die Huronen , denen sie in ihrer Lebensart glichen, während ihre Sprache der huronischen in den Wurzeln nahe verwandt, sich im Dialekte von der selben unterschied . Ihre Ausschweifungen waren noch schamloser, und die Rohheit einiger ihrer Gebräuche war einzig in ihrer Art. Sie behielten ihre Todten in ihren Häu sern , bis ihr Geruch unerträglich wurde ; dann schabten sie das Fleisch von den Knochen und stellten sie in Reihen längs den Wänden auf , wo sie bis zum periodi schen Schmaus der Todten , oder zum allgemeinen Be gräbniss blieben . Im Sommer trugen die Männer gar keine Kleider, waren jedoch gewöhnlich von Kopf bis zu Fuss mit pulverisirter Holzkohle tättowirt . Die schlauen Huronen verweigerten ihnen den Durch gang durch ihr Land zu den Franzosen ; die Neutralen aber hatten anscheinend nicht genug Verstand oder Ueberlegung , den leichten und direkten Weg über den Ontario -See einzuschlagen , welcher ihnen wahrscheinlich

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offen stand, während er den Huronen wegen ihrer Feind schaft mit den Irokesen verschlossen war. Auf diese Weise erzielten die ersteren einen ganz bedeutenden Ge winn , indem sie zu hohen Preisen französische Güter gegen die werthvollen Felle der Neutralen austauschten 37. Südlich und östlich vom Erie -See wohnte ein ver wandtes Volk , die Eries oder die Nation der Katze. Ausser ihrer Existenz ist wenig von ihnen bekannt. Sie scheinen das südwestliche New- York östlich bis zum Genesee , der Grenze der Senecas , innegehabt und in ihren Gebräuchen und in ihrer Sprache den Huronen ge glichen zu haben 38. Sie waren berühmte Krieger, kämpf ten mit vergifteten Pfeilen und waren lange Zeit der Schrecken der benachbarten Völker 39. Am untern Susquehanna wohnte der furchtbare Stamm , welcher von den Franzosen Andastes genannt wurde . Man weiss nur wenig von ihnen , was über ihre allgemeine Aehnlichkeit mit den ihnen verwandten Stäm men in Sprachen, Gebräuchen und Charakter hinausgeht . Da sie wilde und standhafte Krieger waren , hielten sie lange gegen die Irokesen New-York's Stand und gingen schliesslich , mehr durch Krankheit als durch den Toma hawk besiegt, unter 40. Im mittlern New-York , östlich und westlich vom Hudson bis zum Genesee, erstreckten sich die Wohnsitze jenes gefürchteten Volkes , welches seinen Namen der Stammfamilie der Irokesen verliehen und in unauslösch lichen Zügen in die ersten Seiten der amerikanischen Ge schichte eingetragen hat. Unter allen barbarischen Na tionen des Continentes stehen die Irokesen New - York's obenan . Elemente, welche bei anderen Stämmen roh , ver wirrt und unentwickelt waren , hatten sich bei ihnen zu einer festen Form geordnet und verdichtet. Der Irokese war der Indianer der Indianer. Ein echter , aber ein vollendeter und entwickelter Wilder , ist er vielleicht der Vertreter der höchsten Stufe, welche der Mensch erreichen kann , ohne aus seiner ursprünglichen Stellung als Jäger herauszutreten . Eine geographische Lage , die einerseits das Thor zu den grossen Seen , andrerseits die Quellen der sowohl in den Mississippi als auch in den atlanti schen Ocean fliessenden Ströme beherrschte , bot den

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ehrgeizigen und unternehihenden Verbündeten Vortheile , welche sie vollkommen zu würdigen verstanden , und welche sie verständig zu ihrem Nutzen ausbeuteten . Ebenso geduldig und politisch als wild , wurden sie nicht allein Sieger über ihre eigene Race , sondern auch die mäch tigen Verbündeten und gefährlichen Feinde der franzö Von beiden ge sischen und englischen Kolonieen . schmeichelt und geliebkost, waren sie dennoch zu klug, um sich einer von beiden ohne Rückhalt hinzugeben . Ihre Organisation und ihre Geschichte beweisen ihre innere Ueberlegenheit . Selbst ihre Sagen lassen zu Zeiten mit ten in ihren kindlichen Gedanken eine Energie und Kraft erkennen , welche in einem grellen Gegensatz zu den läppischen Erzeugnissen algonquin'scher Phantasie stehen . Ich bezweifle übrigens , dass die Irokesen , wenn sie sich selbst zur Bestimmung ihres eigenen Schicksals ungestört überlassen geblieben wären , jemals eine selbständige Ci vilisation entwickelt haben würden . Ihre Sitten und Ge bräuche sind jedoch äusserst charakteristisch und merk würdig , und wir werden bald Gelegenheit haben , sie zu beobachten 41.

Gesellschaftliche und staatliche Organisation . In der gesellschaftlichen Organisation der Indianer bietet sich uns sofort ein Problem dar. Wie konnten in verhältnissmässig volkreichen diesen Gemeinden SO trotzige und in vielen Beziehungen so ungezügelte Geister ohne Gesetz und ohne zwangsmässige Autorität zusammen in Frieden leben ? Und dennoch gab es Städte , in wel chen Wilde zu Tausenden in einer Eintracht zusammen wohnten , um welche unsre Civilisation sie beneiden möchte . Dieser Umstand ist grösstentheils den Eigen thümlichkeiten des indianischen Charakters und der in dianischen Sitten zuzuschreiben . Diese unlenksame Race war in gewissen äusserlichen Rücksichten die gefälligste und nachgiebigste auf Gottes Erdboden . Die ersten Mis sionäre waren bezaubert von der gelehrigen Fügsamkeit, mit welcher ihre Dogmen angenommen wurden ; aber sie entdeckten bald , dass ihre willfährigen Zuhörer das weder

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glaubten noch verstanden , dem sie so bereitwillig Beifall gezollt hatten . Sie stimmten mit einer gewissen Höflich keit zu , welche , während sie die Priester ärgerte , sehr dazu beitrug , die Indianer in gegenseitiger Eintracht zu erhalten. Jene wohlbekannte Selbstbeherrschung , welche aus einer Art Ehrgefühl hervorging und die wilde Natur des Mannes mit einem undurchsichtigen, aber doch dün nen Schleier bedeckte , arbeitete ebenfalls in derselben Richtung. Obgleich der Indianer eitel , anmassend , prah lerisch und rachsüchtig war , ertrug er doch Hohn und Spott mit erstaunlicher Geduld , und wenn auch gierig und geizig , so konnte er grenzenlos freigebig sein , sein Alles weggeben , um den Manen eines gestorbenen Ver wandten Genüge zu thun, um Einfluss und Beifall zu er langen, oder sich bei seinen Nachbarn beliebt zu machen . In seiner Furcht vor der öffentlichen Meinung kam er . einigen seiner civilisirten Nachfolger gleich . Alle Indianer und besonders diese volkreichen und ansässigen Stämme hatten feststehende Regeln der Höf lichkeit, deren Vorschriften streng und genau waren und die Niemand übertreten durfte, ohne sich eine allgemeine öffentliche Rüge zuzuziehen. Die unbeugsame und unge schmeidige indianische Natur war besonders eine Sklavin der Gewohnheit. Lang geübte Gebräuche nahmen die Stelle des Gesetzes ein , bildeten geradezu eine Art ge meinen Rechts , wenn man auch kein Tribunal hatte , es zu erklären oder durchzusetzen . In diesen wilden Demo kratieen Demokratieen im Geist , wenn auch nicht in der Form war die Achtung vor angeborener Ueber legenheit und die Bereitwilligkeit, ihr nachzugeben , stets sichtbar. Alle waren bereit , sich einander in der Noth beizustehen , so dass sich ein nachbarlicher Geist häufig unter ihnen zeigte . Wenn eine junge Frau sich dauernd verheirathete, versahen sie die übrigen Frauen des Dorfes mit Brennholz für das Jahr, eine jede trug einen Armvoll heran. Wenn eine oder zwei Familien ohne Obdach wa ren , vereinigten sich die Männer des Dorfes , um ihnen ein Haus zu bauen . Als Entgelt gaben die Beschenkten , wenn sie es konnten , einen Schmaus ; wenn dies nicht der Fall war, genügte ihr Dank 42. Bei den Irokesen und Huronen und zweifelsohne bei den verwandten Stäm

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men

gab es bestimmte Unterschiede zwischen Hoch und Niedrig, Arm und Reich . So lange sich aber Nah rungsmittel im Dorfe befanden , brauchte selbst der Nied Er hatte rigste und Aermste nicht Hunger zu leiden . nur in das nächste Haus zu treten und sich an's Feuer zu setzen , so wurde ihm, ohne dass von einem der bei den Theile ein Wort fiel, von den Weibern Speise vor gesetzt . Im Gegensatz zu der, den Meisten geläufigen Ansicht waren diese Indianer, wie Andere ihrer Race, wenn sie in Gemeinschaften lebten , von Natur sehr gesellig . Ausser ihren unaufhörlichen Tänzen und grossen und kleinen Schmausereien besuchten sie sich fortwährend, brachten den grössten Theil ihrer Zeit in den Häusern ihrer Nachbarn zu , schwatzend, scherzend, einander mit scharfen, spitzen und in keiner Hinsicht zarten , doch immer gut aufge nommenen Witzen zum Besten habend . Jedes Dorf hatte seine Meister in diesen Wortturnieren , während die jun gen Squaws, welche nicht gelernt hatten zu erröthen , unter hellem Lachen jeden dreisten Scherz oder rohen Witz wiedererzählten . In der Organisation der Gemeinschaften der ameri kanischen Wilden kommt eine Eigenthümlichkeit , mehr oder weniger deutlich , fortwährend zum Vorschein. Jede um die Namen , unter denen Nation oder jeder Stamm diese Gemeinschaften gewöhnlich bekannt sind, anzuneh men ist in mehrere Clans getheilt . Diese Clans sind nicht örtlich geschieden , sondern über die ganze Nation zerstreut. Alle Mitglieder eines Clans sind eng durch Blutsverwandtschaft verbunden oder werden so betrachtet. In Folge dessen gilt es für zwei Personen von demselben Clan für eine Abscheulichkeit , sich zu heirathen ; und hieraus folgt wiederum , dass jede Familie Mitglieder aus Jeder Clan hat wenigstens zwei Clans enthalten muss . seinen Namen, wie der Clan des Falken, des Wolfes oder der Schildkröte ; und jeder hat zu seinem Abzeichen die Abbildung des Vierfüsslers, Vogels, Gewürms, der Pflanze, oder des Gegenstandes , von welchem der Name abge leitet ist. Dieses Abzeichen, welches von den Algonquins « Totem » genannt wird, ist häufig auf den Leib des Clans mannes tättowirt oder in rohen Zügen über dem Eingang

Einleitung seiner Hütte gemalt.

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Das Kind gehört nicht zum Clan

des Vaters , sondern zu dem der Mutter. Mit anderen Worten , der Ursprung nicht nur des Totems , sondern auch jeglichen Ranges , aller Titel und Besitzthümer wird von dem Weibe hergeleitet. Der Sohn eines Häuptlings kann nie Häuptling durch Erbschaft, wohl kann er es aber durch persönlichen Einfluss oder Thatkraft werden. Auch kann er von seinem Vater nicht einmal eine Ta bakspfeife erben . Alle Besitzthümer gehen in gleicher Weise rechtmässig auf die Brüder des Häuptlings oder auf die Söhne seiner Schwestern über, da diese von einer gemeinsamen Mutter abstammen. Dieses Erbfolgegesetz wurde von CHAMPLAIN bei den Huronen im Jahre 1615 bemerkt. Jener ausgezeichnete Beobachter deutet auf einen Ursprung dieser Sitte hin , welcher unzweifelhaft richtig ist . Das Kind braucht nicht der Sohn seines ver meintlichen Vaters zu sein , muss aber der Sohn seiner Mutter sein , ' eine Rücksicht von mehr als gewöhn lichem Gewicht in einer Indianergemeinde 44. Dieses System der Clanschaft sammt der von ihm untrennbaren Erbfolge war vorherrschend. Es ist mehr als wahrscheinlich , dass eine genaue Beobachtung das selbe bei jedem Stamme östlich vom Mississippi gefunden haben würde ; während die positive Thatsache feststeht, dass es bei der bei weitem grössten Zahl bestand. Man findet es auch bei den Dacotahs und anderen Stämmen westlich vom Mississippi ; ja man hat Ursache, es für all gemein vorherrschend bis und selbst über die Felsenge birge hinaus zu halten . Weil bei den meisten dieser Hor den nur geringes Besitzthum der Uebertragung werth ist, und der Einflussreichste fast ohne jede Rücksicht auf die Erblichkeit Häuptling wird , haben oberflächliche Beob achter das Bestehen dieses eigenthümlichen Systems nicht bemerkt .

Es wurde in voller Entwicklung bei den Creeks , Choctaws , Cherokesen und anderen südlichen Stämmen , namentlich auch jenem merkwürdigen Volk, den Natchez , gefunden , welche , nach ihren religiösen und politi schen Einrichtungen zu urtheilen , ein vorgeschobener Spross der Toltec-Familie zu sein scheinen. Es zeigt sich nicht minder bei den umherstreifenden Algonquins des

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äussersten Nordens, wo die Menge der Totems fast un . zählbar ist. Ueberall bildete es die Grundlage der Staats formen aller Stämme , insoweit als man bei ihnen über haupt von dem Bestehen einer Staatsform reden konnte . Die Franziskaner und Jesuiten , welche auf das ge naueste die indianischen Sprachen und den indianischen Aberglauben untersuchten , waren keineswegs so eifrig in der Zergliederung ihrer Organisation und Regierung. In der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts hatten die Hu ronen aufgehört, als Nation zu existiren ; das uns von ihnen überlieferte politische Bild ist schlecht gezeichnet und unfertig. Doch einige entscheidende Züge sind deut lich zu erkennen . Die Huronen-Nation war ein Bünd niss vier verschiedener , aneinandergrenzender Nationen , welche später durch Hinzufügung der Tionnontates auf sie war in Clans eingetheilt fünf vermehrt wurden ; regiert , deren Amt durch Häuptlingen von und wurde Die Macht dieser mütterliche Erbfolge bedingt wurde . Häuptlinge, so gross sie auch war, beruhte fast ausschliess Es gab lich auf Ueberredung oder auf gutem Rath . zwei Oberhäuptlinge, einen für Frieden , einen für Krieg, Häuptlinge, welche für bestimmte nationale Geschäfte bestimmt waren , wie z. B. für das grosse Fest der Tod ten , für die Leitung von Handelsreisen zu anderen Na tionen u . S. W .; und wieder zahlreiche andere Häuptlinge , die einander gleich im Range , aber sehr ungleich in ihrem Einfluss standen , da dessen Mass von dem Masse ihrer Fähigkeiten abhing. Jede Nation des Bündnisses hatte ihre besondere Organisation , aber zu gewissen Zeiten wurden grosse Berathungen der vereinigten Nationen ab gehalten , bei denen nicht allein Häuptlinge zugegen waren , sondern auch ein grosser Zulauf aus dem Volke stattfand. Bei diesen und anderen Berathungen stimmten die Häuptlinge und angesehene Männer über vorgeschla gene Massregeln durch kleine Stöcke oder Gerten ab , wobei die relative Mehrheit den Ausschlag gab 45.

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Die Irokesen. Die Irokesen waren ein in der Geschichte bei weitem berühmteres Volk, und ihre Einrichtungen sind noch nicht erloschen . In früherer und in neuerer Zeit sind sie ge nau studirt worden ; diese Arbeiten aber haben nicht wenig Licht auf einen Gegenstand geworfen, der ebenso schwie rig und dunkel wie merkwürdig ist. Durch Vergleichung der Angaben der alten und neuen Beobachter wird der Charakter dieser seltsamen Organisation hinreichend klar 46. Urtheil und Ueberlieferung führen auf den Schluss , dass die Irokesen ursprünglich ein ungetheiltes Volk gebildet ha ben . Wie zahllose andere Stämme durch Zwietracht, Laune oder durch die Nothwendigkeiten eines Jägerlebens unter sich entzweit, theilten sie sich in fünf verschiedene Nationen , welche von Osten nach Westen im mittleren New-York in folgender Weise ihre Wohnsitze hatten : Mohawks , Oneidas , Onondagas , Cayugas und Senecas . Zwischen denselben herrschte Uneinigkeit ; es folgten Kriege , und sie lebten in gegenseitiger Furcht vor einander , indem eine jede sich in ihre , mit Palissaden befestigten Dörfer einschloss . Endlich , so erzählt die Sage , rieth ihnen ein göttliches Wesen , welches auf Erden Menschengestalt an nahm, ihren Streit beizulegen , und sich zu einem Schutz und Trutzbündniss zu vereinigen. Bei dieser Geburt der irokesischen Nationalität leuchtet eine andre , ganz sterb liche, doch wunderbar begabte Persönlichkeit, ein berühm ter Krieger und ein mächtiger Zauberer mit seinem , aus züngelnden Schlangen gebildeten Haare wunderbar deut lich aus dem trüben Licht der Sage hervor. Dies war ATOTARHO , ein Häuptling der Onondagas ; aus dieser hochgeehrten Wurzel aber ist eine lange Reihe von Häuptlingen entsprossen , welche nicht nur Erben des Blutes , sondern auch des Namens ihres grossen Vor gängers waren . Vor ein paar Jahren noch lebte in Onon daga HOLLOW , ein schöner indianischer Knabe , zu wel chem die geschwundenen Ueberreste der Nation mit Stolz als ihrem zukünftigen AtotARHO emporblickten . Mit irdi scher und göttlicher Hilfe wurde der Bund geschlossen ,

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und durch das ganze Land erzitterten die Wälder vor dem Namen der Irokesen . Das Volk der Irokesen war in acht Clans getheilt . Als der ursprüngliche Stamm in fünf Theile zerfiel, zer fielen auch diese acht Clans in je fünf Theile; und da dem schon angedeuteten Grundsatz gemäss die Clans in jedem Dorfe , Weiler und Hause bunt mit einander ver mischt waren, so hatte jede der fünf Nationen ihren Antheil an jedem der acht Clans 47. Nach Schliessung des Bun des umschlang diese verschiedenen Theile wieder ihr altes Band der Brüderlichkeit. So wurden alle Mitglieder des Schildkröten- Clans wieder Brüder , dem Namen nach Mitglieder einer Familie, mochten sie nun Mohawks, Onei Ebenso das , Onondagas , Cayugas oder Senecas sein. Alle Irokesen verhielt es sich mit den übrigen Clans . waren daher ohne Rücksicht auf ihre Nationalität in acht Familien getheilt , von denen eine jede ihren . Ursprung auf eine gemeinsame Mutter zurückführte und durch ihr unterscheidendes Abzeichen oder Totem bestimmt wurde. Diese Clan- oder Familien-Verbindung war ausserordent lich stark und verband die fünf Nationen des Bundes wie durch eine achtfache Kette mit einander. Die Clans waren keineswegs gleich an Zahl, Einfluss oder Ehre . So gross waren die Unterschiede zwischen ihnen, dass einige ältere Geschichtsschreiber nur die drei hervorragendsten nennen , die der Schildkröte , des Bären und des Wolfes. Einigen Clans in jeder Nation gebührte das Recht , der Nation und dem Bunde einen Häuptling zu geben . Andere hatten das Recht , deren drei und in einem Falle sogar vier Häuptlinge zu geben ; während andere wieder keinen geben konnten . Da die indianische Clanschaft nur eine Ausdehnung der Familie bildete , so war diese Häuptlingschaft in gewisser Bezie hung erblich ; aber das Erbschaftsgesetz war , wenn auch bindend, doch sehr elastisch und fähig, sich auf die äus sersten Grenzen der Clanschaft zu erstrecken. Dem Häuptling folgte fast immer ohne Unterschied ein von mütterlicher Seite naher Verwandter , sei es als Bruder von derselben Mutter oder als Neffe durch die Schwester. Aber wenn diese offenbar unbrauchbar waren , so über

ging man sie und wählte in einer Berathung einen Häupt

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ling aus den entfernteren Verwandten . In diesen Fällen soll der Nachfolger durch die dem Haushalt des verstor benen Häuptlings vorstehende Matrone in Vorschlag ge bracht worden sein 48. Wie dem aber auch sein mag, die Wahl war nie der öffentlichen Neigung entgegen . Der neue Häuptling wurde durch einen förmlichen Beschluss der Sachems des Bundes « erhoben . » Bei Antritt seines Amtes gab er seinen Namen auf und nahm den an, wel cher seit der Bildung des Bundes dieser besondern Häuptlingsstelle gehörte. Die Zahl dieser Oberhäuptlinge , oder Sachems , wie sie zur Unterscheidung genannt worden sind , schwankte in den verschiedenen Nationen zwischen acht und vier zehn . Die Sachems der fünf Nationen , ihrer fünfzig im Ganzen , bildeten in ihrer Raths -Versammlung die Regie rung des Bundes . Alle begegneten sich als gleichberech tigt , aber eine besondere Würde wurde stets dem ATO TARHO der Onondagas beigemessen . Es gab eine Klasse von untergeordneten Häuptlingen , welche ihr Amt nicht ererbten , sondern durch ihre Ge wandtheit , Tüchtigkeit oder Tapferkeit erlangten . Doch wurde der Rang deutlich bestimmt und der neue Häupt ling bei einer förmlichen Berathung eingesetzt. Diese Klasse umfasste , wie sich leicht denken lässt, die besten Talente der Nation ; ihr gehörten die ausgezeichnetsten Krieger und Redner der Irokesen an . Ihr Charakter und ihre Verrichtungen jedoch waren rein bürgerlicher Natur .. Wie die Sachems hielten diese Häuptlinge ihre Berathun gen und übten einen ihrer Zahl und ihren Fähigkeiten entsprechenden Einfluss aus . Es gab noch einen andern Rath, zwischen ihm aber und demjenigen der untergeordneten Häuptlinge scheint die Trennungslinie nicht sehr bestimmt gezogen gewesen zu sein . · Der Jesuit LAFITAU nennt ihn « den Senat . » Mit den Irokesen während der Höhezeit ihres Glückes bekannt, beschreibt er denselben als die centralisirende und controllirende Gewalt der verschiedenen Nationen . In seinem Charakter war dieser « Senat » wesentlich volks thümlich , aber volksthümlich im besten Sinne des Wortes , wie er nur bei einer kleinen Gemeinde vorkommen kann . Jeder Mann nahm an ihm Theil , der durch sein Alter

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und seine Erfahrung dazu geeignet war. Er repräsentirt nur die versammelte Weisheit der Nation . LAFIȚAU vergleicht denselben mit dem römischen Senate in der frühsten und rohen Zeit der Republik und behauptet , dass letztere nichts durch den Vergleich verliere. Er beschreibt ihn folgendermassen : « Es war eine schmierige Versammlung, « sur leur derrière » sitzend, kauernd, wie die Affen , die Kniee bis zu den Ohren hinaufgezogen , Einige auf dem Bauche, Andere auf dem Rücken liegend, Jeder mit einer Pfeife im Munde , und Staats -Angelegenheiten mit der Kaltblütigkeit und dem Ernste der spanischen Junta oder des grossen Rathes von Venedig verhandelnd 49. » Die jungen Krieger und selbst die Frauen hielten eben falls ihre Berathungen . Die Ansichten und Wünsche von beiden aber wurden durch Abgeordnete vor « dem Se nate » oder dem Rath der alten Männer sowohl , als auch vor dem grossen Bundesrathe der Sachems vertreten. Die Regierung dieser, in ihrer Art einzigen Republik beruhte gänzlich auf den Rathsversammlungen , welche alle Fragen bestimmten und alle sozialen , politischen, militäri schen und religiösen Anordnungen trafen . Der Kriegs pfad , die Jagd , das Berathungsfeuer, - in diesen lebte der Irokese , und es ist schwer zu entscheiden , welchem von ihnen er am meisten ergeben war. Der grosse Rath der fünfzig Sachems bildete , wie wir gesehen haben , die Regierung des Bundes. So oft bei einer der Nationen eine Frage auftauchte, deren Wich tigkeit die Berufung einer Rathsversammlung zu rechtfer tigen schien, durften die Sachems jeder betreffenden Na tion ihre Kollegen durch Läufer berufen, welche Botschaf ten und Wampumgürtel trugen . Der gewöhnliche Ver sammlungsort war das Thal von Onondaga, sowohl der politische als auch geographische Mittelpunkt des Bundes . Hierher strömten , wenn die Angelegenheit von tiefgehen dem und allgemeinem Interesse war , nicht nur die Sa chems, sondern auch der grössere Theil der Bevölkerung vom Osten und Westen schwärmte in die gastfreien Hüt ten des Städtchens hinein , oder lagerte sich zu Tausen den in den benachbarten Feldern und Wäldern . Wäh rend die Sachems in dem Rathsaale beriethen , hielten die Häuptlinge und alten Männer, die Krieger und häu

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fig die Frauen ihre Berathungen besonders ; die von ihren Abgeordneten dem Rathe der Sachems vorgelegten Ansichten waren nie ohne Einfluss auf deren Entschei dungen. In den Versammlungen herrschte die grösste Ord nung und Bedachtsamkeit, und wurde an den indianischen Begriffen von parlamentarischer Schicklichkeit streng fest gehalten . Die Berathung ward mit einer Anrede an die Geister oder an den Häuptling aller Geister eröffnet. Die Debatte war nie hitzig ; kein Redner unterbrach den an dern. Jeder trug der Reihe nach seine Ansicht vor , in dem er dieselbe mit allen ihm zu Gebote stehenden Beweismittteln oder Rednerkünsten unterstützte, und suchte den Gegenstand der Debatte völlig zu erschöpfen . Um zu beweisen , dass er denselben verstehe , wiederholte er die Beweise der ihm vorausgehenden Redner für und wider. So wurden ihre Debatten äusserst weitschweifig ; der Verbrauch von Tabak aber war unmässig. Aus dieser Methode ergab sich jedoch eine gründliche Untersuchung der zur Debatte stehenden Sache ; während die List und Schlauheit dieser wilden Politiker ihren civilisirten Zeit genossen wie ein Wunder erschien. « Durch die geschick teste Politik, » bemerkt LAFITAU, « haben sie die Oberhand über die anderen Nationen gewonnen , die kriegerischsten getheilt und besiegt, sich den entferntesten zum Schrecken gemacht, und jetzt halten sie eine friedliche Neutralität zwischen den Franzosen und Engländern , welche sich beide um ihre Gunst bewerben und sie fürchten 50. Den Huronen unähnlich , verlangten sie in ihren Be schlüsssen unbedingte Einstimmigkeit. Die Leichtigkeit und Häufigkeit, mit welcher eine scheinbar so schwierige Anforderung erfüllt wurde , illustriren treffend den india nischen Charakter , welcher einerseits ebenso starrköpfig, hartnäckig und unbeugsam , als andrerseits geschmeidig und nachgiebig war. Die Erklärung für diese Vereinigung an sich entgegengesetzter Eigenschaften lässt sich in Denn einem ausserordentlichen Nationalgeiste finden . niemals seit Sparta's Zeit hat sich individuelles und na tionales Leben so vollständig mit einander vermischt. Die Sachems des Bundes waren gleichzeitig , wie wir gesehen haben , Sachems ihrer entsprechenden Nationen ;

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doch redeten sie , ausser wenn sie handlung vorschlugen , selten in untergeordneten Häuptlinge und Einfluss in diesen Versammlungen

Gegenstände zur Ver den Berathungen der alten Männer öl. Ihr war jedoch gross und selbst überwiegend ; denn es gelang ihnen gewöhnlich , das Interesse einiger der geschicktesten und einflussreich sten Mitglieder der Versammlung mit dem ihrigen zu ver binden , und durch diese alsdann die Debatten zu leiten , während sie selbst dabei in den Hintergrund traten 52. Es gab bei den Irokesen eine Klasse von Männern , welche stets bei öffentlichen Gelegenheiten in den Vorder grund geschoben wurden, um die Ansicht des Volkes dar zulegen , oder die Interessen desselben wahrzunehmen . Sie gehörten fast Alle der Zahl der untergeordneten Häuptlinge an . Sowohl die Natur als auch die Uebung hatten sie zu öffentlichen Rednern bestimmt, und sie wa ren in der Geschichte und in den Ueberlieferungen des Bundes äusserst bewandert. Sie waren in der That be rufsmässige Redner , und standen als solche hoch in Ehren und Einfluss bei dem Volke. Mit einem gewaltigen . Vorrath von gewohnheitsmässigen Bildern , deren Gebrauch lediglich Uebung erforderte, verbanden sie häufig listigen Verstand , ein staunenswürdiges Gedächtniss und eine Beredsamkeit , welche wirklich diesen Namen verdiente . Namentlich in einem Punkte steht die Uebung dieser wilden Politiker unübertroffen da . Sie kannten nicht die Schreibkunst zur Aufzeichnung von Ereignissen oder zur Bewahrung von Vertragsbestimmungen . Infolge dessen wurde das Gedächtniss ausserordentlich in Anspruch ge nommen und bis zu einem aussergewöhnlichen Grade ausgebildet. Sie wandten verschiedene Mittel zu seiner Unterstützung an , wie z . B. Bündel von Stöcken und jenes System von Zeichen, Abzeichen und rohen Bildern , welches sie mit anderen Stämmen gemein hatten . Ihre berühmten Wampumgürtel waren ebenso viel Erinnerungs zeichen , indem ihrer jeder die Stelle irgend eines Aktes , einer Rede, eines Vertrages oder einer Vertragsklausel vertrat. Diese bildeten ihre öffentlichen Archive und waren unter mehrere Wächter vertheilt , von denen ein jeder mit der Deutung und Erinnerung des ihm anvertrauten be auftragt war. Die Bedeutung der Gürtel wurde von Zeit

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zu Zeit in ihren Versammlungen gelehrt . Die französischen , holländischen und englischen Beamten setzte bei ihren Verhandlungen mit den Indianern nichts mehr in Erstau nen als die Genauigkeit , mit der ihre Redner in Beant wortung ihrer Ansprachen dieselben Punkt für Punkt wie derholten . Nur in seltenen Fällen wurden bei den Irokesen oder Huronen Verbrechen von den Behörden bestraft. Mord, für sie nächst der Hexerei das abscheulichste Verbrechen , war bei ihnen selten . Wenn der Todtschläger und der Er schlagene zu demselben Haushalt oder Clan gehörten , be trachtete man die Angelegenheit als Familienstreit, welchen die unmittelbaren Verwandten auf beiden Seiten beilegen mussten . Dieses geschah unter dem Drucke der öffent lichen Meinung, gewöhnlich ohne Blutvergiessen, durch ein Wehrgeld. Aber wenn der Mörder und das Opfer von verschiedenen Clanen oder verschiedenen Nationen waren , noch mehr , wenn der Gemordete ein Fremder war , so hatte die ganze Gemeinde ein Interesse daran , Zwietracht oder einen möglicherweise daraus entstehenden Krieg zu verhindern . Alle richteten ihre Anstrengungen darauf, nicht den Mörder zu bestrafen , sondern den beleidigten Theil durch ein Wehrgeld zu begütigen 53. Zu diesem Zwecke wurden Beiträge und Geschenke gesammelt. Ihre Zahl und ihr Werth waren durch alten Gebrauch be stimmt. Bei den Huronen waren dreissig Geschenke von sehr hohem Werth der Preis für das Leben eines Mannes, während das eines Weibes zu vierzig angesetzt war, weil es der schwächere Theil war, und weil von ihr die Fortpflanzung und Vermehrung der Bevölkerung ab hing. Dies war der Fall, wenn der Ermordete zur eigenen Nation gehörte. Wenn er aber fremden Stammes war, so erforderte sein Tod eine höhere Busse, da derselbe Kriegs gefahr nach sich zog 54. Diese Geschenke wurden in feier licher Versammlung unter vorgeschriebenen Förmlichkeiten überreicht. Die Verwandten des Ermordeten durften sie nach Belieben zurückweisen, in welchem Falle ihnen der Mörder als Sklave überliefert wurde ; aber sie durften ihn nicht tödten , da sie durch eine solche That die öffent liche Meinung herausgefordert hätten und ihrerseits ge zwungen worden wären, Wehrgeld zu zahlen. Ausser den 3 PARKMAN, Die Jesuiten in Nord - Amerika .

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Hauptgeschenken gab es eine Menge von geringerm Werthe , welche alle symbolisch waren und unter bestimm ten Formeln übergeben wurden . So z. B .: « Hierdurch waschen wir das Blut des Ermordeten ab ! Hierdurch rei nigen wir seine Wunde ! Hiermit bekleiden wir seinen Körper mit einem neuen Hemde ! Hiermit setzen wir Speise auf sein Grab ! » und in dieser Weise ging es in endloser Weitschweifigkeit, durch Einzelheiten sonder Zahl fort 55. Die Huronen waren berüchtigte Diebe ; und vielleicht waren die Irokesen nicht viel besser, obgleich das Gegen theil behauptet worden ist . Bei beiden durfte der Be raubte nicht nur sein Eigenthum mit Gewalt wieder an sich bringen , wenn er es vermochte , sondern er durfte dem Räuber auch seine ganze Habe wegnehmen . Diese Bestimmung diente augenscheinlich nur als Einschränkung zu Gunsten der Starken , während die Schwachen dem Plünderer als gute Beute überlassen wurden ; aber hier kamen ihm die Familien- und Clanverbindungen zur Hülfe . Verwandte und Clansmänner führten den Streit für den , welcher sich nicht selbst Recht verschaffen konnte 56. Hexen , von welchen die Huronen und Irokesen arg heimgesucht waren , bildeten für beide den Gegenstand der äussersten Verachtung , so dass man sie jederzeit tödten durfte . Wenn irgend Jemand des Verrathes schul dig war, oder sich durch seinen Charakter und sein Be tragen dem Gemeinwesen gefährlich oder verhasst machte, hielt der Rath der alten Häuptlinge und alten Männer eine geheime Sitzung über ihn , verurtheilte ihn zum Tode und ernannte einen jungen Mann , ihn zu tödten . Der Henker wartete auf eine Gelegenheit und erschlug oder erdolchte ihn gewöhnlich unversehens in der dunkeln Pforte eines der Häuser. Da er im Namen des Gesetzes handelte, so konnte er nicht verantwortlich gemacht wer den ; auch die Verwandten des Getödteten konnten sich, selbst wenn sie es wünschten , nicht rächen . Der Rath wusste jedoch gewöhnlich im Voraus jede Schwierigkeit abzuwenden , indem er den Schuldigen der Zauberei be züchtigte und ihm dadurch seine besten Freunde ent fremdete . Die militärische Organisation der Irokesen war ausser ordentlich unvollständig und stützte sich in ihren Leistungen

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nur auf ihre bürgerliche Vereinigung und persönliche Tapferkeit. Es gab zwei erbliche Kriegs - Häuptlinge, welche beide den Senecas angehörten ; aber nur bei Ge legenheiten von der höchsten Wichtigkeit scheinen sie leb haften Antheil an der Kriegsführung genommen zu haben . Mit Ausnahme von nur wenigen Stämmen , welche ihnen Tribut zahlen mussten , lebten sie mit fast allen ihren Nachbarn beständig im Kriege . Jedermann von hinreichen dem persönlichen Ansehen durfte , wenn er wollte , eine Kriegsgesellschaft sammeln . Er verkündigte seine Absicht durch das Dorf, sang seine Kriegslieder , hieb seine Axt in den Kriegspfosten und tanzte den Kriegstanz . Wer wollte, schloss sich ihm an ; und die Gesellschaft machte sich mit etwas getrocknetem Kornmehl und Ahornzucker als einzigem Proviant gewöhnlich alsbald auf den Weg . Bei wichtigen Gelegenheiten ging man gemeinschaftlich vor, die verschiedenen Gesellschaften trafen sich am Sammelplatz und setzten zusammen ihren Weg fort. Die Führer der Kriegsgesellschaften gehörten , wie die Redner, fast in allen Fällen der Klasse der untergeordneten Häuptlinge an . Die Irokesen hatten eine Disciplin , welche zu ihren dunkeln und struppigen Wäldern passte . Hier waren sie schreckliche Feinde . Auf einem offenen Felde aber , gegen eine geübte europäische Macht, waren sie trotz ihres wilden Muthes bei weitem weniger gefährlich . Bei der Betrachtung dieser seltsamen Organisation fällt der Mangel an Uebereinstimmung in ihrem Geiste und ihrer Form besonders auf. Eine Körperschaft erblicher Oligarchen stand an der Spitze der Nation , und doch war sie wesentlich demokratisch . Nicht dass die Irokesen Gleichmacher gewesen wären. Niemand war mehr bereit, Ueberlegenheit anzuerkennen und sich ihr zu unterwerfen, mochte sie nun durch Gewohnheit und Vorschrift ent standen , oder die Folge persönlicher Begabung sein . Und dennoch hatte jeder Mann , ob hoch oder niedrig, eine Stimme bei der Leitung der Angelegenheiten , und gab keinen Augenblick seinen wilden Unabhängigkeitsgeist auf. Wo es kein nennenswerthes Eigenthum gab , hatte die Autorität keine Stütze und keinen Halt . Das bestän dige Ziel der Sachems und Häuptlinge bestand darin , sie auszuüben, aber selbst den Schein ihrer Ausübung zu ver

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Sie hatten keine Amtsabzeichen . Auch waren sie nicht reicher als Andere ; nein häufig ärmer, da sie, um ihren Einfluss zu stärken , ihr Vermögen in Schenkungen und Bestechungen ausgaben. Sie jagten und fischten für ihren Unterhalt ; sie waren so garstig , schmierig und schmutzig wie die Uebrigen . Und doch sah man häufig, trotz alledem, eine angeborene Würde des Benehmens an ihnen , welche von Ocher und Bärenfett nicht verwischt werden konnte und welche gut zu ihren starken, symme trischen und oft majestätischen Körperformen passte . Der Irokese hing unzertrennlich an den Einrich meiden .

tungen, Ueberlieferungen, religiösen Gebräuchen , Gewohn heiten und Festlichkeiten des Bundes . Er hielt sie mit indianischer Hartnäckigkeit fest und hält sie heute noch ebenso fest. Sein politisches Gebäude war aus uralten Anschauungen und Gebräuchen zusammengesetzt, welche sich zu regelmässigen und dauernden Formen verdichtet hatten . In seinen einzelnen Theilen hat es an und für sich nichts Besonderes . Alle seine Elemente werden auch - bei anderen Stämmen gefunden ; ja die meisten von ihnen gehören der ganzen indianischen Race an . Zweifelsohne lebte in ihnen ein bewusster und bestimmter Trieb zur Gesetzgebung ; aber die irokesische Gesetzgebung erfand nichts Neues . Wie alle gesunden Gesetzgebungen baute sie mit fertigen Materialien . Sie organisirte die chaotische Vergangenheit und verlieh selbst der indianischen Natur feste Formen. Das Volk ist geschwunden und verweht ; aber durch seine Clan- und Verwandtschaftsbande an einander gekettet , besteht es in unbedeutender Nachbil dung noch immer, und der heutige herabgekommene Iro kese schaut mit traurigem Stolz auf die ruhmvolle Ver gangenheit zurück . Würden die Irokesen, wenn sie sich ungestört über lassen geblieben wären , ihr eigenes Schicksalaus sich heraus gearbeitet haben, würden sie je aus der ihnen angeborenen Wildheit herausgetreten sein ? So weit sie auch über an deren amerikanischen Stämmen stehen , so ist durchaus kein Anzeichen dafür vorhanden , dass sie die Grenzen eines wilden Jäger- und Kriegerlebens zu überschreiten strebten . Sie waren demselben hartnäckig ergeben , un beugsame Conservative in ihrer Barbarei , und kamen in

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Wildheit und Grausamkeit den Schlimmsten ihrer Race gleich . Auch hatte die Ausdehnungskraft, welche anscheinend ihrem System angehörte , keinen grossen Erfolg. Zwischen den Jahren 1712 und 1715 wurden die Tuscaroras , ein verwandtes Volk , als sechste Nation in den Bund auf genommen ; aber sie wurden niemals als gleichberechtigt behandelt. Lange darauf, in der Periode ihres Verfalles, wurden verschiedene andere Stämme als neue Mitglieder des Bundes angekündigt ; aber diese Aufnahme fand nicht statt. Die Irokesen nahmen stets nur widerwillig ganze Stämme oder Theile von Stämmen in die Räume des « langen Hauses » auf. Doch übten sie fortwährend ein Adoptionssystem aus , welches ihnen , obgleich es grausam und wild war , grosse Vortheile brachte . Ihre Kriegs gefangenen wurden , nachdem sie davon eine hinreichende Zahl zur Sättigung ihrer eigenen und der Rache ihrer Frauen verbrannt und hingeschlachtet hatten , Mann für Mann , Frau für Frau , Kind für Kind , in verschiedene Familien und Clane aufgenommen und auf diese Weise der Nation einverleibt. Nur durch dieses Mittel konnten sie die Verluste a ihrer beständigen Kriege ersetzen . Im Anfang des achtzehn ten Jahrhunderts und selbst lange vorher bestand ein grosser Theil ihrer Bevölkerung aus adoptirten Gefangenen 57 . Wir haben jetzt noch die religiösen und abergläubi schen Ansichten zu beleuchten , welche einen so bedeu tenden Einfluss auf die Indianer ausgeübt haben. Religion und Aberglaube. Der religiöse Glaube der nordamerikanischen In dianer scheint auf den ersten Blick ungewöhnlich und widerspruchsvoll zu sein . Er ist es sicherlich , wenn wir Roman-Dichtung und der landläufigen Ansicht folgen . Beredsamkeit weisen einerseits auf den erhabenen Ge danken einer einzigen , Alles regierenden Gottheit , eines allwissenden und allgegenwärtigen Grossen Geistes hin . Wir werden aufgefordert, den schlichten Verstand zu be wundern, der einen Gedanken zu erfassen vermochte, wel cher selbst für einen Sokrates und Plato zu gewaltig war. Andererseits finden wir ein Chaos entwürdigender, zusammenhangloser und abergläubischer lächerlicher ,

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Gebräuche. Eine genauere Untersuchung wird ergeben , dass der Widerspruch mehr scheinbar als wirklich vor handen ist . Wir wollen mit den niedrigsten Formen in dianischen Glaubens beginnen, und ihn von da aus bis zu den höchsten Gedanken verfolgen , welchen der Ver stand des Wilden ohne äussere Hülfe erreicht hat. Für den Indianer ist die materielle Welt gefühl- und verständnissvoll . Vögel, Thiere und Schlangen haben Ohren für menschliche Gebete und üben Einfluss auf des Menschen Schicksal aus . Eine geheimnissvolle und un erklärliche Macht wohnt leblosen Gegenständen inne . Auch sie können auf die Stimme des Menschen hören und sein Leben zum Guten oder Bösen wenden . Seen, Flüsse und Wasserfälle sind häufig die Wohnorte von Geistern ; aber noch häufiger sind sie selbst lebende Wesen , welche durch Gebete und Opfer besänftigt werden müssen. Der See hat so gut eine Seele wie der Fluss und der Stromwirbel . Jedes kann die Reden der Menschen hören und beleidigt oder besänftigt werden . In der Stille des Urwaldes , in dem Düster der tiefen Waldschlucht, wohnt ein lebendes , unbestimmbares , aber schreckenerregendes Geheimniss . Unter allen Werken der Natur oder des Menschen giebt es nichts , so unbedeutend es scheinen mag, was nicht mit einer geheimen Gewalt zu schaden oder zu nützen begabt ist. Menschen und Thiere sind nahe mit einander ver wandt. Jede Art von Thieren hat ihre grosse Urform , ihren Urvater oder König , welchen man sich von gewal tiger Grösse irgendwo existirend denkt , obgleich er in Form und Natur seinen Unterthanen gleicht. Es herrscht der unbestimmte , aber erkennbare Glaube, dass die Men schen selbst ihren Ursprung Thieren , Vögeln oder Schlangen , wie Bären , Wölfen , Schildkröten oder Kranichen verdanken . Die Bezeichnung der totemischen Clane , welche fast in allen Fällen Thieren entlehnt sind, spiegeln diese Anschauung wider 58 Ein indianischer Jäger war darum auch stets bemüht, die Thiere zu versöhnen, welche er zu tödten suchte . So weiss man, dass er oft an einen verwundeten Bären eine lange Entschuldigungsrede richtete. Die Knochen eines Bibers wurden mit besonderer Zärtlichkeit behandelt und

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sorgfältig von den Hunden ferngehalten , damit ja nicht der Geist des todten Bibers oder seiner überlebenden Brüder beleidigt würde . Diese Rücksicht nahm man nicht allein auf Thiere, sondern auch auf leblose Gegenstände . Ein bemerkenswerthes Beispiel ereignete sich unter den Huronen, einem verhältnissmässig vorgeschrittenen Volke, welche, um ihre Fischnetze für sich zu gewinnen und sie zur erfolgreichen Leistung zu überreden, diese Netze jedes Jahr mit zwei jungen Mädchen des Stammes unter viel förmlicheren Ceremonien verheiratheten, als den bei einer bloss menschlichen Heirath üblichen 61. Auch die Fische mussten ebensowohl wie die Netze begütigt werden . Zu diesem Ende wurden sie jeden Abend vom Fischlager aus von einem, zu diesem Geschäfte aus der Gesellschaft ge wählten Manne angeredet , der sie ermahnte , Muth zu fassen und sich fangen zu lassen, indem er sie versicherte, dass ihren Gräten die grösste Achtung erzeigt werden solle. Diese Rede wurde nach dem Abendessen in feier licher Weise gehalten . Solange sie dauerte, verlangte man von der ganzen Gesellschaft, dass sie, mit Ausnahme des Redners, schweigend und bewegungslos um das Feuer auf ihrem Rücken liege 62 . Ausserdem dass der Indianer der materiellen, sowohl belebten als auch leblosen Welt Leben und Vernunft zu schreibt, glaubt er noch an übernatürliche Wesen, welche bei den Algonquins als Manitous und bei den Irokesen und Huronen als Okies oder Otkons bekannt sind. Diese Bezeichnungen schliessen alle Formen übernatürlicher We sen in sich, vom höchsten bis zum niedrigsten, höchstens dass gewisse kleine Feen und Poltergeister und gewisse Riesen und merkwürdige Unthiere davon ausgenommen sind , welche in den indianischen Legenden unter ver schiedenen Formen absonderlich und scheusslich erschei nen 63. Es giebt örtliche Manitous von Strömen, Felsen, Gebirgen , Wasserfällen und Wäldern. Die Vorstellung dieser Wesen verräth grössten Theils eine ausserordent lich arme Einbildungskraft. In fast jedem Falle haben sie, wenn sie sich dem menschlichen Auge zeigen , Aehn lichkeit mit Thieren, Schlangen oder Vögeln von ausser gewöhnlichen oder verrenkten Körperformen 64. Es giebt noch andere Manitous ohne einen bestimmten Wohnsitz,

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welche theils gut, theils schlecht und ebenso zahllos wie unbestimmt in ihren Eigenschaften sind. Sie erfüllen die d. h. Welt und bestimmen das Schicksal der Menschen

das der. Indianer : denn der ursprüngliche Indianer ist der Meinung , dass der Weisse unter einer Herrschaft von. Geistern stehe , welche von der sein Schicksal bestimmen den verschieden sei. Diese Wesen erscheinen ebenfalls in Thiergestalten . Zu Zeiten nehmen sie aber auch Men schengestalt an ; häufiger jedoch erscheinen sie in der Form von Steinen , welche , wenn sie auseinandergebrochen werden , voll von lebendigem Blut und Fleisch sind . Jeder echte Indianer hat seinen Schutz -Manitou, zu welchem er um Rath , Führung und Hülfe fleht. Diese geistigen Bundesgenossen gewinnt man durch folgendes Verfahren . Im Alter von vierzehn oder fünfzehn Jahren schwärzt der indianische Knabe sein Gesicht , zieht sich nach einem einsamen Orte zurück und bleibt daselbst Tage lang ohne Nahrung. Abergläubische Erwartung, Er schöpfung und Hunger verfehlen selten ihre Wirkung. Sein Schlaf wird von Visionen heimgesucht , und jene Form , welche am häufigsten erscheint , ist die seines Schutz -Manitou's , ein vierfüssiges Thier , ein Vogel, ein Fisch, eine Schlange , oder irgend ein belebter oder lebloser Gegenstand. Ein Adler oder ein Bär ist die Erscheinung eines zukünftigen Kriegers , ein Wolf die eines erfolgreichen Jägers , während eine Schlange den künftigen Medizin -Mann oder nach Anderen Unglück be deutet 65. Der junge Indianer trägt von da an den in seinem Traum offenbarten Gegenstand oder irgend einen Theil desselben bei sich , wie z . B. eine Feder, einen Knochen , eine Schlangenhaut, oder einen Haarbüschel. Dieses ist in der modernen Sprache des Waldes und der Prairie als seine « Medizin » bekannt. Der Indianer erweist ihm eine Art Opferdienst, schmeichelt ihm mit Tabakgaben , dankt ihm im Glück und schilt ihn im Unglück 66. Wenn diese Medizin den erwünschten Erfolg zu bringen verfehlt, sagt er sich auch wohl von ihr los und nimmt eine an dere an . Der Aberglauben wird jetzt zum reinen Götzen dienst, da der Indianer den geheimnissvollen Gegenstand, den er bei sich trägt , eher als Verkörperung denn als den Vertreter einer übernatürlichen Macht ansieht.

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Der indianische Glaube erkennt auch noch eine andre und sehr verschiedene Klasse von Wesen an . Ausser den Riesen und Ungeheuern der Legenden kann man noch andere mehr oder weniger deutliche Vorstel lungen von theilweise mythischem Charakter unterschei den . Von diesen ist der bemerkenswertheste jene wun derbare Persönlichkeit der Algonquin'schen Ueberlieferung, welche Manabozho , Messou , Michabou , Nanabush oder « der grosse Hase » genannt wird. Da jede Art von Thieren ihre Urform oder ihren König hat , so ist unter den Al gonquins Manabozho der König aller dieser Thierkönige. Es giebt verschiedene Sagen über seinen Ursprung. Dém am weitesten verbreiteten Glauben gemäss war sein Vater der Westwind und seine Mutter eine Urenkelin des Mon des . Sein Charakter ist einer solchen Abkunft würdig . Zuweilen ist er ein Wolf, ein Vogel oder ein riesiger Hase , welchen ein Hofstaat von Vierfüsslern umgiebt ; zuweilen erscheint er in Menschengestalt, und ist von majestätischem Bau und wunderbaren Gaben , ein gewal tiger Zauberer, ein Vernichter von Schlangen und bösen Manitous ; zuweilen ist er ein eitler und verrätherischer Kobold , voll von kindischen Grillen und kleinen Listen , das Ziel und Opfer der Menschen , Thiere und Geister. Sein Verwandlungsvermögen kennt keine Grenzen ; seine Neugierde und Bosheit sind unersättlich ; und von den zahllosen Legenden , in welchen er als Held auftritt, ist der grössere · Theil ebenso trivial als unzusammenhän gend 67. Manabozho scheint nie ein Gegenstand der Ver ehrung gewesen zu sein , doch trotz seiner Abgeschmackt heit erklärt ihn die Ueberlieferung für den Häuptling der Manitous , kurz für den « grossen Geist » 68. Er war es,

welcher die von einer Sündfluth überschwemmte Welt Er jagte einmal in Gesellschaft mit wiederherstellte . einem gewissen Wolf, der sein Bruder oder nach anderen Erzählungen sein Enkel war, als sein vierfüssiger Verwand ter durch das Eis eines gefrorenen See's brach und als bald von gewissen Schlangen in den Tiefen der Ge wässer verschlungen wurde . Manabozho verwandelte sich rachbegierig in einen Baumstumpf und überraschte und tödtete durch diese List den König der Schlangen , als derselbe sich in der Mittagssonne sammt seinen Begleitern

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sonnte . Die Schlangen, welche alle Manitous waren , ver anlassten in ihrer Wuth, dass die Gewässer des See's die Erde überschwemmten . Manabozho kletterte auf einen Baum, welcher auf seine Bitten wuchs , als die Fluth höher stieg , und ihn so vor der Rache der bösen Geister be wahrte . Bis zum Nacken im Wasser , sah er über die Einöde der Gewässer , und erblickte schliesslich den Vogel , welcher als Taucher bekannt ist . Diesen bat er, ihn bei der Aufgabe zur Wiederherstellung der Welt zu unterstützen . Der Vogel tauchte unter nach etwas Erde, I als Material für die Wiederherstellung, aber er konnte den Grund nicht erreichen . Eine Moschusratte machte den selben Versuch , erschien aber bald wieder , anscheinend : todt auf ihrem Rücken schwimmend . Manabozho fand jedoch , als er ihre Füsse untersuchte, an einem derselben ein Theilchen der verlangten Erde , und aus diesem und dem Körper des Tauchers schuf er die Welt von Neuem 69. Es gibt verschiedene Lesarten dieser Sage. In einigen erscheint Manabozho nicht als der Wiederhersteller, son dern als der Schöpfer der Welt, indem er die Menschheit aus den Gerippen von Thieren , Vögeln und Fischen schuf 70. Andere Sagen melden , dass er sich mit einer weiblichen Moschusratte vermählt habe , durch welche er der Erzeuger der Menschen geworden sei ? ! . Wenn wir nach höheren Anschauungen übernatür lichen Seins forschen , so finden wir bei einem Theile der ursprünglichen Algonquins Spuren eines unbestimmten Glaubens an einen nur schwach hervortretenden Geist, Namens Atahocan , welchem keine Eigenschaften zuge schrieben und keine Verehrung gezollt zu sein und von welchem die Indianer nichts gewusst zu haben scheinen 72 . Vermuthlich aber hat sich dieser Glaube nicht über ge wisse Stämme des untern St. Lorenz hinaus erstreckt. Andere sahen einen höchsten Manitou in der Sonne 73. Die Algonquins glaubten auch an einen bösartigen, übri gens viel weniger als seine Frau gefürchteten Manitou , in welchem die ersten Missionäre den Teufel erkennen wollten. Seine Frau trug ein aus dem Haare ihrer Opfer gefertigtes Kleid , denn sie brachte den Tod. Die In dianer suchten sie durch Schreien , Trommeln und Stam pfen von den Kranken wegzutreiben. Manchmal wurde

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sie Nachts von irgend einer erschreckten Squaw im Walde. in Gestalt einer Feuerfiamme erblickt. Wenn nun die Erscheinung dem um das Lagerfeuer hockenden Kreise verkündigt wurde, so verbrannten sie zur Besänftigung des weiblichen Kobolds ein Stück Fleisch . Der Osten , der Westen , der Norden und der Süden waren unbestimmt als Geister oder Manitous personificirt. Einige von den Winden waren auch persönliche Wesen . Der Westwind war, wie wir gesehen haben , der Vater von Manabozho . Es gab einen Sommer- und einen Wintermacher , welch letztern die Indianer dadurch im Zaum zu halten suchten , dass sie Feuerbrände in die Luft warfen . Wenn wir uns von der Algonquin - Familie zu den Irokesen wenden , so finden wir eine andre Weltschöpfung und andere Anschauungen von geistigen Wesen . Wäh rend die Erde noch eine öde Wasserwüste war , gab es , laut irokesischen und huronischen Sagen , einen Himmel mit Seen, Strömen, Ebenen und Wäldern , welche von Thieren , Geistern und , wie Einige versichern , von menschlichen Wesen bewohnt waren . Hier jagte einst ein gewisser weiblicher Geist, Namens Ataentsic, einen Bären , welcher durch ein Loch schlüpfend auf die Erde fiel. Ataentsic's Hund folgte, und sie selbst sprang ihnen, von Verzweiflung ergriffen, nach . Andere behaupten, dass sie von einem Geiste , ihrem Manne , wegen einer Liebschaft mit einem Menschen aus dem Himmel verstossen worden sei ; während noch Andere glauben , sie sei gefallen wäh rend sie die heilkräftigen Blätter eines Baumes für ihren Gatten sammelte . Die Thiere , welche in der Wasser wüste unten umherschwammen , sahen sie fallen und be riethen eilig , was sie thun sollten . Der Fall wurde dem Biber überantwortet. Der Biber empfahl ihn dem Urtheil der Schildkröte , welche darauf den übrigen Thieren be faht, unterzutauchen, Erde heraufzubringen und auf ihren Rücken zu legen . So wurde ein schwimmendes Eiland gebildet , auf welches Ataentsic fiel ; und hier genass sie, da sie schwanger war , bald einer Tochter, welche ihrer seits zwei Knaben gebar , deren Vaterschaft unbekannt ist. Sie wurden Taouscaron und Jouskeha genannt, ge riethen aber alsbald in Streit mit einander.

Jouskeha töd

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tete seinen Bruder mit dem Geweih eines Rehbocks . Der Rücken der Schildkröte entwickelte sich zu einer Welt voll Wachsthum und Leben ; und Jouskeha herrschte mit seiner Grossmutter über ihre Geschicke 14. Er ist die Sonne ; sie ist der Mond . Er ist wohl thätig ; aber sie ist bösartig, wie der weibliche Dämon der Algonquins . Sie bewohnen ein den Irokesenhütten ähn liches , aus Rinde erbautes Haus , am Ende der Welt, von wo sie häufig zu Schmausereien und Tänzen in die in dianischen Dörfer kommen . Jouskeha zieht für sich Korn und macht reiche Ernten für die Menschheit. Manch mal zeigt er sich dünn wie ein Gerippe , wie er einen Kolben vertrockneten Kornes in der Hand hält oder gierig an einem menschlichen Gliede nagt. Dann wissen die Indianer, dass ihrer eine schwere Hungersnoth wartet. Er legt sich fortwährend zwischen der Menschheit und der Bosheit seiner grausamen Grossmutter in's Mittel , die er zu Zeiten gründlich durchbläut. Er war es , welcher See'n und Ströme geschaffen hat. Einst war die Erde vertrocknet und dürr , da sich alles Wasser unter der Achselgrube eines ungeheuren Frosches gesammelt hatte ; aber Jouskeha durchstach die Achselgrube und liess das Wasser abfliessen . An ihn wurden keine Gebete gerichtet ; seine wohlthätige Natur machte sie überflüssig 75. Die ersten Berichterstatter nennen Jouskeha den

Schöpfer der Welt und sprechen von ihm, als ob er der unbestimmten Algonquin'schen Gottheit Atahocan , ent spräche. Eine andre Gottheit erscheint in der irokesischen Mythologie und erhebt dieselben Ansprüche auf Aner Er wird Areskoui oder kennung als höchstes Wesen . Agreskoui genannt . Seine hervorragendsten Eigenschaf ten sind die eines Kriegsgottes . Er wurde häufig ange rufen , und ihm zu Ehren das Fleisch von Thieren und von gefangenen Feinden verbrannt 76 . Wie Jouskeha identificirte man ihn mit der Sonne . Man muss ihn viel leicht für dasselbe , wenn auch nur mit verschiedenen Bei den eigent Eigenschaften begabte Wesen halten . lichen Irokesen oder fünf Nationen gab es ebenfalls eine Gottheit, welche Tarenyowagon oder Teharonhiawagon 77 genannt wurde , welche aber in ihrer Stellung und ihrem Charakter sehr schwer bestimmbar ist . In einigen Ueber

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lieferungen erscheint er als der Sohn des Jouskeha. Er hatte einen ungeheuren Einfluss ; denn er war es , der zu den Menschen in Träumen sprach. Die fünf Nationen erkannten noch eine andre übermenschliche Persönlich keit an , einfach einen vergötterten Häuptling oder Helden . Dies war Taounyawatha oder Hiawatha, welcher, ein angeblich göttlicher Sendbote zur politischen und ge sellschaftlichen Belehrung der erwählten Race, seinen Auf enthalt auf Erden nahm, und dessen Gegenstück in den Sagen der Peruaner, Mexicaner und anderer Urvölker ge funden wird 78 Eine sorgfältige Prüfung berechtigt zu der Annahme, dass die ursprüngliche Vorstellung des Indianers vom höch sten Wesen auf verhältnissmässig niedriger Anschauung beruhte . Sobald er über den Gegenstand seines Glau bens nachzudenken anfing und demselben Eigenschaften beizulegen suchte , wurde er sehr beschränkt und in der Regel lächerlich . Der Schöpfer der Welt stand auf der selben Stufe mit einer barbarischen und entwürdigten Menschheit, während sich ein natürlicher Trieb zeigte, über ihn hinaus auf andere Mächte zu blicken , welche seine Herrschaft theilten . Der indianische Glaube wäre , wenn er sich überhaupt entwickelt hätte , polytheistisch gewor den 79 . An der ursprünglichen indianischen Vorstellung von einem Gott hat die Idee des moralisch Guten keinen Antheil. Seine Gottheit regiert nicht mit Gerechtigkeit diese oder jene Welt, sondern lässt die Menschheit unter der Gewalt untergeordneter Geister , welche das Weltall ausfüllen und beaufsichtigen . Auch ist das Gute und Böse dieser untergeordneten Wesen nicht ein moralisches Gute oder Böse . Der gute Geist ist der , welcher gutes Glück verleiht und die Bedürfnisse und Wünsche der Menschheit befriedigt. Der böse Geist ist einfach der bösartige Bringer von Krankheit, Tod und Unglück . In keiner indianischen Sprache konnten die ersten Missionäre ein Wort finden , um den Begriff Gott auszu drücken. Manitou und Oki hiess Alles , was mit über natürlichen Kräften begabt war , von einer Schlangenhaut oder einem schmutzigen indianischen Beschwörer an bis zum Manabozho und Jouskeha herauf. Die Priester sahen

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sich genöthigt , eine Umschreibung zu gebrauchen , « der grosse Häuptling der Menschen , » oder « er , der im Himmel thronet 80 . >> Doch sollte es scheinen , dass die Idee eines höchsten allmächtigen Geistes naturgemäss aus dem besondern Charakter des indianischen Glaubens ent stehen könnte . Die Idee , dass jede Race von Thieren ihre Urform oder ihren Häuptling hat , konnte wenig stens leicht die Existenz eines höchsten Häuptlings der eine Geister oder der menschlichen Race andeuten, Anschauung , welche sich schwach in Manabozho wider spiegelt. Die jesuitischen Missionäre ergriffen diesen Vor theil . « Wenn jede · Art von Thieren ihren König hat, » sagten sie , « so haben ihn auch die Menschen ; und da der Mensch über allen Thieren steht , so ist der Christ, 4. der die Menschen beherrscht , der Meister aller anderen Geister. » Der indianische Verstand nahm bereitwillig diesen Gedanken an , und sonst durchaus nicht christliche Stämme erhoben sich schnell zu dem Glauben an einen allmächtigen Geist . Der grosse Geist gewann eine be stimmte Gestalt , er wurde zu einer das Weltall erfüllen den Macht, zu einem gerechten Richter. Viele Stämme beten jetzt zu ihm , obgleich sie noch immer hartnäckig an ihrem alten Aberglauben hängen ; und einige, wie der heidnische Theil der heutigen Irokesen , legen ihm die Eigenschaften des moralisch Guten bei 81 . Der ursprüngliche Indianer glaubte an die Unsterb lichkeit der Seele 82, aber er glaubte nicht immer an eine zukünftige Belohnung und Bestrafung. Auch war das zu belohnende Gute , wenn ein solcher Glaube bestand , nicht ein moralisch Gutes , oder das zu strafende Böse ein moralisch Schlechtes . Geschickte Jäger und brave Krie ger, Männer von Einfluss und Bedeutung gingen nach dem Tode in die himmlischen Jagdgründe ein ; während die Trägen , die Feigen und die Schwachen dazu verur theilt waren , in öden Gegenden der Dunkelheit und der Finsterniss Schlangen und Asche zu essen. Der allge meine Glaube aber war der , dass es für alle gemein schaftlich nur ein Land der Schatten gebe. Die Geister, welche in Gestalt und Gesichtszügen dieselben blieben , welche sie im Leben gewesen waren , wanderten durch dunkle Wälder in die Dörfer der Todten , und fristeten

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ihr Leben durch Rinde und verrottetes Holz . Nach ihrer Ankunft sassen sie den ganzen Tag in der zusammenge hockten Stellung von Kranken , und jagten , wenn die Nacht einbrach , die Schatten von Thieren mit den , Schatten von Bögen und Pfeilen unter den Schatten von Bäumen und Felsen , denn alle Dinge , sowohl die leb losen wie lebendigen , waren in gleicher Weise unsterblich und alle gingen in das düstere Land der Todten ein. Der Glaube betreffend das Land der Seelen war bei den verschiedenen Stämmen und verschiedenen Individuen sehr ungleichartig. Einige Huronen glaubten, dass geschie dene Geister ihre Reise die Milchstrasse entlang durch den Himmel verfolgten , während die Seelen von Hunden durch gewisse Sternbilder hindurch einen andern Weg nahmen , welcher als « Weg der Hunde » bekannt war 8.3. In Zwischenräumen von zehn bis zwölf Iahren waren die Huronen , die Neutralen und andere verwandte Völker gewohnt, die Knochen ihrer Todten zu sammeln und sie unter feierlichen Ceremonien in einem gemeinsamen Begräb nissplatz beizusetzen . Die ganze Nation war oft bei die ser Festlichkeit versammelt , bei welcher Hunderte von Leichen in einer grossen Grube begraben wuſden . Von

dieser Stunde an begann die Unsterblichkeit ihrer Seelen . Sie fiogen , wie Einige behaupteten , in Gestalt von Tauben davon ; während die Mehrzahl erklärte , dass sie zu Fuss und sich selber ähnlich nach dem Lande der Schatten reisten , und die Geister der mit ihnen in demselben gemeinsamen Grabe beerdigten Wampumgürtel, Biber häute , Bogen , Pfeile , Pfeifen , Kessel , Perlen und Ringe mit sich nahmen 87 . Doch da die Geister der Alten und der Kinder zu schwach für den Marsch sind , werden sie gezwungen zu rückzubleiben . So schweifen sie dann in der Nähe ihrer irdischen Dörfer umher , wo die Lebenden häufig das Schliessen ihrer unsichtbaren Hüttenthüren , und die schwachen Stimmen der körperlosen Kinder die Vögel Eine end von ihren Kornfeldern wegtreiben hören 85. lose Mannigfaltigkeit zusammenhangloser Phantasien ist mit den indianischen Ansichten über ein zukünftiges Leben verbunden . Sie rühren gewöhnlich von Träumen her, häufig von Träumen Todtkranker, welche bei ihrem

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Erwachen dachten , sie hätten die andre Welt besucht, und den staunenden Umstehenden erzählten, was sie ge sehen haben wollten . Das indianische Seelenland ist nicht immer eine Ge gend des Schattens und der Trauer . Die Huronen stellten zuweilen die Seelen ihrer Todten die ihrer Hunde miteingeschlossen – als freudig im Beisein von Ataentsic und Jouskeha tanzend dar . Nach einigen Algonquin'schen Ueberlieferungen war der Himmel der Schauplatz endloser Feste , auf welchen die Seelen nach dem Schalle von Rasseln und Trommeln tanzten und wo sie mit gast freundlichem Willkommen den gelegentlichen Besucher aus der lebendigen Welt begrüssten , denn das Geisterland lag nicht weit entfernt, und umherstreifende Jäger gelang ten zuweilen unversehens an seine Grenzen . Die meisten Ueberlieferungen stimmen jedoch darin überein , dass die Geister auf ihrem Wege nach dem Himmel grosse Schwierigkeiten und Fährlichkeiten zu über winden hatten . Da gab es einen reissenden Strom, welcher auf einem unter ihren Füssen schwankenden Baumstamme passirt werden musste , während ein wilder Hund ihnen den Weg versperrte und viele in den Abgrund trieb. Dieser Fluss wimmelte von Stören und anderen Fischen , welche die Geister zu ihrem Unterhalt spiessten . Jen seits war ein schmaler Pfad, welcher sich durch bewegliche , zusammenkrachende Felsen wand. Die weniger geschickten Pilger, welche hier durchzukommen suchten, liefen Gefahr, zu Atomen zerrieben zu werden . Die Huronen glaubten, dass eine Persönlichkeit, Namens Oscotarach oder der Haupt durchbohrer, in einem Haus aus Rinde neben dem Pfade wohne, und dass es sein Geschäft sei, das Gehirn aus den Köpfen aller Vorübergehenden als nothwendige Vorberei tung zur Unsterblichkeit herauszunehmen . Diese seltsame Ansicht findet sich ebenfalls in einigen Algonquin'schen Sagen , nach welchen jedoch das Gehirn später seinen Besitzern zurückgegeben wurde 86. Träume galten dem Indianer allgemein als Orakel. Sie offenbarten ihm seinen Schutzgeist, lehrten ihn die Heilung von Krankheiten, warnten ihn vor den Absichten von Zauberern , führten ihn nach den Schlupfwinkeln seiner Feinde oder zum Aufenthaltsort des Wildes und deckten

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ihm die Geheimnisse des guten und bösen Schicksals auf. Der Traum war eine geheimnissvolle und unerbitt liche Macht , dessen geringste Befehle buchstäblich erfüllt werden mussten , in jeder indianischen Stadt die Quelle endlosen Unfugs und endloser Abscheulichkeiten . Es gab berufsmässige Träumer und berufsmässige Traum deuter. Eines der bekanntesten Feste bei den Huronen und Irokesen war das Traumfest, eine Scene des Wahn sinns , bei welchem die Theilnehmer die Verrücktheit nach ahmten , und die Stadt einem losgelassenen Irrenhause glich . Jeder gab vor , von Dingen geträumt zu haben , welche seiner Wohlfahrt dienlich seien, und forderte, von Haus zu Haus stürzend , alle ihm Begegnenden auf, sein geheimes Verlangen zu errathen und zu erfüllen . Der Indianer lebte in beständiger Furcht , da er glaubte , dass die ganze materielle Welt von Mächten durchdrungen sei , welche sein Schicksal beeinflussen und beherrschen könnten , dass gute und böse Geister und namenlose und unbestimmbare Wesen die ganze Natur erfüllten , dass eine alles durchdringende Zauberei über und unter ihm und um ihn ihr Wesen treibe , und dass Leben und Tod von den unbedeutendsten und scheinbar schwächsten Mitteln abhänge . Das Rauschen eines Blattes , das Kriechen eines Insektes , der Schrei eines Vogels , das Knacken eines Zweiges konnten für ihn das mystische Anzeichen von Wohl oder Wehe sein . In einer indianischen Gemeinde wimmelte es von Zauberern , Medizinmännern und Wahrsagern , deren Funk tionen häufig in einer und derselben Person vereinigt waren . Der Zauberer hatte durch magische Gesänge und Feste und durch das Rühren seiner Trommel Macht über die Geister und jene verborgenen , den Thieren und leb losen Gegenständen innewohnenden Einflüsse. Er konnte die Seelen seiner Feinde vor sich bescheiden. Sie er schienen in der Gestalt von Steinen vor ihm. Er be arbeitete und verwundete sie mit seiner Axt , so dass Blut und Fleisch zum Vorschein kamen ; das begehrte Opfer aber , so fern es auch sein mochte , schwand dahin und. starb . Wie der Zauberer des Mittelalters verfertigte er die Bilder derjenigen , welche er zu verderben wünschte , und durchbohrte sie, Beschwörungen murmelnd, mit einer 4 PARKMAN , Die Jesuiten in Nord - Amerika.

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Ahle , worauf die dargestellten Personen erkrankten und hinwelkten . Der indianische Doktor verliess sich viel mehr auf Zauberei als auf natürliche Heilmittel . Träume , das Rühren der Trommel, Gesänge , Zauberfeste und Tänze , sowie Geheul , um den weiblichen Dämon aus seinem Patienten zu vertreiben , waren die gewöhnlichen Arten seiner Kuren . Der Prophet oder Wahrsager besass verschiedene Mittel , wie den Flug der Vögel und die Bewegungen des Feuers und Wassers , um die Geheimnisse der Zukunft zu enthüllen . Es gab eine eigenthümliche , unter der Familie der Algonquin- Stämme sehr verbreitete Art Wahr sagerei , welche jetzt noch bei einigen von ihnen geübt wird . Es wurde nämlich eine kleine , kegelförmige Hütte durch die Zusammenstellung von Stangen in einem Kreise errichtet, indem man die Spitzen in einer Höhe von unge fähr sieben Fuss von der Erde zusammenband und das Ganze dicht mit Fellen bedeckte . Der Prophet kroch hinein und schloss die Öffnung hinter sich zu . Alsdann rührte er seine Trommel und sang seine Zaubergesänge, um die Geister zu beschwören , deren schwache und grelle Stimme man alsbald mit seinem kläglichen Gesang ver mischt vernahm , während der Wahrsager von Zeit zu Zeit aufhörte , um ihre Mittheilungen der , draussen auf der Erde sitzenden Menge zu verdolmetschen . Während des ganzen Vorganges. schwankte die Hütte mit einer Gewalt hin und her , welche viele civilisirte Zuschauer in Staunen versetzt hat, und welche einige Jesuiten durch die bequeme Lösung eines wirklichen Einmischens des Teufels er klären 87 Die Zauberer, Medizinmänner und Wahrsager versahen nicht in der Regel das Amt eines Priesters. Jeder opferte für sich den Mächten, welche er sich geneigt zu machen wünschte, mochten sie nun die Geister von Thieren , oder andere Gegenstände seines Glaubens sein . Das gewöhn lichste Opfer bestand in Tabak , welcher in Feuer oder Wasser geworfen wurde . Zuweilen wurden zu Ehren der Manitous Fleischstücke verbrannt. Bei ein paar seltenen feierlichen Gelegenheiten wurde ein weisser Hund , das mystische Thier vieler Stämme , an die Spitze einer auf rechtstehenden Stange als Opfer eines höheren Geistes

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oder der Sonne gebunden , mit welcher die höheren Geister von dem naturwüchsigen Indianer fortwährend verwechselt wurden. In neuerer Zeit , nachdem das Juden- und Chri stenthum seine religiösen Ansichten verändert haben , war es und ist es noch immer Gebrauch , dem grossen Geiste Hunde zu opfern. Bei diesen öffentlichen Gelegenheiten wird der Opferdienst von den Häuptlingen oder von den zu diesem Zwecke ernannten Kriegern wahrgenommen . Bei den Huronen und Irokesen und fast bei allen ansässigen Stämmen gab es eine unglaubliche Anzahl von unsinnigen , kindischen und oft ekelhaften mystischen Ceremonien , welche zur Heilung von Kranken oder zum Wohl der Gemeinde bestimmt waren . Die meisten dieser Ceremonien scheinen ursprünglich durch Träume ange ordnet worden zu sein und wurden als eine heilige Erb schaft von Geschlecht zu Geschlecht überliefert. Sie be standen in einer endlosen Mannigfaltigkeit von Tänzen , Maskeraden und unbeschreiblichen Orgien . Man hielt eine gewissenhafte Beobachtung aller dieser überlieferten Formen für sehr wichtig , da der leichteste Fehler bei ihrer Befolgungº ernstliches Unglück nach sich ziehen könnte . Wenn man Kinder in ihren Spielen eins dieser Mysterien nachahmen sah , wurden sie streng getadelt und bestraft. In vielen Stämmen gab es und giebt es noch geheime Magiergesellschaften , in welche neue Mitglieder mit eigenthümlichen Feierlichkeiten aufgenommen werden . Diese Gesellschaften sind sehr gefürchtet und stehen in grossem Ansehen . Sie haben Zaubermittel für die Liebe, den Krieg und heimliche Rache , so dass sie einen be deutenden und oft schädlichen Einfluss ausüben . Die Gesellschaften des Metai und des Wabeno unter den nördlichen Algonquins sind hervorragende Beispiele , wäh rend bekanntlich andere Gesellschaften von ähnlichem Charakter seit einem Jahrhundert unter den Dahcotahs be standen haben 89. Eine Darstellung der abergläubischen Vorstellungen der Indianer würde ohne eine Erwähnung der über liefernden Erzählungen , durch welche jene Vorstel lungen vom Vater auf den Sohn herabkommen , unvoll ständig sein . Einige dieser Ueberlieferungen können auf die Periode des ersten Verkehrs mit Europäern zurück

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geführt werden . Eine wenigstens von denen , welche von den ersten Missionären am untern St. Lorenz berichtet wird , ist noch immer unter den Stämmen der oberen Seen geläufig. Viele von ihnen sind seltsame Verbin dungen ernsthaften Glaubens mit solchen Zügen , welche zum Scherz und zu Possen , die nie ein unauslöschliches Gelächter am Herdfeuer zu regen verfehlten , bestimmt waren . Riesen , Zwerge , Menschenfresser, Geister, wilde Thiere, Vögel und ungeheuerliche Wesen , Verwandlungen, Listen und Zauberei bilden den Stoff der Erzählung. Viele der irokesischen Sagen schliessen Anschauungen in sich , die , so verkehrt sie auch sind , doch einen energi schen und hervorragenden Charakter bekunden ; doch die der Algonquins sind bis zu einem unglaublichen Grade geistlos , albern und inhaltslos ; auch sind die der Dahcotah Stämme nicht um vieles besser . Ueber diese Wigwam beschäftigung besteht ein merkwürdiger, weit verbreiteter Aberglaube . Die Sagen dürfen nicht im Sommer erzählt werden ; denn in dieser Jahreszeit, wenn die ganze Natur voller Leben ist , sind auch die Geister wach und könn ten , wenn sie das über sie Gesagte hörten , beleidigt wer den ; dagegen sind sie im Winter mit Schnee und Eis bedeckt und nicht mehr im Stande zu hören 90. Es ist klar , dass sich der Geist . der Indianer niemals ernstlich mit irgend welcher höhern Geistesthätig keit beschäftigt hat. Die Wesen seines Glaubens sind nicht Personificationen der Naturkräfte, des menschlichen Berufes , oder der Regungen des menschlichen Verstan des , Willens und der menschlichen Leidenschaften . Ob wohl inmitten der Natur, kannte der Indianer doch keines ihrer Gesetze . Sein beständiges Herleiten ihrer Phänomene aus verborgenen Ursachen griff einer Untersuchung vor und schloss eine induktive Folgerung aus . Wenn der Wind stark wehte , so war der Grund davon , dass die Wassereidechse , welche den Wind erregt , aus ihrem Pfuhl kroch ; wenn der Blitz grell und häufig zuckte , SO waren die Jungen des Donnervogels in ihrem Neste unruhig ; wenn ein Mehlthau sich auf das Korn legte, So war der Geist des Kornes erzürnt ; und wenn die Biber scheu und schwer zu fangen waren , so lag die Ursache darin , dass sie sich beleidigt fühlten , weil die

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Knochen eines ihrer Race den Hunden vorgeworfen waren . Selbst wenn in einigen Fällen und namentlich in materieller Beziehung, - ich habe hier hauptsächlich die Irokesen im Auge , der Geist des Indianers gut und hoch entwickelt war, so war und ist er doch in anderen Gerade die Züge, Dingen fast hoffnungslos stumpf . welche ihn über die sklavischen Racen erheben , sind der Art und dem Grade der Civilisation feindlich , welche jene Racen so leicht erlangen. Sein unbeugsamer Unabhängig keitssinn und das Ehrgefühl, welches ihm die Nachahmung verbietet , verstärken nur allzusehr jene wilde Lethargie des Geistes , aus welcher er so schwer aufzurütteln ist . Keine Race hat vielleicht denen, welche für ihre Erhebung arbeiteten, so grosse Schwierigkeiten gemacht . Um schliesslich das Ergebniss dieser Untersuchung summarisch festzustellen , so war der ursprüngliche Indianer ebenso wild in seiner Religion als in seinem Leben . Er schwankte zwischen dem Götzendienst und der diesem zunächst stehenden Stufe religiöser Entwicklung, welche in der Verehrung der mit menschlicher Gestalt bekleideten Diesem Standpunkt entsprechend Gottheiten besteht. gestalten sich auch seine Ansichten über ihre Eigenschaf ten . Seine Götter waren um kein Haar besser als er selbst . Ja , wenn er sogar dem Christenthum die Idee eines höchsten und allgemeinen Geistes entlehnt , so geht sein Streben doch dahin , diesen auf einen örtlichen Wohn sitz und auf eine körperliche Form zurückzuführen . Dieses Streben verschwindet nur bei den Stämmen , welche in langer Berührung mit civilisirten Weissen gestanden haben . Der primitive Indianer , welcher seine ungekünstelte Ver ehrung einem Alles durchdringenden und einem allmäch tigen Geiste darbringt , ist ein Hirngespinnst von Dich tern , Rednern und Sentimentalisten .

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Die Jesuiten in Nord - Amerika .

Erstes Kapitel. Notre Dame des Anges .

1634 . Quebec im Jahre 1634 . Pater LE JEUNE . Das Missionshaus. Die Jesuiten und ihre Ab Seine häusliche Einrichtung. sichten .

Quebec gegenüber liegt die Landzunge Point Levi . Wer im Sommer des Jahres 1634 an ihrem Ufer gestan den und nordwärts über den St. Lorenz geblickt hätte, der würde in der Entfernung von etwa einer Meile eine Reihe von stolzen Felsen erblickt haben, welche sich zur Linken zu den kühnen Höhen des Cap Diamant erhoben und zur Rechten steil in das Bett des Nebenflusses St. Charles hinabfielen . Unter diesen Klippen würde er am Ufer des St. Lorenz eine Gruppe von Waarenlagern , Schuppen und hölzernen Wohnhäusern entdeckt haben. Unmittelbar darüber längs . des Randes des Abgrundes hätte er die Umrisse eines kleinen befestigten Werkes ver folgen können, auf welchem sich eine Flaggenstange be fand und vor welchem ein paar kleine, den Fluss beherr schende Kanonen standen, während an der einzigen Stelle, an welcher die Natur die Höhen zugänglich gemacht hatte, ein im Zickzack laufender Pfad die Speicher und die Festung mit einander verband .

1634. )

Quebec i . J. 1634.

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Wenn der Wanderer dann in dem Canot eines Mon tagnais -Indianers über den St. Lorenz setzt , am Werft landet und an der Gruppe von Gebäuden vorbei den zu den Klippen hinaufführenden Pfad ersteigt , so sieht er, usruht, die Bewohner indem er, um Athem zu schöpfen, aus dieses Vorpostens der Wildniss , wie sie hinauf- und herab steigen, er erblickt einen Soldaten aus dem Fort oder einen Offizier mit breitkrämpigem Hute und Federbusch , einen Agenten der Pelzgesellschaft, jener Eigenthümerin und souveränen Herrin Canada's , einen Trupp Indianer, einen Händler aus dem Oberlande, einen Vorläufer jenes kühnen und abgehärteten Stammes der Waldläufer, welche bestimmt waren, eine so hervorragende und bezeichnende Klasse der canadischen Bevölkerung zu bilden. Diesen Allen folgt vielleicht eine von den Uebrigen sehr verschie dene Gestalt. Die enge schwarze Kutte , der am Gürtel hängende Rosenkranz und der grosse, an den Seiten auf geklappte schwarze Hut künden den Jesuiten Pater LE JEUNE an, den Obern der Station von Quebec. Um die Lage und die Aussichten der jungen Kolo nie und der beginnenden Mission besser kennen zu ler nen, wollen wir jetzt dem Priester auf seinem Wege fol gen . Indem er den steilen Pfad hinaufstieg, erreichte er die Höhe der Felsen , etwa zweihundert Fuss über den Lagerhäusern . Zur Linken lag das von CHAMPLAIN er baute Fort, welches einen Theil des jetzt Durham Terrace und des die Place d'Armes bildenden Grundes bedeckte . Seine Wälle bestanden aus Stämmen und Erde ; innerhalb derselben erhob sich ein thurmförmiges Gebäude, welches man als Kaserne, zu Offiziers-Wohnungen und zu sonstigen Zwecken benutzte ! Nicht weit vom Fort stand eine kleine neuerbaute Kapelle. Das umliegende Land war urbar gemacht und theilweise bebaut ; trotzdem aber hatte es nur ein Gebäude aufzuweisen , welches den Namen eines Wohnhauses verdiente. Es war ein massives Land haus , bewohnt von Madame HÉBERT, der Wittwe des ersten canadischen Ansiedlers, mit ihrer Tochter, ihrem Schwieger sohn COUILLARD und deren Kindern . Sie waren Alle gute Katholiken, die vor zwei Jahren bei der Räumung Quebec's durch die Engländer ? Freudenthränen vergossen , als sie LE JEUNE und seinen Ordensbruder De NovÈ ihre Schwelle

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Notre Dame des Anges.

( 1634,

betreten sahen , um unter ihrem Dache das lang verbotene Messopfer darzubringen . Nebenan finden sich Hürden für Vieh ; das Haus und seine Umgebungen zeugen von Fleiss und Wohlstand . Von dort ging LE JEUNE über den Platz des neuen Marktes und weiter , bis nahe an den Rand der Felsen , welche zu seiner Rechten steil abfielen . Unterhalb der selben mündete der St. Charles in den St. Lorenz und darüber hinaus dehnte sich die wilde Küste von Beauport in einem langen Bogen nach Osten aus , bis dahin , wo endlich in weiter Ferne der Golf von Montmorenci den grossen Fluss 3 verschlingt. Der Priester liess bald die Lichtungen hinter sich und betrat den Wald , an dessen Stelle jetzt die Vorstadt St. John steht. Von da stieg , er hinunter auf eine tieferliegende Hochebene , auf welcher jetzt die Vorstadt St. Roche sich erhebt, und noch weiter vorgehend , erreichte er einen lieblichen Punkt am äusseren Ende des Pointe - aux-Lièvres, ein Stück Wiesenland, welches durch eine plötzliche Biegung des St. Charles fast einge schlossen war. Hier lag ein Canot oder Nachen. Als er über den schmalen Strom fuhr, erblickte LE JEUNE auf der Wiese , etwa zweihundert Schritt vom Ufer entfernt, einen viereckigen , von Pfahlwerk umschlossenen Raum, welcher einem modernen vorgeschobenen Fort an der In dianer- Grenze glich 4. Innerhalb dieses Raumes befanden sich zwei Gebäude, deren eines von den Engländern halb verbrannt und noch nicht wieder hergestellt war. Es diente als Speicher, Stall , Werkstätte und Bäckerei . Die sem gegenüber stand das Hauptgebäude, ein Bretterhaus , mit Lehm beworfen und mit langem Schilfrohr gedeckt . Es hatte nur ein Stockwerk, einen Bodenraum und einen Keller und enthielt vier Hauptzimmer, von denen eins als Kapelle, ein anderes als Speisesaal, ein drittes als Küche und das vierte als Wohnung für die Arbeiter diente. Die ganze Einrichtung war äusserst einfach . Bis zum Jahre vorher hatte die Kapelle keinen andern Schmuck als einen Bogen Papier, worauf zwei plumpe Kupferstiche geklebt waren . Vor kurzem jedoch hatten die Priester ihren Altar geschmückt, und zwar mit dem Bilde einer Taube, welche den heiligen Geist darstellen sollte , mit einem Bilde LOYOLA's und einem andern St. XAVIER's und drei Dar

* 1634 .]

Die Jesuiten .

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stellungen der Jungfrau. Von dem Speisesaal gingen vier Zellen aus , deren grösste acht Fuss im Gevierte enthielt . In ihnen wohnten sechs Priester ; zwei Laienbrüder waren auf dem Boden untergebracht . Das Haus war vor acht Jahren sehr eilig erbaut worden und zeigte daher auch an allen Ecken Risse . So war damals die Residenz von Notre Dame des Anges beschaffen . Hier wurde der Keim eines ungeheuern Unternehmens gepflegt, und dies war die Wiege der grossen Mission Neu - Frankreichs 5. Unter den sechs Jesuiten , welche sich zur Abendmahlzeit im Speisesaal versammelt hatten, ragte besonders einer vor den übrigen hervor , ein grosser , starker Mann , mit Zügen, welche die Natur für einen Soldaten bestimmt zu haben schien , welchen aber jahrelanges geistiges Schaffen und Denken den priesterlichen Stempel aufgedrückt hatten . Dies war JEAN DE BRÉBEUF, der Abkomme einer adeligen Familie aus der Normandie , einer der fähigsten und er gebensten Eiferer, deren Namen in den Listen der Missio Seine Genossen waren MASSE, näre verzeichnet sind. DANIEL , DAVOST, DE NOUÈ und der Obere , Pater LE JEUNE . MASSE war derselbe Priester , welcher den Pater BIARD bei der misslungenen Sendung nach Acadien be gleitet hatte . Wegen seiner vielfachen nützlichen Eigen schaften gab ihm LE JEUNE den Beinamen « der nützliche Pater, Augenblicklich bestand sein besonderes Amt in der Sorge für die Schweine und Kühe, welche er in dem das Gebäude umgebenden Raum hielt, damit sie die be nachbarten Roggen- , Gersten- , Weizen- und Maisfelder nicht verwüsteten 7 . DE NOUÈ hatte die Sorge für die acht oder zehn , von der Mission beschäftigten Arbeits leute, welche ihm mit ihrer Unzufriedenheit und ihren Klagen zu Zeiten nicht wenig Verdruss machten Sie waren gezwungen, jeden Morgen Messe, jeden Abend das Gebet, und ausserdem aber noch Sonntags eine Ermah nung zu hören . Einige von ihnen sehnten sich nach Hause . Zwei oder drei dachten anders und wären selbst gerne Jesuiten geworden . In ihren Mussestunden nahmen die Brüder den Spaten in die Hand und arbeiteten mit ihren Leuten ; den übrigen Theil der Zeit beschäftigten sie sich mit Predigen , Vesper- Singen , Messelesen , Beichtehören im Fort von Quebec , dem Religionsunterricht der India

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Notre Dame des Anges .

[ 1634 ,

ner und mit möglichster Bewältigung der ungeheuern Schwierigkeiten , welche ihnen die Sprachen der Huronen und Algonquins boten . Wohl konnte Pater LE JEUNE seinem Oberen schrei ben, « die Ernte ist reich und der Arbeiter sind wenige . » Diese Männer strebten nach der Bekehrung eines Welt theils . Von ihrer Hütte am St. Charles aus übersahen sie ein Arbeitsfeld, dessen Unermesslichkeit selbst die Flügel der Gedanken ermüden konnte , ein abstossendes , er schreckendes Bild, welches mit Vorbedeutungen von Ge fahr und Trauer umwölkt war. Sie waren ein Vorposten der grossen Armee LOYOLA's , stark in seiner Disciplin , welche nicht nur den Körper und den Willen , sondern den Verstand, das Herz, die Seele und das innerste Ge müth beherrschte . Das Leben dieser ersten canadischen Jesuiten zeugt für den Ernst ihres Glaubens und die Gluth ihres Eifers. Aber es war ein Eifer , welcher von einer leitenden Hand gegängelt, beschränkt und regiert wurde . Ihre wunderbare Erziehung entflammte und beherrschte ihren Enthusiasmus gleichmässig, sie erhob ihn zu mäch tigen Thaten und machte sie in derselben Weise dienst bar , in welcher die neue Wissenschaft die grossen mate riellen Kräfte zu wecken und zu lenken gelernt hat. Sie waren zu einer künstlichen Demuth erzogen, und geneigt, sich in Ausdrücken einer Selbsterniedrigung und Selbst verachtung zu ergehen , welche von denen, welche sie als Heuchelei verurtheilen , vielfach ganz unrichtig aufgefasst werden . Sie waren hingebende Gläubige , nicht nur was die dogmatischen Grundlehren Roms anbetrifft , sondern auch hinsichtlich der mehr untergeordneten Glaubensfra gen , welche von der Ketzerei als nichtssagender kindi scher Aberglaube verachtet werden . Ein grosses Ziel füllte ihr Leben aus . «Für den grössern Ruhm Gottes - ad majorem Dei gloriam » konnten sie handeln oder warten, wagen, leiden oder sterben, und zwar stets in blinder Unterwerfung unter das Gebot ihrer Oberen , in welchen sie die Vertreter der göttlichen Allmacht er blickten .

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Zweites Kapitel . Loyola und die Jesuiten .

LOYOLA's Bekehrung. Gründung der Gesellschaft Jesu . bereitung des Novizen . Charakterzüge des Ordens. canadischen Jesuiten .

Vor Die

Es war ein böser Tag für den neugeborenen Pro testantismus; an welchem ein französischer Artillerist jenen Schuss feuerte, welcher IGNATIUS LOYOLA auf der Bresche von Pampelona hinstreckte . Ein stolzer Edelmann , ein hochstrebender Soldat , ein gewandter Höfling und ein waghalsiger Weltmann wurde durch diesen Schlag in den Schwärmer verwandelt , dessen Hirn die mächtige Gesell schaft Jesu erdachte und gründete. Seine Geschichte ist bekannt : wie in der Einsamkeit des Krankenzimmers eine Veränderung in ihm vorging , welche gleich einem Erd beben alle Kräfte seiner Natur aufwühlte , wie in der Höhle von Manresa sich ihm die Geheimnisse des Him mels offenbarten , wie er aus Seelenangst in Entzücken und aus Entzücken zur Ruhe eines festen Entschlusses gelangte. Der Soldat widmete sich einer neuen Kriegs führung. In der Esse seines grossen Verstandes, erhitzt, aber nicht getrübt durch das glühende Feuer seines Eifers, wurde das ungeheure Werk geschmiedet, dessen Gewalt sich bis an die äussersten Grenzen der Welt fühlbar machte . LOYOLA war am Hofe und im Lager erzogen und wusste von Büchern wenig oder nichts . Er hatte bis her als gläubiger römischer Christ gelebt , ein solcher war er auch im Alter von ungefähr dreissig Jahren , als seine

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Loyola und die Jesuiten .

Bekehrung erfolgte. Dieselbe bewirkte einen Umschwung in seinem Leben und seinen Zielen , nicht aber in seinem Glauben . Er masste sich nicht an , den Lehren der Kir che nachzuforschen , dagegen nahm er sich vor , diese Lehren mit aller Gewalt durchzuführen . Und auf dieses Ziel richtete er alle Fähigkeiten seines mächtigen Verstan des , seine ganze tiefe Menschenkenntniss. Nichts lag ihm ferner als die Bildung nutzloser Gemeinschaften von Mönchen , welche durch Gebet , Busse und Betrachtungen den Himmel erstrebten , er wollte vielmehr die Welt der Gewalt des Dogma's unterwerfen , welches auch ihn über wältigt hatte . So strebte er darnach , ein mächtiges Heer zu bilden und zu erziehen , welches von einem Zweck und einem Geist beseelt , von einem unauslöschlichen Eifer angefeuert oder von einem festen Vorsatz gestählt, und doch von einer einzigen Meisterhand vorwärts ge trieben , zurückgehalten und geleitet wurde . Der Jesuit ist kein Träumer , er ist in erster und letzter Linie ein Mann der That ; die That ist der Endzweck seines Daseins . LOYOLA hatte sich die Lösung einer schwierigen Aufgabe vorgesetzt, er wollte den Menschen seines eigenen Willens berauben und doch in ihm jene Energie wach er halten , ja anspornen , welche ihn zum wirksamsten Werk zeuge seiner grossen Pläne machte . Das Mittel der Er reichung dieser Zwecke war für ihn das Noviziat der Jesuiten Der Enthusiasmus und die Verfassung ihres Ordens . des Novizen wird auf die höchste Spitze getrieben , dann wird er im Namen der Religion aufgefordert zur gänzlichen Verleugnung des Geistes und des Willens , zu Gunsten des Obern , in welchem den Vertreter Gottes auf Erden anzu erkennen ihm befohlen wird . Auf diese Weise bringt der junge Schwärmer kein sklavisches Opfer des Geistes und Willens , ( dies wird ihn wenigstens gelehrt) , denn er opfert sie nicht Menschen , sondern seinem Schöpfer. Für seine Unterwürfigkeit giebt es keine Schranken ; wenn der Obere schwarz weiss nennt , so muss das Gewissen des Novizen sich dabei beruhigen 9. LOYOLA's Buch von den geistigen Uebungen ist wohl bekannt. In ihnen ist der schwierige und schmale Pfad vorgezeichnet , der einzig und allein zum Eintritt in die Gesellschaft Jesu führt. Das Buch ist dem äussern An

Das jesuitische Noviziat.

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scheine nach eine trockene und abergläubische Formellehre , aber in den Händen eines geschickten Gewissensführers hat es sich als erschreckend wirksam bewiesen . In Ein samkeit und Dunkelheit , einen Tag nach dem andern , eine Nacht nach der andern , brütet der Novize über sei nen Bildern des Verderbens und der Verzweiflung . Es wird ihn gelehrt, in der Einbildung das Geheul der Ver dammten zu hören ; ihre krampfhafte Seelenpein zu sehen ; die Flammen zu fühlen , welche brennen , ohne zu verzeh ren ; die Fäulniss der Gruft und die Dünste des höllischen Abgrundes zu riechen . Er muss sich die Schlachtordnung zweier feindlichen Armeen ausmalen , deren eine auf den Ebenen von Babylon vom Teufel geführt wird , deren an dere unter Christus um die Mauern von Jerusalem lagert, und das verwirrte Gemüth , welches durch die lange Be trachtung seiner eigenen Schlechtigkeit gedemüthigt ist , wird aufgefordert, sich einer dieser Fahnen anzuschliessen . Sobald die Wahl getroffen ist, wird der Geist des Novizen in die Gefilde der Ruhe und des himmlischen Friedens geleitet, und mit Darstellungen göttlicher Güte und Gnade beruhigt . Diese Grübeleien dauern ohne Unterbrechung etwa einen Monat. Unter einer schlauen und wohlerfahre nen Führung haben sie sich als so wirksam erwiesen , dass das Handbuch geistiger Uebungen » sich rühmt , mehr Seelen gerettet zu haben , als es Buchstaben enthält . Auf diesen Uebergang folgen zwei Jahre der Disci plin und Vorbereitung , welche vor Allem darauf gerichtet sind, die Tugenden der Demuth und des Gehorsams zu vervollkommnen. Der Novize muss die niedrigsten Haus geschäfte und die widrigsten Pflichten des Krankenzimmers und Hospitals verrichten , ja er wird ausgeschickt, sich wochenlang sein Brod wie der gewöhnlichste Bettler zu erbetteln . Er muss seinem Beichtvater nicht nur alle seine Sünden, sondern auch alle seine verborgenen Neigungen , Triebe und Regungen bekennen , welche die unterschei denden Merkmale des Charakters bilden . Er hat seine Gefährten zu bewachen und diese wieder ihn. Jeder muss berichten , was er von den Handlungen und Gesinnungen des Andern beobachtet. Diese gegenseitige Bewachung hört aber nicht mit dem Noviziat auf, sondern dehnt sich bis an das Ende des Lebens aus . Die Eigenthümlichkei

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Loyola und die Jesuiten .

ten eines jeden Mitgliedes des Ordens werden genau zer legt und methodisch verzeichnet. Diese schreckliche, den edelsten menschlichen Eigen schaften angethane Gewalt verband sich mit dem zwei deutigen Moral-System , welches bedeutende Casuisten des Ordens ihren Schülern einprägten , und musste , wie sich leicht denken lässt , traurige Folgen auf die Charaktere derer ausüben , welche unter ihrem Einfluss standen . Ob diese Behauptung zutreffend ist , möge der Leser der nach folgenden Geschichte selbst entscheiden . Andrerseits lässt es sich ebenso wenig verkennen , dass die Gesell schaft Jesu unter ihren Mitgliedern Männer gezählt hat, deren feurige und überspannte Naturen , ohne erniedrigt zu werden , durch den Druck , dem sie unterworfen waren , noch feuriger und überspannter geworden sind . Die Gesellschaft studirt den Charakter ihrer Mitglie der nicht umsonst so eifrig und auf eine so erschreckende Weise . Sie benutzt ihre Kenntniss nicht nur , um die jenigen , welche sie untauglich , schwach oder unwillig für ihre Zwecke findet , in den Kerker zu werfen oder ganz

auszustossen , sondern um Jedem die Aufgabe anzuweisen , zu welcher seine Talente und Anlagen ihn am Besten be fähigen : dem Einen die Sorge für ein königliches Ge wissen , wodurch er, ungesehen mit seinem Geflüster, die Geschicke von Völkern leiten kann , einem Andern den Unterricht der Kinder, einem Dritten eine gelehrte oder wissenschaftliche Laufbahn , und dem Glühenden und Auf opfernden , zuweilen auch dem Unruhigen und Unfolg samen die ferne Mission für die Heiden . Der Jesuit war und ist überall , im Schulzimmer, in der Bibliothek , in den Kabinetten der Fürsten und Minister, in den Hütten der Wilden , in den Tropen , im kalten Norden , in Indien , in China, in Japan , in Afrika, in Amerika, einmal als christlicher Priester, dann als Sol dat , Mathematiker , Astrologe , dort wieder als Bramine oder Mandarin , unter zahllosen Verkleidungen und mit tausend Künsten der Verlockung, Ueberredung oder des Zwangs für seine Aufgabe thätig, die Seelen in den Schoos Roms zu führen . Vorläufig möge diese schwache Skizze genügen von jenem grossartigen Mechanismus , welcher die Gemüther

Organisation der Gesellschaft Jesu .

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lenkt und beherrscht, von dieser mächtigen Maschine, die ser Harmonie der Widersprüche, diesem moralischen Pro teus , welcher die Erde der Herrschaft einer Idee unter wirft. Eine Abhandlung über die Gesellschaft Jesu würde endlos sein . Kein religiöser Orden hat je so viel Be wunderungswürdiges und Hassenswerthes in sich vereinigt. Ungetheiltes Lob ist seinen canadischen Mitgliedern ge spendet worden . Meine Aufgabe soll nicht sein , sie zu loben , sondern sie so darzustellen , wie sie waren .

Drittes Kapitel. Paul

Le

Jeune .

1632 u . 1633 LE JEUNE's Reisen . Seine ersten Schüler. Seine Studien . Le Winter im Missionshause. Sein indianischer Lehrer. Verstärkungen . JEUNE's Schule.

In einem andern Werke haben wir gesehen , wie die Jesuiten , ihre Vorgänger, die Minoriten - Brüder, verdrän gend, es zu ihrer schweren Aufgabe machten , Neu -Frank reich zum Christenthum zu bekehren . Wir haben ferner gesehen , wie ein Ueberfall der Engländer oder vielmehr Hugenotten , die unter englischem Banner kämpften, eine Zeit lang die elende kleine Kolonie und die mit ihr ver bundene Mission vernichtet hatte , wie Quebec endlich an Frankreich zurückgegeben und wie der abgebrochene Faden des jesuitischen Unternehmens wieder aufgenom men wurde 10. Um diese Zeit schiffte sich LE JEUNE nach der neuen Welt ein . Er befand sich in seinem Kloster in Dieppe, als er den Befehl zur Abreise erhielt. Von unaussprech licher Freude erfüllt ( so ' erzählt er), als Märtyrer zu leben und zu sterben , machte er sich eiligst nach Havre auf den Weg. In Rouen traf er DE NOUÈ und einen Laien bruder, Namens GILBERT , worauf die drei am 18. April 1632 zusammen abfuhren . Die See war stürmisch und rauh ; LE JEUNE wurde jämmerlich seekrank , und das Schiff scheiterte fast in einem Sturme. Endlich kamen sie in Sicht «jenes elenden Landes , » wie der Missionär das Feld seiner künftigen Arbeiten nennt. Im Hafen von

1632. ]

Le Jeune’s Ankunft in Canada .

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Tadoussac traf er zuerst mit den Gegenständen seiner apostolischen Sorge zusammen . Als er mit dem Kapitän in der Schiffskajüte sass , drangen plötzlich zehn bis zwölf Indianer ein, welche er mit Carnevals -Maskirten ver gleicht . Einige hatten ihre Backen schwarz , ihre Nasen blau und den übrigen Theil ihrer Gesichter roth bemalt . Andere waren mit breiten , schwarzen Streifen über den Nasen geschmückt, noch Andere wieder mit auseinander laufenden, schwarzen, rothen und blauen Linien auf bei den Backen gezeichnet . Ihre Kleidung war nicht weniger wunderlich . Einige von ihnen trugen zottige Bärenfelle, die den Priester an die Bilder Johannes des Täufers er innerten . Nachdem LE JEUNE einen vergeblichen Versuch ge macht hatte, eine Anzahl Irokesen zu retten, welche jene Indianer am Ufer lebendig zu verbrennen sich anschick ten, segelte er mit seinen Gefährten weiter und erreichte Quebec am 5. Juli. Wie bereits angeführt, lasen sie im Hause der Frau HÉBERT und ihrer entzückten Familie die Messe und setzten dann ihren Weg nach den beiden Hütten fort, welche ihre Vorgänger am St. Charles er baut hatten und welche von den Engländern so jämmer lich verwüstet worden waren . Hier schlugen sie ihren Wohnsitz auf und gaben sich mit aller ihnen zu Gebote stehenden Erfahrung und Geschicklichkeit an die Wieder herstellung der zerstörten Gebäude und an die Bebauung der wüsten herumliegenden Wiesen. Der Anfang von LE JEUNE's Missionsarbeiten war weder grossartig , noch vielversprechend. Er beschreibt sich , mit einem kleinen Jndianerjungen auf der einen und einem kleinen Neger auf der andern Seite sitzend , welch letztern die Engländer als Geschenk für Frau HÉBERT zurückgelassen hatten . Da keiner die Sprache des andern verstand , machten die Schüler in ihrem Wissen geringe Fortschritte . Es war offenbar erforderlich, dass die Mis sionäre um jeden Preis die Sprache der Algonquins er lernten ; LE JEUNE entschloss sich daher, die Indianer-Lager zu besuchen . Da er hörte, dass eine Bande Montagnais im St. Lorenz zwischen Cap Diamant und der Bucht, welche jetzt den Namen Wolfe's trägt, nach Aalen fischten , so begab er sich an einem Octobermorgen dorthin . Als er 5 PARKMAN , Die Jesuiten in Nord -Amerika.

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Paul Le Jeune.

[ 1632.

mit Mühe und Angst um den Fuss des Vorgebirges herum kletterte, dessen Abhänge, mit losem Felsengeröll bedeckt, an jenem Tage von der hohen Fluth bespült wurden, und sich an dem Stamme eines entwurzelten Baumes fest hielt , zog er denselben um und wäre fast in den Fluss gestürtzt. Er überstand jedoch glücklich diese Gefahr und erreichte bald seinen Bestimmungsort . Zwischen den aus Baumrinde erbauten Hütten dehnten sich unzählige lederne Schnüre , an welchen eine grosse Menge von Aalen zum Trocknen hing. Ein Junge lud ihn in die Hütte einer ver schrumpften Squaw, seiner Grossmutter, welche ihm eiligst vier Aale auf einem Stück Birkenrinde anbot , während die anderen Squaws des Haushaltes ihm zeigten , wie er sie über der heissen Asche an einem gespaltenen Stock rösten müsse . Alle nahmen an der Mahlzeit Theil ; als Servietten dienten seinen Wirthen ihre eigenen Haare oder die ihrer Hunde. In dem Bestreben , seine Kenntniss der Algonquin Sprache zu erweitern , führte LE JEUNE während der ganzen Zeit in gebrochnen Worten und Pantomimen eine Jebhafte Unterhaltung ' !! Diese Art des Lernens war jedoch zu schwierig und brachte zu wenig Nutzen , um oft wiederholt zu werden, SO dass der Missionar eifrig nach stätigerm Unterricht suchte . Ein solcher war aber nicht leicht zu finden . Die Dolmetscher - Franzosen , welche im Interesse der Pelzge sellschaft Jahre lang unter den Indianern gelebt hatten waren den Jesuiten feindlich gesinnt und weigerten sich , ihnen behülflich zu sein. In dieser Verlegenheit dachte LE JEUNE an einen andern Vermittler, dessen Dienst er zu seinen Zwecken in Anspruch nehmen konnte. Ein Indianer, welchen die Franzosen Pierre nannten , war von den Je suiten nach Frankreich gebracht, dort unterrichtet, bekehrt und getauft worden. Er war kürzlich nach Canada zurück gekehrt, wo er zum Entsetzen der Jesuiten in seine alten Gewohnheiten zurückfiel und , ausser ein paar neuen La stern , wenig von seiner französischen Bildung beibehielt. Durch die Hoffnung auf gelegentliche Geschenke von Wein und Tabak angelockt, besuchte er ab und zu das Fort, ver mied aber die Jesuiten , deren strenge Lebensweise ihm Entsetzen einflösste. Da er gut Französisch und India nisch sprach , wäre er für die Priester der Mission als

1632.]

Le Jeune lernt die Sprache der Algonquins .

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Lehrer unschätzbar gewesen. LE JEUNE rief die Hülfe der Heiligen an . Der Erfolg seiner Gebete wurde , wie er uns erzählt, bald sichtbar, indem die Vorsehung direct für ihn eintrat und bewirkte, dass Pierre mit dem franzö sischen Kommandanten Streit anfing , welcher ihm darauf das Fort verschloss . Pierre begab sich dann wieder zu seinen Freunden und Verwandten in den Wäldern , aber nur, um von einer jungen Squaw abgewiesen zu werden , welcher er seine Anträge machte. Seine französische Er ziehung hatte ihn unfähig gemacht , sich mit den Jagden seinen Lebensunterhalt zu verschaffen ; er wandte dess halb seine Schritte nach dem Missionshause und bat die Priester um Nahrung und Obdach . LE JEUNE nahm ihn dankbar auf, als ein ihm vom Himmel auf seine Ge bete gewährtes Geschenk, bestimmte einen Diener im Fort, ihm einen abgelegten Anzug zu geben , versprach ihm Verpflegung und setzte ihn als Lehrer ein. Auf hölzernem Schemel , am ungehobelten Tisch im Speisesaal sitzend , fuhren nun Priester und Indianer in ihren Studien fort. « Wie dankbar , » schreibt LE JEUNE , « bin ich denen, welche mir letztes Jahr Tabak schenkten . Bei jeder schweren Stelle gebe ich meinem Lehrer ein Stück davon , um ihn aufmerksam zu machen 12. » Inzwischen trat der Winter mit einer Strenge ein, die selbst in Canada ungewöhnlich war. Der St. Lorenz und der St. Charles waren hart gefroren ; Flüsse, Wälder und Felder waren alle gleichmässig mit einer blendenden Schneedecke überzogen. Das bescheidene Missionshaus von Notre Dame des Anges war in den Schneemassen halb begraben , welche sich vorn , wo ein Weg hindurch gegraben war, zwei Fuss über die niedrige Dachrinne er hoben. Wenn die Priester des Abends vor dem flam menden Feuer an ihrem weiten Kamin sassen, konnten sie die Bäume des benachbarten Waldes vor Frost krachen hören, als wenn eine Pistole abgeschossen würde. LE JEUNE'S Tinte fror ein , und seine Finger erstarrten , während er sich mit seinen Declinationen und Conjugationen plagte, oder das Vater -Unser fehlerhaft in die Algonquin-Sprache übersetzte . Das Wasser in dem Fass neben dem Feuer gefror jede Nacht , und das Eis musste jeden Morgen mit dem Beil zerschlagen werden. Die Decken der beiden

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Paul Le Jeune .

1632-33.]

Priester waren voller Eiszapfen , die sich aus ihrem ge frorenen Athem bildeten . Das rautenförmige Fensterglas war mit einer dicken Eiskruste überzogen . Bei Tage übten sich LE JEUNE und seine Gefährten in Schneeschuhen und machten unter dem Gelächter der Indianer alle die kleinen Unfälle der Anfänger durch, wie Straucheln, Fallen und Ueberschlagen im weichen Schnee . Ihre Abgeschlossenheit war übrigens durchaus nicht Ein samkeit zu nennen. Auf dem Wege zur Elennthierjagd zogen Banden von Montagnais mit ihren Schlitten und Hunden am Missionshause vorbei. Einmal luden sie DE NOUÈ ein, mit ihnen zu gehen , welcher , nicht weniger begierig als LE JEUNE, ihre Sprache zu erlernen , die Einladung gerne Nach zwei bis drei Wochen kam er wieder, annahm. krank , ausgehungert und halbtodt vor Erschöpfung. LE JEUNE schreibt an seinen Obern : « Von hundert Prie stern könnten nicht zehn dieses Winterleben unter den Wilden aushalten. » Aber was schadet das ? Sie waren nicht so schwach , zu straucheln , denn sie waren nur Werkzeuge in der Hand Gottes , welcher sie nach sei nem Willen benutzen , zerbrechen und bei Seite werfen konnte 14. Ein Indianer schenkte LE JEUNE zu seinem grossen Entzücken zwei kleine Kinder , deren eins er sich sofort bemühte , lateinisch beten zu lehren . Als die Jahreszeit milder wurde, nahm die Zahl seiner Schüler zu, denn so bald eine Gesellschaft Indianer in der Nähe ihr Lager aufschlug, stellte der Missionar sich an der Thür seiner Hütte auf und läutete wie Xavier in Goa. Diese Klänge lockten eine Schaar von Kindern zu ihm ; er führte die selben in den Speisesaal , der als Schulzimmer diente , lehrte sie das Vater-Unser, das Ave Maria und das Credo nach sprechen , erklärte das Geheimniss der Dreieinigkeit, zeigte ihnen das Zeichen des Kreuzes und liess sie ein indiani sches Gebet wiederholen , welches er gemeinschaftlich mit PIERRE aufgesetzt hatte , dann folgte der Katechismus, und die Stunde schloss mit dem Absingen des Vater - Unsers, welches der Missionar in Algonquin-Reime übersetzt hatte . Wenn Alles vorbei war, wurden die Schüler, um sich ihres Besuches beim nächsten Läuten zu versichern , mit einem Napf voll Erbsen belohnt 15.

1633.]

Champlain , Rückkehr nach Quebec .

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Es war gegen Ende Mai, als die Priester eines Mor gens einen Kanonenschuss vom Fort vernahmen und durch die Nachricht erfreut wurden , dass SAMUEL DE CHAMPLAIN angekommen sei, um den Oberbefehl in Quebec wieder zu übernehmen , und dass er noch vier Jesuiten mitgebracht habe — BRÉBEUF, MASSE , DANIEL , Davost 16. BRÉBEUF wandte sein Augenmerk sogleich nach dem fernen Lande der Huronen , einem Arbeitsfeld voll Gefahr, aber reich an Hoffnung und Verheissung. LE JEUNE hielten seine PAichten als Oberer von so fernen Wanderungen zurück . Sein Apostelamt musste sich vorläufig auf die herumstrei fenden Horden der Algonquins beschränken, welche sich in den Wäldern des untern St. Lorenz herumtrieben und deren Sprache er so unverdrossen studirt hatte. Seine Schwie rigkeiten waren vor kurzem dadurch gewachsen , dass sich PIERRE bei der herannahenden , ihm verhassten Fasten zeit entfernt hatte. MASSE brachte aus Tadoussac Nach richt von ihm, wo ihm eine Gesellschaft Engländer Schnaps gegeben und dadurch die letzte Spur von LE JEUNE's Er mahnungen zerstört hatte . « Gott verzeihe denen , » schreibt der Pater, « welche die Ketzerei in dieses Land gebracht haben . Wenn dieser von den Ketzern verderbte Wilde nur etwas Verstand hätte , so würde er der Ausbreitung des Glaubens grosse Hindernisse bereiten . Es ist klar, dass er uns nicht gegeben wurde , um seine Seele zu retten, sondern nur zu dem Zweck, dass wir die Grund sätze seiner Sprache aus ihm herausbrächten 17. » PIERRE hatte zwei Brüder. Einer , ein Jäger, hiess MESTIGOIT , der andere war der berühmteste Medizin Mann oder, wie die Jesuiten ihn nannten , Zauberer des Stammes der Montagnais . Es war ebenso ihre Gewohn heit , wie die ihrer Landsleute , im Herbste nach dem Schluss der Aalfischerei sich auf ihre Winterjagden zu be geben. Trotz der Erfahrungen De Novè's war es schon lange LE JEUNE's Absicht gewesen , eine dieser herum streifenden Banden zu begleiten , theils in der Hoffnung, dass er in einer Stunde der Noth ihre Herzen rühren oder durch einen zeitgemässen Tropfen des Taufwassers ein sterbendes Kind in's Paradies befördern könne , haupt sächlich aber in der Absicht, sich ihre Sprache anzueignen . PIERRE hatte sich wieder seinen Brüdern zugesellt. Als

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Paul Le Jeune.

[ 1633.

die Zeit der Jagd herannahte , baten sie alle den Missio nar, sich ihnen anzuschliessen , nicht, wie er dachte, aus persönlicher Zuneigung, sondern einzig und allein wegen der Vorräthe , mit welchen er sich , wie sie nicht be zweifelten, reichlich versehen würde. LE JEUNE, der dem . Zauberer nicht traute , zögerte anfangs , entschloss sich aber endlich doch mitzugehen .

Viertes Kapitel . Le Jeune und die Jäger. 1633–1634 . Das erste Lager. LE JEUNE schliesst sich den Indianern an. Die Indianer Waldleben im Winter. Der Abtrünnige. Seine Verfolgung des Priesters . Hütte . Der Zauberer. Zaubersprüche . Weih Magie. Schlechte Gesellschaft. Rück Hoffnungen auf Bekehrung. Hungersnoth. nachten . Seine Rückkehr. Gefahr und Rettung LE JEUNE's . fall. 2

An einem Morgen gegen Ende October schiffte sich LE JEUNE mit den Indianern ein. Es waren ihrer im Ganzen zwanzig, Männer, Frauen und Kinder ; sonst aber gehörte kein andrer Franzose zur Gesellschaft. CHAM PLAIN sagte dem Missionar ein banges Lebewohl und em pfahl ihn der Sorge seiner rothen Gefährten , welche die Aufsicht über seinen Vorrath von Zwieback, Mehl , Korn, Pflaumen und Rüben auf sich genommen hatten. Auf den unglücklichen Rath seiner Freunde hin hatte er diesem Vor rath ein Fässchen Wein zugefügt. Die Canots glitten an den : bewaldeten Ufern der Insel Orléans vorbei und lan deten gegen Abend an einer der kleinen , unmittelbar unter ihr liegenden Inseln. LE JEUNE war entzückt über den Platz und die wilde Schönheit des herbstlichen Son nenuntergangs . Er wurde aber bald in seinen Betrachtungen gestört. Während die Squaws die Hütten aus Baumrinde aufrich teten und MESTIGOIT wilde Vögel zum Abendessen schoss, > Wein an und fiel bald hülflos betrunken in den Schmutz . Durch das nasse Bad wieder zu sich gekommen, erschien er fuchend wieder im Lager , warf die Hütten nieder,

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Le Jeune und die Jäger.

[1633

stiess die Kessel um und jagte die kreischenden Squaws in den Wald. Sein Bruder MESTIGOIT zündete das Feuer von Neuem an und hing' den Kessel auf, als PIERRE, der während der Zeit wie ein Wahnsinniger am Ufer gerast hatte , in Wuth wieder zu der Stelle taumelte , um seine vorige Heldenthat zu wiederholen. MESTIGOIT kam ihm indess zuvor , riss den Kessel vom Feuer und schüttete ihm dessen siedenden Inhalt in's Gesicht. « In seinem ganzen Leben war er noch nie so gut gewaschen wor den, » sagte LE JEUNE , « er verlor alle Haut von seinem Gesicht und seiner Brust. Wollte Gott , sein Herz wäre auch so gewaschen worden ! 18. » Er brüllte in seiner Raserei nach einem Beil, um den Missionar zu . tödten, der es darum für gerathen hielt , die Nacht in dem be nachbarten Walde zuzubringen. Hier streckte er sich auf die Erde, während ihn eine mitleidige Squaw mit einer Decke von Birkenrinde zudeckte . « Trotzdem mein Bett seit der Erschaffung der Welt nicht gemacht worden war, » schreibt er, « war es doch nicht hart genug, um mich am Schlafen zu hindern . » Dieser Art war seine Einführung in das indianische Winterleben. Wir übergehen nunmehr zahlreiche Aben teuer zu Wasser und zu Lande und finden die Gesell schaft am 12. November , wie sie ihre Canots auf einer Insel lässt und bei Ebbe über die Untiefen nach dem südlichen Ufer des St. Lorenz an's Land watet. Da zwei andere Banden sich ihnen angeschlossen hatten , war ihre Zahl auf fünfundvierzig Personen gestiegen . Den Fluss hinter sich lassend , betraten sie die rauhen Hochlande, in welchen die Quellen des St. John entspringen , eine mit dichten , endlosen Wäldern bedeckte Wildniss von unwirthbaren Bergrücken, in welche, ausser diesen elenden Wanderern und hier und da einer ebenso elenden, ihnen verwandten Bande , kein menschliches Wesen noch je seinen Fuss gesetzt hatte . Der Winter hatte begonnen, und schon war die todte Natur in ein weisses Leichen gewand gehüllt ; Seen und Teiche waren zugefroren , Bäche versiegt, Ströme von Eiszapfen eingefasst , die schwarzen Felsen und die schwarzen Stämme der Fichten mit Schnee bedeckt , dessen schwere Massen die todten grünen Zweige in die unter ihnen zusammengewehten

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Waldleben im Winter.

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Schneehaufen hinabdrückten . Der Wald war still wie das Grab. Durch diese trostlose Landschaft zogen die Indianer in langen Reihen , alle auf Schneeschuhen , jeder Mann , jede Frau, und jedes Kind sich unter einer schweren Last beugend, oder einen schmalen, aber ungeheuer lan Sie führten auf ihren Rücken gen Schlitten ziehend. oder auf ihren Schlitten ihren ganzen Reichthum mit sich, Kessel, Beile, Ballen von Fleisch, wenn sie welches hatten , und grosse Rollen Birkenrinde zur Bedeckung ihrer Wigwams . Der Jesuit war gleich den übrigen be laden . Nur die Hunde streiften ohne Last durch die Schneefelder. Es gab hier weder Pfad , noch ebenen Bo den . Herabsteigend, kletternd, sich unter halb gefallenen Bäumen bückend , über Haufen von gestürzten Bäumen klimmend , sich durch durchwachsene Cedernsümpfe ar beitend , durch kalte Schluchten sich windend , und über kaum mehr sichtbare Ströme setzend, schleppten sie sich Dann erst schlugen fort, bis gegen Sonnenuntergang. sie ihr Lager auf, warfen ihre Lasten nieder und packten ihre Schlitten ab 19. Die Squaws schnitten mit Messern und Beilen lange Stangen von Birken und Fichtenschöss lingen , während die Männer, die Schneeschuhe als Schau feln benutzend , einen runden oder viereckigen Raum im Schnee freilegten , welcher eine aufrechte Mauer von 3 bis 4 Fuss Höhe bildete und den Raum für das Wigwam einschloss . An einer Seite wurde ein Durchgang für den Eintritt offen gelassen, die Stangen aber wurden auf dem Schneewall so befestigt, dass sie oben schräg zusammen liefen. Diese Stangen bedeckten die Indianer mit Lagen von Birkenrinde und hingen eine Bärenhaut als Thür vor den Eingang. Den nackten Boden im Innern aber und den umgebenden Schnee bestreuten sie mit Fichtenzwei gen . Damit war das Werk gethan. Diese Arbeit nahm gewöhnlich drei Stunden in An spruch , während welcher der durch's Reisen ermattete und durch die ungewisse und ungewohnte Nahrung ge schwächte LE JEUNE die Wahl hatte , unthätig zuzusehen und zu frieren oder an einer Thätigkeit theilzunehmen , welche seinen erschöpften Körper ermüdete, ohne ihn zu erwärmen. Des Zauberers Frau war in einer noch schlim

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Le Jeune und die Jäger.

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mern Lage . Obgleich sie sich im letzten Stadium einer tödtlichen Krankheit befand, liess man sie im Schnee lie gen , bis das Wigwam gemacht war , ohne dass sie ein Wort der Beschwerde oder Klage dagegen vorbrachte . Zum grossen Verdruss ihres Mannes brachte LE JEUNE oft die Zwischenzeit mit Bekehrungsversuchen bei ihr zu ; sie zeigte sich jedoch unzugänglich und starb bald un getauft. In diesem Lager blieben die Indianer so lange , als im Umkreise von zehn bis zwölf Meilen noch Wild zu schies . sen war , und dann erst , wenn dieses Lebensmittel aus ging , wanderten sie an einen andern Ort. Im Anfang des Winters jagten sie den Biber und das canadische Stachelschwein , später, als der hohe Schnee lag , hetzten sie das Elennthier und das Caribou (canadisches Elenn thier) . Schieben wir die Bärenhaut bei Seite und treten wir in die Hütte ein ! Hier waren auf einen Raum von drei zehn Quadratfuss neunzehn Wilde zusammengepfercht, Männer , Frauen und Kinder , welche mit ihren Hunden auf der Erde kauerten , hockten , wie Igel zusammenge rollt waren oder mit senkrecht in die Höhe gezogenen Knieen auf dem Rücken lagen , um ihre Füsse aus dem Feuer zu halten . Der stets methodische LE JEUNE theilt. die Beschwerden, welche von dem rauhen Aufenthalt un zertrennlich sind, in vier Hauptkapitel : Kälte , Hitze, Rauch und Hunde . Das Birkendach war voller Risse , durch welche der eisige Zugwind von allen Seiten auf ihn ein drang. Das Loch über seinem Lager aber, welches gleich zeitig als Schornstein und Fenster diente , war so gross, dass er durch dasselbe die Sterne ebensogut wie im Freien beobachten konnte. Während das Feuer in der Mitte, welches durch grosse Fichtenkloben genährt wurde, ihn auf der einen Seite briet, hatte er Mühe, sich auf der andern vor'm Erfrieren zu bewahren. Zu Zeiten jedoch schien die vollgedrängte Hütte bis zur Temperatur eines Ofens erhitzt zu werden . Aber diese Uebel waren gering im Vergleich zur unerträglichen Plage, welche der Rauch Während der Schneegestöber , und auch verursachte . oft zu andern Zeiten , durchdrangen Dünste das Wigwam , welche so erstickend und beissend waren , dass alle In

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Die Indianer-Hütte .

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sassen , um athmen zu können , sich flach auf die Ge sichter legen und ihren Mund in Berührung mit der kal ten Erde bringen mussten. Ihre Kehlen und Nasen brannten wie Feuer und aus ihren versengten Augen flossen Thränen . Als LE JEUNE lesen wollte , schienen ihm die Buchstaben seines Breviers mit Blut gedruckt zu sein . Die Hunde waren ein wenigstens nur gemischtes Uebel, denn indem sie auf und um den Missionar schlie fen , hielten sie ihn warm , andrerseits aber , als Entgelt für diesen Liebesdienst , gingen , liefen und sprangen sie über sein Lager, rissen das Essen aus seinem Birkennapf, oder stiessen hie und da , in einem wilden Anlauf nach einem Knochen oder weggeworfenen Bissen , den Mis sionar und den Napf um. Zu Zeiten verliess dieser gegen Abend diese schmu tzige Höhle, um sein Brevier in Frieden beim Schein des Mondes zu lesen . Im Walde ringsum hörte man das schrille Krachen der vom Frost gespaltenen Bäume, und vom Horizont nach dem Zenith schossen die stillen Strahlen jener Nordlichter , in deren unstäten Blitzen die von heiliger Scheu ergriffenen Indianer das Tanzen der Geister der Verstorbenen sahen. Die Kälte drang LE JEUNE bis in's Mark der Knochen, so dass er nach ver richteter Andacht vor Frost zitternd zurückkehrte. Durch die Ritzen und Spalten sandte die erleuchtete Hütte lange Streifen von Licht in die Dunkelheit , quer über die ver schlungenen Zweige . Er bückte sich und trat ein . Innen glühte Alles um die flammenden Fichtenkloben herum, roth und feurig , wo , gleich Bestien in ihrem Schmutze, die wilde Gesellschaft zusammenlag. Er schritt über lie gende Körper, über die mit Gamaschen und Mocassins bekleideten Glieder hinweg, nach seinem Platze und setzte sich auf den Teppich von Fichtensprossen . Hier erwartete ihn ein Leiden , welches dem Elend des Winterquartiers die Krone aufsetzte , schlimmer , wie er sagt, als Kälte, Hitze und Hunde . Wir haben gesehen , dass von den drei Brüdern , welche LE JEUNE zur Mitreise aufgefordert hatten , der eine der Jäger MESTIGOIT , der zweite der Zauberer und der dritte PIERRE war , welchen LE JEÚNE , da er dem christlichen Glauben untreu geworden , immer als den

76 Abtrünnigen

Le Jeune und die Jäger. anführt.

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Er war ein schwachköpfiger

In

dianer, der ganz unter dem Einfluss seines Bruders, des Zauberers, stand, welcher letztere, wenn nicht lasterhafter, jedenfalls viel entschlossener und verschlagener war. Wegen des Gegensatzes ihrer beiderseitigen Berufe, hasste der Zauberer den Priester, welcher keine Gelegenheit vor übergehen liess, seine Zaubersprüche zu verdammen, und der sein ewiges Singen und Trommeln als Kinderei ver spottete . Da der Zauberer nur ein unbedeutender Jäger war und sein Unterhalt in Folge einer schweren Krank heit von seinem Ansehn als Zauberer abhing, verletzte LE JEUNE, indem er dieses Ansehn untergrub, nicht nur seinen Stolz , sondern setzte ihn auch der Gefahr aus , seines Desshalb be täglichen Brodes verlustig zu werden 20. nutzte der Indianer auch jede Gelegenheit, um den Spott seines Nebenbuhlers zu erwidern. Beim Aufbruch hatte er LE JEUNE seinen Beistand in der Erlernung der Al Indem er aber die dem gonquin -Sprache angeboten. Vater BIARD gespielten schlechten Witze der Acadier nachahmte ? ', gab er ihm heimtückischer Weise die ge meinsten Worte der Sprache, als gleichbedeutend mit den höchsten geistigen Begriffen an . So kam es , dass der Missionar, wenn er dem versammelten Wigwam einen christlichen Glaubenssatz erklären wollte , durch schallen des Gelächter der Männer , Kinder und Squaws unter brochen wurde. Wenn LE JEUNE sich dann nach seinem Platze im Kreise begab, sah der Zauberer ihn mit seinen boshaften Augen an und begann jene Art rohen Spottes , welche den Leidenskelch des Jesuiten zum Ueberfliessen füllte . Alle folgten seinem Wink und machten ihren be klagenswerthen Gast zur Zielscheibe ihrer geistlosen Er hat ein Hundegesicht ! Witzeleien. « Seht ihn an ! Er hat einen Sein Kopf sieht aus wie ein Kürbis ! Bart wie ein Kaninchen ! » Der Missionar hielt diese und zahllose ähnliche Angriffe schweigend aus , man quälte ihn oft so , dass er ganze Tage lang kein Wort sprach, um nicht seinen Peiniger herauszufordern 22. LE JEUNE , der eine ausgezeichnete Beobachtungs gabe hatte , kannte seine rothen Gefährten schon ge nügend, um zu wissen, dass ihre Ungezogenheit nicht un bedingt auf bösen Willen schliessen liess . Dem übrigen

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Der Zauberer.

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Theil der Gesellschaft ging es nicht viel besser. Sie ver spotteten und verhöhnten einander unaufhörlich mit eben so wenig Nachsicht und eben so wenig Bösartigkeit, wie 2 eine Schaar ausgelassener Schuljungen 3 . Keiner nahm etwas übel , und wer es that, der setzte sich unverhohle nem Hohne aus . Dieser zusammengewürfelte Haushalt var ein Muster der Eintracht. Freilich hatten sie keine Liebe und Rücksicht für Kranke und Schwache, aber im Uebrigen theilten sie Alles mit einander , Freude und Leid . Der Hunger des Einen bedeutete Hunger für die ganze Gesellschaft, und das kleinste Mahl wurde gerecht in gleiche Theile vertheilt. Vorwürfe hörte man nie . Sie ertrugen ihre gegenseitigen Schwächen mit wunderbarem Gleichmuth , und während sie LE JEUNE mit beständigen Bitten um Tabak und Alles , was er sonst hatte, verfolg ten , bettelten sie nie untereinander. Wenn das Feuer gut brannte und die Nahrung reich lich war , fand das , was sie Unterhaltung nannten , kein Ende. Die Indianer fuchten nicht, da ihre Sprache keine Flüche kannte, ohne Zweifel, weil ihre Mythologie keine genügend ausgeprägten Wesen enthielt, bei deren Namen sie schwören konnten . Ihre Ausrufe waren gemeine Worte, deren sich Männer, Frauen und Kinder gleichmässig mit einer Häufigkeit und Frechheit bedienten , über welche der Priester erstaunt und entsetzt war 24. Noch weniger ge fiel ihm ihre körperliche Stellung und Lage, bei welchen sie nur auf ihre Bequemlichkeit bedacht waren. So lag der Zauberer am Abend , wenn das Wigwam zum Er sticken heiss war , fast nackt auf seinem Rücken , das rechte Knie aufrecht gestellt, das linke Bein darüber ge kreuzt , und hielt der Gesellschaft eifrig Reden , während diese ihrerseits ihm in kaum weniger weit vom Anstand entfernten Stellungen zuhörte . Es gab einen Punkt, über den LE JEUNE und seine Jesuitenbrüder ihre Zweifel nicht zu lösen vermochten . Waren die indianischen Zauberer blosse Betrüger , oder waren sie wirklich mit dem Teufel im Bunde ? Dass die Teufel, welche dies Land der Finsterniss besassen , ihre Gewalt durch unmittelbare und mächtige Thaten den elenden Bewohnern fühlbar machten , darauf kann man, so meint LE JEUNE, mit gutem Grunde schliessen , zumal

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es eine allgemein bekannte und von verschiedenen Reisen den bezeugte Thatsache ist , dass die Dämonen , welche Brasilien bewohnen , die Eingeborenen dieses Landes grau sam schlagen und anderweitig quälen . « Ein glaubwürdiger Franzose , » fährt der Pater fort, « hat mir erzählt, dass er mit eigenen Ohren die Stimme des Unholdes und das Geräusch der Hiebe hörte , welche er seinen elenden Sklaven ertheilte , und darüber hat man mir eine merk würdige Thatsache berichtet, dass nämlich der Teufel, wenn ein Katholik sich nähert , flieht und die Unglück lichen nicht mehr schlägt, während er in Gegenwart eines Hugenotten nicht aufhört, sie zu prügeln 25. » Während er also geneigt war , an die unmittelbare Gegenwart unterweltlicher Mächte zu glauben , beobachtete LE JEUNE den Zauberer unaufhörlich , um in seinen Be schwörungen die Zeichen eines ächten diabolischen Bei standes zu entdecken . In seinen Beobachtungen gelangte er jedoch zu einem andern Ergebniss , und er konnte in seinem Nebenbuhler nichts entdecken, als die verächtliche Vereinigung des Betrügers und des Betrogenen. Der Zauberer glaubte an die Wirksamkeit seiner eigenen Zau berei und sang und trommelte fortwährend, um sich von seiner Krankheit zu heilen. Gegen Ende des Winters er krankte LE JEUNE, und in seinem Schmerz und seiner Schwäche unterlag er fast dem nächtlichen Gelärme des Zauberers , der eine Stunde nach der andern ohne Gnade sang und trommelte . Zuweilen schrie er mit voller Kraft seiner Stimme , dann zischte er wie eine Schlange , oder schlug seine Trommel wie wahnsinnig gegen die Erde, sprang auf und tobte , die Frauen und Kinder zur Mit hülfe auffordernd , im Wigwam herum . Dann folgte ein abscheuliches Getöse, da jede Kehle sich bis auf's Aeusserste anstrengte und Alle , um den Lärm zu vergrössern , mit Stöcken oder ihren Fäusten auf die Rinde der Hütte schlugen : natürlich nur in der barmherzigen Absicht, dem Zauberer im Beschwören der Krankheit beizustehen , oder den bösen Geist auszutreiben, welcher sie verursacht hatte . Der Zauberer hatte einen feindlichen Nebenbuhler, welchen er anklagte, durch Zaubermittel die ihm anhaftende Krankheit hervorgerufen zu haben , wesshalb er bekannt machte , dass er ihn tödten werde . Da sein Rival in

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Indianische Magie .

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Gaspé, hundert Meilen weit weg wohnte , so scheint die augenblickliche Ausführung der Drohung schwierig ge wesen zu sein ; allein die Entfernung war für die Rache des Zauberers kein Hinderniss. Er befahl allen Kindern und allen Frauen, mit Ausnahme einer einzigen, das Wig wam zu verlassen, und setzte sich mit der einen zurück gebliebenen Frau in die Mitte auf die Erde , während die Männer, in Gemeinschaft mit den aus benachbarten Wig wams Herbeigekommenen , sich im Kreise um sie lagerten. MESTIGOIT, des Zauberers Bruder, brachte dann die Be schwörungsmittel herbei. Sie bestanden aus einigen klei nen Holzstückchen, einigen Bogenspitzen , einem zerbroche nen Messer und einem zerbrochenen Haken , welche er alle in ein Stück Haut wickelte. Hierauf erhob sich das Weib und ging hinter dem Kreise der Männer um die Hütte herum . Dann gruben MESTIGOIT und der Zauberer mit zwei spitzen Pfählen ein grosses Loch , während die ganze Gesellschaft mit betäubendem Lärm sang , trommelte und heulte . Als das Loch fertig war, wurden die in die Haut gewickelten Beschwörungsmittel hineingeworfen . PIERRE , der Abtrünnige , brachte darauf dem Zauberer ein Schwert und ein Messer , mit welchen dieser sofort in das Loch sprang Indem er aus voller Kraft seiner Lungen kreischte , hackte und stach er mit wüthenden Geberden auf das Beschwörungsmittel. Endlich hörte er auf, zeigte das mit Blut befleckte Schwert und Messer , verkündete, dass er seinen Feind tödtlich verwundet habe, und fragte ,', ob Niemand seinen Todesschrei gehört habe ? Da die Ge sellschaft selbst zu sehr mit Lärm-Machen beschäftigt ge wesen war, um auf irgend ein anderes Geräusch zu ach ten, so antwortete Niemand, bis endlich zwei junge Män ner erklärten, sie hätten, wie aus weiter Entfernung, einen schwachen Schrei gehört , worauf die ganze Bande ein Glückwunsch- und Triumphgebrüll erhob 26. In einer der benachbarten Hütten wohnte ein junger Prophet oder Wahrsager, welchen der Zauberer wegen der Wiederherstellung seiner Gesundheit um Rath fragte. Diese Wahrsagerhütte war aus fünf oder sechs aufrechten Pfählen erbaut, welche in einem Kreise gepflanzt und mit einer Decke bedeckt waren. Der Prophet versteckte sich im Innern. Nachdem eine lange Zeit hindurch ge

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Le Jeune und die Jäger.

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sungen worden war , kündigten die Geister mit den ge wöhnlichen kreischenden Lauten, die aus den Winkeln des geheimnissvollen Zeltes kamen , ihre Gegenwart an . Ihre Antworten waren nicht ungünstig , und der Zauberer schöpfte bedeutenden Trost aus den Anrufungen seines betrügerischen Collegen 27. Neben seinen unaufhörlichen Versuchen , LE JEUNE zu ärgern , suchte ihn der Zauberer auch öfters zu er schrecken . Bei einer Gelegenheit, als auf eine lange Zeit des Hungers eine erfolgreiche Jagd gefolgt war, hatte sich die ganze Gesellschaft versammelt, um eine jener schwel gerischen Festlichkeiten zu begehen, die in solchen Fällen bei ihnen gebräuchlich waren , und bei welchen eine unglaub liche Gefrässigkeit entwickelt wurde . Während die Gäste erwartend dasassen , und als die Squaws eben die Mahl zeit aufsetzen wollten , sprang der Zauberer plötzlich auf und rief, dass er verrückt geworden sei und dass man alle Beile und Messer vor ihm verbergen solle, da er das Bedürfniss fühle , Jemanden zu tödten . Indem er seine rollenden Augen auf LE JEUNE richtete , fing er an , tolle Bewegungen zu machen und wild zu schreien, setzte sich dann hin und stierte stumm und bewegungslos in die leere Luft. Nach einer kurzen Pause begann er auf die selbe Weise zu schreien, stürzte aus der Hütte und wieder hinein, und indem er einen der stützenden Pfähle ergriff, zerbrach er ihn wie in unbezwinglicher Wuth . Der Mission nar erschrak zwar , doch las er sein Brevier ruhig weiter, Als jedoch am nächsten Morgen der Zauberer wieder den Wahnsinnigen spielte, fürchtete der Priester, dass er wirka lich von einer plötzlichen Gehirnkrankheit befallen sein könne ; er ging daher zu ihm hin und fühlte seinen Puls, den er, wie er sagte, kalt wie einen Fisch fand . Der an geblich Wahnsinnige sah ihn erstaunt an , gab seinen Ver such , ihn zu erschrecken, auf, und wurde wieder ganz ver ständig 28 Der unaufhörliche Lärm der Trommel des Zauberers und die eintönige Wiederholung seiner ärztlichen Gesänge beraubten LE JEUNE allen Schlafes, wesshalb er die ihm dadurch gewordene Musse zu Bekehrungsversuchen des Zauberers benutzte . « Ich fing damit an , » sagte er, « ihm grosse Zuneigung zu zeigen , indem ich Lobeserhebungen

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Weihnachten .

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als Lockspeise benutzte , welche ihn in das Netz der Wahr heit führen sollte 29. » Der Indianer fand zwar Gefallen an des Paters Schmeicheleien, liess sich durch sie aber weder fangen noch versöhnen. Für nichts wurden seine Zauberkünste mehr in An spruch genommen, als für die erfolgreiche Jagd , welche deswegen von der grössten Wichtigkeit war , weil das Leben der ganzen Gesellschaft von ihr abhing. Oft kamen jedoch die Indianer mit leeren Taschen zurück, und einen, zwei oder drei aufeinanderfolgende Tage war keine andere Nahrung zu haben, als Baumrinde oder Stücke Leder. So lange der Tabak reichte , trösteten sie sich mit ihren Pfeifen, welche selten von ihren Lippen kamen . «Unglück liche Ungläubige, » schreibt LE JEUNE, « welche ihr Leben in Rauch , ihre Ewigkeit in Flammen zubringen ! » Gegen Weihnachten wurde ihre Lage verzweifelt. Biber und Stachelschweine wurden immer seltener , und zur Elennthierjagd lag der Schnee nicht tief genug. Tag und Nacht klangen die Medizintrommeln und Lieder aus den Wigwams und verbanden sich schaurig mit dem Wim mern verhungernder Kinder. Die Jäger wurden schwach und abgezehrt. Als die Wanderer sich nach einem ein samen Marsch wieder in dem leblosen Walde niederliessen , erinnerte sich der Priester, dass es Weihnachtsabend war. « Der Herr gab uns, » berichtet der Missionar, « zum Abend essen ein Stachelschwein , so gross wie ein kleines Ferkel , und ein Kaninchen . Es war freilich nicht viel für acht zehn Personen , aber die heilige Jungfrau und Sanct Jo seph , ihr erlauchter Gemahl , genossen an diesem Tage im Stalle von Bethlehem keine so gute Mahlzeit 30 ,» Am Weihnachtstag kamen die verzweifelnden Jäger, welche schon wieder erfolglos gewesen waren , zu LE JEUNE , um Hülfe von ihm zu erflehen . Selbst der Ab trünnige war zahm geworden , und der ausgehungerte Zau berer zeigte sich bereit, zu erproben, welche Wirksamkeit die Anrufung der Gottheit seines Nebenbuhlers haben würde. Eine freudige Hoffnung belebte den Missionar. Er setzte zwei Gebete auf und übertrug sie mit Hülfe des reuigen PIERRE in die Algonquin - Sprache. Dann be festigte er ein Tuch an die Seite der Hütte , hing ein Crucifix und ein Reliquienkästchen darauf und veranlasste 6 PARKMAN, Die Jesuiten in Nord-Amerika.

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Le Jeune und die Jäger.

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die Indianer , mit gefaltenen Händen davor zu knieen. Er las eins der Gebete , liess die Indianer das andre nachsprechen , in welchem sie versprechen mussten , ihrem Aberglauben zu entsagen und Christus, dessen Bild sie vor sich sahen, zu gehorchen , wenn er ihnen Speise gebe und sie vor dem Untergang bewahre . Als sie ihr Wort gegeben hatten , entliess er die Jäger mit einem Segen . Am Abend brachten sie Beute genug mit , um die augen blickliche Noth zu lindern. Ueberall herrschte Fröhlichkeit, die Kessel wurden aufgesetzt, und die Schwelger versam melten sich. LF JEUNE erhob sich, um zu sprechen ; aber PIERRE, der nichts geschossen hatte und darum schlechter Laune war , sagte lachend , das Crucifix und das Gebet habe nichts mit ihrem Glück zu thun, während der Zau berer, dessen Neid sich , bei der Aussicht auf Befriedigung seines Hungers , wieder regte , dem Missionar zurief : « Halt Dein Maul ! Du hast keinen Verstand ! » Wie gewöhn lich folgten alle seinem Beispiel . Sie fielen mit gierigem Jubel über die Mahlzeit her , und der enttäuschte Priester sass still und niedergeschlagen dabei. Vor Beginn des Frühlings trat die Gefahr des Ver hungerns wiederholt ein . Ihre Lage war übrigens keine Ausnahme von der Regel . Es war das gewöhnliche Win terleben aller dieser nördlichen Stämme , welche den Bo den nicht bebauten und sich nur vom Jagen und Fischen nährten . Das Verlassen oder die Tödtung der Alten, Schwa chen und Kranken , gelegentlicher Kannibalismus und häufiger Hungertod waren die natürliche Folge einer Exi stenz, welche während der Hälfte des Jahres nur ein ver zweifelter Kampf mit den nothwendigsten Bedürfnissen des Lebens war und unter den traurigsten Verhältnissen der Noth , des Leidens und der Entbehrung geführt wer den musste. Nachdem sie fünf Monate lang in Wäldern und Ber gen umhergestreift war , unternahm die Gesellschaft An fangs April ihren letzten Marsch, kehrte an die Ufer des St. Lorenz zurück und watete zu der Insel , wo sie ihre Canots versteckt hatte. LE JEUNE war krank und er schöpft, und MESTIGOIT erbot sich , ihn in seinem Canot nach Quebec zu bringen . Dieser Indianer war bei wei

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Gefahr und Rettung Le Jeune's .

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tem der beste der drei Brüder , und sowohl PIERRE wie der Zauberer baten ihn um Unterstützung. Er war stark , behend und muthig , ein geübter Jager und geschickter Ruderer. LE JEUNE nahm das Anerbieten gern an und schiffte sich mit ihm und PIERRE auf dem düstern wilden Flusse ein. Nach einer beschwerlichen Reise , während welcher das Canot durch das schwimmende Eis fast zu Atomen zerschmettert worden wäre , landeten sie sechs Meilen von Quebec auf der Insel Orléans . . Der Nachmit tag war stürmisch und dunkel und der Fluss mit Eis be deckt , welehes mit der Fluth vorbeiströmte . So sahen sie sich gezwungen , ein Lager aufzuschlagen . Um Mitter nacht, als der Mond aufging, wurde der Fluss verhältniss mässig freier, so dass sie sich wieder einschiffen konnten . Der Wind aber nahm bald wieder zu , und die Wellen bäumten sich wüthend. Nur die Geschicklichkeit und der Muth MESTIGOIT'S retteten sie. Endlich sahen sie den Felsen von Quebec durch die Finsterniss ragen , aber Haufen von Eis schlossen das Ufer ein , während schwim mende Massen den tobenden Strom hinuntergetrieben wurden . Der Indianer passte den günstigen Moment ab, lenkte sein Canot hindurch, erreichte das feste Eis, sprang heraus und rief seinen Gefährten zu , ihm zu folgen . PIERRE kletterte hinauf, aber das Eis ragte sechs Fuss aus dem Wasser, und LE JEUNE's Kraft versagte ihm. Er rettete sich dadurch, dass er die Knöchel MESTIGOIt's er griff, mit dessen Hülfe er oben festen Fuss fasste. Einen Augenblick sahen sich die drei Reisenden , überwältigt von der Grösse der überstandenen Gefahr, schweigend an . Um drei Uhr in der Nacht klopfte LE JEUNE an die Thüre seines niedrigen kleinen Klosters am St. Charles . Die Väter erwachten aus dem Schlafe und umarmten mit inniger Freude ihren so lange entfernt gewesenen Obern unter Lobpreisungen und Segnungen.

Fünftes Kapitel, Die Huronen - Mission .

1633 , 1634 . Indianische Ihre Ziele und Beweggründe. Bekehrungspläne . Huronen in Quebec . Diplomatie. Berathungen. Die Abweisung Jesuiten -Kapelle. LE BORGNE . Die Jesuiten . Ihre Beharrlichkeit. Die Reise zu den Huronen . JEAN DE BRÉBEUF. – Beginn der Mission ,

LE JEUNE hatte die Schwierigkeiten der Algonquin Mission kennen gelernt. Zu glauben , dass er zurück schreckte oder wankte , würde eine Ungerechtigkeit gegen seinen Orden sein ; aber von zwei Dingen hatte er sich fest überzeugt : einmal davon, dass man in der Bekehrung dieser wandernden Horden nur geringe Fortschritte machen könne , so lange sie nicht in festen Wohnsitzen angesiedelt wären , und ferner davon , dass ihre kleine Anzahl , ihre geographische Lage und ihr geringer Einfluss auf die politischen Zustände der Wildniss geringe Aussicht dafür eröffnete , dass ihre Bekehrung für die weiteren Triumphe des Glaubens von Bedeutung sein werde . Der Blick der Jesuiten wandte sich jetzt sehr ernsthaft nach einer andern Gegend . An den ungeheueren Seen des Westens wohnten zahlreiche ansässige Stämme, besonders aber die Huronen an dem See, welcher ihren Namen trägt. Hier liess sich eine hoffnungsvolle Grundlage für endlose Eroberungen finden ; denn waren die Huronen erst be kehrt , so dehnte sich der Glauben auf immer grössere Kreise aus und umfasste einen verwandten Stamm nach dem andern die Tabaks -Nation , die Neutralen , die Eries und die Andasten. Ja, wenn Gott die Zeit für gekommen er

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Bekehrungs-Pläne.

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achtete , konnte sein Wille selbst die mächtigen und wilden Irokesen seiner Heerde zuführen . Der pfadlose und lange Weg führte an Felsen und Strömen vorbei und durch die Düsterheit wilder Wälder. Das Ziel war noch trostloser . Arbeit, Entbehrung, Hunger , Schmutz, Einsamkeit und Beleidigung , Alles was Männern, die in Kunst und Wissenschaft erzogen sind, das Empö rendste , Alles was vder klösterlichen Leichtgläubigkeit das Schrecklichste ist : das war die Aussicht und die Wirklichkeit der Huronen - Mission. In den Augen der Jesuiten war das Land der Huronen die innerste Burg des Satans , sein Schloss und seine Veste 31 . Alle Waffen seiner Bosheit waren gegen den kühnen Eindringling ge richtet, der ihn in diesem Mittelpunkt seiner alten Festung angreifen würde . Weit davon entfernt, zu verzagen , ver zehnfachte sich des Priesters Eifer. Er machte das Zei chen des Kreuzes, rief den heiligen Ignatius, den heiligen Franz Xaver oder Franz Borgia an , küsste sein Reliquien kästchen , las der heiligen Jungfrau neue Messen und war dann bereit, den Kampf mit allen Feinden der Hölle auf zunehmen . Ein Leben, abgeschlossen von allem gesellschaftlichen Verkehr und fern von jedem Preise , nach welchem zu ringen der Ehrgeiz für werth hält, oder ein einsamer Tod , welcher vielleicht unter den erschreckendsten Formen den Kühnen ereilt : das war die Alternative, welche die Missio näre erwartete . Ihre böswilligen Feinde können ihnen Leichtgläubigkeit, Aberglauben oder blinden Enthusias mus vorwerfen , aber selbst die Verläumdung kann sie nicht der Heuchelei oder des Ehrgeizes beschuldigen. Zweifel los handelten sie in ihrer Propaganda im Einklang mit einer weltlichen Politik , aber für den Augenblick wenig stens war diese Politik verständig und menschlich. Sie förderten die Handelszwecke und dehnten das Länder gebiet ihres Volkes aus . Die Grundlagen der französi schen Herrschaft sollten tief in das Herz des Wilden ge legt werden. Sein steifer Nacken sollte sich dem Joche des Glaubens beugen. Stand die Macht des Priesters fest, so war die des weltlichen Herrschiers gesichert. Diese blutigen Horden sollten der innern Entzweiung ent rissen und zur gemeinsamen Unterwürfigkeit gegen Gott

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Die Huronen -Mission .

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und den König vereinigt werden . Mit französischen Händlern und Kolonisten vermischt , durch französische Sitten bezähmt , von französischen Offizieren befehligt, sollten ihre jetzt getheilten Banden die Stütze und Be standtheile eines ungeheuren Reiches in der Wildniss were den, welches mit der Zeit den ganzen Continent umfassen würde. Die spanische Civilisation erdrückte den Indianer , die englische verachtete und vernachlässigte ihn , nur die französische Civilisation hegte und pflegte ihn . Die Politik und der Handel setzten alle ihre Hoff Diese bevollmächtigten Dol nungen auf die Priester. metscher des göttlichen Willens , mit Patenten vom Him mel beglaubigt und mit Gottes Gesalbten auf Erden ver brüdert , würden das biblische Bild des Hirten und der Heerde zu seiner unbeschränktesten Anwendung gebracht haben . Sie würden den wilden Mann des Waldes zu einem blinden , passiven und absoluten Gehorsam gezähmt haben, einem Gehorsam , welcher der Menschheit wider strebt und dem kräftigen und sich ausdehnenden Geiste der modernen Civilisation feindlich ist. Und doch so reich an Irrthümern und Gefahren ihr System sein mochte, so nahmen sie doch alle seine heiteren und lächeln den Unwahrheiten mit der Inbrunst von Märtyrern und der Selbstaufopferung von Heiligen an . Wir haben schon von den Huronen gesprochen, von ihren bevölkerten Dörfern an den Ufern des grossen

« Süss- Wasser- See's , » ihrem Handel, ihrem unausgebildeten Landbau, ihrem gesellschaftlichen Leben , sowie von ihrem wilden unsinnigen Aberglauben, von den Zauberern , Pro pheten und Medizinmännern , welche von ihrer Leicht gläubigkeit lebten 32. Die Feindschaft der Irokesen er laubte den Eingang in ihr Land nur von einer Seite, und zwar auf dem langen, im grossen Umkreis führenden Weg , welchen CHAMPLAIN vor achtzehn Jahren entdeckt hatte 33 Die Reise war ebenso schwierig wie ermüdend und ging den Ottawa - Fluss hinauf, über den Nipissing See, den « French-River» hinunter und an den Ufern der grossen Georgischen Bucht , des Huronen-See's , entlang . Halbwegs im Ottawa - Fluss auf der Insel Allumette wohnte der Stamm der Algonquins, welcher im Jahre 1613 von CHAMPLAIN besucht worden , und welcher über die

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Indianische Diplomatie.

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Erscheinung des weissen Fremdlings so erstaunt war, dass er glaubte, derselbe sei direct aus den Wolken gefallen 34. Wie andere Stämme in dieser Gegend waren sie schlaue Händler und würden sich gern die Vortheile des Zwischen handels zwischen den Huronen und den Franzosen ge sichert haben , indem sie von den ersteren die Pelze zu geringem Preise erstanden und sie letzteren zu ihrem vollen Werth verkauften . Durch ihre Lage waren sie in den Stand gesetzt , jederzeit die Fahrt auf dem Ottawa abzu sperren . Da dies aber eine gefährliche Ausübung ihrer Rechte gewesen wäre 36, so mussten sie mit Vorsicht zu Werke gehen. Kürzlich hatte sich eine gute Gelegenheit für die Ausübung ihrer Diplomatie geboten. Am und nahe am Ottawa, etwas weiter unten, wohnte ein kleiner Algon quin'scher Stamm , die sogenannte « Petite Nation. » Einer dieses Volkes hatte vor einiger Zeit einen Franzosen ge tödtet ; der Mörder aber fand sich jetzt als Gefangner im Fort von Quebec in CHAMPLAIN'S Gewalt. Die wilden Politiker der Insel Allumette beschlossen , diesen Umstand, wie wir bald sehen werden, zu ihrem Vortheil auszubeuten . Im Juli, welcher LE JEUNE's Winterzug mit den Mon tagnais vorausging, kam ein den Franzosen wohlbekannter Hurone mit der Nachricht nach Quebec, dass die alljähr liche Canotflotte seiner Landsleute den St. Lorenz herunter komme. Am 28. war der ganze Fluss von ihnen belebt. Hundertundvierzig Canots mit sechs- bis siebenhundert Wilden landeten an den Waarenhäusern unter dem befestig ten Felsen von Quebec und errichteten da, wo jetzt die untere Stadt liegt , ihre Hütten und Lagerschuppen am Strande. Der grössere Theil brachte Pelze und Tabak zum Verkauf, Andere kamen , um sich alle Dinge zu be sehen, wieder Andere, um zu spielen , und Andere, um zu stehlen 36, Künste in denen es die Huronen weit gebracht hatten , da sie ihr Spieltalent meist unter einander , ihre Diebstähle aber gegen die Angehörigen anderer Nationen ausübten . Diese Besuche verliefen fast jedes Jahr in derselben Weise. Am ersten Tage bauten die Indianer ihre Hütten, am zweiten beriethen sie mit den französischen Offizieren im Fort. Am dritten und vierten vertauschten sie ihre Pelze und ihren Tabak gegen Kessel , Beile, Messer, Tuch ,

88

Die Huronen-Mission ,

[ 1633 .

Perlen , eiserne Pfeilspitzen , Röcke, Hemden und andere Bequemlichkeiten, am fünften Tage wurden sie von den Franzosen bewirthet und beim Anbruch des nächsten Morgens schifften sie sich ein und verschwanden wie ein Schwarm von Vögeln 37. Am zweiten Tage also erstieg die lange Reihe von Häuptlingen und Kriegern den zum Fort führenden Pfad . Es waren schlanke , schön gebaute Gestalten , welche in Bären- und Biberfelle gehüllt einherschritten . Alle Gesich ter waren dick bemalt und glänzten von dem Oel , wel ches die Huronen aus dem Samen der Sonnenblume be. reiteten . Die straffen schwarzen Haare des Einen fielen lose auf seine Schultern , die eines Andern waren kurz rasirt bis auf einen aufrecht stehenden Streifen , der wie die Raupe eines Dragoner-Helms von der Stirn bis in den Nacken über den Kopf lief, während das Haar eines Dritten auf der einen Seite lang herabfiel, auf der andern aber kurz geschoren war. Sechzig Häuptlinge und Haupt leute und eine Schaar junger Krieger bildeten ihren Berathungskreis im Fort . Die Angehörigen jedes Dorfes hielten sich zusammen, und Alle sassen mit einer Würde und Haltung auf der Erde, die demjenigen , welcher die selben Männer in der häuslichen Umgebung ihrer Hütten feuer gesehen hatte , sonderbar genug erscheinen mochten . Auch hier erblickte man besorgt und eifrig die schwarz gekleideten Jesuiten . Ebenso war CHAMPLAIN anwesend , der , mit seinen Blicken die Menge musternd , unter den älteren Kriegern nicht wenige von denen erkannte, welche vor achtzehn Jahren, auf seinem unglücklichen Zuge gegen die Irokesen , seine Waffengefährten gewesen waren 38 . Nachdem die Begrüssungsanreden gehalten und be antwortet , die unvermeidlichen Geschenke gegeben und empfangen waren , stellte CHAMPLAIN der schweigsamen Gesellschaft die drei Missionäre BRÉBEUF , DANIEL und Davost vor. Ihnen waren die Ehren , Gefahren und Lei den der Huronen- Mission durch das Loos zugefallen . « Dies sind unsere Väter, » sagte er, « wir lieben sie mehr als uns selbst. Die ganze französische Nation ehrt sie . Sie gehen nicht unter Euch, um Pelze bei Euch zu holen . Sie haben ihre Freunde und ihr Vaterland verlassen , um Euch den Weg zum Himmel zu zeigen . Wenn Ihr die

1633.]

Die Jesuiten -Kapelle.

89

Franzosen so liebt, wie Ihr sagt, so liebet und ehret diese unsere Väter 39. » Zwei Häuptlinge erhoben sich zur Antwort. Sie ver schwendeten ihre ganze Beredsamkeit zum Preise CHAM PLAIN's und der Franzosen. Sodann sprach BRÉBEUF in gebrochener huronischer Sprache, während die Versamm lung einstimmig aus der Tiefe der Kehle Ausrufe des Bei falls wiederholte , ihn sodann umgab und sich unter einander um die Ehre stritt, ihn in ihre Canots tragen zu dürfen . Kurz, die Mission wurde angenommen , und

die Häuptlinge verschiedener Dörfer stritten sich um das Vorrecht , die drei Priester empfangen und bewirthen zu dürfen . Am letzten Juli , dem Tage des heiligen Ignatius , gingen CHAMPLAIN und einige Schiffs - Kapitäne in das Missionshaus, um Ablass zu empfangen . Hier wurden sie bald von einer Schaar neugieriger Indianer umringt, welche ihren Handel beendet hatten und nun eine Beobachtungs reise unternahmen . Da sie nicht in das Haus gelassen wurden, sahen sie durch das Fenster in das Zimmer, wel ches als Kapelle diente. CHAMPLAIN , belustigt über ihre Ausrufe der Verwunderung , gab einem von ihnen ein Stück Citronat. Der Hurone kostete es, und fragte ent zückt, was es sei. CHAMPLAIN erwiderte lachend , es sei die Rinde eines französischen Kürbisses . Der Ruf dieses angenehmen Erzeugnisses verbreitete sich sofort, und an jedem Fenster forderten eifrige Stimmen ein Stück der wunderbaren . Frucht. Es wurde ihnen endlich erlaubt, die Kapelle zu betreten , welche kürzlich mit Tapeten , einigen Bildern und ein paar Silbergeräthen geschmückt worden war. Diese ungeahnte Pracht erregte ihre leb hafteste Bewunderung. Sie fragten , ob die Taube über dem Altar der Vogel sei, welcher den Donner mache, und indem sie auf die Bilder von LOYOLA und XAVIER zeigten , wollten sie wissen, ob diese Okies oder Geister wären. Ihre Verwirrung wurde durch BRÉBEUF's Erklärung des wahren Charakters dieser Männer nicht geringer. Drei Bildnisse der heiligen Jungfrau fesselten sodann ihre Aufmerksamkeit. Als Antwort auf ihre Fragen sagte man ihnen , dass sie die Mutter desjenigen sei, der die Welt gemacht habe . Diese Antwort gefiel ihnen sehr, und sie stellten gleich die

90 Frage ,

Die Huronen-Mission . ob er

drei

Mütter

gehabt habe.

[ 1633 . «O ,

hätten

wir doch , » ruft der Obere der Väter aus, «Bilder von allen heiligen Mysterien unseres Glaubens . Sie sind uns eine grosse Hülfe, denn sie sprechen für sich selbst 40. Die Mission war nicht verurtheilt , lange unter dem Mangel dieser unschätzbaren Hülfsmittel zu leiden . Der Tag der Abreise kam heran , die drei Priester packten ihre Sachen, und CHAMPLAIN bezahlte ihre Reise, oder in anderen Worten , machte den Indianern , welche sie in ihren Canots fahren sollten, Geschenke. Sie schliea fen die Nacht in dem Lagerhaus der Pelzgesellschaft, um welches herum sich die Huronen niedergelassen hatten , und LE JEUNE und De Novè blieben bei ihnen , um ihnen am Morgen Lebewohl sagen zu können. Um elf Uhr in der Nacht wurden sie durch eine laute Stimme im In dianerlager geweckt und sahen LE BORGNE, den einäugigen Häuptling der Allumette-Insel, zwischen den Hütten um hergehen und Reden halten . BRÉBEUF hörte zu und fing den Sinn seiner Worté auf. « Wir haben den französischen Häuptling gebeten , das Leben des von ihm gefangen gehaltenen Algonquin der Petite Nation zu schonen, aber er will uns nicht erhören. Der Gefangene wird sterben dann wird sein Volk ihn rächen und versuchen, die drei Schwarzröcke zu tödten, welche Ihr jetzt in Euer Land führen wollt. Wenn Ihr sie nicht vertheidigt, wer den die Franzosen ergrimmen und Euch ihren Tod zur Last legen. Aber wenn Ihr es thut , werden die Algon quins Euch bekriegen und den Fluss sperren . Giebt der französische Kapitän den Gefangenen nicht frei, so lasst die drei Schwarzröcke, wo sie sind , denn nehmt Ihr sie mit, so bringen sie Euch nur Unglück . » Dies war der wesentliche Inhalt von LE BORGNE'S Reden . Die besorgten Priester eilten nach dem Fort, er hielten Einlass und weckten CHAMPLAIN. Er schickte sei nen Dolmetscher mit einer Botschaft an die Huronen, dass er sie vor ihrer Abreise sprechen wolle. Am andern Mor gen verkündigte daher ein indianischer Ausrufer im Lager, dass sich Niemand vor dem nächsten Tage einschiffen solle. CHAMPLAIN berief die Häuptlinge und versuchte es mit Ueberredung, Versprechen und Drohungen , aber LE BORGNE hatte sie aufgehetzt und in der Versammlung er

1633–34 . ]

Abweisung der Jesuiten.

91

klärte er jetzt , dass , wenn der Gefangene nicht befreit werden sollte, die Missionäre auf ihrem Wege ermordet werden würden, und dass Krieg die Folge sein müsse . Der politische Wilde hatte zwei Absichten dabei, einmal wollte er den direkten Verkehr zwischen den Franzosen und Huronen unterbrechen , dann aber glaubte er bei der Nation des Gefangenen Ansehen und Einfluss zu gewinnen, wenn er seine Freilassung bewirkte. CHAMPLAIN wollte den Mörder nicht herausgeben , denn er kannte diejenigen , mit denen er zu thun hatte, zu gut , als dass er ein Verfahren ein geschlagen hätte, welches die Ermordung eines Franzosen als verzeihliches Verbrechen hätte erscheinen lassen kön nen. Die Huronen weigerten sich hierauf, die Missionäre mit sich zu nehmen, verbanden aber diese Weigerung mit wiederholten Ausdrücken ihres Bedauerns und ihrer Zu neigung, die zweifellos zum Theil aufrichtig gemeint wa ren , da die Jesuiten sich nicht geringe Gunst in ihren Augen erworben hatten . Die Versammlung zerstreute sich, die Huronen schifften sich ein , und die Priester kehrten in ihr Kloster zurück . Hier studirten sie unter BRÉBEUF's Leitung , neben ihren übrigen Beschäftigungen , die huronische Sprache. Ein Jahr verstrich , und wieder kamen die indianischen Händler aus ihren Dörfern den Fluss herab . In der Zwischenzeit war die Nation von traurigen Unglücksfällen heimgesucht worden . Sie hatte Seitens der Irokesen be klagenswerthe Niederlagen erlitten , und eine verheerende Krankheit, ähnlich der , welche vor ein paar Jahren die Bevölkerung der Eingeborenen Neu - Englands gelichtet, hatte auch bei ihnen ihre Verheerungen begonnen . Sie erschienen in kleiner Anzahl und in grosser Nie dergeschlagenheit und Besorgniss in Three Rivers , dem diesjährigen Handelsplatz . DU PLESSIS BOCHART, Befehls haber der französischen Flotte , berief sie zu einer Ver sammlung, redete sie an , bewirthete sie und machte ihnen Geschenke, aber sie weigerten sich , die Jesuiten mitzu nehmen. Im Geheimen liessen sich jedoch Einige von ihnen überreden , schlugen es dann wieder ab, und dann in der zwölften Stunde erklärten sie sich zum zweiten Mal bereit. Am Tage der Einschiffung schwankten sie noch einmal . Alle waren in Verwirrung, Zweifel und Un

1 92

Die Huronen -Mission.

( 1634,

gewissheit . Als BRÉBEUF dem heiligen Joseph ein Ge lübde that, wurden die Indianer , wie er sagt , plötzlich ihren Wünschen geneigt. Die Väter schifften sich ein und unter den Kanonensalven der Schiffe traten sie ihren Weg nach dem wilden Schauplatz ihres Apostolats an . Sie berechneten die Entfernung auf neunhundert Mei len, aber die Entfernung war der wenigst abschreckende Zug dieser äusserst beschwerlichen Reise. Barfuss, damit . • ihre Schuhe nicht das leichte Fahrzeug beschädigten , kauerte jeder in seinem Canot und arbeitete mit seinen ungeübten Händen an seiner Fortbewegung. Vor sich sah er Woche für Woche dasselbe straffe ungekämmte Haar, dieselben rothbraunen Schultern und langen nack ten Arme , welche das Ruder unaufhörlich führten . Die Canots trennten sich bald und länger als einen Monat hindurch trafen sich die Franzosen selten oder gar nicht . BRÉBEUF sprach etwas Huronisch und konnte sich mit seinem Begleiter unterhalten ; aber DANIEL und DAVOST waren zu einem Stillschweigen verdammt , welches , ausser durch gelegentliche unverständliche Klagen und Drohungen der Indianer , nie unterbrochen wurde. Viele von ihnen litten nämlich an der herrschenden Epidemie, so dass Alle erschrocken , verzagt und mürrisch waren . Ihre einzige Nahrung bestand in einem Bisschen Mais , der zwischen zwei Steinen zerdrückt und mit Wasser vermengt wurde . Die Mühseligkeiten waren ausserordentlich . BRÉBEUF zählte 35 Umladestellen, an welchen die Canots aus dem Wasser gehoben und auf den Schultern der Reisenden um die Stromschnellen oder Wasserfälle getragen wurden. Ausser dem mussten sie mehr als fünfzig Mal in den wüthenden Strom waten und ihre leeren Boote vor sich herschieben oder an Stricken nachziehen. BRÉBEUF suchte mitzuhelfen , aber der Kies und die spitzen Felsen verwundeten seine nackten Füsse und zwangen ihn , davon abzustehen. Er und seine Gefährten trugen ihren Theil des Gepäcks auf eine Entfernung von oft mehreren Meilen um die Umlade stellen . Viermal wenigstens mussten sie dieselbe Strecke zurücklegen , um Alles fortzuschaffen . Ihr Weg , welcher durch dichte Wälder führte, war durch Felsen und Baum stämme versperrt, mit dichten , von dem ewigen Schatten feucht gewordenen Wurzeln und Unterholz bedeckt, und

1631. )

Die Reise zu den Huronen .

93

duftete von dem Geruch verwelkter Blätter und verwesenden Holzes 4 ). Selbst die Indianer waren oft vor Müdigkeit er schöpft. BRÉBEUF , ein Mann von eiserner Gesundheit und einem unüberwindlich festen Charakter, bezweifelte so gar, ob seine Kraft ihn bis an's Ende der Reise tragen werde. Er klagte , dass er keinen freien Augenblick fand , um sein Brevier zu lesen , ausser wenn er beim Mon denschein oder beim Feuer sich auf einen nackten Fel sen bei einem wilden Wasserfall des Ottawa oder in einem feuchten Winkel des benachbarten Waldes ausgestreckt hatte. Alle Jesuiten und viele ihrer sie begleitenden Lands leute , litten mehr oder weniger von ihren übellaunigen Führern 42 . Der Indianer Davost's stahl diesem einen Theil seines Gepäcks , warf einen andern Theil , der fast alle Bücher und Schreibmaterialien der drei Priester ent hielt , in den Fluss und liess ihn zum Schluss bei den Davost fand Algonquins der Allumette -Insel zurück . gleichwohl Mittel , seine Reise fortzusetzen und erreichte endlich die Huronen-Städte in einem traurigen Zustand körperlicher Erschöpfung. Auch DANIEL wurde zurück. gelassen, fand aber gleicherweise eine andre Gesellschaft, welche ihn in ihrem Canot aufnahm . Ein junger Fran zose , Namens MARTIN , wurde bei den Nipissings ausge setzt ; ein andrer, Namens BARON, wurde, als er das Land der Huronen erreichte , von seinen Begleitern , mit ein ziger Ausnahme der Waffen , die er in Händen hatte, aller seiner Habseligkeiten beraubt. Von jenen machte er guten Gebrauch , indem er die Räuber zwang, ihm einen Theil ihrer Beute zurückzugeben . Auf seiner Canot- Fahrt, den French-River hinunter und an den einsamen Küsten der grossen Georgischen Bay entlang , näherte sich BRÉBEUF endlich , dreissig Tage nach seiner Abreise von Three Rivers , seinem Be stimmungsorte . Vor ihm dehnte sich die Waldküste der Huronen in wildem Schlafe aus . Sank sein Muth , als er sich seinem traurigen zukünftigen Wohnort näherte , be drückte ihn eine dunkle Ahnung dessen, was die Zukunft ihm bringen würde ? Mancher Grund spricht dafür. Und doch war es nur der vorüberziehende Schatten eines

Augenblicks, denn sein männliches Herz hatte jedes Ge

94

Die Huronen-Mission.

( 1634.

fühl der. Furcht verloren und sein unerschrockener Geist hatte sich zu einem Eifer begeistert , vor welchem alle Zweifel und Ungewissheiten wie Morgennebel flohen . Sein Glaube war nicht der schreckliche Enthusiasmus der Verneinung , welcher das Unkraut eingewurzelter Lüge ausreisst oder mit kühner Hand das verderbliche Wachs- . thum überwuchernder Missbräuche zu Boden fällt, nein, er war überfüllt bis zum innersten Herzen von dem alten Glauben , der sich vom Verfall der Jahrhunderte losge löst , zu neuem Leben angefacht und zu übernatürlichem Wachsthum und Gedeihen entwickelt hatte . Als BRÉBEUF und seine huronischen Begleiter ge landet waren , warfen die Indianer des Missionars Ge päck auf die Erde und überliessen ihn seinem Schicksal. Ohne auf seine Vorstellungen zu achten , machten sie sich auf den Weg und zogen zu ihren , etwa zwanzig Meilen entfernt liegenden Dörfern. Der also verlassene Priester kniete nieder , nicht um Hülfe in dieser Ver legenheit zu erflehen , sondern um der Vorsehung für ihren bis dahin gewährten Schutz zu danken . Dann er hob er sich und überlegte, was zu thun sei. Er kannte den Ort genau . Er lag am Ufer der kleinen Bucht Thunder-Bay. In der benachbarten Huronen-Stadt Toanché hatte er drei Jahre gewohnt , gepredigt und getauft 43 ; aber Toanché existirte nicht mehr. Hier war ÉTIENNE BRULÉ , CHAMPLAIN's abenteuerlicher Dolmetscher , vor kurzem von den Einwohnern ermordet worden ; diese aber hatten in Aufregung und Schrecken , die Folgen ihrer That fürchtend , den Ort verlassen und in einer Entfer nung von einigen Meilen eine neue Stadt erbaut , welche sie Ihonatiria nannten 44. BRÉBEUF versteckte sein Ge päck , sowie die Messgeräthe , welche für ihn das kost barste Gut waren, im Walde und begann nach der neuen Niederlassung zu suchen. Er berührte die verbrannten Trümmer Toanché's , sah die versengten Pfähle, welche das Gestell seiner kleinen Kapelle aus Birkenrinde ge bildet hatten, und fand, wie er vermuthete, den Ort, wo BRULÉ gefallen war 45. Der Abend dämmerte bereits , als er verwirrt und ängstlich aus einem dunklen Waldpfade in eine wilde Lichtung hinaus trat und vor sich die Rindendächer von Ihonatiria sah .

1634.)

Jean de Brébeuf's Ankunft bei den Huronen .

95

Ein Haufen Indianer lief ihm entgegen. « Echom ist wieder da ! ECHOM ist wiedergekommen ! » riefen sie , in dem sie von Weitem die stattliche schwarzgekleidete Ge stalt erkannten , welche sich ihnen vom Rande des Wal des näherte. Sie führten ihn nach der Stadt, wo ihn die ganze Bevölkerung umschwärmte. Nach kurzer Rast ging er mit einer Anzahl junger Indianer, sein Gepäck zu holen , und kehrte mit diesen um ein Uhr Morgens zurück. Im Dorfe wohnte ein gewisser AWANDOAY, der als der reichste und gastfreiste Hurone bekannt war eine bei der all gemein herrschenden Gastfreundschaft nicht leicht gewon nene Auszeichnung. Sein Haus war gross , und reichlich mit Bohnen und Korn versehen. Trotzdem , dass sein Wohlstand den Neid der Dorfbewohner erregt hatte, war ihm doch durch seine Freigebigkeit ihr Wohlwollen wieder geworden. Bei ihm nahm BRÉBEUF seine Wohnung und erwartete besorgt Woche für Woche die Ankunft seiner Gefährten . Einer nach dem andern erschienen sie, DANIEL müde und abgespannt, Davost halbtodt vor Hunger und Ermüdung , und ihre französischen Begleiter , deren jeder seine Geschichte von Entbehrung und schlechter Behandlung zu erzählen hatte. Endlich waren sie alle unter dem Dache des gastfreien Indiafiers versammelt, und noch einmal wurde die Mission der Huronen in Angriff genommen .

Sechstes Kapitel Brébeuf und seine Genossen . 1634 , 1635 . Das huronische Missionshaus. Seine Bewohner. - Seine Einrich tung. - Seine Gäste. Der Jesuit als Lehrer und als Ingenieur. Taufen . Huronisches Dorfleben . Festlichkeiten und Zau Die Priester der Zauberei ange bereien. Das Traumfest. klagt. Die Dürre und das rothe Kreuz.

Wo sollten die Väter ihren Wohnsitz aufschlagen ? Ursprünglich hatten sie beabsichtigt , sich an einem , von den Franzosen « Rochelle » genannten Orte niederzulassen , der grössten und wichtigsten Stadt des Huronenbundes , aber jetzt beschloss BRÉBEUF , in Ihonatiria zu bleiben. Hier war er gut bekannt , und hier schmeichelte er sich, auch bereits einigen Samen des Glaubens ausgestreut zu haben , der bei guter Pflege seinerzeit Früchte tragen würde . Einer alten Huronen- Sitte gemäss half das ganze Dorf an dem Aufbau des Hauses , wenn ein Mann oder eine Familie ein solches brauchte . Im vorliegenden Falle nahm nicht nur Ihonatiria, sondern auch die benachbarte Stadt Wenrio an der Arbeit Theil , wobei sie freilich auf Geschenke der Priester rechneten. Noch vor dem October war das Werk gethan und das Haus nach huronischem Muster vollendet 46. Es war sechsunddreissig Fuss lang und etwa zwanzig Fuss breit. Seine Seitenwände waren

durch starke , in die Erde gepflanzte , junge Stämme ge bildet, deren Enden bogenartig zusammengebunden waren , um das Dach zu bilden . Das Ganze wurde durch Quer balken fest zusammengehalten und mit überhängenden Stücken Baumrinde dicht bedeckt . Von Aussen war die

1634–35.]

Das Missions -Haus zu Ihonatiria.

97

Bauart ausschliesslich indianisch, aber im Innern machten die Priester mit Hülfe ihrer Werkzeuge Neuerungen , die von der ganzen Bevölkerung mit Erstaunen betrachtet wurden . Sie theilten nämlich ihre Wohnung durch Quer wände in drei Zimmer , von denen jedes eine hölzerne Thür hatte, welche in den Augen der Besucher eine wun derbare Neuheit war. Das erste diente als Halle , Vor zimmer und Vorrathsraum für Korn , Bohnen und getrock nete Fische , das zweite , das grösste von den dreien , wurde zugleich als Küche , Werkstatt, Esszimmer , Salon, Schul- und Schlafzimmer benutzt , das dritte endlich war die Kapelle. Hier bauten die Jesuiten einen Altar, und hier befanden sich ihre Heiligenbilder und geweihten Ge fässe. Ihr Feuer brannte auf der Erde in der Mitte des zweiten Gemachs , und der Rauch ging durch ein Loch im Dache. An den Seiten waren zwei Balkone , welche sich vier Fuss über dem Erdboden erhoben . Auf diesen standen Kisten , in denen sie ihre Kleider und Messge wänder bewahrten ; unter ‫܀‬. ‫ ܝ‬ihnen aber schliefen sie auf Baumrinde , welche mit Häuten und den von ihnen am Tage getragenen Kleidern bedeckt waren . Rohe Stühle, eine Handmühle, ein grosser indianischer Holzmörser 'zum Kornstampfen und eine Uhr vollendeten die Einrichtung des Zimmers . An Besuchern fehlte es nicht, denn das Haus der Schwarzröcke enthielt Wunder 47 , deren Ruf sich bis an die äussersten Grenzen des Huronenlandes verbreitet hatte . Das Hauptwunderwerk aber bildete die Uhr. Die Gäste hockten stundenlang in stiller Erwartung auf der Erde , um sie schlagen zu hören. Sie dachten , sie sei lebendig , und fragten , was sie esse. Sobald der letzte Schlag ertönte , rief hie und da einer der Franzosen : > Sie hatte ihre Bestimmung gefunden. Das Meer, die Wildniss , die Einsamkeit , die Irokesen, nichts schüchterte sie ein . Sie wollte mit MAISONNEUVE und seinen vierzig Mann nach Montreal gehen . Indessen wurde sie, als das Schiff absegeln sollte, von neuen und bösen Zweifeln er griffen . Wie konnte sie, ein noch in der Blüthe der Jugend und Reize stehendes Weib, allein im Walde unter einem Trupp Soldaten leben ? Ihre Zweifel wurden endlich durch zwei Männer beschwichtigt, welche sich im letzten Moment weigerten, die Reise ohne ihre Frauen anzutreten , und von einem jungen Mädchen , welches, von Begeisterung ge trieben , ihren Freunden entfloh und diesen zum Trotz auf einem der Schiffe Passage nahm . Alles war bereit ; die Schiffe lichteten die Anker ; aber OLIER , DAUVERSIÈRE und FANCAMP blieben zu Hause , wie auch , mit Ausnahme von MAISONNEUVE und Made moiselle MANCE , die anderen Genossen es thaten . Im folgenden Februar fand eine eindrucksvolle Scene in der Kirche von Notre-Dame in Paris statt. Die Genos sen , welche , mit OLIER an ihrer Spitze , jetzt ungefähr fünfundvierzig Mitglieder zählten 212, versammelten sich vor dem Altar der Jungfrau und weihten mit einer feier lichen Ceremonie Montreal der heiligen Familie . Von da an sollte es Villemarie von Montreal heissen 2 13. eine heilige , zu Ehren und unter dem Schutze Christi, St. Joseph's und der Jungfrau erbaute Stadt, welche durch drei Personen auf Erden , die Gründer der drei bestimmten Gemeinden , dargestellt werden sollte : OLIER, DAUVERSIÈRE und eine Jungfrau aus Troyes, MARGUERITE BOURGEOYS , und zwar sollte das Seminar Christo , das Hôtel St. Jo seph und die Universität der Jungfrau geweiht werden .

1642. )

Marguerite Bourgeoys .

197

Aber wir greifen ein wenig vor, denn erst nach etlichen Jahren nahm MARGUERITE BOURGEOYS thätigen Antheil an den Arbeiten in Montreal. Sie war die Tochter eines achtbaren Handelsmannes und jetzt zweiundzwanzig Jahre alt. Ihr Bildniss ist uns aufbewahrt, und ihr Gesicht ein Spiegel der Aufrichtigkeit, Offenheit und weiblicher Zärtlichkeit . Ihre hervorragenden Eigenschaften waren ein tüchtiger Verstand , grosse Gewissenhaftigkeit und ein warmes Herz . Sie kannte keine Wunder, Verzückung oder Entrückung , und wenn auch später , als ihre reli giöse Empfänglichkeit weiter entwickelt war, einige solche Verzückungen von ihr berichtet werden , so kann doch selbst Abbé FAILLON mit den besten Absichten nur ein geringes Maass dieser himmlischen Gunstbezeugungen ihr gutschreiben. Obgleich von Wundergläubigen umgeben , misstraute sie dem Uebernatürlichen und bekannte ihren Glauben , dass Gott in seiner Weltregierung die Natur gesetze nur selten übertritt. Ihre Religion war die der Liebe und offenbarte sich durch eine hingebende Pflicht erfüllung. Sie hatte keinen Beruf für das Klosterem pfunden , jedoch das Gelübde der Keuschheit gethan und war als Externe mit den Schwestern der Gemeinde von Troyes verbunden , welche vor Eifer, nach Canada zu kommen, glühten . MARGUERITE war jedoch zufrieden da mit, zu warten , bis sich die Aussicht eröffnete , dass sie durch ihr Kommen Gutes wirke . Und erst im Jahre 1653 , nachdem sie einer Erbschaft entsagt und alle ihre Habe den Armen gegeben hatte , schiffte sie sich nach dem wilden Schauplatz ihrer Arbeiten ein . In den gedrängten Schulzimmern von Montreal und Quebec , den passenden Denkmälern ihrer bescheidenen Tugenden , unterrichten ihre Nachfolgerinnen bis auf den heutigen Tag die Kinder der Armen und bewahren ihrer Stifterin MARGUERITE BOUR GEOYS ein freundliches Andenken. In der kriegerischen Gestalt MAISONNEUVE's und in der anmuthigen Person dieser zarten Nonne finden wir die wahren Helden Montreal's 214. MAISONNEUVE erreichte mit seinen vierzig Mann und vier Frauen Quebec zu spät , um noch im Herbst nach Montreal zu fahren . Sie begegneten nur Misstrauen, Neid und Widerstand . Die Agenten der Gesellschaft der «Hun dert Genossen » sahen sie mit scheelen Blicken an, und

198

Villemarie und Montreal .

[ 1642.

MONTMAGNY, der Gouverneur von Quebec, erblickte in MAI SONNEUVE einen Nebenbuhler. Man benutzte jedes Mittel , um die Abenteurer zum Aufgeben ihres Plans und zur Nie derlassung in Quebec zu überreden . MONTMAGNY berief eine Versammlung der Hauptpersonen der Colonie, welche ihre Meinung dahin abgaben , dass die Neuangekomme nen gut thäten , Montreal mit der Insel Orleans zu ver tauschen , wo sie in der Lage sein würden , Hülfe zu leisten und zu empfangen , während sie beim Festhalten ihrer ursprünglichen Absicht sich dem Untergang aussetzen und Niemandem nützen würden 215. MAISONNEUVE , der gegenwärtig war , drückte sein Erstaunen darüber aus , dass man sich herausnehme , ihm Vorschriften zu machen . « Ich bin nicht hierher gekommen , » sagte er , « um ZU berathen , sondern um zu handeln . Es ist mir Pflicht und Ehre, in Montreal eine Colonie zu gründen , und ich würde hingehen , selbst wenn jeder Baum ein Irokese wäre ? 16. » In Quebec wollte man weder, noch konnte man die neuen Colonisten für den Winter unterbringen , und es wäre ihnen schlecht ergangen , wenn nicht Monsieur Puia SEAUX , der nicht weit davon an einem , St. Michel ge nannten Orte wohnte , sie gastfreundlich aufgenommen hätte . Dieser fromme und gastfreie Mann schaffte ihnen Allen Platz in seinem rohen , aber geräumigen Hause . Ihre Nachbarn waren die Hospitaliterinnen , welche damals. in der Mission von Sillery in einem massiven , aber un bequemen Steinhause wohnten , wo sie unter Mangel , Krankheit und ununterdrückbarem Abscheu vor dem Schmutz der ihrer Pflege anvertrauten Wilden Tag und Nacht mit hingebendem Fleisse arbeiteten . Zu ihren kleinen Unannehmlichkeiten gehörten die Ueberspannt heiten einer von religiöser Begeisterung halb wahnsinni gen Laienschwester , welche die Sorge für das Geflügel und die Hausthiere hatte . Von diesen pflegte sie eins nach dem andern zu fragen, ob es Gott liebe, und wenn sie nicht sofort eine bejahende Antwort erhielt, so tödtete sie das Thier augenblicklich , weil seine Gottlosigkeit kein besseres Loos verdiene 2 17. In St. Michel beschäftigte MAISONNEUVE seine Leute mit dem Bau von Schiffen für die Fahrt nach Montreal und mit verschiedenen anderen Arbeiten für das Beste der

1612. ]

Montmagny und Maisonneuve.

199

künftigen Colonie. So ' verging der Winter. Da aber selbst himmlische Gemüther nicht frei von Zorn sind , so geriethen auch MONTMAGNY und MAISONNEUVE in Streit. Der fünfundzwanzigste Januar war MAISONNEUVE's Namens tag. Da er bei seinen Untergebenen sehr beliebt war, so beschlossen sie , diesen Tag festlich zu begehen . Dem gemäss feuerten sie ein und eine halbe Stunde vor Tages anbruch eine Musketen- und Kanonensalve ab . Der Lärm , welcher bis zu dem wenige Stunden entfernten Quebec tönte , erschreckte den Gouverneur in seinem Morgenschlafe , und seine Empörung steigerte sich noch , als er denselben am Abend noch einmal vernahm ; denn MAISONNEUVE , erfreut über die Anhänglichkeit seiner Leute, hatte sie bewirthet und ihre Herzen durch die Verthei lung von Wein erwärmt. Eifersüchtig auf seine Autori tät, fühlte sich MONTMAGNY durch diese Kundgebung, als einen Eingriff in seine Befugnisse, beleidigt und er klärte , dass Niemand das Recht habe , ohne seine Er laubniss zu schiessen . Darauf verhaftete er den Haupt Missethäter, einen gewissen JEAN GORY, und liess ihn in Ketten legen . Als dieser nach ein paar Tagen freige geben wurde , bewillkommneten ihn seine Gefährten mit grosser Freude , und MAISONNEUVE gab ihnen Allen ein Fest . Er selbst kam während des Essens herein , trank auf die Gesundheit der Gesellschaft, schüttelte dem be freiten Gefangenen die Hand und setzte ihn oben an die Tafel, indem er ihn mit folgenden Worten anredete : « JEAN GORY , du bist meinetwegen in Ketten gelegt worden , du hattest den Schmerz , ich die Beleidigung ; desshalb füge ich deinem Lohne zehn Kronen hinzu . » Dann , sich zu den Anderen wendend , sagte er : « Meine Jungen , obgleich JEAN GORY misshandelt worden ist, müsst ihr desswegen nicht den Muth verlieren , sondern trinkt Alle auf das Wohl des Mannes in Eisen . Wenn wir erst in Montreal sein werden , sind wir unsere eigenen Herren und können unsere Kanonen abfeuern , wann wir wollen ? 18.>> MONTMAGNY war wüthend , als ihm dies berichtet wurde . Unter dem Vorgeben, dass das Geschehene « gegen den Dienst des Königs und gegen die Autorität des Gou verneurs » gerichtet gewesen, rief er Gory und sechs Andere vor sich und verhörte sie einzeln eidlich . Ihr Zeugniss

200

Villemarie und Montreal.

[ 1642 .

liess sich jedoch nicht gegen ihren Führer benutzen ; von da an aber herrschte eine grosse Kälte zwischen Quebec und Montreal. Früh im Mai schiffte sich MAISONNEUVE mit seinen Begleitern ein. In der Person der Madame DE LA PELTRIE hatten sie während des Winters einen unerwarteten Re kruten erhalten . Die Frömmigkeit , die Neuheit und die Romantik des Unternehmens hatten ihren grossen Reiz für die schöne Enthusiastin , und ein unwiderstehlicher Zug , welchen ein verleumderischer Geschichtsschrei ber der Leichtfertigkeit ihres Geschlechtes zuschreibt — 219, drängte sie , ihre Schicksale zu theilen. Ihr Eifer wurde mehr von den Montrealern , welchen sie sich anschloss, bewundert , als von den Ursulinerinnen , welche sie ver liess. Sie nahm alle ihnen geliehenen Meubel mit und liess sie im grössten Mangel zurück 220. Uebrigens blieb sie auch nach ihrer Ankunft in Montreal nicht ruhig, denn plötzlich wurde sie von dem Wunsche ergriffen, die Huronen zu besuchen und in eigener Person diesen in Nacht versunkenen Heiden den Glauben zu predigen . Es bedurfte aller Beredsamkeit eines Jesuiten , der kürzlich von jener mühsamen Mission zurückgekehrt war , um sie zu überzeugen, dass der Versuch ebenso nutzlos wie un sinnig sein würde 221 . MAISONNEUVE und seine Begleiter schifften sich am achten Mai in St. Michel ein. Als die mit Männern, Waffen und Vorräthen schwer beladenen Boote langsam auf ihrem Wege dahinglitten, hatten die Blätter sich eben vor dem warmen Hauche des Frühlings geöffnet, so dass der Wald zu ihrer Rechten und Linken nur Ruhe und Frieden widerzuspiegeln schien . Aber hinter den bewal deten Inseln, im verworrenen Dickicht und in den feuch ten Schluchten, im Schatten und in der Stille der mäch tigen Baumsäulen lauerten überall Gefahr und Entsetzen . Was sollen wir von diesen Abenteurern von Mont real sagen , welche ihren Reichthum und noch viel mehr hingaben , welche ihren Frieden und ihr Leben für ein zugleich so romantisches und frommes Unternehmen auf's Spiel setzten ? Es ist schwer , über diese Männer zu ur theilen , welche sich in Einbildungen , falschen Lichtern und falschen Schatten bewegten , eine Luft der Wunder

1642.)

Die Abenteurer von Montreal .

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athmeten , von Engeln und Teufeln geführt und durch mächtige, wenn aạch unwahre Reizmittel vorwärts getrie ben wurden, und welche in die übernatürlichste Aufregung versetzt waren. Ohne Zweifel besassen Viele von ihnen hohes Verdienst , aber man enthält sich besser des Ver suches, dasselbe zu messen oder zu beschreiben . Eine unter vernunftwidrigen Bedingungen auftretende Tugend zu wür digen, erfordert vielleicht ein mehr als menschliches Urtheil . Die römische Kirche , welche beim Beginn der Re formation in Fäulniss und Verderbniss versunken war, wurde durch diesen rauhen Trompetenstoss zur Selbst reinigung und Klärung erweckt. Unfähig weiter fortzu schreiten , fiel sie auf das frischere und verhältnissmässig reinere Leben der Vergangenheit zurück , so dass sich die Inbrunst der mittelalterlichen Christenheit erneute . In vielen Beziehungen gehört das Unternehmen von Mont real in die Zeit der ersten Kreuzzüge. Der Geist Gott frieds von Bouillon lebte wieder auf in CHOMEDEY VON MAISONNEUVE, und in MARGUERITE BOURGEOYS wurde das schöne Ideal christlicher Weiblichkeit verwirklicht , eine Blume der Erde , welche ihre Strahlen im Himmel aus breitete , welche mit sanftem Einfluss die Rohheit des barbarischen Zeitalters milderte. Am siebzehnten Mai 1642 erreichte MAISONNEUVE's kleine Flotte, eine Schaluppe , ein von Segeln bewegtes flachfahrendes Fahrzeug und zwei Ruderböte ??? , Mont real, und Alle am Bord vereinigten sich zu einer Dankes hymne. MONTMAGNY war bei ihnen , um Seitens der Ge sellschaft der Hundert Genossen die Insel an MAISONNEUVE als dem Repräsentanten der Genossen von Montreal zu übergeben 223 Ebenso befand sich hier Pater VIMONT, Oberer der Missionen , da man verständigerweise die Je suiten eingeladen hatte, die geistliche Aufsicht der jungen Colonie zu übernehmen . Am folgenden Tage glitten sie an den einsamen grünen Ufern entlang, welche jetzt durch das Treiben einer geschäftigen Stadt belebt werden, und badeten an dem Ort , welchen CHAMPLAIN vor einund dreissig Jahren als die beste Lage für eine Ansiedlung ausgesucht hatte 224. Es war eine Landzunge oder ein Dreieck, welches durch den Zusammenfluss eines kleinen Baches mit dem St. Lorenz gebildet, und welches später

202

Villemarie und Montreal .

als Point Callière bekannt wurde.

[ 1642 .

Der Bach war von

einer Wiese begrenzt, und dahinter erhob sich der Wald mit seiner Vorhut zerstreuter Bäume. Die ersten Früh lingsblumen blühten im jungen Grase und bunt befiederte Vögel flatterten zwischen den Zweigen 225. MAISONNEUVE sprang an's Land und fiel auf die Kniee . Seine Begleiter folgten seinem Beispiel und Alle vereinigten ihre Stimmen in begeisterten Dankesliedern . Zelte , Gepäck , Waffen und Vorräthe wurden gelandet . Ein Altar ward an einem hübschen Ort in der Nähe er richtet , und Mademoiselle MANCE schmückte ihn mit Madame DE LA PELTRIE und ihrem Mädchen CHARLOTTE BARRÉ mit soviel Geschmack , dass er die Bewunderung der Beschauer erregte 226. Jetzt versammelte sich die ganze Gesellschaft vor dem Schreine. Hier stand VIMONT im reichen Staatsornate, hier waren zwei Damen mit ihren Dienstboten , MONTMAGNY , kein williger Zuschauer , und MAISONNEUVE , eine kriegerische Gestalt, aufrecht und schlank inmitten seiner Leute Soldaten , Matrosen, Handwerker , Arbeiter die in der Noth alle Soldaten waren . Sie knieten in ehrfurchtsvollem Schweigen , als die Hostie erhoben wurde . Beim Schluss der Ceremonie wandte sich der Priester um und redete sie an : «Ihr seid ein Senfkorn , das blühen und wachsen soll, bis seine Zweige die Erde überschatten . Ihr seid nur We nige, aber euer Werk ist das Werk Gottes . Er lächelt auf euch herab und eure Kinder sollen das Land erfüllen ? 27. » Der Nachmittag schwand bald dahin. Die Sonne sank hinter die westlichen Wälder , und die Dämmerung trat ein . Leuchtkäfer glänzten über der dunklen Wiese . Die neuen Ankömmlinge fingen sie , banden sie mit Fäden zu flimmernden Gewinden und hingen sie vor dem Altar auf, wo die Hostie noch ausgestellt war. Dann schlugen sie ihre Zelte auf, zündeten ihre Lagerfeuer an, stellten ihre Wachen auf und legten sich zur Ruhe nieder. Dies war die Geburtsnacht von Montreal ? 28 . Ist es wirkliche Geschichte oder eine Romanze christ lichen Ritterthums ? Es ist beides .

Sechzehntes Kapitel.

Isaac Jogues . 1641-1644 .

Seine Seine Gefangennahme. Der Irokesen-Krieg. - JOGUES . Reise zu den Mohawks. Der Georg's-See. Die Mohawk Städte . Die Marterung des Missionars. Go PIL'S Tod. Fort Orange. JOGUES' Elend. Das « Babylon » der Mohawks. Die Reise nach Frank Manhattan . Jogues ' Flucht. Seine Rückkehr nach reich . JOGUES unter seinen Brüdern . Canada.

Die Wasser des St. Lorenz wälzten sich durch eine jungfräuliche Wildniss , in deren ungeheueren einsamen Waldstrecken ein civilisirter Mensch nur an drei Punkten ein Unterkommen , und im gegenwärtigen Augenblick noch dazu ein höchst unsicheres , fand : in Quebec , in Mont real und in Three Rivers . Hier und in den zerstreuten Missionen lebte die ganze weisse Bevölkerung von Neu Frankreich , im Ganzen ungefähr dreihundert Seelen , über deren ärmlichen Ansiedlungen jetzt eine unglücks schwangere Kriegswolke schwebte . Seit CHAMPLAIN zum ersten Male die Irokesen an gegriffen hatte, waren zweiunddreissig Jahre verflossen ???. Sie hatten ihren Grimm über eine Generation hinaus im Geheimen genährt , aber endlich schlug auch ihnen die Stunde der Rache. Die holländischen Händler im Fort Orange, dem jetzigen Albany , hatten sie mit Feuerwaffen versehen . Die Mohawks , die östlichsten der irokesischen Nationen , hatten unter ihren sieben- oder achthundert Kriegern nicht weniger als dreihundert , die mit der Arquebuse bewaffnet waren , einem Gewehre, welches eini germaassen dem heutigen Carabiner gleicht 233. Sie waren

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Isaac Jogues .

[ 1641-1642.

Herren über jene Donnerkeile , welche in den Händen CHAMPLAIN's ihre Herzen mit Schrecken erfüllt hatten . Wir haben in dem einleitenden Kapitel einen Blick auf den Charakter und die Organisation dieses wilden Volkes geworfen ; auf ihren Bund von fünf Nationen , welcher durch ein eigenthümliches Band der Clanschaft zusammengehalten wurde ; auf ihre halb erblichen und halb wählbaren Häuptlinge ; auf ihre Regierung , welche der Form nach eine Oligarchie , dem Geiste nach eine Demokratie war ; und endlich auf ihren Geist , welcher, wenn auch durchaus wild, sich doch durch einzelne Züge Der Krieg, einer kräftigen Entwicklung auszeichnete . hatten , geführt Huronen den mit lange schon sie den wurde von den Senecas und den anderen westlichen Nationen ihres Bundes fortgesetzt; während die Feind seligkeiten gegen die Franzosen und ihre indianischen Verbündeten im untern Canada den Mohawks überlassen blieben. In Abtheilungen von zehn bis hundert Mann oder mehr, verliessen sie ihre Städte am Mohawk, fuhren den Champlain-See und den Fluss Richelieu hinab, lagen an den Ufern des St. Lorenz im Hinterhalt und griffen die vorüberfahrenden Boote oder Canots an . Zuweilen schwärmten sie um die Befestigungen Quebec's und Three Rivers ' , tödteten Nachzügler, oder lockten bewaffnete Ab theilungen in einen Hinterhalt. Wie Jagdhunde verfolg ten sie die Spur von Reisenden und Jägern ; brachen um Mitternacht in unbewachte Lager ein und warteten Tage und Wochen lang, um die huronischen Händler bei ihrer Hätten sie jährlichen Fahrt nach Quebec abzufangen . Dis Civilisation eigene mit ihrem wilden Muthe die der hätten , so verbunden Kenntnisse ciplin und militärischen sie leicht Neu-Frankreich vernichten und die Ufer des St. Lorenz wiederum zur Einöde machen können ; aber obgleich sie die schrecklichsten der Wilden waren , SO waren sie eben doch nur Wilde . Früh Morgens am 2. August 1642 234 bewegten sich zwölf huronische Canots langsam an dem nördlichen Ufer des St. Lorenz vorüber , wo sich derselbe zum See von St. Peter erweitert. Etwa vierzig Personen befanden sich an Bord , darunter vier Franzosen , von denen einer der Jesuit Isaac JOGUES war, den wir bereits auf seiner Mis

1642.]

Jogues' Reise zu der huronischen Mission .

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sionsreise nach den Städten der Tabaks- Nation begleitet haben . In der Zwischenzeit war er nicht müssig gewesen . Im letzten Herbst ( 1641 ) war er mit dem Pater CHARLES RAYMBAULT dem Ufer des Huronen- See's entlang gegen Norden gezogen, dann durch die Strasse gefahren , welche den Oberen- mit dem Michigan- See verbindet, darauf bis zum Sault Sainte -Marie vorgedrungen , und hatte zwei tausend Ojibwas und anderen daselbst versammelten Al gonquins den Glauben gepredigt 235. Er kehrte jetzt von einem bei weitem gefährlicheren Unternehmen zurück. Die huronische Mission befand sich in einem Zustand des äussersten Mangels. Es bedurfte der Kleidung für die Priester, der Gefässe für die Altäre, des Brodes und des Weines für das Abendmahl , der Schreibmaterialien , kurz der nothwendigsten Gegenstände ; und früh im Sommer des gegenwärtigen Jahres war JOGUES mit den huronischen Händlern nach Quebec und Three Rivers hinabgefahren , um die erforderlichen Vorräthe zu besor gen . Er hatte seine Aufgabe gelöst und war auf dem Rückweg nach der Mission begriffen. In seiner Begleitung befanden sich ein paar huronische Bekehrte und unter ihnen ein bekannter christlicher Häuptling , EUSTACH AHATSISTARI. Andere aus der Gesellschaft erhielten den zur Taufe nöthigen Unterricht ; aber der grössere Theil waren Heiden , deren Canots ' schwer mit den Erträgen ihres Handels, den sie mit den französischen Pelzhändlern unterhielten, beladen waren . JOGUES sass in einem der ersten Canots . Er war zu Orleans im Jahre 1607 geboren , also damals fünfund Sein ovales Gesicht und der zarte dreissig Jahre alt. Schnitt seiner Züge zeugten von einem bescheidenen , nachdenkenden und durchgeistigten Wesen . Von Natur scheu, besass er ein zartes Gewissen und grosse religiöse Empfänglichkeit. Er war ein vollendeter Gelehrter und

würde vielleicht grossen literarischen Ruhm erlangt haben , wenn er nicht einen andern Lebensberuf erwählt hätte, für den er freilich nur schlecht zu passen schien . Phy sisch jedoch war er seiner Arbeit wohl gewachsen ; denn , obgleich von kleiner Gestalt , war er doch so beweglich , dass kein Indianer ihn im Lauf zu überholen vermochte 236 . In seiner Begleitung befanden sich zwei junge Leute ,

206

Isaac Jogues.

[1642

RENÉ GOUPIL und GUILLAUME COUTURE , « donnés » der Mission , – d. h . Laien , welche sich aus religiösen Ur sachen und ohne Bezahlung dem Dienste der Jesuiten widmeten . GOUPIL war früher in dem jesuitischen No viciat zu Paris gewesen , hatte sich aber wegen seiner schwachen Gesundheit genöthigt gesehen , dasselbe zu zu verlassen . Sobald es ihm möglich war , kam er nach Canada , bot dem Obern der Mission seine Dienste an , ward eine Zeitlang zu den niedrigsten Geschäften ver wendet , und wurde später ein Wärter an dem Hospital. Endlich bekam er zu seiner Freude die Erlaubniss , zu den Huronen zu gehen , wo man seiner vortrefflichen Jetzt befand ärztlichen Geschicklichkeit sehr bedurfte . er sich auf dem Wege dorthin 237. Sein Genosse Cou TURE war ein Mann von Einsicht und Energie und von Beide waren wie JOGUES in selbstlosem Charakter 238 . einem der ersten Canots , während sich der vierte Fran zose mit den noch nicht bekehrten Huronen im Nach zuge befand . Die zwölf Canots hatten das westliche Ende des St. Peter-See's erreicht, wo dieser mit unzähligen Inseln besetzt ist 239. Der Wald lag dicht zu ihrer Rechten . Sie hiel ten sich nahe an's Ufer, um die Strömung zu vermeiden . Das seichte Wasser vor ihnen war dicht mit hohen Bin sen bedeckt . Plötzlich wurde die Stille schrecklich unter brochen . Kriegsgeschrei erhob sich zwischen dem Schilf, vermischte sich mit dem Krachen der Gewehre und dem Pfeifen der Kugeln ; dann schossen verschiedene , mit iro kesischen Kriegern gefüllte Canots aus ihren Schlupfwin keln hervor und stürzten sich auf JOGUES und seine Ge fährten . Die Huronen im Nachzuge wurden von einer schmachvollen Furcht ergriffen. Sie sprangen an's Ufer, liessen Canots , Gepäck .und Waffen im Stich und flohen in die Wälder. Die Franzosen und die christlichen Hu ronen setzten sich eine Zeitlang zur Wehr ; aber als sie ein zweites Canotgeschwader sich von den gegenüber liegenden Ufern oder Inseln her nähern sahen , verloren sie ihren Muth und suchten zu entfliehen . GOUPIL wurde unter Triumphgeschrei gefangen genommen , und ebenso mehrere von den huronischen Bekehrten . JOGUES sprang in die Binsen und hätte entfliehen können . Als er aber

1642.]

Gefangennahme durch die Irokesen .

207

GOUPIL und die Neubekehrten in den Klauen der Iro kesen sah , hatte er nicht das Herz , sie im Stiche zu lassen , sondern kam aus seinem Versteck hervor und überlieferte sich den erstaunten Siegern . Ein paar von ihnen waren zur Bewachung der Gefangenen zurückge blieben ; die übrigen verfolgten die Flüchtlinge . JOGUES bezwang seinen Schmerz und begann diejenigen der ge fangenen Bekehrten zu taufen , welche der heiligen Hand lung bedurften . COUTURE war seinen Verfolgern entgangen . Aber als er an JOGUES und daran dachte , was seiner vielleicht harrte, beschloss er, sein Schicksal mit ihm zu theilen , und Als er sich näherte , wandte seine Schritte rückwärts . Einer von ihnen rannten ihm fünf Irokesen entgegen . drückte sein Gewehr auf seine Brust ab, aber es versagte . In seiner Verwirrung und Aufregung feuerte COUTURE seine eigene Büchse ab und tödtete den Wilden . Die übrigen vier sprangen auf ihn los , rissen ihm die Kleider den Zähnen die Nägel von den Fin vom Leibe, und m gern, benagten diese mit der Wuth hungriger Hunde und stiessen ein Schwert durch eine seiner Hände . JOGUES entwand sich seinen Wächtern und schlang, sich auf sei nen Freund stürzend, seine Arme um dessen Hals . Die Irokesen schleppten ihn weg , schlugen ihn mit Fäusten und Kriegskeulen , bis er ohnmächtig wurde, und zerfleisch ten bei seinem Wiedererwachen seine Finger ebenso mit ihren Zähnen wie die von COUTURE . Alsdann wandten sie sich GOUPIL zu und behandelten ihn mit derselben

wilden Grausamkeit. Die huronischen Gefangenen blieben Fortwährend wurden neue Ge für's Erste unversehrt. fangene eingebracht , bis sich endlich ihre Zahl im Gan zen auf zweiundzwanzig belief, während drei Huronen im Die Kampfe und bei der Verfolgung gefallen waren. etwa siebenzig Mann starken Irokesen schifften sich jetzt mit ihren Opfern ein ; aber vorher schlugen sie noch einem alten Huronen den Hirnschädel ein, der eben von JOGUES mit seinen zerfleischten Händen getauft war und den Platz nicht verlassen wollte. Alsdann schritten sie in brennender Sonnenhitze nach der Stelle , auf welcher jetzt die Stadt Sorel steht , nahe der Mündung des Ri chelieu, und schlugen dort ein Lager auf 240.

208

Isaac Jogues .

( 1642.

Ihr Weg führte gen Süden , den Richelieu und Champlain - See hinauf, dann über den Georg's - See nach Der Schmerz , das Wundfieber den Mohawk- Städten . und die Wolken von Mosquitos , welche sie nicht weg zuscheuchen vermochten , gönnten den Gefangenen keine Am achten Ruhe bei Tage , keinen Schlaf bei Nacht. Tage erfuhren sie , dass eine grosse , auf ihrem Wege nach Canada begriffene irokesische Kriegsgesellschaft in der Nähe sei ; und bald erreichten sie das Lager derselben, welches auf einer kleinen Insel nahe dem südlichen Ende des Champlain- See's gelegen war. Die Krieger, zweihundert an Zahl , begrüssten ihre siegreichen Landsleute mit Ge wehrsalven ; alsdann stellten sie sich mit Keulen und dor nigen Stöcken bewaffnet in zwei Reihen auf, durch welche die Gefangenen gezwungen wurden , den Abhang eines fel sigen Berges hinaufzulaufen. Auf diesem Gange wurden sie mit solcher Wuth geschlagen , dass JOGUES , welcher der letzte in der Reihe war, in seinem Blute schwimmend und halb todt ohnmächtig hinsank. Als Anführer der franzö sischen Gefangenen ging es ihm am schlimmsten . Seine Hände wurden abermals verstümmelt und Feuer an seinen Körper angelegt ; während der huronische Häuptling Eu STACHE womöglich noch grössere Martern zu ertragen hatte . Als die erschöpften Dulder in der Nacht auszuruhen ver suchten , kamen die jungen Krieger , um ihre Wunden aufzureissen und ihnen die Haare und Bärte auszuraufen . Am nächsten Morgen setzten sie ihren Weg fort . Jetzt verengte sich der See so sehr, dass er einem ruhigen Fluss ähnlich sah. Vor ihnen lag ein bewaldetes Gebirge, dicht zu ihrer Rechten ein felsiger Vorsprung , und zwi schen diesen floss ein Strom , der Ausfluss des Georg's See's . Auf diesen Felsen erhoben sich mehr als hundert Jahre später die Wälle von Ticonderoga . Sie landeten , luden ihre Canots und das Gepäck auf ihre Schultern , schlugen den Weg durch die Wälder ein , schritten über den Platz, auf welchem die trotzigen Hochländer und die unerschrockenen Regimenter Englands vergeblich dem Sturm von Blei und Feuer die Brust darboten , und er reichten bald das Ufer, wo ABERCROMBIE landete und Lord Howe fiel. Als die ersten Weissen blickten JOGUES und seine Gefährten auf den romantischen See , welcher

.1642.]

Der Georg's-See .

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nicht den Namen seines sanftmüthigen Entdeckers , son dern den des trägen hannover'schen Königs führt. Wie eine schöne Najade der Wildniss schlummerte er zwischen den ihn schirmenden Bergen , welche von Klippe und Wald her die wildeste Poesie athmen . Aber Alles war damals Einsamkeit ; und das Schmettern der Trompeten, das Donnern der Kanonen und das todbringende Knattern des Gewehrfeuers hatten bis jetzt noch nie ihr grollendes Echo erweckt 241. Wieder wurden die Canots flott gemacht und das Geschwader der Wilden glitt auf seinem Wege dahin , bald im Schatten der Höhen , bald auf breiter Fläche, bald durch die labyrinthischen Kanäle der Engen , welche mit waldigen Inseln besetzt sind, wo die heisse Luft vom Duft der Fichte , der Lärche und Ceder durchdrungen ist , bis sie sich jenem tragischen Ufer näherten , wo im folgenden Jahrhundert Neu - Englands Bauern die Sol daten Dieskau's zurückwarfen , wo Montcalm seine Bat terien aufpflanzte, wo das rothe Kreuz so lange zwischen Rauch flatterte, und wo schliesslich die Sommernacht mit ihrem Schleier ein schreckliches Blutfeld bedeckte und ein Ehrenmann sein Andenken durch grausames Blutver giessen befleckte 24 2. Die Irokesen landeten in der Nähe oder an der Stelle, wo das spätere Fort William Henry lag , verliessen ihre Canots und begannen mit den Gefangenen ihren Marsch nach dem nächsten Mohawk- Städtchen . Ein jeder trug einen Theil der Beute. Selbst JOGUES sah sich ge nöthigt, obgleich seine zerfleischten Hände in einem schrecklichen Zustande waren und sein Körper mit Beulen bedeckt war , neben den Uebrigen unter einer schweren Bürde vorwärts zu stolpern. Er und seine Mitgefangenen und in der That die ganze Gesellschaft waren halb ver hungert und ernährten sich hauptsächlich von wilden Bee ren. Sie überschritten den obern Hudson und näherten sich , dreizehn Tage , nachdem sie den St. Lorenz ver lassen hatten, dem armseligen Ziel ihrer Wanderung, einer verpallisadirten Stadt, die auf einem Hügel an den Ufern des Mohawk lag. Das Geheul der Sieger kündigte ihre Ankunft an, und wie aus einem Bienenkorb schwärmten die Wilden 14 PARKMAN, Die Jesuiten in Nord -Amerika .

210 hervor.

Isaac Jogues .

[1642 .

Sie besetzten den Abhang des Hügels , Alt und

Jung , jeder mit einem Stock oder einem dünnen Eisen stab bewaffnet, den sie von den Holländern am Hudson gekauft hatten . Sie stellten sich in doppelter Linie auf, welche bis zum Eingang der Stadt reichte ; und durch diese « enge Paradiesstrasse, » wie JOGUES sich ausdrückt, wurden die Gefangenen im Gänsemarsch geführt, Cou TURE voran , hinter ihm ein halbes Dutzend Huronen, alsdann GOUPIL , dann die übrigen Huronen und zuletzt JOGUES. Als sie vorbeigingen , wurden sie mit Geheul, Kreischen und einem Schauer von Schlägen begrüsst. Einer , gewichtiger als die anderen , benahm JOGUES den Athem und streckte ihn zu Boden ; aber dort liegen blei ben, hiess sterben, und sich wieder erhebend stolperte er mit den Uebrigen weiter 243. Als sie die Stadt erreichten , hörten die Schläge auf, und sie wurden alle auf ein Schaffot oder hohe Plattform gestellt , welche mitten in der Stadt lag. Die drei Franzosen waren am schlimm GOUPIL sten davongekommen und furchtbar entstellt. besonders triefte von Blut und war am ganzen Körper mit Beulen und blauen Flecken bedeckt. Einige Augenblicke liess man sie in Ruhe und wieder zu Athem kommen , während der unten befindliche Pöbel zischte und höhnte. Alsdann rief ein Häuptling : «Lasst und der Haufen be uns diese Franzosen liebkosen ! » gann mit dem Messer in der Hand das Schaffot zu er steigen. Sie befahlen einer gefangenen christlichen Al gonquin -Frau, JOGUES' linken Daumen abzuschneiden , was sie auch that. Auch ein Daumen GOUPIL's wurde abge trennt , indem man sich zur Vermehrung des Schmerzes einer Muschelschale bediente. Es ist überflüssig, noch fer ner die Martern näher zu beschreiben, welche die Unglück lichen zu erdulden hatten , und die alle darauf berechnet waren , ohne das Leben zu gefährden , möglichst grosse Qualen zu bereiten . Mit Anbruch der Nacht entfernte man die Gefangenen von dem Schaffot und brachte sie in eines der Häuser. Jeder wurde mit ausgebreiteten Gliedern auf seinen Rücken gestreckt, während die Knöchel und Hand gelenke fest an die in den Boden eingeschlagenen PRöcke gebunden wurden . Die Kinder ahmten jetzt das Beispiel ihrer Eltern nach und vergnügten sich damit,

5642.]

Die Martern der Gefangenen .

211

brennende Kohlen und rothglühende Asche auf die nack ten Leiber der Gefangenen zu legen , die festgebunden und mit Wunden und Beulen bedeckt , welche jede Be wegung zur Qual machten, häufig nicht im Stande waren, dieselben abzuschütteln. Den nächsten Morgen brachte man sie wiederum auf das Schaffot, wo sie während dieses und der beiden fol genden Tage dem Spott und Hohn der Menge ausgesetzt blieben. Dann wurden sie im Triumph nach der zweiten Mohawk-Stadt geführt und alsdann nach der dritten 247. In jeder fand eine Wiederholung der grausamen Martern statt , deren Einzelheiten ebenso einförmig als empörend sein würden. In einem Hause der Stadt Teonontogen wurde Jo ES an den Gelenken zwischen zwei senkrechte , das Fachwerk stützende Pfähle aufgehängt, so dass seine Füsse den Boden nicht berühren konnten. In dieser Lage verblieb er einige fünfzehn Minuten unter den äussersten Qualen, bis ein Indianer, als er im Begriff war, ohnmäch tig zu werden , in einer Regung von Mitleid die Schnüre durchschnitt und ihn daraus befreite . Während sie sich in dieser Stadt aufhielten , wurden vier neue eben ergrif fene huronische Gefangene eingebracht und zu den übri gen auf das Schaffot geschafft. JOGUES ergriff mitten in seiner Qual und Erschöpfung die Gelegenheit sie zu be kehren . Ein Kolben grünen Kornes war ihm zur Nah rung vorgeworfen worden , und er entdeckte ein paar Regentropfen an den Hülsen hängen . Mit diesen taufte er zwei von den Huronen. Die beiden übrigen erhielten die Taufe bald nachher aus einem Bache, den die Ge- , fangenen auf dem Wege nach einer andern Stadt über schritten . COUTURE . hatte , obgleich er die Indianer durch die Tödtung eines ihrer Krieger erzürnt hatte , durch seinen . Muth ihre Bewunderung erregt. Nachdem sie ihn auf das Grausamste gemartert hatten, nahmen sie ihn in eine ihrer Familien an Stelle eines verstorbenen Verwandten auf. Von da an befand er sich in verhältnissmässiger Sicherheit . JOGUES und GOUPIL waren weniger glücklich. Drei Huronen waren verbrannt worden , und sie erwar tete ein gleiches Loos . Es wurde eine Berathung ab

212

Isaac Jogues .

[ 1642.

gehalten , um ihr Schicksal zu bestimmen ; aber es ent stand Uneinigkeit , und es wurde kein Beschluss erzielt . Man führte sie nach dem ersten Dorf zurück. Hier blie. ben sie von Ungewissheit über ihre Zukunft gemartert und vor Erschöpfung halb todt. JOGUES liess sich gleich wohl keine Gelegenheit entgehen , sterbende Säuglinge zu taufen , während GOUPIL die Kinder das Zeichen des Kreuzes machen lehrte . Bei einer Gelegenheit machte er das Zeichen auf die Stirn eines Kindes , des Enkels eines Indianers , in dessen Hütte er wohnte. Der Aber glaube des alten Wilden wurde rege . Einige Holländer hatten ihm gesagt, das Kreuzeszeichen käme vom Teufel und richte Unheil an . Er dachte , GOUPIL behexe das Kind . Mit dem Entschluss , sich eines so gefährlichen Gastes zu entledigen , wandte er sich an zwei junge Krie gar um Hülfe . JOGUES und GOUPIL gingen bald darauf in ihrem schmutzigen Gewand von zerrissenen Häuten zusammen in den an die Stadt stossenden Wald , um sich durch Gebete zu trösten und sich gegenseitig zu ermah nen , um des Heilandes und der Jungfrau willen geduldig zu leiden , als sie bei ihrer Rückkehr , ihren Rosenkranz betend , zwei jungen Indianern begegneten und in deren finsteren Gesichtern ein Vorzeichen nahenden Unheils lasen . Die Indianer schlossen sich ihnen an und begleiteten sie bis zum Eingang der Stadt. Hier zog der Eine von den Beiden plötzlich ein Beil unter seinem Mantel hervor und hieb es in den Kopf GOUPIL's , welcher des Heilands Namen murmelnd zu Boden sank . JOGUES fiel auf die Kniee und erwartete mit gebeugtem Haupte betend den Todesstreich . Doch der Mörder hiess ihn aufstehen und nach Hause gehen . Er gehorchte , ertheilte jedoch zuvor seinem noch athmenden Freunde die Absolution . Alsbald sah er den leblosen Körper unter Geheul . und freudigem Geschrei durch die Stadt schleifen . JOGUES verbrachte eine Nacht voller Qual und Ver zweiflung. Als der Morgen anbrach , machte er sich , un bekümmert um sein Leben , auf, um die sterblichen Reste GOUPIL's zu suchen . « Wohin gehst du so schnell ? » fragte ihn sein Herr, ein alter Indianer. « Siehst du nicht jene wilden jungen Krieger , die dich tödten wollen ? » JOGUES beharrte bei seinem Vorhaben und der Alte hiess

1612.]

Unter den Mohawks.

Goupil's Ende.

213

einen andern Indianer als Beschützer mit ihm gehen . Der Leichnam war in eine benachbarte Schlucht geworfen worden , durch welche ein Giessbach strömte. Hier fand ihn JOGUES mit Hülfe des Indianers nackend und von Hunden angefressen. Er schleppte ihn in's Wasser, und bedeckte ihn mit Steinen, um ihn vor ferneren Verstümm lungen zu bewahren . Mit dem Vorsatze , am folgenden Tage allein wieder zu kommen und ihn zu bestatten, ent fernte er sich. Aber in der Nacht kam ein Gewitter ; und als JOGUES mit Tagesgrauen zum Ufer des Stromes gelangte, fand er nur eine tobende, kochende Fluth. Den Körper erblickte er nirgends . ' Hatten die Indianer ihn davongetragen, oder der Giessbach ? JOGUES watete in die kalte Strömung ; es war am ersten October ; er unter :suchte sie mit seinen Füssen und seinem Stocke, durch stöberte die Felsen , das Dickicht , den Wald ; aber Alles war vergeblich . Alsdann mischte er seine Thränen mit den erbarmungslosen Fluthen des Stromes und sang mit. einer von Seufzen unterbrochenen Stimme das Todten amt 245 Die Indianer und nicht die Fluth hatten ihn, wie sich später erwies , der Ueberreste seines Freundes beraubt . Als der Frühling eben anbrach und der Schnee in den Wäldern schmolz , sagten ihm Mohawk -Kinder , der Kör per liege etwas stromabwärts an einem einsamen Platze . Er suchte ihn und fand die zerstreuten von den Füchsen und Vögeln abgenagten Knochen . Zärtlich sammelte er sie und verbarg sie in einem hohlen Baum in der Hoff nung , dass der Tag anbrechen werde, an welchem er ihm ein christliches Begräbniss in geweihter Erde zu Theil werden lassen könne. Nach GOUPIL’s Ermordung hing JOGUES' Leben an einem Haar. Er lebte in stündlicher Erwartung des To mahawks und würde ihn als eine Wohlthat begrüsst haben. Durch Zeichen und Worte warnte man ihn, dass seine Todesstunde gekommen sei ; aber da er seinem Schicksal nie aus dem Wege ging , so floh es ihn , und jeden Tag fand er sich noch immer mit erneutem Er staunen unter den Lebenden. Spät im Herbst zog eine Gesellschaft Indianer auf ihre jährliche Hirschjagd. Man befahl JOGUES , mit ihnen

214

Isaac Jogues.

[ 1642 .

zu gehen . 'Zitternd und halb verhungert folgte er ihnen durch den kalten Novemberwald und theilte ihr wildes Bivouac in den Tiefen der winterlichen Einöde . Das erjagté Wild war Areskoui , ihrem Gotte , geweiht und wurde ihm zu Ehren verzehrt. JOGUES wollte das einem Dämon dargebrachte Fleisch nicht anrühren ; und so hun gerte er , vom Ueberfluss umgeben . Nachts , wenn der Kessel über dem Feuer hing und der wilde Haufen sich > an demselben vergnügte , hockte er in einer Ecke der Hütte , vom Hunger geplagt und bis auf's Mark von der Kälte durchdrungen . Sie hielten seine Gegenwart ihrer Jagd für ungünstig, besonders aber hassten ihn die Wei ber. Sein Betragen setzte seine Herren zur selben Zeit in Erstaunen wie in Zorn. Er brachte ihnen Brennholz, wie eine Squaw ; er gehorchte ohne zu murren , und er trug geduldig ihre Scheltworte ; aber sobald sie seinen Gott verhöhnten und seine Andachtsübungen verlachten , nahm ihr Sclave eine Miene und einen Ton der Autorität an und stellte sie entschieden zur Rede 246. JOGUES entfloh zu Zeiten « diesem Babylon , » wie er diese Hütte nennt , und wanderte in den Wald , seinen Rosenkranz betend und Stellen aus der Schrift wieder holend . An einem entlegenen und einsamen Platze schnitt er die Rinde in der Form eines Kreuzes von dem Stamm eines grossen Baumes ; und hier verrichtete er sein Gebet. Dieser lebende Märtyrer, halb in zottige Felle gehüllt, auf dem Schnee zwischen eisgezackten Felsen und unter den düsteren Fichten knieend , in Andacht vor dem Zeichen seines Glaubens gebeugt, in welchem er seinen einzigen Trost und seine einzige Hoffnung erblickt, ist in demsel ben Maasse für die Feder wie für den Pinsel ein der Dar stellung würdiges Bild . Endlich wurden die Indianer seiner überdrüssig und sandten ihn in das Dorf zurück . Hier blieb er bis Mitte März, taufte Säuglinge und versuchte Erwachsene zu be kehren . Er erzählte ihnen von der Sonne , vom Mond, von den Planeten und Sternen . Sie hörten ihm mit In teresse zu ; aber als er von der Astronomie zur Theo logie überging , mühte er sich vergebens ab . Im März machte sich der Alte, bei dem er wohnte, auf, um seine Frühlingsfischerei zu unternehmen . Es begleiteten ' ihn

1613. )

Jogues' Bekehrungseifer.

215

seine Squaw, verschiedene Kinder und auch JOGUES . Sie zogen nach einem , vier Tagereisen entfernten See , viel leicht nach dem Saratoga . Hier fanden sie eine Zeit lang ihren Unterhalt durch Frösche, durch die Eingeweide von Fischen und durch andern Abfall. JOGUES verbrachte seine Tage in dem Walde, seine Gebete hersagend, und den Namen Jesus zur Abwehr der Dämonen der Wildniss in die Bäume einschneidend . Endlich kam ein Bote aus der Stadt. Am folgenden Tage brach die Gesellschaft unter dem Vorwand, dass Zeichen von einem feindlichen Ueberfall vorlägen , ihr Lager ab und eilte in wilder Hast nach Hause . Der Bote hatte die Nachricht gebracht, dass ein gegen die Franzosen ausgerückter Kriegszug be siegt und vernichtet worden sei, und dass die ganze Be völkerung zur Besänftigung ihres Schmerzes darnach ver lange, JOGUES zu Tode zu martern . Dies war die wahre Ursache der plötzlichen und geheimnissvollen Rückkehr ; aber bei ihrer Ankunft in der Stadt waren andere Nach richten eingelaufen. Die vermissten Krieger befanden sich in Sicherheit und zogen im Triumph mit einer gros sen Zahl von Gefangenen heimwärts . JOGUES' Leben wurde verschont ; aber er sah sich gezwungen , der Mar terung und dem Hinschlachten der Bekehrten und fran zösischen Bundesgenossen beizuwohnen . Das Leben wurde ihm unerträglich , und er sehnte sich nach dem Tode . Kriegszüge rückten fortwährend aus . Wurden sie besiegt und abgeschnitten , so musste er die Niederlage an dem Marterpfahl büssen ; und wenn sie, was gewöhn lich geschah , mit Beute und Gefangenen heimkehrten , so musste er zusehen, wie seine Landsleute und ihre india nischen Freunde verstümmelt , verbrannt und gefressen wurden. JOGUES hatte nie die Absicht zu entfliehen gezeigt , wesshalb ihm auch grosse Freiheit gelassen wurde . Er ging von Stadt zu Stadt , ertheilte den christ

lichen Gefangenen Absolution , bekehrte und taufte die Heiden . Einmal taufte er ein Weib inmitten des Schei terhaufens, indem er vorgab, einen Krug Wasser an ihre vertrockneten Lippen zu heben. Ein einziger Kriegszug kehrte aus dem Huronenland mit beinahe hundert Ge. fangenen zurück , welche in die irokesischen Städte ver

216

Isaac Jogues .

[1613 .

theilt und zum grössern Theil verbrannt wurden 247. Von den Kindern der Mohawks und ihren Nachbarn hatte er, vor dem August , ungefähr siebenzig getauft , so dass er anfing seine Gefangenschaft als göttliche Fügung zu betrachten , um Seelen zu retten . Ende Juli begab er sich mit einer Gesellschaft In dianer an den Hudson , um ungefähr zwanzig Meilen unterhalb Fort Orange zu fischen . Während seines dor tigen Aufenthaltes erfuhr er , dass ein anderer Kriegszug kürzlich mit Gefangenen zurückgekehrt sei , von denen zwei zu Osseruenon verbrannt seien. Bei dieser Nach richt bekam . er Gewissensbisse, dass er nicht in der Stadt geblieben war, um den Duldern Absolution oder die Taufe zu ertheilen ; und er bat die alte Frau, die ihn zu beauf sichtigen hatte, um Erlaubniss , bei erster Gelegenheit zu rückkehren zu dürfen . Bald darauf kam ein Canot mit einigen Irokesen den Fluss hinauf, und man erlaubte ihm mitzugehen . Als sie Rensselaerswyck erreichten , landeten die Indianer , um mit den Holländern zu handeln , und nahmen JOGUES mit. Der Mittelpunkt dieser rohen kleinen Niederlassung war Fort Orange , ein erbärmlicher Haufen von Balken , welcher auf einem jetzt innerhalb der Grenzen der Stadt Albany liegenden Platze stand 248. Das Fort umfasste mehrere Häuser und andere Gebäude ; und hinter ihm stand eine kleine kürzlich erbaute Kirche , welche dem Pastor DOMINE MEGAPOLENSIS als Aufenthalt diente, der heutzu tage als der Verfasser eines interessanten , wenn auch kurzen Berichtes über die Mohawks bekannt ist. Einige fünfundzwanzig oder dreissig Häuser , roh aus Brettern errichtet und mit Stroh gedeckt, lagen oberhalb und un terhalb des Forts an oder nahe dem Hudson zerstreut. Ihre Bewohner , ungefähr hundert an Zahl , waren zum grössten Theil rohe holländische Bauern , Lehnsleute von VAN RENSSELAER , dem Patron oder Herrn der Herr schaft. Sie zogen Weizen , aus welchem sie Bier brauten , und Hafer, mit welchem sie ihre zahlreichen Pferde füt terten. Sie handelten auch mit den Indianern , welche grossen Vortheil aus der Concurrenz der Holländer zogen , indem sie Gewehre , Messer , Aexte , Kessel , Tuch und Perlen zu geringen Preisen für Felle erhielten . Die Hol

1643.)

Fort Orange.

217

länder standen auf sehr gutem Fuss mit ihren rothen Nachbarn , begegneten ihnen im Walde ohne die geringste Furcht und heiratheten manchmal in ihre Familien . Sie hatten von JOGUES ' Gefangenschaft Kunde erhalten und zu ihrer grossen Ehre Versuche zu seiner Befreiung ge macht , indem sie zu diesem Ende Waaren von bedeu tendem Werthe, aber ohne Erfolg boten 249. In Fort Orange vernahm JOGUES erschreckende Nach richten. Die Indianer des Dorfes, in welchem er wohnte , waren , wie man ihm sagte , wüthend auf ihn und ent schlossen , ihn zu verbrennen. Ungefähr am 1. Juli war ein Kriegszug nach Canada abgegangen , und einer der Krieger hatte sich JOGUES angeboten , einen Brief von ihm an den französichen Commandanten von Three Rivers zu überbringen, in der Meinung, irgend welchen Vortheil unter dem Vorwande einer Unterredung zu erzielen . JOGUES wusste , dass die Franzosen auf ihrer Hut sein würden ; und er hielt es für seine Pficht, keine Gelegen heit vorübergehen zu lassen , sie von dem Stande der irokesischen Angelegenheiten zu benachrichtigen . Ein Holländer gab ihm ein Stück Papier ; und er schrieb einen Brief in einem Gemisch von Latein , Französisch und Huronisch, indem er seine Landsleute zur Vorsicht mahnte, da Kriegszüge fortwährend ausrückten, und sie auf keine Unterbrechung der Angriffe bis spät in den Herbst hinein hoffen könnten 25 1 . Als der Irokese die Mündung des Richelieu erreicht hatte , wo im vorjährigen Sommer von den Franzosen ein kleines Fort gebaut worden war , bat der Bote um eine Unterredung und überreichte JOGUES' Dieser jedoch Brief dem Commandanten des Platzes . richtete , nachdem er den Brief gelesen hatte , seine Ka nonen auf die Wilden , welche voller Schrecken mit Zu rücklassung ihres Gepäckes und einiger Gewehre die Flucht ergriffen. Heimgekehrt, beschuldigten sie wüthend JOGUES als den Urheber ihres Unglücks. JOGUES hatte die sen Ausgang erwartet und war vorbereitet, demselben zu begegnen ; aber mehrere der vornehmsten holländischen An siedler, und unter ihnen VAN CURLER, welcher den vorigen Versuch zu seiner Rettung gemacht hatte, betonten , dass sein Tod unvermeidlich sei , wenn er in die indianische Stadt zurückkehre, und riethen ihm zur Flucht. « Auf dem

218

Isaac Jogues.

[1643.

Hudson, der Niederlassung gegenüber, lag ein kleines hol ländisches Fahrzeug , welches fast segelfertig war. VAN CURLER bot ihm darin einen Platz nach Bordeaux oder Rochelle an , indem er ihn darauf aufmerksam machte, dass die Gelegenheit zu günstig sei , um sie unbenützt vor übergehen zu lassen , und leicht über die Einwendungen des Gefangenen hinwegging , dass eine Theilnahme der Holländer an seiner Flucht den Zorn der Indianer gegen sie erregen würde. JOGUES dankte ihm herzlich ; aber zum Erstaunen VAN CURLER'S bat er ihn um Frist für eine Nacht, um die Sache zu erwägen und Gott im Gebet um Rath zu fragen . Er verbrachte die Nacht in der grössten Erregung, von Zweifeln durchwogt, voller Furcht, dass seine Selbst liebe ihn seiner Plicht untreu werden lassen möchte 252. War es nicht möglich, dass die Indianer sein Leben 'ver schonen würden, und dass er durch einen Tropfen Wasser zur Zeit noch immer Seelen vor den marternden Teufeln und ewigen Feuern der Verdammniss retten könnte ? Würde er aber nicht andrerseits , wenn er bliebe , um einem un vermeidlichen Schicksal zu begegnen , die Schuld des Selbstmordes auf sich laden ? Und selbst wenn er Marter und Tod entginge , durfte er hoffen , dass die Indianer ihm wieder gestatten würden , ihre Gefangenen zu unter richten und zu taufen ? Von seinen französischen Genossen war der eine , GOUPIL , todt ; während COUTURE ihn zur Flucht drängte, indem er sagte, er würde dann seinem Bei spiele folgen , – sei der Pater dagegen ein Gefangener, so würde er sein Schicksal theilen. Ehe der Morgen anbrach, hatte JOGUES seinen Entschluss gefasst. Gott, so dachte er , würde grösseres Wohlgefallen daran finden , wenn er die ihm gebotene Gelegenheit ergriffe. Er suchte seine holländischen Freunde auf und nahm mit überströmenden Dankesäusserungen ihr Anerbieten an . Sie sagte ihm, dass ein Boot für ihn am Ufer gelassen werden sollte, und dass er seine Zeit abpassen und nach dem Schiffe entfliehen müsse , wo er alsdann sicher sei . Er und seine indianischen Herren waren zusammen in einem grossen , einer Scheune gleichenden Gebäude untergebracht, welches einem holländischen Farmer ge hörte. Es war hundert Fuss lang und hatte keine Ab

1643.)

Der Fluchtversuch .

219

theilung irgend welcher Art . An dem einen Ende ver wahrte der Bauer sein Vieh ; an dem andern schlief er mit seiner Frau , einer Mohawk -Squaw , und seinen Kin dern , während seine indianischen Gäste in der Mitte auf dem Boden lagen 253. Da er als eine der vornehmsten Personen der Colonie beschrieben wird , so ist es klar , dass die Civilisation RENSSELAERSWYCK's damals noch nicht weit her war. Am Abend ging JOGUES heimlich , um keinen Ver dacht bei den Indianern zu erregen , hinaus und recog noscirte. Ein Zaun lief um das Haus , und als er an demselben vorbeiging , stürzte sich ein dem Bauern ge hörender Hund auf ihn und biss ihn tief in's Bein . Der Holländer hörte den Lärm und kam mit einem Licht heraus . Er führte JOGUES in das Gebäude zurück und verband seine Wunde. Er schien einigen Verdacht gegen den Gefangenen geschöpft zu haben ; denn vielleicht aus Furcht, dass dessen Flucht die Indianer erzürnen möchte, befestigte er die Thür derart, dass sie nicht gleich geöff net werden konnte . JOGUES legte sich jetzt zwischen die Indianer , welche in ihre Decken eingehüllt sich um ihn hingestreckt hatten . Fiebernd vor Aufregung hielt ihn die Unruhe seines Geistes, ' verbunden mit dem Schmerze seiner Wunde , die ganze Nacht wach . Gegen Tagesan bruch , während die Indianer noch schliefen , kam ein bei dem Farmer in Arbeit stehender Tagelöhner mit einer Laterne hinein , und JOGUES , welcher kein Holländisch verstand , gab ihm durch Zeichen zu verstehen , dass er der Hülfe und der Führung bedürfe. Der Mann war be reit , ihm zu helfen , führte ihn schweigend hinaus , be ruhigte die Hunde und zeigte ihm den Pfad zum Flusse . Dieser lag mehr als eine halbe Stunde entfernt und der dahinführende Weg war rauh und holperig. JOGUES war äusserst erschöpft, denn seine Wunde verursachte ihm solchen Schmerz , dass er nur mit der grössten Anstren gung zu gehen vermochte. Als der Tag anbrach , er reichte er das Ufer, fand aber zu seinem Schrecken, dass die Ebbe das Boot hoch und trocken gelassen hatte . Er rief dem Schiffe zu , aber Niemand hörte ihn . Seine Verzweiflung verlieh ihm Kraft; und indem er das Boot hin und her schaukelte , schob er es endlich nach und

220

Isaac Jogues.

[ 1643 .

nach in's Wasser , stieg hinein und ruderte zum Schiff. Die holländischen Schiffer nahmen ihn freundlich auf und verbargen ihn im Boden des Schiffsraumes, indem sie eine grosse Kiste über die Lücke stellten. Zwei Tage blieb er , beinahe erstickend , in diesem dumpfen Versteck eingezwängt, während die Indianer, wü thend über sein Entkommen , vergebens die Niederlassung nach ihm durchsuchten. Sie kamen auch nach dem Schiff, und erschreckten die Offiziere dermaassen , dass JOGUES des Nachts an’s Ufer gesandt und nach dem Fort ge bracht wurde. Hier verbarg man ihn auf dem Boden eines Hauses , das einem alten Geizhals gehörte , dessen Obhut er anvertraut wurde. Es wurde ihm Essen ge schickt ; aber da sein Wirth sich selbst den grössern Theil davon aneignete, so starb JOGUES fast vor Hunger. Es war noch ein Verschlag auf dem Boden vorhanden . Hier hatte der alte Holländer, welcher wie viele andere Ansiedler mit den Indianern handelte, zu diesem Zwecke eine Anzahl von Gütern aufgespeichert; und hierher brachte er häufig seine Kunden . Die Bretter des Ver schlags hatten sich gezogen und weite Risse gelassen ; und JOGUES konnte deutlich die Indianer sehen, wenn sie zwischen ihm und dem Lichte gingen. Diese hätten ihn ihrerseits ebenso gut sehen können , wenn er sich nicht, sobald er ihre Ankunft im Hause hörte , hinter einigen Hier blieb er Fässern in einer Ecke verborgen hätte. manchesmal Stunden lang , in einer gezwungenen und schmerzhaften Lage, halb erstickt von der Hitze und aus Furcht kein Glied bewegend . Sein verwundetes Bein be gann gefährliche Symptome zu zeigen ; aber seine Schmer zen wurden durch die Pflege eines holländischen Arztes Auch der Pfarrer MEGAPOLENSIS vom Fort gelindert. besuchte ihn und that, so weit es in seiner Macht stand, Alles zur Bequemlichkeit seines katholischen Bruders , der ihm sehr gefallen zu haben scheint und von ihm « ein sehr gelebrter Mann genannt wird 254 . Nachdem JOGUES sechs Wochen in diesem Versteck zugebracht hatte , gelang , es seinen holländischen Freun den , seine indianischen Herren durch die Zahlung eines bedeutenden Lösegeldes zufrieden zu stellen 255. Ein Schiff aus Manhattan , dem jetzigen New -York , brachte

1

1643.]

Die Flucht nach Manhattan .

221

bald darauf den Befehl vom Generaldirector KIEFT, dass er zu diesem gesandt werden solle . Demgemäss brachte man ihn auf ein kleines Fahrzeug, welches ihn den Hud son hinabfuhr. Die an Bord befindlichen Holländer be handelten ihn mit grosser Güte und nannten ihm zu Ehren eine der Flussinseln nach ihm . Auf Manhattan fand er ein verfallenes , von sechzig Soldaten besetztes Fort , welches eine steinerne Kirche und des General directors Haus sammt einigen Lagerhäusern und Ba racken umschloss . In der Nähe desselben befanden sich Reihen kleiner, meist von Handwerkern und Tagelöhnern bewohnter Häuser, während die Gebäude der übrigen im Ganzen vier- bis fünfhundert Seelen zählenden Colo nisten hier und dort auf der Insel oder den benachbar ten Ufern zerstreut lagen . Die Ansiedler gehörten ver schiedenen Bekenntnissen und Nationen an , waren aber hauptsächlich holländische Calvinisten . KIEFT erzählte seinem Gast, dass auf Manhattan achtzehn verschiedene Sprachen gesprochen wurden 256. Die Colonisten waren mitten in einem blutigen , durch ihre eigene thörichte Grau samkeit hervorgerufenen Indianerkriege begriffen . Wäh rend JOGUES in dem Fort sich aufhielt, wurden einige vier zig Holländer auf den benachbarten Farmgrundstücken erschlagen und viele Scheunen und Häuser in Brand ge steckt 257. Mit seltener Menschenfreundlichkeit vertauschte der Generaldirector JOGUES' schmutzige und wilde Kleidung mit einem Anzug holländischen Tuches und erlaubte ihm die Ueberfahrt in einem kleinen , eben segelfertigen Schiffe. Die Reise war rauh und auf dem Deck oder auf der Kälte zu leiden und Schiff hereinbrechenden

langwierig. Der Passagier schlief einer Rolle Taue, hatte viel von wurde häufig von den über das Wellen durchnässt. Endlich er

reichte das Schiff Falmouth, an der südlichen Küste Eng lands . Hier ging die ganze Mannschaft an's Land, um sich zu erholen , und liess nur JOGUES an Bord. Alsbald näherte sich ein Boot mit Seeräubern , welche das Schiff erstiegen und es aller Werthsachen beraubten , JOGUES mit einer Pistole bedrohten und ihm seinen Rock und Hut nahmen . Er erhielt einigen Beistand von der Mannschaft eines im Hafen liegenden französischen Schiffes und nahm einen

222

Isaac Jogues .

[ 1644.

Tag vor Weihnachten in einem kleinen Kohlenschiff nach der benachbarten Küste der Bretagne Passage. Am fol genden Nachmittag setzte man ihn etwas nördlich von Brest an's Land. Da er in nicht weiter Entfernung ein Bauernhaus erblickte , so näherte er sich demselben und fragte nach dem Wege zur nächsten Kirche. Der Bauer und seine Frau hielten ihn , wie ernsthaft erzählt wird, wegen seines bescheidenen Betragens für irgend einen armen , aber frommen Irländer , und forderten ihn auf, nach Beendigung seiner Andacht ihr Abendbrod mit ihnen zu theilen , ein Anerbieten , welches der halbverhungerte JOGUES mit Freuden annahm. Er erreichte die Kirche rechtzeitig zur Abendmesse, kniete mit unaussprechlichem Entzücken vor dem Altar nieder und erneute die Commu nion , die er so lange hatte entbehren müssen. Nach seiner Rückkehr in die Hütte zogen seine verstümmelten und entstellten Hände sofort die Aufmerksamkeit seiner Wirthe auf sich . Sie fragten ihn staunend nach der Ur sache solcher Verletzungen ; und als sie die Geschichte seiner Qualen gehört hatten, kannte ihr Staunen und ihre Ehrfurcht keine Grenzen. Zwei junge Mädchen , ihre an Töchter, baten ihn, ihr Alles eine Handvoll Sous zunehmen . Unterdessen machte der Bauer den Stand seines neuen Gastes seinen Nachbarn bekannt. Ein Händler aus Rennes brachte ein Pferd an die Thür und bot es Jogues zur Benützung an , um ihn nach dem • Jesuitencollegium in jener Stadt zu bringen. Er nahm das Anerbieten dankbar an und erreichte am Morgen des 5. Januar 1644 sein Ziel . Er stieg ab und pochte an die Thür des Collegiums . Der Pförtner öffnete und erblickte einen Mann , der auf seinem Kopfe eine alte wollene Nachtmütze trug und in einem Anzug stak , der nur um weniges besser als der eines Bettlers war. Jogues bat darum, den Rector spre chen zu dürfen ; doch der Pförtner antwortete kalt , der Rector sei in der Sakristei beschäftigt. JOGUES ersuchte ihn dann, zu melden, dass sich ein Mann mit Nachrichten aus Canada an der Thüre befinde. Die Missionen Ca nada’s bildeten zu jener Zeit einen Hauptgegenstand des Interesses für die Jesuiten , und besonders für die fran zösischen . Ein von JOGUES während seiner Gefangen

1644.)

Wieder unter seinen Brüdern .

223

schaft geschriebener Brief, wie auch die Jesuiten-Relation von 1643 , mit einem langen Bericht über seine Gefangen schaft, hatten bereits Frankreich erreicht ; und ohne Zweifel war er in jedem Hause der französischen Jesuiten der Gegenstand lebhafter Unterhaltung gewesen . Der Pater Rector wollte eben seinen Talar zur Messe anziehen ; aber als er vernahm , dass ein armer Mann aus Canada an der Thüre nach ihm gefragt habe , verschob er den Gottesdienst und ging ihm entgegen. JOGUES überreichte ihm , ohne sich zu erkennen zu geben , einen ihn legi timirenden Brief vom holländischen Generaldirector. Der Rector begann ihn, ohne jenen zu lesen, über canadische Angelegenheiten zu befragen , und fragte ihn auch schliess lich, ob er Pater JOGUES kenne . « Ich kannte ihn sehr genau, » lautete die Antwort . « Die Irokesen haben ihn gefangen genommen, » fuhr der Rector fort. « Ist er todt ? Haben sie ihn ermordet ? » ich

«Nein , » entgegnete JOĞUES ; « er lebt und ist frei, ich bin Pater JOGUES . » Und er fiel auf seine

Kniee , um seines Obern Segen zu erflehen . Jene Nacht war eine der Freude und der Danksagung in dem Collegium von Rennes 258 . JOGUES wurde von jetzt an der Mittelpunkt der Neu gierde und Ehrfurcht. Er ward nach Paris berufen . Die Königin , Anna von Oesterreich , wünschte ihn zu sehen. Als der verfolgte Sclave der Mohawks ihr vor gestellt wurde , küsste sie seine verstümmelten Hände, während die Hofdamen sich um ihn drängten , um ihm ihre Ehrfurcht zu bezeugen . Es wird uns , ohne Zweifel wahr, berichtet, dass diese Ehren dem bescheidenen und einfachen Missionar , der nur an die Rückkehr zu seiner Arbeit, der Bekehrung von Indianern , dachte , nicht er wünscht waren. Ein Priester mit irgend welcher Körper entstellung darf keine Messe mehr lesen. Die Zähne und Messer der Irokesen hatten eine tiefere Wunde geschla gen, als die Quäler selbst gedacht hatten , denn sie hat ten JOGUES das Recht genommen , welches den Haupttrost seines Lebens bildete ; doch der Papst gab es ihm durch eine besondere Dispensation zurück, und mit Beginn des Frühjahrs segelte Jogues wieder nach Canada .

Siebzehntes Kapitel. Die Irokesen . - Bressani .

De Nouè.

1641-1646 .

Unter Schlacht. Richelieu . Noth und Schrecken. Krieg. Gegenseitige Vernichtung . - Iro gang indianischer Stämme. Erschreckende Lage der Excesse. kesen und Algonquins . Seine Gefangennahme. JOSEPH BRESSANI . Franzosen . . Seine ANNE DE NOUÈ. Seine Behandlung. Seine Flucht. Sein Tod . nächtliche Reise.

Zwei Mächte kämpften mit einander um die Herr schaft Canada's . Auf der einen Seite Christus, die Jung frau und die Engel mit ihren Gehilfen , den Priestern ; auf der andern der Teufel und seine Werkzeuge , die Iro kesen. Das wenigstens war der Gesichtspunkt, den nicht nur die Jesuiten-Väter , sondern auch die meisten Colo nisten in gutem Glauben festhielten . Noch niemals zu vor hatte der böse Feind solche Wuth gezeigt und in den Irokesen Helfershelfer gefunden , welche seiner eige nen Natur nur zu sehr entsprachen . In Quebec, Three Rivers , Montreal und dem kleinen Fort Richelieu , d . h . in ganz Canada konnte Niemand, ohne Gefahr scalpirt zu werden , jagen , fischen , pflügen oder einen Baum fällen . Die Irokesen befanden sich überall und nirgends. Ein Schrei, eine Gewehrsalve, ein Schwarm kreischender Wilder , und Alles war vorüber. Die Soldaten eilten auf den Platz, um nur Stille, Einsam keit und einen verstümmelten Leichnam zu finden . « Ich könnte gerade so gut von Kobolden als von Irokesen heimgesucht werden , » schreibt Pater VIMONT, * denn die einen sind so unsichtbar wie die anderen .

1641–45. )

Die Geissel des Irokesenkrieges .

225

Unsre Bevölkerung am Richelieu und in Montreal be findet sich in engerer Absperrung , als die Mönche und Nonnen in unseren kleinsten fransösischen Klöstern . » Die Verbündeten schwelgten damals im Uebermuth noch nie erreichter Frechheit . Sie verachteten die Weis sen als gemeine Polterer und hielten sich für Krieger und Helden , deren Bestimmung es sei , die ganze Mensch heit zu unterwerfen 259. Die Feuerwaffen , welche ihnen die Holländer unbesonnener Weise geliefert hatten , ver bunden mit ihrer vereinten List , ihrem Muthe und ihrer Wildheit, verliehen ihnen ein Uebergewicht über die be nachbarten Stämme , das sie recht gut zu würdigen ver standen . Ihre Leidenschaften vergrösserten sich mit dem Gefühle ihrer Macht . Sie rühmten sich , sie würden die Huronen , die Algonquins und die Franzosen vom Erd boden vertilgen und die « weissen Mädchen , worunter sie die Nonnen verstanden , nach ihren Dörfern tragen . Dies letztere Ereigniss schien in der That mehr als wahr scheinlich ; wesshalb die Hospitaliterinnen ihre bedrohte Stellung in Sillery verliessen und sich hinter die Wälle und Pallisaden Quebec's zurückzogen . Der St. Lorenz und der Ottawa waren derartig von ihnen heimgesucht , dass die Verbindung mit dem Huronenlande abgeschnitten wurde ; und dreimal fiel der , jährlich an die Missionäre dorthin gesandte Briefbeutel in die Hände der Irokesen . Es war gegen Ende des Jahres 1640 , als die Geissel des Irokesenkrieges schwer auf den Franzosen zu lasten begonnen hatte . Zu jener Zeit lauerte eine Kriegsbande auf THOMAS GODEFROY und FRANÇOIS MARGUERIE und nahm sie gefangen . Letzterer war ein junger Mann von grosser Energie und Kühnheit , mit dem Waldleben ver traut , ein Meister der algonquin'schen Sprache und ein Gelehrter von nicht geringem Wissen 260. Zur gros sen Freude der Colonisten wurden er und seine Begleiter von den Siegern nach Three Rivers zurückgebracht und

in der eitlen Hoffnung ausgeliefert, dass die Franzosen diese Gefälligkeit durch ein Geschenk von Feuerwaffen erwidern würden . Da ihnen ihr Ansuchen abgeschlagen wurde , . brachen sie wüthend die Verhandlungen ab , be festigten sich , feuerten auf die Weissen und zogen sich unter dem Schutze der Nacht zurück. 15 PARKMAN, Die Jesuiten in Nord-Amerika.

226

Die Irokesen .

Bressani .

De Nouè.

[ 1612.

Jetzt brach der Krieg in hellen Flammen aus , und eine Zeit lang war Alles voller Bestürzung und Schrecken. Die Art , wie man die Angriffe eines so versteckten und blutdürstigen Feindes abwehren sollte, war ein Problem, welches dem Geiste des Gouverneurs MONTMAGNY viel zu schaffen machte . Er dachte eine Lösung gefunden zu haben , als er den Plan fasste , an der Mündung des Flusses Richelieu , auf welchem die Irokesen stets nach dem St. Lorenz hinabfuhren , ein Fort zu erbauen. Zum Glücke für die zu Grunde gehende Colonie schickte der Cardinal DE RICHELIEU im Jahre 1642 dreissig oder vierzig Soldaten zu ihrer Vertheidigung 261. Die zehnfache Zahl würde kaum genügend gewesen sein ; aber selbst diese schwache Unterstützung wurde mit Entzücken begrüsst und MONTMAGNY in den Stand gesetzt , den Plan eines Forts in Ausführung zu bringen , für welches er bisher weder Erbauer noch eine Garnison gehabt hatte. Er nahm ausser den Neuangekommenen eine Schaar Sol daten und bewaffneter Arbeiter aus Quebec mit und segelte , mit einer Macht von ungefähr hundert Mann im Ganzen 262, in einer Brigantine und zwei oder drei offenen Booten nach dem Richelieu . Am dreizehnten August erreichte er seinen Bestim mungsort und landete da , wo heut zu Tage die Stadt Sorel liegt . Nur elf Tage zuvor waren JOGUES und seine Gefährten gefangen genommen worden , und MONTMAG NY's Begleiter fanden grässliche Zeichen des Unglücks falles vor. Die Köpfe der Erschlagenen waren längs des Flusses auf Stangen gesteckt ; mehrere Bäume aber , von denen Theile der Rinde abgeschält waren , hatten die Sieger mit der rohen Bilderschrift bekleckst, in welcher sie ihre Thaten berichteten 263. Unter Anderem war eine Darstellung von JOGUES selbst deutlich erkennbar. Die Köpfe wurden entfernt, die Bäume gefällt und statt dessen ein grosses Kreuz aufgepflanzt. Ein Altar wurde errichtet, und Alle hörten die Messe ; darauf wurde eine Gewehr salve abgefeuert ; und dann begannen die Ankömmlinge ihre Arbeit. Sie machten in dem Walde eine Lichtung, gruben die Wurzeln aus , ebneten den Boden , und sägten formten und pflanzten Pallisaden. So verging eine Woche, und ihre Vertheidigungswerke waren fast vollendet , als

4

1642.]

Sturm auf Fort Richelieu .

227

plötzlich das Kriegsgeheul in ihre Ohren tönte und zwei hundert Irokesen aus dem Walde hervorbrachen ? 64 . Es war die Kriegsgesellschaft, welcher Jogues auf einer Insel im Champlain-See begegnet war . Nur dem Muthe des Wache stehenden Corporals du ROCHER war es zu verdanken , dass die Wilden nicht Alles vor sich niederwarfen . Sie stürzten sich gerade durch eine Oeff nung in der Pallisade, als ihnen jener mit ein paar Sol daten mit solcher Kraft und Entschiedenheit entgegentrat, dass sie so lange in Schach gehalten wurden , bis die MONTMAGNY , Uebrigen ihre Waffen ergreifen konnten . welcher sich auf dem Flusse in seiner Brigantine befand, eilte an's Land, und die Soldaten kämpften, durch seine Ankunft ermuthigt, mit grosser Entschlossenheit. Die Irokesen schwärmten ihrestheils bis an die Pal lisade , steckten ihre Gewehre durch die Schiessscharten und feuerten auf die im Innern Befindlichen . Erst nach dem mehrere von ihnen getödtet und andere verwundet worden waren , lernten sie , sich in klügerer Entfernung zu halten. Ein grosser Wilder , welcher einen scharlach nen und mit einem Streifen Wampum durchwundenen Zierrath aus den Haaren irgend eines Thieres trug, sprang Ein zum Angriff vorwärts , wurde jedoch erschossen. zweiter theilte sein Schicksal : sieben Rehposten sassen in seinem Schilde und eben SO viele in seinem Körper. Die Franzosen verdoppelten unter Geschrei ihr Feuer, die Indianer aber verloren endlich den Muth und zogen sich zurück . Die Verwundeten liessen ihre Gewehre , Schilde und Streitkeulen fallen , und die ganze Bande be gab sich in den Schutz eines Forts , das sie drei Meilen oberhalb in dem Walde erbaut hatten . Auf französischer Seite wurden ein Mann getödtet und vier verwundet. Sie waren mit genauer Noth einem Unglück entgangen , wel ches den Untergang der Colonie hätte bewirken können ; und sie gewannen jetzt Zeit, ihre Vertheidigungswerke so weit zu verstärken , um sie gegen irgend welchen Angriff der Wilden verhältnissmässig gut zu sichern 265.. Das neue Fort jedoch entsprach nicht vollkommen seinem Zweck , da es die Angriffe der Irokesen nicht abhalten konnte . Sie landeten jetzt eine oder mehr Meilen ober halb , trugen ihre Canots über eine dazwischenliegende

228

Die Irokesen .

Bressani,

De Nouè.

[1641–45.1

Landzunge durch den Wald und machten sie im St. Lorenz wieder flott, während die Garnison über ihre Be wegungen in völliger Unkenntniss blieb. Während die Franzosen so heimgesucht wurden , ging

es ihren indianischen Bundesgenossen noch schlimmer. Die Wirkung der irokesischen Feindseligkeiten gegen alle die algonquin'schen Stämme Canada's vom Saguenay bis zum Nipissing-See trat jetzt erschreckend zu Tage. Hun gersnoth und Krankheit hatten sich zu den Verheerungen des Krieges gesellt , so dass diese elenden Banden in schneller Auflösung begriffen zu sein schienen . Ihr Muth war gebrochen. Sie wurden unter den Händen der Mis sionäre demüthig und gelehrig , hörten mit ihrem Spott gegen die neue Lehre auf , und stützten sich auf die Franzosen wie auf ihre einzige Hoffnung in diesem äus sérsten Unglück und Weh . Zuweilen erschienen sie in Trupps in Sillery oder Three Rivers , durch den Anblick irokesischer Fusstapfen aus ihren Wäldern gescheucht ; dann ergriff sie ein neuer Schrecken und trieb sie zurück , um im tiefsten Dickicht der Wildniss einen Schlupfwinkel zu suchen . Ihre schönsten Jagdgründe wurden von dem Feinde in Beschlag genommen . Die Unglücklichen hun gerten Wochen lang, indem sie sich von Baumrinde oder von den Riemen ungegerbter Häute ernährten, welche das Netzwerk ihrer Schneeschuhe bildeten . Die Sterblichkeit unter ihnen war furchtbar. « Wo man vor acht Jahren , » schreibt Pater VIMONT , « hundert Wigwams erblicken konnte, sieht man jetzt kaum fünf oder sechs . Ein Häupt ling , der einst achthundert Krieger hatte , hat jetzt nur dreissig oder vierzig ; und statt Flotten von drei- oder vierhundert Canots sehen wir jetzt weniger als den zehn ten Theil jener Zahl 256. Diese canadischen Stämme machten jenen Prozess der Ausrottung, der Aufnahme in andere Stämme und der Auswanderung durch , welcher , wie man Grund hat zu glauben , viele Generationen lang die eintönige und be deutungslose Geschichte des grössern Theiles dieses Continentes gebildet hatte. Drei- oder vierhundert hollän dische Gewehre in den Händen der Eroberer gaben jenem Werke eine ungewohnte Schnelligkeit und Bestimmtheit, änderten jedoch in keiner Weise seinen wesentlichen

1611–42 .]

Irokesen und Algonquins.

229

Charakter. Die schreckliche Beschaffenheit dieser Krieg führung kann nur durch Beispiele deutlich gemacht wer den , von welchen ein oder zwei genügen werden. Eine Algonquin-Bande brach spät im Herbst des Jahres 1641 von Three Rivers aus zu ihrer Winterjagd auf und zog aus Furcht vor den Irokesen weit gegen Norden in die Tiefen der Wälder, welche an den Ottawa grenzen . Hier hielten sie sich für sicher , erbauten ihre Hütten und begannen das Elennthier und den Biber zu jagen. Aber eine grosse Zahl ihrer Feinde war mit einer ausdauernden , wirklich erstaunlichen Wildheit selbst bis hierher vorgedrungen, fand die Spuren der Schneeschuhe, folgte ihrer menschlichen Beute und verbarg sich mit An bruch der Nacht zwischen den Felsen und in den Dickich ten um das Lager. Um Mitternacht weckten ihr Geheul und die Schläge ihrer Kriegskeulen die schlafenden Opfer . In wenigen Minuten waren diese alle in ihrer Gewalt . Sie knebelten die Gefangenen an Händen und Füssen , schür .ten das Feuer , hingen die Kessel an , zerschnitten die Körper der Erschlagenen in Stücke und kochten und ver schlangen sie vor den Augen der elenden Ueberlebenden . « Mit einem Wort , bemerkt der Erzähler , « sie assen Menschen mit so grossem Appetit und mit mehr Ver gnügen , als Jäger einen Eber ' oder einen Hirsch ver zehren 267. » Inzwischen vergnügten sie sich damit , ihre Gefan genen zu verhöhnen . « Onkel , » rief einer von ihnen einem alten Algonquin zu , « du bist ein todter Mann . - Du gehst in's Land der Seelen. Sage ihnen , Muth zu fassen :: Sie werden bald gute Gesellschaft bekommen , denn wir werden den ganzen Rest eures Stammes nach schicken , um sich ihnen anzuschliessen . Dies wird eine gute Nachricht für sie sein 268, Dieser alte Mann , der als nicht weniger boshaft und selbst als listiger geschildert wird als diejenigen , welche ihn gefangen nahmen , entfloh bald darauf und benach richtigte die Franzosen von dem Unglück. Im folgenden Frühjahr entkamen auch zwei Frauen von der Gesell schaft; und nachdem sie fast unglaubliche Mühen er duldet hatten , erreichten sie Three Rivers , von Dornen zerrissen , fast nackend , und in einem beklagenswerthen

230

Die Irokesen.

Bressani .

De Nouè.

[ 1642.

Zustande körperlicher und geistiger Erschöpfung. Eine von ihnen erzählte ihre Geschichte dem Pater BUTEUX, der sie in's Französische übersetzte und VIMONT zur Auf nahme in die Relation von 1642 übergab . Empörend wie sie ist, ist es nothwendig, sie zu erzählen. Es möge die Bemerkung genügen, dass sie von allen gleichzeitigen Nachrichten über die Gebräuche der Irokesen und einiger der benachbarten Stämme bestätigt wird. Die Sieger schmausten fast bis zu Tagesanbruch in der Hütte und traten alsdann nach einer kurzen Rast mit ihren Gefangenen den Heimweg an . Unter diesen be fanden sich drei Frauen , von denen die Erzählerin eine ist, und deren jede ein, wenige Wochen oder Monate altes Kind hatte. Beim ersten Rastpunkt nahmen ihnen die Sieger die Kinder weg , banden sie an hölzerne Spiesse, liessen sie langsam am Feuer rösten und verspeisten sie vor den Augen der zu Tode getroffenen Mütter , deren Geschrei, Flehen und rasende Anstrengungen, ihre Fesseln zu zerreissen, mit Hohn und Lachen beantwortet wurden. « Es sind nicht Menschen, es sind Wölfe ! » schluchzte das unglückliche Weib , als sie dem mitleidigen Jesuiten ihre Erlebnisse erzählte 269. An dem Wasserfall des Chau dière machte eine der Frauen ihren Leiden eine Ende, indem sie in den Strudel sprang. Als sie sich der ersten irokesischen Stadt näherten, begegnete ihnen in der Ent fernung von mehreren Meilen ein Zug von Einwohnern und unter ihnen eine Truppe von Frauen , welche zur Erfrischung der triumphirenden Krieger Speisen brachten . Hier machten sie Halt und verlebten die Nacht mit Sie gesliedern , welche mit dem traurigen Gesang der Gefan genen vermischt waren , die zu ihrer Unterhaltung zu tanzen gezwungen wurden. Am nächsten Tage zogen sie mit den gefesselten Gefangenen in die Stadt ein , von einem Haufen von Män nern , Frauen und Kindern umgeben , die alle in den höchsten Tönen sangen . Die grösste Hütte war zu ihrem Empfange bereit. Als die Opfer eintraten , lasen sie ihr Schicksal in den Feuern , welche auf dem Boden loderten , und auf den Gesichtern der anwesenden Wilden, die der Jesuitenpater gierige Dämonen nennt . Die hierauf fol gende Marter diente nur als Einleitung und war dazu

1642.]

Indianische Grausamkeiten .

231

bestimmt , möglichst viel Schmerzen zu verursachen , ohne das Leben zu gefährden . Man schlug die Armen mit Stöcken und Knitteln , stach ihre Glieder mit Messern , schnitt ihre Finger mit Muschelschalen ab , versengte sie mit Feuerbränden und quälte sie auf die grausamste Weise 270. Die Frauen wurden ausgezogen und mussten nach dem Gesang der männlichen Gefangenen unter dem Beifall und Gelächter der Menge tanzen . Alsdann wurde ihnen Essen gegeben, um sie für weitere Leiden zu stärken . Am nächsten Morgen wurden sie Angesichts der ganzen Einwohnerschaft auf ein grosses Gerüst gesetzt. Jung und Alt hatte sich von Nah und Fern versammelt. Einige erstiegen das Gerüst und versengten sie mit Fackeln und Feuerbränden , während die unter der rindenen Er höhung stehenden Kinder durch die Ritzen hindurch an die Füsse der Gefangenen Feuer legten . Den algonquin' schen Frauen wurde befohlen , ihre Männer und Begleiter zu verbrennen ; eine von ihnen gehorchte in der eitlen Voraussetzung , dass sie dadurch ihre rohen Quäler be sänftigen würde . Der stoische Muth eines der Krieger entflammte seine Peiniger grenzenlos . « Schreie ! Warum schreist du nicht ? » kreischten sie ; indem sie brennende Fackeln auf seinen nackten Körper stiessen . * Sehet mich an , » antwortete er ; « Ihr vermöget nicht, mich zucken zu machen . Wenn Ihr an meiner Stelle wäret , so würdet Ihr wie Säuglinge winseln . » Hierauf fielen sie mit ver doppelter Wuth über ihn her, bis ihre Messer und Feuer brände ihm jede menschliche Aehnlichkeit nahmen . Er trotzte ihnen bis zuletzt , und als der Tod ihn befreite, rissen sie sein Herz aus dem Leibe und verschlangen es ; dann zerhackten sie ihn in Stücke und bereiteten aus seinen verstümmelten Gliedern ihr Triumphmahl 271 . Alle Männer und alle die alten Weiber der Gesell schaft wurden in ähnlicher Weise getödtet , obwohl nur wenige dieselbe staunenswerthe Tapferkeit an den Tag legten . Die jüngeren Frauen, deren es etwa dreissig gab, liess man am Leben , nachdem sie ihre Marterungsprobe durchgemacht hatten ; und entstellt wie sie waren , wurden sie unter die verschiedenen Dörfer an die irokesischen Krieger als Concubinen oder Sclavinnen vertheilt . Zu dieser Zahl gehörten die Erzählerin und ihre Gefährtin ,

232

Die Irokesen.

Bressani .

De Nouè .

[ 1612.

welche, als ihnen geheissen wurde, sich einem Kriegszug anzuschliessen und ihre Lebensmittel zu tragen , Nachts in den Wald flohen und , wie wir gesehen haben , Three Rivers erreichten. Während die indianischen Verbündeten der Fran zosen unter dieser grausamen Kriegführung dahinschwan den, hatten die Franzosen selbst, und besonders die rei senden Jesuiten , ihren vollen Antheil an dem Unglück. In Wahrheit schien die kleine und kränkliche Colonie in den letzten Zügen zu liegen . Besonders war der Anfang des Frühjahrs eine Zeit des Schreckens und der Unge wissheit ; denn mit dem Eisgang kamen , sicher wie das Schicksal , die Irokesen . Sobald ein Canot schwimmen konnte, befanden sie sich auf dem Kriegspfade; und mit dem Schrei der wiederkehrenden Zugvögel mischte sich das Geheul dieser menschlichen Tiger. Nicht immer war teten sie auf den Eisgang , sondern häufig machten sie sich zu Fusse auf, und wenn sie an offenes Wasser kamen , bauten sie sich Canots und schifften sich ein. Wohl durfte Pater VIMONT die Irokesen « die Geissel der jungen Kirche » nennen. Sie verbrannten , zerhackten und verschlangen die Neubekehrten ; vertilgten ganze Dörfer auf einmal vom Erdboden ; vernichteten diejenigen Stämme, welche die Väter zu bekehren hofften ; und rich teten jenen zuverlässigen Verbündeten der Missionen , den Pelzhandel, zu Grunde. Selbst das hässlichste Schreckbild eines fiebernden Hirnes vermochte an Entsetzen die wirk lichen und wahren Gefahren nicht zu übertreffen , mit denen der Pfad jener unerschrockenen Priester besetzt war. Im Frühjahr 1644 wurde JOSEPH BRESSANI , einem italienischen , in Rom geborenen Jesuiten , welcher nun zwei Jahre lang in Canada ein Missionar gewesen war, von seinem Obern befohlen , zu den Huronen zu gehen. Die frühe Jahreszeit schien die Hoffnung zu rechtfertigen , dass er in Sicherheit reisen könnte . Da die Väter in jener wilden Mission drei Jahre lang keine Unterstützung erhalten hatten, wurden BRESSANI Briefe an sie und solche Bedürfnisse anvertraut , die er zu tragen im Stande war. Es begleiteten ihn sechs junge, erst kürzlich bekehrte Hu ronen und ein in seinem Dienste stehender französischer Knabe . Die Gesellschaft fuhr in drei kleinen Canots ab .

1614. )

Bressani's Reise zu den Huronen.

233

Bevor sie aufbrachen , beichteten sie alle und bereiteten sich zum Tode vor . Nachdem sie Three Rivers am 27. April verlassen hatten , fanden sie noch Eis auf dem Flusse schwimmen Am und Schneefelder in den kahlen Wäldern liegen, ersten Tage scheiterte ein Canot, so dass BRESSANI, der nicht schwimmen konnte , beinahe ertrunken wäre . Am dritten Tage begann ein Schneesturm , welcher ihren Marsch ausserordentlich hemmte . Die jungen Indianer feuerten thörichter Weise ihre Gewehre auf das im Flusse befindliche wilde Geflügel ab . Der Knall erreichte das Ohr einer von den zehn irokesischen Kriegsgesellschaften , welche bereits nach dem St. Lorenz , dem Ottawa und den Huronenstädten aufgebrochen waren 272. Daher kam es , dass , als sie über die Mündung eines kleinen in den St. Lorenz fallenden Flusses fuhren , plötzlich siebenund zwanzig Irokesen hinter einer Landspitze hervorbrachen und sie in ihren Canots angriffen . Einer der Huronen wurde getödtet, die ganze ührige Gesellschaft aber ohne Widerstand gefangen genommen . Am fünfzehnten des folgenden Juli schrieb BRESSANI aus dem Irokesen-Land an den Jesuitengeneral in Rom : « Ich weiss nicht, ob Ew. Hochwürden die Handschrift eines Mannes wiedererkennen wird , den Ihr einst wohl kanntet . Der Brief ist schmutzig und schlecht geschrie ben ; denn der Schreiber hat an seiner rechten Hand nur einen unbeschädigten Finger und kann nicht verhindern , dass das Blut aus seinen noch immer offenen Wunden das Papier beschmutzt. Seine Dinte ist mit Schiesspulver vermischtes Wasser, und sein Tisch ist die Erde 273. » Alsdann folgt ein bescheidener Bericht dessen , was er in den Händen der Sieger erduldet hatte . Erst dank ten sie der Sonne für ihren Sieg ; dann plünderten sie die Canots ; dann zerschnitten, rösteten und verschlangen sie den erschlagenen Huronen vor den Augen der Ge fangenen. Am nächsten Tage fuhren sie nach dem süd lichen Ufer und den Richelieu bis zu den Stromschnellen von Chambly hinauf, von WO aus sie ihren Marsch zu Fuss zwischen dem Gestrüpp , den Felsen und Sümpfen der pfadlosen Wälder fortsetzten . Als sie den Champlain See erreicht hatten, bauten sie neue Canots, schifften sich

234

Die Irokesen .

Bressani.

De Noue .

(1644.

wieder ein , landeten sechs Tage später an seinem äus sersten , südlichen Ende und zogen alsdann nach dem obern Hudson . Hier stiessen sie auf ein Lager von vier hundert auf den Fischfang ausgezogenen Irokesen , und jetzt begannen BRESSANI's Martern ernstlich. Mit einem Messer spalteten sie seine Hand zwischen dem kleinen und dem Ringfinger ; dann schlugen sie ihn mit Stöcken , bis er mit Blut bedeckt war ; endlich setzten sie ihn der Hier Menge zur Schau auf ihr rindenes Folterschaffot. entkleideten sie ihn und zwangen ihn , zu singen , wäh rend er von Kopf bis zu Fuss vor Kälte zitterte. Nach ungefähr zwei Stunden übergaben sie ihn den Kindern , welche ihm zu tanzen befahlen , indem sie zur selben Zeit zugespitzte Stöcke in sein Fleisch stiessen und seine Haupt- und Barthaare ausrissen . « Singe ! » schrie der eine ; « halt' den Mund ! » heischte der andre ; und wenn er dem ersten gehorchte , so verbrannte ihn der zweite. « Wir werden dich zu Tode verbrennen ; wir werden dich verzehren . » « Ich werde eine deiner Hände essen . » « Und ich werde einen deiner Füsse essen 274.» Diese Szenen er neuerten sich eine Woche lang jede Nacht. Jeden Abend rief ein Häuptling laut durch das Lager : « Kommt, meine Kinder , kommt und liebkoset unsere Gefangenen ! » und der wilde Haufen drang jubelnd in eine grosse Hütte, in welcher die Gefangenen lagen . Sie rissen dem Priester den zerrissenen Fetzen seines Talares ab , welcher sein einziges Kleidungsstück war ; verbrannten ihn mit glühen den Kohlen und Steinen ; zwangen ihn auf heisser Asche zu gehen ; brannten bald einen Fingernagel , bald ein Fingerglied ab, – selten jedoch mehr als eines auf ein mal, denn sie hielten Haus mit ihren Vergnügungen , und versparten die übrigen auf ein ander Mal . Diese Folterung wurde bis ein oder zwei Uhr fortgesetzt. Hierauf liessen sie ihn an vier Pföcke gebunden und nur mit einer kleinen Fetzen Rehhaut bedeckt auf der Erde liegen ? 75. Auch die anderen Gefangenen hatten ihren Antheil an den Qualen zu tragen ; aber der Jesuit war als Haupt person der Gesellschaft am schlimmsten daran . Der un glückliche Knabe , der ihn begleitete , wurde , obgleich er nur zwölf oder dreizehn Jahre alt war, vor seinen Augen mit erbarmungsloser Wildheit gemartert .

1644. ]

Bressani unter den Irokesen .

235

Endlich verliessen sie dieses Lager und erreichten nach einem Marsche von einigen Tagen , während wel chem BRESSANI, als er ein felsiges Strombett durchwatete , vor Erschöpfung zusammenbrach und fast ertrank , eine irokesische Stadt. Es ist unnöthig, die empörenden Einzelheiten der nunmehr folgenden Martern zu erzählen . Sie hingen ihn mit Ketten an den Füssen auf; legten Futter für ihre Hunde auf seinen nackten Körper, damit sie ihn beim Fressen zerfleischten ; und hatten schliess lich seine abgemagerte Gestalt so zugerichtet , dass sie selbst vor ihm erschraken . « Ich hätte nicht geglaubt, » schreibt er an seinen Obern , « dass ein Mensch so schwer zu tödten sei. Er fand unter ihnen solche, die ihn aus Mitleid oder aus raffinirter Grausamkeit fütterten , denn er vermochte nicht selbst zu essen . Sie erzählten ihm scherzend , dass sie ihn zu mästen wünschten , bevor sie ihn tödteten . Der Rath , welcher sein Schicksal bestimmen sollte, versammelte sich am 19. Juni , und zu des Gefangenen, und wie es schien , auch zu ihrem eignen Erstaunen wurde beschlossen , sein Leben zu schonen. Er wurde mit gehöriger Feierlichkeit einer alten Frau gegeben , um die Stelle eines verstorbenen Verwandten zu ersetzen , doch da er in seinem verkrüppelten Zustande ebenso zurückstossend , als er nach indianischer Schätzung un brauchbar war, schickte sie ihn mit ihrem Sohn nach Fort Orange, um ihn an die Holländer zu verkaufen . Mit der selben Menschlichkeit, welche sie bei JOGUES gezeigt hat ten , gaben sie ein reichliches Lösegeld für ihn , versahen ihn mit Kleidungsstücken , behielten ihn bei sich , bis seine Kräfte wieder einigermassen hergestellt waren , und setz ten ihn auf ein nach Rochelle abgehendes. Schiff. Hier kam er am 15. November an ; und im folgenden Früh jahr schiffte er sich verkrüppelt und entstellt, aber mit um von wiederhergestellter Gesundheit wieder ein , Neuem den Messern und Feuerbränden der Irokesen zu trotzen ? 76. Es muss aus Gerechtigkeit gegen die Irokesen ge sagt werden , dass , so wild und grausam sie auch ohne Zweifel waren, sie doch nicht in dem Grade aller mensch lichen Regungen bar waren , wie dies auf den ersten

236

Die Irokesen .

Blick scheinen möchte .

Bressani.

- De Nouè.

( 1646 .

Eine unerbittliche Strenge gegen

Feinde war bei ihrer wilden Vorstellung von dem Cha rakter des Kriegers ein sehr wesentlicher Punkt. · Mitleid war eine feige Schwäche , gegen welche ihr Stolz sich empörte. Dieser Umstand , sammt ihrem Durst nach Bei fall und ihrer Furcht vor Verhöhnung, liess sie jede mit leidige Regung ersticken ???, und verband sich mit ihrer angeborenen Wildheit , um einen Charakter von unerbitt -licher, selten erreichter Grausamkeit zu bilden. Die Gefahren, welche die Missionäre heimsuchten, entsprangen nicht nur aus der Wuth der Irokesen, sondern die Natur, selbst waffnete sich in dieser düsteren Wildniss Neu - Frankreichs mit Schrecken. Am 13. Januar 1646 machte sich Pater ANNE DE NOUÈ auf, um von Three Rivers nach dem von den Franzosen an der Mündung des Richelieu gebauten Forts zu gehen , wo er Messe hal ten und die Beichte hören sollte . DE NOUÈ war drei undsechzig Jahre alt und schon 1625 nach Canada gekom men 278. Da ein schlechtes Gedächtniss ihn unfähig machte , die indianischen Sprachen zu erlernen , so wid mete er sich der geistigen Pflege der Franzosen und der Indianer in der Gegend der Forts , wo Dolmetscher zu haben waren . Im Uebrigen pflegte er die Kranken, und fischte zu Zeiten der Noth im Flusse oder grub nach Wur zeln in den Wäldern zur Ernährung seiner Heerde . Kurz er schrak , obgleich er von einer edlen Familie aus der Champagne stammte, vor keiner Arbeit, mochte sie noch so niedrig sein , zurück , wenn ihn seine Begriffe von Plicht oder sein Eid des Gehorsams riefen 279. Der alte Missionar hatte zwei Soldaten und einen -huronischen Indianer zu Begleitern. Sie trugen Alle Schneeschuhe , und die Soldaten schleppten ihr Gepäck auf kleinen Schlitten. Ihre Landstrasse bildete der in estes Eis verwandelte St. Lorenz, welcher wie das ganze Land mit zwei oder drei Fuss hohem Schnee bedeckt war und nah und fern unter der klaren Wintersonne blendend weiss erglänzte . Vor Anbruch der Nacht waren · sie achtzehn Meilen marschirt, so dass die an Schnee schuhe ungewohnten Soldaten sehr ermüdet wurden . Sie schlugen ihr Lager im Walde, am Ufer der grossen' « See von St. Peter » genannten Erweiterung des St. Lorenz auf,

1646.]

Anne de Nouè im Schneesturm .

237

gruben den Schnee weg , häuften ihn rings um den Platz als Schutz gegen die Winde auf, machten ihr Feuer auf der gefrorenen Erde in der Mitte an und legten sich schlafen. Um zwei Uhr Morgens erwachte DE NOuè. Der Mond verbreitete taghelles Licht über die gewaltige weisse Einöde des gefrorenen See's mit seinen angren zenden Föhren , die von der Last des Schnee's zur Erde gebeugt wurden ; und der freundliche Gedanke fiel dem Pater ein , dass er es seinen Gefährten bequemer machen könne , wenn er voraus ginge nach Fort Richelieu und ihnen von da Männer zuschickte, um ihnen beim Ziehen der Schlitten zu helfen . Er kannte den Weg genau . Er gab ihnen die Weisung, am nächsten Morgen den Spuren seiner Schneeschuhe zu folgen . Da er nicht zweifelte , dass er vor Anbruch der Nacht das Fort erreichen würde, so Als liess er seine Decke und sein Feuerzeug zurück . Lebensmittel steckte er ein Stückchen Brod und fünf oder sechs Pflaumen in seine Tasche , betete seinen Rosen kranz und machte sich auf den Weg. Vor Tagesanbruch änderte sich das Wetter. Die Luft wurde dichter , Wolken verdeckten den Mond , und ein Schneegeestöber brach aus . Der Reisende befand sich in vollkommener Dunkelheit. Er verlor die Rich tungen des Compasses , wanderte weit auf den See hin aus , und konnte , als der Tag anbrach , nichts als den Schnee zu seinen Füssen und die Myriaden fallender Flocken sehen, welche ihn wie ein für den Blick undurch dringlicher Vorhang umgaben . Dennoch wanderte er weiter , hierhin und dorthin sich wendend und zu Zeiten unbewusst auf seinen eigenen Spuren im Kreise herum gehend. Bei Anbruch der Nacht grub er am Ufer einer Insel ein Loch in den Schnee und legte sich ohne Feuer, Nahrung oder Decke nieder. Inzwischen setzten die Soldaten mit dem Indianer, welche nicht im Stande waren , seinen vom Schnee ver deckten Spuren zu folgen , ihren Weg nach dem Fort fort ; aber der Indianer war der Gegend nicht kundig, und die Franzosen waren ungeübt. Sie kamen vom Wege ab und lagerten sich am Abend in geringer Entfernung von DE Nou! am Ufer der Insel St. Ignaz. Auf seinen Instinct vertrauend verliess sie hier der Indianer und machte sich

238

Die Irokesen.

- Bressani.

De Noue .

allein auf die Suche ihres Bestimmungsortes . Es gelang ihm auch bald, ihn zu finden . Die Pallisaden des schwa chen kleinen Forts waren weiss von Schnee und halb in demselben begraben . Hier inmitten der Einöde hielt eine Handvoll Leute Wache gegen die Irokesen . An den pras selnden Holzscheiten sitzend fragte der Indianer nach DE Novè . Zu seinem Erstaunen sagten ihm die Soldaten der Garnison , dass sie ihn nicht gesehen hätten . Der Capitän des Postens wurde herbeigerufen ; Alles war voller Besorgniss ; aber in dieser Nacht konnte nichts mehr ge than werden . Mit Tagesanbruch suchten Abtheilungen von Neuem. Die beiden Soldaten fand man leicht ; doch der Missionar war nirgends zu sehen. Den ganzen Tag streiften sie ihre Gewehre abschiessend und rufend über die Eisfäche ; aber ohne Erfolg , und trostlos kehrten sie zurück. In dem Fort befand sich ein bekehrter Indianer , den die Franzosen Charles nannten , einer von den vieren, welche daselbst den Winter zubrachten . Am nächsten Morgen, es war der zweite Februar , nahmen er und einer seiner Gefährten sammt BARON, einem französischen Soldaten, die Nachforschung wieder auf . Durch die unbedeutenden Ein drücke im Schnee, welcher auf des Wanderers Spuren ge fallen war, geleitet, verfolgte ihn der scharfsichtige Wilde in allen seinen Windungen, fand sein Lager am Ufer der Insel und folgte ihm von da jenseits des Forts . Er war nahe an diesem vorbeigegangen , ohne es zu entdecken, vielleicht hatte Schwäche einen Schleier vor sein Auge ge zogen , an einem Punkt eine Meile oberhalb hatte er zum Ausruhen angehalten und war von da drei Meilen weiter gegangen . Hier fanden sie ihn. Er hatte eine kreisför mige Aushöhlung in den Schnee gegraben und kniete in derselben auf der Erde . Sein Haupt war unbedeckt, seine Augen waren offen und gen Himmel gewandt, und seine Arme auf der Brust zusammengefaltet. Sein Hut und seine Schneeschuhe lagen an seiner Seite. Sein Körper war etwas vornüber geneigt , leicht an die gegenüberliegende Schneewand gelehnt und steinhart gefroren . So erlitt bei einer That der Barmherzigkeit und Nächstenliebe der erste Märtyrer der canadischen Mission den Tod 280.

Achtzehntes Kapitel. Villemarie. 1642-1644 . MAISSON Die Ueberschwemmung . Die Anfänge Montreal's. D'AILLEBOUST . Das Hospital, Pilgerfahrt. NEUVE'S Eid . Frömmigkeit. Propaganda. Krieg. Huronen und Iro Ausfall der Franzosen . kesen. Hunde . Schlacht. MAISSONNEUVE'S Heldenthat.

Begeben wir uns jetzt auf die Insel Montreal. Hier hatte , wie wir gesehen haben , eine Gesellschaft frommer und eifriger Personen versucht , unter dem Schutze der heiligen Jungfrau eine Missionscolonie zu gründen . Wir hatten die Abenteurer an einem Maiabend , unmittelbar nach ihrer Landung in ihrem Biwacht , an der Küste zu rückgelassen . Unter freiem Himmel stand dort ein Altar, dessen geschmackvolle Ausstattung ebensowohl von guter Erziehung als von Frömmigkeit zeugte. Rings um ihn lagen die Zelte, welche den Commandanten MAISSONNEUVE, die beiden Damen Madame DE LA PELTRIE und Fräulein MANCE und die Soldaten und Handwerker der Expedition schirmten . Am Morgen begaben sie sich Alle an ihr Werk . MAISSONNEUVE fällte den ersten Baum . Sie arbeiteten mit solch gutem Willen , dass ihre Zelte bald von einer starken Pallisade eingeschlossen wurden und ihr Altar von einer provisorischen , nach Huronen-Art aus Rinde ge bauten Kapelle bedeckt wurde . Bald darauf wurden ihre mit Segeltuch gedeckten Wohnungen durch feste Holz gebäude ersetzt , und der schwache Keim einer zukünf tigen Stadt begann Wurzeln zu schlagen ..

240

Villemarie .

.[1642-43.

Die Irokesen hatten die Ankömmlinge bis jetzt noch nicht aufgespürt und entdeckten dieselben erst, nachdem sie genug Zeit gehabt hatten , sich zu befestigen . Inzwi schen spazierten sie an Sonntagen mit Musse über die benachbarte Wiese im Schatten des angrenzenden Wal des , wo , wie uns der alte Chronist erzählt , bunte wilde Blumen aus dem Grase hervorsprossten und sich auf den Zweigen viele fremde Vögel singend tummelten 281 . Der Jahrestag von Mariä Himmelfahrt wurde mit passender Feierlichkeit begangen . In der rindenen Ka pelle wurde Messe gehalten , dann ein Te Deum gesungen , dann denjenigen Indianern , welche zufällig in Montreal anwesend waren , Religionsunterricht ertheilt, und schliess lich ward nach der Vesper von allen Colonisten zur Verwunderung der róthen Zuschauer eine Procession ver anstaltet . Auch Kanonen wurden der himmlischen Patro nin zu Ehren abgefeuert. « Ihr Donnern machte die ganze Insel widerhallen , » schreibt Pater VIMONT ; « und die Dä monen wurden , wiewohl sie an Donnerkeile gewohnt sind , durch das Getöse in Schrecken gesetzt , welches ihnen die Liebe zu unserer grossen Herrin verkündigte. Ich hege nicht den geringsten Zweifel, dass die Schutz engel der Wilden Neu- Frankreichs diesen Tag in dem Kalender des Paradieses besonders bezeichnet haben 282. >> Der Sommer verfloss ohne Unfall; doch im Winter sollte ihr Glauben auf eine harte Probe gestellt werden . Im December schwoll der St. Lorenz an und drohte in einer Nacht die Erfolge ihrer ganzen Arbeit zu zerstören . Die Ansiedler suchten Trost im Gebet, und MAISSONNEUVE pflanzte Angesichts der immer näher kommenden Wasser futh ein hölzernes Kreuz auf, nachdem er zuvor geschwo ren hatte, dass er, wenn die Gefahr vorübergehen sollte, ein anderes Kreuz auf seinen Schultern auf das benach barte Gebirge tragen und es auf dessen höchstem Gipfel errichten würde . Das Gelübde schien vergeblich zu sein . Noch immer stieg das Wasser, füllte den Festungsgraben , bespülte den Fuss der Pallisade und drohte das Magazin zu unterwühlen ; aber hier hörte es auf und begann plötz lich zurückzufliessen , bis es sich endlich in sein recht mässiges Bett zurückgezogen hatte und Villemarie gerettet war 283

1643.]

Louis d'Ailleboust.

241

Jetzt blieb noch übrig, das Versprechen zu erfüllen , welches den glücklichen Ausgang bewirkt hatte . MAIS SONNEUVE liess seine Leute einen Pfad durch den Wald Ein grosses nach der Spitze des Berges durchhauen .

Kreuz ward gezimmert und feierlich vom Priester geseg net ; dann führte am 6. Januar der Jesuit DU PERon die Procession nach dem bestimmten Ort an , welche von Madame DE LA PELTRIE , den Handwerkern und den Sol daten gebildet wurde . Der Commandant , welcher mit allen Ceremonien der Kirche zum ersten Soldaten des Kreuzes erklärt worden war , schritt hinter den anderen einher und trug auf seinen Schultern ein so schweres Kreuz , dass es seiner äussersten Kraft bedurfte, um den steilen und unwegsamen Pfad zu erklimmen . Sie pflanz ten es auf dem höchsten Gipfel auf, und Alle knieten Die DU PERON hielt Messe . anbetend davor nieder . LA DE Ma fr ste un dame omme stets romantische ts d zu Ber m PELTRIE empfing das Sakrament auf der gspitze Schauspiel der sich im Thale ausbreitenden jungfräulichen Welt . Verschiedene Reliquien von Heiligen waren in das Kreuz eingefügt, welches für die frommen Colonisten von Villemarie ein Gegenstand ihrer Pilgerfahrten blieb 284 . Friede und Eintracht herrschten in dem kleinen Fort. So erbaulich war das Benehmen der Colonisten , so treu waren sie ihrem Beichtvater ergeben , und so regel mässig besuchten sie die Messe , dass ein damaliger Chro nist in einem Ausbruche von Enthusiasmus ausruft, dass die Einöden , welche kurz zuvor der Tummelplatz von Dämonen gewesen , jetzt der Aufenthalt von Engeln seien 285 Die beiden Jesuiten , welche damals ihre Seel sorger waren , lenkten sie mit fester Hand . Sie wohnten mit der Mehrzahl ihrer Heerde unter demselben Dache in einem grossen Hause und wetteiferten mit einander zu Ehren der Jungfrau und der Bekehrung der Indianer. Ende August 1643 kam ein Schiff mit Verstärkungen an, welches von LOUIS D'AILLEBOUST DE COULONGES, einem frommen Edelmanne aus der Champagne und einem Mit gliede der Gesellschaft von Montreal, commandirt wurde 286. Einige Jahre zuvor hatte er sich um die Hand von BARBE DE BOULOGNE beworben ; aber die junge Dame hatte, als sie noch ein Kind war, im Eifer ihrer Frömmigkeit einen 16 PARKMAN, Die Jesuiten in Nord-Amerika.

242

Villemarie .

(1643.

Auf den Rath ihres Eid ewiger Keuschheit geleistet. Jesuiten-Beichtvaters nahm sie den Antrag unter der Be dingung an , dass sie bis zu ihrer Todesstunde den Zu stand bewahren dürfe, dem die heilige Kirche immer ein besondres Verdienst zugeschrieben hat 287. D'AILLEBOUST heirathete sie ; und als er bald darauf den Plan fasste, sein Leben dem Werke des Glaubens in Canada zu wid men, lud er seine jungfräuliche Ehehälfte ein, mit ihm zu gehen . Sie weigerte sich und hiess ihn nicht wieder da Ihre Gesundheit war schlecht und sie von sprechen . wurde um diese Zeit krank. Als letztes Hülfsmittel ver sprach sie Gott , dass , wenn er sie wieder herstelle , sie mit ihrem Gemahl nach Canada gehen würde ; von da Noch immer widersetzte an hörte ihre Krankheit auf. sie sich ; sie zögerte und weigerte sich dann abermals . Da eröffnete ihr ein inneres Licht , dass es ihre Pflicht Demge sei , ihr Schicksal in der Wildniss zu suchen . mäss schiffte sie sich mit D'AILLEBOUST ein , von ihrer Schwester , Mademoiselle PHILIPPINE DE BOULOGNE be gleitet, die von ihrem Eifer angesteckt worden war. Die Gegenwart dieser Jungfrauen hätte allem Anschein nach den Colonisten , da sie so oft von Indianern und vom Hunger heimgesucht wurden, eher zum Nachtheil als zum Nutzen gereicht ; aber der Anblick ihres Eifers, der ebenso selbstlos als masslos war , sollte dazu dienen , den reli giösen Enthusiasmus zu erhöhen, in welchem das Leben von Villemarie bestand. Ihr Schiff vermied glücklich die Irokesen , welche den St. Lorenz bewachten , und seine Ankunft erfüllte die Colonisten mit Freude . D’AILLEBOUST war ein geschickter Soldat und besonders in den Künsten der Befestigung bewandert. Unter seiner Leitung wurden die hinfälligen Pallisaden , welche ihren einzigen Schutz bildeten , durch feste Wälle und Erd-Bastionen ersetzt. Er brachte die Nachricht , dass die « unbekannte Wohl thäterin , » wie ein gewisses Mitglied der Gesellschaft von Montreal aus Unkenntniss seines Namens genannt wurde, für die Erbauung eines Hospitals in Villemarie Geldmittel bis zum Betrage, wie sich später ergab , von zweiundvier zigtausend Livres geschenkt habe 288. Die Herkunft des Geldes ward aus einem religiösen Grunde geheim ge halten ; aber es wurde bald bekannt, dass es von Madame

1643. ]

Ein Hospital in der Wildniss .

243

DE BULLION herrührte, einer Dame, deren Rang und Reich thum nur durch ihre Frömmigkeit übertroffen wurde. Es ist richtig , dass das Hospital nicht nöthig war , da Nie mand in Villemarie krank war , und ein oder zwei Zim mer für jedes voraussichtliche Bedürfniss ausgereicht hät ten ; aber man wird sich erinnern , dass die Colonie ge gründet worden war, um ein Hospital bauen zu können , und Madame DE BULLION wollte nichts von einer andern Verwendung ihres Geldes hören 289. Statt also das Land zu bebauen , um ihre eigenen dringenden Bedürfnisse zu befriedigen , begaben sich alle Arbeiter der Ansiedlung an dieses fromme, doch überflüssige Werk 290. Im Fort, wel ches ausserdem der Gefahr der Ueberschwemmung aus gesetzt war, gab es keinen Platz dafür; demgemäss wurde das Hospital auf einem benachbarten , höher liegenden Grundstück erbaut. Es unbeschützt zu lassen , hiess seine Insassen den Irokesen preisgeben ; es wurde daher von einer starken Pallisade umgeben , und in Zeiten der Ge fahr ein Theil der Garnison abgesandt , um es zu ver theidigen . Hier schlug Mademoiselle Mance ihren Wohn sitz auf und harrte des Tages , an dem Wunden oder Krankheit ihren leeren Zimmern Patienten bringen sollten . DAUVERSIÈRE , welcher zuerst den Plan eines Ho spitals in der Wildniss gefasst hatte , war ein sinnloser Enthusiast, welcher jeden Vernunftgrund gegen die ihn beherrschenden Träume als eine Sünde verwarf; doch ein vernünftiges und praktisches Element mischte sich in die Das Beweggründe derer , welche den Plan ausführten . Hospital war nicht nur dazu bestimmt, kranke Franzosen aufzunehmen , sondern auch kranke Indianer zu pflegen und zu bekehren , mit anderen Worten , es war ein Werkzeug des Glaubens . Von MAISSONNEUVE an bis auf den niedrigsten Tage löhner herab richteten diese eifrigen Colonisten ihre ganze Aufmerksamkeit auf das Werk der Bekehrung. Zu diesem Ende machten die Damen oft neun Tage hintereinander Pilgerfahrten nach dem Kreuz auf dem Gebirge, um Gott zu bitten , dass er die Heiden in seiner Hürde sammeln möge, Die Anstrengung war gross, und die Gefahr nicht minder ; so dass bewaffnete Männer sie stets zur Vorsicht

gegen die Irokesen begleiten mussten 291.

Die männlichen

244

Villemarie.

(1643–45.

Colonisten waren ebenso inbrünstig ; und häufig knieten fünfzehn oder sechszehn Personen auf einmal mit dersel ben menschenfreundlichen Bitte vor dem Kreuze 922. Die Gluth ihres heiligen Eifers ergiebt sich aus der Thatsache, dass diese frommen Ausflüge den grössern Theil des Tages verbrauchten, zu einer Periode, in welcher Zeit und Arbeit für die kleine Colonie von unberechenbarem Werthe waren . Ausser diesen Pilgerfahrten gebrauchten sie an dere Mittel und zwar sehr wirksame, um die Indianer an zuziehen und zu gewinnen . Sie boten ihnen Obdach, er nährten und kleideten sie bei fast jeder Gelegenheit. Wie wohl sie hauptsächlich von Lebensmitteln bestanden , die mit grossen Kosten aus Frankreich beschafft wurden, so war doch immer etwas für die hungrigen Wilden übrig, welche von Zeit zu Zeit nahe dem Fort sich lagerten. Wenn sie irgend einen überreden konnten , sich pflegen zu lassen , wurde er der zarten Sorge von Mademoiselle MANCE überwiesen ; und wenn eine Gesellschaft in den Krieg ging, so wurden ihre Frauen und Kinder bis zu ihrer Da diese Aufmerksamkeit für ihre Rückkehr verwahrt. Leiber den Gewinn ihrer Seelen bezweckte, so wurde sie mit fortwährendem Unterricht verbunden . Dieser übte sammt den übrigen Einflüssen des Ortes seine Wirkung aus , so dass einige bemerkenswerthe Bekehrungen stattfanden . Unter ihnen die des berühmten Häuptlings TESSONAT, oder , wie ihn die Franzosen nannten , LE BORGNE , eines listigen und unlenkbaren Wilden , den es ihnen zu ihrem eigenen Erstaunen zu zähmen und für den Glauben zu gewinnen gelang 293. Er wurde auf den Namen PAUL getauft und seine Squaw auf den Namen MADELAINE. MAISSONNEUVE belohnte ihn mit einem Gewehr und feierte den Tag durch einen Schmaus für alle anwesenden In dianer. Die Franzosen hofften , eine landwirthschaftliche An siedlung für die Indianer in der Umgegend von Ville marie zu bilden . Zu diesem Zweck sparten sie keine Mühen , gaben ihnen Werkzeuge und halfen ihnen die Felder bestellen. Es wäre ihnen gelungen , wenn nicht jene Pestbeule der Wildniss umherschwärmte, die Irokesen sie mit kleinen Angriffen geneckt und immer von Neuem die Algonquins voller Schrecken aus ihren Lagern ver

1643–45.]

Huronen und Irokesen .

245

trieben hätten . Wie wir gesehen haben , verstrich einige Zeit, bevor die Irokesen Villemarie entdeckten ; aber end lich eilten zehn flüchtige Algonquins , von einer Gesellschaft von ihnen gejagt, nach der befreundeten Niederlassung, wie nach einem sichern Zufluchtsort. Erst auf diese Weise wurden die erstaunten Verfolger ihre Existenz gewahr . Sie recognoszirten die Gegend und kehrten mit der Nach richt nach ihren Städten zurück 295. Von jener Zeit an hatten die Colonisten keine Ruhe mehr. Von jetzt an gab es für sie keine Fischerei- und Jagdausflüge, keine Spaziergänge in die Wälder und auf die Wiesen mehr . Die Männer gingen bewaffnet an ihre Arbeit und kehrten beim Läuten der Glocke in geschlossenen Gliedern auf einen Angriff vorbereitet zurück. Früh im Juni des Jahres 1643 kamen sechzig Hu ronen in Canots , zum Handel herabgefahren . Als sie den jetzt Lachine genannten , an dem Beginn der Strom schnellen von St. Louis und ein paar Meilen oberhalb Villemarie gelegenen Punkt erreichten , waren sie voller Bestürzung , als sie eine bedeutende irokesische Kriegs gesellschaft in einem hastig aus Stämmen und Baumzwei gen erbauten Fort entdeckten. Erstaunen und Schrecken schien sie bethört zu haben. Sie flohen weder noch kämpften sie , sondern begrüssten ihre eingefleischten Feinde, als ob sie Freunde und Bundesgenossen wären, erzählten ihnen , um ihre Gunst zu gewinnen , Alles , was sie von der französischen Niederlassung wussten , und drangen in sie , dieselbe anzugreifen , indem sie ihnen einen leichten Sieg in Aussicht stellten. Demgemäss de tachirten die Irokesen vierzig von ihren Kriegern . Diese überraschten sechs Franzosen bei der Arbeit, welche inner halb Schussweite vom Fort Holz fällten , tödteten drei von ihnen, machten die übrigen drei zu Gefangenen und kehrten triumphirend zurück . Die Gefangenen wurden mit · der gewöhnlichen Härte geknebelt ; die Huronen aber höhnten und beleidigten sie, ihren gefährlichen Ge fährten zu Gefallen . Ihre Gemeinheit half ihnen wenig ; denn in der Nacht nach einem Siegesschmaus , als die Huronen theils schliefen , theils nicht auf ihrer Hut waren , überfielen sie ihre Wirthe und tödteten oder nahmen den grössern Theil gefangen .

Die Uebrigen Aohen nach Ville

246

Villemarie .

[ 1644.

marie , wo sie , da die Kunde von ihrem Verrath noch nicht dahin gedrungen war, mit grosser Freundlichkeit aufgenommen wurden 296. Am nächsten Morgen brachen die Irokesen ihr Lager ab und nahmen ihre Gefangenen und die Felle mit sich, welche sie aus den huronischen Canots geplündert hatten. Wahrscheinlich hatten sie auch alle Briefe von den Mis sionären aus dem Huronenland , als auch eine Abschrift. ihrer Relation des verflossenen Jahres genommen und vernichtet . Von den drei französischen Gefangenen ent wischte einer und erreichte Montreal; die beiden übrigen wurden lebendig verbrannt. In Villemarie war es in der Regel gefährlich , jenseits des Festungsgrabens oder der Pallisaden des Hospitals hinauszugehen. Zuweilen lag wohl ein einsamer Krieger Tage lang ohne Schlaf und fast auch ohne Nahrung hinter einem Baumstamm im Walde oder einem dichten Dickicht verborgen, wie ein Luchs auf einen kühnen Umherzügler lauernd . Zuweilen lagen Gesellschaften von hundert oder mehr Kriegern in einem nahen Hinterhalt und sandten ein paar aus ihrer Mitte, um durch einen kleinen Angriff und scheinbare Flucht die Soldaten herbeizulocken . Die Gefahr wurde jedoch sehr verringert , als die Colonisten aus Frankreich eine Anzahl von Hunden erhielten, welche sich als treffliche Wächter und Kundschafter bewährten . Ueber den Instinkt dieser Thiere sprechen die zeitgenös sischen Geschichtschreiber mit Staunen. Der Anführer unter ihnen war eine Hündin Namens Pilot, welche jeden Morgen , von einem Trupp ihrer Nachkommenschaft be gleitet, die Runde durch die um das Fort gelegenen Wäl der und Felder machte. Wenn eines zurückblieb, biss sie es , um es an seine Pflicht zu erinnern ; und wenn welche sich verbargen und nach Hause liefen , bestrafte sie die selben nach ihrer Heimkehr streng in derselben Weise . Wenn sie die Irokesen entdeckte , was sie durch ihren Geruchssinn unfehlbar that , sobald sich welche in der von Nähe befanden , so bellte sie wüthend und rannte , den übrigen gefolgt, stracks in das Fort. Der jesuitische Chronist fügt mit ergötzlicher Naivität hinzu , dass , wäh rend dies ihre Pflicht war , « ihre natürliche Neigung die Eichhörnchen -Jagd gewesen sei 97.»

1

1

1644.]

Der Hund « Pilot » ,

247

MAISSONNEUVE war so tapfer wie ein Kreuzritter, wie er jemals für das heilige Grab in Palästina gekämpft hat ; aber er verstand seine Tapferkeit durch Verstand zu mäs sigen . Er wusste , dass er und seine Soldaten nur un zulängliche Waldleute waren ; dass ihr listiger Feind in Hinterhalten und Ueberraschungen unerreichbar dastand ; und dass , während eine Niederlage die Franzosen zu ver derben vermochte , ein Sieg von seiner Seite nur einen Feind reizen würde, dessen Hülfsquellen an Mannschaften Desshalb hielt er, unverhältnissmässig grösser waren . wenn die Hunde Allarm schlugen , seine Gefährten dicht beisammen und wartete geduldig einen Angriff ab . Sie grollten ungeduldig über diese fabianische Zauder-Politik und beschuldigten ihn endlich der Feigheit. Ihr Murren wurde lauter, bis es endlich bis zu MAISSONNEUVE's Ohren drang. Die Religion, die ihn beseelte, hatte nicht seinen soldatischen Stolz vernichtet , der so leicht und so rasch in einem männlichen Gemüthe Wurzel schlägt ; eine Be schuldigung der Feigheit von Seiten seiner eigenen Soldaten that ihm darum im Innersten seines Herzens weh . Er erkannte auch , dass eine solche Meinung über ihn noth wendig sein Ansehen schmälern und der zur Sicherheit der Colonie unentbehrlichen Disciplin schaden müsse . Am Morgen des 13. März hörte man Pilot mit un gewöhnlicher Wuth in dem Walde östlich vom Fort bel len ; und binnen weniger Minuten sahen sie die Hündin , von ihrer zur selben Zeit kläffenden Brut gefolgt, über die noch von Schnee bedeckte Lichtung laufen . Die erregten Franzosen schaarten sich um ihren Befehlshaber. « Monsieur , les ennemis sont dans le bois ; ne les irons -nous jamais voir ? 298. » Der sonst gesammelte und ruhige MAISSONNEUVE erwiderte scharf : « Ja , ihr sollt den Feind sehen . Macht euch sofort bereit und sorget dafür, dass ihr ebenso tapfer seid , als ihr es zu sein vorgebet . Ich werde euch selbst führen . » Alles war voller Beschäftigung im Fort . Gewehre wurden geladen , Pulvertaschen gefüllt, und Schneeschuhe von denen angebunden , welche solche besassen und zu gebrauchen verstanden . Es gab jedoch deren nicht ge nug, und viele mussten ohne sie gehen . Als Alles bereit

248

Villemarie .

( 1644.

war, zog MAISSONNEUVE an der Spitze von dreissig Mann aus , indem er D'AILLEBOUST mit den Uebrigen als Be satzung des Forts zurückliess. Sie überschritten die schneeige Lichtung und traten in den Wald , wo Alles still wie das Grab war. Sie drangen weiter vor , durch den tiefen Schnee watend, welcher zahllose Löcher unter. seiner Decke verbarg, als sie plötzlich von dem Geschrei von achtzig Irokesen begrüsst wurden 299 , welche aus ihren Verstecken hervorsprangen und eine Wolke von Kugeln und Pfeilen über die nahenden Franzosen aus schütteten. Ihre Lage erforderte Waldlist und nicht Rit Daher befahl MAISSONNEUVE seinen Leuten, terlichkeit. wie ihre Angreifer Schutz hinter den Bäumen zu suchen. Sie hielten lange Zeit muthig Stand ; aber die Irokesen bedrängten sie stark , drei von ihnen waren getödtet, andere verwundet , und ihr Schiessbedarf begann ihnen auszugehen . Die einzige Alternative hiess Vernichtung oder Rückzug ; und dieser war nicht leicht zu bewerk stelligen. Der Befehl dazu wurde gegeben . Obgleich die Leute anfangs ruhig waren , wurden sie doch bald ver wirrt und zu begierig, dem beschwerlichen Feuer, welches ihnen die Irokesen nachsandten, zu entgehen. MAISSON NEUVE führte sie nach einer Holzschleife, welche zum Her beischaffen von Holz für den Bau des Hospitals ge braucht worden war und wo der Schnee ihren Schritten nicht nachgab. Er selbst blieb bis zuletzt, seine Gefähr ten ermuthigend und die Verwundeten bei der Flucht unterstützend. Die Franzosen machten, als sie sich durch den Schnee arbeiteten , von Zeit zu Zeit Kehrt , und er widerten das Feuer, um die Verfolgung zu hemmen ; aber kaum hatten sie die Holzschleife erreicht , als sie ihrem Schrecken nachgaben und in einem Haufen nach dem Fort liefen . Die innen Befindlichen hielten, als sie diese verwirrte Menschenmasse in der Entfernung gewahrten , dieselben irrthümlicherweise für den Feind ; und ein über eifriger Soldat hielt die Lunte an eine Kanone , welche zur Bestreichung der Holzschleife gerichtet war. Hätte das Stück nicht wegen der Feuchtigkeit des Zündloches versagt, so hätte er mit dem einen Schuss mehr Unheil angerichtet , als die Irokesen während des Kampfes an jenem Morgen .

1614.)

Ausgang des Sturmes.

249

MAISSONNEUVE stand jetzt ganz allein . Er zog sich den Pfad hinab zurück und hielt mit einer Pistole in jeder Hand seine Verfolger im Schach. Sie hätten ihn leicht erschiessen können ; aber , da sie in ihm den Anführer der Franzosen erkannt hatten , war ihr ganzes Trachten darauf gerichtet, ihn lebendig gefangen zu neh men. Ihr Häuptling nahm diese Ehre für sich in An spruch und seine Gefährten blieben zurück, um ihm diese Gelegenheit zu geben . Er bedrängte MAISSONNEUVE sehr , der eine Pistole auf ihn losdrückte , die jedoch versagte . Der Irokese, welcher sich gebückt hatte, um dem Schuss zu entgehen, erhob sich und sprang vor, um ihn zu packen, als ihn MAISSONNEUVE mit seiner übrig gebliebenen Pistole erschoss . Hierauf folgte ein merkwürdiges , in Indianer schlachten nicht seltenes Schauspiel . Die Irokesen schie nen , in ihrer Besorgniss den Körper ihres Häuptlings zu sichern und davonzutragen , ihren Feind vergessen zu haben, so dass der französische Befehlshaber seinen Rück zug ungestört fortsetzen konnte , bis er sich unter dem Von diesem Schutz der Kanonen des Forts befand . Tage an war er in den Augen seiner Leute ein Held 300. Quebec und Montreal haben das Glück, grosse Män ner ihre Gründer zu nennen . Die Namen von SAMUEL DE CHAMPLAIN und CHOMEDEY DE MAISSONNEUVE gehören zu denen , welche mit unvergänglichem und herrlichem Glanze auf die Kindheit Canada's herabstrahlen.

Neunzehntes Kapitel. Friede.

1644 , 1645 .

Seine Heldenthaten . Irokesische Gefangene. PISKARET. Irokesische Gesandtschaft. Der Redner. Mehr Gefangene. Der grosse Rath . Reden KIOTSATON'S . Musterung der Wilden . Bestätigung des Friedens.

An einem feuchten und frischen Sommer-Morgen , als die Sonne noch nicht aufgegangen war , Strom und Himmel aber in der Herrlichkeit des nahenden Tages er glühten, wurden die Insassen des Forts zu Three Rivers durch das Rufen freudiger und frohlockender Stimmen geweckt. Sie drängten sich an's Ufer , - Priester , Sol daten, Händler und Offiziere, mit Kriegern und kreischen den Squaws vermischt, welche aus huronischen und algon quin'schen Lagern in den benachbarten Wäldern kamen. In der Nähe erblickten sie zwölf oder fünfzehn , langsam mit der Strömung des St. Lorenz herabtreibende Canots, welche von achtzig jungen Indianern bemannt waren . Alle sangen ihre Siegesgesänge und schlugen mit ihren Rudern im Takte mit ihren Stimmen gegen die Ränder ihrer aus Rinde gezimmerten Fahrzeuge . In ihrer Mitte standen drei irokesische Gefangene aufrecht da , welche laut und trotzig sangen , wie Männer, welche nicht die Marter oder den Tod fürchteten . Wenige Tage zuvor waren diese jungen , theilweise

1644.]

Die irokesischen Gefangenen .

251

huronischen , theilweise algonquin'schen Krieger auf den Kriegspfad nach dem Richelieu gegangen , wo sie sich plötzlich von verschiedenen irokesischen Banden umzin gelt sahen . Sie zogen sich nach einem Kampfe, den sie in der Dunkelheit mit einem irokesischen Canot geführt hatten , unter dem Schutz der Nacht zurück und hatten, als sie sich dem Fort Richelieu näherten, das gute Glück, zehn ihrer Feinde zu entdecken, welche, in einem Haufen von Büschen und umgestürzten Bäumen verborgen, darauf warteten , einigen Soldaten auf ihrem Morgenbesuch bei den Fischnetzen im nahe gelegenen Fluss aufzulauern . Sie nahmen drei von ihnen gefangen und brachten sie triumphirend heim . Die Sieger landeten unter lautem Jubelruf. Zwei von den Gefangenen wurden den Huronen zugetheilt , der dritte aber den Algonquins, welche ihn sofort nach ihren Hütten , nahe dem Fort von Three Rivers, brachten und ihre gewöhnliche « Liebkosung » begannen, indem sie seine Füsse mit roth glühenden Steinen verbrannten und seine Finger abschnitten . Der Commandant CHAMPFLEUR ging zu ihnen und brachte sie durch seine dringende Ein sprache endlich dahin , dass sie ihr Opfer nicht weiter misshandelten , bis der Gouverneur MONTMAGNY ankäme, Dieser eilte mit aller Schnelligkeit herbei , nicht gänzlich aus Menschenfreundlichkeit, sondern auch theilweise in der Hoffnung , dass die drei Gefangenen als Werkzeuge zur Herbeiführung eines Friedens mit ihren Landsleuten gebraucht werden könnten . Ein Rath wurde in dem Fort von Three Rivers ab gehalten . MONTMAGNY machte den Algonquins und Hu ronen werthvolle Geschenke , um sie zu bestimmen , ihm die Gefangenen zu übergeben . Die Algonquins willigten ein ; und der unglückliche, zerschlagene, verkrüppelte und versengte Irokese wurde den Franzosen ausgeliefert, die ihn mit der grössten Freundlichkeit behandelten . Aber weder des Gouverneurs Geschenke noch seine Bered samkeit vermochten , die Huronen zur Nachahmung des Beispiels ihrer Bundesgenossen zu bestimmen . Sie kehr ten mit ihren beiden Gefangenen nach ihrem Lande zu rück, jedoch mit dem Versprechen , sie nicht zu ver brennen , sondern zu Friedensunterhandlungen zu be

252

Friede .

[ 1644 .

nutzen.

Mit diesem Versprechen , welches so gut wie nichts werth war, musste sich MONTMAGNY begnügen 301. Es scheint also auch selbst den Irokesen nicht im mer das Kriegsglück gelächelt zu haben . In der That hatte es , wenn man den indianischen Ueberlieferungen Glauben schenken darf, kaum vor einem halben Jahrhun dert eine Zeit gegeben , zu der die Mohawks , vielleicht die wildeste und stolzeste unter den verbündeten Natio nen , fast von den jetzt verachteten Algonquins aufgerie Dieses Volk , dessen geringere ben worden wären 302. Bedeutung hauptsächlich aus dem Mangel an einer festen Organisation herrührte, in welcher die Stärke der Irokesen lag, hatte noch nicht seinen alten kriegerischen Geist ver loren ; und es besass einen Vorkämpfer , vor dem selbst die kühnen Verbündeten erzitterten . Er hiess PISKARET. Er wohnte auf jener grossen Insel des Ottawa , deren Häuptling LE BORGNE war. In der Hoffnung, die Gunst und das Wohlwollen der Franzosen zu gewinnen , und vielleicht auch im Hinblick auf das Gewehr und Pulver horn , welche die irdische Belohnung des Bekehrten bil deten , war er vor Kurzem Christ geworden, ein Schritt, der jenem ehrgeizigen Indianer nur zum Vortheil ge reichte 303 Die Sage erzählt merkwürdige Geschichten von seinen Heldenthaten. Einst, so hiess es, trat er bei Nacht in eine irokesische Stadt ein. Seine erste Sorge bestand darin , einen Versteck zu suchen , welchen er inmitten eines grossen Holzhaufens fand 304. Zunächst kroch er in eine Hütte, und da er die Insassen schlafend vorfand , erschlug er sie mit seiner Kriegskeule , nahm ihre Skalpe und zog sich still in sein Versteck zurück. Am nächsten Morgen erhob sich von Seiten der erstaun ten Dorfbewohner ein Schrei der Klage und der Wuth. Sie durchstreiften vergeblich Felder und Wald nach dem geheimnissvollen Feind. Dieser blieb inzwischen den ganzen Tag im Holzhaufen , aus dem er um Mitternacht hervorkroch , um seine vorige That zu wiederholen. In der dritten Nacht stellte jede Familie ihre Wachen aus . PISKARET gewahrte, heimlich von Hütte zu Hütte krie chend , als er durch die Ritzen in der Rinde blickte, überall Wächter. Endlich sah er einen , der nahe am Eingang einer Hütte eingeschlafen war, obwohl sein Ge

1644.)

Piskaret's Heldenthaten .

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fährte an dem andern Ende noch wachte und aufpasste. Er stiess das als Thür dienende Rindenstück bei Seite, versetzte dem Schläfer einen tödtlichen Streich , stiess seinen Kriegsruf aus und entfloh mit Windeseile . Das ganze Dorf eilte ihm in wüthender Jagd nach ; aber PISKARET war der schnellste Läufer seiner Zeit und be hielt leicht einen Vorsprung über seine Verfolger. Als der Tag graute , zeigte er sich von Zeit zu Zeit, um sie weiter zu locken, rief ihnen verächtlich zu und legte dann wieder einen Zwischenraum zwischen sich und seine Ver folger. Als die Nacht einbrach , hatten Alle, mit Ausnahme von sechs , die Jagd aufgegeben ; und selbst diese hatten bei ihrer Erschöpfung angefangen zu verzweifeln . PISKA RET erblickte einen hohlen Baum , kroch wie ein Bär in lenselben hinein und versteckte sich ; während die Iro kesen in der Dunkelheit ihre Spur verloren und sich in der Nähe schlafen legten. Um Mitternacht kam er aus seinem Versteck hervor , näherte sich leise seinen schla fenden Feinden, erschlug sie alle geschickt mit seiner Kriegskeule und kehrte alsdann , mit einem hübschen Bündel Skalpe beladen , triumphirend heim 305. Dieses ist nur eine der verschiedenen Geschichten, welche die Sage von seinen Thaten erhalten hat. Selbst wenn wir alle ihre Uebertreibungen abziehen, so steht doch so viel fest , dass der listige und tapfre Algonquin das Muster eines indianischen Kriegers war. Das Fol gende beruht auf bedeutend sichererer Grundlage. Zu Anfang des Frühjahrs 1645 machte sich PISKA RET mit sechs anderen bekehrten Indianern , von denen einige bessere Christen waren als er selbst, zu einem Kriegszug auf den Weg , und nachdem sie ihre Canots über den gefrorenen St. Lorenz geschleppt hatten, machten sie dieselben wieder auf dem offenen Richelieu flott. Sie fuhren den Champlain - See hinauf und versteckten sich in den nackten Wäldern einer grossen Insel , geduldig auf ihre menschliche Beute wartend. Eines Tages vernahmen sie einen entfernten Schuss . « Kommt, Freunde , » sprach PISKARET, « lasst uns essen ; vielleicht geschieht es zum letzten Mal , denn wir müssen eher sterben als fliehen . » Nachdem die philosophischen Krieger nach Herzenslust gespeist hatten, rüsteten sie sich zum Kampf. Einer ging

254

Friede.

[1645.

auf Kundschaft aus und kehrte bald mit der Nachricht zurück , dass sich zwei Canots voller Irokesen der Insel näherten . PISKARET und seine Gefährten duckten sich an dem Punkte, nach welchem die Canots fuhren , in die Büsche . Als das vorderste herankam , wählte sich jeder sein Ziel und feuerte mit solchem Erfolg, dass von sieben Kriegern alle bis auf einen getödtet wurden. Der Ueber lebende sprang über Bord und schwamm nach dem an dern Canot, welches ihn aufnahm . Es enthielt jetzt acht Irokesen , die, weit entfernt davon, zu fliehen , hastig nach einem entfernten Theil des Ufers ruderten, um zu landen, zu kämpfen und ihre getödteten Gefährten zu rächen. Aber die Algonquins liefen durch die Wälder und er reichten vor ihnen den Landungsplatz. Als sich einer zum Feuern erhob, erschossen sie ihn. Im Fallen machte er das Canot kentern. Das Wasser war seicht und die untergetauchten Krieger fanden alsbald Grund , wateten dem Ufer zu und setzten sich mit Verzweiflung zur Wehr. Die Algonquins hatten jedoch die bessere Stellung inne und machten so guten Gebrauch davon , dass sie von ihren Feinden alle bis auf drei tödteten und von den Ueberlebenden zwei gefangen nahmen . Zunächst suchten sie die Körper auf, skalpirten sie sorgfältig und machten Ihren Jesuiten sich triumphirend auf den Heimweg. Lehrern zu Ehren sei es gesagt , dass sie ihre Gefange nen mit einer bisher beispiellosen Rücksicht behandelten . Einer von ihnen , der trotzig Schmähungen ausstiess, erhielt einen Schlag , um ihn zum Stillschweigen zu brin gen ; aber keinem widerfuhr irgendwelche unwürdige Be handlung 306 Als sich die erfolgreichen Krieger der kleinen Mis sions -Niederlassung Sillery näherten , welches unmittelbar oberhalb Quebec lag, stimmten sie einen Triumphgesang an und schlugen mit ihren Rudern auf die Ränder ihrer Canots Takt ; während von elf hohen Stangen elf frische Skalps im Winde flatterten . Der Jesuitenpater und seine ganze Heerde waren am Ufer versammelt, um sie zu be grüssen . Die Indianer feuerten ihre Gewehre ab und kreischten vor Vergnügen ; ein gewisser JEAN BAPTISTE, ein christlicher Häuptling von Sillery, hielt vom Ufer aus eine Rede ; PISKARET antwortete aufrecht in seinem Canot

1645. )

Die Friedensbotschaft.

255

dastehend ; und , um der Feier die Krone aufzusetzen , feuerte eine in der Eile aus Quebec entsandte Abtheilung Soldaten zum grenzenlosen Entzücken der Indianer eine Gewehrsalve ab . Sehr zum Erstaunen der beiden Gefan genen fand kein Spiessruthenlaufen , kein Abnagen der Fingernägel oder Abschneiden der Finger statt ; aber die Skalps wurden wie kleine Fahnen über die Eingänge der Hütten gehängt , und ganz Sillery schmauste und freute sich 307. Eine alte Frau zwar kam mit der pathetischen Bitte zum Jesuiten : « O mein Vater ! Lass mich diese Ge fangenen etwas liebkosen : Sie haben meinen Vater, mei nen Mann und meine Kinder getödtet, verbrannt und ge gessen. » Doch der Missionar antwortete mit einem Vor 308 trag über die Pflicht der Verzeihung Am nächten Tage kam MONTMAGNY nach Sillery , wo im Hause der Jesuiten eine grosse Berathung statt fand . PISKARET überlieferte mit einer feierlichen An sprache seine Gefangenen dem Gouverneur , der mit einer Beglückwünschung und einem reichen Geschenk antwor tete . Die beiden Irokesen waren zugegen und sassen mit einer scheinbaren Unbeweglichkeit, aber in Wirklichkeit mit grosser Herzensangst dabei . Als sie endlich begriffen , dass sich ihr Leben in Sicherheit befinde , erhob sich einer von ihnen , ein Mann von grosser Gestalt und Eben maass des Wuchses , und redetė MONTMAGNY also an : « ONONTIO 309 , ich bin vom Feuer errettet ; mein Körper ist vom Tode erlöst , ONONTIO , du hast mir das Leben geschenkt. Ich danke dir dafür. Ich werde es nie vergessen. Mein ganzes Vaterland wird dir dankbar sein . Die Erde wird erglänzen ; der Fluss ruhig und glatt sein ; es wird Friede und Freundschaft herrschen zwischen uns. Nicht länger bedeckt Schatten meine Au gen. Die Geister meiner , von den Algonquins erschla genen Ahnen sind verschwunden . ONONTIO , du bist gut : Wir sind schlecht. Aber mein Zorn ist dahin ; mein Herz verlangt nur nach Friede und Freude. » Als er dieses sprach , begann er zu tanzen , indem er seine Arme aus breitete , als ob er den Himmel anredete. Plötzlich ergriff er eine Axt , wirbelte sie einen Augenblick lang wie ein Besessener ' und schleuderte sie alsdann mit den Worten in's Feuer : « Also lege ich meinen Zorn ab ! Also werfe

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Friede.

[1645.

ich die Blutwaffen von mir ! Lebe wohl , Krieg ! Jetzt bin ich dein Freund für immer ! 3 10. » . Man erlaubte den beiden Gefangenen nach Belieben in der Niederlassung umherzustreifen , da sie durch ihr indianisches Ehrgefühl von der Flucht abgehalten wurden. MONTMAGNY schickte sie bald darauf nach Three Rivers, wo sich der im vorigen Sommer gefangen genommene Irokese den ganzen Winter aufgehalten hatte . Der Com mandant CHAMPFLEUR erhielt jetzt den Befehl, ihn auszu rüsten und mit der Botschaft an seine Nation nach Hause zu schicken, dass ihm ONONTIO sein Leben schenke, und dass er noch zwei Gefangene in seiner Gewalt habe, die er ihnen ebenfalls ausliefern würde , wenn sie diese Gelegenheit benutzen wollten , um mit den Franzosen und ihren indianischen Bundesgenossen Frieden zu schliessen. Dies geschah Ende Mai. Am fünften Tage des fol genden Juli erschien der befreite Irokese wieder in Three Rivers und brachte zwei angesehene Männer als Gesandte der Mohawk-Nation mit. Es gehörte noch ein vierter zu der Gesellschaft. Als sie sich näherten , erkannten die am Ufer befindlichen Franzosen zu ihrer grossen Freude GUILLAUME COUTURE in ihm, den jungen Mann, der vor drei Jahren sammt Pater JOGUES gefangen genommen und schon lange als todt aufgegeben worden war. In seiner Kleidung und seinem Aeussern war er ein Irokese. Er hatte über seine Gefangennehmer grossen Einfluss gewonnen , und diese Friedensgesandtschaft war haupt sächlich seiner Ueberredungskunst zu verdanken 311 Der Häuptling der Irokesen, K10TSATON, ein hochge wachsener Wilder, der von Kopf bis Fuss mit Wampum gürteln bedeckt war , stand aufrecht im Vordertheil des Segelschiffes da , welches ihn und seine Gefährten vom Richelieu gebracht hatte , und kündigte sich mit lauter Stimme als den beglaubigten Abgesandten seines Volkes an . Das Boot feuerte einen Böller ab, das Fort antwor tete mit einem Kanonenschuss , und die Gesandten lan deten in vollem Staate. KioTSATON und sein Gefährte wur den nach dem Zimmer des Commandanten geführt. Hier wurden sie auf dem Boden sitzend reichlich bewirthet und in gehöriger Reihenfolge mit Tabakspfeifen versehen .

(

1645.]

Die irokesischen Gesandten.

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Sie hatten noch nie in ihrem Leben einen solchen Grad von Civilisation gesehen und waren von ihrer Bewirthung entzückt.